Kampf um Florenz - Die Medici im Exil (1494-1512)
 9783412213558, 9783412206437

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Götz-Rüdiger Tewes

Kampf um Florenz – Die Medici im Exil (1494–1512)

2011 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Ausschnitt aus „Die Begegnung Leos I. mit Attila“, 1512/14. Fresko, Breite 750 cm. Rom, Vatikan, Stanza di Eliodoro. © akg-images / Pirozzi Die Szene zeigt Giovanni de’ Medici bzw. Papst Leo X. als Leo I. in Begleitung zweier Kardinäle, die als Bernardino Carvajal und Federico Sanseverino identifiziert werden können (vgl. im Buch S. 1082–1084).

© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20643-7

Inhalt Vorwort .......................................................................................................................... XIII Einleitung ....................................................................................................................... – Forschungsinteresse und -lage .................................................................................... – Die Quellen und ihre Problematik ............................................................................... – Netzwerkforschung als methodischer Schlüssel .........................................................

1 1 4 8

I. Die Exilierung ....................................................................................................... 13 1. Der Beginn des Ruins ....................................................................................... a) Frankreich ante portas: Der Griff nach Neapel ............................................. b) Piero de’ Medici als neuer Herrscher von Florenz ....................................... c) Piero de’ Medici als „Sohn“ Virginio Orsinis .............................................. d) Zurückweisung der alten Verbündeten ......................................................... 2. Der Sommer 1494: Antagonistische Kräfte ...................................................... a) Guillaume Briçonnet, die Capponi und die Ausweisung der Lyoner Medici-Bank ............................................................................... b) Graf Philippe de Bresse, Herzog Ludwig von Orléans und Pieros Bankiers mit dem Versuch seiner Rettung ................................. – Die Medici und Savoyen ............................................................................... – Ein unbekannter Medici-Kredit für Frankreich ............................................ – Die Initiative des Philippe de Bresse: Zwischen Neapel, Florenz, Mailand und Frankreich ................................... c) Pieros kleines Canossa: Sein Gang zu Karl VIII. ......................................... 3. Die Katastrophe: Flucht und Exilierung der Medici ......................................... a) Zeichen der neuen Machtverhältnisse .......................................................... b) Die Flucht der Medici .................................................................................. c) Die Mediceer im Florentiner Hexenkessel ................................................... d) Der Einsatz der Medici-Freunde bei König Karl VIII. ................................. 4. Die Säulen des exilierten Hauses Medici: Die Medici-Bank und der Mediceer-Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini, der Kardinal Federico Sanseverino und das römische Hochadelsgeschlecht der Orsini ......................

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VI

Inhalt

II. Tarnen und Täuschen: Das ökonomische Netzwerk der Mediceer (1478–1498) ............................................................................. 91 1. Der Bankier und Familienvater Lorenzo de’ Medici: Die Vorsorge des Magnifico ............................................................................. 91 2. Die Struktur der Medici-Bank .......................................................................... 95 a) Rechtlicher Aufbau ....................................................................................... 95 b) Die getarnten Bankgesellschaften des Lorenzo de’ Medici: Bartolomeo Bartolini e compagnia in Florenz und Lyon ............................. 96 – Die Florentiner Bartolini-Bank, ihre Partner und ihre Synthese mit staatlichen Institutionen ........................................................................... 97 – Die Lyoner Bartolini-Bank ............................................................................ 109 – Mitarbeiter und Geschäftsbereich .................................................................. 112 – Neue Schichten der Täuschung: Giuliano da Gagliano als Leiter der Lyoner Bartolini-Bank und sein Freund „G“ in Florenz ......................... 121 – Giovanbattista di Marco Bracci, der Generalmanager der Medici-Bank ...... 124 c) Ein weiteres Vermächtnis des Lorenzo il Magnifico: zwei unbekannte botteghe ............................................................................ 127 – Ein Bankier Lorenzos: Lanfredino di Jacopo Lanfredini ............................... 129 d) Giuliano da Gagliano: Kompetenzen ............................................................ 130 3. Die erzwungene Abwicklung der Medici-Bank: Eine Herausforderung für die Mediceer-Bankiers ............................................ 142 a) Die Tornabuoni und die Medici-Bank .......................................................... 142 – Leonardo di Zanobi Bartolini als Mitglied der Tornabuoni-Familie ............. 145 b) Die Syndizi der Medici-Rebellen ................................................................. 146 c) Die Übernahme der Medici-Banken in Neapel und Rom durch die Tornabuoni – und eine entscheidende Irreführung ....................... 151 d) Die Bürgen der Tornabuoni .......................................................................... 159 e) Giovanbattista Bracci und die Florentiner Medici-Erben-Bank ................... 163 – Mitarbeiter und Geschäfte ............................................................................. 167 f) Piero de’ Medicis Bank in Pisa ..................................................................... 173 g) Die Florentiner Goldschlägergesellschaft der Medici und ihre Geschäfte mit der Medici- und Bartolini-Bank in Lyon (1494–1496) .......................... 176 – Die Ausweisung der Bartolini-Bank aus Lyon .............................................. 179 – Bartolomeo Bartolinis Lyoner Mission im Januar 1495 ................................ 181 – Nach dem Desaster: Finanz- und Warengeschäfte zwischen Florenz und Lyon .......................................................................... 185 – Hochrangige Geschäftsfreunde am französischen Hof .................................. 192 – Mitarbeiter: Giuliano Biliotti und Domenico Perini ...................................... 194 – Filippo da Gagliano: Bekenntnisse und Langeweile eines geflüchteten Medici-Bankiers ............................................................... 195

Inhalt

VII

h) Die Anklage: Der Betrug der Tornabuoni bei der Liquidation der römischen Medici-Bank ......................................................................... 205 – Das Wollgeschäft der römischen Medici-Bank ............................................. 207 – Nofri Tornabuoni und Leonardo di Zanobi Bartolini als Betrüger in Rom im Spiegel einer anonymen Denunziation ........................................ 209 – Die Gegenklage der Tornabuoni-Vertreter .................................................... 214 – Schweres Denunziantengeschütz gegen Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci als Leiter der Florentiner Medici-Erben-Bank ........... 219 i) Die Seidengesellschaft der Medici und ihre Verbindung zur Bartolini-Bank ....................................................... 229 4. 1496/98: Die Florentiner Mediceer transformieren die Medici-Banken in Lyon .............................................................................. 234 a) Der Kauf der Lyoner Medici-Bank .............................................................. 234 b) Die Gründung der Bank Leonardo di Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione ................................................................................... 236 c) Die neue Bank des Medici-Bankiers Bernardo de’ Rossi und ihre Partnerschaft mit der Bartolini-Bank .............................................. 242

III. Die Medici und der Hochadel: Sanseverino und Orsini ................... 251 1. Familiäre Vernetzung ....................................................................................... 252 2. Politische Verknüpfungen ................................................................................ 259 a) Frühe Kontakte der Medici mit den Orsini und Sanseverino ....................... 259 – Der Dichter Luigi Pulci als Bindeglied zwischen Roberto Sanseverino und Lorenzo de’ Medici ................................................................................ 262 – Dienste und Verwandtschaft (Roberto Sanseverino und Lorenzo de’ Medici)............................................. 263 b) Der Baronenkrieg im Königreich Neapel (1485/86) .................................... 266 c) Die Sanseverino und die Vorbereitung des französischen Marsches auf Neapel ..................................................................................................... 273 – Francesco di Paola ......................................................................................... 277 d) Die Sanseverino als Architekten der neuen Allianz Mailand-Frankreich .... 279 – Mailändischer Einflußversuch auf Piero de’ Medici 1494 ............................ 285 e) Politische Parteiungen: Guillaume Briçonnet gegen den „französischen“ Federico Sanseverino ................................................... 288 f) Erste Bindungen zwischen Piero de’ Medici und seinem Freund Federico Sanseverino .................................................................................... 300 3. Die Orsini und Medici (und Frankreich) .......................................................... 304 – Die Grafschaft Tagliacozzo und die Orsini ......................................................... 310 4. Federico Sanseverino und Virginio Orsini ....................................................... 316

VIII

Inhalt

IV. Piero de’ Medicis Kampf um Florenz ...................................................... 328 1. 1495–1496 ........................................................................................................ 328 a) Säbelrasseln mit Karl VIII., den Orsini, Siena, Mailand und Bologna ......... 328 b) Geheime Finanzhilfen für die exilierten Medici durch die Florentiner Medici-Erben-Bank .................................................... 361 – Die Beteiligten ............................................................................................... 362 – Ein anonymer Freund .................................................................................... 366 – Der Medici-Schatz: Kunst und antike Münzen werden zu Geld .................... 367 2. Das Jahr 1497: Hoffnung und Tragik ............................................................... 391 a) Die „französischen“ Orsini im Visier des Borgia-Papstes ............................ 391 b) Die römische Medici-Bank als ‚das Nest‘ – oder: Leonardo di Zanobi Bartolini als strategischer Kopf der Medici im Spiegel zeitgenössischer Briefe ................................................................ 398 c) Der Angriff ................................................................................................... 409 d) Der vermeintliche Sieg und seine Folgen ..................................................... 416 e) Der Verrat – mit instruktiven Einblicken in das Zentrum des Netzwerkes .. 428 f) Die Tragödie ................................................................................................. 437 g) Finanzielle Folgen ........................................................................................ 443 h) Francesco Naldini: Flucht, Todesangst und Verbannung eines weniger prominenten Medici-Bankiers – und die Juwelen des Medici-Schatzes ....... 446 3. 1498–1500: Frankreich als Antriebskraft ......................................................... 459 a) Nach dem Desaster: Die Medici in Rom ...................................................... 459 – Spannungen unter den Mediceern und der Verlust des Hauses am Campo dei Fiori ............................................................................................. 464 – Parteienkonflikte in Rom ............................................................................... 468 b) König Ludwig XII. von Frankreich: Neue Dynamik in Italien – neue Hoffnung für die Mediceer ....................... 470 – Giangiordano Orsini in Frankreich ................................................................ 473 c) Die venezianische Karte ............................................................................... 474 d) Von Venedig nach Frankreich ...................................................................... 485 e) Die „Europareise“ des Kardinals Giovanni de’ Medici ................................ 487 f) Der Loyalitätswechsel der Sanseverino: Von Mailand nach Frankreich ...... 494 g) Federico Sanseverino als Sachwalter Frankreichs in Rom ........................... 512 4. Das Medici-Netzwerk in Frankreichs Schoß: Krieg gegen Neapel und Kampf um die Restitution der Medici (1500–1503) .................................. 517 a) Kardinal Georges d’Amboise bindet die Medici an Frankreich ................... 517 b) Die Büchse der Pandora: Cesare Borgia als Verbündeter Frankreichs und der Medici ........................ 529 c) Leonardo di Zanobi Bartolini als Staatsfeind erneut im Visier der Florentiner – und eine Persönlichkeitsbeschreibung .............................. 545

Inhalt

IX

d) Ein großes Abkommen mit Frankreich, ein kleines mit der Borgia-Kurie ... 547 e) Finanzielle und politisch-militärische Aspekte des Restitutionsvertrags zwischen Frankreich und den Medici ........................................................... 550 – Einblicke in die Medici-Vertretung am französischen Hof ........................... 556 f) Florenz trotzt Frankreichs Pression ............................................................... 558 g) Neuer Anlauf, neue Gunst – wiederholte Vergeblichkeit ............................. 565 h) Die Orsini als Opfer der Borgia ................................................................... 576 i) Piero de’ Medicis Tod im Dienst der Franzosen ........................................... 584 j) Papstwahlen 1503: Kardinal Georges d’Amboise und die Medici ................ 587 – Federico Sanseverinos Rolle im Umfeld der Konklaven ............................... 596

V. Formen und Finassieren: Wirtschaft und Politik der Mediceer (1496–1512) ............................... 603 1. Die europäischen Bank- und Handelsgeschäfte der Mediceer-Firmen ............. 603 a) Leonardo di Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione ............................ 603 – Die Bartolini-Filiale in Mailand – und Frankreichs Finanzen ....................... 606 – Die Bartolini-Filiale in London ..................................................................... 616 b) Die Florentiner Lanfredini-Gesellschaft: Nachfolgerin der zentralen Medici-Erben-Bank ........................................... 620 – Die Lanfredini-Tochterbank in Rom: Giovanni Pandolfini e compagnia del fondaco di Roma als Erbin der denunzierten römischen Panciatichi-Bank ............................... 625 – Die römische Buonvisi-Gesellschaft als Tochter der Pandolfini-Bank ......... 629 – Die Integration des verbannten Francesco Naldini in Lyon .......................... 630 c) Die Lyoner Salviati-Gesellschaft als Mediceer-Großbank ........................... 639 – Die Teilhaber der Lyoner Salviati-Gesellschaft: Salviati, Lanfredini und Naldini .................................................................... 639 – Die Beteiligung der Lyoner Salviati-Gesellschaft und Bartolini-Bank an der Naldini-Gesellschaft in Toulouse ....................................................... 642 – Eine Mediceer-Agentur: Von der Perini-Gesellschaft zur Rossi-Fraschi-Gesellschaft ..................................................................... 644 d) Das europäische Handelssystem der Mediceer-Firmen ................................ 650 – Kredit- und Wechselgeschäfte ....................................................................... 650 – Warengeschäfte ............................................................................................. 653 – Versicherungen .............................................................................................. 656 – Deutsche als Partner und Schüler der Mediceer: Die Welser ........................ 660 – Das Levante-Syndikat ................................................. ................................... 666 – Das Alaunmonopol: Die Mediceer und Agostino Chigi ................................ 669

X

Inhalt

e) In Savoyen .................................................................................................... 688 – Finanz- und Warengeschäfte mit dem savoyischen Hof ................................ 690 – Das savoyische Postprivileg .......................................................................... 695 – Frankophiles Opfer politischer Gegensätze am savoyischen Hof .................. 696 – Verwurzelung in Savoyen ............................................................................. 699 – Vom Bankier der Medici zum Offizier Savoyens: Bernardo de’ Rossi ......... 709 2. Benefiziengeschäfte und Benefizienpolitik ...................................................... 716 a) Kardinal Giovanni de’ Medici als neues Medici-Oberhaupt: Strategiewechsel ........................................................................................... 716 b) Strategien zur Existenzsicherung eines exilierten „armen“ Kardinals ......... 720 c) Abteien als Spiegel von Freundschaft und Verflechtung ............................. 729 – Morimondo oder: Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino ............... 729 – Dovadola oder: Giovanni de’ Medici und die Bartolini ................................ 734 – Entremont und Ugine oder: Federico Sanseverino und die Bartolini ............ 736 d) Vom Wert kurialer Freunde ......................................................................... 741 e) Kuriengeschäfte ............................................................................................ 752 f) Finanzadministration auf unbekannten Höhen: Die Bartolini-Bank und die Benefizien des Kardinals Federico Sanseverino, des Bischofs Thomas de Foix und des Abtes Lorenzo Bartolini ........................................ 760 – Frühe Verbindungen und Merkwürdigkeiten bei Benefiziengeschenken ...... 761 – Die Bartolini-Bank als Finanzverwalter und Benefizienpächter Federico Sanseverinos ................................................................................... 764 – Die Pacht von Entremont, Ugine und Tarbes und ein kleines Mediceer-Netz ...................................................................... 774 3. Politik der Florentiner Mediceer in und außerhalb von Florenz ....................... 779 a) Die Freundschaft zwischen Lanfredino Lanfredini und den Salviati ........... 779 b) Das Medici-Tornabuoni-Erbe und seine Mediceer-Prokuratoren ................ 781 – Die Rolle der Buonvisi-Gesellschaft in Lucca .............................................. 792 c) In der Höhle des Löwen ............................................................................... 797 d) Savonarolas Freunde: Die Mediceer um Lanfredino Lanfredini .................. 807 e) Salviati und Lanfredini vs. Piero Soderini, den neuen Herrscher von Florenz ................................................................. 817

VI. Giovanni de’ Medicis Balanceakt zwischen Papst Julius II. und Frankreich ............................................. 839 1. Julius II. als Freund Frankreichs und Förderer des Medici-Netzwerks (1503–1509) ................................................................. 840 a) An der Kurie ................................................................................................. 840 b) Außerhalb Roms ........................................................................................... 847

Inhalt

XI

c) Giangiordano Orsini als Schwiegersohn des Papstes, Schuldner der Medici – und der Coup mit Alfonsina Orsinis Mitgift ........................... 854 d) Frankreichs Triumph über Genua und latente Spannungen mit Julius II. .... 860 e) Der Krieg gegen Venedig ............................................................................. 864 2. Die Feindschaft zwischen Julius II. und Frankreich ......................................... 869 a) Erste Auswirkungen auf die Mediceer ......................................................... 869 – Die Verpachtung der Sanseverino-Benefizien im Spiegel des päpstlich-französischen Konfliktes ......................................................... 875 b) Die Mediceer und die beginnende Kirchenspaltung ..................................... 876 c) Der päpstlich-mediceische Attentatsversuch auf Piero Soderini, den Regenten von Florenz ............................................................................ 880 d) Federico Sanseverino, das schismatische Konzil von Pisa und sein Nutzen für die Medici .................................................................... 892 e) Die Bartolini-Bank als Finanzier des Schismatikers Federico Sanseverino . 903 3. Die Freunde am Scheideweg? Giovanni de’ Medici als Legat Julius’ II. – Federico Sanseverino als Legat des schismatischen Konzils ............................ 906 a) Vorteile der Papstnähe Giovannis für die Mediceer ..................................... 906 b) Der Handel des Papstes: Florenz für Bologna .............................................. 908 c) Leonardo di Zanobi Bartolini und die Bewältigung des Alltäglichen während der Medici-Legation ....................................................................... 914 – Logistik .......................................................................................................... 915 – Die Freundschaft der Mediceer zum ungarischen Kardinal Thomas Bakócz 916 – Finanzen und Hierarchien ............. ................................................................. 917 – Mediceer „dritter Güte“: Das Beispiel Simone und Antonio da Ricasoli ...... 918 – Leonardo Bartolini, die römischen Gärten Giovanni de’ Medicis und weitere Immobilien der Medici .............................................................. 921 – Geheimhaltung .............................................................................................. 924 d) Die Freunde als exponierte Gegner: Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino vor der Schlacht von Ravenna ............................ 927 – Eine Sanseverino-Abtei für den Medici-Intimus Bernardo Dovizi da Bibbiena ........................................................................ 933 e) Die Schlacht von Ravenna ............................................................................ 937 f) Giovanni de’ Medici als Gefangener Federico Sanseverinos in Mailand ..... 940 g) Die Flucht des Giovanni de’ Medici aus der Gefangenschaft: göttliches Wunder oder Freundschaftsakt eines schismatischen Kardinals? 943 – Das Wunder in der Kunst und ein schismatischer Kardinal als rettender Engel ......................................................................................... 944 h) Freunde in Modena und Mantua .................................................................. 951 4. Der Marsch auf Florenz .................................................................................... 954

XII

Inhalt

VII. Der Sieg der Mediceer .................................................................................. 958 1. Der Machtwechsel in Florenz ........................................................................... 958 – Die Herrschaft der Söhne und Väter ................................................................. 968 2. Die Finanzen: Das A und O der Medici-Herrschaft – und Proprium eigentlicher Mediceer-Freundschaft ................................................................. 977 a) Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Bracci als Finanziers des Staates ............................................................................. 977 b) Leonardo di Zanobi Bartolini als Generalprokurator und Bankier des Kardinals Giovanni de’ Medici und sein Einfluß auf die Nachfolge Julius’ II. ..................................................................................... 983 3. Das finanzielle Erbe der Medici: Leonardo di Zanobi Bartolini und die Florentiner Lanfredini-Bank ................................................................ 991 4. Von ‚Nutzen und Ehre‘, oder: Das Eigeninteresse der Mediceer-Bankiers . 1011 a) Das Problem der gepachteten Sanseverino-Benefizien in Oberitalien .... 1016 b) Der „Manager“ Leonardo di Zanobi Bartolini: Alaun, Kredite und Zehnte 1029 – Die päpstliche Alaunverpachtung 1513 .................................................... 1030 – Der Alaunnachlaß des Leonardo di Bartolomeo Bartolini ........................ 1032 – Das Interesse des Leonardo di Zanobi Bartolini an Chigis Alaun ............ 1034 c) Das Pandolfini-Finanzgeschäft ................................................................ 1043 d) Leonardo di Bartolomeo Bartolini: Eine Würdigung .............................. 1048 5. Die Medici zwischen Spanien und Frankreich: Von der Brüskierung neuer und der Umarmung alter Freunde ................... 1052 a) Die wundersame Rehabilitierung des Federico Sanseverino ................... 1054 b) Frankreichs Abkehr vom schismatischen Pisanum und die Rolle des Mediceer-Netzwerkes ................................................. 1068 c) Ein Porträt Federico Sanseverinos durch Raffael: Die Freundschaft als Versöhnung im Bild .............................................. 1082 6. Der Aufstieg der Medici in den europäischen Hochadel – und die Bedeutung alter Freunde wie Bernardo de’ Rossi ........................... 1084 – Luigi de’ Rossi ............................................................................................ 1098 7. Das Mediceer-Netzwerk als geformter Familienverbund ............................ 1101 – Netzwerktheorien, Freundschaftsformen und Rückblicke ........................... 1105 VIII. Resümee .........................................................................................................

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Abkürzungen ............................................................................................................. Tafeln I: Verwandtschaftliche Zusammenhänge zentraler Mediceer ...................... II: Versuch einer Rekonstruktion von Mediceer-Gesellschaften .................. Ungedruckte Quellen ................................................................................................ Gedruckte Quellen und Literatur .............................................................................. Register .....................................................................................................................

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Vorwort Als ich vor Jahren auf den Florentiner Leonardo di Zanobi Bartolini als Bankier des ersten Medici-Papstes Leo X. stieß und mir die Frage stellte, in welchem Verhältnis der Medici als Sproß einer der größten europäischen Bankiersfamilien zu diesem so gut wie unbekannten Bartolini gestanden haben wird, wie dieser zu seiner außergewöhnlichen Stellung kam, wurde mir rasch klar, daß solche und sich daran anschließende Fragen nicht ohne eine gründliche Erforschung der dem Medici-Pontifikat vorausgegangenen 18-jährigen Exilszeit der Medici beantwortet werden könnten. Sich diesem langen Medici-Exil zuzuwenden sah ich als reizvolle und herausfordernde Aufgabe an, zumal es von der umfangreichen Medici-Forschung stiefmütterlich behandelt wurde. Welche Arbeit vor mir lag, konnte ich anfangs nicht ahnen; sie trotzdem zu beenden wurde mir ein Anliegen, je länger ich mich mit dieser immer spannender werdenden Thematik beschäftigte. Ebenfalls nicht absehbar war am Beginn, wie sehr die Wirtschaft die Exilsperiode prägte und beeinflußte. Sie ist unauflöslich mit den politischen und sozialen Entwicklungen verflochten, konnte deshalb auch nicht separat behandelt werden – die eine Dimension ist ohne die andere nicht zu verstehen. Allerdings können speziellere wirtschaftshistorische Fragen nicht so eingehend erörtert werden, wie sich das mancher Wirtschaftshistoriker vielleicht wünschen wird. Vieles bleibt allerdings auch aus quellenimmanenten Gründen verschlossen: Umfassende Transparenz und Systematik war nicht das Ziel der Mediceer-Bankiers und konnte es auch nicht sein, vor allem nicht gegenüber den außenstehenden, in der Regel feindlichen Zeitgenossen. Unter dem damaligen Zwang der Mediceer zur Verschleierung und Geheimhaltung leidet heute der Historiker, der deshalb vielfach nicht mehr als Indizienbeweise vorlegen kann. Mögen sich einige Details meiner Rekonstruktion des vor und während des Exils existenten bzw. errichteten Systems mediceischer Bank- und Handelsgesellschaften als irrig erweisen, das Gefüge scheint mir zu stimmen. In vielen Gesprächen und Korrespondenzen mit ausgewiesenen Fachleuten der (m. E. noch längst nicht hinreichend erforschten) Wirtschafts- und Bankengeschichte um 1500 habe ich hilfreiche Kritik, Korrekturen, Hinweise, Bestätigung und Ermunterung erhalten, insbesondere durch Peter Geffcken, aber auch durch Kurt Weissen und Heinrich Lang. Kunsthistorische Bedeutungen und Zusammenhänge hat mir seit Jahren Michael Rohlmann vermittelt. Über Florentiner Besonderheiten informierte mich des öfteren Lorenz Böninger, Maurizia Cicconi half mir bei schwierigen Termini der italienischen und florentinischen Renaissancesprache, aus Rom unterstützte mich Andreas Rehberg mit Rat und Tat, mein Bruder Daniel erklärte mir aus volkswirtschaftlicher Perspektive ökonomische Phänomene und Spezialprobleme. Meine ersten, noch analogen Fotografien archivalischer Quellenschätze hätte ich ohne die Hilfe von Angelika Brockmann-Peschel nicht nutzen können. Der Mühsal einer Durchsicht und Korrektur von Manuskriptauszügen unterzogen sich in verschiedenen Phasen des Projektes Kerstin Hitzbleck, Kurt Weissen, Heinrich Lang und vor allem Peter Geffcken, der sich darüber hinaus in Zusammenarbeit

XIV

Vorwort

mit Sven Schmidt auch um die grafische Gestaltung der Tafeln im Anhang in besonderer Weise verdient gemacht hat. Arnold Esch und Eberhard Isenmann förderten die Drucklegung mit Gutachten. Die Mitarbeiter der konsultierten Archive und Bibliotheken in Florenz, Mailand, Pisa, Rom und Turin haben meine Arbeit in der bestmöglichen Form unterstützt. Ohne die hilfreiche, überaus gastfreundliche Bereitschaft von Lorenzo Bartolini Salimbeni, mir die Schätze seines Familienarchivs zu öffnen und zur Auswertung zur Verfügung zu stellen, wären zentrale Inhalte dieses Buches nicht möglich gewesen; ihm und seiner ganzen Familie gilt mein besonderer Dank! Die Gerda Henkel Stiftung förderte das Forschungsprojekt am Beginn mit einem zweijährigen Stipendium, aber auch danach durch Zuschüsse zu weiteren Archivreisen und einen Druckkostenzuschuß in großzügiger Weise. All den genannten Personen und Institutionen habe ich ganz herzlich zu danken – und viel zu verdanken! Gewidmet sein soll dieses Buch, dessen wurde ich mir immer gewisser, zwei außergewöhnlichen Gestalten dieser Exilsgeschichte, deren Schaffen und Bedeutung zu Unrecht bisher nicht gewürdigt worden ist: Leonardo di Zanobi Bartolini und Leonardo di Bartolomeo Bartolini. Denn auf ihren Leistungen fußen wesentliche Arbeitsprozesse und Ergebnisse meiner Arbeit. Wer das ganze Buch liest, wird meine Entscheidung nachvollziehen können.

Lindlar, im Oktober 2010

Götz-Rüdiger Tewes

Einleitung Forschungsinteresse und -lage Als Giovanni de’ Medici, der zweitgeborene Sohn von Lorenzo dem Prächtigen, als erster des Hauses Medici am 9. März 1513 zum Nachfolger von Papst Julius II. gewählt worden war, benötigte dieser nun als Leo X. regierende Papst in kürzester Zeit gewaltige Geldmengen. Das war an sich nicht ungewöhnlich für neue Päpste. Überaus erstaunlich war jedoch die Höhe der Kredite und die Tatsache, daß ein einziger Mann sie alle aus eigenen Mitteln bereitstellte: der Florentiner Leonardo di Zanobi Bartolini. Bisher weitgehend unbekannt, war er seit langem der Bankier Giovannis und der Medici, doch er handelte für die Außenstehenden als ein Bankier ohne Bank. Neben Bartolinis hoher Kapitalkraft erscheinen seine ungewöhnlich eigenmächtigen und umfassenden Kompetenzen bei der Kredittilgung und die in einem Fall außergewöhnliche, exklusive Verknüpfung mit den Finanzen des französischen Königreichs seltsam.1 Denn Frankreich hatte sich zu diesem Zeitpunkt nach einem erbitterten kriegerischen und kirchenpolitischen Konflikt mit Julius II. gerade erst mit dem Papsttum versöhnt. Der Bartolini hingegen konnte jenen (gemessen am Risiko) hohen Kredit nur dann durch französische Kurientaxen tilgen lassen, wenn er in vorausgegangenen Verhandlungen das Einverständnis des Königs erlangt hatte. Außerdem mußte er in Frankreich hervorragend organisatorisch verwurzelt sein. Dies alles konnte nur beschlossen werden und gelingen, wenn es auf den festen Fundamenten einer älteren Freundschaft zu Frankreich und einer hervorragenden Finanzorganisation ruhte, die vor dem Medici-Papat erbaut wurden, die also mindestens bis in die Exilszeit der Medici zurückreichten. Was wir hier mit wenigen Worten skizziert haben, möchten wir als Indikatorphänomen bezeichnen – eines jener singulären Phänomene, die aus sich heraus auf einen sie bedingenden grundlegenden Sachverhalt verweisen. Dieses Phänomen regte mich an, seinen Ursachen auf den Grund zu gehen, seine Substruktionen freizulegen, das lange Exil der Medici genauer in den Blick zu nehmen. Die Medici waren im November 1494 aus Florenz vertrieben und verbannt worden; ihr Exil endete erst im September 1512. Was geschah in jenen 18 Jahren, das es diesem Leonardo Bartolini erlaubte, aus eigener Kraft die Finanzen des Medici-Oberhauptes zu gestalten? Wenn man aber erst den Fokus auf diesen Medici-Bankier richtet, kommt man unweigerlich zu der Frage, ob nicht auch andere Personen eine bedeutende Rolle für die exilierten Medici spielten. Und überhaupt – die ganz grundsätzliche Frage: Wie lebte eigentlich eine Familie im Exil, die über Jahrzehnte, genauer seit 1434, die faktische Herrschaft über Florenz, eine der führenden Mächte Italiens, ausgeübt hatte?

1

Diese Vorgänge werden unten in Kap. VII, bes. 2.b. und 5.b., ausführlich dargestellt; vgl. auch Tewes, Römische Kurie, bes. S. 278–294.

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Einleitung

Unter Cosimo de’ Medici, der 1434 nach seiner Rückkehr aus einem nur gut einjährigen Exil die Macht der Medici in und über Florenz begründete, unter seinem gichtbrüchigen Sohn Piero und seinem Enkel Lorenzo, der gewöhnlich als der Prächtige, der Magnifico, bezeichnet wird, hatte die Familie Medici jenes Ansehen erlangt, das sie bis heute zu einem jener Embleme für die italienische und europäische Renaissance werden ließ, welche die Welt faszinieren. Doch schon gut zweieinhalb Jahre nach dem Tod des Magnifico am 8. April 1492 werden die Medici gestürzt. Lorenzos ältester Sohn und Nachfolger Piero und dessen Brüder Giovanni und Giuliano müssen Florenz verlassen, begleitet von einigen Verwandten wie ihrem Cousin Giulio und weiteren Getreuen. Sie dürfen in Italien bleiben, aber nach 60 Jahren gewachsener Macht an der Spitze einer der reichsten und einflußreichsten Republiken Europas beginnt für sie nun eine völlig neue Existenzform außerhalb der Heimat. Nur wo, und wie? Über welche finanziellen Mittel verfügen sie und von wem erhalten sie, die dem Finanzgeschäft ihrer Vorfahren völlig entwachsen sind, das Geld? Wie verbringen sie ihre Zeit im Exil, womit beschäftigen sie sich, wie organisieren sie ihr Exildasein? Können sie, die das Befehlen gewohnt sind, noch handeln, verfügen sie über Handlungsspielräume, über Möglichkeiten einer Beendigung ihres Exils gar? Wenn ja, wer gibt sie ihnen? Besitzen die nun Machtlosen noch Freunde, auf die sie sich stützen können, die ihnen helfen? Und wenn ja, wie sieht diese Hilfe aus? Wem gehören die helfenden Hände und Köpfe? Dieses Exil wirft also aus sich heraus bereits eine Fülle von Fragen auf. Wir wissen jedoch, daß es trotz seiner langen Dauer nicht das Haus Medici ruinierte – was durchaus denkbar und möglich gewesen wäre –, daß es schließlich doch noch beendet werden konnte und zudem sofort wieder zu einer erneuten Herrschaft der Medici über Florenz führte und darüber hinaus sogar sieben Monate später zur ersten Regierung eines Medici über den Orbis christianus, über die papstchristliche Welt. Es ist einsichtig, daß nicht allein die Söhne Lorenzos ein solches Werk schaffen konnten. Gelingen konnte es nur mit einer breiteren Unterstützung guter Freunde, innerhalb eines so festen wie effizienten Verbandes, eines Netzwerkes. Eine solche Frucht reift, ein solch dichtes und tiefes Wurzelwerk wächst jedoch nicht in wenigen Tagen, Wochen oder Monaten heran. Blickt man, von diesen Überlegungen geleitet, in die Forschungsliteratur, ist man rasch ernüchtert und etwas verwundert. Es gibt zahllose hervorragende Studien zur Geschichte der Medici, zu ihrem Aufstieg, zu ihrer Herrschaft in Florenz seit dem 15. Jahrhundert, zu einzelnen Persönlichkeiten der Familie – wobei Lorenzo der Prächtige freilich das weitaus stärkste Interesse auf sich gezogen hat. Doch all diese Darstellungen enden mit dem Tod Lorenzos oder aber überspringen, wenn sie übergreifend angelegt sind, die Zeit des Exils 1494 bis 1512. Auch für das politische, religiöse und kulturelle Leben in Florenz, in der nun von den Feinden der Medici dominierten Stadt bzw. Republik, liegen einige exzellente Studien vor, wie etwa die von H. Butters und A. Brown oder die zahlreichen zu Savonarola, in denen es durchaus Bezüge zu den exilierten Medici gibt. Mir ist jedoch keine einzige Arbeit bekannt, die das Medici-Exil als solches systematisch untersucht hätte, weshalb es auch nicht in den Fokus der allgemeinen Exilsforschung geraten

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ist.2 Möglicherweise erschien es manchen nicht attraktiv genug, zu glanzlos. Doch wäre ja erst zu erweisen, daß diese exilierten Medici tatsächlich einen faktischen Großteil ihres Lebens (Piero starb bereits 1503, Giuliano 1516, Pieros Sohn Lorenzo 1519 und Giovanni 1521) taten- und erfolglos verbracht hatten oder daß sie von den allgemeinen Zeitläuften unbehelligt blieben, im Konzert der großen Mächte zum untätigen Zuschauen verdammt waren. Schon sehr grundsätzliche Sachverhalte und Überlegungen sprechen gegen ein bedeutungsloses Exil der Medici, gegen ihre Bedeutungslosigkeit in jener Zeit. Die Medici waren mehr als eine der vielen italienischen Familien des Mittelalters und der Renaissance, die infolge kommunaler Parteienkämpfe die Strafe der Verbannung zu erleiden hatten. Selbst nach 1494 ging es mit ihrer Person immer zugleich um die Republik Florenz, um einen der fünf mächtigsten Staaten Italiens und somit um einen wichtigen Baustein der europäischen Mächtepolitik. Dieses Exil traf Herrscher, keine privaten Bürger – und als solche würden sie nicht mehr zurückkehren, trotz entsprechender Vorschläge. Jede Entscheidung für oder gegen die exilierten Medici und jeder ihrer Schritte besaß demnach eine innen- wie außenpolitische Relevanz. Auf der kommunalen Ebene waren davon die Anhänger der Medici ebenso betroffen wie deren Feinde. Auch außerhalb dieser Republik konnte es keine Isolierung der Medici von der Politik der italienischen und europäischen Mächte geben, vor allem seit dem im Sommer 1494 begonnenen epochalen Marsch des französischen Königs Karl VIII. gegen das Königreich Neapel, der sich nicht nur parallel zur Vertreibung der Medici vollzog, sondern mit dieser sachlich verschränkt war – und aufgrund seiner langfristigen Folgen weit über das Ereignis hinaus.3 Denn Frankreich blieb in Italien. Die zunächst nicht dauerhafte Eroberung Neapels durch die Franzosen zog weitere Kriege um das Königreich nach sich, nun zwischen Spanien und Frankreich, sowie 1499/1500 die militärische Einnahme des reichen Herzogtums Mailand durch König Ludwig XII. von Frankreich. Die Geschichte des Exils der Medici ist also sowohl in die florentinische als auch in die europäische Geschichte einzubetten, strukturelle Zusammenhänge sind zu erschließen. Auf einer diachronen Ebene sind Wurzeln, Vorgeschichten zu eruieren und darzustellen, insofern sie als strukturformend zu betrachten sind; zudem ist auf spätere Entwicklungen und Prozesse hinzuweisen, die als Konsequenzen der Exilsgeschichte generiert erscheinen. Die erneute, bis auf ein nochmaliges kürzeres Exil (1527–30) dann über Jahrhunderte währende Medici-Macht in Florenz und der Toskana; das Handeln Giovanni de’ Medicis als Papst Leo X. und das seines Cousins Giulio de’ Medici als Papst Clemens VII.; der mit der Ehe zwischen Giuliano und der in Frankreich verwurzelten Prinzessin Filiberta von Savoyen beginnende, mit der Hochzeit zwischen Lorenzo di Piero und der französischen 2

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Aus den jüngeren einschlägigen Studien zur italienischen Exilsgeschichte wäre etwa zu nennen: Starn, Contrary Commonwealth (mit einem Schwerpunkt auf dem 13. und frühen 14. Jahrhundert); Heers, L’esilio; Shaw, The politics of exile (mit einem Fokus auf Siena); und der Sammelband Exil et civilisation. Instruktiv zu dem Ereignis und den Folgen des Italienzugs von 1494 der Tagungsband Passer les monts, in welchem das Exil der Medici und deren besondere Beziehung zu Frankreich jedoch nicht näher thematisiert werden.

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Prinzessin Madeleine de la Tour d’Auvergne fortgesetzte Aufstieg der Medici in den europäischen Hochadel; nicht zuletzt auch eine Königin Caterina de’ Medici, Tochter dieses Sohnes von Piero de’ Medici – all diese zum Teil in nachhaltiger Weise auf die europäische Geschichte einwirkenden Gipfel mediceischer Familiengeschichte sind ohne die Ereignisse, Entwicklungen und Strukturen der 18jährigen Exilszeit schlichtweg nicht zu verstehen und zu würdigen. Möglicherweise ist deren Untersuchung aber auch angesichts der schwierigen Quellenlage ausgeblieben. Das Gewicht dieses Problems ist in der Tat beträchtlich.

Die Quellen und ihre Problematik Mit Blick auf die erstaunliche Neigung und Begabung der Florentiner, umfassende Geschichten ihrer Stadt zu schreiben, die als ‚Geschichte‘ (storia), ‚Erinnerungen‘ (ricordi) oder ‚Tagebuch‘ (diario) bezeichnet wurden und vermutlich aus den bei den Kaufleuten üblichen, da notwendigen geschäftlichen ‚Erinnerungen‘, den ricordanze erwuchsen, in denen Persönlich-Familiäres genauso wie Allgemeines aus Politik, Kultur und Natur festgehalten wurde bzw. werden konnte, wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn ein Mitglied der Familie Medici oder ihres hier als Mediceer bezeichneten Freundes- und weiteren, aber ebenfalls befreundeten Verwandtenkreises eine solche Storia dell’esilio verfaßt hätte. (Wegen fehlender Einblicke kommt ein außenstehender oder gar gegnerischer Historiker wie etwa Niccolò Machiavelli nicht in Frage.) Sollte dies geschehen sein, ist dieses Werk verschollen oder noch nicht gefunden worden. Ohne stützende Vorarbeiten zeitgenössischer und späterer Historiker, die bereits etwas Licht in das Quellendunkel gebracht hätten, mußten für diese Untersuchung also erst die einschlägigen Quellen erschlossen werden, um sie dann mit Blick auf mögliche Informationen über das Handeln der Medici, ihres Freundeskreises, ihrer Verbündeten sowie ihrer Feinde zu befragen. Doch welche Quellen waren überhaupt relevant? Für unsere Problemstellung gibt es ja keine sachlich klar zugeordneten Quellen, auf die zielsicher zugegriffen werden könnte und die selbst in unediertem Zustand den Vorteil einer Orientierung böten. Wo also war zu suchen, womit zu beginnen? Auf der einen Seite waren die gedruckten Quellen auszuwerten, vor allem die Florentiner Stadtgeschichten eines Guicciardini, Parenti, Cerretani, Landucci, Pitti usw. oder die von Sanuto gesammelten venezianischen Gesandtenberichte. Sie ermöglichen einen recht einfachen Zugang. Problematischer stellten sich die ungedruckten dar. Die Medici selbst hatten für diese Zeit kaum Quellen hinterlassen. Wird man im Medici-Archiv, das mittlerweile vom Florentiner Staatsarchiv in digitalisierter Form ins Internet gestellt wurde, von der Masse der Briefe und sonstigen Schriftstücke aus den Jahren vor 1494 und nach 1512 geradezu erschlagen, so muß man sich für die dazwischen liegende Zeit mit wenigen Überresten begnügen. Aus zahlreichen Zeitzeugnissen wissen wir, daß es zwischen den Medici und ihren Freunden während des Exils einen kontinuierlichen, sehr intensiven Briefwechsel gab, sogar – was streng verboten war – mit den Verwandten und Freunden in Florenz. Nur erhalten ist er bis auf wenige Ausnahmen nicht, statt dessen offenkundig

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aus Sicherheitsgründen sofort vernichtet worden. Aus analogen Gründen notwendiger Geheimhaltung sind sämtliche Geschäftsbücher der berühmten und mächtigen MediciBank aus den Jahren nach ca. 1480 entweder zerstört oder so versteckt worden, daß sie nicht mehr aufzufinden sind. Was hierzu überhaupt erhalten ist, wurde in der Regel im Zuge einer versuchten Liquidation der Medici-Bank von den Gegnern bzw. auf deren Verlangen angelegt und ist entsprechend kritisch zu analysieren. Doch auch wenn die Medici für ihre Exilszeit so gut wie keine eigenen Quellen hinterlassen haben, gab es ja noch ihre Freunde, wichtige Helfer wie etwa Leonardo di Zanobi Bartolini. Durch die Arbeiten von R. Goldthwaite und M. Lingohr erhielt ich Kenntnis von der Existenz eines Privatarchivs der Familie Bartolini Salimbeni, aus welcher dieser Leonardo stammte. Dank der freundlichen Bereitschaft des Marchese Lorenzo Bartolini Salimbeni, mir Zugang zu dem von ihm betreuten Archiv zu gewähren, konnte ich eine der erstaunlichsten und schönsten Entdeckungen machen. Hier gibt es einige originale und instruktive Briefe Leonardos (obgleich und bezeichnenderweise erst für die Zeit nach dem Exil), vor allem aber einen exilsübergreifenden reichhaltigen Bestand an Geschäftsbüchern und Briefen, die zur Familie und zur Bank von Leonardos engen, gleichnamigen Verwandten gehören und zum größten Teil ebenfalls noch nie konsultiert bzw. ausgewertet wurden. Ein Glücksfall für den Forscher mithin. Hier wurde nach und nach immer deutlicher, daß diese Bank und nahezu die gesamte Familie Bartolini eine außergewöhnliche, eine ganz eigentümliche Bedeutung für die Medici besaßen. Zu dieser Familie, zu ihrer Geschäftswelt gehörte der sonst nur als Politiker gewürdigte Florentiner Lanfredino di Jacopo Lanfredini – eine der Schlüsselfiguren unserer Geschichte –; zu den wichtigsten, herausragenden Kunden der Bartolini-Bank zählte der mailändische, im Herzen französische Kardinal Federico Sanseverino – einer der engsten Freunde der MediciBrüder zugleich und somit eine weitere Schlüsselfigur! Es gab in der Forschung erste Hinweise, daß diese Bank in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Partner der berühmten Medici-Bank war, aus der erst die Macht Cosimos und seiner Nachfahren resultierte. Daß sich hinter der Bartolini-Bank aber weitaus mehr verbarg, nämlich eine schon von Lorenzo de’ Medici unter dem Namen seines Freundes Bartolomeo Bartolini begründete Tarngesellschaft der Medici, an der er anonym die größten Anteile hielt, und daß die Bartolini-Bank nach Lorenzos Tod und während des Exils nicht genauso wie die MediciBank 1494 einging – so zumindest der einhellige, aber irrige Tenor der bisherigen Forschung –, sondern zusammen mit weiteren Partnerbanken das geschäftliche Erbe der Medici fortführte, ist in seiner Entwicklung und Konsequenz völlig neu.4 Mir ist das ganze Ausmaß erst im Laufe der Jahre durchsichtig geworden, nicht zuletzt durch die Heranziehung weiterer Quellen.

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Alison Brown hatte mir wertvolle Hinweise gegeben, da sie in ihren Untersuchungen über Filippo da Gagliano und weitere Mediceer die Partnerschaft zwischen der Medici- und BartoliniBank sowie die frühe Beteiligung Lorenzos angeschnitten hatte, wenngleich sie diese nicht weiter untersuchte.

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Denn der Archivalienschatz des Bartolini-Archivs wies, nein: forderte neue Wege. Nachdrücklich mahnte er zum einen an, den Blick gezielter auf die Medici-Freunde zu richten, da diese auch aufgrund ihrer gemeinsamen Geschäftspartnerschaften und trotz bzw. gerade wegen ihrer eigenen finanziellen Interessen innerhalb eines klar formierten Netzwerkes agierten, in dessen Zentrum immer die Medici standen; zum anderen unterstrich er die Notwendigkeit, neben den anderen sich im Zuge der Forschung als bedeutsam erweisenden Quellen eben jene wirtschaftshistorischen Quellen mit einem weiteren Fokus als meist üblich zu berücksichtigen. Diejenigen der Medici-Bank sind (längst nicht erschöpfend, vor allem da die Partner der Medici negierend) von De Roover für sein Standardwerk über die Geschichte dieser Bank unter primär wirtschafts- und bankhistorischen Fragestellungen benutzt worden. Generell aber sind diese und ihnen zuzuordnende Finanzquellen so gut wie nie – und wenn meist nur am Rande – für die allgemeine Geschichte der Medici, ihres Freundeskreises sowie dessen Sozial- und Handlungsgefüge ausgewertet worden. Diese Möglichkeiten intensiver ausschöpfend, werden wir freilich rein finanzund buchungstechnische Fragen und Phänomene zwar, wenn erkenntnisfördernd, konstatieren, als Forschungsgegenstand jedoch vernachlässigen müssen, zumal sie das Thema unserer Studie nur am Rande betreffen. *Wirtschaft und Politik haben ihr Recht auf eigene, immanente Untersuchungen, doch bedingen und beeinflussen sie sich eben auch gegenseitig – das war zwischen 1494 und 1512 im Mediceer-Kreis nicht anders. Wie sehr, mit welchen Dimensionen, das wurde immer klarer, als ich außer den Quellen des Bartolini-Archivs die mir einschlägig erschienenen der Staatsarchive von Florenz, Mailand, Turin und Rom konsultierte, zudem in Pisa die des Archivs der Salviati (die zum Verbund der Medici-/Mediceer-Banken gehörten, weshalb in ihrem Archiv auch zentrale Dokumente von Medici-Bankiers aufbewahrt werden), in Florenz die der Nationalbibliothek (mit ihren Briefsammlungen eines Giuliano de’ Medici und wichtiger Medici-Bankiers wie Leonardo di Zanobi Bartolini, Lanfredino Lanfredini oder Filippo da Gagliano), in Rom die des Vatikanischen Geheimarchivs (Archivio Segreto Vaticano), der Vatikanischen Bibliothek und des Kapitolinischen Archivs (in welchem das Archiv der Orsini, der Medici-Verwandten, aufbewahrt wird). Diese Auswahl soll sich vorerst als hinreichend bewähren; eine größere ließe sich ohne weiteres treffen, doch würde sie das Verhältnis zwischen der Arbeitskraft eines einzelnen und einem vertretbaren Zeitaufwand sprengen. Die wichtigsten ungedruckten Quellen lassen sich wie folgt typisieren: Gesandtschaftsberichte (Staatsarchiv Florenz, Mailand), Privatbriefe, die zumeist auch Geschäftliches beinhalten (Staatsarchiv Florenz, Mailand, Turin, Nationalbibliothek Florenz, Kapitolinisches Archiv Rom, Privatarchiv Bartolini Salimbeni), Geschäftsbücher von BankHandelsgesellschaften und Akten staatlicher Finanzverwaltung (Staatsarchiv Florenz, Rom, Mailand, Turin, Nationalbibliothek Florenz, Vatikanisches Geheimarchiv, SalviatiArchiv Pisa, Privatarchiv Bartolini Salimbeni) sowie Papstbullen (Vatikanisches Geheimarchiv, Bartolini-Archiv). Eine Hierarchie der Quellen gibt es nicht. Jede besitzt eine hohe Aussagekraft, allerdings nicht nur gemäß ihrer Zwecksetzung, sondern durchaus

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mehrschichtig, mit mehrfacher Wertigkeit. Wohl aber lassen sich in quellenkritischer Hinsicht entscheidende Differenzierungen vornehmen. Gesandtschaftsberichte und Briefe beinhalten wertvolle Informationen (etwa über die Taten der handelnden Personen, ihr soziales Beziehungsgefüge, ihre Persönlichkeit), nicht selten enthalten sie jedoch auch unrichtige Aussagen, Halbwahrheiten oder Verschleierungen, weil z.B. der Gesandte falsch informiert wurde (bewußt bzw. unbewußt) oder weil er, wenn er Florentiner und zugleich Freund der Medici war, diese schützen wollte, ohne sich selbst zu entlarven und in Gefahr zu bringen. Zur Wahrung eigener Vorteile wurden selbst für die Ausfertigung päpstlicher Urkunden falsche Angaben gemacht, die sich allerdings erst durch die Heranziehung anderer Quellen zum gleichen Sachverhalt als irrig erweisen lassen. (Auf diese Weise sind auch Lügen erkenntnisreich.) Einen hohen, in der Regel nicht anzuzweifelnden Wahrheitsgehalt bieten hingegen die privaten, vertraulichen Briefe enger Freunde und vor allem die Geschäfts- bzw. Rechnungsbücher, insofern, aber auch sofern sie nicht für die Öffentlichkeit, sondern für einen eng abgegrenzten Kreis bestimmt waren und gattungsgemäß Korrektheit verlangten. (Kein vernünftiger Kaufmann fälscht für sich seine Bücher.) Allerdings konnten auch sie manipuliert werden, wenn sie – wie etwa im Fall der zu liquidierenden Medici-Bank – von den Feinden angefordert wurden, wenn sie also einer (zudem unerwünschten) Öffentlichkeit und nicht einem inneren Zirkel präsentiert werden sollten. Wir werden solche Beispiele noch anschaulich erleben. Im normalen Geschäftsleben sind die Angaben dieser Bücher jedoch wahr, weil sie zum einen mehrfach kontrolliert wurden und weil dies vor allem im Interesse der buchführenden Gesellschaft lag und für die Zweckbestimmung der Bücher notwendig war. (Bestimmte Ausgaben und Einnahmen zu fälschen hätte für sie gerade mit Blick auf die Verteilung von Kapital, Gewinnen und Verlusten keinen Sinn gemacht, hätte ihr nur geschadet.) Aus näheren Angaben, etwa über den Zweck einer Ausgabe oder über die beteiligten Personen an bestimmten Finanzaktionen, können erstaunliche Erkenntnisse gewonnen werden, die in der Regel in keiner anderen Quelle zu finden sind. So erhalten wir aus zahllosen dieser nüchtern knappen Posten z.B. wichtige, manchmal sogar brisante Informationen über die Beziehung des Kardinals Federico Sanseverino zu den Medici und den Mediceern, die sich nur dort finden lassen. Gleiches gilt für viele weitere Netzwerkverbindungen, etwa für die der Medici-Bankiers zum französischen Hof und zur Finanzelite des Landes. Da diese Bücher in den Händen des Personals der jeweiligen Gesellschaft blieben, befürchtete man in der Regel nicht, daß ihr Inhalt Gegnern bekannt würde. Gleichwohl, oder besser: gerade deshalb bergen diese selten herangezogenen Bücher der Medici-Bankiers auch viele Geheimnisse, nämlich Konten anonymer Freunde. Hinter diesen verbergen sich in den Geheimbüchern der mediceischen Tarnbanken sogar ihre eigenen Partner, wie eingehend dargestellt wird, hier aber auch schon anzusprechen ist, um das Phänomen verhüllender Schichten der Quellen an sich und in den Quellen einführen zu können, um aufzuzeigen, daß es in diesem Kreis schon lange vor 1494 eine Notwendigkeit klandestiner Strukturen gab, die über einen bloßen Wunsch nach Diskretion

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weit hinausging. Die an einem äußeren Rande des Forschungsinteresses liegenden, doch überaus instruktiven Quellen bergen in sich also gleichsam weitere Tresore, für welche erst in detektivischer Arbeit durch Analyse, Indizien und Quellenverknüpfungen die entsprechenden Schlüssel anzufertigen waren. Neben den für die Erforschung ökonomisch-sozialer Beziehungssysteme wichtigen Quellen der Geschäftsbücher und -briefe sind insbesondere die Berichte spitzelartig fungierender Florentiner Gesandter hervorzuheben. Sie können in ihrer Aussagekraft singulär sein. Denn sie berichten nicht allein von Ereignissen und Ergebnissen, sondern bieten auch damit verbundene Einblicke in die daran beteiligten Haupt- und Nebenpersonen, in ihre Gedankenwelt, ihren Charakter, ihr soziales Gefüge, in Alltägliches auch der Sachwelt. Dadurch gewinnen wir eine Vielschichtigkeit, die jene historische Komplexität erschließen soll, die oft nur gesondert etwa durch Sozial-, Kultur, Alltags-, Mentalitäts- oder Wirtschaftsgeschichte analysiert und aufgearbeitet wird. Solch wertvolle Stücke sollen möglichst originalgetreu übersetzt oder paraphrasiert werden– nicht allein, um die Interpretationen überprüfbar zu machen, sondern um zugleich größere Anschaulichkeit sowie Tiefenschärfe zu gewinnen.

Netzwerkforschung als methodischer Schlüssel Als heuristisch fruchtbar erwies es sich, deduktiv abgeleitete und induktiv hergeleitete, also die aus abstrakt-rationalen Erwägungen sowie konkret-analytischen Quellenerkenntnissen gewonnenen Anfangsergebnisse zu kombinieren, um den geeigneten methodischen Zugriff zu finden. Da die Lebenswelt, das Handlungsgebilde der Medici und Mediceer wie ein Netzwerk erscheint, d.h. als ein gewachsenes und geformtes Netz, das durch zahlreiche, miteinander verbundene, sowohl personelle als auch sachliche Beziehungsstränge geknüpft wurde und das seine Substanz wie Festigkeit durch gemeinsame Zweck- und Zielsetzungen gewann, sollte untersucht werden, ob die zur Exilsgeschichte der Medici führenden Leitfragen durch eine systematische Erforschung dieses Netzwerkes beantwortet werden können. Dieser Ansatz erwies sich schnell und immer stärker als erfolgreich, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Das Netzwerk bot nicht nur modellartig, hypothetisch ein geeignetes gedankliches Mittel zur Erforschung jener Exilswirklichkeit; es entsprach vielmehr der historischen Realität, weil die sich aus dem Exil ergebenden vielfältigen Herausforderungen anders als in vertrauensvoller, sich gegenseitig verpflichtender Kooperation gar nicht zu bewältigen waren. Theorie und Praxis deckten sich: Das Modell bildet die Wirklichkeit ab – die Realität erweist sich als exemplarisch-modellartig. Das Netzwerk veranschaulicht und erklärt die geformte Komplexität, die sich aus zahlreichen, durch Verbindlichkeiten aufeinander bezogenen Personen, lokalen Handlungszentren und vielschichtigen, etwa politischen, wirtschaftlichen und sozialen Handlungsbeziehungen dieser Personengruppe untereinander sowie zu weiteren Personen ergeben. Auf synchroner Ebene galt es daher, unterschiedliche, zur gleichen Zeit, aber an verschiedenen Orten ablaufende Handlungsfelder in den Blick zu nehmen, deren Relevanz sich oft erst durch verschiedene Verknüpfungen zeigte. Wechselseitige Bedingungen herrschten über-

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all: zwischen den diversen politischen Mächten und Ebenen, vor allem aber zwischen Politik und Wirtschaft und hier insbesondere bei unseren Florentiner Protagonisten, egal ob sie außerhalb oder in Florenz lebten. So nahm auch der als Politiker agierende MediciFreund jede Möglichkeit zu einem guten Geschäft wahr, während der primär als Kaufmann und Bankier handelnde Mediceer stets mit politischen Kontexten konfrontiert, in sie involviert war. (Die kulturelle Dimension tritt – im wahrsten Sinne des Wortes – notgedrungen in den Hintergrund, denn als es primär um die Existenz ging, konnte sich auch ein Medici kein herausgehobenes kulturelles Engagement leisten.) Nochmals zur Begrifflichkeit: Als „Mediceer“ bezeichnen wir in dieser Arbeit nicht nur – wie früher teilweise üblich – die Medici selbst, sondern all diejenigen Personen, die sich dem Haus Medici sogar während dessen Exil in uneigen- wie eigennütziger Weise als Freunde oder befreundete Verwandte verpflichtet fühlten. Die Kategorie bzw. der Begriff „Freund“ ist ebenso wie der „Feind“ eine historische Realität; er bestimmte das Handeln und Denken gerade in dieser mit großen persönlichen Gefahren verbundenen Zeit des Exils. Die Mediceer benutzten den Terminus in reflektierter Form und konnten deshalb in bestimmten Situationen zwischen (bloßen) Freunden und wahren Freunden (veri amici) differenzieren. Generell ist eine präzise Definition jedoch unmöglich, da Inhalte und Bedeutungen stark oszillierten, eine große Spannbreite besaßen; sie kann immer nur auf den konkreten Einzelfall, kontextuell auf das gesamte Handeln und die Bedeutung der Individuen bezogen vorgenommen werden. Durch die Gegenüberstellung zeitlich synchroner Vorgänge erhalten wir wesentliche Aufschlüsse über Handlungseinheiten verschiedener Personen des Netzes, wenn die einzelnen Personen nicht isoliert für sich betrachtet werden, sondern mit den anderen des Netzes in Beziehung gesetzt werden. Über die reine zeitliche und sachliche Übereinstimmung hinaus geben diese Vorgänge aber auch Auskunft über eine vorausgegangene Verständigung zwischen den Protagonisten, die sich logisch eruieren läßt bzw. die logisch zwingend ist. Sie aber verweist nun nachdrücklich auf eine zeitübergreifende Struktur, nämlich die der personalen Interesseneinheit, der dauerhaften, längeren Kooperation zwischen mehreren Personen, die als solche, als Faktum, wiederum eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis anderer Vorgänge ist, bei denen wir durch fehlende oder unbekannte Quellen nicht so genaue Einblicke in das Fundament des einzelnen Handelns haben. Diese Kooperation ist demnach über die bekannten, eruierten Vorgänge hinaus ein strukturelles, substantielles Kennzeichen des Netzwerkes – selbst wo sie durch gezielte Suche oder glückliche Funde nicht zu bestätigen, in Einzelfällen nicht nachzuweisen ist, darf sie behauptet werden. Die synchrone Analyse geht durch die gerade für dieses Thema wichtige chronologische Ordnung immer wieder in eine diachrone über. Eine solche ist allerdings bei einigen Bezügen gezielt und über die eigentliche Exilszeit hinausgehend vorzunehmen. Das gilt, wie schon angesprochen, für bestimmte spätere Entwicklungen, ganz besonders aber für die Erschließung einzelner Vorgeschichten, früherer Prozesse, wie sie immer wieder vorzunehmen ist. Ohne deren Kenntnis sind die Verhaltensweisen zentraler Akteure sowie

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die spezifischen Formierungen mediceischer Handels- und Bankgesellschaften nicht hinreichend zu verstehen. Darstellungstechnisch haben diese mehrdimensionalen Ausformungen des Netzes Folgen. Wie beim wirklichen Knüpfen eines Netzes müssen wir den Faden der Erzählung des öfteren wieder zurückführen, gleichsam durch neue Ösen führen bzw. mit alten oder anderen Punkten neu verknüpfen; verschiedene Handlungsstränge und Schichten sind miteinander zu verweben. Rein chronologisch kann schon aus Gründen sachlicher Strukturierung und Systematisierung nicht vorgegangen werden; alle wichtigen und relevanten Bezugsebenen können nicht auf einmal thematisiert werden, da sie zu komplex sind. So werden im I. Kapitel nicht allein die Flucht und Exilierung der Medici, sondern ebenfalls die ihr vorausgehende, sie bedingende und die ihr unmittelbar nachfolgende Phase untersucht. Diesem stärker politisch ausgerichteten Kapitel folgt im II. Kapitel eine umfassende Darstellung des ökonomischen Netzwerkes der Mediceer, in welchem aus sachlicher Notwendigkeit die Entwicklung der Medici-Bank und ihrer bislang unbekannten Tarnbanken und ihrer kaum beachteten Gewerbefirmen seit ca. 1480 und insbesondere für die ersten drei Jahre nach 1494 beschrieben werden muß, da diese Prozesse und Strukturen gerade für die Exilszeit fundamental sind, nicht zuletzt für die politischen Handlungsmöglichkeiten der verbannten Medici. Letztere wiederum beruhten genauso grundlegend auf engen, gewachsenen und einige dauerhafte gemeinsame Sachinteressen implizierenden Verwandtschafts- und Freundschaftsverflechtungen der Medici mit den baronalen Hochadelsgeschlechtern der (unter sich ebenfalls verwandten) Orsini und Sanseverino, die im III. Kapitel nachzuzeichnen sind. Von hier kann gleichsam nahtlos in das zentrale IV. Kapitel übergegangen werden, in welchem der Kampf des Piero de’ Medici um Florenz geschildert wird. Es ist am ausführlichsten geworden, weil über die eigentlichen militärischen Anstrengungen hinaus mit einer eher makrohistorischen Ausrichtung auch die sie tragende und begleitende Politik und Diplomatie der italienischen und europäischen Mächte zu erläutern ist und weil mit einer mehr mikrohistorischen Zuwendung dank guter instruktiver und kaum konsultierter Quellen – die wir deshalb „sprechen“ lassen wollen – zudem die Alltagswelt, Persönlichkeit und der Charakter wichtiger Protagonisten sowie eigentümliche Finanzierungstechniken für die Medici geschildert werden können. Eine Brückenfunktion zur zweiten Phase der Exilspolitik, die nun nach Pieros Tod seit 1504 durch seinen Bruder Kardinal Giovanni bestimmt wird, nimmt das V. Kapitel ein, das sich mit einer stärker sachlichen Ausrichtung, aber mit je nach Kontext unterschiedlicher Gewichtung wirtschaftlich-politischen Ausformungen, Verflechtungen und Strategien zuwendet, die mit den neuen, europaweit agierenden mediceischen Großbanken (v.a. der Bartolini-, Lanfredini- und Salviati-Bank), der mediceischen Benefizialpolitik und dem politischen Handeln führender Florentiner Mediceer (Lanfredini und Salviati insbesondere) verbunden sind bzw. aus ihnen resultieren. Hierauf aufbauend kann dann im VI. Kapitel gezeigt werden, wie Giovanni de’ Medici unter Papst Julius II. die Restitution seiner Familie in Florenz anging und schließlich nach vielen Jahren erfolgreich umsetzte, wie er dabei aber durch seine notwendige Bindung an Julius II. in einen geradezu dramati-

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schen, sogar in der Kunst verarbeiteten Gegensatz zu dem wichtigsten politischen Freund seiner Familie geriet, zum Kardinal Federico Sanseverino, der als Sachwalter Frankreichs zu einem Erzfeind jenes Papstes geworden war. Das abschließende VII. Kapitel analysiert nicht nur den neuen Herrschaftsbeginn der Medici in Florenz, sondern auch ihre Abhängigkeit von ihren schon während des gesamten Exils wichtigsten Bankiers, deren Interessen sowie die unter Giovanni als Papst Leo X. rasch realisierte neue Hinwendung der Medici zu Frankreich, die außer einer frappanten Lösung der Sanseverino-Problematik den folgenreichen Aufstieg der Medici in den europäischen Hochadel und letztendlich eine Verschärfung des nun epochalen, Europa formenden Konfliktes zwischen den Großmächten Frankreich und Spanien bewirkte. Gleichsam in sich vergrößernden konzentrischen Kreisen ist daher vorzugehen; einzelne Vorgänge sind später nochmals mit einem größeren Blickwinkel und einer neuen Fokussierung aufzugreifen und zu verdichten. Orientierungs- und Fixpunkte der Darstellung bleiben freilich immer die maßgeblichen Personen, die das Exil der Medici prägten und zu bewältigen halfen. Gerade ein Netzwerk kann nicht anders als mit den Mitteln der historischen Prosopographie erschlossen werden – die mir im übrigen auch für die Geschichte der nicht allein von Verträgen sowie ökonomischen Normen und Interessen bestimmten Handelsgesellschaften neue Erkenntnismöglichkeiten zu bieten scheint. Einige bahnbrechende Studien sind zu nennen. In der deutschsprachigen Forschung hat sich insbesondere Wolfgang Reinhard mit seinen innovativen Forschungen zur Verflechtung sozialer Gruppen um die prosopographisch vorgehende Netzwerkforschung verdient gemacht; seinem Ansatz verdankt auch diese Arbeit viel.5 Auf wirtschaftshistorischer Ebene hat etwa Mark Häberlein diese Methode weitergeführt.6 Für die Erforschung von Netzwerken in der italienischen Renaissance hat im angelsächsischen Forschungsraum Melissa M. Bullard 1994 wegweisende Einsichten formuliert, indem sie das individualisierende Bild der Renaissanceforschung vom Künstlerheroen auf den heroisch monadenhaften Medici-Patron vor 1492 bezogen, hinterfragt und „kontextualisiert“ (statt wie früher meist „dekontextualisiert“) hat.7 Das die historische Wirklichkeit adäquater treffende Bild und Konzept der bottega, der Künstlerwerkstatt, trifft auch die mediceische Patronage- bzw. Klientelpolitik, insofern diese wesentlich reziproker, stärker auf Kooperation und flexibel geführte bilaterale Verhandlungen angelegt war als es die allzu monolithisch, erratisch gezeichnete Gestalt des Medici-Patrons erlaubte. Eine hierarchisch-vertikale Patron-Klienten-Struktur wird somit realitätsnäher in eine eher partnerschaftlich-horizontale umgeformt. Eine solche aber mußte sich doch wohl gerade während der Exilszeit als angemessener erweisen, nicht nur weil die exilierten Medici für ihre klientelaren Freunde und Verwandte zwar oft noch formal als Patrone galten, real jedoch kaum noch als solche wirken konnten, sondern auch und vor allem weil aufgrund der Exilserfordernisse die individuellen Fähigkeiten der einzelnen herausragen5 6 7

Vgl. Reinhard, Freunde und Kreaturen; Ders., Oligarchische Verflechtung; zur Sache und zu weiterer Lit. s. auch Tewes, Luthergegner, S. 257f. mit Anm. 3. Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger. Bullard, Heroes and their workshop.

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den Mitglieder des Netzwerkes – auf die schon ein Lorenzo il Magnifico aus pragmatischen Gründen delegierend rekurrieren mußte! – notwendigerweise stärker zur Geltung kommen konnten und mußten. Hierdurch wiederum bildeten sich multiple Zuständigkeiten aus, durch welche ein weder rein hierarchisch noch rein vertikal, immer aber vielfach aufeinander bezogenes postklientelares Netzwerk aufgebaut wurde. Ein Jahr vor Bullard veröffentlichten die Soziologen John Padgett und Christopher Ansell einen instruktiven, ebenfalls grundlegenden Aufsatz über die politischen Parteiungen und elitären Netzwerke in Florenz zwischen 1400 und 1434, die besonders wirkungsvoll von den Medici geformt wurden und maßgeblich zu ihrem Aufstieg beitrugen.8 Mit dieser Arbeit müssen wir uns aus sachlichen Gründen am Schluß eingehender und vergleichend auseinandersetzen. Der personengeschichtliche Zugriff zeigt an sich wie aus grundsätzlichen Erwägungen sehr deutlich, daß das Netz der exilierten Medici, daß ihre neue Lebenswirklichkeit nicht mehr primär mit einer hierarchischen Ordnung eines Patron-Klienten-Verhältnisses zu erfassen ist, das für die Epoche von 1434 bis 1494 sicherlich wesentlich bestimmender gewesen war. Hierarchien gibt es nun zwar immer noch, aber während des Exils (und auch danach!) treten mehrere hierarchische Ebenen nebeneinander, miteinander verschränkt und dabei wiederum nach oben wie unten weisend. So begreifen und akzeptieren die jungen Exilierten des Hauses Medici ihre älteren, seit Jahren intim bewährten Familienfreunde als ‚Väter‘; so treten funktional zentrale Freunde (wie vor allem Leonardo di Zanobi Bartolini) aufgrund ihrer singulären Kompetenzen faktisch mit an die Spitze der Mediceer-Hierarchie; so werden jetzt selbst die Spitzen des Hauses Medici stärker als jemals vorher zu Klienten eines Mächtigeren, von dem sie abhängig sind bzw. in dessen Abhängigkeit sie sich begeben, um dem Exil besser gewachsen zu sein oder um es beenden zu können. Insgesamt strukturierte sich das auf die Medici ausgerichtete Sozialgefüge tatsächlich stärker horizontal. Neben die Medici treten einzelne Personen und kleinere Personengruppen, die eng auf die Medici bezogen sind, aber durchaus autarke, selbstbestimmte Handlungseinheiten, Cluster, darstellen und kraft dieser ihrer Bedeutung eine Befehlsgewalt gegenüber subordinierten Personen im Netzwerk ausübten. Diese gleichgesinnten Mitglieder des Netzwerkes verstanden sich als Freunde der Medici, denen sie sich oft durch verwandtschaftliche Bindungen noch stärker verpflichtet fühlten – ohne je die eigenen Interessen aus den Augen zu verlieren. Als Klienten können sie auch deshalb nicht mehr charakterisiert oder definiert werden, weil die exilierten Medici kaum noch Patronage ausüben konnten, vor allem aber weil der Einsatz der wichtigen Freunde unabhängig von potentiellen Patronageleistungen erfolgte. Wie aber gestaltete sich dieses außergewöhnliche Engagement, was motivierte diese Freunde zu ihren jeweiligen Taten? Welche Formen von Freundschaft finden wir vor? Die Antworten auf diese und die weiteren gestellten Fragen werden uns, soviel sei verraten, neue und erstaunliche, auch faszinierende Einblicke in die mediceische, italienische und europäische Geschichte am Ausgang des Mittelalters bieten. 8

Padgett/Ansell, Robust Action.

I. Die Exilierung 1. Der Beginn des Ruins a) Frankreich ante portas: Der Griff nach Neapel Es ist eine alte, nie endende Geschichte. Wenn ein langjähriger Verbündeter seinem alten und dazu mächtigeren Bündnispartner untreu wird, bekommt er dessen Enttäuschung in der Regel mit drastischen Mitteln zu spüren. Die Seiten gewechselt hatte in diesem Fall der junge Piero de’ Medici, der die jahrzehntelangen Bindungen seines Hauses an das Königreich Frankreich und das Herzogtum Mailand ignorierte, als diese beiden Mächte eine Eroberung des Königreiches Neapel planten. Denn zu dessen Herrscher hatte sich das neue Medici-Oberhaupt bekannt. Meistens gehören zu dieser ewig neuen Geschichte jedoch weitere Betroffene, denen solche Allianzwechsel nicht gleichgültig sein konnten, wenn es um ihre tiefsten Überzeugungen, ihre eigenen Interessen und Vorteile ging. So ist die Exilierung der Medici also untrennbar mit einem der epochalen Ereignisse des Spätmittelalters verbunden, einem Ereignis, das man mit einigem Recht auch als einen der Wendepunkte zwischen Mittelalter und Neuzeit bezeichnen könnte: Mit dem Kriegszug König Karls VIII. von Frankreich 1494/95 gegen das unter spanischer Herrschaft stehende Königreich Neapel, der Italien zum Spielball der europäischen Großmächte machte und den epochalen Gegensatz zwischen Frankreich und Habsburg/Spanien einläutete. Nach dem Ende der Staufer konnten die französischen Anjou für lange Zeit Neapel beherrschen, bis sie Ende des 14. Jahrhunderts von der ungarischen Linie der (älteren) Anjou abgelöst wurden und sich 1435/43 in der Person Herzog Renés I. von BarLothringen dem Konkurrenten König Alfons V. von Aragón-Sizilien zunächst geschlagen geben mußten. 1480/81 aber erbte der französische König Ludwig XI. (1461–1483) nach dem Tod Herzog Renés I. nicht nur dessen Territorien Anjou und Bar, Maine und Provence, sondern zugleich die Ansprüche des Hauses Anjou auf Neapel. Ludwigs Nachfolger Karl VIII. (1483–1498) setzte nach mehrjähriger Planungsphase im Sommer 1494 das in die Tat um, was einige wenige Italiener erhofften, viele italienischen Mächte aber befürchteten und lange nicht glauben mochten: die Invasion, den mit einem riesigen Truppenkontingent und der effektiven französischen Artillerie vollzogenen Einmarsch in Italien, um „sein“ Königreich Neapel für Frankreich zurückzuerobern. Der junge, 1470 geborene König – alles andere als eine imposante, strahlende Gestalt – lebte in einer Welt abenteuerlicher Ritterherrlichkeit, in welcher die Verteidigung Neapels gegen heidnische Türken keine unwesentliche Bedeutung besaß. Diese Hinwendung in der Phantasie wurde nun durch sehr konkrete Aufforderungen aus Italien gestützt. An ihrer Spitze standen keine Geringeren als Papst Innozenz VIII. (1484–1492) und bis Anfang 1494 sein Nachfolger Alexander VI. (1492–1503), die Frankreich um eine Intervention zu Lasten ihres Gegners König Ferrante von Neapel, dem Sohn von Alfons, baten. In die gleiche Kerbe schlug eine Gruppe neapolitanischer Barone aus der seit altersher an-

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giovinischen Familie der Sanseverino, die gegen Ferrante rebelliert hatte und nun seit 1489 am französischen Hof – wo sie vor allem bei dem königlichen Vertrauten Etienne de Vesc auf offene Ohren stieß – mit erheblicher Wirkung den Krieg gegen Neapel propagierte. In diesen Chor reihte sich 1491 der Herrscher des Herzogtums Mailand ein, Ludovico Sforza, il Moro genannt, der 1480 anstelle seines Neffen Gian Galeazzo Sforza die Regentschaft usurpiert hatte. Den Moro lenkten gerade mit Blick auf den rechtmäßigen Titelträger eigensüchtige Motive, hatte doch König Ferrante seine Tochter Isabella mit Gian Galeazzo Sforza verheiraten können. Diese beiden Opfer der Herrschaft des Moro wandten sich nun wegen ihrer ihnen vorenthaltenen Regierungsansprüche an Ferrante um Hilfe.1 Durch sein Bündnis mit Karl VIII. konnte der Moro an dieser dynastischmachtpolitischen Front also auf Entlastung hoffen. Zugleich versuchte er dadurch, einen noch gefährlicheren Rivalen um die Macht in Mailand isolieren zu können, den Herzog Ludwig von Orléans, der durch seine Visconti-Vorfahren seinerseits Ansprüche auf das lombardische Herzogtum erhob. Beide, der Herzog von Mailand wie der französische König, mußten erwarten können, in den Medici und der von ihnen faktisch regierten Republik Florenz bereitwillige Förderer ihrer Pläne vorzufinden. Seitdem Cosimo de’ Medici über seine Freundschaft mit Francesco Sforza das mächtige Mailand vom Feind zum Verbündeten der Florentiner gemacht hatte (um 1450), waren die Mailänder mit ihrer Militärmacht für Cosimo und seine Nachfolger Piero und Lorenzo de’ Medici in innenpolitischen Krisenzeiten immer wieder Garanten für die Herrschaft des Hauses Medici über Florenz. Diese strategische Achse ließ sich direkt nach Frankreich verlängern. Doch nicht nur die Medici, ganz Florenz war durch seine traditionell guelfische Haltung und nicht zuletzt durch seine Wirtschaftsinteressen in besonderem Maße dem französischen Königreich und dessen Herrschern verbunden. Im frühen 14. Jahrhundert entstand die wirkmächtige Legende, nach welcher – ein selbstverständlich französischer – Karl der Große das von den Goten zerstörte Florenz wieder aufgebaut habe. Dieser Neugründungsmythos wurde auch 1452 wieder kultiviert, als Florenz mit Frankreich und Mailand ein Bündnis abschloß, das „bis

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Die epochale Invasion Karls VIII. 1494 in Italien, ihre Ursprünge und ihr komplexer historischer Kontext sind in zahlreichen Darstellungen erörtert worden, von denen viele im weiteren Verlauf noch heranzuziehen sein werden. Gleichsam zum 500. Jahrestag sind zwei wichtige Aufsatzbände erschienen: ‚The French Descent into Renaissance Italy 1494–1496‘ und ‚Italie 1494‘, die in England von Abulafia bzw. in Frankreich von Fiorato herausgegeben wurden. 1998 erschien dann erneut in Paris der ebenfalls an die Problematik von 1494 anknüpfende Kolloquiumsband ‚Passer les monts‘, in welchem für den Zeitraum bis 1525 die Präsenz der Franzosen in Italien sowie wechselseitig die der Italiener in Frankreich untersucht wird; zwei Jahre später wurde in Oxford der Sammelband ‚Italy in Crisis. 1494‘ publiziert. Vertreibung und Exil der Medici sind in ihnen allerdings erstaunlicherweise nicht thematisiert worden. Einige Jahre vorher war zum Einmarsch Karls VIII. eine Studie von De Frede erschienen, in der er die entsprechenden Abschnitte aus Guicciardinis ‚Storia d’Italia‘ ergänzte und kommentierte; hier wie in den übrigen Arbeiten zu diesem Ereignis nimmt natürlich auch die geschilderte Haltung Ludovico Sforzas eine zentrale Rolle ein, vgl. De Frede, L’impresa di Napoli, S. 48–58.

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zum Tode Lorenzo de’ Medicis ein Angelpunkt der internationalen Politik“ sein wird.2 Cosimos Sohn bzw. Lorenzos Vater Piero di Cosimo de’ Medici hatte 1465 von König Ludwig XI. sogar das Privileg erhalten, die Lilien des französischen Königshauses in das Medici-Wappen einfügen zu dürfen. Nach der Pazzi-Verschwörung 1478 stellten sich Frankreich und Mailand sofort demonstrativ vor Lorenzo, der sich nun von Papst Sixtus IV. und dessen neapolitanischem Alliierten bedroht sah.3 Karl VIII. konnte daher Mitte April 1492 erklären, die Medici seien stets die treuesten Freunde Frankreichs in Italien gewesen.4 Insgesamt profitierten beide Seiten in mannigfacher Hinsicht von dieser politischen Freundschaft.5 Ob Lorenzo de’ Medici den Einmarsch und eine Eroberung Neapels gutgeheißen, gar gefördert hätte, bleibt gleichwohl eine berechtigte, eine mit Blick auf die politischen Folgen und den Sachverstand Lorenzos eher skeptisch zu beantwortende Frage, da er durch eine solche Intervention das mit dem Frieden von Lodi (1454) mühsam erlangte labile Gleichgewicht der italienischen Staatenwelt berechtigterweise in Gefahr gesehen hätte. Zugleich konnte er den alten Gegner Neapel nach seinem Ausgleich mit König Ferrante während des Pazzi-Krieges (1478–80) nicht mehr ohne weiteres jenem Schicksal überlassen. Karl VIII. aktiv entgegengetreten aber wäre er sicherlich nicht. Gleichwohl: Der französisch-mailändische Invasionsplan hätte auch das Schiff des großen Diplomaten Lorenzo de’ Medici zwischen Skylla und Charybdis geführt. Hypothetisch müssen solche Überlegungen freilich bleiben, weil Lorenzo am 8. April 1492 vor allem aufgrund seines langjährigen schweren Gicht- und Arthritisleidens starb.6 Nach seinem Tod erbte sein damals 20-jähriger, am 15. Februar 1472 geborener ältester Sohn Piero wie erwartet und durchaus nicht befürchtet die politische Führungsrolle in Florenz, nicht aber das politische Geschick seines Vaters.7 Dies war alles andere als eine gute Voraussetzung für die auf ihn zukommenden politischen Herausforderungen.

b) Piero de’ Medici als neuer Herrscher von Florenz Piero de’ Medici beherrschte nicht, was sein Vater, Großvater und Urgroßvater verstanden. Ein verfassungsrechtlich immer noch als Republik aufgebauter Stadtstaat wie Florenz 2 3 4 5 6

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Zur Sache Maissen, Mythos, das Zitat auf S. 123. Hierzu zuletzt Martines, Die Verschwörung, hier bes. S. 171. Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 364. Grundlegend weiterhin: Buser, Mediceer. Zur Krankheit und zum Tod Lorenzo de’ Medicis vgl. etwa Guicciardini, Storie fiorentine, S. 72 (schon 1491 Ausbruch der schließlich zum Tode führenden Krankheit!); Parenti, Storia fiorentina I, S. 21–24; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 93, Anm. 2, S. 95; Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 239 (aus Aufzeichnungen im Nachlaß Machiavellis); Valori, Vita, S. 105–109; Walter, Der Prächtige, S. 286–293. Zum erwarteten, begrüßten und in den zuständigen Gremien mit großer Mehrheit befürworteten Machtübergang von Lorenzo auf Piero de’ Medici vgl. Cerretani, Storia fiorentina, S. 185f.; Redditi, Exhortatio, sowie den Kommentar des Editors Viti; Viti, Lettere, S. 458. Pieros Geburtsdatum und das seiner Geschwister etwa bei Walter, Der Prächtige, S. 232.

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konnte nur dann von einer einzigen Familie wie den Medici beherrscht und dominiert werden, wenn diese trotz kaltem Machtstreben und effizienter Manipulation zentraler Verfassungsorgane zweierlei anerkannte: die Berechtigung von Institutionen und korporativen Staatsorganen sowie, neben der Notwendigkeit von Freunden und Verbündeten, die kontrollierte Partizipation anderer, auch rivalisierender Familienclans an den Regierungsorganen. Ohne Mehrheiten, ohne die Einbindung von Freunden in die Familienpolitik konnten die eigenen Interessen nicht durchgesetzt werden; ohne den Weg über die städtischen bzw. staatlichen Gremien unter Wahrung von Traditionen und Legitimität – selbst wenn sie zur Fassade verkam – konnten politische Entscheidungen auf Dauer nicht manifestiert werden. Piero de’ Medici sah diese Grundbedingungen nicht ein, denn zum einen entsprach sein hochfahrender Charakter nicht den beschriebenen Voraussetzungen einer gewissen pragmatisch-politischen Verbindlichkeit, zum anderen hatte seine (durch Herkunft und Charakter geformte) Sozialisierung ihn dem bürgerlich-republikanischen Milieu entfremdet. Lorenzo hatte unter maßgeblicher Mitwirkung seiner Mutter Lucrezia Tornabuoni mit Clarice Orsini eine Frau aus altem italienischen, römischen Hochadel geheiratet; Piero wurde mit Alfonsina Orsini erneut ein Mitglied dieses mächtigen Baronalgeschlechts an die Seite gestellt. Die ehemaligen Krämer und Wechselstubenbetreiber des 14. Jahrhunderts bewegten sich nach wenigen Generationen auf einem glanzvollen Parkett, auf dem freilich schon der Magnifico in und mit seinen Palästen und Villen auch wie ein König zu repräsentieren verstand; Piero aber verlor dabei seine Florentiner Bodenhaftung. Die Bewunderung und Aneignung distanziert elitärer Verhaltensweisen der Adelswelt, die Piero de’ Medici durch seine Mutter, seine Frau und deren Verwandte schätzen lernte und die ihn vielen Florentinern entfremdete, war freilich auch eine Charakterfrage, denn seine Brüder Giovanni und Giuliano werden übereinstimmend nicht als arrogant und herrisch beschrieben. Piero hingegen erscheint in den Berichten der Zeitgenossen nahezu einheitlich als hochmütig, herrschsüchtig, präpotent, autokratisch, unvernünftig, Maß und Mitte stets verfehlend, exaltiert. Der alte Medici-Intimus Gentile Becchi ermahnte ihn, sich als Bürger zu verhalten, denn er könne in einer Republik keine Führung beanspruchen, wenn er in den Augen des Volkes nicht als Republikaner erscheine.8 Der große Florentiner Historiker Francesco Guicciardini bezeichnete ihn als Mann mit wenig Gehirn, der jeden Tag erneut unter Beweis stellte, daß sein Charakter tyrannisch und hochfahrend war; der medicinahe Chronist Bartolomeo Cerretani charakterisierte ihn als waffen- oder kriegslüstern (armigero).9 Selbst sein milder Bruder Giovanni sah sich als junger Kardinal in Rom kurz nach dem Tod des Vaters im April 1492 veranlaßt, Piero Mäßi8

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Picotti, Giovinezza, S. 555. Zum königsgleichen Ansehen, das der Magnifico sich – trotz der Partizipation zahlreicher befreundeter Ratgeber – durch seine Machtposition, seine Kunst- und Architekturaufträge sowie seine außergewöhnliche Kunstsammlung erwarb, jüngst Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, hier bes. S. 150–155 mit den entsprechenden Anmerkungen. Cerretani betonte explizit, Piero habe den Weg seines Vaters verlassen, indem er die Ratgeber vernachlässigte bzw. mißachtete; Cerretani, Storia fiorentina, S. 185. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 84; Cerretani, Storia fiorentina, S. 186.

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gung und Weisheit bei der Führung der Florentiner Republik zu empfehlen, um sich dann am 21. August 1492 heftig über Piero zu beschweren, der ihn nicht respektiere, sich in seine geistlichen Angelegenheiten einmische, Zwietracht sähe und ihm Drohungen übermitteln lasse.10 Diese Spannungen werden zwischen den Brüdern auch während ihres Exils immer wieder entstehen, entfacht von einem Piero, der durch zahlreiche Zeugnisse tatsächlich als ein durch und durch unangenehmer Zeitgenosse erscheint. Lorenzo hatte seinen Nachfolger kurz vor seinem Tod ermahnt, nie auf den Rat einzelner weniger Männer zu hören, sondern immer der Meinung der Mehrheit des Staates zu folgen, denn jeder stato sei ein Körper mit vielen Köpfen. Demonstrativ wollte er selbst wie ein privater Bürger begraben werden, obwohl er nach dem Trauma der PazziVerschwörung (April 1478) in den 80er Jahren despotische Züge angenommen und alle zentralen Staatsorgane unter seine Kontrolle gebracht hatte, um die Macht der Medici zu sichern.11 Die Warnung an seinen Ältesten entsprang offenbar seiner Überzeugung, dieser plötzlich an der Spitze des Staates stehende Sohn verfüge nicht über die individuellen Fähigkeiten, das Haus Medici vor seinen Feinden schützen zu können. Das straffe Regiment, das Lorenzo nach 1480 errichtet hatte, vergrößerte ja durch seine Willkür und Exklusivität die Zahl der Gegner einer Medici-Herrschaft, so daß für deren Bewahrung um so mehr Fähigkeiten wie hohe Intelligenz, schnelle Auffassungsgabe, geistige Flexibilität, Verschlagenheit, aber auch Diplomatie und gewinnende Höflichkeit notwendig waren. Lorenzo wußte, daß er selbst über diese Gaben verfügte, sein Sohn aber nur unzureichend und partiell. Und über den bürgerlichen Status hinausreichende Privilegien, die man ihm nolens volens kraft Persönlichkeit und Geschichte einräumte, konnte sein Nachfolger nicht einfach kraft Tradition in Anspruch nehmen, ohne eines Strebens nach fürstlicher Alleingewalt bezichtigt zu werden, dem entschieden entgegenzutreten wäre.12 Lorenzos Befürchtungen werden durch Pieros Bindungen an seine engere adlige Verwandtschaft noch verstärkt worden sein; diese sind aber zugleich unverkennbare Ursachen für die verhängnisvollen politischen Optionen Pieros.

c) Piero de’ Medici als „Sohn“ Virginio Orsinis Warum wich Piero de’ Medici bis zum Sommer 1494, als der Neapel-Feldzug begonnen wurde, von seinem gefährlichen Bekenntnis zu dem aragonesischen Herrscher auf dem Thron von Neapel nicht ab? Warum entschied er sich unter vorgeblicher, von niemandem 10 Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 368f., 439–441, 662f., Nr. 8, S. 626–628, Nr. 20. 11 Vgl. z. B. Picotti, Giovinezza, S. 358f.; Walter, Der Prächtige, S. 290; Martines, Die Verschwö-

rung, etwa S. 213–231. 12 So hatte man Lorenzo de’ Medici beispielsweise nach dem Mordanschlag der Pazzi auf ihn und

seinen Bruder Giuliano, dem nur er am 26.4.1478 im Florentiner Dom verletzt entgehen konnte, das Privileg gewährt, sich mit einer bewaffneten Leibgarde umgeben zu dürfen. Als sich dann auch Piero nach dem Tod seines Vaters mit solchen staffieri in der Öffentlichkeit bewegte, rief dies in Florenz großen Unmut hervor, denn bei ihm waren die persönlichen Voraussetzungen für diese Ausnahme nicht mehr gegeben, so daß seine Leibwächter ihm einen mit republikanischen Normen nicht vereinbaren fürstlichen Status verliehen.

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geglaubter Neutralität für eine Macht, die den Interessen und Traditionen von Florenz und seiner Familie weitaus weniger entsprach als Frankreich und Mailand, die alten Freunde und Förderer der Medici-Macht? Entscheidend für diese Haltung und damit für die aus ihr resultierende Exilierung ist die ungewöhnlich intensive Beziehung zwischen Piero de’ Medici und seinem hochadligen Onkel Virginio Orsini, dem vorwiegend in seinem festungsartig ausgebauten Schloß am See von Bracciano (nördlich von Rom) residierenden Oberhaupt dieses uralten, mächtigen römischen Baronalgeschlechts! Lorenzo de’ Medici hatte seinen ältesten Sohn nachhaltig ermuntert, die Verbindungen zu seinen Orsini-Verwandten in Bracciano fleißig zu kultivieren. Piero sollte sich als Mitglied der Florentiner Gesandtschaft, die Papst Innozenz VIII. 1484 zur Wahl gratulierte, auch bei den Orsini vorstellen und sich ihnen als ihr Sohn und Diener anbieten.13 Ein der Nachwelt bildlich übermittelter erster Höhepunkt des Verwandtschaftsbündnisses zwischen Piero de’ Medici und seinem „Onkel“ Virginio Orsini (Pieros Mutter Clarice war eine Cousine Virginios, da Clarices Mutter Maddalena eine Schwester von Virginios Vater Napoleone und von Roberto Orsini war) wurde Mitte November 1487 zelebriert. Piero führte damals seine Schwester Maddalena mit einem prächtigen Gefolge zu ihrer Eheschließung mit dem Papstsohn Franceschetto Cibo nach Rom, machte auf dem Hinweg aber den Orsini in ihrem Schloß zu Bracciano seine Aufwartung. Während seines Aufenthaltes durfte Piero seinem Onkel auch die von der Florentiner Signoria bewilligte Investitur mit dem kleinen Ort Cerreto (vor den Florentiner Mauern im Norden gelegen) erteilen; zugleich durfte er mit Virginio die ihn selbst betreffenden Verhandlungen über seine bevorstehende Ehe mit Alfonsina Orsini weiterführen, die ihn noch stärker an das hochadlige Haus der Orsini band, Handlungschancen eröffnete, aber auch Handlungszwänge einforderte.14 Virginio Orsini ließ seinen Empfang Pieros gut drei Jahre später durch den Maler Antoniazzo Romano 1491 auf einem großen Fresko, das mit einer weiteren Episode auch seinen 1489 erfolgten Aufstieg zum obersten Condottiere (capitano generale) des Königs von Neapel bzw. der aragonesischen Truppen feiert, auf der Wölbung des zum Schloßhof führenden Eingangsbogen darstellen. Das feierlich-familiäre Ereignis wurde zu einer Szene geformt, die (mit den treffenden Worten Volker Reinhardts) „Stolz und Ansprüche der großen römischen Adelsclans auf ihre militärische und politische Unabhängigkeit zum Ausdruck bringt“; Virginio habe den Besuch des jungen Magnifico-Erben zum Anlaß genommen, um (wenige Jahre später) repräsentativ und bildlich zu veranschaulichen, daß er dank seiner ‚militärischen Traditionen, außenpolitischen Verbindungen und der richti-

13 Shaw, Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini, S. 39. 14 Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 33; Cavallaro, Dipinto. Zur Vermählung mit Alfonsina Orsi-

ni s.u. S. 305–307. Irrtümlich wird zuweilen behauptet, der feierliche, in einem Bild festgehaltene Empfang Pieros durch Virginio Orsini habe erst im Mai 1488 stattgefunden, als Piero sich auf dem Rückweg von Rom, wo er seine Braut Alfonsina abgeholt hatte, nach Florenz befand.

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gen Verwandten, der richtigen Abstammung, zu einer europäischen Elite gehörte und eine Macht in Rom verkörperte, die älter als die der Päpste und von ihr unabhängig war‘.15 In der Tat sind Ereignis und Personen vielschichtig überhöht worden. Wer das zinnenbewehrte Schloß von Bracciano betrat, der sah noch vor Erreichen des Innenhofes auf einem programmatischen Bild in karger Landschaft eine im Schloß gar nicht vorkommende antike bzw. antikisierende Architektur, vor welcher der fünfzehnjährige Piero de’ Medici in demütig formvollendeter, einen Kniefall andeutender Haltung von seinem Onkel herzlich und väterlich begrüßt und aufgenommen wurde, indem er seinem Neffen die Hände auf die Schultern legte. Auf das Wesentliche der festlich-zeremoniell gekleideten, aber wenigen Haupt- und Nebenpersonen sowie der repräsentativen Architektur reduziert, wird das Treffen zwischen Piero und Virginio durch das Fresko in das idealisierte, verfeinerte und elegante Ambiente eines Fürstenhofes transportiert.16 Damit wurde nicht nur die Bedeutung des Ereignisses unterstrichen, sondern auch die Familienbindung als solche auf eine höhere gesellschaftliche Stufe gestellt. Dem sozialen Status des Florentiner Bürgers Piero de’ Medici entsprach diese gemalte höfische Welt nicht; sie zeigte aber eine für ihn vielversprechende Zukunft, in die er an der Hand Virginios geführt werden würde, getragen auf den starken Schultern der Macht und Reputation seines Onkels. Was hier gut ein Jahr vor dem Tod Lorenzos gezeigt und vorgebildet wurde, wird Pieros persönliche und politische Haltung nach 1492 tatsächlich prägen; sie wird ihn und seine Familie aber auch bei der komplexeren Konfrontation mit größeren Mächten ins Exil führen. Was mag Piero danach gefühlt haben, wenn er, wie häufig geschehen, zwischen dem November 1494 und seinem Tod Ende 1503 in existentiellen Nöten das Schloß zu Bracciano betrat und über sich eine Verheißung sah, deren vorgezeichnete Erfüllung nun ferner lag denn je? Die Frage ist natürlich auch für seine Brüder berechtigt, von denen insbesondere Giovanni durch seinen römischen Wirkungsschwerpunkt in die engere Verflechtung mit den Orsini einbezogen wurde. Wenige Monate nach Fertigstellung des Freskos über Pieros Empfang in Bracciano 1487 ehrte Virginio in seinem Schloß auch Giovanni für zwei Tage in feierlich-triumphaler Weise, befand sich dieser Verwandte im März 1492 doch auf dem Weg nach Rom, wo er im päpstlichen Konklave drei Jahre nach seiner Ernennung in petto vollgültig in das Kollegium der Kardinäle aufgenommen werden sollte.17 Schon Ende Januar 1492 hatte Virginio dem Kardinal als römisches Domizil 15 Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 33 (5.9.1489 in Neapel Ausstellung, 27.10. in Bracciano

feierliche Überreichung des Diploms mit der Erhebung zum Generalkapitän); Cavallaro, Dipinto, S. 57; Reinhardt, Rom, S. 107f. (mit einer Abbildung des Freskos über den Empfang Piero de’ Medicis durch Virginio Orsini); zur Ernennung Virginio Orsinis als Generalkapitän der neapolitanischen Armee vgl. auch Volpicella, Regis Ferdinandi, S. 389f. (1485 erhielt er dieses Amt bereits für die Truppen der Liga, der mit Neapel gegen den Papst und die aufständischen Barone verbündeten Staaten); Infessura, Römisches Tagebuch, S. 227 (irrig 30.6. als Datum der Ernennung zum Generalkapitän). 16 Vgl. hierzu Cavallaro, Dipinto, bes. S. 57–60 (wo Piero jedoch als 16-jährig bezeichnet wird). 17 Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 327f., 690; ein umfassender Bericht, v. a. über die zeremoniellen Aspekte dieser Aufnahme Giovannis in das Kardinalskollegium in: Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 342–344, 346f.

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den Orsini-Palast am Campo dei Fiori übertragen, der dann für gut fünf Jahre ein Zentrum des Medici-Wirkens in Rom bilden wird.18 Auch mit diesem Akt demonstrierten beide Familien ihre Verbundenheit, werteten sie sich gegenseitig auf. Daß Virginio Orsini nach dem frühen Tod Lorenzos im April 1492 für Piero die Stelle eines Vaters, einer Leitfigur, einnehmen konnte, ist mit Blick auf Pieros Alter und seinen Status in Florenz erstaunlich, war von Lorenzo aber vielleicht geahnt worden, wenn wir seine warnenden Worte am Totenbett in diese Richtung interpretieren dürfen. Ein besonders inniges Verhältnis seines Sohnes zu Virginio Orsini, wie dieser es in seinem Fresko unterstrich, dürfte Lorenzo bekannt und in Verbindung mit dem Charakter seines Sohnes Anlaß zur Sorge gewesen sein. Denn was nun bezeugt wird, kann nicht erst nach dem Ableben Lorenzos entstanden sein. Schon zwei Tage nach Lorenzos Tod, am 10. April 1492, konnte Virginio Orsinis Vertreter in Florenz, Santi da Curcumello, seinem Herrn berichten, Piero betrachte nun seinen Onkel als seinen Vater und wolle ihn als solchen anerkennen.19 Zahllose Briefe, die zwischen Piero und Virginio gewechselt wurden, bekunden ihre Verbundenheit als „neue“ Blutsverwandte, schon in der Anrede. War Piero für das Haupt der Orsini zunächst bereits ‚gleichsam‘ wie ein Bruder, so fehlte das tanquam ab Ende 1492.20 Diese Bekenntnisse gingen über analoge, rhetorische Verbundenheitsadressen jener Zeit allerdings weit hinaus, wie die Fakten zeigen. Die Geschichte der hier betroffenen Familienzweige verschmolz nun miteinander; und zwar so, daß ihre jeweiligen Ziele, Verpflichtungen, Freundschaften wie Feindschaften in wechselseitiger Weise Einfluß aufeinander hatten, daß sie sich gegenseitig verstärkten. Die hohen Kredite, die Piero seinem Verwandten über die römische Medici-Bank gab und die bei deren Liquidation eine bedeutende Rolle spielen werden, gehören zu jenen konkreten Manifestationen des neuen Bruder- bzw. Vaterverhältnisses, das eben kein unverbindliches Postulat bleibt.21 Als Virginio Orsini seinen Grundbesitz und damit seine Machtbasis im September 1492 erheblich vergrößern konnte, indem er Franceschetto Cibo (Sohn von Papst Innozenz VIII. und Schwager von Piero de’ Medici) die Grafschaft Anguillara (am Lago di Bolsena) mit ihren strategisch wichtigen Besitzungen wie Cerveteri und Monterano für 45.000 Dukaten abkaufte, half ihm Piero durch Einflußnahme auf Franceschetto und möglicherweise auch durch einen Kredit seiner Bank, obwohl Virginio durch König Ferrante von Neapel hierfür 40.000 Scudi gegeben wurden.22 Orsini18 Zu Giovanni und dem Orsini-Palast ausführlicher unten S. 464–466. 19 Shaw, Political role (1983), S. 177; Dies., Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini, S. 39f.;

Dies., Political role (2007), S. 160f. 20 Exemplarische Zeugnisse für die Bezeichnung tanquam frater: ASF, MAP XIX, doc. 113, 115

(30.8. und 1.9.1492); MAP XIX, doc. 137 (13.9.1492, hier sogar Magnifice maior frater honorandus!), 233, 221, 239, 201 (20.1., 2., 6.. und 12.2.1493 nun stets wie in den zeitlich folgenden Briefen ohne tanquam). 21 S.u. S. 158, 208. 22 Vgl. Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 33f. (mit der Angabe, die von Ferrante bereitgestellte Summe von 40.000 Scudi habe dem Kaufpreis entsprochen); Shaw, Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini, S. 39 u. S. 42, Anm. 36 (mit der präzisen, aus dem entsprechenden Notarsinstrument gewonnenen Information, daß die Summe 45.000 Dukaten betrug, von denen 40.000

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Besitzungen wurden Lorenzos Söhnen zu einem zweiten Zuhause, einem Refugium dann auch während des Exils. Unterschiedliche Gewichtungen sind allerdings zu konstatieren: Piero begab sich in die Abhängigkeit Virginios, nicht dieser in die des jungen Medici! Die Bindung Piero de’ Medicis an seinen Onkel Virginio Orsini erfolgte mit einer Intensität, welche die Zeitgenossen nicht ohne Sorgen verblüffte. Ein sehr aussagekräftiges Zeugnis hat uns der in Rom tätige Florentiner Gesandte Puccio Pucci, einer der engsten Getreuen der Medici, in einem Brief an Piero vom 16. Juni 1494 hinterlassen: In Rom sei man der Meinung, daß Piero völlig von Virginio abhängig sei und daß dieser Piero nach Gutdünken lenke. König Alfons von Neapel pflege zu sagen, die Angelegenheiten von Piero und Florenz erhielten nur durch Virginio Bedeutung; so seien denn auch politische Gunsterweise nicht Pieros, sondern Virginios Verdienst – dieser und sein Sekretär Santi da Curcumello beeinflußten und lenkten den Weg von Florenz, nicht Piero! Es sei notwendig, daß die Orsini ihm mehr Reverenz und weniger Demonstrationen ihrer Autorität über Piero und Florenz erwiesen.23 Mit mutiger Ehrlichkeit warnte hier ein zentraler Mediceer Piero nicht nur vor der Einseitigkeit seiner Bindung an Virginio Orsini, sondern auch vor den politischen Konsequenzen seines in erster Linie Virginio geschuldeten verhängnisvollen Bekenntnisses zur Freundschaft mit Neapel! Und Puccio Pucci war gewiß nicht der einzige Freund der Medici, der die von Piero verfolgte Linie mit großer Besorgnis betrachtete. Als Politik wird man kaum bezeichnen können, was auf eine gewollte Abhängigkeit dieses überforderten jungen Staatslenkers von seinem Ersatzvater Virginio Orsini zurückzuführen ist. Virginio wiederum verdankte seinen militärischen und damit auch sozialen und ökonomischen Status damals dem neapolitanischen König; diesem war er verpflichtet. Und es spricht nicht unbedingt von umsichtiger Sorge für das Haus Medici, wenn Virginio Orsini in so kurzsichtiger wie eigensinniger Weise noch Anfang 1494 Zukunft wie Chancen seines „Bruders“ oder treffender: seines „Sohnes“ Piero in die Hände des Königs von Neapel legen wollte. Diesen glaubte der Orsini steuern zu können; und er war überzeugt, daß der König alle durch diese Allianz entstehenden Nachteile mehr als kompensieren könne.24 innerhalb von drei Monaten, der Rest innerhalb des folgenden Jahres zu zahlen war; ein Kredit Pieros hätte somit maximal 5.000 Dukaten umfaßt); Dies., Political role (2007), S. 28, Anm. 29, S. 159f.; s. auch unten S. 312. 23 Vgl. Desjardins/Canestrini, Négociations I, S. 494; Shaw, Political Role (1983), S. 177f.; Dies., Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini, S. 40; Dies., Political role (2007), S. 161. 24 Exemplarisch für diese Haltung sind die Ratschläge und Weisheiten, die Virginio Pieros nach Neapel reisendem Gesandten Bernardo Dovizi da Bibbiena Anfang Februar 1494 ans Herz legte: Piero solle so intensiv wie möglich die Gnade und Gunst des neuen Königs Alfons II. von Neapel suchen, da sich dies zeitlebens als Vorteil für Florenz und Piero auszahlen werde; wenn Piero sich so verhalte, verpflichte Virginio sich, daß der Medici alles, was er sich wünsche, von dem König erhalten werde. Er, Virginio, und Piero könnten dann so über das Regno di Napoli verfügen wie Piero dies etwa bei Bernardo da Bibbiena tue; und kein anderer italienischer Potentat könne so viele Vorteile für Florenz und den Medici bringen wie der König von Neapel!; vgl. Shaw, Political Role (1983), S. 177f., Anm. 4; zitiert nach Moncallero, Epistolario I, S. 31.;

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Prägnant beschrieb Francesco Guicciardini in seinen ‚Florentiner Geschichten‘ diesen Vorgang sozialer Verformung und die politische Reaktion. Das nüchterne Urteil der Florentiner lautete, Pieros Lebensweise entspreche nicht mehr der ‚Natur‘ des (bürgerlichen) Hauses Medici, sondern den Sitten (costumi) der (hochadligen) Orsini. Da diese Verwandtschaft der Stadt Florenz in vielerlei Hinsicht geschadet habe, habe man in den ersten Monaten nach der Vertreibung der Medici die radikale Konsequenz gezogen, mit einem neuen Gesetz jedem Florentiner die Ehe mit einer auswärtigen Frau aus einem herrschaftlichen, signorilen Haus oder von herrschaftlicher, d.h. adliger Geburt zu verbieten.25 Wer seine sozialen Wurzeln kappte und sich kraft Ehe (und Herkunft) wie ein Fürst gebärdete, gefährdete das republikanische Gemeinwesen. Warum Piero de’ Medici dieses subordinierte Verhältnis zu Virginio Orsini suchte, läßt sich nicht eindeutig erklären. Die Anziehungskraft und der auch auf Piero fallende Glanz des sozialen Ranges sowie der politisch-militärischen Macht des Orsini sind sicherlich ein entscheidender Beweggrund gewesen. Die Reputation Orsinis strahlte auf Piero ab, dessen Bewunderung seinem Onkel wiederum geschmeichelt haben wird. Die Kenntnis vieler weiterer, später anzuführender Zeugnisse über Pieros Charakter läßt allerdings ebenso den Eindruck zu, hinter seiner herrschsüchtig-tyrannischen Fassade habe sich eine sehr labile, von Selbstzweifeln und häufiger Antriebslosigkeit gezeichnete Persönlichkeit verborgen, die starke und dynamische Charaktere als Halt suchte, sofern diese ihm wiederum Anerkennung entgegenbrachten. Diese Bindungsstruktur erklärt im übrigen nicht nur Pieros Verhältnis zu Virginio Orsini, sondern ebenfalls seine erstaunliche und singuläre Freundschaft mit dem Kardinal Federico Sanseverino, einem machtbewußten und durchsetzungsfähigen Hochadligen, der sich mit Waffen und Rüstung zweifellos wohler fühlte als im Kardinalsgewand.

d) Zurückweisung der alten Verbündeten Piero besaß die Gabe, sich schnell überall Gegner zu schaffen, in Florenz und außerhalb, selbst unter alten Freunden und Gönnern des Hauses Medici. Es war der Anfang seines Ruins.26 Suchte sein Vater nach Möglichkeit wichtige Bürger, besonders die Freunde, in die politischen Entscheidungen zu integrieren, ohne seine Macht aufzugeben, so glaubte Piero auf solche Rücksichtnahmen verzichten, den weisen Rat seines sterbenden Vaters in den Wind schlagen zu können. Solch Hochmut wird im Schatten eines Virginio Orsini vgl. zu dieser Mission auch G. Patrizi, Art. „Dovizi, Bernardo“, in: DBI 41 (1992), S. 593–600, hier S. 594. 25 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 164 (parendo che e’ modi di Piero non fussino secondo la natura di quella casa, ma costumi Orsini, e che el parentado loro avessi in molte cose nociuto assai la cittá, si era fatta una legge che nessuno cittadino potessi tôrre per donna alcuna forestiera che fussi signora o di sangue di signori). Pieros Onkel dritten Grades, der bereits 1498 verstorbene Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici, mußte daher seine zukünftige Ehefrau, Caterina Sforza, die Herrin von Imola, mitsamt ihren Kindern und Nachfahren zu Florentiner Bürgern machen, bevor er sie heiraten durfte. 26 Vgl. auch Guicciardini, Storie fiorentine, S. 84–86.

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nicht als Statusvergehen getadelt worden sein. Aus dem durch Virginio eingeflüsterten Glauben, das unter Pieros Führung stehende Haus Medici werde in gleichem Maße wie das der Orsini unter dem großen neapolitanischen Schutzmantel sein Glück finden, wenn Piero sich dem neuen König Alfons II. nur entschieden genug andiene, gewann Piero die Standkraft, um den Erwartungen und Forderungen der alten Medici-Freunde Frankreich und Mailand zu trotzen, um den mailändischen Herrscher sogar zu brüskieren. Karl VIII. glaubte in den ersten Monaten nach dem Tod Lorenzo de’ Medicis keinen Augenblick, das neue Medici-Oberhaupt könne das französische Vertrauen in ihn verletzen, könne die bisherige Freundschaft aufkündigen. Zuviel Vorteile zogen die Medici aus ihrer Treue zu Frankreich. Mit warmherzigen Briefen demonstrierte der König dem Nachfolger Lorenzos seine außergewöhnliche Gunst. Piero bemühte sich zunächst, durch die Schenkung von Pferden und Falken die Erwartung des Königs zu festigen.27 Auch Mailand ließ mit seinen Beileidsbekundungen keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, Piero so zu unterstützen wie seinen Vater. Ludovico Sforza, il Moro, sandte Piero außer Briefen im April 1492 mit Antonio Maria Sanseverino zudem einen hochrangigen Botschafter, um ihm die Kontinuität seiner amore zu den Medici zu beteuern.28 Sicherlich aber sollte Antonio Maria auch Pieros Disposition für den Feldzug gegen Neapel ermitteln, sollte ihn vielleicht sogar für das französisch-mailändische Bündnis gewinnen, zu dem sich der Moro seit kurzem entschieden hatte, um seine usurpierte Herrschaft gegen die Bedrohung aus dem Süden Italiens zu schützen. Soeben hatte der Sforza im März 1492 Antonio Marias ältesten Bruder, Giovanfrancesco Sanseverino, Graf von Caiazzo, an den französischen Hof entsandt, um das neuen Bündnis zu bestätigen und über einen Angriffskrieg gegen Neapel zu verhandeln. Die Lyoner Medici-Bank hatte diese Gesandtschaft mit einem Kredit über 2.000 Dukaten teilfinanziert.29 Dieser Akt war noch unter der Ägide Lorenzos erfolgt. Aber sollte sein Sohn ein solches Zeichen nicht bestätigen wollen? Doch Piero entschied sich anders. Schon bald sollte Mailand seine Distanz spüren. Bereits die Gelegenheit der Obedienzgesandtschaft an den neuen Papst Alexander VI. im Herbst 1492 nutzte er, um des Moro Wunsch nach einem gemeinsamen Auftritt mit dem mailändischen Gesandten in Rom abzuschlagen, sich selbst herauszustellen und den Gesandten Mailands zu isolieren. Ludovicos Zorn resultierte freilich weniger aus der an sich eher belanglosen Demonstration als vielmehr aus der mit ihr verbundenen Erkenntnis, daß sich Piero damals aus der Florentiner Allianz mit Mailand löste, um sich dem König von Neapel und dessen Sohn Alfons, dem Herzog von Kalabrien, anzuschließen. Den Zeitgenossen war klar, daß er dabei dem Wunsch seines väterlichen Verwandten Virginio Orsini folgte, dessen Einfluß im Königreich Neapel nicht zuletzt aus seiner hohen Stellung (seit 1489) als capitano generale, d.h. oberster Söldnerführer, resultierte. Aus neapolitani27 Buser, Mediceer, S. 312f.; Picotti, Giovinezza, S. 357f., 363. 28 Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 364f. (eine antineapolitanische Komponente in der Gesandtschaft

Antonio Maria Sanseverinos vermutete Ferrante selbst). 29 S.u. S. 132–134.

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schem Dienst übernahm Piero zudem vor 1494 seinen Verwandten Paolo Orsini (ein Cousin Alfonsinas), der sich mit seinem Cousin Virginio stark für die Orsini-Besitzungen in Süditalien eingesetzt hatte und nun einen Florentiner Soldvertrag erhielt. 30 Neapel aber konnte Ludovico Sforza um seinen usurpierten Thron bringen; sein Retter mußte ein König von Frankreich sein, der ihm den Aragonesen vom neapolitanischen Thron schaffte. Ein neuer Herrscher von Florenz jedoch, der sich gegen alle Tradition und stadtpolitische Vernunft gegen Frankreichs und Mailands Interessen stellte, sich vielmehr zu Neapel bekannte, mußte für diese Mächte zu einem kolossalen Ärgernis werden. Francesco Guicciardini betonte mit Recht, daß diese antifranzösische und antimailändische Haltung Pieros der Ursprung della ruina di Italia und besonders seines eigenen Ruins, des Exils nämlich, war! Piero habe sich völlig vom mailändischen Staat entfernt, der jedoch seit der Sforza-Herrschaft immer ein Garant für die Reputation und eine außerordentliche Sicherheit von Florenz und des Hauses Medici gewesen sei.31 Piero de’ Medici hatte sich mit Ludovico Sforza in der Tat einen einflußreichen Feind geschaffen, der nun auch mit Nachdruck daran arbeitete, Pieros Ruf in Frankreich zu beschädigen und seine Macht in Florenz zu destabilisieren, um am Schluß sogar von einem Sturz der Medici profitieren zu können. Seit Ende 1492 wurde Piero von den Florentiner Botschaftern und den Medici-Bankiers in Frankreich wiederholt vor diesem Treiben und seinen Konsequenzen gewarnt.32 Mit Geld gelang es Ludovico Sforza, wichtige Entscheidungsträger des französischen Hofes wie Etienne de Vesc für seine Ziele zu gewinnen. Der Seneschall von Beaucaire, Etienne de Vesc, besaß nach Einschätzung des Florentiner Botschafters Francesco della Casa deshalb eine so zentrale Bedeutung, weil er das Siegel des Königs führte und die königliche Korrespondenz damit zu Gunsten der französischen Interessen bzw. zum Schaden der Medici beeinflussen konnte; ihn wollte der Gesandte daher im Juni 1493 ‚zurückkaufen‘.33 Zu diesen Gegnern gesellten sich Florentiner, denen eine Medici-Herrschaft in Florenz unter Piero zunehmend unannehmbar erschien. Dessen älterer Verwandter Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici wurde im Oktober 1493 Rat und Kammerherr Karls VIII.; eine bestehende Spannung zu Piero wurde vertieft, indem Lorenzo wichtige Propagatoren des Feldzuges gegen Neapel wie den Prinzen von Salerno, Antonello Sanseverino, mit 5.000 Dukaten unterstützte und sich so in Frankreich als „guter Florentiner“ von seinem Neffen dritten Grades absetzte.34 Gegen die Geldgeschenke, die Ludovico Sforza einsetzte, waren solche Beträge bescheiden. Allein der Herzogin von Bourbon hatte er im August 1493 eine Jahresrente von 12.000 30 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 87; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 401f.; zur Er-

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nennung Virginio Orsinis zum Capitano generale der neapolitanischen Truppen am 5.9.1489 vgl. etwa Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 33; zu Paolo Orsini s. Regis Ferdinandi, S. 387f. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 88. Vgl. etwa Buser, Mediceer, S. 313f. und die nachfolgenden Belege, ebenso die Quellen auf S. 534–547 (schon am 20.8.1494 stellte der Florentiner Botschafter in Mailand, Agnolo Niccolini, eine stark nachlassende Gunst des Moro für Piero de’ Medici fest). Buser, Mediceer, S. 538. Buser, Mediceer, S. 543f.

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Dukaten angeboten – was sie ablehnte – und anderen Lenkern des Staates weitere 12.000 Dukaten. Geradezu kleinlich nahmen sich dagegen die jeweiligen Summen von 2.000 Dukaten aus, mit denen die Lyoner Medici-Bank in jenem Monat Béraud Stuart, Seigneur d’Aubigny, und Jacques de Miolans, Gouverneur des Dauphiné, beschenkte.35 Da Piero de’ Medici sich jedoch weiterhin weigerte, sich klar hinter Karl VIII. und seine Pläne zu stellen, vielmehr glaubte, hinter einer vorgeblichen Neutralität sein Bündnis mit Neapel beibehalten zu können, nahm das Unheil seinen Lauf.

2. Der Sommer 1494: Antagonistische Kräfte a) Guillaume Briçonnet, die Capponi und die Ausweisung der Lyoner Medici-Bank Die Vorphase der Exilierung der Medici nimmt in der Forschung keinen zentralen Platz ein, trotz ihrer offenkundigen Bedeutung. Denn genau jene Gruppierung, die im November 1494 die führenden Männer des Hauses Medici exilieren wird, agierte schon Monate, vielleicht sogar Jahre vorher in Frankreich mit genau dem gleichen Ziel: der Vernichtung der Medici-Macht durch die Zerstörung eines der wichtigsten wirtschaftlichen Pfeiler. Das Mittel sahen die Gegner der Medici in der Ruinierung der Medici-Bank in Lyon. Als Feinde offenbarten sich insbesondere einige Mitglieder der Florentiner Bankiersfamilie Capponi, die gerade in Frankreich zu den schärfsten Konkurrenten der Medici zu zählen ist, sowie der am französischen Königshof überaus mächtige Guillaume Briçonnet, Bischof von Saint-Malo (seit Herbst 1493), der sich hier mit den Capponi verbündete. Diesem selten thematisierten, teilweise marginalisierten oder gänzlich negierten Vorgang ist etwas genauer auf den Grund zu gehen. Man muß dabei sehr genau den Kontext beachten. Nach den großen Verlusten der Lyoner Medici-Filiale, für welche vor allem die Mißwirtschaft ihres Leiters Lionetto de’ Rossi verantwortlich war, gelang es dieser Bank um 1490 gerade wieder, politisches Vertrauen zu erwerben und damit neue finanzielle Gewinne zu erwirtschaften. Aufschlußreich für diese prekäre Situation und die in ihr gegebenen Gefahren sind Briefe des neuen, 38 Jahre alten Leiters Lorenzo di Francesco Spinelli (geboren am 20.6.1452) vom Sommer 1490 an Lorenzo de’ Medici.36 Um die Reputation der Medici in Frankreich und Florenz

35 Buser, Mediceer, S. 540 (die Namen der beiden anderen Medici-Vertrauten, die jeweils 2.000

Dukaten erhielten, hat Lorenzo Spinelli in seinem Brief vom 24.8.1493 nicht genannt; der aus einem schottischen, zu höchsten militärischen Ehren gelangten Geschlecht stammende Béraud Stuart, der damals auch häufig als französischer Gesandter in Italien wirkte, hatte nach Informationen Spinellis noch aus anderer Quelle Geld erhalten). 36 Vgl. Buser, Mediceer, S. 291, 294f. Zum Geburtsjahr Spinellis vgl. Tratte, s.v. Dieser Lorenzo (di Francesco di Lorenzo d’Antonio di Lorenzo di Spinello) stammte aus dem Zweig des Lorenzo di Spinello; vgl. Jacks/Caffero, Spinelli, hier App. I, table VI (die Autoren gehen zwar noch

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zu erhöhen, schlug Spinelli dem Magnifico sogar vor, einen seiner Söhne an den französischen Hof zu entsenden, wo er sich ständig beim König aufhalten und von diesem eine Pension beziehen sollte; mit Hilfe seiner Freunde (in Frankreich) könne Lorenzo dies erreichen. Auf der anderen Seite sah sein Lyoner Bankier sich jedoch veranlaßt, ihn zu ermahnen, dafür zu sorgen, daß die Medici-Bankiers in Rom saubere Rechnungen für ihre Dienste bei französisch-römischen Benefiziengeschäften erstellten (offensichtlich war das Gegenteil nicht unüblich!), auf jeden Fall zunächst für den Anfang und ohne zu großes Profitstreben, damit das gerade gewonnene Vertrauen nicht gleich wieder zerstört werde. Zugleich konkurrierten die Medici in Frankreich, Savoyen und Rom vor allem mit den Capponi, wie ebenfalls Spinelli eindringlich bezeugt. Als eines Nachts ein Kurier vom königlichen Hof in Lyon erschien, sandte ihn Spinelli sofort an den Magnifico weiter, damit für einen Günstling des Königs von Frankreich rechtzeitig ein Bistum erworben werden könne. Der Magnifico sollte das Geschäft in Rom empfehlen, denn (der augenscheinlich sehr selbstbewußt und eigenverantwortlich agierende) Spinelli wünschte, daß sie, die Medici-Bankiers in Lyon, ‚die Ehre davon hätten, da sie für den Anfang sehr gut bedienen müßten, wenn sie die Geschäfte an sich ziehen wollten‘. Aber dies könne wegen der Capponi nicht ohne große Anstrengungen geschehen, da diese – die einst auch dem florentinischen Gesandten in Rom einen schlimmen Streich gespielt hätten – sich am Hof befänden und keine Mühe scheuten, ihrer Freunde sich bedienten und billige Besorgung versprächen. Vor diesem Hintergrund kann man Piero de’ Medici in jener kritischen Phase des Frühjahrs 1494, als Karl VIII. sich seit dem 6. März – und mit ihm in den folgenden Tagen sein gesamter Hof – in Lyon befand, um das „Unternehmen Neapel“ endgültig in Angriff zu nehmen, eine gewisse Naivität bei der Auswahl seiner Gesandten nicht absprechen.37 Es zeugt kaum von politischer Klugheit, daß Piero de’ Medici im Frühjahr 1494 ausgerechnet Piero Capponi zum Botschafter der Republik Florenz am französischen Hof bestellte. Es hatte zwar unter Lorenzo il Magnifico eine Annäherung der Capponi an die Medici gegeben; und es fehlt auch nicht an Zeugnissen über eine gewisse Kooperation der Medici-Bankiers mit der Capponi-Bank im französisch-savoyischen Geschäftsraum.38 auf Lorenzos gleichnamigen Großvater, einen Seidenhändler, doch nicht mehr auf seinen Vater und auf ihn selbst ein). 37 Zu Ankunft des Königs in Lyon: Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 267. 38 Hinweise auf eine politische Förderung Piero Capponis durch Lorenzo de’ Medici – den andrerseits ein Capponi im Gegensatz zu Lorenzos Sohn Piero auch respektieren konnte! – finden sich z. B. in Acciaioli, Vita, S. 21–27; zur Person: M[ichael] Mallett, Art. „Capponi, Piero [di Gino di Neri]“, in: DBI 19 (1976), S. 88–92 (trotz mehrfacher Gesandtschaften und Kommissarsaufträge für Florenz bzw. Lorenzo de’ Medici habe Piero als ökonomischer Konkurrent nicht zu dessen engeren Ratgebern und Freunden gehört, doch sei er erst unter Piero de’ Medici zum Feind der Medici geworden, weshalb er bei seiner Gesandtschaft 1494 möglicherweise gegen Piero agiert habe, gegen den er offen aber erst ab Ende Oktober 1494 auftrat). Ein Beispiel für die geschäftliche Kooperation schildert Piero Capponi in einem Brief vom 17.12.1491 aus Florenz an den in Mailand als Botschafter wirkenden Mediceer Pierfilippo Pandolfini: Die Capponi-Bank hatte, wie häufig praktiziert, eine größere Summe Bargeld ihrer Bank und anderer

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Doch all dies kann mit Blick auf die Beziehung Piero Capponis und seiner Anhänger zu den Medici nur vordergründig-pragmatisch erfolgt sein. Denn bei einer festen Einbindung in die Medici-Klientel hätte Piero Capponi sich anders verhalten, als er es in Frankreich tat. Desungeachtet waren und blieben diese Capponi aber vor allem einer der wichtigsten Konkurrenten der Medici im lukrativen französischen Benefiziengeschäft. Ihre Lyoner Bank war – nicht zufällig 1485, als die Krise der Lyoner Medici-Bank ihren Höhepunkt erreichte – mit der gewaltigen, weit überdurchschnittlichen Kapitalsumme von 31.000 Dukaten ausgestattet worden.39 Mit dieser wirtschaftspolitischen Rivalität zu den Medici fanden Piero Capponi und seine Bankiers freilich einen Gleichgesinnten, der ebenfalls energisch gegen die Medici und ihre wirtschaftliche Basis in Frankreich agierte. Guillaume Briçonnet, der aus der französischen Finanzverwaltung zum Bischof von Saint-Malo aufgestiegen war, zählte in Florenz wie Frankreich zu den Feinden der Florentiner Republik und speziell der Medici. So stellte Gentile Becchi, Bischof von Arezzo, Freund der Medici und Florentiner Gesandter in Frankreich, schon am 12. November 1493 fest, Saint-Malo – also Guillaume Briçonnet als dessen Bischof – sei nicht nur sehr selbstbewußt und selbstgefällig, diese Schlange sei der Feind von Florenz und vor allem der von Piero de’ Medici – è il più falso Florentiner Banken durch Amerigo und Raffaele Antinori, Piero Bettini und andere Florentiner von Lyon nach Florenz transportieren lassen, doch wurde die Gruppe kurz nach Lyon überfallen, ihrer Pferde und des Geldes beraubt. Auf dem Gebiet des Grafen von Genf, im Machtbereich des noch ausführlicher vorzustellenden savoyischen und promediceischen Grafen Philippe de Bresse, wurden die Diebe mit dem Diebesgut verhaftet und die Sache sollte gerichtlich geregelt werden. Da aber das geraubte Gut einen Wert von insgesamt 15–16.000 Dukaten(!) besaß, wollte Piero Capponi durch offiziellere Interventionen bei den genannten savoyischen Grafen und hohen Beamten des Landes einen Zugriff auf bestimmte Teile des Gutes vermeiden; für diesen Zweck hatte er die Zusage einer Fürsprache durch Lorenzo de’ Medici und die Florentiner Signoria erhalten. Der Pandolfini sollte die Vermittlung nach Savoyen übernehmen, wobei ihm Capponi die Spesen erstatten wollte. Der Medici unterstützte den Capponi sicherlich nicht nur aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern weil auch die Lyoner Bartolini-Bank, an der er mehr als nur beteiligt war, mit ca. 900 Dukaten zu den geschädigten Banken gehörte (die CapponiBank war mit ca. 2.800 Dukaten betroffen, Antinori di Ghirighoro mit ca. 2.500, Bernardo Ridolfi mit 1.500, Galeazzo Alamanni mit ca. 600 und viele weitere mit kleineren Beträgen); vgl. Lettera di Piero Capponi. Bemerkenswert ist die von Piero Capponi bezeugte mehrfache Präsenz seines eigentlich in Lyon die Capponi-Bank führenden Bruders Cappone Capponi in Chambéry, was auf eine Konkurrenz mit der Lyoner Medici-Bank auch in diesem Raum hinweist. Mit einer ganz ähnlichen Konstellation hatte Lorenzo de’ Medici Ende 1473, Anfang 1474 seinen Rivalen aus der Pazzi-Familie helfen müssen, als in Savoyen außer einer Handelskarawane der Medici auch eine der Pazzi aufgehalten und ihre Waren beschlagnahmt wurden; vgl. Martines, Die Verschwörung, S. 100. Zu den 1494/95 bezeugten Lyoner Geschäftsverbindungen zwischen dem Medici-Bankier Giuliano da Gagliano und der unter dem Namen ‚Neri Capponi und Bartolomeo Buondelmonti und Gesellschaft in Lyon‘ laufenden Capponi-Bank s.u. Anm. 58. 39 Vgl. M. Luzzati, Art. „Capponi, Neri [di Gino di Neri di Gino]“, in: DBI 19 (1976), S. 75–78 (1485 nahmen die Brüder Piero und Neri Capponi eine Neuorganisation ihrer Lyoner Bank vor, zu deren Kapitalsumme von 31.000 Dukaten diese beiden 21.375 Dukaten beisteuerten; ihre Lyoner Bank unterhielt eigens eine Dependance am französischen Königshof, geleitet von Giovanni Tosinghi und Albizzo del Bene, ausgestattet mit 5.000 Dukaten).

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uomo, inimico di nostra nazione, e massimo di Pietro. Neben dem König und Etienne de Vesc sei er jedoch als einer der drei alleinigen Entscheidungsträger anzusehen.40 Genauso deutlich äußerte sich der medicinahe Florentiner Botschafter Francesco della Casa am 28. Februar 1494 über Briçonnet. Dieser sei nicht nur schwer enttäuscht über die Haltung der Florentiner Regierung zum geplanten Marsch der Franzosen auf Neapel, er habe überdies niemals die Florentiner Nation geliebt und habe einen wechselhaften und falschen Charakter, er sei korrupt durch seine Ambitionen auf den Kardinalshut, und all dies sei die Hauptursache für das Übel, welches das Haus Medici in Frankreich zu erleiden habe.41 Dies war nicht die ganze Wahrheit. Denn zu allem Überfluß waren Guillaume Briçonnet und Etienne de Vesc noch eng befreundet.42 Vesc – der ja früh durch Mailänder Geld gekauft und gegen die Medici eingeschworen worden sein soll – und Briçonnet konnten die Medici somit effektvoll schädigen. Schon vor der Ankunft des Florentiner Gesandten Piero Capponi in Frankreich strebte Guillaume Briçonnet die Vertreibung der Medici-Bank aus Lyon an, wie aus einem Brief des mailändischen Gesandten Carlo Barbiano, Conte di Belgioioso, vom 26. März 1494 an Ludovico il Moro hervorgeht.43 Briçonnet wollte den Termin dabei gezielt auf die zweite Woche nach Ostern (30.3.1494) legen, da in jener Zeit Messe in Lyon sei und die Medici-Bank deswegen viel Geld in ihren Kassen habe, das konfisziert werden könnte. Aus seiner Feindschaft resultierte also das Ziel, das Haus Medici finanziell zu schädigen, wenn nicht zu ruinieren. Was den am Königshof seit vielen Jahren so einflußreichen Briçonnet zu diesem Haß auf die Medici getrieben hatte, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Es liegt nahe, an eine ältere Konfrontation oder Rivalität zu denken, die wahrscheinlich auf die früheren kaufmännischen oder finanziellen Aktivitäten Briçonnets in seiner Heimatstadt Tours, im Umfeld des Hofes oder auf seine Ämter als Finanzsekretär unter König Ludwig XI. und als Général des finances de Languedoc (1483–1493) zurückgehen – oder gar auf die Geschäfte seines Vaters Jean, der, wie überhaupt die ganze Familie, eine dominierende Rolle in der französischen Finanzverwaltung des 15. Jahrhunderts einnahm.44 Erstaunlicherweise blieb diese Feindschaft über Jahre bestehen. Noch wäh40 Canestrini/Desjardins, Négociations I, S. 342f. 41 In somma, noi lo [den Bischof von Saint-Malo] troviamo, quale sempre ho creduto, e vi ho

scritto, che mai amò na nazione nostra, e di sua natura vario e fallace, e di poi corrotto da sua speranza del cappello; le quali cose sono principal causa del male nostro di qua; Canestrini/Desjardins, Négociations I, S. 277f. Zur Haltung des Francesco della Casa vgl. etwa die Qualifizierung des Chronisten Piero di Marco Parenti: Francesco Della Casa, intimo amico di Piero de’ Medici e buon tempo in Francia tenutosi; Parenti, Storia fiorentina I, S. 130. 42 S.u. S. 36f. 43 Vgl. Delaborde, Expédition, S. 354f. 44 Vgl. zu ihm etwa die knappen Angaben bei Veissière, Guillaume Briçonnet, S. 16f., dessen Biographie sich dem gleichnamigen Sohn des Bischofs und späteren Kardinals (1495) Guillaume Briçonnet widmet. Erstaunlich bleibt, daß Guillaume, „le plus célèbre de la famille“ (ebd. S. 16), niemals eine adäquate Monographie oder andere gezieltere Studie erhalten hat. Etwas ausführlicher zur Familie: Spont, Semblançay, s.v.; Boislisle, Etienne de Vesc, II, S. 303–312 (mit Betonung der hohen Stellung Briçonnets und schon seines Vaters Jean Briçonnet des Älteren und seines gleichnamigen, aber jüngeren Onkels am Königshof sowie zur besonderen Freund-

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rend des Pontifikats von Leo X. war es ein Briçonnet, Guillaumes Sohn Denis, der als französischer Gesandter an der Kurie das ausgezeichnete Verhältnis zwischen der MediciKurie und dem französischen König störte und sogar ein hochpolitisches Prestigevorhaben, die Kanonisation des zum französischen Nationalheiligen stilisierten Süditalieners Francesco di Paola, zu hintertreiben oder zumindest zu behindern versuchte.45 Es deutet manches darauf hin, daß Guillaume Briçonnet schon im Frühjahr 1494 mit Piero Capponi kooperierte. Francesco della Casa informierte Piero de’ Medici am 17. April 1494 aus Lyon, daß die Mitarbeiter der Lyoner Capponi-Filiale ständig gegen die dortige Medici-Filiale agierten, daß sie heimlich die Probleme der Medici verstärkten, und daß er hoffe, Piero habe den neuen Gesandten Piero Capponi – die Metaphern Francescos aus der Tuchverarbeitung freier paraphrasierend – so gut bearbeitet, daß er nicht in der gleichen Weise gegen die Medici vorgehen werde.46 Doch nach Aussage des den Medici überaus wohl gesonnenen, bestens informierten Philippe de Commynes hatte Piero Capponi, der im April aus Florenz abgereist war, Piero de’ Medicis Wunsch, Frankreich möge Verständnis für das Bündnis zwischen Florenz und König Ferrante von Neapel aufbringen, da es im Falle eines in Italien einmarschierenden Königs von Frankreich keine Wendung der Florentiner gegen Frankreich bewirken würde, so scharf formuliert, daß er eine klare antifranzösische Note erhielt. Zudem habe Capponi Ratschläge zum Sturz Pieros in Florenz gegeben und habe die Vertreibung der Florentiner aus Frankreich empfohlen – womit nur die Medici-Bank und den Medici verbundene Bankiers in Lyon gemeint gewesen sein können.47 Weitere Dokumente bezeugen schließlich geheime Treffen zwischen Guillaume Briçonnet und Piero Capponi im Frühsommer 1494, bei denen der Bischof dem Florentiner Medici-Feind Geld und Leute anbot, um die Herrschaft Piero de’ Medicis in Florenz zu beseitigen – daß Capponi den Medici hiervon unterrichtete, wird man nicht

schaft zwischen Guillaume und Etienne de Vesc); Labande-Mailfert, Charles VIII (1975/1986), s.v.; Harsgor, Recherches, S. 1918–1932. Zu den Finanzämtern vgl. neben Spont und Harsgor, a.a.O., auch Jacqueton, Documents, S. 292 (in den Ämterlisten des Appendice III finden sich auch die weiteren Angehörigen der Familie Briçonnet wie Jean l’aîné, der Vater Guillaumes [1466–76 Receveur général de Languedoil], Jean le jeune, Onkel Guillaumes [1484–92 Receveur général de Languedoil], François, Sohn von Jean le jeune [1492-1502 Receveur général de Languedoil], Pierre oder Nicole mit ihren verschiedenen hochrangigen Ämtern). Ältere, möglicherweise auf seine Kaufmannstätigkeit in Tours zurückzuführende Ursprünge der evidenten Feindschaft Briçonnets zu den Medici vermutete jüngst auch Chevalier, Le cardinal Briçonnet, S. 586. 45 Vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 111; Pietschmann, Kanonisation, S. 162f., 167. 46 Canestrini/Desjardins, Négociations I, S. 288–291, hier S. 291: E ci è detto da molti di questi che governono, che di poi siamo à Lyon, i nostri proprii ci mancono assai; e ogni dì troviamo qualche riscontro contro che questi Capponi e loro giovanni vi danno carico, e secretamente aggravono il male nostro; ma spero abbiate mandato di qua Piero [Capponi] con sì buona concia, che non pigliera altra tintura. Nondimanco abbiateci buona considerazione. 47 Commynes, Mémoires VII/6 (tom. III, S. 43f.); vgl. in deutscher Übersetzung: Commynes, Memoiren, S. 301 (die zeitliche Einordnung wird aus dem Kontext ersichtlich).

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als Zeichen „patriotischer Loyalität“, sondern als gezielte Irreführung innerhalb des Ränkespiels werten müssen.48 Diese Machenschaften zeitigten bald einen gewichtigen Erfolg. König Karl VIII. gab im Juni 1494 Herzog Ludwig von Orléans den Befehl, er möge für die Ausweisung aller Angehörigen der casa Medici aus dem Königreich Frankreich sorgen.49 Eine der Säulen der Medici-Macht stand damit vor dem Zusammenbruch, dies 48 Die Briefe sind gedruckt bei Canestrini/Desjardins, Négociations I, S. 393f. In diesen chiffrier-

ten Briefen berichtete Piero Capponi zwar Piero de’ Medici über die Intentionen und Angebote Briçonnets, doch wird man diese Offenheit nicht als Beweis für seine Loyalität gegenüber dem Medici und für die Unrichtigkeit der Aussagen des Commynes werten dürfen, wie die Herausgeber der Dokumente und auch C. Guasti in seiner Rezension es tun. Die Briefe scheinen vielmehr eine bewußte Irreführung des Medici beabsichtigt zu haben, wie sich aus den weiteren Zeugnissen zur Thematik ergibt. Zudem ist zu bedenken, daß der zusammen mit Capponi bestellte zweite Gesandte Guidantonio Vespucci von den Avancen Briçonnets informiert war, so daß mit der Informierung Piero de’ Medicis gleichsam eine Flucht nach vorn angetreten wurde, die eine scheinbare Loyalität beweisen sollte, ohne Nachteile für das Ziel einer Ruinierung der Medici-Bank. Aus Äußerungen der Betroffenen geht klar hervor, daß die Freundschaft des Briçonnet mit den Capponi weiter demonstriert wurde. Guasti, der offensichtlich aus patriotischen Motiven (Capponi habe sich als „buon fiorentino“ erwiesen, indem er Piero de’ Medici von den Plänen Briçonnets berichtete) und möglicherweise auch aus Rücksicht auf zeitgenössische Nachfahren der Capponi in Florenz die Vorwürfe von Commynes nicht glauben und Piero Capponi nicht als Verräter ansehen wollte, scheint die wahren Ursachen und die Berechtigung der Aussagen des Commynes nicht wahrgenommen zu haben; vgl. auch Guasti, Relazioni, S. 43–47. Erstens handelte Capponi als Unterstützer des Sturzes der Medici-Bank nicht als „traditore“ des Vaterlandes – so Guasti –, sondern hätte sich seiner republikanisch-patriotischen Gesinnung gemäß (gerade Guasti betont Capponis Ideal einer von den Besten regierten Republik, die nun ja gerade Piero de’ Medici ad absurdum führte) mit dieser den Sturz Piero de’ Medicis einleitenden Tat eher als Bewahrer des Vaterlandes angesehen. Zweitens darf – wie Guasti es tut – Commynes nicht deshalb abgewertet werden, weil ihn kein Florentiner Historiker bestätigte – denn diese waren nicht in Frankreich anwesend. Commynes aber war durch seine Nähe zu den Medici, seine Vertrautheit mit den Leitern der Lyoner Medici-Bank, durch seine ständige Anwesenheit am Hof, wo er die Konkurrenz zwischen den Capponi und Medici um die lukrativen französischen Benefiziengeschäfte aus erster Nähe erlebte, und schließlich als Vertrauter des Herzogs von Orléans, der Karls VIII. Befehl zur Vertreibung der Medici-Bankiers durchzuführen hatte, bestens mit den Vorgängen vertraut, hatte einen besseren Einblick als viele andere. Eine bewußt bösartige Diskreditierung Piero Capponis brachte ihm außerdem keinerlei Vorteil, es gab keinen Grund dafür. Und schließlich bestätigen die weiteren, unabhängigen Zeugnisse Dritter zur bitteren Rivalität zwischen den Capponi und Medici die Feststellung des Commynes. Daß Piero Capponi sich gegen Piero de’ Medici gestellt hatte, kann auch Guasti nicht bestreiten. Doch dies nur auf die unehrenvolle Abreise aus Frankreich im Juni 1494 und Pieros Betrug am Vaterland durch die Übergabe der Florentiner Festungen an Karl VIII. zu beziehen, wie Guasti (S. 47) es tut, reicht nicht aus. 49 Vgl. die Formulierung des Medici-Bankiers Cosimo Sassetti in seinem Brief vom 22. Juni 1494 an Piero de’ Medici: Voi arete inteso per le lettere ultime scrivemo costi, come el duca dorleans per ordine della Mta del re avea dato licienza a tutti di casa vostra duscire del reame ...; Buser, Mediceer, S. 548. Vgl. auch Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 242; in dessen chronikalischen Notizen wird allerdings für Juni und Juli eine Vertreibung aller Florentiner Kaufleute aus Lyon auf Anweisung König Karls VIII. behauptet. So auch Alison Brown, nach welcher König Karl VIII. im Juni 1494 gar alle Florentiner Kaufleute aus dem gesamten Königreich Frankreich ausgewiesen hätte, weil sie ihm nicht die gewünschten Kredite gegeben hätten; Brown, Revolution

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schien allen Beteiligten klar und war genau so von den Gegnern intendiert worden. Mit der Vertreibung der Medici-Bank sollten diese, die Medici-Gesellschaft insgesamt und am Ende natürlich Piero de’ Medici ihre Reputation, ihren Kredit verlieren. Die von Guillaume Briçonnet schon für den April geforderte Konfiszierung der Bareinlagen hätte die Medici allerdings noch härter getroffen. Vor einer solchen Beschlagnahmung wollte Karl VIII. die Medici offensichtlich bewahren. Dennoch bedeutete die Vertreibung einen harten finanziellen Rückschlag für die sich gerade aus wirtschaftlichen Nöten befreiende Bank. Der mailändische Gesandte in Frankreich, Carlo Barbiano, sprach diesen (nicht nur ihm bekannten) Sachverhalt sehr deutlich in einem Brief vom 3. Juli 1494 an seinen Herrn aus. Die Florentiner Botschafter hätten mit den Agenten der Lyoner Medici-Bank das Land verlassen. Und wie er von einigen Florentinern hörte, die keine Freunde des Piero de’ Medici seien – unter ihnen sicherlich einige Capponi –, bedeute dieses Pieros Agenten erteilte Mandat ein großes Geldopfer. Denn da sie im französischen Königreich große Summen an Geld zu bezahlen wie auch zu bekommen hätten, seien sie gezwungen, ihre Schulden ohne Verzögerung sofort zu begleichen, während sie ihre Kredite nur mit größten Schwierigkeiten einziehen könnten! In Anbetracht der Tatsache, daß diese MediciBankiers ihre Bank nun in Chambéry weiterführten, der Residenz der Herzogin von Savoyen, solle Ludovico Sforza in Erwägung ziehen, ob man nicht in Frankreich auf Karl VIII. einwirken solle, er möge die savoyische Herzogin drängen, auch ihrerseits die Medici-Bank aus ihrem Land zu vertreiben, um so den Medici einen noch größeren Verlust zuzufügen.50 Auch Cosimo Sassetti betonte in seinem Brief vom 22. Juni 1494 gegenüber Piero de’ Medici, daß der (finanzielle) Schaden das Hauptmotiv für denjenigen gewesen sei, der den König zum Vollzug dieser Grausamkeit bewogen habe.51 Mit dieser Formulierung machte er zugleich aber auch klar, daß der König von einer anderen Person zu diesem Schritt gedrängt worden war. Philippe de Commynes bekräftigte, daß seiner Meinung nach nicht Carlo Barbiano (l’uomo del S. Ludovico) die Ursache für die Ausweisung der MediciBank gewesen sei und auch der Rückkehr nicht im Wege stehe. Die Sache sei im Affekt, aus Wut, entschieden worden, aber manchmal mache der Mensch Sachen, die er beibeof 1494, S. 20. Davon kann allerdings keine Rede sein, und selbst aus Lyon sind, wie zahlreiche Zeugnisse belegen, nur die dortigen Medici-Bankiers zum Verlassen des Landes aufgefordert worden – und selbst sie lassen sich danach immer wieder einzeln in Lyon nachweisen. 50 Buser, Mediceer, S. 332f., 550: Così erano partiti li oratori fiorentini cum li agenti per Medicis, et per quanto ho inteso da alcuni fiorentini che non sono molto amici al Mco Pyero, questa licentia data ali agenti soy, li sara de gran iactura, perché havendo a pagare et ricevere in questo reame grande summa de dinari, sarano astrecti pagare el debito senza dilatione et li crediti non porrano ritrare senza grandissima difficulta. Et perché essi agenti se sono firmati tenere el bancho suo a Chiamberi, loco dela Illma duchessa de Savoya, quando ala Exctia V. paresse chel se facesse opera dal canto di qua, che questo Chrmo Re instasse cum sua Sia, che la li licentiasse anche ley dal paese suo per darli magior perdita, essendo dala Cels. V. avisato del parere suo lo exequiro cum ogni studio et diligentia possibile. 51 Buser, Mediceer, S. 547–550, hier 548.

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halte, nur um zu demonstrieren, daß er nicht ohne Grund gehandelt habe (la cosa fu facto insu collera, ma alcuna volta luomo fa cosa che dipoi si lasciono nel medeximo essere, per demonstrare non l’avere facto sanza cagione).52 Der König war also nicht der zentrale Verursacher dieses Unglücks. Nein, die maßgeblichen Kräfte hinter der Ausweisung der Medici-Bank hießen Guillaume Briçonnet und Capponi. Schon am 22. Juni 1494, als Cosimo Sassetti an Piero de’ Medici über die damals bereits erfolgte Ausweisung der Medici-Bankiers berichtete, betonte er, daß sie bei ihrer Abreise von allen Florentinern in Lyon bedauert worden seien, bis auf einige, die niemals anders vorgegangen seien, und besonders jene, die eigentlich Grund zum gegenteiligen Handeln hätten, da sie von Piero de’ Medici mit Wohltaten versehen worden seien.53 Diese Charakterisierung trifft recht eigentlich nur auf die Bankiers des Piero Capponi zu, die langjährigen und härtesten Konkurrenten der Medici in Frankreich, während Piero und seine Familie eben zugleich von den Medici gefördert worden waren. Wie zur Bestätigung dieser Annahme konnte Lorenzo Spinelli am 26. August 1494 aus Chambéry berichten, Briçonnet pflege auch mit dem Prinzipal der Lyoner Capponi-Bank engste Kontakte.54 Zu evidenten Freunden der Medici verhalte er sich hingegen völlig anders. Es ist sicherlich nicht als Zufall zu bewerten, daß Philippe de Commynes gerade durch Briçonnet am Beginn des Italienzuges, Anfang Oktober 1494, zu einer Gesandtschaft nach Venedig weggelobt wurde, wo er kaum für die Medici wirken konnte.55 Hinter dem Schlag gegen die Finanzen der Medici stand natürlich stets das Ziel, Piero de’ Medici von seinem Florentiner Sockel zu stürzen. Guicciardini wußte dezidiert von der unerbittlichen Feindschaft Piero Capponis zu Piero de’ Medici zu berichten, die 52 Buser, Mediceer, S. 552. 53 Buser, Mediceer, S. 547–550, hier 549. 54 ASF, MAP XVIII, doc. 266; Teildruck bei Buser, Mediceer, S. 552f. (unter Auslassung zentra-

ler Aussagen). Der Brief liegt in einer Kopie der Medici-Kanzlei vor, zu welcher der Kopist angab, er sei am 26.8.1494 in Chambéry geschrieben worden und stamme von Lorenzo Spinelli. Da der Brief bei den zentralen Passagen chiffriert war, was auch die Nennungen Spinellis betrifft, wird über diesen dreimal in der dritten Person gesprochen; analog: MAP XIX, doc. 195 (4.9.1494, Lorenzo Spinelli an Cosimo Sassetti). Aus dem Exil der Medici-Bankiers im savoyischen Chambéry hieß es also: Der König von Frankreich habe einige Worte gesagt, die bedeuteten, daß Piero de’ Medici in Kürze tot sein könne. Andere (hingegen) hätten vernommen, das gleiche bzw. dies habe der Bischof von Saint-Malo verlauten lassen, der wolle, daß Piero sich dessen bewußt sei und daß er wisse, was (der von Piero vertriebene) Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici mache. Der König erhalte sehr oft Briefe aus Florenz, die ihn zum Marsch auf Neapel ermutigten – also von Gegnern Pieros –, und einige der Florentiner Nation (in Lyon) würden das gleiche tun und ihm große Hoffnung machen. Der Prinzipal der Capponi befinde sich ständig an der Seite von Saint-Malo (also Guillaume Briçonnet) und der Signor Ludovico (il Moro) würde, wenn er könnte, nur zu gern den Florentiner Staat, d.h. die Regierung, wechseln. Aus diesem Brief geht doch nur allzu deutlich hervor, daß der Capponi-Prinzipal zu jenen in Lyon lebenden Florentiner Gegnern des Piero de’ Medici gehörte und sich als solcher mit Guillaume Briçonnet verband. (Da Piero Capponi zu jener Zeit bereits nach Florenz zurückgereist war, kann sich der Ausdruck il principale de’ Capponi nicht auf ihn als Familienoberhaupt beziehen, sondern muß den Leiter der Capponi-Bank in Lyon betreffen.) 55 Grote, Formazione, S. 132.

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wesentlich dazu beigetragen habe, daß dem Medici ‚der Staat entzogen‘ wurde. Über Pieros Bruder Neri di Gino Capponi berichtete Guicciardini, er habe sich bei dem Aufbruch Karls VIII. nach Italien in Frankreich befunden und damals den Medici ‚entschieden verfolgt‘.56 Auch der Chronist und Medici-Gegner Piero di Marco Parenti verwies auf die überaus enge Freundschaft zwischen dem Briçonnet und Neri di Gino Capponi.57 Doch differenzierend ist zugleich festzustellen, daß die (nun ganz unter Neris Direktive stehende) Lyoner Capponi-Bank vor allem nach der Vertreibung der Medici-Bank aus Lyon offensichtlich gute Geschäftsbeziehungen zu den dort noch verbliebenen MediceerBankiers um Giuliano da Gagliano unterhielt.58 Als Piero de’ Medici sich nach dem Tod seines Vaters vor dem drohenden Szenario eines Marsches der Franzosen auf Neapel für ein Bündnis mit König Ferrante von Neapel entschieden und sich damit vom alten Freund und Schutzherrn Frankreich abgewandt hatte, hatte Piero nicht nur massive, langjährige ökonomische und politische Interessen der Medici mißachtet, sondern gleichfalls die der anderen Florentiner Kaufmannsfamilien und besonders der Capponi, die – wir hörten es bereits – als stärkste Konkurrenten der Medici den offensichtlichen Schwerpunkt ihrer Geschäfte ebenfalls in Frankreich und besonders im französisch-kurialen Benefiziengeschäft hatten. Ein Führer des Capponi56 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 95 (zu Piero Capponi als erbittertem Feind der Medici-

Regierung), 324 (zu Neri Capponi). 57 Parenti, Storia fiorentina I, S. 129, Anm. zu Zeile 502: per tale ordine richiamò indrieto delle

sue genti già verso Siena aviatesi, e de’ nostri vi si mandò commissarii, per più nostra giustificazione di sua volontà, Lorenzo di Pierfrancesco [de’ Medici] e Neri di Gino Capponi, fratello di Piero, amicissimo della prefata Maestà [König Karl VIII. von Frankreich] e massime del vescovo di San Malò, suo principale governatore. Auch wenn dieser Satz im Manuskript durchgestrichen wurde – vermutlich weil Neri zu jener Zeit in Frankreich war – bedeutet dies keine Revision der inhaltlichen Aussage über die enge Freundschaft zwischen Guillaume Briçonnet und Neri di Gino Capponi. 58 Für diese Beobachtung ist es eventuell nicht ohne Belang, daß Piero und sein weiterer Bruder Girolamo am 10.6.1494 aus der Lyoner Capponi-Bank ausgestiegen waren, die nun vornehmlich unter der Verantwortung von Neri Capponi und dem langjährigen Partner Bartolomeo Buondelmonti stand, welche offenbar der Bank seit diesem Zeitpunkt auch ihren Namen gaben; vgl. M. Luzzati, Art. „Capponi, Neri“, in: DBI 19 (1976), S. 75–78. Ihre Bank, Neri Capponi e Bartolomeo Buondelmonti e compagnia di Lione, unterhielt für Wechselgeschäfte Konten bei dem Mediceer-Bankier Giuliano da Gagliano, der die Bartolini-Bank in Lyon leitete; vgl. etwa ASP IV/2 (libro bianco segnato A des Giuliano di Piero da Gagliano, 1489–1496; ich danke Frau Agnes Pallini, die eine Dissertation über die Florentiner Bankiers in Lyon erarbeitet, daß sie mir eine Kopie dieses wichtigen Rechnungsbuches zur Verfügung gestellt hatte), c. 10/X, 41/XLI, 66/LXVI, 82/LXXXII, 85/LXXXV und c. 14, 15, LXXVII, 81; sowie oft korrespondierend in ASP IV/4 (quadrino di chambi e richordanze segnato A des Giuliano da Gagliano, 1494–96), passim, wo persönliche Kontakte zwischen Giuliano und z. B. Alessandro Capponi (einem weiteren Bruder und Partner Neris und Pieros) bestätigt sind, der ihm bei seiner Abreise aus Lyon Ende 1495 ein Pferd abkaufte, ferner zwischen Giuliano und Gino Capponi – wahrscheinlich Neris 1478 geborener Sohn, der sich 1497 als sehr enger Freund der Medici erweisen wird! – wegen einer Schiffsversicherung; auffallend auch, daß die Capponi-Bank Giuliano vorher bei einem Zwangsaufenthalt in Montluel mit Bargeld aushalf; ASP IV/4, libretto di ricordi, c. 2r, 9v. Zur Freundschaft von Neris Sohn Gino zu den Medici s.u. S. 250, 442, 959.

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Clans wie Piero di Gino Capponi besaß also nach der Regierungsübernahme des jungen Medici 1492 sowohl private wirtschaftlich-existentielle als auch allgemeine politische Gründe, die ihn auf einen Sturz des Medici hinwirken lassen mußten – und zwar um so nachdrücklicher, je weiter die Kriegsvorbereitungen der Franzosen voranschritten und Piero de’ Medici an seiner aragonesischen Option festhielt. Er mußte die französische Führung überzeugen, daß Pieros Haltung nicht derjenigen der Florentiner Mehrheit entsprach, um das für den ökonomischen Erfolg seiner Familie entscheidende politische Vertrauen in Frankreich nicht zu verlieren. Er wollte in Frankreich wie Florenz auf einen Sturz Pieros hinarbeiten, um die republikanische Verfassung von Florenz zu retten und um die Republik vor drohenden Zerstörungen ihres Territoriums im Zuge des französischen Vormarsches zu bewahren. Vincenzio Acciaioli, der Mitte des 16. Jahrhunderts eine „vita“ des Piero di Gino Capponi verfaßte, betont sehr eindringlich, daß Piero Capponi, der sich zu dem politisch klugen Lorenzo de’ Medici loyal verhalten habe, angesichts der grundlegend neuen, nämlich zu autoritären, die Freiheit der Stadt bedrohenden Regierungsweise Pieros diesen zu hassen begann. Außerdem fürchtete man, daß Pieros Bündnis mit dem König von Neapel, das gegen Capponis Willen und die volontà de’ maggiori cittadini geschlossen worden sei, durch den Krieg zu einem schlechten Ende für die Republik Florenz führen würde.59 Tatsächlich hatte beispielsweise Ludovico il Moro den florentinischen Botschafter in Mailand in den Sommer- und Herbstmonaten 1494 immer wieder gewarnt, daß Pieros Haltung keine Neutralität für Florenz bewirken würde, sondern große Zerstörungen seines Territoriums und sogar den Ruin des Hauses Medici.60 Hatten die Capponi vor dem Sturz der Medici mehr von der Macht des Guillaume Briçonnet profitiert, so konnte dieser danach in Florenz offenkundig den Einfluß der Capponi für sich nutzbar machen. Nach der Flucht der Medici und noch vor dem Einritt Karls VIII., dessen Aufenthalt er mit vorzubereiten hatte, konnte Briçonnet zwischen dem 9. und 17. November mit augenscheinlicher Hilfe der nun mächtigen Capponi erreichen, was er möglicherweise schon im April versucht hatte, als er mit der Ausweisung der Lyoner Medici-Bank nach der Ostermesse auch die reichen Bareinlagen der Bank konfiszieren lassen wollte. Denn kaum befand er sich in Florenz, gelang es ihm mit Handreichung zentraler Medici-Feinde, aus dem konfiszierten Medici-Vermögen – d.h. de facto aus den Einlagen des Monte Comune! – die hohe Summe von 17.500 Dukaten beschlagnahmen zu lassen, die er vorgeblich aus einer jahrzehntealten Schuld der Medici-Bank in Brügge beanspruchte, bei welcher der am burgundischen und französischen Hof arrivierte Guillaume de Bische 13.000 Pfund de gros a discrezione deponiert und durch den Bankrott dieser Bank unter Tommaso Portinari verloren hatte.61 Da Briçonnet diese Summe dem 59 Acciaioli, Vita, S. 27f. (hier auch Hinweis des Biographen, daß Piero Capponi durch die Dienste

seiner Brüder für König Ludwig XI. sehr gute Verbindungen zum Hof gehabt habe). 60 Vgl. z. B. ASF, MAP L, doc. 312 (23.7.1494), 313 (24.7.1494); LXXIV, doc. 104 (25.9.1494),

106 (3.10.1494). 61 Der gesamte Vorgang ist zuletzt mit eingehender Analyse der Hintergründe geschildert worden

bei Chevalier, Le cardinal Briçonnet; erörtert auch schon bei Harsgor, Recherches, S. 1930f.

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wahrscheinlich schon 1496 verstorbenen Bische ebensowenig wie seinen Erben übergeben hatte, und da die Medici mit politischem Rückhalt das Geld zehn Jahre später mit einem Prozeß am Pariser Parlament zurückfordern werden, drängt sich der Eindruck auf, Briçonnet habe die Gunst der Stunde genutzt, um noch vor der Ankunft des Königs und des Hofes in Florenz alte Rechnungen zu begleichen – und mit Unterstützung befreundeter Medici-Feinde, die sicherlich mit Nachnamen auch Capponi hießen, Gräben zu den Medici zu vertiefen. Tatsächlich hatte die Signoria am 12. November 1494, drei Tage nach der Vertreibung der Medici, Bernardo di Niccolò Capponi und Benedetto di Tanai de’ Nerli damit beauftragt, eine Berechnung der Güter und Schätze Piero de’ Medicis, seiner Kanzler (das wären Piero Dovizi da Bibbiena und Niccolò Michelozzi) und der im öffentlichen Finanzsektor, besonders beim Monte, für die Medici wirkenden „Grauen Eminenzen“ Antonio di Bernardo di Miniato Dini und Giovanni Guidi da Pratovecchio sowie ihrer Gefolgsleute vorzunehmen!62 Von diesen Kompetenzen Bernardo Capponis und generell von der neuen Macht Piero Capponis hatte Briçonnet nun allem Anschein nach zu profitieren verstanden. Aus vielfältigen, allgemein-ideellen wie eigensüchtig-individuellen Gründen hatten zahlreiche einflußreiche Kräfte somit auf den Sturz des Piero de’ Medici hingearbeitet. Damit haben wir aber nur eine Seite dieser Vorgeschichte beschrieben, denn im Vorfeld des Medici-Exils versuchten andere, nicht weniger mächtige Personen in genau die entgegengesetzte Richtung zu wirken. Sie bemühten sich mit aller Kraft, Piero de’ Medici aus seiner neapolitanischen Bindung zu lösen, dem französischen König zuzuführen und damit den unmittelbar drohenden Ruin des Hauses Medici im letzten Augenblick noch zu vermeiden. Ihre Motive erwuchsen nicht allein aus Freundschaft, sondern in gleichem Maße aus politischen und ökonomischen Interessen. Doch unabhängig davon, unabhängig auch vom bekannten Mißlingen ihrer Bemühungen, sind die Personen und ihre Handlungen wichtig, weil all dies auch die Exilszeit der Medici prägen wird.

b) Graf Philippe de Bresse, Herzog Ludwig von Orléans und Pieros Bankiers mit dem Versuch seiner Rettung In dem antagonistischen Ringen, bei dem die eine Kraft den Ruin des Hauses Medici verfolgte, die andere den Fall der Medici verhindern wollte, treten der savoyische Graf Unbekannt war beiden jedoch der bei Brown zu findende Hinweis, daß die Auszahlung der 17.500 Fiorini über die Einlagen des Monte Comune erfolgte, also der die konsolidierte Staatsschuld verwaltenden Institution, wobei der Grund für die Zahlung explizit mit der alten Schuld der Medici-Bank in Brügge angegeben wurde; vgl. Brown, Lorenzo, the Monte, S. 178, Anm. 80 (Quelle ist ASF, Monte Comune 1584, fol. 756v; Monte Comune 1782, fol. 774v). Warum damals schon ein solch hoher Betrag, mit dem das Medici-Vermögen belastet wurde, aus den Monte-Einlagen erstattet werden konnte, bleibt noch zu untersuchen. 62 Gedruckt und kommentiert: Fusco /Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 364f., Doc. 252. Der Capponi und Nerli blieben bis zum 28.12.1494 in ihrem Amt, als sie in das für die Abwicklung des Medici-Erbes eingerichtete Gremium der 6 Syndizi integriert wurden, für das Bernardo Capponi dann als Schatzmeister und Benedetto de’ Nerli als camerarius wirkte.

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Philippe de Bresse und der französische Herzog Ludwig von Orléans als zwei der exponiertesten Freunde hervor. Wie ihre Gegenspieler waren sie politische Schwergewichte, doch nicht ohne Spannungen zum König und seinen Anhängern. Ludwig von Orléans war durch seine Ehe mit Johanna, einer (verkrüppelten) Tochter König Ludwigs XI., ein Schwager Karls VIII. (des Sohnes von Ludwig XI.) und stand in der Reihe künftiger Thronfolger direkt hinter Karl. Erst 1491, mit Beginn seiner eigenständigen Regierung, hatte Karl den wegen einer Revolte eingekerkerten Herzog aus gut dreijähriger Haft entlassen und in seinen engeren Rat aufgenommen. In dem Führer des Hauses Orléans fand der junge König nun einen treuen Unterstützer, der auch seine Italienpläne zunächst förderte – bis Ludovico Sforza sich zum Verbündeten Karls VIII. erklärte. Denn auf dessen Herzogtum Mailand hatte das Haus Orléans durch seine Visconti-Verwandten Ansprüche; durch das mailändisch-französische Bündnis genoß der Moro jetzt jedoch den Schutz Karls und Ludwig von Orléans wurde in seinen lombardischen Ambitionen isoliert.63 Einen ähnlich gewundenen Weg an die Seite des Königs von Frankreich hatte Philippe de Bresse genommen. Er hatte einst neben Herzog Karl dem Kühnen von Burgund gegen König Ludwig XI. opponiert, sich aber nach dem Tod des Burgunders wieder dem Hof angenähert. Mit Karl VIII. war er überdies als dessen Onkel verwandtschaftlich eng verbunden (Philippe war ein Bruder von Karls Mutter Charlotte von Savoyen). Seit dem Juli 1490 übte der savoyische Graf als Statthalter des minderjährigen Herzogs Karl II. zusammen mit seinen Anhängern die faktische Regentschaft in Savoyen aus!64 Damit gewann er nicht zuletzt eine strategische Bedeutung für die Italienpläne Karls VIII., denn dessen Heer mußte nicht nur das savoyische Territorium durchqueren, es war auch auf logistische und militärische Hilfe aus Savoyen angewiesen. Tatsächlich wuchs der Einfluß des Philippe de Bresse am französischen Hof mit Beginn des Feldzuges, da er ihn seitdem nachhaltig unterstützte. In dieser Zeit stieg Philippe de Bresse zu einem der drei wichtigsten Ratgeber des Königs auf – wobei er in den beiden anderen, Guillaume Briçonnet und Etienne de Vesc, erbitterte Gegenspieler fand.65 63 Vgl. etwa generell die Biographie von Baumgartner, Louis XII; und die Ausführungen zu Lud-

wig von Orléans bei Bulst, Karl VIII., s.v. 64 Der 1428 geborene Philippe de Bresse war über seine mit König Ludwig XI. verheiratete

Schwester Charlotte ein Onkel des Königs Karl VIII.; er wurde 1496 nach längerer faktischer Regentschaft in Savoyen (seit dem Sommer 1490 für den minderjährigen Sohn seines älteren Bruders Karl bzw. als Statthalter von Bianca von Monferrat) selbst Herzog, regierte als solcher aber nur gut anderthalb Jahre bis zu seinem Tod im November 1497; vgl. zu diesem von der Forschung vernachlässigten savoyischen Grafen und Herzog Harsgor, Recherches, S. 1637– 1679; vor allem die zahlreichen Informationen bei Usseglio, Bianca di Monferrato. Zur Statthalterschaft ebd. S. 156f., 168–170, 176, 283: Im Juli 1490 kam es zur Verständigung zwischen Bianca, der Witwe Herzog Karls I. von Savoyen, und Philippe, der anfänglich noch zusammen mit seinem Bruder François, Bischof von Genf und Erzbischof von Auch, als Generalstatthalter von Biancas Sohn Karl II., dem Kind im Herzogsrang, fungierte, nach dem Tod des Bruders am 3.10.1490 aber allein. Philippe gelang es auch, die savoyischen Regierungsämter und Ratspositionen vor allem mit seinen Anhängern zu besetzen. 65 Zur Spaltung der höfischen Räte in eine von Philippe de Bresse angeführte Gruppe und eine mit dieser aufs heftigste opponierende Gruppe unter Guillaume Briçonnet und dessen Freund und

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Mit Herzog Ludwig von Orléans, der in Oberitalien geblieben war und den Zug nicht weiter begleitete, verband Philippe de Bresse indes eine enge Freundschaft – und zudem eine erklärte Feindschaft gegen Ludovico il Moro! In diesen Bund war nun auch Philippe de Commynes eingeschlossen, dessen Ansehen am Hof mit der Alleinherrschaft Karls VIII. wieder zugenommen hatte. Die Bedeutung dieser Konstellation für die Medici ist evident. Ihre zentralen Freunde am Hof – Philippe de Bresse, dessen Freund Ludwig von Orléans und Philippe de Commynes – erscheinen in den Quellen wie ein geschlossenes Handlungsdreieck, das sich für die bedrohten Medici einsetzte. Diese Formierung gewinnt noch dadurch an Gewicht, daß die antagonistischen Gegner der Medici – Guillaume Briçonnet, Etienne de Vesc und Ludovico Sforza – zugleich die Feinde jener drei Freunde waren.66 Die Haltung der französischen Protagonisten zu den Medici deckte sich weiterhin sogar mit den Gruppierungen der Befürworter und Gegner des Italienzuges. Zu letzteren gehörten Ludwig von Orléans und Philippe de Commynes, während Philippe de Bresse nach noch zu erörternden Quellen offenbar nur bis zum Sommer 1494 dagegen war – zu ersteren aber die drei genannten Medici-Gegner. Piero de’ Medici scheint den politischen Gewichtungen Rechnung getragen zu haben. Denn seine am 25. Februar 1494 für Cosimo Sassetti ausgestellten Empfehlungsschreiben galten für Philippe de Commynes, die Herzogin und den Thesaurar von Savoyen, Philippe de Bresse und dazu noch für Etienne de Vesc, den man eventuell immer noch für die Medici-Sache gewinnen wollte.67 Mit anderen Worten: Eine mögliche Verhinderung des Feldzuges in letzter Minute diente den Medici und stärkte die Gruppe ihrer Freunde am französischen Hof; der Marsch nach Neapel aber mußte die Medici in einen nicht mehr zu kontrollierenden Strudel ziehen. Tatsächlich bemühten sich die Medici-Freunde noch im Hochsommer 1494, Karl VIII. von seinen Plänen abzubringen. Die maßgebliche Initiative ging dabei offen-

Mentor Etienne de Vesc, zwischen denen der junge König hin und her gerissen gewesen sei, vgl. die anschauliche venezianische Quelle aus dem Dezember 1494 bei De Frede, L’impresa, S. 226; zu Briçonnet und Vesc und ihrer Abwertung durch Commynes: Boislisle, Etienne de Vesc II, S. 304, 310–312. Es ist auffallend, daß diese höfischen Pole sich zugleich durch ihre jeweilige Freundschaft bzw. Feindschaft zu den Medici abstießen (obgleich noch zu untersuchen wäre, ob sich Etienne de Vesc in gleicher Weise wie Briçonnet gegen die Medici stellte). 66 Zur Verbindung zwischen dem Herzog von Orléans und Philippe de Bresse und ihren gemeinsamen Agitationen gegen Ludovico Sforza: Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 256f.; zu der zwischen dem Herzog und Commynes: Buser, Mediceer, S. 296; zu Philippes wichtiger Rolle am französischen Hof, die sich dann auch in seiner tragenden Rolle beim Italienzug Karls VIII. zeigte: Usseglio, a.a.O., passim; zahlreiche Zeugnisse hierzu sowie zu seiner Freundschaft mit Ludwig von Orléans auch bei Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), etwa S. 421, 434, und s.v. „Bresse, Philippe“. Das Urteil Freymonds, Karl VIII. habe mit der Person des Philippe de Bresse einen Feind in Savoyen gehabt, ist völlig überzogen und substanzlos; vgl. Freymond, Politique, S. 25, Anm. 1. Zur Aversion des Philippe de Bresse gegen Ludovico Sforza s. auch die Zeugnisse bzw. Feststellungen bei Labande-Mailfert, a.a.O., S. 285, 289. 67 Vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 119 („A monsignore d’Argentona [Philippe de Commynes], a mons. dei Bresca [Philippe de Bresse], a mons. di Belchari [Etienne de Vesc, Seneschall von Beaucaire], alla duchessa di Savoia, al thesoriere di Savoia: di credentia in Cosimo Saxetti“); zu den Bemühungen um den von Mailand „gekauften“ Etienne de Vesc s.o. S. 24.

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kundig von Philippe de Bresse aus, der auch nach dem Scheitern dieses Vorhabens stärker noch als Ludwig von Orléans und Philippe de Commynes darum kämpfen wird, die Medici zu schützen, sie vor größerem Unheil zu bewahren. Diese Freundschaftsakte werden ausführlich zur Sprache kommen; vorher aber sollen die Beziehungen der Savoyer zu den Medici kurz skizziert werden, auch die unmittelbar vorausgehenden. Aus ihnen ergeben sich mögliche Motive für das Handeln von Philippe de Bresse; sie bilden aber auch ein Fundament für die kontinuierliche Verankerung des Mediceer-Netzes in Savoyen, die uns bis zum Ende dieser Geschichte beschäftigen wird. Die Medici und Savoyen Philippe de Bresse scheint bei seinem Engagement für Piero de’ Medici oder genereller für das Haus Medici nicht primär die Interessen des französischen Königs verfolgt zu haben. Was mag ihn geleitet haben? Ganz offensichtlich resultierte die Hilfe des savoyischen Grafen aus seiner sehr engen und älteren Beziehung zu den führenden Köpfen der Lyoner Medici-Bank. Solche alten, zu tatsächlichen Freundschaften gefestigten Verknüpfungen werden sich noch des öfteren als handlungsbestimmend für unser Thema erweisen. Die Medici-Bank in Lyon unterhielt nicht nur mit dem französischen Hof vorzügliche Verbindungen, sondern auch mit dem savoyischen. So hatte Herzog Karl I. im März 1489 von der Medici-Bank einen Kredit über 10.000 Scudi erhalten, um mit großem Gefolge eine Reise an den französischen Hof unternehmen zu können.68 Die Rückzahlung des Kredites lag dann, nachdem Karl noch im gleichen Jahr starb, entweder in der Verantwortung seiner Witwe, der hauptsächlich in Turin residierenden Regentin Bianca/Blanche von Monferrat, oder – was wahrscheinlicher erscheint – in der von Philippe de Bresse, der ja seit dem Juli 1490 als Statthalter des minderjährigen Herzogs Karl II. zusammen mit seinen Anhängern die faktische Regentschaft in Savoyen ausübte. Römisch-savoyische Benefiziengeschäfte, die durch maßgebliche Vermittlung Lorenzo de’ Medicis und seiner Vertrauten gefördert worden waren, verstärkten die Freundschaft zwischen den Medici und Savoyen und bezeugen diese. Instruktiv ist ein Brief Philipps, den er mit „Philippe de Savoye“ unterzeichnete und den er am 5. Oktober 1490 aus Turin an den Magnifico schrieb.69 Anlaß war der Tod seines Bruders François, des Erzbischofs von Auch und Bischofs von Genf, der am 3. Oktober in Turin verstorben war und dort am 4. Oktober in der Kirche San Giovanni begraben wurde.70 Philipp sandte, wie er Lorenzo hier mitteilte, den Protonotar Goyet nach Rom, um wegen der durch den Tod seines Bruders vakanten Benefizien in savoyischem Interesse zu handeln (konkrete Vorhaben wurden nicht genannt). Goyet sollte auf der Reise bei Lorenzo vorsprechen, welcher der Bitte Philippes nachkommen sollte; Lorenzo möge an alle seine guten Freunde schreiben, damit die Expedition der vakanten Benefizien schnell und erfolgreich erfolge. Außerdem sollte der Protonotar den Magnifico wegen jener Sachen sprechen, mit denen 68 Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 124. 69 ASF, MAP XLVII, doc. 413. 70 Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 176, Anm. 3, zum Tod des Francesco di Savoia.

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Philippe Lorenzo Spinelli beauftragt habe, mit dem er augenscheinlich engeren Kontakt pflegte. Philippe selbst wollte sich natürlich gleichfalls für die Wünsche des Magnifico einsetzen. Deutlich wird: Der savoyische Regent benutzte den Florentiner Machthaber mit seinen hervorragenden Verbindungen zur römischen Kurie – besonders jener unter Papst Innozenz VIII., dem Medici-Verwandten! – in der gleichen Weise wie der französische König, um seine Interessen in Rom durchsetzen zu lassen. Eine solche „Instrumentalisierung“ funktionierte unter diesen Partnern aber niemals anders als in Form eines „do ut des-Systems“. Dies wird schon kurz darauf bestätigt. Nach seinem Aufenthalt in Turin Anfang Oktober 1490 und dem Bittbrief an Lorenzo de’ Medici muß sich Philippe de Bresse sofort nach Lyon begeben haben. Hier wohnte der Graf bezeichnenderweise im Oktober und November 1490 während eines langen, mehrwöchigen Aufenthaltes im Haus des jungen Medici-Bankiers Cosimo Sassetti!71 Der eigentliche Herrscher Savoyens hatte demnach ein freundschaftliches, vertrauliches Verhältnis zu Sassetti, zweifellos aber auch zu den anderen Mitarbeitern dieser Lyoner Bank aufgebaut. Von dieser Freundschaft profitierte natürlich auch Lorenzo de’ Medici, etwa bei der Jagd nach prestige- und einkommensträchtigen Benefizien für seinen Zweitgeborenen, den jungen Kardinal Giovanni de’ Medici. Diese von Giovannis Biographen Picotti als „caccia dei benefizi“ bezeichnete Versorgungspolitik konzentrierte sich aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Verbindungen der Medici vor allem auf das französische Königreich und wurde von Lorenzo de’ Medici mit großem Nachdruck betrieben. Am 7. Februar 1491 mußte Lorenzo Spinelli dem Magnifico zwar berichten, daß zur Zeit in Frankreich keine Pfründe für Giovanni frei sei, doch konnte der Bankier offensichtlich für Alternativen in Savoyen sorgen. Denn er bat Lorenzo, dieser solle durch Madame von Savoyen (also Bianca von Monferrat) oder durch den Herrn von Bresse einen Brief an den Papst erbeten, damit dieser das erste oder zweite frei werdende Bistum in Savoyen dem Medici-Kardinal übertrage, da es dort einige Bischöfe gebe, die bereits sehr alt seien und kaum noch lange leben würden.72 Vor diesem Hintergrund ist auch die vom savoyischen Hof stark begehrte, weil lukrative Erhebung des Zehnten (decima) zu bewerten. Diese auf die Einkünfte geistlicher Besitzungen bezogene, vom Papst zu genehmigende Steuer ist von der Medici-Bank in den Territorien Savoyens durchgeführt worden. Da sie sich dann aber mit der Abwicklung aller finanziellen Aspekte faktisch bis in die Exilszeit hineinzieht, wird sie Protagonisten

71 Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 178. Daß sich Philippe de Bresse bei Cosimo und nicht bei

Lorenzo Spinelli, dem damaligen Leiter der Medici-Bank, häuslich niederließ, könnte auf den Status der Sassetti zurückgehen, auf den Rang von Cosimos im März 1490 gestorbenem Vater Francesco als mächtigem Florentiner Generalmanager der Medici-Gesellschaft, durch den Cosimo sich auch als gleichrangig gegenüber Spinelli fühlte; hierzu etwa De Roover, Rise, S. 85f., 305f. Möglich wäre aber ebenso, daß Sassetti Eigner oder Mieter des Hauses war, in welchem dann auch Spinelli und andere Mitarbeiter der Bank ihre Räume besaßen. 72 Buser, Mediceer, S. 291f.; vgl. den knappen Hinweis bei Picotti, Giovinezza, S. 128, Anm. 34, bei dem das 2. Kapitel zwar ausführlich über die „caccia de’ benefizi“ handelt, doch ohne nähere Thematisierung der savoyischen Benefizien und der Rolle des Philippe de Bresse.

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finden, die gleichsam das Erbe der Medici-Bank angetreten bzw. übernommen hatten. Auch hieraus resultierten Verpflichtungen und Verbindlichkeiten. Noch unter Papst Innozenz VIII. hatte das Herzogtum Savoyen im Februar 1491 eine decima de et super quibuscumque fructibus beneficiorum in dominio ducatus Sabaudie existencium bewilligt bekommen, in aliqualem subvencionem huius status ducalis. Der maßgebliche Intervenient aber war das Haus Medici in Gestalt ihrer römischen Bank als Freund der Savoyer – so explizit in den savoyischen Quellen – und als Freund und Verwandter des Cibo-Papstes.73 Als Vermittler und Organisator des Zehnten erhielt die Medici-Bank einen Teil der Einnahmen, die der herzogliche Hof aus dieser Steuererhebung gewonnen hatte. Und allein 3.000 Kammerdukaten gingen an den Papst, der sich diese Summe vorher reserviert hatte. Mit einem Mandat der Herzogin Bianca von Savoyen vom 18. Februar 1492 war festgelegt worden, daß dieser Betrag über Lorenzo Spinelli als gubernator der Lyoner MediciBank (die damals bereits unter dem Namen von ‚Piero de’ Medici und Lorenzo Tornabuoni und Gesellschaft in Lyon‘ lief) an die besonders lieben Freunde (carissimi amici) der Savoyer, an die Bank des ‚Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft in Rom‘ gezahlt werden solle. Weitere 300 Dukaten erhielt die römische Bank des Lorenzo de’ Medici für ihre Auslagen, die bei der Besorgung der notwendigen Bullen und Breven für die decima angefallen waren. Die praktische Durchführung hatte Alessandro Tornabuoni als Agent der römischen Medici-Bank im Auftrag ihres Leiters Nofri Tornabuoni übernommen, vom Bittgesuch an den Papst über mehrfache Reisen zwischen Rom und Savoyen bis zur Übergabe der päpstlichen Dokumente am 20. Februar 1492 in Turin. Die Spesen der Medici-Bank, weitere Unkosten und seine Provision in Höhe von ca. 267 Golddukaten erhielt der Tornabuoni am 8. Mai 1492 ausgezahlt.74 Während seines Aufenthaltes in Turin schrieb Alessandro Tornabuoni am 17. April 1492 an Piero de’ Medici.75 Er habe jetzt vom Tod von Pieros Vater vernommen (Loren73 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 152, unpaginiert zwischen einem computus des Thesaurars

Ferreri und dem des Vizethesaurars eingefügt, welche allerdings den späteren Zeitraum vom 1.10.1498 bis zum 31.10.1500 betrafen. Der herzogliche Generalthesaurar Sébastien Ferrier (Ferreri) registrierte die einzelnen Zahlungsvorgänge, welche die Medici-Bank als Vermittler des Zehnten betrafen, seit dem 30.10.1494 – als die Lyoner Medici-Bankiers sich in Chambéry aufhielten –, in einem computus specialis ad causam decime papalis. Im Medici-Archiv ist die Kopie eines unvollständigen, offenkundig von Papst Innozenz VIII. geschriebenen Briefes vom 24.9.1490 erhalten, der angeblich an den König von Frankreich gerichtet gewesen sein soll; ASF, MAP XLVII, c. 22. Da es hier jedoch um eine bewilligte decima für einen nicht genauer spezifizierten Hof geht, an welchem Cosimo Sassetti für die Florentiner Bankgesellschaft von Lorenzo de’ Medici und Partnern residiere und die decima eintreibe, kann es sich nur um einen Brief an den savoyischen Hof gehandelt haben, da von einer decima-Erhebung in Frankreich, an welcher zudem die Medici-Bank beteiligt gewesen war, für jene Zeit nichts bekannt ist. 74 Bei Alessandro handelt es sich wohl um den Sohn von Filippo di Francesco di messer Simone Tornabuoni, der 1480 im Alter von 26 Jahren stand; zu seinen Brüdern zählte der damals achtjährige Simone, der nach 1494 zu den verbannten Medici-Freunden zählen wird; ihr Vater Filippo war ein Bruder von Giovanni Tornabuoni, dem langjährigen Leiter der römischen MediciBank; vgl. Verde, Studio fiorentino III/2, S. 1085. 75 ASF, MAP XV, doc. 105.

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zo starb am 8.4.1492), der auch sein eigener Vater sei, und habe darüber die Herzogin informiert, die Lorenzo als Freund liebte und über seinen Tod sehr trauere (la quale lo amava quanto amico che l’avessi et molto sene doluta). Ihren Brief an Piero lege er diesem bei. Es sei den Zwecken von Pieros Bank in Lyon sehr nützlich, wenn dieser der Herzogin antworte und die Briefe an Lorenzo Spinelli sende, da die Medici-Bankiers in Lyon vom savoyischen Staat viele Tausend Fiorini zu erhalten hätten! Er, Alessandro, habe dafür gesorgt, daß sie für einen Teil des Geldes einen assegniamento (Anweisung auf Staatseinkünfte) bekämen, worüber Jacopo Falcischi als Überbringer dieses Briefes Piero genauer informieren würde. Der savoyische Hof war demnach ein großer Schuldner der Medici-Bank und mußte deswegen einen Teil seiner Einkünfte an die Bank verpfänden. Solche Verbindlichkeiten beeinflußten natürlich auch die politische Freundschaft zwischen Savoyen und den Medici. Ein Teil dieser finanziellen Verpflichtungen Savoyens gegenüber der Medici-Bank betraf jene 3.000 Kammerdukaten, welche das savoyische Schatzamt aus seinen Zehnteinnahmen an den Papst abzuführen hatte. Wann die römische Medici-Bank diese Zahlung übernahm, ist ungewiß. Doch vermutlich mußte die Medici-Bank diese Schuld für den savoyischen Schatzmeister vorstrecken. Denn erst am 11. Juli 1495, acht Monate nach der Exilierung der Medici aus Florenz, konnte Lorenzo Spinelli den Empfang der 3.000 Dukaten quittieren – und erhielt zudem von der Herzogin ein Geldgeschenk von gut 13 Dukaten als Dank für die Erledigung herzoglicher Geschäfte und Aufträge an verschiedenen Orten!76 Bis dahin blieb die Medici-Bank also auch mit dieser Summe ein bedeutender Gläubiger des savoyischen Hofes. Die finanzielle Seite des decima-Transfers überbrückte somit die dramatischen Monate des Italienzuges Karls VIII., die gut einjährige Asylzeit der Lyoner Medici-Bank in Chambéry und schließlich die Vertreibung der Medici aus Florenz. Hierbei ist zugleich zu bedenken, daß die Zahlungsmandate zwar Bianca von Monferrat als tutrix des minderjährigen Herzogs Karl II. und somit Auftraggeberin nennen, daß der die politischen Geschäfte führende Statthalter aber Philippe de Bresse hieß, der demnach in jenen Monaten auch über die decima den Medici verbunden war. Wenn die Lyoner Medici-Bank im Juni 1494 also ihr rettendes Asyl gerade in Chambéry fand, dann ging das nicht allein auf ihre engen Finanzbeziehungen zum savoyischen Herzogshof zurück, sondern auch und vor allem auf die Freundschaft ihrer Leiter mit Philippe de Bresse, der eben dort in Chambéry (sowie in Bourg-en-Bresse) die Herrschaft

76 AST, Sede V. Piave, Inventario 16, Reg. 148 (Rechnungsbuch des Generalthesaurars Sébastien

Ferreri, 1.10.1494–1.10.1495). Solche Geldgeschenk erhielten nur Hofleute und Vertraute. Der nobilis Lorenzo Spinelli wird bei dem Zahlungsmandat des donum über 47 (savoyische) Fiorini parvi ponderis (ca. 12, 5 Dukaten) als gubernator banche de’ Medicis in Lugduno bezeichnet, was darauf hindeuten könnte, daß die Lyoner Medici-Bank zu diesem Zeitpunkt schon wieder ihr altes Domizil in Lyon bezogen hatte, obwohl dies generell erst für die Zeit nach der Rückkehr Karls VIII. in sein Königreich angenommen wird. (Am 11.7.1495 befand sich Karl mit seinem Heer noch in der Lombardei, westlich von Piacenza in der Gegend von Voghera, aber noch vor Tortona, das man am 12. Juli erreichte, die Grenze der Markgrafschaft Monferrat in Reichweite; vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII [1975], S. 416f.)

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über das Herzogtum ausübte.77 Die schützende Hand des Savoyers über einen der wichtigsten Pfeiler des Hauses Medici konnte zusammen mit der des Herzogs Ludwig von Orléans und der des Philippe de Commynes einen wirksamen Schild vor den Angriffen der Medici-Feind bieten. An anschaulichen Beispielen fehlt es nicht. Es deutet manches darauf hin, daß ein finanzielles Debakel der Lyoner Medici-Bank dank ihrer Freunde nicht vom französischen König beabsichtigt war, daß man vielleicht sogar Vorkehrungen zur Rettung getroffen hatte. Denn nachdem Cosimo Sassetti (in seinem Brief vom 22.6.1494) von der finanziellen Schädigung als dem Hauptmotiv des Verursachers der Bankausweisung gesprochen hatte, fügte er hinzu, daß dieser bzw. diese Urheber sich seiner, Sassettis, Meinung nach offenbar nicht bewußt seien, wie wenig sie bewirken würden – es sei denn, Piero würde bezahlen ohne einzukassieren!78 Wer Geld zu bekommen habe, müsse sich eben gedulden. Darüber hinaus sei es gut, wenn niemand aus Pieros Umgebung den genauen Status seiner Frankreichgeschäfte kenne (che nessuno de li vostri medeximi sappi apunto lo stato vostro del trafico di qua). Piero müsse demonstrieren, daß er nun ziemlich große Verluste erleide, und auch sie würden dieses Gerücht unterstützen. – Solche Täuschungen und Strategien sollten Veranlassung genug sein, den an die Öffentlichkeit gelangenden Quellenzeugnissen jener Jahre über den angeblich desaströsen Finanzstatus der Medici mit Skepsis zu begegnen! – Man darf annehmen, daß die Medici-Bankiers aus früheren Erfahrungen gelernt hatten. Denn genau das gleiche Verfahren hatten der König von Neapel, Ferrante, und Papst Sixtus IV. 1478 im Zuge der Pazzi-Krise bei ihrer Auseinandersetzung mit Lorenzo de’ Medici angewandt, der die Zerstörung seines Geschäftes befürchtete, weil man ihn nach der Schließung seiner Banken in Rom und Neapel und der Konfiszierung der dortigen Vermögenswerte (Juni/Juli 1478) zur Zahlung der Schulden zwang, ohne sich an seine Schuldner wenden zu dürfen.79 Die Lyoner Medici-Bankiers hatten in der Tat Maßnahmen ergriffen, um ihre Kapitalbestände vor einem möglichen Zugriff zu schützen und um zugleich gegenüber den Gläubigern ihre Zahlungsunfähigkeit behaupten zu können. Cosimo Sassetti hatte schon am 16. Juni 1494 Giuliano da Gagliano, dem Leiter der zur Medici-Gesellschaft gehörenden Lyoner Bartolini-Bank, vertrauensvoll einen Goldring mit einem eingefaßten großen Diamanten übergeben, ohne schriftliche Quittung, damit er dieses der Lyoner Medici-Bank gehörende Juwel sicher für ihn aufbewahre.80 Bei ihrem Mailänder Agenten Francesco 77 Zu Chambéry als Herrschaftsort Philippes: Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 238. 78 Buser, Mediceer, S. 547–550. 79 Vgl. De Roover, Rise, S. 366 (Lorenzo de’ Medici beklagte dieses auf seine Vernichtung zie-

lende System am 25.7.1478 in einem Brief an Girolamo Morelli, damals Florentiner Gesandter in Mailand, dessen Familie uns noch durch ihre Partnerschaft mit einigen Mediceern beschäftigen wird, wobei dann gerade diese Geschäftsbündnisse offenkundig zum Erhalt des MediciVermögens auch während der Exilszeit beitragen werden); Martines, Verschwörung, S. 171. 80 ASP IV/4, c. 75r. Am 4.10.1494 schrieb Sassetti dann aus Florenz einen Brief an Giuliano, mit dem er diesen bat, den Diamanten nun der Medici-Bank in Chambéry zu übersenden, für die Bernardo de’ Rossi ihn Ende November annahm. Den Diamanten hatte die Bank als Sicherheit für eine größere Schuld eines französischen Adligen erhalten.

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Maggiolini deponierten sie eine größere Summe Bargeld! Der alte Medici-Intimus Agnolo Niccolini hatte am 18. August 1494 als Florentiner Botschafter in Mailand aus Giovanni de’ Medicis Abtei Morimondo an Piero de’ Medici unter anderem geschrieben, daß er sich bemühen werde, für Pieros Bank Geld einzuziehen, das Antonio da Pestrola ihr schulde; mit entsprechender Gunst könnte dies schnell gelingen, so daß man nicht auf das Kapital zurückgreifen müsse, das unter dem Namen des [Francesco] Maggiolini aufbewahrt werde.81 Niccolini wußte also, daß die Lyoner Medici-Bank spätestens nach ihrer Vertreibung aus Lyon dafür gesorgt hatte, bei ihrem Repräsentanten Maggiolini Bargeld in Sicherheit zu bringen, das auch für politische Zwecke eingesetzt werden konnte. Dies zeigt sich eindrucksvoll während Karls VIII. Aufenthalt in Asti (9.9.–6.10.149482). Wegen seiner permanenten Finanznot hatte der König den in seinen Diensten stehenden savoyischen Adligen Jacques de Miolans – ein Freund des Philippe de Bresse und im Vorfeld der Verständigung zwischen Piero de’ Medici und Herzog Ludwig von Orléans an dessen Seite befindlich – zur savoyischen Herzogin Bianca von Monferrat gesandt, um von seiner Cousine einen Kredit über 10.000 Dukaten bzw. 35.000 savoyischen Gulden (Fiorini p.p. [parvi ponderis]) zu erbitten, den er für die Bezahlung seiner Truppen benötigte.83 Obwohl die finanziell ebenfalls belastete Herzogin über eine solche Summe nicht verfügte, gab sie am 30. September 1494 Anweisung, diese Summe dem König zu überweisen. Möglich war ihr das nur, weil sie bei ungenannten mailändischen Bankiers selbst einen Kredit aufnahm und sich das Geld von Zollpächtern vorschießen ließ. Karl VIII. quittierte den Empfang am 5. November in Sarzana, wo ihn an jenem Tag gerade der Mailänder Herzog verließ. Doch vermutlich weilte Piero de’ Medici noch beim König, da er erst am 8. November abends wieder in Florenz erschien. An Pieros Seite befanden sich auch Lorenzo Tornabuoni und Lorenzo Spinelli. Diese personellen und zeitlichen Koinzidenzen sind möglicherweise für den savoyischen Kredit nicht unerheblich.84 Die savoyischen Finanzbeamten registrierten in ihren Büchern, ihre Herrin habe sich die 10.000 Dukaten im Herbst 1494 bei mailändischen Bankiers geliehen. Es ist auffallend, daß sie nicht wie sonst üblich namentlich genannt werden; erstaunlich ist zudem, daß diese nebulöse Geldquelle vorher bereits in den savoyischen Rechnungsbüchern er81 ASF, MAP XIV, 430. 82 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 279–283. 83 Der Vorgang ist geschildert bei Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 253, Anm. 1; vgl. Labande-

Mailfert, Charles VIII (1975), S. 238. 84 Vgl. AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 5, fasc. 19 (computus des Joffredus Ferrerii,

thesaurarius illustrissime Domine Blanche de Monteferrato Duchisse Sabaude, 1496–1502), fol. 49v. Vgl. hierzu auch Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 253, Anm. 1, der (mit unpräzisen Quellenangaben) die Restitution des Kredites auch dem Rechnungsbuch des savoyischen Generalthesaurars entnahm. Die Rückgabe des Geldes erfolgte nicht Ostern 1495, wie von Karl VIII. angekündigt, sondern erst 1499 unter seinem Nachfolger Ludwig XII., dem ehemaligen Herzog von Orléans. Die Restitution ihres Kredites konnte die Herzogin über den als Lyoner Kaufmann und nobilis bezeichneten Bernardino de’ Rossi verwirklichen; dieser Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank hatte damals gemeinsam mit Leonardo di Bartolomeo Bartolini in Lyon eine Bank betrieben, auf die noch ausführlicher einzugehen ist.

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scheint – und zwar aufgrund einer Anweisung der Lyoner Medici-Bank! Auch hier ging es um einen Kredit. Der für Bianca von Monferrat agierende herzogliche scutifer Pierre de Chastillion hatte in Paris am 17. April 1494 von dem Florentiner Kaufmann Giovanni Tosinghi, dem in Paris wohnenden Faktor der Medici-Bank, einen Kredit über 3.000 Pfund Tournosen mittels eines auf den 10. April (1494) datierten Wechselbriefes der Lyoner Bank ‚Piero de’ Medici und Lorenzo Tornabuoni und Gesellschaft‘ erhalten. Am 20. September 1494 ließ der savoyische Generalthesaurar in der Kammer registrieren, daß er für Bianca von Monferrat gemäß ihrer Anweisung 5.650 savoyische Gulden (Fiorini p.p.) an die (in Chambéry befindliche) Lyoner Medici-Bank auszahlte.85 Aber: Dieses Geld sollte die Medici-Bank im Auftrag der Herzogin nicht in Chambéry, sondern in Mailand erhalten, indem es ‚den Händen anderer Bankiers‘ übergeben würde! Es gab zu dieser Zeit nur einen Bankier in Mailand, der für die Medici wirkte: Francesco Maggiolini, Agent bzw. Repräsentant (respondente) der Lyoner Medici- und Bartolini-Bank, der als solcher noch Ende August 1494 Ludovico Sforza einen Kredit über 1.000 Dukaten in Form einer Zwangsanleihe gegeben hatte. Die aus Lyon vertriebenen MediciBankiers hatten demnach angeordnet, das von der Herzogin zurückerhaltene Geld nicht nach Chambéry, sondern nach Mailand zu ihrem Vertrauten Francesco Maggiolini bringen zu lassen, in das von ihm für sie betreute Depot. Vermutlich hatte Lorenzo Spinelli – der sich bis ca. Mitte September bei Philippe de Bresse in Turin befand, danach in dessen und Pieros Auftrag nach Neapel reiten wird – die savoyische Herzogin gebeten, ihre Schuld in Mailand zurückzubezahlen. Da das bei Maggiolini eingerichtete Medici-Depot nicht öffentlich werden sollte, blieb es eben auch in den savoyischen Rechnungsbüchern betont namenlos. Nun wird auch verständlich, warum Bianca von Monferrat Ende September 1494 ‚bei namenlosen mailändischen Bankiers‘, so die Formulierung ihrer Finanzbeamten, jenen Kredit über 10.000 Dukaten aufnahm, den sie anschließend Karl VIII. gewährte. Das Geld muß aus der Kasse des Francesco Maggiolini gestammt haben, wurde ihr somit von der Lyoner Medici-Bank gegeben, der sie genau zur gleichen Zeit den im April 1494 in Paris erhaltenen Kredit zurückzahlte, und zwar in Mailand. Nach ihrer Ausweisung aus Lyon duften die Medici-Bankiers von Savoyen aus anordnen, daß man alle ihre Sachen aus Frankreich zu ihnen befördern solle. Diese Vergünstigung geht vermutlich nicht nur auf eine Intervention des Philippe de Bresse zurück, sondern ebenfalls auf eine des Herzogs Ludwig von Orléans. Denn Sassetti berichtete, daß sie mit dem Herzog am Tag ihrer Abreise aus Lyon ein langes Gespräch geführt hätten, und daß dieser Piero de’ Medici ohne Zweifel sehr zugetan sei, daß er ein wahrer Freund des Hauses sei und ihm, Sassetti, aufgetragen habe, Piero einige gute Ratschläge zu übermitteln. Francesco della Casa, der Florentiner Gesandte, sei bei ihrer Abreise noch am könig-

85 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 147, fol. 270r/v. Zu der fraglichen Zeit hielt sich Karl VIII.

teils mit den Damen des Mailänder Adels feiernd, teils krank in Asti auf, nachdem er noch vom 5.–9.9.1494 in Turin und Chieri einen überaus herzlichen Empfang von Bianca von Monferrat und Philippe de Bresse erhalten hatte; vgl. Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 251–256; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 278–283.

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lichen Hof in Burgund gewesen, und nach Möglichkeit sollte er auch beim Hof bleiben, könne er doch gut für Piero wirken, wenn es etwas Positives zu sagen gebe, das man bisher habe verschweigen müssen. Sassetti war überzeugt, daß der Herzog Piero liebe (ciertamente vi ama). Vor diesem Hintergrund seien seine Informationen und Ratschläge an Piero zu verstehen. Sie waren tatsächlich erstaunlich wohlwollend, und sie zielten ganz konkret auf die drohenden Gefahren für Piero de’ Medici ab. Es gebe, so referierte Cosimo Sassetti am 22. Juni die weiteren Informationen Ludwigs von Orléans, am Hof Karls VIII. und ebenso in Mailand einige Leute, die den Krieg gegen Neapel über See wie Land auch gegen die Florentiner Republik richten wollten – eine Drohung, die Ludovico il Moro ja unermüdlich Piero ausrichten ließ und die nicht ohne Berechtigung gewesen sein wird. Gerade dem Herzog von Orléans als Prätendenten auf das Visconti-Erbe, also das Herzogtum Mailand, mußte jedoch an Mißerfolgen des Moro gelegen sein. Ob nun aus seiner erklärten Haltung, ein Freund Pieros zu sein, oder ob aus dem Bestreben, dem Sforza-Usurpator jeden militärischen Erfolg zu verwehren – Ludwig von Orléans ließ jedenfalls Piero wissen, daß er bei solch einem Angriff auf Florenz den König um Erlaubnis bitten werde, sich zurückziehen zu dürfen, da er lediglich versprochen habe, am Krieg gegen den König von Neapel teilzunehmen, nicht aber gegen andere. Darüber hinaus aber gab er dem Medici konkrete Hinweise, wie er sich schützen könne. Dieser solle sich nicht auf seine Wehrtürme und Kastelle verlassen, denn wenn die französische Artillerie erst einmal in deren Nähe plaziert sei, würde sie alles dem Erdboden gleich machen – was Sassetti aus Augenschein bestätigen konnte. Der Herzog habe Sassetti bzw. dem Medici den Rat gegeben, alle Zugtiere, vornehmlich Ochsen vermutlich, aus den Grenzgebieten abziehen zu lassen, da dies ein entscheidender Faktor für die (dadurch dann beeinträchtigte) Wirksamkeit der Artillerie sei. (Offenbar nahmen die Franzosen nicht genug eigene Zugtiere mit, um ihre Kanonen effizient einsetzen zu können.) Wenn Sassetti am Schluß Piero bittet, bei seinen Überlegungen auch die Situation seiner Lyoner Bankiers zu berücksichtigen, macht er damit klar, daß diesen die antifranzösischen und proaragonesischen Wandlungen ihres Herrn alles andere als gefallen konnten.86 Aus jenem Nukleus, den die drei Medici-Freunde Philippe de Bresse, Ludwig von Orléans, Philippe de Commynes sowie die Lyoner Medici-Bankiers Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti bildeten, erwuchs denn auch in der Tat eine bisher weitgehend unbekannte Kette von Initiativen, die Piero de’ Medici vor dem Sturz in den Abgrund retten sollten. Sind sie an sich schon bemerkenswert, so gewinnen sie noch an Bedeutung, weil sie instruktive Einblicke in das Mediceer-Netzwerk erlauben. Ein unbekannter Medici-Kredit für Frankreich Pieros Strategiewechsel setzte, wie neue Quellenfunde belegen, früher und deutlicher ein, als bisher vermutet wurde; allerdings geschah dies gerade mit Blick auf die neapolitani86 Buser, Mediceer, S. 547–550, hier 549f.

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sche und mailändische Öffentlichkeit heimlich – und, wenn man die Beteiligten betrachtet, offenbar nicht primär durch Pieros Entschluß. Beraten und gehandelt haben vielmehr jene, die von Pieros politischer Unvernunft am stärksten betroffen waren: die Familienfreunde, die das wirtschaftliche Erbe des großen Lorenzo verwalteten. Die führenden Medici-Bankiers in Florenz und Lyon hatten sich ungefähr Ende Juni, Anfang Juli 1494 entschlossen, dem französischen König mit einem beachtlichen Kredit zu helfen, um ihn auf diese Weise von der weiteren Verbundenheit des Hauses Medici mit der französischen Krone zu überzeugen. Vermutlich ging dieser Schritt auf das Gespräch des Herzogs Ludwig von Orléans Mitte Juni mit den auszuweisenden Lyoner Mediceern zurück. König Karl VIII. hielt sich seit März 1494 zur Vorbereitung seines NeapelFeldzuges in Lyon auf, wo er unter anderem mit großer Mühe bei den Adligen seines Hofes, bei französischen Städten und einzelnen Bankiers um Kredite zur Finanzierung des Krieges warb.87 Während eine so königsnahe und reiche Stadt wie Tours sich gegen dieses Anliegen wehrte und im Juni mit umgerechnet ca. 1.875 Dukaten (bzw. 3.000 Pfund Tournosen) nur ein Viertel des gewünschten Betrages zahlte, gaben die Mediceer zum 17. Juli eine Summe, die mit 7.440 Scudi di marca fast so hoch lag wie die von der Stadt Lyon gewährte. Die „krumme“ Summe der Mediceer resultierte daraus, daß ihr Kredit zum 1. August direkt in Italien ausgezahlt werden sollte, und zwar mit 6.000 Kammerdukaten in Rom, und daß im Wechselkurs ihr Gewinn enthalten war.88 Empfänger war der an Papst Alexander VI. geschickte französische Gesandte Denis de Bidaut, königlicher Rat und als Général des finances des Languedoil einer der ranghöchsten Finanzbeamten Frankreichs.89 Sollte Bidaut nicht erreichbar sein, sollte das Geld dem Bischof von Fréjus, Rostaigne d’Ancezune, oder dem französischen Gesandten Perron de’ Baschi ausgehändigt werden. Da diese 6.000 Kammerdukaten die Unkosten dieser und weiterer französischer Gesandtschaften des Jahres 1494 bei weitem übertroffen haben dürften, konnten sie 87 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 237–239 (Lyon z. B. gab freiwillig 10.000 Pfund

Tournosen bzw. umgerechnet gut 6.500 Dukaten, doch die sich sträubende Kaufmannsstadt Tours zahlte statt der geforderten 12.000 Pfund am 22.6.1494 nur 3.000 Pfund, während die mit dem Herzog von Mailand kooperierenden Sauli aus Genua einen Großkredit von 100.000 Pfund gewährten, für den sie freilich auch 14% Zinsen forderten). 88 ASP IV/2, c. 6/VI, 7/VII; vgl. ASP IV/4, c. 25r–28v, 75r. Mit diesen geschäftlichen Aufzeichnungen des Giuliano da Gagliano liegen zudem Quellen vor, welche auch Antworten auf die Finanzierung der zahlreichen, für die Vorbereitung des Feldzuges dienenden französischen Gesandtschaften des Jahres 1494 geben, denn solche sind in Frankreich nicht überliefert, wie Labande-Mailfert betonte; vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 236, Anm. 316. 89 Zu Denis de Bidaut, der bereits von 1475 bis 1483 als Receveur général de Languedoil amtiert hatte und vom September 1483 bis März 1495 das wichtigere, für die Erhebung der extraordinären Finanzen zuständige Amt eines Général des finances de Languedoil übernehmen durfte, vgl. Jacqueton, Documents, S. 291; Spont, Semblançay, S. 11f., 29 und Anm. 3. Zu seiner Gesandtschaft vgl. De la Vigne, Voyage, S. 150, Vers 772–782 (weitere Kuriengesandte Karls VIII. seien der Bischof von Autun, Antoine de Châlons, sowie Jean de Ganay, Sire de Guesnay, gewesen); De Frede, L’impresa, S. 116. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 298, 301, erwähnt lediglich die Sendung Bidauts an den Papst im November 1494, als Karl VIII. sich schon in Florenz aufhielt.

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nur der von den Gesandten betriebenen Kriegsvorbereitung dienen. Die Mediceer beteiligten sich somit bereits im Juli 1494 unmittelbar an dem bevorstehenden Feldzug Frankreichs gegen das Königreich Neapel, als dessen Verbündeter sich Piero de’ Medici damals immer noch öffentlich ausgab! Dieser taktische Zwang zur Geheimhaltung des Kredites und damit des fundamentalen Politikwechsels wird neben der Vertreibung der Lyoner Medici-Bank nach Chambéry die Ursache dafür gewesen sein, daß nicht die Medici-Bank unmittelbar als Gläubiger und Kriegsfinanzier Karls VIII. auftrat. Als Vermittler des Geldes fungierte vielmehr Giuliano di Piero da Gagliano, der seit 1482 in Lyon die Bank Bartolomeo Bartolini e compagnia leitete, eine Tarnbank des Lorenzo de’ Medici, an welcher dieser anonym über seinen Strohmann Filippo da Gagliano zusammen mit der Florentiner Bartolini-Bank partizipierte. (Bis zur Reformierung der Bank 1489 war auch Lorenzo Spinelli Teilhaber und zeitweiliger Leiter.) Da wir im Kontext der zentralen Geschäftsstruktur der späten MediciBank noch ausführlich auf diese Lyoner ragione eingehen werden und da deren komplexes Gefüge das Kreditgeschäft vom Sommer 1494 gleichsam sprengen würde, sollen hier mit Verweis auf die späteren Erläuterungen90 nur die wesentlichen Komponenten des Kredites geschildert werden. Auf französischer Seite wurde er abgesichert durch Pierre Briçonnet als Général des finances des Languedoc (Dezember 1493 bis Dezember 1495) sowie dessen Verwandten Jacques de Beaune, den Kaufmann und Bankier aus Tours, der seinen Aufstieg in die Spitzen der französischen Finanzverwaltung damals bzw. seit Ende 1491 als Schatzmeister der Königin Anne de Bretagne einleitete.91 Ob Pierre Briçonnet so wie sein Verwandter Guillaume Briçonnet zu den Feinden der Medici gehörte und damit den Kredit mehr in funktioneller Hinsicht gedeckt hätte, wissen wir nicht, doch Jacques de Beaune zählte tatsächlich zu dem geschäftlichen Freundeskreis der Medici und Bartolini, wie wir noch des öfteren zeigen können. Er befand sich im Juli 1494, genauer vom März bis zum 28. Juli, an der Seite der Königin Anne zudem erwiesenermaßen persönlich in Lyon.92 Auf den 17. Juli datierte der von Giuliano da Gagliano nach Rom geschickte Wechselbrief, auf den 18. Juli das Papier, mit welchem sich Briçonnet und Beaune zur Rückzahlung der 6.000 Kammerdukaten in Höhe von 7.440 französischen Goldscudi (écu d’or) bzw. Scudi di marca verpflichteten, auf die Giuliano da Gag90 S.u. S. 137–140. 91 Vgl. generell Spont, Semblançay, hier bes. S. 18–24 (seit der Hochzeit Annes mit Karl VIII. im

Dezember 1491 fungierte Jacques de Beaune als ihr Trésorier général, im September 1492 übernahm er auch noch das Amt eines Haushofmeisters der Königin; nachdem Karl VIII. aus Italien zurückgekehrt war, stieg Beaune Ende Dezember 1495 in Nachfolge seines Verwandten Pierre Briçonnet zum Général des finances de Languedoc auf, während Briçonnet Denis de Bidaut als Général des finances de Languedoil ablöste, da dieser Präsident der königlichen Rechnungskammer wurde); zur Amtszeit des Pierre Briçonnet vgl. Jacqueton, Documents, S. 292. Gleich zwei Schwestern von Jacques de Beaune hatten in die Familie Briçonnet eingeheiratet: Catherine de Beaune war mit Jean Briçonnet dem Jüngeren verheiratet worden, während dessen Neffe Guillaume (Sohn von Jeans Bruder Jean dem Älteren) Raoulette de Beaune ehelichte; vgl. Bulst, Generalstände, S. 207f. 92 Spont, Semblançay, S. 22f.

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liano für Mitte Dezember 1494 noch etwas mehr als 148 Scudi für Wechselverluste in Florenz aufschlug.93 Dieser Betrag von nunmehr 7.558 Scudi bzw. 13.280 Franken wurde Gagliano Mitte September und im Dezember 1494 durch den Lyoner Steuereinnehmer Jacques Erodes zurückgezahlt. In Rom hatte die Bank des Paolo Rucellai die Auszahlung des Wechsels über 6.000 Kammerdukaten für Giuliano da Gagliano bzw. die Mediceer übernommen. Offenkundig koppelten die Mediceer ihren Kredit mit einem weiteren Wechselgeschäft, bei dem nun im August und September jenes Jahres vor allem die römische Rucellai-Bank, die Goldschlägergesellschaft der Medici in Florenz (mit dem Titel Piero de’ Medici e compagnia battilori di Firenze, geführt durch Filippo da Gagliano und Lanfredino Lanfredini) sowie die Bankgesellschaft von Bernardo und Erben des Bartolomeo Nasi in Lyon und die nach Chambéry ausgewiesene Lyoner Medici-Bank miteinander kooperierten. Allem Anschein nach konnten die Lyoner Medici-Bankiers am Ende einen satten Profit aus ihrem Kreditgeschäft für Karl VIII. einstreichen. Ihm folgte dann im September/Oktober 1494 der Kredit über 10.000 Dukaten für die Herzogin von Savoyen bzw. durch sie erneut für Karl VIII., den die Medici-Bankiers aus ihrem mailändischen Depot bei Francesco Maggiolini finanzierten – indirekt ein zweiter Medici-Kredit für Frankreich, der jedoch erst Jahre später getilgt werden konnte. Die Initiative des Philippe de Bresse: Zwischen Neapel, Florenz, Mailand und Frankreich Ungefähr Mitte August 1494 hören wir von Initiativen, die der am französischen Hof (auf dem Weg von Lyon über Vienne nach Grenoble) befindliche Philippe de Commynes für die Medici unternahm.94 Mit einem Brief, den er damals an den in Lyon wirkenden Bernardo de’ Rossi schrieb, einen jüngeren Mitarbeiter der dortigen Medici-Bank, informierte er diesen, daß er am 11. August an Piero de’ Medici geschrieben hatte, um ihm einen Brief Lorenzo Spinellis zu empfehlen. Bernardo sollte mit größter Sorgfalt dieses Empfehlungsschreiben und den Brief Spinellis über Chambéry nach Florenz senden lassen, falls Spinelli nicht rechtzeitig dorthin zurückgekehrt sei. Da Commynes immer noch nicht wußte, welchen politischen Weg Piero de’ Medici einschlagen wollte, sollte Bernardo rasch für entsprechende Schreiben Pieros und Spinellis sorgen, die er König Karl VIII.

93 ASP IV/2, c. 7/VII; IV/4, c. 75r. 94 Buser, Mediceer, S. 551f. Der Brief liegt nur in Auszügen als Kopie vor, welche entweder die

Lyoner oder die Florentiner Medici-Bank anfertigen ließ. Adressiert war er laut Angabe des Kopisten an einen Mitarbeiter der Medici-Bank (giovane nostro), der im Brief als Bernardo bezeichnet wird und ohne Zweifel mit Bernardo de’ Rossi zu identifizieren ist, der damals zum jüngeren Personal der Lyoner Medici-Bank unter Spinelli und Sassetti gehörte und noch eingehender vorzustellen sein wird. Da Philippe de Commynes vom französischen Hof, der noch nicht die Alpen überquert hatte, nach Lyon an Rossi schreibt, er an einem 11. an Piero de’ Medici geschrieben hatte, und da der Hof am 28.7. Lyon verlassen hatte, um über Vienne nach Grenoble zu reisen, wo man erst am 22.8. eintraf, um dann vom 29.8. bis Anfang September die Alpen zu überqueren, kann dieser Brief nur Mitte August verfaßt worden sein.

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präsentieren könne. Falls Piero den Kurs des Königs einschlagen wolle – was er aber erst offenbaren sollte, wenn Karl die Alpen überquert hatte –, würde Commynes ein guter Vermittler sein und die Medici vor weiterem Schaden schützen. Sollte für Piero eine Erklärung pro Frankreich zu problematisch sein, könnte er sich nach Ansicht Philippes eine Neutralität durch einen Kredit erwerben, wie es früher viele flandrische Territorien praktiziert hätten. (Der bereits gewährte Kredit über 6.000 Kammerdukaten wird hiermit nicht gemeint gewesen sein, da er zu gering war, um ein solches Privileg zu „erkaufen“.) Falls die Medici eine der beiden Möglichkeiten wahrnehmen wollten, sollten sie jemanden an den Hof senden, der kraft persönlicher Anwesenheit mit einer Entschuldigung innerhalb kürzester Zeit alle Zweifel an der Treue der Medici zu Frankreich beseitigen könnte. Von diesen Initiativen sollte Bernardo jedoch auf keinen Fall etwas an die übrigen Florentiner in Lyon dringen lassen, da sie ‚anderer Ansicht‘ seien. Da Lorenzo Spinelli eher als Cosimo Sassetti wieder in Chambéry sei, sollte Lorenzo für die Medici an den Hof reiten. Ohne eine dem König genehme Nachricht bräuchte jedoch keiner von beiden zu kommen. Lorenzo Spinelli hatte kurz darauf mit Philippe de Commynes gesprochen, doch offenbar außerhalb des Hofes. An dessen guten Absichten, seiner Weisheit und Zuneigung zu den Medici bestand für ihn kein Zweifel, so daß er ihn mit einem am 26. August 1494 aus Chambéry offenbar an Cosimo Sassetti in Florenz geschriebenen Brief auch Piero de’ Medici empfahl.95 Aber die Gefahr für Piero war mittlerweile so groß geworden, daß Spinelli überzeugt war, ein Frieden zwischen Piero und Karl VIII. könne nur erzielt werden, wenn Philippe de Bresse sich mit seiner Autorität und seinem Einfluß persönlich für ihn einsetze. Da nach den Mailändern und Venezianern nun auch der über Bologna herrschende, den Medici seit alters meist verbundene Giovanni Bentivoglio die Franzosen unterstützen wolle, sei Karl VIII. für den Marsch seines Heeres auf Neapel nicht mehr auf Piero angewiesen, könne ihn bei fortgesetzter Distanz also ignorieren bzw. fallen lassen. Dies bedeute nach Ansicht des Königs und – nicht von ungefähr – des Guillaume Briçonnet, daß Piero in Kürze tot sei. Zahlreiche Briefe aus Florenz und von Florentinern, mit welchen der Feldzug Karls begrüßt wurde, ließen offenkundig ebenso wie das Verhalten des Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici und die engen Beziehungen zwischen Guillaume Briçonnet und den Capponi den eindeutigen Schluß zu, daß sich Piero de’ Medici in Lebensgefahr befand! Sein Sturz war demnach spätestens im August beschlossene Sache. Um dies zu verhindern, hatte Philippe de Bresse schon vor dem 26. August mit Nachdruck die Initiative ergriffen, um einen Frieden zwischen Piero de’ Medici und Karl VIII. zu stiften. Er hatte sich an die ehemaligen Regenten und Vormünder Karls gewandt, Anne und Pierre de Beaujeu – von Spinelli nur als Herzogin und Herzog von Bourbon bezeichnet –, die sich beim König für das Anliegen des Savoyers einsetzten. Tatsächlich konnten sie ihm eine für diesen Zweck anberaumte Audienz verschaffen, die kurz nach dem 26. August stattfinden sollte. An ihr sollte aber auch Lorenzo Spinelli teilnehmen, wie Karl VIII. dem Savoyer schriftlich ausrichten ließ – sofern die früheren Vorbehalte überwun95 ASF, MAP XVIII, doc. 266; in den Auszügen bei Buser, Mediceer, S. 552f., fehlen einige für

uns zentrale Passagen. Zum Brief vgl. auch die Angaben oben in Anm. 54.

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den seien, sofern man Karl also positive Signale geben konnte. Da Spinelli seinem Adressaten berichtete, der König lasse sich durchaus ‚beraten‘, also überzeugen, vor allem wenn dies durch Piero de’ Medici und Giovanni Bentivoglio (gemeinsam) geschehe, und da er in diesem Kontext von den großen Finanzproblemen berichtete, die Karls Zug im Wege stünden, darf man schließen, daß diese Medici-Bankiers mit weiterem und höherem Geldeinsatz Piero vor seinen Gefahren bewahren wollten. Von Philippe de Bresse wußte Spinelli zudem, daß er bei Karl VIII. Vermittlungsvorschläge machen wollte, die sowohl Piero de’ Medici als auch dem neapolitanischen König Alfons II. gefallen würden, die also ihr Gesicht wahren würden. Als mögliches Mittel wollte er zudem eine drohende Türkengefahr einsetzen. Wegen ihr sollte Papst Alexander VI. den Franzosen um einen sofortigen Kreuzzug bitten, der alle Beteiligten – von Neapel über Florenz und Venedig bis Mailand – einbinden und den Abschluß eines Waffenstillstands erlauben würde. So sehr ein solcher, Piero de’ Medici aus seiner Zwangslage befreiender Türkenkreuzzug für die Mediceer und Aragonesen wünschbar war, so sehr verkannte er auch die politischen Realitäten und vor allem die Ambitionen Karls VIII. Aus der Entschlossenheit des Philippe de Bresse, mit einem solchen Plan zum König zu gehen, ist freilich sein außergewöhnliches Engagement für die Medici abzulesen, für die er den Zug des Heeres vor den Grenzen des Königreichs Neapel auf Schiffe Richtung Osten ablenken wollte. Mit Piero de’ Medici hatte er darüber offenkundig gar nicht mehr oder nicht mehr im einzelnen konferiert. Und er konnte erst recht auf Pieros Empfindlichkeiten keine Rücksicht nehmen, als er Lorenzo Spinelli unmißverständlich klar machte, dieser müsse an seiner Seite (und damit der savoyischen Truppen) dem König voraus über die Alpen nach Susa reiten, zum Wohle der Medici. Spinelli hatte sich gewunden und wohl auch geweigert, da er das Mißfallen Pieros fürchtete, und bat seinen Briefpartner, sein Verhalten in Florenz zu entschuldigen. Doch dieser wisse, wie dieser savoyische Herr sei, wenn er eine Sache ‚jage‘, und welches Vertrauen er in ihn, Spinelli, habe. Um bei Philippe de Bresse also nicht ‚bis zum Tode‘ in Ungnade zu fallen, mußte er ihn also von Chambéry aus ins Piemont begleiten, wo Philippe dann auf Karl VIII. und sein Heer treffen würde (die am 29. August Grenoble verlassen hatten und über Briançon am 3. September Susa erreichten, von wo aus sie dann am 5. September in Turin eintrafen). Denn Philippe de Bresse hatte weitere Pläne mit Lorenzo Spinelli, die Guillaume Briçonnet isolieren sollten, weshalb Piero sich äußern sollte, wie Spinelli weiterhin eingesetzt werden sollte oder dürfte. Unabhängig von Pieros Vorstellungen hatte Spinelli in den Plänen des Philippe de Bresse bereits die Aufgabe erhalten, vom französischen Heer aus zu Piero de’ Medici zu reiten und die weiteren Schritte zur Rettung der Medici durchzuführen. Man sieht: Weniger Piero de’ Medici als vielmehr der faktische Herrscher von Savoyen, Philippe de Bresse, trat dem Schicksal der Medici mit großer Energie entgegen. Und ein Lorenzo Spinelli, dem Pieros Verhalten schon mit Blick auf die ökonomische Zukunft des Hauses Medici (und damit auch die seinige!) nicht gefallen konnte, wird Philippe bereitwilliger gefolgt sein, als er es in Florenz zugeben konnte.

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Lorenzo Spinelli ritt in der Tat zusammen mit Philippe de Bresse Ende August 1494 über die Alpen nach Susa. Unterwegs unterrichtete er Cosimo Sassetti, der sich von Chambéry nach Florenz begeben hatte, vom Geschehen. Erhalten ist jedoch nur der (teilweise chiffrierte und in Florenz entschlüsselte) Brief, den er am 4. September aus einem Ort unweit Turin an Sassetti schrieb.96 Immer noch entschuldigte sich Spinelli für seinen Aufenthalt bei Philippe, beim französischen Heer. Doch habe er keine andere Wahl, wenn er nicht die Gunst des Savoyers verlieren wolle, was für ihn überaus schädlich sei. Bei diesen offen oder indirekt ausgesprochenen Drohungen wird es um finanzielle Abhängigkeiten und Chancen gegangen sein. Und in den Finanzkompetenzen Spinellis wird Philippe de Bresse auch den Hebel gesehen haben, um Piero doch noch mit dem König zu versöhnen; aus dem gleichen Grund wird Cosimo Sassetti – als Finanz- wie Frankreichexperte – zu Piero nach Florenz geritten sein. Der neue Magnifico hatte sich bis zu jenem Zeitpunkt immer noch nicht für eine Lösung von Neapel entschieden. Maximal anderthalb Monate blieben ihm dafür nach Einschätzung Spinellis. Aber unmißverständlich wurde Piero durch Spinellis Brief auch klar gemacht, daß seine Florentiner Feinde den Feldzug Karls VIII. als beste Gelegenheit begriffen hatten, um Piero und damit die Medici zu stürzen. Der König war aus Florenz von diesen Absichten informiert worden. Sobald er Modena erreicht habe, würde man Piero aus Florenz verjagen. Die französische Zustimmung gewann diese Gruppe auch durch große Summen Geld. Und mit dem gleichen Mittel – über eine grundsätzliche Einigungsbereitschaft Pieros hinaus – wollte Philippe de Bresse diese Pläne konterkarieren. Deswegen sollte Lorenzo Spinelli ihn begleiten, deswegen sollte er mit ihm und Karl VIII. am 5. September in Turin einreiten, deswegen wollten Philippe de Bresse und Jacques de Miolans – nicht nur für Frankreich Gouverneur des Dauphiné, sondern auch ein enger Vertrauter Philippes aus Savoyen,97 dessen Gunst die Lyoner Medici-Bank vorher schon mit einem Geldgeschenk gepflegt hatte – zusammen mit Spinelli am 5. September in Turin den König sprechen, da dieser seine Bereitschaft signalisiert hatte, ihrem Vorhaben zu folgen. In jenen oder spätestens den nächsten Tagen muß Piero die väterlich strenge Hand des Philippe de Bresse endlich ergriffen und endgültig den Entschluß gefaßt haben, eine Wende seiner bisherigen Politik zu vollziehen, eine Kursänderung, die ihn bzw. die Medici wieder an die Seite Frankreichs bringen sollte, ohne zunächst von Neapel abzufallen. Am 4. September 1494 hatte Piero de’ Medici einen Brief geschrieben, mit dem er auf einen Brief des Bernardo cavallaro antwortete. Bei dieser Angabe, die den Registernotizen Pieros über seine ausgegangenen Briefe entstammt, ist der Zuname zwar nicht angegeben, doch kann es sich nicht um Bernardo Dovizi da Bibbiena handeln, da dieser sich von Anfang September bis Ende Oktober 1494 kontinuierlich im Auftrag Pieros im Feld-

96 ASF, MAP XIX, doc. 195; ein nur sehr kurzer Auszug bei Buser, Mediceer, S. 553. In diesem

Brief informierte Spinelli den Sassetti am Beginn, daß er den letzten Brief aus Santo Andrea geschrieben habe. Der nicht genannte Ausstellungsort des Briefes vom 4.9. ist vermutlich Avigliana, wo der französische Hof übernachtete; vgl. Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 251. 97 Vgl. Marini, Savoiardi, S. 304–311.

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lager der aragonesischen Truppen in der Romagna aufhielt und da für ihn in gleichermaßen kurzer, aber differenzierender Form (a Bernardo mio cancelliere) zum 18. September 1494 ein anderer Brief Pieros verzeichnet ist.98 Dies und der Kontext lassen vielmehr nur die Annahme zu, daß der berittene Kurier mit dem Vornamen Bernardo den Familiennamen De’ Rossi trug, daß es sich bei ihm um jenen Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank handelte, dem der um einen Ausgleich zwischen Piero de’ Medici und König Karl VIII. bemühte Philippe de Commynes Mitte August einen Brief nach Lyon geschickt hatte, damit er die Korrespondenz zwischen ihm, Lorenzo Spinelli und Piero de’ Medici organisiere. Piero muß auf die Initiative des Commynes eingegangen sein und Bernardo de’ Rossi dann mit weiteren Aufträgen versehen haben, die diesen zu Pferde zu den verschiedenen Schauplätzen der mediceischen Diplomatie jener dramatischen Wochen führten. Auch die nächsten Schritte seines Lyoner Vorgesetzten Lorenzo Spinelli spiegeln diese Wendung wider. Doch für diesen nun schrittweise erfolgenden Politikwechsel Pieros gab es einen weiteren wichtigen Grund: Genau in jenen Septembertagen hatte König Karl VIII. den Befehl erlassen, nach der Lyoner Medici-Bank ebenfalls die (als MediciTarnbank zu kennzeichnende, von Giuliano da Gagliano geleitete) hoch profitable Bartolini-Bank aus Lyon auszuweisen, während alle anderen Florentiner Banken wie bisher dort bleiben durften!99 Diese harte Entscheidung bezeugt die Wut Karls VIII. auf den jungen Florentiner Machthaber; diesem aber wird sie nachdrücklich vor Augen geführt haben, was alles auf dem Spiel stand. Schon am 18. September 1494 fertigte Piero de’ Medici in Florenz für Lorenzo Spinelli ein Beglaubigungsschreiben aus, das ihn für bestimmte Verhandlungen mit dem König von Neapel ermächtigte. Zweifellos ging es, da der Kreuzzug gegen die Türken sich als illusorisch erwiesen hatte, um ein überzeugendes finanzielles Angebot an Karl VIII., das Philippe de Bresse ja schon im August als probates Mittel erwogen hatte. Nach den Unterhandlungen Spinellis mit König Alfons II. von Neapel wollten dieser und Piero de’ Medici den bekanntermaßen in Finanznot befindlichen französischen König zur Umkehr bewegen, indem sie ihm über Lorenzo Spinelli eine hohe Summe Geld anboten – man sprach von 300.000 Dukaten! –, die von der neapolitanischen Krone und von der Republik Florenz zur Verfügung gestellt werden sollte. Mit entsprechenden Zusagen aus Neapel kehrte Spinelli zunächst wieder nach Florenz zurück. Am 7. Oktober 1494 stellte Piero de’ Medici nun vier Empfehlungsbriefe für Spinelli aus, die für den König von Frankreich, den Herzog von Orléans, die Herzogin von Savoyen und für den ihr Herzogtum regierenden Philippe de Bresse bestimmt waren!100 Wir wissen leider nur, daß diese Briefe geschrieben wurden, kennen aber nicht ihren Inhalt, da sie allesamt verloren sind. Doch angesichts des dramatischen historischen Kontextes erzählen schon die Namen von Absender, Adressaten und empfohlenem Gesandten ihre eigene Geschichte. Es muß um 98 Zu Dovizis Briefen dal campo aragonese: Moncallero, Epistolario I, S. 82–235; zu Pieros Brief

an ihn: Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 136, 138. 99 Zu diesem Vorgang ausführlich unten S. 179–181. 100 Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 138f.

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das Geldangebot für Karl VIII. gegangen sein, mit Blick auf die weiteren Adressaten aber auch schon um andere Optionen im Falle einer Ablehnung. Spinelli traf Karl VIII. (und den wahrscheinlich am Hof befindlichen Philippe de Bresse) in Piacenza, wo sich der Hof von Vigevano und Pavia kommend vom 18. bis 23. Oktober aufhielt. Karl VIII. konnte und wollte aufgrund eines solchen Angebotes seinen Feldzug nicht abbrechen. Dies wird den realistisch denkenden Mediceern auch vorher klar gewesen sein. Daß sie es dennoch versuchten, wird an Pieros evidentem Bestreben gelegen haben, sich bis zum letzten Augenblick als loyaler Partner Neapels – und möglicherweise seines Ersatzvaters Virginio Orsini – zu erweisen, bevor ihm existentielle Sorgen keine andere Wahl mehr erlaubten, als sich völlig von Neapel ab- und Frankreich zuzuwenden.101 Piero de’ Medici muß diese Alternative am 7. Oktober bereits artikuliert und durchdacht haben. Denn sonst hätte er Lorenzo Spinelli nicht auch zu Verhandlungen mit Philippe de Bresse, Ludwig von Orléans und Bianca von Monferrat, den erklärten Freunden des Hauses Medici, ermächtigt. Möglicherweise sollte Spinelli dabei von Cosimo Sassetti unterstützt werden, der in jenen Tagen aus Florenz, wo seine Aufgabe wohl erfüllt schien, nach Lyon zurückreisen wollte, wie er Piero Dovizi da Bibbiena am 20. Oktober aus Parma mitteilte.102 Philippe de Bresse wird sich bei Karl VIII. aufgehalten haben, aber der Herzog von Orléans war in seinem Dominium Asti geblieben, und die savoyische Herzogin wird Karl VIII. ebenfalls nicht gefolgt sein, sondern in einer der Residenzen ihres Herzogtums geblieben sein. Mit Blick auf den recht langen Zeitraum zwischen der Ausstellung seines Empfehlungsbriefes und dem Treffen mit Karl VIII. könnte Spinelli den Herzog von Orléans – ob auch die politisch weniger einflußreiche Herzogin von Savoyen, muß offen bleiben – noch vor seinem Gespräch mit dem König aufgesucht haben. Auf jeden Fall hat Lorenzo Spinelli bei den hochrangigen Medici-Freunden offenkundig politische Optionen erschließen können, die Piero de’ Medici trotz der Absage Karls VIII. eine neue Handlungsmöglichkeit boten. Denn nun setzte der finale Schritt ein, als Lorenzo Spinelli von seiner Mission in einem Gewaltritt nach Florenz zurückkehrte. Schon am 24. Oktober wurde Gentile Becchi, den Piero gleichfalls zum König nach Piacenza entsandt hatte, vom Medici benachrichtigt, er möge die (erneute!) Ankunft Lorenzo Spinellis abwarten; und am 25. Oktober fertigte Piero einen nochmals an König Karl VIII. gerichteten Beglaubigungsbrief für Spinelli aus.103 Wiederum wird Piero seinem Lyoner Bankier auch ein finanzielles Angebot in die Hand gegeben haben, das nun aber nur noch von 101 Zu Spinellis Aufenthalt in Piacenza und dem von ihm vorgetragenen Geldangebot vgl. Labande-

Mailfert, Charles VIII (1975), S. 286f.; vgl. ferner De Frede, L’impresa di Napoli, S. 209 (der Piero de’ Medici als Initiator des Geldangebotes sieht, ohne die Initiativen des Philippe de Bresse zu berücksichtigen), sowie S. 213f. zu Briefen von Piero de’ Medici und Bernardo da Bibbiena vom 27. und 30.10., mit welchen den Aragonesen zum einen die Hinwendung zum französischen König als Akt der Verzweiflung, ihnen zum andern grundlegende Loyalität versichert wurde. 102 ASF, MAP CXXIV, doc. 198 (20.10.1494, Cosimo Sassetti aus Parma an Piero Dovizi in Florenz). 103 Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 140; zu Becchi in Piacenza: Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 287.

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Piero gekommen sein konnte, da dieser sich jetzt entschlossen hatte, den persönlichen Ausgleich mit dem zu mächtigen und zu entschlossenen König von Frankreich zu suchen. Der bedingungslose Kurswechsel des Piero de’ Medici mußte ein doppeltes Echo finden. Zum einen wird er seine Florentiner Feinde gezwungen haben, ihre Bemühungen zu intensivieren. Zum anderen aber traf er mit großer Wucht Mailand, das seine Ambitionen nun in Gefahr sah und deshalb ebenfalls seinen Druck auf Piero erhöhen mußte. Ludovico il Moro hatte Piero noch Ende September 1494 seinen Untergang prophezeit, wenn er sich nicht effektiv von König Alfons II. von Neapel abwenden würde. Und der Mailänder Herzog ließ keinen Zweifel daran, daß dieser Stoß maßgeblich von ihm ausgehen würde, da Piero mit großer Starrköpfigkeit die alte Freundschaft zwischen Mailand und Florenz vergesse. Außerdem habe Piero in den letzten Tagen den Mailänder in jeder anderen Weise verletzt, so daß dieser auch dem König von Frankreich zu kriegerischen Maßnahmen gegen Piero raten würde. Gianbattista di Luigi di messer Lorenzo Ridolfi, der aus der Medici-Bank kommende damalige Florentiner Botschafter am Mailänder Hof, informierte Piero am 25. September über diese Drohungen. Er habe dem Moro dazu gesagt, er könne nicht glauben, daß von Mailand diese Bedrohung ausgehe, daß man sie nicht verdiene, da Florenz nichts gegen Mailand unternehme, sondern nur aus Treue und zur Sicherheit des Florentiner Staates so handele.104 Von Giovanni Bentivoglio in Bologna wurde Piero in jenen Tagen aufgefordert, er solle zusammen mit König Alfons von Neapel konkrete Gespräche mit Herzog Ludwig von Orléans, Philippe de Bresse, der Herzogin von Savoyen sowie der Markgräfin von Monferrat aufnehmen, da sie die größten Feinde des Moro seien und diesen bei Karl VIII. in Ungnade bringen könnten.105 Der verworrene, von zahlreichen Antagonismen geprägte Konflikt steuerte auch aus dieser Perspektive unaufhaltsam seinem Höhepunkt zu. Wichtige Informationen entnehmen wir wiederum einem chiffrierten und in Florenz dechiffrierten Brief Ridolfis, den er am 2. Oktober 1494 aus Alessandria an Piero de’ Medici schrieb, nachdem er dessen Brief vom 26. September am 29. September erhalten hatte.106 Der Medici hatte seinen Mailänder Botschafter mit jenem Schreiben informiert, er möge den damals wiederholt als Kurier 104 ASF, MAP LXXIV, doc. 104 (Gianbattista Ridolfi am 25.9.1494 aus Alessandria an Piero de’

Medici); vgl. zu seiner Gesandtschaft Parenti, Storia fiorentina I, S. 81, 93, 113. Giovanbattista di Luigi di messer Lorenzo Ridolfi war zunächst im Juni 1494 zusammen mit Pagolantonio di Tommaso Soderini als Botschafter nach Venedig gesandt worden, um im August von dort in das politisch brisantere und wichtigere Mailand geschickt zu werden. Vgl. hierzu auch Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 102; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 91, doch im Register zu Landucci ist er irrig als Giovanbattista di Niccolò Ridolfi identifiziert worden, während Parenti (Storia fiorentina I, S. 81) ihn verkürzt und irreführend Giovanbattista di messer Lorenzo Ridolfi nennt. Die genaue Identifizierung ist nicht unerheblich, da Niccolò di Luigi Ridolfi 1497 als Mediceer hingerichtet werden wird und Gianbattista di Luigi Ridolfi auch während der Exilszeit und besonders am Beginn der neuen Medici-Herrschaft ab September 1512 zu den führenden Mediceern gehören wird. Kurzbiographien zu beiden: Guidi, Ciò che accadde, S. 181f.; zu Gianbattista Ridolfi als Medici-Bankier, v. a. in Venedig, sowie als Assistent des Giovanni Tornabuoni vgl. De Roover, Rise, S. 253, 259. 105 Vgl. Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 257. 106 ASF, MAP LXXIV, doc. 105.

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für die Medici tätigen Bernardo [wahrscheinlich: de’ Rossi, der Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank] zu einem gewissen Pellegrino senden.107 Ridolfi berichtet nun Piero, er habe Bernardo vorher schon nach Asti geschickt, von wo er gestern (1.10.) zurückgekehrt sei. Und dieser Bernardo hatte nun die Aufgabe gehabt, dem in Asti weilenden Herzog Ludwig von Orléans – als Vermittler beim König – auszurichten, daß Piero in Kürze einen Botschafter an ihn entsenden werde! Da sich in Asti seit dem 9. September auch Karl VIII. und sein Hof aufhielten (bis zum 6. Oktober), konnte es eigentlich nur um die grundsätzliche Bereitschaft Pieros gehen, Frankreich entgegenzukommen, vermutlich aber auch schon um das finanzielle Angebot, das Lorenzo Spinelli in jenen Tagen in Neapel aushandelte, wohl kaum um andere Optionen.108 Beim König in Asti befand sich freilich ebenfalls Ludovico il Moro, weshalb Bernardo auch diesem Pieros Intentionen erläuterte. Der Moro habe sich darüber erfreut gezeigt, wollte aber genauere Informationen vom Medici. Denn eine Verständigung Pieros gerade und ausgerechnet mit dem von ihm gefürchteten Herzog von Orléans mußte größtes Mißtrauen beim Sforza hervorrufen. Der Herzog von Orléans und andere französische Große, unter ihnen wiederum Jacques de Miolans, aber auch Guillaume Briçonnet (der ebenso zum Gegner Mailands geworden war), hätten daraufhin beschlossen, den Pellegrino zu Piero zu entsenden. Ansonsten aber würden sie Piero raten, nur eine Person des Vertrauens zum Herzog zu senden, mit einem partito honorevole (ehrenvollen Entschluß, Lösung), der dem König angeboten werden könne, um damit Ludovico Sforza la pichiata (den Stoß, Schlag) zu geben und ihm ‚mit der vollen Ladung auf den Rücken heftig weh zu tun‘ (duolgerli la piena addosso). Ein Freund der Medici sehe den Grund, weshalb Ludwig von Orléans ‚mit Vernunft spreche‘, weshalb ihm also zu trauen sei, in der Finanznot der Franzosen, die von dem Sforza auch nur 75.000 statt der versprochenen 100.000 Dukaten bekommen hätten und die den Lombarden nicht trauen, vielmehr Betrug wittern würden. Der Herzog von Orléans habe gesagt, er liebe Piero und wisse, daß der König ihn für einen geradlinigen, klaren und reichen Menschen halte und ihn deshalb insgeheim sehr schätze. Piero solle

107 Es muß sich um jenen Bernardo cavallaro handeln, dem Piero de’ Medici schon am 4.9.1494

eine Antwort auf einen vom ihm erhaltenen Brief schrieb; vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 136. Wahrscheinlich ist in diesem Medici-Reiter Bernardo de’ Rossi zu sehen, der jedenfalls zweifellos mit dem ohne Nachnamen genannten giovane der Medici-Bank namens Bernardo identisch ist. Ihm hatte Philippe de Commynes Mitte Juli 1494 nach Lyon geschrieben, wo er für die Medici das Lyoner Kommunikationsnetz fortsetzte; s.o. S. 48f. Die Identifizierung des Kuriers Bernardo mit dem Lyoner Medici-Bankier Bernardo de’ Rossi stimmt zudem völlig mit den Funktionszuweisungen überein, die zur gleichen Zeit seine Vorgesetzten Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti übernommen hatten. Bernardo de’ Rossi werden wir bald darauf in Geschäftsverbindungen mit Philippe de Bresse sehen sowie nicht von ungefähr als Bankier wie als Rittmeister am savoyischen Herzogshof; s.u. S. 244 und bes. S. 709–716. 108 Zum Aufenthalt Karls VIII. in Asti: Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 279–283 (er war am Morgen des 9.9. von Chieri nach Asti aufgebrochen, hatte auf halber Strecke in Villanova zu Mittag gegessen, um danach sofort weiterzureiten, so daß er wohl noch am 9.9. in Asti eingetroffen sein wird).

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sich bemühen, ritrarre la mente del Re intorno a questo caso, womit wohl gemeint war, daß er Karl durch einen entschiedenen Schritt zurückgewinnen solle. Hier zeigt sich, daß Philippe de Bresse in jenen Wochen eng mit seinem Freund Ludwig von Orléans kooperierte, um Pieros offenen Übertritt auf die französische Seite einzuleiten und zu vollenden. Zwar gab es zunächst noch gewisse Irritationen, denn Ridolfi berichtete Piero am 3. Oktober 1494 aus Alessandria, Karl VIII. sei an jenem Tag aus Asti abgereist, um über Casale Monferrato und Vigevano nach Pavia und Piacenza zu ziehen, und er sei immer stärker erbost über Piero, weil dieser sich gegenüber seinem Gesandten Perron de’ Baschi abweisend verhalten habe (was den Moro erneut bewogen habe, dem Haus Medici baldigen Krieg anzukündigen).109 (Tatsächlich war Karl VIII. aber wegen und trotz einer nicht auskurierten Erkrankung erst am 6. Oktober aus Asti aufgebrochen.110) Und auch der Florentiner Chronist Luca Landucci notierte, eine am 4. Oktober in Florenz eingetroffene französische Gesandtschaft habe nicht die erhoffte klare, sondern nur eine unbestimmte, konfuse Antwort erhalten und sei deshalb verärgert abgereist.111 Doch zu jenem Zeitpunkt war Lorenzo Spinelli offenkundig noch nicht aus Neapel mit der erhofften Finanzzusage zurückgekehrt, so daß die ausweichenden Antworten Pieros nachvollziehbar sind. Bereits am 7. Oktober jedoch konnte er Lorenzo Spinelli zu den Gesprächen mit Karl VIII., den beiden savoyischen Herrschern und Herzog Ludwig von Orléans ermächtigen – und Spinelli erfüllte gewiß das von Ludwig geforderte Profil. Er besaß das Vertrauen der Medici und er verfügte über die gewünschten Handlungsvollmachten, die dem Herzog von Mailand wie ein Stoß auf den Leib erscheinen mußten. Was nun folgte, sollte dramatische und langwährende Folgen haben; es ist, so hat es den Anschein, in seinem tatsächlichen Ablauf zu selten angemessen gewürdigt worden. Als der am französischen Hof befindliche Gentile Becchi am 24. Oktober 1494 von Piero gebeten worden war, die baldige Ankunft Lorenzo Spinellis abzuwarten, muß vorher Folgendes geschehen sein. Nachdem Spinelli am 7. Oktober von Piero die Beglaubigungsschreiben für Verhandlungen mit dem König, der Herzogin von Savoyen, Philippe de Bresse sowie Herzog Ludwig von Orléans erhalten hatte, hatte er mit diesen Personen (mit Karl VIII. seit dem 18.10. in Piacenza) innerhalb kurzer Zeit so erfolgreiche Gespräche geführt, daß er sofort nach Florenz zurückkehren konnte, um Piero mitzuteilen, der Weg für eine Aussöhnung mit dem König sei geebnet. Spinelli hatte den alten MediciFreunden am Hof sowie dem König demnach über Pieros Bereitschaft hinaus sachliche Angebote machen können, die eine sofortige Annäherung erlaubten. Piero zögerte keinen Augenblick, den von ihm aufgeworfenen Graben zu überwinden, um sich aus seinem Dilemma zu befreien. Am 25. Oktober stellte er Spinelli einen weiteren Beglaubigungsbrief für Karl VIII. aus.112 Auf Spinelli und seine Botschaft sollte Gentile Becchi warten,

109 ASF, MAP LXXIV, doc. 106 (3.10.1494, Ridolfi aus Alessandria an Piero); gedruckt: Canestri-

ni/Desjardins, Négociations I, S. 574f. 110 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 283. 111 Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 104. 112 Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 140.

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da Piero über seinen Bankier sein persönliches Erscheinen am Hof des Königs ankündigte.

c) Pieros kleines Canossa: Sein Gang zu Karl VIII. Als Piero de’ Medici am 26. Oktober schließlich Florenz verließ, geschah dies demnach nicht unvorbereitet. Ein noch am gleichen Tag von dem Medici-Bankier und -Intimus Filippo da Gagliano – dem Bruder des Lyoner Mediceers und Kreditgebers Giuliano da Gagliano – an seinen Freund, den altbewährten Medici-Sekretär Ser Niccolò Michelozzi geschriebener Brief gibt uns etwas genaueren, vor allem aber authentischen Einblick in Pieros Motive und den Ablauf seiner so folgenreichen Abreise. 113 Filippo da Gagliano, der Michelozzi noch am Morgen des 26. gesehen hatte, berichtet diesem nun, er habe (anschließend) an diesem Morgen in Santa Maria del Fiore, also im Dom, Piero (de’ Medici) getroffen, der ihn zu sich gerufen und mit einem Auftrag versehen habe. Nach dem Essen sei Piero sofort und quasi allein losgeritten. Die brighata (also die Freunde des Mediceer-Kreises) sei ihm noch mit Magnifico-, Magnifico-Rufen hinterhergelaufen. Piero habe ihnen den Auftrag erteilt, kleine Tresore und Körbe zu besorgen, da er den König aufzusuchen habe. Zweck seiner Reise sei sein eigenes Heil wie das der Stadt; sehr bald werde die brighata aus seiner Tat wieder Hoffnung schöpfen können. Zumindest werde man sich dadurch die von Filippo als Furie (furia) bezeichnete Gruppe der MediciFeinde vom Hals halten können. Einer seiner Freunde habe ihm berichtet, daß dieser Entschluß Pieros ganz allein von ihm ‚geschrieben‘, ergriffen worden sei und daß er ihn mit niemandem, besonders nicht mit diesen principali abgesprochen habe, mit denen Filippo offenbar die obersten offiziellen Vertreter der Kommune meinte. Man gehe unter seinen Freunden aber davon aus, daß Piero vorher entsprechende Verständigungsgespräche mit der banda di là, also dem französischen Königshof, führen ließ. Mancher (der Freunde) sage, daß die ganze Sache von Lorenzo Spinelli vorbereitet worden sei; wie immer es sei, es möge durch Gott ein gutes Ende finden. (Spinellis Mission war demnach selbst für den innersten Zirkel der Mediceer unter großer Geheimhaltung verlaufen; in alle Einzelheiten war selbst ein Intimus wie Filippo da Gagliano nicht eingeweiht!). Filippo hatte nun wei113 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 58. Der Brief ist teilweise verdorben, an einigen Stellen des-

halb unleserlich (und die mir vorliegende Kopie vom Mikrofilm macht zudem die mit blasser Tinte geschriebenen Passagen nicht leserlicher). Zu den beschädigten Stellen gehört leider auch die zweite Ziffer des Tagesdatums, doch ergibt sich aus dem Kontext, daß er am 26.10. geschrieben worden sein muß; Michelozzi hatte den Empfang mit dem 27.10. datiert). Der größte Teil und die wesentlichen Inhalte des Briefes sind allerdings gut lesbar; wir geben wegen der Bedeutung dieses bisher fast unbekannten Briefes – offenbar die einzige überlieferte Quelle aus dem Medici-Kreis zum 26.10.! – den Inhalt in textnaher Übersetzung wieder; kurze Paraphrasen finden sich bei Brown, Revolution of 1494, S. 21. Der zwischen 1444 und 1447 geborene Niccolò Michelozzi war nach dreijähriger Tätigkeit in der Ersten Kanzlei von Florenz 1471 von Lorenzo de’ Medici als sein 1. Sekretär in den Medici-Palast geholt worden und wurde zu einem seiner wichtigsten Vertrauten; zu Vita und Funktionen bis 1494 vgl. Arrighi/Klein, Segretari, S. 1384–1387; Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 349–352.

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terhin gehört, Piero habe den Befehl gegeben, Giannozzo (Pucci) und Lorenzo Tornabuoni sollten heute abend in Empoli sein, gleichfalls „messer Giulio“, also Pieros junger Cousin Giulio de’ Medici, sowie „messer Vincenzio“ (vermutlich der schon 1492 in engerer Beziehung zu Piero stehende Geistliche Vincenzo di Luigi Pappacoda aus Neapel114); von den anderen (Begleitern) wisse man noch nichts. Morgen früh müßte Pieros Brief eintreffen, eben ein solcher, wie ihn der Vater in San Miniato abgefaßt habe! Weil diese Sache ihm, Filippo, wichtig erscheine, wolle er den Michelozzi sofort davon informieren. Ser Piero (Dovizi da Bibbiena, Piero de’ Medicis Kanzler und Sekretär) habe ihn im übrigen offenbar bis Poggio (a Caiano) begleitet und sei nun zurückgekommen. Unmißverständlich geht aus Filippo da Gaglianos Brief hervor, daß Piero mit klarem Kalkül dem Vorbild seines Vaters folgte, wie dies freilich auch schon Guicciardini meinte.115 Um den gordischen Knoten seines auf das Pazzi-Attentat folgenden Krieges mit Papst Sixtus IV. und König Ferrante von Neapel durchzuschlagen, hatte Lorenzo sich nach heimlicher diplomatischer Vorbereitung im Dezember 1479 mit großem Risiko für sein Leben und die Florentiner Medici-Macht allein über Pisa nach Neapel an den Hof des Feindes begeben. Mit diesem kühnen Schritt wollte er die Freunde ermutigen, die Feinde lähmen und der Republik Frieden bringen. Lorenzo hatte nur einen kleinen Kreis von 40 Vertrauten in seinen Entschluß eingeweiht, hatte sie um größte Geheimhaltung gebeten – und die amtierende Signoria nicht informiert. Doch schon von San Miniato aus – unweit Empoli gelegen! – schrieb er am 7. Dezember 1479 einen offiziellen Brief an die Signoria, in welchem er seinen Schritt rechtfertigte und um dessen Genehmigung bat, da er, wenn er sich als eigentliches Ziel der Florentiner Feinde diesen persönlich ausliefere, seinen Mitbürgern hoffentlich den Frieden wiederbringen könne – was Lorenzo sowohl innen- wie außenpolitisch auf der ganzen Linie gelang.116 Wie Filippo da Gagliano bereits wußte – und mit ihm sicherlich weitere ca. 40 eingeweihte Mediceer –, schrieb Piero de’ Medici tatsächlich noch am Abend des 26. Oktober aus Empoli einen Brief an die Signoria! Er ähnelt im Inhalt stark dem Brief seines Vaters: Mit fast devoten Worten bat er seine plötzliche Abreise zu entschuldigen, die ihm nicht als Schuld zur Last gelegt werden sollte, da sein Schritt ihm als heilbringendstes Mittel zum Schutz seines Vaterlandes erschienen sei.117 Mit seinem kühnen, opferbereiten Aufbruch an den Hof des französischen „Feindes“ stellte Piero sich also in die Nachfolge seines erfolgreichen Vaters, der in Florenz wie außerhalb viel Bewunderung für seinen mutigen Geniestreich geerntet hatte – doch in Venedig, Mailand und Rom auch Verärgerung. Wie Filippo da Gagliano uns zeigt, erwarteten die Mediceer von Pieros Schritt, daß mit ihm zumindest die innenpolitischen 114 S.u. S. 135. 115 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 95. Die in der jüngeren Forschung z. B. von De Frede vorge-

brachten Zweifel an Guicciardinis Urteil sind demnach nicht berechtigt; vgl. De Frede, L’impresa, S. 214. 116 Vgl. Lorenzo de’ Medici. Lettere IV, Nr. 440, S. 440–444; jüngst allg.: De Angelis, Lorenzo a Napoli (doch ohne Thematisierung des Aufbruchs); zu San Miniato s. auch Valori, Vita, S. 63. 117 Vgl. den Auszug bei Guidi, Ciò che accadde, S. 15.

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Gegner ausgeschaltet würden; sie erhofften aber vor allem durch das von Lorenzo Spinelli vorbereitete Unternehmen ebenso einen außenpolitischen Erfolg. Um dem Beispiel seines Vaters noch genauer zu folgen, war Piero offenbar zunächst nahezu allein aus Florenz losgeritten. Aber auf vertraute Begleiter konnte er dann im Gegensatz zu Lorenzo doch nicht verzichten – nicht allein wegen der Komplexität der Aufgabe, sondern sicherlich auch deshalb, weil ihm Erfahrung, Persönlichkeit und Charisma seines Vaters fehlten. Möglicherweise hatten die Freunde, die ihm folgen sollten, erst noch einige praktische Aufgaben für ihn zu erledigen. Daß Piero Lorenzo Tornabuoni – wohl nicht zufällig einen der Hauptverantwortlichen der Medici-Bank – und Giannozzo Pucci als Wegbegleiter zu sich rief, wird auch von Parenti bestätigt; Guicciardini nannte neben dem Pucci (der nach Aussage seines Bruders Lorenzo Pucci ‚seine Seele und seinen Körper‘ Piero de’ Medici gegeben hatte) namentlich nur noch Jacopo Gianfigliazzi und dazu weitere ungenannte seiner engsten Freunde.118 Unbekannt war die erstaunliche Tatsache, daß der junge (1478 geborene) Giulio de’ Medici ebenfalls von Piero für diese wichtige Mission herangezogen wurde. Der Kardinal Giovanni de’ Medici war von Papst Alexander VI. aus Florenz an die Kurie gerufen worden, wohin er, einige Tage in seiner Abtei Passignano verweilend, auch den jüngsten Bruder, Giuliano, mitgenommen hatte. Piero ließ beide wieder umkehren.119 Piero und seine Begleiter hingegen ritten über Empoli und Pisa zunächst die Küstenstraße bis Pietrasanta hinauf. Dort trafen sie dann auf einen von Karl VIII. geschickten Herold, der ihnen, wie gewünscht und erhofft, sicheres Geleit seitens des Königs zusicherte und sie zu diesem brachte. Am 29. und 30. Oktober hatte Piero in seinen Briefen an Piero da Bibbiena noch von seiner Sorge berichtet, er könnte kein sicheres Geleit erhalten. Mit einem zweiten Brief vom 30. konnte er Dovizi dann aber mit knappen, fast euphorischen Worten über die Nachricht des Königs informieren, dieser wolle ihn empfangen. Dovizi solle sich mit ihm über diese Ehre freuen und er solle darüber sofort die Signoria, die Otto di Pratica, Alfonsina (Orsini) und seine beiden Brüder in Kenntnis setzen.120 118 Zum Aufbruch Pieros und zu seinen Begleitern vgl. auch Parenti, Storia fiorentina I, S. 111;

Guicciardini, Storie fiorentine, S. 95. Beide erwecken den Eindruck, Piero sei sofort zusammen mit seinen Freunden losgeritten. Diese Freunde finden bei Guidi (Ciò che accadde, S. 15) keine Beachtung; problematisch ist wie gesehen seine Behauptung, Piero habe seine Freunde nicht angemessen von seinem Plan informiert, denn eingeweiht waren sie mehr oder weniger schon und ganz ohne Beratung wird Piero seinen Entschluß auch nicht gefällt haben. Zu der fast symbiotisch zu nennenden Bindung der Brüder Lorenzo, Puccio und Giannozzo di Antonio Pucci an Piero de’ Medici vgl. Picotti, Per le relazioni, S. 46–49, 98 (... noy avavammo, chome diceva il papa, uno Idio in cielo e uno signore in terra, che era il magnifico Piero, il quale poteva così disporre di quella città di Firenze come potessy nostro Signore della mitra e più, al quale Giannozo aveva data l’anima e il corpo ...; Lorenzo an Giannozzo Pucci, 24.12.1494); generell zur intimen Bindung der Familie Pucci an die Medici – schon Antonios Vater Puccio und dessen Bruder Giovanni wurden als enge Gefolgsmänner von Cosimo de’ Medici ebenfalls 1433 exiliert; Medici-Anhänger wurden auch Puccini genannt – vgl. jetzt auch Rubin, Images, bes. S. 238–271, hier 244. 119 Parenti, Storia fiorentina I, S. 110f. 120 Guidi, Ciò che accadde, S. 16. Zu Piero Dovizi vgl. R. Zaccaria, Art. „Dovizi, Piero“, in: DBI 41 (1992), S. 604–608. Bernardo und Antonio Dovizi waren seine Brüder.

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Doch auch viele Florentiner hatten angesichts der Wut des Königs auf den Medici nichts Gutes für diesen erwartet – oder erhofft.121 Karl VIII., vom mailändisch beherrschten Pontremoli über den Apennin kommend, empfing den Medici und dessen Freunde am 30. Oktober in Santo Stefano (di Magra), gleichsam vor den Toren der Florentiner Festung und Exklave Sarzana.122 Mit Sicherheit hatte Pieros Unterhändler Lorenzo Spinelli in seinen zwischen dem 7. und 18./23. Oktober erfolgten Gesprächen mit Ludwig von Orléans, Philippe de Bresse, Bianca von Monferrat und dem König das vereinbart, was Piero nun schon am nächsten Tag, dem 31. Oktober, zu leisten bereit war: Karl VIII. nicht nur die Schlüssel der Florentiner Festungen Sarzana, Sarzanello und Pietrasanta zu übergeben, ihm Pisa und Livorno bis zum Ende des Krieges zu verpfänden, sondern dem König darüber hinaus noch die gewaltige Summe von 200.000 Fiorini zu versprechen!123 Mit diesem noch von keinem Florentiner Staatsorgan gebilligten Schritt wollte Piero zweifellos im letzten Augenblick eine drohende Gefahr für Florenz abwehren. Ob er dabei wirklich ganz ohne die Beteiligung bzw. Zustimmung offizieller Vertreter der Republik handeln wollte, ist allerdings noch durch eine genauere Analyse zu untersuchen, bei der wir sehr präzise die Chronologie und den historischen Kontext zu beachten haben. Die französischen Truppen hatten sich dem nordwestlichen Florentiner Territorium Ende Oktober in schnellen Schritten genähert; am 27. Oktober hatte Florenz die Nachricht erreicht, sie hätten (wohl am 26. Oktober) das dortige Florentiner Kastell Fivizzano bereits erobert und geplündert – woran allerdings mehr die Florentiner Nachbarn in Fosdinovo (bei Sarzana) als die Franzosen beteiligt waren.124 Die noch nördlicher gelegene Florentiner Exklave Bagnone ereilte das gleiche Schicksal.125 In Florenz herrschte große Angst und Sorge um die eigene Verteidigungsfähigkeit und um die Absichten der Franzosen.126

121 Parenti, Storia fiorentina I, S. 111–113. 122 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 288. Parenti (Storia fiorentina I, S. 113) nahm

an, Piero habe den König in Pontremoli getroffen. Die Angabe in der von De Frede zitierten venezianischen Quelle, Piero sei erst am 8.11. vom König empfangen worden, ist falsch; vgl. De Frede, L’impresa, S. 213. 123 Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 104f. (s. auch die kommentierende Erläuterung ebendort); Parenti, Storia fiorentina I, S. 111–115; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 95. Die von Landucci beschriebene Schlüsselübergabe wird hier nicht wie sonst rein symbolisch zu verstehen sein, nämlich so, wie es Ludovico Sforza tat, als er Karl VIII. bei dessen Einritt in Vigevano am 12.(?) Oktober 1494 die Schlüssel der Stadt übergab, woraufhin der König durch seine Bogenschützen die Stadttore bewachen ließ; vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 284 (das Datum des Empfangs in Vigevano wird nicht genau angegeben). Analog wurden Karl VIII. auch bei seinem Einritt im savoyischen Chieri am 6.9.1494 durch den Vikar der Stadt die Schlüssel der Stadt übergeben; vgl. Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 254. Piero hatte sich zu einer zeitlich befristeten, aber vollständigen Übergabe entschlossen. Einen guten Überblick über die Erwerbsgeschichte von Sarzana, Sarzanello, Pietrasanta und weiterer Orte bzw. Festungen in dieser Region für das Florenz der Medici bietet Viti in seinem Kommentar zu Redditi, Exhortatio, bes. S. 54–56, 61–65 und s.v. (Lit.). 124 Parenti, Storia fiorentina I, S. 112. 125 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 288. 126 Vgl. etwa Guidi, Ciò che accadde, S. 23f.

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Doch die eigentliche Motivation für Pieros Akt vom 31. Oktober lag in der akuten Bedrohung durch die mit den Franzosen heranmarschierenden Mailänder, vor allem in den unverhohlenen Ambitionen Ludovico il Moros auf eben jene von Piero hastig den Franzosen überlassenen Florentiner Festungen. Piero hatte somit nicht, wie üblicherweise behauptet, völlig kopflos und fahrlässig gehandelt, sondern sehr rational, und ganz gewiß nicht einseitig, sondern aufgrund einer voraufgegangenen Verständigung mit zentralen Kräften am französischen Hof. Denn diese Florentiner Orte (Pisa, Livorno, Sarzana und Pietrasanta) wurden bereits Anfang Oktober explizit von Ludovico il Moro im Kontext seiner drohenden Einschätzung genannt, der König von Frankreich werde wegen seiner Wut auf Piero den Krieg auch gegen Florenz führen.127 Zumindest auf Sarzana und Pietrasanta, vielleicht auch auf Pisa, hatte der Sforza selbst ein Auge geworfen; diese Orte sah er bereits unter seiner Obhut stehend, da Karl VIII. sie ihm versprochen habe! Ebenfalls von Pontremoli kommend hatte Ludovico eigens einen Boten zu Karl VIII. gesandt, er möge seine Gespräche mit dem Medici nicht vor seiner, des Sforza Ankunft führen. Als Piero und der König am 31. Oktober ihre Einigung erzielten, befand sich der Mailänder in Villafranca, gerade einmal eine halbe Tagesreise von ihnen entfernt. Man hatte ihn in aller Eile ausgebootet! Der Medici war ihm zuvorgekommen – so wie es die französischen bzw. savoyischen Gegner des Sforza um Herzog Ludwig von Orléans gefordert hatten –; und nicht zufällig wird gerade Philippe de Bresse als Schlüsselfigur im Zusammenhang mit diesem Coup genannt.128 Diese für das damals Geschehene wie für das Kommende so wichtige personale Konstellation wird uns in einem chiffrierten Brief bestätigt, den Kardinal Ascanio Maria Sforza an seinen Bruder Ludovico am 16. November 1494 schrieb und in welchem er die ihm von Ludovico (insbesondere in einem Brief vom 10.11.) mitgeteilten Informationen beurteilte.129 Der Moro hatte sich mit Karl VIII. in Sarzana getroffen, wo der Franzose ihm über die Angelegenheit mit Piero de’ Medici berichtete und ihm ankündigte, er wolle nach Florenz ziehen, um der Stadt ihre alten Freiheiten zu geben und um zugleich die bisher usurpierte Autorität Pieros zu mindern, so daß dieser nicht mehr Florenz gegen die Interessen des französischen Königs regieren könne. Ascanio wollte solche Absichten, denen die Sforza offenbar keine größere Ernsthaftigkeit beimaßen, aber gar nicht kommentieren, sondern nur die für ihn und seinen Bruder wesentliche, die für sie skandalöse Tatsache – was er denn auch chiffrierte. Der französische König sei nämlich ohne Beratung mit Ludovico in Sarzana eingezogen, habe also nicht dessen Zustimmung eingeholt, und dies wegen der Gönner, die Piero de’ Medici am französischen Hof habe. Erstaunlicherweise, vielleicht eine Folge kluger Diplomatie der wirklichen Freunde Pieros, sah Ascanio den maßgeblichen Helfer Pieros indes nicht in Philippe de Bresse, sondern in Guillaume Briçonnet, der – wie Ascanio vernahm – nicht nur in dieser Sache, sondern genauso in jeder anderen ‚einen schlechten Weg gehe‘, sprich: der zum Nachteil Mailands handele, 127 ASF, MAP LXXIV, doc. 106 (3.10.1494, Ridolfi aus Alessandria an Piero). 128 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 288f.; De Frede, L’impresa, S. 224–226. 129 ASM, SPE, Roma 111 (10. und 16.11.1494).

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und dessen Ehrerbietungen gegenüber Ludovico nichts als arte, also Kunst, Schein, seien. Weil Briçonnet gegen Mailand agierte, wie man es dort wiederholt mit äußerst abfälliger Wertung aussprach, und weil Pieros Gabe an den König Mailand mit leeren Taschen, düpiert dastehen ließ, kamen die Sforza zu dem logischen Schluß, Briçonnet habe mit dem Medici zum Schaden Mailands paktiert. (Doch ein Gönner Pieros war Briçonnet natürlich nicht.) Ascanio plädierte gegenüber seinem Bruder dafür, Sarzana sofort den Genuesen zurückzugeben, da es ihnen gehöre, und damit die Franzosen einen Unterschied machten zwischen Freunden und Feinden, und damit die Mailänder ihren Anteil am Sieg erhielten. Die vom mailändischen Nachbarn in der Regel dominierte Republik Genua hatte der Moro bei seinen Gesprächen mit Karl VIII. durch französische Investitur bekommen – daher auch Ascanios Intervention für die Interessen Genuas. Weitere Zugeständnisse wollte der König ihm nicht machen. Statt dessen sah sich Ludovico Sforza brüskiert, sah die mailändisch-herzogliche Ehre verletzt, sah sich um den seiner Meinung nach angemessenen Lohn seiner Allianz mit Frankreich und seiner jahrelangen Förderung des französischen Neapelplanes betrogen. Die Folge war, daß der zu cholerischer Wut provozierte Moro den französischen Hof schon am 5. November verließ und am 13. November den Rückzug aller seiner Truppen vom französischen Heer anordnete.130 Innerhalb weniger Tage gab er die über Jahre aufgebaute Allianz auf. Es wird am französischen Hof neben Ludwig von Orléans, Philippe de Bresse und Guillaume Briçonnet einige weitere gegeben haben, die diese Reaktion nicht bedauerten, die sie vielleicht sogar erhofften, denn kaum jemand unterstellte dem Moro lautere Absichten. Die eigentlichen Gewinner dieses seit Wochen geheim vorbereiteten Schachzuges waren die Medici und ihre Freunde. Piero de’ Medicis Handeln folgte den von Philippe de Bresse, Ludwig von Orléans und Lorenzo Spinelli – der wahrscheinlich mehr war als nur ausführendes Organ – ausgearbeiteten und umgesetzten Plänen zur Rettung des Hauses Medici. Diese konnte nur durch einen grundlegenden Allianzwechsel Pieros erfolgen. Da der Mailänder Herzog bereits seine Hand nach Florentiner Besitzungen ausgestreckt hatte, mußten die den Bündniswechsel ermöglichenden Inhalte – also Pieros Angebote an Karl VIII. – zugleich so gestaltet werden, daß die mailändische Hand ins Leere griff. Deswegen ging Piero mit seinen Offerten weit über das Vorbild seines Vaters hinaus. Der große, schmerzhafte Schlag gegen den Moro, den der Herzog von Orléans Ende September oder Anfang Oktober bereits eingefordert hatte, er bestand ganz offensichtlich in der temporären Übergabe der Florentiner Festungen in französische Hand, um sie dem Mailänder zu entziehen und um damit zugleich das Florentiner Territorium vor Zerstörungen der französisch-mailändischen Truppen zu schützen. Zugleich deckte sich die bedeutende finanzielle Zuwendung, die Piero Karl VIII. zusicherte, ebenfalls mit dem Ratschlag Ludwigs von Orléans, des Philippe de Bresse und anderer Freunde des Hauses Medici, zumal der 130 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 288f. Gleichwohl sollte Galeazzo Sanseverino mit

seiner Kompanie den König bis kurz vor Rom begleiten, während Gianfrancesco Sanseverino und seine Leute die Franzosen sogar bei den Kämpfen in Süditalien unterstützen durften, um den Verwandten helfen und seine Grafschaft Caiazzo wieder in Besitz nehmen zu können.

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Mailänder auch in diesem Punkt den französischen Erwartungen und seinen eigenen Versprechungen nicht entsprochen hatte. Kopflos, ohne Verstand handelte Piero de’ Medici im Oktober 1494 also nicht; politisch unklug war natürlich die noch fehlende Absicherung bei den Florentiner Regierungsorganen. Doch was bei seinem Vater so glänzend gelang, warum sollte es nicht auch ihm gelingen? Zumal Piero sich wie Lorenzo, gut beraten, ja sofort in Empoli mit der Signoria ins Einvernehmen setzte, die wie üblich von den Medici in kontrollierter Wahl gebildet worden war.131 Dazu der Faktor eines raschen, entschlossenen Handelns angesichts der kurz vor ihrer Erfüllung stehenden Mailänder Ränke zu Lasten des Florentiner Dominiums: War Piero nicht im Begriff, zum Helden der Republik zu werden, der in scheinbar aussichtsloser Situation das Wohl des Staates wahrte? Es spricht in der Tat vieles dafür, daß der Zeitpunkt für Pieros Entschluß weniger von dem Ziel der Aussöhnung mit Karl VIII. motiviert war (die durchaus noch einige Tage später hätte erfolgen können) als vielmehr von der drohenden Gefahr, strategisch bedeutenden Besitz im Nordwesten des Florentiner Territoriums an Mailand zu verlieren. Eine solche Schlappe hätte sein Ansehen und seine Macht mit Sicherheit nachhaltig gemindert. Die Absicherung seiner Entscheidung durch die Signoria war von Anfang an vorgesehen; dies war – wie der Brief Filippo da Gaglianos zeigt – auch im engeren Mediceer-Kreis vorher bekannt. Piero de’ Medici hatte in jenen heiklen Stunden durchaus die Verzahnung seines Handelns mit staatlichen Gremien vorgenommen. Nachdem er noch im Verlauf des 30. Oktobers von seinem diplomatischen Erfolg eines sicheren Empfangs durch Karl VIII. nach Florenz berichten konnte und diesen persönlichen Triumph außer seinen Vertrauten auch den wichtigsten Staatsorganen mitteilen ließ, ist schon am 2. November von der Signoria eine offizielle, mit sieben Köpfen ansehnliche Gesandtschaft der Stadt verabschiedet worden, für die zudem als achtes Mitglied ausdrücklich Piero de’ Medici bestimmt wurde! Diese Florentiner Vertretung besaß den Auftrag, die Intentionen des Königs in Erfahrung zu bringen und durch Verhandlungen dafür zu sorgen, daß die Bewegungen des Invasionsheeres keinen Schaden für die Republik bringen würden. Zu dieser Gesandtschaft gehörte nicht nur der angesehene Jurist Domenico Bonsi, sondern auch ein ausgewiesener Mediceer wie Piero Alamanni, auf dessen Seite vermutlich auch Guglielmo Salviati und Manno Niccolini standen, während Francesco Valori und Piero Soderini aus den Reihen der Gegner kamen. Was sie tatsächlich bewirkten und verhandelten, ist unbekannt. Vermutlich wollte Piero de’ Medici vor allem, daß sie als offizielle Vertreter der Republik von ihm den Grund für seinen Entschluß der Festungsübergaben erfuhren und diesen nachträglich billigten. Die weitere Analyse der Florentiner Reaktionen läßt es allerdings als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß Piero de’ Medici und Karl VIII. ihre Einigung vom 31. Oktober nur schrittweise in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit bekannt gaben. Der düpierte Ludovico il Moro reiste ja auch erst am 5. November wutentbrannt ab, so daß er mit allen Tatsachen kurz vorher konfrontiert gewesen sein wird. So ist gleichfalls zu erkennen, daß am 131 Vgl. hierzu Guidi, Ciò che accadde, S. 20f.

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2. November, als die Florentiner Gesandtschaft verabschiedet wurde, noch keine Nachrichten über Pieros großzügige Offerten in Florenz eingetroffen sein konnten. Diese Munition stand den Medici-Gegnern in allen Einzelheiten offenbar erst später zur Verfügung. Denn die Brandreden von Pieros Feinden, die kurz nach Entsendung der ersten Gesandtschaft zur Bildung einer zweiten führten, richteten sich vor allem und grundsätzlich gegen Pieros Charakter, seine Regierungsweise, seine Fehler und politischen Irrtümer, die nach Möglichkeit revidiert werden sollten; nur nachrangig wurde unbestimmt das Angebot von Geld, Land und Städten kritisiert.132 Pieros Feinde zögerten nun aber nicht mehr, die Schlinge um seinen Hals festzuknüpfen. Sie war ihm seit langem umgelegt worden – nicht erst seit Pieros überraschendem Gang zu König Karl VIII., und erst recht nicht wegen der materiellen Inhalte seines Entgegenkommens. Die Aussöhnung Pieros mit Karl von Frankreich mußte den Medici-Feinden vielmehr als Gefährdung ihrer Bestrebungen erscheinen, Piero zu stürzen, denn nun konnten sie nicht mehr auf das Wohlwollen des Königs setzen, sondern mußten mit seinem Widerstand rechnen, den neuen Verbündeten zu verlieren. Schnelles Handeln war somit geboten. Es wird den Erfolg, den die gemeinsamen Anstrengungen der französisch-savoyischen Medici-Freunde und der MediciBankiers Ende Oktober 1494 für Piero de’ Medici brachten, zu einem Pyrrhussieg machen.

3. Die Katastrophe: Flucht und Exilierung der Medici a) Zeichen der neuen Machtverhältnisse Piero de’ Medici fand sich durch seine viel zu lange hinausgezögerte Entscheidung, mit der er sich in letzter Sekunde vom französischen Amboß lösen konnte, somit noch dichter am Hammer seiner Florentiner Feinde, wenn sie erst von ihr erführen. Deshalb wird Piero sie so lange wie möglich wenn nicht geheim, so doch zumindest in einem schwebenden Bestätigungszustand gehalten haben, um ihr mit Hilfe der ihn einschließenden achtköpfigen Gesandtschaft eine legalere Form zu geben. Aber ging es überhaupt noch um das Für und Wider solcher Akte? Ging es in Wirklichkeit nicht einzig und allein um die Person Piero de’ Medicis? Denn erst er hatte durch sein Auftreten, seinen Führungsstil und seine Politik Personen zu Medici-Feinden werden lassen, die sich noch kurz vorher unter Lorenzo nicht als solche gerieren wollten. Gegen Piero hatten sie seit längerem gewirkt und intrigiert; wir sahen die Ausweisung seiner Lyoner Bank als eine erste, sehr ernst zu nehmende Konsequenz. Ebenso wußte beispielsweise Pieros inniger Freund, der noch ausführlichst vorzustellende Kardinal Federico Sanseverino, bereits Anfang Oktober 1494, 132 Vgl. vor allem die von Cerretani mit dem vollen Wortlaut wiedergegebene Rede Piero Capponis

vom 4.11.1494; Cerretani, Storia fiorentina, S. 198f.; vgl. ferner Gaddi, Sulla cacciata, S. 43f.; Parenti, Storia fiorentina I, S. 118f. (nur zur zweiten Gesandtschaft und ihrer Intention); De Frede, L’impresa, S. 223; Guidi, Ciò che accadde, S. 24 (ohne die Namen der sieben Gesandten vom 2.l1.). Der siebte Gesandte hieß Braccio Martelli.

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daß es in Florenz eine Spaltung (pro und contra Medici) gebe und eine schlechte Situation für Piero de’ Medici.133 Filippo da Gagliano konnte nur deshalb von den Furien der Mediceer sprechen, weil sie sich nicht innerhalb eines Tages zu solchen entwickelt hatten und entsprechend agierten. Aus den in jüngster Zeit vor allem durch Guidi neu erschlossenen Quellen zum hitzigen Verlauf jener so folgenreichen ersten Novembertage des Jahres 1494 geht denn auch eines sehr klar hervor: An Pieros Sturz arbeiteten seine Gegner aus vielfältigen und sehr grundsätzlichen Erwägungen und Überzeugungen – auch und noch ohne Kenntnis der Übertragung der Florentiner Festungen. Äußerst instruktiv ist in dieser Hinsicht jene pratica vom 4. November 1494 – eine jener größeren Ratsversammlungen, die man in Florenz mit konsultativer Funktion zu speziellen problematischen Anlässen einberief, welche eine umfassende Beratung erforderten, auf deren Grundlage dann Entscheidungen in den zuständigen Institutionen der Republik gefällt wurden.134 Schon die Entstehung dieser pratica vom 4. November offenbart den revolutionären Funken, der damals Florenz erfaßt hatte. Denn sie hätte laut Gesetz nur von einer Zweidrittel-Mehrheit der Signoria einberufen werden können; tatsächlich aber kam sie durch die Initiative von nur vier der acht Prioren zustande, denen sich noch der Gonfaloniere di Giustizia anschloß. Die Signoria spiegelte jetzt das Volk wider, gespalten in eine Partei des Volkes und in eine Pieros, zu dem die Prioren Antonio Lorini, Francesco Taddei, Francesco Niccolini und Giuliano de Lenzone hielten, während Luca di Bertoldo Corsini – der eigentlich durch einen von den Medici kontrollierten Wahlbeutel ins Amt gelangt war –, Giovanni Uguccioni, Filippo Sacchetti, Chimente Scerpelloni und der Gonfaloniere Francesco di Martino della Scarfa zum Volk hielten, d.h. gegen Piero agierten. Der gelehrte Luca Corsini, Dr. jur., hatte schon vorher durch nächtliches Läuten der großen Sturmglocke das Volk in Aufruhr bringen wollen. Er war es auch, der in der pratica vom 4. November, in der sich erstmals der Zug zur Rebellion offen manifestierte, gegen die Tradition als erster das Wort ergriff und mit großem Mut den Verfall des Staates beklagte. Beherzt folgte ihm der noch sehr junge Jacopo di Tanai de’ Nerli, der im Namen der 16 Gonfalonieri di Compagnia vor dem drohenden Ruin der Stadt warnte und wie viele andere nicht mehr von einem Kindskopf regiert werden wollte. Erschrocken über die staatsfeindlichen Worte seines Sohnes entschuldigte sich daraufhin sein Vater Tanai de’ Nerli mit fast weinerlichen Worten für seinen Sohn, der noch zu jung und unweise sei. Doch auch die folgenden Beiträge brandmarkten die Verhaltensweisen Piero de’ Medicis, die nicht mehr denen seiner Vorfahren entsprächen und die zum Ruin der Stadt führen müßten, wenn sie nicht geheilt, abgestellt würden. Dann führte am Schluß der wegen seiner Klugheit allseits anerkannte Piero di Gino Capponi, der bei dieser Veranstaltung

133 ASM, SPE, Roma 111 (12.10.1494). 134 Mit ausführlicher Darstellung: Guidi, Ciò che accadde, S. 24–27; vgl. auch Gaddi, Sulla caccia-

ta, S. 43f.; Cerretani, Storia fiorentina, S. 197–199; Parenti, Storia fiorentina I, S. 115–119 (wo allerdings die Chronologie der Ereignisse und eintreffenden Informationen nicht zutreffend sein kann).

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sicherlich kräftig die Fäden gezogen hatte, das entscheidende Wort. Capponi warf Piero den grundlegenden Fehler vor, mit Blick auf einen französischen König, der ohne Verbündete sicherlich nicht in Italien einmarschiert wäre, die Allianz zwischen Frankreich und Mailand nicht verhindert zu haben. Dies wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, wenn er ein Bündnis zwischen Neapel und Mailand geschmiedet hätte. Überdies habe er sich trotz seines jungen Alters und seiner Unerfahrenheit in Staatsdingen nicht mit seinen Mitbürgern beraten, habe ihren Rat mißachtet – der das wahre Wohl ganz Italiens sei –, selbst den seiner Anhänger bei seinem heimlichen Aufbruch zum König. Der letzte und größte aller seine Fehler sei jedoch, daß er sich ‚wie ein gebrochenes Eisen‘ in die Hände des französischen Königs geworfen und diesem damit das ‚beste Mitglied‘ des Florentiner Staates gegeben habe – womit Piero Capponi das Vorbild Lorenzos gewissermaßen karikierte; dies sei ein überaus gefährlicher Vorgang, mit dem auch die Interessen der Florentiner und ihrer Verbündeten übergangen worden seien. Piero glaube, mit dem Geld und den mit viel Blut und Kosten erworbenen Territorien und Städten der Florentiner seine Fehler heilen und die Verzeihung des Königs erlangen zu können, womit er seine Stellung über den anderen Bürgern behalten könnte. Geschickt verwies Capponi nun auf die Fülle an Geistes- und Geldadel in Florenz, der nur an die wahre Macht und Freiheit des Vaterlandes denke, um sodann die grundlegende Verurteilung Pieros gleichsam zu sanktionieren, indem er eine zweite Gesandtschaft an König Karl VIII. forderte, die den MediciPrinzipal ignorieren sollte – auch wenn man ihm begegnete –, die den Dominikanerprediger Girolamo Savonarola einzuschließen hätte und die neben der Ehrung des Königs gleichzeitig die Verteidigung des Florentiner Gebietes, des contado, zu organisieren hätte.135 In den zahlreichen Klagen über Piero de’ Medici und seine Führung der Florentiner Republik ist demnach an jenem 4. November sein eigenmächtiger Entschluß über die zeitweilige Abtretung der zentralen Florentiner Festungen im Westen des Dominiums nur verhalten, ohne Spezifikation und als nachgeordneter Fehler angeprangert worden! Dieser Akt scheint in seinem ganzen Ausmaß an diesem Tag in Florenz offenkundig noch nicht bekannt gewesen zu sein. Denn wenn man davon erfahren hätte, hätte man ihn wohl dezidierter zu Lasten Pieros angeführt, hätte man ihn in pejorativer Perspektivenverengung und aufgrund der fehlenden Absicherung durch die Signoria als beste Bestätigung seiner politischen Unfähigkeit instrumentalisiert. Dieser Schluß bedeutet aber auch, daß die Ursache für Pieros Initiative – der Schutz wichtiger Florentiner Besitzungen vor dem sicheren Mailänder Zugriff – ebenfalls nicht zu seinen Gunsten in Florenz kommuniziert worden sein konnte; oder aber seine Gegner wußten davon und werteten bewußt die eigentliche Bedeutung und Intention dieser Maßnahme ab, damit sie um so wirkungsvoller Pieros generelle politische Unfähigkeit anprangern und dadurch seine Herrschaft unterminieren konnten. Für diese letzte Annahme sprechen die Argumente Piero Capponis, der in grundsätzlicher Hinsicht den symbolbeladenen Gang des jungen Magnifico zum zornigen Franzosenkönig auf keinen Fall als positive Wiederholung des väterlichen Vorbildes er135 Cerretani, Storia fiorentina, S. 198f.

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scheinen lassen wollte, der dem Akt also eine grundlegend pejorative Wertung geben wollte. Für ihn war Pieros Tat kein Opfer zugunsten der Republik (wie 1479/80), sondern eine Opferung republikanischer Errungenschaften. Piero Capponi hatte mit seiner Initiative Erfolg. Die von ihm geforderte zweite Gesandtschaft an den König wurde in wiederum irregulärer Form nicht von den Otto di Pratica, sondern von der pratica selbst, der Bürgerversammlung, genehmigt; die neuen Botschafter ersetzten somit faktisch die alten und brachen schon am folgenden Tag, dem 5. November, auf. Die Gesandtschaft bestand wie gewünscht aus dem Dominikanerprediger Girolamo Savonarola – der allerdings, von drei Brüdern begleitet, zu Fuß ging –, Tanai de’ Nerli, Pandolfo Rucellai, Giovanni Cavalcanti und Piero Capponi. Sie sollte nun die gute Disposition der Kommune gegenüber dem König ausdrücken, was man vor allem wegen des vorrückenden französischen Heeres für notwendig hielt. Nahezu revolutionär an ihrer Entstehung war ihre republikanische, breite demokratische Basis, die in antagonistischer Form zur faktischen Dominanz der Medici und Mediceer zu wirken gedachte. Die einen, die sich als Vertreter des Volkes betrachteten (popolani), hatten dabei das Ziel, den polarisierenden faktischen Alleinherrscher Piero de’ Medici auszuschalten, um den drohenden Ruin des Staates zu vermeiden; aber auch viele aus jenen den Medici grundsätzlich treuen, verbundenen Familien (die natürlich nicht nur aus der Oligarchie stammten) waren überzeugt, man müsse Piero zum Wohl des Staates Zügel anlegen. Selbst die engen Medici-Vertrauten Niccolò Ridolfi und Bernardo del Nero kritisierten an jenem 5. November gegenüber dem Botschafter des Herzogs von Ferrara die Regierungsweise Pieros, vor allem seine politische Allianz mit dem König von Neapel!136 Am Samstag, dem 8. November, erreichten die neuen Gesandten den König in Pisa, wo er im Medici-Palast am Lungarno wohnte. Doch war Karl VIII. lediglich bereit, mit dem über Florenz hinaus bekannten, angesehenen Bußprediger Savonarola zu sprechen, der ihn als siegreichen Helden pries. Die anderen Florentiner Gesandten wollte er erst bei seinem Aufenthalt in Florenz anhören – ein demonstratives Zeichen, daß die MediciFeinde um Piero Capponi auf den König nicht mehr setzen konnten. Seinen Einritt in Florenz ließ Karl bereits seit dem 4. November durch seine Furiere (die für Verpflegung und Unterkunft zuständigen Unteroffiziere) und dann auch durch den Bischof Guillaume Briçonnet vorbereiten.137 Savonarola pries die seit Karl dem Großen bestehende tiefe Freundschaft zwischen Frankreich und Florenz, das einst auf Wunsch Ludwigs XI. das Bündnis mit Neapel geschlossen habe und das wie alle italienischen Mächte – insbesondere Mailand! – den Zug Karls VIII. weder gewünscht noch erwartet habe, das ihn nun aber begrüße und sich dem König anschließe. Wenn Piero de’ Medici ihm die Festungen gegeben habe, um sich als guter Franzose zu erweisen, so habe er nur getan, was das Florenti-

136 Guidi, Ciò che accadde, S. 28. 137 Parenti, Storia fiorentina I, S. 116; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 96; Landucci, Florentini-

sches Tagebuch I, S. 106f. (irrig Piero Soderini statt Capponi); Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 290f.

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ner Volk etwas später dem König als seines ebenfalls überreicht hätte!138 Trotz Kritik am antifranzösischen Kurs Pieros hatte Savonarola also dessen Verhalten, das nach Ansicht vieler seinen endgültigen Sturz verursacht habe, nicht nur relativiert, sondern sogar gewürdigt, indem er es als dem Verlangen des gesamten Florentiner Volkes entsprechend darstellte. Hätte Savonarola die Medici, ihre Macht und ihren Luxus, blind gehaßt, wie so oft behauptet wird, hätte er Piero de’ Medici in diesem entscheidenden Punkt nicht verteidigt. Er vertrat hier, ganz anders als der von Karl VIII. isolierte Piero Capponi, die Sache der Mediceer. Erst nach Aufbruch der zweiten Gesandtschaft am 5. November wurde die Nachricht von der Übergabe der Festungen durch Piero und von seiner Zahlungsbereitschaft zu einem Skandal in Florenz, zu einem begierig aufgenommenen argumentativen Geschütz im Kampf um die Macht. Piero Capponis Interpretationsmodell hatte sich also durchgesetzt. Die Neuigkeit sorgte sofort für erheblichen Aufruhr. Mit großem Zorn auf Piero fragte man sich, welche Autorität Piero für solch eine Entscheidung besitze. Dieser sandte daraufhin umgehend Lorenzo Tornabuoni nach Florenz zurück, der vergeblich die nachträgliche Einwilligung zu erlangen suchte, indem er argumentierte, Piero habe als sindaco, also hier als ein vom Volk ernannter Vorsteher der Kommune, mit der Autorität des Volkes gehandelt. Virginio Orsini schickte seinerseits Ser Santi da Curcumello, seinen Sekretär bzw. Kanzler und langjährigen Vertreter in Florenz, an den Arno, um zugunsten Pieros zu wirken, ebenfalls ohne Erfolg. Die Gegner des Medici und große Teile der Bürger werteten Pieros Handlung als Akt der Tyrannei – damit konnte man nun die Schlinge zusammenziehen, die man ihm – oder Piero sich selbst, je nach Sichtweise – seit längerem und immer enger um den Hals gelegt hatte. Ein Teil der Signoria und einige Bürger zeigten am 6. und 7. November ganz offen, daß sie einen umfassenden Machtwechsel wollten und planten.139 Am Samstag, dem 8. November 1494, kehrte Piero de’ Medici, der sich bis zu seiner mit Erlaubnis Karls VIII. erfolgten Abreise an dessen Seite befunden hatte, aus Pisa in das brodelnde Florenz zurück, nur von einigen der engsten Freunde und Verwandten begrüßt.140 Im Medici-Palast empfingen ihn unter Lachen und Weinen seine Brüder Giovanni und Giuliano, die er bei seinem Aufbruch zum französischen König am 26. Oktober hatte zurückrufen lassen, sowie seine nächsten Verwandten. Einige vertraute Freunde suchten ihn auf sowie von den führenden Bürgern Bernardo del Nero, Domenico Pandolfini und Niccolò di Luigi Ridolfi, die ebenfalls zu diesen Freunden gerechnet werden müssen.141 Nachdem Piero vom Medici-Palast aus versucht hatte, das Volk mit Geschenken gnädig zu stimmen und sich wegen seiner erfolgreichen Einigung mit dem französischen König feiern zu lassen, trat er noch am gleichen Tag vor die im Palazzo Vecchio

138 Cerretani, Storia fiorentina, S. 203 (die gesamte Rede auf S. 201–204). 139 Guidi, Ciò che accadde, S. 29. 140 Cerretani, Storia fiorentina, S. 205; Parenti, Storia fiorentina I, S. 120f.; Guicciardini, Storie

fiorentine, S. 96; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 107f. 141 Parenti, Storia fiorentina I, S. 111, 121.

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versammelte Signoria, rechtfertigte sich entschuldigend wegen seines Angebotes an Karl VIII., das man ihm irrigerweise als Schuld angelastet habe.142 Er mußte aber feststellen, daß seine Feinde aus ihrer Gesinnung keinen Hehl mehr machten, daß sie mittlerweile die Mehrheit in der Signoria stellten und seinen Erläuterungen nicht zustimmen wollten. Am Sonntagvormittag, dem 9. November, wollte Piero nach dem Besuch der Messe im Dom gegen Mittag erneut die Signoria im Palazzo Vecchio aufsuchen, doch wollte diese ihn nicht formal empfangen. Allein die ihm weiterhin getreuen Prioren Antonio Lorini und Francesco di Taddeo sprachen mit ihm und versuchten, Bedenken zu zerstreuen. So ging er zum Mittagessen in den Medici-Palast zurück, um später nochmals zum Palazzo Vecchio zurückzukehren. Jetzt unternahm Piero einen Schritt, der den Fall der Medici noch beschleunigte. Im Medici-Palast gab er die Anweisung, sein Schwager Paolo Orsini, der sich mit seinen 500 berittenen Soldaten vor den Florentiner Mauern in Montughi aufhielt, solle in die Stadt kommen. Die Orsini-Truppen bemächtigten sich daraufhin der Porta San Gallo, welche die wichtige Ausfallstraße in den Norden sicherte. Bewirkt hatte dieses Unternehmen, von dem die Signoria natürlich umgehend erfuhr, jedoch offensichtlich eher eine Beschleunigung des Sturzes.143 Paolo Orsini, Marchese von Atripalda im Regno di Napoli, ein Sohn des Kardinals Latino Orsini – der über seine Schwester Maddalena ein Onkel von Pieros Mutter Clarice, über seinen Bruder Roberto aber auch ein Onkel von Pieros Frau Alfonsina war –, gehörte zu den engen Verbündeten des Virginio Orsini. Er stand damals nach Beendigung seines neapolitanischen Vertrages durch Pieros Wunsch im Sold der Florentiner. In dieser Funktion hatte der Orsini bei Sarzana die militärische Überlegenheit der Franzosen kennenlernen müssen. Nach seiner vergeblichen Florentiner Intervention für Piero wird er sich ihm dann an schließen, als der Gestürzte vorerst nach Bologna flüchtete.144 Als Piero an jenem Sonntagvormittag des 9. November definitiv erfahren mußte, was ihm kurz vor seiner Rückkehr bereits zugetragen worden sein mußte, daß man nämlich seine Einigung mit dem französischen König nicht als Heldentat, sondern als Verrat bewertete, daß sie ihm nicht wie erwartet die ‚Furien‘ vom Leib hielt, da blieben ihm die deswegen in realistischer Einschätzung der Situation angeforderten Orsini-Truppen als letztes Mittel des Machterhaltes. Mit bewaffneten Knechten sowie einigen Verwandten und befreundeten Bürgern – sie ebenfalls bewaffnet – zog Piero anschließend nochmals zum Palazzo Vecchio, um Einlaß zu begehren. Dies wurde ihm von Jacopo di Tanai de’ Nerli (dem jungen Ankläger der

142 Guidi, Ciò che accadde, S. 29f. 143 Vgl. Gaddi, Sulla cacciata, S. 44 (da hier berichtet wird, daß die Orsini-Truppen sich der Porta

San Gallo bemächtigten, müssen sie durch das Tor in die Stadt gekommen sein, was in manchen Darstellungen bestritten wird, für die sich aufschaukelnde Konfrontation aber nicht unerheblich ist, da das Eindringen der Truppen nicht von der Signoria genehmigt war); Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 108–110; Parenti, Storia fiorentina I, S. 122–125; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 98, 102 (I/14, 15). 144 Paolo Orsinis Vater, der Kardinal Latino Orsini, war bereits 1477 gestorben; vgl. zu Paolo die biographischen Notizen bei Volpicella, Regis Ferdinandi, S. 387f. Zu den Verwandtschaftsverhältnissen s.u. S. 256.

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pratica vom 5.11.) sowie von Gualterotto Gualterotti, die mit Waffen die Tür bewachten, zunächst verwehrt. Ein Wort gab das andere. Aus den Fenstern des Palazzo flogen Steine gegen die Mediceer. Einige seiner Feinde wie der Prior Luca Corsini riefen mit den Worten popolo, popolo e libertà (seine Anhänger hätten mit Bezug auf die Kugeln im MediciWappen palle, palle gerufen) das Volk unter Waffen gegen Piero auf die Straße, der sich mit seinen Leuten nach Hause zurückziehen wollte. Die Signoria ließ ihm nun ausrichten, er könne den Palazzo betreten, aber nur unter der Bedingung, daß er allein und unbewaffnet vor die Signoria trete. Dies lehnte Piero ab, da ja bereits die ersten Steine gegen ihn geworfen wurden und das Volk mit der Sturmglocke zusammengerufen wurde. So zog er es vor, sich mit den Seinigen in den Medici-Palast in Sicherheit zu bringen. Dort wollte er zu Pferde Lorenzo Tornabuoni, Giannozzo Pucci und viele weitere Freunde mit ihren Waffen erwarten, die davon angesichts des Aufruhrs jedoch Abstand nahmen. Piero de’ Medici sah nun in einer Beschwichtigungs- und Schlichtungsmission seines mit der Kardinalsautorität ausgestatteten Bruders Giovanni eine letzte Möglichkeit, den Gang der Dinge zu seinen Gunsten zu wenden. Begleitet von Pierantonio Carnesecchi und einigen Bewaffneten setzte sich der Kardinal in Richtung Piazza della Signoria in Bewegung. Doch als Giovannis vorausgeschickter maggiordomo Andrea Cambini nur um Haaresbreite und mit Hilfe von Girolamo Tornabuoni seiner Ermordung entging, kehrte Giovanni ebenfalls unter Lebensgefahr um. Aus dem Palazzo della Signoria heraus hatten die Medici-Feinde als wirksames Mittel zur Vertreibung Pieros durch den banditore eine (noch) nicht rechtsgültige Verurteilung Pieros als Rebell verkünden lassen, die mit einem außergewöhnlich hohen Kopfgeld (taglia) von 10.000 Fiorini für den lebend gefaßten und von 4.000 Fiorini für den toten Medici verknüpft wurde. Dieser Beschluß sorgte auf beiden Seiten für heftige Aufregung. Diese härteste Form der Verbannung, der mit einer taglia versehene bando di ribello, wurde allerdings für Piero und nun auch seine Brüder erst am 20. November 1494, als Karl VIII. bereits in Florenz weilte, offiziell verwirklicht, wobei das Kopfgeld 2.000 Fiorini (nach manchen Quellen sogar 5.000 Dukaten für ihre Gefangennahme und 2.000 Dukaten für ihren Tod) betrug – vielleicht das erste Kopfgeld, das je auf einen zu tötenden Kardinal ausgelobt wurde!145 Gleichwohl: Für die Medici 145 Die Darstellung folgte bis hierher weitgehend den detaillierten Aussagen von Cerretani, Storia

fiorentina, S. 205–207; Parenti, Storia fiorentina I, S. 121–125, sowie der quellengesättigten Studie von Guidi, Ciò che accadde, S. 34–39; vgl. ferner die diese im Kern bestätigenden, doch weniger ausführlichen Berichte von Guicciardini, Storie fiorentine, S. 97f.; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 108–110; sowie die recht knappe Darstellung bei De Frede, L’impresa, S. 226f. Fast alle Chronisten, auch Francesco Guicciardini, waren überzeugt, die Medici-Brüder seien bereits am 9.11. zu Rebellen erklärt und auf sie sei zugleich ein Kopfgeld ausgesetzt worden. Tatsächlich berichtet Cerretani, Jacopo di Giannozzo Pandolfini und weitere Medici-Feinde hätten, um sich gegenüber Piero de’ Medici verteidigen zu können, den Ausrufer der Verbannungen unter Vortäuschung falscher Tatsachen veranlaßt, einen bando di ribello gegen Piero zu verkünden, der mit einem sehr hohen Kopfgeld von 10.000 Fiorini für den lebenden und von 4.000 Fiorini für den toten Medici verbunden gewesen sei; die Nachricht über diese schärfste Form der Verbannung habe sich in Florenz wie ein Lauffeuer verbreitet und Piero angesichts der vielen seinen Tod fordernden Bewaffneten zur Flucht veranlaßt; Cerretani, a.a.O., S. 207. Guidi

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gab es durch diesen Coup der Gegner am Abend des 9. Novembers nur noch einen Ausweg: die Flucht. Sechzig Jahre faktischer Alleinherrschaft der Medici in Florenz waren innerhalb von Stunden beendet, sechzig Jahre des Ausbaus von Ruhm und Reichtum – wobei noch zu erörtern sein wird, wie sich die finanzielle Situation in den letzten Jahren vor dem vorläufigen Ende der Medici-Macht entwickelt hatte.

b) Die Flucht der Medici Als die Medici am Abend des 9. November 1494 Florenz fluchtartig verlassen mußten, wandten sie sich nach Norden, zunächst zu der unweit und in direkter Straßenverbindung zu ihrem Palast liegenden Porta San Gallo. Dorthin hatte Piero seinen Bruder Giuliano geschickt, um das Stadttor für sie zu halten; dort aber befanden sich auch die Truppen des Paolo Orsini, der ohne seine Soldaten Florenz hatte betreten dürfen, diese aber dennoch durch das Tor geführt haben muß, weil er es sonst nicht gegen die regulären Florentiner Wachen hätte einnehmen und kontrollieren können. Der Orsini begab sich nun zusammen mit Piero über die hinter dem Medici-Palast verlaufende Via San Gallo zur gleichnamigen Porta. Dessen Frau Alfonsina Orsini und seine Schwiegermutter, die Gräfin Caterina Sanseverino, hatten im Medici-Palast Zuflucht gesucht, wurden aber von Deputierten der Signoria in den Florentiner Konvent von Santa Lucia in Gewahrsam gebracht, nicht ohne den weinenden Frauen vorher die Ringe von den Fingern zu nehmen; Alfonsina und ihre Mutter sollten und konnten in der Stadt bleiben.146 Bereits am Freitag, dem 7. November, hatte Ser Piero Dovizi da Bibbiena, Sekretär und Kanzler Pieros (und schon Lorenzos), dessen Sohn Lorenzo unter Aufsicht seines Bruders Antonio Dovizi da Bibbiena nach konnte zeigen, daß diese verschärfte Form der Verbannung nach den Beschlüssen der Signoria erst am 20.11. durchgesetzt wurde; vgl. Guidi, a.a.O., S. 36, 39 und S. 41, 43 mit Anm. 10 und 49 (allerdings irritieren die etwas widersprüchlichen und den irregulären vom legalen bando nicht klar unterscheidenden Angaben Guidis, für Piero und seine Familie sei am 9.11. durch die „signori e gonfalonieri[!] di giustizia“ ein „bando“ [Verbannung] ausgesprochen worden [wofür er auch die Seite des Dokumentes angibt], während es sich für Francesco Guicciardini und andere Historiker sogar um einen „bando“ gehandelt habe – doch ein „bando“ sei nach den offiziellen Akten der Signoria erst am 20.11. beschlossen worden!). Das hohe Kopfgeld auch bei Mecatti, Storia cronologica, S. 474. Parenti behauptet hingegen, auf Piero und Kardinal Giovanni sei bei lebendiger Auslieferung ein Kopfgeld von 5.000, bei toter eines von 2.000 Fiorini ausgesetzt worden, während es bei Landucci heißt, für Giovannis Tod seien nur 1.000 Dukaten festgesetzt worden; vgl. Parenti, a.a.O. S. 125; Landucci, a.a.O. S. 110. Guidi hingegen fand in den Beschlüssen der Signoria, daß das Kopfgeld für Piero nur 2.000 Fiorini larghi betragen habe, daß aber ein weiteres von 1.000 Fiorini auf Piero Dovizi da Bibbiena ausgesetzt worden sei; Guidi, a.a.O., S. 56. Hierzu nochmals abweichend jüngst Zapperi, Abschied, S. 28 (von Bann und Kopfgeld in Höhe von 5– bzw. 2.000 Dukaten seien am 9.11. nur Piero und Giovanni betroffen gewesen, nicht aber Giuliano). Die mit dem Kopfgeld verbundene Verurteilung Piero de’ Medicis als Rebell kann jedoch nicht nur diesen oder nur ihn und Giovanni betroffen haben, wie Guidi bzw. Zapperi meinen, sondern muß alle Brüder eingeschlossen haben, da explizit auch für Giovanni und Giuliano in dem noch vorzustellenden Vertrag der Florentiner mit Karl VIII. die Rebellenstrafe und das Kopfgeld revoziert wurden. 146 Cerretani, Storia fiorentina, S. 208.

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Urbino bringen lassen. Piero da Bibbiena folgte ihnen dorthin, um schließlich mit Lorenzo und Antonio nach Venedig zu reisen, wo sie von den geflüchteten Medici-Brüdern erwartet wurden. Diese frühe Schutzmaßnahme für den Familienerben läßt darauf schließen, daß Piero ein fatales Ende in Florenz erwartete, zumindest nicht ausschloß. Zurück zum Sonntagabend: Gemeinsam warteten die Flüchtenden an der Porta San Gallo, bis auch Giovanni de’ Medici, der sich als Franziskanermönch verkleidet hatte, unerkannt zu ihnen gelangen konnte.147 Noch heute können wir diese Szene bildlich nachverfolgen. Giovanni de’ Medici hat nämlich später, gut zwanzig Jahre nach der Flucht, als Papst Leo X. die zentralen Ereignisse seines Lebens vor der Papstwahl in einer seiner größten Kunststiftungen darstellen lassen. Auf zehn überaus kostbaren Teppichen, die in den Vatikanischen Museen ausgestellt sind, ließ er nach den Kartons Raffaels in Brüssel die Apostelgeschichte weben, und auf fünf Teppichen hatte er auf den unteren Bordüren in je zwei Bildfeldern seine Lebensgeschichte darstellen lassen, in welcher auch die Flucht aus Florenz thematisiert wurde. Unter dem Teppich mit der „Schlüsselübergabe“ an Petrus sind Piero und Giuliano als Flüchtende gezeichnet, während Giovanni als franziskanischer Mönch abgesondert am Rande steht und von seinen Brüdern ge- oder begrüßt wird. Ein nicht unwesentliches Detail aber entsprach nicht ganz der Wahrheit: Giovanni wollte durch das Bild eine Plünderung des Medici-Palastes glaubhaft machen – die es in Wirklichkeit so nicht gegeben hatte, wohl aber eine seines eigenen Hauses bei San Antonio! –, und er wollte, daß die (in antik römischer Rüstung gekleideten) Florentiner als Plünderer erscheinen.148 Nicht die französischen Soldaten – wie in der Forschung teilweise behauptet wurde –, sondern die seiner Familie feindlichen Landsleute wollte er mit einem Akt später Rache an den Pranger stellen. Für eine Diskriminierung der Franzosen gab es sowohl für die Zeit des Exils als auch danach keinen, überhaupt keinen Grund – im Gegenteil. Eine kritische Quellenanalyse zeigt vielmehr, daß von einer Plünderung des MediciPalastes, wie sie bei anderen Häusern tatsächlich erfolgte, nicht die Rede sein kann. Denn die Signoria ließ den Medici-Palast bewachen, da sie wie seit längerem geplant den französischen König an diesem repräsentativen Ort unterbringen wollte. Darüber hinaus aber mußte sie auch für die Sicherheit des Palastes sorgen, sollten dessen Kostbarkeiten doch ebenso wie andere Medici-Güter konfisziert werden, um die Gläubiger der Medici (darunter die Kommune selbst) befriedigen und die Abwicklung des Medici-Erbes besorgen zu können. Gleichwohl haben einige Florentiner offenbar Wein und andere im Unterge-

147 Cerretani, Storia fiorentina, S. 207; Parenti, Storia fiorentina I, S. 125; vgl. Guicciardini, Storie

fiorentine, S. 97; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 110; Gaddi, Sulla cacciata, S. 45 (mit genauerer Information über Piero da Bibbiena und den kleinen, gerade erst 1492 geborenen Lorenzo). 148 Einschlägig hierzu: Romeo, Raffaello, hier bes. S. 56–58; unpräzise hingegen Grote, Formazione, S. 138f. (falsch die Behauptungen, Giovanni sei vor Piero und Giuliano geflüchtet und die den Medici-Palast plündernden Personen seien die französischen Soldaten).

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schoß lagernde Güter rauben können.149 Es paßt allerdings ins Bild, daß Ludovico il Moro sich sofort nach der Flucht der Medici mit großem Eifer über seine Beauftragten bemühte, 149 Dieser Vorgang ist in der Forschung intensiv diskutiert worden, vor allem von den Kunsthistori-

kern, da er für den Verbleib der wertvollen Medici-Sammlung von Bedeutung ist. Wichtige Dokumente sind jüngst von Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 159–162, 357–364, zusammengestellt und kommentiert worden, ohne daß die beiden Autoren sich wegen der widersprechenden Aussagen über eine Plünderung – die von ihnen nicht quellenkritisch und zudem teilweise falsch analysiert wird – festlegen wollten, die sie aber für wahrscheinlich halten, da die Mehrzahl der Quellen eine solche annehme. Mit Blick auf die von ihnen als Zeugen einer Plünderung angeführten Autoren ist freilich festzustellen, daß Parenti (Storia fiorentina I, S. 126) nicht vom Palast der Medici spricht, sondern von den Häusern des Mediceers Giovanni Guidi da Pratovecchio (A sacco si misse la casa di Firenze e di villa di ser Giovanni da Pratovecchio, ...), also von dessen Haus in Florenz und von seiner Villa (außerhalb von Florenz); Fusco/Corti setzten hinter casa di Firenze unverständlicherweise in eckigen Klammern die Erläuterung „Palazzo Medici“ (a.a.O., S. 362, Doc. 246). Im übrigen sprach auch Nardi von den geplünderten case Guidis im Plural (vgl. Fusco/Corti, a.a.O., S. 362, Doc. 245). Cerretani (Storia fiorentina, S. 208) erklärte deutlich: e tennono [die von der Signoria Deputierten] a buona ghuardia decto palazo per insino che la signoria fe’ cimque sindachi e ufitiali di rebelli, e quali tra llore et altri venderono et finirno tutti e beni mobili et imobili de’ Medici, che montò la somma di fiorini ... [!] Et videsi che tra franzesi e altri ciptadini fu rubato et naschosto assai della robe loro, in modo che d’una richeza impenssabile con faticha si potè paghare e chreditori loro proprii ...; der hier in der Tat bestätigte Diebstahl von Geld und wertvollen Objekten ist allerdings wahrscheinlich nicht als Plünderung zu verstehen – zu welcher ja auch die von Cerretani angegebene ‚gute Wache‘ in krassem Widerspruch stände! –, sondern auf später bezeugte und von uns noch angesprochene Vorgänge, an denen besonders Girolamo Martelli als einer jener 6 Syndizi beteiligt war. Der ebenfalls von Fusco/Corti als Kronzeuge angeführte Philippe de Commynes war am 9.11.1494 wie gesagt aber gar nicht in Florenz, sondern als Botschafter in Venedig; er behauptete, der Logisbeauftragte des Königs, Robert de Balsac, habe mit dem Argument, er sei Gläubiger der Lyoner Medici-Bank, alles, was er im Palast der Medici gefunden habe, an sich genommen, darunter ein wertvolles Kunstobjekt im Wert von 7– oder 8.000 Dukaten (Fusco/Corti, a.a.O., S. 158, Doc. 235). Es ist allerdings bekannt, daß Balsac nicht als Logismeister des Königs in Florenz fungierte und offenbar niemals dort war, da Karl VIII. ihn bei seiner Abreise aus Pisa am 10.11. nicht mitnahm, sondern ihn als Kapitän die neue Zitadelle in Pisa bewachen ließ; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 292 (die äußerst sorgfältig arbeitende Autorin nennt Balsac denn auch nicht im Kontext von Florenz, Karls Aufenthalt im MediciPalast oder dessen Plünderung). Der Venezianer Sanuto sprach hingegen von einer versuchten Plünderung, der sofort die Schutzmaßnahmen der Signoria folgten, durch welche der Raub von Wein, Pferdegeschirr und anderem aus dem Untergeschoß aber nicht verhindert werden konnte (Fusco/Corti, a.a.O., S. 363f., Doc. 248). Gegen eine Plünderung spricht ebenfalls und vor allem mit gewichtiger Stimme der selbst betroffene Medici-Diener Francesco Cegia (dessen diesbezügliches Schweigen Fusco/Corti erstaunlicherweise nicht thematisieren). Dieser bestätigt für den 9.11. die Plünderung des Skulpturengartens bei San Marco, in welchen wie in einen anderen Garten beim Kloster viele wertvolle Objekte aus dem Medici-Palast wegen des bevorstehenden Aufenthaltes Karls VIII. im Medici-Palast gebracht worden waren, sowie die Plünderung des Hauses von Antonio di Bernardo Dini und Ser Giovanni delle Riformagioni, d.h. Guidi da Pratovecchio, und die erst am Montag erfolgende des Hauses von Kardinal Giovanni de’ Medici bei San Antonio, während sein eigenes und das von Niccolò Michelozzi dem bereits beabsichtigten gleichen Schicksal gerade noch entgehen konnten – eine Plünderung des Medici-Palastes aber, die er hier ganz gewiß nicht verschwiegen hätte, wird von ihm nicht erwähnt; vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 197; Fusco/Corti, a.a.O., S. 161 und 353, Doc. 233. So bleiben von den ernst zu

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die besten Stücke aus der allseits berühmten Kunst- und Juwelensammlung der Medici zu ergattern!150 Unklar bleibt bei den Chronisten hingegen, ob die drei Brüder den folgenden Fluchtweg gemeinsam oder getrennt bestritten. Lediglich Parenti gibt an, Piero sei von der Porta San Gallo aus zusammen mit seinem Bruder Giuliano und Paolo Orsini Richtung Careggi geritten, zur Landvilla der Medici nahe bei Fiesole.151 Dies entspräche dem Sachverhalt, den Giovanni auf Raffaels Teppich zeigen ließ. Wahrscheinlich war der Kardinal aber unweit von Florenz zu seinen Brüdern gestoßen, um zusammen mit ihnen und ihren vertrauten Begleitern nach Bologna zu reisen. Denn Giovannis Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini wird viele Jahre später, in seinem 1512/13 geführten Rechnungsbuch des Medici-Haushaltes, für den 20. Oktober 1512 in einem Almosenkonto eine Zahlung von fünf Dukaten registrieren lassen, die er auf Anordnung Giovannis für einen gewissen Pierone di Bartolomeo di Mugello leistete, da dieser jene Person gewesen sei, ‚die den Kardinal und die anderen des Hauses [Medici] begleitete, als sie im Jahr 1494 weggingen‘.152 Bologna als erster Anlaufpunkt der vertriebenen, inoffiziell exilierten und seit dem 20. November formell als Rebellen verbannten Medici wird mehrfach bestätigt, so von Francesco Guicciardini (der gleichwohl wenig Konkretes zur eigentlichen Flucht aus Florenz sagt), von Parenti, Machiavelli, von venezianischer Seite – die zudem wußte, daß Piero auf der Flucht beachtliche 60.000 Dukaten in Schmuck und Geld mit sich führen konnte – sowie von einem Bologneser Chronisten selbst, der glaubwürdigsten Quelle, nach welcher Piero und seine Brüder von dem faktischen Herrscher Bolognas, Giovanni (II.) Bentivoglio, warmherzig empfangen, mit allem Nötigen versehen und mit dem Wunsch nach baldiger Rückkehr bedacht worden seien.153 Eine gewisse Neutralität wollte der Bentivo-

nehmenden Quellen, die eine Plünderung behaupten, nur Guicciardini (Storie fiorentine, S. 98), der damals aber noch ein Kind war und Pieros Haus mit dem Giovannis verwechselt haben könnte, das er nämlich im Gegensatz zu den geplünderten Häusern der Mediceer nicht erwähnt, sowie Bernardo Rucellai, der aber nur von wenigen beteiligten Florentinern spricht (a.a.O., S. 363, Doc. 247). Die schon von Grote vorgebrachten Zweifel an der Plünderung des Palastes, denen Fusco/Corti nicht folgen wollten, sind demnach zu unterstützen; vgl. Grote, Formazione, S. 131–133. 150 Vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 174f. u. S. 324–327, Doc. 168–174. 151 Parenti, Storia fiorentina I, S. 125. Cerretani bestätigt dies ungefähr, indem er berichtet, Giuliano sei Piero nur wenig später nach Bologna gefolgt; Cerretani, Storia fiorentina, S. 207. Eine getrennte Flucht der drei Brüder wird ebenfalls von dem in Florenz verbliebenen MediciVertrauten Francesco Cegia bezeugt, der in seinem geheimen, teilweise tagebuchartigen Rechnungsbuch dann aber berichtet, Piero und Giuliano seien danach zusammen nach Venedig geritten, Giovanni nach Bologna; vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 197. 152 Vgl. ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. XLIIII; zu dieser Quelle ausführlich unten S. 983f.. 153 Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 368f., Doc. 267 (mit weiteren Quellen, wobei Masi eine gute, Nardi eine schlechte Aufnahme in Bologna behauptete); vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 103 (nur zu Piero in Bologna); Ders., Storia d’Italia, S. 102 (I/15): zur Flucht berichtet er nur, Giovanni und Giuliano seien ihrem überaus schnell fliehenden Bruder Piero gefolgt. Der venezianische Chronist nennt jedoch ebenso wie Parenti mit Blick auf den Aufenthalt in Bologna nur Piero; vgl. Malipiero, Annali Veneti, S. 324; Parenti, Storia fiorentina I, S. 132, 136;

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glio, der sein Territorium früher als Piero den Franzosen geöffnet hatte, offenbar dennoch wahren. Auch zögerte er nicht, Piero sanft zu tadeln, es zieme sich für einen Herrn von Florenz nicht, durch das Tor zu entfliehen, um dann über die Mauer zurückzukehren. Gleichwohl dürfte, auf der Grundlage seiner traditionell guten Beziehung zu den Medici, dieser Aufenthalt zum Ausgangspunkt für den offenbar bereits im Januar 1495 eingeleiteten, dann im November 1495 notariell beglaubigten Kauf des berühmten SkulpturenGartens der Medici bei San Marco durch den Bentivoglio bzw. seinen Mittelsmann geworden sein. In diesem Garten hatte bekanntlich auch der junge Michelangelo an antiken Statuen seine Bildhauerkunst geformt. Durch Bentivoglios Erwerb der Sammlung wurde den Medici der spätere (1513 tatsächlich durchgeführte) Rückkauf dieses Prestigeobjekts ermöglicht.154 Nach Guicciardini hätte sich Piero de’ Medici dann – politisch wiederum unklug – aus Furcht vor den Franzosen und Mailändern ratsuchend nach Venedig begeben. Zwei von König Karl VIII. und von Philippe de Bresse geschriebene Briefe, in denen mit Bezug auf die alte Freundschaft zwischen König Ludwig XI. und Lorenzo de’ Medici sowie auf Pieros Übergabe der Festungen dem nach Florenz zurückkehrenden MediciOberhaupt die Restitution seiner alten Macht durch den französischen König in Aussicht gestellt wurde, erreichten ihn daher nicht mehr in Bologna, sondern mußten von dem dort zunächst verweilenden Kardinal Giovanni den Vorausreisenden nachgesandt werden.155 Diese etwas undurchsichtigen ersten Tage der Flucht werden jedoch schon für den 14. November 1494 wieder aufgehellt, als die Venezianer die Ankunft des verkleideten Piero de’ Medici erlebten, begleitet von 14 ‚Mündern‘ sowie von seinen Brüdern Giuliano und Giovanni. Herberge und weitere Gastfreundschaft fanden sie in dem Palast des venezianischen Bankiers Girolamo (Geronimo) Lippomano. Die Hierarchie im Hause Medici demonstriert die Tatsache, daß nur Piero zusammen mit Lippomano noch am gleichen Tag den Dogen für ein vierstündiges Gespräch aufsuchte.156 Am 21. November besuchten Piero, Giuliano und ihr Verwandter Giovanni Orsini öffentlich die venezianische Ratsversammlung, wo den Medici für das gesamte Territorium Venedigs freies Geleit und für die Sicherheit ihres Lebens die Erlaubnis zum Waffentragen gewährt wurde.157 Gleichwohl

Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 246 (chronikalische Notizen). Nach der Bologneser Quelle wäre Piero schon am 10.11. in Bologna angekommen; De Frede, L’impresa, S. 227. 154 Vgl. Elam, Palazzo, S. 50; Dies., Sculpture Garden, S. 50–52.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 167, 173 u. S. 368f., Doc. 267, 268, S. 372, Doc. 278, fol. 356v. Der bis 1494 als Mittelsmann zwischen den Medici und Bentivoglio, dann für diesen wirkende Goldschmied Giovanmarco de’ Bonaldi hielt sich schon im Januar 1495 in Florenz auf, wo er auch Zugriff auf Teile des Medici-Schatzes hatte; vgl. Fusco/Corti, a.a.O., S. 325, Doc. 169. 155 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 107 (I/16). Bemerkenswert ist bei diesem Bemühen um die Restitution der Medici-Macht wiederum die Beteiligung des Philippe de Bresse sowie die von Guicciardini ebenso mitgeteilte Opposition des Guillaume Briçonnet gegen ein solches Unterfangen. Zu den Briefen vgl. auch Parenti, Storia fiorentina I, S. 136; Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 246 (Mandò il re a Piero de’ Medici a Bologna, et lui non se ne fidò). 156 Malipiero, Annali Veneti, S. 324; dagegen De Frede, L’impresa, S. 228 (mit der unrichtigen Angabe einer Ankunft am 18.11.). 157 Malipiero, Annali Veneti, S. 325.

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wurde Piero in Venedig zum Spielball anderer Interessen: Nach (dem überzeugend argumentierenden) Guicciardini habe die Seerepublik gefürchtet, daß Florenz unter erneuter Medici-Führung um so leichter den Interessen Karls VIII. folgen würde, was wiederum den Venezianern bedrohlich erschien. Deshalb habe man den um Rat bittenden Piero überzeugt, sich nicht in die Gewalt des Königs zu begeben, sondern in Venedig zu bleiben, wo man ihm energische Hilfe bei der Rückeroberung von Florenz in Aussicht gestellt, ihn dabei aber gleichzeitig heimlich überwacht habe.158 Das Schicksal der Exilierten nahm rasch Form an.

c) Die Mediceer im Florentiner Hexenkessel Als Piero de’ Medici am 9. November mit seinen Anhängern den Palazzo Vecchio stürmen wollte, wurde er u. a. von Mitgliedern der Familien Martelli (Francesco, Lorenzo, Alessandro und Cosimo Martelli), Tornabuoni (Simone, Piero und andere) sowie von Jacopo di Bongianni Gianfigliazzi und weiteren begleitet.159 Nach seiner Flucht wagten es dann die hochangesehenen Niccolò di Luigi Ridolfi, Bernardo del Nero – beide hatten Pieros Neapelpolitik noch am 5. November kritisiert – und Pierantonio Carnesecchi – der schon Kardinal Giovanni bei seinem fehlgeschlagenen Vermittlungsversuch am 9. November begleitet hatte! –, als Florentiner Amtsträger bewaffnet auf die Piazza della Signoria zu kommen, von wo sie jedoch als Medici-Freunde bzw. Feinde der Freiheit schnell verjagt wurden. Andere wie Giannozzo Pucci und Pieros Kanzler Ser Piero Dovizi da Bibbiena verließen heimlich die Stadt; Piero da Bibbiena floh erst in seine Heimatstadt, um von dort wie geschildert in Urbino zu Antonio Dovizi und dem von diesem behüteten Lorenzo di Piero de’ Medici zu stoßen. In Florenz verstecken mußten sich Lorenzo Tornabuoni (im Heu des Abortes eines Hauses von Antonio di Bernardo di Miniato Dini beim Kloster Santa Croce), Ser Giovanni di Ser Bartolomeo Guidi da Pratovecchio sowie Antonio di Bernardo Dini. Doch alle drei wurden schon am Montag, dem 10. November, entdeckt und verhaftet, ebenso wie Piero Tornabuoni, die Medici-Notare Ser Simone Grazzini da Staggia, Ser Ceccone di Ser Barone und der im Zollamt tätige Ser Lorenzo Tucci. Auch nach Antonio Malegonelle ließ die Signoria schicken, da er seit 1492 als maßgeblicher Unterstützer Pieros galt.160 Giovanbattista Bracci, der im Medici-Palast wirkende, für alle Medici-Firmen zuständige Generalmanager der Medici-Gesellschaft, wurde verhaftet, weil man an das von ihm in seinem Haus gehütete Bargeld der Medici 158 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 109 (I/16). 159 Parenti, Storia fiorentina I, S. 128. 160 Cerretani, Storia fiorentina, S. 209; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 111f.; Parenti,

Storia fiorentina I, S. 125f. (das Haus, bei welchem Lorenzo Tornabuoni sein wenig einladendes Versteck suchte, wird von Parenti nur als das des Antonio bezeichnet, mit dem er jedoch Antonio di Bernardo di Miniato Dini gemeint haben mußte, da er in den voraufgehenden Passagen nur von diesem Antonio di Bernardo sprach); Gaddi, Sulla cacciata, S. 45f.; vgl. ferner Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 361 (mit biographischen Angaben und weiterer Literatur zu einigen der Verhafteten).

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heran wollte, das den ‚üblen Ausgaben‘ Piero de’ Medicis dienen sollte.161 Nicht nur diese Beobachtung, auch diesen Namen werden wir uns merken müssen, wird sich Giovanbattista Bracci doch als eine der Schlüsselgestalten der Exilszeit erweisen! Der Haß der Medici-Gegner entlud sich zwar nicht am gut geschützten Palast der Medici, doch wurden das Haus von Kardinal Giovanni de’ Medici in San Antonio (vor den Florentiner Mauern bei der Porta Faenza) und der berühmte Garten Pieros bzw. der Medici-Familie beim Kloster San Marco geplündert und beschädigt; das Florentiner Haus und das der Villa von Ser Giovanni Guidi da Pratovecchio sowie das Haus von Antonio di Bernardo di Miniato Dini wurden darüber hinaus sogar in Brand gesetzt. Das gleiche Schicksal drohte dem Haus von Lorenzo Tornabuoni und denen einiger weiterer Freunde der Medici wie etwa dem des Ser Agnolo Niccolini, dessen Türen bereits in Brand gesetzt wurden, als Francesco Gualterotti mit anderen diesem Treiben ein Ende setzte.162 Hier traf die Wut des Volkes fast ausschließlich jene Personen, die seit den 80er Jahren Schlüsselpositionen in der mediceisch-florentinischen Finanz- und Steuerverwaltung eingenommen hatten. Antonio di Bernardo di Miniato Dini stand u. a. als langjähriger Provisor bzw. Inspektor (provveditore) den meist jährlich wechselnden fünf Beamten (ufficiali) des Monte Comune mit einer Art Stellvertreterfunktion und weitreichenden Kompetenzen zur praktischen Umsetzung ihrer Beschlüsse zur Seite – er habe dadurch zwei Drittel der Stadt regiert, so Guicciardini; er sei unser General und Herr, so ein anderer Florentiner! Dini, nach dem Vornamen seines Großvaters auch Miniati genannt, gehörte dem 1481/82 und 1490/91 eingerichteten Komitee der 17 Reformer an, das mit außergewöhnlichen Vollmachten für die Reform der Florentiner Finanz-, Steuer- und Münzpolitik ausgestattet worden war und durch seine viele Bürger belastenden Entscheidungen den Haß des Volkes auf sich gezogen hatte. Giovanni Guidi da Pratovecchio hingegen konnte als Notar der als ‚Reformationen‘ bezeichneten neuen Florentiner Gesetze (notaio delle riformazioni) eine Schlüsselposition in der Innenpolitik einnehmen, aus der heraus er sich auch zahlreiche Zugriffsmöglichkeiten auf öffentliche Gelder zugunsten der Medici verschafft haben soll. Guidi war somit ebenfalls zu einer Symbolfigur dieses uneinsichtigen, manipulierten Systems geworden, das von Piero übernommen wurde – und wurde noch 1512, nach dem Ende des Exils, dem Kardinal Giovanni de’ Medici durch Piero da Bibbiena als perfekter 161 Parenti, Storia fiorentina I, S. 126 (Presono etiam Giovambatista Bracci, governatore del banco

de’ Medici di Firenze, per farli porre su’ danari, quali sapeano che contanti avea); Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 246 (Trovossi danari di Piero in Firenze, che servirno per le male spese[,] in casa Giovanni Batista Bracci. In diesen chronikalischen Notizen spricht Machiavelli für einen Zeitpunkt nach der Abreise König Karls VIII. demnach nicht von einer Verhaftung Braccis, sondern nur davon, daß man im Florentiner Haus des Giovanbattista Bracci Geld Pieros gefunden habe, das für dessen ‚üble Ausgaben‘ gedient habe). 162 Cerretani, Storia fiorentina, S. 207f., 217; Parenti, Storia fiorentina I, S. 126; Gaddi, Sulla cacciata, S. 45f.; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 98.; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 110–112; mit weiteren Quellen zu diesen Hausplünderungen und -verwüstungen sowie wertvollen Kommentaren zu den betroffenen Personen: Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 359– 364, Doc. 238–249.

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Kenner aller inneren Staatsangelegenheiten angepriesen.163 Urheber der mediceischen Verfassung aber waren sie nicht; und doch wurde Antonio di Bernardo di Miniato Dini als erster ihr Opfer, trotz seiner Kompetenz. Er fiel durch die ihm eigene Härte und Arroganz des Aufsteigers gegenüber dem einfachen Volk. Ihm, der nur aus den niederen Zünften stammte, fehlte der Schutzmantel patrizischer, oligarchischer Herkunft. Dem Druck des Mobs nachgebend, wurde er ‚wegen seiner irregulären Zahlungen großer Summen für Lorenzo und Piero de’ Medici sowie weitere Personen‘ nach seiner Verhaftung an einem Fenster des Bargello aufgehängt.164 Das Gleiche beabsichtigte man mit dem ebenfalls verhaßten Ser Giovanni Guidi delle riformagioni da Pratovecchio, den allerdings die Intervention seines Freundes, des Dominikanerpredigers Girolamo Savonarola, rettete – es wird nicht das letzte Zeugnis für dessen schützende Hand über führenden Mediceern bleiben. Guidi wurde das Leben gelassen, das er nun für einige Jahre als Verbannter in einem Gefängnis in Volterra verbringen mußte, bis er entlassen wurde. Um ihr Leben fürchten mußten freilich auch einige hochangesehene, aus alten Familien stammende Vertreter des Medici-Regimes wie Bernardo del Nero, Niccolò Ridolfi, Pierfilippo Pandolfini, messer Agnolo Niccolini, Lorenzo Tornabuoni und Jacopo Salviati. Für ihre Unversehrtheit setzten sich Medici-Feinde wie Piero Capponi und Francesco Valori ein, nicht nur aus privaten Gründen, sondern auch und vor allem weil sonst – wie Francesco Guicciardini treffend bemerkte – ‚in Wahrheit die Stadt ruiniert worden wäre‘!165 Zum Medici-System gehörten eben auch zahlreiche Mitglieder der vornehmsten Florentiner Familien, die ihren Platz an der Spitze der sozialen Hierarchie stets einer Trias aus politischer und finanzieller Macht sowie Verwandtschaftsverflechtungen innerhalb der 163 Grundlegend hierzu: Brown, Lorenzo, the Monte (doch wird die Bedeutung des Giovanni Guidi

da Pratovecchio hier weniger deutlich als die des Antonio di Bernardo di Miniato Dini); Dies., new men, S. 114f. Zu den beiden Kreaturen des Magnifico, denen noch Bartolomeo Scala als Kanzler der Signoria hinzuzufügen wäre, vgl. auch die Charakterisierung durch Guicciardini, dem ihr niederer sozialer Stand spürbar suspekt war, der sie aufgrund ihrer Schlüsselfunktionen aber als ‚Herren des Spiels‘ (signori del giuoco) qualifizierte; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 79, 107. Giovanni Guidi da Pratovecchio hatte seinen Beinamen delle riformagioni erhalten, weil er als 1477 bestellter und 1488 für weitere 10 Jahre bestätigter Notar der riformagioni für die Abfassung und Registrierung der Florentiner Gesetzesbeschlüsse zuständig war, sich über sein eigentliches Amt hinaus aber große Einflußmöglichkeiten vor allem im Finanzbereich verschaffte; vgl. etwa Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 361, Doc. 242 (75), Anm. 1 (mit weiterer Lit.). Antonio di Bernardo di Miniato Dini gehörte seit 1471 überdies mehrfach dem Gremium der accopiatori an, dem „Filter“ für die Besetzung der wichtigsten kommunalen Ämter, sowie von 1480 bis 1494 dem Rat der Siebzig, der von den Mediceern dominiert wurde; hierzu und zum Amt des provveditore vgl. auch Rubinstein, Government, S. 277–280, 352, 361; Barteleit, Staatsverschuldung, S. 116f. Zur Kontinuität des Einflusses dieser und anderer Personen wie Agnolo Niccolini, Piero Alamanni, Pierfilippo Pandolfini, Bernardo del Nero, Antonio Malegonelle, Puccio Pucci und Niccolò Ridolfi vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 91; Parenti, Storia fiorentina I, S. 46f. 164 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 107; Brown, Lorenzo, the Monte, S. 179 und Anm. 83 (mit der übersetzten Begründung, die aus einer unedierten Darstellung des Francesco Gaddi stammt); vgl. auch Barteleit, Staatsverschuldung, S. 145. 165 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 107, 109f.

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führenden Familien verdankten. Das „neue“ Florenz erwuchs aus diesem Körper; es konnte nicht einige seiner lebensnotwendigen Organe amputieren. Als in Florenz am 11. November das Gerücht, Piero befinde sich mit Truppen der Orsini vor den Florentiner Mauern, ein Lauffeuer entzündete, stürmten mit den bewaffneten Massen auch Giovanfrancesco Tornabuoni, Tommaso Malegonelle, der Bruder Antonios, und Andrea d’Alamanno de’ Medici auf die Piazza, die jedoch sofort als evidente MediciFreunde vertrieben wurden, wobei der Tornabuoni Verletzungen erlitt.166 Wer zu welcher Partei gehörte, war also in den meisten Fällen völlig klar. Manche machten aus ihrem Herzen auch keine Mördergrube. Am 12. November wuchs die Aufregung in Florenz, da Karl VIII. seinen Einzug definitiv ankündigte und einige von den Medici Verbannte wie Pieros „Onkel“ Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici und Cosimo di Bernardo Rucellai zurückkehrten und die neugewonnene Freiheit feierten. Doch in die aufgeräumte Stimmung schlichen sich schrille Mißtöne. Ein Anhänger der Medici wie ihr humanistisch gebildeter, mit zahlreichen Gesandtschaften geehrter Intimfreund Pierfilippo di Giannozzo Pandolfini, der mit 300 Soldaten aus Pisa gekommen war, erklärte mit drastischer Klarheit, er werde – und hier müssen wir aus Gründen historischer Anschaulichkeit beim Wortlaut bleiben – jedem ‚seine Zunge in den Arsch versetzen‘, der gegen Piero de’ Medici und zugunsten der libertà rede. Niccolò di Luigi Ridolfi, Bernardo del Nero und Piero Corsini hingegen betraten den Palazzo Vecchio und sprachen so offen und mutig vor der Signoria, daß manche Medici-Feinde sie verbannen oder bestrafen wollten.167 Bernardo del Nero, Niccolò Ridolfi, Lorenzo Tornabuoni und Agnolo Niccolini traf so wie weitere Freunde der Medici dann am 14. November die praktische Konsequenz, daß ihnen die Waffen abgenommen wurden. Francesco della Casa, enger Freund Pieros und lange Zeit dessen Gesandter in Frankreich, wurde am gleichen Tag kurzerhand verhaftet, um ihm Geheimnisse zu entlocken, doch mußten ihn die Florentiner mit anderen Gefangenen auf Verlangen König Karls VIII. wieder freilassen.168 Man sieht: Die Freunde durchlebten nach der Flucht der Medici Tage großer Gefahr um Leib und Gut; und man ist erstaunt, wie offen sich manche trotzdem – und trotz ihrer Kritik an Pieros Charakter und Politik – zu diesen Medici bekannten, welchen Mut sie in dieser aufgeheizten Extremsituation bewiesen. Jahrelang aufgestauter Haß durfte sich nun 166 Parenti, Storia fiorentina I, S. 127. 167 Parenti, Storia fiorentina I, S. 128f. Zu Pierfilippo di Giannozzo Pandolfini, in zweiter Ehe mit

der aus einem medicinahen Bankhaus stammenden Cassandra di Angelo Ricasoli verheiratet, als getreuem Anhänger Lorenzo de’ Medicis und eben auch seines Sohnes Piero vgl. etwa Guicciardini, Storie fiorentine, s.v.; Picotti, Giovinezza, S. 560 und s.v.; Giustiniani, Alamanno Rinuccini, bes. S. 142 und s.v. (Pierfilippo war der Bruder von Pandolfo und Niccolò Pandolfini, von denen uns insbesondere Niccolò [ebd. S. 171f.], der 1474 Bischof von Pistoia wurde, noch als ebenso enger Freund der exilierten Medici begegnen wird); Viti, in: Redditi, Exhortatio, bes. S. 129 (Lit.); Bullard, Lorenzo il Magnifico, s.v.; Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 370; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 313, Doc. 133, Anm. 2 (der Botschafter des Herzogs von Ferrara bezeichnete ihn 1488 als ‚Herz‘ im Rat des Magnifico und als ‚ersten Bürger der Stadt‘). 168 Parenti, Storia fiorentina I, S. 130.

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– durch die Rückkehr oft jahrzehntelang Verbannter noch erheblich verschärft169 – gegen die bisherigen (tatsächlichen oder vermeintlichen) „Unterdrücker“ richten. Zwischen beiläufig zugefügten körperlichen Verletzungen, amtlich beschlossenen Verhaftungen und staatlich vollzogenen Hinrichtungen bestand nur noch ein sehr schmaler Grat. Wenn sich dennoch viele Florentiner weiterhin zu ihrer Freundschaft mit den Medici in je besonderer Weise bekannten, zeigt schon diese Haltung, daß die Verknotungen im Netzwerk dichter waren, als es die von einem reinen Patron-Klienten-Verhältnis bewirkten sein konnten. Denn Patronage konnten die Medici kaum noch ausüben.

d) Der Einsatz der Medici-Freunde bei König Karl VIII. Karl VIII. und die Medici-Freunde am französischen Hof ließen nichts unversucht, um die Verbannten an ihre Seite und möglichst wieder nach Florenz zu bringen.170 Die an Piero nach Bologna gesandten Briefe der Franzosen zeugten ja bereits von diesem Vorhaben. Karl VIII. zog am 17. November 1494 mit der erklärten Absicht in Florenz ein, Piero de’ Medici wieder in seine Herrschaft einzusetzen.171 Für den Machterhalt Pieros und der ganzen Medici-Familie kämpfte weiterhin vor allem einer der mittlerweile Einflußreichsten an Karls Hof, Graf Philippe de Bresse. Bereits wenige Tage nach der Flucht und Verbannung der Medici wußten die neuen Machthaber in Florenz, daß der monsignor di Brescia bei dem noch vor Florenz in Signa weilenden Karl VIII. – der dort im Haus des Mediceers Battista Pandolfini wohnte! – für die Sache Pieros eintrat; und sie warnten Bernardo Rucellai, ihren Botschafter beim König, vor dem savoyischen Grafen. Dieser solle sich, so die Florentiner, gegenüber der Signoria eifrig bemüht haben, den Vorwurf der Medici-Parteinahme als unberechtigt von sich zu weisen.172 Doch scheinen die Medici-Gegner hier einer Selbsttäuschung erlegen zu sein. Philippe de Bresse dachte gar nicht daran, seinen Einsatz für die Sache der Medici zu verheimlichen. Während des Aufenthaltes Karls VIII. in Florenz vom 17. bis 28. November 1494 wohnte Philippe de Bresse – wie die Florentiner Chronisten zu berichten wußten – demonstrativ bei Lorenzo di Giovanni Tornabuoni, dem nunmehr Verantwortlichen für die

169 Dies hat v. a. Guicciardini als eine wesentliche Ursache für die gewaltigen inneren Spannungen

in Florenz nach 1494 hervorgehoben; vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 100f. 170 Des öfteren zu lesende Behauptungen, die Medici seien von den Franzosen aus Florenz vertrie-

ben worden, sind also grundlegend falsch. 171 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 101. 172 Vgl. Guasti, Relazioni, 59. Das Datum der beiden Briefe, in denen Rucellai über den der Medi-

ci-Begünstigung verdächtigen Grafen informiert wurde, wird nicht präzise mitgeteilt, wird aber durch den Kontext auf den 13. oder 14.11.1494 einzugrenzen sein. Guasti hatte den monsignore di Brescia nicht identifizieren können und sah irrigerweise einen „prelato“ in ihm. Zum Aufenthalt Karls VIII. in Signa im Haus des Battista Pandolfini vgl. Gaddi, Sulla cacciata, S. 46; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 102; zum Pandolfini als Mediceer s. bes. unten S. 221–225.

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Medici-Bank und damit auch für deren in Chambéry residierende Lyoner Filiale.173 Sowohl Cerretani, der Anhänger der Medici, als auch Parenti, der das Netzwerk unbefangener durchleuchtende Medici-Gegner, äußerten klar, daß beim Tornabuoni mit dem Savoyer einer der maßgeblichen Ratgeber (uno de’ principali governatori; Parenti) Karls VIII. lebte, der von seinen wichtigsten Räten Philippe de Bresse und Guillaume Briçonnet wie ein Kind (so Cerretani) geführt werde. Der Savoyer sei ein mächtiger Anhänger (grandissimo partigiano; Parenti) Lorenzo Tornabuonis als auch Piero de’ Medicis. Luca Landucci wollte in diesem Zusammenhang nur den Glauben vieler wiedergeben, nach welchen Philippe de Bresse beim König nachdrücklich für die Restituierung der Medici-Herrschaft eingetreten sei.174 Klarer glaubte Francesco Guicciardini in seiner ‚Storia d’Italia‘ formulieren zu können, was Parenti mit seiner negativen Zuschreibung ausdrückte und was auch Cerretani bestätigt. Es habe unter den Räten des Königs nicht an solchen gemangelt, die ihn ermutigten, Piero de’ Medici wieder als Herrscher in Florenz einsetzen zu lassen, und besonders Philippe de Bresse habe dies getan, bewegt von privaten Freundschaften und Versprechungen.175 Ob der savoyische Herrscher persönlich mit Piero befreundet war, bleibt ungewiß; eher ist anzunehmen, daß aus seiner engen Freundschaft mit Cosimo Sassetti und Lorenzo Spinelli jenes energische Eintreten für Piero und damit für das gesamte Haus Medici erwuchs. Bei seinem Aufenthalt im Palast des Lorenzo Tornabuoni hatte Philippe de Bresse die Gelegenheit, zwei weitere Kämpfer für die Medici-Restituierung bestens kennenzulernen. Wohnten doch unter dem gleichen Dach ebenfalls Pieros Ehefrau Alfonsina Orsini und deren Mutter Caterina Sanseverino Orsini, die mittlerweile ihr schützendes Quartier im Konvent von Santa Lucia verlassen hatten, um in das Haus ihres Tornabuoni-Verwandten und -Freundes zu wechseln.176 Diese drei standen nun in Florenz an der Spitze derjenigen, die nachdrücklich auf den König eindrangen, sich um eine Wiederherstellung der MediciRegierung zu bemühen bzw., da diese nicht durchzusetzen war, im Friedensvertrag mit Florenz die Verbannungsbestimmungen für die exilierten Medici zu mildern. Über die zentrale Rolle der Caterina Sanseverino berichtet am deutlichsten Piero di Marco Parenti, obwohl er sie nicht beim Namen nennt. Während der Zeremonien und Verhandlungen zwischen der neuen Signoria von Florenz und dem französischen König hätten die Ehe173 Cerretani, Storia fiorentina, S. 214, 217; Parenti, Storia fiorentina I, S. 137f.; Landucci, Floren-

tinisches Tagebuch I, S. 123 (hier wird Lorenzos Vater Giovanni als Besitzer des Hauses bezeichnet); De Frede, L’impresa, S. 233. 174 Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 123, vgl. auch S. 117f., Anm. 3. 175 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 107 (I/16): Né mancava tra i principali del suo [Karls VIII.] consiglio chi alla restituzione di Piero de’ Medici lo confortasse, e specialmente Filippo monsignore di Brescia, fratello del duca di Savoia, indotto da amicizie private e da promesse); vgl. Cerretani, Storia fiorentina, S. 217. Diesem Urteil folgend: Ammirato, Istorie fiorentine VI, S. 171. Der Chronist F. Rinuccini behauptete gar, Philippe de Bresse sei durch das Geld der Mediceer korrupt gewesen, korrumpiert worden, womit er wohl die finanziellen Verbindungen des Savoyers mit den Medici-Bankiers, besonders denen in Lyon, negativ umschrieb; zitiert in De Frede, L’impresa, S. 233. 176 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 295.

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frau von Piero de’ Medici und ihre Mutter, eine Frau von Autorität und Führungskraft (donna di autorità e governo), zusammen mit Lorenzo Tornabuoni, Giannozzo Pucci und den anderen ‚Komplizen‘ Pieros nichts anderes unternommen, als mit Anstiftungen, Bestechungen und allen anderen unbilligsten Mitteln die Räte des Königs zu überzeugen, daß Piero ungerechterweise aus Florenz vertrieben worden sei und daß er zwecks Rechtfertigung zurückgeholt werden müsse.177 Überhaupt die Frauen: Parenti bestätigt noch an anderer Stelle, daß einige äußerst schöne und achtbare Frauen geholfen hätten, den König und seine Berater mit Hilfe von Unterschlagungen und Geschenken für die Restitution Pieros kämpfen zu lassen; er nennt Alfonsina Orsini, die Ehefrau Lorenzo Tornabuonis (Giovanna di Tommaso degli Albizzi), dessen Schwester, Schwägerin und andere nicht näher bezeichnete Damen.178 Auf die von der Forschung arg vernachlässigte Caterina Sanseverino und ihre zentrale Rolle für unser Thema wird noch näher einzugehen sein. Die in Florenz verbliebenen Medici-Angehörigen, ihre Florentiner und französischen Freunde sowie nicht zuletzt Karl VIII. selbst versuchten über Tage mit aller Macht, die Signoria zu einer Aufhebung ihrer Beschlüsse gegen Piero und seine Brüder zu bewegen, wobei vor allem das am 20. November verabschiedete Dekret im Mittelpunkt stand, mit welchem die drei Medici-Brüder in verschärfter Form als Rebellen verurteilt worden waren und ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt worden war.179 Doch die in der Mehrheit befindlichen Medici-Gegner wiesen dieses Ansinnen vehement zurück, prognostizierten großes Blutvergießen in Florenz und schlossen selbst eine Gefahr für den König nicht aus, sollte Piero nach Florenz zurückkommen. Diese hartnäckige Weigerung rief beim König und seinen Räten erheblichen Zorn gegen die Florentiner (Medici-Gegner) hervor, während diese nicht begreifen konnten, daß Piero innerhalb kürzester Zeit vom kapitalen Gegner des Königs zu dessen Günstling geworden war, und daß der König ihn gegen den Willen des Florentiner Volkes als Herrscher restituieren wollte.180 Obwohl Karl VIII. den Florentinern (offenbar vor dem 20. November) zugestand, für vier Monate nicht mehr über Piero de’ Medici sprechen zu wollen, blieb seine Erbitterung über dessen Gegner erhalten, ließen vor allem Alfonsina Orsini, Caterina Sanseverino, Lorenzo Tornabuoni und die anderen Anhänger Pieros nicht davon ab, den führenden Personen um Karl VIII. ‚in den Ohren und auf den Schultern zu sitzen‘, wie Parenti es ausdrückte.181 Es wird 177 Parenti, Storia fiorentina I, S. 135: Mentre che tra la nostra Signoria e la Maestà del re di Fran-

cia le sopradette cerimonie si esseguivano, la mogliera di Piero de’ Medici colla madre, donna di autorità e governo, inoltre Lorenzo Tornabuoni, Giannozzo Pucci, e li altri complici di Piero, a niente altro attendevano che con subornazione, corruttele e tutte altre vie iniquissime, persuadere a’ governatori del Re che ingiustamente Piero de’ Medici cacciato suto era di Firenze; e che lo facessino ritornare, a cagione che la verità s’intendessi e esso proprio potessi delli appostili falsi da altri cittadini difendersi, e colla Maestà del Re giustificarsi. 178 Parenti, Storia fiorentina I, S. 139. 179 Guidi, Ciò che accadde, S. 56 (wo aber wie gesagt irrigerweise nur Piero aufgeführt wird, dagegen statt seiner beiden Brüder sein Kanzler und Sekretär Piero Dovizi da Bibbiena mit einem Kopfgeld von 1.000 Fiorini). 180 Parenti, Storia fiorentina I, S. 135–139. 181 Parenti, Storia fiorentina I, S. 140.

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nicht primär ihnen zuzuschreiben sein, aber ganz in ihrem Interesse gelegen haben, daß die Franzosen kurz darauf (sicherlich ab dem 20. November, dem Tag der Rebellenverurteilung) doch wieder Forderungen an die Florentiner stellten, die auch die Exilierten betrafen. In Florenz sollte ein französischer presidente verbleiben, ohne dessen Wissen und Einwilligung keine politische Entscheidung mehr gefällt werden sollte (zur Ehre des Königs und zur Befriedigung der Medici); Florenz sollte 150.000 Dukaten Unterstützungsgeld an Frankreich zahlen und darüber hinaus für Piero und seine Brüder den Status exilierter Rebellen und das Kopfgeld aufheben, seiner Frau und dem Sohn das sichere Wohnrecht im Medici-Palast gewähren und nach dem Begleichen der Medici-Schulden das restliche Guthaben den Kindern Pieros übertragen; der Kardinal Giovanni sollte seine Florentiner Benefizieneinkünfte behalten dürfen; die Florentiner Festungen sollten zumindest bis zum Ende des Krieges in der Hand des Königs, Pisa generell zu seiner Disposition bleiben.182 Tatsächlich gelang es Karl VIII., diese in Florenz als äußerst schädlich betrachteten Forderungen zu einem großen Teil in dem am 26. November feierlich im Dom proklamierten Vertrag zwischen ihm und der Republik Florenz durchzusetzen, den der König laut Machiavelli nur deshalb abschloß, weil Piero de’ Medici seinem Rückkehrangebot nach Florenz nicht traute.183 Die Kröte eines französischen Gouverneurs brauchten die Florentiner nicht zu schlucken, dafür aber versprachen sie ihm die Zahlung von 120.000 Dukaten bis Juni 1495. In den Kapiteln sechzehn bis siebenundzwanzig des Vertrages wurde schließlich die causa Medici behandelt, deren zentrale Inhalte nicht nur den Einsatz Karls VIII. und des Philippe de Bresse für die Medici widerspiegeln, sondern die auch für die rechtliche Situation der Exilierten und deren weitere Entwicklung aufschlußreich sind. Explizit auf Bitten des Königs war das Kopfgeld aufgehoben worden, das dem Mörder Piero de’ Medicis versprochen worden war bzw. demjenigen, der ihn verhaftete und lebendig überbrachte, sowie der Piero auferlegte Status eines Rebellen. Dies ist wichtig, da nur auf der Grundlage dieses Status alle seine Güter konfisziert werden durften; ein solches Recht wurde nun revoziert. Piero stand jetzt nur noch unter der Strafe einer Verbannung (relegatio seu proscriptio), mit der generell auf keinen Fall die Konfiskation der unbeweglichen Güter verbunden sein durfte. Sie schrieb ihm jedoch vor, einen Mindestabstand von 100 Meilen (migliara) zu den Grenzen des Florentiner Territoriums einhalten zu müssen – es sei denn, der Medici hielte sich bei König Karl VIII. auf (was somit von diesem intendiert war)! Dann durfte er sich den Grenzen nähern, aber nicht (mit gewissen Ausnahmen) das Territorium betreten. Karl VIII. wollte erst nach vier Monaten offizielle Bitten an die Signoria richten, die Verbannung Pieros aufzuheben, wollte sich dann jedoch dem Urteil der Stadt beugen. Analog zu Piero wurden auch für Giovanni und Giuliano die Rebellenstrafe und das Kopfgeld revoziert, doch in ihrem Fall blieben ihre Güter solange konfisziert, bis alle Gläubiger und Gläubigererben der drei Medici-Brüder befriedigt worden waren! Hier 182 Parenti, Storia fiorentina I, S. 141. 183 Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 246 (chronikalische Notizen).

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wurden die geltenden Rechtsgrundsätze also außer Kraft gesetzt. Giovanni und Giuliano wurden ferner im Unterschied zu Piero nur 100 Meilen von den Stadtmauern relegiert. Wichtig war die in Punkt 24 festgelegte Entscheidung, nach welcher Giovanni de’ Medici alle Einkünfte seiner Benefizien weiterhin empfangen durfte. Da die Florentiner das Gegenteil außerhalb ihres Dominiums nicht durchsetzen konnten, betraf dieser Beschluß faktisch nur die nicht wenigen auf Florentiner Territorium liegenden Benefizien des Kardinals; er stellte für die materielle Versorgung der Exilierten eine erhebliche Erleichterung dar. Ihre Vermögenssituation betrafen auch weitere Punkte: In Kapitel 23 wurden die Medici-Interessen gewahrt, indem es forderte, daß für die Satisfaktion der MediciGläubiger ein Inventar der beweglichen Güter Pieros durch zwei Kaufleute zu erstellen war, von denen einer von Alfonsina, der andere von der Stadt zu bestimmen war. Diese beiden Kaufleute sollten die Güter (also Geld, Juwelen, Kunstobjekte usw.) in Kisten aufbewahren, für die sowohl Alfonsina als auch die Prioren der Signoria einen eigenen Schlüssel haben sollten. Wenn der Wert dieser „bona mobilia“ die innerhalb einer bestimmten Zeit zu erfassenden Forderungen der Medici-Gläubiger übersteigen sollte, sollte Alfonsina die restlichen Werte erhalten, sofern sie ein legitimes Mandat Pieros und seiner Brüder besaß. Durch diese Entscheidung wurde demnach diejenige relativiert, mit welcher entsprechend zur Aufhebung des Rebellenstatus die Konfiskation aller Güter Pieros rückgängig gemacht worden war, d.h. man differenzierte bei Piero zwischen (nunmehr geschützten) unbeweglichen und (weiterhin für die Schuldenbegleichung einzusetzenden) beweglichen Gütern. Weitere Artikel sahen vor, daß Alfonsina Orsini wieder im MediciPalast wohnen durfte, daß man für die Erstattung ihrer Aussteuer (dote) auf die Güter Pieros zurückgreifen, daß sie ihren Sohn Lorenzo nach Florenz kommen und bei sich wohnen lassen durfte, und daß sie schließlich ihre Diener behalten durfte, von denen zwei zu Piero geschickt werden durften.184 Wie sehr dem König daran lag, Piero an seinen Hof zu ziehen und zu binden, zeigt sich auch darin, daß er die Florentiner nach seinem Abzug bat, man möge dem in Venedig befindlichen Piero die Überquerung des Florentiner Bodens gestatten, damit er rasch in der Nähe von Rom zu Karl VIII. stoßen könne, mit Blick auf die Orsini (rispetto alli Orsini) – was man in Florenz auf jeden Fall verhindern wollte, abermals entsetzt über diesen so positiven Wandel der Beziehung zwischen Piero und Karl VIII.185 Die Besitzungen der Orsini um den Stammsitz Bracciano lagen im Norden von Rom, bildeten gleichsam eine Schranke für den über Rom nach Neapel ziehenden König. Das Orsini-Haupt Virginio aber, wir hörten es, stand damals noch in Diensten des aragonesischen Feindes, als dessen oberster Befehlshaber. Piero scheint eine Vermittlerrolle zugedacht worden zu sein. Tat184 Abdruck des Vertrages: Capitoli fatti dalla città di Firenze col re Carlo VIII (ASI 1842); Thuas-

ne, Burchardi diarium II, S. 647–656 (appendice 25), hier S. 654 zur Erlaubnis, daß Piero sich bei König Karl aufhalten dürfe, jedoch nicht innerhalb des Florentiner Territoriums (Celani hatte den Vertrag in seiner Burckard-Edition nicht abgedruckt). Vgl. zu den zentralen Punkten auch Parenti, Storia fiorentina I, S. 142–144; Mecatti, Storia cronologica, S. 475f.; Guidi, Ciò che accadde, S. 58–61 und Anm. 27 [vgl. Paraphrase oben im Text!] 185 Parenti, Storia fiorentina I, S. 145.

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sächlich werden die Orsini überraschend schnell große Zugeständnisse an Karl VIII. machen und sogar auf dessen Seite wechseln.

4. Die Säulen des exilierten Hauses Medici: Die Medici-Bank und der Mediceer-Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini, der Kardinal Federico Sanseverino und das römische Hochadelsgeschlecht der Orsini Eine Strukturierung des Stoffes ergibt sich durch ein Faktum, das sich in all seiner Macht und Konsequenz erst im Laufe der Forschungen ergeben hat. Als Verfasser steht man dabei vor einer darstellerischen Problematik. Man kann diesen Sachverhalt auf induktivem Wege analytisch im Laufe der Darstellung herausarbeiten und an einem späteren gegebenen Ort bzw. am Schluß synthetisierend als Ergebnis präsentieren; man kann ihn aber auch unmittelbar am Anfang der Darstellung vorstellen, weil er den gesamten Gang dieser Geschichte so fundamental prägt wie nichts anderes, weil es also im Interesse des Verständnisses – auf den Inhalt wie auf den Leser bezogen – liegt, daß diese das Ganze bedingende, diese formgebende Voraussetzung von Beginn an bekannt ist und nicht erst nach und nach immer sichtbarer wird. Ihre besondere Qualität wird durch eine Masse untrüglicher Quellen und Kontexte bezeugt, wobei so mancher Zeitzeuge präziser formulieren konnte, als wir es allein aus der Analyse der vielen Handlungsresultate gewagt hätten. Dieses Faktum besteht in der herausragenden Bedeutung einiger Freunde und ihrer politischen sowie ökonomischen Handlungsfelder, die sich gegenseitig ergänzen und in unterschiedlicher Intensität miteinander verknüpft sind: Sie gestalten, um im Bild des Medici-Netzwerkes zu bleiben, durch ihre effiziente Wirk- und Bindungskraft gleichsam das sichernde Rettungsnetz des aus großer Höhe fallenden Hauses Medici. In konstruktiver Hinsicht müßte man fokussierend präzisieren, daß diese Komponenten die zentralen bzw. verdichtetsten und damit einflußreichsten und wichtigsten Knotenpunkte des Netzes sind, in denen Beziehungen und Handlungsabläufe zusammenlaufen bzw. von denen sie ausgehen. Man könnte auch das Bild wechseln und nun statt von einem Sicherungsnetz und dessen Knotenpunkten von Säulen oder Pfeilern sprechen, welche die exilierte casa Medici tragen. Doch gleichgültig, welche Metaphern man bevorzugt, stets geht es darum, zum einen die Abhängigkeit der Medici von der Existenz und Qualität dieses Netzwerkes und seiner zentralen Knoten bzw. von diesen Säulen besser zu veranschaulichen, zum anderen zu verdeutlichen, daß es gar nicht die Medici selbst sind, die ihr Schicksal gleichsam eigenhändig tragen und formen. Nein, es sind die wichtigsten Freunde der Medici, denen wir ein solches Attribut zuerkennen dürfen; es sind, genauer gesagt, die beiden sich vielfältig durchdringenden und verflechtenden Strukturen des von den Medici-Bankiers geknüpften wirtschaftlichen Netzes und des von befreundeten Verwandten aus den italienischen Hochadelsgeschlechtern der Orsini und Sanseverino gebildeten familiären Netzes,

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aus denen nach Ausweis unserer Quellen jeweils der Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini und der hochadlige Kardinal Federico Sanseverino herausragen (die zudem eng miteinander befreundet waren) – ohne damit die Bedeutung anderer führender Mediceer relativieren zu wollen. Die Zeitzeugen haben sie bereits als das bezeichnet, was Immanuel Kant später als „Bedingungen der Möglichkeit“ bezeichnen wird: zu verstehen als grundlegende Voraussetzungen für die kommenden Handlungsabläufe, die sich ohne sie nicht entwickelt hätten. Eine solche gezielte Analyse grundlegender Funktionalität erfolgte offenkundig erstmals im Frühjahr 1497 durch zwei Florentiner Gesandte; einen hatten die Florentiner Dieci di Balìa, ein in Krisenzeiten für das Kriegswesen gebildeter Magistrat mit speziellen Kompetenzen, nach vorausgegangenen Warnungen eigens nach Rom geschickt, um das bedrohliche Treiben der Medici unter die Lupe zu nehmen. Wir werden ihre Meldungen im späteren Kontext noch eingehend darstellen und thematisieren; hier geht es vorerst nur um die Handlungsmöglichkeiten eröffnende Persönlichkeit. Der für die Florentiner Regierung seit dem November 1495 als ihr Kurienbotschafter aus Rom berichtende Florentiner Kuriale Ricciardo Becchi sowie der Anfang März 1497 nach Rom entsandte Notar Alessandro Braccesi berichteten übereinstimmend und mit großer Emphase, daß es in Rom einen Florentiner Bürger gebe, der nicht nur die Angelegenheiten der (mit den Medici paktierenden) Orsini organisiere, sondern generell die Ursache von vielem Übel (für Florenz) sei. Dieser Mann heiße Leonardo [di Zanobi] Bartolini, welcher der (von ihm seit einigen Jahren faktisch geleiteten römischen) Medici-Bank seinen Namen gegeben habe und der in diesem seinem Haus verschwenderische Abendessen gebe, zu denen immer der Kardinal Federico Sanseverino sowie der generell stets – und dies wird laufend bezeugt! – an dessen Seite befindliche Piero de’ Medici, sein Bruder Kardinal Giovanni und manch anderer der in Rom lebenden Florentiner komme! Im Haus dieses Bartolini würden die Medici und ihre engsten Freunde alle ihre Pläne gegen die Florentiner Medici-Gegner und zum Umsturz des Staates beraten und organisieren! Kraft Leonardo Bartolini erwachse den Medici jede Gunst, Gelegenheit zum Denken und Pläneschmieden und einige Reputation! Außerdem würde jeder neu nach Rom kommende Florentiner sofort von Leonardo Bartolini bedrängt, um ihn zu einem Gespräch mit Giovanni und Piero de’ Medici zu bewegen und ihn so auf die Seite ihrer Anhänger zu ziehen. Florenz solle also nach Möglichkeiten suchen, um diesen Bartolini zu entfernen, den die Gesandten (in zeitgemäßer, aber despektierlicher Umschreibung des Bedingungsverhältnisses) als Nest, als Brutstätte der Medici-Bank kennzeichneten (questo nidio, questa fraschonaia del Banco de’ Medici).186 Im Oktober 1501 bekräftigte der Jurist Francesco Pepi als Florentiner Gesandter in Rom diese wegweisende Bedeutung Leonardo Bartolinis für die Medici; dessen Namen 186 Vgl. ASF, DBR 46, c. 34 (1.3.1496/97, Ricciardus de Becchis bzw. Ricciardo Becchi, Rom), c.

40 (7.3.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom), c. 52 (14.3.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom), c. 58 (14.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom), c. 61 (17.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom), c. 70 (21.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom). Zitate und Näheres zur Sache unten S. 398–409.

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wollte er anfangs nicht nennen und gab ihn erst auf Nachfrage aus Florenz bekannt. Dieser Bartolini sei das Instrument für jede Angelegenheit, welche die Medici betreffe, da er geschickt sei und Talent habe – wenn Pepi ihn nicht gar als Genie ansah. Würde man ihn, was Pepi ebenfalls empfahl und dringend riet, von den Medici entfernen, blieben sie wie entkleidet und ohne Kompaß zurück!187 Die Medici dieses Mannes zu berauben sei genauso notwendig wie eine Entfernung der Orsini von den Medici, wegen des Geschicks oder der Klugheit bzw. (wohl am zutreffendsten:) Geschäftstüchtigkeit dieses Leonardo Bartolini und des Vertrauens der Medici in seine ‚Regierung‘. Überdies sei er ein größerer Freund des Federico Sanseverino als der Medici.188 Ob diese letzte Einschätzung generell, nur zu diesem Zeitpunkt oder in dieser Hierarchie gar nicht zutraf, wollen wir hier nicht entscheiden. Entscheidend ist die Tatsache, daß Leonardo Bartolini nicht nur die Handlungen der Medici organisierte und maßgeblich leitete, sondern auch ein ganz enger Freund des Kardinals Federico Sanseverino war, dessen das Haus Medici tragende Funktion man ebenso wie die der Orsini klar erkannte, die man immer wieder bestätigte, aber weniger prägnant formulierte. Seit 1497 wurde man sich dann auch nach und nach bewußt, daß nicht nur Leonardo di Zanobi Bartolini und „seine“ römische Medici-Bank den Florentiner Rebellen gewichtige Unterstützung zukommen ließen, sondern gleichfalls die in Florenz verbliebenen Medici-Bankiers. Doch mit diesem Netzwerk begeben wir uns auf ein historisch wie quellenkritisch völlig anderes Terrain. Diese Kaufmannsbankiers (wie sie korrekt zu bezeichnen wären) haben in dieser ihrer eigentlichen Funktion nicht in der Öffentlichkeit oder für eine solche gehandelt, obwohl sie oft auch Politiker waren; sie haben zwar innerhalb ihrer Gesellschaft immer auch über aktuelle politische Vorgänge berichtet, doch als Bankiers in der Regel nicht für staatliche Behörden. Wurden sie selbst zu Botschaftern gewählt, enthielten ihre Berichte natürlich nichts von ihren wirtschaftlichen Plänen. Das auf Waren- und Geldgeschäfte konzentrierte Wirken wurde nüchtern und sachlich kurz in verschiedenen Typen von Geschäftsbüchern festgehalten, teilweise auch in Briefen, die für niemand anderen bestimmt waren als für die Firma bzw. den Empfänger selbst. Der Zweck dieser Zeugnisse hat neben dem Nachteil meist karger Informationen jedoch den unschätzbaren Vorteil, daß diese zutreffend sind, denn eo ipso, aus dem sachlichen Zweck dieser Quellen heraus, mußte das Überlieferte, das für die interne Rechenschaftslegung Notierte, stimmen. (Der Kaufmann, der seine eigenen Bücher nicht korrekt führte, war schlicht ein schlechter Kaufmann; Bücher und Bilanzen fälschte er nur, wenn sie einer externen Öffentlichkeit vorgelegt werden mußten, welche er über die wahren Sachverhalte täuschen wollte.) Mittels einer auf die Inhalte wie die beteiligten Personen bezogenen kontextualen Analyse können allerdings selbst monotone Rechnungsposten und knappe Sachinformationen gleichsam riesige Panoramen historischer Bilder aufzeigen und manches offenbaren, was uns in anderen (und bisher meist vorzugsweise benutzten) Quellen verborgen bleibt und was nicht zuletzt 187 ASF, SR 22, c. 46 (14.10.1501, Francesco Pepi, Rom); s.u. S. 545. 188 ASF, SR 22, c. 72f. (Francesco Pepi, 21.10.1501 aus Rom); s.u. S. 546.

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deshalb geradezu unfaßbar erscheint. Daneben gibt es gleichwohl Geschäftsbücher und briefe, in denen durchaus über persönliche, politische oder kulturelle Motive und Gründe berichtet wird. Sie fanden wir gerade bei jenen in den politischen Relationen – mit Ausnahme Leonardo di Zanobi Bartolinis – so vernachlässigten, bei den so verschwiegenen Mediceer-Bankiers. Ein entscheidendes, nicht von ungefähr auch in der Forschung verkanntes Netz der Medici wird von der alten und berühmten Medici-Bank, von maßgeblichen und treuen Mediceer-Bankiers gebildet, d.h. durch das führende Personal der Medici-Bank und ihre engsten befreundeten Geschäftspartner. Raymond de Roover hatte in seiner einschlägigen Monographie über „The Rise and Decline of the Medici Bank“ einen wirtschaftlichen, finanziellen Niedergang der Medici-Bank in den 80er und 90er Jahren festgestellt, der dann durch die Exilierung im November 1494 zum Bankrott bzw. zum Ende der Bank geführt habe – ein Urteil, das bis heute nie revidiert worden ist.189 Weder er noch die nachfolgenden Forscher haben sich daher für die Zeit nach dem (durchaus zu problematisierenden) Ende der Medici-Bank mit diesem Personenkreis beschäftigt. (Allerdings haben sie auch den letzten Jahren des Niedergangs weit weniger Beachtung entgegengebracht als den Blütezeiten der Medici-Bank unter Cosimo de’ Medici.) Mit dem Ende der Handels- und Finanztätigkeit der Medici in den Jahren nach 1494 scheinen, so offenkundig die Ansicht der Forschung, die Medici schlagartig jedes Interesse und jede Notwendigkeit an wirtschaftlichen Aktivitäten verloren zu haben. Eine solche Unterstellung ist freilich schon aus so grundsätzlichen wie einfachen Erwägungen höchst fragwürdig. Denn wenn man bei den Söhnen des ‚prächtigen‘ Lorenzo eine Distanz zum Geschäftsleben konstatieren kann, so muß dies noch nicht bedeuten, daß ihnen jeglicher Sinn für ökonomische Fragen fehlte, und erst recht nicht, daß ihnen dies gleichgültig sein durfte. Gerade die dem Bankwesen entwachsenen Nachfahren der großen Medici-Bankiers mußten ein existentielles Interesse an den Finanzen ihrer casa haben. Denn wovon lebten eigentlich die exilierten Medici? Wovon lebten sie denn, wenn ihr Besitz nach 1494 konfisziert, das restliche Kapital ihrer Banken liquidiert worden sein soll? Oder traf dies gar nicht zu? Wie wollten sie ohne größere Guthaben und Einnahmen außer ihrer Existenzbewältigung eine Rückkehr nach Florenz realisieren, gar mit militärischen Mitteln? Besaßen sie also noch Vermögen, vermehrten sie es eventuell sogar? Wer verwaltete und organisierte ihre finanziellen Angelegenheiten? Und was ist schließlich aus all den erfahrenen und bewährten Köpfen geworden, welche die Medici-Bank bzw. ihre verschiedenen Filialen als Teilhaber und/oder Personal in den letzten Jahren leiteten und die keineswegs stets zum behaupteten ökonomischen Niedergang der Bank beigetragen haben müssen und hatten? 189 So noch 2001 Fazzini/Fici, Il Banco de’ Medici, S. 655 („durò per quasi cento anni, dal 1397 ...

al 1494, quando e Medici furono cacciati da Firenze e tutte le loro proprietà furono sequestrate ed assegnate ai sindaci o ai curatori“. Ich danke K. Weissen für den Hinweis auf diesen Aufsatz.) In gleicher Weise dem Fehlurteil De Roovers verpflichtet jüngst (2005 im Original bzw. 2007 in deutscher Übersetzung): Parks, Das Geld der Medici, etwa S. 8 („Die Bank wird 1397 gegründet und bricht 1494 zusammen.“). Näheres später im Kontext der Medici-Bank.

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Doch wir geben zu: Wenn unser Thema nicht die Exilszeit gewesen wäre, hätten wir diese Zusammenhänge und insbesondere die Bedeutung der den Medici verbundenen Kaufleute und Bankiers für diese Periode der Medici-Geschichte ebensowenig erkannt. Versucht man jedoch, Licht in das Dunkel der Exilszeit der Medici zu bringen, fällt die fundamentale Bedeutung der Bankiers bei der Sichtung der einschlägigen Quellen sofort ins Auge. Nicht nur gleich zu Beginn des Exils sind sie für die Exilierten aktiv, sondern während des gesamten Exilszeitraumes und weit darüber hinaus. Der personelle Nukleus wird sich dabei vergrößern, seine Geschlossenheit aber nicht verlieren. Er erscheint wie ein verschworener, sich zugleich vergrößernder Familienverbund. Kern dieser Großfamilie von Medici- und Mediceer-Bankiers ist die Medici-Bank. De Roover hatte freilich aufgrund des von ihm konstatierten (vermeintlichen) wirtschaftlichen Niedergangs der Bank mit einer voreingenommenen Perspektive die Quellen nicht ausreichend und gründlich genug analysiert, hatte darüber hinaus nicht alle erfaßt. In der Tat ist aus der Endzeit der Medici-Herrschaft und auch aus der Exilszeit nur wenig Material zur eigentlichen Medici-Bank erhalten geblieben. Was vorliegt, ist zudem meist nur nach 1494 durch entsprechende offizielle Anordnungen erstellt worden, weil der Florentiner Staat die Verpflichtung übernommen hatte, die Gläubiger der Medici zu befriedigen. Diese Dokumente müssen mit kritischen Vorbehalten benutzt werden, da sie von MediciBankiers verfaßt und größtenteils manipuliert bzw. gefälscht oder auf der Grundlage weniger, meist solcher Medici-Geschäftsbücher von Deputierten der Regierung erstellt wurden. Die Medici-Bankiers hatten selbstredend keinerlei Interesse, Außenstehenden und erst recht nicht ihren Gegnern Einblick in ihre Geschäftsaktivitäten zu gewähren. Auch aus diesem Grund scheinen nach Beendigung des Exils, also nach 1512, alle inkriminierenden Geschäftsdokumente der Zeit nach 1478 vernichtet worden zu sein; doch sind – möglicherweise als Resultat dieses Phänomens – generell nach 1469 keine Geschäftsbücher der Medici-Bank mehr erhalten.190 Einiges ist jedoch erhalten geblieben und von De Roover nicht berücksichtigt worden, so etwa ein Geschäftsbuch der noch lange nach 1494 aktiven Medici-Bank in Pisa und insbesondere die vielen und zentralen Bücher der Bartolini-Bank, die Lorenzo de’ Medici während der Pazzi-Kriege um 1480 bewußt als mediceische Tarnbank in seinem Geschäftsimperium etabliert hatte. Sie war überaus erfolgreich und profitabel sowie trotz ihrer formalen Eigenständigkeit eng mit jenen Gesellschaften verflochten, die bis 1497 unter dem Medici-Namen liefen; vor allem aber wirkte sie auch während der Exilszeit für die Medici. Die geradezu strategische Partnerschaft Lorenzo de’ Medicis mit Bartolomeo Bartolini hatte De Roover daher völlig übersehen, aber ebenfalls die noch nach 1494 existenten Medici-Banken und -Gewerbe, ihre Transformationen und die auch mit diesen Weiterentwicklungen verbundenen, aus der Mediciund Bartolini-Bank heraus aufgebauten Partnerschaften. Von einem finanziellen Bankrott der Medici-Bank läßt sich mitnichten sprechen.

190 Vgl. De Roover, Rise, S. 238, 366f., 393–395 (Liste der erhaltenen Rechnungsbücher, der

wichtigen Geschäftsbriefe und sonstigen Dokumente).

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Auf diese noch lange nach 1494 nachzuweisenden Geschäftsaktivitäten des gesamten Medici-Bankhauses bzw. der Mediceer-Gesellschaften und auf den gesamten Kontext ist noch ausführlich einzugehen. Hier ist zunächst das harte Faktum als solches herauszustellen, nicht nur um die geltende Forschungsmeinung über das Ende der Medici-Bank – die ja stets die eigentliche Basis für die Macht und den Ruhm der Medici gewesen ist! – zu korrigieren, sondern auch weil das Personal und die Geschäftspartner der Medici-Bank zu den sichernden Säulen des exilierten Hauses Medici gehören (dabei aber mit der „Säule“ Leonardo di Zanobi Bartolini gleichsam verschmelzen). Das ganze, bisher auch nicht vollends zu erfassende Ausmaß der Geschäftsstruktur, welche die Medici-Bank während der Exilszeit angenommen hatte, kann hier nicht in wenigen Sätzen skizziert werden. Notwendig ist jedoch der Hinweis, daß sich die Medici-Bank nicht nur dort befand, wo ihr Name im Titel erscheint. Vielmehr wuchs sie, bereits von Lorenzo de’ Medici aus äußeren Notwendigkeiten praktiziert und vorgeformt, in Gesellschaften hinein, die unter dem Namen eng befreundeter Partner firmierten (vgl. Tafel II, S. 1123). Einen Schlüssel bilden dabei die Bartolini, aber auch ein Lanfredini, Tornabuoni und Bracci sowie die Salviati. Sie alle formen zusammen mit Leonardo di Zanobi Bartolini, dem Sanseverino und den Orsini gleichsam vier Säulen des exilierten Hauses Medici, vier zentrale Knotenpunkte des die Medici und Mediceer tragenden wie verbindenden Netzwerkes. Mit dem Fall einer dieser Säulen wäre das gesamte Gebäude vom Einsturz bedroht oder würde einstürzen; mit der Vernichtung eines dieser Knotenpunkte würde das gesamte System des mit ihnen verknüpften Netzwerkes kollabieren bzw. stünde es davor – Erkenntnisse, die von der modernen Netzwerkforschung auf zahlreichen Feldern mit zum Teil großem Gewinn gemacht werden, wie wir am Schluß kurz erörtern werden. Gerade die zeitgenössischen Gegner der Medici kannten diese Wirkung sehr genau! Allerdings sahen sie keine reellen Möglichkeiten, die Orsini oder den Kardinal Federico Sanseverino auszuschalten oder mit anderen Mitteln von ihrer Hilfe für die Medici abzuhalten. Deshalb setzten sie dort an, wo sie sich am leichtesten und ehesten Erfolg versprachen: bei Leonardo di Zanobi Bartolini und bei der Medici-Bank. Aus diesem Grund forderten sie schon 1497 eine effiziente Entfernung Leonardos, um den Medici ihren Kompaß, um deren Strategien den Kopf zu nehmen. Noch früher, offenbar vor der Exilierung geplant, verlangten sie nach dem November 1494 mit der gleichen Intention eines Einsturzes der casa Medici, die Medici-Bank zu liquidieren und die Teilhaberschaft der Medici an ihr zu beenden. Die gesetzlich geforderte Befriedigung aller Gläubigerforderungen hätte die anderen Teilhaber bei gleichzeitig abzusehenen, von den Gegnern jedenfalls erhofften Problemen bei der Einziehung eigener Forderungen mit dem Bankrott bedroht. Davon konnte Ende 1494 allerdings noch nicht die Rede sein; dies zeigt schon die Erwartung der mit den MediciFinanzen einigermaßen vertrauten Staatsvertreter, die Medici-Gläubiger würden zu ihrem Recht kommen. Warum allen Außenstehenden gleichwohl die wahren Finanzverhältnisse und -strukturen der Medici-Bank sowie ihre Verbindung zu den exilierten Medici verborgen bleiben mußten und wie die Medici-Bankiers sich gegen die Absichten jener Feinde zu wehren wußten – das alles wird uns im Folgenden eingehend beschäftigen.

II. Tarnen und Täuschen: Das ökonomische Netzwerk der Mediceer (1478–1498) 1. Der Bankier und Familienvater Lorenzo de’ Medici: Die Vorsorge des Magnifico Die Familie Medici verdankte ihre politische Macht und ihren kulturellen Glanz bekanntlich dem finanziellen Erfolg ihrer Banken und sonstigen Firmen. Doch generell galt für jeden Florentiner der Oberschicht das Gesetz der unverbrüchlichen Einheit von Geld, Politik und Familie. Wer ein Element dieser Trias antastete oder mißachtete, ruinierte auch die beiden anderen.1 Alle drei Komponenten bedingten einander: Reichtum und politische Ämter sowie hoher familiärer, durch entsprechende Eheverbindungen gefestigter Status. Diese triadische Union wurde natürlich auch von den exilierten Medici nicht in Frage gestellt; mehr noch: gerade die für ihre Familie immer elementare, tragende Säule der finanziellen Potenz mußte in ihrer Situation größere Bedeutung denn je erhalten. Und selbst wenn sie in Florenz auf Familienpolitik und die politischen Ämter persönlich nur noch indirekt Einfluß nehmen konnten, unmittelbar und nachhaltig konnte ihnen dies über die Einflußreicheren ihrer engsten Freunde gelingen. Eine Untersuchung der Exilszeit der Medici und ihres Netzwerkes darf somit keines der drei Elemente verleugnen. Ansonsten würde das Proprium dieser Geschichte verfehlt werden; es kann nur durch alle drei Fenster erhellt werden. Der Weg zum wichtigen wirtschaftshistorischen Fenster ist freilich ein sehr steiniger, unbequemer – für den Historiker wie den Leser. Dies liegt nicht nur an der für manche spröden Materie, sondern auch an den verdunkelnden Manövern der Mediceer selbst. Doch glückliche Quellenfunde und eine Fokussierung auf die handelnden Personen konnten – oft zum ersten Mal überhaupt – Licht in diese Gewölbe bringen. Konstatiert man die Bedeutung von Geld und Reichtum für die Mitglieder der Florentiner Oberschicht, so ist damit keine Antwort auf die jeweiligen Kompetenzen der Betroffenen gegeben. Diese Frage ist besonders für Lorenzo de’ Medici sehr engagiert, in letzter Zeit aber auch kontrovers diskutiert worden. Anders als sein Urgroßvater Giovanni di Bicci und sein Großvater Cosimo zählte Lorenzo nicht zu den großen Bankiers seiner Familie. Eine Bankausbildung hat er nicht mehr genossen oder genießen müssen. Die praktisch-technischen Seiten der Geldgewinnung dürften ihm weitgehend verschlossen geblieben sein. Er war also sehr abhängig von seinem Führungspersonal. Und dessen Spitze ließ vor allem für die Zeit bis um 1480 auch unfähige oder unglücklich operierende Mitarbeiter wie Tommaso Portinari in Brügge oder Lionetto de’ Rossi in Lyon in leitender Funktion wirken. Unabhängig von der Frage nach seinem Fachwissen wird man Lorenzo jedoch eines nicht unterstellen können: Daß ihm die Bedeutung wirtschaftlicher Prosperi1

So etwa jüngst Martines, Die Verschwörung, S. 44, 131f. Dies Prinzip hatten alle unsere Protagonisten verinnerlicht, selbst der hohe Kuriale Lorenzo Pucci, der eine überaus hohe Kompetenz und starke Interessen in Finanz- und Geschäftssachen besaß; s.u. S. 831–834.

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tät sowohl für den Machterhalt als auch für den weiteren Aufstieg des Hauses Medici nicht, und zwar mit Nachdruck, bewußt gewesen sei. Die neuere Forschung konnte das negative Urteil über die geschäftlichen Fähigkeiten des Magnifico revidieren, indem sie ihm gerade für die Jahre ab ca. 1480 ein stärkeres Engagement für die ökonomischen Belange seines Hauses konzediert hat.2 Dementsprechend wurde er auch (so noch im September 1487) von Lorenzo Spinelli, dem neuen Leiter der Lyoner Medici-Bank, gelobt: Zu seiner Freude interessiere sich der Magnifico jetzt für die Geschäfte und leite sie besser als vorher!3 Zu entsprechenden Einsichten und Konsequenzen, welche die eingesetzten Mittel nach ihrer Effizienz beurteilten, müssen vor allem zwei Tatsachen geführt haben. 1.: Die durch Sixtus IV. seit 1474 angewandten massiven Repressalien gegen die profitabelste der Medici-Banken, diejenige an der römischen Kurie, mit denen der Papst im Gegenzug die Florentiner Kaufmannsfamilie der Pazzi als härteste Konkurrenten der Medici förderte.4 Die Abhängigkeit seines Reichtums und somit seiner Machtstellung von der Gunst des jeweiligen Papstes wurde Lorenzo de’ Medici in drastischer Weise vor Augen geführt, als Sixtus IV. 1474 die Medici-Bank als Hausbank entließ, eine Überprüfung ihrer Bücher anordnete und 1476 das äußerst lukrative päpstliche Alaunmonopol nicht mehr den Medici, sondern den Pazzi übertrug.5 Diese päpstliche Unterstützung der Pazzi kulminierte schließlich – bedingt auch durch weitere Faktoren – im Attentat der PazziPartei auf Lorenzo de’ Medici und seinen Bruder Giuliano am 26. April 1478 sowie in den darauf folgenden Kriegen. Obwohl die römische Medici-Bank nach der Aufhebung des päpstlichen Interdikts über Florenz Ende 1480 ihre Tore wieder öffnen durfte und einen finanziellen Neuanfang beginnen konnte, blieben ihre Geschäfts- und damit Gewinnmöglichkeiten bis 1486/87 stark eingeschränkt. Verstärkt wurde das römische Finanzdesaster zum einen durch das der Medici-Bank in Brügge, die nach dem Tod des bei dieser Bank hoch verschuldeten Herzogs Karl der Kühne von Burgund im Jahr 1477 ein ruinöses Ende erlitt, zum anderen durch die Mißwirtschaft des Leiters der Lyoner Medici-Bank, Lionetto de’ Rossi, der man erst Mitte der 80er Jahre ein Ende setzte. 2.: Analoge Erkenntnisse über nicht zu steuernde Unwägbarkeiten mußten Lorenzos eigenen Gesundheitszustand und die Konsequenzen betreffen. Er litt an einer lebensbedrohenden Gichterkrankung, die schon Jahre vor seinem frühen Tod in so schweren und schmerzvollen Schüben auftrat, daß er sich über die Folgen keinen Illusionen hingeben konnte. Einige Zeit vor seinem Tod mußte er sich demnach bereits mit der Frage beschäftigt haben, ob sein Nachfolger den Stellenwert der Ökonomie für die Zukunft des Hauses Medici ebenso eindringlich erkennen würde wie er es in leidvollen Prozessen tun mußte. 2 3 4 5

Vgl. neben den Forschungen von Alison Brown v. a. Bullard; etwa das Urteil in: Dies., Lorenzo il Magnifico, S. Xf. De Roover, Rise, S. 365. Hierzu jüngst Martines, Die Verschwörung. Vgl. zum Schicksal der Brügger Medici-Bank De Roover, Rise, S. 346–357; zu dem der römischen Bank vgl. vor allem Bullard, In Pursuit, bes. S. 133–136; Dies., Banking on Reputation, S. 155f.; Dies., Fortuna, hier bes. S. 235f.; Martines, Die Verschwörung, etwa S. 100f., 106.

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Hier konnte Lorenzos nüchternes Urteil nur negativ ausfallen. Sein Erbe an der Spitze des Staates wuchs, vom Vater gefördert, in den baronalen Hochadel hinein. Piero wird sich noch stärker als sein Vater vor 1480 von der Welt der Bankkontore und Geschäftsbücher entfernt haben, wenn er sie denn überhaupt je betreten hat. Nun konnte man dieses Problem natürlich weitgehend durch kompetente Bankiers kompensieren. Nur mußte der künftige Herr des Hauses Medici dann auch über die Bereitschaft verfügen, auf den Rat dieser Führungskräfte zu hören, sich ihren Entscheidungen zu beugen, sich ihnen unterzuordnen. Und genau hier mußte Lorenzo de’ Medici ein Problem erkannt haben. Vom Charakter und den Vernunftgaben seines ältesten Sohnes Piero besaß der Magnifico offenkundig eine genauso unverfälschte Kenntnis wie von dessen Desinteresse für alles Geschäftliche. Der den Medici nahestehende Chronist Bartolomeo Cerretani wußte zu berichten, der Magnifico habe mehrmals – die Zukunft ahnend – bemerkt, er frage sich, ob Piero nicht eines Tages der Ruin des Hauses Medici würde; als weiser Mann habe Lorenzo dies gewußt und vorhergesagt!6 Die geschäftliche Zukunft des Hauses Medici konnte Lorenzo erst recht nicht seinem zweiten, am 11. Dezember 1475 geborenen Sohn Giovanni anvertrauen, denn ihm hatte er mit großer Energie eine geistliche Karriere geebnet, deren vorläufigen Höhepunkt er mit der fürstengleichen Kardinalserhebung 1489 und dann der tatsächlichen Überreichung des Roten Hutes im März 1492 noch erleben, damals aber aufgrund seiner schweren Krankheit trotz größter Freude nur sehr eingeschränkt mitfeiern konnte.7 Sein dritter Sohn schließlich, der am 12. März 1480 geborene Giuliano, war noch ein Kind, als Lorenzo starb.8 Sollte der kluge, rationale Lorenzo angesichts dieser Konstellation nicht spätestens seit Kenntnis seiner schweren Gichterkrankung, an der schon sein Vater Piero di Cosimo zu früh gestorben war und die ihn seit 1485 so plagte, daß er jeden Herbst zu immer intensiveren Bäderkuren abreiste, die er sogar von Beginn an wegen ihrer heftigen Ausbrüche sehr nüchtern als seine Todesursache voraussagte, sollte er vor diesem Hintergrund nicht tragfähige Vorkehrungen für die künftige wirtschaftliche Stabilität seiner Familie getroffen haben, die über Hoffnungen auf doch noch eintretende Persönlichkeitsänderungen Pieros hinausgingen?9 6

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Cerretani, Storia fiorentina, S. 186 (Et come presagiente dixe [Lorenzo de’ Medici] più volte che dubitava che Piero un dì non fussi la rovina di casa loro, il che come savio chonobbe et predixe.). Picotti, Giovinezza, S. 295–356, S. 313–320 zu den Feierlichkeiten im März 1492; wie sehr Lorenzo gerade sein Sohn Giovanni am Herzen lag, bestätigt auch Parenti, Storia fiorentina I, S. 21. Vgl. zu dieser Konstellation auch De Roover, Rise, S. 369f., doch wollte er keinerlei Intervention oder Vorsorge des Magnifico erkennen, dieser großen Gefahr für die Zukunft der Medici aktiv entgegenzutreten – zumindest thematisiert De Roover diese Frage überhaupt nicht. Und dessen Behauptung, der für das Staats- wie Geschäftswesen unfähige Piero habe nach Lorenzos Tod das Management der Medici-Gesellschaft seinem ebenfalls nicht bestens geeigneten Großonkel Giovanni Tornabuoni überlassen – so daß dieser die Geschäfte allein geführt hätte –, ist alles andere als zutreffend. Zum Geburtstag Giulianos vgl. Tratte, s.v. Zu den Gichtanfällen Lorenzos vgl. etwa Walter, Der Prächtige, S. 286f. Lorenzos Biograph Niccolò Valori betonte sehr eindringlich, der Magnifico habe vor seinem Tod am 8.4.1492 mehrmals schwere Ausbrüche seiner Krankheit erleiden müssen, die er wegen seines jungen

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Die Forschung hat sich diese Frage offenbar nicht oder nicht sehr eindringlich gestellt, doch erscheint sie mehr als berechtigt. Wenn aber die eigenen Söhne nicht für die Sicherung und Verbesserung der ökonomischen Existenz in Frage kamen, blieben Lorenzo nur seine engsten, vertrautesten der befreundeten Geschäftspartner, deren Loyalität am besten noch durch verwandtschaftliche Bindungen gefestigt war. Ob der Magnifico entsprechende Maßnahmen ergriff, ist ebenfalls bisher nicht erörtert, vielleicht gar nicht als Möglichkeit in Erwägung gezogen worden. Auch der Verfasser ist erst im Laufe der Untersuchung auf diese Form der Fürsorge des Magnifico für seine casa Medici gestoßen, durch einzelne Phänomene, die für sich erstaunlich und der Nachfrage wert waren. Zusammen ergeben sie ein doch sehr deutliches Bild, vor allem wenn man es in seiner prozeßhaften Entwicklung betrachtet. Auf einige zentrale Punkte sei zwecks besserer Orientierung vorverwiesen. Lorenzo de’ Medici gründete tatsächlich genau dann – nämlich 1478 und 1482 und am Ende des Jahres 1491 – neue Gesellschaften mit seinen intimsten Freunden und mit erstaunlichen Geschäftsstrukturen, als die Folgen der Pazzi-Krise und seiner schweren Krankheit ihn dazu geradezu nötigten. Trotz der letztlich für ihn innen- wie außenpolitisch erfolgreichen Beendigung der Pazzi-Kriege 1480 blieb es bei einer nicht zuletzt von Papst Sixtus IV. verschuldeten manifesten Beeinträchtigung seiner Bankgeschäfte und demzufolge großen finanziellen Problemen, die ihn veranlaßten, zentrale Finanzaktivitäten nicht mehr unter seinem Namen, sondern dem engster Vertrauter auszuüben. Sie gerechtfertigten sein Vertrauen weit über seinen Tod hinaus. Diese Strategie intensivierte Lorenzo (in etwas modifizierter Form) sogar, als er die tödlichen Folgen seiner gefährlichen Krankheit durch einen im Herbst 1491 beginnenden, anfangs unterschätzten, schlecht kurierten und daher langwährenden, sich von Ende Dezember bis Mitte Februar noch dramatisch steigernden Ausbruch der Gicht aufrichtig und nüchtern anzuerkennen hatte!10 Lorenzo de’ Medici verlor das (wirtschaftliche wie allgemeine) Schicksal seiner Dynastie in dieser Situation nicht leichtfertig aus den Augen, sondern verteilte es offenen Auges auf mehrere starke Schultern, mit denen er zum Teil seit längerem gleichsam einen ganzen Körper bildete.

Alters noch gut überstehen konnte, die er dennoch seit ihrem ersten Auftreten als sein Ende beurteilte; Valori, Vita, S. 104f. (nientedimeno in principio di questa malattia giudicò e previde il suo fine. E lo predisse non solo a Filippo Valori ..., ma ancora ad Andrea Cambini, maestro di casa e preposto alle faccende sue.). 10 Vgl. zum Ausbruch der schweren Phase seiner Gichterkrankung Guicciardini, Storie fiorentine, S. 72 (E questo è che nel detto anno 1491 avendo Lorenzo de’ Medici avuto un male lungo e giudicato nel principio da’ medici di non molta importanza, né forse curato con la diligenzia si conveniva, e però occultamente avendo sempre preso forze, finalmente a dì ... [8] di aprile 1492 passò della presente vita); sowie Walter, Der Prächtige, S. 286f. (Ende Dezember wurde die Erkrankung dann so gravierend, daß er ab ungefähr dem 29.12.1491 nicht mehr das Haus verlassen konnte, dann im Februar an das Bett gefesselt war, da er überall unerträgliche Schmerzen hatte, die ihm weder den Besuch von Gästen noch das Hören von Briefen erlaubten. In der zweiten Februarhälfte trat eine kurzzeitige Besserung ein, die dennoch von weiteren Schüben begleitet war, die wieder so schlimm wurden, daß er ab Mitte März sein Ende definitiv nahen sah).

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Ein kurzer Blick mithin durch ein Fenster, das eben auch deshalb so schwer zu erreichen ist, weil die auf die finanziellen Aktivitäten der Medici gerichtete Forschung niemals eine exakte Analyse jener Beteiligungen und Partnerschaften unternommen hat, die Lorenzo de’ Medici eingegangen war. Eine wichtige Frage für uns, denn seine exilierten Söhne wurden finanziell unterstützt. Aber wer sollte dazu bereit und in der Lage gewesen sein außer jenen intimen Partnern des Magnifico?! Nur sie können sich dazu verpflichtet gefühlt und über das notwendige, eventuell sogar vermehrte Kapital verfügt haben – vor allem wenn sie, wie es tatsächlich der Fall ist, das ökonomische Erbe Lorenzos erfolgreich verwalteten.

2. Die Struktur der Medici-Bank a) Rechtlicher Aufbau Im Gegensatz zu anderen Florentiner Gesellschaften, bei denen das Mutterhaus in Florenz und die einzelnen Filialen eine rechtliche Einheit bildeten, hatten die Medici für ihre Bank schon sehr früh im 15. Jahrhundert die Struktur einer Holding ausgebildet, wie Fazzini und Fici jüngst darlegten. Jede ihrer Filialen habe eine getrennte juristische Einheit dargestellt, mit eigenem Namen, eigenem Kapital, einer eigenen Verwaltung und eigenen Rechnungsbüchern. Untereinander hätten diese Filialen sich somit als Klienten behandelt – wobei sie zugleich miteinander kooperierten, dann aber ihre jeweiligen Gewinne getrennt berechneten. Die Medici-Bank sei daher als erste wirkliche Holdinggesellschaft zu bezeichnen.11 Dies bedeutete allerdings nicht, daß alle Filialen für sich allein verantwortlich waren, nur für sich arbeiteten. Eine übergeordnete Funktion kam der in Florenz ansässigen Medici-Bankgesellschaft zu, wie die bis 1451 erhaltenen Geheimbücher der Medici-Bank zeigen, in denen Kapitalzuweisungen und die Konten der Partner verzeichnet waren. In der Florentiner Filiale kam sogar das gesamte Kapital von den Medici. Die (auch dieser Filiale übergeordnete) Florentiner Mutter-Bank verfügte in der Regel über mehr als 50% (bis zu 100%) des Kapitals der einzelnen Filialen und konnte sie auf diese Weise kontrollieren. Für diesen Zweck sind zudem Klauseln in die Gesellschaftsverträge eingebaut worden, nach welchen die Bücher und Papiere der einzelnen Filialbanken zu bestimmten Zeitpunkten zur Kontrolle in Florenz vorgelegt werden mußten. Die Direktoren der Filialen mußten stets zum Ende eines Rechnungsjahres im März Saldi und Bilanzen der Konten erstellen, die Gewinne und Verluste berechnen, und das Ganze in einer Kopie an den Hauptsitz in Florenz senden. Dort wurden diese Bilanzen dann von dem Generaldirektor bzw. -manager der Medici-Bank – der somit über den

11 Fazzini/Fici, Il Banco de’ Medici, hier S. 661, fußend auf den Forschungen und Erkenntnissen

De Roovers.

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einzelnen Filialdirektoren stand – auf ihre Stimmigkeit überprüft.12 Bei Lorenzo de’ Medicis Tod 1492 gehörten zur Medici-Gesellschaft zum einen außer den Filialbanken in Florenz, Pisa, Rom, Neapel und Lyon noch drei Verarbeitungs- bzw. Produktionsbetriebe (Seide, Wolle und Goldschläger), von denen er zwei erst wenige Monate vor seinem Tod gründete. All diese Banken und Firmen liefen unter einem Medici-Namen. Unsere besondere Aufmerksamkeit muß freilich zum anderen zwei weiteren Banken gelten, die nicht den Namen der Medici trugen, da sie gleichsam als Medici-Tarnbanken von Lorenzo de’ Medici gegründet worden waren und von ihm als anonymem Mehrheitseigner dominiert wurden. Nicht nur, daß ihre ganze Konstruktion und Entwicklung ein äußerst spannendes Kapitel der Geschichte der Medici und der europäischen Wirtschaft bietet: Gerade diese beiden Banken werden eine maßgebliche Rolle für die exilierten Medici und ihre engsten Freunde spielen; mit ihnen und durch sie erkennen wir die Struktur der geheimen mediceischen Finanzpolitik.

b) Die getarnten Bankgesellschaften des Lorenzo de’ Medici: Bartolomeo Bartolini e compagnia in Florenz und Lyon Etwas geheimzuhalten ist in der Regel dadurch begründet, daß die Handlungen des Betreffenden mit den Regeln des Gemeinwesens, in dem er lebt, nicht konform sind, und daß er deshalb fürchten muß, Sanktionen unterworfen zu werden, sollte sein Handeln bekannt werden. Einen derartigen Verdacht bzw. Vorwurf äußerte schon Francesco Guicciardini gegenüber Lorenzo de’ Medici und seinem Partner Bartolomeo Bartolini, und zwar im Zusammenhang mit dem Pazzi-Krieg 1478/79, bei dem das Geld für die Besoldung der florentinischen Soldaten im Auftrag Lorenzos über die Bartolini-Bank lief, an der dieser, wie Guicciardini uns bezeugt, partizipierte – so daß er aus der staatlichen Pflicht einen Gewinn erzielen konnte.13 Die Bartolini Bank firmierte zuerst von 1476 bis 1478 unter dem Namen Bartolomeo di Lionardo Bartolini e Francesco del Tovaglia e compagnia, dann ab 1478/79 (mit z. T. gleichem Personal, doch nicht mit denselben Partnern) als Bartolomeo Bartolini e compagnia di Firenze, deren Gesellschaftsvertrag zunächst bis 1482 galt. Doch sowohl deren alltägliche Geschäftsbücher (libro grande dei debitori e creditori, giornale etc.) als auch ihre Geheimbücher (libri segreti), in welchen die einzelnen Partner, Kapitalbeträge, Anteile und Gewinnaufteilungen festgehalten wurden, sind im Archiv der Familie Bartolini Salimbeni nicht überliefert.14 Scheint dies ein zufälliger 12 Fazzini/Fici, Il Banco de’ Medici, hier bes. S. 661–665. Zu dem zentralisiert-hierarchischen

Aufbau der Medici-Bank, der bis zum Tod des Generalmanagers Giovanni Benci (1455) nachzuweisen ist, vgl. De Roover, Rise, S. 77–90, der für die spätere Zeit allerdings keine Aussagen zur genauen Struktur der Medici-Bank machen kann, diese Frage aber auch nicht thematisiert. 13 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 76f. Vgl. Brown, Medici in Florence, S. 117; Dies., new men, S. 137; Dies., Lorenzo and Guicciardini, S. 287, 292–294. 14 Eindeutig belegt sind die beiden ersten Bartolini-Banken im (persönlichen?) Schuldbuch des der Florentiner Medici-Bank angehörenden, dem Magnifico immer stärker zugeordneten Filippo da Gagliano; ASP IV/1, c. 44/XLIIII (Bartolini-Tovaglia-Bank 1476–78), c. XLVII (im conto di cassa erfolgen Einzahlungen dieser Bank jedoch schon ab April 1478 durch Bartolomeo Barto-

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Verlust zu sein, so weist das Fehlen solcher Bücher im Archiv der Medici auf eine geplante Vernichtungsaktion, denn für den gesamten Zeitraum (ab 1469) sind keinerlei Geschäftsbücher der Medici-Bank erhalten. Nach De Roover seien inkriminierende Dokumente über die Geschäftsaktivitäten der Medici-Bank ab 1478 mit der Rückkehr der Medici 1512 vernichtet worden, um den illegalen Griff in die Staatskasse zu verschleiern.15 Was wir im Archiv der Medici an Büchern vermissen – auch wenn sich dort durchaus andere einschlägige Zeugnisse finden lassen –, ist freilich in der Hinterlassenschaft von Lorenzos wichtigstem Partner Bartolomeo Bartolini in hinreichender Klarheit vorhanden. Die Finanzpartnerschaft zwischen Lorenzo de’ Medici und Bartolomeo Bartolini wurde 1482, nach den ruinösen Jahren des Pazzi-Krieges, nochmals intensiviert. Denn zum einen litt die früher hochprofitable römische Medici-Bank weiterhin unter dem von Papst Sixtus IV. angelegten Zwangskorsett, zum anderen wollte der Medici weitere Wege finden, seine Finanzen so zu verbessern, daß ohne ungewollte Kenntnis Dritter primär er davon profitierte, nicht der Staat. Zu diesem Zweck erneuerte Lorenzo de’ Medici 1482 jene Tarnbank, die in Florenz seit 1478/79 (nur) unter dem Namen seines Partners Bartolomeo Bartolini lief, und gründete zugleich eine neue zweite in Lyon, die zunächst den Namen seines Mitarbeiters und Partners Lorenzo Spinelli trug, ab 1486 aber ebenfalls den des Bartolini. Für beide Banken und einige der ihnen nachfolgenden Gesellschaften sind die Geheimbücher und weitere Geschäftsbücher überliefert. Beginnen wir mit der Struktur der Florentiner Bartolini-Bank. Die Florentiner Bartolini-Bank, ihre Partner und ihre Synthese mit staatlichen Institutionen Nominell gab es in der zum 26. März 1482 gegründeten Bank Bartolomeo Bartolini e compagnia di Firenze nur drei Partner: Filippo di Piero da Gagliano, der 4.000 Fiorini (larghi di grossi) in den Kapitalstock (corpo) bzw. die Stammeinlage der Gesellschaft einbrachte, Bartolomeo di Leonardo Bartolini mit einem Kapitalanteil von 2.000 Fiorini sowie Francesco di Ser Jacopo Bottegari mit 1.000 Fiorini. Die 4.000 Fiorini hatte Filippo im übrigen in bar(!) eigenhändig in die Bartolini-Bank getragen, während er sich bemerkenswerterweise auch für die 1.000 Fiorini Bottegaris sowie für 1.000 Fiorini Bartolinis als Gläubiger bezeichnete, um diese demnach als Debitoren zu registrieren. Denn hinter Filippo stand eine weitere Person, die diesen steuerte, ihm 3.000 Fiorini seines Kapitals und offenkundig auch die anderen Kapitalbeträge zur Verfügung stellte. Dies war ‚sein lini e compagnia!), 51/LI. (Posten für Bartolomeo Bartolini e Co. ab Januar 1479) u.ö. Ihr Kassierer hieß schon 1476 Giovanni d’Ambra – eine wichtige Person, die uns noch öfter begegnen wird, denn unter seinem Namen wird später in der Exilszeit eine Florentiner Bank geführt, die eindeutig mediceischen Interessen diente. Der im Gesellschaftsnamen der ersten Bartolini-Bank aufgeführte Francesco del Tovaglia stand schon in den 60er Jahren der Medici-Gesellschaft nahe, als er in Frankreich Seidengeschäfte für die Lyoner Medici-Bank durchführte, und war noch Anfang der 80er Jahre als Leiter einer dieser Bank zugeordneten Medici-Seidengesellschaft in Lyon im Gespräch; vgl. De Roover, Rise, S. 295, 297–299, 368 und s.v. 15 De Roover, Rise, S. 238, 366f.

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Freund‘ (amico suo), wie – zugleich erläuternd wie verdunkelnd – sowohl im Geheimbuch der Bank als auch im privaten Rechnungsbuch Filippos formuliert wurde, um dann doch diesem Freund für sein Konto bei der Lyoner Schwesterbank das Sigle „L“ zu geben und ihn im Kontext einzelner Geldzuweisungen klar als Lorenzo de’ Medici zu enthüllen.16 (Eine systematische Untersuchung solch anonymisierter Freunde und Konten in den Florentiner Rechnungsbüchern jener Zeit hat ergeben, daß das benutzte Sigle stets dem Anfangsbuchstaben des Vornamens oder einer Institution entsprach.17) Wie die einzelnen 16 ABS 224, hier bes. c. 2–VI; ABS 106, hier bes. c. I–2, 20, 25; ASP IV/1, c. 79 (Lorenzo di Piero

di Coximo de’ Medici proprio de[ve] dare a dì II d’aprile 1482 fl. 1.250 l.gr., fatti buoni per lui a Bartolomeo Bartolini e Co. posto debbino avere in questo a c. 112, de’ quali mi l’anno fatto chreditore al loro libro segnato verde a c. 6 in nome d’uno amicho di Filippo da Gagliano che in detto nome m’ordino detto Lorenzo ordinassi a detti Bartolini ne lo faciessino creditore), c. CXII (Bartolomeo Bartolini e Co. deono avere [2.4.1482] fl. 1.250 l.gr. fo loro buoni per conto di uno amicho el quale detti Bartolini ne l’anno fatto creditore alloro libro segnato verde c. 6 in nome di uno amicho di Filippo da Gagliano che chosì mi ordinò detto amicho che è come apare in questo c. 79 dove ne l’o fatto debitore), vgl. zu den Kapitaleinlagen ferner ebd. c. 113/CXIII, CXXI (die anonym verbuchten 3.000 fl. erscheinen hier nochmals gesondert im Konto Lorenzo de’ Medici per uno conto da parte de’ avere). Zahlreiche weitere Beispiele dieser paradoxen, sich selbst enthüllenden Geheimhaltung ließen sich aufführen. Als Einlagen Dritter in den sopracorpo erscheinen z.B. 1.600 fl., die Niccolò d’Antonio da Cignano für die alte BartoliniBank dem Bottegari am 26.3.1482 gab, der für den gleichen Zweck am 13.8.1482 von Giovanni di Francesco Tornabuoni 1.000 fl. erhielt; ebd. c. 3. 17 Nicht selten wurden die Kürzel aufgelöst. Dabei zeigt sich, daß der Begriff „Freund“ auch nahe Verwandte einschloß. Lorenzo di Bartolomeo Bartolini verzeichnete in seinem Haushaltsbuch einen Kredit für uno amicho segnato C, um dazu zu erklären, daß dieser Freund seine Schwester Cassandra sei, Ehefrau von Carlo Ginori (Nota come il sopradetto amico è madonna Caxandra donna di Carlo Ginori e nostra sorella); ABS 369, c. 50. In einem Schuldbuch der Lyoner Bank des Leonardo di Bartolomeo Bartolini löste man 1500 ein Depositenkonto für einen amicho del nostro Leonardo segnato L auf und schrieb hinzu, el quale è Luigi Ciei; ABS 231bis, c. 8. Bei einem bilanzierenden Geschäftsabschluß der Perini-Gesellschaft hieß es erläuternd: per chonto di uno amicho segnato M che vuol dire Matteo da Panzano; ASP I/436, c. XV. Analoges läßt sich für die Kürzel von Sonderkonten finden. Der von Giuliano da Gagliano geführte conto a parte L gehörte, wie er selbst erläuterte, Lanfredino Lanfredini, der conto a parte F hingegen seinem Bruder Filippo da Gagliano; ASP IV/5, c. 35, 85. Das von Giovanni di Bartolomeo Bartolini geführte Sonderkonto „Z“ resultierte aus seiner Funktion als Leiter der Zecca, geführt wurde es nämlich per conto degli avanzi che farà nella ministrazione della zecha; ABS 210bis, c. X. Generell scheint mir die Praxis der anonymisierten Konten eines bestimmten amico, der nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt war, weiterer Nachforschung wert. Sapori hat in einer Anmerkung zu dem Betrag eines anonymen Gläubigers amico nostro in der Bilanz der römischen Medici-Bank von 1495 eine knappe Erläuterung zu dem Verfahren gegeben, doch der Hinweis auf eine ausführliche Thematisierung bei De Roover, Rise, führt ins Leere; vgl. Sapori, Bilancio, S. 201, Anm. 159. Eine merkwürdige Investition eines amico der Medici erscheint in der Bilanz von 1495: Er hatte der römischen Medici-Bank Geld zum Ankauf und zur Renovierung von Häusern in Rom gegeben, die dann wieder verkauft werden sollten. Von den ihm 1495 noch zustehenden 218 Fiorini waren allerdings zu einem großen Teil noch einige Maurer und Zimmerleute zu bezahlen; vgl. Sapori, a.a.O., S. 201f., Nr. 214. Zu den anonymen Freunden vgl. auch Brown, new men, S. 134f. u. Anm. 81, 82. Die Kennzeichnung anonymisierter Personen, oft in conti a parte für Sondergeschäfte, durch die Initialen ihres Vornamens ist jüngst auch von Guidi Bruscoli festgestellt worden; vgl. Guidi Bruscoli, Papal Banking, bes. S. 188, 194.

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Anteile am Profit und Verlust zu Beginn festgelegt wurden, wissen wir nicht. Sie wurden erst im Zuge der Saldierung diese ragione zum 26. März 1487 genannt. Damals erhielt Filippo da Gagliano (als Strohmann) mit 10 Soldi und 8 Denari pro Lira 53, 33% des Gewinns, während der Bartolini und Bottegari mit je 4 Soldi und 8 Denari pro Lira bzw. 23, 33% partizipierten.18 Die Bank hatte in diesen fünf Jahren (ihrer zweiten bzw. dritten ragione) einen Gewinn von 26.000 Fiorini gemacht, von dem die beiden letztgenannten Partner jeweils knapp 6.067 Fiorini erhielten. Die gleiche Summe bekam Filippo persönlich, denn gut 7.800 Fiorini standen seinem Freund zu, Lorenzo de’ Medici, dessen Anteil 6 Soldi pro Lira bzw. 30% ausmachte.19 Der Profit ist gemessen am Kapital überaus hoch; zudem hatten die Partner den Kapitalbeitrag Bartolinis (wie bei Filippo und Francesco) schon 1484 auf 1.000 Fiorini reduziert, so daß das Gesamtkapital nun nur noch 6.000 Fiorini betrug. Daraus errechnet sich für die ersten beiden Jahre eine durchschnittliche jährliche Kapitalrendite von 74%, für die restlichen drei Jahre gar von gut 87% – ein überaus hoher Wert, den man (wie noch heute) wahrscheinlich nur mit Hilfe weiteren Kapitals von Freunden und durch außergewöhnliche, teils noch genauer anzusprechende Gewinne (aus Depositarsfunktionen, Teilhaberschaften und Zinsen) erzielen konnte.20 Die Kapitalreduzierung Bartolomeo Bartolinis resultiert aus einer erstaunlichen (um es milde auszudrücken) Maßnahme Lorenzo de’ Medicis, die vom Bartolini in seinen persönlichen ‚Erinnerungen‘ (ricordi) am Schluß des von ihm geführten Geheimbuches notiert wurde und eine zentrale Funktion dieser Bank erhellt. Mit einem Sondervertrag ihrer 18 Der Gesamtanteil war wie üblich rein rechnerisch auf ein Pfund, eine Lira, bezogen, dem 20

Soldi entsprachen, während 12 Denari einen Soldo bzw. 240 Denari eine Lira ergaben. 19 ABS 224, c. II, III, 27. Während für den Bartolini und Bottegari der Profitanteil mit 6066, 13, 4

Fiorini exakt angegeben wurde, wurde er für Filippo da Gagliano und seinen Freund, d.h. Lorenzo de’ Medici, nicht getrennt berechnet, sondern nur summarisch mit 13.866, 13, 4 Fiorini angegeben. Da hierzu erklärt wurde, daß der Freund mit 6 Soldi pro Lira partizipierte und Filippo wie die anderen beiden mit 4 Soldi und 8 Denari, erhielt Filippo ebenfalls 6.066, 13, 4 Fiorini, so daß für Lorenzo de’ Medici ein Betrag von genau 7.800 Fiorini blieb. Vgl. hierzu auch Brown, new men, S. 135, Anm. 82 (doch Browns Angabe, auf c. 27 sei zu lesen, daß von Filippos 13.866 Fiorini 8.410 seinem ‚Freund‘ gehörten, stimmt nicht; weder ist Lorenzos Anteil ausgerechnet worden noch trifft die Summe zu); zum hohen Gewinn vgl. auch Goldthwaite, Lorenzo Morelli, S. 632 (hier: 26.877 Fiorini, doch in den Konten sind nur genau 26.000 Fiorini larghi als Nettogewinn verzeichnet worden. Die Florentiner Strozzi-Bank konnte zwischen 1480 und 1489 „nur“ 12.972 Fiorini als Profit verbuchen.). 20 So war, wie im nächsten Abschnitt dargelegt wird, die Florentiner Bartolini-Bank mit 20% am Gewinn ihrer Schwesterbank in Lyon beteiligt (die ihr zum 24.3.1486 einen Gewinnanteil von 1.500 fl. vermelden konnte; ABS 224, c. XXIIII), ferner mit der gleichen Rate an der Florentiner Seidengesellschaft von Giovanni [di Berlinghieri di Francesco] Berlinghieri (von der sie am 7.1.1488 aus dem Nettoprofit von 2.850 fl. ihren Anteil von 570 fl. bekam; a.a.O.), der offenkundig die schon von seinem Vater und Großvater seit den 30er Jahren bis 1480 geleitete Seidengesellschaft der Medici unter seinem Familiennamen fortführte (vgl. De Roover, Rise, S. 168f., der freilich von der Seidengesellschaft Giovanni Berlinghieris keine Kenntnis hatte; zu den drei Generationen: Tratte, s.v.), während die Bartolini-Bank für ihre Kredite an die ufficiali des Monte Comune von der Kommune über Antonio di Bernardo di Miniato Dini für die fünf Jahre von 1482 bis 1487 einen Zinsgewinn von 5.231 fl. verbuchen konnte; vgl. Goldthwaite, Lorenzo Morelli, S. 631; ABS 224, etwa c. XVII.

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zum 26. März 1482 beginnenden Gesellschaft hatten die Partner – stets nach Maßgabe des Medici! – vorher beschlossen, daß im Falle einer Wahl Bartolomeo Bartolinis in irgendein Amt in oder außerhalb Florenz, die während der Dauer dieser Bartolini-Gesellschaft erfolge, dieser das Amt akzeptieren und ausüben dürfe. Da Bartolini nun tatsächlich kurz darauf, aber noch vor dem 26. März und zweifelsfrei gesteuert vom Magnifico, in das (prestigeträchtige) Amt eines maestro bzw. provveditore der Zecca, der staatlichen Florentiner Münzanstalt, gewählt wurde, beschlossen die compagni folgende Regelung: Jeder Profit und jeder Schaden, den Bartolomeo Bartolini in jenem Amt und bei der Leitung der Münze machen werde, solle der Florentiner Bartolini-Bank gehören, ‚hinsichtlich des Lohnes wie der Profite durch die Amtsübung wie jeder anderen Sache‘ – so daß es im Effekt so sei, als ob die Florentiner Bank Bartolomeo Bartolini e compagnia di Firenze in dieses Amt gewählt worden sei!21 Im Mai 1482 trat Bartolomeo Bartolini als Repräsentant dieser Bank (und somit für den Magnifico) das überaus ehrenvolle Amt eines Provisors bzw. Meisters der Florentiner Münze an. Hier dienten nur die vornehmsten Florentiner Familien, denen daraus das Privileg erwuchs, auf der Rückseite der Goldfiorini das eigene Familienwappen prägen zu dürfen.22 Mit Wirkung zum 26. März 1484 unterschrieb der Bartolini dann am 21. Juli 1484 eine von ihm in seinem Geheimbuch kopierte weitere Abmachung. Da er ursprünglich im März 1482 die Summe von 2.000 Fiorini per suo corpo in die neue ragione einzulegen gehabt habe, um dafür persönlich aber nur so viel für die Bank arbeiten zu müssen, wie er selbst es wolle, da er jetzt aber in das Amt des Meisters der Zecca gewählt worden sei, welche zur Bartolini-Bankgesellschaft gehöre, solle er als Salär für die vergangenen zwei Jahre 160 Fiorini aus dem künftigen bzw. bereits erzielten Profit der Zecca erhalten. Für die Zukunft habe Bartolomeo sich nun jedoch verpflichtet, mit seiner eigenen Person kontinuierlich für die Zecca zu arbeiten, so wie es deren Leitung erfordere. Und anstelle einer Entlohnung werde mit Blick auf den Gesellschaftsvertrag der Bank festgelegt, daß er zu den gleichen Konditionen wie vorher statt 2.000 Fiorini nur noch 1.000 Fiorini einzulegen habe.23 Dies war der Betrag, mit welchem ihn Filippo da Gagliano (analog zu Francesco Bottegari) als seinen Schuldner verbuchte, da er dem Bartolini die Summe gegeben habe. Offenkundig hatte Filippo dieses Konto nach der Entscheidung von 1484 geschrieben; das Geld aber wird wie in den anderen Fällen aus jener Bank gekommen sein, für die Filippo arbeitete, aus der Florentiner Medici-Bank. Er selbst, Bot21 ABS 224, c. XLV (... e che inn effetto sia chome se Bartolomeo Bartolini e chompagnia fussino

suti eletti in detto uficio [del maestro overo proveditore della zecca]; zum 26.3.1482 notiert). 22 Vgl. Bernocchi, Le monete I, S. 373 u. passim bis 427; II, S. 443 u. passim bis 482 (Bartolomeo

Bartolini habe das Amt eines Provisors der Zecca am 7.5.1482 angetreten); zu Ehre und Privileg des Zecca-Dienstes: Martines, Die Verschwörung, S. 130f. (nach dem Attentat der Pazzi im April 1478 mußten alle im Umlauf befindlichen Goldfiorini, die das Wappen der Pazzi trugen, eingeschmolzen werden). 23 ABS 224, c. 47; vgl. ebd. c. II ( die 160 Fiorini Lohn für die vergangenen zwei Jahre an der Spitze der Zecca wurden erst zum 24.3.1486 verbucht; er mußte sie jedoch in die Kasse der Bank einlegen, da ihm persönlich nur ein Viertel dieses Betrages zustand, der Rest den anderen drei socii).

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tegari und Bartolini hatten ihre Kapitalbeträge demnach nicht aus eigenem Vermögen aufgebracht, sondern es war ihnen (vorläufig, mit welchen Verrechnungsmodalitäten auch immer) von der Medici-Bank bzw. Lorenzo de’ Medici zur Verfügung gestellt worden. Man nahm bisher an, Bartolomeo Bartolini habe in eigener Person das Prestigeamt eines Provisors bzw. Meisters der Florentiner Münze erhalten. Allerdings hatte Alison Brown bereits darauf hingewiesen, daß Bartolomeo sein Amt als Münzmeister auch nutzte, um für seinen Freund Lorenzo Goldketten und ähnliches einzuschmelzen und ihm den Ertrag über Filippo zukommen zu lassen.24 Tatsächlich besaß die gesamte Konstruktion viel größere Konsequenzen. Die staatliche Münze gehörte nun zu Lorenzo de’ Medicis Tarngesellschaft, die unter Bartolinis Namen lief und in die sämtliche Profite der Münze flossen. Das in Bartolinis Geheimbuch geführte Konto Bartolomeo di Lionardo Bartolini nostro per conto dell’amministrazione della zecha attenente a questa nostra ragione verbuchte vom 24. März 1484 bis zum 24. März 1487 immerhin 3.075, 11, 10 Fiorini an reinem Profit, die der Kasse der Florentiner Bartolini-Bank zugeführt wurden – aus welcher Filippo da Gagliano und andere Getreue des Magnifico diesen immer wieder mit höheren Bargeldbeträgen versorgten.25 Aber Bartolomeo Bartolini hatte nicht erst in seiner Funktion als Provisor der Zecca durch seine Person profitable staatliche Institutionen in die mediceische Bartolini-Bank überführt, sondern bereits seit spätestens Januar 1478 als Kämmerer (camarlingo, camerario) der für die Kriegsführung zuständigen und nur in solchen Krisenzeiten etablierten Behörde der Dieci di Balìa.26 Welche Möglichkeiten sich Lorenzo de’ Medici auch hier schuf, erfahren wir genauer aus dem ersten überlieferten Geheimbuch der Bartolini-Bank. Denn seinem Strohmann Filippo da Gagliano dachte Lorenzo danach die gleiche Rolle zu. Eine Kriegskasse ist gewöhnlich leichter zu leeren als zu füllen. Filippo aber gelang es, in seiner vom 11. September 1482 bis zum 30. April 1485 dauernden Amtszeit als Hüter dieser Kasse die hohe Summe von 13.000 Fiorini als Profit zu erwirtschaften, zwar in seinem Namen, aber stets per conto des Lorenzo de’ Medici! Diesem wurde der Betrag gutgeschrieben und in die Kassen der Florentiner Bartolini-Bank übertragen. Dort mußte Filippo auch sein Gehalt von 2.111, 2, 3 Fiorini für Lorenzo einzahlen, denn selbst dieses erhielt er nur per conto di Lorenzo de’ Medici, der freilich ‚auf seinen Wunsch‘ damit einverstanden war, daß der gesamte Lohn der Bartolini-Bank zugute kommen sollte, als Belohnung ihrer Mühen und als Aufwandsentschädigung.27 Schließlich erhielt Filippo 24 Brown, new men, S. 135; bezogen auf ASP IV/1, c. LXXVIIII (diese Stücke, die Filippo von

Lorenzos Kanzler Ser Niccolò Michelozzi erhalten hatte, erbrachten schon zum 8.6.1482 Erlöse von jeweils 249 und 154 Fiorini l.gr.). 25 ABS 224, c. 12; ASP IV/1, c. LXXVIIII, 105, 112, 122 u.ö. 26 ASP IV/1, c. 45/XLV (Filippo da Gagliano hatte damals von Bartolomeo Bartolini camerario di X della Balia einen kleineren Bargeldbetrag erhalten, den er über einen Mittelsmann einem Kastellan geben sollte). Seit wann und wie lange Bartolomeo dieses Amt bekleidete, konnte noch nicht geklärt werden. 27 ABS 224, c. 10, XXIIII (die 2.111 Fiorini des Salärs gingen tatsächlich in die avanzi, also die Gewinne der Bartolini-Bank, ein, während die 13.000 Fiorini aus dem Profit der Dieci di Balìa nicht erscheinen, da sie offenbar direkt Lorenzo de’ Medici erhielt, für den ferner eine Gesamt-

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damals immer noch sein (vergleichsweise keineswegs mageres) Gehalt von 60 Fiorini pro Jahr als Mitarbeiter von Lorenzo de’ Medici e compagnia del bancho di Firenze.28 Filippo aber bekannte seinem Freund Niccolò Michelozzi am 13. und 18. September 1482, er sei mit Hilfe einiger Freunde und nicht ohne Gegenwehr in dieses neue Amt gewählt worden, um dann mit leichter Ernüchterung zu konstatieren, beim Salär folge man jedoch nicht den üblichen Gewohnheiten. Wegen des außergewöhnlich hohen Gehaltes Filippos (d.h. der Bartolini-Bank), das 67 Fiorini pro Monat(!) betrug, sowie der mehr als häufigen Bargeldzahlungen an den Kämmerer wurde Filippo entlassen und der Lohn für die ständigen Beamten der Dieci drastisch reduziert. Der enge Medici-Vertraute Pierfilippo Pandolfini, damals Mitglied der Dieci, wollte Lorenzo de’ Medici über die Ursachen aus Sicherheitsgründen lieber mündlich als schriftlich berichten.29 Kein Zweifel, dieses System persönlicher Renditen aus finanzstarken staatlichen Institutionen, das Lorenzo de’ Medici mit Hilfe seiner intimsten Bankiers 1482 aufgebaut hatte, sollte und durfte in Florenz nicht bekannt werden, sonst wäre schon die anonyme Teilhaberschaft Lorenzo de’ Medicis an der Bartolini-Bank nicht notwendig gewesen. (Im übrigen ist Filippo da Gagliano nicht von ungefähr unmittelbar nach der Vertreibung der Medici der Vorwurf gemacht worden, er habe als Kämmerer der Dieci di Balìa öffentliche Gelder unterschlagen.30) Mit den bisherigen Verbindungen sind allerdings noch nicht alle Untiefen ausgelotet worden. Als zum 26. März 1487 der Gesellschaftsvertrag der Florentiner Bartolini-Bank erneuert wurde, beschlossen die Partner, den Verlust ihrer Finanzachse zur Kriegsbehörde zu kompensieren. Zunächst aber bauten sie ihre Kapitalgrundlage aus. Zusätzlich zum übertragenen alten Kapital (3.000 Fiorini vom Medici, jeweils 1.000 von Da Gagliano, Bartolini und Bottegari) gab Filippo für seinen amico weitere 2.000 Fiorini. Neben diesem Stammkapital bauten sie den Sopracorpo aus, der in der Regel aus zu verzinsenden Einlagen bzw. Depositen von Außenstehenden, aus Kapitaleinlagen stiller, nicht stimmberechtiger Teilhaber und aus nicht ausgezahlten, in den Sopracorpo übertragenen Gewinnanteilen der regulären Teilhaber bestand. Genau als solche wurden die 1.500 Fiorini bezeichnet, die Filippo für sich und Lorenzo als „seine“ rata di sopracorpo anlegte, während

summe von 17.021, 11, 3 Fiorini verzeichnet wurde, die er zwischen 1483 und 1487 von Filippo bekam). 28 Aus seiner dieser Bank zum 24.3.1484 berechneten Gehaltsforderung ergab sich, daß er ab Juli 1471 für die Medici-Bank als Kontoführer della depositura della parte [guelfa] begonnen hatte, um nach 6 Jahren und 8 Monaten und einem Verdienst von insgesamt 144 fl. für 3 Jahre dem conto della cassa der Medici-Bank zu dienen (Jahressalär 60 fl.), bis er schließlich für weitere 3 Jahre bis zum März 1484 mit weiterhin 60 fl. Gehalt pro Jahr e’ libro grande delle schritture der Bank zu führen hatte; ASP IV/1, c. 63, auch c. CIIII (Gewinnkonto); vgl. Brown, new men, S. 122 u. Anm. 35 (mit kleineren Ungenauigkeiten). 29 Vgl. Brown, new men, S. 136f. und Anm. 84 (zu den Briefen an Michelozzi), 85 (zum Ende von Filippos Amtszeit; doch die dort offenkundig dem Salär entsprechende Zahl von 180 Dukaten an „Spesen“ für den Kämmerer können unmöglich seinem Monatslohn entsprochen haben) und Anm. 86 (mit Erwähnung der Zahlung jener 13.000 Fiorini durch Filippo an Lorenzo de’ Medici in Filippos Soll-Konto, allerdings irrig auf 1488 datiert). 30 Vgl. Brown, new men, S. 136.

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der Bartolini und Bottegari zu diesem mit jeweils einem Fünftel bzw. 500 Fiorini beitrugen, welche natürlich keinen Einfluß auf die neue Gewinnbeteilung besaß. Filippo partizipierte für sich und seinen ‚Freund‘ daher nun mit 12 Soldi pro Lira (60%, von denen Lorenzo 40% erhielt, sein Strohmann 20%), die beiden anderen Partner mit 4 Soldi pro Lira (jeweils 20%).31 Als Ersatz für ihren verhüllten Zugriff auf die Kasse der Kriegsbehörde gruben die Partner nun gleichsam einen Tunnel zu der mächtigen, für Auswärtiges zuständigen Behörde der Otto di Pratica, der die Florentiner Bartolini-Bank zunächst in den Jahren 1488 bis 1492 als Depositar diente. Auch dieses Amt verfügte über starke Finanzmittel, etwa weil die Otto Unterhalt, Ausbau und Erneuerung der Florentiner Festungen im Dominium finanzierten (z. B. Sarzana, Pietrasanta, Pisa, Livorno, Volterra, Firenzuola und Poggio Imperiale Anfang der 90er Jahre). Dies geschah stets über die Bartolini Bank, die dann bestimmte Summen zum Teil tanquam depositario deputato der Florentiner Medici-Bank gab.32 Für dieselbe Aufgabe erhielt diese zugleich Finanzmittel der Behörde Operai del Palagio (der Behörde für Arbeiten am Florentiner Kommunalpalast). Wenn die Medici-Bank nach 1494 angeklagt wurde, zudem aus den Kassen der Otto di Pratica die enorme Summe von 135.000 Fiorini gestohlen zu haben, dürften ihr die Beträge über die Bartolini-Bank als Depositar der Otto überreicht worden sein.33 Diese an zwei signifikanten Achsen – zur Zecca und zu den Otto di Pratica – verdeutlichte Funktion der Florentiner Bartolini-Bank für das Haus Medici ist für die Exilsgeschichte der Medici von fundamentaler Bedeutung. Denn sie beruhte auf einem privaten bzw. persönlichen Vertrag, den Bartolomeo Bartolini mit Lorenzo de’ Medici abgeschlossen hatte und den Piero de’ Medici nach dem Tod seines Vaters 1492 erneuerte bzw. fortsetzte! Er ist bezeichnenderweise nicht erhalten, doch Bartolomeo Bartolini ließ ihn 1499 und 1500, als das gesamte System entlarvt wurde, mit einigen Kernpunkten im großen Schuldbuch seiner Florentiner Bank bezeugen. Bis dahin dienten nun der Bartolini sowie die Bartolini-Bank relativ ungehindert ebenso den finanziellen Interessen Piero de’ Medicis und seiner Brüder! (Doch spricht alles dafür, daß dieser „Dienst“ 1499 nicht beendet wurde.) Da diese Abmachung ein archimedischer Punkt für die gesamte Geschichte ist, da sich aus ihr die prinzipielle Funktion der Bartolini-Bank und das Bedingungsverhältnis zwischen ihr und den Medici erklärt, durch das zahlreiche Quellen und Dokumente überhaupt erst richtig interpretiert werden können, müssen wir zeitlich vorgreifen und die Notizen Bartolomeo Bartolinis aus den Jahren 1499 und 1500 in den Blick nehmen. 31 ABS 224, c. 2–4, 21, XXVI. Wie genau der Anteil Lorenzo de’ Medicis an den 60% für Filippo

da Gagliano war, wird in diesem Geheimbuch nicht erklärt und das folgende Geheimbuch ist nicht überliefert. Doch analog zur Partizipationsrate 1482/87 wird Filippo die gleiche wie der Bartolini und Bottegari erhalten haben. Auf ihren formalen Gewinn werden sie persönlich allerdings wahrscheinlich kein Anrecht gehabt haben, da die Beträge für die Kapitalerhöhung 1487 wie 1482 vermutlich erneut von Filippo bzw. der Medici-Bank zur Verfügung gestellt wurden, doch sind von Filippo für diese Zeit keine persönlichen Rechnungsbücher mehr erhalten sind, die diese Problematik klären könnten. Zum Sopracorpo vgl. etwa Fazzini/Fici, Il Banco de’ Medici, S. 665. 32 Brown, Lorenzo and Guicciardini, S. 287, 292–294. 33 Vgl. Brown, Medici in Florence, S. 175f.

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1499 hatten die Ufficiali della torre e dei rubelli (die wenige Jahre vorher zur Klärung der Vermögensverhältnisse der Medici-Rebellen eingerichtete Behörde) Bartolomeo Bartolini und Francesco Bottegari – damals sein einziger offizieller Partner in der Florentiner Bartolini-Bank – mittels einer ‚Klarstellung‘ (chiarigione) zu einer pauschalen Strafe von 1.800 Fiorini verurteilt – ‚für das, was dieser Bartolomeo mit Piero de’ Medici zu tun gehabt hatte‘, oder, an anderer Stelle genauer: ‚was Bartolomeo aufgrund einer mit Piero de’ Medici im Jahr 1492 abgeschlossen Gesellschaft für diesen bzw. von diesem Piero (noch) in der Hand halten könnte, sowohl hinsichtlich der Leitung der Zecca und des Kontos der Otto della Pratica als auch hinsichtlich jeder beliebigen anderen Sache‘!34 Wenn es nun aber zwischen Bartolomeo Bartolini und den beiden Häuptern des Hauses Medici einen privaten, geheimen „Gesellschaftsvertrag“ gegeben hatte, der all sein geschäftliches und öffentliches Handeln als ein Handeln zum Vorteil und im Dienst der Medici definierte, dann muß es aus sachlogischen Gründen einen solchen Privatvertrag auch und erst recht zwischen Filippo da Gagliano und Lorenzo sowie Piero de’ Medici gegeben haben! Wie Filippo im einzelnen für Lorenzo wirkte, werden wir noch eingehend, unsere These stützend, erfahren. Analog zu dem Vertrag zwischen dem Bartolini und den Medici verbuchte Filippo in seinem ersten, generell bis 1483 reichenden privaten Geschäftsbuch seine meist aus Anordnungen des Magnifico resultierenden Finanzaktivitäten denn auch für ein nicht erhaltenes Geschäftsbuch, das er als la ragione del libro pagonazo segnato B bezeichnete, also als die ‚Gesellschaft des roten Buches mit der Signatur B‘!35 Dieses Buch, dem sachlogisch eines mit der Signatur ‚A‘ vorausgegangen sein muß, wird er mit größter Wahrscheinlichkeit für den zwischen ihm und den Medici bestehenden privaten, geheimen Gesellschaftsvertrag geführt haben. Es ist bezeichnend, daß es – so wie die entsprechenden Aufzeichnungen Bartolinis – nicht erhalten ist, wie überhaupt alle schriftlichen Aufzeichnungen Filippos über sein finanzielles und sonstiges geschäftliches Handeln nach 1483 als verloren gelten müssen. Daß es auch nach 1494 sehr

34 ABS 227 (Libro azurro grande, segnato G, di Bartolomeo Bartolini e compagnia di Firenze,

1495–1502/05), c. 132 (... e quali [900 Fiorini für Bartolomeos Hälfte der 1.800 Fiorini] a auto a paghare e a porre su agl’ufficiali della torre e de’ rubelli per chagione d’ogni resto e cosa che detto Bartolomeo aveva auto a ffare con Piero de’ Medici), c. 136 (Nota che lla sopradetta chiarigione la feciono gli ufficiali della torre e di rubelli per quelle che detto Bartolomeo potessi avere in mano di Piero de’ Medici per una compagnia fatta con lui l’anno 1492 tanto della ministrazione della zecha e del comto degli Otto della praticha che d’ogni altra e qualunche cosa che detta somma [1.800 Fiorini] essuta per ogni resto del che ne feciono loro partito sotto dì ... [Lücke im Text], c. CXXXVI. Für die Begleichung dieser Strafe richtete Bartolomeo offenkundig zum 8.5.1499 ein besonderes Konto ein, das ihm und Bottegari je zur Hälfte gehörte und von dem er bis zum 13.5.1500 die 1.800 Fiorini an die ufficiali zu zahlen hatte. 35 Ein entsprechender Buchungsposten für diese ragione del libro B in ASP IV/1, c. 133/CXXXIII (dort sogar ein zeitlich letzter Verrechnungsposten zum 18.2.1501, der letztlich auf das Jahr 1479 zurückging). Da für dieses Konto bzw. für jenes Gesellschaftsbuch „B“ auch einige scheinbar private Ausgaben und Einnahmen verzeichnet sind, welche die Erbschaft seines Vaters Piero da Gagliano, die Aussteuer seiner Ehefrau Alessandra Soderini und seine Schwester Francesca betrafen, könnten diese aus seinem Vertrag mit den Medici resultieren.

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engagiert war, zeigt sich beispielsweise in den Büchern seines jüngeren, ihm untergeordneten Bruders Giuliano da Gagliano. Die Tatsache, daß Bartolomeo Bartolini sich die Strafsumme über die Syndizi des (1497 hingerichteten) Medici-Rebellen Lorenzo Tornabuoni aus dem Vermögen der vom Tornabuoni gekauften Medici-Seidengesellschaft geben ließ (an der die Bartolini-Bank gleichfalls beteiligt war), zeigt ebenfalls unmißverständlich an, daß die Bartolini-Bank eine reine Medici-Bank blieb, die den finanziellen Interessen der Medici zu dienen hatte. Sie hatte diese Funktion über Bartolomeos Einnahmen aus der Leitung der staatlichen Münzanstalt, aus den als Depositarbank des „Außenministeriums“ erwirtschafteten Profiten und aus allen ihren sonstigen Gewinnen zu erfüllen. Mindestens viereinhalb Jahre finanzierte die Bartolini-Bank nicht zuletzt aus staatlichen Finanzquellen die Feinde dieses Staates, die als Rebellen verurteilten Medici. Es dürfte Piero de’ Medici demnach nicht geschadet haben, daß die Signoria kurz nach seiner Vertreibung die Kompetenzen der signori der Zecca erhöhte, denn seit 1480/81 und besonders 1491 (durch die 17 Reformer) seien jene eingeschränkt und begrenzt worden.36 Daß Bartolomeo Bartolini und Francesco Bottegari nicht wie andere Medici-Freunde vor ihnen hingerichtet oder verbannt wurden – statt dessen blieb der Bartolini Provisor der Zecca! –, ist mehr als erstaunlich und kann nur durch den Einsatz sehr mächtiger Freunde in der Stadt und durch ihre tragende Rolle für die problematische Finanzwirtschaft der Republik erklärt werden. Bartolomeo di Leonardo (di Bartolomeo di Leonardo) Bartolini ist somit als eine der Schlüsselfiguren des Medici-Finanznetzes anzusehen, genauso wie Leonardo di Zanobi (di Zanobi di Leonardo) Bartolini. Beide hatten den gleichen Urgroßvater, d.h.: ihre Großväter waren Brüder, ihre Väter Cousins – und sie alle wurden als Prioren der Signoria in höchste Staatsämter gewählt; Leonardo di Zanobi wurde als Medici-Intimus 1516 sogar Gonfaloniere di Giustizia. Bartolomeo Bartolini wurde 1444 geboren, er starb am 4. September 1507 im Beisein von ca. 30 Personen im Florentiner Bartolini-Palast und wurde in der Bartolini-Kapelle in Santa Trinita, die sich rechts vor der von Ghirlandaio ausgemalten Sassetti-Kapelle befindet, begraben.37 Bartolomeos Bedeutung für die Medici basierte wie bei so vielen Mediceern auf älteren Klientelverhältnissen, die hier nicht erörtert werden können. Sein Vater Leonardo di Bartolomeo (1404–79) hatte z. B. 1449 den Pakt (patto giurato) zur Unterstützung des Medici-Regimes und zur Verfolgung von dessen Feinden beschworen und mitunterzeichnet. Als weitere entscheidende Voraussetzung für die – wenn auch recht einseitige – Partnerschaft zwischen Lorenzo de’ Medici und Bartolomeo Bartolini ist ihre Verwandtschaft anzusehen. Bartolomeo di Leonardo Barto36 Bernocchi, Le monete I, S. 411f. 37 ABS 232 (Giornale, segnato A, di Gherardo di Bartolomeo Bartolini), p. 130r. Der Todeskampf

setzte am Freitagabend, 3.9., a ore XXII ein und dauerte bis zum Samstagabend, 4.9., a ore II e ¾ incircha. Die Angehörigen hatten den 63-jährigen Bartolomeo (er wurde am 29.6.1444 geboren) am Freitag im großen Zimmer des Erdgeschosses gegenüber dem Kamin auf eine Art Feldbett (letto da campo) gelegt; nach dem Tod am Samstagabend wurde er noch bis Sonntagabend im Haus behalten, um ihn dann in der Familienkapelle zu begraben. Am Dienstag wurde die Messe gefeiert. Mit seinem Tod endete offenkundig die Florentiner Bartolini-Bank.

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lini hatte 1465 in erster Ehe Marietta di Giovanni di Antonio di Giovenco de’ Medici geheiratet und durfte vermutlich seit diesem Zeitpunkt den Medici-Diamantring und das Medici-Motto semper in die Familien-impresa der Bartolini übertragen bzw. einbinden!38 Wenn sein Name im Catasto von 1480 nicht unter den 1.500 reichsten Florentinern erscheint39, dürfte dies daran liegen, daß er von den Medici heimliche Steuerprivilegien erhielt – ähnlich jenen, die der Vater von Filippo da Gagliano erhalten hatte. Bartolomeos Stellung in der Medici-Gesellschaft wird auch durch die Tatsache gespiegelt, daß sein Bruder Andrea di Leonardo Bartolini in jenen Jahren die von Accerrito Portinari von 1468 bis 1478 heruntergewirtschaftete, während der Pazzi-Krise offiziell aufgegebene MediciBank in Mailand bzw. deren Geschäfte halboffiziell übernehmen durfte. Andrea stand dabei in enger Verbindung zum Magnifico – dem er 1481 immerhin gut 500 Fiorini zukommen lassen konnte! – und zur Florentiner Medici-Bank, bis er 1486 anläßlich des bevorstehenden Verkaufs des prächtigen Bankpalastes offenbar zum letzten Mal in Mailand bezeugt wird.40 Auch Filippo di Piero da Gagliano gehörte, das ist vor allem von Alison Brown erarbeitet worden, zu den einflußreichsten Personen der Medici-Gesellschaft. Der am 4. Januar 1452 geborene, mit Alessandra di Tommaso Soderini verheiratete Filippo stieg nach einer Lehrzeit in der Medici-Bank zu einem der zentralen Bankiers der Medici auf, was sich nicht nur in seinen öffentlichen Finanzämtern (Schatzmeister der Dieci di Balìa), sondern auch in seiner Funktion als unmittelbarer Strohmann des Lorenzo de’ Medici in der Florentiner und Lyoner Bartolini-Bank manifestiert. Lohn seiner erfolgreichen Arbeit und seiner Freundschaft mit dem Medici war seine Aufnahme in die höchste Führungsebene der Medici-Gesellschaft, als er seit 1489/90 offenkundig als Assistent des Generalmanagers Gianbattista Bracci wirken durfte.41 Einen erheblichen sozialen Aufstieg bedeutete zweifelsohne Filippos Vermählung mit Alessandra Soderini im März 1481, denn 38 Vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 351–353; ferner (mit wichtigen Details zur frühen Famili-

engeschichte) Lingohr, Palastbau, S. 49–51. 39 Vgl. die Liste in Molho, Marriage alliance, S. 375–410, hier S. 379. 40 Vgl. etwa ASP IV/1, c. 79/LXVIIII (Lorenzo de’ Medici erhielt persönlich zum 16.8.1481 von

Filippo da Gagliano 492, 17, 4 fl. l.gr., ebbi contanti in oro per le mani di Ser Niccolò Michelozzi disse erono venuti da Milano d’Andrea Bartolini overo dalla ragione di Milano), 82, 119/CXVIIII, 124 u.ö. (Andrea Bartolini sandte dem Magnifico z. B. im September 1481 Bücher und andere Dinge des bedeutenden, gerade erst am 31.7.1481 in Florenz im Alter von 83 Jahren verstorbenen Humanisten Francesco Filelfo, der nach fünfjährigem Aufenthalt in Florenz unter Cosimo de’ Medici seit 1439 bis zu seiner kurz vor dem Tod erfolgten Rückkehr nach Florenz in Mailand gelebt hatte); zu Andrea Bartolini 1486 im Kontext des zum Verkauf anstehenden Bankgebäudes: Martinis, Il palazzo, S. 39, 50 (Lorenzo de’ Medici gab dem mit dem Verkauf beauftragten Folco Portinari am 15.3.1486 den Auftrag, den Palazzo Andrea Bartolini zu überlassen, falls er nicht den gewünschten Preis erzielen könne). De Roover wußte von der Tätigkeit Andrea Bartolinis nichts, wie er auch über die Spätphase der Mailänder Medici-Bank von 1478 bis 1486 kaum noch etwas zu berichten hatte; vgl. De Roover, Rise, S. 273–275. 41 Vgl. v. a. De Roover, Rise, S. 369 (Bracci als Generalmanager „probably assisted by Filippo da Gagliano), 379 („Bracci with the assistance of Filippo da Gagliano“); Brown, Lorenzo, the Monte, S. 172–175; Dies., new men, S. 122f., 130, 134–136.

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sie war die Tochter von Lorenzo di Ser Tommaso Soderini und gehörte somit einer der angesehensten Florentiner Familien an.42 Gerade eine Vermählung wie diese wurde in Zeiten mediceischer Herrschaft in der Regel von der Spitze des Hauses Medici energisch gefördert, meist sogar gesteuert. Gerade in der Krise der Jahre um 1480 mußte der Magnifico ein großes Interesse daran gehabt haben, einen seiner fähigsten, aber auch verborgen-umtriebigsten und deswegen umstrittensten Bankiers in eine Familie mit dieser Reputation einzubinden, die sich zudem als Freund der Medici bewährt hatte und mit ihnen eng verwandt war. Alessandras Großvater Tommaso Soderini hatte viel dazu beigetragen, daß sich sowohl sein Schwager Piero di Cosimo de’ Medici als auch dessen Sohn Lorenzo an der Macht halten konnten; Alessandras Onkel Piero di Ser Tommaso wird Lorenzos ältestem Sohn zunächst eine Stütze sein.43 Filippo da Gagliano und sein Bruder Giuliano aber werden nach dessen Sturz gerade auf der Basis ihres Verwandtschaftsverhältnisses enge geschäftliche Beziehungen mit den Soderini aufbauen, die offenkundig nicht zuletzt den Medici und ihren gefährdeten Freunden zugute kamen. Einmal mehr zeigt hier sich die kluge Weitsicht des Magnifico. Der Filippo da Gagliano durch Lorenzo de’ Medici erwiesene Vertrauensbeweis, ihn in der Grauzone zwischen privater und öffentlicher Finanz einzusetzen, erwuchs freilich aus kräftigen Wurzeln. Schon Filippos gleichnamiger Großvater und sein Vater Piero da Gagliano standen den Medici sehr nahe. Filippo da Gagliano bekundete dem gerade aus seinem einjährigen Exil zurückgekehrten Cosimo de’ Medici am 31. Juli 1434, er habe nichts in seinem Leben mehr gewünscht als Schutz unter den Fittichen von Cosimos Macht und Autorität zu suchen.44 Der Sohn dieses loyalen Mediceers, Piero di Filippo, war offensichtlich bereits in das Finanzregime der Medici integriert. Denn der nicht unvermögende Piero mußte (gegen die Gesetze, aber mit Einwilligung der Medici) merkwürdigerweise keine Steuererklärung abgeben; nach seinem Tod 1463 erklärten seine Erben, Pieros Steuerschuld sei durch eine Vereinbarung (compositio) mit den MonteBeamten getilgt worden. Sowohl Piero da Gagliano als auch seine Frau Ginevra standen in einem ungewöhnlich vertrauensvollen Verhältnis zu Cosimo de’ Medici, seinem Sohn Piero und dessen Ehefrau Lucrezia Tornabuoni; sie waren Nachbarn in Florenz wie auch im Umland und halfen sich beispielsweise gegenseitig bei Grunderwerbungen. Piero da Gagliano gab offenkundig aus Reverenz zu den Medici um 1459 seinem zweiten Sohn den in seiner Familie ungewöhnlichen Vornamen Giuliano, den wenige Jahre vorher der zweite Sohn von Piero di Cosimo de’ Medici erhalten hatte; seine Kapelle in der Florentiner Kirche Santissima Annunziata stellte Piero da Gagliano unter das Patronat des Hl. Julian. Aber auch Vorgänge im personellen Umfeld zeugen von besonderer Nähe zu den 42 ASP IV/1, c. 67, 192r u.ö. (die dota Alessandras betrug immerhin 1.100 fl.). Brown, new men,

S. 122f., hat Alessandra irrig als „daughter of the leading citizen Tommaso Soderini“ identifiziert. 43 Vgl. etwa Guicciardini, Storia fiorentina, S. 15, 21, 88; Walter, Der Prächtige, S. 59, 106f., 110– 112, 168, 191; Ganz, Medici Inner Circle, S. 374. 44 Vgl. Brown, Medici in Florence, S. 173f. u. Anm. 63 (wo allerdings der Großvater mit dem gleichnamigen Enkel identifiziert wird).

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Medici. Piero da Gagliano besaß eine Hypothek auf ein Haus, das dem langjährigen Medici-Anhänger Manno di Giovanni Temperani gehörte; seine Erben verkauften 1469 bei Galliano, dem Herkunftsort ihrer Familie, Land nicht nur an Piero di Cosimo de’ Medici, sondern auch an Niccolò Tornabuoni.45 Diese von John Spencer erforschten Zusammenhänge können durch einen glücklichen Fund in einigen Punkten ergänzt und präzisiert werden. Giuliano di Piero da Gagliano ließ in sein zweites, seit 1496 in Florenz geführtes persönliches Geschäftsbuch hinter dem Umschlag die auf Pergament geschriebenen ricordi seines Vaters einbinden.46 Sie setzten 1448 ein, dem Jahr der Hochzeit zwischen Piero und Ginevra, die eine Tochter des Guglielmo di Angelo (Agnolo) Spini war (Cristofano Spini bzw. Spino gehörte zur Medici-Bank); seine Frau erhielt Piero ‚aus den Händen‘ des Cosimo de’ Medici und weiterer intimer Mediceer wie Agnolo della Stufa und Jacopo di Giovanni Morelli. Taufpaten des am 4. Januar 1452 im Haus des Manno Temperani als zweites Kind geborenen Filippo waren u. a. Filippo di Francesco Tornabuoni und Alamanno di Bernardo di Alamanno de’ Medici. Auch die Paten der acht nächsten Kinder Pieros und Ginevras zählten, soweit zu bestimmen, zu den ganz engen Freunden der Medici, oft etwa Niccolò di Giovanni della Stufa und Alessandro di Luca da Panzano, der auch Pate des am 1. Juni 1458 im neuen Haus in der Via del Cocomero geborenen Giuliano war, nach fünf Töchtern der zweite Sohn. Dieser hatte nach seiner Geburt aber zunächst den Namen Cristofano erhalten. Am 4. Juni 1459 änderte Piero den ersten Vornamen seines siebten Kindes ‚aus gutem Grund‘ (per buona chagione) in Giuliano, während der zweite Vorname Leonardo blieb. Ein traditionsstarkes Medici-Netzwerk fürwahr: Die Bank des Luca di Fruosino da Panzano war noch während des Medici-Exils eng mit den Mediceern verbunden und ist als eine der „Hausbanken“ des Giuliano da Gagliano zu betrachten; das 1455 von Piero Ginori gekaufte, aber noch nicht gleich bewohnte Haus in der Via del Cocomero hatte Fruosino d’Andrea da Panzano zur Miete bewohnt, einer der beiden Leiter des Wollgeschäfts der Medici.47 Der mit Abstand unbekannteste der vier Partner ist Francesco di Ser Jacopo Bottegari, der offenkundig hierarchisch die unterste Position einnahm. Er war am 4. Oktober 1448 geboren worden, bekleidete zwischen 1470 und 1493 einige öffentliche Ämter, doch wie so viele andere dieser Mediceer danach nicht mehr.48 Er führte ein unscheinbares Kaufmannsleben im Dienst der Medici; die einschlägige Chronistik und Forschung kennt ihn nicht. Aber genau dieses Profil wünschte sich Lorenzo de’ Medici von seinem Partner, denn Bottegari begegnet in den Aufzeichnungen des Filippo da Gagliano bereits 1479 im Kontext der Medici- und der Bartolini-Bank – und war vermutlich wie Filippo schon 45 Vgl. Spencer, Andrea del Castagno, S. 62–69. Zu Manno Temperani als Mediceer s. etwa Mar-

tines, Die Verschwörung, S. 53; Ganz, Medici Inner Circle, S. 375–377 (seit den 50er Jahren enger Freund der Medici, im August 1466 bewußte Entscheidung für Piero di Cosimo de’ Medici). 46 ASP IV/5, unpaginierte Seiten. 47 De Roover, Rise, S. 60; Spencer, Andrea del Castagno, S. 63. 48 Vgl. Tratte, s.v.

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damals einer der compagni –, wobei er bezeichnenderweise vor allem gemeinsam mit Filippo ein Konto für den Monte führte, d.h. er war ein Gehilfe Filippos bei dessen finanztechnischen Operationen.49 Die Lyoner Bartolini-Bank Der Geschäftsbereich der Florentiner Bartolini-Bank ist durch ihre Integration in staatliche Institutionen nicht hinreichend zu erfassen. Weitere Gewinne, die 1499 mit Blick auf den Nutznießer Piero de’ Medici pauschal als ‚jede beliebige andere Sache‘ bezeichnet wurden, resultierten aus der Kooperation mit ihrer Schwester- oder besser: Tochterbank in Lyon. Auch für sie ist das (erste) Geheimbuch überliefert.50 Die Bankgesellschaft wurde erst zur August-Messe 1482 eingerichtet und trug den Namen ihres Teilhabers Lorenzo Spinelli. Er hatte bis dahin als Finanz- und Handelsagent der Medici in Montpellier gewirkt. Von dort hatte ihn Lorenzo de’ Medici allerdings schon 1481 nach Lyon entsandt, um die Konten und Geschäftsführung des Medici-Verwandten Lionetto de’ Rossi zu überprüfen, der die Lyoner Medici-Bank leitete und 1480 durch seine schlechten Bilanzen erstmals stärkeres Mißtrauen in der Florentiner Zentrale ausgelöst hatte.51 Schon damals ist Spinelli aktiv in das durchaus als Schattenwirtschaft zu bezeichnende, durch Filippo da Gagliano und die Bartolini-Bank verkörperte bzw. durch sie getragene verdeckte Geschäftssystem des Medici integriert worden. Noch vor der Gründung der Spinelli/Bartolini-Bank führte er in Lyon uno conto a parte segnato M – wahrscheinlich für die Medici-Bank –, in das Gewinne aus Wechselbriefgeschäften flossen, die für Lorenzo de’ Medici verbucht wurden. Der primäre Partner Spinellis hieß hierbei Filippo da Gagliano, der all diese Geschäfte über die Florentiner Bartolini-Bank führte.52 Die Leitung dieser Lyoner Medici-Tarnbank oblag neben Spinelli ebenso Giuliano da Gagliano, dem sechseinhalb Jahre jüngeren Bruder Filippos. Giuliano hatte bereits Ende Mai 1475, gerade noch 16 Jahre alt, Florenz verlassen, um sich im offenkundigen Auftrag der Medici nach Avignon zu begeben, wo er künftig leben und für die Geschäfte der Medici wirken sollte.53 Schon im Juli 1481, also ungefähr zeitgleich mit Lorenzo Spinelli, ist er in Lyon 49 Vgl. etwa ASP IV/1, c. LVIII, 78. 50 ABS 106. 51 Zu den Problemen der Lyoner Medici-Bank vgl. De Roover, Rise, S. 300–310, speziell zu Lo-

renzo Spinelli s. S. 301–305. Daß Lorenzo Spinelli als Partner Lorenzo de’ Medicis, der Florentiner Bartolini-Bank und der Gagliano-Brüder seit 1482 eine compagnia in Lyon unterhielt und dort lebte, ist De Roover entgangen. 52 ASP IV/1, c. 121, CXXIIII, 126/CXXVI, 128/CXXVIII. Dieses Konto „M“ ist auch noch nach 1482 existent gewesen, obwohl Spinelli seit jenem Jahr zudem ein conto a parte segnato L attenente a uno amico [also Lorenzo de’ Medici] führte; ebd. c. 123. 53 ASP IV/1, c. 163r (zur Abreise), c. 57/LVII (zu Wechselbriefaktivitäten im Januar 1480 in Avignon in Kooperation mit Michele Dini, wobei über die Medici-Wollgesellschaft und die Florentiner Medici-Bank 50 fl. auf ein ominöses Konto der „Erben des Piero da Gagliano“ flossen). Ebenso wie Filippo und Giuliano war auch ihr Bruder Federico di Piero da Gagliano für die Medici (oder Filippo) tätig gewesen; laut Filippo hatte er einige Zeit in Rom gelebt und war vor dem 24.3.1484 gestorben; ebd. c. 44/XLIIII.

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nachzuweisen, wo er seinem Bruder mittels eines Wechselbriefes Geld an die Florentiner Bartolini-Bank sandte.54 An der Seite der Lyoner Medici-Bank, gleichsam in ihrem Schatten, gründete Lorenzo de’ Medici wie in Florenz eine Tarngesellschaft, die auf ihr Florentiner Pendant ausgerichtet war und ebenfalls von ihm kontrolliert wurde. Wiederum wählte er Filippo da Gagliano als seinen Strohmann, um anonym an der Lyoner Bartolini- bzw. Spinelli-Bank zu partizipieren. Dieser gab zum 20. August 1482 3.600 Scudi di marca (oder auch: di marco/marchi, die in Lyon gängige Rechnungswährung) in den corpo, um dafür mit 9 Soldi pro Lira (45%) an Gewinnen und Verlusten zu partizipieren. Doch während Filippo bei „seiner“ Kapitaleinlage von 4.000 Fiorini für die Florentiner Bartolini-Bank noch zwischen seinem eigenen Anteil (1.000 Fiorini) am Korpus und dem seines Freundes (3.000 Fiorini) differenziert hatte, gab es bei der Einlage von 3.600 Scudi in mio nome für die Lyoner Spinelli-Bank keine entsprechende Unterscheidung. Mit diesem Betrag erschien allein Lorenzo de’ Medici in Filippos Geschäftsbuch als Gläubiger!55 Nicht Bartolomeo Bartolini persönlich, sondern die unter seinem Namen firmierende Florentiner Bank steuerte mit 1.600 Scudi den zweithöchsten Betrag zum Kapital bei und erhielt dafür einen Profitanteil von 4 Soldi (20%). Der gleiche Anteil wurde Lorenzo Spinelli als Ausgleich für Kapital und Arbeit zugedacht, weshalb er nur 600 Scudi einlegen mußte. Auf diese Weise wurde auch der letzte Partner Giuliano da Gagliano, der Bruder Filippos, mit einem Anteil von 3 Soldi pro Lira (15%) entlohnt, da er wie Spinelli in Lyon für die Bank arbeitete und deshalb nur 400 Scudi zu geben brauchte. Bis zum 24. März 1489, als die erste Saldierung erfolgte, erwirtschaftete diese Lyoner Bank einen Profit von 13.408, 15, 11 Scudi di marca, der einer ungefähren, noch beachtlichen Kapitalrendite von 31% pro Jahr entsprach. Filippo da Gagliano erhielt daraus (nominell) gemäß seiner Anteilsrate 6.033, 19, 1 Scudi, während die Florentiner BartoliniBank und Lorenzo Spinelli jeweils 2.681, 15, 2 Scudi bekamen, Giuliano da Gagliano hingegen 2.011, 6, 6 Scudi. Mit welcher Rate nun Filippos amico Lorenzo de’ Medici an den 45% beteiligt war und wieviel er sich von den gut 6.034 Fiorini zusprach, wird in dem ersten Geheimbuch dieser Lyoner Bank leider nicht erläutert und ist auch nicht durch einzelne Kontenposten zu eruieren – und Filippos private Aufzeichnungen sind für diese Jahre und die folgenden zu unserem größten Bedauern nicht erhalten.56 Da Filippo offen54 ASP IV/1, c. LXXI. 55 ASP IV/1, c. CXXI, 122 (Lorenzo di Piero di Coximo de’ Medici de’ dare [2.1.1482/83] fl.

3.244 l.gr. che li debba avere in uno conto da parte in questo c. 121 per valuta di scudi 3.600 di re o debitore Lorenzo Spinelli ... per suo ordine; warum Filippo hier von scudi di re statt wie im Lyoner Buch von scudi di marca spricht, ist nicht ersichtlich). 56 ABS 106, c. 1–III, 24; Brown, die dieses Geheimbuch eingesehen hatte, wies in einer Fußnote auf die Partner und den Profit hin, doch gab sie irrigerweise an, Bartolomeo Bartolini sei persönlich Partner gewesen und der Gewinn habe 13.406 Mark betragen (die schon für die Genfer und dann Lyoner Messen und für die auf ihnen betriebenen Wechselbriefgeschäfte als Rechnungswährung benutzte Goldmark [marca d’oro, auch marco d’oro] entsprach in der Regel plus minus 65 Golddukaten, womit der Profit bei völlig unrealistischen 871.390 Fiorini gelegen hätte; vgl. zur Goldmark als Rechnungswährung auf diesem an sich recht schlecht erforschten Feld

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sichtlich keinen eigenen Betrag zu den 3.600 Scudi beisteuerte, wird der Medici die 45% uneingeschränkt für sich beansprucht haben. Auf jeden Fall partizipierten beide als Teilhaber der Florentiner Bartolini-Bank (mit ca. 805 und 626 Scudi) an deren Gewinnanteil. Noch während diese ragione existierte, wurde ihr Name in Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione geändert. Der Grund lag in einer neuen Aufgabe, welche Lorenzo de’ Medici und seine Florentiner Bankiers dem bisherigen Namensgeber Lorenzo Spinelli zugewiesen hatten. Im Februar 1485 hatte Spinelli eine erneute Kontrolle bei der krisengeschüttelten Lyoner Medici-Bank durchzuführen, die zum Rückruf des Lionetto de’ Rossi nach Florenz führte, wo er sofort wegen seiner Schuldenpolitik ins Gefängnis der Stinche gebracht wurde. An seiner Stelle aber wurde Lorenzo Spinelli im März 1486 die Leitung der Lyoner Medici-Bank übertragen (de facto eventuell schon früher), die damals den Namen Francesco Sassetti e Giovanni Tornabuoni e compagnia di Lione führte und die er bald wieder in die Gewinnzone brachte.57 Im März 1486 wurde auch jener Namenswechsel durchgeführt, doch wurde Spinelli erst bei der Saldierung der Lyoner Bartolini-Bank im März 1489 sein Gewinn ausbezahlt, der also bis dahin im Sopracorpo lag. Zum Ende des ersten Gesellschaftsvertrages am 24. März 1489 setzten Lorenzo Spinelli und Giuliano da Gagliano ein Schriftstück auf, in welchem sie Spinellis Ausscheiden als Partner bekundeten und erklärten.58 Giuliano da Gagliano als Leiter (governatore) und Teilhaber der Spinelli-/Bartolini-Bank hatte von seinen Seniorpartnern (maggiori) aus Florenz die Anweisung erhalten, die Teilhaberschaft Spinellis zu beenden und ihm seinen Anteil am Gewinn zu berechnen und gutzuschreiben. Alle künftigen positiven wie negativen Verpflichtungen der Bank sollten Spinelli nicht mehr berühren. Diese Klausel betraf insbesondere auch den in Montpellier befindlichen Ableger (membro) der Lyoner Spinelli-/Bartolini-Bank, der seit 1482 unter Spinellis Namen lief und diesen auch weiterhin behalten sollte. Teilweise wurde die Dependance in Montpellier auch als compagnia bezeichnet, doch war sie dies rechtlich nicht, da sie auf der Grundlage eines bestimmten, aus Lyon bzw. Florenz erhaltenen Kapitals alle Gewinne an die Lyoner Mutterbank abzuführen hatte. 1488 hatte die Lyoner Bartolini-Bank ihren Mitarbeiter Piergiovanni di Ser der internationalen westeuropäischen Wechselbriefgeschäfte Spufford, Handbook, S. 134f.; Felloni, Un système, hier bes. S. 249–251). Unrichtig ist auch die Angabe, Lorenzo de’ Medici habe aus Filippos Gewinnanteil 2.260 „marks“ (d.h. Scudi) erhalten, denn bei diesem Betrag handelt es sich lediglich um eine von mehreren gut verzinsten Depoteinlagen Lorenzos, wie sich aus ABS 106, c. 1, XX, ergibt; vgl. Brown, new men, S. 135, Anm. 82. 57 Vgl. De Roover, Rise, S. 301–305. Zum Aufschwung der Lyoner Medici-Bank um 1490 vgl. Buser, Mediceer, S. 294 u.ö. Es ist bemerkenswert und bezeichnend, daß die Capponi als größte Konkurrenten der Medici in Lyon genau zu diesem Zeitpunkt, 1485, ihre Bankgesellschaft neu strukturierten und ihre Lyoner Bank mit der enormen Kapitalsumme von 31.000 Dukaten ausstatteten, von der wiederum – analog zum Aufbau der Medici-Gesellschaft – drei kleinere Dependancen bzw. Agenturen abhingen; vgl. M. Luzzati, Art. „Capponi, Neri“, in: DBI 19 (1976), S. 75–78 (Neri Capponi hatte überdies bereits 1474 mit Violante eine Tochter des MediciGeneraldirektors Francesco Sassetti geheiratet, die freilich wohl schon um 1484 verstarb). 58 ABS 106, c. XXXVII. Auch Giuliano da Gagliano wies in einer späteren Aufzeichnung auf den Namenswechsel hin; vgl. ASP IV/5, c. 38 (... nella ragione di Lione che prima chantò in nome di Lorenzo Spinelli, di poy in Bartolomeo Bartolini e compagnia ...).

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Jacopo Bottegari, also den Bruder des in Florenz lebenden Teilhabers der Florentiner Bartolini-Bank, nach Montpellier entsandt, um ihre Vertretung zu führen.59 An allen drei Orten, in Florenz, Lyon wie Montpellier, verstanden sich die jeweiligen Mitarbeiter seit 1482 als Mitglieder einer gemeinsamen Bankgesellschaft. Immer wieder verwiesen sie in ihren Büchern auf ‚die Unsrigen‘ in den genannten Städten. Mitarbeiter und Geschäftsbereich In den Geheimbüchern der beiden Bartolini-Banken in Florenz und Lyon sowie in den Aufzeichnungen Filippo da Gaglianos werden uns auch die wichtigsten Mitarbeiter genannt, meist mit den jeweiligen Jahreslöhnen. Ihre Namen sind nicht unwichtig, da sie zum einen oft zwischen den einzelnen Medici-Firmen wechselten und da sie zum anderen (analog zum Fall Lorenzo Spinellis) namensgebend neue Gesellschaften eröffneten, in denen sie zwar wirkten, doch nur als gleichsam verlängerter, aber für die Öffentlichkeit unabhängiger Arm der führenden Mediceer-Bankiers. Die zentrale und vertrauensvolle Aufgabe der Kassenführung, mit der oft die Betreuung sehr hoher Bargeldbeträge verbunden war, oblag in der Florentiner Bartolini-Bank von Anfang an wie gesagt ihrem Mitarbeiter Giovanni di Ser Francesco d’Ambra, der mit 65 Fiorini pro Jahr recht gut entlohnt wurde – etwas besser sogar als Filippo da Gagliano! – und seine Aufgabe bis ca. 1495 erfüllte, als er für einige Monate in der Medici-Seidengesellschaft (Piero de’ Medici e compagnia setaiuoli) arbeitete, um danach (seit ca. März 1496) einer neuen Florentiner Bank seinen Namen zu geben (Giovanni d’Ambra e compagnia [del banco] di Firenze), die zu einer zentralen Bank für alle Mediceer wurde. Mit anfangs 30 Fiorini begann Lorenzo di messer Manno Temperani als giovane (Mitarbeiter) der Bartolini-Bank, um sein Salär bis 1487 auf 50 Fiorini steigern zu können. Er scheint spätestens 1497 Giovanni d’Ambra in seiner neuen Bank unterstützt zu haben. Sein Vater Manno di Giovanni Temperani gehörte wie erwähnt seit vielen Jahren zu den Freunden der Medici; Piero da Gagliano, der Vater Filippos und Giulianos, hatte 1451/52 im Florentiner Haus Mannos gewohnt.60 Piergiovanni Bottegari, der (vermutlich jüngere) Bruder des Teilhabers Francesco, arbeitete nur im ersten Jahr 1482/83 mit 20 Fiorini Gehalt als giovane in der Florentiner Bartolini-Bank, da er schon im August 1483 in Begleitung von Giuliano da Gagliano, der für kurze Zeit von Lyon nach Florenz zurückgekehrt war, nach Lyon geschickt wurde, um in der Spinelli-Bank zu arbeiten.61 Die beiden Köpfe der Lyoner Spinelli-Bank hießen seit dem August 1482 bekanntlich Lorenzo di Francesco Spinelli und Giuliano di Piero da Gagliano. Ihre Entlohnung floß, wie gezeigt, in ihre gemessen am Kapitalanteil größere Profitrate. Giuliano führte vom 22. August 1482 bis zum Januar 1485 nahezu kontinuierlich die Kasse, anfangs für einige Wochen abgelöst durch Lorenzo Spinelli, im Sommer 1484 auch durch Piergiovanni Bot-

59 ABS 106, c. 19, 22/XXII, XXXVII. 60 S.o. S. 108. 61 ABS 224, c. 7, 9/VIIII, XXII; das Geburtsjahr Piergiovannis ist in den Tratte nicht bezeugt.

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tegari.62 Zum 24. März 1488 erhielt Giuliano auf Anweisung seiner maggiori in Florenz über seinen Profitanteil hinaus 150 Scudi als Belohnung für seine Arbeit in den voraufgegangenen zwei Jahren, da er nun seit März 1486 ohne Hilfe Lorenzo Spinellis oder eines anderen Mitarbeiters die Leitung der ragione ausgeübt habe.63 Weil er sich jedoch von Beginn an als governatore bezeichnete – denn er führte das Geheimbuch der Bank, wo diese Aussage zu finden ist –, müssen er und Spinelli bis 1486 gemeinsam die Bank geleitet haben. Als Piergiovanni Bottegari Ende August 1484 (nach seinem Dienst an der Kasse) für einige Wochen in die Florentiner Heimat ritt, brachte er auf der Rückreise nach Lyon zur Allerheiligen-Messe 1484 einen neuen Mitarbeiter mit, Bartolomeo di Pierozzo del Rosso, der sich bereits einige Meriten verdient haben mußte, denn er übernahm sofort im Januar 1485 die Kasse und erhielt dafür einen Jahreslohn von zunächst ca. 23 Scudi, der ab März 1488 schrittweise auf 50 Scudi erhöht wurde.64 Piergiovanni Bottegari konnte sein früheres Florentiner Gehalt in Lyon steigern; im März 1488 bekam er für viereinhalb Jahre 160 Scudi, dann für seinen servitio in Montpellier 50 Scudi pro Jahr. Seit ca. August 1488 wirkte der Florentiner Giovanni di Jacopo Venturi als weiterer giovane in der Lyoner Bank (mit zunächst knapp 30 Scudi Lohn, der seit 1492 auf 40 Scudi stieg). Ende 1489, nachdem die Partner in Florenz die Lyoner Bartolini-Bank reformiert und erneuert hatten, nahm Giuliano da Gagliano auf der Rückreise Bartolomeo Bartolinis zweitgeborenen Sohn Leonardo als jungen Mitarbeiter mit nach Lyon. Wie alle BartoliniSöhne erhielt auch er keine Privilegien; bis zum März 1492 wurden ihm 60 Scudi als Lohn vergütet, um dann einen Jahreslohn von 30 Scudi festzulegen.65 Beide Banken suchten ihre Profite nicht nur in verschiedenen Formen von Finanzgeschäften, sondern gleichermaßen mit einem ausgedehnten Warenhandel. Gerade für diesen Zweck erfüllte die Niederlassung in Montpellier, nahe dem wichtigen Mittelmeerhafen Aigues-Mortes, eine bedeutsame Funktion. An diesem Grundprinzip wird sich in den folgenden Jahrzehnten, also auch während des Medici-Exils, für die führenden MediceerBanken bzw. -Firmen nichts ändern; einige neue, signifikante und äußerst lukrative Typen von Warengeschäften werden es sogar intensivieren. Schon in den 80er Jahren handelten beide Bartolini-Banken beispielsweise mit Wolle aus dem Languedoc, die man über die Spinelli-Gesellschaft in Montpellier bezog und von dort auf Weisung aus Lyon nach Florenz verschiffte. An solchen Geschäften konnten sich auch weitere Medici-Bankiers beteiligen, in diesem Fall Cosimo Sassetti aus der Lyoner Medici-Bank. Andere Güter waren 62 ABS 106, c. IIII, V, VII, VIII. 63 ABS 106, c. 19. 64 Sein Vater Pierozzo del Rosso wird von Filippo da Gagliano 1480 im Konto der ‚Erben des

Piero di Filippo da Gagliano‘, das erstaunlich viele Bezüge zur Medici-Bank aufweist, als camerario delle prestanze bezeichnet; er scheint also in der kommunalen Finanzverwaltung für die Interessen der Medici gewirkt zu haben; ASP IV/1, c. 27. 65 ABS 106, c. XII, XVIII, 19, XXII; ABS 225 (zweites Geheimbuch der Lyoner Bartolini-Bank; da gegen die Regel hier statt äquivalenter römischer Zahlen nur arabische Zahlen auf der rectobzw. avere-Seite als Paginierung dienen, wurden sie für Zitierungen aus diesem Buch in die übliche carta-Paginierung, d.h. in römische Zahlen umgewandelt, um Irritationen zu vermeiden), c. 3, 6, VII, X, 11, XII.

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Seide aus Valencia, Tuche aus Perpignan (panni perpignani), Leinen (tele), Goldfäden (oro filato, meist aus Florenz in den Norden exportierte vergoldete Seidenfäden) für die Brokatherstellung und die Veredelung von Samtgeweben, Getreide aus der Provence und das aus den getrockneten und zermahlenen Kermesschildläusen gewonnene scharlachrote, körnerartige Substrat (grana di scarlata), das vor allem für das Färben von Seidenstoffen gebraucht wurde und das die Bartolini ebenfalls aus Südfrankreich und aus Spanien bezogen. Schon 1492 hatte die Lyoner Bartolini-Bank ein solches Geschäft gemeinsam mit Jacques de Beaune, dem Kaufmann aus Tours und aufsteigenden Finanzfachmann der französischen Krone, abgewickelt.66 Die über ihn laufenden späteren Kredite der Bartolini-Bank für den Königshof und seine lange Freundschaft mit den Mediceern, vor allem mit Giuliano da Gagliano, ruhten also auf solchen Kooperationen. Doch die Kernaufgabe der Bartolini-Bank, wegen der die Florentiner Bank auch ihr Pendant in Lyon benötigte, war das Geschäft mit Wechselbriefen. Eine der zentralen Aufgaben Filippo da Gaglianos bestand darin, für seinen amico Lorenzo de’ Medici aus solchen cambi zwischen Florenz und Lyon höchstmögliche Profite für den Medici zu erzielen. Das wegweisende Verfahren hatte Lorenzo de’ Medici seinem Finanzfachmann Filippo da Gagliano am 3. August 1481 bei einem persönlichen Gespräch im Florentiner Medici-Palast erklärt, im Zimmer seines Kanzlers Ser Niccolò Michelozzi und in dessen Beisein. Filippo sollte alles Geld, das er von Lorenzos Konten oder auf andere Weise von diesem erhalte, in seinem (Filippos) Namen in freier Verfügung so in Wechselbriefen oder anderen lukrativen Geschäften anlegen, daß er jede Möglichkeit zur Profitgewinnung ausschöpfe; der gesamte Gewinn oder Verlust aber sollte allein Lorenzo betreffen!67 Für diesen Zweck brauchte Filippo seinen Bruder und Lorenzo Spinelli in Lyon, an dem damals wichtigsten Finanzhandelsplatz Europas. Die Gründung der Lyoner Bartolini-Bank im August 1482 diente in erster Linie der ihm gestellten Herausforderung, Lorenzo de’ Medici mit allen finanztechnischen Mitteln Gewinne zuzuführen, die dieser anonym und nicht über die nominellen Medici-Banken erzielen wollte. Vermutlich lagen die Gründe für die Wahl dieses Weges darin, einerseits nicht offen deklarierte und damit auch den Steuerorganen verheimlichte Gewinne für Lorenzo zu ermöglichen und andererseits diese nicht durch die persönlichen Verbindlichkeiten Lorenzos und die seiner finanziell angeschlagenen Medici-Banken in Lyon, Rom und Florenz gefährden zu lassen, sprich: diese ansehnlichen Profite nicht den zahlreichen Gläubigern der Medici-Banken zugute kommen lassen zu müssen. Die anonyme Mehrheitsbeteiligung des Magnifico an den Bartolini-Banken bot ihm außer versteckten Gewinnen den Vorteil, daß diese Banken formalrechtlich in keiner Weise mit der Medici-Gesellschaft in Verbindung gebracht werden konnten. Diese freie Verfügbarkeit über die Gewinne war Lorenzo mit seinen bestehenden, unter dem Medici-Namen laufenden Filialen nicht möglich. Seine 66 Hierzu ABS 225, c. XIV. 67 ASP IV/1, c. 166r; zitiert auch bei Brown, new men, S. 135 und Anm. 80. Zu dem komplexen

Feld der Wechselbriefgeschäfte, die für das 15. Jahrhundert sicherlich noch nicht hinreichend untersucht worden sind, grundlegend: Spufford, Handbook.

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Bank in Rom wurde außerdem weiterhin von Papst Sixtus IV. kujoniert; seine Lyoner Filiale hätte zwar den politischen Freiraum besessen, wurde aber noch von einem inkompetenten Verwandten geleitet, dessen Verschuldungen alle Gewinne gleichsam aufgefressen hätten, weshalb es 1482 keinen Sinn machte, in die Medici-Banken in Rom und Lyon zu investieren. Die Kunst bei den Wechselgeschäften bestand darin, die unterschiedlichen Geldkurse an den einzelnen Finanzplätzen und die variable Nachfrage nach bestimmten Münzen so zu nutzen, daß beim Verkauf ein deutlicher Gewinn erzielt werden konnte. Zu diesem Zweck wurden auch immer wieder hohe Bargeldbeträge durch besondere Kuriere zwischen Italien und Frankreich hin- und herbefördert, um bestimmte Nachfragezyklen nutzen zu können. In den Briefen zwischen den einzelnen Mediceer-Banken und ihren an vielen Finanzplätzen in ganz Europa verteilten Agenten – wir gehen später nochmals ausführlicher darauf ein – wurden deshalb am Schluß auch immer die jeweiligen Geldkurse bekanntgegeben. Schon am 13. Oktober 1481 erhielt Filippo da Gagliano in bar 600 Fiorini und am 22. März 1482 nochmals 400 Fiorini von der Florentiner Bartolini-Bank per cambiare e trafficarli [...] per conto di uno amico bzw. per suo conto in mio nome per suo ordine com danari d’amici, also zusammen mit Geldbeträgen weiterer Freunde.68 In der Folge operierte Filippo oft auch mit höheren Beträgen von ca. 5.000 Fiorini in diesem Wechselbriefverkehr, in den Einzelpersonen wie Galeazzo di Francesco Sassetti, Francesco Bottegari, Alessandro Pucci und der sensale Luca di Fruosino da Panzano als Makler (für Monte- und diverse Versicherungsgeschäfte) neben vielen weiteren Mediceern eingebunden waren, ebenso natürlich die Medici-Banken in Florenz, Lyon, Rom und Neapel, Tochterbanken wie später die Bank des Giovanni d’Ambra sowie weitere befreundete Banken wie die des Francesco di Zanobi Girolami in Florenz oder des Pagholo di Vanni Rucellai in Rom. Besonders auffällig ist jedoch die partnerschaftliche Beteiligung der Banken der Florentiner Taddeo d’Agnolo Gaddi (zunächst in Rom, dann in Florenz) sowie Bartolomeo di Lutozzo di Jacopo Nasi (in Lyon und Florenz, die seit ca. 1490 als Bernardo e rede di Bartolomeo Nasi e Co. firmierten), die beide seit 1481 für Filippo bzw. Lorenzo Konten führten, und zwar in mio nome attenent[i] a uno amico.69 Die NasiBank muß aufgrund zahlreicher, im Folgenden noch zu nennender Indizien als eine der Medici-Gesellschaft zumindest sehr freundschaftlich, wenn nicht sogar partnerschaftlich verbundene Bank bezeichnet werden. Bartolomeos Bruder Francesco di Lutozzo Nasi wurde etwas später, um 1485, von Lorenzo de’ Medici als Leiter der Medici-Filiale in Neapel gewonnen; dessen Sohn Alessandro durfte, solche Bindungen gleichsam sichernd,

68 ASP IV/1, c. 88, CXXI, CXXXIII. Lorenzo de’ Medici wird wiederum teilweise anonymisiert,

teilweise als Kontoinhaber auch namentlich genannt. 69 ASP IV/1, etwa c. 83, 106, 120/CXX (explizit und zweifelsfrei auf den Magnifico bezogen: uno

amicho deve avere ... posto Taddeo Gaddi e Co. di Roma bzw. Bartolomeo di Lutozzo Nasi dare per avanzo fatto in quel conto per danari cambiati per Roma bzw. per Lione); IV/2, IV/4, IV/6, jeweils passim.

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in die Tornabuoni-Familie einheiraten, eine Tochter in die der Carnesecchi.70 Zu Taddeo Gaddi ist nichts Wesentliches überliefert, jedoch weiß man, daß Francesco Gaddi ein Gefolgsmann von Lorenzo de’ Medici war.71 Doch die Mittel zur Profitgewinnung waren damit bei weitem nicht ausgeschöpft. Ein weiteres bestand darin, für Lorenzo de’ Medici hohe Beträge bei den beiden BartoliniBanken in ein Depot zu geben, für die in der Regel feste Zinssätze vereinbart wurden, die im Fall Lorenzos am Anfang 3,5%, später sogar 8% und 13% betrugen.72 Außer Geld stellte Lorenzo de’ Medici seinem Finanzspezialisten Filippo da Gagliano schon seit Ende November 1481 auch Gold und Juwelen aller Art (Perlen, Diamanten, Rubine, Smaragde usw.) aus dem Medici-Schatz zur Verfügung. Diese Stücke wurden am 12. April und 19. Juli 1482 von der Florentiner Bartolini-Bank di chonto di un amico di Filippo für Beträge von 800, 490 und 280 Fiorini gekauft.73 Da allein mit der Summe von 280 Fiorini 60 zum Teil sehr wertvolle Juwelen (etwa acht Ballas-Rubine, die meist nur als balasci bezeichnet wurden) in den (zeitweiligen) Besitz der Bartolini-Bank übergingen, entsprach der Kaufpreis vermutlich nicht dem Wert der Juwelen. Sie sollten zum Teil durch Filippo verkauft, zum Teil durch die Bank profitabel eingesetzt werden, wobei an ihre Verpfändung als Sicherheit für Kredite zu denken ist. (Das gleiche Verfahren praktizierten die MediceerBankiers im übrigen nach 1494 zu Gunsten der exilierten Medici.) Schon zum Ablauf des Finanzjahres 1485 (nach Florentiner Stil am 24.3.1486) wurde auf dem ‚Konto der Juwelen‘ ein als Zins (discrezione) deklarierter Gewinn von erstaunlichen 5.150 Fiorini verbucht, die direkt dem amico Filippos zur Verfügung gestellt wurden.74 (Solche Gewinne wurden gar nicht erst für den Profit der Bank und den Anteil Lorenzos geltend gemacht.)

70 S.u. S. 152, 669: allerdings erscheinen Alessandro und Bernardo di Bartolomeo Nasi nach 1494

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bei Guicciardini (Storie fiorentine, s.v.) eher als Gegner der Medici, doch muß dies (wie in analogen Fällen) nicht unbedingt für die unter dem Nasi-Namen laufenden Banken gelten. Guicciardini führte Taddeo Gaddi immerhin einmal in einem politischen Kontext an der Seite des erklärten Medici-Freundes Pierfilippo Pandolfini auf; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 130; zu Francesco Gaddi als agente mediceo: Picotti, Giovinezza, S. 70, 138, 214. Vgl. etwa ASP IV/1, c. LXXVIIII, 112/CXII (am 29.3.1482 erhielt Filippo von Lorenzo 1.293, 15 fl. l.gr. contanti in una borsa im Wert von 1.250 fl. l.o.o., die er zur Bartolini-Bank tragen und mit 1.250 fl. l.gr. für „einen Freund von Filippo“ mit 3,5% Zins anlegen sollte); ABS 224, c. VI; ABS 106, c. IIII, 20, 25/XXV. Da in der Forschung teilweise darauf hingewiesen wurde, daß die Formulierung, jemand habe einen Geldbetrag ‚in bar erhalten bzw. davongetragen‘, gerade bei höheren Beträgen nur die Umschreibung eines rein buchungstechnischen Vorgangs sei, soll an dieser Stelle betont werden, daß in Filippos Aufzeichnungen (und anderer Mediceer) auch bei hohen Beträgen an einem Bargeldtransfer über Mittelsmänner – wie sehr oft Niccolò Michelozzi – kein Zweifel sein kann. Denn häufig wird die Aufbewahrungsform genau spezifiziert (1.292, 15 fl. l.gr. contanti in una borsa, 800 fl. l.gr. contanti in grosso in due sachetti usw.) oder es wird die genaue Münzung angegeben, um diese dann in eine Buchungswährung umzurechnen. ASP IV/1, c. 167r/v; ABS 224, c. XLV, 46/XLVI (die Beträge und Daten stimmen mit den persönlichen Aufzeichnungen Filippos überein); vgl. Brown, new men, S. 135, Anm. 81. ABS 224, c. XXIII (der dortige Hinweis auf die Abbuchung von dem Konto auf Seite 6 betrifft das ebendort geführte conto di gioie di più sorte di nostra ragione); die überlieferten Aufzeich-

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Auch für die Einlage gut verzinster Kredite in die Kassen des staatlichen Monte Comune hatte die Florentiner Bartolini-Bank zu dienen. Gerade für diese Verbindung ist nochmals der größere Kontext in den Blick zu nehmen. Das Desaster der Brügger MediciBank, die großen ökonomischen Probleme der Medici-Banken in Lyon und Rom sowie die Kosten des für den Machterhalt der Medici geführten Pazzi-Krieges und eines anschließenden Krieges gegen Ferrara hatten eben nicht nur Lorenzo de’ Medici, sondern auch die Florentiner Staatsfinanz an den Rand des Ruins getrieben. Der Magnifico mußte diese gefährliche Krise auf privater und auf öffentlicher Ebene bewältigen. Nachdem er Filippo da Gagliano am 3. August 1481 in einem vertraulichen Gespräch beauftragt hatte, seine (Lorenzos) Geldmittel so effektiv wie möglich zu vermehren, setzte der Magnifico schon einen Tag später, am 4. August 1481, mit taktischem Geschick und Verweis auf die gegenwärtige Finanzkrise des Staates die Gründung einer neuen Kommission von 17 Reformern durch, die mit erheblichen Sonderkompetenzen den Staatshaushalt sanieren und dies insbesondere durch „reformerische“ Eingriffe beim Monte Comune und den Steuern erreichen sollte.75 Lorenzo, der dieser Kommission genauso wie die MonteBeamten angehörte, erhielt im Juli 1482 geheimgehaltene Privilegien, die nur ihm als dem größten, aber angeschlagenen Florentiner Steuerzahler mittels bestimmter Guthaben beim Monte die Zahlung seiner Steuern erleichtern sollten. Seit 1488/89 konnte der Medici die gewünschte Balance nicht mehr halten und Lorenzos Monte-Schuld explodierte bis zu seinem Tod auf eine Summe zwischen 14.000 und 22.000 Fiorini.76 So kontrovers diese Vorgänge diskutiert werden und so undurchsichtig sie bleiben, unstrittig sind folgende Tatsachen: Der Medici erhielt mehr Mittel aus dem Monte, als er diesem als Kredit zur Verfügung stellte. Für seine Finanzoperationen beim Monte wählte Lorenzo seinen Bankier, Strohmann und Partner(!) Filippo da Gagliano als Prokurator, dessen Funktion als Käufer von Zinsansprüchen Dritter für Lorenzos Monte-Konten noch

nungen Filippo da Gaglianos in ASP IV/1 erfassen diesen und den folgenden Zeitraum leider nicht mehr. 75 Grundlegend: Brown, Medici in Florence, Kap. 5: „Lorenzo, the Monte and the Seventeen Reformers“ (S. 151–211). Als Monte Comune bezeichnete man die 1345 gegründete Administration, welche die konsolidierte Staatsschuld verwaltete; an der Spitze des Monte standen die gewöhnlich für ein Jahr gewählten Ufficiali del Monte, die ihren Amtssitz im Erdgeschoß des Palazzo della Signoria hatten, deren Zahl normalerweise fünf betrug, durch ein Gesetz vom März 1495 jedoch auf bis zu zehn erhöht wurde (de facto aber in den folgenden Jahren darüber lag), und die keine Schulden bei der Stadt haben durften; vgl. hierzu etwa Barteleit, Staatsverschuldung. 76 Die höhere Zahl wurde von Brown, Medici in Florence, hier bes. S. 173, berechnet, die tiefere von Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, hier bes. S. 269f. Der von Brown propagierte Griff Lorenzo de’ Medicis in die Kassen des Monte, gedeckt durch das Privileg vom Juli 1482, ist nach Ciappellis und Molhos kritischer Analyse der Quellen letztendlich als eine nicht ganz zu klärende Steuerschuld Lorenzos zu interpretieren, die ihm gleichwohl trotz des dem entgegenstehenden Gesetzes divieto die Ausübung öffentlicher Ämter erlaubte. In der Tatsache, daß er zwischen 1488 und 1492 beim Monte tief in die roten Zahlen rutschte, sind sich beide Studien allerdings einig.

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längst nicht hinreichend aufgeklärt ist.77 Ferner: Die Explosion seines Defizits beim Staat erfolgte genau in jenen Jahren, als Lorenzo und sein Partner und Freund Bartolomeo Bartolini selber zu den fünf Monte-Beamten zählten (März 1488 bis März 1491) und als solche der zwischen Juli 1490 und 1491 erneut amtierenden Finanzkommission der 17 Reformer angehörten.78 Schließlich: Auch in Lorenzos Florentiner Tarnbank, der BartoliniBank, und in Filippos persönlichen Rechnungsbüchern wurden separate Konten di Monte di 7 per cento geführt, in welche die Zinsgewinne aus den Krediten an den Staat überführt wurden. Sie kamen zum Teil direkt von dem Medici-Intimus Antonio di Bernardo di Miniato Dini als Provisor des Monte Comune. Und auf das Konto von ‚Lorenzo persönlich‘ wurden durch Bartolomeo Bartolini zum 26. März 1487 immerhin 5.000 Fiorini verbucht, die in das Geheimbuch der neuen Folgegesellschaft der Bartolini-Bank übertragen wurden

77 Das Lorenzo de’ Medici im Juli 1482 gewährte Privileg bestand vor allem darin, nicht nur die

auf ihn und seine nahen Verwandten laufenden Monte-Guthaben und Zinsansprüche direkt zur Tilgung seiner Steuerschuld umschreiben lassen zu dürfen – was einige Tage vorher auch allen anderen Bürgern gestattet worden war –, sondern auch Zinsguthaben (paghe genannt) von Dritten kaufen zu dürfen, was gewöhnlich zu Preisen deutlich unter dem wahren Wert geschah. Eben dieses Vorrecht ließ Lorenzo von 1482 bis 1492 durch seinen Experten Filippo da Gagliano zugunsten seines Kontos durchführen; vgl. hierzu Brown, Medici in Florence, S. 172–175, 201–211; Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, hier bes. S. 250f., 264–270. Im Gegensatz zu Brown gehen Ciappelli/Molho davon aus, daß die Formulierung in Lorenzos Konten, er habe die erworbenen Zinsguthaben ‚in bar davongetragen‘ (portò in contanti), als rein buchungstechnischer Vorgang zu interpretieren sei (als ob es Bargeld sei), da der Magnifico sicherlich nicht ständig zu recht regelmäßigen Terminen Beutel mit Bargeld aus den Büros der Monte-Beamten geholt habe. Diese Einwände – gegen die allerdings die oben erläuterte Beobachtung eines sehr häufigen Bargeldtransfers in Beuteln und Säckchen gerade durch Filippo da Gagliano und Niccolò Michelozzi an Lorenzo steht – relativieren aber nicht die außergewöhnliche Funktion Filippos, die sich demnach realiter nur auf den Kauf der Zinsguthaben bei Dritten beschränken würde. Die angegeben Daten mögen dem Rhythmus der Buchführung geschuldet sein, aber der gesamte Kontext, das Wissen um die Filippo am 3.8.1481 zugewiesene Aufgabe und die Struktur der Florentiner und Lyoner Bartolini-(Medici-)Bank lassen es doch als sehr plausibel erscheinen, daß Filippos Rolle über die eines Käufers hinausging. So möchte ich annehmen, bei diesen Zinsguthaben habe es sich um einen Teil der Filippo durch Lorenzo zur Verfügung gestellten Geldmittel gehandelt, deren Wert Filippo in den Bartolini-Banken durch Wechselgeschäfte zu steigern hatte. Nicht der Kontoinhaber Lorenzo de’ Medici, aber sein Prokurator hätte diese zu Marktwerten, aber unter ihrem eigentlichen Wert von Dritten gekauften Zinsguthaben dann tatsächlich in bar abgeholt (wenn es nicht eine komplizierte Verrechnung zwischen Filippo, Monte und Verkäufer gegeben hat), um sie in Wechselgeschäfte zu investieren. Einen Griff in die Kassen des Monte bedeuteten diese Vorgänge wohl nicht, aber eben auch keine Umsetzung der Intention des Lorenzo 1482 gegebenen Sonderrechts, da er die durch Filippo realisierten Gewinne offenkundig nicht zur Begleichung seiner Steuerschuld benutzte. 78 Brown, Medici in Florence, S. 172–176, 185; Goldthwaite, Lorenzo Morelli, S. 630f.; Barteleit, Staatsverschuldung, S. 225 (Monte-Amtszeiten). Vor allem Brown hat mit Blick auf Lorenzo de’ Medici und den Monte die Verquickung von öffentlichen und privaten Interessen untersucht, die schon von vielen Zeitgenossen angeprangert worden war. Ihre Ergebnisse haben zu teilweise heftigen Diskussionen geführt, da manche Forscher Lorenzo vor dem Vorwurf persönlicher Bereicherung in Schutz nehmen wollten; vgl. etwa Brown, Medici in Florence, hier bes. S. 176– 179; sowie für ihre Kritiker: Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici.

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und für Bartolomeo und Lorenzo in ihrer Funktion als neue Monte-Beamten dienten.79 Auch die Tatsache, daß die Florentiner Bartolini-Bank – nicht Bartolomeo Bartolini persönlich! – zwischen 1488 und 1490 für Lorenzo de’ Medici als päpstlichen Depositar den päpstlichen Zehnten im Florentiner Dominium erhob und dabei den Anteil der Einnahmen erhielt, der für die Staatskasse abfiel, und daß sie davon 30.000 Fiorini in den Monte einzahlte, muß in diesen Kontext gestellt werden.80 Man darf annehmen, daß diese und andere Gewinne aus Monte-Krediten nicht mit Lorenzos Schuld beim Monte verrechnet wurden – sonst wären die ganzen heimlichen Transaktionen über seine Tarnbank und seinen Strohmann unnötig gewesen. Diese Vorgänge und Zusammenhänge bedürfen weiterer präziser Untersuchungen, um die Verquikkung von öffentlichen und privaten Interessen bei Lorenzo de’ Medici erfassen zu können. Ciappelli/Molho weisen mit Recht darauf hin, hierbei müsse man den Fokus besonders auf jene Bereiche richten, wo Lorenzo de’ Medici und seine Freunde sich der List und der Verheimlichung bedienten, um ihre Ziele zu erreichen.81 Diese Indikatoren sind aber zweifellos bei der Florentiner und Lyoner Bartolini-Bank gegeben. In ähnlicher Weise wie Lorenzo de’ Medici, Bartolomeo Bartolini und Filippo da Gagliano investierte auch der enge Freund Lorenzos und Bartolomeos, Lorenzo di Matteo Morelli, Gelder des Monte in der Bartolini-Bank. Inwieweit der Staat dabei betrogen wurde, müßten entsprechende Studien klären. Anzusprechen ist jedoch die Tatsache, daß auch enge Freunde der Medici die Möglichkeiten der beiden Bartolini-Banken nutzen durften – so wie diese ihrerseits auch von den Freunden profitierten. Richard Goldthwaite hat dies

79 ASP IV/1, c. 59/LVIIII (schon 1479 ein über die Bartolini-Bank laufendes Konto Danari di

Monte comune di mio conto proprio), c. 93 (Konto Monte di 7 per cento per conto di uno amico; dabei ist auffällig, daß Filippo als Käufer und Verkäufer dabei eine andere Namensnennung anwandte, indem dies ‚für ihn im Namen von Filippo, den Sohn von madonna Ginevra, der Tochter von madonna Cecha‘, erfolgte. Warum er sich bei den Monte-Geschäften, und nur dort, als Sohn seiner Mutter und Großmutter identifizierte, weshalb er also hier nicht wie üblich den väterlichen und großväterlichen Vornamen benutzte, müßte gesondert geklärt werden), c. 100 (dort ein Konto Monte comune attenente a Ser Niccolò Michelozzi et a Francesco Bottegari et a me [Filippo]), c. 133; ABS 224, c. VII (1482/83: Gewinne in einem conto di Monte di 7 per cento), c. XVII (1485/86: 1.510, 12 Fiorini consegnatoci Antonio di Bernardo di Miniato proveditore del Monte per discrezione auta del Comune per danari servitolo per conto degli ufficiali), c. 20/XX (1487: Konto Lorenzo de’ Medici proprio: Bartolomeo Bartolini sollte per conto dei nuovi ufficiali del Monte zum 26.3.1487 die 5.000 Fiorini in die neue ragione übertragen – allerdings traten er und Lorenzo dieses Amt erst zum 1.3.1488 an). Hervorzuheben ist schließlich, daß sich Filippo da Gagliano und die Bartolini-Bank bei allen Monte-Geschäften (ebenso wie bei Schiffsversicherungen) des Maklers (sensale) Luca di Fruosino da Panzano bedienten, der ganz klar den Medici zugeordnet werden muß und unter dessen Namen nach der Exilierung der Medici eine den Mediceern dienende Florentiner Bank lief, die in ihrer Struktur der des früheren Kassierers der Bartolini-Bank Giovanni d’Ambra geähnelt haben müßte. 80 Vgl. Brown, Medici in Florence, S. 174–176; Bullard, Lorenzo il Magnifico, S. 183, Anm. 110. (Die entsprechenden Quellenbelege sind sicherlich zu vertiefen.) 81 Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 274.

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jüngst eindrucksvoll am Beispiel Morellis veranschaulichen können.82 Lorenzo Morelli hatte in seiner Funktion als Ufficiale del Monte (1484–88) Kredite zu sammeln, die auf dem Monte zu dem hohen Zins von 14% angelegt wurden, die also mit beachtlicher Profitabilität, aber nicht risikolos dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt wurden. Von zahlreichen Kleingläubigern erhielt Morelli Kredite, für die er einen niedrigeren Zins als 14% zahlte, um das Geld gleichwohl am Monte zu 14% anzulegen und die Zinsdifferenz als Profit einzustreichen. Höhere Einzelsummen erhielt er von guten Freunden, deren Kredite er unmittelbar zu 14% Zins in den Monte einbrachte. Die höchste Einlage bescherte ihm mit 3.500 Fiorini des Medici Florentiner Bartolini-Bank, die allein dafür 1.020 Fiorini Zinsgewinn verbuchen konnte. Während ihrer gesamten ersten Geschäftsperiode von 1482 bis 1487 gab diese Bartolini-Bank dem Monte weitere 9.885 Fiorini an Kredit und kassierte dafür zusammen mit dem vorherigen Zinsgewinn – bei einem Posten erhielt sie sogar 14,5% Zins – insgesamt 5.231 Fiorini. Das war ein lukratives Geschäft, das angesichts des fest in Mediceer-Hand befindlichen Monte für diese Bank, an der Lorenzo de’ Medici größter Teilhaber war, risikolos war. Eine weitere Profitmöglichkeit realisierte Lorenzo Morelli, indem er nach dem Vorbild des von Lorenzo de’ Medici und Filippo da Gagliano praktizierten Verfahrens akquirierte Kredite in Wechseloperationen anlegte. Hierbei wurden die Wechsel zum Teil über drei Jahre zwischen Florenz und Lyon hin- und hergezogen, um über Kursdifferenzen möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften. Für diese an sich äußerst riskanten, mit heutigen Börsenspekulationen und Termingeschäften vergleichbaren Wechselgeschäfte bediente er sich naheliegenderweise befreundeter Banken. Das waren (neben medicinahen Banken wie denen der Martelli und Nerli) primär die Florentiner Bank des Bartolomeo Bartolini sowie ihr Lyoner Pendant. Mit ihr – und nicht der Lyoner Medici-Bank! – praktizierte Morelli bzw. für ihn die beiden Bartolini-Banken die Wechseloperationen oder investitionen zwischen April 1484 und Februar 1487.83 Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß Morelli diese Wechselgeschäfte über den Spezialisten Filippo da Gagliano ausführen ließ, denn dieser hatte 1481 ja explizit den Auftrag bekommen, solches mit dem Geld von Lorenzo de’ Medici und dem anderer Freunde zu leisten. Zugleich führte Lorenzo Morelli seit 1482 ein Depositenkonto bei der Florentiner Bartolini-Bank, in das er 600 Fiorini zinsbringend einlegte, während Giovanni di Francesco Tornabuoni, der Onkel und Partner Lorenzo de’ Medicis, 1.000 Fiorini investierte.84

82 Zum Folgenden Goldthwaite, Lorenzo Morelli (Goldthwaite waren seinerzeit die einzelnen

Partner der Florentiner Bartolini-Bankgesellschaft noch nicht bekannt, so daß bei ihm allein Bartolomeo Bartolini als Hauptverantwortlicher und Nutznießer dieser Bank erscheint). Lorenzo Morelli galt auch in den Jahren nach 1494 ebenso wie etwa Piero Guicciardini als Anhänger der Medici, als der Partei der Bigi zugehörig; Parenti, Storia fiorentina II, S. 317. 83 Vgl. Goldthwaite, Lorenzo Morelli, S. 617, 619f. 84 ABS 224, c. 3.

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Neue Schichten der Täuschung: Giuliano da Gagliano als Leiter der Lyoner Bartolini-Bank und sein Freund „G“ in Florenz Die Bartolini-Banken in Florenz, Lyon und deren Ableger in Montpellier waren reine Medici-Banken – ein Faktum, das nicht stark genug betont werden kann. Bartolomeo Bartolini war zwar Partner in „seiner“ Florentiner Bank, doch handelte er für und nach Maßgabe von Lorenzo de’ Medici, weniger in der Bank selber als vielmehr in der Zecca und als Depositar der Otto di Pratica. In diesen Institutionen bildete Bartolomeo gleichsam den verdeckten Arm Lorenzos. Diese Instrumentalisierung von Personen und Namen war in der Lyoner Bartolini-Bank noch stärker gegeben, was auch für Lorenzo Spinelli gilt, der bis 1481/82 nicht mehr als ein Agent der Medici in Montpellier war und erst in Lyon zu einem führenden Mitarbeiter der Medici-Bank aufstieg. An der Lyoner Spinelli-, dann Bartolini-Bank partizipierte Bartolomeo nicht einmal persönlich, lediglich als einer der Partner der Florentiner Bartolini-Bank. Mehrheitseigner und dominierender Teilhaber war wie gesagt Lorenzo de’ Medici über seinen Strohmann Filippo da Gagliano, der wiederum seinen Bruder und Partner Giuliano bei allen wichtigen Geldanlagen und Entscheidungen aus Florenz mit gesonderten Briefen instruierte. Giuliano da Gagliano erscheint im ersten Geheimbuch der Lyoner Spinelli-/BartoliniBank als eigenständiger Partner, Kapitalgeber, Anteilseigner und als governatore der Bank, zunächst zusammen mit Spinelli, dann ab 1486 allein. An dieser Funktion änderte sich nichts, als die führenden Partner der Lyoner Bartolini-Bank diese – nach der Saldierung zum 24. März 1489 – im November 1489 in Florenz nicht nur erneuerten, sondern ‚reformierten‘. Giuliano da Gagliano mußte zu diesem Zweck in seine Heimatstadt reisen. Wie schon 1487 bei der Erneuerung der Florentiner Bartolini-Bank erhöhten die Partner auch für die Lyoner „Tochter“ das Kapital – verständlich bei den hohen Renditen. Allerdings war eine Modifizierung der Kapitalbeiträge auch durch den Wechsel Spinellis in die (nominelle) Lyoner Medici-Bank notwendig geworden. Daher hatte Filippo da Gagliano schon zum 26. März 1486 per conto seines amico „seinen“ Kapitalanteil von 3.600 auf 4.000 Scudi erhöht.85 Wie das zweite Geheimbuch der Lyoner Bartolini-Bank zeigt, hielt Filippo mit der generellen Kapitaländerung zum 1. Januar 1490 diesen Anteil am corpo (wobei sein Freund Lorenzo de’ Medici wie schon 1482 die gesamte Summe aufgebracht haben wird), die Florentiner Bartolini-Bank – in welcher Lorenzo und Filippo seit 1487 60% der Anteile hielten! – steigerte ihren von 1.600 auf 3.500 Scudi und Giuliano da Gagliano den seinigen von 400 auf 1.000 Scudi. Während die Florentiner Bartolini-Bank also über ein Gesamtkapital von 8.000 Fiorini verfügte, konnte ihre Lyoner Tochterbank auf der Grundlage von 8.500 Scudi operieren. In ihr verfügte Lorenzo de’ Medici durch seinen Strohmann Filippo da Gagliano nun über 8 Soldi pro Lira bzw. 40% der Anteile, „ihre“ Florentiner Bartolini-Bank sollte die Anteile von 4 Soldi auf 7 Soldi pro Lira und

85 ABS 224, c. 13.

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damit von 20% auf 35% erhöht bekommen, während sich Giuliano da Gagliano bei nur knapp 12% Anteil am Kapital über 25% des Gewinns freuen durfte.86 Was nun entscheidend ist und uns schon direkt in die Exilsphase des Hauses Medici hineinführt: Mit den gleichen Partnern, Kapitalbeiträgen und Anteilen wurde die Lyoner Bartolini-Bank zum 21. Januar 1494 fortgesetzt – und sie wurde nicht mit Beginn des Exils im November 1494 aufgegeben!87 Damit ist eindeutig belegt, daß Filippo da Gagliano seine Funktion als Strohmann des Lorenzo de’ Medici nach dessen Tod im April 1492 übergangslos für Piero de’ Medici fortführte – so wie es auch Bartolomeo Bartolini tat! Aber wenn Filippo ein Strohmann war und blieb, sollte sein ihm subordinierter jüngerer Bruder tatsächlich eine bessere, eigenständige Position eingenommen haben; konnte Giuliano da Gagliano seine Gewinne wirklich ungeschmälert genießen? Auch wenn wir uns mit jenen Entdeckungen aus den libri segreti zu exklusiven „Insidern“ des späten laurenzianischen Geschäftssystems machen, die Dimensionen dieses Raumes haben wir damit noch längst nicht erschlossen. Giulianos Angaben in den beiden ersten Geheimbüchern der von ihm geleiteten Bank in Lyon sind, soweit sie seine Person betreffen, klare Feststellungen, die keine Mehrdeutigkeiten zulassen. Erst in seinem persönlichen Geschäftsbuch, das er zusätzlich seit dem November 1489 führte, läßt er erkennen, daß seine Stellung nicht der entspricht, die einzunehmen er vorgab. Für diese neue Ebene oder Schicht der Wahrheit bzw. Tarnung muß es Gründe gegeben haben. Nähern wir uns diesen über die Beschreibung des Phänomens. Nicht nur für sich ist es spannend und aufschlußreich; es zu kennen ist auch notwendig, weil es ebenfalls zu den Fundamenten des postlaurenzianischen Gebäudes mediceischer Finanzpolitik führt. Alle ihn betreffenden Posten und Konten (Kapitaleinlagen, Profite, Finanztransaktionen, Profite aus Wechselgeschäften usw.) finden im persönlichen Geschäftsbuch des Giuliano da Gagliano ein inhaltlich identisches Pendant – bis auf eine Ausnahme. Schrieb er im Geheimbuch der Lyoner Bartolini-Bank, Giuliano da Gagliano müsse 1.000 Scudi für das Kapital geben, so formulierte er in seinem privaten Buch, ‚ein Freund von mir mit der Signatur „G“ (uno amicho mio segnato G) muß auf Anweisung von mir, Giuliano da Gagliano, zum 1. Januar 1490 für meine Rate am Kapital der im November 1489 erneuerten Lyoner Bartolini-Bank 1.000 Scudi geben‘! Analog wurden die Konten für zahlreiche seiner Finanzgeschäfte nun als conto a parte G bezeichnet, d.h. als diejenigen seines 86 ABS 225 (libro piccolo segreto rosso segnato D della ragione Bartolomeo Bartolini e compa-

gnia di Lione, suta nuovamente riformata in Firenze da nostri maggiori del mese di novembre 1489, 1489–1494), c. 1–II. (Warum im Anschluß an das erste Geheimbuch mit der Signatur „A“ das zweite nicht wie üblich mit „B“, sondern als Buch „D“ fortgesetzt wurde, ist nicht ersichtlich.) Dieser Profitanteil wird bei einem von Giuliano da Gagliano als nominellem Besitzer der Lyoner Bartolini-Bank erwirkten Schiedsspruch am 14.5.1496 bestätigt; ASP IV/6, c. 84r. 87 ABS 225, c. 4, 5, XV. Faktisch handelte es sich bei der zum 21.1.1494 begonnenen nuova ragione nur um den Beginn eines neuen Geheimbuches, dessen Signatur (nun „E“) korrespondierend auch für das ‚große‘ Schuldbuch bzw. Buch der Debitoren und Kreditoren benutzt wurde. So sprach man intern in diesem Fall (und analogen Fällen) von der neuen Gesellschaft des Buches „E“, la ragione nuova del libro azurro segnato E che dicie Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione.

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Freundes „G“ gekennzeichnet.88 Aber es wird noch interessanter. Zum gleichen Tag, dem 1. Januar 1490, hatte dieser Freund mit dem Sigle „G“ auf Anweisung Giulianos einen Betrag von 2.411, 6, 6 Scudi zu erhalten, die auf Giulianos Sonderkonto „G“ bei der Lyoner Bartolini-Bank zu transferieren waren, d.h. vom entsprechenden Konto aus dem ersten Geheimbuch der Lyoner Spinelli-/Bartolini-Bank auf sein neues bei der im November 1489 in Florenz reformierten Nachfolgerbank. Diese Summe blieb der Lyoner BartoliniBank bis zum Februar 1496 als Guthaben erhalten, als Giuliano nach Florenz zurückkehrte und die Bank Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione aufgelöst wurde. Der Betrag wurde als ‚abhängig‘ von Giulianos Kapital bezeichnet und bestand aus den im August 1482 eingelegten 400 Scudi Kapital und dem zum 26. März 1489 errechneten Profit Giulianos in Höhe von 2.011, 6, 6 Scudi.89 Dies bedeutet, daß der anonyme Freund „G“ bereits seit dem August 1482 der eigentliche Kapitalgeber Giulianos war, daß er die im Geheimbuch für Giuliano deklarierten Gewinne erhielt, und daß er Giuliano steuerte, als dieser in den dramatischen Sommermonaten des Jahres 1494 den Kredit über 6.000 Kammerdukaten bzw. 7.440 Scudi an König Karl VIII. und seine mit der Vorbereitung des Neapel-Feldzuges beschäftigten Diplomaten gab; daß Giuliano da Gagliano also lange vor und noch nach der Exilierung der Medici nichts anderes als ein Strohmann des Freundes „G“ war – so wie Filippo da Gagliano und Bartolomeo Bartolini für Lorenzo und Piero de’ Medici als Strohmänner fungierten! Beide Freunde der Gagliano-Brüder wollten folglich heimlich an der Lyoner Spinelli-, dann Bartolini-Bank partizipieren! Wer aber war nun dieser amico G? Im Gegensatz zu dem unschwer als Lorenzo de’ Medici zu identifizierenden Freund Filippos ist Giulianos Hintermann bisher nicht ganz eindeutig mit seinem wahren Namen zu erkennen, doch zahlreiche Indizien erlauben klare Aussagen, die nur einen Schluß zulassen. Dieser Freund muß aufgrund seiner Signatur einen Vornamen gehabt haben, der mit „G“ begann; für diese Regel können zahlreiche Beispiele gegeben werden, nur keine Ausnahmen. Er kann deshalb, aber auch mit Blick auf die Daten und Filippos „Statthalterschaft“ für Lorenzo de’ Medici nicht mit dem Magnifico identisch sein, muß aber wie dieser in Florenz gewohnt und zur Medici-Bank gehört haben und den Medici wie Bartolini seit 1482 eng verbunden gewesen sein. Da er nach 1490 auch Filippo Anweisungen gab, die dieser an Giuliano weiterzuleiten hatte, muß er innerhalb der Florentiner Medici-Bank eine höhere Stellung als Filippo besessen haben. Vor diesem Hintergrund wäre mit Blick auf das Sigle an Giovanni Tornabuoni zu denken, doch kann er es nicht gewesen sein, weil Giuliano da Gagliano noch lange nach dem Tod des Tornabuoni für seinen amico G wirkte. Aufgrund all dieser Kriterien, Zuordnungen und Ausschlüsse muß es sich bei ihm um Giovanbattista Bracci gehandelt haben, der auch in weiteren Punkten das Profil des heimlichen Teilhabers an der Lyoner 88 ASP IV/2 (Questo libro è di me scrittore, Giuliano di Piero da Ghagliano di Firenze, abitante

al prexente in Lione, e chiamasi libro biancho segnato A), vgl. etwa c. 2–IIII. 89 ABS 106, c. I, 24; ABS 225, c. II (die 2.411, 6, 6 Scudi wurden zum 1.1.1490 als Guthaben

Giuliano da Gaglianos deklariert); ASP IV/2, c. II, 3 (für Giulianos Freund „G“ sollte diese Summe zu jenem Tag durch die Lyoner Bartolini-Bank als credito auf seinem Konto gutgeschrieben werden).

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Bartolini-Bank erfüllt. Denn auch sein Adlatus Francesco Naldini offenbarte als Teilhaber und Leiter der 1508 gegründeten Lyoner Salviati-Gesellschaft erst in seinem persönlichen Geheimbuch, daß Bracci unter Naldinis Namen heimlich an dieser Bank partizipiere – doppelt, denn das tat Bracci zudem offen als Partner der Florentiner Lanfredini-Bank! –, wobei er für sich und „seine“ Lyoner Bank 1513/14 ein Konto unter der Rubrik uno amicho [mio] segnato G führte, das sich eindeutig Giovanbattista Bracci zuordnen läßt.90 Giovanbattista di Marco Bracci, der Generalmanager der Medici-Bank Giovanbattista Bracci, am 27. Dezember 1458 geboren (und damit gut ein halbes Jahr jünger als Giuliano da Gagliano), stammte aus einer Familie von Kaufleuten aus Vinci, die im 13. Jahrhundert nach Florenz gezogen war und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts den politischen Aufstieg erleben durfte, als sie erstmals einen der Prioren der Signoria stellte. Die Familie war den Medici eng verbunden und lebte im Quartier von San Giovanni, einer „Festung“ der Medici.91 Erstmals zum Oktober 1479 begegnet Giovanbattista im Rechnungsbuch des Filippo da Gagliano als Mitarbeiter der Florentiner Medici-Bank (Lorenzo e Giuliano de’ Medici e compagnia del banco), zum März 1482 wird er von Filippo erstmals als Kassierer bzw. Kassenführer dieser Bank bezeichnet.92 Unbeachtet blieb bisher ein weiteres (vor allem auch für unsere Geschichte) ganz wesentliches Detail der Vita dieses sowieso von der Forschung arg vernachlässigten MediciBankiers: 1484 hatte Gianbattista in die Bartolini-Familie eingeheiratet, als er eine Ehe mit Lucrezia, der legitimen Tochter des zur politischen Oberschicht zählenden Zanobi Bartolini, schloß, der Schwester des kurz darauf in Rom wirkenden Medici-Bankiers Leonardo Bartolini!93 Ihr Vater Zanobi di Zanobi Bartolini war mit Alessandra di Niccolò de’ Libri verheiratet und hatte als enger Anhänger der Medici von den 50ern bis in die 70er Jahre höchste Ämter der Florentiner Republik inne; ihr Onkel Andrea di Zanobi Bartolini gehörte schon zu den Freunden von Cosimo de’ Medici und wirkte u. a. als dessen Agent an der Kurie in Rom.94 Gianbattista Bracci gewann 1484 an sozialer Reputation. Solche Ehen waren in Florenz durchweg politisch motiviert, hier gleicherweise wirtschaftspolitisch. Da Lorenzo de’ Medici seine Macht auch dadurch sicherte, daß er zum größten Heiratsvermittler von Florenz wurde, wird er gerade diese Ehe ebenfalls aktiv gefördert

90 ANF 70, etwa c. IIII, 5/V ([Bracci] participa merchantilmente sotto mio nome [mit 2.000 Scu-

di], XVI, 21/XXI, XXXVI; vgl. unten S. 640f. Ich danke Heinrich Lang für diese Quelle! 91 Vgl. R. Zapperi, Art. „Bracci, Marco“ (der folgerichtig unter dem Medici-Papst Leo X. nach

Rom ging und dort protegiert wurde; zu seinem Vater Gianbattista hier nur wenig und leider auch kein eigener Artikel im DBI); zum Geburtsdatum des Gianbattista di Marco di Tommaso/Tomme Bracci: Tratte, s.v. 92 ASP IV/1, c. 48 (von Bracci erhielt Filippo damals in bar 15 fl., die dieser für das Konto der Erben seines Vaters Piero verbuchte), 63. 93 Vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 250, Nr. 60. 94 Vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 247–249, Nr. 53, 55. Bezeichnenderweise wird später Andrea de’ Libri in enger geschäftlicher Nähe zu Gianbattista Bracci und Lanfredino Lanfredini bezeugt; vgl. etwa ASP I/437, c. CCLXXXXI.

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haben. Bracci verstärkte seine Bindung an die Medici also nicht nur durch seinen beruflichen Aufstieg, sondern auch mit seinen engeren Verwandten. Dieser Vorgang ist von größter Bedeutung für die Substanz des Netzwerkes sowie für das Verständnis seines Wirkens! Giovanbattista Bracci hatte demnach spätestens seit den frühen 80er Jahren in gehobener Stellung in der Florentiner Bank, die ihren Sitz in der Via Porta Rossa hatte, für die Medici-Gesellschaft gewirkt. Nach Aussage des Lyoner Medici-Bankiers Lionetto de’ Rossi war es dieser so unbekannt gebliebene Mann, der nach den Pazzi-Kriegen um 1482 (zwischen 1480 und 1485) einen präzisen Plan zur Umstrukturierung der angeschlagenen Medici-Bank, d.h. der gesamten Gesellschaft, ausgearbeitet hatte. Danach sollte die bestehende Holdingstruktur modifiziert werden, indem die einzelnen Tochterfirmen in zwei Gruppen (wie zwei Körper mit einem gemeinsamen Kopf) zusammengefaßt werden sollten, deren eine unter dem Management des damaligen Generalmanagers Francesco Sassetti die Medici-Banken von Florenz, Pisa und Lyon umfaßt hätte (mit Giovanni d’Orsino Lanfredini als Juniorpartner), während zu der anderen, geleitet von Giovanni Tornabuoni, die Banken in Rom und Neapel (mit Francesco Nasi und Battista Pandolfini als Juniorpartnern) gehört hätten. Den Banken sollten dabei Produktionsfirmen (Seide, Goldschläger, Tuche) zugeordnet sein.95 Der Plan wurde in der vorliegenden Konzeption nicht umgesetzt. Vermutlich fürchtete man, daß die beachtlichen Kapitalerhöhungen (gut 25.000 Dukaten in jeder der beiden Tochtergruppen), die im Fall der Lyoner Medici-Bank mit einer weiteren Beteiligung des Lionetto de’ Rossi als Kapitalbeiträger und Partner verbunden sein sollten, zu riskant seien. Da nun genau 1482 das System der beiden getarnten, miteinander verzahnten Medici-Banken in Florenz und Lyon (sowie Montpellier) entwickelt wurde, die als Bartolini- bzw. anfangs auch Spinelli-Bank nicht von den Medici-Gläubigern belangt werden konnten, ist anzunehmen, daß Bracci an der Entwicklung dieses Modells beteiligt war, zumal er ja von Beginn an über Giuliano da Gagliano als heimlicher Partner an der neuen Lyoner Tarnbank partizipierte. Früh zeigte Bracci in seiner Funktion als Kassenführer also einen reformerischen Blick und Verantwortungsgefühl für das Ganze. Seine Reputation beim Magnifico stieg so stark, daß er 1487 Giovanni Tornabuoni und Agostino di Sandro Biliotti als Partner des Lorenzo de’ Medici in dessen Florentiner tavola ablöste, die ebenso wie die Lyoner oder römische Bank einen Teil der gesamten Gesellschaft bildete. Am 25. März 1487 begann – parallel zur Florentiner Bartolini-Bank! – ein neuer Gesellschaftervertrag der Florentiner MediciBank, der bis zu Lorenzos Tod dauerte, eventuell auch bis zum 24. März 1493. Die Bank führte den Titel Lorenzo de’ Medici e compagnia del banco di Firenze, dem man dann nach Lorenzos Tod den Zusatz Rede di (Erben des) voranstellte.96 Bis dahin blieben

95 Vgl. De Roover, Rise, S. 367–369; der Plan findet sich in ASF, MAP LXXXIII, doc. 19, c. 67r–

68v (Farei 2 chorpi o vogliamo dire 2 imprese. L’una farei chon Francesco Xaxecti in Firenze, Lione e Pixa, l’altra chon Giovanni Tornabuoni a Roma e Napoli.). 96 Vgl. die knappen Angaben in ASF, MAP LXXXIX, doc. 121r (spätere Notiz): Am 25.3.1487 habe die ragione del bancho di Firenze di Medici e compagnia begonnen, deren einzelne Partner

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Bracci und Lorenzo die einzigen Partner, wobei der Medici den Mehrheitspartner stellte und offenbar das gesamte Kapital einlegte. Lorenzo bekam nämlich 90% des Gewinns, während sein Partner Bracci als Lohn für seine Arbeit in der Bank, die er seit diesem Zeitpunkt somit als Filialdirektor leitete, 10% vom Profit erhielt. Bracci hätte daher wie üblich kein Kapital beigesteuert, sondern wäre gewissermaßen leistungsbezogen an den Früchten seiner Arbeit beteiligt worden. Spätestens nach Sassettis Tod im März 1490, wahrscheinlich aber bereits einige Monate vorher, vollendete Gianbattista Bracci seinen Aufstieg. Er wechselte in den MediciPalast in der Via Larga, gleichsam in die Konzernzentrale, wo er im dortigen scrittoio die äußerst schwierige Aufgabe übernahm, als Generalmanager die Medici-Gesellschaft nach ihren zahlreichen Rückschlägen zu neuen Erfolgen zu führen. Assistiert wurde er dabei offenbar von Filippo di Piero di Filippo da Gagliano, der jedenfalls als Bankier mit Sicherheit eine geradezu intime Position neben Lorenzo de’ Medici einnahm. Eine solche Assistenz Filippos unter Bracci würde sich bestens in die Struktur der Anweisungen fügen, die der amico G aus Florenz über Filippo da Gagliano an seinen Lyoner Strohmann Giuliano da Gagliano gab. In Gianbattista Bracci begegnet uns also der letzte der einflußreichen Generalmanager oder -direktoren der Medici-Bank. Neben ihrer Verpflichtung, die Bilanzen der einzelnen Firmen zu kontrollieren, hatten sie die Aufgabe, die Medici in allen Geschäftsangelegenheiten zu beraten, die Leiter der einzelnen Gesellschaftszweige über die zu befolgende Geschäftspolitik zu instruieren sowie das Geheimbuch der Florentiner Muttergesellschaft zu führen.97 Nach so illustren Namen wie Giovanni d’Amerigo Benci, der von den 30er Jahren bis 1455 die Medici-Bank zu ihrem Höhepunkt geführt hatte, und Francesco di Tommaso Sassetti, der kurz darauf bis 1489/90 über fast vier Jahrzehnte mit großer Macht regiert hatte – in jener Zeit aber auch die Liquidationen der Medici-Filialen in Brügge, London und Mailand zu verantworten hatte, Lyon gerade noch retten konnte –, übertrug Lorenzo de’ Medici das Generalmanagement seiner Bank- und Produktionsgesellschaften 1489/90 an Giovanbattista Bracci. Vermutlich erfolgte dieser Wechsel im November 1489, denn die Reform der Lyoner Bartolini-Bank, in welcher Bracci als amico G sein Kapital erhöhte, weist auf eine Positionserhöhung Braccis hin. Diese bedeutende und verantwortungsvolle Stellung behielt Giovanbattista Bracci auch, als Lorenzo de’ Medici im April 1492 starb. Und, was ebenfalls meist vernachlässigt wird: Mit dem neuen, zum Florentiner Jahresanfang 1493 (25.3.) geltenden Gesellschaftsvertrag blieb Bracci (mit 10%) neben Lorenzo di Giovanni Tornabuoni (25%) und dem neuen Hauptanteilseigner Piero di Lorenzo de’ Medici (65%) – auf die der Gewinnanteil Lorenzo de’ Medicis somit verteilt wurde – einer der Gesellschafter und Bürgen der Florentiner Medici-Erben-Bank, die weiterhin einen Teil der Medici-Gesellschaft bilde-

nicht zu eruieren seien, doch sei zu erkennen, daß Gianbattista Bracci 10% des Gewinns als sein Gehalt bezog. 97 Vgl. De Roover, Rise, S. 84f., 369, 379.

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te.98 Die Medici können also ihrer Florentiner Bank nach 1492 nicht mehr das gesamte Kapital zur Verfügung gestellt haben; ein nicht unerheblicher Anteil muß nun von Lorenzo Tornabuoni gekommen sein. Viel spricht jedoch dafür, daß diese Bank in jener Zeit trotzdem wie vorher eine übergeordnete, leitende Funktion unter allen noch existierenden Medici-Firmen einnahm – verkörpert durch Bracci, den Generalmanager aller MediciFirmen und gleichzeitigen leitenden Partner der Florentiner Bankfiliale. Die einzelnen ragioni e compagnie der Medici scheinen einen von dieser Florentiner Bank aus gesteuerten Verbund gebildet zu haben, dessen Struktur und Entwicklung wir uns in dieser Arbeit Schritt für Schritt nähern müssen, da es auch hierzu bisher keine Forschungen gibt.

c) Ein weiteres Vermächtnis des Lorenzo il Magnifico: zwei unbekannte botteghe Als Lorenzo de’ Medici seine tödliche Gichterkrankung bereits mit großen Schmerzen in allen Knochen und Gelenken gespürt hatte, gründete er erstaunlicherweise noch zwei neue Gesellschaften, die vor allem wegen ihrer beteiligten Partner und wegen ihrer Geschichte unsere erhöhte Aufmerksamkeit verdienen. Es scheint, als ob sie einen weiteren Schlüssel zur Öffnung jener Geheimtür bieten, hinter der wir jene Personen und Organisationen erblicken können, die nach dem Tod Lorenzos das Erbe der Medici-Gesellschaft betreuten. Genau dies hat der Magnifico ganz offenkundig intendiert: über die neuen Gesellschaften und ihre Teilhaber sein Erbe für die Zukunft seiner zur Führung einer Bank unfähigen Söhne zu bewahren. Man wird die Gesellschaften somit als ein Vermächtnis ansehen dürfen. Lorenzo il Magnifico hatte am 12. Oktober 1491 mit Filippo da Gagliano, Lanfredino Lanfredini und dem 34-jährigen Pierantonio Carnesecchi – dem Bruder von Bernardo, Leiter und Teilhaber der Medici-Bank in Neapel! – für fünf Jahre eine compagnia per fare bottegha et traffico di battiloro gegründet, also eine Goldschlägergesellschaft zur Herstellung und zum Vertrieb von Blattgold.99 Diese ist nach Lorenzos Tod unter dem Namen Piero de’ Medici e compagnia battiloro weitergeführt worden. Das Geschäftskapital betrug 4.000 Fiorini larghi, von denen Lorenzo de’ Medici e compagnia del banco [di Firenze] 1.600 Fiorini beigetragen hatten, Gagliano, Carnesecchi und Lanfredini jeweils 800 Fiorini; hieraus ergaben sich die entsprechenden Anteile von 40% und dreimal 20%. 98 ASF, MAP LXXXIX, doc. 121r: Am 25.3.1493 habe schließlich die compagnia del bancho di

Firenze zwischen Piero de’ Medici, Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci begonnen, die mit jeweils 65%, 25% und 10% am Profit partizipierten und allesamt für die Bank hafteten. Vgl. De Roover, Rise, S. 85f., 239, 367–369. 99 ASF, Carte Strozziane I/10, fol. 186v-188r (6.5.1495). De Roover erwähnte die Ende 1491 neu gegründeten Woll- und Goldschläger-botteghe nur ganz marginal, thematisierte weder ihre Entstehungszeit und Partner noch ihr weiteres Schicksal; vgl. hier De Roover, Rise, S. 167–169. Pierantonio di Francesco di Berto Carnesecchi war am 11.7.1457 im Quartier von San Giovanni geboren worden, sein gut zwei Jahre jüngerer Bruder Bernardo am 16.3.1459; zu den Daten: Tratte, s.v. Zu den Mitarbeitern der Goldschlägergesellschaft gehörte Ugolino Minerbetti; vgl. ASP IV/5, c. III.

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Hervorzuheben ist, daß Lorenzo nicht als Privatperson und erst recht nicht anonym, sondern nun in institutionalisierter Form über seine Florentiner Bank an dieser bottega partizipierte, denn sie war mit Lorenzos compagnia del banco gemeint. Dadurch waren an seinen 40% Gewinnanteil auch sein Florentiner Bankpartner beteiligt, also sein Generalmanager Giovanbattista Bracci, und dann nach seinem Tod, spätestens aber seit dem 25. März 1493, gleichfalls Piero de’ Medici und Lorenzo di Giovanni Tornabuoni. Diese transpersonale Partizipation ist von Lorenzo wahrscheinlich aufgrund seiner bedrohlich fortgeschrittenen Krankheit vorgenommen worden, wofür auch die auf fünf Jahre angelegte Dauer der Gesellschaft spricht. Sie sollte nicht durch seinen absehbaren Tod beendet werden. Denn ein solcher berührte nicht die Teilhaberschaft seiner Florentiner Bank an der Goldschlägergesellschaft. Weiterhin hatte Lorenzo de’ Medici – wiederum über seine Florentiner Bank – am 15. Dezember 1491 mit Filippo da Gagliano, Lanfredino Lanfredini und Paolo Benci für fünf Jahre eine weitere Gesellschaft zur Führung einer bottegha d’arte di lana in San Martino errichtet; diese Florentiner Wollgesellschaft wurde unter dem Namen Paolo Benci e compagnia lanaiuoli geführt. (Man sieht einmal mehr, wie wenig allein der Firmenname aussagt!) Der Gesellschaftsvertrag war von jedem Partner unterschrieben worden, d.h. an jenem 15. Dezember 1491 von Giovanbattista Bracci in seiner Funktion als Leiter (ghovernatore) der Gesellschaft bzw. Bank des Lorenzo de’ Medici für diese (in nome di detti Lorenço de’ Medici e chompagnia per Giovanbatista Braci ghovernatore di detta chompagnia [de’ Medici]) und danach am 31. Januar 1492 von den anderen drei Mitgesellschaftern je für sich. Das Kapital dieses Wollgeschäfts betrug sogar (deutlich über der Regel liegend) 5.000 Fiorini – eigentlich Fiorini di sugello, die aber damals bei den Medici äquivalent zum Fiorino d’oro in oro waren –, von denen die Gesellschaft des Lorenzo de’ Medici, mit der wiederum die Florentiner Medici-Bank gemeint war, 2.216 Fiorini, 13 Soldi und 4 Denari, Filippo da Gagliano 1.477, 15, 7, Lanfredino Lanfredini 1.055, 11, 1 und Paolo Benci 250 Fiorini beisteuerten, der für seine Arbeit aber einen relativ hohen Gewinnanteil von 25% erhielt, während die Medici-Gesellschaft 35% und Gagliano und Lanfredini jeweils ca. 23% bzw. 17% bekamen.100 Nach Lorenzos Tod ist die Mehrheitsbeteiligung seiner Florentiner Bankgesellschaft an den beiden botteghe dann von der Nachfolgebank übernommen bzw. fortgeführt worden, die nun unter dem Namen ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft der Bank in Florenz‘ lief. Diese Bank, die noch wiederholt unsere Aufmerksamkeit beanspruchen wird, wurde offiziell weiterhin von Giovanbattista Bracci, einem der Teilhaber, geführt, 100 ASF, Carte Strozziane I/10, fol. 186v-188r (6.5.1495). Bei den Ausführungen zur Wollgesell-

schaft wird mit Blick auf die Medici-Seite nur allgemein von Lorenço de Medici e compagnia gesprochen, doch der Gesamtkontext legt nahe, in ihr die schon vorher als Teilhaber der Goldschläger-Gesellschaft erwähnte compagnia del banco [di Firenze] zu sehen, deren Leiter Giovanbattista Bracci war. Bracci war zwar zugleich Generaldirektor der gesamten MediciGesellschaft, doch konnte diese nicht als Teilhaber fungiert haben. Die meisten Florentiner Wollgesellschaften des 15. Jahrhunderts arbeiteten nur mit einem Kapital von einigen hundert Fiorini, 1451 verfügte die größte über 2.900 Fiorini; vgl. Jacks/Caferro, Spinelli, S. 80.

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der sie jedoch faktisch zusammen mit seinem Partner Lorenzo Tornabuoni leitete. Eine offenkundige Intention Lorenzos ist somit in Erfüllung gegangen: Die kaufmännischen Erben seiner Florentiner Bank und seine Ende 1491 gleichsam handverlesenen Teilhaber hatten diese beiden Geschäfte nach seinem Tod übernommen; sie waren über seine Florentiner Bank institutionell gesichert worden. Dieses Faktum wird noch nach der Flucht bzw. Exilierung der Medici gelten! Ein Bankier Lorenzos: Lanfredino di Jacopo Lanfredini Hervorzuheben unter jenen engeren Partnern des Magnifico ist zweifelsohne Lanfredino di Jacopo Lanfredini, denn nur er wurde von Lorenzo neben dem allgegenwärtigen Filippo da Gagliano für beide botteghe als Partner ausgewählt. Ihm hatte Lorenzo also an seinem Lebensende ebenfalls eine besondere Aufgabe zugedacht. Lanfredino, am 11. November 1456 geboren, war über seinen Onkel Giovanni di Orsino Lanfredini (den älteren Bruder seines Vaters), einen der engeren Medici-Vertrauten, schon Mitte der 80er Jahre in die mediceische Diplomatie, seit 1489 in die Politik eingeführt worden. 1484/85 hatte er sich zum Beispiel an der Seite seines Onkels in Neapel und danach offenbar auch in Rom aufgehalten.101 Durch Giovanni Lanfredini wird er auch mit der Finanzwelt der Medici vertraut gemacht worden sein, denn in der von Gianbattista Bracci um 1482 konzipierten Strukturreform der Medici-Gesellschaft sollte Giovanni Lanfredini an der Seite von Lorenzo de’ Medici und Francesco Sassetti mit ca. 1.250 Fiorini Kapitaleinlage und einer Beteiligung von 5–10% ein Juniorpartner in der Florentiner, eventuell auch Pisaner Medici-Bank werden.102 In der Tat war Giovanni persönlich und konkret in die verwinkelten Finanzierungszüge des Magnifico involviert, denn im Dezember 1481 überreichte er dessen Kanzler Niccolò Michelozzi in zwei Säckchen 800 Fiorini l.gr., die dieser wiederum Filippo da Gagliano übergab, der sie zusammen mit vielen weiteren Bargeldlieferungen dem Medici in jenen Monaten zur Verfügung stellte.103 Und geradezu programmatisch erscheint in diesem Zusammenhang Lanfredinos Heirat (1485) mit Selvaggia Tornaquinci aus der alteingesessenen, mit den Medici familiär wie geschäftlich verbundenen Florentiner Magnatenfamilie, aus welcher die Tornabuoni hervorgingen – wodurch Lanfredino nun auch familiär in den Medici-Tornabuoni-Clan integriert wurde!104 Aus der Ehe mit Selvaggia stammte sein Sohn Bartolomeo. Als genauso konsequent, (wirtschafts)politisch geformt, stellt sich dann 1500 seine zweite Ehe mit Francesca Bartolini dar, der Tochter 101 Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 603; vgl. Verde, Studio fiorentino, S. 759; Mansfield,

Family, S. 214 (mit fehlerhaften Angaben zur Biographie). 102 ASF, MAP LXXXIII, doc. 19, c. 67r–68v, hier c. 67r. 103 ASP IV/1, c. LXXVIIII. Diese Posten begannen Ende Juli 1481, wobei das aus unterschiedli-

chen Medici-Finanzquellen (Bartolini-Bank v. a., Mailänder Medici-Filiale, Mellini-Bank, Monte, Zecca – doch im Fall Lanfredinis ohne Quellenangabe!) „sprudelnde“ Geld fast stets durch den Michelozzi zu Filippo da Gagliano gebracht wurde. 104 V. Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“; zu den Tornaquinci hier Tomas, Medici Women, S. 17; auf Lanfredino Lanfredini und seine politischen wie vor allem ökonomischen Aktivitäten werden wir noch häufiger zu sprechen kommen.

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des Medici-Strohmannes Bartolomeo, die ihm 1503 einen zweiten Sohn schenkte, den er Giovanni nannte. Es sei schon hier betont, daß der Medici-Generaldirektor Gianbattista Bracci, der Schwager von Leonardo di Zanobi Bartolini, uns seit 1497 als Partner in der Florentiner Bankgesellschaft des Lanfredino Lanfredini wiederbegegnen wird, des Schwiegersohns von Bartolomeo Bartolini. Lanfredino wird nach der Exilierung der Medici an der Seite seiner Freunde Jacopo und Alamanno Salviati auch eine bedeutende, wenn nicht gar herausragende Position in der Florentiner Politik einnehmen, die er zusammen mit Jacopo nach der Rückkehr der Medici noch steigern konnte (Alamanno war damals schon gestorben). Weitgehend unbeachtet blieb Lanfredinos Unternehmertum, seine Position an der Spitze eines großen, europaweit agierenden und anerkannten mediceischen Handelshauses! (Der deutsche Großunternehmer Anton Welser d.Ä. wird seinen Sohn Johann eben dorthin an den Arno zur Ausbildung geben.)

d) Giuliano da Gagliano: Kompetenzen Nachdem die Lyoner Bartolini-Bank durch ihre Partner in Florenz im November 1489 reformiert und erneuert worden war, nutzte Lorenzo de’ Medici die Rückreise Giuliano da Gaglianos nach Lyon, um ihn mittels eines im gleichen Monat ausgestellten Beglaubigungsschreibens für bestimmte Verhandlungen mit dem Herzog von Savoyen und dem „monsignore d’Aulx“ – wie hier der Erzbischof von Auch genannt wurde, François de Bresse, Bruder des Medici-Freundes Philippe de Bresse – zu ermächtigen.105 Auf dieser Reise nach Lyon nahm Giuliano dann offensichtlich Bartolomeos jungen Sohn Leonardo mit. Denn der im November 1475 geborene, damals gerade 14-jährige Bartolini ist seit März 1490 in der Lyoner Bartolini-Bank nachzuweisen und konnte diese Reise natürlich am besten an der Seite Giulianos antreten.106 Der junge Leonardo wird nun mit einem Jahreslohn von 30 Scudi unter der Ägide Giulianos, dann aber auch von Anfang 1495 bis August 1496 in der Florentiner Bartolini-Bank, zu einem der bemerkenswertesten Bankiers und Kaufmänner der Renaissance ausgebildet werden. Aus seinen ‚Erinnerungen‘ wissen wir freilich ebenso, daß er sich in den ersten Lyoner Jahren häufig mit recht hohen Geldeinsätzen beim Ballspiel (giuoco di palla) vergnügt hatte, zusammen mit Bernardo de’ Rossi, dem Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank, mit Salimbene di Zanobi Bartolini, dem (bald nach 1497 verstorbenen) Bruder des in der römischen Medici-Bank wirkenden 105 Zu den Empfehlungsbriefen: Del Piazzo, Protocolli del carteggio, S. 402; zu François de Bresse,

Erzbischof von Auch und Bischof von Genf, s. auch oben S. 36, 38. 106 ABS 225, c. 9, X (im März 1490 fielen 128 Scudi an Spesen an, welche die Bank anläßlich des

ersten feierlichen Einzugs König Karls VIII. in Lyon für Kleidungsstücke aus Seide, Pferdeausrüstung und weiteres für Giuliano da Gagliano, Leonardo Bartolini und einige Familiaren ausgab). Zum Ereignis vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 92 (Karls Aufenthalt dauerte vom 7.–22.3.1490). Zu Leonardo di Bartolomeo Bartolini und seinem Geburtsjahr vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 354f. (mit freilich recht spärlichen Angaben zur Biographie dieses ungemein einflußreich gewordenen Mannes).

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Leonardo di Zanobi, mit Antonio della Casa und selbst mit dem Franzosen Thomas Briçonnet.107 Mit Blick auf die Struktur und Funktion der Lyoner Bartolini-Bank ist es alles andere als verwunderlich, daß diese und ihre Mitarbeiter gleichsam eine symbiotische Einheit mit der Lyoner Medici-Bank bildeten – wenn auch nicht gesellschaftsrechtlich, so doch faktisch. Einige instruktive und über den Einzelfall hinausweisende Beispiele sollen dies veranschaulichen. So besaßen beide Banken die gleichen Agenten an verschiedenen zentralen Handelsplätzen, d.h. daß die dortigen Medici-Agenten oder Handelspartner auch für die Bartolini-Bank wirkten (das gilt für Lyon wie Florenz). In Mailand hatte Francesco Maggiolini diese Funktion eines Agenten eingenommen, der dem Profitkonto der Lyoner Bartolini-Bank etwa im März 1489 50 Scudi gutschrieb, ähnlich wie dies auf dem gleichen Konto die Medici-Agenten Giovanni Frescobaldi und Bartolomeo de’ Nerli in Venedig, Lorenzo Spinelli über sein Konto in Montpellier, Taddeo Gaddi e compagnia di Roma oder die römische Medici-Bank taten.108 Francesco Maggiolini ist in den Quellen spätestens 1491 ebenfalls als Repräsentant bzw. Partner der Lyoner Medici-Bank in Mailand bezeugt, über den herzogliche Zahlungen nach Frankreich erfolgten, z. B. auch an den dortigen Botschafter des Sforza.109 Mit dem Maggiolini hatten die Medici und Bartolini in der Lombardei einen Partner gefunden, der wie sie aus der Toskana kam. Die Fa107 ABS 197 (persönliches Schuldbuch des Leonardo di Bartolomeo Bartolini mit ricordi, am

15.8.1496 in Lyon begonnen), c. LXXXX (diese ricordi sind rückblickend im August 1496 verfaßt worden und beziehen sich auf die erste Lyoner Zeit von 1490 bis Ende 1494; von Bernardo de’ Rossi hatten Leonardo Bartolini und Antonio della Casa z. B. 11 Scudi gewonnen, von denen Antonio ihm noch die Hälfte schuldete, von Thomas Briçonnet hatte Leonardo 8 Scudi beim giucho di palla gewonnen, das unter der Leitung des maestro Giorgio stattfand). Salimbene Bartolini wurde von Leonardo am Rand seiner Aufzeichnung als verstorben bezeichnet, doch kann dies nicht schon 1496 bei der Anlage des Buches gewesen sein, da Salimbene im persönlichen Schuldbuch Francesco Naldinis noch für 1496/97 als in Florenz lebend erscheint; s.u. S. 172f. 108 ABS 106, c. XXVIII. Giovanni Frescobaldi war bis ca. 1495 der maßgebliche, im Wechselgeschäft operierende Florentiner Bankier in Venedig, der durch Heirat mit den Nerli verwandt war und seit ca. 1479 als Medici-Agent in Venedig wirkte, wo er vermutlich auch 1495 starb; vgl. Mueller, Venetian Money Market, S. 285; R. Zaccaria, Art. „Frescobaldi, Giovanni“, in: DBI 50 (1998), S. 479–481. 109 Vgl. ASM, SPE, Francia 548, 31.4.1491, Brief des mailändischen Gesandten Erasmo Brascha aus Lyon an Ludovico Sforza: Der monsignore di Serva, ein Gläubiger des Moro, bat diesen über Brascha, che facia pagare li denari [eine Schuld von 2.000 Dukaten] in mano di Laurentio Spinello Banchero in questa terra per el mezo di Francesco Magiolino suo respondente in Milano – ansonsten werde es bei der nächsten Messe in Lyon Repressalien gegen Mailänder im Dauphiné oder in Savoyen geben. Erhellend ebenfalls ein Brief Braschas vom 4.9.1491 aus Tours an den Moro, den er um weiteres Geld für seinen Aufenthalt in Frankreich bat: la prego si digna farme respondere quali dinari per lettere di cambio a li Caponi o Medici o Martelli quali hanno tutti respondenti a Milano, cioè Francesco da Roma, Giovanne da Beolco et Francesco Maggiolini, avisando la Ex. V. che si spende di presente per tutto el Reame el terzo più di quello si soleva. Aus weiteren Quellen ergibt sich, daß Giovanni da Beolco/Biolco respondente der Martelli war, Francesco di Roma somit Repräsentant bzw. Agent der Capponi gewesen sein muß.

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milie stammte ursprünglich aus Pisa, siedelte im 15. Jahrhundert nach Lucca über, wo sie ihre Tätigkeit in der Produktion und im Handel hochwertiger Seidenstoffe, gepaart mit Bankgeschäften, ausbauen konnte. Noch vor der Mitte des 15. Jahrhunderts faßte sie in Mailand Fuß und verband dank der Protektion erst der Visconti, dann der Sforza ihren geschäftlichen Aufstieg mit einem politischen.110 Wie Francesco Maggiolini für die Bartolini- und Medici-Bank arbeitete und wie beide kooperierten, zeigt uns ein prominenter Fall aus dem Frühjahr 1492, der durch die Abschriften von drei einschlägigen Briefen illustriert wird, die alle einen Kredit der MediciBank für einen mailändischen Gesandten betrafen.111 Ludovico Sforza, il Moro, hatte damals den Grafen Gianfrancesco Sanseverino für eine Gesandtschaft an den französischen Hof in Paris mit einer Summe von 4.000 Scudi di Re ausgestattet, die der Sanseverino in Lyon erhalten sollte. 2.000 Scudi hatte der Sforza von Francesco Maggiolini erbeten, der das Geld durch die Medici-Bank in Lyon auszahlen ließ.112 Maggiolini hatte den Vertretern der Lyoner Medici-Bank am 5. März 1492 über die Post des Mailänder Hofes mitteilen lassen, daß er von diesem gebeten worden sei, dem Sanseverino, Conte di Caiazzo, 2.000 Scudi di Re mittels einer bestimmten Form von Wechselbrief (lettera vista) zur Verfügung zu stellen. Die Medici-Bankiers forderte er eindringlich auf, nicht auf interessi, also die Zinsen zu schauen, sondern dem Gesandten so schnell wie möglich, auf jeden Fall innerhalb von acht Tagen nach Vorlage des Wechsels, das Geld auszuzahlen. Er bat die Medici, dies in ihrem eigenen Interesse für eine größere Sache, in magiore chosa, zu machen. Bereits am 10. März 1492 erfolgte die Antwort der Lyoner MediciVertreter auf Maggiolinis Brief, vom Kopisten als Copia de la risposta de la soprascritta lettera scritta a lion a medici tituliert. Sie teilten ihm mit, daß der Conte di Caiazzo am voraufgegangenen Tag (also am 9.3.) in Lyon eingetroffen sei und daß er ihnen den Brief Maggiolinis überreicht habe. Hinsichtlich der gewünschten Zahlung von 2.000 Scudi habe man sofort die Zusage (promessa) ausgesprochen, und senza alcuno scropolo werde man am folgenden Tag (also am 11.3.) das Geld auszahlen, sich die gewünschten Quittungen

110 Grundlegend für diese Periode jetzt Scharf, Amor di patria (wo er jedoch nicht als Agent der

Medici thematisiert wird); vgl. auch Barbieri, Origini, S. 381. Der 1425 in Lucca geborene Francesco Maggiolini war der Sohn von Battista aus dessen Ehe mit Elisabetta Guidiccioni; er selbst heiratete 1478 mit Angela di Mangiolo Premenugo eine Frau aus angesehenem Mailänder Haus. Seine gesellschaftliche Akzeptanz demonstriert die Zuweisung des Amtes eines Schatzmeisters des „Ospedale maggiore“ im Jahr 1491; vgl. Scharf, a.a.O., S. 971f., 974. 111 ASM, SPE, Francia 549, 5. und 10.3.1492. Die drei Briefe sind alle für die Mailänder Kanzlei in chronologischer Reihenfolge unter Beschränkung auf den wesentlichen Inhalt auf einem Blatt kopiert worden. 112 Vgl. ASM, SPE, Francia 549, 9.3.1492 (Brief des Gianfrancesco Sanseverino an Ludovico il Moro über den Eintausch der Wechselbriefe des Moro, die noch fehlende Summe werde er durch Wechsel des Paris di Neri Capponi erhalten); 13.3.1492 (Brief des Mailänders Bigontius Bettus an Ludovico il Moro wegen gewisser Probleme bei der Umwandlung der Wechselbriefe in Bargeld in Lyon). Den Wechsel über die anderen 2.000 Scudi stellte Giovanni da Beolco aus, wobei die eine Hälfte von den Sauli, die andere von den Martelli in Lyon in Bargeld umgewandelt werden sollte, deren Repräsentant Beolco in Mailand war.

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ausstellen lassen und sie ihm zustellen. Dem Maggiolini versicherten sie weiterhin nachdrücklich, daß er von den Medici über dieses Geschäft hinaus profitieren würde. Der dritte, diesen Vorgang betreffende Brief ist freilich so erstaunlich wie bezeichnend. Unmittelbar unter dem Brief Maggiolinis vom 5. März und der Antwort der Lyoner Medici-Bank vom 10. März registrierte der Kopist ‚die Abschrift einer Stellungnahme, die wir von den Bartolini in Lyon zu der obigen Angelegenheit erhalten haben‘ (copia d’uno chapitulo avuto da Bertolini di Lione sula materia soprascripta). Als Ergänzung zu dem Brief der Lyoner Medici-Bankiers schrieben also auch die Bartolini; das Datum fehlt, muß aber ebenfalls 10. März lauten. Sie teilten Maggiolini mit, daß der Graf von Caiazzo und die anderen Oratoren am vorherigen Tag (9.3.) in Lyon eingetroffen seien und bis Montag dort bleiben wollten, um dann ihre Reise an den Hof in Paris fortzusetzen. Man müsse den Gesandten in jeglicher Hinsicht einen ehrenhaften Empfang bereiten. So würden also noch am gleichen Tag, am 10. März, Lorenzo Spinelli und ‚ich, Giuliano‘ (Io Giuliano) den Conte di Caiazzo, also Gianfrancesco Sanseverino, besuchen und ihm die angemessene Aufwartung machen. Die Geldsumme für den Grafen, deren Auszahlung durch die Medici-Bank der Maggiolini angewiesen habe, werde bono compimento haben, werde also vollständig erfüllt oder durchgeführt werden, wie es die Pflicht erfordere und wie Maggiolini es von den Medici erfahren werde. Die Bartolini-(Medici-)Bank ergriff bei diesem politischen Geschäft somit die Initiative, sie stellte der offiziellen Lyoner Medici-Bank also offenkundig jene Geldsumme zur Verfügung, welche die Medici dem mailändischen Gesandten liehen! Der hierbei die Feder und das Wort führende „Giuliano“ ist natürlich zweifelsfrei Giuliano da Gagliano als Leiter der Bartolini-Bank, der diese Funktion ja bis 1486 zusammen mit Lorenzo Spinelli ausgeübt hatte. Bemerkenswert ist, daß Giuliano da Gagliano die Kompetenz besaß, auch die Verantwortung für die elementaren Geschäftsinteressen der Medici-Bank zu tragen. Diese konnte er nur in seiner Funktion als verlängerter Arm von Gianbattista Bracci und damit letztlich als Repräsentant der Medici-Gesellschaft und Lorenzo de’ Medicis besessen haben. Daher forderte er Francesco Maggiolini mit geradezu sprechender Selbstverständlichkeit auf, er möge sowohl über die Medici als auch über sie, die Bartolini, verfügen; man wolle ihm auf der Messe wie auch außerhalb der Messe mit jeder Summe bei den (großes Vertrauen voraussetzenden) Wechselbriefen der lettera vista oder wie es ihm gefalle gern und zuverlässig zu Diensten sein.113 Die nur wenige Wochen nach diesem Kreditgeschäft, nach Lorenzos Tod also, von Piero de’ Medici eingeleitete politische Wende zugunsten der neapolitanischen Aragonesen konnte auch vor diesem Hintergrund eines verstärkten finanziellen Engagements der Mediceer-Bankiers in Mailand ganz und gar nicht in deren Interesse gewesen sein. 113 Richordandovi che di loro [den Medici] e di noi [den Bartolini] potete disponere, e quando vi

schade niente non cj rispiarmate[sic] sia in fiera o fora di fiera che d’ogni somma vj faremo honore e molto volentierj e sia a lettera vista o chome vi piaccia; ASM, SPE, Francia 549, 10.3.1492 (Copia de la risposta de la soprascritta lettera [des Maggiolini vom 5.3.1492] scritta a Lion a Medici; copia d’uno chapitulo avuto da Bertolini di Lion su la materia soprascritta). Ich danke Kurt Weissen für entsprechende Auskünfte zur lettera vista.

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Als Lorenzo Spinelli im Mai 1492 eigens aus Paris nach Lyon reiste, um dort den von seiner Gesandtschaft an den französischen Hof nach Mailand zurückkehrenden Grafen Gianfrancesco Sanseverino zu bitten, sich um bestimmte Sachen zu kümmern, die Spinelli aus Mailand wollte, wird er wiederum den Maggiolini eingeschaltet haben.114 Jener Kredit über 2.000 Scudi für den Moro, den noch der todkranke Lorenzo de’ Medici genehmigt haben mußte, dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, daß ausgerechnet Piero im Mai 1492 vom Moro das erhielt, was Maggiolini wohl mit jener größeren Kompensation für den Kredit andeutete und worum sich Lorenzo de’ Medici – der ein viel besseres Verhältnis zum mailändischen Hof besaß – jahrelang vergeblich bemüht hatte: die Rückgabe des berühmten Medici-Palastes in Mailand, in dem sich vorher die Medici-Bank befunden hatte und der für die exilierten Medici noch eine wichtige Funktion als Mailänder Residenz einnehmen wird.115 Francesco Maggiolini blieb auch in den folgenden Jahren respondente der Medici- und Bartolini-Bank im Mailändischen. Am 29. Juli 1494 konnten der ‚Ritter‘ Piero [di Francesco] Alamanni und Angelo Niccolini als Botschafter Piero de’ Medicis nicht ohne eine gewisse Häme von einer Gläubigerliste (lista dello achatto) nach Florenz berichten, die 114 ASM, SPE, Francia 550, 22.5.1492 (Brief des Conte di Caiazzo aus Lyon an Ludovico il Moro). 115 Diese Geschichte des Medici-Palastes in Mailand ist jetzt sorgfältig von Martinis, Palazzo,

untersucht und mit den entsprechenden Nachweisen dargestellt worden. Lorenzo de’ Medici hatte Anfang 1486 aufgrund seiner Kapitalschwäche den berühmten Mailänder Medici-Palast verkauft, den Herzog Francesco Sforza den Medici 1455 geschenkt hatte und den die Medici bis 1459 mit großen Kosten zu einem der schönsten Paläste in Mailand umgebaut hatten, in welchem ihre Bank und auch die Florentiner Botschafter residierten. Statt der gewünschten, an sich schon mehr als bescheidenen 4.000 Dukaten hatte Lorenzo jedoch nur 2.000 erhalten, wollte den Verkauf daher umgehend wieder rückgängig machen, was nun aber auf den Widerstand des Moro stieß, der den Palast seinem Sekretär Luigi da Terzago überlassen wollte. Der Mailänder Herrscher versprach zwar, den Palast innerhalb von drei Jahren zurückzugeben, besann sich freilich eines Besseren, als er 1489 seiner illegitimen Tochter Bianca und Galeazzo Sanseverino, den er für sie als Ehemann auserkoren hatte, eine standesgemäße Unterkunft beschaffen mußte, bis für beide ein anderer Palast zur Verfügung stände; zu dieser Ehe vgl. Giulini, Bianca Sanseverino Sforza (am 10.1.1490 erfolgte das Verlöbnis zwischen der ca. 7-jährigen Tochter des Moro und seinem Favoriten aus der Sanseverino-Familie, im Juni 1496 die Hochzeit). Zu Lebzeiten des Magnifico ist diese provisorische Lösung nicht revidiert worden, die den Medici und der Florentiner Republik als demütigend erschien. Aber kaum hat der noch reputationslose Sohn Lorenzos die Macht in Florenz übernommen, gelangt der Palast wieder in den Besitz der Medici! Mitte Mai 1492 schenkte ihm Ludovico Sforza sogar den Palast, ließ diesen Akt durch ein Notariatsinstrument absichern, so daß die Florentiner Botschafter ihn im November 1492 für Piero de’ Medici in Besitz nehmen konnten. Da die Summe des Kredites, der den Ausschlag für die Rückgabe gegeben haben wird, 2.000 Dukaten betrug und damit jenem (zu geringen) Betrag entsprach, den Lorenzo bei dem Verkauf des Palastes erhalten hatte, ist es gut möglich, daß der Mailänder Herzog mit seinem Geschenk im Mai 1492 eine stillschweigende Tilgung des Kredites erzielte und den Medici zugleich die Möglichkeit zu einem lukrativeren Verkauf des Palastes bot. Die Exilierung der Medici und sicherlich nicht zuletzt die Ludovico Sforza bloßstellende Übereinkunft Piero de’ Medicis mit König Karl VIII. im November 1494 sorgten dann aber dafür, daß der Palast schon im März 1495 erneut aus Medici-Händen in die der Sanseverino gelangte, die wiederum auch in diesem Punkt ihre Freundschaft zu den Medici nicht vergaßen. Doch dazu später!

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Ludovico il Moro für zwei Monate durch Zwangsanleihen aufgestellt habe.116 Von der vorgesehenen Summe von 34.000 Dukaten larghi seien erst 29.000 Dukaten zusammengekommen, wobei Antonio di Landriano mit 6.000 Dukaten die höchste Summe gezahlt habe, Giovanni da Beolco als respondente der Martelli mit 3.000 Dukaten auch noch recht viel, während der Capponi-Repräsentant Francesco di Roma ebenso wie Francesco Maggiolini als derjenige der Medici nur 1.000 Dukaten eingezahlt hätten. Diese Zurückhaltung Maggiolinis dürfte dem Willen Piero de’ Medicis entsprungen sein. Daß er gerade in jener kritischen Zeit für Piero eine zentrale Rolle einnahm, zeigt die ebenfalls von jenen Florentiner Botschaftern bezeugte Information, nach welcher der Maggiolini größere Bargeldsummen der Medici in Mailand in sichere Verwahrung genommen hatte.117 Nicht nur bei dem Kreditgeschäft für den Mailänder Herrscher zeigt sich, daß Giuliano da Gagliano mit beträchtlichen Vollmachten auch die Interessen der nominellen MediciBank zu vertreten hatte und daß diese mit denen der Bartolini-Bank weitgehend dekkungsgleich gewesen sein werden.118 Es gibt weitere Beispiele aus dem Alltag für diese Auflösung geschäftlicher Grenzen. Hatte Giuliano da Gagliano im März 1492 noch den Mailänder Hof für weitere Finanzgeschäfte mit der Medici-Bank zu gewinnen versucht, so mußte er im Sommer 1492 gleichsam als Konkurrent des Sforza am französischen Hof die Gunst des Königs für die Medici beleben, d.h. die für Piero de’ Medici, dessen Haltung zu Frankreich ja längst nicht so eindeutig war wie die seines verstorbenen Vaters. Während Ludovico Sforza mit Geld arbeitete, glaubte Piero de’ Medici, Karl VIII. mit dem Geschenk wertvoller Falken beeindrucken und seiner Freundschaft versichern zu können. Im August 1492 gab Piero seinem aus Neapel stammenden Anhänger Vincenzo Pappacoda die Anweisung, Giuliano da Gagliano die Falken zu übergeben – sicherlich in Lyon –, die seitens der Lyoner Medici-Bank dem König überreicht werden sollten.119 Bei diesem Auftrag fungierte Giuliano da Gagliano also auch öffentlich als Agent der Medici. 116 ASF, MAP L, doc. 315 (c. 333r/v). 117 ASF, MAP XIV, doc. 430 (18. August 1494, Angelo Niccolini aus Mailand an Piero de’ Medi-

ci); vgl. unten S. 286f. 118 Im übrigen gehörten engere Verwandte des Giuliano (di Piero di Filippo) da Gagliano zum

Mitarbeiterstab der Medici-Bank in Lyon. De Roover spricht allerdings nur allgemein von zwei Enkeln des Matteo di Ser Giovanni da Gagliano, die um 1490 zum Stab der Lyoner MediciBank zählten, führt dann noch einen Guglielmo di Niccolò da Gagliano ein, der wegen Inkompetenz nach Florenz zurückgeschickt worden sei; vgl. De Roover, Rise, S. 310 und S. 468, Anm. 154 und s.v. „Da Gagliano“ zu weiteren Mitgliedern der Familie, die seit vielen Jahrzehnten als Mitarbeiter und Partner der Medici hervortraten. 119 Del Piazzo, Ricordi di lettere (1954), S. 398 (21.8.1492: A Vincentio Pappacoda, che dia è falconi a Giuliano da Gagliano); Buser, Mediceer, S. 313, 319, 325 (der Mailänder Konkurrent sende zu Tausenden Gold, nicht Vögel), 536. Die Lieferung der Falken erfolgte augenscheinlich über die Lyoner Medici-Bank. Jenem Vincenzo Pappacoda wollte Piero de’ Medici im gleichen Monat August über Vermittlung seines Bruders Giovanni die Abtei San Antonio in Pistoia als Kommende übertragen lassen; vgl. Picotti, Giovinezza, S. 441, 463, 628f. Vincenzo war demnach ein Geistlicher und konnte deshalb analog zu Giulio de’ Medici von Filippo da Gagliano auch als messer Vincenzio bezeichnet werden, als er ihn in seinem Brief vom 26. Oktober 1494 neben Lorenzo Tornabuoni, Giannozzo Pucci und messer Giulio [de’ Medici] als einen der Be-

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Die Verflechtung und Durchlässigkeit zwischen den Medici- bzw. MediceerGesellschaften und ihren maßgeblichen Bankiers wird im privaten Geschäftsbuch des Giuliano da Gagliano durch einen bemerkenswerten Finanzposten demonstriert, der seine Verbuchungskette zum 18. Dezember 1493 begann. Dabei trat Filippo da Gagliano als leitendes Organ der Medici-Battiloro-Gesellschaft auf.120 Der ganze Vorgang erschließt uns zudem exemplarisch, wie und durch wen bestimmte Kapitalsummen innerhalb dieses Medici-Bartolini-Verbundes eingesetzt wurden. Filippo hatte die MediciGoldschlägergesellschaft angewiesen, seinen Bruder Giuliano mit einem Betrag von 600 Fiorini larghi bzw. 619, 1 Scudi zum ‚Schuldner und Gläubiger‘ zu machen, und zwar über dessen Sonderkonto „G“ bei der Lyoner Bartolini-Bank, auf welchem ja auch das (diese Bank betreffende) Kapital und die Gewinne verbucht wurden, über die Giuliano für seinen anonymen Freund „G“ verfügte. Das Geld gehörte also Giovanbattista Bracci, der ja über die Florentiner Medici-Erben-Bank Teilhaber der Goldschlägergesellschaft war. Mit einem auf den 12. Dezember 1493 datierten Brief instruierte die BattiloroGesellschaft demzufolge die Lyoner Bartolini-Bank, Giuliano die Summe im Wert von 619, 1 Scudi auf jenem Sonderkonto gutzuschreiben, da sie mit der Summe zum Schuldner geworden sei. Zum 18. Dezember 1493 überwies die Bartolini-Bank dann die 600 Fiorini larghi nach Florenz an die Goldschlägergesellschaft der Medici, die damals unter dem Namen Piero de’ Medici e compagnia battiloro di Firenze firmierte. Interessant ist nun, was mit dem Geld geschah. Filippo da Gagliano informierte seinen Bruder Giuliano, er habe die 600 Fiorini in eine Florentiner bottegha di lana di gharbo investiert, also in einen Betrieb oder ein Geschäft zur Herstellung und/oder zum Verkauf feiner Wolltuche. Dies sei einer seiner Gesellschaften, zu der auch Ser Niccolò Michelozzi – sein Freund und ein Medici-Intimus wie er – sowie Michele Ubaldini gehörten, unter dessen Namen und Leitung die Gesellschaft lief (Michele Ubaldini e compagnia lanaiuoli di Firenze). Da Giuliano da Gagliano, wie er selbst erklärte, mit einem Anteil von 3, 4, 4 Soldi pro Lira (ca. 15,4%) an dieser Wollgesellschaft beteiligt war, wird das Gesamtkapital demnach bei gut 4.000 Fiorini gelegen haben. Giuliano handelte auch hier als Treuhänder Braccis, seines Freundes „G“. Im übrigen existierte diese Ubaldini-Gesellschaft wie so viele weitere Mediceer-Firmen auch während der Exilszeit – nicht ohne politische Konnotationen. Man sieht, die Mediceer investierten ihr Geld weiterhin über und in Gesellschaften, die nach außen keinen Bezug zu den Medici erkennen ließen. Darüber hinaus ist dieser Vorgang bedeutsam, weil er in die Zeit der Medici-Exilierung hineinreicht und weil dabei weiterhin Bracci als ominöser Freund „G“ beteiligt ist. Zum 1. Februar 1496, als Giuliano bereits wieder in Florenz war, mußte er jenen Betrag von 619, 1 Scudi als Rest seines gleiter Piero de’ Medicis auf dessen historisch bedeutendem Weg zu König Karl VIII. bezeugte.; s.o. S. 58. Es handelte sich bei diesem Geistlichen um Vincenzo di Luigi Pappacoda aus Neapel, der im Imbreviaturbuch des Niccolò Michelozzi, das bis 1495 zahlreiche Ehen des MediciKreises dokumentierte, als Zeuge verzeichnet war; vgl. Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 396. 120 Vgl. zum Folgenden ASP IV/2, c. 2, 4/IIII, 5/V.

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Sonderkontos „G“ bei der Lyoner Bartolini-Bank seinem Freund „G“ gutschreiben – denn sie stammten aus seinem Kapitalanteil von 1.000 Scudi, die er von diesem Freund am 1. Januar 1490 erhalten hatte! Die Restsumme von 380, 19 Scudi war bereits am 21. Januar 1494 bei der Ende 1492 erneuerten Lyoner Bartolini-Bank auf jenem Sonderkonto „G“ verbucht worden. Am 12. Februar 1496 übertrug Giuliano schließlich die 619, 1 Scudi bzw. umgerechnet 600 Fiorini von seinem Sonderkonto „G“ auf ein Konto, das er in seinem neuen, bei seiner Rückkehr nach Florenz angelegten persönlichen Geschäftsbuch „B“ für seinen (aus Florenz geflüchteten) Bruder Filippo führte, während ihre Wollgesellschaft Michele Ubaldini e compagnia lanaiuoli diesen Betrag zu ‚geben‘ hatte. Möglicherweise hatte Bracci diesen Teilbetrag seines Lyoner Kapitals dem damals aus Sicherheitsgründen aus Florenz geflohenen Filippo da Gagliano über dessen Bruder zur Verfügung gestellt. Wie immer die Einzelheiten sein mögen: Die lange vor der Verbannung der Medici aufgebauten „informellen“, verschleiernden Strukturen in Form von Strohmännern und Nebengesellschaften trugen und stützten gleichermaßen nach dem Desaster vom November 1494. Von ihnen profitierten natürlich auch und wahrscheinlich sogar in erster Linie die Medici selbst. Dies zeigte sich schon eindringlich während der Krise des Sommers 1494. Giuliano da Gagliano bezeugte in seinem privaten Geschäftsbuch seit dem Juli 1494 geradezu eine Explosion an unternehmerischer Tätigkeit, die sich zunächst primär auf jenen Kredit für den französischen König bzw. dessen Gesandte in Italien bezog, der bereits im Vorfeld der Medici-Vertreibung erörtert worden war, der nun aber gezielter in seine wirtschaftspolitischen und finanztechnischen Hintergründe eingebunden werden kann. Nachdem Giuliano da Gagliano am 17. Juli den Wechselbrief über 6.000 Kammerdukaten im Namen von Pierre Briçonnet und Jacques de Beaune an die römische RucellaiBank ausgestellt und am 18. Juli 1494 von diesen beiden die schriftliche Zusage erhalten hatte, sie würden schon in wenigen Wochen zur Lyoner August-Messe die 6.000 Kammerdukaten zu zwei Dritteln in Scudi d’oro und einem Drittel in Scudi del re mit einem Betrag von 7.440 Scudi zurückzahlen und damit einen Zins von ca. 12% akzeptieren (100 Kammerdukaten wurden hier mit 112 Scudi d’oro berechnet), verbuchte er für sein Korrentkonto, das er bei der römischen Bank des (offenbar seit längerem dort auch oder sogar primär für die Medici wirkenden) Paolo (Pagholo) Rucellai besaß, mit neun Partien am 23. August, zwei am 30. August und nochmals einer am 17. September insgesamt zwölf Wechselbriefoperationen, bei denen die Rucellai-Bank von Giulianos Konto und über meist medicinahe Banken (wie Borgherini, Scharfi, Basalù, Verazzano, Gaddi usw.) oder den Medici gehörenden Banken (wie den Bartolini) Beträge in unterschiedlicher Höhe nach Florenz zog. All diese Wechsel wurden jedes Mal auf die Medici-BattiloroGesellschaft gezogen, bei der Giuliano da Gagliano ebenfalls ein Korrentkonto besaß, von welchem somit letztendlich das Geld für den Kredit kam.121 Es erscheint in diesem Kontext angebracht, nochmals auf die einzelnen Teilhaber dieser Goldschlägergesellschaft hinzuweisen, die nicht nur als Firma zur Herstellung und zum Handel von Blattgold, sondern auch als Bank operierte: Es waren mit 40% die ‚Bank der Erben des Lorenzo de’ 121 ASP IV/2, c. 6/VI, VIII.

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Medici und Partner in Florenz‘ – die damaligen Teilhaber hießen Piero de’ Medici, Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci – sowie mit je 20% Filippo da Gagliano, Lanfredino Lanfredini und Pierantonio Carnesecchi. Die Gesamtsumme, die bis einschließlich 17. September erreicht wurde, umfaßte 5.500 Kammerdukaten bzw. (zu normalem Kurs) 6169, 6 Scudi. Der noch ausstehende Restbetrag wurde von Giuliano mit 501 Kammerdukaten festgelegt, während in dem wesentlich höheren Betrag in französischen Scudi (1.269, 14 Scudi) offenbar der vorher festgelegte Zinsgewinn von ca. 12% enthalten war. Wenn die römische Rucellai-Bank über Giuliano da Gaglianos dortiges Korrentkonto einen recht hohen Kredit auszahlte, wird sie entsprechende Sicherheiten verlangt haben; sie wird gewußt haben, daß die bei diesem Geschäft im Hintergrund stehende Florentiner Medici-Battiloro-Gesellschaft und damit die Medici-Bank für die Rückzahlung des Kredites bürgte, dessen gesamte Operation von Giuliano als ‚August-Geschäft‘, als merchato d’aghosto bezeichnet wurde. Dies zeigt sich ebenfalls bei der überaus bemerkenswerten Tilgung durch die Franzosen. Hierfür benutzte Giuliano ein für diesen mercato d’agosto eingerichtetes Konto bei der (zum Mediceer-Komplex gehörenden) Bankgesellschaft von ‚Bernardo und Erben des Bartolomeo Nasi in Lyon‘, das er explizit als gemeinsames Konto ‚zwischen ihnen und mir‘ kennzeichnete.122 Auf diesem Konto nun wurden zwischen dem 5. und 16. September 1494 insgesamt 12.513, 17, 5 Scudi di marca für Giuliano da Gagliano eingezahlt, zumeist in bar durch den offensichtlich für ihn arbeitenden Luigi Ciei, wobei allerdings die größte Einzelsumme in Höhe von 3.880, 11, 3 Scudi von seiner Bartolini-Bank in Lyon kam. In exakt dem gleichen Zeitraum wurde diese mit mehr als 5.000 Scudi weit über dem Kreditvolumen liegende Summe durch die Nasi-Bank von Giulianos „Inkassokonto“ weitergeleitet, zum Teil an die römische Medici-Bank (2.378 Scudi), an Filippo da Gagliano in Florenz (1.397 Scudi), auf ein Sonderkonto Giulianos für das Augustgeschäft (das er bei sich selber führte), an die Bartolini-Bank in Lyon und am Schluß zum 16. September in bar an Giuliano (3.755, 19, 8 Scudi). Letztendlich agierte hinter Giuliano da Gagliano also die Medici-Bank bzw. Gianbattista Bracci bei diesem Kredit, ohne daß sie oder gar Piero de’ Medici namentlich in Erscheinung treten mußte. Auf französischer Seite war das entscheidende Bindeglied sicherlich Jacques de Beaune, zu dem insbesondere Giuliano da Gagliano in jenen Wochen eine außergewöhnlich enge, vertrauliche, offenkundig tiefere persönliche Freundschaft aufgebaut hatte, die sich über viele Jahre bewähren sollte. Ein erstes klares Indiz erblicken wir, als Jacques, der Schatzmeister der Königin, am 15. Juli in Lyon Giuliano mit einem bestimmten (nicht näher erläuterten) Auftrag einen Goldring mit einem Tafeldiamanten übergab, und zwar ‚in gutem Glauben‘, d.h. ohne die sonst übliche Quittung.123 Am 22. Juli 1494 folgte Giuliano einem Wunsch des Schatzmeisters und trat für ihn als Hauptbürge für einen Wechselbrief in Höhe von 2.363 Scudi d’oro di sole ein, die im Oktober in Lyon an die 122 ASP IV/2, c. 11/XI. 123 ASP IV/4, c. 75v.

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Bank des Tommaso Guadagni ausbezahlt wurden.124 Im Februar und März 1495 besorgte Giuliano dann im Auftrag von Jacques de Beaune Eilbriefsendungen an den (in Italien befindlichen) Hof des Königs von Frankreich, bezahlte den Retourkurier und fand sich schließlich selbst im April am Hof der Königin bzw. des königlichen Statthalters in Moulins ein, wo er Jacques u. a. den Tafeldiamanten zurückgab.125 Die zahlreichen Geschäfte zwischen ihnen können wir hier nicht aufführen, beschränken uns statt dessen auf einige markante Zeugnisse wie das vom November 1495, als Giuliano von Jacques neben einer Summe von 834 Scudi auch zwölf Scudi für drei Parmesankäse bekam, die Giuliano ihm liefern ließ, sowie weitere sieben Scudi für Transport- und Zollkosten einer Brokatkappe, welche der Florentiner für den Franzosen bzw. für die Königin als Geschenk an die Kirche der Santissima Annunziata in Florenz senden ließ, wo die Familie Da Gagliano wie gesagt ihre unter dem Patronat des Hl. Julian stehende Kapelle besaß.126 In dieser Kirche ließ die Königin dann zum (oder am) 15. Juli 1500 mit zehn Fiorini eine feierliche Messe stiften und ließ ihr wertvolle Brokatparamente mit ihrem Wappen zukommen, wobei der ganze Vorgang wiederum durch Jacques de Beaune und Giuliano geregelt wurde, jener mittlerweile Finanzgeneral des Languedoc, dieser wieder in Florenz lebend.127 Gut ein Jahr vorher hatte Jacques seinen Diener Guillaume Bonin zu Giuliano gesandt, um für 250 Fiorini l.gr. schwarzen und roten Marmor zu kaufen und nach Frankreich transportieren zu lassen, wo ihn die Königin für das Grabmal ihres Vaters, des bereits 1488 verstorbenen Herzogs Franz II. von der Bretagne, in der Kathedrale von Nantes verwenden wollte.128 Auch diese außergewöhnlichen kulturellen Bezüge haben ihren Ursprung im Jahr 1494. Im Juli 1494 wurde somit dem in einer finanziellen Notlage stehenden französischen König Karl VIII. ein ansehnlicher Kredit für seinen Kriegszug nach Neapel gegeben, bei dem die Lyoner Bartolini-Bank über ihren Leiter Giuliano da Gagliano sowie die Florentiner Medici-Banken (in Form der bottega di battiloro und der eigentlichen Medici-ErbenBank) all ihre Vorteile gemeinsamer Interessen, Teilhaber, Agenten und sich überschneidender Kapitalvermögen ausspielen konnten. Der Florentiner Bezugspartner dieses Geschäftes war deshalb nicht von ungefähr Filippo da Gagliano. An ihn ließ die römische Rucellai-Bank Mitte September einen Eilkurier senden, der ihm mit einem Stafettenritt die Quittung über den für seinen Bruder Giuliano ausgezahlten Kredit von 6.000 Kammerdukaten nach Florenz brachte.129 Der für die Kurierkosten von den Rucellai ausgelegte Betrag von einem Kammerdukaten wurde ihnen auf Giulianos Korrentkonto zum 17. September 1494 gutgeschrieben. Kurz vorher scheinen die französischen Gesandten demnach erst ihren Kredit in Anspruch genommen zu haben. Damals befanden sich der französische König und Herzog Ludwig von Orléans in Asti (seit dem 9. September). In genau diesen Wochen hielt sich ein Diener oder Mitarbeiter der Medici namens Bernardo zu 124 ASP 125 ASP 126 ASP 127 ASP 128 ASP 129 ASP

IV/4, c. 76r. IV/4, c. 75v u. ebd. libretto di ricordi, c. 9r, 11v. IV/4, c. 4v. IV/6, c. 53v/54r. IV/5, c. 53v; IV/6, c. 95v/96r. IV/2, c. VI.

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Pferde im Piemont und in der Lombardei auf, um für Piero de’ Medici Missionen durchzuführen; Mitte September war er in Asti am königlichen Hof, wo er eine Unterredung mit dem medicinahen Herzog Ludwig von Orléans hatte, der damals zusammen mit Philippe de Bresse den Medici zum endgültigen Kurswechsel und zu jenem harten Stoß gegen den Herzog von Mailand aufforderte. Auch und gerade vor dem Hintergrund des Kredites der Medici an Karl VIII. liegt es nahe, bei diesem Gesandten an Bernardo de’ Rossi zu denken, den Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank, zumal sein Chef Lorenzo Spinelli sich seit dem August an der Seite von Philippe de Bresse am Hof befand, um sodann in Florenz und Neapel die finanzielle Seite von Pieros Allianzwechsel zu organisieren, die sein Lyoner Vizedirektor Cosimo Sassetti in Florenz betreute.130 Das Kreditgeschäft des mercato d’agosto aber konnte und sollte nicht der Lyoner Medici-Bank und ihrem Personal zugeschrieben werden. Im Juli und August hätte Piero de’ Medici, ohne dessen Wissen es kaum abgeschlossen worden sein konnte, es aus politischen Gründen noch nicht rechtfertigen können. Giuliano da Gagliano und die BartoliniBank, aus der heraus er operierte, waren für die Öffentlichkeit nicht ohne weiteres mit den Medici in Verbindung zu bringen. Faktisch aber handelte Giuliano natürlich einmal mehr für sie, für die Medici, und zudem für ihre nominelle Lyoner Bank. Das war allerdings auch deshalb notwendig, weil diese seit dem Juni 1494 in ihrem Asyl in Chambéry gleichsam im Schatten des Finanzknotenpunktes Lyon verharren mußte und ihr dessen logistische Mittel fehlten. Nicht nur Lorenzo Spinelli, auch Bernardo de’ Rossi erscheint des öfteren in den Finanzaufzeichnungen des Giuliano da Gagliano. Hier hat es allerdings mit Blick auf die Daten den Anschein, Bernardo habe sich in jenen dramatischen Septemberwochen des Jahres 1494 in Chambéry aufgehalten, habe dort zusammen mit Giuliano Biliotti die vertriebene Lyoner Medici-Bank vertreten. Doch es handelt sich um Buchungsdaten, die nicht seine persönliche Anwesenheit in Savoyen indizieren müssen. Das Bild von der symbiotischen Verflechtung zwischen der Lyoner Bartolini- und Medici-Bank wird durch die Bezüge zwischen Giuliano und Bernardo vertieft. Auffällig ist eine Buchung, die Giuliano da Gagliano zum 5. September 1494 vornahm und die explizit den Medici-Bankier Bernardo di Giovanni di Matteo de’ Rossi betraf. Von Bernardos Konto bei Giuliano da Gagliano, d.h. bei der Lyoner Bartolini-Bank, sollten zu jenem Tag 2.145 Scudi di marca (im Wert von 33 Goldmark, die Mark dabei zu 65 Dukaten berechnet) auf ein Konto von Filippo da Gagliano transferiert werden.131 Diese Summe überwies Bernardo für Giuliano da Gagliano, der ihm vorher den Betrag mittels eines Wechselbriefes über die BartoliniBank in Lyon zur Verfügung gestellt hatte. Bernardo sollte dann entsprechende Anordnungen Giulianos abwarten, da er das Geld wegen des mercato d’agosto erhalten habe. (Mit diesem Augustgeschäft bezeichnete Giuliano wie gesagt sein Kreditgeschäft für den französischen König, da es durch komplexe Finanzoperationen während und im Zuge der Lyoner August-Messe 1494 abgewickelt werden sollte.) 130 S.o. S. 48–53. 131 ASP IV/2, c. 13, XV.

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Bernardo de’ Rossi war somit unmittelbar vor der faktischen Auszahlung des Kredites über sein Konto bei Giuliano durch eine beträchtliche Überweisung an dessen Bruder Filippo in Florenz an der Kreditvergabe beteiligt, doch nicht als Vertreter der in Chambéry sitzenden Lyoner Medici-Bank, sondern gleichsam als Privatmann zum Nutzen der Medici-Gesellschaft. Dies zeigt sich noch deutlicher bei der Rückbuchung des Betrages zugunsten des Kontos von Bernardo de’ Rossi bei Giuliano da Gagliano. Denn schon zum 17. September 1494 – dem anzunehmenden Tag der Kreditauszahlung! – wurden ihm die 2.145 Scudi durch eine Zahlung der Lyoner Bartolini-Bank wieder gutgeschrieben. Ihrem Buchhalter trug Giuliano auf, er dürfe für diese Summe auf Anweisung Filippo da Gaglianos den ominösen Freund „G“ als Gläubiger verbuchen, auf dessen Konto bei den Bartolini auf diese Weise auch schon für den 16. September 2.435, 0, 10 Scudi di marca eingezahlt wurden.132 Auch dieses Beispiel zeigt demnach, daß hinter dem Kredit bzw. mercato d’agosto, hinter dieser Einbindung Bernardo de’ Rossis und den Anordnungen Filippo da Gaglianos letztendlich der amico G stand, Giovanbattista Bracci. Er wirkte auch nach Lorenzos Tod als Generalmanager leitend, kontrollierend und schützend über allen einzelnen Medici-Gesellschaften und bewahrte das Erbe der Medici. Wie bei einem guten Uhrwerk griffen bei diesem Kreditgeschäft des Sommers 1494 alle Teile der Medici-Gesellschaft ineinander; d.h. – um im Bild zu bleiben –: Da das Zahnrad der Lyoner Medici-Bank aus politischen Gründen blockiert war, wurde es durch das der Lyoner Bartolini-Bank ersetzt. Und dies funktionierte eben deshalb so reibungslos, weil diese Bank seit vielen Jahren ein zentrales Organ der Medici-Gesellschaft war. Deshalb konnte Giuliano da Gagliano im September und Oktober 1494 ohne weiteres für die römische Medici-Bank Schulden des französischen Kardinals Jean de BilhèresLagraulas eintreiben, wobei er den Anweisungen von Leonardo di Zanobi Bartolini folgte.133 Giuliano operierte als governatore der Lyoner Bartolini-Bank mit Finanzmitteln, die ihm offenkundig primär durch seinen Freund „G“ zur Verfügung gestellt worden waren. Aus Giulianos Mitteln wurden so im September 1494 die Auslagen der Bartolini-Bank zurückgezahlt, die bei der Besoldung zweier Kuriere anfielen, welche von Frankreich aus zur römischen Medici-Bank ritten, um die Briefe zu überbringen, mit welchen Giuliano die römischen Mediceer mit Bezug auf ihre Geschäfte über den mercato d’agosto informierte. Auf Anweisung Giulianos hatte ein Vertreter der Bartolini-Bank dabei am 11. September in Chambéry dem Kurier François (Francesco) Forestain vier Franchi di re bezahlt, damit er dem bereits nach Rom vorausgerittenen, von Paris gekommenen Kurier Antonio del Magno nachreite und ihm Giulianos Briefe übergebe, die dieser den MediciBankiers in Rom wegen des Augustkredites geschrieben hatte.134 Die Auslage der Barto132 ASP IV/2, c. XIII, 20. 133 ASP IV/2, c. 18; IV/4, c. 76r, 77r. 134 ASP IV/2, c. XVI, 18. Antonio del Magno war schon vorher mit 10 Scudi d’oro besoldet wor-

den, um wegen einer Finanzsache der römischen Medici-Bank zu dem Medici-Agenten Giovanni Tosinghi und zu einem Diener des Kardinals Jean de Bilhères-Lagraulas, Abt von St-Denis, nach Paris zu reiten, damit eine bestimmte Summe Geldes namens des Kardinals von St-Denis für die Medici-Bank ausgezahlt würde. Diese Zahlung scheint mit dem Kredit der Medici an

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lini für Forestain wurde diesen dann über ein Konto zurückerstattet, das Giuliano für den mercato d’agosto in einem Rechnungsbuch der Bartolini-Bank führte; und die Besoldung des Kuriers wurde hier als eine Zahlung an die ‚Medici in Chambéry und für diese an Bernardino de’ Rossi‘ deklariert. Bernardo braucht sich daher am 11. September nicht persönlich in Chambéry aufgehalten zu haben, kann deshalb gut mit dem cavallaro Bernardo identisch sein, der für die Medici Verhandlungen im westlichen Oberitalien führte und der zudem wegen dieser Kompetenzen einen höheren Stand gehabt haben muß als ein bloßer Kurierreiter, ein Sozialprofil nämlich, wie es der Medici-Bankier Bernardo de’ Rossi besaß.

3. Die erzwungene Abwicklung der Medici-Bank: Eine Herausforderung für die Mediceer-Bankiers a) Die Tornabuoni und die Medici-Bank Die Hauptverantwortung für die Medici-Gesellschaft trugen nach dem November 1494 Giovanbattista di Marco Bracci und Lorenzo di Giovanni Tornabuoni. Bracci war bisher am unbekanntesten, doch wird er durch glückliche Umstände am längsten und tiefsten für die Medici wirken, weil er schon zu Lebzeiten im Schatten des prominenteren Tornabuoni stand und offenbar deswegen nicht wie dieser 1497 hingerichtet wurde. Der am 10. August 1468 geborene Lorenzo di Giovanni Tornabuoni war im Gegensatz zu Bracci als Sohn des verschiedene Filialen der Medici-Bank (vor allem die in Rom) leitenden Giovanni Tornabuoni gleichsam in der Medici-Bank aufgewachsen, zumal Lucrezia, die Schwester seines Vaters, mit Piero di Cosimo de’ Medici verheiratet war. Giovanni Tornabuoni war somit der Onkel von Lorenzo de’ Medici, Lorenzo Tornabuoni dessen Cousin. So erhielt der junge Tornabuoni ebenso wie Lorenzo de’ Medicis Söhne Piero und Giovanni eine hervorragende humanistische Bildung unter Lehrern wie Angelo Poliziano, Pico della Mirandola und Martino della Comedia. 1486 heiratete er Giovanna di Maso degli Albizzi, und nach deren frühem Tod 1488 vermählte er sich 1492 mit Ginevra di Bongianni Gianfigliazzi – was für uns nicht unerheblich ist, da ihr Bruder Jacopo Gianfigliazzi sich aktiv an der Medici-Restitution beteiligte.135 Seine besondere Stellung im Mediceer-Netzwerk verdankte Lorenzo Tornabuoni nicht allein seiner engen Verwandt-

Karl VIII. gekoppelt gewesen zu sein. Verbucht wurden die Kurierspesen für Antonio del Magno und François Forestain zum 16. und 18.9.1494. 135 Zur Bildung und zu den Ehen von Lorenzo Tornabuoni vgl. Verde, Studio fiorentino III/1, S. 575f. (aber mit falschem Geburtsdatum 27.6.1457); zum Geburtsdatum: Tratte, s.v. (bei seiner Hinrichtung im August 1497 war er somit noch keine 30 Jahre alt; sein junges Alter wurde auch von den Chronisten hervorgehoben); zur ersten Hochzeitsfeier Lorenzos jüngst Campbell, Lorenzo Tornabuoni’s History of Jason and Medea series; zu beiden Ehen vgl. auch Rubin, Images, S. 241 (1491 als Datum für die zweite Ehe mit Ginevra Gianfigliazzi).

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schaft mit den Medici, sondern stärker noch dem finanziellen Engagement und dem Rang seines Vaters in der Medici-Bank. Giovanni Tornabuoni war in Braccis Reorganisationsplan (um 1482) als Manager der römisch-neapolitanischen Holdingtochtergruppe vorgesehen und sollte dabei mit 15.000 Dukaten erheblich mehr Kapital investieren als sein Neffe Lorenzo de’ Medici mit 9.000 Dukaten.136 Allerdings sollte Lorenzo die gleiche Summe auch in die aus den Banken von Florenz, Pisa und Lyon bestehende Tochtergruppe investieren, wo deren Manager Francesco Sassetti mit ebenfalls 15.000 Dukaten größter Kapitalgeber gewesen wäre. Zusätzliche 20.000 Dukaten hätten nach Braccis Plan von weiteren Juniorpartnern bereitgestellt werden sollen. Wurden diese Pläne zwar aufgegeben, so scheute man sich doch nicht vor Umstrukturierungen. Seit dem 25. März 1487 – also parallel zur Erneuerung der Florentiner Bartolini-Bank mit nunmehr 8.000 Fiorini Eigenkapital – galt für Lorenzo de’ Medici und seine beiden Hauptpartner und Manager Giovanni Tornabuoni und Francesco Sassetti ein neuer Gesellschaftervertrag, mit dem die Medici-Gesellschaft reorganisiert und mit einer Investitionssumme von 45.000 Dukaten auf eine gute Kapitalbasis gestellt wurde. Rom und Neapel erhielten vermutlich – wie von Bracci einige Jahre vorher vorgeschlagen – ca. die Hälfte des Kapitals.137 Giovanni Tornabuoni ist dort wahrscheinlich der stärkste Investor geblieben. Ein später noch zu diskutierendes Dokument der Tornabuoni-Erben bzw. -Prokuratoren spricht mit nicht zu bezweifelnder Zuverlässigkeit von 9.000 Fiorini l.gr., die Giovanni Tornabuoni schon am 7. Mai 1486 seinem Neffen Lorenzo de’ Medici über dessen Florentiner Bank für die römische Medici-Bank als Teil einer größeren Summe zur Verfügung gestellt habe und die ihm nie zurückbezahlt worden seien.138 Sein Kapitalbeitrag könnte sich also in dem von Bracci vorgesehenen Volumen bewegt haben, doch soll sein Anteil am Profit nur ein Viertel betragen haben, der Lorenzos dagegen drei Viertel.139 Giovannis Gewinnanteile aus der römischen (und der von ihr abhängigen nea-

136 Vgl. ASF, MAP LXIII, doc. 19, c. 67–68; De Roover, Rise, S. 367f.; Bullard, Heroes, S. 188

(wo die vorgeschlagenen Kapitalbeträge als tatsächliche dargestellt werden). 137 Vgl. Bullard, Banking on Reputation, S. 156 (wie das Gesamtkapital von 45.000 Dukaten auf

die einzelnen Banken verteilt wurde bzw. worden sein könnte, wird von Bullard jedoch nicht thematisiert. Auf jeden Fall ist die neu organisierte römische Bank nicht mit dem gesamten Kapital ausgestattet worden; dieser Schluß könnte aus Bullards Darstellung gezogen werden). Aus der römischen Medici-Bank hatte man 1426 noch das gesamte Kapital abziehen können, da die Ertragskraft dieser Bank so hoch war, daß sie keinen finanziellen Anschub benötigte; Fazzini/Fici, Il Banco de’ Medici, S. 659. Spätestens seit den Repressalien Sixtus’ IV. wird dies nicht mehr möglich gewesen sein. 138 Vgl. ASF, MAP LXXXIV, doc. 46, c. 96r/v, 99r/v (es wird hier zwar nicht explizit gesagt, daß die 9.000 Fiorini als Kapital für die römische Medici-Bank dienten, doch da es in diesem Brief nur um Forderungen der Tornabuoni-Vertreter geht, die ihnen aus Giovanni Tornabuonis Beteiligungen an den ehemaligen Medici-Banken in Rom und Neapel zustünden, ist an diesem Zweck nicht zu zweifeln); zur Sache s.u. S. 216. 139 Vgl. De Roover, Rise, S. 222 (falsch ist allerdings dessen Behauptung, es sei wie gewöhnlich kein Kapital in die neue Gesellschaft gegeben worden; die als Beleg zitierte Quelle ASF, MAP XCIV, doc. 152, c. 280–281, ist unter dieser Signatur nicht mehr vorhanden); zur (angeblich

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politanischen) Medici-Bank erlaubten es Giovanni Tornabuoni jedenfalls unter anderem, Domenico Ghirlandaio mit der (ca. 1.000 Fiorini teuren) Ausmalung der berühmten Tornabuoni-Kapelle in Santa Maria Novella in Florenz zu beauftragen und seinen Sohn mit einem satten Vermögen auszustatten. Es ist für unser Thema alles andere als nebensächlich, daß Lorenzo di Giovanni Tornabuoni für den November 1494, als er in seinem Palast den Grafen Philippe de Bresse beherbergte, von dem gut informierten Bartolomeo Cerretani als reichster Bürger in Florenz bezeichnet wurde und zugleich als einer der engsten Freunde Piero de’ Medicis.140 Nicht Giovanni, sondern sein Sohn Lorenzo trat nach dem Tod von Lorenzo de’ Medici als Teilhaber (mit 25% Anteil am Profit) in die Florentiner Medici-Erben-Bank ein, da Piero de’ Medici nicht mehr die dominierende Teilhaberschaft des Magnifico übernehmen wollte oder sollte und nun neben Bracci (10%) nur noch 65% erhielt. Zur gleichen Zeit änderten die beiden Hauptteilhaber auch die Gesellschaftsform der von Florenz aus gesteuerten Lyoner Medici-Bank, die nun seit 1492 unter dem Namen Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Lione lief. Unter Lorenzo Tornabuonis Namen firmierte bereits seit 1490 die Medici-Bank in Neapel; geleitet wurde sie zunächst von Bernardo Carnesecchi, dann von Giuliano di Giorgio Ridolfi. Obwohl auch diese neapolitanische Bank gemäß der Holdingstruktur der Medici-Gesellschaft formal ein eigenständiges Rechtswesen war, unterstand sie faktisch jedoch der Medici-Bank in Rom, da sie deren Akkomanditgesellschaft war, ihr Kapital aus Rom erhielt und alle Gewinne nach Rom abzugeben hatte.141 (In gleicher Weise war die Spinelli-, dann Bottegari-Gesellschaft in Montpellier seit 1482 und noch lange nach 1494 als membro von der Bartolini-Bank in Lyon abhängig.) Dies entsprach dem von Gianbattista Bracci um 1482 entworfenen Plan eines durch die Banken in Rom und Neapel konstituierten Korpus aus Mutter- und Tochterbank. Beide Banken wurden noch in den 90er Jahren tatsächlich als ein Korpus verstanden. Als es dann 1494 zur Vertreibung der Medici kam und die Medici-Bank in Rom liquidiert werden sollte, hatten sich die damit beauftragten Deputierten (Syndizi genannt) vornehmlich mit Lorenzo Tornabuoni auseinanderzusetzen, da sein betagter Vater Giovanni nur noch formale Verantwortung für dieses Erbe der Medici trug. Verantwortlich für die römische Bank war zwar Giovanni Tornabuoni, doch hatte dieser, da er seit 1487 überwiegend in Florenz lebte, die Leitung seinem Neffen Nofri (Onofrio) di Niccolò Tornabuoni übertragen. Angesichts der Hoffnungen, Pläne und Investitionen für den früheren „Goldesel“ der Medici in Rom versteht es sich, daß Lorenzo de’ Medici und Giovanni Tornabuoni als (einzige oder maßgebliche) Kapitalgeber der Mediniemals zurückerhaltenen) Einlage Giovanni Tornabuonis vom Mai 1486: ASF, MAP LXXXIV, doc. 46, c. 96r/v, 99r/v (Aussage vom Februar 1500). 140 Cerretani, Storia fiorentina, S. 217 (Lorenzo di Giovanni Tornabuoni, giovane nobile e primo in riccheze nella nostra città, sendo amicissimo a Piero de’ Medici et havendo in casa sua alloggiato monsignore di Brescia ...). Der mailändische Botschafter Paolo Somenzi hielt Lorenzo Tornabuoni für den mächtigsten Mediceer, mit einem enormen Vermögen von mehr als 100.000 Dukaten; Villari, Storia II, S. xxxiii. 141 De Roover, Rise, S. 223.

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ci-Bank in Rom nur bestes Personal für sie gewollt haben konnten. Es war der Magnifico persönlich, der im November 1486 Nofri Tornabuoni von Florenz nach Rom beordert hatte – wo er bereits 1480 als Vertreter der Medici-Bank nachzuweisen ist –, um die Medici-Filiale an der Kurie nach den Auseinandersetzungen mit Sixtus IV. wieder in die gewohnten Gewinnzonen zu bringen, zumal die Medici in dem Nachfolger von Sixtus IV., Papst Innozenz VIII. (1484–1492), einen ihnen wohlgesinnten Papst gefunden hatten, der diese Gewogenheit zudem 1487 durch eine Ehe zwischen seinem Sohn Franceschetto Cibo und Lorenzos Tochter Maddalena bestätigte. Nofri Tornabuoni wurde für den Magnifico sofort mehr als nur einer seiner wichtigsten Bankiers und Agenten, beteiligte er sich für ihn doch in Rom intensiv und mit viel Sach- und Kunstverstand an der Erwerbung von zahlreichen und unterschiedlichsten Kunstgegenständen für Lorenzos berühmte Sammlung.142 Leonardo di Zanobi Bartolini als Mitglied der Tornabuoni-Familie Als Lorenzo de’ Medici die personelle und finanzielle Restrukturierung seiner römischen Bank durch die Rekrutierung guter und vielversprechender Mitarbeiter (giovani) optimieren wollte, war es Nofri Tornabuoni, der seinem Onkel Giovanni Tornabuoni den jungen Leonardo di Zanobi Bartolini vorschlug und Lorenzo im Dezember 1486 bat, ihm jenen Mann zu schicken, der zudem seit gut zwei Jahren der Schwager des MediciFinanzstrategen Gianbattista Bracci war. Dieser wird Leonardo deshalb ebenfalls empfohlen haben. Freilich sollte der damals 22-jährige, am 10. November 1464 als illegitimer Sohn Zanobis geborene Bartolini eine gewisse Ungeschliffenheit in Bildung und Habitus erst noch durch einen vier- bis sechsmonatigen Schliff bei „Vieri“ – vermutlich dem bedeutenden Humanisten Ugolino Verino al. Vieri – erhalten. Für eine erfolgreiche Arbeit an der päpstlichen Kurie benötigte man somit mehr als nur hervorragende finanz- und banktechnische Fertigkeiten. Insbesondere die zahlreichen Kontakte mit hohen Geistlichen und Diplomaten aus aller Welt erforderten sprachliche Fähigkeiten und allgemeinbildende Kenntnisse, die der Bartolini vornehmlich anhand der klassischen, antiken Autoren gelernt haben wird; Leonardos Handschrift und Bildungsinteressen beweisen, daß diese Formung erfolgreich verlief. Leonardo di Zanobi Bartolini bewährte sich dann so gut, daß ihm Nofri Tornabuoni – doch wahrscheinlich nicht ohne einen gewissen Druck seitens der Medici – seine Tochter Francesca zur Frau gab, die aus seiner Ehe mit Creofe di messer Piero Alamanni stammte.143 Leonardo Bartolini hatte mit Nofri Tornabuoni 142 Hierzu jetzt Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici; zu Nofri Tornabuoni passim, vgl. s.v., aber be-

sonders den im Anhang präsentierten Briefwechsel zwischen Nofri und Lorenzo (Dezember 1486 bis November 1491), ebd. S. 296–322. Filippo da Gagliano hatte der Florentiner MediciBank zum 27.4.1480 die Kosten für zwei wertvolle Bekleidungsstücke in Rechnung gestellt, die er über die römische Medici-Bank Nofri Tornabuoni gab, um diesem eine Freude zu bereiten; ASP IV/1, c. 55, LVIII. Zu Nofri als wichtigem Agenten Lorenzos in Rom jüngst: Bullard, „Hammering away at the Pope“. 143 Vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 248–251 (zu Zanobi und seinem Sohn Leonardo Bartolini; das Geburtsdatum Leonardos auch in Tratte, s.v.); Bullard, Lorenzo il Magnifico, S. 156–188

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also einen Neffen von Giovanni bzw. Cousin von Lorenzo Tornabuoni als Schwiegervater; dieser wiederum war ein Cousin von Lorenzo de’ Medici, dessen Generalmanager und Partner Giovanbattista Bracci ein Schwager von Leonardo Bartolini war – um nur einige wenige zentrale Verwandtschaftsstränge herauszustellen. Dies soll in einem genealogischen Tafelschema veranschaulicht werden, das auf einige zentrale, miteinander verwandte Mediceer reduziert worden ist.144 Wie man dort sieht: Es bildete sich eine große Familie, mit einer Verdichtung der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Medici, Tornabuoni, Bartolini und Bracci, die sich noch weiter intensivieren und auf andere befreundete Familien erweitern wird, die vor allem aber auch in korrelativer Weise die Geschäftsbeziehungen und das Exil der Medici prägen wird.

b) Die Syndizi der Medici-Rebellen Nach der Flucht der Medici und der anschließenden Exilierung im November 1494 bestand ein zentrales Ziel der neuen Regierungen in der hoch gesteckten Aufgabe, die Ansprüche aller Gläubiger der Medici zu befriedigen. Dafür mußten die Beteiligung der verbannten Medici an den einzelnen Medici-Gesellschaften beendet und diese liquidiert, ihre Schuldner und Gläubiger erfaßt und zudem alle Medici-Besitzungen gesichert werden, um aus den daraus gewonnenen Werten die Begleichung der Medici-Schulden vornehmen zu können. Die Konfiskation sämtlicher, beweglicher wie unbeweglicher, MediciGüter zu untersuchen, soll allerdings nicht unsere Aufgabe sein.145 Da es in dieser Studie um das Netzwerk der Medici geht, konzentrieren wir uns vielmehr auf die einzelnen Firmen der Medici und ihr Personal. Sind diese Gesellschaften mit der geforderten Liquidation beendet worden? Wenn nicht: Wer hat sie übernommen und in welcher Form? Konnten und sollten die Medici etwa weiterhin von ihren alten Geschäften profitieren? zur römischen Medici-Bank zwischen 1486 und 1492 und bes. Anm. 11 zu Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini, ferner S. 222–226 zu Nofri als so zentralem wie erfolgreichem „middleman“ des Magnifico; Tewes, Römische Kurie, S. 276–278. Daß Nofri Tornabuoni mit Creofe, der Tochter von messer Piero Alamanni verheiratet und daß Creofe Francescas Mutter bzw. Leonardos Schwiegermutter war, wird z. B. in ASF, Corp. Sopp. 100/88, fol. 217/CCXVII und 234, bezeugt, einem Rechnungsbuch von Leonardo di Zanobi Bartolini. Der Status von Piero di Francesco Alamanni als einem der engsten Freunde und wichtigsten Diplomaten Lorenzo de’ Medicis und seiner Nachfahren ist wohlbekannt; vgl. etwa Cerretani, Ricordi, bes. S. 295, 316 (Piero Alamanni auch nach dem Exilsende zusammen mit Gianbattista Ridolfi, Piero Guicciardini, Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati als einer der einflußreichsten Freunde der Medici); Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 215 (Ser Piero Alamanni gehörte im Oktober 1497 für eine kürzere Zeit zu den verbannten Medici-Anhängern); Picotti, Giovinezza, s.v.; Bullard, a.a.O., s.v. (1491 kam Piero Alamanni als Florentiner Botschafter beim Papst nach Rom; ebd. S. 224); Butters, Governors, s.v.; Stephens, Fall, s.v. Der bekannte Medici-Gegner Luigi Alamanni war ein spätgeborener (1495) Sohn von Piero di Francesco Alamanni; vgl. R. Weiss, Art. „Alamanni, Luigi“, in: DBI 1 (1960), S. 568–571. Zu Person und Verwandtschaft Piero Alamannis ausführlicher unten S. 971–974. 144 S.u. S. 1122, Tafel I. 145 Giovanni Ciappelli hat eine Studie zu diesem wichtigen Thema angekündigt; vgl. Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 247, Anm. 11.

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Wie bereits mehrfach betont: Die ruhmreiche Medici-Bank (als Summe der einzelnen Bank- und Produktionsgesellschaften) hat mit der Exilierung der Medici im November 1494 keineswegs ihr endgültiges Ende gefunden – wie bisher stets behauptet wurde; sie ist in bereits bekannter oder auch anderer Gestalt von Vertrauten übernommen und somit für die Medici bewahrt worden. Was wir im Kontext der Vertreibung der Medici-Bankiers aus Lyon im Juni 1494 hervorgehoben haben, wurde jüngst auch von Alison Brown mit Bezug auf die Vertreibung der Medici im November 1494 hervorgehoben: Hinter diesen Vorgängen standen neben den politischen auch und offenbar sogar besonders ökonomische Motive!146 Es ist tatsächlich erstaunlich: Bereits einen Tag nach der Flucht und zehn Tage bevor die Signoria am 20. November 1494 offiziell den Bann und den Rebellenstatus für die Medici-Brüder verkündete – Voraussetzung für die daraus folgende Konsequenz einer Güterkonfiskation –, wurde am 10. November das Mandat erlassen, die Güter von Piero und Giuliano de’ Medici und anderer ihrer Familie sowie die des Antonio di Bernardo di Miniato Dini, Ser Giovanni Guidi da Pratovecchio, Ser Simone Grazzini da Staggia, Ser Lorenzo Tucci sowie der Brüder Piero, Gianbattista und Bernardo di Ser Francesco Dovizi da Bibbiena und ihrer Angehörigen zu beschlagnahmen. Jeder, der von den Besitzverhältnissen in irgendeiner Weise Kenntnis besaß, mußte dies noch im Laufe jenes Tages preisgeben, wenn er nicht durch Auspeitschung bestraft werden wollte. Am 12. November waren dann Bernardo di Niccolò Capponi und Benedetto di Tanai de’ Nerli mit der Aufgabe und Vollmacht ausgestattet worden, eine Berechnung dieser Güter vorzunehmen.147 Erstaunlicherweise traf die Konfiszierung nicht die eigentlichen Medici-Bankiers wie etwa Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci! Als die Signoria am 2. Dezember 1494 die von König Karl VIII. erwirkte Aufhebung des Rebellenstatus der drei Medici-Brüder ratifizierte, konnte sie eine Konfiskation der Medici-Güter auch nicht mehr darauf gründen – dies war erst wieder im September 1495 möglich, als Piero und Giuliano erneut zu Rebellen wurden. Doch im Vertrag vom 26. November 1494 zwischen Florenz und Karl VIII. hatte man Vorkehrungen getroffen, um die Gläubiger der nunmehr nur noch verbannten, relegierten Medici befriedigen zu können. Bis zur Erreichung dieses Ziels sollten alle Güter Giovannis und Giulianos, aber von Piero nur die beweglichen Werte konfisziert bleiben.148 Die Legitimation für diese Anordnung schuf die Florentiner Regierung allerdings erst am 28. Dezember 1494, als sie das seit 1434 geltende Gesetz der falliti fugiti, der bankrotten Flüchtlinge, als rechtliche

146 Vgl. Brown, Revolution, hier bes. S. 20–23. 147 Gedruckt: Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 364f., Doc. 250–252 (ein gesondertes Mandat

ging an die Dominikaner von San Marco); vgl. Grote, Formazione, S. 132; Brown, Revolution, S. 22; s.o. S. 70f. Die am 9.11. ausgesprochene Verbannung als Rebell betraf wie gesehen allein Piero und war irregulär; erst am 20.11. wurden er und seine beiden Brüder in offizieller, rechtsgültiger Form in den Rebellenstatus versetzt. 148 S.o. S. 83f.

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Voraussetzung für die Güterkonfiskation erklärte.149 Für die anspruchsvolle Aufgabe, auf dieser Grundlage die Interessen der Medici-Gläubiger zu wahren, wurde am gleichen Tag eine Kommission der sindachi et uficiali ... sopra i fatti e negozii di Piero di Lorenzo de’ Medici bzw. der Erben von Lorenzo di Piero de’ Medici und Partnern eingerichtet. Ein solches Amt war zuletzt nach der Pazzi-Verschwörung Ende 1479 von Lorenzo de’ Medici neu geschaffen worden, nachdem die Beamten des ‚Turms‘ (Torre), die regulär für die Klärung der Eigentumsangelegenheiten von Rebellen zuständig waren, mit ihrer Aufgabe überfordert waren.150 Das von den Schreibern der Syndizi geführte – und als einziges überlieferte – giornale des ersten Amtsjahres ist jüngst von Merisalo ediert worden.151 Die von der Signoria eingesetzten, ihre Arbeit am 3. Januar 1495 beginnenden Verantwortlichen zur Abwicklung des finanziellen Erbes der als bankrott erklärten Medici waren Ridolfo di Pagnozzo Ridolfi, Francesco di Zanobi Girolami und Jacopo di Tanai de’ Nerli, die stellvertretend für die Gläubiger handelten, während Filippo di Giovanni Corbizzi, Ranieri di Niccolò Giugni und Girolamo d’Antonio Martelli für den computus communis zuständig waren, also als Repräsentanten der Kommune Florenz amtierten. Diese Struktur folgte exakt derjenigen des 1479 einberufenen ‚Syndikats zur Regelung der Pazzi-Angelegenheiten‘. Am 16. Januar 1495 wurde den sechs Funktionären noch Alfonso di Filippo Strozzi zur Seite gestellt, ein erklärter Medici-Gegner.152 Schon Grote hatte treffend, aber ohne nähere Analyse erkannt, daß sich unter diesen Syndizi – wie wir diese Kontrolleure bzw. Rechnungsprüfer und Vermögensabwickler im Folgenden der Kürze halber bezeichnen wollen – erstaunlicherweise einige dezidierte Anhänger und Freunde der Medici befanden. Mit Sicherheit werden wir dieses Attribut Francesco Girolami und Filippo Corbizzi zuerkennen können.153 149 Vgl. Grote, Formazione, S. 133. Dieser wichtige Rekurs auf das Gesetz der falliti fugiti ist von

Brown offenbar nicht erkannt worden, welche die Konfiskation der Medici-Güter als eine Art Willkür unter Mißachtung der Aufhebung des Rebellenstatus interpretiert; vgl. Brown, Revolution, S. 22. 150 Martines, Die Verschwörung, S. 193–195. 151 Le collezioni medicee nel 1495; nach dem Original ASF, Carte Strozziane I/4 (das erhebliche paläographische Schwierigkeiten bietet). 152 Zu den Namen vgl. v. a. Grote, Formazione, S. 135 (dort Cosimo statt Girolamo Martelli) u. 137, Anm. 31; Le collezioni medicee nel 1495, S. XI-XIII, 3f.; Fusco/Corti, S. 365f., Doc. 253. Guidi hatte hingegen die beiden Gruppen der Deputierten verwechselt, d.h. die Vertreter der Gläubiger als die von der Kommune nominierten klassifiziert und vice versa; vgl. Guidi, Lotte II, S. 774 und Anm. 32. Brown spricht (ohne Namensnennung) erstaunlicherweise nur von „five syndics ... to recover Medici property“; Brown, Revolution, S. 22. 153 So wird Filippo Corbizzi am 28.4.1496 in das Gefängnis der Stinche eingesperrt und zum Rebellen erklärt, weil er mit Freunden die Wahl der Signoria offenbar mit Hilfe von Handzetteln zugunsten der Medici-Partei beeinflussen wollte. Zum Gonfaloniere wollte man Francesco di Luca degli Albizzi erheben lassen, doch wurde dann der Savonarola-Freund Piero di Luca d’Antonio degli Albizzi neuer Gonfaloniere; vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 180f. Zu ihm als Medici-Anhänger auch Grote, Formazione, S. 142 und Anm. 9; Le collezioni medicee nel 1495, S. XIIf.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 365, Doc. 253, Anm. 5. Francesco Girolami bzw. dessen Bank ist bereits seit Dezember 1481 als einer der Partner Filippo da Gaglianos bei dessen Wechselbriefgeschäften für Lorenzo de’ Medici zu erkennen; ASP IV/1, c.

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Doch auch einige der den Syndizi zugeordneten Personen sind als enge MediciFreunde nachzuweisen. Dies gilt insbesondere für den einstigen Medici-Faktor Francesco d’Agostino Cegia, der als Diener des Verwalters Giacomo di Niccolò de’ Bonaguisi amtierte, sowie für den Schreiber Francesco di Bencivenni dello Scarfa. Bekannt wurde Francesco Cegia, den man nach der Flucht der Medici zunächst inhaftiert hatte, um dann nach der Freilassung sein Insider-Wissen zu nutzen. Denn Francesco hinterließ als gleichzeitiger Mitarbeiter der Florentiner Medici-Erben-Bank eine sehr wertvolle Quelle für unsere Untersuchung. In einem mit knappen Rechenschaftsberichten durchsetzten persönlichen Rechnungsbuch der Jahre 1495–1497 gibt er nicht nur Hinweise auf seine offizielle Funktion bei der Abwicklung des Medici-Vermögens, sondern dokumentiert er vor allem auch, wie der engere Medici-Kreis abseits des Erlaubten Wege fand, den Exilierten heimlich Geld zukommen zu lassen.154 Aus der Dokumentation Cegias erfahren wir, daß Francesco di Bencivenni dello Scarfa mehr war als nur ein Schreiber der Syndizi; mit ihm befand sich ein fattore des exilierten Kardinals Giovanni de’ Medici in diesem Amt, der sich nach 1495 aktiv für die Verbannten einsetzte. Francesco dello Scarfa muß aus einer den Medici nahestehenden Bankiersfamilie gekommen sein, denn Leonardo di Zanobi Bartolini erwähnte im Februar 1493 gegenüber seinem Schwager Giovanbattista Bracci im Kontext eines Geldtransfers von Rom nach Florenz die darin involvierten Bartolini e Scharfi, mit welchen zum einen natürlich die Florentiner Bartolini-Bank, zum anderen offenbar eine ebenfalls der Florentiner Medici-Erben-Bank verbundene ScharfiGesellschaft gemeint gewesen war.155 Ob die als camerarii fungierenden Benedetto und Francesco de’ Nerli den Medici ebenfalls nahestanden, wird eher zu bezweifeln sein; immerhin ist jedenfalls Benedetto di Tanai de’ Nerli mit seiner Florentiner Bank auch als Geschäftspartner der Gagliano-Brüder und Lanfredino Lanfredinis bzw. der Medicibottega del battiloro im Wechselgeschäft zu erkennen. Allerdings kann es wohl kaum als ein Zeichen des Ausgleiches, sondern eher als Ausdruck pragmatischer Notwendigkeit 99/LXXXXVIIII. Er wird im Laufe dieser Studie noch deutlicher als Freund des Medici-Netzes „entlarvt“. 154 Ediert 1957 von Pampaloni, Ricordi; in Auszügen und in überarbeiteter, einzelne Posten nach Sachbezügen neu zusammenstellender Form erneut gedruckt bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 353–357, Doc. 233. Francesco Cegia wird auch in der neueren Studie von Guidi im Kontext der politischen Strömungen in Florenz nach 1494/95 hervorgehoben; doch mit der Bemerkung, er sei der „solo uomo che violi sistematicamente le leggi della repubblica operando per favorire i medicei, recuperando in Firenze attività patrimoniali della ex famiglia principale, trasformandole in denaro, inviando poi le somme oltre il confine“, verkennt Guidi die von uns noch ausführlicher zu beschreibende Stellung Cegias im Netzwerk der Medici-Anhänger und seine Abhängigkeit von zentralen Personen wie Lorenzo Tornabuoni. Zudem will Guidi nur die wenigen von Cegia namentlich genannten Florentiner als Aktivisten der Medici sehen, womit er sowohl die immanente Intention von Cegias Rechnungsbuch als auch den weit über Florenz hinausreichenden, von Cegia im einzelnen wohl gar nicht zu erkennenden aktiven Freundeskreis der Medici verkennt; vgl. Guidi, Lotte I, S. 298. 155 ASF, MAP XCVI, doc. 443 (16.2.1492/93, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Giovanbattista Bracci in Florenz). Auch Parenti bezeichnete Francesco Scarfi anläßlich einer späteren Verhaftung als fattore des Kardinals Giovanni de’ Medici; Parenti, Storia fiorentina II, S. 38.

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und vielleicht auch eines Erfolges der Mediceer gewertet werden, daß sich unter diesen Deputierten einige evidente Freunde und Anhänger der Medici befanden.156 Die Syndizi hatten erklärtermaßen die Aufgabe, erst die externen Gläubiger der Medici zu befriedigen, sodann die privaten und öffentlichen in Florenz.157 Für die Beschaffung der dafür notwendigen Geld- oder Sachmittel erhielten sie eine umfassende Verfügungsgewalt über alle einzelnen Geschäftsangelegenheiten, Güter und Firmen der drei Söhne des Lorenzo de’ Medici, die in den Quellen in der Regel nur als ‚die Erben‘ bezeichnet werden.158 Es versteht sich, daß dies nicht allein durch Außenstehende bewältigt werden konnte, sondern nur mit Hilfe von intimen Kennern der Medici-Gesellschaft. Hierdurch erklärt sich vermutlich auch die Präsenz evidenter Mitarbeiter der Medici wie Francesco Cegia; so verwundert es aber auch nicht, daß wir in dem einzigen erhaltenen giornale der Syndizi immer wieder auf Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci stoßen, die in Florenz die Geschäfte der Medici führten. Ohne Muster und Erfahrungswerte hatten die Syndizi ihre Herkulesarbeit nicht zu bewältigen. Denn zwischen 1478 und 1482 hatten ihre Vorgänger das Gleiche zu leisten, als sie sämtliche Güter der Pazzi erfassen und konfiszieren und deren Schuldner ermitteln mußten, um die Gläubiger der Pazzi auszahlen zu können. Lorenzo de’ Medici ließ dafür in allen ihm zugänglichen Filialen der Pazzi – von Valencia über Brügge, Lyon und Avignon bis Florenz – die Rechnungsbücher und Geschäftspapiere beschlagnahmen, um diesen Berg an Material von den Beamten der Torre bzw. dann von den Syndizi und ihren Mitarbeitern auswerten zu lassen. Rigoros ging er auch die Schuldner der Pazzi an, veräußerte er die Pazzi-Güter, ließ er lukrative Geschäfte wie etwa das französische Salzmonopol beenden, an dem vor allem die Capponi beteiligt waren! Das konfiszierte PazziVermögen hatte am Ende die Forderungen der Gläubiger bei weitem überschritten.159 Dies alles mag zur Erklärung beitragen, warum die Capponi bzw. einige Mitglieder dieser Familie im Juni 1494 die Lyoner Medici-Bank in den Ruin treiben wollten und warum es im November 1494, als nämlich auch die exilierten Pazzi nach Florenz zurückkehrten, so schnell um die Vermögenswerte der Medici und die von einigen ihrer bekannten Kreaturen ging. Gleichwohl ist merkwürdigerweise nach 1494 bei den Maßnahmen gegen die Medici und einige Mediceer bei weitem nicht jene Wucht zu verspüren, mit welcher die Medici gegen die Pazzi vorgegangen waren. Was dem Magnifico bei den Pazzi noch ohne weiteres gelang, scheiterte nun kläglich am Desinteresse der Deputierten, an fehlenden Forcierungen durch die Syndizi und an evidentem Betrug seitens der Mediceer. Auch von Agenten, die von den Syndizi in die einzelnen Medici-Firmen geschickt wurden und alle 156 Als „attegiamento piuttosto clemente“ wertete dies Merisalo in Le collezioni medicee nel 1495,

S. XVI, der freilich nur einen Teil der Medici-Anhänger identifizierte. 157 Grote, Formazione, S. 135. 158 Vgl. die entsprechenden Ausführungen der Syndizi in dem für die Abwicklung der römischen

Medici-Bank aufgesetzten Notariatsinstrument vom 4.6.1495: ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 446r–462v, hier c. 447r–448v. 159 Martines, Die Verschwörung, S. 193–203.

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Geschäftsbücher beschlagnahmten, hört man nichts. Obwohl sich die Autorität und balìa dieser Syndizi ebenfalls auf alle Medici-Geschäfte in den unterschiedlichen Orten Europas erstreckte – von denen sie wußten, daß sie unter anderen Namen liefen, aber den Erben gehörten –, konzentrierte sich ihre Arbeit zunächst auf die Medici-Banken in Rom und Neapel, die als eine Einheit galten. Gemessen an den dazu überlieferten Quellen, setzten die Syndizi bei ihnen den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit.

c) Die Übernahme der Medici-Banken in Neapel und Rom durch die Tornabuoni – und eine entscheidende Irreführung Zwei schwierige Aufgaben waren Lorenzo Tornabuoni von den Syndizi übertragen worden. Als erstes sollte er ab dem 19. Januar 1495 jene Gesellschaft liquidieren, die unter seinem Namen in Neapel geführt wurde, die Bank von Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Napoli. Die Syndizi vermuteten jedoch (mit Recht), hinter ihr stünden – ‚wenn nicht offen, so doch heimlich bzw. listig‘ – niemand anders als die Erben des Lorenzo de’ Medici, also seine Söhne als Teilhaber. Die verbannten Medici durften natürlich nicht mehr Partner in einer der Medici-Firmen sein, ob diese nun den Namen der Medici im Titel führten oder nicht. Dies galt insbesondere, wenn diese Gesellschaften weitergeführt werden sollten. Deshalb hatte der Tornabuoni auf der Grundlage der neapolitanischen Geschäftsbücher den Syndizi nachzuweisen, daß die Medici in der unter seinem Namen geführten compagnia keinerlei Recht und Gewalt mehr besaßen. Da Lorenzo Tornabuoni solches schon am 14. Februar glaubhaft machen konnte und versprach, alle Schulden einzuziehen und alle Gläubiger dieser Neapolitaner Filiale auszuzahlen, durfte er die Bank weiterhin betreiben.160 Doch Lorenzo Tornabuonis Belege über die Beendigung der Medici-Partnerschaft in seiner neapolitanischen Bank entsprachen nicht der Wahrheit. Ein in Neapel entstandenes, den Florentiner Behörden offenkundig unbekannt gebliebenes Dokument beweist, daß Piero de’ Medici auch nach dem Januar/Februar 1495 noch zu den Partnern des Tornabuoni gehörte – und sogar nicht nur in Neapel, sondern auch in Rom! Nach dem Bekenntnis des Bartolomeo Bartolini, seit 1492 bis zur Entlarvung 1499 aufgrund eines Vertrages in jeder Hinsicht für Piero de’ Medici gearbeitet zu haben, kann hiermit zudem eine weitere klare, bejahende Antwort auf die Leitfrage gegeben werden, ob die Mediceer in ihren neuen Gesellschaften nach 1494 weiterhin für die Medici wirkten. Am 3. April 1495 bezeichnete sich Piero de’ Medici als compagno della compagnia di Lorenzo Tornabuoni [di Napoli], als welcher er eine seit vielen Jahren bestehende Schuld

160 Le collezioni medicee nel 1495, S. 7f. (19.1.1494/95: ... quod societas que Neapoli exercetur

sub nomine Laurentii de Tornabuonis et sociorum et in qua societate si non aperte saltim caute exercetur nomen heredum Laurentii de’ Medicis sub nomine dite societatis ...), S. 17 (14.2.1494/95: ... et viso qualiter in dita ratione dirette vel indirette nec sub aliquo quo scio colore diti de’ Medicis nullum ius nec facultatem habent et nullum ius eis competit in dita societate prout vere et plene viderunt [sindachi] per libros et scripturas dite rationis de Neapoli).

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dieser Bank anerkannte.161 Der Gläubiger war eine dem aragonesischen Hof in Neapel nahestehende Person namens Giovanni de Libera, dem die Medici-Bank in Neapel seit Juli 1490 eine aus früheren Depositen resultierende Summe von 6.000 Dukaten schuldete. Auch deswegen kam es seit April 1495 zu einem Prozeß im mittlerweile französisch beherrschten Neapel, durch welchen die Teilhaberschaft Pieros und weitere wichtige Erkenntnisse über die Struktur dieser Bank enthüllt werden. Nach ihrem ständigen Hauptteilhaber hieß die 1471 wiedereröffnete Bank, die seit 1426 geschlossen war, zunächst Lorenzo de’ Medici e compagnia di Napoli, dann erhielt sie von 1486/87 bis 1489 den Titel Francesco Nasi e compagnia di Napoli. Der 1429 geborene Francesco di Lutozzo di Jacopo Nasi war in Brügge und Genf ein Faktor der Pazzi gewesen, gehörte dann in Genf und (noch 1480!) in Lyon zu den Partnern der Pazzi und Capponi. Aufgrund des Mißmanagements Agostino Biliottis, der Neapel im April 1475 verlassen mußte, warb ihn Lorenzo de’ Medici gleichsam ab und übertrug ihm die Leitung seiner Bank in Neapel, welche Nasi 1487 wieder in die Gewinnzone bringen konnte. Um ihn vollends an das Haus Medici/Tornabuoni zu binden, wurde sein Sohn Alessandro mit einer Tochter Giovanni Tornabuonis verheiratet – die Nasi wurden so Mitglieder des Familienverbandes MediciTornabuoni, Alessandro wurde Schwager von Lorenzo Tornabuoni, dem Cousin des Magnifico. Auch in Braccis Reformplan von ca. 1482 spielte Francesco Nasi, il Naccio genannt, als Juniorpartner an der Seite des Battista Pandolfini – wenn sie sich denn vertrügen – für die Bank in Neapel ein wichtige Rolle.162 Nach Nasis Tod 1489 lief sie dann einige Monate unter dem Namen seiner Erben als Eredi di Francesco Nasi e compagnia, von denen einer sein Schwiegersohn Bernardo di Francesco Carnesecchi war. (Carnesecchi kehrte 1491 mit seiner Familie nach Florenz zurück, doch ist er Ende 1493 und Anfang 1494 wieder in Neapel nachzuweisen.) Die Firmennamen sagen freilich auch hier nichts über die wahren Macht- und Partizipationsverhältnisse aus. Seit Beginn ihrer Neueröffnung 1471 war die Medici-Bank in Neapel nicht mehr als ein Appendix der römischen Bank, an welche sie all ihre Gewinne abzuführen hatte und von der sie ihre Weisungen erhielt. Die hochprofitable, für einige Jahrzehnte nach 1426 allein mit ihren Gewinnen und Einlagen, aber ohne Stammkapital arbeitende Medici-Bank in Rom wurde hingegen stets von den Medici beherrscht. In sie hatte Piero di Cosimo de’ Medici seit dem 25. März 1465 seinen Schwager Giovanni Tornabuoni als Partner und Leiter aufgenommen, der 1443, dem Jahr der Eheschließung zwischen seiner Schwester Lucrezia und Piero de’ Medici, als 15-Jähriger in die MediciBank eingetreten war und dem nun 1465 eine Gewinnbeteiligung von einem Sechstel zugestanden wurde. Mit einem seit März 1487 (und offiziell bis 1492) geltenden Vertrag 161 Cassandro, Lettera di cambio, S. 47–52 (Piero de’ Medici unterschrieb am 3.4.1495 explizit als

compagno della sopradicta compagnia di Lorenzo Tornabuoni eine Schuldanerkenntnis, die seit mehreren Jahren gegenüber dem im Königreich Neapel lebenden, vor den Franzosen geflüchteten und deshalb zum Rebellen erklärten Katalanen Giovanni de Libera [oder Ribera] bestand). 162 ASF, MAP LXXXIII, doc. 19, c. 67r–68v, hier c. 68r. Giovanni Tornabuoni verheiratete seine Tochter Lodovica noch als Kind mit Alessandro di Francesco di Lutozzo Nasi; vgl. Pampaloni, I Tornaquinci, S. 359. Zur Familie Tornabuoni vgl. jetzt generell Plebani, Tornabuoni.

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erhöhte sich Tornabuonis Profitanteil auf 25%. In den Jahren vor der Exilierung bestimmten also allein Lorenzo de’ Medici und Giovanni Tornabuoni die Geschäfte des neapolitanischen Ablegers, wie etwa der am 25. März 1490 für die neapolitanische Medici-Bank neu abgeschlossene Gesellschaftsvertrag verdeutlicht. Hauptteilhaber war die römische Medici-Bank (Lorenzo de’ Medici e compagnia di Roma), die 9.000 Dukaten zum Kapital beitrug und 85% des Profits erhielt, während ihr Leiter Bernardo Carnesecchi die restlichen 500 Dukaten einlegte, aber mit 15% am Gewinn partizipierte. Ihr Namensgeber wurde der Sohn des nominellen Leiters der römischen Medici-Bank; sie hieß jetzt also Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Napoli.163 Die Medici-Bank in Neapel war somit seit ihrer Wiedereröffnung 1471 eine Tochtergesellschaft, ein Organ der römischen Medici-Bank; diese Struktur wird durch den Gesellschaftsvertrag von 1490 klar faßbar. Wenn die Bank in Neapel gut 95% ihres Kapitals von der Medici-Bank in Rom erhielt, ist sie trotz ihrer formalen Unabhängigkeit als Teil der römischen Bank zu betrachten. Dies faktisch und rechtlich genau zu definieren, bereitete jedoch schon den Zeitgenossen Probleme. Wegen der alten Medici-Schuld und damit zusammenhängender Haftungsverpflichtungen mußte zwischen April und Juli 1495 auch das Verhältnis zwischen den Medici-Banken in Neapel und Rom geklärt werden. Die Frage war, ob sie als Einheit (unum corpus) mit gegenseitigen Obligationsrechten und Zahlungspflichten betrachtet werden könnten. Vittorio Caggiani, ein ehemaliger Mitarbeiter der neapolitanischen Bank, stellte mit weiteren Zeugen klar, zu seiner Zeit (nach 1490) habe es mehrfach geheißen, die Tornabuoni-Bank in Neapel und die Medici-Bank in Rom seien in jeder Hinsicht eine einheitliche Sache und ein Körper und eine jede könne für die andere bürgen. Andere, Außenstehende, bestritten dies.164 Als die Florentiner Syndizi zur gleichen Zeit die Form der unter Lorenzo Tornabuonis Namen laufenden Medici-Bank in Neapel untersuchten, hieß es wegen ihrer Kapitalabhängigkeit von Rom jedoch eindeutig, sie sei ein Glied, ein Organ (membro) der römischen Bank gewesen. Da 163 Vgl. hierzu De Roover, Rise, S. 219–223, 257–261; Silvestri, Attività bancaria, S. 102–104,

109–113, 126 (Kopie der Schuldbescheinigung vom 1.7.1490 und ihrer eigenhändigen Anerkennung durch Piero de’ Medici am 3.4.1495; auf S. 111 irrige Datierung auf den 1.7.1495; die dort ebenfalls behauptete definitive Rückkehr Bernardo Carnesecchis 1491 nach Florenz kann so nicht stimmen, da dieser Ende 1493 und Anfang 1494 aus Neapel Briefe an Piero de’ Medici schrieb; vgl. etwa ASF, MAP XVIII, doc. 85 u. 148). Zu Francesco Nasi als Partner der Pazzi und Capponi vgl. auch Martines, Verschwörung, S. 82, 84, 197 (warum der Nasi als späterer Medici-Manager in Neapel noch 1478/80 in Lyon Partner der Konkurrenten und Feinde der Medici sein konnte, wird sowohl hier wie auch bei De Roover nicht problematisiert). 164 Caggiani bestätigte somit die im Prozeß vertretene Ansicht über die Zusammengehörigkeit der beiden Banken: Omnia bancha de’ Medicis, maxime banchum existens in urbe Rome et banchum existens in civitate Neapolis sub denominatione de Tornabonis, fuerunt et erant unum corpus, et quicquid fiebat per unum, aliud exequi poterat tam in exigendo quam in solvendo, adeo quod censetur eadem persona in mercantiis et negotiis gestis, et unum obligavit alterum, et contra; Silvestri, Attività bancaria, S. 112; vgl. Cassandro, Lettera di cambio, S. 51. Es gab allerdings auch kontroverse Ansichten wie die des Domenico Spannocchi. An der Abhängigkeit der neapolitanischen Medici-Bank von der römischen Medici-Bank und ihrer Steuerung durch diese kann es allerdings keinen Zweifel geben.

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Lorenzo Tornabuoni belegt hatte, daß es eine solche körperliche Einheit nicht mehr gab, bestätigten die Syndizi im Juni den Vertrag vom 14. Februar 1495, mit welchem ihm erlaubt worden war, seine Bank in Neapel weiterzuführen.165 Bernardo Carnesecchi hatte am 1. Juli 1490 als Teilhaber dieser Bank und im Namen des Lorenzo Tornabuoni jene Schuldnererklärung ausgestellt, die am 3. April 1495 von Piero de’ Medici als neuem bzw. aktuellem Teilhaber eigenhändig anerkannt und mit seiner Unterschrift bestätigt wurde.166 Denn von April bis Juli 1495 ging es in dem komplizierten Prozeß vor einem französischen Richter in Neapel um diese alte Schuld, damit verknüpfte Finanzansprüche aus Wechselgeschäften zwischen Lyon, Rom und Neapel und schließlich um die konfiszierten Güter jenes aragonesischen Günstlings und MediciGläubigers Giovanni de Libera, der bei dem Einmarsch der Franzosen in Neapel zusammen mit König Ferdinand II. geflüchtet war. Während des Prozesses bezeugten die Florentiner Kaufleute Pietro Antonio Bandini, Lorenzo Acciaiuoli als damaliger Kassierer der Tornabuoni-Bank sowie der bereits genannte Vittorio Caggiani als ihr ehemaliger Mitarbeiter, daß Piero de’ Medici und Lorenzo Tornabuoni gemeinsam die beiden Banken in Neapel und Rom betrieben, wobei der Medici für Rom, der Tornabuoni für Neapel verantwortlich war! Alle drei Kenner bekräftigten dabei, daß die beiden Banken einen geschlossenen Körper darstellten.167 Wie sein Vater war Piero de’ Medici also an beiden Banken beteiligt, sicherlich ebenfalls als Hauptteilhaber; aufgrund ihrer Struktur konnte er nur als Partner der römischen Bank compagno der Bank in Neapel sein. Seine Teilhaberschaft endete weder mit der Vertreibung der Medici bzw. ihrer Exilierung noch im Januar und Februar 1495 während Lorenzo Tornabuonis Beweisführung über das angebliche Ende der Medici-Beteiligung. Deshalb konnte und mußte Piero de’ Medici am 3. April 1495 als ‚Teilhaber der Gesellschaft des Lorenzo Tornabuoni in Neapel‘ eine alte MediciSchuld anerkennen. Und seine neapolitanische Bank ging auch nicht bankrott. Noch zwei Jahre später war sie aktiv, als Lorenzo Tornabuoni im April 1497 in seinem Namen wie dem seiner Teilhaber den in Neapel lebenden Giuliano di Giorgio Ridolfi zu seinem Prokurator und Faktor in Neapel ernannte.168 Ungleich schwerer als die Abwicklung der neapolitanischen Medici-Bank erschien den Syndizi jene ihrer Mutterbank in Rom. Bereits am 31. Januar 1495 hatten sie den Florentiner Leonardo di Francesco Ringhiadori nach Rom deputiert, um die römische Bank zu leiten und für diese Bank auf deren Kosten eine Bilanz und Kalkulation zu erstellen. Augenscheinlich war man sich allerdings nicht sicher, wem Ringhiadori Loyalität erweisen würde, denn er sollte diese Leitung nur nach Anweisung der täglich durch die Syndizi ihm zuzusenden Briefe ausüben.169 Die Skepsis war berechtigt, denn Leonardo Ringhiadori 165 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 446r–462v, hier c. 451v. 166 Abbildung des Dokumentes: Silvestri, Attività bancaria, S. 126; zur Sache ebd. S. 111f.; vgl.

auch Cassandro, Lettera di cambio, S. 47–52. 167 Silvestri, Attività bancaria, S. 112. 168 Silvestri, Attività bancaria, S. 112f. 169 Le collezioni medicee nel 1495, S. 13.

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wird uns noch als Mitglied des Medici-Netzwerkes begegnen – und als solcher war er vielleicht auch den Syndizi bekannt. Möglicherweise bestätigte er gewisse Befürchtungen der Medici-Gegner, denn bald darauf überantworteten die Syndizi die Aufgabe, un certo bilancio overo chalchulo auctenticato sumpto de’ libri di ragione di detta gia ragione della cipta di Roma zu erstellen, d.h. die Aufstellung einer bilanzierenden Liste aller Gläubiger und Schuldner aus den Büchern der römischen Medici-Bank, den in Rom lebenden Florentiner Kaufleuten Salvi di Niccolò Borgherini und Niccolò d’Urbano Cattani, seinem Partner.170 Die Borgherini zählten zu den (meist wohlhabenden) Florentiner Bankiersfamilien, die an der römischen Kurie ihre Geschäfte ausübten; der 1436 geborene Salvi (oder auch Salvio) war z. B. 1494 in dieser Funktion bezeugt, sein 1480 geborener Sohn Pierfrancesco di Salvi Borgherini 1511.171 Doch auch mit dem Borgherini wählte man – wissentlich oder unwissentlich – einen Vertrauten der Medici bzw. ihrer Freunde. Ein Hinweis hierfür findet sich schon in einem Brief des Borgherini vom 4. April 1495 an den Cattani, in welchem Salvi ihren gemeinsamen Kontakt mit Leonardo di Zanobi Bartolini bestätigte, der dem Borgherini damals gerade persönlich einen Brief Cattanis vom 8. Februar übergeben hatte. Leonardo hatte den beiden bei der Erstellung der am 24. März abgeschlossenen Bilanz zumindest durch die Bereitstellung der einschlägigen Geschäftsbücher geholfen, hatte hier aber mit dem Borgherini über die Satisfaktion der kurialen Gläubiger der römischen Medici-Bank gesprochen.172 Die sachlich gebotene Hilfe Bartolinis scheint jedoch mit einem geheimen Einverständnis verbunden gewesen zu sein. Denn aus späteren Zeugnissen wissen wir, daß jene Bilanz durch Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini in mehreren Fällen, oft mit Hilfe der römischen Gesellschaft des Giuliano di Piero Panciatichi, erheblich zum Nachteil der Syndizi und zum Vorteil des Medici-Kreises gefälscht worden ist. Da dies kaum ohne Kenntnis des Borgherini geschehen konnte und da er und seine Nachfahren zudem dem Mediceer-Kreis zugeordnet werden können, dürfte er mit dem Bartolini kooperiert haben.173 Die von Salvi Borgherini präsentierte Bilanz der römischen Medici-Bank, die den Namen ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft der Bank in Rom‘ trug, bildete jedenfalls die Grundlage für die Liquidation dieser Bank. Damit war, das ist zu betonen, nicht ihr absolutes Ende gefordert. Analog zu den anderen Medici-Firmen durfte sie nach Schuldeneinziehung, Gläubigerbefriedigung und Beendigung der Medici-Beteiligung ihre 170 Vgl. ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 446r-462v, zu Borgherini und Cattani hier c. 447v. (Die

Bücher der römischen Gesellschaft der Erben des Lorenzo de’ Medici sollten übrigens nach Erstellung der Bilanz den Tornabuoni in Florenz übersandt werden, wo sie auch den Deputierten zu Kontrollzwecken zur Verfügung stehen sollten; vgl. ebd. c. 449v, 452v.) Diese Bilanz ist von Sapori, Bilancio, ediert worden, doch irrig die Angabe, „Niccolò di Borgherino“ sei einer der beauftragten Kaufleute gewesen. Zu den Partnern Borgherini und Cattani vgl. auch Le collezioni medicee nel 1495, S. 16. 171 Vgl. Andrea del Sarto, Dipinti, S. 105–111; Bullard, Mercatores, S. 54f.; Cassandro, Banchieri, S. 230. 172 Vgl. ASF, MAP I, doc. 287. 173 S.u. S. 209–214.

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Geschäfte fortführen. Aus der im Frühjahr 1495 erstellten Bilanz ersahen die Syndizi, ‚daß diese Bank von Schulden gleichsam erdrückt wurde, die dennoch alle zu begleichen waren‘.174 Auf der anderen Seite kam man nur schwer an das Geld der Schuldner heran. Obwohl die Aktiva und Passiva rein rechnerisch (mit 145.604 bzw. 145.914 Fiorini) fast ausgeglichen waren, waren sie faktisch fast unmöglich zusammenzubringen. Eine lange Abwicklung der Sache wollte man allerdings vermeiden, um nicht alles noch schwieriger und am Ende – auch für Florenz bzw. andere Florentiner Kaufleute – gefährlicher werden zu lassen. Denn erfahrungsgemäß würden die Debitoren sich entziehen und die nicht ausbezahlten Kreditoren nicht nur lamentieren, sondern auch zu Repressalien greifen, von denen alle Florentiner Kaufleute betroffen sein könnten. (Dies wird tatsächlich eintreten.) Interessanterweise berieten sich die Syndizi wegen dieser schwierigen Ausgangssituation eingehend mit der Signoria, den anderen ‚Primaten‘ der Stadt und vielen Kaufleuten, insbesondere aus dem Kreis der Medici-Gläubiger. Die Lösung des Problems sah man in einer Übernahme, einem Kauf der römischen Medici-Bank durch Lorenzo und Giovanni Tornabuoni, denen man jedoch wegen der hohen Verbindlichkeiten entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stellte. Die Tornabuoni hätten, so die Begründung der Syndizi, in den vergangenen Jahren lang und intensiv Geschäfte in der römischen Medici-Bank geführt, besonders mit vielen Schuldnern, und kämen daher – wie sie selbst bestätigten! – leichter an das Geld der Debitoren. Hierbei profitierten sie von der Qualität von einem der ghovernatori dieser Bank (also Nofri Tornabuoni oder Leonardo di Zanobi Bartolini – die Syndizi hatten schnell realisiert, daß die Bank nicht nur von einem Leiter geführt wurde). Die Erben Lorenzo de’ Medicis und alle Partner der römischen Bank blieben dabei haftbar. Giovanni und Lorenzo Tornabuoni mußten erklären, ob die Erben des Lorenzo de’ Medici noch Partner seien, was sie verneinten – und womit sie demnach erneut logen. Lorenzo Tornabuoni übernahm nun also alle aktiven und passiven Rechte der römischen Medici-Bank, alle Schulden und Kredite und Titel der Schuldner und Gläubiger, alle Güter und sonstigen Vor- wie Nachteile.175 Obwohl in den offiziellen Dokumenten stets auch Lorenzos Vater Giovanni als Mitverantwortlicher genannt wird und beide in voller Verantwortung die Abwicklung der römischen Medici-Bank vorzunehmen hatten, trug Lorenzo die Hauptlast und wird in den Quellen als Entscheidungsträger bezeugt. Zudem hatte der betagte Giovanni schon am 20. Februar 1495 (aus taktischen Gründen) sein gesamtes Vermögen seinen Enkelkindern Giovanni und Leonardo, den Söhnen seines Sohnes Lorenzo, vererbt.176 Die Syndizi hatten die Bürde der Liquidation also dem Cousin von Lorenzo de’ Medici auferlegt; Analoges hätte der Magnifico 1478 bei den Pazzi sicherlich nicht erlaubt. Denn für die Syndizi mochte diese Regelung eine Erleichterung bedeuten, für die Mediceer aber boten

174 Vgl. das Notariatsinstrument vom 4.6.1495: ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 446r–462v;

Druck der Bilanz: Sapori, Bilancio. 175 Vgl. hierzu auch Sapori, Bilancio, S. 166. 176 Sapori, Bilancio, S. 167; ausführlicher zu diesem Vorgang unten S. 217f.

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sich dadurch Chancen – und für einen bestimmten Teil der Gläubiger verstärkten sich die Risiken. Am 26. Mai 1495 übertrugen die Syndizi Lorenzo und Giovanni Tornabuoni die römische Medici-Bank mit allem Profit und allen Schulden.177 Der entsprechende notarielle Vertrag wurde am 4. Juni 1495 aufgesetzt.178 Den Tornabuoni wurde eine Zuwendung von 42.000 Fiorini aus dem Besitz der Medici zugesichert, die in Form von Bargeld, Schmuck oder (Kunst-)Objekten mit der ersten Hälfte innerhalb von zwei Monaten, mit der zweiten innerhalb der folgenden vier Monate ausgezahlt werden sollten und allein der Gläubigerbefriedigung zu dienen hatten. Nach Grote sei hierbei das alte Florentiner Gesetz angewandt worden, nach welchem eine bankrotte Bank mit ausreichend flüssigen Geldmitteln ausgestattet werden müsse, um zur Ehre der Florentiner Nation die Gläubiger zufriedenzustellen.179 Nach Ansicht der Tornabuoni aber handelte es sich primär um Mittel, mit denen ihnen der Kauf der Bank ermöglicht wurde. Als sie 1496 (nach Florentiner Datierung, also zwischen dem 25.3.1496 und dem 24.3.1497) eine Liste derjenigen Objekte aus dem Medici-Schatz anlegten, die sie an Nofri Tornabuoni in Rom sandten, präzisierten sie, es handele sich um Pretiosen, die ihnen die Syndizi im Zuge der Abrechnung bzw. Verrechnung jener 42.000 Dukaten gegeben hätten, welche sie, die Syndizi, ihnen, den Tornabuoni, für den Kauf der römischen Medici-Bank zur Verfügung stellen müßten!180 Dafür verbürgten sich die Tornabuoni, von den Debitoren alle Schuldtitel der römischen Medici-Gesellschaft einzuziehen und den Gläubigern innerhalb von nur 18 Monaten ihr Geld zurückzuzahlen.181 Hierbei ist eine entscheidende Differenzierung vorzunehmen. Mit den Tornabuoni war, wie schon betont, de facto stets nur Lorenzo Tornabuoni gemeint. Dieser aber fungierte bei der Übernahme der römischen Bank und allen damit verbundenen Verpflichtungen nicht als Privatperson, sondern als (offizieller) Hauptteilhaber der ehemaligen Medici-, nunmehrigen Tornabuoni-Bank in Rom, d.h. als einer von mehreren Partnern.182 177 Le collezioni medicee nel 1495, S. 42. 178 Vgl. ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 446r-462v: Atto col quale i Sindachi sui beni de’ Medici

banditi da Firenze affidano a Giovanni e Lorenzo Tornabuoni il compito di liquidare il banco de’ Medici a Roma. 179 Grote, Formazione, S. 141. 180 ASF, MAP LXXXII, doc. 119, c. 350r–351v („Nota di gioie e vasi preziosi e altre chose havuti da sindachi de’ Medici, mandati a Roma a Nofri Tornabuoni“ bzw. „... e altre robe datoci e’ Sindachi de’ Medici in defalcazione di fiorini 42 mila larghi d’oro che ci ànno a dare per la chompera della ragione de’ Medici di Roma“); gedruckt: Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19f. (Appendice I). Auf dieses wichtige Dokument, die dort verzeichneten Pretiosen und ihr Schicksal werden wir im weiteren Verlauf wiederholt eingehender zu sprechen kommen. 181 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 448r, 450v. Mit Blick auf die übertragenen Kunstgegenstände der Medici-Sammlung ist der Vertrag häufiger in der kunsthistorischen Forschung thematisiert worden, jüngst eingehender durch Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, passim, wo jedoch die genauen Aufgaben der Tornabuoni und der Inhalt des Vertrages vom 4.6.1495 gerade mit Blick auf die geforderte Liquidation der römischen Medici-Bank nicht korrekt wiedergegeben wurden. 182 In den Akten der Syndizi wird zum 12.8.1495 denn auch ausdrücklich erwähnt, daß bestimmte Wertgegenstände aus dem Medici-Besitz, die zur Befriedigung der Gläubiger der römischen

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Ihre Zuwendung von 42.000 Fiorini erhielten die Tornabuoni auch deshalb, weil sie nicht über alle Schuldtitel verfügen durften. So behielt sich die Kommune Florenz die Einziehung zweier Schuldtitel vor, nämlich die Schuld der leiblichen Erben des Lorenzo de’ Medici von 11.243 Dukaten, 17 Soldi und 6 Denari sowie die gesonderte des Kardinals Giovanni de’ Medici mit 7.511 Dukaten, 18 Soldi und 11 Denari, mit denen sie jeweils bei der römischen Bank bzw. Gesellschaft in deren Bilanz unter den debitores aufgeführt waren.183 Ebenso beanspruchten die Syndizi generell, ohne exakte Zahlen, alle Schulden für sich, die Piero und Giuliano de’ Medici bei der römischen Medici-Bank hatten. Wie genau man zu der Summe von 42.00 Fiorini kam, ist nicht zu eruieren. Zusätzliche Zahlungsobligationen der römischen Bank machten zum Beispiel gut 47.800 Fiorini aus. Kompliziert verhielt es sich auch mit den enormen Schulden, die Virginio Orsini bei der römischen Medici-Gesellschaft hatte. Im bilancio werden sie mit 39.204 Dukaten und 10 Soldi aufgeführt, die dem Orsini auf Veranlassung von Piero de’ Medici gezahlt worden seien und bei denen man keinerlei Rückzahlung erhoffen könne.184 Im Vertrag mit den Tornabuoni wird dieses Problem freilich etwas differenziert: Virginio habe 1494 zwecks Tilgung eines Teils dieser Schuld veranlaßt, daß sein Gehalt von 24.000 Dukaten, das ihm König Alfons II. von Neapel für seine militärischen Dienste zu zahlen bereit war, der Medici-Filiale in Neapel (die ja als Teil, als membro der römischen Gesellschaft betrachtet wurde) zu übergeben sei. Dies konnte wegen der politischen Wirren im Königreich, d.h. des Einmarsches von König Karl VIII. von Frankreich, bisher nicht geschehen. Zugleich versicherte jedoch Simone Casolla, der zuständige Schatzmeister des neapolitanischen Königs, daß er bei der Gesellschaft der Erben des Lorenzo de’ Medici von Florenz, d.h. bei der Florentiner Bank der Medici, selbst Gläubiger von 15.705 Dukaten bzw. Fiorini (d’oro in oro larghi) sei. Die Deputierten entschieden daher, diese Summe der römischen Medici-Gesellschaft anzuweisen bzw. gutzuschreiben, um so einen Teil der geschuldeten 24.000 Dukaten zu bezahlen, doch sollten die 15.705 Dukaten nicht zu der Summe der den Tornabuoni zugestandenen 42.000 Dukaten gehören.185 Der umfangreiche Vertrag, den die Syndizi am 4. Juni 1495 mit den Tornabuoni abschlossen, wurde von ihnen – nur Girolamo Martelli war abwesend – am 9. Juli 1495 endgültig anerkannt. Anwesend war bei diesem Akt auch Lorenzo Tornabuoni. Als einer der beiden Hauptzeugen wirkte sein Partner Giovanbattista di Marco di Ser Thomme Bracci.186 Im übrigen war Bracci nachweislich an mehreren Vorgängen beteiligt, bei

Medici-Bank dienen sollten, Laurentio de Tornabuonis et compagnia übergeben worden seien; vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 60. Mit Tornabuonis Partnern sind wohl kaum die in Neapel und Florenz gemeint. 183 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 449v–450r (die Begriffe ragione und compagnia werden hier und auch in anderen Quellen synonym gebraucht, so daß man auch von tale conpagnia overo ragione di Roma sprach); zu den Summen vgl. Sapori, Bilancio, Nr. 106, 134 (irrig 4 statt 6 Denari bei Schulden der Erben-Gesellschaft); Le collezioni medicee nel 1495, S. 42. 184 Sapori, Bilancio, Nr. 113. 185 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 452v–453v. 186 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 459v (als zweiter Zeuge fungierte Niccolò Bonaguisi).

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denen Lorenzo Tornabuoni seitens der Syndizi Geldmittel für die Liquidation der römischen Bank zur Verfügung gestellt wurden.187 Die Kommune von Florenz wollte sich allerdings nicht allein auf den Vertrag und das Versprechen der Tornabuoni verlassen, alle Gläubiger innerhalb von 18 Monaten auszuzahlen. Sie verlangte vielmehr vor der letztendlichen Anerkennung ihrer Verständigung mit den Tornabuoni eine Sicherheit, die durch Bürgen zu stellen war; diese mußten von den Syndizi als geeignet approbiert werden.188 Die Bürgen sollten die beachtliche Summe von 10.000 Fiorini bzw. duchati larghi di grossi stellen, und zwar bevor die Tornabuoni ihre zweite Rate von 21.000 Fiorini von der Stadt erhielten. Wer würde diese heikle Bürgschaft, wer würde dieses Risiko übernehmen? Gewiß niemand aus der großen Gruppe ihrer Feinde, gewiß auch niemand, der eine relativ neutrale Haltung zu den Medici einnahm. Hier werden sich also nur wahre Freunde engagiert haben. Wir werden demnach annehmen dürfen, durch die Namen der Bürgen einen weiteren Einblick in die tatsächliche Substanz des Netzwerkes der Mediceer zu gewinnen.

d) Die Bürgen der Tornabuoni Am 27. Juni 1495 wurde die Bürgschaft vor einem Florentiner Notar urkundlich beschlossen. Piero di Leonardo Tornabuoni, Jacopo di messer Bongi[ov]anni Gianfigliazzi, Lanfredino di Jacopo Lanfredini, Niccolò di Francesco Tanini, Domenico di Andrea Alamanni sowie Niccolò di Girolamo Morelli – der sowohl in seinem Namen als auch als Teilhaber der unter dem Namen Bernardo e Niccolò Morelli e Tommaso Alamanni e compagnia setaiuoli di Firenze laufenden Seidengesellschaft handelte – erklärten sich bereit, für die Tornabuoni als Bürgen einzutreten. Sie verbürgten sich an jenem Tag, mit jeweils 1.000 Dukaten bzw. 500 Dukaten (Niccolò Tanini und Domenico Alamanni) für die Tornabuoni, d.h. für die Schulden der Medici einzustehen, sollten die Tornabuoni ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Dies galt für jeden, noch so weit entfernten Ort. Leider wird nicht mitgeteilt, wer die einzelnen Partner der Morelli-Alamanni-Seidengesellschaft waren, die Niccolò Morelli mit seiner Bürgschaft belasten durfte. Sicherlich sind sie ebenfalls zu den Freunden der Medici zu zählen. Dies zeigt sich auch bei zwei weiteren Bürgen, denn jene vom 27. Juni standen ja nur für eine Summe von insgesamt 5.000 Dukaten ein, womit gerade die Hälfte des geforderten Bürgschaftsbetrages erreicht worden war. Nicht in dem einschlägigen Notariatsinstrument vom 27. Juni über die TornabuoniBürgen, dafür aber in den Protokollen der Syndizi finden wir zum 27. Juni 1495 bei der Auflistung der von ihnen approbierten Bürgen nun auch Nofri di Niccolò Tornabuoni, den 187 Vgl. Le collezioni medicee nel 1495, etwa S. 91f. 188 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, hier c. 453v, 455v–459r; ein kurzer Auszug bei Sapori, Cacciata,

S. 309, dem eine Abschrift zur Verfügung stand, die er im Korpus von Notariatsakten der Jahre 1495–1521 in einem ungenannten Familienarchiv fand, aus welchem auch die von ihm publizierte Bilanz der römischen Medici-Bank von 1495 stammte; vgl. ebd. S. 303f.; und Ders., Bilancio, S. 209. Es wäre für die Forschung wichtig, wenn diese das Medici-Tornabuoni-Erbe betreffenden Quellen allgemein zugänglich werden könnten.

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Leiter der römischen Medici-Bank und Schwiegervater von Leonardo di Zanobi Bartolini – und zwar mit der größten Summe von 3.000 Fiorini l.gr.! –, sowie mit 1.000 Fiorini zudem Bartolomeo Lapi. Dieser aber handelte letztlich für Nofri Tornabuoni; und Nofri wiederum weigerte sich aus guten Gründen, persönlich in Florenz zu erscheinen. Seine Bürgschaft über 4.000 Fiorini leistete er über Domenico Alamanni, den er als seinen Prokurator einsetzte.189 Auch Bartolomeo Lapi ist dem römischen Medici-Kreis um Nofri Tornabuoni und dessen Schwiegersohn zuzuordnen. Denn aus dem überlieferten Inhaltsverzeichnis von Briefen Piero de’ Medicis erfahren wir, daß dieser Nofri am 13. Juni 1493 geschrieben hatte, er möge Bartolomeo Lapi veranlassen, seine Tochter dem Niccolaio Lapi zur Frau zu geben.190 Offenbar gehörte Bartolomeo zu den Mitarbeitern Nofri Tornabuonis; vor allem aber war er seit 1474 sein Schwager. Zu den vielen Ehen aus dem Medici-Umkreis, die Ser Niccolò Michelozzi zwischen 1468 und 1495 in seinem Imbreviaturbuch dokumentierte, gehörte 1474 auch die zwischen Nofris Schwester Sigismonda und Bartolomeo di Apollonio Lapi.191 Wen wundert es daher, wenn Bartolomeo Lapi am 22. Juni 1490 an der Seite von Ser Piero da Bibbiena als Kanzler des Magnifico und von

189 Le collezioni medicee nel 1495, S. 48f.: Die 27. Iunii 1495.... Item [officiales] approbaverunt

Pierum Leonardi Tornabuoni pro Fioriniis 1000 largis; Iacobum domini Bongiannis [Gianfigliazzi] pro Fioriniis 1000 largis grossi; Bartolomeum Lapi pro Fioriniis 1000 largis grossi; Lanfredum Iacobi Bongiovanni [Lanfredini] pro Fioriniis 1000 largis grossi; Dominichum Alamanni Fioriniis 500 largis grossi; Nicolaum de Morellis suorum et socios 1000; Honofrium Nicolai Tornabuoni pro Fioriniis 3000 largis grossi; Nicolaum Francisci Ranieri pro 500 [sic! Ranieri ist offenbar aus Tanini verlesen oder falsch notiert worden]; sowie S. 53 (die x. Iulii Bartolomeus Appolonii de Lapis precibus et rationibus Laurentii [Tornabuoni] fideiussor pro Fioriniis 1000 largis de’ grossi presentibus Iacobo Bonaguisi et Francisco Cegia). Ihre Funktion als Bürgen der Tornabuoni ist von dem Schreiber der Syndizi allerdings nicht vermerkt worden; in dem von Sapori, Cacciata, benutzten Dokument sind Nofri Tornabuoni und Bartolomeo Lapi offenbar nicht bzw. noch nicht als weitere Bürgen bezeugt. Die Abschrift des Notariatsinstruments in ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 446r–466v, führt sie ebensowenig auf; allerdings findet sich hier am Anfang bei einer in Kapiteln erfolgenden Inhaltsangabe der Abmachung zwischen den Syndizi und den Tornabuoni unter den letzten Kapiteln 9 und 10 die instruktive Angabe, dort würde über die Tatsache gehandelt, daß die Bürgen insgesamt nur 9.000 der vorgesehenen 10.000 Fiorini gestellt hätten, wobei aus den folgenden Dokumenten nur 5.000 ersichtlich würden und jene 4.000 Fiorini fehlten, die Nofri Tornabuoni über seinen Prokurator Domenico Alamanni noch zur Verfügung stellte – die 1.000 Fiorini, die Lapi als Bürgschaft gab, sind hier also gleich unter Nofris Namen „verbucht“ worden. Eine solche Erläuterung der nicht vollständigen Bürgschaft ist dann allerdings doch nicht in doc. 145, c. 446r–466v, aufgenommen worden. 190 Vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1954), S. 427. 191 Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 366 (ein Jahr später war Niccolò Tornabuonis Tochter Maddalena mit Giuliano di Piero Orlandini und 1482 seine Tochter Cleofe mit Alessandro di Gino Ginori verheiratet worden); bei Litta, Famiglie 11, tav. 1 (Tornabuoni di Firenze) sind diese drei genannten Töchter Niccolòs verzeichnet (Niccolò war im übrigen in zweiter Ehe mit Lucrezia d’Alessandro Martelli vermählt).

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Andrea Cambini, einem engen Medici-Vertrauten und 1492 Vorsteher des MediciHaushaltes, für einen Sohn Filippo da Gaglianos als Taufpate gewählt wurde.192 Nofri Tornabuoni aber erklärte sich Ende Juni 1495 bereit, mit dem größten Betrag dafür zu bürgen, daß seine Verwandten und Partner die Gläubiger der von ihm geführten römischen Medici-Bank auszahlen würden. Denn Nofri gehörte nun in Rom zu den Partnern seines Cousins Lorenzo Tornabuoni! Der Rechtsnachfolger der Bank ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft in Rom‘ hieß nun Nofri e Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Roma – obwohl sie den Zeitgenossen weiterhin als Medici-Bank galt. Und dies mit Recht, denn wir durften je erfahren, daß Piero de’ Medici damals immer noch der maßgebliche, verantwortliche Teilhaber dieser Bank war. Sie hatte am 6. November 1495 auf Anordnung der Syndizi eine größere Geldsumme an die Florentiner Bartolini-Bank als Gläubiger auszuzahlen.193 Dieser auf Schuldforderungen basierende Geldtransfer von einer Mediceer-, d.h. Medici-Bank, die mit hohen Gläubigeransprüchen konfrontiert war, auf eine davon nicht betroffene Medici-Tarnbank gehörte zu dem damals massiv betriebenen System einer verdeckten Finanzsicherung für die Medici-Gesellschaft; wir werden darauf noch näher eingehen. Was mit Blick auf Nofri Tornabuoni evident ist, gilt auch für die anderen Bürgen von Giovanni und Lorenzo Tornabuoni. Nahezu jeder ist zweifelsfrei als Freund der Medici nachzuweisen; für den Rest ist dies anzunehmen. Für den Tornabuoni, Gianfigliazzi, Lanfredini und Alamanni können wir dies mit Bestimmtheit feststellen, für die Morelli aufgrund ihrer engen Freundschaft zu den Medici, Bartolomeo Bartolini, Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati ebenfalls.194 (Im übrigen wurde Giovanni di Jacopo Morelli von 192 ASP IV/1, c. 192r (dieser Sohn wurde Giovanni Girolamo Romolo genannt, ein weiterer Pate

war Girolamo di Pagolo Federighi). Zu Cambini s.o. S. 93f., Anm. 9 (maestro di casa e preposto alle faccende sue, d.h. des Magnifico) und Picotti, Giovinezza, s.v. Die Paten der Kinder von Filippo und Giuliano da Gagliano stammten meist aus dem engsten Kreis der MediciFreunde und sehr oft – wie Lanfredino Lanfredini oder Bartolomeo Bartolini – aus den MediciBanken. 193 Le collezioni medicee nel 1495, S. 79 (6.11.1495: Uno sequestro di tutto questo che per ogni conto Nofri et Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Roma havessino in mano de’ denari et crediti attenenti alla ragione de [!] Bartolommeo Bartolini e compagnia de Firenze o di d’altre ragioni date concesse et haute dito Bartolommeo Bartolini e compagnia eo quia pretendunt esse creditores in multa pecunia ditorum de Bartolinis [sic; gemeint war die Tornabuoni-Bank in Rom]). 194 Lorenzo Morelli durfte, wie oben bereits angesprochen, die Möglichkeiten der Florentiner Bartolini-Bank nutzen, um Profite zu machen; er war dadurch und dabei nicht nur ein Freund von Lorenzo de’ Medici, sondern auch ein enger des Bartolomeo Bartolini; grundlegend hierzu Goldthwaite, Lorenzo Morelli; vgl. oben S. 119f. Als Lorenzo Morelli 1495 als neuer Florentiner Botschafter nach Neapel aufbrach, lieh ihm nicht nur Bartolomeo Bartolini wertvolle Ausstattungsstücke für diese Mission, sondern ein Kreis weiterer Personen, die offenbar bis auf einen alle ebenfalls zu seinen Freunden zu zählen sind: Domenico Pandolfini, die Söhne von Girolamo Morelli (also auch der in der Morelli-Alamanni-Gesellschaft beteiligte Niccolò), Francesco dello Scarfa, der Diener des Kardinals Giovanni de’ Medici, und Jacopo Salviati, während Jacopo de’ Nerli, falls er der Sohn des Tanai war, eher zu den Gegnern der Medici gerechnet werden muß; vgl. Brown, new men, S. 123. Ludovico Morelli ist mehrfach als enger Freund von

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Giuliano da Gagliano als sein ‚Brudercousin‘, fratello chugino, bezeichnetet.195) Piero di Leonardo Tornabuoni und der 1470 geborene Jacopo di Bongianni Gianfigliazzi gehörten (wie wahrscheinlich alle Mitglieder ihrer Familien) zu den engagiertesten Freunden und Helfern der Medici – und zu denen Piero de’ Medicis auch kurz vor und nach dessen Exilierung; der Gianfigliazzi hatte ihn sogar auf seiner tollkühnen Reise zu Karl VIII. begleitet. Beide traten für den Medici an jenem dramatischen 9. November auf die Straße, wobei Piero Tornabuoni am folgenden Tag zu den verhafteten Mediceern gehörte.196 Außerdem hatte Jacopo Gianfigliazzi zusammen mit Lorenzo Tornabuoni eine unter ihrem Namen laufende Wollgesellschaft betrieben, und er war ein amico carissimo des Leonardo di Zanobi Bartolini.197 Der am 26. Oktober 1455 geborene Domenico di Andrea Alamanni ist schon im März 1483 unter Giovanni Tornabuoni als Mitarbeiter der römischen Medici-Bank nachzuweisen, als Lorenzo de’ Medici über Filippo da Gagliano 700 Fiorini, die aus der BartoliniBank kamen, für den Tornabuoni an Alamanni sandte.198 1485 wurde er von Giovanni Tornabuoni in Rom für Finanzaufgaben eingesetzt, die das Erbe des Kardinals Guillaume d’Estouteville betrafen und für die er von Rom nach Florenz zu Lorenzo de’ Medici geschickt wurde. Der Magnifico beauftragte ihn dann z. B. im September 1488 mit einer ihm besonders am Herzen liegenden Sache: Alamanni sollte an der römischen Kurie mit deren Mitteln den Streit um das Erbe des verstorbenen Kardinals Francesco Gonzaga beenden, da Lorenzo dessen Schulden bei der Medici-Bank mit den von ihm heiß begehrten, kostbaren Kameen aus der Gonzaga-Sammlung verrechnen wollte.199 Domenico stand dann, zusammen mit Nofri Tornabuoni, 1492 dem Kardinal Giovanni de’ Medici während dessen Legation im Patrimonium Petri als Schatzmeister des Patrimoniums zur Seite;200 wir Lanfredino Lanfredini und auch Jacopo Salviati bezeugt; vgl. etwa BNCF, Ms. II. V. 21, c. 171 (5.12.1506, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfredini in Florenz), unten S. 795, 976. 195 ASP IV/6, c. 90r. 196 S.o. S. 76; vgl. hier nur Parenti, Storia fiorentina I, S. 128; Guicciardini, Storia fiorentina, S. 95; zu Jacopos Geburtsjahr, zur besonderen Bindung von Jacopos Vater Bongianni Gianfigliazzi an die Medici und vor allem Lorenzo, den er als Bruder bezeichnete, sowie zu der mit Blick auf die Bartolini und Sassetti nicht unwichtigen Tatsache, daß Bongianni 1463 die große Kapelle in Santa Trinita in Florenz – wo bekanntlich die Sassetti, aber auch die Bartolini eine Kapelle besaßen – als Geschenk des Volkes erhalten hatte, vgl. jetzt Arrighi/Klein, Da mercante avventuriero, hier bes. S. 74, 77 mit Anm. 73. 197 Vgl. ASF, MAP XCVIII, doc. 381; zur Wollgesellschaft: Le collezioni medicee nel 1495, S. 19 (Iacobus de Gianfigliazzis socius Laurentii de Tornabuonis in societate Artis Lane de Santo Martino que cantat in Laurentium Tornabuoni et Iacopo Gianfigliazzi et compagni lane in Santo Martino). 198 ASP IV/1, c. 122, CXXVI; zum Geburtsdatum s. Tratte, s.v. 199 Vgl. Brown, Lorenzo de’ Medici and the dispersal, S. 100, Nr. 2; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 295, Doc. 57, S. 305, Doc. 99 (daß Alamanni – wie von Fusco/Corti suggeriert – die „via della chorte“ einschlagen konnte, weil er schon damals Vizethesaurar des Patrimoniums Petri gewesen sei, ist mit Verweis auf die Belege bei Picotti, Giovinezza, S. 397, Anm. 59, jedoch nicht zu stützen, da diese nur aus dem Jahr 1492 stammen). 200 Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 376f. u. S. 397, Anm. 59 (Belege für das Schatzmeisteramt aber nur für 1492).

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werden ihn für die Jahre nach 1494 noch als Mitarbeiter Lorenzo Tornabuonis und Gianbattista Braccis in der Florentiner Medici-Erben-Bank und in dieser Funktion als heimlichen Helfer der Medici kennenlernen. Niccolò di Francesco Tanini gehörte mit Sicherheit zu den Nachfahren des zwischen 1414 und ca. 1457 erfolgreich in der venezianischen Medici-Bank wirkenden Lotto di Tanino Bozzi, der seinen Nachnamen in Tanini änderte, und dessen Sohn Lorenzo Tanini in den 60er und 70er Jahren mit der Medici-Bank in Brügge verbunden war.201 Und Lanfredino Lanfredini muß hier nicht mehr vorgestellt werden. Die meisten dieser Partner waren überdies miteinander verwandt. Lorenzo Tornabuoni, der Cousin von Lorenzo de’ Medici und Nofri Tornabuoni, hatte 1492 Jacopos drei Jahre jüngere Schwester Ginevra Gianfigliazzi geheiratet. Leonardo Bartolini, der mit Gianbattista Bracci verschwägert war, hatte Francesca, die Tochter von Nofri Tornabuoni zur Frau, während Nofri mit Creofe, der Tochter des langjährigen Medici-Intimus Piero Alamanni, verheiratet war und Bartolomeo Lapi zu seinen Schwägern, Domenico Alamanni zu seinen Verwandten zählte. Die Bürgschaften für Lorenzo Tornabuoni (sein Vater Giovanni wird hier stets nur noch pro forma genannt) erfolgten somit unter Freunden und befreundeten Verwandten. Doch gerade die Beteiligung Nofri Tornabuonis sowie Lanfredino Lanfredinis dürfte auch in diesem Kontext als Bestätigung zu werten sein, daß des Magnifico Strategie aufging, für den Erhalt seines geschäftlichen Erbes vorzusorgen, indem er es nicht mehr – wie all seine Vorfahren – seinen Söhnen, sondern eng befreundeten und befähigten Partnern übertrug.

e) Giovanbattista Bracci und die Florentiner Medici-Erben-Bank Eine zentrale Funktion für das geschäftliche Erbe des Lorenzo de’ Medici, d.h. für das Haus Medici – denn dessen Ansehen und Macht war durch die voraufgegangenen Generationen erfolgreicher Medici-Bankiers begründet worden! –, nahm die Florentiner Medici-Erben-Bank ein. Auch ihre Existenz ist von dem maßgeblichen Erforscher der MediciBank, Raymond de Roover, dessen Arbeiten bis heute unsere Kenntnis über sie bestimmt, nicht erkannt worden. Ohne Quellenbelege, dafür aber mit großer Gewißheit, urteilte er, die Medici-Bank (als ganzes) sei mit der Exilierung der Medici 1494 eingegangen. All ihr Besitz, auch der der Florentiner (Filial-)Bank, sei konfisziert worden. Die auf reine Finanz- bzw. Wechselgeschäfte ausgerichtete Florentiner Bank – die er deswegen auch mit einem anachronistischen Begriff als tavola ([Wechsel-]Tisch) bezeichnet – habe ihre Arbeit aufgrund fehlender Liquidität eingestellt, ihre Geschäftsbücher geschlossen, wobei dies ebenfalls einer generellen Krise der Geldgeschäfte geschuldet sei. Doch sei die Medici-Bank schon nach dem Tod des Lorenzo de’ Medici bankrott gewesen oder habe zumindest vor dem Bankrott gestanden. Mit Giovanni Tornabuoni habe der für das Geschäftliche unfähige Piero de’ Medici die Bankleitung einem – gemessen an den Problemen – 201 Vgl. De Roover, Rise, s.v. zu Lotto Tanini (ab 1435 Leiter der Medici-Bank in Venedig), S. 94,

427, Anm. 55, zu Lorenzo Tanini.

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visionslosen, unfähigen Mann überlassen. De Roover nahm an, das gesamte geschäftliche Erbe sei nach der Exilierung der Medici im November 1494 auf Giovanni Tornabuoni und seinen Sohn Lorenzo übergegangen. Über die Tornabuoni-Gesellschaft aber sei nichts oder nur wenig bekannt; aus Mangel an Kapital und Kredit habe sie nur noch vegetiert und sei dann (1497) ‚verwelkt‘.202 Dieses nie revidierte Urteil De Roovers ist, dies zeigen bereits zahlreiche Erkenntnisse, in vielen Punkten nicht haltbar, ist kaum mehr als der Tribut an eine negative Vision. Dies liegt unter anderem daran, daß er einiges ignorierte: die Verlagerung zentraler und umfassender, hochprofitabler Medici-Geschäfte in die unter dem Namen Bartolomeo Bartolinis laufenden Tarnbanken in Florenz, Lyon und Montpellier, die neue bottega di battiloro Lorenzo de’ Medicis und deren Leiter Lanfredino Lanfredini und Filippo da Gagliano sowie das Handeln Lorenzo Tornabuonis und vor allem das von Giovanbattista Bracci, die das System nach 1494 weiterführten und, neuen Anforderungen entsprechend, teilweise modifizierten. Die zweite dominierende Figur, die neben, d.h. mit Lorenzo Tornabuoni für das finanzielle Erbe der Medici zuständig war und sich genauso intensiv mit den Syndizi auseinanderzusetzen hatte, war Giovanbattista Bracci. Die Syndizi bezeichneten Bracci als Handlungsbevollmächtigten (institor) bzw. verantwortlichen Leiter (gubernator) der Florentiner Medici-Bank, die ja seit dem Tod Lorenzos als ‚Bank der Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft in Florenz‘ lief und diesen Namen erstaunlicherweise auch nach der Verbannung der Medici behielt, obwohl diese offiziell ja nicht mehr zu den Teilhabern gehören durften. Seit spätestens Januar 1495 führte Bracci im Auftrag der Syndizi umfangreiche Zahlungsverpflichtungen der Florentiner Medici-Erben-Bank durch und wurde mit seinen umfassenden Kompetenzen von den Zeitgenossen neben Lorenzo Tornabuoni gestellt, den anderen entscheidenden Partner in dieser Bank.203 Die seit dem 25. März 1487 geltende 90%-Gewinnbeteiligung des Lorenzo de’ Medici war ja durch den neuen Gesellschaftsvertrag seit dem 25. März 1493 auf Lorenzo Tornabuoni (25%) und Piero de’ Medici (65%) aufgeteilt worden. Das neue Oberhaupt der Medici blieb wie in Rom und Neapel mit Sicherheit heimlich Teilhaber – schon Pieros Vertrag mit Bartolomeo Bartolini 1492, der bis 1499 nicht bekannt wurde, läßt keinen anderen Schluß zu. Bracci erhielt für seine Arbeit als Leiter der Florentiner Medici-Bank demnach weiterhin 10% des Profites und ist auch für das Medici-Erbe als eine der Schlüsselfiguren anzusehen. Diese Tatsache ist nicht zuletzt mit Blick auf die kommende Entwicklung mit Nachdruck hervorzuheben, denn er und seine Söhne werden für die Medici und für zentrale Freunde während der gesamten Exilszeit und danach von großer Bedeutung bleiben.

202 De Roover, Rise, S. 239f., 311 (hier auf die Lyoner Medici-Tornabuoni-Bank bezogen), 369–

375. 203 Zu seinen Funktionsbezeichnungen vgl. etwa Le collezioni medicee nel 1495, S. 9, 13, 21, 29,

42, 46, 60, 74 und passim; zu Braccis und Lorenzo Tornabuonis gleichberechtigter Verantwortlichkeit und Partnerschaft in der Florentiner Bankgesellschaft der Erben des Lorenzo de’ Medici vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 217, sowie das Zeugnis eines anonymen Denunzianten aus dem Jahr 1500 in: Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 275.

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Als institor der Florentiner Medici-Erben-Bank war Giovanbattista Bracci insbesondere für deren Bücher und Schriften mit einzelnen Schuldnererfassungen und Gläubigeransprüchen verantwortlich – so, wie er als Generalmanager die Kontrolle über sämtliche Bücher der einzelnen Medici-Gesellschaften wahrzunehmen hatte. Deshalb erteilten die Syndizi ihm als institor der Bank der ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft von Florenz‘ am 21. Januar 1495 den Auftrag, eine Bilanzierung der Geschäfte seiner Florentiner Bank mit der Gesellschaft des Benedetto Buonvisi aus Lucca vorzunehmen, den wir als einen der engsten Partner und Freunde der Mediceer kennenlernen werden. Hierbei sollte Bracci mit dem Buonvisi-institor Niccolò Micheli kooperieren.204 Der am 22. Januar vorgelegte computus wies die Buonvisi-Gesellschaft mit 1.236, 6, 3 Fiorini l.gr. als Gläubiger aus; Bracci bezahlte die Schuld mit einer Barzahlung über 314 Fiorini und einer Lieferung von Wolle im Wert von 922, 6, 3 Fiorini.205 Eine Beendigung der gemeinsamen Geschäfte war mit dieser Saldierung nicht intendiert, und wenn, dann hielten sich Bracci und Buonvisi nicht daran, wie noch mehrfach zu sehen sein wird. Die Florentiner Medici-Erben-Bank stand bereits am 30. Januar 1495 erneut im Fokus der Syndizi, als sie von ihnen zum Schuldner des Monte Comune erklärt wurde, mit dem gewaltigen Betrag von 9.448 Fiorini d’oro in oro und 260.063, 6, 2 Lire dei grossi a moneta nova sowie 36.443, 8, 6 Lire dei quattrini bolognini.206 Diese Schuld wird bei der noch zu erörternden anonymen Denunziation des Jahres 1500/01 eine zentrale Rolle spielen, da man (dem dann schon verstorbenen) Lorenzo Tornabuoni vorwerfen wird, sie mißachtet, das Geld statt dessen mit Hilfe von Freunden sogar über viele Jahre zinsbringend beim Monte angelegt zu haben. Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci kamen ihrer Schuldverpflichtung beim Monte demnach nicht nach; vielmehr investierten sie den hohen Betrag als Schuldner bei ihrem Gläubiger. Der Florentiner Wollgesellschaft des Matteo degli Albizzi wurde am 4. März 1495 von den Syndizi erlaubt, eine Schuld über 400 Fiorini bei der römischen Medici-Bank mit einer größeren Summe zu verrechnen, mit welcher die Florentiner Medici-Erben-Bank bei der Albizzi-Gesellschaft Schuldner war.207 Von dem Ziel der Schuldbegleichung, aber nicht dem einer Auflösung der Bank spricht auch die Anweisung der Syndizi vom 27. Mai, Francesco Cegia möge aus dem Besitz der Florentiner Medici-Erben-Bank bzw. aus dem ihres Leiters Bracci 400 barili Öl der Florentiner Arte di lana, d.h. dem „Verband“ der Wollhändler, als ihrem Gläubiger überreichen.208 Die schon deutlich gewordene Geschäftsaktivität der neuen MediciErben-Bank im Woll- und Tuchhandel spielte auch bei einer Schuld der Bank bei Pierre Labia aus Avignon eine Rolle, der vom Bracci Brokatstoffe im Wert von 300 Fiorini als Sicherheit erhielt.209 Von den weiteren analogen, in den Akten der Syndizi von 1495 aber offensichtlich nicht vollständig registrierten Verordnungen zur Begleichung alter Schul204 Le collezioni medicee nel 1495, S. 9, 13. 205 Le collezioni medicee nel 1495, S. 9f. 206 Le collezioni medicee nel 1495, S. 12. 207 Le collezioni medicee nel 1495, S. 21. 208 Le collezioni medicee nel 1495, S. 42f. 209 Le collezioni medicee nel 1495, S. 70.

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den sei noch jene genannt, mit der eine Schuld von 2.370 Fiorini beim capitano der Parte Guelfa in Florenz getilgt werden sollte.210 Unter all diesen Schuldbegleichungen muß eine unser besonderes Augenmerk erhalten. Die Syndizi hatten am 14. Dezember 1495 erklärt, die Bartolini – also die Florentiner Bartolini-Bank – seien mit einer Summe von beachtlichen 8.000 Fiorini Gläubiger der Florentiner Medici-Erben-Bank, für welche Giovanbattista Bracci die Summe in seiner Hand halte!211 Woraus diese Schuld resultierte, wird nicht gesagt. Angesichts der runden Summe könnte man an eine Kapitaleinlage denken. Demnach wäre die Bartolini-Bank mit 8.000 Fiorini an der Medici-Bank beteiligt gewesen und hätte diese Partnerschaft beendet. Doch dies ist angesichts der Abhängigkeit der Bartolini-Bank von der Medici-Bank und der starken Mehrheitsbeteiligung der Medici an der Bartolini-Bank eher unwahrscheinlich; auch gibt es hierfür keine klaren Indizien. Nein, dieser Transfer steht – wie oben für die römische Medici-Tornabuoni-Bank schon angesprochen – im Kontext einer ganzen Reihe von manipulierten Schuldeintreibungen, mit denen die nicht im Visier der Syndizi und Medici-Feinde stehende Bartolini-Bank – unter offenkundiger Anweisung Braccis und stets mit Wissen Piero de’ Medicis – größere Summen aus den zu liquidierenden Medici-Banken zog, um sie unerwünschten Gläubigern wie dem Florentiner Staat zu entziehen und in neue Mediceer-Firmen investieren zu können. Wir werden dieses System später eingehender darstellen.212 Weisungsbefugt war Gianbattista Bracci beispielsweise gegenüber Giovanni Cambi als Bevollmächtigtem bzw. Leiter der Pisaner Medici-Bank, der ragione Piero de’ Medici e compagnia di Pisa, dem er am 23. März 1495 den von den Syndizi genehmigten Wunsch übermittelte, bestimmte Schuldtitel der Pisaner Filiale einzutreiben.213 Analog zu Lorenzo Tornabuoni als Verantwortlichem für alle Ansprüche, die an die Medici-Erben und ihre Partner der römischen und neapolitanischen Bank der Medici gestellt wurden, übernahm Giovanbattista Bracci somit diese Aufgabe für die Florentiner Medici-Bank, zu der auch die von ihr abhängige Pisaner Bank gehörte. De jure sind solche Forderungen streng von denen zu unterscheiden, die sich an die leiblichen Söhne des Lorenzo de’ Medici richteten, an seine ‚eigentlichen‘ Erben. Da diese Erben verbannt waren (und, bis auf Giovanni de’ Medici, seit September 1495 sogar wieder zu Rebellen erklärt wurden) bzw. als bankrotte Flüchtlinge galten, fielen nicht nur alle ihre Güter, sondern auch alle Schulden an die Kommune Florenz bzw. die Syndizi als die hierfür zuständigen Sachwalter. Diese Differenzierung ist wegen der entsprechend unterschiedlichen Besitzrechte und Haftungen sowie für einige noch zu erörternde Finanzmanöver sehr wichtig; sie wird freilich auch immer wieder in den Quellen sichtbar. So erklärten die Syndizi zum Beispiel am 31. Oktober 1495, daß alles, was sie bislang den ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Partnern der Bank‘ – d.h. der von Bracci geleiteten Florentiner Bank – gezahlt hätten, mit 210 Le collezioni medicee nel 1495, S. 60, weitere Schuldbegleichungen z. B. auf S. 43, 46, 77. 211 Le collezioni medicee nel 1495, S. 91. 212 S.u. S. 237f. 213 Le collezioni medicee nel 1495, S. 29.

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den Schulden der leiblichen Söhne des Lorenzo de’ Medici (pro computo heredum Laurentii de’ Medicis proprii) verrechnet werden solle, und zwar als Teil einer größeren Summe, mit welcher diese Florentiner Erben-Bank Gläubiger der Söhne Lorenzos sei. Die Bank wurde deshalb von den Syndizi in ihren Büchern als Gläubiger, die leiblichen Erben Lorenzos als Schuldner verzeichnet. Entsprechend sollten in den Büchern der Florentiner Erben-Bank durch Giovanbattista Bracci als institor oder durch einen anderen Leiter diese Erben als Gläubiger und die Syndizi als Schuldner über jene Summe registriert werden.214 Mitarbeiter und Geschäfte In den Akten der Syndizi wird auch über zwei Mitarbeiter der Florentiner Medici-ErbenBank berichtet. Giovanni Tornaquinci hatte in der Erben-Bank gearbeitet (und wirkte vielleicht noch weiter in ihr) und sollte mit Beschluß der Syndizi vom 2. Juli 1495 von Bracci 40 Fiorini als Lohn erhalten, während Giovanni Capelli eindeutig noch als Mitarbeiter (giovane) dieser Bank tätig war.215 Sowohl für die Syndizi als auch für die noch in Florenz gebliebenen Angehörigen des Hauses Medici sowie für die Florentiner MediciErben-Bank wirkte Piero de’ Medicis Diener Francesco Cegia, den wir wegen seiner wertvollen Aufzeichnungen über die Finanzhilfen für die exilierten Medici noch gesondert behandeln werden. Cegia nennt uns dort drei weitere Mitarbeiter dieser Bank, nämlich Domenico Alamanni, der als ministro Lorenzo Tornabuonis bezeichnet wurde und den wir zuletzt (zusammen mit Lanfredino Lanfredini, Piero und Nofri Tornabuoni, Jacopo Gianfigliazzi, der Morelli-Alamanni-Seidengesellschaft und anderen Personen) als Bürgen des Lorenzo Tornabuoni vorgestellt haben, weiterhin Galeazzo Sassetti (den bereits 1481 an den Finanzaktionen Filippo da Gaglianos beteiligten Bruder des in Lyon wirkenden Cosimo, beide Söhne des früheren Generaldirektors Francesco Sassetti216) sowie Niccolò Pucci. Als ‚Minister‘ des Giovanbattista Bracci könnte man hingegen Francesco Naldini bezeichnen, der uns zwei Geschäftsbücher hinterlassen hat, in denen seine besondere, Bracci zugeordnete Funktion deutlich wird. Naldini wird uns aufgrund seiner außerordentlichen Leistungen für die Medici und seines exemplarisch signifikanten Lebensweges noch wiederholt beschäftigen; hier wollen wir aus seinen Aufzeichnungen primär Erkenntnisse über die Struktur der neuen Florentiner Medici-Erben-Bank gewinnen. Francesco di Domenico di Francesco Naldini, am 18. März 1470 geborener Bürger von Florenz, legte ungefähr am 25. Juni 1495 zwei Geschäftsbücher an, ein chronologisch geführtes giornale e ricordanze sowie ein sachlich aufgebautes Schuldbuch der debitori e creditori.217 Naldini betrieb damals jedoch keine eigene Handelsgesellschaft, sondern 214 Le collezioni medicee nel 1495, S. 73f.; eine ähnliche Differenzierung zwischen leiblichen

Erben und partnerschaftlich-geschäftlichen Erben des Lorenzo de’ Medici etwa ebd. S. 43 zum 27.5.1495 oder S. 28 zum 23.3.1495. 215 Le collezioni medicee nel 1495, S. 50, 60. 216 Zu Galeazzo seit 1481: ASP IV/1, c. LXXXII, 88 u.ö. 217 ASP I/37 (Giornale e ricordanze, segnato A, 1495–1498) und I/38 (Debitori e creditori, 1495– 1510); Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 167, haben Francesco Naldini irrig als Mitarbeiter der Pisaner Medici-Bank bezeichnet. Das Geburtsdatum Naldinis aus Tratte, s.v.

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wirkte weiterhin als Mitarbeiter der Bank der ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft in Florenz‘. Da diese Bank jedoch auch vor dem Juni existierte, scheint der Beginn seiner Aufzeichnungen mit dem vertraglich beschlossenen Zeitpunkt der Übernahme der römischen Medici-Bank durch Lorenzo Tornabuoni bzw. der Bürgschaft vom 27. Juni für den Tornabuoni zusammenzuhängen, für den Naldini nun zwar auch noch tätig war, aber nicht mehr primär. Eine genauere Analyse dieser beiden Bücher zeigt nämlich, daß Naldini eine Art Kassenführer oder Schatzmeister für Giovanbattista Bracci und somit für die von ihm verantwortete Medici-Erben-Bank gewesen sein muß und in dieser Funktion die Bücher führte. Denn sie betrafen neben einzelnen Posten für (in der Regel vom Bracci veranlaßte) aktive, operative Geld- und Warengeschäfte vor allem Ausgaben und Einnahmen für Gianbattista Bracci, aber auch noch für Lorenzo Tornabuoni, die jedenfalls beide ihm gegenüber als weisungsberechtigt erscheinen. Diese Bücher waren wie gleichgeartete etwa von Filippo und Giuliano da Gagliano oder den Söhnen des Bartolomeo Bartolini persönliche, private Rechnungsbücher, die im Besitz der betreffenden Person blieben. Allerdings wurden die beiden Rechnungsbücher Naldinis für mehrere Monate in Florenz verwahrt, als Naldini nach einer geschäftlichen Mission im Sommer 1497 als Mediceer aus Italien verbannt wurde und in Lyon bei den Freunden Zuflucht finden konnte. Dorthin sandte man ihm dann 1498 diese Geschäftsbücher nach – und dort wird er die meiste Zeit bis zu seinem Tod bleiben.218 Auch Naldinis Bücher waren daher keine regulären Geschäftsbücher der Medici-Erben-Bank. Deshalb erscheinen unter den Zahlungen beispielsweise einmal auch die Auslagen Naldinis für den Kauf eines ‚Bankbuches‘ (libro bancho) für Bracci bei einem Papierwarenhändler219, ansonsten generell ebenfalls solche, die Braccis Haushalt betrafen. Doch zugleich registrierte er all jene zahlreichen Geschäfte, die er für Bracci bzw. die Medici-Erben-Bank durchführte – und kompensiert mit seinen Aufzeichnungen zum Teil den Verlust (oder die Vernichtung) der regulären Geschäftsbücher dieser Bank. Als der alle anderen dominierende Finanz- und Geschäftspartner Francesco Naldinis bzw. Giovanbattista Braccis erscheint – trotz der Saldierung der gemeinsamen Ansprüche vom Januar 1495! – von Beginn an Benedetto Buonvisi in Lucca bzw. dessen Gesellschaft, eben jener Mann, über den die exilierten Medici zugleich maßgeblich mit Geld versorgt werden, wie wir unten aus Cegias Buch noch eingehender erfahren! Als seinen ersten Eintrag notierte Naldini in seinem giornale, zum 25. Juni 1495 von der Bankgesellschaft des Benedetto Buonvisi in Lucca über ein Korrentkonto 49 Fiorini l.o.o. erhalten zu haben.220 Solche Zahlungen in unterschiedlichster Höhe von den und an die Buonvisi ziehen sich von da an laufend durch Naldinis Aufzeichnungen: Im Januar 1496 sind es zum Beispiel 350 Fiorini, die sie ihm über ein altes Konto der Medici-Bank in Pisa zah-

218 Dieses Schicksal der Geschäftsbücher wird explizit für das giornale durch Naldini am Beginn

der dortigen richordi bezeugt (ASP I/37, c. CXLIIII), wird aber ebenso auf das von ihm bis 1510 geführte Buch der Schuldner und Gläubiger (ASP I/38) zutreffen. 219 ASP I/38, c. 5 (zum Preis von 13 Soldi und 8 Denari). 220 ASP I/37, c. 1; I/38, c. I.

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len, am 15. Oktober 1496 gar 500 Fiorini, die Buonvisi über die Bank der Erben des Ambrogio Spannocchi in Siena (in der Agostino Chigi bereits eine wichtige Position einnahm) auszahlte.221 Als enger Partner sowohl Braccis als auch Buonvisis begegnet uns in Naldinis Büchern nun erstaunlicherweise ebenfalls Francesco di Zanobi Girolami, der bekanntlich zu den für die Abwicklung des Medici-Vermögens zuständigen Syndizi gehörte, wobei er für die Gruppe der Gläubiger handeln sollte.222 Daß die Syndizi – wie bald erkannt und von Denunzianten betont – aus Sicht der Kommune oft genug Betrug zugunsten der Medici begingen, wird demnach gleichfalls auf den Girolami zurückzuführen sein, der zudem seit mehr als zehn Jahren die Aktivitäten des Filippo da Gagliano unterstützt hatte. Nun handelte er gleichsam als Teil eines mit Gianbattista Bracci und Benedetto Buonvisi gebildeten Dreiecks. (1500 verheiratete er seinen gut 22-jährigen Sohn Zanobi mit Maria Borgherini, der Tochter Salvis, dessen Bankpartner Zanobi di Francesco Girolami dann wurde.223) Sehr oft notierte Naldini, durch Girolami bzw. dessen Gesellschaft Geldsummen erhalten zu haben, die teilweise von Buonvisi kamen und dann beispielsweise an Bracci gingen oder in dessen Auftrag an andere Personen. Selbst bei jenen ganz exklusiven Finanzzuwendungen über das Konto eines anonymen Freundes war Francesco Girolami beteiligt. So hatte Lorenzo Tornabuoni am 5. Dezember 1496 520 Fiorini l.gr. aus einem solchen Konto erhalten, die dann über Niccolò di Cieperello an die Gesellschaft des Girolami gingen.224 Zum 22. Februar 1497 sollte die Buonvisi-Gesellschaft über ein conto a parte eines anonymen Freundes 800 Fiorini von Naldini erhalten, die von Carlo und Matteo Strozzi (dieser ist uns als Freund Jacopo Salviatis bekannt) an Francesco Girolami und von dessen Bank dem Naldini gegeben wurden; diese 800 Fiorini wurden dann offenbar im März 1497 von den Buonvisi an Naldini bzw. hier explizit an Giovanbattista Bracci überwiesen.225 Francesco Girolami gehörte demnach ohne jeden Zweifel zum Kreis der in Florenz gebliebenen engeren Medici-Freunde; schon 1464 ist er als Freund des Bartolomeo Bartolini zu erkennen, dem er auch später verbunden bleibt.226 221 ASP I/38, c. 1/I, 7; zur frühen, freilich noch nicht völlig transparenten Verbindung des für das

Mediceer-Netzwerk wichtigen Agostino Chigi zur Spannocchi-Erben-Bank vgl. die Erläuterungen von Rowland in: The correspondence of Agostino Chigi, S. 5. 222 S.o. S. 148. 223 Vgl. Andrea del Sarto, Dipinti, S. 105–111, und oben S. 115. 224 ASP I/37, c. 13; I/38, c. 16; weitere Beispiele für die Funktion der Bank des Francesco Girolami etwa in ASP I/37, c. 5/V, 6/VI usw. Bei Niccolò Cieperello dürfte es sich um einen Verwandten des Florentiners Michele di Ser Francesco Ceperello gehandelt haben, der im März 1499 Ufficiale del Monte wurde; vgl. Barteleit, Staatsverschuldung, S. 227. 225 ASP I/38, c. 2/II. 226 1464 hatten acht junge Freunde Bartolomeo Benci anläßlich eines großen Festzuges begleitet; zu ihnen gehörten neben Mitgliedern der Familien Carnesecchi und Pucci auch Bartolomeo Bartolini und der damals ca. 24-jährige Francesco Girolami;vgl. Gori, Feste fiorentine, S. 42– 44. Francesco Girolami stand 1480 im Alter von 40 Jahren und wurde trotz seiner Bank mit einem erstaunlich niedrigen Vermögen und Steuersatz verzeichnet; vgl. Verde, Studio fiorentino, III/2, S. 1097. Durch gegenseitige Verbundenheit ist es vermutlich auch zu bewerten, daß Bartolomeo Bartolinis Bruder Cosimo als Sachwalter der Erben ihres bereits verstorbenen gemeinsamen Bruders Andrea di Leonardo Bartolini eine von Gianbattista Bracci bzw.

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Es ist, wie bereits erwähnt, auffallend, daß die Florentiner Medici-Erben-Bank, deren Aktivitäten laut De Roover früher in erster Linie auf Geld- bzw. Wechselgeschäfte ausgerichtet gewesen sein sollen, nun auch stark in Warengeschäften engagiert war, die sie mit befreundeten Gesellschaften oder Bankiers-Kaufleuten betrieb. Zu den von Naldini betreuten Warengeschäften gehörte z. B. das mit (gegerbtem) Leder aus Irland und Schottland, bei dem neben einem Filippo Chiodi auch die Buonvisi-Gesellschaft beteiligt war. Diese umfaßte bei solchen und anderen Geschäften mit der Medici-Erben-Bank stets den gesamten Familienkreis mit dem maggiore Benedetto an der Spitze, seiner Frau Filippa Cenami Buonvisi, seinem Bruder Paolo di Lorenzo Buonvisi sowie Niccolò Micheli und Piero Cenami, um einige der am häufigsten fallenden Namen zu nennen.227 Auch die von der Florentiner Medici-Erben-Bank gesteuerte Medici-Bank in Pisa hatte sich, wie z. B. für 1497 zu belegen ist, an dem Handel mit Leder aus Irland beteiligt, wobei einer ihrer Schuldner Bartolomeo da Gagliano hieß, ein Verwandter Filippos vermutlich.228 In jenem Verbund erfolgte ebenfalls der Handel mit Seide, anderen Stoffen oder Tuchen und mit Goldfäden. So mußte beispielsweise Giovanbattista Bracci zum 6. Mai 1496 etwas mehr als zwei Fiorini l.o.o. in Naldinis Kasse zahlen, weil Francesco Girolami für ihn diesen Betrag als Zollkosten für zwei Bündel Seide bezahlt hatte. Die Gesellschaft des Giuliano Panciatichi in Rom erhielt z. B. im März 1497 Goldfäden für die Stoffveredelung von Naldini bzw. der Medici-Erben-Bank.229 Solche Geschäfte erfolgten meist in Kooperation mit weiteren Medici-Firmen wie der Goldschläger- und Seidengesellschaft oder den Bartolini-Banken in Florenz und Lyon. Noch Anfang Juni 1497, als die Florentiner Medici-Erben-Bank und ihre Mitarbeiter wegen ihrer Aktivitäten für die exilierten Medici verstärkt im Visier der Medici-Feinde standen, kurz vor dem Verrat, der zur Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis und vier weiterer Mediceer führte, noch zu diesem Zeitpunkt notierte Naldini, daß die Buonvisi in Lucca wegen der Lieferung eines Seidenbündels Schuldner von Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci waren und diesen dafür 274 Ducati d’oro in oro larghi bezahlten.230 Kurz vorher hatte sich Francesco Naldini zwischen dem 12. März und 20. Mai 1497 ‚im Auftrag und über das Konto‘ von Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci wegen eines Alaungeschäfts in Piombino aufgehalten.231 Auf diese recht bemerkenswerte Geschäftsreise werden wir näher eingehen, wenn wir uns der Vita Naldinis im Kontext der Bruders Andrea di Leonardo Bartolini eine von Gianbattista Bracci bzw. Francesco Naldini erhaltene Pachtsumme von 25 Fiorini (für ein Landgut des Andrea mit Garten, Mühle und Weinberg) auf die Bank des Francesco Girolami einzahlte; ASP I/37, c. 11 (14.11.1496). Selbstverständlich, so möchte man fast sagen, gehörte der Girolami auch um 1500 zu den Geschäftspartnern der Lyoner Bartolini-Bank; vgl. etwa ABS 197, c. 55, lv. 227 Vgl. zu den Ledergeschäften z. B. ASP I/37, c. 4, vi, 7; I/38, c. 4/iiii, 6/vi, 7/vii, 16/xvi, 25/xxv, 26/xxvi. 228 Vgl. BNCF, Ginori Conti 5, etwa c. 372/ccclxxii. 229 Hierzu und zu weiteren Tuchgeschäften vgl. z. B. I/37, c. vi, xv, xxv (Goldfäden); I/38, c. 4/iiii (ciambelotti), 5 (seta), 11, 14/xiiii. 230 ASP I/37, c. 27. 231 ASP I/37, c. 26; I/38, c. 35/xxxv.

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Medici-Angriffspläne des Sommers 1497 zuwenden. Schon hier sei jedoch unterstrichen, daß Naldini sich zwischen 1495 und 1497 des öfteren außerhalb von Florenz aufhielt, vorzugsweise in Lucca bei dem Buonvisi-Clan, wo seine Besuche nicht allein den gemeinsamen Geschäften, sondern auch der gemeinsamen heimlichen Finanzierung der Medici galten. Objekt eines weiteren Warengeschäftes seit 1495 bildete Zucker aus Madeira, der z. B. in Florenz an das Hospital von Santa Maria Nuova geliefert wurde, wobei Naldini die ihm entstandenen Auslagen explizit Giovanbattista Bracci zuordnete bzw. ihm in Rechnung stellte. Als spezieller Partner Braccis beim Handel mit Zucker agierte der in Venedig wirkende Florentiner Medici-Agent Matteo Cini. An ihn und den älteren Medici-Agenten Giovanni Frescobaldi hatte sich z. B. 1493 auch Piero de’ Medici brieflich gewandt. Spätestens seit diesem Jahr, als sich Cini ebenfalls als Geschäftspartner der unter Pieros Namen laufenden, aber unter der Obhut der Florentiner Medici-Bank operierenden MediciBank in Pisa zeigt, begegnet er in allen wichtigen Geschäftsbüchern der Medici-Firmen (inklusive der Bartolini-Gesellschaften) und der Mediceer. Cini bildete in Venedig ein zentrales Element des Netzwerkes für Waren- und Wechselgeschäfte; wir werden ihn daher auch als engen Vertrauten der exilierten Medici bei ihren finanziellen Angelegenheiten erleben.232 Von Matteo Cini (oder aber Filippo da Gagliano, der sich Ende 1495 und Anfang 1496 in Venedig befand und auch Kontakte zu Cini unterhielt) dürften daher jene 500 venezianischen Fiorini für Giovanbattista Bracci gekommen sein, die er am 23. April 1496 Naldini überreichte, um sie ‚zu beaufsichtigen‘ und auf einem ‚guten Konto‘ mit zehn Prozent Zins anzulegen.233 Es spricht viel dafür, daß Matteo Cini in Venedig für die Medici bzw. ihre Bankiersfreunde auch Geld hütete, das sie dann bei Bedarf nach Florenz transferieren ließen.234 Eine Brücke in den Levante-Handel der Medici-Erben232 Cini stand schon 1489 zu Zeiten Lorenzo de’ Medicis als guardiano an der Spitze der damals

immer stärker an Bedeutung verlierenden Florentiner scuola in Venedig, ihrer Bruderschaft also. 1504 leitete er sie zusammen mit Piero Corboli und dem guardiano Alessandro de’ Nerli; vgl. Mueller, Venetian money market, S. 285f. Zum Handel mit Zucker aus Portugal etwa ASP I/37, c. 21/XXI, 22/XXII, XXV; I/38, c. 35/XXXV). Zu Cini vgl. hier ASP I/38, c. 34/XXXIIII, 40/XL; sowie zu Cinis frühen Geschäftsverbindungen zur Pisaner Medici-Bank: ASF, MAP CXXXVI, c. 1r, 7v–9r, hier c. 8r (1493; Ser Giovan Matteo Cini mit 3, 14, 8 Fiorini); BNCF, Ginori Conti 5, c. 52/LII. Zu Piero de’ Medicis Brief an seine beiden Agenten Matteo Cini und Giovanni Frescobaldi: Del Piazzo, Ricordi di lettere (1954), S. 413 (25.2.1493: „A Giovanni Frescobaldi, a Mathio Cini; per le cose di questi mercatanti“. Am 31.5.1493 hatte sich Piero de’ Medici bei den Reformatoren Pratos dafür eingesetzt, Stefano di Giorgio Cini aus Florenz als einen der vier ufficiali del Monte einzusetzen; ebd. S. 424). Zu jener Zeit war Niccolò Cini Mitarbeiter der unter Pieros Namen laufenden Medici-Seidengesellschaft; vgl. etwa ABS 227, c. 29/XXVIIII (Oktober/November 1495) u.ö. 233 ASP I/37, c. 4; I/38, c. 6 (diese Anlage wurde bis mindestens Ende Mai 1497 gehalten). 234 So entnahm Francesco Naldini am 1. Juni 1497, einem Donnerstag, der ‚Geldbörse in seiner Hand‘ 437 venezianische Dukaten und sechs leichte Dukaten; ASP I/37, c. 26, 27. Damals, kurz vor der Katastrophe des Verrates an den Florentiner Mediceern, befand sich gerade Leonardo di Zanobi Bartolini in Venedig, um Geld für die Angriffe der Medici auf Florenz aufzutreiben und dann selbst dorthin zu kommen, wovor ihn seine Freunde jedoch mit guten Gründen warnten; s.u. S. 423–425.

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Bank, der sowohl Waren- als auch Geldgeschäfte umfaßte, ist sicherlich unter Beteiligung von Cini geschlagen worden; hier wird aber z. B. auch der uns bereits als TornabuoniBürge bekannte Niccolò Tanini mit seiner Wollgesellschaft genannt, der etwa am 27. Mai 1496 80 Goldfiorini erhielt, die für Matteo degli Albizzi e compagnia aufgrund eines mit elf Prozent Zins berechneten Wechselbriefs von Giovanni di Pagholo Nardi aus der Levante zu bezahlen waren.235 (Der Levante-Handel ist dann von den Mediceern offenbar kontinuierlich, mit einem eigenen Repräsentanten in Pera, ausgebaut worden.236) Von Florenz aus unterhielt die neue Medici-Erben-Bank natürlich weiterhin enge Verbindungen zur Lyoner Medici-Bank. So sollten beispielsweise jene bereits angesprochenen 520 Fiorini l.o.o., die Naldini zum 5. Dezember 1496 dem Konto des Lorenzo Tornabuoni als Schuld anschrieb, über Niccolò di Cieperello, Francesco Girolami und das Konto eines anonymen Freundes der ragione di Lione zugute kommen, die noch 1497 unter dem Namen Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni [e compagnia] di Lione lief.237 Diese Beispiele operativer Geschäfte zwischen Florenz, Lucca, Pisa, Venedig und Lyon beweisen, daß die Florentiner Medici-Erben-Bank nach der Verbannung der Medici keineswegs ihre Tätigkeit beendet hatte oder daß sie sich anschließend nur noch mit der Liquidation ihrer Gesellschaft beschäftigt hätte. Sie blieb als solche und mit ihren Tochterfirmen im Finanz- und Warengeschäft aktiv. Wie sehr es sich bei all dem um einen recht geschlossenen Verbund von befreundeten, allesamt den Medici nahestehenden Kaufleuten handelte, zeigt auch die häufige Nennung der römischen Gesellschaft des Giuliano Panciatichi in Naldinis Büchern, wobei die Panciatichi-Gesellschaft vor allem in Verbindungen zu Giovanbattista Bracci, aber ebenso zur Seidengesellschaft des Leonardo Bartoli, zur Wollgesellschaft des Battista Pandolfini und – bei Wechselbriefgeschäften – zu den Gesellschaften des Taddeo Gaddi und der Borgherini in Rom genannt wird.238 In Bezug zu Giovanni di Bartolomeo Bartolini, zu Geschäften mit Wolle aus London, aber auch unspezifiziert erscheint recht häufig Tommaso da Monte Catini in den Geschäftsdokumentationen Naldinis und Braccis.239 Unmittelbar für Giovanbattista Bracci sollte Naldini hingegen über die Bank des Francesco di Zanobi Girolami Zahlungen für Niccolò und Matteo degli Albizzi vornehmen.240 Aus dem gleichen persönlicheren Umfeld Braccis wären die Lyoner Gesellschaft des Lorenzo Dati zu nennen sowie Einzelpersonen wie Salimbene di Zanobi Bartolini (der am 21. Februar 1474 illegitim geborene Bruder Leonardos, der vor Ende 1495 auch in Lyon wirkte, wo er die erwähnten Spielschulden bei Leonardo di Bartolomeo Bartolini machte), Jacopo di Bongianni Gianfigliazzi und aus Lucca Battista Rustichi, dessen Familie gleichwohl seit langem zur Florentiner Mittelschicht gehörte und den Medici und Me235 ASP I/37, c. 5; I/39, c. 5; zu Nardi etwa auch I/37, c. VIII; I/38, c. III. 236 S.u. S. 666–669. 237 ASP I/37, c. 13; I/38, c. 16; zum Namen der Lyoner Bank: ASF, MAP CXXXVI, c. 1r, 7v–9r,

hier c. 8r (Bilanz der von Lorenzo Tornabuoni übernommenen Medici-Seidengesellschaft). 238 ASP I/37, c. 24, XXV, XXVI, 27; I/38, c. 31/XXXI, 35. 239 ASP I/38, c. 7/VII, 11. 240 ASP I/38, c. III, 5.

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diceern sehr nahe stand.241 Immer wieder also Luccheser in diesem Kreis – eine evidente, über reine Geschäftsverbindungen hinausreichende und noch des öfteren zu thematisierende freundschaftliche Partnerschaft zwischen der Florentiner Medici-Erben-Bank und dem Buonvisi-Clan in Lucca scheint uns die Ursache zu sein. Außer den überregionalen Geschäftsvorgängen lassen sich aus Naldinis Büchern bzw. aus seinen Zahlungsvorgängen Mitglieder der Bracci-Familie erschließen. Zum Haushalt Braccis gehörte natürlich seine Ehefrau Lucrezia Bartolini Bracci, die Schwester des Leonardo di Zanobi Bartolini, welcher Naldini des öfteren Geld im Auftrag Braccis aushändigte, das nicht selten von der Bank des Francesco Girolami kam.242 Mitglieder der famiglia waren ferner Cristofano und Niccolò di Marco Bracci, Brüder von Giovanbattista, die beide sogar mit einer eigenen Gesellschaft (Niccolò mit einer Wollgesellschaft) in diese Handelsgeschäfte eingebunden waren.243 Weitere Zahlungen Naldinis erfolgten z. B. für Giovanbattista Braccis Sohn Zanobi, viel häufiger hingegen für seinen Diener (gharzone) Piero di Marco Trevisano, der für ihn etwa auch nach Vinci ging, in den Herkunftsort von Braccis Familie, und der für solche oder andere Dienste über die Konten Braccis sein Geld von Naldini erhielt.244

f) Piero de’ Medicis Bank in Pisa In der 1497 erstellten Bilanz der Medici-Seidengesellschaft wird unter den Kreditoren, an die man nichts zu zahlen hatte, mit einem kleineren Betrag auch die Pisaner Medici-Bank aufgeführt, die unter dem Namen Piero de’ Medici e compagnia di Pisa firmierte.245 Sie wird in der Forschung gern übersehen. De Roover hatte zu ihr vor allem für die Zeit um 1490 so gut wie nichts zu sagen, außer daß Lorenzo de’ Medici sich bei der Neuaktivierung des zwischen ca. 1460 und 1486 unterbrochenen Geschäftsengagements in Pisa seit 1489 auf Giovanni di Bernardo Cambi stützte, der die Gewinne der Pisaner Bank jedoch an die Medici habe abgeben müssen, während diese nichts mehr in sie investiert hätten.246 Ob diese doch sehr pauschale Feststellung zutrifft, ist zu bezweifeln. Klar ist jedoch, daß Lorenzo das für Neapel und Rom sowie Lyon und Montpellier geltende Modell nun auch 241 ASP I/37, c. XXVI (Lorenzo Tornabuoni trassiert am 4.4.1487 über Naldinis Konto auf Lorenzo

Dati in Lyon zur nächsten Messe einen Wechselbrief über 1.062 Fiorini bzw. 1.105 Scudi); I/38, c. 40/XL. Zu Leonardos Bruder Salimbene di Zanobi Bartolini, der sich nach seinem Lyoner Aufenthalt 1496/97 in Florenz befand und offenbar für die dortige Medici-Bank arbeitete: I/37, c. 18, 24, 28 u.ö.; I/38, c. XIII, 23, 49/XLVIIII; zu Jacopo Gianfigliazzi: I/38, c. 14/XIIII; zu Battista Rustichi: I/38, c. 23, 49/XLVIIIII. Die Familie Da Gagliano unterhielt enge private und geschäftliche Beziehungen zu den Rustichi, wie sich in den Büchern von Filippo und Giuliano zeigt; den Medici scheinen die Rustichi schon damals verbunden gewesen zu sein, doch begegnen sie nach dem Exil sogar als ihre höheren Angestellten. Zur unehelichen Herkunft Salimbenes und zu seinem Geburtsdatum vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 248f., Nr. 58; Tratte, s.v. 242 ASP, etwa I/37, c. VIII, 10; I/38, c. V. 243 ASP I/37, c. 6/VI, 18, XXVII, XXVIII; I/38, c. 5/V, 8/VIII, 11. 244 ASP, z. B. I/37, c. VI, 8/VIII, X; I/38, c. 5/V, VI, VII, 11. 245 Zu dieser Bilanz unten S. 229–234. 246 De Roover, Rise, S. 277f.

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auf seine Bank in Pisa übertrug, die als Appendix, als Organ seiner Florentiner Bank anzusehen ist, in welcher Lorenzo seit 1487 mit 90% am Gewinn partizipierte und wahrscheinlich alleiniger Kapitalgeber war. Nach dem Tod Lorenzos stand die Pisaner MediciBank unter der Aufsicht der Florentiner Medici-Erben-Bank, wie wir bereits mit Blick auf Giovanbattista Bracci betont haben. Können wir die Profitabilität der Pisaner MediciBank zwar nicht beurteilen, so ist ihre wichtige Funktion doch nicht in Frage zu stellen. Was De Roover vor allem verkannte, ist die erstaunliche Kontinuität dieser Bank. Und deren Relevanz für die exilierten Medici wird einem schon durch die schlichte Tatsache deutlich, daß Pisa sich seit dem Italienzug König Karls VIII. aus der Herrschaft von Florenz befreien konnte, daß ein nicht mehr von den Medici dominiertes Florenz nun über viele Jahre gegen einen Pisaner Staat ankämpfte, der gerade deswegen viele Sympathien für die verbannten Medici entwickeln konnte – und wird! Eine nach 1494 aktive Bank der Medici in Pisa konnte also eine geradezu strategische Bedeutung erlangen. Weder auf ihre Aktivitäten noch auf ihre Finanzen hatten die Medici-Feinde Zugriff, solange der von ihnen beherrschte Staat diesen kleineren Stadtstaat nicht zurückerobert hatte. Die Republik Pisa und die verbannten Medici waren seit 1494 demnach durch gewichtige gemeinsame Interessen verbunden, die in der Pisaner Medici-Bank zusammenliefen. Die unter Piero de’ Medicis Namen geführte Bankgesellschaft in Pisa wurde in der Tat von Giovanni Cambi geleitet. Von ihr ist ein (De Roover unbekannt gebliebenes) Rechnungsbuch überliefert, das die Schuldner und Gläubiger der Jahre 1493 bis 1511 auflistet (zum überwiegenden Teil aber für die Jahre 1493–94), das also noch sieben Jahre nach Pieros Tod (Ende 1503, eventuell Anfang 1504) geführt worden ist – und 14 Jahre nach dem des Giovanni Cambi, der im August 1497 mit vier weiteren Mediceern – unter ihnen Lorenzo Tornabuoni – in Florenz hingerichtet wurde.247 Da Piero de’ Medici zwar namensgebend, zweifelsohne aber in keiner Weise kaufmännisch an dieser Bank beteiligt war, wird man annehmen müssen, daß sie nach dem Tod des Lorenzo de’ Medici von seinen Erben und Partnern in der Florentiner Medici-Bank gesteuert wurde, deren Leitern (Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci) der Cambi ja auch unterstellt war. Nach dem Tod Tornabuonis wird sehr wahrscheinlich Bracci zusammen mit weiteren Verantwortlichen für das Medici-Tornabuoni-Erbe (vor allem Lanfredino Lanfredini sowie Alamanno und Jacopo Salviati) die Bank bis zu ihrem Ende betreut haben. Bezeichnenderweise wird Braccis Adlatus Giuliano da Gagliano Anfang 1510 Lucrezia di Piero di Nic-

247 BNCF, Ginori Conti 5 („Libro dei debitori e creditori degli anni 1493–1511 del banco di Piero

di Lorenzo de’ Medici e Co. in Pisa“); die Einträge beginnen auf c. 46 mit dem Jahr 1493, erst auf c. 349 beginnen die Betreffe für das Jahr 1495. Die Schlußseiten sind vor allem Abrechnungen mit den Beamten der Florentiner Behörde für die Gefangenen und Verbannten, den ufficiali della torre et de’ rebelli, vorbehalten. Vgl. BNCF, Ginori Conti 2 („Ricordanze per gli anni 1493–1508 del Banco di Piero di Lorenzo de’ Medici e Co. in Pisa“), doch dieses Geschäftsbuch mit den ‚Erinnerungen‘ ihrer Bankiers betrifft fast nur die Jahre 1493/94, auf den letzten Seiten c. 374–376 befinden sich Kontenaufstellungen bzw. -kopien der Jahre 1495 und 1508.

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colò di Giovanni Cambi heiraten, die Tochter des Cousins von Giovanni di Bernardo di Giovanni Cambi!248 Wir hatten leider keine Möglichkeit, dieses umfangreiche, 377 Blätter umfassende Pisaner Geschäftsbuch gründlich auszuwerten. Eine kursorische Lektüre läßt jedoch bereits erkennen, daß in ihm schon 1493 die meisten jener bekannten oder noch einzuführenden Medici-Geschäftsfreunde begegnen, die dann auch als wichtige Partner und Helfer der exilierten Medici und des gesamten Netzwerkes auftreten. Sie stehen im übrigen nicht nur mit den Medici bzw. den Florentiner Medici-Erben-Banken, sondern auch untereinander in Verbindung. Allen voran ist die Gesellschaft des Benedetto Buonvisi aus Lucca zu nennen, ferner die des Jacopo Petrucci in Siena, des Giuliano Salviati in Pisa oder die der Lomellini in Genua. Selbstverständlich begegnen auch die einzelnen Medici-Banken in Florenz, Lyon, Neapel und Rom, der Medici-Agent Matteo Cini in Venedig sowie die durch Lorenzo de’ Medici unter dem Namen Bartolomeo Bartolinis geschaffenen Gesellschaften und Piergiovanni Bottegari in Montpellier als Organ der Lyoner Bartolini-Bank neben einzelnen Medici-Angehörigen wie Kardinal Giovanni. Erstaunlich aber, daß desgleichen schon ab September 1494 die Gesellschaft der mit Piero verfeindeten Cousins seines Vaters, der erst im November 1494 aus ihrer Verbannung nach Florenz zurückgekehrten Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici, zu den engeren Geschäftspartnern gehört. (Auch die Cousins selbst werden schnell wieder in deutlicher Nähe zu den Mediceern erscheinen.) Aus deren Büchern geht nun genauso eindeutig und unbezweifelbar hervor, daß die Medici-Bank in Gestalt ihrer (von Florenz aus gesteuerten) Pisaner Filiale noch 1505 mit aktiven Bankoperationen nachzuweisen ist, die überdies keinesfalls darauf hindeuten, es seien die letzten gewesen.249 Ein bereits bekanntes Geschäftsfeld, das uns gerade mit Blick auf die Florentiner Medici-Erben-Bank unter Leitung Giovanbattista Braccis und seiner Lanfredini- und Salviati-Partner noch weiter beschäftigen wird, wird z. B. für 1497 genannt, als die Pisaner Medici-Bank mit Leder aus Irland handelte und einen Bartolomeo da Gagliano als Debitor aufführte.250 Die Florentiner Syndizi zur Abwicklung des Medici-Vermögens erkannten am 29. April 1495 die Gläubigerforderung des Pierfrancesco Panciatichi an, die dieser mit Blick auf einen Großeinkauf von Soda für die Glasproduktion (incepta di soda de’ bichieri) geltend gemacht hatte und die er sich mit der von Giovanni Cambi geleiteten Pisaner Gesellschaft des Piero de’ Medici teilte.251 Den Wert seiner Hälfte wollte sich der Panciatichi von den Syndizi auszahlen lassen. Doch da diese nicht über genügend Bargeld 248 Vgl. etwa ASP IV/6, c. 123r, 178v u. passim; die Verwandtschaft ergibt sich aus Tratte, s.v. (der

Großvater von Piero und Giovanni Cambi hieß Giovanni, dessen Vater Domenico). 249 ASF, MAP CIV, doc. 56, c. 562r–572v (31.12.1505, Bilanz zweier Geschäftsbücher der Erben-

Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici), hier c. 563r (Piero di Lorenzo de’ Medici e compagnia di Pisa per conto di tenpi, c. 17, fl. 170, 6). Die Pisaner MediciGesellschaft besaß also noch Ende 1505 ein Zeitkonto bei der Gesellschaft von Pieros „Onkel“ Lorenzo und Giovanni. Genaueres zu diesen Büchern unten S. 803f. 250 BNCF, Ginori Conti 5, c. 372/CCCLXXII. 251 Vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 35f.

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verfügten, traten sie die Summe über verschiedene Schuldforderungen von insgesamt mehr als 461 Fiorini ab. Helfen sollte ihm dabei Leonardo Ringhiadori, der dem MediciKreis nahestand. In Geschäftsbeziehungen zu den Medici, offenbar wiederum zur Pisaner Gesellschaft, standen ferner Piero di Ser Giovanni Panciatichi, der im Mai 1495 mit 497 Fiorini als Gläubiger anerkannt wurde, sowie Andrea di Gualtieri Panciatichi, dem 140 Fiorini zuerkannt wurden.252 Als die geschäftlichen Erben der Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici am 31. Dezember 1505 aus mehreren Geschäftsbüchern eine bilanzierende Liste der Schuldner und Gläubiger erstellten, wird dokumentiert, daß die Bank Piero di Lorenzo de’ Medici e compagnia di Pisa bei der Gesellschaft seiner „Onkel“ (nach dem frühen Tod Giovannis 1498 war Lorenzo 1503 gestorben) ein Konto (di tempi) führte, das noch eine Schuld von 170, 6 Fiorini aufwies.253 Daraus läßt sich schließen, daß Piero de’ Medici bis zu seinem Tod nicht nur der Pisaner Medici-Bank seinen Namen gab, sondern die ganze Zeit auch ohne Verheimlichungen als Teilhaber an der Bank partizipieren konnte, weil der Arm des Florentiner Gesetzes noch nicht wieder bis nach Pisa reichte. Nach den Florentiner Urteilen für den Verbannten war eine solche Teilhaberschaft verboten. Pieros Namen führte allerdings auch die Florentiner Medici-Goldschlägergesellschaft (bis 1495/96), die Medici-Bank in Lyon (bis 1497, zusammen mit dem Lorenzo Tornabuonis) sowie die Florentiner Medici-Seidengesellschaft (bis 1497). In Pisa aber trat die Medici-Bank am längsten in ursprünglicher Gestalt auf, bis weit nach 1494! Auf die länger dauernde Existenz der Pisaner Medici-Bank weisen auch ihre Abrechnungen mit den Nachfolgern der Syndizi hin, den ufficiali della torre e dei ribelli, die etwa bei einem Schuldner der Pisaner Medici-Bank, Bartolomeo di Ser Jacopo da San Gimignano, vier Fiorini eingetrieben hatten, welche die Bank noch 1508 als Gutschrift verzeichnen konnte. Zum 9. Dezember 1511 hatten die ufficiali dann letztmals eine kleinere Zahlung an die Pisaner Bank vorzunehmen.254 Im Juni 1509 mußte Pisa nach langem Kampf kapitulieren, einen Friedensvertrag mit Florenz unterzeichnen und sich wieder in den Florentiner Staat eingliedern lassen. Jetzt erst hatten die Medici-Feinde Zugriff auf die Pisaner Medici-Bank, die ihre Aktivitäten nun eingestellt haben wird.

g) Die Florentiner Goldschlägergesellschaft der Medici und ihre Geschäfte mit der Medici- und Bartolini-Bank in Lyon (1494–1496) Da sowohl die Woll- als auch die Goldschläger-bottega von der Florentiner MediciErben-Bank und den jeweiligen Teilhabern noch nach dem November 1494 betrieben wurden, hatten sich die für das Medici-Erbe und vor allem für die Interessen der MediciGläubiger und der Kommune zuständigen Deputierten der Florentiner Signoria – die als 252 Le collezioni medicee nel 1495, S. 37. 253 ASF, MAP CIV, doc. 56, c. 562r–572v, hier c. 563r. 254 BNCF, Ginori Conti 5, c. 375, 377.

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Syndizi bezeichnet werden – auch mit diesen beiden botteghe zu beschäftigen, d.h. sie mußten die bestehende Gesellschaftsform auflösen, indem sie die Beteiligung der Florentiner Medici-Erben-Bank beendeten. Obwohl die verbannten Medici (zumindest offiziell) nicht mehr zu den Teilhabern der Medici-Erben-Bank – die sich gleichwohl weiterhin so nennen durfte! – gehörten, mußte diese ihre Hauptteilhaberschaft an den botteghe aufgeben. Als Begründung wurde angeführt, daß aus dieser Bank die beiden botteghe hervorgegangen seien, sie habe das Kapital gegeben; man sah sie also tatsächlich als Muttergesellschaft zweier von ihr abhängiger, organisch mit ihr verwachsener botteghe an. Mit dieser Struktur war Lorenzo de’ Medici also der für Florenz/Pisa, Rom/Neapel und Lyon/Montpellier praktizierten gefolgt, wo die Appendix-Bank das Kapital von der jeweiligen Mutterbank erhielt Diese Aussage der Syndizi scheint freilich mit der über die Kapitalverteilung nicht kompatibel zu sein, denn die Bank stellte nur jeweils 40% (battiloro) bzw. 44% (lana). Offensichtlich zählten die Syndizi die Kapitalbeiträge des Filippo da Gagliano und Lanfredino Lanfredini als solche der Bank. Die Syndizi der Republik Florenz wollten daher einen Geschäftsabschluß dieser beiden botteghe vornehmen und vereinbarten am 6. Mai 1495 mit Filippo da Gagliano, Lanfredino Lanfredini und Pierantonio Carnesecchi in Florenz, daß ihnen die beiden botteghe mit allem bene et male bleiben sollten, sowohl hinsichtlich der Schuldner als auch aller Sachen, die der Florentiner Medici-Bank mit Blick auf das Kapital und den Gewinn zustanden. Nach der Saldierung der Konten mußten die drei Teilhaber deshalb jene 1.600 Fiorini, welche die Medici-Bank in die bottega del battiloro als Kapitalstock investiert hatte und weiterhin 1.500 Fiorini aus dem erzielten Gewinn, der ihr zugestanden hätte, an die Florentiner Medici-Bank auszahlen, d.h. an die von Gianbattista Bracci und Lorenzo Tornabuoni geleitete Medici-Erben-Gesellschaft. Von der Wollgesellschaft des Paolo Benci erhielt die Florentiner Medici-Erben-Bank aus dem von ihr investierten Kapital nur noch etwas mehr als 1.847 Fiorini und als deren Gewinnanteil etwas mehr als 507 Fiorini von jenen drei Teilhabern. Denn obwohl Carnesecchi nicht zu den ursprünglichen Partnern der Wollgesellschaft gehört hatte, führte er auch diese an der Seite von Gagliano und Lanfredini. In den Büchern der Bank der ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft [von Florenz]‘ mußten sie, also Gagliano, Carnesecchi und Lanfredini, nun folglich mit insgesamt 5.454, 17, 2 Fiorini, also der Summe der genannten Einzelbeträge, als Schuldner der Medici-Erben-Bank aufgeführt werden. Zur Bezahlung dieser Schuld sollten sie den Syndizi einzelne Schuldansprüche und Sachen überlassen, d.h. die drei Teilhaber verrechneten ihre Schuld mit der ihrer Schuldner. Sollte die genannte Summe von 5.454 Fiorini nicht aufgebracht werden können, hafteten die drei Teilhaber mit ihrem Barvermögen bei der Bank der Erben Lorenzos; die Sachwerte mußten gemäß ihrem Preis in die Bilanzen aufgenommen werden, welche den Syndizi auf Verlangen vorzulegen waren. Auf Beschluß der deputierten Syndizi sollten die beiden botteghe e compagnie in ihrer ursprünglichen Gesellschaftsform aufgelöst bzw. geschlossen werden, indem die Teilhaberschaft der Florentiner Erben-Bank an diesen beiden botteghe beendet werden mußte.

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Die drei übriggebliebenen Teilhaber verzichteten auf alle Ansprüche gegenüber der Erben-Bank und versprachen und verpflichteten sich hinsichtlich Paolo Benci, ihrem Teilhaber in der Wollgesellschaft, daß für ihn nichts von der Florentiner Bank der Erben des Lorenzo de’ Medici oder den Kompagnons gefordert werden könne und daß sie mit ihrem Vermögen für jeden ihm entstehenden Schaden hafteten. Schließlich sicherten die drei den Deputierten zu, alle Gläubiger zufriedenzustellen, von der Bank der Erben Lorenzos nichts zu verlangen, jedoch für eventuelle Schäden, die aus der aufgelösten Gesellschaft stammten, mit ihrem Eigentum aufzukommen. Die den Syndizi bzw. der Florentiner Bankgesellschaft der Erben Lorenzos überlassenen Schuldansprüche waren die des Kardinals Giovanni de’ Medici (mit 181, 12 Fiorini), von Piero di Lorenzo de’ Medici (712, 4, 1 fl.), der neapolitanischen Medici-Bank, die unter dem Namen Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Napoli (583, 3, 10 fl.) lief, der Lyoner Medici-Tornabuoni-Bank (für Tuche, Brokatstoffe und Goldfäden im Wert von etwas mehr als 871 fl.), der römischen, (noch) unter dem Namen Rede di Lorenzo de’ Medici e compagnia di corte di Roma laufenden Medici-Bank (250 Fiorini) sowie die der Gesellschaft der ‚Erben von Lorenzo de’ Medici e compagnia del banco di Firenze (764, 1, 3 Fiorini). Dazu kamen noch einige Sachwerte, deren Abnehmer u. a. il Braghadino war, ein gewisser Andrea Braghadini, der uns als Schuldner der Medici noch intensiver beschäftigen wird. Alles in allem kam man so auf eine Summe von etwas mehr als 4.404 Fiorini, welche die Syndizi noch zu erhalten hatten. Filippo da Gagliano und Lanfredino Lanfredini mußten sich also nach dem Sturz der Medici zusammen mit ihrem Mitgesellschafter Pierantonio Carnesecchi persönlich am 4. Mai 1495 in Florenz wegen der Liquidation der beiden botteghe mit den Syndizi zusammensetzen, mußten sich aber eben auch mit Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci als ehemaligen Partnern wie als Freunden ins Einvernehmen setzen. Pierantonio Carnesecchi hatten wir im übrigen bereits als einen jener treuen Mediceer vorstellen können, die noch nach Pieros Flucht aus Florenz bewaffnet auf die Piazza della Signoria zogen, um für die Sache der Medici einzutreten, jedoch der feindlichen Mehrheit weichen mußten!255 In den Protokollen der Syndizi sind Filippo da Gagliano und Pierantonio Carnesecchi auch für den 12. Mai 1495 verzeichnet, als sie zusammen mit einem Paolo Lari eine nicht näher erläuterte Abmachung über bestimmte Geldbeträge mit dem Provisor der Stadt Florenz ratifizierten. Es wird sich wohl um die Abwicklung der beiden botteghe gehandelt haben; Paolo Lari könnte somit ein Prokurator Lanfredinis gewesen sein.256 1495 ist das bestehende ökonomische Netzwerk zwischen Mediceern und Medici nicht aufgelöst, sondern noch intensiver zusammengeführt worden. In welcher Weise dies geschah, läßt sich nun sehr anschaulich demonstrieren, wenn wir von Lanfredino Lanfredini ausgehen und seine von der Forschung erstaunlicherweise ignorierte intensive Beziehung zu Filippo da Gagliano, dessen Bruder Giuliano und somit zur Lyoner Bartolini-Bank untersuchen. Mit diesen Protagonisten werden wir direkt ins Herz der seit 1482 aufge255 S.o. S. 76. 256 Le collezioni medicee nel 1495, S. 39.

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bauten, 1494 keineswegs beendeten Wechselbriefoperationen und sonstigen Geschäfte zwischen Florenz und Lyon geführt. Denn die Florentiner bottega di battiloro der Medici zeigt sich 1495 so agil wie zuvor, agierte wie in den vorangegangenen Jahren seit ihrer Gründung gleichsam als Substitut der Florentiner Bartolini-(Medici-)Bank. Lanfredino Lanfredini nahm dabei in Florenz eine immer zentralere Position innerhalb des MediciNetzwerkes ein. Die Ausweisung der Bartolini-Bank aus Lyon Ausgangspunkt ist die bisher nur als Faktum vorgestellte Ausweisung der Lyoner Bartolini-Bank während der dramatischen Wochen des Spätsommers 1494. Ist zu der gut drei Monate vorher erfolgten Vertreibung der Lyoner Medici-Bank schon wenig bekannt geworden, so blieb das gleichartige Schicksal ihrer Schwesterbank bisher völlig im Dunkeln. Durch Giuliano da Gagliano wird jedoch luce clarius bestätigt, daß auch die Lyoner Bartolini-Bank für eine gewisse, wenn auch kürzere Zeit aus Lyon ausgewiesen wurde. Offenkundig Ende September 1494 mußten Giuliano da Gagliano, Bartolomeo di Pierozzo del Rosso und Leonardo di Bartolomeo Bartolini mit Dienern und Pferden Lyon verlassen; spätestens im November 1494 übten sie ihre Geschäfte in dem Städtchen Montluel aus, gut 30 Kilometer nordöstlich von Lyon auf savoyischem Boden gelegen. Ihren Hausrat hatte ihnen die Lyoner Nasi-Bank dorthin gesandt. Doch schon am 22. Dezember 1494 durften sie, d.h. Giuliano und Bartolomeo mit zwei Dienern, wieder in Lyon erscheinen, wo sie nun im Haus der mit ihm seit längerem eng kooperierenden, äußerst gut befreundeten, wenn nicht gar selbst in irgendeiner Weise mediceischen Nasi-Bank, ‚Bernardo und Erben des Bartolomeo Nasi von Lyon‘, Quartier bezogen, indem sie eine Kammer und ein Magazin für ihren Hausrat mieteten.257 (Immerhin war Bernardo di Bartolomeo Nasi der Cousin von Alessandro di Francesco Nasi, dem Schwager von Lorenzo Tornabuoni!) Erst in einem späteren Brief vom 31. Oktober 1500 an Francesco Maggiolini erläuterte Giuliano die näheren Umstände: Per comandamento del Re Charlo hätten sie sich 1494 aus Lyon entfernen müssen, was sie anschließend viel Geld für Gesandtschaften an den französischen Königshof kostete, um diese Entscheidung rückgängig machen zu können.258

257 Vgl. v. a. ASP IV/2, c. 56, 57; IV/4, c. 75r, 76r/v, 78r; IV/4, libretto di ricordi, c. 2r, 7v, 9v,

10v. Aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, daß Giuliano sich schon am 6.10.1494 außerhalb von Lyon in San Bello (Belley in Savoyen?) befunden hatte (wo er u. a. Schuldtilgungen für die römische Medici-Bank organisierte) und daß er mehrmals zum 22.11. seinen Aufenthalt in Montluel bezeugte, wo ihn Briefe Cosimo Sassettis aus Florenz vom 4.10. und von Bernardo de’ Rossi bzw. der Medici-Bank in Chambéry erreichten. Wiederholt notierte er dann, er sei am 22.12.1494 zusammen mit Bartolomeo di Pierozzo del Rosso und zwei Dienern und zwei Pferden von Montluel nach Lyon in das Haus der Nasi zurückgekehrt, wo er nun einige Räume zur Miete bezog. 258 ASP IV/6, c. 99r. Bei dieser Ausweisung mußte die Bartolini-Bank auch bestimmte Luxusstoffe, die Maggiolini bei ihnen aufbewahrt hatte, in sichere Verwahrung bringen, wofür dem Mailänder noch viele Jahre später die Unkosten in Rechnung gestellt wurden.

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Wir hatten ausführlich beschrieben, wie Piero de’ Medici in der Tat während des Septembers 1494 gleichsam in letzter Minute den aus Rücksicht auf Neapel zunächst schrittweisen, dann aber doch entschiedenen Wechsel seiner Politik vollzog, nicht ohne massive Beteiligung von Graf Philippe de Bresse, Lorenzo Spinelli, Cosimo Sassetti und offenbar Bernardo de’ Rossi.259 Als einen entscheidenden Kausalfaktor vermuteten wir die Entscheidung Karls VIII., gut drei Monate nach der Medici-Bank ebenfalls die BartoliniBank aus Lyon zu vertreiben. Diesen Schritt mußte Piero mit gleichsam symbolischer Härte gespürt haben, denn mit Blick auf sich mußte er eine seiner profitabelsten und wichtigsten Banken als gefährdet erkennen, mit Blick auf den König konnte er sich nun keinerlei Illusionen über den Zorn des französischen Königs mehr hingeben, über dessen Bereitschaft, Piero die Konsequenzen seines Handelns drastisch spüren zu lassen. Dies um so mehr, da es doch gerade die Bartolini-Bank unter Giuliano da Gagliano gewesen war, die dem König im August jenen hohen Kredit für die Vorbereitung des Italienzuges gewährt hatte und die überdies ausgezeichnete Verbindungen zum Königshof, insbesondere zu Jacques de Beaune, dem Schatzmeister der Königin, unterhielt. Wenn selbst diese Bank so hart bestraft wurde, was mußte erst ihn erwarten, Piero, den Verräter der florentinisch-französischen Freundschaft? Eine Frage aber stellt sich in diesem Kontext, die problematisiert werden muß, aufgrund der bisherigen Quellenlage allerdings nicht beantwortet werden kann. Woher wußte der König, was bzw. wer sich hinter der Bartolini-Bank verbarg? Wer gab ihm die entsprechenden Informationen? Giuliano da Gagliano hatte sich selbst in seinem Geheimbuch und gleichermaßen in all seinen anderen überlieferten Geschäftsbüchern um größte Geheimhaltung bemüht. Nie hatte er enthüllt, wer seine eigentlichen Kapitalgeber waren, welche Funktion Bartolomeo Bartolini für die Medici einnahm, welche er oder sein niemals von ihm enttarnter amico „G“. Offenkundig aber gab es in Lyon oder am französischen Hof, in Mailand oder in Florenz Personen, die auf irgendeine Weise entweder Einblicke in die wahre Struktur der Bartolini-Bank erhalten hatten oder die solches mit guten Gründen annahmen, und die dem neuen Oberhaupt der Medici aus bestimmten Gründen feindlich gesinnt waren. (Wir werden solche Personen noch kennenlernen, sowohl namentlich bekannte Verräter als auch anonyme Denunzianten.) Obwohl auch Leonardo di Bartolomeo Bartolini in das Asylquartier von Montluel geritten war260, blieb er nicht bis zum 22. Dezember dort, sondern erhielt schon im November den Auftrag, nach Florenz zurückzureisen, wo er zum 25. November 1494 seinen Dienst in der Florentiner Bartolini-Bank antrat.261 Der primäre Grund seiner Reise wird aber darin gelegen haben, die eigentlichen Köpfe der Lyoner Bartolini-Bank über die neue Situation zu informieren, denn war diese an sich schon kritisch, so war sie nach der Vertreibung der Medici geradezu dramatisch geworden und erforderte adäquate Maßnahmen. 259 S.o. S. 48–57. 260 ABS 197, c. LXXXX–LXXXXI (Hinweis auf Geldausgaben in Montluel). 261 ABS 227, c. XXIIII (zum 25.7.1496 bekam Leonardo 70 fl. Lohn für die letzten 20 Monate

Dienst in der Bartolini-Bank, für die er meist die Kasse führte).

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Als Leonardo in Florenz eintraf, hielt sich König Karl VIII. noch in der Stadt auf (bis zum 28.11.). Da dieser kurz darauf seinen Befehl über die Ausweisung der Bartolini-Bank revidierte, könnte Leonardo einer der von Giuliano da Gagliano angesprochenen „teuren“ Gesandten an den Königshof gewesen sein, die dem König und den Medici-Bankiers in mündlicher oder schriftlicher Form Informationen brachten, die Karl VIII. – der sich in seinem Vertrag mit Florenz ja sowieso explizit für die Medici eingesetzt hatte – zur Rücknahme seines Beschlusses bewegten. Die sachlichen und zeitlichen Koinzidenzen sind jedenfalls verblüffend. Bartolomeo Bartolinis Lyoner Mission im Januar 1495 Noch bevor die Syndizi Anfang Januar 1495 ihre Aufgabe begannen, alle MediciBesitzungen zu sichern, die Gesellschaften zu liquidieren und für die Befriedigung der Gläubiger zu sorgen, hatte die Florentiner Signoria die Lyoner Medici-Bank ins Visier genommen. Aus einem bemerkenswerter-, nein: bezeichnenderweise als Kopie im Medici-Nachlaß erhaltenen Brief, den Temperano Temperani, Bartolomeo Bartolini und Giuliano da Gagliano am 14. Januar 1495 aus Lyon an die Signoria schrieben, geht hervor, daß die Florentiner Regierung diese drei Kaufleute deputiert hatte, die Rechnungsbücher der Lyoner Medici-Bank zu überprüfen (ad rivedere e chonti del trafficho del bancho de’ Medici).262 Doch die Annahme der Florentiner Signoria, die Leiter der Lyoner MediciBank seien nach ihrer Vertreibung im Juni 1494 schon wieder mit ihren Rechnungsbüchern in Lyon, war falsch, und so informierten unsere drei Deputierten die Signoria, daß sich die Leiter der Medici-Bank noch in Chambéry befänden. Man habe daher sofort Cosimo Sassetti von dem erhaltenen Mandat in Kenntnis gesetzt und ihn aufgefordert, die Bücher nach Lyon zu senden. Falls Sassetti nicht persönlich kommen wolle oder könne, solle er einen vollständig informierten Angestellten schicken; falls auch dies aus irgendeinem Grund nicht ginge, solle er alles in das nahegelegene – Giuliano ja bestens bekannte – Montluel in der Grafschaft Bresse senden, wo die Deputierten die Bücher bequem in Empfang nehmen könnten. Doch habe Sassetti jetzt geantwortet, er halte es nicht für ratsam, in jenen Zeiten herumzureisen und Chambéry zu verlassen. Deshalb sollten die Deputierten besser selbst dorthin kommen. Diese aber, da sie von der Signoria keinen entsprechenden Auftrag besaßen und da jeder von ihnen seinen eigenen Aufgaben verpflichtet sei, baten um neue Anweisungen. Ein bemerkenswertes Dokument aus bemerkenswerten Zeiten! Den Medici schaden wollten jene drei ganz offensichtlich nicht; viel eher wollten sie deren Interessen wahrnehmen, wie sich aus dem Brief schon zwischen den Zeilen auch für den unbefangenen Leser herauslesen läßt. Anderes können wir von Bartolomeo Bartolini und Giuliano da Gagliano als engsten Medici-Vertrauten und -Partnern auch nicht erwarten. Sie besaßen keinerlei Interesse, den Angestellten der Medici-Bank nach Savoyen hinterherzureiten, die Bücher der Lyoner Medici-Bank in allen Einzelheiten ans Licht zu bringen oder dieser gar 262 ASF, MAP CXXXVII, doc. 549.

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Unannehmlichkeiten zu schaffen – da eine solche Aufklärung auch sie getroffen hätte. Der bisher noch nicht für das Netzwerk eingeführte Temperano di Manno Temperani gehörte zu den Mitarbeitern der Lyoner Bartolini-Bank, in den Geschäftsaufzeichnungen Giulianos ist er häufig in solcher Funktion erwähnt; sein Bruder Lorenzo di Manno Temperani ist schon als damaliger giovane der Florentiner Bartolini-Bank genannt worden.263 Deshalb unterzeichnete Temperano hier an der Seite Bartolomeos und Giulianos, zu dessen Familie ja schon sein Vater ein sehr gutes Verhältnis hatte. (Temperanos und Lorenzos Neffe Manno di Francesco di Manno Temperani zählte offenbar im September 1495, aber nur mit vertrautem Vornamen, zum Freundes- und Geschäftskreis des aus Florenz geflüchteten Filippo da Gagliano, wird aber ohne Zweifel Ende 1497 in Lyon einem aus Florenz geflohenen Medici-Intimus helfen und ist dann wie sein Onkel Temperano als wichtiger Mitarbeiter der Lyoner Bartolini-Bank nachzuweisen!264) Zugleich konnte und wollte insbesondere Bartolomeo Bartolini natürlich ebensowenig die Florentiner Signoria düpieren, hing von deren Wohlwollen doch auch das Wohlergehen seiner Familie und seiner getarnten Tätigkeiten ab – von diesem Erfolg waren die Medici nach dem November 1494 stärker denn je abhängig. Diese in Florenz weiterhin verwurzelten MediciFreunde bewegten sich zwischen 1494 und 1512 auf einem sehr schmalen Grat. Äußerst erstaunlich ist freilich die persönliche Anwesenheit des alten Bartolomeo Bartolini in Lyon, so kurz nach der Flucht und Verbannung seines neuen Herrn Piero de’ Medici. Vor dem bisher erhellten Hintergrund gibt es nur eine Erklärung: Bartolomeo Bartolini sah seine Reise nach Lyon bzw. in den Lyoner Raum als notwendig an, um „seine“ Bank und deren Schwesterbank, die eigentliche Medici-Bank, vor unerwünschten Zugriffen zu beschützen und deren Geschäfte zu sichern. Bedenkt man die winterliche Reisezeit und die Dauer der einzelnen Vorgänge, die seinem Brief vom 14. Januar vorausgegangen sein mußten, so dürfte er sich ungefähr Anfang Dezember trotz der schlechten Jahreszeit in recht raschem Tempo nach Lyon begeben haben – vermutlich eher über eine sichere Schiffspassage nach Marseille oder Aigues-Mortes als über den verschneiten Alpenpaß des Mont Cenis. In seinen Taschen wird sich auch die Anordnung König Karls VIII. befunden haben, mit welcher dieser seinen zuständigen Lyoner Amtsträgern mitteilte, die Bartolini-Bank dürfe nach Lyon zurückkehren. Sonst hätte die Florentiner Signoria wohl kaum ebenso Giuliano da Gagliano mit der Aufgabe deputiert, die Medici-Bücher in Lyon zu beschlagnahmen. Da die Signoria von einer Rückkehr der Medici-Bank aus Chambéry ausging, spricht einiges dafür, daß der Bartolini auch für diese Bank eine ent263 Vgl. etwa ASP IV/2, c. 13, XIIII. 264 Vgl. ASP I/38, c. 53/LIII; zu Temperanos Neffen Manno [Temperani], dessen Sache es auf

Wunsch von Filippo da Gagliano zu klären galt, vgl. BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 59 (Filippo da Gagliano, 14.9.1495, aus Bologna an Ser Niccolò Michelozzi in Florenz); zu den Brüdern Temperano und Francesco di messer Manno Temperani, die beide während der Florentiner Republik in öffentliche Ämter gewählt wurden, vgl. auch Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 167; zu Manno di Francesco Temperani und Bernardo de’ Rossi als Helfern von Francesco Naldini in Lyon Ende 1497 sowie zu Temperanis Funktion in der Bartolini-Bank vgl. unten S. 619, 631–634.

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sprechende Erlaubnis Karls VIII. mit sich führte. Offenbar hielten Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti es jedoch für klüger, vorerst in Chambéry zu bleiben. Es ist allerdings bemerkenswert, daß man in Florenz ausgerechnet Bartolomeo Bartolini, Giuliano da Gagliano und Temperano Temperani mit der Konfiszierung und Kontrolle der Lyoner Medici-Geschäftsbücher beauftragte, bestätigt dies doch die gute Tarnung und eine verbreitete Unkenntnis über die wahre Struktur der mediceischen BartoliniBanken. Unabhängig davon könnten aber auch einige kluge und einflußreiche Mediceer gerade diese drei deputiert bzw. für deren Abordnung gewirkt haben, um nachhaltigen Eifer von vornherein ausschließen zu können. Bartolomeo Bartolini, der verlängerte Arm erst Lorenzos, nun Piero de’ Medicis, hatte die Lyoner Medici-Bank im Januar 1495 selbstverständlich beschützt. Daß man aber gerade diesen Bankier und Provisor der Zecca in dieser Situation nach Lyon entsandte, spricht nicht nur für sein Ansehen bei der Signoria, sondern zeugt mit Blick auf die ihm in einem Alter von 50 Jahren zugemutete Belastung auch von Hierarchien. Denn bei der Auswahl seiner Person werden auch die führenden Mediceer beteiligt gewesen sein, aber weniger sein Herr Piero de’ Medici, der sich noch in Venedig befand, als vielmehr Lorenzo Tornabuoni oder der für die Organisationsstruktur der gesamten Medici-Gesellschaft zuständige Generalmanager Gianbattista Bracci, der unter dem in Bankgeschäften völlig unerfahrenen Piero de’ Medici noch größere Verantwortung und Kompetenzen als vorher erworben haben wird. Zudem ist Bracci als der seit 1482 anonym an der Lyoner BartoliniBank partizipierende amico G anzusehen, der über Giuliano da Gagliano auch in dieser Bank im Hintergrund die Fäden zog, in der gleichen Weise wie bis 1492 Lorenzo de’ Medici über Bartolomeo Bartolini und Filippo da Gagliano, der wiederum analog zum Bartolini nach Lorenzos Tod einen Vertrag mit Piero de’ Medici abgeschlossen haben wird, durch welchen er nun dessen Strohmann wurde. Diese Handlungsträger an der Spitze der Medici-Gesellschaft haben in jenen Wochen auch eine neue Gesellschaftsform für die Lyoner Bartolini-Bank entwickelt, die durch ihren nochmals gesteigerten mysteriösen Charakter auf notwendige Schutz- und Verdunklungsmaßnahmen verweist. Bereits vom November 1492 bis zum Februar 1495 hatte die Lyoner Bartolini-Bank nach außen in einer anderen Form als vorher existiert, wie Bartolomeo Bartolini (persönlich oder über einen Mitarbeiter) zu einem späteren Zeitpunkt im Schuldbuch der Florentiner Bartolini-Bank betonte: „Seine“ Lyoner Bank habe nämlich genau in dieser Zeit, in der sie ‚das blaue Geschäftsbuch mit der Signatur E‘ führte, nur aus ihm selbst und aus Giuliano da Gagliano bestanden – e nnon altri!265 Ebenfalls rückblickend behauptete 265 ABS 227, c. LXIIII (im Kontext einer im Mai 1496 vorgenommenen neuen Gewinnberechnung,

nach der Bartolomeo Bartolini proprio noch 435, 18, 4 Fiorini von Giuliano zu erhalten hatte, hieß es: pella parte sua dell’utili della ragione di Lione che cantava in detto Bartolomeo e compagnia fatta cho’ Giuliano da Ghagliano detto e nonn altri e chomincio di Novembre 1492 e finì di febraio 1494[/95]). Diese „neue“ Lyoner Bartolini-Gesellschaft führte ein mit dem Buchstaben „E“ gekennzeichnetes Geheim- und Schuldbuch, während die unter Lorenzo de’ Medici im November 1489 reformierte Vorgängergesellschaft dementsprechend das Buch „D“ geführt hatte. Diese Zuordnungen können für bestimmte Problemfälle sehr nützlich sein.

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Giuliano da Gagliano gar, la ragione de’ Bartolini di Lione habe (allein) ihm selbst gehört!266 Auch hier wurde die Wahrheit verhüllt, denn Giuliano wirkte nachweislich weiterhin für seinen Freund „G“, der immer noch 1.000 Scudi Kapital hielt und entsprechende Profitanteile bekam. Und in dem nun seit dem November 1492 durch Giuliano geführten Geheimbuch mit der Signatur „E“ verbuchte er zum 21. Januar 1494 (als Übertrag des entsprechenden Postens vom 1.1.1490 aus dem vorherigen Geheimbuch „D“) nicht nur diese Kapitaleinlage, sondern mit unveränderten Profitanteilen auch die anderen, die Lorenzo de’ Medici und seine Partner im November 1489 mit einer Kapitalerhöhung für die ‚reformierte‘ Bartolini-Bank festgelegt hatten. Wie 1489/90 gab Filippo Ende 1492 für seinen Teil des corpo 4.000 Scudi und erhielt einen Gewinnanteil von 40% – nun also für Piero de’ Medici! – und die Florentiner Bartolini-Bank 3.500 Scudi mit einem Anteil von 35%, während der Giulianos bzw. seines Freundes „G“ (Bracci) 25% betrug.267 Der Beginn dieser neuen Form deckt sich jedenfalls mit dem Vertrag, den Bartolomeo Bartolini 1492 nun mit Piero anstelle seines Vaters abschloß. Auffällig erscheint, daß diese Lyoner ‚Gesellschaft des Buches E‘ genau mit dem Ende von Bartolomeos Mission in Lyon bzw. dessen Rückkehr nach Florenz im Februar 1495 durch eine neue Gesellschaftsform ersetzt wurde, die nun das Buch „F“ führte und bei der man viel Wert auf die Feststellung legte, der Bartolini und Gagliano seien bereits von 1492 bis 1495 die einzigen Partner in der Lyoner Bank gewesen. Dieser Wechsel spiegelt sich auch in den Unkosten der Bank für ihre Unterkunft im Haus der Nasi-Bank, denn zum 22. Februar 1495 beglich Giuliano die für die letzten beiden Monate entstandenen Kosten und ließ für die Spesen der folgenden Monate ein neues Konto anlegen.268 Am 14. Mai 1496 ließen Bartolomeo Bartolini als offizieller Leiter der Florentiner Bartolini-Bank und damit Teilhaber der Lyoner Bartolini-Bank sowie Giuliano da Gagliano als dessen vorgeblich einziger Partner durch einen Schiedsrichter die genannten Profitanteile bestätigen.269 Giuliano da Gagliano war zu diesem Zeitpunkt seit einigen Monaten wieder in Florenz, vertrat aber seit dem Februar 1495 immer noch für viele Jahre als governatore die Interessen der Lyoner Bartolini-Bank. Diese wurden nun, unmittelbar nach der Ver266 Z. B. ASP IV/6, c. 48v/49r (zum 12.11.1499, als Giuliano durch einen Prozeß alte, auf jene Zeit

zurückgehende Schulden seines Mitarbeiters Bartolomeo del Rosso einklagte), c. 100r (in einem ricordo aus dem Jahr 1500: ... di conto della ragione di Bartolomeo Bartolini e compagnia che furono di Lione de’ libro azurro segnato E attenente a me proprio). 267 ABS 225, c. 4, 5, 15 (warum die Buchung erst zum Januar 1494 und nicht 1493 erfolgte, ist nicht ersichtlich). Das Kapital betrug insgesamt also 8.500 Scudi; der Profitanteil wurde für Filippo da Gagliano bzw. seinen Medici-Herrn mit 8 Soldi pro Lira bzw. 40% festgelegt, für die Florentiner Bartolini-Bank mit 7 Soldi pro Lira bzw. 35% und für Giuliano da Gagliano mit 5 Soldi pro Lira bzw. 25%; vgl. hierzu auch ASP IV/6, c. 84r (Aufschlüsselung anläßlich eines Schiedsspruchs zwischen der Florentiner Bartolini-Bank und Giuliano vom 14.5.1496). 268 ASP IV/4, c. 78r; IV/4, libretto di ricordi, c. 10r/v. Für die beiden Monate bis zum 22.2.1495 zahlte Giuliano der Nasi-Bank je 3 Scudi pro Monat für Personen- und Pferde-Unkosten, danach bis Dezember 1495 für sich 3,5 Scudi, für seinen Diener Stiene 3 Scudi pro Monat für ein Jahr sowie insgesamt 4 Scudi für Holz und Kerzen, für die gemietete Kammer und das Magazin 4 Scudi bis zum 22.2., danach nur für die Kammer 12 Scudi für ca. ein Jahr. 269 ABS 227, c. LXIIII; ASP IV/6, c. 84r.

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bannung der Medici, allerdings sehr stark von der von Lanfredino Lanfredini und Filippo da Gagliano geführten Goldschlägergesellschaft der Medici bestimmt. Dies legen jedenfalls instruktive Zeugnisse über gemeinsame Geschäfte nahe. Nach dem Desaster: Finanz- und Warengeschäfte zwischen Florenz und Lyon Wie irreführend De Roovers Desinteresse an der Schlußphase der (angeblich) Ende 1494 eingegangenen Medici-Bank ist, zeigt sich nicht nur für die Jahre 1492 bis 1494, sondern auch und noch eindringlicher für die Jahre nach der Vertreibung der Medici. Es gibt genug einschlägige Quellen, die eine Fülle an unternehmerischer Aktivität durch das Personal der Medici-Gesellschaften bezeugen. Folgen wir zunächst dem bisher erschlossenen Personenkreis, der zwischen Florenz und Lyon für die Medici- und Bartolini-Banken sowie die neue Goldschlägergesellschaft der Medici handelte. Die bei De Roover kaum mehr als ein-, zweimal genannten Filippo da Gagliano und Lanfredino Lanfredini bleiben zentrale Akteure.270 Lorenzo de’ Medici hatte die beiden botteghe (Goldschläger und Wolle) als Organe seiner Florentiner Bank konstruiert – deren führende Bankiers Filippo da Gagliano und Giovanbattista Bracci zugleich Teilhaber in den botteghe waren –, um personelle und geschäftlich-finanzielle Kontinuitäten nach seinem absehbaren Tod zu gewährleisten. Der in Teilen überlieferte Briefwechsel Filippos und Lanfredinos dokumentiert von Beginn an eine intensivere Beziehung der Partner.271 Ihr eigentliches Geschäft, ihr wirklicher Wert für die Medici offenbart sich allerdings erst, als das Medici-Schiff seit November 1494 in stürmische Gewässer geriet. Der für Lorenzo de’ Medici gerade bei den staatlich-kommunalen Finanzbereichen, dem Monte etwa, auch in der Öffentlichkeit agierende Filippo da Gagliano war nach der Vertreibung der Medici eine gefährdete Person, weil er für deren Gegner als einer der Protagonisten des verhaßten Systems galt. Aus nachvollziehbaren Gründen zog er es deshalb vor, zunächst aus Florenz zu fliehen. Wahrscheinlich aufgrund der im Januar und Februar 1495 durch Savonarola durchgesetzten Amnestie kehrte er kurz darauf nach Florenz zurück. Dorthin sandte ihm sein Bruder Giuliano schon am 3. Februar aus Lyon ein Faß mit 1.000 Heringen und am 18. Februar 1495 sechs Dutzend Servietten.272 In Florenz ist Filippo am 12. Mai 1495 dann vor den mit der Abwicklung des Medici-Vermögens beauftragten Syndizi nachzuweisen.273 Durch das gleiche Gremium war bereits am 6. Mai 270 De Roover, Rise, S. 168, 369. 271 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n): 68 Briefe des Filippo da Gagliano, fast alle an Ser Niccolò Mi-

chelozzi (1482–1496); BNCF, Ms. II. V. 21, 22 (bisher umfangreichster Teil des Briefwechsels von Lanfredino Lanfredini); BNCF, Ginori Conti 29/92 (c) (4 Briefe von Lanfredino Lanfredini); vgl. etwa BNCF, Ginori Conti 29/92 (c), Nr. 1 (21.3.1491/92, Lanfredino hatte sich im März 1492 mit ‚dem Gagliano‘, also seinem Partner Filippo, offenbar für die Medici um einen Garten in Rom zu kümmern); vgl. auch Ginori Conti 29/69 (n), c. 57 (30.8.1492, Filippo da Gagliano an Niccolò Michelozzi, u. a. über ‚unseren‘ Lanfredino). 272 ASP IV/2, c. 53; IV/4, c. 79v. 273 Le collezioni medicee nel 1495, S. 39.

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die Beteiligung der Medici-Erben-Bank an den Woll- und Goldschläger-botteghe, war somit die Partnerschaft zwischen der Bank sowie Filippo da Gagliano, Lanfredino Lanfredini und Pierantonio Carnesecchis zumindest offiziell, wenngleich offenkundig nicht faktisch beendet worden. Entscheidend ist nun, daß Filippo aufgrund genauerer Untersuchungen im Juli und August 1495 wegen seiner früheren Finanzaktivitäten für Lorenzo de’ Medici angeklagt wurde, der Stadt Florenz noch die sehr hohe Summe von mehr als 13.700 Fiorini zu schulden, die er in vier Teilen in den nächsten vier Jahren zurückzuzahlen hatte! Da das dem Magnifico aus öffentlichen Kassen gegebene Geld an die Florentiner Medici-Erben-Bank überging, durfte Filippo es von dieser einfordern; er war also Gläubiger seiner Bank geworden, weil er dieser gleichsam als Angestellter der Kommune einst Geld geliehen hatte. Dieses milde Urteil könnte er auch dem Gonfaloniere Lorenzo Lenzi verdankt haben, der damals zu den wenigen Offiziellen gehörte, die ihn verteidigten. Filippos hohe Einzahlungen in die Kassen der Florentiner Bartolini-Bank, darunter seine Profite aus seiner Amtszeit als Kämmerer der Dieci di Balìa, sind offenkundig nicht entdeckt worden! Doch als Bankier des Medici-Regimes war er im Volk so verhaßt, daß die über seine zu leichte Bestrafung aufgebrachte Menge im August 1495 seinen Kopf forderte. Als er den Palazzo della Signoria als freier Mann verlassen durfte und nicht ins Gefängnis gehen mußte, wurde Filippo am 19. August von zwei Angreifern schwer am Kopf verletzt.274 Erneut wurde die Lage so brisant, daß er die Flucht aus Florenz ergriff. Während der voraufgegangenen gut sechs gefährlichen Monate in Florenz besaß Filippo da Gagliano nicht nur in Jacopo und Alamanno Salviati oder Lorenzo Lenzi mächtige Beschützer, sondern auch in Lanfredino Lanfredini. Ihm scheint Filippo sogar kaum von der Seite gewichen zu sein. Aber es täuscht sich, wer glaubt, sie hätten ihre Geschäfte angesichts der dramatischen Zeitläufte ruhen lassen. Zwei vorrangige Ziele galt es anzugehen: neue Gewinne durch Wechselgeschäfte zu erwirtschaften und Geld von ‚guten Schuldnern‘ einzutreiben. Letzteres veranschaulicht ein Brief, den Cosimo Sassetti am 15. Mai 1495 aus Chambéry, weiterhin Exilsort der Lyoner Medici-Bank, an Lanfredino Lanfredini schrieb.275 Sassetti hatte in den Tagen davor zwei kurze Briefe Lanfredinos erhalten, die ihm Giuliano da Gagliano persönlich überbracht hatte. Antworten konnte Cosimo Sassetti jedoch nicht früher, da er vorher keinen Briefboten gefunden hatte. Das eigentliche Anliegen Lanfredinos ließ sich kurz abhandeln. Dieser wünschte eine Rückzahlung nicht näher spezifizierter Gelder, die ihm seitens der Lyoner Medici-Bank durch gemeinsame Konten zustanden. Cosimos Erläuterung der Situation zeigt, daß er keinem unangenehmen Gläubiger, sondern einem vertrauten, in alle Geschäftsbereiche eingeweihten Freund antwortete. Zu gern würde er Lanfredinos Wunsch mit mehr als nur guter Disposition nachkommen, doch könne er ihm nicht zurückzahlen, was sie nicht eingezogen hätten. Wie es um die Liquidität der Lyoner Bank stehe, sei ihm ja hinreichend bekannt; zudem müßte bei solchen Auszahlungen, wie Lanfredini wisse, das Einverständnis der – 274 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 260; Brown, Lorenzo and the Monte: another Note, S. 521;

Dies., Revolution, S. 23 u. Anm. 65. 275 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 2 (15.5.1495, Cosimo Sassetti aus Chambéry an Lanfredino Lanfredini).

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d.h. aller – Partner (compagni) eingeholt werden! Offenbar handelte es sich um hohe Kapitaleinlagen, deren Auszahlung den Konsens der Teilhaber (also auch Piero de’ Medicis) erforderte. Cosimo Sassetti erklärte dem Medici-Partner Lanfredini die mit Lorenzo Spinelli vereinbarte Schutztaktik. Im Augenblick bezahle man nur mit ‚guten Worten und Versprechungen‘. Mit dem Spinelli hatte Cosimo aber zugleich überlegt, wo man für Lanfredino Geld freisetzen könne. Da käme zum einen das für die Lyoner Medici-Bank und Lanfredino – d.h. die Medici-Goldschlägergesellschaft – gemeinsam geführte Konto des königlichen Finanzministeriums (vostro et nostro conto dall’argienteria) in Frage, zum anderen Jacques de Beaune, der ihnen noch Geld schulde. Dieser positive Schuldner ist uns gut bekannt als alter Geschäftsfreund des Giuliano da Gagliano bzw. der Lyoner BartoliniBank (seit spätestens 1492), als Schatzmeister der Königin und Initiator des MediceerKredits über 6.000 Dukaten an Frankreich, der bald darauf als auch für das Lyonnais zuständiger général des finances du Languedoc (Ende 1495–1510) einen Karrieresprung machen wird – und noch Jahre später ein großer Freund Giuliano da Gaglianos und des Hauses Medici war.276 Giuliano war gerade erst im April 1495 persönlich am Hof der Königin in Moulins gewesen, um Jacques u. a. den ihm als Sicherheit überreichten Diamanten zurückzugeben.277 So verwundert es nicht, daß Sassetti und Spinelli diesen ihnen am praktikabelsten Weg der Geldgewinnung in gemeinsamer Absprache mit Giuliano da Gagliano gehen wollten, wobei es ihnen gleichgültig erschien, ob Jacques de Beaune an sie, die Lyoner Medici-Bank, oder an Giuliano zahle! Lorenzo Spinelli sei zur Zeit in Lyon – die Ausweisung galt also tatsächlich nicht mehr –, wo er eventuell schon eine Einigung in dieser Angelegenheit erzielen könne. Solche mikrohistorischen Einblicke zeigen einmal mehr, wie die offizielle Lyoner Medici-Bank und ihre getarnte Schwesterbank im praktischen Alltagsgeschäft kooperierten. Man sieht, wie Giuliano da Gagliano persönlich Briefe Lanfredinis zu Sassetti nach Chambéry bringt, mit dem er ebenso wie mit Lorenzo Spinelli eine Schuld eintreiben will, die ihnen offensichtlich gemeinsam zusteht; wie man sich zwischen Florenz, Chambéry und Lyon um die Beschaffung von Geld bemüht. (Im übrigen waren jene drei Lyoner Medici-Bankiers auch privat Freunde, wie sich aus vielen gegenseitigen Hilfen, Wetten und auch einer 1502 in Florenz übernommenen Patenschaft ergibt.278) Ein längerer Brief, 276 Zur Freundschaft vgl. ASF, SR 24, c. 254 (17.5.1502, ein anonymer Diener der Medici aus

Blois an Giulio de’ Medici: er erwarte die Erfüllung bestimmter Wünsche in einer Finanzsache, perché il general di lengua de hoc [è] gran amico di casa, permecte favorirne gaglardamente.); zur Amtszeit vgl. etwa Jacqueton, Documents, S. 292 (Jacques de Beaune amtierte von 1495 bis 1510 in dieser Funktion); zu den engen Beziehungen zwischen ihm und Giuliano da Gagliano s.o. S. 137–139. 277 ASP IV/4, c. 75v; s.o. S. 139. 278 Als Giuliano d’Agostino Biliotti, der 1495 als junger Mitarbeiter zu Giuliano da Gagliano gekommen war, im September 1502 eine Tochter bekam, übernahmen Giuliano da Gagliano, Cosimo Sassetti und Lorenzo Spinelli, der sich, da noch in Lyon befindlich, durch seinen Prokurator Zanobi Acciaiuoli vertreten lassen mußte, die Patenschaft; ASP IV/5, c. 93, LXXXVIII; IV/8, c. 36r. Nur ein weiteres von vielen Beispielen: Am 20.12.1507 gab Lorenzo Spinelli in

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den Giuliano da Gagliano Ende Mai 1495 aus Lyon an Lanfredino in Florenz schrieb – ein zufällig überlieferter aus einer Reihe vieler weiterer – sowie komplementäre Einträge in seinen Geschäfts- und Haushaltsbüchern bezeugen über die Schuldeneintreibung hinaus ein intensiv betriebenes Wechselbrief- und Warengeschäft und vertiefen den Blick in das Beziehungsnetz und die Operationsfelder der Mediceer kurz nach der Exilierung ihrer Patrone, in einer Zeit akuter Bedrohung. Giuliano da Gagliano schrieb seinen langen Brief an Lanfredino Lanfredini in Florenz an zwei Tagen, am 25. und 30. Mai 1495, jeweils in Lyon.279 Zunächst einmal entschuldigte er sich, daß er Lanfredino nicht so häufig schreibe, wie er eigentlich müsse, um den Erwartungen Lanfredinos zu entsprechen, von dem er zuletzt am 14. und 29. April zwei Briefe erhalten hatte. Er hoffe, daß seine vielen Briefe an Filippo eine gewisse Entschädigung böten, befinde sich sein Bruder doch bei Lanfredino! Instruktiv sind Giulianos referierenden Verweise auf vorherige Anweisungen Lanfredinos und Filippos, die diese ihm wegen der Einziehung von Geld und der Durchführung bestimmter Wechselgeschäfte gegeben hatten und deren erfolgreiche Ausführung er vermelden konnte. Mehrere spezielle Anordnungen Lanfredinos hatten in diesem Kontext die Geschäfte der von ihm und Filippo geführten, weiterhin unter Piero de’ Medicis Namen laufenden MediciGoldschlägergesellschaft betroffen, die Giuliano nur als bottegha oder bottegha del B zu bezeichnen brauchte. Es scheint fast, als habe Giuliano als Leiter der Lyoner BartoliniBank seit dem mysteriösen Wechsel der Gesellschaftsform im Februar 1495 primär die Interessen jener Firma vertreten. Auf diese bottega der Medici beziehen sich die Erfolgsmeldungen Giuliano da Gaglianos über eingetriebenes Geld, worüber er dem Lanfredini am 25. Mai Folgendes berichtet: ‚Ihr habt in einem Eurer Briefe mehrere weitere Einzelheiten angesprochen, welche die bottegha del B betreffen. Ihnen (den Teilhabern) habe ich alles eingetriebene Geld gutgeschrieben und alles, was mir möglich war; dies habe ich zum 20. Juli mit einem Wechsel auf die Bank von Taddeo Gaddi [in Florenz] gezogen, die dann allen Euren (Lanfredinos) Anweisungen folgen soll.‘ Am 30. Mai fügte Giuliano hinzu: ‚An die bottegha habe ich noch nicht geschrieben, da ich bis jetzt gewartet habe, um mit jedem die Konten abzuschließen. Innerhalb von acht Tagen sollte dies erfolgt sein. Dann reicht es, wenn ich das, was ich vom Schatzmeister Jacques de Beaune (di Bielnna) einzuziehen habe, jenen (der bottegha!) gutschreibe; und so habe ich ihnen (schon) auf Euren Namen 64 Scudi di marca und einen Soldo gutgeschrieben, die mir die Bartolini (d.h. die Lyoner Bartolini-Bank) für Eure alte Goldschlägergesellschaft (per ato della ragione vecchia vostra del Battiloro) gutgeschrieben haben. Die andere Gutschrift in Höhe von 180 Scudi di marca habe ich als Florenz Giuliano da Gagliano 18 fl. und einen Diamanten zurück, da er die noch in Lyon (also bis Ende 1495!) abgeschlossene Wette verloren hatte, daß Giuliano da Gagliano nicht heiraten würde; ASP IV/5, c. 138, 139, 142. Allerdings hatte Giuliano wie erwähnt seine Frau Lucrezia di Piero Cambi erst Anfang 1510 geheiratet. Paten seiner am 20.6.1512 geborenen Tochter Ginevra wurden Cosimo Sassetti und der krank in Careggi liegende Bartolomeo Panciatichi. 279 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 5–6 (25. und 30.5.1495, Giuliano da Gagliano aus Lyon an Lanfredino Lanfredini in Florenz; am 30.6. in Florenz registriert).

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Gewinn für die Medici-Bank in Rom, d.h. für die bottegha auf Euren Namen angewiesen. Für die bottegha bzw. deren Leute habe ich ferner von Cosimo Sassetti 15 Scudi di sole im Wert von 15 großen Fiorini erhalten; er sagte mir, er schulde sie Euch.‘280 Giuliano da Gagliano informierte Lanfredino Lanfredini brieflich ebenfalls akkurat über die Ausführung jedes einzelnen Wechselbriefgeschäfts, mit welchem ihn Lanfredino oder auch sein Bruder Filippo beauftragt hatte. Diese beiden handelten dabei stets im Namen der Florentiner Gesellschaft Piero de’ Medici e compagnia battilori di Firenze, wie die komplementären Verbuchungen in Giulianos Rechnungsbüchern erweisen. (Deshalb hatte sich Cosimo Sassetti am Schluß seines Briefes vom 15. Mai auch nicht nur dem Adressaten Lanfredino Lanfredini, sondern zugleich Filippo [da Gagliano] und Pierantonio [Carnesecchi] empfohlen, also den weiteren bekannten Teilhabern der MediciGoldschlägergesellschaft, die Lorenzo de’ Medici im Oktober 1491 „an Bord“ geholt hatte.281) Dies gilt selbst dann, wenn eine Zahlung direkt auf den Namen Lanfredinos oder Filippos verbucht wurde.282 Bis zum 16. Juni 1495 konnte Giuliano auf diesem Lanfredini-Konto insgesamt 2.076, 17, 9 Fiorini larghi bzw. 2.222, 0, 4 Scudi verbuchen, von denen 108 Scudi als Profit des Kontos errechnet wurden.283

280 Filippo da Gagliano hatte seinen Bruder Giuliano schon am 23.2.1495 aus Florenz brieflich

unterrichtet, daß er persönlich von Cosimo Sassetti 16 fl. und daß Lanfredino bzw. die Medicibattilori von ihm (jene im Mai zurückgezahlten) 15 fl. l.gr. zu erhalten hätten; ASP IV/4, libretto di ricordi, c. 11v. 281 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 2 (15.5.1495, Cosimo Sassetti aus Chambéry an Lanfredino Lanfredini). 282 Als Giuliano dem Lanfredini am 25.5.1495 z. B. brieflich mitteilte, diesem seien von Zanobi und Girolamo Gaddi 10, 0, 4 Mark zu 64⅓ gezahlt worden, verbarg sich hinter dieser Information folgender Buchungsvorgang in seinem Geschäftsbuch. Auf einem Konto, das Giuliano für die römische Bank Zanobi e Girolamo Ghaddi e compagnia di corte di Roma führte, das aber speziell bzw. explizit für die (sopra de’) Medici battilori di Firenze lief, verbuchte Giuliano zum 9.12.1494 einen Zahlungseingang im Wert von 10, 0, 4 Goldmark zu einem Kurs von 64⅓ fl. l.o. pro Mark, die er ihnen auf der gegenwärtigen Allerheiligen-Messe zum 15.1.1495 nach Florenz trassiert bzw. gezogen habe, d.h. für Lanfredino Lanfredini als Begünstigten. In bar erhalte er, Giuliano, nun 651, 7, 2 Scudi. Die Gegenbuchung führte Giuliano auf der Geben-Seite eines Kontos aus, das er für Lanfredino Lanfredini über sein (Giulianos) Korrentkonto führte. Hier war also zum 9.12.1494 der Wert von 10, 0, 4 Goldmark bei einem Kurs von 64⅓ fl. l.o. pro Mark zu geben, da Giuliano ihm diese Summe auf der Allerheiligen-Messe 1494 zum folgenden 15.1. durch die römische Bank von Zanobi und Girolamo Gaddi in Florenz remittiert habe; auf die Gaddi habe er den Betrag über ihr Konto, das sie für die Medici-battilori führten, gezogen bzw. trassiert. In bar habe er, Giuliano, auf seinem Lanfredini-Korrentkonto daher 644, 13, 6 fl. l.o. zu erhalten, die 651, 7, 2 Scudi entsprächen; ASP IV/2, c. xxxvii, 40. 283 Weitere Banken, die hier und in analogen Konten in solche Wechselgeschäfte einbezogen wurden, wären zu nennen; etwa für Lyon: Neri Capponi e Bartolomeo Buondelmonti e compagnia di Lione, Lorenzo Dati e compagnia di Lione, Antonio Mellini e compagnia di Lione, Antonio Pivi e Giorgio Colombini e compagnia di Lione, Paolo Sauli di Gienova in Lione; für Florenz: Gherardo Paganelli e compagnia battilori di Firenze (an der Francesco del Pugliese beteiligt gewesen sein muß), Taddeo Gaddi e compagnia di Firenze; für Venedig: Matteo Strozzi e Piero Corboli e compagnia di Vinegia; für Neapel: Rede di Tommaso Ginori e compagnia di Napoli; ferner die bereits genannten Nasi- und Vöhlin-Gesellschaften in Lyon und die Rucellai-Bank in Rom.

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Einige dieser Wechselbriefgeschäfte – die nota bene auch bei verschlungenen Verläufen letztendlich stets auf die Florentiner Medici-Goldschlägergesellschaft unter Lanfredino Lanfredini und Filippo da Gagliano zurückzuführen sind – dürfen besondere Aufmerksamkeit beanspruchen. Denn bei ihnen war erneut ein anonymer Freund involviert, der nun aber das Kürzel „A“ trug. Seit dem 3. Dezember 1494 erscheint jener amico A in den Geschäftsaufzeichnungen Giuliano da Gaglianos, als er mit Summen von jeweils 2.015 und 1.852, 10 Scudi als eigentlicher Begünstigter von Wechseltransaktionen des Winters 1494/95 genannt wird, die von Filippo da Gagliano und Lanfredino über Giuliano für die Medici-battiloro-bottega geführt wurden.284 Auf beide Operationen ging Giuliano gleich am Anfang seines Briefes vom 25. Mai 1495 an Lanfredino ein, wobei er hier den Freund „A“ als äußerst ehrenwerten (honesto onesto) Gläubiger bezeichnete. Damals erhielt Giuliano von den Medici-battilori durch einen am 6. Mai erhaltenen Brief, den diese am 24. April 1495 geschrieben hatten, einen weiteren Auftrag. Zur laufenden Oster-Messe sollte Giuliano auf jenem Korrentkonto, das er für seinen Bruder Filippo führte, diesen im Namen des amico A mit einer Summe von 2.187, 15, 4 Scudi (33, 5, 6, 8 Goldmark zu 65 Dukaten pro Mark) zum Gläubiger machen – der also dies Geld zu erhalten hatte –, während die Gesellschaft Piero de’ Medici e compagnia battilori di Firenze mit dem Betrag in ihrem Korrentkonto in Giulianos Buch zum Debitor erklärt werden sollte.285 Genauso wie der amico G muß auch der Freund „A“ in Florenz gewohnt haben und in einer besonders engen Beziehung zu Lanfredino, Filippo und der Goldschlägergesellschaft der Medici gestanden haben. Gemäß der Abkürzung muß sein Vornamen mit „A“ begonnen haben, weshalb in diesem Kontext eigentlich nur Alamanno Salviati in Frage kommt, den wir tatsächlich noch wiederholt als intimen Freund Lanfredinos und Filippos kennenlernen werden. Der Salviati hätte damit anonym über die bottega del battiloro Finanzgeschäfte betrieben. Nicht nur bei Wechselgeschäften zogen die Lyoner Bartolini-Bankgesellschaft und die Florentiner Medici-battiloro-bottega am gleichen Strang. So hatte Giuliano da Gagliano nach dem Sommer 1494, d.h. offenbar seit der Vertreibung der Medici, auch die Aufgabe, für die Lyoner Bartolini-Bank und die Medici-Goldschlägergesellschaft Waren zu verkaufen, die dem Titel der Firma entsprachen, also etwa mit Gold veredelte Stoffe (wie Brokat), Gold- und Silberfäden für die Tuchveredelung, Seide und weitere Luxusstoffe. Zwei wertvolle Brokatstoffe erwarb zur Zeit der Allerheiligen-Messe 1494 sein Geschäftsfreund Jacques de Beaune für insgesamt 834 Scudi. Bei der entsprechenden, zum 6. Februar 1495 vorgenommenen Buchung präzisierte Giuliano nun, er habe einen Stoff im Auftrag der neuen Medici-Goldschlägergesellschaft (di conto de’ Medici battilori della ragione nuova) verkauft, den anderen hingegen gemeinsam je zur Hälfte auf Rechnung dieser Medici-battilori und der alten Gesellschaft der Bartolini-Bank [des Buches „D“ 284 ASP IV/2, c. 15, XXXIII, XXXV. Bei dem Geschäft über 1.852 Scudi bediente sich Giuliano da

Gagliano eines Sonderkontos „A“ bei der römischen Rucellai-Bank sowie der Bank des Pierandrea da Verazzano. 285 ASP IV/2, c. XV, 35.

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1489–92] in Lyon. Der Gesamtbetrag wurde jedoch allein der neuen Lyoner BartoliniGesellschaft des ‚blauen Buches mit der Signatur E‘ gutgeschrieben.286 Das Geld erhielt demnach die für Piero de’ Medici 1492 neu gegründete Lyoner Bartolini-Bank, an der angeblich nur Bartolomeo Bartolini und Giuliano da Gagliano partizipierten. Aus diesem gemeinsamen Bestand ließ Giuliano noch bei seiner Abreise aus Lyon fünf wertvolle Stücke Goldbrokat im Gewahrsam der Nasi-Bank zurück, über deren bestmöglichen Verkauf er während des ganzen Jahres 1496, noch 1498 und schließlich letztmals 1502 im Auftrag Lanfredinis und seines Bruders Filippo Anweisungen an die Nasi gab – ein weiteres Zeugnis mediceischer Kontinuitäten.287 Die Analyse solcher Konten und Geschäfte weist also auf manch verdeckten Gewinn hin, der den Medici auch nach 1494 zugute kam. Gerade in diesen Zeiten klandestiner Notwendigkeiten machte sich für sie die Existenz der 1482 gegründeten mediceischen Tarnbanken bezahlt, im wahrsten Sinne des Wortes. So lassen sich in den Büchern der Lyoner wie Florentiner Bartolini-Bank zwischen Juli 1495 und August 1496 Wechselgeschäfte nachzeichnen, die Giuliano da Gagliano aus der Lyoner Bartolini-Bank heraus mit Gianbattista Bracci sopra de’ nostri di Firenze durchführte und die von Giulianos Lyoner Nachfolger Leonardo di Bartolomeo Bartolini noch bis März 1497 fortgeführt wurden.288 Dies bedeutete, daß Bracci das Geld zur Verfügung stellte und über die Florentiner Bartolini-Bank im Zusammenspiel mit Giuliano „arbeiten“ ließ. Das Gleiche wurde im Juli 1495 für einen anonymen Freund „L“ der Lyoner Bartolini-Bank praktiziert, der hier wahrscheinlich mit Lorenzo Tornabuoni identisch ist.289 Denn in dem Zeitraum von Februar 1496 bis Januar 1497 erwirtschaftete die Florentiner Bartolini-Bank (mit Hilfe ihres Appendix, der Bank des Giovanni d’Ambra) für Lorenzo Tornabuoni, der Beträge von gut 800 und 1.100 Fiorini einsetzte, gute Profite aus solchen cambi mit Lyon (d.h. mit Bernardo de’ Rossi und Leonardo Bartolini).290 Was in diesen Jahren, aber in gewohnter Perfektion auch in den folgenden, auf dunklen Wegen erwirtschaftet wurde, diente – das wird sich noch des öfteren erweisen – den Medici und ihrem Kampf um Florenz! Die Medici-Goldschlägergesellschaft ist offenbar im Sommer 1495, nicht zuletzt aufgrund der notwendig gewordenen Flucht des Filippo da Gagliano, beendet worden. Gewinne erhielt sie freilich noch viele Jahre danach, etwa über Filippo da Gagliano – so wie Giuliano späte Profite und alte Schulden noch nach 1500 für die Lyoner Bartolini-Bank kassierte. So berechnete Giuliano am 9. Februar 1496, als er bereits wieder in Florenz war und seine Konten saldierte, für Piero de’ Medici e compagnia battilori di Firenze einen Gewinn von 130 Scudi di marca, den er auf seinem Gewinnkonto verbuchte.291 Und am 12. Februar 1496 übertrug Giuliano für diese bottega del battiloro ein nicht unbeträchtli286 ASP IV/2, c. 29, XLIII. 287 ASP IV/6, c. 80r/v, 81r/v, 82r, 83r/v, 92v. 288 ABS 107, c. 18/XVIII, 23/XXIII; ABS 227, c. XI, 19 (mit insgesamt mehr als 2.400 Fiorini), 78

(mit 887 Fiorini August 1496 bis März 1497). 289 ABS 227, c. 13/XIII, 14 (mit 1.030 Fiorini). 290 ABS 227, c. 54/LIIII, 74/LXXIIII, 82. 291 ASP IV/2, c. 22, LXXIIII.

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ches Guthaben von 1.626, 16, 2 Scudi von einem Zeitkonto dieser Gesellschaft in sein neues Geschäftsbuch mit dem Sigel „B“, das er in den folgenden Jahren in Florenz führte. Von eben jenem Zeitkonto hatte Giuliano zum 15. Mai 1495 jene 642 Scudi di grosso (bzw. 635, 11, 7 Scudi di marca), die er für die battilori von Jacques de Beaune eingezogen hatte, auf ein Korrentkonto der bottega del battiloro umgebucht, auf welchem er ihnen von Dezember 1494 bis September 1495 insgesamt beachtliche 6.436, 6, 10 Scudi di marca gutschreiben konnte.292 Auch den Erlös der beiden letzten Brokatstoffe aus dem Besitz der Goldschlägergesellschaft und der Lyoner Bartolini-Bank in Höhe von 566 Fiorini erhielten im Juni 1502 je zur Hälfte Filippo und Giuliano da Gagliano293 – stellvertretend für jene beiden Firmen, doch blieb das Geld gewiß nicht auf ihrem Konto. Da Giulianos Funktion in Lyon durch seine Leitung der Lyoner Bartolini-Bank und seine Teilhaberschaft an ihr bestimmt wurde und da er diese als Stellvertreter des amico G ausübte, in welchem wir niemand anderen als Gianbattista Bracci erkennen können, scheint Bracci als Generalmanager der noch existenten Medici-Gesellschaften und als Chef wie Teilhaber der Florentiner Medici-Erben-Bank weiterhin über solche Gewinne der bottega di battiloro verfügt zu haben – und zwar zum Nutzen der Medici, was zahlreiche weitere Aktivitäten Braccis und seines Adlatus Francesco Naldini noch deutlicher bestätigen werden. Weil der Medici-Strohmann Filippo da Gagliano von seinem Bruder nicht nur neue Gewinne erhielt, sondern auch die aus früheren Geschäften, die vor der Exilierung abgeschlossen worden waren, wird er beide ebenfalls ganz oder weitgehend an die Medici abgeführt haben, vermutlich über Konten bisher noch unbekannter bzw. noch nicht analysierter Tarnbanken. Hochrangige Geschäftsfreunde am französischen Hof Vor allem seit dem mercato d’agosto von 1494 führte Giuliano mit zahlreichen Personen und Gesellschaften die unterschiedlichsten Geschäfte durch, die mit Blick auf die schlagartig einsetzende Dichte und Vielfalt offenbar nicht erst durch ihn angebahnt wurden, sondern auf älteren Geschäftsbeziehungen der Lyoner Medici-Bank fußten. Mit dieser werden Jacques de Beaune und Pierre Briçonnet, Angehörige der königlichen Finanzelite aus Tours, auch schon vor 1492 bzw. dem Juli 1494 in Verbindung gestanden haben.294 Es ist jedenfalls auffallend, in welch starkem Maße Personen aus Tours seit dem August 1494 in den Konten Giuliano da Gaglianos bzw. der Lyoner Bartolini-Bank erscheinen, die insbesondere Jacques de Beaune nahestanden, dem Schatzmeister der Königin, aber auch diversen königlichen Finanzinstitutionen. Zu nennen wären noch im Kontext des Augustgeschäfts, aber meistens auch später, der Lyoner Steuereinnehmer (ricievitore) Jacques Erodes, der Lyoner Diamantenhändler (diamantiere) und Münzmeister Jean Riccier (Riccire) alias Chaion, der frühere Lyoner Münzmeister Antoine Vidale, der Kaufmann Ghaldo Chitieri aus Tours, Louis Sentiere 292 ASP IV/2, c. XXXV, 47. 293 ASP IV/6, c. 92v. 294 Spont, Semblançay, S. 101, gibt hierzu allerdings nur sehr vage Hinweise.

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aus Tours, Guillaume (Ghuglielmino) Ciciernau, Juwelier der Königin von Frankreich Anne de Bretagne, Jean de Punciery aus der Finanzbehörde (argienteria) des Königs und Guillaume Menaggiere, beide Kaufleute aus Tours, Maurice Briand und Regnault (Arnaldo) Briçonnet, seit Dezember 1493 Finanzminister (argentier) König Karls VIII.,295 auch sie wiederum aus Tours, sowie der königliche Goldsticker (ricamatore) Guillaume Martine. Es gab neben den üblichen Kredit- ebensoviele Warengeschäfte, bei denen vor allem Jacques de Beaune (seit Dezember 1495 Finanzgeneral des Languedoc), Jean de Punciery, Maurice Briand, Regnault Briçonnet und Guillaume Martine über Giuliano da Gagliano und die Lyoner Bartolini-Bank 1495/96 in engerer Geschäftsverbindung zur Florentiner Battiloro-Gesellschaft der Mediceer standen, von der sie Brokat- und weitere Goldstoffe erwarben, mit denen dann u. a. der königliche Haushalt beliefert wurde.296 Solche Kunden wurden sogar gepflegt, wie die Spesen eines Abendessens zeigen, das Giuliano da Gagliano Ende Juli 1495 für Regnault Briçonnet, argientiere del re, gab.297 Leonardo Bartolini fügte solchen Bindungen, wie gesehen, eine weitere Dimension hinzu, indem er sich mit (dem 1496 bereits verstorbenen) Thomas Briçonnet beim Ballspiel vergnügte.298 In diese Geschäftsstruktur waren erstaunlicherweise auch deutsche Kaufleute eingebunden, allen voran die Johann Vöhlin-Gesellschaft in Lyon, die damals bereits unter der faktischen Leitung von Anton Welser stand, der 1479 eine Tochter von Johann Vöhlin geheiratet hatte.299 Die Vöhlin-Welser-Gesellschaft partizipierte damals eher bei den Kredit- und Wechselgeschäften der Mediceer, oft in Verbindung mit französischen Finanzbeamten in Lyon wie etwa dem Münzmeister Jean Riccier.300 Wir werden allerdings noch zeigen, daß sich daraus eine sehr enge, fruchtbare und dauernde Handelsfreundschaft der Welser mit den Mediceer-Kaufleuten entwickelte, aus welcher die Fugger als Konkurrenten der Welser geradezu systematisch ausgeschlossen waren. Andere deutsche Kaufleute wie Peter Ornor aus Nürnberg hingegen lieferten vornehmlich Marderpelze und andere Felle über Giuliano in Lyon nach Florenz an die Battiloro-Gesellschaft, von der sie 295 Zu Briand eine kurze Erwähnung bei Spont, Semblançay, S. 11 (im Kontext der Aufteilung des

Erbes von Jacques’ Vater Jean de Beaune), zu Regnault Briçonnet ebd. S. 16f., Anm. 5; vgl. auch die kurzen Notizen bei Harsgor, Recherches, S. 1917 (S. 1895–1954 Kurzbiographien zu wichtigen Mitgliedern der Familie Briçonnet). Regnault war ein Sohn von Guillaume (I) Briçonnet dem Älteren, somit ein Neffe von Guillaume (II) dem Jüngeren, dem Bischof von StMalo, Kardinal und Medici-Feind. Regnault wurde 1493 als Nachfolger seines Onkels Pierre argentier des Königs, von 1492–98/99 führte er u. a. zusammen mit Jean Poncher (verheiratet mit Perrine Briçonnet, der Tochter von Regnaults Großonkel Jean Briçonnet dem Jüngeren, der wiederum mit Catherine de Beaune eine Schwester von Jacques de Beaune geheiratet hatte) eine Handelsgesellschaft in Tours, die den königlichen Haushalt mit hochwertigen Stoffen belieferte – und diese Luxusware wahrscheinlich auch von der Medici-Gesellschaft erhielt. 296 Vgl. etwa ASP IV/2, c. 43–XLIIII, 47/XLVII, 55/LV. 297 ASP IV/2, c. 76. 298 ABS 197, c. LXXXX (aus Wettschulden und kleineren Krediten hätte Leonardo Bartolini 24 Scudi von Thomas Briçonnet zu erhalten gehabt, den er jedoch 1496 als morto bezeichnete). 299 Freundlicher Hinweis von Peter Geffcken, der für die Edition der Welser-Handelsbücher diesen Beziehungen der Vöhlin/Welser zu den Mediceern gezielter nachgehen wird. 300 Vgl. etwa ASP IV/2, c. 16–XVII.

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dann mit einem deutlich höheren Finanzvolumen ‚armen‘ Brokat (vermutlich mit versilberten statt vergoldeten Seidenfäden veredelt), Silberfäden und hochwertige Stoffe kauften.301 Mitarbeiter: Giuliano Biliotti und Domenico Perini Förderlich für die Zusammenarbeit der Mediceer waren auch die Personen aus dem dritten Glied. Denn sie konnten problemlos in verschiedenen Medici- bzw. Mediceer-Firmen eingesetzt werden. (So hatte Giovanni d’Ambra ja lange in der Florentiner Bartolini-Bank gearbeitet, dann für einige Zeit in der Medici-Seidengesellschaft, um schließlich 1496 einer ganz offenkundig von der Bartolini- oder Medici-Erben-Bank abhängigen neuen Florentiner Bank seinen Namen zu geben, in welche auch Lorenzo di Manno Temperani aus der Bartolini-Bank wechselte.) Giuliano d’Agostino Biliotti, Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank und Sohn eines führenden Medici-Bankiers, wirkte im Mai 1495 ebenfalls für Giuliano da Gagliano, der ihn zusammen mit Domenico Perini bei Wechseloperationen einsetzte. Der Biliotti sei, so Giuliano, noch jung, aber verdiene Lanfredinos Wohlwollen.302 Giuliano da Gagliano rechnete damals mit der Möglichkeit, sich Mitte Juli in Florenz aufzuhalten, möglicherweise wegen der bevorstehenden Untersuchungen gegen seinen Bruder Filippo. Schon im April 1495 hatte der junge Biliotti Giuliano von Chambéry aus gebeten, ihm mit neun Scudi den noch ausstehenden Rest seiner Reisespesen von insgesamt 20 Scudi gutzuschreiben, die ihm (Biliotti) entstanden waren, als der MediciAgent Jacopo Falcischi für die römische Medici-Bank nach Lombez gereist war, um dort, in der Bischofsstadt des betagten Kardinals und königlichen Rates Jean de BilhèresLagraulas, bei dessen Schatzmeister geschuldetes Geld für die römische Medici-Bank einzutreiben.303 301 Vgl. etwa ASP IV/2, c. 63/LXIII. 302 Zu Agostino Biliotti vgl. De Roover, Rise, s.v. Im Namen Giuliano da Gaglianos – und in

mündlicher Absprache mit diesem – kaufte Giuliano Biliotti zum 19.5.1495 für 520 Scudi einen Wechsel, den die Bank des Piero de’ Nerli in Lyon (als Trassant) auf die des Benedetto de’ Nerli in Florenz (als Trassat) zog, wobei der Betrag zum 20. Juli an Giuliano da Gagliano bzw. bei dessen Abwesenheit an Lanfredino als Begünstigten remittiert wurde. (Benedetto und Francesco de’ Nerli waren im übrigen enge Geschäftsfreunde von Bartolomeo Bartolini und Lorenzo Morelli; vgl. Goldthwaite, Lorenzo Morelli, S. 610.) Auf die gleiche Weise verfuhr Biliotti nochmals mit einem Betrag von 585 Scudi, wobei der Lyoner Wechselnehmer nun Domenico Perini statt Giuliano da Gagliano hieß, der jedoch wiederum in Florenz der Präsentant des Wechsels sein sollte (bzw. in seiner Abwesenheit erneut Lanfredino); vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 5–6 (25./30.5.1495, Giuliano da Gagliano aus Lyon an Lanfredino Lanfredini; der genaue Sinn seiner brieflichen Informationen wird in diesem Fall erst durch die entsprechenden Konten klar); ASP IV/2, c. LXVIIII, 71 (die Summe ergab sich, weil für die eingesetzten 8 bzw. 9 Goldmark ein Kurs von 62⅔ Fiorini larghi in Florenz bzw. 65 Dukaten pro Mark in Lyon festgesetzt worden war; das Konto für Perinis Wechsel konnte in Giuliano da Gaglianos Geschäftsbuch nicht gefunden werden). 303 ASP IV/2, c. 18, LXV (diese Spesen wurden dann auf dem Konto der römischen Medici-Bank bei der Lyoner Bartolini-Bank verrechnet); zu Jean de Bilhères-Lagraulas als königlichem Rat vgl. Harsgor, Recherches, S. 311, 388 (im Juli 1494 amtierte der Kardinal nach längerem Rom-

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Domenico di Gherardo Perini, der am 7. März 1464 im Quartier San Giovanni, einer Hochburg der Mediceer, geborene Florentiner, wirkte schon 1490 in Lyon als Agent der Florentiner Medici-Bank, kam aber 1494 für einige Monate nach Florenz zurück, da er sich kurz nach der Exilierung der Medici an der Sicherung ihrer Güter beteiligte (bzw. er wurde dafür eingesetzt).304 Danach ist er wieder in unmittelbarer Nähe der in Lyon wirkenden Mediceer zu finden. 1495 stand er in der geschäftlichen Hierarchie noch unter dem jungen Biliotti. Denn Perini gewinnt in Giulianos Konten die Konturen eines Kommissionärs, der beispielsweise gegen eine Provision von einem Prozent im Auftrag von Giuliano da Gagliano bzw. der Lyoner Bartolini-Bank und der Lyoner Medici-Bank Luxusstoffe verkaufte, die von der Florentiner Medici-battiloro-bottega und von Francesco del Pugliese aus Florenz geliefert worden waren.305 Damit war aber auch eine Vertrauensstellung bei Giuliano da Gagliano und seinen Auftraggebern verbunden, wie insbesondere Wechseloperationen von Ende 1495 und Anfang 1496 belegen, als Giuliano da Gagliano Lyon bereits verlassen hatte. Zum 3. Dezember 1495 remittierte er z. B. für Giuliano einen Wechselbrief an die Florentiner Bank des Taddeo Gaddi per conto di uno amico mio a mio ordine306; am 24. Januar 1496 sollte Perini per conto Giulianos 1.081 Scudi in Empfang nehmen, die dieser von der befreundeten Bank des Matteo Strozzi und Piero Corboli aus Venedig auf die Nasi-Bank in Lyon hatte ziehen lassen.307 Doch Domenico Perini blieb auch in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod 1505 in Lyon ein Agent, im Grunde ein Handlanger der dortigen und v. a. der Florentiner Mediceer-Bankiers, von denen er sehr oft als Mittelsmann für ihre Wechselbriefoperationen eingesetzt wurde. Filippo da Gagliano: Bekenntnisse und Langeweile eines geflüchteten Medici-Bankiers Auf einem höheren und deshalb auch exponierteren Niveau war freilich Filippo da Gagliano gleichermaßen ein Handlanger der Medici. Für ihn wurde der Boden im Laufe des Jahres 1495 so heiß, daß er seine Heimatstadt verlassen mußte. Glücklicherweise liegen uns einige Briefe vor, die er danach geschrieben hatte. Sie ergänzen die ziffernlastige Welt der Konten, Finanzgeschäfte und Gesellschaftsverträge um die alltägliche, oszillierende Lebenswirklichkeit eines zur Passivität gezwungenen Protagonisten der MediciFinanzoligarchie und seiner Freunde, auf die er sich freilich verlassen konnte.

und Italienaufenthalt in Frankreich als Mitglied des königlichen Rates, er war also vor dem französischen Heer nach Frankreich zurückgekommen); vgl. zu ihm auch Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), s.v. 304 Zum frühen Lyoner Aufenthalt s. ABS, Inventario delle pergamene, I, 1 (non attenenti alla famiglia), 2.9.1490 (Domenico Perini, mercatante fiorentino abitante in Lione, führte einen Protest in einem Wechselbriefgeschäft aus); zu Geburtsdatum und Herkunft s. Tratte, s.v.; zur Hilfe für die Medici s.u. S. 368. 305 Vgl. ASP IV/2, c. 44/XLIIII, LVI, 58, 91–LXXXXIII. 306 ASP IV/4, c. 45r. 307 ASP IV/2, c. 51, 95/LXXXXV; zu einem Wechselvorgang vom Dezember 1495 und Januar 1496 vgl. ebd. c. LXXXXI.

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Von Februar bis ungefähr Ende August 1495 hatte sich Filippo da Gagliano in Florenz befunden, wo er an der Seite Lanfredino Lanfredinis wieder die gemeinsamen Finanzgeschäfte für die Medici-Goldschläger-Gesellschaft aufgenommen und sich weiteren Geschäften gewidmet hatte, etwa in der mit seinem Bruder sowie seinem Freund Niccolò Michelozzi unter dem Namen Michele Ubaldinis betriebenen Wollgesellschaft. Im privaten Bereich traf ihn Anfang Juni ein Schicksalsschlag, als seine Frau Alessandra Soderini wenige Tage nach der Geburt ihres Sohnes Antonio am 3. Juni verstarb.308 Gleichzeitig aber hatte er sich mit der Anklage auseinanderzusetzen, Staatsgelder in erheblicher Höhe zugunsten der Medici veruntreut zu haben. Als er sich nach Prozeßende am 19. August aufgrund des provokant milden Urteils auch vor körperlichen Angriffen schützen mußte, nahm er kurz darauf erneut – wie schon Ende 1494 – Reißaus. ‚Es gibt nur einen Grund, weshalb ich mich aus Florenz entfernt habe‘, wird er am 12. April 1496 nach kurzer Rückkehr und wiederholter, nun dritter Flucht von Vernia aus gegenüber seinem Vertrauten Niccolò Michelozzi resümieren. ‚Ich wollte nicht gezwungen sein, im Gefängnis [über jene Veruntreuung] disputieren zu müssen, womit man mich mehrmals bedroht hat.‘309 Dieser Brief bildet den letzten von insgesamt sieben erhaltenen Briefen, die unser MediciBankier nach seiner Flucht während des Medici-Exils an Michelozzi schrieb. Leider sind diejenigen an seinen Freund und Partner Lanfredino Lanfredini entweder verloren oder bisher nicht entdeckt worden. Denn in engem Kontakt blieben beide, wie Filippos Briefe an Michelozzi zeigen. Der erste stammt vom 14. September 1495, geschrieben aus Bologna, wo Filippo also ähnlich wie viele andere Mediceer als erstes Sicherheit suchte. Schon damals plante er, von dort über Modena und Ferrara (also nicht auf direktem Weg) nach Venedig weiterzureisen, wohin er allerdings erst im November gelangte.310 Doch diese Realität außerhalb der Florentiner Kontore und der nahegelegenen Landgüter war eine, der er sich mit größtem Widerstreben stellte. Schon die Reise war für ihn eine körperliche und seelische Strapaze, der er am liebsten wie den allgegenwärtigen, von ihm gefürchteten Gefahren ausgewichen wäre. Ein zentrales Thema zwischen Filippo da Gagliano und Niccolò Michelozzi bestand natürlich von Beginn an in Filippos Verteidigung und Rehabilitierung vor der Florentiner Signoria. Der Michelozzi und ein Giovanni – eventuell sein Cousin Giovanni di Jacopo Morelli – hatten sofort nach seiner Flucht die Signoria aufgesucht, um ihr den Grund seiner Abreise zu erklären. Obwohl dies kaum mehr als cerimonia sei, sei dieser Weg doch nicht unangebracht, so Filippo am 14. September aus Bologna. Mehr Erfolg versprach sich Filippo durch die Intervention Ludovico Morellis – buono strumento a queste cose! –, an dessen Anordnungen Michelozzi sich halten sollte und mit dem Filippo sogar 308 ASP IV/1, c. 192v. 309 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 67 (12.4.1496, Filippo da Gagliano aus Vernia an Niccolò

Michelozzi in Florenz). Mit seinem damaligen Aufenthaltsort war der Franziskanerkonvent von La Verna im toskanischen Apennin gemeint, nahe bei Bibbiena. 310 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 59 (14.9.1495, Filippo da Gagliano aus Bologna an Niccolò Michelozzi in Florenz); c. 60–61 (30.9.1495, Ders. aus Ferrara an Dens.); c. 65 (19.11.1495, Ders. aus Venedig an Dens.).

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in brieflichem Kontakt stand. Bei diesem Freund handelt es sich um Ludovico di Jacopo Morelli, der auch später noch im Kreis der Florentiner Mediceer erscheint und ebenfalls zu den Cousins Filippos gehörte.311 Fest steht jedenfalls: Wer in jenen Zeiten offen für Filippo da Gagliano eintrat, gehörte zu den Freunden der Medici – was auch für Verwandte galt. Bedauerlicherweise (für uns) kannte der Michelozzi die Freunde Filippos – die in der Regel wohl auch seine waren –, so gut, daß Filippo meist nur sehr allgemein von den amici oder la mia brighata, brighatina, sprechen mußte. Einige aus dieser Freundesbrigade sollten z. B. jene ihm wohlgesinnten Syndizi – hier wäre etwa an einen Francesco Girolami zu denken – zu seinen Gunsten beeinflussen, denn die anderen bereiteten ihm nur Mühsal, wollten ihm ‚für einen Profit von 10 Fiorini einen Schaden von 500 Fiorini bereiten‘.312 Namentliche Erwähnung unter den Freunden fanden der Ubaldino – also Michele Ubaldini, der nominelle Leiter der Wollgesellschaft von Filippo und Giuliano da Gagliano und Niccolò Michelozzi –, der im Mugello ‚das Amt eines guten Freundes‘ für Filippo ausübte, ferner ein nicht identifizierbarer Antonio, jener Giovanni, Cosimo [Sassetti], Manno [Temperani] sowie Luigi [di messer Agnolo] della Stufa (il mio Luigi dalla Stufa), der aus einer medicitreuen, ritterlichen Familie stammte und bezeichnenderweise – für die Verflechtung wie für den sozialen Aufstieg Filippos – am 13. November 1485 zusammen mit Filippo di Bartolomeo Valori Pate von Filippos zwei Tage vorher geborenem Sohn Lorenzo Martino Romolo – der erste Vorname gewiß eine Reverenz gegenüber dem Magnifico – geworden war.313 Ihn sollte der Michelozzi herzlich von Filippo grüßen; und von dessen Sohn sollte er ihm berichten, wie es diesem nach seinem Sturz vom Pferd ergangen sei, denn ihm, Filippo, liege es am Herzen, zu erfahren, ob er geheilt sei.314 Vermutlich sprach Filippo hier über Luigis Sohn Prinzivalle, den wir wie seinen Vater dann 15 Jahre später bei einem geplanten Attentatsversuch zugunsten der Medici noch als sehr aktiven Parteigänger der exilierten Medici kennenlernen werden. Eine entscheidende, ihm offenkundig wohlwollende Bezugsperson bildete für den Geflüchteten Pagolantonio, d.h. sein Verwandter Pagolantonio Soderini, ein Onkel seiner vor kurzem verstorbenen 311 So läßt Jacopo Salviati den Morelli im Dezember 1506 nicht zufällig über seinen Freund und

Kompagnon Lanfredino Lanfredini mit einer Freundschaftsgeste von sich grüßen; und von Cerretani wird Ludovico Morelli für den September 1512 nach der Rückkehr der Medici im Kreis befreundeter Amtsträger genannt. Sein Verwandter Lorenzo di Matteo Morelli war ein enger Freund Bartolomeo Bartolinis und gehörte nach der Rückkehr der Medici zu deren wichtigsten Vertrauten. Vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 171 (5.12.1506, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfredini in Florenz); Cerretani, Ricordi, S. 288; Goldthwaite, Lorenzo Morelli; zu Lorenzo Morellis Rolle nach dem Exilsende s.u. S. 969, 974f. Jener Jacopo Morelli, der dann 1515 im Gefolge von Lorenzo di Piero de’ Medici aufgeführt wird, war ein Sohn Ludovicos; zu ihm Butters, Governors, S. 267. 312 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 59 (14.9.1495, Filippo da Gagliano aus Bologna an Niccolò Michelozzi in Florenz). 313 ASP IV/1, c. 192r. Allerdings hatte auch Luigis Großvater den Vornamen Lorenzo getragen. 314 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 60–61 (30.9.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Niccolò Michelozzi in Florenz); c. 62 (12.10.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Niccolò Michelozzi in Florenz).

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Frau Alessandra und ebenso wie Filippo und seine Freunde ein sehr engagierter Anhänger Savonarolas. Sobald Pagolantonio von seinem Amt als Kriegskommissar zurückgekehrt sei, sollte Michelozzi mit ihm über Filippos ‚Fälle‘ reden und ihn dem Soderini empfehlen.315 Diese mit größter Wahrscheinlichkeit einst von Lorenzo de’ Medici eingefädelte Eheverbindung mit einer Nichte von Pagolantonio und Piero Soderini wird Filippo, seinen Bruder Giuliano und einige andere Mediceer wie etwa Bartolomeo Bartolini vermutlich in erheblichem Maße vor Verurteilungen und Verfolgungen geschützt haben, zumal die beiden Gagliano-Brüder diese Beziehung durch geschäftliche Partnerschaften mit Pagolantonio und seinen Söhnen vertiefen konnten. Einen wichtigen Inhalt dieser Briefe stellten, kaum erstaunlich, Geschäftsfragen dar, die Filippo da Gagliano mit seinem Bruder Giuliano, Lanfredino Lanfredini und der Bartolini-Bank auch während seines mehr oder weniger freiwilligen Exils zu klären hatte. Der Michelozzi wurde jeweils über den gerade aktuellen brieflichen Austausch informiert und sollte häufig für ihn zwischen den einzelnen Beteiligten kommunizieren, obwohl Filippo mit allen Genannten, besonders aber mit Giuliano, ebenfalls in brieflichem Kontakt stand. Für diese Post bediente er sich zum Beispiel in Bologna eben jener Florentiner Firma des Taddeo Gaddi, die für ihn, seinen Bruder und Lanfredino auch bei den Wechselbriefoperationen zu den vertrauten Partnern gehörte.316 In jenem Kontext bezeugte Filippo am 30. September 1495, daß Giuliano in der Lyoner Bartolini-Bank Gelder aufbewahrte, welche offenbar die Gegner konfiszieren wollten, und daß es eine fortlaufende Korrespondenz zwischen Giuliano in Lyon und Lanfredini in Florenz gab, der wie Giuliano plante, Filippo da Gagliano in Ferrara aufzusuchen.317 Auch von Giovanni Cambi, dem Leiter der Pisaner Medici-Bank, erhielt Filippo Briefe, wie etwa Ende September 1495 in Ferrara. Seine Antwort an den Cambi wollte er dann seinem Brief an den Michelozzi beilegen, der ihn demnach weiterleiten sollte. Wie sehr Filippo da Gagliano sich weiterhin im Geschäftsmilieu der MediciGesellschaft bewegte, zeigt auch seine Aufforderung an Michelozzi, er solle Lanfredino daran erinnern, Vorkehrungen wegen der Angelegenheiten von Paolo Benci (dem Partner in der Wollgesellschaft) zu treffen, falls die anderen dies nicht getan hätten. Auf jeden Fall solle er ihn, so Filippo immer noch am 30. September aus Ferrara, über den Fortgang dieser Sache auf dem laufenden halten.318 Auf der anderen Seite ermunterte Michelozzi den Gagliano, eine bestimmte Geschäftsangelegenheit mit der Bartolini-Bank ‚in trockene 315 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 63 (ca. 27.10.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Nic-

colò Michelozzi in Florenz). 316 Vgl. ASP IV/2, c. 52, 70, 86 u.ö.; und am 2.6.1495 sandte Giuliano sogar heimlich, als Brief-

bündel getarnt, Bargeld in Höhe von 150 Dukaten an Filippo, die Taddeo Gaddi in seiner Abwesenheit in Empfang nehmen sollte (ebd. c. 75). 317 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 60–61 (30.9.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Niccolò Michelozzi in Florenz). 318 Paolo Benci war jener namensgebende Teilhaber der Wollgesellschaft von Filippo, Lanfredino und Lorenzo de’ Medici bzw. dessen Florentiner Erben-Gesellschaft, dessen Ansprüche Filippo, Lanfredino und Pierantonio Carnesecchi durch die Regelung vom 4.5.1495 zu gewährleisten hatten.

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Tücher‘ zu bringen. Filippo antwortete nochmals, nicht nur zufrieden, sondern sogar begierig zu sein, „die Bartolini“ zur Allerheiligen-Messe auszuzahlen. Allerdings hätten „die Bartolini“ bei ihrem Wunsch, Filippo von einer Last zu befreien, zugleich seinem Bruder Giuliano einen Schaden bereitet. Sowohl aus dessen zweitem Geschäftsbuch als auch aus dem Schuldbuch der Florentiner Bartolini-Bank geht hervor, daß es hierbei um eine Korrektur von Profitanteilen ging, welche Filippo da Gagliano als Teilhaber der Florentiner Bartolini-Bank erhalten hatte und die aus deren Beteiligung an der von Giuliano da Gagliano geleiteten Lyoner Bartolini-Bank sowie an der Medici-Seidengesellschaft resultierten. Im ersten Fall hatte Filippo der Florentiner Bartolini-Bank, d.h. seinen Partnern Bartolomeo Bartolini und Francesco Bottegari, 266 Fiorini, im zweiten Fall 500 Fiorini zurückzuzahlen, jeweils durch Giuliano da Gagliano. Allerdings konnte die Angelegenheit erst Mitte Juni 1496, nach der Rückkehr Giulianos nach Florenz, durch einen Schiedsspruch (nach einem seit Februar 1496 geführten Prozeß) geregelt und beendet werden.319 Da dieser piatto zu mehreren juristischen Klärungen alter Schuldansprüche zugunsten der Bartolini-Bank gehörte, scheinen diese Gelder von dem als Schuldner der Kommune verfolgten Filippo in den Besitz der ebenfalls im Medici-Interesse wirkenden, aber nicht als solcher erkannten Bartolini-Bank und dadurch in Sicherheit gebracht worden zu sein, womit Filippo tatsächlich im positiven Sinne von einer ‚Last‘ befreit worden wäre. Zu Filippos brigata gehörte der in Florenz verbliebene, nicht inkriminierte Lanfredino Lanfredini, der ihn ständig über alles Wesentliche informierte, auch über die ihm nach Florenz gesandten Briefe Giulianos, und der trotz großer eigener Widrigkeiten – aber er hatte einen ‚guten Magen‘ – noch im Oktober eine Reise zu seinem Freund und Partner Filippo nach Ferrara beabsichtigte.320 Für Lanfredino besuchte Filippo dann Anfang November dessen befreundeten Verwandten Ludovico da Bologna in oder bei Ferrara, dem er u. a. einen Brief Lanfredinos überreichte.321 Andere, private Angelegenheiten Filippos erledigten seine ältere Schwester Francesca und seine Mutter Ginevra für ihn, etwa wegen bestimmter Kaufverträge, die dann mit Hilfe des Ubaldini und der Geschäftsbücher der Medici als rechtskräftig zu beweisen waren. In dieser Sache betonte Filippo zudem, Michelozzi könne als Wahrheit verkünden, daß ‚die Bini‘ weder Filippo gehört hätten noch daß er sie in seinem Namen (für jemand anderes!) gekauft habe (analog zur BartoliniBank), denn sie seien durch seine Mutter Ginevra auf Francescas Wunsch (für wen?) erworben worden! (Dieser Information kommt größere Bedeutung zu, denn hinter der römischen Bank der Bini werden wir mit guten Gründen eine Bank der Medici bzw. eine von ehemaligen Medici-Bankiers und -Anhängern geführte Bank vermuten. Zudem war Ginevra nachweislich des öfteren von ihren Söhnen als Strohfrau eingesetzt worden!) Mit 319 ASP IV/5, c. 25; ABS 227, c. 50, 53. 320 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 63 (ca. 27.10.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Nic-

colò Michelozzi in Florenz); c. 64 (3.11.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Niccolò Michelozzi in Florenz). 321 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 64 (3.11.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara an Niccolò Michelozzi in Florenz; hier ging Filippo nochmals auf die mit den Bartolini ausgehandelte Einigung ein, wobei es offenbar besonders um noch ausstehende Beträge für jenen November ging).

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den Medici war Filippo also in vielfacher Weise engstens verbunden, und immer noch so, daß man ihn im September in der Reihe jener nannte, welche verlangt hätten, man müsse die Medici zurückrufen.322 Der in so vieles eingeweihte, mit so vielem beschäftigte Medici-Intimus Filippo da Gagliano litt trotz aller Probleme vor allem unter einem: Langeweile. Immer wieder beklagte er gegenüber Michelozzi seine erzwungene Muße, die ihm nicht die gewünschte Anregung für Körper und Seele bot – verstärkt vielleicht durch eine gewisse Melancholie, die der Tod seiner Frau hervorgerufen haben könnte. Michelozzi solle ihn doch nicht nur den Freunden in Florenz empfehlen, sondern sie auch wissen lassen, wie sehr seine Untätigkeit nun seine natura verändere. Michelozzi fühlte sich durch die vielen Briefe Filippos offenkundig sogar schon belästigt – aber was solle er, Filippo, bei so viel Müßiggang denn besseres tun als Schreiben! Selbst aus Venedig seit Mitte November 1495 die immerwährende Klage über l’ozio und Langeweile. Immerhin lasse sich diese Last in Venedig lindern, weil die vielen Dinge, die dort zu beobachten seien, einen guten Zeitvertreib böten: Im Hafen beim Zoll konnte er den aus der Levante zurückgekehrten Handelsschiffen beim Entleeren zuschauen, erstaunt über die wunderbaren Kostbarkeiten; im Zentrum konnte er Zeuge werden, wie dem prächtig gekleideten Niccolò Orsini, Graf von Pitigliano, von der venezianischen Signoria in einer feierlichen Zeremonie der Stab eines Generals der venezianischen Armee überreicht wurde. Aber schon wenige Tage später sah sich Filippo gezwungen, zwecks Zeitvertreib erneut an Michelozzi zu schreiben.323 Kurzum: Es war ein leidiges, grausiges Jahr, das ihm die Kehrseite der Fortuna gezeigt und ihn Geduld gelehrt habe – so gut es ihm eben möglich sei. Dies aber schrieb er am 11. Dezember aus Venedig an Filippo di Domenico Giugni in Florenz, Mitglied einer einflußreichen Familie, dem er für gute Freundschaftsdienste dankte, aber offenbar vor allem, um künftig bei der Signoria Reputation und Gnade zu gewinnen.324 Ein reuiger Filippo da Gagliano beteuerte nun, gar keine Feindschaft gegenüber der Signoria und ihren Ämtern zu hegen, da sie ihn ganz richtig zum Schuldner der Kommune erklärt hätten – auch wenn er sich wegen der vielen befremdlichen und unmenschlichen Anklagen mit Recht bekla-

322 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 60–62 (30.9. u. 12.10.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara

an Niccolò Michelozzi in Florenz: ... Intendo avevono richiesto e’ Medici per virtù del rigresso e questo e quello vicino s’avevono salvato e che m’aveva accenato Giovanni di Piero Francesco [de’ Medici], che possendo pigliar questa via mia maraviglia assai ...); vgl. Brown, new men, S. 137 und Anm. 88 (mit falscher Datierung 14.9. statt 30.9.; und statt che possino pigliar lese ich che possendo pigliar). Browns Interpretation dieses Zitates, Filippo habe sich über seine Medici-Patrone geärgert, weil er sich von ihnen wegen seines Appells gegen seine Verurteilung 1495 betrogen gefühlt habe, kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr hat Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici offenkundig seinen Namen im Kontext einer von Florentiner Mediceern geäußerten Forderung nach einem Rückruf der Medici genannt, wobei Filippo diesen Weg als wenig erfolgreich einzuschätzen schien. 323 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 63–65 (ca. 27.10.–19.11.1495, Filippo da Gagliano aus Ferrara und Venedig an Niccolò Michelozzi in Florenz). 324 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 66 (11.12.1495, Filippo da Gagliano aus Venedig an Filippo di Domenico Giugni in Florenz).

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gen dürfe. Auch wenn Giugni behaupte, er, Filippo, sei an seinem Schaden selbst Schuld, da er ihm nicht vertrauen wollte, so müsse er doch erklären, daß dem finanziellen Verlust des Vaterlandes kein Vergehen von ihm zugrunde liege. Nur wenig sei ihm noch geblieben und geschadet hätten die anderen ihm, so sehr, daß man Mitleid mit ihm hätte, wüßte man um das Ausmaß. Hier jammerte jemand auf sehr hohem Niveau. Filippo da Gagliano hatte sich kurz nach diesem Brief an Filippo Giugni entschlossen, wieder nach Florenz zurückzukehren, sich von den Anklagen zu befreien. Sein nächster Brief an Niccolò Michelozzi stammte erst vom 12. April 1496, als er Florenz bereits wieder verlassen hatte.325 Über die dazwischen liegenden Monate erhalten wir jedoch aus den Aufzeichnungen seines Bruders Giuliano einige Aufschlüsse. Giuliano war am 13. Dezember 1495 mit zwei eigens dafür eingekleideten Dienern aus Lyon zu Filippo nach Venedig geritten, nachdem sein Bruder seit seiner Flucht aus Florenz aus vielerlei Gründen einen persönlichen Besuch Giulianos gewünscht hatte, der wiederum wegen widriger äußerer Umstände (etwa des Weges) davon Abstand genommen hatte. Möglicherweise zielte dies auf die französischen Truppen, die sich damals aus Oberitalien nach Frankreich zurückkämpften, wo König Karl VIII. am 7. November triumphal in Lyon einziehen konnte.326 Giuliano ritt über Mailand nach Venedig, um Filippo endlich zu treffen. Über seine Gespräche mit ihm und die geschäftlichen Absprachen berichtet er in seinem Geschäftsbuch nichts, doch notierte er, daß er im Januar 1496 in Venedig zwei Scheren kaufte und bei einem Maler einen großen Spiegel in Auftrag gab, den er durch Matteo Cini, den in Venedig wirkenden florentinischen Mediceer, nach Florenz transportieren ließ, um ihn ebenso wie die Scheren Filippos Tochter Cornelia zu schenken.327 Von Venedig aus ritt Giuliano dann mit seinen beiden Dienern und drei Pferden nach Florenz weiter. Filippo scheint ihn dabei nicht begleitet zu haben, da Giuliano vermerkte, er habe am 4. Februar 1496 in Florenz eine beachtliche Summe Geldes in unterschiedlicher Währung (400 Dukaten, 73 Scudi di sole und 67 Scudi di corona) erhalten, die Filippo in bar bei einem Freund versteckt hatte und die er seinem Bruder zurückgeben wollte.328 Weitere 225 Fiorini hatte Filippo bei seiner Flucht im August 1495 in einem Taschentuch seinem Freund Niccolò Michelozzi zur Aufbewahrung gegeben, der sie dann Giuliano aushändigen sollte.329 Vermutlich sollte Giuliano eine sichere Rückkehr Filippos vorbereiten, der bald darauf tatsächlich aus Venedig nach Florenz kam. Hier fand Filippo freilich nicht den Empfang, den er erhofft hatte, weshalb er nach kurzem Aufenthalt wiederum aus seiner Heimatstadt flüchtete, nun zum dritten Mal und übereilt. Denn als Filippo da Gagliano am 12. April 1496 aus Vernia an Niccolò Michelozzi schrieb, teilte er ihm als erstes mit, daß er keine Zeit hatte, diesem seine Entscheidung zu 325 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 67 (12.4.1496, Filippo da Gagliano aus Vernia an Niccolò

Michelozzi in Florenz). 326 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 437. 327 ASP IV/2, c. 97 (weiterhin kaufte er in Venedig weiße Wachskerzen, Lederhandschuhe und

andere Dinge für das Gagliano-Haus in Florenz). 328 ASP IV/2, c. LXXV. 329 ASP IV/5, c. 26.

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erklären, sich erneut aus Florenz zu entfernen.330 Seine Gespräche mit den Syndizi zur Abwicklung des Medici-Vermögens seien höchst unbefriedigend für ihn verlaufen; ohne Grund und Respekt wolle man in der gewohnten Form gegen ihn vorgehen. (Das milde Urteil vom August 1495, das ihm als Schuldner der Kommune den Status eines Gläubigers der Medici verlieh, war in seiner Abwesenheit also durch eine Verurteilung ergänzt worden, die mit persönlichen Repressalien für ihn verbunden war.) In Vernia wolle er nun abwarten, ob er einen Geleitbrief oder eine Sicherheit von ‚Qualität‘ erhalte, der er trauen könne; andernfalls werde er nicht nach Florenz zurückkommen. Michelozzi solle nun zusammen mit Giuliano (da Gagliano) – der von nun an fast stets in Florenz lebte – oder mit wem er wolle der Signoria oder anderen zuständigen Behörden von dieser Entscheidung berichten. Er, Filippo, habe Florenz verlassen, weil er nicht, wie ihm mehrmals angedroht wurde, über die ihm vorgeworfenen Beschuldigungen im Gefängnis disputieren wolle. Giuliano wandte sich dann im August und September 1496 wegen der in Abwesenheit erfolgten Verurteilung (contumaccia) Filippos durch die Kommune Florenz an Notare und Juristen wie Guidantonio Vespucci, Leonardo da Colle und Domenico Bonsi um Rat, der insbesondere auf Filippos frühere Aktivitäten beim Monte Comune zielte, und konnte am 4. September einen ersten, bis zum 20. des Monats geltenden Geleitbrief, am 17. September einen zweiten, bis zum 8. Oktober 1496 geltenden salvo condotto erwirken, den Filippo aber wiederum nicht wahrnahm. Am 9. März 1497 bekam Giuliano einen neuen Geleitbrief für Filippo, hielt es jedoch für nötig, den um Savonarola versammelten Dominikanern in San Marco einen Floren zu geben, damit sie für die Sache bzw. den Prozeß Filippos beteten. Mit der Hälfte dieses Betrages ließ ihre Mutter Ginevra am 15. April 1497 in ihrer „Hauskirche“ der Santissima Annunziata Messen für Filippos causa lesen.331 Man sieht: Die Sache Filippos stand auf Messers Schneide. Sie wird sich in den folgenden Monaten, als Piero de’ Medici mit Hilfe seiner Freunde in und außerhalb von Florenz erneute militärische Angriffe auf Florenz begann, in deren Folge einige der wichtigsten Mediceer in Florenz verraten und im August hingerichtet wurden, nicht vereinfacht haben. Diese finanzielle Auseinandersetzung mit der Stadt Florenz wird Filippo da Gagliano noch einige Jahre beschäftigen, doch spätestens seit dem Winter 1497/98 ist er, nachdem er sich von September bis November auf dem Familienbesitz in Gagliano (heute Galliano) im Mugello aufgehalten hatte, wieder dauerhafter in Florenz nachzuweisen, an der Seite seines Bruders Giuliano und seiner Freunde Niccolò Michelozzi, Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci, weiterhin mit diesen und seinem Bruder im alten MediceerKreis wirtschaftlich sehr aktiv.332 Die nächsten überlieferten Briefe Filippos an Niccolò 330 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 67 (12.4.1496, Filippo da Gagliano aus Vernia an Niccolò

Michelozzi in Florenz). 331 ASP IV/6, c. 8v/9r. 332 Die Bank des Giovanni d’Ambra zahlte im Auftrag Giuliano da Gaglianos vom 28.9.–

12.11.1497 in 3 Partien ca. 35 Fiorini in bar an Filippo in Galliano, wo die Familie Immobilien besaß; ASP IV/5, c. 50 (in diesem Band und in ASP IV/6, 8 und 11 lassen sich auch zahlreiche Geschäfte von Filippo und Giuliano da Gagliano verfolgen, wobei allerdings niemals exakt erklärt wird, ob Filippo weiterhin für die Medici handelte); zu seinem folgenden Aufenthalt in

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Michelozzi stammen erst aus der Zeit nach dem Ende des Medici-Exils, beginnend mit dem 3. Oktober 1513. Erneut demonstrieren sie die enge Freundschaft Filippos mit Lanfredino, die nie erlosch.333 Aber auch die Bartolini werden weiterhin zu seinen engsten Freunden zählen. Viele Briefe des Leonardo di Zanobi Bartolini an Niccolò Michelozzi, aber desgleichen einer an Lanfredino, beweisen die ungewöhnlich vertraute Herzlichkeit Leonardos gegenüber diesem großen, mittlerweile über 60 Jahre alten Unbekannten der Medici-Bank, der sich damals wiederum in der Nähe Lanfredinos, Gianbattista Braccis und somit im Zentrum der Florentiner Staatsfinanzwelt befand.334 Unabhängig von den jeweiligen, oft brisanten Aufenthalten Filippo da Gaglianos in Florenz hatten ihn seine Freunde zwischen 1494 und 1512 offenkundig kontinuierlich in ihre Obhut genommen. Nicht nur Briefe, sondern auch Bankkonten zeugen davon. Alamanno Salviati führte bei seiner Bank, die unter dem Namen seines Sohnes Averardo und dem seines Cousins Jacopo Salviati lief, ein außergewöhnliches Konto für Filippo, dessen wahre Natur sich freilich erst aus dem zweiten, dem Florentiner Geschäftsbuch des Giuliano da Gagliano erschließt, der Filippos Finanzen verwaltete. Dort liest man, daß Alamanno Salviati ‚unter seinem Namen, d.h. dem eines Freundes‘ (sic: sotto suo nome o di uno amicho suo), der das Kürzel „F“ besaß, für Filippo einen Kredit beim Florentiner Monte betreute. (Auch aus diesem Grund hatten wir den amico A in den Konten der Lyoner Bartolini-Bank mit Alamanno Salviati identifiziert.) Aus den Zinsen erhielt Filippo nun genau am 3. März 1496, als er sich für kurze Zeit wieder persönlich in Florenz aufhielt, von der Soll- bzw. Geben-Seite seines Kontos bei der Salviati-Bank 56 Fiorini l.gr. von Alamanno, der das Geld über die Gaddi-Bank an Giuliano gab, der es wiederum Filippos Florentiner Korrentkonto bei ihm gutschrieb. Alamanno hatte Giuliano hierzu auch erklärt, daß die Zinsen seit dem 1. Oktober 1495 liefen, daß der Kredit also zu jenem Tag für Filippo eingerichtet wurde. Damals war Filippo seit gut einem Monat aus Florenz geflohen, Giuliano befand sich noch als Leiter der Bartolini-Bank in Lyon. Jeweils 28 Fiorini zahlte Alamanno von jenem mysteriösen Monte-Konto am 30. November oder Dezember 1496 und am 26. September 1497 für Filippo an dessen Bruder Giuliano.335 wird, ob Filippo weiterhin für die Medici handelte); zu seinem folgenden Aufenthalt in Florenz s.u. S. 812f. 333 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 68–72 (ab 3.10.1513, zum Teil ohne Datum, Filippo da Gagliano an Niccolò Michelozzi). 334 Vgl. BNCF, Ginori Conti 29/92 (f bzw. 6), (18.3.1512/13–7.1.1513/14, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Niccolò Michelozzi in Florenz, passim zu Filippo da Gagliano); BNCF, Ms. II. V. 21, c. 237–238 (9.3.1512/13, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini und gleichermaßen an Giovanbattista Bracci in Florenz: In diesem sehr langen Brief geht der Bartolini am Schluß auf seine Bereitschaft ein, sich wegen bestimmter Bücher mit den Beamten des Florentiner Monte Comune ins Einvernehmen zu setzen; Bracci solle Filippo [da Gagliano] daran erinnern und ihn vom Bartolini grüßen. Demnach hatten die Medici Filippo wieder, wie schon zu Lorenzos Zeiten, mit Aufgaben auf dem Feld der Florentiner Staatsfinanzen betraut.) 335 ASP II/30bis, c. 46 (hier 30.12.1496); ASP IV/5, c. XXV (hier 30.11.1496). Bei ASP II/30bis handelt es sich um das von Alamanno Salviati geführte Geheimbuch der Salviati-Bank („Quaderno, ossia libro segreto di debitori e creditori di Averardo e Jacopo Salviati di Banco in Firen-

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Und am 7. Februar 1498, als Filippo sich im Savonarola-Umkreis wieder in Florenz befand, verbuchte Alamanno auf Filippos Haben-Seite 484 Fiorini, die sich aus einer MonteEinlage von 400 Fiorini, die ein bzw. jener anonyme Freund Filippos für ihn angelegt hatte, und einem Zinsgewinn von 84 Fiorini zusammensetzte; der Zinsgewinn war erstaunlicherweise genau zum 30. April 1496 (‚für den ganzen April 1496‘) berechnet worden – also am Ende jenes Monats, in welchem Filippo zum dritten Mal aus Florenz floh. Dieser Betrag korrespondiert mit den Posten von 56 und 28 Fiorini, die Filippo seit dem 3. März 1496 über seinen Bruder Giuliano erhielt. (Da 84 Fiorini Zinsgewinn bei einem Zins von 14% und einem Kapital von 400 Fiorini eine Zinslaufzeit von 18 Monaten ergeben, ist allerdings nicht ganz klar, wie dieser Zeitraum mit den genannten Stichdaten in Einklang zu bringen ist.) Der zweite Eintrag zu Filippos Haben-Konto in Jacopos Geheimbuch erläutert, daß dieses Kapital von 400 Fiorini seit dem 1. Mai 1496 erneut zu 14% Zins für Filippo „arbeitete“, und zwar bis zum 1. März 1500, immer noch von Alamanno Salviati betreut.336 Warum und wie ein Mann, von dem der Staat glaubte, er schulde ihm ca. 13.000 Fiorini, und der vor dieser Last seiner Heimat den Rücken kehrte, bei eben diesem Staat zu seinem erheblichen Vorteil Geld anlegen und mit dem Gewinn ausbezahlt bekommen konnte, hätte Alamanno Salviati wohl am besten erklären können. Er gehörte im Oktober 1495 zu den Ufficiali del Monte, zusammen mit weiteren ausgewiesenen Mediceern wie etwa Lorenzo Tornabuoni, Battista Pandolfini, Francesco Girolami und Taddeo Gaddi. Zu diesem Gremium zählte Alamanno noch am 10. November 1496.337 Alamanno und mindestens ein weiterer, anonymer Freund Filippos hatten ihm jenes Monte-Konto eingerichtet, um durch die Zinsgewinne auch dessen gravezze, seine Schulden bei der Kommune zu bezahlen. Den Feinden Filippo da Gaglianos und der Medici aber dürfte dies, wenn es denn bekannt wurde, ein weiteres Ziel geboten haben, denn denen galt es als illegal, daß der Schuldner der Kommune zugleich deren Gläubiger sein konnte, wie wir bald in einem ähnlich gelagerten Fall zu Lorenzo Tornabuoni hören werden, bei dem erneut die SalviatiCousins begegnen. Alamanno und Jacopo Salviati standen der Florentiner Medici-ErbenBank, dem Lanfredini und den Bartolini sehr nahe. Auch der Blick in das Innere jenes Medici-Bartolini-Bankenkonstruktes in Florenz und Lyon zeigt ganz deutlich: Die Exilierung der Medici im November 1494 bedeutete keineswegs das Ende der Medici-Bank. Ihre Partner und Mitarbeiter stellten ihre Aktivize“, 1494–1512; frühere Signatur: I, 371). Bei Jacopos Partner Averardo wird es sich nicht um den 1496 gestorbenen Vater seines Cousins, Freundes und wichtigsten Partners Alamanno, sondern um dessen 1489 geborenen Sohn handeln. Daß Alamanno diesen libro segreto führte, geht aus bestimmten Eintragungen dieses Buches ([pagati] per me per Filippo a Giuliano suo fratello) und korrespondierenden Aussagen im Geschäftsbuch des Giuliano da Gagliano (auti per me da Alamanno Salviati) klar hervor; ebd. 336 ASP II/30bis, c. 46, XLVI; vgl. unten S. 818f. 337 Vgl. Barteleit, Staatsverschuldung, S. 145f., 226. In Barteleits Ämterliste ist Alamanno Salviati für die am 1.3.1496 beginnende nächste Amtsperiode nicht aufgeführt, doch Giuliano da Gagliano spricht zum 10.11.1496 explizit von Alamanno Salviati uficiale di Monte, der ihm für Filippo jene 28 Fiorini gezahlt habe; ASP IV/5, c. XXV.

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täten nicht ein. Wenn Medici-Vertraute und -Bankiers wie Gianbattista Bracci, Lorenzo Tornabuoni, Bartolomeo Bartolini, Lanfredino Lanfredini, Filippo und Giuliano da Gagliano, Pierantonio Carnesecchi, Lorenzo Spinelli, Cosimo Sassetti und Bernardo de’ Rossi – um nur einige der prominenteren zu nennen – raumübergreifend in verschiedenen Geschäftsbereichen so eng miteinander kooperierten, daß klare Distinktionen mit Blick auf die jeweils agierenden Gesellschaften gar nicht mehr möglich sind (und das ganze Geflecht ist noch längst nicht erschlossen), dann widerlegt dies nicht nur das Urteil vom Ende der Medici-Gesellschaft 1494. Von den Entscheidungen ihres geschäftlichen Führungspersonals konnten stets auch die Medici profitieren. Dies wird sich noch klar erweisen lassen, sowohl in Frankreich als auch in Italien.

h) Die Anklage: Der Betrug der Tornabuoni bei der Liquidation der römischen Medici-Bank Es war eine im Grunde sehr eindeutige Aufgabe, welche Giovanni und Lorenzo Tornabuoni im Juni 1495 auferlegt worden war. Sie hatten sich per Eid verpflichtet, die Schuldner der römischen Medici-Bank zu veranlassen, ihre Schulden zu bezahlen, und sie mußten im Gegenzug den Gläubigern dieser Bank geben, was ihnen zustand, wofür sie vom Staat 42.000 Fiorini erhielten. Einige ihrer besten Freunde wollten mit letztendlich 9.000 der vorgesehenen 10.000 Fiorini für diese Gläubigersatisfaktion bürgen; auf der Gegenseite oblag den von der Kommune eingesetzten Syndizi die Kontrolle dieses Vorgangs. Natürlich befürchtete man, die Medici-Bankiers könnten jene 42.000 Fiorini und eingezogene Schulden nicht den Gläubigern zukommen lassen, sondern für ihre eigenen Interessen oder die der verbannten Medici-Rebellen verwenden, könnten sie somit unterschlagen. Man ahnte anfangs aber wohl kaum, wie systematisch die Mediceer-Bankiers die Liquidation in betrügerischer Weise nutzen würden, um aus ihr Profit zugunsten der Medici zu schöpfen. Was dann bekannt wurde, war ganz gewiß nur ein Bruchteil des gesamten Vorgangs. Auffällig erschien uns, unter den Namen der Beamten, die zur Abwicklung der Medici-Geschäfte und zur Konfiszierung des Medici-Vermögens eingesetzt worden waren, evidente Freunde der Medici zu finden. Daß diese gegen die Intentionen der neuen Regierung in Florenz bzw. gegen die der Medici-Feinde agierten, zeigte sich allerdings schon nach einem Jahr, als das bis dahin relativ ungebunden handelnde Gremium der Syndizi seinen Grad an Unabhängigkeit verlor und im Dezember 1495 direkt dem ufficio dei ribelli unterstellt wurde.338 Dies änderte jedoch recht wenig. Wie sehr man ganz im Sinne des Sprichwortes den Bock zum Gärtner gemacht hatte, zeigt die nach genau zwei Jahren durch die Kommune gezogene Konsequenz. Am 28. Dezember 1496 ersetzte sie die Syndizi durch fünf ufficiali de’ ribelli, von denen zwei aus der Gruppe der Medici-Gläubiger

338 Grote, Formazione, S. 135.

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stammen mußten.339 Denn mittlerweile hatte man entdeckt, daß die Mediceer-Bankiers mitnichten die Intention gehabt hatten, die Liquidation in der geforderten Weise durchzuführen, und daß ihr betrügerisches Treiben von den bzw. von einigen Syndizi gedeckt worden war. Die neuen ufficiali – wie auch wir sie zur Abgrenzung von ihren Vorgängern, den Syndizi, nennen wollen – erhielten deshalb explizit die Vollmacht und Aufgabe, alle bis zu diesem Zeitpunkt von ihren Vorgängern begangenen Betrügereien zu erkunden und zu untersuchen! Wie üblich sollte ihnen von allen Betrugsvorgängen, d.h. Unterschlagungen, die sie enthüllen konnten, ein Anteil von fünf Prozent (ein Soldo pro Lira) zustehen. Um die versteckten Werte zu ermitteln – mit denen sich freilich auch Medici-Feinde bereicherten –, sollten die ufficiali de’ ribelli insbesondere alle über die Geschäfte und Sachen der Medici angelegten Inventare überprüfen. Sollte mit Blick auf diese Inventare etwas fehlen, waren sie angehalten, mit allen angemessenen Mitteln – auch Leibesstrafen – herauszufinden, bei wem und wo sich diese unterschlagenen Werte befanden, deren Restitution sie dann zu veranlassen hatten. Damit sie ihrer Pflicht besser nachkommen konnten, wurde am 13. Februar 1497 zudem beschlossen, daß ihnen die Beamten des Turms (ufficiali della torre) mit dem Notar, Provisor und Schreiber dieser Strafbehörde sowie die Notare der Kammerakte und jeder andere Magistrat bei ihrer Arbeit zur Seite stehen sollten. Zwei Monate später ließen Giuliano und Ginevra da Gagliano Gebete und Messen für Filippo lesen. Für die Überprüfung der Inventare, mit denen außer den eigentlichen Sachwertinventaren auch die Geschäftsbücher und Bilanzen gemeint waren, wurde sogar mit Antonio da San Gimignano eigens ein ragioniere eingestellt, ein Finanzprüfer.340 Einige der vielen Unregelmäßigkeiten, die er entdeckte, konnte er dem vorherigen Syndikus Girolamo Martelli zuschreiben, dem am 23. Oktober 1497 vorgeworfen wurde, aus dem konfiszierten Haushalt der Medici Gegenstände (vor allem aus Silber) im Wert von 1.200 Fiorini larghi d’oro sowie zwei Mosaikbilder und einen Christuskopf im Wert von 8 Fiorini unterschlagen zu haben. Ende Dezember 1497 reduzierte man den Gesamtwert der Sachen, die er unrechtmäßig erworben hatte, auf gut 390 Fiorini, über die er sich innerhalb der nächsten vier Monate vor den ufficiali zu verantworten hatte.341 Girolamo Martelli werden wir jedoch im Gegensatz zu Francesco Girolami oder Filippo Corbizzi deshalb kaum zu den Medici-Anhängern zählen dürfen, da Piero de’ Medici Ende 1495 gedroht hatte, ihn (wie u. a. auch Jacopo de’ Nerli) bei einer Rückeroberung von Florenz in Stücke zu schlagen.342 Piero wird mit dieser Drohung nicht intendiert haben, einen bedrohten Freund zu schützen – auch diese Interpretation wäre ja denkbar –, denn schon im August 1495 hatte Pieros früherer Diener, der nun in Florenz das Medici-Erbe mitverwaltende 339 ASF, MAP LXXXI, doc. 74, c. 633r/v (Kopie von ASF, Cons. Rep., Provv. Reg., n. 187, c. 97;

28.12.1496); vgl. Grote, Formazione, S. 137, Anm. 33. 340 ASF, MAP CXXXVI, c. 10r. 341 ASF, MAP CXXXVI, c. 9v/10r; vgl. Grote, Formazione, S. 135 (dort irrig „Cosimo“ Martelli),

137, Anm. 33; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 373, Doc. 283 (Auszug aus dem Beschluß vom 23.10.1497). 342 Parenti, Storia fiorentina I, S. 272f.; zur Sache vgl. unten S. 436f.

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und betreuende Francesco Cegia, notiert, Girolamo Martelli habe Silberteile eines Rasierbestecks aus dem Medici-Besitz gestohlen!343 Die Argusaugen des Antonio da San Gimignano richteten sich jedoch in erster Linie auf Personen, die der Medici-Gesellschaft sehr nahestanden. Seine Kontrollen – die eine ganze Kette von Anklagen, Denunziationen und Rechtfertigungen nach sich zogen! – sind ein Glücksfall, da sie aufschlußreiche Freundschaftsdienste und Verflechtungen erhellen, die nicht von ungefähr im Dunkeln bleiben sollten. Es ist freilich auch evident, daß Antonio längst nicht alle Täuschungen aufdecken konnte. Das Wollgeschäft der römischen Medici-Bank Ungefähr Anfang November 1497 gab Antonio da San Gimignano offenbar erste Ergebnisse seiner Revision zu Protokoll. Sie beruhten auf einer Kontrolle der Bücher der römischen Medici-Bank, die auch ein Geschäft für Wolltuche führte, das als fondacho de’ drappi e panni di Roma bezeichnet wurde. Insbesondere im weißen Geschäfts-Hauptbuch der römischen Medici-Bank, das die Signatur „A“ besaß, sowie in deren weißem Kassenbuch, ebenfalls mit „A“ gekennzeichnet, war er fündig geworden.344 Hauptsächlich aus diesen beiden Büchern ist im übrigen 1495 die sogenannte Bilanz der römischen MediciBank erstellt worden, in welcher der folgende Vorgang jedoch nicht registriert worden war.345 Mit exakter Angabe der entsprechenden Seiten aus den Rechnungsbüchern der römischen Medici-Bank zeigte Antonio da San Gimignano zum einen an, daß im Konto des fondaco ein Fehler von mehr als 6.000 Fiorini enthalten sei, wie man im weißen Geschäfts-Hauptbuch mit der Signatur „A“ [der römischen Medici-Bank] auf der Seite 150 unter der Rubrik der panni e drappi sehe. Damit meinte er einen verheimlichten Gewinn in dieser Höhe, da die Medici-Gesellschaft in jenem Konto (auf Seite 150) nur einen Gewinn von ca. 50 Fiorini geltend gemacht hatte, während der fondaco tatsächlich mehr als 6.000 Dukaten zu erhalten hätte. Dieser Betrug sei möglich geworden, weil in dem weißen Kassenbuch und im weißen Hauptbuch die Beträge manipuliert worden seien, so daß schließlich im Hauptbuch („A“, Seite 150) der fondaco in jenem Konto mit ca. 7.000 Dukaten als Schuldner verzeichnet wurde, während die römische Gesellschaft des Giuliano Panciatichi mit diesem Betrag als Gläubiger erscheine. Eine solche Schuld der MediciGesellschaft bei den Panciatichi sei jedoch lediglich vorgetäuscht worden, um den wahren Gewinn – von mehr als 6.000 Fiorini – zu verschleiern. Wenn die (neuen) Florentiner ufficiali de’ ribelli die Bücher der Panciatichi überprüfen würden, würde der Betrug bzw. die Tatsache, daß Giuliano Panciatichi keinesfalls Gläubiger über 7.000 Fiorini sei, sofort

343 Pampaloni, Ricordi, S. 207. 344 ASF, MAP LXXXIV, doc. 47v; eine Kopie dieser Anzeige findet sich ebd. in LXXXIV, doc.

48, c. 100r; sehr summarisch hierzu auch Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 171 (die dort zitierte Quellenangabe des MAP entspricht wie sehr häufig in diesem Werk nicht der heute geläufigen Zitierweise, wie sie etwa auch im digitalisierten MAP benutzt wird, nach dem wir uns hier richten). 345 Vgl. Sapori, Bilancio, S. 174, 188, 197, 200.

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manifest. Gemäß den Florentiner Verbannungsbestimmungen beanspruchte der ragioniere Antonio da San Gimignano für diese Information seine an der Betrugssumme ausgerichtete Provision. Ganz unbestimmt informierte er die ufficiali weiterhin, daß es viele weitere evidente Betrügereien des Medici-Kreises mit höchsten Gewinnen bei jenen Sachen gegeben habe, welche dem Signore Virgilio und anderen Herren geliefert worden seien. Mit diesem signore Virgilio kann nur Virginio Orsini gemeint gewesen sein, dessen enorme Schulden bei den Medici offenbar geringer waren als deklariert oder der noch andere Wege zur Finanzverbesserung der Medici gefunden hatte. Über das der römischen Medici-Bank angegliederte Wollgeschäft hatten die Mediceer also Gewinne gerettet bzw. verheimlicht, die sie ihren Gläubigern vorenthielten. Zwei weitere Anzeigen, die mit der des Antonio da San Gimignano zusammenhingen und vermutlich ebenfalls von ihm vorgebracht wurden, bestätigen diese Funktion des römischen fondaco. Zum 14. November 1497, d.h. wenige Monate nach der Hinrichtung von Lorenzo Tornabuoni, vermerkten die ufficiali de’ ribelli unter der Abschrift der Anzeige des Antonio da San Gimignano, daß die Erben von Lorenzo de’ Medici bzw. die ufficiali, die deren Vermögen zu verwalten hatten, Gläubiger des Lorenzo Tornabuoni seien, der ihnen einen Betrag von 3.000 Fiorini l.gr. schulde.346 Denn Lorenzo habe bei der Bilanz der römischen Medici-Bank die Syndizi bzw. die Florentiner Kommune um diese Summe betrogen.347 Diese Täuschung entdeckte man im Rechnungsbuch des fondacho de’ panni e drappi di Roma für das Jahr 1494, das fälschlicherweise nur einen Gewinn von 50 Fiorini ausgewiesen habe (und so ins Hauptbuch der Bank übertragen wurde). Dieses Geschäftsbuch des fondacho di Roma zeige jedoch eindeutig, daß der Profit höher gewesen war. Mit einer weiteren Notiz erläuterten die ufficiali, daß hier zwar nur ein Gewinn von 50 Dukaten ausgewiesen sei, daß jedoch schon allein der Verkauf von Tuchen und Stoffen an den Signore Virgilio und andere Herren im Wert von 50.000 Fiorini oder mehr einen beachtlichen Gewinn erbracht haben müsse, so daß der angegebene von 50 Fiorini nicht stimmen könne.348 (Den Tornabuoni bzw. ihren Vertretern wurde seitens der ufficiali de’ ribelli jedoch das Recht eingeräumt, diese Anklage als nicht zutreffend zu beweisen.) Im Rechnungsbuch der ufficiali, das die Signatur „C“ trug, mußte ihr Rechnungs- und Kassenführer Giannozzo Salviati den (verstorbenen) Tornabuoni daher mit 3.000 Fiorini l.gr. als Schuldner verzeichnen, ohne daß dieser Betrag hier näher erläutert würde. Das Geld hatten jedenfalls – was nicht eigens gesagt werden mußte – die Erben Lorenzo Tornabuonis bzw. vermutlich die Kuratoren seiner konfiszierten Güter aufzubringen. Den neuen ufficiali und ihrem ragioniere Ser Antonio da San Gimignano war somit nach einer genaueren Prüfung der Bücher schnell klar geworden, was ihre Vorgänger nicht sahen oder sehen wollten: Die von Salvi Borgherini und Niccolò Cattani mit Hilfe von Leonardo di Zanobi Bartolini erstellte, durch Lorenzo Tornabuoni den Syndizi vor346 ASF, MAP LXXXIV, doc. 47v. 347 ASF, MAP LXXXIV, doc. 47v, und doc. 48, c. 98r (mit einer ausführlicheren Schilderung des

Betruges). 348 ASF, MAP LXXXIV, doc. 48, c. 98r.

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gelegte Bilanz der römischen Medici-Bank, die als Grundlage für die Gläubigersatisfaktion durch den Tornabuoni und für die ihm zugestandenen Geldmittel diente, war gefälscht worden. Größere Gewinne waren nicht deklariert worden, damit sie der Kommune vorenthalten werden konnten. Zugleich wurde dadurch die Waagschale der Medici-Schulden schwerer gemacht als sie tatsächlich war, weshalb Lorenzo und Giovanni Tornabuoni von der Kommune höhere Mittel für die Satisfaktion der Medici-Gläubiger beanspruchen konnten. Wem diese Differenz diente, läßt sich leicht erraten. Mit Blick auf die noch ausführlich darzustellenden Kämpfe der Medici gegen Florenz müssen wir die Chronologie jener Betrugserkenntnisse beachten. Im Laufe des ganzen Jahres 1497 wurde erstmals sichtbar, daß die Tornabuoni ihren Eid gebrochen und den Medici-Rebellen geholfen hatten, zusammen mit allen führenden Mediceer-Bankiers und weiteren engen Freunden. In jenem Jahr erfolgten zugleich die ersten ernsthaften Angriffe der Medici auf Florenz, wobei deren Finanzierung einen ganz wesentlichen Erfolg der Medici-Freunde darstellte – was den Florentiner Medici-Feinden nicht verborgen blieb. Den aus ihrer Sicht positiven, für die Mediceer negativen Höhepunkt dieses Kampfes um die Macht in Florenz bildete dann im August 1497 die Hinrichtung von fünf Florentiner Mediceern, zu denen Lorenzo Tornabuoni gehörte. Viele weitere Mediceer wurden im Sommer 1497 verbannt; Nofri Tornabuoni und sein Schwiegersohn Leonardo di Zanobi Bartolini wurden gar als Rebellen der Stadt verurteilt, wären bei dem geforderten Erscheinen in Florenz mit Sicherheit ebenfalls hingerichtet worden. Man wußte um ihre maßgebliche Rolle bei der Finanzierung der Medici und bei der Organisation der Angriffe auf Florenz. Doch erst aus einer anonymen und Jahre später erfolgenden Denunziation erfuhr die Florentiner Regierung und erfahren auch wir, daß Leonardo di Zanobi Bartolini und sein Schwiegervater Nofri Tornabuoni, der Cousin Lorenzo Tornabuonis, die eigentlichen Urheber jener Betrügereien gewesen waren. Dies stand zu vermuten, wird nun aber expressis verbis und mit weiteren interessanten Details bestätigt. Die raffinierteren Betrugsmanöver mußten selbst dem prüfenden Blick des Antonio da San Gimignano verborgen bleiben; sie konnte nur ein Insider aufdecken. Nofri Tornabuoni und Leonardo di Zanobi Bartolini als Betrüger in Rom im Spiegel einer anonymen Denunziation Am 30. Januar 1500 (1499 nach dem im Brief verwendeten Florentiner Stil) wandte sich ein notifichatore segreto, wie er sich selbst bezeichnete, an die Florentiner Verantwortlichen, um einen bereits mehrere Jahre zurückliegenden Vorfall anzuzeigen, der mit der Abwicklung des Medici-Vermögens zusammenhing.349 Dabei bezog er sich direkt auf die Bilanz der römischen Medici-Bank, die von den beiden in Rom lebenden Florentiner Kaufleuten Salvi di Niccolò Borgherini und Niccolò d’Urbano Cattani erstellt und am 24. 349 ASF, MAP LXXXIV, doc. 53, c. 105r/v, und doc. 52r/v. Es handelt sich um zwei Kopien der

anonymen Anzeige, die den Medici vermutlich zur Rechtfertigung zugänglich gemacht wurden; ein kurzer, aber nicht ganz stimmiger Hinweis hierzu bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 171.

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März 1495 abgeschlossen worden war. Unser Denunziant erklärt nun, daß die römische Gesellschaft des Giuliano Panciatichi in dieser Bilanz nur mit der Summe von 488 Fiorini als Schuldner aufgeführt worden sei. Das stimmte, wie wir aus der Edition des Dokuments durch Sapori wissen; es handelte sich gemäß ihrem Konto im libro biancho segnato A der römischen Medici-Bank um ‚gute Schulden‘ (buoni danari), welche die Panciatichi den Medici für gelieferte Sachen schuldeten.350 Giovanni und Lorenzo Tornabuoni hätten (auch) diese Schuld bzw. diesen Schuldanspruch am 4. Juni 1495 erhalten; für die Richtigkeit der Angaben standen sie per Eid ein. Der Denunziant kann nun aber verraten, daß die römische Gesellschaft des Giuliano Panciatichi bzw. deren Teilhaber und Leiter Giovanni Chelli ohne Erlaubnis der ufficiali de’ ribelli noch am 24. März 1496 an Nofri Tornabuoni und (dessen Schwiegersohn) Leonardo di Zanobi Bartolini, die als Prokuratoren von Giovanni und Lorenzo Tornabuoni fungierten, einen bestimmten Betrag gezahlt habe, der in der überlieferten Abschrift der Anzeige an dieser Stelle leider nicht eingetragen worden ist, doch sicherlich erheblich höher lag als die deklarierte, offenbar zu niedrig angegebene Schuld. Dies gibt unserem Denunzianten Anlaß, sich heftig zu ereifern: Niemals hätte die Panciatichi-Gesellschaft jene Summe an Nofri und Leonardo zahlen dürfen, sie sei in den Büchern der römischen Gesellschaft der Erben des Lorenzo de’ Medici nicht eingetragen, sondern betrügerisch getilgt worden, und zwar (einen Monat vor der Bilanzfertigstellung) am 21. Februar 1495, bevor Giovanni und Lorenzo Tornabuoni die Verbindlichkeiten der römischen Gesellschaft berechnet, d.h. vorgelegt hätten. Eine solche Tilgung konnte nur Nofri oder Leonardo vorgenommen haben. Der Denunziant vermochte in diesem Zusammenhang sogar auf eine entsprechende Seite (48) im Kassenbuch der Medici-Bank mit der Signatur „A“ zu verweisen, wo die eigentliche Schuld der Panciatichi-Gesellschaft manipuliert worden sei. So sei der Kommune von Florenz ein großer Schaden entstanden, ein Verlust von 7.084 Fiorini, für welche die Panciatichi-Gesellschaft als Schuldner verzeichnet war. (Die ursprüngliche, an Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini gezahlte und in der Abschrift ausgelassene Gesamtschuld wird demnach 7.572 Fiorini betragen haben, da 488 Fiorini ja bezahlt wurden und die 7.084 Fiorini als Restschuld zu verstehen sein werden.) Um die Panciatichi als Schuldner zu streichen, hätten sie – die Betrüger – sogar die Konten des fondaco getilgt, der Gläubiger von Gewinnen gewesen sei. Was genau damit gemeint war, verschweigt uns der Denunziant; es ging jedenfalls um Täuschungen beim Tuchgeschäft der römischen Medici-Bank, wie sie auch schon von Antonio da San Gimignano entlarvt worden sind. Er, der notificatore segreto, erkläre also, daß die römische Panciatichi-Gesellschaft mit 7.084 Fiorini Schuldner von Florenz sei, und daß sie diese Summe an die ufficiali di torre e de’ rubelli per comune di Firenze zu zahlen habe, daß ferner Giovanni und Lorenzo Tornabuoni nur die bekannte Schuld (von 488 Fiorini) der Panciatichi-Gesellschaft dekla350 Sapori, Bilancio, S. 196, Nr. 131 (Giuliano Panciatichi e compagnia di Corte per chagione di

robe haute da nnoi. Questi sono buoni danari, et habiamo a saldare un conto di più robe date per noi a divese persone dove sarà qualche utilità ma non sanza contesa).

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riert hätten und dem offiziellen Guthaben der Erben des Lorenzo de’ Medici zukommen ließen, niemals aber die unbekannte und betrügerisch getilgte Summe, von der ein bestimmter Teil sogar an Piero de’ Medici in Form bestimmter Güter gezahlt worden sei, was sich aus dessen Büchern genauestens beweisen lasse! Unser Denunziant war also ein Intimus, ein Kenner der Medici-Geschäfte, der sich zudem in unmittelbarer Nähe zu Piero de’ Medici aufgehalten haben mußte. Und er kannte sich bestens mit den Florentiner Gesetzen aus. Denn seine Aufforderung an die ufficiali, der Panciatichi-Gesellschaft eine Zahlungsaufforderung über die genannte Summe von 7.084 Fiorini zukommen zu lassen bzw. diese durch Giovanni und Lorenzo Tornabuoni (d.h. deren Vertreter) restituieren zu lassen, sollte sich die Zahlung der Panciatichi an sie bewahrheiten, war alles andere als uneigennütziger Eifer zum Wohle der Republik. Als Denunziant solcher Gesetzwidrigkeiten hatte er nämlich ein Anrecht auf ein Viertel des einzuziehenden Betrages. Genau dieses forderte er denn auch, sogar mit Verweis auf die Seitenzahl des betreffenden Gesetzbuches, und verlangte, der Amtsschreiber Antonio di Bertolo Ricciardi solle für ihn sein Viertel einziehen. Beherzt rief er den ufficiali dabei zu, sie sollten Vernunft und Gerechtigkeit walten lassen, wie das Florentiner Volk es von ihnen erwarte, und sich nicht so wie andere ihrer Amtsvorgänger verhalten. Doch damit nicht genug! Der notificatore wußte noch mehr und wollte auch dies zum Wohl der Allgemeinheit mitteilen. Die Panciatichi-Gesellschaft habe nämlich in der gleichen Weise an Leonardo di Zanobi Bartolini und Nofri Tornabuoni als Vertretern von Giovanni und Lorenzo Tornabuoni eine weitere Summe von 3.000 Fiorini di carlini (eine als neapolitanischer Dukaten eher in Rom als in Florenz umlaufende Münze) bezahlt, die sie den Medici schuldeten, mit der sie in den Büchern der römischen Bank ebenfalls nicht verzeichnet waren und die sie deshalb den ufficiali zu zahlen hätten, da diesen das Geld jedes Schuldners zustehe, der in dem zwischen den Tornabuoni und den Syndizi im Juni 1495 abgeschlossenen Vertrag zur Vermögensabwicklung der Medici nicht aufgelistet worden sei. Es läßt sich leider nicht erschließen, ob diese 3.000 Fiorini di carlini mit jenen im November 1497 bei den Tornabuoni geltend gemachten 3.000 Fiorini larghi dei grossi gemeint sind; der differierende Münzfuß und der zeitliche Abstand läßt jedoch eher an eine weitere durch Fälschung erschlichene Summe denken. Das angewandte Prinzip ist klar: Die Summen einiger Schuldner der römischen Medici-Bank wurden in der Bilanz als erheblich geringer ausgewiesen, als sie real waren. Standen zum Beispiel 500 Fiorini in der Bilanz 5.000 Fiorini tatsächlicher Schuldansprüche gegenüber, konnten 4.500 Fiorini in die Kassen der Medici-Bankiers wandern, ohne daß sie für die Satisfaktion der Gläubiger verwendet werden mußten. Umgekehrt brauchte man nur die Ansprüche der Gläubiger in der Bilanz höher ausweisen, als sie tatsächlich waren, um auf diese Weise ebenso einen Differenzbetrag am eigentlichen Zweck vorbei als Gewinn verbuchen zu können. Für die auf solche Weise erhöhte Gesamtschuld erhielt Lorenzo Tornabuoni bzw. die Florentiner Medici-Erben-Bank jenen Betrag von 42.000 Fiorini, bei welchem die Mediceer-Bankiers somit doppelt kassierten. Solche Fälschungen waren natürlich nur mit eng befreundeten Kaufleuten möglich, denen die eigentliche In-

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tention bekannt und am Herzen gelegen haben mußte und die deshalb das Vorgehen geheim hielten. Je mehr Differenzbeträge, um so besser konnten die Medici-Bankiers ihre Konten aufbessern und den exilierten Medici helfen. Alles in allem aber ergäben allein diese, uns durch Überlieferungszufälle bekannt gewordenen Bilanzfälschungen eine stattliche Summe von gut 20.000 Fiorini, zu denen noch der unbekannte Profit aus den Stofflieferungen an Virginio Orsini und andere Herren im Wert von 50.000 Dukaten käme. Doch das wahre Betrugsvolumen muß wesentlich höher gewesen sein, denn dieser Denunziant, der als Kenner der Materie zum Verräter wurde, stellt eine Ausnahme dar. Die Urheber und die wenigen eingeweihten Freunde behielten ihre Geheimnisse für sich. Wichtig ist die Information des Denunzianten über den Nutznießer der Bilanztäuschungen. Er wußte, daß Piero de’ Medici einen Teil dieser Gewinne persönlich erhielt und dies sogar in seinem Haushaltsbuch registrierte. Die restlichen Beträge werden den verbannten Medici in anderer Form, mit anderen Zwecksetzungen zugute gekommen sein. (Piero konnte selbst als Exilierter nicht mit Geld haushalten, war u. a. ein berüchtigter Spieler, weshalb seine Bankiers ihm gewiß nur begrenzte Mittel aus ihrem „Etat“ zur Verfügung stellten.) Denn es ist undenkbar, daß die Mediceer-Bankiers sie für sich behielten; sie übten ihr klandestines Handeln stets für ihre Patrone aus! Sehr klar wird dies durch einen anderen Denunzianten bestätigt, der selbst den 1497 oder danach als Rebell verurteilten Luigi de’ Rossi – ein Intimus des Kardinals Giovanni de’ Medici, aber kein angestellter Bankier der Medici – beschuldigte, sein vom Vater Lionetto geerbtes Vermögen der Konfiszierung entzogen zu haben, indem er es seinem Bruder Ludovico schenkte, davon aber weiterhin profitierte. Diese Einnahmen sowie weitere aus seinen geistlichen Ämtern und alles sonstige Geld, was Luigi in die Hand bekomme, würden jedoch Piero de’ Medici dienen! Luigi gebe darüber hinaus nichts aus, er sei ein perfider Feind des Florentiner Staates.351 Der anonyme Denunziant vom Januar 1500 wußte zu berichten, daß die Fälschungen bei der römischen Medici-Bank schon am 21. Februar 1495 vorgenommen worden waren, zu einem Zeitpunkt mithin, als – wie auch der Hinweis auf Cattanis Brief vom 8.2.1495 zeigt – die Arbeit an der Bilanzerstellung bereits in Angriff genommen war. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß der hier involvierte Leonardo Bartolini die Tilgung mehrerer größerer Schuldposten aus Rechnungsbüchern der römischen Medici-Bank damals noch ohne Kenntnis und Billigung des Borgherini vornehmen konnte.352 Und vor allem: Wenn unsere Informanten (der ragioniere sowie der Denunziant) die betrügerischen Manipulationen der Rechnungsposten aus diesen Medici-Büchern kannten bzw. erkennen konnten, zum 351 ASF, MAP XCIV, doc. 194. Luigi de’ Rossi, der Sohn des unfähigen Leiters der Lyoner Medi-

ci-Bank, wird noch häufiger zur Sprache kommen. 352 In Florenz gehörte Salvi di Francesco di Salvi Borgherini damals zu den einflußreicheren

Amtsträgern; als einer der priores libertatis zeichnete er z. B. am 14.1.1496 für das Reformgesetz sulla giurisdizione degli Ufficiali de’ pupilli, am 9.2.1496 für eine Neuordnung über den Zoll zu Livorno und am 18.2.1496 für neue Normen zur Wahl der drei wichtigsten Ämter von Florenz, d.h. der Signoria, der sechzehn Gonfalonieri und der zwölf Buoni Uomini, verantwortlich ; vgl. Provvisioni I, S. 237, 243, 254.

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Teil unter genauer Angabe der Seitenzahlen, dann mußte auch und gerade ein Salvi di Niccolò Borgherini in der Lage gewesen sein, diese Fälschungen zu sehen! Unsere Vermutung über den Freundschaftsdienst des Salvi Borgherini läßt sich freilich durch weitere Indizien erhärten. Seine Gesellschaft war wie sein Vater Niccolò in der von ihm und den Medici-Getreuen „frisierten“ Bilanz als Schuldner vertreten, und zwar mit den beachtlichen Beträgen von 4.179 Fiorini für Salvi und 1.815 Fiorini für Niccolò. Angesichts der manipulierten, d.h. stark reduzierten Schuld der Panciatichi bekommt man erhebliche Zweifel, ob diese Summen das wahre Ausmaß der Verbindlichkeiten anzeigen, ob sie nicht auch für die Borgherini höher waren, so daß die Differenzsumme den Medici zugute kommen sollte.353. Die hiermit angesprochene Unterstützung der Medici, die Einbindung in das Netzwerk, wird durch einen bereits erwähnten, weiteren Posten am Schluß der ‚Bilanz‘ von 1495 unterfüttert. Dort waren nach den Verbindlichkeiten der römischen Medici-Bank bei ihren Gläubigern noch einige Posten versprochener Zahlungsverpflichtungen aufgeführt, die dann ebenfalls (wie die Medici-Schulden) mit den (zu niedrig angesetzten) Einnahmen der Schuldtitel bilanziert worden waren. Dabei wurde nun – wir werden es mit Blick auf den Sanseverino noch genauer erörtern – vermerkt, daß die Medici-Bank auf Wunsch des Kardinals Federico Sanseverino dem Niccolò Borgherini am 1. Januar 1495 1.080 Dukaten versprochen habe, die man von jenen versprochenen 8.000 Golddukaten abziehen wolle, die man dem Sanseverino für seinen Kredit zurückzahlen mußte, den er der römischen Medici-Bank über ihre Lyoner Filiale 1494 per cagione della pensione di Nerbone gewährt hatte. Diese Pension wiederum können wir mit dem Verzicht Sanseverinos auf das Erzbistum Rouen zugunsten des damaligen Erzbischofs von Narbonne, Georges d’Amboise, in Verbindung bringen.354 Federico Sanseverino hatte ca. 1494/95 also Waren oder andere Güter im Wert von mindestens 1.080 Kammerdukaten von den Borgherini bezogen, stand demnach auch mit ihnen in Geschäftsverbindungen; er aber war einer der wichtigsten Freunde der Medici, sein Finanzpartner in Rom war Leonardo di Zanobi Bartolini. Obwohl Giovanni und Lorenzo Tornabuoni sich mit dem Vertrag vom 4. Juni 1495 zur Liquidation der römischen Medici-Tornabuoni-Bank verpflichtet hatten, die Bilanz rechtlich und kaufmännisch korrekt zu erstellen und im gegenteiligen Fall den Syndizi die vorenthaltenen Beträge zurückzuzahlen,355 kann es also keinen Zweifel geben, daß sie

353 Sapori, Bilancio, S. 200, Nr. 192, 193. 354 S.u. S. 293–298, 301–303; Sapori, Bilancio, S. 208f., Nr. 265 (eine weitere Schuld des Sanse-

verino über 520 Dukaten war bei der römischen Nerli-Gesellschaft durch die Medici zu bezahlen und mit jener Summe von 8.000 Dukaten zu verrechnen). Mit Blick auf das Geburtsjahr Salvis (1436) kann es sich bei jenem Niccolò Borgherini nur dann um seinen Vater gehandelt haben, wenn dieser ihn in sehr jungen Jahren gezeugt und ein hohes Alter erreicht hätte; von Salvis 4 Söhnen erhielt jedoch keiner diesen Vornamen, so daß es sich möglicherweise auch um einen engen Verwandten gehandelt haben könnte; zu den Kindern Salvis vgl. Andrea del Sarto, Dipinti, S. 105–111. 355 ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 452r/v.

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und ihre Vertrauten dieses Joch der Liquidation in ein Instrument zur Geldgewinnung umgeformt hatten. Gelingen konnte dies eben nur durch die Beteiligung von Freunden. Giuliano di Piero Panciatichi und seine Teilhaber zählten mit Sicherheit dazu, Salvi Borgherini mit größter Wahrscheinlichkeit. Giuliano Panciatichi, der 1495 ungefähr 51 Jahre alt war, wurzelte tatsächlich tief im Medici-Netzwerk. Seine Mutter Antonia war die Tochter jenes Ser Bartolomeo Orlandini, der als Gonfaloniere di Giustizia Cosimo de’ Medici nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1434 bei der Stabilisierung seiner Macht half, indem er den mit einem Feind Cosimos verbündeten Offizier Baldaccio d’Anghiari durch einen Sturz aus dem Palazzo della Signoria töten ließ; und seine Ehefrau Lucrezia war die Tochter von Otto Niccolini, der Cosimos Sohn Piero de’ Medici in großer Gefahr beistand.356 Mediceer wie Giuliano Panciatichi trugen wesentlich dazu bei, daß auch nach 1495 noch erhebliche Summen in die Hände der Medici-Bankiers gelangten und zwischen ihnen transferiert wurden. Auch diese Einsicht sollte uns davor bewahren, ein allzu schnelles Ende aller Geschäfte der Medici- bzw. Florentiner Medici-Erben-Banken zu behaupten – zumal wir noch ausführlich darlegen können, daß Giuliano da Gagliano kein Jahr nach der Entlarvung der römischen Panciatichi-Bank den Auftrag erhielt, diese Bank zugunsten seiner Hintermänner zu erwerben und sie in eine neue, aber weiterhin den Medici-Interessen dienende Gesellschaft umzuformen!357 Die Gegenklage der Tornabuoni-Vertreter Nur sechs Tage nach der detailgesättigten Denunziation über den gravierenden Betrug der Tornabuoni und des Leonardo di Zanobi Bartolini erfolgte am 5. Februar 1500 die Antwort der Tornabuoni, d.h. ihrer Prokuratoren, denn Giovanni und Lorenzo lebten seit 1497 nicht mehr. Diese Reaktion stellte keineswegs eine bloße Verteidigung dar, sondern ist geradezu als Gegenangriff auf die Kommune zu verstehen.358 Denn die von den Tornabuoni durch Betrug erworbenen Beträge mußten zurückgezahlt werden, und das wollten 356 Giuliano di Piero Panciatichi wurde laut Tratte 1443 (nach Passerini 1441) geboren und heira-

tete 1462 Lucrezia, die Tochter des medicitreuen Ser Otto Niccolini. Doch das von Passerini angegebene Todesdatum 1484 kann nicht stimmen, da einer seiner Söhne, Carlo, erst 1486 geboren wurde (er heiratete bezeichnenderweise Camilla di Bernardo de’ Medici); vgl. Passerini, Famiglia Panciatichi, S. 65 (ohne jeglichen Hinweis auf die Bankierstätigkeit Giulianos) und Tafel IV. Zudem wird in den anzusprechenden Dokumenten aus der Mitte der 90er Jahre zur römischen Gesellschaft des Giuliano di Piero Panciatichi nicht von einer Gesellschaft der Erben Giulianos gesprochen, was der Fall gewesen wäre, wenn er damals nicht mehr gelebt hätte. Ein Neffe Giulianos war Bartolomeo (1468–1533), der Sohn seines Bruders Francesco, der die meiste Zeit seines Lebens als Kaufmann und Bankier in Lyon lebte und ebenfalls zu den engeren Freunden der Medici zählt; vgl. zu ihm auch Passerini, ebd. S. 66f. Zu Giuliano Panciatichi vgl. auch Verde, Studio fiorentino III/2, S. 1172; zu Orlandini und Niccolini vgl. Guicciardini, Storia fiorentina, S. 5f., 15 und s.v. 357 S.u. S. 625–629. 358 ASF, MAP LXXXIV, doc. 46, c. 96r/v, 99r/v; ein eher verwirrender als hilfreicher Hinweis auf dieses wichtige Dokument bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 171 (wo zudem der bereits im Frühsommer 1497 verstorbene Giovanni Tornabuoni als Urheber der TornabuoniVerteidigung von 1500 behauptet wird).

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die Verwalter des Tornabuoni-Nachlasses vermeiden, indem sie ihrerseits Forderungen an die ufficiali di torre e de’ rebelli stellten. Aus der sich auf drei Punkte konzentrierenden Argumentation lassen sich einige instruktive Erkenntnisse gewinnen. Die Prokuratoren kritisierten, daß Giovanni und Lorenzo Tornabuoni im Juni 1495 bei dem Vertrag über die Liquidation der römischen Medici-Bank als deren Teilhaber betrachtet wurden, und zwar mit einer Ein-Drittel-Beteiligung, weshalb sie die Schulden in dieser Höhe übernehmen mußten. Die von den Tornabuoni (angeblich) nur aus Furcht vor angedrohten Repressalien akzeptierte Teilhaberschaft sei irrig und illegal, da Giovanni Tornabuoni nach dem Tod von Lorenzo de’ Medici kein Teilhaber mehr gewesen sei. Die Bank sei allein von Lorenzos Erben fortgeführt worden (so hieß sie ja auch), weshalb nur diese die Schulden zu tragen hätten. Die Prokuratoren wälzten mit dieser Feststellung die Bankschulden von den Tornabuoni auf die Kommune bzw. die ufficiali ab, denn sie waren für die Güter und Schulden der Medici-Rebellen verantwortlich. Es handelte sich hierbei jedoch um eine klare Lüge, denn während des zwischen April und Juli 1495 in Neapel geführten Finanzprozesses war durch Mitarbeiter der neapolitanischen Medici-Bank bestätigt worden, daß Piero de’ Medici und Lorenzo Tornabuoni die als einheitlichen Körper anzusehenden Medici-Banken in Rom und Neapel gemeinsam betrieben und in beiden Partner waren.359 Doch die Prokuratoren negierten nicht nur die Zahlungsverpflichtung der Tornabuoni – und damit ihre eigene! –, sondern wandelten sie sogar in ihr Gegenteil um. Lorenzo Tornabuoni und seine Erben wurden als Gläubiger der Medici, d.h. der Signoria von Florenz und der ufficiali de’ rebelli betrachtet, da diese das Vermögen der Medici verwalteten. In den vorgebrachten Begründungen wird jedoch indirekt die Einheit der römischen und neapolitanischen Bank belegt, denn auf beide bezogen sich sowohl die unrechtmäßigen Schuldübernahmen der Tornabuoni als auch ihre nicht umzusetzenden Gläubigeransprüche. Als konkrete Beispiele dienten die immer noch existenten, exorbitanten Schulden der Orsini und der Apostolischen Kammer bei der römischen Medici-Bank, die Lorenzo de’ Medici und seine Erben persönlich beträfen, nicht die Tornabuoni, ferner die hohe Schuld des Venezianers Andrea Braghadini und seiner Söhne bei der Bank in Neapel, von der niemals wie erhofft etwas eingetrieben werden konnte, sowie die mittlerweile von der Krone in Neapel vertretenen Gläubigeransprüche des neapolitanischen Schatzmeisters Simone Casolla bei der Medici-Bank in Florenz, wegen derer sich die Krone an den Besitztümern der neapolitanischen Medici-Bank schadlos halte.360 Da vor allem der letzte 359 S.o. S. 153f. 360 Tatsächlich wurde in dem zwischen den Tornabuoni und den Syndizi der Medici geschlossenen

Vertrag vom 4.6.1495 jener Simone Casolla aufgeführt. Er war Thesaurar des Königs von Neapel und mit einer Summe von immerhin 15.705 Dukaten larghi d’oro in oro Gläubiger der Medici-Bank in Florenz. Diese Schuld sollte getilgt werden, indem der Betrag der römischen Medici-Bank gutgeschrieben und mit deren Anspruch auf die vom neapolitanischen König geschuldeten 24.000 Dukaten verrechnet würde; die Gutschrift war in den 42.000 Dukaten, welche die Tornabuoni erhielten, nicht enthalten; s.o. S. 158 und vgl. ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 453r/v. Wenn die Krone in Neapel also noch 1500 Anspruch auf jene 15.705 Dukaten erhob,

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Zustand offenkundig noch Anfang 1500 aktuell war und da die Prokuratoren forderten, die Medici-Bank in Neapel (la ragione di Napoli) solle von den ‚lästigen‘ Konfiszierungen ihrer Besitzungen befreit werden, sie selbst aber sollten stellvertretend für die Tornabuoni den geforderten Betrag als Gläubiger erhalten, scheint die neapolitanische MediciBank damals noch – in welcher Form auch immer – betrieben worden zu sein. Die Prokuratoren verlangten daher eine Revision des Vertrages über die Liquidation der römischen Medici-Bank und für ihre Tochterbank in Neapel eine gründliche Kontrolle der Bücher, was sie selbst nie getan hätten, da sie nicht die Schulden der Medici übernehmen wollten. Der dort irrtümlich stark belastete Lorenzo Tornabuoni und gegenwärtig seine Prokuratoren müßten dann zu Gläubigern der Medici-Erben werden, diese wiederum zu Schuldnern der Bank in Neapel. Zum dritten erhoben die Prokuratoren, die sich auch als Kuratoren der TornabuoniGüter bezeichneten, eine weitere Forderung, die sich nun auf die Partnerschaft zwischen Lorenzo de’ Medici und Giovanni Tornabuoni bezog. Nach Aussage der Kuratoren hatte Giovanni seinem Partner Lorenzo de’ Medici über die Florentiner Medici-Bank am 7. Mai 1486 9.000 Fiorini l.gr. zur Verfügung gestellt, wie sie unter genauer Angabe der Konten in den Büchern der Florentiner Medici-Bank und des Lorenzo Tornabuoni beweisen konnten. Es habe sich dabei um den Teilbetrag einer größeren Summe gehandelt, doch da die ragioni – mit denen nur mediceische Gesellschaften, Rechtsnachfolger der MediciErben-Bank gemeint gewesen sein konnten – derzeit diesen Rest von 9.000 Fiorini für sich reservierten, erhebe man Anspruch auf diesen Betrag, der mit anderen niemals zurückbezahlt worden sei. Weil Lorenzo Tornabuoni in allem der Erbe, Rechtsnachfolger seines Vaters sei, erklärten sich die Kuratoren als Vertreter der Tornabuoni zu Gläubigern der Erben des Lorenzo de’ Medici über jene 9.000 Fiorini. Auch diese Forderung richtete sich natürlich an die Signoria von Florenz, an welche sich auch viele andere Gläubiger der Medici bzw. der zu Rebellen erklärten Erben des Lorenzo de’ Medici wandten. Daß die Kommune auch die Spesen der Tornabuoni-Kuratoren zu zahlen habe, verstand sich für diese von selbst. Die Kuratoren stellten sich nur scheinbar, nur formal gegen die Medici-Erben, indem sie sich als deren Gläubiger erklärten und von ihnen Geld verlangten. Denn jede Forderung an die Erben des Lorenzo de’ Medici proprio – d.h. an seine leiblichen Erben, die juristisch von den Partner-Erben seiner Gesellschaft(en) zu trennen sind! –, richtete sich in Florenz formal und de jure an die Signoria, die das (ihr zugängliche) Medici-Vermögen beschlagnahmt hatte und rechtlich damit auch für alle noch nicht erfüllten Ansprüche der Gläubiger an die als Rebellen verurteilten Erben des Magnifico zuständig war. Die Kuratoren der konfiszierten Güter Lorenzo Tornabuonis vertraten die finanziellen Interessen der Tornabuoni, standen auf ihrer Seite und sind mit Blick auf den brisanten Kontext zu ihren Freunden zu zählen. Ihre Klage gegen die Kommune zeigt, daß die aufgedeckten Betrügereien bei der Liquidation der Medici-Bank Teil eines umfassenderen, kompliziersind sie von der römischen Medici-Bank offensichtlich nicht wie vertraglich geregelt zur Schuldentilgung benutzt worden.

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ten Kampfes um das Medici- und Tornabuoni-Erbe waren. Die mit der Abwicklung vor allem der römischen und neapolitanischen Medici-Bank verbundenen finanziellen Fragen und Finanzansprüche waren noch längst nicht abgeschlossen. Sie wurden Anfang 1500 aktiv von den Kuratoren der Tornabuoni-Güter vertreten, die nicht nur für ihre, sondern damit immer auch für die Sache der Medici eintraten. Dies zeigt sich sehr eindrucksvoll bei ihren instruktiven Forderungen, die auf die neapolitanische Medici-Bank abzielten, an der Piero de’ Medici ja nach 1494 weiterhin beteiligt war. Wenn die TornabuoniKuratoren deshalb Geld von der Stadt verlangten, um die Medici-Schuld bei Casolla bzw. der Krone bezahlen und damit ihren neapolitanischen Besitz auslösen zu können, bezeugen uns die Kuratoren mit dieser Forderung, daß sie diese Bank oder ihre Rechtsnachfolgerin mit deren Interessen und Gütern in Neapel übernommen hatten und weiterhin betrieben! Auch wenn sie uns nicht sagen, wie sie nun hieß, kann es an der Tatsache der Übernahme keinen Zweifel geben. Dies belegt auch die Forderung der Kuratoren an die Stadt, die Konten der Medici-Bank in Neapel (erstmals) kontrollieren zu lassen, was sie bisher (also wohl bis zum Tod des nominellen Leiters Lorenzo Tornabuoni im August 1497) aus Eigeninteresse vernachlässigt hatten. Denn aus dem daraus abgeleiteten Optimismus über die Berechtigung ihrer Ansprüche dürfen wir doch wohl den Schluß ziehen, daß die Kuratoren der Tornabuoni auch über alle Bücher dieser Bank aus den vergangenen Jahren verfügten. Dem ließe sich verstärkend hinzufügen, daß noch im November 1511 einer der Kuratoren von einem neapolitanischen Gläubiger der Tornabuoni aus jenen Gründen behelligt werden wird!361 Erhellend ist ebenso die demonstrative Feststellung der Kuratoren, Lorenzo Tornabuoni sei ‚in allem‘ der Erbe seines Vaters Giovanni gewesen – weshalb die Kuratoren auch Anspruch auf noch nicht zurückgezahlte Kapitaleinlagen Giovannis bei den Medici erhoben. Warum aber traten hier die Söhne Lorenzos als seine und damit ihres Großvaters Erben nicht in Erscheinung, warum werden Giovanni und Leonardo di Lorenzo Tornabuoni bei diesen Forderungen nicht einmal namentlich erwähnt? Der aus Lorenzos Ehe mit Giovanna degli Albizzi stammende Giovanni war am 11. Oktober 1487 geboren worden, während Leonardo aus Lorenzos zweiter Ehe mit Ginevra di Bongianni Gianfigliazzi stammte und am 29. September 1492 zur Welt kam.362 Beide Söhne hatte man daher nach dem Tod, d.h. der Hinrichtung ihres Vaters im August 1497 zu Mündeln erklärt und ihnen wie üblich Tutoren, Vormünder zur Seite gestellt. Diese Tutoren der Kinder Lorenzo Tornabuonis waren nicht identisch mit den Prokuratoren bzw. Syndizi und Kuratoren (die sich einmal ebenfalls als Tutoren bezeichneten) der konfiszierten Güter des Lorenzo Tornabuoni; erstere konnten als von der Stadt eingesetzte Vormünder aus dem Kreis der Medici- und Tornabuoni-Feinde stammen, letztere aber gehörten zweifellos zu den Freunden. Die Aussage der Kuratoren über Lorenzo als alleinigen Erben seines Vaters Giovanni wird ergänzt durch einen Fund, den Armando Sapori gemacht hatte. Er hatte in einem privaten Familienarchiv, dessen Namen er leider nicht nannte bzw. nennen wollte, ein 361 S.u. S. 992f. 362 Pampaloni, I Tornaquinci, S. 361.

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kleines Konvolut von kopierten Dokumenten entdeckt, die sich alle direkt oder indirekt auf die Liquidation der römischen Medici-Bank bezogen.363 Eines dieser abgeschriebenen Notariatsinstrumente beinhaltete die 1495 aufgestellte (manipulierte) Bilanz der römischen Medici-Bank, die Sapori dann auch publizierte.364 Doch wollte er den gesamten Bestand in einer größeren Veröffentlichung vorstellen und untersuchen, die offenbar nicht mehr realisiert werden konnte. Deshalb liegen uns nur wenige Auszüge aus seiner Entdeckung vor, deren Bedeutung zweifellos beachtlich ist. Unter den Abschriften befand sich nämlich das Notariatsinstrument, mit welchem Giovanni Tornabuoni am 20. Februar 1495 seinen Enkeln Giovanni und Leonardo seine ‚Substanzen‘ schenkte, wobei er seinem Sohn Lorenzo zugleich jedes Anrecht auf diese Güter verwehrte und ihn von einer Erbschaft ausschloß. Sapori konnte dem Dokument nicht entnehmen, ob es sich um den gesamten Besitz Giovanni Tornabuonis handelte, vermutete dies aber, da dieser seinen Neffen eine Unterhaltspflicht für sich und seinen Sohn Lorenzo auferlegte. Es handelte sich um einen gewaltigen Besitz an Immobilien innerhalb und vor allem außerhalb von Florenz, von Landgütern mit großen Nutzflächen, Haushaltsgegenständen, aber auch Juwelen. Mit Recht vermutete Sapori, bei dieser Schenkung habe es sich um ein taktisches Manöver gehandelt, bei dem – angesichts der Verantwortung Lorenzos für das Medici-Erbe und der Entschlossenheit der Medici-Feinde – durch den Ausschluß Lorenzos dieser Tornabuoni-Besitz gleichsam aus dem Schußfeld gebracht und gerettet werden sollte. Von bestimmten Kapital- und Geldwerten sprach Sapori allerdings nicht. Diese scheinen nicht an die Söhne Lorenzos vermacht worden zu sein. Durch die Schenkung Giovannis blieb dessen umfangreicher Immobilien- und Sachbesitz außerhalb von Lorenzos Erbmasse – und damit unberührt von den an Lorenzo gerichteten Ansprüchen der Medici-Gläubiger. Gleichwohl werden einige der von Giovanni an seine Enkel verschenkten Güter kurz nach 1500 zur Begleichung alter Medici-Schulden dienen. Hier gab es möglicherweise einen Zusammenhang mit zwei Akten vom 7. August 1499 und 24. Februar 1500, bei denen die Kuratoren der Tornabuoni-Güter und die Vormünder von Lorenzos Söhnen einen Konflikt, der sich durch die Anfechtung der Schenkung ergab, zu einer (vorläufigen) Einigung brachten.365 Die Denunziation vom 30. Januar 1500 gegen die Tornabuoni und deren Echo vom 5. Februar 1500 seitens der Tornabuoni-Kuratoren entstanden somit in einer heißen Phase einer Auseinandersetzung um das Tornabuoni-Erbe, in welches ein gut Teil des Medici363 Sapori, Cacciata. 364 Sapori, Bilancio. 365 Sapori, Cacciata, S. 304, 310. Sie gehören zu dem von Sapori entdeckten Korpus. Sapori hat

hierzu – außer dem Verweis auf seine künftige umfangreiche Studie zu den Dokumenten – leider nicht mehr mitgeteilt. Seine Formulierung, die Gegenspieler der Vormünder seien die ‚Syndizi der Güter der Rebellen und der Gläubiger des Lorenzo Tornabuoni‘ gewesen, ist zudem zweideutig. Damit können unsere Prokuratoren, die sindachi e churatori der konfiszierten Güter Lorenzos gemeint sein, aber auch deren Gegenspieler, die ufficiali dei ribelli. Im ersten (anzunehmenden) Fall wären die Vormünder Gegner der Tornabuoni gewesen (da unsere Kuratoren der Tornabuoni-Güter eindeutig zu den Freunden gehörten), im zweiten Fall wären sie zu deren Anhängern zu zählen.

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Erbes übergegangen war. Deshalb ging es auch fünf Jahre, nachdem Lorenzo Tornabuoni den Auftrag erhielt, die römische Medici-Bank zu liquidieren – die er aus seiner Sicht für 42.000 Fiorini kaufte –, immer noch um die Finanzen dieser Bank und das Erbe des Lorenzo il Magnifico. Doch Lorenzo Tornabuoni galt einem gut informierten Chronisten wie Bartolomeo Cerretani im November 1494 als reichster Bürger von Florenz; der Mailänder Botschafter in Florenz, den Mediceern nahestehend, bezifferte sein enormes Vermögen noch im Sommer 1497 auf mehr als 100.000 Fiorini!366 Bei dem Konflikt um das Mediciund Tornabuoni-Erbe, der nicht zuletzt durch die Betrügereien der Mediceer angefacht worden war, spielte im Hintergrund demnach sehr viel Geld mit, das in irgendeiner Form nun von den Kuratoren betreut wurde! Mit der Forderung der Tornabuoni-Kuratoren an die Stadt war die Schlacht der Ansprüche auf die Finanzen der Medici-Bank allerdings noch nicht beendet. Schweres Denunziantengeschütz gegen Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci als Leiter der Florentiner Medici-Erben-Bank Eine erneute Denunziation, und wiederum aus dem Jahr 1500, gibt uns nun einen noch gewichtigeren Einblick in die finanziellen Manipulationen der Tornabuoni und ihrer Mitstreiter zum Nachteil der Florentiner Republik – und zum Vorteil des MediciNetzes.367 Da nur die dem Florentiner Stil folgende Jahreszahl bekannt ist, muß sie aus dem Zeitraum zwischen dem 25. März 1500 und dem 24. März 1501 stammen. Der Denunziant war folglich von den Forderungen der Tornabuoni-Prokuratoren provoziert worden. Wir befinden uns in einer von 1497 bis 1500/01 dauernden, schärfer werdenden Schlacht von heimlichen Anzeigen und Anklagen, Gegenforderungen und erneuten Denunziationen, die alle aus dem immer noch lebendigen Erbe der alten Medici-Bank resultierten – und in deren Folge, wie angesprochen, Bartolomeo Bartolini 1499 als so heimlicher wie allumfassender Bankier und Strohmann Piero de’ Medicis entlarvt worden war. Den Tornabuoni sei großes Unrecht getan worden? Irrtümlich oder gar betrügerisch sei den unwissenden Tornabuoni durch Vertreter der Kommune großer finanzieller Schaden zugefügt worden? Tausende von Fiorini müßten den Erben dieser Übervorteilten rückerstattet werden? Dieser Denunziant des Jahres 1500/01 klagte nun seinerseits vor der Signoria und den Kollegien von Florenz mit schweren Vorwürfen Lorenzo Tornabuoni an. Doch mit Nachdruck ist dabei zu betonen, daß er ausdrücklich nicht allein den Tornabuoni, sondern gleichermaßen Gianbattista Bracci als verantwortlich brandmarkte! Denn was er wußte, betraf primär die ‚Gesellschaft der Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft von Florenz‘, also die Florentiner Bankgesellschaft der Medici, die vom Magnifico in seinen letzten Lebensjahren offenbar mit einer gewissen Leitfunktion gegenüber den anderen Medici-Banken und mit einem größeren Geschäftsfeld ausgestattet wurde, wie u. a. ihre Mehrheitsbeteilung Ende 1491 an der Goldschläger- und Woll-bottega der Medici 366 Cerretani, Storia fiorentina, S. 217; Villari, Storia II, S. xxxiii. 367 Gedruckt: Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 275–279; vgl. die diesbezüglichen Erläute-

rungen auf S. 245–250.

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nahelegt. Wie oben bereits dargestellt, war Giovanbattista Bracci 1487 anstelle von Giovanni Tornabuoni und Agostino di Sandro Biliotti Partner des Lorenzo de’ Medici in der Florentiner Bank der Medici geworden. Auch als Generalmanager aller MediciBankgesellschaften und sonstigen Firmen (seit 1489/90) blieb er dort Teilhaber; nach dem Tod des Magnifico hielt er einen Anteil von 10%. Seine Partner waren eben Lorenzo di Giovanni Tornabuoni (25%) und der Hauptanteilseigner Piero di Lorenzo de’ Medici (65%), der wie in Rom mit Sicherheit auch in Florenz nach 1494 heimlicher Teilhaber blieb.368 Hören wir nun die offenkundig auf Insiderwissen beruhenden Beschuldigungen unseres anonymen Anklägers. Die Florentiner Bankgesellschaft der ‚Erben des Lorenzo de’ Medici‘ sei der Florentiner Regierung am 30. Januar 1495 noch den aus verschiedenen Posten zusammengesetzten, hohen Betrag von 62.700 Fiorini l.gr. schuldig gewesen. Dies bezog sich also nicht auf die leiblichen Söhne und Erben Lorenzos – und erst recht nicht auf den Magnifico selbst, wie man lange glaubte –, sondern auf die maßgeblichen Partner und Leiter dieser Bank. Giovanbattista Bracci und Lorenzo Tornabuoni sind demnach vom Denunzianten auch namentlich als Haftende für diese gewaltige Schuld genannt worden. Die von ihm aufgeführten Einzelbeträge stimmen exakt mit denen überein, die zu jenem 30. Januar 1495 auch von den Syndizi der Medici in einem Protokoll registriert wurden. Diese hatten nämlich erklärt, daß Francesco di Bernardo della Tosa als ehemaliger Kämmerer des Monte Comune Gläubiger der Florentiner Bankgesellschaft der ‚Erben des Lorenzo de’ Medici‘ sei, da er ihr, d.h. Bracci und Tornabuoni, in bar jeweils 9.448 Fiorini d’oro in oro, 260.063, 6, 2 Lire dei grossi (bzw. 262.000 Lire di grossi camera nuova beim Denunzianten) und 36.443, 8, 6 Lire di quattrini bolognini (36.000 Lire di quattrini bianchi beim Denunzianten) als Teil einer größeren von der Kommune zu erhaltenden Summe ausgezahlt habe.369 Während die Syndizi den Monte bzw. dessen seinerzeitigen Kämmerer somit zum Gläubiger der Florentiner Medici-Bank erklärt hatten, bezeichnete sie unser Denunziant mit diesen Beträgen als Schuldner der Kommune, deren Amtsträger die entsprechenden Monte-Konten jedoch niemals kontrolliert hätten. Durch Umrechnung der Währungen kam der Denunziant dann auf einen Betrag von 9.448 Fiorini d’oro in oro und 65.500 Fiorini larghi di grossi, mit welchem die Medici-Bank bzw. Bracci und Tornabuoni als Schuldner im 36. Hauptbuch des Monte erschienen, das von Francesco Davanzati geführt werde.370 368 S.o. S. 164. 369 Vgl. Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 275f. und S. 244–248 (zu dem vor allem durch

De Roover tradierten Irrglauben, mit dem inkriminierten Lorenzo sei der Medici gemeint gewesen; allerdings wird von Ciappelli/Molho nicht deutlich genug darauf hingewiesen, daß Lorenzo Tornabuoni als offizieller Hauptteilhaber der Florentiner Medici-Erben-Bank angeklagt wurde – und deshalb namentlich auch sein Partner Gianbattista Bracci); Le collezioni medicee nel 1495, S. 12. (Die differierenden Angaben zum Pfundmünzfuß beim letzten Posten – bolognini/bianchi – werden wohl durch unterschiedliche Transkriptionen zu erklären sein.) 370 Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 275 (dort irrig „Francesco d’Antonio Zati“, doch ebd. S. 279 am Schluß der transkribierten Denunziation mit der gleichen Funktion als Schreiber des Monte-Hauptbuches der richtige Name „Davanzati“ – der für uns sehr wichtig ist.) Dieses 36.

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Durch Subtraktion anderer, bereits am 14. November 1494 konfiszierter Beträge gelangte der Denunziant schließlich zu jener Gesamtsumme von 62.700 Fiorini larghi di grossi, welche die Florentiner Medici-Erben-Bank der Kommune schuldig sei. Bürgen jener Schuld seien Lorenzo Tornabuoni als Kompagnon dieser Gesellschaft und Giovanbattista Bracci (als dessen Partner und als Leiter der Bank). Lorenzo Tornabuoni habe allerdings einen beachtlichen Betrag von 10.000 Fiorini larghi di grossi nicht zur Tilgung dieser Schuld von 62.700 Fiorini benutzt, sondern habe ihn am 30. Oktober 1495 als einer der Beamten des Monte zu dem damals noch üblichen, höchst lukrativen Zins von 14% der Florentiner Kommune als Kredit zur Verfügung gestellt. Als Schuldner der Kommune könne er aber nicht gleichzeitig ihr Gläubiger sein, empörte sich der Denunziant. Aufschlußreich sind auch seine weiteren Informationen über diese Praktiken des Gelderwerbs. Denn Lorenzo Tornabuoni übertrug in einem ‚betrügerischen Einvernehmen mit den anderen Beamten des Monte‘ diesen Kredit über 10.000 Fiorini auf bestimmte Florentiner Bürger und Kaufleute, so daß diesen bis zum Zeitpunkt der Denunziation die jährliche Zinszahlung von 14% zum Nachteil der Kommune zugute kam – immerhin ein Gewinn von insgesamt 7.000 Fiorini in bar. (Dieser entspricht einer Kreditlaufzeit von fünf Jahren, womit die Denunziation nach dem Oktober 1500 verfaßt worden wäre.) Die Kommune habe somit einen Schaden bzw. Verlust von 17.000 Fiorini larghi di grossi zu beklagen. Wenn die Tornabuoni-Vertreter am 5. Februar 1500 der Kommune Betrug vorwarfen, so erhielt diese nun von einem Feind der Tornabuoni schwere Munition für den Gegenschlag! Als Konsequenz aus dem Vergehen des Lorenzo Tornabuoni forderte der Denunziant, die von den Monte-Beamten vorgenommene Übertragung der Kredite müsse gestoppt, die Zinsen müßten zurückgefordert werden. Um weiteren finanziellen Schaden für die Stadt zu vermeiden, sei desgleichen in einem zweiten Fall schnelles Handeln erforderlich. Auch dieser betrifft unser Netzwerk, erlaubt noch tiefere Einblicke in illegale Finanzoperationen der Mediceer, bei denen sie ihre Ämter und ihren Einfluß beim Monte Comune ausnutzten. Fassen wir die wesentlichen Aussagen des Denunzianten zusammen. Voraussetzung für diesen Vorgang war ein Bestand von 600 Pfund verarbeitetem Silber, das die Signoria im November 1494 als Rebellengut aus dem Besitz von Piero und Giovanni de’ Medici konfisziert hatte. Um Bargeld zu erhalten, verpfändete sie es, indem sie es als Sicherheit für Kredite an Alfonso Strozzi (3.400 Fiorini), Selvaggia Strozzi (1.440) und Battista Pandolfini (1.000) gab.371 Schon am 9. März 1495 aber hatte sie das Silber wieder eingelöst und diese drei Gläubiger ausgezahlt. Das Silber ihres Schuldners, der Medici, stand der Stadt also erneut zur Verfügung. Doch zum Nachteil der Stadt hatten die Monte-Beamten diesen Silberbestand Hauptbuch entspricht mit der heutigen Zählung ASF, Monte comune, parte II 1749; vgl. ebd. S. 248, Anm. 13 (dort auch der Hinweis, daß die Medici-Bank damals nach den Angaben dieses Bandes insgesamt 35.000 Fiorini vom Monte bzw. der Signoria erhalten habe). 371 Vgl. hierzu Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 248, Anm. 12, wo auf korrespondierende Quellen der Signoria hingewiesen wird, in denen leichte Abweichungen bei den Zahlen festzustellen sind und wo Filippo di Lorenzo Buondelmonti anstelle von Selvaggia Strozzi als Gläubiger erscheint.

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erneut über ein entsprechendes, von ihnen geführtes Konto des Medici-Silbers als Sicherheit für einen Kredit an den Monte eingesetzt, für den ein bestimmter Florentiner Bürger als Gläubiger der Stadt über sechs Jahre Zinsen in Höhe von 5.000 Fiorini erhielt. Dies war nach Ansicht des Denunzianten illegal, hätte durch ein entsprechendes Gesetz erlaubt werden müssen. Warum dieser Vorgang im Gegensatz zu den am 9. März 1495 beendeten Krediten ein Unrecht darstellte, erklärte er nicht. Nach seiner Logik müßte während jener sechs Jahre – durch welche seine Anklage ebenfalls auf Ende 1500, Anfang 1501 zu datieren wäre – ein Mediceer von den Zinsen profitiert haben, der für ihn als Schuldner der Kommune galt. Medici-Vermögen ist somit in beiden Fällen, bei dem an Dritte übertragenen Tornabuoni-Kredit und bei dem des ungenannten Bürgers, zum langjährigen Vorteil von Personen, die zweifellos den Medici nahestanden, bei der Kommune – dem Gläubiger der Medici! – eingesetzt worden. Solche raffinierten Operationen konnten nur mit allen finanztechnischen Wassern gewaschene Monte-Beamten aus dem Kreis der MediceerBankiers durchführen. Aus beiden Rechtsbeugungen der Monte-Beamten ergab sich nach der auf Detailkenntnissen beruhenden Berechnung des Denunzianten aus Kapital und Zinsen der nach seinem Ermessen große Schaden von insgesamt 28.000 Fiorini: 17.000 bei dem Tornabuoni-, 11.000 bei dem Silber-Konto des Monte. Wem dieses Geld letztendlich und immer noch diente, wollte der Denunziant in seiner Anzeige leider nicht sagen; ebenso werden die beteiligten Monte-Beamten nicht genannt. Es sei besser, ihre Namen zu verschweigen, so meinte er. Doch im Buch des Francesco Davanzati, der das Hauptbuch des Monte führe, seien diese illegalen Operationen bzw. Übertragungen und die an ihnen beteiligten Personen zu erkennen.372 Diese Zurückhaltung läßt darauf schließen, daß es sich um hochgestellte Persönlichkeiten handelte, die selbst dieser Medici-Feind offenbar aus Gründen des sozialen Friedens – oder aus Furcht vor Repressalien! – nicht namentlich an den Pranger stellen wollte. Doch den Weg dorthin wollte er durch die Nennung eines Adlatus, des sozial niedriger gestellten Francesco Davanzati, weisen. Auf die Spur des inkriminierten Monte-Gläubigers, dessen Namen der Denunziant ebenfalls lieber verschwieg, bringt uns aber auch ein anderes Buch, nämlich das der Syndizi von 1495. Es klärt uns zudem über das Medici-Silber auf und korrigiert einige Angaben des Denunzianten. An jenem Tag, an welchem diese Syndizi Lanfredino Lanfredini, Nofri und Piero Tornabuoni, Domenico Alamanni, Niccolò Morelli, den Gianfigliazzi, Lapi und Tanini mit einer Summe von insgesamt 9.000 Dukaten als Bürgen des Lorenzo Tornabuoni für dessen Verpflichtungen bei der römischen Medici-Bank approbierten, an jenem 27. Juni 1495 wurde über den Monte-Kredit des Battista Pandolfini – und nur über diesen, nicht über diejenigen der beiden Strozzi – durch die Signoria von Florenz ein Beschluß gefaßt, den die Syndizi des Medici-Vermögens am 30. Juni umsetzten.373 Dabei rekapitulierte man noch einmal, daß Battista in seinen Händen 127 Pfund und vier Unzen Silber in Form von 75 Vasen hielt, die er im Dezember 1494 aus dem konfiszierten Besitz 372 Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 279. 373 Le collezioni medicee nel 1495, S. 49f.

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der Söhne des Lorenzo de’ Medici erhalten hatte. Battista hatte dazu erklärt, der Signoria – d.h. dem Monte – für diese Silbervasen 1.000 Fiorini larghi di grossi gegeben zu haben. (Da diese Formulierung eine gewisse Skepsis der Signoria gegenüber dem Pandolfini offenbart und er selbst wie der größte Teil seiner Familie zu den erklärten Anhängern der Medici gehörte, wird er im Gegensatz zu den beiden Strozzi – zumindest Alfonso war ein entschiedener Feind der Medici –, aber analog zu vielen Freunden der Medici das Silber zunächst genommen haben, um es für die Medici zu bewahren. Gianbattista Bracci hatte um 1482 in seiner Strukturreform der Medici-Gesellschaft Battista di Pandolfo Pandolfini mit einer 25%-Beteiligung als Juniorpartner der Medici-Bank von Neapel vorgesehen, als deren Agent er damals wirkte.374) Die Signoria beschloß nun am 27. Juni (und nicht schon am 9. März, wie der Denunziant auch für ihn behauptete), Battista die Erlaubnis zu geben, das Silber den Syndizi auszuhändigen, die ihm dafür die 1.000 Fiorini zurückzahlen sollten. Da nun aber diese 1.000 Fiorini als Kredit beim Monte eingelegt worden waren und dort verbleiben sollten, wie im Beschluß der Signoria ausführlich erörtert worden war, wiesen die Syndizi den Pandolfini an, er möge Giovanbattista Bracci, dem Leiter der Florentiner Bank der ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft‘, jene Silbervasen und die Schuld über 1.000 Fiorini übertragen, d.h. den beim Monte angelegten Kredit! Gemäß diesem Transfer hatte Bracci nun die 1.000 Fiorini an Battista Pandolfini zu zahlen, allerdings unter der Bedingung, daß er wegen des Silbers und dessen Rückgabe den Anweisungen von Girolamo Martelli folgen mußte. Einige Tage später, am 15. Juli 1495, beschlossen die Syndizi, daß alles Silber jedweder Qualität Leonardo Ringhiadori (als Vertreter der Syndizi) und Giovanbattista Bracci zu geben sei, die es verkaufen und dabei dem ‚Wunsch‘ des Francesco Girolami nachkommen sollten – der Girolami aber zählte genauso wie Ringhiadori zu den evidenten Anhängern der Medici. Fünf Monate darauf, am 18. Dezember 1495, erklärte Girolamo Martelli in kommissarischer Vertretung der Syndizi, alles bei Battista Pandolfini befindliche Silber sei nun Lorenzo Tornabuoni für die Liquidation der römischen Medici-Bank auszuhändigen und als Teil der ihm zugesprochenen 42.000 Dukaten zu berechnen, da Ser Giovanbattista Bracci sich mit Battista Pandolfini geeinigt und sich mit dieser Erklärung des Martelli einverstanden gezeigt habe.375 Hiermit waren die wertvollen Silbervasen aus 374 Zu den vielen Medici-Freunden, die von den Syndizi wertvolle Gegenstände aus dem Medici-

Haushalt kauften, vgl. das entsprechende Inventar in ASF, MAP CXXIX, c. 345r–362r (auf c. 356v ist z. B. der bereits angesprochene Verkauf des bei San Marco gelegenen MediciSkulpturengartens an den Kommissionär Giovanni Bentivoglios verzeichnet, der auf c. 355v zudem als persönlicher Empfänger verschiedener Objekte erscheint); zu Battista Pandolfini als Juniorpartner neben Francesco Nasi – falls sie sich, so Bracci, vertragen würden – vgl. ASF, MAP LXXXIIII, doc. 19, c. 67r–68v, hier c. 68r. Im Geheimbuch der Lyoner Bartolini-Bank erscheint Battista Pandolfini di Napoli in einem Gewinn-Konto als Agent der Medici; ABS 106, c. VII. Er war ein Bruder des meist in Rom lebenden Giannozzo di Pandolfo Pandolfini, Bischof von Troia, der zu den engsten Vertrauten der Medici gehörte und als Erbauer des bekannten Pandolfini-Palastes in Florenz bekannt ist. Schon ihr Großvater Giannozzo (der Ältere) gehörte als Anhänger Cosimo de’ Medicis zu den wichtigen Freunden der Medici. 375 Le collezioni medicee nel 1495, S. 91f.

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dem konfiszierten Medici-Schatz gemeint, auf die wir später noch einmal zurückkommen werden, wenn wir den Gesamtkomplex der Lorenzo Tornabuoni 1495 übertragenen Medici-Güter behandeln.376 Was zwischen Juni und Dezember 1495 tatsächlich mit den im Besitz von Battista Pandolfini befindlichen 75 Silbervasen der Medici geschah, ist aus diesen Zeugnissen nicht klar ersichtlich. Offenbar hatte sie der Pandolfini in diesem Zeitraum für Giovanbattista Bracci aufbewahrt; da sie zur berühmten Kunstsammlung der Medici gehörten, sollten sie für die Familie gesichert werden. Die Vasen dienten auf jeden Fall weiterhin als Sicherheit für jenen Monte-Kredit über 1.000 Fiorini, welchen Bracci dem Pandolfini gleichsam abgekauft hatte und für den er 14% Zins erhielt. Da nach der Aussage des Denunzianten von 1500/01 diese Silbervasen (mit gut 127 von 600 Pfund) Bestandteil der Sicherheit waren, welche die Monte-Beamten 1495 erneut einem bestimmten Bürger für einen größeren Kredit an den Monte gaben, der ihm innerhalb von sechs Jahren eine Zinsrendite von 5.000 Fiorini einbrachte, muß der namenlos gebliebene, aber des Betruges beschuldigte Monte-Gläubiger Giovanbattista Bracci geheißen haben. Und nur ein Medici-Bankier wie er hätte nach den Kategorien des Denunzianten auf illegale Weise von den Zinsen profitiert, da er ja als Leiter der Florentiner Medici-Erben-Bank zusammen mit Lorenzo Tornabuoni für die enormen Schulden dieser Bank bei der Kommune bzw. dem Monte haftete. Um in ca. sechs Jahren auf 5.000 Fiorini Zinsrendite zu kommen, mußte er den von Pandolfini übernommenen Kredit um das Sechsfache auf gut 6.000 Fiorini erhöht haben. Mit diesem Betrag kommt man exakt auf jene 11.000 Fiorini, mit denen der Staat nach Berechnung des Denunzianten auf dem Silber-Konto des Monte betrogen worden war. Durch die Identifizierung des ungenannten Bürgers mit Giovanbattista Bracci wird auch verständlich, warum die Syndizi Mitte Juli 1495 beschließen konnten, daß alles Medici-Silber dem Bracci und Ringhiadori zu übergeben sei – die es freilich nicht verkauften –, und warum es im Dezember 1495 Lorenzo Tornabuoni als Teil der zugesprochenen 42.000 Dukaten erhalten konnte, weil Bracci sich mit Pandolfini geeinigt hatte. Wenn sein Partner und Freund Lorenzo Tornabuoni über die Silbervasen verfügte, brauchte Bracci sich um die Sicherheit für seinen Monte-Kredit nicht zu sorgen! Dieser wiederum war – wenn auch vielleicht nicht in der Höhe – durch die Beschlüsse der Syndizi gedeckt. Da die Syndizi bzw. einige von ihnen aber seit Ende 1496 des Betruges zu Lasten der Kommune angeklagt waren, mochte der Denunziant sich auch deshalb in seiner Beschuldigung des besser unbenannten Bürgers bestätigt fühlen. Dessen Identität schützte er offenbar, weil Bracci über mächtige Freunde verfügte, die ihm zugleich bei seinem Monte-Geschäft geholfen haben müssen. Da wäre zunächst einmal Lorenzo Tornabuoni zu nennen, der tatsächlich zu einem Beamten des Monte ernannt worden war. Dies ist erstaunlich, denn mit dem Cousin von Lorenzo de’ Medici und einem der zentralen Bankiers der verbannten Medici hätte man auch gleich – Kompetenzen vorausgesetzt – einen dieser Medici benennen können. Doch 376 S.u. S. 369f.

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die Interessen der Mediceer trafen sich in diesem Fall mit denen der Stadt. Denn Lorenzo wurde am 28. April 1495 als direkter Nachfolger seines gerade erst am 1. März nominierten Vaters Giovanni zum Monte-Beamten gewählt – womit die Kommune eine sofortige Rückzahlung von Giovanni Tornabuonis Krediten vermeiden konnte – und blieb bis Juni 1496 im Amt.377 Zu den 15 neuen Monte-ufficiali, die zwischen dem 1. und 30. März 1495 ihr Amt antraten, gehörte ebenfalls der Mediceer-Bankier und -Kaufmann Battista di Pandolfo Pandolfini, der als Beamter des Monte auch Filippo da Gagliano (über Niccolò Michelozzi und Giuliano da Gagliano) mit Monte-Zinsen versorgte und demnach noch als solcher seinen durch Medici-Silber gedeckten Kredit an den Staat hielt, welcher dann auf Giovanbattista Bracci übertragen wurde. Hierbei war der Mediceer Francesco Girolami als einer der Syndizi beteiligt – und auch er zählte damals zu den Monte-Beamten. Ein weiterer Kollege aus dem Kreis der Medici-Freunde, und zwar der engsten, war Alamanno Salviati, der wahrscheinlich mit jenem amico A identisch ist, für den Giuliano da Gagliano in der Lyoner Bartolini-Bank und Filippo da Gagliano sowie Lanfredino Lanfredini in der Florentiner Medici-bottega del battiloro im Mai 1495 Wechselbriefgeschäfte durchführten. Als zumindest den Medici nahestehend werden wir ebenso die Monte-Beamten Benedetto di Tanai de’ Nerli und Antonio di Zanobi del Giocondo bezeichnen dürfen, während Alfonso Strozzi sicherlich zu den Gegnern gehörte. Auf wessen Seite Piero Soderini als Monte-Beamter damals stand, ist kaum klar zu eruieren, doch sprechen seine Verwandtschaft mit Filippo da Gagliano und seine auch daraus resultierenden guten Beziehungen zu Giuliano da Gagliano, die noch nach 1500 nachzuweisen sind, für eine zumindest neutrale, wenn nicht gar den Mediceern (noch) wohlgesinnte Haltung.378 Isoliert 377 Barteleit, Staatsverschuldung, S. 142 (doch führt er Lorenzo Tornabuoni später in seiner Liste

der Monte-Beamten nicht neben Giovanni auf, sondern erst für Lorenzos zweite Wahl am 8.2.1497, als er zusammen mit dem Mediceer Alamanno Salviati nominiert wurde; ebd. S. 226f.); vgl. Ciappelli/Molho, Lorenzo de’ Medici, S. 248 und Anm. 14 (Tornabuoni sei zwischen Oktober 1495 und Juni 1496 als Monte-Beamter zu belegen). Der Staat konnte auf die reichen und in Finanzgeschäften erfahrenen Mediceer nicht verzichten, wie Lorenzo Tornabuonis erneute Wahl zum Monte-Beamten im Februar 1497 zeigt, als ihm wiederum Alamanno Salviati, Francesco Girolami, Antonio del Giocondo, ein Pandolfini (Francesco di Girolamo) sowie Lorenzo di Matteo Morelli zur Seite traten; vgl. Barteleit, a.a.O. S. 227. Damals muß Lorenzo Tornabuoni bereits unter verstärkter Beobachtung der Medici-Feinde gestanden haben, denen seine aus der Florentiner Medici-Bank betriebenen Finanzoperationen für die Medici kaum gänzlich entgangen sein werden. Mächtige Freunde wünschten ihn also an jenem Finanzplatz, konnten seine wenige Monate später erfolgende Verhaftung und Hinrichtung aber nicht verhindern. 378 Zu den Namen: Barteleit, Staatsverschuldung, S. 226; zu den Del Giocondo als Mediceern s.u. S. 646, 725f. Battista Pandolfini hatte als uficiale di monte di Firenze ein eigenes Konto im privaten Geschäftsbuch des Giuliano da Gagliano, aus dem hervorgeht, daß Niccolò Michelozzi für seinen Freund Filippo da Gagliano 150 Fiorini über den Pandolfini beim Monte eingelegt hatte, für die Filippo noch im Januar 1500 Zinsen erhielt; ASP IV/5, c. 27/XXVII. Mit Blick auf Piero Soderini ist hervorzuheben, daß Filippo (vertreten durch seinen Sohn Pierfrancesco als sein Strohmann) und Giuliano da Gagliano 1498 zusammen mit Pieros Bruder Pagolantonio unter dessen Namen eine Seidengesellschaft gründeten, daß Piero Soderini selbst als Gonfaloniere auf Lebenszeit Giuliano da Gagliano im Dezember 1503 mit ehrenvollen Aufträgen bedachte und

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war Lorenzo Tornabuoni also auf keinen Fall in dieser so wichtigen Florentiner Finanzbehörde, welche die Staatsschuld verwaltete und maßgeblich für die Finanzierung von Amtsträgern, Missionen und Kriegen zuständig war. Es gab also genug ausgewiesene Medici-Freunde im Monte, die den beiden Leitern der Florentiner Medici-Erben-Bank helfen konnten, trotz ihres (berechtigten oder vermeintlichen) Status als Schuldner der Kommune ab 1495 über viele Jahre mit erheblichen Zinsgewinnen deren gewichtige Gläubiger zu werden. Was genau aber haben wir in diesen Finanzvorgängen zu sehen, und wer profitierte von ihnen? Aus den Angaben des Denunzianten und den Akten der Syndizi läßt sich ein erstaunlicher Vorgang herauskristallisieren. Der Florentiner Bank der Erben des Lorenzo de’ Medici wird am 30. Januar 1495 seitens der Syndizi erklärt, sie habe aus dem Monte gut 75.000 Fiorini in unterschiedlicher Währung erhalten, von denen sie dem Monte bzw. der Regierung noch 62.700 Fiorini schulde. Wann die Bank das Geld erhielt, aus welchem Grund und wofür, wird nicht angegeben. Unzweideutig ist der Nutznießer jedoch die Florentiner Bank des Lorenzo de’ Medici, die seit 1487 von seinem Partner Gianbattista Bracci geleitet wird, dem nach dem April 1492 anstelle Lorenzos dessen Sohn Piero und sein Cousin Lorenzo Tornabuoni als Teilhaber zur Seite treten. Sie können mit diesem Riesenkredit arbeiten, ihn investieren oder für andere Zwecke gebrauchen. Obwohl der Tornabuoni (bis zu seiner Hinrichtung im August 1497) und der Bracci als Leiter der Bank für diese Schuld haften, haben sie das Geld bis 1500/01 nicht an den Staat zurückgezahlt. Statt dessen legen sowohl Lorenzo Tornabuoni (am 30.10.1495) als auch Gianbattista Bracci (zwischen März und Dezember 1495) jeweils Beträge von 10.000 und 6.000 Fiorini beim Monte an, ihrem Gläubiger. Als Sicherheit erhielten sie dafür die (ihren nominellen Materialwert weit übersteigenden) Silbervasen aus der Medici-Sammlung, welche die Mediceer damals mit aller Macht vor fremden Zugriffen schützen wollten. Lorenzo stückelte jedoch seinen Kredit und übertrug die einzelnen Teile mit Hilfe von befreundeten Monte-Beamten an andere, vertraute Mediceer (wie z. B. offenkundig Filippo da Gagliano). Bis zum Zeitpunkt der Denunziation profitierten sie alle von dem damals noch geltenden hohen Zinssatz von 14%, der Bracci eine Rendite von 5.000 Fiorini und Lorenzos Freunden eine von 7.000 Fiorini einbrachte. Bei den Risiken, die mit solch hohen Krediten über einen mehrjährigen Zeitraum verbunden waren, mußten sich alle recht sicher gewesen sein, daß sie ihre Einlagen zurückerhielten und die Zinsen ausgezahlt bekamen. Zum Zeitpunkt der Denunziation hatte sich der Zinsgewinn auf insgesamt 12.000 Fiorini gesteigert; zusammen mit den eingezahlten Kreditbeträgen mußte der Staat den Mediceern bis 1500/01 einen Betrag von 28.000 Fiorini auszahlen, von dem ihm 16.000 unmittelbar, 12.000 mittelbar zustanden. Für wen aber arbeitete das Geld? Aus dem gesamten Vorgang wird klar erkennbar, daß das für die Kredite eingesetzte Kapital von insgesamt 16.000 Fiorini aus dem Vermödurch ihn in den folgenden zwei Jahren mehrere profitable Wechselbriefgeschäfte mit Lyoner Mediceer-Banken durchführen ließ; vgl. etwa ASP IV/5, c. 64/LXIIII, LXXXXIIII, 117; IV/6, c. 66r, 67v, 93r.

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gen der Florentiner Medici-Erben-Bank stammte. Tornabuoni und Bracci handelten also nicht als Privatleute, sondern als Vertreter ihrer Bank; als solche hafteten sie für die nicht beglichene Schuld ihrer Bank von 62.700 Fiorini – und nur deshalb war ihr Kredit an den Monte nach Ansicht des bestens informierten Denunzianten illegal und in betrügerischer Absicht gegeben worden. Jene Dritten, an welche der Tornabuoni seinen Kredit übertrug, werden ihn daher nicht in eigener Rechnung von der Medici-Erben-Bank gekauft haben. Wenn sie über das Geld verfügten, hätten sie eine solche Kapitalanlage einfacher und sicherer direkt beim Monte angelegt. Die vertrauten Dritten handelten demnach als Strohmänner für Lorenzo Tornabuoni, d.h. für die Florentiner Medici-Erben-Bank. So wie Bracci mußten sie am Ende der Kreditlaufzeit das Kapital an die Bank zurückzahlen, während sie von den Zinsen vermutlich einen Provisionsbetrag abziehen und für sich behalten durften. Da der Denunziant die Tilgung der alten Bankschuld forderte, ist dies bis 1500/01 nicht geschehen und die unrechtmäßig erworbenen Zinsen sind bis dahin immer noch ausgezahlt worden. Die Medici-Erben-Bank in Florenz erhielt also gut 28.000 Fiorini. Wenn es sie zu diesem Zeitpunkt jedoch gar nicht mehr gab, mußte ihr Rechtsnachfolger das Geld bekommen haben, ansonsten die Medici-Erben. Tatsächlich werden wir im Laufe unserer Darstellung immer größere Gewißheit darüber bekommen, daß die Florentiner Bank des Lanfredino Lanfredini als Rechtsnachfolgerin der Medici-ErbenBank anzusehen ist – und genau zur fraglichen Zeit um 1500 ist Gianbattista Bracci (seit offenkundig 1498) als Leiter dieser Lanfredini-Bank und als Partner und Freund Lanfredinos nachweisbar. Bracci muß es auch gewesen sein, der in dieser und/oder einer anderen der mediceischen ragioni kraft eines von ihm in Anspruch genommenen Reservationsrechtes über jene 9.000 Fiorini wachte bzw. verfügen konnte, die Giovanni Tornabuoni 1486 dem Magnifico als Kapitalbeitrag gegeben hatte und welche die TornabuoniKuratoren im Februar 1500 von der Kommune zurückforderten.379 Die Medici-ErbenBank erhielt nach 1497 nur einen anderen Namen; operativ war sie sowohl nach 1495 als auch nach 1500 tätig. Dabei werden wir immer wieder auf die Salviati treffen, engste Freunde und Partner des Lanfredini. Auf die Salviati als aktive, befreundete Mitwisser beim Kreditcoup Braccis und Tornabuonis stoßen wir nicht nur über die Namen der damaligen Monte-Beamten. Auch Francesco di Francesco di Lottieri Davanzati, der die illegalen Operationen nach Auskunft des Denunzianten kannte und offensichtlich als Schreiber des Monte-Hauptbuches gedeckt hatte, ist diesem Kreis zuzuordnen. Noch 1504 ist er als Buchführer des Monte nachzuweisen. Der Mediceer Alamanno Salviati fungierte von März 1495 bis September 1498 als Monte-Beamter, sein Cousin Jacopo, der Schwager der verbannten Medici, danach zusammen mit seinem Intimus Lanfredino Lanfredini von April 1503 bis 1504 (und noch öfter)!380 Francescos gleichnamiger Verwandter, Francesco di Lorenzo di Piero 379 S.o. S. 216. 380 Daß es sich um Francesco di Francesco Davanzati als Buchführer des Monte handelte, bezeugte

Giuliano da Gagliano etwa bei einem Vorgang von 1502/03; ASP IV/6, c. 105v; zu Davanzati als Monte-Buchführer 1504: ASP IV/5, c. 109; zu den Monte-Beamten: Barteleit, Staatsver-

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Davanzati, war in Florenz sogar als intimer Freund Piero de’ Medicis bekannt, entging bei dessen Vertreibung und Verbannung jedoch diesem Schicksal und sogar einer drohenden Hinrichtung, um statt dessen lebenslang verwarnt zu bleiben. Doch für den März/April 1497 wurde er in die Signoria gewählt.381 Unter dem Namen von Francesco di Francesco Davanzati und dem von Alamanno Salviatis Sohn Averardo lief ab spätestens 1506 die Salviati-Bank in Neapel, die vermutlich eine Fortführung der dortigen MediciTornabuoni-Bank darstellt. Nach seiner verantwortungsvollen Tätigkeit für den Monte lebte und wirkte dieser Davanzati auch in Neapel und bildete dort einen Finanz- und Handelsknotenpunkt im großen Netzwerk der Mediceer-Kaufmanns-Bankiers.382 Es gibt deutliche Hinweise, daß die Salviati selbst an illegalen Monte-Krediten beteiligt waren. Denn aus anderer Quelle, dem bereits angesprochenen, von Alamanno Salviati geführten libro segreto seiner Florentiner Bank (Averardo e Jacopo Salviati e compagnia), wissen wir, daß Filippo da Gagliano – ebenfalls ein Schuldner der Kommune! – ein Konto bei dieser Salviati-Bank besaß, auf dem zum 3. März 1496 die erste Geldbewegung stattfand, eine Auszahlung von 56 Fiorini für Filippo aus den Zinsen des per conto di Filippo durch Alamanno bzw. einen anonymen Freund geführten Monte-Kredites, für den die Zinsen nach Aussage Alamannos seit dem 1. Oktober 1495 berechnet wurden.383 Diese Angabe dürfte sich auf das Finanzmanöver des Lorenzo Tornabuoni beziehen, der Filippo also 400 Fiorini über die Salviati (und nochmals 150 Fiorini über Niccolò Michelozzi in Verbindung mit dem Monte-Beamten Battista Pandolfini) als Darlehen gegeben hätte und die aus einer anderen Quelle stammten, nämlich aus jenem Kredit der Florentiner Medici-Erben-Bank über 10.000 Fiorini für den Monte, den Lorenzo Tornabuoni nach dem 30. Oktober 1495 stückweise an Dritte übertrug. Da Alamanno Salviati damals zusammen mit Lorenzo Tornabuoni und weiteren Mediceern zu den Monte-Beamten gehörte, wird es – wie im analogen Fall Pandolfinis – nicht schwer gewesen sein, diesen Kredit einzurichten. Aus diesem Monte-Konto resultierten zwei Gutschriften für Filippo. Die erste über 484 Fiorini larghi di grossi wurde zum 7. Februar 1498 verbucht und betraf einen bzw. jenen anonymen Freund „F“ als Gläubiger, der 400 Fiorini als Kapital unter seinem Namen für Filippo angelegt hatte, für den nun 84 Fiorini als Zinsgewinn (‚für den ganzen April 1496‘) ausgewiesen wurden.384 Der Gewinn aus dem Zins von 14% ist beim zweiten Mal vom 1. Mai 1496 bis zum 1. März 1500 berechnet worden und betrug entsprechend (für 46 Monate) 214 Fiorini. Nun aber folgen erstaunliche Angaben. Filippo sollte zum 9. Mai 1500 nur den Zins erhalten, allerdings erst, wenn er aus anderer Hand schuldung, S. 227f.; die dort nicht erwähnte Amtszeit Alamannos nach dem März 1496 wird durch Giuliano da Gagliano belegt, der ihn für den November 1496 bezeugt; ASP IV/5, c. XXV. 381 Parenti, Storia fiorentina II, S. 82; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 132; zur Prioren-Wahl s.u. S. 412. 382 S.u. S. 687f., 812, 980. 383 S.o. S. 203f. 384 ASP II/30bis, c. 40, XLVI. Der ganze Vorgang ist bereits im Kontext der Aktivitäten des Filippo da Gagliano angesprochen worden, da die einzelnen Daten mit Filippos heiklen Aufenthalten in Florenz zusammenhingen; vgl. oben S. 195–205.

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eingezogen worden wäre. Die Auszahlung des als Provision der Kommune deklarierten Gewinnes durch Alamanno Salviati mußte von diesem jedoch noch durchgesetzt werden – dies könnte eine Folge der andauernden Betrugsuntersuchungen gegen die Mediceer und der Gegenforderung der Tornabuoni-Prokuratoren (zu denen Alamanno Salviati gehörte) gewesen sein, aus denen dann die Denunziation von Ende 1500, Anfang 1501 resultierte, in der ja gefordert wurde, die illegal erworbenen Zinsen einzubehalten. Auch daß die Zinsen nicht auf Filippos, sondern auf Alamannos Namen liefen, spricht dafür, daß Filippo als beschuldigter Medici-Bankier nicht offen mit dem Kredit in Verbindung gebracht werden sollte. Alamanno und Jacopo Salviati haben also den mit einigen Verschleierungen verbundenen Monte-Kredit eines bekannten Mediceers getragen und gefördert; dies und ihre Namen passen bestens in jenes Profil mächtiger Monte-Beamter, die in betrügerischem Einvernehmen die illegalen Monte-Kredite der Vertrauten Lorenzo Tornabuonis ermöglichten und über deren Namen ein Denunziant lieber schwieg, die sich freilich mit Hinweis auf das Buch Francesco Davanzatis erkennen lassen sollten. Das Handeln des Tornabuoni aber ist nur unter Berücksichtigung seiner beteiligten Freunde und Verbündeten zu begreifen. Dies zeigt sich auch bei einem weiteren ökonomischen Erbe der Medici.

i) Die Seidengesellschaft der Medici und ihre Verbindung zur Bartolini-Bank Die bisher aufgezeigte Verflechtung von Freundschafts-, Familien- und Geschäftsinteressen findet sich ebenso bei einer anderen Medici-Gesellschaft, mit der sich die Syndizi zu beschäftigen hatten, weil Lorenzo Tornabuoni auch sie übernahm. Es handelt sich um die Medici-Seidengesellschaft, die nach dem Tod des Magnifico 1493 unter dem Namen Piero de’ Medici e compagnia setaiuoli eine neue Gesellschaftsform gefunden hatte. Piero de’ Medici hatte natürlich auch dieser compagnia nur seinen Namen gegeben, hatte sich gewiß niemals – wie noch sein Vater – mit geschäftlichen Fragen, selbst denen nach Gewinnen und Verlusten, näher auseinandergesetzt. Ob es bei dieser Gesellschaft analog zu den beiden Ende 1491 gegründeten Goldschläger- und Woll-botteghe aber wirklich primär um Herstellung und Handel gegangen ist und nicht vielleicht auch oder in erster Linie um (verdeckte) Finanzgeschäfte, ist eine ganz andere Frage. Die Partner und die Namen der Kunden und Handelspartner lassen vermuten, daß ein solches Geschäftsfeld durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen liegt. Zu dieser Ansicht sind offenbar auch die neuen ufficiali de’ ribelli gekommen, denn sie ließen auch diese Medici-Gesellschaft bzw. deren Bücher durch ihren ragioniere Antonio di San Gimignano prüfen. 1497 ist nun auf der Grundlage des blauen Geschäftsbuches der Seidengesellschaft von Piero de’ Medici e compagnia setaiuoli mit der Signatur „D“ eine Bilanz (il bilancio della ragione della seta di Piero de’ Medici e compagnia setaiuoli) aufgestellt worden – im übrigen das wohl einzige erhaltene Geschäftsdokument zu den seit langem betriebenen Seidengesellschaften der Medici! Diese nun war – zu einem hier nicht explizit erwähnten Datum – Lorenzo Tornabuoni zum Preis von 11.500 Fiorini larghi d’oro [in oro] gegeben

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bzw. ist von ihm übernommen worden, behielt aber ihren alten Firmennamen. Da die im Medici-Archiv überlieferte Abschrift der Bilanz in einem Konvolut enthalten ist, in welchem unmittelbar nach ihr die aus den Untersuchungen des Antonio di San Gimignano resultierende Anklage gegen Girolamo Martelli (unerlaubter Besitz beschlagnahmter Medici-Güter) sowie weitere Debitoren- und Kreditoren-Posten folgen, welche die Söhne des Lorenzo de’ Medici betreffen, ist sie in den Kontext der Ende 1496 eingeleiteten verschärften Kontrollen der Medici-Firmen zu stellen. Dies wird um so verständlicher, als sich die Seidengesellschaft der Medici nach Ausweis der Bilanz als äußerst profitabel zeigte.385 Ob Lorenzo Tornabuoni zum Zeitpunkt des Bilanzabschlusses noch lebte, wird nicht mitgeteilt, doch da er in der Bilanz nicht als verstorben erwähnt wird, dürfte sie vor seiner Hinrichtung abgeschlossen worden sein. Über die Partner von Piero de’ Medici bzw. Lorenzo Tornabuoni wird in ihr nichts mitgeteilt. Ausführlich werden wir durch diesen bilancio freilich über zahlreiche Personen und Gesellschaften informiert, die als Debitoren oder Kreditoren aufgezeichnet sind und demnach als Kunden oder Lieferanten von Waren oder Geld in näherer Beziehung zur MediciTornabuoni-Seidengesellschaft standen. Es ist geradezu ein „Who is who“ der Mediceer und Mediceer-Firmen, die namentlich genannt werden sollen, um zu veranschaulichen, daß sich die Geschäfte der Medici-Firmen und ihrer Rechtsnachfolger in einem recht geschlossenen Kreis von Vertrauten bewegten.386 Auf der Gläubigerseite sind insgesamt 385 Eine Kopie dieses bilancio findet sich in ASF, MAP CXXXVI, c. 1r, 7v–9r; daran anschließend

die auf den Untersuchungen des Antonio di San Gimignano fußenden Anklagen gegen Girolamo Martelli wegen des unrechtmäßigen Besitzes von konfiszierten Medici-Gütern. Das Dokument ist auch von De Roover, Rise, S. 191–193 (vgl. auch S. 168f. zu den Seidengesellschaften der Medici), erörtert und in sehr kurzen Auszügen wiedergegeben worden; den als Grundlage dienenden libro azurro segnato D bezeichnete er (S. 191) als „ragione D (fiscal period D)“. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum De Roover die eindeutige Jahreszahl 1497 mit einem Fragezeichen versah, denn sie wird auch durch die entsprechenden Aktivitäten des Kontrolleurs Antonio di San Gimignano (dessen Wirken De Roover allerdings wohl nicht berücksichtigte) bestätigt. De Roover sprach sich hingegen für eine Abfassung Ende 1494 aus, doch dies kann auch deshalb nicht der Fall gewesen sein, da Lorenzo Tornabuoni die Firma erst 1495 oder danach erworben haben kann. De Roover fiel es nicht nur hier ersichtlich schwer, den Medici-Firmen nach 1494 noch florierende Geschäfte zuzutrauen. Mit einigen Transkriptionsfehlern hatte sich Ceccherelli, Linguaggio dei bilanci, S. 50–53, mit dieser Bilanz beschäftigt, wobei er unverständlicherweise teilweise auch noch eine falsche Währung angibt (statt der im Original durchgehend angegebenen Fiorini [larghi d’oro] setzte er oft die Lire-Währung). 386 Die (jeweils in Klammern, aber ohne Kommawerte) mitgeteilten Beträge (in Fiorini larghi d’oro) sind nur selten von größerem Aussagewert. Unter den Schuldnern, die wir in der Reihenfolge ihrer Nennung aufführen, fallen zum Beispiel auf: Giuliano Panciatichi aus Rom (3); der Pisaner Medici-Bankier Giovanni di Bernardo Cambi (35); Leonardo di Giunta aus Rom (187), da ein mit den Panciatichi in Rom in Verbindung zu bringender Giunta di Marco di Giunta im Sommer 1497 eines der Medici-Juwele aufbewahren wird, die durch Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci mittels des Medici-Bankiers Francesco Naldini aus Florenz geschmuggelt und in Sicherheit gebracht worden sind (s.u. S. 452); der Kardinal Giovanni de’ Medici (844), Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Napoli, also die Medici-Bank in Neapel (16); die Goldschläger-Gesellschaft der Medici, Piero de’ Medici e compagnia battiloro (24); die römische Medici-Bank Rede di Lorenzo de’ Medici e compagnia di Roma (mit dem hohen Betrag von

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18.616 Fiorini verbucht worden, doch handelte es sich dabei zum überwiegenden Teil nicht um tatsächliche Kreditorenansprüche, sondern um Gewinne (sono avanzi), welche aus einem alten Konto der Seidengesellschaft Piero de’ Medici e compagnia setaiuoli in die gegenwärtige übertragen werden konnten. Sie betrugen 7.500 Fiorini sowie nochmals 8.380 Fiorini. De Roover hatte nur den ersten Posten berücksichtigt und ihn (sicherlich zutreffend) als Kapitalbetrag interpretiert; der zweite stellt somit den damals errechneten Nettoprofit dar. Bei dem dritthöchsten Posten von 1.386 Fiorini, welcher der Florentiner Medici-Erben-Bank als Guthaben zugeschrieben wurde, wird es sich wohl um einen Kredit oder um die Verrechnung eines anderen Anspruches handeln. Dies gilt genauso für den nächsthohen Betrag von 457 Fiorini, mit welchem die Florentiner Bankgesellschaft des Bartolomeo Bartolini unter den Kreditoren verzeichnet war. Zusammen mit fünf weiteren kleineren Posten ergaben sich dadurch nur 2.468 Fiorini, welche an Gläubiger zu zahlen waren und den Schuldansprüchen von insgesamt 19.138 Fiorini bilanzierend gegenübergestellt wurden.

3.425 Fiorini); Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici e compagnia, die Firma von einem der beiden mit Piero de’ Medici verfeindeten, bald nach Exilsbeginn aber mit ihm und seinen Brüdern versöhnten „Onkel“ (1); Zanobi di Simone Carnesecchi (6); Francesco di Giovanni Pucci (5); Francesco di Boninsegna Attavanti aus der florentinisch-römischen Familie von MediciFreunden (29); die leiblichen Erben von Lorenzo de’ Medici (3.067, wiederum ein hoher Betrag); Guasparre di Jacopo Petrucci aus der die Medici damals stark unterstützenden Sieneser Familie (19); der Medici-Partner Pierantonio di Francesco Carnesecchi (3); der Lyoner MediciBankier Cosimo di Francesco Sassetti (54); der Intimus Luigi de’ Rossi (3); nochmals alte Schulden der römischen Medici-Bank Rede di Lorenzo de’ Medici e compagnia di Roma (800, von denen aber etwas über 493 Fiorini mit Bezug auf Gualente, den fattore des Nofri Tornabuoni, abzuziehen waren); [Atta]vante di Gabriello Attavanti (9); Niccolò Michelozzi (30); der Florentiner Medici-Bankier Galeazzo Sassetti (9); die Florentiner Medici-Erben Bank Rede di Lorenzo de’ Medici e compagnia del bancho wegen eines (Finanz-?)Geschäfts mit der Apostolischen Kammer (2.743); Giunta di Goro, Kammerherr von Lorenzo di Piero de’ Medici (11); die Lyoner Medici-Bank Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni di Lione (997); der 1497 ebenfalls hingerichtete Mediceer Giannozzo d’Antonio Pucci (38); der 1497 verbannte Mediceer Andrea d’Alamanno de’ Medici (6); Lorenzo di messer Piero Alamanni, Sohn eines zentralen Florentiner Mediceers (4); Bernardo di Ser Francesco da Bibbiena (46); Francesco d’Agostino Cegia, Mitarbeiter der Florentiner Medici-Erben-Bank (7); Ser Piero di Ser Francesco da Bibbiena (105); Ser Giovan Matteo Cini, der wie Piero da Bibbiena in Venedig für die Medici wirkte, aber in der Regel nur Matteo (di Simone) Cini genannt wurde (3); dann nota bene die alte Goldschläger-bottega der Medici, Piero de’ Medici e compagnia Battiloro della ragione vecchia (510), der vor Februar 1495 die neue, weiterhin von Lanfredino Lanfredini, Filippo da Gagliano und Pierantonio Carnesecchi geführte Goldschläger-Gesellschaft folgte; Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione, also die Lyoner Bartolini-Bank (25); Lorenzo di messer Manno Temperani, der als ehemaliger Mitarbeiter der Florentiner Bartolini-Bank nun in deren „Tochter“-Bank des Giovanni d’Ambra arbeitete (8); Luigi di messer Agnolo della Stufa, ein Florentiner Mediceer (12); Leonardo di Bartolomeo Bartolini in Lyon (39, wegen eines Schadens aus einem Wechselbriefgeschäft); und schließlich Amerigo di Simione Carnesecchi proprio mit einem erstaunlich großen Betrag (2.475). Die Summe aller Forderungen belief sich auf 21.342 Fiorini, nach Abzug bestimmter Posten wie Geschäftsspesen (1.897) standen auf der Soll-Seite 19.138 Fiorini; vgl. ASF, MAP CXXXVI, c. 7v–8v.

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Obgleich De Roover eine nicht in allem nachvollziehbare andere Rechnung aufstellte, mußte auch er dieser Seidengesellschaft eine beachtliche Profitabilität zuerkennen.387 Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, daß diese Gewinne noch nach 1494 erwirtschaftet wurden, vor allem, da er die geschäftlichen Erben von Lorenzo de’ Medici so gut wie gar nicht wahrnahm. Mit einiger Plausibilität vermutete er jedoch, daß zum Beispiel jene 844 Fiorini, mit welchen Kardinal Giovanni de’ Medici, sowie die 3.067 Fiorini, mit denen generell die leiblichen Erben des Magnifico als Debitoren erscheinen, weniger durch Seidenlieferungen zu erklären sind als durch Summen, die sie aus diesem Geschäft zogen bzw. welche es ihnen als Kredit gab. Den finanziellen Bedürfnissen der exilierten Medici diente vermutlich auch der höchste Debitoren-Posten (3.425 Fiorini), mit welchem die römische Medici-Erben-Bank bei der Seidengesellschaft verschuldet war. Eben dies, die Unterstützung der Rebellen, war ja eine Kernaufgabe der Medici-Firmen nach 1494. Von einem wirtschaftlichen Mißerfolg oder gar von einem geschäftlichen Stillstand der Florentiner Medici-Erben-Banken und -Produktionsfirmen kann demnach trotz der enorm erschwerten Bedingungen nach 1494 nicht gesprochen werden! Dieser Erfolg der Medici-Seidengesellschaft resultiert daraus, daß sie ebenfalls in das durch Lorenzo de’ Medici und seine Bankiers seit 1478/82 geschaffene System integriert war. Dies sagt uns allerdings nicht die Bilanz, sondern das Geschäftsbuch der Florentiner Bartolini-Bank. Denn so, wie sie schon eine zwanzigprozentige Teilhaberschaft an der Seidengesellschaft des Giovanni di Berlinghieri di Francesco Berlinghieri besaß, der allem Anschein nach die schon von seinem Großvater und Vater zwischen 1438 und 1480 geführte Seidengesellschaft der Medici unter dem Namen seiner Familie weiter leitete, so war diese mediceische Tarnbank nun ebenso Teilhaber der unter dem Namen von Piero de’ Medici firmierenden Seidengesellschaft, die möglicherweise aus der Berlinghiericompagnia hervorgegangen war! Sie partizipierte an ihr mit 5 Soldi und 4 Denari (d.h. 26,66%), doch zahlreiche Konten erweisen, daß die Bartolini-Bank zumindest in den kritischen Jahren 1496/97 eine Schutzfunktion für die Seidengesellschaft ausübte. Giovanni d’Ambra, langjähriger Kassierer in der Bartolini-Bank, hatte diese Tätigkeit einige Monate bis zum 24. März 1496 in der Medici-Seidengesellschaft ausgeübt und dafür von ihr einen Lohn von zehn Fiorini erhalten; für diese trieb die Bartolini-Bank (durch Niccolò Cini) zahlreiche Schulden ein, bezahlte die Ladenmiete (durch die neu gegründete Ambra-Bank) und schloß schließlich 1497–99 deren Bücher ab und saldierte sie.388 Ihre Anteilsrate wurde bei einem instruktiven, auf den 15. Juli 1497 datierten Buchungsposten mitgeteilt. Denn von den 11.500 Fiorini, mit denen Lorenzo Tornabuoni die Seidengesellschaft kaufte – offenkundig an jenem Tag, gut drei Wochen vor seiner Verhaftung! –, 387 De Roover, Rise, S. 191f. 388 ABS 227, etwa c. 53, 59, 84, 109. Da die Syndizi des hingerichteten Lorenzo Tornabuoni beim

Ordnen (acconciare) der Bücher nur confusione schufen, übernahm die Bartolini-Bank und sogar Bartolomeo persönlich diese Aufgabe, wobei sie z. B. der Seidengesellschaft am 6.3.1499 ein Guthaben von 970 Fiorini zuweisen konnten, das aus einer Schuld der Lyoner Medici-Bank vom 26.5.1497 resultierte; ebd. c. 109/CVIIII. Zu den Berlinghieri als Managern bzw. Namensgebern der Medici-Seidengesellschaft s.o. S. 99, Anm. 20.

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hatte die Florentiner Bartolini-Bank aufgrund ihrer Partizipationsrate 3.066, 13, 4 Fiorini zum Kapital beigesteuert, von denen sie nun (1498/99) nach Abzug eines Schuldpostens von 200 Fiorini noch 2.866, 13, 4 Fiorini zurückerhielt.389 Als ihr Anteil aus den Profiten wurden 2.810, 13, 4 Fiorini errechnet. Überaus bemerkenswert ist freilich die Aufteilung dieser Profitrate: Drei Fünftel und somit 1.686, 8 Fiorini standen nämlich Filippo da Gagliano zu, der sich damals (aus Sicherheitsgründen?) offenbar wieder außerhalb von Florenz befand, während die beiden anderen Partner Bartolomeo Bartolini und Francesco Bottegari nur jeweils ein Fünftel bzw. 562, 2, 8 Fiorini bekamen.390 Da Filippo da Gagliano seit seiner Flucht 1495 offiziell (und auch in den Büchern der Bartolini-Bank) gar nicht mehr als Teilhaber genannt wurde und diese Gewinne nicht nur aus der voraufgegangenen Zeit stammen können (so wären sie sonst auch deklariert worden), muß Filippo ebenso wie im analogen Fall der Lyoner Bartolini-Bank weiterhin als Strohmann von Piero de’ Medici agiert und den Gewinn eingestrichen haben! Noch 1501/02 erhielt er von der Florentiner Bartolini-Bank wegen der ‚Sachen‘ dieser Seiden-bottega 460 Fiorini.391 Es ging stets um das Geld der Medici und um dessen Bewahrung. Deshalb führte die Florentiner Bartolini-Bank mehrere ihrer Prozesse (piatti) auch wegen der Seidengesellschaft, um sich und bestimmte Vermögensanteile vor dem Staat als Gläubiger und damit vor den Medici-Feinden zu sichern. Schon seit Februar 1496 ließ die Bartolini-Bank durch von ihr besoldete Personen die Geschäftsbücher der Seidengesellschaft prüfen.392 Filippo da Gagliano hatte nach einem Prozeß, der merkwürdigerweise auch seinen Bruder Giuliano und Lanfredino Lanfredini betraf, schon am 14. September 1496 aus den Gewinnen der Seidengesellschaft 500 Fiorini (als Teil einer Summe von 540 Fiorini) an die BartoliniBank zu zahlen.393 Im Frühjahr 1496 hatten die Syndizi der Medici offenbar auf Ersuchen der Florentiner Bartolini-Bank verkündetet, daß diese die Seidengesellschaft des Piero de’ Medici nicht inkorporiert habe!394 Dieser Verdacht stand demnach im Raum und war sicherlich nicht unbegründet, mußte aber rechtskräftig abgewiesen werden, damit die Tarnbank nicht für die Schulden der Medici-Firma zu haften hatte. Deshalb führte die Bartolini-Bank seit Januar 1497 auch einen piatto gegen Giovanni und Lorenzo Tornabuoni (d.h. gegen die Florentiner Medici-Erben-Bank) ‚wegen ihrer Verbindungen zu den Medici-setaiuoli‘, da die Bartolini-Bank ein gegen sie gerichtetes Zahlungsmandat über 1.900 Fiorini abwehren wollte, das durch Schulden der Medici-Seidengesellschaft bei der 389 ABS 227, c. 109. 390 ABS 227, c. 109, CXXII, CXXXII; zum 14.5.1498 wurde für Bartolomeo Bartolini und France-

sco Bottegari jedoch ein Profitanteil von jeweils 600 Fiorini festgestellt, die sie für einen Gewinnübertrag an die Bartolini-Bank zu geben hatten; ebd. c. 98. 391 ABS 227, c. 137 (die Zahlung erfolgte über die Bank des Giovanni d’Ambra per chagione d’una promessa gli faciemo fare più fà da detto Giovanni Ambra a chagione d’un richiamo ci fecie all’arte e università di merchatanti pelle chose della botegha della seta). 392 ABS 227, c. 53, 59. 393 ABS 227, c. 53; ASP IV/5, c. 25. 394 ABS 227, c. 59 (die Bartolini-Bank ließ sich deshalb eine durch Leonardo di Bartolomeo Bartolini mit 2 Fiorini bar bezahlte Kopie des bando anfertigen, dove si chonteneva nonn’avere inchorporato la bottegha di detti Medici setaiuoli).

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Florentiner Medici-Erben-Bank entstanden war. De facto richtete sich der Prozeß aber gegen die Syndizi bzw. ufficiali der Medici und wurde noch im Januar 1499 geführt.395

4. 1496/98: Die Florentiner Mediceer transformieren die Medici-Banken in Lyon a) Der Kauf der Lyoner Medici-Bank Nach Lorenzo de’ Medicis Tod firmierte die Lyoner Medici-Bank unter dem Namen von Piero de’ Medici und Lorenzo Tornabuoni, dem für Lorenzos Erbe verantwortlichen Sohn Giovannis.396 Die eigentliche Leitung der Bank lag freilich in den bewährten Händen von Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti. (Analog war zu sehen, daß auch die römische Medici-Filiale, der diejenige von Neapel gleichsam inkorporiert war, seit 1495 nominell von Lorenzo Tornabuoni geführt wurde, mit Piero de’ Medici als Mitgesellschafter, während sie praktisch von Nofri Tornabuoni und seinem Schwiegersohn Leonardo di Zanobi Bartolini betrieben wurde.) Über die Liquidation der Lyoner Medici-Bank sind wir wesentlich schlechter unterrichtet als über die ihrer Schwester in Rom. Nachdem Bartolomeo Bartolini und seine Mitarbeiter im Januar 1495 ihr Desinteresse an einer Beschlagnahmung der Geschäftsbücher demonstriert hatten, ließen die Syndizi des Medici-Vermögens sie offenbar erst einmal unbehelligt. Die Abwicklung der römischen Bank schien ihre Kräfte vorerst zu binden. De Roover erkannte, daß die Lyoner Medici-Bank nach der Vertreibung der Medici von einer Gesellschaft getragen wurde, die aus Lorenzo di Giovanni Tornabuoni, Cosimo di Francesco Sassetti und Lorenzo Spinelli bestand. Mit der Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis im August 1497 habe sie die unrühmliche Liquidation vornehmen müssen; die zahlreichen Gläubiger, unter ihnen Philippe de Commynes, hätten ihre Einla395 ABS 227, c. 84, 87, 109 (die Bartolini-Bank berechnete zum 12.1.1499 dem Konto der Seiden-

gesellschaft Spesen von mehr als 14 Fiorini wegen des Prozesses um diese 1.900 Fiorini, welche die hier als Syndizi bezeichneten ufficiali seitens der ‚Bank von Florenz, wo Lorenzo Tornabuoni Partner war‘, von der Seidengesellschaft bzw. dann von der Bartolini-Bank verlangten). 396 Zum Kriterium des Renomees bei der Namensgebung vgl. etwa De Roover, Rise, S. 309. Als Lionetto de’ Rossi 1470 die Leitung der Lyoner Medici-Bank als Faktor übernahm, wurde der Name in „Lorenzo de’ Medici, Francesco Sassetti & Co.“ geändert; 1485, nach der Verhaftung Lionettos wegen Veruntreuung von Geldern, gründete man eine neue Gesellschaft unter dem Namen „Francesco Sassetti e Giovanni Tornabuoni & Co.“, die bis zum Tod Sassettis im März 1490 firmierte, als die Erben dieser Gesellschaft namensgebend wurden, „Eredi di Francesco Sassetti & Giovanni Tornabuoni & Co.“. Der damalige Leiter Lorenzo Spinelli war jedoch der Meinung, Lorenzo de’ Medici müsse mit seinem Namen im Titel erscheinen, da die Franzosen zu keinem anderen Vertrauen besäßen; vgl. ebd. S. 300–309. Ob dies geschah, geht aus De Roovers Ausführungen nicht hervor. Nach dem Tod des großen Lorenzo trug die Lyoner Bank jedenfalls den Namen seines Sohnes und den des für das Erbe Lorenzos Hauptverantwortlichen: Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Lione; vgl. etwa BNCF, Ginori Conti 5 (Rechnungsbuch der unter dem Namen Pieros laufenden Pisaner Medici-Bank), z. B. c. 73/LXXIII (1493).

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gen verloren.397 Derart ereignisarm und glanzlos stellt sich die Geschichte dieser wichtigen Bank allerdings nicht dar. Ende 1496, offenbar im November – ein genaues Datum ließ sich bisher nicht ermitteln –, trafen Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli sowie Cosimo Sassetti mit den Syndizi eine Regelung, die es ihnen erlaubte, die Bank Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Lione zu kaufen. Der (offizielle) Hauptteilhaber der Florentiner MediciErben-Bank sowie die beiden Leiter der Lyoner Medici-Bank fungierten nun also als neue Besitzer, wobei ihre neue Gesellschaft vermutlich den alten Namen beibehielt. Formalrechtlich folgte man dabei dem Muster bei der Liquidation der römischen Medici-Bank. Denn da die drei Gesellschafter die Bank als Privatpersonen übernahmen, nicht als Teilhaber an Medici-Firmen, erhielten sie von den Syndizi bestimmte Werte, Güter, als Gegenleistung für den Kauf. So wie es im Fall der römischen Bank vor allem Geld bzw. Finanzansprüche, Kunstobjekte und Juwelen aus dem Medici-Schatz waren, welche die Liquidation ermöglichen sollten, wurden bei der Lyoner Bank offenbar primär Landgüter der Medici eingesetzt. Entsprechende Bilanzen und Verträge bzw. Notariatsinstrumente sind anscheinend nicht erhalten. Doch wenn die neuen Eigentümer für ihren Kauf Werte erhielten, müssen analog zum römischen Äquivalent die geltend gemachten Schuldverpflichtungen über den zu erwartenden Einnahmen aus Gläubigeransprüchen gelegen haben. Wie schon 1495 ist also davon auszugehen, daß die vorgelegten Bilanzen mit Duldung oder Hilfe einiger Syndizi gefälscht wurden. Dies dürfte die letzte Wohltat der Syndizi für die Mediceer gewesen sein, denn am 28. Dezember 1496 wurden sie, wie dargestellt, wegen ihrer evidenten Betrügereien durch die fünf neuen ufficiali ersetzt, welche am 13. Februar 1497 sogar noch durch die Beamten und Mitarbeiter der Turmbehörde verstärkt wurden, um vereint sämtliche Akte der Syndizi auf Betrug zu kontrollieren. Von dieser Gefahr alarmiert, haben die Syndizi und die Medici-Bankiers offenbar noch schnell den Kauf der Lyoner Medici-Bank organisiert, um wie bei der römischen Bank für die (angebliche) Gläubigerbefriedigung Medici-Güter einzusetzen, die dann mittels verdeckter Operationen in der Verfügungsgewalt der Mediceer blieben. Eine Abschrift aus den Geschäftsbüchern der neuen Lyoner Partner erlaubt uns diese Aussagen und einige Konkretisierungen. Aus dem Buch der ‚Erinnerungen‘ (ricordanze) der neuen Bank sind mehrere Besitzübertragungen kopiert worden, die alle den Kauf der Lyoner Medici-Bank betrafen.398 Hier ist relevant, daß Lorenzo Tornabuonis ministro Domenico d’Andrea Alamanni vom 12. November 1496 bis zum 4. Januar 1497 im Namen eines Dritten an mehrere, aber alle aus Prato stammende, offenkundig als Strohmän397 De Roover, Rise, S. 311. 398 ASF, MAP CLVII, c. 88r–89v: Copia de verbo ad verbum di più ricordi attenenti a Lorenzo

Tornabuoni e Lorenzo Spinelli e Cosimo Saxetti per conto della conpera della ragione de’ Medici e Tornabuoni di Lione, levati dalle richordanze corregie gialle segnato A da c. 61, 62, 63, 64, 65, 67. Diese Kopie befindet sich in einem Konvolut von unterschiedlichen Schriften, welche das Erbe Alfonsina Orsinis betrafen, insoweit es für deren Enkelin Caterina de’ Medici bzw. die französische Krone von Belang war. Auf einzelne der dort aufgeführten Akte werden wir im Kontext des Medici-Tornabuoni-Erbes noch eingehen; s. etwa unten S. 856–859.

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ner der Mediceer wirkende Personen Landgüter im Wert von meist 700 bis 800 Fiorini abtrat (per cessione), da diese von der Medici-Tornabuoni-Bank in Lyon Geld zu erhalten hatten. Das hatten sie ihr – wie die 825 Fiorini des Antonio d’Agostino Buonfigliuoli da Prato – zum Teil erst im September 1496 gegeben, und merkwürdigerweise war jener Kredit im Kassenbuch der Wollgesellschaft von Lorenzo Tornabuoni und Jacopo Gianfigliazzi e compagnia lanaiuoli di San Martino registriert worden, die also in den ganzen Vorgang involviert war. Die zwischen Florenz und Prato gelegenen Güter, u. a. der podere detto il Ponticello und della Torricella, dazu auch eine Mühle, waren Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti vorher von den Syndizi der Medici wegen des Kaufes der Lyoner Medici-Tornabuoni-Bank übertragen und dann jeweils den einzelnen Pratesern als ihren Gläubigern zugewiesen worden. Explizit wird dieses Procedere im Fall eines Landgutes in der Nähe der Medici-Villa in Poggio a Caiano erläutert, das dem Arzt Bernardo da Lodi am 28. Februar 1497 für 450 Dukaten verkauft wurde. Diesen podere detto Caccerina hatten die Syndizi den drei neuen Gesellschaftern chonsegniato [...] in chonto della chonpera di Lione, coè della ragione che fu di Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni e compagnia.399 Nicht eigens erwähnt wurde in diesem Kontext aber z. B. die ebenfalls wegen des Kaufs der Lyoner Bank erfolgende Übertragung des mediceischen Gutskomplexes La Cascina (heute: Le Cascine) bei Poggio a Caiano, der später mit Blick auf das von der Lanfredini-Bank betreute MediciErbe zu erörtern ist.400 Erstaunlich ist eine am Schluß der Abschriften notierte Schuld des Lorenzo Tornabuoni, der sich noch am 10. November 1496 von dem Juden Abramo di Rubino aus Bologna bzw. von dessen Prokurator Isaach di Vitale aus Pisa 400 Dukaten geliehen hatte. Denn für die alte Lyoner Medici-Tornabuoni-Bank wollte Lorenzo vom 10. Mai 1497 bis zum Mai 1498 das Geld in drei Raten zurückzahlen – doch schon die am 10. November 1497 fällige zweite Rate wird der im August 1497 hingerichtete Tornabuoni nicht mehr persönlich zahlen können. Auch dieser Kredit war per conto des Kaufes der Lyoner Medici-Tornabuoni-Bank aufgenommen worden.

b) Die Gründung der Bank Leonardo di Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione Nicht in Lyon, wiederum in Florenz wurden auch die Entscheidungen getroffen, in welcher Form die Mediceer-Geschäfte in Frankreich nach 1494 fortgeführt werden sollten. Schon die Reisewege des führenden Personals zeigen die Befehlshierarchie an. Leonardo di Bartolomeo Bartolini, der sich bis zum November 1494 mit der Bartolini-Bank in Montluel aufgehalten hatte, war von dort nach Florenz zurückgekehrt, wo er nun in der

399 ASF, MAP CLVII, c. 88v. 400 S.u. S. 624, 649, 786f.

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Florentiner Bartolini-Bank mit 42 Fiorini Jahresgehalt hauptsächlich die Kasse führte.401 Von den fragilen Verhältnissen zeugen auch die Gewaltritte des Lyoner BartoliniMitarbeiters Bartolomeo del Rosso, der sich vor dem April oder Mai 1495 einige Zeit in Florenz einfand, dann mit einem Pferd nach Lyon zurückritt, von dort ca. Juli/August 1495 wieder für einen mehrwöchigen Aufenthalt nach Florenz zurückkehrte, um dann über Lyon zur Allerheiligen-Messe nach London und kurz darauf sofort wieder nach Lyon zu reisen, wo er seit Mitte Dezember 1495 für Giuliano da Gagliano einige Wochen lang die kommissarische Leitung der Bartolini-Bank übernahm.402 Giuliano da Gagliano beendete seine Tätigkeit als governatore der Lyoner Bankgesellschaft des Bartolomeo Bartolini am 13. Dezember 1495, als er in Begleitung von zwei Dienern Lyon verließ, um über Mailand und Venedig – dort besuchte er seinen aus Florenz geflüchteten Bruder Filippo – nach Florenz zurückzureisen, wo er dann zum 12. Februar 1496 seinem Freund „G“, also Gianbattista Bracci, die beachtliche Summe von 4.047, 5, 2 Scudi in bar(!) aushändigen konnte.403 Dieses Geld hatte Giuliano zusammen mit der Kapitaleinlage von 1.000 Scudi und dem bis 1489 erwirtschafteten Gewinn von 2.411 Scudi weiterhin für Bracci zu verwalten. Da dieser es sich nicht persönlich auszahlen ließ, handelte es sich allem Anschein nach um Geld der Medici-Erben-Bank bzw. der Medici. Dafür spricht auch die Tatsache, daß Giuliano da Gagliano ein „Agent“ der führenden Florentiner Mediceer-Bankiers blieb. Mit Bartolomeo Bartolini saldierte er die Lyoner Konten, für Gianbattista Bracci und Lanfredino Lanfredini wird er wenige Jahre später eine wichtige Geschäftsmission in Rom übernehmen, für Lanfredino führte er bei der Lyoner Nasi-Bank ein Sonderkonto „L“ für Wechselgeschäfte und von dem Konto seines amico G bei der von 1492 bis 1495 operierenden Lyoner Bartolini-Bank (des Buches „E“) erhielt sein Bruder Filippo noch 1507 den Zins einer Kapitalanlage von 3.500 Fiorini – höchstwahrscheinlich immer noch als heimlicher Sachwalter der Medici!404 Die Florentiner Bartolini-Bank schützte sich durch zahlreiche Prozesse vor Gläubigeransprüchen und zog zugleich in sichernder Zwecksetzung hohe Geldsummen aus Me401 ABS 227, c. XXIIII (gemäß der am 25.7.1496 erfolgenden Gehaltszahlung für die letzten 20

Monate hatte er im November 1494 Montluel verlassen, offenbar um in Florenz über die Ausweisung zu unterrichten). 402 ABS 107, c. 11, 13, XXII; vgl. ASP IV/5, c. XXII (wo Giuliano da Gagliano bezeugt, bei seiner Abreise aus Lyon einige zum Haushalt der Bartolini-Bank gehörende Gegenstände in der Hand des Bartolomeo del Rosso gelassen zu haben). 403 ASP IV/2, c. 2 (dieser Posten befindet sich auf dem Konto des amicho G unter dessen Kapitaleinlage vom 1.1.1490 auf der Soll-Seite, woraus sich ergibt, daß Giuliano da Gagliano das Kapital und den neuen Profit von 4.047 Scudi ebenso wie den von 1482–89 erzielten Gewinnanteil von 2.411 Scudi weiterhin verwaltete!). 404 Vgl. ASP IV/5, c. 35 (Bernardo e Rede di Bartolomeo Nasi e compagnia di Lione per mio conto a parte L atenente a Lanfredino Lanfredini ...) sowie unpaginiert am Schluß des Bandes in den Notizen zu verschiedenen Konten der Hinweis, daß Filippo 70 Fiorini zu erhalten habe, per resto di uno conto di uno amico G a libro de’ Bartolini di Lione azurro E, è di capitale e utili e per discrezione di mesi 3 di fiorini 3.500. Zu Giulianos römischer Mission s.u. S. 625–629. Gemeinsame Geschäfte zwischen Filippo und Bracci sind ebenso wie die durch Filippo und Giuliano (auch für Bracci) durchgeführten Schiffsversicherungen bereits angesprochen worden.

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dici-Firmen in ihre Kassen. Diese piatti begannen 1495. Zum 6. November 1495 protokollierten die Syndizi der Medici ihre Anordnung, nach der bei der römischen MediciBank, die damals Nofri e Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Roma hieß, alle Gelder und Kredite zu sequestrieren seien, welche sie von der Florentiner Bartolini-Bank oder anderen Banken bekommen habe, die aber der Bartolini-Bank gehörten. Denn diese sei in multa pecunia Gläubiger der römischen Medici-Bank.405 Seit Dezember 1495 klagte die Bartolini-Bank dann konkret wegen einer Summe von 2.217 Fiorini, die ihnen Nofri Tornabuoni (als Vertreter der römischen Medici-Bank) schuldig sei. Der Prozeß wurde gewonnen; mitsamt den Prozeßspesen mußte Nofri am 9. Juni 1496 2.230, 15 Fiorini zahlen. Aber wofür? Als Grund wurden vier Perlen genannt, die man Nofri verkauft und die er nicht bezahlt habe!406 Perlen dieses Wertes kann es nicht gegeben haben. Sie kosteten in der Regel 20 oder 30 Fiorini; der kostbarste Ballas-Rubin aus dem Medici-Schatz hatte einen Wert von 500 Fiorini. Auch die Beobachtung, daß Nofri jene Summe über Gianbattista di Marabotto Tornabuoni und Lorenzo Tornabuoni zur gleichen Zeit in zwei Partien von seinem Konto bei der Bartolini-Bank gutgeschrieben wurde, weist auf jene systematische Manipulation hin, die hinter diesen Prozessen stand. Auffällig war ebenfalls die bereits angesprochene runde Summe von 8.000 Fiorini, welche die Florentiner Medici-Erben-Bank der Florentiner Bartolini-Bank als ihrem Gläubiger am 14. Dezember 1495 zu zahlen hatte und über die Gianbattista Bracci verfügte.407 Solch runde Summen ließen sich trefflich als Kapitalanlage nutzen. Genau dies geschah Anfang August 1496. Zum Kapitalverwerter wurde der junge, vielverheißende Leonardo di Bartolomeo Bartolini bestimmt. Bis zum 27. Juli 1496 hatte er für einen nicht allzu hohen Lohn seinen Dienst in der nach seinem Vater benannten Florentiner Bank geleistet. Am 4. August erhielt er von Giovanni Folchi, seinem Nachfolger an der Kasse, neun Dukaten d’oro in oro als Reisespesen, um im Eiltempo nach Lyon zu reiten. Mit einer schriftlich fixierten Vereinbarung hatte ihm sein Vater Bartolomeo – dessen finanzielle Handlungen nota bene immer noch in allem einzig und allein für Piero de’ Medici erfolgten! – zur nächsten Allerheiligen-Messe in Lyon einen Betrag von 4.000 Scudi versprochen, mit denen Leonardo so, wie es ihm am besten erscheine, wirtschaften, Handel treiben (trafficare) sollte, oder die er in eine compagnia mit anderen einbringen sollte oder wie es ihm sonst am besten dünke. Leonardo hatte von allem Gewinn und Schaden aus dieser Summe ein buon conto an Bartolomeo zu geben, der also von Florenz aus eine Endkontrolle über Leonardo ausübte. Dieser durfte mit einem Drittel partizipieren, während sein Vater zwei Drittel erhielt. Eine zeitliche Frist für den traffico mit diesen 4.000 Scudi wurde nicht festgelegt.408 Leonardo Bartolini sollte also die Geschäfte der 405 Le collezioni medicee nel 1495, S. 79. Am Schluß steht „Bartolini“ statt „Tornabuoni“ als

Schuldner der Bartolini-Bank! Zielte man vielleicht auf Leonardo di Zanobi als wahren Eigner? 406 ABS 227, c. XLVII, LX, 64/LXIIII. 407 Le collezioni medicee nel 1495, S. 91; vgl. oben S. 166. 408 ABS 197, c. XXII (auf einem eingelegten Zettel hatte Leonardo noch vermerkt, ein amico habe

ihm die 4.000 Scudi zur Verfügung gestellt),c. LXXXVII (bei der Gewinnberechnung für 1502 wurde vermerkt, daß Bartolomeo das zweite Drittel erhielt), 101 (am 25.10.1496 schrieb Barto-

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faktisch im Februar 1496 aufgelösten Lyoner Bartolini-Bank fortführen. Die Gründung einer neuen Gesellschaft war nur eine Option, doch wurde sie kurz darauf realisiert. Die Nachfolgebank trug den Namen Leonardos (Leonardo di Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione); sie wird durch ihn und nicht zuletzt kraft seiner von vielen Personen bezeugten außergewöhnlichen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit bis zu seinem Tod Anfang Oktober 1512 zu einer der größten und mächtigsten Banken und Handelsgesellschaften Europas heranwachsen, die wahrhaft Erstaunliches leistete. Es dürfte kein Zweifel bestehen: Die neue Bartolini-Bank in Lyon wurde mit MediciGeld aufgebaut, das Bartolomeo Bartolini über seinen Verwandten Gianbattista Bracci aus der Medici-Erben-Bank erhalten hatte – selbst wenn die 4.000 Scudi nicht direkt aus der Summe jener genannten 8.000 Fiorini entnommen worden sein sollten. Diese „Bedingung der Möglichkeit“ wird durch einen bemerkenswerten Fund bestätigt. Leonardo notierte in den ricordi am Schluß seines ersten persönlichen Geschäftsbuches, das er am 15. August 1496 in Lyon begann, eine ‚Erinnerung‘, deren schriftliche Fixierung sein Vater vermutlich nicht gutgeheißen hätte und die Leonardo sowohl aus Pflichteifer als auch zur persönlichen Absicherung als ‚Erinnerung‘ festhielt. Es handelt sich um die Abschrift eines Geheimkontos, das er in Florenz 1495/96 für die Medici und ihre Bankiers geführt hatte.409 Wahrscheinlich ist es das einzige, das in dieser authentischen Form überhaupt erhalten ist! Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte diesen ricordo für notwendig gehalten, weil ihm ‚zur Hälfte‘ – so die Formulierung in seinem persönlichen Schuldbuch und giornale – die Schulden mehrerer Debitoren zustanden. Das eigentliche Debitorenkonto befand sich jedoch in der Hand eines anonymen Freundes, den Leonardo mit „G B“ kennzeichnete. Da Leonardo in diesem Konto zwecks klarer Identifizierung wiederholt nicht nur einen, den Anfangsbuchstaben als Signatur für den Vornamen wählte, sondern zwei Buchstaben, stehen diese beiden in diesem Kontext zweifellos für Gianbattista Bracci! Leonardo hatte sich auch nicht um die Schuldner zu kümmern, denn dieser Freund „G B“ werde alles Notwendige selbst veranlassen. Das Konto war unterteilt in zwei Gruppen, eine mit „c-a“, die andere mit „z-a“ abgekürzt. Es ging also bei der ersten um Beträge, die aus der Kasse (cassa) entnommen wurden, bei der zweiten um solche aus der von Bartolomeo Bartolini für Piero de’ Medici geleiteten staatlichen Münzanstalt (zecca). Die einzelnen Ausgaben sind vor allem wegen ihrer Empfänger interessant. So gingen 49, 14, 1 Fiorini an mehrere Personen, gezahlt wurden sie für „c me“, der in diesem Kontext nur der cardinale Medici sein konnte und der noch fünfmal mit Beträgen zwischen 12 und 52 Fiorini als „c m“ in weiteren Posten aufgeführt wird. 10, 13 Fiorini, die „f n“ an mehrere Personen gab, sind ebenso gewiß durch Francesco Naldini verteilt worden. Fünf Posten mit Summen zwischen 4 und 100 Fiorini betrafen den „c di za“, also den conto di zecca und kamen „b e f“ zugute, also Bartolomeo [Bartolini] und Francesco [Bottegari], die in einem zweiten, lomeo Bartolini persönlich an seinen Sohn, daß er ihn zur fiera di tutti santi 1496 mit 4.000 Scudi zum Debitor und Kreditor machen sollte). 409 ABS 197, c. 91.

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weniger durch Abkürzungen geheim gehaltenen Konto wiederum erscheinen, nun zum einen als (angeblich) alleinige Partner in der Florentiner Bartolini-Bank und zum anderen neben Filippo und Giuliano da Gagliano als Partner in der Lyoner Bartolini-Bank. Sie gehörten zusammen mit der Medici-Goldschlägergesellschaft („b-ri“ für battilori abgekürzt), Giam Peroni di Lione, Cieseri e Sauli di Lione, dem Silberschmied Guglielmo Parenti und Guglielmo del Giocondo zu jenen Debitoren, deren Schulden (wie am Schluß auch diejenigen des ersten Kontos) alle in französische Scudi umgerechnet wurden (237, 7 plus 400) und die Leonardo persönlich betrafen. Doch um diese Schulden brauchte er sich ebenfalls nicht zu kümmern, weil sie von ‚bestimmten Materien abhingen‘ und weil ein amicho segnato L nun dieses Konto betreute, fortführte und wie der Freund „G B“ das Notwendige zur gegebenen Zeit tun würde. Dieser zweite Freund ist nicht ganz so eindeutig zu bestimmen; er könnte Lorenzo Tornabuoni wie auch Lanfredino Lanfredini geheißen haben. Entscheidend ist jedoch, daß Leonardo Bartolini in Florenz auch für diese zentralen Medici-Bankiers Schuldkonten führte und Auszahlungen vornahm, die mit Blick auf das erste Konto als Zahlungen an bzw. für den Kardinal Giovanni de’ Medici im Fall ihrer Entlarvung für ihn lebensgefährlich geworden wären. Entsprechende Beispiele werden noch zu hören sein. Der junge Bartolini war also fest in das verdunkelte Finanzsystem der Mediceer integriert. Möglicherweise führte er deswegen in Lyon für seine Florentiner Freunde ein als „Geisterkonto“ zu bezeichnendes Wechselbrief-Konto. Denn mit dem Kontoinhaber Antonio Miniati wird der auch mit dieser Namenskurzform bekannte Antonio di Bernardo di Miniato Dini gemeint gewesen sein, der im November 1494 als erster der Medici-Intimi und als Beteiligter an Geldunterschlagungen zugunsten der Medici hingerichtet worden war.410 Dieser Antonio war zusammen mit Filippo da Gagliano für Lorenzo und Piero de’ Medici eine Schlüsselgestalt gewesen, um zu ihrem Vorteil heimliche Finanzoperationen beim Monte Comune und anderen kommunalen Institutionen durchführen lassen zu können. Das damals „erwirtschaftete“ Geld konnte offensichtlich nicht entdeckt und konfisziert werden. Womöglich gab es deshalb unter dem Namen Antonios eine Zeitlang weiterhin profitable Finanzaktionen zugunsten der Mediceer bzw. Medici, in welche offenkundig auch der im August 1497 hingerichtete Medici-Freund Bernardo del Nero verwikkelt war. Eine Bestätigung für diese These wird darin liegen, daß die Florentiner Bartoli410 Florentiner Chronisten nannten ihn selten mit seinem Familiennamen, meist nur mit dem Namen

seines Vaters und Großvaters oder änderten letzteren in einen Familiennamen um, eben in Antonio di Bernardo Miniati; vgl. etwa Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 110, Anm. 2; Cerretani, Ricordi, S. 314 und 468, wo die Herausgeberin Giuliana Berti ihn in den Indici gar gleich unter dem Familiennamen Miniati statt Dini aufführte. Allerdings gab es in Florenz auch eine (andere oder als Seitenzweig anzusehende) Familie namens Miniati, in der damals Antonio di Lorenzo di Miniato Miniati und Antonio di Jacopo di Giovanni Miniati bis mindestens 1525 bzw. 1505 lebten, die jedoch niemals in einem Bezug zu den Mediceer-Banken erschienen; zu diesen Personen vgl. Tratte, s.v. 1497/98 führte die Lyoner Bank des Leonardo Bartolini mit Giovanni Bartolini (in der Florentiner Bartolini-Bank), der Giovanni d’Ambra-compagnia und Alamanno und Jacopo Salviati cambi mit 5 marca d‘oro bzw. ca. 325 scudi für das Konto des Antonio Miniati bzw. nostro conto a parte b durch; ABS 197, c. XXVII, 30, CII.

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ni-Bank um 1500 ein mit Ansprüchen des Giovanni di Matteo de’ Rossi verknüpftes Konto der ‚Erben des Antonio di Bernardo di Miniato‘ führte, und daß diese Erben, nämlich der 1465 geborene Bernardo di Antonio di Bernardo und seine jüngeren Brüder, so wie Bernardo als Vertreter der Erben des Giovanni de’ Rossi mit weiteren Personen 1506 von Giovanni Bartolini persönlich 186 Fiorini aus dem Erbe des Antonio di Bernardo di Miniato erhielten. Giuliano da Gagliano wird sehr viel später, nach 1512, in einem ganz anderen Kontext verraten, wer (noch 1517) als Gläubiger das Erbe des (von Giuliano als Antonio Miniati bezeichneten) Antonio di Bernardo di Miniato Dini verwaltete: Es waren Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati!411 Leonardo Bartolini hatte noch einen weiteren Auftrag , als er aus Florenz abreiste. Er sollte das langjährige Organ der Lyoner Bartolini-Bank in Montpellier erneut an Lyon, d.h. jetzt an seine Geschäfte, binden und diese Bottegari-Gesellschaft auf eine neue Kapitalbasis stellen. Im Oktober 1496 ritt er deshalb nach Montpellier zu Piergiovanni di Ser Jacopo Bottegari, dem die Florentiner Bartolini-Bank schon im November 1495 dessen Bruder Cosimo Bottegari als Verstärkung geschickt hatte.412 Im Gepäck hatte der Bartolini 4.000 Scudi, die er Piergiovanni als Kapital der ragione Piergiovanni Bottegari e compagnia di Monpolieri gab. Wie im Fall der Medici-Banken von Pisa und Neapel durfte diese jedoch weiterhin nicht als eigenständige Gesellschaft handeln, sondern hatte jeden Profit und Verlust an die neue Bartolini-Bank abzuführen und hatte Leonardo buon conto 411 ABS 227, c. CXX (schon bzw. noch 1498: Konto des Antonio di Bernardo di Miniato mit einem

Anspruch auf fl. 215, die ihm Bernardo del Nero angewiesen hatte), CXXVIII (1498: Konto der Bank des Bartolomeo Bartolini mit einem Anspruch auf fl. 343 aus einem credito des Antonio di Bernardo di Miniato, Riccardo Ricciardi und Matteo di Giovanni de’ Rossi), 136 (4.12.1501); 210bis, c. 8 (1506: Bartolomeo Bartolini e Co. mit Zahlungsverpflichtung von fl. 186 an Bernardo de’ Rossi und Bernardo d’Antonio di Miniato sowie dessen Brüder und an Erben von Giovanni und Gherardo de’ Papi); ASP IV/10, c. 24r (9.12.1517). Im April 1497 waren es daher wohl nicht zufällig Alamanno und Jacopo Salviati, welche die oben genannten Wechselgeschäfte über das Konto des Antonio Miniati durchführten. Von den beiden erwähnten Namensvettern lebte Antonio di Lorenzo 1517 noch, während Antonio di Jacopo nur bis 1505 in den Tratte nachweisbar ist, aber 1517 durchaus noch gelebt haben könnte. Gleichwohl: In diesen ganzen personellen und finanziellen Kontext paßt recht eigentlich nur Antonio di Bernardo di Miniato Dini bzw. sein Erbe, weshalb wir mangels eindeutiger Gegenbeweise das 1497/98 unter dem Namen Antonio Miniatis geführte Konto auf ihn beziehen und demnach als ein „Geisterkonto“ für Antonio di Bernardo di Miniato ansehen möchten. Erhärtet wird diese Annahme überdies durch das Faktum, daß nach der Rückkehr der Medici nach Florenz den Erben des Antonio di Bernardo di Miniato im Dezember 1513 eine Summe von 5.000 Fiorini restituiert wurde, die sie 1494 durch die Hinrichtung ihres Vaters verloren hätten; Cerretani, Ricordi, S. 314. 412 ABS 227, c. 11. Cosimo Bottegari wurde in der Forschung als einer der wichtigsten Florentiner Kaufleute in Marseille bewertet; vgl. Collier/Billioud, Histoire, S. 111, 226 (1498 sei er z. B. als Importeur sizilianischen Zuckers bezeugt und noch um 1520 habe er den weißen Alaun aus Civitavecchia bzw. Tolfa importiert. Seine Zugehörigkeit zur Florentiner und vor allem Lyoner Bartolini-Bank, seine Funktion als Mediceer-Kaufmann ist dabei allerdings nicht bekannt gewesen – und auch seine Alaungeschäfte resultierten, wie bei seinem Bruder Piergiovanni in Montpellier, allein aus dieser seiner Funktion als Mediceer-Agent in Marseille; hierzu Näheres unten S. 636, 678, 1033).

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über alle Geschäftsvorgänge zu geben, der diese internen Bilanzen dann in Florenz als Teil der seinigen vorlegen mußte.413 Wie sein eigenes Kapital hatte Leonardo diese 4.000 Scudi gewiß nicht selbst gestellt, sondern aus Florenz erhalten.

c) Die neue Bank des Medici-Bankiers Bernardo de’ Rossi und ihre Partnerschaft mit der Bartolini-Bank Die Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis im August 1497, des Hauptverantwortlichen für das geschäftliche Erbe des Medici-Imperiums und offiziell maßgeblichen Teilhabers der Florentiner Medici-Erben-Bank, bedeutete das Ende der 1496 durch ihn, Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti übernommenen Lyoner Medici-Bank – wohlgemerkt: das Ende dieser Bankgesellschaft, nicht das der Bank. Es ist auffallend, daß Leonardo di Bartolomeo Bartolini genau in jenen Wochen nach dem Tod des Tornabuoni nach Florenz ritt – und zwar ausdrücklich im Interesse der Lyoner Bartolini-Bank!414 Es ist daher anzunehmen, daß er, der gerade erst ein Jahr in Lyon tätig war, von den führenden Mediceer-Bankiers zurückbeordert wurde, um mit ihnen im persönlichen Gespräch die veränderte Situation und notwendige Maßnahmen zu besprechen und neue Anweisungen entgegenzunehmen. (Fast immer lassen sich diese Lyoner Mediceer aufgrund ihrer Spesenkonten in Florenz nachweisen, kurz bevor durchgreifende Strukturveränderungen in den von ihnen betreuten Banken umgesetzt wurden!) Möglicherweise nicht mit Leonardos Reise, wohl aber mit den neuen Gegebenheiten nach dem Tod Tornabuonis ist die Gründung einer neuen Lyoner Bank in Verbindung zu bringen, die klare personelle Wurzeln zur Lyoner MediciBank besaß, welche im August 1497 zwangsläufig beendet werden mußte, um den Forderungen an den verurteilten Rebellen zu entgehen. Bereits Ende Oktober 1497 ist in Lyon eine Gesellschaft nachzuweisen, die den Namen Bernardo de’ Rossi e compagnia di Lione trug.415 Bernardo, am 8. August 1469 geboren, war der zweitälteste Sohn des Giovanni di Matteo di Ser Giovanni de’ Rossi aus Florenz, der bei der Katastererhebung von 1480 ein bescheidenes Vermögen von gut 889 413 ABS 231bis, c. 1/I, 2/II (merkwürdigerweise hieß es in einem der Konten, Piergiovanni partizi-

piere mit 10 Soldi pro Lira bzw. 50% an den Gewinnen und Verlusten; doch dies kann nur eine Art von pro forma-Beteiligung sein, da bei der Saldierung zum 25.10.1501 weder irgendwelche Gewinne noch Verluste errechnet wurden, denn alle Gewinne flossen sofort in die Lyoner Bartolini-Bank). 414 ABS 197, c. 33 (die Spesenabrechnung in Höhe von 14 Scudi für die Hin- und Rückreise von Lyon nach Florenz, die Leonardo allein, ohne famiglio, durchführte, erfolgte zum 16.11.1497, so daß er in den vorangegangenen Wochen in Florenz gewesen war). In einem späteren SpesenSammelkonto für die Jahre 1496–99 wird explizit erklärt, daß die Reise nach Florenz – eine andere ist für den Zeitraum nicht nachweisbar – im Interesse seiner Bank erfolgte; ABS 231bis, c. 9. 415 Vgl. ASP I/38, c. 53–LIIII (Francesco Naldini bezeugt in diesen Konten eindeutig eine Gesellschaft Bernardo de’ Rossi e compagnia di Lione, die ihm bei seiner Ankunft als Exilierter in Lyon mehrfach mit Bargeld aushalf); zu den sachlichen Vorgängen, d.h. den umfassenden Hilfen, die der aus Florenz verbannte Medici-Bankier Francesco Naldini damals von der RossiBank in Lyon erfuhr, s.u. S. 631–634.

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Fiorini angab und deshalb nur etwas mehr als einen Fiorin Steuern zu zahlen hatte; sein Sohn Bernardo hatte im Oktober 1497 also gerade das Alter von 28 Jahren erreicht.416 Sie waren Verwandte des seinerzeit in Ungnade gefallenen Leiters der Lyoner Medici-Bank Lionetto (di Benedetto di Antonio) de’ Rossi, der durch seine Ehe mit Maria de’ Medici, einer illegitimen Schwester von Lorenzo de’ Medici, zum engeren Kreis der MediciFamilie gehörte; davon profitierte vor allem Lionettos Sohn Luigi, der im MediciHaushalt aufwuchs und ein enger Freund seines Cousins, des Kardinals Giovanni de’ Medici, wurde.417 Bernardo de’ Rossi war jener junge Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank, den wir 1494/95 oft in Verbindung zu Giuliano da Gagliano und der Lyoner Bartolini-Bank gesehen hatten, doch in subalterner Position. Vor allem in den für die Medici und Mediceer dramatischen Sommermonaten 1494 hatte sich Rossi offenkundig für höhere Aufgaben bewährt. Im August 1494 hatte er in Lyon, wie sich aus dem Brief des Philippe de Commynes ergab, das Kommunikationsnetz zwischen den aus Lyon vertriebenen MediciBankiers, den Medici-Freunden am französischen Hof und Piero de’ Medici aufrechterhalten. Im September und Oktober 1494 war er dann als berittener Bote Pieros und des Florentiner Gesandten in Mailand an dem dynamischen Verhandlungsprozeß beteiligt, der zum Allianzwechsel Pieros führte. Er kehrte von dort nach Chambéry und Lyon zurück, wo er weiterhin in der Medici-Bank arbeitete und in engem Kontakt zu Giuliano da Gagliano stand, von dem er z. B. im November 1494 für die Medici-Bank jenen großen Diamanten zurückerhielt, den Cosimo Sassetti bei seiner Abreise aus Lyon im Juni 1494 Giuliano in Gewahrsam gegeben hatte. Im Mai 1495 z. B. ließ der wieder in Chambéry befindliche Sassetti durch Bernardo eine kleinere Schuld von 15 Scudi, die er bzw. die Medici-Bank bei der Florentiner bottega di battiloro der Medici hatte, an Giuliano da Gagliano in Lyon zurückzahlen; Giuliano gab ihm im gleichsam im Gegenzug per conto di Cosimo Sassetti einen aus Brügge gelieferten Teppich im Wert von viereinhalb Scudi.418 Mit Rossi hatte sein Freund Leonardo di Bartolomeo Bartolini, 4.000 Scudi im Rücken, nach seiner Rückkehr nach Lyon schon am 21. September 1496 um 18 Scudi di corona gewettet, er (Leonardo) würde nicht heiraten und auch nicht in den geistlichen Stand eintreten.419 416 Vgl. Verde, Studio fiorentino III/2, S. 1157; das genaue Geburtsdatum aus Tratte, s.v. Deutlich

jünger war sein am 22.2.1489 geborener Bruder Gabriello, der uns noch als Florentiner Mediceer begegnen wird. 417 Bernardo di Giovanni de’ Rossi stammte zweifellos, wie später anzuführende Quellen zeigen werden, aus der mit den Medici verwandten Familie De’ Rossi. Lionetto di Benedetto d’Antonio de’ Rossi, seit 1470 Leiter der Lyoner Medici-Filiale, war seit 1474 mit Maria de’ Medici, einer natürlichen Tochter Pieros di Cosimo, verheiratet, somit ein Schwager Lorenzo de’ Medicis; vgl. Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 353, 362f. Bernardo de’ Rossi ist freilich in der Forschung überhaupt nicht beachtet worden. Zu Lionetto und Luigi de’ Rossi vgl. hier auch Tomas, Medici Women, S. 18 und S. 35, Anm. 43; und s.u. S. 1098–1100. 418 ASP IV/4, c. 80r. 419 ABS 197, c. 93 (Leonardo Bartolini wollte Rossi – gleichsam als Gegenleistung für den Erhalt von 12 Ellen feiner Tuche – diese Summe bei jeder künftigen Eheschließung zahlen oder für den

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Nun also, im Oktober 1497, gab es plötzlich eine neue Lyoner Gesellschaft, die den Namen des Bernardo de’ Rossi führte. Nachzuweisen ist sie bisher allerdings lediglich in den Aufzeichnungen Francesco Naldinis. Giuliano da Gagliano verband Rossis Namen in jener Zeit nicht mit einer compagnia, obwohl Rossi damals, aber auch schon vorher, Empfänger von Tuchen aus Florenz war und französische Tuche aus Lyon dorthin versandte – bezeichnenderweise oft im Auftrag des Filippo da Gagliano.420 Auf diese Aktivitäten verweist auch ein weiteres der wenigen Zeugnisse. Es handelt sich um einen kleinen Zettel, den der uns als Medici-Freund gut bekannte Philippe de Bresse am 5. April 1497 an Pierre Fossier, einen meist in Savoyen wirkenden Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank, geschrieben hatte.421 Recht vertraulich sprach Philippe den Medici-Faktor mit Foysia an und bat ihn ohne Umschweife, nichts von Bernardino für jene zweieinhalb Ellen Tuch zu verlangen, die dieser augenscheinlich zunächst ohne Bezahlung von Fossier erhalten und dann dem Herzog zwecks Anfertigung eines Mantels geliefert hatte (Foysia ne demandes riens a Bernardin des deux aunes et demye de drapt que luy aves deslivre pour fayre ung manteau ...). Er selbst übernehme die Rechnung Fossiers bis zu einem Escu d’or pro Elle. Diese Vertraulichkeit des savoyischen Herzogs mit Bernardino, mit dem nur der Rossi gemeint gewesen sein kann, wird vor allem aus den Sommer- und Herbstmonaten 1494 herrühren, in denen er ihn als Kontaktmann der Medici in Lyon und Oberitalien und nach Savoyen kennengelernt haben mußte. Über die Teilhaber der Gesellschaft des Bernardo de’ Rossi und ihr Kapital ist nichts bekannt, doch wenn dieser kaum etablierte, rangmäßig im mittleren oder gar unteren Bereich der Mitarbeiterhierarchie stehende Bernardino wenige Wochen nach dem Tod seines maggiore Lorenzo Tornabuoni am gleichen Ort eine Bank gründen kann, dann zeugt dies von einer Struktur, die der neuen Bank des Leonardo Bartolini glich: Seine Teilhaber mußten aus der Führungsspitze der Lyoner und Florentiner Medici-Bank gestammt und auch das Kapital gestellt haben, zumindest das Gros. (Die gleiche Struktur muß für die neue Florentiner Bankgesellschaft des Giovanni d’Ambra gegolten haben, der als ehemaFall, daß er Geistlicher werden würde; sollte er, Leonardo, vor Eintritt einer der beiden Bedingungen sterben, sollte Bernardo de’ Rossi von Leonardos Erben 12 Scudi di re erhalten). 420 Vgl. ASP IV/6, 82v (Rossi erhielt schon im April 1496 von Giuliano da Gagliano Tuche, die dieser im Auftrag seines Bruders Filippo von der Wollgesellschaft des Paolo Benci erhalten hatte und die Rossi in Lyon verkaufen sollte), c. 86v (Rossi schrieb Giuliano am 15.2.1497 wegen des gewünschten Verkaufs von Tuchen), c. 28v/29r (Bernardo Rossi di Lione schickte Giuliano im Frühjahr 1498 Tuche; und hier hätte man erwarten können, daß Giuliano eine compagnia Rossis bezeugte). 421 AST, Sede P. Castello, Corte, Materie politiche relative all’interno, lettere diverse Real Casa, lettere duchi e sovrani, mazzo 6, fasc. 4, Nr. 40 (da Philippe de Bresse mit F. de Savoye unterschrieb, wird der an einem 5. April in Pont-d’Ain [pont d’ams)] geschriebene kurze Brief aus der vom 16. April 1496 bis zum 7. November 1497 dauernden Zeit seiner Herzogsherrschaft stammen, ist somit auf den 5.4.1497 zu datieren). Zu dem wenig bekannten Pierre Fossier vgl. De Roover, Rise, S. 310. Fossier hatte z. B. als Faktor der Medici-Bank im April 1490 dem savoyischen Hof, vermutlich Blanche de Monferrat oder Philippe de Bresse, 810 savoyische Fiorini geliehen, die ihm der Generalthesaurar Sébastien Ferrier im Juli 1495 in Turin zurückzahlte; vgl. AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 149, fol. 180r/v.

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liger Mitarbeiter der Florentiner Bartolini-Bank namensgebend wurde, sowie für einige andere.) Es spricht viel dafür, daß Lorenzo Spinelli als sein Vorgesetzter und als Partner Lorenzo Tornabuonis in der Ende 1496 von ihnen gekauften Lyoner Medici-Bank hinter Bernardo de’ Rossi stand sowie höchstwahrscheinlich vor allem Gianbattista Bracci als Herr der Medici-Erben-Bank und als maßgeblicher Nachlaßverwalter Lorenzo Tornabuonis – daß die Rossi-Bank also die Geschäfte der Lyoner Medici-Bank unter anderem Namen fortführte! Doch bereits im Juni 1498 ist die Rossi-Bank nicht mehr nachzuweisen.422 Es müssen die eigentlich Verantwortlichen gewesen sein, die nach gut einem halben Jahr auch ihr rasches Ende bzw. ihre Transformation beschlossen hatten und Bernardo de’ Rossi vorerst nach Florenz zurückbeorderten. Giuliano da Gagliano hatte für Bernardo die Kosten für den Transport und den Zoll seiner Sachen ausgelegt, da Bernardo sie in zwei für Giuliano bestimmten Stoffballen aus Lyon nach Florenz transportieren und sie sich am 4. April 1498 aushändigen ließ.423 Ein langer Aufenthalt in der Heimat war Bernardo de’ Rossi nicht vergönnt. Daß nicht er der Herr seines Handelns und seiner Schritte war, erweist die Genese und Struktur der mit seinem Namen verbundenen neuen Lyoner Großbank, die den Großteil ihres Kapitals zur August-Messe 1498 erhielt – einen Teil aber bereits zur Oster-Messe 1498, als Bernardo sich noch in Florenz aufhielt, und zwar von seinem alten, weiterhin in Lyon lebenden Vorgesetzen Lorenzo Spinelli. Auch diese 1498 neu gegründete Bank erwuchs aus dem Grundstock der Medici-Bank. Obwohl es bereits seit zwei Jahren eine Bank unter dem Namen des jungen Leonardo di Bartolomeo Bartolini in Lyon gab, entschloß sich deren Kapitalgeber und Hauptteilhaber, also Leonardos Vater Bartolomeo, diese Bank als Partner in eine größere Lyoner Bankgesellschaft einzubringen, die mit dem Namen des Leonardo Bartolini auch den des Bernardo di Giovanni de’ Rossi tragen sollte. Sowohl die Bartolini-Bank als auch Rossi beteiligten sich mit einem bemerkenswerten Kapitalstock von je 5.000 Scudi. Mit einem Kapital von insgesamt 10.000 Scudi war die BartoliniRossi-Gesellschaft also mehr als doppelt so stark ausgestattet wie die Lyoner Gesellschaft von Leonardo und Bartolomeo Bartolini; und stärker sogar als die potente Gesellschaft des reichen Kurienbankier Agostino Chigi, die er, sein Vater Mariano und sein Partner und Freund Francesco Tommasi 1502 mit insgesamt 8.000 Kammerdukaten (= ca. 8.880 Scudi di marca) Kapital versahen – doch nur gut ein Drittel so stark wie einst 1485 die Lyoner Capponi-Bank!424 Es ist nun noch offenkundiger, daß Bernardo de’ Rossi für weitere Personen handelte, daß andere Kapitalgeber hinter seinem hohen Anteil standen. Wiederum ist anhand der Lyoner Bartolini-Bank das Verfahren zu erkennen. Denn wie 422 Dies ergibt sich aus ASP I/38, c. 53–LIIII. 423 ASP IV/5, c. 22 (die zum 4.4.1498 durch Giuliano zusammen mit Bernardo in Florenz berech-

neten Spesen betrugen 2, 7, 8 Scudi, per porto da Lione a qui e ghabella di qui pagato di suo chose mandate da Lione in 2 mia balle di tele e altri panny mi mandò ... le qualy suo chose si gli consengnorono qui in Firenze). 424 Zum Kapital der Chigi-Bank vgl. Montenovesi, Agostino Chigi, S. 109; Gilbert, Venedig, S. 87; zu dem der Capponi-Bank s.o. S. 27, Anm. 39. Die Relation des Kammerdukaten zum Scudo di marca betrug damals ungefähr 1 : 1,1.

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gesagt nicht Leonardo Bartolini persönlich, sondern die unter seinem Namen firmierende Bank in Lyon – und damit deren alleiniger Kapitalgeber Bartolomeo, der intime und klandestine Sachwalter Piero de’ Medicis! – gab die eine Hälfte des Kapitals. Weniger Leonardo als vielmehr sein Vater Bartolomeo bzw. Piero de’ Medici war somit über ihre gemeinsame Gesellschaft mit 5.000 Scudi, die sie zur August-Messe 1498 einzahlten, an der Bartolini-Rossi-Gesellschaft beteiligt. Doch es gilt weiter zu differenzieren. Tatsächlich trugen sie nur 4.000 Scudi bei. Unter dem Namen Leonardo Bartolinis wollte die restlichen 1.000 Scudi bereits zur Ostermesse 1498 eine bemerkenswerte Persönlichkeit einbringen: Lorenzo di Francesco Spinelli, mithin der (ehemalige) Leiter und (von 1496– 97) Mitgesellschafter der Lyoner Medici-Bank sowie (1482–86) einer der Partner in der Lyoner Bartolini-Bank des Lorenzo de’ Medici! Spinellis Anteil und Gewinn wurde allein über die Lyoner Bank des Leonardo Bartolini verrechnet. Das 1482 begründete Muster galt also noch 1498! Mit 16,66% (nicht 20%!) wurde er dafür am Gewinn der Lyoner Bank des Leonardo Bartolini beteiligt, die wie Rossi 50% des Profits der Bartolini-RossiGesellschaft erhielt. Den entsprechenden Vertrag chonlloro, also der Bartolini-RossiGesellschaft, unterschrieb Leonardo di Bartolomeo Bartolini am 1. Mai 1498! Bei diesem Akt kann der Vertreter der anderen Partei, also der zur Hälfte partizipierenden RossiBank, unmöglich Bernardo de’ Rossi geheißen haben, da dieser ja erst am 4. April in Florenz seine aus Lyon versandten persönlichen Gegenstände in Empfang nehmen konnte. Die andere Unterschrift wird von Lorenzo Spinelli, vielleicht auch von Cosimo Sassetti gekommen sein. Wie auch immer – dieses Datum stützt nochmals unsere Annahme, daß Bernardo de’ Rossi nicht die treibende Kraft hinter der Bank seines Namens war.425 Als die Lyoner Bartolini-Rossi-Bank in der zweiten Jahreshälfte 1502 aus privaten, den Rossi betreffenden Gründen beendet wurde, erhielt Spinelli außer seinen 1.000 Scudi Kapital von der Bank des Leonardo Bartolini u. a. noch einen Gewinn von 816⅔ Scudi, die seinem Sechstel eines der Bartolini-Gesellschaft zugesprochenen Gewinns von 4.900 Scudi entsprachen. Spinelli wurde dann von Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi gebeten, am 21. Dezember 1502 in Lyon eine Vereinbarung zu vermitteln, mit der in gütlicher Übereinkunft die komplizierte Verrechnung noch ausstehender Schuldnerzahlungen sowie Kredittilgungen zwischen den Partnern geregelt wurde. Das Papier, auf dem diese Einigung in einer Abschrift festgehalten wurde, ist leider gerade bei der Erörterung 425 Die Konstruktion der Lyoner Bank von Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi wird in

mehreren Geschäftsbüchern Leonardo Bartolinis bzw. seiner Gesellschaft erläutert; vgl. ABS 197, c. 61/LXI, LXXXVII–LXXXVIII (explizit wurde erklärt, daß Spinelli – obwohl er 20% zum Kapital der Bartolini-Bank beitrug – nur mit 1 Soldo und 8 Denari an der Gewinnrate von 10 Soldi pro Lira der Bartolini-Bank partizipierte, die 8 Soldi und 4 Denari vom Gesamtgewinn erhielt; Spinelli erhalte 0/6, wie man es schrieb, also ein Sechstel bzw. 16,66%); ABS 198 (Rechnungsbuch der Gesellschaft des Leonardo di Bartolomeo Bartolini in Lyon, anläßlich der Übernahme der Bartolini-Rossi-Bank entstanden, den Zeitraum 1498–1506 erfassend), c. VIII und eine unpaginierte, am Schluß des Buches befindliche (aber im Papier stark beschädigte) copia d’una schripta dell’accordo, den Lorenzo Spinelli zum 21.12.1502 zwischen Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi wegen abschließender Gewinnabrechnungen vermittelte; ABS 231bis, c. 4 (hier das Datum des 1.5.1498 für den Lyoner Vertragsabschluß)/IIII, 5/V.

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der Gründe für die Auflösung dieser Gesellschaft stark beschädigt. Doch läßt sich aus den vorhandenen Satzresten recht deutlich erkennen, daß Bernardino de’ Rossi vor allem wegen des Todes seines Vaters im Dezember 1502 in seine Heimatstadt zurückkehren (patriarsi in Firenze) und die Lyoner Gesellschaft mit den Bartolini und dem Spinelli daher beenden wollte. Als Profit erhielten sowohl die Lyoner Bartolini-Bank als auch Bernardo de’ Rossi je 3.500 Scudi zur Allerheiligen-Messe 1502 und je 2.000 Scudi zum 21. Dezember 1502, in die freilich auch problematische Schuldtitel einflossen.426 Leonardo di Bartolomeo Bartolini übernahm für seine Bank anschließend die Bartolini-Rossi-Bank mit allen Verpflichtungen und Rechten. Im Frühjahr 1498 schlossen sich in Lyon also (mehr als drei) Bankiers zusammen, die alle aus der Medici-Bank kamen und einige Geschäftserfahrung mitbrachten. Die beiden jüngeren Namensgeber hatten sich anscheinend bewährt, wie nicht nur ihr Partner Lorenzo Spinelli, der alte Fuchs, bestens beurteilen konnte. Wenn jedoch gerade der erfahrene, arrivierte Spinelli, der noch Ende 1496 zusammen mit Lorenzo Tornabuoni und Cosimo Sassetti die Lyoner Medici-Bank mit allen Verbindlichkeiten erworben hatte, nur 1.000 Scudi zum Kapital beitrug, ist um so mehr mit Nachdruck die erstaunliche, ungemein hohe Kapitalsumme zu hinterfragen, die Bernardo de’ Rossi in die Bartolini-RossiGesellschaft einbrachte. Leonardo Bartolini war 1496 gar nicht in der Lage, 4.000 Scudi in die unter seinem Namen laufende Bartolini-Gesellschaft von Lyon einzulegen; dieses Geld kam von seinem Vater, dem Medici-Partner, der deshalb 1498 sicherlich auch das Kapital von weiteren 4.000 Scudi für die neue Partnerschaft mit Rossi aufbrachte. Woher aber nahm der junge Bernardo de’ Rossi das Geld? Er wurde noch im Sommer 1494 als Mitarbeiter (giovane) der Medici bezeichnet und erhielt als solcher lediglich ein Jahresgehalt, das kaum wesentlich höher als das des jungen Bartolini (42 Fiorini 1495/96) gewesen sein konnte. Wie konnte dieser Mann, der eben nicht zu den langjährig etablierten Kaufleuten in Lyon zählte, die einem großen Vermögen entsprechende Summe von 5.000 Scudi als Erstkapital in die Bartolini-Rossi-Gesellschaft einlegen? Daß Bernardo dieses Geld besaß und zudem investieren konnte, erscheint als äußerst unwahrscheinlich, zumal sein Vater Giovanni augenscheinlich (zumindest 1480) kein größeres Vermögen besaß und Bernardo ihn auch noch nicht beerbt hatte, so wie gleichfalls kein Vermögensanfall durch eine Heirat belegt ist! Ebenso wird er einen solchen Betrag nicht als Kredit erhalten haben. Vermutlich übertrug Bernardo dabei das Kapital, mit welchem er 1497 die unter seinem Namen firmierende Bankgesellschaft gegründet hatte – aber dieses kann noch weniger aus seinem privaten Besitz gestammt haben. Angesichts all dieser Punkte darf behauptet werden, daß der eigentliche Kapitalgeber wie im Fall Leonardo Bartolinis nicht im Firmennamen genannt wurde. Nicht Bernardo de’ Rossi, sondern sein (leider bisher ungenannt gebliebener) Partner bzw. Hintermann stellte die 5.000 Scudi zur Verfügung! Wer aber wird so viel Vertrauen zu einem relativ jungen Mitarbeiter der Medici-Bank aufgebracht haben? Doch wohl nur ein maßgebliches 426 ABS 197, c. 61/LXI, 88, CXXII; ABS 198, c. I, II, VIII; ABS 231bis, c. VIIII, 10. Wegen pro-

blematischer Schuldner ging ein Teil der Gewinne (1.270 Scudi) in ein Reservekonto ein.

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Mitglied dieser Bank selbst, wenn nicht sogar deren Spitze insgesamt! Der auffällige Beginn der Rossi-Bank im Oktober 1497 knüpft zu nahtlos an das mit dem Tod Lorenzo Tornabuonis verbundene Ende der Lyoner Medici-Bank an. Lorenzo Tornabuoni, der oder einer der reichsten Florentiner, hatte als Teilhaber der Florentiner Medici-Erben-Bank und der Lyoner Medici-Bank diese Bank zusammen mit ihren aktuellen Leitern Spinelli und Sassetti gekauft. Nach seinem Tod hatten allem Anschein nach einer oder mehrere derjenigen, die über sein opulentes Erbe verfügten, aus dem Kapital der Lyoner TornabuoniSpinelli-Sassetti-Bank oder einer der anderen Medici-Banken (in Florenz, Pisa, Rom und Neapel) diese erste compagnia des Bernardo de’ Rossi finanziert. (Bis 1500/01 verfügte wie gesehen ja allein die Florentiner Medici-Erben-Bank über gut 62.000 Fiorini, die sie aus dem Monte erhalten hatte und zum Teil dort wieder zu 14% anlegte, aber niemals zur Schuldbegleichung einsetzte!) Kein Jahr später transferierten sie dann augenscheinlich das (eventuell noch erhöhte) Kapital unter dem Namen des Bernardo de’ Rossi, der sich vorher nur kurz bei ihnen in Florenz aufhalten durfte, in die Bartolini-Rossi-Gesellschaft. Aus dem dunklen Hintergrund der potentiell bereitstehenden kompetenten Grauen Eminenzen kann im Grunde nur Giovanbattista Bracci ans Licht gezogen werden. Er war bereits seit 1482 als anonymer Freund „G“ an der Lyoner Bartolini-Bank beteiligt, mit einer Kapitalerhöhung im November 1489, als er offenkundig bereits das Generalmanagement der gesamten Medici-Gesellschaft für Francesco Sassetti übernahm. Er hatte über seine heimliche Teilhaberschaft auch die Aktivitäten des Giuliano da Gagliano in Lyon gesteuert, der in gleicher Weise nach 1496 seinen Ordern folgte. Bracci führte als mächtiger Generalmanager der gesamten Medici-Gesellschaft alle zu ihr gehörenden Firmen, damit auch die Goldschläger- und Seidengesellschaft wie nicht zuletzt die BartoliniBanken als Tarnbanken der Medici. Gerade in diesem grundlegenden Kontext ist eine weitere Koinzidenz zu betonen. In der Umbruchszeit 1497/98 entstanden nicht nur die Lyoner Rossi- und Bartolini-Rossi-Bank als Nachfolgebanken der Medici-Bank. Auch in Florenz erzwang der Tod von Lorenzo Tornabuoni eine Beendigung der dortigen MediciErben-Bank – um sie unter anderem Namen fortzuführen! Des Tornabuoni Partner in der Medici-Erben-Bank und nunmehrige Nachlaßverwalter, der eigentliche institor, Giovanbattista Bracci, wurde zusammen mit Lanfredino Lanfredini nun Teilhaber und Geschäftsführer in der seit 1498 nachzuweisenden Florentiner Lanfredini-Bank, die in bemerkenswerter und vielfältiger Weise das Erbe der Medici-Erben-Bank pflegen und bewahren wird. Bracci konnte nicht nur die Medici-Firmen formen, er war auch der maßgebliche Finanzverwalter des Vermögens der Medici-Bank – und nach dem Tod Lorenzo Tornabuonis mehr denn je! (Denn dann verwaltete er mit weiteren Freunden, wie ebenso noch zu zeigen sein wird, auch das Tornabuoni-Erbe.) Nur Bracci kann Bernardo de’ Rossi somit im Herbst 1497 das Kapital für seine kurzlebige erste Bank und im Frühjahr/Sommer 1498 das für die sofort anschließende Beteiligung an der Bartolini-RossiBank zur Verfügung gestellt haben. Da Gianbattista Bracci als Generalmanager der Medici-Bank auch seine Hand über die Finanzen der Bartolini-Banken hielt – Bartolomeo Bartolini hatte dort seit 1484 ja so gut

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wie nichts mehr zu sagen, da er explizit für die Profite aus der Zecca und den Otto di Pratica zuständig war –, muß er auch Bartolomeo Bartolini für dessen Nachfolgebank in Lyon mit Kapital aus dem Medici-Vermögen versorgt haben. Bartolomeo stellte im August 1496 jeweils 4.000 Scudi für die unter dem Namen seines Sohnes firmierende Lyoner Bank und für deren membro in Montpellier, die Gesellschaft des Piergiovanni Bottegari, zur Verfügung. Neben all den vorher genannten Koinzidenzen fällt hier nun eine weitere ins Auge. Aus nicht erläuterten Gründen hatten die (medicinahen) Syndizi am 14. Dezember 1495 verfügt, daß ‚die Bartolini‘, also die Florentiner Bartolini-Bank, mit der hohen und runden Summe von 8.000 Fiorini Gläubiger der Florentiner Medici-Erben-Bank seien, und hatten dazu erklärt, daß Giovanbattista Bracci dieses Geld habe.427 Bracci mußte es der Bartolini-Bank deshalb zurückzahlen, zur Verfügung stellen. Da es bekanntlich gleichsam innerhalb eines Hauses, einer Bank, wie von einem Raum in einen anderen getragen wurde, hatten wir bei der Erwähnung dieses Beschlusses schon angenommen, daß damit eine Kapitalverschiebung bzw. -sicherung innerhalb der Medici-Bank legitimiert wurde. Wenn kurz darauf exakt diese Summe (Wechselkursdifferenzen sind hier unerheblich) durch Bartolomeo Bartolini in Lyon in zwei Banken investiert wird, die beide als reine Mediceer-Banken zu betrachten sind, dann liegt der Schluß nahe, daß auch das Bartolini-Kapital aus der Medici-Bank und damit von Bracci stammte, der wie gesehen nicht unter Kapitalschwäche litt. Bei all diesen Überlegungen ist nicht zu vergessen, daß Giovanbattista Bracci durch seine Ehe mit Lucrezia di Zanobi Bartolini zudem seit 1484 mit Bartolomeo Bartolini verwandt war, der wie seine Söhne ein sehr inniges Verhältnis zu diesem Familienzweig pflegte. Und Braccis Schwager Leonardo di Zanobi Bartolini wird offenkundig Anfang 1497 die bedeutende, von Lorenzo Tornabuoni gekaufte römische Medici-Bank unter seinem Namen fortführen, obwohl sie generell weiterhin als römische Bank der Medici galt!428 Diese auf der alten Lyoner Medici-Bank aufbauende, sie finanziell, personell und sachlich fortführende neue Bartolini-Rossi-Gesellschaft fungierte (wie alle MediceerGesellschaften nach 1494!) freilich nicht als offizieller Rechtsnachfolger der MediciBank. Sie hatte also nicht deren Schulden zu übernehmen. Anschaulich zeigt sich dies am Beispiel des Herzogs von Savoyen. Obwohl die Bartolini-Rossi-Bank seine Hausbank war, wandte er sich im Oktober 1500 an die Signoria von Florenz, sie möge als Verwalter der konfiszierten Güter des Piero de’ Medici den Kredit seines Gläubigers Niccolò Garigliati, Bischof von Ivrea und Rat des Herzogs, bedienen.429 Diese leidige Angelegenheit wird sich bis mindestens 1510 hinziehen.430 Stets bedrängte der Herzog von Savoyen die Signoria von Florenz, sie solle endlich bei den Erben des Lorenzo de’ Medici sowie bei denen des 1497 gestorbenen Lorenzo di Giovanni Tornabuoni die alten Ansprüche des Bischofs von Ivrea, der nun Bonifazio Ferrier als Nachfolger Garigliatis hieß, erfüllen; 427 Le collezioni medicee nel 1495, S. 91; vgl. oben S. 166, 238f. 428 Vgl. oben S. 86 und unten S. 404. 429 Lupi, Relazioni, S. 293f., Nr. 274, 276f. 430 Vgl. Lupi, Relazioni, S. 293–299, bes. Nr. 291, 293, 296, 298–301, 305, 307f.

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stets wehrte die Signoria dieses von ihr als differenza tra i Medici e il Vescovo d’Ivrea bezeichnete Ansinnen ab, da sie die Güter des Piero de’ Medici gar nicht konfisziert habe und da die Schuldner des Bischofs sehr reich seien! Der Herzog drohte, sich für seinen herzoglichen Rat an den in Lyon ansässigen und sich auch in seinem Territorium aufhaltenden Florentiner Kaufleuten schadlos zu halten. Doch von Repressalien gegen Bartolini, Rossi und Spinelli hören wir nichts, im Gegenteil; Streit um Geld gab es vielmehr zwischen dem Herzog sowie Neri Capponi und Francesco Pitti.431 Der Herzog von Savoyen hatte demnach keinerlei Interesse, die in seinem Einflußbereich tätigen Florentiner Medici-Freunde wegen alter Schulden ihrer Patrone zu belangen. Denn diese Bankiers und Kaufleute besaßen einen ganz besonderen Status an seinem Hof, was freilich – wie die Geschäftsaktivitäten der Bartolini-Rossi-Bank – an anderer Stelle ausführlicher darzustellen ist.

431 Vgl. Lupi, Relazioni, S. 299–301, Nr. 308f., 311–316, 318–321. Ob Pitti und Capponi sich

wegen der Ansprüche des Bischofs von Ivrea im Visier des Herzogs befanden, geht aus diesen Regesten nicht hervor. Neri di Gino Capponi ist uns freilich als jener Medici-Gegner bekannt, der sich laut Guicciardini 1494 an der Vertreibung der Medici-Bank aus Lyon beteiligt haben soll. Sein Sohn Gino wird jedoch von Guicciardini ebenso wie Francesco di Piero Pitti zu den Freunden des Kardinals Giovanni de’ Medici gerechnet, insbesondere als jemand, der aus einer vom Vater Neri Capponi übernommenen heftigen Feindschaft zu den Medici zu ihrem Anhänger geworden sei; vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 324–326; hierzu auch unten S. 442, 959.

III. Die Medici und der Hochadel: Sanseverino und Orsini Zu den Härten jedes Exils gehört eine gestiegene Abhängigkeit. Piero, Giovanni, Giuliano und der stets an ihrer Seite zu denkende Cousin Giulio de’ Medici, der zwar nicht verbannt wurde, aber mit den anderen aus Florenz floh und ein freiwilliges Exil auf sich nahm, sie wurden durch den Verlust ihrer Heimat, ihrer Macht und ihrer auf dieser Macht gründenden Handlungsmöglichkeiten in verstärktem Maße abhängig von der Hilfe, Gunst und dem Schicksal anderer. Von Fremden, vor allem aber von Freunden, befreundeten Verwandten, engagierten Gönnern hing es beispielsweise ab, wo sie sich aufhalten, wo sie wohnen konnten, von wem und wie sie politische oder militärische Unterstützung für ihre Rückkehrpläne und das dafür notwendige Geld bekamen. Vorhandene Bindungen konnten deshalb eine völlig neue Intensität und Bedeutung erhalten: Das Schicksal ihrer entscheidenden Freunde wurde zu ihrem eigenen; intensiver als vorher wirkte es sich auf die Medici aus. Davon betroffen war in erster Linie das handlungsbestimmende Oberhaupt der Familie, Piero de’ Medici, der als Ältester auch nach der Verbannung die Familie führte und dem seine Anhänger weiterhin den informellen, vom Vater ererbten Ehrentitel des Magnifico zuerkannten. Zugleich wurde Pieros zentrale Rolle für den Erhalt der Familie durch ein weiteres Faktum bestimmt. Er war als einziger von ihnen verheiratet. Dies war eine alles andere als nebensächliche Tatsache, denn zum einen sorgte er mit seinen Kindern für die Zukunft der Familie, zum anderen gewann dadurch auch seine Verwandtschaft an Bedeutung. Sicherlich ist der sozial wie kirchenpolitisch bedeutsame Kardinalat von Giovanni ebenfalls nicht zu vernachlässigen, doch verschaffte er ihm keine Gleichberechtigung mit Piero. Erst durch dessen Tod übernahm Giovanni die Spitze in der innerfamiliären Hierarchie. Der menschlich so schwierige Erstgeborene Lorenzos war aufgrund seiner Ehe mit Alfonsina Orsini und seines innigen Verhältnisses zu seinem Ersatzvater Virginio Orsini geradezu gezwungen, sein Schicksal ebenso wie das seiner Brüder für die nächsten Jahre ganz entscheidend mit dem der Orsini zu verbinden, die ihrerseits nicht anstanden, ihm zu helfen. Dies bewiesen schon Paolo Orsini mit seinen Truppen im November 1494 sowie Alfonsina und ihre Mutter Caterina Sanseverino Orsini mit ihrem Engagement bei König Karl VIII. oder danach bei der Bargeldbeschaffung. Die in Florenz gebliebene Caterina wird ihre Unterstützung im März 1497 mit der Verbannung büßen – aber eine künftige, berühmte Königin von Frankreich wird auch deshalb ihren Vornamen tragen. Die Medici hatten sich ganz bewußt entschieden, der Urenkelin der contessa aus Respekt und in ehrenvollem Gedenken diesen Namen zu geben; und Caterina de’ Medici, diese für die europäische Geschichte so zentrale Figur, sie wird ihre tiefen Bindungen nach Italien und zu ihren Sanseverino-Ahnen im Süden des Landes nicht vergessen. Auch diese kleine, in die Zukunft hineinragende Arabeske ist ohne jene Säulen, welche die Orsini und die Sanseverino für das exilierte Haus Medici bilden, nicht zu begreifen. Nach der für die Exilsgeschichte genauso grundlegenden Medici-Bank haben wir uns also jetzt diesen beiden

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Adelshäusern und ihren Beziehungen zu den Medici zuzuwenden. Wie bei der Bank ist es auch hier notwendig, jene in der Vergangenheit gewachsenen Wurzeln freizulegen, welche die Exilsgeschichte und den anschließenden, glanzvollen Wiederaufstieg des Hauses Medici beeinflußten.

1. Familiäre Vernetzungen Als Roberto Orsini nach seiner ersten Ehe mit Violante Sanseverino in zweiter Ehe Caterina Sanseverino heiratete, wurden erneut zwei der einflußreichsten Hochadelsgeschlechter Italiens, ja Europas, zusammengeführt, die beide auf der großen politischen Bühne traditionell zur gleichen Seite gehörten, zur französisch-angiovinischen bzw. guelfischen. Caterina war eine Tochter des Amerigo Sanseverino, Graf von Capaccio, und stammte aus dessen Ehe mit Margherita Sanseverino, die wiederum wie ihr Bruder Luca, Prinz von Bisignano, ein Kind des Antonio Sanseverino, Graf von Tricarico, war. Klingende Titel also, die uns anregen, nach der Herkunft und Bedeutung dieser Familie zu fragen. Die angesprochenen Frankreichbindungen der Sanseverino, die zu Traditionen und Verpflichtungen führten, sind in der Tat in beeindruckender Dichte auf die nahezu kollektive Präsenz des Familienverbandes in der französisch-angiovinischen Elite zurückzuführen, auf eine Tradition von wahrhafter longue durée. Fast wie ein Muster politischen Handelns, von Chancen und Niederlagen, zeichnet sich schon der hochmittelalterliche Aufstieg der Sanseverino ab. Die Adelsfamilie führt ihren Ursprung auf den Normannen Troisus zurück, der zusammen mit Robert Guiscard im Gebiet von Salerno kämpfte und 1066 den Ort Rota in Besitz nahm, das heutige Mercato Sanseverino südöstlich von Neapel, den künftigen baronalen Stammsitz der Familie.1 Unter Kaiser Friedrich II. stiegen die Sanseverino 1239 durch die Verleihung des Grafentitels von Marsico an Tommaso Sanseverino erstmals in den höheren Adel auf, doch schon 1246 brachte die Beteiligung an dem Aufstand gegen den Kaiser für Tommaso I. und seinen Sohn Guglielmo den Tod, der die Familie an den Rand des Untergangs führte. Erst die Beendigung der Stauferherrschaft durch die Anjou führte für die Sanseverino zu einer entscheidenden Wende. Unter den nun französischen Herrschern Süditaliens erlebten sie einen grandiosen Aufstieg, wurden an der Seite der neuen ultramontanen Adelsgruppe als Angehörige der indigenen antistaufischen Elite in das Gefolge des Königs aufgenommen, mit militärischjurisdiktionellen Aufgaben betraut und konnten ihr Patrimonium systematisch und durch

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Eine zureichende, die gesamte Entwicklung der Familie Sanseverino berücksichtigende und deren Genealogie erschließende Monographie fehlt. Mit vielen Details, aber auch irrigen Angaben: Candida Gonzaga, Memorie; mit wichtigen biographischen Angaben zu einzelnen Familienmitgliedern des 15. Jahrhunderts: Regis Ferdinandi, hier S. 415–436; zuverlässig, doch stets ausschnitthaft die jüngeren Studien von Pollastri, Une famille; Natella, I Sanseverino; Colapietra, I Sanseverino; Vitolo, Art. „Sanseverino“.

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kluge Heiratspolitik ausbauen.2 Schon unter König Karl I. von Anjou wurde Roger II. Sanseverino dessen Vikar in Rom und im Königreich Jerusalem; Tommaso II. und Tommaso III. Sanseverino standen an der Spitze der Anjou-Heere gegen die seit der Sizilianischen Vesper über das Königreich Neapel hereinbrechenden aragonesischen Angriffswellen. Bei der Auseinandersetzung zwischen den Anjou und den Durazzo standen die führenden Sanseverino auf Anjou-Seite. Mit Blick auf die hier nicht nachzuzeichnenden, äußerst verwickelten Vorgänge der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist für die Sanseverino allein festzustellen, daß sie in jenen Jahrzehnten der machtpolitischen Wirren ihre Stellung behaupten und sogar ausbauen konnten.3 Königin Johanna II. ernannte Tommaso V. von Marsico zu ihrem Großkanzler. Nach der Festigung der aragonesischen Herrschaft in Neapel konnte Roberto Sanseverino, der Großadmiral des Königreiches, 1463 zum Fürsten von Salerno und damit zum führenden Baron des Reiches aufsteigen. Um die Bedeutung und den Einfluß der Familie erfassen zu können, muß deren Verzweigung für das 15. Jahrhundert zumindest skizziert werden, die freilich die große Geschlossenheit des Familienverbandes nicht gefährdete. Neben dem baronalen Stammsitz von Sanseverino ist die traditionell mit dieser Primogenitur-Linie verkoppelte Grafschaft von Marsico hervorzuheben, aus welcher Roberto Sanseverino, der Fürst von Salerno, kam. Der zweitmächtigste Fürst des Königreichs Neapel stammte ebenfalls aus dem Geschlecht der Sanseverino, er besaß (wie etwa Girolamo/Geronimo di Luca di Antonio Sanseverino in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts) die Titel und Länder eines Fürsten von Bisignano (recht weit im Süden bei Cosenza gelegen), eines Grafen von Tricarico (der zentrale Besitz dieses Zweiges), Grafen von Chiaromonte, Barons von Sant’Angelo a Fasanella, Grafen von Altomonte, Herzogs von San Marco, Barons von Tarsia, Barons von San Gineto, Grafen von Cariati, Grafen von Mileto und Barons von Roccangìtola (welche er an seinen Bruder Carlo gab), mit weiteren Ländereien, mehr als 70 insgesamt.4 Zum besseren Verständnis der verwandtschaftlichen Brücken zu den Orsini/Medici ist ein genauerer Blick auf einzelne genealogische Stränge der beiden Hauptzweige der Sanseverino notwendig. Als Tommaso V. aus der Hauptlinie der Grafen von Marsico und Sanseverino 1432 starb, gingen seine Lehen – da er nur eine nicht erbberechtigte Tochter (Diana) hatte – auf seinen Bruder Giovanni über (ca. 1398/99–ca. 1445). Giovanni Sanseverino hatte ca. 1421/22 seine entfernte Verwandte Giovanna Sanseverino geheiratet, eine

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Instruktiv zur Heiratspolitik die Studie von Pollastri, Une famille, bes. S. 243, 257 (Karte mit dem Patrimonium der Sanseverino in Süditalien für die Zeit von 1265–1400), 258–260 (genealogische Tafeln). Königin Johanna II. von Neapel brachte mit der Adoption von König Alfons V. von AragónSizilien die Aragonesen auf das Festland, um anschließend diese Adoption zu widerrufen und dafür Ludwig von Anjou zu adoptieren, dessen Bruder René von Anjou sie schließlich testamentarisch als Thronfolger einsetzte. Vgl. Regis Ferdinandi, S. 424f.

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Tochter des Antonio Sanseverino, Graf von Tricarico und Herzog von San Marco.5 Giovanna, eine der einflußreichen Frauen aus dem Haus Sanseverino, wird bis ca. 1490/91 leben, als sie wie viele andere Sanseverino in aragonesischer Gefangenschaft ermordet werden wird. Nach dem frühen Tod ihres Mannes und kurz darauf ihres ältesten Sohnes Luigi (1445) oblag ihr die Erziehung des zweitältesten Sohnes Roberto, der 1463 Fürst von Salerno wurde, doch schon 1474 starb, so daß Giovanna nun auch Vormund ihres Enkels Antonello (ca. 1460–1499) wurde, der als erstgeborener Sohn aus Robertos Ehe mit Berardina del Balzo Orsini hervorgegangen war.6 Antonello Sanseverino forderte und förderte als einer der energischsten Gegner der aragonesischen Herrschaft in Süditalien vehement den epochalen Marsch der Franzosen unter Karl VIII. gegen Neapel 1494/95 – und stand damit bis zum Spätsommer 1494 konträr zur Politik Piero de’ Medicis. Zu den Geschwistern Giovanna Sanseverinos gehörten Luca und Margherita. Luca führte die Linie der Grafen von Tricarico weiter, also die zweite Hauptlinie der Sanseverino, wurde Fürst von Bisignano, als welcher ihm sein bereits mit seinen vielen Ländereien vorgestellter Sohn Geronimo folgte. Die Schwester Margherita heiratete ebenfalls innerhalb der Familie; durch ihre Ehe mit Amerigo Sanseverino wurde sie Contessa di Capaccio. Aus dieser Verbindung ging nun mit Guglielmo der nächste Graf von Capaccio hervor, mit dessen Schwester Caterina aber die künftige Mutter von Alfonsina Orsini und Schwiegermutter von Piero de’ Medici. Caterina war somit eine Nichte von Giovanna Sanseverino, eine Cousine von Roberto und Girolamo Sanseverino, den Fürsten von Salerno und Bisignano, und somit eine Tante zweiten Grades von Antonello Sanseverino, Fürst von Salerno.7 Caterinas Vita ist alles andere als gut erschlossen. Sicher ist, daß sie Roberto Orsini heiratete und damit zur Gräfin von Tagliacozzo und Albe wurde, – ein

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Vgl. die genealogische Skizze zu dieser Eheverbindung und die Kurzvita der Giovanna Sanseverino bei Regis Ferdinandi, S. 428f.; ferner Natella, I Sanseverino, S. 90–101, zu Giovanni Sanseverino. Zu Roberto Sanseverino hier nur Natella, I Sanseverino, S. 104–114. Zu Caterina scheint es keine eigene biographische, die Genealogie berücksichtigende Abhandlung zu geben. Die einzelnen Verwandtschaftsverhältnisse ergeben sich allerdings unzweideutig aus verschiedenen einschlägigen Studien und Quellen; vgl. etwa Regis Ferdinandi, S. 428, 432f. (zu Caterinas Bruder Guglielmo Sanseverino, Graf von Capaccio; Guglielmos älterer, aber früh gestorbener Bruder Antonello hatte mit Giovannella – wie Roberto – ebenfalls eine Tochter des Gabriele bzw. Gabriello del Balzo Orsini, Herzog von Venosa, geheiratet). In verschiedenen Quellen werden Guglielmo und Caterina beide als Kinder aus der Ehe des Amerigo Sanseverino, Graf von Capaccio, mit Margherita Sanseverino, der Schwester von Luca, Prinz von Bisignano, und Tochter des Antonio Sanseverino, Graf von Tricarico, bezeichnet. Ein weiterer sicherer Beleg liegt in einem Brief von Bernardo Rucellai, dem Florentiner Gesandten am Hof von Neapel, vom 11.6.1487 an die Dieci di Balìa in Florenz vor, in welchem er vom Conte di Capaccio (Guglielmo Sanseverino) als fratello della Contessa nostra spricht, womit er nur Caterina Sanseverino gemeint haben kann, deren Tochter Alfonsina im Februar 1487 mit Piero de’ Medici verheiratet worden war (s.u. S. 305–308) und die damit für die Medici-Regierung zur contessa nostra wurde; vgl. Pontieri, La politica, S. 283. Der Titel Caterinas bezog sich auf die Grafschaft Tagliacozzo, doch hierzu unten ausführlicher.

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Titel, den sie auch dann nicht ablegte, als diese Grafschaften aus dem Besitz der Orsini in den der verfeindeten Colonna übergegangen waren. Roberto Orsini hatte 1461/64 zusammen mit seinem Bruder Napoleone die bedeutende Grafschaft von Tagliacozzo (in der Nähe von L’Aquila gelegen, also im strategisch wichtigen nördlichen Teil des Regno di Napoli, und vereinigt mit der benachbarten von Albe, bei den Ruinen des antiken Alba Fucens gelegen) erhalten, denn auf diesem Lehen Tagliacozzo gründete die bedeutendste Linie der Orsini seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts maßgeblich ihr Ansehen. Die beiden Brüder, die mit diesem Besitz an der Spitze des Familienverbandes standen, konnten es verliehen bekommen, weil erst König Alfons, dann dessen Nachfolger (ab 1458) König Ferrante es ihrem Onkel Giovannantonio Orsini, Fürst von Taranto, als einem der führenden proangiovinischen Aufständischen entzogen hatte.8 Vor allem Napoleone hatte dann die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in 8

Die Forschungssituation zu diesem wichtigen Hochadelsgeschlecht ist für das 14. und 15. Jahrhundert außerordentlich schlecht; die bis heute einschlägigen Darstellungen widersprechen sich in vielen wesentlichen Aussagen. Eine Zusammenfassung der Literatur findet sich bei Venditelli, Orsini. Dort fehlt der ältere Titel von Pansa, Gli Orsini, der freilich gerade für die hier relevante Thematik der Orsini als Grafen von Tagliacozzo und Albe zuverlässiger ist als die bei Venditelli angegebenen jüngeren, oft unkritisch arbeitenden Autoren. Im Gegensatz zu der gängigen Behauptung eines Erwerbs der Grafschaft Tagliacozzo Mitte des 13. Jahrhunderts setzt Pansa die Investitur mit dem Jahr 1323 an, als Jacopo Orsini sie von König Robert von Anjou erhielt. 1441 habe dann Giovanni Antonio Orsini Tagliacozzo mit der Grafschaft Albe unieren und sein Dominium damit entscheidend vergrößern können; vgl. Pansa, Gli Orsini, S. 6–8, 14– 16. Als Beispiel für eine der vielen irrigen Darstellungen: Der Orsini-Zweig der Grafen von Tagliacozzo sei von Napoleone, dem Sohn des Matteo Rosso und Bruder von Giangaetano, dem späteren Papst Nikolaus III. (1277-1280), begründet worden. Napoleones gleichnamiger Enkel Napoleone (II.) habe Isabella da Ponte, die Tochter von Bartolomeo, den Herrn von Tagliacozzo, geheiratet und sei vom Papst mit dieser wichtigen Grafschaft investiert worden; so Brigante Colonna, Gli Orsini, S. 197-199 (generell ohne Quellenbelege, Literaturverweise und klare genealogische Analysen). Kritisch ist ebenfalls zu benutzen: Celletti, Gli Orsini, hier S. 22– 29 zu Roberto und Napoleone Orsini; mehr die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts berücksichtigend: Bracciano e gli Orsini nel `400 (mehrere Aufsätze zu dem meist nur Virginio genannten Gentil Virginio Orsini, dem Sohn des Napoleone di Carlo di Giovanni Antonio Orsini); vgl. auch Allegrezza, Art. „Orsini“. Der Orsini-Zweig der Grafen von Tagliacozzo konnte 1419 durch Papst Martin V. die Investitur mit dem Vikariat von Bracciano erhalten und damit die Herrschaft und die Burg der Präfekten von Vico übernehmen, wodurch ihre Territorien, die sich vom abruzzischen Teil des Königreichs Neapel bis zum nördlichen, ans Tyrrhenische Meer reichenden Teil des Kirchenstaates erstreckten, eine strategische Schlüsselfunktion erhielten. Seit ca. 1470 hatte Napoleone Orsini dann Bracciano zu dem noch heute imposanten, Schloß- und Burgfunktionen vereinenden Stammsitz dieses Familienzweiges ausgebaut; vgl. etwa Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 28. Die Grafschaft Albe konnte zum ersten Mal 1441 durch Giovanni Antonio di Francesco Orsini, den principe di Taranto, mit der Grafschaft von Tagliacozzo vereinigt werden, doch stand Gianantonio schon am Ende der Regierungszeit von König Alfons I. von Neapel, dann besonders nach dessen Tod, an der Spitze der rebellischen, proangiovinischen Barone, während seine beiden Neffen Napoleone und Roberto Orsini für König Ferrante kämpften und deshalb die Grafschaften Tagliacozzo und Albe bekamen. Roberto und Napoleone entstammten der Ehe von Carlo di Giovanni Orsini und Paola di Giacomo Orsini; vgl. hierzu etwa Pansa, a.a.O., S. 15–17; Allegrezza behauptet abweichend oder ergänzend, Gianantonio habe Tagliacozzo mit einer testamentarischen Verfügung an seine beiden Neffen vererbt.

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Orsini-Besitz übergegangene Festung Bracciano zum bevorzugten Sitz seiner weitgespannten, von den Abruzzen bis zum Tyrrhenischen Meer reichenden Ländereien gemacht. Roberto starb im Juni 1479 an der Pest im Feldlager bei Perugia, wo er mit den neapolitanischen Truppen während des Pazzi-Krieges gegen die Florentiner kämpfte; sein Bruder Napoleone als nunmehr alleiniger Conte di Tagliacozzo ed Albe vereinbarte damals mit Caterina, der Witwe Robertos, die Rückgabe der Mitgift von 16.000 Dukaten an Caterina.9 Da Napoleone bereits ein Jahr später starb, wird diese Verpflichtung vermutlich auf seinen (einzigen) Sohn Gentil Virginio, meist nur Virginio genannt, übergegangen sein, der in engem Kontakt zu Caterina Sanseverino und ihren gemeinsamen MediciVerwandten stehen und mit Lorenzo de’ Medici eben auch den Ehevertrag zwischen Caterinas Tochter Alfonsina (seiner Cousine) und dessen Sohn Piero abschließen wird.10 Caterina Sanseverino bildet also den Ausgangspunkt für eine intensivierte Beziehung zwischen den Sanseverino, Orsini und Medici, die sich freilich auch aus anderer Richtung verdichtete. Denn schon 1467 ging bekanntlich Lucrezia Tornabuoni für ihren erstgeborenen Sohn Lorenzo de’ Medici auf Brautschau und wählte für ihn mit Clarice Orsini eine hinsichtlich des sozialen, politischen und militärischen Ranges der Familie exzellente Partie.11 Clarice war eine Tochter von Jacopo und Maddalena Orsini, die wiederum eine Schwester von Roberto Orsini war, dem Ehemann Caterinas, von Napoleone, dem Vater Virginios, sowie von Kardinal Latino, dem Vater Paolo Orsinis. Lorenzos Braut Clarice war somit eine Cousine seiner späteren Schwiegertochter Alfonsina Orsini und ebenso von Virginio und Paolo Orsini. Clarice stammte aus dem Zweig der Orsini von Monterotondo, der mit dem der Orsini von Bracciano/Tagliacozzo eng verbunden war.12 Aus dem Zweig der Orsini von Monterotondo hatte mit Francesca di Orso Orsini auch Robertos Zum Tod Roberto Orsinis: Lorenzo de’ Medici, Lettere VI, S. 142, Anm. 6; zur Regelung mit seiner Witwe vgl. De Cupis, Regesto degli Orsini, S. 148. Die Urkunde wurde am 6.8.1479 in Vicovaro (zwischen Rom und Tagliacozzo bzw. nordöstlich von Tivoli gelegen) aufgesetzt, wo Napoleone im September 1480 sterben wird, und sah vor, daß Napoleone seiner Schwägerin vorerst als Pfand Schmuck mit Edelsteinen im Wert von ca. 3.400 Dukaten und einen Schuldtitel über 3.000 Dukaten (wegen eines Kredites des Roberto für seinen Schwager Guglielmo Sanseverino, Graf von Capaccio) gab, die sie behalten sollte, falls Napoleone die dote nicht im vereinbarten Zeitraum zurückzahlen würde. Irrige Angaben zum Todesjahr von Napoleone und Roberto (zwischen 1477 und 1480) bei Pansa, Gli Orsini, S. 17f. (zwischen 1467 und 1470); Celletti, Gli Orsini, S. 28 (1467 als Todesjahr von Roberto, der damals mit Alfonsina [1472 geboren!] und Costanza zwei legitime Töchter hinterlassen habe). Zum Todesjahr von Napoleone vgl. etwa Cerioni, La diplomazia sforzesca, S. 202. Napoleone ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Grafen von Manoppello; zu ihm etwa Regis Ferdinandi, S. 381f. 10 Zu Virginio Orsini, der aus Napoleones Ehe mit Francesca di Orso Orsini (aus dem Zweig der Orsini von Monterotondo) stammte, gibt es weitaus mehr und zuverlässigere Literatur; vgl. etwa die biographischen Daten in Regis Ferdinandi, S. 389–391; Panunzi, Gentil Virginio Orsini. Zu dem noch anzusprechenden Ehevertrag vgl. etwa ASF, MAP CXXXVII, doc. 1006, c. 1013r– 1013quatv; CXLVIII, doc. 26. 11 Vgl. zu Lucrezia Tornabuonis Brautschau ihre Briefe in Tornabuoni, Lettere, S. 62–65, Nr. 12– 14 (28.3.–5.4.1467); hierzu zuletzt: Tomas, Medici Women, S. 18f.; Walter, Der Prächtige, S. 83–87, 247f.; eine treffende Einordnung des Vorgangs auch bei Reinhardt, Die Medici, S. 76f. 12 Vgl. etwa Celletti, Gli Orsini, S. 29, 38. 9

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und Maddalenas Bruder Napoleone, der Schwager von Caterina Sanseverino bzw. Vater Virginios, seine Frau genommen.13 Es gab für dieses Familiengeflecht, für Caterina Sanseverino, Virginio Orsini und nicht zuletzt ihre auf die Orsini-Macht setzenden Medici-Verwandten, einen Vorgang, der sie gleichsam zusammenschweißte: der aus politischen Gründen seit den 80er Jahren erfolgende Verlust der bedeutendsten Orsini-Grafschaften von Tagliacozzo und Albe, welche die aragonesischen Herrscher ausgerechnet den Todfeinden der Orsini, den Colonna, übergaben. Dies wird ganz erheblich zu jener dezidierten profranzösischen Wendung führen, die neben den Sanseverino dann auch die Orsini (außer Virginio insbesondere seinen Sohn Giangiordano) zu maßgeblichen Parteigängern der französischen Sache machen wird, zu Katalysatoren des französisch-spanischen Gegensatzes. Wie war nun der Kardinal Federico Sanseverino, eine der weiteren Säulen des exilierten Hauses Medici, in diese freigelegten Stränge des süditalienischen Hochadelsgeschlechtes verwandtschaftlich eingebunden? Die Familie des mailändischen Sanseverino hatte und behielt ihre Wurzeln im neapolitanischen Süden, in der (nordöstlich von Capua gelegenen) Grafschaft Caiazzo. Zurückzugehen ist bis auf Bertrando Sanseverino aus der Linie der Sanseverino von Marsico, der Ende des 14. Jahrhunderts beispielsweise die einflußreiche Position eines Gouverneurs von Terra di Lavoro, des Contado von Molise und des Principato einnahm, und der mit temporärer Geltung die Grafschaft Caiazzo übertragen bekommen hatte.14 Doch Bertrando vererbte sie seinem Sohn Leonetto, der sie 1418/19 mit Hilfe seines Schwiegervaters Muzio Attendolo Sforza, einem der berühmtesten Söldnerführer seiner Zeit, behaupten konnte. Im Jahr ihrer Hochzeit, 1418, wurde Leonetto Sanseverino und Elisa Sforza ihr erster Sohn geboren, Roberto, zu dessen zahlreichen Söhnen dann auch Federico Sanseverino gehören wird. Roberto war erst drei Jahre alt, als sein Vater eines gewaltsamen Todes starb. Zunächst von seiner Mutter Elisa 13 Vgl. etwa Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 28. Napoleone und Francesca Orsini hatten mit

Virginio zwar nur einen Sohn, dafür aber mehrere Töchter. Unter ihnen ist Ippolita hervorzuheben, die Girolamo d’Estouteville heiratete, einen Sohn des Kardinals Guillaume d’Estouteville, der sich in der „italianisierten“ Form Tuttavilla oder Tottavilla nannte. Zunächst im Königreich Neapel lebend, wo ihm König Ferrante die Grafschaft Sarno verlieh, lebte er 1492–93 als Flüchtling am mailändischen Hof, wo er die Gunst des Moro fand, der den auch in der Poesie bewanderten Condottiere 1492 unter Gianfrancesco Sanseverino als einen seiner Gesandten zu Karl VIII. schickte; von Mailand zog er nach einem Dissens mit den Sanseverino nach Rom, wo er 1501 starb. Tuttavilla war dort Kunde der Medici-Bank; vgl. unten 303; Sapori, Il bilancio, Nr. 78, 242 (Gläubiger mit 649 Dukaten); vgl. Gabotto, Gerolamo Tuttavilla; Malaguzzi Valeri, La corte, IV, S. 169–171; Celletti, Gli Orsini, S. 29, 35 (Girolamo d’Estouteville kämpfte z. B. 1485 auf der Seite des Virginio Orsini gegen die Colonna, doch irrig hier Francesca statt Ippolita Orsini). 14 Vgl. Natella, I Sanseverino, S. 87–89; zu Bertrando Sanseverino vgl. auch die Notiz bei Candida Gonzaga, Memorie, S. 117. Tommaso V. hatte als Vertreter der Hauptlinie die Grafschaft Caiazzo für sich beansprucht, da sie in solch einem Fall an die Primogenitur-Linie der Grafen von Marsico zurückzufallen habe, mußte sich jedoch 1418/19 der faktischen Stärke des Muzio Attendolo Sforza beugen, dessen Tochter Elisa Leonetto am 13.9.1418 geheiratet hatte. Tommaso Sanseverino trat die Grafschaft schließlich mit einem Vertrag an Leonetto ab.

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im Königreich Neapel aufgezogen, verlagerte er seinen Lebensmittelpunkt immer mehr in die Lombardei, da Elisas Bruder, sein Onkel Francesco Sforza, für den er bereits in den 40er Jahren als capitano kämpfte, seinen Einfluß auf Roberto intensivierte.15 Nach dem Tod von Filippo Maria Visconti 1447 half Roberto – so wie Cosimo de’ Medici – Francesco Sforza, die Herrschaft über Mailand und das Herzogtum zu erringen, wo sich noch eine weitere Linie der Sanseverino etablieren konnte.16 Als Condottiere gewann Roberto Sanseverino ein überragendes Ansehen unter den Zeitgenossen. Im Auftrag des Herzogs Francesco Sforza kämpfte er 1460/61 für König Ferrante (Ferdinand I.) von Neapel und erhielt von diesem dafür am 20. April 1461 den Besitz der Grafschaft Caiazzo, die König Alfons nach dem Tod Leonettos (1420) an seine Geliebte Lucrezia d’Alagno gegeben hatte. 1464 bestätigte König Ferrante Roberto den Besitz seiner Grafschaft und der zugehörigen Ländereien, die dann später auf Robertos ältesten Sohn Gianfrancesco übergingen (der 1492 in Lyon als mailändischer Gesandter von Giuliano da Gagliano und Lorenzo Spinelli im Kontext des Medici-Kredites hofiert wurde). Die Verwandtschaft mit den Sforza wurde nochmals intensiviert, als Ludovico il Moro seine natürliche, aber 1489 legitimierte Tochter Bianca im Januar 1490 Galeazzo Sforza Visconti di Sanseverino zur Frau gab, einem weiteren Sohn Robertos.17 Aus seinen drei Ehen mit Elisabetta della Rovere da Montefeltro, Giovanna di Correggio (Witwe des Roberto Malatesta) und Lucrezia de’ Malavolti von Siena wurden Roberto zwölf Kinder geboren.18 Durch ihre Verwandtschaft mit den Sforza und durch ihre Dienste für das

15 Wichtige biographische Notizen zu dem Condottiere Roberto Sanseverino in Regis Ferdinandi,

S. 433–436; vgl. ferner Fumi, Roberto Sanseverino; Natella, I Sanseverino, S. 88–90, Anm. 27; Lubkin, A Renaissance court, S. 304, Anm. 91, S. 338, Anm. 70 (am 9.1.1474 erhielt Roberto Sanseverino die Herrschaft über Castelnuovo); Blastenbrei, Die Sforza, S. 377–379. 16 Neben Roberto di Leonetto Sanseverino wurde um die gleiche Zeit noch ein anderes Familienmitglied an den Mailänder Hof gezogen, Luigi (Aloisius) Sanseverino di Caiazzo, nachdem dessen Vater Francesco Sanseverino bereits als Condottiere für Mailand und Venedig gekämpft hatte. Sein Sohn Luigi wurde 1434 capitano generale des Herzogs Filippo Maria Visconti und erhielt im gleichen Jahr zunächst zur Hälfte die Signorie des Luganotals, ab 1438 die gesamte Grafschaft. Nach Luigis Tod 1447 erhob sich die Talschaft unter Anschluß an die Ambrosianische Republik und die ghibellinische Opposition gegen die ehemalige Visconti-Herrschaft, fiel 1450 unter dem Visconti-Nachfolger Francesco Sforza aber (bis 1467 und nochmals 1475/76) erneut an die Sanseverino, d.h. an Luigis drei Söhne Amerigo, Bernabò und Francesco und deren Nachfahren, bis diese endgültig nach Venedig flüchten mußten; vgl. zum Zweig der Sanseverino von Lugano, Balerna, Pandino usw.: Motta, I Sanseverino; Vismara/Cavanna/Vismara, Ticino medievale, hier S. 203–210; Margaroli, Art. „Sanseverino (Lugano)“ (Lit., Druckfehler bei Todesdatum des Luigi); Ticino ducale, I/1-3, II/1–3, III/1 (und die noch folgenden Bände dieser Edition). Die Familie des Luigi Sanseverino aus dem Geschlecht der Grafen von Caiazzo spielt im Gegensatz zu der seines engen Verwandten Roberto, die den Grafentitel führte, (nach heutigem Kenntnisstand) für unser Thema keine größere Rolle. 17 Hierzu Giulini, Bianca Sanseverino Sforza. 18 Vgl. Adami, Il carteggio, S. 3; Cerioni, La diplomazia sforzesca, S. 225. Die Kinder hießen Giovanni Francesco, Antonio Maria, Gaspare, Ottaviano, Federico, Galeazzo, Giulio, Sveva, Alessandro, Annibale, Ugo und Giorgio. Eine exakte Genealogie ist für sie bisher nicht erarbeitet worden, doch stammte Gaspare mit Sicherheit aus der Ehe mit Elisabetta della Rovere da

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Herrschergeschlecht werden er und seine Söhne, die Sanseverini caiatini, auch in der Lombardei weitere Ländereien erhalten. Über ihren Großvater Leonetto und ihren Urgroßvater Bertrando besaßen Federico Sanseverino und seine Brüder also direkte familiäre Wurzeln im Geschlecht der Sanseverino von Marsico, deren Oberhaupt Anfang des 15. Jahrhunderts Tommaso V. Sanseverino hieß und ein Schwager von Giovanna Sanseverino war, der Tante von Caterina Sanseverino Orsini bzw. Großtante Alfonsinas und Piero de’ Medicis – dessen bester Freund Federico Sanseverino wurde. Zu ihren Bindung an das Königreich Neapel bekannten sich noch die Söhne Robertos: Stolz trugen sie den Namen des Königshauses, de Aragonia, vor ihrem Herkunfts- bzw. Familiennamen Sanseverino; nur Galeazzo ersetzte ihn als Schwiegersohn des Moro in der Regel durch die Namen Sforza Visconti bzw. Anglus.19

2. Politische Verknüpfungen a) Frühe Kontakte der Medici mit den Orsini und Sanseverino Bereits vor Beginn der Verwandtschaft zwischen den Orsini, Sanseverino und Medici kam es zu zahlreichen Kontakten zwischen diesen Familien, und zwar gerade auch seitens jener Protagonisten bzw. ihrer Vorfahren, die dann während der Exilszeit die Medici unterstützen werden. Die Quellen befinden sich im Bestand „Medici avanti il principato“ des Staatsarchivs Florenz , also unter den Briefen und Dokumenten der Medici.20 Die Voraussetzungen für jene Verbindungen lagen zum einen in den geschäftlichen Aktivitäten der Medici, zum anderen in ihrer politischen Stellung in Florenz und Italien, weniger stark offensichtlich in ihrem kulturellen Engagement; wenn ich recht sehe, sind die meisten dieser frühen Verknüpfungen aus politisch-militärischen Notwendigkeiten oder Erwägungen entstanden. So fallen mehrere Briefe ins Auge, die Giovanni Antonio Orsini, der Onkel von Roberto und Napoleone Orsini, bereits 1439 aus Tagliacozzo und Vicovaro an Cosimo di Giovanni di Bicci de’ Medici geschrieben hatte.21 Auch seine Nachfolger Roberto und Napoleone Orsini korrespondierten zwischen 1469 und 1479 recht häufig mit Piero di Cosimo und Lorenzo di Piero de’ Medici, z. T. auch mit Lorenzos Ehefrau Clarice Orsi-

Montefeltro und wurde um 1450 geboren, während Federico bereits in der zweiten Ehe durch Giovanna di Correggio 1462/63 geboren wurde; hierzu unten S. 290f. 19 Zahlreiche Belege etwa in ASM, Famiglie 165, Sanseverino. 20 Von den zahllosen, unser Thema tangierenden Briefen, die von den Medici und an diese geschrieben wurden, werden bisher leider nur die von Lorenzo de’ Medici (oder in seinem Namen) verfaßten vorbildlich ediert; vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere. Der reichhaltige Rest ist noch nicht einmal systematisch erfaßt worden. 21 ASF, MAP XI, doc. 222, 577, 601 (Nr. 577 ohne Jahreszahl, doch vermutlich ebenfalls 1439).

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ni.22 Bei ihnen basierte die Korrespondenz zweifellos auf dem neuen Verwandtschaftsverhältnis.23 Wegen dieses parentado hatte Lorenzo il Magnifico auch wiederholt beabsichtigt, Roberto oder einem anderen Orsini eine condotta der Florentiner zu geben. Doch warnten ihn seine Mailänder Verbündeten vor solchen Soldverträgen: Er solle nicht nur die Verwandtschaft sehen, sondern auch die Tatsache, daß gerade Roberto seinen contado mit Tagliacozzo und Albe im Königreich Neapel habe und daß er ein alter Schüler des Königs sei.24 Tatsächlich hatte Roberto ja seine Grafschaft und seine Stellung als capitaneus der Loyalität gegenüber Ferrante verdankt, der nun gerade nicht zu den traditionellen Verbündeten der Florentiner zählte und der Roberto nebst dessen Bruder Napoleone als Heerführer des Papstes wiederholt gegen Florenz kämpfen ließ. Diese Loyalität der dem reame verpflichteten Orsini schwand jedoch schnell, als der König Tagliacozzo mehr und mehr zum Druckmittel gegen die Orsini machte und ihnen die Grafschaft dann ganz entzog. Lorenzos frühen Verknüpfungsversuche wurden für die Medici nun schnell fruchtbar. Die Strategie des Magnifico, politisch-militärische Bündnispartner durch Verwandtschaftsbeziehungen an sich zu binden, sie sich wenn möglich zu verpflichten und dadurch neue Freundschaften und Optionen zu schaffen, zeigt sich eindringlich bei Roberto Sanseverino, dem Conte di Caiazzo. Dabei dürfte die gleichzeitige Verwurzelung Robertos in Süd- und Norditalien für Lorenzo ein entscheidender Aspekt gewesen sein, der ihn noch wertvoller machte. 1460/61 hatte Roberto seine süditalienischen Wurzeln kräftig gestärkt. Als König Ferrante im Sommer 1460 eine heftige Niederlage gegen seine angiovinischen Gegner hinnehmen mußte, schickte ihm Francesco Sforza den Sanseverino zu Hilfe, von dem sich Ferrante nicht zuletzt erhoffte, er könnte seine Verwandten zu einer Anerkennung des Aragonesen bewegen. Tatsächlich gelang es Roberto, im Dezember 1460 mit diplomatischen Mitteln das Haupt der Familien, den gleichnamigen Grafen von Marsico,

22 ASF, MAP XVII, doc. 705, 739, 742 (1469, Roberto als capitaneus del campo; Napoleone als

capitaneus generalis der Römischen Kirche); XXI, doc. 543; XXII, doc. 262; XXIII, doc. 227, 254, 283; XXIV, doc. 257, 271, 272, 388; XXVI, doc. 15, 31, 123; XXVII, doc. 236, 379; XXVIII, doc. 68; XXIX, doc. 138, 174, 363, 502, 621, 655, 962, 1134; XXX, doc. 260, 967; XXXIII, doc. 486, 488, 986; XXXIV, doc. 107; XXXV, doc. 877; XXXVI, doc. 153, 512, 544, 591; XXXVII, doc. 186, 244, 254, 332; XLVII, doc. 386; LXXX, doc. 126 (Napoleone 9.7.1469 an Clarice Orsini de’ Medici); LXXXV, doc. 138 (Napoleone 3.12.1474 an Clarice); CXXXVIII, doc. 211. Diese Briefe umfassen den Zeitraum von August 1469 bis Mai 1479, als Roberto am 16.5. aus Siena (Senis) den letzten überlieferten Brief an Lorenzo de’ Medici schrieb. Robertos Briefe stammten meist aus Vicovaro, Tagliacozzo oder Neapel, Napoleones aus Bracciano oder Rom – womit recht gut die beiden zentralen Wirkungsbereiche der Brüder aufgezeigt sind. 23 Dies führte dann z. B. am 8.11.1469 zu einem Brief des Orso (detto Organtino) Orsini, der aus Tagliacozzo an seine Schwester Clarice schrieb und ihr Grüße an Piero di Cosimo und Lorenzo di Piero sowie die altri nostri parenti auftrug, die er zwar noch nicht kenne, aber hoffentlich bald kennenlerne; ASF, MAP LXXXV, doc. 23; vgl. zu Orso Orsini auch Lorenzo de’ Medici, Lettere I, S. 129, Anm. 2. Dieser Brief zeigt anschaulich, wie die neue Verwandtschaft mit den Orsini von Monterotondo auch in Tagliacozzo Wurzeln schlug. 24 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere IV, Nr. 295 (Kommentar).

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zur Leistung des Lehnseides zu bewegen.25 Nach weiteren Kriegszügen durch die Gebiete der Unwilligen erhielt Roberto Sanseverino als Belohnung am 20. April 1461 die Grafschaft Caiazzo vom König verliehen, deren Besitz ihm nach weiteren Hilfsleistungen für Ferrante und der Befriedung des Königreiches 1464 bestätigt wurde. Roberto Sanseverino, dessen Ruhm als Condottiere sogar über Italien hinausreichte – der König von Zypern wollte ihm eine condotta von 60.000 Dukaten geben, um sein Königreich zurückzuerobern –, konnte im März 1467 durch Lorenzo de’ Medici als Militärführer für die Republik Florenz gewonnen werden, um zunächst gegen Bartolomeo Colleoni vorzugehen.26 Aus jener Zeit stammt offenbar auch der erste Brief eines in den folgenden Jahren sehr intensiven Briefwechsels zwischen Roberto Sanseverino und Lorenzo de’ Medici, wobei von diesem weniger Briefe erhalten sind. Vom 3. September 1468 datierte der erste erhaltene Brief Robertos, den er als florentinischer Statthalter aus Pisa schrieb.27 Trotz gewisser Vorbehalte in Florenz gegen den selbstbewußten, oft wohl selbstherrlichen Sanseverino war es vor allem der Magnifico, der sich im März 1470 für eine Verlängerung seiner condotta einsetzte. Als Roberto dann doch im Juni 1470 zu seinem Herrn zurückkehrte und in Mailänder Dienste trat, übernahm er mit seinem Wirkungskreis bei Bologna eine Aufgabe, die explizit zugleich der Sicherheit von Florenz dienen sollte.28 Wiederum zog hierbei Lorenzo de’ Medici die Fäden. Er und Roberto schrieben sich offenkundig sogar wesentlich häufiger als während der Florentiner condotta des Sanseverino, doch waren sie des öfteren gezwungen, ihre Kontakte geheim zu halten. Von August 1471 bis Juli 1476 kamen zahlreiche Briefe Robertos aus Bologna zu Lorenzo.29 Unter anderem ging es dabei um eine condotta, die Roberto seinen beiden Söhnen Gianfrancesco und Gaspare – wegen seiner gewaltigen Körperkräfte il fracasso (auch: fracassa), der Zerstörer, genannt – schon seit 1471 bei den Florentinern verschaffen wollte, die dann aber erst im Sommer 1475 Wirklichkeit wurde.30 Persönliche Treffen vertieften das Einverständnis. Im Juli 1471, Oktober 1472 und März 1473 hielt sich Roberto in Florenz auf; in jenem März 1473 traf er sich dann mit Lorenzo (auch) in Pisa.31 Begegneten oder schrieben

25 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 433. 26 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 434; Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 21 (Kommentar). Die erste

Bestätigung als Capitano generale erfolgte am 30.3.1468. 27 ASF, MAP XXIII, doc. 212. Aus Pisa kamen bis Juli 1469 noch weitere Briefe Robertos an

28 29

30 31

Lorenzo; vgl. ebd. XXXIII, doc. 222; XIV, doc. 191; XX, doc. 483. Alle im MAP-Bestand erhaltenen Briefe Roberto Sanseverinos aufzuführen oder gar zu erschließen würde den Rahmen sprengen. Ab Ende Juli 1469 sollte Roberto im Auftrag der Florentiner und auf Wunsch des Herzogs von Mailand für den Herzog von Urbino kämpfen; Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 21. Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 39, 48, 53, 54. Vgl. etwa für die Anfangs- und Endzeit ASF, MAP XXVII, doc. 443, 448, 555, 579, 580, 582, 604; XXXIII, doc. 398, 426, 487, 519. Zu den geheimen Kontakten: Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 95, 167. Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 95, 167. Vgl. ASF, MAP XXVII, doc. 395; XXIX, doc. 224; Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 95, 167.

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sie sich nicht, hielt der Poet Luigi Pulci als Vertrauter und Agent des Sanseverino die intensive Verbindung zwischen beiden aufrecht. Der Dichter Luigi Pulci als Bindeglied zwischen Roberto Sanseverino und Lorenzo de’ Medici Luigi Pulci, ein mittelloser Poet, der mit seinem komischen Ritterepos ‚Morgante‘ Berühmtheit erlangte, wurde schon vom jungen Lorenzo in den Kreis seiner Freunde, seiner brigata, aufgenommen und prägte mit seinem Witz, seiner Ironie und seinem Sarkasmus dessen Sprach- und Lebensstil.32 Zu den Aufgaben, mit denen Lorenzo ihn häufig betraute – Anfang 1472 hatte Pulci z. B. Lorenzos Frau Clarice Orsini auf einer Reise nach Rom begleitet33 –, gehörte auch die eines Mittelsmannes zu Roberto Sanseverino. Aus den wenigen erhaltenen, aber signifikanten Briefen, die einen Einblick in jenes Dreiecksverhältnis geben, zeigt sich einerseits, wie Pulci seinen nicht unwesentlichen Teil dazu beitrug, die enge Vertrautheit zwischen dem Sanseverino und dem Medici trotz räumlicher Distanzen zu bewahren; man ersieht aus ihnen andererseits, wie eng und ungezwungen das Verhältnis zwischen allen dreien war – von geradezu erstaunlicher Intimität. Im März 1473 befand sich Lorenzos (im Februar 1472 geborener) Sohn Piero an der Seite Pulcis, als dieser zusammen mit dem Magnifico signor Ruberto Sanseverino und dessen elf Falken aus Florenz zu dem in Pisa weilenden Lorenzo reiste, der offensichtlich großen Gefallen an dieser höfischen Sportart zeigte.34 Am 5. Oktober 1473 schrieb Pulci seinem Freund Lorenzo, er sei in jenen Tagen mit Roberto Sanseverino in Bologna angekommen, habe Lorenzo aus Mailand zwei Sonette zugesandt, und der Sanseverino lasse Falken dressieren, die er dem Medici im kommenden Winter zeigen wolle und sei Lorenzo mehr als sich selbst und jedem anderen zugetan.35 Auch in den folgenden Jahren hielt sich Pulci immer wieder bei seinem signore, bei Roberto Sanseverino auf, der die Strapazen von Luigis häufigen Reisen über die alpe zwar zu bedauern wußte, auf diese wegen der wichtigen Aufgaben, die er für seinen caro Loyse bzw. amato frate hatte, aber nicht verzichten wollte.36

32 Pulci, Morgante; vgl. etwa Walter, Der Prächtige, S. 66–72 u.ö. 33 Vgl. die Briefe Pulcis aus jener Zeit in: Pulci, Morgante; Walter, Der Prächtige, S. 97. 34 Pulci, Morgante, S. 1276: Pulci schrieb am 27.3.1473 an Lorenzo in Pisa, daß Roberto Sanse-

verino an jenem Tag mit 11 Falken nach Florenz gekommen sei, wo er Lorenzo anzutreffen hoffte, doch diesen nun benachrichtigte, er reite zu ihm nach Pisa, wo er einige Falken für ihn fliegen lassen wolle, und daß messer Piero e ’l Magnifico Luigi de’ Pulci vengono con su signoria. Der Editor hat nur sehr wenige Angaben zu Roberto Sanseverino gemacht, den er im übrigen mit dem gleichnamigen Prinzen von Salerno verwechselte, den Großadmiral des Königreichs Neapel; vgl. S. 1255 zu Brief Nr. XVIII. 35 Pulci, Morgante, S. 1281f. 36 Dieses bemerkenswerte Zeugnis für das innige Verhältnis des Conte di Caiazzo, des berühmten Condottiere, zu dem Florentiner Poeten findet sich in einem eigenhändig geschriebenen Brief Robertos an Pulci vom 5. September (ohne Jahresangabe) aus Bologna, der in ASF, MAP CI, doc. 210, überliefert ist.

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Dienste und Verwandtschaft (Roberto Sanseverino und Lorenzo de’ Medici) Besonders in den Jahren 1473 und 1474 hatte Roberto Sanseverino offensichtlich über Luigi Pulci und über die Lyoner Medici-Bank die Kontakte zu Lorenzo de’ Medici intensiviert, da er (schon damals) in französische Dienste zu treten gedachte, hatte sich doch sein Dissens mit Galeazzo Maria Sforza, dem autokratischen Herzog von Mailand, verschärft. Zugleich wollte er damals mit dem Magnifico ein programmatisches Hochzeitsprojekt abschließen.37 Und es wurde ein parentado politico, der das Verwandtschaftsnetz zwischen den Sanseverino, Orsini und Medici noch enger flocht. Lorenzos Schwägerin Aurante (Orante) Orsini, Schwester seiner Frau Clarice und Ehefrau des Giovan Ludovico Pio da Carpi, hatte eine Tochter namens Margherita, die seit 1469 Halbwaise war. Ihr Vater war im August jenes Jahres in Ferrara geköpft worden, weil er zusammen mit Piero di Cosimo de’ Medici gegen Herzog Borso d’Este konspiriert haben sollte. Lorenzo und Roberto kamen überein, daß Margherita Pio Robertos zweitgeborenen Sohn Gaspare heiraten sollte. Für dieses Projekt, das am 26. Januar 1475 mit dem matrimonium an keinem geringeren Ort als im Palast von Lorenzo de’ Medici verwirklicht wurde(!), wollte Lorenzo im Juli 1474 eigens die Zustimmung des Herzogs Galeazzo Maria Sforza erwirken. Diesen irritierte, ja erboste die intime Kooperation zwischen seinem hohen Vasallen, der generell zu ihm auf Distanz ging, und dem Florentiner Regenten zunehmend.38 Gleichwohl konnte Roberto Sanseverino zur gleichen Zeit (August 1474) seinen Florentiner Freund, den er in seinen Briefen meist als ‚Verwandter und Bruder‘ (affinis et frater) anredete, schriftlich unterrichten, der Mailänder Herzog habe ihm die Erlaubnis gegeben, jederzeit auf Wunsch Lorenzos für diesen kämpfen zu dürfen.39 Eine Folge der neuen Verwandtschaft war die große Ehre, die Gianfrancesco und Gaspare Sanseverino bei der berühmten giostra von 1475 – einer der berühmten des Quattrocento – erhielten, als sie am 29. Januar als erste auf dem Florentiner Turnierplatz auftreten durften. Auf diesem Prunkturnier, das zur Feier des Ende 1474 abgeschlossenen Dreierbündnisses zwischen Florenz, Mailand und Venedig veranstaltet wurde, stand das Haus Medici in der Person von Lorenzos Bruder Giuliano im Mittelpunkt. Im Sommer 1475 erfolgte dann die seit längerem beabsichtigte Besoldung von Gianfrancesco und Gaspare Sanseverino als capi-

37 Hierzu und zu Luigi Pulci als seinem Freund und Agenten vgl. etwa Lorenzo de’ Medici, Lettere

I, Nr. 167; II, Nr. 243 (Pulci noch 1477 in Zeiten einer politisch bedingten Krise der Freundschaft als Intermediär). 38 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 167 (Kommentar); zur Ehe vgl. auch Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 373f. Zu Gaspare Sanseverino alias Il Fracasso vgl. auch die Lebensskizze bei Adami, Il carteggio, 3–33. Aurante bzw. Orante Orsini hatte nach der Hinrichtung ihres Mannes in zweiter Ehe Lorenzo Malaspina geheiratet; Adami, a.a.O. S. 5 (dort keine Thematisierung der Absprache zwischen Roberto Sanseverino und Lorenzo de’ Medici). 39 Lorenzo de’ Medici, Lettere II, Nr. 176. Auffallend ist der warmherzige Stil in Robertos Briefen an Lorenzo de’ Medici.

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tanei armorum der Republik Florenz.40 1475 wurden also auch Robertos Söhne Gianfrancesco und Gaspare, aber ebenso bereits Federico, an das Haus Medici gezogen.41 Als der vielen verhaßte Herzog Galeazzo Maria am 26. Dezember 1476 in der Mailänder Kirche Santo Stefano einer Verschwörung zum Opfer fiel und sich in der Folge verschiedene Faktionen gegenseitig in Mailand bekämpften – vor allem die um Galeazzos Witwe Bona von Savoyen und ihren Vertrauten Cicco Simonetta (sie führten für den unmündigen Herzogssohn Gian Galeazzo Maria die Regierung) sowie die um Galeazzos Bruder Ludovico Maria Sforza, il Moro, und Roberto Sanseverino –, sah sich Lorenzo de’ Medici – zumindest in seiner offiziellen Politik gegenüber dem Herzogtum – in einer Konfliktsituation.42 Tatsächlich trat er explizit wegen seines parentado mit Roberto Sanseverino für dessen Angelegenheiten ein, wollte ihn offenbar schon 1476, dann aber seit Anfang 1477 dezidiert mit einer neuen condotta in Florentiner Dienste nehmen, falls nicht anders möglich sogar nur zur Hälfte, wenn Mailand ihn nicht ganz freigeben wollte. Doch Bona von Savoyen beharrte darauf, der Sanseverino stehe auf Lebenszeit in Mailänder Diensten.43 Doch binden ließ er sich nicht mehr, erst recht nicht von Bona und dem ihm verhaßten Simonetta. Im Frühjahr 1477 verließ er revoltierend das Herzogtum Mailand und zog in Genua ein, wo sein Sohn Gaspare aus Pisa kommend zu ihm stieß – der wohlgemerkt immer noch in Florentiner Dienst stand und seinerseits nun Luigi Pulci als Boten zum Magnifico einsetzte! Als Roberto den Genuesen Obietto Fieschi gefangennahm und mit diesem die Stadt verließ, wurde Gaspare dort in Geiselhaft genommen. Das Lösegeld stellte im August 1477 sein parente Lorenzo de’ Medici. Dieser sah sich ernsthaft veranlaßt, seinen Freund Roberto vor den Konsequenzen seines Verhaltens zu warnen, vor dem

40 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere I, Nr. 167; Orvieto, Carnevale, S. 114f., 118 (einer der beiden

Brüder nahm im Januar und Februar 1478 erneut erfolgreich an Turnieren in Florenz teil); Walter, Der Prächtige, S. 131–139. Die giostra von 1475 ist im übrigen von Angelo Poliziano poetisch verewigt worden. 41 Dies zeigt sich z. B. in einem Brief Pulcis aus Florenz vom 20.9.1476 an Lorenzo in Pisa (... arai riavuto il nostro messer Ioanfrancesco che l’ho caro di po’ la partita di don Federigo tutto gentile abbi ancora qualche gentile compagno. Dal Signor [sc. Roberto Sanseverino] ti rimandai in costà lettere. Ricordati delle pratiche antiche, da non lasciare però ancora per perdute, rispetto quanto vale sua Signoria e quanto t’ama. Io andrei troppo volentiere a vicitare sua Signoria, se tu mi potessi aiutare o dare modo al camino, che la Lombardia è tutta sbarrata, come sai ...; Pulci, Morgante, S. 1292f. (doch ist don Federigo nicht eventuell Federico d’Aragona, sondern der jüngere Bruder Gianfrancescos, der Geistliche Federico Sanseverino; die in dem Brief angedeuteten politischen Spannungen werden noch angesprochen). In einem der offensichtlich letzten Briefe des 1484 verstorbenen Pulci drückte dieser am 28.11.1481 gegenüber Benedetto Dei in Mailand unter anderem sein Bedauern aus, daß messer Guasparre so weit entfernt sei; ebd. S. 1296f. Pulci hatte z. B. im April 1477 Gaspare auf dessen politisch heikler Reise von Pisa nach Genua begleitet und dabei die Kommunikation und Korrespondenz mit Lorenzo besorgt; vgl. Adami, Il carteggio, S. 38, Nr. 8. 42 Zu den Parteienkämpfen in Mailand nach der Ermordung des Herzogs Galeazzo Maria vgl. etwa Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 244–268 (Lit.). 43 Lorenzo de’ Medici, Lettere II, Nr. 219a, 243.

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möglichen Verlust aller seiner Güter in der Lombardei.44 Solche Befürchtungen wurden noch realistischer, als Roberto Anfang Juni 1477 von Genua aus nach Frankreich flüchtete, den traditionellen Orientierungs- und Fluchtpunkt aller Sanseverino, und dort König Ludwig XI. anbot, für ihn oder auch mit ihm Mailand zu erobern.45 Bemerkenswerterweise fand der Briefwechsel zwischen Lorenzo und Roberto auch während dessen Aufenthalt in Frankreich keine Unterbrechung [2.8.77 aus Paris, 2.11.77 aus Tours]; im Bestand der Medici-Briefe befindet sich sogar ein Brief Robertos an seine beiden Söhne Gianfrancesco und Gaspare in Pisa, den er nach seiner Abreise aus Frankreich am 10. Februar 1478 aus seinem nächsten Aufenthaltsort Asti schrieb.46 Gegen die Absichten Bonas von Savoyen setzte sich Lorenzo bei Ludwig XI. dafür ein, dieser möge Roberto in Frankreich mit militärischen Aufgaben betreuen.47 Als Roberto schließlich von Asti aus durch Italien zog, mußte Lorenzo Mailänder Befürchtungen zerstreuen, seine noch im Florentiner Solddienst stehenden Söhne könnten sich mit ihrem Vater gegen das Herzogtum zusammenschließen.48 Auch wenn Florenz im November 1478 den Vertrag mit Gianfrancesco und Gaspare Sanseverino beendete, da die politischen Wirren ihren Vater zeitweise in Opposition zu Florenz brachten, bedeutete dies keine Abwendung von der Familie, wie oft behauptet wird – im Gegenteil. Anfang 1479 bemühte sich Lorenzo sogar erneut energisch, Roberto für eine Florentiner condotta zu gewinnen. Doch dieser, nach gemeinsamer Rebellion mit Ludovico il Moro gegen Bona von Savoyen zu dem die Macht in Mailand usurpierenden Moro zunehmend in kritischer Distanz stehend und mancher lombardischen Einnahmen verlustig, mußte sich um das beste Angebot bemühen, welches (ab ca. Ende 1481) allein Venedig bieten konnte.49 Schon 1482 zog Roberto Sanseverino als capitano der Venezianer in deren Krieg gegen Ferrara – eine Auseinandersetzung, die ihn und seine Familie unmittelbar berühren und von großer Tragweite für die kommenden, großen politischen Prozesse werden sollte. Venedig führte diesen Krieg außer gegen Ferrara auch gegen Mailand und hatte zunächst Papst Sixtus IV. als Verbündeten. Doch dieser schwenkte schnell zu den Gegnern Venedigs um, zu denen sich als Alliierter auch der König von Neapel gesellte. Dessen Sohn 44 Vgl. Adami, Il carteggio, Nr. 8–10 (im September befand sich Gaspare zusammen mit seinem

Bruder Gianfrancesco wieder in Pisa); Lorenzo de’ Medici, Lettere II, Nr. 261. 45 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere II, Nr. 268, doc. III. 46 ASF, MAP XCVI, doc. 70. In diesem Brief beschrieb er seinen ehrenvollen Einzug in Asti, den

schmerzvollen Verlust seines Freundes Luigi Trotto, der ihn aus Frankreich begleitet hatte, sowie die Sendung französischer Botschafter nach Mailand, die sich für eine Rehabilitierung Robertos einsetzen sollten. 47 Lorenzo de’ Medici, Lettere III, Nr. 281. 48 Lorenzo de’ Medici, Lettere III, Nr. 311 (Brief Lorenzos an Girolamo Morelli in Mailand vom 2.9.1478). 49 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere III, Nr. 369. Roberto verhandelte zäh mit Venedig, nutzte seinen „Marktwert“ ganz zu seinen Gunsten aus; zu diesen Vorgängen vgl. auch Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 257–264. Im August 1481 warb auch Herzog René II. von Lothringen um seinen besonders geliebten Freund Roberto Sanseverino, er möge ihm in seiner Auseinandersetzung mit Graf Karl II. von Maine, der die von René beanspruchte Grafschaft Provence geerbt hatte, Waffenhilfe leisten; vgl. Arnauld d’Agnel, Politique I, S. 186, II, S. 56–58.

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Alfons, der Herzog von Kalabrien, führte die Truppen der Feinde an, stand also Roberto Sanseverino gegenüber, dem capitano generale der Venezianer. 1483 exkommunizierte ihn der Papst; darüber hinaus drohte das wichtige Lehen Caiazzo der Familie entzogen zu werden, da Roberto Sanseverino zum Rebellen König Ferrantes wurde. Wie wichtig diesen mailändischen Sanseverino ihr süditalienischer Besitz war, zeigt das nun folgende Ereignis. Robertos ältester Sohn und Erbe, Gianfrancesco, der an der Seite seines Vaters für Venedig gekämpft hatte, floh aus dem Feldlager auf die mailändische Seite und unterstellte sich dem König von Neapel. Roberto, als Rebell der Grafschaft sowieso verlustig, verzichtete auf diese zugunsten seines Sohnes, der dem König die Treue schwor. Ferrante erkannte die Abtretung von Caiazzo am 12. Dezember 1483 an und investierte Gianfrancesco am 2. Februar 1484 mit der Grafschaft. Man munkelte, der sich gegen seinen Vater wendende Sohn habe ganz im Einverständnis mit diesem gehandelt.50 Roberto, den König Ferrante wegen seiner Macht gern auf neapolitanischer Seite behalten hätte, wurde zu einem Erzfeind des Königssohnes, des Herzogs von Kalabrien. Beim Frieden von Bagnolo, der 1484 den für Venedig wenig ruhmreichen Krieg von Ferrara beendete, sollten sich beide in scheinbar gelöster Weise persönlich gegenüberstehen. Dieses Treffen aber löste eine Lawine aus, die über süditalienische Ereignisse in den epochalen, die europäische Geschichte prägenden französischen Marsch auf Neapel 1494 münden sollte und die Medici mitreißen wird.

b) Der Baronenkrieg im Königreich Neapel (1485/86) Erinnern wir uns: Roberto Sanseverino hatte auch als Verwandter und Heerführer Francesco Sforzas seine süditalienischen Wurzeln nicht verdorren lassen; durch seinen Einsatz für den seit 1458 regierenden, aber umstrittenen König Ferrante konnte er 1461 die Grafschaft Caiazzo erneut in den Besitz seiner Familie bringen. Damals lag ihm daran, die Angehörigen der anderen Sanseverino-Zweige auf die Seite Ferrantes zu führen, die bei jenem ersten Aufstand der Barone gegen die im Bündnis mit den Orsini als Herren von Salerno stehende aragonesische Herrschaft eine Restitution der Anjou beabsichtigten. Die Einsicht in die politischen Umstände und Machtverhältnisse sowie die Gelegenheit, die eigene Position auszubauen, führten zur Loyalität, die freilich keine gewachsene, traditionelle, sondern eine fragile war. Als Condottiere im Dienst der Aragonesen trat der Graf Roberto Orsini hervor, der mit den beiden gleichnamigen Sanseverino dem König bei der Durchsetzung seiner monarchischen Stellung half.51 Als Lohn konnte Roberto Orsini 1461/64 zusammen mit seinem Bruder Napoleone die bedeutende (Doppel-)Grafschaft von Tagliacozzo und Albe in der Nähe von L’Aquila erwerben, also im strategisch wichtigen nördlichen Teil des Regno, die König Ferrante ihrem Onkel Giovannantonio Orsini,

50 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 434. 51 Vgl. Colapietra, I Sanseverino, S. 21, 29–31.

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Fürst von Taranto, als Haupt der Aufständischen entzogen hatte.52 Diese Grafschaft von Tagliacozzo und Roberto Orsinis Eheverbindung mit Caterina Sanseverino, der Tochter von Amerigo Sanseverino, dem Grafen von Capaccio, sind als zentrale Faktoren der kommenden Dynamik anzusehen, die bisher kaum in ihrer Bedeutung erkannt und thematisiert worden ist. Das Oberhaupt des Sanseverino-Geschlechts, Roberto Sanseverino, Graf von Marsico und Sanseverino, konnte durch das Bündnis mit dem König und seinem gleichnamigen Verwandten, dem Neffen des Sforza-Herzogs, das Fürstentum Salerno erobern, dessen Titel er Anfang 1461 erhielt und mit dem er am 30. Januar 1463 investiert wurde – als Zeugen werden in der entsprechenden Urkunde bezeichnenderweise sein Verwandter, der Condottiere Roberto Sanseverino, sowie der mailändische Gesandte Antonio da Trezzo aufgeführt. Mit diesem Akt stieg er zum ersten Baron des Landes auf.53 Doch zu den offenen Anhängern der aragonesischen Monarchie zählte der neue Prinz von Salerno nicht; vielmehr behielt ihn die Krone unter einer speziellen Kontrolle und erinnerte ihn stets an seine Pflichten zur Loyalität.54 Einverständnis demonstrierende Gespräche Roberto Sanseverinos mit dem angiovinischen Königsgegner Giovannantonio Orsini deuten auf tiefer liegende Gemeinsamkeiten hin und mußten das Mißtrauen am Königshof verstärken.55 Es war ein Bündnis auf tönernen Füßen: Die traditionell angiovinischen Sanseverino hatten Ferrante, dem umstrittenen Bastardsohn von König Alfons I. von Neapel, zum Erwerb seines Königreiches verholfen, um sich im Gegenzug bei Ferrante Privilegien zu sichern und sich dadurch an die Spitze der großen feudalen Lehnsträger zu befördern;56 zugleich war der neue Prinz von Salerno zusammen mit seinen Verwandten, den anderen Prinzen und Grafen aus dem Haus Sanseverino, eine das Königtum fundamental bedrohende Macht. Wenn nun der König die relative Autonomie des großen Baronalverbandes, dessen monarchieähnlichen Status und seine Fürstentümer und Grafschaften bedrohte, verlor die Loyalität ihre Voraussetzungen. Das zeigt sich eindringlich bei dem sogenannten zweiten Baronenkrieg gegen die neapolitanische Monarchie, der in der Forschung mit Recht große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Muß dieser Aufstand doch als eine der maßgeblichen Ursachen für den epochalen Italienzug König Karls VIII. von Frankreich 52 Vgl. etwa Pansa, Gli Orsini, S. 15–22. Zum Erwerb der Grafschaften Tagliacozzo und Albe s.

ferner die Ausführungen und Literaturangaben oben in Anm. 8. 53 Vgl. Natella, I Sanseverino, S. 108; Colapietra, I Sanseverino, S. 29, 35 (der Erwerb des Für-

stentums Salerno kostete den Grafen von Marsico 50.000 Dukaten; noch im gleichen Jahr konnte sein Onkel Luca aus der Linie der Grafen von Tricarico für 10.000 Dukaten die Herrschaft von Bisignano erwerben, für die er 1465 den Titel eines Fürsten verliehen bekam). 54 Instruktiv: Colapietra, I Sanseverino, S. 36. 55 Zeugnisse für die ambivalente Haltung des Roberto Sanseverino, Fürst von Salerno, und für seine Kontakte mit dem rebellischen Orsini, mit dem er wiederum auf mehreren Ebenen verwandt war (er heiratete 1458 oder 1459 Berardina del Balzo Orsini, und Caterina Sanseverino, die Tochter seines Onkels Amerigo Sanseverino, war mit Giovanni Antonios Neffen Roberto Orsini verehelicht), bei Colapietra, I Sanseverino, S. 23–27. 56 Vgl. etwa Colapietra, I Sanseverino, S. 18f., 33f.

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angesehen werden; den personal-kausalen Nexus zwischen beiden Ereignissen stellen die Sanseverino dar.57 Lorenzo de’ Medici hatte sich trotz seiner bekannten Distanz zum aragonesischen Hof in Neapel offensichtlich nicht an dem Krieg gegen Ferrante beteiligen wollen, sah ihn vielmehr wegen der problematischen Folgen für die Stabilität Italiens mit großer Sorge58 – doch seine Familie wurde stärker als viele andere mit den Folgen konfrontiert. Hatten sich die Sanseverino unter Alfons I. von Neapel und letztendlich auch unter dessen Sohn Ferrante mit den Aragonesen arrangiert – offenbar primär, um Besitz, Privilegien und soziale Stellung zu behaupten und auszubauen –, so legten die führenden Familienhäupter in der Endphase der seit 1458 dauernden Regentschaft Ferrantes den aragonesischen Pelz ab, um offen ihre anjougefärbte Wolle zu zeigen. Warum das geschah, ist nicht monokausal zu beantworten. Augenscheinlich mußten die Sanseverino in den 80er Jahren immer mehr erfahren, daß ihre über Jahrhunderte ausgebaute Dominanz unter den süditalienischen Baronalfamilien unter dem alternden Ferrante und dessen Sohn Alfons dem Schielenden, dem Herzog von Kalabrien, in den Fundamenten ernsthaft bedroht war. Der in vielen Quellen bezeugte unberechenbar grausame Charakter der beiden Aragonesen war dabei nicht allein entscheidend, obwohl er eine Atmosphäre explosiver Verunsicherung schuf. Ausschlaggebender war wohl die Gefährdung des gewachsenen, riesigen Territorialbesitzes. Sie markiert jedenfalls ursächlich den Beginn der Verschwörung der Barone, an deren Spitze Antonello Sanseverino stand, der Sohn des 1474 gestorbenen Roberto, Fürst von Salerno.

57 Die Konnotation ist schon sehr früh von dem großen italienischen Historiker Paolo Giovio

erkannt worden, wie uns der Mitte des 16. Jahrhunderts wirkende Chronist des Baronenkrieges, Camillo Porzio, im Vorwort seiner Darstellung zu berichten weiß: Er habe den alten Paolo Giovio in Florenz am Hof des Großherzogs Cosimo de’ Medici kennengelernt, wie er in ernsten Gedanken über die Geschichte darüber geklagt habe, „daß er selbst der mangelhaften und lükkenhaften Quellen wegen in so langen Jahren nicht dazu gekommen sei, eine der tiefsten Ursachen der Kriege, die im Jahre 1494 ausbrachen, ins Gedächtnis der Menschheit zurückzurufen. Er meinte die Verschwörung des Fürsten von Salerno und des Grafen von Sarno gegen Ferrante I. Infolge dieser Verschwörung wurde der Fürst vertrieben und seiner Herrschaft beraubt, floh nach Frankreich und überredete den König Karl VIII. zu seinem Zuge gegen das Reich Neapel“; vgl. Porzio, Die Verschwörung, S. 101. Von untergeordneter Bedeutung für den Italienzug 1494 erscheinen der Baronenkrieg und seine Folgen bei De Frede, Napoli e Francia; vgl. auch: Ders., L’impresa. Aus der neueren Literatur zum Aufstand der Barone vgl. neben dem grundlegenden Werk von Colapietra, I Sanseverino, auch: Ders., Gli aspetti; Calmette, La politique; Pontieri, La politica. Im Kontext der Edition der Briefe des Lorenzo de’ Medici, il Magnifico, ist eine Reihe von einschlägigen Aufsätzen zu der vom Magnifico geprägten Florentiner Politik in diesem Konflikt entstanden, die ähnlich wie die mailändische zur Wahrung des italienischen „Gleichgewichts“ auf eine – militärisch freilich eher passive – Unterstützung Ferrantes setzte; vgl. Butters, Politics; Ders., Florence; mit Schwerpunkt auf den Jahren vor 1485: Mallett, Diplomacy. Ein neuerer Überblick zu „la grande congiura“: Galasso, Il Regno di Napoli, S. 690– 714. 58 Zur Haltung Lorenzo de’ Medicis gegenüber dem Krieg gegen Ferrante von Neapel vgl. etwa Butters, Politics; Ders., Florence.

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Die mächtigen Barone hatten sich um 1480 angesichts der vielen erfolglosen, aber teuren Kriege ihres Königs immer stärker von der königlichen Autorität distanziert, indem sie z. B. obligatorische militärische Hilfsleistungen verweigerten, mit denen sie unter den Anjou ihre unbedingte Loyalität demonstriert hatten.59 Um das Ansehen der Krone zu stärken, die opponierenden Barone zu kujonieren und ihre Machtgrundlagen nachhaltig zu beschneiden, plante der Herzog von Kalabrien eine die Baronalmacht unterminierende Reform und beabsichtigte, das die Stadt Neapel in einem Radius von 30 Meilen umgebende Territorium vollkommen der königlichen Domäne zu unterstellen. Das hätte nicht nur den mächtigen Sekretär des Königs, Antonello Petrucci, und den Grafen von Sarno, Francesco Coppola, – zwei reich gewordene soziale Aufsteiger – betroffen, sondern auch den bedeutendsten Baron des Reiches, Antonello Sanseverino, den Prinzen von Salerno, dessen wichtigster Besitz, eben diese bedeutende Hafenstadt, noch in jenem Radius lag.60 Der Thronfolger Alfons von Kalabrien hielt seinen Plan für so grandios, daß er ihn im Sommer 1484 am Rande der Friedensverhandlungen in Bagnolo weitererzählen mußte, und zwar ausgerechnet seinem Feind Roberto Sanseverino, dem (ehemaligen) Grafen von Caiazzo, dem Söldnerführer der Republik Venedig – auf dieses denkwürdige Ereignis hatten wir oben bereits hingewiesen.61 Angesichts des schon von den Zeitgenossen unterschätzten Zusammenhalts der Familie wird Antonello Sanseverino in Salerno rasch von diesem Plan erfahren haben, den freilich auch der Herzog von Kalabrien bei seiner Rückkehr lauthals – und mit drastischer Symbolik versehen – in Neapel verkündete, um die Barone einzuschüchtern.62 Schnell entschloß man sich zu Gegenmaßnahmen, um König Ferrante und seinen Sohn militärisch zu bezwingen, taktierte einige Zeit, um dann im Sommer 1485 loszuschlagen. Von den sieben wichtigsten Offizieren des Königreiches führten vier die Rebellion an, darunter Antonello Sanseverino als Großadmiral und Girolamo Sanseverino, der Prinz von Bisignano, als Kämmerer, denen bis auf einen – Caterina 59 Butters, Politics, S. 20; Ders., Florence, S. 284; Mallett, Diplomacy. 60 Regis Ferdinandi, S. 415. 61 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 415, 435; Butters, Politics, S. 20; Ders., Florence, S. 284f.; s. auch

oben S. 266. Obwohl Butters nur Antonello Petrucci und Francesco Coppola als diejenigen Betroffenen nennt, die durch Roberto Sanseverino von den Absichten des Herzogs Alfonso in Kenntnis gesetzt worden seien, wird man annehmen dürfen, daß er – vermutlich sogar primär – seinen Verwandten Antonello Sanseverino davon informierte, denn mit dem Angriff auf dessen Stellung und dessen bei Neapel liegende Besitzungen war der gesamte Familienclan betroffen. 62 Notar Giacomo, Cronaca di Napoli, S. 153: A di tre de nouembro 1484 lo illustrissimo Don Alfonso duca de calabria intro inla Cita de napoli con tucti li signori del regno con grande triumpho et porto per impresa alle barde del cauallo che caualcaua certe taglie. et diceuase che voleua tucte le castelle che erano intorno innapoli a trenta miglia perché li baruno del regno non volsero andare conlui et portaua quactro muzi. dauanti de ipso con certe scope quali li scopauano dinanzi. doue li baruni decio stauano mali contenti; vgl. auch Colapietra, I Sanseverino, S. 51; Galasso, Il Regno di Napoli, S. 698 (der triumphale Einritt war vom Herzog mit unmißverständlichen Symbolen versehen worden, denn die scope, also die Kehrbesen, sollten bedeuten, daß der Herzog die Barone gleichsam wegfegen würden, während die taglie, hier wohl als Messer zu verstehen, die der Herzog am Harnisch seines Pferdes trug, seinen Entschluß symbolisierten, ihnen die Köpfe abzuschneiden.

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Sanseverinos Bruder Guglielmo, Graf von Capaccio – alle weiteren Grafen aus dem Haus Sanseverino zur Seite standen.63 Besaß generell jede politische Krise in Italien eine europäische Dimension, so diese in besonderem Maße. Denn in einem engen Bündnis mit den aufständischen Baronen stand der Papst, Innozenz VIII., der – recht konträr zur Politik seines im August 1484 gestorbenen Vorgängers Sixtus IV. – den ihm seit langem verhaßten, die päpstliche Autorität mißachtenden König Ferrante vernichten wollte, um dafür den Anjou-Erben, Herzog René II. von Lothringen, im Königreich Neapel zu installieren – und damit der Politik seines Vaters zu folgen.64 In der politischen Korrespondenz des Papstes bildete der gewünschte Zug des Lothringers nach Neapel ein vorrangiges Thema. Zum Führer der päpstlichen Truppen aber ernannte er Roberto Sanseverino, der die Freigabe von Venedig erhielt und mit seinem Sohn Gaspare, dem Fracasso, sowie drei weiteren Söhnen in den Kirchenstaat zog.65 Lassen wir die einzelnen Stationen des gut erforschten Baronenkrieges beiseite. Der Papst und die Sanseverino fanden in Herzog Alfons von Kalabrien einen ebenbürtigen Gegner, eigentliche Kriegshandlungen gab es kaum und die einzige wirkliche Schlacht sah keinen erklärten Verlierer; dies und die leeren Kassen der Kontrahenten führten schon im August 1486 zu einem Friedensvertrag zwischen dem Papst, Neapel und den anderen Mächten, die mehr indirekt in den Krieg verwickelt waren.66 63 Die Namen der Beteiligten werden bei Porzio, Die Verschwörung, S. 128f., aufgeführt; unter

ihnen erscheinen 9 Mitglieder des Hauses Sanseverino, die – da z. T. noch von Bedeutung für die folgenden Ereignisse – im einzelnen genannt werden sollen: Antonello, Fürst von Salerno; Girolamo, Fürst von Bisignano; Barnaba, Graf von Lauria; Carlo, Graf von Mileto; Giovanna, Gräfin von Sanseverino (die Mutter Robertos bzw. Großmutter Antonellos); Giovanni, Graf von Tursi (Antonellos Bruder); ferner ohne Titel: Bernardino und Gismondo Sanseverino. Dazu werden 4 Adlige aus dem Geschlecht der Del Balzo aufgeführt, mit denen Antonello über seine Mutter Berardina del Balzo Orsini verwandt war. Porzio führte freilich auch Guglielmo, Graf von Capaccio (und Bruder von Caterina Sanseverino Orsini), auf, in dessen Haus sich die Verschwörer zu einem ersten konspirativen Treffen einfanden, doch blieb er im weiteren Verlauf des Krieges loyal zu Ferrante und trat offenbar erst nach dessen Tod im Januar 1494 sowie Konflikten mit Ferrantes Nachfolger, König Alfons II. von Neapel, offen zu den Feinden der Aragonesen über; vgl. die Angaben in Regis Ferdinandi, S. 432. 64 Aufschlußreich die Hinweise bei Porzio, Die Verschwörung, S. 124, und bei Galasso, Il Regno di Napoli, S. 694, Anm. 3, Innozenz VIII. bzw. Giovanni Cibo sei Feind der aragonesischen Herrscher von Neapel gewesen, da er aus einer angiovinischen Familie stamme; sein Vater Arano oder Aron Cibo Tomacelli sei lange Jahre für die Anjou Gouverneur der Stadt Neapel gewesen und habe zusammen mit König René I. von Anjou, dem Herzog von Lothringen, 1442 Neapel (erfolglos) gegen die Angriffe der Aragonesen verteidigt. Diese eher strukturelle Aversion gegen das aragonesische Neapel schließt die von Galasso als Hauptmotiv angeführte Intention des Papstes, seinem Sohn Franceschetto ein Territorium im Königreich Neapel zu verschaffen, nicht aus. Hingegen sieht Pastor den Hintergrund des Konflikts stärker im kirchlichautoritativen Bereich, v. a. in verweigerten Zinszahlungen Ferrantes an den Papst; vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 223–240. 65 Vgl. Zanelli, Roberto Sanseverino; Galasso, Il Regno di Napoli, S. 705, 708. 66 Ein guter Überblick bei Galasso, Il Regno di Napoli, S. 698– 709. Die einzige wirkliche Schlacht fand im Mai 1486 bei Montorio (al Vomano, nördlich von L’Aquila) statt und endete mit einem Sieg des Herzogs von Kalabrien über Roberto Sanseverino, der sich am Ende des Ta-

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Obwohl es keinen tieferen Grund für andauernde oder gar verstärkte Aversionen gab, erwuchs aus diesem Konflikt doch eine Konfrontation, die sich zu dauernden Kriegen zwischen den großen europäischen Mächten entwickelte. Dies war prinzipiell schon durch die Involvierung der Anjou in die Verschwörung gegen König Ferrante angelegt. Doch neu war es nicht, die Anjou-Karte zu spielen, und ein wirklicher Treibsatz konnte sich daraus allein nicht ergeben. Daß sich aus dem Baronenkrieg dennoch ein solcher entwikkelte, der zu einer ungeheuren Dynamik führte, liegt m.E. in Gründen, die bisher noch nicht eruiert und zusammenfassend betrachtet wurden. Die diplomatische Lösung vom August 1486 brachte keine politische. Die Sanseverino waren an ihr nicht beteiligt, sahen ihre Ziele nicht erreicht, und König Ferrante dachte weder daran, dem Papst den Lehenszins zu zahlen, noch die im Friedensvertrag zugesicherte Amnestie für die Barone einzuhalten. Seine Strafmaßnahmen gegen die Aufständischen führten durch ihre Härte und durch eklatante Wortbrüche zu neuem Haß. Zwei Tage nach dem Friedensvertrag vom 11. August lud er zwei Häupter der Rebellen, nämlich seinen Sekretär Petrucci und den Grafen von Sarno, mitsamt ihrer Verwandtschaft und ihrem Anhang in das Castel Nuovo zu Neapel ein, um dort die Hochzeit zwischen dem Sohn des Grafen von Sarno und einer Verwandten des Königs zu feiern. Kaum war die Gesellschaft im Kastell, wurden alle Gäste aus dem Umfeld der Aufständischen gefangengenommen. Im November 1486 erfolgte das Urteil, das für die Anführer die Todesstrafe vorsah. Zu verschiedenen Zeiten wurden mit öffentlichen Hinrichtungen einige geköpft, andere gevierteilt, um die Abschreckung zu steigern.67 Mit den Baronen des Hauses Sanseverino wollte Ferrante Frieden schließen, wenn sie ihre Burgen übergäben. Der Großadmiral Antonello traute der Sache freilich nicht. Er kam zwar am 6. Januar 1487 nach Neapel, traf sich mit dem König, reiste dann aber mit drei Söhnen Girolamos, des Prinzen von Bisignano (eines Cousins von Caterina Sanseverino Orsini), nach Rom, von wo aus er die gleichgesinnten Sanseverino zur Flucht bewog und erneut gegen den König agierte. Doch am 16. Juni 1487 sah er sich aus Sicherheitsgründen veranlaßt, über Venedig nach Frankreich in ein freiwilliges Exil zu flüchten.68 Denn mittlerweile hatte Ferrante zu einem schweren und entscheidenden Schlag gegen die verbündeten Verwandten Antonellos ausgeholt. Sie hatten zwar die feierlich angebotene Milde des Königs, die von diesem angebotene Versöhnung und Begnadigung gesucht, hatten wie gefordert ihre Burgen übergeben und sich im Dezember 1486 nach Neapel ges lediglich vom Schlachtfeld zurückzog und sich nicht als Verlierer sah. Etwas später standen sich beide Kontrahenten bei Velletri erneut gegenüber, wo Alfons von Kalabrien sich nur durch den Einsatz seiner türkischen Reiter retten konnte; vgl. Porzio, Die Verschwörung, S. 202–209, Regis Ferdinandi, S. 435; Galasso, a.a.O., S. 708; Butters, Florence, S. 288. Obwohl Porzio den Ort der Schlacht eindeutig als das bei L’Aquila am Fluß Vomano gelegene Montorio beschreibt, das auch nach dem Ablauf der Truppenbewegungen sinnvoll erscheint, identifizierten Galasso und Butters ihn mit Castello Montorio, das nördlich des Lago di Bolsena bei Acquapendente liegt. 67 Vgl. die ausführliche Schilderung bei Porzio, Die Verschwörung, S. 244–256; ferner Galasso, Il Regno di Napoli, S. 709–711. 68 Die genauesten Informationen hierzu und zum Folgenden bietet Regis Ferdinandi, S. 418.

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unter die Obhut des Königs begeben, der dort mit ihnen wegen der Rückgabe der Güter verhandeln wollte. Doch wegen des begründeten Verdachts, aus dem Königreich Neapel fliehen zu wollen, wurde am 12. Juni 1487 der zu den ehemaligen Rebellen zählende Carlo Sanseverino, Graf von Mileto, zusammen mit zwei weiteren Männern und mit Antonellos zweijährigem Sohn Roberto von Ferrante in Haft genommen und ins Gefängnis des Castel Nuovo geworfen.69 Dies Ereignis muß Antonello Sanseverino zur Flucht aus Rom veranlaßt haben. Aufgrund der Geständnisse des Carlo Sanseverino erfolgte am 4. Juli 1487 der zweite, noch härtere Schlag. Bei einem Turnier in den Gräben des Castel Nuovo ließ der König u. a. den Fürsten von Bisignano, d.h. Girolamo Sanseverino (Bruder Carlos, Cousin von Caterina Sanseverino), den Grafen von Lauria, also Barnaba Sanseverino (Cousin Carlos und Girolamos), sowie Barnabas Schwester Sveva und deren Mutter, die alte Gräfin Giovanna Sanseverino (die Großmutter Antonellos) gefangennehmen und ebenfalls ins Gefängnis des Kastells stecken, wohin später auch noch einige Frauen und Kinder der Verhafteten gebracht wurden.70 Um sich vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen und die Fürsten Europas nicht gegen sich aufzubringen, ließ der König die Anklageschrift des Prozesses gegen die Sanseverino und die anderen Rebellen drucken und offenbar in ganz Europa, sin in Inghilterra, zur Rechtfertigung verteilen.71 Möglicherweise war damals schon das Schicksal der meisten Gefangenen besiegelt. Als ein Indiz eklatanter Legitimationsprobleme wird man die Tatsache werten dürfen, daß alle mit der Todesstrafe bedachten Gefangenen, darunter auch die greise Gräfin Giovanna, Frauen und Kinder, in den folgenden Jahren klammheimlich ermordet wurden – denn in keiner Quelle gibt es genaue Aussagen über das Datum und die Art des Todes –, und daß im Gegensatz zu den ersten Rebellen wie Coppola und Petrucci keiner der gefangenen Sanseverino und ihrer Verbündeten öffentlich hingerichtet wurde. Der zweijährige Roberto, Sohn Antonellos, wurde freilich als politisches Druckmittel in Gefangenschaft gehalten, bis er nach acht Jahren Ende März 1495 durch die Franzosen befreit werden konnte.72 Von den Ermordeten ist offensichtlich auch niemand 69 Regis Ferdinandi, S. 418, 423; Pontieri, La politica, S. 231f. (aus dem Brief des Florentiner

Gesandten in Neapel, Bernardo Rucellai, vom 11.6.1487 wird deutlich, daß auch andere Aufständische aus dem Königreich geflohen waren und daß Guglielmo Sanseverino, der Graf von Capaccio, der bis dahin loyal zum König stand und noch ausführlicher zur Sprache kommen wird, ebenfalls in Verdacht geriet); Galasso, Il Regno di Napoli, S. 712. 70 Porzio, Die Verschwörung, S. 258–262; Regis Ferdinandi, S. 423, 427, 429; Galasso, Il Regno di Napoli, S. 712f. Zu den Verhafteten zählten ferner der Fürst von Altamura, der Graf von Ugento, der Herzog von Melfi, Giovanni Caracciolo (der mit Sveva Sanseverino verheiratet war und seinen Sohn Troiano 1485 mit Ippolita Sanseverino vermählt hatte, der Tochter des Guglielmo Sanseverino, Graf von Capaccio), sowie ein Sigismondo Sanseverino und mehrere ungenannte Frauen der verhafteten Sanseverino mitsamt ihren Kindern. Aus einem Brief des Florentiner Botschafters Bernardo Rucellai vom 7.7.1487 wird ersichtlich, daß es dem König offenbar zugleich um die Beschlagnahmung großer Geldsummen aus dem Vermögen der inhaftierten Sanseverino ging; vgl. Pontieri, La politica, S. 288f. 71 Galasso, Il Regno di Napoli, S. 713. 72 Natella, I Sanseverino, S. 129f.; Colapietra, I Sanseverino, S. 77 (1492 ist er zentrales Objekt von Vertragsverhandlungen zwischen der Kurie und Neapel).

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begraben worden; das Volk wußte von Säcken, die ins Meer geworfen wurden. 73 Als „un certo diritto riconosciuto, se non giustificato“, welches ein anachronistisches Urteil über diese Hinrichtungen als perfide und grausame Form von Staatsräson nicht erlauben würde,74 will mir das Schicksal der Sanseverino nicht erscheinen. Doch mag man über die Rechtmäßigkeit streiten können, es hat die überlebenden Sanseverino sicherlich nicht zur Loyalität gegenüber ihren aragonesischen Herrschern zurückgeführt – ganz im Gegenteil!

c) Die Sanseverino und die Vorbereitung des französischen Marsches auf Neapel Durch ihre militärische, politische und soziale Potenz gehörten die Sanseverino zu den wichtigsten Protagonisten des traditionellen, nun aber in neuer Schärfe seit dem Ende des 15. Jahrhunderts ausgefochtenen Antagonismus zwischen den beiden großen Dynastien, den Europa zunehmend polarisierenden Mächten. Mögen einige wenige zeitweise ihrem Territorialherrn loyal gewesen sein – seit den 90er Jahren werden alle Sanseverino in beeindruckender und folgenreicher Geschlossenheit zu erbitterten Gegnern der Aragonesen und zu entschiedenen Anhängern der Franzosen. Genau die gleiche Entwicklung vollzog sich bei einem weiteren der großen italienischen Hochadelsgeschlechter, bei den Orsini. Wie dies in den wichtigsten Zügen ablief und warum, wird uns nun beschäftigen, und es muß uns interessieren, da ja beide Adelshäuser zu den wichtigsten Freunden und Helfern der exilierten Medici zählen. Faszinierend wird dieser Wandel, weil er alle drei Familien noch stärker als je zuvor zusammenführen wird, weil er sie zu zentralen Parteigängern der französischen Interessen werden ließ, weil auch das scheinbar nebensächlichste Detail der Familiengeschichten eo ipso eine politische Bedeutung europäischen Ausmaßes besaß. Daß diese bisher noch nicht hinreichend gewürdigte, äußerst folgenreiche Verdichtung einer rationalen, einsichtigen Logik und verpflichtenden familiären Vernetzungen folgte, sollte das Thema wie den methodischen Zugriff über das Spezielle hinaus interessant machen. Antonello Sanseverino hatte sich Ende Juni 1487 von Rom nach Venedig begeben, wo er Unterstützung durch seine Verwandten aus der Familie Roberto Sanseverinos, des Gra73 Alle Gefangenen sind offenbar nach dem Januar 1488 und bis Ende 1490 ermordet worden,

doch die Vorgänge bleiben aufgrund der Heimlichkeit weitgehend im dunkeln; vgl. Regis Ferdinandi, S. 423, 427, 429. 74 So Galasso, Il Regno di Napoli, S. 713 (man müßte wohl genauer differenzieren, ob es sich bei den Ermordungen der Gefangenen um eine übliche Form der „pena estrema“ gegenüber rebellierenden Untertanen handelte; abgesehen davon, daß alle huldvoll begnadigt worden waren und sich im Vertrauen darauf in die Gewalt des Königs begeben hatten, dürfte insbesondere der gegenüber den ersten Urteilen ungewöhnliche Ausschluß der Öffentlichkeit für eine legitimatorische Verunsicherung sprechen). Im übrigen hatten auch italienische Zeitgenossen wie Kardinal Ascanio Sforza das Blutbad an den Sanseverino vor dem Hintergrund eines Versöhnungsfriedens nur als einen herausragenden Beweis eines häufiger zu beobachtenden Verrats der damaligen aragonesischen Herrscher von Neapel angesehen; vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 506.

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fen von Caiazzo, fand, wandte sich von dort über Lothringen nach Frankreich, um sich schließlich am 12. Juni 1489 in Plessis-les-Tours am Hof König Karls VIII. einzufinden.75 Aus seiner Begleitung sind die beiden Söhne seines Cousins Girolamo, des Prinzen von Bisignano, hervorzuheben: Bernardino, Graf von Chiaromonte, und Onorato, Graf von Avellino. Am Königshof arbeiteten sie, des Französischen mächtig, intensiv für das Projekt einer Eroberung Neapels durch König Karl VIII., um unter französischer Herrschaft Antonellos Ländereien und Rechte sowie die seiner Verwandten zurückzuerlangen und erneut die unbestritten führende Adelsgruppe im Regno zu stellen. Beim König und wenigen seiner Räte stießen die Sanseverino auf uneingeschränktes Wohlwollen, das von fremden, noch zu nennenden Kräften unterstützt wurde.76 Der König zeigte sich deshalb grundsätzlich bereit, den Exilierten zu helfen. Sie erhielten eine königliche Pension und

75 Commynes, Mémoires VII/2 (tom. III, S. 10f.); vgl. in deutscher Übersetzung: Commynes,

Memoiren, S. 287f.; Regis Ferdinandi, S. 418f.; am instruktivsten für den Frankreichaufenthalt der Sanseverino und für ihre Beteiligung am Italienzug Karls VIII.: Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), hier S. 191; zu konsultieren ist hier auch die spätere Studie von Labande-Mailfert zum gleichen Thema, die unter Berücksichtigung der nach 1975 erschienenen Literatur manches neu akzentuiert, leider aber ohne Fußnoten und Belege auskommt; vgl. Dies., Charles VIII (1986), hier S. 111f.; zum Datum der Ankunft im Schloß Plessis-les-Tours: Luc, Un appel, S. 344, Anm. 2; vgl. ferner Colapietra, I Sanseverino, S. 70f., 76; De Frede, Napoli, S. 296f. Commynes berichtet, Antonello Sanseverino sei nach Venedig gezogen, weil er dort einen großen Anhang gehabt habe. Dies wird auf Roberto Sanseverino, den Grafen von Caiazzo, zu beziehen sein, der durch seine Dienste für Venedig seit 1483 auch im Dominium der Republik mit der Herrschaft über Cittadella (bei Padua) ein Territorium besaß, das nach dem Tod des fast 70jährigen Roberto im August 1487 bei einer militärischen Auseinandersetzung mit Deutschen in der Nähe von Trient an seine Söhne überging; vgl. Sanuto, Diarii I, Sp. 54f., 749; Regis Ferdinandi, S. 435. Antonello Sanseverino habe, so Commynes weiter, ihm selbst erzählt, daß er die Venezianer um Rat gebeten habe, ob er zum Herzog von Lothringen, zum König von Frankreich oder (was kaum als ernsthafte Alternative gemeint gewesen sein kann) zum König von Spanien ziehen sollte, und daß diese im Lothringer einen nunmehr einflußlosen, ‚toten‘ Mann gesehen, von Spanien wegen der potentiellen Dominanz in Italien abgeraten und den französischen Königshof empfohlen hätten. Dennoch reiste der Sanseverino mit seiner Begleitung zunächst über Piemont und Süddeutschland nach Lothringen, wo er Anfang 1488 am Hof Renés II. in Nancy eintraf – vermutlich aufgrund der engen Freundschaft zwischen René und Roberto Sanseverino; s.o. Anm. 49. Trotz der Einsicht, in dem Herzog nicht das geeignete Mittel für seine Pläne gefunden zu haben, kam er erst am 12.6.1489 in Plessis-les-Tours an den Hof König Karls VIII. Mit Blick auf die Vertrauten Antonello Sanseverinos im Venezianischen ist auch an jene Familienmitglieder aus dem Zweig der Grafen von Caiazzo zu erinnern, die nach ihrer gescheiterten Herrschaft im Tessin in Venedigs Territorium Zuflucht gefunden hatten; vgl. oben Anm. 16. Zu den Sanseverino am Hof des Lothringers und zu dessen Verhältnis mit Lorenzo de’ Medici: Böninger, René II. 76 Der Einfluß der neapolitanischen Barone auf die Planung und Durchsetzung des Italienzuges Karls VIII. ist in der Forschung früh und oft konstatiert worden, aber nicht unter Berücksichtigung des gesamten handlungstragenden Zusammenhanges dargestellt worden; vgl. etwa Delaborde, L’expédition, S. 190 („La présence des barons napolitains à la cour fut incontestablement une des causes déterminantes de l’expédition de Charles VIII; mais pendant plusieurs années les dangers qui menacèrent la France ne permirent pas au roi de suivre leurs inspirations.“); Bulst, Karl VIII., S. 372.

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ein Kastell in Burgund.77 Denn die Idee vom legitimen Erwerb des neapolitanischen Throns durch den französischen König als Erbe der Anjou-Ansprüche unter Ausschluß der lothringischen Rechte war bekanntlich seit Jahren am Königshof artikuliert und ausgeformt worden.78 Doch nun, mit der Ankunft der Sanseverino, erhielt sie gleichsam ihr Feuer, eine lodernde Kraft durch den Haß der Sanseverino auf die aragonesische Dynastie. Deren Beseitigung, aber auch Rache bildete neben dem Rückerwerb der Güter das zentrale Motiv der Sanseverino-Flüchtlinge.79 An eine sofortige Umsetzung des Planes war allerdings noch nicht zu denken, denn außen- und innenpolitische Probleme hielten Karl VIII. vorerst von dem Italienzug ab. Doch schon parallel zur allmählichen Lösung dieser Hindernisse (Frieden von Frankfurt mit Maximilian I. bereits im Juli 1489, aber z. B. noch keine Beendigung des Krieges in der Bretagne) wurden die Vorbereitungen für den epochalen Italienzug intensiviert. Eine der maßgeblichen Kräfte, die gleichsam von außen auf den König einwirkte, bildete die römische Kurie unter Innozenz VIII., der trotz des Friedens von 1486 mit Ferrante weiterhin über seine Nuntien in Frankreich mit Nachdruck auf eine französische Eroberung Neapels hinarbeitete. So waren es bezeichnenderweise die päpstlichen Nuntien Antonius Flores und Leonello Chieregato (Clericatus), die schon am 21. Dezember 1489 vom königlichen Hof aus Orléans an den Prinzen von Salerno schrieben, er solle sich nach Moulins begeben, wo der Hof demnächst eintreffe und wo er gebraucht würde.80 Am 10. Februar 1490 kamen die Sanseverino in Moulins an, wo neben dem König die wichtigsten Räte und Offiziere auf sie warteten. In den folgenden Tagen beratschlagten die Experten bereits die praktischen Probleme einer Eroberung des Königreiches Neapel. Mit zahlreichen und unterschiedlichsten Fragen bombardierten die Franzosen Antonello Sanseverino als besten Kenner des Landes; und dieser feuerte sie enthusiastisch an, das Unternehmen zu beginnen, zeichnete sogar Pläne des Königreichs und beschrieb, wie man mit einem Heer auf dem Land- und Seeweg angreifen könne.81 Zur gleichen Zeit, am 10. Februar 1490 und nochmals am 20. 77 Luc, Un appel, S. 344, Anm. 2; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 191. 78 Zur Präzisierung der königlichen Ansprüche auf das Anjou-Erbe vgl. Labande-Mailfert, Charles

VIII (1975), S. 169–196. 79 Eine ähnliche Formulierung schon bei Pontieri, Napoletani, S. 136f. 80 Luc, Un appel, S. 344, Anm. 3 (aus dem Brief der Nuntien an den Papst vom 21.12.1489: Hodie

scripsimus principi Salernitano ... ut omnino veniat ad Curiam regiam ubi erit opportunus...). Zu den beiden Nuntien vgl. auch Frenz, Die Kanzlei, S. 286 (der Doktor beider Rechte Antonius Flores war pikanterweise Spanier, Kleriker der Diözese Sevilla), 398. 81 Die Szene wird am 18.2.1490 von den Nuntien eindringlich beschrieben: Isti [die Franzosen] videntur satis animati ad assumendum istam provinciam, eosque, quantum possum, confirmare studeo. Sed bellum britannicum est in causa quod materia diferatur. Salernitanus princeps non deest cum socio suo comite Claromontensi [Bernardino Sanseverino, Sohn des in Neapel gefangenen Girolamo, des Cousins von Antonellos Vater Roberto, des Fürsten von Salerno]: ... loquuntur cum ... domino et domina de Borbonio, cum domino de Cordes, et cum gubernatore Burgundie: sunt enim hii armorum capitanei insignes. Querunt ab ipso principe Salerni de modis conducendis ad istud bellum, de numero exercitus, de castrorum situ et agminibus, de oppidorum expugnationibus, de commeatu, de insidiis faciendis atque vitandis, et de reliquis rebus que sunt pro belli administrandi [sic]. Ipse ardenter eos incitat, et in pictura descripsit situm Regni

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Februar, gab Karl VIII. den Befehl, alle Dokumente zusammenzustellen, die seine Rechte auf die Grafschaft Provence (und damit das Anjou-Erbe) belegten.82 Bereits im März 1490 wurde in Marseille mit dem Bau einer Flotte begonnen, der von Louis de Villeneuve geleitet wurde, einem Freund Antonello Sanseverinos, der – hier zweifellos von funktionaler Bedeutung – ja Admiral des Königreichs Neapel war, als solcher 1481 Sieger der Seeschlacht bei Otranto gegen die Türken, und der 1494 tatsächlich einen Teil der französischen Flotte befehligen wird.83 (Und jener Louis de Villeneuve, Seigneur de Séranon und Trans, wird wenige Jahre später v. a. als Freund des exilierten Giuliano de’ Medici erscheinen!) König Ferrante, der über seinen Gesandten von dem Treffen in Moulins Kenntnis erhalten hatte und gravierende Folgen für sich und seinen Staat durch die Anwesenheit der Sanseverino am französischen Hof befürchtete, versuchte der Bedrohung zu entgehen, indem er dem Prinzen von Salerno sowie dessen gefangenen Verwandten noch im März 1490 die Rückgabe der konfiszierten Güter in Aussicht stellte.84 Doch die Dynamik, die durch die neue Allianz entstanden war, konnte nicht mehr gebremst werden; der Italienzug selbst war nur eine Frage der Zeit, abhängig von den politischen Umständen. Von den wesentlichen Kräften, die außer den Sanseverino in der Nähe des Königs für das Unternehmen eintraten, wird eine in der Forschung recht häufig genannt, eine andere eher am Rande. Unter den einflußreichen Räten Karls VIII. propagierte nur Etienne de Vesc rückhaltlos den Plan einer Eroberung Neapels. Er hatte sich seit der Jugend des Königs an dessen Seite befunden.85 Die Testamente der Anjou, die Karl VIII. schon 1484 wegen der darin enthaltenen Rechtsansprüche auf Neapel aus der Provence zu sich bringen ließ und die offenkundig bei dem ersten Treffen der Sanseverino mit dem König konsultiert wurden, ließ Karl am 17. Juni 1489 durch Etienne de Vesc an die Chambre des Comptes nach Paris bringen.86 Zu seinen Freunden zählten außer dem Kardinal Jean Balue, der in Rom die französischen Interessen vertrat und von dort aus – wie aus einem Brief vom 21. Oktober 1489 ersichtlich wird – mit Etienne de Vesc die Ausschaltung der

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modumque illud oppugnandi maritimo atque terrestri exercitu...; zit. nach Luc, Un appel, S. 344f., Anm. 4; vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 174f., 191f. (mit kaum 14 Jahren hatte Karl VIII. 1484 zum ersten Mal den Befehl zur dokumentarisch-rechtlichen Absicherung seiner Ansprüche auf das Königreich Neapel gegeben). Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 192. Zum Flottenbau vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 241f. Die häufig, auch von Labande-Mailfert geäußerte Abwertung, der Sanseverino sei kein wirklicher nautischer Fachmann gewesen, ist von Natella zurückgewiesen worden. Der im Juni 1477 zum Admiral ernannte Antonello hatte noch im gleichen Monat mit einer Flotte König Ferrantes zweite Frau, Giovanna von Aragón, aus Katalonien geholt, und 1481 war er Oberbefehlshaber der siegreichen neapolitanischen Flotte, bestehend aus 40 Galeeren und 25 Schiffen, die Otranto aus der Hand der Türken befreite; vgl. Natella, I Sanseverino, S. 117–119. Luc, Un appel, S. 346; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 192f. Boislisle, Etienne de Vesc (1879); Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 17, 19f. und s.v. Labande-Mailfert, Charles VIII (1986), S. 174 (am 10.2.1490, als ein weiteres Treffen der Sanseverino mit dem König und nun auch den päpstlichen Nuntien anstand, forderte Karl VIII. die Testamente erneut an).

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aragonesischen Dynastie in Neapel vorbereitete,87 dann auch Antonello Sanseverino und Guillaume Briçonnet. Francesco di Paola Für den Krieg gegen das aragonesische Neapel warb aber mit Nachdruck ebenfalls ein Mann, der zu den einflußreichsten in der Nähe des Königshofes zählte, doch dem man in diesem Kontext kaum eine Bedeutung zumessen würde: der Eremit Francesco di Paola, der wahrscheinlich 1438 in dem gleichnamigen Ort in Kalabrien geboren wurde. Er war wegen seiner ihm nachgesagten Wundertätigkeit 1482 vom sterbenskranken König Ludwig XI. nach Frankreich geholt worden, der ihn zugleich bat, seine Hand über den jungen Thronfolger Karl zu halten.88 Zwischen diesen beiden entwickelte sich denn auch eine äußerst innige Beziehung. Karl ließ dem kalabresischen Eremiten, der sich in Frankreich schnell ein geradezu heiligmäßiges Ansehen erworben hatte, Konvente in unmittelbarer Nähe der königlichen Residenzen von Plessis-les-Tours und Amboise errichten. Immer wieder wurde er schon von Ludwig XI., dann besonders intensiv von seinem Nachfolger Karl VIII. und von Mitgliedern des Königshauses um Rat gebeten. 1492 wurde er Taufpate von Karls VIII. Sohn Charles-Orland und wählte diesen Namen aus – wobei der für französische Thronfolger völlig ungewöhnliche Name einen programmatischen (und letztlich antiaragonesischen) Italienbezug aufweist, war Roland/Orlando doch gerade südlich der Alpen eine überall gegenwärtige Gestalt und galt er doch vor allem, an der Seite Karls des Großen, als Bekämpfer der Sarazenen in Süditalien.89 Maßgeblich aufgrund der Fürsprache Karls VIII. wurde 1493 durch Alexander VI. die Ordensregel Francescos approbiert, dessen Minimiten- bzw. Paulanerorden sich rasch in Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland ausbreitete. Wie immer die um Francesco sich webenden Legenden beurteilt werden, fest steht, daß er noch zu Lebzeiten zu einem französischen Nationalheiligen wurde. Ihm zu Ehren und seinem Orden zu Nutzen versprach Karl VIII. bei seinem Romaufenthalt Ende 1494 den Bau der Kirche der Trinità dei Monti (oberhalb der späteren, weltberühmten Spanischen Treppe), die sein Nachfolger Ludwig XII. ab 1502 errichten ließ; und tatsächlich ist Francesco kurz nach seinem Tod 1507 durch massive Intervention des Königshauses während der ersten Regierungsjahre von Franz I. (der

87 Luc, Un appel, S. 339; vgl. zu Jean Balue in diesem bis zum Baronenkrieg zurückreichenden

Kontext auch De Frede, Napoli, S. 286f., 293; Tewes, Römische Kurie, s.v. 88 Vgl. hierzu und zum Folgenden v. a. die zusammenfassenden Ausführungen von Labande-

Mailfert, Charles VIII (1986), S. 91–95, 154–161. Zum Einfluß des Francesco di Paola in Frankreich ebenfalls instruktiv: Lecoq, François Ier, bes. S. 436–438. 89 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 190f.; Dies., Charles VIII (1986), S. 154, 157– 161. Wie ein bildhafter Ausdruck der innigen Verbundenheit zwischen Karl VIII. und Francesco di Paola mutet deren Verhalten vor der Taufe an, als sie lange vor dem Einmarsch der Taufgesellschaft zusammen in die Kirche Saint-Jean du Plessis gingen und Hand in Hand gemeinsam beteten und in dieser Haltung auch der weiteren Zeremonie beiwohnten.

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nach Francesco benannt worden sein soll) durch Papst Leo X. unter gänzlich singulären Bedingungen in die Reihen der Heiligen aufgenommen worden.90 Bemerkenswert ist die Verbindung des kalabresischen Asketen zu den Sanseverino, die auf enge frühere Kontakte und auf Schenkungen der Sanseverino für Francescos Eremitenbewegung im Königreich Neapel zurückgehen.91 Seine besonderen Gönner waren die Angehörigen des Prinzen von Bisignano. Dieser hatte seinen Besitz Corigliano zu einem bevorzugten Residenzort gemacht und ließ dort Francesco di Paola einen neuen Konvent bauen, welcher der Santissima Trinità geweiht wurde. Francesco soll dort Girolamo Sanseverino – dessen Söhne Bernardino und Onorato mit Antonello nach Frankreich ins Exil gingen – von der Epilepsie geheilt haben.92 Überliefert ist ein Brief der Prinzessin von Bisignano und Herzogin von San Marco an Francesco aus dem Jahre 1463, in welchem sie, aus ihrem Kastell in Cassano schreibend, sich über den Fortschritt beim Bau eines Konventes für Francesco freute und ihm die baldige Zusendung weiterer Geldmittel versprach. Noch aufschlußreicher ist ein Brief des Eremiten an die principessa di Bisignano vom 6. Juni 1482 aus Tours, mit dem er sie und ihren Mann (vermutlich Girolamo, da Luca zu jener Zeit nicht mehr gelebt haben dürfte) zu seinen Prokuratoren für den Konvent von Santa Trinità in Corigliano und alle weiteren seiner Konvente im Königreich Neapel ernannte und ihnen die Aufsicht über deren Konstitutionen als seine Stellvertreter übertrug.93 Francesco di Paola hatte also noch in Frankreich engste Beziehungen zu den Sanseverino, denen er sein Lebenswerk in Süditalien anvertraute! Ob er damals ein ständiger und überzeugter Gegner der aragonesischen Herrschaft war, von der er zumindest zeitweise Repressalien zu erdulden hatte, ist umstritten. Evident ist jedoch, daß er in der Vorbereitungszeit des Italienzuges als dessen offener Befürworter erscheint – ob nun erst von den Sanseverino überzeugt oder bereits manifest, bleibt da von nachrangiger Bedeutung.94 90 Zur Kanonisierung vgl. Pietschmann, Heiligsprechung. Das Patronat der Kirche ist kein Zufall,

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verehrte Francesco doch gerade die Santissima Trinità ganz besonders; vgl. Perrimezzi, Vita I, S. 24f. Als Protektor seines Ordens wählte er den Erzengel Michael (Perrimezzi, a.a.O. S. 24f., 101f.), der ja gerade für die französische Monarchie eine herausragende Bedeutung besaß – auf die Rolle des Michaelsordens kommen wir noch zu sprechen. Labande-Mailfert, Charles VIII (1986), S. 112. Die Angaben in der Literatur sind sehr widersprüchlich und teilweise unglaubwürdig; vgl. etwa Perrimezzi, Vita I, S. 278–288, 296f., nach welchem Bernardino, der Sohn des ca. 1465 geborenen Girolamo Sanseverino, den Heiligen nach Corigliano geholt habe, der dort Bernardinos Sohn Pier Antonio von den Folgen eines Schlaganfalls geheilt habe; Acta Sanctorum, S. 197 (Hinweis auf einen Brief der Prinzessin von Bisignano an Francesco di Paola von 1464), 202. Es handelt sich offensichtlich um den Konvent beim heutigen Corigliano Calabro, nordöstlich von Paola und Bisignano, den Francesco ab ca. 1458 bauen ließ – so Centuria di lettere, Anm. zu Brief Nr. 72, S. 323f. Vor seiner Abreise 1482 nach Frankreich war er fast vollendet; Bernardino ließ ihn nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil weiterbauen. Vgl. Centuria di lettere, S. 220, 323f. Eine von antiaragonesischen Intentionen bestimmte Befürwortung des Italienzuges durch Francesco di Paola nimmt mit guten Gründen Labande-Mailfert an; vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 190f.; Dies., Charles VIII (1986), S. 157–161. Ähnlich, aber weniger fundiert:

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So wirkt es bezeichnend, daß Antonello Sanseverino mit seiner Begleitung sofort nach seinem ersten Treffen mit Karl VIII. im Juni 1489 in Plessis-les-Tours den Eremiten und Landsmann in dessen Einsiedelei La Bergerie du Plessis-les-Tours aufsuchte.95 Anwesend waren hierbei eben auch die Söhne von Girolamo Sanseverino, dem Prinzen von Bisignano, Sachwalter und offensichtlich engsten Vertrauten Francescos. Angesichts dieser tiefen Verbundenheit erscheint es sehr plausibel, daß der Eremit sich spätestens nach der Schilderung der grausamen Tötung Girolamos – seines Stellvertreters im Königreich Neapel! – und der anderen gefangenen Sanseverino eindeutig auf die Seite der Gegner der Aragonesen stellte, und daß die Namengebung für den Thronfolger eben diese Haltung zum Ausdruck brachte.

d) Die Sanseverino als Architekten der neuen Allianz Mailand-Frankreich Nachhaltige Dynamik erhielt der noch in den Vorbereitungen befindliche Italienzug Karls VIII. durch eine neue diplomatische Allianz zwischen Frankreich und Mailand. Bereits Ende 1491 hatte Ludovico Sforza ein gegen Neapel gerichtetes Bündnisangebot an Frankreich unterbreitet, mit dem er präventiv zweierlei erreichen wollte: die Vermeidung einer Intervention König Ferrantes von Neapel zugunsten seiner Tochter Isabella, die mit Gian Galeazzo Sforza verheiratet war, dem nominellen, aber vom Moro entmachteten Herzog von Mailand, sowie eine Isolierung des anderen gefährlichen Konkurrenten um die Macht, des Herzogs Ludwig von Orléans, der wegen seiner Visconti-Ahnen Ansprüche auf den mailändischen Thron erheben konnte.96 Mit Blick auf die bekannte Unzuverlässigkeit Ludovicos, der aufgrund seiner Verhandlungen mit Maximilian I. kaum verhohlen ein Doppelspiel betrieb, ist es um so entscheidender für die mailändisch-französische Entente gewesen, daß diese von hochrangigen und einflußreichen Mailänder Adligen getragen wurde, die trotz gewisser Loyalitäten gegenüber dem Moro in fundamentaler Weise für die französische Sache einstanden. Dies waren die zahlreichen Söhne des Condottiere Roberto Sanseverino, des ehemaligen Grafen von Caiazzo. Auch ihr Handeln wurde von dem Motiv getragen, die Sanseverino-Herrschaft in Süditalien zu restituieren und sich an den Aragonesen zu rächen. Der unermüdliche Betreiber des Italienzuges aber war Antonello Sanseverino; und unverkennbar ging es ihm sehr früh darum, den Herrscher Mailands für seine Interessen, für den kommenden Krieg gegen Neapel zu gewinnen. Spätestens im Mai 1491 hatte er mit Hilfe des französischen Königs Ludovico il Moro bewegen können, für seine Sache bei König Ferrante einzutreten.97 Im August 1491 suchte sein Adlatus Bernardino SanseveriDelaborde, L’expédition, S. 314f. (Francesco sei Anhänger der Anjou und Feind des Ferrante gewesen; er sei einst vom Prinzen von Bisignano, also Girolamo Sanseverino, protegiert worden); Le Signorie, S. 729. 95 Labande-Mailfert, Charles VIII (1986), S. 112. 96 S.u. S. 471. 97 ASM, SPE, Francia 548 (17.5.1491, Erasmo Brascha, mailändischer Botschafter in Frankreich, an Ludovico Sforza).

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no, der Graf von Chiaromonte, zusammen mit Antonellos Freund Louis de Villeneuve den Moro persönlich auf, um den Zögernden zu mehr Aktivität für die exilierten Sanseverino zu bewegen.98 Als dieser trotz wiederholten Drängens Antonellos immer noch nicht offen Partei ergriff, setzte ihn der Prinz Ende Oktober, Anfang November unter Druck, indem er offen mit dem Herzog Ludwig von Orléans, der bekanntlich wegen seiner eigenen Ansprüche auf Mailand zu den Gegnern des Italienzuges gehörte, paktierte, um diesen zu nove imprexe in ytalia zu verleiten. Mit den – die Verfassung Antonellos etwas despektierlich charakterisierenden – Worten von Erasmo Brascha, Ludovicos Botschafter in Frankreich, sei diese Anstiftung zu Übergriffen auf die Lombardei nicht verwunderlich, denn es sei bei Verzweifelten üblich, neue, ungeheuerliche Dinge zu versuchen (è chostume de desperati a temptare nove cosse).99 Zu den neuen Mitteln des ‚Verzweifelten‘ zählte nun ganz offensichtlich auch eine direkte Verständigung mit seinen mailändischen Verwandten, die damals alle wichtige Positionen am Hof Ludovicos bekleideten und von diesem protegiert wurden. Über sie hoffte er wohl den erwünschten Einfluß auf den Moro zu gewinnen. Am 4. Januar 1492 berichtete Brascha dem Sforza aus Tours, daß der Prinz von Salerno ihm jede Stunde in den Ohren liege, um die gewünschte Antwort des Moro zu erhalten; mit dem Überbringer dieses Briefes schreibe Antonello aber zugleich dem Conte di Caiazzo, also Gianfrancesco Sanseverino (dem uns schon aus seiner Florentiner Zeit bekannten ältesten Sohn Robertos und Erben des Titels eines Grafen von Caiazzo), und er setze den Moro in Kenntnis, daß Antonello seinen Verwandten so schnell wie möglich persönlich aufsuchen wolle.100 98 ASM, SPE, Francia 548 (6.8.1491, 15.9.91, Erasmo Brascha an Ludovico Sforza; am 15.9.

berichtet er dem Moro, daß er dem principe di Salerno den Brief Moros an Brascha gezeigt habe, in welchem Ludovico sich circa la particularità des Prinzen geäußert habe, welcher ihn wohlwollend zur Kenntnis nahm, doch mit großem Nachdruck und mit Hinweis auf den Monsignore di Serenono den Moro wiederum um eine schnellstmögliche Intervention für ihn bat); zur Freundschaft zwischen Antonello Sanseverino und Louis de Villeneuve vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 241. 99 ASM, SPE, Francia 548 (3.11.1491, Brascha an Ludovico Sforza: ... El principe di Salerno gia sono alcuni giorni mi dimonstroe essere in grande displicentia per non havere doppo avixo alcuno de quello che la Ex. V. voglia fare in la causa sua et disse che la Ex. V. in questo dimonstrava fare pocho conto di luy! Io li risposi ch’el non dovessi stare di mala voglia perché mi rendeva certo che questa tardeza resultaria tutta ad beneficio et honoro suo. Et che le cosse grande non si possono alcuna volta terminare con quella celerità che l’huomo desidera: pur al iuditio mio non resto ben contento! Et da alcuni giorni in qua lo vedo molto pratichare col Duca d’Orliens, et intendo si sforza volerlo suadere ad fare nove imprexe: in ytalia che non è difficile a credere perché come sa la S. V. è chostume de desperati a temptare nove cosse). Zur Einflußnahme Antonellos auf Ludwig von Orléans, die neben der bewußten Provokation des Moro auch auf eine grundsätzliche Unterstützung des Italienzuges zielte, vgl. ferner Delaborde, L’expédition, S. 225; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 211f. 100 ASM, SPE, Francia 549 (4.1.1492, Brascha an Ludovico Sforza. Brascha erwähnte außerdem, daß Antonello ihn informiert habe, er habe den Herzog von Orléans von bestimmten Praktiken des Fracasso, also Gaspare Sanseverinos, in Asti unterrichtet. Da Asti dem Herzog gehörte, wollte Antonello damit sicherlich noch mehr Druck auf den Moro ausüben. Ein weiteres Thema vieler Briefe Braschas aus jenen Monaten war der französische Ärger über die Übergriffe des

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Am 16. Januar 1492 wurde dann tatsächlich die seit Wochen vorbereitete Liga zwischen Mailand und Frankreich abgeschlossen.101 Durch eine prominent besetzte Gesandtschaft aus Mailand wurde das Bündnis konkreter. Bereits am 11. Februar 1492 begab sich Bartolomeo Chalco, der Sekretär des Moro, in den Palast von Gianfrancesco Sanseverino, um ihm die erste Fassung der Instruktionen für seine vorgesehene Gesandtschaftsreise nach Frankreich zu zeigen, die der Graf von Caiazzo durchsehen wollte, um sie eventuell noch zu ergänzen.102 Er hatte also einen nicht geringen Einfluß auf diese wichtige Mission. Zehn Tage später wurde mit einer Instruktion vom 22. Februar 1492 die große Botschaft aus Mailand nach Frankreich entsandt, an deren Spitze Gianfrancesco Sanseverino stand.103 Die Finanzierung dieser politisch so folgenreichen Mission aber besorgten, wie erörtert, auf Vermittlung des Mailänder Bankiers Francesco Maggiolini auch die Mediciund Bartolini-(Medici-)Bank in Lyon, die somit auf diese Weise an der Vorbereitung des Neapel-Zuges beteiligt waren. Das Bündnis zwischen Frankreich und Mailand, das den Marsch der Franzosen auf Neapel ermöglichte und wegen seiner Folgen als epochal zu bezeichnen ist, resultierte demnach nicht allein aus den machterhaltenden Interessen Ludovico Sforzas, sondern zugleich aus den familiären seines Vertrauten Gianfrancesco Sanseverino und dessen

Antonio Maria di Roberto Sanseverino in der Markgrafschaft Monferrat, die aus Antonio Marias verwandtschaftlichen Bindungen in die benachbarte Markgrafschaft Saluzzo resultierten. Monferrat wurde jedoch von König Karl VIII. als unter französischer Protektion stehend betrachtet und sollte in die französisch-mailändische Liga aufgenommen werden, was der Moro (auch mit Blick auf seinen Verwandten und capitaneus Antonio Maria) ablehnte. Einen Bestandteil der Liga zwischen Karl VIII. und Ludovico il Moro bildete schließlich der Kompromiß, daß Karl VIII. im Falle irgendwelcher Aktivitäten Antonio Marias gegen den Markgrafen von Monferrat, die aus Rechten resultierten, die der Sanseverino vom Markgrafen von Saluzzo erhielt, diese Kontroverse nach Anhörung beider Parteien entscheiden wolle; vgl. etwa ASM, SPE, Francia 548 (23.6.1491, 6.8.91, 25.9.91, 3.11.91); Francia 549 (16.1.1492, zum Kompromiß, bei dessen Abschluß neben Pierfilippo Pandolfini als florentinischem Botschafter auch Antonio Marias Brüder Galeazzo und Gianfrancesco als Zeugen anwesend waren). 101 ASM, SPE, Francia 549 (16.1.1492; an jenem Tag sei zwischen Karl VIII., vertreten durch zwei Gesandte, und dem Herzog von Mailand sowie Ludovico il Moro, Herzog von Bari, celebratus contractus lige); vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 214 (sie gibt den 24.1.92 als Datum für die Erneuerung dieser Liga an). 102 ASM, SPE, Francia 549 (11.2.1492). 103 ASM, SPE, Francia 549 (21.2.1492). Vgl. zu dieser Gesandtschaft auch Commynes, Mémoires VII/3 (tom. III, S. 21–23); Ders., Memoiren, S. 292f. (Commynes bezeichnet Gian Francesco als Cousin Antonellos, der – als Graf von Marsico und Prinz von Salerno – dem gesamten Familienverband vorgestanden hätte, doch waren sie so entfernte Verwandte, daß der Begriff „Cousin“ eine übertragene Bedeutung hat); Delaborde, L’expédition, S. 236–250; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 213f.; Dies., Charles VIII (1986), S. 153. Zu der Gesandtschaft gehörten ferner der Graf Carlo Barbiano di Belgioioso, der als ständiger Gesandter bei Karl VIII. bleiben sollte, Geronimo bzw. Girolamo Tuttavilla, Galeazzo Visconti sowie Gianfrancescos Bruder Giulio Sanseverino, der später (nach dem Italienzug) ebenfalls in savoyisch-französische Dienste gehen wird; zu ihm als Gesandtem: ASM, SPE, Francia 549 (29.3.1492, Augustino Chalco aus Paris an Ludovico il Moro).

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Verwandten.104 Der mailändische Sanseverino sprach bei seinem Treffen mit Karl VIII. bereits konkrete militärische Hilfsleistungen Mailands für den König an, sollte jedoch vornehmlich die Intentionen Frankreichs erkunden. Dieses aber konnte in Anbetracht des zunehmenden außenpolitischen Drucks durch Habsburg, England und Spanien die „Expedition“ nach Süditalien noch nicht unmittelbar vorbereiten. Karl VIII. gelang es freilich, mittels kostspieliger und nicht unbedingt vorteilhafter, bis Mai 1493 abgeschlossener Verträge einstweilige Ruhe an seinen Grenzen zu schaffen.105 Im Juni 1493 benannte Karl VIII. die Kommission, die den Italienzug nun realistisch planen sollte. Sie bestand aus sechs Personen: Philippe de Crèvecoeur, Seigneur d’Esquerdes und Marschall von Frankreich, Jean de Baudricourt, Etienne de Vesc, Guillaume Briçonnet, Philippe de Commynes und, als einzigem Fremden, Antonello Sanseverino.106 Daß die Überlegungen zur Durchführung des Italienzuges vor Abschluß der diplomatischen Lösungen keineswegs unterbrochen worden waren, zeigt der Anfang 1493 von Karl VIII. gegenüber dem Moro geäußerte Wunsch, Galeazzo Sanseverino, einen jüngeren Bruder Gianfrancescos, als Heerführer der Mailänder Truppen bei der Eroberung Neapels einzusetzen; auf diese personelle Wahl hatte augenscheinlich Antonello Sanseverino größten Einfluß genommen.107 Er muß zusammen mit seinem engen Freund Etienne de Vesc als die Seele des ganzen Projektes betrachtet werden. Zuverlässige Zeugnisse lassen daran keinen Zweifel.108 Die Bedeutung dieser zwei, ihr Einfluß auf den jungen König, wird freilich um so stärker zu bewerten sein, je deutlicher man den breiten Widerstand der französischen Elite gegen den Plan hervorhebt. Nicht nur die Königin Anne de Bretagne, Ludwig von Orléans, Anne und Pierre de Beaujeu gehörten dazu, sondern auch der Marschall Philippe de Crèvecoeur und Philippe de Commynes als Mitglieder der Italienkommission.109 Selbst der anfangs mit Etienne de Vesc an einem Strang ziehende Guillaume Briçonnet, Bischof von Saint-Malo, der sich dadurch verbesserte Chancen für den ersehnten Kardinalshut 104 Ein entsprechender Hinweis auch bei Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 214f. (der Tod

von Papst Innozenz VIII. habe dann retardierende Auswirkungen auf die Allianz gehabt). 105 Vgl. zu diesen oft behandelten Verträgen hier nur die bündige Darstellung von Bulst, Karl VIII.,

S. 373–376 (November 1492 Vertrag von Etaples mit England, Januar 1493 Vertrag von Barcelona mit Aragón, Mai 1493 Vertrag von Senlis mit Maximilian I.). 106 Labande-Mailfert, Charles VIII (1986), S. 189. 107 Delaborde, L’expédition, S. 260. 108 Zu konsultieren sind hier v. a. die quellengespeisten Darstellungen von Canestrini/Desjardins, Négociations, bes. S. 223–233 (Brief des Florentiner Botschafters Francesco della Casa an Piero de’ Medici vom 28.6.1493: Etienne de Vesc, der Seneschall von Beaucaire, sei der Mächtigste der königlichen Räte, er stehe dem König am nächsten und habe sehr gute Verbindungen nach Mailand, nelle materie di Italia vertraue er stark dem Prinzen von Salerno, Antonello Sanseverino, und dieser col siniscalco è intimo e familiare molto, e nelle cose del signor Ludovico [Sforza] usa estrema affezione e diligenza); und Delaborde, L’expédition, S. 261 (Etienne de Vesc, Antonello Sanseverino und Carlo Belgioioso, der mailändische Botschafter, würden stets und direkt beim König wegen des Zuges gegen Neapel agieren). 109 Zu dieser Gruppe und den unterschiedlichen Motiven vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 219–222; Bulst, Karl VIII., S. 376.

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versprach, wurde zu einem der heftigsten Opponenten des Zuges, als Ende 1493 sein Traum vom Kardinalat vorerst zerstört wurde.110 Die militärische Allianz mit Mailand, die 1494 gleichwohl feste Züge annahm, wurde wesentlich von den Sanseverino gestaltet. Seit dem 6. März hielt sich Karl VIII. mit dem Hof überwiegend in Lyon auf, wo die Truppen und die Flotte aufgerüstet und zusammengestellt wurden – Knotenpunkt auch aller sonstigen militärisch-diplomatischen Vorbereitungen. Im Januar 1494 hatte der König die neapolitanischen Gesandten vom Hof entlassen und zur Grenze geleiten lassen. Am 10. Februar erhielt er die Nachricht von dem am 25. Januar erfolgten Tod König Ferrantes von Neapel. Entscheidend war nun, den BorgiaPapst Alexander VI. davon abzuhalten, Ferrantes Sohn Alfons von Kalabrien mit dem Königreich zu investieren. Am 2. März sandte Karl VIII. in dieser Sache einen Brief an den Papst, in welchem er bemerkenswerterweise hervorhob, daß nicht nur seine Rechte auf das Königreich einen Grund für den Marsch auf Neapel darstellen würden, sondern auch die Rechte der „exilierten“ Neapolitaner, also der Sanseverino, und der unterdrückten Griechen. Aufgrund der neapolitanischen Thronvakanz nahm Karl dann am 13. März die zwei Titel eines Königs von Neapel und von Jerusalem an.111 Allen Warnungen zum Trotz investierte der Papst jedoch am 18. April 1494 den Aragonesen, um so zugleich seine familiären Interessen zu fördern, die Ansprüche des Borgia-Clans auf Territorien im Königreich Neapel. Nicht wenige der Sanseverino-Güter hatte bereits am 9. Mai 1494 der älteste Papstsohn Juan Borgia, Herzog von Gandia, erhalten.112 Im Frühjahr 1494 wurde in Lyon die politische und militärische Spitze des Reiches zusammengezogen. Anne und Pierre de Beaujeu trafen ein, ferner der faktische Herzog von Savoyen, Philippe de Bresse, der bei Karl VIII. in großer Gunst stand und für den Italienzug eine tragende Funktion einnehmen wird, sowie der Schotte Robert Stuart, der Seigneur d’Aubigny, Befehlshaber der schottischen Leibwache des Königs.113 Die zentrale militärische Kraft, mit Spannung erwartet, stellte jedoch offensichtlich ein lombardischer Sanseverino dar, Galeazzo, der in individueller wie funktionaler Weise die Bindung des 110 Delaborde, L’expédition, S. 284, 294, 330f., 344–346 (Briçonnet sah die Ursache für den Fehl-

schlag bei dem mailändischen Kardinal Ascanio Sforza, weshalb er seine Opposition gegen die französischen Befürworter des Italienzuges mit der gegen Mailand verknüpfte; noch im April und Mai 1494 wollte er das Bündnis zwischen Karl VIII. und Mailand hintertreiben, um das Unternehmen zu blockieren und sich so die Ernennung zum Kardinal durch Papst Alexander VI. zu sichern – wurde hierbei aber von Galeazzo Sanseverino entlarvt, zur Rede gestellt und vor dem König beschuldigt); vgl. auch Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 206, 211 (aber mit geringerer Betonung der hemmenden Handlungen Briçonnets). Ascanio Sforza hatte an der Kurie tatsächlich gegen die Kardinalserhebung Briçonnets opponiert, wurde jedoch nach dessen Informationen genauso stark von Federico Sanseverino unterstützt; s.u. S. 297––300. Von einer feindlichen Auseinandersetzung zwischen Etienne de Vesc und seinem alten Schützling Briçonnet berichtete im Juni 1494 der Florentiner Gesandte Francesco della Casa (si dice hanno avuto non so che sdegni l’uno contro l’altro); Canestrini/Desjardins, Négociations, S. 312. 111 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 268; Dies., Charles VIII (1986), S. 196f. 112 Colapietra, I Sanseverino, S. 78. 113 Canestrini/Desjardins, Négociations, S. 282–284 (aus dem Brief Francesco della Casas vom 13.3.1494).

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Hauses Sanseverino an das französische Königtum auf einer neuen Stufe intensivieren sollte. Ohne ihn, so der mailändische Gesandte Carlo Belgioioso, wäre aus dem Italienzug nichts geworden.114 Mitte April 1494 traf er mit großem Gefolge (200 Pferden) in Lyon ein, wo er bis Juni bleiben sollte, in geradezu intimer Nähe zum König (der von seiner Turnier-, Voltigier- und Fußballkunst begeistert war und mit ihm eine heftige Leidenschaft für junge Frauen teilte) und von diesem mit dem höchsten Orden des Reiches geehrt, dem Orden des Heiligen Michael.115 Mit dieser Ehre war nicht nur eine stattliche Pension verbunden, sondern mit ihr verpflichtete sich der Träger auch durch Eid – das wird oft vergessen – künftig dem Königreich Frankreich zu dienen. Wie wirksam diese Verpflichtung bei den Kämpfen in Italien wurde, werden wir noch eindringlich erfahren. Mit Galeazzo Sanseverino hatte der Herrscher des Herzogtums Mailand einen seiner wichtigsten Vertrauten und Favoriten nach Frankreich entsandt, einen noch engeren Familienangehörigen als die übrigen Sanseverino, denn Galeazzo war ja seit 1490 mit Bianca, einer natürlichen Tochter von Ludovico il Moro, verheiratet.116 Seit Anfang der 80er Jahre hatte er sich in militärischen Aufgaben so qualifiziert, daß er in den 90ern capitano generale des Herzogs von Mailand wurde.117 Sein Verwandter Antonello Sanseverino 114 Vgl. Delaborde, L’expédition, S. 346. Zum Aufenthalt von Galeazzo Sanseverino vgl. ferner

Commynes, Mémoires VII/5 (tom. III, S. 30f.); vgl. Ders., Memoiren, S. 296; Storia di Milano, VII, S. 435, 440, 442; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 269f.; knapper: Dies., Charles VIII (1986), S. 208, 210. 115 Anschauliche Schilderungen durch den Florentiner Gesandten Francesco della Casa; vgl. Canestrini/Desjardins, Négociations, S. 282–284 (13.3.: Galeazzo Sanseverino werde aus Mailand erwartet), 288–291 (17.4.: Galeazzo sei am 15.4. im Territorium eingetroffen, wolle aber mit Rücksicht auf die Warnungen seines Astrologen noch nicht einreiten, sei vorerst alla Tedesca verkleidet mit nur 4 Pferden gleichsam inkognito gekommen; am 16.4. sei dann la sua entrata publica con dugento cavalli bene in ordine erfolgt, con grande onore a casa del Re, mit dem er sofort konferiert habe), 300–305 (21.5.: der König habe Galeazzo immer molto familiarmente trattato e onorato, e preso gran piacere del suo volteggiare, cavalcare e giostrare; e ultimamente, in sul campo delle giostre, per dar piacere al re, M. Galeazzo giuocò al pallone, al calcio, ecc.), 305–308 (27.5.: letzten Sonntag habe der König, wie schon seit Wochen vermutet wurde, l’Ordine di San Michele an Galeazzo verliehen, zum Ärger des Herzogs Ludwig von Orléans, der in Kenntnis dieser Absicht eine Pilgerreise nach St-Claude unternommen habe, doch habe der König bis zu Ludwigs Rückkehr gewartet, um Galeazzo Sanseverino in seiner Anwesenheit den Orden zu übergeben, verbunden mit einer buona pensione von 6- oder 8.000 Franken, und von den 1.000 Lanzen, die man in Italien gekauft habe, solle er 500 befehligen), 308–310 (1.6.: M. Galeazzo, in questa sua stanza di qua, si vede avere riscaldato il Re a questa impresa quanto ha possuto). Zum Michaelsorden vgl. Contamine, L’ordre de Saint-Michel; Beaune, Naissance, S. 196–198; Boulton, The Knights, S. 427–447 (mit weiterer Lit.). Eine neue prosopographische Erschließung der Ordensmitglieder mit einer Analyse ihrer Wirksamkeit für den Orden scheint ein lohnendes Forschungsthema zu sein; zum Problem der Mitglieder s. Boulton, a.a.O., S. 443–445. 116 Biographische Notizen zu Galeazzo Sanseverino in Regis Ferdinandi, S. 423f.; Cerioni, La diplomazia, S. 223. 117 Zahlreiche instruktive Hinweise zu seiner militärischen wie kulturellen Bedeutung am mailändischen Hof bei Sanuto, Diarii, etwa I, Sp. 305, 319; Luzio/Renier, Delle relazioni, bes. S. 99–110 (doch biographische Irrtümer auf S. 99f. in Anm. 1 durch Verwechslung mit Galeazzo Visconti, da der Sanseverino sich des öfteren nur Sforza Visconti nannte); Lopez, Leonardo, s.v.

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bekam in der letzten Phase der Kriegsvorbereitung die Aufgabe, an der Seite des Freundes Etienne de Vesc den mit den Aragonesen in Rom und Neapel in offene Feindschaft geratenen Kardinal Giuliano della Rovere in Avignon zu betreuen, dessen Kenntnisse für den Kriegszug nutzbar zu machen und ihn an den Hof nach Lyon zu geleiten, wo der Kardinal am 1. Juni eintraf.118 Als das gewaltige Heer Karls VIII. sich seit Juli und August 1494 Richtung Neapel in Bewegung setzte, gehörten ihm fast folgerichtig führende Sanseverino in leitenden Positionen an. Antonello befehligte einen Teil der französischen Flotte und stach von Genua aus in See. Galeazzo Sanseverino, 50 lombardische und 50 albanische Soldaten befehligend, begleitete den König – trotz des Dissenses zwischen seinem mailändischen Herrn und Karl VIII. nach dessen den Moro brüskierender Einigung mit Piero de’ Medici – mindestens bis Rom.119 Die Söhne des zwischen 1488 und 1491 auf mysteriöse Weise ermordeten Prinzen von Bisignano, Girolamo Sanseverino, blieben offenkundig bei Antonello Sanseverino, dessen Flottenverband gegen ungünstige Winde zu kämpfen hatte, aber im Februar oder März 1495 in Neapel zu den Franzosen stoßen konnte.120 Gianfrancesco Sanseverino zählte zu den maßgeblichen Führern der italienischen Truppen im Expeditionsheer und wird, anders als sein Bruder Galeazzo, mit den Franzosen in Neapel einziehen. Diese Bindung an Frankreich war vornehmlich aus eigenem Interesse, aber auch in dem der Familie erfolgt, denn schon im März 1495 konnte Gianfrancesco wieder von seiner Stadt Caiazzo Besitz nehmen. Am 18. April bestätigte ihm Karl VIII. alle Besitzungen seiner Grafschaft, denn durch seine Beteiligung am Krieg der Franzosen hatte er seine Lehnspflicht verletzt, so daß der aragonesische Herrscher ihm die Grafschaft wegen Felonie entzogen hatte. Doch bereits zwei Monate später mußte der Graf die erneute Konfiskation in Kauf nehmen, nun seitens der neuen französischen Herrscher, da er seinem herzoglichen Herrn in Mailand bei dessen Allianzwechsel zu folgen hatte und als Kommandant der mailändischen Truppen gegen die Franzosen agieren sollte121 – doch wie dieser Sanseverino dies gestaltete, werden wir noch hören. Mailändischer Einflußversuch auf Piero de’ Medici 1494 Unter den vielen Versuchen, Piero de’ Medici im Sommer 1494 zu beeinflussen, ist jener nicht zu verschweigen, der von Federicos Bruder Galeazzo Sanseverino in Mailand ausging. Hierbei darf das Ansehen, das die Lyoner Medici- und Bartolini-(Medici-)Bank über ihren mailändischen Repräsentanten Francesco Maggiolini am dortigen Hof besaß, nicht vernachlässigt werden. Am Beispiel des Kredites vom März 1492 für die Mailänder Gesandten um Gianfrancesco Sanseverino konnte dies bereits veranschaulicht werden. Wie 118 Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 384–387; Colapietra, I Sanseverino, S. 79; Mallett, Per-

sonalities, S. 162. 119 S.u. S. 318–320; er verließ den König nicht in Bracciano, wie Labande-Mailfert, Charles VIII

(1975), S. 289, Anm. 415, annahm. 120 Vgl. Commynes, Mémoires III, S. 96; Regis Ferdinandi, S. 419, 427. 121 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 431.

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Lorenzo Spinelli und sein Mitarbeiter Bernardo de’ Rossi in jenen Wochen aktiv dazu beitrugen, für bzw. mit Philippe de Bresse und Ludwig von Orléans den Allianzwechsel Piero de’ Medicis vorzubereiten und einzuleiten, haben wir ebenfalls schon schildern können. Zu den hochkarätigen politischen Kräften, die Piero de’ Medici nachdrücklich noch in letzter Minute in das französische Boot ziehen wollten, zählte aber auch Galeazzo Sanseverino, der im April 1494 wie gehört die entscheidende mailändische Gesandtschaft am Hof Karls VIII. in Lyon angeführt hatte und dort von Karl in den Orden des Hl. Michael aufgenommen worden war. Ganz nach französischer Mode gekleidet und mit dem Orden des Königs um den Hals hatte Galeazzo nach seiner Rückkehr am 4. Juli 1494 in Mailand von dem bevorstehenden Feldzug des französischen Königs berichtet, von seinen guten Führern, seiner stupenden Artillerie und vielem mehr.122 Zusammen mit seinem Verwandten Antonello Sanseverino war Galeazzo zum Herz des ganzen Unternehmens geworden. Überhaupt seien, so die Florentiner Botschafter Piero Alamanni und Agnolo Niccolini am 29. Juli 1494 an Piero, e Sanseverineschi die einzigen im Mailändischen, die von dieser impresa begeistert seien. Schon an jenem Tag führten die Florentiner Botschafter eingehende Gespräche mit Galeazzo Sanseverino, in denen er ihnen u. a. sein Verhalten am französischen Hof erklärte, wobei offenkundige Wendungen gegen Piero de’ Medici auf Anordnungen seines Herrn Ludovico Sforza zurückgingen. In den folgenden Tagen muß Galeazzo Sanseverino jedoch versucht haben, Piero auf die französisch-mailändische Seite zu ziehen. Denn Agnolo Niccolini berichtete in jenem bereits erwähnten Brief vom 18. August 1494 von intensiven Kontakten mit Galeazzo.123 Dieser habe Niccolini erzählt, er wolle sich mit einem Vertrauensmann von Piero treffen, um heimlich ein gemeinsames Vorgehen zu verabreden. Galeazzo habe den großen Wunsch, nicht die Freundschaft Pieros zu verlieren. Wenn nun der König von Frankreich wirklich komme, wie er es ankündige, solle er, Niccolini, Piero daran erinnern, ob es diesem nicht vorteilhaft erscheine, einen seiner Leute aus der Lyoner Medici-Bank nach Mailand zu senden, um zum einen Kenner der französischen Angelegenheiten vor Ort zu haben, um zum anderen aber die Angebote Galeazzos auf den Prüfstand legen zu können (per far pruova delle offerte di messer Galeazo), welche weit über das hinausgingen, was Niccolini in seinen Briefen geschrieben habe oder habe schreiben können. Sie beträfen eine Kooperation Pieros mit Karl VIII. Dabei könnte man zugleich Pieros Probleme mit Frankreich und Mailand in Ordnung bringen. In diesem Kontext kamen dann schließlich auch jene Geldsummen zur Sprache, die man möglichst von dem Schuldner Antonio da Pestrola einziehen wolle, um nicht das bei Francesco Maggiolini, dem Mailänder MediciAgenten, verwahrte Medici-Kapital anrühren zu müssen. Einer Reise der Lyoner MediciBankiers ins Herzogtum Mailand standen somit keine Schwierigkeiten entgegen; zugleich waren sie am französischen und mailändischen Hof selbst wenige Wochen nach ihrer Vertreibung aus Lyon keine personae non gratae. Im Gegenteil, von ihnen erhoffte man 122 ASF, MAP L, doc. 282 (4.7.1494, Piero Alamanni aus Vigevano an Piero de’ Medici; zu Ga-

leazzo: Vestito tutto alla Franzese, l’ordine del re al collo). 123 ASF, MAP XIV, doc. 430.

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sich entscheidende Hilfe beim Aufbau eines neuen Bündnisses zwischen Piero de’ Medici und Frankreich. Agnolo Niccolini hatte den Brief vom 18. August in Morimondo geschrieben, also aus jener Abtei, die sich damals im Besitz von Giovanni de’ Medici befand, die dieser dann – fast symbolisch für das Bündnis – Federico Sanseverino übergeben wird und die schließlich mit vielen anderen geistlichen Besitztümern Federicos von der Bartolini-Bank verwaltet werden wird. In Morimondo muß sich am 18. August auch Piero Alamanni befunden haben, denn er und Niccolini unterzeichneten an jenem Tag einen weiteren, von ihnen gemeinsam geschriebenen, offizielleren Brief an Piero.124 In ihm wird Galeazzo, mit dem man auch zur Jagd gegangen war, eher als Sprachrohr des Moro vorgestellt, der von Piero eine deutliche Abkehr von König Alfons von Neapel forderte. Der Medici solle seine Freundschaft zu Mailand mit Taten statt nur mit Worten beweisen. Galeazzo wünschte die Aussöhnung Pieros mit Ludovico und mit Karl VIII.; er brachte dabei nun auch ein entscheidendes Bindeglied zwischen ihm, dem sforzatreuen Galeazzo, und Piero de’ Medici zur Sprache: seinen Bruder, den Kardinal Federico Sanseverino! Del cardinale suo wisse er, welch innige, vertraute Freundschaft dieser mit Piero führe, sowie von seiner Wertschätzung für den Medici, und daß er nichts mehr wünsche als diese zu bewahren. Daß Piero in jenen Jahren persönlich dafür sorgte, Federico Sanseverino mit Krediten von der römischen Medici-Bank bzw. von dem ihm gut bekannten Leonardo di Zanobi Bartolini zu versorgen, und daß der Kardinal dann gerade Ende 1494 in der großen Krise der exilierten Medici diesen seinerseits mit Krediten half, ist nur Ausdruck einer tatsächlich erstaunlich tiefen Freundschaft. Man wird diese Worte Galeazzo Sanseverinos demnach nicht als manipulative Floskeln relativieren dürfen. Das eindringliche Werben Galeazzo Sanseverinos um einen Anschluß Pieros an die französisch-mailändische Allianz, das von den Florentiner Oratoren aufgegriffen und unterstützt wurde, wird daher nicht zuletzt durch seinen Bruder Federico gestützt und gefördert worden sein, der zum größten, zum eigentlichen Freund Pieros wurde – und dies vielleicht schon im Sommer 1494 war. Maßgebliche Gründe für Pieros wenige Wochen später tatsächlich erfolgenden Wechsel auf die französische Seite könnten durchaus auch im Handeln dieser mailändischen Kräfte gelegen haben, das sich im Ergebnis mit den Intentionen der sicherlich einflußreicheren Gruppe um Philippe de Bresse und Ludwig von Orléans traf. Doch ob die Mailänder Sanseverino auch die damit verbundene Brüskierung des Moro gewünscht hatten, ist sehr fraglich – Galeazzo gewiß nicht, Federico eventuell. Unabhängig davon: Den Einfluß des Sanseverino-Kardinals auf Piero wird man dann vor allem für die Exilsjahre nicht anders als gewaltig bezeichnen können. Wahrscheinlich fand so gut wie keine Handlung Pieros ohne Beteiligung und Einfluß Federicos statt. Doch dieser stand nicht nur mit dem ältesten Sohn Lorenzos, sondern auch mit dessen Brüdern, ihren Orsini-Verwandten und den zentralen Vertrauten der Medici in einem überaus innigen und freundschaftlichen Verhältnis – während der gesamten Exilszeit und darüber hinaus. 124 ASF, MAP L, doc. 323, c. 342.

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e) Politische Parteiungen: Guillaume Briçonnet gegen den „französischen“ Federico Sanseverino Aufgrund der fundamentalen Bedeutung Federico Sanseverinos für das innere MediciNetzwerk müssen uns auch seine Bindungen interessieren, wurden doch viele solche der Medici. Dies wird sich nicht zuletzt für gewisse personelle Konstellationen aus den turbulenten Monaten der Jahre 1493/94 erweisen, die auf den ersten Blick scheinbar nichts mit dem Exil der Medici zu tun haben. Aus ihnen ergaben sich jedoch starke Konsequenzen für die Struktur des gesamten Netzwerkes. Die neuen Freundschaftsverbindungen wirkten integrativ (für die Freunde der Freunde), aber auch exkludierend (für die Feinde der Freunde); sie schufen strukturelle Konstellationen, die in den folgenden Jahrzehnten Entscheidungen bedingten, die weit über Persönliches hinausgingen. Es geht insbesondere um den mächtigen Guillaume Briçonnet, den wir bereits als Freund der Capponi kennengelernt haben, als sie maßgeblich die Vertreibung der Medici-Bank aus Lyon verursachten. Briçonnet war allerdings nicht nur mit den Medici befeindet, sondern auch mit Federico Sanseverino und mit dem Kardinal Ascanio Sforza, dem Bruder des Moro, der lange zu den Freunden Federicos zählte. Die inhaltlich-sachlichen Koordinaten dieser Feindschaft verliefen zwischen Rom und Frankreich; auch deshalb war das Medici-Netz darin involviert. Guillaume Briçonnet, wie so viele Angehörige dieser Kaufmannsfamilie aus Tours lange Zeit zur Elite der französischen Finanzverwaltung gehörend, war im Herbst 1493 Bischof von Saint-Malo geworden.125 Offenbar gleich nach seiner Bischofserhebung hatte er geplant, sich die Unterstützung des künftigen Italienzugs mit der Kardinalswürde belohnen zu lassen. Philippe de Commynes und andere haben gar Ludovico il Moro als Schöpfer dieser Idee (und sogar der Wandlung zum Geistlichen) behauptet, der Briçonnet auch später unterstützt habe.126 So wird es auch von Labande-Mailfert und Pellegrini dargestellt, allerdings ohne Erläuterung der Gegenkräfte bei den Ambitionen Briçonnets im Herbst 1493.127 Wenn tatsächlich (erst) der Moro diesen äußerst ehrgeizigen Plan in Briçonnet weckte (vor oder nach der Bischofsernennung), dann scheint es sich dabei um eine geschickte Intrige gegen den wichtigen Rat Karls VIII. gehandelt zu haben – oder man müßte bei diesem Punkt eine gänzlich konträre Politik zwischen Ludovico und seinem Bruder Ascanio annehmen. Denn der päpstliche Vizekanzler Ascanio Sforza ging zusammen mit seinem Freund Federico Sanseverino ganz offen gegen die Intention Briçonnets vor. Diese beiden haben in erster Linie seine Berücksichtigung bei der großen 125 Zur Bischofserhebung: Eubel, Hierarchia II, S. 183 (2.10.1493 Zahlung der Servitien; Briçon-

nets Amtsvorgänger Pierre de Laval starb erst am 14.8.1493); vgl. oben S. 25, 27f. 126 Commynes, Mémoires III, S. 20 (et au general Brissonet, homme riche et entendu en finances,

grand amy lors dudit seneschal [Etienne de Vesc], auquel il [Ludovico il Moro] faisoit conseiller se faire presbtre et qu’il le feroit cardinal); vgl. in deutscher Übersetzung: Commynes, Memoiren, S. 292 (VII/3). 127 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 205f., Anm. 258, S. 215; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 494f.

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Promotion von zwölf neuen Kardinälen am 20. September 1493 verhindert. Schon am 29. September 1493 konnte Maffeo Pirovano, neben Carlo Barbiano einer der beiden mailändischen Gesandten in Frankreich, in einem Postskriptum an den Moro berichten, am Vorabend sei die Nachricht von der Ernennung der zwölf neuen Kardinäle eingetroffen, unter denen der Name Briçonnets nicht zu finden sei. Noch größeren Schmerz verursache diesem die Weigerung des Papstes, ihm bestimmte Benefizien zu verleihen, als deren rechtmäßiger Besitzer er sich sah. Bei den beiden mailändischen Botschaftern beklagte er sich ferner, aus Rom sei ihm berichtet worden, der Vizekanzler Ascanio Sforza und Federico Sanseverino hätten die Zuerkennung der Benefizien hintertrieben, sie seien seine größten Feinde im Konsistorium.128 Kurz darauf, am 1. Oktober 1493, berichtete Carlo Barbiano als der damals führende mailändische Gesandte am französischen Hof aus Tours dem Moro in postscripta: ‚Während ich dies schreibe, tritt der Finanzgeneral des Languedoc – wie Briçonnet immer noch tituliert wurde – an mich heran, um mir zu sagen, daß er wiederum Briefe aus Rom erhalten habe, in denen bezeugt werde, die Kardinäle Sforza und Sanseverino hätten mit aller Kraft seine Kardinalserhebung und die Benefizienverleihung verhindert; wenn sie einverstanden gewesen wären, wären seine Angelegenheiten zu jener Perfektion geführt worden, die er wünschte‘.129 Barbiano habe daraufhin nichts unterlassen, um Briçonnet diese Einschätzung auszureden und sie als grundlos zu erweisen; sie gehe vermutlich auf Insinuationen der florentinischen Botschafter in Rom zurück, welche sie vom Kardinal Giovanni de’ Medici erhalten hätten. Am 17. Oktober 1493 versicherte schließlich Ludovico il Moro seinem Gesandten Barbiano, daß sein Bruder Ascanio und der Kardinal Sanseverino sich gegenüber dem generale de Lenguadocha überaus zuvorkommend erweisen würden; dennoch wolle er wegen dieser Sache nochmals nach Rom, an Karl VIII. und an Briçonnet schreiben.130 Der Schlüssel für jene geheimnisvollen Vorgänge, der den Verdacht Briçonnets zugleich bestätigen könnte, dürfte in jenen ungenannten Benefizien liegen, die Ascanio Sforza und Federico Sanseverino dem Briçonnet offensichtlich erfolgreich verwehren 128 ASM, SPE, Francia 551 (29.9.1493: Essendo hierisera sopragiunta lo aviso di la nova creatione

de li XII Cardinali ne essendo facto alcuna mentione desso mons. lo generale [sc. Guillaume Briçonnet, der noch in seinem Amt als général des finances de Languedoc stehend bezeichnet wurde] in la promotione: sed quod peius est essendoli negata per la Sta. de N.S. la concessione de li beneficii suoi, lasso pensare a la Ex.V. de quale animo se sia trovata la Sria. Sua che veramente non porria demonstrare magior alteratione et dolore quanto fa; dolendosi cum lo magnifico Conte Carlo [Barbiano] et cum mi esser avisata da Roma che lo Illustrissimo et Reverendissimo mons. lo vicecanzellario et Sanseverino gli habiano adversato gagliardamente nel facto de li beneficii prenominati ne havere havuto [nel] concistorio magiori inimici ...). 129 ASM, SPE, Francia 551 (1.10.1493: Scrivendo questa è sopragiunto mons. lo generale predicto [sc. di Lenguadocha] dicendome non esser senza qualche malcontenteza per havere havuto novamente lettere da Roma le quale li affermano como lo Illustrissimo et Reverendissimo mons. lo vicecanzellario et lo Reverendissimo Sanseverino hanno adversato gagliardamente a la promotione sua et a la causa de li beneficii; et che per esse lettere è certificato che se le sue Reverendissime signore fosseno state contente le cose sue sariano riducte a quella perfectione che’l desidera.). 130 ASM, SPE, Francia 551 (17.10.1493).

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konnten, und in den ebenfalls darin Involvierten. Um welche es sich handelte, wird in den Mailänder Gesandtschaftsbriefen nicht angegeben. Doch betrachtet man die damaligen großen französischen Benefizienverleihungen (oder besser: -geschäfte) in einem größeren Kontext und mit einem besonderen Blick auf die beteiligten Personen, fällt ins Auge, daß der Kardinal Federico Sanseverino dabei eine zentrale, eine erstaunliche Rolle einnahm. Hier wird erstmals seine Zugehörigkeit zu einer der einflußreichsten politischen Parteiungen Frankreichs sichtbar, die kurz darauf den Weg der Medici formte und noch nach dem Exil, im Pontifikat Leos X., die europäische Politik prägte. Wir sprechen von Federico Sanseverinos Integration in die Freundschaft zwischen Herzog Ludwig von Orléans und Georges d’Amboise. Zu verstehen sind die Vorgänge von 1493 jedoch nur, wenn auch sie nicht isoliert, sondern in ihrem Kontext betrachtet werden. Nur so können wir begreifen, welche Optionen und Handlungsfelder sich dann den exilierten Medici und ihren engeren Freunden eröffneten. Denn aus der sehr frühen und kontinuierlich intensivierten Verwurzelung Federico Sanseverinos in Frankreich ergaben sich potenzierte, weitgefächerte, das gesamte Netzwerk erfassende Konsequenzen. Seine auf königlichen Willen zurückgehenden bedeutenden französischen Benefizien und seine herausragende Stellung am Königshof haben für die Medici und die Mediceer gewichtige und vielfältige politische, wirtschaftliche, kulturelle und familiäre Folgen, die uns bis zum Ende dieses Buches begleiten werden. Federico Sanseverino besaß schon in jungen Jahren die Gunst und das Vertrauen des am 30. August 1483 gestorbenen Königs Ludwig XI. Wie er die Nähe des Königs fand, ist nicht eindeutig zu klären. Nach Bourloton, der Federicos ersten Bistumserwerb in Frankreich behandelte, soll sein Vater ihn und seine Mutter Giovanna di Correggio auf einer Reise nach Frankreich an den französischen Hof mitgenommen haben, die nach Bourlotons Angaben Anfang bis Mitte der 60er Jahre stattgefunden haben müßte, aber mit Blick auf den historischen Kontext und die biographischen Daten nach bisherigem Kenntnisstand nur in die Jahre 1477/78 gelegt werden kann. Damals war Roberto, wie schon beschrieben, vor den mailändischen Machtkämpfen nach Frankreich geflohen und hielt sich nachweislich am Hof Ludwigs XI. auf, dem er eine Eroberung Mailands vorschlug. Da sich Ludwig – so wie Lorenzo de’ Medici – auch nach Robertos Rückkehr nach Oberitalien für diesen einsetzte, muß es ein gutes Verhältnis zwischen ihnen gegeben haben, das erklären würde, warum der König den jungen, 1462/63 geborenen Federico an seinem Hof behalten und ihn auf eigene Kosten versorgt haben soll. Nach Ausweis der von Bourloton benutzten Prozeßakten, die im Sommer 1484 nach der Verleihung des Bistums Maillezais an Federico entstanden, hatte Federicos Anwalt jedoch ausgesagt, Ludwig XI. habe wegen der allseits gerühmten Tapferkeit Roberto Sanseverinos eine vertraute Beziehung zu diesem aufbauen wollen und habe ihn daher drei- bis viermal gebeten, ihm seinen Sohn Federico zu schicken. Roberto sei dem Wunsch gefolgt und Federico sei dann in den Dienst des Königs aufgenommen worden. Dies kann im Anschluß an Robertos Aufenthalt bei

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Ludwig XI. 1477/78, aber auch früher geschehen sein.131 Sicherlich hatte dabei auch Federicos mailändische Herkunft eine Rolle gespielt, die im Interesse Frankreichs eingesetzt werden konnte. Die Akzeptanz, die Roberto und Federico Sanseverino am französischen Hof fanden, sowie möglicherweise auch Robertos Freundschaft mit Lorenzo de’ Medici, der hervorragende Beziehungen zu Ludwig XI. unterhielt, werden ursächlich dafür gewesen sein, daß Federico bereits am 5. September 1481 mit 18 (oder bereits 19) Jahren das (zwischen Poitiers und La Rochelle gelegene) Bistum Maillezais erhielt, allerdings aufgrund seines Alters nur als Administrator, um dann im vorgeschriebenen Alter von 27 Jahren durch den Papst (kirchenrechtlich vollgültig) zum Bischof kreiert zu werden.132 Mit einem Pfründwert von 2.000 Gulden gehörte das Bistum, das Federico im Mai 1482 in Besitz nahm, 131 Die erste Version findet sich offenbar nur bei Bourloton, La nomination, S. 111, doch kann der

dort angeführte historische Kontext nicht stimmen. Nach Bourloton soll Roberto in Italien aktiv die angiovinischen Ambitionen von Johann II., Herzog von Lothringen und Kalabrien (als Sohn von René I., König von Neapel) unterstützt haben und soll zusammen mit seiner Frau Giovanna di Correggio und seinen Söhnen, unter denen zumindest Federico als zweitältester Giovannas gewesen sein soll, den erfolglosen Herzog zurück nach Frankreich begleitet haben. Als dieser im Dezember 1470 starb, soll König Ludwig XI. von Frankreich mit dem Erbe Johanns II. auch die Fürsorge für den jungen, 1462/63 geborenen (s.u.) Federico übernommen und diesen auf eigene Kosten aufgezogen haben. Herzog Johann II. zog in der Tat dreimal nach Italien, um das Königreich Neapel für seinen Vater zurückzugewinnen, doch dies war in den Jahren 1455–57, 1458– 61 und 1462–64. Nur während des letzten Zuges könnte Roberto ihn begleitet haben, wenn er mit ihm und Federico anschließend nach Frankreich gegangen wäre. Doch hatte sich Roberto in jenen Jahren und auch schon 1460/61 wie gesehen im Auftrag Francesco Sforzas im Königreich Neapel befunden, um den neuen aragonesischen König Ferrante gegen die Angiovinen zu unterstützen und um seine Verwandten mit diesem zu versöhnen. Da ihm dies gelang, war er 1461 mit der Grafschaft Caiazzo investiert worden, die ihm 1464 bestätigt wurde. Gegen Bourlotons Darstellung spricht auch das Alter Federicos und ein bisher nicht bekannter Frankreichaufenthalt Robertos vor 1477. Sollte die gemeinsame Reise dennoch stimmen, kann sie nur 1477/78 stattgefunden bzw. in Federicos Fall begonnen haben. In dieser Zeit wird es auch zu einer Freundschaft Robertos mit den Anjou in Lothringen gekommen sein, die für 1481 zu belegen ist (s.o. S. 265, Anm. 49). Eine andere und in manchem konträre, von Bourloton aber nicht problematisierte Version bietet jene Aussage von Federicos Anwalt, der zwar manches Unglaubwürdige berichtete (Roberto Sanseverino sei lange Jahre Regent von Mailand und „chef“ von Venedig gewesen – dort wurde er oberster Söldnerführer), der jedoch anläßlich eines Prozesses vor dem Parlament zu Paris die Briefe Ludwigs XI. an Roberto mit der Bitte einer Entsendung seines Sohnes Federico nicht erfunden haben kann; hierzu, auf der Grundlage von Urkunden des Pariser Nationalarchivs, Bourloton, a.a.O., S. 112–122, bes. S. 113. 132 Vgl. Bourloton, La nomination, S. 111, 119: Zum Zeitpunkt seiner Supplik – die zwischen Juni und dem 12. Juli 1481 abgefaßt worden sein muß – war Federico laut Aussagen eines späteren Prozesses 18 Jahre alt; da er während des Prozesses am 12.7.1484 als nun 21-jährig bezeichnet wird, muß er zwischen dem 13.7.1462 und dem 12.7.1463 geboren worden sein. Am 5.9.1481 sei Federico das Bistum durch den Papst verliehen worden, doch wegen seines Alters nur mit dem Titel eines Administrators, zum Bischof sollte er erst mit 27 Jahren kreiert werden. (Ourliacs Angabe, Federico sei bei der Verleihung 24 Jahre alt gewesen, die einem vatikanischen Registerband entstammen soll, kann daher nicht stimmen; vgl. Ourliac, Le concordat [1943], S. 134.) Zur Sache s. auch Eubel, Hierarchia II, S. 184 (5.11.1481 Servitienobligation Federicos, wo bestätigt wird, daß dieser das Bistum nur in administrationem erhalten hatte).

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gewiß nicht zu den ärmsten. Er konnte es regulär nur mittels eines königlichen Naturalisierungsbriefes erhalten haben, der Ausländern den Besitz französischer Benefizien ermöglichte.133 Schon damals muß es eine vertrauliche Kooperation zwischen den Familien d’Amboise und Sanseverino gegeben haben. Denn der Bischofssitz von Maillezais wurde für Federico nur frei, weil sein Vorgänger im Juni 1481 auf das Bistum Langres transferiert wurde. Dabei handelte es sich um Jean d’Amboise, einen Bruder von Georges; beide gehörten zu den zahlreichen Söhne des Pierre d’Amboise, der (ähnlich wie Johann II. von Lothringen und Kalabrien) nach anfänglicher Opposition gegen Ludwig XI. dessen Gnade zurückgewann und vielen seiner Söhne hervorragende Karrieren im Königsdienst verschaffen konnte.134 In Guillaume Le Roy erwuchs Federico Sanseverino jedoch ein aus der Region stammender, vom Erzbischof von Bordeaux eingesetzter Konkurrent, der sogleich nach dem Tod von Federicos Gönner Ludwig XI. mit Waffengewalt und mittels eines Prozesses vor dem Parlament von Paris gegen den als Ausländer diffamierten, nicht tonsurierten, in Maillezais aber tatsächlich zeitweise residierenden und wenn nicht persönlich, dann über seinen Vikar amtierenden Sanseverino das Bistum für sich beanspruchte, freilich vergeblich.135 Federico hatte als Bischof von Maillezais – ein Amt, das er bis zu seinem Tod 1516 nicht aufgeben wird136 – das Vertrauen des Königshofes ausbauen können. Sonst hätte Karl VIII. sich nicht persönlich seit 1490 beim Papst für die Provision des Kardinals Federico Sanseverino, seinen cher et amé cousin, mit der Abtei St-Ambroise in Bourges eingesetzt.137 Diese durch Tod des Abtes Jean (II) Royer in jenem Jahr vakant gewordene und mit einem Pfründwert von 175 Kammergulden registrierte Abtei war Federico am 19. Oktober 1492 providiert bzw. als Kommende übertragen worden.138 Doch konnte er die 133 Zu diesen Naturalisierungsbriefen: Tewes, Römische Kurie, S. 314, 324–330, 336–339. In dem

1484 stattfindenden Prozeß zwischen Federico und seinem Konkurrenten hatte dieser als eines der Argumente für die Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche u. a. den Ausländerstatus Federicos angeführt; aus Bourlotons Protokollparaphrasen geht allerdings nicht hervor, daß Federicos Anwalt dieses Argument mit einem vorhandenen Naturalisierungsbrief entkräftet hätte; vgl. Bourloton, La nomination, S. 119. Einen solchen Naturalisierungsbrief, dessen Genehmigung sogar bzw. gerade für hohe Kuriale keineswegs eine Selbstverständlichkeit war (vor allem im Fall von Bistümern, auf die der König nur loyale Gefolgsleute zuließ), wird 1499 aus politischen Gründen auch Federicos Bruder Gianfrancesco erhalten; vgl. unten S. 504. 134 Zu Jean d’Amboise vgl. etwa P. Fournier, Art. „Amboise (Jean Ier D’)“, in: DHGE 2 (1914), Sp. 1074; Gaussin, Louis XI, s.v.; zum Bistumstransfer: Eubel, Hierarchia II, S. 178, 184. 135 Ausführliche Darstellung auf guter Quellengrundlage bei Bourloton, La nomination. 136 Irrig die Angaben bei Eubel, Hierarchia II, S. 184, Anm. 3, er habe Maillezais nur bis 1508 in Besitz gehabt, und bei Bourloton, Nomination, S. 124, er habe es 1511 resigniert. 137 So im Brief Karls VIII. vom 22.10.1490 an die Einwohner von Bourges, die er um Unterstützung des Sanseverino bat; vgl. Lettres de Charles VIII, III, S. 123 (Nr. DLXXXI). Die im Druck gesetzte Jahreszahl 1490 wird wahrscheinlich in 1492 zu korrigieren sein, wie sich aus den entsprechenden vatikanischen Dokumenten ersehen läßt. 138 ASV, Reg. Vat. 773, fol. 206r–207r. Erstaunlicherweise ließ sich Federico nochmals am 23.2.1493 sowie am 26.9.1493 entsprechende Provisionsbullen durch die päpstlichen Sekretäre ausstellen; vgl. Reg. Vat. 775, fol. 101r–102r; Reg. Vat. 779, fol. 233v–234v (dieses Dokument ist u. a. von dem auf die französischen Benefiziensachen spezialisierten Francesco Attavanti

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Abtei nie tatsächlich in Besitz nehmen, da sich einflußreiche Gegner in partibus seiner Provision widersetzten und gegen diese vor weltlichen Richtern Klage erhoben. Am 9. April 1495 gab Federico daher per cessionem, gegen das Recht auf Rückkehr (regressus) und gegen eine Pension von 100 Pfund Tournosen sein Besitzrecht auf und trat es an Bertrando, Abt des Zisterzienserklosters b.M. de Prathea in Bourges ab.139 Ein ganz außergewöhnliches Privileg und Zeichen königlicher Wertschätzung erhielt Federico Sanseverino in den ersten Monaten des Jahres 1493. König Karl VIII. gab ihm das Recht, im Raum des Königreichs Frankreichs, des Herzogtums Bretagne, des Dominiums Delphinat und der Provinz Provence (nicht näher bestimmte) Benefizien bis zu einem Wert von 6.000 Kammergulden (und nicht unter 200 Gulden) besitzen zu dürfen! Dieses Recht wurde, da es die Kumulation inkompatibler Seelsorge-Benefizien einschloß, am 19. März 1493 durch eine päpstliche Dispens abgesichert.140 Im November 1493 wurde diese Summe nochmals erhöht – zweifellos als Belohnung für die nun zu beschreibende Tat des Sanseverino! In den Monaten vor November 1493 ging es um nichts Geringeres als um eine der wichtigsten, weichenstellenden Bistumsbesetzungen in Frankreich. Am 18. Juli 1493 war der Erzbischof von Rouen, Robert de Croixmare, gestorben, der – gerade da es sich um das reichste Bistum Frankreichs, eines seiner bedeutendsten und auch strategisch wichtigsten Bistümer handelte – nur auf Wunsch und unter Zustimmung von Ludwig XI. gewählt worden war.141 Dem Willen des Königs, nun Karls VIII., muß es auch entsprochen haben, daß Ludwig von Orléans als Gouverneur der Normandie seinen Rat und Intimus Georges d’Amboise, den amtierenden Erzbischof von Narbonne, schon am 21. August 1493 durch das Kapitel zum neuen Erzbischof von Rouen wählen ließ. Doch hatte Papst Alexander VI. bereits am 16. August Federico Sanseverino dieses Erzbistum übertragen, um dessen Unterstützung für die umstrittene, schließlich am 20. September 1493 durchgeführte große Kardinalserhebung zu gewinnen, bei der Alexander u. a. seinem Sohn Cesare Borgia und Alessandro Farnese, dem Bruder seiner Geliebten Giulia Farnese, den Roten Hut verlieh. Federico warb in der Tat als einer der Aktivsten um die Zustimmung der anderen Kardinäle zu diesem skandalträchtigen Akt; er besaß also genug Einfluß, um dabei zugleich die Erhebung Briçonnets verhindern zu können.142 Ob der Papst mit der Provision Rouens kollationiert worden, dessen Vater Domenico diese Stellung als kurialer Medici-Klient unter Lorenzo il Magnifico zu einer Medici-Domäne gemacht hatte; hierzu Tewes, Römische Kurie, passim; zur Funktion Francescos s.u. S. 741–743). 139 Vgl. ASV, Reg. Vat. 790, fol. 9r–11v. Vgl. auch Gallia Christiana II, Sp. 180f., wo die chronologische Lücke zwischen 1490 und 1496 (Nr. XVI, XVII) allerdings nicht mit dem Konflikt um Federico Sanseverino ausgefüllt worden ist. 140 ASV, Reg. Vat. 775, fol. 217r–220v. 141 Vgl. Gaussin, Louis XI, S. 312; zum Wert Rouens vgl. etwa Ourliac, Le concordat (1942), S. 196f. 142 Das Datum der Providierung mit Rouen bei Eubel, Hierarchia II, S. 225, Anm. 4, nach den Quellen der Apostolischen Kammer. Ein anderes Datum, den 24.8., gibt A. Vogt in seinem Artikel zu Georges d’Amboise an, doch nennt er als päpstlich Providierten auch irrig den (nicht existenten) Kardinal Federico Borgia; vgl. Vogt, Art. „Amboise (Georges d’), Sp. 1064. Ein

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zugleich einem königlichen Wunsch folgte oder zu folgen glaubte, ist nicht überliefert; doch wird der die Frankreichbindungen Federicos kennende Papst kaum geglaubt haben können, mit diesem Schritt gegen königliche Interessen gehandelt zu haben. Hatte der Sanseverino doch erst wenige Monate vorher jenes große Privileg des Königs wegen der Benefizieneinkünfte in Frankreich erhalten – das durch die (deutlich über 10.000 Dukaten liegenden) Einkünfte Rouens in seinen Grenzen freilich erheblich gesprengt worden wäre. Der König protestierte jedenfalls gegen diese Provision, und mit Erfolg. Am 21. Mai 1494 wurde im päpstlichen Konsistorium der Erzbischof von Narbonne, Georges d’Amboise, auf den Stuhl von Rouen transferiert. Was in den historischen Darstellungen bisher allerdings nicht zur Sprache kommt, ist die Tatsache, daß dieser Transfer nur einen Teil eines großangelegten, seit Monaten verabredeten Revirements französischer Bistumsbesetzungen bildete. Der ganze Umfang wird durch einen Blick auf die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls neu besetzten Bischofsstühle ersichtlich; der politische Hintergrund wird durch einen der Forschung bisher offensichtlich unbekannten Brief des mailändischen Botschafters in Frankreich klar – ein Schlüsselzeugnis zweifellos, das genauer vorgestellt werden muß. Carlo Barbiano hatte den Brief am 6. November 1493 aus Tours an Ludovico il Moro geschrieben und kam in ihm sofort auf das Wesentliche zu sprechen.143 Kardinal Sanseverino hatte mehrere agenti, an der Spitze offenbar der Ordensgeistliche Ludovico Mondello, beauftragt, am französischen Hof wegen des Erzbistums von Rouen zu verhandeln. Es gab in jenen Wochen zwischen August und November 1493 also tatsächlich einen den Sanseverino sowie Georges d’Amboise und den König betreffenden Interessenkonflikt, der freilich nicht als Zeichen eines Zerwürfnisses mißverstanden werden darf. Anfang November hatte Mondello dann, von seinem Patron Sanseverino an den französischen Hof zurückkehrend, Barbiano die Lösung (la resolutione) mitgeteilt, die Sanseverino seinem Prokurator wegen des Erzbistums mitgegeben hatte.144 Barbiano betonte an dieser Stelle, daß er selbst alles getan habe, um die Sache zum Erfolg zu bringen, ohne dabei den König zu erzürnen oder seine Meinung ändern zu wollen.145 Er handele ganz zum Vorteil des ähnlicher Irrtum hinsichtlich des an der Kurie Begünstigten findet sich bei M. Prevost, der den Kardinal von St. Theodor (also Federico Sanseverino) als Neffen Alexanders VI. bezeichnete; vgl. Prevost, Art. „Amboise (Georges Ier d’), Sp. 493. Bourloton schließlich glaubte, Karl VIII. habe den Sanseverino zum Erzbischof von Rouen promoviert, doch hätten sich die Kanoniker mit der direkten Wahl des Georges d’Amboise gegen diese Entscheidung gestellt; vgl. Bourloton, La nomination, S. 122. Eine Promotion durch den König gab es nicht, eine Intention zur Promotion Sanseverinos durch den Papst kann es höchstens anfänglich gegeben haben, da der König nach der päpstlichen Provision für den Sanseverino nur seinen Protegé d’Amboise unterstützte. Zu Sanseverinos Förderung der päpstlichen Pläne und zum simonistischen Charakter der Kardinalserhebung von 1493 – allein Federico erhielt außer Rouen noch 5.000 Dukaten vom Papst – vgl. Picotti, Giovinezza, S. 478f. u. 530f., Anm. 42. 143 ASM, SPE, Francia 551 (6.11.1493). 144 ASM, SPE, Francia 551 (6.11.1493: Frate Ludovico Mondello in la retornata che’l ha facto de presente dal Reverendissimo Cardinale Sanseverino suo patrone me ha communicato la resolutione che’l ha reportato da la Reverendissima Signoria sua per lo Arcivescovato de Rhoano). 145 ASM, SPE, Francia 551 (6.11.1493: ... et senza alteratione de questo Christianissimo Signore Re ... Der Sinn ist nicht ganz klar, da alteratione sowohl Änderung als auch Erregung heißen

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Kardinals (cum beneficio de questo Rmo. Cardinale), für welchen er sich mit aller Kraft bemüht habe, die Gunst und Liebe des Königs zu bewahren (alquale me sono forzato retenere la gratia et Amore de la sua Maesta). Offenbar hatten die Mittler Sanseverinos nochmals einen letzten Versuch unternommen, den König von seiner Intention abzubringen. Doch als sie an jenem 6. November hören mußten, daß Karl VIII. fest entschlossen war, den für das Erzbistum Rouen ausgehandelten, neben dem Erzbischof von Narbonne (Georges d’Amboise) auch den Bischof von Lectoure (Pierre d’Absac) betreffenden Plan abzuschließen, hätten sie, um den König zufrieden zu stellen, jene Lösung präsentiert. Sie muß vorher ausgehandelt worden sein, da sie beide Seiten betraf und beide beglückte: Kardinal Federico Sanseverino verzichtete freiwillig auf das Erzbistum Rouen zugunsten des Erzbischofs von Narbonne und zum Vorteil des Bischofs von Lectoure; König Karl VIII. sicherte dem Sanseverino gleichsam als Anerkennung für diesen Entschluß eine Spezialreservation von fünf oder sechs Bistümern in seinem Königreich zu sowie eine generelle Erlaubnis zum Erhalt der ersten frei werdenden bis zu einer Summe von 8.000 Dukaten an Einkünften! Diese resolutione sei dem König überaus angenehm, bedeute sie doch, daß der Kardinal Sanseverino (nun um so mehr) mit gutem Willen den Wünschen des Königs entgegenkomme, welcher gesagt habe, daß er jenes Zeichen der Dankbarkeit gegeben habe, um dem Kardinal zu zeigen, wie sehr ihm jene Lösung gefalle.146 Ganz explizit beinhaltete dieser Kompromiß demnach eine noch intensivere kirchenpolitische Verwurzelung Federico Sanseverinos im Königreich Frankreich, denn mit der Zusage dieser Bistümer sollte er eine Macht und einen Status erlangen, die selbst von den königsnahen französischen Prälaten nur in Ausnahmefällen erreicht werden konnten! Diese Privilegierung zielte natürlich darauf ab, den Sanseverino als einen hervorragenden Vertreter der Interessen des französischen Königs in Italien und besonders an der römischen Kurie aufzubauen.147 Mit vollem Erfolg: Federico Sanseverino wurde zum wichtigkann; beides wäre im Kontext möglich, würde aber im ersten Fall bedeuten, daß Karl VIII. anfänglich die Besetzung des Erzbistums durch den Sanseverino beschlossen hatte (was Barbiano nicht ändern wollte), im zweiten, daß er nicht durch zu starkes Insistieren den Zorn des Königs und damit ein Scheitern der Verhandlungen bewirken wollte). 146 ASM, SPE, Francia 551 (6.11.1493: ... Così hozi li agenti qui per la Rerendissima Signoria sua [Kardinal Sanseverino] vedendo epsa Maestà stare in firma deliberatione che Monsignore de Narbona et de Lhestora restasseno compiaciuti del Arcivescovato de Rhoano, per gratificare a la Maestà sua sono devenuti in questa resolutione de lassare liberamente lo Arcivescovato ad epsi Monsignore de Narbona et de Lhestora: et questo Christianissimo Re per tale demonstratione fa reservatione speciale de cinque o sey vescovati nel Regno suo al predicto Reverendissimo Cardinale et concessione generalmente de li primi che vacarano sin a la summa de octo milia ducati de reddito. La quale resolutione è stata gratissima a questo Christianissimo Re parendoli che’l predicto Reverendissimo Cardinale venga cum bono animo a le voglie de sua Maestà, la quale dice per demonstrare quanto li sia accepta ne farà tal segno de gratitudine che la sua Signoria Reverendissima intenderà quanto voluntiera habia veduto la predicta resolutione.). 147 Verkannt wird der ganze Vorgang von Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 520f., der nur von einem zwangsweisen Verzicht des Sanseverino auf seine Rechte auf Rouen ausgeht, da er Karl VIII. nicht genehm gewesen sei, obwohl sowohl der Moro als auch sein Bruder Galeazzo (wäh-

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sten Prokurator der französischen Könige in Rom. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Tatsache, daß er gut Französisch sprach, was er sicherlich seinem längeren Aufenthalt am Hof Ludwigs XI. verdankte.148 Neben dem Bistum Maillezais wird er Anfang 1496 das bedeutende Bistum Thérouanne erhalten (das er 1498 zugunsten seines Freundes Kardinal Philipp von Luxemburg resignierte), 1496 zudem das Erzbistum Vienne als Kompensation für das Bistum Amiens, das ihm der König im Februar 1496 verschaffen wollte, der sich jedoch hier dem Protest des Kapitels beugte. Auch das Metropolitankapitel von Vienne opponierte mit der Wahl des Antoine de Clermont gegen den Sanseverino, der sein Erzbistum zwar im Februar 1497 durch seinen Prokurator in Besitz nahm, aber anschließend einen langen Prozeß führen mußte. Erst im Mai 1506, nach Intervention von König Ludwig XII. – dem ehemaligen Herzog Ludwig von Orléans! –, erhielt er durch den Senat des Dauphiné ein endgültiges positives Urteil.149 1505, nach dem Tod Ascania Sforzas, konnte Federico zudem das Bistum Novara seinem Benefizienschatz hinzufügen.150 Was aber hatte es nun, um nochmals auf die wichtige Weichenstellung beim Konflikt um Rouen zurückzukommen, mit dem Revirement der Bischöfe auf sich, dem zentralen Teil jenes Kompromisses? Es beinhaltete ja nicht allein die tatsächlich an der Kurie erfolgte Resignation Rouens durch Federico Sanseverino,151 die erst die Provision des Georges d’Amboise durch das Konsistorium im April 1494 bzw. seinen nun auch vom Papst genehmigten Wechsel von Narbonne nach Rouen möglich machte. Zur gleichen Zeit wurde, wie seit langem verabredet, im Gegenzug Pierre d’Absac (d’Absago) von seinem Bischofsstuhl in Lectoure (Gascogne) auf den Erzbischofssitz von Narbonne transferiert, während das frei gewordene Bistum Lectoure kurz darauf dem Genueser Kardinal Antoniotto Pallavicini übergeben wurde.152 Georges d’Amboise hingegen hatte schon im Oktober 1493 auf königlichen Wunsch der normannischen Ständeversammlung vorgestanden und über die Temporalien – also die nicht unmittelbar geistlichen Rechte und Güter – seines Erzbistums Rouen verfügt.153 rend seines Aufenthaltes am französischen Hof im Frühjahr 1494) sich für ihn einsetzten. Pellegrini behauptet deshalb eine Unzufriedenheit Federicos mit Frankreich, die Alexander VI. sich im Vorfeld des Italienzuges von Karl VIII. zunutze gemacht habe, um den Sanseverino zu Lasten der Sforza einen Separatfrieden zwischen Neapel und Frankreich abschließen zu lassen. Pellegrini kannte allerdings nicht die – lange vor der Gesandtschaft Galeazzos erfolgten – Kompromißverhandlungen zwischen dem Sanseverino und Karl VIII. wegen Rouen und die daraus resultierenden gewaltigen Privilegien für den Kardinal, der somit alles andere als unzufrieden gewesen sein kann und war. Kurialer Verhandlungsführer war er Ende 1494 als Interessenwahrer der Franzosen! 148 Während des Aufenthalts Karls VIII. Ende Dezember 1494 und im Januar 1495 in Rom erhielt Federico Sanseverino die Ehre, den vom Papst am 20.1.1495 genehmigten Plenarablaß vor St. Peter in Französisch verkünden zu dürfen; Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 571. 149 Vgl. Gallia Christiana XVI, Sp. 120f.; Bourloton, La nomination, S. 122f. 150 Vgl. Eubel, Hierarchia III, S. 260. 151 Vgl. die knappe Notiz bei Eubel, Hierarchia II, S. 225, Anm. 4 unter „Rothomagen.“. 152 Vgl. Eubel, Hierarchia II, S. 174, 199, 225. 153 Vgl. Vogt, Art. „Amboise (Georges d’), Sp. 1064; Prevost, Art. „Amboise (Georges Ier d’), Sp. 493.

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Gegenüber Federico Sanseverino scheint Georges d’Amboise alles andere als Groll gehegt zu haben, vielmehr dürfte er ihm überaus dankbar gewesen sein. Aus diesem schon bei der Besetzung des Stuhls von Maillezais ersichtlichen Interessenausgleich mit der Familie d’Amboise erwuchs eine Freundschaft, die gut zehn Jahre später in Gaillon, dem Sommerschloß der Erzbischöfe von Rouen, einen äußerst prägnanten Ausdruck fand. Hier ließ Georges d’Amboise durch einen italienischen Künstler für eine repräsentative Loggia nicht nur lebensnahe Terracotta-Statuen der französischen Könige Karl VIII. und Ludwig XII., seines engsten Freundes, der Königin Anne de Bretagne und seiner eigenen Person anfertigen, sondern eben auch eine solche Statue, die den Kardinal Federico Sanseverino darstellte.154 Dieser demonstrativ visualisierte Aufstieg des mailändischen Kardinals in die französische Kronelite begann mit seinem Dienst bei König Ludwig XI. und gewann mit der von ihm akzeptierten resolutione vom November 1493 zweifellos eine Dynamik, die ihn auch mit Georges d’Amboise und Ludwig von Orléans – Kastor und Pollux gleichsam des französischen Adels – eng verband. Zum Feind hingegen machte sich Federico Sanseverino im Sommer 1493 den Bischof von Saint-Malo, Guillaume Briçonnet. Wenn dieser Ende September klagte, Federico habe ihm mit seiner Agitation nicht nur den ersehnten Kardinalat, sondern auch bestimmte Benefizien verwehrt, dann kann es sich nur um eine bedeutende Sache, mit Blick auf den Kontext recht eigentlich nur um das nahegelegene Erzbistum Rouen gehandelt haben, dessen Vakanz (durch den Tod des Erzbischofs Robert de Croixmare am 18. Juli 1493) erst jenes Besetzungskarussell in Gang setzte, das durch Rouen und die nicht vakanten Bistümer Narbonne und Lectoure gebildet wurde. Federico war schon am 16. August 1493 durch Alexander VI. mit Rouen (als Administrator) providiert worden; in Frankreich schufen Ludwig von Orléans und Georges d’Amboise fünf Tage später ihre Tatsachen, als 154 Zum Schloß Gaillon vgl. aus der neueren Literatur Prinz / Kecks, Das französische Schloß der

Renaissance, S. 82–85 und bes. 481–488. Die offensichtlich früheste Beschreibung des von Georges d’Amboise umgebauten Schlosses stammt aus dem Frühjahr 1510 und wurde von dem mantuanischen Gesandten Jacopo Probo d’Atri verfaßt, der zwar schon die Terracotta-Statuen erwähnt, doch den Sanseverino neben einigen anderen nicht namentlich aufführt; vgl. Weiss, The Castle of Gaillon; eine weitere eingehende Schilderung erfolgte 1517 durch Antonio de Beatis, den Chronisten der Europareise des Kardinals Luigi d’Aragona, der Gaillon in Begleitung des französischen Königs und seines Hofes erleben durfte und explizit die Statue Federico Sanseverinos bezeugt; vgl. Pastor, Die Reise des Kardinals Luigi d’Aragona, hier S. 128–130. Amboise hatte 1501 mit dem Umbau begonnen und Stil und Formensprache der italienischen Renaissance, die er auf den Italienfeldzügen der französischen Könige seit 1494 schätzen gelernt hatte, besonders bei den Ornamenten und Skulpturen übernommen, für deren Anfertigung italienische Meister angestellt wurden. Von den farbigen Terracotta-Statuen der unteren Loggia ist kein Exemplar erhalten geblieben, lediglich aus der Statuengruppe der darüberliegenden zweiten Gallerie ist die aus Marmor gefertigte, heute im Louvre befindliche Halbfigur König Ludwigs XII. auf die Nachwelt gekommen – im übrigen die erste Darstellung eines französischen Königs als Imperator, mit deutlicher Umsetzung seiner Italienansprüche; vgl. hierzu Scheller, Gallia cisalpina, S. 55–60; Thibault, Louis XII, S. 41f. Wie zentral für Georges d’Amboise der Repräsentationszweck war, wird aus seinen Bemühungen deutlich, möglichst allen fremden Botschaftern in Frankreich den Prachtbau zu zeigen – immerhin hatte die Umgestaltung auch die gewaltige Summe von ca. 500.000 scudi d’oro gekostet; vgl. Weiss, a.a.O., S. 351.

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sie Georges durch das Kapitel zum Erzbischof wählen ließen. In den folgenden Wochen müssen jene do ut des-Verhandlungen begonnen haben, durch welche der ausgeschlossene Briçonnet sich um seine Benefizien betrogen sah. Sanseverinos Verhandlungskurs fügte sich den Interessen des Georges d’Amboise und damit denen von dessen engstem Freund Ludwig von Orléans, der nun aber bekanntlich zu den großen Feinden des Briçonnet gehörte. Was auch immer genau hinter der Benefizienniederlage Briçonnets stand, fest steht, daß Federico Sanseverino im September und wohl auch schon im August 1493 der Reputation des Guillaume Briçonnet am Hof einen schweren Schlag versetzt und den (mit dem Kardinalat gewährleisteten) Ausbau seiner Macht verhinderte, und daß er damit Herzog Ludwig von Orléans und dessen Freunden half, also außer Georges d’Amboise auch Philippe de Bresse. Bei dieser Lösung eines bedeutenden kirchenpolitischen Problems darf der damalige politische Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden. Federico Sanseverino hatte in Rom zusammen mit seinem Freund Ascanio Sforza agiert und er war wie seine Brüder immer noch ein zentrales Mitglied der Klientel des Ludovico Sforza, durch dessen Intervention sowie den tatkräftigen Einsatz Ascanios er 1489 bzw. 1492 Kardinal geworden war (seit 9.3. bzw. 3.7.1489 in secreto, seit Ende Juli 1492 offiziell).155 Ludovico Sforza durfte sich 1493 bereits als entscheidender Verbündeter Karls VIII. bei dem bevorstehenden Italienzug betrachten. Sicherlich werden sowohl die Entscheidung Federico Sanseverinos als auch seine nochmals verbesserte Privilegierung in Frankreich von politischen

155 Zu den verwickelten Vorgängen um die Kardinalswürde von Federico Sanseverino vgl. jetzt

Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 320–364. Innozenz VIII. hatte sich während des Konsistoriums vom 9.3.1489 lediglich zu einer per Breve geäußerten geheimen Absichtserklärung bereit erklärt; am 3.7.1489 erließ er im Konsistorium eine Bulle, die Federico Sanseverino zum Kardinaldiakon von San Teodoro kreierte, doch erst bei einer künftigen größeren Kardinalserhebung und unter bestimmten Konditionen in Kraft treten sollte. Die Sforza wünschten jedoch eine (von Innozenz VIII. abgelehnte) Gleichbehandlung mit Giovanni de’ Medici, dessen geheime Kardinalskreierung vom 9.3.1489 nach dreijähriger Wartezeit offiziell und öffentlich verkündet werden sollte. Nach dem Ende 1491 mit König Ferrante von Neapel und dessen Sohn Herzog Alfons von Kalabrien geschlossenen Frieden hatte sich Innozenz unter dem Druck der neapolitanischen Krone geweigert, die Kardinalswürde für Federico Sanseverino im Konsistorium zu proklamieren, wie Ludovico Sforza es nachdrücklich gewünscht hatte. Die Federico vom Papst für einen unbestimmten zukünftigen Zeitpunkt in Aussicht gestellte Übertragung der Kardinalsinsignien konnte daher erst nach dem Tod von Innozenz VIII. (25.7.1492] sede vacante durch das Kardinalskollegium erfolgen. Im Staatsarchiv Mailand ist ein Entwurf eines herzoglichen Mandats an den Statthalter von Lodi erhalten, in welchem diesem mitgeteilt wird, daß der kürzlich gestorbene Innozenz VIII. zu Lebzeiten den Bischof von Maillezais mit einem öffentlich Edikt zum Kardinal kreiert, dies aber nicht publiziert habe, so daß nun nach dem Tod des Papstes der Bischof durch das Kardinalskollegium magno omnium consensu et ingenti applausu zur Kardinalswürde erhoben worden sei; die ‚unfaßbare Freude‘ des Herzogs solle nun durch zweitägiges Glockengeläut und nächtliche Freudenfeuer in seinem Dominium öffentlich zum Ausdruck gebracht werden; vgl. ASM, Famiglie 165, Sanseverino (irrig auf Mai 1489 datiert); zur Aufnahme Federicos in das Kollegium Ende März 1492 vgl. auch den Bericht des Florentiner Gesandten in Rom vom 26.7.1492, in: Thuasne, Burchardi diarium I, S. 573–575, hier 573; zum Fall des Giovanni de’ Medici s. Picotti, Giovinezza, cap. III, bes. S. 197 u. 227f., Anm. 136.

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Erwägungen auf mailändischer wie französischer Seite getragen worden sein. Der Moro galt vielen in Frankreich als unsicherer, unzuverlässiger Alliierter. Um so wichtiger mußte es Karl VIII. erscheinen, die Sanseverino auf seine Seite zu ziehen, die Verwandten des Sforza und Inhaber höchster militärischer Ämter im Herzogtum. Bereits Ende November 1493 drängte Karl daher den Moro, ihm seinen Schwiegersohn und Offizier Galeazzo Sanseverino nach Lyon zu senden, wo er in Kürze seine Truppen für den Italienzug sammeln werde und wo ihm Galeazzo militärisch beratend zur Seite stehen solle. Die Gegner des Moro, die Zwietracht zwischen Karl VIII. und Ludovico Sforza sähen wollten, werteten dessen Zurückhaltung bei der Entsendung Galeazzos als Zeichen für seine Unzuverlässigkeit.156 Guillaume Briçonnet wird seit dem September 1493 zu jenen französischen Gegnern Ludovico Sforzas gehört haben, denn mit Federico Sanseverino und Ascanio Sforza wird er auch deren Patron, den Moro, für seine bittere Niederlage verantwortlich gemacht haben. Wenn dieser ihm tatsächlich die geistliche Karriere vorgeschlagen und die Ambition auf den Roten Hut geweckt haben sollte, muß die Verbitterung noch stärker gewesen sein. Als ausgerechnet der Ausländer Federico Sanseverino dann im November 1493 in Frankreich für sein Handeln auf eine Weise privilegiert wurde, die kaum ein Franzose und eben auch dieser hohe Funktionsträger Guillaume Briçonnet nicht erleben durfte, wird Briçonnets Aversion gegen Federico gestiegen sein und dabei ebenfalls den Mailänder Regenten einbezogen haben. Dies wird mehr als evident. Da Briçonnet zudem in dem Italienzug generell eine Ursache für den entgangenen Kardinalat sah, wandelte er sich vom Befürworter des Kriegszuges zu seinem Gegner, handelte auch gegen Mailand, den Alliierten seines Königs, und versuchte offenbar in Geheimverhandlungen mit Alexander VI. sein persönliches Ziel zu erreichen.157 Die tiefen Gräben zwischen Briçonnet und den Sanseverino bzw. Mailand werden sehr nachdrücklich z. B. von den Florentiner Botschaftern Alamanni und Niccolini in einem Brief vom 29. Juli 1494 bezeugt, in welchem sie Piero de’ Medici mit großem Erstaunen von der fast unglaublichen Herabsetzung des Guillaume Briçonnet durch Galeazzo Sanseverino erzählen: Er habe über den Bischof von SaintMalo in der kaum zu glaubenden Weise geurteilt, daß dieser über wenig Gehirn und Urteilsvermögen verfüge, ein kleines Köpfchen habe, so flatterhaft und illoyal sei, daß es kein gutes Ende mit ihm nehmen würde. Unzufriedener könne man sich nicht über jemanden äußern!158 Im November schließlich sah Ascanio Sforza in Guillaume Briçonnet, der

156 Vgl. den entsprechenden Brief Carlo Barbianos an Ludovico Sforza: ASM, SPE, Francia 551

(27.11.1493, aus Tours). Erst im April 1494 sollte Galeazzo dann ja nach Lyon zu Karl VIII. kommen, wo er freilich schnell die besondere Gunst des Königs gewann und nicht ohne Hintergedanken in den königlichen Orden des Hl. Michael aufgenommen wurde; vgl. hierzu auch Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 269f. 157 Vgl. Delaborde, L’expédition, S. 330f. 158 ASF, MAP L, doc. 315, c. 332v: Dixe [Galeazzo Sanseverino] di San Malo quello che non si puo pensare che era di poco cervello e sanza iudicio con un capolino piccolo, leggieri sanza alchuna fede; monstrando che non farebbe buona fine ne si potrebbono monstrare peggio contenti di lui ...).

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eine Freundschaft zu Mailand nur heuchle, (irrigerweise) den eigentlichen Urheber für Piero de’ Medicis Einigung mit Frankreich, durch welche Mailand brüskiert wurde. Es zeichnen sich somit recht klare Gegnerschaften, gemeinsame Feind- und Freundschaften ab, merkwürdige Parallelen darüber hinaus. Schon im September 1493, als Briçonnet Federico Sanseverino für die verwehrte Kardinalspromotion verantwortlich machte, mußte Gentile Becchi, der Medici-Freund und Gesandte in Frankreich, feststellen, daß dieser Briçonnet der eigentliche Feind von Florenz und besonders von Piero de’ Medici sei, eine selbstgefällige und gefährliche Schlange. Mit gleicher Wertung äußerte sich im Februar 1494 Francesco della Casa, der während seiner Gesandtschaft in Frankreich zu dem Schluß kam, daß der Bischof von Saint-Malo einen falschen Charakter habe, daß er durch seine Ambitionen auf den Kardinalshut verdorben sei und daß er als Hauptursache allen Übels des Hauses Medici in Frankreich anzusehen sei. Da Briçonnet die Freundschaft des Hauses Sanseverino zu den Medici und insbesondere die Federicos zu Piero nicht verborgen geblieben sein wird, besaß jeder Schlag für einen von beiden eine doppelte Wirkung. Im März 1494 berichtete uns schließlich der mailändische Gesandte Carlo Barbiano von Briçonnets Entschluß, die Medici durch die Vertreibung ihrer Bank aus Lyon und die Konfiskation ihres nach der Messe reichhaltig gewachsenen Geldbestandes in den finanziellen Ruin zu treiben.159 Im Juni konnte er diese Absicht im Verein mit einigen Capponi partiell umsetzen. Betroffen war davon auch Federico Sanseverino.

f) Erste Bindungen zwischen Piero de’ Medici und seinem Freund Federico Sanseverino Wann die tiefe Freundschaft zwischen Piero de’ Medici und Federico Sanseverino genau begann, ist kaum zu eruieren. Als Federicos ältere Brüder in militärischen Diensten von Florenz bzw. von Lorenzo de’ Medici standen, war der am 5. Februar 1472 geborene Piero dafür zu jung. Noch zu Lebzeiten Lorenzos aber wird sie faßbar. So machte Federico seinem fast zehn Jahre jüngeren Freund Ende 1490 oder Anfang 1491 ein kostbares, Adligen zur Ehre gereichendes Geschenk: zwei Falken, für die sich Lorenzo de’ Medici am 17. Januar 1491 beim Malleacense (wie er nach seinem französischen Bistum Maillezais oft genannt wurde) bedankte.160 Überliefert ist der Hinweis auf einen (nicht erhaltenen) Briefwechsel zwischen Federico und Piero vom August 1493 und 1494, doch dies sind Zufallsbelege, die keinen Aufschluß über das wahre Ausmaß des Austausches erlauben.161 Instruktive Einblicke in ihr Freundschaftsgefüge gewähren hingegen einige Kredite, bei denen erstaunlicherweise beide Begünstigte waren. 159 Vgl. hierzu oben S. 28. 160 Protocolli del carteggio, S. 435 (schon am 15.12.1490 hatte der Magnifico dem Sanseverino auf

einen von diesem erhaltenen Brief geantwortet; ebd. S. 432). 161 Vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 104, 136 (es handelt sich hier um memorierende

Notizen des Sekretärs von Piero de’ Medici, die sich auf heute nicht mehr erhaltene Briefe Pieros aus der Zeit nach dem Tod seines Vaters bis zum 25.10.1494, doch nachweislich nicht auf alle Schreiben Pieros beziehen).

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Am 13. März 1494 berichtete z. B. Leonardo di Zanobi Bartolini seinem MediciHerrn, daß er (als Leiter der römischen Medici-Bank) nach Erhalt von Pieros Brief vom 10. März unter Beteiligung Luigi Becchettis sofort den Kardinal Sanseverino aufgesucht und ihm die Gewährung des gewünschten Kredites über 1.000 Dukaten versprochen habe, worüber der Kardinal überaus erfreut gewesen sei; am 25. März konnte Leonardo dem Medici dann mitteilen, daß der Sanseverino per ordine Pieros die Summe erhalten habe.162 Fünf Monate später wurde Leonardos Schwiegervater Nofri Tornabuoni von Piero angewiesen, dem Sanseverino aus den Mitteln der römischen Medici-Bank mit einem weiteren Kredit über 500 Dukaten zu dienen.163 Diese Kredite dürften bereits als Freundschaftsakt zu interpretieren sein, zumal nach Federicos Falkengeschenk. Doch in die eigentlichen Tiefen der Freundschaft führen uns weitere Informationen. Die von Leonardo Bartolini 1495 aufgestellte, gleichwohl zugunsten der Medici „korrigierte“ Bilanz der römischen Medici-Bank erlaubt nun völlig neue Einblicke, die erst durch eine Verknüpfung der finanziellen Aspekte mit jenen kirchenpolitischen von 1493 einen erheblichen Erkenntnisgewinn bewirken. Dies gilt noch nicht für die Schuld über 920 Dukaten, mit welcher der Sanseverino in den Büchern der Medici-Bank stand, die allerdings selbst nach Beginn des Exils in der Rückzahlung kein Problem sah.164 Erkenntnisbereichernd ist ein anderer Posten der Bilanz. Offenbar auf Veranlassung der Lyoner Medici-Bank oder in freundschaftlicher Absprache mit dieser hatte Federico Sanseverino seinerseits der Medici-Bank einen Kredit über die beachtliche Summe von 8.000 Kammergulden bzw. 15.000 franchi gegeben.165 Da die über fünf Jahre erfolgende, auf Veranlassung der Lyoner Medici-Bank durch die römische Medici-Bank erfolgende Tilgung des Kredites erstmals Weihnachten 1494 mit einem Ratenbetrag von 800 Gulden erfolgte, ist aus sachlichen Gründen anzunehmen, daß Federico den Lyoner Medici-Bankiers das Geld kurz nach ihrer Ausweisung geliehen hatte, also im Früh- oder Hochsommer 1494, als die Medici-Bank in Chambéry erzwungene finanzielle Engpässe zu erdulden hatte – und als zugleich ihre Lyoner Schwesterbank, die Bartolini-Bank, dem französischen König einen hohen Kredit über 6.000 Dukaten gab. Hinter jener Summe von 8.000 Dukaten standen wichtige konkrete Bestimmungen. In der Bilanz wird nämlich ebenfalls notiert, daß der Sanseverino den römischen Medici-Bankiers aufgetragen hatte, von dem ihm zustehenden Geld eigene Schulden bei Niccolò Borgherini (dem Medici-Freund, der 1.080 Dukaten von Federico zu bekommen hatte) und bei den Nerli in Rom (520 Dukaten) zu begleichen und diese Summen natürlich 162 ASF, MAP XIX, doc. 350, 575; vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 36f. 163 Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 136 (22.8.1494). 164 Vgl. Sapori, Il bilancio, S. 190, Nr. 87. 165 Sapori, Il bilancio, S. 205, Nr. 244: Siamo ublighati al cardinale di San Severino a d. 8000 di

Camera per valuta di franchi 1500[!] per pagare ducati 800 alla Natività passata [1494] et ducati 800 a Resurrexo proximo [1495], et così successive ogni Natale et Resurrexo altanti fino alla ’ntera somma, et tucto s’è facto a stanza de’ nostri di Lione. Bei der Zahl „1500“ muß es sich um einen Druck- oder Lesefehler handeln, da nach den damaligen Kursen (1 zu ca. 1,8) nur 15.000 Franchi di Re den 8.000 Kammerdukaten entsprochen haben können.

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von der Kreditsumme abzuziehen.166 Und in diesem Kontext vermerkte der Schreiber der Bilanz, daß jener Kredit des Sanseverino über 8.000 Dukaten per cagione della pensione di Nerbone gegeben worden sei, daß er also ursächlich mit einer vom Erzbistum Narbonne zu beziehenden Pension verbunden war! Mit Blick auf den Zeitpunkt und die beteiligten Personen gibt es nur eine Erklärung für diese Notiz: Federico Sanseverino muß während seiner Verhandlungen über die Resignation des ihm schon providierten Erzbistums Rouen zugunsten von Georges d’Amboise, dem Erzbischof von Narbonne, eine Klausel durchgesetzt haben, die ihm zu einer Pension über 8.000 Dukaten verhalf. Merkwürdig ist, daß die Pension auf Narbonne bezogen wurde, denn üblicherweise erhielt der Resignierende – in diesem Fall der Sanseverino – die „Pensionsentschädigung“ von seinem Amtsnachfolger aus den Einkünften des „großzügig“ aufgegebenen Benefiziums; Federico hätte sie also von Georges d’Amboise aus dessen neuen Einnahmen in Rouen erhalten haben müssen. Vermutlich war die Pension hier mehr an die Person als an das Amt gebunden, denn Georges d’Amboise amtierte noch bis zum Mai 1494 als Erzbischof von Narbonne. Allerdings gab es für dessen Nachfolger Pierre d’Absac, den Bischof von Lectoure, ebenfalls einen Grund, Sanseverino eine Pension zu zahlen, weil dieser mit der Resignation Rouens den Transfer des Amboise von Narbonne nach Rouen und damit den seinigen von Lectoure nach Narbonne möglich gemacht hatte (weshalb Pierre vermutlich im Zuge der resolutione vom November 1493 gleichermaßen als Begünstigter bezeichnet wurde). Doch wird sich sowohl der Erzbischof von Narbonne als auch der von Rouen geweigert haben, dem jungen Mailänder mit 8.000 Dukaten pro Jahr eine Pension zu zahlen, die nur unwesentlich unter den jährlichen Gesamteinnahmen seines Erzbistums lag. Eine solche Summe ist für eine Pension zu hoch. Sie muß daher als einmalige Zahlung zu verstehen sein, die sich exakt an der von Karl VIII. in seinem Privileg vom November 1493 festgelegten Obergrenze seiner künftigen Benefizieneinkünfte in Frankreich orientierte und auch deshalb eher aus königlichen denn aus erzbischöflichen Kassen entnommen worden sein dürfte! (Den realen Jahreseinnahmen Sanseverinos in Frankreich konnte sie nicht entsprochen haben, da er Anfang 1494 noch nicht über so hohe verfügte – wenn er sie überhaupt je erzielte.) Da die 8.000 Dukaten aus einer äquivalenten Einnahme in französischen franchi umgerechnet worden waren und die Lyoner Medici-Bank ihre römische Schwesterbank um die Rückzahlung in halbjährlichen Raten von 800 Dukaten bat, müssen die Lyoner Medici-Bankiers den Betrag für Sanseverino angenommen und angelegt haben. 1494 stellte Sanseverino diese dem französischen Hof zu verdankende hohe Summe dann den Medici als Kredit zur Verfügung, womit er ihnen einen wirklichen Freundschaftsdienst erwies. Eine kontextuale Betrachtung offenbart weitere erstaunliche Bezüge. Seit dem 6. März 1494 befand sich Karl VIII. mit seinem Hof in Lyon. Da die 8.000 Dukaten wahrscheinlich von einem königlichen Finanzbeamten auf Befehl Karls zur Verfügung gestellt wurden, spricht viel für kurze Verständigungswege. Bald darauf kam es zu der von Karl VIII. ‚im Affekt‘ beschlossenen Ausweisung der Lyoner Medici-Bank, die als Strafe für Piero 166 Sapori, Il bilancio, S. 208f., Nr. 265, 266.

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de’ Medici zu verstehen war. Unterstützung fanden die Medici-Bankiers jedoch noch in Lyon durch Herzog Ludwig von Orléans, der zu den Nutznießern der Einigung zwischen Federico Sanseverino und Georges d’Amboise gehörte, denn von der Standeserhöhung seines Freundes und Rates profitierte auch er. Der Herzog scheint bei seinem Gespräch mit den vor ihrer Ausweisung stehenden Lyoner Mediceern Mitte Juni 1494 auch jenen Kredit der Medici-Bank angeregt zu haben, den sie dem französischen König in Rom mit 6.000 Dukaten zur Verfügung stellte und der über ihre Tarnfirma, die Lyoner Bartolini(Medici-)Bank, bzw. über Giuliano da Gagliano im Juli und August abgewickelt wurde. Für dessen Tilgung hatten sich zwei hohe Finanzbeamte der Krone, Pierre Briçonnet und Jacques de Beaune, verbürgt. Federico Sanseverino hatte demnach zumindest mittelbar mit seinem Kredit denjenigen der Lyoner Bartolini-Bank erleichtert oder gar ermöglicht, der seinem Freund Piero de’ Medici helfen sollte, die Gunst Karls VIII. zurückzugewinnen. Guillaume Briçonnet aber, der Feind Sanseverinos und Ludwigs von Orléans, er wollte die Lyoner Medici-Bank seit Ostern 1494 in den finanziellen Ruin treiben und die Misere Piero de’ Medicis verschlimmern. Da Federico seine überaus hohe pensione damals vermutlich bereits bei der Lyoner Medici-Bank deponiert hatte, könnte Briçonnet beabsichtigt haben, mit seiner Tat zugleich seinen Feind Federico Sanseverino zu treffen – was ihm die Schmach des verhinderten Kardinalats etwas versüßt hätte. (Ob dies auch der Haltung seines Verwandten Pierre Briçonnet entsprochen hätte, ist nicht bekannt.) Zur römischen Medici-Bank hatte außer Federico Sanseverino noch ein weiteres Mitglied seines mailändischen Freundeskreises enge Beziehungen. Girolamo Tuttavilla, natürlicher Sohn des französischen Kardinals Guillaume d’Estouteville und dessen Namen in Tuttavilla italianisierend, war ein Familiar und Intimus des Kardinals Ascanio Sforza und mit dessen Freund Federico Sanseverino gut bekannt, zugleich aber auch ein Schwager des Virginio Orsini, der ihn bei Angriffen der Colonna auf seine Besitzungen in den Albaner Bergen südlich von Rom beschützte.167 Für Mailand wirkte er auch 1494 in Rom, wo er zu den Kunden der Medici-Bank, speziell des Leonardo di Zanobi Bartolini, gehörte. So beklagte Sanctes Victorinus am 4. Juli 1494 gegenüber seinem Herrn Virginio Orsini, daß Leonardo Bartolini zwar alles tue, um an Bargeld für die Medici-Bank zu kommen, daß diese aber kaum noch Mittel habe; und einer der Gründe, der den Erhalt eines Kredites für den Orsini so schwer mache, liege in den vielen Geldforderungen anderer, vor allem denen des Totavilla, der danari senza alcuno rispectu fordere, ohne selbst etwas geben zu wollen.168 In der Bilanz von Anfang 1495 war er freilich nur mit einer Schuld von 52 Dukaten verzeichnet, aber immerhin mit einem Betrag von 649 Dukaten, die er der Medici-Bank geliehen hatte oder die sie ihm zurückzuzahlen hatte.169 167 Vgl. Celletti, Gli Orsini, S. 29, 35; Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 31f.; s. ferner die Hinwei-

se bei Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, s.v., und oben Anm. 13. Tuttavilla scheint seit der älteren Studie von Gabotto (1889) nicht mehr das Interesse der Forschung geweckt zu haben. 168 Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 658 (3.7.1494: ... et tra l’altri Totavilla ridomanda denari senza rispectu et sparzase dare al banco qualche canco...); der Orsini wollte immerhin die stattliche Summe von 6.000 bzw. 12.000 Dukaten. 169 Sapori, Il bilancio, S. 188, Nr. 78, S. 205, 242.

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Erstaunlicherweise ist noch ein weiterer Beteiligter jenes großen Bistumsrevirements in der römischen Bilanz aufgeführt: der Kardinal von St. Anastasia, Antoniotto Pallavicini, der ja das durch d’Absacs Transfer nach Narbonne frei gewordene Bistum Lectoure erhalten hatte. Er hatte – sicherlich kein Zufall – ebenfalls auf Veranlassung der MediciBankiers von Lyon und über den Medici-Agenten Pierre Fossier aus Genf, der meist in Savoyen wirkte, sowohl einen Kredit über 1.050 Dukaten erhalten, den die römische Medici-Bank in mehreren Raten auszahlen wollte, als auch einen über 1.155 Dukaten, für den er noch 675 Dukaten zu bekommen hatte.170 Eine kleinere Schuld Pallavicinis bei der Medici-Bank über etwas mehr als 17 Dukaten wurde denn auch als ‚gutes Geld‘, als sicherer Kredit bezeichnet.171 Ob bzw. wo genau Pallavicini allerdings in diesem Netzwerk zu verorten ist, bleibt vorerst unklar.172 Sicher aber ist, daß jener im Herbst 1493 besiegelte Bistumstransfer weitaus tiefere Konsequenzen hatte, als sie beim ersten Anschein erkenntlich sind, und daß Federico Sanseverino als Interessenwahrer Frankreichs bereits damals sehr enge Verbindungen zur Lyoner Medici-Bank unterhielt. Piero de’ Medici besaß mit Federico Sanseverino einen Freund, dessen Einbindung in das französische Interessenfeld er ohne jeden Zweifel kannte. Ebenso sicher wird Federico sich intensiv bemüht haben, Piero auf die französisch-mailändische Seite zu ziehen. Hier lagen ihm Frankreich und sein Freund näher am Herzen als die Ambitionen seines Sforza-Herrn. Sein aus französischen Geldern resultierender Kredit über 8.000 Gulden ist daher als entsprechendes Mittel zu bewerten – vor allem wenn wir zeigen können, daß Federico Sanseverino maßgeblich hinter dem lange geheim gehaltenen, aber früh vollzogenen Übertritt Virginio Orsinis auf die französische Seite stand, eben jener Person, wegen der Piero sich – trotz seiner Freundschaft zum Sanseverino, trotz der Interessen, der Geschäftsverbindungen seiner Familie, trotz der traditionellen Bindung von Florenz an Frankreich – so lange zum aragonesischen König von Neapel bekannt hatte! Vorher aber soll erläutert werden, warum der Orsini sich gegen die französisch-guelfischen Traditionen seines Hauses bis Ende 1494 für Neapel statt für Frankreich entschieden hatte. Ein Schlüssel wird in Tagliacozzo liegen.

3. Die Orsini und Medici (und Frankreich) Wir hörten bereits, daß der auf die Brüder Roberto und Napoleone zurückgehende OrsiniZweig seine Macht maßgeblich auf den Besitz der bedeutenden Grafschaft Taglia170 Sapori, Il bilancio, S. 206, Nr. 246, 247. 171 Sapori, Il bilancio, S. 189f., Nr. 86. 172 Antoniotto Pallavicini, der in der Literatur kaum erforscht zu sein scheint, ist im März 1489

zusammen mit Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici durch den entschieden profranzösischen Innozenz VIII., einen Genueser Landsmann, in den Kardinalat erhoben worden; möglicherweise sind seine offensichtlich guten Beziehungen zu Federico Sanseverino, den Medici und nach Frankreich auf jene Konstellation zurückzuführen; zu Innozenz VIII. und Frankreich vgl. etwa Tewes, Römische Kurie, passim.

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cozzo/Albe gründete, die den beiden aufgrund ihrer proaragonesischen Haltung 1461/64 vom Herrscher des Königreichs Neapel verliehen worden war. Von dieser Basis aus baute dann vor allem Napoleone das im nördlicheren Lazio, also im Kirchenstaat gelegene Schloß Bracciano zu einem zentralen Stützpunkt und Repräsentationsbau aus. Sowohl Tagliacozzo als auch Bracciano wurden dann zu Lebens- und Wirkmittelpunkten von Napoleones Sohn Virginio Orsini und seiner Tante Caterina Sanseverino, der Frau seines Onkels Roberto. Als Caterina sich entschloß, ihre Tochter Alfonsina dem ältesten Sohn von Lorenzo de’ Medici zur Frau zu geben, wurde diese Hochzeit auf Orsini-Seite vor allem von Alfonsinas Cousin Virginio als Erben des 1480 verstorbenen Napoleone verhandelt.173 Der Ehevertrag als erster offizieller Teil der Hochzeitszeremonie und -feier wurde im Februar 1487 in Neapel unterzeichnet. Die Wahl dieses Ortes dürfte weniger daran gelegen haben, daß Alfonsina und ihre Mutter damals in Neapel wohnten, sondern mehr auf Virginios Stellung am Hof des Königs zurückgehen.174 Allerdings wird diese Geste auch in Lorenzo de’ Medicis Interesse gelegen haben, denn er wollte von König Ferrante die Abtei Montecassino für Giovanni de’ Medici erhalten, was durch demonstrative Beweise guten Einvernehmens erleichtert werden sollte. Hier verzahnen sich wiederum die Interessen der beiden Familien. Nehmen wir zunächst die Medici-Perspektive ein, wechseln dann zu jener der Orsini, um schließlich mit einem dritten Schritt spezielle Motive und Abhängigkeiten Pieros in den Jahren 1492–94 zu untersuchen. Lorenzo de’ Medici, bekanntlich selbst mit einer Cousine Alfonsinas, Clarice, verheiratet, war bestrebt, das militärische, ökonomische und territoriale Potential dieses bedeutenden Hochadelsgeschlechts noch stärker für seine Familie zu nutzen.175 Nach der Niederschlagung des Baronenaufstands und den ersten, noch von einem Prozeß begleiteten Hinrichtungen Ende 1486 hatte bereits am 24. Februar 1487 in Neapel die formale Eheschließung (sponsalitium) zwischen Piero de’ Medici und Alfonsina Orsini Sanseverino stattgefunden, indem Bernardo Rucellai, Florentiner Botschafter in Neapel sowie Schwager, Freund und Prokurator von Lorenzo de’ Medici, stellvertretend für Piero und dessen Vater sowie Virginio Orsini für Alfonsinas nicht mehr lebenden Vater (oder für sie selbst) im Beisein des die Familien auch durch einen Ball ehrenden Königspaares, des ganzen Hofes sowie der Braut und ihrer Mutter Caterina Sanseverino den Ehevertrag unterzeichneten, d.h. ihren Konsens zu nozze und dote erklärten. Doch erst am 25. April 1488 ratifizierten Piero und Lorenzo de’ Medici den Vertrag über Alfonsinas für Florenz ansehnli-

173 Zu Virginio als Verhandlungspartner Lorenzos vgl. ASF, MAP CXXXVII, doc. 1013; Picotti,

Giovinezza, S. 212, Anm. 25. 174 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 389f. (1485 Ernennung Virginios zum Generalkapitän der Liga zwi-

schen Neapel und Mailand, Florenz und Siena, um gegen Papst Innozenz VIII., den Conte di Caiazzo Roberto Sanseverino und die aufständischen Barone zu kämpfen; Virginio erhielt dabei von Ferrante die Ehre, den Namen und das Wappen des Königshauses Aragón tragen zu dürfen; 1489 wurde er dann Generalkapitän der neapolitanischen Truppen). 175 Die entsprechenden rational abwägenden Argumente sind anschaulich im Briefwechsel zur geplanten Hochzeit Lorenzos mit Clarice nachzulesen: Tornabuoni, Lettere, S. 62–65, Nr. 12– 14.

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che, für Baronalfamilien aber übliche Mitgift von 12.000 Dukaten (a carlini). Im Mai 1488 sollte dann, nachdem Piero seine Braut aus Rom abgeholt hatte, mit der üblichen Abfolge der beiden Eheschließungsakte die eigentliche Hochzeit (matrimonium) in Florenz gefeiert werden, bei der die sposi die Ringe tauschten und ihren Konsens erklärten. Wegen des Todes von Pieros Schwester Luisa wurden die Feiern jedoch verschoben.176 176 Einschlägig für das sponsalitium in Neapel ist der briefliche Bericht des Florentiner Gesandten

in Neapel, Bernardo Rucellai, der die künftige Braut im November 1486 einer eingehenden Prüfung unterzogen hatte (vor allem hinsichtlich der äußeren, nicht allzu bemerkenswerten Schönheit), und der dann im Februar die vertraglichen Einzelheiten für Lorenzo vor Ort regelte, am 24.2.1487 den Vertrag unterzeichnete und auch bei dem vor dem 2.3.1487 erfolgten Festmahl im Königspalast teilnahm, von dem er eingehend berichtete: Nach seinem letzten, in großer Eile und unvollständig geschrieben Brief habe man zwischenzeitlich lo sponsalitio in castello nella sala grande zelebriert, presente el Re e tutta la corte come dovesti forse intendere per una postscripta del mio cancelliere e più appieno dal Baccio per mano di Ser Andrea cancelliere di Piero Capponi per modo, che di questo e della cena [ch]e sia non ti diro altro rimettendomene a quella, perché in verità la Maestà del Re et tutti questi reali non poteano fare maggiori demonstracioni verse te [et] el signore Virginio, le quali quì si stimono assai, e per chi le fa e molto più per quelli che lo ricevono. Io dipoi el dì sequente vicitai la contessa et la sposa per benché prima su la festa facessi tutte le cerimonie, ma volli poi a casa riverderle e anche gustarle meglo, e se Dio mi aiuti, mi parve trovare la contessa una saputa e da bene donna e la sposa una gentile damigella, per modo che io credo ne abbi avere contentamento e così piaccia a Dio che debba essere; ASF, MAP XLIX, doc. 88 (datiert nach Florentiner Stil auf den 2.3.1486). Bernardo hebt neben der Braut also explizit die contessa hervor, Alfonsinas Mutter Caterina Sanseverino, die er als weise und gute Frau charakterisiert, und die doch wohl nicht nur bei der feierlichen cena, dem Mahl teilgenommen haben dürfte, sondern ebenso wie ihre Tochter bei dem voraufgehenden sponsalitium. Diese Briefe sind gedruckt bei Verde, Studio fiorentino III/2, S. 802–804; Auszüge bei Pontieri, La politica, S. 268, Nr. 207 (doch mit überholter Archivsignatur und falschem Datum); vgl. auch Walter, Der Prächtige, S. 247–249. In der Literatur ist die selten thematisierte Hochzeit Pieros mit Alfonsina Orsini offenbar wegen der zwei Festakte und deren unterschiedliche Inhalte ungenau datiert und dargestellt und damit in falsche politische Zusammenhänge gestellt worden; vgl. etwa Pieraccini, Stirpe dei Medici I, S. 177 (der am 15.2.1472 geborene Piero habe Alfonsina im Mai 1488 geheiratet – was aber nur auf die dann in Florenz von den Brautleuten gefeierte Hochzeit zutrifft), 186 (mit Bezug auf den genannten Brief Rucellais vom 2.3.1487 und Zitaten aus diesem: „Le nozze di Alfonsina con Piero de’ Medici ebbero luogo nel marzo 1488 e si celebrano a Napoli“); genauso irrig etwa Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 33 (Piero de’ Medici habe im November 1487 mit seiner Mutter Clarice Orsini und einem prunkvollen Gefolge seine Schwester Maddalena zu ihrer bevorstehenden Vermählung mit dem Papstsohn Franceschetto Cibo nach Rom begleitet, in Bracciano bei Maddalenas und seinem Onkel Virginio Orsini, dem Bruder(!) seiner Mutter, Zwischenstation gemacht, habe dabei auch die Verhandlungen über seine Ehe mit Alfonsina abgeschlossen, welche dann am 20.1.1488 in Neapel gefeiert worden sei); und jüngst noch Tomas, Alfonsina Orsini, S. 75f. („The marriage of his eldest son, Piero, to Alfonsina Orsini in early 1488, reaffirmed and extended Lorenzo ‚the Magnificent’s‘ ties with the Orsini, and was part of his strategy to maintain peace with Naples and strengthen the Medici’s power on the broader Italian political stage.“); Dies., Medici Women, S. 20 („Bernardo Rucellai’s description of the marriage ceremony in February 1488 ...“). Zu den einzelnen Verträgen und der (zweiten) Feier im Jahr 1488 vgl. ASF, MAP CXXXVII, doc. 1006, c. 1013 (Kopie des Vertrages von 1487); CXLVIII, doc. 26, c. 26r–28bis v (Original des Vertrages von 1487 mit Unterschriften Bernardo Rucellais und Virginio Orsinis, ohne Datum); CLVII, c. IIIr–Vr (Premessa bzw. „Ragguaglio storico ad intelli-

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Der Orsini wird in dem aus Neapel geschriebenen, für die erste Feier einschlägigen Brief Rucellais vom 2. März 1487 gleichsam als „Patron“ Alfonsinas besonders hervorgehoben. Damals waren auch die rebellischen Sanseverino (bis auf den im Januar nach Rom geflüchteten Antonello) wegen der vom König vorgeschlagenen Verhandlungen über die Rückgabe der konfiszierten Güter nach Neapel gekommen, und man wird ihre Anwesenheit bei der Vermählung ihrer Verwandten annehmen dürfen. Nur wenig später erfolgte im Juni und Juli 1487 die gegen alle Zusagen und Rechtssätze verlaufende Inhaftierung sämtlicher in Neapel und in der Umgebung anwesenden Sanseverino. Im November 1487 befand sich Piero in Bracciano am Hof der Orsini, um seine Schwester Maddalena zu ihrer Hochzeit mit Franceschetto Cibo nach Rom zu begleiten. Mit dieser Hochzeit setzt die Forschung bisher die endgültige Hinwendung Lorenzos zur Politik des Papstes Innozenz VIII. und damit zu dessen antiaragonesischer, profranzösischer Haltung an, da Lorenzo bis dahin und vor allem während des neapolitanischen Baronenkrieges zusammen mit Mailand eine (verhaltene und faktisch eher Neutralität bewirkende) Allianz mit Neapel geschlossen hatte, um das Gleichgewicht der italienischen Staaten zu wahren und eine Eroberung Neapels zu verhindern. Allerdings wurde auch betont, daß eine traditionelle oder gar grundlegende Verbindung mit den Aragonesen nicht die Ursache dieser Allianz war; wie ganz Florenz war auch Lorenzo grundsätzlich guelfisch und nach Frankreich ausgerichtet. Zugleich können ökonomische Interessen der Medici im Königreich Neapel bei jener Allianz eine wichtige Rolle gespielt haben. An einem guten Verhältnis zu König Ferrante mußte Lorenzo seinerzeit aber noch aus dem bereits angesprochenen, einem ebenfalls fundamentalen Grund liegen: Genau in den Wochen der Heirat Pieros mit Alfonsina fanden die entscheidenden Verhandlungen statt, bei denen Lorenzo die seit dem Sommer 1486 vorbereitete Provision Giovannis, des damals elfjährigen Bruders Pieros, mit der Abtei Montecassino durch Papst Innozenz VIII. erreichen wollte; hierbei war er gleichermaßen auf das Einverständnis des neapolitanischen Königs angewiesen, dessen Sohn die berühmte und reiche Abtei bis 1485 besessen hatte. Am 3. März 1487 – also kurz nach der Eheschließung Pieros mit Alfonsina in Neapel – verlas der Papst im Konsistorium den Brief Ferrantes, mit welchem dieser um die Übertragung der Abtei an Giovanni bat; am 13. März kommendierte ihn Innozenz VIII. mit Montecassino, im April ließ er die Bullen nach Florenz senden und im Mai leistete Giovanni dort den Eid. Pieros Ehe und Giovannis Abtei trugen größte Freude ins Haus Medici: La casa nostra tra pel parentado di Piero e tra per questa badia è gran tempo

genza degli annessi documenti appartenenti ad Alfonsina degli Orsini“; gedruckt in Lefevre, Il patrimonio, S. 129f.) und c. 84r (über die Ratifizierung durch die Medici im April 1488). Über die beiden üblichen Hochzeitsakte informiert Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 353 (da hier erklärt wird, daß beim sponsalitium auf Seiten des Ehemannes dieser selbst oder sein Tutor, auf Seiten der sposa aber deren Vater den ersten offiziellen Akt beschloß, haben wir geschlossen, daß Virginio nicht (wie oft behauptet) für die ja in Neapel anwesende Alfonsina, sondern für deren gestorbenen Vater handelte).

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che non fu tanto lieta, schrieb Lorenzo am 17. März 1487.177 Er hatte diesen Vorgang mit großem Nachdruck und großer Eile betrieben. Denn bereits im Dezember 1486 hatten die Verhandlungen zwischen dem Medici und dem Papst wegen der einem politischen Bekenntnis gleichkommenden Heirat zwischen Lorenzos Tochter Maddalena und dem Papstsohn Franceschetto Cibo begonnen, die am 25. Februar 1487 in Rom mit einem Vertrag vorerst abgeschlossen wurden.178 Nun war bekanntlich Innozenz VIII. immer noch der Erzfeind Ferrantes, und Lorenzo mußte fürchten, daß diese Heirat den Erwerb Montecassinos für Giovanni gefährden könnte. Mit Recht: Ferrante war mit Blick auf diesen parentado in der Tat mißtrauisch geworden.179 Lorenzos Umkehr zur Politik des Cibo-Papstes war nunmehr öffentlich und unumgänglich. Doch auch in einem anderen Zimmer des Hauses Medici wuchs eine antiaragonesische Komponente heran, genährt durch das Schicksal der Verwandten seiner neuen Schwiegertochter Alfonsina Orsini. Mit diesem wichtigen, hochpolitischen Medici-Orsiniparentado war eben nicht nur der Medici-Einfluß im päpstlichen Rom gewachsen,180 sondern wurden zugleich die Interessen wie Probleme der Orsini und Sanseverino, die aus ihren neapolitanischen Besitzungen resultierten, zu solchen der Medici. Es war dabei nicht von nachgeordneter Bedeutung, daß die Aussteuer Alfonsina Orsinis nicht zuletzt aus den Gütern ihrer Mutter Caterina Sanseverino, der Gräfin von Tagliacozzo, stammte.181 Wie genau sich diese zusammensetzten, ist nicht mehr zu eruieren, doch lag mit den Besitzungen der Grafschaft Tagliacozzo ein zentraler Komplex im Regno di Napoli, erweitert z. B. um Städte wie Ostuni. Diese Besitzungen werden die Medici auch während ihres Exils beschäftigen, und sie werden noch für Caterina de’ Medici, die künftige Königin von Frankreich und Enkelin Alfonsinas, von Interesse sein.182 Briefliche Quellen erweisen eindeutig, wie stark Lorenzo de’ Medici durch diese neuen Familienbindungen mit innenpolitischen Entscheidungen des Königs von Neapel konfrontiert wurde, welche den Grad aragonesischer Verläßlichkeit nicht unbedingt erhöhen. 177 Zu diesem Vorgang: Picotti, Giovinezza, S. 97–106 (Zitat auf 103; die hohen Servitien von über

1.000 Dukaten wurden Giovanni durch den Papst erlassen); vgl. Bullard, Lorenzo il Magnifico, S. 149 u. Anm. 57. 178 Picotti, Giovinezza, S. 146f., Anm. 140 (die definitive Formulierung des Vertrages erfolgte am 24.5.1487, die Hochzeit bekanntlich Mitte November 1487 in Rom). Ohne Bezug auf die Vorverhandlungen: Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 241f. 179 Vgl. den bereits angeführten Brief Rucellais an Lorenzo vom 2.3.1487 (oben Anm. 176), in welchem allerdings die auf den Bericht zur Heirat Pieros mit Alfonsina folgenden, politische Fragen berührenden Passagen verschlüsselt sind. Doch wird aus dem nicht chiffrierten Text und bereits vorgenommenen Dechiffrierungen deutlich, daß König Ferrante vom Abschluß des parentado col Papa erfahren habe und daß man offenbar einen Widerruf des Königs wegen der Übertragung von Montecassino an Giovanni befürchtete. 180 Dies betont z. B. Pontieri, La politica, S. 269, Anm. 1, im Kontext der Hochzeit von Piero und Alfonsina. 181 Vgl. ASF, MAP CXXXVII, doc. 1006, c. 1013r–1013quatv (Erwähnung der Güter von Caterina Sanseverino, Gräfin von Tagliacozzo, als Teil und mögliche Ergänzung der Aussteuer Alfonsinas). 182 Vgl. etwa Lefevre, Il patrimonio, bes. S. 96f., 130f.

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Aus einem Brief der principessa di Bisignano, den sie am 15. Oktober 1488 aus Rom an Lorenzo de’ Medici schrieb, wird ersichtlich, daß Lorenzo über einen Mittelsmann bereits Kontakte zu ihr unterhielt und sich für sie einsetzte, wofür sie ihm herzlichst dankte. Lorenzo sollte darin nicht nachlassen und sich für sie und ihre Söhne beim Papst verwenden; wegen ‚der Erledigung der wenigen Freuden, die ihr blieben, solle Lorenzo den Auftrag ausführen lassen, den sie ihm anvertraut habe‘. Genaueres gab sie in dem Brief nicht bekannt; es sollte jedoch die erlittenen Schicksalsschläge der Sanseverino mildern. Allem Anschein nach handelt es sich bei der Prinzessin von Bisignano nicht um Girolamo Sanseverinos Mutter, Giozzolina Ruffo, sondern um seine Ehefrau Mandella Caetani, die schon vor der Verhaftung Girolamos die Flucht der gesamten Familie beabsichtigt hatte, von der Einkerkerung überrascht wurde, in Neapel unter Arrest stand und nur durch eine List mit ihren Söhnen auf einem Schiff im September 1487 aus dem Königreich nach Rom fliehen konnte.183 Zwei oder drei dieser Söhne waren, wie schon thematisiert, anschließend zusammen mit Antonello Sanseverino, dem Prinzen von Salerno, von Rom nach Venedig gereist; zum Zeitpunkt dieses Briefes befanden sie sich bereits in ihrem „freiwilligen“ Exil am Hof des Herzogs René II. von Lothringen, zu welchem Papst Innozenz VIII. hervorragende Beziehungen unterhielt, weil er ihn zur Eroberung des Throns von Neapel bewegen wollte. In diesem politischen Kontext sind die Dienste Lorenzos für die Fürstin von Bisignano also zu verorten. Ein grundsätzliches Problem versuchte Lorenzo im Frühjahr 1489 gemeinsam mit der Schwiegermutter seines Sohnes Piero zu lösen. Caterina Sanseverino, die sich damals im Orsini-Schloß zu Bracciano befindliche contessa di Tagliacozzo, hatte ihn um Rat gebeten, wie sie sich gegenüber König Ferrante verhalten sollte, um von ihm die Erlaubnis zu erhalten, das Königreich Neapel – wo sie sich offenbar in Lebensgefahr sah – gänzlich zu verlassen, um sich in Florenz an der Seite ihrer Tochter niederzulassen. Höchst instruktiv sind nun die von Sorge begleiteten Erwägungen Lorenzos, die er in einem an Caterina gerichteten Brief vom 22. Mai 1489 formulierte.184 Wenn der König Caterina die Erlaubnis zum Verlassen des Königreichs gäbe, würde dies eventuell genügen, ‚ohne weitere Lockmittel‘ (sanza alcuna nuova tentatione); wenn nicht, dann solle Caterina sehr vorsichtig sein, sie wisse, wie es dort unten zugehe und kenne die Handlungsbereitschaft, die 183 Eingehende und anschauliche Beschreibung der Flucht bei Porzio, Die Verschwörung, S. 260–

262. Da offenbar alle Söhne Girolamos mit ihrer Mutter fliehen konnten und einige mit Antonello Sanseverino in Frankreich waren und da sich die Wünsche der Briefschreiberin auf Gunsterweisungen für diese richteten, kann es sich bei ihr kaum um Girolamos Mutter gehandelt haben, deren zwei Söhne Girolamo und Carlo, Graf von Mileto, ja zu diesem Zeitpunkt in Haft waren, wenn sie nicht bereits ermordet worden waren. 184 ASF, MAP LXXII, doc. 382. Am Beginn des Briefes bezieht sich Lorenzo noch auf eine nicht näher spezifizierte Angelegenheit, die Nofri Tornabuoni, der Leiter der römischen Medici-Bank, gemäß Caterinas Wunsch für sie erledigen werde. Diesem Brief waren andere zwischen Caterina und Lorenzo vorausgegangen, die sich um die gleiche Sache (Lizenz) und um die Aussteuer Alfonsinas drehten; vgl. MAP XL, 206 (15.2.1489, Caterina Sanseverino an Lorenzo de’ Medici); MAP XL, 227 (15.3.1489, Caterina Sanseverino an Giovanni Antonio, Kanzler von Lorenzo de’ Medici); MAP XLI, doc. 123 (25.3.1489, Caterina Sanseverino an Lorenzo de’ Medici).

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man jeden Tag erblicken können (la dispositione che ogni dì si vede)! Er, Lorenzo, wisse nicht, was geschähe, wenn sie ohne die Erlaubnis kommen würde, denn damit gäbe sie den Anlaß zur Konfiskation ihrer Güter. Nach seinem geringen Kenntnisstand rate er ihr, mit allen Mitteln zu versuchen, die licentia zu erlangen und zu behaupten. Auf jeden Fall solle Caterina Geduld haben und abwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden. Denn auch wenn sie alles Recht auf ihrer Seite habe, glaube er nicht, daß es gut sei, sich für wenig zu ruinieren, besonders mit Blick auf ihr langes und vielfaches Leiden! Er verlasse sich also auf ihre Klugheit und ihre Urteilskraft, vor allem da sie die Verhältnisse dort unten besser kenne als er. Und Alfonsina gehe es gut. Aus diesem Brief wird demnach klar ersichtlich, daß Caterina um jeden Preis mit Genehmigung ihres königlichen Herrn das neapolitanische Reich auf Dauer verlassen wollte, da sie offensichtlich das Schlimmste für sich befürchtete. Lorenzo dagegen war von der Sorge geleitet, eine ohne königliche Einwilligung erfolgende Ausreise könnte angesichts der manifesten Unberechenbarkeit des Königs einen gravierenden Verlust für die contessa bedeuten. Es ist nicht zu verkennen, daß Lorenzo die politische Entwicklung im Königreich Neapel auf diesem Feld als nicht mehr kalkulierbar betrachtete. Die Grafschaft Tagliacozzo und die Orsini Darüber hinaus entwickelte sich für Caterina seit längerem ein geradezu existentieller Grund, das aragonesische Königshaus zu verwünschen: Tagliacozzo und Albe. Von diesen in den Abruzzen im nördlichen Teil des Königreichs Neapel nicht unweit des Kirchenstaates gelegenen, strategisch wie wirtschaftlich bedeutenden Grafschaften war Tagliacozzo wie beschrieben seit Anfang des 14. Jahrhunderts (und seit 1441 mit der Grafschaft Albe verbunden) im Besitz der Familie Orsini, war deren Stammsitz, bevor er nach Bracciano in den Kirchenstaat verlagert wurde.185 Jenen zentralen Besitz in den Abruzzen verloren die Orsini jedoch am Ende des 15. Jahrhunderts schrittweise an die Colonna. In der allmählichen Übertragung der Grafschaften an die Colonna, die Todfeinde der Orsini, wird man eine der Hauptursachen für den Übertritt des Orsini-Clans zur französischen Partei zu sehen haben, die diesen gravierenden Verlust denn auch nach Kräften zu kompensieren suchte. Weil dieser regionale Sachverhalt eine geradezu europäische Bedeutung gewinnen sollte, weil er in der Forschung nicht angemessen gewürdigt wurde und weil er gerade die exilierten Medici mit betraf, bedarf er einer etwas genaueren Schilderung. Durch ihre Heirat mit Roberto Orsini, dem Gran Connestabile des Regno, war Caterina wie gesagt zur Gräfin von Tagliacozzo und Albe geworden, als welche sie sich demonstrativ auch dann noch bezeichnen ließ, als die Grafschaft längst im Besitz der Colonna war. Der endgültige Verlust des alten Orsini-Stammsitzes deckte sich zeitlich ziemlich genau mit dem Beginn des Exils der Medici und beeinflußte ganz erheblich die politischen Optionen des Familienkreises!

185 S.o. S. 255, Anm. 8.

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Als Giovanni Antonio Orsini sich nach dem Tod König Alfons’ I. 1458 auf die Seite proangiovinischer Rebellen schlug, übertrug König Ferrante 1461 die Grafschaften Tagliacozzo und Albe an dessen loyale Neffen Napoleone und Roberto, die beide in neapolitanischen Diensten stehend 1480 bzw. 1479 starben. Die Loyalitätsbeweise und verpflichtungen der traditionell eigentlich angiovinischen, also profranzösischen Orsini gegenüber dem König von Neapel waren freilich labil, hingen elementar vom Bestand ihres Besitzes Tagliacozzo ab und sollten völlig schwinden, als der König die Grafschaft verstärkt zum Druckmittel gegen die Orsini machte und sie ihnen dann ganz entzog. Die Wirkung dieses brisanten politischen Spiels steigerte der aragonesische Herrscher durch wiederholte Stiche in die Achillesferse der Orsini, indem er Tagliacozzo bei Ungehorsam ausgerechnet den Erzfeinden der Orsini, den Colonna, übergab. Mit diesem kaum Stabilität und dauernde, gar bedingungslose Loyalität bewirkenden Verfahren, die beiden verfeindeten Familien gegeneinander auszuspielen und aufzustacheln, begann Ferrante schon gleich nach dem Tod Napoleone Orsinis. Denn die Grafschaft Albe mit den dazugehörigen Ländereien verkaufte der König nun an die Söhne des Odoardo Colonna – von einer bloßen Investitur kann man angesichts der geforderten Verkaufssummen nicht sprechen.186 In der folgenden Phase einer ungeklärten Neuvergabe des bedeutenden Lehens versuchten die Colonna mit aller Kraft und mit finanziellen Vorauszahlungen, auch Tagliacozzo in ihren Besitz zu bringen – zum Entsetzen von Virginio Orsini, der Anspruch auf die Investitur erhob und diese 1482 auch angeboten erhielt, weil Ferrante offensichtlich (noch) davor zurückschreckte, sich die Orsini zu Feinden zu machen.187 Tatsächlich hatte Virginio die Absicht Ferrantes, die beiden Grafschaften an die Colonna zu verkaufen, so irritiert, daß er Girolamo Riario einen gemeinsamen Angriff auf Neapel vorgeschlagen hatte. Virginios Parteinahme für Girolamo Riario bei dessen Kampf gegen Ercole d’Este, den Herzog von Ferrara und Schwiegersohn sowie Verbündeten Ferrantes, führte noch 1482 zu einem ersten Verlust Tagliacozzos und der damit verbundenen Einnahmen von gut 20.000 Scudi.188 Nach einem Frieden zwischen dem Orsini und König Ferrante, der nach dem den Krieg um Ferrara beendenden Friedensschluß von Bagnolo 1484 vereinbart werden konnte,189 waren die mit Ferrante auf der Verliererseite stehenden Colonna nur durch massiven Druck Papst Sixtus’ IV. zur Rückgabe der Grafschaft zu bewegen. Doch wollten sie sich mit diesem Verlust nicht zufrieden geben und okkupierten 1486 große Teile, als Virginio in seiner Stellung als capitano generale der 186 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere VI, S. 142, Anm. 6: Lorenzo wollte im Dezember 1481 wis-

sen, was Ferrante mit den contadi von Tagliacozzo und Albe vorhabe, ob er an Virginio Orsini verkaufe oder an andere. Der Florentiner Botschafter in Neapel, Pierfilippo Pandolfini, antwortete am 28.12., daß er nichts Genaues wisse, doch hätten die Colonna per parte 12.000 Dukaten bezahlt und hofften, alles zu erhalten. Ferrante wolle ihnen aber nur Albe geben, um Virginio nicht völlig zu vergraulen, weshalb die Colonna ihrerseits das angezahlte Geld zurückforderten. Noch sei nichts entschieden. Vgl. auch Pansa, Gli Orsini, S. 19f. 187 Vgl. Lorenzo de’ Medici, Lettere VI, S. 247, Anm. 5. 188 Regis Ferdinandi, S. 389; Brigante Colonna, Gli Orsini, S. 207f.; Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 29f. 189 Hierzu auch Galasso, Il Regno di Napoli, S. 687–690.

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Liga (seit 1485), der mit Ferrante verbündeten Mächte, gegen die aufständischen Barone und die Päpstlichen kämpfte. Der König mußte die Colonna eigens in seine Dienste nehmen, um sie zum Verzicht auf Tagliacozzo zu veranlassen.190 König Ferrante tat nun viel, um sich den mächtigen Virginio Orsini und mit ihm dann auch den jungen, sich an Virginio klammernden Medici-Erben noch fester zu verpflichten. Im April 1487 wurde in Neapel die Hochzeit zwischen Virginios Sohn Giangiordano und Ferrantes illegitimer Tochter Maria Cecilia d’Aragona gefeiert, nach welcher der König Virginio Orsini das Privileg gewährte, den Namen und das Wappen des Hauses Aragón führen zu dürfen und seine Familie in die Matrikel des neapolitanischen Adels einschreiben zu lassen. Am 5. September 1489 folgte die Ernennung Virginios zum Generalkapitän der neapolitanischen Armee; das Diplom wurde ihm durch hohe Repräsentanten des Hofes am 27. Oktober in Bracciano überreicht, und schon am nächsten Tag ritt Virginio an der Spitze seiner Söldnertruppen – diese Szene ließ er dann 1491 auf einem Fresko in Bracciano verewigen, unmittelbar neben einem anderen Schlüsselereignis: dem feierlichen Empfang Piero de’ Medicis und seiner Delegation im November 1487.191 1492 stellte der König Virginio Orsini die gewaltige Summe von 40.000 Scudi zur Verfügung, damit er dem Medici-Verwandten Franceschetto Cibo im September 1492 mit Unterstützung von Piero de’ Medici die Grafschaft Anguillara mit den dazugehörigen Besitzungen (Cerveteri, Monterano, Viano usw.) für 45.000 Dukaten abkaufen konnte.192 Mit diesem Besitz vermochte Virginio seine Machtbasis im Kirchenstaat ungemein zu erweitern, was direkt und indirekt immer – so schon die Strategie Lorenzos, der diesen Plan bereits lange vorher vorbereitet hatte! – den Medici als engen Verwandten zugute kam!193 Davon benachteiligt sah sich jedoch der zürnende neue Papst, Alexander VI., der sich nur unter der wachsenden Bedrohung durch das aufrüstende Frankreich und unter Vermittlung von Florenz und Spanien zu einem im August 1493 vollzogenen Frieden mit Ferrante von Neapel und Virginio Orsini bereit sah, der für die Investitur (nochmals) 40.000 Scudi an die Apostolische Kammer zu zahlen hatte. Pieros so erstaunlich unvernünftiges und starrköpfiges, letztendlich sein Exil verursachendes Bekenntnis zu Neapel dürfte ganz wesentlich in jenen Akten politischmilitärischer Machtfestigung und -erweiterung seiner Verwandten und Freunde begründet liegen! Mit Virginio führte er überdies eine äußerst intensive Korrespondenz. Und nicht zuletzt gewährte er dem stets unter Bargeldmangel leidenden Verwandten immer wieder – wir hörten es z. T. schon – hohe Kredite. Als Virginio angesichts des bevorstehenden 190 Regis Ferdinandi, S. 390. 191 Zu den Ereignissen und Daten vgl. Regis Ferdinandi, S. 390; Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S.

32f.; Cavallaro, Il dipinto, S. 57; zu den Fresken s.o. S. 18f. 192 Vgl. Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 33f.; Shaw, Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini, S.

39 u. S. 42, Anm. 36 (mit der urkundlich bestätigten Kaufsumme und der Vermutung, Piero de’ Medici habe Virginio möglicherweise mit einem Kredit geholfen). Nicht ohne Bedeutung für das Kommende ist in diesem Kontext die Hilfe des Kardinals Giuliano della Rovere, des künftigen Papstes Julius II., für den Orsini. 193 Vgl. Shaw, Political role (1983), S. 175f.

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Einmarsches der Franzosen durch den neuen König Alfons II. am 15. oder 25. Mai 1494 die höchste militärische Würde des Königreiches Neapel erhielt, das Amt des Gran Connestabile – nachdem er kurz vorher zudem von dem jetzt mit Neapel verbündeten Papst zum Generalkapitän der Kirche ernannt worden war –,194 band Alfons II. damit nicht nur den Baron noch enger an sich, er verpflichtete sich damit ebenso – bewußt oder unbewußt – Piero de’ Medici als dessen Ziehsohn und Intimus. Denn Virginio wollte aus den damit verbundenen Einnahmen von 24.000 Dukaten einen Teil seiner gewaltigen Schulden (mehr als 39.000 Dukaten) bei der Medici-Bank begleichen. Wir hörten bereits, wie dieser Finanzvorgang 1495 bei der Liquidierung der römischen Medici-Bank einen zentralen Posten des Vertrages zwischen den Syndizi und den Tornabuoni bildete.195 (Doch noch im Sommer 1495 waren die 24.000 Dukaten aufgrund der politischen Verhältnisse nicht wie vorgesehen bei der Medici-Bank in Neapel eingezahlt.) Über Pieros Bank in Neapel liefen auch andere größere Finanzgeschäfte des Orsini. So hatte Virginios Diener Marco seinem Herrn am 24. April 1493 aus Neapel berichtet, daß der König, der Herzog (Alfons von Kalabrien) und der signore Fabritio (Colonna) bei ihm gewesen seien, um mit dem Orsini wegen ‚jener vermaledeiten Ländereien‘ (queste benedette terre – Tagliacozzo und Albe?) ins reine zu kommen; er habe jetzt auch die Nachricht, daß jene auf das OrsiniKonto bei der Medici-Bank schon 6.000 Dukaten des Kredites für den Orsini gegeben hätten und den Rest sofort bezahlen würden.196 Auch in Neapel hätte Piero, analog zu 1478 oder Lyon 1494, im Fall eines politischen Affronts eine Schließung der Bank und Konfiskation der Einlagen befürchten müssen, die gleichfalls seinen väterlichen Freund Virginio betroffen hätte. Dies bildete eines der nicht zu vernachlässigende Motive bei Pieros Beharren auf seiner „Freundschaft“ mit Neapel bzw. seiner Neutralität. Die Ereignisse überschlugen sich im entscheidenden Jahr 1494, sowohl auf Seiten der Medici als auch ihrer Orsini-Verwandten. Durch den bevorstehenden und dann tatsächlich durchgeführten Marsch der Franzosen auf Neapel lösten sich politische Bündnisse (pro Neapel) auf und mündeten in scheinbar neuen, offenkundig aber alte Traditionen aufnehmenden Allianzen (pro Frankreich), deren Substanz sich in Dauer und Intensivierung zeigen sollte – Formierungen, die das Medici-Exil prägten. Wenn sowohl Piero de’ Medici als auch Virginio Orsini nur wenige Monate nach dessen Erhebung in das höchste militärische Amt des Königreichs Neapel und des verbündeten Kirchenstaates ganz auf die französische Seite wechseln, könnte eine der Ursachen in einem beide Familien gleichermaßen treffenden Vorgang vom 30. Mai 1494 liegen. An jenem Tag ließ der für seine Unberechenbarkeit und Brutalität berüchtigte König Alfons II. den (gegen die Haltung seiner engeren Verwandten) dem Königshaus gegenüber so 194 Vgl. etwa Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 34 (15.5.1494); Cavallaro, Il dipinto S. 64

(8.5.1494 Ernennung zum Generalkapitän der Kirche, 25.5. zum Gran Connestabile des Königreichs Neapel); aber auch nach Regis Ferdinandi, S. 390, erfolgte die Ernennung am 15.5.1494. Die Würde des Gran Contestabile oder Gran Connestabile hatte schon Virginios Onkel, Roberto Orsini, der Ehemann von Caterina Sanseverino, innegehabt. 195 Vgl. oben S. 158. 196 Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 596 (24.4.1493).

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lange loyal gebliebenen Guglielmo Sanseverino verhaften, den Bruder von Pieros Schwiegermutter und Virginios Tante mithin, dem auch sein Sohn Amerigo in den Kerker des Castel Nuovo in Neapel zu folgen hatte.197 Der Grund wurde in Guglielmos Weigerung oder Unfähigkeit angegeben, dem König innerhalb von sieben Tagen eine geforderte Summe von 7.000 Dukaten zu zahlen. Am 19. Juni begann der Prozeß gegen die beiden Sanseverino, die erst im Februar 1495 durch die siegreich in Neapel einrückenden Franzosen befreit werden konnten. Diese Verhaftung bestätigte die Befürchtungen, die schon 1489 von Lorenzo de’ Medici und Caterina Sanseverino geteilt worden waren. Die noch auf aragonesischer Seite stehenden Medici- und Orsini-Verwandten mußten den Akt als Angriff auf die Familie werten und als Bestätigung, daß Alfons genausowenig zu trauen war wie seinem Vater Ferrante.198 Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sowohl Piero als auch Virginio damals schon den Entschluß faßten, auf die Seite der im Begriff des Einmarsches stehenden Franzosen zu treten und gegen jenen neapolitanischen Herrscher zu kämpfen, der den loyalsten aller Sanseverino aus nichtigem Grund verhaften ließ. Immerhin ist in jenen Juniwochen von Piero und seinen Bankiers entschieden worden, Karl VIII. bzw. seine Gesandten in Rom mit einem 6.000 Dukaten-Kredit zu unterstützen! Doch ob die brutale Entscheidung des neapolitanischen Königs die primäre oder nur eine sekundär nachgeordnete Ursache darstellte, dieser Frontwechsel erfolgte nach längerer Vorbereitung demonstrativ im November und Dezember 1494. Es gab genug hinreichende, sehr rationale Gründe für jene Entscheidung von größter Tragweite. Es fehlt auch nicht an Belegen, die eine längere Vorbereitung erkennen lassen; die vom französischen Hof, vor allem von Philippe de Bresse und Ludwig von Orléans ausgehenden, die Lyoner Medici-Bankiers und Piero einbeziehenden sind bereits ausführlich dargestellt worden. Seit dem August 1494 hatten die Beteiligten sich intensiv um eine Aussöhnung Pieros mit Karl VIII. bemüht, die anfangs auch König Alfons II. integrieren sollte (vor allem durch Lorenzo Spinellis Finanzverhandlungen in Neapel im September 1494). Andere Kräfte des Hauses Medici werden den Wechsel unterstützt haben, etwa Caterina Sanseverino, die aus familiär-dynastischen Gründen an dem Sturz der aragonesischen Dynastie interessiert sein mußte – ebenso wie ihre norditalienischen Verwandten oder ein Francesco di Paola. Nahezu alle Mitglieder des süditalienischen Hauses Sanseverino waren im Sommer 1494 entweder klammheimlich ermordet worden – was man aber nur befürchten konnte, da keine Leichen auffindbar waren –, aus dem Regno geflüchtet oder vegetierten –wie Caterinas Bruder, Neffe und seit Jahren viele weitere hochrangige Angehörige der Familie – in Neapel in Verliesen. Die Befreiung dieser Sanseverino-Gefangenen und die Rückgabe ihrer Güter bildete nicht von ungefähr ein erklärtes, offen geäußertes Ziel Karls VIII. bei seinem Marsch auf Neapel!

197 Regis Ferdinandi, S. 432. 198 Das berechtigte Mißtrauen der Barone gegenüber Alfons wird auch von Shaw, Roman barons,

S. 252, hervorgehoben.

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Außer der Verhaftung Guglielmo Sanseverinos, die eine Skrupellosigkeit offenbarte, von der auch jeder andere bisherige Verbündete des aragonesischen Herrschers betroffen sein konnte, muß als Motiv für Virginios Bündniswechsel ebenfalls der Verlust der Grafschaft Tagliacozzo an die Colonna berücksichtigt werden. Dieser vollzog sich 1494/95 innerhalb eines komplizierten Geflechts schwer durchschaubarer, von Intrigen durchzogener Interessenkämpfe, in welche auch die exilierten Medici involviert waren. Die dominierenden Gravitationspunkte wurden von den Medici und Orsini einerseits, den Colonna und Sforza andrerseits gebildet.199 Ein traditioneller Gegensatz entwickelte sich erneut zu konkreter, folgenreicher Brisanz, als der Kardinal Ascanio Sforza unter dem Eindruck der neuen Herrschaft des ihm verhaßten Alfons von Neapel Anfang 1494 begann, die Colonna aus ihren aragonesischen Verpflichtungen zu lösen und mit Soldverträgen in seine eigenen Dienste zu nehmen, um so eine Privatarmee für seinen Kampf gegen Alexander VI. zu erhalten, wobei er die neuen Verbündeten in das französisch-mailändische Bündnis zu integrieren suchte.200 Als Ascanio am 28. Juni 1494 aus Rom flüchtete, beschützten ihn die Colonna auf ihren Territorien im Kirchenstaat. Ascanio Sforza brachte außer den hohen Soldzahlungen geschickt ein kaum zu verachtendes Lockmittel für die Colonna ins Spiel: die seit langem ersehnte Grafschaft Tagliacozzo! Mit diesem Köder sollte ganz offensichtlich in erster Linie der am längsten zu Aragón haltende Condottiere Fabrizio Colonna gewonnen werden.201 Denn in dem erst im September 1494 mit Fabrizio Colonna abgeschlossenen Soldvertrag wurde unter anderem festgehalten, daß der König von Frankreich ihm bzw. seiner Familie die Grafschaften Tagliacozzo und Albe übertragen, sie seinem Feind Virginio Orsini entziehen wollte.202 Sollte Virginio Orsini davon Kenntnis erhalten haben, könnte ihn dies noch entschiedener Frankreich zugeführt haben, um als dessen Verbündeter jenem Plan die Grundlage zu entziehen. Wie sich der Verlust Tagliacozzos tatsächlich vollzog, bleibt unklar.203 Keine klaren Hinweise auf die tatsächlich existierenden politischen Bündnisse und Besitzverhältnisse

199 Eine kluge, abwägende Analyse findet sich bei Shaw, Political role (1983), S. 181–188. 200 Vgl. jetzt bes. Shaw, Roman barons, S. 252–259; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, bes. S. 483–

485, 521–532, und s.v. Als initiierende und maßgebliche Kraft bei der Einbindung der Colonna hob bereits Commynes den Kardinal Ascanio Sforza hervor, wobei die Colonna auch aus Haß gegen die Orsini auf französische Seite getreten seien; Commynes, Mémoires VII/12 (vol. III, S. 70f.); vgl. Ders., Memoiren, S. 312. 201 Zur langen Weigerung Fabrizios, in mailändisch-französische Dienste zu treten, vgl. Shaw, Roman barons, S. 255–257; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 484, 523. 202 Vgl. Rehberg, Alessandro VI, S. 360. 203 Eine genauere Datierung läßt sich nicht angeben; Volpicella (in: Regis Ferdinandi, S. 390) spricht von einer Rückeroberung Tagliacozzos durch Fabrizio Colonna, die zeitgleich zur Einladung des französischen Heeres auf die Orsini-Güter im nördlichen Latium im Dezember 1494 erfolgt sei. Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 35, thematisiert die Intention einer Rückeroberung der abruzzischen Grafschaften (die von den im Sold Neapels stehenden Colonna eingenommen waren), die mit dem zustimmenden Stillschweigen des neapolitanischen Königs erfolgt

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geben eine im Januar 1495 erfolgte mehrtägige Belagerung Tagliacozzos durch einen Teil des französischen Heeres und die Eroberung der strategisch wichtigen Burg, wodurch gleich zwanzig befestigte Plätze in die Gewalt der Franzosen kamen.204 Wie immer die verworrenen Vorgänge abliefen: Virginio Orsini und Caterina Sanseverino Orsini verloren Tagliacozzo während des Kriegszuges Karls VIII. in das Regno di Napoli endgültig an die verhaßten, seit dem Sommer 1495 aber schon wieder für die (neuen) aragonesischen Herrscher kämpfenden Colonna.205 Dieses Faktum trug entscheidend dazu bei, daß Virginio Orsini mit seinem Sohn Giangiordano und seinem Schwager Bartolomeo d’Alviano 1495 offen in französische Dienste übergehen werden. Philippe de Commynes konnte darin nur eine folgerichtige, natürliche Entscheidung sehen, galten doch die Orsini traditionell als Guelfen und partisans de France, comme les Florentins, pour estre de la part guelfe.206 Das Haus Orsini wurde damit (wieder) ein Faktor der französischen Politik in Europa, doch hatte es schon bald einen bitteren Blutzoll für diesen Wechsel zu zahlen.

4. Federico Sanseverino und Virginio Orsini Den archimedischen Punkt für Federico Sanseverinos Handeln bildet eine ganz grundlegende Tatsache: Der aus einem alten süditalienischen Hochadelsgeschlecht stammende, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts am mailändischen Sforza-Hof verwurzelte Kardinal Federico Sanseverino war vor aller labilen Loyalität zum Sforza-Herzog ein absoluter Anhänger der französischen Könige. Demonstrativ und wahrhaftig exemplarisch bezeugte er diese Haltung am 25. September 1494, also am Beginn von Karls Italienzug, gegenüber seinem (nominellen) Herrn Ludovico il Moro: Obwohl man an der Borgia-Kurie seinen

sei, als bedeutendes Motiv für den Frontwechsel erst im Kontext des 1495 erfolgenden vollständigen Eintritts Virginios in die französischen Dienste. 204 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 329f. Wenn Virginio Orsini damals noch im Besitz von Tagliacozzo gewesen wäre (von einem Kampf gegen die Orsini in Tagliacozzo spricht keine mir bekannte Quelle) oder die Tagliacozzo Ende 1494 erobernden Colonna auf der Seite der Franzosen gestanden hätten, wäre diese Belagerung und Eroberung überflüssig gewesen. Doch undurchsichtig sind die Vorgänge schon, denn Commynes berichtet, daß die führenden Colonna, Prospero, Fabrizio und der Kardinal Giovanni Colonna, 1494 die Franzosen unterstützt hätten – schon aus Haß auf die offiziell im Dienst Neapels stehenden Orsini – und daß sie davon auch, etwa mit Blick auf die vorher im Orsini-Besitz befindliche Grafschaft Tagliacozzo, profitiert hätten, daß sie aber aus reiner Treulosigkeit, aus ihrer Ghibellinen-Tradition und ihrer langjährigen Bindung an das Haus Aragón zu Feinden Frankreichs geworden seien; Commynes, Mémoires VII/12 (vol. III, S. 70–72); vgl. Ders., Memoiren, S. 312. 205 Vgl. Pansa, Gli Orsini, S. 21f.; Rehberg, Alessandro VI, S. 361f. 206 Commynes, Mémoires VII/12 (vol. III, S. 70–72) bzw. Commynes, Memoiren, S. 312: Die Orsini hätten wie die Florentiner als Guelfen traditionell die französische Partei gebildet, während die Colonna als Ghibellinen Parteigänger des Hauses Aragón und anderer Feinde des französischen Königs gewesen seien. Zur guelfischen Tradition des Hauses Orsini auch jüngstens Shaw, Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini; sie war in gleichsam unnatürlicher Weise durch die Lehensabhängigkeiten von den aragonesischen Herrschern im Königreich Neapel verzerrt.

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Brüdern, ihm selbst und seiner ganzen Familie Haß entgegenbringe, wolle er sich (aus seinem damaligen Aufenthaltsort San Lorenzo alle Grotte) wieder nach Rom begeben; und er, Federico, werde in Rom nicht zögern, jedem mit Nachdruck klar zu machen, daß er ein äußerst treuer Diener des allerchristlichsten Königs sei, und natürlich auch von Ludovico und dessen Bruder Ascanio Sforza, dem Vizekanzler der Kurie.207 Federico Sanseverino wollte sich also selbst an der mittlerweile mit Neapel verbündeten Kurie ohne jeglichen Opportunismus zu seiner Bindung an Frankreichs Könige bekennen, die – wie er hier unverhohlen andeutete – über der zu seinem Territorialherrn aus dem Haus Sforza stand. Federicos außergewöhnliche Freundschaft zum Haus Medici wurde innerhalb dieses auf Frankreich ausgerichteten Handlungsgefüges praktiziert. Von der Forschung kaum wahrgenommen, wirkte der Kardinal Federico Sanseverino während des französischen Vormarsches auf Neapel von der Kurie aus tatsächlich für Karl VIII. Darüber hinaus zeigen einschlägige Quellen und ihr Kontext, daß er zugleich nicht nur zwischen Frankreich und Virginio Orsini vermittelte, sondern diesen sogar von der aragonesischen auf die französische Seite brachte. Den väterlichen Freund seines Freundes Piero de’ Medici hätte er somit für jene Macht gewonnen, der er sich seit langem, Piero seit kurzem verpflichtet wußte. Papst Alexander VI. hatte sich seit seiner Ablehnung der französischen Investitur mit Neapel, die er statt dessen am 18. April 1494 Alfons II. erteilte, zu einem wichtigen Verbündeten seiner Landsmänner im Süden entwickelt. Angesichts des bevorstehenden Vormarsches der Franzosen fühlte er sich in zunehmender Bedrängnis, fürchtete seine Absetzung durch ein Konzil und entschied sich in dieser Situation, den sich weiterhin offen zu Frankreich bekennenden Sanseverino als Vermittler bei Karl VIII. einzusetzen. Schon im Sommer 1494 sollte er eine Verständigung zwischen Neapel und Frankreich unter Isolierung Mailands erreichen, doch übte Ludovico Sforza daraufhin über Federicos älteren Bruder Gianfrancesco, den Grafen (der neapolitanischen Herrschaft) von Caiazzo, Druck auf ihn aus.208 Federico Sanseverino ließ sich jedoch offenkundig nicht zurückhalten. Denn sein Vertrauter, der mailändische Kuriale Luigi Becchetti, mit dem auch schon Leonardo Bartolini wegen eines Medici-Kredites für Federico Sanseverino zusammengearbeitet hatte,209 begegnet uns nun merkwürdigerweise im September und Oktober 1494 in der Umgebung des päpstlich-aragonesischen und florentinischen Heeres, das dem Vor207 ASM, SPE, Roma 111 (25.9.1494, Federico Sanseverino manu propria e Sancto Laurentio an

Ludovico Sforza: Er wolle weder von Ludovicos noch von Ascanios Wünschen abweichen, doch da er heute morgen das an alle Kardinäle gerichtete Breve des Papstes erhalten habe, sofort bzw. bis spätestens am 1.10. nach Rom zurückzukehren, und da er von beiden Sforza keine gegenteilige Anordnung erhalten habe, werde er nach Rom gehen; et anchora ch’io sapii: per l’odio è portato a mey fratelli: a mi e tuta casa mia c’a chi po in questo paese: non restaro esendo in Roma de far intendere a ogniuno: e con effecti: Ch’io sono servitore fidelissimo alla Christianissima Maestà regia [Karl VIII.]: a V. Extia. et allo Illmo. s. vicecanzellario e arriva e segni quello che voglij ...). 208 Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 520f. (mit irriger Annahme eines Zorns Federicos gegen Frankreich wegen der von Karl VIII. nicht bewilligten Erhebung zum Erzbischof von Rouen). 209 S.o. S. 301.

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marsch Karls VIII. Einhalt gebieten sollte. Piero de’ Medicis Sachwalter Bernardo Dovizi da Bibbiena schrieb seinem Patron am 23. September 1494 aus dem aragonesischen Heerlager nach Florenz, er möge dem bekanntermaßen in seiner Gunst stehenden, offenbar vom Papst zu den neutralen Venezianern gesandten Luigi Becchetti die erbetenen 600 Dukaten zur Unterstützung der päpstlichen Truppen gewähren.210 Piero stand demnach zu jener Zeit mit dem Sanseverino-Mann in Verbindung. Noch am 7. Oktober 1494 bezeugte Bibbiena eine Beteiligung Becchettis an den letztlich mißlingenden militärischen Maßnahmen jener Koalition.211 Wieso der mailändische und profranzösische Kardinal Federico Sanseverino seinen Vertrauten in offensichtlich päpstlichem Auftrag für das Heer der Franzosenfeinde wirken ließ, ist nicht zu erkennen; vermutlich sollte er für den Sanseverino in einem den päpstlichen Intentionen ganz entgegengesetzten Sinne wirken. Anfang November 1494 beabsichtigte der Papst, Federico Sanseverino zusammen mit dem befreundeten Kardinal Ascanio Sforza als päpstlichen Legaten zu Karl VIII. zu senden.212 Als dieser sich dann in Florenz aufhielt, beorderte Federico nachweislich seinen Diener Evangelista Quartaro dorthin, der am 25. November eintraf und – außer vermutlich mit Alfonsina Orsini und Caterina Sanseverino – mit seinem Bruder Galeazzo Sanseverino Verbindung aufnahm, der sich beim König in Florenz befand und mit einem Gefolge von 100 Bewaffneten über Siena, Viterbo und Bracciano mindestens bis Rom an der Seite Karls VIII. blieb.213 Der dem Moro loyal ergebene Galeazzo scheint in Florenz auch die 210 Moncallero, Epistolario I, Nr. XLVII, S. 126f. Laut Kommentar Moncalleros amtierte Becchetti

damals als päpstlicher Botschafter bei der Republik Venedig. 211 Moncallero, Epistolario I, Nr. LX, S. 163–171, hier S. 167. 212 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 119f. (... creare dua legati, el cardinale Ascanio e il di San-

severino, e’ quali qui in Firenze alla Maestà del Re venissino, dove etiam trovare si dovea el duca di Milano). Diese von Parenti erwähnte Sendung der beiden Legaten im Kontext von Nachrichten des 5.11. hat ihre Richtigkeit, nur sollten sie nicht nach Florenz gehen – wo Karl VIII. sich erst vom 17.–28.9. aufhalten wird –, sondern zum damaligen Aufenthaltsort des Königs in Lucca oder Pisa. Der Entschluß zur Legation war im Konsistorium am 3.11. gefallen, doch hatte zumindest Ascanio Sforza den Auftrag nur zum Schein angenommen und wandte sich nach seinem Aufbruch aus Rom über Ostia nach Marino in den Schutz der Colonna; vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 542 (freilich ohne Nennung des Sanseverino). 213 Von der Ankunft Evangelistas berichtete Galeazzo am 25.11.1497 in einem Bericht an Ludovico Sforza: Da Evangelista Quartaro servitore de monsignore el Cardinale fratello quale è arivato qui questa sera sono avisato havere trovato le gente del Christianissimo re fin ad Aqua Prudente et più de la ancora per molte milie ...; ASM, SPE, Firenze 940 (25.11.1497). Am 21.11.1494 hatte Galeazzo dem Moro aus Florenz über die pro Medici ausgerichtete bzw. eine Restitution Pieros fordernde Haltung Karls VIII. und des französischen Heeres berichtet; ASM, SPE, Firenze 940 (21.11.1494), hier zahlreiche weitere Briefe Galeazzos aus Florenz an Ludovico Sforza. Zu Galeazzo Sanseverinos Aufenthalt in Florenz vgl. Storia di Milano VII, S. 448f.; zu Galeazzos nachfolgender Begleitung Karls VIII.: Labande-Mailfert, Charles VIII (1986), S. 289, Anm. 415 (diese sei nur bis Bracciano erfolgt). Karl VIII. schrieb schon am 13.12.1494 aus Viterbo an den Herzog von Mailand, daß Galeazzo Sanseverino bereits abgereist sei und daß Ludovico ihn erneut zu Karl senden möge, damit Galeazzo dem Moro Informationen seitens des Königs überbringen könne; vgl. Lettres de Charles VIII, IV, Nr. DCCCXXVII, S. 127f. Diese Bitte muß erfolgreich gewesen sein, da Karl VIII. dem Herzog von Mailand am 17.1.1495 aus Rom den mit Alexander VI. geschlossenen Vertrag zusandte und mit ihm bestimmte Briefe, die

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überzogenen Interessen seines Schwiegervaters verfolgt zu haben (oder haben zu müssen), denn Karl VIII. berichtete König Maximilian I. gut ein Jahr später, Galeazzo habe – was Karl zu verhindern wußte – mit dem Angebot von 100.000 Dukaten die Regierung der Florentiner Signoria erlangen wolle, um so einen ‚Fuß in der Tür‘ zu haben, damit Ludovico Sforza Herr von Florenz werden könne.214 In Siena, wo sich der König vom 2. bis zum 4. Dezember aufhielt, hatte Federico Sanseverino eine vielbeachtete Unterredung mit Karl VIII. wegen der Modalitäten seines Einzuges in Rom bzw. einer vom Papst favorisierten Umgehung der Stadt.215 Der König wiederum traf sich – ein anschauliches Zeugnis für die familiär-sachliche Verdichtung – am 3. Dezember bei einem kurzen Abstecher nach Piombino mit dem Prinzen Antonello Sanseverino, dem Verwandten Federicos, der dort mit der von ihm befehligten französischen Flotte für einige Tage ankerte.216 Federico Sanseverino bemühte sich nach seiner am 7. Dezember erfolgten Rückkehr aus Siena, den Papst dazu zu bewegen, sich mit Kardinal Ascanio Sforza, dem Freund der Franzosen, zu versöhnen, zweifellos mit der Absicht, den Papst damit doch noch in letzter Minute auf französische Seite zu ziehen. In Sforzas Namen verhandelten Sanseverino und Kardinal Bernardino Lunati mit Juan Lopez als Papstvertrautem. Als eine Einigung schon bevorzustehen schien, ließ Alexander VI. den Kardinal Ascanio Sforza zusammen mit Prospero und Fabrizio Colonna sowie Girolamo Tuttavilla am 9. Dezember verhaften; die Kardinäle Federico Sanseverino und BerGaleazzo Sanseverino und des Königs Kammerjunge (varlet de chambre) Georges Tiercelin dem Moro überbringen würden, dessen Anwesenheit in Rom sich Karl erhoffe. Damit ist sicher, daß Galeazzo nach seiner Abreise in Viterbo wieder zum König stieß und nicht nur bis Bracciano, sondern mindestens bis Rom im königlichen Gefolge blieb! Am 6.2.1495 schrieb Karl VIII. aus Ferentino nochmals an den Herzog, er möge ihm erneut und rasch mon cousin Galeazzo – der Träger des königlich-französischen Michaelsordens war! – senden, il est personnage pour faire ung bon service, et, avecques ce, je vous asseure que j’ay en luy seureté et toute fiance!; vgl. ebd. Nr. DCCCXL, S. 149 und Nr. DCCCXLIX, S. 159–163. 214 Vgl. Lettres de Charles VIII, IV, Nr. DCCCCXVIII, S. 279–284 (Turin, 4.9.1495; das Gleiche habe Galeazzo im übrigen auch in Siena versucht, erneut gegen den erfolgreichen Widerstand des Königs). Dieser Brief, der nach dem Rückzug aus Italien und offenbar unter dem Eindruck der für Mailand in einer neuen Allianz mit Venedig nun gegen Frankreich stehenden Sanseverino geschrieben wurde, scheint stark von einer gewissen Enttäuschung über das Verhalten des Moro geprägt zu sein und scheint daher das Verhalten der Sanseverino etwas überzogen darzustellen, denn noch im Winter 1494/95 äußerte er sich – wie oben geschildert – recht positiv über sie. 215 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 401; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 545. Eine detailreiche Schilderung der Vorgänge schon bei Negri, Le missioni, hier bes. S. 383f. (doch irrig die Feststellung, Sanseverino sei am 29.11. von Karl VIII. gekommen; an jenem Tag kam er von Ascanio Sforza aus Marino, um nach längerer Unterredung mit dem Papst am 30.11. zu Karl VIII. zu reiten), 429–434 (in den Briefen des Collenuccio, Gesandter von Herzog Ercole I. von Ferrara an der römischen Kurie, wird die herausgehobene Stellung Sanseverinos bei den Verhandlungen im Dezember 1494 sehr deutlich: L’andata del S. Severino al christianissimo re, de la quale heri scripsi a V. S. fa molto parlare la corte e il populo, e se li dà più novi intellecti del mondo [S. 431]; am 7.12. war er von Karl VIII. kommend wieder in Rom eingetroffen, 100 Meilen in nur 36 Stunden im gestreckten Galopp bewältigend). 216 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 300.

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nardino Lunati gingen aus Solidarität mit Ascanio ebenfalls für kurze Zeit in Gefangenschaft. Dem französischen König wollte der Papst den Durchzug durch den Kirchenstaat verwehren.217 Alexander VI. fühlte sich zu dieser Tat offenkundig deshalb ermutigt, weil am 10. Dezember der ersehnte Einmarsch der Truppen Virginio Orsinis und des Herzogs von Kalabrien mit einem imposanten Aufgebot von ca. 1.200 Reitern in Rom erfolgte.218 Auf diese in Rom einige Tage weilende neapolitanische Armee setzte er nun seine Hoffnung, die noch in Viterbo liegenden Franzosen abschrecken und abwehren zu können. Doch mußte er sich schnell eines Besseren belehren lassen: Im Kirchenstaat, vor den Toren Roms, durfte das französische Heer am 19. Dezember ausgerechnet in Bracciano, dem Schloß Virginio Orsinis, sein Hauptquartier aufschlagen; ausgerechnet dort erhielt es die dringend benötigten Lebensmittel. Die geplante Flucht Alexanders mit den gefangenen Kardinälen als Geiseln war nicht mehr möglich. Aus dem Vatikan heraus konnte der Papst die ersten Franzosen auf dem Monte Mario erblicken. Wiederum sah er nun in Federico Sanseverino das probate Mittel, um zu seinen Gunsten mit Karl VIII. im Schloß zu Bracciano zu verhandeln. Der Sanseverino wurde am 19. Dezember freigelassen, ritt nach Bracciano, sprach mit Karl VIII., doch dieser erklärte seinem cousin – eine vom König nur für Vertraute benutzte Anrede –, daß die Freilassung Ascanio Sforzas Vorbedingung für Verhandlungen mit dem Papst sei, woraufhin Federico gemäß dem Willen des französischen Königs nach Rom zurückkehrte, wie es der in Bracciano befindliche mailändische Botschafter Taverna formulierte. Alexander VI. willigte ein; Sanseverino teilte dem König die Entscheidung am 24. Dezember in Bracciano mit; einen Tag später wurde Ascanio Sforza freigelassen, und an jenem Weihnachtstag 1494 traf bereits Etienne de Vesc mit zwei weiteren französischen Gesandten in Rom ein, um den für den Silvestertag terminierten Einzug Karls VIII. in Rom vorzubereiten.219 In dessen Begleitung befanden sich bei dem sechs Stunden dauernden Spektakel auch die Kardinäle Ascanio Sforza und Fede-

217 ASM, SPE, Roma 111 (10.12.1494; Galeazzo Sanseverino vom französischen Hof in Viterbo an

Ludovico Sforza, berichtet u. a. über die Gefangennahme ihrer beiden Brüder und des Kardinals Lonate); Roma 112 (4.1.1495, Ascanio Sforza an Ludovico Sforza mit Zusammenfassung seiner Gefangennahme); vgl. Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 545; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 402f.; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 547–552. 218 Vgl. etwa den Bericht Galeazzo Sanseverinos vom 10.12.1494, der noch am gleichen Tag durch einen Eilkurier Nachricht von den Vorgängen in Rom erhalten hatte; ASM, SPE, Roma 111 (10.12.1494). 219 ASM, SPE, Roma 111 (22.12.1494, Stefano Taverna aus Bracciano an Ludovico Sforza über Sanseverinos Abreise nach Rom secundo la volunta del Christianissimo Re); vgl. Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 555–557; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 404–406; vgl. III/2, S. 1106–1110, Nr. 35–41: Briefe Federico Sanseverinos an Alexander VI. vom 19.12.94 aus Borghetto bzw. Bracciano; Briefe Karls VIII. an denselben vom 21.12. und an den Grafen von Ligny vom 24.12. aus Bracciano; Briefe von Leonello Chieregato, Bischof von Concordia, und Johannes de Fonsalida, Bischof von Terni, vom 21. und 24.12. aus Bracciano an Alexander VI., jeweils die führende Rolle des Kardinals Sanseverino veranschaulichend. Ein weiterer Brief Federicos vom 20.12.1494 aus Bracciano an Ludovico il Moro in ASM, Autografi 32, fasc. 264.

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rico Sanseverino; sie waren am Abend des 29. Dezembers in das Orsini-Schloß nach Bracciano geritten, um dort mit dem König dessen Triumph in Rom vorzubereiten.220 Ist dies alles nicht höchst erstaunlich? Aus dem Stammsitz des mächtigen Baronalgeschlechts der Orsini, aus der nahezu uneinnehmbaren Zitadelle Bracciano seines bedeutendsten militärischen Gegenspielers Virginio Orsini kann der französische König in aller Ruhe seine diplomatischen Vorbereitungen für den triumphalen Einzug in Rom durchführen, dort kann er seine Truppen pflegen. Der Hausherr Braccianos hingegen, die Hoffnung Alexanders VI., er hielt sich in jenen Tagen auffallend zurück; von ihm, dem hoch geehrten wie besoldeten Gran Connestabile des Regno di Napoli, war keinerlei Hilfe für den verbündeten Borgia-Papst zu erhoffen, von ihm gab es keinerlei Anzeichen, daß er den Vormarsch Karls VIII. mit militärischen Mitteln stoppen wolle! Dies alles ist äußerst bemerkenswert, aber nicht merkwürdig. Unter größter Geheimhaltung ist nämlich schon damals – daran besteht für uns kein Zweifel mehr – der Allianzwechsel Virginio Orsinis eingeleitet worden. Durch ein Fundstück im Archiv der Orsini wissen wir, daß noch während der letzten Tage des Aufenthaltes Karls VIII. in Florenz Ende November ein offenkundig französischer Freund Virginio Orsinis und seiner Familie zum König gekommen war, um das Haus Orsini mit diesem nicht nur auszusöhnen, sondern sogar zu verbinden, um also eine politische Allianz zwischen den traditionell Frankreich nahestehenden Orsini und dem französischen Königshaus zu schmieden – die tatsächlich kurze Zeit später in Kraft trat.221 War der „neapolitanische“ Virginio lange das Vorbild Piero de’ Medicis gewesen, so sollte der Orsini nun dem Weg seines „französisch“ gewordenen Schützlings folgen. Auf entgegengesetzten Seiten konnten diese beiden nicht bleiben, aber wechseln konnte jetzt nur noch Virginio. Das war nicht allein für Frankreich ein Gewinn, sondern auch für das exilierte Haus Medici, denn es benötigte die gefürchtete militärische Macht Virginios für die Rückkehr nach Florenz. Das intensive Werben um Virginio Orsini wird auch von dem Florentiner Piero Parenti bezeugt. In der Originalhandschrift seiner Chronik findet sich die nachträglich zwischen die Zeilen eingefügte Präzisierung, Piero sei Ende November wegen der Orsini an Karls Hof gerufen worden, also zur gleichen Zeit, als jener ominöse, vermutlich französische Freund Virginios für diesen in Florenz bei Karl VIII. vorsprach.222 Beide Initiativen müssen im Kontext der Kontakte zwischen Federico Sanseverino und Virginio Orsini gesehen werden, die tatsächlich bereits für jene Zeit nachzu220 Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 409; vgl. auch Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 553,

zu den Kardinälen Sforza und Sanseverino als registi dell’ingresso del re nell’Urbe. 221 Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 619 (27.11.1494,

eine durch die unlesbare Unterschrift nicht zu identifizierende Person aus Florenz an Virginio Orsini); vgl. Shaw, Roman barons, S. 259. Shaw spricht von einem Beauftragten Virginios, doch scheint mir, daß es sich eher um einen französischen Freund Virginios handelte, da er diesen am Schluß mit vester boun amny grüßte. Zugleich scheint es sich um eine höherstehende Person gehandelt zu haben, da sie den Orsini zwar als einen erlauchten und vorzüglichen, aber zugleich wie einen Bruder zu ehrenden Herrn anredete, und da eine solche brüderliche Gleichstellung von keinem Untergebenen benutzt wurde. Karl VIII. verließ Florenz am 28.11.1494. 222 Parenti, Storia fiorentina I, S. 145.

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weisen sind. Zeugnisse sind ein im Mailänder Staatsarchiv befindlicher Brief Federicos vom 1. Dezember 1494 sowie zwei im Orsini-Archiv aufbewahrte Briefe vom Anfang und Ende des Dezembers 1494. Aus seinem ihm von Alexander VI. als Lehen übertragenen Kastell San Lorenzo alle Grotte – das später wegen Malaria verlassene San Lorenzo vecchio bei Grotte di Castro am Lago di Bolsena – schrieb Federico Sanseverino am Montag, dem 1. Dezember 1494, einen als Rechenschaftsbericht zu verstehenden Brief an Ludovico il Moro, der zweimal wöchentlich von ihm über die Ereignisse in Rom unterrichtet werden wollte.223 Zunächst informierte Federico den Sforza über die geplante Route der Franzosen auf ihrem Weg von Florenz, das sie am 28. November verlassen hatten, nach Rom durch den nördlichen Kirchenstaat, wo sie südlich von Viterbo das Land der Orsini betreten würden. Dann wußte er über die Unzufriedenheit Virginio Orsinis mit seinen Truppen zu berichten, die sich in Sutri (zwischen Viterbo und Rom) einquartiert hätten. (Schon für Mitte November ist ein Brief Federicos überliefert, in welchem er bewies, daß er ebenfalls über die Marschbewegungen Virginios – von Sermoneta über Cori und Palestrina ins Patrimonium Petri – genauestens informiert war.224) Da sich bereits Franzosen in Viterbo befänden, wolle Virginio seine Armee nach Bracciano zurückziehen, um dann nach Rom zu gehen. Über all dies wußte Federico deshalb so gut Bescheid, weil er sich nach eigener Aussage am Sonntagvormittag (30.11.) im Auftrag des Papstes nach Bracciano begeben hatte, wo er ein Gespräch mit Virginio Orsini führte. Dieser habe ihm dabei weiterhin ‚mit einigen Schwierigkeiten‘ (con qualche difficultà) dargelegt, daß er nicht weiter vorrücken wolle (also nicht weiter nach Norden gegen die Franzosen), bis Federico seine Reise beendet und Antwort gegeben habe. Nach dem Aufenthalt in Bracciano sei er, Federico, dann nach Viterbo weitergeritten, wo er die französischen Offiziere gesprochen habe, um Einzelheiten über den Aufenthalt der Franzosen in Viterbo zu erfahren. Nun setze er seinen Weg fort und hoffe, Karl VIII. noch an jenem Abend des 1. Dezember in Siena anzutreffen. Über seine Reise habe er seinen Bruder Galeazzo in Kenntnis gesetzt, mit dem er sich noch vor seinem Gespräch mit dem König in Siena zusammensetzen wolle. Zumindest diesen wird er dann, wir sprachen bereits davon, erst am 2. Dezember, aber dann für drei Tage, sehen, um die Modalitäten des Einzugs in Rom zu besprechen, den Federicos Auftraggeber Alexander VI. am liebsten vermieden hätte, den der Sanseverino – als ‚äußerst treuer Diener des Königs‘ – aber gewiß intensiv unterstützt hatte. In dem zweiten Brief, eine bloße Notiz im Grunde, die ein Unbekannter ohne Absender am 1. Dezember 1494 aus Rom an Virginio Orsini schrieb, wird diesem unter anderem lapidar gemeldet, daß jener Unbekannte vom Kardinal Sanseverino noch keine Antwort erhalten habe.225 Uns aber elektrisiert neben Federicos Brief auch diese knappe Informa223 Der Brief vom 1.12.1494 in ASM, Autografi 32, fasc. 264 (Briefe Federico Sanseverinos von

1492–1513); zur Informationspflicht: ASM, SPE, Roma 112 (27.2.1495, Federico Sanseverino an Ludovico Sforza, er habe dessen Wunsch ständig erfüllt, selbst wenn es nichts Wichtiges zu berichten gab). 224 ASM, Autografi 32, fasc. 264 (17.11.1494, Federico Sanseverino aus Rom an Ludovico Sforza). 225 Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 628 (1.12.1494).

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tion, beweist sie doch, daß Federico dem Orsini versprochen haben mußte, ihn über den weiteren Verlauf seiner Mission, d.h. (mit Blick auf das Datum) seine Gespräche mit den Franzosen in Viterbo, auf dem laufenden zu halten. Dies kollidierte nicht mit dem Auftrag des Borgia-Papstes, der ja durch Virginio vor den Franzosen beschützt werden wollte. Doch war der Sanseverino-Kardinal eben nur sehr bedingt ein Interessenvertreter dieses Papstes. Über ihm stand in der Loyalitätshierarchie Federicos sein mailändischer Herr, über diesem wiederum (aber gleichrangig mit den Medici!) der französische König, so daß er in einem Konflikt zwischen Papst und Mailand oder Mailand und Frankreich – und erst recht Papst und Frankreich – stets den Interessen des für ihn höherwertigen Herrn folgen würde – und folgte. Dies wußte Alexander VI., der sich von seinen Frankreichbindungen gleichwohl einen Nutzen versprach, aber sich deswegen dennoch nicht scheute, den Sanseverino mitsamt weiteren (damaligen) Freunden Frankreichs vom 9. bis 19. Dezember in Haft zu nehmen. Federico wird sich daher Ende November dem Papst als Vermittler angeboten haben, um dabei primär als erklärter Sachwalter des französischen Königs handeln zu können. Gerade für den Freund Piero de’ Medicis hieß dies in jenen Tagen vor allem, Virginio Orsini ins französische Lager zu führen. Das Gespräch, das zur gleichen Zeit jener vermutlich französische Freund Virginios in Florenz mit Karl VIII. führte, um beide miteinander zu versöhnen, entsprach demnach ganz den Absichten Federicos, wenn es nicht gar von ihm initiiert worden ist. Da kurz darauf tatsächlich der politisch-militärische Übertritt des Gran Connestabile zu Frankreich erfolgte, muß Federico Sanseverino, der keine andere politische Zielsetzung gehabt haben kann, aktiv an diesem folgenreichen Schritt beteiligt gewesen sein. Außer der Intention besaß er auch den notwendigen persönlichen Einfluß bei Virginio, da aus dem dritten zu thematisierenden Brief ein überaus vertrautes Verhältnis zwischen ihm und dem Orsini-Haupt ersichtlich wird. Vor allem dieses dritte Briefzeugnis ist als ein wahres Indikatorphänomen anzusehen, das aus einer scheinbar nebensächlichen Angelegenheit heraus ein erkenntnisreiches Schlaglicht auf einen fundamentalen Sachverhalt wirft! Es ist ein Brief, in dem keine hochpolitischen Dinge verhandelt werden, sondern einer, der Einblick in Alltägliches gibt. Gerade deshalb aber ist er so aussagekräftig und wahr, weil er Selbstverständliches aufzeigt, eine Normalität, die mit Blick auf das persönliche Verhältnis der Protagonisten zueinander Bände spricht. Eben an jenem 29. Dezember, als Federico Sanseverino im Begriff war, erneut nach Bracciano zu reiten, um mit dem König von Frankreich dessen Einzug in Rom zu organisieren, schrieb Federico einen Brief an Virginio Orsini, in welchem er ihm mitteilte, daß sich während jener letzten Tage, in denen er sich in Bracciano aufgehalten hatte (19.–21. und 24.12.),226 ein Diener Virginios namens Giantommaso an ihn gewandt habe.227 Dieser erzählte dem Sanseverino, er sei durch falsche Nachrede bei seinem Orsini-Herrn in 226 Die Daten ergeben sich aus den oben in Anm. 219 angegebenen Briefen Federicos (Pastor,

Geschichte der Päpste III/2, S. 1106–1110). 227 Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 644 (29.12.1494, aus

Rom).

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Ungnade gefallen und wolle unbedingt wieder von Virginio in seinen Dienst aufgenommen werden, weswegen er den Kardinal bat, ihn in seinem Gefolge sicher von Bracciano mit nach Rom zu nehmen. Der „französische“ Kardinal aus Mailand sagte ihm dies zu, ließ ihn mit sich reiten und wollte wegen seiner Angelegenheit mit Virginio in Rom in Verbindung treten. Da sie aber feststellen mußten, daß Virginio (schon) aus Rom abgereist war und da die Franzosen keinen Geleitbrief geben wollten, mit welchem Giantommaso unbehelligt zu Virginio hätte reisen könne, habe er jenem versprochen, Virginio von seiner Ankunft in Rom brieflich zu unterrichten und von dem Hindernis zu berichten, daß ihn noch davon abhalte, seinen Herrn aufzusuchen, der ihn informieren solle, was er nun zu tun habe. Federico legte Virginio dann nochmals nahe, seinen Diener wieder gnädig aufzunehmen. Das ist schon verblüffend: In jenen Stunden, in denen der Kardinal Federico Sanseverino auf allerhöchster politischer Ebene an einem Stück Weltgeschichte mitschreibt – denn darum handelt es sich bei Karls VIII. Einmarsch in Rom und nach Neapel –, in denen er in größter Eile zwischen dem Vatikan und dem Hof Karls VIII. hin- und hergaloppiert, da findet dieser Hochadlige die Zeit und den Willen, einem verleumdeten und in Ungnade gefallenen Diener eines offiziell auf der gegnerischen Seite stehenden Söldnerführers in dieser außergewöhnlichen Weise zu helfen: sich in Bracciano seine Geschichte anzuhören, ihn in sein Gefolge aufzunehmen, für ihn in Rom nach Virginio Orsini suchen zu lassen, ihn nochmals zu empfangen und sich von ihm das vergebliche Bemühen um Erhalt eines salvo conducto berichten zu lassen, für ihn nun am 29. Dezember kurz vor der wichtigen Abreise nach Bracciano einen ausführlichen Brief an den Orsini schreiben zu lassen! Beachtlich auch, daß dieser Diener sich ausgerechnet an den profranzösischen – das wußten Ende Dezember auch die einfachen Leute in Rom – Sanseverino wandte, um durch dessen Fürsprache die Gunst seines Herrn wiederzuerlangen. Erstaunlich aber wäre es nur, wenn Federico Sanseverino lediglich eine vom Papst ausgehende funktionale Verbindung zu Virginio Orsini dargestellt hätte, wenn er erklärtermaßen dessen politischer Gegner gewesen wäre. Und genau dies war er ganz offensichtlich nicht, wie es bereits jene Information vom 1. Dezember nahelegte und wie uns diese kleine Geschichte nun so anschaulich zeigt. Jener Giantommaso wußte augenscheinlich, daß der Kardinal eine gute, engere Beziehung zu seinem Herrn unterhielt, wußte, daß er bei diesem mit seiner Bitte Erfolg haben würde, wußte, daß der Kardinal durch diese seine Hilfe auch einen Freundschaftsdienst für den römischen Baron leisten würde. Kurzum: Wenn es – im Fall vorausgegangener politischer Distanz – keine erfolgreiche Annäherung gegeben hätte bzw. eine unabhängig von den jeweiligen politischen Konstellationen kontinuierliche und längere Freundschaft, hätte es ein solches Hifeersuchen durch einen Diener Virginios nicht geben können. Daß aber eine dauerhafte und tiefere Freundschaft zwischen Federico und Virginio anzunehmen ist, erweist schon ein winziges Detail. Federico redete Virginio nicht unverbindlich nur als erlauchten Herrn an, sondern ganz verbindlich als Herrn, den er wie einen Vater zu ehren habe – eben so, wie sein Freund Piero sein Verhältnis zu Virginio beschrieb. Ob und wenn ja, wie Piero an dem Bündniswechsel Virginios beteiligt war,

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wissen wir nicht; doch in seinem Interesse lag er vollkommen. Der erste sichtbare Akt erfolgte schon sehr früh. Nachdem Karl VIII. mit seinem Heer ohne Widerstand über Siena nach Viterbo marschiert war, hatte Virginio Orsini ihm gleichsam aus dem neapolitanischen Lager bei Rom heraus bereits Anfang Dezember über seinen Sohn Carlo seine Besitzungen im Kirchenstaat zugänglich gemacht, darunter neben Bracciano die Kastelle bzw. Schlösser von Anguillara und Campagnano. Er selbst durfte aus vielerlei Gründen, unter anderem dem des Vertragsbruches, bei dieser Unterstützung des „Gegners“ nicht persönlich in Erscheinung treten. In Bracciano erhielt der König dann einen ehrenden Empfang und das Heer die dringend benötigte Versorgung mit Lebensmitteln.228 Doch wer war die Person, die genau in den Tagen jener wichtigen Entscheidung mit diesen beiden Kräften, mit Virginio wie Karl VIII., Gespräche führte und deren Ergebnisse – so legt es der knappe Brief vom 1. Dezember nahe – der jeweils anderen Seite zukommen ließ? Es war Federico Sanseverino, dessen Beteiligung an der nicht nur für Frankreich, sondern auch für die Medici so wertvollen Entscheidung Virginios somit fast auf der Hand liegt; keiner kämpfte intensiver für beides, für die französische wie für die mediceische Sache, als Federico Sanseverino. Seit dem 19. Dezember logierte Karl VIII. für mehrere Tage im Orsini-Schloß, führte in friedlich-freundschaftlicher Atmosphäre Verhandlungen in der Burg des obersten Heerführers seines Gegners, um von dort aus zum delikaten Einzug in Rom aufzubrechen – Zeugnis einer vorherigen Verständigung, die nicht als Folge eines zu inkriminierenden Nationalcharakters zu werten ist, sondern als Resultat eines rationalen Entscheidungsprozesses, in welchen vielfältige und verständliche, teils noch aufzudeckende Motive einbezogen waren.229 Prominente Zeitgenossen wie Commynes und Guicciardini, ein Franzose also ebenso wie ein Italiener, haben diesen Vorgang als einen schon im November und Dezember 1494 verabredeten Übertritt des Orsini erkannt, haben ihn in scharfer Form als hinterhältigen Verrat verurteilt, als einen selbst von den Franzosen mit Verwunderung 228 Commynes, Mémoires VII/11 (vol. III, S. 69f.): Et, de là, tira le roy à Neppe et puis aux terres

des Ursins, qui toutes luy furent rendues par le seigneur Charles Ursin, filz bastard du seigneur Virgille [Virginio] Ursin, disant avoir ce commendement de son père, lequel estoit serviteur souldoyé de roy Alphonce, disant que, autant que don Ferrand seroit à Rome et en la terre de l’Eglise, qu’il luy tiendroit compaignée, et non plus. ... Et fut receü ledit seigneuer dedans Brachanne [Bracciano], principalle place dudit seigneur Virgille, qui estoit belle et forte et bien garnie de vivres. Et ay bien fort ouy estimer au roy ladite place et le recueil que l’on luy fit: car son armée estoit en necessité et extremité de vivres et tant que plus ne pouvoit. Vgl. auch Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 34; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 302 (das Motiv Virginios für diesen Schritt lag gewiß nicht allein und primär darin, seinen damals für kurze Zeit auf französischer Seite kämpfenden Colonna-Feinden auf diese Weise den Griff auf die OrsiniBesitzungen zu verwehren, wie Labande-Mailfert es annimmt). 229 Panunzi z. B. hebt bei Virginios Frontwechsel nur auf diesen ab, der eine Geheimverhandlung mit Karl VIII. geführt und dem König durch seinen Sohn Carlo volle Unterstützung angeboten habe; Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 34. Shaw, The Roman barons, S. 260, sieht im Verhalten Virginios die pragmatische Entscheidung eines unheroischen Vasallen, der seine Leute und Besitzungen im Kirchenstaat retten wollte.

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registrierten Akt von Opportunismus und als Zeichen einer typisch italienischen Illoyalität gerügt, während ein späterer Historiker wie Pansa diesen Verrat erst in dem seit dem Sommer 1495 erfolgten offiziellen Wechsel Virginios in französische Dienste erkennen wollte.230 An einer schon Ende 1494 erfolgten Verständigung zwischen Virginio Orsini und Karl VIII. kann es freilich keinen Zweifel mehr geben. Denn bereits am 16. Januar 1495 hatte Karl VIII., der sich damals noch in Rom befand – er brach erst am 28. Januar von dort nach Neapel auf –, Virginio (bzw. seinem für ihn als Familienoberhaupt fungierenden Sohn Carlo) alle seine Territorien nördlich des Tibers restituiert! Dies wissen wir aus einem chiffrierten Brief der mailändischen Botschafter in Rom, die ihrem mittlerweile zu Frankreich auf Distanz gegangenen Herrn empört darüber berichteten und in Karls Entscheidung eine Haltung sahen, die zeige, daß er Freunde wie Feinde gleich behandele; der „Feind“ Virginio werde bevorzugt, während der „Freund“ Ascanio Sforza in den Verhandlungen mit Frankreich so brüskiert werde, daß er deswegen und wegen der Besitzrückgabe an Virginio Rom verlasse.231 Auch hier also das gleiche Muster wie einige Wochen vorher bei Piero de’ Medicis Aufnahme durch Karl VIII.!

230 Pansa, Gli Orsini, S. 20: „Virginio Orsini, tuttochè attaccato al re di Napoli di cui era Contesta-

bile ereditario e di cui una figliuola naturale era sposata a Giordano, suo figliuolo, con la più nera ingratitudine si voltò al partito di Francia, seguendo le bandiere dell’invasore con tremila cavalli che stavano al suo soldo“; aber ähnlich und urteilsweisend schon zwei einflußreiche Zeitgenossen: Guicciardini, Storia d’Italia, S. 114f. (I/17): I francesi correvano di qua dal Tevere tutto il paese, occupando ora una terra ora un’altra, perché non si trovava più luogo niuno che resistesse, niuno più che non cedesse all’impeto loro; seguitando l’esempio degli altri insino a quegli che avevano cagioni grandissime de opporsi, insino a Verginio Orsino, astretto con tanti vincoli di fede d’obligazione e d’onore alla casa d’Aragona, capitano generale dell’esercito regio, gran conestabile del regno di Napoli, congiunto a Alfonso con parentado molto stretto, perché a Gian Giordano suo figliuolo era maritata una figliuola naturale di Ferdinando re morto, e che da loro aveva ricevuto stati nel reame e tanti favori. Dimenticatosi di tutte queste cose, né meno dimenticatosi che dagli interessi suoi le calamità aragonesi avevano avuto la prima origine, consentì, con ammirazione de’ franzesi non assueti a queste sottili distinzioni de’ soldati d’Italia, che restando agli stipendi del re di Napoli la sua persona, i figliuoli convenissino col re di Francia; obligandosi dargli, nello stato teneva nel dominio della Chiesa, ricetto passo e vettovaglie, e dipositare Campagnano e certe altre terre in mano del cardinale Gurgense, che prometesse restituirle subito che l’esercito fusse uscito dal territorio romano: e nel medesimo modo convennono congiuntamente il conte di Pitigliano [Niccolò Orsini] e gli altri della famiglia Orsina; sowie Commynes, Mémoires VII/11 (tom. III, S. 69f.; vgl. Commynes, Memoiren, S. 311f. (Von Viterbo aus sei der König nach Nepi gezogen und dann in die Länder der Orsini, die ihm alle von Carlo Orsini übergeben worden seien, dem Bastardsohn Virginios, der auf Befehl seines Vaters gehandelt habe, des besoldeten Dieners von König Alfons. Virginio habe gesagt, er wolle Don Ferrante, dem Sohn von Alfons, nur solange Gefolgschaft leisten, wie dieser in Rom und im Kirchenstaat sei. So lebe man in Italien; die Herren und die Hauptleute verhandeln ohne Unterlaß mit den Feinden und fürchten sehr, bei den Unterlegenen zu sein.). 231 ASM, SPE, Roma 112 (16.1.1495, Auszug aus einem dechiffrierten Brief der Botschafter Carlo Barbiano und Stefano Taverna an Ludovico Sforza). Karl VIII. hatte den Aufbruch aus Rom gen Neapel auf den 28.1. festgelegt, den Tag des Hl. Karl (d. Großen); vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 324.

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Virginio selbst stand offiziell immer noch in aragonesischen Diensten. Ihm hatte der König von Neapel Anfang Februar die Verteidigung des Passes von San Germano (südlich von Cassino) übertragen, doch der oberste Befehlshaber der Krone zog es vor, seine Truppen aufzulösen (oder sich auflösen zu lassen) und sich zusammen mit Niccolò Orsini, dem ansonsten meist mit ihm konkurrierenden Grafen von Pitigliano, nach Nola zurückzuziehen, einer im Besitz Niccolòs befindlichen Stadt nahe bei Neapel. Ein französischer Offizier nahm sie dort Mitte Februar 1495 in Gefangenschaft, doch beide protestierten, sie seien im Besitz eines Geleitbriefes von Karl VIII. Dieser hatte ihnen demnach seinen Schutz gewährt. Wenn sie danach in einer Art Schutzhaft blieben bzw. in französischer Obhut, dann geschah dies offenkundig im Interesse sowohl der Orsini (zumindest Virginios) als auch des Königs. Zudem wurden sie nicht als reine Gefangene gehalten, sondern befanden sich in den folgenden Monaten während der Siege Karls VIII. im Süden und während seines Rückzuges im Sommer 1495 beim Heer der Franzosen, bis sie dieses am 6. Juli 1495 bei der Schlacht von Fornovo verließen, d.h. Niccolò floh zu den Feinden, während Virginio nur in das Haus eines Adligen ging und im November 1495 zusammen mit Paolo Orsini einen französischen Soldvertrag annahm.232 So sah es die Forschung bisher. Doch in jenen Monaten nach dem Februar 1495 führten die Freunde der Orsini ihr im November 1494 begonnenes Werk fort. Neben Federico Sanseverino zeigen uns die Quellen nun auch Piero de’ Medici als aktiv Handelnden, denn es ging nun konkret um die Rückeroberung der Medici-Macht in Florenz mit Hilfe der Orsini und damit um eine rasche Beendigung des Exils.

232 Vgl. etwa Commynes, Mémoires VIII/1 (vol. III, S. 138f.), VIII/12 (vol. III, S. 193) bzw. Ders.,

Memoiren, S. 337, 359. Commynes stellt sicherlich zu Recht heraus, daß die „Schutzhaft“ der beiden Orsini seitens des Königs nur zum Schein und auf Betreiben der Colonna erfolgte, die dann freilich schnell wortbrüchig wurden und auf die Seite der Spanier wechselten; Volpicella (in: Regis Ferdinandi, S. 387, 390) setzt den Eintritt in französische Dienste irrig erst auf 1496 an; Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 35; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 337 und Anm. 490 (zu Nola), S. 448f. (zum Zeitpunkt des Vertrages). Zu Niccolò Orsini und seiner Rivalität mit Virginio s. jetzt Shaw, Lorenzo de’ Medici and Niccolò Orsini.

IV. Piero de’ Medicis Kampf um Florenz 1. 1495–1496 a) Säbelrasseln mit Karl VIII., den Orsini, Siena, Mailand und Bologna Es war König Karl VIII., der bereits Ende November oder Anfang Dezember 1494 Piero de’ Medici bat, so schnell wie möglich ‚wegen der Orsini‘ an seinen Hof zu kommen. Die Florentiner sollten ihm deswegen die Durchquerung ihres Territoriums erlauben, was sie jedoch verhindern wollten.1 Die Franzosen marschierten in jenen Tagen über Siena und die nördlichen Gebiete des Kirchenstaates durch das Territorium der Orsini auf Rom zu, während Virginio Orsini sich mit seinem Heer eben dort, zwischen Sutri und Bracciano, aufhielt. Genau dazwischen, in seinem Domizil in San Lorenzo alle Grotte am Lago di Bolsena, befand sich Federico Sanseverino, der zwischen den beiden Parteien vermittelte, offiziell im Auftrag des Papstes, doch faktisch mit dem Ziel einer Verständigung zwischen den Orsini und Karl VIII. Dies gelang Federico trotz seiner Inhaftierung in Rom (9.–19.12.). Karl VIII. hatte dabei offenkundig auch auf den Einsatz von dessen Freund Piero de’ Medici gesetzt, der ja mit einigen hochrangigen Orsini in Venedig gewesen war. Und Piero stand tatsächlich nicht an, dem Ruf des Königs zu folgen. Dazu ermunterten ihn freilich gleichermaßen seine Anhänger in Florenz. Schon Ende Dezember 1494 befand sich Piero in Città di Castello, einer im Kirchenstaat nahe der südöstlichen Grenze des Florentiner Territoriums gelegenen Stadt, die von den mit den Orsini verwandten Vitelli beherrscht wurde. Er kam als neuer Verbündeter des französischen Königs mit einem französischen Mandatar und wurde ehrenvoll empfangen. Von dort aus bat er die Signoria in Florenz vergeblich, man möge seiner Frau erlauben, sich zu ihm begeben zu dürfen.2 Wenn Piero von einem Beauftragten Karls VIII. aus Venedig abgeholt wurde, dann muß er ihn auch zum Hof des Königs begleitet haben, muß diesen – und Federico Sanseverino – noch in Bracciano oder dann in Rom getroffen haben, wo Karl seit Silvester 1494 residierte. Pieros folgende Handlungen müssen daher mit dessen Einwilligung erfolgt sein, zumal sie den Orsini nutzten. An der Seite von Carlo Orsini konnte Piero schon Ende Januar das seit 1492 im Orsini-Besitz befindliche, nun aber von dem Genuesen Bartolomeo Giubba okkupierte Orsini-Schloß von Cerveteri zurückerobern.3 Karl VIII., der nicht vor dem 28. Januar 1495 Rom Richtung Neapel verließ, hatte Carlo Orsini als dem Vertreter Virginios am 16. Januar alle Orsini-Besitzungen nördlich des Tiber restituiert. Aus der Mailänder Empörung über diesen Akt wurde ersichtlich, daß die Orsini nun zu den Freunden der Franzosen zählten und damit eine Legitimation für ihr weiteres Handeln besaßen. Auf dieser Grundlage agierte nun auch Piero de’ Medici. 1 2 3

S.o. S. 84. Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 163. Parenti, Storia fiorentina I, S. 177.

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Mailand hatte sich durch das Verhalten Karls VIII. erneut brüskiert gefühlt. Erst hatte dieser seinem Feind Piero de’ Medici, danach seinem militärischen Hauptgegner Virginio Orsini überraschende Gunst erwiesen, während er die Interessen seines Alliierten Mailand mißachtete, ihn wie einen Feind behandelte. Ascanio Sforza soll aus Protest gegen die Restitution der Orsini-Territorien Rom verlassen haben. Doch es waren die Orsini, die sich aus pragmatischen Gründen bald um einen Ausgleich mit Mailand bemühten. Der geeignetste Vermittler stand ihnen in Federico Sanseverino zur Verfügung. Ende März 1495, als Virginio und Niccolò Orsini sich noch in französischem Gewahrsam in Neapel befanden, hören wir erneut von intensiveren Kontakten zwischen dem Sanseverino und einem hochrangigen Vertreter der Orsini. Paolo Orsini, der alte Wegbegleiter Virginio Orsinis und Piero de’ Medicis, hatte sich für seine Verwandten nicht nur an Ascanio Sforza, sondern persönlich auch an Federico Sanseverino gewandt, damit er dem Moro seine und seines Hauses Verbundenheit erkläre. Federico sollte die Orsini beim Herzog empfehlen und diesen um Protektion für sie bitten.4 Dem Moro teilte Federico an jenem 31. März 1495 weiterhin mit, es sei ihm vernünftig erschienen, dem Herzog diese Äußerungen und Wünsche der Orsini mitzuteilen, doch erwarte er hierzu seine Instruktionen, weshalb er sich nur allgemein und unverbindlich gegenüber Paolo geäußert habe. Ludovico Sforza antwortete dem Sanseverino am 9. April. Ihm gefielen die von Federico im Namen des Hauses Orsini unternommenen Maßnahmen überaus, und neben der Tatsache, daß er die Orsini immer geliebt habe, würden die aktuellen Umstände solches notwendig machen.5 Was Federico seinem Mailänder Herrn mitteilte, muß nicht das gewesen sein, was er wirklich dachte und sagte – und war es vermutlich auch nicht. Denn sowohl Ascanio als auch Ludovico Sforza wollten vor allem das verhindern, was zu den wichtigsten Zielen des Sanseverino gehörte: daß die Orsini in französische Dienste träten. Problematisch war für Federico nur, daß Mailand der am 31. März ratifizierten und am 12. April 1495 veröffentlichten Heiligen Liga beigetreten war, in der sich außerdem Venedig, der Papst, Spanien und der deutsche König zusammenfanden, um Frankreich in die Schranken zu weisen. Bevor diese Allianz ihm in Italien zu gefährlich werden könnte, wollte Karl VIII. den Rückweg nach Frankreich aufnehmen. So brach er bereits am 20. Mai aus dem am 22. Februar eroberten Neapel auf, um mit der Hälfte seiner Truppen (der Rest sollte den neuen Besitz schützen) nach Frankreich zurückzukehren. Bevor Piero de’ Medici von dem Entschluß Karls VIII. Kenntnis erhalten hatte, war in ihm und bei seinen engeren Freunden ungefähr im März oder April ein ganz eigentümlicher Plan gereift. Kaum aus Florenz vertrieben, wollte er seine Rückkehr mit militärischen Mitteln erzwingen und dafür die beiden großen Orsini-Condottieri, Virginio und Niccolò, aus der französischen Schutzhaft an die Seite der Medici führen. Ohne ein Einverständnis Frankreichs war dieser Plan natürlich nicht zu verwirklichen. Möglicherweise – die Quellen geben hierzu keine klare Antwort – sollten die Orsini sogar in französischem Sold diese Aufgabe übernehmen. In Mailand war man jedenfalls im April überzeugt, Virginio 4 5

ASM, Autografi 32, fasc. 264 (31.3.1495, Federico Sanseverino aus Rom an den Moro). ASM, SPE, Roma 112 (9.4.1495, Ludovico Sforza aus Vigevano an Federico Sanseverino).

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und Niccolò seien bereits bei Karl VIII. unter Vertrag, der einen analogen Plan der Liga damit ausgehebelt hätte.6 Piero de’ Medici begab sich im Mai sogar persönlich nach Neapel, um sein Vorhaben umzusetzen, da er glaubte, die beiden Orsini befänden sich noch bei den Franzosen. Doch mußte er entdecken, daß Karl VIII. Neapel bereits verlassen hatte – das war am 20. Mai geschehen –, und daß die Orsini auf dem Seeweg zurückkehren würden (oder diesen bereits genommen hatten). So war sein Plan also nicht zu verwirklichen gewesen. Nach seiner Rückkehr hatte sich Piero dann in Rom auch zu Ascanio Sforza begeben, der seinem Bruder in Mailand Anfang Juni von diesem Projekt berichtete.7 Enthusiastisch hatte Piero ihm erklärt, daß er für seine Restitution sogar die breite Unterstützung der Bentivoglio aus Bologna, des Herzogs von Urbino und der MediciAnhänger in Pistoia, Cortona und Arezzo gewonnen habe. Wenn die Medici für diesen Zweck auch die Hilfe Mailands suchten, entsprach dies der Strategie ihrer OrsiniVerbündeten. Mailand war zu mächtig, besaß einen zu großen Einfluß auf die nördlichen Nachbarn der Florentiner, als daß man auf seine Unterstützung hätte verzichten können. Das bedeutete freilich noch lange nicht, sich aus dem Bund mit Frankreich zu lösen. Mehr noch als vorher gab es für die italienische Staatenwelt nach 1494 keine einspurigen Wege zum Ziel. In viele Richtungen waren die Medici und ihre Freunde also im Frühjahr 1495 aktiv geworden, um ihr Schicksal zu wenden. Aus ganz unterschiedlichen Quellen füllt sich Pieros Projekt mit Leben, werden nun auch die ebenfalls aus Venedig zurückgekehrten Brüder Pieros sichtbar, kommen so aufschlußreiche wie erstaunliche Verbindungen zu den Florentiner Mediceern ans Licht. Schon Anfang Mai 1495 hatte der damalige Florentiner Kommissar in Arezzo, Luigi di messer Agnolo della Stufa, ein enger MediciAnhänger, den Dieci di Balìa gemeldet, der Kardinal Giovanni de’ Medici sei mit seiner gesamten Kompanie unbemerkt in Città di Castello eingezogen, während man ihn noch in Bolsena vermutete, wo er ein Haus besaß.8 Eine Woche später, am 11. Mai, wußte man, daß Giovanni de’ Medici Castello verlassen hatte, um zum Herzog von Urbino zu stoßen; und am 21. Mai meldete der Florentiner Offizier Giuliano Orlandini den Dieci, einer seiner Spione habe erkundet, daß der Medici-Kardinal das Florentiner Grenzgebiet zwischen Città di Castello und Perugia durchziehe, begleitet von zunächst 500, dann 400 Fußsoldaten unter Führung Giulio Vitellis (eines Geistlichen, der später, 1499, Bischof von Città di Castello wurde), und daß der Medici sich nun auf dem Weg nach Rom befinde.9 Zweifel-

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Vgl. ASM, SPE, Roma 112 (26./27.4.1495: Resümee von Briefen Ascanio Sforzas aus Rom an Ludovico il Moro). Offenkundig wollte die Hl. Liga Virginio und Niccolò Orsini in ihren Sold nehmen, doch glaubte Ascanio, die Franzosen seien ihnen damit zuvorgekommen: ... che non la [conducta del Sre. Virginio et conte di Pitiliano] possi succedere per essere conducti alli stipendii del Re de Franza! Statt dessen solle man die Vitelleschi nehmen. ASM, SPE, Roma 113 (2.6.1495, Ascanio Sforza aus Orvieto an den Moro). Mit Blick auf das Datum muß Pieros Mission in Neapel im Mai erfolgt sein. ASF, DBR 41, c. 26 (3.5.1495, Luigi della Stufa, commissarius, aus Arezzo). ASF, DBR 41, c. 107 (11.5.1495, Luca di Antonio degli Albizzi, commissarius, aus Borgo Sansepolcro); c. 24 (21.5.1495, Giuliano de’ Orlandini, capitaneus, ex corte).

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los wollte er sich dort mit seinem Bruder Piero treffen, der spätestens Ende Mai aus Neapel zurückgekommen sein muß. Aus einer wichtigen Quelle, die bei den Florentiner Mediceern entstand, läßt sich erkennen, wie die Freunde in Florenz trotz des Kontaktverbotes mit den Verbannten die militärischen und diplomatischen Bewegungen des Medici-Kardinals aufmerksam begleiteten und finanziell unterstützten, oft im Kontext anderer familiärer Interessen. Piero de’ Medicis ehemaliger Diener Francesco Cegia, der nun für dessen weiterhin gleichsam unter Hausarrest stehende Frau Alfonsina tätig war, führte als gleichzeitiger Mitarbeiter der Florentiner Medici-Erben-Bank eine Bargeldkasse für die Medici und in dieser Funktion seit dem 14. März 1495 ein persönliches, geheimes Rechnungsbuch der chonti di debitori e creditori e richordi.10 Die dort zu Papier gebrachten Finanzaktivitäten und Notizen enthüllen spannende Zusammenhänge. Die chronologisch ersten, noch einige voraufgegangene Tage erfassenden Betreffe bezogen sich unter anderem auf Alfonsina Orsini. Für den 13. März 1495 wurde Alfonsina von Cegia mit 24 Fiorini larghi11 als Schuldner verbucht. Im einzelnen hatte Cegia für sie am 7. März einen Fiorin an den Kardinal Giovanni de’ Medici bezahlt bzw. bezahlen lassen, der wegen der Auseinandersetzung mit der Stadt um ihre Aussteuer, ihre dote, für einen Notar und einen Prokurator bestimmt war. Offenbar wegen der gleichen Sache erhielt der maestro Andrea Cardiere 15 Fiorini als Provision und für seine Arbeit. Am 10. März hatte Francesco Naldini acht Fiorini bekommen, damit er nach Siena ginge, um wegen des Vertrages über die Aussteuer von einer Person namens Sozzino und von anderen Rat einzuholen. Des weiteren sollte das Geld für andere geheime Angelegenheiten dienen, in denen Naldini unterwegs war.12 Bereits am 6. März zahlte Cegia für Alfonsina einen Fiorin an einen Knecht (fante), der mit einer Botschaft zu einem ungenannten Freund der Orsini nach Pescia gehen bzw. reiten sollte. Von dort wurde ihre Angelegenheit weiter betrieben. Am 28. März verbuchte Cegia zwölf Fiorini, von denen zehn Fiorini für sie an den Bruder von Ser Francesco [Ghori] da Pescia gezahlt wurden, der sich nach Rom begeben sollte, um den Signore Carlo Borromei wegen des Vertrages aufzusuchen; die restlichen zwei Fiorini waren in Neapel an Naldini ausgehändigt worden, der sie einem fante (in diesem Kontext wohl kein einfacher Diener, sondern ein bewaffneter Kurier) für dessen Reise nach Siena geben sollte.13 Naldini erhielt am 31. März nochmals zwei Fiorini, um einen fante an einen nicht

10 Pampaloni, Ricordi, hier S. 196f. 11 Wenn im Folgenden unspezifiziert von Fiorini die Rede ist, sind stets Fiorini d’oro in oro larghi

gemeint, die übliche Rechnungswährung, die synonym auch als Dukaten bezeichnet wurden; daneben erscheint auch der etwas geringerwertige Fiorino largo di grossi; abweichende Währungen werden nach Möglichkeit als solche gekennzeichnet. Zu diesen Währungen vgl. auch Edler, Glossary, S. 317; Le collezioni medicee nel 1495, S. XVIf.; v. a. Barteleit, Staatsverschuldung, S. 49–52. 12 Pampaloni, Ricordi, S. 199 (offenbar durch einen Lesefehler irrig: Chardicie). 13 Pampaloni, Ricordi, S. 200, vgl. auch S. 203f. zu Cardiere und Borromei.

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genannten Ort zu senden. Für Alfonsina wurde am 10. April erneut ein fante nach Siena geschickt, mit zwei Fiorini Lohn plus einem Fiorin für seine Spesen.14 Lokale Ausgangspunkte für die Lösungen der Probleme Alfonsina Orsinis waren also das auf Florentiner Territorium gelegene Pescia, sodann Siena, Rom und das damals noch französisch beherrschte Neapel. Die für sie zwischen und an diesen Orten handelnden Personen sind Kardinal Giovanni de’ Medici, Francesco Naldini und ein Bruder des Ser Francesco [Ghori] da Pescia. Als konsultierte gelehrte Ratgeber werden uns genannt Andrea Cardiere, Meister Carlo Borromei in Rom und der Sozzino in Siena, mit dem zweifellos der berühmte Jurist Bartolomeo Sozzini gemeint war, den Lorenzo de’ Medici in den 70er Jahren an „seine“ Universität von Pisa berufen konnte, der für Lorenzo nach der Pazzi-Verschwörung gegen Exkommunikation und Interdikt des Papstes gutachtete und zu dem Giovanni de’ Medici seit seinem dortigen Studium offenbar gute Kontakte unterhielt.15 Für Alfonsina ging es damals zum einen darum, Medici-Vermögen als Teil ihrer Aussteuer bewerten zu lassen und dadurch dem Zugriff der Syndizi zu entziehen, zum anderen um die Unterstützung der Restitutionsversuche ihres Mannes. Wichtig für das Verständnis der Vorgänge ist auch Alfonsinas Zwangsaufenthalt in Florenz. Zum 8. Mai 1495 wurden Alfonsina Orsini 15½ Fiorini berechnet, die sie für ihre Zwecke aus Cegias Bargeldkasse erhalten hatte, wobei das Geld direkt an Luca Speranzini ausgezahlt worden war, der für sie einige Tage vorher eine Reise nach Siena unternommen und (offenbar von dort) jemanden nach Neapel geschickt hatte, und der dann nochmals für sie nach Lucca ging (höchst wahrscheinlich zu den Buonvisi). Alfonsina hatte also über Speranzini von Siena aus auf ihre Kosten einen Boten nach Neapel gesandt. Dieser Auftrag muß als Teil von Pieros Mission gesehen werden, mit welcher er Virginio und Niccolò Orsini als Führer seiner Truppen gewinnen wollte; hier ging es um die Vorbereitung von Pieros Plan, Alfonsinas Verwandte mit Erlaubnis des französischen Königs aktiv in die Unternehmungen der Medici zu integrieren. Deswegen ist Alfonsina in der ersten Maihälfte auch von der Florentiner Signoria die Bitte abgeschlagen worden, sich nach Rom zu Piero begeben zu dürfen. Man wußte, daß damit mehr als nur eine Familienzusammenführung verbunden war, daß es dabei um einen Machtwechsel in Florenz ging. Denn aufgrund eines Votums der Otto di Guardia e di Balìa, der Wachkommission, verweigerte man ihr zum zweiten Mal die Ausreise aus Florenz, da man – so die Formulierung des Chronisten Parenti –, hinter dieser Bitte ein ‚bestimmtes Mysterium‘ sah. Und man habe gut daran getan, wie das bald Entdeckte zeigen sollte.16 Alfonsina wurden dann 14 Pampaloni, Ricordi, S. 200. 15 Vgl. etwa Picotti, Giovinezza, bes. S. 240f., 271, 514, 682 (Sozino); Martines, Verschwörung,

S. 171. 16 Parenti, Storia fiorentina I, S. 219 (La Alfonsina, donna di Piero de’ Medici, diliberò da Firenza

partire e a Roma trasferirsi per là col marito congiugnersi, dove venire dovea; ma dubitandosi da noi che non sanza misterio tale sua partita essere dovessi, per comandamento delli Otto della Balìa si l’impedì. E buono fatto fu, per quello che apresso s’intese.). Niccolò Machiavelli hingegen hatte sich für seine künftige ‚Florentiner Geschichte‘ für das Jahr 1495 eigens den negativen Ratschlag notiert, den Francesco Pepi wegen Alfonsinas Antrag auf Ausreise gegeben

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nochmals am 3. und 13. Juni jeweils neun und drei Fiorini als Schulden bei der Bargeldkasse berechnet, die ebenfalls für Luca Speranzini gezahlt worden waren.17 Dieser Vermittler zwischen ihr und ihrem Mann – aber dann auch anderen Mediceern –, Luca Speranzini, war ein Alfonsina besonders nahestehender Diener Giovanni Cambis, des von Giovanbattista Bracci geführten Leiters der Pisaner Medici-Bank.18 Nicht von ungefähr berichtet Cegias Geheimbuch gerade für die Zeit der ersten Reise Speranzinis nach Siena Anfang Mai 1495 von weiteren erstaunlichen Kontakten der Medici-Freunde in Florenz mit den Verbannten und ihren Begleitern, bei denen es vornehmlich um die Versorgung mit Bargeld ging. Die contessa, also Alfonsinas Mutter Caterina Sanseverino, hatte Francesco Cegia 50 Fiorini in bar gegeben, die er am 8. Mai an Alfonsina weitergab, welche das Geld im Auftrag ihrer Mutter Giuliano de’ Medici übermitteln sollte.19 Als zurückzufordernde Ausgabe dieser Bargeldkasse verbuchte Cegia ebenfalls für den 8. Mai auf dem Konto der leiblichen Erben des Lorenzo de’ Medici – also Piero, Giovanni und Giuliano – 50 Fiorini, die er bar an den Kammerherrn (chameriere) Giulianos, Bernardino, zahlte, welcher sich damals aber bei Giulianos Cousin Giulio de’ Medici befunden habe; gleichwohl sollte Bernardino das Geld Giuliano und Giovanni in Bolsena überbringen.20 Die gleiche Summe hatte Bernardino gut drei Wochen vorher schon einmal erhalten, um sie den noch in Città di Castello befindlichen Brüdern Giovanni und Giuliano zu übermitteln.21 Giovanni hatte sich demnach bereits im April heimlich von Bolsena nach Città di Castello begeben, wo er offenbar den dann Anfang Mai erfolgenden Einzug seiner Truppen vorbereitete. Dabei wurde er von seinem Bruder Giuliano begleitet. Bei dem Kammerherrn aber, der sie aus Florenz mit Bargeld versorgte, muß es sich um Bernardo Dovizi da Bibbiena gehandelt haben, der sich noch im September und Oktober 1494 für Piero de’ Medici beim Herzog Ferdinand von Kalabrien und dem aragonesischen Heer in der Romagna aufgehalten hatte und der auch nach 1499 an der Seite Giulianos zu finden sein wird. Obwohl Cegia den Nachnamen nicht nannte, läßt er sich als Dovizi da Bibbiena ermitteln, denn zum einen sprach Giuliano am 20. Februar 1495 in einem seiner ersten Exilssonette mit dem Kosenamen Berna über ihn, wobei er

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hatte (che non si desse licenzia all’Alfonsina, ma buone parole); vgl. Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 190. Pampaloni, Ricordi, S. 201, 203 (paghati per lei [Alfonsina Orsini] a Luca per una gita fecie a Siena più dì fa e spaccio uno a Napoli, e per lui e per ire a Lucha tutto monta fiorini 15½ d’oro [in oro larghi]. Zusätzlich erhielt Alfonsina am 8.5.1495 nochmals ohne eine registrierte Zweckbestimmung 8, 15 Fiorini larghi di grossi aus der Bargeldkasse Cegias bzw. der ErbenGesellschaft; ebd. S. 200, 202. Daß Cegia Speranzini oft nur mit dem Vornamen nennt und dieser von ihm oft genauso wie der Städtename geschrieben wird (Lucha für Luca und Lucca), erschwert die Identifizierung bei nicht eindeutigem Kontext. Vgl. zu Speranzini unten S. 332f. und s.v.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 356. Pampaloni, Ricordi, S. 200, 203 (auf S. 200 irrig Girolamo, der richtige Name Giuliano auf 203; bei Girolamo hätte es sich um Cegias Geschäftspartner Girolamo di Filippo dalla Scharperia gehandelt, dessen Name aber auch in jenem Kontext keinen Sinn ergäbe). Pampaloni, Ricordi, S. 198, 201. Pampaloni, Ricordi, S. 198, 201 (Buchungstag war der 14.4.1495).

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den bekanntermaßen lebensfroheren Bernardo bat, seine Tränenflüsse und seinen Schmerz zu erdulden; zum anderen ist in den Akten der Florentiner Kriegskommission der Dieci di Balìa die präzise Information enthalten, daß Bibbiena sich im Juni 1495 in verantwortlicherer und gehobenerer Position an der Seite von Giulio de’ Medici befand, mit dem er in Città di Castello und Bologna für die Medici wirkte.22 Die im Mai 1495 erstmals verstärkt einsetzenden Aktivitäten der Medici-Brüder und ihrer Freunde in Florenz führten dort schnell zu Reaktionen. Schon am 16. Mai ließen die Dieci di Balìa die beiden Brüder Alessandro und Lamberto di Giovanni dell’Antella in ihrem Florentiner Haus festnehmen. Offenbar gab es konkrete Verdachtsmomente oder Denunziationen. Man fand in ihrem Haus viele Bündel mit Waffen. Lamberto erhielt noch am gleichen Abend die Folter mit dem Strick; der wegen seiner religione, also seines geistlichen Standes, hiervon befreite Alessandro aber war davon so beeindruckt, daß er gestand, sie hätten die Absicht gehabt, einige Florentiner Freunde und Verwandte Pieros zu bewegen, einen Aufruhr in Florenz anzustacheln, um das feindliche Regime durch den Einsatz von innen wie außen zu stürzen. Um diese Mediceer zu schützen, bekannten sie eine Initiative, die ganz bestimmt nicht von ihnen, sondern von jenen ausging. Wichtig sind weitere Präzisierungen des Alessandro dell’Antella. Man habe für diesen Umsturzversuch den Vorbeimarsch der Franzosen abgewartet, da diese nicht der Stadt Florenz, also der damaligen Regierung, sondern Piero de’ Medici wohlgesinnt seien. Alessandro Davanzati, ein Priester und enger Freund Alessandro dell’Antellas, ergänzte die Aussagen der Antella-Brüder, indem er einige Freunde und Verwandte Pieros als Verschwörer denunzierte. Der Chronist nennt uns leider nur – aber immerhin – Lorenzo di Giovanni Tornabuoni! Dessen Haus habe man daraufhin sofort auf Waffen untersucht, doch habe man keine gefunden. Offenkundig wehrten sich die Beschuldigten entrüstet gegen die Anklage, denn nun wurde Davanzati als Verleumder verhört.23 Offenbar hatte Lorenzo Tornabuoni die Waffen gut verstecken oder rechtzeitig außer Haus bringen können, denn die Aussage Davanzatis wird nicht unbegründet gewesen sein.

22 Giuliano de’ Medici, Poesie, S. 8 (... Tal che ’l remedio mio sarà un rivo / Di lacrime dolenti,

nel qual vivo / Contento sol di mia sincera fede. / Io so ben che nessun pò gustar tanto / Il mio dolor, che non sia vie piú in fatto; / Donche io a te mostrarlo non mi vanto, / Se già, Berna, non sei come io son fatto; / Se sei, tollera un po’ col tuo mio pianto / Ch’io per troppo languir son già disfatto.); die Vermutung des Herausgebers, bei Berna könne es sich vielleicht um die von Giuliano für Bernardo Bibbiena benutzte Kurz- bzw. Koseform handeln, läßt sich durch die weiteren Zeugnisse für die Existenz Bernardos an Giulianos Seite bestätigen; vgl. auch ebd. S. CXX, wo der Herausgeber in seiner Einleitung dieses Gedicht vorstellt und den Tränenfluß als Resultat einer im Stile Petrarcas verklärten unerfüllten Liebe interpretiert. Doch unabhängig von den evidenten Übertreibungen scheint mir, daß Giuliano mit seinen Anfangsworten vom traurigen Weggang und von den Entbehrungen seines hoffnungslosen Lebens sein junges und zweifellos schmerzhaftes Exilsschicksal literarisch bewältigte. Zum Zeugnis der Dieci: ASF, DBR 42, c. 152, 201, 218, 311; vgl. unten S. 337. 23 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 221f.; nur knapp hierzu: Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 148.

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Piero de’ Medici hatte in der Tat gehofft, an der Seite des sich aus Neapel Richtung Frankreich zurückziehenden französischen Königs und seines Heeres einen so gewaltigen Druck ausüben zu können, daß ihm die Florentiner Tore wieder geöffnet würden. Bezeichnenderweise kam er nach seiner vergeblichen Mission in Neapel mit jenem Mann nach Rom zurück, der als eigentlicher Urheber seines Wechsels auf die französische Seite anzusehen ist – Graf Philippe de Bresse. Von Rom aus begab sich Piero nach Bracciano in die Orsini-Zitadelle, von dort nach Isola [Farnese], einem weiteren, zwischen Bracciano und Rom gelegenen Kastell der Orsini, die Rückkehr nach Florenz fest im Blick.24 Durch den engen Anschluß an den französischen König und seinen Hof sowie durch die weitere Bindung seiner Orsini-Verwandten an Frankreich wollte Piero sein Ziel verwirklichen. Nachdem Piero mit Philippe de Bresse nach Rom gekommen war, stieß er dort zum Hof des am 1. Juni die Ewige Stadt erneut betretenden Karl VIII., in der Hoffnung, über seinen savoyischen Freund die Macht des französischen Heeres für eine Restitution der Medici in Florenz nutzen zu können. König Karl hatte Philippe de Bresse schon am 11. Mai, also neun Tage vor seiner Abreise aus Neapel, als ranghöchsten französischen Adligen mit dem Kardinal Jean de Bilhères-Lagraulas – dem guten Kunden der Medici-Bank – zu einem sich immer noch sperrenden Papst gesandt, um wegen der Investitur mit Neapel und der Erlaubnis eines abermaligen Einzugs in Rom zu verhandeln und um die Modalitäten des Aufenthalts in Rom zu klären.25 Hier nur drei Tage bleibend, zog Karl VIII. am 3. Juni von Rom nach Bracciano, begleitet von Piero de’ Medici, der einige Tage vorher ja schon dorthin und nach Isola geritten war und dabei offenkundig die Beziehungen seiner Verwandten zu Frankreich erheblich straffen konnte. Denn das Bündnis der Orsini mit dem französischen König wurde nun erstmals öffentlich und formal besiegelt. Pieros Freund Carlo Orsini, der illegitime Sohn Virginios, der in Bracciano für seinen Vater regierte und auf dessen Anweisung schon im Dezember 1494 Karl VIII. gastlich aufgenommen hatte, empfing diesen nun erneut, versorgte ihn, stellte ihm eigene Truppen zur Verfügung und leistete ihm jetzt im Orsini-Schloß in Campagnano sogar einen Treueid – wohl kaum ohne das Einverständnis seines Vaters. Seine Familie erhielt dafür Pensionen in Frankreich und Italien.26 Piero de’ Medici wird diese Demonstration sehr gelegen gewesen sein, erhöhte sie doch den Druck auf die Signoria in Florenz. Man wußte dort ja seit langem, daß er mit seinem Verwandten Carlo Orsini ebenfalls militärisch kooperierte; und man wußte seit einiger Zeit, daß der französische König, der Schutzherr und Verbündete von Florenz, 24 Parenti, Storia fiorentina I, S. 224 (Piero de’ Medici, seguitando monsignore di Brescia [Philip-

pe de Bresse], drieto a Roma li venne; poi a Bracciano, castello delli Orsini, e all’Isola si trasferì, sperando ad ogni modo per tale mezzo in Firenze essere rimesso.). 25 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 219f., 224f.; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 423–425; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 361 und Anm. 521. Kurz vor Ankunft des Königs hatte Alexander VI. mit zahlreichen Kardinälen am 27.5. Rom verlassen, um sich zunächst nach Orvieto, dann nach Perugia zurückzuziehen. 26 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 382 (leider ohne genauere Angaben über Empfänger und Art dieser Pensionen).

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jetzt wieder offen für Piero Partei ergriffen hatte! Denn trotz der Verhaftung der AntellaBrüder und ihrer Enthüllungen hatte Piero seit Ende Mai – offensichtlich von Rom aus und mit Unterstützung des Philippe de Bresse – über unbekannte Multiplikatoren aus seiner Anhängerschaft in Florenz seinen Entschluß verkünden lassen, um jeden Preis an die Macht zurückzukehren, und dies mit dem Willen des Königs von Frankreich. Karl VIII. und führende Adlige seines Hofes hatten schon damals persönlich bei der Signoria von Florenz die Rückkehr Pieros gefordert.27 Diese sprach sich vehement gegen ein solches Ansinnen aus, welches Karl VIII. im übrigen mit dem Vertrag vom November 1494 zu unterlassen versprochen hatte. Und am 12. Juni wußte man auch in Mailand, daß der französische König von Florenz verlangte, Piero wieder einzusetzen, wobei er den Florentinern – neben einer Forderung über 12.000 Dukaten – als Gegenleistung Pisa und Livorno zugesichert habe, während er Sarzana und Pietrasanta Piero geben wolle, da er sie von ihm erhalten habe.28 Frankreich forcierte also seine Unterstützung der exilierten Medici. Das führte beim offiziellen Verbündeten Florenz zu starken Aversionen gegenüber Karl VIII. Den König störte das nicht, im Gegenteil. Als Karl VIII. nach seinem angenehmen Aufenthalt bei den Orsini in Bracciano Richtung Siena weiterzog, blieb Piero de’ Medici in seiner Umgebung. In Florenz fürchtete man die königliche Intervention für die Medici, insbesondere als die französischen Truppen einen sehr herzlichen Empfang im medicifreundlichen Siena (13.–17.6.1495) erfuhren und man wiederum von konkreten Umsturzversuchen Pieros hören mußte. In eben jenen Tagen des Aufenthalts von Karl VIII. in Siena konnten die Florentiner in San Casciano einen Boten Pieros, Pentolino genannt, festnehmen, der mehrere Briefe Pieros an Piero Corsini und weitere seiner Florentiner Freunde bei sich trug. (Piero Corsini hatte zu jenen Mediceern gehört, die sich während der Tumulte Mitte

27 Parenti, Storia fiorentina I, S. 228–230, 232. So hatte die Signoria am 31. Mai zu beraten, che

commessione a’ nuovi ambasciadori [sc. an den französischen König] da dare fussi, e, perché Piero de’ Medici minacciava di tornare, in che modo di questo colla Maestà del Re da governare ne avessimo. ... Contro a Piero de’ Medici si determinò che in nessuno modo si consentissi, quando bene la Maestà del Re ne richiedessi, la tornata sua, e al tutto si li negassi, perché non procederebbe se non da corruttela de’ suoi baroni [sc. der französischen Barone], e totalmente sarebbe la ruina della città ... (S. 228f.). Und schließlich im Kontext einer möglichen, den Staat pazifizierenden Beteiligung der Bigi, also der Medici-Anhänger, an der Regierung: Fu nondimeno etiam chi in buona parte tale loro opera interpretassi che, sospettandosi della venuta di Piero de’ Medici colla Maestà del Re, se al tutto scontenti e privi della speranza dello stato e’ Bigi si tenessino, non fussino causa di fare novità ... (S. 230). Analog S. 232: ... per il timore avamo di Piero de’ Medici, el quale usava dire che ad ogni modo ci ritornerebbe, e con volontà del re di Francia. Vgl. die knappen, diese promediceische Intention Karls VIII. aber bestätigenden Aussagen bei Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 149f. (am 31.5. habe eine große Versammlung in Florenz u. a. beschlossen, „daß man vom König zwei Dinge verlangen müsse, das erste die Freiheit [von den Medici] und das zweite, daß wir Piero de’ Medici nicht da haben wollen.“ Am 3.6. wurden diese Forderungen nochmals gestellt, zudem wurde die Anfrage an den König gerichtet, ob er als Freund oder Feind komme.). 28 ASF, DBR 42, c. 48–49 (12.6.1495, Gianbattista Ridolfi aus Mailand).

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November 1494 offen zu den vertriebenen Medici bekannt hatten.29) In diesen informierte der Medici seine Verbündeten, auf welche Weise er nach Florenz zurückkommen wolle; andere Briefe dienten dem Nachweis, daß der König von Frankreich zusammen mit seinen Baronen fest entschlossen sei, ihn in Florenz wieder an die Macht zu führen. Aus dem durch Folter erpreßten Geständnis des Pentolino konnten die Florentiner weiterhin entnehmen, wie Piero mit anderen Boten die Kommunikation mit seinen Freunden aufrechterhielt, so daß man ein dichtes Netz von Spitzeln und Wachen aufstellte, um diese Kontakte zu unterbinden.30 Doch nicht nur den französischen Hof und Piero de’ Medici behielt man aufmerksam im Auge, auch die Bewegungen anderer Mediceer wurden sorgfältig registriert: so etwa die von Giulio de’ Medici und Bernardo Dovizi da Bibbiena, die sich mit zehn bis zwölf Reitern unter Giovanni da Napoli, einem Offizier des Grafen von Pitigliano, Niccolò Orsini, in der ersten Junihälfte in Città di Castello bei den Vitelli aufhielten. Dies weckte in Florenz um so größeren Argwohn, als Camillo Vitelli und seine Brüder Paolo, Vitellozzo und Giulio dem französischen König ihre Aufwartung machen sollten – und sich deshalb neu einkleiden mußten – und die Mediceer vor diesem Hintergrund wiederum offen ihre große Hoffnung auf eine rasche Rückkehr nach Florenz äußerten. Damals sollten sich die drei Brüder Piero, Giovanni und Giuliano de’ Medici noch in Pitigliano aufgehalten haben.31 Giulio, ihr Cousin, begab sich mit Bernardo da Bibbiena von Città di Castello jedoch über Urbino nach Bologna, wo auch Bernardos Bruder Antonio Dovizi da Bibbiena zu ihnen stieß. Man vermutete, sie sollten Pieros Sohn Lorenzo aus Venedig holen, da die Venezianer (als Mitglied der Hl. Liga) Gegner Frankreichs seien.32 Daß die Mediceer alle Hoffnung auf Karl VIII. setzten, ist demnach nicht zu bestreiten. Frankreichs König düpierte seine Florentiner Alliierten tatsächlich – es sollte nicht das letzte Mal sein – und behielt selbst bei seinem Weitermarsch über Florentiner Territorium Piero de’ Medici bei sich, obwohl dies im Vertrag zwischen Karl und Florenz nur für Ausnahmefälle vorgesehen war. Der Eindruck, er wolle Piero wirklich an die Macht zurückbringen, wurde dadurch aber ungemein verstärkt, auch wenn er den besorgten 29 S.o. S. 79. 30 Parenti, Storia fiorentina I, S. 235. Piero di Bertoldo Corsini ist auch von Guicciardini als

Freund Pieros bezeichnet worden, doch wurde er nach dessen Exilierung und auch nach der Entdeckung des an ihn gerichteten Briefes weiterhin in höchste Florentiner Ämter gewählt und soll im August 1497 den fünf zum Tode verurteilten Medici-Anhängern um Lorenzo Tornabuoni die Appellation verweigert haben (was jedoch u. a. auch Lorenzo Morelli tat, den wir keinesfalls als Feind der Medici betrachten können); vgl. Guicciardini, Storia fiorentina, S. 95, 141 u.ö.; zu seinen Ämtern: Guidi, Ciò che accadde, S. 168. Den Bruder Pieros, Gherardo di Bertoldo Corsini, werden wir noch im geschäftlichen Umfeld von Gianbattista Bracci, Lanfredino Lanfredini und Benedetto Buonvisi und damit als anzunehmenden Mediceer vorstellen. 31 ASF, DBR 42, c. 152 (17.6.1495, Luigi della Stufa, commissario, aus Arezzo), c. 201 (19.6.1495, Piero degli Albizzi, podestà et commissario, Castiglion Fiorentino). 32 ASF, DBR 42, c. 152, 161, 218, 311 (17.–25.6.1495, von verschiedenen Florentiner Amtsträgern, mit zum Teil widersprüchlichen Angaben). Daß es für Antonio nach Dezember 1494 keine Zeugnisse mehr gebe, wie jüngst Zaccaria feststellte, stimmt daher nicht; vgl. R. Zaccaria, Art. „Dovizi, Antonio“, in: DBI 41 (1992), S. 593.

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Florentinern ausrichten ließ, er wolle Piero mit sich nach Frankreich nehmen. Die MediciFeinde sahen sich deshalb veranlaßt, insbesondere jene Freunde der Medici zu isolieren, die sehr gute Beziehungen nach Frankreich und zum Hof des Königs hatten, damit diese nicht zum Nachteil der Stadt, in disfavore della città, persönliche Verbindungen mit den Franzosen aufnehmen konnten. Verbannt wurden daher Filippo Lorini, Galeazzo Sassetti, Pierantonio Carnesecchi und einige andere, deren Namen uns der für diese Periode weiterhin wichtigste Chronist Piero di Marco Parenti leider verschweigt.33 Diese Namen bezeugen einmal mehr, welche Relevanz die wirtschaftlichen Verflechtungen der Mediceer für den politischen Kontext besaßen. Pierantonio Carnesecchi, der im November 1494 nach Pieros Flucht mit weiteren Mediceern bewaffnete Präsenz in Florenz gezeigt hatte, war zusammen mit Lanfredino Lanfredini ein enger Geschäftspartner von Lorenzo de’ Medici in der Ende 1491 gegründeten Goldschläger-bottega, die er unter dem Schirm der Florentiner Medici-Erben-Bank mit dem Lanfredini und Filippo da Gagliano auch nach 1494 weiterführte; seine Verwandten hatten Vertrauensstellungen in der MediciGesellschaft. Galeazzo Sassetti zählte zu den engsten Mitarbeitern Lorenzo Tornabuonis und Giovanbattista Braccis in der Florentiner Medici-Erben-Bank. In diesem Zusammenhang ist auf ein Phänomen zu verweisen, das uns mit diesem ersten manifesten Restitutionsversuch in Verbindung zu stehen scheint. Genau im Juni 1495 legte Francesco Naldini, jener treue Medici-Freund und Mitarbeiter der Florentiner Medici-Erben-Bank, der noch im März 1495 für Alfonsina Orsini wegen geheimer Angelegenheiten in Siena gewesen war, seine beiden bereits ausführlicher behandelten Geschäftsbücher an, das der täglichen Notizen und Erinnerungen sowie das der systematisch geführten Debitoren und Kreditoren der Florentiner Medici-Erben-Bank, in welcher er insbesondere ihrem Leiter Giovanbattista Bracci als eine Art Schatzmeister zugeordnet war.34 Aus diesen Büchern hatten wir bereits Aufschlüsse über die Geschäftsstruktur der neuen Florentiner Medici-Bank gewonnen, die neben dem Finanz- auch verstärkt durch Warenhandel geprägt war, bei welchem vor allem Benedetto Buonvisi in Lucca, aber auch Matteo Cini in Venedig besondere Bedeutung zukamen, während der zu den Syndizi zählende Francesco Girolami in Florenz einer der engeren Finanzpartner war. Neben innerbetrieblichen organisatorischen Gründen könnte die Anlage der beiden Bücher im Juni gerade mit Blick auf die komplexe Rolle Buonvisis auch durch die in jenen Wochen einsetzenden Aktionen zur Rückführung der Medici und der begleitenden Finanztransaktionen bedingt gewesen sein. Die Hoffnung aber, im Juni 1495 mit der französischen Armee im Rücken eine solche Druckwelle auf Florenz auszuüben, daß sie gleichsam die Stadttore für die Medici aufstoßen würde, sie erlosch so rasch, wie die Truppen nach Norden eilten. Karl VIII. hatte sich erstaunlich stark und offen für Piero de’ Medici eingesetzt; mehr als verbale Druckmittel konnte er jedoch nicht gegen Florenz anwenden, denn dieser Staat war schließlich sein wichtigster Verbündeter in Italien. Mit Florenz hatte der König einen Bündnisvertrag 33 Parenti, Storia fiorentina I, S. 237. 34 S.o. S. 167f.

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abgeschlossen, der nicht zuletzt beinhaltete, daß jeder Feind Frankreichs auch ein Feind für Florenz sei, jeder Gegner dieser Stadt einer Frankreichs. Nach diesem Verständnis hätte Piero de’ Medici kein Freund Karls VIII. sein dürfen, sondern dessen Feind sein müssen, hätte der König den Exilierten niemals die Hand reichen dürfen. Mutig, daß er es dennoch tat. Denn wenn Florenz wegen der demonstrativen Unterstützung des Königs für Piero auf Vertragsbruch plädiert und sich der antifranzösischen Heiligen Liga angeschlossen hätte, wären die französischen Chancen auf eine mehr oder minder unversehrte Rückkehr nochmals, wenn nicht gar entscheidend gesunken. Auch deshalb war Karls Handlungsspielraum also eng begrenzt; aus all diesen Gründen war ein militärischer Angriff Frankreichs auf Florenz völlig ausgeschlossen. Die Heilige Liga, insbesondere die reichen Venezianer, hatten in jenen Wochen mächtig aufgerüstet, um den Franzosen den Rückzug zu versperren. Florenz ergriff beherzt energische Maßnahmen, um den Medici jede Chance auf einen Erfolg zu verwehren – bemerkenswert, daß sie in der Neutralisierung von Personen bestanden. Zugleich weigerte sich die Florentiner Signoria beharrlich, dem promediceischen Druck der Franzosen nachzugeben. Piero de’ Medici mußte seine kriegerischen Versuche zur Eroberung von Florenz nun ohne das Drohpotential französischer Truppen unternehmen. Ende Juni blieb er, immerhin mit einer beachtlichen Zahl von Soldaten, im Gebiet von Siena, wo er mit Unterstützung seines Bruders Giuliano Florentiner Orte im Grenzraum zum Sieneser Territorium, Colle di Val d’Elsa vor allem, angreifen wollte.35 Er konnte dafür auf die Truppen seiner Orsini-Verwandten und deren Renommee setzen, vor allem Virginios, der recht bald nach seiner Rückkehr auf seine Territorien im Sommer 1495 mit intensiveren Vorbereitungen begann, seine exilierten Verwandten und sicherlich nicht zuletzt Alfonsina wieder zu ihrem alten Status zu verhelfen. Doch zugleich mußten die Medici nach dem Rückzug Karls VIII. nach Frankreich nun den italienischen Mächten größere Beachtung schenken: neben Venedig, das ja schon unmittelbar nach der Exilierung ein Refugium bot, nun insbesondere Mailand, das sich zu einem eine neue Dynamik bewirkenden Knotenpunkt im Netzwerk der Medici entwickelte. Für eine konzertierte Aktion der beiden norditalienischen Staaten zugunsten der Medici bot ihre traditionelle Rivalität und ihr tiefes gegenseitiges Mißtrauen allerdings nicht die besten Voraussetzungen. Herzog Ludovico Sforza war am 31. März 1495 jener Heiligen Liga beigetreten, die Venedig, Maximilian I., Ferdinand und Isabella von Spanien sowie der Papst zum Schutz der Christenheit gegen die Türken, faktisch aber zur Vertreibung der französischen Truppen aus Italien abgeschlossen hatten. Bei der keinen wirklichen Sieger sehenden Schlacht von Fornovo am Taro (6.7.1495) zeichneten sich eher die Venezianer als die Mailänder aus, welche danach zudem mit ihren unter Sanseverino-Führung stehenden Truppen den abziehenden Franzosen eher wohlmeinendes Geleit als angriffsfreudige Gefahr boten.36 Doch politische Bündnisse lassen sich erheblich schneller beenden als gute Freundschaften. Gerade mit Blick auf den von der Liga in erster Linie profitierenden mächtigen Nach35 ASF, DBR 42, c. 344 (27.6.1495, Otto di Balìa di San Gimignano). 36 Vgl. hierzu unten S. 495f.

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barn Venedig schien es Ludovico Sforza geboten, wenn auch keinen völligen Allianzwechsel zu vollziehen, so doch einen Separatfrieden mit Frankreich abzuschließen, der am 9. Oktober 1495 mit dem Vertrag von Vercelli besiegelt wurde.37 Zugleich ging es ihm um einen Machtzuwachs Mailands, den er auf Kosten des weiterhin mit Frankreich verbündeten Florenz erreichen wollte; die konkreten Ziele hießen Pisa und Restitution des Medici-Regiments in Florenz. Allerdings, und das macht die Sache für die Zeitgenossen wie für den Historiker nicht einfacher, hatten auch die Rivalen aus Venedig die gleichen Absichten. Da mit dem Regimewechsel in Florenz eine Vertreibung des (vehement gegen den amtierenden Papst) eifernden Dominikaners Girolamo Savonarola verbunden sein sollte, konnte sich auch Alexander VI. mit solchen Plänen anfreunden. Mailand aber handelte selbstredend nicht uneigennützig, sondern hoffte, die Medici würden ihrem alten und neuen lombardischen Verbündeten eine erfolgreiche Restitution anerkennend und dankend vergüten.38 Neben Giovanni Bentivoglio aus Bologna setzte der mailändische Herzog bei der Medici-Restitution vor allem auf die militärische Macht von Virginio Orsini, wollte sich selbst aber anfangs nicht offen als Förderer zu erkennen geben. Den von Piero de’ Medici im Juli 1495 geäußerten Wunsch, der Moro möge seinen Bruder Giovanni in Mailand empfangen, wies er zurück; und noch Ende Oktober gab er Ascanio Sforza die Instruktion, Piero de’ Medici und Virginio Orsini keinerlei Hilfe und Begünstigung zu gewähren.39 Dennoch kam es zu einer frühen Verständigung Virginios mit dem Moro, die bereits kurz nach der „Flucht“ Virginios aus dem französischen Lager bei Fornovo erfolgt sein könnte, begab sich dieser doch danach zunächst in das Haus eines dort ansässigen Adligen, dann zu Giovanni Bentivoglio nach Bologna und von dort an den Sforza-Hof nach Mailand, von wo er nach Bracciano und Rom ging.40 Schon Mitte September 1495 stand er mit dem Moro wieder in Briefkontakt.41 Virginio verpfändete sogar Ländereien,

37 Vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 577 (ein Förderer dieser neuen Annäherung war ver-

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mutlich Herzog Ercole d’Este von Ferrara, der sich ebenfalls von Venedig bedroht sah). Pellegrinis Behauptung, es habe sich um einen Bündniswechsel und eine neue Liga mit Frankreich gehandelt, kann nicht stimmen, da Ludovico Sforza noch Anfang 1496 sowohl Piero de’ Medici als auch Virginio Orsini drängte, ihm in die Hl. Liga zu folgen, wozu sich beide mit unterschiedlicher Intensität bereit erklärten; vgl. ASM, SPE, Roma 115 (6.1.1496, 13.1.1496, 27.1.1496). Vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 578f. ASM, SPE, Roma 113 (16.7.1495, Ascanio an Ludovico Sforza); SPE, Roma 114 (31.10.1495, Ludovico Sforza an Ascanio Sforza und weitere Personen; und 13.11.1495, Antwortbrief Ascanios an Ludovico Sforza mit der Bestätigung, Piero und Virginio nicht zu helfen). Regis Ferdinandi, S. 390; vgl. hierzu und zum Folgenden Guicciardini, Storia d’Italia, S. 244– 250 (III/2), der (ebenfalls) Mailand als Ausgangspunkt der von Virginio Orsini geleiteten Restitution der Medici vermutet. Zur Flucht bzw. Freilassung Virginios vgl. auch Shaw, Political role (2007), S. 182, die jedoch mit Bezug auf Sanuto angibt, Virginio sei erst in Asti durch Karl VIII. entlassen worden. ASM, SPE, Roma 114 (15.9.1495, Virginio Orsini aus Bracciano an den Moro).

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um einen Feldzug zur Restitution der Medici in Florenz zu finanzieren.42 Piero soll 10.000 Dukaten aus eigenem Besitz und von Freunden zusammengetragen haben, um Söldner ausheben zu können.43 Im Juli 1495 glückte den Medici-Freunden in Florenz ein wahrer Coup. Es gelang ihnen, Francesco Naldini im Auftrag der Dieci di Balìa als Florentiner Kundschafter nach Lucca und Umgebung entsenden zu lassen. Ausgerechnet die für den Krieg gegen die Medici zuständigen Personen beauftragten einen bekannten Mediceer, den Feinden der Medici über deren Aufrüstungen und Angriffspläne zu berichten – und dies zudem aus jener Stadt, wo die Medici mit Benedetto Buonvisi einen ihren wichtigsten Vertrauten besaßen, der wohl nicht zufällig dem Naldini bis zum 25. Juni 54 Gulden und am 6. Juli nochmals 101 Gulden zur Verfügung stellte!44 Solch ein Treppenwitz Florentiner Geschichte konnte nur von den stillschweigenden Medici-Anhängern in Florenz – die vermutlich sogar selbst zu den Dieci di Balìa gehörten – geschrieben worden sein, wahrscheinlich explizit mit dem Ziel, mit der Entsendung des Kassenwarts von Gianbattista Bracci nach Lucca die Finanzversorgung der exilierten Medici zu optimieren. Nachzuweisen ist Naldini bereits für Anfang Juli in Lucca, da der Florentiner Vikar in Pescia den Dieci am 9. Juli berichtete, er werde den beigelegten Brief der Dieci an Francesco Naldini in Lucca sofort mittels eines Boten weiterleiten lassen.45 Recht allgemein gehaltene, die Medici in keiner Weise entlarvende Relationen Naldinis sind vom 31. August sowie 9. und 21. September überliefert; Hinweise anderer auf Briefe Naldinis an die Dieci finden sich noch für Mitte Dezember 1495.46 Der Brief vom 9. September diente vor allem dazu, in ihm einen Brief an Filippo Buondelmonti zu senden, durch den die Dieci dann alles Notwendige erfahren würden. Denn Filippo war selbst Mitglied der damaligen Dieci di Balìa und gehörte möglicherweise bereits zum Kreis der Florentiner Medici-Anhänger. Dies gilt allerdings ohne jeden Zweifel für den schon vorgestellten Pierfilippo Pandolfini, der zum großen Erstaunen vieler und nicht zuletzt des Chronisten Piero Parenti nicht nur für das zweite Semester 1495, sondern nochmals für das folgende halbe Jahr in das Amt der Dieci gewählt wurde, in jenes Gremium, das die gegen Florenz gerichteten Aktivitäten der Medici kontrollieren, verhindern oder bekämpfen sollte!47 Dieser Medici-Intimus hatte als Mitglied der Dieci im Juli 1495 die Mission Naldinis gewiß befürwortet. 42 Shaw, Political role (1983), S. 178; Dies., Lorenzo de’ Medici and Virginio Orsini, S. 40; Dies.,

Political role (2007), S. 162. 43 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 244 (III/2). 44 Die erste Zahlung Buonvisis an Naldini war offenbar ein in mehreren Partien gegebener Kredit

zu 10% Zins, während die zweite auf einer Summe beruhte, die Naldini selbst den Buonvisi über Gianbattista Bracci in Florenz hatte auszahlen lassen; vgl. ASP I/37, c. 1; I/38, c. I und 2. 45 ASF, DBR 43, c. 258. 46 ASF, DBR 40, c. 184 (9.9.1495); DBR 43, c. 111 (31.8.1495), c. 194 (21.9.1495); DBR 44, c. 252 (17.12.1495), c. 274 (18.12.1495). 47 Zu den Ämtern vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 285f. (A dì XI [novembre 1495], venutosi alla elezione de’ nuovi X, eletto infra li altri rimase Pierfilippo Pandolfini, la quale cosa alterazione grande dette alla città ...), 289; Guidi, Ciò che accadde, S. 164 (Filippo Buondelmonti; Pierfilippo Pandolfini ist von Guidi nicht erfaßt worden). Doch bei Mecatti, Storia cronologica, S.

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Im September 1495 erreichten die Vorbereitungen einen Höhepunkt. Piero Capponi, capitano und commissario der Florentiner in Volterra, gab den Dieci di Balìa am 10. September 1495 eine Zusammenfassung vom Vorgehen der Feinde. Über seine Kundschafter wußte er zu berichten, daß Giuliano de’ Medici mit dem Herrn von Elba Verbindung aufgenommen hatte, der die Sienesen mit Soldaten unterstützen wollte. Virginio Orsini sei aus der Lombardei mit dem Ziel zurückgekehrt, Piero de’ Medici nach Florenz zurückzubringen. Der in Piombino befindliche Kanzler von Paolo Orsini habe zudem einem Freund von ihm, dem Capponi, erzählt, wie sie alle, Piero de’ Medici, Virginio, Paolo, Carlo und Franciotto Orsini, in Bracciano über diesen Plan beraten hätten. Außerdem habe jener Kanzler ausgeplaudert, daß er sich nach Pisa begeben und mit Paolo Vitelli sprechen wolle, und daß Piero die Florentiner nicht im Gebiet von Siena, sondern in Arezzo angreifen wolle, wo er viele Freunde habe.48 Am 13. September konnte der Capponi präzisieren, daß ihm die Freunde in Siena berichteten, die Orsini und Piero würden von Perugia aus angreifen. Florenz solle zur Verteidigung und Bewahrung der Republik jedenfalls sehr wachsam sein, auch mit Blick auf das Verhalten Ludovico Sforzas.49 Mehr als wachsam war Giuliano Salviati als capitano und commissario in Arezzo. Konnte er doch dort einen Mann dingfest machen und verhören, der in Città di Castello gewesen war, um zu Giovanni und Piero de’ Medici zu stoßen, die jedoch in (der OrsiniBurg) Pitigliano waren. Dieser Medici-Anhänger, der sein Florentiner Amt beim Sturz der Medici verloren habe, sei dann ebenfalls nach Pitigliano geritten, wo er sich ca. 15 Tage an der Seite des Medici-Kardinals, seines Bruders Giuliano und der anderen aufgehalten habe. Giuliano Salviati wollte ihn nun nach hinreichend intensivem Verhör erst einmal im Gefängnis lassen, bis aus Florenz andere Instruktionen kämen.50 Luca di Antonio degli Albizzi wollte es in Cortona ebenfalls nicht an Vorsicht mangeln lassen. Er machte die Dieci di Balìa auf einen gewissen Silio di messer Mariotto di Rosato aufmerksam, der sich in der Nähe von Perugia befunden hatte, wo sich bereits Orsini Truppen sammelten. Denn da jener Silio einige Zeit in Bolsena im Haus des Kardinals Giovanni de’ Medici Quartier erhalten habe, sollten die Dieci ihn und seinen Vater vorsichtshalber gut obser-

480, wird zwar Filippo Buondelmonti, nicht aber der Pandolfini als Mitglied der Dieci di Balìa für das zweite Semester 1495 genannt; die im November 1495 für das erste Halbjahr 1496 gewählten Dieci nennt Mecatti leider nicht. Filippo Buondelmonti gehörte laut Guicciardini zu den stärksten Gegnern von Lorenzo und Piero de’ Medici, doch habe er sich nach 1500 auf die Seite der Medici geschlagen; Guicciardini, Storia fiorentina, S. 325. Allerdings wird er schon Ende 1495 in einem Brief des Filippo da Gagliano erwähnt, der seine Freunde und gleichzeitigen Medici-Vertrauten Niccolò Michelozzi und Ludovico Morelli bat, mit Buondelmonti eine nicht näher präzisierte Angelegenheit zu klären; vgl. BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 59 (14.9.1495 aus Bologna). Da ihm zur gleichen Zeit auch Francesco Naldini persönlich schrieb, könnte er durchaus bereits damals in Verbindung zum Medici-Kreis getreten sein. 48 ASF, DBR 43, c. 132 (10.9.1495, Piero Capponi, capitanus et commissarius, [aus Volterra]; der Brief ist im oberen Teil durch Blattriß nicht vollständig lesbar). 49 ASF, DBR 43, c. 150 (13.9.1495). 50 ASF, DBR 43, c. 160 (15.9.1495).

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vieren.51 Man sieht, die Medici nötigten ihre Feinde zu größter Aufmerksamkeit und Vorsicht im gesamten Florentiner Territorium und darüber hinaus. Nur Francesco Naldini begnügte sich bei seinem Bericht am 21. September aus Lucca mit allgemeinen Beschreibungen der Ereignisse inner- und außerhalb der Stadt, in die jeden Tag Briefe aus Venedig, Mailand und Genua mit vagen Versprechungen gelangten.52 Naldini hatte sicherlich andere Prioritäten. Die Florentiner Medici-Erben-Bank förderte die Medici im September 1495 auf ihre Weise. Für Alfonsina Orsinis Konto in seinem Geheimbuch registrierte Francesco Cegia zum 12. September eine Zahlung von vier Fiorini, die er Luca Speranzini aus seiner Kasse gab – per lei a Lucha in ducati 4 e resto moneta per le spese per ire a Siena con robe.53 Hinter diesem Posten, diesen sachlichen Informationen, versteckt sich ein außergewöhnliches Ereignis. Alfonsina Orsini, die nicht die Erlaubnis erhalten hatte, zu ihrem Mann Piero de’ Medici zu gehen, nahm sie sich schließlich selbst und verließ heimlich in Begleitung von Averardo di Bernardo de’ Medici und Antonio di Bettino Ricasoli Florenz, um nach Siena zu reiten. Hier erhielt sie einen ehrenvollen Empfang im Haus von Jacopo Petrucci, der mit seinem die Stadt beherrschenden Bruder Pandolfo die Medici aktiv unterstützte, während sich auf der Gegenseite die von ihnen exilierten Sienesen mit den Florentiner Medici-Feinden gegen sie verbündeten.54 Landucci gibt als Datum für diese Flucht den 20. September an.55 Cegias Notiz ist demnach als kühle Vorbereitung der Flucht zu interpretieren: Über den bewährten Medici-Diener Luca Speranzini hatte Alfonsina bereits acht Tage vorher zahlreiche persönliche Dinge nach Siena bringen lassen, denn die dabei anfallenden Spesen betrugen etwas mehr als vier Fiorini. Selbst die Kosten für den Rückerwerb eines dem Cegia einst von Piero geschenkten, aber dann im November 1494 verlustig gegangenen Maultiers (andò a sacho), das Alfonsina offenbar für ihre Flucht nach Siena wollte, verbuchte Cegia in genau diesen Tagen am 11. September auf dem Konto Alfonsinas in seinem geheimen Rechnungsbuch.56 Auf den 12. September datierte Cegia weiterhin, daß Alfonsina 300 Goldmünzen im Wert von 900 Gulden an ihren Mann Piero übersenden ASF, DBR 43, c. 217 (23.9.1495). ASF, DBR 43, c. 194 (21.9.1495). Pampaloni, Ricordi, S. 201, 203f. Zu Alfonsinas Flucht vgl. die Schilderung des Medici-Gegners und Chronisten Piero di Marco Parenti (Storia fiorentina I, S. 269): L’Alfonsina, donna di Piero de’ Medici, non potendo avere licenza d’andare a ritrovare il marito, finalmente se la prese, e nascostamente partì con Averardo de’ Medici in compagnia: passò a Siena, e in casa Giacoppo Petrucci onorevolmente ricevuta fu. Zur Beteiligung des Antonio di Bettino Ricasoli vgl. Passerini, Famiglia Ricasoli, S. 187. Zu den politischen Verhältnissen in Siena und zur Medici-Unterstützung der Petrucci: Shaw, Politics of exile, hier bes. S. 51f., 184–186. 55 Landucci, Florentinisches Tagebuch I, 164f. 56 Pampaloni, Ricordi, S. 203 (E [Alfonsina] dè dare a dì 11 detto [di settembre 1495] fiorini 3 d’oro larghi sono per valuta, anzi spese fatte per riavere una mula baia che m’ando a sacho di novenbre passato che m’era stata donata da Piero, e per riavere detta mula di giugnio passato spesi lire 15, e dipoi per altre spese fatte e questo dì l’Alfonsina la vole, e per dette spese la fo debitore posto chassa). 51 52 53 54

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ließ, während sie selbst an jenem Tag von ihrer Mutter Caterina Sanseverino 548 Gulden erhielt. In Siena, Rom und besonders in Bracciano sammelte Piero de’ Medici mit Virginio und Paolo Orsini Truppen. In Arezzo, Cortona und Pistoia mobilisierte er die Freunde und Anhänger der Medici, das hatten die Florentiner Kommissare sehr richtig erkannt; in Bologna ersuchte er den alten Medici-Freund Giovanni Bentivoglio um Unterstützung.57 Als Folge dieser beginnenden Revolte verurteilten die Otto di Guardia e Balìa Piero und Giuliano de’ Medici am 25. September erneut als Rebellen und setzten zudem auf Piero ein hohes Kopfgeld von 4.000 Fiorini larghi aus, das nur die Hälfte betragen sollte, wenn ihn ein (deswegen zu repatriierender) Rebell der Republik töten würde.58 Averardo de’ Medici wurde für zehn Jahre verbannt; den offensichtlich weiterhin als wichtiges Glied im Netzwerk erachteten Bischof von Arezzo, Gentile Becchi, den früheren Lehrer und Freund Lorenzo de’ Medicis, zitierte man nach Florenz. Ein Brief Piero de’ Medicis an seinen für ihn in Venedig wirkenden Kanzler Piero Dovizi da Bibbiena, den er am 7. Oktober 1495 aus Narni schrieb, gibt uns eine anschauliche Momentaufnahme der damaligen Situation und Intentionen.59 Der venezianischen Signoria sollte Dovizi ausrichten, daß Piero mit Virginio Orsini, zwei von dessen Söhnen und – bis auf Giulio Orsini – allen weiteren (militärischen) Häuptern der Orsini-Familie nach Narni gekommen sei. Ihre Fuß- und Reitertruppen wüchsen ständig an, in Terni und Foligno habe man bereits einige Erfolge für die guelfische Sache und die Baglioni aus Perugia erringen können, wohin man sich in Kürze begeben wolle, denn dort sei er, Piero, äußerst willkommen, und auch drei Söhne des Guido Baglioni würden ihn auf seinem Marsch gegen Florenz begleiten. Dort aber herrsche, wie man aus abgefangenen Briefen wisse, große Angst und Konfusion, auch wenn sich einige wie der Pazzi-Bischof und Piero Capponi grausam gegenüber ihm, Piero, zeigten. Er sei bester Hoffnung, daß er sich bald wieder als guter Anhänger des Vaterlandes erweisen könne, zumal ihm außer seinen bereits dreißig Mannschaften und 400 leichten Reitern die Sienesen ihre Truppen unter Paolo und Ludovico Orsini zur Verfügung stellten. Seine Truppen habe er vor allem dank der Hilfe der Orsini und dank finanzieller Zuwendungen aus Florenz, die von einigen Bürgern kämen – deren Namen Piero sicherheitshalber also nicht nennen wollte! –, derart erfolgversprechend aufstellen können. Doch diese Gelder – die offenbar über die von 57 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 270; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 165 und Anm.

2. Der Florentiner Mandatar in Valiano (westlich des Lago Trasimeno an der Südgrenze des Florentiner Territoriums), Piero Vespucci, sandte eigens einen Spion nach Bracciano, um genauere Erkenntnisse über die Rüstungen Virginio Orsinis und Pieros zu gewinnen; vgl. ASF, DBR 43, c. 218, 247 (Piero Vespucci, 23. und 26.9.1495 aus Valiano, dort auch über Pieros Boten, Finochino genannt, beim Bentivoglio in Bologna). Zu der durch Lorenzo il Magnifico aufgebauten Bindung der Bentivoglio an die Medici vgl. etwa Redditi, Exhortatio, S. 73–75 (Lit.). Diese sich auch während der Exilszeit alles in allem bewährende Freundschaft wird in unserer Studie noch des öfteren in ihren praktischen Konsequenzen zur Sprache kommen. 58 Parenti, Storia fiorentina I, S. 270; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 165 (mit weiteren Details). Daß auf Giuliano ebenfalls 2.000 Dukaten ausgelobt worden seien, wie Zapperi (Abschied, S. 29) schreibt, wird in diesen Quellen allerdings nicht angegeben. 59 Gedruckt bei Buser, Mediceer, S. 555–557.

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Cegia genannten Summen hinausgingen – reichten bei weitem nicht aus, weshalb Dovizi die venezianische Regierung um einen Kredit über 5.000 Dukaten bitten solle. Allerdings könne er, Piero, nicht mehr als seine treue Ergebenheit, seinen (weiterhin in Venedig befindlichen) Sohn Lorenzo und das, was sich von ihm im Haus der Lippomano befinde, als Sicherheit anbieten. Wie üblich wurde Dovizi auch über private Interna des Hauses Medici informiert. Giuliano befinde sich bei ihm in Narni, Giovanni in Bolsena, von wo er sich bald nach Rom begeben werde. Von Alfonsina werde er schon gehört haben, daß sie mit den Töchtern in Siena angekommen sei, was in Florenz zu großer Aufregung geführt habe. Der von Piero de’ Medici erbetene Kredit von 5.000 Dukaten ist im übrigen tatsächlich gezahlt worden; das entsprechende Notariatsinstrument ist schon am 15. Oktober 1495 in Venedig ausgestellt worden.60 Während die Aufrüstung Pieros und der Orsini im Oktober also noch weiter verstärkt wurde und werden konnte61 – zu welcher offensichtlich eine Anweisung Piero de’ Medicis an Leonardo di Zanobi Bartolini gehörte, Franciotto Orsini am 5. Oktober 1495 150 Dukaten auszuzahlen62 –, versuchten die Gegner in Florenz, diese Angriffsvorbereitungen auch dadurch zu schwächen, daß sie Nofri Tornabuoni und Alessandro di Antonio Pucci (einen Bruder bzw. Halbbruder von Lorenzo und Giannozzo Pucci, auf Wunsch des Magnifico 1481 verheiratet mit Sibilla di Francesco Sassetti!63) aus Rom nach Florenz vorluden, da diese energisch zugunsten Pieros gehandelt hätten. Werden der Tornabuoni und Pucci finanzielle und logistische Hilfe geleistet haben, so wollte Antonio di Bettino da Ricasoli, der im Februar 1493 als Kassierer an die Lyoner Medici-Bank geschickt worden war, im September Alfonsina Orsini auf ihrer Flucht begleitet hatte und der sich in jenen Wochen mit Piero de’ Medici traf, um dessen Pläne zu unterstützen, die strategische Position der Medici-Partei verbessern, indem er ihr den im Arnotal gelegenen Herkunftsort seiner Familie übergeben wollte. Wegen dieser Aktivitäten für die Medici wurde Antonio am 17. Oktober 1495 (als Rebell) verbannt, wurde auf den Geflüchteten ein Kopfgeld ausgesetzt und wurden seine Güter konfisziert.64 Der Anreiz, Piero zu töten, wurde am 15. Oktober nachhaltig verbessert. Denn sollte der Täter bei diesem patriotischen Akt das Leben lassen, wollte die Florentiner Republik ihn immerhin in dem Bewußtsein sterben 60 Vgl. Buser, Mediceer, S. 555. Cosimo de’ Pazzi war von 1492–97 Bischof von Oloron. 61 Hierzu auch Parenti, Storia fiorentina I, S. 275. 62 Vgl. Le Carte Strozziane, S. 671, Nr. 15 (die Angabe im Regest, der Orsini habe Piero auf seiner

Empfangsquittung die Restitution versprochen, wird sich freilich auf die Rückzahlung des Geldes beziehen). 63 Vgl. Rubin, Images, S. 246f. 64 Passerini, Famiglia Ricasoli, S. 187; Parenti, Storia fiorentina I, S. 277; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 166. Zur Banktätigkeit in Lyon vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1954), S. 414 (23.2.1493: A Lorenzo Spinelli et a Cosimo Saxetti: per Antonio da Ricasoli che va a Lione nella ragione nostra, per essere cassiere). Die versuchte Übergabe des Kastells Ricasoli an die Medici wird von Landucci dem Antonio zugeschrieben, während Passerini behauptet, deren Urheber sei Piero di Ranieri da Ricasoli gewesen (1461–1498, der Bruder des noch vorzustellenden Bankiers Simone da Ricasoli), der deshalb ebenfalls am 17.10.1495 verbannt worden sei; vgl. Passerini, a.a.O., S. 70.

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lassen, daß die (für viele gewaltige) Summe von 4.000 Gulden nun seinen Erben zukommen würde.65 Mit ca. 300 bis 400 Berittenen und ungleich mehr Fußsoldaten bewegten sich Piero de’ Medici, Virginio und Paolo Orsini mit ihren Truppen im Oktober und November 1495 im nördlichen Teil des Kirchenstaates und auf Sieneser Territorium, um die Florentiner von Süden her anzugreifen. Seit dem 1. Dezember hielt Piero sich mit den Orsini und ihren Soldaten in Lucignano auf, einem Ort an der Grenze der Territorien von Florenz und Siena, wo die Florentiner sie allerdings ebenfalls gut gerüstet erwarteten.66 Im Norden sollten die Soldaten Giovanni Bentivoglios mit denen der zu Mailand stehenden Caterina Sforza, Herrin von Imola und Forlì, und solchen der Venezianer Florenz unter Druck setzen. Auf Anweisung Pieros sollten sich Giuliano de’ Medici in Bologna und Kardinal Giovanni (seit November) in Mailand um tatkräftige Unterstützung bemühen; nicht mehr auf den Kirchenmann, sondern jetzt erneut auf Giuliano setzte Florenz daher im November 1495 ein Kopfgeld aus, das mit 2.000 Dukaten freilich nur die Hälfte des für Pieros Haupt ausgelobten Preises ausmachte.67 Insbesondere die Gespräche Giovannis in Mailand fürchtete man, denn der mit ihm wie den Sforza verwandte Gaspare Sanseverino, il Fracasso, hielt sich damals wie ein Statthalter Mailands und der Medici in der zugleich und immer noch von einem französischen Statthalter besetzten Stadt Pisa auf, die Florenz vergeblich von Frankreich zurückforderte.68 Der Mailänder Potentat spielte freilich sein eigenes Spiel. Schon Anfang Dezember 1495 stand für ihn außer Frage, daß Virginio Orsini angesichts der aussichtslosen Angriffe gegen Florenz in französische Dienste eintreten werde, um im Königreich Neapel mit aller Macht gegen König Ferdinand vorzugehen, was der Ruin dieses Königs, folgerichtig aber auch von ganz Italien sein würde. Deshalb wollte er nun eine schnelle Beteiligung des Bologneser Herrschers Giovanni Bentivoglio an Pieros Kämpfen, um durch realistischere 65 Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 166. 66 ASF, DBR 44, c. 14 (1.12.1495, Filippo Pitti, commissario, aus Monte San Savino). 67 Parenti, Storia fiorentina I, S. 290f. (darüber hinaus bestrafte man die Medici mit einer damnatio

memoriae, indem der im Florentiner Dom aufgestellte Gedenkstein an die Ermordung des Giuliano de’ Medici, dem Bruder Lorenzos, entfernt und in San Lorenzo der auf dem Grab von Cosimo de’ Medici angebrachte Ehrentitel pater patriae getilgt wurde). Zu den Wirkungsorten von Giovanni und Giuliano vgl. ASM, SPE, Roma 114 (22.10.1495, Ascanio Sforza an Ludovico Sforza, daß er von Pieros Kanzler über die Missionen Giulianos und Giovannis unterrichtet worden sei); Guicciardini, Storia d’Italia, S. 249 (III/2); Parenti (a.a.O. S. 285) bezeugt überdies für Ende Oktober Aufenthalte in Faenza (Giovanni) und Forlì (Giuliano de’ Medici). Die geschätzte Truppenstärke aus einem undatierten, Ende 1495 verfaßten summario de lettere da Roma: Ch’el signor Virgino et Magnifico Petro de’ Medici se trovino a Narni, hano con se circa 150 homini d’arme et 200 tra balestreri et cavalli legeri ... et fra 4 o 6 dì si intende che haverano 80 altri homini d’arme et molti capa de’ fanti; ASM, SPE, Roma 114. 68 Zu diesen Sorgen: Parenti, Storia fiorentina I, S. 290, zur Sache S. 280, 284, 296f.; vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 238, 240 (III/1). Zu einer Briefsendung von Giovanni de’ Medicis Familiaren Silvio [Passerini] aus Rom Ende November 1495 nach Mailand; ASM, SPE, Roma 114 (20.11.1495, Silvius rerendissimi domini cardinalis de’ Medicis familiaris an Bartolomeo Chalco, ducali primario). Giovanni wird sich noch längere Zeit dort aufhalten.

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Aussichten auf Erfolg doch noch Virginio Orsini von Frankreich fernhalten zu können. Selbst aus Florenz war der Bentivoglio dazu angetrieben worden, doch wollte er sich nicht bewegen, wenn er nicht vom Papst den Kardinalshut für seinen Sohn erhielte, weshalb nun der Moro seinen Bruder Ascanio, den Vizekanzler der Kurie, beschwor, sich beim Papst für dieses Anliegen einzusetzen, während er selbst den mailändischen Finanzbeitrag für eine Militärhilfe aus Bologna um 3.000 Dukaten erhöhen wollte.69 Aus Castrocaro konnte Cappone Capponi die Dieci daher informieren, Giovanni und Giuliano seien in Mailand bzw. Bologna große Angebote gemacht worden. Und in Ravenna stünden die von Venedig bezahlten albanischen Stradioten (stradioti) bereit, Reiterscharen, die wegen ihrer grausamen Effizienz gefürchtet waren.70 Weitere 2–3.000 Soldaten würden in Ravenna auf ihren Einsatz warten, die von einem venezianischen Kommissar bezahlt worden seien und nach Erhalt ihres Geldes Marco Marco sowie Palle Palle rufen würden (die Schlachtrufe der Venezianer und Mediceer), da sie bei Cortona für Piero de’ Medici kämpfen wollten.71 Piero Dovizi da Bibbiena hingegen unterrichte am 11. Dezember 1495 aus Venedig Leonardo di Zanobi Bartolini in Rom, daß nicht nur der Mailänder, sondern auch die Venezianer wegen der Kardinalserhebung für den Bentivoglio ‚Feuerbriefe‘ (lettere di fuoco) nach Rom geschrieben hätten, da beide Seiten das Unternehmen Pieros als so notwendig erachteten, daß der Papst entsprechend handeln müsse. Wie zentral die Funktion Bartolinis im Medici-Netzwerk war, zeigen Dovizis genaue Darstellung der Entwicklung in Oberitalien und sein Hinweis, man werde Leonardo in zwei Tagen über die Haltung des Bentivoglio informieren; analog sei er sicherlich schon aus Florenz über das auf Giuliano ausgesetzte Kopfgeld unterrichtet worden, möglicherweise aber noch nicht über die neueste Entdeckung von nachts ausgelegten Zetteln, auf welchen die Rückrufung Pieros und Giulianos angekündigt worden sei, sollte das Volk kein Korn erhalten.72 Schon Mitte Dezember 1495 mußten sich Piero de’ Medici und Virginio Orsini Richtung Siena zurückziehen, um sich auf halber Strecke in Rapolano und bei den dortigen Thermen einzuquartieren – Virginio war von Gicht geplagt –, mit unzufriedenen, schlecht bezahlten und verstreut logierenden Soldaten.73 Später, im Sommer 1497, wird der zum Verräter gewordene Lamberto dell’Antella eine sehr instruktive Episode aus jenen Tagen berichten. Luca Speranzini, der von den Mediceern als Kurier eingesetzte Diener Pieros, habe ungefähr Mitte Dezember 1495 aus Florenz heimlich Briefe im posolino (dem Schweifriehmen) seiner Stute zu Alfonsina nach Siena gebracht – solche Verstecke waren nach dem Verrat „verbrannt“ –, in denen der bei Rapolano befindliche Piero de’ Medici 69 ASM, SPE, Roma 114 (9., 12., 14. und 22.12.1495, Ludovico Sforza aus Vigevano bzw. am

22.12. aus Mailand an Ascanio Sforza). 70 ASF, DBR 44, c. 29 (7.12.1495, Cappone Capponi, commissario, aus Castrocaro). 71 ASF, DBR 44, c. 111 (10.12.1495, Ridolfo Altoviti, podestà, aus Modigliana). 72 Vgl. Le Carte Strozziane, S. 667f., (i), c. 154 (Teilabdruck des Briefes von Piero Bibbiena,

Venedig, 11.12.1495, an Leonardo Bartolini in Rom. 73 ASF, DBR 44, c. 214, 300, 349, 383–384 (15.–27.12.1495; im letzten Brief der Hinweis, daß

Virginio Orsini seine Gicht in den dortigen Thermen zu kurieren hoffte).

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aufgerufen wurde, auf Florenz vorzurücken.74 Alfonsina leitete die Briefe zu ihrem Mann weiter, dessen Antwort sie schon am nächsten Tag erhielt. In ihr schrieb Piero nach Florenz an ‚seine Väter‘ – deren Identität man auf Lambertos Vorschlag ebenfalls durch Folterung Speranzinis erkunden könne – unter anderem: ‚Meine Väter! Ihr drängt mich, gegen Florenz zu ziehen, und ich werde es machen. Aber ich würde gerne von Euch wissen, was Ihr unternehmen werdet, wenn ich komme.‘ Diesen Brief ließ Alfonsina durch Speranzini ebenfalls im posolino seines Pferdes nach Florenz bringen. Uns zeigt er zum einen, daß Piero durchaus nicht unbedacht und ohne gesicherte Rückendeckung seiner Florentiner Freunde solche Manöver begann, zum anderen vor allem, daß die als „Väter“ titulierten Köpfe der Mediceer in Florenz Pieros Aktionen initiierten und in einem gewissen Grade lenkten! Aus guten Gründen verhüllten sie ihre Identität. Eine grundsätzliche, weit über den historischen Moment hinausführende Aussage verbirgt sich hinter der Anrede Pieros. Er richtete sie an ‚seine Väter‘ in Florenz, die ihn zu militärischen Aktionen gegen die Stadt gedrängt hatten, die dabei in brieflicher oder mündlicher Kommunikation mit ihm standen und die ihrerseits die Aktionen Pieros mit eigenen in Florenz unterstützen sollten. Wir hatten den Status Virginio Orsinis als Ersatzvater für Piero unterstrichen. Hier aber handelt es sich nicht um seinen bewunderten Verwandten aus Bracciano, sondern um eine Gruppe von Florentiner Mediceern, die eine Aufsichtsfunktion über Piero ausübten, welche von dem menschlich so schwierigen, Ratsdienste mißachtenden Piero auch – zumindest partiell – anerkannt wurde. Sie müssen ein gewisses Alter gehabt, eine hohe soziale Reputation besessen und in funktionaler Hinsicht für Piero de’ Medici eine exklusive Bedeutung gehabt haben, die aus einer nur von ihnen für den Medici zu erbringenden sowie bereits nachhaltig erbrachten Leistung resultiert haben muß – sonst hätte er sie nicht akzeptiert, sonst hätten sie nicht ihr Leben für ihn riskiert. Dies sind keine abstrakten Überlegungen. Innerhalb des Florentiner Mediceer-Kreises gab es eine kleinere Gruppe von Autoritätspersonen, denen die jungen Medici-Brüder entsprechenden Respekt erwiesen. Gut siebzehn Jahre später, nach der tatsächlichen Restitution der Medici-Herrschaft unter Kardinal Giovanni de’ Medici, wird diese Vätergruppe klar hervortreten, da sie nun offen an der neuen Medici-Macht partizipieren und namentlich identifiziert werden konnte. Giovanni wird ganz ausdrücklich und konkret einem kleinen, aus den ‚Vätern‘(!) der jungen Medici bestehenden Gremium die faktischpraktische Herrschaft über Florenz übertragen.75 1512/13 werden sie Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini, Piero Alamanni, Lorenzo Morelli und Gianbattista Ridolfi heißen. Bedenken wir, wer sich 1495 mit Nachdruck in Florenz für die Interessen der Medici einsetzte und wer dies auch vorher schon durch politische Loyalität und finanzielle Aktivitäten leistete, so wird man mit großer Wahrscheinlichkeit schon 1495 Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini mit diesen ‚Vätern‘ gleichsetzen dürfen, wahrscheinlich auch Piero Alamanni (dessen Tochter Creofe zudem Ehefrau von Nofri Tornabuoni und somit 74 Villari, Storia II, S. ix, xi. 75 S.u. S. 968–976.

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Schwiegermutter von Leonardo di Zanobi Bartolini war!), ergänzt durch Giovanni und Lorenzo Tornabuoni (die 1497 starben) und eventuell Gianbattista Bracci. Daß der Väterkreis sowohl aus der näheren Verwandtschaft und zugleich aus der Florentiner MediciErben-Bank stammte, ist in der Tat anzunehmen. Pieros wichtigster Verbündeter Virginio Orsini entschied sich zusammen mit seinem Sohn Giangiordano und Paolo Orsini genau in jenen Dezembertagen 1495, einen französischen Soldvertrag anzunehmen. Denn das militärische Ziel Pieros war zwar weiterhin auch seines, doch konnte er es nicht mehr finanzieren. Dies lag nicht zuletzt am Verlust der Einnahmen aus seinen Grafschaften Tagliacozzo und Albe; und deren Rekuperation aus Colonna-Hand bildete ein zentrales Motiv seines Engagements für Frankreich.76 Für kurze Zeit agierten die Medici und diese Orsini nun auf getrennten Handlungsfeldern, ohne freilich ihre gemeinsamen Ziele aufzugeben. Als Virginio, Giangiordano und Paolo Orsini im Regno di Napoli versuchten, den französischen Karren aus dem Dreck zu ziehen und dabei ihre verlorenen Grafschaften zurückzugewinnen, gab der Medici-Kreis, den wir nun wieder genauer in den Blick nehmen, seine militärischen Bemühungen zur Beendigung des Exils keineswegs auf. Eine effektive Unterstützung des Sforza-Herzogs zu gewinnen blieb dabei vorrangig. Diese Aufgabe übernahm Kardinal Giovanni de’ Medici, der Mailand seit dem November 1495 zu seinem Lebensmittelpunkt machte. Im Januar 1496 wurde er erneut beim Moro vorstellig, zu dem er offenkundig über gute Beziehungen verfügte, um ihn um Hilfe zu bitten.77 Da Virginio und Paolo Orsini für die Franzosen kämpften, könne man auf sie, so der Kardinal, zur Zeit nicht setzen, wohl aber und gerade deswegen auf die Heilige Liga. Zudem könne er, Giovanni de’ Medici, über die (d.h. offenbar: über weitere) Truppen Virginios verfügen und sie der Liga zum Zweck der Medici-Restitution unterstellen. Der Moro begrüßte diese Intention, bedauerte, daß die Liga den Medici vorher nicht besser 76 Wenige Tage vor dem 20. Dezember hatte ein Kanzler Camillo Vitellis persönlich von Virginio

Orsini erfahren, daß dieser fest entschlossen sei, Soldat des französischen Königs zu werden; einige Tage später wurde referiert, Virginio sei bereits capitano Karls VIII.; vgl. ASF, DBR 44, c. 311 (20.12.1495), c. 383–384 (27.12.1495). Am 4.1.1496 wußte Girolamo Spinola (Hieronymus Spinula) dem Moro bereits zu berichten, daß Virginio Geld von den Franzosen erhalten habe; ASM, SPE, Roma 115 (4.1.1496). Vgl. auch Guicciardini, Storia d’Italia, S. 250 (III/2), der hervorhebt, daß Virginio offensichtlich hoffte, mit diesem Vertrag leichter Tagliacozzo und Albe aus der Hand der Colonna zurückerobern zu können; gleichwohl wollte Guicciardini noch weitere – sich aber nicht ausschließende – mögliche Motive für den Eintritt in französische Dienste erkennen: Beschädigung des Status der Colonna im Regno und Wiederherstellung des eigenen; Enttäuschung über die nicht erfülllten Versprechen der Verbündeten im Fall Piero de’ Medicis. Dieses Urteil entspricht dem durch Virginio persönlich einem Boten Ascanio Sforzas geäußerten, dem er für die mailändische Unterstützung dankte und erklärte, er habe sich mit den Franzosen geeinigt und Geld von ihnen angenommen, da er den Krieg gegen Florenz nicht mehr finanzieren könne und da ihm zu wenig Hilfe zuteil geworden sei – und überdies sei er stets Franzose gewesen und wolle es sein; ASM, SPE, Roma 115 (6.1.1496, Ascanio Sforza an Ludovico Sforza). 77 ASM, SPE, Roma 115 (27.1.1496, Ludovico Sforza aus Mailand an Ascanio Sforza, der diese Sache mit dem Papst und dieser wiederum mit Piero de’ Medici besprechen sollte).

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habe helfen können, was man jedoch wünsche, sobald es dafür gute Voraussetzungen gebe; und außerdem hoffe er doch noch auf eine Rückkehr Virginios in die Liga, um mit ihm die Restitution der Medici durchzuführen. Besonnen beharrte Ludovico jedoch auf der Gewährleistung eines geeigneten Fundaments für die Restitution, denn wenn der Angriff mißlinge, verlöre die Heilige Liga zu viel Reputation und die Medici brächten ihre Freunde innerhalb und außerhalb von Florenz in Gefahr – eine weise und sehr zutreffende Prognose. Es ist beachtenswert, daß der Moro von der Existenz eines heimlichen, aktiven Freundeskreises der Medici in Florenz wußte und daß er seine Bedeutung und somit die des Netzwerkes betonte. Giovanni de’ Medici blieb weitere Monate am Sforza-Hof. Seinen dortigen Aufenthalt spiegeln auch die Florentiner Finanzquellen der Medici-Erben-Bank. Das Netz blieb stets eng geflochten. Und gerade Phasen gesteigerter Aktivitäten der Mediceer geben uns wertvolle Einblicke in die personale Struktur des Netzwerkes. Am 22. Februar 1496 erhielt Giovannis Diener Francesco di Bencivenni dello Scarfa von Francesco Cegia in Florenz den Auftrag, seinem Herrn zahlreiche wertvolle Kunst- und Kunstgewerbeobjekte, z. T. mit liturgischer Funktion, aus dessen Besitz nach Mailand zu bringen, wo er sich gerade aufhalte.78 In Florenz waren die Medici-Vertrauten natürlich genau über den Aufenthaltsort der Exilierten informiert. Am 15. März 1496 händigte Cegia dann Lucrezia Salviati zwei kostbare, mit Edelsteinen geschmückte kleine Altarbilder aus, die sie dem MediciKardinal gleichfalls zukommen lassen sollte. Er übergab ihr bzw. der Familie dabei auch ohne Angabe des Preises ein teilweise versilbertes Messerbesteck, das er von den Syndizi (zurück)gekauft hatte.79 Fünf Monate später, am 13. August 1496, oblag es Francesco Cegia, Giovanni de’ Medici bestimmte, zum Teil von den Syndizi restituierte Bettücher und Wäschestücke (viele mit dem Medici-Wappen) zukommen zu lassen; alles gut in verschließbaren Truhen verpackt – da immerhin 50 Fiorini wert – und mit zwei angehefteten, mit Cegias Wappen versiegelten Zetteln versehen, auf denen der Name von Maria di Benedetto Bonsi stand, seiner Ehefrau. Zwei lombardische Träger, der Cappelletto und sein Neffe, hatten die Kisten zum munistero bzw. zur Madonna von San Niccolò zu bringen.80 Mit seinen persönlichen Objekten wollte Giovanni einen längeren Aufenthalt in Mailand wohnlicher gestalten, wo er bis Mitte Oktober 1496 nachzuweisen sein wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit durfte er einige Räume im prächtigen Palast der Medici-Bank beziehen, der ja im März 1495 durch den Moro an den Medici-Freund Antonio Maria

78 Pampaloni, Ricordi, S. 222; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 357 (Doc. 233, „Giovanni de’

Medici’s Ecclesiastical Objects“). Es handelte sich u. a. um ein agnusdeo d’oro chon una Sancta Chaterina e una chatenuza d’oro, uno tenibile d’ariento traforato chon choperchio e chatene e una palla di sopra cholli schudi e arme de’ Medici, una navicella d’ariento per incienso chol choperchio bugniolata chon perle e diamanti dorati chon due smalti drentovi l’arme de’ Medici, di peso el tenibile e naviciella libre 4 ½ und vieles mehr. 79 Pampaloni, Ricordi, S. 222f.; vgl. zu den Altarbildern für den Kardinal auch Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 357 (Doc. 233, „Giovanni de’ Medici’s Ecclesiastical Objects“). 80 Pampaloni, Ricordi, S. 227f. Möglicherweise handelte es sich um den nördlich von Siena gelegenen Weiler San Niccolò.

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Sanseverino, einen Bruder Federicos, geschenkt worden war. Denn durch ein Zufallszeugnis vom 13. Oktober 1496 ist bekannt, daß Giuliano de’ Medici damals den ersten Stock des Medici-Palastes bewohnte, wo er sich noch im Februar und März 1497 aufhielt.81 So wird auch Giovanni im alten Palast der Medici-Bank gelebt und die von ihm bewohnten Räume mit seinen Teppichen und Kunstgegenständen ausgestattet haben. Giuliano weilte allerdings auch schon im April 1496 bei Giovanni, ebenso von der Gunst des Herzogs profitierend.82 Offensichtlich begab er sich von Bologna aus des öfteren an den Mailänder Hof, von wo er mehrfach (z. B. im Juli und August 1496) ins ValtellinaTal reiste und hier wie dort seine vom Vater geerbten poetischen Neigungen in Gedichte umsetzte, in denen er immer wieder sein trauriges, hartes Schicksal beklagte.83 Ob der Medici-Palast 1496 noch Antonio Maria Sanseverino gehörte, ist nicht erwiesen, aber möglich, da bestimmte Gesandte im Oktober 1496 vom Mailänder Sanseverino-Palast in die von Giuliano de’ Medici nicht genutzten Räume des unteren Stockwerks im MediciPalast umziehen sollten.84 Erst im Februar 1497 ist er allem Anschein nach formal Giuliano bzw. der Familie geschenkt und restituiert worden, da – so die Begründung – die Brüder nicht für die Verfehlungen Pieros büßen sollten.85 Diese Gunst hatten sie zweifellos zu einem gut Teil auch ihrer Freundschaft zu den Sanseverino zu verdanken. Auf breiter Front durften sich die Medici des guten Willens italienischer Mächte erfreuen. Schon Mitte Februar 1496 war von Piero de’ Medici in Rom zu hören, Papst Alexander VI. wolle ihm seitens der Hl. Liga für zwei Monate 100 Berittene und 2.000 Fußsoldaten zur Verfügung stellen, die ‚Sachen von Siena‘ stünden zu seiner Disposition und auch die Gräfin von Forlì, Caterina Sforza, und Giovanni Bentivoglio oder sein Sohn Hannibal hätten (mit venezianischem Einverständnis) ihre Beteiligung in Aussicht gestellt.86 Der Ausfall der Orsini hemmte also keineswegs den Elan der Medici, der auf Seiten ihrer Feinde sofort zu entsprechenden Reaktionen, zu verstärkter Wachsamkeit führte. Einer unserer instruktivsten Informanten ist ein seit 1485 an der Kurie als apostolischer Skriptor nachzuweisender Florentiner namens Ricciardo Becchi, der noch um 1481 Kommilitone von so ausgewiesenen Medici-Anhängern wie Giannozzo Pucci und Antonio Lanfredini an der Florentiner Hochschule zu Pisa gewesen war. Im November 1495 war Becchi von der Florentiner Republik zum Botschafter bei Papst Alexander VI. er81 Vgl. Martinis, Palazzo, S. 41 und 54 mit Anm. 44, 46, 47; Giuliano de’ Medici, Poesie, S. 17

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(Gedicht vom 6.3.1497, geschrieben in Mailand); zur Übertragung des Palastes an Antonio Maria Sanseverino im März 1495 wäre als weitere Quelle zu ergänzen: ASF, DBR 40, c. 169 (ca. 1.4.1495, [Gianbattista Ridolfi] aus Vigevano oder Mailand an die Dieci). ASF, DBR 46, c. 125 (18.4.1496, Francesco Gualterotti aus Mailand: Der Kardinal und Giuliano de’ Medici würden umschmeichelt und mit Hoffnungen versehen, ebenso wie Piero in Rom durch den Papst). Vgl. Giuliano de’ Medici, Poesie, S. 9–17 (mit Ort und Datum sind seine Gedichte vom Juli und August 1496 aus der Valtellina sowie vom 16. und 24.8.1496, vom 9. und 28.2.1497 und vom 6.3.1497 aus Mailand überliefert); hierzu auch knapp Zapperi, Abschied, S. 29. Martinis, Palazzo, S. 54, Anm. 46. Martinis, Palazzo, S. 41 und 54 mit Anm. 47. ASM, SPE, Roma 115 (14.2.1496, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza).

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nannt worden. Für uns jedoch gewinnt er eine ganz besondere Qualität, weil er sich nach der Exilierung der Medici gegenüber den Dieci di Balìa wie kaum ein anderer durch die Bespitzelung der Medici und ihres Umfeldes profilierte.87 Mit diesem seinem Eifer hatte der damals Fünfzigjährige schon Ende Dezember 1495 den Zorn Kardinal Ascanio Sforzas hervorgerufen, der ihm vorhielt, seine Äußerungen über Mailands Verhältnis zu den Medici in seinen Berichten nach Florenz als klare Begünstigung der Exilierten verfälscht zu haben.88 Am 19. und 20. April 1496 begann Ricciardo Becchi mit energischen Zügen seine Metamorphose zum hundertäugigen Argus der Mediceer in Rom. An diesen Tagen berichtete er offenkundig zum ersten Mal detailliert über ihre Aktivitäten – aus gegebenem Anlaß und nicht ohne tiefen Grund, wie er betonte.89 Piero de’ Medici und der aus Siena stammende Protonotar Raffaele Petrucci waren damals, zum Teil verkleidet und unerkannt, mehrmals mit einigen satelliti von Rom nach Bracciano und zurück gereist; zu ihnen stieß auch ein von den Medici-Freunden aus Florenz gesandter Kurier, der ebenfalls unerkannt nach Bracciano gelangen konnte. In Rom führte Piero intensive Gespräche mit Ascanio Sforza, dem Papst und Federico Sanseverino, mit dem sich Piero dann eine Woche später in der Gegend zwischen Bracciano und Cerveteri bei der Jagd vergnügte.90 Nach Becchis Einschätzung ging es um Aktionen gegen Florenz, die besonders auf Pistoia und Prato zielten, und die außer durch den Papst und Mailand vor allem von Siena unterstützt wurden. Bemerkenswert ist nun, wen Ricciardo Becchi am 19. April als Quelle dieser Umtriebe entlarvte: Die führenden Köpfe der römischen Medici-Bank seien die maßgeblichen Akteure bei diesen Planungen! Questi del bancho seien in diesen Tagen mehrfach zwischen Rom und Bracciano hin- und hergeritten, und sie hätten nichts anderes als Pläne gegen Florenz im Kopf. Die Beteiligung dieser Bankiers war für Becchi so evident und bedrohlich, daß er sich zu einer außergewöhnlichen Forderung veranlaßt sah, die allerdings auch von anderen Personen gestellt wurde: Die Florentiner Dieci müßten Vorkehrungen treffen, um diese Bankiers aus Rom entfernen zu lassen. Nur so könne den Medici die Voraussetzung für dieses ‚Nest‘ (nidio) entzogen werden. Dieses Nest – gemeint ist die römische Medici-Bank – sei und bleibe stets ein Brutherd von Rebellen und Feinden der Florentiner Republik! Bedenken wir, daß zu den Dieci des ersten Halbjahres 1496 immer noch Pierfilippo Pandolfini gehörte, so dürfen wir ohne kritische Bedenken davon ausgehen, daß

87 Zu Becchi vgl. hier Art. „Becchi, Ricciardo“, in: DBI 7 (1965), S. 494–496 (doch durch den

anonymen Verfasser lediglich Thematisierung von Becchis Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Papst Alexander VI. und Savonarola bzw. Florenz, keinerlei Hinweis auf seine Bespitzelung des Medici-Kreises); zu Becchis Kurienamt: Frenz, Kanzlei, S. 438, Nr. 2024; zu seinem Studienaufenthalt: Verde, Studio fiorentino III/1, S. 427. 88 ASM, SPE, Roma 114 (29.12.1495, Ascanio Sforza aus Rom an Ludovico Sforza; Becchi entgegnete dem Erzürnten, er hätte noch wesentlich schlechter über ihn berichten müssen, wenn er angezeigt hätte, was er über Mailands Hilfe für Piero de’ Medici sah und hörte). 89 ASF, DBR 46, c. 131, 133 (19. und 20.4.1496, Ricciardo Becchi, Rom). 90 ASF, DBR 46, c. 169 (28.4.1496, Ricciardo Becchi, Rom).

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außer den Medici auch Nofri Tornabuoni und Leonardo di Zanobi Bartolini rasch von diesem Vorschlag erfuhren, denn sie waren die Betroffenen, mit ihnen waren questi del bancho gemeint, wie wir noch eingehend und wiederholt erfahren werden. Analog zu den ricordi segreti des Francesco Cegia läßt uns ein Notarsinstrument aus dem Archiv der Sieneser Bankiersfamilie Chigi Einblick nehmen in den Handlungskreis der von Becchi denunzierten römischen Medici-Bankiers, d.h. hier den des aktivsten, des Bartolini. Konkret ging es um eine der ganz unterschiedlichen Formen, den Medici für ihren Kampf Bargeld zu verschaffen. Da diese Piero de’ Medici und Leonardo di Zanobi Bartolini betreffende Quelle mit dem 14. und 17. Mai 1496 datiert war, ist sie mit den jetzt schon konkreteren Plänen des Feldzuges gegen Florenz zu verknüpfen; es mußte Geld gewonnen werden, das für solche Unternehmungen unabdingbar war und dennoch niemals reichen sollte. Hier wurde nun ein guter Teil des „Tafelsilbers“ der Medici in Bargeld umgesetzt. Beachtenswert sind dabei die personalen Verflechtungen und die Techniken der Bargeldbeschaffung. Zu erkennen sind sie zunächst in einem Notarsinstrument, mit welchem Piero de’ Medici am 14. Mai 1496 im Burgpalast seines Verwandten Virginio Orsini zu Bracciano Leonardo (di Zanobi) Bartolini, also den Schwiegersohn des Nofri Tornabuoni und faktischen Leiter der römischen Medici-Bank, zu seinem Prokurator ernannte, um für den Medici bei jeder beliebigen Bank ein Darlehen von 4.000 Kammergulden aufzunehmen.91 Als Sicherheit für diesen Betrag erhielt Leonardo Bartolini das Recht, dem Kreditgeber kostbare Haushaltsgeräte aus dem Besitz Pieros bzw. der Medici im entsprechenden Gegenwert zur Verfügung zu stellen. Dabei sollte es sich vor allem um Tapisserien und Silberschalen mit Kameen handeln. Diesem Instrument war direkt ein mit dem 17. Mai 1496 datiertes Inventar der Wertgegenstände beigefügt, aus dem hervorgeht, daß jene Kreditvereinbarung nicht mit irgendeinem noch zu bestimmenden Bankier getroffen werden würde, sondern bereits beschlossene Sache war. Denn das Inventar war für Agostino Chigi bestimmt, in dessen Hand sich nun 15 Ballen di tappezzeria (davon allein vier große Wandteppiche mit Motiven aus der Moses-Geschichte) und andere wertvolle Stoffe befanden sowie, in einer tresorähnlichen Truhe verpackt, 20 Silberschalen, ein Silberspiegel – jedes Stück mit dem Wappen des verstorbenen Kardinals von Mantua, d.h. Francesco Gonzagas –, und ein Medaillon bzw. Tondo. Das Kostbarste an diesen letzten Stücken waren die insgesamt 167, in unterschiedlicher Zahl in sie eingearbeiteten antiken Kameen, neben denen der in den Tondo eingefügte große Chalzedon-Kopf eines bärtigen Alten hervorzuheben ist. Diese Pretiosen stammten aus der Sammlung des Kardinals Francesco Gonzaga. Doch Lorenzo de’ Medici konnte sie trotz intensivster Anstrengungen niemals formal in seinen Besitz übertragen; sie wurden lediglich als Sicherheit für ausstehende Schulden (von etwas mehr als 4.000 Dukaten) für Giovanni Tornabuoni bei der römischen Medici-Bank deponiert. 1496 aber befand sich Nofri Tornabuonis Schwiegersohn in der Lage, über die Stücke zu verfügen, um sie für Piero in 91 Gedruckt bei Cugnoni, Agostini Chigi (1880), S. 296–299 (fehlerhaft); eine neue und bessere

Transkription des Verzeichnisses der Kameen bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 340f., Doc. 215; vgl. Pannuti, Formazione, S. 6 (mit „Zahlendreher“ 176 Kameen statt 167).

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Bargeld „umzuwandeln“, obwohl Nofri noch 1497 darüber verhandelte und 1498 den Mantuaner Markgrafen um eine Entscheidung wegen dieses wertvollen Pfandes bat. Aber, was noch entscheidender ist und für die Kapitalkraft Bartolinis spricht: Spätestens Anfang Dezember 1497 verfügte Leonardo bereits erneut über die Silberschalen mit ihren kostbaren Kameen, die er zurückerworben hatte, um durch sie wiederum Geld für Piero de’ Medici zu gewinnen!92 Der Vorgang von 1496 ist über das reine Finanzierungsverfahren hinaus von größerer Bedeutung. Zeigt er doch, daß einer der wichtigsten römischen Bankiers (nach 1500 vermutlich sogar der bedeutendste), der nicht zur Florentiner Nation gehörte, bereit war, Piero de’ Medici in seiner Konfrontation mit Florenz finanziell zu unterstützen. Die Sieneser Wurzeln Chigis trugen offenbar dazu bei – wenn nicht sogar aus ihnen die auffallend intensiven Kontakte der exilierten Medici nach Siena gestärkt wurden. Die Idee und Durchführung des Kredites hatte Piero zweifellos Leonardo di Zanobi Bartolini zu verdanken. Dessen hier erstmals zu greifende geschäftliche Verbindung zu Agostino Chigi ist vor einem größeren Hintergrund zu bewerten, denn wir werden noch sehen, wie in den folgenden Jahren auch sein gleichnamiger Verwandter und schließlich sogar der erste Medici-Papst, also Giovanni de’ Medici, intensiv in dieses Verhältnis integriert werden. Der Chigi ist als eines der wichtigeren Mitglieder des Medici-Netzes zu betrachten. Doch wenden wir uns vorerst wieder den militärischen Restitutionsversuchen der verbannten Medici zu. Für den späten Frühling 1496 war der neue Angriff auf Florenz geplant. Hilfe sollten die Medici im Norden außer durch die Bentivoglio und die Sforza-Gräfin Caterina auch durch Truppen des Herzogs von Urbino, Guidobaldo da Montefeltro, erhalten. Die Vorbereitungen hielten Piero freilich nicht davon ab, einem seiner weiteren Lebensinhalte zu frönen. Nach seinem Aufenthalt mit dem Bartolini in Bracciano vergnügte er sich erneut mit seinem Freund Federico Sanseverino bei der Jagd auf dem Orsini-Land bei Cerveteri und Palo am Meer. Die Verhandlungen mit den Mailänder Vertretern in Rom, mit Kardinal Ascanio Sforza und dem Botschafter Stefano Taverna, führte in jenen Tagen Ende Mai Ser Antonio Dovizi da Bibbiena, questo huomo di Piero – zu jeder Stunde, wie Becchi wußte.93 Um die Offensive konkret zu planen, begab sich dann auch Piero nach Rom, wo er in der Nacht des 4. Juni an der Seite von Federico Sanseverino eintraf.94 Sofort wurde Ascanio Sforza aufgesucht, und bald drang an die Ohren der Wißbegierigen, Piero werde mit den Soldaten des Herzogs von Urbino gegen Florenz ziehen, unterstützt von Giovanni Bentivoglio. Zugleich würde Venedig diese Attacke verstärken, indem es ca. 900 albanische Stradioten bei Pisa und Faenza gegen Florentiner Truppen kämpfen ließe. Solch feindliches Klima bekamen auch die Vertreter der Florentiner Regierung in Rom zu spü-

92 Vgl. Brown, Lorenzo de’ Medici and the dispersal, S. 86f., 100–102; Fusco/Corti, Lorenzo de’

Medici, bes. S. 14f., 175, 220, Anm. 7, S. 307, doc. 107, S. 340f., doc. 215. Zur Verwendung der Antiquitäten Ende 1497 s.u. S. 462f. 93 ASF, DBR 47, c. 304, 322 (30. und 31.5.1496, Ricciardo Becchi, Rom). 94 ASF, DBR 48, c. 56 (4.6.1496, Ricciardo Becchi, Rom).

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ren, vor allem von Seiten der Mailänder, der lombardazi, wie Becchi sie despektierlich nannte. Diese machten sich schön, um feindseliger und abfälliger als jede andere Nation über Florenz, insbesondere dessen schlechte Verpflegungssituation, zu reden und zu lachen.95 Dem in seiner Art durchaus besonderen Pflichtgefühl eines Ricciardo Becchi verdanken wir freilich auch die nicht unbedeutende Kenntnis über den damaligen Wohnort Piero de’ Medicis in Rom. Nicht das Haus seines Bruders Giovanni de’ Medici am Campo dei Fiori wählte er zu seinem üblichen römischen Quartier, sondern das seines engsten Freundes Federico Sanseverino, wie Becchi etwa am 11., 14. und 18. Juni 1496 vermeldete.96 Das Sanseverino-Haus befand sich damals, wie wir aus einer anderen, etwas späteren Quelle wissen, in einiger Entfernung vom Campo dei Fiori ebenfalls im Herzen Roms auf der Via dei Banchi (der heutigen Via Banco Santo Spirito an der Engelsbrücke), wo sich vor allem die Häuser der (zumeist florentinischen) Bankiers konzentrierten, genau an jenem Punkt, wo die Via Papalis bzw. in der Quelle Via dei Pontefici (die heutige Via dei Banchi Nuovi) von der Via dei Banchi abzweigte.97 Federico Sanseverino wohnte also unweit des auf dem Monte Giordano gelegenen Orsini-Komplexes und in unmittelbarer Nachbarschaft von Leonardo Bartolini, der als Leiter und Erbe der römischen MediciBank ebenfalls in der Via dei Banchi sein Anwesen besaß – aber hierzu kommen wir noch.98 Dem Netzwerk würde ein elementares Teil fehlen, wenn die noch in Florenz lebenden Freunde außer acht gelassen würden. Ihre Bedeutung und ihre Gefährdung hatte ja selbst Ludovico il Moro hervorgehoben. Tatsächlich hatten sie in enger, in vielen Quellen immer wieder bezeugter Kooperation mit den Exilierten versucht, innerhalb der Stadt den Einmarsch zu unterstützen. Ende April 1496 bot sich der Hebel in den Wahlen zur nächsten Signoria, bei denen eine Gruppe Medici-Getreuer schon im Vorfeld die Namen von Freunden favorisieren ließ und die Wahl von Mitverschworenen steuern wollte, um eine Signoria bilden zu lassen, die sich als Freund der Medici erweisen würde. Gonfaloniere sollte der Medici-Freund Francesco di Luca di Maso degli Albizzi werden, dessen Vater in einer familieninternen Auseinandersetzung einst die Partei von Cosimo de’ Medici ergriffen hatte und dessen Sohn Giovanni als eine Art Rittmeister (scudiere) seit dem Frühjahr 1492 zur famiglia des Kardinals Giovanni de’ Medici gehörte – ein schönes Beispiel für eine Generationen übergreifende Kontinuität von Medici-Anhängerschaft.99 95 ASF, DBR 48, c. 90 (8.6.1496, Ricciardo Becchi, Rom); DBR 50, c. 10 (10.7.1496, Ricciardo

Becchi, Rom). 96 ASF, DBR 48, c. 154, c. 263; DBR 49, c. 75 (11., 14. und 18.6.1496, Ricciardo Becchi, Rom:

Piero de’ Medici si truova anchora qui in casa Sanseverino ...; Piero de’ Medici è anchora qui et stassi in casa di San Severino a sua piaceri ...; Piero si sta in chasa San Severino ...). 97 ASF, DBR 53, c. 98 (24.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom: ... Passando hiersera a hore circa xxii messer Bernardo Acholti per la via de Pontefici che arriva da Casa Sanseverino in Banchi in su, ...). Mit der Via de’ Pontefici war die von der Via dei Banchi abgehende Via Papalis gemeint. 98 S.u. S. 404. 99 Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 355, 512, 520, 545.

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Doch konnten die wachsamen Gegner mehrere der Verschworenen bei der Verteilung von Namenszetteln erwischen, unter ihnen Giovanni di Zanobi da Tignano, der unter der Folter weitere Namen verriet. Die Chronisten nennen leider nur Filippo di Giovanni Corbizzi, Giovanni di Matteo Benizi und Paolo Biliotti, doch sollen sehr viele gefangen worden sein. Corbizzi und Tignano wurden wegen ihrer führenden Rolle bei der Verschwörung am 28. April 1496 zu lebenslanger Haft im Gefängnis der Stinche verurteilt, doch wurden Corbizzi, Benizi und Tignano schon am 30. April 1498 wieder aus dem Gefängnis entlassen; für alle wurde der Urteilsspruch am 18. Mai 1498 aufgehoben. Fünfundzwanzig weiteren Verschwörern wurde untersagt, künftig Ämter zu bekleiden.100 Es waren also nicht wenige, die in Florenz ihr Leben für die Verbannten riskierten! Filippo Corbizzi ist uns bereits bekannt; er amtierte 1495 als einer der für die Ansprüche der Kommune zuständigen Syndizi bei der Liquidierung des Medici-Vermögens – und wird gewiß nicht zu Ungunsten der Medici gehandelt haben.101 Aus der Familie Biliotti ist Giuliano d’Agostino als Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank nachzuweisen, gefördert auch durch Giuliano da Gagliano, während Alderio Biliotti zu den vertrauten Familiaren Giovanni de’ Medicis gehörte.102 Wenden wir uns Federico Sanseverino etwas näher zu, der sich im Frühjahr 1496 nicht allein für die Interessen der exilierten Medici einsetzte, sondern auch die der Orsini wahren wollte. Dieses Phänomen hatten wir bereits im Dezember 1495 beobachtet. Waren die Orsini und Medici in der ersten Jahreshälfte 1496 zwar getrennte Wege gegangen, so blieben ihre Belange doch gemeinsame; vor allem aber standen sie nicht zuletzt durch den Einsatz Federico Sanseverinos weiterhin in enger Verbindung! Eine mikrohistorische Quelle gibt uns aus dem Alltäglichen einen Einblick in die größeren, wirkmächtigen Zusammenhänge. Im Archiv der Orsini ist ein Brief erhalten geblieben, den Angelus Leoninus de Tybure an Virginio Orsini schrieb und der, obwohl undatiert, in die erste Hälfte des Jahres 1496 gehören muß, als Virginio im Regno di Napoli für Frankreich und das Haus Orsini kämpfte.103 Denn in diesem Brief wird – aber das ist nicht das einzige Indiz – eingehend von den Bemühungen Federico Sanseverinos um eine Restitution der neapolitanischen Grafschaften Tagliacozzo und Albe an Virginio Orsini berichtet. Der Kardinal 100 Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 180f. und den Kommentar, S. 237, Anm. 2; Pa-

renti, Storia fiorentina II, S. 8–10; Mecatti, Storia cronologica, S. 484; Ammirato, Istorie fiorentine VI, S. 168f. (die drei wurden zu lebenslanger Haft im Gefängnis der Stinche verurteilt); Guidi, Lotte II, S. 738. Gonfaloniere wurde statt des mediceischen Albizzi sein Verwandter aus dem gegnerischen Lager, Piero di Luca d’Antonio degli Albizzi. 101 Vgl. oben S. 148. 102 Zu Giuliano d’Agostino Biliotti und weiteren Mitarbeitern der Lyoner Medici-Bank vgl. De Roover, Rise, S. 309–311. Der Florentiner Kleriker Alderio Biliotti gehörte zu den Familiaren des Kardinals Giovanni de’ Medici, da er zusammen mit Antonio Dovizi da Bibbiena sowohl bei den beiden Konklaven des September und November 1503 als auch bei dem bedeutenden im März 1513 die „Entourage“ des Medici darstellte, d.h. von diesem zu seinem conclavista bestimmt wurde; vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 381, 406; Armellini, Il diario di Leone X, S. 93; Picotti, Giovinezza, S. 520, 550. 103 Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 788.

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Sanseverino habe, so Angelus, am Vortag einen Boten zu ihm gesandt, der ihm berichten sollte, wie Federico mit Ascanio Sforza über jene Dinge gesprochen habe, die ihm messer Francesco seitens des Herzogs von Mailand mitgeteilt habe.104 Ludovico Sforza wolle keine Mühe scheuen, sich für die Anliegen Virginios einzusetzen, wobei er jedoch auch Prospero Colonna keinen Nachteil bereiten wolle. Diesem habe er geschrieben, daß er sich mit Virginio verständigen solle. Wenn dies erfolgt sei, werde Prospero sicherlich nichts gegen eine Restitution der contadi einwenden, vielmehr sogar mit Fabrizio Colonna dabei helfen. Ludovico werde jedenfalls mit aller Macht versuchen, Prospero zu diesem Schritt zu bewegen. Federico Sanseverino ließ dem Orsini zugleich ausrichten, daß auch Ascanio Sforza Einfluß auf Prospero Colonna ausübe und sich sehr zuversichtlich zeige. Weiterhin habe Federico Sanseverino ihm, Angelus de Tybure, sehr eingehend die militärischen Hiebe (percusioni) gegen die Florentiner beschrieben, sowohl die des Piero de’ Medici mit den Orsini-Truppen als auch die der Pisaner (die ab Januar 1496 wieder Herr ihrer Stadt waren) und der Sienesen, die alle darüber jeweils an den König (Karl VIII.!), nach Mailand und nach Venedig berichtet hätten und auf Antwort warteten!105 Trotz der Abwesenheit Virginios und anderer Orsini-Führer konnten die Medici also offenkundig über Soldaten aus den Orsini-Territorien verfügen, wie es Giovanni de’ Medici ja auch schon in Mailand angekündigt hatte. Einen großen Effekt auf die Mittel Pieros versprach sich der Schreiber von dem gegenwärtig stattfindenden Gespräch zwischen Piero und Ascanio Sforza. Wegen der von Virginio betriebenen Finanzierung von Pieros Unternehmungen habe der Sanseverino jedoch einen Tadel ausgesprochen, da es hier hinsichtlich der Bedingungen und Interessen keine gute Verständigung gebe! Schließlich ließ Federico Sanseverino den Orsini daran erinnern, einen Gesandten zum Herzog von Mailand zu 104 Um wen es sich bei diesem Francesco handelte, ist nicht ganz eindeutig. Möglicherweise war

jener Gesandte oder Vermittler der auch anderenorts im Umkreis der römischen Medici-Bank und der Orsini-Familie bezeugte Francesco Niccolini. Für den April 1494 ist ferner belegt, daß es eine Bank der Niccolini gab, die mit den Orsini-Einkünften aus Tagliacozzo zu tun hatte, wobei die maßgebliche Rolle aber der Medici-Bank zufiel, für welche Ende April 1494 lo Lio. del banco delli Medici – also sicherlich Leonardo Bartolini – vom Orsini-Verwalter Gabriele in Tagliacozzo 4.000 Dukaten und für die Niccolini-Bank 733 Dukaten erhalten hatte; dieses Geld brachte Leonardo dann mit drei vom Verwalter gestellten Männern nach Sangermano, d.h. in Giovanni de’ Medicis Abtei Montecassino, wo es offenbar sicher deponiert werden sollte; Roma, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, Corrispondenza, I, 102/3, Nr. 639 (20.4.1494, Gabriel, subditus, Tagliacozzo, an Virginio Orsini, Conte di Tagliacozzo), Nr. 789 (Lionardo [?] an Santi de Turri, secretario des Virginio Orsini, 16.7.1490, Rom; zur Ankunft Francesco Niccolinis in Rom). Francesco di messer Otto Niccolini (Bruder des Agnolo Niccolini) gehörte zur Medici-Partei in Florenz, wo er im November 1494 offen – so der Medici-Gegner Parenti – in favore della tirannide e contro alla popolare libertà auftrat; vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 129. 105 Diese Äußerungen lassen den Schluß zu, daß der Brief Ende April 1496 geschrieben wurde, als die Pisaner mit venezianischer und mailändischer Unterstützung militärische Erfolge gegen das Belagerungsheer der Florentiner erzielen und als die Sienesen sich noch gegen die Florentiner Versuche wehren konnten, mit Hilfe der in Florenz lebenden Exilsienesen eine proflorentinische Regierung bilden zu lassen; vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 173, 179f., 184f. (im Juni/Juli 1496 war es zum politischen Umschwung in Siena gekommen).

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senden, der sich dem Orsini gegenüber sehr zugeneigt zeige, weswegen es besser sei, ihn gut unterrichtet zu halten. Im letzten Teil seines Briefes gibt uns Angelus de Tybure noch einen schönen Einblick, wie Leonardo di Zanobi Bartolini nicht nur die Finanzen der Medici verwaltete und regelte, sondern auch die der Orsini. Denn L[i]onardo (mit dem in diesen Briefen immer der gut vertraute Leonardo Bartolini gemeint ist) habe ihm 20 Golddukaten für seine Auslagen wegen des messer Francesco gegeben, da (der Orsini-Sekretär) Bartolomeo da Bracciano diese nicht bezahlen wollte. Weil nämlich Francesco nicht in ein Gasthaus gehen wollte, habe er diesen in seinem eigenen Haus bewirtet und so gut wie möglich betreut; an Leonardo habe er die Rechnung dieser Ausgaben gesandt, und Virginio bitte er, eine Geldzuteilung an ihn, Angelus, anzuweisen (offenbar über den Bartolini), denn Gott wisse, wenn er es nicht nötig hätte, würde er dies nicht schreiben. Ein Brief also, der uns eine Momentaufnahme eines Alltagsvorganges gibt, der aber zugleich sehr wichtige, allgemeingültige Einsichten vermittelt. Denn was erkennen wir hinter dem Geschriebenen, den punktuellen Fragen und Problemen? Federico Sanseverino erscheint als eine zentrale Gestalt im Netzwerk der Medici. Erstaunlich ist einmal mehr die Vertrautheit des Sanseverino sowohl mit den exilierten Medici als auch mit den Orsini, hier vornehmlich auf Piero de’ Medici und Virginio Orsini bezogen. Deren Belange und Sorgen sind seine geworden. Ihre kleinen Erfolge bereiten ihm Freude, ihre großen Hoffnungen bestimmen sein Denken, Planen, Handeln. Aus dem Brief spricht zudem die Autorität und Bestimmtheit dieses Kardinals, der sich nicht scheut, die Finanzplanungen des Familienverbandes heftig zu kritisieren. Ebenso dürfte deutlich geworden sein, daß er es ist, Federico Sanseverino, der Ascanio Sforza und den Mailänder Herzog wieder mit den Medici und vor allem mit seinem alten Freund Piero, der jene zwischen 1492 und 1494 so tief enttäuscht hatte, zusammenbrachte; er war der cardo, der Angelpunkt, über den und von dem diese Verbindungen ausgingen. Bei all dem dürfen wir nicht vergessen, daß Federico Sanseverinos Loyalität zum Mailänder Herzog, seinem unmittelbaren Herrn, von gewichtigen, noch stärkeren Bindungen wie Loyalitäten nach bzw. in Frankreich überwölbt wurde. Dort befanden sich seine bedeutendsten Benefizien, seine größten Einnahmequellen, von denen er nur profitieren durfte, wenn er dafür auch Gegenleistungen erbrachte. Karl VIII. hatte dies sehr klar formuliert, und es verstand sich für diese geistlich-politische Klasse auch von selbst. Entsprach sein Handeln nicht den königlichen Erwartungen, konnte ihm diese Lebens- und Machtbasis jederzeit genommen werden. (Das Gleiche gilt freilich auch vice versa für das Mailänder Herzogtum.) Immer wieder hatte der Kardinal um diese oder um einzelne ihrer Bausteine zu kämpfen. So beispielsweise gerade seit dem Februar 1496, als ihn der Papst (am 8.2.1496) zum neuen Administrator des nordfranzösischen Bistums Thérouanne ernannt hatte. Wenige Tage später setzte sich auch Herzog Ludovico Sforza dafür ein, daß sein Untertan nun auch mit gutem Willen und Erlaubnis des französischen Königs dieses

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Bistum in Besitz nehmen könne.106 Doch schon im Mai sah alles ganz anders aus, da Karl VIII. jemand anderen auf den Stuhl von Thérouanne bringen wollte und der Moro den Sanseverino zum Verzicht bewegen sollte. Dieser aber dachte nicht daran. Statt dessen erklärte er seinem mailändischen Herrn mit bewegten Worten, Frankreichs König habe keinen besseren, treueren, keinen leidenschaftlicheren (affectionatissimo) Diener auf der Welt als ihn, Federico Sanseverino(!), und er habe bei der Supplik um dieses Bistum auch nicht gegen den Willen des Königs gehandelt, da seine Konkurrenten an der Kurie (aber nicht die am französischen Hof) Günstlinge des habsburgischen Erzherzogs und der Spanier gewesen seien. Der Moro wisse, wie wahr seine Treue zu Frankreich sei und solle deshalb erneut beim König um die Übertragung des Bistums an ihn bitten, auf dessen ehrliche Treue und Dienste Karl setzen könne, zumal er, Federico, jene Einnahmen dringend nötig habe.107 Die Gunst des Königs hatte er fürwahr nicht verloren. Karl VIII. hatte sich gerade in jenem Februar 1496 dafür eingesetzt, ihm das Bistum Amiens zu verschaffen, gab hier aber dem Widerstand des Domkapitels nach, um Federico dafür mit dem Erzbischofsstuhl von Vienne zu entschädigen – und ihm im gleichen Jahr zudem Thérouanne zu gewähren!108 Federicos Engagement für die Medici und Orsini bedeutete also immer auch einen politischen Impuls in Richtung Frankreich. (Nicht nur Francesco Guicciardini hatte mit Recht und sehr bewußt wiederholt den betont guelfischen Charakter hervorgehoben, den die Unternehmungen der Medici und Orsini besaßen.) Als Siena, das wichtige militärische und logistische Glied in der mediceischen Verbündetenkette, Anfang Juni 1496 in die Hand einer dem neuen Florentiner Regime freundlich gesinnten Partei gelangte, spielten die Verbündeten mit dem Gedanken, Siena mit Hilfe päpstlicher und Bologneser Soldaten sowie unter Beteiligung Piero de’ Medicis zurückzuerobern, um anschließend gegen die Florentiner Grenze bei Siena vorzurükken.109 Doch schon wenige Tage später erwies sich dies als unnötig, da in Siena bereits wieder die Gegner der Florentiner an der Macht waren, die heftige Drohungen gegen ihren Rivalen ausstießen, sich mit der Hl. Liga verbündeten, von der sie Geld erhielten, und wiederum ganz auf Piero de’ Medici setzten.110 Doch Aufsehenerregendes ist von unseren Protagonisten nicht zu berichten. Mit seinem Freund, dem jungen, ca. 24-jährigen Protonotar Raffaele Petrucci, verließ Piero de’ Medici am 19. Juli 1496 Rom, um in dessen Heimatstadt die Feiern zum Fest der Hl. Magdalena (22.7.) zu sehen und rasch nach Rom zurückzukehren, um dann mit Federico Sanseverino erneut nach Siena zu reisen, wo Fede-

106 ASM, SPE, Roma 115 (17.2.1496, Ludovico Sforza aus Mailand an den Magnifico Theodoro);

vgl. Eubel, Hierarchia II, S. 197. 107 ASM, SPE, Roma 116 (23.5.1496, Federico Sanseverino aus Rom an Ludovico Sforza). 108 S.o. S. 296. 109 ASF, DBR 48, c. 90, 154 (8. und 11.6.1496, Ricciardo Becchi, Rom); ASM, SPE, Roma 116

(10.6.1496, Ascanio Sforza aus Rom an Ludovico Sforza: Der Papst wolle mit Piero, der sich in Rom befinde, wegen eines Vormarsches Pieros gegen die Florentiner Grenze bei Siena sprechen); Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 184 (der Papst habe einen seiner Söhne mit Piero und päpstlichen Truppen gegen Siena geschickt – was jedoch eine Fehlinformation war). 110 ASF, DBR 48, c. 244 (14.6.1496, Alessandro Braccesi, Perugia).

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rico ein oder zwei Monate auf die Jagd und Vogeljagd gehen und der schlechten Luft Roms entfliehen wollte. Wegen einer schweren Krankheit mußte Piero sich jedoch einige Tage in Bolsena ins Bett legen, von wo er in der ersten Augusthälfte immer noch kränkelnd nach Siena reiten konnte; hier galt es u. a., erneute Verständigungen zwischen Florenz und Siena zu stören.111 Wirksame Maßnahmen gegen Florenz erfolgten freilich eher indirekt, indem sowohl Venedig als auch Mailand die Pisaner massiv mit Truppen und Geld unterstützte. Der lange Arm Federico Sanseverinos war auch hier im Spiel, und zwar vor allem in der Person seines Vertrauten Ludovico Mondello, der Ende 1493 für seinen Patron am französischen Königshof den Kompromiß wegen der Besetzung des Erzbistums Rouen verhandelt hatte.112 Aus einem von den Florentinern abgefangenen Brief Mondellos vom 3. September 1496 an den Pisaner Botschafter beim Dogen von Genua geht hervor, daß Mondello, zugleich Propst zu St. Ambrosius in Genua, eine aktive Rolle bei der Entsendung des mailändischen Condottiere Gaspare Sanseverino al. Fracasso mit 1.000 Fußsoldaten nach Pisa einnahm, die im übrigen mit dem Wissen und Einverständnis des französischen und venezianischen Botschafters in Mailand bzw. ihrer jeweiligen Herren erfolgte.113 Die tausend Soldaten unter Fracasso wurden zur Hälfte von Pisa und Mailand bezahlt. Der Nachrichtenaustausch über diesen Coup erfolgte explizit über Lucca, so daß auch die Buonvisi als faktische Herren Luccas daran beteiligt waren. Da Giovanni de’ Medici im September 1496 immer noch in Mailand weilte, wird auch er an der Vorbereitung dieser Aktion beteiligt gewesen sein. Der militärische Einsatz Fracassos in Pisa trug offenbar nicht unwesentlich dazu bei, daß den Medici Anfang Oktober 1496 erneut große Hoffnungen gemacht wurden, sowohl von Mailänder und französischer Seite als auch von ihren Florentiner Freunden.114 Doch aus all den weitgreifenden Plänen, Vorbereitungen und Hoffnungen der Jahre 1495 und 1496 resultierten nicht einmal Ansätze eines partiellen Erfolges. Zur Umsetzung der militärischen Ziele kam es gar nicht. Diese militärischen Restitutionsversuche und sonstigen Fördermaßnahmen schlugen aus mehreren Gründen fehl: Erstens mangelte es den Medici an den notwendigen Finanzmitteln, um ein wirklich schlagkräftiges und den Florentiner Söldnertruppen überlegenes Heer ausheben zu können; zweitens waren weder Mailand, Venedig, Rom noch die den Medici verbundenen Parteien in kleineren Territorien wie Forlì/Imola, Siena, Perugia oder Bologna bereit, eine wirklich entscheidende Unterstützung zu bieten – schon allein aus Argwohn gegenüber den Rivalen oder aus Furcht vor der Florentiner Stärke; drittens nahm Florenz die Bedrohung sehr ernst und setzte an strategisch wichtigen Punkten Respekt erregende Truppenkontingente ein, während allerdings Versuche, die medicinahen Petrucci in Siena mit der Drohung einzuschüchtern, die vielen Exilsienesen in Florenz würden nach einem Erfolg der Medici in ihre Heimat zu111 ASF, DBR 50, c. 49, 92, 132 (19., 30.7. und 7.8.1496, Ricciardo Becchi, Rom). 112 S.o. S. 294. 113 ASF, DBR 50, c. 213 (3.9.1496, Ludovico Mondello, Mailand). 114 ASF, DBR 51, c. 147, 154 (7. und 10.10.1496, Ricciardo Becchi, Rom).

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rückkehren und ihre Gegner attackieren, kaum nachhaltigeren Eindruck hinterlassen haben dürften.115 Jeglicher Optimismus der Medici beruhte auf fundamentalen Abhängigkeiten. Die exilierten Medici waren lediglich Teil eines großen, eines ihren Einflußrahmen weit übersteigenden politischen Ringens; sie gehörten, der Herrschaft in Florenz verlustig, nicht mehr zu den Herren des Spiels. Nur wenn ihnen darin von befreundeten Mächten ein Platz zugewiesen wurde oder werden konnte, nur dann konnten sie ihre Sache fördern. 1497 wird ihnen dann in drastischer Weise vor Augen gehalten, wie stark sie – und noch existentieller ihre engsten Freunde in Florenz! – von ihren mächtigen Freunden abhängig waren.

b) Geheime Finanzhilfen für die exilierten Medici durch die Florentiner Medici-Erben-Bank Die Medici konnten sich auch nach ihrer Exilierung auf ein dichtes und weites Netz von Freunden in Florenz stützen und verlassen. Ein zentrales Teil dieses Netzes war über viele Jahre mit Hilfe verschiedener Partnerschaften aufgebaut worden. Mit Blick auf seine der Finanzwelt entfremdeten Söhne hatte Lorenzo de’ Medici es seit 1478/82 geformt und in den letzten Monaten seines Lebens mit so nüchterner wie kluger Um- und Voraussicht verdichtet, indem er den personellen Kern seiner Gesellschaften (Giovanbattista Bracci, Filippo und Giuliano da Gagliano, Bartolomeo Bartolini, Giovanni, Lorenzo und Nofri Tornabuoni sowie Leonardo di Zanobi Bartolini) um Lanfredino Lanfredini und die Firmen vor allem um die bottega del battiloro erweiterte. Dieses Netz im Netz blieb trotz des Kollapses des Medici-Regimes und der folgenden Bedrohungen nicht nur intakt, sondern auch produktiv. Piero de’ Medici partizipierte weiterhin an den Medici-Firmen, von denen insbesondere seine unter Bartolomeo Bartolinis Namen laufenden Tarnbanken sehr profitabel wirtschaften konnten – von Gläubigerforderungen ungestört, aber gleichzeitig als (guter oder fingierter) Gläubiger der Medici-Banken deren Kapital bei sich in Sicherheit bringend. Der Bartolini versorgte Piero aufgrund ihres Vertrages von 1492 immer noch über die Profite dieser Tarnbanken mit Geld, das er (zumindest bis 1499) unbehelligt durch den Staat mit den Gewinnen bereichern konnte, die er aus seiner Funktion als Leiter der staatlichen Münze (Zecca) und als Depositar der Behörde für Auswärtiges (Otto di Pratica) erwirtschaftete. Ihre Raffinesse demonstrierten diese Florentiner Mediceer auch durch ihre Manipulationen bei der Abwicklung der Medici-Bank. Erfolgreich konnten die Medici-Bankiers und ihre Freunde die finanzielle Schädigung der Medici reduzieren, indem sie mit gefälschten Bilanzen Einnahmen verheimlichten und dadurch ihre Probleme bei der Erfüllung der Gläubigeransprüche aufbauschten. Mit dieser Taktik gelang es ihnen im Fall der von den Tornabuoni übernommenen römischen Medici-Bank sogar, die für Übernahme und Liquidierung dieser Bank bewilligte Summe auf gewaltige 42.000 Fiorini 115 Zu diesem Argument, den Einzelheiten und analytischen Reflexionen: Guicciardini, Storia

d’Italia, S. 244–250 (III/2); vgl. auch Parenti, Storia fiorentina I, S. 273–292; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 165–168.

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zu steigern. Teile dieses Geldes ließen sie nachweislich nicht wie gefordert den MediciGläubigern zukommen, sondern legten es renditestark beim Monte an. Die Vermehrung der vorhandenen Finanzmittel diente stets den Medici. Dies wurde in den Denunziationen nach 1497 angeprangert und läßt sich für die betreffenden Jahre nach 1494 eindrucksvoll bestätigen. Bevor wir uns diesen finanziellen Anstrengungen des Medici-Kreises zuwenden, müssen wir einen grundlegenden Interessenkonflikt ansprechen. Die Signoria forderte, daß alle Gläubiger der Medici ihre Kredite innerhalb eines festgelegten, kurzen Zeitraums zurückerhielten. So war es Florentiner Gesetz. Da man im Gegenzug nur wenige Schuldner zur Verantwortung ziehen konnte, konnten die Medici auf diese, von ihren Gegnern geförderte Weise in den vollkommenen finanziellen Ruin getrieben werden – dieses Prinzip war schon um 1480 während der Pazzi-Kriege angewandt worden, es bestimmte im Juni 1494 auch die Lyoner Bankausweisung. Die Medici-Bankiers dagegen werden nur intendiert haben, die Kredite ihrer befreundeten Gläubiger zu bedienen; der Rest wird ihnen (wie schon im Sommer 1494) gleichgültig gewesen sein, erst recht, wenn es sich um nunmehrige Gegner handelte. Der zweite, damit verknüpfte Interessengegensatz betraf die materielle Basis der Gläubigersatisfaktion. Für diejenige der – offenkundig am stärksten tangierten – römischen Medici-Bank sollten bekanntlich 42.000 Fiorini aus dem konfiszierten Vermögen der Medici bereitgestellt werden, das bei diesem Posten freilich nur zu einem (vermutlich sogar geringen) Teil aus Bargeld, ansonsten aus diversen Münzen und Kunstobjekten bestand. Auf die wertvollsten dieser Stücke aus dem berühmten MediciSchatz hatten aber neben italienischen Fürsten wie denen aus Mailand und Mantua auch so erbitterte Medici-Feinde wie Jacopo di Tanai de’ Nerli ihr Auge geworfen, wobei sie natürlich kaum den angemessenen Preis zu zahlen bereit waren.116 Gerade diese z. T. äußerst wertvollen Kunstgegenstände für die Medici aus materiellen wie ideellen Motiven zu sichern, mußte dagegen das erklärte Ziel der Freunde sein – 75 Silbervasen konnte sich Bracci ja zum Beispiel bereits durch seinen Monte-Kredit sichern. Wollten er, Lorenzo Tornabuoni und ihre Mitstreiter darüber hinaus aber zudem die Exilierten mit Bargeld versorgen, bewegten sie sich auf noch gefährlicherem Terrain, da jede nicht offiziell genehmigte Kontaktaufnahme mit den Exilierten verboten war und strafrechtlich verfolgt wurde, doch ohne weiteres entdeckt werden konnte. Die Beteiligten Einer dieser Medici-Vertrauten wird für eben diesen Einsatz am 16. Dezember 1497 sein Leben im Florentiner Bargello verlieren. Er hieß Francesco di Agostino Cegia, den wir schon als Mitarbeiter der Syndizi kennenlernten, der uns nun aber mit seinem bis zum Ende geführten geheimen Rechnungsbuch äußerst wertvolle Einblicke in die Taktiken der Geldvermittlung für die Exilierten gewährt und dabei einige der daran Beteiligten namhaft

116 Hierzu Grote, Formazione 1980, S. 142f.; grundlegend jetzt: Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici.

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macht.117 Was wir aus ihm erfahren, ist freilich nur ein Ausschnitt des Gewesenen – sei es, daß dieser Quelle nicht mehr anvertraut werden mußte oder sollte; sei es, daß Cegia nur eine begrenzte Kenntnis von den tatsächlichen Vorgängen besaß. Dies jedoch ist hinreichend informativ; und ein spannendes Lebensbild vermittelt es allemal – vor allem, wenn wir die fast blutleeren Notizen Cegias an gegebener Stelle schon in einem ersten, die Perspektive öffnenden Schritt mit der Welt außerhalb des Rechnungsbuches verweben. Kein Zweifel, Francesco Cegia gehörte zum engeren Vertrautenkreis der Medici. 1460 geboren, kam er zusammen mit seinem Vater in den 70er Jahren in den persönlichen Dienst Lorenzo de’ Medicis und wohnte eine Zeitlang im Medici-Palast in der Via Larga, stand dann bald Piero und Giovanni nahe – dessen Einkünfte aus dem Florentiner Domkanonikat er von 1484 bis 1487 buchhalterisch verwaltete –, betreute den Medici-Besitz in Pisa und führte, nicht unvermögend, eine Handelsgesellschaft unter seinem Namen. 1492 hatte er Maria di Benedetto Bonsi aus einer medicinahen Familie geheiratet. Für die Zeit vor der Exilierung der Medici bezeichnete er sich als Diener von Piero de’ Medici. Wie nah er den Medici gestanden haben muß, zeigt zum einen sein beachtliches Gehalt von 100 Fiorini larghi pro Jahr – Leonardo Bartolini erhielt in der Florentiner Bank seines Vaters nicht einmal die Hälfte und ein Alessandro da Verazzano bekam mit 27 Jahren in der Bank des Francesco Girolami nur 24 Fiorini pro Jahr!118 –, zum andern die Absicht des aufgewiegelten Volkes, auch sein Haus mit denen anderer Medici-Vertrauter (etwa Niccolò Michelozzi) zu zerstören, was Rinieri Giugni gerade noch verhindern konnte. Um sein Leben fürchtend, da er Pieros Diener gewesen war, versteckte sich Cegia in der Nacht nach der Vertreibung der Medici am Sonntag, dem 9. November, im Haus von Francesco Guardi, der auch durch diese Hilfe zu den Medici-Anhängern zu zählen ist. (Er und sein Bruder werden sich einer besonderen Gunst von Jacopo Salviati erfreuen und ein anderes Mitglied dieser Familie wird wenige Jahre später an prominenter Stelle in der BartoliniBank erscheinen.) Nach weiterem Aufenthalt an heimlichen Zufluchtsorten hatte sich Cegia dann am 13. November der Signoria zu stellen, wurde zehn Tage inhaftiert und schließlich auf Intervention des Königs von Frankreich, Karls VIII., freigelassen.119 Anfang 1495 erhielt er schließlich sogar seine Funktion als Helfer der Syndizi zur Vermögensabwicklung der Medici. Gleichzeitig arbeitete Francesco Cegia aber für die leiblichen Medici-Erben, für ihre in Florenz verbliebenen engeren Verwandten und für die Florentiner Medici-Erben-Bank, d.h. für Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci. Deshalb durfte er auf Beschluß der 117 Ediert: Pampaloni, Ricordi; mit gegenüber Pampalonis Text verbesserten Auszügen, die sich auf

die Kunstobjekte konzentrieren und nach solchen Sachgruppen neu zusammengestellt wurden: Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 353–357, Doc. 233. 118 Vgl. Verde, Studio fiorentino III/2, S. 1129; zur Vita Cegias vgl. außer der Einleitung von Pampaloni auch R. Ristori, Art. „Cegia, Francesco“, in: DBI 23 (1979), S. 324–327. 119 Vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 189–197. Zu Cegias Gehalt, das er bis zum 9.11.1494 bezog und das ihm dann ab diesem Tag von den Syndizi am 18.5.1495 rückwirkend wieder zugestanden wurde, vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 40f.

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Syndizi vom 18. Mai 1495 rückwirkend seit dem 10. November aus dem Vermögen der Medici-Erben (d.h. der leiblichen, hier nicht der Florentiner Erben-Bank) sein bisheriges Gehalt von 100 Fiorini beziehen – so wie er es bis zum 9. November von Lorenzo und Piero de’ Medici als deren fattore erhalten hatte.120 Von diesem Mann liegt uns also ein persönliches Geheimbuch vor, das er am 14. März 1495 aufgrund jener mit der Vertreibung der Medici verbundenen ‚Staatsumwandlung‘ anlegte. In ihm führte er wie in einem normalen Geschäftsbuch gegenüberliegende Debitoren- und Kreditoren-Konten, doch nahm er in dieses Buch auch Erinnerungen aus zwei anderen seiner Geschäftsbücher und ferner seine geheimen Handlungen mit Debitoren und Kreditoren auf. Aus diesem libro segreto Cegias und dem Kontext geht hervor, daß er offenbar eine der zentralen Bargeldkassen für die exilierten Medici geführt hatte, die aus unterschiedlichen Quellen gespeist wurde. Das die Beziehungen zwischen den Medici und ihren Freunden oder Vertrauten veranschaulichende Modell des Netzes trifft auch die Struktur dieses Teils der Geldzirkulation und generell diese als solche. So kam Bargeld von einem Exilierten, Piero de’ Medici etwa, über einen Diener nach Florenz, um von dort beispielsweise zu einem bestimmten Zweck nach Rom gebracht zu werden. Viele Summen wurden in Florenz selbst beschafft und gelangten über Freunde, Mitarbeiter und Boten an sehr unterschiedliche Orte, meist mit einer genauen Zweckbestimmung, die oft aber nur angedeutet wird. All diese Informationen über Personen, Orte und Objekte führen uns schon recht weit in das Netzwerk der Medici hinein – auch wenn so mancher Unterstützer nur als anonymer Freund in diesem Rechnungsbuch geführt wurde. Versuchen wir, die wertvolle Quelle in unterschiedlicher Hinsicht strukturierend zu erschließen und zu präsentieren. Zunächst fällt auf, daß der Großteil der überlieferten Buchungsposten in das Jahr 1496 fällt. In jenem Jahr begannen die Medici, sich intensiver um eine militärische Rekuperation von Florenz zu bemühen, als deren operatives Zentrum im April die römische MediciBank entlarvt wurde. Es gab also eine Korrelation zwischen diesen Restitutionsversuchen der Medici und den von Cegia notierten, meist geheimen Finanzbewegungen. Da im folgenden Jahr, 1497, die Rückeroberung einen herben Fehlschlag erlitt, in dessen Folge durch einen Verrat fünf der wichtigsten Mediceer um Lorenzo Tornabuoni im August hingerichtet wurden und auch Francesco Cegia nach mehrmonatiger Haft im Dezember das gleiche Schicksal widerfuhr, ist die Ursache für die wenigen Einträge für 1497 leicht zu erklären. Daß erst im zweiten Exilsjahr vergleichsweise viele Finanzaktionen bzw. Buchungsposten notiert werden konnten, liegt augenscheinlich an der Tätigkeit der Florentiner Kommission zur Liquidierung der Medici-Bank. Einige der Vermögenswerte, die den Medici sowie Lorenzo Tornabuoni und der Florentiner Medici-Erben-Bank im Laufe des Jahres 1495 von den Deputierten zurückgegeben wurden und die teilweise in

120 Le collezioni medicee nel 1495, S. 40f. In seinem persönlichen Geheimbuch verzeichnete Cegia

diese Einnahme unter seinen Gewinnen und Verlusten (avanzi e disavanzi); analog zu den bis zum 10.11.1495 bezahlten 100 Fiorini larghi pro Jahr konnte er nun als erste Rate für die neun Monate vom 10.11.1494 bis zum 10.8.1495 75 Fiorini larghi auf der Haben-Seite verbuchen: Pampaloni, Ricordi, S. 209.

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das Lorenzo zugestandene Guthaben der 42.000 Dukaten einflossen, bildeten nämlich 1496 die Grundlage für komplizierte Finanztransfers. Obgleich Lorenzo Tornabuoni sich während der Arbeit der Kommission laufend vor den Syndizi zu rechtfertigen und mit ihnen zu verständigen hatte, banden sie ihm und seinen Helfern kaum die Hände. Vor diesem Hintergrund ist evident, daß die Liquidierung der römischen Medici-Bank in erheblichem Maße die finanziellen Möglichkeiten der Mediceer für einen intensiveren militärischen Kampf gegen Florenz verbesserte. Zudem waren Francesco Cegia und Francesco di Bencivenni dello Scarfa, ein weiterer Medici-Vertrauter, von der Kommission offiziell deputiert worden. Cegia war am 3. Januar 1495 mit einem Gehalt zum Diener des Syndizi-Provisors Jacopo di Niccolò Bonaguisi ernannt worden. Zu ihrem Schreiber bestimmten die Syndizi wie schon angesprochen Francesco di Bencivenni dello Scarfa.121 Bei diesem vom Editor der deliberazioni degli ufficiali de’ ribelli (wie alle anderen Personen) nicht näher identifizierten scrivanus handelt es sich ebenfalls um einen engen Mitarbeiter der Medici, der dann spätestens Ende 1495 als Faktor und Bote des Kardinals Giovanni de’ Medici in Erscheinung treten wird (und nicht mit dem Medici-Gegner Francesco di Martino dello Scarfa zu verwechseln ist!).122 Dieser medicinahe Francesco dello Scarfa wird wohl aus dem Haus jener Scarfa gekommen sein, die 1493 als Partner der Florentiner Bartolini-(Medici-)Bank bezeugt sind.123 Die Syndizi, durch welche die Medici eigentlich endgültig ihrer Macht beraubt werden sollten, konnten sich ja darauf berufen, daß sie für diese Aufgabe auch auf Personal des Hauses Medici angewiesen waren. Blicken wir nun auf eine der Kernzellen des Medici-Netzwerkes in der „Höhle des Löwen“ Florenz, auf die Florentiner Medici-Erben-Bank, für die Francesco Cegia – ohne es je so formulieren zu müssen – sein libro segreto letztendlich führte. Anweisungen erhielt er nämlich von Lorenzo Tornabuoni und von Gianbattista Bracci. Als weitere Mitarbeiter, Helfer und Verbündete sind aus Cegias Geheimbuch eine Reihe von Personen zu erschließen. Domenico Alamanni (der ‚Minister‘ Lorenzo Tornabuonis), Galeazzo Sassetti und Niccolò Pucci konnten bereits im Kapitel über die Florentiner Medici-ErbenBank als deren Angestellte vorgestellt werden. Zu den wichtigsten Vermittlern und/oder Boten zwischen Florenz und den verschiedenen Medici-Exilierten oder sonstigen Geflohenen des Kreises gehörten Francesco Naldini (der Adlatus von Giovanbattista Bracci), Francesco Gianfigliazzi, Giovanni di Bartolomeo Popoleschi, Antonio di Bernardo de’

121 Le collezioni medicee nel 1495, S. 3f. (das Datum 4.1. auf S. 3 muß ein Fehler im Original oder

ein Druckfehler sein). 122 Zahlreiche Belege für den Faktor der Medici in Pampaloni, Ricordi, etwa S. 211, 229. Francesco

di Martino di Francesco dello Scarfa amtierte hingegen im November und Dezember 1494 als Gonfaloniere di Giustizia und wirkte auch in weiteren Ämtern für die medicifeindliche Regierung, weshalb er auch 1497 von Piero de’ Medici als potentielles Opfer nach einer erfolgreichen Restitution gebrandmarkt wurde, doch starb er bereits 1501; vgl. Guidi, Ciò che accadde, S. 185 und s.v.; vgl. zu ihm auch Polizzotto, Elect Nation, S. 260 (sein Sohn Martino setzte dann nach 1512 die Feindschaft zu den Medici aktiv fort). 123 S.o. S. 149.

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Medici, Luca Speranzini, Bernardo Dovizi da Bibbiena, die beiden Augustiner Fra Mariano da Gennazzano, Ordensgeneral, und Fra Serafino, Mönch des Florentiner Augustinerklosters San Gallo, der genannte Francesco di Bencivenni dello Scarfa und Mante da Santa Maria Impruneta, beide fattori des Kardinals Giovanni de’ Medici, sowie schließlich Ser Francesco Ghori (da Pescia?). Bei der Geldbeschaffung oder -vermittlung standen außerhalb von Florenz wiederum Francesco Naldini sowie Giovanni di Bernardo Cambi als Leiter der Pisaner Medici-Gesellschaft und der mit beiden kooperierende Benedetto Buonvisi aus Lucca im Mittelpunkt. In Florenz selbst übernahm diese Funktion neben den dort agierenden Partnern der Medici-Erben insbesondere der Goldschmied Michelangelo (Michelagnolo) da Viviano, der Vater des berühmten Künstlers Baccio Bandinelli, wobei hier auch der den Medici ebenfalls sehr nahestehende, durch seine kostbaren Strickarbeiten hoch geschätzte Galieno di Michele ricamatore erscheint. Sie alle kooperierten eng mit drei Frauen, nämlich mit Piero de’ Medicis Ehefrau Alfonsina Orsini, mit deren Mutter Caterina Sanseverino Orsini und mit Lucrezia Salviati, der Ehefrau des bekannten Kaufmanns Jacopo Salviati und, da am 4. August 1470 geboren, älteren Schwester der drei exilierten Medici-Brüder Piero, Giovanni und Giuliano. Ein anonymer Freund Geheime Handlungen und andere Heimlichkeiten gingen nicht allein von Alfonsina Orsini und ihren Helfern aus. Auch ein bestimmter Freund Cegias und der Florentiner MediciErben-Bank hielt es für notwendig, seine Beziehungen zu ihnen so geheim zu halten, daß er selbst in Cegias Geheimbuch anonym blieb oder bleiben wollte.124 Ob das für ihn vergebene Kürzel „S. R.“ für die Anfangsbuchstaben seiner ersten beiden Vornamen oder (gegen die Regel) für die seines Vor- und Nachnamens steht, muß vorerst dahingestellt bleiben. Sicher ist, daß er dem Medici-Kreis Geld zukommen ließ. So konnte Cegia schon für den 13. März 1495 sowohl eine Summe von 405 Fiorini verbuchen, die der geheime Freund ihm als Kredit zur Verfügung gestellt hatte, als auch eine über 66 Fiorini.125 Ein Verwendungszweck wurde nicht angegeben, doch diente das Geld mit großer Sicherheit den exilierten Medici, deren Konto denn wohl auch nicht zufällig genau unter dem des anonymen Freundes auf den gleichen Seiten erscheint. Denn so wurde es eben dort hinsichtlich jener 73 Fiorini des Freundes verfügt, die am 11. September 1495 über das Konto jenes Freundes direkt den Erben des Lorenzo de’ Medici im engeren Sinne, also Piero, Giovanni und Giuliano, gutgeschrieben werden sollten.126 Über dieses Sonderkonto hatte Cegia bereits am 19. Juni 1495 drei Fiorini in bar an die Gräfin Caterina Sanseverino ausgezahlt, über welche jener Freund einen kleinen, in einen Ring gefaßten Diamanten einem Ser Giovanni schenken lassen wollte.127 Am 16. Januar 1496 gab jener geheime Freund Cegias ihm bzw. der Florentiner Medici-Erben-Bank über ein für die leiblichen 124 Vgl. die Einträge Cegias in Pampaloni, Ricordi, S. 198f., 201. 125 Pampaloni, Ricordi, S. 198f. 126 Pampaloni, Ricordi, S. 199, 201. 127 Pampaloni, Ricordi, S. 201.

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Erben des Magnifico eingerichtetes Korrentkonto einen bis zum 11. Oktober 1496 terminierten Kredit über 150 Fiorini, vier Soldi und sechs Denari, der jedoch schon am 18. Juni 1496 mit weiteren 135 Fiorini, neun Soldi und acht Denari zu einem Geschenk erklärt wurde, das dem Konto (der geflohenen) Alfonsina Orsini gutgeschrieben wurde, über welches dann Cegia in den folgenden Monaten verfügen konnte.128 Der Medici-Schatz: Kunst und antike Münzen werden zu Geld Waren diese Geld- und Sachzuwendungen noch überschaubar, so formten sie sich gleichsam zu vielfältig ineinander verschlungenen Wirbeln, als Lorenzo Tornabuoni im Juni 1495 jene 42.000 Fiorini (in Geld- und Sachgütern) zugesprochen worden waren, die einzig und allein dem Zweck zu dienen hatten, die Gläubiger der römischen Medici-Bank auszuzahlen. Stellen wir nun sachlich komplementäre Quellen zusammen, so können wir recht gut erschließen, wann der Tornabuoni welche Geld- und Sachwerte von den Syndizi erhielt – und vor allem: wie und durch wen diese Werte tatsächlich genutzt wurden. Dieser Vorgang ist freilich als Teil und Folge des umfangreichen Verkaufs der Medici-Güter anzusehen, den wir nicht nur deshalb kurz skizzieren müssen, sondern auch weil er zeigt, wie die Mediceer in einem wahren Wettstreit mit ihren Feinden den Großteil des MediciInventars zu retten versuchten.129 Lassen wir vorerst die namentlich Lorenzo Tornabuoni übergebenen Objekte beiseite, um uns zunächst seinen Mitstreitern zuzuwenden. Dabei können angesichts der Fülle die einzelnen Gegenstände nicht in extenso, sondern nur exemplarisch aufgeführt werden; sie reichten von den wertvollsten Kunstobjekten bis zu einfachen Haushaltsgegenständen und Büchern und Bildern. Ein großer Käufer war die Florentiner Medici-Erben-Bank – verkörpert durch Gianbattista Bracci (der in einem Fall auch namentlich genannt wird) und den Tornabuoni –, die in mehreren Posten z. B. wertvolle Tassen, Bestecke, Börsen, Goldquasten, Juwelen, Teppiche und Bettdecken im Wert von über 2.200 Fiorini erwarb. Der für diese Aktionen so wichtige Goldschmied Michelangelo da Viviano hatte ebenfalls mit mehreren Partien neben Juwelen vor allem kostbare kunstgewerbliche Stücke gekauft, die aus den unterschiedlichsten Mineralen gefertigt worden waren (meist aus Chalzedonen, Onyx, Achat, Jaspis, Diaspor usw.), darunter mit dem höchsten Preis von insgesamt 721 Fiorini 160 Vasen domaschini aus dem levantinisch-islamischen Raum, die alle aus der berühmten Sammlung der Medici stammten und diesen nach 1512 zurückgegeben wurden.130 Francesco di Agostino Cegia nahm neben einem Alten Testament auf Pergament (für acht Fiorini) und einem Bild mit dem Hl. Hieronymus auch drei Pokale (tazze) 128 Pampaloni, Ricordi, S. 198, 215, 218f. 129 Das entsprechende Inventar in: ASF, MAP CXXIX, c. 345r–362v; es ist bereits mehrmals in der

Forschung thematisiert worden, etwa von Grote, Formazione 1980, S. 143; Musacchio, Medici Sale; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 371f., Doc. 278 (doch die hier präsentierten Auszüge sind recht lückenhaft und unpräzise). 130 Speziell hierzu jetzt Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 82 (jene 160 Vasen überstiegen sogar die Zahl aus dem Inventar des Magnifico von 1492), S. 372 (c. 347r) mit dem Auszug eines Postens, der die Vasen enthielt, aus unserem Inventar und weiterer Literatur.

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aus jeweils Chalzedon, Plasma und Diaspor (deren Wert 22 Fiorini betrug), ein Bronzekruzifix, Novellen Boccaccios und ein Prachtexemplar Dantes an sich.131 Für 300 Fiorini konnte Caterina Sanseverino Orsini mehrere Vasen (di porcielane) erwerben, daneben aber auch anderes, wie für 413 Fiorini unterschiedlichste Haushaltsgegenstände (maserizie), die sie der Florentiner Medici-Erben-Bank übergab.132 Ihre Tochter Alfonsina sicherte sich für immerhin 200 Fiorini eine reich bestickte Brokatbettdecke aus dem Besitz ihres Mannes. Dessen Schwester Lucrezia beteiligte sich natürlich ebenfalls an dem Erwerb solcher Gegenstände und Güter (hier v. a. Hemden, Tücher usw.), während ihr Mann Jacopo Salviati in eigener und auf Rechnung seiner Seidengesellschaft handelte. Zu den Käufern gehörten mit den gleichen Intentionen weiterhin z. B. der berühmte Goldsticker Galieno di Michele Ricamatore mit seinem Bruder Guglielmo, Paolo Benci, Domenico Perini (der dann ab 1495 in Lyon für die dortigen Mediceer arbeiten wird), Andrea di Bernardo de’ Medici, Giovanni Pandolfini, Luigi della Stufa, Jacopo da Ricasoli, Puccio di Francesco Pucci, Francescos Bruder Soldo Cegia sowie die Söhne von Francesco Girolami (Raffaele) und Francesco Naldini (Naldino). Aus dem Kreis der evidenten Medici-Feinde dominierte wie erwähnt Jacopo di Tanai de’ Nerli, der sich diesen Triumph einiges kosten ließ: Für sage und schreibe 4.257, 18, 6 Fiorini, die ihm die Florentiner Medici-Erben-Bank zu bezahlen hatte, zog er 28 Silbervasen in seinen Besitz, ferner Pergamentausgaben von Dante, eines Kommentars zu Dante und eines Evangeliars, eine Herkules-Statue aus Bronze und noch einige kleinere Objekte.133 Bescheiden dagegen Piero Capponi, der für elf Fiorini Bekleidungsstücke kaufte. Es zeigt sich demnach, daß die Mediceer ihre Chance nutzten. Ihre Feinde treten bis auf den Nerli klar zurück. Dahinter stand eine Strategie, die nun sehr deutlich bei Lorenzo Tornabuoni zu Tage tritt. Die mit Abstand teuersten Partien gingen nämlich an Lorenzo Tornabuoni, wobei ihm, ohne das es hier jeweils explizit angegeben wurde, die wertvollsten Stücke als Bestandteil jener 42.000 Fiorini bzw. Dukaten gegeben wurden, mit denen er die Gläubiger der römischen Medici-Bank auszuzahlen hatte, oder in den Worten der Mediceer: mit denen die Tornabuoni diese Bank kaufen konnten. Eben diese Objekte haben seit langem das Interesse der Kunstgeschichte gefunden, da sich unter ihnen Gegenstände befanden, die dem Medici-Schatz entstammten und noch heute Weltruhm besitzen. Nicht von ungefähr wünschte sie ein Karl VIII. nach Betreten des Medici-Palastes als erstes zu sehen und erregten sie kurz darauf auch die Begierde eines Ludovico Sforza. Verzeichnet sind die Tornabuoni-Gegenstände nicht nur in dem bisher analysierten Gesamtinventar der verkauften Medici-Güter, sondern ebenfalls in summarischer Form im Register der Syndizi von 1495 sowie teilweise in einem Inventar jener Gegenstände, die aus dem Fundus Lo-

131 Vgl. den Auszug zum Posten mit den Pokalen bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 372 (c.

348r). 132 Ein Auszug bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 372 (c. 348v), mit weiterer Literatur. 133 Vgl. hierzu auch Grote, Formazione 1980, S. 143; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 326,

Doc. 171, Anm. 1.

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renzo Tornabuonis 1496 – d.h. gemäß dem benutzten Florentiner Stil zwischen dem 25.3.1496 und dem 24.3.1497 – nach Rom an Nofri Tornabuoni gesandt wurden.134 Diese Liste, die in der Forschung die größte Aufmerksamkeit erhalten hat, enthält also nur einen Teil der Güter, die Lorenzo laut Ausweis der Syndizi zwischen dem 9. Juli und dem 18. Dezember 1495 für die Liquidierung der römischen Bank zur Verfügung gestellt wurden. Da der gesamte Vorgang nicht nur für die Erhellung des Netzwerkes, sondern auch für dessen Arbeitsweise und Funktion wichtig ist, stellen wir die einzelnen Akte zwecks besserer Orientierung mit laufender Numerierung kurz zusammen. Von den Syndizi der Medici-Güter erhielt Lorenzo Tornabuoni als Bestandteil jener 42.000 Fiorini: 1. am 9.7.1495 insgesamt 39 Schmuckstücke bzw. Juwelen in einem durch Lorenzo Benintendi und Michelangelo da Viviano festgelegten Gesamtwert von 5.800 Fiorini (larghi d’oro); 2. am 16.7.1495 40 Pretiosen (Edelsteine, Kameen, Ringe, Ketten usw.), die von den beiden Genannten auf 1.546 Fiorini geschätzt wurden; 3. am 11.8.1495 349 Goldmünzen, denen man einen Wert von 3 Fiorini pro Stück zumaß, also insgesamt 1.047 Fiorini; 4. am 12.8.1495 vier Bettoberdecken aus Luxusstoffen (Seide, Brokat usw.), z. T. mit den Wappen der Medici und Tornabuoni bestickt, sowie einen aus drei Teilen bestehenden Bettvorhang im Gesamtwert von 858 Fiorini; 5. am 27.8.1495 50 Goldmünzen im Gesamtwert von 370 Fiorini sowie Hausrat im Gesamtwert von 2.000 Fiorini; 6. am 10.9.1495 eine Menge von 2.000 Silbermünzen mit einem Gesamtgewicht von 40 Pfund und 10 Unzen und einem Gesamtwert von 347, 1, 8 Fiorini; 7. am 4.11.1495 Bargeld im Wert von 1.000 Fiorini; 8. am 12.11.1495 die Weizenernte (frumenta) des Gutes von Monte Paldi mit einem nicht erklärten Wert; 9. am 19.11.1495 27 Vasen und Tassen (d.h. auch Gläser, Pokale, Becher, Schalen usw.) in drei Tresorkisten, die von Michelangelo da Viviano, Salvestrino del Lavacchio und Giovanni delle Corniuole auf einen Gesamtwert von 5.600 Fiorini geschätzt wurden; 10. am 7.12.1495 72 Goldmünzen mit einem Wert von 221 Fiorini; 11. am 9.12.1495 nicht näher bestimmte Sachen, die sich in der Hand der Nerli und des Cegino, also Francesco Cegias, befanden;

134 Vgl. neben Le collezioni medicee nel 1495 das jetzt von Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti,

S. 19f. (als Appendice I, mit reichem Anmerkungsapparat und älterer Literatur) gedruckte Inventar der „1496“ an Nofri Tornabuoni geschickten Güter („† 1496. Nota di gioie e vasi preziosi e altre robe datoci e’ Sindachi de’ Medici in defalcazione di fiorini 42 mila larghi d’oro che ci ànno a dare per la chompera della ragione de’ Medici di Roma; im Original: ASF, MAP LXXXII, doc. 119, c. 350r–351v, hier 351v); vgl. auch Bullard, „Hammering away at the Pope“, S. 394.

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12. am 18.12.1495 ohne Wertangabe alles Silber, über das noch Battista Pandolfini verfügte, mit dem sich Gianbattista Bracci geeinigt hatte.135 Der Gesamtwert dieser Güter betrug also mehr als 19.759 Fiorini, denn zumindest für das Silber Pandolfinis können wir auf bereits im Kontext der Denunziation von 1500/01 gewonnene Erkenntnisse rekurrieren. Pandolfini hatte im Dezember 1494 75 Vasen mit einem Gesamtgewicht von mehr als 127 Pfund Silber erhalten, wofür er der Kommune einen beim Monte angelegten Kredit von 1.000 Fiorini (larghi grossi) gab. Die im Juni beschlossene Rückgabe der Vasen war dann aber wegen der Anlage beim Monte dahingehend geändert worden, daß Gianbattista Bracci die Vasen und der Kredit übertragen werden sollte, der dem Pandolfini dafür die 1.000 Fiorini auszubezahlen hatte.136 Bracci hatte diesen Monte-Kredit auf 6.000 Fiorini erhöht, erhielt dafür nun Silbervasen mit einem Gewicht von nicht nur 127, sondern 600 Pfund und ließ den Kredit anschließend zu 14% Zins weiterhin für sich laufen, so daß dieser ihm innerhalb von sechs Jahren eine Zinsrendite von 5.000 Fiorini einbrachte. Die in den Besitz Tornabuonis gelangten Silbervasen aber dienten nominell immer noch als Sicherheit für den Monte-Kredit. Zusätzlich werden im Inventar der verkauften Medici-Güter, das den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1495 umfaßt, für den Tornabuoni ohne Datumsangabe aufgeführt: ein Besteck (42 Fiorini), eine Goldkette (132 Fiorini), zwei Stoffbilder (20 Fiorini), zwei Armbrüste aus Stahl (2 Fiorini), eine Armbrust aus Holz (14 Fiorini[!]) sowie eine Menge unterschiedlichsten Hausrats im Wert von 3.850 Fiorini, der für ihn an die Medici-ErbenBank in Florenz geliefert wurde.137 Ob diese Objekte ebenfalls der Liquidierung der römischen Bank dienen mußten, ist fraglich, da sie nicht wie die obigen von den Syndizi protokolliert worden waren, bei denen jede Partie pro conventione rationis de Roma galt. Aus diesem gewaltigen Bestand, der den größten Teil des über Jahrzehnte angesammelten Medici-Schatzes enthielt, sind die 80 Juwelen, Schmuckstücke und Kameen der 135 Vgl. das Gesamtinventar der bis zum 31.12.1495 verkauften bzw. übertragenen Medici-Güter in

ASF, MAP CXXIX, c. 345r–362v, hier c. 346r/v, 352r, die dortigen Angaben sind zu vgl. mit Le collezioni medicee nel 1495, jeweils unter den genannten Daten, denn für die oben unter Nr. 5 aufgeführten 50 Goldmünzen im Wert von 370 Fiorini (Merisalo, ebd. S. 63) wird z. B. im Inventar angegeben, daß die Dieci di Balìa sie (zunächst) erhielten (a.a.O., c. 346r); zu Nr. 1, 2, 4 und 9 vgl. auch Grote, Formazione 1980, S. 140–144; die einzelnen Stücke aus Nr. 1, 2, 4 und 9 entsprechen dem jetzt bei Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19f. (Appendice I) gedruckten Inventar der nach Rom zu Nofri Tornabuoni gesandten Objekte. Ein kleiner Auszug aus dem Gesamtinventar findet sich auch bei Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 371f., welche die Angaben jedoch nicht mit denen bei Merisalo abglichen und vor allem von den 80 Juwelen der Nr. 1 und 2 (9. und 16.7.1495), die sie als „a list of jewels and jewelry set with stones“ bezeichnen, nur sehr wenige zitieren, wobei sie den irrigen Eindruck erwecken, der Gesamtwert aller 80 Juwelen habe 1.546 Fiorini betragen. 136 S.o. S. 221–224. 137 ASF, MAP CXXIX, c. 346v, 352r, 354v–355r, 356r. Was in jenem inventario delle masserizie de’ Medici fehlte, wurde mit einer weiteren Liste erfaßt, die dann unwichtigere Dinge wie Hemden, Matratzen, Maultierdecken, Sättel, Feuerzangen usw. umfaßte; vgl. ASF, MAP CIV, doc. 40, c. 392r/v. Eine damit weitgehend identische Liste findet sich mit der Jahresangabe 1496 in MAP CXXIX, c. 384r/v.

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Nummern 1) und 2), die Bettdecken der Nr. 4) sowie die 27 Vasen der Nr. 9), die insgesamt einen deklarierten Wert von 13.804 Fiorini betrugen, laut einer 1496 angelegten Liste offenkundig noch im gleichen Jahr nach Rom an Nofri Tornabuoni gesandt worden. Unter diesen Gegenständen befanden sich Stücke von Weltruf: so etwa ein riesiger BallasRubin (aus der Nr. 1, der noch näher vorzustellende balascio tavola grande im Wert von 500 Fiorini) oder die antike (nach einem späteren Besitzer benannte), mit wunderschönen Kameen verzierte Tazza Farnese (aus Nr. 9), die einst auch Kaiser Friedrich II., König Alfons I. von Aragón/Neapel und Papst Paul II. besessen hatten.138 Von diesem hatte Lorenzo de’ Medici das Prunkstück 1471 erhalten; es war das kostbarste seiner Sammlung und hatte für ihn einen Wert von 10.000 Fiorini! 21 der Medici-Vasen der Nr. 9) hatte man im Dominikanerkloster von San Marco verwahrt, um sie dann auf Befehl der Signoria und der Syndizi zunächst Ende September 1495 zu den anderen in den Medici-Palast zu bringen. Danach wurde das Kontingent der 27 Vasen mit Anweisung vom 19. November 1495 jedoch nicht direkt dem Tornabuoni übergeben, sondern zunächst in zwei Tresortruhen in die Badia verlegt, also in die an der Piazza della Signoria gelegene Benediktinerabtei Santa Maria Assunta. Denn wegen einer Schuld der Medici beim Kardinal Francesco Todeschini Piccolomini waren die Syndizi als Rechtsnachfolger des MediciErbes vom Kardinal exkommuniziert worden; die Syndizi hatten diese Vasen als Sicherheit für die Gläubigeransprüche benutzen wollen. (Deshalb besaßen nicht nur sie einen Schlüssel für die Truhen, sondern ebenso der Prokurator des Piccolomini.)139 Bevor Lorenzo Tornabuoni über sie verfügen konnte, mußte erst das Problem der Exkommunikation gelöst werden. Dies gelang in den nächsten Wochen, denn laut Protokoll der Syndizi vom 9. Dezember war die Exkommunikation für nichtig erklärt worden, so daß die beiden Truhen nun zum Inventar gehören konnten, das Nofri Tornabuoni nach Rom geschickt wurde. Von Michelangelo da Viviano und seinen beiden Begleitern war ihr Inhalt freilich nur auf insgesamt 5.600 Fiorini geschätzt worden. Man sieht also gerade mit Blick auf die Tazza Farnese, daß der Wert der 27 Vasen – und sicherlich nicht nur ihrer! – viel zu niedrig angegeben worden war. Hinter dieser bewußten Wertminderung stand natürlich die Intention, eine größtmögliche Anzahl der wertvollen Stücke aus dem Medici-Schatz in die Summe der 42.000 Dukaten zu integrieren und den Medici und ihren Freunden den Rückkauf der Medici-Güter zugleich so leicht wie möglich zu machen. Dies war ein kluger Schachzug der Mediceer, die ihn sehr früh eingeleitet haben müssen. Denn als der lombardische Goldschmied Ambrogio oder Cristoforo Foppa, genannt Caradosso, Ende Januar 1495 für Ludovico Sforza in Florenz begann, den Medici-Schatz zu sichten und sich um den Erwerb lohnender Stücke zu bemühen, mußte er dem Moro vom manifesten Unwillen berichten, diese 138 Vgl. zu diesen beiden Objekten Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19, Nr. 1, S. 20, Nr.

108 und S. 8f., Abb. 6–7 (Tazza Farnese); zur Tazza Farnese jetzt ausführlich Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, etwa S. 92, 123, 128, mit zahlreichen Abbildungen, etwa Abb. 1, 2 auf S. 7, Abb. 101 auf S. 99 sowie die farbige Abb. Nr. 1. 139 Vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 83, 88; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 367–370, Doc. 261, 262, 265, 269, 271, 272.

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Florentiner Pretiosen in Mailänder Hände gelangen zu lassen; auch wollte ihm niemand Preise nennen. Außer den Mediceern lag daran natürlich auch Sammlern wie dem MediciFeind Jacopo di Tanai de’ Nerli. Sehr bemerkenswert ist nun aber, daß Caradosso sich einige Tage später auf die Reise nach Rom begab, weil er offenkundig gehört hatte, dort einige Kostbarkeiten vorfinden zu können. Vor dem 21. Februar suchte er in Viterbo den Mailänder Kardinal Ascanio Sforza auf. Ihm erzählt er, er habe sich in Florenz ‚die Sachen von Piero de’ Medici‘ anschauen wollen, doch die besten Stücke habe er nicht sehen können (zu welchen er nicht die Tazza Farnese zählte, die er sah, sondern antike Kameen und die großen Juwelen). Jemand aus dem Gefolge Ascanios informierte Caradosso dann, diese besten Stücke, die in Florenz fehlten, befänden sich nun auf Wunsch Pieros in Rom! Kardinal Ascanio selbst bestätigte, er habe in Rom den berühmten balascio (balasso) gesehen, womit er offenkundig den weithin bekannten balascio tavola meinte, der aus dem Besitz des Markgrafen von Mantua in den Medici-Schatz übergegangen war. Ihn hob Caradosso explizit in einem Brief an den Herzog von Mailand als eines jener kostbaren Stücke hervor, das ihm in Florenz nicht mehr gezeigt werden konnte.140 Als Caradosso am 23. Februar in Rom ankam, fragte er nach dem balascio, doch wurde ihm erwidert, er sei durchgesägt und verkauft worden, aber es gebe die Möglichkeit, daß er ihn sehen könne. Ob dies geschah, ist nicht bekannt, aber sehr zu bezweifeln.141 Diese Episode wirft einige spannende Fragen auf! Wie konnten in den Wochen nach November 1494 einige der kostbarsten Objekte wie jener balascio-Edelstein aus dem konfiszierten Medici-Schatz nach Rom gelangen? Lorenzo Tornabuoni hatte das erste Kontingent der Medici-Juwelen erst am 8. oder 9. Juli 1495 von den Syndizi erhalten, nachdem Michelangelo da Viviano ihren Wert auf 5.800 Dukaten geschätzt hatte. An der Spitze jener 39 Edelsteine aber stand uno balascio tavola grande lechato inn un chassone d’oro, also jener bereits vorgestellte, einst dem Markgrafen von Mantua gehörende riesige Ballas-Rubin mit seiner Goldeinfassung, der im Inventar der Medici einen Wert von 500 Fiorini zugewiesen bekommen hatte.142 Dies muß der 140 Vgl. Libro d’inventario (1992), S. 42 [c. 22v] (Uno balascio tavola fine leghato in ghambo

d’oro pulito – f. 500); ASF, MAP CXXIX, c. 345r (uno balascio tavola grande lechato inn un chassone d’oro, als erstes von weiteren 38 Stücken hiernach am 8.7.1495 an Lorenzo Tornabuoni übergeben); Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19, Appendice I, Nr. 1 (Uno balascio tavola grosso in castone und S. 36, Anm. 142 („Ha tutta l’aria d’essere ‚el balasso che fu del Marchexe de Mantoa, tavola‘, di cui nel febbraio 1495 riferiva da Firenze il Caradosso al Duca di Milano“). 141 Vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 174f. und S. 325–327, Doc. 169–174. 142 Auch Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 326, Doc. 173, identifizieren ihn mit dem großen Ballas-Rubin aus dem Inventar Lorenzo de’ Medicis von 1492, wo er ebenfalls als balascio tavola bezeichnet wird, allerdings in einer anderen Einfassung, einem goldenen Stiel oder Schaft (leghato in ghambo d’oro pulito), und wo er mit einem Wert von 500 Fiorini verzeichnet war; vgl. Libro d’inventario (1992), S. 42. Bis zum Juli 1495 hatte er offenkundig eine neue, kistenförmige Einfassung erhalten, vermutlich durch Michelangelo da Viviano, der solches des öfteren tat. Das problematische Kuriosum, daß der balasso vor Mitte Januar 1495 heimlich nach Rom in Sicherheit gebracht worden war, um dann vor dem 8. Juli mit den anderen Stücken wiederum nach Florenz transportiert zu werden, ist von Fusco/Corti nicht thematisiert worden.

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balascio gewesen sein, den der Sforza-Kardinal schon vor seiner Flucht aus Rom dort gesehen hatte. Denn Ascanio hatte die Kurie am 16. Januar verlassen, als der von ihm wenig geliebte Papst Alexander VI. nolens volens zu einer Einigung mit dem heranrükkenden Karl VIII. gefunden hatte.143 Wenn Piero de’ Medici die Versendung der Kostbarkeiten von Florenz nach Rom angeordnet hatte, dann könnte er schon Anfang Januar in Rom oder Umgebung gewesen sein, wo wir ihn in Begleitung der Orsini mit Sicherheit Ende Januar nachweisen können.144 Die Mediceer in Rom hatten den Mailänder Mittelsmann sicherlich hinters Licht geführt, denn verkauft und gar zersägt worden ist der BallasRubin nicht – und gewiß wird er ihn deshalb auch niemals in Rom zu Gesicht bekommen haben. Der Ballas-Rubin und die anderen Prunkstücke müssen jedoch in den folgenden Monaten wieder nach Florenz gebracht worden sein, wo sie dann im Juli 1495 als Teil der 42.000 Dukaten aus der Hand der Signoria in die von Lorenzo Tornabuoni gelangten. Erst nach dieser Form der Verrechnung alter Medici-Schulden mit ihren Pretiosen durften dessen einzelne Bestandteile von den Medici zurückgekauft werden. Für die oben unter Nr. 4) am 12. August ausgehändigten vier Bettoberdecken und den dreiteiligen Bettvorhang im Gesamtwert von 858 Dukaten wurde zum Beispiel von den Syndizi explizit festgelegt: Wenn der Medici-Kardinal sie für diesen Preis innerhalb von vier Monaten nicht wolle, dann müsse Lorenzo Tornabuoni sie für den festgelegten Preis zurückgeben – es fragt sich nur, ob, wann und zu welchem Preis er dies tat!145 (Da fast alle vom Tornabuoni gesicherten Stücke nach 1512 wieder im Medici-Schatz erschienen, konnten er und seine Helfer die Stücke während der Exilszeit für die Medici retten.146) Der vor allem bei den Juwelen und Vasen zu niedrig angesetzte Wert hatte mehrere Vorteile: Zum einen konnten die Mediceer mehr Stücke beanspruchen, zum anderen konnten die Medici ihr früheres Eigentum leichter wieder auslösen. Doch selbst wenn sie vorerst im Besitz von Lorenzo Tornabuoni blieben – aufgrund des wahren Wertes der Pretiosen konnten diese (wie schon seit 1482 durch Lorenzo de’ Medici, Filippo da Gagliano und die BartoliniBank praktiziert) als Sicherheit für wesentlich höhere Kredite eingesetzt werden, die unmittelbaren Interessen dienten, etwa auch der Rückeroberung von Florenz. Nur für das eigentliche Ziel, die Bedienung der Kredite, werden die Stücke kaum benutzt worden sein. Lorenzo Tornabuonis kühne Bereitschaft, die römische Medici-Bank zu liquidieren und damit käuflich zu erwerben: War sie im Grunde nichts anderes als ein genialer Plan, um seinen engen Verwandten zu helfen? Schon die Bilanzfälschung der römischen Bank durch seine Verwandten Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini hatte ihm und seinen 143 Vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 558f., 564 (erst Anfang März 1495 ist Ascanio Sforza

aus Viterbo Richtung Nepi und Rom aufgebrochen). 144 S.o. S. 328 145 Le collezioni medicee nel 1495, S. 60f. 146 Vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 172–174. Manches blieb eine Zeitlang (z. T. aber auch

für immer) in Rom, wo Papst Leo X. es z. B. 1520 Isabella d’Este bewundern ließ; der größte Teil, darunter auch die berühmte Tazza Farnese, kam nach Florenz zurück (sie ging durch eine Eheverbindung zwischen den Medici und Farnese Ende des 16. Jahrhunderts in den Besitz der Farnese über).

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Verbündeten Tausende von Dukaten eingebracht, da die Schulden der Bank größer bzw. die Gewinne und ihre Ansprüche als Gläubiger kleiner gemacht wurden als sie waren. Auf der Grundlage dieser Bilanz aber erhielt er die enorme Summe von 42.000 Dukaten; dieser Betrag wäre bei einer korrekten Bilanz erheblich niedriger ausgefallen. Ein kluger Schachzug der Mediceer – und zugleich konnte der Medici-Schatz für die Familie gerettet und für manch andere Aufgabe verwandt werden, weil es gelang, ihn in die zugesprochenen 42.000 Dukaten einzubinden. Darin bestand das eigentliche Ziel der Tornabuoni bei ihrer Bereitschaft, die römische Bank finanziell abzuwickeln und zu übernehmen!147 Und erst als die für sie vorteilhaften Modalitäten festgelegt worden waren, werden sie die bereits in Rom gesicherten Juwelen und sonstigen Stücke zurückbeordert haben. Diese und die antiken Münzen sollten auf eine andere Weise als von der Kommune intendiert finanzielle Vorteile bringen. Im Grunde waren die Möglichkeiten, die sich mit der Übernahme der kostbarsten Stücke aus dem Medici-Schatz boten, evident. Man konnte sie zum Beispiel an einen der vielen begierigen Höfe wie den in Mailand verkaufen, wenn dort die Preise akzeptiert worden wären. Doch eine solche Veräußerung der einzigartigen Prestigestücke, für deren Erwerb gerade Lorenzo de’ Medici und nicht zuletzt seine römischen Bankiers größte und zeitraubende Energien eingesetzt hatten, wird mit wenigen möglichen Ausnahmen keinem der Mediceer in den Sinn gekommen sein. Der Schatz in Lorenzo Tornabuonis Hand konnte (wie etwa die Bettdecken und -vorhänge) auch von den Medici zurückgekauft werden; aber wenn im gegenteiligen Fall keine Rückgabe an die Syndizi gefordert war, gab es dazu eigentlich keine Veranlassung, denn sie befanden sich ja gleichsam in der Familie. Weitaus sinnvoller mußte doch die dritte Möglichkeit erscheinen, nämlich die dafür geeigneten Objekte gemäß ihrem wahren, höheren Wert als Pfand für Kredite einzusetzen, mit denen die ja immer noch sehr agilen Medici-Firmen arbeiten und Gewinne machen konnten. (Auch dieses Prinzip war schon 1482 durch Lorenzo de’ Medici eingeführt worden, als er seine Florentiner Bartolini-Bank über Filippo da Gagliano für eben solche Zwecke Juwelen aus seinem Schatz kaufen ließ!). Auf diese Weise konnte Lorenzo Tornabuoni bzw. die hier tatsächlich involvierte Florentiner Medici-Erben-Bank einen (je nach Differenz zwischen Schätz- und wahrem Wert) erheblich höheren Betrag als 42.000 Fiorini erwerben, der nur bedingt den Gläubigern der römischen Medici-Bank zugute kommen mußte. Antike Kostbarkeiten konnten demnach wirtschaftlich eingesetzt werden, konnten gleichsam arbeiten, vor allem wenn sie aufgrund von Volumen und Material gut und sicher zu transportieren waren. Glas- oder Porzellanvasen werden für solche Zwecke verständlicherweise weniger in Frage gekommen sein als solche aus Schmucksteinen oder Silber sowie Juwelen und Münzen. In Francesco Cegias libro segreto können wir nun solche Finanzierungskünste beispielhaft und anschaulich verfolgen.

147 Dies hat schon sehr deutlich Grote, Formazione 1980, S. 142, formuliert.

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Beginnen wir mit jenen 349 Goldmünzen des Medici-Schatzes, die Lorenzo Tornabuoni am 11. August 1495 zu je drei Fiorini pro Medaille erhalten hatte.148 (Sie finden sich in Nr. 3 der obigen Liste; weitere Kontingente an Goldmünzen, die zu einer Gesamtzahl von 471 führten, bestanden am 27.8. aus 50 Stück im Wert von 370 Fiorini und am 7.12. aus nochmals 72 Goldmünzen im Wert von 221 Fiorini, oben Nr. 5 und 10.149) Die Partie von 349 Münzen bzw. ihren Wert von 1.047 Fiorini larghi grossi hatte Cegia in einem eigenen Konto seines Buches anzulegen und somit buchhalterisch zu verwalten. Die Syndizi hatten Lorenzo Tornabuoni aufgetragen, mit diesen 1.047 Fiorini den Gläubigern Gianfrancesco und Filippo di Ser Poggio Bracciolini 1.000 Fiorini larghi sowie Bartolomeo Lapi den Restbetrag (also 47 Fiorini) für dessen Kredit zurückzubezahlen.150 Der Tornabuoni beauftragte dann seinen ministro Domenico Alamanni, die Münzen in Cegias Gewahrsam zu geben, der sie wiederum in einem gesonderten Konto zu führen, in die genannte Summe Bargeldes umzuwandeln und Tornabuoni wie Alamanni gutzuschreiben hatte.151 Erstaunlich nur, daß bei keiner der Auszahlungen, die für dieses Konto genannt werden, die eigentlich als Begünstigte Vorgesehenen – also die Söhne des Poggio Bracciolini und Bartolomeo Lapi – genannt werden; statt dessen war fast immer Caterina Sanseverino oder ihre Tochter Alfonsina beteiligt. Doch damit nicht genug der Merkwürdigkeiten! In dem von Borgherini und Cattani erstellten bilancio der römischen Medici-Bank, der den Syndizi vorgelegt wurde, werden Gianfrancesco und Filippo di Poggio Bracciolini gar nicht erwähnt; und Bartolomeo Lapi wird mit einem Kredit von 1.028, 12, 11 Dukaten aufgeführt!152 Wieso die Syndizi, die ja auf der Grundlage der Bilanz handelten, andere Zahlen anführten, bleibt schleierhaft. Wenn aber die Bracciolini-Brüder gar keine Gläubiger waren, hätte der Tornabuoni nach Begleichung seiner übernommenen Schulden bei Lapi rund 1.000 Fiorini übrig gehabt, die ihm für andere Zwecke zur Verfügung gestan-

148 Vgl. für das Gesamtinventar ASF, MAP CXXIX, c. 345r–362v, hier c. 346v; Le collezioni

medicee nel 1495, S. 59; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 84–86 (im Inventar von 1492 sind die Goldmünzen nicht aufgeführt, bis 1465 sollen die Medici lediglich 100 Goldmünzen in ihrem Schatz gehabt haben), S. 168 und 354 (Doc. 233, „Gold and Silver Coins“). 149 Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 86, hatten nicht erkannt, daß die 50 Münzen vom 27.8., die laut Inventar zunächst an die Dieci di Balìa gegeben worden waren, an jenem Tag ebenfalls dem Tornabuoni pro computo der römischen Bank überreicht worden waren; sie kommen demnach nur auf eine Gesamtzahl von 421 statt 471 Goldmünzen. 150 Le collezioni medicee nel 1495, S. 59: „Item [die xi. Augusti 1495 prefati officiales etc.] deliberauerunt et deliberando concesserunt Laurentio Tornabuoni 349 medagle d’oro pro pretio Fioriniorum trium auri largorum in auro pro eo quod recipere debet pro conuentione rationis [Merisalo irrig: nationis] de Roma cum hec quod de pretio de’ dette medagle ditus Laurentius teneatur soluere seu ut uulgo dicitur „fa’gli buoni“ erede de Lorenzo de’ Medici et preditis propterea dare quod diti di Florentia sunt illorum debitores et diti heredes uigore presentis deliberationis soluant domino Iohanni Francischo et Filippo domini Poggi de Bracciolinis Fiorinios mille largos residuum uero quod superesset de ualore de’ dette medagle soluatur Bartolomeo de Lapis pro eo quod recipere debet a ditis heredibus et sociis del bancho. 151 Pampaloni, Ricordi, S. 205; vgl. auch (ohne daß dort die eigentlichen Bezüge deutlich werden) Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 334 (Doc. 233, „Gold and Silver Coins“). 152 Vgl. Sapori, Bilancio, Nr. 199.

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den hätten. Aus Cegias Buchführung wird nun allerdings deutlich, daß er und Lorenzo Tornabuoni die 1.047 Fiorini in mehreren Partien bis auf den letzten Denar vollkommen ausgaben – nur eben nicht an die Bracciolini und den Lapi! Deren Nennung in diesem speziellen Kontext wird man freilich der Tatsache zuschreiben dürfen, daß auch sie dem geheimen Kreis der Medici-Unterstützer angehörten. Gianfrancesco Poggio Bracciolini, der 1447 geborene jüngste Sohn des berühmten Humanisten Poggio Bracciolini, war zwar seit 1489 Kanoniker am Florentiner Dom, lebte jedoch als Kurialer in Rom. Ganz offenkundig trat er dort in Verbindung zum Medici-Kreis; im April 1497 schloß er sogar Wetten auf die Rückkehr Pieros nach Florenz ab.153 Als Konsequenz erfolgte im Juli 1500 durch die Florentiner Behörde der Otto di Guardia die Verbannung des messer Giovan Francesco di messer Poggio, dem die gewährte Appellation und seine Bitte um Barmherzigkeit jedoch nichts nützten.154 Eine erstaunliche Wendung, denn da sein Bruder Jacopo sich aktiv an der Pazzi-Verschwörung beteiligt hatte und deswegen an einem Fenster des Palazzo della Signoria erhängt worden war, war Gianfrancesco gleichsam mit einer kollektiven Familienstrafe ins Herzogtum Mailand verbannt worden, während sein anderer Bruder Filippo nur zu einer Kerkerhaft verurteilt und schon 1480 vom Magnifico begnadigt worden war.155 Bartolomeo di Apollonio Lapi hingegen war ein Schwager Nofri Tornabuonis und hatte wie dieser im Juni 1495 eine der Bürgschaften für Lorenzo Tornabuoni gestellt.156 Das Konto der 349 Goldmünzen bzw. ihres Gegenwertes aber erlebte in der Folge eine Dynamik ganz besonderer Art. Bereits einen Tag, nachdem die Syndizi über sie beschlossen hatten, schon am 12. August 1495 wurden Lorenzo Tornabuoni und Domenico Alamanni durch Cegia auf dem Konto der Medaillen die 1.047 Fiorini als Gegenwert für die von ihnen erhaltenen 349 Goldmünzen gutgeschrieben. Von diesem Konto bekam Tornabuoni über Alamanni noch am gleichen Tag 400 Fiorini in bar, die Cegia von der contessa Caterina Sanseverino erhalten hatte, um einen Teil der Goldmünzen zu bezahlen. Caterina wurde folglich mit diesem Betrag von 400 Fiorini als Gläubiger der Erben-Kasse einge-

153 S.u. S. 416. 154 Vgl. Schnitzer, Savonarola I, S. 436f; Guidi, Lotte II, S. 734f. (ohne Bezug zu den Medici);

Polizzotto, Elect Nation, S. 212f. (Gianfrancesco Poggio Bracciolini sei wegen Schmähung der Allianz mit Frankreich und der Florentiner Versuche zur Eroberung Pisas verurteilt worden; dies sei eine Rache der piagnoni an dem Savonarola-Gegner Bracciolini gewesen. Doch der Oberpiagnone Tommaso Tosinghi gehörte nicht nur 1500 zu den verurteilenden Otto di Guardia, sondern bereits 1497 bei der Sentenz gegen die fünf Medici-Anhänger um Lorenzo Tornabuoni. Ebenso wie sein Freund Francesco Valori, der 1498 von Simone Tornabuoni ermordet wurde, war Tosinghi ein erbitterter Medici-Feind – und die Unterstützung der Pisaner gehörte damals zu den zentralen Operationen der Medici-Partei.). 155 Vgl. Ferrajoli, Il ruolo della corte, S. 495–503, hier bes. S. 495f. (zu den Strafen gegen Jacopo und Gianfrancesco); Martines, Die Verschwörung, s.v. Jacopo Bracciolini; zu Filippo: Walter, Der Prächtige, S. 203. Zur Bindung Gianfrancesco an Giovanni de’ Medici als Papst Leo X. vgl. Ferrajoli, a.a.O., und jüngst Schimmelpfennig, Das Decretum Gratiani. 156 S.o. S. 160.

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tragen.157 Gleichfalls am 12. August zahlte Cegia von jenem Konto 100 Fiorini an Alamanni, d.h. nominell wieder an ihn und Lorenzo Tornabuoni; diese Summe hatte Cegia nun aber von Piero di Sidonio erhalten, der zusammen mit Bernardo di Paradiso Gläubiger dieser Summe wurde.158 Die nächsten Posten dieses Kontos betrafen den 5. September 1495. Mit einer Partie zahlte Cegia an Lorenzo Tornabuoni 100 Fiorini, die sich aus 52 Fiorini aus Cegias Besitz und 48 Fiorini (unterschiedlicher Währung) aus der Hand Caterina Sanseverinos zusammensetzten; Empfänger der Summe war Giovanni Cambi, der in Pisa wirkende Medici-Bankier.159 Die zweite Partie des 5. Septembers umfaßte wiederum 100 Fiorini, die ein gewisser, nicht mit seinem Nachnamen identifizierter Niccolò di Ruberto (vermutlich: degli Albizzi; weniger wahrscheinlich: de’ Nobili) Lorenzo Tornabuoni in seinen Palast brachte. Dieses Geld hatte Cegia über das Konto der Caterina Sanseverino von Alfonsina Orsini erhalten, welche es wiederum von der Argientina – wie ihre Mutter auch genannt wurde – geliehen bekommen hatte.160 Zu konstatieren ist also eine Reihe von Geldbewegungen, die über dieses Konto verrechnet werden und innerhalb eines relativ festen Personenkreises verlaufen. Sie korrelieren mit politischen Kontexten. Wir befinden uns im ereignisreichen September 1495. Am 12. September 1495, wir nähern uns also wieder dem Fluchtdatum der Alfonsina Orsini, registrierte Cegia für das „Konto der Medaillen“, daß dieses 900 Fiorini zu erhalten habe, die dem Wert von 300 Goldmünzen entsprächen, welche per conto der Alfonsina an Piero de’ Medici geschickt worden seien, weshalb Alfonsina mit 900 Fiorini in ihrem Konto als Schuldnerin erschien. Darunter notierte er dann die restlichen 147 Fiorini als Gegenwert der übrigen 49 Münzen, die später, am 8. Januar 1496, mit dem Goldschmied Michelangelo da Viviano verrechnet wurden.161 Alfonsina selbst hatte von Cegia am 12. September 548 Fiorini erhalten, die Cegia aus seiner Kasse mit Bezug auf die Goldmünzen im Auftrag von Caterina Sanseverino an deren Tochter zahlte, weshalb Caterina über diesen Betrag zur Schuldnerin wurde.162 Am 16. September schließlich versprach Cegia Lorenzo 157 Pampaloni, Ricordi, S. 205f.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354 (Doc. 233, „Gold and

Silver Coins“ [10 left, 11 right]). 158 Pampaloni, Ricordi, S. 205f.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354 (Doc. 233, „Gold and

Silver Coins“ [10 left]). 159 Pampaloni, Ricordi, S. 205f.; vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354 (Doc. 233, „Gold

and Silver Coins“ [10 left]). 160 Pampaloni, Ricordi, S. 205f.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354 (Doc. 233, „Gold and

Silver Coins“ [10 left]). Laut Liste der in den Tratte mit diesen Vornamen verzeichneten Personen dürfte es sich mit Blick auf das Jahr und die soziale Nähe um den 1454 geborenen, bis mindestens 1512 lebenden Niccolò di Ruberto di Giovanni di Tedice degli Albizzi gehandelt haben, aus dessen Familie zudem Lorenzo Tornabuonis Ehefrau stammte, kaum noch um den zwischen 1451 und 1494 in den Tratte bezeugten Niccolò di Ruberto de’ Nobili, während ein im gleichen Zeitraum erwähntes Mitglied der Familie Albizotti wegen der bisher nicht erkennbaren Verbindung dieser Familie zu den Mediceern nicht in Frage kommen wird; vgl. Tratte, s.v. 161 Pampaloni, Ricordi, S. 203, 205, 213; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354f. (Doc. 233, „Gold and Silver Coins“ [10 right, 18 left]). 162 Pampaloni, Ricordi, S. 203, 205 (dort Druckfehler „58“ statt „548“). Über Cegias und Tornabuonis Kasse liefen umgekehrt auch Zahlungen Alfonsinas an ihre Mutter; so wurden für den

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Tornabuoni schriftlich, diesem 347 Fiorini zu zahlen, falls Alfonsina Orsini in den folgenden sechs Monaten diese Summe nicht zurückzahlen sollte, über die Lorenzo als debitore delle medaglie Gläubiger sei.163 Das bedeutet: Francesco Cegia besaß zwar die Goldmünzen, doch kein deren Wert entsprechendes Bargeld. Dieses erhielt er von mehreren befreundeten Personen, vor allem von der Gräfin Caterina Sanseverino Orsini, um es sogleich über Domenico Alamanni oder Giovanni Cambi an Lorenzo Tornabuoni weiterzuleiten, wobei die Verwendungszwecke nicht erläutert werden. Bis einschließlich 5. September sind dies stattliche 700 Fiorini. Am 12. September freilich wird das als Sicherheit dienende Sachwertkapital im Wert von 900 Fiorini auf Anweisung von Alfonsina Orsini fast vollständig zu Piero de’ Medici transferiert. Zugleich läßt Caterina Sanseverino ihrer Tochter über diese geheime Kasse, die man offensichtlich als eine der Florentiner MediciErben-Bank bezeichnen darf, 548 Fiorini auszahlen. Alfonsina wiederum wird in jenem Münzkonto für den 16. September mit 347 Fiorini zur Schuldnerin des Lorenzo Tornabuoni erklärt, als Bürge tritt jedoch gleichsam die Erben-Bank selbst auf, nämlich Cegia als einer ihrer klandestinen Kassenverwalter. So schemenhaft die zahlreichen, vom Konto der 349 Goldmünzen ausgehenden Finanzierungsvorgänge bleiben – aber gerade dies spricht für sich und muß deshalb zumindest rekonstruiert werden –, so deutlich wird doch, daß jene 1.047 Fiorini keineswegs den Gläubigern der römischen Medici-Bank zugute kamen, denn die offiziell deklarierten gehörten zu den Freunden und machten offenbar nur zum Schein Ansprüche geltend. Nachdrücklich drängt sich vielmehr die Vermutung auf, daß jenes Kapital den Finanzbedürfnissen der verbannten Medici und ihres Anhangs diente, etwa der Flucht von Alfonsina Orsini, aber auch den seinerzeitigen Umsturzvorbereitungen der Medici. Der beträchtliche Betrag von 900 Fiorini wurde am 12. September 1495, also im offenkundigen Vorfeld der Flucht Alfonsina Orsinis, auf Anordnung Alfonsinas an Piero geschickt, möglicherweise nach Siena, wo Piero damals mit Unterstützung der Sienesen Truppen sammelte, die von Paolo und Virginio Orsini geführt wurden.164 Was hier gegen Eid und Staatsinteressen betrieben wurde, war ein umfassender Betrug unter Lebensgefahr. Durch eine Verknüpfung weiterer separater Buchungsposten Cegias kann dieses Resultat nochmals bestätigt und veranschaulicht werden. Monate später, am 22. März 1496, gingen von diesem Konto der Goldmünzen nochmals 250 Fiorini an Lorenzo Tornabuoni, wobei Cegia 150 Fiorini an Giovanni Cambi und 100 Fiorini an Francesco Ghori auszahlte; auch dieses Geld hatte Caterina Sanseverino dem Cegia zur Verfügung gestellt.165 Die von der Gesamtsumme der 1.047 Fiorini 5.9.1495 zwei Fiorini auf Alfonsinas Schuldenseite verbucht, die sie über Cegia an Caterina zahlen ließ, die dann offenbar das Geld an Andrea Cardiere für die piati (Verträge oder Dokumente in einem Rechtsstreit) des Carlo Borromei weiterleitete; ebd. S. 203f. 163 Pampaloni, Ricordi, S. 205. 164 Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 165, Anm. 2; ausführlicher zu diesem politischmilitärischen Kontext oben S. 342–344. 165 Pampaloni, Ricordi, S. 205, 218; nur partiell erfaßt von Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 355 (Doc. 233, „Gold and Silver Coins“ [22 right]).

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noch verbliebenen 97 Fiorini wurden Lorenzo Tornabuoni ohne genauere Angaben gutgeschrieben oder ausgezahlt.166 Als Francesco Ghori für Lorenzo Tornabuoni am 22. März 1496 von Cegia aus dem Konto der Medaillen jene 100 Fiorini erhielt, die Caterina Sanseverino der Geheimkasse zur Verfügung gestellt hatte, wird zwar nicht gesagt, daß dieses Geld dem Exilierten-Kreis dienen sollte. Doch indirekt finden wir es an anderer Stelle fast erläutert. Denn Ghori hielt sich im Auftrag von Alfonsina Orsini am 22. März bei Lorenzo Tornabuoni in Rom auf. Dabei bekam er eben nicht nur jene 100 Dukaten aus der Kasse Cegias, sondern weitere zehn Fiorini, die Alfonsina als Schuld angeschrieben wurden und die zur Begleichung von Zöllen (ghabella) und anderen Spesen dienen sollten, die beim Transport gewisser Tuchlieferungen (zweier some di balle) nach Rom anfielen, wo Alfonsina sich häufig im Orsini-Palast nahe der Engelsbrücke aufhielt.167 Man wird somit behaupten dürfen, daß Caterina Sanseverino die 100 Fiorini im März 1496 für ihre Tochter zur Verfügung stellte und daß deren Vertrauter Francesco Ghori die Summe mitsamt den Tuchen zu ihr nach Rom brachte. Francesco Ghori da Pescia war im übrigen schon für den März 1495 als Intimus der Alfonsina Orsini in den buchhalterischen Notizen Cegias erschienen, als er seine Reise zu Carlo Borromei in Rom finanzierte, bei der es um das rechtliche Problem von Alfonsinas Aussteuer ging.168 Nachdem Alfonsina Orsini aus Florenz geflohen war, kommt nun in den Aufzeichnungen des Francesco Cegia neben ihrer Mutter Caterina Sanseverino seit Januar 1496 eine dritte zentrale, einflußreiche Frauengestalt ins Spiel, Lucrezia de’ Medici Salviati, die ältere Schwester der exilierten Brüder und seit 1481 (mit elf Jahren) Ehefrau des Jacopo Salviati. Am 2. Januar 1496 hatte sie den Medici-Erben über Francesco Cegia 300 Fiorini geliehen, der sie Lorenzo Tornabuoni überreichen sollte, per avere da llui la tazza.169 Diese tazza di chalcedonio intagliata war kein geringeres Objekt als die berühmte Tazza Farnese, das teuerste Stück der Medici-Sammlung – vom Magnifico auf 10.000 Fiorini geschätzt –, die Tornabuoni Mitte November 1495 zusammen mit 26 weiteren Vasen in zwei Tresorkisten von den Syndizi erhalten hatte, alles vorher auf lediglich 5.600 Fiorini geschätzt. Francesco Cegia sollte die Tazza Farnese in Verwahrung nehmen und als Pfand einsetzen dürfen, nicht nur für jene 300 Fiorini, sondern auch für eine größere Summe von insgesamt 800 Fiorini, die Cegia dem Tornabuoni am 8. Januar 1496 in bar über Domeni166 Pampaloni, Ricordi, S. 205, 220.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 355 (Doc. 233, „Gold and

Silver Coins“ [24 right]). 167 Pampaloni, Ricordi, S. 214, 218. In jener Zeit gab es noch weitere Sendungen an Alfonsina in

Rom. 168 S.o. S. 331f. 169 Pampaloni, Ricordi, S. 210f.; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 357 (Doc. 233, „Tazza Farne-

se“ [16 right; irrig: 16 left, denn der dortige Posten vom 11.1.1496 hat nichts mit den am 2.1. verliehenen 300 Fiorini zu tun, vielmehr gab Lucrezia dem Cegia am 11.1. 250 Fiorini für mehrere Schmuckstücke, Bilder und Bücher, die Cegia von den Syndizi erworben hatte]). Zur Eheschließung zwischen Lucrezia und Jacopo Salviati: Guidi Bruscoli, Politica matrimoniale, S. 365; vgl. Walter, Der Prächtige, S. 202 (beide heben die feste, loyale Bindung dieses Zweiges der Salviati-Familie an das Haus Medici hervor, die auch durch die Beteiligung einiger Salviati an der Pazzi-Verschwörung nicht in Frage gestellt worden sei).

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co Alamanni (700 Fiorini) und Galeazzo Sassetti (100 Fiorini) auszahlte. Insgesamt sollte Cegia dem Tornabuoni jedoch 1.500 Fiorini zahlen; bis dahin blieb Lorenzo ihm die 800 Fiorini schuldig. Erst nach Zahlung der 1.500 Fiorini stände Cegia die Tazza zur freien Verfügung, die Galeazzo Sassetti solange für Cegia verwahrte. Für die Deckung dieser größeren Summe dienten bereits die 300 Fiorini, die Lucrezia Salviati ihm am 2. Januar geliehen hatte. Am 13. Februar erhielt Cegia dann über eine Vereinbarung mit Galeazzo Sassetti Juwelen im Wert von 800 Fiorini für jenen Betrag, den ihm der Tornabuoni immer noch schuldig war. Doch selbst wenn das Pfand in Cegias Hand war, wollte nicht nur Lucrezia Salviati, sondern auch Kardinal Giovanni de’ Medici darüber befinden.170 Zu ihm wird sie vermutlich mit den anderen Vasen gebracht worden sein, denn der Maler Baldassare Peruzzi fertigte ca. 1510/11 ein Abbild der Tazza Farnese an.171 Nicht nur durch Lorenzo Tornabuonis „42.000 Fiorini-Coup“ fanden wertvolle Güter des veräußerten Medici-Haushaltes ihren Weg zu den Eigentümern zurück. Francesco Cegia hatte wie schon erwähnt als einer der Mediceer-Käufer Kunstwerke wie das von Fra Filippo gemalte Bild des Hl. Hieronymus für einen Fiorin sowie eine Bibel in volgare auf Pergament mit Miniaturen, ein Werk von Dante auf Pergament mit Miniaturen und die cento novelle des Boccaccio erworben, alle Bücher zusammen auf gut 14 Fiorini veranschlagt. Zusätzlich hatte er drei Tassen bzw. Vasen im Wert von 22, 4 Fiorini von den Syndizi gekauft. Bild und Bücher übergab er Lucrezia Salviati am 11. Januar 1496 für deklarierte 14 Fiorini als Sicherheit zusammen mit Juwelen, die dann am 2. August 1496 mit weiteren Posten verrechnet wurden.172 Das Bild, auf dem neben Hieronymus auch der Hl. Franz (von Assisi) gezeigt wurde, war im Medici-Inventar von 1492 im übrigen auf 10 Fiorini geschätzt worden.173 Die drei Steinvasen bzw. tazze aber gingen einen etwas anderen Weg. Sie waren aus Chalzedon di Magnia(!) (lies: aus Magma), aus Plasma (einer Jaspis-Varietät) und aus Diaspor bzw. Amatist gefertigt. Cegia, der für sie 22 Fiorini als Forderung für sich in seinem Rechnungsbuch verbuchte, gab sie nach dem Kauf dem Goldschmied Michelangelo da Viviano zur Verwahrung, der sie auf mehr als 100 Fiorini schätzte – also das Vier- bis Fünffache dessen, was Cegia bezahlen mußte. Er erlaubte dem treuen Mediceer-Künstler, mit den Vasen nach dem Willen von Lucrezia Salviati zu verfahren. Sie erteilte nun Michelangelo den Auftrag, die tazza di plasma für 16 Fiorini mit einem Silberfuß zu verschönern und diesen dann für weitere 2 Fiorini zu vergolden, um danach alle drei Stücke leihweise Lorenzo Tornabuoni zu überlassen, der sie schließlich mit weiteren Vasen nach Lucca (an die Buonvisi) schickte. Für das Konto der drei tazze konnte Cegia dann auf einem Gewinn-Konto seines Rechnungsbuches 40 Fiorini 170 Pampaloni, Ricordi, S. 212; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 169, 357 (Doc. 233, „Tazza

Farnese“ [15 right, 17 left/right, 24 left]). 171 Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 169. 172 ASF, MAP CXXIX, c. 348r (dort in einer Partie die Bibel für 8, 15, 3 Fiorini, das Bild für einen

und die drei Tassen bzw. Vasen für 22, 4 Fiorini), 356r (für den Dante- und Boccaccio-Band verlangten die Syndizi 5, 11 Fiorini von Cegia); vgl. seine entsprechenden Einträge in Pampaloni, Ricordi, S. 211, 215f. (di Magnia), 226. 173 Libro d’inventario (1992), S. 53, 57.

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verbuchen.174 Wie dieser Gewinn realisiert wurde und wer Cegia seine Auslagen bezahlte, erfahren wir von ihm nicht. In Lucca aber sind sie sicherlich über die Buonvisi entweder als Pfand oder unmittelbar zur finanziellen Unterstützung der Exilierten benutzt worden, bevor sie dann vermutlich nach Rom in den Medici-Haushalt gebracht wurden. Auch die neben der Tazza Farnese wertvollsten Objekte aus dem Posten der 27 Vasen, die dem Tornabuoni im November bzw. de facto erst im Dezember 1495 als Bestandteil der 42.000 Dukaten übertragen worden waren, wurden noch in Florenz in Bargeld für die Kassen der Mediceer – nicht ihrer Gläubiger – umgewandelt. In zwei Partien hatte Francesco Cegia bis zum 24. März 1496 500 Fiorini von Lorenzo Tornabuoni aus der Hand Michelangelo da Vivianos für die Bargeldkasse erhalten. Cegia hob bei der zum 20. April 1496 vorgenommenen Verbuchung dieses Eingangs besonders hervor, daß der Tornabuoni ihm für die 500 Dukaten auf sein Verlangen Vasen zu jenem Preis zur Verfügung stellen müsse, den die Syndizi festlegten, als er die Vasen für die Liquidierung der römischen Medici-Bank erhalten hatte.175 Auch diese Vasen werden als Pfand für Bargeld eingesetzt worden sein, und wahrscheinlich nicht nur dieses Mal, da Cegia nicht an der Spitze der Finanzfachleute dieses Florentiner Untergrund-Netzwerks stand. In den nicht erhaltenen ricordi eines Lorenzo Tornabuoni oder Gianbattista Bracci würden wir sicherlich weitere, noch aussagekräftigere Konten dieser Art finden. Das Spektrum der Beteiligten ist allerdings nicht auf die bisher Genannten begrenzt. Auch wandelt sich die offenbar für lange Zeit einseitige Richtung der Finanztransfers; diese werden gleichsam bilateral. Das Geld fließt nun auch von den Exilierten nach Florenz. Offenbar als Gegenwert für jene 800 Fiorini, die Cegia wegen der Tazza Farnese als Barzahlung Anfang Januar für Lorenzo Tornabuoni verbucht hatte, erhielt er zwischen dem 30. Dezember 1495 und dem 7. Januar 1496 für seine Bargeldkasse mehrere Einzelbeträge, die in der Summe genau 800 Fiorini ergaben. Am 30. und 31. Dezember sowie am 7. Januar bekam Cegia bzw. dann Lorenzo Tornabuoni vom Medici-Kardinal über dessen fattori Francesco dello Scarfa und Mante da Santa Maria Impruneta insgesamt 430 Fiorini (darunter bemerkenswerterweise vier französische Corone di sole), per paghare per chonto di monsignore; dazu kamen die erwähnten 300 Fiorini von Lucrezia Salviati und 70 Fiorini von Cegia selbst.176 Eine Kooperation zwischen Giovanni de’ Medici und seiner Schwester Lucrezia liegt hierdurch auf der Hand und verliert jeden Zweifel durch Lucrezias Zusendung zahlreicher Schmuckstücke an ihren Bruder, die sie am 15. März 1496 von Cegia erhalten hatte.177 Ob einige dieser Schmuckgegenstände aus dem Kontin-

174 Pampaloni, Ricordi, S. 209, 214, 216f.; vgl. auch Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 169, 356f.

(Doc. 233, „Three Hardstone Vases“). Cegia gab in seinen ricordi als Material einer der Vasen Amatist an, während es im Inventar (ASF, MAP CXXIX, c. 348r) als diaspro bezeichnet wird. 175 Pampaloni, Ricordi, S. 219, 224; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 169, 357 (Doc. 233, „Other Hardstone Vases“). 176 Pampaloni, Ricordi, S. 210f. 177 Pampaloni, Ricordi, S. 222f. Im einzelnen handelte es sich um una anchonetta d’ariento dorato chon uno smalto d’oro nel mezo, 4 zaffini [zaffirii], 4 granati, 8 perle pichole, una anchonetta

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gent derjenigen stammten, die Lorenzo Tornabuoni aus dem konfiszierten Medici-Besitz mit einem geschätzten Gegenwert von 5.800 Dukaten und 1.546 Fiorini larghi d’oro am 9. und 16. Juli 1495 zur Gläubigersatisfaktion bekommen hatte, ist eher fraglich.178 Doch unabhängig davon: Ungefährlich war diese Art der Verständigung zwischen den Geschwistern nicht; vor allem ist sie für die Exilsbewältigung ein sehr entscheidendes Element, gerade mit Blick auf Lucrezias Mann Jacopo Salviati und dessen noch anzusprechende Position in Florenz zwischen 1494 und 1512. Für das Konto von Alfonsina Orsini hatte Cegia einige Tage vor dem 23. November 1495 bereits 70 Fiorini von Giovanni Cambi erhalten, die Cegia dann für Alfonsina an Cambi in Siena senden sollte.179 Aufschlußreich und das Netzwerk erweiternd ist die folgende Zuwendung. Für den 22. März 1496 verbuchte Cegia 300 Fiorini, die der Luccheser Kaufmann Benedetto Buonvisi zur Verfügung gestellt bzw. geliehen hatte. Instruktiv sind gewisse Details dieses Kredites. Cegia schrieb ihn dem Konto seiner Bargeldkasse gut, der cassa dei contanti, das er direkt unter einem Kontoeintrag für die ‚Erben des Lorenzo de’ Medici und Gesellschaft der neuen Bank von Florenz, in welcher Lorenzo Tornabuoni Partner ist‘ führte. Das war eine sachlich sinnvolle Entscheidung, denn die 300 Fiorini sollten konkret mit der einen Hälfte ‚über die Hände’ des Giovanni Cambi dem Cegia persönlich sowie mit den anderen 150 Fiorini von Cambi über Cegia an Lorenzo Tornabuoni gegeben werden. Da sie insgesamt aber für Cegias Bargeldkasse verbucht wurden, erhalten wir hier eine anschauliche Bestätigung, daß Cegia diese Kasse für den Tornabuoni, d.h. für die seit der Exilierung der Medici als neu bezeichnete Florentiner Medici-Erben-Bank führte. Als Sicherheit hatte Cegia dem Buonvisi dafür bis zum 12. März durch Francesco Naldini 48 Goldmünzen unterschiedlicher Prägung (mit 11½ Unzen Gewicht), 2.000 Silbermünzen (di peso di libbre 21, once 7, denari 18) sowie einen orientalischen ‚Kieselsmaragd‘ (smeraldo ciotolo leghato in oro alla turchescha) im Wert von ca. 80 Dukaten bzw. 50 Fiorini d’oro larghi zugesandt.180 Die 48 Goldmünzen stammten aus dem Kontingent der bereits angesprochenen 349 Goldmünzen, von denen 300 im Wert von 900 Fiorini am 12. September 1495 an Piero de’ Medici geschickt worden waren. Der Unterposten von 49 Goldmünzen ergab sich, weil zu ihm neben den 48 Münzen auch ein fiorino pisano vechio gehörte, der nicht immer eingesetzt wurde und eben auch hier unberücksichtigt blieb. chon un Volto Santo d’ariento dorato, una anchonetta tonda d’oro bella chon 8 balasci e 16 perle e fiori e una Nostra Donna dipinta, choperta di cristallo. 178 Vgl. ASF, MAP CXXIX, c. 346r; allerdings ist eine Identifizierung aufgrund der entweder zu allgemeinen oder zu unterschiedlichen Stückbeschreibungen nicht zweifelsfrei möglich. 179 Pampaloni, Ricordi, S. 204, 210. 180 Pampaloni, Ricordi, S. 217, 223; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 168, 354f. (Doc. 233, „Gold and Silver Coins“ [12 left/right, 22 left, 25 right, 27 left/right, 32 right]. Aufschlußreich, daß Cegia das Konto der Bargeldkasse unmittelbar unter dem für die Florentiner Medici-ErbenBank aufführte, die er als Rede di Lorenzo de’ Medici e chompagnia della ragione nuova di Firenze, dov’è chompagno Lorenzo Tornabuoni bezeichnete. Er bestätigt somit, daß der Tornabuoni Partner dieser Bankgesellschaft war und daß diese Erben-Bank nach der Exilierung der Medici als neue Gesellschaft verstanden wurde.

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Die 2.000 Silbermünzen aber entsprechen nur in der Zahl, nicht im Gewicht und Wert denen, die Lorenzo Tornabuoni am 10. September 1495 von den Syndizi für die Abwicklung der römischen Medici-Bank erhalten hatte. Diese 2.000 Silbermünzen hatten ein Gewicht von 40 Pfund und 10 Unzen mit einem Gesamtwert von 347, 1, 8 Fiorini.181 Die (zunächst irritierende) identische Zahl an Silbermünzen, die Cegia dem Buonvisi als Sicherheit gab, stammte hingegen aus einem anderen, größeren Kontingent. Im Januar und Februar 1496 hatte Cegia 2.621 Silbermünzen mit einem Gewicht von 28 Pfund und acht Unzen im Wert von 243 ¾ Fiorini verzeichnet, die Michelangelo da Viviano ihm Anfang Januar übergeben hatte, sowie jene 49 Goldmünzen, d.h. 48 und einen fiorino pisano vechio, im Wert von 147 Fiorini, die er mit einem Gesamtwert von 400 Fiorini berechnete.182 Bei diesen Silbermünzen unterschiedlicher Prägung konnte deshalb für 2.000 Münzen (nur) ein Gewicht von 21 Pfund, sieben Unzen und 18 Denaren und ein Gesamtwert von 184, 10 Fiorini errechnet werden. Woher Michelangelo diese zweite Partie Silbermünzen hatte, wie sie in seine Hände kam, ist bisher nicht zu eruieren; sicherlich aber stammte sie ebenfalls aus dem Medici-Schatz. Caradosso hatte seinem Mailänder Patron am 9. Februar 1495 berichtet, bei seiner Sichtung der ‚Sachen Pieros‘ 3.000 Silbermünzen gesehen zu haben.183 Diese möglicherweise auf Schätzung, nicht Zählung beruhende Zahl nähert sich jedenfalls der von 4.621 Silbermünzen an, die sich Anfang 1496 in Lorenzo Tornabuonis Besitz befanden. Mit Sicherheit können wir daher nur für die 48 Goldmünzen und mit großer Wahrscheinlichkeit für den Smaragd – der Tornabuoni hatte am 9.7.1495 u. a. sechs Smaragde für die Liquidierung erhalten – feststellen, daß das Geld der Medici-Gläubiger in dieser Form für die Mediceer arbeitete, und daß dadurch im März 1496 eine Summe von 300 Dukaten für deren Kasse verbucht wurde! Auffällig erscheint, daß Giovanni Cambi wiederum genau am 22. März 1496 von Cegia 150 Fiorini vom Konto der Medaillen erhalten hatte.184 Dahinter stand vermutlich mehr als ein Geldkreislauf. Denn vor dem Hintergrund der intensivierten Finanzbewegungen in jenen Wochen wurde den Florentiner Dieci di Balìa klar, daß auch und gerade die römische Medici-Bank unter Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini ein Zentrum für die verstärkten kriegerischen Aktivitäten der Medici bildete. Das Netzwerk der für die 181 S.o. S. 369, Nr. 6 unserer Liste; Fusco/Corti haben das Gesamtinventar der Medici bei den

Silbermünzen, die Lorenzo Tornabuoni erhielt, nur unvollständig wiedergegeben oder nicht lesen können (da die Gesamtzahl in Form eines „m“ mit hochgestellter „II“ nur schwach am linken Rand des dort leicht verderbten Blattes zu erkennen ist) und sprechen daher unpräzise von „a group of silver coins worth approximately 347 Fiorinis“, die sie dann irrigerweise als Teil eines ganz anderen Kontingentes von 2.621 Silbermünzen ansehen, das sich ebenfalls in der Hand Tornabuonis und Cegias befand, aber offenbar nicht für die römische Bank bestimmt war. Die Gesamtzahl der Silbermünzen betrug demnach 4.621 und nicht 2.621, wie Fusco/Corti behaupten; vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 168, 372 (Doc. 278, [346v]). 182 Pampaloni, Ricordi, S. 213, 221; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354 (Doc. 233, [18 left, 25 left]). 183 Vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 325f., Doc. 171. Im Gesamtinventar konnte ich die minderwertigeren 2.621 Silbermünzen und ihren Käufer nicht finden. 184 S.o. S. 378.

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Medici heimlich aktiven Bankiers verdichtete sich, was sich auch durch den weiteren Weg dieses Geldes illustrieren läßt. Einige Zeit vor dem 2. August 1496 hatten Giovanni Cambi und Francesco Naldini die 300 Fiorini für Benedetto Buonvisi auf ein Konto der Pisaner Medici-Bank eingezahlt, das ausdrücklich als Hilfskonto für die leiblichen MediciErben eingerichtet worden war (per uno chonto a parte per aiutarli) – auch hier zeigt sich somit die funktionale Bedeutung des von der Florentiner Herrschaft befreiten Pisa. Zum 2. August sollte und wollte Buonvisi nun über dieses Hilfskonto das Geld den exilierten Medici zukommen lassen, wie er Cegia schriftlich mitteilte; die ihm als Sicherheit gegebenen Gold- und Silbermünzen sowie den Smaragd konnte er zurückschicken.185 Der in Lucca mit seiner ganzen Familie durch seine wirtschaftliche und politische Macht so einflußreiche Benedetto Buonvisi bildete somit einen Knotenpunkt in diesem Finanzgewebe, von dem aus intensive Beziehungen nach Pisa, Florenz und zu den jeweiligen Aufenthaltsorten der exilierten Medici und ihres Anhangs (Rom, Bolsena, Siena v. a.) unterhalten wurden. Die auffallend starke Einbindung Benedetto Buonvisis in das klandestine Finanzgeflecht der Florentiner Medici-Erben-Bank hat natürlich Gründe. Der vor 1450 geborene Benedetto Buonvisi, der mit seinen Brüdern ein wahres Handels- und Bankenimperium aufbaute und zugleich die Politik Luccas bestimmte, gehörte schon zu den engeren Freunden von Lorenzo de’ Medici. Nach dem Tod des Magnifico bezeichnete er sich als dessen Klient, rühmte ihn in einem Kondolenzbrief an Piero de’ Medici als seinen maestro et padrone, dessen Verlust ihn genauso schmerzte wie der seines eigenen Vaters.186 Was Benedetto di Lorenzo Buonvisi nach 1494 für die exilierten Medici und ihre Freunde leistete, ging weit über eine Ehrenbezeugung gegenüber dem verstorbenen Magnifico hinaus; was wir in dieser Studie sehen, erscheint vielmehr wie das Handeln eines eng befreundeten Verwandten, der die bedrohten Familienmitglieder und deren Anhang beschützt. Die Handelsgesellschaft der Buonvisi aus Lucca, die von der stark auf Florenz, zum Teil auch auf Rom bezogenen Medici-Forschung kaum in den Blick genommen wurde, hatte schon vor 1495 im kurialen Benefiziengeschäft mit der römischen Medici-Bank kooperiert; zumindest stand in der ‚Bilanz‘ von 1495 noch eine Zahlungsverpflichtung an die Apostolische Kammer über 1.500 Dukaten aus, welche die MediciBank auf Bitten der Buonvisi wegen eines Priorats in England übernommen hatte.187 Ebenso finden sich Benedetto Buonvisi e compagnia di Lucca vor 1495 in den Büchern der Pisaner Medici-Bank, deren Leiter Giovanni Cambi Ende 1494 ja nicht ohne Grund sein Geld bei den Buonvisi in Lucca in Sicherheit brachte.188 Im Juli 1495 sahen sich die Syndizi veranlaßt, Benedetto Buonvisi aufzufordern, alles was er noch (durch Giovanni Cambi) aus dem Besitz der Pisaner Medici-Bank im Auftrag der Florentiner MediciErben-Bank in Händen halte – ganze Geldschränke! –, so schnell wie möglich zurückzu185 Pampaloni, Ricordi, S. 207f., 223.; vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 168, 354f. (Doc.

233, „Gold and Silver Coins“). 186 Vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 303; sowie Bratchel, Lucca, bes. S. 89f., 190f. 187 Sapori, Bilancio, S. 207, Nr. 257. 188 Vgl. BNCF, Ginori Conti 5 (1493–1511, Buch der Schuldner und Gläubiger der Medici-Bank in

Pisa), etwa c. 46 (1493); Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 304.

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geben und darüber genaue Abrechnungen vorzulegen!189 Da aber Gianbattista Bracci nicht nur der Vorgesetzte Cambis war, sondern auch seit Anfang 1495 die Geschäfte zwischen der Florentiner Medici-Erben-Bank und der Buonvisi-Gesellschaft zu bilanzieren hatte, stand hinter dem Transfer des Pisaner Medici-Vermögens nach Lucca eine Kooperation zwischen Bracci und Buonvisi. Kehren wir zu Benedetto Buonvisi und seinen Pfändern aus dem Medici-Schatz zurück, denn deren Geschichte geht noch weiter. Die Rückerstattung des Smaragdes und der Münzen im August 1496 vollzog sich zumindest für die 2.000 Silbermünzen allein auf einer buchungstechnischen Ebene. Denn die 2.000 Silbermünzen mit einem Gewicht von libbre 21, once 7, denari 18 im Wert von 184 Fiorini und 10 Soldi übergab Buonvisi am 2. August 1496 in Lucca an Francesco Naldini, der die Anweisung erhielt, sie nicht nach Florenz in die Erben-Kasse zu bringen, sondern direkt Piero de’ Medici zu übergeben.190 Einige Tage vor dem 24. Oktober 1496 aber ließ sich Francesco Cegia von Naldini 994 dieser 2.000 Silbermünzen liefern. Involviert wurde hierbei auch Fra Mariano da Gennazzano, der Generalvikar des Augustinerordens. Denn gemäß einer ihm erteilten Order sind ihm statt Piero schließlich jene 994 Münzen auf Wunsch der Medici anvertraut worden. Die restlichen 1.006 Münzen sollte Naldini damals per la via di Lucha, d.h. hier offenkundig über die Buonvisi (nicht Luca Speranzini), Giuliano de’ Medici auf dessen Wunsch zukommen lassen. Fra Mariano hatte sich nun im Oktober entschieden, so erzählte er es Cegia, jene 994 Silbermünzen mit einem Gewicht von zehn Pfund und zehn Unzen auf ihren Geldwert schätzen zu lassen, damit sie den Mediceern einen Vorteil böten. Ihr Wert wurde mit 80 Dukaten d’oro in oro larghi berechnet, welche nun Piero de’ Medici dienen sollten!191 Unerläutert blieben Herkunft und Zweck weiterer 593 Silbermedaillen, die Cegia über den Augustiner Fra Serafino, einen Mönch aus dem Florentiner Kloster San Gallo, am 24. November 1496 an maestro Mariano senden ließ und die mit einem Gewicht von libbre 6, once 6¼ einen Wert von 55 Fiorini, 2 Lire und 18 Soldi piccioli besaßen.192 Gewicht und Wert weisen darauf hin, daß sie zu den minderwertigeren 2.621 Silbermünzen (zu 8,5 Fiorini pro Pfund) zählten, von denen demnach immer noch einige im Umlauf waren. Die beiden Augustiner gehörten also zu den Aktivposten

189 Vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 52f.; Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 304. 190 Pampaloni, Ricordi, S. 207, 221; vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 168, 354f. (Doc. 233,

„Gold and Silver Coins“ [12 left, 25 right, 27 left). Bei Cegias Notiz, die 2.000 Silbermünzen in der Hand Naldinis seien quelle riaute da Lucha, haben Fusco/Corti irrigerweise geglaubt, Lucha stehe hier nicht für die Stadt, sondern sei als Vorname zu verstehen und somit auf Luca Speranzini zu beziehen. Dies ist jedoch nicht zutreffend, da Speranzini die Münzen vor dem 2.8.1496 nicht in seiner Hand hatte und da an dieser und anderer Stelle klar die (formale) Rückgabe durch Benedetto Buonvisi di Lucha betont wird sowie die faktische Übergabe der Münzen durch Buonvisi an Naldini; dieser berichtete Cegia darüber und von dem Auftrag, die Münzen zu Piero de’ Medici zu bringen. 191 Pampaloni, Ricordi, S. 233. 192 Vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 233; Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 356 (Doc. 233, „More Silver Coins“ [37 left]).

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des Medici-Netzwerkes und nahmen deshalb 1497 ebenfalls an der verhängnisvollen Verschwörung des Medici-Kreises teil. Als Cegia Anfang August 1496 auch die 48 Goldmünzen verbuchen konnte, die er von Buonvisi zurückerhalten hatte, mußte er den (leiblichen) Medici-Erben einen Verlust bzw. eine Schuld von 57 Fiorini anrechnen, da die Münzen zu hoch geschätzt worden waren. Die 49 Goldmünzen – die alte Pisaner Münze wurde nun wieder mitgezählt – waren nämlich nicht die angesetzten 147 Fiorini, sondern nur 100 Fiorini wert; durch analoge Fehlurteile bei den Silbermünzen mußten zu diesen disavanzi nochmals zehn Fiorini addiert werden.193 Doch diese Goldmünzen bzw. ihr Wert wurde den Gläubigern der römischen Medici-Bank immer noch vorenthalten, und weiter fiel ihr Wert. Erneut mußte Cegia im Spätsommer 1496 einen Verlust bei den Erben geltend machen, diesmal in Höhe von 10 Fiorini. Denn lediglich 90 Fiorini habe er von der contessa Caterina Sanseverino für die 49 Münzen erhalten. Doch weniger das Geld als dessen instruktiver Weg soll uns hier interessieren. Cegia gab die Medaillen nämlich nicht persönlich an Caterina, sondern an den Goldschmied Michelangelo da Viviano. Dieser nun überreichte sie, wie aus mehreren Posten in verschiedenen Konten ersichtlich wird, an Lucrezia Salviati, die sie schließlich der Gräfin aushändigte. Caterina Sanseverino habe daraufhin (nur) 90 Fiorini an Lucrezia gegeben, die dieses Geld dem Michelangelo, dieser wiederum dem Cegia für seine Kasse aushändigte.194 Lucrezia Salviati war freilich noch viel tiefer in das (wohlgemerkt nicht legale) Finanzierungssystem der verbannten Medici involviert. Einen Anhaltspunkt bietet schon jener kleine Smaragd, den Cegia im März 1496 zusammen mit den Goldmünzen Benedetto Buonvisi in Lucca als Sicherheit gab, und der auf 50 Fiorini geschätzt worden war. Denn für Lucrezia de’ Medici Salviati und für sich selbst führte Francesco Cegia eigens ein ‚Konto der Juwelen‘, die sie von Lorenzo Tornabuoni kauften. Es handelte sich dabei mit Sicherheit um einen Teil jener Rubine, Smaragde, Diamanten und Saphire, die der Tornabuoni am 9. Juli 1495 von den Syndizi als Teil der 42.000 Dukaten erhalten hatte. Da präzise Kennzeichnungen meist fehlen, ist die Identifizierung im einzelnen fast unmöglich. Doch ein dem Tornabuoni am 13. Februar 1496 für 100 Fiorini abgekaufter zaffiro a 8 chanti ist mit Sicherheit mit jenem achteckigen Saphir identisch, der auch im Inventar des Medici-Schatzes von 1492 erscheint und mit einem Wert von 250 Fiorini verzeichnet ist. Er war vermutlich einer der drei zafiri lechati in oro, die zu den am 9. Juli erhaltenen Juwelen gehörten.195 Insgesamt handelte es sich neben jenem Saphir um sechs Rubine,

193 Pampaloni, Ricordi, S. 207, 221; vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354f. (Doc. 233,

„Gold and Silver Coins“ [12 left, 25 right]), wo aber nicht angegeben wurde, daß die MediciErben damit Schuldner des Münzkontos wurden. 194 Pampaloni, Ricordi, S. 221, 228, 231f.; vgl. Fusco/Corti, Lorenzo de’ Medici, S. 354f. (Doc. 233, „Gold and Silver Coins“ [25 right, 32 left]). 195 Vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 220 (Gioie chomperate da Lorenzo Tornabuoni per chonto della Lucretia de’ Salviati e mia debono dare a dì 13 di febraio 1495 per queste sotto scritte gioie, coè aute, ... uno zaffiro a 8 chanti per fiorini 100 d’oro in oro larghi); Libro d’inventario

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sechs Smaragde und einen Diamanten, die Lucrezia Salviati und Cegia am 13. und nochmals am 15. Februar von Lorenzo Tornabuoni für insgesamt 900 Fiorini erwarben, zu einem Preis, der gewiß nicht dem wahren Wert der Stücke – wie schon der Saphir zeigt – entsprach, sondern dem für die Syndizi geschätzten niedrigeren. Genau sechs Smaragde hatte Lorenzo von den Syndizi erhalten; die Zahl der anderen Steine war höher. Interessant ist auch die Herkunft der Kaufsumme. Denn 800 der 900 Fiorini wurden durch jenen Betrag aufgebracht, den Lorenzo Tornabuoni dem Cegia am 8. Januar 1496 schuldig geworden war und für die er ihm die berühmte Tazza Farnese als Sicherheit gab. Statt der 800 Fiorini sollte Tornabuoni nun einen Teil seiner Juwelen geben.196 Bargeld mußte also von diesen Mediceern gar nicht eingebracht werden; dafür hatte man ja dank der Gläubiger der römischen Medici-Bank andere Werte. Das von Cegia geführte Juwelenkonto (conto di gioie) aber hatte den gleichen Zweck wie alle anderen: Es sollte den Medici dienen und für sie möglichst Bargeld erwirtschaften. So entnahm Cegia bzw. die Erben-Bank von jenem conto di gioie beispielsweise Anfang März 1496 einen jeweils in einen Ring eingefaßten Smaragd und Rubin, die er Alfonsina Orsini über Luca Speranzini nach Rom senden ließ. Für die Reise Speranzinis hatte Alfonsina der Kasse Cegias sechs Fiorini für Spesenkosten zu erstatten; für die beiden Schmuckstücke, die einen Wert von mehr als 300 Fiorini besaßen, verzeichnete Cegia sie hingegen mit 200 Fiorini als Schuldnerin des Juwelenkontos, dem er daher zum 6. März 1496 diesen Betrag gutschrieb.197 Zum 15. April 1496 notierte Cegia einen etwas komplexeren Vorgang. Als Gegenwert für 475 Fiorini hatte er Lucrezia Salviati damals den achtkantigen Saphir, den großen flachen Rubin und einen prächtigen Smaragd (smeraldo cholmo bello) gegeben, die sie beide am 13. Februar 1496 von Lorenzo Tornabuoni für jeweils 100, 175 und 200 Fiorini für das Juwelenkonto erhalten hatten. Die drei in Ringe eingefaßten Edelsteine dienten Lucrezia als Sicherheit oder Pfand für Silber, mit welchem sie der Bank half; sobald Cegia ihr den Wert des Silbers zurückzahlte, mußte sie ihm die Ringe zurückgeben. Das von ihr zur Verfügung gestellte Silber in Form von Tassen, Tellern, eines Pokals und einer Schüssel – aber auch des Beschlags einer Kassette der Alfonsina Orsini (über deren Wertsachen Lucrezia demnach verfügen durfte!) im Wert von 56, 17 Fiorini, was in der Endrechnung genau ausdifferenziert wurde – war von Michelangelo da Viviano im März 1496 geschmolzen und zu Bargeld (485, 4, 3 Fiorini larghi di grossi) gemacht worden. Das Geld wurde zunächst Lorenzo Tornabuoni für das Juwelenkonto gegeben, der es dann Francesco di Bencivenni dello Scarfa und damit wahrscheinlich dessen Herrn Giovanni de’ Medici zur Verfügung stellte. Nach Umrechnung des Münzgeldes in die Rechnungswährung des Goldfiorin waren Lucrezia (unter Abzug eines Fiorins für Unkosten, die Michelangelo für die Legierung entstanden waren) 435 Fiorini larghi d’oro in oro über das chonto di chassa gutzuschreiben, wobei Alfonsina (1992), S. 42 (Uno zaffiro cholmo otanghulato leghato in ghambo d’oro a bottone smaltato, f. 250). 196 Pampaloni, Ricordi, S. 212. 197 Pampaloni, Ricordi, S. 214, 221.

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Orsini für ihr eingeschmolzenes Silber Gläubigerin über jene 56, 17 Fiorini wurde. Mit weiteren, von Michelangelo erhaltenen und in bar ebenfalls Lorenzo überreichten 65 Fiorini hatte Lucrezias Konto demnach 500 Fiorini zu erhalten, die jedoch de facto Lorenzo Tornabuoni bekommen hatte.198 Michelangelo hatte im übrigen vorher auch schon für Alfonsina Orsini im Jahr 1495 Silber und Gold aus ihrer Mitgift mit einem Gegenwert von 83, 4, 4 Fiorini eingeschmolzen.199 Am 2. August 1496 begab sich Francesco Cegia in Lucrezia Salviatis Landvilla, die sich vor den Mauern von Florenz in dem Dorf Montughi befand. Hier saldierte er mit ihr die jeweiligen debiti und crediti, glich mit ihr das ganze verwirrende Geflecht der unterschiedlichen Konten und Zahlungsverpflichtungen aus, die ihren zentralen Ausgangspunkt in jenen 300 Fiorini hatten, die Lucrezia dem Cegia am 2. Januar 1496 geliehen hatte, damit er sie Lorenzo Tornabuoni als Teilzahlung für die Tazza Farnese gebe.200 Die 300 Fiorini addierte Cegia nun mit der gerade angesprochenen Summe von 500 Fiorini, so daß er auf einen Betrag von 800 Fiorini kam, der ihr zustand. Diese Summe verrechnete Cegia nun, einem Finanzjongleur gleich, mit früheren Zahlungen und Pfändern, die sie in den vorherigen acht Monaten erhalten hatte und bei denen sich auch einige der bereits vorgestellten Partien aus dem Medici-Schatz bzw. -Haushalt wiederfinden. Mit drei Posten von je 71, 475 und 254 Fiorini kam Cegia auf die gewünschte Summe von 800 Fiorini. Im ersten Posten setzte er auf Lucrezias Schuldseite 26 Fiorini, die sie in bar erhalten hatte, ferner das mit lediglich 14 Fiorini bewertete Pfand des Bildes von Fra Filippo sowie der drei mit kostbaren Miniaturen versehenen Bücher (Bibel, Dante und Boccaccio), die Cegia selbst aus dem Medici-Haushalt erworben hatte, sowie schließlich 31 Fiorini, die er für Lucrezia an Lorenzo Tornabuoni und Giovanbattista Bracci gezahlt hatte, also wohl an die Erben-Bank in Florenz. Die 475 Fiorini auf Lucrezias Schuldenseite resultierten aus dem Wert jener drei kostbaren Juwelen (des achteckigen Saphirs, des Rubins und Smaragds), die Cegia und Lucrezia für das Juwelenkonto aus Lorenzo Tornabuonis Juwelenkontingent kauften und die Cegia ihr als Gegenwert für Silber ebenfalls als Sicherheit überlassen hatte. Die restlichen 254 Fiorini aber errechnete Cegia aus acht Juwelen (einem Diamant, vier Rubinen, 3 Smaragden), die er mit geschätzten 224 Fiorini wiederum dem gemeinsamen 14-teiligen Juwelenkonto entnahm und zusammen mit einer Perle für 30 Fiorini aus seinem eigenen Besitz Lucrezia an jenem 2. August als Pfand übergab. Wie schon die 475 Fiorini schrieb Cegia auch diesen Betrag von 254 Fiorini der Haben-Seite des Juwelenkontos gut. Lucrezia Salviati erkannte nun an, Cegia seinen seinerzeit Anfang Januar 1496 ausgestellten Schuldschein über 300 Fiorini zurückgeben zu müssen, den sie allerdings in Florenz aufbewahrte.201 Zugleich hielten Francesco Cegia und Lucrezia Salviati fest, daß sie ihm noch 180 Fiorini schuldete, da sie weiterhin bis auf eines noch jene Juwelen aufbewahrte, die sie am 198 Pampaloni, Ricordi, S. 221, 223f., 226f. 199 Pampaloni, Ricordi, S. 204, 213. 200 Pampaloni, Ricordi, S. 210f., 227. 201 Vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 212, 221, 226.

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10. und 11. Januar 1496 als Sicherheit für eine von ihr geleistete Zahlung über 210 Fiorini erhalten hatte. Die von Michelangelo da Viviano geschätzten Stücke waren: ein eingefaßter, hängender Ballas-Rubin (20 Fiorini); ein Lamm Gottes (agnusdeo) mit einer birnenförmigen Perle (perla pera) und einem Rubin (30 Fiorini); ein eingefaßter Smaragd mit einem Riß auf der Oberfläche (70 Fiorini); sowie viertens ein Gehänge, das aus einem eingefaßten Ballas-Rubin (balascio in tavola), einem Smaragd und einer birnenförmigen Perle bestand (60 Fiorini). (Einen im Januar für 30 Fiorini zusätzlich erhaltenen Ring mit Perle hatte Lucrezia bereits zurückgegeben.)202 Das Gehänge mit dem balascio tavola hatte Andrea di Bernardo de’ Medici, il Butta genannt, zum Preis von 40 Fiorini von den Syndizi für Lorenzo Tornabuoni bzw. die Medici-Erben-Bank gekauft, die ihm über Cegia das Geld zum 8. Januar 1496 erstattet hatte, das dann wiederum den leiblichen MediciErben gutgeschrieben wurde.203 Andrea de’ Medici war diese Summe also von seinen Verwandten bzw. deren Bank für den Kauf des Schmucks zur Verfügung gestellt worden! Das für seinen Fall belegte Verfahren dürfen wir vermutlich auch bei den anderen Mediceern annehmen, die im Inventar der Syndizi aufgeführt sind. Lucrezia gab dann wenige Tage später den Smaragd (70 Fiorini) und das Gehänge (60 Fiorini) für Cegia an den Goldschmied Michelangelo, der den Smaragd behalten sollte, denn mit diesem Stein hatte er Cegia an jenem 10. Januar 1496 gedient, damit er ihn bei Lucrezia für 70 Fiorini in Zahlung geben konnte; das Gehänge bewahrte er für Cegia hingegen bis zum Januar 1497 auf, d.h. er verpfändete es für ihn bei Giovanbattista della Tosa für 60 Fiorini.204 Im August 1496 mußte Francesco Cegia nach einer ersten Lieferung vom Februar 1496 erneut bestimmte Gegenstände aus dem Besitz von Giovanni de’ Medici zu diesem nach Mailand transportieren. Er beteiligte daran seine Ehefrau Maria di Benedetto Bonsi. Mit ihr fügen sich weitere befreundete Verwandte in das Netzwerk ein – und sie erweitern die nüchternen Finanz- und Sachposten des Rechnungsbuches um eine menschliche Dimension. Andrea Bonsi, wahrscheinlich sein Schwager Andrea di Benedetto di Andrea Bonsi, hatte aus Cegias Kasse einige Tage vor dem 27. August 1496 40 Fiorini geliehen bekommen, die er nun schon am 27. August dem Cegia über dessen Bruder Soldo zurückzahlte. Weitere 90 Fiorini gab Andrea Bonsi am 2. September 1496 Michelangelo da Viviano, damit dieser sie wiederum Soldo Cegia für dessen Bruder überreichte, während Bonsi nochmals sechs Fiorini Soldo direkt zur Verfügung stellte. Denn Eile tat not und die Freunde mußten rasch handeln. Francesco Cegia war nämlich am 27. August, wie er anschaulich in seinem Rechnungsbuch berichtet, wegen konspirativer Tätigkeit für die exilierten Medici verhaftet, in das Gefängnis des Bargello gesteckt und gefoltert worden. Bonsis bzw. Soldo Cegias Zahlung von insgesamt 136 Fiorini diente dazu, bei Luigi Calderini, dem Provisor der Otto di Guardia, die Verurteilungskosten zu begleichen. Diese stellte Francesco Cegia übrigens den Medici-Erben – wohl den leiblichen, nicht der Bank – in Rechnung, da er wegen ihnen dieses Übel und diese Lebensgefahr erleiden mußte 202 Pampaloni, Ricordi, S. 211, 227. 203 Pampaloni, Ricordi, S. 212f., 233. 204 Pampaloni, Ricordi, S. 214, 225, 227.

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(avendo per loro chonto questo male e a pericholo ito la vita)! Doch noch wurde er nicht hingerichtet, noch wurde er von den Otto di Guardia nur zu einer Geldstrafe von 200 Dukaten verurteilt und für ein Jahr an einen Ort außerhalb der Stadt Florenz verbannt, der jenseits eines Radius von 20 Meilen zu den Stadtmauern liegen mußte; drei weitere Jahre sollte er (offenbar unter Hausarrest) innerhalb von Florenz verbringen. Noch hielten ihm seine Ankläger wie Pierfrancesco Tosinghi, Tommaso del Bene und Giovanni Baldovinetti nur vor Augen, daß er mit seinen Vergehen zu Zeiten der Medici-Herrschaft längst geköpft worden wäre; außerdem habe ein Lorenzo de’ Medici seine Feinde sogar bis in die Türkei durch seine Häscher verfolgen lassen (womit sie wohl auf Verfolgungen nach der Pazzi-Verschwörung anspielten).205 Was war geschehen? Auslöser von Cegias Verhaftung war ein von ihm geschriebener, durch Francesco dello Scarfa zu übermittelnder, jedoch in Firenzuola abgefangener Brief an den Kardinal Giovanni de’ Medici. In Verdacht war Cegia offenbar durch ein anderes Papier geraten, das der vom Kardinal aus Mailand nach Florenz gesandte Priester messer Giovanantonio, notaio d’Orfeo, leichtsinnigerweise mitgenommen hatte, um sich besser bestimmter Angelegenheiten erinnern zu können, die Francesco dello Scarfa ihm aus Florenz geschrieben hatte, als sich Giovanantonio noch in Mailand beim Kardinal de’ Medici befunden hatte – diese in Cegias Augen natürlich mehr als überflüssige Vorsichtsmaßnahme des unbedarften prete sollte, so formulierte es der verzweifelte Cegia, ihn leiden lassen. Mit ihm waren im übrigen auch Francesco dello Scarfa sowie der Medici-Kanzler Ser Stefano verhaftet worden, der zu einer Gefängnisstrafe in den Florentiner Stinche verurteilt wurde, während man den Faktor Francesco dello Scarfa freiließ.206 Sachlich und vordergründig ging es in Cegias Brief an den Medici-Kardinal um Schmuckund Silberstücke der Medici, die Girolamo Martelli ‚wiedergefunden‘ hatte. Wir hatten bereits gehört, daß Martelli wenige Jahre später wegen der Unterschlagung zahlreicher Medici-Werte angeklagt werden wird. Cegia verteidigte sich, er sei zur Weitergabe solcher Erkenntnisse an seine Patrone verpflichtet gewesen. Diese Informationen weckten denn auch kaum das Mißtrauen der Medici-Feinde. Hellhörig wurden sie viel eher, wenn sie darüber hinaus lesen konnten, daß Cegia dem Kardinal Hoffnungen machte, und daß er aus Liebe zu den Medici bereit sei, jede Pein, jede Tortur zu erleiden. So zögerte man nicht, ihm mit Hilfe der Folter entlocken zu wollen, ob Piero de’ Medici ihm persönlich geschrieben habe und ob er selbst sich mit Piero oder dessen Brüdern verständigt habe.207 Francesco Cegias Erinnerungs-Haushaltsbuch wurde nach diesem ersten Beweis der Gefährlichkeit seines und seiner Freunde Handeln noch nicht beendet. Im Kontext der Zahlung von Michelangelo da Viviano wegen Cegias Verhaftung vermerkte dieser zugleich, Michelangelo sei über jene Summe von 90 Fiorini aber selbst Schuldner, da er 205 Pampaloni, Ricordi, S. 224, 229–232. Soldo Cegia zahlte die 136 Fiorini im übrigen aus (nicht

näher erläuterten) Zeitgründen über Antonio Canigiani, wie Francesco dann als korrekter Buchhalter vermerkte. 206 Parenti, Storia fiorentina II, S. 38 (ohne Angabe des Nachnamens von Ser Stefano, während er Cegia den Vornamen Agostino gab). 207 Pampaloni, Ricordi, S. 230.

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diesen Betrag von der Gräfin Caterina Sanseverino durch Lucrezia Salviati als Gegenwert für die ihnen überlassene Partie von 49 Goldmünzen erhalten habe; wir sprachen diesen Vorgang bereits an, da dieser Gegenwert nicht dem ursprünglich höher geschätzten entsprach und somit einen Verlust brachte. Michelangelos „Schuld“ bedeutete aber lediglich, daß er die Münzen gleichsam für das von Cegia angelegte Münzkonto verwaltete, das denn auch als eigentlicher Gläubiger dieser 90 Fiorini anzusehen war.208 Diese Goldmünzen konnten Anfang August 1496 bei Benedetto Buonvisi ausgelöst werden, zusammen mit den Silbermünzen, deren weiteren Weg (im Herbst und Winter 1496 über Francesco Naldini sowie die Augustiner Fra Mariano und Serafino zu den Medici) wir bereits beschrieben haben. Neben einigen persönlichen Finanzaufgaben schließen sich damit die ricordi des Mediceers Francesco Cegia. Die in ihnen so anschaulich, wenn auch alles andere als leicht nachvollziehbare neue Zweckbestimmung einiger der kostbarsten geretteten Stücke aus dem Medici-Schatz fand damit allerdings nicht ihr Ende. Wir werden bald beobachten, wie Lorenzo Tornabuoni, Giovanbattista Bracci (der bei Cegia viel zu stark im Hintergrund steht) und vor allem Francesco Naldini einigen der wertvollsten Juwelen, die der Tornabuoni für die Liquidierung der römischen Medici-Bank aus dem Schatz der Medici erhalten hatte, gleichsam ein neues Leben verleihen. Lorenzo Tornabuoni und Francesco Cegia werden ihres auch deswegen im Laufe des Jahres 1497 verlieren; Naldini und Bracci werden diesem Schicksal um Haaresbreite entgehen, wobei wiederum Benedetto Buonvisi in Lucca eine besondere Freundesrolle einnehmen wird.

2. Das Jahr 1497: Hoffnung und Tragik a) Die „französischen“ Orsini im Visier des Borgia-Papstes Karl VIII. nahm den ‚stets französisch‘ gewesenen Virginio Orsini – wie dieser sich selbst bezeichnete – im Dezember 1495 mit einem hohen Gehalt von 12.000 Dukaten unter Vertrag, um die Truppen der Orsini und die ihrer Vitelli-Verwandten ins Königreich Neapel zu senden, wo sie die immer stärker in Bedrängnis geratenen Franzosen und Sanseverino unterstützen sowie ihre wieder auf die aragonesische Seite gewechselten Erzfeinde aus dem Haus Colonna bekämpfen sollten. In fast schon zynischer Gerissenheit ließ der König die Orsini aus jenem zinslosen Kredit von 70.000 Dukaten bezahlen, den Florenz dem König im September 1495 zusammen mit 120.000 Dukaten an Subsidien zur Verfügung gestellt hatte, als Bestandteil eines Vertrage, welcher den Florentinern die Rückgabe ihrer früheren Städte und Festungen, vor allem Pisas, versprach – der kluge Florentiner Chronist registrierte dieses doppelte Spiel sehr wohl.209 Die Florentiner durften sich mit 208 Pampaloni, Ricordi, S. 221, 231f. 209 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 263f. (September 1495: La somma de’ capitoli [des Vertra-

ges zwischen Florenz und Frankreich] questa fu: che riavessimo principalmente tutte le nostre terre e fortezze liberamente, e signori al tutto e per tutto ne fussimo, sì come innanzi eravamo;

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Recht genarrt fühlen: Pisa bzw. die Zitadelle wurde Anfang 1496 nicht an Florenz zurückgegeben, sondern vom französischen Statthalter an die Pisaner verkauft, Sarzana und Sarzanello an die Genuesen, Pietrasanta an Lucca, Librafatta an Venedig, während Florenz nur Livorno erhielt und Virginio Orsini mit ihren Dukaten bezahlt wurde.210 Die Verpflichtung der Orsini und Vitelli genügte freilich nicht, die in der Defensive befindlichen Truppen der Franzosen aus ihrer bedrohlichen Lage zu befreien. Aus Frankreich erhielten sie viel zu wenig und viel zu späte Unterstützung; vor allem an Bargeld für die Söldner fehlte es.211 Bei Atella gehörten die Orsini mit den Sanseverino und den Franzosen zu den Verlierern einer Entscheidungsschlacht; sie schlossen im Juli 1496 einen Kapitulationsvertrag mit König Ferrandino (dem Sohn des verstorbenen Alfons II.) ab, der allen gegen die Aufgabe der letzten französischen Festungen und der Artillerie eine Rückkehr in ihre Länder bzw. den Besitz ihrer Güter zusicherte. Dieses Abkommen hatte nicht zuletzt der im Auftrag Venedigs für die Aragonesen kämpfende Markgraf von Mantua, Francesco Gonzaga, zum Vorteil seines Schwagers Gilbert de Bourbon Montpensier, Karls Vizekönig in Neapel, durchgesetzt. Doch starb Montpensier schon am 9. November 1496, vermutlich an der Pest, bevor er die Heimfahrt antreten konnte. Den gefangenen Orsini aber wurde der Haß des Borgia-Papstes zum Verhängnis, der nicht ohne antagonistische Reaktionen bleiben wird, die den Konflikt stufenweise verhärten werden. perdonassimo le ingiurie a’ Pisani, non el tolto alla nazione fiorentina in Pisa poi che si ribellorono; dessimo e’ ducati 30mila di resto de’ 120mila e 70mila si li prestassino, de’ quali lui ne pagassi e’ suoi soldati teneva e tenuti avea in Toscana, sì uomini d’arme come fanterie, come rocchigiani e castellani, e altri suoi ministri stati a’ suoi servigi nel tempo stettono di qua. Dette nondimeno assegnamento per detti ducati 70mila in Francia donde a riavere li avessimo, offerse interesso a 12 per cento l’anno, ma noi contenti fumo servirnelo gratis, stimando che così più appieno aremo a domandare la restituzione, benché si stimava che in effetto a riavere non li avessimo. Così ci pose taglia di questi danari, e noi a tutto consentimo per timore di peggio, e per una volta ritornare in possessione delle nostre terre, alla cui rassunzione per forza molti più danari spesi aremo.); S. 281f. (Oktober 1495, doch chronologisch in den November gehörend: [El re di Francia] soldò nondimeno li Orsini, e’ quali in aiuto li fussino allo racquisto del regno di Napoli, e contro a’ Colonnesi si volgessino: el quale soldo pagamo noi ducati XIImila in conto de’ 70mila in presto datili. Così scompigliata lasciò il re di Francia Italia e a casa se ne tornò); S. 301f. (Januar 1496: Monsignor di Giumels, dopo il seguìto a Pisa tradimento, subito di qui con Camillo Vitelli si ritrasse, e verso Città di Castello s’indirizorono per là soldare li Orsini con quelli danari quali seco portati avea di Francia. ... Monsignor di Giumels condusse a’ soldi del re di Francia finalmente li Orsini con uomini d’arme 600, e Camillo Vitelli con 300: pagò loro per arra ducati 2000, e il resto fino alla somma di 80mila promisse.). Die Darstellung und Interpretation bei Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 448f., ist nicht zutreffend, denn weder gaben die Orsini mit ihrem Soldvertrag die Unterstützung der Medici auf noch gab es zwischen diesen beiden Punkten einen Kausalnexus (erst Lösung von den Medici, dann die Besoldung) und erst recht keine Auszahlung in Florenz „en récompense de leur abandon des Médicis“; diese irrige Wertung und falsche Darstellung scheint auf Sanuto, Diarii I, Sp. 8f., zurückzugehen. 210 Vgl. etwa Commynes, Mémoires III, S. 68 (VII/11), S. 262f. (VIII/21) bzw. Commynes, Memoiren, S. 311, 387f.; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 171f. und Anm. 3. 211 Vgl. Commynes, Mémoires III, S. 266f. (VIII/21) bzw. Commynes, Memoiren, S. 388f.; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 450–453.

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Da Alexander VI. es primär auf die Territorien der Orsini im Kirchenstaat abgesehen hatte, die er in den Besitz seiner Familie bringen wollte, überredete er den siegreichen König von Neapel, Virginio, Paolo und Virginios Sohn Giangiordano trotz der Gewährung eines Geleitbriefes als Gefangene ins Kastell dell’Uovo in Neapel überführen zu lassen; den König absolvierte er von der Verletzung seines Eides.212 Der Papst sah seine, die Stunde seiner Familie gekommen. Sogleich begann Alexander VI. im Oktober 1496 den Krieg um die Orsini-Güter und ging mit päpstlichen Truppen, unter anderem unterstützt durch Fabrizio Colonna (den neuen Herrn von Tagliacozzo!), gegen Bracciano vor, von dessen Türmen die französische Flagge wehte und FrankreichRufe als Feldgeschrei ertönten. Doch Bartolomea Orsini d’Alviano, der Tochter Virginios, und ihrem Mann Bartolomeo gelang es, das Schloß trotz wochenlanger Belagerung zu halten. Entscheidende Hilfe kam aus Frankreich: Mit französischem Geld konnten ihre Verwandten Vitellozzo Vitelli sowie Carlo und Giulio Orsini Truppen sammeln, um gegen die Belagerer vorzurücken. Diese zogen von Bracciano ab, wandten sich dem Entsatzheer zu und erlitten bei Soriano am 26. Januar 1497 eine vernichtende Niederlage, die den Papst zu Friedensverhandlungen zwang.213 Am 5. Februar schloß Alexander VI. in Rom einen Friedensvertrag mit den Orsini, für den bezeichnenderweise zwei profranzösische, den Orsini wie den Medici sehr nahestehende Kardinäle, Federico Sanseverino und Oliviero Carafa, ‚ihre Hand gaben‘. Der Sanseverino, von dessen Freundschaft zu den Orsini der Papst natürlich wußte, wurde (deshalb) am 7. Februar nach Bracciano gesandt, um den Orsini das Beschlossene mitzuteilen und ihnen das Versprechen abzunehmen, den Vertrag einzuhalten.214 Paolo Orsini und Virginios Sohn Giangiordano wurden daraufhin im April 1497 freigelassen.215 Für Virginio Orsini hatte sich eine Entlassung aus dem Gefängnis erübrigt. Denn er war bereits am 17. Januar 1497 nach einer Mahlzeit gestorben, vermutlich keines natürli-

212 Commynes, Mémoires III, S. 266-271 (VIII/21) bzw. Commynes, Memoiren, S. 388–391; Regis

Ferdinandi, S. 387f., 391; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 438f. (Papst Alexander VI. hatte Virginio schon im Februar 1496 wegen seines Eintritts in französische Dienste zum Rebellen erklärt, hatte die für Frankreich kämpfenden Orsini mit Kirchenstrafen belegt und die Einziehung ihrer Güter angeordnet). 213 Vgl. die lesenswerte Schilderung bei Gregorovius, Geschichte III/1, S. 186–188; sowie Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 438–441. Bartolomeo d’Alviano hatte zusammen mit Virginio und den anderen Orsini für Frankreich im Königreich Neapel gekämpft, konnte aber nach der Schlacht von Atella aus der Gefangenschaft fliehen und nach Bracciano gelangen; vgl. Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 35. 214 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 15 (der Vertrag sah u. a. vor, daß die Orsini dem Papst 50.000 Dukaten zu zahlen hatten). Zum frankophilen Oliviero Carafa als Freund von Lorenzo de’ Medici und dessen Söhnen Piero und Giovanni, als Onkel von Francesco Orsini, Herzog von Gravina, sowie Freund von Virginio Orsini vgl. für unseren Kontext De Maio, Savonarola, etwa S. 16, 22, 31f., 49, 107, 137, 147. 1503 nahm der französische König Ludwig XII. Olivieros Cousin Giantommaso Carafa, Duca di Maddaloni, und Alberigo Carafa, Duca di Ariano, in seinen elitären Michaelsorden auf; vgl. Courteault, Dossier, S. 200–202, Nr. 51, 52. 215 Regis Ferdinandi, S. 388.

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chen Todes. Viele glaubten an einen Auftrag Alexanders VI., Virginio zu vergiften.216 Selbst wenn der Papst keinen Giftmord befohlen haben sollte, ungelegen kam ihm der Tod seines Feindes nicht. Doch die Mitglieder der Häuser Orsini und Medici werden kaum Zweifel an einem vom Papst verantworteten, wenn nicht sogar vom aragonesischen König mitgetragenen Attentat gehabt haben, zumal den Medici seit Pontifikatsbeginn klar war, daß sie von jenem Papst – ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Innozenz VIII. – nichts zu erwarten hatten.217 Wie eine folgerichtige Bestätigung der polarisierenden Entwicklung erscheint es, wenn nach der Ermordung des Papstsohnes Juan bzw. Giovanni Borgia, des Herzogs von Gandia, wenn nach dem Fund seiner Leiche im Tiber am 16. Juni 1497 unter den Verdächtigten an erster Stelle die Orsini, der Kardinal Ascanio Sforza als neues Mitglied der Orsini-Partei und sogar dessen Freund, Kardinal Federico Sanseverino, genannt wurden.218 Aus dem Tod (oder der Ermordung) Virginio Orsinis und der Niederlage der Päpstlichen gegen die Orsini, die Alexander VI. zu Verhandlungen nötigte, entwickelte sich eine Dynamik, durch welche die Medici erneut Gelegenheit zum Handeln erhielten. Dies erfolgte dann mit solchem Nachdruck, daß die Ereignisse sich in den folgenden Monaten geradezu überschlugen. Die Wurzel der Medici-Aktivitäten aber lag in den Verhandlungen um das Schicksal der Orsini; und dieses nahm einmal mehr der Kardinal Federico Sanseverino in die Hand. Der Auftakt des Borgia-Wütens gegen die Orsini im Oktober 1496 hatte auch die Medici so konkret, so heftig getroffen, daß der beleibte Kardinal Giovanni de’ Medici in einer für ihn durchaus unüblichen Weise reagierte. Da corriere, im Eiltempo also, kam er nach langer Abwesenheit am Abend des 25. Oktober 1496 von Mailand nach Rom zurück.219 Hier scheint er sich nach der Exilierung nur sehr selten aufgehalten zu haben, da die Quellen ihn bis Ende 1495 zunächst überwiegend an verschiedenen Orten des nördlichen Kirchenstaates, danach in Mailand zeigen. Nun aber ging es um eine Basis seiner Existenz und seines Prestiges, es ging um sein von den Orsini erworbenes Haus am Campo dei Fiori. Denn Papst Alexander VI. betrachtete dieses kurzerhand als Objekt der Orsini, d.h. speziell Virginios, so daß er den Anspruch erhob, das Haus wie eine der OrsiniBurgen konfiszieren zu dürfen. Giovanni aber erklärte, es sei seines und er verfüge über die entsprechenden Verträge. Vorerst konnte der Medici mit seinem Einsatz seinen Besitz retten. 216 Vgl. hierzu Regis Ferdinandi, S. 391 (ein von König Federico angekündigter Prozeß zur Aufklä-

rung des Mordvorwurfs kam nie zustande). 217 Instruktiv ist in diesem Zusammenhang die Feststellung des in Rom lebenden Medici-Agenten

Luigi Lotti am 2.1.1493 gegenüber Niccolò Michelozzi in Florenz: Salvus sis. Nel nome del vostro diavolo, et non si può fare con papa Alexandro, come si faceva con papa Innocentio!; vgl. BNCF, Ginori Conti, 29/83, c. 73; Zeugnisse für die feindliche Haltung des Borgia-Papstes zu den Medici und zur Medici-Bank auch bei Picotti, Giovinezza, S. 465–473. 218 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, 443–449; zur Ermordung Giovannis jetzt eingehend: Reinhardt, Der unheimliche Papst, S. 140–146. 219 ASF, DBR 51, c. 180 (26./28.10.1496, Ricciardo Becchi, Rom). Daß Giovanni de’ Medici damals aus Mailand kam, wird von Lamberto dell’Antella bezeugt; vgl. Villari, Storia II, S. xvi.

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Alexander VI. hatte allerdings auch Größeres im Sinn. Denn den Orsini wollte er ihren gesamten Staat entziehen! Der eifrige Becchi sah sich vor diesem Hintergrund genötigt, die Dieci di Balìa darauf hinzuweisen, dass die Medici (und damit ebenso deren Syndizi bzw. die Florentiner Republik) von diesem Konflikt direkt betroffen waren. Denn Piero de’ Medici mache gut 50.000 Dukaten bei Virginio Orsini als Schuld geltend, während Nofri Tornabuoni ihm, Becchi, erzählt habe, die Tornabuoni-Bank in Rom (als Nachfolgerin der römischen Medici-Bank) sei mit 42.000 Dukaten Gläubiger des Orsini; darüber hinaus habe diese Bank ‚von dort‘ (womit Becchi offenbar Florenz meinte) mehr als 30.000 Dukaten erhalten.220 Doch zu den zehn Empfängern seiner Mahnung gehörte zumindest mit Bernardo del Nero ein enges Mitglied des Florentiner Medici-Zirkels, das solche Hinweise sicherlich entschärfte.221 Die Orsini hingegen besaßen von Beginn an zwei energische und einflußreiche Interessenvertreter in Rom, die auch einen Alexander VI. nicht fürchteten. Dies waren – selbstredend – Federico Sanseverino sowie sein Freund Oliviero Carafa, der als Feind Alexanders bekannte, grundsätzlich in angiovinischfranzösischer Tradition stehende und mit dem Sanseverino wie seit längerem mit den Medici befreundete Kardinal, der zugleich Erzbischof von Neapel (1458–84, 1503–05) war bzw. gewesen war und deshalb in der Regel als Kardinal von Neapel bezeichnet wurde. Schon Mitte Oktober 1496 hörte man in Rom von der Möglichkeit, der Papst könnte die Orsini-Ländereien in die Hände dieser beiden Kardinäle geben, um sie dann Virginio als Geschenk zurückzugeben.222 Da Alexander jedoch zugleich weiter Truppen bezahlte und den Herzog von Urbino an deren Spitze stellte, erschien diese Idee wenig realistisch. Die geistlich-kurialen Funktionen unserer Kardinäle, des Medici ebenso wie des Sanseverino, litten natürlich unter all jenen Sorgen und Aufgaben. Nimmt man die Protokolle des gewissenhaften Kurien-Zeremonienmeisters Johannes Burckard als Maßstab, kann man den Eindruck gewinnen, sie hätten sich in jener Zeit gar nicht in Rom aufgehalten. Federico Sanseverino ist in ihnen vom 20. Mai bis zum 7. Dezember 1496 gar nicht nachzuweisen; er hatte somit an keinem der kurialen Dienste wie Konsistorien- und Meßbesuchen teilgenommen, was man bei seiner bezeugten Anwesenheit in Rom hätte erwarten können.223 Der Ende Oktober nach Rom zurückgeeilte Giovanni de’ Medici wird am 7. Dezember 1496 erstmals wieder bei einer Meßfeier erwähnt.224 Bei solchen Anlässen 220 ASF, DBR 51, c. 180 (26./28.10.1496, Ricciardo Becchi, Rom). 221 Zu den Namen der Dieci vgl. Mecatti, Storia cronologica, S. 485. 222 ASF, DBR 51, c. 167 (20.10.1496, Ricciardo Becchi, Rom). 223 Vgl. Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 605, 649. 224 Diese Angabe allerdings nur bei Thuasne, Burchardi diarium II, S. 340; in Celanis Edition er-

scheint der Medici nicht unter den 4 Kardinälen (darunter aber der Sforza und Sanseverino), welche die Messe am 7.12. feiern, dann jedoch an der Seite Sanseverinos bei dem Empfang von Juan Antonio Borgia-Lanzol: Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 649–651. Wenn die Angaben bei Burckard zutreffen, war Giovanni de’ Medici vor diesem Datum das letzte Mal am 11.5.1492, als er zum Legaten für Tuszien und Florenz ernannt wurde, in geistlich-kurialer Funktion in Rom aktiv gewesen. Im Mai 1493 beispielsweise ist in seinem (da von ihm nicht bewohnten) Haus am Campo dei Fiori der spanische Gesandte Didacus Lopez de Haro untergebracht worden; vgl. Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 358 (zum 11.5.1492), 425.

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können wir nun aber gewöhnlich den Sanseverino an der Seite seines Freundes Giovanni de’ Medici sehen. Diese Nähe war den Florentiner Spitzeln offenbar so selbstverständlich, daß sie ihr im Gegensatz zu der zwischen Piero und Federico keine Beachtung schenkten. So nahmen der Medici und der Sanseverino den nach seinem Erzbistum Capuanus genannten Papstgroßneffen und Kardinal Juan Antonio Borgia-Lanzol am 19. Dezember 1496 bei seinem feierlichen Empfang in Rom auf einem Teil der Strecke in ihre Mitte.225 Von da an werden beide, wenn sie gemeinsam an der Kurie weilten, sehr häufig von Burckard nacheinander genannt.226 Das hatte nicht nur einen formal-hierarchischen Grund, sondern entsprang bei vielen Anlässen offenkundig ihrer Freundschaft, ist bei einigen sogar als symbolisch-demonstratives Zeugnis ihrer Verbundenheit zu werten. Außer Sanseverino und Carafa beteiligte sich seit dem Januar 1497 auch der venezianische Botschafter an den Vermittlungsverhandlungen zwischen dem Papst und den Orsini. Alexander VI. wollte dabei den Preis so hochtreiben, daß die Orsini ablehnen mußten. Neben den ehemaligen Ländereien des Franceschetto Cibo, Geld in Höhe von 50.000 Dukaten, Erstattung sämtlicher Kriegskosten und einem Beitritt der Orsini in die Hl. Liga bestand der Papst weiterhin auf dem vom Medici-Kardinal bewohnten Haus am Campo dei Fiori, das im Gegensatz zu den Geldforderungen für den Borgia nicht zur Disposition stand – unannehmbare Bedingungen für die Orsini, so selbst die Florentiner Gesandten.227 Jener „Staat“ des Franceschetto, die Grafschaft Anguillara mit u. a. der wichtigen Besitzung Cerveteri, hat in unserer Geschichte bereits eine besondere Rolle gespielt. Ihn hatte Virginio Orsini im September 1492 mit Hilfe seines Ziehsohnes Piero de’ Medici und gewaltiger finanzieller Unterstützung König Ferrantes von Neapel gegen den erklärten Widerstand Papst Alexanders VI. dem Medici-Verwandten Cibo abgekauft. Damit konnte er das Orsini-Territorium – ganz im Sinne der dominialen Strategie der Medici – auch machtpolitisch ausbauen.228 Daß Alexander VI. diesem Verkauf seinerzeit nur unter politisch-militärischem Druck zugestimmt hatte, zeigt dieser Jahre später erfolgende Entschluß zur Revision des damaligen Orsini-Erfolges. Hauptansprechpartner des Papstes blieben jedoch die Kardinäle Sanseverino und Carafa, die – so die Beobachter – das Patrozinium des Hauses Orsini übernommen hätten. Beide wurden dabei unterstützt von Sanseverinos treuem Vertrauten Luigi Becchetti – wie sein Patron ein glühender Partei-

225 Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 650f. (cardinalis Capuanus equitavit in ultimo loco inter

rr. dd. Senensem et Ascanium, diaconos cardinales, usque ultra pontem S. Angeli; prope ecclesiam beate Marie Transpontine, rr. dd. Sancti Severini et de’ Medicis, diaconi cardinales, receperunt inter se medium dictum cardinalem Capuanum); zur Person: Reinhardt, Der unheimliche Papst, S. 120 und s.v. 226 Vgl. etwa Johannis Burckardi Liber notarum I, S. 651 (Konsistorium vom 19.12.1496), II, S. 18 (missa solemnis in Santa Maria sopra Minerva am 7.3.1497), 41 (Konsistorium vom 7.6.1497), 60 (Begräbnis des Kardinals Gian Giacomo Schiaffenati am 9.12.1497) und passim. 227 ASF, DBR 45, c. 316, 357–358 (25. und 31.1.1496/97, Antonio de’ Pazzi, Rom; den Pazzi, der privaten Geschäften in Rom nachging, hatten die Dieci di Balìa Ende Dezember als weiteren römischen Berichterstatter verpflichtet; vgl. DBR 51, c. 257; Nuovi documenti, S. 149, Anm. 1). 228 S.o. S. 312.

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gänger der Medici! – und von Benedetto dela Fara als Mann der Orsini, die meistens zwischen Rom und den Orsini-Burgen die praktischen Verhandlungen führten.229 Am 3. Februar 1497 berichteten sowohl der Florentiner Antonio de’ Pazzi als auch der Mailänder Stefano Taverna übereinstimmend aus Rom, der Kardinal Federico Sanseverino sei am vorigen Tag mit Oliviero Carafa seit dem Morgen im apostolischen Palast bei Alexander VI. gewesen, um über die Orsini-Sache zu verhandeln, nachdem Luigi Becchetti und Benedetto dela Fara von ihrer Mission bei den Orsini zurückgekehrt seien.230 Nach der fehlgeschlagenen Niederwerfung der Orsini durch päpstliche Truppen ging es darum, den Friedensvertrag zwischen den Vasallen des Papstes und ihrem Lehnsherrn auszuhandeln, der von den Orsini nun nur noch 50.000 Dukaten, den ehemaligen „Staat“ des Franceschetto Cibo sowie den Eintritt in die Hl. Liga forderte, den auch der Herzog von Mailand wünschte. (Hier war dem Sanseverino sein französisches Hemd jedoch deutlich näher als sein mailändischer Rock!) Doch die Orsini erklärten, sie seien soldati di Francia und somit zu einem Übertritt in die Liga nicht bereit, ihren Staat würden sie nicht aufgeben und an den Papst nur eine geringere Summe zahlen.231 Um die Bereitstellung der 50.000 Dukaten kamen sie mit dem Friedensvertrag vom 5. Februar 1497 nicht herum; aber territoriale Einbußen mußten sie faktisch nicht erleiden, da die Burgen von Anguillara und Cerveteri lediglich so lange in der Hand der Kardinäle Carafa und Sanseverino blieben, bis der Gesamtbetrag bezahlt wurde, um dann an Carlo Orsini überzugehen – ein großer Erfolg für die Vermittler mithin.232 Noch am 6. Februar hielten sich Federico San229 ASF, DBR 45, c. 357–358 (31.1.1496/97, Antonio de’ Pazzi, Rom). Seit 1503, also bezeichnen-

derweise erst nach dem Ende des Borgia-Pontifikats, ist Benedetto de la Fara als Inhaber eines Kurienamtes nachzuweisen; Frenz, Kanzlei, S. 302, Nr. 395. 230 ASF, DBR 46, c. 3 (3.2.1496/97, Antonio de’ Pazzi aus Rom an Dieci di Balìa; mit der präziseren Zeitangabe: Ieri el rmo. cardinale di Napoli et il cardinale di Sanseverino per il ritorno di messer Luigi Becchetti et di messer Benedetto furono tutto il giorno a palazo: chiamati da Nostro Signore ...); ASM, SPE, Roma 119 (3.2.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza). 231 ASF, DBR 46, c. 4 (4.2.1496/97, Antonio de’ Pazzi, Rom). 232 Die Orsini hatten gemäß dem am 5.2.1497 unterzeichneten Friedensvertrag, für den Sanseverino und Carafa manum dederunt, also bürgten, 50.000 Dukaten Kaution an den Papst zu zahlen, erhielten dafür aber bis auf Anguillara und Cerveteri alle ihre Burgen zurück; die zwei Burgen waren an die beiden Vermittler abzutreten, in deren Hand sie bis zur Bezahlung des Geldes bleiben sollten; vgl. ASF, DBR 50, c. 244 (6.2.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom); DBR 46, c. 9 (10.2.1496/97, Antonio de’ Pazzi, Rom). Vgl. ferner Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 15; Sanuto, Diarii I, Sp. 472, 499, 506; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 310f. (III/11); Panunzi, Gentil Virginio Orsini, S. 35 (2.2.1497); Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 441; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 615–619. Kardinal Ascanio Sforza hatte die Kurie damals vorsichtshalber verlassen, da Alexander VI. ihm die oder eine Hauptschuld an dem desaströsen Ausgang des Feldzugs gab. Am 7.2.1497 sandte der Papst den Sanseverino nach Bracciano, um den Orsini den Inhalt des Vertrags mitzuteilen und ihnen das Versprechen abzunehmen, diesen einzuhalten. Alexander VI. hatte für den erfolglosen Feldzug gegen die Orsini Unsummen ausgegeben; die Belagerung von Bracciano soll ihn 50–80.000 Dukaten, der Feldzug an sich nach eigener Aussage 30.000 Dukaten monatlich gekostet haben. Sanuto nennt im Gegensatz zu Burckard statt des Kardinals Carafa irrig den Kardinal von Siena, also Francesco Todeschini Piccolomini, als Vermittler neben dem Sanseverino – und natürlich den venezianischen Botschafter.

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severino, Oliviero Carafa, Benedetto dela Fara und Luigi Becchetti gut fünf Stunden im Vatikan auf, um die zahlreichen praktischen Einzelheiten des Vertrages mit dem Papst zu besprechen.233 Da außer ihnen aber auch der französische Kardinal Jean de BilhèresLagraulas an der Übereinkunft beteiligt war, verwundert es nicht, wenn all diese Unterhändler nach Vertragsschluß freimütig betonten, die Orsini, Bartolomeo d’Alviano und Vitellozzo Vitelli blieben franciosi, sie erfüllten ihren bis Mai 1497 dauernden Soldvertrag mit dem französischen König und würden sich nicht der Hl. Liga anschließen.234 Diese Verhandlungen waren freilich noch mit einem ganz anderen Problem verknüpft, dem prominenter Gefangener. In der Hand des Markgrafen von Mantua, Francesco Gonzaga, der im Auftrag Venedigs für die Aragonesen gegen Frankreich und die Orsini gekämpft hatte, befand sich Paolo Vitelli, ein Freund der Medici und Orsini, während diese seit ihrem Sieg bei Soriano gegen die päpstlichen Truppen deren Heerführer Guidobaldo da Montefeltro, den Herzog von Urbino, in Gefangenschaft hielten – einen guten Freund und häufigen Weggefährten der Medici im übrigen. Einen Teil des Vertrages bildete das päpstliche Zugeständnis der Freilassung von Giangiordano und Paolo Orsini; die Klärung der Zukunft der beiden anderen wichtigen Gefangenen aber stand noch aus.235 Federico Sanseverino machte sich diese Aufgabe erneut zu eigen, zwar mit Bewilligung durch den Papst, doch völlig eigenmächtig zum Vorteil der Orsini handelnd. Denn klugen Köpfen boten sich hier Möglichkeiten der Vorteilsgewinnung. Diese Köpfe hatten zwei Namen: selbstredend den Federico Sanseverinos – aber den anderen möchten wir doch noch nicht verraten. Ihr so einfacher wie genialer Plan war folgender. Im Vertrag vom 5. Februar 1497 war angeordnet, daß die Orsini 30.000 der zu zahlenden 50.000 Dukaten sofort nach der Freilassung Giangiordanos und Paolo Orsinis zu zahlen hätten, den Rest innerhalb von acht Monaten. Wenn man nun aus der Gefangennahme des Herzogs von Urbino ein hohes Lösegeld im Rahmen der an den Papst zu zahlenden Summe herausholen könnte, ohne für den Vitelli ein solches begleichen zu müssen, hätte man aus der Not noch eine Tugend gemacht. Äußerst instruktive Briefe werden uns nun zeigen, wie und durch wen diese Möglichkeit umgesetzt und wie das Ganze in die Ziele der Medici eingeflochten wurde.

b) Die römische Medici-Bank als ‚das Nest‘ – oder: Leonardo di Zanobi Bartolini als strategischer Kopf der Medici im Spiegel zeitgenössischer Briefe Papst Alexander VI. hatte sich kurz nach dem Vertragsschluß mit den Orsini entschlossen, offen und aktiv für die Ziele Piero de’ Medicis einzutreten. Doch dieser Borgia handelte auch hier nicht ohne Hintergedanken, nicht ohne die Medici-Sache zu seinem Instrument für andere Absichten zu gestalten. Durch eine Verpflichtung Pieros könnte er sich, so sein aus den Quellen zu erschließendes Kalkül, die Orsini gefügig machen und dazu die 233 ASF, DBR 50, c. 244 (6.2.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom). 234 ASF, DBR 50, c. 259 (9.2.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom). 235 Hierzu auch Guicciardini, Storia d’Italia, S. 309–311 (III/11).

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Florentiner unter Druck setzen, wollten diese doch seiner Forderung, Savonarola zum Gehorsam gegenüber dem Papst zu zwingen, nicht nachkommen. Antonio de’ Pazzi wußte den Dieci di Balìa am 16. Februar 1497 zu berichten, der Papst habe am Montag, dem 13. Februar, heimlich Piero de’ Medici für eine lange Unterredung zu sich kommen lassen, habe ihn gefragt, was er davon halte, wenn er vom Papst Unterstützung erhielte, Geld und Truppen.236 Piero habe freilich, so sei zu vernehmen, sehr zögerlich reagiert. Da dies eine Sache größter Wichtigkeit sei und mit großen Gefahren verbunden, erbitte er Bedenkzeit. In jener für die Verbannten typischen Weise habe er jedoch sofort Hoffnungen geschöpft. Wohin die Gedanken Pieros, der sich anschließend nach Bracciano begeben habe, und die des Papstes nun zielten, konnte Antonio de’ Pazzi nicht genau sagen; letzterer sei aber sicherlich eine Gefahr für Florenz, da dieses seinen Wünschen nicht folgen wolle. Durch die hundert Augen des florentinischen Argus, des Medici-Feindes Ricciardo Becchi, blicken wir nun auf Rom, nicht wenig erstaunt über das, was wir zu sehen bekommen! Denn Becchi registrierte nun noch schärfer als vorher jede Bewegung, jeden Schritt der Medici und ihrer Vertrauten. Fast scheint er seine Gestalt nach Bedarf zu wandeln, um wie ein emsig durch jeden römischen Winkel schnüffelndes Wiesel auch jeden ihrer Laute hören zu können. Gleichwohl erkannte und verstand er nicht alles, da ihm der Zugang zu den innersten Räumen verwehrt blieb. Am 17. Februar 1497 informierte er die Dieci di Balìa, daß Piero de’ Medici sich nach Bracciano begeben wolle, wo er Juwelen im Wert von 3–4.000 Dukaten in den entsprechenden Geldwert eintauschen wolle, um anschließend zu den Petrucci nach Siena zu reiten.237 Am 26. Februar 1497, einem Sonntag, warnte er die Dieci dann mit Hinweis auf Montepulciano noch recht unbestimmt, aber doch sehr eindringlich vor dem Kardinal Federico Sanseverino.238 Am Mittwoch, dem 1. März, informierte er die Dieci über den Stand der Gefangenenproblematik.239 Die Kardinäle Carafa und Sanseverino sowie die Minister der Orsini wollten ihm keine klare Bestätigung der Einigung geben, doch an deren Zustandekommen sei nicht zu zweifeln. Die Orsini müßten jedoch um jeden Preis das Lösegeld für den Herzog von Urbino erhalten, um die 30.000 Dukaten an den Papst zahlen zu können. Aber nur wenn der Herzog freikomme, würde der König von Neapel Giangiordano und Paolo Orsini freilassen und der Markgraf von Mantua Paolo Vitelli, während der Herzog von Mailand und Venedig darauf drängten, daß der Herzog ohne einen quatrino zu zahlen aus seiner Gefangenschaft entlassen werde. Es gebe aber hier in Rom einen der Unsrigen (also einen Florentiner), der diese Angelegenheit der Orsini bearbeite, über deren Erfolge die Dieci vollauf informiert sein müßten! Zwar sei der Vertrag noch nicht in Kraft getreten, da die Orsini noch kein Depositum von 30.000 Dukaten aufgebracht hätten, doch verfügten sie schon über 24.000 236 ASF, DBR 46, c. 14 (16.2.1496/97, Antonio de’ Pazzi, Rom). 237 ASF, DBR 46, c. 17 (17.2.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom), analog: c. 18 (19.2.1496/97, Anto-

nio de’ Pazzi, Rom). 238 ASF, DBR 46, c. 26 (26.2.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom). 239 ASF, DBR 46, c. 34 (1.3.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom: Da qua è uno de nostri di qua in

maneggia questa cosa degli Orsini, ...).

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Dukaten. Wenn also diese Entwicklung die Florentiner Kriegsbeamten unmittelbar betraf, dann mußte sie mit den Plänen der Medici zusammenhängen – und jener noch anonyme Florentiner in Rom hatte daran entscheidenden Anteil! Es scheint keine zufällige Koinzidenz zu sein, daß zur gleichen Zeit, am 4. März 1497, die Florentiner Botschafter in Frankreich, Bischof Francesco Soderini und Giovacchino Guasconi, aus Lyon meldeten, in der Lyoner Medici-Bank würden zu jeder Messe einige Tausend Dukaten einkassiert und gewechselt, wobei jedoch die Gläubiger sowohl der alten als auch der neuen Medici-Bank nicht berücksichtigt würden; dies alles wirke sich zu einer großen Last für die Botschafter wie für die Stadt Florenz aus.240 Aus dieser für die Profitabilität der nachlaurenzianischen Medici-Bank instruktiven Warnung geht also hervor, daß in der Lyoner Medici-Bank (seit Oktober 1496 im offiziellen Besitz von Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti!) beträchtliche Gewinne erwirtschaftet wurden, denn sonst hätte man nicht fordern können, dieses Geld für die Bezahlung der Schulden bei den zahlreichen Gläubigern zu verwenden. Da die Medici-Bankiers sich ihren Pflichten gegenüber den Kreditgebern verweigerten, müssen sie das Geld für andere Zwecke verwendet haben. Es ist anzunehmen, daß ein Teil des in Lyon „flüssig“ gemachten Geldes den damaligen Vorbereitungen und Aktionen der Mediceer zugute kam. Am Dienstag, dem 7. März – als Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino gemeinsam eine feierliche Messe in der Dominikanerkirche von Santa Maria sopra Minerva feierten241 –, mußte ein fassungsloser Ricciardo Becchi vermelden, Federico Sanseverino habe eine Verständigung zwischen den Orsini und dem Herzog von Urbino erzielt, der jenen die enorme Summe von 40.000 Dukaten zahle, die dann vermutlich der Papst erhalte.242 Außerdem hätten die Orsini, d.h. genauer jener für sie agierende Florentiner, tatsächlich die 30.000 Dukaten zusammengebracht, so daß die Orsini-Gefangenen in Neapel freikämen. Becchi bekräftigte im weiteren erneut, daß dieser Gang der Dinge die von den Medici bedrohte Sicherheit von Florenz betreffe. Denn nun wies er die Dieci darauf hin, daß es in Rom Florentiner gebe, die Florenz bzw. die aktuelle dortige Regierung haßten und die ihre Freunde in Florenz drängten, sie über alles gut auf dem laufenden zu 240 ASF, DBR 52, c. 10 (4.3.1496/97, Francesco Soderini, Giovacchino Guasconi, Lyon: ... Di qua

ci sono fatte molte querele da più creditori de’ Medici così della ragione vechia come della nova che alloro non si pensa, et non si provede, et tutto dì si attende a riscuotere et cambiare che non è mai fiera non si cambii parechi migliaia di ducati per e giovani loro. La città e noi ne habiamo gran caricho et un dì seguire qualche disordine contro la natione ...). 241 Im Kreise von 18 anwesenden Kardinälen feierten beide am 7.3.1497 Seite an Seite die missa solemnis in Santa Maria sopra Minerva; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 18 (Burckard nennt bei entsprechenden Aufzählungen der Kardinäle den Medici und den Sanseverino in der Regel unmittelbar nacheinander; dies ergab sich natürlich bereits aus der Kombination von Rang und Anciennität, scheint aber auch auf die von ihm beobachtete tatsächliche Nähe der beiden in der Gruppe der Kardinalsdiakone zurückzugehen, die ansonsten nämlich nicht immer nach einem formalen Ordnungsprinzip aufgeführt werden.). 242 ASF, DBR 46, c. 40 (7.3.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom); dieser Schlüsselbrief ist in Auszügen gedruckt worden in: Nuovi documenti, S. 146f.

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halten. Des öfteren habe er, Becchi, die Dieci schon darauf hingewiesen – dies ist natürlich eine Anspielung auf Becchis frühe Warnungen vom 19. und 20. April 1496 vor der römischen Medici-Bank als auszuhebendem, zu entfernendem Rebellen- und Feindesnest (nido de’ ribelli et inimici)!243 –, jetzt aber erscheine ihm dies notwendiger denn je, um Florenz zu schützen. Sie sollten vor allem die Briefe kontrollieren, und zwar nicht nur diejenigen, die aus Florenz abgesandt würden, sondern auch die dorthin kommenden. Er schreibe dies nicht ohne Grund; und wenn die Dieci entsprechende Vorkehrungen träfen, könnten sie ‚sehr Angenehmes‘ für sich finden. Und mit den nächsten stakkatohaft niedergeschriebenen Worten, mit seiner folgenden Forderung näherte sich Becchi dem zentralen Punkt; uns aber führt er damit ins Zentrum des Netzwerkes! Es sei nämlich ebenso notwendig, jenes Nest (questo nidio[!]) auszuheben, das die Ursache vielen Übels sei, und sie [der Medici-Kreis] veranstalteten dort große Festmahle; und in der vergangenen Woche hätten dort der Kardinal Sanseverino, der Kardinal de’ Medici, Piero und einige andere gespeist. Die Dieci müßten dies wissen, so Becchi, doch sollten sie mit seinen Informationen vorsichtig umgehen, damit diese nicht in Florenz bekannt würden; er wolle ihnen von allem berichten, nur sollten sie seinen Namen nicht nennen. Die Angst des Denunzianten spricht zu uns; und sie war berechtigt! Denn den Mediceern war es erneut gelungen, einen zentralen Magistrat mitzubeherrschen. Im November 1496 waren für das erste Halbjahr 1497 gleich drei intimi amici Piero de’ Medicis in das Kollegium der Dieci gewählt worden: Pierfilippo Pandolfini, Piero Corsini und Battista Serristori.244 Dieser Schlüsselbrief aber war damit noch nicht beendet, und wir müssen weiter den Worten Becchis lauschen, denn solch sprudelnde Quellen sind so rar wie kostbar. Der Kardinal Giovanni und Piero de’ Medici seien seit einigen Tagen sehr aufgeräumt und fröhlich, und den Papst, die Kardinäle und die gesamte Kurie ließen sie wissen, es habe in Florenz wegen der ökonomischen Mängel Aufruhr gegeben, überall in der Stadt schreie man (den Medici-Schlachtruf) Palle, Palle, die gegenwärtige Signoria stünde sehr auf ihrer Seite und bevor deren zweimonatige Amtszeit beendet sei, hofften sie nach Florenz zurückzukehren!245 Davon hätten sie auch schon nach Venedig berichtet und offenbar gleichfalls nach Mailand. Kurzum, die Medici machten viel Aufhebens um sich, und sie befänden sich meist an der Seite der Kardinäle Carafa und Sanseverino und dieser Orsini. Regelmäßig kehre Piero de’ Medici mit dem Sanseverino zurück, und mit dessen Gunst und Wärme und jener der Orsini laufe er mit geschwellter Brust durch Rom. Mit Siena stünden die Medici in enger Verbindung, in Rom verfügten sie über Geld. Piero setze 243 S.o. S. 352. 244 Parenti, Storia fiorentina II, S. 57. Alle Mitglieder der Dieci di Balìa des ersten Semesters 1497

aufgeführt bei Mecatti, Storia cronologica, S. 486f. Pierfilippo Pandolfini hatte bereits von Mitte 1495 bis Mitte 1496 zu ihnen gehört. 245 Aufgrund des kostspieligen Krieges gegen Pisa, von Verwüstungen, Mißernten, Pest, Teuerungen und dem Zustrom verarmter Bauern wurde Florenz seit dem Herbst 1496 von wirtschaftlichen und sozialen Problemen erdrückt; vgl. etwa die eindringlichen Schilderungen und den Kommentar bei Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 190–198; sowie Parenti, Storia fiorentina II, S. 80.

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ganz auf die Truppen der Orsini und des Vitellozzo Vitelli und hoffe auf die Hilfe von Papst, Venedig und Mailand. Bemerkenswert war ferner die Nachricht Becchis, daß der Dominikaner Girolamo Savonarola einen Mönch namens Fra Sante, der aus seinem Kloster San Marco in Florenz komme, mit einem geheimen Auftrag nach Rom geschickt habe, wo dieser mehrmals und über längere Zeit mit Giovanni und Piero de’ Medici gesprochen habe. Dies erfuhr Becchi über seinen Kontaktmann im römischen Dominikanerkloster von Santa Maria sopra Minerva – einer zweiten Heimat des Protektors des Dominikanerordens und MediciFreundes Oliviero Carafa brisanterweise, der in seiner dortigen Kapelle außer den MediciImpresen 1492 sogar ein Porträt Piero de’ Medicis durch Filippino Lippi hatte malen lassen!246 Am Schluß seines Briefes ermahnte Becchi die Dieci nochmals zur Vorsicht, und erneut forderte er sie auf, insbesondere jenes Nest, jene Brutstätte auszuheben – also die römische Medici-Bank –, denn aus ihr erwachse den Medici jegliche Gunst bzw. Hilfe, jegliche Gelegenheit: sowohl zum Denken als auch zur Durchführung ihrer Aktionen als auch zur Gewinnung von Anerkennung! Kein Zweifel, nicht nur dem Florentiner Informanten, auch uns erscheinen jene geheimnisvollen Personen, die hinter allen Aktivitäten der Medici standen und die Becchi gleichsam als Bedingung, als Voraussetzung all ihrer Möglichkeiten qualifizierte, am interessantesten. Daß es sich um eine oder mehrere Personen handelte, ist evident. Mit 246 Becchi hatte diese Information von einem seiner Spione erhalten und befragte sogleich den

padre procuratore im Minerva-Kloster, einen Florentiner, ob es stimme, daß ein Anhänger Savonarolas dort gewesen sei. Jener antwortete ihm, es sei ein Fra Sante aus Florenz gekommen, der aber nicht ‚zu jenen von Bruder Girolamo‘ gehöre – um sodann aber zugeben zu müssen, er habe einen Geheimauftrag Savonarolas gehabt. Es handelt sich daher offenkundig um den prominenten Savonarola-Anhänger Fra Sante da San Casciano aus dem Florentiner Dominikanerkloster San Marco; vgl. zu ihm Polizzotto, Elect Nation, S. 286. Der Vorgang selbst ist erstaunlicherweise in der mir bekannten Forschung zu Savonarola weder thematisiert noch problematisiert worden. Er gewinnt vor allem dadurch Brisanz, daß der Medici- und Sanseverino-Freund Kardinal Oliviero Carafa zum einen (von 1478–1511) Protektor des Dominikanerordens war und in dieser Funktion lange Zeit zu Savonarola gehalten hatte, daß er zum andern auch Kirche und Kloster von Santa Maria sopra Minerva wie ein zweites Zuhause behandelte. Hier stiftete er eine Kapelle, die er von dem Florentiner Maler Filippino Lippi ausmalen ließ; dabei ließ er in dem Bild der Disputation des Hl. Thomas von Aquin seine Verbundenheit mit den Medici durch eine Darstellung der Medici-Impresa (Ring und Diamant) neben seiner eigenen und durch ein Porträt Piero de’ Medicis verewigen. In Santa Maria sopra Minerva gründete er auch ein zweites Kloster, La Cisterna genannt; vgl. hierzu Bertelli, Appunti, bes. S. 121f., 124; De Maio, Savonarola, S. 20, Anm. 13, S. 31. Noch im Februar 1494 schrieb Piero an Carafa einen Empfehlungsbrief für Filippino Lippi; vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 118 (13.2.1494: Al cardinale di Napoli, per Filippo di fra’ Filippo). Angesichts der Freundschaft zwischen Carafa und den Medici wundert es nicht, daß Piero seinen Bruder Giovanni am 4.8.1492 bat, dem Carafa die Stimme bei der Papstwahl zu geben; vgl. Picotti, Giovinezza, S. 422f., 453, Anm. 69; Del Piazzo, Ricordi di lettere (1954), S. 397. Ob Savonarolas vertrauter Dominikaner im Dominikanerkloster der Minerva wohnte, ist nicht bekannt; offensichtlich versuchte Savonarola über ihn und die Medici jedoch, die ihm drohende päpstliche Exkommunikation abzuwenden, möglicherweise mit Versprechungen für die Medici, denn einige ihrer engsten Freunde in Florenz zählten zu den erklärten Anhängern Savonarolas; vgl. hierzu unten S. 807–817.

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dem nid[i]o Becchis ist zwar zunächst allgemein ein Nest (nido) gemeint, meist das von Vögeln, und als Grund von vielem Bösen läßt es sich auch im übertragenen Sinne als dessen Brutstätte verstehen, die von einer oder mehreren Personen gebildet werden kann. Dementsprechend gab es hierzu die Ausdrucksweise essere cattivo nidio, mit der man Menschen bezeichnete, die von Grund auf, seit ihrer Kindheit, listig und verschlagen, böse und niederträchtig waren.247 Diese Bedeutung besaß ‚das Nest‘ bereits im April 1496, als Becchi den nido eindeutig auf die römische Medici-Bank bzw. questi del bancho bezog, d.h. auf offenkundig mehrere leitende Personen der Bank. Doch nur bei einer Person oder Familie, nur in einem Haushalt konnte man ein Festessen veranstalten. Dort fanden die großen Festmahle statt, zu denen explizit die beiden Kardinäle Sanseverino und Medici sowie Piero und weitere ihrer Vertrauten eingeladen waren – und erschienen! Man möchte meinen, aus Gründen der sozialen Abgrenzungen und Hierarchien könne dies nicht der Haushalt eines unbekannten Bankiers gewesen sein. Die Entlarvung dieses Florentiner Staatsfeindes, dieses mächtigen Mannes, der das strategische Gehirn der Medici verkörperte, wird nicht lange auf sich warten lassen. Die Florentiner Beamten der Dieci di Balìa nahmen Becchis Warnungen sehr ernst, und offenkundig schon jene vor seinem Brief vom 7. März geäußerten. Denn dieser wurde erst am 11. März in Florenz registriert, aber bereits an jenem Tag, einem Samstag, fand sich in Rom Alessandro Braccesi ein. Der Humanist wirkte schon unter den Medici (seit Dezember 1479) für Florenz, etwa als langjähriger Gesandter (September 1491 – November 1494 in Siena!), jetzt für die Signoria als Sekretär in der Kanzlei. Ihn hatten die Dieci nun zur verstärkten Beobachtung der Medici nach Rom entsandt. Die Argusaugen und das Gewiesele eines Ricciardo Becchi erschienen ihnen nicht ausreichend. Am 13. März lieferte Braccesi seinen ersten Bericht.248 (Antonio de’ Pazzi befand sich noch in Rom, spielte jetzt aber keine Rolle mehr als Informant.) Einen Tag später, am 14. März, einem Dienstag, schrieben sowohl Ricciardo Becchi als auch Alessandro Braccesi aus Rom an 247 Ich danke Dott. Maurizia Cicconi für freundliche Auskünfte. Die entsprechenden Passagen aus

Becchis Brief seien zitiert: Così [nach der Notwendigkeit verstärkter Briefkontrolle] levare questo nidio di quassù che è cagione di molto male, et fannosi ci di gram combibie et della septimana passata vi cenò el cardinale di Sanseverino, el cardinale de’ Medici et Piero et certi altri. Ho V.S. per altre lettere sanno tutto, rimectomene alle prudentie vostre, harei caro questa lettera non uscissi di V.S. ... [Und am Schluß nach dem Hinweis auf Savonarolas Mönch und der erneuten Ermahnung zur Vorsicht:] Et per consiglio di qualche uno che ama l’honore et utile di cotesta cipta [Florenz], [ho voluto] exortare V.S. al provederci et sopratutto levare via questo nidio donde nasce loro ogni favore et occasione al pensare et fare pratiche et essere in qualche reputatione; ASF, DBR 46, c. 40 (7.3.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom). 248 ASF, DBR 46, c. 50 (13.3.1396/97, Alessandro Braccesi aus Rom an die Dieci di Balìa; er sei seit Samstag [11.3.] in Rom); zu Braccesi vgl. etwa Marchese, Lettere inedite, S. 153f., Nr. 5 und Anm. 2 (Braccesi sei als Sekretär der Signoria und somit der Dieci di Balìa wegen des Krieges gegen Pisa nach Rom entsandt worden – seine Briefe lassen jedoch nicht Pisa, sondern die Erkundung des Medici-Netzwerkes in Rom als zentrale Intention seiner Mission erscheinen); zu seinen Diensten für die Republik Florenz bzw. die Medici vor 1494 vgl. etwa Picotti, Giovinezza, S. 349, Anm. 67, S. 398, Anm. 69, S. 527, Anm. 29, S. 599, Anm. 43; Perosa, Art. „Braccesi, Alessandro“.

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die Dieci di Balìa, um das Geheimnis zu lüften, um die treibende Kraft hinter den Medici beim Namen zu nennen – zwei Schlüsselbriefe, fürwahr! Hier in der [Medici-]Bank, so formulierte es Becchi, der man nun den Namen des Lionardo Bartolini gegeben habe bzw. die nun unter dessen Namen laufe, träfen sie sich [die Medici] zu verschwenderischen Abendessen, und immer finde sich der Sanseverino, der Kardinal de’ Medici, Piero und manch anderer der Florentiner Nation dort ein; die Dieci sollten mehr als vorsichtig sein! Braccesi berichtete im Kontext der überaus innigen Freundschaft zwischen Piero de’ Medici und Kardinal Federico Sanseverino, daß beide am vorigen Abend col Bartolino gespeist hätten.249 Es steht also fest: Die römische Medici-Bank war mittlerweile von Leonardo di Zanobi Bartolini übernommen worden, trug seinen Namen, befand sich in seinem Haus bzw. er wohnte in diesem Gebäude! Diese fast beiläufig geäußerte Information ist nicht nur für die Substanz unseres Netzwerkes, sondern auch für die Geschichte der Medici-Bank nach 1494 von überaus großer Aussagekraft. Das von Leonardo Bartolini bewohnte Gebäude der römischen Medici-Bank lag wie die meisten repräsentativen Banken in der „Wall Street“ des Roms der Renaissance, in der Via dei Banchi bzw. auf dem Canale di Ponte (heute Via Banco Santo Spirito), der Verlängerung der Engelsbrücke.250 In ihr Wohnzimmer luden Leonardo Bartolini und seine Frau Francesca Tornabuoni die Kardinäle Sanseverino – der ja auf derselben Straße wohnte! – und Medici sowie Piero de’ Medici und einige weitere ihrer in Rom lebenden Florentiner Vertrauten ein! Dieses Zeugnis ist auch in allgemeiner sozialgeschichtlicher Hinsicht äußerst interessant: Ein Bankier empfängt Kardinäle zum kostspieligen abendlichen Mahl in seiner Bank – und nicht umge249 ASF, DBR 46, c. 52 (14.3.1496/97, Ricciardo Becchi, Rom; die angesprochene Schlüsselpassa-

ge lautet: Qui nel Bancho [de’ Medici], dassi el nome in messer Lionardo Bartolini, si fanno sumptuose cene, truovavisi sempre Sanseverino, el cardinale de’ Medici, Piero et qualchuno della natione [fiorentina]. V.S. sono prudentissime!); c. 58 (14.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom: Et Piero ha grandissima familiarità et intrinsicheza col cardinale di Sanseverino, et sono informato vanno el più delle nocte in compagnia a loro piaceri et che il cardinale monstra amarlo et carezarlo assai: et hiersera cenorono col Bartolino: il quale è uno malo instrumento et non ha freno alchuno dove creda potere satisfare a Piero sia in quello si voglia ... Questo è certissimo che non ci arriva alchuno fiorentino di nuovo che costui [sc. Leonardo Bartolini] et uno prete Matheo non gli siano alle spalle per condurlo a parlare al cardinale [de’ Medici] et Piero, et tutto è con arte per dimostrare qui alla brighata che hanno costì molti amici et partigiani ...); zu Braccesis Wirken in Rom vgl. auch Shaw, Politics of exile, S. 158. 250 Zur römischen Medici-Bank in der Via dei Banchi vgl. De Roover, Rise, S. 205; exakter: Burroughs, Below the Angel, S. 103 u. Anm. 52 (eine Liste der Kontribuenten, die 1453 zu den Kosten einer neuen Pflasterung an der Kirche San Celso und auf der anliegenden Straße der Banchi beitrugen, führt die Medici-Bank als Anlieger mit dem größten Haus nahe der Piazza San Celso auf), S. 108. Vor Ende November 1525 hat Leonardo Bartolini auf der Westseite dieser weiterhin von Banken dominierten Straße immer noch ein Haus bewohnt, eventuell das der ehemaligen Medici-Bank (la casa che habita Leonardo Bartolini); vgl. Frommel, Palastbau II, S. 32; Günther, Trivium, S. 240f. Noch unter Papst Paul III. wirkte der nun betagte (1464 geborene) Bartolini nach 1534 als Bankier: Bullard, „Mercatores florentini“, S. 58f., Anm. 26, 27 (wo nämlich der Eindruck erwähnt wird, der für die Zeit nach 1534 erwähnte Bartolini sei der vorher von ihr genannte Leonardo und nicht ein Erbe aus seiner Familie).

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kehrt! (Solches wußte man bisher eher von dem berühmten Agostino Chigi.) Sollten Leonardos Schwiegervater Nofri Tornabuoni und dessen Frau Creofe Alamanni im selben Haus gewohnt haben, werden sie ebenfalls zu den Gastgebern gehört haben. Dafür sprechen Becchis Äußerung von questi del bancho als dem ‚Nest‘ der römischen Medici-Bank sowie die Beobachtung, daß Creofe zumindest nach dem Tod ihres Mannes im Haushalt ihres Schwiegersohns nachzuweisen sein wird. Doch als bösen Geist, als Kopf dieser Brutstätte machten die Florentiner Gesandten nur Leonardo Bartolini namhaft. Das Rom der exilierten Medici und ihrer Freunde wird für uns mit einem Schlag lebendig, anschaulich; wir sind durch diese Briefe in der Lage, dem Zentrum des Netzwerkes bei alltäglichen Handlungen zuzuschauen, in einer aufgewühlten Zeit freilich. Alessandro Braccesi liefert uns in seinem Brief darüber hinaus noch eine Charakterstudie dieses Bartolini, die nicht verschwiegen werden darf. Dieser Leonardo Bartolini, so beschrieb es Braccesi, sei ein schlechtes Werkzeug, Instrument; er kenne keine Grenzen, wenn er glaube, Piero de’ Medici in irgendeiner Weise hilfreich sein zu können. Er, Braccesi, habe persönlich diese Erfahrung gemacht. Der Bartolini habe ihn aufgesucht, um sich ihm vorzustellen, habe ihn dann in eine Kammer gezogen und zu überzeugen versucht, er möge den Kardinal [de’ Medici] und Piero anhören. Da er, Braccesi, dies brüsk abgelehnt habe, habe sich der Bartolini angemaßt, gestern nacht [also nach dem Abendessen mit den Medici und dem Sanseverino!] zu seiner Herberge zu kommen, wo er sich bereits zu Bett gelegt habe. Dem Wirt habe Bartolini gesagt, es handele sich um eine wichtige Sache, um bis zu seiner Zimmertür vorzudringen, an die er sodann heftig geklopft habe. Braccesi wollte nun wissen, wer es sei. Und wen sah er? Es war jener Bartolini. Diesen tadelnd, daß er zu solcher Uhrzeit gekommen sei, wollte der Bankier ihn nach unten führen, wo Piero vor dem Haus auf ihn wartete, um ihn zu sprechen. Braccesi wandte sich jedoch lediglich an den Wirt, er solle den Bartolini hinausschicken, doch dieser habe sich heftig geweigert. Daraufhin habe er, Braccesi, dem Bankier gleichsam die Ohren lang gezogen, auf daß er nie wieder vor ihm erscheine. Und die Dieci sollten sich zudem gewiß sein, daß es keinen neu in Rom eintreffenden Florentiner gebe, der nicht sofort von Leonardo Bartolini und einem Priester namens Matheo bedrängt werde, um ihn zu einem Gespräch mit dem Kardinal [de’ Medici] und Piero zu bewegen. Sie täten dies mit dem Hintergedanken, den Florentinern in Rom zu zeigen, daß die Medici viele Freunde und Anhänger in Florenz hätten, da sie ja sonst nicht von so vielen nach Rom kommenden Florentinern besucht würden; die Dieci sollten den Florentinern also diesen Umgang verbieten. Braccesi wie Becchi haben natürlich in diesen beiden Briefen mit nie ermüdendem Eifer auch die Bewegungen und Pläne der Medici geschildert. Becchi betonte, daß der tatkräftige Mut oder Optimismus von Giovanni und Piero de’ Medici nicht schwinde; und mit vielen Florentinern pflegten sie ‚vertraute Praktiken‘. Jeden Tag empfingen sie Boten und Briefe aus Florenz, so wie sie ihre Männer und Briefe aus Rom dorthin schickten. Und gerade in diesen Tagen reisten einige Florentiner aus Rom zurück, die in äußerst innigen Verbindungen zu den Medici gestanden hätten. Man sage überdies, Pandolfo

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Petrucci [der Stadtherr Sienas] habe Piero große Mengen Korn angeboten, was ihm auch von einem aus Lucca [vermutlich Benedetto Buonvisi] und anderen angetragen worden sei. Mit dem Korn solle er zu den Grenzen von Florenz kommen, um etwas zu bewegen – natürlich einen Aufstand der hungernden Florentiner. Von Braccesi erfuhren die Dieci, daß an der Kurie ein Antwortbrief der venezianischen Regierung an den in Venedig lebenden Medici-Vertrauten Piero Dovizi da Bibbiena gezeigt worden sei. Aus ihm könne man entnehmen, daß der Medici-Kardinal mit Piero (mit dem Braccesi vermutlich den Medici meinte) zwei Strategien hinsichtlich Venedigs verfolge. Zum einen wolle man erreichen, daß die Hl. Liga die Orsini und Vitellozzo Vitelli in ihre Reihen aufnehme; zum anderen ersuchten sie eine direkte Unterstützung Venedigs für ihre Rückkehr nach Florenz, wozu sich die Serenissima mit Blick auf ihre gute Freundschaft mit Lorenzo de’ Medici sehr gern bereit erklärt habe. Zu Piero de’ Medici hob Braccesi hervor, dieser pflege eine überaus familiäre Vertrautheit mit dem Kardinal Federico Sanseverino; nach seinen Informationen trieben sie sich die meisten Nächte gemeinsam zu ihrem Vergnügen herum. Der Sanseverino demonstriere stets, daß er Piero liebe und ziemlich schmeichle – und gestern abend speisten sie mit dem Bartolini. Am 21. März 1497 konnte Braccesi einige seiner Andeutungen präzisieren.251 Er habe nämlich vernommen, daß Lorenzo (di Antonio) Pucci sich in dieser Quadragesima einige Male zum Abendessen in Leonardo Bartolinis Haus eingefunden habe, wo er zu Federico Sanseverino und Piero de’ Medici stieß. Nach dem Mahl hätten sich diese drei eingeschlossen, um lange Beratungen zu führen. Mit dieser Formulierung wollte Braccesi sicherlich die heimlichen Gespräche der drei betonen, gewiß aber nicht behaupten, daß der Bartolini von ihnen ausgeschlossen worden wäre. Denn dessen maßgebliche Teilnahme wird ansonsten stets unterstrichen. Puccis Anwesenheit erschien Braccesi deshalb so bemerkenswert, weil jener als hoher Geistlicher und Kurialer – der ca. 1458 Geborene wirkte damals vor allem in dem einflußreichen Amt eines Abbreviators252 – in der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern durch seine Einladung ins Bartolini-Haus offenkundig auch das christliche Fastengebot zu umgehen verstand. Dieser Angehörige einer den Medici engstens verbundenen Florentiner Familie gehörte für die medicifeindlichen Beobachter spätestens von nun an zum Zentrum des Netzwerkes, mußte als in die vertraulichsten Pläne eingeweiht eingestuft werden. Freilich hatte Lorenzo di Antonio Pucci aus dieser seiner Gesinnung nie ein Hehl gemacht. Ende 1494 äußerte er sogar, er und seine Brüder hätten einen Gott im Himmel und einen Herrn auf Erden, welcher der Magnifico 251 ASF, DBR 46, c. 70 (21.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom: ... ritragho questo messer Lo-

renzo Pucci si è ritrovato in questa quadragesima qualche volta a cena in casa Lionardo Bartholini dove è suto Sanseverino e Piero et dopo cena si sono rinchiusi loro tre e stati a lunghi ragionamenti.). 252 Vgl. hier nur Verde, Studio fiorentino III/1, S. 572f. (drei der Brüder Lorenzos waren der fünf Jahre ältere Puccio, der drei Jahre ältere Alessandro und der vier Jahre jüngere Giannozzo Pucci, die ebenfalls zu den Intimfreunden der Medici gehörten und von denen Giannozzo 1497 als solcher sein Leben verlieren wird – Freunde waren auch Benintendo und Puccio di Francesco Pucci); Frenz, Kanzlei, S. 395, Nr. 1487.

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Piero [de’ Medici] sei! Sein vier Jahre älterer Bruder Puccio war im übrigen verheiratet mit Geronima Farnese, der Schwester der bekannten Schönheit Giulia Farnese, die zwar mit Orsino Orsini vermählt war, doch zu den Geliebten Papst Alexanders VI. gehörte und mit ihm sogar eine Tochter Laura hatte.253 Lorenzos vier Jahre jüngeren Bruder Giannozzo, der Piero de’ Medici nach eigenem Bekunden sogar seine Seele und seinen Körper gegeben habe, haben wir bereits für den Oktober 1494 mit Lorenzo Tornabuoni und anderen als Begleiter Pieros zu König Karl VIII. kennengelernt. Giannozzo wird 1497 tatsächlich zumindest seinen Körper für den Medici verlieren, ebenso wie der Tornabuoni. Einer ihrer Verwandten, Niccolò Pucci, zählte zu den Mitarbeitern Lorenzo Tornabuonis und Gianbattista Braccis in der Florentiner Medici-Erben-Bank, und ein Bruder von Lorenzo Pucci, Piero, wird zur weiteren Verstärkung des Netzwerkes in die Familie Lanfredino Lanfredinis einheiraten, der wiederum eine zentrale Rolle in der Medici-Erben-Bank einnahm – eine Großfamilie mithin. Lorenzo Puccis Möglichkeiten, als hoher Kurialer für die Medici zu wirken, werden wir noch beobachten dürfen. Zunächst aber lauschen wir weiter dem Braccesi, der nun auch einen der zu den Medici pilgernden Florentiner beim Namen nennt. Kürzlich sei Leonardo d’Antonio de’ Nobili aus Florenz nach Rom gekommen; ununterbrochen sei er mit dem Kardinal [de’ Medici] und mit Piero zusammengewesen, und er habe von ihnen das Benefizium von Montecuccoli (nördlich von Florenz im Mugello gelegen) erhalten, das einst Ser Agnolo da Montepulciano besessen hätte. Braccesi unterstellt hiermit natürlich, daß die Medici sich ihre Freunde durch solche Gaben „gekauft“ hätten. Leonardo de’ Nobili sei jetzt pregno – also gleichsam schwanger vor Glück und Begünstigung – nach Florenz zurückgekehrt; und obwohl man davon nicht viel Aufhebens machen müßte, könne es nicht schaden, ihn observieren zu lassen.254 Überwachen sollten die Dieci aber auf jeden Fall Ser Antonio Dondoli da Pistoia, denn dieser sei ein Sekretär des Kardinals Federico Sanseverino, und Kardinal Giovanni wie Piero de’ Medici sei er so vollkommen verpflichtet wie er mit Leidenschaft gegen Florenz und seine Regierung spreche. Desgleichen sollten sie den aus Arezzo stammenden Florentiner Kurialen Bernardo Accolti unter ihre Obhut nehmen, den Sohn des Ser Benedetto Accolti von Arezzo, denn auch dieser (seit 1492 ebenfalls als Abbreviator fungierende) Kuriale stehe den Medici nahe.255 253 Vgl. Picotti, Per le relazioni, S. 46–49, 98; das Zitat oben S. 59, Anm. 118. 254 Solche Vorgänge stehen in einer strukturgleichen Traditionslinie: Weitere Söhne des Antonio

de’ Nobili sind später, nach 1512, als Freunde der Medici nachzuweisen; ein gleichnamiger Antonio de’ Nobili, genannt il Moro, war buffone, also ein besoldeter Spaßmacher von Pieros und Alfonsinas Sohn Lorenzo de’ Medici, dem späteren Herzog von Urbino, saß im Mai 1519 an dessen Sterbebett und wurde Pate von Lorenzos im April 1519 geborener Tochter Caterina de’ Medici, der künftigen Königin von Frankreich; vgl. etwa Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 308 und Kommentar; Cerretani, Ricordi, s.v.; Stephens, Fall, S. 251 und Anm. 6 (Antonio de’ Nobili gehörte wie Leonardo Bartolinis Sohn Nofri und Alessandro Pucci, Jacopo Salviati, Giovanni di Lorenzo Tornabuoni und weiteren zu jenen Medici-Anhängern, deren Güter 1529 während des dritten Medici-Exils konfisziert wurden). 255 Zu den Kurienämtern des Bernardo Accolti vgl. Frenz, Kanzlei, S. 303, Nr. 408. Anläßlich der Kardinalserhebung Piero Accoltis 1511 geht Cerretani etwas näher auf die Herkunft der Familie

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Was aus einzelnen Handlungen und Indizien bereits eruiert werden konnte, was zum Teil noch hypothetisch als plausibel formuliert werden mußte, dies findet durch zwei unbestechliche Augen- und Ohrenzeugen demnach eine Bestätigung, die der Historiker ohne diese Zeugnisse zwar generell und der Tendenz nach, nie aber mit solcher Absolutheit auszusprechen gewagt hätte. Der Frankreich über alles verbundene Mailänder Kardinal und Hochadlige Federico Sanseverino war und blieb der engste Freund und Vertraute der exilierten Medici, und besonders mit Piero übte er einen geradezu brüderlichen Umgang – offenbar auch auf Feldern, die zu betreten dem Kardinal Giovanni wohl nicht schicklich erschienen wäre. Mehr als bemerkenswert ist die Beobachtung, daß sowohl Piero und Giovanni (Giuliano befand sich damals ja nicht in Rom) als auch Federico Sanseverino mit weiteren Florentinern wie z. B. Lorenzo Pucci immer wieder abends in das Haus von Leonardo di Zanobi Bartolini zum gemeinsamen Mahl eingeladen wurden und kamen. Man wird nicht fehl gehen, wenn man diesen Treffen einen über den bloßen Genuß hinausführenden praktischen Zweck zumißt. Leonardo, der zehn Jahre vorher als junger, noch zu formender illegitimer Sohn des Zanobi Bartolini von Lorenzo de’ Medici in die römische Medici-Bank gesandt worden war, wird von beiden Informanten als die eigentliche, die treibende Kraft hinter allen Aktionen und Plänen der einst so mächtigen, nun von fremder Hilfe abhängigen Medici erkannt; er erscheint deutlich aktiver als sein den Medici nicht weniger verbundener Schwiegervater Nofri Tornabuoni. Natürlich war Leonardo Bartolini jener Florentiner, der nach Aussage Becchis vom 1. März die Orsini-Probleme in die Hand nahm und das erstaunliche Depositum der 30.000 Dukaten gleichsam hervorzauberte. Rückblickend präzisierte Becchi in einem Ende Mai 1497 geschriebenen Brief, daß sich Leonardo Bartolini bei Sanseverinos Anstrengungen um eine Lösung der Orsini-Problematik sogar immer in dessen Haus aufgehalten hatte!256 Diese zentrale strategische Position Bartolinis, die noch weiter erhärtet werden wird, erscheint uns als eine Sensation – auch da zwar beispielsweise der Becchi und der Braccesi, nicht aber dieser Bartolini Eingang in das maßgebliche ‚Dizionario biografico degli italiani‘ gefunden hat. Leonardo Bartolini hat also nicht nur die Finanzen der Medici und Orsini betreut, er „managte“ auch die politischen und militärischen Schritte der Medici. Wem diese Folgerung zu gewagt erscheint, der höre Alessandro Braccesi. Am 17. März 1497 sah sich Braccesi veranlaßt, gegenüber den Dieci di Balìa nochmals auf Leonardo Bartolini zurückzukommen.257 Er habe ihnen in seinem vorigen Brief aus Arezzo ein, auf die Zuwanderung seines Vaters nach Florenz, auf die Magistratsfähigkeit Bernardos und seines Bruders, obwohl Bernardo, der hier aber mit Piero verwechselt wurde, fussi pocho amico nostro; Cerretani, Ricordi, S. 240. Gegner der neuen Florentiner Regierung waren beide, Bernardo und Piero Accolti. 256 ASF, DBR 56, c. 23 (29.5.1497, Ricciardo Becchi, Rom: ... ma poi fu el caso sempre se trovato a tutte le pratiche con questi Orsini in casa [di] mons. rmo. di Sanseverino.). 257 ASF, DBR 46, c. 61 (17.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom: Dissi per altra che modi del Bartholino: Occorremi ricordare più oltre come buono providore che le S.V. possono trovare qualche modo di levare questa fraschonaia del Banco de’ Medici: dove si fanno tutte le consulte contro casi nostri et sono a pie a torre credito et riputatione allo stato et darlo a Medici: sanza dubio sarebbe una buona deliberatione.).

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(14.3.) ja über Bartolinis Mittel berichtet. Es erscheine ihm nun notwendig, als guter Sachwalter der Florentiner Interessen die Dieci nochmals daran zu erinnern, sie mögen irgendeinen Weg finden, diesen Intriganten der Medici-Bank zu beseitigen, zu entfernen, wo sie bzw. bei dem sie [die Medici und ihre Vertrauten] alle ihre gegen Florenz gerichteten Beratungen durchführen würden, um dem Florentiner Staat Glaubwürdigkeit und Reputation zu entziehen und den Medici zukommen zu lassen. Dies wäre ohne Zweifel eine gute Entscheidung. Der Intrigant, der gewissenlose Schurke der Medici-Bank ist von Braccesi analog zu Becchis Formulierung in einem übertragenen Sinne als die zu entfernende fraschonaia del Banco de’ Medici bezeichnet worden, d.h. als jemand, der einen in der Medici-Bank betriebenen Vogelherd, einen üblen Fangplatz mit diversen Vogelfallen darstellte.258 In welcher Weise dieser Vogelherd, dieser Vogelfänger beseitigt werden sollte, präzisiert Braccesi nicht. Praktisch hätte es nur eine realistische Lösung gegeben: eine Beseitigung Bartolinis durch Mord, möglicherweise nach einer Verurteilung als Rebell mit Verhängung eines Kopfgeldes. Denn wie sollte man ihn sonst aus seiner römischen Schlüsselfunktion im Zentrum des Medici-Netzwerkes entfernen? Im übrigen wird Alessandro Braccesi seinerseits wenige Wochen später ganz konkret um sein Leben fürchten, da Piero de’ Medici ihn mittels einiger Handlanger wegen seiner ständigen Bespitzelungen und Entlarvungen nicht nur massiv bedrohte, sondern offenkundig zu töten versuchte.259 Und Piero wurde – als Folge der gegen ihn gefällten Sentenz – im März 1496 oder etwas früher Ziel eines Mordanschlags durch den Florentiner Rebellen Jacopo Salterelli, der jedoch gefaßt und eingesperrt werden konnte. Diesem gelang danach freilich die Flucht nach Florenz, wo er erstaunlicherweise unter mysteriösen Umständen verurteilt und gehängt wurde.260 Das von Braccesi geforderte Entfernen (levare) einer Person konnte also durchaus eine Zerstörung ihres Lebens bedeuten; dies war eine zeitgemäße Option. Wie auch immer man sich eine Neutralisierung oder Vernichtung Leonardo Bartolinis vorstellte, seine Aktivitäten mußten die Florentiner Medici-Gegner in hellste Aufregung versetzt haben. Obwohl man in sein Wohnzimmer keinen Zugang besaß, von den dort geschmiedeten Plänen kein Wort vernahm, mußte sein erkennbares Handeln größte Gefahr für Florenz bedeutet haben.

c) Der Angriff Seit März 1497 nahmen die erneuten Angriffspläne der Medici konkrete Formen an. In der römischen Öffentlichkeit trat Leonardo Bartolinis Stammgast Federico Sanseverino als energischer Gestalter hervor. In jenen Tagen Anfang März, als Ricciardo Becchi (noch indirekt) den Bartolini als Organisator der an den Papst zu zahlenden Orsini-Kaution vorstellte, hatte der Sanseverino die Modalitäten des Gefangenenaustausches in die Hand 258 Hilfreiche Hinweise verdanke ich Dott. Maurizia Cicconi. 259 S.u. S. 470; vgl. allgemein auch Marchese, Lettere inedite, S. 153f., Nr. 5, Anm. 2. 260 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 323, 326.

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genommen. Paolo Vitelli sollte ihm auf Florentiner Boden durch den Markgrafen von Mantua übergeben werden, während zum gleichen Zeitpunkt der Sanseverino den in seiner Obhut befindlichen Herzog von Urbino zum Gonzaga reiten lassen sollte – sofern der Montefeltro die erste Rate seines hohen Lösegeldes von 40.000 Dukaten gezahlt und die Restzahlung per Bankanweisung veranlaßt hätte.261 Wie Federico Sanseverino dabei mit jener auch Leonardo Bartolini zu eigenen, Widerstände einfach ignorierenden Zielstrebigkeit in Erscheinung trat, wenn wichtige Beschlüsse gefaßt oder Gespräche geführt werden mußten, schildert uns der mailändische Gesandte Stefano Taverna in einem Schlüsselbrief vom 12. März, also genau zu der Zeit, als der Sanseverino mit den Medici so gut wie jeden Abend im ‚Nest‘ des Leonardo Bartolini speiste und mit ihnen Pläne ausbrütete.262 Taverna hatte Papst Alexander VI. um ein Gespräch gebeten, an dem auch der venezianische und der spanische Botschafter auf seinen Wunsch teilnahmen. Es ging um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen (Rückgabe von Pisa z. B.) Florenz in die Hl. Liga eintreten würde und was im gegenteiligen Fall geschehen sollte. Der Papst war bei einer Florentiner Weigerung entschlossen, Piero de’ Medici in casa zurückzubringen, wofür man seiner Einschätzung nach nicht mehr als 12.000 Dukaten benötigen würde. Piero, der an jenem Abend nicht anwesend war, habe dem Papst erklärt, er würde als Herrscher von Florenz ein treuer Anhänger der Hl. Liga sein (sich also nicht Frankreich anschließen), und er habe gleichsam als Zeichen dieses Willens einen Sohn (den kleinen Lorenzo) in Venedig, einen Bruder (Giuliano) in Mailand (im restituierten Medici-Palast), habe sie also zwei weiteren Mächten der Hl. Liga anvertraut; alles weitere aus seiner Umgebung (sich selbst, seine Frau und Giovanni demnach vor allem) habe er wie auch das Schicksal seiner Familie in die Hände des Papstes gelegt. Nachdem dann der venezianische Botschafter die Position seiner Republik dargelegt hatte, vor allem hinsichtlich der nicht gewünschten Rückgabe von Pisa an Florenz, meldete sich plötzlich Kardinal Federico Sanseverino zu Wort. Er war zu dieser Unterredung gar nicht eingeladen gewesen, hielt seine Beteiligung gleichwohl für unverzichtbar und demonstrierte dies. Zu den Worten des Venezianers fügte er hinzu, wenn die Bereitstellung jener 12.000 Dukaten Probleme bereite, würde Piero de’ Medici sich auch mit dem Namen und der Gunst der Hl. Liga begnügen, mit welcher er in Florenz einzumarschieren hoffe; und wegen der weiteren für diesen Zweck notwendigen Dinge würde Piero Vorkehrungen treffen. Diese Äußerung Sanseverinos rief beim Papst Erstaunen hervor. Er fragte den Kardinal, ob dies der Wille Pieros sei, der ihm doch immer erklärt habe, ohne jene 12.000 Dukaten nichts ausrichten zu können. Federico Sanseverino ant261 ASM, SPE, Roma 120 (6.3.1497, Franciscus de Exiis an Giulio Orsini). Daß der Herzog von

Urbino sich in der Hand Federico Sanseverinos befand und daß dieser im Frühjahr 1497 zusammen mit Luigi Becchetti federführend an den Medici-Operationen beteiligt war, hielt auch der gut informierte Niccolò Machiavelli für notierungswürdig. In seinem Nachlaß hatte man entsprechende Aufzeichnungen gefunden, die aus den Berichten an die Dieci di Balìa stammten und offenbar einer Fortsetzung von Machiavellis ‚Florentiner Geschichte‘ dienen sollten; vgl. Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 129. 262 ASM, SPE, Roma 120 (12.3.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza).

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wortete daraufhin, er hätte nicht in der genannten Form gesprochen, wenn er die Absichten Pieros nicht kennen würde! Wenn dies so sei, erwiderte der Papst, müsse man Piero – im Falle eines Beharrens von Florenz an der Seite Frankreichs – mit allen Verbündeten der Hl. Liga helfen und ihn dieser unterstellen; auf die spanischen Soldaten könne er mit wenig Kosten rechnen. An den Sanseverino aber richtete der Papst nochmals wegen einer anderen Angelegenheit ein mahnendes Wort. Dieser habe ihm noch gar nichts über die von ihm vermittelte Einigung zwischen dem Herzog von Urbino und den Orsini berichtet; überhaupt seien diese Vorgänge sehr geheim abgelaufen. Obwohl Federico ihm versicherte, der Papst habe keine oculta cosa zu befürchten, und ihm die Einzelheiten erklärte, konnte er das Mißtrauen Alexanders nicht zerstreuen. Der Borgia befürchtete, Federico habe in seinen geheimen Absprachen zu sehr zu Gunsten der Orsini gehandelt und wollte die Kapitel des Vertrages einsehen. Federico Sanseverino hatte demnach im Verein mit dem Bankier Leonardo Bartolini die gesamte Gefangenen- und Lösegeldproblematik allein, ohne Konsultation des Papstes und zum Vorteil von dessen ehemaligen Feinden, den Orsini, den erklärten Verbündeten Frankreichs, gelöst. Nicht nur im Haus des Bartolini, auch im apostolischen Palast war er zugegen, wenn es in wichtigen Gesprächen um die Interessen der Medici ging. Mit ihnen und insbesondere Piero war er geradezu symbiotisch vereint; diese beiden waren ein Ganzes, denn Federico kannte die Gedanken, den Geist Pieros so gut, daß er auch zu existentiellen Fragen in dessen Namen sprechen konnte – und durfte! Am 22. März 1497 war ein zentraler Baustein der mediceischen Rückkehrpläne gelegt worden. Die Orsini konnten ihr Bankdepositum von 30.000 Dukaten beim Papst hinterlegen, der vertragsgemäß sofort Boten nach Neapel sandte, um Giangiordano und Paolo Orsini aus dem Gefängnis und über den Meerweg in Sicherheit bringen zu lassen. Federico Sanseverino teilte diesen Erfolg seinem mailändischen Patron persönlich mit – nicht ohne diesen von Giovanni und Piero de’ Medici ergebenst grüßen zu lassen.263 Gut eine Woche später, am 28. März, brach der Sanseverino auf, um die fraglichen Territorien der Orsini in sein deposito zu fügen, seine Männer in die Orsini-Burgen zu bringen und in Sovana wegen des Herzogs von Urbino vorstellig zu werden. Kurz darauf hörte man bereits, daß die Orsini Anguillara wieder in Besitz nehmen konnten; und alle, die am Gelingen der Übereinkunft gezweifelt hatten, wurden eines Besseren belehrt.264 Den Mailänder Herzog für die Pläne der Medici zu gewinnen, war eine der weiteren Aufgaben, die sich der Sanseverino gestellt hatte. Mit zahlreichen Argumenten drängte er den Moro mit jenem Brief und einem nächsten vom 28. März zu raschem Entschluß.265 Eine so gute Gelegenheit wie derzeit werde sich nicht wieder finden lassen; und den Moro werde sie nur den minimalen Betrag von 4.000 Dukaten kosten. Aus Mangel an Brot und

263 ASM, SPE, Roma 120 (23.3.1497, Federico Sanseverino aus Rom an Ludovico Sforza). 264 ASF, DBR 55, c. 148 (27.3.1497, Ricciardo Becchi, Rom), c. 150–151 (31.3.1497, Alessandro

Braccesi, Rom). 265 ASM, SPE, Roma 120 (28.3.1497, Federico Sanseverino aus Rom an Ludovico Sforza, in mani-

bus propriis).

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aufgrund allgemeiner Unordnung gebe es bereits Unruhen in Florenz; die Stadt sei in zwei Lager geteilt und man stehe unter Waffen. Offen fordere man die sofortige Rückkehr Pieros, der ihm die sehr fundierten Einladungen gezeigt habe. Dieser habe Federico wissen lassen, er sei gezwungen, sich der patria zu zeigen: wegen seines eigenen Wohlergehens und dem seiner Freunde! Li amici befänden sich in Gefahr und würden andernfalls zu Opfern werden!266 Ende März 1497 waren die heimlichen Absprachen zwischen den Exilierten und ihren Vertrauten außerhalb wie innerhalb von Florenz demnach bereits so weit fortgeschritten, daß eine Aufgabe des Umsturzversuchs die in der Stadt befindlichen Freunde in große Gefahr gebracht hätte. Warum aber erscholl aus dem Florentiner Medici-Kreis jenes eindringlich mahnende Carpe diem? Die Voraussetzungen erschienen ihm eben deshalb so günstig wie selten zuvor, weil seit dem 1. März 1497 für die üblichen zwei Monate Amtszeit einer ihrer engsten Getreuen das höchste Staatsamt in Florenz bekleidete: Bernardo del Nero war Gonfaloniere di Giustizia. Unter maßgeblichem Einfluß der sich der Partei Savonarolas eingliedernden Medici-„Partisanen“ konnte er damals zum Gonfaloniere gewählt werden.267 Mit den beiden Medici-Freunden Battista Serristori und Francesco di Lorenzo Davanzati, die wie er seit der Vertreibung Piero de’ Medicis auf Lebenszeit verwarnt und einer Verbannung oder Hinrichtung entgangen waren, jetzt aber ebenfalls in die Signoria gewählt worden waren, hatte er Piero de’ Medici mit Rat und Geld unterstützt.268

266 Die Gefahr für seine Freunde in Florenz, die ihn mit größter Erwartung riefen, betonte Piero de’

Medici Ende März auch in einem Gespräch mit dem Mailänder Gesandten Taverna; ASM, SPE, Roma 120 (30.3.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza). 267 Vgl. Cadoni, Lotte, S. 97; die damalige Vereinigung der Savonarola-Anhänger, frateschi bzw. piagnoni genannt, mit den notati amici Piero de’ Medicis – die Medici-Anhänger wurden generell als bigi bezeichnet – wird bezeugt bei Parenti, Storia fiorentina II, S. 104, wird von ihm aber auch für die kommenden Jahre wiederholt hervorgehoben. Hierbei ist zum einen zu beachten, daß beide Gruppen faktisch verschmolzen waren, insofern zahlreiche frateschi erklärte MediciFreunde waren, zum anderen, daß sich auch in der gegnerischen Partei, in der Regel als disperati bezeichnet, einige Mediceer befanden. Zu Del Nero und dem von ihm im April 1497 neu kreierten Magistrat der 12 Paciali, der eine Ausgleichspolitik besorgen sollte, von MediciGegnern wie Parenti jedoch mit Mißtrauen betrachtet wurde, da er in ihm (wohl nicht unberechtigt) ein Mittel zum Umsturzversuch sah, vgl. Parenti, Storia fiorentina II, S. 87f., 95; Brown, Partiti, S. 67f. 268 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 321 (III/13; als Grund für Pieros Angriffsintention: massime poi che fu avvisato essere stato creato Gonfaloniere di Giustizia, che era capo del magistrato supremo, Bernardo del Nero, uomo di gravità e d’autorità grande e stato lungamente amico paterno e suo, ed essere eletti al medesimo magistrato alcuni altri i quali, per le dependenze vecchie, credeva che avessino inclinazione alla sua grandezza); Parenti, Storia fiorentina II, S. 82 (Notossi in tale Signoria che per la differenza delle parti tre de’ principali amici di Piero de’ Medici vi si trovorono, e’ quali tolto s’arebbono di grazia nella cacciata sua di restare ammoniti in perpetuo, purché salva restassi loro la vita: furono questi Bernardo del Nero, Batista Serristori e Francesco Davanzati); Pitti, Istoria fiorentina, S. 41 (inanimirono con le male loro contentezze i Palleschi di tentare il ritorno de’ Medici a Firenze; présane occasione per trovarsi Gonfaloniere di Giustizia Bernardo del Nero, amico ed obbligato non poco a quella casa, con alcuni de’ Signori suoi compagni: e per tale effeto, consiglio e danari a Piero somministrarono

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Zudem gab es damals, wie bereits gehört, Medici-Anhänger unter den Dieci di Balìa. Doch andere Behörden bildeten das antagonistische Gegenstück. Nachdem sie einen Diener der Gräfin Caterina Sanseverino, der Mutter Alfonsina Orsinis, verhaftet und als Agenten Pieros entlarvt hatten, ordneten die Otto di Guardia e Balìa schon am 17. März zum Wohle der Republik an, Caterina müsse innerhalb von drei Tagen Stadt und Territorium von Florenz verlassen. Am 20. März folgte sie diesem Befehl und begab sich, wie seinerzeit ihre Tochter, zunächst nach Siena.269 Die Otto werden gewußt haben, warum sie die Gräfin auswiesen. (Einige Wochen später wird von Braccesi und Becchi bezeugt, daß sie in der Stadt ‚mit Worten und Taten‘ einen sehr gewichtigen Anteil an den Umsturzvorbereitungen hatte.270) Zudem deputierten die Otto fünf Personen, die Pieros Aktivitäten gezielt überwachen sollten. Während die Florentiner Medici-Gegner sich schützten, mußten ihre Feinde sich in Geduld üben. Denn die machtlosen Medici spürten damals einmal mehr ihre fundamentale Abhängigkeit von äußeren Mächten, ohne deren Beteiligung effiziente Angriffe nicht durchzuführen waren. Die einzige, auf die sie sich einigermaßen vorbehaltlos verlassen konnten, war das Orsini-Geschlecht. Allerdings zeigten auch die Venezianer weiterhin große Bereitschaft, die Medici zu unterstützen. Piero begab sich, seit Tagen unter dem alle zwei Tage auftretenden Tertianfieber einer Malariaerkrankung leidend, am 31. März sogar in diesem Zustand und unter dem Schutz von zwölf Bewaffneten – aus Angst vor den Drohungen des Fabrizio Colonna, so vermutete man – in das Haus des venezianischen Botschafters, wo auch sein langjähriger Freund und Helfer Girolamo Lippomano aus Venedig anwesend war und wo man das Für und Wider einer Besoldung von Truppen diskutierte. Unterstützungs- und angriffswillig zeigte sich auch Siena, von wo damals gerade Antonio Dovizi da Bibbiena und der Protonotar Raffaele Petrucci im Eiltempo nach Rom kamen. Doch was wollte man allein mit Siena und den Orsini gegen Florenz ausrichten? Nicht zu vernachlässigen sind natürlich die individuellen Helfer, wie der Kardinal Oliviero Carafa, der Piero mit anderen (leider nicht genannten) Personen Geld lieh, um einige spanische Soldaten besolden zu können.271 So schien die Gunst des historischen Augenblicks wie in einem Stundenglas langsam zu zerrinnen. Denn die Orsini-Führer kamen erst kurz vor dem 20. April, vermutlich am 19., aus ihrer Gefangenschaft zurück. Mit dem Leichnam Virginios landeten Giangiordano und Paolo Orsini in Ostia. Aber wie? Französischer als die Franzosen trafen sie an der Tibermündung ein; nicht nur mit Gesinnung und Worten, auch mit ihrer Kleidung traten

...); Mecatti, Storia cronologica, S. 487 (Bernardo del Nero war damals zum dritten Mal Gonfaloniere geworden, doch die gesamten Umstände erschienen den Medici nun besser als früher). 269 Parenti, Storia fiorentina II, S. 83; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 198 und Kommentar. 270 Vgl. ASF, DBR 56, c. 6 (16.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom) und c. 9 (19.5.1497, Ricciardo Becchi, Rom). 271 Vgl. ASF, DBR 55, c. 150–151 (31.3.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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sie als Franzosen auf, deren König sie als ihren Herrn erklärten.272 Wenn die wichtigsten Verbündeten der Medici aber Diener Frankreichs waren, wie sollte dann die de facto gegen Frankreich errichtete Hl. Liga den Medici ernsthaft helfen? Hier und in den divergierenden Partikularinteressen der einzelnen Mächte lag denn auch weiterhin das grundlegende Problem, lag die Ursache für die fehlende Unterstützung der Medici-Restitution. Die Freundschaft dieser staatlichen Mächte war – im Gegensatz zu derjenigen der engsten individuellen Freunde – stets an Bedingungen geknüpft, auf welche die Medici zudem meist keinen Einfluß besaßen. Mailand betrachtete mit Mißtrauen die guten Verbindungen der Medici nach Venedig, das wie Mailand seinen Einfluß durch den Erwerb Pisas vergrößern wollte – das Interesse an Pisa intensivierte also die alte lombardischvenezianische Rivalität. Der Papst betrieb ein Doppelspiel, indem er den Florentinern gegen viel Geld ebenfalls Pisa in Aussicht stellte, während er Piero de’ Medici nur durch Gegenleistungen in Staatssachen und die Preisgabe der Abtei von San Germano (also Montecassino) helfen wollte, französische Orsini an dessen Seite aber keinesfalls dulden konnte.273 Keine dieser italienischen Mächte stellte den Medici ein effektives Heer zur Verfügung. Immerhin kam mit der Ankunft Giangiordano und Paolo Orsinis Bewegung in die Medici-Sache. Denn das nahende Ende der Amtszeit Bernardo del Neros zwang zu schnellem Handeln. Obwohl Piero de’ Medici noch am 19. April, und dies offenbar seit Wochen immer wieder, mit Fieber malariakrank in Rom im Bett lag, soll er nach Empfang eines Boten aus Siena sein Krankenlager verlassen und vor Tagesanbruch überstürzt nach Bracciano in die Orsini-Burg geritten sein, wo man allerdings gar nicht auf ihn und seine Bitte um Truppen vorbereitet war. In jenen Stunden in Bracciano aber erhielt Piero nochmals Briefe seiner Anhänger aus Florenz, mit denen sie ihn zum Angriff auf die Stadt drängten.274 Offenkundig fühlten sie sich so gut vorbereitet, daß sie auch ohne Truppenhilfe der großen Mächte an ein Gelingen glaubten. Um seinen Freunden in Florenz so gut wie möglich beizustehen, wollte Piero sich daher umgehend am Morgen des 20. April mit einigen wenigen Reitern nach Siena begeben, wohin ihm zwei oder drei Tage später Bartolomeo d’Alviano mit ca. 200 leichten Reitern folgen sollte.275 Virginios Schwager, der 272 ASM, SPE, Roma 120 (20.4.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza: ... Nostro

Signore ha trovato che [Giangiordano und Paolo Orsini] non poriano essere più Francesi de quello sono et che ne parlano molto liberamente et cum affirmatione ch’l Re di Franza è suo signore ...; et non solo hanno animo et le parole, ma etiam li habiti francesi.). Analog hatten die Orsini und Vitelli schon vor Mitte April gegenüber dem Papst bekundet, sie seien soldati de Francesi per tutto mazo ... essendo nominati in la tregua dal re de Franza; ebd. 13.4.1497 (Ders. an Dens.). 273 Vgl. ASM, SPE, Roma 120 (11.4.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza; Analyse dieser divergierenden Interessen). 274 Dieses wichtige Motiv für die überstürzte Aktion teilte Kardinal Giovanni de’ Medici dem Mailänder Stefano Taverna am 23.4. mit, indem er ihm einen entsprechenden Brief Pieros zeigte; ASM, SPE, Roma 120 (23.4.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza). 275 ASM, SPE, Roma 120 (20.4.1497 und 23.4.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza).

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heldenhafte Verteidiger Braccianos gegen die Päpstlichen im Winter 1496/97, war nun sein wichtigster militärischer Partner. Mit seinen Reitern und Fußsoldaten und unter großer Geheimhaltung folgte er Piero in das unter der Herrschaft der Medici-Freunde Jacopo und Pandolfo Petrucci stehende Siena, wo er um den 25. April ankam und weitere 600 Ritter und 400 Fußsoldaten erhielt. Schon in den nächsten Tagen, am 27. und 28. April, hörte man, Piero sei bereits über Staggia auf das Florentiner Gebiet nach Castellina, von dort zur Certosa und zu den Fonti di San Gaggio bzw. der Porta a San Pier’Gattolini nahe der Stadtmauer vorgedrungen. Dort warteten er und seine Truppen am 28. April vier Stunden unbehelligt darauf, daß man ihnen das Tor der Stadt öffne. Doch vergeblich setzte er auf die Unterstützung seiner Florentiner Verbündeten und des promediceischen Gonfaloniere Bernardo del Nero. Diese überhastete, dafür ambivalente Demonstration ließ kein einziges der Florentiner Stadttore auch nur einen Fußbreit aufgehen, geschweige denn auch nur einen der Medici-Feinde weichen. Denn er kam, auch durch Unwetter bedingt, zu spät. Seine Gegner waren nicht nur wachsam, sie konnten am Ende dieses Monats sofort eine neue Signoria bilden und durch sie Dutzende von Pieros Freunden unter dem Vorwand einer pratica in den Palazzo della Signoria einberufen und dadurch neutralisieren. Deswegen und weil von auswärts ebenfalls keine Hilfe kam, dafür aber gegnerische Truppen anrückten, mußte er wieder nach Siena abziehen.276 Giuliano de’ Medici, der sich damals – offenbar immer noch – in Mailand befunden hatte, soll zu jener Zeit geplant haben, von Bologna aus mit Soldaten aus der Romagna und verbannten Florentinern bei Bruscoli (im nördlichen Grenzgebiet des Florentiner Distrikts) einen zweiten Vorstoß nach Florenz zu unternehmen, den er

276 Guicciardini (in: Storia d’Italia, S. 321f. [III/13]) hob die Bedeutung des schlechten Wetters

hervor, da die Truppen Pieros aufgrund des starken Regens zu langsam vorankamen und nicht mehr die Dunkelheit der endenden Nacht nutzen konnten. Durch die Verzögerung hatten die entschlossenen Feinde der Medici genug Zeit, um die noch passiven, offenbar recht zahlreichen Anhänger Pieros zu neutralisieren; mit gleicher Wertung und noch präziser: Parenti, Storia fiorentina II, S. 96–99. Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 200f.; Pitti, Istoria fiorentina, S. 41f.; Mecatti, Storia cronologica, S. 487f. (Geld habe Piero für dieses Unternehmen vom Papst, von den Venezianern und Orsini sowie von seinem Bruder Giovanni erhalten). Nach Guicciardini, Pitti und den von Herzfeld in ihrem Kommentar konsultierten Quellen (Jodocus del Badia und Cerretani) habe Piero außer auf seine engsten Anhänger, die den Sturz des Regimes vorbereitet zu haben bekannten, natürlich auf den Gonfaloniere Bernardo del Nero gesetzt, der sich aber aus abwägender Vorsicht nicht in das zu riskante Abenteuer Pieros habe einlassen wollen – was nicht sehr plausibel erscheint. Zu den bekanntesten Medici-Anhängern, die vor allem durch den Einsatz Francesco Valoris in den Palazzo della Signoria einberufen worden waren, gehörten Piero Alamanni, Agnolo Niccolini, Antonio Malegonelle, Niccolò Ridolfi, Jacopo und Alamanno Salviati, Filippo dell’Antella, Lorenzo, Giovanfrancesco und Piero Tornabuoni, Giannozzo Pucci, Luca di Maso degli Albizzi, Cosimo Sassetti, Antonio [di Giovanni] Lorini und sein Sohn Filippo, Lorenzo und Francesco di Roberto Martelli – aber auch ein Piero Soderini – sowie andere von ‚minderer Qualität‘, wie Parenti (a.a.O., S. 99 mit den Namen) es ausdrückte. Nicht alle der ca. 50 Einbestellten galten als evidente Mediceer, denn um Mißtrauen zu vermeiden, ließ man auch viele unverdächtige Personen kommen.

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nach Kenntnis von Pieros Rückzug abbrach.277 In der Stadt ging es unterdessen Pieros ehemaligem Kanzler Ser Niccolò Michelozzi, einem Sohn des Francesco di Giuliano di Giovenco de’ Medici – wahrscheinlich der im Dezember 1477 geborene Raffaello, der uns wie sein Vater noch als aktiver Mitarbeiter des ökonomischen Netzwerkes der Mediceer begegnen wird – sowie einem Bauern aus Quinto an den Kragen, denn man hatte entdeckt, daß der Bauer den beiden Mediceern Briefe Pieros gebracht hatte. Was die beiden verneinten, gestand der Bauer unter der Folter; während jene durch große Anstrengungen der Savonarola- und Medici-Partei ohne Strafen entlassen wurden, verlor dieser wegen seiner ‚Verleumdung‘ die Nase.278

d) Der vermeintliche Sieg und seine Folgen Ergebnislos war also der tatsächliche Verlauf dieser seit langem geplanten, von so viel Hoffnung begleiteten Aktion. In Rom aber vernahm man für einige Stunden eine ganz andere Geschichte. Und deren Folgen sind für uns höchst instruktiv. Noch am 28. April, einem Freitag, erhielt Alessandro Braccesi zwei Briefe der Dieci di Balìa vom 25. April, mit denen man ihm auftrug, von einer den Medici nahestehenden Person namens [Antonio] Coltellinaio soviel wie möglich über den Gang der Dinge herauszubekommen. Doch dieser war bereits am Sonntag, dem 23. April, mit Lamberto dell’Antella aus Rom abgereist, nicht ohne klare Worte von Braccesi gehört zu haben.279 Der Florentiner Gesandte mußte allerdings am 28. April von den Mediceern in Rom vernehmen, daß man damit rechne, Piero am gleichen Tag nach Florenz zu bringen, und daß man darauf Wetten abschließen wolle. Giovanfrancesco Poggio [Bracciolini], der offenbar eine Art mediceisches Wettbüro führte, hatte an jenem Abend bereits 18 Dukaten von den Kammerdienern des Federico Sanseverino entgegengenommen, um 300 Dukaten wiederzugeben, wenn Piero noch während des Monats Mai in Florenz einziehe. (Giovanfrancesco und seinen Bruder Filippo Bracciolini hatten wir bereits für 1495 im Kontext von dubiosen Finanztransaktionen vorgestellt, die im Zuge der Liquidierung der römischen MediciBank und offenkundig zum Vorteil der Medici vorgenommen worden waren.280) Ganz Rom spekuliere über nichts anderes mehr, so Braccesi. Im apostolischen Palast betonte er die gute Versorgungslage von Florenz, das gerade wieder Korn über Livorno erhalten habe, und trat damit insbesondere Federico Sanseverino, Luigi Becchetti und Giovanni 277 Mecatti, Storia cronologica, S. 488; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 201. Giuliano hielt

sich schon im September 1496 in Mailand auf, wo er sich damals im Gefolge des Herzogs von Mailand befand, als dieser in Vigevano Verhandlungen mit König Maximilian I. führte. Anwesend waren dabei auch Gianfrancesco Sanseverino, der Graf von Caiazzo, sowie Galeazzo Sanseverino, der Schwiegersohn und Capitano generale des Sforza; vgl. Sanuto, Diarii I, Sp. 308, 317f. 278 Parenti, Storia fiorentina II, S. 105. 279 ASF, DBR 55, c. 160 (28.4.1497, Alessandro Braccesi, Rom). Antonio Coltellinaio war ein Diener Piero de’ Medicis, der z. B. von dem späteren Denunzianten Lamberto dell’Antella erwähnt wurde; vgl. Villari, Storia II, S. xv. 280 S.o. S. 375f.

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de’ Medici entgegen, die dem Papst mit Leidenschaft erklärt hatten, Piero müsse noch an diesem Freitag der Einzug in Florenz gelingen. Aus Briefen der Spannocchi und anderer Sienesen wisse man freilich, daß Piero gestern morgen, also am 27. April, um 15 Uhr nach Florenz aufgebrochen sei. Was die einen erhofften, die anderen befürchteten, traf schon am folgenden Tag ein. Mittels eines Stafetten-Postreiters sandte Pandolfo Petrucci am 29. April, einem Samstag, einen Brief an den Kardinal Federico Sanseverino, mit welchem er ihn benachrichtigte, Piero de’ Medici sei am vorigen Tag gegen 21 Uhr (damaliger Zeitzählung) unter Begleitung eines guten Teils der Bürger und mit großem Triumph und großer Ehre in Florenz eingezogen!281 Man beachte: An den Sanseverino, nicht an den Kardinal Giovanni de’ Medici schickte der Medici-Parteigänger Petrucci diese so heiß ersehnte Nachricht! Das sagt nicht wenig über den jeweiligen Anteil an den vorherigen Aktionen aus. Höchst aufschlußreich ist nun die Reaktion in Rom, über die wir sehr genau aus vielen Briefen Braccesis und einem Brief Becchis informiert werden – Antonio de’ Pazzi ließ in jenen Tagen erstaunlicherweise nichts von sich hören und wurde wegen seiner Nachlässigkeit auch von den Dieci getadelt.282 Ganz Rom stand Kopf, nachdem diese Nachricht bekannt gemacht wurde – wofür der Sanseverino also sogleich sorgte. Die Anhänger Pieros freuten sich danach öffentlich ‚wie Verrückte‘, so die Formulierung seiner Gegner. Federico Sanseverino feierte gleich nach Erhalt des Briefes an jenem Samstag ein großes Jubelfest. Lorenzo Alamanni und einige andere ließen sich eigens für die Feier Luxusbekleidungsstükke zuschneiden, Alamanni einen Mantel di luchesino und eine weite Jacke aus karmesinrotem Atlasstoff. Die anderen hingegen, Braccesi und die weiteren Medici-Gegner in Rom – nicht aber Becchi! –, sie wagten es nicht, ihre Häuser zu verlassen. Sie schämten sich wegen des Schadens für die Kommune, sorgten sich aber nicht wegen des sie individuell betreffenden Nachteils – so sagte es zumindest Braccesi –, und konnten nicht glauben, daß Gott die arme Stadt Florenz so schnell verlassen wollte. Bis sie anderslautende Neuigkeiten aus Florenz erhielten, blieben sie verwirrt und mehr als unwillig. Der Kardinal Monreale, also der Papstneffe Juan Borgia, erweise sich in diesen Stunden als Freund von Florenz, der die Tat Pieros heftig tadelte, denn diesem habe er immer geraten, sich gesittet gegenüber seiner Heimatstadt zu zeigen und sich das Beispiel Cosimo de’ Medicis als

281 ASF, DBR 55, c. 164 (29.4.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 282 ASF, DBR 55, c. 164, 165 (29.4.1497, Alessandro Braccesi, Rom), c. 197 ([31.4.1497], Ales-

sandro Braccesi, unvollständiger Brief ohne Datum, Rom), c. 218 (2.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom), c. 267, 270 (5.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom), c. 280 (7.5.1497, Ricciardo Becchi, Rom). Zu Antonio de’ Pazzi vgl. ebd. c. 268 (5.5.1497, Antonio de’ Pazzi, Rom: ... ma rendendomi io certo che le S.V. si persuadino che io mi sforzi di rifrancare la negligentia mia con qualche bona opera, lascero da parte il purgarmi ...); ohne ihm deswegen Sympathie für die Medici-Sache unterstellen zu wollen, kann mit Sicherheit behauptet werden, daß es ihm an dem denunziatorischen Eifer Braccesis und Becchis fehlte. Becchi hatte vor seinem Brief vom 7.5. das letzte Mal am 22.4. an die Dieci berichtet; diese Pause mußte jedoch andere Ursachen gehabt haben. Eine kurze Beschreibung der römischen Vorgänge auch bei Parenti, Storia fiorentina II, S. 105.

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Vorbild zu nehmen, der sich so im Exil verhalten hätte, daß er ‚mit der Kapuze und nicht mit den Waffen‘ nach Hause zurückkehrte. Mehr Mut als Braccesi besaß freilich Ricciardo Becchi, der sich an jenem 29. April aus dem Haus traute – doch mehr ‚durch Gottes Werk als Vernunft‘, so betonte er – und zu Alessandro Braccesi ging. Er war skeptisch, ob jener Brief nicht fingiert sei, um die wahre Einstellung des Papstes zu erkunden und um die Orsini, Vitelli, Baglioni und andere zur Unterstützung Pieros heranrücken zu lassen, sollte sich dessen Sache als unsicher erweisen. Um dies zu erörtern, begab er sich danach zum Kardinal Juan Lopez, dem Bischof von Perugia (und Medici-Gegner), anschließend aber auch zum Kardinal Giambattista Orsini. Mit eigenen Augen wollte er schließlich sogar den Brief Pandolfo Petruccis sehen, weshalb er sich mutig in die Höhle des Löwen wagte, zu Federico Sanseverino in dessen Haus. Es spricht für seine Überzeugungstreue, daß er dem Sanseverino nach der Lektüre des Briefes ins Gesicht sagte, er solle sich nicht zu sehr freuen, denn die Sache werde ihnen nicht gelingen, da es unmöglich sei, daß Piero von der ganzen Stadt gerufen worden sei. Der Sanseverino machte jedoch geltend, der Erfolg Pieros stimme, und er selbst gebe sein Leben, wenn es nicht wahr sei, daß Piero in jener Stunde in Florenz sei oder im Begriff, dort einzutreten. Deshalb habe der Sanseverino demonstrativ ein großes Fest zelebriert, an welchem auch ein gewisser Branca, ein Mann der Vitelli bzw. Vitelleschi, teilgenommen habe. Die Briefe Braccesis vom 28. und 29. April sind freilich in Bolsena abgefangen worden, weshalb er mit seinem Brief vom 1. Mai Kopien dieser beiden nach Florenz schickte. Von dort hatte er über den aus Lyon gekommenen Kurier an jenem 1. Mai einen Brief vom 28. April erhalten, mit welchem die Dieci das Scheitern von Pieros Angriff bekanntgaben. Mit ihm begab sich Braccesi sofort zum Kardinal Juan Lopez, einer BorgiaKreatur, worauf beide dann zum Papst gingen. Dieser, der in allen Wochen vorher die Medici-Sache propagiert hatte, gerierte sich sofort wie Lopez als Freund von Florenz. Alle zusammen erörterten daraufhin das Geschehene. Alexander VI. wollte dem Sanseverino wegen seines Jubelfestes ordentlich Bescheid geben (dire ora); Braccesi wußte Sanseverinos Verhalten zu erklären. Denn Piero habe ihm, falls er Florenz zurückgewinne, ein ‚Trinkgeld‘ von 50.000 Dukaten und Benefizien im Florentiner Dominium im Wert von 4.000 Dukaten versprochen, damit der Sanseverino seine Schulden bezahlen könne. Dies sei die Wahrheit – so Braccesi. Der Papst lachte und sagte, daran erkenne man, wie wenig Gehirn Piero habe und wie sehr er sich selbst betrüge. Braccesi nutzte die Gelegenheit, um dem Papst mit Blick auf den Sanseverino noch mehr zu verraten, um ihn also weiter anzuschwärzen. Von einem der Sanseverino-Leute habe er nämlich gehört, daß der Kardinal nach Erhalt der Nachricht über Pieros Flucht heftig im Zimmer auf und ab gelaufen sei und sich über Pandolfo Petrucci beklagt habe, daß dieser ihm so leichtfertig und per Stafette von Pieros großem Triumph geschrieben habe, womit er ihn entehrt und zur Schau gestellt habe. Hierüber lachte der Papst nicht wenig; aber noch mehr, als Braccesi ihm erzählte, wie in der letzten Nacht mit einem Trompeter eine Bekanntmachung vor der Haustür von Federico Sanseverino und Luigi Becchetti verkündet wurde, sowohl in der

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Via dei Banchi als auch auf dem Campo dei Fiori (wo anscheinend Becchetti wohnte), welche besagte, daß Piero de’ Medici vor Florenz geflohen sei und diejenigen, die Pieros Aufenthalt wüßten und ihn verrieten, von der Florentiner Signoria 10.000 Dukaten erhielten, die auf der römischen Bank der Spannocchi aus Siena – evidenten Freunden der Medici! – deponiert seien. Dieser grobe Scherz, den der Papst sich wiederholen ließ, um feststellen zu können: ‚es ist wahr, es ist wahr!‘ – ‚und es wurde mit der Trompete verkündet, Heiliger Vater‘, bekräftige Braccesi, ‚ganz Rom weiß davon!‘ –, bewirkte bei Alexander VI. das erfreuteste und ‚fetteste‘, heftigste Gelächter der Welt (le più liete et grasse risa del mondo). Doch konnte dieser der Schadenfreude noch weitere Nahrung bieten: Jemand anderes habe Wappen der Medici mit schwarzen Kugeln angefertigt, um sie am Haustor des Sanseverino und des Medici-Kardinals und an anderen Orten Roms anzubringen, doch habe er dies nicht genehmigen wollen. Dieser geschmacklose Schabernack zeigt, wie sehr der Sanseverino als Mediceer galt und bekannt war. Von den sechs Wappenkugeln der Medici waren die unteren fünf rot, die obere in der Mitte blau – auf ihr die drei Lilien der französischen Könige. Die Anfertigung von Wappen mit schwarzen Kugeln besaß also eine starke symbolische Bedeutung, und die so klar betonte schwarze Farbe des Todes und der Trauer sollte offenbar seitens der Medici-Feinde den Ruin des Hauses Medici anzeigen, von dem eben nicht zuletzt auch der Kardinal Federico Sanseverino betroffen war – so stark, daß man auch sein Haus mit dem Wappen der ruinierten Medici markieren wollte! Im übrigen fand man bald darauf, am Morgen des 5. Mai 1497, dennoch an mehreren Orten in Rom die Wappen der Medici colle palle nere angebracht. Der Borgia-Papst duldete sie also wohl doch, diese Form der Häme.283 Über die ganze Aktion Piero de’ Medicis habe der Papst, so Braccesi am 1. Mai weiter, auch mit den Botschaftern der Hl. Liga gesprochen, und man sei sich einig, daß Piero ein Verrückter sei und daß derjenige über wenig Urteilsvermögen verfüge, der Pieros Verrücktheiten Glauben schenke. Der anwesende Antonio de’ Pazzi ermunterte den Papst bei dieser Gelegenheit, dem Kardinal Giovanni de’ Medici Bolsena – sein Lehen im Kirchenstaat – zu entziehen und ihm dafür einen Ort von geringerer Bedeutung zu geben. Denn Bolsena – wo die Mediceer sich ja tatsächlich häufig aufhielten – sei ein Unterschlupf für Banditen und Mörder, und die Diener des Kardinals schämten sich noch nicht einmal, dort sogar Breven, also formlose Urkunden, des Papstes abzufangen und einzukassieren – was in der Tat genauso vorgekommen war wie die gerade wenige Tage vorher in Bolsena erfolgte Interzeption der Briefe Braccesis an die Dieci. Braccesi fügte dem hinzu, angesichts der Verzweiflung und des maßlosen ‚Appetits‘ Pieros sei es durchaus denkbar, daß Piero aus Bolsena noch eines Tages ein Geschäft zum Schaden der Kirche mache, vor allem, da der Kardinal, also sein Bruder Giovanni, sich in allem von ihm leiten lasse. (Diese Auffassung trifft die tatsächlichen Verhältnisse nur zum Teil: Piero beanspruchte zwar immer wieder eine Verfügungsgewalt über Giovannis Eigentum und konnte sich damit manchmal auch durchsetzen, doch nur unter heftigem Protest seines jüngeren 283 ASF, DBR 55, c. 270 (5.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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Bruders.) Der Papst habe dieser Warnung Gehör geschenkt und sich deswegen an die Kardinäle Juan Lopez und Juan Borgia gewandt und gesagt, man müsse über diese berechtigte Sache nachdenken. Wenige Tage später hieß es für die römischen Agenten der Dieci di Balìa, das gescheiterte Angriffsunternehmen der Medici mit Blick auf seine Wurzeln zu analysieren. Denn an dessen Gefährlichkeit gab es nichts zu deuteln, ebensowenig an der klaren Involvierung maßgeblicher Personen in Rom und Florenz, deren Ausschaltung weitere Gefahren für Florenz erheblich minimieren würde. Nicht nur Braccesi war sich – wie aus zwei Briefen vom 2. und 5. Mai 1497 hervorgeht – darüber im klaren, daß Piero de’ Medici niemals ohne die Hilfe von Verbündeten in Florenz bis an die Stadttore vorgedrungen sein und – quod maius est! – sich wieder in Sicherheit bringen konnte.284 Aber Braccesi, den seine früheren treuen Dienste für die Medici offenkundig nun zu einem um so intransigenteren Denunziationseifer anspornten, wie wir ihn nur noch bei Becchi, aber kaum einem Dritten in Hunderten von Berichten erleben, Braccesi wußte eben auch sofort ein Hilfsmittel, wie man in Florenz die Namen dieser internen Verschwörer in Erfahrung bringen könnte. An jenem Tag der Falschmeldung über Pieros Triumph habe sich Nofri Tornabuoni nämlich im Kreis mehrerer Personen zu der Aussage verleiten lassen, er glaube aus diversen Gründen an die Wahrheit jener Information. Der gewichtigste sei, daß er, Nofri, die Briefe und Unterschriften von etlichen Florentiner Bürgern gesehen habe, von denen Piero gerufen, d.h. zum Einmarsch aufgerufen worden sei. Die Dieci wüßten doch das Mittel, mit dem es gelinge, Nofri nach Florenz kommen zu lassen. Braccesi forderte damit offenbar nichts anderes als die Androhung härtester Sanktionsmittel wie Verurteilung als Rebell, Güterkonfiszierung, eventuell Aussetzung von Kopfgeld, um den Tornabuoni nach Florenz zu zitieren und ihn dort unter der Anwendung der Folter zur Preisgabe jener Personen zu zwingen. Er, Braccesi, schreibe ohne Rücksicht auf irgend jemanden aus reinem Pflichtgefühl. Wenn die Dieci di Balìa eine substantielle Überprüfung wünschten, sollten sie Nofri in ihre Gewalt bringen; dann würden sie von ihm auch erfahren, welche der Florentiner Bürger und Kaufleute Piero mit Geld und Versprechen gedient hätten. Allerdings bitte er, Braccesi, inständig darum, nicht namentlich genannt zu werden, denn einer wie er halte sich zwischen diesen Wütenden besonders in Rom nicht ohne Gefahr auf! Die zweite Person, die Braccesi in diesem Kontext nennt, ist natürlich Nofris Schwiegersohn, el Bartolino. Dieser nun habe am Tag der Aufdeckung der Falschmeldung geklagt, kein größerer Verrat hätte an Piero verübt werden können als der jener Florentiner Bürger, die ihn hätten anrücken lassen, ohne daß sie dabei zweifelsfrei die Voraussetzungen gesehen hätten, sich zu erkennen geben zu können. Diese Kritik Leonardo Bartolinis, des Strategen und Organisators, an dem taktischen Unvermögen seiner bzw. ihrer Verbündeten hindere ihn jedoch nicht daran, sofort wieder zur Hoffnung zurückzukehren bzw., so Braccesi, dies zumindest vorzugeben. In seinem zweiten Brief vom 5. Mai nennt Braccesi denn auch wiederum wörtlich den Bartolini zusammen mit Luigi Becchetti ne284 ASF, DBR 55, c. 218, 267 (2. und 5.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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ben bzw. hinter den Sienesen, dem Kardinal Giovanni de’ Medici und weiteren als Köpfe und Initiatoren des Angriffs. Bartolini und Becchetti seien manorini – mit mannerini waren hier in abfälliger Wertung Eunuchen, Dienstleute von niedrigem sozialen Stand gemeint –, die bereits von neuem begonnen hätten, ‚Feuer zu speien‘. Nachdrücklicher als je zuvor bestätigten die beiden, daß sie nicht eine Unze an Hoffnung verloren hätten und daß ihnen mit Blick auf ihren Verbund (dello ordine suo) und ihre Verbündeten (della intelligentia) nicht uno jota, also nicht das Geringste fehle, insbesondere da ihre intelligentia in Florenz nicht aufgedeckt worden sei! Es gab also einen relativ festen Kreis von befreundeten Mitverschwörern in Florenz, der sich so bedeckt hielt, daß keiner der Gegner Kenntnis von den einzelnen Beteiligten besaß. Die solches bedingende Struktur aus gegenseitiger Geheimhaltung und unbedingtem Vertrauen finden wir gleichfalls in den damaligen wirtschaftlichen Bündnissen, den Finanzpartnerschaften der Medici bzw. Mediceer – und nicht ohne eine gewisse Berechtigung glauben wir jene geheimen Verbündeten in Florenz in genau jenem Zirkel entdecken zu können. Aber dazu später. Braccesis Offenbarungsdrang verdanken wir weitere interessante Einblicke in das Netzwerk der Mediceer in Rom. Der Arzt Ludovico da San Miniato, der einst am Hospital von Santa Maria Nuova in Florenz behandelt habe und sich nun an der Seite des MediciKardinals befinde, sei ebenfalls optimistisch und meine, das letzte Mal habe Piero den palio, den Siegespreis, nur knapp verfehlt, das nächste Mal werde er ihn erringen. Dieser Ansicht sei auch Lorenzo Alamanni – der sich ja anläßlich der irrigen Erfolgsmeldung mit anderen im Freudentaumel sogleich luxuriöse Kleider zuschneiden ließ. Mittlerweile seien die Mediceer wieder sehr aktiv geworden. Von Piero gesandt, sei Bernardo del Fede im Stafettenritt am Morgen des 5. Mai mit Briefen nach Rom gekommen; an jenem Abend sei Mancino da Bologna eingetroffen. Zwar höre man, die Mediceer hätten kein neues Geld, doch vom Protonotar (Niccolò) Lippomano und den üblichen Kaufleuten – Mediceern natürlich – hätten sie 8.000 Dukaten erhalten; mit neuem Mut versammelten sie sich in der römischen Synagoge. Die Dieci sollten, so fordere es auch ein anderer Freund der Stadt, Vorkehrungen treffen, sich nicht nochmals auf das Glück verlassen und besonders nach den Verbündeten der Medici in Florenz suchen, denn ohne großen Rückhalt hätte Piero nicht vor die Tore gelangen können. Man möge ihm seine Offenheit verzeihen, aber wenn sie sähen, was sich in Rom abspiele, würden sie sich darüber nicht wundern. Am 8. Mai 1497 war Alessandro Braccesi schließlich bekannt, daß Mancino da Bologna, der bei Piero gewesen sei, Listen mitgebracht habe, auf denen sowohl die Florentiner Häuser verzeichnet seien, die Piero zerstören und in Asche legen lassen wolle, als auch die Namen der Bürger, die zum Teil geköpft, zum Teil gehängt werden sollten.285 Zwei Tage später sah er sich veranlaßt, den Dieci weiterhin beste Pflichterfüllung zu geloben, doch da entweder der Inhalt seiner Briefe weitergetragen oder diese abgefangen worden seien, werde er nun wie Ricciardo Becchi und Antonio de’ Pazzi von Pieros Leuten ständig bedroht. Dies hinderte ihn aber nicht an seiner Aufgabe. So erfuhren die Dieci noch im gleichen Brief, daß Piero sich bereits seit dem Abend des 5. Mai, einem Freitag, insge285 ASF, DBR 55, c. 250 (8.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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heim wieder in Rom befinde. Mit dem Sanseverino habe er sich dann blicken lassen, doch sei sicher, daß Piero im Haus seines Bruders Giovanni wohne. Von dort sei er letzte Nacht zu Federico Sanseverino in dessen Haus gegangen. Den Abend vorher habe der Sanseverino sich ca. zwei Stunden mit Carlo Orsini zu einem Gespräch eingeschlossen, an welchem auch Luigi Becchetti, Agnolo da Tivoli und Leonardo Bartolini teilgenommen hätten. Gegen drei Uhr nachts (ca. 21 Uhr nach heutiger Zählung) habe der Sanseverino in Begleitung weniger mit Becchetti dieses ‚Konklave‘ verlassen, um sich zum Kardinal Giovanni de’ Medici zu begeben. Dieser habe Braccesi auf Nachfrage gesagt, es habe sich um Giovannis Abtei San Germano (Montecassino) gehandelt, auf die der Papst zugunsten seiner Leute ein Auge geworfen habe. Allgemein wundere man sich in Rom, mit wieviel Herz und mit wie wenig Zurückhaltung der Sanseverino sich in die Medici-Sache stürze. Ihm und Becchi sei sogar gesagt worden, daß er vor zwei Tagen einen seiner Diener nach Florenz gesandt habe, der mit bestimmten Bürgern sprechen sollte, doch habe man noch nicht erfahren können, mit wem. Ferner verstehe man nicht, warum die Orsini, da sie nun als Medici-Parteigänger entlarvt seien, sich nicht mit mehr Truppen beteiligten. Die Dieci sollten schließlich noch wissen, daß die Contessa Caterina Sanseverino, die Schwiegermutter Pieros, nach Rom gekommen sei, wo sie mit mehreren Kardinälen, den Orsini und anderen Personen Unterredungen geführt habe; sie erkläre fest, daß Piero in Florenz Freunde und hochrangige Parteigänger (partigiani da conto) habe, gestehe, daß sie mit einigen praktisch im Bunde sei, und erkläre, daß Piero auf das Gelingen seines Planes hoffen dürfe.286 Ricciardo Becchi bestätigte am 13. Mai, daß Piero und seine Komplizen froh gelaunt, guter Dinge und bester Hoffnung wegen ihrer Pläne seien; es erscheine ihnen als Erfolg, daß sie bis vor die Stadttore von Florenz gekommen und daß ihre dortigen Verbündeten nicht entdeckt worden seien. Aus der Abtei San Germano wollten sie 10.000 oder mehr Dukaten herausholen. Der Sanseverino sei weiterhin viel mit den Orsini und mit jenem Branca, dem Mann der Vitelleschi, zusammen.287 Piero zog sich nach diesem – gemessen an den Erwartungen und Zielen – kläglich gescheiterten Angriff also nach Siena, von dort nach Rom zurück. Wenn er durch zu späten Einsatz Gefahren für seine Freunde in Florenz befürchtete, so hatte er ihnen durch seine übereilte und ineffiziente Aktion nun erst recht geschadet. Sein Mißerfolg aber war zugleich der seiner Vertrauten, insbesondere Federico Sanseverinos, den schon Francesco Guicciardini als eine der maßgeblichen Personen hinter dem Angriffsversuch erkannt hatte.288 Doch sollte man Piero und Federico mit Blick auf die zur Offensive drängenden

286 ASF, DBR 55, c. 288 (10.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom; Caterina Sanseverino nannte er

irrig madonna Magdalena, doch da er ihr das Attribut suocera di Piero beilegte und da Caterinas Anwesenheit in Rom auch in späteren Briefen bezeugt wird, kann es sich nur um sie handeln). 287 ASF, DBR 55, c. 297 (13.5.1497, Ricciardo Becchi, Rom). 288 Però ristretti i suoi [Pieros] consigli con Federigo cardinale da San Severino, antico amico suo, e con l’Alviano, e stimolato occultamente da’ viniziani, a’ quali pareva che per i travagli de’

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Briefe ihrer Freunde in Florenz nicht schlichtweg Unbedachtsamkeit oder gar Verantwortungslosigkeit vorwerfen. Offenkundig waren die Bitten und Sorgen dieser Freunde so ernst und gewichtig, daß Piero und seine Vertrauten wirklich um deren Leben fürchteten. Wenn es nicht zur gewünschten Verzahnung der Kräfte kam, lag dies gewiß auch am Eifer der Feinde in Rom und Florenz. Gegenüber den Florentiner Spitzeln in Rom gab Piero sich nach der ersten Euphorie der frühen Maitage resigniert. Seit Mitte Mai 1497 ließ er dort wissen, da er nun sich selbst und seinen Freunden, die ihn zu jenem Unternehmen ermutigt hätten, Genüge getan habe, wolle er es mit dieser Erfahrung bewenden lassen; immerhin habe er vor den Mauern von Florenz gestanden und sich in Sicherheit bringen können. Bar jeder Hoffnung, wolle er nun außerhalb der patria leben und sterben. Damit konnte Piero einen Alessandro Braccesi und Ricciardo Becchi jedoch nicht täuschen, die Florenz daher weiterhin vor den Medici warnten. Die immer noch in Rom weilende Gräfin Caterina Sanseverino verkündete nicht allein, daß ihr Schwiegersohn der weiseste Mann der Welt sei, ein Salomon, und daß er mit seinem Zug vor die Florentiner Mauern große Reputation erworben habe, sondern ebenso die baldige Rückkehr nach Florenz, in das er auf jeden Fall eintreten werde. Und in der Tat sahen Pieros Beobachter in seinem Handeln, daß er an diesem Plan festhielt. Jeden Abend sitze er zu dessen Vorbereitung mit Federico Sanseverino und den gleichen instrumenti wie vorher zusammen (also mit Leonardo Bartolini und Luigi Becchetti z. B.); überhaupt weiche Piero dem Sanseverino kaum von der Seite, dieser sei ihm ein wahres Refugium. Doch nach dem Mißerfolg von Ende April sei es unmöglich, Einzelheiten ihrer Intentionen zu erfahren, da sie nun schweigsamer als früher agierten. Eines aber könnten sie nicht verhüllen: ihre Bemühungen um Geld! Die Gräfin Sanseverino bitte die Signoria um die ihr noch zustehenden 2.500 Dukaten, die sie als Teil ihrer Aussteuer bei der Florentiner Medici-Bank deponiert hatte, aber angesichts ihrer staatsfeindlichen Taten könne man ihr nicht entgegenkommen.289 Ihre Suche nach Geld konnten die Medici nicht verbergen, und trotz aller Wortkargheit gab es noch genug Geschwätzige in ihrer Umgebung. Auch sie sind ein elementarer Bestandteil dieser Geschichte. Alessandro Braccesi besaß einen speziellen Informanten für alle Bewegungen Pieros. Dieser konnte nun am Abend des 23. Mai von einem Intimus des Sanseverino-Hauses hören, daß Leonardo Bartolini von Piero in wenigen Tagen nach Venedig gesandt werde. Auf ihre dortigen Finanzquellen, aber auch auf eine militärische Unterstützung der Serenissima setzten Piero und Giovanni nämlich jetzt all ihre neu erblühten Hoffnungen. Am Donnerstag, dem 25. Mai, brach der Bartolini tatsächlich auf. Über einen seiner Freunde erfuhr dann Becchi, daß eine seiner Aufgaben darin bestand, die bei Piero da Bibbiena befindlichen Kinder Pieros nach Rom zu bringen. Eine andere gute Quelle sagte ihm, der Bartolini werde von Venedig nach Frankreich reiten; zwar fiorentini si stabilissino le cose di Pisa, deliberò di tentare di entrare furtivamente in Firenze; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 321 (III/13). 289 Vgl. ASF, DBR 56, c. 6 und c. 12 (16. bzw. 20.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom), c. 9 (19.5.1497, Ricciardo Becchi, Rom).

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erfahre man nicht den genauen Grund, doch deute alles darauf hin, daß er Geld für die Medici besorgen solle, die guten Mutes seien.290 Diese Vermutung konnte Braccesi am 5. Juni bestätigen. Über seinen auf Piero angesetzten Spitzel erfuhr er, daß sich Leonardo Bartolini für Piero eines Kredites bedienen sollte, den die neapolitanische Medici-Bank dem (den Medici gut bekannten) Venezianer Andrea Braghadini in Höhe von 12.000 Dukaten gegeben habe. Gemeinsam mit Ser Piero Dovizi betreibe er diese Sache sehr intensiv und werde dabei von der venezianischen Regierung unterstützt. In Rom habe im übrigen Coppo da Montegonzi, ein Florentiner vermutlich, die Tätigkeiten Bartolinis übernommen und kooperiere dabei mit Luigi Becchetti.291 Die Tatsache, daß die Medici-Feinde ein so genaues Auge auf die Aktivitäten des Bartolini warfen, hatte ihre Ursache nicht nur in deren Bedeutung für Pieros Angriffspläne. In diesen Vorgang muß auch Lorenzo Tornabuoni in Florenz eingebunden gewesen sein. Denn er hatte noch im April 1497 und ebenso namens seiner Mitgesellschafter Giuliano di Giorgio Ridolfi als seinen Prokurator in der Medici-Bank in Neapel eingesetzt, die ja unter dem Namen Lorenzo Tornabuonis firmierte. Da nun aber diese Bank, wie erörtert, zur römischen Medici-Bank gehörte (bei der Piero de’ Medici wie in Neapel weiterhin Teilhaber war), diese aber spätestens im März 1497 aus dem Besitz Lorenzo Tornabuonis in den des Leonardo Bartolini übergegangen war bzw. unter seinem Namen lief, wollte der Bartolini als eigentlicher Leiter der neapolitanischen Medici-Bank deren Schuldner in Venedig zur Begleichung seiner hohen Schuld bewegen, die unmittelbar Piero de’ Medici zugute kommen sollte. Die Annahme einer Verantwortung Leonardos für die neapolitanische Bank wird gestützt durch die Beobachtung, daß Giuliano Ridolfi im November 1497 offensichtlich als sein Mitarbeiter bezeugt wird, als er sich an dessen Seite um Kredite bemühte.292 Als führender Medici-Bankier in Rom verfügte Leonardo Bartolini also über Gläubigeransprüche der neapolitanischen Medici-Bank, wobei wir nicht wissen, ob sie zu diesem Zeitpunkt noch als Tornabuoni-Bank betrieben wurde. Ungewiß scheint auch, ob Leonardo tatsächlich die Schuld ausgezahlt wurde und, wenn ja, in welcher Höhe und Form. Denn zum einen hatten die Syndizi deswegen Rosso Ridolfi nach Venedig geschickt – auch sie erhoben also Anspruch auf die 12.000 Dukaten –; zum anderen aber werden die Prokuratoren der Tornabuoni in ihrer Klage vom 5. Februar 1500 behaupten, von den hohen Schulden Andrea Braghadinis und seiner Söhne bei der Bank des Lorenzo Torna-

290 ASF, DBR 56, c. 17 und 20 (24. und 27.5.1497, Alessandro Braccesi, Rom), c. 23 (29.5.1497,

Ricciardo Becchi, Rom). 291 ASF, DBR 56, c. 33 (5.6.1497, Alessandro Braccesi, Rom). Schon am 23.4.1492 hatte Piero de’

Medici dem damaligen Konsul der Florentiner Nation in Venedig, Bartolomeo Davanzati, wegen einer Geschäftsangelegenheit mit Braghadini geschrieben; am 26.12.1492 schrieb er einen Beglaubigungsbrief für Francesco Gaddi nicht nur an den Dogen von Venedig, sondern auch an Braghadini; vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1954), S. 383, 407. Zur Florentiner Familie des Antonio di Giovanni da Monteghonzi vgl. Verde, Studio fiorentino III/2, S. 1196, doch wird Coppo dort nicht als einer der Angehörigen erwähnt. 292 Vgl. ASF, DBR 56, c. 173 (20.11.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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buoni in Neapel habe man niemals etwas eintreiben können.293 Dies dürfte allerdings ebensowenig der Wahrheit entsprochen haben wie Lorenzo Tornabuonis Versicherung Anfang 1495, die Medici seien keine Partner mehr in der Bank in Neapel und im Zuge der Liquidierung werde er alle Schulden eintreiben. Die beachtliche Schuld Braghadinis diente allem Anschein nach als eine Finanzreserve und Bartolini wird nicht persönlich nach Venedig geritten sein, wenn er nicht positiv verlaufene Vorgespräche mit Braghadini geführt hätte. Seine Reise indiziert des weiteren, daß es nicht allein um die Auszahlung des Geldes ging – das hätte man viel einfacher mittels eines Wechselbriefes nach Rom transferieren können –, sondern um eine komplexere Finanzoperation auf der Grundlage des Kredites. Deswegen wählte Braccesi die Formulierung, Bartolini ‚bediene sich des Kredites‘, ‚mache ihn sich zunutze‘ (lui è per valersi d’un credito). Bartolinis Mission in Venedig war tatsächlich ein Erfolg, wie man nach seiner Rückkehr in Rom hören konnte, und sie muß mit Lorenzo Tornabuoni, seinem Verwandten, abgesprochen gewesen sein. Wir wissen, daß er ursprünglich auf Wunsch seiner Florentiner Freunde vorgehabt hatte, auf seiner Rückreise von Venedig nach Rom auch in Florenz einzureiten, wobei er gewiß den Tornabuoni besucht hätte. Von diesem Plan hielten ihn die Denunziationen des Alessandro Braccesi ab, der die Dieci di Balìa natürlich vor allem deshalb über die Schritte Bartolinis informierte, weil dessen Geldgewinnung allein den Restitutionsversuchen der Medici dienen sollte. Was Braccesi in seinen Briefen über den Bartolini verriet, ist diesem jedoch brieflich aus Florenz in sein Zimmer in Venedig überliefert worden. Einer der Medici-Freunde hatte somit Zugang zu den Briefen des Spitzels und warnte Leonardo umgehend, der deshalb von einem Besuch in Florenz Abstand nahm. Der Bartolini wird erst am 19. Juli 1497 aus Venedig nach Rom zurückkehren, um sich dann gegenüber seinen römischen Freunden so heftig über die Denunziationen Braccesis zu beklagen, daß dieser Angefeindete in spürbarer Angst die Dieci erneut um größere Geheimhaltung seiner Informationen bitten wird.294 Doch wie schon mit seinen ersten Briefen aus der Lagunenstadt angedeutet, konnte Leonardo Bartolini die Medici und den Sanseverino, mit denen er sofort in vertraute Beratungen trat, in größte Hoffnungen versetzen. Nach dem Fehlschlag vom April sollte es erneut mit militärischen Mitteln gegen Florenz gehen. Neben den Venezianern waren wiederum die Sienesen unter Pandolfo und Jacopo Petrucci die zentralen Verbündeten für diesen Plan, der durch das bekannte Zentrum des Netzwerkes vorbereitet wurde. Piero de’ Medici wich Federico Sanseverino nicht mehr von der Seite – der wiederum im päpstlichen Konsistorium gewöhnlich neben Pieros Bruder Giovanni saß.295 Piero schlief häufiger in Federicos Haus in der Via dei Banchi als im Haus seines Bruders am Campo dei Fiori. Wenn diese beiden sich nicht mit Kardinal Giovanni de’ Medici, ihren Orsini-

293 S.o. S. 215. 294 Vgl. ASF, DBR 56, c. 116 (22.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 295 Vgl. etwa Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 41 (beide waren anwesend, als Alexander VI.

in dem geheimen Konsistorium vom 7.6.1497 Benevent zum Herzogtum erhob und es seinem Sohn Juan Borgia, bereits Herzog von Gandia, verlieh).

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Freunden und dem venezianischen Botschafter berieten, im apostolischen Palast für ihre Vorhaben warben oder sich um weiteres Geld bemühten, dann vergnügten sich Piero, der Sanseverino und manch ein Orsini bei der Jagd oder tagelang bei Musik im römischen Weinberg des venezianischen Kardinals Gianbattista Zeno. Noch stärker als zuvor treten dabei zwei Vertraute Federico Sanseverinos in Erscheinung, die nicht nur bei solcher Kurzweil anwesend sein durften, sondern auch mit wichtigen Missionen (etwa nach Siena) betraut wurden. Es handelte sich um Federicos Sekretär Francesco da Narni und den uns bereits bestens bekannten Kurialen Luigi Becchetti aus Mailand, dem Antonio de’ Pazzi am 1. Juli 1497 sogar einen überragenden Einfluß auf den Sanseverino und andere Kardinäle sowie auf die Medici zuschrieb, und den er als capitalissimo Feind der Florentiner (Medici-Feinde) bezeichnete, großen Freund aber der Medici und ihrer Verbündeten. Kein Wunder, daß Becchetti sich auf der anderen Seite mit der Zeit den Kardinal Ascanio Sforza zum Gegner gemacht hatte, der ihn denn auch genauso wie seinen ehemaligen Freund Federico Sanseverino bei den Florentiner Spitzeln in Rom mehr als einmal denunzierte. Diesen empfahl Ascanio sogar, jene beiden durch ihren Herrn, Ludovico Sforza, zur Räson bringen zu lassen.296 Der Sforza-Herzog beteuerte zwar den Florentinern, nichts zu ihrem Schaden zu unterstützen, ermahnte auch hin und wieder den Sanseverino, Piero keine Hilfe zukommen zu lassen, aber Federicos Drängen, der Moro möge den von ihm vermittelten Soldvertrag der Sienesen für seinen Bruder Antonio Maria genehmigen, kam er Anfang Juli nach. Daß dieser erfahrene Mailänder Condottiere im Auftrag Sienas 150 Reiter befehligen sollte, wurde in Florenz als akute Bedrohung empfunden.297 Im übrigen hatte der Herzog eben diesem Bruder Federicos Ende März 1495 den Mailänder Palast Piero de’ Medicis geschenkt, den er diesem nach nur drei Jahren wieder entzogen hatte.298 Er blieb also gleichsam in der Familie. Auch die langen Aufenthalte Giovannis und Giulianos in Mailand, letzterer erwiesenermaßen im primo piano ihres einstigen Palastes wohnend, sprechen eher für eine faktische Unterstützung als gegen sie. So konnten die Florentiner denn auch Mitte Juni 1497 vernehmen, daß Giuliano de’ Medici mit einem gewissen Cigognano nach Bologna gekommen sei, und daß sie 300 vom Mailänder Staat bezahlte Soldaten unter sich hätten.299 Der Medici-Kreis trat wieder optimistischer und fröhlicher in Rom auf. Auch wenn Alessandro Braccesi nichts Substantielles über die nächsten Schritte des vom Sanseverino

296 Vgl. ASF, DBR 56, c. 21, 23, 30, 33, 45, 47, 53, 61–63, 68, 74–75, 78, 107, 116 (Mai–Juli 1497,

Alessandro Braccesi und Ricciardo Becchi, Rom). 297 Vgl. ASM, SPE, Roma 121 (22.6.1497 (Federico Sanseverino aus Rom an Ludovico Sforza);

SPE, Roma 122 (4.7.1497, Ascanio Sforza aus Rom an Ludovico Sforza); ASF, DBR 56, c. 76 (3.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom: ... Il Duca di Milano havea dato licentia al Signor Antonio Maria fratello del cardinale di Sanseverino che si conducessi alli stipendii de Sanesi solo per mettere più animo a quelli che ghovernano quella repubblica di molestare le S.V. et fare loro delle medesime iniurie che haveano facto pe’l passato ...). 298 S.o. S. 350f. 299 ASF, DBR 56, c. 57 (19.6.1497, Giovanni [di Pierfrancesco] de’ Medici, Forlì).

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nicht mehr weichenden Piero de’ Medici wußte, diese verdächtige Vergnügtheit erschien ihm so meldewürdig wie eine Ansicht von Antonio di Bettino da Ricasoli, die dieser am 15. Juli in Rom äußerte. Antonio, der im Oktober 1495 wegen seiner vielfältigen aktiven Hilfe für die Medici verbannt worden war, er verkündete nun, die Exilierten hätten berechtigten Grund, an ihre Rückkehr zu glauben – und jene, die Piero bedroht hätten und nun nicht mehr seine Freunde seien, würden dies bald bereuen!300 Noch konkreter wurde Piero selbst. Als er am 28. Juli 1497 mit Federico Sanseverino Rom verließ, geschah dies unter wüsten Beschimpfungen der Florentiner Signoria und mit der wütenden Drohung, heftige Rache an der Signoria zu üben und alle Florentiner (sprich: seine Feinde) in den Fluß zu werfen (d.h. in den Arno zum Ersäufen).301 Piero und Federico wollten sich in das Kastell von San Lorenzo alle Grotte beim Lago di Bolsena begeben, das Alexander VI. dem Sanseverino als Lehen übertragen hatte, um von dort aus einen auf den Festtag des 15. August terminierten neuen Angriff auf Florenz vorzubereiten.302 Doch mit jedem Tag gestiegener Hoffnung wuchs die Gefahr für die Medici-Freunde in Florenz. Denn dem Medici-Kreis wurde ein wuchtiger Schlag versetzt, als es seinen Florentiner Gegnern gelang, Ende Juli den Mönch Ludovico Mondello zu verhaften, der als Vertrauter Federico Sanseverinos briefliche Nachrichten aus Rom nach Florenz geschmuggelt hatte. Auf ihn hatte man ein besonderes Auge geworfen, weil er, der Ordensgeistliche, zudem die Pisaner bei ihrem Aufstand unterstützt und dabei sogar einige Florentiner verwundet hatte.303 Wir hatten Mondello bereits vorgestellt, als er Ende 1493 für den Sanseverino am französischen Hof wegen des von Georges d’Amboise beanspruchten Erzbistums Rouen verhandelte und als die Florentiner durch einen abgefangenen Brief Mondellos vom 3. September 1496 von dessen aktiver Beteiligung an der Stärkung der Pisaner Verteidigung erfuhren.304 Seinem Patron blieb Mondello somit treu, so sehr, daß er sich tatkräftig von ihm auf verschiedenen Aktionsfeldern für die Belange der Medici einsetzen ließ. Es ist also sehr verständlich, daß man die Warnungen Braccesis und Becchis sowie die Bewegungen der Medici und ihrer Verbündeten in Florenz wiederum nicht auf die leichte Schulter nahm. An jenem 28. Juli 1497, dem Tag der Abreise Pieros und Federicos aus Rom, fanden unter dem Eindruck allseitiger Bedrohung Beratungen, pratiche genannt, statt, in denen sowohl die condotta Antonio Maria Sanseverinos als auch die Drohung des Ricasoli zur Diskussion standen, da man beides in ursächliche Beziehung zueinander brachte. Der Herzog von Mailand hatte Florenz gebeten, Antonio Maria – von dem man nur mit seinem Vornamen sprach, den man also gut kannte – den Durchzug nach Siena zu gestatten. Da die Anfrage vom Herzog persönlich kam, war (der erklärte Medici-Feind) Francesco Valori dafür, dies zu genehmigen. Weiterhin bemerkte er mit Bezug auf den 300 ASF, DBR 56, c. 107 (19.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom: Antonio da Ricasoli habe jenes

vor vier Tagen gesagt.). 301 ASF, DBR 56, c. 130 (28.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 302 Zur Übertragung des Kastells 1493 vgl. Picotti, Giovinezza, S. 474 und 527, Anm. 28; zum

Angriffstermin: Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 209f., Anm. 1. 303 Vgl. Schnitzer, Savonarola, S. 448. 304 S.o. S. 294, 360.

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Brief Alessandro Braccesis vom 19. Juli, man habe vernommen, daß Antonio di Bettino da Ricasoli von der Hoffnung der Verbannten auf Heimkehr und von einer in ihrem Besitz befindlichen Kugel gesprochen habe, durch deren Öffnung es eine sichere Hoffnung gebe. Überdies fertige man in Siena wohl bereits die Stadtschlüssel von Florenz an! Andere fügten hinzu, Antonio Maria sei das Werkzeug Federico Sanseverinos und wolle mit Sicherheit für Piero wirken, da dem Mailänder Herzog wie auch den Venezianern dieser neue Florentiner Staat nicht passe. Man wolle Antonio Maria daher den Durchzug mit 20 bis 25 Pferden gestatten, nicht jedoch mit seiner Truppe. Generell aber sei das einzige Mittel gegen Piero, selbst Truppen auszuheben. Und Bernardo del Nero, der als Gonfaloniere im März und April so machtlose Medici-Freund, er äußerte sich zu all diesem eher dilatorisch, da es schon so spät am Abend sei.305 Seine letzte Stunde aber begann schon laut zu schlagen, denn sein Verräter stand vor der Tür.

e) Der Verrat – mit instruktiven Einblicken in das Zentrum des Netzwerkes Im August 1497 kam es zum Höhepunkt bei der Verfolgung von Medici-Vertrauten, mit zweifellos einschneidenden Folgen für das Medici-Netz. Auslöser des Dramas war ein Zerwürfnis innerhalb des Medici-Kreises, dessen Schutzmaßnahmen in geradezu klassischer Weise durch den Verrat Gedemütigter durchbrochen wurden. Im Oktober 1495 hatten die seit gut fünf Monaten in den Stinche inhaftierten Brüder Alessandro und Lamberto dell’Antella mit offensichtlicher Hilfe von Luigi Tornabuoni fliehen können.306 Wie vor ihrer Gefangennahme wirkten sie nun weiter für Pieros Umsturzpläne, fühlten sich jedoch von diesem schlecht behandelt. Schon im Januar 1497 begann Lamberto, dem erklärten Medici-Feind Francesco Valori zu schreiben und ihm von seinem Haß auf das Haus Medici zu berichten. Später, im April in Siena, nahm er auch Kontakt zu Piero Cor-

305 Vgl. Fachard, Consulte e pratiche, S. 500–509: Beratungen vom Freitag, 28. Juli 1497; France-

sco Valori sagte u. a.: Et hiarsera si lasciò indietro una lectera che contiene che Antonio di Bettino da Ricasoli, parlando delle cose nostre, diceva che non erano questi ribelli privati della speranza di tornare a chasa, dicendo d’avere una boccia che se lla s’apriva erano in ferma speranza d’intorno; (ebd. S. 501f.). Guidantonio Vespucci aber bemerkte hierzu Folgendes: Circa il caso di Piero de’ Medici, crede [der Protokollant gibt ihn hier in dritter Person wieder, sonst auch wörtlich in 1. Person] ch’egli abbia a tentare suo fortuna di volere ritornare per le ragioni decte da Bernardo Rucellai; et lui crede che questo caso d’Antonio Maria sia per simil cosa, perché a’ Vinitiani et al Duca non piace questo Stato. Et per questo crede che il rimedio non sia havere in piaza Bargello e provigionati, ma havere in puncto le genti vostre d’arme et tenerlo discosto [wie es Vettori vorgeschlagen hatte] ... Circa el caso d’Antonio Maria, commenda chi ha consiglato di non gli dare el passo, perché crede che sia opera del Cardinale da Sanseverino pel caso di Piero de’ Medici. Et per questo lui risponderebbe al Duca con quelle iustificationi occorressino; non gli dispiacerebbe che, se lui vuole venire con 20 o 25 cavagli, consentirglele, ma le genti d’arme mandarle d’altronde. (ebd. S. 505f.). Und Bernardo del Nero antwortete, da es schon spät am Abend sei, lediglich: Circa el caso d’Antonio Maria, se ne risolve a quello se n’è o fusse per l’avenire consiglato (ebd., S. 508). Antonio Maria Sanseverino ist ebenso wie der aus Rom schreibende Ser Alessandro [Braccesi] vom Herausgeber nicht identifiziert worden. 306 Vgl. oben S. 334.

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sini auf, von dem er über einen Vertrauten nach Florenz gebracht werden wollte. Dies ist erstaunlich, denn Piero Corsini gehörte bis dahin zu den Anhängern der Medici. Nach dem glanzlosen Scheitern des Rückkehrversuches Ende April 1497 ließ Piero de’ Medici die beiden Antella-Brüder am 25. Mai in Siena vom dortigen Machthaber Pandolfo Petrucci einsperren, offenbar wegen eines im Haus von Giovanni de’ Medici begangenen Vergehens, vielleicht auch schon wegen Hinweisen auf den begonnenen Verrat an den Medici.307 Von Rom aus forderte Piero eine harte Behandlung der Delinquenten, doch Petrucci entließ sie gegen eine hohe Geldstrafe und gegen das Versprechen, Siena nicht zu verlassen. Der von Rache an den Medici getriebene Lamberto hielt sich nicht an die Auflage und ging ins Florentiner Territorium, wo er am 4. August von den Häschern Francesco Valoris und Tommaso Tosinghis, zweier besonders emsiger Medici-Feinde, ergriffen werden konnte. Sie fanden bei ihm einen Brief, in welchem er gegenüber seinem Schwager Francesco Gualterotti, dem Bruder von Lambertos Frau Lisabetta, sein Angebot darlegte, gegen eine Begnadigung alles über die Medici-Pläne zu verraten, und in dem er sich mit einer Reihe von Punkten, über die er dann Aufklärung geben würde, interessant machte.308 Dieser Brief und vor allem die aus den nachfolgenden Verhören resultierenden, schriftlich fixierten Aussagen bzw. Denunziationen Lambertos ergeben eine Quelle ersten Ranges für die Verfaßtheit des Medici-Netzwerkes und für bestimmte Aktionen der Mediceer, denn Lamberto wollte durch die Qualität seiner Aussagen die Begnadigungschancen für sich und seinen Bruder erhöhen und ihre vollkommene Abkehr von den Medici demonstrieren. Natürlich hatte Lamberto dell’Antella nur bestimmte Ausschnitte sehend und hörend erfahren; außerdem hütete sich der engere Kreis ganz bewußt, ihm wichtige und geheime Informationen anzuvertrauen. Dennoch: Was wir durch ihn erkennen können, ergänzt und bestätigt die bisherigen Erkenntnisse in hervorragender Weise. Oder, um die Perspektive zu ändern: Die Medici-Feinde erhielten durch diesen nachgeordneten Insider Einblicke in das Netzwerk, die sie allein aus den Briefen Becchis und Braccesis nicht gewinnen konnten. Welche Winkel und Ebenen des mehrdimensionalen Netzwerkes wurden nun also neu oder bestätigend ausgeleuchtet? Versuchen wir, die wichtigsten systematisch zu erfassen. Von zentraler Bedeutung sind die Schlaglichter auf den inneren Kern des Netzes, der sich im wahrsten Sinne gegen Außenstehende abschloß. Als Domenico Alamanni – ministro von Lorenzo Tornabuoni in der Florentiner Medici-Erben-Bank und 1495 einer der Bürgen für den Tornabuoni wegen der Liquidierung der römischen Medici-Bank – Mitte 307 Die folgende Darstellung stützt sich vor allem auf die von Villari in seinem Savonarola-Buch

vorgelegten Quellen und seine Einleitung; vgl. Villari, Storia II, S. 1–16, und die entsprechenden „documenti“ im „appendice“ (zu Lambertos Beziehung zu Valori und Corsini ebd. S. xi; über Lambertos Vergehen im Haus von Giovanni de’ Medici berichtete der Mailänder Botschafter in Florenz, Paolo Somenzi da Cremona, am 6.8.1497, ebd. S. xxxiif.); vgl. ferner Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 209–215 (irrig 5.8. als Datum der Gefangennahme Lambertos) und den instruktiven, gelehrten Kommentar von Marie Herzfeld; sowie Pitti, Istoria fiorentina, S. 42f. 308 Gedruckt: Villari, Storia II, S. iii–viii.

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November 1496 von Florenz nach Rom reiste, führte er sofort eine Unterredung mit Piero und Giovanni de’ Medici, der ja eben erst Ende Oktober nach langer Abwesenheit nach Rom zurückgekehrt war, um sein Haus vor dem päpstlichen Zugriff zu schützen.309 Zu diesen Gesprächen wurden nur noch Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini hinzugezogen, die sich allesamt dann mehrere Tage lang für manchmal vier und mehr Stunden einschlossen. Was sie beratschlagten und beschlossen, konnte Lamberto nicht erfahren, denn keine weitere Person durfte den Raum betreten. Zu diesem Kreis gehörten bei Gelegenheit auch Pieros Frau Alfonsina und Giovannis Leibarzt Ludovico da San Miniato.310 Eine analoge Konstellation zeigte sich einige Monate später. Ungefähr am 20. April 1497, dem Tag nach dem Aufbruch des malariakranken Piero nach Bracciano und Siena, saßen Giovanni de’ Medici, Alfonsina Orsini, Leonardo Bartolini, Ludovico da San Miniato, Coppo da Montegonzi (der Mitarbeiter Bartolinis) und nun auch Lamberto dell’Antella in einem Zimmer zusammen und unterhielten sich über die Vorhaben Pieros. Instruktiv ist, was passierte, als Lamberto verwundert zu Alfonsina Orsini sagte, daß ‚unsere‘ Orsini ja gar nicht mit Piero gegen Florenz reiten würden. Die ranghöchste, die hochadlige OrsiniGräfin durfte jedoch auf diese eine Erklärung fordernde Feststellung nicht antworten, denn Leonardo Bartolini ließ dies nicht zu, weil er selbst die Antwort geben wollte und gab. Deren Inhalt – Bernardo del Nero habe einem Gesandten der Orsini, Agnolo da Tivoli oder einem seiner Brüder, eine Antwort gegeben, die sie veranlaßte, sich zu jener Zeit zurückzuziehen – ist wegen der vorgeblichen Koordinierungsprobleme (Piero forderte am 20.4. den Einsatz der Orsini) und ersichtlichen Irreführung Lambertos genauso bemerkenswert wie der aus diesem Vorgang zu erschließende Status Leonardo Bartolinis. Wer es als bürgerlicher, illegitim geborener Bankier aus einer sozial deutlich unter den Medici, erst recht unter einem Hochadelsgeschlecht stehenden Familie wagen durfte, einer direkt angesprochenen Orsini in deren Beisein die Antwort zu verwehren, indem er sie (offenbar aus taktischen Gründen) sofort selbst gab, der nahm innerhalb des inneren Familienverbundes eine ungemein hohe und verantwortungsvolle Position ein. Die bereits von Ricciardo Becchi und Alessandro Braccesi destillierte zentrale Position Leonardo Bartolinis wird vom Verräter so anschaulich wie authentisch, ganz unmittelbar durch alltägliche Handlungen und Haltungen Bartolinis bestätigt. Mit großer Selbstverständlichkeit stand er stets im engsten Kreis, wie auch aus zwei weiteren Episoden hervorgeht, die Lamberto dell’Antella für mitteilenswert erachtete. Als am 27. Februar 1497 die Nachricht von der Wahl Bernardo del Neros zum Gonfaloniere di Giustizia mit Instruktionen zum Angriff auf Florenz das Medici-Haus in Rom erreichte, kam sofort Leonardo Bartolini hinzu, um mit den anderen seine große Freude kundzutun – und nur ihn nennt Lamberto hier. Bald darauf, in jenen Tagen Ende März, Anfang April 1497, als Piero de’ Medici in Rom mit Fieber im Bett lag, zugleich aber die Finanzierung seines Angriffs gesichert werden mußte, da kam Leonardo Bartolini aus solchen Gründen in das Medici-Haus am Campo dei Fiori und begab sich direkt zu Piero, um ihm etwas ins Ohr 309 Villari, Storia II, S. xii. 310 Villari, Storia II, S. xx.

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zu flüstern, denn Lamberto war anwesend. Diese Nachricht war so wichtig, daß Piero sich sofort aus dem Bett erhob und in das Zimmer seines Bruders Giovanni ging, das unter dem seinigen lag. Dort setzte er sich dann offenbar wegen bestimmter Geldangelegenheiten mit dem geheim gekommenen Michele del Beccuto zusammen – Giovanni war offenbar nicht anwesend – und kochte vor Wut, daß Lamberto, der durch dieses Zimmer ging, Michele an der Seite Pieros sah.311 Der Bartolini wird ihn heimlich ins Medici-Haus gebracht haben; ein Lamberto dell’Antella durfte ihn nicht sehen. Vielleicht ahnte man im inneren Kreis schon, daß Lamberto seit Monaten mit den Medici-Feinden Kontakt aufgenommen hatte und zum Verrat bereit war. Die ausführliche Charakterisierung Pieros durch Lamberto ist sicherlich in mancher Schärfe auf ihr schlechtes Verhältnis und auf die Gefangensetzung Lambertos zurückzuführen; dennoch liefert sie uns wichtige Beschreibungen, die das Gefüge des Netzwerkes erklären helfen und zumeist auch aus anderen Quellen bestätigt werden. Piero de’ Medici hatte einen miserablen Charakter, unter dem nicht nur seine Diener, sondern selbst und offenbar besonders sein Bruder Giovanni zu leiden hatte. Dieser hatte sich ja schon am 21. August 1492 als Jugendlicher beschwert, Piero zolle seinem geistlichen Rang keinen Respekt und wolle über seine Angelegenheiten verfügen.312 An diesem Konflikt änderte sich nicht viel; auch Alessandro Braccesi hatte ihn mit Blick auf Bolsena betont. Auf die Benefizien und Besitzungen seines Bruders war Piero existentiell angewiesen – er würde an Hunger sterben, sollte Giovanni einmal aus dem Leben scheiden, so meinte Lamberto – und wollte zugleich immer wieder Geld aus ihnen schlagen, so wie er generell auch der Herr von Giovanni sein wollte. Mit ihm lag Piero insbesondere nach der Rückkehr Giovannis aus Mailand Ende Oktober 1496 dauernd in heftigem Streit; er beschimpfte ihn auch des öfteren mit Worten, die Brüdern unwürdig waren. Gemeinsam könnten sie bei einer erfolgreichen Rückkehr nach Florenz diese Republik niemals regieren; die Differenzen zwischen ihnen seien nicht zu vermeiden, d.h. zu überbrücken.313 Alfonsina wurde von Piero in jenen römischen Tagen regelrecht brüskiert, so daß die Ärmste – wie Lamberto sie bezeichnete – sich an nichts mehr erfreute und erkaltete. Erst ein, zwei Stunden vor Morgengrauen kehrte ihr Mann zu ihr zurück, nachdem er meistens nach spätem Aufstehen direkt zum Essen ins Haus von Federico Sanseverino ging, wo er im Übermaß aß und trank, um sich anschließend in irgendeiner Kammer mit einer schönen Kurtisane oder einem ansehnlichen Jungen zu vergnügen. Das Abendessen nahm er gewöhnlich im Medici-Haus ein, begab sich dann aber mit einigen Gefährten wieder die ganze Nacht über zu seinen Kurtisanen und Lustknaben, stellte dreiste Streiche an und ließ sich generell zu jeder Tageszeit immer wieder von seiner Spielsucht überwältigen, die gleichermaßen von anderer Seite bezeugt wird und angesichts seiner hohen Schulden (im Frühjahr 1497 ca. 6.000 Gulden zu einem wucherischen Zins von 20% nach Einschätzung Lambertos) bei seinen Verwandten und seinen Finanziers wie Leonardo Bartolini kaum 311 Villari, Storia II, S. xxiv. 312 S.o. S. 16f.; vgl. Picotti, Giovinezza, S. 626–628 (Edition des Briefes vom 21.8.1492). 313 Villari, Storia II, S. xxvif.

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auf Verständnis gestoßen sein wird. Tatsächlich war das finanzielle Fundament der exilierten Medici nicht nur aufgrund solcher Eskapaden und der ständigen Kriege Pieros überaus brüchig, sondern auch durch fehlende herrschaftliche Einnahmen. Da diese Medici das Geschäftsleben nicht einmal ansatzweise erlernt hatten, waren sie um so stärker auf die Benefizien Giovannis wie auf den Erfindungsgeist ihrer ihnen verpflichteten, befreundeten und verwandten, die Medici-Bank fortführenden Bankiers angewiesen – die mit ihren Gewinne wiederum kaum geneigt gewesen sein werden, die Kapriolen Pieros zu finanzieren. Das ist ein ganz zentraler Aspekt, den es im Auge zu behalten gilt. Von struktureller Konsequenz war auch Pieros eingeschränktes Vertrauen in Ratgeber. Als der Arzt Ludovico da San Miniato ihm im Frühjahr 1497 im Beisein von Giovanni de’ Medici, Alfonsina Orsini, Leonardo Bartolini und anderen sagte, er werde nach Florenz zurückkehren und einen schönen Staat bilden, den er mit dem reifen und guten Rat von 25 bis 30 Bürgern regieren werde, antwortete ihm Piero erhitzt, er müßte eigentlich wissen, daß er von niemandem Rat wolle. Als Fürst wollte er zurückkehren, und zu seinen höchsten Beamten wollte er die von vielen verhaßten Ser Giovanni Guidi da Pratovecchio und die Dovizi-Brüder Piero, Bernardo und Antonio aus Bibbiena machen. Daß Piero gänzlich auf Ratschläge verzichtet haben sollte, fällt angesichts seiner Abhängigkeit von Personen wie den Tornabuoni, Salviati, dem Lanfredini, Leonardo Bartolini oder Federico Sanseverino schwer zu glauben. Zumindest den Sanseverino und einige andere wird man auch als persönliche Freunde bezeichnen dürfen – während die meisten der engeren Freunde aus je individuellen Motiven während des Exils eine Loyalitätsfreundschaft zum Haus Medici praktizierten. Was sie aber allesamt veranlaßte, unter Einsatz aller Kräfte und oft genug ihres Lebens für die exilierten Medici unter Führung eines despotischen Kindskopfes einzutreten, ließe sich nur sehr differenziert in individuellerer Hinsicht beantworten. Die größten Gefahren nahmen zweifellos die in Florenz lebenden Mediceer auf sich, über deren Wirken wir ebenfalls durch Lamberto dell’Antella Wissenswertes erfahren; ja mehr noch: gerade über sie verlangte es ihn zu berichten. Schreiten wir wiederum vom personellen Zentrum gleichsam zur Peripherie. Als mit der Wahl Bernardo del Neros am 26. Februar 1497, einem Sonntag, der heiß ersehnte Startschuß für den Regimewechsel gegeben wurde, war es Lorenzo Tornabuoni, der sofort seinen ministro Domenico Alamanni beauftragte, einen Kurier namens Ungheretto in sein Haus zu führen, wo er ihm einen Brief gab, den Ungheretto im Stafettenritt bereits am nächsten Tag in Rom den Medici aushändigen konnte. Wie der Tornabuoni und Alamanni gehörte auch Giovanni Cambi, der Leiter der Pisaner Medici-Bank, zum engeren Florentiner Kreis der Medici-Erben-Bank. Auch ihn hatte Lamberto, und zwar gleich mit seinem ersten Bekenntnis, im Visier. Es zielte ebenso wie die folgenden darauf, Licht in die frühen militärischen Rückkehrversuche der Medici zu bringen, indem Lamberto die ihm bekannt gewordenen Verbindungsleute der Exilierten in Florenz und die von ihnen angewandten Techniken der Hilfe und der Kommunikation verriet – gut für uns, sonst wüßten wir manches nicht. Es ist mehr als bezeichnend, daß sich diese Informationen alle auf den Kreis der Florentiner Medici-Erben-Bank konzentrieren.

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Giovanni Cambis „Verbrechen“ bestand darin, zur Zeit der militärischen Aktionen Virginio Orsinis, die im Herbst 1495 im nördlichen Teil des Patrimonium Petri bzw. in der Nähe des Lago Trasimeno erfolgten, einen Geldtransfer für die exilierten Medici und ihren Angriff auf Florenz organisiert zu haben.314 Er hatte seinen (bzw. Pieros allseits eingesetzten) Diener Luca Speranzini, den wir bereits aus Francesco Cegias Aufzeichnungen kennen, zu Alfonsina Orsini nach Siena geschickt (wohin sie gerade im September geflohen war), um ihr zu sagen, daß er die Buonvisi in Lucca angewiesen hatte, Speranzini 400 oder 500 Dukaten auszuzahlen. Alfonsina fertigte den Buonvisi daher einen Zettel aus, sie sollten das Geld an die Bank der Venturi in Siena anweisen. Doch die Buonvisi überwiesen die Summe nicht, da sie von ihnen bereits an Giuliano de’ Medici bezahlt worden war, so daß Speranzini ohne die Aussicht auf Geld zurückkehren mußte. Lamberto dell’Antella hatte in seinem Empfehlungsschreiben an Francesco Gualterotti bereits angekündigt, daß in diesen Vorgang auch die contessa, Caterina Sanseverino, involviert gewesen sei, die ihrer Tochter vor deren Flucht aus Florenz Juwelen zur Verfügung gestellt habe. Diese Juwelen habe jemand in Florenz zusammengetragen und dessen Mann, also Luca Speranzini, habe sie transportiert. Diesen müsse man gefangennehmen, da man durch ihn, der mehrmals Piero und Alfonsina an ihren Aufenthaltsorten aufsuchte, viele weitere Details und vor allem weitere Anführer neben dem Cambi ausfindig machen werde. Gewiß, dies ist nur eine kleine Episode, doch veranschaulicht und bestätigt sie sehr schön unsere bisherigen Erkenntnisse. Ergänzt werden sie beispielsweise durch Informationen, nach denen Pieros und Virginios militärische Aktionen damals gleichfalls durch den Kurialen Bernardo Accolti – vor dem dann auch Alessandro Braccesi im März 1497 warnen wird – mit 200 Gulden unterstützt wurden. Kaum weniger fundamental für die Entlarvung des Verschwörernetzwerkes erscheint uns und erschien Lamberto dell’Antella die Preisgabe, welche Florentiner Bürger mehrmals heimlich und unerkannt Piero de’ Medici aufgesucht hatten, um mit ihm bestimmte Dinge zu besprechen. Dies seien Luca Speranzini, der z. B., wie schon ausführlich angesprochen, Mitte Dezember 1495 in Absprache mit Alfonsina Orsini in Siena den im Schweifriehmen seiner Stute versteckten Aufruf der „Väter“ zu dem mit Virginio Orsini in Rapolano lagernden Piero gebracht hatte315, Fantone di Bernardo Fantoni (eine sonst kaum hervorgetretene Person) und, wir kennen ihn, Francesco di Domenico Naldini. Am 10. Mai 1496 hätten die letzten beiden, durch Verkleidung unkenntlich gemacht, den Medici beispielsweise in Galera, einem Orsini-Ort, getroffen. (Im März 1496 war Naldini noch bei den Buonvisi in Lucca gewesen – und jeder seiner Schritte war von Giovanbattista Bracci gesteuert!) Es wird sicherlich kein Zufall gewesen sein, daß nur vier Tage später im unweit entfernten Bracciano jener denkwürdige Kreditvertrag zwischen Piero de’ Medici bzw. seinem Prokurator Leonardo Bartolini sowie Agostino Chigi über 4.000 Dukaten abgeschlossen wurde, bei dem wertvolle Teppiche und Kunstgegenstände als

314 Villari, Storia II, S. 13, Anm. 1 (zum Wahltag Del Neros), v, viiif. 315 S.o. S. 347f.

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Sicherheit dienen mußten!316 Dieser Coup muß also in Kooperation zwischen den Köpfen und Mitarbeitern der Florentiner Medici-Erben-Bank und dem Bartolini vorbereitet und abgewickelt worden sein. Lamberto blieb auch bei seiner nächsten Denunziation ganz bewußt in diesem Kreis, aus dem ein weiterer, für die Verschwörungen der Medici bedeutender Vorgang zu vermelden war. Sein Ausgangspunkt wurde von Donato Benci gebildet – dessen Ehefrau Bartolomea Nasi die letzte langjährige Geliebte von Lorenzo de’ Medici, il Magnifico, war und dessen Verwandte zu den wichtigen Medici-Bankiers zählen!317 –, der ‚Ungeheuerliches‘ tat. Auf Anweisung Donatos oder besser seiner Frau Bartolomea wurden Alfonsina im Sommer 1496 in das Haus des Carlo Altoviti in Orvieto zwei kleine Tresore gesandt, voll mit feinen Dingen von großem Wert, die vorher einige Zeit versteckt gewesen waren. Antonio di Bernardo del Proposto habe dabei Anweisung nach Orvieto gegeben, man solle die Geldschränke einem Diener Alfonsinas aushändigen.318 Von größerer Konsequenz waren jedoch Lambertos Informationen über die ihm bekannten Köpfe der Verschwörer in Florenz. Teile dieses Zentrums des Florentiner MediciNetzwerkes wurden für ihn sichtbar, als Bernardo del Nero am Sonntag, dem 26. Februar, für die Monate März und April 1497 zum Gonfaloniere di Giustizia gewählt wurde und die Mediceer darin den rechten Zeitpunkt für den Staatsumsturz sahen. Wir sind bereits auf dieses Ereignis eingegangen, als wir beschrieben, wie Leonardo Bartolini unmittelbar nach Eintreffen dieser freudigen Botschaft ins Haus der Medici eilte, und betonten, daß die Initiative zur Entsendung des Boten nach Rom von Lorenzo Tornabuoni und damit der Medici-Erben-Bank ausging. Der Vorgang ist nun mit Blick auf Florenz nochmals zu erörtern. Denn aus Lorenzo Tornabuonis Haus kam die briefliche Order an Piero, nach Florenz vorzurücken, wobei ihm genau mitgeteilt wurde, was er zu tun habe. Der Tornabuoni gab also das Florentiner Signal zum Staatsumsturz, doch sicherlich im Verein mit weiteren Mediceern. Lamberto sah allerdings nicht allein in diesem Akt das Staatsverbrechen. Seiner Meinung nach bildete Lorenzo generell durch seine Haltung und Persönlichkeit eine Gefahr für die neue Republik. Denn er habe jenen Befehl zum Aufbruch auf der Grundlage eines Macht- und Interessenbewußtseins gegeben, das er – so Lamberto – ‚seit seiner Geburt praktizierte‘ und mit welchem er auch sonst alle seine Angelegenheiten regelte.319 Da diese in der Regel den Medici dienten, war Lorenzos selbstbewußte Persönlichkeit die eigentliche Bedrohung für Florenz! Nach Guicciardini hatte der Tornabuoni Piero für seine Attacke zudem mit Geld versorgt – was für einen der Leiter der MediciErben-Bank aber geradezu zu erwarten ist.320 Als weitere Kommandogewalt konnte Lamberto dell’Antella Giannozzo d’Antonio Pucci erkennen, den wir bereits im November 1494 an der Seite von Philippe de Bresse, 316 Villari, Storia II, S. vi, ix; vgl. oben S. 382 zu Naldini im März 1496, S. 353f. zum Kreditvertrag

vom 14./17.5.1496. 317 Hierzu Guicciardini, Storie fiorentine, S. 77; De Roover, Rise, s.v. „Benci“. 318 Villari, Storia II, S. vi, ix. 319 Villari, Storia II, S. vi, x. 320 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 324 (III/13).

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Alfonsina Orsini und Caterina Sanseverino als vehementen Streiter für die Sache der exilierten Medici beim französischen König kennengelernt hatten, und den Lamberto dell’Antella neben Giovanni Cambi in seinem ersten Verhör am 4. August als Mitverschwörer Pieros angeklagt hatte.321 Auch Giannozzo gab Piero im Frühjahr 1497 explizit Anweisungen, Florenz schnell anzugreifen – die dortigen Medici-Freunde seien immer noch dieselben. Pucci kommunizierte bis zum Frühjahr 1497 mit Piero de’ Medici mehrmals über den Augustinermönch Fra Serafino aus dem Florentiner Kloster San Gallo, manchmal auch über den Kartäuserkonversen Fra Michele da Certosa. Fra Serafino hatten wir schon durch Francesco Cegias Geheimbuch als Boten der Florentiner Medici-ErbenBank vorgestellt, ihn dort aber nicht als Vertrauten Puccis sehen können. Neu und hoch interessant ist ebenfalls Lambertos Mitteilung über die von Giannozzo Pucci ausgehende Initiative, Piero mit seinem altem Rivalen und Verwandten Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici zu verbünden, der 1496 die bellizistische Caterina Sforza geheiratet hatte und deshalb in Forlì residierte. Den Kartäuserbruder Michele sandte der Pucci deswegen (offensichtlich 1497) zu Piero, der daraufhin Luigi de’ Rossi nach Forlì schickte. Eine Verbrüderung der alten Gegner ist in der Tat anzunehmen, denn nach dem frühen Tod Giovanni de’ Medicis 1498 und der Bedrohung durch Cesare Borgia wird Caterina Sforza mit ihrem gleichnamigen Sohn Giovanni (delle Bande Nere) im Florentiner Mediceer-Kreis bei Jacopo Salviati Zuflucht finden.322 Für viel Aufsehen und Verwunderung sorgte auch der Auszug von Giovannis Bruder Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici, der im Frühjahr 1497 mit seiner gesamten Familie und allem Haushalt nach Norden in den Mugello zog, nahe der Grenze zum Territorium der Caterina Sforza, zu der er seinen Sohn, vermutlich den 1486 geborenen Pierfrancesco, bringen ließ. Lorenzino de’ Medici, wie er oft genannt wurde, brachte sich in Sicherheit; doch plausibler als der vermutete Grund, man habe ihm unterstellt, er wolle sich an die Spitze der Regierung bringen, erscheint ein Bündnis mit den exilierten Medici-Verwandten, denn mit ihnen scheint er im Februar 1499 bei erneuten Militäraktionen kooperiert zu haben, während im Januar 1501 in Florenz die Nachricht kursierte, er würde mit Giuliano de’ Medici im Heer Cesare Borgias gegen Florenz vorrücken.323 Zudem pflegte die Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici nach 1494 auffallend enge Geschäftsbeziehungen zur Medici- und Bartolini-Bank. So stand denn Lorenzo di Pierfrancesco nicht von ungefähr bei Francesco Valori, dem wohl größten Medici-Hasser und dem maßgeblichen Verursacher des Dramas vom August 1497, unter besonders großem Verdacht.324 Jacopo Salviatis Ehefrau war bekanntermaßen die Medici-Schwester Lucrezia, auf die Lamberto dell’Antella die Medici-Feinde nicht ohne Grund gezielt aufmerksam machte. Ihr habe Piero über bestimmte Mönche sehr oft Briefe gesandt, deren Inhalt er leider nicht kannte, 321 Vgl. auch Pitti, Istoria fiorentina, S. 42. 322 Villari, Storia II, S. vif., xf.; zu Fra Serafino s.o. S. 385; zu Caterina Sforza und Giovanni di

Giovanni de’ Medici s.u. S. 805, 826f. 323 S.u. S. 481, 533f. 324 Vgl. die Aussage des Andrea Cambini vom 26.4.1498 im Kontext des Savonarola-Prozesses;

Villari, Storia II, S. cclxxvf.

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doch wisse er, daß sie von Gewicht gewesen seien und daß man vor Lucrezia Acht haben müsse. Von ihrer führenden Rolle bei der Finanzierung der exilierten Medici haben wir bereits gehört; und erneut müssen wir uns fragen, ob Lucrezia all diese heimlichen Briefe des Rebellen ohne Wissen ihres Mannes erhalten haben sollte. Die bisherigen Erkenntnisse über den inneren und erweiterten Verschwörerkreis werden durch die Plaudereien des Lamberto dell’Antella nochmals erheblich vertieft. Wir hatten uns bereits gewundert, warum der von den Dieci di Balìa als römischer Informant verpflichtete Antonio de’ Pazzi seit ungefähr Mitte März 1497 und vor allem in den kritischen Wochen von Ende März bis April keine Berichte mehr an die Dieci lieferte, von denen er dafür ja auch heftig getadelt wurde.325 Nun hören wir von Lamberto Erstaunliches. Als Piero de’ Medici Mitte April in Siena erwartet wurde, sollte ihm der Sienese Girolamo Ghinucci (Cinuzi) bestimmte, dem Medici zum Vorteil gereichende Dinge berichten, und zwar im Auftrag des seit April 1497 als Bischof von Arezzo amtierenden Cosimo de’ Pazzi. Dieser wollte sich, offenkundig mit Wissen und Förderung Bernardo del Neros, im unmittelbaren Vorfeld von Pieros Angriff auf Florenz mit dem Medici verbünden und wünschte ihn sich als ‚Bruder‘. Möglicherweise wollte der Pazzi damit nur befürchteten Repressionen entgehen. Über eine hypothetisch-präventive Allianz mit dem Rebellen geht nun aber hinaus, daß Cosimo seinen Verwandten Antonio de’ Pazzi wegen dieser Angelegenheit nach Siena gesandt hatte, wo Antonio sich mit den Medici-Freunden Jacopo und Pandolfo Petrucci ‚zusammenrottete‘; auf deren Anweisung verließ er schließlich wieder Siena.326 Ein Mann des Staates, die wie Becchi und Braccesi die Dieci di Balìa über alle Medici-Aktionen zu unterrichten hatte, ließ sich mit den Staatsfeinden ein – dies erklärt zumindest sein Schweigen in jenen Wochen und vor allem seit dem August 1497! Cosimo und Antonio de’ Pazzi konnten den Dolchstoß Antellas offenbar parieren, denn Cosimo wird von der Signoria in den folgenden Jahren des öfteren mit wichtigen Missionen betraut, auf denen er auch über die Medici berichten mußte; und Antonio wirkte auch später an der Seite Braccesis in Rom. Doch 1508 wird Cosimo de’ Pazzi dann durch den Einsatz des Kardinals Giovanni de’ Medici und seiner Freunde mit einem strategischen Erfolg als Medici-Freund gegen den erklärten Willen des MediciFeindes Piero Soderini zum Erzbischof von Florenz erhoben.327 Uns scheint, dieser Vorgang hat seinen Ursprung im Frühjahr 1497. Und mit Blick auf beide Pazzi, Cosimo wie Antonio, ist generalisierend als Lehre hervorzuheben, daß nicht jeder, der negativ über die Mediceer an die Florentiner Behörden schrieb, ein Gegner der Medici gewesen war! (Gianbattista Ridolfi, Antonio Malegonelle, Francesco Naldini oder Luigi della Stufa sind nur wenige Beispiele für mehrere.) Oft genug wird dies als reine Tarnung notwendig gewesen sein. Dennoch gehörten auch einige der Pazzi zu jenen Florentinern, die sich auf Pieros Liste seiner erklärten Feinde befanden und die von der Verbannung bis zur Hinrichtung mit 325 S.o. S. 417. 326 Villari, Storia II, S. xv. 327 S.u. S. 828.

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unterschiedlich schweren Sanktionen zu rechnen hatten, sollte er die Macht in Florenz zurückgewinnen. Laut Lamberto dell’Antella standen jedoch sämtliche Mitglieder der Familie Nerli, Giugni, Corsi an der Spitze seiner Rachsucht, gefolgt vom größten Teil der Capponi, einem gut Teil der Nasi, Gualterotti, Bardi, Rucellai, einiger Scharfi, Valori, Pazzi, Albizzi, während Pagolantonio Soderini mit seinem Sohn und besonders Girolamo Martelli vom Medici persönlich ins Visier genommen wurden. Da auch der im Gegensatz zu Piero konziliante Kardinal Giovanni de’ Medici mehrmals und bereits 1496 von sich hören ließ, die Exilierungen von 1434 – nach der Rückkehr Cosimo de’ Medicis – und die Hinrichtungen von 1478 – im Anschluß an die Pazzi-Verschwörung und Ermordung Giuliano de’ Medicis – seien nichts, seien nur ein kleiner Funken Feuers gewesen gegen das, was nach ihrer Rückkehr geschehen würde, kann man sich gut vorstellen, daß die Gegner der Medici allen Anlaß besaßen, wachsam zu sein und den Medici die Florentiner Stadttore keinen Spaltbreit offen zu halten.328

f) Die Tragödie Ende Juli, Anfang August 1497 hörte man, daß Piero de’ Medici sich mit Truppen in Bolsena einfinden wolle. Die Signoria reagierte, indem sie die Florentiner Grenzen mit zusätzlichen Kommissaren bewachen ließ, doch sah sie sich bei der Aushebung eigener Truppen vor größten finanziellen Schwierigkeiten; zudem hatte die Pest die meisten Bürger aufs Land vertrieben – worauf Piero bei seiner für den 15. August vorgesehenen neuerlichen Attacke setzte –, von wo sie nun zur Rückkehr in die Stadt gezwungen werden sollten. Die Freunde Pieros in Florenz hingegen machten aus ihren Hoffnungen kein Geheimnis. Wegen dieser brisanten Konstellation schickte die Signoria noch vor dem 3. August explizit Spione nach Rom und Bologna, um die seit Wochen latente Gefahr besser einschätzen zu können. Am 4. August, einem Freitag, erreichte die Spannung einen Höhepunkt, als Lamberto dell’Antella aufgegriffen werden konnte. Aufgrund seiner brieflich angekündigten Informationen wurde er noch am gleichen Tag durch die für die innere Ordnung zuständige Kommission der Otto di Guardia e di Balìa ins Verhör genommen – und Lamberto geizte nicht mit seinem Wissen, das ihm Rettung, den preisgegebenen Anhängern Piero de’ Medicis das Verhängnis bescheren sollte, sofern sie greifbar waren.329 Da an jenem 4. August zufällig auch die Sitzung des Großen Rates (ca. 3.500 Personen) stattfinden sollte, der größte Teil der Bürger also in die Stadt kam, wurden sofort alle Tore geschlossen, um niemandem die Gelegenheit zu geben, Florenz ohne Erlaubnis zu verlassen, und um die Verschwörung besser aufdecken zu können. Noch am Abend des 4. August wurden der gut 36-jährige Giannozzo d’Antonio Pucci und Giovanni Cambi verhaftet, zum Bargello geführt und verhört. Die Stadttore wurden lediglich am Morgen des 5. August für eine halbe Stunde geöffnet. An jenem Morgen wurde Lorenzo di Giovanni Tornabuoni, 32 Jahre alt, als weiterer der engsten Medici328 Villari, Storia II, S. viii, xxi. 329 Villari, Storia II, S. viii–xi, xxxif.

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Freunde in den Palazzo della Signoria abgeführt. Der Mailänder Botschafter in Florenz schätzte ihn nicht ohne Berechtigung mit Blick auf seine Gefolgschaft und seine Möglichkeiten als nahezu mächtigsten der Mediceer ein, der über das enorme Vermögen von mehr als 100.000 Dukaten verfüge – was Cerretanis Aussage über Lorenzo als reichsten Florentiner unterstreicht und mit Blick auf seine Position in der Medici-Erben-Bank zu berücksichtigen ist –, aus bestem Hause komme, auch dem Herzog von Mailand sehr zugetan sei und mit ihm, dem Botschafter Paolo Somenzi, in enger Verbindung gestanden habe. Den Tornabuoni ließ man, wohl nicht zuletzt wegen seines Ranges, bereits am Mittag des 5. August frei; Cambi und Pucci blieben in Haft. Somenzi glaubte noch am 6. August, das Ganze werde sich zum Guten (für die Mediceer) wenden, denn Lamberto dell’Antella sei nicht der Mann, der solchen Verdacht bestätigen könne. Er sei seit Monaten nicht in der Nähe Pieros gewesen und habe nicht das Gewicht, um Einblicke in die Verschwörung erlangt zu haben; außerdem gehe man zur Zeit nicht so intensiv gegen Piero vor wie noch vor einigen Monaten (im Frühjahr 1497), denn gegenwärtig seien viele Bürger in diese Sache verwickelt (also mehr als im Frühjahr) und unter ihnen auch viele seiner früheren oder eigentlichen Gegner – man könnte an Personen wie die beiden Söhne von Pierfrancesco de’ Medici oder Cosimo und Antonio de’ Pazzi denken –, die durch Piero einen Regimewechsel erhofften.330 Der Optimismus des Botschafters sollte sich schnell legen. Nur fünf Tage später, am 11. August, sah sich Paolo Somenzi veranlaßt, einen Empfehlungsbrief für die gefangenen Medici-Freunde an den Herzog von Mailand zu schreiben.331 Mittlerweile waren neben dem Cambi, Pucci und dem erneut inhaftierten Tornabuoni auch Niccolò di Luigi Ridolfi, Oberhaupt dieser Familie (dessen Sohn Piero seit dem Mai 1493 mit Contessina de’ Medici, einer weiteren Schwester der exilierten MediciBrüder, verheiratet war) und Bruder des großen Savonarola-Anhängers und Mediceers Gianbattista Ridolfi sowie der über 70 Jahre alte, mächtige Bernardo del Nero verhaftet worden (der sich noch Ende Juli in der pratica gegenüber seinen gut informierten Feinden zum Vorgehen seiner Freunde äußern mußte). Bernardo del Nero war in die Pläne der Medici eingeweiht, stand zugleich aber wohl jenen des Francesco Valori im Wege. Rechtzeitig vor ihrer sicheren Festnahme konnten dagegen Piero di Filippo Tornabuoni, Andrea de’ Medici (il Butta), Pandolfo Corbinelli, Galeazzo Sassetti, Jacopo Gianfigliazzi, Giovanni Davanzati sowie Carlo Gherardi nebst anderen fliehen. Die fünf Gefangenen aber fürchteten um ihr Leben, weniger wegen ihrer Taten als vielmehr aufgrund der Tatsache, daß sie sich in den Händen ihrer Feinde befanden. Deshalb baten sie und ihre Verwandten den ihnen wohlgesinnten Botschafter Mailands, seinen Herzog mit aller Inbrunst zu bitten, so schnell wie möglich einen Brief zugunsten der fünf zu verfassen, da sie auch seine Freunde seien. Sollte er sie vom Tod zum Leben erwecken können, würden sie und ihre Nachfahren auf ewig seine Diener und Sklaven sein. Nicht nur ihr Leben, auch das Wohl

330 Villari, Storia II, S. xxxiif. 331 Villari, Storia II, S. xxxiii–xxxv.

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von Florenz, Mailand, eventuell ganz Italiens hänge davon ab. In gleicher Weise solle Ludovico Sforza entsprechende Briefe in Bologna, Siena und Rom veranlassen. Den Inhaftierten wurde jedoch der Prozeß gemacht; ihnen drohte die Todesstrafe mitsamt Konfiskation ihrer Güter. Die tagelangen Beratungen und heftigen Streitigkeiten über die Frage nach dem zuständigen Gremium, nach der jeweiligen Kompetenz für solch ein gravierendes Urteil und nach den Verfahrensregeln gehören zweifellos zu den dramatischsten Momenten der Florentiner Geschichte. Selbst die Otto di Guardi e di Balìa weigerten sich, ein Urteil abzugeben, das ihnen den Haß bedeutender Familien zuziehen würde. Die Signoria fühlte sich hingegen durch kein Gesetz zu einem Schuldspruch verpflichtet und wollte die Verantwortung auf möglichst viele Schultern, auf den Großen Rat verteilen. Die Beteiligung des leicht beeinflußbaren, erregbaren Volkes konnte aber den Verteidigern der fünf Angeklagten nicht recht sein, und so suchten sie – unter ihnen mit Piero Guicciardini, einem Mediceer, der Vater des bekannten Geschichtsschreibers – Zeit zu gewinnen und Verfahrensfragen in den Vordergrund zu stellen. Zugleich setzten sie auf mächtige politische Fürsprecher der Verhafteten wie den französischen König und den nun Savoyen auch dem Titel nach regierenden Philippe de Bresse, wobei Lorenzo Spinelli in Lyon als organisierender Vermittler diente. Der Herzog von Savoyen, dieser treue Medici-Freund, engagierte sich in der Tat vehement für die Gefangenen. Namentlich Lorenzo Tornabuoni bezeichnete er sogar als sein Geschöpf, seine creatura, und generell drohte er den Florentinern materielle Vergeltung an, sollte es nicht zur Freilassung kommen.332 Die Tornabuoni hatten ungefähr am 13. August, so hörte es Landucci, eigens eine Stafette an König Karl VIII. abgeschickt, um durch ihn die Befreiung Lorenzos (sicherlich aber auch die der anderen) zu erwirken. Doch die tatsächlich schon am 21. August in rekordverdächtiger Zeit eintreffenden Briefe der Gönner bewirkten das Gegenteil. Nachdem eine auf den 17. August einberufene pratica der wichtigsten städtischen Institutionen mit ca. 136 Teilnehmern die Todesstrafe und Gütereinziehung gefordert hatte, hofften die Verteidiger um Piero Guicciardini auf eine Appellation an den Großen Rat, worüber an jenem 21. August erneut die pratica beschließen sollte. Francesco di Luca degli Albizzi – jener, den die Medici-Partei Ende April 1496 zum Gonfaloniere di Giustizia wählen lassen wollte333 – forderte am 21. August mit Donnerstimme Gerechtigkeit; die Gonfalonieri der Quartiere drohten mit einer Bewaffnung des Volkes. Da trugen die gerade in der Dämmerung eintreffenden und sogleich verlesenen Briefe dazu bei, die Stimmung umkippen zu lassen. Obwohl der Fall der fünf Verhafteten mittlerweile eine weitere große Macht zur Intervention bewogen hatte – außer Savoyen und Frankreich wird auch Mailand genannt, zudem eine Gruppe von Florentinern aus Rom! –, beriefen sich die Medici-Gegner auf ihr lokales Recht zur unabhängigen Härte. In jener entscheidenden, von Tumulten geprägten Sitzung vom 21. August setzte sich die Meinung durch, daß es sich um Zeiten der Gefahr handele, in denen eine Berufung gegen 332 ASF, DBR 52, c. 65, 67 (24./25. und 28.8.1497, Giovacchino Guasconi, vom französischen Hof

in Moulins). 333 Vgl. oben S. 355f.

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das Votum der pratica überhaupt nicht vorgesehen sei. Über die aus Savoyen vom Herzog und anonym aus Rom von einigen Florentinern – sanza subscriptione loro in decte lectere – eingegangenen, zugunsten der Verhafteten geschriebenen Briefe wurde jedoch heftig diskutiert. Von Frankreich erwartete man Verständnis und Schutz der Florentiner Freiheiten; die Intervention des savoyischen Herzogs bewertete man als unverbindlich und durch Geld erkauft; die Briefe aus Mailand und Rom hingegen provozierten die MediciFeinde geradezu zu einer Verurteilung.334 Aufgebracht wehrte man sich somit gegen die Einmischung von außen, fürchtete Intrigen zugunsten der Medici, so daß deren Gegner durch die pratica eine Appellationsmöglichkeit ablehnen ließen und von der Signoria die definitive Sentenz forderten. Da diese sich gegen einen sofortigen Spruch wehrte, setzte sich Francesco Valori, der schon am 17. August als erster und als Stimmungsführer die Todesstrafe gefordert hatte, erneut an die Spitze der Unerbittlichen und verlangte zusammen mit Carlo Strozzi (der wiederum Piero Guicciardini aus dem Fenster zu werfen drohte), die Sentenz ohne weiteren Aufschub auszusprechen. So beschlossen die Signori, noch in jener Nacht die Exekution vollziehen, d.h. den fünf Gefangenen einem nach dem anderen, mit Stroh das Blut des Vorgängers bedeckend, mit dem Richtbeil den Kopf abschlagen zu lassen. Nach Landucci habe es dem ganzen Volk um die fünf Verurteilten leid getan, mit Unverständnis für das zu harte Urteil; er selbst vergoß Tränen, als er ‚bei den Tornaquinci‘ Augenzeuge wurde, wie der Leichnam des ‚jugendlichen‘ Lorenzo auf einer Bahre nach Hause getragen wurde.335 Zu der Verurteilung gehörte auch die Güterkonfiskation, die zudem all jene betraf, die am Besitz der Verurteilten partizipierten und diesen zu deklarieren hatten. Nach unserer Darlegung einiger Finanzierungsmechanismen des Medici-Kreises in den Jahren 1495 und 1496 kann es nicht verwundern, daß Lucrezia Salviati zu den besonders Beargwöhnten gehörte. Schon am 19. August ist sie aus ihrer Villa in Montughi in das Haus von 334 Vgl. Fachard, Consulte e pratiche, S. 509–514. Bernardo Schiatte de’ Ridolfi forderte z. B.,

scrivere alla Christianissima Maestà del Re di Francia dargli notitia in che termini si truova tucta Italia in verso noi, acciò che lui possa provedere alla preservatione della vostra libertà (ebd. S. 510; demnach hatte offenkundig auch der König zugunsten der Verhafteten geschrieben); Tommaso del Bene sprach „pro sua pancha: Et quanto alla lectera di Monsignore di Brescia [Herzog Philippe de Bresse], pare loro lectera generale et da non la stimare molto; quanto alle lectere di Milano et Roma, che pare che lle arechano doversi fare giustitia. Et per questo loro si risolvono che sia bene di far giustitia, et con presteza, pe’ pericoli che soprastanno et fuori et dentro, perché è quasi sollevato tucto questo popolo e mercatanti stanno tucti sospesi, in modo che gl’exercitii sono tucti fermi, el grano charo et non si fa nulla (ebd. S. 512f.).“ Und Guido Manelli sagte „pro sua pancha: Et primo circa quelle [lectere] di Thurino, paiono loro di poco momento, perché facilemente con danari si cavano le lectere. Alle lectere di Milano crede che e’ X risponderanno per la prudentia loro; a quelle di Roma crede che, quando sarete uniti, persona non vi possa nuocere (ebd. S. 514).“ 335 Vgl. zum gesamten Vorgang Parenti, Storia fiorentina II, S. 119–125 (mit harten Urteilen über die Geköpften: Del Nero: crudelissimo, Ridolfi: rapace, Tornabuoni: superbissimo, Pucci: di superbia, Cambi: di minore qualità); Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 212f., Kommentar. Der Schrei des Francesco degli Albizzi nach iustizia erscheint im Kontext allerdings wie ein Aufruf, dem Appellationsgesuch der Mediceer nicht stattzugeben.

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Guglielmo de’ Pazzi gebracht und verhört worden. Mutig und ohne Umschweife gab sie zu, in der Vergangenheit wie Gegenwart die Rückkehr ihrer Brüder gewünscht zu haben, die nicht wegen fehlender Verdienste verjagt worden seien. Auf ihre konkrete Hilfe angesprochen, zögerte sie nicht, eine Unterstützung zuzugeben. Mehr als 1.500 Goldfiorini bzw. Gulden habe sie den Exilierten zukommen lassen, dazu Kleidung im Wert von mehr als 500 Gulden – und sie werde ihre Brüder auch weiterhin nicht darben lassen. Neben ihrem Geschlecht war es vermutlich der Respekt vor ihrem Mann Jacopo Salviati sowie eine Intervention Francesco Valoris als Oberhaupt der Savonarola-Anhänger, die dazu führten, daß man sie nach einigem Zögern freiließ. Jacopo selbst beteuerte, seine Frau habe gegen seinen Willen gehandelt, und da er dies nicht ändern konnte, habe er sie verzweifelt gewähren lassen – was ihm nicht alle abnahmen.336 Andere Freunde der Medici, die durch Antellas Denunziationen und wohl auch durch die Folterungen der Verhafteten inkriminiert worden waren, traf es härter und mit nachhaltigeren Konsequenzen. Nur drei Tage nach den Exekutionen fiel das Urteil der Verbannung auf die Verhafteten Francesco di Roberto Martelli, Piero di Luca Pitti und Tommaso Corbinelli sowie auf die Geflüchteten Jacopo di Bongianni Gianfigliazzi (Schwager Lorenzo Tornabuonis und Mitgesellschafter der Morelli-Alamanni-Gesellschaft, die mit Lorenzo Tornabuoni verbunden war) und Andrea de’ Medici (detto il Butta), auf Cosimo Sassetti, Gino di Ludovico Capponi (verheiratet mit Jacopos Schwester Adriana di Bongianni Gianfigliazzi!), Carlo Gherardi, Agnolo Fontini, Francesco Dini sowie – wen wundert es nach den präzisen Angaben Becchis, Braccesis und Antellas – auf Leonardo di Zanobi Bartolini und dessen Schwiegervater Nofri Tornabuoni. Wegen nicht befolgter Vorladung wurden dann am 16. Oktober nochmals einige Medici-Getreue verbannt: Messer Piero Alamanni (der Vater von Nofris Ehefrau Creofe und vermutlich schon damals einer der ‚Väter‘ Piero de Medicis und seiner Brüder), Tommaso Minerbetti sowie der Johanniterritter Luigi Tornabuoni mit seinem Bruder Piero (wohl der geflohene Piero di Filippo Tornabuoni, nicht Piero di Leonardo Tornabuoni, weiterer Teilhaber der MorelliAlamanni-Gesellschaft). Piero Alamanni, Luigi und Piero Tornabuoni sowie Filippo dell’Antella – Bruder des Verräters Lamberto und offenkundig ebenfalls zitiert oder gar verbannt worden – folgten jedoch kurz darauf dem Befehl und erschienen in Florenz, wo man sie nun lediglich mit einer Verwarnung bestrafte.337

336 Vgl. Parenti, Storia fiorentina II, S. 125; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 214, Kom-

mentar. 337 Parenti, Storia fiorentina II, S. 125, 127; Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 260 (chronikalische

Notizen). Zu Gino di Ludovico Capponi finden sich instruktive Hinweise in dem DBI-Artikel über seinen Sohn Francesco; vgl. P. Malanima, Art. „Capponi, Francesco [di Gino di Lodovico]“, in: DBI 19 (1976), S. 22 (Gino sei 1453 geboren worden und während seiner Verbannung im April 1498 gestorben; er habe zur Medici-Partei gehört und sei Piero de’ Medici persönlich verbunden gewesen; als Komplize der Verschwörung des Bernardo del Nero sei er für 10 Jahre verbannt worden, offenkundig als Rebell, da seine Güter konfisziert worden seien. Sein Sohn Francesco habe sich wie sein Vater den Medici angeschlossen und habe zu den besonderen Favoriten des Medici-Papstes Leo X. gehört.).

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Weitere Verbannungen, bei denen das genauere Datum unklar ist, die jedoch wie alle genannten laut Ammirato und Mecatti unter dem neuen, im September und Oktober 1497 amtierenden Gonfaloniere di Giustizia Paolo Carnesecchi ausgesprochen worden waren, trafen Pierantonio Carnesecchi, die Flüchtigen Pandolfo Corbinelli und Galeazzo Sassetti (den Mitarbeiter Lorenzo Tornabuonis), Pieros Sohn Alessandro Alamanni, Sforza Bettini, Gherardo Gherardi sowie erstaunlicherweise Gino di Neri Capponi (den Sohn des reichen und maßgeblichen Partners der Lyoner Capponi-Bank!). Nach Sanuto, Ammirato und Mecatti sind Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini allerdings nicht nur konfiniert, sondern – was sehr plausibel erscheint – sogar zu Rebellen erklärt worden, denen ihre Güter konfisziert wurden.338 (Wegen der Beschlagnahmung der Güter Nofris hatte sich im übrigen der Medici-Freund Kardinal Oliviero Carafa an die Florentiner Signoria gewandt, da er Nofri größere Kredite gegeben hatte und sich um die Rückzahlung sorgte.339) Von der Anfang September ausgesprochenen, harten Verbannung Francesco Naldinis und der Flucht seines Mentors Bracci werden wir noch ausführlicher hören. Im Dezember dann ging es Francesco Cegia, einem weiteren Aktivposten der Florentiner Medici-ErbenBank, „an den Kragen“. Wahrscheinlich um den 21. August hatte man ihn verhaftet, dann über Monate gefoltert und verhört, um soviel wie möglich über das Medici-Netzwerk zu erfahren. Am 14. November hatte man ihn schließlich gemeinsam mit Luca Speranzini, dem häufig als Kurier eingesetzten und von Lamberto dell’Antella denunzierten Diener Giovanni Cambis, als Beteiligten der Verschwörungen Pieros zum Tode verurteilt. Mögli338 Vgl. Sanuto, Diarii I, Sp. 712, 714, 723 (bei Sanuto werden einige weitere Namen genannt, bei

denen nicht sicher zu sagen ist, ob sie verurteilt oder nur verdächtigt worden sind: der von Lamberto dell’Antella denunzierte Fantone Fantoni, hier „di Fantossi“ genannt, Andrea de’ Nobili, Bartolomeo Dini, Don Guido, Prior de’ Angeli und Beichtvater Piero de’ Medicis, Cristofalo di Casale, ferner ein actore dil signore Franceschetto [wahrscheinlich des Franceschetto Cibo] et uno factore des Giovanni Cambi [wahrscheinlich Luca Speranzini], 759 (zur lebenslangen Exilierung von Leonardo Bartolini und Nofri Tornabuoni und zur Konfiskation ihrer Güter); Ammirato, Istorie fiorentine VI, S. 191; Mecatti, Storia cronologica, S. 489; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 214f. (mit weniger Namen für die Verbannungen vom 24.8. und 16.10.1497). Zur Verbannung von Gino di Neri Capponi vgl. E. Luttazzi, Art. „Capponi, Gino [di Neri di Gino]“, in: DBI 19 (1976), S. 31f. (ein genaues Datum wird nicht angegeben, nur daß die Verbannung zusammen mit der des Piero Alamanni, Andrea de’ Medici il Butta und des Paolo[sic] Pitti erfolgt sei. Gino habe sein Exil wohl in Lyon bei der Capponi-Bank verbracht – erstaunlicherweise werden wir seinen Vater Neri im Herbst 1497 an der Seite von Lorenzo Spinelli in Chambéry und Lyon sehen; s.u. Anm. 344. Gino wurde einige Jahre später begnadigt, doch schloß er sich erneut den Medici an und beteiligte sich Ende August 1512 auch aktiv am Sturz des Gonfaloniere Piero Soderini). Zur Verurteilung Nofris und der Konfiskation seiner auf Florentiner Territorium liegenden Güter vgl. jetzt Bullard, „Hammering away at the Pope“, S. 395. 339 Vgl. Marchese, Lettere inedite, S. 160f., Nr. 13 (die Signoria wollte sich wohlwollend um die Sache kümmern – man benötigte den Protektor des Dominikanerordens ja auch wegen der Savonarola-Sache und versuchte über ihn die Absolution des Priors von San Marco zu erreichen! – und antwortete Carafa, daß er über Nofri Tornabuoni allerdings am besten in Rom verfügen könne, da dieser dort am stärksten geschäftlich tätig gewesen sei); De Maio, Savonarola, S. 117f.; vgl. hierzu auch Bullard, „Hammering away at the Pope“, S. 395 (der Kardinal von Neapel sei Kreditor über 4.000 Fiorini gewesen).

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cherweise wollte man durch weitere Folterungen noch mehr Informationen herausbekommen, denn erst am 16. Dezember wurde Cegia im Hof des Capitano del Popolo, an gleicher Stelle wie die fünf Verurteilten des August, geköpft.340 Wir erfahren durch und zum Teil nur durch die Tragödie also von vielen evidenten Anhängern der Medici, und bei manchem auch konkrete Leistungen für das Haus Medici. Diese Personen (denen jene hinzuzufügen wären, die nicht verraten wurden, aber zweifellos zu den aktiven Anhängern gehörten) sollten noch einmal vor Augen gestellt werden, um eine Ahnung von der Dimension und Substanz des Freundeskreises zu gewinnen – vor allem aber, um diesen fatalen Folgen unverbrüchlicher Freundschaft Namen zu geben. Es war wahrlich ein hoher Preis, den die Freunde der Medici für ihre Treue, für ihre auch ganz persönlichen, auf eine Restitution der Medici-Herrschaft gerichteten Hoffnungen zahlten. Selbst wer wie Leonardo di Zanobi Bartolini in Rom gut und erfolgreich leben konnte, litt eindringlich unter der Verbannung; wir wissen aus seinen Briefen sehr genau, daß er als Exilierter lernen mußte, jedes Leid zu erdulden. Noch im Dezember 1513 wird er lakonisch feststellen: ‚Da ich eine Zeitlang exiliert gewesen bin, bin ich es gewöhnt, jede Sache zu ertragen‘!341

g) Finanzielle Folgen Die Hinrichtungen Lorenzo Tornabuonis (wenige Monate nach dem Tod seines Vaters Giovanni), Giovanni Cambis und in gewisser Weise auch Francesco Cegias, der aber nie eine verantwortungsvollere, initiierende Rolle einnahm, müssen für die finanzielle Ordnung und für alle wirtschaftlichen Pläne der zumeist unter Lorenzos Namen laufenden, aber nicht allein von ihm getragenen Medici-Erben-Banken und Produktionsfirmen eine Katastrophe bedeutet haben. Er war nun ein hingerichteter Rebell, ein Staatsfeind, sein Vermögen wurde durch eigene Syndizi verwaltet, seine Söhne wurden Tutoren unterstellt. Die Florentiner Medici-Erben-Bank stellte nun ihren Betrieb ein; die gerade erst Mitte Juli durch ihn gekaufte Medici-Seidengesellschaft, an der auch die Florentiner Bartolini-Bank (inklusive Filippo da Gagliano) partizipierte, mußte liquidiert werden, was nur mit Hilfe Bartolomeo Bartolinis gelang; die von ihm mit Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti gekaufte Lyoner Medici-Bank sah ebenfalls ihrem Ende entgegen. Dazu kam, daß die zahlreichen Verbannungen den bis dahin noch relativ leichten Zugang nach Florenz mas340 Vgl. Parenti, Storia fiorentina II, S. 130; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 218; R. Risto-

ri, Art. „Cegia, Francesco“, in: DBI 23 (1979), S. 324–327, hier S. 326 (Cegia hatte noch am 22.11. einen Brief an Kardinal Giovanni de’ Medici geschrieben, mit welchem er ihn bat, zusammen mit seinem Bruder Soldo einige noch unerledigte Finanzvorgänge abzuschließen). 341 Sendo io un tratto stato fuoruscito mi sono accomodato a sopportare ogni cosa!; vgl. BNCF, Ginori Conti, 29/92 (f), Nr. 22 (Leonardo Bartolini an Niccolò Michelozzi, Rom, 3.12.1513). Diese Äußerung erfolgte im Kontext eines starken Drucks auf den Bartolini, der mit enormem persönlichen Aufwand die ausufernden Finanzausgaben von Papst Leo X. bzw. Giovanni de’ Medici zu bewältigen hatte: Die von einigen Personen mit unverhältnismäßigem bzw. ungerechtem Nachdruck geforderte Lösung bestimmter Finanzfragen werde von ihm mit Geduld getragen, denn während seiner Zeit als Exilierter habe er gelernt, alles zu ertragen.

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siv einschränkten. Immerhin konnte Leonardo di Bartolomeo Bartolini ungehindert von Lyon nach Florenz reiten, um mit seinem Vater und weiteren Vertrauten die neue Lage zu erörtern. Doch Lorenzo Tornabuoni war ja nicht der einzige Hauptverantwortliche der ErbenGesellschaften. An seiner Seite wirkte zum einen Gianbattista Bracci, der zwar sicherheitshalber nach Lucca zu seinem Freund Benedetto Buonvisi flüchtete, erstaunlicherweise bis dahin aber nicht wie der Tornabuoni in das Visier der Medici-Gegner geraten war und auch nicht verbannt wurde, obwohl er wie dieser aktiv oder wissend an allen Finanzaktivitäten für die Medici beteiligt war und durch seine enge Verwandtschaft mit Leonardo di Zanobi Bartolini suspekt sein mußte, zum anderen Bartolomeo Bartolini, der eventuell dank Bescheidenheit und Tarnung im Gegensatz zu Bracci nicht einmal aus Florenz fliehen mußte. Lorenzo Tornabuonis Tod im August 1497 bedeutete in der Tat einen gewaltigen Einschnitt, einen Rückschritt bei der Umstrukturierung der MediciFirmen, der aber zugleich zu einem konstruktiven Umbruch gestaltet werden konnte, vor allem in Lyon, wo die langen Arme der Medici-Feinde kaum noch Kraft besaßen. Gleichwohl befand sich auch die Lyoner Medici-Nachfolge-Bank in ihrem Fokus. Noch Ende August 1497 meldete Giovacchino Guasconi aus Moulins den Dieci di Balìa, sie sollten jemanden nach Lyon senden, der sich das Ganze genauer ansehen sollte. Damit meinte er die Tornabuoni-Bank, aber offenbar mehr als nur sie. Denn er erwähnte in diesem Kontext zudem, daß der wohl bereits für diese Aufgabe deputierte Antonio Zeno sich mit Tornabuonis Partner Lorenzo Spinelli auseinandergesetzt habe – und mit demjenigen, welcher diese Gesellschaften der Verurteilten leite (chi governa le cose delle ragioni de’ iustitiati)!342 Der Plural weist also auf mindestens eine weitere Bank hin, die zu dem Geschäftsgefüge des Lorenzo Tornabuoni gehörte, wobei Guasconi offenbar auch den Cambi mit einbezog. Da sich Zenos Untersuchungsfeld in Lyon befand, müssen sich diese ragioni und ihr governatore eben dort befunden haben. Die Lyoner Bank des Bernardo de’ Rossi wird erst im Oktober 1497 bezeugt, doch bereits seit August 1496 existierte dort die des Leonardo di Bartolomeo Bartolini, deren gesamtes Kapital (4.000 Scudi) ebenso wie das gleich hohe ihres „Organs“ in Montpellier von Bartolomeo Bartolini kam und diesem offenkundig 1495 auf Anordnung der Syndizi (als vorgeblicher Kreditanspruch) durch Giovanbattista Bracci bzw. die Florentiner Medici-Erben-Bank zur Verfügung gestellt worden war. In Lyon gab es unter Berücksichtigung aller sachlichen und personellen Aspekte keine andere Bank als die unter Leonardo Bartolinis Namen laufende, die zu dem Bankengeflecht Lorenzo Tornabuonis gehört haben kann. Derjenige, der nach seinem Tod das Ganze ‚regierte‘, war zwar Gianbattista Bracci, doch da Zeno offenkundig in Lyon mit dem seiner Ansicht nach verantwortlichen Bankier sprach, könnte er dem verbannten Cosimo Sassetti diese Funktion zuerkannt haben. Dieser Name fällt denn auch in den bekannten Depeschen Antonio Zenos. Seit September 1497 berichtete er wegen seiner Kontrollaufgabe aus Lyon an die Dieci. Ende September meldete Zeno, Lorenzo Spinelli sei ‚aus dem Bad‘ (dal Bagno) nach Lyon 342 ASF, DBR 52, c. 67 (28.8.1497, Giovacchino Guasconi, Moulins).

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zurückgekehrt, doch habe Spinelli mit Cosimo Sassetti nicht reden können, da dieser krank und immer noch nicht geheilt sei.343 Spinelli war demnach befohlen worden, sich mit seinem Partner Sassetti wegen ihrer Lyoner Bank zu besprechen. Was genau mit ihr nach Tornabuonis Tod geschehen sollte, wird hier nicht mitgeteilt. Kurz darauf hatte sich Spinelli zu dem todkranken Herzog Philipp von Savoyen nach Chambéry begeben, von wo er Ende Oktober nach Lyon zurückreiste.344 In der savoyischen Residenzstadt suchte Spinelli jedoch mit Sicherheit nicht allein seinen herzoglichen Freund und Mentor auf, sondern zugleich den Adlatus Braccis, den aus Florenz geflüchteten, aus Italien verbannten Medici-Bankier Francesco Naldini, der sich vom 28. September bis Mitte Oktober in Chambéry aufhielt, wie wir gleich genauer erfahren werden. Noch im Spätsommer 1498 erhielten zunächst der Florentiner Gesandte Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici und dann nochmals in Paris die Botschafter Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini die Aufgabe, Lorenzo Spinelli und Giovanni Tosinghi (der hauptsächlich in Paris für die Medici-Bank gearbeitet hatte) vorzuladen. Sie sollten wegen bestimmter, der Florentiner Signoria vorgebrachter Anklagen durch gründliche inquisitione die Wahrheit erkunden.345 Auch hier wird es um das geschäftliche Erbe der alten Lyoner Medici-Bank gegangen sein, die nach der Verurteilung und Hinrichtung Tornabuonis durch seine Partner Spinelli und Sassetti nicht mehr in der bisherigen Form fortgeführt werden konnte, doch mit Sicherheit noch zahlreiche Verbindlichkeiten abzuwickeln hatte – zumal die Gesellschafter beim Kauf der Lyoner Bank Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni e compagnia für den Ausgleich der Gläubigerforderungen auch Güter aus dem Medici-Erbe erhalten hatten. All dies zwang die Medici-Bankiers ab August 1497 zu noch größerer Geheimhaltung, zugleich allerdings zur Neuordnung ihrer Geschäftsstrukturen, um sie weiterhin für die Interessen der Medici nutzbar machen zu können. Eine Reaktion sehen wir in der im Herbst 1497 erfolgenden Gründung der Lyoner Bank des Bernardo de’ Rossi, des Mitarbeiters von Spinelli. Eine Lösung erkennen wir in der im Frühjahr und Sommer 1498 erfolgenden Gründung der (mit 10.000 Scudi) kapitalstarken, offenbar durch Gianbattista Bracci bzw. Finanzmittel der alten Florentiner Medici-Erben-Gesellschaft finanzierten Bank von Leonardo Bartolini e Bernardo de’ Rossi e compagnia di Lione – nicht zuletzt, weil eben Lorenzo Spinelli mit 1.000 Scudi über die Lyoner Bank des Leonardo und Bartolomeo Bartolini schon zur Oster-Messe an der neuen Bartolini-Rossi-Gesellschaft partizipierte und weil sein Untergebener Bernardo de’ Rossi „dessen“ Bank damals schon beendete (bzw. beenden mußte) und sich zu dieser Zeit in Florenz befand. Ein weiteres, neues Argument liefert uns hingegen ein individuelles Schicksal, das auf seine Weise die Profile der das System prägenden Mediceer zwischen Florenz, Rom und Lyon schärft und 343 ASF, DBR 52, c. 80 (27.9.1497, Antonio Zeno, Lyon). 344 ASF, DBR 52, c. 104 (25.10.1497, Antonio Zeno, Lyon. Spinelli kam mit Neri Capponi – des-

sen Sohn sich wenige Monate vorher an der Verschwörung zugunsten der Medici beteiligt hatte und deswegen aus Florenz verbannt worden war! – aus Chambéry zurück. In Lyon gaben sie an, der Herzog sei nur leicht an Fieber erkrankt und wolle sich den Anordnungen der Ärzte fügen – doch Philippe de Bresse starb bereits im November 1497). 345 ASF, SR 10, c. 231 (11.9.1498, Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini, Paris).

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eine Brücke zwischen den führenden Finanzstrategen unter den Florentiner Mediceern und der Lyoner Bartolini-Rossi-Bank schlägt.

h) Francesco Naldini: Flucht, Todesangst und Verbannung eines weniger prominenten Medici-Bankiers – und die Juwelen des Medici-Schatzes Von dem Desaster des August 1497 waren auch Akteure der vorangegangenen Jahre wie Francesco Naldini betroffen, der nicht gefaßt werden konnte, doch so wie sein Chef Lorenzo Tornabuoni, wie Giovanni Cambi und sein Kollege Francesco Cegia mit der Hinrichtung rechnen mußte. Daß er ihr entging, verdankte er dem Zufall, kluger Vorsicht und vor allem der Tragkraft des Medici-Netzwerkes. Dieser wichtige Mann im Kommunikations- und Finanzierungssystem der Mediceer hatte es – unter Mitwirkung hochgestellter Gönner – vorher sogar geschafft, trotz seiner auch den Zeitgenossen augenfälligen Position im Netzwerk offizielle Aufgaben der Republik zu erhalten. Nachdem er sich z. B. noch Ende Oktober 1494 für die Medici-Bank im Auftrag Giovanbattista Braccis in Pietrasanta aufgehalten hatte, wo er die Ankunft Piero de’ Medicis und seiner Leute sowie ihren Empfang durch den Herold König Karls VIII. erleben konnte,346 hatte Naldini schon 1495 als Kundschafter für die Dieci di Balìa gewirkt, um Florenz vor Angriffen (insbesondere der Medici) schützen zu können. Diese Behörde entsandte ihn am 12. März 1496 nochmals, nach Lucca, wobei ein Teil seiner Auslagen am 11. März von Francesco Scharfi (dello Scarfa, dem Faktor des Medici-Kardinals) bezahlt wurde.347 Was er dort zu erledigen hatte, wissen wir nicht, doch ein Aufenthalt im März bei den Buonvisi ist bekannt. Bei diesen Medici-Freunden befand er sich auch im August und nochmals im Oktober 1496, als er Münzen des Medici-Schatzes von Fra Mariano zu Francesco Cegia brachte, weitere dann über Lucca an Giuliano de’ Medici.348 Wir hatten bereits Naldinis zwei Rechnungsbücher vorgestellt, die er seit dem Juni 1495 als Schatzmeister Gianbattista Braccis führte und die uns wertvolle Aufschlüsse über Strukturen und Handlungen innerhalb des Netzwerkes geben. Einträge über Handelsgeschäfte (meist mit den Buonvisi) standen neben solchen über netzwerkinterne Zahlungsvorgänge. Allein die häufige Nennung des ansonsten ziemlich unbekannten, aber bald nach 1496 verstorbenen Salimbene Bartolini indiziert dies sehr deutlich, handelte es sich bei ihm doch um einen Bruder des Medici-Bankiers Leonardo di Zanobi Bartolini, des eigentlichen governatore di casa Medici, wie seine Gegner in Rom ihn klassifizierten, und somit um einen weiteren Schwager von Gianbattista Bracci.349 (Auch Braccis Ehefrau Lucrezia [di Zanobi Bartolini], die Schwester Leonardos und Salimbenes, stand wegen 346 Vgl. ASF, MAP XCVI, doc. 451 (30.10.1494, Francesco Naldini aus Pietrasanta an Giovanbat-

tista Bracci in Florenz; dabei ging es u. a. auch um eine Kontenklärung mit Giovanni Cambi, dem Leiter der Pisaner Medici-Bank). 347 ASP I/38, c. 6/VI. 348 S.o. S. 385; zum August-Aufenthalt Naldinis in Lucca, der im Auftrag Braccis erfolgte, vgl. auch ASP I/37, c. VIII. 349 S.o. S. 172f.

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bestimmter Zahlungen des öfteren mit Francesco Naldini in Verbindung.350) Ob eine im Auftrag Lorenzo Tornabuonis und Gianbattista Braccis wegen eines Alaungeschäfts übernommene Reise nach Piombino ebenfalls die Medici-Finanzen auffrischen sollte, ist nicht klar zu erkennen, aber anzunehmen. Immerhin dauerte sie vom 12. März bis zum 20. Mai 1497, bedurfte neben der Teilnahme eines Lehrlings auch der Einbeziehung eines bewaffneten Begleiters und kostete Naldini allein an Spesen stattliche 35 Gulden.351 Es wäre mehr als verwunderlich, wenn es hier allein um ein Alaungeschäft gegangen sein sollte. Immerhin deckte sich diese Reise vor allem in der Anfangszeit genau mit der heißen Phase der Vorbereitungen und mit dem (gescheiterten) Angriff Piero de’ Medicis auf Florenz. Einen beeindruckenden Einblick in die Lebenswelt des Netzwerkes und in die Dramatik jener brisanten Wochen des Sommers 1497 gewähren uns jedoch die Erinnerungen, die ricordi, die Francesco Naldini am Ende seines giornale, des chronologisch geführten Rechnungsbuches, notierte und zum Teil einem gesonderten Notizbuch entnahm, das er seit dem 1. Juli 1497 führte, als er Florenz im Auftrag der Mediceer verließ. Seine Heimatstadt sollte er aufgrund seiner wenige Wochen später erfolgten Verbannung aus Italien für viele Jahre nicht mehr wiedersehen. Als ihm 1498 zumindest sein giornale, aber sicherlich auch das von ihm bis 1510 geführte Schuldbuch, aus Florenz nachgesandt werden konnte, übertrug er dann aus seiner Kladde die Erinnerungen jener Monate 1497/98 in den hinteren Teil des giornale.352 Diese Aufzeichnungen sind insgesamt noch wesentlich ausführlicher und vor allem aufschlußreicher als diejenigen des Francesco Cegia. Es ist ein einzigartiges Dokument über das konkrete Schicksal eines wenn auch nicht führenden, so doch in einem der Zentren des Netzwerkes operierenden Medici-Freundes, das bisher nicht beachtet worden ist. Seine Zeugnisse der späten Nachwelt wenigstens in Auszügen mitzuteilen, ihnen eine Stimme zu geben, ist nicht nur wegen der Bedeutung und Außergewöhnlichkeit des Individuellen gerechtfertigt, sondern eben auch wegen der daraus, aus dem konkreten Leben zu gewinnenden Erkenntnisse über allgemeine, grundlegende Strukturen des Netzwerkes. Und noch ein drittes Kriterium ist hier anzuführen: Francesco Naldinis Lebensweg erschließt uns zu einem gut Teil die organische Transformation des geschäftlichen Erbes der großen Medici, der Medici-Erben-Gesellschaften. Am 1. Juli 1497 verließ Francesco Naldini im Auftrag von Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci mit zwei Pferden und einem fante (vermutlich hier ein Fußsoldat, kein Knecht) Florenz. Denn er führte eine wertvolle Fracht mit sich, die ihm Tornabuoni und Bracci übergeben hatten, wobei Bracci dem Naldini sogar explizit die freie Verfügung 350 Vgl. etwa ASP I/37, c. VIII (17.8.1496, ein Fiorin an Lucrezia Bracci, den sie dem maestro

Benedetto Torni gab), c. 10 (5.11.1496); I/38, c. V, 11. 351 ASP I/37, c. 26; I/38, c. 35/XXXV. 352 ASP I/37, c. CXLIIII (Notta che su questo giornale Io non ho scripto da l’anno si vede [Anfang

1497 nach moderner Datierung] fin’ all’an[n]o 1498 per chausa de’ mia confini ... riavendo detti libri di Firenze), 147/CXLVII (Nota d’uno Richordo a uno mio stracciafoglo di poi uscì di Firenze. Dieses Itinerar ist zu ergänzen durch die Angaben in den vorausgehenden und nachfolgenden Erinnerungen sowie in den Rechnungsposten des giornale (I/37) und des libro dei creditori e debitori (I/38).

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über einen Teil des Gutes zugestanden hatte – ein Beweis errungenen Ansehens und Vertrauens. Es handelte sich um zwölf kostbare Juwelen aus dem Besitz Tornabuonis mit einem geschätzten Gesamtwert von 4.300 Dukaten, von denen allein der berühmte BallasRubin des Markgrafen von Mantua (uno balascio tavola grande inchastato in oro detto la g[i]oia di Mantova) einen Wert von 500 Dukaten, aber auch eine Perle von 32 Karat und ein Smaragd einen Gesamtwert von 1.000 Dukaten besaßen.353 Sie stammten mit Sicherheit zum größten Teil, vermutlich gänzlich aus dem alten Medici-Schatz und gehörten zu jenen Juwelen, die zunächst von der Signoria konfisziert und/oder aber zum Teil – zumindest was den Mantua-balascio betrifft – Anfang 1495 auch nach Rom zu den Medici gebracht worden waren, dann dem Tornabuoni im Juli 1495 noch vor den Gold- und Silbermünzen als Teil jener 42.000 Gulden zur Liquidierung der römischen Medici-Bank bzw. zur Bezahlung der gewaltigen Medici-Schulden zur Verfügung gestellt wurden.354 Sie sollen nach Ausweis eines überlieferten Inventars zusammen mit den wertvollen, ebenfalls für diesen Zweck übertragenen Vasen des Medici-Schatzes „1496“ (also zwischen dem 25.3.1496 und dem 24.3.1497, sicherlich aber eher in den Monaten nach dem März 1496) nach Rom zu Nofri Tornabuoni gebracht worden sein.355 Analog zur Verwendung der antiken Münzen wurden sie jedoch durch den Tornabuoni nicht unmittelbar ihrem intendierten Zweck zugeführt, sondern als Pfand für Kredite und Geschäfte eingesetzt; sie sollten also niemals in Rom bleiben, sondern als mobile Werte erster Güte unterschiedlichen Nutzungen zugeführt werden. Die vorgesehene Gläubigerbefriedigung hätte ja durchaus erfüllt werden können, wenn das so erzielte Geld dafür eingesetzt worden wäre. Doch schon den Zeitgenossen erschien es evident, daß es für die Finanzierung der Medici, insbesondere für ihren Kampf um Florenz benutzt wurde. Die Francesco Naldini Ende Juni 1497 übergebenen Juwelen im Wert von mehreren Tausend Dukaten sollten offensichtlich dem damals geplanten, großen Angriff auf Florenz dienen. Denn er sollte sie nach Rom bringen, um für den Großteil der Juwelen Alaun einzutauschen und dann wieder nach Florenz zurückzukehren, wobei der Tornabuoni für etwaige Gefahren und Risiken haftete. Wahrscheinlich bildete dieser Auftrag den Abschluß jenes Alaungeschäfts, das Francesco Naldini über mehrere Wochen vom März bis zum Mai 1497 in Piombino für den Tornabuoni und Bracci abgewickelt hatte und das aufgrund von Zeit und Spesen sicherlich recht umfangreich gewesen war. Doch auch wenn es sich nun im Juli um ein weiteres Geschäft gehandelt haben sollte, hätten die Juwelen als Sicherheit für den Alaunverkäufer in Rom hinterlegt werden sollen, um sie später mittels des erlösten Gewinnes wieder auszulösen. Aufgrund der dramatischen Entwicklung im Zuge des geplanten Angriffs der Mediceer auf Florenz sollte es dazu jedoch gar nicht kommen. Für jene vermutete Zwecksetzung der Juwelen aber spricht eine weitere Beobachtung. 353 ASP I/37, c. 29, CXLIIII, CXLV, 146, 147; I/38, c. XL. 354 ASF, MAP CXXIX, c. 346r/v; vgl. oben S. 368–374. 355 ASF, MAP LXXXII, doc. 119, c. 350r–351v; gedruckt: Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti,

S. 19f. (Appendice I); s.o. S. 368–370.

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Ende Mai 1497 war Leonardo di Zanobi Bartolini eigens aus Rom nach Venedig gereist, um für den Kampf um Florenz jenen Kredit über 12.000 Dukaten „fruchtbar“ zu machen, den die Medici-Bank in Neapel Andrea Braghadini gegeben hatte. Noch in Venedig hörte Bartolini, daß Alessandro Braccesi seine Mission an die Florentiner Dieci di Balìa verraten hatte, weshalb er von dem geplanten Besuch seiner Heimatstadt Abstand nahm. Da Leonardo Bartolini am 19. Juli nach Rom zurückkehrte, dürfte er sich als maßgeblicher Finanzstratege der Medici noch von Venedig aus mit Lorenzo Tornabuoni über die Gewinnung weiterer Finanzmittel verständigt haben. Wahrscheinlich deshalb sandten Tornabuoni und Bracci den Naldini nach Rom. Dieser traf dort am 6. Juli ein; sein Quartier bezog er im Haus von Giuliano di Piero Panciatichi – jenes Mannes, der im November 1497 denunziert werden wird, mit Leonardo Bartolini und anderen die Bilanzen der römischen Medici-Bank zum erheblichen Vorteil der Medici gefälscht zu haben!356 Sowohl seine Gewissenhaftigkeit als auch seine Abhängigkeit bezeugend, notierte Naldini, daß ihm Lorenzo Tornabuoni vor der Abreise nach Rom 15 Fiorini larghi als Spesen gewährt hatte, die er in Florenz von der Mediceer-Bank des Giovanni d’Ambra erhielt – des ehemaligen Mitarbeiters der Florentiner Bartolini-Bank – und die dann mit Gianbattista Bracci als dessen Schuld verrechnet wurden.357 Am 16. Juli ließ er eines seiner Pferde nach Florenz zurückbringen und schrieb Bracci, dieser möge den leeren Sattel an sich nehmen und aufbewahren.358 Der römische Medici-Kreis befand sich in jenen Tagen in geradezu euphorischer Stimmung, da man mit Hilfe der Venezianer, Mailänder, Sienesen, Sanseverino und Orsini fest an eine erfolgreiche Rückeroberung von Florenz glaubte. Entsprechende Äußerungen des Antonio da Ricasoli vom 15. Juli in Rom, der zudem den Florentiner Medici-Feinden baldige Reue über ihr Verhalten prophezeite, waren am 19. Juli durch Alessandro Braccesi nach Florenz gelangt und bildeten dort am 28. Juli ebenso wie die bedrohliche condotta Antonio Maria Sanseverinos in Siena den Gegenstand intensiver Beratungen.359 Auch wenn Francesco Naldini im Haus des Panciatichi wohnte, sein Bezugspunkt war Leonardo di Zanobi Bartolini. Tatsächlich fand er sich sofort nach dessen Rückkehr aus Venedig bei ihm ein. Leonardo Bartolini entschied nun über die nächsten Stufen auf dem Lebensweg Francesco Naldinis, des vertrauten Mitarbeiters seines Schwagers Gianbattista Bracci. Der allseitig informierte Alessandro Braccesi meldete den Dieci di Balìa am 22. Juli 1497 im unmittelbaren Kontext seiner Nachricht über die Rückkehr Bartolinis und dessen Beratungen mit Federico Sanseverino und Piero de’ Medici, daß sich hier in Rom Francesco Naldini befinde. Und der Bartolini habe die Absicht, Naldini zu befehlen, nach 356 ASP I/37, c. 147; vgl. zur Denunziation oben S. 209–214. 357 ASP I/37, c. 145; I/38, c. XL. 358 ASP I/37, c. 147. Da Naldini auf die Angabe Wert legte, daß die sella vota sei, hatte er offenbar

in Kammern und Taschen des Sattels (der aber wohl nicht mehr den posolino, den z. B. zum Verbergen heimlicher Briefe gern benutzten Schweifriehmen mit einbegriff) wertvolle Objekte, etwa die Juwelen, versteckt und wollte Bracci mitteilen, daß all diese Stücke vorher von ihm herausgenommen worden waren. 359 Vgl. oben S. 427f.

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Florenz zurückzukehren, sofern die nötige Sicherheit gewährleistet sei. Er, Braccesi, glaube dies nicht; und wenn Naldini käme, dann wohl nur, um seinen ‚gewohnten Weg weiter zu verfolgen‘!360 Braccesi kannte Naldini und seine Stellung im Medici-Kreis demnach recht gut; vor allem aber hielt er es für notwendig, die Dieci über dessen Schritte auf dem laufenden zu halten und sie vor seiner möglichen Rückkehr nach Florenz zu warnen, da diese nur in Verbindung mit Pieros Restitutionsversuchen stehen konnte. (Schon mit dem nächsten Satz beschwor Braccesi dann die Dieci erneut, über seine Informationen Stillschweigen zu wahren, um nicht selbst zum Opfer von Repressalien in Rom zu werden!) Tatsächlich erschien Leonardo Bartolini die Gefahr einer Rücksendung Naldinis nach Florenz – zweifellos ohne die Juwelen – zu groß, denn Naldini blieb vorerst in Rom. Die Florentiner Medici-Gegner hatten ja seit Wochen ihre Wachfeuer immer intensiver geschürt, doch erst die Verhaftung von Lamberto dell’Antella am 4. August goß gleichsam Öl auf die Flammen. Lamberto denunzierte dann bei seinen Enthüllungen wie gehört auch Naldini, der im Mai 1496 auf Orsini-Land heimlich Kontakt zu Piero de’ Medici aufgenommen habe. Naldinis Notizen zu jenen dramatischen Augusttagen ermöglichen historische Empathie: Er habe genau vom 6. bis zum 23. August immer wieder nach Florenz und nach Lucca geschrieben, um zu erfahren, was mit den Juwelen geschehen solle – der Alaunkauf hatte sich nun, nach dem Verrat der Medici-Pläne, offenkundig erledigt –, doch habe er keine Antwort bekommen.361Außer purer Angst um das Leben herrschten jetzt zwangsläufig gleichermaßen Ratlosigkeit und Konfusion, weshalb auch die Bestimmung der Juwelen fraglich geworden sein mußte. Am 23. August wird Naldini dann erfahren haben, daß der nominelle Besitzer der Juwelen, daß Lorenzo Tornabuoni hingerichtet wurde. Der im gleichen Maße in die Verschwörung involvierte Gianbattista Bracci, dessen Beteiligung grundsätzlich nicht unbekannt geblieben sein konnte, hatte in den Tagen vorher offensichtlich ebenfalls um seinen Kopf gefürchtet, sonst wäre er nicht nach Lucca geflüchtet, wo er bei den Buonvisi unterkam. Aufgrund des fehlgeschlagenen Umsturzversuchs und der Verhaftung Tornabuonis übernahm nun Bracci von Lucca aus die Entscheidung über die Juwelen. Schon am 20. August – einen Tag vor der Vollstrekkung des Todesurteils gegen den Tornabuoni und die anderen – hatte Naldini in Rom einen Brief aus Lucca von Gianbattista Bracci und Benedetto Buonvisi erhalten, erstaunlicherweise aus der Hand Alessandro Braccesis überreicht. Darin wurde Naldini mitgeteilt, er werde – unter Androhung einer Verurteilung als Rebell – nach Florenz zitiert und solle die Juwelen im Namen der Buonvisi in Verwahrung geben. Noch am gleichen Tag gab er fast alle Schmuckstücke befreundeten Kaufmannsgesellschaften in Rom in Sicherheit, stets jedoch auf seinen eigenen Namen. Doch wovon sprechen wir eigentlich? Am 1. Juli hatte Francesco Naldini nicht nur von Lorenzo Tornabuoni Juwelen erhalten, sondern auch von Gianbattista Bracci. Da diese Stücke für die Rekonstruktion des damals noch bei den Mediceern vorhandenen Medici-Schatzes wichtig, zudem später 360 ASF, DBR 56, c. 116 (22.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 361 ASP I/37, c. 147 (Da dì 6 addì 23 d’aghosto schrissi più e più volte a Firenze e Lucha sopra il

chaxo de’ partiti [sc. der Juwelen] e n’ebbi risposta).

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noch bei den Mediceern nachzuweisen sind, ist eine genauere Auflistung angebracht. Für das Alaungeschäft hatte Naldini vom Tornabuoni zum einen ein in Gold eingefaßtes Schmuckstück bekommen, das sich aus vier Juwelen zusammensetzte, einem großen balascio ciotollo per[for]atto und einem Diamanten mit zwei großen Perlen, die der Tornabuoni nach expliziter Aussage Naldinis von den Syndizi der Medici erhalten hatte und für die er einen geschätzten Gesamtwert von 1.300 Dukaten angab. Es handelte sich dabei mit Sicherheit um den am 9. Juli 1495 überreichten fermaglio d’uno balascio ciottolo con uno diamante tavola e due perle grosse, also jene Spange, die auch (als Schulterspange) im Inventar des Medici-Schatzes von 1492 aufgeführt ist, deren Wert dort aber mit 2.200 Gulden beziffert wird.362 Beim zweiten Stück handelte es sich um den schon erwähnten balascio tavola grande di Mantova, der hier wie in den vorherigen Inventaren einen Wert von 500 Dukaten besaß. Ihn hatte Gianbattista Bracci vom Tornabuoni erhalten und für diesen dann dem Naldini übergeben. Schließlich erhielt Naldini noch vier in eine Fassung gefügte Juwelen, zu denen er bemerkte, sie kämen von Giovanni Tornabuoni; es waren ein balascio ciottolo forato mit 120 Karat im Wert von 500 Dukaten, ein weiterer balascio piano, der ebenfalls auf 500 Dukaten geschätzt wurde, ein großer achteckiger Saphir sowie ein zafino [sic] chupo grande, die beide auf zusammen 400 Dukaten geschätzt worden waren. Bis auf den balascio piano gehörten auch diese Juwelen zu den 39, die Lorenzo Tornabuoni am 9. Juli 1495 von den Syndizi bekommen hatte, und zumindest der achtekkige Saphir ist auch schon vor 1492 im Medici-Schatz nachzuweisen.363 All diese Juwelen hatte Naldini unter ‚Spesen der Gefahr‘, wie er es ausdrückte, nach Rom gebracht. Von Bracci hatte Francesco Naldini hingegen am 1. Juli Juwelen erhalten, die er nach eigenem Gutdünken verwenden durfte: eine Perle perata mit 32 Karat und ein großer flacher Smaragd, die beide zusammen einen Wert von 1.000 Dukaten besaßen, sowie ein kleiner Ballas-Rubin, den man auf 100 Dukaten geschätzt hatte.364 Noch an jenem 20. August, als ihm der Brief von Benedetto Buonvisi und Gianbattista Bracci aus Lucca zugestellt und die eigentliche Bestimmung der meisten Juwelen endgültig hinfällig geworden war, übergab er diese, wie aus Lucca gewünscht, nahezu komplett den römischen Gesellschaften der Sauli und Ghinucci. Die Gesellschaft des Genuesen 362 ASP I/37, c. CXLIIII. Vgl. zur Liste vom 9.7.1495 Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19,

Appendice I, Nr. 2; zum Inventar von 1492: Libro d’inventario (1992), S. 54 (Uno fermaglio da spalla chon uno balascio forato ciotolo sanza foglia e sanza chastone, legato in quhadro [sic] branchetta et chon dua perle grosse leghate a mulinello, di charati 20 l’una incircha chon un diamante in detto ghuscio tavola, leghato in uno chastone, in tutto pezzi 4, di stima – f. 2.200). 363 Vgl. Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19, Appendice I, Nr. 2, 3–5, 38; Libro d’inventario (1992), S. 42 (uno zaffiro cholmo otanghulato leghato in ghambo d’oro a bottone smaltato – f. 250). 364 ASP I/37, c. CXLV. Naldini hatte bei der Perle tatsächlich 32 Karat angegeben, doch möglicherweise sollte es 37 Karat heißen, denn eine solche große Perle gehörte zu den Juwelen jener Lieferung vom 9.7.1495 für den Tornabuoni; sie wiederum war vielleicht identisch mit einer perla pera grossa di carati 38 incircha, die mit anderen Juwelen zu einem Anhänger des Medici-Schatzes gehört hatte; vgl. Caglioti/Gasparotto, Lorenzo Ghiberti, S. 19, Appendice I, Nr. 39; Libro d’inventario (1992), S. 54.

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Paolo Sauli nahm die vier Juwelen der ehemaligen Schulterspange (den balascio, den Diamanten und die zwei großen Perlen) sowie den Mantuaner Ballas-Rubin in Verwahrung, verzeichnete dies in ihrem Erinnerungsbuch auf Seite 184 und gab Naldini eine entsprechende Quittung. Die römische Gesellschaft des Sienesen Stefano Ghinucci übernahm hingegen aus dem Tornabuoni-Kontingent auf Naldinis Namen den 120-karätigen großen balascio, den balascio piano, der ebenfalls 500 Dukaten wert war, die beiden Saphire sowie den großen Smaragd, den Naldini von Bracci bekommen hatte, und trug dies in ihrem Erinnerungsbuch mit der Signatur „L“ auf Seite 22 ein. (Lamberto dell’Antella hatte Anfang August Girolamo Ghinucci verraten, der Piero de’ Medici Mitte April in Siena bestimmte Informationen des Bischofs Cosimo de’ Pazzi mitgeteilt hatte.) Mit Blick auf die Ghinucci vermerkte Naldini eigens, daß er ihnen die Stücke in einer versiegelten Schachtel oder Dose überreichte und ihnen ferner die Anweisung gab, im Fall seines Todes den Anweisungen Gianbattista Braccis wegen der Juwelen zu folgen, was in den richordi der Ghinucci ebenfalls festgehalten worden sei.365 Dieser Bankier aber führt uns unmittelbar zu Agostino Chigi, der damals bereits in engerer Verbindung zu den Medici-Bankiers stand, vor allem zu Leonardo di Zanobi und Leonardo di Bartolomeo Bartolini. Bei Stefano Ghinucci hatte der Chigi vermutlich seine römische Lehrzeit begonnen; 1487 hatte er jedenfalls seine erste Bankgesellschaft mit Stefano gegründet, die 1491 erneuert wurde (unter Beteiligung von Agostinos Vater Mariano), dem damals 24 Jahre alten Agostino erstmals eine Leitungsfunktion zusprach und die offenkundig noch 1501 bestand.366 Ihm wird man deshalb in erster Linie diesen vertrauensvollen Freundschaftsdienst der Ghinucci-Bank zuschreiben dürfen. Bereits vor dem Urteil gegen die fünf Medici-Freunde und vor allem vor einer gegen ihn selbst ergangenen Sentenz fürchtete also auch Francesco Naldini um sein Leben! Dies wird ihn veranlaßt haben, der Aufforderung, sich persönlich in Florenz zu verantworten, nicht nachzukommen. Statt dessen setzte er, immer noch am 20. August, mehrere Briefe auf, die er nach Florenz an die Signoria, an die Dieci di Balìa, die Otto di Guardia, an (den exponiertesten Medici-Feind) Francesco Valori, an einen Paolantonio [vermutlich Soderini], an Lorenzo Lenzi, Francesco Gualterotti und an den Botschafter, also wohl Alessandro Braccesi in Rom, schrieb.367 Am 23. August erhielten die Panciatichi bzw. für sie Giunta di Marco di Giunta den kleinen balascio im Wert von ca. 100 Dukaten, den sie verkaufen sollten, wenn sie für den geschätzten Preis einen Abnehmer finden sollten, sowie drei weitere Gegenstände aus seinem Besitz, darunter eine Armbrust. Es blieb von den Juwelen nur noch die große Perle mit 32 Karat, die er zunächst mit sich nahm, um sie später Mitte September bei der Gesellschaft des Antonio Venturi in Siena in Sicherheit zu

365 ASP I/37, c. CXLIIII, CXLV, 147. 366 Vgl. The correspondence of Agostino Chigi, S. 4f., 23 (da Agostino Anfang 1501 über einen

von Mariano in der Ghinucci-Bank gehaltenen Kapitalbetrag von 2.000 Dukaten und von davon abhängigen Profiten sprach, die auf ihn, Agostino, übergehen könnten, wird wahrscheinlich auch er an der Ghinucci-Bank beteiligt gewesen sein), 241f. 367 ASP I/37, c. 147.

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geben.368 Mit zwei Pferden verließ Francesco Naldini am folgenden Tag Rom; Ziel konnte nur einer der lokalen Knotenpunkte im Netzwerk der Medici sein. Die naheliegende und nächstgelegene „Festung“ hieß für einen der kaufmännisch operierenden Medici-Freunde Siena (das noch näher gelegene und ebenfalls sichere Bracciano z. B. konnte für ihn ja kein Wirkungsfeld bieten); hier traf Francesco Naldini am 28. August ein und blieb bis zum 14. September 1497. Gleich am Tag nach seiner Ankunft schickte er einen Boten nach Lucca, um über das Geschehene zu informieren. Als Adressaten kommen nur Gianbattista Bracci und Benedetto Buonvisi in Frage. Am 2. September schrieb er auf dem Postweg nach Rom, von wo er am 9. des Monats mehrere Briefe erhielt, darunter je einen der Signoria, der Officiali degli rebelli und der Otto di Guardia, in denen es um die Juwelen und (nicht näher präzisiertes) weiteres ging. Diese drei Institutionen hatten ihn aufgefordert, alle Juwelen noch im September 1497 Antonio Altoviti auszuhändigen. Sogleich antwortete er der Signoria und den Officiali dei ribelli wegen der Juwelen, daß er nichts habe, was ihnen gehöre, und er rechtfertigte sich, die Juwelen nur auf Veranlassung desjenigen genommen zu haben, der sie besaß – also Lorenzo Tornabuoni, der ja auch explizit für etwaige Gefährdungen einstehen wollte –, und suchte sich auch wegen der anderen Anklagen zu verteidigen. Doch mittels eines aus Florenz durch Giovanni di Piero Franceschi gesandten Kuriers bekam er noch im Verlauf jenes 9. September den bulettino der Otto di Guardia, mit welchem ihm mitgeteilt wurde, was er im Prinzip vermutlich schon wußte oder wegen seiner Weigerung, in Florenz vor Gericht zu erscheinen, erwarten mußte und was sein Leben grundlegend verändern würde. Man hatte ihn verbannt! Das Ausmaß der Strafe mußte alle Befürchtungen Francesco Naldinis und seiner Freunde übertroffen haben, denn nicht nur aus Florenz und dem Florentiner Territorium, sondern aus Italien war er konfiniert worden!369 Daß er – was ihm zu notieren angemessen erschien – nach Erhalt der Nachricht schwer krank im Bett lag, darf uns nicht wundern. Selbst die Medici-Brüder Piero und Giuliano oder ein Leonardo di Zanobi Bartolini und alle weiteren Verbannten des Medici-Kreises hatten eine derart harte Strafe (abgesehen vom Kopfgeld auf die Medici) nicht zu erleiden gehabt! Sie alle durften in Italien bleiben. Das hohe Strafmaß aber indiziert, wie weitreichend und effektiv die Handlungen Naldinis für die Medici und gegen deren Gegner in der neuen Florentiner Regierung gewesen sein müssen, welche Berechtigung Naldinis Angst vor dem Tod besessen haben muß, der ihm bei einer Verhaftung gedroht hätte. Als er diese Möglichkeit und entsprechende Konsequenzen am 20. August in Rom bei der Übergabe der Juwelen schriftlich in dem Geschäftsbuch der Ghinucci fixieren ließ, muß er ja bereits von der am 17. August in der pratica geforderten, aber schon Tage vorher im Raum stehenden Hinrichtung der fünf Mediceer in Florenz gewußt haben. Ebenso wie Leonardo di Zanobi Bartolini und Nofri Tornabuoni hatte er sich somit aus guten Gründen entschlossen, der Vorladung nach Flo-

368 ASP I/37, c. CXLV, 146. 369 ASP I/37, c. 145, 147/CXLVII.

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renz nicht zu folgen. Auf der Gegenseite wird ihn das Wissen um ein festes Netz guter Freunde, das ihn vor dem freien Fall schützen konnte, erleichtert haben. Es spricht für die Pragmatik und Tatkraft dieser Mediceer, daß sie noch in der Stunde des größten Unglücks die Wende zu realisieren trachteten. Wie sehr es irrig wäre, sie als simple Klienten der Medici-Patrone zu klassifizieren, zeigt sich gerade in jenen Spätsommertagen 1497 im Spiegel der Handlungen eines Francesco Naldini. Wäre er nur von den Medici abhängig gewesen, so hätten sich ihm neue Ziele erst durch Anstoß dieser Patrone ergeben. Doch selbst untergeordnete Freunde wie Naldini waren eben mehr als bloße Klienten, sie verfügten über eigene Handlungsräume – allerdings in erster Linie durch ihre Beziehungen zu weiteren Medici-Freunden, die etwas autarker waren als sie. Gerade in diesen konkreten Beispielen aus der Vita Naldinis scheint mir das prinzipiell Typische dieses Medici-Netzwerkes der Jahre um 1500 zum Vorschein zu kommen, das zugleich den Erfolg des Netzwerks erklärt. Es war eben nicht auf eine oder wenige Spitzen einer hierarchischen Pyramide ausgerichtet, von diesen abhängig, sondern bestand aus vielen relativ – und durchaus differenziert unterschiedlich – autarken Clustern, die gleichwohl alle durch gemeinsame (politische, familiäre, wirtschaftliche, kulturelle usw.) Interessen und – notabene – erklärte Freundschaft miteinander verzahnt waren. Graphisch zweidimensional und erst recht statisch dürfen wir uns dieses Gebilde nicht vorstellen. Das macht die adäquate Abbildung auf einer Buchseite auch so schwierig; die Form des Netzwerkes kann zunächst nur in unseren Köpfen entstehen. Geben wir solchen Versuchen Nahrung. Noch an dem gleichen Tag, als Francesco Naldini in Siena das Bulletin über seine Verbannung aus Italien erhielt, als er schwer krank zu Bett lag, als er Gott daran erinnerte, ihn immer gelobt zu haben, entschloß er sich nicht nur, dem gegen ihn ergangenen Verbannungsurteil zu gehorchen, weil es heilsam (sano) sei, sondern hob unmittelbar danach, gleichsam vom Krankenbett aus, die erzwungene Passivität auf, indem er ebenfalls am 9. September einen Boten nach Lucca schickte, um die Einzelheiten zum Abschluß eines offenkundig bereits eingefädelten Geschäfts abzusprechen.370 Die Möglichkeit zu befreiender neuer Aktivität bot ihm Benedetto Buonvisi im Verein mit Gianbattista Bracci, der sich weiterhin in Lucca aufhielt und dies aus Sicherheitsgründen wohl für notwendig erachtete. Stellvertretend für die Gesellschaft des Benedetto Buonvisi schloß Francesco Naldini am 13. und 14. September mit der Sieneser Gesellschaft von Antonio Pivi und Alessandro Colombini ein großes Geschäft über die Lieferung von 5.000 Cantari Alaun ab, der zu dem äußerst günstigen Preis von drei viertel Dukaten pro Cantaro (also einem Gesamtpreis von 3.750 Dukaten) auf kleinen Barken in den südlich von Grosseto auf dem Territorium Sienas gelegenen Hafen Talamone geliefert werden sollte. Das entsprach der Menge, die ganz England jährlich für sich beanspruchte!371 Mit Blick auf den ausgehan370 ASP I/37, c. CXLVII. 371 ASP I/37, c. 146; zu vergleichbaren Preisen und Mengen vgl. Gilbert, Venedig, S. 51–63, 95,

149, Anm. 31. (Agostino Chigi verlangte später bei einem komplexen, mit einem Großkredit verknüpften Alaungeschäft mit Venedig den Preis von 20 Dukaten pro Cantaro, während Vene-

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delten Preis werden wir annehmen dürfen, daß nun doch noch das bereits im Juli vorgesehene Alaungeschäft getätigt wurde, für das die Juwelen Lorenzo Tornabuonis als Pfand dienen sollten. Bezahlt wurde der Alaun mit feiner ‚französischer Wolle‘ (lana francesca). Den Vertrag schickte Naldini etwas später von Bologna aus an die Buonvisi, bei denen er auch seine Provision geltend machte, eine durch Pivi und Colombini zu liefernde Menge über 100 Cantari Alaun. Diese Provisionsschuld übernahm dann Naldinis Patron und Mentor Gianbattista Bracci nach einer Einigung mit den Buonvisi. Bei der Finanzierung des für die Buonvisi abgeschlossenen Alaungeschäfts stützte sich Naldini jetzt auf die Sieneser Gesellschaft der Venturi. Sie gehörten ebenfalls dem Kreis befreundeter Kaufleute an, denn bei ihnen deponierte Naldini ja am 13. September auf Anordnung Benedetto Buonvisis, aber im eigenen Namen, die wertvolle Perle von 32 Karat, die er somit weiterhin bei sich getragen hatte.372 (Die Venturi gehörten schon 1495 zum Finanznetzwerk der Medici.373) Francesco Naldini wurde von den Buonvisi also als Kommissionär eingesetzt und konnte sich dadurch ein gewisses Startkapital verdienen. Nach dem endgültigen Abschluß des Alaungeschäfts am 14. September verließ Francesco Naldini noch am gleichen Tag Siena. Um das Florentiner Territorium nicht betreten zu müssen, blieb ihm auf dem Landweg nur der zuerst wieder nach Süden führende Weg nach Chiusi, von wo aus er dann östlich der Florentiner Grenzen nach Bologna weiterritt. Dort kam er am 21. September an, schrieb einen Brief für Giovanni Franceschi in Florenz und ließ mittels zweier Vertrauter eines seiner (schönen!) Pferde nach Lucca bringen und zum höchstmöglichen Preis verkaufen; den Erlös von zehn Dukaten ließ er seinem Konto bei der Bank der Buonvisi in Lucca gutschreiben. Den Buonvisi sandte er am 22. September aus Bologna einen Brief und das Schriftstück über das Alaungeschäft zu; zudem schrieb er an diesem Tag einen sehr langen Brief an Gianbattista Bracci über dessen und seine eigenen Angelegenheiten und wie sie beide dabei verfahren wollten.374 In poste verließ er Bologna am 23. September. Drei Tage später erreichte er in Lanibergho die italienische Grenze; der heute Lanslebourg-Mont-Cenis genannte Ort liegt nördlich des Col du Mont Cenis an der Paßstraße, die vom piemontesischen Susa nach Savoyen führt. Zu seinen Pflichten als Exilierter gehörte, daß Naldini dort bei einem Notar (Antonio d’Aprile) seine Anwesenheit beglaubigen ließ. Das entsprechende Notarsinstrument ließ er Giovanni Franceschi in Florenz zustellen, der es für ihn den Verantwortlichen überreichen würde.375 Francesco Naldini ließ Italien, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, am 26. September 1497 hinter sich. Sein erstes Ziel im Exil lag im Hoheitsgebiet eines herausragenden Freundes der Medici; es war Chambéry, eine der Residenzen des savoyischen dig anfänglich immerhin zur Zahlung von 17 bis 18 Dukaten pro Cantaro bereit war! Ein Cantaro umfaßte in der Regel etwas weniger als 50 Kilogramm; 7.000 Cantari entsprachen einem Viertel der Jahresproduktion der Alaunminen von Tolfa, dem größten Alaunproduzenten.) 372 ASP I/37, c. CXLV–CXLVI. 373 S.o. S. 433. 374 ASP I/37, c. CXLVI, CXLVII. 375 ASP I/37, c. CXLVII.

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Herzogs Philippe de Bresse! Hier, wo schon die Lyoner Medici-Bankiers 1494/95 Zuflucht gefunden hatten, fand Naldini vom 28. September bis Mitte Oktober 1497 eine erste Bleibe; dort wird er in jenen Tagen aber auch Lorenzo Spinelli angetroffen haben, der den kranken Herzog besuchte – beide werden es nicht versäumt haben, sich von Naldini über das Geschehene unterrichten zu lassen. Am Tag seiner Ankunft ließ dieser sich jedoch als erstes vom Rat der Stadt wiederum seine Anwesenheit bescheinigen. Durch Matteo Alamanni – offenbar ein enger Verwandter des wie Naldini in der Florentiner Medici-ErbenBank tätigen Domenico Alamanni – ließ er das Zertifikat nach Florenz zu Giovanni Franceschi bringen.376 Naldini war den Medici nun enger denn je verbunden: Giuliano de’ Medici schrieb in Brescia am 2. und 16. Oktober 1497 zwei seiner Exilsgedichte.377 Den Ufficiali dei ribelli zu gehorchen, war eine Aufgabe; eine andere lag darin, die Bestimmung der in Italien deponierten Juwelen aus dem Medici- bzw. Tornabuoni-Schatz zu regeln. Dies erfolgte durch und in Abstimmung mit Gianbattista Bracci, mit dem Naldini in ständigem Kontakt blieb. Bracci schrieb ihm in dieser Angelegenheit am 4. Oktober 1497 einen Brief, den er Naldini über Stefano, einen von der Signoria in Lucca besoldeten Reiter, nach Chambéry überbringen ließ, wo Naldini ihn am 13. Oktober in Empfang nehmen konnte. Offenkundig war der Generaldirektor der Medici-Gesellschaft demnach weiterhin in Lucca geblieben, wo ihm die Buonvisi, die ja an der Spitze der Regierung in Lucca standen, nun sogar städtische Bedienstete für seine Zwecke zur Verfügung stellten. Bracci beauftragte Naldini in seinem Brief, ihm (Bracci) alle Quittungszettel der deponierten Juwelen zu übersenden, ferner jedem einzelnen Depositar der Pretiosen zu schreiben, daß sie wegen der bei ihnen aufbewahrten Juwelen den Anweisungen und dem Willen der Gesellschaft von Benedetto Buonvisi in Lucca folgen sollten, die dann generell und letztendlich immer weiterhin in seinem, Naldinis Namen, handeln würde. Zugleich wurde er von Bracci gebeten, den Buonvisi zu erklären, sie sollten in dieser Sache Giovanbattista Bracci zu Willen sein, der demnach nun über die Buonvisi allein über die Juwelen verfügte – stets aber im Namen Naldinis. Dies galt für alle Juwelen bis auf den kleinen Ballas-Rubin mit dem geschätzten Wert von 100 Dukaten, der bei den Panciatichi bzw. bei Giunta di Marco Giunta lag, und bis auf die vier Juwelen der ehemaligen Schulterspange des Medici-Schatzes, also den balascio ciottolo grosso, den Diamanten und die zwei Perlen, die mit einem geschätzten Wert von 1.300 Dukaten bei den Sauli verwahrt worden waren und die Bracci und Buonvisi ausdrücklich auf Naldinis Namen weiterhin dort lassen wollten, bis sie von ihm (Naldini!) neue Anweisungen erhielten. Naldini stellte die entsprechenden Briefe am 13. Oktober 1497 in Chambéry aus – wobei er den Ghinucci, Sauli und Venturi explizit auf Buonvisis, den Panciatichi hingegen auf Braccis Willen verwies – und ließ sie mitsamt den Quittungszetteln durch den Luccheser Reitboten Stefa-

376 ASP I/37, c. CXLVII. 377 Vgl. Giuliano de’ Medici, Poesie, S. 25–27 (in Bressa; das nächste Gedicht schrieb er dann am

20.10.1497 in Mailand).

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no zu den Buonvisi bringen.378 Diesem gab Naldini freilich noch ein am 14. Oktober in Chambéry ausgestelltes Notarsinstrument mit, in welchem er Giovanbattista Bracci zu seinem Prokurator für alle ihn betreffenden Angelegenheiten bestellte.379 Bracci war es, der auch weiterhin die Richtung von Naldinis Weg bestimmte – nicht zuletzt weil er dessen geschäftliche Laufbahn keineswegs aufgrund des Exils als beendet ansah. In der Folge erhielt Francesco Naldini mehrfach Nachricht von Gianbattista Bracci, daß dieser wegen der Juwelen mit allem zufrieden sei. Besondere Erwähnung mußte freilich ein außergewöhnlicher Edelstein finden, weil dieser einen besonderen Weg ging. Er wurde als ‚das Juwel Lorenzos‘ bezeichnet. Bei ihm handelte es sich um den berühmten balascio nominato di Mantova im Wert von 500 Dukaten, den Lorenzo Tornabuoni dem Naldini am 1. Juli 1497 durch Bracci übergeben ließ – und zu dem man Anfang 1495 dem Juwelenjäger Ludovico Sforzas versichert hatte, er sei in Rom zersägt worden. Diesen berühmten Rubin hatte Naldini dann am 20. August 1497 zusammen mit den vier Juwelen der Spange bei den Sauli in Sicherheit gebracht. Als Prokurator Naldinis, der nominell ja immer noch für die Juwelen verantwortlich war und haftete, wurde Gianbattista Bracci ebenso wie sein Zögling wegen dieses Steins mit vielseitigen Forderungen konfrontiert. Am 6. August 1498 erhielt Naldini in Lyon einen am 30. Juli von Bracci geschriebenen Brief, in welchem dieser ihm mitteilte, daß il g[i]oiello di Lorenzo Tornabuoni den Syndizi der Güter des Tornabuoni auszuhändigen sei, womit Naldini von seiner persönlichen Haftung befreit sei. Dies geschehe auf Wunsch von Domenico Alamanni – dem ehemaligen ‚Minister‘ und Bürgen Tornabuonis, der nun als Vertrauter der zu Mündeln erklärten Söhne Lorenzos und seiner Erben agierte –, auf Bitte der Söhne selbst sowie derjenigen, die Tornabuonis Söhne ‚regierten‘, womit offenbar die bestellten Vormünder der Söhne des getöteten Rebellen gemeint waren. Am 25. August 1498 wurde Naldini dann ein Brief jener sindachi der Güter des Lorenzo Tornabuoni zugestellt, den ihr Notar Ser Francesco Sasolo verfaßt hatte; darin hieß es, daß sie jenes Juwel Tornabuonis von Benedetto Buonvisi zurückerhalten und nun Jacopo Salviati im Namen Naldinis überreicht hätten. Francesco Naldini sei somit von dem ‚Ballas-Rubin von Mantua befreit‘ worden, indem über diesen nun nach dem Willen Gianbattista Braccis verfügt werde.380 In Bracci selbst ist somit einer der sindachi dei beni des Tornabuoni zu erkennen, da diese ‚das Juwel des Lorenzo Tornabuoni‘ ja gefordert hatten. Jacopo Salviati gehörte zu ihnen. Am 26. Februar 1499 erhielt Naldini nochmals einen Brief von Domenico Alamanni, der sich wie die Söhne Lorenzo Tornabuonis über den bisherigen Vorgang zufrieden zeigte. Gianbattista Bracci informierte ihn ferner, daß Benedetto Buonvisi sich in Naldinis Namen mit den sindachi dei beni Lorenzos wegen jener 17 Mark geeinigt hätte, die er dem Naldini einige Tage vor dem 1. Juli 1497 gegeben habe, damit er sie in Buonvisis

378 ASP I/37, c. CXLIIII, CXLV, CXLVI, CXLVII (die entsprechenden Informationen sind in

verschiedenen „Erinnerungsposten“ enthalten). 379 ASP I/37, c. 147. 380 ASP I/37, c. 145, 147. Zu Bracci als einem der Syndizi und Kuratoren des Tornabuoni-Erbes

sowie seinen Kollegen s.u. S. 781–791.

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Namen für (profitable) Wechselgeschäfte (a cambio) einsetze. In Goldmark rechnete man in der Regel bei Wechselgeschäften zwischen Italien und Lyon, wobei die Mark meist 64 bis 65 Dukaten oder Fiorini larghi wert war. Buonvisi hatte für die (etwas mehr als 1.000 Fiorini betragende) Summe als Sicherheit die vier neu zusammengefaßten Juwelen erhalten, d.h. den balascio ciottolo mit 120 Karat, den balascio piano sowie die beiden Saphire, alle zusammen mit einem Wert von 1.400 Dukaten veranschlagt. Diese vier Juwelen, die als Pfand für jenes nicht weiter erklärte Wechselgeschäft dienten, seien ihm, dem Buonvisi, geblieben; in Naldinis Namen bewahre er sie auf und bewache sie und sie seien immer noch in Rom, wo er sie gelassen habe – also wohl bei Stefano Ghinucci. Naldini wollte sie vorerst dort aufgehoben wissen, um dem Wunsch der Söhne des Lorenzo Tornabuoni zu folgen. (Diese Schuld könnte durchaus konstruiert worden sein, um so den Besitz der Juwelen zu sichern.) Abschließend vermerkte Naldini zu dem ganzen Vorgang noch, daß er von den Syndizi der Güter Lorenzo Tornabuonis über Gianbattista Bracci 50 Dukaten für die Spesen seiner Romreise vom Juli 1497 erstattet bekommen habe, so daß er mit den 15 Dukaten, die Lorenzo ihm vorher gegeben hatte, 65 Dukaten für seine Auslagen erhalten habe – obwohl diese wesentlich höher gewesen seien; doch wolle er damit zufrieden sein.381 Kein Zweifel mithin: Nach der Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis befanden sich einige der kostbarsten Juwelen des Medici-Schatzes in der Obhut der führenden Personen der alten Medici-Erben-Bank und ihrer engsten Freunde, die zugleich das Erbe des Tornabuoni betreuten. Diese Juwelen waren weder verkauft oder zersägt worden – wie angeblich der berühmte Mantuaner Ballas-Rubin – noch lagen sie bei den Medici in Rom zur Erbauung in einer Vitrine. Sie sollten offenkundig wie bisher „arbeiten“, nämlich kraft ihres Wertes und Prestiges ökonomischen Zwecken dienen. Dafür sorgten immer noch Mediceer wie Francesco Naldini, Benedetto Buonvisi, Domenico Alamanni, Gianbattista Bracci und Jacopo Salviati, von denen wir die drei Letztgenannten eben auch als Sachwalter des Erbes von Lorenzo Tornabuoni und damit zugleich des Medici-Erbes identifizieren können. Wir werden uns insbesondere diesem Personenkreis der Syndizi der Güter des Lorenzo Tornabuoni und der seine Söhne betreuenden Männer noch näher zuwenden. Doch vorerst wollen wir auf Naldinis Lebensweg bleiben und schauen, wo er sein Exil suchte. Chambéry bildete nur eine Durchgangsstation für Francesco Naldini, denn einen noch besseren, für ihn geeigneteren Ort, einen Hort, wußte er in Lyon, wo er am 22. Oktober 1497 eintraf. Allem Anschein nach aber war er in Chambéry von Lorenzo Spinelli gleichsam abgeholt worden. Denn man mag kaum an Zufall glauben, daß dieser genau in jenen Tagen aus Chambéry nach Lyon zurückkehrte – davon hatte Zeno am 25.10. berichtet –, in denen Naldini dort seinen Verbannungsort fand. In Lyon wartete gleichsam ein großes, warmes Nest auf den Entwurzelten. Signifikant für die Struktur des Netzwerkes ist erneut der Name des Hausbesitzers, der den Florentiner Rebellen für die nächsten Monate auf381 ASP I/37, c. CXLIIII, 145 (auf c. 145 hatte Naldini eigens für Domenico Alamanni als Vertrau-

ten der Söhne von Lorenzo Tornabuoni einen gesonderten ricordo wegen der Juwelen Lorenzos verfaßt, wobei es eben tatsächlich in erster Linie um den sogenannten Mantua-Rubin ging).

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nahm: Bernardino de’ Rossi!382 Unter dem Namen dieses Mitarbeiters von Spinelli wurde in eben jenen Oktobertagen 1497 eine neue (aber nur gut ein halbes Jahr aktive) Bank in Lyon eröffnet, während Spinelli noch mit der geschäftlichen Hinterlassenschaft „seiner“ Lyoner Medici-Bank konfrontiert wurde – um nur wenige Monate später als Partner von Leonardo und Bartolomeo Bartolini, Bernardo de’ Rossi und weiterer Personen (wie offenbar Giovanbattista Bracci) die kapitalkräftige Bartolini-Rossi-Bank in Lyon zu betreiben. Es muß demjenigen, der die Geschichte bis hierher aufmerksam verfolgt hat, natürlich als purer Zufall erscheinen, daß der fast mittellos nach Frankreich gekommene Naldini ausgerechnet Lorenzo Spinelli, Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi als seine entscheidenden Lyoner Freunde namhaft macht. Diese Tatsache schuf ihm die Voraussetzung, um 1498 in seinem – ihm mittlerweile (wahrscheinlich von Gianbattista Bracci) aus Florenz nachgesandten – giornale vermerken zu können: Nota! ‚Dieses giornale ist durch mich, Francesco Naldini, in Florenz beendet worden, als ich wegen Gianbattista Bracci abreiste, und gegenwärtig wird es durch mich hier in Lyon, in Frankreich, fortgeführt.‘383 Francesco Naldini wird durch den Beistand seiner Freunde in Lyon einen wirtschaftlichen Erfolgsweg beschreiten. Er wird dabei weiterhin in engstem Kontakt zu Gianbattista Bracci stehen und gemeinsam mit ihm intensiv mit den Gesellschaften von Lanfredino Lanfredini – in der Bracci leitender Teilhaber war – sowie Alamanno und Jacopo Salviati (Ehemann der tapferen Lucrezia Salviati!) kooperieren. Sie alle werden eine große, mächtige und äußerst erfolgreiche neue Lyoner Gesellschaft kreieren – und diese Tatsache ist deshalb einen expliziten Hinweis wert, weil all diese Genannten, als Individuen wie als Gesellschafter, für die Medici während und nach dem Exil eine fundamentale Bedeutung hatten. Wenn wir daher abschließend bereits jetzt darauf hinweisen, daß gerade Francesco Naldini und Bernardo de’ Rossi nach der Exilierung der Medici einen erheblichen Anteil am Abschluß jener die Medici in den europäischen Hochadel katapultierenden Hochzeit zwischen Giuliano de’ Medici und einer savoyisch-französischen Prinzessin haben werden, wollen wir damit über den weiteren Weg Naldinis nicht nur Spannung für das spätere Kapitel wecken, sondern ebenfalls deutlich machen, daß auch die Viten dieser bisher unbeachteten Medici-Freunde ihren ganz eigenen Wert haben.384

3. 1498–1500: Frankreich als Antriebskraft a) Nach dem Desaster: Die Medici in Rom Nach den für die exilierten Medici desaströsen Ereignissen des Frühjahrs und Sommers 1497 scheinen die Aktivitäten der Medici zunächst äußerst verhalten gewesen zu sein. Piero de’ Medici hatte am 28. Juli an der Seite seines älteren Freundes Federico Sanse382 ASP I/37, c. CXLVII. 383 ASP I/37, c. 29. 384 Vgl. unten S. 630–638.

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verino, den er zu seinem neuen Ersatzvater gemacht hatte, Rom verlassen und war über das Orsini-Schloß Campagnano zu einem unbekannten Ort aufgebrochen. Vermutlich wollten sie, wie schon vorher mehrfach angekündigt, einige Zeit in dem auf OrsiniTerritorium gelegenen Kastell von San Lorenzo alle Grotte verbringen, welches der Sanseverino von Alexander VI. als Lehen erhalten hatte.385 Von dort aus werden sie den für den Festtag des 15. August (Mariae Entschlafung bzw. Himmelfahrt) geplanten Umsturzversuch in Florenz vorbereitet haben, der sich mit dem Verrat des Lamberto dell’Antella sowie den anschließenden Verhaftungen zentraler Medici-Anhänger allerdings in Rauch auflöste. Wie sehr die Festsetzung der fünf Getreuen die Kommunikation zwischen den einzelnen Mediceern lähmte, hatten wir bereits von Francesco Naldini gehört. Das römische Zentrum schien paralysiert zu sein; daß von ihm in jenen Wochen keine Gefahr ausging, demonstriert die Tatsache, daß selbst Alessandro Braccesi im August 1497 keinen einzigen Brief an die Dieci di Balìa schrieb. Allerdings korrespondierte er mit der Signoria, die ihn am 21. August über die Hinrichtung der fünf ‚Vaterlandsverräter‘ informierte.386 Aber danach ging er gegenüber den Dieci erstaunlicherweise mit keinem Wort auf die Exekution ein. Wer jedoch in Florenz glaubte, Pieros Attackierlust sei mit dem großen Blutzoll vom 21. August nachhaltig oder gar für immer erloschen, der sollte sich bald getäuscht sehen. Indes durfte man auch in allgemein menschlicher Hinsicht kaum annehmen dürfen, die Hinrichtung der Verwandten und Freunde habe in ihrer Unerbittlichkeit nicht zu entsprechenden Haßgefühlen auf Medici-Seite geführt. Wenn die Mediceer trotz dieses mehr als entmutigenden Desasters nicht in Apathie verfielen, lag dies nicht zuletzt an Federico Sanseverino, der erneut das Heft in die Hand nahm, zunächst jedoch im Interesse seiner Orsini-Freunde. Federico hatte im August 1497 als einer der Verantwortlichen für die Erstürmung der von den Colonna eroberten Torre Matthie maßgeblich zum Ursprung eines neuen bewaffneten Konfliktes zwischen den Orsini und ihren Erzfeinden aus dem Haus Colonna beigetragen.387 Neben dem Verlust zahlreicher Güter in Lazio lag ein Hauptmotiv in der Belehnung Fabrizio Colonnas mit den Grafschaften Tagliacozzo und Albe durch König Federico von Neapel am 6. Juli 1497. Dies führte dazu, daß Virginios Sohn Giangiordano und Paolo Orsini gemeinsam mit dem Kardinal Giambattista und dessen Bruder Giulio Orsini, Paolo und Franciotto Orsini sowie den Conti, Vitelli und Baglioni einen monatelangen, heftigen Krieg gegen die Colonna und Savelli in Lazio begannen.388 Tatkräftige Unterstützung fanden die Orsini in den Kardinälen Oliviero Carafa, Georg Costa, dem portugiesischen Erzbischof von 385 ASF, DBR 56, c. 107 (19.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom: Piero non stacha Sanseverino ...,

credo lui andrà con Sanseverino chi dice in queste terre delli Orsini et chi a sto. Lorenzo alle grotte); c. 130 (28.7.1497, Ders.: Questa mattina è partito di qui Sanseverino et fermarassi qualche giorno a Campagnano: et Piero è con lui). 386 Villari, Storia II, S. xlviii–l. 387 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 49f. 388 Vgl. Gregorovius, Geschichte III/1, S. 199; Regis Ferdinandi, S. 380, 388. Giangiordanos Bruder Carlo war schon am 31.3.1497 bei einer Niederlage der Orsini gegen die Colonna bei Monticelli in Gefangenschaft geraten.

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Lissabon, und eben Federico Sanseverino, die direkt an den Angriffen ihrer OrsiniFreunde teilnahmen. (Carafa war zudem ein Onkel von Francesco Orsini, Herzog von Gravina, und ein Freund des verstorbenen Virginio Orsini.389) Federico befand sich dann seit dem 14. August wieder in Rom, um die durch Bartolomeo d’Alviano vorgenommene Rückeroberung des Kastells vor dem Papst zu verteidigen und zu sichern.390 Dieser war zu einer Anerkennung dieser Eroberung jedoch keinesfalls bereit; statt dessen zitierte er die vier Kardinäle in den apostolischen Palast, wo sie sich am 26. August 1497 vor einem cholerisch tobenden Papst zu verantworten hatten.391 Federicos Plan, die bekannte Papsttochter Lucrezia Borgia mit dem Sohn seines Verwandten Antonello Sanseverino zu verheiraten, des Fürsten von Salerno, der gerade damals wieder an die Spitze der aufständischen profranzösischen Barone getreten war, tat ein übriges, um den Papst zu erzürnen.392 Niederlagen scheiden bekanntlich oft und so erstaunlich klar wie schnell die guten von den schlechten, die wahren von den falschen Freunden. Als ein solcher zeigte sich neben dem Papst auch der Herzog von Mailand, Ludovico Sforza, mitsamt seinem Bruder Ascanio. Bereits Mitte August 1497 mußte Federico Sanseverino über Kardinal Ascanio Sforza die Anordnung seines Herrn Ludovico Sforza zur Kenntnis nehmen, er und Luigi Becchetti sollten sich jeder Hilfe für Piero de’ Medici enthalten. Gegen alle Evidenz behauptete der Sanseverino jedoch, nie die Florentiner angegriffen zu haben; vielmehr habe er sich über diese zu beklagen, hätten sie doch in den vergangenen Tagen einen seiner bei Poggibonsi verletzten Kapläne gefangengenommen und ins Gefängnis gesteckt.393 Selbst mit seinen Familiaren beteiligte sich der Kardinal also aktiv an den Restitutionsversuchen der Medici – und trotz aller Gehorsamsbeteuerungen gegenüber seinem Sforza-Herzog dachte er nicht daran, seinen Einsatz für die Medici zu verringern, zu verschleiern oder gar zu beenden. Als die Mediceer dann in den folgenden Wochen und Monaten mehr und mehr auf Venedig, den Erzrivalen Mailands, setzten, sollte die Distanzierung der Sforza zu den Medici und dem Sanseverino noch erheblich an Gewicht und Schärfe gewinnen. Federico Sanseverino aber wurde für die angeschlagenen Medici mehr denn je zu einem Fels in der Brandung. Ein aufgeregt besorgter Alessandro Braccesi mußte bereits am 4. September 1497 aus Rom melden, Federico Sanseverino habe über Freunde in Siena die Zusammensetzung der neuen Signoria von Florenz erfahren. Er befinde sich derzeit mit Piero de’ Medici bei Carlo und Giangiordano Orsini in Bracciano, wo sie jeden Tag neue Pläne schmiede389 Vgl. De Maio, Savonarola, S. 32, Anm. 27, S. 49, Anm. 53. 390 ASM, SPE, Roma 122 (15.8.1497, Stefano Taverna aus Rom an Ludovico Sforza). 391 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 49f. 392 Zur Intention des Sanseverino: ASM, SPE, Roma 122 (20.8.1497, Ascanio Sforza aus Rom an

Ludovico Sforza: El serenissimo Re Federico ha mandato qui Bernardino Bernando el quale me ha exposto come la praticha proposta dal reverendissimo Cardinale Sanseverino de maritare Madonna Lucretia fiola de la Santità de Nostro Signore al fiolo del principe de Salerno non li poteria essere più molesta et iudicarla cosa pernitiosissima quando succedesse, ne conoscere alcuna altra de questa sorte ...); zur Politik des Antonello Sanseverino: Regis Ferdinandi, S. 420f. 393 ASM, SPE, Roma 122 (20.8.1497, Ascanio Sforza aus Rom an Ludovico Sforza).

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ten.394 Bis weit in den November hinein durfte Braccesi immer wieder vermelden, daß sich Piero und Federico so gut wie nie trennen würden und sich – nicht ohne Teilnahme Oliviero Carafas – nahezu ständig in Bracciano oder anderen Orsini-Besitzungen, manchmal auch in Rom, aufhalten würden. Neue Hoffnung weckten neben der Unterstützung Sienas, wo Antonio Maria Sanseverino mittlerweile eingetroffen war, Angebote aus Venedig und – letztlich ohne Fundament – nochmals Mailand. Ein umfassend nützliches Fördermittel bestand darin, die finanzschwachen Orsini, insbesondere Carlo Orsini und Bartolomeo d’Alviano, mit lukrativen Soldverträgen der Republik Venedig versehen zu lassen. Auch zu diesem Zweck sandte Piero seinen Cousin Giulio de’ Medici Anfang November in die Lagunenstadt. Daß solche condotte schon kurz darauf, wie Giovanni de’ Medici in Rom verkünden konnte, sehr realistisch wurden, schrieb man freilich der maßgeblichen Initiative, der extrema opera, des Federico Sanseverino zu.395 Gegen Ende November 1497 brachten befreundete Mächte wieder Dynamik in die Vorbereitungen der Medici, unter Beteiligung altbekannter Namen. Die Ohren der römischen Medici-Feinde registrierten wiederum Ungeheuerliches. Braccesis Informant aus dem römischen Dominikanerkloster von Santa Maria sopra Minerva (quello amico della Minerva), der ihm auch als Kurier diente, raunte ihm und Antonio de’ Pazzi am Morgen des 20. November in einer Kapelle der Minerva-Kirche zu, Piero de’ Medici habe Antonio di Bettino da Ricasoli mit einem Eilauftrag nach Siena geschickt, von wo er verkleidet und ebenso schnell mit Raffaele Petrucci – bekannt als Protonotar, nunmehr Bischof von Grosseto – zurückgekehrt sei. Dem Bernardino del Fede habe der Ricasoli dann die Hand berührt, um ihm zu versichern, daß die Sache seines Patrons Piero de’ Medici gut vorangehe, bald kehrten sie alle nach Florenz zurück, a casa. Leonardo di Zanobi Bartolini und Giuliano Ridolfi, der ehemalige (oder noch immer) Leiter der neapolitanischen MediciFiliale, würden hingegen, so jener amico Braccesis, mit wohlfeilen Versprechungen Geld organisieren. Piero sei gestern, also am 19. November, aus Bracciano nach Rom ins Haus von Federico Sanseverino gekommen, wo er ihn, den Dominikaner, zu sich gerufen habe, um ihm zu schmeicheln, ihm baldige Aufträge anzukündigen und sein Vertrauen auszusprechen.396 Dieser Spitzel verfügte also über einen vertraulichen Zugang zum MediciKreis, der ihm erst die für die Medici-Feinde so wichtigen Kenntnisse aus diesem Zentrum ermöglichte. Was der Spitzel nicht wußte, war hingegen das konkrete Verfahren, mit welchem Leonardo Bartolini Geld für Piero de’ Medici gewann. Er mag verschiedenartige Mittel angewandt haben; eines aber kennen wir, da wir für jene Jahre noch dem Weg der kostbaren Mantuaner Kameen folgen können, die Leonardo im Mai 1496 bei Agostino Chigi als eine seiner Sicherheiten für dessen Kredit eingesetzt hatte. Spätestens Anfang Dezember war der Medici-Bankier in der Lage gewesen, zumindest die antiken Kameen als Pfand auslö394 ASF, DBR 56, c. 136 (4.9.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 395 Vgl. ASF, DBR 56, c. 137, 145, 152, 160, 169–172 (9.9.–11.11.1497, Alessandro Braccesi,

Rom). 396 ASF, DBR 56, c. 173 (20.11.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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sen zu können, denn am 6. Dezember 1497 wußte Floramonte Brognolo, ein Beauftragter des Mantuaner Markgrafen Francesco II Gonzaga, Erstaunliches über den Verbleib dieser Kostbarkeiten zu berichten. In Rom entdeckte er, daß ein gewisser Leonardo Bartolini die 20 Silberschalen – er sprach allerdings von 22 tavole di arzento – und den Silberspiegel mit den in sie eingearbeiteten antiken Kameen in seiner Hand halte und daß er sie mit Winkelzügen an verschiedene Kaufleute und Goldschmiede in Rom verpfände, um daraus Kapital für Piero de’ Medici zu schlagen. Wie Leonardo dabei jedoch im einzelnen finanztechnisch vorgehe, sei nicht zu erfahren, denn ‚Personen dieses Schlages wollen nicht, daß man ihre Taten kennt – wegen des Zinswuchers und der illegalen Kontrakte‘! Sowohl Piero als auch der Kardinal Giovanni de’ Medici waren in dieses verschwiegen unzugängliche Gewebe eingeweiht, und beide lehnten den vom Mantuaner Markgrafen gewünschten Verkauf der Kostbarkeiten ab. Offenkundig konnte ihr Hausbankier zu lukrativ mit ihnen arbeiten, weshalb Francesco Gonzaga sich bis 1499 auch vergeblich um sie bemühte – und ihr Verbleib bis heute ungeklärt bleibt.397 Mit dem Botschafter Venedigs hielten Piero de’ Medici und Federico Sanseverino jeden Tag parlamenti, im Haus Sanseverinos oder auf der Jagd in der Nähe von Sankt Paul vor den Mauern, begleitet von einigen Sienesen, während Luigi Becchetti beim Papst für die Medici und Orsini wirke, natürlich nachts, wie er es bei ‚skandalösen‘ Vorhaben stets zu tun pflege. Über ihre Pläne erfahre man weniger als sonst, da sie vorsichtiger seien; doch Piero halte sich nun häufiger in der Öffentlichkeit auf, allerdings unter besserer Begleitung als früher, da er jetzt stets zehn bis zwölf Reitknechte um sich habe. Vom Bankier Salvi Borgherini erfuhr man (wahrscheinlich wegen dessen Freundschaft mit den Medici nicht persönlich, sondern über einen Dritten), daß Piero 40 Soldaten nach Piombino und in die Maremma geschickt habe, von wo aus sie gegen Florentiner Stellungen vorgehen sollten.398 Mitte Dezember kam dann Antonio Maria Sanseverino, ebenfalls verkleidet, aus Siena für einige Tage nach Rom, wo er im Haus seines Bruders Federico wohnte, wohin dann auch der venezianische Botschafter gebeten wurde. Von Pieros Auf397 Brown, Lorenzo de’ Medici and the dispersal, S. 100–103 (noch im Dezember 1498 ließ Nofri

Tornabuoni über seinen Beauftragten, den Florentiner Donato Bonsi, in Mantua über den Kauf der Pretiosen verhandeln, wobei es offensichtlich zu keinem Ergebnis kam; interessant ist Nofris Hinweis, daß diese Angelegenheit mit dem Verkauf bestimmter Gegenstände – vermutlich Juwelen – an gewisse ultramontane, sicherlich aus Frankreich stammende Fürsten in einem Zusammenhang stand). Als in die heimlichen Finanzierungsmachenschaften Bartolinis involviert, hob Brognolo explizit den aus Siena stammenden Kaufmann und Bankier Jacopo de’ Bertini hervor; er wird von 1504 bis 1506 für 4.000 Kammerdukaten die stadtrömische, der Apostolischen Kammer unterstellte gabella Studii pachten und wird in diesem Zusammenhang als socius et institor seines Landsmannes Stefano Ghinucci bezeugt, der wiederum wie gesehen einen Teil der von Francesco Naldini in Sicherheit gebrachten Juwelen aus dem Medici-Schatz für die Mediceer aufbewahrte – ein weiteres schönes Beispiel, wie sich das klandestine Finanzierungssystem der Mediceer in einem engen Netz befreundeter Bankiers vollzog. Zu Bertini als Pächter vgl. Guidi Bruscoli, Papal Banking, S. 154f. 398 ASF, DBR 56, c. 176–177, 180 (25.11. bis Anfang Dezember [der undatierte Brief c. 176 rekurriert auf ein Essen Pieros mit dem venezianischen Botschafter am Abend des Festtags des Hl. Andreas, also am 30.11., einem Donnerstag], Alessandro Braccesi, Rom).

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enthalt im Sanseverino-Haus glaubte Braccesi gar nicht mehr sprechen zu müssen – denn dieser halte sich üblicherweise dort auf. Auf Mailands Hilfe durften die Medici jedoch nicht mehr rechnen. Ihr Projekt, die Orsini in venezianische Dienste zu bringen, rief bei Venedigs Rivalen, dem Moro, heftige Klagen über Piero de’ Medici hervor. Des Sforza Bruder, der Kardinal Ascanio Sforza, ging sogar soweit auf Distanz, daß er Pieros Tod wünschte und größtes Mißfallen über das Verhalten seines ehemaligen Freundes Federico Sanseverino äußerte.399 Denn gerade dessen Handeln orientierte sich trotz aller gegenteiliger Beteuerungen gerade nicht am Interesse des Hauses Sforza, sondern an dem seiner Freunde und Verwandten, der Häuser Medici und Orsini. Als es jedoch zwischen diesen beiden um ein Haus in seiner eigentlichen Bedeutung ging, wurden latente Spannungen offenbar und real, die auch das Netzwerk prägten. Spannungen unter den Mediceern und der Verlust des Hauses am Campo dei Fiori Sichtbar wurde dieser erstaunliche Konflikt beim Verkauf des von Kardinal Giovanni de’ Medici bewohnten Orsini-Palastes am Campo dei Fiori, den Papst Alexander VI. bereits während seines Krieges gegen die Orsini vom Oktober 1496 bis zum Abschluß des Friedensvertrages im Februar 1497 für sich bzw. seine Klientel beansprucht hatte. Schon bevor Giovanni im März 1492 offiziell in das Kollegium der Kardinäle aufgenommen wurde, hatte Virginio Orsini Ende Januar 1492 durch seinen Sekretär Bartolomeo da Bracciano den Medici die Zusage gegeben, daß sie den Palast für den Kardinal erhalten würden. Den im Herzen Roms an der Nordostecke des Campo dei Fiori befindlichen Palast hatten die Orsini im Laufe des 15. Jahrhunderts erworben.400 Dieser sogenannte Palazzo dell’orologio war durch den Venezianer Francesco Condulmaro, der 1431 durch Papst Eugen IV. in den Kardinalat erhoben worden war, auf den Ruinen des antiken PompeiusTheaters erbaut, dann vom Kardinal Pietro Isvalies übernommen worden, bis ihn schließlich Virginio Orsini kaufte, von dessen Familie er über Umwege in den Besitz der Prinzen Pio von Carpi überging, unter deren Namen er heute bekannt ist. Als er Anfang 1492 Giovanni de’ Medici zur Verfügung gestellt wurde, mußte er erst renoviert und innen verschönert werden, um als repräsentative Residenz dienen zu können. Dabei wandte sich Bartolomeo da Bracciano direkt an diejenigen Medici-Mitarbeiter, die nun die praktischen 399 ASF, DBR 56, c. 202 (15.12.1497, Alessandro Braccesi, Rom: Per la mia de’ XIII dixi alle S.V.

come qui era venuto da Siena stravestito el Signore Antonio Maria da Sanseverino et così è la verità, et anchora non è partito: et tiensi el dì in casa del cardinale suo fratello, dove fu stamani lo imbasciatore Venitiano, di Piero non bisogna dire perché vi sta per lo ordinario. Ascanio Sforza wolle von ihm alles über Antonio Marias Schritte wissen, der sicherlich für Piero agiere. Et in su questo articolo mi dixe [Ascanios Bote Bartolomeo da Saliceto] che la Excellentia del Duca di Milano haveva scripto a Monsignore Ascanio lettere molto querule dolendosi molto expressamente di Piero che lui si facesse capo et instrumento di condurre li Orsini con Venitiani [was unterbunden werden sollte], ... et infine mi certifico che il vicecancellario vuole mal di morte a Piero et che li modi di Sanseverino non li potrebbono maggiormente dispiacere.). 400 Vgl. Picotti, Giovinezza, S. 331–333; zum Palast vgl. ferner Gregorovius, Geschichte III/1, S. 296 (Buch 13, Kap. 7), 331.

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Arbeiten zur Herrichtung des etwas heruntergekommenen Palastes zu organisieren hatten: Nofri Tornabuoni und Leonardo di Zanobi Bartolini.401 Es scheint, als habe die 1497 erlittene schwere Schlappe der Medici dazu beigetragen, daß sie nun auch auf dem elementaren Feld der Unterkunft eine herbe Niederlage einzustecken hatten. Mit einem Notarsakt vom 30. September 1497 mußten die Medici das Orsini-Haus dem Kardinal Juan Borgia verkaufen, der nach seinem sizilianischen Erzbistum in der Regel Kardinal Monreale genannt wurde. Dabei half ihm der Orsini-Vertraute Jacopo Santa Croce, der für Virginios Sohn und Erben Giangiordano handelte.402 Dessen merkwürdiges, ganz im Gegensatz zu seinem Vater distanziert-ablehnendes Verhalten gegenüber den Medici wird aus einer anschaulichen Episode deutlich, die Alessandro Braccesi den Dieci di Balìa am 11. Januar 1498 schilderte. Im apostolischen Palast habe er am Abend jenes Tages den Kardinal Monreale getroffen, der ihn spöttisch tadelte, ihm noch nicht gedankt zu haben, daß er den Medici-Kardinal aus seinem Haus am Campo dei Fiori entfernt habe.403 In Einzelheiten schilderte der Borgia dann Braccesi, wie Giovanni de’ Medici sich gewehrt und welche ‚Spielchen‘ er veranstaltet habe, um nicht ausziehen zu müssen. Instruktiv ist Borgias Schilderung von Giangiordano Orsinis Verhalten bei diesem Kraftakt. Gezielt hatte Giangiordano sich Piero de’ Medici als Hebel gesucht, um gegen die Interessen seiner Medici-Verwandten denen der Borgia dienen zu können. Um Piero mit einem ‚Leckerbissen‘ zu ködern und ihn so in seinem wie Giovannis Namen dem Verkauf des Hauses zustimmen zu lassen, habe er ihm 600 Dukaten von jenen 3.000 Dukaten versprochen, die der Borgia für das Haus bezahlen wollte. Piero habe daraufhin eine schriftliche Bescheinigung Giangiordanos wegen jener 600 Dukaten verlangt. Diese erhalten, habe er sich so sicher gefühlt, daß er in den Verkaufsvertrag eingewilligt habe – in seinem eigenen Namen und als Generalprokurator Giovannis und Giulianos, ad omnes actus quantumcumque preiuditiales. Als Piero dann aber seine versprochenen 600 Dukaten verlangte, hielt ihn der Orsini hin, er bekomme das Geld, sobald das Haus wie gefordert leergeräumt sei. Als der Borgia schließlich einziehen konnte und Piero erneut auf die Auszahlung der Summe drängte, machte sich Giangiordano über ihn lustig, indem er von 401 Vgl. ASF, MAP CXXIV, doc. 36 (25.1.1491/92, Leonardo Bartolini, Rom, an Piero da Bibbiena

in Florenz: Bartolomeo da Bracciano, omo del Signore Virginio, habe ihm wegen der Übertragung der chaxa des Campo dei Fiori per lo nostro reverendissimo cardinale Bescheid gegeben); ausführlicher zur Verschönerung des Hauses: MAP CXXIV, doc. 68 (21.1.1491/92, Nofri Tornabuoni, Rom, an Piero da Bibbiena; gedruckt bei Picotti, Giovinezza, S. 680f.): Zusammen mit Leonardo Bartolini und Andrea Cambini organisierte Nofri Tornabuoni den Kauf des für einen Kardinal adäquaten Hausrats. Bemerkenswert ist die in beiden Briefen bezeugte Kooperation mit der Medici-Bank in Lyon, die offensichtlich vor allem Luxusgüter besorgen sollte wie z. B. Teppiche (tapezzerie) oder eine camera bella, die in Rom nicht zu erhalten war. Nach Picotti, Giovinezza, S. 332, habe Giovanni de’ Medici den Palast aber nicht gekauft, offenbar auch nicht gemietet, sondern sei dort „nur“ Gast der Orsini gewesen. Später muß es jedoch eine vertraglich geregelte Übereignung gegeben haben. 402 Vgl. Aurigemma, Case di fiorentini, S. 499–503. 403 ASF, DBR 53, c. 55 (11.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom).

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Piero forderte, ihm das Geld zu leihen. Denn Piero bettele ja zu jedem Preis um Geld, und er, Giangiordano, wisse, wenn Piero es in seinen Händen habe, werde er es innerhalb eines Abends verspielen! Piero sei, so nun wieder Braccesi, über diese Brüskierung durch seinen nahen Verwandten dermaßen entrüstet gewesen, daß er fortan niemals mehr nach Bracciano gegangen sei. Der Kardinal Monreale beklagte sich beim Florentiner Gesandten anschließend noch, daß Giovanni und Piero de’ Medici das Orsini-Haus bis auf die letzten Türklinken ausgeplündert hätten, um ihn so wie Giangiordano zu schädigen, den sie alles Beschädigte auf dessen Kosten reparieren ließen. Diese Gemeinheit werde in ganz Rom als große Schande der Medici mißbilligt. Die näheren Umstände dieses Hausverlustes bringen in der Tat einige Differenzen ans Licht, über die Braccesi ausführlich am 18. Oktober 1497 berichtete.404 Wenige Wochen nach Abschluß des Vertrages befand sich Piero de’ Medici vom 14. bis zum 19. Oktober in Rom, von wo er damals noch nach Bracciano zurückreisen wollte. Das Haus am Campo dei Fiori konnte in jenen Tagen also noch nicht geräumt gewesen, Piero konnte von Giangiordano Orsini noch nicht vorgeführt worden sein. Mit wenigen Pferden kam damals auch Giovanni de’ Medici wegen seines ehemaligen Hauses nach Rom, dessen Verlust ihn in übelste Laune versetzte. Denn einen solchen Platz zu verlieren kostete den Kardinal über die damit verbundenen Entbehrungen und Beeinträchtigungen hinaus zu viel Reputation. Die Tatsache, daß sein älterer Bruder Piero dem Vertrag als Prokurator des jüngeren Giovanni zugestimmt hatte, daß er ihn bei einem Prestigeobjekt gleichsam entmündigt hatte, um einen persönlichen Vorteil bei den Orsini zu erlangen, führte zu einem großen Streit zwischen den beiden Brüdern. Viele ‚befremdliche‘ Worte fielen danach zwischen ihnen. Giovanni ließ wegen jener Sache eigens nach Giuliano schicken (der sich wie gehört in der Lombardei aufhielt). Allgemein wurde befunden, den Mediceern habe Piero durch sein Verhalten instruktiven Aufschluß über sein ‚Gehirn‘ gegeben. Giovanni de’ Medici sah sich nun gezwungen, für sich und seinen Kardinalshaushalt ein neues, seinem Status genügendes Haus zu finden. Er bat daher sowohl Paolo Orsini, dessen Haus im Orsini-Komplex auf dem römischen Monte Giordano mieten zu dürfen, als auch den Kardinal Giambattista Orsini, ihm sein Haus zur Miete zu überlassen. Beide schlossen ihn allerdings aus, so Braccesi in seinem Brief vom 18. Oktober 1497. Einige Wochen später müssen die Orsini aber doch noch den Bitten des Medici nachgegeben haben. Denn am 11. Januar 1498 berichtete Braccesi bereits, Piero de’ Medici halte sich tagsüber auf dem Monte Giordano auf, entweder im Haus des Paolo Orsini, in welchem er wohne, oder in dem von Giovanni de’ Medici; nachts gehe er dann meistens zu Federico Sanseverino, seinem ‚einzigen Refugium‘ – das sich ja unweit entfernt in der Via dei Banchi befand.405 Die beiden ungleichen Brüder wohnten demnach nun getrennt in zwei

404 ASF, DBR 56, c. 160 (18.10.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 405 ASF, DBR 53, c. 55 (11.1.1497/98, Alessandro Braccesi aus Rom: ... Delli andamenti di Piero

al presente non si intende alcuna cosa. Et come dixi per altra [lettera], di qui non si parte punto, et il dì si tiene in Montegiordano tra nella casa del Signore Paolo dove habita et quella del cardinale suo. Et la sera di nocte el più delle volte se ne va da Sanseverino, suo unico refugio.).

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Häusern innerhalb der mächtigen römischen Orsini-Mauern. Allem Anschein nach hatte Piero als Ältester und als Familienoberhaupt mit Erfolg das bessere Haus von Paolo Orsini für sich gefordert. Der Zwist zwischen ihm und Giovanni hatte nun also auch seinen räumlichen Ausdruck gefunden. Der Kardinal wird erst im Jahr 1503 – an dessen Ende Piero sterben wird – den vermutlich repräsentativeren, aber noch keineswegs prachtvollen Palazzo des Sinulfo di Castell’Ottieri zwischen der Kirche San Eustachio und der Piazza Navona mieten, den er 1505 durch seinen Bruder Giuliano und seinen Neffen Lorenzo di Piero für 10.000 Dukaten kaufen und später ausbauen ließ und der seit 1871, als Palazzo Madama bekannt, den Senat der italienischen Republik beherbergt.406 Nicht zufällig lag er an der Flanke der französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi: Die Wahl einer solchen Immobilie stellte – gerade auf der exponierten Bühne der politischen Topographie Roms – ein Bekenntnis dar. Neben der seit ihrer Jugend manifesten Animosität zwischen dem präpotenten Piero und einem nicht mit dessen körperlichen Vorzügen ausgestatteten Giovanni, der aber vor allem kraft seiner geistlichen Würde Respekt verlangte, ist die zwischen Giangiordano Orsini und Piero im Kontext des Hausverkaufs ersichtliche Aversion hervorzuheben. Sie führte nicht zu einer völligen Entfremdung zwischen dem neuen Orsini-Oberhaupt und Piero oder gar allen Medici, doch aus Giangiordanos Verhalten und Äußerungen läßt sich eine nicht zu verleugnende Rivalität zwischen ihm und Piero ablesen. Der Orsini wird in den folgenden Exilsjahren die Medici ebenfalls unterstützen, doch niemals in jener unbedingten Weise wie sein Vater Virginio. Es dürfte nicht abwegig sein, die Ursache für Giangiordanos Boshaftigkeit gegenüber Piero in dem nahezu symbiotischen Verhältnis zwischen diesem und Virginio zu sehen, das sich wie ein ideales, ein musterhaftes VaterSohn-Verhältnis gestaltete, durch welches sich im Gegenzug Virginios eigener Sohn zurückgesetzt gefühlt haben dürfte. Der Konflikt zwischen Giangiordano und Piero hatte also höchstwahrscheinlich sehr persönliche Ursachen. Gegeneinander werden sie nicht agieren, dafür sorgte neben ihrer Verwandtschaft und ihren gemeinsamen Verwandten und Interessen auch eine sie verbindende Übermacht, Frankreich, das dann beide Familien nicht ohne Eigeninteressen stärker mit Venedig verketten wird. Darüber hinaus haben aber auch schon die seit Anfang November 1497 einsetzenden intensiven Bemühungen Piero de’ Medicis und Federico Sanseverinos, den Orsini (zum Nutzen der Medici!) Soldverträge der Venezianer zu verschaffen, gezeigt, daß die Umstände des Hausverkaufs zwar das (bereits gespannte) Verhältnis zwischen Giovanni und Piero de’ Medici sowie das zwischen Piero und Giangiordano Orsini getrübt haben, ganz gewiß aber nicht das der Mediceer zum großen Haus Orsini!

406 Vgl. Frommel, Der Römische Palastbau, Bd. 2: Katalog, S. 227f.; Aurigemma, Case di fiorenti-

ni, S. 499–503; Fumagalli, Sogno, hier S. 95f.

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Parteienkonflikte in Rom Giovanni de’ Medici ist von Dezember 1497 bis Mai 1498 wieder verstärkt seinen Aufgaben als Kardinal der römischen Kurie nachgekommen, wo er an der Seite Federico Sanseverinos zahlreichen zeremoniellen Verpflichtungen beiwohnte.407 Die gerade auch bei solchen Anlässen zu beobachtende demonstrative Bezeugung tiefer Freundschaften zeigte sich beispielsweise am 19. April 1498, als der neapolitanische Kardinal Oliviero Carafa Rom Richtung Neapel verließ, begleitet vom Kardinal Francesco Piccolomini. Denn Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino, die Freunde Carafas, denen er so oft geholfen hatte, gaben ihm ein eigenes Geleit; beide erwarteten ihren Freund Carafa und den Piccolomini in der Nähe des bei Santa Sabina jenseits des Tibers gelegenen Gartens, den einst der verstorbene Kardinal und Erzbischof von Rouen Guillaume d’Estouteville besessen hatte. Und auch bei Carafas Rückkehr am 29. Januar 1499 nahmen der Medici und Sanseverino ihn mit dem Kardinal Giambattista Orsini bei der porta s. Pauli in Empfang – einer jener äußerst vielsagenden, symbolkräftigen Auftritte, standen sie alle doch bekanntermaßen und aktiv sowohl im Lager der Orsini als auch Frankreichs.408 Bei der am 2. Mai 1498 in der Sixtinischen Kapelle gefeierten Totenmesse für den verstorbenen König Karl VIII. gehörten Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino zu den 18 Kardinälen, die einen erkennbar unwilligen Papst begleiteten, während sich bei den am 10. Mai 1498 in der Kirche des französischen Hospizes in Rom gefeierten Exequien für den König von Frankreich nur fünf Kardinäle einfanden: Jean de Bilhères-Lagraulas, Juan Lopez, Giuliano Cesarini sowie der Medici und der Sanseverino!409 Die in solchen Auftritten demonstrierte Zugehörigkeit zu bestimmten Lagern entsprach durchaus einer in Rom weitverbreiteten und damals offenbar intensivierten Abgrenzung der Parteien. Papst Alexander VI. hatte den Kauf des Orsini-Medici-Hauses am Campo dei Fiori ja nicht nur (und vielleicht nicht einmal in erster Linie) durchgesetzt, um Giovanni de’ Medici zu schaden, sondern um auf diese Weise die Präsenz der Borgia in jenem Teil der Stadt zu verstärken. Auch auf der gegenüberliegenden Seite des Campo ließ er in jenen Monaten an der Ecke zum Eingang der Via del Pellegrino (Via Peregrinorum), gegenüber dem Palazzo von Raffaele Riario (der heutigen Cancelleria), sein 407 Zu den Zeugnissen für die Zeit von Dezember 1497 bis Mai 1498 vgl. Johannis Burckardi Liber

notarum I, S. 650f.; II, S. 18, 41, 60, 63, 68, 76, 79, 89–91 (zusammen nahmen sie beispielsweise am 9. Dezember 1497 an den Begräbnisfeiern für den verstorbenen Kardinal Gian Giacomo Schiaffenati, Bischof von Parma, teil; gemeinsam erlebten sie auch die Mitte Dezember 1497 erfolgende Kardinalserhebung von Ippolito d’Este und die Exequienfeier für den Kardinal Schiaffenati in der Kirche der Augustiner – weitere Akte sind noch zu nennen). 408 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 89 (am 21.4.1498 zählten beide zur Begleitung des Papstes, als dieser durch Rom ritt; ebd. S. 89f.), 125 (zum 29.1.1499). Am 3.1.1499 gehörte Giovanni de’ Medici übrigens zu den wenigen Kardinälen, die bei der Exequienfeier für Mariano da Gennazzano, Ordensgeneral der Augustiner-Eremiten und großer Gegner Savonarolas, anwesend waren; ebd. S. 123. Eine Selbstverständlichkeit gewissermaßen, denn dieser fra Mariano hatte zu den wichtigen klandestinen Helfern der Medici nach ihrer Exilierung gehört; s.o. S. 385. 409 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 90f.

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Wappen anbringen.410 Die symbolische Distinktion wurde freilich durch handgreifliche Auseinandersetzungen der Kontrahenten vertieft. Alessandro Braccesi berichtete den Florentiner Dieci di Balìa am 5. Januar 1498 von einem acto, offenbar einer Tätlichkeit, die der Mediceer Bernardo Accolti am 1. Januar gegen den Protonotar der Capponi, Guglielmo, verübt hatte.411 Betroffen waren bzw. fühlten sich von dieser zweifellos heftigen Auseinandersetzung gleich ganze Gruppen. Denn noch in der folgenden Nacht schickten zwei Borgia-Kardinäle, Cesare und offenbar der zweite Papstneffe Juan, ihre Familiaren mit einem Großteil der päpstlichen Wache und dem Bargello zum Haus des Rota-Auditors Piero Accolti, dem ebenfalls als MediciAnhänger bekannten Bruder Bernardos, um an beide Brüder Hand anzulegen.412 Allerdings fanden sie keinen von beiden mehr vor, denn den Tumult hörend war Piero Accolti in das Haus von Raffaele Riario geflüchtet, während Bernardo in dem von Federico Sanseverino Sicherheit suchte. In Gefahr waren sie tatsächlich, denn die Wut der Spanier war derart groß, daß sie das verrammelte Eingangsportal, sodann innerhalb des Hauses die Türen aller verschlossenen Kammern und Zimmer und schließlich dort einige Kassen und Tresore aufbrachen. Wenn der Leiter der Unternehmung, ein Bischof, den Spaniern nicht Einhalt geboten hätte, hätten diese in ihrer Raserei das ganze Haus Piero Accoltis ausgeplündert. Von jener Attacke gegen den Capponi müssen sich also die zur Borgia-Kurie gehörenden Spanier bis ins Mark verletzt gefühlt haben. Deshalb kam es selbst einige Wochen später nochmals zu einem lebensbedrohenden Angriff der Spanier auf Bernardo Accolti. Als dieser sich am Abend des 23. Januar 1498 auf der Via de’ Pontefici (so nannte Braccesi die Via Papalis), die in Höhe des Hauses von Federico Sanseverino in Banchi (Via dei Banchi) beginne, auf einem giannetto und begleitet von vier Reitknechten bewegt habe, sei er wiederum von einigen Spaniern der famiglia des Kardinals Juan Borgia angegriffen worden.413 Wäre Accolti nicht so gut beritten gewesen, hätte er ein schlechtes Ende gefunden; so aber konnte er sich erneut in das in der Nähe befindliche Haus des Sanseverino retten. Die Accolti-Brüder machten denn auch keinen Hehl aus ihrer Zugehö-

410 Aurigemma, Case di fiorentini, S. 499–503. 411 ASF, DBR 53, c. 27 (5.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom. Daß es sich bei dem Prothonota-

ro de’ Capponi um Guglielmo handeln muß, geht hervor aus Cerretani, Ricordi, S. 94; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 114). 412 Braccesi spricht nur von el cardinale Borges et Valenza; ASF, DBR 53, c. 27 (5.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom). Mit dem Erzbischof von Valenza ist zweifelsfrei der Papstsohn Cesare Borgia gemeint, mit dem Borges vermutlich der im Februar 1496 zum Kardinal erhobene Papstneffe Juan, da der gleichnamige, 1492 in der ersten Kardinalspromotion geehrte Neffe Alexanders gewöhnlich nach seinem Erzbistum Monreale genannt wird. Zu Bernardos Bruder Piero Accolti, seit 1489 Auditor des Kuriengerichts der Rota, vgl. etwa Picotti, Giovinezza, S. 344, Anm. 29 (schon 1490 als Medici-Getreuer an der Seite von Niccolò Michelozzi, Nofri Tornabuoni, Pierfilippo Pandolfini und anderer als Prokurator Kardinal Giovanni de’ Medicis); Frenz, Kanzlei, S. 423, Nr. 1844. 413 ASF, DBR 53, c. 98 (24.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom). Der giannetto oder ginnetto war ein aus spanischer Zucht stammendes kleines, sehr schnelles Reitpferd.

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rigkeit zur Medici-Partei; vor allem den Kardinälen Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino fühlten sie sich verpflichtet.414 In diesem Klima aggressiver Gereiztheit wurde nun auch der Florentiner Gesandte Alessandro Braccesi zum Opfer, natürlich von Seiten der Mediceer. Sie hatten unter seinen Denunziationen ja seit langem zu leiden, mit extremsten Konsequenzen. Obwohl Braccesi wiederholt um Geheimhaltung seiner Informationen gebeten hatte, konnte es angesichts der immer wieder erfolgenden Wahl von Medici-Vertrauten in die zentralen Florentiner Ämter nicht ausbleiben, daß die Betroffenen davon erfuhren. Seit Anfang Januar 1498 fühlte er sich in Rom so von den Mediceern bedroht, daß er sich in Absprache mit den Dieci di Balìa um Schutzmaßnahmen bemühen mußte.415 Er verließ nun nur noch in sichernder Begleitung sein Haus. Denn die Häscher von Piero de’ Medici rückten ihm immer wieder gefährlich nahe; zudem beschimpften sie ihn. Am 13. Januar 1498 hielt es Braccesi sogar für nötig, sich mit entsprechenden Instruktionen der Dieci di Balìa wegen dieser Bedrohung an seinen guten Bekannten und Helfer, den borgianahen Kardinal Juan Lopez, Bischof von Perugia, zu wenden.416 Dieser riet ihm, vor einer Klage beim Papst zunächst den genauen Sachverhalt zu erkunden. Im Auftrag Alexanders VI. sollte der Gouverneur von Rom, um nicht zuviel Aufsehen zu erregen, erst einmal nach (Pieros Diener und Kurier) Bernardino del Fede schicken, um diesem auch mit der Folter zu entlocken, was er mit den zwei weiteren Häschern Pieros bei seinem Hausbesuch Braccesis von diesem gewollt habe, ob sie irgendwelche ‚Rüpeleien‘ gegen ihn verüben wollten, mit welchem Auftrag und in welcher Absicht. Da jener Vorgang aber ohne Vorsatz erfolgte, ließ man die Angelegenheit auf sich beruhen.

b) König Ludwig XII. von Frankreich: Neue Dynamik in Italien – neue Hoffnung für die Mediceer Die Konflikte innerhalb der Mediceer-Verwandtschaft neutralisierten natürlich nicht die allen individuellen Händeln übergeordneten Ziele, für welche auch die einzelnen Kontrahenten an einem Strang zogen. Frankreichs und Venedigs Gunst konnte und sollte die Medici nach Florenz tragen, was wiederum den Mediceern insgesamt in vielfältiger Weise diente; doch auch einzelne Mediceer wollten von jenen beiden Mächten profitieren. Die venezianische Karte konnten die Medici und Orsini freilich erst so recht einsetzen, als sich die großen politischen Rahmenbedingungen mit entscheidenden Impulsen änderten. Diese entstanden in Frankreich, und sie werden die Medici mit wachsender Intensität wie durch einen Sog an das Herz der französischen Krone ziehen. Blicken wir auf den Ursprung dieses Prozesses. Als Karl VIII. am 7. April 1498 aufgrund einer Unfallverletzung überraschend und jung starb, folgte ihm mit Ludwig XII. jener Herzog Ludwig von Orléans auf den Thron, 414 Vgl. ASF, DBR 53, c. 78 (19.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom). 415 ASF, DBR 53, c. 27 (5.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom). 416 ASF, DBR 53, c. 58 (13.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom).

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den wir bereits häufiger in engeren Beziehungen zu den Medici und ihrem Freundeskreis sahen. Ludwigs Handeln und seine Interessen im norditalienisch-savoyischen Raum resultierten aus einem zentralen, geradezu archimedischen Punkt: Herzog Ludwig hatte über seine Großmutter Valentina Visconti, Tochter des ersten Herzogs von Mailand (1395), Gian Galeazzo Visconti, und Ehefrau des 1407 ermordeten Ludwig, Herzog von Touraine und Orléans (Bruder König Karls VI. von Frankreich), rechtliche und berechtigte Ansprüche auf das Herzogtum Mailand erworben, denn Gian Galeazzo Visconti hatte seiner Tochter Valentina den Titel des Herzogs von Mailand und das kaiserliche Vikariat vererbt sowie nicht zuletzt bereits 1387 als Mitgift die Stadt und den contado von Asti übertragen. Asti blieb ein Teil der Orléans-Herrschaft und bildete den topographischen Ausgangspunkt für den Griff auf das nahe Herzogtum Mailand.417 Mit dem schon bei der Thronbesteigung proklamierten Titel eines Herzogs von Mailand brachte Ludwig XII. allen Zeitgenossen unmißverständlich seinen seit langem gehegten Plan zum Ausdruck, das lombardische Herzogtum in seinen Besitz zu bringen und den „Usurpator“ Ludovico Sforza zu stürzen. Ludwig XII. fand mit Venedig und Papst Alexander VI. schnell zwei wichtige Verbündete, die entweder mehr aus territorial-machtpolitischen (Venedig) oder familiärdynastischen (Alexander VI.) Gründen dieses Vorhaben unterstützen wollten. Von größerer Bedeutung für unseren Kontext ist die Rolle Alexanders VI. Daß ausgerechnet dieser Papst und der französische König 1498 zu einer Allianz fanden, zeigt, wie wichtig beiden die jeweiligen Ziele waren, die alten Rankünen übergeordnet wurden. Ludwig XII. hatte zunächst zwei ganz konkrete Absichten, für die er den Papst benötigte: Dieser sollte ihm zum einen eine Dispens zur Scheidung von seiner verwachsenen, unfruchtbaren Ehefrau Johanna von Valois geben, der Tochter Ludwigs XI., die dieser ihm einst in der Hoffnung auf fehlende Nachkommen aufgezwungen hatte. Mit der kirchenrechtlich gültigen Ehescheidung wollte Ludwig dann Anne de Bretagne heiraten, die Witwe des verstorbenen Königs und Erbin eines bedeutenden, Frankreich immer noch fremden Herzogtums. (Diese Ehe war im übrigen bereits in jenem 1491 zwischen Karl VIII. und Anne de Bretagne geschlossenen Ehevertrag vorgesehen, der von Anne die Bereitschaft verlangte, stets Ehefrau des regierenden Königs von Frankreich zu sein und sich im Fall einer Witwenschaft nur mit dem Nachfolger oder nächsten Thronerben wiederzuverheiraten.)418 Das zweite fordernde Anliegen an den Papst bestand in dem roten Kardinalshut für Ludwigs Intimus Georges d’Amboise, den Erzbischof von Rouen. Am 13. September 1498 erhielt Ludwig die gewünschte Dispens, am 17. September das Kardinalat für den zweitmächtigsten Mann im Königreich, der – nicht zu vergessen – unserem Kardinal Federico Sanseverino damals wegen der Vereinbarung über Rouen zumindest partnerschaftlich, wahrscheinlich aber bereits freundschaftlich verbunden war.419 417 Eine gute Zusammenfassung findet sich bei Guicciardini, Storia d’Italia, S. 341–343 (IV/1); zu

Valentina Visconti vgl. etwa F. Autrand, Art. „Visconti, Valentina“, in: LexMa 8 (1997), Sp. 1726f. 418 Vgl. hierzu auch Bulst, Karl VIII., S. 369. 419 Zu Dispens und Kardinalserhebung vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 520f. Georges d’Amboise hat trotz seiner herausragenden Position bisher keinen Biographen gefunden; bei

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Doch Ludwig wurden diese Gnaden nicht ohne eine beträchtliche Gegenleistung gewährt. Von Beginn an lockte er diesen Papst mit einem Mittel, von dem er wußte, daß es fruchten würde: der Standeserhöhung des Papstsohnes Cesare Borgia und der Aussicht auf ein weltliches Territorium für diesen und die Familie Borgia. Das wirkte. Denn Cesare, dem Titel nach Erzbischof von Valencia und formal dem geistlichen Stand angehörend, wünschte seit längerem, in den weltlichen Stand zurückzukehren und sich so ein Fürstentum zu verschaffen. Dieses sollte eigentlich im Königreich Neapel liegen. Alexander VI. hatte zu diesem Zweck seine Tochter Lucrezia Borgia nicht, wie von Federico Sanseverino geplant, mit dem Sohn des Fürsten Antonello Sanseverino, sondern am 21. April 1498 mit Herzog Alfonso von Bisceglia verheiratet, einem illegitimen Sohn von König Alfons II. von Neapel. Cesare dagegen sollte Carlotta, die am französischen Königshof lebende Tochter des Königs Federico von Neapel heiraten. Heftiger Widerstand von Vater und Tochter bewogen den Papst in der Folge, seine Blicke nach Frankreich zu richten und die von dort kommenden Lockungen anzunehmen, obgleich er noch Anfang Juni den neuen König Ludwig vor seinen Ambitionen auf Mailand und das Königreich Neapel warnte. (Ein weiteres Motiv für seinen Allianzwechsel mag die ihm bedrohlich erschienene friedliche Einigung der Orsini und Colonna im Juli 1498 nach der Orsini-Niederlage bei Palombara gewesen sein, bei welcher die beiden Feinde die Entscheidung über die umstrittenen Grafschaften Tagliacozzo und Albe in die Hände des Königs von Neapel gelegt hatten, der dann am 3. Februar 1499 die Colonna mit ihnen belehnte.420) Im Juli und August 1498 wurde der Pakt geschmiedet. Als Konsequenz erklärte der Kardinal Cesare Borgia am 17. August im Konsistorium, daß ihn entgegen seinen stets weltlichen Neigungen nur der Papst, sein Vater, gezwungen habe, Geistlicher zu werden – nach Gregorovius das „vielleicht einzige wahre Wort, das er je gesprochen hatte“. Mit einem recht einzigartigen, unerhörten Vorgang stimmten die Kardinäle der gewünschten Aufhebung des klerikalen Standes und dem Verzicht auf das Kardinalat zu. Am gleichen Tag traf Louis de Villeneuve-Trans, der Gesandte Ludwigs XII., in Rom ein, um Cesare Borgia nach Frankreich zu begleiten. (Diesen Louis de Villeneuve hatten wir bereits als Freund von Antonello Sanseverino kennengelernt, werden ihn noch als solchen der Medici-Brüder wiedertreffen!) Denn zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, daß Cesare Herzog

Harsgor, Recherches, wird er zwar häufig erwähnt, doch als mit Abstand wichtigster Rat Ludwigs XII. erstaunlicherweise nicht systematisch behandelt; zu anderen Mitgliedern der Familie und zu dieser allgemein ebd. S. 918–981. 420 Vgl. etwa Buonaccorsi: [Juli 1498] Composono ancora fra loro e Colonnesi et Orsini e movimenti mossi come di sopra, per conto della contea di Tagliacozi et rimissono tutti li affari loro nel re Federigo di Napoli; Buonaccorsi, Diario, S. 78; zum kurialen Kontext vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 523. Dieser von Pastor vorgebrachte Beweggrund widerspricht allerdings der von ihm selbst beschriebenen Tatsache, daß es Alexander VI. war, der aufgrund der heftigen Kämpfe im Kirchenstaat eine Initiative zum Friedensschluß zwischen den Orsini und Colonna gestartet und damit den Kardinal Sanseverino beauftragt hatte. Doch hatte Alexanders im Juni nach Frankreich gehende Gesandtschaft unter anderem auch den Auftrag, vom neuen König eine Lösung der Orsini und Colonna aus französischen Diensten zu fordern; ebd. S. 520.

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des französischen Herzogtums Valence werden sollte.421 Dieses Bündnis zog sofort neue nach sich: Gegen den Papst schlossen sich die Sforza mit den Colonna und König Federico von Neapel zusammen. Die Medici-Verwandten aus dem Haus Orsini aber vertieften ihre Bindungen an Venedig und Frankreich nun ganz entscheidend; dieses Seil sollte sich mit schon bestehenden Freundschaftssträngen der Medici nach Frankreich in verstärkender Weise verflechten! Giangiordano Orsini in Frankreich Viel Aufsehen bei Zeitgenossen und Historikern fand die Reise des Cesare Borgia und seines Trosses nach Frankreich. Wochenlange Vorbereitungen waren notwendig, die wahnwitzige Summe von 100.000 Dukaten soll auf die Ausrüstung verwendet worden sein; in Samt und Seide und nach französischer Mode gekleidet, mit Gold und Edelsteinen geschmückt, die Hufeisen seiner Pferde aus Silber geschmiedet, kurzum: mit einem für die Betrachter maßlosen Luxus zog der Papstsohn wie ein König vom 1. Oktober bis zum 19. Dezember 1498 zum französischen Hof nach Chinon, wo er dem König die Bulle mit der Ehedispens und Georges d’Amboise den Roten Hut übergab. In Avignon hatte er Kardinal Giuliano della Rovere, den immer noch im französischen Exil lebenden Papstfeind – daran änderte auch eine vorübergehende Aussöhnung Giulianos mit Alexander VI. nichts – aufgesucht und war von ihm ehrenvoll empfangen worden, aber wohl mehr aus politischen Erwägungen als aus persönlicher Zuneigung.422 Von der Forschung kaum beachtet wurde hingegen ein illustrer Begleiter des neuen Herzogs von Valence. An dessen Seite befand sich während der ganzen Reise Giangiordano Orsini, der Sohn und Erbe Virginios.423 Welchen Zweck seine Anwesenheit bzw. sein Aufenthalt in Frankreich erfüllen sollte, wird aus den Quellen nicht unmittelbar ersichtlich. Es scheint, als habe der französische König ihn und das Haus Orsini noch stärker an die französische Krone binden wollen.424 Nicht für den Valentino, aber für diesen 421 Vgl. Gregorovius, Geschichte III/1, S. 200f.; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 521–524. 422 Vgl. Gregorovius, Geschichte III/1, S. 201f.; Pélissier, Sopra alcuni documenti (1894), hier bes.

S. 306f., 343–347; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 524f. (unkritische Darstellung der Verständigung zwischen Alexander VI. und Giuliano della Rovere). Am Königshof sollte die beabsichtigte Vermählung Cesares mit der neapolitanischen Königstochter Carlotta abgeschlossen werden, die dem Borgia Aussichten auf den Thron von Neapel eröffnete und die trotz formaler Zusage weder von Ludwig XII. noch vom Vermittler Giuliano della Rovere ernsthaft gewollt worden sein konnte. Der Valentino, wie er schon nach seinem Erzbistum, nun nach seinem Herzogtum genannt wurde, und sein Vater mußten sich denn auch mit einer Prinzessin zufrieden geben. Im Mai 1499 wurde die Ehe Cesares mit Charlotte d’Albret, einer Schwester des mit Katharina von Navarra verheirateten Königs Jean d’Albret, vollzogen. Zu dem weiter bestehenden großen Mißtrauen des Kardinals Della Rovere gegenüber dem Borgia-Papst vgl. etwa Pélissier, ebd. S. 331, Anm. 2, S. 338–341; zur Heirat Cesares vgl. auch: Ders., Alleanza (1895), S. 127–135. 423 Vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 118; Sanuto, Diarii II, Sp. 11, 111, 163; Regis Ferdinandi, S. 380. 424 In einem Brief, den Bartolomeo Saliceto und Marino Caracciolo, die mailändischen Botschafter in Rom, von dort am 14.9.1498 an Kardinal Ascanio Sforza schrieben, wird Giangiordano im

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Orsini wird Frankreich tatsächlich zur zweiten Heimat werden, mit beträchtlichen Konsequenzen für sein Wirken. Anfang Februar 1499 hielt er sich in der Nähe von Kardinal Giuliano della Rovere, dem nunmehrigen Protektor der französischen Angelegenheiten an der Kurie, und Kardinal Guillaume Briçonnet auf, da der Della Rovere ankündigte, mit diesen beiden von Frankreich nach Rom zu reisen.425 Der Plan wurde jedoch verworfen. In einem am 2. März 1499 in Blois geschriebenen Brief wußte man, daß Giangiordano vor einem Monat zu einer Besichtigungsreise in die Bretagne abgereist sei, von wo er dann nach London wollte.426 Im Mai 1499 muß er wieder in Frankreich gewesen sein, da die venezianischen Botschafter in Rom berichteten, Giangiordano Orsini habe das Königreich verlassen, um sich über Lyon, Mailand und Padua nach Venedig zu begeben. Von der Seerepublik erhoffe er sich Protektion und einen Soldvertrag, wie ihn sein Bruder Carlo habe.427 Denn Ludwig XII. wollte ihm nur unter der Bedingung Geld bzw. eine Rente geben, daß Giangiordano im Königreich bliebe, wozu dieser sich (noch) nicht bereit fand und weshalb er unzufrieden vorerst nach Italien zurückkehrte.428 Ein genauerer Blick auf Venedig wird uns nun wieder zu den Medici führen.

c) Die venezianische Karte Im November 1497 hatten Piero und Giovanni de’ Medici in Rom bereits verkündet, daß der (maßgeblich von Federico Sanseverino forcierte) Vertrag der Venezianer mit den Orsini unter Dach und Fach sei und daß damit ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Florenz beträchtlich gestiegen seien. Damals schon gab es Gerüchte, daß Frankreich trotz seiner Allianz mit Florenz dessen Ruin wolle, und daß sehr mächtige Leute am königlichen Hof die Medici unterstützten, ihnen ein Gelingen ihrer Pläne in Aussicht stellten.429 Die weiteren Gespräche zwischen Piero de’ Medici, Federico Sanseverino, den Orsini und

Vorfeld der Abreise als Begleiter Cesare Borgias erwähnt und als möglicherweise künftiges Mitglied des französischen Hofes: Poi venne ad dire dell’andata e spese grande ch’epso Valenza faria in Franza, e del signor Zo. Iordano, e de la rendita haveria lì de stato, pensione e conducta de gente d’arme, la quale faceva ascendere all summa de 40 milia ducati e che, mentre saria lì, in spese del vivere ne andariano circa 2 milia al mese; Pélissier, Sopra alcuni documenti (1894), S. 356–360, hier S. 359. Die konkreten Angaben sind auf Cesare Borgia bezogen worden, der allgemeine Status scheint jedoch auch schon für Giangiordano Orsini zu gelten. 425 Vgl. Pélissier, Sopra alcuni documenti (1895), S. 104f., Anm. 2. 426 Vgl. Pélissier, Documents relatifs, S. 123f. 427 Sanuto, Diarii II, Sp. 799f. 428 Dies geht aus einem Brief hervor, den Ascanio Maria Sforza am 4.5.1499 an seinen Bruder Ludovico schrieb und in welchem er Neuigkeiten der französischen Gesandten an der Kurie weitergab: Se intende etiam che Jo. Jordano Ursino, havendo domandato dinari al Re de Franza et essendoli denegati con dire che non vole spendere dinari fora del suo Regno, ha preso licentia da Sua Maestà et si e partito per venire in qua, malcontento; Auton, Chroniques I, S. 325f. Die Bitte um das königliche Plazet zum Verlassen des Landes legt ein bestehendes Dienstverhältnis nahe. 429 ASF, DBR 56, c. 170 (8.11.1497, Alessandro Braccesi, Rom, eine Information des Ulisse da Fano weitergebend).

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den Venezianern wurden über den Dezember hinaus auch im Januar – als sich augenscheinlich erstmals auch der Florentiner Fedro Inghirami für die Medici an ihnen beteiligte – und Februar 1498 fortgeführt.430 Das kleine Medici-Rad bewegte sich freilich erst, als die großen Räder ihrer mächtigen Partner es aufnahmen und in Schwung brachten. Vorerst hieß es sich gedulden. Piero de’ Medici und Federico Sanseverino pflegten weiterhin ihr geradezu symbiotisches Freundschaftsverhältnis, immer wieder auch zum Vorteil ihrer Orsini-Freunde. Um die andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen der Orsini mit den Colonna zu einem Ende zu führen, sandte Alexander VI. im April 1498 Federico Sanseverino und Piero de’ Medici zu den Orsini, um sie zu einem Frieden mit ihren Feinden zu bewegen. Trotz der schweren Niederlage der Orsini bei Palombara am 12. April 1498 wurde dieser Friede erst im Juli geschlossen.431 Als Vermittler bei dem Friedensschluß fungierte einmal mehr Federico Sanseverino. Der Papst wußte natürlich, welchen Einfluß jener und sein Freund Piero de’ Medici bei den Orsini besaßen. Dieser als Partner der Medici (und Orsini!) stets ambivalente, gefährliche Papst war in dem neuen Bündnisdreieck zwischen Rom, Venedig und Frankreich sicherlich der fragilste Baustein, auf den die Medici setzen konnten. Zumal Alexander VI. seit dem April und Mai 1498 für sich kaum noch Anlaß sah, die zahlreichen Florentiner und sonstigen Savonarola-Gegner zu seinem und zum Nutzen der Medici gegen die Regierung in Florenz zu instrumentalisieren, da seinem Feind Girolamo Savonarola in jenen Monaten in Florenz der Prozeß bereitet und er anschließend hingerichtet und verbrannt wurde. Ein Interesse, die Medici wieder an die Regierung zu bringen, gab es für den Borgia-Papst erst, als diese politische Option mit Vorteilen für seinen Sohn Cesare zu verbinden war. Reelleren Rückhalt boten den Medici dagegen in Italien die Venezianer, die ja seit längerem die Medici verhalten unterstützt hatten, weil sie die Florentiner vor allem wegen Pisa schwächen wollten.432 Hatte Piero noch Ende März 1498 nach engen Konsultationen mit Pandolfo Petrucci und dessen engstem Ratgeber Ser Guido da Castello offenbar geglaubt, mit 430 Vgl. ASF, DBR 53, c. 62 (15.1.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom: ... sono stati veduti parlare

con Piero in casa Sanseverino, et messer Fedro [Inghirami] esser molto intrinsecho con questo oratore venitiano.); DBR 55, c. 29 (17.2.1497/98, Alessandro Braccesi, Rom). 431 Sanuto, Diarii I, Sp. 940; vgl. Gregorovius, Geschichte III/1, S. 199. 432 So sah es auch der mit Niccolò Machiavelli befreundete, zu den Medici feindlich eingestellte Biagio Buonaccorsi, der 1498 in die Florentiner Kanzlei eintrat und in jenem Jahr sowohl seine ‚Storia Fiorentina‘ als auch sein ‚Diario‘ begann, in seiner Geschichte von Florenz: Era in questo tempo [Juni 1498] a Venetia Piero de’ Medici quale faceva intendere a quella Signoria havere parte in Firenze et intelligentia grande, cercando che li facessino favore et lo rimettessino in stato et così si intese havere deliberato quella Signoria con havere ricevuto da lui promesse assai della città: et tutto era facto da loro per divertire l’impresa di Pisa; Buonaccorsi, Diario, S. 77. Soweit Buonaccorsi im Folgenden zitiert wird, beziehen wir uns auf die in der Edition dem Tagebuch vorangestellte Florentiner Geschichte, deren Inhalt nur unwesentlich vom Text des Tagebuchs abweicht, aber in den uns interessierenden Angaben oft informativer und genauer ist als das ‚Diario‘. Das für ihr Bündnis mit Piero de’ Medici zentrale Eigeninteresse der Venezianer an Pisa wird auch in den in Machiavellis Nachlaß gefundenen Notizen für die Fortsetzung seiner ‚Florentiner Geschichte‘ hervorgehoben; vgl. Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 143.

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Sienas Hilfe diesmal ohne Soldaten sein Ziel erreichen zu können, so erwies sich diese Hoffnung bald als illusorisch.433 Noch im Juli 1498 sah sich ein in Rom lebender Freund der Medici veranlaßt, deren Freunde in Siena aufzufordern, Piero de’ Medici bei seiner Rückkehr nach Florenz zu helfen.434 Ohne die Truppenhilfe einer großen italienischen Macht war für den Medici nichts zu erreichen. Aber bereits im Juli 1498 wußte man in Mailand, die Venezianer hätten Befehl gegeben, Piero mit Geld für die Besoldung von Truppen auszustatten. Sollten die Venezianer aber wirklich einen Feldzug zur Restitution des Medici beginnen, so wollte der SforzaHerzog im Gegenzug persönlich den Florentinern beistehen.435 Die Venezianer ließen sich davon nicht irritieren, und so schlossen sich ihnen die Medici-Verbannten mit ihren Freunden an und kämpften nun vornehmlich im nordöstlichen und östlichen Florentiner Contado gegen die Söldner ihrer Heimatstadt, ohne allerdings jemals ernsthaft in die Nähe der Stadtmauer oder gar durch eines der Tore von Florenz gelangen zu können. Dabei fanden sie sich an der Seite ihrer Orsini-Verwandten wieder, fast möchte man sagen: von diesen getragen, denn Bartolomeo d’Alviano, Carlo und Paolo Orsini hatte im Sommer 1498 endlich den ersehnten Soldvertrag der Serenissima erhalten, die vorher bereits Virginios alten Rivalen Niccolò Orsini, den Grafen von Pitigliano, zu ihrem obersten Heerführer (Capitano generale) ernannt hatte – im November 1495 hatte diese Zeremonie Filippo da Gaglianos erzwungene Langeweile gelindert. Geld spielte überhaupt eine entscheidende Rolle. Mit ihm unterstützten die Venezianer im August 1498 mit Hilfe von Genueser Kaufleuten die Pisaner in ihrem Kampf gegen Florenz; gleiches taten Florentiner Bankiers, die Pisa, also ihrem offiziellen „Staatsfeind“, mit Krediten halfen – was Francesco Pepi, damals Florentiner Botschafter in Mailand, unglaublich erschien. Dies konnten nur Freunde der Medici gewesen sein. Vermutlich waren sie die gleichen, die Ser Piero Dovizi da Bibbiena in Venedig wöchentlich mit präzisen, innen- wie außenpolitischen Informationen aus Florenz speisten; Pepi warnte vor ihnen und empfahl, sie zu entlarven.436 Einer von ihnen dürfte Gianbattista Bracci geheißen haben, wie ein undatierter, über einen venezianischen Soldaten transportierter Brief des Giovanbattista al bancho an seinen socio und conpare (Freund oder ‚Kompate‘) Piero Dovizi in Venedig nahelegt, obwohl es in diesem lediglich um die Freilassung einiger Florentiner Kaufleute ging, die von der venezianischen Armee gefangengenommen worden waren.437 Diese Informationen würden zeitlich allerdings gut in die Monate nach dem August 1498 passen. Piero da Bibbiena wurde immer mehr zu einem zentralen Kno433 Vgl. ASF, SR 10, c. 35 (26.3.1498, anonymer Absender aus Rom, offenbar an einen Freund in

Florenz). 434 ASF, DBR 54, c. 35 (18.7.1498, Guidantonio Vespucci und Francesco Pepi, Mailand). 435 ASF, DBR 54, c. 35–37 (18. und 24.7.1498, Guidantonio Vespucci und Francesco Pepi, Mai-

land). 436 ASF, DBR 54, c. 63–64 (19.8.1498, Francesco Pepi, Mailand), c. 83–84 (9.9.1498, Francesco

Pepi, Mailand: wegen der Florentiner Informanten des Piero da Bibbiena, die man ausfindig machen müßte). 437 ASF, MAP CXXIV, doc. 176.

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tenpunkt im Netzwerk der Medici. Nicht nur, daß er ständiger Besucher der Signoria von Venedig war, daß er mit einem den Sforza abtrünnig gewordenen Mönch namens Lauro Bossi Pläne schmiedete; durch Dovizis Einfluß beabsichtigten die Venezianer sogar, den vor allem wegen seiner Artillerie gefürchteten Herzog von Ferrara zur Verteidigung von Pisa einzusetzen. Kein Wunder demnach, wenn Francesco Pepi, dem all dies aus der Lagunenstadt zugetragen worden war, der Florentiner Signoria mitteilte, sein Informant wundere sich sehr, warum die Florentiner den Dovizi nicht aus Venedig entfernen ließen (wobei er die Art und Weise offen, eine gewisse Sympathie für ein solches Vorgehen aber erkennen ließ).438 Geld aus Venedig wurde im August, im Vorfeld des Feldzuges gegen Florenz, auch nach Rom transferiert, das entweder der Papst oder Piero de’ Medici erhalten sollte.439 Vermutlich wurde der Medici damit ausgestattet, denn Ende August oder Anfang September verließ er Rom, während Federico Sanseverino – der sich beispielsweise auch in Siena zum Ärger seines Mailänder Herrn für die Medici-Sache einsetzte – und Giovanni de’ Medici gemeinsam bei Alexander VI. wegen Piero vorsprachen.440 Dieser ritt seit September 1498 zusammen mit seinem Bruder Giuliano für die Venezianer, von denen beide auch die kriegstaktischen Instruktionen erhielten. So sollte Piero mit venezianischen Truppen gegen Arezzo vorrücken, Giuliano hingegen an der Seite von Annibale Bentivoglio aus der Romagna durch das Tal des Flusses Lamone über das Mugello gegen Florenz oder Pistoia, wobei die Verbündeten stark auf Unterstützung in Florenz setzten.441 Ende September wußte man Giuliano und Piero mit den Venezianern bei bzw. in Marradi, wo sich Piero noch Anfang Oktober befand, um schließlich Ende jenes Monats Bibbiena zu belagern, im Casentino. Dank einer List gelang es Piero und gut 200 venezianischen Reitern, jenen Ort einzunehmen, aus welchem mit den Dovizi einige der wichtigsten MediciAnhänger kamen.442 Am 23. Oktober 1498 ritten schließlich Carlo Orsini und Giuliano de’ Medici mit 800 leichten Reitern in Bibbiena ein.443 Als Konsequenz verhängte die Florentiner Signoria, die Verbannung verschärfend, schon am 26. Oktober – wie drei Jahre zuvor – erneut ein Kopfgeld (tot oder lebendig war gleichgültig) von 4.000 Goldgulden auf Piero, von 2.000 Goldgulden auf Giuliano und bemerkenswerterweise von 200 Goldgulden auf Bernardo Dovizi da Bibbiena, dem man also konkrete Hilfe bei der Er438 ASF, DBR 54, c. 149 (10.12.1498, Francesco Pepi, Mailand); zur häufigen Präsenz Dovizis im

venezianischen Regierungs-palazzo vgl. auch ebd. c. 65 (21.8.1498, Francesco Pepi, Mailand). 439 ASF, DBR 54, c. 65 (21.8.1498, Francesco Pepi, Mailand). 440 ASF, DBR 54, c. 78–79 (4.9.1498, Francesco Pepi, Mailand); zu den Zurechtweisungen des

Sanseverino durch Ludovico Sforza vgl. auch ebd. c. 90 (12.9.1498, Francesco Pepi, Mailand). 441 ASF, DBR 54, c. 88 (11.9.1498, Francesco Pepi, Mailand); vgl. zeitübergreifend für September

bis Oktober 1498 die analogen Zeugnisse über Piero und Giuliano de’ Medici in den Missiven der Dieci di Balìa, in: Machiavelli, Legazioni I, etwa S. 26–29, 40f., 61, 87. 442 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 359–366, 381–384 (IV/3, 4, 7); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 5, 8f.; Parenti, Storia fiorentina II, S. 197–199; Pitti, Istoria fiorentina, S. 59. An den Kämpfen nahm auch Paolo Orsini teil; Regis Ferdinandi, S. 388. 443 Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 209 (nach chronikalischen Notizen aus der Hand eines Florentiner Kanzleimitarbeiters im Nachlaß Machiavellis).

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oberung Bibbienas nachweisen konnte; diese Entscheidung hatte Piero Corsini in jenem Gebiet publik zu machen.444 Weiterhin verlegten die Florentiner tatsächlich größere Truppenkontingente mit Tausenden von Soldaten ins Casentino und Mugello. Dabei kamen ihnen auch zwei Heerführer zur Hilfe, die eine sehr bemerkenswerte Konstellation bewirkten, welche wiederum nur durch die umfassenden politischen Verhältnisse zu verstehen ist. Ludwig XII. hatte von den beiden gleich nach seiner Krönung programmatisch getragenen Titeln eines Herzogs von Mailand und Königs beider Sizilien vor allem den ersten als erstrebtes und realistisches Ziel vor Augen. Seine mit dem Papst und Venedig schon 1498 erzielte Verständigung, die im Februar 1499 zu einer Allianz ausgebaut wurde, diente ihm allein zur Eroberung Mailands, sollte den Sturz des Ludovico il Moro erleichtern. Dieser setzte nun in seiner Not auf den – eben noch von ihm bedrohten – französischen Verbündeten Florenz, dessen Unterstützung er sich durch militärische Hilfe bei den Florentiner Kämpfen gegen Pisa und Venedig erhoffte. Deshalb beendete er seine janusköpfige Hilfe für die exilierten Medici, sandte statt dessen seine Offiziere Gianfrancesco Sanseverino und dessen Bruder Gaspare, il Fracasso, im Herbst 1498 zu den Florentiner Truppen, was zu jener merkwürdigen Fügung führte.445 Diese beiden Sanseverino sowie Piero und Giuliano de’ Medici, ihre Freunde und entfernten Verwandten, standen sich im Herbst und Winter 1498 also auf gegnerischen Seiten gegenüber; sie waren, dem Begriff nach, inimici, also Feinde, doch dies nur in einem sehr renaissancehaft-italienischen Sinn. Man versuchte, strategisch wichtige Positionen zu besetzen, man behielt sich im Auge, fing Briefe des Gegners ab – und behandelte sich respektvoll. Vorwurfsvolle Worte fand 444 Vgl. Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 211f. (aus eigenhändigen chronikalischen Notizen für

das Jahr 1498). Noch Anfang Dezember 1498 hatte der Florentiner Kommissar Piero Corsini die Aufgabe, den erneuten bando gegen die rebelli Piero und Giuliano de’ Medici öffentlich publizieren zu lassen; ASF, SR 10, c. 312 (7.12.1498, Piero Corsini, commissarius in provincia di Poppi: et circha al bando che V.S. mi commettano facci publicare contro a Piero et Giuliano de’ Medici nostri Rebelli, ne o facto fare tre copie secondo la forma che V.S. m’anno mandata et domani farò publicamente bandire in questa terra alla strada di castel sancto Niccolò, et a Pratovecchio et Porapicilarghi[?]). Piero Corsini wurde schließlich nochmals am 28.1.1499 von den Dieci di Balìa wegen des rinfreschare el bando di Piero et Giuliano de’ Medici instruiert; Machiavelli, Legazioni I, S. 139, Nr. 120. 445 Über die Aufenthaltsorte und Intentionen des Gaspare und z. T. auch die des Gianfrancesco, der meist nur il conte genannt wird, informieren am besten Fracassos Briefe an den Herzog von Mailand, von denen zahlreiche aus den Monaten September 1498 bis Februar 1499 in dem von Adami gedruckten Carteggio enthalten sind; vgl. Adami, Carteggio, S. 84, Nr. 94 – S. 155, Nr. 153. Beide Sanseverino sind auch erwähnt bei Guicciardini, Storia d’Italia, S. 360, 365 (IV/3, 4); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 9; Parenti, Storia fiorentina II, S. 199 (zu Fracasso auch S. 203–205 u.ö.). Der bei ihnen nicht notierte Aufenthalt Pieros Anfang Oktober in Marradi ist in einem Brief Gaspares zu finden, der erstaunlicherweise seinen Weg ins Archiv der Medici fand und von Adami nicht aufgenommen wurde. Hier berichtete Gaspare am 8.10.1498 aus Mutiliane (Modigliana, nordöstlich von Marradi), daß Piero mit den Venezianern Marradi verlassen habe und sich nach Brasighella begebe; ASF, MAP LXXXIV, doc. 212. Zur erzwungenen Anlehnung des Moro an Florenz vgl. auch Pitti, Istoria fiorentina, S. 61.

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Gaspare nicht für die Medici, sondern für die Florentiner, die wie immer zu spät und zu zögerlich kämen und ihn zu nichts anderem als zu Klagen zwängen.446 Im übrigen: Sein Bruder Federico Sanseverino wirkte in Rom weiterhin gemeinsam mit Giovanni de’ Medici nachhaltig für die Medici-Interessen, so etwa Ende November gegenüber Ascanio Sforza als des Moro Sachwalter in Rom; und sein anderer Bruder Antonio Maria beendete Mitte Dezember 1498 seinen Aufenthalt in Siena (wo auch seine Frau wohnte), um Anfang Januar 1499 in die Dienste der venezianischen Signoria einzutreten, mit deren Segen er nicht nur für Pisa und Piero de’ Medici kämpfte, sondern auch die (neue) Regierung in Siena mit Hilfe der zahlreichen nach Rom geflüchteten Sienesen zu stürzen trachtete.447 Kein Wunder, daß die Florentiner im März 1499 erfuhren, Fracasso habe die ganze Zeit insgeheim mit Venedig, den Orsini und Piero paktiert.448 Vorwürfe mußte sich freilich auch Piero de’ Medici gefallen lassen, und zwar von einem seiner engsten Verbündeten. Augenscheinlich war Piero mit der Kriegsführung doch einigermaßen überfordert. Ein von den Florentinern abgefangener Brief Carlo Orsinis vom 25. Dezember 1498 klärt uns auf. Aus Montalone schrieb Carlo, daß die Feinde mit ihren Führern Paolo Vitelli und Fracasso die Oberhand gewinnen und bald alle Orte zwischen ihm und Piero zerstören würden. Piero müsse nun endlich handeln und sofort mit starken Truppen und viel Verpflegung zu ihm stoßen. Er solle nicht mehr schlafen, sondern sich diesmal den Titel eines Magnifico erwerben und bewahren. Aus Liebe zu ihm, dem Medici, und nicht weniger durch ihren Dienst für die Serenissima seien sie in solch große Gefahr geraten, die sie gern tolerieren würden, wenn Piero nur jetzt entschieden das Notwendige tun würde. Wenn Piero nicht wenigstens dieses Mal entschlossen agiere, solle er jede Hoffnung fahren lassen, jemals in Florenz einzureiten! Wenn er aber Carlo und seine Leute mit Blick auf Ehre und Leben in dieser Gefahr lasse, könne er nie wieder auf sie rechnen! Folge er jedoch Carlos Ermahnung, werde man die Feinde vernichten, das Verlorene wiedergewinnen, und Piero könne bald sagen: ‚ich bin in Florenz in casa mia‘.449 Mag die Bedrohung in manchem genauso übertrieben gewesen sein wie die konkrete Erwartung, so zeichnet Carlo Orsini doch ein sehr eindrucksvolles und plastisches Bild eines im Kriegshandwerk unerfahrenen und viel zu zögerlichen Medici-Oberhauptes, das gerade durch seine Inkonsequenzen und Fehleinschätzungen die Freunde in Gefahr brachte. Sieht man sich die Quellen und einige Handlungsergebnisse an, gewinnt man allerdings auch den Eindruck, daß die alten Bündnis- und Familienstränge stärker trugen als die momentanen politischen Konstellationen. Die Florentiner hatten am 1. Juni 1498 für 446 Adami, Carteggio, S. 99, Nr. 110 (si può dire che erano ruinati tucti questi inimici che sonno de

qua et da lì se ne andavamo a Bibiena et se ultimava l’imprehesa; ma per essere questi signori Firentini tanto tardi et tepidi in tutte queste provixioni como sono stati sempre et mai ho facto altro che dolermi, me dubito che darano tanto tempo a li inimici ...). 447 ASF, DBR 54, c. 138–139, 153, 170–171 (1. und 19.12.1498, 3.1.1499, Francesco Pepi, Mailand). 448 Parenti, Storia fiorentina II, S. 244. 449 ASF, SR 10, c. 314 (25.12.1498, Carlo Orsini aus Montalone an Piero de’ Medici).

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ihre Kriege gegen Pisa Paolo Vitelli als Capitano besoldet,450 der Ende des Jahres zur Verstärkung der Truppen des Fracasso ins Casentino gesandt wurde.451 Wir erinnern uns, daß der Vitelli ein enger Freund und Verwandter der Orsini war und sich mit seinen Brüdern, den Herren von Città di Castello, auch als Freund der Medici erwiesen hatte, denen ihre Stadt wiederholt als Refugium dienen konnte. So verwundert es uns nicht, wenn Gaspare Sanseverino berichtet, Vitelli sei später als erwartet zu ihm gekommen, da er auf dem Weg noch mit Carlo Orsini gesprochen habe – mit seinem formalen Gegner somit, dem er dann aber um Weihnachten das Leben schwer machen mußte!452 Paolo Vitelli war es auch, der zusammen mit dem Florentiner Kriegskommissar Piergiovanni da Ricasoli dem für Venedig kämpfenden Herzog von Urbino, Guidobaldo da Montefeltro, und seinem Gefolge am 11. Februar 1499 ohne Rücksprache mit Florenz einen Geleitbrief gegeben hatte, damit sie das eingekesselte Bibbiena und das Casentino sicher verlassen könnten, da der Herzog einen lebensgefährlichen Gichtanfall hatte und medizinische Versorgung benötigte. Nicht in des Herzogs Gefolge, das Bibbiena unter der Aufsicht der Feinde verließ, befand sich jedoch – wie teilweise berichtet worden war – Giuliano de’ Medici, weil er gesund war. Er, der wie Piero ja seit Ende Oktober 1498 erneut (mit einem Kopfgeld von 2.000 Dukaten) als Rebell der Florentiner verurteilt worden war, blieb erstaunlicherweise noch bis in den April hinein in Bibbiena, wo er wiederum seine existentielle Situation auch durch Gedichte bewältigte, um dann Ende Mai 1499 mit einem weiteren Gedicht, in dem Amor nun die Hauptrolle spielte, seine Anwesenheit in Venedig zu bezeugen.453 In Florenz war man über das Verhalten des Ricasoli und des Vitelli, dem man eine geheime Verständigung mit den Medici und Petrucci (mit Recht) unterstellte, denn auch empört; und nachdem Paolo Vitelli ebenfalls vor Pisa nicht so kämpfte, wie man erwartete, wurde 450 Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 243. 451 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 364f. (IV/4). 452 Adami, Carteggio, S. 93, Nr. 104. 453 Zu Piergiovanni da Ricasoli vgl. Passerini, Famiglia Ricasoli, S. 157f. Fracasso berichtete Lu-

dovico il Moro am 12.2.1499, der Herzog von Urbino habe wegen seiner Krankheit am Vortag Bibbiena verlassen (dürfen) und äußerte dabei harte Worte über den Herzog, erwähnte aber nicht Giuliano de’ Medici; Adami, Carteggio, S. 138–140, Nr. 141. Laut Parenti hatte Giuliano de’ Medici Bibbiena erst am 25.4. verlassen (Parenti, Storia fiorentina II, S. 233, 255). Noch auf den 3. und 8.4.1499 datierte Giuliano in Bibiena zwei Gedichte, wobei er in dem ersten mit der Erwähnung des Simone, der einen anderen Weg genommen habe, vermutlich auf die Flucht und Exilierung Simone Tornabuonis anspielte, während er im zweiten sehr konkret durch Bezug auf die Trompeten, die Burg, den Hunger und den Belagerungszustand in Bibbiena die militärische sowie durch den Hinweis auf die Härte der (durch das Kopfgeld drohenden) Lebensgefahr (... Ma ti giuro / Che ’l periculo del capo è molto duro) auch seine persönliche Situation in sein Gedicht einbaute; vgl. Giuliano de’ Medici, Poesie, S. LXXVI–CXXVIII (die Insinuation des Herausgebers, Giuliano habe mit 20 Jahren doch wohl keinen Grund für seine Angst gehabt, sterben zu müssen, ignoriert freilich das auf Giuliano ausgesetzte Kopfgeld!), 43–45 (das nächste Gedicht schrieb er dann am 25.5.1499 in Venedig, wo er noch am 24.12.1499 und am 11.1.1500 Gedichte datierte; ebd. S. 56–59). Von einer Ausreise des Herzogs sowie Giulianos am 13.2.1499 sprach hingegen (irrig) Landucci; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 13f. und Kommentar. Von einem gemeinsamen Verlassen Bibbienas und des Casentino wollte auch Guicciardini wissen; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 383 (IV/7).

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ihm am 1. Oktober 1499 nach harter Folter auf der Turmgalerie des Palastes der Signoria in Florenz der Kopf abgeschlagen – nicht ohne große Verärgerung einiger mächtiger Personen des französischen Hofes.454 Wir aber wollen all dies als denkwürdiges Zeugnis für die Substanz des Netzwerkes von Freunden werten, das auch zeitweilige Positionen auf gegnerischer Seite aushielt – was sich gleichfalls bei Gaspare Sanseverino zeigte. Kurz vor Abzug des Herzogs von Urbino am 11. Februar 1499 hatte Piero de’ Medici einen trombetta des Herzogs zu Gaspare Sanseverino geschickt, um dem Sanseverino Giuliano zu empfehlen, d.h. den Fracasso zu bitten, Giuliano zumindest unbehelligt zu lassen, wenn nicht sogar zu beschützen.455 Fracasso bezeugt in seinem Brief vom 12. Februar erstaunlicherweise, Giuliano habe Bibbiena am 11. Februar in Begleitung des cavalero Ursino verlassen dürfen (vermutlich des damals dort befindlichen Paolo Orsini), im Austausch übrigens mit einem staphero, einem Reitknecht des Sanseverino namens Oliverotto. An dem ganzen Handel waren folglich nicht nur der Herzog von Urbino, Vitelli und Ricasoli beteiligt, sondern ebenso Gaspare Sanseverino, Piero de’ Medici und Giuliano selbst. Piero hatte dem Mailänder in jenem Vorgespräch seine Grüße ausrichten lassen und ihm etwas kryptisch mitgeteilt, daß er wegen Giuliano keine weiteren Anstrengungen mehr unternehmen müsse, da innerhalb von fünf Tagen alles erledigt sei. Dies wußte auch Fracasso nicht eindeutig zu deuten, der darin entweder die Aussicht auf einen baldigen Frieden sah oder eine Piero bekannte Ankunft des Grafen Gianfrancesco Sanseverino, die den Konflikt lösen würde. Wenn die Information über Giuliano stimmte – und Fracassos detailreiche Schilderung legt dies nahe –, dann hätte Giuliano bald darauf, spätestens jedoch Anfang April, erneut Bibbiena betreten, gleichsam unter dem Schutz seiner vorgeblichen Feinde! Am 22. Februar 1499 erschienen als Florentiner Gesandte die magnifici Antonio Canigiani und Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici, Lorenzino genannt, beide zugleich Kaufleute, im Feldlager des Gaspare Sanseverino, um diesem molte bone parole zu sagen und sich nach den Konditionen zu erkundigen, mit denen eine Erstürmung Bibbienas vermieden werden könne. Ob es an jenem Gespräch lag, das durchaus im Sinne von Piero de’ Medici war (für dessen Interessen sein Verwandter Lorenzo gewirkt haben dürfte, der sich seit 1497 des Mißtrauens der Medici-Feinde erfreute), oder ob es fehlende Finanzmittel und Kriegsmüdigkeit waren, Bibbiena wurde nicht erstürmt; der nach Pieve Santo Stefano abziehende Paolo Vitelli ließ nur wenige Soldaten als Bewachung Bibbienas zurück.456

454 Parenti, Storia fiorentina II, S. 303f. (da man wußte, daß Vitelli eng mit Piero de’ Medici und

den Pisanern paktiert und deswegen die Belagerung Pisas abgebrochen hatte, hielt man die Hinrichtung Vitellis für notwendig, um die Würde von Florenz zu wahren; dies forderte v. a. sein Erzfeind Jacopo Pandolfini); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 29f. (aus Briefen des Paolo Vitelli las man heraus, daß er zusammen mit Pandolfo Petrucci auch die Rückkehr Piero de’ Medicis vorbereitet hatte); Ammirato, Istorie fiorentine VI, S. 211f. 455 Adami, Carteggio, S. 141f., Nr. 142 (12.2.1499, Fracasso, ex plebe Sancti Stephani, an Ludovico il Moro). 456 Vgl. Adami, Carteggio, S. 150f., Nr. 150 (22.2.1499, Gaspare Sanseverino, Pieve Santo Stefano, an Ludovico il Moro); Guicciardini, Storia d’Italia, S. 383f. (IV/7).

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Dieses Unternehmen vom Herbst und Winter 1498/99 blieb doch recht erfolglos, brachte weder für die Medici noch für die Venezianer bleibende Vorteile. Leidtragende aber waren einmal mehr Florentiner Anhänger der Medici, die bisher noch nicht Strafen der Signoria erhalten hatten. Am 8. April 1499 wurde Marco di Bernardo di Marco Salviati, Marcuccio genannt, durch die Otto di Guardia e Balìa wegen Staatsgefährdung als Rebell verbannt, und es wurden folgerichtig seine Güter konfisziert, da er einen Soldvertrag der Venezianer angenommen hatte und auf der Seite Piero de’ Medicis bzw. für dessen Interessen kämpfte. Erstaunlicherweise hatte Marco Salviati 1496 und noch im Februar 1498 im Dienst der Florentiner Signoria als Offizier gedient. Doch da (nach Ansicht Parentis) Jacopo Salviati ihn auf die Seite der Medici zog, verdächtigte man ihn, für seinen Freund Piero de’ Medici zu handeln und entließ ihn, weshalb er nach Venedig ging und sich Piero offen anschloß. Dieser Vorgang erregte in Florenz großes Aufsehen, denn man vermutete, Jacopo Salviati und weitere Bigi, also Medici-Anhänger, hätten Marcuccio zu diesem Schritt bewegt, um Pieros Rückkehr zu unterstützen. Gegen die Intention der Signoria wurde Marcuccio schließlich durch die Otto als Rebell verurteilt und wurden seine Güter konfisziert.457 Schon im November 1499 erschien Marco Salviati freilich als Rebell wieder in Florenz: Auf Vermittlung von Alamanno Salviati hatte ihm die von dem Mediceer Gianbattista Ridolfi geführte Signoria einen Geleitbrief ausgestellt, um bestimmte Angelegenheiten regeln zu können. Anschließend ging er in den Dienst von Caterina Sforza, der Witwe des 1498 verstorbenen Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici und Herrin von Imola.458 Dank seiner mächtigen Verwandten konnte Marco die Signoria und den Großen Rat davon überzeugen, daß er niemals gegen die Regierung und seine patria gewirkt habe, so daß der Rebellenstatus aufgehoben und er nur für drei Jahre eine Verbannung außerhalb von Florenz und seines contado zu ertragen hatte, nach welcher er wieder in florentinischen Diensten zu finden ist.459 Wegen evidenter Teilnahme an den mediceischen Unternehmungen gegen Florenz wurde am gleichen Tag, dem 8. April 1499, noch gegen Andrea d’Alamanno de’ Medici, il Grasso, sowie gegen Simone Tornabuoni das Verbannungsurteil gesprochen. Sie wurden freilich Opfer einer anrüchigen Denunziation. Nachdem ein Mitglied des Hauses Orsini mit einigen Freunden in Florentiner Gefangenschaft geraten waren, hatten sie nach ihrer Freilassung in Siena über die vielen Anhänger Pieros in Florenz geplaudert. Dies nun hörte der Herzog von Ferrara, Ercole d’Este, schrieb darüber an die Florentiner Signoria, 457 Vgl. ASF, DBR 49, c. 228 (26.6.1496, Pagolantonio Soderini, commissario: man habe Marco

Salviati mit 60 compagni nach Bibbona [südlich von Livorno] geschickt); DBR 53, c. 287 (13.2.1497/98, Marco Salviati, ex Monte Choluoli); zu diesen Soldverträgen, seiner Freundschaft zu den Medici und seiner Verbannung: Parenti, Storia fiorentina II, S. 249f. Zum Urteil gegen Marco Salviati vgl. auch Guidi, Lotte II, S. 738, auf der Grundlage der Florentiner Akten. 458 Parenti, Storia fiorentina II, S. 313f. 459 Guidi, Lotte II, S. 738 (auch hier wiederum ohne Thematisierung des vorhandenen MediciBezugs). Die erneute Diensttätigkeit Marco Salviatis für Florenz ergibt sich aus einer Anordnung der Dieci di Balìa vom Februar 1503, nach welcher der bei Cesare Borgia befindliche Niccolò Machiavelli einen Brief der Dieci umgehend an Marco Salviati weiterleiten sollte; vgl. Machiavelli, Legazioni (a cura di F. Chiappelli) II, S. 385f.

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die sofort eine Untersuchung einleitete und Andrea de’ Medici sowie Simone Tornabuoni als Schuldige entlarvte.460 Simone, des Rebellentums angeklagt, soll darüber hinaus ziemlich genau ein Jahr zuvor, während der Tumulte bei der Verhaftung Savonarolas im April 1498, gemeinsam mit Vincenzo Ridolfi den mächtigen Francesco Valori ermordet haben, jenen Mann, der 1497 an vorderster Stelle und lautstark die Hinrichtung ihrer Verwandten Lorenzo Tornabuoni und Niccolò Ridolfi sowie der anderen drei verurteilten Medici-Freunde gefordert und durchgesetzt hatte.461 Man sollte solche Racheakte nicht lediglich als Ausdruck eines bleibenden Hasses singulär Betroffener werten, sondern viel grundsätzlicher als Symptom einer Verhärtung der Gegensätze zwischen den feindlichen Gruppen, die eben nicht allein die jeweiligen Individuen betraf. Die Reaktion der MediciFeinde in Florenz war gerade deshalb auch so schroff, weil man die Rache der Exilierten fürchtete; die Antella-Verräter hatten ja selbst dem milden Kardinal Giovanni de’ Medici die Aussage in den Mund gelegt, die Wut der rückkehrenden Medici würde weit furchtbarer ausfallen als nach der ersten Exilierung 1434. Damals hatte Cosimo de’ Medici kaum ein Jahr in Venedig als Exilierter leben müssen (Oktober 1433 bis September 1434), wohin er in kluger Voraussicht große Summen Geldes (ca. 15.000 Fiorini) hatte transferieren lassen.462 Mit diesem seinem Reichtum und einem gelassenen Abwarten, während dessen er auf eine gewaltsame Rückeroberung der Macht verzichtete, sich vielmehr betont als wahrer Patriot zeigte, sowie dem Glück, daß 1434 eine große Mehrheit von Medici-Anhängern in die Signoria gewählt wurde, erlebte Cosimo damals ein rasches Ende des Exils. Piero, dem das Vorbild seines Vorfahren mehrfach mahnend ans Herz gelegt worden war, besaß diese Geduld nicht, wie wir sehen; zudem konnte er wohl kaum über die immensen Geldreserven eines Cosimo de’ Medici verfügen, auch wenn seine Bankiers weiterhin für ihn – d.h. für die Medici-Sache, nicht seine Spiel- und Vergnügungssucht! – Profite erwirtschafteten, Kredite erschlossen oder alte Forderungen vitalisierten, wie noch 1497 durch Leonardo Bartolini bei Andrea Braghadini in Venedig. Doch die Medici besaßen auch Konten in Venedig, mit deren Einrichtung ihre Bankiers dem Beispiel Cosimo de’ Medicis gefolgt zu sein scheinen, wenn diese Medici-Konten nicht schon seit langem in der Markusstadt existierten. Doch welch ein Unterschied zeigt sich uns zwischen dem triumphal in Venedig empfangenen und aufgenommenen Cosimo de’ Medici und den exilierten Söhnen seines Enkels Lorenzo. 460 Machiavelli, Legazioni I, S. 569; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 17 (mit Datum

23.4.); Parenti, Storia fiorentina II, S. 249f. (hier wird irrig der Herzog von Mailand als Denunziant angegeben, der jedoch, wie auch Parenti wußte, den Krieg im Casentino absichtlich zuungunsten der Florentiner in die Länge hinauszögern ließ; in Verdacht gerieten auch Donato de’ Medici und Leonardo de’ Nobili, die jedoch freigelassen wurden). Auf diesen Vorgang bezog sich offenbar auch, wie bereits angesprochen, Giuliano de’ Medici in seinem am 3.4.1499 in Bibbiena geschriebenen Gedicht mit den Zeilen: E se ’l tempo a cambiar l’oro è ristretto, / Cagione è che Simone altra via prende, / Perché tale al buon tempo a pregio vende / Ch’al tristo non s’affronta al primo detto; Giuliano de’ Medici, Poesie, S. 43. 461 Vgl. auch Mecatti, Storia cronologica, S. 491. 462 De Roover, Rise, S. 54f. (u. a. transferierten die Medici auch 10.000 Fiorini nach Rom, dies alles gut ein halbes Jahr vor dem Schlag der Opposition); vgl. auch Kent, I Medici, bes. S. 58.

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Es sind schon mitleiderweckende Szenen, die uns die venezianischen Quellen schildern, Szenen, die überaus drastisch sowohl erniedrigende Abhängigkeiten als auch die erzwungene Passivität durch fehlende Handlungsmöglichkeiten vor Augen führen. Nachdem Piero de’ Medici schon am 6. März 1499 heimlich nach Venedig gekommen war, um (vergeblich) Subsidien wegen Bibbiena zu erbitten – Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino wirkten damals weiterhin in Rom, wo sogar das von Alexander VI. heftig dementierte Gerücht kursierte, dieser habe auf Drängen Giovannis Piero de’ Medici mit Geld unterstützt und die Pisaner zum Durchhalten aufgefordert463 –, erschienen im Mai 1499, wenige Wochen nach dem erfolglosen Feldzug im Casentino, Piero und Giuliano de’ Medici mit ihrem cuxin Franciotto Orsini im venezianischen collegio, der Regierungsversammlung.464 Piero bedankte sich artig beim Dogen für das, was Venedig für sie getan habe; er wolle dies bei Gelegenheit zurückgeben. Dann aber mußte er gestehen, daß sie sich in großen Schwierigkeiten, in calamità, befänden. Damit meinte er auch die neuen Exilierten, denn er empfahl dem Dogen einige florentinische Gefolgsleute, die im Exil seien, einen Salviati – dies kann nur Marco Salviati, il Marcuccio, gewesen sein – sowie einen weiteren – vermutlich Simone Tornabuoni oder ‚der dicke‘ Andrea de’ Medici – , die mit ihnen in Murano wohnten.465 Diese hatten sich also sofort nach ihrer Exilierung (wenn sie damals nicht schon außerhalb von Florenz oder dem Distrikt waren) Piero und Giuliano angeschlossen und müssen sich in beträchtlichen Nöten befunden haben. Denn nun kam Piero auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen: Geld. Den Dogen fragte er nach Geld vom Konto seines Bruders, des Kardinals! Dieser hatte also ein eigenes Konto in Venedig eingerichtet, über das Piero offensichtlich mit Genehmigung des Dogen hoffte verfügen zu können und über das Giovanni vermutlich im Winter 1498/99 die militärischen Aktionen Pieros und Giulianos finanziell unterstützt hatte.466 400 Dukaten hätten 463 Zu Piero: Pélissier, Documents relatifs, S. 124f.; zu Giovanni de’ Medicis angeblichem Einfluß

auf den Papst wegen der Geldzahlung für Piero de’ Medici vgl. ASF, DBR 54, c. 150–153 (11.5.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand); zu Giovanni und Federico Sanseverino im kurialen Umfeld: Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 129f. und 132 (beide gemeinsam bei der missa solemnis am 6. und 25.3.1499 in Santa Maria sopra Minerva), 134 (gemeinsam bei der Osterprozession vom 31.3.), 137 (gemeinsame Feier der missa solemnis vom 25.4.1499). Nach dem 25.4.1499 ist nach Ausweis von Burckards Protokollen zwar noch Federico Sanseverino, aber nicht mehr Giovanni de’ Medici an der Kurie nachzuweisen, doch befand sich auch der Medici bis zu seiner Abreise nach Venedig und Frankreich im Juli 1499 weiterhin in Rom. 464 Vgl. Sanuto, Diarii II, Sp. 719. Der aus dem Zweig der Orsini von Monterotondo stammende Franciotto di Organtino Orsini war ein Neffe von Lorenzo de’ Medici, somit ein Cousin seiner Söhne. Als Papst Leo X. wird Giovanni de’ Medici ihn 1517 zum Kardinal erheben. 465 Simone Tornabuoni hatte später gegenüber den Florentiner Gesandten in Mailand selbst bezeugt, nach seiner Verbannung nach Venedig gegangen zu sein – vom Hunger gejagt, wie er es begründete; vgl. ASF, SR 12, c. 191–192 (2.7.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand). 466 Dies legt eine Information des Gaspare Sanseverino vom 30.1.1499 nahe, der Ludovico il Moro berichtete: Man habe einem ihrer Kompanieführer 150 Dukaten gegeben, adciò che li inimici non se ne vagliano, perchè già ne hanno havuto 150 che se intende et ha per certo che praticano de havere per mezo del cardinale de Medici, quale intendendo che mandava uno Capitaneo

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sie bereits von Carlo Orsini erhalten und Bartolomeo d’Alviano wünsche, daß die MediciGruppe bzw. Piero von der venezianischen Signoria einen Anteil von seinem Lohn als Heerführer bekomme. Ferner erzählte Piero, wie man in Bibbiena das Haus seines Sekretärs Piero Dovizi – der in Venedig ja in hohem Ansehen stand – ruiniert habe. Der Doge antwortete mit guten Worten; man werde sehen. Tamen nihil ei datum fuit! Was zeigt anschaulicher als diese lapidaren Worte, dem Mittellosen sei jedoch nichts gegeben worden, und als die ganze Szenerie, wie abhängig dieser Exilierte – hier aber nicht anders als Giuliano – vom Wohlwollen der Mächtigen und Reichen gewesen war und wie herablassend, ohne wirkliches Interesse, die Venezianer sich ihm gegenüber verhielten bzw. verhalten konnten. Das betraf allerdings wohl weniger die Medici generell als vielmehr die Person Pieros, dessen Abhängigkeit vom Glücksspiel und generelle Leichtfertigkeit im Umgang mit Geld die Venezianer vermutlich nicht durch einen nicht autorisierten Zugriff auf das Konto seines besonneneren Bruders fördern wollten. Eine maßvolle finanzielle Hilfe wollte man ihm und seinem Bruder denn auch nicht verwehren. Die Signoria bot Piero und Giuliano für einen Monat eine Unterstützung von 100 Dukaten an, die nach Informationen des Florentiner Botschafters in Mailand von den Medici jedoch nicht akzeptiert worden sei.467 Ob dies zutraf, ob die Medici aus verletztem Stolz das in dieser Höhe als Almosen zu wertende Geldgeschenk ablehnten – Piero präsentierte sich nicht das letzte Mal als Bedürftiger in Venedig. Durch die reiche Lagunenstadt wurde den Medici gleichwohl bis zum Exilsende immer wieder eine nachhaltige Förderung zuteil; im Sommer 1499 aber wurde den Medici eben dort gleichzeitig auch ihr künftiger Weg gewiesen.

d) Von Venedig nach Frankreich Genau zu der Zeit, als Frankreich dem Herzog von Mailand langsam und zunächst unbemerkt das Tor zu seinem Herzogspalast zu versperren begann, da wurde den Medici durch den französischen König eine große Tür geöffnet. Man hatte auch in Florenz immer gewußt, daß die Medici am französischen Hof mächtige Sympathisanten besaßen; noch im November 1497 gewann man darüber erneut Informationen.468 Auf der anderen Seite mußten die Vertreter der Florentiner Regierung, also ihre Botschafter am Hof des Königs, erfahren, daß sie selbst dort den ‚höchstmöglichen Mangel an Freunden vorfanden‘ und wenige, ja vielmehr niemanden, dem sie ihre Intentionen intensiver anvertrauen könnten, ohne daß es der Florentiner Signoria zum Schaden gereichen würde.469 Nach dem ergebcum 100 compagni che è una bona compagnia, li ho mandato uno mio spagnolo incontra cum 100 ducati d’oro per condurlo de qua ...; Adami, Carteggio, S. 128f., Nr. 133 (30.1.1499, Gaspare Sanseverino, Pieve Santo Stefano, an Ludovico il Moro). 467 ASF, DBR 54, c. 162 (21.5.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand). 468 S.o. S. 474. 469 So exemplarisch ASF, SR 10, c. 235–236 (25.9.1498, Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini, della corte di Francia: ... trovandoci maxime scarsità di amici et pochi, anzi niuno con chi si potessi largamente confidare questo concepto sanza damno di V.S.).

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nislosen Feldzug der Medici und Venezianer gegen Florenz wurde den dortigen Machthabern seit dem Sommer 1499 rasch bewußt, daß nun Frankreich – ihr einziger Alliierter! – ihre Feinde mit festem Griff an die gallische Brust zog. Am Anfang waren es nur Gerüchte, die das Unfaßbare möglich erscheinen ließen. Ende Juni erzählte man den Florentiner Gesandten in Rom, Giuliano de’ Medici sei von Venedig nach Frankreich gegangen. Auf die Frage, wie er das mailändische Territorium passiert habe, sagte man, der Herzog habe es erlaubt.470 Am 13. Juli 1499 meldete Gianbattista (di Luigi) Ridolfi aus Venedig, ihm erzähle man ständig, Giuliano und Piero seien beide im Begriff, nach Frankreich zu reiten, um den König aufzusuchen.471 Zur gleichen Zeit streute der Medici-Kreis – namentlich Paolo [Orsini?], Federico Sanseverino und ein Kaplan Giovanni de’ Medicis – in Rom das Gerücht, der Herzog von Mailand unterstütze die Medici mit 10.000 Dukaten, um sie durch Sieneser Truppen, die man bereits aushebe, nach Florenz führen zu lassen; Bernardo da Bibbiena sei zu diesem Zweck von Venedig nach Siena gereist, ebenso selbst Piero de’ Medici, der darüber hinaus noch in Perugia und Rom gewesen sei; und Kardinal Giovanni wolle sich mit seinem älteren Bruder deswegen treffen.472 Übermittler solch beunruhigender, Florenz verstörender Nachrichten war der Florentiner Botschafter in Rom, Antonio Malegonelle. Mit ihm gelang es den Mediceern, einen erklärten Anhänger Pieros in dieses wichtige Amt zu befördern.473 Giovanni hatte Mitte Juli 1499 tatsächlich Rom verlassen, doch nicht, um einen Ort in Mittelitalien, sondern um seine Brüder in Venedig aufzusuchen. Vermutlich hatte ihn Bernardo da Bibbiena zum Aufbruch bewogen, der am Abend des 10. Juli mit einem Eilritt aus Venedig in Rom eingetroffen war.474 Am 14. Juli 1499 verließ der Medici-Kardinal mit 14 Pferden die Ewige Stadt, doch mit keiner anderen Absicht, als über Venedig den König von Frankreich aufzusuchen. Sein Vertrauter Luigi de’ Rossi, der zu seinen 14 Begleitern gehörte, berichtete dies freimütig in Venedig, wo sie am 25. Juli eingetroffen waren.475 Gianbattista Ridolfi, ein zentraler Mediceer im übrigen, trug nicht allein diese aufregende Nachricht nach Florenz, sondern entzog auch allen Spekulationen über die Sieneser Basis den Boden. Piero und Giuliano seien ununterbrochen in Venedig gewesen, wo sie auf Murano wohnten – bei ihrem treuen, aber gerade in jenem Jahr den Bankrott seiner Bank erleidenden Freund Girolamo Lippomano476, bei dem sich ja auch Pieros Sohn Lorenzo befand – und wo

470 ASF, SR 11, c. 266–267 (28.6.1499, Antonio Malegonelle und Francesco Gualterotti, Rom). 471 ASF, SR 12, c. 113–115 (13.7.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 472 ASF, SR 12, c. 151–152 (15.7.1499, Antonio Malegonelle, Rom), c. 153 (17.7.1499, Ders.), c.

102 (20.7.1499, Ders.). 473 Vgl. Parenti, Storia fiorentina II, S. 234, wo es anläßlich der Wahl Malegonelles heißt: Avendosi

etiam a fare lo scambio di messer Francesco Gualterotti imbasciadore a Roma, feciono messer Antonio Malegonnelle, homo tutto della casa de’ Medici e massime dell’ stato di Piero: il che molto dispiacque alli inimici di Piero detto. 474 ASF, SR 12, c. 146–147 (11.7.1499, Antonio Malegonelle, Rom). 475 Vgl. ASF, SR 12, c. 36–38 (27.7.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 476 Zur Bankiersfamilie Lippomano als Gastgeber der Medici im Frühjahr und Spätsommer 1499 und zu ihrem Bankrott in jenem Jahr: Mueller, Venezian Money Market, S. 283f.; vgl. auch

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Giovanni sie getroffen habe. Dieser wolle einige Tage bleiben, da er vermutlich noch keine Klarheit über den genauen Reiseweg nach Frankreich habe oder vielleicht auch noch Antworten vom Hof abwarte. Für eine Verbindung mit dem französischen Königshof gebe es sehr konkrete Hinweise. Denn Piero pflege seit längerem und kontinuierlich sehr vertrauliche Gespräche mit den französischen Gesandten in Venedig. Hierauf hatte Ridolfi schon seit Anfang Juli hingewiesen.477 Doch der Inhalt dieser intimen Unterredungen blieb streng geheim, nichts drang an die Ohren des Florentiner Gesandten. Selbst als er den Kopf der Franzosen in Venedig, den Botschafter Jean de Polignac, Seigneur de Beaumont, persönlich wegen seiner Gespräche mit den Medici zur Rede stellte, wurde Ridolfi mit einem maliziösen Lächeln im Ungewissen gelassen. Es wird für die neu beginnende und neu verortete Dynamik der Medici-Sache nicht ohne Belang gewesen sein, daß dieser stets als Belmonte bezeichnete Botschafter ein Freund des ehemaligen Herzogs von Orléans und nunmehrigen Königs von Frankreich war.478 So war sich Ridolfi denn auch sicher, daß eine Reise eines Medici an den französischen Hof nach Absprache und mit Einverständnis Ludwigs XII. sowie der Signoria Venedigs und vielleicht auch mit Einwilligung Alexanders VI. erfolgen würde, um die Rückkehr der Medici nach Florenz voranzutreiben. Es sind sehr gegensätzliche Bilder, die uns von den Medici-Brüdern aus Venedig überliefert werden. Während der Florentiner Gesandte Anfang August berichtete, der Kardinal Giovanni de’ Medici bewege sich inkognito in deutscher Kleidung allein zu seinem Vergnügen in Venedig, schildern uns venezianische Quellen, wie sich ein geheimer Besuch der venezianischen Regierung durch Giovanni und Piero im selben Monat gestaltete.479 Giovanni trat wiederum in seiner Verkleidung auf, aber die Beschreibung Pieros durch den venezianischen Berichterstatter spricht Bände. Zwei Worte drücken das ganze Elend des Medici und zugleich die Verachtung der Venezianer ihm gegenüber aus: bruta efigie, eine widerwärtige Gestalt, ein häßliches Bild! Diese Beschreibung konnte außer der Kleidung auch den Charakter umfassen – wie auch immer, sie betraf allein Piero de’ Medici. Giovanni habe sich, so wird ferner berichtet, für die seinen Brüdern gewährte Hilfe Venedigs bedankt. Möglicherweise wollte er sich zugleich nach weiterer finanzieller Unterstützung Venedigs für die Exilierten erkunden.

e) Die „Europareise“ des Kardinals Giovanni de’ Medici Venedig blieb zwar ein wichtiger Knotenpunkt im Medici-Netzwerk, doch die verdichtenden, verstärkenden Stränge, tragenden Verflechtungen, sie bildeten sich nun in FrankMalipiero, Annali veneti, S. 716f.; zu Giulianos Freundschaften in Venedig jetzt Zapperi, Abschied, S. 30. 477 ASF, SR 12, c. 182–183, 178–179 (3. bzw. 5.7.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 478 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 472. 479 Vgl. ASF, SR 12, c. 338–339 (9.8.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig: ... et ne s’intende che facci [il cardinale de’ Medici] altro che itere veggiendo a sollazo sconosciuto in habito alla Thodescha); Sanuto, Diarii II, Sp. 1036, 1060.

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reich aus! Wenn Kardinal Giovanni de’ Medici am 14. Juli 1499 Rom bereits mit der Absicht verlassen hatte, den König von Frankreich aufzusuchen, wenn in den Tagen vorher auch über eine Frankreichreise Pieros und Giulianos geraunt wurde, dann müssen in jenen Wochen entsprechende Pläne mit maßgeblichen Vertretern der französischen Krone geschmiedet worden sein. Pieros ständigen, streng geheimen Zusammenkünfte mit dem Botschafter Ludwigs XII. in Venedig erlauben den Schluß, daß dort die wesentlichen Fragen behandelt wurden. Nach der Ankunft Giovannis in Venedig müssen sich die Beteiligten schnell einig geworden sein, daß allein der Kardinal mit seiner Begleitung diese Reise antreten sollte. Auch Giovannis Abreise erfolgte so heimlich, daß der Florentiner Gesandte Gianbattista Ridolfi erst gut eine Woche später sichere Kenntnis über sie erlangen konnte; so behauptete er es jedenfalls. In zwei Briefen vom 17. und 20. August 1499 erklärte Ridolfi, er könne durch mehrere Treffen mit Informanten und durch einige Indizien Folgendes mit Gewißheit feststellen: Der Kardinal Giovanni de’ Medici sei am Sonntag, dem 11. August, unerkannt, in weltlicher Kleidung und mit wenig Begleitung nach Frankreich aufgebrochen, und zwar auf einer über Deutschland führenden Route. Darüber hinaus habe er erfahren können, daß der französische Botschafter Belmonte am Vortag, dem Samstag, Venedig verlassen hatte, um aufs Land zu reiten. Diese Tour aber habe keinen anderen Zweck gehabt, als sich in einer Kirche mit Giovanni und Piero de’ Medici zu treffen, wo diese drei eine längere Unterredung führten. Giuliano de’ Medici sei einige Tage außerhalb Venedigs gewesen, offenbar in Ravenna, wo die Medici einige Pferde hielten. Er und Piero würden in Venedig bleiben.480 Es konnte somit keinen Zweifel geben, daß Jean de Polignac, Seigneur de Beaumont, die beiden Medici am 10. August zu einem klandestinen Treffen in eine abgelegene Dorfkirche gebeten hatte, um mit ihnen die letzten Details für Giovannis Frankreichreise zu besprechen und diesem den Startschuß zu geben. Dabei müssen sie sich auch auf den umständlicheren und schwierigeren Weg über den Boden des Deutschen Reiches verständigt haben, da man für die Durchreise durch die Lombardei vermutlich entweder kein Plazet bzw. keinen Geleitbrief des Sforza-Herzogs erhalten hatte oder sie wegen der aktuellen Kriegsdrohung für zu gefährlich hielt. Bemerkenswert ist der Zwang, sich wie in Venedig auch weiterhin aller Kardinalsinsignien zu entledigen. Der päpstliche Zeremonienmeister sprach von einer Kaufmannskleidung, mit der Giovanni sich unkenntlich machen wollte.481 Ein Kardinal der Römischen Kirche legte alle Zeichen seines hohen Standes, seiner Macht ab und verließ wie ein Flüchtiger heimlich Italien. Welch ein Unter-

480 ASF, SR 12, c. 311, 269–270 (17. bzw. 20.8.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig); vgl. Parenti,

Storia fiorentina II, S. 291 (Intesesi come il cardinale de’ Medici, sconosciuto, s’era partito da Vinegia per trasferirsi in Francia). 481 Doch wenig aussagekräftig sind die spärlichen Zeilen des Johannes Burckard zu dieser Reise Kardinal Giovannis: Feria tertia, XVIIII dicti mensis maii [1500], r.d. cardinalis Medices qui ante plures menses recessit ex Urbe, iturus ad Alemaniam cum paucis ex suis, VIII vel circa, in habitu mercatorum, visurus mundum, et plura adversa passus est per viam, rediit ad Urbem salvus; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 218.

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schied zu dem protzend prunkvollen Zug des Cesare Borgia zum Hof des französischen Königs! Die Florentiner sollten von diesem Coup nichts erfahren. Denn was sollte man im Palazzo Vecchio davon halten, daß ihr wichtigster Verbündeter, daß der französische König einen Vertreter ihrer Staatsfeinde an seinen Hof bat? Bezeichnend ist denn auch jene Episode, die sich am 19. August in Venedig abspielte – eine kleine Spiegelfechterei. Ridolfi – der notabene als dezidierter Medici-Anhänger über die Medici als Florentiner Staatsfeinde zu berichten hatte! – kam mit Beaumont zu einem Gespräch über die Florentiner Angelegenheiten zusammen, in dessen Verlauf der Franzose ihn fragte, was denn Piero de’ Medici mache. Ridolfi antwortete, er wisse nichts anderes, als daß der Kardinal de’ Medici in Venedig gewesen sei, was auch der Botschafter erfahren haben müsse, und daß er nach Frankreich gegangen sei. Darauf antwortete Beaumont, er wolle schwören, davon keinerlei Notiz zu haben, und er wisse nichts weiter, als daß er gehört habe, der Kardinal habe sich in dieser Gegend aufgehalten.482 Ridolfi hielt es für notwendig, die Signoria in Florenz auch über diesen Vorfall zu informieren, so wie er ihr dringend riet, in Frankreich Vorkehrungen gegen jene zu treffen, die Florenz Böses wollten. Bereits am 30. August schrieben Piero Soderini und Cosimo de’ Pazzi als Florentiner Gesandte in Frankreich aus Lyon, sie hätten die Nachrichten der Signoria über den Kardinal de’ Medici erhalten, sie seien nun wachsam und würden ihre Pflicht mit Sorgfalt und Treue erfüllen.483 Man darf es als dreist bezeichnen, wie der französische Botschafter in Venedig die Florentiner zum Narren hielt, daß ausgerechnet er, der Piero de’ Medici fast täglich traf, Ridolfi fragte, was Piero treibe. Noch am 23. August mußte Ridolfi melden, Piero unterhalte weiterhin engen Kontakt mit Beaumont, und erst vor zwei Tagen habe er wieder mit ihm gemeinsam gegessen.484 Giuliano de’ Medici war in jenen Tagen von Venedig für einige Zeit nach Bologna geritten, von zwei Reitknechten namens Romano und Alessandro da Bologna eng beschirmt, begleitet von Bernardo da Bibbiena, der sich verkleidet hatte, indem er einen natürlichen Bart und deutsche Kleidung trug.485 Die Florentiner Botschafter legten wie wir viel Wert auf solche Beobachtungen, zumal der Kontext ihnen zusätzliche Brisanz verlieh. Es gab hier eben keinerlei Zufälligkeiten. Denn in jenen Tagen demonstrierte Piero de’ Medici erneut größte Zuversicht, in Kürze nach Florenz zurückkehren zu können. Dabei setzte er nicht zuletzt auf die mit ihm befreundeten Florentiner Rebellen, die in Bologna lebten. Einer von ihnen war Simone Tornabuoni, der zuerst nach Venedig geflohen war, sich dann für einige Zeit nach Bologna begab, von wo er 482 ASF, SR 12, c. 269–270 (20.8.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig); zur Rolle Ridolfis als dezi-

diertem Medici-Anhänger s. bes. unten S. 969–971. 483 ASF, SR 12, c. 209–210 (30.8.1499, Piero Soderini und Cosimo de’ Pazzi, Lyon). 484 ASF, SR 12, c. 266–267 (23.8.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 485 ASF, SR 12, c. 305 (23.8.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand); vgl. auch

Parenti, Storia fiorentina II, S. 291 (alsì [intesesi] come staffieri di Giuliano de’ Medici travestiti si trovavano in Bologna). Spätestens im Dezember 1499 kehrte Giuliano jedoch wieder nach Venedig zurück, wo er seine Anwesenheit durch seine Gedichte noch für den 11.1.1500 bezeugte; Giuliano de’ Medici, Poesie, S. 56–59.

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Anfang Juli 1499 nach Mailand reiste, wo er unter anderem die Florentiner Gesandten um Fürsprache für eine milde Verbannung bat, um dann Mitte Juli wieder nach Bologna zu gehen.486 Das Schicksal der Verbannten wurde mit den Kriegsvorbereitungen der Franzosen verwoben: Anfang September benachrichtigten die Florentiner Gesandten in Mailand ihre Signoria, die Venezianer hätten offenbar in ihrem Bündnis mit dem französischen König eine Vereinbarung, daß dieser die verbannten Medici nach Florenz zurückbringe, wenn sein Heer die Stadt auf dem vorgesehenen Weg nach Rom und Neapel passiere.487 Unterdessen gestaltete sich die Reise Kardinal Giovannis in den Norden wider Erwarten abenteuerlich. Während Piero de’ Medici Anfang September von einer Krankheit in Venedig genesen konnte, doch längere Zeit dort zu bleiben beabsichtigte, da er seine Frau Alfonsina zu sich kommen lassen wollte und zudem eine Subvention der venezianischen Signoria von 600 Dukaten erhalten hatte, gab es im Fondaco der Deutschen eine erstaunliche Neuigkeit. Ein kleiner Territorialherr (un certo signorocto) habe den Kardinal de’ Medici im Deutschen Reich, d.h. in Innsbruck, gefangengenommen; man glaube aber, er werde wieder freigelassen, doch müsse er sich vorher an den Hof König Maximilians begeben.488 Il legato concordiense, also vermutlich der Venezianer Leonello Chieregato, Bischof von Concordia, setzte sich ebenfalls für die Haftentlassung des Medici ein, die auf Anordnung des Königs dann auch erfolgte.489 Am Hof des deutschen Königs würde er, das wußte man schon Mitte September in Venedig, auf drei weitere, drei flüchtige Kardinäle treffen.490 Die Dramatik der Zeitläufte wirbelte unsere Protagonisten gleichsam durch die europäische Geschichte. Denn am Hofe Maximilians sollte Giovanni de’ Medici seinen an der Seite des Sforza-Herzogs aus Mailand geflohenen Freund Federico Sanseverino wiedersehen. Die Gründe und Umstände dieser Flucht sind allerdings derart komplex und zugleich wichtig für das Medici-Exil, daß wir sie anschließend in einem eigenen Kapitel schildern müssen. Beschränken wir uns hier also auf das Notwendigste, mit Blick auf Giovanni de’ Medici. Vor den siegreichen Franzosen war Herzog Ludovico Sforza am 2. September 1499 mit einem größeren Gefolge – darunter die Kardinäle Ascanio Sforza, Federico Sanseverino und Ippolito d’Este – aus Mailand geflohen; zwischen dem 13. und 23. September hielt er sich zwischen Meran und Bozen auf, am 24. war er in Brixen und am 5. oder 6. Oktober in Innsbruck, wo er auf König Maximilian wartete.491 Doch zwischen Federico Sanseverino, der damals zusammen mit seinem Bruder Galeazzo loyal seinen Herrn begleitete, und Ludovico Sforza war es bereits in Meran zu derart heftigen Handgreiflichkeiten gekommen, daß Federico einen Geleitbrief der Venezianer erbat, damit er sich nach 486 ASF, SR 12, c. 191–192, 157–158, 124–125, 60–61 (2.–23.7.1499, Francesco Soderini und

Francesco Pepi, Mailand). 487 ASF, SR 12, c. 524 (3.9.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi aus Mailand); mit analo-

gem Inhalt: ebd. c. 485–486 (10.9.1499, Agostino Vespucci, Mailand). 488 ASF, SR 12, c. 468–471, 444–445 (8. bzw. 17.9.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 489 Vgl. Sanuto, Diarii II, Sp. 1312. 490 ASF, SR 12, c. 444–445 (17.9.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 491 Vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 49, 91.

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Venedig wenden konnte.492 Das Deutsche Reich verließ er jedoch vorerst nicht, statt dessen können wir im Spiegel der Florentiner Botschaftsberichte erkennen, daß er mit den beiden anderen Kardinälen Ascanio Sforza und Ippolito d’Este Ludovico Sforza in oder bei Meran den Rücken kehrte, um Mitte September 1499 König Maximilian an seinem Hof in Tirol aufzusuchen, wo Federico zugleich auf seinen Freund Giovanni de’ Medici treffen würde.493 Maximilian wollte offenbar mit diesen Kardinälen Gespräche führen, die nur politischen Charakter gehabt haben konnten, da die Besetzung der (nominell immer noch zum Imperium gehörenden) Lombardei durch Frankreich einen Affront für ihn darstellte. In französischen Augen konnte der Aufenthalt von Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici am Hof Maximilians als ein Verrat an der Sache Frankreichs interpretiert werden, obwohl es insbesondere für den Medici keine Wahlmöglichkeit gab. Federico Sanseverino mochte noch stärker durch seine Flucht an der Seite des Sforza, so geboten sie aus Loyalitätsgründen war, in manchen Augen zum Gegner Frankreichs geworden sein – zumal Ascanio Sforza offen gegen den Invasor agierte. So berichteten Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini, die Florentiner Gesandten beim französischen König, denn auch am 2. Oktober 1499 aus Pavia, man erzähle sich an diesem Hof, Kardinal Giovanni de’ Medici befinde sich in Deutschland bei Ascanio Sforza und den beiden anderen Kardinälen, was sich für die Medici-Sache allerdings schlecht auswirke, entziehe diese Tatsache doch den Medici Kredit bei der königlichen Majestät.494 Ob dies eher Florentiner Wunschdenken oder wirklich das Urteil Ludwigs XII. war oder (in letzterem Fall) vielleicht sogar eine bewußte Täuschung der Florentiner sein sollte, ist schwer zu beantworten. Ganz ohne Nachteile für den Medici und Sanseverino blieb ihre Reise an den Hof Maximilians indes nicht, auch wenn sie keinen Seitenwechsel bedeutete. Federico Sanseverino wird sich kurz darauf sogar an den französischen Hof in Mailand begeben, so wie sein Freund Piero de’ Medici – und Giovanni de’ Medici wäre danach wohl kaum seiner ursprünglichen Intention gefolgt und nach Frankreich weitergeritten, wenn er dort nicht wie bisher die Lösung seines Familienproblems gesehen hätte. Warum Giovanni sich jedoch im Oktober offenbar direkt den Rhein entlang über Flandern nach Rouen begab, muß bislang offen bleiben. Erhoffte er sich eventuell ein Refugium oder gar Unterstützung am erzbischöflichen Sitz von Georges d’Amboise, der zu den größten Gönnern der Medici in Frankreich zählte und mit dem Piero de’ Medici 492 Pélissier, Recherches (II), S. 96. 493 Unsere Quellen für dieses wichtige Faktum sind zwei Berichte der Florentiner Gesandten; vgl.

ASF, SR 12, c. 444–445 (17.9.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig: ... Il cardinale de’ Medici: come dissi per l’ultima fu ritenuto a Expruch, di poi intendo ora suto mandato in corte del Re de’ Romani: dove si sarà trovato con quelli altri cardinali fuori usciti [d.h. den drei an der Seite des Moro aus Mailand geflüchteten Kardinälen].); SR 13, c. 122 (2.10.1499, Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini, vom französischen Hof in Pavia: ... El cardinale de’ Medici si dice trovarsi in Alamagna a messer el vicecancellero [Kardinal Ascanio Sforza] et li dua altri cardinali [Federico Sanseverino und Ippolito d’Este] il che da captiva conditione alle cose loro che è per torce loro credito cum questa Maestà [König Ludwig XII.] ...). 494 ASF, SR 13, c. 122 (2.10.1499, Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini, Pavia).

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sich am 8. Oktober in Mailand getroffen hatte, um über die Aussichten der Medici zu sprechen?495 Zugleich führt uns ein Zeugnis, nach welchem Giovanni damals auch die Abtei Saint-Bertin nahe Saint-Omer im französischen Flandern besucht hatte, auf die Spur seines Freundes Federico Sanseverino, denn dieser war Bischof des benachbarten Thérouanne und eben auch Georges d’Amboise verbunden.496 Andere Erklärungen für diese Ortswahl lassen sich kaum finden. Eine aus reiner Lebenslust junger Leute unternommene Kulturreise, wie gern behauptet497, stand mit Sicherheit nicht dahinter; dafür war die politische Situation viel zu dramatisch. Die französischen Großen, auf deren Einverständnis der Medici-Kardinal sich stützen mochte, befanden sich jedenfalls in jenen Wochen alle in Oberitalien an der Seite ihres siegreichen Königs. Offenbar lag darin der Grund, daß Giovanni de’ Medici bald nach seiner Ankunft in Rouen für viele Wochen – die Florentiner Gesandten sprachen von einigen Monaten – festgehalten wurde, da die örtlichen Offiziere seine Ausritte in die Umgebung von Rouen mit Mißtrauen sahen. Erst ungefähr Mitte Dezember, als der König mit seinem Hof aus Italien zurückgekehrt war, erhielt er die Erlaubnis zur Weiterreise. Am 21. Dezember 1499 konnten die Florentiner Gesandten vom französischen Hof in Orléans die neuesten Gerüchte vermelden, nach denen Giovanni nun in Paris sei und sein Cousin Giulio de’ Medici, der ihn somit wie Luigi de’ Rossi begleitet haben wird, an den Hof gekommen sei, wo er Geld beschaffen wolle, um die Ausgaben des Kardinals in Rouen begleichen zu können. (Dieses Geld konnte er nur von einem am Hof befindlichen Vertreter seiner oder befreundeter Bankiers erhalten haben!) Schließlich behaupte man sogar, der Kardinal wolle persönlich an den Hof reisen, um dem König Reverenz zu erweisen.498 Jene gut informierten Kreise hatten recht, auch wenn Giovanni erst einige Wochen später an den Hof kam. Immerhin zeigt dies aber, daß er nicht des Landes verwiesen wur-

495 Zum Treffen zwischen Piero de’ Medici und Kardinal Georges d’Amboise: ASF, SR 13, c. 107–

109 (8.10.1499, die Florentiner Gesandten aus Mailand). 496 Aus einem Brief des Abtes von Saint-Bertin geht hervor, daß Giovanni de’ Medici diese Abtei

besucht hatte; vgl. Kemper, Leo X., S. 33. Von einem zusätzlichen Aufenthalt in England sprechen die venezianischen Quellen; vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 135. Dieser scheint allerdings nur beabsichtigt, nicht durchgeführt worden zu sein. Thuasne, Burchardi diarium III, S. 41f., sowie Celani, Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 218, paraphrasieren in der entsprechenden Anmerkung die Angaben Ammiratos [Ritratto di huomini illustri di Casa Medici, Firenze 1580, III, S. 66] zur Reise: Nachdem die Gruppe über Venedig und Deutschland nach Flandern gekommen sei, wollte sie nach England übersetzen, nahm davon jedoch wegen des Risikos Abstand. Auf der anschließenden Reise durch Frankreich sei sie in Rouen verhaftet worden und nur durch Intervention Pieros, der sich bei den französischen Truppen in Mailand aufgehalten habe, freigelassen worden. Nach einer Reise durch Frankreich hätten sie sich dann in Marseille nach Genua eingeschifft, wo Giuliano della Rovere sie empfangen habe. Piero befand sich zwar, wie noch zu zeigen sein wird, bei den Franzosen in Mailand, doch war seine Intervention offenbar nicht notwendig. 497 So Kemper, Leo X., S. 33: Alles spreche dafür, daß diese Reise „einfach der Lust der jungen Leute – jenseits aller politischen Ambitionen – [entsprang], andere europäische Länder, ihre Bewohner, ihre Kultur, ihre Sitten und Gebräuche kennenzulernen“. 498 ASF, SR 13, c. 308–309 (21.12.1499, Francesco Gualterotti und Lorenzo Lenzi, Orléans).

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de, was man getan hätte, wenn man in ihm einen Feind gesehen hätte, und vermutlich auch, wenn er in Ungnade gefallen wäre. Am 26. Januar 1500 erhielt er eine Audienz beim König, der sich damals nahe bei Loches aufhielt. Was dabei besprochen wurde, wissen wir nicht, und auch die Florentiner Gesandten erfuhren es nur sehr mittelbar aus dem Mund von Kardinal Georges d’Amboise. Denn als sie ihn am 28. Januar fragten, wie der neulich an den Hof gekommene Kardinal Giovanni de’ Medici behandelt worden sei, sprang er auf und sagte, dies habe er ganz vergessen oder vergessen zu erkunden. Er beauftragte deshalb den Gouverneur von Asti und einen Archidiakon, bei dem Medici selbst nachzufragen – der somit weiterhin am Hof weilen durfte! Von Giovanni de’ Medici instruiert, ließen diese beiden dann Georges d’Amboise wissen, der König habe große Verwunderung gezeigt, daß der Medici die Anmaßung gehabt habe, an den Hof zu kommen und zu versuchen, mit dem König zu sprechen – sei sich der Medici doch bewußt, daß Ludwig XII. von dessen Aufenthalt beim deutschen König wisse und ihn deswegen tadeln müsse. Der König habe ihn daher aufgefordert, den Hof sofort zu verlassen, sonst sei er gezwungen, nicht mehr jenen Respekt zu zeigen, den er ihm bisher wegen seiner geistlichen Würde erwiesen habe. Als Georges d’Amboise sich nun den Florentiner Botschaftern zuwandte, sagten ihm diese, sie glaubten, der Medici sei nur zum Spionieren an den Hof gegangen, worauf er antwortete: ‚Ja ja, das glaube ich wohl.‘499 Diese Episode trägt den Zug einer Farce. Daß Kardinal Georges d’Amboise, der eigentliche König im Lande und intimste Ratgeber Ludwigs XII., welcher ohne Rücksprache mit dem Kardinal kaum einen Schritt tat, von dem Verlauf des Gesprächs mit Giovanni de’ Medici nichts gewußt haben sollte, ist alles andere als glaubwürdig. Und wenn der Inhalt dann für die Florentiner Gesandten ausgerechnet vom Medici in Erfahrung gebracht wurde, wird man kaum annehmen können, dieser habe seinen Feinden in Florenz die Wahrheit vermitteln wollen, sondern vielmehr das, was sie (zum Vorteil der MediciSache) hören sollten – und was der Pazzi und Soderini ja bereits am 2. Oktober 1499 in Pavia als ihnen vermittelte Haltung des Königs zu wissen glaubten. Denn so wie Giovanni weder sofort den Hof noch in den nächsten Wochen das Königreich verlassen mußte, so gab es auch keine Verstimmung Ludwigs XII. wegen eines vom gefangenen Medici nicht zu vermeidenden Treffens mit König Maximilian – zumal seine Reise nach Frankreich ja seit langem geplant war und vom französischen Botschafter in Venedig geradezu betreut wurde. Die Voraussetzungen für klare Positionen waren in jenen Monaten allerdings nicht ideal. Die politischen Winde drehten sich so, daß das Medici-Boot dümpelte oder gar ins Schaukeln gebracht wurde – doch nicht lange. Im Frühjahr und Sommer 1500 erhielt es wieder kraftvollen gallischen Vortrieb. Dabei war der Medici-Kreis bereits weitaus stärker in die französische Politik eingebunden, als es nach außen sichtbar war. Doch der in politischer und sozialer Hinsicht zweifellos bedeutsamste Knotenpunkt im Medici-Netzwerk, den der Kardinal Federico Sanseverino darstellte, er drohte durch Ludwigs XII. Eroberung Mailands zerstört zu werden. Denn auch ein hochadliger Kardinal 499 ASF, SR 11, c. 18 (28.1.1499/1500, Francesco Gualterotti und Lorenzo Lenzi, ex castro Bellum

prope loces elie).

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lebte in einem Bündel von Abhängigkeiten, die ihn in bestimmten Situationen nahezu zerreißen, gleichsam zwischen Hammer und Amboß, zwischen Skylla und Charybdis führen konnten – wir hatten diese Struktur bereits bei den Orsini herausgearbeitet –, und dies nicht zuletzt, weil sich seine Benefizien, die Grundlage seiner Existenz, sowohl im Königreich Frankreich bei seinem erwählten als auch im Herzogtum Mailand bei seinem „geborenen“ Herrn befanden. Und da Federicos mächtigen Patrone nun Feinde waren und Krieg gegeneinander führten, gab es für ihn ein gewichtiges Problem. Die Geschichte kirchlicher Pfründen hat eben stets auch einen fundamentalen politischen und sozialgeschichtlichen Kern. Federico hatte selbst gegenüber seinem mailändischen Herrn immer wieder mit Nachdruck betont, ein treuer Diener des französischen Königs zu sein, dessen Interessen wahren zu wollen; zugleich aber war er Ludovico Sforza zu Gehorsam und Loyalität verpflichtet. Dies zählte sogar in den Augen eines französischen Feindes mehr, als wenn er seinen Herrn verlassen hätte. Der französische König wird Federicos Bruder Galeazzo etwas später gerade deshalb so heftig umwerben, weil dieser weltmännische Adlige mit seinen universalen Fähigkeiten dem Moro so treu diente. Die mit der Eroberung Mailands eingetretene Problematik für das Haus Sanseverino hat für die Geschichte des Medici-Exils einen zentralen Stellenwert. Denn mehr als jeder andere bildete Federico Sanseverino die Säule, an die sich insbesondere Piero de’ Medici, aber auch seine Brüder und ihre Freunde anlehnten, von der sie Halt, Orientierung und Perspektiven erhielten. Wenn diese Säule nun selbst mächtig ins Wanken geriet, mußte auch das exilierte MediciHaus in seinen Grundfesten erschüttert werden. Vermutlich ist auch die merkwürdige Reise Giovanni de’ Medicis in weltlicher Verkleidung, ohne kardinalizische Statussymbole und ohne rechtes Ziel nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Wie dem auch sei, die Wirren des Medici-Exils in den Monaten um die Jahrhundertwende 1500 und dessen künftige Entwicklung sind ohne Kenntnis des Sanseverino-Schicksals nicht zu verstehen.

f) Der Loyalitätswechsel der Sanseverino: Von Mailand nach Frankreich Das traditionell nach Frankreich ausgerichtete, in Italien besonders den Anjou verbundene Haus der Sanseverino ließ auch mit seinem mailändischen Zweig die französischen Wurzeln nicht verdorren. Dies zeigte sich schon bei Roberto Sanseverino, als er bei seinem Dissens mit den mailändischen Regenten nach Frankreich auswich; dies bestätigt sein Sohn Federico, der als Jugendlicher am Hof Ludwigs XI. lebte und deshalb seine kirchlichen Besitztümer außer in Italien offenbar nur in Frankreich suchte, wo er reichlich entlohnt wurde. Daraus entstanden freilich unterschiedliche Loyalitäten: Sowohl Ludovico Sforza als auch der französische König erwarteten von ihm Gegenleistungen für erbrachte Förderungen. Dieser Zwiespalt kam gleichfalls bei seinem Bruder Galeazzo zum Tragen. Dieser sollte während seiner Gesandtschaft am französischen Hof (April bis Juni 1494) in französische Dienste genommen werden, da er Karl VIII. nicht nur durch sein Aussehen, seine Bildung, seine kultivierte Haltung und seine Turnierkünste in exzeptioneller Weise

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vereinnahmte, sondern ihm vor allem durch seine besonders guten Dienste für seinen Herrn Ludovico il Moro imponierte.500 Als Karl VIII. ihm Anfang Mai 1494 die ehrenvolle Aufnahme in den königlichen Orden des Hl. Michael anbot, plagten Galeazzo – zumindest gegenüber seinem mailändischen Herrn geäußerte – Gewissensbisse; natürlich nahm er ihn nur mit Genehmigung des Moro an, trug ihn dann aber ebenso in Mailand stolz auf seiner französischen(!) Kleidung.501 Galeazzo genoß damit den Schutz des Königs und eine königliche Rente, war diesem nun jedoch zu Diensten verpflichtet. Wir werden von der besonderen Bedeutung des Michaelsordens für die italienischen Anhänger Frankreichs – auch Giuliano de’ Medici sollte er angeboten werden – noch hören. Solange Mailand mit Frankreich verbündet war, stellten diese und analoge Bindungen nach Frankreich kein Problem dar; zum Interessenkonflikt mußte es für die Sanseverino aber kommen, als die beiden Mächte Gegner wurden. Auffallend ambivalent stellt sich in dieser Phase das Verhalten der Sanseverino dar, immer wieder. Wenn die Franzosen bei ihrem Rückzug 1495 aus Italien angesichts einer militärischen Übermacht der gegen sie gebildeten Liga relativ unbeschadet über die Alpen abziehen konnten, hatten sie das ganz offensichtlich – was jedoch kaum thematisiert wurde – zu einem gut Teil den mailändischen Sanseverino zu verdanken. Ludovico il Moro hatte bekanntlich, Herzog Ludwig von Orléans mit seinen Ansprüchen auf Mailand gleichsam ante portas sehend und fürchtend, das Bündnis mit Frankreich verlassen und am 31. März 1495 mit dem Papst, Venedig, Spanien und König Maximilian die Hl. Liga gebildet, die den Franzosen den Rückzug abschneiden und sie aus Italien vertreiben sollte. Die Hauptlast lag außer bei den venezianischen zweifellos bei den mailändischen Truppen, und damit auf den Schultern ihrer wichtigsten Truppenführer; sie aber wurden von den Sanseverino gestellt. Gianfrancesco, der Graf von Caiazzo, der schon 1492 als Gesandter am französischen Hof mit seinem Medici-Bartolini-Kredit den Italienzug vorbereiten half, er hatte vom Herzog die Aufgabe erhalten, als Kommandant der mailändischen Truppen das nördlich von Sarzana im Apennin liegende Pontremoli zu befehligen, die erste wirkliche Hürde für das französische Heer. Doch der Sanseverino suchte nicht den Kampf, sondern verließ die Stadt und überließ den Franzosen damit die angesammelten Lebensmittelvorräte.502 Ungefähr zur gleichen Zeit konnte Herzog Ludwig von Orléans, also der spätere König Ludwig XII., ohne Sorge um den in seiner Nähe bei Asti eine Garnison befehligenden mailändischen Gran capitano Galeazzo Sanseverino, den Träger des Michaelsordens und der Sympathien Karls VIII., im Juni 1495 Novara erobern und dem Moro damit eine baldige Eroberung Mailands als realistische Drohung vor Augen führen.503 Anfang Juli 1495 sollte es bei Fornovo di Taro am Beginn der Poebene südwestlich von Parma zur Entscheidungsschlacht kommen; hier wartete ein ca. 26–30.000 Mann 500 Reichhaltige Zeugnisse in ASM, SPE, Francia 552, 553. 501 Vgl. oben S. 283f., 286. 502 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 389; Dies., Charles VIII (1986), S. 338. 503 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 387.

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starkes Heer der Liga auf die nur gut 7.000 Kämpfer der Franzosen. Doch als kurz vorher die von Frankreich angeworbenen ungestümen Schweizer in den Bergen bei Fornovo ein Kastell in Brand setzten, aus dem sie vorher Lebensmittel entwendet hatten, riefen sie den Zorn Karls VIII. hervor, denn dieses Schloß gehörte Gianfrancesco Sanseverino, dem Grafen von Caiazzo.504 Am 6. Juli kam es bei Fornovo zur großen militärischen Konfrontation.505 Gianfrancesco Sanseverino zählte zu den maßgeblichen Heerführern der Liga; doch selbst hier, im prüfenden Blickfeld der versammelten oberitalienischen Militärelite, verhielt er sich unverkennbar passiv, agierte wesentlich weniger aggressiv als z. B. die Mantuaner und wurde deshalb von Zeitgenossen für den Mißerfolg der Liga verantwortlich gemacht.506 Am 8. Juli, nach dem überraschenden Erfolg der Franzosen, war der Graf von Caiazzo mit seinen gut 200 Reitern während des Rückzuges der Franzosen bei Fiorenzuola ganz in ihrer Nähe, doch trotz strategischer Vorteile suchte er keinen Angriff. Auch sein Bruder Gaspare, il Fracasso, befand sich bei Piacenza in einer analogen Situation und vermied den möglichen Kampf.507 Den gesamten Rückzug über begleitete Gianfrancesco Sanseverino die französischen Truppen, blieb mit seiner Reitern hinter der Armee, griff sie jedoch niemals an.508 Das Resultat: Das französische Heer konnte das mailändische Feindesland unbehindert ohne den geringsten personellen und materiellen Verlust durchqueren. Bei Tortona war es am 12. Juli der „Feind“ selbst, der den Truppen bei ihrer schwierigen Lebensmittelversorgung half. Ohne Zwang versorgte Gaspare Sanseverino als Befehlshaber in Tortona das gesamte französische Heer reichlich mit Proviant und mit Kleidungsstücken – a merveilleuse quantité. Er ließ es sich sogar nicht nehmen, persönlich mit lediglich zwei Mann Begleitung zu König Karl zu reiten, um sich bei diesem zu entschuldigen, daß er ihn nicht in der Stadt beherbergen könne!509 Ende September zeigte sich schließlich auch Galeazzo Sanseverino, der augenscheinlich vorher keinen militärischen Kontakt zu den Franzosen hatte, diesen gegenüber konziliant, als seine Leute zwei französische Kanonen erbeuten konnten.510 Dieses in der Tat erstaunlich anmutende Verhalten der Sanseverino mag, wie Labande-Mailfert mit Blick auf das überaus freundschaftliche Entgegenkommen Gaspares bei Tortona vermutet, (auch) auf entsprechende Anweisungen des mailändischen Herzogs

504 Labande-Mailfert, Charles VIII (1986), S. 342. 505 Ausführlich und mit Belegen: Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 391–411 (der Anteil

der von Maximilian I. aufgebrachten deutschen Soldaten beschränkte sich auf gerade 300 der gut 30.000 Kämpfer der Liga). 506 Regis Ferdinandi, S. 431; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 405 (neben den möglichen militärisch-taktischen Gründen für jene erstaunliche Zurückhaltung werden von LabandeMailfert die – auf den Gesamtkontext bezogen – offensichtlichen Beweggründe einer bewußten Rücksichtnahme auf Karl VIII. nicht erörtert). 507 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 416. 508 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 418. 509 Commynes, Mémoires VIII/13 (tom. III), S. 206f. bzw. Commynes, Memoiren, S. 365; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 417; vgl. auch Regis Ferdinandi, S. 431. 510 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 434f.

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zurückgehen, der Karl VIII. auf diese Weise besänftigen wollte.511 Doch hier und vor allem auf die gesamte Entwicklung bezogen – es gibt offensichtlich keinen Beleg für ein aggressives Vorgehen der mailändischen Sanseverino gegen die Franzosen und vice versa – erscheint es vielmehr als Konsequenz einer seit langem bestehenden und seit einigen Jahrzehnten intensivierten Verflechtung der Sanseverino mit dem französischen Königshaus, wobei natürlich auch die Lage der neapolitanischen Sanseverino und Gianfrancescos im Regno di Napoli liegende Grafschaft Caiazzo berücksichtigt werden müssen. Die mailändischen Sanseverino waren als höchste Heerführer und als enge Verwandte des Ludovico Sforza gezwungen, für ihren Herrn in der Hl. Liga zu kämpfen; sie schufen sich allerdings augenscheinlich einen über herzogliche Direktiven hinausgehenden Freiraum, den sie zur Demonstration ihrer Neigung für Frankreich nutzten. Ludovico il Moro hatte nach dem Rückzug der Franzosen aus Italien bekanntlich schnell wieder die Freundschaft des französischen Königs gesucht. Diese Phase eines geminderten Loyalitätskonfliktes nutzte Antonio Maria Sanseverino (dem der Moro ja den Palast Piero de’ Medicis in Mailand übertragen hatte) als erster der Brüder aus, um sich ganz in französische Dienste zu begeben – ein Schritt, der nicht ohne Komplikationen verlief und damit als durchaus typisch für diese Herrschaftswechsel angesehen werden darf. Antonio Maria hatte, wir sprachen es bereits kurz an, durch seine vom Markgrafen von Saluzzo ererbten Rechte auf die im französischen Interessenraum gelegene Markgrafschaft Monferrat schon 1492 als Verwandter des Moro nach gewissen Spannungen zu einem Einvernehmen mit dem französischen König gefunden, war dann durch seine im November 1493 erfolgte Hochzeit mit der Tochter Ludwigs II., des Markgrafen von Saluzzo, den Karl VIII. 1494 in den Michaelsorden aufnahm, noch stärker in den französischen Einflußbereich geraten.512 Nur wenige Tage nach dem am 9. Oktober 1495 geschlossenen Friedens- bzw. Bündnisvertrag zwischen dem Moro und Karl VIII. schrieb Karl, der sich Richtung Mont Cenis auf dem Rückweg befand, am 15. Oktober aus Crescentino (nordöstlich von Turin) an den Herzog, daß nun, nachdem der Friede zwischen ihnen gemacht sei, Antonio Maria zu ihm gekommen sei und dem König seine Dienste angeboten habe.513 Diese habe er gern angenommen, teils wegen der Vorzüge und Tugenden des Sanseverino, teils wegen des Nutzens, 511 Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 418. 512 Vgl. oben S. 280f., Anm. 100; zur Hochzeit vgl. ASM, SPE, Francia 551 (30.11.1493, Carlo

Barbiano an Ludovico il Moro wegen dieser Hochzeit. Die dem Markgrafen Ludwig II. von Saluzzo seit langem versprochene Aufnahme in den Michaelsorden wurde dem Moro am 17.6.1494 durch Karl VIII. aus Beaune mitgeteilt); vgl. Lettres de Charles VIII, IV, S. 70, Nr. DCCLXXXVII (der König hatte darüber auch mit Galeazzo Sanseverino und Carlo Barbiano gesprochen). Der Markgraf von Saluzzo, der in zweiter Ehe 1492 Marguerite de Foix, Tochter des Jean de Foix, Comte de Candale, geheiratet hatte, kämpfte in der Folge u. a. an der Seite des Herzogs Ludwig von Orléans 1495 für Frankreich und gegen Mailand, später auch im Königreich Neapel für Ludwig XII.; Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 387; De Frede, Impresa, S. 373; Courteault, Dossier, S. 160, Anm. 1. Als Signore des in der Markgrafschaft Saluzzo gelegenen Gualfinara hatte Antonio Maria im späten Frühjahr 1495 noch die Besetzung seines Territoriums durch den Herzog von Orléans erleben müssen. 513 Lettres de Charles VIII, IV, S. 305f., Nr. DCCCCXXXVII.

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dem er ihm in seinem Königreich Neapel bringen könne. Am 1. Dezember 1495 informierte Karl VIII. dann den Herzog von Ferrara aus Lyon, daß ihm die vom Herzog gemeldete Ankunft des Antonio Maria Sanseverino im Herzogtum sehr genehm sei und daß er den Sanseverino als einen seiner cappitaines aufgenommen habe.514 Obwohl der König den Moro schon am 15. Oktober gebeten hatte, Antonio Maria nach seiner Entscheidung nicht anders zu behandeln als vorher, muß der Herzog sich heftig gegen den Verlust dieses wichtigen Truppenführers gewehrt haben, ahnte er wohl, daß hiermit die bislang relativ geschlossene Loyalität der für seine Macht so bedeutenden Sanseverino-Brüder erstmals nachhaltig gefährdet sein könnte. Denn der Venezianer Marino Sanuto, dem dieser Vorgang ebenfalls wichtig war, berichtete in seiner allgemeinen Darstellung der politisch-diplomatischen Zustände in Italien Anfang 1496, daß Antonio Marias Einigung mit Karl VIII. über einen französischen Soldvertrag zunächst nicht verwirklicht worden sei, da der Herzog von Mailand ihn beim König in Ungnade gebracht habe. Der Sanseverino habe sich deshalb malcontento in Mantua befunden. Doch noch während des Januar 1496 habe ihm der König Geld geschickt und laufende Zahlungen veranlaßt.515 Fatto homo dil re di Franza, verließ Antonio Maria Anfang Februar 1496 Mantua, ging kurz nach Carpi zu seiner kurz vorher geheirateten Frau Margherita Pio da Carpi (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Schwägerin, der Ehefrau Gaspares, des Fracasso!), um sich von dort nach Asti zu begeben.516 Hier wirkte er 1496 in französischen Diensten neben dem ebenfalls auf die französische Seite gewechselten Mailänder Giangiacomo Trivulzio, auf dem alten Territorium der Valois und damit dem des künftigen Königs.517 Doch Anfang 1497 soll er sich bereits wieder in Carpi und Mantua aufgehalten haben, nunmehr come bon italiano ohne einen Soldvertrag des Königs von Frankreich.518 Im Juni/Juli 1497 erhielt er dann durch Federicos Vermittlung und des Moro

514 Lettres de Charles VIII, IV, S. 319f., Nr. DCCCCLII. 515 Sanuto, Diarii I, Sp. 7 (Januar 1496). 516 Sanuto, Diarii I, Sp. 7, 54f. Seine Ehefrau Margherita war eine Tochter des 1493 in Ferrara

verstorbenen Marco da Carpi (aus dem Stamm der Pio aus Savoyen, Herren von Sassuolo bei Modena) und dessen Frau Benedetta di Galeotto Del Carretto aus der Familie der Marchesi di Finale, Margheritas Bruder war der Signore Gilberto Pio da Carpi, verlobt mit Eleonaro di Giovanni Bentivoglio, ihre Schwester war hingegen Emilia, die Verlobte des Antonio di Gentile da Montefeltro. Margherita erscheint als eine äußerst gebildete, perfekt Französisch sprechende und einige Jahre später eine Art literarisch-kulturellen Salon in Mailand pflegende Frau, die mit weiteren Sanseverino-Frauen eine große Bindekraft zu Frankreich darstellte; vgl. etwa Bologna, Tutte le dame del re, hier bes. S. 48f. Antonio Marias Frau ist wegen des gleichen Vor- und Familiennamens leicht zu verwechseln mit Gaspares Frau Margherita Pio, die jedoch aus der Ehe von Gian Ludovico Pio und Aurante Orsini stammte und deren von Lorenzo de’ Medici einst aus politischen Gründen gewollte Ehe mit Fracasso bereits angesprochen worden ist; vgl. oben S. 263. Zu Antonio Marias Ehefrau und Geschwistern vgl. jetzt Godi, Bandello, S. 458–462, 482–487 (mit Verwechslung der beiden Margherita Pio), zu den beiden Pio-Frauen ebenso Adami, Carteggio, S. 5, 20. 517 Sanuto, Diarii I, Sp. 308 (September 1496 noch zusammen mit dem Trivulzio in Asti). 518 Sanuto, Diarii I, Sp. 477.

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Einverständnis die bereits geschilderte condotta in Siena, die einem Restitutionsversuch der Medici dienen sollte, denen er somit ebenfalls verbunden war. Wie Gianfrancesco Sanseverino, der Anfang 1497 die neue mailändische Eroberung Alessandria gegen die Franzosen verteidigen sollte, konnten die Sanseverino durchaus auch wieder in eine Konfrontation mit Frankreich geraten.519 Als König Ludwig XII. jedoch 1499 als Enkel der Valentina Visconti seine Erbansprüche auf das Herzogtum mit kriegerischen Mitteln geltend macht, sind es ganz offensichtlich die Sanseverino, die ihm durch eine gar nicht notwendig erscheinende Aufgabe Alessandrias in entscheidender Weise den triumphalen Einmarsch in Mailand ermöglichen! Es spricht vieles dafür, daß Gianfrancesco Ende August 1499 seinen jüngeren Bruder Galeazzo veranlaßte, die strategisch äußerst wichtige Festungsstadt Alessandria durch eine merkwürdige Flucht am 28. August faktisch an die Franzosen zu übergeben, was dieser als Ritter des Ordens vom Hl. Michael – von Ludwig damals ja noch mit Argwohn begleitet! – ohne allzu schlechtes Gewissen ausführen konnte, und womit beide dem französischen König die Grundlage, den Schlüssel für seinen Erfolg gaben.520 Auffallend erscheint uns, daß sich in den Tagen vor dem 23. August ebenfalls der kurz vorher von der Kurie nach Mailand gekommene Federico Sanseverino in Alessandria aufgehalten hatte.521 Guicciardini spricht von einem vorausgegangenen geheimen Abkommen zwischen Gianfrancesco Sanseverino und Ludwig XII., das den Sturz des Moro zum Ziel hatte und auf dessen Grundlage der Conte di Caiazzo – dem es notabene ja immer auch um seine verlorenen Territorien im Königreich Neapel gehen mußte! – vermutlich einen im Namen des Moro gefälschten Brief an seinen Bruder sandte, mit welchem Galeazzo und seine Truppen nach Mailand zur Behebung von Unruhen zurückbeordert worden seien. Doch Galeazzo flüchtete in der Nacht nur mit wenigen Leuten und ließ mehr als 5.000 Soldaten in der Festung zurück!522 Und erinnern 519 Vgl. Sanuto, Diarii I, Sp. 475. 520 Regis Ferdinandi, S. 424, 431. In den Notizen zu Gianfrancesco (S. 431) nimmt Volpicella mit

Gewißheit an, daß jener seinen Bruder mit einem Brief veranlaßt habe, sich nach Mailand zu begeben, Alessandria somit aufzugeben und den Franzosen zu überlassen; in den präziseren Ausführungen zu Galeazzo wird dies als die wahrscheinlichere von mehreren Möglichkeiten genannt. Die nächtliche Flucht Galeazzos am 28.8. aus der Festung Alessandria, bei der er die Stadt und seine Soldaten sich selbst überließ, dürfte wohl kaum – wie von Volpicella erwogen – aus Furcht vor dem Feind oder den Bewohnern erfolgt sein, sondern eher auf ein Geheimabkommen mit den Franzosen zurückzuführen sein. Seinem Schwiegervater gegenüber, der ihn, wie in zahlreichen Quellen bezeugt, in höchsten Ehren hielt, begründete er dieses Verhalten offensichtlich mit einem von seinem Bruder Gianfrancesco überbrachten, aber gefälschten Brief Ludovicos, mit welchem er mitsamt seinen Truppen nach Mailand gerufen worden sei; hierzu: Guicciardini, Storia d’Italia, S. 402 (IV/9). 521 ASF, SR 12, c. 305 (23.8.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand). 522 Vgl. Auton, Chroniques I, S. 65–72; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 401–403 (IV/9); Pélissier, Recherches (II), S. 12–24, 33–37. Der Graf von Caiazzo war mit seinen Truppen zur Unterstützung seines Bruders Galeazzo nach Alessandria beordert worden, verzögerte seinen Vormarsch aber so lange, bis ein Kampf gegen die Franzosen überflüssig geworden war. Guicciardini postuliert für Gianfrancescos Geheimabkommen mit Frankreich das Motiv eines Neides, da der jüngere Bruder Galeazzo von (seinem Schwiegervater) Ludovico das oberste Heerführeramt und zahlreiche weitere Vergünstigungen erhalten habe, thematisiert aber erstaunlicherweise gar nicht

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wir uns: Eben in jenen Tagen Mitte und Ende August unterhielt Piero de’ Medici weiterhin engste Kontakte zum französischen Botschafter in Venedig, Jean de Beaumont, dem Freund König Ludwigs XII., und lebte wieder in großen Hoffnungen auf eine nun von Mailands Feinden Frankreich und Venedig gestützte Rückkehr nach Florenz, die in Bologna durch Giuliano de’ Medici, einen mit Bart und nach deutscher Mode verkleideten Bernardo Dovizi da Bibbiena sowie ihre verbannten Freunde um Simone Tornabuoni getragen werden sollte. Auch wenn nicht eindeutig zu erkennen ist, in welcher Weise der Graf von Caiazzo seinem Herrn die Loyalität gekündigt hatte, um den Franzosen bei der Eroberung Mailands in die Hand zu spielen, an einem solchen Entschluß kann kein Zweifel bestehen. Er wird durch seine nachfolgenden Handlungen mehr als bestätigt. Mehr noch: Nicht er allein, sondern im Schulterschluß mit weiteren seiner Brüder bereitete Gianfrancesco Sanseverino Ludwig XII. den Weg für eine nahezu problemlose Einnahme Mailands! Dieser Vorgang war kein Ereignis von lokal-regionaler, sondern von europäischer Bedeutung, und er besaß für die exilierten Medici und ihr Netzwerk unmittelbare, fundamentale Auswirkungen. Verknüpfen wir die einzelnen Handlungsfäden jener spannungsreichen Tage. In Rom hatte sich Kardinal Ascanio Sforza schon seit Anfang Juli 1499 darauf vorbereitet, die Kurie gegen den Willen Alexanders VI. zu verlassen und seinem bedrohten Bruder zu Hilfe zu eilen.523 Federico Sanseverino zeigte sich in jenen Tagen noch loyal gegenüber seinem Verwandten, doch zwischen ihnen war es schon seit einiger Zeit zu tieferen Spannungen gekommen. Für den bereits am 14. Juli auf Colonna-Boden in Nemi Schutz suchenden Ascanio bat er den Papst, aber vergeblich, dem Sforza-Kardinal die offizielle Erlaubnis zu geben, sich im Herzogtum Mailand an der Verteidigung gegen die französisch-venezianischen Angriffe beteiligen zu dürfen. Einer Bitte des Herzogs, die Besitzer von Benefizien im Herzogtum – deren Gesamtwert auf 1.600.000 Dukaten geschätzt wurde! – mögen ihm mit der Hälfte ihrer jährlichen Einkommen Unterstützung das ungleich plausiblere Motiv der süditalienischen Besitzungen, die der Graf von Caiazzo nur mit französischer, nicht mit mailändischer Hilfe wiedergewinnen konnte, und die tatsächlich in den nächsten Jahren einen zentralen Verhandlungspunkt zwischen Spanien und Frankreich bilden werden. Noch härter ging der große Florentiner Historiker mit Galeazzo ins Gericht, der zwar in ganz Italien den Ruf als bester Turnierreiter erworben, als Capitano aber in Alessandria trotz bester Voraussetzungen kläglich versagt, die möglichen Erfolge gegen die Franzosen nicht gesucht und damit aller Welt den Unterschied zwischen Turnier und Krieg gezeigt habe. Der tatsächliche Hintergrund der Flucht Galeazzos bleibt sehr dubios, denn wenn es wirklich jenen gefälschten, mit herzoglichem Siegel versehenen Brief des Moro gegeben haben sollte, den der Sanseverino zur Legitimation seines Verhaltens später überall gezeigt haben soll, ist nicht verständlich, warum er nicht wie angeordnet mit seinen Truppen, sondern allein die Festung verlassen hatte. Auffallend ist schließlich die erstaunliche Passivität gegenüber den Franzosen, welche die militärisch keineswegs unterlegenen Sanseverino schon 1495 während des Rückzugs demonstrierten, und welche kaum wie bei Guicciardini mit einem fehlenden consiglio di capitano o animo militare erklärt werden kann. Möglicherweise hatten die Florentiner Gesandten mit ihrer Behauptung Recht, daß nicht nur Gianfrancesco, sondern auch Galeazzo einen Pakt mit Frankreich geschlossen hatte; hierzu Pélissier, ebd. S. 36. 523 Vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 748–757.

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leisten, kam Federico Sanseverino Mitte Juli 1499 nach, indem er den herzoglichen Finanzverwaltern gestattete, den gewünschten Betrag von den Pächtern seiner lombardischen Benefizien einzuziehen – eine in der praktischen Konsequenz sicherlich weitgehend folgenlose Geste, da dem Moro kaum genügend Zeit blieb, um davon profitieren zu können.524 Nachdem Ascanio am 24. Juli die Flucht nach Mailand angetreten hatte, wo er am 2. August eintraf, verließ einige Tage später auch Federico Sanseverino zusammen mit weiteren Sforza-Anhängern Rom. Doch als Federico am 3. August 1499 aus Rom Richtung Mailand abreiste, besaß er erstaunlicherweise die Erlaubnis des im Bündnis mit Frankreich stehenden Papstes, der im Sturz der Sforza die Voraussetzung für den Aufstieg des Hauses Borgia sah.525 Es hat also den Anschein, als sei Federico Sanseverino nicht wie Ascanio Sforza als lauterer Helfer des Moro aufgebrochen, sondern zumindest als Vermittler zwischen den Sforza und Frankreich, wenn nicht sogar bereits als Förderer der französischen Interessen. Denn der venezianische Botschafter in Rom berichtete, Sanseverino habe (offenbar ihm, dem Verbündeten Frankreichs) bei seiner Abreise gesagt, er gehe, um die Angelegenheiten seiner Brüder mit dem König von Frankreich und der Signoria von Venedig in Einklang zu bringen!526 Mit Blick auf das Verhalten seiner Brüder in den folgenden Tage kann dieser Aussage ein großer Wahrheitsgehalt zugemessen werden, wird die Absicht Federicos kein Vorwand gewesen sein, um die päpstliche Erlaubnis zum Verlassen Roms zu erhalten.527 Erst am 19. August traf Federico ‚heimlich und ohne Pomp‘ in Mailand ein528; er hatte sich also recht viel Zeit gelassen. Wir wissen, daß er bei den Florentinern im Auftrag des Moro einen Söldnerführer namens Musacchio für spätere Zeiten (nach der Florentiner Eroberung Pisas) abwerben sollte.529 Wenn jedoch genau während Federicos Reise von Rom nach Mailand, bei der er auch mit Venedig verhandeln wollte, wenn am

524 ASM, SPE, Roma 130 (11.7.1499, Ludovico Sforza aus Mailand an Cesare Guasco in Rom;

19.7.1499, Ascanio Sforza an Ludovico Sforza); vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 748f. 525 Zur licentia und Abreise Sanseverinos: Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 155; Sanuto,

Diarii II, Sp. 1049; zu den Absichten Alexanders VI.: Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 737. 526 Sanuto, Diarii II, Sp. 1049 (Rom, 4./5.8.1499): Item, el cardinal Sanseverino solicitando el

partir suo, il papa li dete licentia andasse a Milan, et partì a dì do: disse va per conzar le cosse di sui fratelli con il re di Franza et la Signoria, et che il cardinal San Dionixe francese stava in extremis... Sanseverinos Hinweis auf die lebensgefährliche Erkrankung des Kardinals Jean de Bilhères-Lagraulas, Abt von St-Denis, der am 6.8.1499 tatsächlich starb, mag als weiteres Indiz für seine profranzösische Haltung gewertet werden. 527 Als Vorwand gewertet durch Pélissier, Recherches (I), S. 451. 528 ASF, SR 12, c. 310 (19.8.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand: El cardinale di Sanseverino hoggi è entrato secretamente et sanza pompa per esser suto acclerato da questo Signore che fa conto valersene ...); Sanuto, Diarii II, Sp. 1138 (22.8.1499, Crema): ... et che il cardinal Sanseverino a dì 19 il luni intrò in Milan, et hanno concluso il ducha vadi in campo con ditto cardinal.... Am 20.8.1499 notierte Biagio Buonaccorsi in Florenz, der Herzog von Mailand habe den Grafen Alessandro Sforza und den Kardinal Sanseverino mit den notwendigen Truppen alla guardia di Vigeveno gesandt; Buonaccorsi, Diario, S. 90. Doch von einem Auftrag Federicos zur Verteidigung Vigevanos ist sonst nichts bekannt. 529 ASF, SR 12, c. 259 (10.8.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand).

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10. August der französische Botschafter in Venedig Giovanni und Piero de’ Medici zu einer heimlichen Unterredung in einer Landkirche bat und wenn am 11. August die genauso heimliche Abreise Giovannis über Tirol nach Frankreich erfolgte, dann will uns diese Koinzidenz angesichts der ungemein engen Freundschaft des Sanseverino mit den Medici und angesichts seiner ständig bezeugten initiatorischen Aktivitäten für sie nicht als Zufall erscheinen. Zwei Tage nach seiner Ankunft in Mailand, am 21. August, ritt Federico Sanseverino dann ‚zur Erkundung der Gefahr und zur Ermutigung der Verteidiger‘ nach Alessandria, das sich genau sieben Tage später durch die Flucht seines Bruders Galeazzo dem französischen Heer öffnen und damit dem Sturz des Sforza-Herzogs und der Eroberung Mailands den Weg bereiten wird.530 Zur gleichen Zeit hielt sich Gaspare Sanseverino im (latent profranzösischen, offiziell neutralen) Ferrara auf, wo er einen Soldvertrag der Luccheser über 40.000 Dukaten mit der Begründung ablehnte, er wolle noch auf eine Antwort aus Frankreich warten! Offenkundig hatte er also wie schon sein Bruder Antonio Maria und wie vermutlich Gianfrancesco Verhandlungen mit dem Gegner seines Herrn aufgenommen, für den er kämpfen wollte, nachdem ein im März 1499 an Venedig gerichtetes Angebot, den Sforza zu verlassen und in venezianische Dienste zu treten, nicht akzeptiert worden war. Der Moro hatte deshalb mit Fracasso gebrochen und seine Güter konfisziert.531 Von Ferrara begab Gaspare sich dann Mitte August nach Arezzo, wo er sich mit seinem nach Mailand reitenden Bruder Federico traf.532 Anschließend ritten beide offenkundig zusammen nach Mailand, wo sie jedoch bei dem nun sich entwickelnden Drama recht unterschiedliche Rollen spielen sollten. Nach der Eroberung Alessandrias und der Flucht Galeazzo Sanseverinos gab es kein Hindernis mehr, das dem französischen Heer den Einzug in Mailand noch hätte verwehren können. Der Herzog machte sich keine Illusionen. Doch als Ludovico il Moro am Vormittag des 2. September vor den Franzosen aus Mailand flüchtete, wurde er erstaunlicherweise sowohl von Galeazzo als auch Federico Sanseverino begleitet, der sogar aus Rom florentinische Maultiertreiber mitgebracht hatte, die den Sforza-Schatz retteten.533 Im Mailänder Kastell hatte der Herzog Gianfrancesco Sanseverino, den Conte di Caiazzo,

530 Vgl. ASF, SR 12, c. 306–307 (21.8.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand: ...

Monsignore reverendissimo di Sanseverino è chavalchato, però di lui non acchade dire altro), c. 305 (23.8.1499, Dies.: [nach dem Bericht über Giuliano de’ Medici und Bernardo da Bibbiena in Bologna] ... In questo puncto dopo di cinare intendiamo el cardinale Sanseverino essere tornato di Alexandria ...). Die Florentiner Gesandten sollten offenbar auch den SanseverinoKardinal genau beobachten, da sie jede Kleinigkeit von ihm berichteten; vgl. hierzu auch Pélissier, Recherches (II), S. 21f. 531 Vgl. Pélissier, Recherches (I), S. 406 (die condotte für Carlo Orsini und Bartolomeo d’Alviano waren hingegen erneuert worden), 448f.; (II), S. 288. 532 Diese Informationen bei Sanuto, Diarii II, Sp. 1113 (19.8.1499, Ferrara). 533 Pélissier, Recherches (II), S. 49f.; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 766f. (dort 1.9.1499 als Tag der Flucht des Moro). Im Gefolge des flüchtenden Herzogs befand sich auch der Kardinal Ippolito d’Este; zu ihnen stieß bald der kurz vorher geflohene Kardinal Ascanio Sforza.

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zum Schutz der Stadt zurückgelassen.534 Am Abend des 2. September konnte bereits der früher in mailändischen, nun in französischen Diensten stehende Giangiacomo Trivulzio mit seinen Leuten in Mailand einrücken.535 Widerstand erfuhr er so gut wie keinen, im Gegenteil: Gianfrancesco Sanseverino trat sofort offen auf die französische Seite über und organisierte mit Trivulzio die Übergabe der Stadt an Frankreich. Guicciardini und andere berichten, er habe schon seinen flüchtenden Herzog an einem der Stadttore zur Rede gestellt, ihm ins Gesicht gebrüllt, daß man einem flüchtenden Prinzen keine Treue schulde, und habe vor dem Sforza die französische Fahne gehißt.536 Selbst wenn dies Legende gewesen sein sollte, im Kern war sie wahr. Denn Trivulzio war noch vor seinem Einzug in Mailand durch den Conte di Caiazzo, dessen Bruder Gaspare (den Fracasso) und vermutlich auch Antonio Maria aufgesucht worden, die Übertritt Gianfrancescos ins französische Lager erklärten und die Kapitulation Mailands mit ihm absprachen.537 Anschließend soll Gianfrancesco Sanseverino sogar in Lyon gewesen sein, um König Ludwig XII. das noch mailändisch dominierte Genua anzubieten.538 Ob dies wirklich in Lyon geschah, ist sehr fraglich, doch auch an dieser Intention Gianfrancescos kann es keinen Zweifel geben. Am 7. September 1499 berichtete ein als Augenzeuge anwesender venezianischer Sekretär, wie er bei Trivulzio zu Tisch gewesen sei, als auch der Conte di Caiazzo hereinspaziert kam.539 Während Louis de Luxembourg, Comte de Ligny, sich ob solcher Kühnheit echauffiert habe, habe ihn der Gastgeber mit großer Herzlichkeit (con amor) empfangen. Anschließend seien vier Gesandte aus Genua hinzugekommenen, die Trivulzio bzw. Ludwig XII. ihren Staat zu jenen Konditionen angeboten hätten, wie sie der Moro gehabt habe. Nachdem die Gesandten sich darüber mit dem Sanseverino beraten hätten, habe sich Trivulzio zu Geheimgesprächen mit ihnen zurückgezo534 Sanuto, Diarii II, Sp. 1193. Guicciardini hingegen berichtet, der Moro habe Bernardino da Corte

das quasi uneinnehmbare Kastell als Kastellan mit viel Proviant, Munition und 3.000 Soldaten für den Fall einer mehrmonatigen Belagerung anvertraut, der es jedoch nach 12 Tagen kampflos den Franzosen übergeben habe; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 404f. (IV/9). 535 Pélissier, Recherches (II), S. 51; zum Trivulzio jetzt: Arcangeli, Trivulzio. 536 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 404 (IV/9); mit anderer Quelle: Regis Ferdinandi, S. 431. 537 Auton, Chroniques I, S. 85f.; vgl. Sanuto, Diarii II, Sp. 1254: Am 5.9.1499 berichteten auch die venezianischen Oratoren aus Bergamo, Gianfrancesco Sanseverino habe sich bereits zu einem homo franzese gemacht und er habe Giangiacomo Trivulzio im Feldlager aufgesucht. Bedenkt man die Zeitverzögerung und den Einritt Trivulzios am Abend des 2.9., muß auch diese Quelle sich auf einen vorausgegangenen Aufenthalt Gianfrancescos bei ihm beziehen. Von einer Verständigung des Gianfrancesco Sanseverino mit den Franzosen berichteten auch die Florentiner Gesandten am 2.9.1499; vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 288, Anm. 2. 538 Sanuto, Diarii II, Sp. 1278 (5.9.1499, Lyon): ... Item, el conte di Cajazo par sia venuto lì per oferir Zenoa al re .... Da es unwahrscheinlich erscheint, daß der Sanseverino persönlich in Lyon gewesen war, könnte er einen Vertrauten zum König gesandt haben. Dieser hatte Ende August in Romorantin vom vollständigen Erfolg seiner Truppen gehört und war anschließend im Eilmarsch nach Italien aufgebrochen, wo er am 20.9. in Novara eintraf und seinen feierlichen, so lange ersehnten Einzug in Mailand vorbereitete; vgl. Quilliet, Louis XII, S. 249 (ohne Erwähnung der Bedeutung, welche die Sanseverino für diesen Erfolg hatten). 539 Sanuto, Diarii II, Sp. 1264 (7.9.1499, Mailand; die Zahl der Genueser Gesandten wird erst mit vier, dann mit drei angegeben).

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gen. Es war eine Familienangelegenheit, die Übergabe dieser bedeutenden ligurischen Hafenstadt: Einer der beiden Adorno, denen der Moro die Stadt anvertraut hatte, war ein Schwager der Sanseverino-Brüder (ihre Schwester Eleonora war mit Giovanni Adorno verheiratet); beide Adorno galten als Hauptverantwortliche für diesen weiteren großen Verlust des Sforza-Herzogs.540 Der eigentliche Drahtzieher aber wird in Gianfrancesco Sanseverino zu sehen sein. Auch in den folgenden Tagen befand er sich an der Seite Trivulzios, wobei die Beobachter nun auch explizit die Anwesenheit seines Bruders Antonio Maria Sanseverino erwähnen, der sich ja bereits in französischen Diensten befand oder befunden hatte.541 Spätestens am 17. September 1499, als Fracasso mit 100 Lanzenreitern des französischen Königs von Ferrara nach Mailand ritt, war auch dieser Sanseverino in den Umkreis Ludwigs XII. getreten.542 Doch während Gianfrancesco schnell eine eigene Kompanie mit 100 Lanzen und eine jährliche Pension von 5.000 Dukaten erhielt, schon im Oktober 1499 für Frankreich gegen noch renitente Orte im Tessin und in der Valtellina kämpfte, zum königlichen Kammerherrn ernannt, im Mai 1500 mit einem Naturalisierungsbrief eingebürgert wurde und bald darauf neben seinen lombardischen Gütern die Stadt Valence und den Titel eines Marquis erhielt,543 während er also fest in den französischen Adel eingebunden wurde, hielt der König dessen Brüder vorerst auf Distanz, überraschenderweise auch Gaspare und Antonio Maria. Beide wurden Ende Oktober 1499 in Mailand vom König licentiati, aus dem Dienst entlassen.544 Antonio Maria hatte Ende September

540 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 404f. (IV/9). 541 Sanuto, Diarii II, Sp. 1298, 1307 (Berichte vom 11. und 13.[?]9.). 542 Sanuto, Diarii II, Sp. 1328 (17.9.1499, Cremona: Fracasso habe bei seinen Verwandten aus der

Familie Ponzoni geschlafen, wolle nach Mailand; der französische Botschafter habe dem Gouverneur von Cremona den Fracasso empfohlen), 1332 (17.7.99, Ferrara: Fracasso sei mit 100 lanze dal re di Franza von dort nach Mailand aufgebrochen); vgl. Adami, Carteggio, S. 26, 155f., Nr. 155 (20.9.1499, Mailand, Fracasso an Herzog Ercole d’Este von Ferrara). 543 Sanuto, Diarii III, Sp. 32, 39 (22.10.1499, Venedig: el conte di Caiazo, con molti francesi, erano a torno la rocha de Belinzona, ch’è sora Como, et de Tyran; qual lochi ancora se tenivano per il ducha di Milan ...); 192 (3.4.1500, Venedig: König Ludwig XII. bat die Signoria, man möge dem Conte di Caiazzo, suo cuxim, consier, cambelan, bestimmte Orte restituieren); Arcangeli, Esperimenti, S. 268f. (Trivulzio erhielt im November 1499 die Erlaubnis, capitani für bestimmte Truppenkontingente zu bestimmen; die hohe Zahl von 100 Lanzenreitern, darunter auch französische, erhielt Gianfrancesco Sanseverino); Auton, Chroniques I, S. 85, Anm. 3 (Hinweis auf den Besitz von Valence); Pélissier, Documents relatifs, S. 102f., Nr. 15 (Lettres de naturalité pour Gian Francesco Sanseverino, Conte di Caiazzo, Mai 1500); Pélissier, Recherches (II), S. 288f. Pélissier hatte, fußend auf venezianischen Quellen, ein Mißtrauen Ludwigs XII. gegenüber dem Conte di Caiazzo postuliert, welches unter anderem dazu geführt habe, daß der König den „gefährlichen“ Mann nicht in Italien lassen wollte. Tatsächlich blieb der Sanseverino jedoch bis Ende Dezember für den König in der Lombardei (was auch Pélissier bekannt war) und wurde im Januar 1500 nach Frankreich geholt, wo er in Beaune die Kompanie des Louis de La Trémoille übernahm; vgl. Auton, Chroniques I, S. 383, Nr. XXIV. 544 Sanuto, Diarii III, Sp. 44 (31.10.1499, Venedig: Man fürchtete in Venedig, sie wollten sich in die auf venezianischem Boden liegende Stadt Cittadella begeben, die sie von ihrem Vater Roberto geerbt hatten und die ihnen Venedig entzogen hatte); vgl. Pélissier, Recherches (II), S.

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eigentlich 50 Lanzen erhalten sollen, während Fracasso sich nicht mit den angebotenen 100 Soldaten zufrieden geben wollte und 100 Lanzenreiter forderte.545 Die tiefere Ursache für die Zurückweisung dieser Sanseverino war jedoch mit größter Wahrscheinlichkeit sehr menschlich, ist treffend mit dem Begriff Rivalität zu umschreiben und vornehmlich auf Giangiacomo Trivulzio zu beziehen. Dieser war ein alter Rivale von Ludovico Sforza und damit auch von dessen Sanseverino-Günstlingen.546 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund war er früher als diese aus mailändischen in französische Dienste gewechselt. An einer Begünstigung seiner alten Gegner durch Ludwig XII. konnte er also keinerlei Interesse haben. Die Sanseverino werden noch über viele Jahre Konflikte mit ihm auszutragen haben, gerade in der mailändischen Heimat, obwohl beide erklärte Guelfen waren.547 Möglicherweise lag auch in Trivulzio der Schlüssel für die erstaunliche Zurückweisung des Kardinals Federico Sanseverino im September 1499. Schon am 13. September 1499 berichtete der venezianische Gesandte in Mailand, die Kardinäle Sforza und Sanseverino hätten von den Franzosen einen Geleitbrief erbeten, um nach Rom zu gehen, der offenkundig nicht gewährt wurde.548 Federico war dann, wie bereits erwähnt, in der Valtellina und in Südtirol sowohl mit Ascanio Sforza, vor allem aber mit Ludovico il Moro in heftige Streitigkeiten geraten, die zu handgreiflichen Auseinandersetzungen führten.549 Dieser Dissens veranlaßte den Sanseverino Mitte September, die Flüchtenden um Ludovico Sforza zu verlassen – den Herzog habe er nur aus Loyalität begleitet – und sich mit den beiden anderen Kardinälen zunächst an den Hof Maximilians zu begeben, wo er mit seinem Freund Giovanni de’ Medici zusammenkam, 289; Adami, Carteggio, S. 26 (von einer Exilierung, wie beide Autoren es tun, kann man jedoch nicht sprechen). 545 Vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 86, 289. 546 Zu Trivulzio und seiner Rivalität mit den Sanseverino vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 289; Adami, Carteggio, S. 25f.; Arcangeli, Trivulzio, S. 21, 38, 79, Anm. 190, 195 (v. a. zur alten Rivalität des Kämpen Giangiacomo Trivulzio mit dem Sforza-Günstling Galeazzo Sanseverino, der allerdings nur in einem engeren Mailänder Kontext als „Ghibelline“ bezeichnet werden kann und nach 1500 – ebenso wie seine Brüder seit längerem vor ihm – aufgrund seiner Frankreichbindungen zu den „Guelfen“ zu zählen ist; Trivulzio hatte zudem 1499 nach der Vertreibung des Moro den bedeutenden Besitz von Vigevano erhalten, den vorher eben Galeazzo Sanseverino besessen hatte); Tewes, Medici und Frankreich, s.v. Galeazzo Sanseverinos zweites bedeutendes lombardisches Lehen Voghera, das er 1490 von Ludovico il Moro aufgrund seiner Heirat mit Ludovicos illegitimer Tochter Bianca erhalten hatte, ist Ende 1499 im übrigen an Louis de Luxembourg, Graf von Ligny, gegeben worden, nach dessen Tod es am 18.10.1505 wiederum an Galeazzo Sanseverino als nun hohen französischen Amtsträger ging; vgl. Roveda, Generale francese, hier S. 108, 113, 120; Binaghi Olivari, Castello, S. 343–345. 547 Pélissiers wiederholte Titulierung der Sanseverino als „Ghibellinen“ (etwa: Ders., Recherches [II], S. 288) ist unsinnig, verkennt völlig ihre uralten französischen Wurzeln und Interessen, ihr Bekenntnis auch zur französischen Kultur; als Guelfen werden sie richtig auch von Pellegrini (Ascanio Maria Sforza, passim) bezeichnet. Das Guelfentum der Trivulzio war noch für Giovanni de’ Medici als Papst Leo X. von großer Bedeutung, da politische Gemeinsamkeit und Bindung stiftend; vgl. Tewes, Medici und Frankreich, s.v. 548 Sanuto, Diarii II, Sp. 1310. 549 Pélissier, Recherches (II), S. 95f.

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um danach am 24. September von Venedig sicheres Geleit zu erbitten, da er sich nun über venezianisches Gebiet direkt an die Franzosen in Mailand wenden wollte, wo die Ankunft des Königs bevorstand.550 Die Venezianer bewilligten ihm das Geleit und der Sanseverino begab sich offenbar nach Mantua, zu seinen Verwandten. (Gianfrancesco Sanseverino war mit Barbara Gonzaga verheiratet, der Schwester von Federico Gonzaga da Bozzolo aus der Linie der Herzöge von Sabbioneta.) Am Abend des 28. September erwartete man ihn mit dem Markgrafen von Mantua und dem Kardinal Giambattista Orsini in Lodi, von wo sie nach Mailand zum König weiterreisen wollten.551 Doch während der Einritt Francesco Gonzagas in Mailand noch für den 28. September bezeugt und auch der Orsini-Kardinal am Hof nachzuweisen ist, hatte Federico Sanseverino offenkundig keine Erlaubnis zum Besuch des Hofes erhalten.552 Statt dessen sei nach Aussage des Florentiner Kanzlers Agostino Vespucci, der ebenfalls in die Lombardei geschickt worden war, am Abend des 30. September lediglich ein Bote Federicos in Mailand eingetroffen, der angegeben habe, sein Herr befinde sich beim Herzog Ludovico, der am 22. September mit den drei Kardinälen und weiteren Leuten Meran verlassen habe, um nach Innsbruck zu gehen.553 Diese Information konnte nicht stimmen und war eventuell bewußt zur Irreführung der Florentiner gestreut worden. Denn Federico Sanseverinos leidenschaftliches Engagement für seine Medici war selbst in jenen turbulenten Tagen keineswegs auf Eis gelegt. Piero de’ Medici hatte sich schon Mitte September, als sich Federico und Giovanni bei Maximilian getroffen hatten, entschlossen, von Venedig nach Mailand zu reiten, um mit Ludwig XII. zu sprechen.554 Vor dem 2. Oktober befand er sich bereits am königlichen Hof in Pavia, ohne daß die Florentiner Gesandten jedoch Näheres über ihn in Erfahrung bringen konnten.555 Man hörte lediglich, daß Venezianer und Franzosen Piero nach der Vertreibung des Sforza-Herzogs gemeinsam restituieren und dabei zugleich die Pisaner gegen die Florentiner Angriffe unterstützen wollten.556 Und als Federico Sanseverino sich vor Mailand, Piero hingegen in Pavia am französischen Hof befand, 550 Sanuto, Diarii II, Sp. 1378 (Riva, 24.9.1499: ... Dil cardinal di Sanseverino data a Bolzan, a dì

24, drizata a la Signoria nostra; et il suo titolo è Federicus de Aragonia sanctae romanae ecclesiae tituli sancti Theodori diacono cardinali de Sanseverino. Scrive come hessendo de lì, servitori del ducha di Milan per li meriti abuti andoe con lui in Alemagna per la rebelion fata a Milan tutti torna, et lui vol tornar, perhò dimanda salvoconduto di poter passar per le nostre terre; et consultato fo scritto a Rovere et Riva lo debino lassar passar.). 551 Sanuto, Diarii II, Sp. 1380 (Caravazo, 28.9.1499: Item, à di novo il roy doman dovea intrar in Pavia, et quella sera si aspetava a Lodi el marchexe di Mantoa, el cardinal Orsino et il cardinal di Sanseverino, vano a Milan dal roy); vgl. auch ebd. Sp. 1370 (Rom, 22.9.1499: Der Kardinal Orsini gehe nach Mailand zum König von Frankreich). 552 Zum Markgrafen von Mantua: ASF, SR 12, c. 397–398 (30.9.1499, Agostino Vespucci, cancelliere, aus Mailand: ... questo dì 28 è venuto in Milano el Marchese di Mantova ...). Federico Sanseverino ist auch von dem französischen Zeitzeugen und Chronisten Auton nicht erwähnt worden, der andere Kardinäle nannte. 553 ASF, SR 12, c. 397–398 (30.9.1499, Agostino Vespucci, Mailand). 554 ASF, SR 12, c. 463–465 (13.9.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 555 ASF, SR 13, c. 122 (2.10.1499, Cosimo de’ Pazzi und Piero Soderini, Pavia). 556 ASF, SR 12, c. 485–486 (10.9.1499, Agostino Vespucci, Mailand).

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da wohnten zwei Pisaner Abgesandte im Haus des mailändischen Repräsentanten der Lyoner Medici- und Bartolini-Bank, bei dem Bankier Francesco Maggiolini, um Ludwig XII. gegen Rückerstattung des Pisaner Territoriums eine jährliche Zahlung von 100.000 Scudi vorzuschlagen.557 Frankreich war zwar offiziell mit Florenz verbündet, versäumte jedoch keine Gelegenheit, um dessen Feinde bzw. die Medici-Freunde zu verteidigen. Einen Tag bevor König Ludwig XII. in herzoglichem Habit in Mailand einritt, suchten ihn die Florentiner – mittlerweile fünf für Mailand bzw. für den Hof zuständige Gesandte – am 7. Oktober zu einer Audienz auf, um über einen Freundschaftsvertrag zu sprechen. Cosimo de’ Pazzi, Piero Soderini, Francesco Gualterotti, Lorenzo Lenzi, Alamanno Salviati und der Florentiner Kanzler Agostino Vespucci konnten jedoch gar nicht ihr Anliegen vortragen, sondern wurden von Giangiacomo Trivulzio und dem Marschall Pierre de Rohan, Sire de Gié, sofort wegen der Hinrichtung des (Medici-Freundes und ehemaligen Florentiner Feldherrn) Paolo Vitelli mit wütenden Tiraden mehr als dreißig Minuten lang angegriffen. Dies sei so entwürdigend gewesen, daß die Gesandten nur mit formalen Wendungen geantwortet hätten, um diese Tortur nicht noch länger erleiden zu müssen. Die Franzosen warfen den Florentinern vor, einen der wertvollsten Männer und Freunde des französischen Königs in Italien zu Unrecht und zur Beleidigung des gesamten Hofes getötet zu haben, für den nun Vitellozzo Vitelli Gerechtigkeit von Ludwig XII. verlange. Alle Mitglieder des Hofes – allen voran sicherlich Georges d’Amboise – seien so von der Unschuld Vitellis überzeugt, daß sie am liebsten die Gesandten ins Gefängnis stecken würden, um die Wahrheit zu erfahren. Trotz zahlreicher Umstehender konnten diese die Wut der beiden Franzosen nicht bremsen, die auch keinerlei Entschuldigung akzeptierten, sondern eine Satisfaktion des Königs durch die Florentiner Regierung verlangten. Der König habe den Gesandten zwar nicht sein Mißfallen bekundet, aber seine starke Verärgerung sei so evident, daß eine umgehende Genugtuung durch Florenz notwendig sei.558 Es war genau an diesem Tag, als Piero de’ Medici sich mit Kardinal Georges d’Amboise über hoffnungsfrohe Perspektiven für sein Haus unterhielt – und als er vermutlich mit ihm den französischen Zielort für seinen Bruder Giovanni beriet. Nur wenige Tage später wurde die Florentiner Signoria aus Venedig gewarnt, Vitellozzo Vitelli oder andere seiner Familie aus Città di Castello hätten sich mit Giuliano de’ Medici in Venedig in Verbindung gesetzt, der wiederum sofort Carlo Orsini im Friaul informiert habe.559 Am 24. Oktober meldeten die Mailänder Gesandten dann, Vitellozzo ziehe gemeinsam mit Piero de’ Medici aus der Lombardei fort; sie verfügten über 160 schwere Reiter und planten, Florentiner Besitzungen anzugreifen.560 Wenn die Vitelli zu den engsten und fähigsten Freunden der französischen Krone in Italien gehörten, mußte solches Vorgehen einen dunklen Schatten auf die Ehrlichkeit der Franzosen gegenüber Florenz werfen. So 557 ASF, SR 12, c. 397–398 (30.9.1499, Agostino Vespucci, Mailand). 558 ASF, SR 13, c. 107–109 (8.10.1499, die fünf Florentiner oratores aus Mailand). 559 ASF, SR 13, c. 81 (11.10.1499, Gianbattista Ridolfi, Venedig). 560 ASF, SR 13, c. 39–40 (24.10.1499, Francesco Soderini und Francesco Pepi, Mailand).

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sprach der Gesandte Lorenzo Lenzi, der den König auf seiner Rückreise nach Frankreich begleitete, diesen am 14. November in Turin wegen angeblicher Beschlagnahmungen an den König gerichteter Briefe durch Piero an und wollte seine Haltung zum Medici erfahren. Der König, der gerade kniend die Messe gehört hatte, erhob sich und sagte, Piero erscheine ihm wie ein Narr, und mit Narren wolle er nichts zu tun haben!561 Nun, diese Äußerung mag in ihrem ersten Teil nicht ohne Wahrheitsgehalt gewesen sein, doch das Fazit im zweiten Teil bildete, wenn es nicht wiederum eine bewußte Täuschung der Florentiner war, ein höchstens zeitweilig gültiges, sehr bald aber vollkommen überholtes Urteil. Daß die einzelnen Positionen in diesen Zeiten des Umbruchs nicht so eindeutig festgelegt waren wie vorher, ist allerdings nicht zu bestreiten. Als Ludwig XII. am 16. Oktober 1499 seinen triumphalen Einzug in Mailand zelebrierte, erwähnte der Chronist Jean d’Auton ausdrücklich die Anwesenheit des Markgrafen von Mantua, des Grafen von Caiazzo, also Gianfrancesco Sanseverinos, und die seines Bruders Fracasso.562 Am 10. Oktober 1499 war Francesco II Gonzaga, der Markgraf von Mantua, der seit 1496 sein Bündnis mit Frankreich vorbereitet hatte, durch Ludwig XII. in den exklusiven Michaelsorden aufgenommen worden.563 Dies ist nicht unerheblich, war der Gonzaga doch ein Freund der Medici wie Sanseverino, mit denen er zudem verwandt war. Doch was während jener Tage im einzelnen mit den Sanseverino-Brüdern geschah, warum sie bzw. ihre Dienste – bis auf die Gianfrancescos – allesamt nicht von Frankreich akzeptiert wurden, bleibt sehr mysteriös, ist jedoch alles andere als belanglos. Allem Anschein nach stand hinter jenem Vorgang maßgeblich Giangiacomo Trivulzio, der nachweislich viele seiner alten mailändischen Gegner (aus den Familien Torelli, Stanga, Visconti, Sforza und eben Sanseverino) aus sehr eigennützigen Motiven gleichsam neutralisierte, zum Teil sogar durch Verhaftungen isolierte.564 Ein Beleg, daß er auch bei der Zurückweisung der Sanseverino die Schlüsselrolle einnahm, mag in einer Äußerung Fracassos zu finden sein. Im Februar 1500, während der erneuten Kämpfe um das Herzogtum, ließ er dem Trivulzio über dessen Gesandten ausrichten, er sei der größte Verräter der Welt und er, Fracasso, wolle ihm dies mit den Waffen in der Hand beweisen.565 Ludovico Sforza stieß ins gleiche Horn, obwohl wahrscheinlich mit anderem Motiv. Kurzzeitig nach Mailand zurückgekehrt, bat er alle, denen er Unrecht getan hatte, um Entschuldigung, wollten allen Abtrünnigen verzeihen, bis auf einem, Giangiacomo Trivulzio, den er mehr als alle anderen

561 ASF, SR 13, c. 170–171 (15.11.1499, Lorenzo Lenzi, Turin). 562 Auton, Chroniques I, S. 92–95. 563 Zur Aufnahme in den Michaelsorden vgl. Coniglio, Politica, S. 160. 564 Wichtige Belege und weitere Indizien finden sich bei Pélissier, Recherches (II), S. 293. Unter

anderem wurde dem Markgrafen von Mantua am 4.10.1499 berichtet, die Sanseverino seien nach Frankreich gebracht oder vertrieben worden. 565 Pélissier, Recherches (II), S. 167f. (der Gesandte, der Trompeter Trivulzios, weigerte sich, diese Botschaft zu überbringen).

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begünstigt habe und der ihm und dem Herzogtum Mailand dies in niederträchtigster Weise gedankt habe.566 Was hier geschehen war, hatte auch für unsere exilierten Medici unmittelbare Konsequenzen! Die brüskierten Sanseverino wandten sich wieder ihrem alten Herrn zu, dem am 5. Februar 1500 unter maßgeblicher Hilfe der Sanseverino-Brüder die Rückkehr nach Mailand gelang, nachdem die Kardinäle Ascanio Sforza und Federico Sanseverino schon am 1. bzw. 2. Februar mit 6–7.000 Soldaten in die Metropole eingezogen waren.567 Äußerst erstaunlich ist, daß sich bei den Sforza und Sanseverino auch Piero und Giuliano de’ Medici befanden, die am 5. Februar 1500 im Gefolge Ludovico Sforzas Mailand verließen, um die Sforza-Truppen gegen Pavia zu führen, und die sich einige Tage im Mailändischen aufhielten.568 Denn Ammirato hatte in seiner Geschichte der illustren Männer des Hauses Medici berichtet, Piero de’ Medici habe sich nicht nur Ende 1499 bei den französischen Truppen in Mailand aufgehalten, sondern habe dabei auch die Freilassung des in Rouen verhafteten Giovanni de’ Medici erreichen können, die ungefähr Mitte Dezember durchgeführt worden sei.569 Offenbar richtete Piero, dem Giuliano folgte, Anfang Februar sein Verhalten an den Handlungen seines vielleicht einzigen, gewiß aber engsten Freundes aus, seines Ersatzvaters Federico Sanseverino, dessen offenes, noch zielloses Schicksal somit – und ganz so wie schon im Fall Virginio Orsinis – auch seines wurde. Die ihnen mehr aufgezwungene als von ihnen gewählte, kaum zu beeinflussende Zweideutigkeit ihres Handelns, das neue Loyalitäten suchte, aber noch nicht finden konnte, mag sich in ihren Konsequenzen sogar bis zu Giovanni de’ Medici in Rouen ausgewirkt haben. Mit weiteren Sanseverino-Freunden fanden Piero und Giuliano daher für eine gewisse Zeit wohlwollende Aufnahme an der Seite des Sforza-Herzogs, der selbst vom „französisch“ gewordenen Markgrafen von Mantua unterstützt wurde – wenn auch eher aus taktierender Vorsicht und mehr in symbolischer als tatkräftiger Weise.570 Die beiden exilierten Medici-Brüder scheinen sich jedoch nicht energisch, vermutlich gar nicht aktiv an den Kämpfen gegen die französischen Truppen beteiligt zu haben, denn von ihnen ist in diesem Kontext offensichtlich nie die Rede. Auch wird ihr Name nicht unter den Gefangenen genannt, die während und nach der Kapitulation des Moro von Frankreich gemacht wurden, was angesichts ihrer Prominenz sicherlich geschehen wäre. Für eine demonstrative 566 Pélissier, Recherches (II), S. 131f. 567 Vgl. ASF, SR 14, c. 49 (5.2.1500, Ludovico Sforza aus Mailand, mit einer Zusammenfassung

der Ereignisse); Sanuto, Diarii III, Sp. 100, 132 u.ö.; Pélissier, Recherches (II), S. 120, 129–134. 568 ASF, SR 11, c. 129–130 (11.2.1499/1500, Manetto Portinari aus Mailand: ... Piero et Juliano

sono qui, visitarono Ascanio e Sanseverino e poi il Duca e da tuti fu fato a lor bona cura e offerte asai: e Piero cavalcò con il signore Lodovico poi tornò qui ...); diese wichtige Information findet sich ebenfalls in einem an den Herzog von Ferrara gerichteten Brief vom 5.2.1500, aus welchem Pélissier die Anwesenheit der Medici mitteilte; vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 162. 569 Vgl. die Paraphrase bei Thuasne, Burchardi diarium III, S. 42, Anm. 1, und bei Celani in: Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 218, Anm. 3. 570 Vgl. zu Francesco Gonzaga: Sanuto, Diarii III, Sp. 107 (am 9.2.1500 habe der Markgraf mit Fracasso, Antonio Maria Sanseverino und 2.000 Reitern Mantua verlassen); Pélissier, Recherches (II), S. 162, 370 u.ö.; Coniglio, Politica, S. 161.

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Abkehr von Ludovico Sforzas militärischer Rekuperation seines Herzogtums spricht auch die Beobachtung, daß Giuliano de’ Medici schon Ende Februar (wieder) im frankophilen Bologna, seiner zweiten Heimat während des Exils, nachzuweisen ist.571 Es ist hier nicht der Ort, ausführlicher auf die endgültige Niederlage Ludovico Sforzas einzugehen; Pélissier hat darüber erschöpfend berichtet.572 Unser Augenmerk muß aber dem Schicksal der Sanseverino gelten, insbesondere dem Federicos, der am engsten mit den Medici verbunden war und dessen weiterer Weg nicht ohne unmittelbare Auswirkungen für die Exilierten sein konnte. Während Galeazzo und Fracasso – von Antonio Maria hören wir weniger – zu den wichtigsten militärischen Stützen des Moro bei der Rekuperation seines Herzogtums zählten, trat Federico in diplomatischer Funktion hervor. Im März 1500 führte er eine Mailänder Gesandtschaft an, die König Maximilian um Truppenhilfe bitten und den Habsburger persönlich nach Italien geleiten sollte. Größere Geldsummen sollten Maximilian seinen Entschluß erleichtern; Federico selbst führte 40.000 Dukaten mit sich, die er dem König bei Überschreiten der italienischen Grenze übergeben wollte.573 So sehr Maximilian sich auch eine Vertreibung der Franzosen aus Mailand wünschte, um eine anschließende mögliche Eroberung von ganz Italien und eine Übertragung der Kaiserkrone nach Frankreich zu vermeiden, er hatte trotz mailändischer Finanzhilfe nicht die Mittel zu solch einem Feldzug; und die Reichsstände, auf deren aktive Unterstützung und Teilnahme er angewiesen war, hatten keinerlei Interesse an militärischen Erfolgen ihres Königs, verzögerten jede Erörterung des Problems und sahen in der französischen Besetzung Mailands keinen Grund für einen Krieg gegen den Nachbarn.574 Als Federico Sanseverino am 10. April 1500 in Augsburg die vorläufige Eröffnung des für jede deutsche Hilfe unabdingbaren Reichstages erlebte – der freilich erst viele Tage später mit ersten Verhandlungen begann –, wurden in der Lombardei Ludovico Sforza und Federicos Bruder Galeazzo durch einen Verrat ihrer von Trivulzio beeinflußten Schweizer Söldner von den Franzosen verhaftet.575 Als dann die mailändische Gesandtschaft um den 30. April den Reichstag verließ, der den Lombarden keinerlei Aussicht auf Hilfe geben konnte und wollte, statt dessen ein unverfängliches Schreiben an den König von Frankreich abfaßte576, befand sich Ludovico Sforza bereits auf dem Marsch (seit dem 17. April, 2. Mai Ankunft in Lyon) in die endgültige französische Gefangenschaft, in welcher er in der Festung von Loches um 1508 auch sein Leben beenden sollte!577 Galeazzo Sanseverino blieb unterdessen noch längere Zeit (bis Anfang Mai 1500) in der Gefangenschaft der Schweizer, die ihn zu einem möglichst hohen Preis an Frankreich 571 Vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 135. 572 Pélissier, Recherches (II), bes. S. 180–187, 200–204. 573 Pélissier, Recherches (II), S. 142f. (ein anderer Gesandter hatte 100.000 Dukaten im Gepäck). 574 Vgl. Wiesflecker, Maximilian I., II, S. 364–367. 575 Pélissier, Recherches (II), S. 185f.; zur Gefangenschaft des Moro vgl. Scheller, Gallia cisalpina,

S. 11–14; zur damaligen Rolle der Schweizer in der Lombardei jetzt auch Schmidt, Les Suisses. 576 Wiesflecker, Maximilian I., II, S. 366. 577 Pélissier, Recherches (II), S. 201f.; zum Tod des in Vergessenheit geratenen Moro vgl. auch

Quilliet, Louis XII, S. 257.

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verkaufen wollten, doch statt der geforderten 100.000 Dukaten mit nur 1.000 Dukaten vorliebnehmen mußten. Sein neuer Wächter Antoine de Baissay, Bailli von Dijon, bot nun dem Sanseverino die Freilassung gegen ein Lösegeld von 5.000 Dukaten an, das Galeazzo auf 3.000 herunterhandelte und das ihm am 9. Juni 1500 von seinen Freunden und Verwandten bezahlt bzw. geliehen wurde. Für nur 200 Dukaten Lösegeld durfte Fracasso sich schon Anfang Mai aus französischer Gefangenschaft freikaufen; er ging über Ferrara und Brescia nach Mantua, wo im Juli Galeazzo zu ihm stieß. Ihr Freund und Verwandter Francesco Gonzaga, der sie einige Zeit ehrenvoll aufnahm, vermittelte Galeazzo die Erlaubnis, sich nach Venedig zurückziehen zu dürfen.578 Doch Mitte Juli sandte König Maximilian nach Galeazzo: Der ehemalige Gran capitano des Moro war am 13. Juli 1500 in Augsburg von einem immer noch kühn-optimistischen König Maximilian in Abwesenheit zum obersten Feldherren einer nie Wirklichkeit werdenden Expedition zur Rückeroberung Mailands erhoben worden.579 Ende Juli 1500 brachen die beiden Brüder über venezianisches Territorium zum Hof des Römischen Königs auf, doch war Fracasso durch eine Beschlagnahmung seines Gepäcks seitens venezianischer Grenzwächter vorerst an der Fortsetzung der Reise gehindert worden.580 Neben anderen Sforza-Anhängern etwa aus den Familien Visconti und Crivelli konnten Galeazzo und Fracasso nun auch ihre Brüder Antonio Maria und Federico in Deutschland treffen. Antonio Maria hatte sich aus französischer Gefangenschaft dorthin durchgeschlagen.581 Federico hingegen hatte sich Ende April nicht der heimkehrenden mailändischen Gesandtschaft angeschlossen, sondern war auf dem Reichstag bzw. am Hof König Maximilians geblieben; Mitte Juli weilte er z. B. mit Antonio Maria und Kardinal Ippolito d’Este in Innsbruck, gegen Ende des Monats hielt Federico eine Rede auf dem Augsburger Reichstag, Anfang August konnten er und Antonio Maria ihren Bruder Galeazzo dem König vorstellen.582 Wenn Galeazzo in Unkenntnis der tatsächlichen Macht Maximilians wirklich an eine militärische Rückeroberung Mailands durch ein Heer des deutschen Königs geglaubt haben sollte, wird er von seinen Brüdern, welche die ernüchternden Anstrengungen Maximilians auf dem Reichstag miterleben durften, schnell eines Besseren belehrt worden sein. Entscheidender für ihren künftigen Weg aber war etwas ganz anderes: eine gleichzeitige diplomatische Offensive des französischen Königs, die sowohl einen Ausgleich mit Maximilian zum Ziel hatte als auch eine endgültige Bindung 578 Vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 232f., 266, 317, 353, 430, 466; Pélissier, Recherches (II), S. 296,

310f. – doch unverständlich, warum er auf S. 201 behauptet, Galeazzo sei zusammen mit Ludovico Sforza als Gefangener nach Frankreich gebracht worden, wie es venezianische Quellen zu wissen glaubten (Sanuto, a.a.O., Sp. 241, 255); Adami, Carteggio, S. 27. 579 Sanuto, Diarii III, Sp. 523, 528, 556 (in Ferrara lag eine Kopie von Maximilians Brief vor, die nach Venedig geschickt wurde); Pélissier, Recherches (II), S. 209, 498. 580 Erst nach gut drei Wochen ist dem inzwischen in Innsbruck befindlichen Fracasso das am 1.8. beschlagnahmte Gepäck restituiert worden; vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 575, 607, 673. 581 Pélissier, Recherches (II), S. 209, 296. 582 Sanuto, Diarii III, Sp. 511 (zu Innsbruck), 564f. (23.7.1500 Federico Sanseverino in Augsburg), 597 (ein am 10.8. in Venedig eingegangener Brief des venezianischen Botschafters bei Maximilian meldete die Anwesenheit der drei Brüder beim König).

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weiterer Sanseverino, zunächst Kardinal Federicos, an die französische Krone. Es waren spannende, dramatische Ereignisse. Durch sie erhielten zugleich die Medici wieder eine klare Orientierung.

g) Federico Sanseverino als Sachwalter Frankreichs in Rom Die Entscheidung Ludwigs XII. für Federico Sanseverino ist sicherlich maßgeblich durch Gianfrancesco Sanseverino gefördert worden, den Grafen von Caiazzo. Die von Pélissier und anderen verbreitete Behauptung, dieser sei beim König unerwünscht gewesen und durch Ludwig gleichsam abgeschoben worden, ist reinster Unsinn und verstellt zugleich den Blick auf ein Kabinettstück französischer Diplomatie und Italienpolitik. Wenn Ludwig XII. den Grafen von Caiazzo im Januar 1500 von den lombardischen Kriegsschauplätzen nach Frankreich kommen ließ, um ihm in Nachfolge des bewährten Louis de La Trémoille die königliche Garnison im burgundischen Beaune anzuvertrauen, ist dies nicht als Mißachtung des Sanseverino zu werten, sondern ganz im Gegenteil als besondere Anerkennung seiner militärischen Leistungen und persönlichen Loyalität, da der König damals seine burgundischen Festungen mit Nachdruck gegen wahrscheinliche Übergriffe König Maximilians I. durch besonders treue Truppenverbände verstärken und ausbauen ließ.583 Ludwig XII. wußte zudem sehr genau, daß er über diesen Sanseverino hochkarätige Italiener in zentrale königliche Interessen einbinden konnte, die uns deswegen interessieren müssen, weil sie eben zentrale Knotenpunkte des Medici-Netzwerkes bilden. Wie ernst Ludwig XII. seine neue Schutzpflicht gegenüber dem Grafen von Caiazzo nahm, zeigt sehr nachdrücklich sein über Monate mit großer Energie verfolgtes Bemühen, von der venezianischen Signoria die Restitution des bei Cremona gelegenen Schlosses und Territoriums Cavalcabò zu erlangen, das Gianfrancesco von Ludovico il Moro erhalten und das Venedig ihm entzogen hatte.584 Dem venezianischen Botschafter in Frankreich erklärte der König am 26. August 1500 in Melun kurz und bündig, der Graf von Caiazzo sei sein Mann!585

583 Vgl. Quilliet, Louis XII, S. 268f. Insbesondere in Beaune gab es manifeste Bedrohungen durch

burgundische Verräter, welche die Stadt an Maximilian ausliefern wollten. Zur Versetzung Sanseverinos nach Beaune vgl. oben S. 504 und Anm. 543. 584 Zahlreiche Belege für 1500/1501 bei Sanuto, Diarii, etwa III, Sp. 192 (schon vom Januar 1500 lag ein Brief des Königs in Venedig vor zercha le cosse dil conte di Caiazo suo cuxim, consier, cambelan, pregando la Signoria li volesse restituir il luogo di Chavalchalbò etc.), 370, 1202f., 1513f., 1569f. (3.3.1501: ... Poi li disse [il roy] con gran instantia zercha le cosse dil conte di Caiazo, qual è im Bergogna. Item, soa majestà doman si parte per Bergogna ...); vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 451f. 585 Sanuto, Diarii III, Sp. 743f. Über Fracasso sagte Ludwig, er sei un pazo, ein Verrückter. Obwohl die Venezianer die Sanseverinati stets mit Mißtrauen, aber auch mit großem Respekt betrachteten, scheint der König dem Gesandten nicht allein nach dem Mund geredet zu haben, denn es ist in der Tat auffallend, daß in den folgenden Jahren, als nahezu alle Sanseverino-Brüder in französischen Diensten standen oder anderweitig an Frankreich gebunden waren, Fracasso nie eine dauerhafte condotta erhielt. Im übrigen hatte Ludwig XII. sich auch bei jener Audienz wiederum

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Zum Mann des Königs sollte im Sommer 1500 auch Kardinal Federico Sanseverino werden. Warum Ludwig XII. das entsprechende Angebot des Kardinals nicht schon wenige Monate vorher im September/Oktober 1499 angenommen hatte, sondern den Sanseverino zurückwies, bleibt angesichts dieser Initiative noch unverständlicher. Als Erklärung bietet sich deshalb tatsächlich eine Intrige des Giangiacomo Trivulzio an; für diese Annahme spricht auch die Beobachtung, daß der Trivulzio schon im Sommer 1500 in Frankreich in Ungnade fiel, seine Reputation verlor – genau zu dem Zeitpunkt, als Gianfrancesco Sanseverino im Einklang mit dem König den Einfluß seiner Familie am Hof stärken half!586 In der Hand ein Patent, einen offenen Brief Ludwigs XII., erschien Mitte Juli 1500 Alessandro Salvazo in Mailand und Brescia; er war ein Gesandter Gianfrancesco Sanseverinos und sollte nach Deutschland gehen, um den Kardinal Federico Sanseverino aufzusuchen und ihn zu eine Reise entweder nach Frankreich oder Rom zu veranlassen.587 Der Bote des Grafen von Caiazzo handelte dabei im Auftrag des Königs von Frankreich, der ihn in dieser Funktion vorher offiziell zu seinen venezianischen Verbündeten schickte, um sie von seinem Schritt zu informieren und von ihnen einen Geleitbrief für Federico Sanseverino einzuholen. Ludwig XII. wußte offensichtlich von dem großen Mißtrauen der Venezianer gegenüber den engsten Gefolgsleuten ihres mailändischen Rivalen; und so verhehlte der Doge am 20. Juli 1500 seinen Argwohn denn auch nicht (diese Sanseverineschi seien schlechte Leute, die Sache werde übel ausgehen, doch zur Befriedigung des Königs werde man zustimmen).588 Gleichwohl: Der Kardinal Federico Sanseverino wurde jetzt, nach dem gut einjährigen Loyalitätskonflikt, Ende Juli 1500, wie schon sein Bruder Gianfrancesco, wieder – und nach des Sforza Sturz mehr denn je! – ein Mann des Königs. Der vom Grafen von Caiazzo und von Ludwig XII. über Mailand und Venedig nach Deutschland gesandte Bote Alessandro Salvazo kehrte Ende Juli, Anfang August 1500 – als Federico und Antonio Maria ihren aus Venedig gekommenen Bruder Galeazzo gerade Maximilian vorstellten – als Bote des Kardinals nach Frankreich zurück. Federico hatte sich verpflichtet, an den Hof des Königs zu gehen, da er sich mit Ludwig XII. geeinigt hatte.589 Gut zwei Wochen später begab sich Federico Sanseverino über Südtirol nach Italien; in seiner Begleitung bei der venezianischen Signoria eindringlich für die Rückerstattung der Güter Gianfrancescos eingesetzt, der sich damals bei seiner Garnison in Burgund (Beaune) befand. 586 Vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 516 (ca. 15.7.1500, Mailand: Item, missier Zuan Jacomo Trivulzi è mal visto in Franza, et eri missier Zorzi Triulzi vene di Franza non con tropo gaudio ...). Dieser Ansehensverlust betraf also nicht allein Giangiacomo, sondern auch seinen Verwandten Giorgio. 587 Sanuto, Diarii III, Sp. 512, 516. 588 Sanuto, Diarii III, Sp. 517 (20.7.1500, Venedig: [in colegio] ... vene l’orator di Franza; disse haver letere di Milam, el roy à mandati in Elemania per il cardinal San Severin, acciò vadi a Roma; vol la Signoria li dagi salvo conduto. Il principe li rispose: Questi sanseverineschi è malli homeni, va a meter mal; tamen, a compiasentia dil roy, si farà.). 589 Sanuto, Diarii III, Sp. 582 (ca. 3.8.1500, Brescia: dil zonzer lì uno Alexandro Salvazo, noncio dil cardinal San Severin, va in France. Dice el cardinal preditto verà dal roy per essersi accordato etc. ...).

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befand sich für eine Weile sein Bruder Fracasso und eine Gruppe der Mailänder SforzaAnhänger, die den Venezianern erstaunlicherweise immer noch die Prognose vermittelte, man würde mit deutschen Soldaten das Herzogtum in Kürze zurückerobern.590 Ein erster Anlaufpunkt Federicos war Mantua, d.h. das in Bozzolo (zwischen Mantua und Cremona) gelegene Gonzaga-Schloß, wo er um den 18. August eintraf.591 Schon um diese Zeit, Mitte August, sollte der Sanseverino für Frankreich in Rom wirken. Man glaubte in jenen Tagen, Papst Alexander VI. sei durch einen am 29. Juni erfolgten Deckeneinsturz im Papstpalast so schwer verletzt worden, daß er dieses Unglück nicht überleben würde. Federico Sanseverino erhielt deshalb den Auftrag, bei der kommenden Papstwahl für Kardinal Giuliano della Rovere zu stimmen, den Feind des Borgia, der in Frankreich bzw. Avignon wie im Exil gelebt, sich ganz dem französischen Hof und dessen Politik angeschlossen hatte und dessen Wahl Ludwig XII. nun also fördern wollte.592 Da Alexander VI. sich aber bald und gut erholte, wurde der Auftrag aufgehoben und der Sanseverino an den französischen Hof beordert. Zu seiner neuen Loyalität hatte sich Federico Sanseverino nicht ganz freiwillig entschlossen. Zumindest glaubte Ludwig XII., ihr nachhelfen zu müssen, auf ein kräftiges Druckmittel nicht verzichten zu können: die französischen Benefizien Federicos bzw. deren Verlust. Schon im Juni 1500 hatte der König einen Brief an den Papst gesandt, er wolle dem in Deutschland befindlichen Sanseverino sein Erzbistum Vienne entziehen und bat um Zustimmung des Konsistoriums. Alexander VI. wollte dem Willen Ludwigs nachkommen, doch die Kardinäle verweigerten ihre Einwilligung.593 Ließ sich die Provision nicht so einfach aufheben, so konnte der König nun mit einer Sperrung der Einkünfte drohen. Dem venezianischen Botschafter in Frankreich erzählte er Ende August, wenn der 590 Vgl. etwa Sanuto, Diarii III, Sp. 632 (15.8.1500, Venedig: ... Fo leto letere dil podestà di Ro-

verè, do di 13. Come uno Batista di Martinel, era venuto di Trento, dice el cardinal San Severino eri sera intrò lì in Trento, e domino Galeazo Visconti, con 500 milanesi e Frachasso, e aspeta mandato dil re [Maximilian I.]. ... Dil dito, di 13. Come era venuto uno fiol di Sabastiam Osto ..., dice haver visto a San Piero el cardinal San Severin e Frachasso e milanesi, et sono 6000 con li forestieri, e aspeta l’hordine dil re per venir poi a Roverè, et è stà ordinà di Trento far le mostre, e haver 700 lanzaruoli e 300 pestaruoli.), 634 (14.8.1500, Feltre: Come è venuto lì Sabastian Osto, dice el cardinal San Severin è andato de Trento (ad) Archo con Frachasso, e non si feva zente, e non era si non 150 milanesi.), 672 (17.8.1500, Asola: der Kardinal Sanseverino habe verlauten lassen, die impresa di Milam werde im Oktober oder November stattfinden). Offenbar handelte es sich um gezielte Desinformationen. 591 Sanuto, Diarii III, Sp. 650, 662, 673. 592 Zum Unfall des Papstes: Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 539f.; zur geplanten Wahl des Della Rovere durch Sanseverino im Interesse Ludwigs XII.: Sanuto, Diarii III, Sp. 658f. (17.8.1500, Asola: ... et che lui cardinal [di San Severim] era venuto lì a requisition dil roy, per far el cardinal Sam Piero in Vincula papa, perchè il papa steva mal. Dice ditto cardinal à cavali 40, ma pochi danari ...); 743f. (26.8.1500, Meledun: Dil cardinal San Severin, dice [il roy] lo mandò a tuor, acciò desse il voto al cardinal Vincula; li à dà licentia vadi a Roma, e torni in Franza ...). Pélissier ist der genauere Hintergrund entgangen, er sah die Aufgabe Federicos fälschlich in einer politischen Verständigung zwischen Ludwig XII. und Maximilian I.; vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 501–503. 593 Sanuto, Diarii III, Sp. 403 (13.6.1500, Rom).

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Sanseverino nach der (noch für möglich gehaltenen) Stimmabgabe für Giuliano della Rovere nicht von Rom nach Frankreich zurückkehre, werde er ihm seine Benefizieneinkünfte entziehen.594 Offensichtlich hatte der König dieses Mittel tatsächlich angewandt, denn Ende September hatte der venezianische Gesandte in Mailand aus Frankreich die Nachricht erhalten, König Ludwig XII. habe dem Kardinal Sanseverino alle seine (kirchlichen) Einkünfte restituiert. Darüber hinaus hatte er ihm aus diesen Einnahmen 2.000 Dukaten nach Mailand senden lassen, damit der recht mittellose Kardinal sich wieder in hordine bringen könne.595 Diese Information war auch für die Venezianer von Belang, hatten sie doch ihrerseits ebenfalls dem Sanseverino seine unter venezianischer Oberhoheit befindlichen Benefizieneinkünfte entzogen, die aus dem Besitz der Abtei San Lorenzo in Cremona resultierten. Ludwig XII. demonstrierte seine neue Schutzfunktion gegenüber Federico Sanseverino, indem er die Signoria von Venedig (erfolgreich) zur Restitution dieser mit 2.000 Dukaten nicht unbeträchtlichen Erträge drängte.596 Um den 10. September brach Federico Sanseverino auf Anweisung des Königs nach Frankreich auf, nach einer Verständigung über die nicht mehr notwendige Papstwahl und über eine finanzielle Ausstattung des Kardinals für die Reise. Auf dem Weg besuchte er kurz vor Mailand auch seine Abtei Morimondo, die er 1498 gegen eine jährliche Pensionszahlung von Giovanni de’ Medici erhalten hatte.597 Am 25. Oktober 1500 traf Federico Sanseverino am königlichen Hof in Nantes ein; die Ehre, ihm entgegenzureiten, gaben ihm sein Bruder Gianfrancesco und – notabene! – der Kardinal Georges d’Amboise, mit dem er sich einst wegen des Erzbistums Rouen geeinigt hatte.598 Seite an Seite saßen die

594 Sanuto, Diarii III, Sp. 743f. (26.8.1500, Meledun: ... li [Federico Sanseverino] à dà licentia vadi

a Roma, e torni in Franza; aliter li torà le intrade). 595 Sanuto, Diarii III, Sp. 864 (30.9.1500, Mailand: Item, à di Franza, il re era andato a Bles, poi

anderia a Orliens, e à restituì al cardinal San Severin tutte le intrade, e li à mandà contra ducati 2000 di le ditte intrade, per metersi in hordine). 596 Vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 864 (30.9.1500, Mailand: ... Et dice il re à scritto a la Signoria nostra, zercha la restitution di beneficij di Cremona), 940f. (20.10.1500, Venedig: Vene il ditto messo dil cardinal San Severino, chiamato domino Antonio Maistrello, qual è prete, e portò una letera di credenza, date a Feliciam, a dì 28 septembrio, e una dil roy in recomandation di ditto cardinal; dice averli reso le intrade; prega la Signoria li rendi quelle ha a Cremona, videlicet l’abacia di San Lorenzo ...), 1043 (9.11.1500, Cremona: ... Il vescoado à de intrada ducati 4500; la badia di San Lorenzo, à il cardinal San Severin, ducati 2000 ...“), 1255 (21./22.11.1500, Blois: Kardinal Federico Sanseverino bedanke sich bei der Signoria von Venedig, daß sie ihm seine Einkünfte in cremonese gelassen habe). 597 Sanuto, Diarii III, Sp. 764 (11.9.1500, Ferrara: È nova, il cardinal San Severim, partito d mantoana, va in Franza), 796 (13.9.1500, Mailand: Item, il cardinal San Severin va in Franza, chiamato dal re; è zonto a una soa bacia a Miramondo, mia 14 di Milam). Zu Morimondo s.u. S. 729–733. 598 Sanuto, Diarii III, Sp. 1051 (28.10.1500, Nantes: ... Et in la letera di 25 scrive [der Orator Venedigs], di l’intrar quella sera lì el cardinal di San Severino; li andò contra el cardinal Roan e il conte di Caiazo).

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beiden Kardinäle zum Beispiel bei einem Essen am 22. November neben dem König, Einverständnis und Nähe demonstrierend.599 Innerhalb kürzester Zeit war dieser Sanseverino-Kardinal, der mit einem Bein seit langem fest in Frankreich stand, in das Zentrum der französischen Macht vorgerückt – ganz im Gegensatz zu seinem „Gefährten“, zu Kardinal Ascanio Sforza, der am 5. Juni 1500 unter starker militärischer Bewachung aus Mailand in ein französisches Gefängnis geführt worden war!600 Federicos Verbundenheit mit Frankreich, die er seit vielen Jahren auch gegenüber seinem mailändischen Herrn mit Vehemenz bekundet hatte, war nun durch das Ende der Sforza-Herrschaft und durch den neuen französischen Herrn Mailands keinerlei Beschränkung mehr unterworfen. ‚Der Kardinal Federico Sanseverino und der Graf Gianfrancesco Sanseverino sind die unsrigen!‘, so legte der König beispielsweise am 27. November 1500 die beiden Mailänder dem venezianischen Verbündeten ans Herz.601 Als Federico im Februar 1501 aufbrach, um über Paris und Mailand am 22. April 1501 nach Rom an die Kurie zurückzukehren, da kam er als erklärter Sachwalter, als Kardinalprotektor der Interessen des französischen Königs. Das traditionelle Geleit gaben ihm in Rom sechs Kardinäle, doch seine engsten Freunde unter den Kardinälen, Giovanni de’ Medici, Bernardino Carvajal sowie Oliviero Carafa, verliehen diesem Empfang dabei eine besondere, betonte Exklusivität!602 An dem fundamentalen Tatbestand, daß der Sanseverino nun offiziell die Belange Frankreichs an der Kurie vertrat, wird sich bis zu seinem Tod 1516 nichts ändern; von größter Bedeutung aber ist dies auch für uns, basiert doch die Geschichte der exilierten Medici und die Struktur ihres Netzwerkes noch stärker als vorher auf dieser Tatsache.

599 Sanuto, Diarii III, Sp. 1138f. (22.11.1500, bei Tours: Et poi fo preparato in una salla una sedia

per il re, et da una banda sentati li reverendissimi cardinali Roam et San Severino, l’orator dil papa, l’yspano, et lui orator nostro, da l’altra banda el ducha di Barbon, fato venir a questo effecto, el gran canzelier et altri signori ...; geringe Reputation hätten im übrigen die deutschen Gesandten besessen, die auf einer eigenen Bank saßen). 600 ASF, SR 15, c. 331–333 (5.6.1500, Piero Soderini, Mailand: ... Monsignore di Sandricourt con bona compagnia questo dì debba muovere di qui el cardinale Ascanio per condurlo a Lione ...). 601 Sanuto, Diarii III, Sp. 1202f. (27.11.1500, Tours: ... E il re disse: El cardinal [Sanseverino] et esso conte (di Caiazzo] è nostri; vi pregamo assai). 602 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 276 (Eadem die [22.4.1501], circa horam XXI, reversus est ad Urbem r. d. cardinalis Sancti Severini; intravit per portam beate Marie de Populo, qui usque ad pontem Milvium equitavit in rocchetto et capuccino ... Rr. dd. cardinales Neapolitanus [Carafa], Sancte Crucis [Carvajal] et Medices venerunt simul obviam eidem cardinali venienti usque ad prope vineam cardinalis Senensis, ubi receperunt eum more solito; equitarunt deinde Neapolitanus et Sancte Crucis simul, et Medices post eos, medius inter Santi Severini a dextris et Cesarinum a sinistris, usque ad domum Sancti Severini, ubi peractis gratiis recesserunt ab eo; Sanuto, Diarii III, Sp. 1632 (bereits am 26.3.1501, Rom: Item, de lì a roma si aspetta il cardinal San Severino, vien per haver im protetion le cosse dil re di Franza).

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4. Das Medici-Netzwerk in Frankreichs Schoß: Krieg gegen Neapel und Kampf um die Restitution der Medici (1500-1503) a) Kardinal Georges d’Amboise bindet die Medici an Frankreich Es ist unverkennbar: Die Handlungsmöglichkeiten der exilierten Medici waren in mehrfacher Hinsicht äußeren Bedingungen unterworfen, die sie nicht korrigieren oder gar lenken konnten. Diese Abhängigkeiten resultierten aus der Machtlosigkeit der Medici und den Interessen und Erfolgen Mächtigerer – befreundeter wie verfeindeter; sie erwuchsen aber auch zugleich aus dem Schicksal ihrer zentralen Freunde. Nichts demonstriert dies deutlicher als die fast einjährige Episode zwischen Sommer 1499 und Sommer 1500. Nach dem Scheitern des venezianischen Abenteuers gab es für den Medici-Kreis vorerst keine neuen Optionen, obwohl schon damals die engen Kontakte mit dem französischen Botschafter Jean de Beaumont, der Giovannis Frankreich-Reise initiiert und organisiert zu haben scheint und Piero konkrete Hoffnungen gab, auf eine französische Förderung hindeuteten. Doch die Eroberung des Herzogtums Mailand verwehrte den Medici vorerst eine eindeutige Orientierung. Sie hätten sich gänzlich der französisch-venezianischen Allianz unterwerfen oder eingliedern können, hätte es ihren wichtigsten Freund Federico Sanseverino nicht gegeben. Er stand ihnen näher, und deshalb waren sie von dem Loyalitätskonflikt Federicos und seiner Brüder unmittelbar betroffen. Wie ihr Intimus lavierten sie gleich einem Boot ohne Segel und Ruder. Und wie von Klio gesteuert nahm das Medici-Schiff mit ihm wieder Fahrt auf, mit klarem Kurs und unter vollen Segeln. Als Federico Sanseverino vom gallischen Hahn laut und energisch gerufen wurde, genau da wurden auch die Medici in Frankreichs Hafen gelenkt. Die Entscheidung für die Verpflichtung Federico Sanseverinos muß im Mai, spätestens Juni 1500 erfolgt sein; im Mai reiste Piero de’ Medici über Genua an den Hof des französischen Königs, den er im Juni erreichte. Doch schauen wir, ob sich hinter dieser alles andere als zufälligen Koinzidenz ein bisher verborgener, aber kraftvoller Verursacher erkennen läßt. Wer besaß die Macht, solche Gunst erweisen und diese Richtung bestimmen zu können? Außer dem König, der zunächst nicht im handlungsentscheidenden Kontext erscheint, kam nur Kardinal Georges d’Amboise in Frage. Er war im Februar 1500 mit dem Entsatzheer, das die Sforza-Truppen zurückschlagen sollte, in die Lombardei zurückgekehrt und erwies nach der Verhaftung des Moro Mitte April den kapitulierenden Mailändern die erbetene Gnade. Nachdem er die öffentliche Ordnung im Herzogtum wiederhergestellt hatte und seinen Neffen Charles d’Amboise, Seigneur de Chaumont, als Gouverneur des Herzogtums eingesetzt hatte, verließ er am 8. Juni Mailand, um sich wieder nach Frankreich zu begeben, wo er mit großem Gefolge am 21. Juni 1500 in Lyon am königlichen Hof eintraf.603 Es sind deutliche Indizien, die uns zeigen, daß der Medici-Kreis zwi-

603 Vgl. etwas Quilliet, Louis XII, S. 254–260 (dort irrig Ende Mai als Abreisezeit angegeben); zum

Abreisedatum: ASF, SR 15, c. 311–312 (6.6.1500, Piero Soderini, Mailand: ... Partirà a ogni

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schen Februar und Juni 1500 durch den Kardinal Georges d’Amboise wieder und nun definitiv an die kräftige französische Schulter gezogen wurde. So berichtet der Florentiner Gesandte Piero Soderini am 8. Mai 1500 aus Mailand nach Florenz, der Seigneur de Beaumont – im Jahr vorher noch Protektor der Medici in Venedig – habe Marco Salviati sehr inständig bei der Florentiner Signoria empfohlen, also jenen Medici-Partisanen Marcuccio Salviati, der wegen seiner Teilnahme am „venezianischen Abenteuer“ Pieros ähnlich wie Simone Tornabuoni und Andrea de’ Medici, il Grasso, im April 1499 zunächst als Rebell verurteilt, dann zu einem dreijährigen Exil begnadet worden war. Dies ist freilich gar nicht einmal das Erstaunlichste; bemerkenswert ist vielmehr der Grund für Beaumonts innige Fürsprache. Der Salviati sei nämlich der erste gewesen, der (im April 1500) in das Mailänder Kastell gestürmt sei, um die Neuigkeit vom Sieg des französischen Königs (bzw. seines Heeres) und von der Gefangennahme des Ludovico Sforza zu verkünden.604 Das ist schon instruktiv: Einer der engeren MediciFreunde, der wegen seiner offenen Teilnahme an Pieros Angriffen auf Florentiner Besitzungen des Landes verwiesen worden war, befindet sich nun ein Jahr später im Herzen der französischen Truppen, ist offensichtlich bei der endgültigen Niederwerfung des Sforza-Herzogs anwesend, findet aber auf jeden Fall Zugang in das noch von französischen Soldaten besetzte Mailänder Kastell in einer seit dem Februar von den meisten Franzosen verlassenen Metropole.605 Doch es gibt noch stärkere Indizien, daß die Medici wieder im Spiel waren. Am 19. Mai 1500 wußte Soderini in Mailand, Giangiordano Orsini sei am Sonntag, das war der 17. Mai, am Hof gewesen, also an dem von Kardinal Georges d’Amboise in Mailand gebildeten; er gehe nun nach Frankreich.606 (Von dort war er ja im Mai 1499 verärgert in Richtung Oberitalien aufgebrochen, da Ludwig XII. ihm nur bei ständigem Aufenthalt in Frankreich eine königliche Rente geben wollte.607) Die Orsini standen damals mehr denn je demonstrativ hinter Frankreich, feierten den Sturz Ludovico Sforzas.608 Giangiordano reiste am 17. Mai 1500 allerdings nicht auf direktem Weg über die Alpen, sondern ritt zunächst noch nach Bologna, wo er wohl kurz vor dem 24. Mai die aus Siena bzw. Rom kommenden französischen Botschafter traf, die auf ihrem Weg nach Mailand in Bologna Halt machten.609 Möglicherweise aber ging es dem Orsini primär um ein Gespräch mit Giuliano de’ Medici, den wir für Ende Februar in Bologna nachweisen konnten und der

modo lunedì [8.6.] Monsignore lo cardinale di Roano ... se ne andrà a Lione a trovare la Regia Maestà ...). 604 ASF, SR 15, c. 192–194 (8.5.1500, Piero Soderini, Mailand). 605 Vgl. Pélissier, Recherches (II), S. 168f. 606 ASF, SR 15, c. 107–108, 110–111 (19.5.1500, Piero Soderini, Mailand). 607 S.o. S. 474. 608 Vgl. etwa Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 537 (als Mitte April die Nachricht vom politischen Ende des Sforza in Rom eintraf, zündeten die Orsini Freudenfeuer an, „in der ganzen Stadt ertönte der Ruf: Frankreich! Bär! [= Orsini]“). 609 Sanuto, Diarii III, Sp. 344 (aus Ferrara, 24.5.1500: Di do oratori francesi zonti a Bologna; uno vien di Roma, l’altro di Siena, vano a Milan; et Zuam Zordam Orssini è a Bologna ...).

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auch noch am 29. Juni eben dort bei seinem engen Freund, im Haus des Grafen Niccolò Rangoni (einem Verwandten des Bentivoglio), zu finden ist.610 Soderini bestätigt uns am 19. Mai freilich zudem, daß auch Piero de’ Medici Mitte Mai in Mailand gewesen war, den er jedoch nie zu Gesicht bekam. Er habe nichts über eine besondere Beachtung Pieros am Hof gehört, wisse aber, daß Piero krank gewesen sei, und er habe vernommen, Piero sei nach seiner Genesung nach Genua geritten, um seinen Bruder, den Kardinal, aufzusuchen, der sich dort befinde. Tatsächlich war Giovanni de’ Medici nach seiner Ende Januar oder Anfang Februar erfolgten Abreise aus Frankreich Ende Februar im französisch dominierten Genua eingetroffen, wo der venezianische Gesandte am 25. Februar 1500 seine Anwesenheit bezeugte.611 Giuliano befand sich damals wie gesagt in Bologna, Alfonsina Orsini in Rom, wohin auch ihr siebenjähriger Sohn Lorenzo gesandt wurde, der sich bisher bei dem Bankier Girolamo Lippomano in Venedig, d.h. auf der Insel Murano, befunden hatte.612 Giovanni muß sich also mehr als zwei Monate in Genua aufgehalten haben, wo er Mitte Mai mit Piero zusammentraf, um anschließend nach Rom zu gehen. Denn am 19. Mai 1500 traf er nach längerer, gut zehnmonatiger Abwesenheit wieder in Rom ein.613 Giovannis Aufenthalt in Genua ist als deutliche politische Parteinahme zu bewerten, hatte sich diese einige Jahre von Mailand gesteuerte Stadt doch rasch bei Anrücken der Franzosen in deren Hände begeben. (Es war wohl wie gesagt nicht unwesentlich, daß einer der damaligen Statthalter, Giovanni Adorno, mit Eleonora Sanseverino eine Schwester Federicos geheiratet hatte.614) Nun unterstand die strategisch so wichtige Hafenstadt einem französischen Gouverneur, Philipp von Kleve-Ravenstein, einem seit langem über enge verwandtschaftliche Beziehungen an den französischen Hof gebundenen Deutschen, der deshalb auch den Medici entgegenkam. Denn Piero de’ Medici durfte kurz nach seinem Treffen mit Giovanni auf einer leichten französischen Galeere, die Philipp von Ravensteins Ehefrau von Marseille nach Genua gebracht hatte, er durfte also mit Hilfe dieses Gouverneurs in die südfranzösische Hafenstadt Marseille fahren, von wo aus er sofort nach Lyon an den französischen Hof weiterreiste, den er am 10. Juni erreichte. Giangiordano Orsini war kurz vor Piero in Lyon angekommen. Am 7. Juni hatte er sich mit König Ludwig XII. im Dauphiné befunden.615 610 ASF, SR 16, c. 36–37 (29.6.1500, Raphael Fedinus, cancellarius, aus Bologna: ... Qui si trova

Giuliano de’ Medici in casa il conte Niccolò Rangoni con poca reputatione ...). 611 Sanuto, Diarii III, Sp. 135 (dort heißt es noch, Giovanni sei nach seiner Frankreichreise in Eng-

land gewesen, wofür es freilich keine mir bekannten Zeugnisse gibt). 612 Die genauen Aufenthaltsorte der Medici teilte der venezianische Botschafter in Rom mit, der

zudem noch erwähnte, daß Lucrezia Salviati, die Schwester der drei exilierten Medici, sich in Florenz befinde; vgl. Sanuto, Diarii III, Sp. 135; vgl. auch Tewes, Medici und Frankreich, S. 54 und Anm. 84 (dort ist die Jahreszahl 1499 in 1500 zu korrigieren). 613 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 218. 614 Zu ihr und Genua vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 404f. (IV/9). 615 ASF, SR 15, c. 337 (7.6.1500, Francesco Gualterotti und Lorenzo Lenzi, Lyon: ... Per lettere di Avignone de iij di questo im più mercanti s’intende Piero de’ Medici essere arrivato quivi per venire qui: et che è passato da Genova ad Marsilia in su certe Galere sottile che sono venute

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Es kann keinen Zweifel geben, daß Pieros Aufbruch von Mailand nach Genua, sein dortiges Treffen mit seinem Bruder und seine anschließende Reise mit einer Galeere des französischen Königs nur auf einen Beschluß des Georges d’Amboise erfolgt sein konnte. Dies war ein demonstrativer Gunsterweis, ja ein politisches Bekenntnis, das denn auch sofort bei den Florentiner Gesandten zu wachem Mißtrauen führte. Und eben in jenen Tagen des Mailand-Aufenthaltes des Kardinals muß es zu der Planung, spätestens bei seiner Ankunft in Lyon am 21. Juni zu der Entscheidung gekommen sein, Pieros Freund Federico Sanseverino mittels eines Boten seines Bruders Gianfrancesco von Deutschland aus an den französischen Hof oder für diesen nach Rom kommen zu lassen. Mit Georges d’Amboise erhielt das monatelang in unruhigen Gewässern schlingernde Medici-Boot kraftvollen Wind; die Medici-Sache gewann neue Dynamik, weil, und nur weil ihnen allen, den Medici-Brüdern, dem Sanseverino und den Orsini, innerhalb weniger Wochen durch eine der großen europäischen Mächte eine neue Perspektive und Orientierung gegeben wurde – freilich nicht ohne gewichtige Eigeninteressen. Ludwigs XII. Politik wurde nach der Eroberung Mailands von einem zweiten Lebensziel beherrscht, der Rückgewinnung französischer Macht im Königreich Neapel. Dafür brauchte er nicht zuletzt den Papst, der seinerseits sein Leben mit einem Staat für seinen Sohn Cesare Borgia krönen und Frankreich daher unterstützen wollte, wenn dieses ihm und Cesare tatkräftig unter die Arme greifen würde. Cesare Borgia wurde wie gehört Herzog von Valence und in den französischen Adel aufgenommen; Alexander VI. hingegen privilegierte Ludwig XII. beispielsweise, indem er im April 1501 dem (1498 noch abgeschlagenen) Wunsch Ludwigs nachkam, seinen ersten Minister Georges d’Amboise mit umfangreichen Vollmachten zum päpstlichen Legaten in Frankreich zu ernennen.616 Der Angelpunkt des ganzen Neapel-Unternehmens war ein schon am 11. November 1500 zu Granada unterzeichneter Geheimvertrag zwischen Ludwig XII. und dem spanischen König Ferdinand von Aragón, der einen gemeinsamen Angriff auf das Königreich Neapel und nach dem Sieg eine Teilung des Landes vorsah, wobei Ludwig neben dem Königstitel die nördlichen Landesprovinzen (mit den notabene ehemaligen Territorien der Orsini und Sanseverino), Ferdinand als Herzog des Landes die südlichen bzw. östlichen Provinzen Apulien und Kalabrien erhalten sollte. Der sicherlich über diesen Vertrag informierte Papst billigte ihn offiziell im Juni 1501, als die französischen Truppen mit herannahender Unterstützung des Cesare Borgia bereits gegen Neapel zogen.617 Gleichsam im Windper condurre a Genova la mogle di Philippo di Ravisten governatore di dicto luogho: per anchora decto Piero non è comparso qui ...), c. 292 (12.6.1500, Dies.: ... Arrivò qui Piero de’ Medici insino a dì 2 ne per anchora si ritrahe che egli habbi altro disegno alle mani che di cercare favore di cose sua particulari ...); c. 273–274 (23.6.1500, Francesco Cappello aus Rom: ... Piero de’ Medici era arrivato ad Lione pocho di poi che il Signore Joan Jordano Orsino ...). Vgl. auch Sanuto, Diarii III, Sp. 410 (vom venezianischen Botschafter in Frankreich, Lyon, 12.6.1500: ... Item, Piero de’ Medici si ritrova lì, et il signor Zuam Zordam Orssini; ...). 616 Vgl. Sanuto, Diarii IV, Sp. 19 (7.4.1501, Rom: Il papa à dà la legation di Franza al cardinal Roan con grandissima autorità); Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 544 und Anm. 3; Vogt, Georges d’Amboise, Sp. 1068. 617 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 544; Quilliet, Louis XII, S. 268.

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schatten dieser großen europäischen Mächteverschiebungen gedachten die Medici ihrerseits endlich die – ihnen von Ludwig eigentlich schon Anfang September 1499 als Nebenerfolg eines Neapelzuges vor Augen gestellte – Revision der Machtverhältnisse in Florenz herbeiführen zu können, mit Frankreich und den Borgia als starken bewaffneten Armen. Es war also ein großer Kreis von Gleichgesinnten, die mit dem gemeinsamen Ziel einer erneuten französischen Herrschaft in Neapel ihre je besonderen Partikularinteressen gefördert und gewahrt sehen konnten. Sie alle fanden sich, zum Teil gemeinsam, zum Teil zeitversetzt, in jenen Monaten zwischen dem Sommer 1500 und 1501 in Frankreich am Hof des Königs ein. Dies zog eine beachtliche räumliche Verlagerung des Schwerpunktes unseres Netzwerkes nach sich. Die Mediceer werden jedoch zu den treibenden Kräften eines neuen französischen Feldzuges gegen Neapel zählen, der militärisch wiederum maßgeblich von den Sanseverino getragen wird. Auf dieser neuen Stufe der das Netzwerk prägenden politischen wie zugleich familiären Entwicklungen wird die bestehende Verknüpfung zwischen unseren Protagonisten aus den Familien Medici, Orsini und Sanseverino nochmals entscheidend verstärkt – und die alte Rivalität zwischen Piero de’ Medici und Giangiordano Orsini offenkundig begraben. Piero de’ Medici und Giangiordano Orsini hielten sich im Sommer 1500 gemeinsam einige Monate am französischen Hof auf. Pieros Stellenwert und Interessen wurden für die Augen und Ohren der mißtrauischen Außenwelt vorerst im Unverbindlichen gehalten. Das Medici-Haupt war mit einem weit unter seiner Würde, oder besser: seinem Anspruch liegenden Aufzug in Lyon erschienen. Lediglich vier Reiter begleiteten einen Bedürftigen, der anfänglich nur vorgab, er wolle versuchen, sich einige ihm zu Zeiten Karls VIII. entzogene Güter restituieren zu lassen.618 Bei den Florentiner Botschaftern bzw. der Signoria setzte sich sogar König Ludwig XII. mit Nachdruck für den verarmten Piero ein. Florenz möge ihm materielle Unterstützung zukommen lassen, damit er leben könne! Schließlich habe Piero auch versichert, sich in die Florentiner Politik nicht mehr einmischen, die Republik nicht mehr angreifen zu wollen. Und der König fügte hinzu, er habe den Eindruck, Piero sei in ein extremes Elend abgestürzt.619 Die Bilder gleichen sich somit, jene vom Mai und August 1499 in Venedig und jene vom Juni 1500 in Lyon. Der einstmals so stolze und in seinem ganzen Auftreten so pfauenhaft prätentiöse Piero de’ Medici erschien vor den Mächtigen Europas wie ein Bettler; den einen wie ein erbarmungswürdiger, den anderen wie ein widerwärtiger Bittsteller. Er schien keinerlei Mittel mehr zu besitzen, um dem immer noch beanspruchten Status durch die angemessenen äußeren Symbole entsprechen zu können. Halten wir uns dazu noch vor Augen, wie Kardinal Giovanni de’ Medici in jenen Monaten ohne die Attribute seines hohen geistlichen Standes – dessen Erreichung der ganze Stolz seines Vaters gewesen war! –, inkognito als irgend eine beliebige weltliche Person, vermutlich in der Kleidung 618 ASF, SR 15, c. 292 (12.6.1500, Francesco Gualterotti und Lorenzo Lenzi, Lyon), c. 273–274

(23.6.1500, Francesco Cappello, Rom: .. era arrivato ... molte male ... et meschinamente ...). 619 ASF, SR 15, c. 249–250 (21.6.1500, Francesco Gualterotti und Lorenzo Lenzi, Lyon).

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eines Ausländers, der Deutschen wohl, wie dieser Medici-Kardinal einem flüchtigen Verbrecher gleich – sonst wäre er ja auch nicht von einem kleinen Territorialherrn in Tirol verhaftet worden! – seine Frankreichreise antrat, dann steht fest: Die Medici befanden sich im Jahr der Jahrhundertwende auf einem Tiefpunkt. Doch hierbei handelt es sich um eine Phase demonstrierter Armseligkeit und Zurückhaltung, resultierend aus einem Tiefpunkt politisch-militärischer Machtlosigkeit. Ihren finanziellen Möglichkeiten entsprach die der höfischen Öffentlichkeit präsentierte Ausstattung der Medici-Brüder keineswegs. Ihre Bankiers waren aktiver, erfindungsreicher und erfolgreicher denn je; und allein Giovannis Benefizieneinkünfte hätten für eine standesgemäße Bekleidung ausgereicht – ganz abgesehen davon, daß solche Stücke sich mit Sicherheit noch in ihren Kleidertruhen finden ließen. Wenn sie daher – gemessen an ihrem Stand – als Bedürftige und Statuslose auftraten, entschieden sie sich für eine inszenierte Captatio benevolentiae. Werbend baten sie die mächtigen Freunde mit einem politischen Ritual um Gunst, weil sie stärker als vorher von ihr abhängig waren. Diese Form der Demut wurde schnell belohnt, durch politische Aktionen und Demonstrationen abgelöst. Wer hier wen zuerst ermunterte, ist kaum zu erschließen. Wahrscheinlich verzahnten sich gegenseitige Interessen. Auf jeden Fall wußte der Florentiner Sekretär Francesco Cappello bereits Anfang Juli 1500 in Rom von der beabsichtigten impresa, also dem Zug gegen Neapel, zu berichten. Die Orsini wüßten, daß sie auf jeden Fall stattfinden werde, rüsteten jedoch noch nicht, statt dessen spielten sie ‚tote Katze‘. Darüber hinaus hatte er in Rom erfahren, daß sowohl Piero de’ Medici als auch ein Mandatar des Vitellozzo Vitelli und Giangiordano Orsini den französischen König bedrängten, die (sich gegen Florenz wehrenden) Pisaner zu unterstützen sowie Florenz mit weiteren Mitteln zu bedrängen, doch habe Ludwig XII. seine Treue gegenüber Florenz beteuert.620 An der Aufrichtigkeit dieser Zusicherung aber mußte es erhebliche Zweifel geben. Ludwig XII. hatte sich von Florenz – das ihm auch seine Besatzungstruppen im Herzogtum Mailand bewaffnen und unterhalten sowie 5.000 Mann für den Neapelzug besolden sollte – viel Geld geben lassen, um Schweizer Söldner mit französischen Truppen unter (dem uns nun gut bekannten) Jean de Polignac, Seigneur de Beaumont, im Juni und Juli 1500 gegen Pisa kämpfen zu lassen. Diese Soldaten brachten Florenz eher Schaden als Nutzen.621 Was Florenz damals schadete, nutzte jedoch den Medici. Und Beaumont war eben jener Freund Ludwigs XII., der Piero und Giovanni im Spätsommer 1499 in Venedig umhegt, der den Ausgangspunkt für Giovannis Frankreichreise gebildet hatte, der Anfang Mai 1500 den mit den französischen Truppen gegen die Sforza kämpfenden Florentiner Rebellen Marco Salviati der Signoria ans Herz legte – jenen Medici-Partisan, der sich ausgerechnet im Juli 1500 gleichsam vor den Mauern Pisas in Cascina in der Nähe der Florentiner Truppen bewegte und vom besorgten Generalkommissar Piero Vespucci (wieder) als Rebell der Florentiner 620 ASF, SR 18, c. 20–21 (2./3.7.1500, Francesco Cappello, secretario fiorentino, aus Rom). 621 Vgl. etwa Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 45–47; Guicciardini, Storia d’Italia, S.

446–451 (V/1); Viroli, Lächeln, S. 57–59 (dort irrig: Hugo di Beaumont).

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Republik bezeichnet wurde!622 Frankreichs von Florenz gut bezahlte Waffenhilfe gestaltete sich ebenso dubios wie die Motivation einiger Kriegskommissare der Florentiner Signoria, die Cosimo Sassetti, Alessandro Pucci oder Pierantonio Carnesecchi hießen. Ausgerechnet der ehemalige wichtige Lyoner Medici-Bankier Cosimo Sassetti hatte die Verbindung zu Beaumont zu pflegen, in dessen Unterkunft er dann hören durfte, wie die Schweizer Offiziere sich bei diesem über die schlechte Behandlung durch Florenz beklagten, wie sie betonten, sie dienten nicht den Florentinern, sondern dem französischen König und würden Pisa nach der Eroberung nicht an Florenz ausliefern.623 Luca degli Albizzi meldete dann Anfang Juli, daß Rinieri della Sassetta geheime Machenschaften mit den Pisanern betreibe und die Stadt zu jeder Uhrzeit ungefährdet aufsuchen könne.624 Auch diesen Sassetta werden wir als einen Vertrauten der Medici kennenlernen. Das Netzwerk der Medici ist in der Tat sehr aktiv gewesen, um Florenz die Einnahme Pisas zu verwehren – jener Stadt, in welcher die Medici immer noch begütert waren. Und es tauchen dabei Personen auf, die man in diesem Zusammenhang gar nicht erwarten würde: der Kaufmann Benedetto Buonvisi aus Lucca zum Beispiel, den wir sofort nach Exilsbeginn als zentralen Finanzier bzw. Finanzknotenpunkt der Medici kennenlernten, als engen Freund und Partner von Gianbattista Bracci und Francesco Naldini! Indem er einen in Rom lebenden Florentiner ausspionierte, war Francesco Cappello einer Florenz sehr schädlichen Handelsoperation auf die Spur gekommen. Der Sieneser Kaufmann und Bankier Pierfrancesco Spannocchi bemühte sich nämlich emsig, als Mittelsmann des Benedetto Buonvisi aus Lucca (den Cappello chiffrierte!) mit einem römischen Kaufmann ein großes Geschäft mit Salpeter (uno mercato di 40.000 di Salnitro) abzuschließen. Cappello hatte den Verdacht, daß dieser Salpeterberg für Pisa bestimmt sei – den Belagerten also ihre Schwarzpulverbestände auffrischen sollte –, weshalb er der Signoria vorschlug, den Abschluß jenes Geschäfts durch ein eigenes, besseres Angebot zu verhindern und die Pläne des Buonvisi zu zerstören.625 Es paßt ins Bild, daß sich Ende Juli 1500 das Desaster der für Florenz kämpfenden französisch-schweizerischen Truppen vor Pisa ereignete, als diese sich wegen der Disziplinlosigkeit einiger Teile auflösten und zurückzogen, während die Florentiner, um sie bezahlen zu können, ihre eigenen Soldaten entlassen hatten. Mehr noch: Diese Gelegenheit nutzten nun im Gegenzug die Pisaner, denen im übrigen auch der Medici- und Orsini-Freund Vitellozzo Vitelli half, um das wieder in Florentiner Hand befindliche, strategisch ungemein wichtige Kastell von Librafratta (heute Ripafratta) an der Grenze zum Territorium von Lucca zu erstürmen.626

622 ASF, SR 16, c. 217 (16.7.1500, Piero Vespucci, commissarius generalis, aus Cascina: ... alla

partita di Luca delli Albizi rimase qui Marchuccio Salviati, il quale è in bando di rubello, e mi parso come cosa che merita darne aviso significarlo alle S.V., acciò sappi come mene habbi a governare). 623 ASF, SR 17, c. 28, 21, 18–20 (24.6.–1.7.1500). 624 ASF, SR 17, c. 146–147 (3.7.1500, Luca d’Antonio degli Albizzi, ex castris apud Pisas). 625 ASF, SR 18, c. 125–127 (24./26.7.1500, Francesco Cappello, Rom). 626 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 450 (V/1).

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Nachdem der Medici-Kreis dieses Ziel erreicht hatte, das offenkundig auch den Franzosen am Herzen lag, stand die französische Rekuperation des Königreichs Neapel wieder im Mittelpunkt. Piero de’ Medici und Giangiordano Orsini folgten weiterhin dem Hof des Königs. Allerdings hatte Piero sich Ende August auch in Avignon befunden, wo er im Haus eines Adligen wohnte, der eine Verwandte der Medici zur Ehefrau hatte.627 Im August war ein Mitglied der Familie Vitelli an den Hof gekommen, um ‚den gegenwärtigen Lauf der Welt zu erkunden‘, vor allem aber, um auch seinerseits den König zum Marsch auf Neapel zu bewegen.628 Zur gleichen Zeit fügte sich Federico Sanseverino sofort mit seiner Rückkehr nach Italien als „neuer“ Mann Ludwigs XII. in diese Pläne ein. Unmittelbar nach Betreten italienischen Bodens nahm er Kontakt mit zwei hochrangigen Orsini auf, die aufgrund ihrer (noch aktuellen bzw. ehemaligen) venezianischen Soldverträge die besondere Aufmerksamkeit der Serenissima besaßen: Bartolomeo d’Alviano und Carlo Orsini. Mitte August 1500 hatte der Kardinal einen seiner Reitknechte nach Rom zu Bartolomeo d’Alviano geschickt; zur gleichen Zeit suchte Carlo Orsini den Sanseverino in Castel Goffredo (südlich des Gardasees) auf, um mit ihm zu sprechen. Was Carlo Orsini dem venezianischen Statthalter in Asola anschließend berichtet haben soll, konnte nicht mit dem Inhalt seines Gesprächs übereinstimmen. Denn Federico – der sich in Deutschland ja bereits dem König von Frankreich verpflichtet hatte – soll ihm von 10.000 Rittern und 20.000 Fußsoldaten erzählt haben, die er vom deutschen König gestellt bekomme, der wiederum drei Gesandte an Ludwig XII. geschickt habe, um den Moro und Mailand zurückzufordern. Dies dürfte eine bewußte Täuschung gewesen sein. Der Wahrheit hingegen wird entsprochen haben, daß er ihn von der beabsichtigten Wahl des Giuliano della Rovere im Auftrag des französischen Königs informierte und ihn wegen seiner Geldknappheit um 50 Dukaten bat.629 Venedigs aufmerksame Beobachtung der Kontakte zwischen dem französisch gewordenen Sanseverino-Kardinal und den Orsini hatte einen ernsten Hintergrund. Als Federico Sanseverino im September 1500 über die Lombardei nach Frankreich reiste, berichtete der venezianische Gesandte in Rom, daß der Kardinal Giambattista Orsini, ein Gegner König Federicos von Neapel und selbst Venedigs, als Freund zu den Franzosen nach Mailand gereist sei, um die impresa del regno [di Napoli] zu fördern – wie könne Venedig da dem

627 Sanuto, Diarii III, Sp. 745 (3.9.1500, Bologna, Conte Niccolò Rangoni und Giuliano de’ Medici

an Piero da Bibbiena in Venedig: ... eri vene lì Lunardo Lenzi, era ambasador in Franza, torna in Fiorenza; dice Piero de’ Medici è in Avignon, in caxa di uno gentilomo à per moglier una sua parente de’ Medici, non sa chi la sia). 628 Sanuto, Diarii III, Sp. 699 (14.8.1500, Montargis: Item, de lì è uno de Videlli, per veder che volta piglierà questo mondo, per tenir oferto al roy a l’impresa di Reame. Dice Vitelozo e Orsini disuade il papa contra Pexaro ... Item, el signor Zuan Zordan Orsini è de lì non molto contento; à offerto 500 franchi al mese, e sequitar la corte.). 629 Sanuto, Diarii III, Sp. 650f., 658f., 672. Alle drei Berichte zu den beiden Orsini stammen vom 17. und 18.8.1500; Carlo Orsini stand offenbar noch im Sold der Venezianer, während der Vertrag Bartolomeos wohl abgelaufen war. Zu den Soldverträgen vgl. auch Shaw, Political role (1983), S. 269.

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Haus Orsini 80.000 Dukaten Sold pro Jahr geben.630 Dieser Orsini-Kardinal war genau ein Jahr vorher mit Federico Sanseverino und dem Markgrafen von Mantua vor Mailand erschienen, um mit Ludwig XII. zu reden,631 und einiges spricht dafür, daß Federico auch im September 1500 Verbindungen zu ihm aufnahm. Wenn der Orsini und sein Haus den französischen König zu einem raschen Vormarsch gegen Neapel drängten bzw. ihn bei diesen Plänen ermunterten und unterstützten, dann stand dahinter immer primär die Absicht, den an die Colonna verlorenen Besitz von Tagliacozzo und Albe für Giangiordano Orsini bzw. den ganzen Familienzweig zurückzugewinnen – ein Ziel, das zweifellos auch von Piero de’ Medici getragen wurde, während die Mailänder Sanseverino bei einem Sieg der Franzosen in Neapel eher auf die Restitution ihrer Güter in Caiazzo hofften. Venedig stand mit wenig Enthusiasmus hinter diesen Intentionen. So erklärt sich auch der Tadel Giovanni de’ Medicis an die alten Freunde. In einem Brief an die Venezianer beklagte er sich im Oktober 1500, die Signoria Venedigs helfe ihnen, den Medici, nur mit Worten, vor allem beim Papst und beim französischen König; für Venedig sei es aber besser, wenn die Medici in Florenz seien, wenn Venedig sie also mit Taten an die Macht zurückbringe.632 Gut vorbereitet seien dagegen die Vitelli und Orsini – von seinem Bruder Piero brauchte er nicht zu sprechen. Giovanni de’ Medici war in Rom demnach über alles bestens informiert. So wird der Medici-Kardinal auch gewußt haben, daß Giangiordano Orsini vorerst am französischen Hof bleiben sollte; erst im Juni 1501 wird er aus Frankreich nach Italien, nach Bracciano kommen, nun als ein Truppenführer des französischen Königs.633 Ohne Zweifel war Giovanni hingegen bekannt, daß Piero sehr viel früher zurückkehren würde, denn aus Rom war dieser Ende September oder Anfang Oktober 1500 dazu aufgefordert worden. Mit den Vitelli und Orsini sowie den in Florenz lebenden Medici-Freunden sollte es um einen erneuten militärischen Versuch zum Sturz der Florentiner Signoria gehen.634 Unterdessen hatte sich Pieros Status in Frankreich sichtbar verbessert; vom Bittsteller war er zu einem Akteur im Zentrum des Hofes aufgestiegen, zu einer Gefahr für Florenz, wie es die Florentiner Gesandten Francesco della Casa und Niccolò Machiavelli schon am 8. September 1500 am französischen Hof in Melun formulierten. An der Seite des mächtigen Louis de Luxembourg, Comte de Ligny, erwarte man Piero in einigen Tagen zurück am Hof; dieser Feind (Piero) sei gegenüber anderen zahlreichen und mächtigen Feinden dermaßen gewachsen – habe also derart an Ansehen gewonnen –, daß sich die Gefahr für

630 Sanuto, Diarii III, Sp. 843 (28.9.1500, Rom: De’ [cardinali] romani, el reverendissimo Orssini,

nimicho nostro, e tamen si dà ducati 80 milia a l’anno di conduta a questa caxa; è amico di Milan, e nimicho dil re Fedrico; atende a l’impresa dil Regno, a far venir il re di Franza; al qual effecto va a Milan ...). 631 Vgl. oben S. 506. 632 Sanuto, Diarii III, Sp. 942 (aus einem am 14.10.1500 aus Rom nach Venedig geschriebenen Brief des Giovanni de’ Medici). 633 Sanuto, Diarii IV, Sp. 61f. 634 ASF, SR 19, c. 123–124 (4.10.1500, Francesco Cappello, Rom).

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Florenz verdoppele, falls es nicht Vorsorge treffe, daß Ludwig XII. ihm kein Gehör mehr schenke.635 Der König und sein erster Minister taten freilich das genaue Gegenteil. Statt Piero ihre Gunst zu entziehen, tadelten sie mit harten Worten ihren Verbündeten. Ende September befand sich der Hof in Blois, wo der König um den 20., Georges d’Amboise am 26. September eintraf. Mit ihm, dem entscheidenden Mann im Staat, traf sich Piero Soderini sofort, um ihn wegen Pisa und des Verlustes von Librafratta zu sprechen und ihn zu fragen, warum Vitellozzo Vitelli, die Baglioni und die Orsini im Begriff seien, sich zu bewaffnen. Schließlich bat er den Kardinal, das Patrozinium über Florenz nicht aufzugeben und den König zu überzeugen, Florenz wie sein eigenes Kind zu behandeln und dessen Reputation etwa durch die Restitution von Pietrasanta zu erhöhen.636 Doch der Kardinal erwiderte ihm, der König habe seine Kapitel des Freundschaftsvertrages erfüllt und Florenz sogar Truppen geliehen. Florenz hingegen habe alle seine Vorschläge wegen Pisa abgelehnt; der Verlust Librafrattas sei nicht seine, sondern die Schuld von Florenz. Nicht Florenz, sondern er könne sich beklagen, da er über seine Vertragsverpflichtungen hinaus Florenz finanziell unterstützt habe. Solche zeichenhaften Demonstrationen negativer Politik, gepaart auch mit gezielter Verwirrung des Gegenüber, häuften sich im Herbst 1500 – auf beiden Seiten. Mitte September beschwerte sich der französische Kurienbotschafter Louis de Villeneuve, der uns bestens bekannte Seigneur de Trans, er habe beim Passieren des Florentiner Territoriums viele Schmähreden gegen Frankreich gehört. In Poggibonsi habe man ihn nicht nur persönlich als französischen Verräter beschimpft, sondern habe einem seiner ersten Familiaren sogar einige Kleidungsstücke in einer Osteria gestohlen.637 Ein wie Phönix aus der Asche zu neuer Geltung gelangter Piero de’ Medici war damals mit einem der führenden Adligen und Feldherren des französischen Hofes durch Frankreich geritten; dieser königsnahe Louis de Luxembourg, stets nur nach seinem Besitz Ligny genannt, reiste nun Ende September von Lyon nach Genua. Was wollte er dort? Am Hof waren alle höchst überrascht, die Florentiner Gesandten sofort mißtrauisch, wußten die divergierenden Interpretationen nicht einzuordnen. Ligny soll im Auftrag des Königs gegangen sein, wegen eines persönlichen Anliegens vielleicht. Oder gar wegen Pisa? (Was nur gegen Florenz gerichtet sein konnte.) Andere konnten erklären, es handele sich um eine Liebesgeschichte; Ligny sei in eine Tochter des Gouverneurs Philipp von Kleve-Ravenstein verliebt, das sei die

635 ASF, SR 19, c. 75–78 (8.9.1500, Francesco della Casa und Niccolò Machiavelli, Melun: Inten-

desi oltra di questo Monsignore de Ligni essere fra pochi giorni per venire in corte et alcun dice che li ha seco Piero de’ Medici: talche adcresciuto questo nimico ad li altri che sono assai et potenti ...). Vgl. Machiavelli, Legazioni (2002), Nr. 280 (mit den abweichenden Lesarten: ... per venire qui ... tal che accesciuto [aggiunto] questo inimico a li altri ...; hiernach wäre Piero nur den vorhandenen Feinden hinzuzufügen, was jedoch mit dem auf seine Begleitung des Ligny bezogenen talche [dermaßen] sowie dem gesamten Kontext des in Gunst und Ansehen neu aufgestiegenen Piero nicht stimmig ist). 636 ASF, SR 19, c. 102–104 (26.9.1500, Piero Soderini, Blois). 637 ASF, SR 19, c. 63–65 (17. und 19.9.1500, Francesco Cappello, Rom).

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herrschende Meinung.638 Also lag in dieser Reise eventuell doch keine Gefahr für Florenz? Aber eben dort mußte man zur Kenntnis nehmen, daß Piero de’ Medici ungefähr Mitte Oktober mit einem Mandat Ludwigs XII. auf einer königlichen Brigantine von Frankreich nach Genua gekommen war, daß er sich dann nach Pisa begeben hatte, stets von allen hoch geehrt, um schließlich nach Rom weiterzureisen.639 Sollte er da nicht im königlichen Auftrag zusammen mit diesem Ligny nach Genua gereist sein, der offenbar doch eher wegen Pisa als wegen eines amourösen Abenteuers ein königliches Schiff benutzen durfte? Und welch weitere Geste eines unnachgiebigen französischen Vaters gegenüber seinem Florentiner Sohn: Genau Mitte Oktober kam ein Beauftragter Ludwigs XII. nach Florenz, um zum Entsetzen der Florentiner 38.000 Franken oder Fiorini als noch ausstehende Bezahlung der gegen Pisa eingesetzten Schweizer zu fordern sowie 12.000 Fiorini, die Florenz noch dem signore Ludovico [Sforza] schuldete.640 Als Piero de’ Medici im Oktober 1500 vom französischen Hof über Genua nach Rom zurückkehrte, reiste er offenkundig nicht nur mit dem Wohlwollen Frankreichs, sondern wurde auch durch eine dringliche Aufforderung aus der Ewigen Stadt dorthin gerufen. Die Medici waren wieder im Spiel, und gerade Giovanni scheint nun verstärkt die Fäden gezogen zu haben. In auch den Außenstehenden kaum verhüllter Absprache mit Alexander VI. arbeitete der Medici-Kardinal aktiv an einer von Frankreich und dem Papst getragenen Rückkehr der Medici mit, die gleichsam als erwünschtes Ornament die großen politischen Konstruktionen Frankreichs und der Borgia schmücken sollte.641 Im Oktober sollte auch Giuliano, der sich weiterhin bei seinem Freund Niccolò Rangoni in Bologna befunden hatte, nach Rom kommen, wahrscheinlich auf Wunsch Giovannis, um – so die Venezianer – ‚Neues über Florenz zu hören‘.642 Man hielt es freilich auch für möglich, daß Giuliano sich direkt dem bereits seit einem Jahr in der Romagna mit französischer Truppenhilfe operierenden Heer des Valentino, also Cesare Borgias, angeschlossen hatte.643 Auch der Papst demonstrierte seine eigentlichen Intentionen noch mit nicht mehr als Zeichen und Verschleierungen. Anfang Oktober konnte oder wollte er seine Sympathie für die MediciSache gegenüber dem Florentiner Gesandten Francesco Cappello nicht überzeugend de-

638 ASF, SR 19, c. 102–104 (26.9.1500, Piero Soderini, Blois). 639 Cerretani, Ricordi, S. 9 (Piero de’ Medici chon un mandato del re in sun uno brighantino giuns-

se a Genova e di quivi venne a Pisa: fugli fato maximo onoro da tutti. ... L’altra matina ci fu come Piero de’ Medici era ito verso Roma.). Vgl. auch Machiavelli, Istorie fiorentine II, S. 275 (Piero de’ Medici, di Francia ne andò a Pisa; aus den chronikalischen Notizen für September/Oktober 1500). 640 Cerretani, Ricordi, S. 8f. (hier ist von franchi die Rede, in anderen Quellen von Fiorini). 641 Vgl. ASF, SR 19, c. 121–124 (4. und 6.10.1500, Francesco Cappello, Rom). 642 Sanuto, Diarii III, Sp. 906f. Zu Giulianos Aufenthalt in Bologna vgl. auch Sanuto, a.a.O., Sp. 745 (3.9.1500, Bologna, Conte Niccolò Rangoni und Giuliano de’ Medici schrieben an Piero da Bibbiena in Venedig). Giuliano war im Februar 1500, als Giovanni gerade aus Frankreich zurückkommend in Genua weilte, in Bologna; im April sahen die venezianischen Beobachter ihn mit 12 Reitern Rimini passierend nach Rom reiten; im Juni und September ist er wiederum im Haus von Rangoni bezeugt; Sanuto, Diarii III, Sp. 135, 235; ASF, SR 16, c. 36–37. 643 ASF, SR 19, c. 153 (23.10.1500, Francesco Tosinghi, Bologna).

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mentieren; und gerade in dem Augenblick, als er diesen und einen anderen Florentiner entließ, erschien Giovanni de’ Medici, den Alexander VI. bat, noch etwas zu warten. Indem der Papst den Florentinern dann eifrig erzählte, der Medici sei nur wegen eines vakanten Benefiziums gekommen, erweckte er bei diesen erst recht und offenbar bewußt den Schatten des Verdachts.644 Die Medici und ihre Verbündeten, die Orsini und Vitelli etwa, hatten den Borgia-Papst zu überzeugen versucht, daß nicht die gegenwärtige Regierung in Florenz, sondern nur ein von Piero de’ Medici beherrschter Florentiner Staat für ihn wie vor allem für seinen Sohn Cesare Borgia zur Bewahrung seiner Eroberungen in der Romagna nützlich sei. Deshalb müsse Piero wieder in Florenz eingesetzt werden, was mit der Autorität des Hl. Stuhls und angesichts der Unordnung in der Stadt und der dortigen Anhänger Pieros ein leichtes sei.645 Hinter den intensivierten Aktionen und Demonstrationen stand also nichts anderes als ein erneuter Versuch, mit militärischer Macht und neuen Verbündeten nach Florenz zurückzukommen. Wenn der französische König nun aber einen aus Rom gerufenen Piero in seinem Auftrag mit einem seiner Schiffe und offenkundig in Begleitung eines seiner höchsten Offiziere nach Italien reisen ließ, bezeugte er damit seine Unterstützung dieser Medici-Pläne. Daran ließen er und Georges d’Amboise denn auch in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren mit zunehmender Deutlichkeit keinen Zweifel. Gleichwohl beabsichtigte Ludwig XII. dabei keinesfalls, den für ihn lukrativen Vertrag mit Florenz zu kündigen, kannte jedoch auch keine Skrupel, Florenz vorzuführen und zu demütigen. Wie schon Piero Soderini mußte dies stellvertretend für die Republik auch Niccolò Machiavelli erleben, der Ende Juli 1500 als Florentiner mandataro an der Seite Francesco della Casas an den französischen Hof nach Lyon gekommen war und dort ebenfalls erfahren durfte, wem die Sympathien des Königs wirklich galten. Insbesondere von Georges d’Amboise wurde Machiavelli, der seit Mitte September bis zu seiner Abreise im Dezember 1500 wegen einer Krankheit Francescos allein agierte, vor den Kopf gestoßen. Machiavellis Befürchtungen wegen der Verbindung des Borgia-Heeres mit den Florentiner Staatsfeinden, den Medici, Orsini und Vitelli, wurden mit einer Klage über den Vertragsbruch der Florentiner beantwortet; sein Versuch, die ungenügende Hilfe Frankreichs bei der Belagerung und Erstürmung Pisas in einen finanziellen Vorteil für Florenz umzuwandeln, eine Stornierung der dem König noch geschuldeten Summen zu erzielen, mißlang völlig. Ihm und der Florentiner Signoria wurde nicht freundschaftliches Entgegenkommen zuteil, sondern wurde die Mißachtung der Schuldforderung über jene 38.000 Fiorini, die aus der französischen Waffenhilfe vor Pisa resultierten, vorgeworfen, sogar Feindschaft angedroht, wenn das Geld nicht gezahlt werden sollte.646

644 ASF, SR 19, c. 121–122 (6.10.1500, Francesco Cappello, Rom). 645 ASF, SR 19, c. 123–124 (4.10.1500, Francesco Cappello, Rom). Dieses Urteil nahm dann auch

Parenti in seine Chronik auf; vgl. Parenti, Storia fiorentina II, S. 410. 646 Vgl. Machiavelli, Legazioni (2002), Nr. 295, 301, 302 (4., 21. und 24.11.1500); Viroli, Lächeln,

S. 60–65.

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b) Die Büchse der Pandora: Cesare Borgia als Verbündeter Frankreichs und der Medici An der Intention des französischen Königs, die Medici wieder nach Florenz zu führen bzw. führen zu lassen, war nicht zu deuteln. Frankreich setzte sich wie gesehen seit Beginn des Exils für die Restitutionsversuche der Medici ein, durchaus deiktisch gegenüber Florenz, doch niemals aktiv, da es nicht offensiv gegen den so wichtigen wie traditionellen Alliierten vorgehen konnte. Nun aber hatte es mit dem so ehrgeizigen wie skrupellosunberechenbaren Cesare Borgia gleichsam einen verlängerten Arm gefunden, mit dem es die Florentiner angreifen konnte, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen. Des Papstes und Cesares Ambitionen auf einen eigenen Staat in Nord- und Mittelitalien mußten nur mit den Absichten der Medici und denen Frankreichs in Süditalien in Einklang gebracht werden. Die Wahl dieses neuen Verbündeten glich freilich einem Griff in die Büchse der Pandora. Wenn die Medici ab dem Oktober 1500 zu Verbündeten Cesare Borgias werden, kann dieser Schritt nicht ohne ein vorausgegangenes Einverständnis des französischen Königs erfolgt sein. Vermutlich wird er Piero und Giuliano sogar einen entsprechenden Auftrag gegeben haben. Venedig, der alte Partner der Medici, wird dieses Bündnis mit Argwohn betrachtet haben, konnten doch die Eroberungen des Borgia in der Romagna leicht auf das benachbarte venezianische Territorium übergreifen. In diesem Kontext wird das Schreiben Giovanni de’ Medicis an die Venezianer vom 14. Oktober 1500 zu betrachten sein. In jenem bereits angesprochenen Brief warf er der Signoria von Venedig ihre mangelnde Unterstützung für die Sache der Medici vor und die fehlende Einsicht, daß eine MediciRegierung in Florenz auch für Venedig besser sei. Während Venedig sich beim König von Frankreich nur mit Worten für die Medici einsetze, seien die Vitelli und Orsini gut disponiert.647 Nach einem ersten Feldzug in der Romagna, bei dem Cesare Borgia im Schatten des Mailand-Feldzuges im Herbst 1499 mit Hilfe der Franzosen Imola und Forlì erobern konnte, sammelte er im September 1500 in Rom ein großes Heer, für das mit päpstlichem Geld auch Paolo Orsini und Vitellozzo Vitelli als Condottieri gewonnen werden konnten. Anfang Oktober verließ es Rom, um zunächst gegen Pesaro und Rimini (am 27. und 30.10. erfolgten die betreffenden Einzüge des Valentino) vorzugehen.648 Nach Cerretani sollen es explizit die Orsini gewesen sein, die veranlaßt hatten, daß Giuliano de’ Medici in Cesares Heer mitritt. Er wird somit von Bologna Richtung Rom geritten, sich auf dem Weg dann aber gleich dem Borgia angeschlossen haben. Die Florentiner fürchteten bei dessen Vormarsch in die Romagna und angesichts der Teilnahme ihres Rebellen von Beginn an einen gleichzeitigen Angriff auf ihr Territorium und bestellten zur Abwendung 647 Sanuto, Diarii III, Sp. 942; vgl. oben S. 525. 648 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 541f.; Cloulas, Borgias, S. 292–299 (die von den

Borgia für den Feldzug monetär ausgenutzte Kardinalserhebung fand allerdings nicht am 28.11., sondern am 28.9.1500 statt).

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dieser Gefahr Luigi della Stufa zum Generalkommissar für das zuallererst bedrohte Borgo Sansepolcro – einen der treuesten Mediceer.649 Mitte Oktober glaubten die Florentiner einem Gerücht, nach welchem ein gezielter Angriff des Borgia-Heeres auf Borgo unter Beteiligung Giulianos bevorstehe, doch erhielt man bald Gewißheit, daß dieser nun gegen Faenza kämpfte, sah das nicht genügend gewappnete Florenz aber immer noch akut bedroht.650 Die Belagerung Faenzas begann Anfang November 1500, zog sich zunächst erfolglos bis zum Wintereinbruch hin, konnte erst im März wieder aufgenommen werden und im April 1501 mit Hilfe der Franzosen durch die Kapitulation beendet werden.651 Die Medici blieben freilich in jenen Herbst- und Wintertagen 1500/1501 stets in enger Verbindung mit dem französischen Hof, der nun, nach Abschluß des Vertrages von Granada im November 1500 mit König Ferdinand von Aragón, die Rückkehr der Medici nach Florenz im Verein mit dem Papst auf die eigene politische Agenda gesetzt hatte.652 Die Medici kommunizierten dabei ganz offensichtlich, aber alles andere als verwunderlich, zudem mit ihrem alten Freund Federico Sanseverino. Giuliano de’ Medici hielt sich damals zwar sehr oft bei Cesare Borgia in dessen Heer auf, doch lebte er auch während des Feldzuges wie vorher in der Regel in Bologna, offenbar wie gewohnt im Haus seines Freundes, des Grafen Niccolò Rangoni aus der mit dem Bologneser Stadtherrn Giovanni Bentivoglio verwandten Familie. Aber bei dem Bentivoglio, der den Schutz des französischen Königs genoß, ist Giuliano ebenfalls zu finden – wie überhaupt beide Familien, die Rangoni wie Bentivoglio, bis in die kommenden Jahrzehnte sowohl für die Medici als auch für den französischen König eine eminente Bedeutung haben werden.653 Mit Graf Niccolò Rangoni muß Giuliano eine sehr herzliche Freundschaft gepflegt haben, wie zahl-

649 Cerretani, Ricordi, S. 7. 650 Cerretani, Ricordi, S. 8f. Die genaue Chronologie ist aus den entsprechenden Passagen dieses

Chronisten kaum zu eruieren. 651 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 542; Cloulas, Borgias, S. 299–305. 652 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 13 (Im questo tempo, che fu circha addì 24 di dicenbre [1500], venne

nuove come el pontefice e ’l re di Francia volevano rimetere Piero de’ Medici in Firenze ...); Sanuto, Diarii III, Sp. 1485 (21.2.1501, Neapel: ... etiam il re di Franza vol meter Medici in Fiorenza); Mecatti, Storia cronologica, S. 501. 653 Neben den obigen Zeugnissen für den Aufenthalt Giulianos in Rangonis Haus bzw. in Bologna vgl. etwa auch Buonaccorsi, Diario, S. 101, der damals allerdings irrigerweise noch eine aktive Unterstützung der Medici durch Venedig annahm: Intesesi in questi dì [Ende November 1500] Vinitiani haere concluso in Pregai di rimectere in Firenze Piero de’ Medici et haverlo persuaso al Papa et al Duca con allegarli che lo havere in Firenze uno stato ad loro proposito era la securtà delli stati loro di Romagnia: et digià Giuliano de’ Medici era partito di Roma et venuto ad Bolognia per conto di questa impresa et seco uno homo del Card.le Orsino; Sanuto, Diarii III, Sp. 1313 (ca. 8.1.1501, Bologna, Giovanni Bentivoglio an Piero da Bibbiena, daß Giuliano sich in seinem Haus befunden habe, allerdings primär wegen einer politischen Mission für Frankreich). Bianca Bentivoglio, die Tochter Giovannis, war die Ehefrau von Conte Niccolò Rangoni und Mutter von Ludovico Rangoni. Verschiedene Mitglieder der Familie Rangoni werden nach 1500 wichtige Parteigänger Frankreichs in Italien und Träger des Michaelsordens, u. a. von Bandello in seinen Novellen gerühmt, der auch die Hilfe der Rangoni für den Kardinal Giovanni de’ Medici literarisch verewigt hatte; vgl. hierzu unten S. 952.

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reiche, seit Anfang September 1500 gemeinsam verfaßte Briefe der beiden aus Bologna an den Medici-Getreuen Piero Dovizi da Bibbiena in Venedig bezeugen.654 Giuliano de’ Medici war zweifellos weniger Cesare Borgia als vielmehr dem französischen Hof verbunden, der ihm sogar wichtige Funktionen übertrug. Eine solche wird z. B. im Januar 1501 sichtbar. Anfang jenes Monats suchten Giuliano und der Seigneur de Trans, Louis de Villeneuve, Gesandter Ludwigs XII. in Rom bzw. Italien (der 1498 zusammen mit Giangiordano Orsini Cesare Borgia als künftigen Herzog von Valence nach Frankreich geführt hatte655), Giovanni Bentivoglio in Bologna auf, um diesem im Auftrag des französischen Königs jedwede Hilfe für das bedrohte Faenza zu untersagen, das dem Valentino überlassen werden sollte.656 Wenige Tage später begaben sich Giuliano und Louis de Villeneuve persönlich nach Faenza, um eine Einigung zu erzielen, d.h. eine freiwillige Übergabe der Stadt an Cesare Borgia. Als diese Mission ohne Erfolg blieb, reisten beide wieder zusammen nach Bologna zurück.657 Giuliano de’ Medici hatte somit an der Seite des französischen Gesandten primär für die Interessen des Königs gewirkt, sekundär für die des Borgia. Wie natürlich sich diese vielschichtige Verflechtung des Medici-Netzes mit dem französischen Hof bereits gestaltete, erhellt so anschaulich wie instruktiv ein auf den ersten Blick fast nebensächliches Detail. Von Louis de Villeneuve wissen wir, wo er bei seinen Aufenthalten in Rom wohnte, zumindest ist dies durch Burckard für jenen am 23. August 1500 beginnenden bezeugt. Es war die am Fuße des Monte Mario, bei der Kirche und dem Lazarett des Hl. Lazarus (an der heutigen Via Trionfale) gelegene Herberge des Dominicus de Attavantis, die er vermutlich auch bei seinen anderen Rombesuchen aufsuchte.658 654 Vgl. etwa Sanuto, Diarii III, Sp. 745, 755, 869, 906f., 986f. 655 Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 524. 656 Sanuto, Diarii III, Sp. 1313 (so in dem bereits zitierten Brief Bentivoglios vom ca. 8.1.1501 an

Piero da Bibbiena geschildert). 657 Sanuto, Diarii III, Sp. 1319 (15.1.1501, Bologna, Giovanni Bentivoglio an Piero da Bibbiena). 658 Dominica, XXIII dicti mensis augusti, circa horam XXII, intravit Urbem per portam Viridarii d.

Ludovicus de Villanova, baro de Trans, ciambellanus regis Francie et orator ejusdem, ad quem in taberna d. Dominici Attavanti, prope hospitale Sancti Lazari, ubi ipse orator exspectabat, venit quidam equester veloci cursu mascheratus cum uno pedestri. In domo sive taberna predicta descendit ex equo et retenta maschera quam non deposuit, amplexatus est oratorem et eum allocutus: post parvam moram rediit ad Urbem mascheratus. Dixerunt esse ducem Valentinum. Orator ascendit equum suum et equitavit versus Urbem; vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 240; bei Geiger, Alexander VI., auf S. 289. An der Identität des Herbergsbesitzers mit dem kurialen Amtsträger bzw. wichtigsten Kurienprokurator der Franzosen kann es keinen Zweifel geben; deshalb wird exspectare hier auch nicht als (an einem beliebigen Ort) „warten“, sondern als (an einem einschlägigen Bezugspunkt der Franzosen in Rom) „sich aufhalten“ übersetzt. Burckards Editor Celani, dem die Funktion Domenicos als französischer Kurienprokurator freilich unbekannt sein mußte, bemerkte, daß dieser gewiß nicht den Beruf eines Herbergsvaters bzw. „taverniere“ ausgeübt habe; vielmehr habe die Herberge im Erdgeschoß seines Hauses gelegen; vgl. Johannis Burckardi Liber Notarum II, S. 240, Anm. 2. Dies mag so gewesen sein und sicherlich hatte Domenico Attavanti nicht persönlich die Herberge betreut, doch daß sie sich nicht nur in seinem Haus, sondern auch in seinem Besitz befunden hatte, erscheint mir mit Blick auf die spezielle Funktion Domenicos und auf die klare Zuordnung Burckards unbezweifelbar

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Was bedeutet schon die Entscheidung für eine bestimmte römische Herberge? In diesem Fall sehr viel. Denn jener Dominicus de Attavantis war kein einfacher Gastwirt, sondern einer der wichtigsten Medici-Mitarbeiter an der Kurie! (An der Identität kann es keinen Zweifel geben.) Und vor allem: Über Dominicus de Attavantis liefen seit den 80er Jahren die meisten und wichtigsten Benefiziengeschäfte der Franzosen. Kein französischer Kurialer, sondern dieser aus eher niedrigen sozialen Verhältnissen in hohe Ämter aufgestiegene einstige Klient des Lorenzo de’ Medici war der meistgesuchte Prokurator der Franzosen in Rom.659 Er besaß das Vertrauen des französischen Adels und vor allem der Könige Frankreichs; dies wird sich auch mit Blick auf unser Netzwerk noch zeigen. Seine Stellung als zentraler römischer Vermittler der französischen Benefizienangelegenheiten wird zu der naheliegenden Konsequenz geführt haben, für all diese deswegen nach Rom kommenden Franzosen in Sichtweite des Vatikan, aber außerhalb der Stadtmauern eine Herberge zu eröffnen, die offensichtlich auch für politische Gesandte zur ersten Adresse wurde. Gut drei Wochen, nachdem der Monsignore di Trans in Attavantis Herberge abgestiegen war, beklagte er sich dann über die erlebten frankreichfeindlichen Beschimpfungen und Handlungen auf Florentiner Territorium. Wiederum also Ketten unmißverständlicher Demonstrationen politischer Orientierung: Villeneuves Aufenthalt in der Herberge des Dominicus de Attavantis, seine Zusammenarbeit mit Giuliano de’ Medici in Bologna und Faenza, seine späteren Ausritte mit Piero de’ Medici in Rom, seine herbe Kritik an den Florentinern – all dies erweist einmal mehr: Die Medici waren nun – wie schon zu Lorenzos Zeiten – aktiv in die französische Italienpolitik eingebunden! Dieser fundamentale Nexus wird auch in dem folgenden Phänomen konkret. Es handelt sich um ein weiteres erstaunliches Indikatorphänomen, das sowohl die Position der Medici am französischen Hof veranschaulicht als auch einmal mehr die herausgehobene Stellung Federico Sanseverinos im Netzwerk der Medici unterstreicht. Giuliano de’ Medici hatte sich sofort nach dem gescheiterten Verständigungsversuch mit Cesare Borgia in Faenza im Auftrag des Papstes und des Louis de Villeneuve nach Frankreich an den Hof des Königs begeben, den er Ende Januar 1501 in Blois antraf. Dort nun – und dieses Detail ist überaus aufschlußreich – wohnte er im Haus des Kardinals Federico Sanseverino! Das vermerkte der venezianische Gesandte, als er berichtete, Federico sei am 31. Januar an den Hof nach Blois zurückgekehrt, nachdem er sein Bistum (Maillezais oder Vienne) besucht habe. Drei Tage vorher war Giuliano de’ Medici eingetroffen, der im Haus des engen Familienfreundes wohnen durfte, möglicherweise gleich seit seiner Ankunft.660 So wie Piero de’ Medici geradezu wie ein Familienmitglied fast ständig in Sanzu sein. Louis de Villeneuve war auch in der Folge wiederholt in Rom, so z. B. im Sommer 1503; vgl. Courteault, Dossier, S. 237, Anm. 1. Giovanni de’ Medici befand sich damals im übrigen auch in Rom; vgl. Johannis Burckardi Liber Notarum II, S. 238–242. 659 Vgl. Tewes, Römische Kurie, s.v., bes. S. 260–272. Sein Sohn Franciscus Dominici de Attavantis hatte im übrigen die Prokuratorengeschäfte mit Frankreich von seinem Vater übernommen; zu einigen Aktivitäten mit Bezug auf unser Netzwerk s.u. S. 741–743. 660 Sanuto, Diarii III, Sp. 1430 (31.1.1501, Blois: Item, el cardinal di San Severino ritornò a la corte, stato al suo episcopato; e dice so fradelli, è in Alemagna; se interpone in acordar quel re

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severinos Haus in Rom gewohnt hatte, so nahm dieser jetzt auch dessen Bruder Giuliano in seinem Haus in Blois auf. Ob es ihm schon vor der Rückkehr des Sanseverino geöffnet worden war oder erst mit dessen Eintreffen, ist nicht klar; auf jeden Fall ist diese Tatsache erneut ein sprechendes Zeugnis für das Vertrauen, die enge Verbundenheit, gar persönliche Intimität zwischen dem Sanseverino und den Medici (und eben nicht nur mit Piero!), die in jener Zeit zugleich einen erklärten politischen Hintergrund besaß, ein politisches Bekenntnis darstellte! (Wie umgreifend der Kontext war, ersieht man aus der im entsprechenden venezianischen Bericht ebenfalls mitgeteilten Information, daß die noch in Deutschland weilenden Brüder Federicos eine Einigung des deutschen mit dem französischen König betrieben.) Ludwig XII. erwies, und dies wird nicht das letzte Mal gewesen sein, Giuliano de’ Medici, dem mit einem Kopfgeld „prämierten“ Rebellen seines Bündnispartners Florenz, con molte dimostrazioni seine Gunst!661 In Florenz führte die Hochachtung der Medici durch Frankreich zu sehr konkreten Folgen. Es war wohl kein Zufall, daß gerade Ende Dezember 1500 die seit dem Sommer virulenten Gerüchte über eine vom Papst und französischen König gemeinsam vorgenommene Restitution der Medici so ernst genommen wurden, daß deswegen die Hauptfeinde Piero de’ Medicis unter der Führung von Alfonso Strozzi und Jacopo de’ Nerli zu einer Beratung zusammenkamen und Schutzmaßnahmen ergriffen, die auch die Medici-Anhänger in Florenz betrafen.662 Im Januar 1501 erhielt der herzogliche Hof der Este in Ferrara aus Florenz die Nachricht, Giuliano und Lorenzo[!] de’ Medici seien im Begriff, mit Hilfe des Valentino nach Florenz einzudringen.663 Hier muß es sich um Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici gehandelt haben, da Pieros gleichnamiger Sohn damals noch ein Kind war und keine Bedrohung für Florenz darstelcon il roy. Item, za tre zorni è venuto lì Juliano di Medici, alozato in caxa dil cardinal di San Severin.). Diese Datierung scheint zuverlässiger als die von Buonaccorsi angegebene, der notierte, Giuliano sei (erst) am 30.1.1500 aus Bologna abgereist; Buonaccorsi, Diario, S. 102. 661 Pitti, Istoria fiorentina, S. 70. 662 Parenti, Storia fiorentina II, S. 407f.; Cerretani, Ricordi, S. 13. Die Nachricht traf um den 24.12.1500 in Florenz ein, könnte also sehr gut durch eine Reise nicht nur Giulianos, sondern auch – wie gleich anzusprechen ist – Giovannis an den Königshof veranlaßt gewesen sein. Die namentlich genannten Feinde waren außer dem Strozzi und Jacopo de’ Nerli dessen Bruder Benedetto di Tanai de’ Nerli, Gherardo di Bertoldo Corsini, Cappone di Gino Capponi, Tommaso di Pagolantonio Soderini, Leonardo di Bernardo Ridolfi, zwei Söhne des Bernardo di Giovanni Rucellai, Bartolomeo di Filippo Valori, Piero di Braccio Martelli, Giovanni di Lapo Niccolini, Francesco di Leonardo, Guido und Niccolò Manelli, Martino di Francesco Scharfi, Piero di Giannozzo Strozzi. Nach der Beratung bei einem gemeinsamen Mahl bestimmten die Feinde jeweils einen Deputierten für jedes der vier Stadtquartiere, um die folgende Entwicklung und besonders die Freunde Pieros bzw. der Medici zu beobachten. Alternierend trafen sich diese Medici-Feinde dann jeweils im Haus eines von ihnen zu gemeinsamen Abendessen, bei denen sie ihr Vorgehen erörterten. Alfonso Strozzi wurde wegen seiner Führungsrolle im Februar 1501 eines Nachts auf dem Weg von seiner Bank nach Hause in der Via Porta Rossa überfallen und verwundet, offenbar durch einen Beauftragten Piero de’ Medicis oder der Florentiner Mediceer; vgl. Parenti, a.a.O., S. 418. An einer Feindschaft Gherardo Corsinis zu den Medici gibt es freilich gewichtige Zweifel; s.u. S. 792, 794f. 663 Sanuto, Diarii III, Sp. 1293 (11.1.1501, Ferrara).

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len konnte. Pieros ehemaliger Rivale war wie sein 1498 gestorbener Bruder Giovanni seit geraumer Zeit auf die Seite seiner nahen Verwandten übergetreten. Schon im Frühjahr 1497 hatte er sich und seine Familie im nördlichen Mugello für einige Zeit in Sicherheit gebracht, weil man ihm einen Staatsstreich unterstellte; danach befand er sich im Visier des Medici-Hassers Francesco Valori. Einen Monat später hörte man am Este-Hof aus Florenz, daß sich dort die Lagerkämpfe verschärft hätten (sono uno contra l’altro) und daß die Florentiner Freunde der Medici diese in caxa zurückführen wollten. Dabei sei die Restitution des immer noch vergeblich bekämpften Pisa und der florentinischen Besitzungen im Pisaner Gebiet versprochen worden – ein gewichtiges Faustpfand, das nur durch ein Plazet des Königs oder des Georges d’Amboise präsentiert worden sein konnte. Giuliano sei (deshalb) nach Frankreich gegangen, und man sage, ebenso der Kardinal Giovanni de’ Medici, um mit dem König zu sprechen.664 Es ist tatsächlich anzunehmen, daß nicht nur Giuliano, sondern auch Giovanni zur gleichen Zeit Anfang 1501 an den französischen Hof ging. Denn in Florenz wurde ebenfalls die Nachricht notiert, der Kardinal de’ Medici habe sich im Auftrag des Papstes nach Frankreich begeben.665 Ein starkes Indiz stellt die Beobachtung dar, daß Giovanni de’ Medici zwischen dem Heiligabend 1500 und dem 31. März 1501 nicht an der Kurie nachzuweisen ist, zumindest vom aufmerksamen und sehr zuverlässig protokollierenden Zeremonienmeister Burckard für keinen der in jenem Zeitraum gefeierten kurialen Akte als Teilnehmer erwähnt wird!666 Sollte diese Mission zutreffen, wird er wie sein Bruder Giuliano ebenfalls bei seinem Freund Federico Sanseverino gewohnt haben. Es scheint, als sei Giovanni dann im Februar 1501 an der Seite von Federico nach Italien zurückgekehrt, doch befand sich der Medici schon Ende März wieder an der Kurie, der Sanseverino hingegen erst drei Wochen später am 22. April 1501, als er feierlich als neuer Interessenwahrer Frankreichs einritt.667 Alle künftigen Freundschaftsdienste für die Medici-Rebellen leistete der Sanseverino nun nicht mehr (nur) als erklärter Anhänger Frankreichs, sondern (zudem) als offizieller Vertreter der französischen Krone an der Kurie! Das ist eine entscheidende Differenz. Am 16. Februar 1501 vermeldete der venezianische Gesandte in Frankreich, Federico Sanseverino sei im Auftrag des Königs nach Paris gegangen, von wo aus er dann nach Rom reisen werde, am 3. März, daß der Graf Gianfrancesco Sanseverino sich noch in Burgund (bei seiner Garnison in Beaune) befinde und daß der König am folgenden Tag dorthin aufbrechen werde, am 23. März, daß der König in einem Monat den Feldzug ge-

664 Sanuto, Diarii III, Sp. 1401 (4.2.1501, Ferrara). 665 Vgl. Mecatti, Storia cronologica, S. 501: Entrato intanto il nuovo anno 1501, il Gonfaloniere

Piero Carnesecchi ebbe notizia, che il Cardinal de’ Medici mandato dal Pontefice, passava in Francia. Um eine Verwechslung mit Giuliano handelt es sich durch den Verweis auf die Initiative des Papstes also offenbar nicht. 666 Vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 251 (24.12.1500), S. 272f. (31.3.1501). Anschließend wird Giovanni de’ Medici wieder sehr häufig in diesem Diarium erwähnt. 667 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 276; Sanuto, Diarii III, Sp. 1632; s.o. S. 516.

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gen Neapel beginnen werde.668 Der Graf von Caiazzo wird dabei zu den führenden Heerführern zählen. Ludwig XII. begab sich im späten Frühjahr 1501 nach Lyon, von wo aus er den Zug verfolgte und Kardinal Georges d’Amboise nach Mailand entsandte, um dort die französischen Truppen zu sammeln. Giuliano de’ Medici reiste mit dem Hof, wird dann Amboise nach Mailand begleiten.669 Sie alle waren entschlossener denn je, mit dem Schwung dieser neuen impresa di Napoli die Medici nach Hause zu bringen – ohne eigene Truppen dafür einsetzen zu müssen bzw. zu können. Hierfür gab es andere Kräfte. Die mit Cesare Borgia verbündeten Vitelli und Orsini begannen ebenfalls im Frühjahr 1501 ihre Offensive, mit der sie ihre verbannten Freunde und Verwandten durch die Florentiner Stadttore führen wollten. Im Februar schon war Paolo Orsini nach Rom gekommen, um dieses Vorhaben mit Piero de’ Medici abzusprechen.670 Eine neue Taktik der exilierten Medici läßt sich hier ablesen. Auf dem Feld präsent waren ihre Freunde und Verbündeten, zum ersten Mal aber nicht die Medici selbst, vor allem nicht Piero! Damit wollte man offensichtlich eine Provokation vermeiden, die in Florenz nur zu um so entschiedenerem Widerstand führen würde. Diese klügere Strategie scheint nicht die Handschrift Pieros, sondern besonnenerer Köpfe, etwa des französischen Hofes oder des Kardinals Giovanni de’ Medici zu tragen. Der rationaler agierende Medici-Kardinal wird vermutlich damals auch die entscheidende Note in jenen an die Signoria von Florenz adressierten, Ende März 1501 abgefaßten Briefen Papst Alexanders VI. zu verantworten haben: In ihnen forderte der Papst die Rückkehr der Medici, räumte aber ein, daß man Piero, falls dieser etwas Fehlerhaftes getan habe, nicht nach Florenz zurückkehren lassen solle; dafür aber solle man dies Giuliano gestatten, der sich keines Vergehens schuldig gemacht habe. Die Signoria antwortete, man werde weder den einen noch den anderen einlassen und sich mit aller Macht verteidigen.671 Piero hielt sich damals in Rom auf. Mitte März 1501 wartete er wie der Papst und die Orsini gespannt auf eine Bestätigung aus Frankreich, daß der König mit den Florentinern unzufrieden sei und mit ihnen gänzlich gebrochen habe. Vor diesem Hintergrund mußte es Florenz zu denken geben, wenn der Botschafter Ludwigs XII., der Monsignore di Trans, keinen Hehl aus seinem großen Unmut über Florenz machte, das den Franzosenkönig nicht als König von Italien, nicht einmal als seinen Patron wünsche. Statt dessen durfte man wahrnehmen, daß dieser Louis de Villeneuve oft und demonstrativ Ausritte mit Piero de’ Medici unternahm, und man wußte, daß er gemeinsam mit dem Kardinal Giambattista 668 Sanuto, Diarii III, Sp. 1486, 1569f., 1635. 669 Zu Giuliano: Cerretani, Ricordi, S. 17 (3.4.1501, Giuliano befinde sich bei der königlichen

Majestät); zum Itinerar des Königs: Auton, Chroniques II, S. 14f., Anm. 1 (Ludwig XII. hatte sich Anfang Juni offenbar noch in Mâcon aufgehalten, wo er sich u. a. erneut darum bemühte, sein Versprechen einzulösen, für Gianfrancesco Sanseverino von den Venezianern die Restitution seiner Güter bei Cremona zu erlangen; frühestens am 4. Juni scheint er in Lyon angekommen zu sein). 670 Sanuto, Diarii III, Sp. 1485 (21.2.1501, Neapel: ... et che Paulo Orssini era venuto a roma per poner Piero di Medici in Fiorenza; ... etiam il re di Franza vol meter Medici in Fiorenza). 671 Cerretani, Ricordi, S. 17 (zum 2.4.1501). Im Anschluß daran folgte der Hinweis über die Anwesenheit Pieros in Rom, Giulianos am Hof Ludwigs XII.

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Orsini die Medici-Interessen beim Papst vertrat und Briefe zu ihren Gunsten an Ludwig XII. verfaßte.672 Piero blieb auch die kommenden Wochen in Rom, wo er sicherlich Augen-, zweifellos aber Ohrenzeuge eines weiteren zeichenhaften Aktes werden konnte.673 Am Abend des 22. April erfolgte der bereits angesprochene feierliche Einritt des Kardinals Federico Sanseverino durch die Porta del Popolo, das Stadttor an der Kirche von Santa Maria del Popolo. Der nach fast zwei Jahren in die Ewige Stadt zurückgekehrte Kardinal wurde dabei von seinen drei Freunden Giovanni de’ Medici, Oliviero Carafa und Bernardino Carvajal in betonter Geschlossenheit zu seinem Haus begleitet.674 Den Carafa hatten wir bereits ausführlich als aktiven Freund des Sanseverino, der Medici und Frankreichs vorgestellt; Carvajal wird uns noch als spezieller Freund Federicos begegnen. Auch für ihn wird man behaupten dürfen, was für die beiden anderen zweifellos gilt: Dieses höfische Empfangsritual sollte an jenem Tag als Ausdruck persönlicher und politischer Freundschaft gewertet werden. So erleichternd die Rückkehr des Sanseverino für die Medici-Brüder gewesen sein muß, so ungewiß gestaltete sich vorerst die politische Situation für sie. Wer von anderen abhängig ist, muß Geduld lernen. Giovanni de’ Medici und Kardinal Giambattista Orsini fanden sich im April wiederholt im päpstlichen Palast ein, um die Disposition des Borgia zu erkunden. Dieser aber wollte die Truppen seines Sohnes erst dann für Angriffe gegen Florenz zur Verfügung stellen, wenn Faenza für Cesare eingenommen worden wäre. Immerhin ging es dabei nicht mehr allein um ein Unternehmen des Papstes, sondern auch um die Ehre des Königs von Frankreich, der nun nach Gewährung der Legation für Georges d’Amboise Anfang April seinerseits den Borgia verpflichtet war. Ohne Gegenleistung gab es (nicht nur) in der Renaissance zwar gute Worte, aber so gut wie kein effektives Entgegenkommen. Ohne Faenza also kein Florenz!675 Ein sichtbar gereizter Piero wiederholte gegenüber einem Pisaner Mandatar gleich dreimal, er habe nie gesagt, auf die Entscheidung in der Romagna zu warten – mußte es aber gleichwohl tun. Auch das Angebot der Pisaner, ihm ihre Truppen zur Verfügung zu stellen, schien ihm mit einem bitteren Beigeschmack versehen, hatten ihn seine Freunde aus Florenz doch gewarnt, die Pisaner seien im Begriff, mit der Florentiner Regierung ein Abkommen zu schließen, so daß ihre Avancen gegenüber Piero nur ein Mittel seien, um dessen Planungen auszukundschaften.676 672 ASF, SR 20, c. 191–193 (11. und 20.3.1500/1501, Francesco Pepi, Rom). 673 Cerretani, Ricordi, S. 17: Addì 3 [d’aprile] ... Piero de’ Medici per anchora era a Roma, Giulia-

no apresso la maestà der[!] re. 674 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 276 (das Zitat oben Anm. 603). In den folgenden Tagen

waren der Medici und der Sanseverino dann wieder gemeinsam bei kurialen Anlässen zu sehen; ebd. S. 277, 282–284 (am 20.5. verlasen die beiden z. B. nach der feierlichen Messe in der Sixtinischen Kapelle bei der öffentlichen Segnung durch den Papst dem Volk die Ablässe, Giovanni auf Latein, Federico auf Italienisch). 675 Vgl. auch ASF, SR 20, c. 192–193 (11.3.1500/01, Francesco Pepi, Rom). 676 Die Einzelheiten dieser Gespräche der Pisaner mit den Medici und die „Erpressung“ des Papstes mit Faenza in: ASF, SR 20, c. 237–238, 241–243 (es handelt sich um Pisaner Briefe aus Rom vom 22. und 24.4.1501, die von den Florentinern abgefangen und teilweise dechiffriert werden konnten).

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(Dies sollte sich als Gerücht erweisen; die Pisaner Sache wird dann Frankreich in die Hand nehmen.) Der französische König war in jenem April erneut auf kühle Distanz zum bedrohten Florenz bedacht statt es mit Bündniswärme zu beruhigen. Mitte des Monats entließ er die Florentiner Botschafter.677 Das realistische Drohszenario gestalteten die Medici-Freunde. Vitellozzo Vitelli, der erste Feldherr Cesare Borgias und häufige Helfer der Medici, wollte vor allem die Hinrichtung seines Bruders Paolo rächen, den Florenz (wir sprachen es an) wegen seiner offenkundigen Sympathien für die Medici-Rebellen und seiner Mißerfolge als Condottiere der Republik am 1. Oktober 1499 auch zum großen Ärger der Franzosen hatte köpfen lassen; Paolo und Giulio Orsini standen ganz für die Sache der Medici; ein enger Freund Piero de’ Medicis, molto pallescho, war der Condottiere Ramazzotto. Ihnen vor allem verdankte der Valentino am 26. April 1501 den ersehnten Erfolg. Faenza kapitulierte, gegen Zusicherung von Besitz, Leib und Leben aller Einwohner; den minderjährigen Stadtherrn Astorre Manfredi ließ Cesare Borgia sogar mit großen Ehren nach Rom geleiten – wo er und einer seiner Brüder unter mysteriösen Umständen das Leben verloren.678 Immerhin hielten die Borgia ihr Versprechen gegenüber den Medici. Sofort nach der Einnahme Faenzas, für die der Papst seinen Sohn mit dem Titel eines Herzogs der Romagna belohnte, wandte sich Cesare zwar auch gegen Bologna – dessen französischer Schutzherr ihm jedoch sofort Einhalt gebot –, aber zugleich gegen Florenz. In der ersten Hälfte des Mai zog das Heer des Valentino plündernd und verwüstend durch den gesamten Florentiner Contado. In Florenz rüstete man sich. Alfonso Strozzi bezahlte aus eigener Tasche 200 Soldaten für sich und den Staat, ähnlich die Nerli und Martino Scarfi, doch begann man gleichermaßen Verhandlungen mit dem vor der Stadt liegenden Cesare. Zu den Forderungen des Valentino gehörte neben der, er solle Capitano der Florentiner werden, die nach einer Rückkehr Pieros bzw. der Medici an die Macht. Alternativ war er auch mit der Bildung einer ihm genehmen Regierung einverstanden. Dazu forderte er die Rückgabe bestimmter Güter an die Vitelli und Orsini.679 Bemerkenswert, daß er sich zudem veranlaßt sah, am 16. Mai von den Florentinern die Rehabilitierung des Simone Tornabuoni zu erbitten.680 In jenen Tagen entschlossen sich die beiden in Italien befindlichen Medici-Brüder, dem Brennpunkt der Handlungen näherzurücken. Piero ging in das 677 Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 58. Im April 1501 hatte der König die Florenti-

ner Gesandten entlassen; man zweifelte in Florenz, ‚ob er nicht ein Feind sei‘. Herzfelds Einschätzung im Kommentar, Ludwig XII. habe durch seine Ablehnung eines Angriffs auf Florenz durch Cesare Borgia das Gegenteil, nämlich seine Freundschaft zu Florenz bewiesen, verkennt den (noch zu thematisierenden) manifesten Einsatz des Königs für eine Medici-Restitution. 678 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 460f. (V/4); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 58; Cloulas, Die Borgias, S. 304f. 679 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 461–464 (V/4); Cerretani, Ricordi, S. 18f.; Parenti, Storia fiorentina II, S. 434–438; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 59–61; Pitti, Istoria fiorentina, S. 71f. 680 ASF, SR 21, c. 53 (16.5.1501, Cesare Borgia de Francia, ex pontificiis castris ad castellum Campium).

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Gebiet von Siena, also in den Machtbereich der den Medici wie Frankreich verbundenen Petrucci, von wo ihn Cesare Borgia in die Nähe von Bologna rief. Giovanni hingegen, der noch am Donnerstag, dem 20. Mai, dem Festtag von Christi Himmelfahrt, in Anwesenheit des Papstes an der Seite Federico Sanseverinos dem Volk den Ablaß verkünden durfte (er auf Latein, sein Freund auf Italienisch), er entschied sich für Città di Castello, wo die Exilierten wiederholt bei ihren Vitelli-Freunden Schutz gefunden hatten.681 Zu betonen ist, daß dieser Versuch einer Medici-Restitution erneut von Anhängern der Familie innerhalb von Florenz getragen wurde, die dem Valentino beim Anmarsch auf die Stadt geholfen haben sollen und deren Vorgehen zweifellos – wie bei früheren Fällen gesehen – mit den exilierten Medici abgesprochen war. Diese Pläne waren seit längerem vorbereitet, denn Francesco Pepi warnte die Florentiner Regierung schon am 11. März 1501, die Medici-Rebellen würden sich stark auf jene Kräfte stützen, die sie aus Florenz herbeiwünschten.682 Mecatti behauptet gar, Florenz wäre militärisch gegen den dreisten Valentino vorgegangen, wenn es nicht die Medici gefürchtet hätte! Diese hätten nicht nur geheime Verbindungen nach Florenz unterhalten, sondern besonders von ihren engen Verwandtschaften und außergewöhnlichen Freundschaften profitieren können, so daß sich jeder in Florenz in seinen Häusern bewaffnete und schützte.683 Die Unruhe und Verwirrung im Florentiner Volk war so stark, daß man die wildesten Spekulationen für bare Münze hielt. Das ungehinderte Vorrücken des Borgia führte man auf den Plan einiger Großer der Stadt zurück, die ihn gleichsam vor die Mauern brachten, um so die Regierung zu stürzen. Immerhin bestand für die Meistgenannten die akute Gefahr, daß ihre Häuser vom Mob in Brand gesteckt würden. Dabei fielen nicht nur die Namen von z. B. Bernardo Rucellai, Bernardo Nasi, Luca d’Antonio degli Albizzi oder Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici, die durchaus Sympathien für die Medici hegten bzw. im Fall ‚Lorenzinos‘ seit Jahren unter handfestem Verdacht der Medici-Unterstützung standen, sondern es wurde auch der von Alfonso Strozzi genannt, der zweifellos zu den erklärten Feinden der Medici gehörte und schon im Februar Opfer eines nächtlichen Attentats geworden war. Zu Vertretern des ‚alten Staates‘, also der früheren Medici-Regierung, zählten für einige Hitzköpfe ebenfalls die Anfang Mai als Gesandte an den Valentino entsandten Piero di Tommaso Soderini und Alamanno Salviati, denen wegen der daraus entspringenden Gefahr sofort der erklärte Medici-Feind Jacopo di Tanai de’ Nerli an die Seite gestellt wurde. Der Salviati war unbestreitbar ein Anhänger der Medici, der Soderini ebenso sicher nicht.684

681 Vgl. Pitti, Istoria fiorentina, S. 71; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 464 (V/4); Buonaccorsi,

Diario, S. 105. Am Donnerstag, 20.5.1501, dem Himmelfahrtsfest (festa Ascensionis), ist Giovanni letztmals in Rom nachzuweisen, wo er in Anwesenheit des Papstes zusammen mit Federico Sanseverino dem Volk den Ablaß verkündete; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 284. Erst am 18.6.1501 wird er von Burckard zusammen mit Federico Sanseverino wieder in Rom bezeugt; ebd. S. 287. 682 ASF, SR 20, c. 192–193 (11.3.1500/1501, Francesco Pepi, Rom). 683 Mecatti, Storia cronologica, S. 502. 684 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 212f.; Cerretani, Ricordi, S. 18f.; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 59 und Anm. 2.

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Erst anderthalb Jahre später wurde ein damals in höchster Funktion wirkendes zentrales Glied des Medici-Netzes öffentlich angeprangert. Wegen seiner Absichten, die grassierende Hungersnot in Florenz und die Drohungen des Valentino gemeinsam mit anderen führenden Bürgern zu einem Machtwechsel zu nutzen – faktisch also wegen seiner Teilnahme an der „Verschwörung“ der Medici – sollte später, 1503, der im Mai und Juni 1501 als Gonfaloniere di Giustizia amtierende Lorenzo (di Lotto) Salviati zum Tode verurteilt werden. Er wurde aber nur mit zehn Jahren Verbannung bestraft, da der neue Gonfaloniere auf Lebenszeit Piero di Tommaso Soderini (seit November 1502) sich nicht gleich am Beginn seiner Amtszeit seine Hände mit Blut beschmutzen wollte.685 Die konkrete Nennung zweier Mitglieder der Familie Salviati unterstreicht, daß die Salviati zu jenen Verwandten und Freunden gehörten, welche die Medici aktiv zum Machtwechsel aufforderten; der Medici-Schwager und -Freund Jacopo aber scheint sich klug im Hintergrund gehalten zu haben. Ist es nicht erstaunlich, den Nasi und Alamanno di Averardo Salviati unter diesen Namen zu finden – diese beiden standen auch im folgenden Jahr unter Verdacht686 –, so sprechen die übrigen für einen größer gewordenen Kreis evidenter oder latenter Gegner des damaligen Regimes in Florenz, die freilich nicht immer erklärte Anhänger der Medici oder gar Pieros gewesen sein müssen, sondern aus innenpolitischen Gründen einen Wechsel wünschten.687 Allerdings wirkten Personen wie Luca di Antonio degli Albizzi – so wie etwa Luigi della Stufa, die Salviati oder Gianbattista Ridolfi – auch als Florentiner Amtsträger, die durch ihre offiziellen auswärtigen Aufgaben immer wieder über die Aktivitäten des Medici-Kreises zu berichten hatten. Hätte man ihnen jedoch ein konkretes Vergehen nachweisen können, wären sie kaum unbehelligt geblieben. Jacopo Pitti analysierte sehr treffend die drei vorherrschenden Parteiungen in Florenz, die sich durch die zahlreichen Hinrichtungen, Morde und Verbannungen, durch die ständige Bedrohung von außen und durch finanzielle und ökonomische Notlagen immer stärker und spannungsreicher voneinander abgrenzten: Auf den beiden äußeren Flügeln standen die MediciAnhänger, die palleschi, und die Vertreter des Volkes, die popolani; gleichsam in der Mitte befanden sich die reichen, patrizischen, in sich aber gespaltenen Optimaten, da die einen eine Optimaten-Regierung ohne, die anderen mit den Medici favorisierten.688 Wird der König eine unblutige, von innen geförderte und getragene Regierungsübernahme durch die Medici bevorzugt haben, so konnte er eine wie auch immer geartete Macht Cesare Borgias über Florenz keinesfalls dulden. Seit den Feldzügen des Valentino in der Romagna stellte sich der französische Hof gegen weitere Eroberungen des Borgia und weigerte sich, die vorhandenen unter seinen Schutz zu nehmen, um sie ihm nicht nach dem Tod des Papstes zusichern zu müssen. Von Georges d’Amboise ist die auf Cesare

685 Mecatti, Storia cronologica, S. 502f., 508f.; vgl. Guicciardini, Storia fiorentina, S. 212. Bei

Hurtubise, Salviati, wird dieser Lorenzo di Lotto Salviati nicht erwähnt. 686 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 53. 687 Zu diesen Motiven auch Guicciardini, Storia d’Italia, S. 461f. (V/4). 688 Pitti, Istoria fiorentina, S. 72–74.

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bezogene Überzeugung überliefert, man könne nicht einem Mann Staaten sichern, der keinerlei Rechte habe; überdies zähle Cesares Vater Alexander VI. neben Ludovico il Moro und Maximilian I. zu den drei unheilvollen Mächten in Italien.689 Frankreichs Bündnis mit den Borgia war also ein äußerst ambivalentes, rein zweckgebundenes; als geradezu gefährlich sollte es sich für die Medici und Orsini erweisen. Man mußte also versuchen, die Büchse der Pandora wieder zu schließen, um noch größere Gebiets- und Einflußgewinne der Borgia zu verhindern. Eine solche Machterweiterung aber intendierte der Valentino, der am 15. Mai einen dreijährigen Soldvertrag mit Florenz abschloß, das ihm 36.000 Fiorini pro Jahr geben wollte und 9.000 direkt auszahlte, als er Ende Mai 1501 während seines Feldzugs gegen Piombino das Florentiner Territorium weitläufig verwüstet und geradezu eingeschlossen hatte.690 Ludwig XII. erklärte den Florentinern wie dem Valentino, daß er die gegen Florenz gerichteten Repressalien und Steuererhebungen des Borgia nicht, dafür aber seine Entfernung von Florenz wolle, wofür er nötigenfalls mit französischen Truppen sorgen werde.691 Wertvoller war ihm die Beteiligung Cesares an dem bevorstehenden Feldzug gegen Neapel. Als am 1. Juni 1501 das (mit 900 Berittenen und 7.000 Infanteristen) vergleichsweise kleine französische Heer unter Führung des bewährten Schotten Robert (Béraud) Stuart, Seigneur d’Aubigny, Mailand Richtung Neapel verließ, da war Gianfrancesco Sanseverino, dem Grafen von Caiazzo, die zweitwichtigste Position zugewiesen worden. Mit 400 Bewaffneten bildete er die Vorhut der Berittenen. Nicht allein wegen seiner Ortskenntnis und Teilnahme am ersten Neapelzug 1494/95 (schon damals mit dem Stuart), sondern vor allem wegen des erworbenen Vertrauens beim König hatte Ludwig XII. für dieses bedeutende Unternehmen depputé et delegué noz amez et feaulx cousins conseilliers et chambellans, les seigneurs d’Aubigny et conte de Cayace, noz lieuxtenans.692 Auch solche Sachverhalte sind für die Substanz des Medici-Netzwerkes von Belang. Giangiordano Orsini hatte sich allem Anschein nach schon kurz vor dem Abmarsch des Heeres aus Frankreich nach Bracciano begeben, wo er Stuart – meist nach seiner Seigneurie ‚Aubigny‘ genannt – um den 20. Juni mit großen Ehren empfing, über die militärische Situation aufklärte und die Truppen versorgen ließ.693 Der Sanseverino wird in den veneziani689 Vgl. Auton, Chroniques II, S. 87, Anm. 1. 690 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 20–23; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 61–66; Cloulas,

Borgias, S. 307. 691 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 62; Mecatti, Storia cronologica, S. 503. 692 Auton, Chroniques II, S. 93f., Anm. 2. Auch hier findet sich also erneut ein sicheres Zeugnis für

die außergewöhnliche Stellung, die sich Gianfrancesco Sanseverino am Königshof erworben hatte. Zum Heer und zu Gianfrancescos Position: Ders., a.a.O., S. 12–14, 28 (nur Robert Stuart, Cesare Borgia, der Vertreter des Herzogs von Savoyen und Gianfrancesco Sanseverino kommandierten 100 Berittene; alle anderen französischen Offiziere, unter ihnen so hochkarätige wie der Gran escuyer Pierre d’Urfé oder Yves d’Allegre, befehligten nur je 50 hommes d’armes); Quilliet, Louis XII, S. 269f. (Instruktiv für die Rolle Gianfrancesco Sanseverinos am ersten Italienzug Karls VIII., an dem auch sein Bruder Fracasso teilnahm, ist der diesbezügliche Briefwechsel zwischen dem Sanseverino und Ludovico Sforza; ASM, SPE, Napoli 252.) 693 Sanuto, Diarii IV, Sp. 59, 61f.; Auton, Chroniques II, S. 30f.

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schen Quellen nicht eigens als Gast im Orsini-Schloß erwähnt, doch da er sich auch nach dem anschließenden Einmarsch in Rom in Begleitung des (schon am 23. Juni in Rom eingerittenen) Schotten befand, wird er sich ebenfalls in Bracciano aufgehalten haben.694 Jean d’Auton, der maßgebliche Chronist, bezeichnete die Orsini von Bracciano als Parteigänger des französischen Königs und bons Françoys!695 Obwohl Spanier und mauvaiz Françoys, hatte Alexander VI. schon am 23. oder 25. Juni dem französischen König die Investitur mit dem Königreich Neapel erteilt und den französischen Offizieren bei ihrem Aufenthalt in Rom einen herzlichen Empfang bereitet.696 Das Glanzlicht aber setzte Kardinal Federico Sanseverino, der seine neue Stellung eindrucksvoll inszenierte und den Kriegern ein vorläufig letztes Erlebnis prunkvoller Kultur bescherte. Am Abend nach der Papstaudienz lud er, der Bischof von Maillezais und Bruder des Grafen von Caiazzo, die französischen Offiziere zu einem festlichen Bankett ein, das er im Garten des noch in französischer Gefangenschaft befindlichen Kardinals Ascanio Sforza (in dessen Palast im übrigen Robert Stuart wohnte) nahe der Porta del Popolo feierte. Zwischen Orangen- und Zitronenbäumen und anderen Mittelmeergewächsen gab es nicht nur exquisites Fleisch und Früchte in Überfluß. Der Sanseverino-Kardinal ließ auch Sänger und Musiker auftreten und präsentierte sogar Theaterdarbietungen von tragediques et comediains!697 Als die Truppen Anfang Juli nach Süden aufbrachen, schlossen sich neben Cesare Borgia auch Vitellozzo Vitelli sowie Giangiordano und Carlo Orsini mit ihren Soldaten an.698 Das Ziel des Orsini-Clans war die Rückeroberung von Tagliacozzo und Albe aus der Hand der Colonna; Cesare Borgia hatte Giangiordano seine Hilfe dafür angeboten, sein Vater hatte seinerseits die Colonna im Kirchenstaat unter Druck gesetzt und zahlreiche ihrer Besitzungen eingezogen, vor allem zum Vorteil seiner Familie.699 Für Gianfrancesco Sanseverino bildete das zentrale Motiv seiner Teilnahme an dem Feldzug die erneute Rückgewinnung seiner Lehen um Caiazzo. Bei der zu einem Massaker ausartenden Eroberung von Capua (24.7.1501) hatte er sich nachhaltig bemüht, Schlimmeres zu verhüten, berichtete darüber auch seinem Bruder Federico.700 Wenige Tage später konnten die Franzosen wieder in Neapel einziehen; König Federico flüchtete, ergab sich dann aber 694 Hierzu auch Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 289f. 695 Auton, Chroniques II, S. 30. 696 Auton, Chroniques II, S. 33f.; Sanuto, Diarii IV, Sp. 61f. (die Daten differieren). 697 Auton, Chroniques II, S. 34; zitiert auch bei Thuasne, Burchardi diarium III, S. 147, Anm. 1,

und von Celani: Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 290, Anm. 3. 698 Sanuto, Diarii IV, Sp. 61f. 699 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 380; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 562f.; Cloulas, Borgias, S.

309f. 700 Vgl. Sanuto, Diarii IV, Sp. 76 (der Graf von Caiazzo habe ein noch größeres Massaker verhin-

dert), 87; Auton, Chroniques II, S. 39–70 (mit sehr positiver Wertung der Taten und des Verhaltens von Gianfrancesco Sanseverino); Regis Ferdinandi, S. 431 (dieser Einsatz für seine süditalienischen Landsleute ist denn auch von zwei Dichtern poetisch und von Notar Giacomo historisch gewürdigt worden); Guicciardini, Storia d’Italia, S. 470–471 (V/5); Cloulas, Borgias, S. 308f. (gibt unverständlicherweise und ohne Quellenbelege dem Sanseverino die Schuld für das Massaker, um den auch von Guicciardini inkriminierten Cesare Borgia zu entlasten). Zum Massaker auch Quilliet, Louis XII, S. 270–272.

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lieber seinen französischen als spanischen Feinden. Ludwig XII. bot ihm sicheres Geleit nach Frankreich an, wo er eine äußerst großzügige Pension und die Grafschaft Maine erhielt.701 Dieser König Federico hatte Gianfrancesco Sanseverino als Rebellen einst seine süditalienischen, im Februar 1495 auf dem siegreichen Feldzug Karls VIII. gerade erst wiedererworbenen Lehen entzogen und an seinen illegitimen Bruder Don Ferrante verkauft; diese Territorien erhielt der Sanseverino nun durch die Franzosen endlich wieder zurück. Erfreuen konnte er sich an ihnen jedoch nicht mehr, denn bereits am 2. September 1501 starb er in Neapel im Haus eines Verwandten.702 Blicken wir, die Grafschaft von Caiazzo im Auge, etwas weiter. Diese süditalienischen Lehen, deren endgültige Inbesitznahme fraglos das Movens für die augenscheinlich durchgehend profranzösische Haltung des Gianfrancesco Sanseverino bildete, gingen dann mit dem Titel eines Grafen von Caiazzo an seinen aus der zweiten Ehe mit Barbara Gonzaga hervorgegangen Sohn Roberto Ambrogio über, wurden diesem 1503 nach dem Sieg der Spanier über die Franzosen wiederum entzogen, doch 1507 als Folge des Friedensvertrages zwischen Frankreich und Spanien erneut zugestanden.703 Ludwig XII. hatte seine oft von ihm betonte Sorge für seine Freunde und Verbündeten also ernst genommen. Frankreichs König stand jedoch ebenso zu seiner Unterstützung für die Medici, selbst um den Preis einer Demütigung seines toskanischen Verbündeten. An den französischen Höfen – denn auch Georges d’Amboise führte einen, der machtpolitisch sogar mehr galt – kam es zur Kollision beider Interessengruppen. Als Florenz, aufgrund der Kriege gegen Pisa erschöpft, durch Cesare Borgias Bedrohung mehr denn je auf die Hilfe des französischen Königs angewiesen war, sandte es Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici Anfang Mai 1501 mit 20.000 Fiorini zum König von Frankreich, um dessen Hilfe und Eingreifen für die verbündete Republik zu erwirken.704 Vermutlich wählte man, abgesehen von den tiefen Frankreichbindungen ‚Lorenzinos‘, für diese Mission bewußt einen des MediciPartisanentums bezichtigten Mitbürger. Trotz eines gewissen Erfolges bei der Eindämmung der Borgia-Gefahr erscheint jedoch fraglich, wessen Sachwalter Lorenzo wirklich war. Denn die Florentiner Gesandten bei Kardinal Georges d’Amboise werden sich im August beschweren, daß Lorenzo diesen nicht an seine Versprechungen erinnert habe, für die Rückgabe Pisas an Florenz zu sorgen.705 Gerade die Mediceer konterkarierten immer 701 Sanuto, Diarii IV, Sp. 97; Quilliet, Louis XII, S. 272f. 702 Auton, Chroniques II, S. 72 (Ludwig XII. hatte Etienne de Vesc und Raoul de Lannoy nach

Neapel gesandt, um Ämter zu vergeben und die Finanzen zu organisieren; der bereits kranke Conte di Caiazzo habe sich bemüht, seine Untergebenen gut zu behandeln), 138 (zum Tod Gianfrancesco Sanseverinos, einem der bons cappitaines françoys, amys et serviteurs du Roy, lequel fut sumpueusement servy, et a triumphe funeral ensepulturé en la vile de Naples. Maintz bons services avoit faict au Roy, et de moult son armée secourue); Regis Ferdinandi, S. 431. Zur Rückgewinnung der Grafschaft Caiazzo im Februar 1495 cum generale leticia de tuto el populo vgl. ASM, SPE, Napoli 252 (Summario de la Cavalcata de sotto: lettere del conte di Caiacia de 16 [2.1495] a Caiacia). 703 Vgl. Regis Ferdinandi, S. 431f. 704 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 59. 705 ASF, SR 21, c. 167–168 (28.8.1501, Antonio Malegonelle und Benedetto de’ Nerli, Mailand).

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wieder die Florentiner Bemühungen um eine (militärische wie diplomatische) Wiedergewinnung Pisas. Kardinal Georges d’Amboise spielte eine durchaus eigenständige Rolle bei der Unterstützung der Medici! Als im Sommer 1501 eine Florentiner Gesandtschaft, die aus Antonio Malegonelle und Benedetto de’ Nerli bestand, nach Mailand zu Georges d’Amboise ging, um einen neuen Schutzvertrag mit Frankreich auszuhandeln, mußte sie geradezu Grenzen der Leidensfähigkeit ausloten. Apodiktisch erklärte er den Florentinern im Juli, sie hätten niemals ihre Versprechen gehalten, das schuldige Geld nie rechtzeitig und vollständig gezahlt, 6.000 Franken stünden zur Zeit noch aus – zu deren Zahlung sich Florenz wiederum nicht in der Lage sah, weil es sich neben den hohen Ausgaben für den Kampf um Pisa auch noch mit großen Kosten gegen die Angriffe von Cesare Borgia und Vitellozzo Vitelli wehren mußte. Während diese Botschafter wie renitente Schuljungen getadelt wurden, mußten sie mit ansehen, wie nicht nur der venezianische Botschafter Giorgio Corneto, sondern auch der Rebell Giuliano de’ Medici und sein Begleiter Bernardo da Bibbiena einen pompösen Aufenthalt am Hof genossen – und dieser Giuliano erhielt zudem häufige und lange Audienzen beim Kardinal!706 Nicht wenige Tage, nein: wochenlang hatten die Gesandten diese ihnen als Martyrium erscheinende Behandlung zu erleiden. Über die Entwicklungen am Hof wurden sie erst gar nicht informiert; verhandeln wollte Amboise mit ihnen erst, wenn die 6.000 Franken gezahlt seien, um ihnen gleichzeitig versichern zu lassen, dann könne es jedoch bereits zu spät sein, um die Gunst des Königs noch wiederzuerlangen. Der Medici und Bibbiena erhielten nach wie vor ihre Vorzugsbehandlung durch und bei Georges d’Amboise, und auch im Haus des Kardinals Guillaume Briçonnet wurden sie für eine Stunde hinter geschlossenen Türen empfangen. Dies müsse der Florentiner Regierung mehr als zu denken geben, so die Gesandten; und obwohl sie völlig verzweifelt seien, wollten sie ihrer Pflicht zu jeder Stunde nachkommen und Mailand bzw. das Herzogtum nicht verlassen, solange sie keinen Erfolg gehabt hätten und solange der Kardinal sich dort noch aufhalte.707 Über den August – in welchem die Florentiner mit verhaltener Wut registrieren mußten, wie Bernardo da Bibbiena zur Freude der Medici Missionen von Mailand nach Rom und von dort nach Frankreich durchführte708 – wurde es September; und wenn die Florentiner Gesandten geglaubt hatten, schlimmer könne es für sie nicht kommen, mußten sie nun ihren Irrtum erkennen. Georges d’Amboise speiste sie weiterhin mit Allgemeinplätzen ab, machte Florenz zum Schuldner, wollte von der versprochenen Restitution Pisas nichts mehr wissen und diese Sache dem königlichen Rat übergeben, der nach Einschätzung der Gesandten wenn überhaupt, dann höchstens bei erneuter Zahlung (mancia, also Trinkgeld, Bestechung) der Florentiner positiv entscheiden würde. Hielt der mächtigste Mann Frankreichs ansonsten alles Wichtige vor ihnen streng geheim, so schuf er eine 706 ASF, SR 21, c. 92–94, 124–126 (16. und 23.7.1501, Antonio Malegonelle, Benedetto de’ Nerli

und Lorenzo [di Pierfrancesco] de’ Medici [nur in letzterem Brief], Mailand). 707 ASF, SR 21, c. 159–160 (21.8.1501, Antonio Malegonelle und Benedetto de’ Nerli, Mailand). 708 ASF, DBR 65, c. 113 (23.8.1501, Francesco Pepi, Rom).

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neue Stufe der Erniedrigung, als er und somit der Hof diese Gesandten Anfang September gezielt erkennen und sehen ließ, wie er enge Verhandlungen mit Siena, Lucca, Genua, Pisa und den Medici führte! Es war ein Affront, eine Provokation ohnegleichen. Denn zum einen bot der Franzose diesen Partnern die umkämpften früheren Florentiner Besitzungen gegen Zahlung bestimmter Summen an. Für Montepulciano sollte Siena 40.000 Dukaten zahlen, das aber nur 15.000 erübrigen konnte; Lucca und Genua boten für Pietrasanta, während die Medici für ihre Restitution eine gewaltige Kreditzahlung an Frankreich organisierten, die später aus dem Florentiner Staatshaushalt beglichen werden sollte – denn die erneute Medici-Herrschaft war zum anderen das Ziel, das Amboise mit einer Allianz zwischen jenen Mächten verfolgte.709 (Cesare Borgia wurde für das Projekt einer Medici-Rückführung also kein Platz mehr eingeräumt!) Resigniert und desillusioniert beschlossen die Florentiner Gesandten, aus Mailand abzureisen und lieber direkt mit dem König zu sprechen. Doch als Mitte September Francesco Soderini, Bischof von Volterra, und Luca di Antonio degli Albizzi als neue Florentiner Botschafter in Galliavola bei Lomello (im Südwesten des Herzogtums) zu Georges d’Amboise stießen, bei dem sich die Spitze des französischen Hofes aufhielt, fühlten (auch) sie sich durch erlebte Zurückweisung als Fremde.710 Man glaube nicht, wir hätten unsere Quellen überinterpretiert. Eher ist unser Urteil noch zu vorsichtig ausgefallen. Kein Geringerer als der Papst wußte die Behandlung der Florentiner Gesandten und damit die der Florentiner Republik präzise zu bewerten; zugleich zeigt er damit, daß ganz Italien von der Schmach Kenntnis besaß. Am 18. September erzählte Alexander VI. dem Florentiner Gesandten Francesco Pepi, er habe vernommen, daß der Kardinal Georges d’Amboise die Florentiner Signoria in Mailand ‚gut bearbeitet‘ habe, daß diese gequält und verachtet worden sei, während die Giuliano de’ Medici erwiesenen Ehren die den Gesandten zuteil gewordenen übertrafen.711 So nimmt es nicht Wunder, daß Kardinal Giovanni de’ Medici und der Medici-Kreis in jenen Tagen in Rom ziemlich aufgeräumt wirkten, zufriedener und heiterer als gewöhnlich, daß sie konkrete, 709 ASF, SR 21, c. 195–197 (9.9.1501, Antonio Malegonelle und Benedetto de’ Nerli, Mailand);

zum Medici-Kredit bereits in allgemeiner Hinsicht: c. 179–180 (3.9.1501, Dies.); genauer hierzu im Folgenden. Zu jener Allianz vgl. auch Ammirato, Istorie fiorentine VI, S. 222; Mecatti, Storia cronologica, S. 503f. Die entscheidende Rolle des Amboise erscheint uns durch jene Zeugnisse, seine einzigartige Macht am französischen Hof und nicht zuletzt seine immer wieder zu erkennende persönliche Verbundenheit mit dem Medici-Kreis evident. Guicciardini – sicherlich eine Vorlage für Ammirato und dann Mecatti – hatte den gleichen Sachverhalt berichtet, doch die Initiative für eine Allianz der Florentiner Rivalen Lucca, Siena und Pisa, für die Restitution der Medici und für die Verweigerung eines erneuerten Bündnisses mit Florenz beim König gesehen; vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 476f. (V/6). 710 ASF, SR 21, c. 224–225 (19.9.1501, Francesco Soderini und Luca d’Antonio degli Albizzi aus Gagliavola prope Lomellum). 711 ASF, SR 21, c. 211 (18.9.1501, Francesco Pepi, Rom: ... Sua Santità dixe che intendeva „che il cardinale di Roano a Milano lavora bene le S.[V.] et che voi eravate stratiati et spreziati et che il prefato Roano faceva precedere li vostri oratori da Giuliano de’ Medici“ con molte altre parole in tale effecto ... [in Anführungszeichen die von Pepi chiffrierte und über den Zeilen in Florenz dechiffrierte Passage]).

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große Erwartungen auf Frankreich und Georges d’Amboise und ihre Verwandten und Freunde in Florenz setzten. Noch vor Ostern glaubten sie wieder padroni in Florenz zu sein, mächtiger als je zuvor.712 Und wenn nicht Piero zurückkommen könne, dann auf jeden Fall Giuliano; so wolle es der König von Frankreich!713

c) Leonardo di Zanobi Bartolini als Staatsfeind erneut im Visier der Florentiner – und eine Persönlichkeitsbeschreibung Am 29. September 1501 erschien Piero de’ Medici zunächst jedoch in Rom, immer noch unter einer Fieberkrankheit leidend.714 In Rom liefen nun die praktischen Planungen für die von Frankreich gewünschte und geförderte Restitution der Medici an. Und es ist mehr als bezeichnend, daß genau jetzt erneut (wie 1497) Leonardo di Zanobi Bartolini verstärkt in den Fokus der Florentiner Kundschafter geriet! Was Francesco Pepi Mitte Oktober 1501 über diesen Bartolini berichtete, ist trotz aller Zeitgebundenheit von großer allgemeiner Aussage- und Erkenntniskraft. Dies gilt sowohl für den Bankier als auch für das Netzwerk der Medici. Wir haben diese Charakterisierung Leonardos anfangs wegen ihrer fundamentalen Bedeutung bereits thematisiert, müssen sie hier aber noch einmal genauer wiedergeben. Nachdem Pepi am 14. Oktober über die andauernde und schwere Krankheit des ans Bett gefesselten Piero berichtet hatte, schrieb er der Signoria Folgendes: ‚Ich möchte nicht verschweigen, mit Ehrfurcht jenes zu sagen, über das ich mehr Erkenntnisse habe als Ihre Exzellenzen in Florenz, da ich in Rom bin. Sie mögen einen der Ihrigen, einen in Rom lebenden Bürger entfernen, welcher das Instrument für jede Sache ist, die für die Medici notwendig ist, denn er ist umsichtig und geistreich; die Medici werden [ohne ihn] wie entkleidet und ohne Kompaß sein. Und was dieser Bürger macht, macht er nicht mehr mit jenem Willen wie früher. Da er [als Rebell] aus Florenz völlig ausgeschlossen ist, ist er erschöpft – und ich weiß es. Und glauben Sie mir, Exzellenzen, diese Person zurückzurufen wird die Medici mehr schmerzen, als was sie in zwei Jahren bereits an Enttäuschungen erlebt haben. Und das Schaffen von Rebellen in Florenz gibt diesen Medici Hilfe und Gefährten für schlechte Pläne und Aktionen gegen Eure Exzellenzen.‘715 Pepi hatte, wie einst Ricciardo Becchi, den Namen dieses Florentiner Rebellen nicht genannt, doch die Florentiner Regierung wollte ihn wissen. Am 21. Oktober antwortete ihr Pepi aus Rom (die von ihm chiffrierten Passagen sind kursiv gekennzeichnet). ‚Ihr wollt von mir den Namen desjenigen, den ich Euren Exzellenzen allgemein angezeigt habe, hier jenes Instrument dieser Medici zu sein, so daß man aus seiner Entfernung einen Kauf machen werde. Und der Mann ist Lionardo Bartolini, und ich wage erneut Euch zu 712 ASF, SR 21, c. 212, 232 (17. und 22.9.1501, Francesco Pepi, Rom). 713 ASF, SR 21, c. 237 (29.9.1501, Francesco Pepi, Rom). 714 ASF, SR 21, c. 237 (29.9.1501, Francesco Pepi, Rom). 715 ASF, SR 22, c. 46 (14.10.1501, Francesco Pepi, Rom: ... che le Ex.S.V. quelle levassino uno

vostro cittadino di qui quale è instrumento di ogni cosa che occora ad questi Medici per esser dextro et di ingegnio, loro resterieno come spogliati et sanza bussola).

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sagen, ihn von den Medici zu entfernen wird der Stadt eben so nützen wie die Entfernung der Orsini von ihnen, wegen seiner Klugheit (Tüchtigkeit) und wegen des Vertrauens, das die Medici in seine Leitung ihrer Angelegenheiten haben; außerdem ist er mehr der Freund des [Federico] Sanseverino als ihrer. Und ich weiß, daß er deswegen stark ausgelaugt ist und sich gern ausruhen würde, da er keine Hoffnung sieht. Und es erscheint ihm, als hätten sie bisher von ihm mehr Beweise gesehen als er von ihnen. Und das, was er macht, geschieht wegen seiner Verzweiflung über Florenz, nicht weil er unbedingt weiterhin für die Medici gegen Florenz agieren will. Eure Exzellenzen seien also äußerst weise; Ihnen kommt es zu, Vorsorge zu treffen.‘716 Pepis Wertung stimmt also vor allem mit Blick auf Leonardos Bedeutung für die Medici und das Netzwerk mit jener von Ricciardo Becchi und Alessandro Braccesi aus dem März 1497 stark überein. Der Bartolini ist für die Argusäugigen der governatore di casa Medici, bei ihm laufen alle Fäden zusammen, er organisiert und plant alle Aktionen des Medici-Kreises, ohne ihn wären die Medici nackt und wie ein Schiff ohne Kompaß, also ohne jede Reputation, orientierungslos und handlungsunfähig! Anders als Becchi und Braccesi scheint Pepi freilich eine gewisse Sympathie für den so geschickten und klugen wie sich aufopfernden Bartolini empfunden zu haben, dessen Verbannung er aufzuheben empfiehlt, wertet er doch seine Aktionen gegen Florenz eher als eine Reaktion auf das Verhalten der Stadt denn als Ausdruck seiner uneingeschränkten Zustimmung für die Pläne der Medici. Überhaupt beurteilt er das „Produzieren“ von Rebellen als kontraproduktiv. Da er wiederholt betont, über Leonardos Gemütsverfassung Bescheid zu wissen, wird er ihn gut kennengelernt haben – während Braccesi ihn wegen seiner Dreistigkeit nicht mehr sehen wollte. Der Bartolini muß sich in jenen fast sechs Jahren seit Beginn des Medici-Exils tatsächlich bis zur völligen Erschöpfung für die Medici eingesetzt haben. Wenn Pepi ihn nun aber auf Distanz zu den Medici-Intentionen sieht, scheint dies weniger der Realität als vielmehr einer wohlwollenden Taktik Pepis zu entsprechen, denn von ihm ist für das gleiche Jahr ein sehr persönlicher, vertraulicher und um Vertrauen werbender Brief an den Mediceer Lanfredino Lanfredini überliefert, mit welchem er diesen und seinen Partner Gianbattista Bracci vor Problemen bewahren wollte, die durch deren Mitarbeiter in Rom verursacht wurden.717 Vor dem gleichen Hintergrund ist Pepis schützende Entlarvung Bartolinis zu verstehen. 716 ASF, SR 22, c. 72–73 (21.10.1501, Francesco Pepi, Rom: Voi volete da me il nome di quel tale

che Io significai in generale alle Ex.S.V. essere tale instrumento „qua di questi Medici“ che levandolo sene fari acquisto, „et lo huomo è Lionardo Bartolini“, et ardisco di nuovo dirvi che varrebbe tanto alla città „ellevarlo da loro quanto levarne“ li „Orsini per la destreza sua et fede di governo che hanno in lui oltre allo essere lui lo amico di Sanseverino più di loro“ ... [die von Pepi chiffrierten Passagen sind in Anführungszeichen gesetzt]. Das entscheidende, auf Bartolini bezogene Verb levare (entfernen, beseitigen) ist hier durch den Kontext eindeutig nicht als Aufruf zur Tötung des Gegners zu verstehen, sondern als effiziente Entfernung von der Seite der Medici. Dies konnte freilich auch eine Verhaftung beinhalten, die ebenso 1497 mit diesem Verb intendiert gewesen sein kann, wobei der Kontext m.E. damals jedoch eher für eine physische Vernichtung sprach. 717 S.u. S. 627–629.

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Mit Nachdruck ist Leonardo Bartolinis enge, von Pepi bezeugte Freundschaft mit dem in der Nachbarschaft, auf der gleichen Straße wohnenden Kardinal Federico Sanseverino zu betonen, dessen Anwesenheit bei den abendlichen Gastmahlen in Bartolinis Haus wir ja schon für 1497 feststellen durften. Daß diese amicitia größer gewesen sein soll als die des Bartolini mit den Medici, ist hinsichtlich der ihr zuzuordnenden Kategorie Loyalität fraglich, wenngleich möglich, insofern man für diese Bindung die Elemente der persönlichen Zuneigung und Wesensverwandtschaft stärker betont. Beide, Federico wie Leonardo, erscheinen uns nicht von ungefähr als energiegeladene Praktiker, als „Macher“, an die sich die Medici-Brüder gleichsam anlehnten, denen sie folgen konnten. (Einzig Giulio de’ Medici wird uns noch mit ähnlicher Charakteristik begegnen.) Ihr kongruentes Persönlichkeitsprofil war offenbar die Basis für ihre erstaunliche Freundschaft, denn der von Zeitzeugen als arrogant verschrieene hochadlige Sanseverino hätte sich zu einem (aus seiner Perspektive) Bankier aus bis dahin wenig arriviertem bürgerlichen Haus ja durchaus auch distanzierter verhalten können, vor allem da er nun als offizieller Sachwalter der französischen Krone an der Kurie agierte. Diese Note seiner Beziehung zu Leonardo Bartolini ist gleichwohl herauszustellen, denn dessen gleichnamiger Großcousin wird nicht nur ein äußerst erfolgreicher Kaufmann und Bankier in Frankreich werden, sondern auch der Finanzverwalter des Sanseverino-Kardinals! An der tiefen Verbundenheit Leonardo di Zanobi Bartolinis mit den Medici, die ihm zeitlebens als seine Patrone galten und denen er unermüdlich diente, änderte seine Freundschaft zum Sanseverino jedoch nichts!

d) Ein großes Abkommen mit Frankreich, ein kleines mit der Borgia-Kurie Federico Sanseverinos neue Funktion als Prokurator des Königs von Frankreich hatte freilich auch zur Folge, daß man ihn nun seltener in konkreter Beziehung zu den Medici sah. Wenn dies dennoch möglich wurde, wollten die Vertreter des Florentiner Staates es kaum glauben. Konnte der Agent ihrer Schutzmacht weiterhin mit den Feinden ihres Staates paktieren? Er konnte. Francesco Pepi aber erhielt Kenntnis von dem Unglaublichen, weil es ihm gelang, einen Diener des Sanseverino als Spitzel anzuwerben. Ihm vertraute man im Sanseverino-Haushalt sogar so weit, daß er das Zimmer betreten durfte, in welchem in der Nacht des 23. November 1501 der immer noch fieberkranke Piero de’ Medici mit Roger de Gramont, dem Botschafter Frankreichs, und Federico zusammensaß, so daß er Einzelheiten ihres dreistündigen Gesprächs aufschnappen konnte.718 Es ging generell um Florenz und um die Pläne zur Rückkehr der Medici. Speziell aber waren die einzelnen Schritte zur Vollendung eines Abkommens der Medici mit dem Königreich Frankreich zu besprechen. Dieser komplexe Vorgang ist natürlich nicht nur in jener Nacht erörtert worden, sondern bereits seit einem längeren Zeitraum, seit dem Sommer 1501. Und die den Vertrag legitimierende Autorität war nicht das französische Königreich bzw. dessen König, sondern der Mann, ohne den kein Beschluß von staatlichem Interesse gefaßt wurde, der Kar718 ASF, SR 22, c. 144 (23.11.1501, Francesco Pepi, Rom).

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dinal Georges d’Amboise. Der zentrale Punkt ihres Abkommens bestand in einer Zahlung der Medici an Frankreich. Für die Restitution hatten sie einmalig und sofort 25.000 Dukaten an Frankreich zu überreichen, sodann in drei Jahresraten jeweils 100.000(!) Dukaten mit Beginn ihrer erneuten Herrschaft, wobei dieser enorme Betrag jedoch aus dem Florentiner Staatshaushalt erstattet werden sollte. Im Falle einer Florentiner Weigerung, die Medici zu rehabilitieren, wollte Frankreich Piero 800 Panzerreiter und 6.000 Fußsoldaten stellen, wobei indes nicht zu erkennen ist, ob die 25.000 Dukaten hierfür oder generell gefordert wurden.719 Parenti wertete das Verhalten dieses sich als christianissimus bezeichnenden Königs als Perfidie, da er ja zur gleichen Zeit auch seinen von allen italienischen Mächten verlassenen Alliierten Florenz so stark finanziell belastete, daß man sich dort nach den seligen, blühenden Zeiten unter Lorenzo de’ Medici zurücksehnte.720 Genau dies werden Ludwig XII., Kardinal Georges d’Amboise und die Mediceer freilich intendiert haben. Vier Tage vor dem 23. November hatte man bereits Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici im Haus des Kardinals Giambattista Orsini bei einem mehr als dreistündigen Gespräch gesehen.721 Dabei ging es offenbar eher um die Gegenleistung, die der Papst für seine Waffen-, eventuell auch Finanzhilfe verlangte. Ihm sollte der MediciKardinal seine im Königreich Neapel gelegene Abtei San Germano, also Montecassino, für einen Borgia-Kardinal sowie die Ländereien der Abtei für die Familie Borgia abtreten. Solches war allerdings nicht ohne Zustimmung des Landesherrn zu erreichen, weshalb man deswegen an den König von Frankreich schreiben mußte. Obwohl Francesco Pepi als Florentiner mit ansehen mußte, wie der französische Botschafter und der Sanseverino an diesen Umsturzvorbereitungen beteiligt waren, wollte er es kaum wahrhaben, da diese doch Agenten und Prokuratoren des Königs von Frankreich waren. Nicht akzeptieren konnte er die Haltung der Florentiner Signoria, die seine Berichte nicht glauben wollte und keinen Grund zur Furcht sah; ihr mußte er aus Pflichtgefühl zahlreiche analoge Bei-

719 ASF, SR 22, c. 153–154 (20.11.1501, Francesco Pepi, Rom; dort die Einzelheiten eines Briefes

vom 13.11. aus Florenz an einen in Rom lebenden Florentiner, wo die französische Waffenhilfe angesprochen wird). Über das Finanzabkommen der Medici mit Frankreich dürfte spätestens Anfang September 1501 eine grundsätzliche Einigung erzielt worden sein, da die Florentiner Botschafter am Hof des Kardinals Georges d’Amboise in Mailand bereits damals erklärten, nel caso del credito de’ Medici nichts Genaues erfahren zu können; SR 21, c. 179–180 (3.9.1501, Antonio Malegonelle und Benedetto de’ Nerli, Mailand). Spätestens Mitte November waren bereits die Einzelheiten geklärt; vgl. SR 22, c. 177 (14.11.1501, Francesco Pepi, Rom), c. 167 (16.11.1501, Francesco Pepi, Rom: ... ne voglio omettere che io intendo che oltre „ad li 25.000 duc. quali io“ advisai, „promettersi vi’è una promesso“ con maggiore cioè che „tornati in casa la città habbi ad paghare 300.000 intro anni ciascuno anno cento mila“ ... [Chiffriertes in Anführungszeichen]). Daß ohne Roano, also den Kardinal bzw. Erzbischof von Rouen, keine Entscheidung am französischen Hof getroffen wurde, gehört zu den Standardwendungen der Florentiner Botschafter – und sicherlich nicht nur dieser. 720 Parenti, Storia fiorentina II, S. 482 und (zur Sehnsucht nach der Regierung des Magnifico) 456, 476f. 721 ASF, SR 22, c. 144 (23.11.1501, Francesco Pepi, Rom).

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spiele vor Augen führen, wo er trotz dortiger Skepsis dennoch recht behalten hatte (etwa mit der Warnung vor Cesare Borgias Marsch von Faenza vor die Mauern von Florenz). Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino trugen in Rom ihren Teil zum weiteren Aufstieg des Hauses Borgia bei. Für Florenz schluckten sie so manche Kröte. Beide waren am 18. Juni beim feierlichen Empfang des Kardinals und Johanniterritters Pedro Luis Borgia präsent,722 beide zählten zu den Unterzeichnern jener berüchtigten Papstbulle vom 17. September 1501, mit welcher Alexander VI. nahezu alle von den Colonna, Savelli und Caetani konfiszierten Besitzungen im Kirchenstaat in zwei Herzogtümer umwandelte, die zwei Kleinkindern des Borgia-Clans (Rodrigo, seinem Neffen, und Juan, seinem Sohn) verliehen wurden. Ein kleineres Stück erhielt Gianpaolo Orsini.723 Zur gleichen Zeit sorgte eine druckvolle französische Vermittlung dafür, daß Herzog Ercole d’Este in eine Heirat seines Erbfolgers Alfonso mit der Papsttochter Lucrezia Borgia – die Federico Sanseverino einst seiner süditalienischen Verwandtschaft zuführen wollte – einwilligte und im September den Ehevertrag unterschrieb.724 Mit dem größten Teil des Kirchenstaates in Borgia-Hand, den mittlerweile eroberten kleineren Fürstentümern Piombino und Elba sowie dem neuen Herzogtum Romagna im Besitz von Cesare Borgia und nicht zuletzt der Unterstützung aus Frankreich und Ferrara wurde der Valentino zu einem Machtfaktor ersten Ranges in Italien. Die Medici mußten sich der diesem noch überlegeneren Stärke des französischen Königs sehr gewiß gewesen sein, wenn sie, ermuntert augenscheinlich von Ludwig XII., ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Florenz auch auf jene unberechenbare Gewalt setzten. Niemand konnte ausschließen, daß Cesare Borgia Florenz nicht in seine Herrschaft eingliedern wollte, als Mittelpunkt eines gewaltigen zentralitalienischen Fürstentums. Wegen der Abtretung der (aufgrund ihres Reichtums, ihrer Ländereien und natürlich auch wegen ihrer strategischen Lage hoch bedeutenden) Abtei San Germano an die Borgia hatten die Medici eigens Bernardo Dovizi da Bibbiena aus Frankreich, wohin sie ihn erst im Hochsommer von Mailand über Rom gesandt hatten, wieder nach Rom geholt, um ihn deswegen erneut an den französischen Hof zurückzuschicken. Am 23. November 1501 war er mit der entsprechenden Bitte an den König nach Blois zurückgekommen. Die Sache war offenbar auch deshalb etwas komplizierter, da Ludwig XII. Piero de’ Medici zu seinem Statthalter auf allen Territorien dieser Abtei ernannt hatte. In Blois befand sich ebenfalls Giuliano de’ Medici, der offenkundig an der Seite des ihm verbundenen Georges d’Amboise im September 1501 aus Mailand nach Frankreich geritten war; gemeinsam waren sie, begleitet von Carlo Orsini, am 17. November in Blois eingezogen.725 Dort erklärte Giuliano nun sogar den von ihm umschmeichelten Florentiner Gesandten Francesco Soderini und Luca d’Antonio degli Albizzi, er wolle sich in der Stadt für einige Zeit

722 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 287f.; Geiger, Alexander VI., S. 306–308. 723 Gregorovius, Geschichte III/1, S. 218; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 562–565. 724 Gregorovius, Geschichte III/1, S. 219f.; Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 565f. 725 ASF, SR 22, c. 160–161 (16.11.1501, Francesco Soderini und Luca d‘Antonio degli Albizzi,

Blois).

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niederlassen; der Rat von Blois habe ihm gemäß der Würde und den Sitten der Stadt geantwortet.726 Seit zehn Monaten befand sich Giuliano also bereits ununterbrochen in Frankreich bzw. Mailand, d.h. am Hof des Königs oder des Kardinals Georges d’Amboise. Offenkundig fühlte er sich in Frankreich so wohl, daß er sogar an den Erwerb eines Hauses in Blois dachte, wo zumindest auch Federico Sanseverino eines besaß.

e) Finanzielle und politisch-militärische Aspekte des Restitutionsvertrags zwischen Frankreich und den Medici Da die Modalitäten des Finanzabkommens zwischen den Medici und Frankreich von Kardinal Georges d’Amboise genehmigt worden waren, muß dieser auch mit Leonardo di Zanobi Bartolini in Verbindung gestanden haben. Denn galt Leonardo schon als Leiter des Medici-Hauses, so betraf die Organisation eines solchen Handels erst recht seine Kernkompetenz. Jene gewaltige Summe Geldes konnte natürlich von keiner Einzelperson, keiner Gesellschaft, erst recht nicht von den Medici selbst aufgebracht werden. Statt dessen mußten sie zahlreiche Bankiers finden, die schriftlich Obligationen und Sicherheiten für die Zahlung bestimmter Teilsummen gaben. Dies vermochte einzig Leonardo di Zanobi Bartolini. (Sein Schwiegervater Nofri Tornabuoni hatte sich damals schon zurückgezogen und sollte bald sterben). Die ersten Berichte über diese Operation wollte selbst ein so erfahrener Mann wie Francesco Pepi zunächst nicht glauben. Doch am 25. November gab es für ihn keinen Zweifel mehr, daß alles mehr als zutreffend war. Allein in Rom hatten die Medici bereits ca. 20 Römer gefunden, die solche Obligationen verfaßt hatten; gerade an jenem Tag obligierten sich zwei weitere, nämlich Michele da Casale und Giulio di Pietro Mattei, im Haus des Kardinals Federico Sanseverino in forma chamere, also wohl nach einer Rechtsform der Apostolischen Kammer. Anwesend waren der Sanseverino persönlich und der französische Botschafter Roger de Gramont. Jeder der beiden Römer verpflichtete sich zur Zahlung von 2.000 Dukaten an den König von Frankreich oder an den von ihm Deputierten innerhalb von sechs Monaten nach Rückkehr Pieros und seiner Brüder nach Florenz. Ungläubig fragte Pepi seinen Spitzel nochmals, ob der französische Botschafter wirklich präsent war. Jener bekräftigte dies. Wie eine Statue habe Gramont dabeigestanden, ohne etwas zu sagen; und bei diesen Obligationen sei er stets zugegen.727 Auch am nächsten Tag wartete man im Haus des Sanseverino darauf, solche Obligationen abzuschließen. Der die Verträge rogierende Notar war im übrigen ein Diener Sanseverinos namens Ser Alessandro.728 Am 27. November bildete das Haus des Kardinals Giambattista Orsini den Schauplatz für weitere Obligationen. Diesmal waren es drei Römer, Messer Mario Bonaventura, der 726 ASF, SR 22, c. 135–136 (23.11.1501, Francesco Soderini und Luca d’Antonio degli Albizzi,

Blois). 727 ASF, SR 22, c. 146–147 (25.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 728 ASF, SR 22, c. 128 (26.11.1501, Francesco Pepi, Rom).

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Sohn des Grafen von Pitigliano (Niccolò Orsini) und Messer Achille Maffei; sie alle verpflichteten sich sogar zur Zahlung innerhalb von fünf Monaten nach der Restitution der Medici. Dann aber geschah etwas sehr Bezeichnendes. Während der Orsini-Kardinal den Vertrag aufsetzen ließ, betraten der Monsignore di Trechori, d.h. Robert Guybé, bis 1502 Bischof von Tréguier, als Prokurator der Königin von Frankreich sowie Messer Anichino, der Kommandant von Avignon, das Haus des Orsini. Doch obwohl solchen Personen die Aktivitäten des Königs oder seines Botschafters an der Kurie normalerweise nicht verheimlicht wurden, wurde der italienische Notar, der mit der Vertragsabfassung fortfahren wollte, von einem Kanzler des französischen Botschafters aufgefordert, einzuhalten, und der Orsini-Kardinal verließ mit den beiden Neuankömmlingen das Zimmer, als ob er ihnen nicht vertrauen wollte. Aus diesem Vorfall könne die Signoria nach Ansicht Pepis den Schluß ziehen, daß der König diese Obligationssache wolle und geheimer halte als üblich – oder daß der Botschafter Gramont es völlig ohne Wissen des Königs mache (was natürlich absurd war).729 Diese vielfachen Obligationen hatten das Ziel, eine Summe von 75.000 Dukaten zu erlangen, die für die Gewährleistung der ersten, gleich nach dem Erfolg des Unternehmens zu zahlenden Rate von 100.000 Dukaten noch fehlten. Denn über 25.000 Dukaten (zusätzlich zu der gleichen, sofort zu zahlenden Summe) verfügten die Medici bereits. Sie waren ihnen bzw. explizit dem Kardinal Georges d’Amboise von zwei prominenten Bankhäusern aus Siena zur Verfügung gestellt worden: von den Spannocchi und von Agostino Chigi.730 Den Chigi aber hatten wir bereits als helfenden Partner des Leonardo di Zanobi Bartolini, als Helfer der Medici vorgestellt – und wir werden ihn noch in genauso enger Verbindung zum Lyoner Bankier Leonardo di Bartolomeo Bartolini sehen, dem Finanzverwalter Federico Sanseverinos. Auch die Spannocchi sind uns schon gut als weitere Förderer der Medici bekannt geworden. Bei ihnen handelte es sich um das Bankhaus ‚Erben des Ambrogio Spannocchi und Partnerschaft in Rom‘, in welchem Agostino Chigi als Mitarbeiter und wahrscheinlich auch als Partner gewirkt hatte und das mit ihm, seine Ambitionen fördernd, seit Ende 1500 bei der lukrativen, aber auch kapitalintensiven Pacht der päpstlichen Alaungruben von Tolfa eine Partnerschaft eingegangen war.731 Man sieht, das Netz konnte sehr engmaschig und dauerhaft sein. Jene gewaltige Obligation zeigt uns, daß diese in Rom wirkenden Sienesen zu den ganz engen Freunden der Medici zu zählen sind. Die noch ausstehenden Schuldverschreibungen über die Summe von 75.000 Dukaten erhielten die Medici jedoch nicht nur von Römern, sondern auch von vielen Florentinern, die nicht als Bankiers in Rom, sondern in ihrer Heimatstadt lebten. Francesco Pepi hörte den Medici-Kreis darüber geradezu prahlen und forderte die Signoria auf, Obacht zu ge729 ASF, SR 22, c. 124–125 (27.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 730 ASF, SR 22, c. 177 (14.11.1501, Francesco Pepi, Rom: Et ultimamente hiero ritraggo di luogo

certo „che la somma ordinata de Sanesi cioè Spannochi et Agostino Ghigi che è commissa la promessa ad cardinale di Roano con conditione che se le paghino quando questi Medici sieno tornati in Firenz una volta ho mia questo è verissimo“ ... [Chiffriertes in Anführungszeichen]). 731 Montenovesi, Agostino Chigi, S. 111f.; The correspondence of Agostino Chigi, S. 5, 26f.

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ben.732 Vermögende Kaufleute aus Florenz, die den Medici nahestanden, gab es, und wir werden sie im entsprechenden Kontext noch vorstellen; sie stammten wie etwa Gianbattista Bracci und Lanfredino Lanfredini aus der Medici-Gesellschaft oder waren wie die Salviati und Ginori mit dieser bzw. der Bartolini-Bank fast symbiotisch verbunden. Zu den Obligierenden zählten ferner offenkundig die Florentiner in Rom, die alle in das Unternehmen eingeweiht waren und es begrüßten; hier waren sie zu Pepis Ärger zu mehr Hilfe bereit als bei der Eroberung Pisas.733 Mit der Bereitwilligkeit, den Medici größere Geldsummen für ihre von Frankreich geförderte Restitution zu leihen, war natürlich eine Zustimmung zu den entsprechenden militärischen Operationen verbunden. Es war ein großes Netz von Mitwissern, das in die Vorbereitungen involviert war oder sie zumindest durch ein positives Bekenntnis trug. So erfuhr Pepi etwa Anfang November, daß die in Rom lebenden Kaufleute des MediciKreises (also ein Leonardo Bartolini z. B.) allein zu jenem Zeitpunkt zwanzig private Briefe aus Florenz erhalten hätten, in denen sie affirmativ aufgefordert worden seien, zurückzukehren, mit der Ergänzung, universalmente würde man sie in Florenz wünschen und zurückrufen.734 Noch im November brüsteten sich, so Pepis Sicht, die Medici, es sei unmöglich, daß der Restitutionsversuch diesmal nicht gelingen würde. Denn, so wurde des öfteren betont, Florenz habe keine Mittel, um sich zu verteidigen. Selbst wenn die Signoria venezianische Truppen anwerben könnte, verfügten die Medici über die des französischen Königs und des Papstes. Die Soldaten des Valentino nährten den ostentativen Optimismus allerdings weniger. Die Zuversicht, bis Ende Dezember 1501 in Florenz zu sein, gründete auf den konkreten Verträgen der Medici mit der Schutzmacht ihres Feindes. Frankreich wollte 6.000 Fußsoldaten bezahlen; dazu würde man über 3.000 weitere verfügen, da die Baglioni aus Perugia, die Vitelli aus Città di Castello und die Orsini jeweils 1.000 Mann besolden würden. Zu diesen 9.000 fanti kämen mindestens 1.200 Panzerreiter bzw. Lanzenreiter. Ein als Informant wirkender Freund Pepis hielt sogar eine Zahl von 15.000 fanti und ca. 1.700 Panzerreitern für möglich. Dieser Spitzel erachtete es damals nach gründlichem Nachdenken jedoch als besser, wenn Francesco Pepi in seinen Briefen keinerlei Hinweis auf seine Identität geben würde. Ein Gelingen der Medici-Sache schien ihm nun doch so weit im Bereich des Möglichen zu liegen, daß er Repressalien fürchtete. Pepi konnte jedoch einschränkend klarstellen, daß die Medici und Orsini diesem „Freund“ sowieso nichts von dem anvertrauen würden, was sie geheim halten wollten.735 Schließlich konnte Francesco Pepi am 29. November 1501 aus dem Mund eines Medici-Anhängers erfahren, daß die Medici in größerer Hoffnung als je zuvor lebten, da sie von Giuliano de’ Medici die Kapitel ihres Vertrages mit Frankreich erhalten hätten – beschlossen und unterschrieben von Kardinal Georges d’Amboise und König Ludwig XII.! Sorge bereitete den Medici freilich die Meldung, daß ein Bote der Orsini mit einem 732 ASF, SR 22, c. 122 (29.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 733 ASF, SR 22, c. 128 (26.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 734 ASF, SR 22, c. 198 (4.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 735 ASF, SR 22, c. 146–147, 150–151 (24. und 25.11.1501, Francesco Pepi, Rom).

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Angebot für ein den Medici nachteiliges Abkommen mit Florenz vor Mitte November an den französischen Hof gekommen sei, und daß Giangiordano Orsini mit Freundschaftsgesten bei der Florentiner Signoria erschienen sei, worüber sich Piero bei den anderen Orsini beklagte. Er und Giovanni sandten deshalb sofort einen Diener des Medici-Kardinals, einen Genuesen und Bruder seines maestro di casa, an den französischen Hof. Aber auch dies sollte die Signoria nach Pepis Einschätzung zu mehr Vorsicht und größeren Maßnahmen zu ihrer Verteidigung veranlassen.736 Giangiordano war zwar, wie gesehen, tatsächlich bei weitem kein so enger Freund Pieros oder seiner Brüder wie einst sein Vater Virginio, doch zur Medici-Sache stand er loyal. Und gegen die Informationen (oder gezielt gestreuten Gerüchte) aus Frankreich über einen Verrat einiger Orsini konnten die Medici in Rom einen Brief des Kardinals Georges d’Amboise vom 17. November vorzeigen, in welchem er beteuerte, constantissimo zu jenem zu stehen, was er versprochen habe; sobald er beim König eintreffe, werde er alles zu ihrer Zufriedenheit regeln.737 Später konnten die Florentiner erfahren, daß der französische Vertrag mit den Medici in seinen Einzelheiten bereits in der Lombardei ausgehandelt worden war, also am Hof des Kardinals Georges d’Amboise, als dieser im Sommer 1501 in Mailand residierte, die Florentiner Gesandten brüskierte und Giuliano de’ Medici hofierte.738 Von ihm wurde er dann an den König weitergereicht. Auf den starken Schultern von Georges d’Amboise ruhte also die ganze Hoffnung der Medici, ihr mittlerweile siebenjähriges Exilsschicksal in Kürze beenden zu können. Kein Zweifel, die Bedrohung der Florentiner Regierung war real und ernst zu nehmen. Einen so mächtigen und gleichzeitig entschlossenen Förderer hatten die Medici bis dahin nicht gewinnen können. Die Kontrahenten der Medici in Florenz begannen, das lange Zeit als unglaubhaft und unmöglich eingeschätzte Szenario aus dem überall wabernden Nebel der Gerüchte in das Licht der politischen Wirklichkeit zu überführen. Als beispielsweise durch fünf aus Rom geschickte Briefe am 20. November 1501 erneut glaubwürdige Nachrichten nach Florenz gelangten, Ludwig XII. wolle mit Hilfe des Cesare Borgia sowie der Vitelli, Baglioni, Petrucci und Bentivoglio, der bekannten Medici-Freunde mithin, die exilierte Familie wieder einsetzen lassen, erschien diese Drohung den Medici-Feinden in Florenz so realistisch, daß sie trotz einer großen Finanz- und Hungersnot eine mehrere hundert Soldaten starke Truppe aushoben.739 Anfang Dezember mußte man konkrete Kriegsvorbereitungen des Vitellozzo Vitelli in Città di Castello zur Kenntnis nehmen.740 So hagelte es gleichsam Horrormeldungen. Am 4. Dezember berichtete Francesco Pepi, der Kardinal von Rouen habe nun auch noch einen Vertrag mit den Pisanern abgeschlossen, die sich nach Rückkehr der Medici freiwillig zur erneuten Anerkennung einer Florentiner Superiorität bereit erklärt hätten, und mit denen schon die Einzelheiten ihrer 736 ASF, SR 22, c. 122 (29.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 737 ASF, SR 22, c. 305–306 (1.12.1501, Francesco Pepi, Rom). 738 ASF, SR 20, c. 11 (18.1.1501/1502, Francesco Soderini und Luca d’Antonio degli Albizzi aus

Orléans: ... „li capituli co’ Medici furono facte in Lombardia“ ...[chiffriert]). 739 Cerretani, Ricordi, S. 30. 740 Cerretani, Ricordi, S. 30.

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Selbstverwaltung sowie ihres Geldkontributs an Frankreich geregelt worden seien (9.000 Dukaten für die ersten beiden Jahre an den König, dann 5.000 für zwei weitere Jahre, danach ständig 12.000 Dukaten jährlich, doch dafür eigene Verfügung über alle Pisaner Einnahmen und Erhalt des Schiffszolls aus Livorno). Ferner mußte Pepi vermelden, daß Ludwig XII. einen Statthalter nach Rom geschickt hatte, der vorgeblich wegen eines privaten Prozesses kam, doch hauptsächlich lange Gespräche mit Kardinal Giambattista Orsini sowie Piero und Giovanni de’ Medici führte, um den endgültigen Abschluß der vom Kardinal Amboise organisierten Medici-Operation zu beraten und kundzugeben. Dieser königliche Mandatar informierte sogar Pepi, daß der Hof den Medici am 20. November Briefe gesandt hatte, die sie mehr als zufrieden stellen würden, und daß er annahm, in kürzester Zeit seien alle ihre Probleme gelöst. Auch von einem nach Rom gereisten Kanzler aus Siena konnte man erfahren, daß dort die Medici-Sache wegen der Zustimmung Ludwigs XII. als gänzlich abgeschlossen betrachtet werde, wozu Pandolfo Petrucci und der Sieneser Staat mit allen ihren Mitteln beitragen wollten, auch mit Gewalt. Neben ihren Truppen könnten die Medici mittlerweile auf die Cesare Borgias, Vitellozzo Vitellis, der Baglioni und solche aus der ganzen Romagna rechnen (die Orsini werden erstaunlicherweise nicht genannt). Nachdem Giuliano de’ Medici für den französischen König die Ratifikation des Vertrags mit Pisa durchgeführt habe, würden auch die Pisaner noch einmal 2.000 gute fanti stellen.741 Giuliano de’ Medici hielt sich demnach keineswegs als mittelloser Bittsteller am französischen Hof auf, sondern hatte von diesem doch recht weitreichende Handlungsvollmachten erhalten. Dies mußte seine gegnerischen Landsmänner verbittern – zumal die Florentiner Gesandten zur gleichen Zeit am französischen Hof erneut nicht nur brüskiert, sondern geradezu gedemütigt wurden. Am Morgen des 9. Dezember 1501 übernahm diesmal der Kardinal Guillaume Briçonnet diese Aufgabe. Er, der den Sturz der Medici mitbetrieben hatte, galt den Gesandten gleichwohl schon seit jener Zeit Karls VIII. als einer der größten Feinde von Florenz am französischen Hof. Nun näherte er sich den Gesandten sotto ombra di charità, in nome però del cardinale di Roano. Diese Szene ist sprechend, auch für den Rang einer italienischen Mittelmacht im europäischen Mächteverband – und für ihre verzweifelten Bemühungen um Selbstbehauptung. Für Georges d’Amboise sprechend wechselte er von vorgeblicher Fürsorge sofort zur Anklage. Auf den Hinweis der Florentiner, Frankreich habe in Italien ohne eigene Kosten keinen sichereren Verbündeten als Florenz, das für seine Geldzahlungen freilich keine adäquate Waffenhilfe erhalte, wies Briçonnet sie zurecht, Florenz sei nicht fähig, sich zu regieren und befinde sich in Zwietracht, erhalte noch nicht einmal von Soldaten Gehorsam und habe in sieben Jahren – also seit dem Beginn des Medici-Exils, der republikanischen Ära – stark an Ansehen in Frankreich verloren und verliere mehr mit jedem Tag. Dies wollten die Gesandten nicht auf sich sitzen lassen: Man habe in Florenz immer noch die schlechte Behandlung durch Karl VIII. vor Augen, und auch wenn König Ludwig sie nun nicht schlecht behandle, behandle er sie doch auch nicht gut, denn seine Taten 741 ASF, SR 22, c. 287–288 (4.12.1501, Francesco Pepi, Rom).

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für Florenz entsprächen nicht denen der Florentiner für Frankreich. Eben dies aber verleite die Feinde von Florenz, die Stadt in Angst, Gefahr und – wie im vergangenen Jahr – angesichts fehlender Verteidigung durch Frankreich in ständigen Ausgaben zu halten. Frankreich sei also Ursache der Florentiner Probleme; Florenz hingegen habe immer und vollständig alle Verpflichtungen erfüllt. Damit war für den Franzosen das Maß überschritten; diesen Florentinern mußte ihr Rang in der europäischen Hierarchie zugewiesen werden. ‚Oh‘, sagte er, ‚ihr habt es mit einem König von Frankreich zu tun, und ihr könnt hier nicht wie mit einem der Eurigen disputieren!‘ ‚Dies wissen wir‘, rechtfertigten sich die Gesandten, ‚und wir wollen nicht disputieren; aber wir haben mit diesen Vorwürfen nicht begonnen, und so wollten wir zeigen, daß es uns nicht an Rechtfertigungen und gutem Willen mangelt.‘ Briçonnet aber hielt die von Florenz gewünschte Erneuerung der Allianz für unangebracht, da die Beziehung zwischen beiden Parteien sich jeden Tag verschlechtere. Die Ursache dafür aber sei, wie Florenz gut wisse, die Regierungsunfähigkeit und Uneinigkeit in der Stadt, die zu ihrer Schwäche führe, weshalb der König von Frankreich sich nicht auf sie verlassen könne. Umgehend kam Briçonnet dann auf die Konsequenz dieses Sachverhalts zu sprechen. Nach der unbedingt notwendigen Zahlung einer nicht geringen Summe Geldes – wobei offen bleibt, ob hier die Medici oder gar Florenz gemeint war – denke man in Frankreich darüber nach, wie man die Medici an die Macht zurückbringen könne. Briçonnet wußte zu berichten, daß sowohl König Ludwig XII. als auch der Kardinal Amboise Mitleid mit den Medici verspürten, da diese so viel gelitten hätten, und daß sie in Frankreich viele Freunde besäßen. Man hoffe, es komme dann in Florenz zu einer Vereinigung der gegnerischen Lager, von der auch Frankreich profitiere. Die Antwort der Gesandten war unmißverständlich: Daran sei gar nicht zu denken, vielmehr müsse Frankreich zunächst Florenz seine Besitzungen zurückgeben und zeigen, daß es die Stadt liebe, so daß diese wieder Vertrauen fassen könne, geliebt zu werden; erst dann könne Frankreich auf mehr als den guten Willen von Florenz hoffen. Vielsagend ist das Fazit der Gesandten über diese Unterredung mit Briçonnet. Sie sei eine Bestätigung ihrer Einschätzung, daß Frankreich chaotische Zustände in Florenz wolle, um die Stadt zu schwächen und so leichter von sich abhängig zu machen. Denn in Frankreich wisse man genau, daß die Medici nicht zurückkehren könnten, ohne den Ruin der Stadt zu bewirken, da sie sich rächen und sich auf Kosten der kommunalen und privaten Substanz bereichern (ingrassare) müßten!742 Zu unterstreichen ist somit zum einen, daß Florenz den Franzosen unterstellte, mit der Rückführung der Medici eine generelle Schwächung der Florentiner Republik zu intendieren, um sie so den französischen Interessen dienstbarer zu machen; zum anderen, daß man sich in Florenz vor einer tiefen Rachsucht der Medici fürchtete und vor deren Zwang, ihre ökonomische Misere bzw. Pflicht (sprich: ihre hohe Zahlungsverpflichtung an Frankreich) mittels des staatlichen und privaten Haushalts zu kompensieren.

742 ASF, SR 22, c. 205–206 (9.12.1501, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois).

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Einblicke in die Medici-Vertretung am französischen Hof Ein von den Florentinern abgefangener und teilweise entschlüsselter Brief, der von einem Mitglied der Medici-Gruppe am französischen Hof geschrieben worden war, erlaubt uns wertvolle und instruktive Einblicke in deren Handlungs-, Gedanken- und Erwartungswelt jener Tage. Der Brief war am 14. Dezember 1501 von einem sich als Diener bezeichnenden Mann namens Fuscellon in Blois abgefaßt worden, offenbar einem Franzosen oder Savoyer, adressiert an Kardinal Giovanni de’ Medici.743 Wie üblich berichtete der Schreiber zunächst, welche Briefe vorher abgesandt worden waren, in diesem Fall zwei Giuliano de’ Medicis vom 29. November. Sodann informierte er den Medici-Kardinal, daß L8 gesagt habe, man erwarte die x32 der Bürger aus Florenz, und aus Lyon oder Rom – dies konnte der Dechiffrierer nicht entscheiden – sei der Ratschlag zu dem Ganzen gekommen. (Aufgrund der Gleichberechtigung dieser beiden Orte ist an einen der Medici-Bankiers zu denken.) Der Signore Carlo [Orsini] habe den König gedrängt, schnell zu handeln, zu Ergebnissen zu kommen – was dieser mit den ‚wirkmächtigsten Worten der Welt‘ zu tun versprach, sobald der Erzherzog verabschiedet sei. (Denn die Medici bildeten ja nur einen Teil eines größeren Plans, in welchem ein über den habsburgischen Erzherzog Philipp vermittelter Friede zwischen Frankreich und Deutschland Vorrang besaß. Welche genauen Schritte Ludwig XII. zu unternehmen beabsichtigte, war den Medici dennoch nicht klar, weshalb sie eine genauere Stellungnahme erwirken wollten.) Um die Gesinnung des Königs antizipieren zu können und sich über sie besser klar zu werden, habe Giuliano in folgender Weise mit ihm gesprochen: ‚Monsire, Ihr kennt die Briefe der Banken, für die es notwendig ist, daß ich sie persönlich ‚mache‘, insofern der König entschlossen ist, daß zu tun, was besprochen und versprochen worden ist. Ich werde nach Lyon gehen, um jene Briefe dort abzuholen. Und dabei werde ich vorsichtig sein, mit dem unbedingten Glauben in die Integrität Eurer Exzellenz, da sich an diesen Briefen auch viele unserer Freunde beteiligt haben, welche ihr Eigentum und vielleicht ihr Leben verlieren werden, wenn die Sache nicht begonnen wird. Wir vertrauen Euch also mehr als jedem lebenden Menschen; Besitz und Gesundheit legen wir für uns und unsere Freunde in Eure Hand!‘ Worum es sich bei dieser heiklen Mission Giuliano de’ Medicis handelte, ist klar. Es ging um jene Zahlungsobligationen befreundeter Bankiers und Kaufleute aus Rom und Florenz, welche die Kardinäle Federico Sanseverino und Giambattista Orsini, der französische Botschafter Gramont und ganz gewiß Leonardo di Zanobi Bartolini in Rom als unerläßlichen Bestandteil des Restitutionsvertrags zwischen Frankreich und den Medici organisiert hatten. Sie lagen nun in Lyon und somit bei befreundeten Bankiers, bei denen wir mit Blick auf den Kontext vor allem an Leonardo di Bartolomeo Bartolini, Bernardo de’ Rossi und Francesco Naldini denken. Das geradezu existentielle Risiko für die be743 ASF, SR 22, c. 209–210, 211–212 (14.12.1501, servus Fuscellon, Blois, an Kardinal Giovanni

de’ Medici). Bei c. 211–212 handelt es sich um das Original, bei c. 209–210 um die Abschrift mit dem Versuch einer Dechiffrierung des zum größten Teil chiffrierten Briefes; da die Kopie auf sehr dünnem Papier geschrieben wurde, kommt vor allem im oberen Teil die Schrift der Rückseite durch, was die Lesbarkeit beeinträchtigt.

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freundeten Geldgeber, das Giuliano dem König eindringlich vor Augen stellte, um ihn an seine Verantwortung auch für diese Personen zu erinnern, es war real, wie wir mit Blick auf die Hinrichtungen von 1497 und die vielen Verbannungen von Medici-Freunden wissen; es wird insbesondere die Florentiner Medici-Freunde betroffen, die auswärtigen allerdings ebenso berührt haben – und es verleiht dieser ganzen Geschichte eine doch sehr konkrete, zu individualisierende Dramatik. Doch zurück zum Inhalt des Briefes. L8 habe auf Giulianos Worte erwidert: ‚Geht fort [nach Lyon], da ich Euch meine [Gesundheit] verspreche, und zweifelt nicht daran, daß das Versprochene in irgendeiner Weise nicht erfüllt werde.‘ Und so sei Giuliano gestern morgen per le poste nach Lyon gereist, Gott solle ihn begleiten und sicher führen, so Fuscellon. Dieser aber wollte L8 seinen Enthusiasmus für die Medici-Sache nicht glauben, weshalb er ihm sagte: ‚Mon sire [also Giuliano] ist nach Lyon gegangen, um jene Versprechen [bzw. Obligationen] zu bringen, da er hofft, daß Eure Worte und Versprechungen so ehrlich sind, daß daraus nichts erwachsen kann, was unsere Sache stören könnte.‘ Dies zu sagen sei ihm notwendig erschienen, da die Florentiner Gesandten zu behaupten pflegten, Frankreich wünsche mit all dem nur die Abhängigkeit der Medici, und aus Florenz würden sie nicht von der Allgemeinheit, sondern nur von sechs bis acht Bürgern zur Rückkehr aufgefordert. Bei diesem Gespräch mit dem einflußreichen, aber ambivalenten L8 war auch Bernardo da Bibbiena anwesend; auf Anordnung Giulianos wollte gleichfalls L13 dabeisein, um den Eifer von L8 für die Medici-Sache heiß zu halten, den er für einen großen Betrüger hielte, wenn er davon Abstand nehmen würde. Fuscellon erwähnte dann noch Giangiordano und Alfonsina Orsini, ohne daß der Kontext zu eruieren wäre. Unchiffriert berichtete er sodann von der Abreise des habsburgischen Erzherzogs nach Spanien am Morgen des 14., vom Abschluß des Friedensvertrags zwischen Frankreich und Deutschland am 12. [Dezember], der mit Feuern und einem großen Turnier in Amboise gefeiert wurde, wo sich der Markgraf von Monferrat Ruhm erwarb. Dem Medici-Kardinal empfahlen sich neben dem Verfasser auch Silvio [Passerini] und der Golpino, der schon zu sterben schien, doch nun geheilt sei. Heute hätten sie, also offenbar jene genannten Mediceer am Hof, ferner für Piero de’ Medici in der Person Kardinal Giovannis die Ausfertigung jenes Privilegs für ein Amt des Vizekönigs [von Neapel] erwirken können, dazu werde noch jenes für die Abtei [Montecassino] kommen, das trotz einiger Auseinandersetzungen mit dem Großkanzler zur Zufriedenheit des Medici beschaffen sein werde. Wegen jener zwiespältigen Urteile [über Frankreichs Hilfe für die Medici] wolle er, Fuscellon, zusehen, daß der Kardinal Georges d’Amboise sie gemäß seinen Versprechungen bei seiner Rückkehr unterbinden werde. Er selbst und Silvio hätten zur Zeit nichts zu tun; Giovanni de’ Medici aber solle keine Stunde Zeit verlieren und sich besonders für jenes letzte Privileg [wegen der Abtei] einsetzen. Chiffriert fügte Fuscellon noch hinzu, daß man Giangiordano Orsini zu Weihnachten erwarte, daß Giuliano den auf seine Person mit 200 Scudi ausgestellten Wechselbrief eingelöst habe und bis Lyon geritten sei, daß dieser ihm aufgetragen habe, das Obige an Giovanni zu schreiben, und daß er auf dessen Brief vom 19. (November) nichts Weiteres zu antworten habe.

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Man sieht, die Medici waren nicht allein durch Giuliano, sondern tatsächlich mit einer kleinen, aber tatkräftigen Pressure-group am französischen Hof vertreten, denn ihre Sache mußte immer wieder mit Nachdruck und geschicktem personellen Einsatz vorangetrieben werden. Trotz aller Abmachungen und Zugeständnisse blieb doch bis einschließlich der Person des Königs eine gewisse Skepsis über die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit der die Medici-Sache betreffenden französischen Politik, die insbesondere von einigen Höflingen und von den Florentiner Gesandten geschürt wurde. Einzig Georges d’Amboise scheint ein Fels in der Brandung ambivalenter Handlungsintentionen gewesen zu sein. Nicht vernachlässigen wollen wir jedoch Personen auf dem entgegengesetzten Spektrum historischer Bedeutung. Der erwähnte, kranke Golpino beispielsweise war schon Ende März 1497 im Vorfeld von Pieros großem Angriff auf Florenz mit Ser Antonio Dovizi da Bibbiena und dem Protonotar Raffaele Petrucci an der Nachrichtenübermittlung zwischen Siena und Rom beteiligt gewesen.744 Mehr als vier Jahre später war er immer noch für die Medici aktiv, nun aber bereits am französischen Hof, mit immerhin so viel Ansehen bei den Medici, daß Kardinal Giovanni über seinen Gesundheitszustand informiert sein sollte. Nach einem ersten Zeugnis vom November 1495, als Silvio Passerini als Familiar des in Mailand weilenden Kardinals Giovanni de’ Medici für diesen in Rom wirkte, begegnet uns mit ihm nun erneut eine Person in den Quellen, die später, nach dem Exil, als Datar der Kurie, Bischof von Cortona und Kardinal eine steile kirchliche Karriere unter Papst Leo X. erleben sowie eine führende Rolle bei der Herrschaft über Florenz erhalten wird.745 Giuliano de’ Medici befand sich also in guter, recht zahlreicher Begleitung während seines langen Aufenthalts am französischen Hof.

f) Florenz trotzt Frankreichs Pression An jenem 14. Dezember 1501, als Fuscellon aus Blois an Kardinal Giovanni de’ Medici schrieb, verfaßte auch Francesco Pepi in Rom einen Brief, in welchem er der Signoria über die Medici-Aktivitäten berichtete.746 Er wußte bereits, daß die Medici in Rom ihre letzten Briefe vom französischen Hof am 29. November von Giuliano erhalten hatten, daß Silvio Passerini da Cortona als Diener des Medici-Kardinals nach Frankreich gereist war, und zwar mit jenen 25.000 Dukaten im Gepäck, welche die Medici von den Spannocchi und Chigi erhalten hatten und für ihre Restitution an Frankreich bzw. den Kardinal Amboise zu zahlen hatten, bei dem Silvio sich denn auch eingefunden hatte. Ferner gewährte König Ludwig XII. dem Passerini eine Audienz und versprach ihm, sich nach der Abreise des Erzherzogs auf jeden Fall der Medici-Sache zuwenden zu wollen, dem hinzufügend, daß sie sich mehr Hoffnung denn je machen könnten, da sie Rouen, also der Kardinal Georges d’Amboise, hoffen lasse. In Rom hatte Pepi vom Kardinal Giambattista Orsini vernommen, daß der Papst diesem das Kapitel eines Briefes vom Hof in S. [also wohl 744 ASF, DBR 55, c. 150–151 (31.3.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 745 Vgl. etwa Butters, Governors, s.v.; Stephens, Fall, s.v.; zu Passerini im Jahr 1495 s.o. Anm. 68. 746 ASF, SR 22, c. 266 (14.12.1501, Francesco Pepi, Rom).

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Siena] gezeigt habe, nach welchem jene Magnificentia [das wäre Pandolfo Petrucci] die Florentiner Gesandten in einem langen Gespräch von einer Rückkehr der Medici überzeugen wollte, und daß er auf die Florentiner Weigerung geantwortet habe, in diesem Fall sei er gezwungen, die Medici mit den Waffen zurückzubringen. Einen Tag später, am 15. Dezember 1501, bestätigten die Florentiner Gesandten am französischen Hof aus Blois, daß Giuliano de’ Medici in poste nach Lyon geritten sei. Dort wollte er sich mit Giangiordano Orsini bereden, der wenig später Briefe aus Rom erhielt und Georges d’Amboise ein päpstliches Empfehlungsschreiben für die Medici überbringen sollte.747 Am 22. Dezember berichteten sie, daß sie Anweisung nach Lyon gegeben hätten, um über die Schritte Giulianos informiert zu werden.748 Zwei Tage später, am Heiligabend, konnten sie vermelden, Giuliano sei nach Blois zurückgekehrt. Wie zu vernehmen sei, habe er sich in Lyon befunden, wo er im Gasthaus zum Falken gewohnt habe, um von dort aus die Florentiner Kaufleute aufzusuchen und sie zu bewegen, eine Obligation für den Fall einer Medici-Restitution auszusprechen. Ihnen (den Gesandten) sei gesagt worden, daß sich dazu niemand bereit gefunden habe. Doch aus dem Mund von Carlo Orsini mußten sie erfahren, daß sich der Medici-Kreis mit Ludwig XII. über die Obligationen verständigt habe, und daß Giuliano deswegen nach Lyon geritten sei, und in Blois habe er Antonio Maria Pallavicini für ein solches Versprechen gewinnen können.749 An jenem 24. Dezember meldete dann Francesco Cappello aus Rom, dort sei zu vernehmen, daß die Florentiner Gesandten aus Frankreich wenig Gutes zu berichten hätten. Jeder beliebige Mann an der Kurie wisse zu sagen, daß es um die Sache Piero de’ Medicis noch nie so gut wie dieses Mal gestanden habe; er sei recht eigentlich am Ziel.750 Zu den Faktoren, die zu jenem Optimismus beitrugen und rasches Handeln notwendig machten, ist sicherlich die Wahl des Medici-Anhängers Lanfredino di Jacopo Lanfredini zum Gonfaloniere di Giustizia zu zählen.751 Ganz so wie 1497 bei der Ernennung von Bernardo del Nero zum Gonfaloniere war es den Florentiner Mediceern (durch ihren Einsatz oder durch Zufall) gelungen, die Voraussetzungen für die geplante Restitution auch im Inneren des Staates institutionell zu verbessern. Aus dem Desaster von 1497 klug geworden, wurden die mit Lanfredinos Wahl verbundenen Hoffnungen und Erwartungen jedoch nicht an die Öffentlichkeit getragen. Keiner der argwöhnischen Florentiner Gesandten referierte jedenfalls Entsprechendes nach Florenz. Während Lanfredinos zweimonatiger, von Anfang November bis Ende Dezember 1501 dauernder Amtszeit als höchster Repräsentant des Florentiner Staates stand dieser unter einem enormen Druck von außen und innen. Papst Alexander VI. hatte seinem Sohn Cesare Borgia die Anweisung gegeben, 747 ASF, SR 22, c. 224 (15.12.1501, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois); SR 20, c.

57 (2.1.1501/02, Dies.: Giangiordano habe am 31.12. Briefe aus Rom erhalten, von denen einer verlorenging, den der Papst zugunsten der Medici an Georges d’Amboise geschrieben hatte). 748 ASF, SR 22, c. 246 (22.12.1501, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 749 ASF, SR 22, c. 241 (24.12.1501, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 750 ASF, SR 22, c. 250 (24.12.1501, Francesco Cappello, Rom). 751 Lanfredino Lanfredini im höchsten Florentiner Staatsamt bezeugt bei Cerretani, Ricordi, S. 29; Mecatti, Storia cronologica, S. 504; vgl. auch Arrighi, Art. „Lanfredini“, S. 604.

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seine Truppen mit denen der Vitelli aus Città di Castello, der Baglioni aus Perugia, der Petrucci aus Siena und der Bentivoglio aus Bologna zusammenzuschließen, um gemäß dem Willen des französischen Königs die Medici mit Waffengewalt noch vor Weihnachten wieder in Florenz als Herren einzusetzen. Florenz reagierte, indem es Truppen unter den Bologneser Adligen Gherardo Rangoni und Ercole Bentivoglio besoldete – deren Familien eigentlich den Medici nahestanden. Im Inneren sah sich Florenz einer dramatischen Krise gegenüber: Die Staatsfinanzen waren zerrüttet und es bedurfte mehrerer Anstrengungen zur Reform des Monte Comune; das Tuchgewerbe lag wegen Lieferproblemen danieder; die Armen starben vor Hunger – und zwischen Volk und Magnaten bzw. Optimaten war ein großer Haß und somit eine fundamentale Zwietracht entstanden, wegen der es wiederum Ludwig XII. gerechtfertigt erschien, die Florentiner Staatsform zugunsten der Medici zu ändern. In dieser Situation berief Lanfredini eine Ratsversammlung ein, bei der – so der Chronist Cerretani – keine der beiden gegnerischen Florentiner Parteiungen den Sieg davontragen konnte.752 Offenkundig hatte er versucht, einer Medici-Rückkehr innenpolitisch den Weg zu bereiten, denn Lanfredino Lanfredini agierte als Mitglied der Optimaten-Partei – die in sich für und wider die Medici zerstritten war – zweifellos für die Medici-Interessen. (Seit 1500 hatte er seine Bindung an den Medici-Kreis auch verwandtschaftlich verfestigt, indem er mit Francesca eine Tochter des Medici-Intimus Bartolomeo Bartolini heiratete.753) Weil der französische König nicht nachließ, die Florentiner zu brüskieren und von ihnen die Aufnahme der Medici-Rebellen zu verlangen, sahen sich die Florentiner MediciGegner so akut bedroht, daß sie die nur zu besonderen Notfallsituationen eingesetzte Tafel der Muttergottes am 27. Dezember 1501 mit einer großen Prozession von Santa Maria Impruneta nach Florenz holen ließen.754 Weihnachten 1501 war nun vergangen, aber zu einem Angriff auf Florenz war es nicht gekommen. Vermutlich sollte die militärische Allianz für die Medici auch nur eine Droh- und Druckkulisse bilden, um den promediceischen Wandel im Inneren von Florenz zu erzwingen. Denn wenn die Florentiner Truppen schon seit Jahren nicht in der Lage waren, die Mauern von Pisa zu bezwingen, wie wollten dann der Borgia und die Petrucci, Vitelli, Baglioni und Bentivoglio innerhalb weniger Wochen ein Bollwerk wie Florenz erstürmen? Davon abgesehen, konnte eine mit Blut befleckte Belagerung und Bombardierung von Florenz weder im Interesse Ludwigs XII. noch der Medici sein, da sie Freundschaften und Bündnisse nicht festigen, Feindschaften aber nur vertiefen würde. Die Florentiner Medici-Gegner aber wankten nicht, sie hielten dem äußeren und inneren Druck stand, während die Medici-Anhänger innerhalb der Stadt zum einen offensichtlich eine zu kleine Zahl bildeten, um die öffentliche Meinung kippen zu können, zum anderen sicherlich aber zu einem verhaltenen Handeln gezwungen waren, um sich nicht einer Verurteilung als Rebellen auszusetzen. 752 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 29f. 753 Hierzu hier nur Arrighi, Art. „Lanfredini“, S. 605; zu den Florentiner Parteiungen vgl. auch

Pitti, Istoria fiorentina, S. 72–74. 754 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 76 und Anm. 2.

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Frankreich ließ sich durch die Florentiner Renitenz nicht beirren. Es verschärfte sogar den Ton! Wenn die Florentiner Gesandten geglaubt hatten, die tiefste Talsohle der Leidensfähigkeit bereits durchschritten zu haben, sahen sie sich erneut getäuscht. Am 5. Januar 1502 sollte Francesco Soderini eine wahre Prüfung durchleben. Zweimal ließ ihn Georges d’Amboise zu sich rufen.755 Soderini traf ihn dann in Gegenwart des Kanzlers von Frankreich, des Bischofs von Albi Louis d’Amboise, des Bischofs von Le Puy Gouffroy de Pompadour sowie des Marschalls Pierre de Rohan, Seigneur de Gié. Georges d’Amboise hatte Soderini einberufen, um ihm unmißverständlich zu erklären, daß sowohl er als auch der König – in dieser Reihenfolge! – die Florentiner Angelegenheiten in ‚trokkene Tücher‘ bringen wolle und zur Erzielung von mehr Einigkeit und Frieden in der Stadt la restitutione delli exuli fordere! Soderini antwortete wie gewohnt, daß man dies nicht machen werde und daß es den Ruin der Stadt bewirken würde. Als Argument, weshalb man den Medici auch die Erstattung ihrer Güter verweigere, führte er an, diese Güter reichten nicht (einmal) aus, um die Forderungen der Medici-Gläubiger auszugleichen, und ebensowenig zur Tilgung der Medici-Schulden bei der Florentiner Staatskasse, die ein großer Gläubiger sei. (Offenbar spielte Soderini damit auf die langjährigen Anklagen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder durch die Medici an.) Die Exilierung sei gemäß den Florentiner Gesetzen erfolgt und gemäß der (vorher) auch von den Medici befolgten Praxis, nach welcher die Verurteilten nicht nur verjagt wurden und ihre Besitzungen verloren, sondern auch das Leben, wenn es möglich war. Diplomatisch ging es bei diesem Treffen nicht zu. Statt dessen charakterisierte Soderini es als langen Disput mit lauten und bitteren Worten. Man schrie sich also mit scharfen Vorwürfen gegenseitig an. Am Ende dieses heftigen Streits ermahnten die Franzosen den Florentiner, Frankreich nicht zu betrügen, da Ludwig XII. eine Entscheidung vor der Abreise des Kardinals Georges d’Amboise wünsche, mit einer Kapitulation der Florentiner zugunsten der Franzosen oder der Medici. Soderini glaubte zu wissen, welche Intentionen diese Haltung steuerten. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen hätten die Franzosen nämlich kein anderes Ziel, als ganz Italien zu kommandieren und an sich zu binden. Deswegen förderten sie die Uneinigkeit in Italien und begünstigten heute diesen und morgen jenen, ohne Respekt vor Treue und Liebe, nur zu ihrem Nutzen! Die Franzosen pflegten sogar zu sagen, man müsse die Italiener wie die Burgunder behandeln, von denen man nur Ärger erntete, als man sie umsorgte; doch als man sie (die Burgunder) mit Soldaten bestrafte, sie verarmen ließ und schlug, seien sie wie Lämmer geworden und es gebe keinerlei Schererei mehr mit ihnen! Um die Italiener zu Lämmern zu machen, wolle Georges d’Amboise also die Alpen überqueren und sich mit Giangiacomo Trivulzio treffen, der als einziger in die Pläne des Königs und seines ersten Ministers eingeweiht sei. Der verbale Kampf war damit allerdings noch nicht ausgestanden. Am 8. Januar 1502 wurde der Soderini, nun mit dem Albizzi, erneut in das Haus von Georges d’Amboise geladen, wo in mehreren Zimmern gleichzeitig mit den Gesandten aus Florenz, Ungarn,

755 ASF, SR 20, c. 58–59 (5.1.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois).

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Spanien und Neapel verhandelt wurde.756 Vorwürfe richtete nun der französische Kanzler an die Florentiner. Nach einer langen Debatte über die Medici-Sache, über welche die Gesandten kein Wort nach Florenz berichteten, die sie somit ignorieren wollten bzw. mußten, gab der Kanzler zu, daß Frankreich den Medici gewisse Versprechungen gemacht habe, wegen der es innerhalb eines Jahres zu einer Verständigung mit Florenz kommen solle. Die Gesandten beharrten darauf, nur über Staatsangelegenheiten sprechen zu wollen, und konterten mit Klagen gegen Frankreich wegen finanzieller Belastungen, fehlenden Schutzes und verweigerter Restitution Florentiner Besitzungen. Das harte und lange Gespräch endete schließlich damit, daß die Franzosen den Florentinern ins Gesicht schrien – so wörtlich, ci sgriddavano! –, keiner ihrer Verpflichtungen für den König nachgekommen zu sein und dem Kardinal Georges d’Amboise, ihrem einzigen Beschützer, wenig Ehre erwiesen zu haben. Die hartnäckige Weigerung der Florentiner, der französischen Forderung nach einer Restitution der Medici zu folgen, ihr Entschluß, nicht einmal über diese Sache zu verhandeln, führte für sie zu einem Erfolg. Ohne sein Bekenntnis zu den Medici aufzugeben, entschloß sich Ludwig XII., mit den Florentinern den von ihnen gewünschten Bündnisund Schutzvertrag abzuschließen. Auf der einen Seite konnte er sich diesen Staat nicht zum Feind machen, wenn er neben dem Herzogtum Mailand auch das Königreich Neapel beherrschen wollte; auf der anderen Seite war Florenz gleicherweise an einem Vertrag mit Frankreich als Schutzmacht gelegen. Im Januar 1502 gaben die Franzosen den Florentiner Gesandten daher deutliche Signale, daß man zu einer Einigung kommen könnte. Der französische Schutz, d.h. 400 Lanzen in Notfällen, sollte Florenz für drei Jahre jährlich 40.000 Dukaten kosten, wurde anfangs aber noch mit der Forderung nach einer Rückkehr der verbannten Medici verbunden; eine Rückeroberung Pisas wurde von den Franzosen nicht mehr unterstützt, sondern den Florentinern gleichsam gewährt, doch verstimmte es diese, daß Ludwig XII. dem deutschen König Maximilian I. Pisa aufgrund einer Einigung als Territorium des Imperiums überlassen hatte.757 Dem Medici-Schiff schien plötzlich wieder jeglicher Wind in den Segeln zu fehlen, nachdem es sich noch wenige Tage vorher in flotter Fahrt befunden hatte. Hatte der Medici-Kreis nach großen Anstrengungen daher entschiedenste Hoffnung vorgelebt, so versank er plötzlich in lethargische Resignation. Am 12. Januar 1502 mußten Giuliano de’ Medici und Franciotto Orsini den französischen Hof verlassen und nach Italien reisen, beide unzufrieden; einzig Bernardo da Bibbiena blieb, um die direkte Verbindung nicht aufzugeben.758 In Rom sah man sowohl beim Borgia-Papst als auch bei seinem Sohn Cesare ihre 756 ASF, SR 20, c. 54–55 (8.1.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 757 ASF, SR 22, c. 218 (undatiert, ca. Dezember 1501, negative Antwort Ludwigs XII. auf die Bitte

der Florentiner, die Zahlung von 120.000 Dukaten auf 4 Jahre zu strecken, verbunden mit der Forderung des Königs nach Restitution der Medici); SR 20, c. 49–51 (6.1.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi: 120.000 Dukaten nun in 3 Jahren zu zahlen); c. 15 (29.1.1501/02, Francesco Cappello aus Rom: In ganz Rom höre man von einem erfolgreichen Vertragsabschluß der Gesandten mit dem König von Frankreich); vgl. Cerretani, Ricordi, S. 32. 758 ASF, SR 20, c. 22 (12.1.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois).

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Leidenschaft für die Medici-Sache erkalten, die nun plötzlich als gänzlich aussichtslos galt.759 In Blois erfuhren der Soderini und Albizzi allerdings nicht nur von der Verabschiedung Giulianos nach Italien (mit 100 Franken Reisegeld), sondern wurde ihnen genau zur gleichen Zeit – offenbar gezielt – zur Kenntnis gebracht, daß Giuliano und die anderen Medici mit Kardinal Georges d’Amboise schon bei dessen Aufenthalt in der Lombardei im Sommer 1501 jenen Restitutionsvertrag abgeschlossen hatten, und daß Giuliano dann im Herbst 1501 gerade auf dessen Grundlage vom Kardinal über Lyon mit nach Blois genommen wurde. Die plötzliche Entlassung Giulianos vom französischen Hof erschien den Gesandten daher überaus merkwürdig.760 Das war sie auch! Denn bereits am 3. Februar 1502 mußten sie vernehmen, daß Giangiordano – der auch vorher schon Medici-Interessen wahrnahm – und Carlo Orsini nach einem Ausritt mit dem König bei Paris Bernardo Dovizi da Bibbiena zu sich rufen ließen, um dem arg Verängstigten die ‚beste Nachricht‘ mitzuteilen. Nach Ansicht der Gesandten konnte es dabei nur um die MediciSache bzw. Florenz gehen, und auch die große Ehrerbietung des Königs für Giangiordano kam ihnen suspekt vor.761 Jede Hoffnung der Medici bedurfte eines äußeren Erregers, jeder Impuls in die Richtung des Florentiner Medici-Palastes eines fremden Verursachers; eine andere und kräftigere Hand als die ihrige führte sie zu den Plätzen ersehnter Entscheidungen. Eine Woche nach Giangiordano Orsinis Freudennachricht bestätigte sich die rasch wiedergewonnene Gunst, es kam es zu einer Gegenbewegung im buchstäblichen Sinn, die wiederum vom französischen Hof ausging. Georges d’Amboise befand sich damals außerhalb des Hofes, vermutlich auf dem Rückweg von Rouen nach Paris, da er am 2. Januar am Sitz seiner erzbischöflichen Würde seinen feierlichen Einzug als Legat Frankreichs gehalten hatte.762 Gleichsam an seiner Stelle dirigierte deshalb sein Bruder Louis d’Amboise, der Bischof von Albi, die Geschicke der Medici. Noch von Blois aus ließ er schon ungefähr Ende Januar Bernardo da Bibbiena zu sich rufen und wünschte von ihm, er möge in poste losreiten und Giuliano de’ Medici an den Hof zurückrufen. Bibbiena wand sich freilich und wandte ein, für solch einen Parforceritt nicht kräftig genug zu sein; Giuliano zu schreiben, ihn also über einen Postreiter brieflich zu informieren statt persönlich, würde den gleichen Zweck erfüllen. So sandte man also Giuliano einen Eilbrief hinterher, mit dem man ihm mitteilte, seine Reise bei Erhalt des Briefes sofort zu stoppen. Dies erfuhren die besorgten Florentiner Gesandten, denen wir die Kenntnis über diese bemerkenswerte Episode ebenso verdanken wie die Einschätzung, daß sie von niemand anderem als dem Kardinal Georges d’Amboise verursacht worden sein konnte – ‚denn hier bewegt sich nichts von Be759 ASF, SR 20, c. 38, 35–36, 15 (15., 22. und 29.1.1501/02, Francesco Cappello, Rom). 760 ASF, SR 20, c. 25, 11, 13 (17., 18. und 26.1. 1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albiz-

zi, Blois). 761 ASF, SR 20, c. 96–97 (3.2.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). Unge-

fähr am 31.12.1501 hatte Giangiordano beispielsweise ein Päckchen mit Briefen aus Rom erhalten, unter denen sich einer des Papstes zugunsten der Medici an Kardinal Georges d’Amboise befand; ebd. c. 57 (2.1.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 762 Vgl. Vogt, Art. „Amboise (Georges, cardinal D’)“, Sp. 1068.

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deutung ohne den Kardinal und seinen Willen‘! Seinen ersten Minister erwartete Ludwig XII., der mit Louis d’Amboise von Blois nach Paris geritten war, am 10. Februar in SaintDenis, um schon am nächsten Tag mit ihm nach Paris zurückzukehren.763 So unsicher, wie die Medici über ihre weiteren Handlungsmöglichkeiten waren, so waren es in den folgenden Wochen auch ihre Kontrahenten. Sie wußten, daß der Bote aus Frankreich Giuliano de’ Medici in Bologna aufhalten konnte, doch mit welcher Intention, dies blieb vorerst verborgen. Ein Vertreter der Orsini teilte dem Florentiner Sekretär Francesco Cappello in Rom mit, König Ludwig XII. habe (nach dem vorläufigen Fehlschlag seiner Anstrengungen) den Medici versprochen, sie würden seine Gunst nicht verlieren, wenn sie jetzt auf einem anderen Weg und mit anderer Hilfe die Rückkehr in ihr Haus versuchen würden; die Medici würden dies auch auf keinen Fall aufgeben. Manche sagten, sie hätten deswegen einen Mann nach Deutschland geschickt, manche, der König von Frankreich habe Giuliano wieder zu sich gerufen, da Florenz seine Forderungen nicht akzeptierte, andere wiederum, Kardinal Giovanni de’ Medici wolle Giuliano um jeden Preis in Rom sehen.764 Erst am 20. März 1502 konnten die Botschafter in Frankreich Genaueres erfahren.765 Giuliano de’ Medici hatte sich nach der Aufforderung zur Beendigung seines Rittes einige Wochen in Bologna aufgehalten, von wo aus er intensive Konsultationen mit dem engeren Medici-Kreis führte. Das Netzwerk wird hier recht transparent. Sowohl mit den Seinigen in Rom als auch mit Ser Piero Dovizi da Bibbiena in Venedig hatte er sich wegen seiner von Frankreich gewünschten Rückreise beraten. Dies war immer mit dem Konsens anderer Mächte verbunden. So erhielt er wie schon einige Monate vorher viele Empfehlungsbriefe aus Rom (vermutlich von der Kurie und gewiß auch von Federico Sanseverino) sowie von der Signoria und dem Dogen in Venedig, die ihn nach entsprechenden Gesprächen mit Piero da Bibbiena entschieden zur Rückkehr nach Frankreich ermutigten. Den Florentiner Gesandten erschien dieser neue gallische Impuls wie ein natürlicher Antagonismus, denn während der Medici zurückgeworben wurde, vornehmlich von Georges d’Amboise, bedeutete dieser Kardinal ihnen erneut, wie unzufrieden der König über Florenz sei und wie sie sich nur durch ‚Rouens‘ Fürsprache zwei Jahre in seiner Gunst halten konnten. Und wie sie sich also in Ungnade befänden, da lasse Georges d’Amboise ausgerechnet Carlo Orsini als huomo del Re wegen der italienischen Angelegenheiten in den königlichen Rat rufen! Ein italienischer Bürger, der sich auf italienischem Boden aufhielt und dessen Namen der Kardinal nicht preisgeben wollte – zweifellos ein Sympathisant der Medici –, hatte ihn überdies informiert, daß die Florentiner Gesandten gar nicht zu einem Vertragsabschluß kommen, sondern nur Zeit gewinnen wollten. Dies war natürlich auch 763 ASF, SR 20, c. 99 (10.2. 1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Paris: ... et perché

qua non si muove nulla di importanza sanza il cardinale et suo animo, S.V. potranno pensare onde venga questo processo); SR 24, c. 11 (11.2.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Paris). Der Rückruf Giulianos ist ebenso wie seine Entlassung auch in die Chronistik eingegangen: Cerretani, Ricordi, S. 34f. 764 ASF, SR 20, c. 81–82 (Kopie), c. 91–92 (Original) (13.2.1501/02, Francesco Cappello, Rom). 765 ASF, SR 20, c. 115 (20.3.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois).

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ein Druckmittel, um die Signoria von Florenz zum Abschluß des für sie äußerst ungünstigen Vertrages zu drängen. Dem diente auch die Drohung Ludwigs XII. im März 1502, die Florentiner Gesandten und Kaufleute aus Frankreich zu verjagen und noch Schlimmeres zu tun, wenn Florenz sich nicht zur Annahme des Abkommens entschließe.766 Am 16. April wurde schließlich der Vertrag zwischen Frankreich und Florenz geschlossen, weniger aus Liebenswürdigkeit des Königs gegenüber Florenz denn aufgrund glücklicher Umstände, so Guicciardini klug urteilend.767 Drei Jahre lang sollte Frankreich für die jährlich 40.000 Dukaten aus Florenz die Stadt auf eigene (d.h.: deren!) Kosten mit Waffenhilfe gegen jeden direkten oder indirekten Angreifer verteidigen, während die Florentiner freie Hand bei der Rückeroberung Pisas erhielten, an die sie sich denn auch sofort begaben. Als Florenz sich später, im August 1502, bei dem in Pavia weilenden König über dessen mangelnde Hilfe trotz hoher Geldzahlungen der Florentiner beschwerte, als man sich bestürzt klar machte, daß man Frankreich in den vergangenen acht Jahren die gewaltige Summe von 2.300.000 Fiorini bezahlt hatte, ohne viel mehr als wohlwollende Briefe zu erhalten, da verprellte der König selbst seine treuesten Anhänger in Florenz durch die Forderung, die Republik müsse jetzt auch noch zwei Gläubiger der Medici mit je 10.000 und 3.000 Gulden zufrieden stellen!768 Die Interessen der Medici verlor der französische König gleichwohl nicht aus den Augen, er förderte sie sogar trotz des Vertrages mit Florenz weiterhin mit Nachdruck.

g) Neuer Anlauf, neue Gunst – wiederholte Vergeblichkeit Man muß wohl das Exil und den Machtverlust über Jahre erlitten, aber niemals akzeptiert haben, um jenes ständige Wechselbad aus manischen Restitutionsphantasien und depressiven Phasen nach den herben Rückschlägen immer wieder aufs neue durchleben zu können. Denn nach dem Mißerfolg und der allgemeinen Ratlosigkeit vom Anfang des Jahres wurden die Medici bereits mit dem Frühlingsbeginn 1502 von erneutem Enthusiasmus erfüllt. Am 24. März 1502 befand sich Giuliano schon wieder am französischen Hof in Blois. Er war per poste, also pfeilschnell im Stafettenritt, gekommen; seine Ankunft wurde Georges d’Amboise durch Carlo Orsini mitgeteilt. Rouen empfahl Giuliano, dem König sogleich Reverenz zu erweisen. Nächtliche Gespräche mit königlichen Vertrauten führten zur Absendung eines Postreiters nach Rom und zwangen die Florentiner Gesandten, die ‚Augen gut zu öffnen‘, denn von neuem begannen die antiflorentinischen Umtriebe.769 Zudem bot Ludwig XII. Giuliano im März eine königliche Pension an, wollte ihn also in seine Dienste nehmen, was zunächst aus uneinsichtigen Gründen an einer Weige766 Cerretani, Ricordi, S. 39. 767 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 479 (V/6); Cerretani, Ricordi, S. 40; Mecatti, Storia crono-

logica, S. 504 (hier wird eine Summe von 150.000 Dukaten für drei Jahre genannt, die in den Quellen freilich nicht erscheint). 768 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 55. Bei der größeren Schuld handelte es sich um die eines Neffen des Kardinals Guillaume Briçonnet als altem Gläubiger der Medici. 769 ASF, SR 20, c. 113–114 (24.3.1501/02, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois).

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rung Giulianos scheiterte.770 Dafür erhielt Carlo Orsini eine ordentliche Besoldung aus königlichen Kassen sowie jene 50 Lanzen, die der verstorbene Gianfrancesco Sanseverino, Graf von Caiazzo, einst befehligt hatte, dazu die Aussicht auf eine Herrschaft in den Abruzzen, also im Königreich Neapel.771 Mitte April 1502 wurden die seit einigen Wochen geplanten Bewegungen plötzlich realisiert. Am gleichen Tag, als die Florentiner Gesandten den Schutzvertrag mit Frankreich unterzeichneten, am 16. April mußten sie aus sicherer, aber ungenannter italienischer Quelle erfahren, daß Giuliano de’ Medici in Blois brieflich mitgeteilt worden sei, wie Vitellozzo Vitelli sich mit seinen Soldaten an der Grenze zum Florentiner Territorium zusammengerottet habe, daß man Giuliano dort vermisse, ihn sofort bei sich wünsche, und daß die für die Medici bedeutende Angelegenheit sehr bald zur ihrem Gefallen erledigt werde.772 Am 17. April schrieb Kardinal Giovanni de’ Medici in Rom einen Empfehlungsbrief für einen von ihm an den französischen König gesandten Boten, der jenen in einer äußerst wichtigen Sache sprechen müsse. Dieser Medici-Gesandte war kein Geringerer als Ser Pepo da Orvieto, der Kanzler des Sieneser Stadtherren Pandolfo Petrucci.773 Er war nicht nur im Auftrag Giovannis, sondern auch des Kardinals Giambattista Orsini und der anderen Medici-Partisanen in Rom (also auch Federico Sanseverinos) zu Ludwig XII. geschickt worden, um dessen Einverständnis für einen Regierungswechsel in Florenz zu erwirken. Es hieß allseits, dieser werde für die Medici so schnell und so leicht erfolgen, daß sie ihn auch ohne die Zustimmung des Königs durchführen würden! Sie verfügten über ein großes Heer von Berittenen und Fußsoldaten ‚über den Weg‘ aus Rom (also Cesare Borgia, die Orsini sowieso) und Siena und den Konsens aus Florenz selbst; ja, in der Stadt hätten sie sogar una porta, also ein offenes Tor, das ihnen im offenkundig konkreten Sinn ihre vielen Anhänger öffnen würden.774 All diese Pläne und Verabredungen für den Umsturz benötigten eine intensive und effektive Organisation, die nicht allein durch die Medici-Brüder zu bewerkstelligen war. Angesichts der bisherigen Leistungen Federico Sanseverinos ist seine Beteiligung als selbstverständlich anzusehen. Obwohl Federico als offizieller Repräsentant Frankreichs gerade gegenüber den Florentinern eine gewisse Teilnahmslosigkeit erwecken wollte, wußten diese doch bald, daß er in Wahrheit tief in der Sache steckte.775 Gleichwohl hatte er für Frankreich zu agieren. Ein brisanter Auftrag bestand Anfang Mai darin, den unberechenbaren Cesare Borgia von einer Eroberung Camerinos abzuhalten, d.h. direkt seinem

770 Dies ergibt sich aus ASF, SR 23, c. 11–12 (18.5.1502, Luca degli Albizzi, Blois); vgl. unten S.

569f. 771 ASF, SR 24, c. 33–34 (1.4.1502, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 772 ASF, SR 24, c. 40–41 (16.4.1502, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 773 ASF, SR 24, c. 91 (17.4.1502, Kardinal Giovanni de’ Medici aus Rom an König Ludwig XII.;

daß der hier nur als Pepo bezeichnete Bote der Kanzler Petruccis war, ergibt sich aus den weiteren Quellen zu diesem Kontext). 774 ASF, SR 24, c. 213–215 (8./9.5.1502, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois). 775 ASF, SR 23, c. 31–32 (8.6.1502, Francesco Cappello, Rom: ... il Reverendissimo cardinale di Santo Severino che in verità in questa cosa [de’ Medici] sì è ...).

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Vater, Papst Alexander VI., im Namen Ludwigs XII. diesen Feldzug zu verbieten. Der Papst reagierte überaus verblüfft auf die Forderung, die ihm wie ein Messerstich erschien – nicht nur wegen des Heißhungers der Borgia auf Territorien, sondern auch weil sie wußten, wie sehr die Franzosen auf sie angewiesen waren.776 Wohl deswegen ließen sie sich in ihrem Vorhaben nicht beirren. Noch im Laufe des Sommers 1502 hatte der Valentino Camerino erobert, den Stadtherrn Giulio Varano mitsamt seinen beiden Söhnen ermordet und seine Hände nach dem benachbarten Herzogtum Urbino ausgestreckt, das er sehr rasch ebenfalls seinem Territorium einverleibte.777 Dieser Verbündete nutzte den Medici wenig, im Gegenteil. Federico Sanseverino aber hatte seine Finger offenbar desgleichen in Pisa im Spiel. Nach dem Vertrag mit Frankreich hatte Florenz ja sofort die Angriffe auf Pisaner Besitzungen aufgenommen. Es scheint fast, als hätten die Medici nur auf diese Konzentration Florentiner Kräfte im Westen gewartet; auf jeden Fall kam sie ihren Intentionen entgegen, und um so mehr, wenn Pisa lange standhalten würde. Sollte es etwa Zufall gewesen sein, daß Federicos Bruder Gaspare, der in so vielen Kämpfen bewährte Fracasso, genau zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. der Florentiner Angriffe nach Pisa ging und dort eine Kompanie übernahm? Als Fracasso bei Verteidigungsversuchen im Pisaner Vorland von den Florentinern gefangengenommen und nach Florenz geführt wurde, trat denn auch Federico so wie der französische Botschafter Gramont vehement für seine Freilassung ein. Federico wollte den Florentinern gar einreden, Fracasso sei im Auftrag des Kaisers nach Pisa gegangen; auf jeden Fall habe er keine andere Wahl gehabt, da ihm außer seinem Haus und seinen Besitzungen in Pisa nichts in Italien geblieben und er deswegen auf jenen bedeutungslosen Soldvertrag angewiesen sei.778 Neben einer militärischen lag die damit verbundene finanzielle Unterstützung der Pisaner im unmittelbaren Interesse der Medici. Und auch diese gab es damals, wiederum aus dem Kreis der Medici-Freunde. Den Kontrahenten in Florenz ist gewiß nicht alles bekannt geworden, immerhin aber wußten sie Anfang Mai von größeren Finanzhilfen der Venturi und Spannocchi für Pisa – also mit Blick auf die mit Agostino Chigi kooperierenden Spannocchi seitens einer Gesellschaft, welche bereits wenige Monate vorher einen großen Betrag für die Medici bzw. deren Vertrag mit Frankreich zur Verfügung gestellt 776 Vgl. ASF, SR 24, c. 133–134 (9.5.1502, Francesco Cappello aus Rom: Sanseverino sei erneut

durch Ludwig XII. beauftragt worden, den Papst zu überzeugen, desistere dalla impresa di Camerino ..., hora questa ambasciata di Sancto Severino è stata una coltellata in modo che il papa sta in grandissima perplexità pure si vede seguire l’impresa sua); c. 254 (17.5.1502, ein ungenannter Absender aus Blois an Giulio de’ Medici: Giovanni Bentivoglio komme nach Blois, weil er verhindern möchte, daß die Franzosen wegen ihrer großen Abhängigkeit vom Papst und von Cesare Borgia deren Begehren, Bologna zu erobern, nachgeben könnten). 777 Mecatti, Storia cronologica, S. 506. 778 ASF, SR 24, c. 70 (26.4.1502, Francesco Soderini und Luca degli Albizzi, Blois; u. a. über Fracasso in Pisa), c. 225–226 (25.5.1502, Francesco Cappello, Rom), c. 258–260 (28.5.1502, Ders.); SR 23, c. 21–22 (1.6.1502, Ders.: in diesen und späteren Briefen über Federico Sanseverinos und Gramonts Interventionen zugunsten des Fracasso); vgl. hierzu auch Mecatti, Storia cronologica, S. 504f.

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hatte, während wir die Venturi schon 1497 als wichtige Partner und Vertraute der MediciBankiers Francesco Naldini und Gianbattista Bracci und ihres Freundes Benedetto Buonvisi erlebten! Dem von Lucca aus gegen Pisa wirkenden Florentiner Kommissar Cappone Capponi war daher aufgetragen worden, mit Benedetto Buonvisi wegen jener durch Florenz verbotenen Zuwendungen zu sprechen, doch Buonvisi gab vor, von ihnen nichts zu wissen und sie wegen des Risikos nicht für möglich zu halten.779 Am Wahrheitsgehalt dieser Aussage darf aufgrund seiner engen und äußerst aktiven Freundschaft für die Medici mit Fug und Recht gezweifelt werden. Dafür darf mit einer Beteiligung Leonardo di Zanobi Bartolinis gerechnet werden, des Freundes von Agostino Chigi. Wie schon in den vorangegangenen Jahren wird der Medici-Bankier Leonardo Bartolini wieder der maßgebliche Organisator des umfassenden Angriffs auf Florenz gewesen sein, für den vor allem eines benötigt wurde: Geld. In Bartolinis und Sanseverinos Haus wird sich der Nukleus des Medici-Zirkels in jenen Wochen regelmäßig getroffen haben, denn sie alle befanden und trafen sich in Rom: Piero und Giovanni de’ Medici, Federico Sanseverino, Carlo und Paolo Orsini und der Rest di quella banda.780 Aus diesem Planungszentrum hatten sie Ser Pepo, den Sieneser Kanzler, nach Frankreich gesandt. Gerade diese Mission hatte bei den Florentinern alle Alarmglocken in heftigste Bewegung versetzt. Mit allen Mitteln versuchten sie, die genauen Absichten Pepos zu erkunden; eines bestand im Abfangen der Briefe des Medici-Kreises, ein anderes in der Gefangennahme Pepos selbst. Beide Vorhaben glückten. Die Florentiner Signoria erhielt die erste präzise Information über Ser Pepos Auftrag durch einen abgefangenen Brief, den bezeichnenderweise Francesco da Narni, ein Diener des Kardinals Federico Sanseverino, an seinen Herrn geschrieben hatte, der ihn wegen verschiedener Belange an den französischen Hof gesandt hatte. Der am 16. Mai 1502 in Blois geschriebene Brief war bei den politisch brisanten Aussagen chiffriert worden, und den Florentinern gelang es, diese Passagen zu entschlüsseln.781 Was sie zu lesen bekamen, barg wahrlich Sprengstoff in sich. Denn Francesco da Narni informierte den Sanseverino auch über den Grund der Ankunft von Ser Pepo am Hof – der Federico allerdings bekannt gewesen sein mußte. Der Kanzler war gekommen, um von König Ludwig XII. und von Kardinal Georges d’Amboise die Zustimmung zur Restitution der Medici zu erwirken – diese wurde entgegen anderslautender Gerüchte also doch gesucht. Pepo kehrte mit folgender Antwort des Königs nach Rom zurück: ‚Ludwig sei alles, was für die Medici gut wäre, sehr willkommen, und er wünsche, daß sie wieder nach Hause zurückkehren könnten; gleichwohl sei er betrübt bzw. bedaure er, daß es (eigentlich) nötig wäre, den Florentinern wegen der gegen die Medici getroffenen Vereinbarungen Soldaten zur Seite zu stellen, wenn die Medici ihre Restitution mit Gewalt und Tumulten erlangen 779 ASF, SR 24, c. 157–158 (13.5.1502, Cappone Capponi, Lucca). 780 Vgl. etwa ASF, SR 24, c. 164 (16.5.1502, Francesco Cappello, Rom). 781 ASF, SR 24, c. 249–251 (16.5.1502, F[rancesco da Narni], famulus des Kardinals Federico

Sanseverino aus Blois; Original mit chiffriertem Text), c. 256 (Abschrift der dechiffrierten Sätze aus c. 249–251); die Angabe im Inventar (ASF, N 11), der Absender „F.“ sei der Florentiner Gesandte Francesco Soderini, ist natürlich unsinnig.

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wollten! Dies bedeute für Frankreich: Wenn die Sache gelinge, sei sie am französischen Hof willkommen und akzeptiert; allerdings wolle Georges d’Amboise den Kanzler nicht in allem unzufrieden zurückschicken.‘ Frankreich stand also weiterhin hinter den Medici, hier jedoch verhalten; es begriff aber auch seinen Schutzvertrag mit Florenz in einem eher passiven als aktiven Sinn. Für Frankreichs Reserviertheit gab es allerdings Gründe, die nicht in der Medici-Aktion als solcher, sondern bei einem ihrer Verbündeten lagen. Francesco da Narni versuchte daher – offenkundig im Auftrag Sanseverinos –, die Skepsis von Georges d’Amboise zu beseitigen, was ihm seiner Ansicht nach zum Teil auch gelungen sei. Der Kardinal war nämlich der Ansicht, daß einer der Helfer der Medici (diese Chiffre konnte nicht aufgelöst werden), der zugleich Urheber jenes Bündnisses sei, es nur deshalb fördere, um aus einem Sieg der Medici mehr Macht, Reichtum und Rechtstitel für sich zu erzielen, ohne sich dabei Frankreich verpflichtet zu fühlen. Aus dem Kontext ergibt sich, daß damit offenbar der Papst Alexander VI. gemeint war, denn nur auf ihn traf zu, daß er fusse causa di questo tractato per tirarsi maior coda (Vitellozzo Vitelli stand ja beispielsweise in seinen Diensten). Francesco erklärte Rouen daher, sowohl der von Florenz gefürchtete Vitelli als auch der Borgia-Herzog würden nach einem Erfolg gute und treue Diener des französischen Königs bleiben. Florenz wußte also, was es von Frankreich zu erwarten hatte. Noch mehr Informationen versprach man sich von einem Verhör Ser Pepos. Schon am 13. Mai hatte Luca degli Albizzi nach Florenz geschrieben, Ser Pepo werde bald nach Italien zurückkehren, vermutlich auf einem anderen Weg als bei der Hinreise. Es sei daher empfehlenswert, ‚die Netze‘ in der Romagna, in Pistoia und Lucca auszuwerfen, um ihn in die Hände zu bekommen. Dies könnte von einigem Vorteil sein, da er mit so wenig Respekt den Ruin von Florenz versuche. Er selbst werde vorher alles tun, um noch in Blois soviel wie möglich von ihm zu erfahren.782 Eine bestimmte Nachricht wollte Ser Pepo dem Botschafter dann tatsächlich nicht verheimlichen, eine Neuigkeit, die Florenz erheblich verunsichern sollte. Giuliano de’ Medici erbat von Ludwig XII. eine königliche Pension von stattlichen 1.000 Franken. Luca degli Albizzi, der sich nach der Abreise Soderinis allein am Hof befand, ging nach Erhalt dieser Information sofort zu Georges d’Amboise, um ihm vorzuhalten, daß eine solche Gnade gerade zu dieser Zeit wenig opportun sei, da sie Florenz schade und seinen Gegnern mit deren Angriffsplänen Reputation verleihe. Der Kardinallegat antwortete ihm, es sei wahr, daß man Giuliano vor zwei Monaten eine solche Pension angeboten habe, die dieser jedoch abgelehnt habe. Damit habe man den Medici allerdings nur an Frankreich binden und von Unternehmungen gegen Florenz abhalten wollen. Nun aber verlange Giuliano diese Pension mit großem Nachdruck, und da man sie ihm seinerzeit angetragen habe, könne man sie ihm jetzt nicht verweigern. Doch sollten die Florentiner beruhigt sein, denn wenn Giuliano sie nun erhalte, dann sei dies zum Vorteil von Florenz, da man ihn dadurch Frankreich verpflichte, so daß die Florentiner vor ihm und seinen Brüdern sicher sein könnten. Wenn Giuliano dennoch gegen die Wünsche des Königs 782 ASF, SR 24, c. 232–233 (13.5.1502, Luca degli Albizzi, Blois).

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handeln sollte, würde dieser ihn bis zum Tod verfolgen, und wenn die Medici ihre geplante Attacke gegen Florenz ausführen sollten, gerieten sie in Gefahr und in Ungnade des Königs. Dem Botschafter erschien diese Argumentation freilich nicht sehr überzeugend, und das war sie wahrlich nicht. Ein Hauptmotiv für diese wiederum von Georges d’Amboise ausgehende Absicht sah er darin, daß Rouen dadurch mit geringen Kosten in erster Linie die Dankbarkeit des Kardinals Giovanni de’ Medici erwerben wolle, um sich dieses ‚Kauzes‘, den die Franzosen noch ‚ohne Gehirn und Freunde‘ kennengelernt hätten, zu gegebener und jeder Zeit für wenig Geld in vielen Dingen bedienen zu können!783 Da Georges d’Amboise und der König diese Pension gewähren wollten, wurde sie gegen den Widerstand von Florenz denn auch gegeben – und nicht, weil Giuliano sie auf einmal so heftig begehrte.784 Ein Zeichen klarer Distanz zu den Florentiner Staatsfeinden war die königliche Pension für Giuliano de’ Medici in der Tat nicht. Giuliano wurde damit zu einem hochrangigen Dienstmann des Königs, dessen Interessen er zu wahren hatte. Diese Tatsache könnte ein Teil der guten Nachrichten gewesen sein, die Ser Pepo auf Wunsch des Georges d’Amboise vom Hof nach Rom zurückbringen sollte. Angesichts dessen, was die Florentiner etwa aus Francesco da Narnis Brief über die wahre, wohlwollend duldende Haltung des Kardinallegaten und des Königs zu den Angriffsplänen der Medici erfuhren, werden sie die Erklärung, die Pension fessele die Medici, als das bewertet haben, was sie war: eine diplomatische Vernebelung. Allerdings kam Ser Pepo vorerst nicht dazu, den MediciKreis in Rom über die Ergebnisse seiner Mission persönlich zu informieren; vielmehr hofften die Florentiner, solches von ihm erfahren zu können. Denn um den 24. Mai 1502 ging er ihnen tatsächlich „ins Netz“.785 Pandolfo Petrucci freilich, dem man die respektvolle Behandlung und Vernehmung seines Kanzlers versicherte – der unterdessen gefoltert wurde –, er beteuerte am 9. Juni, in die mittlerweile durch Vitellozzo Vitelli begonnenen Angriffe auf das Florentiner Territorium nicht involviert zu sein, während Federico Sanseverino an diesem Tag und an den nächsten mit den französischen Botschaftern beim

783 ASF, SR 23, c. 11–12 (18.5.1502, Luca degli Albizzi, Blois). 784 ASF, SR 24, c. 237 (21.5.1502, Luca degli Albizzi, Blois: Die Sache sei nicht mehr zu stoppen,

der Pensionsvertrag werde seiner Ansicht nach auf jeden Fall abgeschlossen); dieser Abschluß ergibt sich auch aus der späteren Aufhebung der Pension; vgl. Cerretani, Ricordi, S. 63 (hier als provisione bezeichnet). 785 Vgl. Buonaccorsi, Diario, S. 115 (die Florentiner hätten um den 24.5.1502 in Firenzuola messer Pepo, den Kanzler Pandolfo Petruccis, gefangengenommen; dieser sei aus Frankreich zurückgekehrt, wohin er im Auftrag der Medici, Vitelli und Orsini gegangen sei, um von Ludwig XII. die Zustimmung für ihren Angriff auf Florenz zu erhalten, die ihnen entschieden verwehrt worden sei – so scheint Ser Pepo es dargestellt zu haben); Cerretani, Ricordi, S. 43f. (er behauptet, neben Ser Pepo sei ein Kanzler der Orsini in Frankreich gewesen und nun gefangengenommen worden, doch in den Gesandtenbriefen heißt es stets, daß der Sieneser Kanzler auch im Auftrag der Orsini nach Blois ritt; andrerseits erklärt Cerretani, Ser Pepo habe nach der Behandlung durch den Strick und andere Foltermittel alles gestanden).

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Papst gegen die Angriffe des Borgia-Mannes Vitelli auf Florentiner Territorium zu protestieren hatte.786 Auch hier nur Schein, kein Sein. Bereits am 5. Juni 1502 forderte Vitellozzo Vitelli Piero de’ Medici auf, er solle sich sofort zu Pandolfo Petrucci nach Siena begeben; auch dem Petrucci ließ er mitteilen, einen Boten zu Piero zu schicken, damit dieser ‚fliegend‘ nach Siena komme.787 Ihr Ziel hieß Arezzo, das sie für die Medici erobern wollten. Deshalb erhielt Francesco Cappello in Rom den Auftrag aus Florenz, er solle den Kardinal Federico Sanseverino und die beiden französischen Botschafter Roger de Gramont und Robert Guybé, nun seit März 1502 Bischof von Rennes, bitten, Papst Alexander VI. zu veranlassen, Vitellis Aktivitäten zu beenden, da dieser in päpstlichem Sold stehe. Als Cappello sich am 8. Juni wegen dieser Sache im päpstlichen Palast einfand, hatte der Kardinal Giambattista Orsini das Wort ergriffen und ein Ausrücken Vitellis aus Città di Castello für völlig abwegig gehalten; vielmehr sei Piero de’ Medici zu dieser Stunde mit Soldaten in Arezzo eingetreten. Außerdem fügte der Orsini hinzu, daß im Vertrag zwischen Frankreich und Florenz keine Klausel enthalten sei, die dem französischen König die Verteidigung von Florenz gegen die Medici gebot. Hingegen wolle seine Majestät den Medici die Rückkehr in ihr Haus weder verneinen noch verbieten, den Versuch dazu aber durchaus gestatten. (Über die wahren Intentionen des Königs konnte der Medici-Kreis also trotz abgefangener Briefe doch bestens informiert werden.) Der Papst wandte sich daraufhin an den Sanseverino und die französischen Botschafter, ob sie Genaueres zu einer möglichen Erwähnung der Medici in dem Vertrag wüßten. Alle gaben Unkenntnis vor. Namentlich den Sanseverino beschuldigte Cappello dann, in Wahrheit an den Medici-Plänen beteiligt zu sein, obwohl er wegen der Gefangenschaft seines Bruders Gaspare in Florenz der dortigen Signoria seine herzliche Zuneigung versichert habe.788 Sanseverino, Gramont und Guybé (stets in dieser Reihenfolge sich nennend) erklärten dann am 15. Juni der Signoria, auf der Grundlage ihres Vertrages mit Frankreich hätten sie den Papst zu einer Maßnahme gegen den Vitelli veranlaßt.789 Zu diesem Zeitpunkt befand sich Piero längst im Felde. Mit den Truppen des Vitelli, der Orsini, Baglioni und des Pandolfo Petrucci hatten die Medici einen ernsthaften Angriff auf Florentiner Besitzungen begonnen. Auch wenn in diesem Zusammenhang immer wieder Cesare Borgia und sein Heer genannt werden, die Mitte Juni 1502 zur Eroberung Camerinos und des Herzogtums Urbino auszogen – der Borgia war ein Fremdkörper, jene

786 Zu Petrucci: ASF, SR 23, c. 16–17 (9.6.1502, Antonio Guidotti da Colle aus Siena); zu Sanse-

verino: Dispacci di Giustinian I, S. 20f., Nr. 9 (9.6.1502, Rom), S. 28, Nr. 19 (20.6.1502, Rom), S. 50f., Nr. 36 (7.7.1502, Rom). 787 ASF, SR 23, c. 91 (5.6.1502, Vitellozzo Vitelli aus Città di Castello an Cornelio). 788 ASF, SR 23, c. 31–32 (8.6.1502, Francesco Cappello, Rom); hierzu aus venezianischer Perspektive: Dispacci di Giustinian I, S. 20f., Nr. 9 (9.6.1502, Rom). 789 ASF, SR 23, c. 44 (15.6.1502, Federico Sanseverino, Roger de Gramont und Robert Guybé, Bischof von Rennes, aus Rom an Signoria); Dispacci di Giustinian I, S. 28, Nr. 19 (20.6.1502, Rom: Der Kardinal Sanseverino habe namens des Königs von Frankreich un gagliardo protesto an den Papst gerichtet, daß dieser Angriff auf Florenz auf keinen Fall geführt werden dürfe).

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Gruppe von Medici-Freunden hingegen eine geschlossene Fraktion für sich; schon Guicciardini hatte dies klar herausgestellt.790 Es ging also eher auf eine Duldung als eine Initiative des Valentino zurück, daß Vitellozzo Vitelli Anfang Juni 1502 die Eroberung von Arezzo begann, die in Absprache mit den Medici-Anhängern in der Stadt von längerer Hand vorbereitet worden war und durch ihre Revolte ermöglicht wurde.791 Nachdem der Vitelli die Stadt in Besitz genommen hatte, konnte Piero de’ Medici kurz darauf Mitte Juni in Arezzo einreiten. Zweierlei ist bei dieser Aktion der exilierten Medici besonders bemerkenswert: die offene Teilnahme Kardinal Giovanni de’ Medicis sowie die erstmalige öffentliche Beteiligung seines Cousins Giulio de’ Medici, auch er kirchlicher Würdenträger! (Giovanni de’ Medici wird von Johannes Burckard von Anfang April bis Anfang Dezember 1502 nicht an der Kurie bzw. in kurialen Funktionen in Rom bezeugt!792) Auch die zwei Medici-Geistlichen hatten den Kampf um die Rocca von Arezzo mitgetragen; nach ihrer Erstürmung wurde Giulio durch Piero und Giovanni als Befehlshaber der Burg eingesetzt. Die Gefangenen, unter ihnen der die Verteidigung leitende Bischof von Arezzo, Cosimo di Guglielmo de’ Pazzi, wurden nach Città di Castello gebracht.793 Ende Juni 1502 konnte Piero de’ Medici mit seinen Leuten dann Cortona in Besitz nehmen, nicht zuletzt, weil Benintendo di Francesco Pucci (ein Bruder Puccios) sie ihm übergab, um anschließend nach Siena zu flüchten. Es war die Tat eines Medici-Freundes gegen die Republik Florenz, die ihn denn auch folgerichtig einen Monat später als Rebellen verurteilte.794 Im Kampfgebiet muß sich auch der Kardinal Federico Sanseverino aufgehalten haben, der wie seine ihn begleitenden Reiter unter besonderer Beobachtung der Florentiner stand; ein gewisser Francesco Allio mußte beispielsweise Ende Juli jeden Schritt Sanseverinos und die genaue Zahl und Qualifikation seiner Begleitung in allen Einzelheiten an die Dieci di Balìa berichten.795 Im Juli 1502 gelangten dann noch weitere Florentiner Kastelle und Orte wie Borgo Sansepolcro in die Macht der Medici-Partei, was manchen Außenstehenden an der Bündnistreue Frankreichs gegenüber Florenz zweifeln ließ, zumal es weiterhin Tumulte in Florenz gab, wo viele die Medici zurückverlang790 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 248: Benché gli Orsini, Vitelli, Baglioni e Pandolfo Petrucci

fussino o soldati o aderenti ed in una intelligenzia col papa e col duca Valentino, nondimeno la unione più stretta e quasi una fazione era tra Vitelli, Orsini, Baglioni e Pandolfo, e’ quali per molti rispetti e per correre una medesima fortuna, erano di una volontà medesima. 791 Cerretani, Ricordi, S. 45f.; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 81–83; Pitti, Istorie fiorentine, S. 74f. 792 Zur letzten bzw. ersten Erwähnung: Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 327, 340. 793 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 47f.; Buonaccorsi, Diario, S. 119; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 83f.; Dispacci di Giustinian I, S. 30, Nr. 21 (22.6.1502, Rom: In Arezzo seien jetzt Piero und Giovanni de’ Medici). 794 Cerretani, Ricordi, S. 48, 54. 795 Machiavelli, Legazioni II, S. 152f., Nr. 128 (am 31.7.1502 schrieben die Dieci di Balìa – deren Sekretär Niccolò Machiavelli war – an jenen Francesco Allio, der sie über die für den folgenden Tag angekündigte Ankunft Sanseverinos in Poggibonsi informiert hatte, er möge sie präzise und in allen Einzelheiten sofort unterrichten, wohin der Sanseverino danach reite, wie viele eigene und wie viele andere Pferde sich bei ihm befänden, welche Personen mit ihm ritten und von welcher Qualität und Verfassung sie seien).

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ten.796 Florenz zitterte, aber es wankte wieder nicht. Vertragsgetreu und nur gegen Bezahlung schickte Ludwig XII. den Florentinern eine Hilfstruppe von 400 Lanzenreitern, die sich langsam an die Rückeroberung begab. Ende Juli verständigten sich Piero de’ Medici und Vitellozzo Vitelli mit dem französischen Truppenführer Imbault Rivoire (stets nur mit seinem Vornamen genannt), Arezzo zu verlassen, um es den Franzosen, nicht Florentinern(!), zu überlassen, nachdem man zuvor sogar geplant hatte, Piero de’ Medici mit Vitellozzo Vitelli und Gianpaolo Baglioni unter französischer Protektion weiterhin den Aufenthalt in Arezzo zu erlauben!797 Ludwig XII. hatte ein Machtwort gesprochen. Es ist einer Nachfrage wert, warum er den immer wieder betonten und mit Gunsterweisen unterstrichenen Wunsch einer Rückführung der Exilierten nach Florenz in dieser Situation nicht nachdrücklich unterstützte. Was er vertragsgemäß für Florenz tat, war allerdings äußerst verhalten und weitgehend interesselos; diese marginale militärische Hilfe hätte einer druckvollen Offensive der Medici-Partei nicht im Wege gestanden. Ausschlaggebend scheint die Koinzidenz mehrerer Faktoren gewesen zu sein. Zum einen war der Widerstand der Medici-Gegner in Florenz immer noch so mächtig und entschlossen, so wirkungsvoll gegen den bereits vorhandenen, aber nicht ausreichenden (Piero und seine Brüder besaßen nicht die furchteinflößenden, skrupellosen Mittel eines Cesare Borgia!) Druck, daß Erfolge lediglich in Städten mit vielen und einflußreichen Medici-Sympathisanten wie Arezzo gelangen. Diese Siege trugen die Medici aber keineswegs durch Florentiner Stadttore, so daß eine durch militärische Gewalt getragene Restitution nur nach langen Kämpfen und wohl nur mit einem Bürgerkrieg innerhalb von Florenz und dem Stigma des Verräters für das französische Königtum gelungen wäre – was niemand wollen konnte. Florenz als Ganzes war für Frankreich traditionell zu wichtig, um es allein für die Medici zu opfern! Frankreich favorisierte gewiß einen Machtwechsel, bei dem ein fragiles Florentiner Regime durch eine äußere, von einzelnen militärischen Erfolgen im Umland erzeugte Wucht wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen wäre. Wenn der politische Wandel durch eine schnelle Kapitulation angesichts eines übermächtigen militärischen Angreifers bewirkt worden wäre, hätte Frankreich den Medici wahrscheinlich als erste Großmacht gratuliert. Ein blutiger und unkalkulierbarer Bürgerkrieg in Florenz aber hätte Ludwig XII., der sich mit Georges d’Amboise wegen eines neuen Neapelzugs bereits südlich der Alpen befand, größte Probleme bei seinen übergeordneten nationalen Interessen bereitet.

796 Dispacci di Giustinian I, S. 50, Nr. 35 (6.7.1502, Rom). Im vatikanischen Palast mußte Federico

Sanseverino mit den französischen Botschaftern wiederum gegen die Eroberung Borgo Sansepolcros protestieren; ebd. S. 50f., Nr. 36 (7.7.1502, Rom). 797 Dies wichtige, wenn auch nicht verwirklichte Zugeständnis der Franzosen für die Medici bei Buonaccorsi, Diario, S. 121; vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 490–493 (V/9); Cerretani, Ricordi, S. 51–54; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 88f.; Mecatti, Storia cronologica, S. 506 (in Florenz fürchtete man, die Franzosen könnten ihnen auf diese Weise Arezzo ebenso wie einst Pisa entziehen).

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Zum anderen waren die Medici nicht die alleinigen und erst recht nicht bestimmenden Kräfte innerhalb ihrer Partei bzw. ihres Bündnisses. Die Orsini hatten ihnen ohne Zweifel selbstlos geholfen, aber schon deren Verwandte aus der Vitelli-Familie spielten zugleich ihr eigenes Spiel. Vitellozzo Vitelli, den gegen Florenz primär Rachegefühle wegen seines hingerichteten Bruders trieben, wurden von vielen, nicht zuletzt den Franzosen, Absichten auf die Etablierung eines eigenen Staates auf toskanischem Boden unterstellt. Ludwig XII. meinte ihn denn auch zur Räson rufen zu müssen. Pandolfo Petrucci litt unter französischem Ressentiment, seit er Ludovico Sforza Geld für seinen Rekuperationsversuch Anfang 1500 gegeben hatte. Der unberechenbarste und gefährlichste der Bündnispartner war allerdings Cesare Borgia. Für ihn hätten die neu etablierten Medici vermutlich nicht mehr als eine Stufe zur Erhöhung der eigenen Macht bedeutet. Seine Alliierten aus dem größeren Medici-Kreis sahen diese Gefahr, die konsequenterweise natürlich auch sie selbst betraf. Mit der heimtückischen Entmachtung des Herrn von Camerino und des befreundeten Herzogs von Urbino hatte Cesare sie ihnen im Juni 1502 deutlich vor Augen gehalten. Gianpaolo Baglioni zog sich deswegen im August nach Perugia zurück, wo gleichfalls der erneut fieberkranke Piero de’ Medici ein Bett fand; wie der Baglioni fürchteten auch die Petrucci und Vitelli, die nächsten Opfer des Borgia zu werden. Den noch ausharrenden Vitelli aber schreckte schließlich die Militärmacht, die Ludwig XII. auf Florentiner Kosten gegen Arezzo schickte, um mit ihr zugleich Cesare Borgia in einem als heilig erklärten Krieg seine Eroberungen in der Romagna und in den Marken zu entziehen. Doch die verschlagenen Borgia unterwarfen sich sofort den Franzosen, verrieten ihren VitelliVerbündeten, der ohne ihr Wissen in Arezzo einmarschiert sei, drohten ihm sogar mit Krieg, wenn er nicht sofort Arezzo und die anderen Florentiner Besitzungen verlasse. Deswegen entschloß sich Vitellozzo Vitelli zur Übereinkunft mit Imbault. So scheiterte dieser so sicher geglaubte Restitutionsversuch der Medici nicht zuletzt an den inneren Gegensätzen zwischen ihren Helfern und an den äußeren Konstellationen der französischitalienischen Partikularinteressen.798 Ludwig XII. und Georges d’Amboise konnten sich trotz ihrer kalten Wut über ihren unbändigen Zauberlehrling nicht gänzlich gegen Cesare Borgia stellen, nicht auf die Seite der von ihm Abgefallenen. Denn beide brauchten den effizient-rücksichtslosen Borgia mit seinen gefürchteten Soldaten und dessen Vater für höhere Zwecke, für Frankreichs Kampf gegen die Spanier im Königreich Neapel sowie künftige Aussichten auf den päpstlichen Thron! Seit dem Frühjahr 1502 hatten die spanischen Truppen unter Gonsalvo von Cordoba mit kleineren Scharmützeln gegen französische Stellungen begonnen; seit Anfang Juni war es zu heftigen Konfrontationen gekommen. Doch Ludwig XII. und Georges d’Amboise hatten sich schon im Mai entschlossen, sich persönlich in die Lombardei zu begeben, um die italienischen Angelegenheiten besser ordnen, um die unsichersten, aber

798 Vgl. die kluge Analyse bei Guicciardini, Storia d’Italia, S. 491–493 (V/9); ebenfalls zu Vitel-

lozzo Vitelli und zu Piero in Perugia: Dispacci di Giustinian I, S. 83f., Nr. 66 (6.8.1502, Rom). Zu Cesare Borgia vgl. auch Cloulas, Borgias, S. 338–341.

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zentralen Verbündeten, nämlich die Borgia, kontrollieren zu können.799 Cesare dem königlichen Willen folgen zu lassen, hatte eben außer Neapel noch einen weiteren Grund. Allseits rechnete man mit einem baldigen Ableben von Alexander VI.; Cesare sollte die inzwischen beachtliche Borgia-Klientel im Kardinalskollegium zur Wahl von Georges d’Amboise bewegen, der aber bis dahin auch wegen der Verlängerung seiner Legation vom Papst abhängig war.800 Dieser mächtige Franzose hätte dann als Papst –so mag man kalkuliert haben – wesentlich mehr für die Medici bewirken können. Vorerst jedoch waren die Interessen der Medici in diesem hochpolitischen, hochbrisanten Umfeld wieder einmal von untergeordnetem Rang. Sie hatten ihre Chance im Vorfeld des Neapelfeldzugs erhalten, konnten zwar erneut Unruhe in Florenz auslösen, aber nicht einmal einen Fuß in ein Florentiner Tor stellen. So galt es denn zunächst, die königliche Verstimmung wegen der Eroberung Arezzos zu beseitigen. Diese Aufgabe übernahm Kardinal Giambattista Orsini, der den König in Asti aufsuchte, um Vitellozzo Vitelli und den Medici-Kreis wegen Arezzo zu verteidigen und gleichzeitig die Borgia anzuklagen. Diese aber gewannen zum Erstaunen der Zeitgenossen neue Gunst durch ihr Versprechen, Frankreich in den neapolitanischen Kriegen für die nächsten drei Jahre tatkräftig unter die Arme zu greifen. Als sich dann in Mailand auch noch Pandolfo Petrucci mit dem Sieneser Staat gegen die Zahlung von 40.000 Dukaten dem Schutz Frankreichs unterstellte, zog Ludwig XII. seine Truppen aus der Toskana ab und richtete seinen Blick ganz auf die Befreiung der neapolitanischen Lande von den Spaniern.801 Nur in diesem gesamten Kontext geschickt geflochtener Abhängigkeiten ist eine sachlich unbegreifliche Konzession zu verstehen, die Ludwig XII. dem plötzlich devot-charmanten Cesare Borgia während seines Aufenthalts am französischen Hof im August 1502 in Mailand machte. Gegen das Versprechen der Waffenhilfe im Regno di Napoli gewährte der König ihm 300 Lanzenreiter, die ihm zur Eroberung von Bologna (das zum Kirchenstaat gehörte und damit dem Papst unterstand) bzw. zur Züchtigung der Bentivoglio sowie der Vitelli, Baglioni und Orsini zur Verfügung stehen sollten, falls diese weiterhin Florentiner Territorien verletzen würden. Ludwig XII. hatte jedoch Giovanni Bentivoglio gleichzeitig durch Claude de Seyssel seines persönlichen Schutzes und seiner Rechte als Stadtherr versichert, während er die im Dienst des Papstes bzw. Cesare Borgias stehenden Condottieri vorgeblich wegen ihres Ungehorsams, d.h. wegen ihres Angriffs auf Arezzo, zu bestrafen gedachte, tatsächlich aber mit dem Zweck, sie sich

799 Diese Intentionen waren schon Francesco da Narni, dem Diener Federico Sanseverinos, Mitte

Mai 1502 bekannt gewesen; damals wollte Ludwig XII. am 23.5. von Blois nach Lyon ziehen, von dort über Asti nach Italien, während Georges d’Amboise zunächst direkt nach Mailand wollte; vgl. ASF, SR 24, c. 249–251, 256 (16.5.1502, F[rancesco da Narni] aus Blois an Federico Sanseverino); zu Asti, von wo aus der König große Truppenkontingente gegen den Vitelli in Arezzo und eben auch gegen Cesare Borgia senden wollte, vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 491 (V/9). 800 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 495f. (V/10); Quilliet, Louis XII, S. 275–279; Cloulas, Borgias, S. 344f., 349–352. 801 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 495–497 (V/10).

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gefügig zu machen. (So hatte beispielsweise Vitellozzo Vitelli die von ihm in Arezzo eroberte Artillerie nicht zurückgegeben und war trotz des Erhalts freien Geleits nicht an den Hof des Königs gegangen).802 Diese im Sommer 1502 entstandene neue Entwicklung hatte eklatante Auswirkungen für die Medici. Für ihre Strategie einer auf Waffen gestützten Restitution waren sie auf die Hilfe eben dieser Freunde angewiesen; ohne diese Partner konnten sie nicht handeln. Wurden ihre Waffenbrüder nun jedoch selbst zum Ziel eines mächtigen Aggressors, mußte dies auch sie treffen.

h) Die Orsini als Opfer der Borgia Wir hörten, wie die Verbündeten Cesare Borgias sich nach der skrupellosen Einnahme des Herzogtums Urbino zunehmend in der Gefahr sahen, die nächsten Opfer zu werden. Die seit Anfang September 1502 durch Cesare Borgia und seinen Vater geplante Eroberung Bolognas und die damit verbundene Vertreibung der den Medici bekanntlich sehr nahestehenden Bentivoglio bildete daher den Auslöser eines Aufstandes gegen Cesare.803 Obwohl Ludwig XII. den Bentivoglio explizit in seinen Schutz genommen hatte, fühlte Cesare sich stark genug, den Angriff trotzdem durchzuführen, hatte er doch gerade erst im August erfahren, wie sehr der König auf ihn – im Gegensatz zu den Medici! – angewiesen war und ihn hofierte. Die Attacke auf die Bentivoglio verstieß jedoch gegen den Vertrag, den Cesare mit seinen Söldnerführern abgeschlossen hatte, die sich deswegen weigerten, ihm bei einem Angriff zu helfen, der in der Folge sie selbst getroffen hätte. In Magione (zwischen Perugia und dem Lago Trasimeno) trafen sie sich also am 30. September, um ein gemeinsames Vorgehen gegen den Valentino zu verabreden: Carlo, Franciotto und Paolo Orsini, der Kardinal Giambattista und Francesco Orsini, Herzog von Gravina, Vitellozzo Vitelli, Gianpaolo Baglioni, Pandolfo Petrucci und Ermes Bentivoglio. Die Borgia baten Ludwig XII. um Hilfe; dieser setzte einige Truppen nach Imola in Bewegung, wo die Borgia-Gegner den Valentino einschließen wollten, und ließ eine Aussöhnung der Kontrahenten vermitteln. Die französische Hand über dem Borgia, dessen kluges Taktieren und Verhandeln, das fahrlässige Vertrauen der Rebellen in Cesares Aussöhnungsversprechungen: dies alles führte zum Desaster. Auf dieser Brache verdorrter Hoffnungen gedieh vermutlich die am 13. Oktober 1502 in Florenz eingegangene Nachricht, Ludwig XII. habe die Giuliano de’ Medici zugeteilte Pension aufgehoben und er habe (darüber hinaus) Giuliano 12.000 Franken gestrichen – eben jene Summe, die Florenz dem König für die von ihm zur Rückeroberung von Arezzo geschickten Schweizer Söldner schuldete.804 Da dies in Florenz als sehr gute Nachricht bewertet wurde, hatte der König sich dieses Geld offensichtlich aus einem Giuliano de’

802 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 499 (V/10); Cloulas, Borgias, S. 349–352. 803 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Guicciardini, Storia d’Italia, S. 500–511 (V/11); Gregorovius,

Geschichte III/1, S. 224–231; ausführlich, aber weniger pointiert hinsichtlich des OrsiniSchicksals: Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 579–584; Cloulas, Borgias, S. 352–368. 804 Cerretani, Ricordi, S. 63.

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Medici zugestandenen Betrag geholt. Äußerst ambivalent blieb freilich auch diese Geste. Denn Francesco Pepi berichtete am 31. Oktober 1502 aus Rom, daß sich die Medici verdächtig vergnügt aufführten und daß sie erzählten, sie hätten Briefe vom französischen Hof bzw. von Georges d’Amboise, die ihnen eine gewisse Hoffnung wegen ihrer Wünsche verliehen.805 Nach Abstrafung und Ungnade klingt dies ebensowenig wie die folgende Handlung. Kardinal Georges d’Amboise, der den König nach Ansicht der Florentiner wie ein Kind beherrschte, schloß zur gleichen Zeit einen gegen die Interessen von Florenz gerichteten Schutzvertrag mit Pisa ab. Als er den Florentiner Botschafter Luigi della Stufa über diese Vereinbarung informierte, akzeptierte der sie sofort, gegen seinen Auftrag. Die erzürnte Signoria belehrte Luigi, er solle die ihm mitgegebene Kommission lesen und nicht jeden Tag sechs Fehler begehen!806 Eine Anekdote? Nein: Teil einer Strategie. Denn Luigi della Stufa gehörte dem engeren Medici-Zirkel in Florenz an; deshalb begrüßte er, was der Signoria schadete. Eine noch aktivere Tätigkeit für die Medici werden wir später kennenlernen.807 Gleichwohl, solch Ungehorsam gegenüber der Signoria – in der ja zum einen immer wieder auch respektable Mediceer saßen, die zum andern unmöglich sämtliche Ämter mit Medici-Feinden besetzen konnte – hinterließ keinen Stachel im Fleisch der Medici-Gegner. Dafür traf den Medici-Kreis der tödliche Pfeil der Borgia. Cesare Borgia hatte im Oktober und November 1502 in mehreren Verträgen seine Gegner wieder auf seine Seite gebracht, vor allem durch einen Bündnisvertrag mit den Bentivoglio in Bologna, für den Frankreich, Ferrara und Florenz die Bürgschaft übernahmen. Diese umfassende Verständigung sah erneute militärische Dienste der Söldnerführer für den Borgia vor, der im Dezember die Einnahme von Senigallia von ihnen forderte, das von Giovanna di Montefeltro für ihren jungen Sohn Francesco Maria della Rovere regiert wurde. Als die Condottieri es Ende Dezember eroberten, ließen sie den Valentino kommen, damit er die Stadt übernehmen könne. Ob sie sich damit naiv ihrem Henker selbst auslieferten oder einen Anschlag auf diesen vorbereitet hatten, ob beide Gruppen vielleicht sogar je für sich durch den Abzug französischer Truppen zu einem Schlag motiviert waren, all dies ist umstritten.808 Cesare jedenfalls zeigte sich seinen ehemaligen Gegnern und wiedergewonnenen Verbündeten überlegen, zumindest an kaltblütiger Verschlagenheit. Nach seiner Ankunft in Senigallia am 31. Dezember lockte er Francesco und Paolo Orsini sowie Vitellozzo Vitelli und den Condottiere Oliveretto von Fermo in einen Palast, wo er bis auf Francesco und Paolo Orsini alle umbringen ließ. Die beiden Orsini behielt er als Gefangene an seiner Seite, bis er wußte, wie sein Vater mit den römischen Orsini verfahren würde. Dieser zögerte keinen Augenblick, auch seinerseits den Orsini seine alte Rechnung zu präsentieren. 805 ASF, SR 23, c. 141 (31.10.1502, Francesco Pepi, Rom). 806 Cerretani, Ricordi, S. 62f. 807 S.u. S. 883–891. 808 Bemerkenswert die unterschiedliche Gewichtung bei Gregorovius, Geschichte III/1, S. 226f.

(gegen Cesare); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 95f. (Kommentar von Herzfeld mit neutraler Wertung); Cloulas, Borgias, S. 364–368 (für Cesare).

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Anfang Januar 1503 ließ der Papst Kardinal Giambattista Orsini, mit dem er vorher noch ausgelassen gefeiert hatte, Rinaldo Orsini, Erzbischof von Florenz, den Protonotar Gianbattista di Gentil Virginio Orsini (einen Bruder Giangiordanos also), Bernardino d’Alviano, den Bruder Bartolomeos, Jacopo Santa Croce, einen weiteren Verwandten, sowie etwas später auch Carlo Orsini verhaften und in das Gefängnis der Engelsburg sowie andere Kerker werfen.809 Als Cesare davon erfuhr, ließ er Francesco Orsini, den Herzog von Gravina, und Paolo Orsini am 18. Januar 1503 während des Anmarsches auf Siena heimtückisch erwürgen – eine Tat, die eine erbitterte Wut der Orsini gegen alle Spanier zur Folge hatte.810 Der Kardinal Giambattista Orsini starb am 22. Februar im Kerker der Engelsburg – am Borgia-Gift, sagten viele, am Fieber, so die Päpstlichen. Bereits zu Beginn der umfassenden Attacke gegen die Orsini – das gesamte Geschlecht Orsini wollte Alexander VI. in seinem Wahn vernichten! – waren Anfang Januar die Güter des Kardinals konfisziert und war der römische Orsini-Palast auf dem Monte Giordano nahe der Engelsbrücke geplündert worden, wo ja auch Piero und Giovanni de’ Medici nach dem Verlust des Hauses am Campo dei Fiori Quartier gefunden hatten. (Diese Verwüstung des Monte Giordano wird Giovanni bewogen haben, sich mit Nachdruck nach einem neuen Palazzo, dem eben 1503 nahe der Piazza Navona gemieteten, umzusehen.811) Aber vor allem hatten die Medici innerhalb weniger Tage einige ihrer treuesten und engagiertesten Freunde verloren, durch jene als „Freunde“ geltenden Bündnispartner, die noch wenige Wochen vorher erklärtermaßen für ihre Rückkehr nach Florenz eingetreten, denen die Orsini aber immer ein Dorn im Auge gewesen waren. Man wird den Medici nicht unterstellen dürfen, sie hätten erst hier den Unterschied zwischen wahren und falschen Freunden gelernt – die Kategorie der eigentlichen Freunde, der veri amici, gab es immer für sie –; vielleicht verschärfte sich jedoch ihre Sensibilität für gefährliche Freunde. Von den Historikern nahezu unbemerkt, hatte es bei dem mörderischen Übergriff Cesare Borgias auf die Orsini und Vitelli in Senigallia ein weiteres Opfer gegeben, das allerdings keinesfalls zu namenloser Nebensächlichkeit degradiert werden darf, gibt es uns doch einen tiefen Einblick in die Substanz des hier involvierten Medici-Netzwerkes. Oder anders gesehen: Erst durch den prosopographisch fundierten Ansatz erhält der unscheinbare Fall sein Gewicht. In Begleitung von Vitellozzo Vitelli befand sich Ende Dezember 1502 in Senigallia der aus Pistoia stammende Goro Ghieri, der nach der Restitution der Medici-Herrschaft 1512 eine führende Rolle unter den Freunden der Familie einnehmen wird, erstaunlicherweise aber schon 1502 als Feind und Rebell der Florentiner Signoria galt. Kein Geringerer als Niccolò Machiavelli hatte als Florentiner Gesandter bei Cesare Borgia ein Auge für diesen Mann, den nimico e ribelle di cotesta città. Machiavelli berichtete am 1. Januar 1503 aus Corinaldo von Ghieris Festnahme durch Cesare Borgia 809 Vgl. hierzu und zum Folgenden etwa Gregorovius, Geschichte III/1, S. 227f.; Cloulas, Borgias,

S. 369. 810 So Shaw, Julius II, S. 118. 811 Vgl. oben S. 466f.

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und seine Spanier, die ihn als Gefangenen mit sich führten. Er wollte es dabei aber nicht belassen, sondern schlug den Dieci di Balìa vor, Ghieri aus der spanischen Gefangenschaft freizukaufen, um ihn in Florentiner Gewalt zu bekommen – und damit einer Verurteilung in Florenz zuzuführen, die durchaus mit einer Todesstrafe hätte enden können. Machiavelli meinte, daß man den Medici-Freund für ungefähr 200 Dukaten erhalten könnte. Wenn die Signori dies Geld ausgeben wollten, sollten sie ihn informieren, damit er das Nötige erledige.812 Am 8. Januar wiederholte er sein Anliegen: Vielleicht erhalte man Ghieri auch für weniger als 200 Dukaten; man solle ihm Antwort geben.813 Die postwendende Antwort der Dieci di Balìa ist frappierend. Messer Goro sei ein Mann von Qualität, und er habe sich mit Blick auf Pistoia so verhalten, daß es ihnen überaus willkommen sei, ihn in ihre Gewalt zu bekommen. Aber der Preis erscheine ihnen viel zu habgierig. Wenn Machiavelli ihn jedoch auf 80, aber nicht mehr als 100 Dukaten herunterhandeln könne, werde man zugreifen, und sie wünschten, daß er Ghieri dann nach Cortona oder Borgo (Sansepolcro) liefere. Allerdings möge Machiavelli in jener Sache mit all jenem Respekt vorgehen, der notwendig sei, so daß er sich erstens nicht zu begierig zeige und zweitens die Ware so sehr entwürdige wie er könne.814 Dies war gut florentinisch gedacht, und: auch dies war Exilswirklichkeit! Da von einem Prozeß Goro Ghieris in Florenz nichts bekannt ist, wußten die Spanier offenbar, welchen Wert ihre menschliche „Ware“ für Florenz besaß, welchen Stellenwert Goro Ghieri also im Medici-Netz einnahm, so daß sie den Preis nicht auf die für Florenz akzeptable Höhe reduzieren wollten, während die Florentiner darauf beharrten, das verlangte Lösegeld nicht zu zahlen –es entsprach immerhin dem zweifachen Jahresgehalt, das ein Francesco Cegia von den Medici erhalten hatte. Angesichts der Persönlichkeit ist es wahrscheinlich, daß die andere, die Medici-Seite zugriff und Ghieri freikaufte. Denn Goro Ghieri entkam der Gefangenschaft, möglicherweise nicht zuletzt deshalb, weil Machiavelli als Gesandter beim Valentino durch Jacopo Salviati abgelöst wurde.815 Jacopo hatte diesen Wechsel vielleicht sogar selbst initiiert, denn eine Verhaftung, Folterung und mögliche Hinrichtung des wichtigen Medici-Mannes konnte er nicht wollen. Goro Ghieri hatte im übrigen seine Qualität nicht nur in seinem Heimatort Pistoia unter Beweis gestellt, sondern auch im Juli 1502, als er lange Unterredungen mit Paolo Orsini führte, also genau 812 Messer Goro da Pistoia, nimico et ribelle di cotesta città, era con Vitellozo et si truova qua

preso in mano di certi spagnoli; crederrei con un dugento ducati, quando vostre Signorie li volessino spendere, operare che chi lo ha lo darebbe in mano ad uno de’ vostri rettori: pensino le Signorie vostre ad questo caso et parendo loro, me ne advisino ...; Machiavelli, Legazioni (a cura di F. Chiappelli) II, S. 369–372; vgl. Lowe, Towards an Understanding, S. 91. 813 Machiavelli, Legazioni (a cura di F. Chiappelli) II, S. 385. 814 Messer Goro è huomo di qualità et portatosi in modo nelle cose di Pistoia che ci sarebbe gratissimo haverlo in potestà nostra, ma il pregio ci pare troppo ingordo; però, se si potessi ridurlo da 80 o al più da cento in qua, noi pigleremo partito di piglarlo da lui et saremo contenti che ce lo consegnassi o a Cortona o al Borgo. Però tu ci procederai drento con tutti quelli respecti che sono necessarii: prima di non ne monstrare troppo desiderio, dipoi avilire la mercantia il più potrai ...; Machiavelli, Legazioni (a cura di F. Chiappelli) II, S. 385f. 815 Vgl. Machiavelli, Legazioni (a cura di F. Chiappelli) II, S. 580.

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zu jener Zeit, als Piero, Giovanni und die Freunde dieser Medici Arezzo, Cortona und andere Orte besetzt hielten, auf dem Höhepunkt der damaligen Offensive mithin.816 Er hatte also zweifellos an dem Umsturzversuch der Medici teilgenommen, hätte den Florentinern jenen Preis also wert sein müssen, wäre als Gefangener der Spanier aber von dem gleichen Schicksal wie Paolo und Francesco Orsini bedroht gewesen. Die von Machiavelli benutzten Begriffe nimico e ribelle lassen zudem darauf schließen, daß er diesen Status wegen offenkundiger Teilnahme an Medici-Verschwörungen nach einer Verurteilung erhalten hatte. Seine Beteiligung an den Kämpfen, seine spätere Nähe zu den durch die Borgia bedrohten Orsini und Vitelli ist freilich in mehrfacher Hinsicht von größerer Bedeutung für unsere Erschließung des Netzwerkes. Sie demonstriert, daß auch wichtige Personen des Medici-Kreises an den gegen Cesare Borgia gerichteten Aktionen der Orsini beteiligt gewesen waren; sie spiegelt die bleibende Bindung der Medici an ihre gefährdeten Helfer – sie veranschaulicht durch ein zugegeben kleines Fenster die in diesem Netzwerk praktizierte gegenseitige Fürsorge. Verorten wir daher kurz die Stellung unseres aus dem Schatten getretenen Protagonisten im Netzwerk. Bereits vor Beginn seiner Studien (1487–1493) an der Universität zu Pisa, die von Lorenzo de’ Medici neu gegründet worden war, hatte der Medici-Kreis – namentlich Pietro Nasi und Giovanni Lanfredini – den Sohn ihres Freundes Baronto Ghieri-Sacchetti aus Pistoia als zukünftigen wertvollen Mann mit einem Stipendium für Pisa gefördert. Goro Ghieri lehrte dort dann von 1495 bis 1499 als Professor des geistlichen wie weltlichen Rechts. Diese mit hoher Reputation und Bezahlung verbundene Stellung scheint er aufgegeben, zumindest unterbrochen zu haben, um sich unter Lebensgefahr der Sache der exilierten Medici zu verschreiben. Seine Freundschaft zu den Medici wird sich während seiner Studienzeit in Pisa vertieft haben, wo er den zur gleichen Zeit dort studierenden Giovanni de’ Medici kennengelernt haben wird.817 Auffallend ist ferner die Rolle, die sein Heimatort Pistoia für die Verbannten gespielt hatte. Einen ergänzenden Knotenpunkt im Netzwerk nahmen hier die den Medici eng verbundenen Panciatichi ein, die überdies der Florentiner Republik mit ihren Kämpfen gegen die Cancellieri immer wieder Probleme bereiteten und bei denen die Familie Ghieri führend gewesen zu sein scheint. Wie sehr die Orsini, Medici und auch Federico Sanseverino eine medesima fortuna, ein gleichgeartetes Schicksal durchlebten, zeigt sich im Verhalten des Borgia-Papstes gegenüber den exilierten Medici und ihren Freunden. Seine vorgebliche Unterstützung der Medici entsprang niemals wahren Intentionen, tieferen Bindungen; sie stand unter dem Zeichen einer pragmatischen, zweckorientierten, nicht aber wahrhaftigen Freundschaft. Die Maske fiel komplett, als die Interessen des Hauses Borgia es verlangten. Georges d’Amboise scheint diese Gefahr geahnt und den unter dem Borgia-Mantel geführten Waffengang im Sommer 1502 deshalb mit Skepsis und Sorge betrachtet zu haben. (Der Verursacher des Ganzen suche dabei nur seinen eigenen Vorteil!) 816 Vgl. Lowe, Towards an Understanding, S. 91. 817 Zu Goros Studienzeit: Verde, Studio fiorentino III/2, S. 339f.; Lowe, Towards an Understan-

ding, S. 91. Bei Picotti, Giovinezza, ist Goro Ghieri allerdings nicht erwähnt.

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Unter allen Kardinälen (außer dem Orsini), die Anfang Januar 1503 die Unberechenbarkeit des Papstes fürchteten, plagten Giovanni de’ Medici, der nach gut acht Monaten erst seit Dezember wieder in kurialen Funktionen auftrat, die größten Sorgen, die er auch auf seinen Bruder Piero übertrug. Dieser hielt sich deshalb in jenen Tagen nach Möglichkeit nur außerhalb Roms auf. Was die Medici am stärksten beunruhigte, war eine auffällige Freundlichkeit Alexanders VI. Stärker als sonst schmeichelte er dem Medici-Kardinal, so wie am Abend des 5. Januar, als er ihn zu sich rufen ließ und ihn aufforderte, mit seinem Bruder Piero in den päpstlichen Palast zu kommen, da er Piero etwas trösten und sich mit ihm beraten wolle. Die plötzliche, ungewöhnliche Zuneigung erregte größten Argwohn. Denn im Medici-Kreis befürchtete man, der Papst wolle die beiden Brüder an die Florentiner ausliefern, um sich nun mit diesen zu verbünden.818 Dies hätte nichts anderes als eine Hinrichtung der Medici bedeutet, und so werden sie die Einladung des Papstes mit guten Gründen abgelehnt haben. Giovanni de’ Medici ist allerdings noch am 20. Januar in seinem Haus (innerhalb der Orsini-Burganlage auf dem Monte Giordano) nachweisbar, wo er nicht ohne neue politische Pläne die Botschafter Sienas beherbergte. Denn auf das unter französischem Schutz stehende Siena bzw. auf Pandolfo Petrucci hatte es nun Cesare Borgia abgesehen, der gerade erst am 18. Januar Paolo und Francesco Orsini hatte erwürgen lassen, offenbar immer noch Goro Ghieri mit sich führte und den Petrucci tatsächlich zur Flucht zwingen konnte.819 Anlaß zu schlimmsten Befürchtungen gab es also genug, und so scheint der MediciKardinal den Vatikan offenkundig aus Angst vor den Borgia tatsächlich bis zum Tod Alexanders VI. gemieden zu haben, denn der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard notierte seine Anwesenheit erst wieder für den 19. August 1503, doch hatte dieser sein diarium zwischen dem Februar und August nicht geführt.820 In Rom ist der Medici schon seit Ende April erneut nachzuweisen.821 Möglicherweise brachte er sich bis dahin bei den Orsini in Bracciano oder Vicovaro in Sicherheit. Berechtigt war diese Vorsicht allemal. Dies zeigt noch ein Vorfall aus dem Juli 1503, der nun einen der wichtigsten Freunde der Medici und Orsini betraf. Nachdem Federico Sanseverino eines Abends im Juli 1503 die französischen Botschafter und weitere Adlige Frankreichs in seinem römischen Garten bzw. Weinberg zum Essen eingeladen hatte, wurde die gesamte Gruppe beim Verlassen des Hauses von 40 maskierten Männern überfallen. Viele wurden schwer verwundet, einer seiner Stallknechte wurde sogar getötet, und selbst das Maultier des

818 Vgl. Dispacci di Giustinian I, S. 314f., Nr. 228 (6.1.1503, Rom); Sanuto, Diarii IV, Sp. 603

(6.1.1503, Rom). Der päpstliche Zeremonienmeister bezeugt Giovannis Kurienanwesenheit nach dem 25.4.1502 erst wieder für den 8.12.1502, als auch seine Freunde, die Kardinäle Orsini und Sanseverino, an jenem Tag bzw. am 7.12. in kurialen Funktionen erschienen; vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 327, 340. 819 Vgl. Dispacci di Giustinian I, S. 348f., Nr. 250 (20.1.1503, Rom); Gregorovius, Geschichte III/1, S. 228. 820 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 354 (Burckard unterbrach seine Aufzeichnungen zwischen dem 22.2. und 12.8.1503). 821 ASF, SR 26, c. 68 (22.4.1503, Kardinal Giovanni de’ Medici, Rom).

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Kardinals wurde verletzt. Dies geschah, als Alexander VI. sich von Frankreich ab- und Spanien zuzuwenden begann, und für so manchen gab es keinen Zweifel, daß der Papst selbst der Auftraggeber des heimtückischen Überfalls war.822 Es spricht viel dafür, daß der Handlungsraum der Medici nun erneut und analog zu dem ihrer Orsini-Freunde, aber auch in verflechtender Gemeinsamkeit, stark von Frankreich und dessen schützender Hand bestimmt wurde. Alexander VI. verbarg nicht, daß er es unter den Orsini vor allem auf das Familienoberhaupt Giangiordano Orsini sowie auf die von den Borgia noch nicht eroberten Festungen, vor allem und erneut Bracciano, abgesehen hatte. Doch der Orsini stand unter dem erklärten Schutz des französischen Königs, der in einem beispiellosen wochenlangen Ringen um dessen Sicherheit kämpfte. Giangiordano hatte sich im Sommer 1501 den nach Neapel marschierenden französischen Truppen angeschlossen, nicht zuletzt mit dem Ziel einer Wiedergewinnung seiner Lehen Tagliacozzo und Albe, die über Alfonsina Orsini und Caterina Sanseverino auch für die Medici elementare Bedeutung besaßen. Dies gelang ihm rasch; Anfang Januar 1503 bildete Tagliacozzo beispielsweise das Refugium für Giulio Orsini und seine Frau und Kinder, die vor dem Papst dorthin zu Giangiordano flohen.823 Seine gleichzeitige Verwurzelung in Frankreich bezeugte Giangiordano durch den Erwerb eines Palastes in Blois, den Pierre Macur und dessen Frau Peronne im Jahr 1502 für ihn kauften und den der Orsini bis mindestens 1516 besaß.824 Er wird zu diesem Anlaß wieder in Frankreich gewesen sein, so wie wir ihn ja für den Dezember 1501 bei einem Treffen mit Giuliano de’ Medici in Lyon nachweisen konnten.825 Auch im Mai 1502 befand er sich am französischen Hof, wo ihm der Kanzler offenbarte, daß er die Herd- und Salzsteuer in seinen Grafschaften Albe und Tagliacozzo nicht erhalten werde, dafür aber eine noch unbestimmte finanzielle Kompensation; damals wird wohl sein Palastkauf in Blois erfolgt sein, den er durch einen in Frankreich zu investierenden – denn Geld aus Frankreich durfte nur im Land selbst ausgegeben werden – Gewinn von 20.000 Dukaten aus einem Spiel mit dem König finanziert haben soll.826 Spätestens seit Oktober 1502 stand Giangiordano Orsini mit einer 822 Vgl. Buonaccorsi, Diario, S. 134; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 104 und Anm. 3.

Die Nachricht über diesen Vorfall war am 28.7. in Florenz eingetroffen, so daß dieser zwischen dem 20. und 25.7. geschehen sein dürfte. Im übrigen hatte Alexander VI. am 28.7. im Konsistorium eine Beteiligung Cesares und seiner Truppen am Feldzug Frankreichs im Königreich Neapel angekündigt und damit die seit längerem geführten Geheimverhandlungen mit Spanien faktisch abgebrochen; vgl. Cloulas, Borgias, S. 375. 823 Sanuto, Diarii IV, Sp. 600 (5.1.1503, Rom); weitere Zeugnisse für Tagliacozzo als Stützpunkt der Orsini auf Sp. 654, 766f. (Januar/Februar 1503). 824 ASF, Carte Strozziane I/349, p. 47. 825 Vgl. ASF, SR 22, c. 224 bzw. oben S. 559. 826 Zum Aufenthalt am Hof im Mai 1502 vgl. ASF, SR 24, c. 253 (17.5.1502, ein ungenannter Schreiber, eventuell Bernardo da Bibbiena, aus Blois an Giulio de’ Medici in Rom; die finanzielle Ausstattung Giangiordanos war für den Absender bzw. die Medici von Belang, da diese immer noch Gläubiger des Orsini waren und über Carlo Orsini um eine Begleichung der Schulden nachsuchten); zu dem für den Palastkauf benutzten Spielgewinn vgl. Regis Ferdinandi, S. 381 (doch nimmt Volpicella irrig einen Kauf des Palastes von diesem Geld nach 1503 an und geht von einer wesentlich späteren Rückkehr des Orsini nach Italien aus).

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großen Kompanie bei erneuten Kämpfen in Süditalien im Sold Ludwigs XII., der ihn vorher sogar in den königlichen Michaelsorden aufgenommen haben muß, ihm also mit gegenseitigen Verpflichtungen eine regelmäßige Pension und seinen Schutz gewährte.827 Am 6. Januar 1503 forderte Alexander VI. von den französischen Gesandten explizit die Auslieferung Giangiordanos durch den König. Auf die Antwort, der König werde dies niemals machen, da der Orsini ihm treu gewesen sei, erwiderte der Papst: ‚Wenn ich ihn nicht persönlich haben kann, entziehe ich ihm seinen Staat, denn ich will das ganze Haus Orsini auslöschen‘, volemo exradicar tal caxa!828 Giangiordano Orsini verließ Mitte Januar 1503 angesichts der Bedrohung seiner Familie das französische Lager in Süditalien, um sich Anfang Februar zunächst über Tagliacozzo nach Vicovaro zu begeben, wo er in den nächsten Wochen in Verhandlungen mit dem Papst und dem französischen Hof seinen Besitz verteidigte. Gegenüber Alexander VI. und seinem Sohn Cesare vermittelte insbesondere Kardinal Federico Sanseverino, zusammen mit den französischen Gesandten und im Auftrag des Königs, die Interessen Giangiordanos. Der Papst wollte Cesare Borgia zwingen, gegen die noch nicht eroberte Orsini-Burg Bracciano vorzugehen. Der König ermahnte seinerseits eindringlich Cesare, seinen Vasall und Ritter des Michaelsordens, sich nicht wider das königliche Gebot gegen einen anderen Vasallen und Ordensbruder zu erheben, forderte ihn und die von ihm befehligten französischen Soldaten vielmehr auf, Bracciano zu verteidigen, wies den ihm mittlerweile offen suspekten Papst, der schon Verhandlungen mit Spanien begonnen hatte, in die Schranken. Nach der Kapitulation der Orsini-Burg in Ceri Anfang April zwang Ludwig XII. den Papst zu einem bis Juli 1503 einzuhaltenden Waffenstillstand, der weitere Angriffe auf Bracciano verbot und dem mittlerweile dort befindlichen Giangiordano erlaubte, sich nach Frankreich zum König zu begeben, der ihm eine Rekompensation für die bisher verlorenen Orsini-Güter im Kirchenstaat geben wollte.829 827 Sanuto, Diarii IV, Sp. 383 (17.10.1502, Rom, von Piero da Bibbiena: Zuan Zordan Orsini è a

soldo dil re di Franza...), 409 (27.11.1502, Rom: Item, la moier di Zuan Zordam Orsini à scrito, vol dar alozamento nel suo stado à francesi, per esser a soldo dil roy). Wie der Markgraf Francesco Gonzaga von Mantua, der ebenfalls Träger des Michaelsordens war, befehligte Giangiordano Orsini bei den Kämpfen im November 1502 eine große Kompanie von 100 Lanzenreitern und 200 Bogenschützen; vgl. Sanuto, a.a.O., Sp. 528. Zur Aufnahme Giangiordanos in den Michaelsorden vgl. Regis Ferdinandi, S. 381 (dort wird der Eindruck erweckt, dies sei nach dem Kampf mit den Borgia 1503 geschehen, doch da ihn, wie gleich darzustellen sein wird, Ludwig XII. im Januar 1503 explizit als Mitglied des Michaelsordens vor den Borgia in Schutz nahm, wird diese Ordensverleihung verbunden mit der Verleihung der Offizierswürde spätestens im Herbst 1502 erfolgt sein; möglicherweise ist sie sogar als Kompensation für die im Mai 1502 verweigerten Steuereinnahmen aus seinen abruzzischen Grafschaften anzusehen). 828 Sanuto, Diarii IV, Sp. 603 (6.1.1503, Rom). 829 Dies die Synthese aus Sanuto, Diarii IV, Sp. 654, 709f., 726, 737, 740f., 747–750, 758, 766– 768, 775, 782f., 800, 814, 817, 826f., 832, 837, 843 (Papst Mitte März 1503 in engen Verhandlungen mit Spanien), 849 (9.3.1503, Blois: Ludwig XII. habe zur Nachricht vom Tod des Kardinals Giambattista Orsini erwidert: Non vel lo dissi? et disse mal dil papa...), 850; V, Sp. 18 (13.4.1503, Rom: Der zum wiederholten Male aus Frankreich zum Papst gesandte Odoardo Varleto habe diesen nochmals mit aller Entschiedenheit gewarnt, gegen das Territorium des Giangiordano Orsini vorzugehen. Falls der Papst und Cesare Borgia es dennoch

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So angenehm die Tage in Frankreich diesmal (nach früheren Frustrationen) zumindest hinsichtlich der Zuwendung des Königs gewesen sein werden, die Sorge um die OrsiniBesitzungen im Kirchenstaat, vor allem aber die Nachricht über den am 18. August 1503 erfolgten Tod seines Feindes Alexander VI. trieb ihn im August bereits wieder nach Rom.830 Fabio Orsini, der Sohn des von Cesare Borgia ermordeten Paolo, dem in Senigallia im letzten Moment die Flucht gelungen war, befand sich damals bereits mit dem Sohn des Grafen Niccolò Orsini und mehr als tausend Bewaffneten in der Stadt, mit immenser Wut, die sich sofort gegen die Spanier und ihre Häuser richtete, da Cesare sich im Vatikan in Sicherheit gebracht hatte.831 Das Leid, das ihnen die Borgia zugefügt hatten, wurde nicht allein dieser Familie zugeschrieben, sondern dem spanischen Volk – ein bemerkenswertes Beispiel für die über die individuellen Täter hinausreichenden Folgen des gesäten Hasses und für verallgemeinernde Racheprojektionen.

i) Piero de’ Medicis Tod im Dienst der Franzosen Als Giangiordano Orsini im Januar 1503 das französische Lager im Regno di Napoli verlassen mußte, um seine Familie und Güter gegen den Haß der Borgia zu schützen, dürfte sich sein Verwandter Piero de’ Medici bereits in Süditalien befunden haben, um ebenfalls für Frankreich zu kämpfen. Bevor wir uns dem Schicksal der Orsini zugewandt hatten, hörten wir, wie Piero im Juli 1502 nach einer Verständigung mit dem französischen Kapitän Imbault Arezzo verließ, wie seinem Bruder Giuliano im September oder Oktober eine Zuwendung des französischen Königs gestrichen worden sein soll, ohne daß die frohe Zuversicht der Medici und ihre Unterstützung durch den Kardinal Georges d’Amboise geschwunden wäre. In der Tat, einen wirklichen, gar tiefgreifenden Dissens zwischen den Medici und Ludwig XII. kann es trotz der nach außen erklärten Unbotmäßigkeit der Medici-Helfer im Fall Arezzos nicht gegeben haben. Sonst wäre auch nicht erklärlich, welchen Grund Piero dann gehabt hätte, sein Leben für die Sache des Königs in Giangiordano Orsini vorzugehen. Falls der Papst und Cesare Borgia es dennoch tun würden, habe er den Befehl des Königs, die im Borgia-Heer befindlichen Franzosen gegen den Papst und seinen Sohn einzusetzen); Dispacci di Giustinian I, S. 377f., Nr. 268, 269 (4.2.1503, Rom), S. 383f., Nr. 272 (8.2.1503, Rom); Gregorovius, Geschichte III/1, S. 230f.; Regis Ferdinandi, S. 381; vgl. auch Cloulas, Borgias, S. 370–372. 830 Vgl. Sanuto, Diarii V, Sp. 75 (24.8.1503, Rom: Man erwarte an diesem oder am folgenden Tag die Ankunft des Zuan Zordan Orsini, ch’è il primo di la caxa, con uno grandissimo exercito). 831 Guiciardini, Storia d’Italia, S. 556 (VI/4): ... e Fabio Orsino, venuto alle case loro in Montegiordano, aveva con turba grande di partigiani degli Orsini abbruciati alcuni fondachi e case di mercatanti e cortigiani spagnuoli (contro al nome della quale nazione erano concitati gli animi quasi di ciascuno, per la memoria delle insolenze che avevano usate nel pontificato d’Alessandro) ...; Sanuto, Diarii V, Sp. 75 (24.8.1503, Rom); Gregorovius, Geschichte III/2, S. 356f. Zu den vielen weiteren Opfern, die das Haus Orsini aufgrund des Hasses der Borgia zu beklagen hatte, zählte auch ihr Verwandter Jacopo Santa Croce, der nach seiner Inhaftierung im Januar 1503 freigelassen worden war, doch den die Borgia Anfang Juni hinrichten ließen, um seinen Leichnam auf der Engelsbrücke zur Schau zu stellen; vgl. Gregorovius, Geschichte III/1, S. 233.

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Süditalien aufs Spiel zu setzen. Ein Zerwürfnis kann es also nicht gegeben haben; weitere Zeugnisse werden dies veranschaulichen. Wann Piero de’ Medici zu den französischen Truppen stieß, ist nicht zu eruieren. Nachdem diese im Sommer 1502 eine erfolgreiche Offensive gegen die Spanier begonnen hatten, mußten sie Anfang 1503 erneut herbe Verluste hinnehmen und im Mai und Juni 1503 die Eroberung Neapels durch die Spanier akzeptieren.832 Der größte Teil der Franzosen hatte sich damals in das gut befestigte Gaeta im Norden des Regno zurückgezogen, war aber guter Hoffnung, die Spanier wieder zurückschlagen zu können. Piero de’ Medici hatte Mitte Juni die strategisch nicht unbedeutende Aufgabe übernommen, die Rocca von Montecassino gegen die Spanier zu rüsten – und damit eine der wichtigsten Abteien seines Bruders Giovanni. Wir hatten gehört, daß Piero auf den Besitzungen dieser Abtei schon seit einiger Zeit herrschaftliche Befugnisse durch Ludwig XII. erhalten hatte. Nachdem er sie durch Gascogner gesichert hatte, begab er sich nach Gaeta zum französischen Vizekönig, um diesen um 200 Reiter und weitere Ausrüstung zu bitten. Mit dieser Verstärkung sah er sich in der Lage, Montecassino mehrere Monate halten zu können.833 Zu den Hoffnungen Frankreichs zählten auch die Truppen, die Fracasso Sanseverino in der Nähe von L’Aquila befehligte, 1.000 Söldner, 80 Lanzenreiter und 200 Mann leichte Reiterei.834 Beachtenswert ist im übrigen, daß Piero offenkundig seinen Freund Federico Sanseverino in Rom über all seine Schritte informierte. Denn dieser wiederum gab einige dieser Informationen an den Florentiner Botschafter in Rom weiter, der allerdings über Sanseverinos Unterredungen mit dem Papst wegen anderer politischer Probleme, darunter das der Orsini, nicht näher informiert, somit auf freundlicher Distanz gehalten wurde. Federico Sanseverino fungierte gleichsam als erster Botschafter Frankreichs an der Kurie, der mit den beiden anderen, den eigentlichen Botschaftern Roger de Gramont und Robert Guybé, Bischof von Rennes, sowie dem nach Rom entsandten Général des finances Louis de Poncher die schwierige Aufgabe hatte, Administration und Logistik der Franzosen im Regno di Napoli sowohl zu kontrollieren als auch zu organisieren sowie gleichzeitig die Unterstützung der Borgia-Kurie sicherzustellen.835 Genauso bemerkenswert ist eine weitere Beobachtung: Zu den für Frankreich im Regno di Napoli kämpfenden Italienern gehörten nicht nur so prominente Namen wie Piero de’ Medici oder Gaspare Sanseverino sowie fast alle seiner süditalienischen, tradi-

832 Vgl. Quilliet, Louis XII, S. 283–287. 833 ASF, DBR 72, c. 318–319, 325 (17. und 18.6.1503, Gianvittorio Soderini, Rom); gedruckt als

Quellendokumente bei Auton, Chroniques III, S. 382–386. 834 Auton, Chroniques III, S. 385 (aus Brief des Gianvittorio Soderini an die Dieci di Balìa in Flo-

renz, 18.6.1503). 835 Vgl. entsprechende Briefe und Erwähnungen bei Courteault, Dossier, S. 204–207, Nr. 54, 55, S.

211f., Nr. 59 (Mai/Juni 1503). Die Hierarchie ergibt sich aus der Reihenfolge der Unterschriften, die in beiden überlieferten Fällen zuerst von Sanseverino, dann von Gramont, schließlich von Guybé geleistet wurde, während der bei einem Brief mit unterzeichnende Poncher zwischen Gramont und Guybé erscheint.

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tionell profranzösischen Verwandten, sondern auch relativ unbekannte Mitglieder des Medici-Kreises wie Antonio di Bettino da Ricasoli! Er war, wir erinnern uns, am 17. Oktober 1495 von der Florentiner Signoria unter der harten Strafe der Güterkonfiskation und eines auf ihn ausgesetzten Kopfgeldes wegen seiner aktiven Tätigkeiten für die Medici verbannt worden.836 Anschließend befand er sich stets an der Seite Pieros bei dessen zahlreichen militärischen Rückkehrversuchen: 1496 unter der Fahne Virginio Orsinis, 1497 unter der von Bartolomeo d’Alviano, als sie bis vor die Mauern von Florenz gelangten, 1498/99 im Heer der Venezianer, als diese und die Medici vor allem im Casentino Florenz in die Knie zwingen wollten. Mit den Medici kämpfte er danach 1502 bei Arezzo, um nun schließlich mit Piero für die Franzosen im Regno gegen die Spanier vorzugehen.837 Zum Juni 1503 hören wir, daß er als Kastellan von San Germano (das etwas nördlich von Montecassino liegende heutige Piedimonte San Germano, wo die wichtige Paßstraße ins Regno verlief) der spanischen Übermacht nicht mehr Gegenwehr leisten konnte und Gefangener der Spanier wurde.838 An der Seite Frankreichs sah also nicht nur Piero de’ Medici Chancen für eine bessere Zukunft; Frankreich aber nahm die Hilfe der Verbannten gern an, forderte sie womöglich für erwiesene und künftige Hilfe sogar ein. Immer stärker von den Spaniern bedrängt, richtete sich alle Hoffnung der Franzosen auf das große französische Entsatzheer, das Ludwig XII. im Juli in Marsch gesetzt hatte und das durch einige Verzögerungen erst Ende Oktober 1503 bei Gaeta ankam, sich gegenüber den gut organisierten und gewappneten, in Montecassino, San Germano und Roccasecca strategisch bestens positionierten Spaniern jedoch in eine Defensivlage brachte. Durch fehlende Disziplin unter den Offizieren, Unterschlagungen bei der Besoldung der Soldaten und mangelnden Mut bei wochenlangen Versuchen, die südlich des Garigliano bei Minturno liegenden Spanier unter Gonsalvo zu besiegen, kam es Ende Dezember 1503 zu einem Gegenangriff der Spanier, nach welchem sich die nach Gaeta flüchtenden Franzosen am 1. Januar 1504 zur Kapitulation gegen freien Rückzug und Rückgabe der französischen Gefangenen entschlossen.839 Wie sein Freund Antonio da Ricasoli San Germano, so hatte also auch Piero de’ Medici die wichtige Rocca von Montecassino nicht halten können. Er hatte im Dezember 1503 mit dem französischen Heer am Garigliano gelegen, kehrte bei der Flucht der Franzosen mit anderen französischen Adligen auf die Südseite des Flusses zurück, um einige der wertvollen Artilleriegeschütze nach Gaeta in Sicherheit zu bringen. Eine Barke belud er mit seinen Leuten – und vier Kanonen. Aufgrund des Übergewichtes und heftigen Gegenwinds kenterte das Boot. Piero ertrank in den Fluten – ein unspektakulärer Tod nach dem großen, in vielen Szenen absto836 Vgl. oben S. 345. 837 Vgl. Passerini, Famiglia Ricasoli, S. 187. 838 ASF, DBR 72, c. 318–319 (17.6.1503, Gianvittorio Soderini aus Rom); vgl. Auton, Chroniques

III, S. 383. Da der Gesandte Soderini diese Neuigkeit direkt vor der über Piero de’ Medicis Anwesenheit in Montecassino berichtete, wird man davon ausgehen können, daß den Florentinern die weitere Aktivität des Ricasoli im Netzwerk der Medici gut vertraut war. 839 Vgl. die exzellente Darstellung und Analyse bei Guicciardini, Storia d’Italia, S. 575–586 (VI/7); Quilliet, Louis XII, S. 287–292.

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ßenden Spektakel, das er in jungen Jahren unter harten Umständen veranstaltet hatte! Er hatte sich jedoch tapferer verhalten als viele seiner Gefährten, wenngleich einmal mehr unklug und übereifrig. Landucci berichtet, Piero sei am 5. Januar 1504 ertrunken.840 Doch hätte er dann nach dem entscheidenden Schlag Gonsalvos vom 28. Dezember noch gut eine Woche fast allein am Garigliano ausgehalten; er wird also eher am 28. oder 29. Dezember gestorben sein. Genau wissen wir es nicht. Cerretani bemerkte eine auffallende Zurückhaltung in Florenz nach dem Eintreffen der Nachricht von Pieros Tod; viel lebhafter und deutlicher, aber zwiespältig, seien die Reaktionen auf die Niederlage der Franzosen gewesen.841 Es ist schon bemerkenswert, wie wenig in den Quellen über das Ende des ältesten Sohnes von Lorenzo de’ Medici berichtet wird, wie stumm die Zeitgenossen blieben, die doch sonst jedes noch so marginale Ereignis publikumssuchend kommentierten. Beredtes Schweigen hier selbst bei seinen näheren Verwandten. Spiegel seiner Unbeliebtheit, Konsequenz seines schlechten Charakters? Zeichenhaft mutet auch sein Grabmal an, das nicht sein Bruder Giovanni, sondern erst sein Cousin Giulio als Papst Clemens VII. nach 1530 bei Antonio und Francesco da Sangallo in Auftrag gab und 1539 vollenden ließ. Noch heute befindet es sich (fast versteckt, nur durch gezieltes Suchen zu finden) in der Abteikirche von Montecassino, auf der linken Seite hinter dem Altar im Chor. Kein Medici hat ihm jemals in Florenz einen Gedächtnisort errichten lassen; Piero de’ Medici war und wurde auch nach seinem Tod niemals einer der großen Söhne seiner Heimatstadt. Nachdem Ludwig XII. von der desaströsen, überflüssigen und blamablen Niederlage Kunde erhalten hatte, tobte er vor Wut, zog etliche in die Sache verwickelte Finanzverwalter zur Verantwortung, verlor in den nächsten Monaten auch noch fast vergessene letzte Stellungen in Apulien und mußte den endgültigen Verlust eines französischen, seines Königreiches Neapel akzeptieren.842 Die Medici hatten ihr in vielerlei Hinsicht entund wohl auch etwas verrücktes Familienoberhaupt, ihr französischer Gönner ein in jeder Hinsicht viel zu entlegenes Königreich verloren.

j) Papstwahlen 1503: Kardinal Georges d’Amboise und die Medici Der Tod des Borgia-Papstes Alexander VI. am 18. August 1503 ist nicht nur ein Einschnitt in der Geschichte der Kirche; er bedeutete auch für die Geschichte der exilierten Medici einen grundlegenden Wandel der Rahmenbedingungen – und dies sogar in zweifacher, wenn auch indirekter Weise. Ludwig XII. sah nun die einmalige Chance, mit Georges d’Amboise seinen ersten Minister und engsten Freund auf den Papstthron zu bringen; oder, wohl kaum weniger zutreffend: Der ehrgeizige Kardinal stellte seinem König vor Augen, wie Frankreichs Macht in Italien und ganz Europa durch seine Erhöhung zum Papst wachsen würde. Der König und sein erster Berater entschieden daher, das von Fran840 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 114. 841 Cerretani, Ricordi, S. 97. 842 Quilliet, Louis XII, S. 292f.

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cesco Gonzaga befehligte Entsatzheer nicht sofort nach Neapel weiterziehen zu lassen, sondern vor Rom zu stationieren, um die Papstwahl zu Frankreichs Gunsten zu beeinflussen.843 Damit aber gewann der Gegner einen entscheidenden Zeitgewinn. Die Franzosen hatten mit La Trémoille bereits ihren fähigen Befehlshaber verloren, da er sich aus Krankheitsgründen nach Frankreich zurückbegeben mußte und durch den militärisch weniger begabten Francesco Gonzaga ersetzt wurde, der das durch langes Warten disziplinlosere Heer denn auch zu keiner Entscheidungsschlacht führen, sich selbst vielmehr vor einer solchen zurückziehen wird.844 Die Fokussierung der französischen Politik auf das Konklave hatte nicht nur den Zeitverlust beim Vormarsch auf Neapel zur Folge. Durch die französische Stagnation wurde den Gegnern auch die verhängnisvolle Abwerbung der Orsini-Condottieri (außer Giangiordano Orsini) erleichtert. Kardinal Georges d’Amboise schien bereits alle Orsini, die ja grundsätzlich nach Frankreich ausgerichtet waren, für Ludwig XII. gewonnen zu haben, da machte ihm der aus venezianischen Diensten freigegebene Bartolomeo d’Alviano, dessen Zusage noch ausstand, einen Strich durch die Rechnung. Mit großem Einsatz und überzeugenden Versprechungen zog der spanische Botschafter ihn und die restlichen Orsini auf die Gegenseite – einer der traditionell wichtigsten Verbündeten der Franzosen in Italien stand plötzlich auf der Seite des Feindes. Bartolomeo d’Alviano wurde wenig später Protagonist einer (nicht nur) für die italienischen Zeitläufte typischen kleinen Geschichte. Er, „Feind“ und Verwandter, war es, der sich kurz nach dem Tod Pieros um Alfonsina Orsini und ihre Kinder Lorenzo und Clarice kümmerte, die demnach während des Aufenthaltes Pieros im Regno in Neapel oder Gaeta gewohnt zu haben scheinen.845 Bedeutungsvoll, und zwar weit über das Einzelereignis hinaus, sind die von Frankreich geschaffenen Ursachen für den Seitenwechsel der Orsini; sie zeigen das ganze Dilemma der französischen Strategie. Aus den Primärzielen eines französisch beherrschten Königreichs Neapel und Papsttums resultierte das explosive Bündnis mit den Borgia, das sich nach dem Tod Alexanders VI. gänzlich und noch stärker als früher auf Cesare Borgia stützen mußte. Der Valentino sollte nun nicht mehr nur militärische Hilfe für die Kämpfe im Süden leisten, sondern zudem die sich um ihn scharenden spanischen Kardinäle für 843 Hierzu klar und bündig, doch die Präsenz des französischen Heeres nicht als negativen Faktor

bewertend: Quilliet, Louis XII, S. 287–290. Quilliet behauptet allerdings, der eigentlich für das Heer vorgesehene, fähige Befehlshaber Louis de La Trémoille sei erst während des Sommers in Rom aus Krankheitsgründen nach Frankreich zurückgekehrt, doch hatte ihn damals bereits der Markgraf von Mantua ersetzt, da La Trémoille schon in Mailand durch seine Krankheit auf seine Aufgabe verzichten mußte; vgl. auch Courteault, Dossier, S. 215, Anm. 4. 844 Vgl. die klarsichtigen Analysen bei Guicciardini, Storia d’Italia, S. 575–586 (VI/7), bes. S. 578, 585. 845 Sanuto, Diarii V, Sp. 699 (Januar 1504); zu Alviano im Heer Gonsalvos vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 575–586 (VI/7). Für Guicciardini zählte dieser personale Erfolg Gonsalvos, den die Franzosen nicht zu verhindern wußten, zu einem der maßgeblichen Gründe für die epochale Niederlage Frankreichs am Garigliano, da Bartolomeo d’Alviano dem eigentlich unterlegenen Gonsalvo eine wichtige Verstärkung brachte und auch den entscheidenden Plan zu einem Gegenangriff auf der Nordseite des Garigliano entwickelt haben soll.

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eine Wahl des Franzosen gewinnen – eine wirklichkeitsfremde Hoffnung, wie schon Guicciardini erkannte.846 Diese Entscheidung des Spätsommers 1503 zog eine bittere Konsequenz nach sich. Auf den verhaßten Cesare zu setzen und ihn deshalb nach dem Tod Alexanders VI. unter französischen Schutz zu nehmen, konnte nämlich nur eine gleichzeitige Abwendung der zu Todfeinden der Borgia gewordenen Orsini von Frankreich bedeuten, die für ihre Rache an dem Valentino sogar die Kröte einer Verständigung mit den Colonna zu schlucken bereit waren! (Daß Giangiordano sich dennoch Frankreich fügte, zeigt nur die Kraft seiner Verwurzelung in Frankreich und der durch den Michaelsorden bewirkten Loyalität.847) Der Pakt mit Cesare Borgia ist als eine der fatalsten Fehlentscheidungen der französischen Krone anzusehen. Venedig scheint seine negativen Konsequenzen verstärkt zu haben, indem es – auch aus Ärger über den venezianische Besitzungen mißachtenden Borgia – im September und Oktober 1503 die spanische condotta für Bartolomeo d’Alviano sowie Ludovico und Fabio Orsini generell und auch materiell unterstützte, um Frankreichs Herrschaft über das Regno di Napoli zu verhindern. Dieser Wechsel der Orsini, die vorher immer partigiani dei Francesi gewesen waren, verstörte die Franzosen und Medici ungemein, wie aus einem Gespräch des venezianischen Botschafters mit Giovanni Lascari hervorgeht, der sowohl Frankreich als auch den Medici sehr nahe stand. Lascari sah einen Grund in den Verfolgungen der Orsini durch Alexander VI., verdächtigte jedoch auch Venedig, diesen Richtungswechsel gefördert zu haben – was der Botschafter vehement abstritt –, und forderte von Venedig eine Beendigung der Soldzahlungen für die Kompanien des Bartolomeo d’Alviano sowie, mit Blick auf Alexanders Nachfolger, den todkranken Papst Pius III., eine Unterstützung von Georges d’Amboise bei der nächsten Papstwahl.848 Doch nicht nur durch negative Antriebskräfte, auch mit positiven Angeboten konnten die Spanier die Orsini-Condottieri aus der französischen Allianz lösen, indem sie ihnen außer hohen Soldzahlungen auch Territorien (Tagliacozzo wird nicht explizit bezeugt, wird aber eine große Rolle gespielt haben) und Ämter im Regno versprachen. Angeblich soll Spanien den Orsini außerdem noch 2.000 Soldaten zugesichert haben, mit

846 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 559 (VI/4). 847 Bei Sanuto finden sich zahlreiche Belege, wie schwer es Giangiordano Orsini angesichts der

Absichten seiner Verwandten, aber zweifellos auch aus persönlichen Gründen fiel, sich der französischen Pragmatik zu beugen und den Valentino unbehelligt zu lassen, ihn sogar vor seinen Verwandten in Sicherheit zu bringen; vgl. etwa Sanuto, Diarii V, Sp. 180 (14.10.1503, Rom: Item, che Zuan Zordan Orsini, ch’è a soldo di francesi, era venuto in Roma per condur fuori il ducha Valentino, et par che li altri Orsini haveano posto le custodie acciò non ussisse), 187f. (15.10.1503, Rom: Item, come Zuan Zordan vene per condur il ducha Valentino fuori a Brazano over a Rocha Suriano o a don Michaleto [Michelotto Corella, der fast alle Morde für Cesare beging!], dove a parte dil suo aver, per fugir poi per mar in Franza. E questa matina volse fuzer; ma la moglie di Zuan Zordan, ch’è savia, havia concertato con Orsini di darli il ducha ne le mane. Questo fa per varentar la caxa etc., ma non pol far palese per amor di francesi. Or il ducha si messe in ordine per fuzir di Roma, et li Orsini lo seguitoe ...); vgl. auch Gregorovius, Geschichte III/2, S. 360f. 848 Dispacci di Giustinian II, S. 251f., Nr. 592 (17.10.1503, Rom).

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denen sie nach Ende des Krieges die Medici nach Florenz bringen sollten.849 Sollte dies stimmen, dann wären die Umstände von Pieros Tod noch tragischer als sie es schon waren, wäre die Fürsorge des Bartolomeo d’Alviano für die Frau und Kinder Pieros noch verständlicher. In letzter Konsequenz fiel der „französisch“ gewordene Piero Frankreichs Hybris zum Opfer, wie sich noch deutlicher zeigen wird. Die Geschicke der Familie Medici und das Schicksal der Verbannten wurden nun von Kardinal Giovanni de’ Medici bestimmt, der aufgrund seiner sozialen und politischen Stellung sowie seines Charakters ganz andere Handlungsmöglichkeiten zur Lösung der Exilsfrage besaß. Noch bessere Optionen hätte den Exilierten und ihren Anhängern die Wahl von Georges d’Amboise zum Papst eröffnet. Mit diesem Freund der Medici und Federico Sanseverinos hätte die Zukunft der Exilierten wesentlich günstiger ausgesehen, hätten sich sehr viel bessere Chancen zur Beendigung des Exils ergeben. Immerhin: Mit der Wahl des als „französisch“ geltenden und sich in den nächsten Jahren auch tatsächlich zeigenden Kardinals Giuliano della Rovere nach dem frühen Tod des ersten BorgiaNachfolgers Pius III. sollten sich die Bedingungen der Medici ebenfalls grundlegend verbessern. Diesen beiden Konklaven vom Jahresende 1503 und ihrem Umfeld müssen wir uns etwas intensiver zuwenden, denn es gibt einzelne Vorgänge, die eine tiefere Aussagekraft für die Gestalt und Struktur des Medici-Netzwerkes besitzen. Für sich betrachtet, könnten sie nebensächlich erscheinen; im prosopographischen Beziehungskontext aber sind sie als wichtige Indikatorphänomene zu werten. Wir hatten bereits mehrmals ein nachdrückliches Bekenntnis des Kardinals Georges d’Amboise zu den Anliegen der Medici erkennen können, eine feste Bindung dieser zentralen Persönlichkeit an das Netzwerk der Medici, die nicht zuletzt durch Federico Sanseverino bewirkt worden sein dürfte. Und in der Tat: Als Georges d’Amboise am 23. August 1503 aus Mâcon nach Rom zum Konklave aufbrach, sollte und wollte er dieses Bekenntnis demonstrieren, auch und gerade in Florenz. Wie bereits Philippe de Bresse während des Italienzuges Karls VIII. im November 1494, so wollte auch Georges d’Amboise bei seinem kurzen Aufenthalt in Florenz am 6. September im Haus der Tornabuoni wohnen. War 1494 Lorenzo di Giovanni der Gastgeber, so nun 1503 der Sohn des 1497 hingerichteten Lorenzo, der damals noch fünfzehnjährige Giovanni di Lorenzo di Giovanni Tornabuoni. Man hatte bereits alles für den Kardinal hergerichtet.850 Es muß also eine Verständigung zwischen ihm und den Tornabuoni vorausgegangen sein. Im herrschaftlichen Gefolge des französischen Nationallegaten befand sich neben Kardinal Luigi d’Aragona auch Kardinal Ascanio Sforza, der zwar schon Anfang 1502 aus seinem französischen Gefängnis entlassen, aber im Land gehalten worden

849 Die beste Zusammenstellung der Motive bei Guicciardini, Storia d’Italia, S. 563 (VI/5); vgl.

auch Dispacci di Giustinian II, S. 184, Nr. 526, S. 237–238, Nr. 583–584 (6.9., 12. und 13.10.1502, Rom); Gregorovius, Geschichte III/2, S. 360; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 674–676. 850 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 89; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 107 (hier der 7.9. als Ankunftstag).

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war, und der nun seine Stimme und seine Stellung als Vizekanzler der Kurie zum Vorteil von Georges d’Amboise einzusetzen versprochen hatte.851 Zu jener Zeit stand ein alter Vertrauter der Medici in einer ganz speziellen Beziehung zum mächtigen Kardinal und Erzbischof von Rouen: der Franziskanertheologe Giovanni di Domenico da Prato, einst Lorenzo il Magnifico verbunden, an der Bildung seiner Söhne Piero und Giovanni beteiligt, nun Beichtvater von Georges d’Amboise!852 Auch sein Lebensweg verdeutlicht die Substanz unseres Netzwerkes. Giovanni da Prato war nach dem Tod des Magnifico als engeres Mitglied des Medici-Kreises in die famiglia des Medici-Freundes Kardinal Giambattista Orsini eingetreten, in der er ungefähr bis zum Juli 1501 blieb, um dann in die Lombardei zu reisen, wo er sich mit Georges d’Amboise traf, dessen Kaplan und Beichtvater er werden sollte und vor November wurde – als dieser Kardinal mit Vehemenz die Restitution der Medici forderte und die Mediceer eben mit Hilfe des Orsini-Kardinals und Federico Sanseverinos die dafür notwendigen Obligationen bereitstellten! Der aufmerksame Francesco Pepi sah in diesem von ihm skizzierten Werdegang des Franziskaners einen Grund höchster Wachsamkeit für die Florentiner Medici-Gegner; er wußte also von einer bleibenden politischen Bedeutung des Franziskanertheologen für das Medici-Netzwerk.853 Als Beichtvater des französischen Nationallegaten ist Giovanni da Prato auch für den Mai 1503 bezeugt, als er mit dem Kardinal in Lyon weilte. Als solcher gehörte er zweifellos zum Gefolge des Kardinals, als dieser im Sommer 1503 nach Rom aufbrach. Daß er eine so hervorgehobene Vertrauensstellung bei Georges d’Amboise einnehmen konnte, wird man außer seinen geistigen und theologischen Fähigkeiten auch seinen Beziehungen zu den Medici und Orsini zuschreiben dürfen. Profitierte er von diesen, so konnte und wird er sich als Beichtvater des Kardinals und Papstkandidaten wiederum für die Exilierten und ihre Freunde eingesetzt haben. Bleiben wir, bevor auf die Umstände des Konklaves einzugehen ist, bei den Tornabuoni, um deren Funktion als Gastgeber des Georges d’Amboise nicht als zufälliges, einmaliges Ereignis erscheinen zu lassen. Denn auch bei seiner Rückkehr nach Frankreich bezog Georges d’Amboise am 18. Dezember 1503 den Palast von Giovanni Tornabuoni, 851 Vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 785f., 794–808. 852 Vgl. Ferrajoli, Il ruolo della corte, S. 147–160. Während Ferrajoli eine relativ feste Stellung des

Franziskaners als Lehrer und als Theologe oder Kaplan des Giovanni de’ Medici annehmen möchte, äußerte sich Picotti hierzu wesentlich kritischer; vgl. Picotti, Giovinezza, S. 55, Anm. 80 (wohl kein Hauslehrer), S. 520, 549f., Anm. 167 und 168 (Giovanni da Prato anfangs vermutlich noch nicht Kaplan des jungen Medici, doch in dieser Funktion nachweisbar sein mutmaßlicher Bruder Niccolò da Prato). 853 ASF, SR 22, c. 166 (17.11.1501, Francesco Pepi aus Rom: ... Io non voglio omettere che per meglio ritrovare quello di che V.S. dicono, non riscontrare etiam con una extrema diligentia, advisino V.Ex.S. ad li oratori vostri alla corte [di Francia] „Roano e uno frate conventuale di San Francesco maestro in teologia chiamato maestro Giovanni da Prato“ quale gia „fu cosa di questi Medici“ et hora non è più, ma è stato poy „dalla famiglia del cardinale Orsino in fino ad 4 mesi sono et alhora se partì di qui per accontrarsi per cappellano con Roano in Lombardia“ et chosi ha facto, et per esser suto „da casa Orsina et trovarsi lì“ potria dare molto lume ad chi fusse prudente nel ricordarlo, come sapianno fare li predecti oratori vostri per esser prudentissimi. [Chiffriertes in Anführungsstrichen]).

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der ihm im Auftrag der Signoria sogar bis San Casciano entgegengeritten war.854 Dem von Julius II. jetzt auf Lebenszeit zum päpstlichen Legaten für Frankreich ernannten Kardinal erwies Piero Soderini als Florentiner Gonfaloniere auf Lebenszeit nun hohe Ehre, da er sich um das Wohlwollen Frankreichs bemühte. Deshalb wählte Soderini wohl auch seinen (ihm ansonsten nicht allzu nahestehenden) Verwandten Giuliano da Gagliano aus, um dem Kardinal und seinem Gefolge bei dessen Weiterreise in den Norden die nächste Unterkunft in Scarperia im Mugello mit allen Annehmlichkeiten auf Kosten der Kommune zu bereiten.855 Amboise hatte den Florentinern Hilfe bei der Rückgewinnung von Pisa und von Montepulciano (das durch Siena okkupiert worden war) in Aussicht gestellt. Möglicherweise erhielt er dafür im Gegenzug, was ihm am Herzen lag und was seinen Platz im Netzwerk der Medici bestätigt. Georges d’Amboise forderte die Signoria auf, die Verbannung Simone Tornabuonis aufzuheben, was ihm ebenso gewährt wurde wie die Freilassung des lebenslänglich inhaftierten Rebellen Piero Ricamatore. Auch dieser wegen eines Mordes verurteilte Florentiner Rebell muß zum Medici-Kreis gehört haben; seine Freilassung hatte schon im Oktober 1503 von Valmontone aus der Markgraf Francesco Gonzaga in seiner Funktion als französischer Statthalter des Regno di Napoli und ‚aus herzlicher Liebe für Ricamatore‘ gefordert.856 Das Engagement von Georges d’Amboise für die beiden Rebellen, aber insbesondere den Tornabuoni, war mehr als nur ein Dank für die Gastfreundschaft dieser Familie, wie Cerretani suggerierte. Simone Tornabuoni war im April 1499 im Anschluß an den Kampf der Medici und Venezianer zusammen mit Marco (Marcuccio) di Bernardo Salviati und Andrea d’Alamanno de’ Medici, il Grasso, nicht nur wie zumindest der Salviati des Florentiner Territoriums verwiesen, sondern mit zugleich erfolgter Güterkonfiskation als Rebell verbannt worden. Simone Tornabuoni galt – von den Florentiner Gesandten bei seinen Aufenthalten in Bologna und im Mailändischen argwöhnisch beäugt – zudem neben Vincenzo Ridolfi als rächender Mörder Francesco Valoris, der 1497 zu den strengsten Befürwortern der Hinrichtung von Lorenzo Tornabuoni, Niccolò Ridolfi und den anderen drei Medici-Freunden gehört hatte.857 Bereits am 4. August 1501 ist die für Simone ausgesprochene Sentenz durch den Consiglio maggiore – und sicherlich vor allem durch dort vertretene Anhänger der Medici – abgemildert worden, indem er nun unter Restitution seiner noch nicht verkauften Güter für fünf Jahre zum Aufenthalt innerhalb der Territoriumsgrenzen und für zwanzig Jahre zum Ausschluß von öffentlichen Ämtern verurteilt

854 Vgl. die ausführlichere Darstellung bei Cerretani, Ricordi, S. 95f.; etwas knapper: Landucci,

Florentinisches Tagebuch II, S. 113. 855 ASP IV/6, c. 66r, 67v; IV/8, c. 53v, 54r (Soderini bzw. die Stadt stellte Giuliano für seine Spe-

sen 100 Dukaten zur Verfügung, von denen er jedoch nur 46 verbrauchte). 856 ASF, SR 26, c. 230 (Oktober 1503, Francesco Gonzaga, marchio Mantue et Christianissimi

regius locumtenens generalis, in felicibus castris Christianissimi Regis apud Valmontonem). 857 Vgl. oben S. 483.

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wurde.858 Er wird, späterer Dank für seine Loyalität, durch Papst Clemens VII., also Giulio de’ Medici, in den Rang eines Senators von Rom erhoben werden.859 Der Einsatz des „zweiten Königs von Frankreich“ für diesen engen Verwandten der Medici und Bartolini ist also als ein eminent politischer, bekenntnishafter Akt zu werten! Er resultierte aus einer seit längerem bestehenden Freundschaft zu den Medici und deren Freunden und muß schon während des Romaufenthaltes von Amboise verabredet worden sein, höchstwahrscheinlich mit Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino. Im September 1506 wird dann der Neffe des mächtigsten Mannes Frankreichs im Haus von Giovanni Tornabuoni Gast sein, François Castelnau von Clermont, Erzbischof von Narbonne seit 1502, der am 29. November 1503 von Julius II. zum Kardinal erhoben worden war und mit seinem Onkel schon im Dezember 1503 bei den Tornabuoni gewohnt hatte.860 Damals, nach der mißlungenen Wahl zum Papst, führte Georges d’Amboise bei seiner Rückkehr nach Frankreich eine sehr prominente Persönlichkeit mit sich, die vermutlich ebenfalls im Tornabuoni-Palast wohnte. Es war Federicos Bruder Galeazzo Sanseverino, der von Cerretani noch als Gesandter des Kaisers Maximilian bezeichnet wird, doch zu diesem Zeitpunkt bereits für höchste Aufgaben in Frankreich vorgesehen sein muß.861 Dieser Träger des Michaelsordens hatte sich als Schwiegersohn von Ludovico il Moro in prinzipientreuer Pflichterfüllung für seinen mailändischen Herrn bis 1503 in Deutschland aufgehalten, von Maximilian allerdings wenig geachtet. Georges d’Amboise hatte ihn dort bereits im Oktober 1501 getroffen, als er in Trient mit Maximilian über einen Frieden zwischen Deutschland und Frankreich verhandelte.862 Ob der Kardinal ihn seinerzeit schon für Frankreich gewinnen wollte, ist nicht überliefert, doch recht wahrscheinlich. Im Oktober 1502 jedenfalls sandte Federico Sanseverino einen Boten nach Innsbruck, um seine Brüder Galeazzo und Antonio Maria mit Ludwig XII. auszusöhnen.863 Antonio Maria Sanseverino hatte sich bereits im Februar 1503 über Ferrara und Loreto nach Rom zu seinem Bruder Federico begeben, gesellte sich dann schnell zu seinem anderen Bruder Fracasso, um zunächst im Umfeld von Cesare Borgia, bald aber ganz für Frankreich zu kämpfen; Ende September sollten sowohl Antonio Maria als auch Fracasso

858 Guidi, Lotte II, S. 738f. Cerretani berichtete freilich explizit, Georges d’Amboise habe gefor-

dert, che Simone Tornabuoni che era confinato fussi restituito, womit der Chronist von einer Landesverweisung Simones ausging. 859 Vgl. Ferrajoli, Il ruolo della corte, S. 167, Anm. 4. 860 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 125; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 133 (irrig als Kardinal von Rouen bezeichnet, also mit Georges d’Amboise verwechselt). 861 Cerretani, Ricordi, S. 95. 862 Sanuto, Diarii IV, Sp. 149–151 (12./13.10.1501, Trient). Galeazzo war damals der einzige der an Maximilians Hof lebenden Mailänder Exilierten, dem der deutsche König die Teilnahme an dem Treffen in Trient erlaubte. Der Sanseverino unterstrich seinen Status bewußt durch die Form seiner Erscheinung, eine kulturgeschichtlich interessante Note: Er hatte sich ganz in Schwarz gekleidet, trug seine schwarzen Haare lang, bis zum Gürtel. Zudem machte er kein Hehl aus seiner schlechten Laune und seinem Geldmangel. Die Deutschen hätten ihn, so der venezianische Beobachter, wenig geachtet, e todeschi fanno pocha stima di lui; pur er con il re ... 863 Sanuto, Diarii IV, Sp. 381 (17.10.1502, Innsbruck).

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mit einer Kompanie von je 50 Soldaten die französischen Truppen im Regno di Napoli verstärken.864 Spätestens während der Papstwahlen sind beide endgültig und ohne weitere Vorbehalte in französische Dienste getreten, zweifellos maßgeblich dank der Vermittlung von Federico Sanseverino. Galeazzo schloß sich Georges d’Amboise an, um mit diesem an den Hof Ludwigs XII. zu gehen. Am 8. Januar 1504 erreichten beide Lyon. Der venezianische Gesandte wußte von einer königlichen Pension (provisione) und 50 Lanzenreitern, die man Galeazzo unterstellen wollte.865 Als Nachfolger von Pierre d’Urfé wurde er jedoch sogar zum Gran écuyer (im Italienischen Gran scudiere) ernannt.866 Er, der für viele Jahre in Frankreich leben wird, sollte sowohl unter Ludwig XII. als auch unter Franz I. gleichsam zu einem verlängerten politischen und militärischen Arm des französischen Königtums in Italien werden; in der berühmten Schlacht von Pavia, in welcher die Franzosen eine verheerende Niederlage gegen Kaiser Karl V. erleiden werden, wird er am 24. Februar 1525 für Frankreich sterben. Doch wenden wir uns nun dem Kontext der Papstwahlen von 1503 zu, um die sich hier zeigenden Verflechtungen innerhalb des Medici-Netzwerkes herauszustellen. Giangiordano Orsini hatte sich Anfang September mit Gaspare Sanseverino, Giulio Orsini und 500 Soldaten an die Verfolgung Cesare Borgias begeben, um diesen nicht zu den Spaniern überlaufen zu lassen, sondern unter französischem Einfluß zu halten.867 Wenige Tage später gesellte sich das Orsini-Oberhaupt zu dem am 10. September in Rom einziehenden Kardinal Georges d’Amboise, dem er den Orsini-Palast am Campo dei Fiori zur Verfügung stellen wollte. In diesem bis 1497 von Giovanni de’ Medici bewohnten, dann auf Druck des Borgia-Papstes zum Ärger Giovannis durch Piero de’ Medici und Giangiordano Orsini an den Kardinal Juan Borgia verkauften Palast residierte damals einer der engsten Getreuen Alexanders VI., sein Datar Johannes de Sacchis, Erzbischof von Ragusa. Ihn hatte das Kardinalskollegium nach dem Tod Alexanders zum Gouverneur von Rom ernannt; Giangiordano warf ihn nun hinaus und brachte das Haus wieder in Familienbe864 Sanuto, Diarii IV, Sp. 745 (17.2.1503, Ferrara; über die Reise Antonio Marias zum Kardinal

Sanseverino), 831 (13.3.1503, Rom; Federico, Fracasso und Antonio Maria sollen bei Cesare Borgias Belagerung der Orsini-Burg Ceri anwesend gewesen sein, doch kann dies aufgrund des Gesamtkontextes keine Unterstützung des Valentino gewesen sein, eher ist an eine im Interesse Frankreichs stehende Kontrolle der Vorgänge zu denken. Fracasso hatte sich im übrigen schon vorher mit Cesare überworfen und hielt sich ohne spezielles Truppenkommando in bzw. bei Rom auf; vgl. Adami, Carteggio, S. 27); V, Sp. 147 (Ende September 1503, Rom; der hier an der Seite Fracassos in Rom erwähnte Antonio Maria kann nur dessen Bruder gewesen sein, den die Venezianer, die ihn bestens kannten, oft nur mit seinem Vornamen nannten). In den Friedensjahren 1504–06 befehligte Antonio Maria Sanseverino zusammen mit Giangiacomo und Teodoro Trivulzio sowie Galeazzo Pallavicini eines der unter der Ordonnanz des Königs stehenden Lanzenkorps in der Lombardei; Arcangeli, Esperimenti, S. 269. 865 Sanuto, Diarii V, Sp. 734 (9.1.1504, Lyon). 866 Vgl. etwa Regis Ferdinandi, S. 424 (mit zeitgenössischen Zeugnissen, z. B. von Guicciardini und Castiglione, zu Galeazzos Beherrschung der Reitkunst); Knecht, Renaissance Warrior, s.v., bes. S. 218–225 zur Schlacht von Pavia; hierzu auch Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1587–1598 (XV/14). 867 Sanuto, Diarii V, Sp. 80f.

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sitz.868 Offensichtlich gab es bei der Unterbringung des Amboise im Orsini-Palast dennoch Probleme, da der Franzose in der (einst vom Kardinal Rodrigo Borgia erbauten, repräsentativeren) Cancelleria des Ascanio Sforza sein Domizil erhielt.869 Bei dem am 16. September 1503 beginnenden Konklave, an welchem die große Zahl von 37 Kardinälen teilnahm, konnte Georges d’Amboise bekanntlich nicht die Mehrheit auf seine Seite ziehen; es sollen nie mehr als 13 Stimmen für ihn gewesen sein, was angesichts der wenigen (vier bzw. fünf, wenn man den Savoyer Jean Etienne Ferrier mitrechnet) Landsleute im Kollegium andererseits nicht unbeträchtlich war. Von den Italienern haben beim ersten scrutinium am 21. September Federico Sanseverino und Antonio Trivulzio für ihn gestimmt; eine weitere italienische Unterstützung wird von Ascanio Sforza, der ansonsten gegen die Wahl des Amboise agierte, von dem Florentiner Francesco Soderini, dem Bruder des Gonfaloniere Piero, sowie – notabene – von Giovanni de’ Medici berichtet.870 Bezeichnend für die eruierten Bande innerhalb des Kardinalskollegiums, daß Amboise den zum Netzwerk gehörenden profranzösischen Kardinal Oliviero Carafa aus Neapel wählte, der wiederum vom Medici und dem von Luigi Becchetti als conclavista begleiteten Sanseverino als Alternativkandidat neben Rouen benannt wurde.871 Wieso aber scheiterte die Wahl des so einflußreichen Georges d’Amboise? Eine Frage, die sich auch die Medici gestellt haben werden, denn seine Erhebung zum Papst hätte ihre Chancen zur Beendigung des Exils ja erheblich verbessert. Diese Wahl mußte scheitern, weil sie Frankreich zum dominanten Land in Europa gemacht hätte, und weil dieser französische Kardinal zu mächtig und zu politisch, damit zu sehr in politische Spannungen involviert war. Schon Venedig und Spanien konnten keinerlei Interesse an ihm haben – und zeigten dies auch. Die bestehenden Verwerfungen hatte Frankreich in grandioser Selbstüberschätzung freilich nochmals kräftig vertieft, indem es erstens immer noch und wieder auf Cesare Borgia setzte, indem es zweitens und drittens einen völlig kontraproduktiven militärischen sowie diplomatischen Druck auf die Kardinäle ausübte. Frankreichs Entschluß, das lange erwartete Konklave durch die massive Präsenz des Heeres zu seinen Gunsten beeinflussen zu wollen, war genauso ein fundamentaler Fehler wie jenes Zeugnis fehlender Empathie und arroganter Anmaßung gegenüber dem stolzen Kardinalskollegium, das König Ludwig XII. gab, als er die Kardinäle schon eine Woche vor Einzug des Amboise in Rom mittels eigenhändiger, durch seinen Sondergesandten Odoardo 868 Sanuto, Diarii V, Sp. 93; zu Sacchi als Gouverneur von Rom: Gregorovius, Geschichte III/2, S.

356. Seit wann Sacchi den Palast bewohnte, ist nicht zu eruieren. 869 So Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 796. 870 Vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 384–386; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S.

664–668 (erst als die Aussichtslosigkeit der Wahl des Franzosen klar war, soll der Medici Francesco Todeschini Piccolomini als Kompromißkandidaten unterstützt haben); zur Zahl der maximalen Stimmen für Amboise vgl. Quilliet, Louis XII, S. 288. Bei der Stimmabgabe des 21.9. hatten ebenfalls die oben genannten Kardinäle für Amboise votiert, außerdem u. a. Lorenzo Cibo, Giuliano della Rovere, Oliviero Carafa und Raffaele Riario; beim zweiten Wahlgang am 22.9. hatten sich nahezu alle auf den Piccolomini geeinigt; Sanuto, Diarii V, Sp. 93f. 871 Vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 385; zu Becchetti, der auch beim folgenden Konklave im November zu Sanseverinos Vertrauten gehörte, ebd. S. 381, 406.

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Bugliotto vorgelegter Briefe zur Wahl seines wichtigsten Mannes aufforderte. Statt Begeisterung erntete er nur Entrüstung.872 Genauso verursachte der militärische Druck das Gegenteil des Beabsichtigten, da er eine Gegenreaktion bei vielen Kardinälen bewirkte, welche maßgeblich dazu beitrug, eine Wahl des Georges d’Amboise, die mit kluger Diplomatie immerhin im Bereich des Möglichen gelegen hätte, zu verhindern.873 Federico Sanseverinos Rolle im Umfeld der Konklaven Offenkundig wird in Rom jetzt aber die seit langem bestehende Verbundenheit zwischen Georges d’Amboise und Federico Sanseverino, zwischen dem ersten Minister Ludwigs XII., dem – für viele – eigentlichen Regenten des französischen Königreiches, sowie dem entscheidenden Sachwalter Frankreichs an der Kurie. Federico stand nicht kraft seiner Reputation oder gar seines bloßen Ehrgeizes, sondern offiziell an der Spitze der französischen Botschafter in Rom, von denen nur er (mit Ausnahmen) permanent in Rom residierte. Als Ludwig XII. von Juli bis September 1502 nach Oberitalien kam, um die italienischen Angelegenheiten in der Toskana und im Königreich Neapel zu ordnen, war ihm Ende Juli außer Kardinal Giambattista Orsini auch Federico Sanseverino nach Asti entgegengereist, zwar mit bestimmten Aufträgen des Papstes, doch vor allem in eigenem Interesse.874 Drei Monate blieb er am Hof des Königs, wo er ständigen Kontakt mit Georges d’Amboise haben konnte und gehabt haben wird, doch befanden sich dann in Mailand auch andere Frankreich (in unterschiedlichem Maße) verbundene Kardinäle, wie Amanieu d’Albret, Jean Etienne Ferrier, Antonio Trivulzio, Giambattista Orsini, Giuliano della Rovere und Raffaele Riario.875 Federico blieb sogar beim König, als dieser im September nach Frankreich zurückkehrte. Von dort aus hatte er im Oktober einen seiner Leute als Boten nach Innsbruck gesandt, um seine Brüder Galeazzo und Antonio Maria mit dem König zu versöhnen; wir sprachen es bereits an, können nun aber eine mit dem König abgestimmte Initiative Federicos annehmen.876 In jenem Monat hatten die Florentiner von jener (uns merkwürdig erscheinenden) Aufhebung der königlichen Pensionszahlung für Giuliano de’ Medici Nachricht erhalten, der sogar die französische Militärhilfe für Florenz bei der Rückgewinnung Arezzos mit dem ihm zustehenden Betrag von 12.000 Franken bezahlen sollte, in872 Dispacci di Giustinian II, S. 175–178, Nr. 519 (3.9.1503, Rom). 873 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 560 (VI/4): Das Konklave sah die Freiheit der Wahl in

Gefahr, zum einen wegen Cesare Borgia und seiner Leute, zum anderen perché l’esercito franzese, ridotto finalmente tutto tra Nepi e l’Isola e che voleva distendersi insino a Roma, recusava di passare il fiume del Tevere se prima non si creava il nuovo pontefice, o per timore che la parte avversa non isforzasse il collegio a eleggere a modo suo o perché il cardinale di Roano volesse cosí, per piú sicurtà sua e per speranza di favorirsene al pontificato; vgl. hierzu auch Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 660f., 666; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 795–797. 874 Sanuto, Diarii IV, Sp. 291 (Ende Juli 1502, Venedig). 875 Sanuto, Diarii IV, Sp. 296–298 (1.8.1502, Mailand; unter den nicht vollständig aufgeführten Kardinälen, die beim Einzug des Königs anwesend waren, wird auch der Sanseverino gewesen sein, da der mit ihm gereiste Orsini genannt wurde), 306 (26.9.1502, Venedig). 876 Sanuto, Diarii IV, Sp. 381; vgl. oben S. 593.

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dem der König den Florentinern diese Schuld erließ und Giuliano das Geld verwehrte.877 Was dies wirklich zu bedeuten hatte und ob bzw. in welcher Weise der Sanseverino hier involviert war, ist vorerst nicht zu klären; daß dieser gegen die Medici agiert hätte, darf jedoch ausgeschlossen, das Gegenteil behauptet werden. Sonst hätte Francesco Pepi nicht am 31. Oktober 1502 aus Rom melden können, daß die Medici (wieder) in verdächtiger Heiterkeit lebten, nicht zuletzt aufgrund der hoffnungsfroh stimmenden Briefe vom französischen Hof bzw. von Georges d’Amboise.878 Eben Ende Oktober kam Federico Sanseverino wieder aus Frankreich nach Mailand zurück, machte dann auf der Rückreise nach Rom auf Bitten des Papstes einen Abstecher nach Florenz, um die Stadt am 31. Oktober zur Hilfe für den Valentino aufzufordern.879 Spätestens seit dem Frühjahr 1502 fungierte Federico Sanseverino auch in offizieller und hierarchischer Hinsicht als der Spitzenvertreter der französischen Diplomatie in Rom. Wenn der Papst etwas vom König wollte, wandte er sich – wie im Dezember 1502, als er (vergeblich) das französische Plazet für eine Eroberung Ravennas und Cervias durch Cesare Borgia wünschte – an Federico Sanseverino.880 Wenn im Gegenzug Ludwig XII. bestimmte Anliegen an Alexander VI. (bzw. dessen Nachfolger) hatte, wurde Federico Sanseverino im Namen des Königs beim Papst vorstellig, begleitet von den anderen jeweils gerade anwesenden französischen Gesandten – so wie wir es bereits seit dem Juni 1502 bei den Protesten gegen Vitellis Eroberungen von Arezzo und Borgo Sansepolcro gesehen hatten. Im November vertrat er im Namen Ludwigs XII. die Sache des von Frankreich beschützten Bologna an der Kurie.881 Ende Dezember 1502 sollte er beispielsweise für die Restitution der Einkünfte und des Vizekanzleramtes an Ascanio Sforza sorgen; im Januar und Februar 1503 hatte er wiederholt gegen die inakzeptablen Verfolgungen der Orsini und Petrucci durch die Borgia zu protestieren.882 Das noch im Dezember 1502 ausgezeichnete Verhältnis Sanseverinos zum Papst, der ihn zu seinen Zwecken den anderen Kardinälen vorgezogen hatte, wurde damals ernsthaft gestört.883 Danach 877 Vgl. oben S. 576; Cerretani, Ricordi, S. 63. 878 ASF, SR 23, c. 141 (31.10.1502, Francesco Pepi, Rom); vgl. oben S. 577. 879 Dispacci di Giustinian I, S. 183, Nr. 151 (30.10.1502, Rom); Sanuto, Diarii IV, Sp. 426

(30.10.1502, Rom); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 94. 880 Sanuto, Diarii IV, Sp. 558 (8.–10.12.1502, aus Frankreich). 881 Dispacci di Giustinian I, S. 232, Nr. 175 (22.11.1502, Rom); Sanuto, Diarii IV, Sp. 495f. (21.–

26.11.1502, Rom). 882 Sanuto, Diarii IV, Sp. 573 (21.12.1502, Rom; wegen Ascanio Sforza), 591 (3.1.1503, Rom;

nach der Festnahme des Kardinals Giambattista Orsini seien Federico Sanseverino und der monsignore di Agrimonte, also Roger Gramont, zum Papst gegangen), 611 (8.1.1503), 709 (2.2.1503, Rom), jeweils wegen Orsini und Petrucci; Dispacci di Giustinian I, S. 377f., Nr. 268– 269, S. 383f., Nr. 272 (4. und 8.2.1502). 883 So hatte beispielsweise der Sanseverino am 31.12.1502 dem über die hohen Ausgaben seines Sohnes Cesare klagenden Papst damit geschmeichelt, daß der Valentino sein Geld gewiß nicht unnütz ausgebe und daß man ihn für die kommenden Karnevalsfeiern bei sich wünsche, da die Kurie ohne Cesare nicht zu feiern verstehe. Lachend erwiderte der Papst dem Sanseverino, man wisse gut, daß dieser nichts anderes erwarte. (Das Scherzen wäre dem Sanseverino gewiß vergangen, wenn er gewußt hätte, daß Cesare Borgia genau an jenem Silvestertag in Senigallia die

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konnte er, wie im Kontext einer Mitte März 1503 vorgenommenen intensiveren Verständigung zwischen Alexander VI. und dem spanischen Botschafter, auch schon einmal durch eine nicht gewährte Audienz brüskiert werden.884 Immerhin stützte der Papst noch im März die von Ludwig XII. gewünschte Ernennung Sanseverinos zum Legaten für Bologna, während er die gleichfalls vom König angeordnete Besetzung der Orsini- und Petrucci-Territorien durch den Sanseverino und die französischen Botschafter ebenso ablehnte wie deren Mission für eine Aussöhnung der Borgia mit den Orsini, die Alexander VI. weiterhin ‚komplett mit Blut auslöschen‘ wollte.885 Diesem Wahn stand Frankreichs entschiedener Wille entgegen. Ein weiterer dezidierter Wunsch König Ludwigs XII. bestand darin, den durch eine innerstädtische Opposition vertriebenen Medici-Freund Pandolfo Petrucci nach Siena zurückzuführen; diese Aufgabe delegierte Federico Sanseverino an seinen Sekretär Francesco da Narni, der die Sienesen Mitte März so überzeugen konnte, daß Petrucci am 29. März in Begleitung der französischen Botschafter wieder in seine Stadt einziehen konnte.886 Für Mai und Juni 1503 hatten wir Sanseverinos Position an der Spitze der französischen Botschafter in Rom und seine (vermutlich ständigen) Kontakte zu den Franzosen und zu Piero de’ Medici im Königreich Neapel bereits angesprochen.887 Diese Stellung konnte auch ihren Preis fordern, wie wir an dem wahrscheinlich vom Borgia-Papst im Juli 1503 befohlenen Überfall auf ihn gesehen hatten. Nach dem Tod Alexanders VI. war es Federico Sanseverino, der in einem Geheimvertrag mit Cesare Borgia die Wahlchancen für Georges d’Amboise zu verbessern suchte; gesucht aber wurde er zunächst von dem gefürchteten, gehaßten, nun aber verfolgten Borgia, der eine Lösung seiner Probleme ohne Hilfe des mächtigen Sanseverino nicht für möglich hielt. Federico weigerte sich Ende August lange, Cesare aufzusuchen, schickte mehrmals lediglich seinen Bruder, den Protonotar Alessandro Sanseverino, bis er sich von einer generellen Fügungsbereitschaft Cesares überzeugt hatte, der sich den französischen Interessen beugen wollte.888 Gemeinsam mit Roger Gramont, dem damals offenkundig in tödliche Falle für seine Orsini-Offiziere zuklappen ließ!) Und im November 1502 sah man einen Grund für die Bevorzugung des Sanseverino-Kardinals darin, daß sein Bruder Fracasso sich so gut mit Cesare Borgia verstand, daß dieser Tag und Nacht mit Fracasso verbrachte, ihn in all seine Geheimnisse einweihte und ihn zu seinem Meister und Lehrer in der Waffenkunst erkor; Dispacci di Giustinian I, S. 235f., Nr. 179, S. 296f., Nr. 219 (26.11. und 31.12.1502, Rom). 884 Sanuto, Diarii IV, Sp. 832 (15.3.1503, Rom: ... et ozi il cardinal San Severin fo a palazo; il papa era con l’orator yspano e non li volse dar audentia; ch’è cossa inconsueta a far). 885 Dispacci di Giustinian I, S. 424f., Nr. 309 (7.3.1503, Rom), S. 441f., Nr. 323–324 (20. und 21.3.1503, Rom). Der Papst gab die Legation von Bologna tatsächlich im Mai 1503 an den Sanseverino; dies wurde im Juli durch das gesamte Konsistorium bestätigt, doch beendete der Tod Alexanders im August diese Absichten; ebd. II, S. 7, Nr. 373 (5.5.1503, Rom), S. 74f., Nr. 454 (21.7.1503, Rom). 886 Dispacci di Giustinian I, S. 441, Nr. 321 (18.3.1503, Rom: Francesco da Narni persuade i Senesi ad accettare Pandolfo, essendo questo fermo volere del Re di Francia), S. 442, Nr. 324 (21.3.1503, Rom), S. 456, Nr. 335 (1.4.1503, Rom; zum störungsfreien Einzug Pandolfos in Siena am 29.3.1503). 887 Vgl. auch oben S. 585. 888 Dispacci di Giustinian II, S. 166–168, Nr. 513–514 (29. und 30.8.1503, Rom).

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der Hierarchie zweiten Mann Frankreichs, aber eigentlichen Botschafter in Rom, dem Gesandten Louis de Villeneuve, dem für besondere Aufträge eingesetzten königlichen Edelknappen Odoardo Bugliotto und seinem Bruder Alessandro hatte Federico Sanseverino zum Erstaunen vieler (und zum Ärger der Spanier und Colonna) am 1. September 1503 die vertragliche Zusage Cesares erhalten, seine Truppen Ludwig XII. zur Verfügung zu stellen (immerhin 2.000 Lanzenreiter und 9.000 Fußsoldaten, die sich tatsächlich unter Führung von Ludovico della Mirandola und Alessandro Trivulzio dem Heer im Regno anschlossen), dem König wie ein Vasall zu gehorchen und in allem zu Willen zu sein. Dahinter stand die Intention einer Frankreich offenbar noch wichtigeren profranzösischen Einflußnahme Cesares auf die spanischen Kardinäle. Frankreich sollte ihm dafür all seine Besitzungen sichern, wollte aber offenbar die in der Romagna selbst übernehmen und Cesare dafür Territorien im Regno di Napoli geben.889 Cesare hatte sich zur gleichen Zeit verpflichtet, Rom mit seinen Soldaten zu verlassen – womit der beabsichtigte Einfluß auf die spanischen Kardinäle freilich erheblich sank. Federico Sanseverino übernahm die von Cesare zu seiner Sicherheit gewünschte Aufgabe, den immer noch kranken, in einer Sänfte transportierten Valentino nebst seiner Mutter Vanozza Cattanei und seinem Bruder Jofré, Prinz von Squillace, persönlich über den Monte Mario nach Nepi zu geleiten, wo er in der Nähe der französischen Armee noch über eine in seiner Gewalt befindliche Burg verfügte.890 Fast zur gleichen Zeit und sicherlich im französischen Auftrag hatte Federicos Bruder Fracasso, der im Sommer 1503 schon ein größeres Truppenkontingent bei L’Aquila für Frankreich befehligt hatte und nun im September in Rom war, den Kardinal Giuliano della Rovere mit Lanzenreitern bis Ronciglione (am Lago di Vico südlich von Viterbo) geleitet, von wo aus er schon am 3. September zum Konklave nach Rom einzog.891 Federico Sanseverino gehörte dann neben Giangiordano Orsini und auch dem Kardinal Soderini zu jenen Ultramontanen, die Georges d’Amboise bei seinem am 10. September erfolgenden Einzug in Rom die Ehre erwiesen und entgegenritten.892 In den folgenden Wochen war Federico immer wieder an dessen Seite zu sehen. Im Oktober 1503 hatte der Kardinal Rouen einen Streit mit den auf spanischer Seite stehenden Colonna, da er bestimmte Colonna-Festungen in die Obhut von Federico Sanseverino übergeben wollte, während die Colonna sie in den Händen des Papstes sehen wollten, um sie von diesem sicherer restituiert zu bekommen.893 Der am 22. September gewählte, aber schon am 18.

889 Vgl. Dispacci di Giustinian II, S. 173, Nr. 518 (2.9.1503, Rom) und App. S. 462f.; Gregorovius,

Geschichte III/2, S. 357f.; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 363f.; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 661; Cloulas, Borgias, S. 385. 890 Dispacci di Giustinian II, S. 178, Nr. 520 (3.9.1503, Rom); Gregorovius, Geschichte III/2, S. 358; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 364. 891 Vgl. Gregorovius, Geschichte III/2, S. 358. 892 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 89. Die bei Cerretani nicht erwähnte Anwesenheit des Orsini läßt sich aus der oben dargestellten Episode erschließen, als der Orsini den Franzosen zu seinem Palast am Campo dei Fiori begleitete. 893 Sanuto, Diarii V, Sp. 136.

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Oktober 1503 verstorbene Pius III., als Piccolomini weiß Gott kein Freund der Franzosen, aber auf einem umfassenden Ausgleich der feindlichen Parteien im Kirchenstaat wie in Europa bedacht, ließ Federico Sanseverino als Sachwalter Frankreichs in seiner Nähe im vatikanischen Palast residieren, für eine kurze Zeit sogar zusammen mit Georges d’Amboise.894 Als Cerretani in seinen ‚Erinnerungen‘ über diese ehrende Aufnahme des unterlegenen französischen Kardinals im Papstpalast schrieb, scheint er die dort waltenden persönlichen Beziehungsgefüge gut gekannt zu haben, denn noch im gleichen Satz berichtete er vom Entschluß Pius’ III., dem Kardinal Giovanni de’ Medici die Regelung der Differenzen zwischen den Orsini und Colonna zu übertragen.895 Unser exilierter Medici-Kardinal wurde also nach monatelanger Isolierung und Gefährdung durch Alexander VI., nach seiner erzwungenen Passivität in das politische Leben Italiens reintegriert. Als Pius III. in seiner Großmut dem angeblich schwerkranken Cesare Borgia gestattete, nach Rom zurückzukehren, da wird dieser am 3. Oktober von Georges d’Amboise und Federico Sanseverino empfangen, an deren Seite sich noch die Kardinäle Amanieu d’Albret und Ascanio Sforza befanden.896 Mit Fracasso und Antonio Maria Sanseverino wollte Georges d’Amboise dann in den nächsten Tagen persönlich Tausende von Soldaten Richtung Neapel führen.897 Doch statt dessen mußte er am 15. Oktober in der anticamera des Papstes einen todkranken Pius III. erleben, was ihn und die ihn begleitenden Sanseverineschi (also neben Federico vermutlich noch Alessandro und Galeazzo) zutiefst erschreckte, gar hilflos werden ließ, da all ihre Interessen und Pläne nun Makulatur wurden.898 Der Tod Pius’ III. zwang die französische Partei, einen Kandidaten zu finden, der Frankreich genehm sein konnte. Denn Georges d’Amboise wird nach dem deutlichen ersten Fehlschlag nicht noch einmal an eine eigene Kandidatur gedacht haben. Der für Frankreich beste unter den aussichtsreichen Kandidaten konnte nur Kardinal Giuliano della Rovere sein. Er hatte bis zum Tod seines Feindes Alexander VI. gut zehn Jahre in einem freiwilligen Exil in Frankreich verbracht. (Ihn hatte sich Frankreich schon im August 1500 angesichts der damaligen Krankheit des Borgia-Papstes als dessen Nachfolger gewünscht, weshalb es den gerade vollends in französische Dienste genommenen Federico Sanseverino instruiert hatte, eine solche Wahl persönlich zu fördern.899) Was lag also näher, als die gesamte französische und profranzösische Fraktion in Anbetracht der Aussichtslosigkeit einer Wahl des zu mächtigen, zu nationalen Georges d’Amboise zu der des Giuliano della Rovere zu bewegen. Als dieser zwei Tage vor dem Konklave, am 29. Oktober, auch noch Cesare Borgia und die spanischen Kardinäle nicht ohne Simonie für sich 894 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 388; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 809. Die

auffällige Nähe Sanseverinos zu Georges d’Amboise zeigte sich auch am 6.10.1503, als der Rothomagensis eine missa bassa in altari basilice s. Petri sub Veronica feierte et postea ascendit cum cardinale s. Severini; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 390. 895 Cerretani, Ricordi, S. 90. 896 Cloulas, Borgias, S. 387. 897 Sanuto, Diarii V, Sp. 147 (Ende September 1503, Rom). 898 Dispacci di Giustinian II, S. 245–249, Nr. 589 (15.10.1503, Rom). 899 Vgl. oben S. 514.

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gewinnen konnte, kam es am 31. Oktober zu jenem seltenen Fall, daß ein „Papst“ ins Konklave eintrat, der (schon am nächsten Morgen) in kürzester Zeit nach einer fast einstimmigen Wahl auch als eben solcher wieder hinausging.900 Giuliano della Rovere, der sich nun Papst Julius II. nannte, wußte, daß er Georges d’Amboise seine Wahl zu verdanken hatte bzw. daß dieser sie hätte verhindern können, wenn er es gewollt hätte. So zog er schon am nächsten Tag, dem 1. November, Rouen und den mailändisch-frankophilen Kardinal Giovannantonio Trivulzio zum Mittagessen an seine Seite, um sie deswegen auszuzeichnen, während Federico Sanseverino zum Essen blieb, weil er dies als seinem Status gemäß erachtete.901 Frankreichs Erwartungen wird Julius II. in den nächsten Jahren – bis es nach einem Kurswechsel zur erbitterten Konfrontation kommen sollte – erfüllen; davon werden nicht zuletzt die Medici und ihre Freunde profitieren. Der neue Papst revanchierte sich sofort in außergewöhnlicher Weise bei Georges d’Amboise. Nach der Überreichung des Roten Hutes an dessen Neffen François Guillaume Castelnau de Clermont bei der ersten von ihm vorgenommenen, nur vier Kandidaten berücksichtigenden Kardinalserhebung am 29. November hatte er Georges d’Amboise die von Alexander VI. immer nur für kürzere Zeitabschnitte gewährte Legation für Frankreich sowie für die päpstlichen Territorien von Avignon und des Comtat Venaissin am 4. Dezember gegen die Einwände der päpstlichen Kammer unbegrenzt, faktisch auf Lebenszeit zugestanden. Eine ungemeine, papstgleiche Machtfülle geistlicher und weltlicher Gewalt lag nun für Frankreich in der Hand von Georges d’Amboise.902 Als die besiegten Franzosen im Januar 1504 nach der verheerenden Niederlage am Garigliano, in deren Zuge auch Piero de’ Medici das Leben verlor, den Rückzug antraten, da waren es die „französischen“ Kardinäle Federico Sanseverino, Jean Etienne Ferrier (früherer Bischof von Vercelli, seit 1502 Erzbischof von Bologna, Sohn Sébastien Ferriers, des Général des finances Ludwigs XII. im Herzogtum Mailand!) und Amanieu d’Albret, die ihre Einschiffung nach Frankreich organisierten.903 Der Kardinal Sanseverino und der 900 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 678–681, ebd. (S. 679f., Anm. 3) auch von dem

gewiß keiner antipäpstlichen Agitation verdächtigen Pastor die Gewißheit über simonistische Vorgänge bei der Wahl von Julius II. Sehr viel hat die (S. 678f., Anm. 4) referierte Forschungsmeinung auf sich, daß Amboise aus politischer Klugheit auf seine Kandidatur verzichtete, sich für eine Wahl des Della Rovere aussprach und so auch Cesare Borgia mit den Spaniern gewann. 901 Dispacci di Giustinian II, S. 275f., Nr. 614 (1.11.1503, Rom; der venezianische Botschafter gab dem Verhalten Sanseverinos eine negative Note, sah für diesen keine Förderung durch Julius II. voraus, der schon durch Ascanio Sforza viel Nachteiliges über den Sanseverino erfahren habe – was nicht wundern kann –, doch ist dabei zu bedenken, daß Venedig generell große Vorbehalte gegenüber der gesamten Sanseverino-Familie pflegte, zum einen wegen ihrer mailändischen Herkunft, zum anderen wegen bestimmter, nie aufgegebener Besitzansprüche auf venezianischem Territorium). 902 Prevost, Art. „Amboise“, Sp. 499f.; Quilliet, Louis XII, S. 289. 903 Sanuto, Diarii V, Sp. 722; zu Ferrier, dessen Vater Sébastien uns noch im Umkreis der Mediciund Bartolini-Bank begegnen wird, vgl. auch Eubel, Hierarchia III, S. 136, Anm. 3 (sub Bononien.).

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Bischof von Rennes, Robert Guybé, der als ein weiterer Vertreter Frankreichs nach Rom gesandt worden war, werden am 21. Januar 1504 als jene (noch Verbliebenen) bezeichnet, che fanno i fati dil re [di Franza].904 Und so war es tatsächlich: Federico Sanseverino fungierte an der für die französische Italienpolitik entscheidenden Stelle, an der römischen Kurie, als maßgeblicher Sachwalter der französischen Interessen. So hatte z. B. im Februar 1504 Papst Julius II. dem französischen König den Besitz von Rimini und Faenza versprochen, wenn dieser erneut Neapel angreifen würde. Die entsprechenden Konsultationen vertraute der Papst dem Sanseverino an, der seinen Sekretär zu Ludwig XII. sandte, um den päpstlichen Vorschlag zu unterbreiten und zu verhandeln.905 (Zu jener Zeit hatte sich Georges d’Amboise vermutlich schon längst entschlossen, Federico Sanseverino jene große Ehre zu erweisen, ihn durch eine lebensnahe farbige Terracotta-Statue abbilden zu lassen und ihr neben solchen der französischen Könige und von sich selbst einen Ehrenplatz in der Erdgeschoßloggia seines Schlosses in Gaillon zuzuweisen.906) Anfang Mail 1504 trafen schließlich Briefe aus Frankreich in Rom ein, die Kardinal Federico Sanseverino unter Ausschließung jedes anderen Kardinals erneut mit der Wahrnehmung der Interessen des französischen Königs in Rom beauftragten. Für den Florentiner Kardinal und Medici-Feind Francesco Soderini, der ebenfalls nur zu gern offizieller Sachwalter Frankreichs an der Kurie geworden wäre, bedeutete dies eine herbe Bloßstellung, für den Sanseverino den Gewinn großer Reputation.907 Wenn Federico Sanseverino also in den folgenden Kapiteln weiterhin als zentrales Mitglied des Medici-Netzwerkes gezeigt werden kann, dann muß man sich stets diese, seine herausragende Stellung bei Ludwig XII. und Georges d’Amboise vor Augen halten!

904 Sanuto, Diarii V, Sp. 774f. 905 Sanuto, Diarii V, Sp. 880 (vom venezianischen Botschafter am 11.2.1504 aus Lyon: che uno

secretario dil cardinal Sanseverino è venuto al re per tratar zercha Rimano e Faenza; dem König war in diesem Fall jedoch ein gutes Einvernehmen mit der von diesem Handel betroffenen Republik Venedig wichtiger), 966 (am 6.3.1503 kam aus Mailand die Nachricht, daß der Sekretär des Kardinals Sanseverino aus Frankreich kommend in Mailand eingetroffen sei und daß er über Ferrara und Mantua nach Rom zurückreise). 906 S.o. S. 297. 907 Dispacci di Giustinian III, S. 92f., Nr. 850 (11.5.1504, Rom); dieser Vorgang ist von Lowe, Church, in ihrer sehr guten Biographie Francesco Soderinis nicht thematisiert worden.

V. Formen und Finassieren: Wirtschaft und Politik der Mediceer (1496–1512) 1. Die europäischen Bank- und Handelsgeschäfte der Mediceer-Firmen a) Leonardo di Bartolomeo Bartolini e compagnia di Lione Die Umstrukturierung der Lyoner Mediceer-Banken im Jahr 1502 ging – wie schon 1496, 1497 und 1498 – von Florenz aus, denn hier saßen die Verantwortlichen, die Initiatoren. Sie entschieden, daß die Bartolini-Rossi-Bank formal beendet, faktisch aber von der mit einem neuen Gesellschaftsvertrag besser ausgestatteten Bank des Leonardo Bartolini fortgeführt werden sollte. Merkwürdig ist dies schon, denn während ihres vierjährigen Bestehens konnte die Bartolini-Rossi-Gesellschaft bis Ende 1502 eine jährliche Kapitalrendite von gut 28% erwirtschaften, wobei der die Lyoner Bartolini-Bank betreffende Anteil in die Saldierung vom Oktober 1502 noch nicht eingeflossen war. (Er lag rein rechnerisch, Spinellis Rate abgezogen, mit etwas mehr als 40% von 11.000 Scudi bei 4.400 Scudi.) Können wir die Gründe auch nicht näher präzisieren, so lassen sich doch anhand eines Details etwas deutlicher hierarchische Strukturen und Verantwortlichkeitsebenen aufzeigen. Wir hatten im Kontext der Auflösung der Bartolini-Rossi-Bank bereits erwähnt, daß Lorenzo Spinelli als stiller, hinter der Leonardo-Bartolini-Bank versteckter Teilhaber einen zur Oster-Messe 1503 ausgezahlten Gewinnanteil von 816 Scudi erhielt. Wir verschwiegen dort allerdings noch ein entscheidendes Faktum. Spinelli hatte bereits Ende Oktober oder Anfang November 1501 gebeten, man möge ihm aus seiner noch zu errechnenden Gewinnrate im voraus eine Summe von (immerhin) 500 Scudi auszahlen. Diese Bitte richtete er jedoch nicht, wie zu erwarten wäre, an die Leiter der BartoliniRossi-Bank, sondern an Giuliano da Gagliano in Florenz! Giuliano erhielt diesen Brief am 10. November 1501 und gab seinen carissimi amichi in der Bartolini-Rossi-Bank noch am gleichen Tag die schriftliche Anweisung, sie sollten Spinelli auf dessen Wunsch und Risiko zur nächsten Oster-Messe (1502) jene 500 Scudi auszahlen – und zwar vom Konto Giulianos bei ihrer Bank! (Sei dort das Geld nicht vorrätig, sollten sie es sich über eine möglichst profitable Wechselbriefoperation mit Giuliano aus Florenz besorgen – wie es denn auch geschah.1) Verfügte ein Giuliano da Gagliano in Florenz also über die Gewinne, das Vermögen jener Lyoner Bank? Nach seinen Aufzeichnungen ja, zumindest was den Profit seines alten Freundes und Partners Lorenzo Spinelli betraf. Doch Giuliano notierte bei solchen 1

ASP IV/6, c. 102r/v; IV/8, c. 78r/v (die Wechselbriefoperation erfolgte in bewährter Manier über die Nasi-Bank in Lyon und die Gaddi-Bank in Florenz). Bei der Saldierung der BartoliniRossi-Bank wurde demzufolge auch klar festgehalten, Spinelli habe von seinem Gesamtprofit von 816 Scudi bereits 500 Scudi erhalten; ABS 198, c. VIII.

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Konten und Erinnerungen in der Regel nicht, für wen er handelte. Und daß er niemals letztverantwortlich diese vorzeitige Gewinnauszahlung in beachtlicher Höhe veranlaßt haben konnte, ist aus allem bislang zu ihm Erschlossenen und noch Aufzuzeigenden klar. Seine direkten Vorgesetzten, seine Auftraggeber waren sein älterer Bruder Filippo, Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Bracci. Sie steuerten demnach auch die BartoliniRossi-Bank, wie jener an sich fast unscheinbare Vorgang offenlegt. Er weist mit seinem Finanzfluß zugleich darauf hin, daß die Erträge der Lyoner Mediceer-Banken offenbar relativ schnell nach Florenz geschleust wurden, wo jene Verantwortlichen über sie bestimmten – und ganz gewiß nicht an den Medici vorbei. Als die Bartolini-Rossi-Bank beendet wurde, mußte zugleich für die nur unter dem Namen Leonardo Bartolinis laufende Bank eine Saldierung vorgenommen werden, da sie einen neuen Vertrag erhielt. Nach sechs Geschäftsjahren und auf der Grundlage des Kapitals von 4.000 Scudi konnte Leonardo zur August-Messe 1502 einen Gewinn von 2.019, 15, 10 Scudi ausweisen, den er an die zu verteilen hatte, ‚denen sie gehörten‘ (a chi aspettano). Auch diese Formulierung zeigt eine nach Florenz orientierte hierarchische Struktur an. Namentlich bzw. formal bekam Bartolomeo Bartolini für seinen Zwei-DrittelAnteil 1.346, 10, 7, der Rest ging an Leonardo für seinen Anteil. Dazu kamen 1.270, 1, 10 Scudi von schwierigen Schuldnern (wie v. a. den Zachini in Bologna mit 851 Scudi), deren Schuld erst noch einzutreiben war.2 (Bartolomeo Bartolini hatte sich schon Ende 1501/Anfang 1502 persönlich und mittels seiner Florentiner Ambra-Bank um die Sache gekümmert.3) Die Rendite lag also mindestens bei 8,4% pro Jahr, konnte aber inklusive der unsicheren Gewinne mit 13,7% beziffert werden. Am 27. Oktober 1502 setzte sich der nach Florenz zurückgereiste Leonardo Bartolini mit seinem Vater zusammen, um „ihre“ Lyoner Bank zu saldieren. Es ist erstaunlich, daß die Lyoner Bartolini-Bank bei der Saldierung das Kapital (4.000 Scudi) ihres membro in Montpellier ebensowenig berücksichtigte wie die dort erzielten Erträge, die jedenfalls nicht spezifiziert wurden. Bei der Höhe des Gewinns ist ferner zu berücksichtigen, daß wie üblich schon vorher Profite aus der Bank gezogen wurden. Der Aufenthalt Leonardo Bartolinis in Florenz sorgte für Aufsehen. Alamanno Salviati, der sich als Florentiner Kommissar in Arezzo befand und schon vor dem 16. Oktober durch seinen Intimfreund Lanfredino Lanfredini von der Ankunft Leonardos informiert worden war, wollte die seltene Gelegenheit nutzen, um für sich oder einen Verwandten, das ist nicht ganz klar, ein gemeinsames Geschäftsprojekt mit seinem Freund Leonardo zu vereinbaren. Lanfredino sollte seinen Schwager also besonders herzlich von Alamanno grüßen, um ihn dann mit all seinen Möglichkeiten von diesem Geschäft zu überzeugen, das beiden Seiten Gewinn bringen würde. Dabei erwähnte er noch Lanfredinos Schwiegervater, also Bartolomeo Bartolini, der nach Ansicht Alamannos und Lanfredinos und 2 3

ABS 197, c. XXII, 61, LXXXVII; ABS 231bis, c. VIIII. ABS 197, c. 61 (allein für den Prozeß gegen die Zachini und für seine Spesen während seiner Reise nach Bologna erhielt Bartolomeo Bartolini von der Ambra-Bank 88 Dukaten d’oro in oro).

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jedes anderen ein suocero di qualità sei und ein so reines Herz habe, wie man kein zweites in Florenz finde.4 (Charaktereigenschaften dieser Qualität könnten wesentlich dazu beigetragen haben, daß Bartolomeo trotz seiner entlarvten Funktion für Piero de’ Medici nur sehr milde bestraft wurde.) Leonardo Bartolini dürfte noch nicht lange wieder in Lyon gewesen sein, als Bernardo de’ Rossi sich wegen des Todesfalles in seiner Familie im Dezember 1502 entschloß, in seine Heimatstadt zurückzukehren und seine Teilhaberschaft in der Bartolini-RossiGesellschaft aufzugeben. Nach ihrer endgültigen Saldierung am 21. Dezember wurde sie von der Bartolini-Bank übernommen (per accollatione); Leonardo Bartolini führte die Bartolini-Rossi-Gesellschaft unter seinem Namen weiter und übertrug die Konten in seine Bücher.5 Zum 1. Januar 1503 begann Leonardo seine ‚neue ragione des roten Buches mit der Signatur B‘, die durch ihn mit einem Kapital von 7.000 Scudi und von seinem Vater mit 5.000 Scudi Kapital ausgestattet wurde.6 Der neue Kapitalstock lag somit 2.000 Scudi über dem alten der Bartolini-Rossi-Bank und 6.000 Scudi über dem der früheren Bank des Leonardo Bartolini; er konnte in dieser Höhe nur durch Kapitalübertragungen aus beiden Banken gebildet worden sein. In ein Depot dieser neuen Lyoner Bartolini-Bank gab Bartolomeo Bartolini als ihr offizieller Teilhaber (und Inhaber der Florentiner Bartolini-Bank) zudem zur Oster-Messe 1503 einen Betrag von 6.000 Scudi, den er aus der alten, ersten Bank seines Sohnes als credito (genau 6.043, 2, 8 Scudi) erhalten hatte und der nun zu 8% verzinst werden sollte.7 Das Gesamtkapital von 12.000 Scudi wurde am 1. Januar 1505 in die nuova ragione ‚des blauen Geheimbuchs C‘ übertragen. Als Bartolomeo Bartolini schon Mitte Dezember 1505 aus Altersgründen seine Teilhaberschaft niederlegte, ließ er seine 5.000 Scudi jedoch faktisch in der Bank, da er sie seinen Söhnen Leonardo und Giovanni ohne Risiko zur Verwaltung übergab.8 Was mit Bartolomeo Bartolinis Kapitalanteil nach seinem Tod im September 1507 geschah, erfahren wir nicht. Bis zum 26. März 1512 sind jedenfalls zwei weitere Geheimbücher mit den entsprechenden Siglen „D“ und „E“ geführt worden, denn zu diesem Datum begann die ‚neue Gesellschaft der Lyoner Bartolini-Bank des Geheimbuches F‘. Deren corpo betrug nun 10.500 Scudi, wobei Leonardo di Bartolomeo mit einem Profitanteil von 4

5 6

7 8

BNCF, MS. II. V. 21, c. 136, 140 (16. und 24.10.1502, Alamanno Salviati aus Arezzo an Lanfredino Lanfredini in Florenz; schon mit dem zweiten Brief mußte Alamanno sein großes Bedauern darüber ausdrücken, daß es Lanfredino vorerst nicht gelungen war, Leonardo Bartolini von dem geplanten Projekt zu überzeugen). Alamanno war vom Juni 1501 bis zum November 1502 Kommissar in Arezzo; ca. 60 Briefe, die er in dieser Zeit dort empfing, sind ebenso wie viele weitere im Salviati-Archiv in Pisa aufbewahrt und bisher offenbar noch nicht ausgewertet worden; vgl. Hurtubise, Famille, S. 68f., Anm. 98, 100, 103, 105. Einschlägig: ABS 198, Titelblatt, c. I, ricordo am Schluß (mit starkem Blattriß); vgl. ABS 197, c. CXXII, CXXIIII. Dies ergibt sich aus ABS 108 (libro piccolo verde segreto segnato D, Leonardo Bartolini e compagnia di Lione, 1504–1510), c. 1 (Kapitalübertragung della ragione nuova del libro azurro segnato C, anzi della ragione vechia del libro rosso segnato B). ABS 197, c. 119/CXVIIII; ABS 198, c. VIIII. ABS 108, c. 1–II.

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drei Fünfteln (bzw. 12 Soldi pro Lira) 7.500, sein Bruder Zanobi 3.000 Scudi bei einem Anteil von zwei Fünfteln einlegte.9 Als Leonardo schon im Oktober 1512 starb, hinterließ er ein finanzielles Erbe von 35.109, 6, 8 Scudi di marca.10 Seine Brüder übernahmen die Lyoner Bank – weiterhin gesteuert von ihrem väterlichen Schwager Lanfredino Lanfredini –, nannten sie seit dem 1. November 1514 ‚Giovanni und Erben des Leonardo Bartolini und Gesellschaft von Lyon‘ und statteten sie mit einem Kapital von 16.000 Scudi aus. Davon trugen Giovanni, Gherardo und Zanobi (als maggiori) zu gleichen Teilen 15.400 Scudi bei, um mit sieben Achteln am Profit zu partizipieren, während der Rest ihrem ministro Francesco di Leonardo Ridolfi zustand, der 600 Scudi in den corpo legte.11 Die Bartolini-Filiale in Mailand – und Frankreichs Finanzen Leonardo Bartolinis Bank in der lombardischen Metropole ist aufgrund der tiefen Bindungen der Mediceer-Bankiers mit Frankreich nicht vor der französischen Eroberung Mailands, aber seit 1501 nachzuweisen. Vermutlich wurde sie 1500 etabliert, doch nicht als eigenständige Bankgesellschaft, als compagnia, sondern als Appendix, als Organ der Lyoner Bartolini-Bank, deren Weisungen sie zu folgen und an die sie alle Gewinne abzuführen hatte – analog zur strukturellen Verbindung zwischen der Lyoner Bartolini-Bank und ihrer „Agentur“ in Montpellier. In den Rechnungsbüchern der Lyoner Bartolini-Bank wird sie nur als Leonardo di Bartolomeo Bartolini di Milano bezeichnet, nach seinem Tod, als seine Brüder sie übernahmen, als Rede di Leonardo Bartolini di Milano.12 (Deshalb gibt es auch kein Geheimbuch der Mailänder Bartolini-Filiale, doch muß es Rechnungsbücher ihrer Leiter gegeben haben.) Es ist anzunehmen, daß Leonardos Vater und über ihm Gianbattista Bracci mit seinen Partnern – wie schon bei der Gründung der Lyoner Bartolini-Rossi-Gesellschaft – auch bei dem Mailänder Engagement initiierend und steuernd im Hintergrund standen. Selbst wenn wir einschlägige Quellen zur Gründung der Bank und deren Bücher nicht (oder noch nicht) besitzen, ganz ohne archivalische Zeugnisse und Informationen stehen wir nicht da. In den Lyoner Rechnungsbüchern der Bartolini-Bank gibt es einige Angaben zur Mailänder Filiale; vor allem aber sind im Privatarchiv der Bartolini ungedruckte und bisher nicht bekannte Briefe ihres in Mailand wirkenden Mitarbeiters Salvestro di Dino Guardi di Dino überliefert – sind es auch nicht viele, so sind sie doch äußerst informativ und instruktiv. (Leonardo di Bartolomeo Bartolini hat offenbar seine gesamte Korrespondenz in Lyon aufbewahrt, wo sie nach seinem Tod augenscheinlich verloren ging.) Die drei Briefe stammen aus dem Oktober und November 1504. Adressiert waren sie an Leonardo Bartolini e compagnia in Lione. Alle Briefe bezeugen eine bereits seit längerem (gewiß aber nicht vor 1500) funktionierende, intensive Finanztätigkeit, mit breiten persoABS 200, c. 11; ABS 201, c. 1, 2a. Damals wurde ein Gewinn von 9.434, 5, 11 Scudi ausgewiesen. 10 ABS 210bis, c. 27. 11 ABS 210bis, c. 26. 12 Vgl. etwa ABS 202, 204, passim. 9

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nalen und regionalen Vernetzungen sowie einem regen Briefaustausch zwischen Lyon und Mailand, in welchem über die anstehenden Aufgaben genauestens Rechenschaft abgelegt wurde. Schon Salvestros Funktion in Mailand erweist ihn als Mediceer, als Mitglied des Medici-Netzes; dies unterstreicht aber auch sein in Florenz wohnender Verwandter Francesco Guardi, der unmittelbar nach der Vertreibung der Medici dem verfolgten Mediceer Francesco Cegia half und der vertrauensvolle Finanzoperationen mit Jacopo Salviati ausführte.13 Spätestens im Oktober 1500 hielt sich Salvestro Guardi in Mailand auf, denn am 31. Oktober schrieb ihm Giuliano da Gagliano aus Florenz einen Brief, den er über die vertraute Bank des Taddeo Gaddi nach Mailand transportieren ließ, zusammen mit einem Brief an den (ehemaligen?) Medici-Agenten Francesco Maggiolini.14 Wenn die Florentiner Mediceer schon über ihre Banken in Lyon wachten, dann – wie durch diesen Brief sichtbar wird – natürlich und folgerichtig auch über ihre neue Niederlassung in Mailand. Salvestro di Dino Guardis Position war der politischen Klasse von Florenz gut bekannt. Niccolò Machiavelli hatte ihn in seinen (nach 1499/1500, der französischen Eroberung Mailands geschriebenen) praktischen Ratschlägen für Florentiner Botschafter in Frankreich erwähnt.15 Bei dem obligatorischen Aufenthalt in Mailand auf der Hinreise sollte sich der Botschafter allerdings in der Regel und schon vor seiner Ankunft an (den Medici-Gegner) Manetto Portinari wenden, der die notwendigen Schritte beim französischen Gran Maestro unternehmen und ihm wegen der zeremoniellen und logistischen 13 Francesco Cegia, angesichts der wütenden Medici-Feinde um sein Leben zitternd, konnte sich in

der Nacht nach der Vertreibung der Medici (9./10. November) in das Haus von Francesco Guardi retten. Cegia hatte sich nach weiteren Verstecken dann am 13. November der Signoria zu stellen, wurde zehn Tage inhaftiert und schließlich auf Intervention des Königs von Frankreich freigelassen; vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 189–197; s.o. S. 363. Bei Guardi handelte es sich wohl um jenen der Florentiner Mittelklasse entstammenden Francesco di Ser Baptista Guardi, den der Medici-Intimus Jacopo Salviati nach 1502 als Kandidaten für den Florentiner Rat der Achtzig nominiert hatte, in welchem vorher bereits Gherardo Guardi aktiv gewesen war; vgl. Butters, Governors, S. 69, 317 (ein Gherardo di Andrea Guardi war während der Jahre 1495–1501 in Florenz als Mitglied des Rates der Achtzig für die arti maggiori aktiv; vgl. Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 137, 158, 173). In einem seiner geheimen Geschäftsbücher verzeichnete Jacopo Salviati eben diese beiden, Gherardo und Francesco Guardi, als Inhaber eines vertraute Nähe demonstrierenden Kontos bei seiner Florentiner Bank: Jacopo legte – analog zu Filippo da Gagliano – unter seinem Namen von 1495 bis 1502 eine größere Summe Geldes der beiden Guardi zu den (bis 1500) üblichen 14% beim Florentiner Monte an und konnte ihnen im Mai 1500 und im August 1502 jeweils 266 und 157 Fiorini gutschreiben; ASP II/30bis (früher I, 371; „Quaderno, ossia libro segreto di debitori e creditori di Averardo e Jacopo Salviati di Banco in Firenze, 1494–1512“; bei Averardo handelte es sich um den 1489 geborenen Sohn von Jacopos Cousin, Partner und Freund Alamanno Salviati), c. LXXXIIII. Ab 1500 mußte Florenz den Zinssatz für kurzfristige Monte-Anleihen drastisch senken, so daß er in den nächsten Jahren schrittweise von 14% auf 6% reduziert wurde; vgl. Butters, Governors, S. 53. 14 ASP IV/8, c. 59v (diese ohne weitere Inhaltsbestimmung angefertigte Notiz ist Teil eines umfangreicheren Registers der ausgehenden Briefe Giulianos, in welchem er leider nur selten knappe Angaben über den Inhalt machte). 15 Machiavelli, Notula, hier S. 373. Diese Skizze muß zwischen 1500 und 1506 verfaßt worden sein, nach seiner ersten Gesandtschaft nach Frankreich (zweite Jahreshälfte 1500) und vor dem ersten Sturz des Giovanni Bentivoglio in Bologna.

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Einzelheiten behilflich sein würde. Nur wenn Portinari abwesend wäre, sollte der Gesandte auch den Florentiner Kaufmann Salvestro di Dino Guardi von seiner Ankunft in Kenntnis setzen, über dessen jeweiligen Aufenthaltsort jeder in Broletito, also im Gebiet der heutigen Via Broletto (zwischen Dom und Sforza-Kastell), oder jeder Juwelier Bescheid wisse. Viel Sympathie scheint Machiavelli für ihn nicht empfunden zu haben. Neben den Briefen Salvestro Guardis gibt ein (ebenfalls ungedrucktes) persönliches Rechnungsbuch des französischen „Finanzministers“ in Mailand, des aus der savoyischen Finanzverwaltung gekommenen Sébastien Ferrier, wertvollen Aufschluß über Beginn und Struktur der Mailänder Bartolini-Bank, denn in diesen von 1501 bis 1511/13 reichenden Aufzeichnungen erscheint eine Person vor allen anderen: Salvestro di Dino Guardi – und neben diesem natürlich Leonardo di Bartolomeo Bartolini!16 Wenn aber der höchste Vertreter der französischen Finanzverwaltung im reichen Herzogtum Mailand eine exklusive Kooperation mit der Mailänder und Lyoner Bartolini-Bank praktizierte und wenn dieser Général des finances, wie noch zu zeigen sein wird, seine Stellung der Protektion jenes Kardinals Georges d’Amboise verdankte (und sie nach dessen Tod bezeichnenderweise kurzfristig verlor), der sich als der entscheidende und bedeutendste Förderer der exilierten Medici in Frankreich erwies, dann stehen die Aktivitäten der Bartolini-Bank im Mailändischen in einem strukturellen, intentionalen Kontext und müssen ein gezieltes Interesse beanspruchen. (Selbst kleine, auf den ersten Blick unbedeutend erscheinende Details können durch weitere Bezüge und Kontexte größeren Wert gewinnen.) Strukturen erschließen sich auf diesem bisher gar nicht erforschten, aufgrund der Quellenlage schwer zu kultivierenden Brachland erneut durch Personen. Die gut dokumentierten engen Beziehungen Sébastien Ferriers mit Silvestro Guardi und Leonardo Bartolini können durch die Handlungen einer weiteren Person entscheidend erhellt werden, durch Alessandro Ferreri (Ferrari). Aus den präzisen notariellen Quellen, in denen stets auch der Name des Vaters angegeben wird, entnehmen wir, daß sein Vater Donato hieß; in den (mir) bekannten Quellen der Finanzwelt wird seine väterliche Herkunft nicht genannt. Doch aufgrund der in all diesen Quellen stets bezeugten engen Verbindung sowohl zur Bartolini-Bank als auch zu Ferrier muß es sich bei Alessandro Ferreri und Alessandro di Donato Ferreri um eine identische Person handeln, die eventuell mit Sébastien Ferrier verwandt war.17 Am 20. August 1501 tritt uns Alessandro Ferreri erstmals entgegen, als er zusammen mit Antonio Busti bestimmte, aus weltlicher sowie geistlicher Herkunft stammende Güter des Sébastien Ferrier pachtete.18 Wenige Monate später, am Samstag, dem 11. Dezember 16 ASM, Missive 214; vgl. hierzu v. a. Arcangeli, Esperimenti, S. 265, Anm. 32 (da Arcangeli die

Funktion Guardis als Leiter der Mailänder Bartolini-Bank unbekannt war, erschien ihr offenbar auch die häufige Nennung Leonardo Bartolinis ohne größere Bedeutung, denn dessen Verbindungen zu Ferrier werden nicht erwähnt; irrig ist die Behauptung, das Buch Ferriers decke nur Finanzoperationen der Jahre 1507 bis 1511/13 ab). 17 Arcangeli wollte sich in diesem Punkt nicht festlegen; vgl. Arcangeli, Esperimenti, S. 310, Anm. 191. Doch der gesamte Kontext läßt an einer Identität keinen Zweifel. 18 Arcangeli, Esperimenti, S. 310, Anm. 191.

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1501, ließ er durch einen Mailänder Notar beglaubigen, daß er im Auftrag und an Stelle des (in seiner Nachbarschaft wohnenden) Salvestrus de Guardis de Dino, Sohn des Dino de Guardis de Dino, Anteile diverser Steuerpachten gepachtet habe.19 Ferreri und Guardi mußten sich gut gekannt und in einem Vertrauensverhältnis zueinander gestanden haben, wenn Ferreri im Namen des Florentiners Anteile an Steuerpachten im Herzogtum erwarb. Von 1502 bis 1505 wurde Alessandro di Donato Ferreri dann sogar Pächter sämtlicher regulären Einkünfte des französischen Königs im Herzogtum Mailand, wobei durchaus möglich wäre, daß er dabei als Vertreter Sébastien Ferriers handelte. Als Generalpächter hatte er der Kammer beträchtliche Summen zu zahlen, bevor er die Steuern einziehen konnte; er mußte also über erhebliches Kapital bzw. gute Finanzverbindungen verfügt haben.20 Ab 1505 übernahm Alessandro das Amt eines Salzkommissars im Herzogtum.21 Verblüffend sind nun die wechselseitigen Bezüge Alessandro Ferreris sowohl zur Bartolini-Bank als auch zu Sébastien Ferrier. Im Rechnungsbuch des Général des finances erscheint Alessandro sehr häufig mit einem besonderen eigenen Konto sowie mit Zahlungen, die er an Stelle des Général oder an diesen durchführte. Fast jedes Mal aber stand Alessandro dabei in einem direkten Bezug zu Leonardo Bartolini in Lyon oder zu Salvestro Guardi in Mailand. Zahlreiche Wechselbriefe, die Leonardo in Lyon für Sébastien Ferrier ausstellte, liefen über Alessandro, d.h. der Bartolini zog bzw. trassierte sie auf Alessandro, der dabei oft im Namen des Bartolini handelte. Die meisten Posten des Buches stammten aus den Jahren 1507 bis 1510. Doch am Schluß befindet sich ein Konto für den königlichen Rat Claude de Seyssel, hier nach seiner Baronie Aix Claude d’Ays genannt, das Zahlungen seit 1501 auflistet. Auf der Schuldenseite Seyssels stehen unter anderem 957 Dukaten, die aus einer Zahlung von 2.000 französischen Scudi di sole resultierten, die der Général im Januar 1504 an Alessandro Ferreri in Lyon vornehmen ließ, der sie durch die Bartolini-Bank an Claude de Seyssel auszahlen ließ. Im Oktober 1507 und im Februar 1508 war der Bartolini nochmals mit 400 bzw. 560 Scudi di sole an Zahlungen Sébastiens für Seyssel beteiligt.22 Doch sehr erstaunlich ist der Vorgang vom Januar 1504. Könnte es sein, daß Alessandro Ferreri mehr als nur ein enger Partner der Bartolini-Bank war, daß er sogar in irgendeiner Weise in diese eingebunden war? Die bereits erwähnten Briefe Salvestro Guardis vom Oktober und November 1504 erlauben eine Antwort. Denn in ihnen spricht Salvestro gegenüber dem Bartolini wiederholt von ‚unserem Alessandro‘ (Alessandro nostro); und dieser mehrfach ohne Familiennamen

19 ASM, Notarile 4220, 11.12.1501 (als Glosse irrig 1502 angegeben und so chronologisch falsch

eingeordnet); vgl. Arcangeli, Esperimenti, S. 310, Anm. 191. Nach diesem Dokument wohnte Alessandro in der Mailänder Pfarrei San Sebastiano, Salvestro in der von San Alessandro in Zebedia. Die beiden nur wenige Schritte vom Dom entfernten Pfarreien grenzten aneinander, Alessandro und Salvestro konnten also nicht weit voneinander entfernt gewohnt haben. Doch da sich San Alessandro in Zebedia südwestlich des Doms befindet, der von Machiavelli erwähnte Broletito aber nordwestlich, waren Wohn- und Arbeitsort Guardis offensichtlich nicht identisch. 20 Vgl. Arcangeli, Esperimenti, S. 295, 308–310, 334. 21 Arcangeli, Esperimenti, S. 310, Anm. 191. 22 ASM, Missive 214, c. 232 (hier Alexandro Ferre statt wie sonst Ferrerio geschrieben).

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erwähnte, also beiden vertraute Alessandro übte Finanzoperationen in genau jenem sachlichen wie personellen Kontext aus wie Alessandro Ferreri. Salvestro berichtete Leonardo Bartolini mit einem Brief vom 22. Oktober 1504, daß er aus der Hand von Piero Bartolini zwei Briefe Leonardos vom 2. und 4. Oktober erhalten habe, und daß Piero ihn informiert habe, weshalb er von Leonardo nach Mailand gesandt worden sei. Er sollte nämlich die Rückzahlung eines Betrags von 2.620 Scudi di sole vom Konto des monsignore generale, also Sébastien Ferriers, an den Bartolini besorgen. Alexandro nostro hatte daraufhin aus jenem Guthaben bzw. Kredit Leonardos 1.600 Dukaten d’oro larghi an Piero bezahlt, da in Mailand keine (französischen) Scudi di sole zu einem ‚ehrlichen Preis‘ aufzutreiben gewesen seien. Sie (also Salvestro und Alessandro) hätten nun den Dukaten zu 93 Soldi und den Scudo zu 90 Soldi berechnet, was für beide Seiten vernünftig sei, so daß für Leonardo noch 966⅓ Scudi als Guthaben zu Buche stünden, wegen deren Auszahlung Alessandro jetzt an den abwesenden Général des finances sowie an den Bartolini geschrieben habe. Darüber hinaus konnte Salvestro seinem Chef in Lyon berichten, daß Alessandro all jene Zahlungsanweisungen, die der Bartolini diesem bei der letzten Messe gegeben habe, gut ausgeführt habe, so auch die nach Venedig. Alessandro sei ‚ein Mann von Qualität‘.23 In einem weiteren Brief vom 5. November, den Salvestro ebenso aus Mailand an Leonardo Bartolini in Lyon schrieb, wird diese Struktur bestätigt – und vertieft. Wieder spricht der Guardi von ‚unserem Alessandro‘, der alle durch den Bartolini auf diesen gezogenen Wechselbriefe gut ausführen werde.24 Leonardo Bartolini trassierte aus Lyon also Wechselbriefe auf Alessandro, genau so, wie es in Sébastien Ferriers Rechnungsbuch für die folgenden Jahre immer wieder für den Bartolini und Alessandro Ferreri registriert wurde. An einer Identität dieser beiden Alessandro kann es demnach kaum Zweifel geben. Unter den vielen Wechselbriefen aus Lyon waren einige für den generale bestimmt. Ein Wechselbrief über 400 Scudi d’oro di sole nahm den umgekehrten Weg, er wurde im November 1504 explizit von Salvestro aus Mailand auf Claude de Seyssel trassiert, oder genauer: auf Leonardo Bartolini, damit dieser das Geld dem Seyssel geben könne. Vorher hatte Leonardo persönlich am 24. Juli 1504 aus Chamonte seinem Agenten Pierantonio da Fossano die schriftliche Anweisung gegeben, Claude de Seyssel 400 Scudi di sole auszuzahlen und Leonardos Konto damit zu belasten, da er diese Summe in bar von Seyssel erhalten habe; Seyssel quittierte den Empfang am 10. Oktober 1504.25 Es ist die gleiche Summe, die Sébastien Ferrier dann für den Oktober 1507 in Lyon durch Leonardo Bartolini als Kredit an Claude de Seyssel auszahlen ließ. Dessen Position und den Kontext der für ihn bestimmten Zahlungen müssen wir nun kurz erörtern, um die Bedeutung der Bartolini-Bank weiter präzisieren zu können.

23 ABS, Lettere, mazzo I, 22.10.1504 (Salvestro di Dino aus Mailand an Leonardo di Bartolomeo

Bartolini in Lyon). 24 ABS, Lettere, mazzo I, 5.11.1504 (Salvestro di Dino aus Mailand an Leonardo di Bartolomeo

Bartolini in Lyon). 25 ABS, Lettere, mazzo II, 24.7.1504.

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Der Name Claude de Seyssel darf wie ein kleiner Paukenschlag erscheinen. Denn Seyssel, Mitglied des Großen Rates König Ludwigs XII., königlicher Rat am Parlament zu Toulouse, war im November 1499 vom König an der Spitze der elf Gelehrten seines 17-köpfigen Senats in Mailand mit der Verwaltung des Herzogtums betraut worden.26 Wichtig für den Gesamtzusammenhang ist die Tatsache, daß Claude de Seyssel so wie Sébastien Ferrier (und natürlich Federico Sanseverino und die Medici!) ein Protegé des Kardinals Georges d’Amboise war, zu diesem sogar in einem Verwandtschaftsverhältnis stand. Deshalb begleitete er seinen Mentor auch wenige Monate nach der Lyoner Gesandtschaft zum Konklave nach Rom. Schon im August 1503 schloß er sich Georges d’Amboise an, als dieser sich (wie bereits ausführlicher angesprochen) von Frankreich aus zum Konklave nach Rom begab und dabei sowohl auf dem Hinweg am 6. September als auch auf dem Rückweg am 18. Dezember 1503 in Florenz demonstrativ im Haus der Tornabuoni wohnte, nicht ohne von der Signoria erfolgreich die Aufhebung der Verbannung des Simone Tornabuoni zu fordern, jenes engen Medici-Freundes, der 1497 vermutlich zu den Mördern des vehementen Medici-Feindes Francesco Valori gehört hatte und 1499 zusammen mit Marco Salviati und Andrea (il Grasso) de’ Medici nach den von Venedig verhalten unterstützten Kämpfen der Medici gegen Florenz exiliert worden war.27 Claude de Seyssel war dabei – auch dies ein Moment der Verdichtung eines Netzwerkstranges. Bei dieser Rückkehr nach Frankreich blieb Seyssel jedoch nicht in Mailand, sondern begab sich mit dem Kardinal und dem diesen nun begleitenden Galeazzo Sanseverino an den Hof des französischen Königs, wo er sich, seit 1503 in den geistlichen Stand eingetreten, in den nächsten beiden Jahren neben dem Königsdienst vornehmlich gelehrten Themen widmete, vor allem im Austausch mit Janus Lascaris, und beispielsweise 1504/05 Seneca und Xenophon ins Französische übersetzte.28 Wenige Wochen nach dem Aufenthalt im Florentiner Tornabuoni-Palast konnte er dann im Januar 1504 in Lyon aus der Hand Leonardo Bartolinis bzw. Alessandro Ferreris die beträchtliche Summe von 2.000 Scudi di sole in Empfang nehmen, die Sébastien Ferrier für den Seyssel mittels eines auf den Bartolini trassierten Wechselbriefes zur Verfügung stellte.29 Da Seyssel danach zum 26 Vgl. Pélissier, Documents pour l’histoire (1891), S. 17–28, Nr. 11, hier S. 19 (der Senat bzw.

Rat zu Mailand bestand aus 2 Prälaten, 4 Offizieren und 11 Gelehrten, von denen 5 ultramontan und 6 citramontan waren; an der Spitze der Gelehrten stand Claude de Seyssel); vgl. hierzu auch Caviglia, Seyssel, S. 65f.; Lewin, Seyssel, S. 15; Arcangeli, Trivulzio, S. 38f.; Dies., Esperimenti, S. 311f., 338. 27 Vgl. oben S. 590–593; zu Seyssel an der Seite von Georges d’Amboise vgl. Caviglia, Seyssel, S. 85f.; Lewin, Seyssel, S. 16; Boone, Seyssel, S. 37. Zusammen mit seinem Freund Janus Lascaris und dem Kardinalsneffen François Guillaume Castelnau de Clermont wurde Seyssel durch Georges d’Amboise sogar die Ehre zuteil, als conclavista an dessen Seite bei den beiden Konklaven vom September und November 1503 teilnehmen zu dürfen; vgl. Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 377, 403. 28 Vgl. Caviglia, Seyssel, S. 87f., 91–100; Lewin, Seyssel, S. 18f., 28f.; Boone, Seyssel, S. 37f. 29 Obwohl Seyssel nach 1503 nicht mehr im Herzogtum Mailand tätig war, zahlte ihm Sébastien Ferrier noch 1506 eine Pension über sein Mailänder Konto; ASM, Missive 214, c. CCXXXII

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einen dem Hof des Königs folgte, zum anderen aber auch an dem vom Januar 1504 bis März 1505 dauernden Prozeß gegen den Marschall de Gié vor dem Parlament von Toulouse teilnahm30, muß Leonardo Bartolini vor dem 24. Juli 1504 in Frankreich jene 400 Scudi di sole von Seyssel erhalten haben, die er ihm im Oktober durch Pierantonio da Fossano wieder auszahlen ließ. Die gleiche Summe wurde ihm dann aus Mailand durch Salvestro Guardi zugewiesen, indem dieser sie auf Anweisung Bartolinis in Form eines Wechsels ‚auf Claude de Seyssel zog bzw. auf Bartolini selbst, damit er Seyssel das Geld persönlich geben könne‘ – so die Präzisierung Salvestros. Diese an sich nicht spektakulären Finanzvorgänge bezeugen eine tiefere, nicht belanglose Bindung zwischen dieser Mediceer-Bank und einem wichtigen Rat des französischen Königs, denn Seyssel wird neun Jahre später eine zentrale Vermittlungsfunktion zwischen der Medici-Kurie und Frankreich zugewiesen. Nicht nur die über den Bartolini laufenden Zahlungen an Claude de Seyssel, auch die zahlreichen weiteren Finanztransaktionen, bei denen sich Sébastien Ferrier zugunsten Dritter oder wegen der Gewährung erheblicher Kredite ebenfalls auf die Lyoner und Mailänder Bartolini-Bank stützte, lassen den Schluß zu, daß diese stark in die französische Finanzverwaltung des Herzogtums Mailand eingebunden war. Dies belegen auch Wechselbriefe Bartolinis für den seit 1502 in Mailand amtierenden, aus Frankreich stammenden Schatzmeister und Generaleinnehmer Antoine Turpin, die Salvestro Guardi sofort an ihn weiterleitete.31 Inwieweit sich bei all diesen Geldtransfers öffentliche mit privaten Interessen vermischten, ist schwer zu bestimmen. Nehmen wir wenige Beispiele, um Umfeld, Kontext und Dimensionen zu veranschaulichen. Dem offenkundig als Mitarbeiter Sébastien Ferriers tätigen Giovanni Angelo Rosato wurde am 25. September 1508 der Eingang einer beträchtlichen Summe von 2.200 Scudi di sole als Guthaben verbucht, die 10.670 mailändischen Lire imperiali bzw. 2.100 römischen Kammerflorenen entsprachen. Dieses Geld gab Salvestro Guardi in bar seinem in der Mailänder Bartolini-Bank wirkenden Mitarbeiter Raffaello Gherardini, der es mittels eines Wechselbriefes in Rom den Prokuratoren des seit 1503 amtierenden Bischofs von Soissons, Claude de Louvain, auszahlen sollte, der wiederum ein Bruder des königlich-französischen Kastellans von Mailand war. Wozu das Geld diente, wird uns nicht berichtet – vermutlich zur Begleichung kurialer Schulden –, wohl aber, daß Sébastien Ferrier als französischem Général des finances die Summe als Schuld zugeschrieben wurde und daß er sie über Giovanni Angelo Rosato an Salvestro Guardi zurückzahlte.32 Dieser Vorgang spielte sich also in einem hochrangigen königsnahen Umfeld ab. (dort sind z. B. auch 60 Scudi verzeichnet, die Ferrier in Asti vom französischen Général des finances [Pierre] Briçonnet einziehen ließ, die für Seyssels bereits erwähnte Gesandtschaft vom Sommer 1502 an die Bentivoglio dienten, als er diese des französischen Schutzes vor Cesare Borgia versicherte; vgl. oben S. 575f. 30 Vgl. Caviglia, Seyssel, S. 88f. 31 ABS, Lettere, mazzo I, 5.11.1504 (Salvestro Guardi aus Mailand an Leonardo Bartolini in Lyon); zu Turpin vgl. Arcangeli, Esperimenti, S. 293, Anm. 136. 32 ASM, Missive 214, c. 17, LXII, 98, CXIX.

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Am 11. September 1508 erhielt Gian Angelo Rosato hingegen im Auftrag des Salvestro Guardi von Raffaello Gherardini 400 Scudi di sole in bar, die als Kredit für Sébastien Ferrier bestimmt waren und für welche Guardi als Gläubiger registriert wurde.33 Für den Oktober 1507 fallen uns allein sechs Posten auf, bei denen Sébastien Ferrier von Alessandro Ferreri hohe Geldbeträge erhielt (insgesamt ca. 22.000 Lire imperiali), die Ferreri jedesmal durch Lyoner Wechselbriefe Leonardo Bartolinis (bzw. einmal durch Guardi in Mailand) zur Verfügung gestellt wurden und für die Sébastien in fünf Fällen Alessandro, in einem Leonardo als Gläubiger registrierte.34 Bemerkenswert ist, daß Leonardo vier dieser Wechselbriefe direkt auf den Général Sébastien trassierte, daß also nicht seine oder eine andere mailändische Bank der Bezogene, der Trassat war, sondern der Finanzgeneral selbst! Dies bekräftigt die Annahme einer strukturellen Einbindung der Bartolini-Bank in die Operationen der mailändisch-französischen Finanzverwaltung. Es ist unwahrscheinlich, daß diese Beträge allein persönlich-privaten Zwecken Ferriers gedient haben sollten. Die Involvierung in öffentliche Aufgaben und Ziele zeigt beispielsweise ein Vorgang vom August 1509 an, als Raffaello Gherardini für Salvestro Guardi in Bergamo zweimal insgesamt 6.000 Lire imperiali einzog, die freilich per conto des monsignore generale bestimmt waren und von Guardi deshalb an Ferrier gezahlt wurden.35 Offenkundig wurde die – vermutlich selbst als Steuerpächter aktive – Bartolini-Bank an der Steuereinziehung im Herzogtum beteiligt. Guardi stand damals auch mit mehreren Posten als Gläubiger in Ferriers Rechnungsbuch, bei denen er z. B. für den Général des finances – augenscheinlich mit einem offiziellen französischen Auftrag – Geld an den Genuesen Domenico Lomellini zahlte. Schuldner der Bartolini-Bank war Ferrier etwa für Seide, die man Jacques de Chabannes, Seigneur de la Palice und Marschall Frankreichs, geliefert hatte, aber ebenso wegen einer Pension, die der Bischof von St-Jean-de-Maurienne, Louis de Challant, von einem Priorat erhielt, oder wegen 69½ Barili Weißwein, den die Mönche von Morimondo für das Jahr 1509 bis 1510 bekamen, oder schließlich wegen verschiedener Kuriengebühren, die Guardi für Ferrier und dessen Sohn Jean Etienne, den Kardinal und Erzbischof von Bologna, in Rom begleichen ließ.36 Die in den letzten Vorgängen evidenten privaten Interessen kamen auch zum Tragen, wenn Salvestro Guardi und Leonardo Bartolini per conto Ferriers dessen finanzielle Verpflichtungen bei Stefano Capris, dem Général des finances des Herzogs von Savoyen, erledigten.37 Salvestro Guardi erscheint in Ferriers Rechnungsbuch tatsächlich als dessen Finanzpartner, der alle anderen in den Schatten stellte. Und selbst wenn Leonardo Bartolini bei manchen Vorgängen nicht explizit als Beteiligter genannt wird, involviert war er jedesmal. Denn Guardi war wie gesagt der Filialleiter bzw. maßgebliche Repräsentant Bartolinis in Mailand, von dem er laufend briefliche Anweisungen erhielt, gegenüber dem er mit

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ASM, Missive 214, c. 63. ASM, Missive 214, c. 74. ASM, Missive 214, c. 119. ASM, Missive 214, c. CXIX–CXX. Vgl. etwa ASM, Missive 214, c. CXXXIII, 228.

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Briefen ständig genauestens Rechenschaft über sein Handeln ablegte. Verdichtet wurde diese Verständigung noch durch Missionen Piero Bartolinis, der im Auftrag Leonardos mit Bündeln von Briefen und mit besonderen Aufgaben zu den einzelnen Finanzplätzen geschickt wurde, oder eben, wie mehrfach zu beobachten, auch durch die persönliche Anwesenheit Leonardo Bartolinis in Mailand. Dabei verstand sich dieser jedoch nicht primär als Organ des obersten französischen Schatzmeisters im Herzogtum Mailand, sondern verfolgte zugleich seine eigenen Belange, wie die Angaben Salvestro Guardis in seinen Briefen zeigen. Große Bedeutung haben offenkundig Wechselbriefgeschäfte eingenommen, die Guardi in Mailand selbst oder über Mailand in Venedig, Genua und Rom abzuwickeln hatte. Als Finanzpartner im Mailändischen werden z. B. Gian Ambrogio Balbi und Vertreter der Familie Beolchi genannt, beides sehr bekannte Namen der lombardischen Finanzwelt, Finanziers der französischen Krone im Herzogtum auch sie.38 Als Partner der Bartolini-Bank in Venedig erscheinen der Genuese Bernardo Salvago (Salvacho), vor allem aber der dortige Florentiner Medici-Vertreter Matteo Cini, der auch zu den anderen Mediceer-Banken, etwa in Florenz und Rom, engste Verbindungen unterhielt. Die Finanzoperationen mit den genuesischen Salvago, Grimaldi und Sauli sowie generell mit dem unter französischer Herrschaft stehenden, gleichfalls von Sébastien Ferrier verwalteten Genua verweisen erneut auf Bartolinis Einbindung in die französische Finanzadministration in Oberitalien, die seinen unternehmerischen Plänen offenkundig äußerst förderlich war. Diesen Kaufleuten wären noch die in den BartoliniRechnungsbüchern häufig genannten Lomellini hinzuzufügen. Sie alle waren Kaufleute aus Genua, die nicht nur auf dem Mailänder Finanzplatz mit den Bartolini kooperierten, sondern auch für den von Sébastien Ferrier verantworteten Finanzverkehr der französischen Krone mit (dem französischen) Genua eine wichtige Rolle spielten.39 Selbstverständlich bestanden Bartolinis Geschäfte nicht nur aus Finanzaktionen, sondern auch aus Warenhandel. Eine dies bezeugende Momentaufnahme gibt uns Guardi für den November 1504, als er Leonardo bestätigt, daß dessen jüngerer Bruder Zanobi ihm in Mailand ein Bündel Wolltuche dagelassen habe.40 Zu den Gefälligkeitsdiensten gehörten Brieftransporte für Freunde. Daß in einem der drei Briefe Guardis von Ende 1504 aber ausgerechnet Antonio Maria Sanseverino als Begünstigter begegnet, will uns als Bestätigung unserer Erkenntnisse über die Struktur des Netzwerkes erscheinen. Am 13. November 1504 schrieb Guardi dem Bartolini in einem kurzen Brief, daß er auf der Messe in

38 Vgl. etwa Arcangeli, Esperimenti, S. 263, Anm. 25, S. 302f., 310f. und Anm. 193, S. 313 usw. 39 Zu den Salvago und Lomellini vgl. etwa Mainoni, Alcune osservazioni, S. 348, Anm. 35; zu den

Grimaldi und Lomellini: Arcangeli, Esperimenti, S. 291, 306. Zu den Lomellini, die in den Büchern von Leonardo di Bartolomeo z. B. 1507 in Bezug zu Guglielmo Lamellia in Rouen erscheinen (über sie ließ er Geld an Lamellia transferieren), vgl. ABS 199, c. 11. Die Brüder Matteo und Battista Lomellini aus Genua hatten – zweifellos aufgrund ihrer Nähe zum französischen Hof – am 25.5.1510 das Mailänder Bürgerrecht erhalten; vgl. Pélissier, Registres (1896), S. 91. 40 ABS, Lettere, mazzo I, 5.11.1504 (Salvestro Guardi aus Mailand an Leonardo Bartolini in Lyon).

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Mailand Leonardos Zahlungswünschen durch eigene Duplikate gefolgt sei, so wie es nötig gewesen sei, und daß Piero Bartolini an jenem Tag erschienen sei, und daß er, Guardi, ein Briefpaket Leonardos vom 28. Oktober erhalten habe. Die für Venedig bestimmten Wechselbriefe habe er sofort weitergeleitet; ebenso habe er unverzüglich messer Antonio Maria Sanseverino das ihm von Leonardo gesandte Päckchen mit Briefen gegeben und werde ihm die Antwort Sanseverinos senden. Auch diese Information birgt eine private wie politische Komponente. Antonio Maria Sanseverino hatte sich mit seinem Bruder Gianfrancesco als erster der weltlichen Sanseverino-Brüder noch zu Regierungszeiten Ludovico il Moros, erstmals 1495, in französische Dienste begeben, wurde – möglicherweise durch Intrigen Giangiacomo Trivulzios – wieder an den Sforza-Hof gedrängt, wirkte jedoch seit 1503 als Offizier für Frankreich, bis zur Niederlage am Garigliano auch zusammen mit Piero de’ Medici in Süditalien. Von 1504 bis 1506 hielt er sich mit einem festen Kontingent an Lanzenreitern vorwiegend in Mailand auf, wie es uns auch der Brief Salvestro di Dinos bestätigt, der zudem eine regelmäßige, selbstverständliche Briefverbindung indiziert, durch welche der Sanseverino über die Lyoner Bartolini-Bank Briefe aus dem Königreich erhielt. Diese Post diente nicht allein dem Offizier des französischen Königs, sondern eben auch dem Bruder Federico Sanseverinos und dem Helfer der Medici, jenem Antonio Maria Sanseverino, der im März 1495 vom Moro den Palast Piero de’ Medicis in Mailand erhalten hatte, der im Juli 1495 und vor allem im Juli 1497 mit seinen condotte in Siena das Medici-Heer verstärkt und die Florentiner in Angst versetzt hatte, der dann im Dezember 1497 verkleidet aus Siena nach Rom in das Haus seines Bruders Federico gekommen war, wo üblicherweise auch Piero de’ Medici wohnte und wo damals zusammen mit Venedig ein neuer großer Angriff auf Florenz geplant wurde.41 Das einzelne Zeugnis für die von Leonardo Bartolini über Lyon nach Mailand unterhaltene Postverbindung zu dem Mailänder Adligen und französischen Offizier erhält in einem problemorientierten größeren Kontext demnach eine erhebliche qualitative Dimension. Es verdichtet unsere Netzwerkverbindungen zwischen den Bartolini und Sanseverino und damit immer zugleich zu den Medici, füttert die konstituierenden Kategorien „Vertrauen“, „Frankreichbindung“ sowie „Intensität“. Diese wachsende und vielfältige Integration der Lyoner Bartolini-Bank in die französische Finanzwelt und Politik ist im mailändischen Raum offenkundig durch Sébastien Ferrier gefördert worden, der den Bartolini aus seiner Dienstzeit am savoyischen Hof bestens kannte – wir werden noch genauer darauf eingehen – und ihn im Jahr 1500, also gleich mit Beginn der endgültigen französischen Herrschaft über Mailand, in sein Finanzsystem integrierte, möglicherweise sogar als Partner. Auf jeden Fall erfolgte die Etablierung erst nach der französischen Okkupation; sie muß von Ferriers Mentor Georges d’Amboise protegiert worden sein. Trotz dieser Konnotationen konnte die Mailänder Filiale jedoch ohne den maßgeblichen Willen der Florentiner Zentrale nicht gegründet worden sein. Festzuhalten haben wir weiterhin, daß Leonardo di Bartolomeo Bartolini 41 Vgl. oben S. 426f., 462–464.

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über Salvestro Guardi bzw. Alessandro Ferreri von Beginn an ebenfalls in die Pachtgeschäfte im Herzogtum eingestiegen war. Dieser Sachverhalt wird mit Blick auf Leonardos exzeptionelle Pacht der wichtigsten Benefizien Federico Sanseverinos, d.h. eben auch der lombardischen, nachdrücklich in Erinnerung zu behalten sein. Zunächst jedoch müssen wir zum Ausgangspunkt Lyon zurückkehren, um von dort in den Norden Europas zu blikken. Die Bartolini-Filiale in London Am 22. Mai 1501 sandte der große Bankier und Kaufmann Agostino Chigi aus Rom einen Brief an die Londoner Gesellschaft des Bartolomeo del Rosso, in welchem er am Schluß sogar eigenhändig einige Zeilen schrieb, die ihm wichtig waren.42 Chigi bestätigte, zwei Briefe von ihr erhalten zu haben, mit denen sie ihn über die Neugründung dieser ragione informiert habe, was ihn sehr erfreue, sei er doch Leonardo di Bartolomeo Bartolini sehr verbunden. Er bedankte sich auch über die Mitteilungen, wie sich der Preis für Alaun entwickle. Dann griff er selbst zur Feder, um die neue Gesellschaft in London wissen zu lassen, daß er prinzipiell nur ungern seinen Namen mit anderen in eine Firma einbringe, außer mit teuren Freunden, als welchen er die Del Rosso-Gesellschaft mit Blick auf Leonardo Bartolini erachte. In Kürze sei vielleicht eine Änderung des Namens möglich. Abschließend ging er noch auf Gespräche ein, die er vor kurzem mit ‚seinem‘ Leonardo geführt hatte. Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte zum 25. März 1501 in London eine neue Gesellschaft gegründet, die den Namen seines Lyoner Mitarbeiters Bartolomeo del Rosso trug, der sich schon seit 1484 unter der Leitung von Giuliano da Gagliano und anfangs auch Lorenzo Spinelli in der Lyoner Spinelli-/Bartolini-Bank verdient gemacht hatte – ein eindeutiger Mediceer. Als Kapital erhielt die Londoner Firma von der Lyoner BartoliniBank 1.000 Pfund Sterling (Lire starlini) bzw. 5.000 Scudi; ihre Dauer war auf fünf Jahre festgelegt worden. In den 5.000 Scudi waren 500 Scudi enthalten, die Carlo Ginori unter dem Namen seines Schwagers Leonardo einbrachte, weshalb er mit einem Zehntel an dessen Profit partizipierte. Der Gewinnanteil Leonardos ist am Anfang mit 14 Soldi pro Lira (bzw. 70%) angegeben worden, obwohl seine Bank das gesamte Kapital gab; bei der Saldierung 1506 hieß es hingegen, er sei mit 16 Soldi pro Lira und somit 80% am Gewinn beteiligt. Bartolomeo di Pierozzo del Rosso, der fast bis zum Schluß diese ragione in London führte, soll am Schluß mit vier Soldi pro Lira bzw. 20% partizipiert haben. Doch die 1.000 Scudi, die ihm demzufolge damals aus dem Kapital zugestanden wurden, bekam er nicht ohne weiteres in die Hand. Am 20. Oktober 1510 entschied die Lyoner BartoliniBank, Rosso solle 500 Scudi als ‚Geschenk‘ erhalten, da er ca. fünf Jahre ihr Kompagnon sein ‚mußte‘(!) (d.h. von 1501–06 in London) und gut gedient habe und da er ein Fünftel als Anteil in den corpo gegeben und in der gleichen Weise vom Gewinn erhalten habe,

42 ABS, Lettere, mazzo II, 22.5.1501 (Agostino Chigi aus Rom an Bartolomeo del Rosso e compa-

gnia di Londra).

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obwohl Bartolomeo Bartolini als principale compagno mit dieser Regelung nicht einverstanden gewesen sei. Diese insgesamt 1.500 Scudi blieben jedoch als credito auf einer Art Festgeldkonto (conto fermo) der Lyoner Bartolini-Bank, die den Betrag in den folgenden zwei Jahren an Bartolomeo del Rosso auszahlen wollte.43 Doch ein regulärer Teilhaber erhielt als Gewinnanteil keine Geschenke, sondern exakt den Betrag, der ihm gemäß der im Vertrag festgelegten Rate zustand und der mit bestimmten Schulden und Guthaben verrechnet werden konnte. Dies alles aber war bei Bartolomeo del Rosso nicht der Fall. Auch der Hinweis, daß Bartolomeo Bartolini 1501 die für Rosso festgelegte „Teilhaberschaft“ nicht bzw. nicht in dieser Form gewollt habe, zeigt deutlich – selbst wenn Bartolomeo überstimmt wurde –, daß diese neue Londoner Bartolini-Firma erneut aus Florenz gesteuert wurde und von dort ihr Kapital (aus welchem Topf auch immer) zugewiesen erhielt. Chigi bezeugte ja, daß sich Leonardo Bartolini vor der Gründung dieser Londoner Gesellschaft in Rom aufgehalten hatte – und demzufolge zudem in Florenz gewesen sein mußte. Bartolomeo del Rosso ‚mußte‘ pro forma als Teilhaber in die Gesellschaft eintreten; dies wurde ihm als Mitarbeiter demnach befohlen. Neben seinem Gehalt erhielt er gleichsam als Provision das Geschenk von 500 Scudi, und die 1.000 Scudi für das Kapital wird er – analog zu den anderen Kapitaleinlagen „delegierter“ Teilhaber – nicht aus eigenen Mitteln beigesteuert haben, denn über sie durfte er nicht selbst verfügen! Diese Mediceer-Niederlassung in London war die Konsequenz mehrfacher Aufenthalte in London und eines längeren geschäftlichen Engagements im Norden. Bereits Ende 1495, kurz bevor Giuliano da Gagliano nach mehr als 13 Jahren seinen Dienst in Lyon beendete, mußte Bartolomeo del Rosso nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Florenz über Lyon kurz nach London und zurück nach Lyon reiten.44 So wie seine Reise nach Florenz im Spätsommer oder Herbst 1497 (im Anschluß an Lorenzo Tornabuonis Hinrichtung) erfolgte Leonardo Bartolinis kurz darauf begonnener Ritt nach Brügge und London für die Belange seiner ragione, wiederum auf offenkundige Anweisung aus Florenz! Von Februar bis Mai 1498 unternahm er sie, mit zwei Pferden und in Begleitung eines Dieners. Auf dem Rückweg kaufte er in Nordfrankreich (v. a. in Lille) hochwertige Stoffe für seine Lyoner Kammer und suchte auch Paris auf.45 Leonardos Passage von Flandern nach London hatte einen besonderen Grund. Denn nachdem Bartolomeo del Rosso in der ersten Jahreshälfte 1496 nach der Abreise von Giuliano da Gagliano die Lyoner Tarnbank des Bartolomeo Bartolini kommissarisch leitete, im Sommer die Kasse schloß und den Haushalt zum Teil auflöste (die Kontensaldierung erledigte Giuliano in Florenz), war er von seinen maggiori als ihr Mitarbeiter nach London geschickt worden, so wie man viele Jahre vorher Piergiovanni Bottegari nach 43 ABS 197, c. LXIII, 64/LXIIII; ABS 198, c. 6/VI; ABS 108, c. 7, VIII; ABS 200, c. II. 44 ABS 107, c. XXII. 45 ABS 197, c. 33, 38, 41; ABS 231bis, c. 9 (die Gesamtspesen für die im Dienst der Bank zwi-

schen dem Oktober 1496 und Juni 1499 unternommenen Reisen nach Montpellier, Florenz und dann nach Brügge und London betrugen 180 Scudi – e sempre è andato pelle facciende e occorentie della ragione).

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Montpellier und vier Jahre später Salvestro di Dino Guardi nach Mailand sandte. Im November 1495 hatte Rosso diesen Aufenthalt also nur kurz vorbereitet; im Sommer 1496 ging er für viele Jahre. Seine Position in Lyon nahm der aus der Florentiner BartoliniBank entsandte Leonardo di Bartolomeo Bartolini ein, der anfangs auch nur mit einem Kapital von 4.000 Scudi als Beauftragter der Florentiner Mediceer Profite erwirtschaften sollte. Die gleiche Funktion hatte man Bartolomeo del Rosso in London zugedacht, wo er vor allem in Wechsel- und Warengeschäften zu agieren hatte. 1498 reiste Leonardo Bartolini zu ihm, um ihm zu erklären, daß es von nun an eine compagnia des Leonardo Bartolini in London geben werde, für die Rosso wie bisher zu handeln habe.46 Übertrug man ihm in England wiederum einen gewichtigen Verantwortungsbereich, so gab er doch auch Anlaß zur Kritik. Giuliano da Gagliano hatte nach Saldierung aller Konten der formal von ihm übernommenen Lyoner Bartolini-Bank ein Defizit von 144 Scudi entdeckt, für das er Bartolomeo del Rosso verantwortlich machte, den er deshalb mit dieser Summe als Schuldner seiner ragione del libro azurro segnato E dei Bartolini di Lione attenente a me proprio verzeichnete. Da sein ehemaliger Mitarbeiter den Betrag nicht bezahlen wollte, mußte Giuliano im November 1499 sogar einen Prozeß bei der mercatantia in Florenz gegen ihn anstrengen, wobei er sich die Gerichtskosten wie üblich von der Mediceer-Bank des Giovanni d’Ambra bezahlen ließ, deren so verdeckte wie zentrale Funktion durch diesen Vorgang bestätigt wird. Rosso mußte deswegen persönlich in Florenz erscheinen, erhielt aber wegen seines Aufenthaltes in London eine Frist von sechs Monaten bis zum 28. Mai 1500, nach welcher er tatsächlich als Debitor verurteilt wurde.47 Die bereits angesprochene Unzufriedenheit Bartolomeo Bartolinis über Bartolomeo del Rosso wird auch in diesem Vorfall begründet gewesen sein. Seine Aufgabe in London verlor er dadurch allerdings nicht. Bis zum März 1501 diente er lediglich als Bartolomeo del Rosso di Londra in der Londoner Bartolini-Gesellschaft; 1501 gab er dieser compagnia dann seinen Namen, nicht aber ihre Gestalt. Ob die Londoner Bartolini-Gesellschaft von 1498 bis 1501 ebenfalls schon über 5.000 Scudi Kapital verfügte und wie die Teilhaberschaft geregelt wurde, wissen wir nicht. Allein für das erste Geschäftsjahr 1501/02 konnte Leonardo Bartolini einen für ihn persönlich deklarierten Gewinn von 1.450 Scudi bzw. 290 Pfund Sterling aus der Londoner Del Rosso-Gesellschaft ziehen, die ihm jährlich buon conto und bilancio vorlegen

46 Beispiele in ABS 197, c. 11/XI (Konto Bartolomeo di Pierozzo del Rosso di Londra, z. B.

Wechselgeschäft zwischen Lyon und London für Lyoner Bartolini-Bank und die Gesellschaft von Antonio Pivi und Alessandro Colombini in Lyon), XLV (Wechselgeschäft für Bartolomeo Bartolini zwischen Florenz, Lyon und London), XLVI (Bartolomeo del Rosso nun, für 1500 bezeugt, für die Londoner Gesellschaft des Leonardo Bartolini tätig, wobei in das damalige Wechselgeschäft mit Lyon auch Francesco Naldini involviert war). 47 ASP IV/6, c. 48v/49r, 95v, 97v (Agnolo di Pierozzo del Rosso konnte für seinen Bruder Bartolomeo diese Fristverlängerung bei Giuliano erwirken, der ja auch nur im Auftrag seiner „Vorgesetzten“ handelte; am 15.7.1500 wurde Giuliano vom Gericht mit 112 Scudi di marca zum Gläubiger von Bartolomeo del Rosso erklärt).

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mußte.48 (Wenn dieser Betrag den gesamten Profit ausmachte und auf das gesamte Kapital bezogen wurde, hatte man in jenem Jahr für London eine Rendite von 29% erzielt.) Im September 1502 verstärkte Zanobi di Bartolomeo Bartolini die Londoner Del RossoGesellschaft. Damals erhielt er von seinem Vater (wie seine anderen Brüder vor und nach ihm) ein Darlehen von 390 Scudi, um damit Gewinne zu erwirtschaften und ein uomo da bene zu werden. Im Mai 1504 kehrte er dann in die Lyoner Bartolini-Bank zurück, wo er die nächsten Jahre bleiben und sein damaliges Jahresgehalt von 50 Scudi kontinuierlich bis 1511 auf 90 Scudi steigern wird.49 Zanobi Bartolini hatte seit dem Oktober 1499 an der Seite seines älteren Bruders Leonardo in der Lyoner Bartolini-Bank gearbeitet und seit dem März 1500 die Kasse und il conto di cassa geführt. Diese wichtige Position hatte vorher (spätestens vom 1. Juni 1498 bis zum 10. Januar 1500) der 1471 geborene Manno di Francesco di Ser Manno Temperani bekleidet, dem dann für kurze Zeit Leonardo Bartolini persönlich folgte.50 Zanobi war 1499 von Leonardo aus Florenz mitgenommen worden, denn dorthin war dieser im Sommer 1499 mit drei Pferden und drei Personen aus Lyon gekommen.51 Der Anlaß für Leonardos erneute Reise nach Florenz war in der Substanz der gleiche wie zwei Jahre vorher im Herbst 1497: Damals war mit dem Verrat an den Florentiner Mediceern und der Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis und vier weiterer Mediceer das System in eine akute Krise geraten; im Sommer 1499 hatten die Medici-Feinde hingegen entdeckt, daß Bartolomeo Bartolini bei der Zecca, bei den Otto di Pratica und in all seinen sonstigen Handlungen für Piero de’ Medici gewirkt hatte. Für das, was er für Piero noch ‚in seiner Hand hielt‘, mußten Bartolomeo und sein Partner Francesco Bottegari aber lediglich 1.800 Fiorini Strafe innerhalb eines Jahres zahlen – die sie, wie gesehen, aus den Kassen der alten Medici-Seidengesellschaft nahmen. In dieser substantiellen Tatsache sind nicht nur die geschäftlichen Prozesse in Lyon und London zu verorten, sondern auch die in Florenz selbst und in Rom, denen wir uns nun zuwenden müssen. Erst dann können wir die materielle

48 ABS 197, c. LVII. 49 ABS 266 (persönliches Geschäfts- bzw. Haushaltsbuch des Zanobi Bartolini, 1502–48), c. 12,

15, 36, 43/XLIII. 50 Vgl. ABS 198, c. III–IIII. Im Haus von Ser Manno di Giovanni di Temperano Temperani hatte

um 1450 Piero da Gagliano gewohnt, in ihm war dessen Sohn Filippo zur Welt gekommen. Ser Mannos Söhne Lorenzo und Francesco Temperani waren Mitarbeiter der Florentiner Bartoliniund Ambra-Bank bzw. (wie oben dargestellt) der Lyoner Bartolini-Bank, ihr Bruder Temperano Temperani war uns Anfang 1495 an der Seite von Bartolomeo Bartolini und Giuliano da Gagliano in Lyon begegnet, und über einen weiteren Bruder, Piero di Ser Manno Temperani, berichtete Cerretani, er habe 1506/07, ebenso wie einige Jahre vorher ein Mitglied der MorelliFamilie, den Florentiner Monte betrogen (offenbar zugunsten der Medici), und beide seien deswegen verbannt worden; Cerretani, Ricordi, S. 136. Die Familie Temperani gehörte zu den alteingesessenen Patrizierfamilien in Florenz und konnte auch nach 1494 hohe Ämter in Florenz einnehmen, u. a. als Ufficiali del Monte; vgl. etwa Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 144, 167, 177; Butters, Governors, S. 36. 51 ABS 197, c. 44, 45 (zur Reise Leonardos nach Florenz und zur Rückreise nach Lyon mit Zanobi); ABS 198, c. IIII (Zanobi als Kassenführer vom 31.3.1500–1.6.1501).

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Seite der Mediceer-Geschäfte genauer analysieren, denn sie erfolgten stets im Verbund aller ihrer ragioni und Mitarbeiter.

b) Die Florentiner Lanfredini-Gesellschaft: Nachfolgerin der zentralen Medici-Erben-Bank Die Florentiner Bank des Lanfredino Lanfredini und seiner compagni bleibt, gewiß nicht von ungefähr, bisher am undurchsichtigsten. Über sie wird selbst in den MediceerQuellen, zumindest für ihre Anfangszeit, kaum etwas berichtet, erst recht nicht über ihre Struktur. Dafür gab es allerdings überzeugende Gründe. Sie ist nämlich als direkte Nachfolgerin und Erbin der Florentiner Medici-Erben-Bank und damit als Kopf der übrigen Mediceer-Firmen anzusehen! Wer sie leitete, führte in einem Florenz, das von MediciFeinden dominiert und regiert wurde, wahrlich einen Drahtseilakt in großer Höhe durch, für den Vorsicht, Umsicht und eine gewisse Anpassungsfähigkeit unabdingbar waren. Auf entsprechende Zeugnisse werden wir ebenso wie auf solche für ihre Beziehung zu den Medici immer wieder im weiteren Verlauf der Arbeit stoßen; hier soll zunächst die Struktur der Bank erörtert werden. Das vermutlich zweite oder dritte Geheimbuch von Lanfredino Lanfredini e compagnia del bancho di Firenze ist im Archiv der Bartolini Salimbeni überliefert und betrifft eine erstaunlich lange Laufzeit vom 1. Januar 1508 bis zum 1. November 1516.52 In ihm wird ausdrücklich erklärt, daß die mit diesem Buch beginnende Gesellschaft ihre frühere bzw. vorherige fortführte. Die Teilhaber hießen Lanfredino Lanfredini, Giovanbattista di Marco Bracci und Giovanni di Bartolomeo Bartolini. Jeder von ihnen war mit einem Drittel (6 Soldi, 8 Denari pro Lira) am Gewinn beteiligt, doch die Höhe ihres Kapitalbeitrags wird, für ein libro segreto sehr ungewöhnlich, nicht mitgeteilt.53 Allerdings erfahren wir, daß Giovanni Bartolini als Leiter der Florentiner Zecca eine Hälfte seines dort erzielten Gewinns an die Lanfredini-Bank abführte, während er die andere Hälfte für sich auf ein durch diese Bank geführtes Sonderkonto mit der Signatur „Z“ einzahlte – immerhin jeweils 700 Fiorini vom 1.1.–23.12.1507!54 Dieses Verfahren folgte also immer noch jenem, das Lorenzo de’ Medici 1482 für Bartolomeo Bartolini und die unter dessen Namen firmierende Bank festgelegt hatte! Allerdings hatte Bartolomeo den gesamten Gewinn aus der staatlichen Münze an „seine“ Bank, d.h. an den Medici, zu geben. Da Giovanni 1509 von einem dritten Jahr sprach, in welchem es aber keinen Gewinn gab (wäh52 ABS 92 (libro piccolo segreto di Lanfredino Lanfredini e compagnia del bancho di Firenze,

ohne Signatur). 53 In der zum 1.11.1516 terminierten Lanfredini-Gesellschaft della ragione nuova gaben die drei

Brüder Giovanni, Zanobi und Gherardo Bartolini jeweils 2.666, 13, 4 Fiorini in den Kapitalstock (wodurch sie einen Anteil von 13 Soldi und 4 Denari pro Lira erhielten, der durch drei zu teilen war), während Lanfredini 3.000 Fiorini gab (und mit 5 Soldi pro Lira bzw. 25% partizipierte) und der langjährige Mitarbeiter Giovanni Carducci 1.000 Fiorini (1 Soldo und 8 Denari pro Lira als Anteilsrate); ABS 210bis, c. 28. 54 ABS 210bis, c. X.

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rend er 1511 gar 800 Fiorini betrug), begann mit der neuen ragione 1507/08 ein eigener, aus dieser Verzahnung zwischen der Zecca und der Lanfredini-Bank resultierender Buchungszyklus, nicht aber das auf Giovanni bezogene Verfahren als solches. Denn da Giovanni bereits Anfang 1504 zu den Teilhabern der Lanfredini-Bank gehörte – dies ergibt sich aus seiner sowie Lanfredinis und Braccis Teilhaberschaft an der Bank des Carlo Ginori55 – und da Giovanni ein halbes Jahr vorher, zum zweiten Semester 1503, für seinen Vater die Nachfolge als ‚Meister‘ und ‚Provisor‘ der Zecca angetreten hatte, wird er seit dieser Zeit seine Gewinne aus der Münzanstalt an die Lanfredini-Bank abgeführt haben. Ob die staatlichen Kontrollorgane gewußt haben, daß die Gewinne oder (vermutlich eher zutreffend) ein Teil der Gewinne der Lanfredini-Bank zugute kam, die kaum erklärtermaßen für die Kommune gewirkt haben wird, dürfte sehr zu bezweifeln sein. Offensichtlich handelte es sich um Profite, die wiederum heimlich aus der Münze abgezogen wurden, um sie einer Mediceer-Bank zuzuführen.56 Die Koinzidenz zwischen der ersten Nennung von Giovanni Bartolinis Teilhaberschaft an der Lanfredini-Bank und dem Beginn seines Amtsantrittes als Zecca-Meister läßt die Schlußfolgerung zu, daß Giovannis Vorgänger in der Zecca zugleich sein Vorgänger in der Bank gewesen war. Bartolomeo Bartolini dürfte also bis Mitte 1503 Partner seiner beiden Verwandten Lanfredini und Bracci gewesen sein; und es spricht mit Blick auf das für seinen Sohn eruierte Verfahren viel dafür, daß Bartolomeo seit 1499, als seine für die Medici ausgeübten Zecca- und sonstigen Funktionen entlarvt wurden, die Zecca-Gewinne statt in die Bartolini- nun in die Lanfredini-Bank schleuste – zumal Lanfredino genau 1500 sein Schwiegersohn wurde. Aus Altersgründen beendete er also seine Teilhaberschaft an der Lanfredini-Bank, um diese – mitsamt seinem Amt in der Zecca – seinem ältesten Sohn zu übertragen. Im Dezember 1505 beendete er dann auch seine Beteiligung an der Lyoner Bartolini-Bank. In Bartolomeos Florentiner Bank, die er (ebenfalls) für Piero de’ Medici betrieb, zählte Giovanni schon 1496 zu den Seniorpartnern, den maggiori, und damit zum harten Kern der Florentiner Mediceer, die in die geheimsten Finanzpraktiken eingeweiht waren.57 Deshalb führte Giovanni in ihr im September 1496 auch ein Konto für zwei anonyme Freunde, die mit ihren Siglen „L“ und „F“ in diesem Kontext jedoch klar als Lanfredino Lanfredini und Filippo da Gagliano identifiziert werden können.58 Die Lanfredini-Bank war also gleichsam ein Familienunternehmen führender

55 S.u. S. 788f. 56 Sollte es sich bei jenen ‚Gewinnen‘ (avanzi della zecca) nur um ein jährlich variierendes Gehalt

Giovannis gehandelt haben, wäre immer noch zu hinterfragen, warum er davon die Hälfte an die Bank abgeben mußte. Daher spricht viel für eine Fortführung des alten Systems, das 1484 begonnen wurde und mit der Entlarvung Bartolomeo Bartolinis 1499 eventuell für einige Zeit unterbrochen werden mußte. Zur nahtlosen Amtsübergabe von Bartolomeo auf Giovanni vgl. Bernocchi, Le monete I, S. 424–427, II, S. 482f. 57 Vgl. ABS 210 (persönliches Schuldbuch des Giovanni Bartolini, 1496–98, geführt als Teilhaber der Florentiner Bartolini-Bank), c. XVIII (Giovanni Bartolini proprio nostro magiore ...). 58 ABS 210, c. 7/VII.

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Florentiner Mediceer-Bankiers; nicht von ungefähr gehörte auch Giovannis jüngerer Bruder Gherardo als Mitarbeiter zu ihr. Gianbattista Bracci war mit Sicherheit von Beginn an zusammen mit Lanfredino ein leitender Teilhaber der Lanfredini-Bank, die erstmals 1498 nachzuweisen ist.59 Unmittelbar nach dem Ende der Medici-Erben-Bank, das nach der Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis unausweichlich war, gründeten Lanfredino sowie Lorenzos Generaldirektor Bracci demnach eine neue Bank in Florenz, die eindeutig als Mediceer-Bank fungierte. Ihr Proprium war freilich noch bedeutender: Die Lanfredini-Bank übernahm auf einer hierarchisch-autoritativen und sachlichen Ebene die Funktion der Medici-Erben-Bank und übte wie diese eine Kontroll- und Leitfunktion über die anderen Mediceer-Banken aus! Obwohl entsprechende Verträge oder Erläuterungen (bisher) fehlen, läßt sich diese wichtige, folgenreiche Feststellung durch zahlreiche Indizien und kongruente Zeugnisse begründen. Da diese kontextgebunden vorgestellt und thematisiert werden müssen und hier nicht isoliert subsumptiv aufgeführt werden können, geben wir im Folgenden einen Extrakt aus bereits Behandeltem und noch Darzustellendem. Auf der personellen Ebene ist auf die genannte leitende Teilhaberschaft Gianbattista Braccis und Lanfredino Lanfredinis zu verweisen. Bracci hatte seine hierarchische Position an der Spitze der (alle einzelnen Banken und Produktionsbetriebe umfassenden) Medici-Gesellschaft weder 1494 noch 1497 verloren. Seine Befehlsgewalt über andere Mediceer-Bankiers zeigte sich exemplarisch in seinem Verhältnis zu Francesco Naldini und Giuliano da Gagliano sowie bei seiner Verfügung über das Geheimkonto, das Leonardo di Bartolomeo Bartolini bis 1496 für ihn in der Florentiner Bartolini-Bank führte. Ein solches Konto hatte dieser Bartolini auch für Lanfredino Lanfredini unterhalten, der in der gleichen Weise darüber bestimmte, denn seine hierarchische Führungsposition verdankte auch Lanfredino dem Magnifico persönlich, der ihm kurz vor seinem Tod ebenso wie seinem Intimus Filippo da Gagliano und seiner von Bracci geleiteten Florentiner Bank die neue Goldschläger- und Wollgesellschaft der Medici anvertraut hatte. Lanfredinos Macht spürten wir zum Beispiel, als er im Frühjahr 1495 Cosimo Sassetti zu bestimmten Liquidierungen drängte und Giuliano da Gagliano seit dieser Zeit zahlreiche Geschäftsinstruktionen gab, die bis in die Jahre nach 1500 v. a. Waren und Vermögen der ehemaligen Bank des Bartolomeo Bartolini in Lyon und der Medici-Goldschläger-Gesellschaft betrafen. Bezeichnenderweise sind diese beiden wichtigen Bankiers dann seit 1498 der Lanfredini-Bank zugeordnet bzw. in sie integriert. Die Lanfredini-Bank übte ebenfalls in personeller und institutioneller Hinsicht eine Zentralfunktion aus, und zwar bei bedeutenden Geschäftsbeteiligungen. An der Florentiner Bank des Carlo Ginori waren die drei Teilhaber der Lanfredini-Bank zu gleichen Teilen mit jeweils 25% bzw. 2.000 Fiorini Kapitaleinlage beteiligt; sie hielten in ihr also einen 75-prozentigen Majoritätsanteil und müssen daher als die eigentlichen Herren dieser 59 Vgl. ASP IV/5, c. 37, 58 (zum 12.7.1498 zahlte Giuliano da Gagliano über die Ambra-Bank 3

Fiorini, um für Lanfredino Lanfredini e compagnia eine per Schiff transportierte Warenlieferung im Wert von 100 Fiorini zu versichern).

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durchaus blühenden Bank angesehen werden! (Das Gleiche gilt höchstwahrscheinlich für die seit ca. März 1496 existierende Florentiner Bank des Giovanni d’Ambra.) Eine analoge Dominanz übten sie in der – gemessen am Kapital und an der Wirtschaftskraft – noch größeren Lyoner Salviati-Gesellschaft aus. Denn ihrem Kapitalbeitrag von 5.000 Scudi und ihrer Drittelpartizipation ist das gleichwertige Kapital-, Partizipations- und Bestimmungsgewicht des Francesco Naldini hinzuzufügen, der als verlängerter Arm Gianbattista Braccis nicht nur allein für sich, d.h. für Bracci, Teilhaber dieser Salviati-Gesellschaft war, sondern diese auch leitete. Auch Naldini blieb dabei ein Bankier im Dienst der Medici. Diese Subordination unter die Interessen der Medici – oder vielleicht besser: die Identifikation mit ihnen – wird wohl nirgendwo deutlicher veranschaulicht als bei der gefahrvollen, komplizierten und entsagungsreichen Bewahrung, Verwaltung und Sicherung des mobilen und immobilen Medici-Erbes, das zum Teil für die Medici auf die Tornabuoni und Alfonsina Orsini überging. Egal ob es sich um Gelder handelte, die illegal beim Monte eingelegt wurden, oder um Pretiosen des Medici-Schatzes oder um wertvolle Landgüter der Medici: Stets stehen (auch) nach 1497 die beiden führenden Teilhaber der Lanfredini-Bank und ihre engsten Geschäftspartner (Alamanno und Jacopo Salviati und Carlo Ginori) verantwortlich im Vordergrund – und nur sie! Exemplarisch und signifikant erscheint es uns, daß Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati noch 1517 als Erbverwalter und Kreditoren des 1494 aufgrund seiner eklatanten Betrügereien zugunsten der Medici gehängten Antonio di Bernardo di Miniato Dini – auch die Kurzform Antonio Miniati ist üblich – im Kontext wichtiger Mediceer-Geschäfte bezeugt werden!60 Man darf mit einigem historischen Recht imaginieren, welche Intensität der entsprechende Briefwechsel zwischen den Medici und diesen ihren Vertrauten besessen haben muß, der wie so viele Zeugnisse aus dem geheimsten, weil gefährlichsten Kern verloren, offenkundig zerstört worden ist. (Giulio de’ Medici ermahnte noch 1513 seinen Cousin Giuliano de’ Medici, damals wegen geheimer politischer Verhandlungen mit Frankreich, solch entlarvende Schriftstücke sofort zu vernichten.) Da die Lanfredini-Bank mit größter Wahrscheinlichkeit das alte Kapital der Medici-Erben-Bank, mit Sicherheit aber die leitende Verantwortung für den Medici-Besitz übernahm, erfüllte sie in Florenz auch die Funktion einer zentralen Hausbank der Medici-Familie. Das einschlägige Dokument liegt zwar erst für 1512 vor, als Leonardo di Zanobi Bartolini als Generalprokurator und Bankier des Kardinals Giovanni de’ Medici seinen Herrn und dessen Familie über die Bank seiner drei engen Verwandten finanziell versorgte, doch spricht alles dafür, daß sie diese Funktion in Nachfolge der Medici-Erben-Bank und der des Bartolomeo Bartolini auch vorher schon versah. Denn sowohl ihre Dienstleistung für die Finanzen und Finanzierung der exilierten Medici als auch ihre Obergewalt über einen so gewichtigen MediceerBankier wie Leonardo di Bartolomeo Bartolini sind zu belegen.

60 ASP IV/10, c. 24r (es handelte sich 1517 um das noch anzusprechende, bisher aber noch recht

diffuse Levante-Syndikat der Mediceer).

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Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte nicht nur sein Kapital aus Florenz erhalten (von seinem allein Piero de’ Medici verpflichteten Vater, in dessen Bank es vorher offenkundig durch Bracci aus der Medici-Erben-Bank transferiert worden war), er hatte auch seine Saldierungen in Florenz vorzunehmen und dort wegen jeder wichtigen Veränderung, die „seine“ Lyoner Bank betraf, zu erscheinen. Weil er mit fremdem, nämlich MediciGeld wirtschaftete und weil er von den maßgeblichen Florentiner Medici-Bankiers gelenkt wurde, ist auch sein so imposantes, noch detaillierter aufzuzeigendes Geschäftsimperium zwar zu einem großen Teil sein persönliches Verdienst, doch eben nur in bedingter, abgeleiteter Form. Luce clarius legte Lanfredino Lanfredini dieses Bedingungsverhältnis frei, als Ende 1512 das wirtschaftliche Erbe Leonardos bzw. seiner Lyoner Bank bewältigt werden mußte. So hatte Leonardo seit 1510 einen komplizierten Finanzierungsmodus entwickelt, der auf einer Pension aufbaute, die Giovanni de’ Medici vom Vallombrosanerorden erhielt und die er Giovanni Pandolfini in Rom und dieser wiederum dem Bartolini übertrug, damit letztendlich unbekannte Freunde der Medici oder diese selbst davon profitierten.61 Leonardo wandelte die Pension in ein sehr riskantes Kreditgeschäft um, für das offiziell er entsprechende Versprechen bzw. Bürgschaften leistete. Lanfredino bezeugte nun, daß Leonardo jene risikoreichen promesse gar nicht für sich, sondern für ihn, für den Lanfredini aussprach! Da dieser sie kaum in eigener Person getragen haben wird, muß Lanfredino hier für seine Gesellschaft gehandelt haben, die letztendlich mit Wissen der Medici-Spitze dieses große Geschäft für die Medici trug, die als zentrale MediceerBank hinter der ganzen Sache stand und sich dabei Leonardos und seiner Lyoner Bank bediente. Die prozessuale Struktur solch verhüllender Schichtungen aber hatte Lorenzo de’ Medici 1482 aufgebaut. Nun wurde sie durch Lanfredini gesteuert, dem im übrigen vor und nach Leonardos Tod in gleicher Weise dessen Brüder Giovanni, Gherardo und Zanobi zu gehorchen hatten – aber stets unter größter Geheimhaltung. Wegen dieser hierarchischen Struktur der Mediceer-Gesellschaften liefen in der Florentiner Lanfredini-Bank auch Nachrichten ein, die Leonardo di Bartolomeo Bartolini betrafen. Über dessen Schritte und Wohlergehen sowie die aktuellen Geschäftsnachrichten wurde die Florentiner Zentrale nicht nur durch ihre eigenen Mitarbeiter, sondern bezeichnenderweise zugleich durch die Leonardos informiert. Der Mailänder Vertreter der Lanfredini-Bank hieß Neri del Benino, der am 28. und 30. April 1509 nicht nur bestätigte, für seine Herren eine Zahlung an den fattore des Medici-Gutes La Cascina in bzw. bei Poggio a Caiano durchgeführt zu haben, der nicht nur über den für den 1. Mai avisierten Einzug des Königs von Frankreich und über Geschäftsaussichten mit den gegen Venedig ziehenden französischen Truppen informierte, sondern eben gleichfalls über die wohlbehaltene Ankunft von Leonardo Bartolini am 29. April in Mailand.62 Wenn dieser LanfrediniMann über Leonardos Schritte und Wohlergehen schreibt, als ob er befreundeten Eltern über ihr verreistes Kind berichtet, so wäre ein solches Zeugnis für sich allein noch kein 61 S.u. S. 1043–1048. 62 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 28./30.4.1509,(Neri del Benino aus Mailand an Lanfredini-Bank in

Florenz).

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Beleg für das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Leonardo und der Lanfredini-Bank. Doch in Verbindung mit den schon aufgeführten und weiteren bestätigt es diese Verbindung. Denn auch für Leonardos eigenen Interessenvertreter in Mailand, Salvestro di Dino, war es selbstverständlich, die amici carissimi der Lanfredini-Bank am 6. Mail 1509 über die am Vortag erfolgte Abreise Leonardos, den Gott begleiten möge, zu unterrichten.63 Dies war singulär, anderen Personen galt eine solches Interesse nicht. Zu erklären ist es aus der hierarchischen Struktur der Mediceer-Gesellschaften. Weil Salvestro di Dino für die Lyoner Bartolini-Bank in Mailand eingesetzt worden war, wirkte er in gleicher Weise wie jene für die Lanfredini-Bank. Siamo a chomandi vostri sempre, wir werden stets gemäß Euren Anordnungen handeln, so schrieb er – weder floskelhaft noch in beflissener Kaufmannsmanier – am Schluß seines Briefes vom 12. Januar 1510 an die Lanfredini-Bank, für die er in der Tat als Bindeglied zwischen der Lyoner Bartolini-Bank und der Florentiner Zentrale fungierte.64 Er führte Wechselbriefgeschäfte zwischen beiden aus, besorgte in Mailand den Weitertransport von Bargeldsendungen, die meist mit viel Gottvertrauen aus Lyon nach Florenz versandt wurden, teilte am Schluß die aktuellen Wechselkurse mit und stand natürlich auch mit ‚ihrem‘ Benino in enger Verbindung. Sehr instruktiv zeigt sich die Funktion der Lanfredini-Bank als zentraler Mediceer-Bank indes bei der Gründung und bei ersten Aktivitäten ihrer „römischen Tochter“. Die Lanfredini-Tochterbank in Rom: Giovanni Pandolfini e compagnia del fondaco di Roma als Erbin der denunzierten römischen Panciatichi-Bank Die Entlarvungen und Denunziationen der Jahre 1499 bis 1500/01 zwangen die Florentiner Mediceer zu raschen und radikalen Entscheidungen. Eine der wichtigsten betraf jene römische Bank, die unter dem Namen des Giuliano Panciatichi seit 1495 mit großem Erfolg dabei geholfen hatte, Medici-Geld illegal vor dem Zugriff der Florentiner Kommune zu sichern, die nun aber durch einen bestens informierten Denunzianten seit dem 30. Januar 1500 wegen dieser Praktiken am Pranger stand. Bis zum Ende jenes Jahres muß sich aus dieser anonymen Anklage eine so ernsthafte Bedrohung für die Mediceer entwikkelt haben, daß sie sich entschlossen, einen ihrer Besten im Eilritt nach Rom zu entsenden, um diesen Brandherd effektiv zu löschen. Obwohl von gesundheitlichen Problemen geplagt, mußte Giuliano da Gagliano am 13. Dezember 1500 zusammen mit seinem savoyischen Diener Guglielmo Simon Barbure, den er aus Lyon nach Italien mitgenommen hatte, insulle poste Florenz verlassen, nachdem er noch rasch seinen Sattel wattieren und mit einer Aufsteighilfe ausstatten ließ.65 Sein Auftrag war klar definiert: Er sollte die

63 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 6.5.1509 (Salvestro di Dino aus Mailand an Lanfredini-Bank in

Florenz). 64 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 12.1.1510 (Salvestro di Dino aus Mailand an Lanfredini-Bank in

Florenz); vgl. ebd. 19.1.1510 und mazzo I, 2.7.1507 (Ders. an Dies.). 65 Hierzu und zum Folgenden vgl. ASP IV/5, c. 77/LXXVII, 87/LXXXVII; ASP IV/6, c. 23r,

27v/28r, 57v/58r, 101v.

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Bank Giuliano Panciatichi e compagnia di Roma kaufen und in eine neue Bank umwandeln. Seine Auftraggeber nannte Giuliano zum ersten Mal in aller Deutlichkeit: Sie hießen Lanfredino di Jacopo Lanfredini, Giovanbattista Bracci – immer noch führte Giuliano im Namen seines amico G ein Kapital- und Gewinnkonto (conto di chapitali e utili), das er seinerzeit auf Wunsch seines Bruders Filippo da Gagliano in der Lyoner Bartolini-Bank eingerichtet hatte66 –, Benedetto Buonvisi und die Seidengesellschaft der Soderini (Tommaso e Giovanbattista di Pagolantonio Soderini e compagnia setaiuoli), an der er selbst und sein Bruder Filippo (getarnt hinter dessen Sohn Pierfrancesco) mit 1.600 Fiorini Kapitaleinlage bzw. 30% Profitanteil beteiligt waren und von der er am 22. Dezember zehn Fiorini als Reisespesen erhielt. (Filippo da Gagliano stand denn auch bei diesem römischen Coup aktiv im Hintergrund.) Den Grund für diese mehr als erstaunliche Bankübernahme nannte Giuliano ebenfalls, wenn auch etwas kryptisch formuliert: Er habe sie kaufen sollen wegen dessen, was seine Auftraggeber von der Panciatichi-Bank zu erhalten hätten. Das läßt sich unterschiedlich interpretieren, gewiß aber nicht auf reine Schuldposten dieser römischen Bank reduzieren. Da ihr schon am 30. Januar 1500 vorgeworfen worden war, sie habe zugunsten der Medici und ihrer Bankiers die Kommune von Florenz um gut 10.000 Fiorini betrogen, könnten Lanfredini und Bracci sich in einem Konsortium mit dem Buonvisi und der Soderini-Gesellschaft gegenüber der Stadt Florenz bereit erklärt haben, die Schulden der Bank ihres Bürgers Giuliano di Piero di Gabriello Panciatichi zu übernehmen (womit sie von ihr tatsächlich etwas zu erhalten hätten), um im Gegenzug das Recht (oder gar die Pflicht) zu erhalten, diese Bank aufkaufen und umformen zu dürfen. Diese Erklärung ist durchaus nicht abwegig, denn das gleiche Prinzip hatten ja zwischen 1495 und 1497 Giovanni und Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli sowie Cosimo Sassetti angewandt, um Medici-Banken zu retten und vor indiskreten Kontenprüfungen zu schützen. Deswegen werden Lanfredini, Bracci und ihr Freund und Partner Benedetto Buonvisi aus Lucca hier wohl auch nur als Privatpersonen genannt, womit allerdings offen bliebe, warum die Soderini-Seidengesellschaft als solche an diesem Kauf beteiligt war. Vermutlich sollte sie mögliches Mißtrauen unter Florentiner Politikern beseitigen; zudem konnte durch ihre Beteiligung Filippo da Gagliano in die Sache integriert werden. Die Panciatichi-Bank wurde tatsächlich ausgelöscht, an ihre Stelle trat eine Bank, die den Namen Giovanni di Pierfilippo Pandolfini e compagnia del fondaco di Roma erhielt. Giuliano, der am 1. Juni 1501 43 Jahre alt wurde, konnte erst am 15. Juli 1501 nach Florenz zurückkehren. Exakt für sieben Monate und zwei Tage beanspruchte er danach eine Entlohnung durch die Pandolfini-Gesellschaft – dies sei als Prämie und wegen seiner Belastung, nach Rom in den Dienst dieser Gesellschaft gegangen zu sein, durchaus gerechtfertigt und vernünftig. Über die Höhe sollten seine genannten Auftraggeber entscheiden.67 Gewohnt hatte Giuliano bezeichnenderweise bei Braccis Schwager Leonardo di Zanobi Bartolini, wie sich aus mehreren Ausgabenposten, etwa einer Papierlieferung in 66 ASP IV/5, c. 82, LXXXXV. 67 ASP IV/5, c. 87; IV/6, c. 57v/58r, 101v.

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das Bartolini-Haus, gegenseitigen Seidengeschenken und vor allem aus seinem benandata für den Hausdiener ergibt.68 Dieses Abschiedstrinkgeld verbuchte Giuliano da Gagliano zum 8. Juli 1501. Es war fürwahr eine kleine, vertraute Welt: Zu den wichtigen Helfern und Mittelsmännern Giulianos beim Aufbau der Pandolfini-Gesellschaft gehörte der Florentiner Giunta di Marco Giunta, bei dem Francesco Naldini 1497 einen Teil seiner Medici-Juwelen deponiert hatte; und donna Creofe Alamanni Tornabuoni, der Schwiegermutters des Leonardo di Zanobi Bartolini, ließ er Ende September 1501 fünfeinhalb Unzen schwarzen Taft (im Wert von mehr als zwei Dukaten) seitens der PandolfiniGesellschaft schenken, denn seine Gastgeberin, die in diesem Kontext als ‚gewesene Ehefrau des Nofri Tornabuoni‘ bezeichnet wurde, war offenkundig in jenem Monat Witwe geworden; Nofri Tornabuoni war gestorben.69 Zu den weiteren Personen, die der neuen Gesellschaft als Mitarbeiter oder in einer anderen Weise nahestanden, gehörten Giovanni Amadori, Jacopo Morelli, Sohn des Florentiners Francesco di Jacopo Morelli, sowie Filippo di Cornelio Marsuppini. Spätestens 1507 ist ferner der Florentiner Alamanno Ughi als giovane der Pandolfini-Gesellschaft in Rom nachzuweisen, der vorher (seit spätestens 1497/98) im Umfeld Giuliano da Gaglianos, Braccis und Lanfredinis in einer der Florentiner Mediceer-Banken, wenn nicht gar in der Lanfredini-Bank selbst, gearbeitet hatte.70 Die wichtigste Person nach der Abreise Giuliano da Gaglianos hieß nun Giovanni di Pierfilippo di Giannozzo Pandolfini. Dieser aber sorgte für einiges Aufsehen. Am 24. Juli 1501 schrieb ausgerechnet der die Mediceer in Rom mit Argusaugen kontrollierende Florentiner Gesandte Francesco Pepi an Lanfredino Lanfredini über einen Sachverhalt, der besorgniserregend sei.71 Lanfredino habe ein Handelshaus (fondacho) in Rom eröffnet, das er – nach Aussage Pepis – durch seine Mitarbeiter Giuliano [da Gagliano] und Giovanni [Pandolfini] so gewissenhaft leiten ließ, als ob er es in eigener Person (originalemente) führe, obwohl es, wie Pepi wisse, nur ‚wie an Kindes statt‘ geschehe (è adoptivo). Allerdings schlage Giovanni immer wieder über die Stränge, d.h. konkret, er verursachte nach Meinung Pepis zahlreiche für Lanfredini unangenehme Vorfälle (accidenti), von denen jeder einzelne eine Minderung der Reputation bedeute. Die von Pepi angeführten Beispiele aber demonstrieren, daß wir uns dabei mitten im römischen Zentrum des Medici-Netzes befinden. Er meine nicht jene zwei vergangenen Vorkommnisse, die vom Kardinal [Giambattista] Orsini und [dessen Verwandten] Jacopo Santa Croce herbeigeführt worden seien, sondern jenes durch Piero [de’ Medici] mit dem Kardinal [offenbar war Francesco Piccolomini gemeint] sowie jenes durch den Sanseverino [Federico, den Pepi nur mit einem „S“ und einem „o“ abzukürzen brauchte] mit dem Papst verursachte, 68 ASP IV/6, c. 54v/r, 100v/101r; IV/8, c. 27r; IV/5, c. LXXXVII (zum 8.7.1501 Ausgabe von

einem Dukaten di carlini dati per benandata a servi di chasa Leonardo Bartolini quando partì da Roma); das benandata war ein Trinkgeld, das man den Dienern des Gastgebers oder Gastwirtes für ihre guten Dienste und Wünsche bei der Abreise gab. 69 ASP IV/5, c. LXXXVII; IV/6, c. 50v/51r, 59v. 70 S.u. S. 655, 793. 71 Vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 36 (24.7.1501, Francesco Pepi, Rom, an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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über welche Lanfredino wohl Bescheid wisse. Worum es genau ging, wird von Pepi nicht klar beschrieben, da er voraussetzen konnte, daß Lanfredino über alles in Kenntnis gehalten wurde. In einem späteren Kontext werden wir uns erneut mit diesem Fall beschäftigen und den Sachverhalt etwas besser durchdringen.72 Entscheidend ist nun, daß jener Mitarbeiter Lanfredinos unmittelbar in die Aktivitäten der exilierten Medici involviert war. Wenn Pepi dazu berichtet, Giovanni befinde sich deswegen in solchen Schwierigkeiten, daß er Mitleid mit ihm habe, wird man dies angesichts seiner kurz darauf erfolgenden heftigen Denunziation Leonardo di Zanobi Bartolinis kaum nachvollziehen können. Allerdings sprach aus Pepis Worten durchaus eine Achtung, wenn nicht Sympathie für den Bartolini, so daß seine Erklärung, seine Mitteilung an Lanfredino erfolge aus liebevoller Zuneigung für diesen, nicht völlig von der Hand zu weisen ist. In mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist nun das von Pepi empfohlene Heilmittel für jenes Übel. Auch wenn Giovanni mit seiner Vorsicht immer wieder den selbst geschaffenen Schwierigkeiten Stand halten könne, sei das Schlechte nur zu heilen, wenn entweder Lanfredino persönlich nach Rom komme oder wenn er Giovanbattista Bracci dorthin schicke. Wer immer es sei, er müsse die Autorität haben, das Übel zu heilen und abzuschneiden. Sowohl Lanfredini als auch Bracci traute Pepi diese Kraft also zu, vor allem aber bezeugt er, daß Lanfredini und Bracci die eigentlichen Köpfe hinter der Übernahme der Panciatichi-Bank und der Gründung der Pandolfini-Gesellschaft waren, die eigentlichen Auftraggeber von Giuliano da Gagliano, die dabei nahezu gleichberechtigt aus der Florentiner Lanfredini-Gesellschaft heraus handelten, wie zahlreiche Zeugnisse zeigen! Hier dürfte also ein Beleg vorliegen, daß die für 1507 im Geheimbuch der LanfrediniBank bezeugte Teilhaberschaft Braccis seit dem Beginn dieser Bank 1498 bestand, und zwar als aktive. Beide besaßen die Kompetenz, einen angeschlagenen Giuliano da Gagliano im Dezember 1500 nach Rom zu senden, damit dieser mit seiner Erfahrung und Kenntnis eine illegaler Praktiken angeklagte Bank in eine neue, wiederum und nun noch besser den Mediceer-Interessen dienende Gesellschaft transformierte und dabei den gut zwölf Jahre jüngeren, am 30. Oktober 1470 geborenen Pandolfini instruierte.73 Das hierarchische Gefälle blieb in den folgenden Jahren erhalten. Außer dem dichten Briefwechsel zwischen den Gesellschaften Lanfredinis und Pandolfinis gab es parallel einen gesonderten zwischen Lanfredino Lanfredini und Giovanni Pandolfini, der stets persönlich auf die jeweiligen Anliegen seines „Chefs“ in Florenz zu antworten hatte. Wenn der Kauf und die Umwandlung der römischen Panciatichi-Bank durch Lanfredini, Bracci und ihre Partner nicht offiziell gewesen wäre, wäre es bemerkenswert, daß auch Personen, die nicht zum Netzwerk gehörten – zumindest ein Pepi –, die Abhängigkeit der römischen Pandolfini-Gesellschaft von Lanfredini und Bracci bzw. von der Lanfredini-Bank kannten; daß es so war, spricht wiederum für unsere obige These und für die 72 S.u. S. 783. 73 Zum Geburtsdatum von Giovanni Pandolfini: Tratte, s.v.; vgl. Verde, Studio fiorentino III/1, S.

484, wo der 30.5.1472 als Geburtstag angegeben wird.

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hierarchische Zuordnung. Intern sprachen die Mediceer daher etwa in Briefen an die Lanfredini-Bank von ‚Euren Pandolfini‘ in Rom.74 Besonders hervorzuheben ist die brisante Konnotation: Einem Francesco Pepi fiel durch das Handeln Pandolfinis sofort die politische Bedeutung dieses neuen fondaco ins Auge. Aber sowohl Lanfredini als auch Bracci verhielten sich in Florenz so klug und umsichtig, daß Pepi ihnen die Korrektur gewisser Exzesse in Rom zutraute. (Das dabei sichtbar werdende Spannungsfeld zwischen einem in Rom durch Giovanni Pandolfini möglichen Fundamentaleinsatz für die Medici und jenem Pragmatismus, zu dem Lanfredini in Florenz gezwungen war, wird sich bis über das Exilsende halten.) Die römische Buonvisi-Gesellschaft als Tochter der Pandolfini-Bank Nach der Abreise Giuliano da Gaglianos agierte Giovanni di Pierfilippo Pandolfini in Rom nicht nur als maggiore des nach ihm benannten fondaco, der sich de facto unter der Kuratel der Lanfredini-Bank befand, er wurde darüber hinaus etwas später, aber noch im gleichen Jahr 1501, als Teilhaber und Leiter (sotius et institor) an die Spitze der römischen Buonvisi-Gesellschaft gestellt! Diese trug den Namen von Benedettos jungem Sohn Antonio (1502 gerade 14 Jahre alt), der freilich nur formal mit dieser neuen römischen Gesellschaft in Verbindung gestanden haben wird. Für Mitte November 1501 notierte Giuliano da Gagliano in seinen Aufzeichnungen, daß er neben vielen Briefen aus Florenz an die Pandolfini-Gesellschaft – darunter auch einer seines Bruders Filippo an Giovanni! – dem Kurier Procaccio ein Briefbündel mitgab, welches an den ‚neuen Namen Antonio Buonvisi e compagnia‘ adressiert gewesen sei.75 Diese neue Buonvisi-Gesellschaft war zum einen eine Tochter der römischen Pandolfini-Gesellschaft und damit eine weitere römische Agentur der Florentiner Lanfredini-Bank; zum anderen war sie institutionell verzahnt mit der Handelsgesellschaft des Benedetto Buonvisi in Lucca, der ja ebenfalls an dem Kauf der Panciatichi-Bank und der Etablierung der Pandolfini-Bank beteiligt war, der seit Exilsbeginn überaus eng mit den Medici und Mediceern kooperierte, in Handelsgeschäften und stets bei der finanziellen Unterstützung der Medici! Zudem war gleichsam im Gegenzug, die Verflechtung verstärkend, Giovanbattista Bracci nachweislich an der Lyoner Buonvisi-Gesellschaft und allem Anschein nach ebenfalls an der Hauptgesellschaft in Lucca beteiligt. Zu den Mitarbeitern (giovani) der römischen BuonvisiGesellschaft gehörte jener Giovanni Amadori aus Florenz, den wir im Umfeld von Pandolfinis fondaco gesehen hatten.76 Schon von Januar bis März 1502 weilte er seitens der römischen Buonvisi-Gesellschaft in Ferrara, wo er auch Briefe von Giuliano da Gagliano 74 Vgl. z. B. ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 5.5.1509 (Matteo Cini aus Venedig an die Lanfredini-

Bank in Florenz: die 900 Dukaten seien rimessi per noi alli vostri Pandolfini in più partite). 75 ASP IV/8, c. 60v (A Roma a dì 13 di novembre ... una a Giovanni Pandolfini sotto lettera di

bottega de’ Soderini e il mazzo adiritto al nome nuovo di Antonio Buonvixi e co.); vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 307 (wann genau Giovanni Pandolfini als sotius et institor in der Gesellschaft Antonio Buonvisi e compagnia di Roma eingesetzt wurde, wird hier nicht angegeben; als Jahreszahlen fallen im Kontext lediglich 1502 und 1505). 76 ASP IV/5, c. 113 (Giovanni Amadori loro giovane).

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und von der Soderini-Seidengesellschaft erhielt. Giuliano da Gagliano versandte am 13. Februar 1501 seinerseits einen Brief Amadoris an Giovanni Pandolfini, in welchem sich ein Zettel befand, durch den Francesco Pepi 53 Dukaten bekommen sollte und welchen der Pandolfini Giuliano geschickt hatte.77 Offenbar arbeiteten Männer wie Giovanni Amadori in beiden Häusern. Giovanni Pandolfini wirkte als einer der engsten Freunde des Medici-Zirkels in Rom. Mit seiner Loyalität gegenüber den Medici und offensichtlich auch seinem Habitus folgte er dem Vorbild seines Vaters Pierfilippo Pandolfini, dessen drastische Worte, mit denen er im November 1494 den Medici-Feinden drohte bzw. die Medici verteidigte, wir als anschauliches Beispiel für diese Verbundenheit zitiert hatten. Dem Sohn dieses exponierten Medici-Anhängers übergab der enge Medici-Freund Benedetto Buonvisi also die Leitung seiner römischen Filiale, die ebenfalls als Erbe der durch ihre Hilfe für die Medici „verbrannten“ Panciatichi-Bank anzusehen ist – und deswegen erhielt Giovanni Pandolfini ganz konkret in jenen Jahren auch den Staatsschatz der Pisaner, den diese vor den Florentinern beim Buonvisi in Sicherheit gebracht hatten. Auch dies war ein Handeln im Interesse der Medici. Pikanterweise bediente sich Niccolò Machiavelli, als er im November und Dezember 1503 wegen der Papstwahlen nach Rom entsandt wurde, der Kuriere von Giovanni Pandolfini, um seine Briefe an die Florentiner Signoria und Dieci di Balìa senden zu lassen.78 Machiavelli, dieser erklärte Medici-Feind, hatte sich schon Ende 1500, zwei Tage vor Weihnachten, von der Lyoner Bank des Leonardo Bartolini zehn Scudi di sole leihen müssen, um endlich nach Florenz heimkehren zu können.79 Solche Dienstleistungen konnten nicht schaden. Die Integration des verbannten Francesco Naldini in Lyon Die Freundschaft innerhalb des Netzwerkes soll nun anhand einer äußerst aufschlußreichen und zugleich anschaulichen Lebensgeschichte exemplifiziert werden, der Vita eines in der Forschung bisher weitgehend unbekannten Mannes, dessen Schicksal wie ein Spiegel der Exilserfahrungen der Medici erscheint. Die Rede ist von Francesco Naldini, dessen Weg wir bereits bis in die dramatischen Monate des Jahres 1497 verfolgt hatten und hier noch einmal kurz rekapitulieren. Francesco Naldini hatte nach 1494 in der Florentiner Medici-Erben-Bank die Aufgaben eines „leitenden Assistenten“ für den Generaldirektor der Medici-Gesellschaft Gianbattista Bracci übernommen, der zusammen mit Lorenzo Tornabuoni die Medici-ErbenBank leitete und dabei auch Naldinis Aktivitäten steuerte. Naldinis wichtigster wirtschaftlicher Kooperationspartner außerhalb von Florenz war Benedetto Buonvisi in Lucca, über den er auch die exilierten Medici mit Bargeld oder leicht zu versilbernden Objekten aus dem Medici-Scatz versorgte. Am 1. Juli 1497, kurz vor dem Verrat der MediciVerschwörung, war Naldini von Bracci und Tornabuoni mit kostbaren Juwelen aus dem 77 ASP IV/8, c. 62r/v. 78 Vgl. Machiavelli, Legazioni III, S. 81–246. 79 ABS 197, c. LVII.

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früheren Medici-Schatz nach Rom gesandt worden, wo er von Leonardo di Zanobi Bartolini und dessen Schwager Bracci über sein weiteres Vorgehen instruiert wurde und die meisten der Juwelen bei befreundeten Kaufleuten deponierte. Seine Vorladung nach Florenz, seine Todesangst, seine Flucht nach Siena, seine Verurteilung als Rebell und seine denkwürdige Verbannung aus Italien haben wir über die Stationen Bologna und Chambéry bis zu seiner Ankunft in Lyon am 22. Oktober 1497 eingehend geschildert. Es ist ein Glücksfall für uns, daß Francesco Naldini auch seine weiteren Schritte und geschäftlichen Aktivitäten in seinen Geschäftsbüchern dokumentierte, denn aus ihnen können wir nun in Kombination mit weiteren bisher unbekannten Quellen Einzelheiten seiner Vita erschließen, die uns sehr Grundsätzliches über die Verfaßtheit des Medici-Netzwerkes offenbaren. Den festen Zusammenhalt des Netzwerkes demonstrierte bereits ungemein eindringlich das Verhalten von Bernardino de’ Rossi, als er den neu in Lyon eintreffenden Francesco Naldini am 22. Oktober 1497 in seinem Haus aufnahm. (Leonardo Bartolini befand sich damals noch in Florenz.) Lorenzo Spinelli, den Naldini vorher in Chambéry getroffen haben muß und der augenscheinlich zusammen mit ihm nach Lyon ritt, wird ihm diese vorläufige Unterkunft vermittelt haben, in welcher Naldini für einige Monate blieb. Wenn Francesco Naldini eine härtere Verbannung traf als jeden anderen aus dem Medici-Kreis – denn so weit zu erkennen ist, wurde kein anderer über die Grenzen Italiens hinaus exiliert, selbst die (freilich mit Kopfgeld bedachten) Medici-Brüder und Simone Tornabuoni nicht, dem man wohl nicht zu Unrecht die Ermordung des prätentiösesten Medici-Feindes Francesco Valori vorwarf –, dann wird man schließen dürfen, daß Naldini sich durch exzeptionelle Leistungen den Zorn der Medici-Feinde zugezogen hatte. Wer ihm nach dem August 1497 half, der erklärte damit auch seine innige Verbundenheit mit der Sache der Medici! Dies gilt für Bernardino de’ Rossi und die anderen Lyoner Medici-Bankiers, dies gilt aber ebenso für Benedetto Buonvisi. Bernardino de’ Rossi war bis zu Naldinis Ankunft nur ein giovane, ein Mitarbeiter der Medici-Bank, nicht mehr. Doch welch erstaunliche Koinzidenz: Genau ab Ende Oktober 1497 ist nun in Lyon eine Bank unter dem Namen des Bernardo de’ Rossi und seiner Partner bezeugt! Von Rossis bisherigen maggiori lebte Lorenzo Tornabuoni nicht mehr, und dessen Partner Lorenzo Spinelli und der kranke Cosimo Sassetti hatten sich seit September wegen ihrer Partnerschaft mit einem Rebellen den inquisitorischen Untersuchungen Antonio Zenos in Lyon zu stellen. Die von den dreien gekaufte Lyoner Medici-Bank konnte unter diesen Umständen nicht mehr von Spinelli und Sassetti weitergeführt werden. Es entstand daher die Rossi-Bank, deren Kapital (wahrscheinlich damals bereits 5.000 Scudi) mit Sicherheit wie bei der früheren Medici-Bank von Spinelli und zum größten Teil aus der Florentiner Medici-Erben-Bank bzw. von den Nachlaßverwaltern des Tornabuoni – Gianbattista Bracci vor allem – gekommen sein wird, bis diese Bank gut ein halbes Jahr später während eines Aufenthaltes Rossis im Frühjahr 1498 in Florenz mit den gleichen Kapitalkräften im Hintergrund in der Bartolini-Rossi-Bank aufging. Es ist anzunehmen, daß Naldini bei seiner Ankunft in Lyon Instruktionen seines Mentors Gianbattista Bracci mit sich führte – von dem er ja auch bzw. noch am 7. Oktober in Chambéry

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über einen Kurier der Republik Lucca Anweisungen wegen der Medici-Juwelen erhalten hatte –, mit denen Bracci als leitender Bankier der Medici-Gesellschaft und als Verwalter des reichen Tornabuoni-Erbes die institutionelle Umwandlung der Lyoner Medici-Bank in eine Rossi-Bank anordnete. Francesco Naldini muß ziemlich mittellos in Lyon eingetroffen sein. Dies läßt sich an den (geliehenen) Bargeldzuwendungen und an den Käufen ablesen, die ihm Bernardo de’ Rossi bzw. dessen Gesellschaft finanzierte. Naldini verzeichnete sie akkurat, diese Spesen für seinen persönlichen Gebrauch und per conto seiner Ankunft in Frankreich. Am 24. Oktober und 6. November 1497 erhielt er insgesamt zwei Scudi bei seiner Ankunft in Frankreich (per la venuta di Francia); am 30. Oktober 30 Scudi, die ihm die RossiGesellschaft über die Bank des Lorenzo Dati auszahlen ließ; eine Summe von neun Scudi notierte er zum 6. November für neun einzelne Posten: Stiefel für zwei Scudi von Lorenzo Spinelli, kleinere Beträge für Hüte und andere Kleidungsstücke; stolze zehn Scudi gar gab die Rossi-Bank ihm am 7. November für eine schwarze gefütterte Weste, die er bei Manno di Francesco Temperani kaufte. Leonardo Bartolini lieh dem Naldini in jenen Tagen acht Scudi für einen schmucken Mantel aus schwarzem Velours, die Naldini über die Lyoner Bank der Buonvisi und Micheli zurückzahlen ließ, zusammen mit mehr als elf Scudi, die er von Bartolini in bar erhalten hatte. Noch nach dem Sommer 1498, als die Bartolini, Bernardo de’ Rossi mit seinen compagni und Lorenzo Spinelli ihre gemeinsame Bartolini-Rossi-Gesellschaft gründeten, erhielt er von dieser Gesellschaft mehr als acht Scudi, um die Kosten für Strümpfe und Schneiderarbeiten bezahlen zu können.80 Doch man wird diese exklusiven Bezüge Naldinis und Hilfeleistungen für ihn in Lyon nicht als erstaunlich oder bemerkenswert beurteilen können. Geholfen wurde dem wegen seines außergewöhnlichen Einsatzes für die Medici verbannten Naldini, dem ehemaligen Schatzmeister des engen Bartolini-Verwandten Gianbattista Bracci, gleichsam durch seine unter dem großen Dach der Medici lebende Familie, durch deren Lyoner Zweig, der engstens mit Florenz verbunden blieb. Nicht nur der Bartolini, Spinelli und Rossi lassen die Bezüge im Netzwerk konturierter hervortreten, sondern auch die eher unbekannten Personen in der Nähe des exilierten Naldini. Manno di Francesco di Ser Manno Temperani konnten wir als Kassenwart und somit in einer hohen Vertrauensposition in der Lyoner Gesellschaft des Leonardo Bartolini nachweisen. Lorenzo (di Giovanni di Lorenzo) Dati, von dem Francesco Naldini das Geld der Rossi-Gesellschaft erhielt, war ihm gut bekannt, denn auf Dati hatte Naldini bereits im April 1497 von seinem Konto den von Lorenzo Tornabuoni erhaltenen hohen Betrag von 1.062, 10 Fiorini larghi bzw. 1.105 Scudi di marca mittels eines Wechselbriefes gezogen!81 Und wiederum ergibt sich durch ihn eine Brücke zu den Bartolini, denn

80 ASP I/37, c. 29–XXX; I/38, c. 52–54; ABS 197, c. 34 (Verbuchung der 9 Scudi für Naldinis

Mantel seitens der Bartolini-Bank). 81 ASP I/37, c. XXVI. Möglicherweise ist Lorenzo Dati jener Sohn von Jacopo di Ser Lorenzo di

Jacopo Dati, der bei der Katastererhebung 1480 13 Jahre alt war und damals noch für den Priesterstand studierte; vgl. Verde, Studio fiorentino III/2, S. 1154.

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(sein mutmaßlicher Verwandter) Giovanni Dati ist uns als Diener Leonardo Bartolinis bekannt.82 Francesco Naldini wurde durch seine Freunde nicht alimentiert; ihm wurden lediglich auf Kreditbasis die Voraussetzungen für eine neue Existenz als Geschäftsmann und damit für einen sozialen Aufstieg gegeben. Dies beschränkte sich natürlich nicht auf die Ausstattung mit angemessenen Kleidungsstücken. Vielmehr trug und förderte ihn das Netz, indem es Francesco Naldini in vielfältiger Weise die Möglichkeiten für wirtschaftliche Aktivitäten schuf. Naldini hatte sich bereits vor der Exilierung der Medici für diese Familie engagiert, er hatte sich dann nach 1494 als Schatzmeister Braccis in einer führenden Funktion in der Florentiner Medici-Erben-Bank bewährt, er hatte durch aktive Teilnahme an den Umsturzversuchen der Medici eine schwere Strafe zu erleiden – nun dankte ihm der Medici-Kreis mit der ihm möglichen Form einer Hilfe zur Selbsthilfe, und dies erstaunlicherweise nicht nur in Lyon. Naldini schrieb darüber keinen reflektierenden und erläuternden Bericht; wir sind auf Indizien angewiesen. So finden wir in Naldinis Büchern Ausgaben, die er vom 15. November 1497 – als Leonardo Bartolini gerade aus Florenz zurückkehrte! – bis zum 31. Mai 1498 für spese di stalagio in Rossis Haus hatte, die ab dem 1. Juni 1498 für zehn Monate bis zum 31. März 1499 an die Bartolini-RossiGesellschaft übertragen wurden – also jeweils bei Gesellschaften, die unserer Ansicht nach maßgeblich von Bracci geformt wurden. Dahinter verbarg sich nichts anderes als eine Art Gebühr, die er den Gesellschaften vor allem für die Lagerung, eventuell auch für Empfang und Weitertransport von Waren zahlte.83 Naldini ist allerdings zugleich in dieser Zeit von beiden Gesellschaften für bestimmte Dienste bezahlt worden. Unmittelbar unter der Notiz über seine Ankunft in Rossis Haus vermerkte Naldini in seinen richordi, daß er am 30. Dezember 1497 nach Montpellier reiste, von wo er am 22. Januar 1498 in chasa di Bernardino zurückkehrte. Doch Naldini ritt nicht allein, wie man es aus seiner Aufzeichnung vermuten könnte, sondern in Begleitung von Leonardo di Bartolomeo Bartolini und dessen Diener.84 Da auch der Bartolini die Anwesenheit Naldinis nicht offen erklärte, sondern nur unbestimmt von ‚einer anderen Person‘ sprach, und da er in Angelegenheiten „seiner“ Bank, Naldini aber offenbar in denen der Rossi-Bank reiste, ist zu vermuten, daß beide mit einem geheim zu haltenden Auftrag aus Florenz Piergiovanni und Cosimo Bottegari in Montpellier aufsuchen sollten, um neue Geschäftsstrukturen zwischen der Lyoner Bartolini-Bank und ihrem Appendix in Montpellier zu vereinbaren. Naldinis daran anschließende letzte Notiz aus jener Rubrik eines stichpunktartig beschriebenen, seinem Notizbuch entnommenen Exilierungsweges besagte, daß er genau am 31. Mai 1498 sein Spesenkonto mit Bernardino de’ Rossi saldierte, der nach seinem kur-

82 Vgl. unten S. 647; vermutlich handelte es sich um den 1478 geborenen Giovanni di Martino di

Goro di Stagio Dati; vgl. Tratte, s.v. 83 ASP I/37, c. 29; I/38, c. 53 (der Preis betrug 20 Scudi für den ersten, 34 Scudi für den zweiten

Zeitraum und war somit gleichbleibend); zum Begriff ostellaggio vgl. Edler, Glossary, S. 198. 84 ABS 197, c. 33 (aus der entsprechenden Spesenrechnung Bartolinis ergibt sich eine Abwesen-

heit von Ende Dezember bis spätestens 24.1.1498).

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zen Aufenthalt im Frühjahr damals gerade aus Florenz zurückgekehrt sein mußte.85 Dabei handelte es sich um Spesen wie den bis zu diesem Tag an Rossi bezahlten stalagio (den er ab dem folgenden Tag an die neue Bartolini-Rossi-Gesellschaft zu begleichen hatte); es dürfte sich aber gleichermaßen um Spesen handeln, die er, wie etwa für jene Reise nach Montpellier und andere nach Grenoble und Vienne, im Auftrag der Rossi-Bank unternahm. Angesichts der subordinierten Beziehung Rossis zu Bracci – und die Mitarbeit und Spesen Naldinis stützen dies –, erscheint Naldinis Einbindung in Rossis und Bartolinis Gesellschaften gleichsam wie eine natürliche Fortentwicklung von Naldinis Dienstzeit bei Bracci, nur unter neuen Bedingungen. Analysiert man den neuen Lebensabschnitt des exilierten partigiano der Medici, fällt es schwer zu entscheiden, welcher seiner Schritte aus eigener Entscheidung erfolgte und welcher ihm wiederum und immer noch von Gianbattista Bracci vorgegeben wurde. Denn mit seinem Mentor und Vorgesetzten blieb Naldini in ständigem Kontakt. So schrieb ihm Bracci am 6. August 1498 als sein Generalprokurator einen Brief aus Florenz, in welchem er ihm mitteilte, daß er aus dem Vermögen Lorenzo Tornabuonis 50 Dukaten larghi (bzw. 55, 8 Scudi) für die noch ausstehenden restlichen Spesen seiner ‚Romreise‘ (vom Juli 1497) erhalte.86 Dies war mit den von der Florentiner Regierung zur Vermögensabwicklung Tornabuonis eingesetzten Syndizi vereinbart worden (zu denen Bracci selbst gehörte); Romreise und -aufenthalt waren somit als Auftrag Tornabuonis anerkannt worden. Schon am 30. Juli 1498 hatte Bracci ihm berichtet, daß ein Juwel Tornabuonis, das auf Naldinis Namen noch in Rom lag, nun durch die Buonvisi den Syndizi des TornabuoniErbes überreicht worden sei. Diese wiederum teilten ihm am 25. August durch ihren Notar mit, daß sie dieses Juwel unter Naldinis Namen an Jacopo Salviati weitergereicht hätten, womit er von dieser ‚Last befreit‘ sei.87 Auch wegen eines Darlehens, das Naldini in seinem Namen, aber auf Wunsch Braccis der Stadt Florenz offenbar 1496 zu einer Verzinsung von vier Prozent gegeben hatte, blieben beide noch nach Naldinis Abreise aus Florenz und bis ins Jahr 1498 in Verbindung, da es bis dahin Komplikationen bei der Rückzahlung gab und da Naldini deswegen auf Anordnung Braccis dessen Brüder Cristofano (als seinen Prokurator) und Niccolò di Marco Bracci (als Geldempfänger im August 1497) einschalten sollte.88 Außer zur Klärung und Lösung von diversen Problemen, die noch aus Naldinis Diensten für die Florentiner Medici-Erben-Bank resultierten, kooperierten er und Bracci aber insbesondere zukunftsweisend bei Warengeschäften. Sowohl bei der Art der Güter als auch bei weiteren Partnern knüpften sie an die Praxis der Jahre 1495 bis 1497 an. Mit Rechnungsstellung auf den 6. Mai 1498 lieferte ihm die Gesellschaft des Leonardo Bartolini auf seine eigene und auf Rechnung Gianbattista Braccis zum Beispiel una tavola di ciambellotti (zahlreiche Ballen wertvollen, weichen Seidenschamlotts bzw. -kamelotts, 85 86 87 88

ASP I/37, c. CXLVII. ASP I/37, c. 145, 148. ASP I/37, c. 145. ASP I/38, c. 12/XII; I/37, c. 148.

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einem Stoff aus Kamelhaaren oder Angoraziegenhaaren in Seidenbindung); das entsprechende Konto mit einem ritratto netto von 195,17 Scudi saldierte Naldini am 6. August 1498 und sandte es nach Florenz an Gianbattista Bracci.89 Auf solche Waren bezog sich der stalagio, die Lagergebühr, die er zunächst an die Bank des Bernardo de’ Rossi, dann ab Juni 1498 an die Bartolini-Rossi-Gesellschaft bezahlte, innerhalb derer er seine Geschäfte ausübte – nicht als regulärer Angestellter, sondern ihr zugeordnet, gleichsam als eigenständiger Interessenvertreter Braccis. Schon Anfang 1496 hatte Francesco Naldini ein gesondertes Konto für ciambellotti di ragione di Gianbattista Bracci geführt, der dabei mit den Buonvisi aus Lucca zusammenarbeitete.90 Genau das gleiche Verfahren wurde nun fortgeführt, nur daß Naldini jetzt in Lyon die Anweisungen Braccis ausführte und zugleich für die Buonvisi-Gesellschaften in Lucca, Lyon, Brügge und London bestimmte Aufträge ausführte. Geld stellte ihm Bracci dafür in großem Umfang zur Verfügung, etwa als er im November 1498 mit einer lettera d’aviso seinen Verwandten Leonardo di Bartolomeo Bartolini persönlich instruierte, Naldini nach dessen Bedarf von Braccis Konto bei der Lyoner Leonardo-Bartolini-Bank Bargeld bis zu einem Betrag von 1.000 Dukaten auszuzahlen.91 Der Instruktionsweg verlief oft von Florenz über Lucca nach Lyon. So fand sich Naldini am 5. September 1498 im Lyoner Haus des Bankiers Lorenzo Dati ein, um Anweisungen weiterzugeben, die ihm Bracci brieflich erteilt hatte und durch die bestimmte Aufträge der Buonvisi aus Lucca zu erfüllen waren.92 Spesen, etwa für Pferdewagen, die nach Antwerpen geschickt wurden, rechnete er (wie am 19. September 1498) direkt mit den Buonvisi ab.93 Käufe von Tuchen zum Beispiel tätigte er dann im November 1498 kraft schriftlicher Anweisung Benedetto Buonvisis, die jedoch nicht nur über dessen, sondern auch über Naldinis Konto abgerechnet werden sollten (per conto di Benedetto Buonvixi e mio chome mi schrisse per sua lettera).94 Meist kooperierte er dabei mit weiteren Mitgliedern der Familie Buonvisi und ihrer Partner, wie den mit den Buonvisi eng verwandten Cenami aus Lucca (Benedetto hatte 1478 in zweiter Ehe Filippa di Martino Cenami geheiratet und Martinos Firma fortgeführt); sie alle kannte Naldini bestens aus seiner Tätigkeit für Gianbattista Bracci in der Florentiner Medici-Erben-Bank und von seinen Aufenthalten in Lucca.95 Zumindest 1498 erhielt Naldini aus seinen für die Buonvisi getätigten Tuchkäufen ein Drittel des Profits, während das zweite Drittel an den ebenfalls in Lyon wirkenden Bartolomeo di Francesco Cenami aus Lucca und das letzte Drittel an die Gesellschaft von Benedetto Buonvisi ging.96 89 ASP I/37, c. 147–148; I/38, c. LIIII. Zum Schamlott (auch samalot) bzw. Seidenkamelott vgl.

etwa Müller, Welthandelsbräuche, S. 36, 173, 289. ASP I/38, c. 4/IIII. ASP I/37, c. 149. ASP I/37, c. 148. ASP I/37, c. 149. Vgl. ASP I/37, c. 149–CL. Vgl. ASP I/37 und 38 (passim zu Naldinis Verbindungen mit Benedetto Buonvisi und seiner Familie, auch seiner Ehefrau); zur Heirat und den Cenami vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 305. 96 Vgl. ASP I/38, c. 60–LXI. 90 91 92 93 94 95

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Es war offenkundig auch Braccis Entschluß, die Bottegari-Gesellschaft effizient in diese Handelskooperationen einzubinden. (Sie ist notabene durch ihre vollständige Unterordnung unter die Lyoner Bartolini-Bank, von der sie ja gegen völlige Rechenschaftspflicht 1496 mit 4.000 Scudi Kapital ausgestattet worden war, weiterhin als Bestandteil der Mediceer-Firmen anzusehen.) Denn Bracci zog nun 1498 nicht mehr aus der MediciErben-Gesellschaft, sondern aus der Florentiner Lanfredini-Gesellschaft heraus die Fäden. Piergiovanni Bottegari, der frühere Mitarbeiter der Lyoner Bartolini-Bank und jüngere Bruder von Bartolomeo Bartolinis Dauerpartner Francesco Bottegari (dies seit 1482 durch Willen der Medici, weshalb er 1499 so wie Bartolomeo von der Geldstrafe über 1.800 Fiorini wegen des allseitigen Handelns für Piero de’ Medici betroffen war!), leitete weiterhin, seit 1488, die Bartolini-Medici-Filiale in Montpellier. Sein Bruder Cosimo jedoch, der auf Kosten der Florentiner Bartolini-Bank im November 1495 dorthin geschickt worden war, führte nun (seit 1498) in der für die Schiffstransporte wichtigen Hafenstadt Marseille eine weitere Dependance der Bartolini-Bank, die als Ableger oder besser Agentur der compagnia Piergiovannis in Montpellier anzusehen ist. Leonardo Bartolini und Francesco Naldini hatten offenkundig bei ihrem Aufenthalt in Montpellier im Januar 1498 entsprechende Anordnungen Braccis weiterzugeben und umzusetzen. In Naldinis Aufzeichnungen erscheint Cosimo Botteghari di Marsilia zunächst im Kontext umfangreicher Geschäfte mit Tuchen, die Naldini im Auftrag Braccis und auch der Buonvisi, zum Teil per conto Cosimos bei der Bartolini-Rossi-Bank, kaufte und an Cosimo nach Marseille lieferte, der für den Weitertransport verantwortlich war.97 Doch instruierte die Lyoner Bartolini-Bank den Naldini auch, Cosimo Bottegari Wechselbriefe zu schicken, damit dieser über das Geld für bestimmte Geschäfte verfügte.98 Aufgrund der geschilderten Gesellschaftsstruktur konnte Naldini nicht nur als Beauftragter der Bottegari, sondern als ihr Teilhaber erscheinen! In einer Notiz seiner Erinnerungen bemerkte er nämlich für den März 1499, daß er Cosimo in Marseille per conto ihrer (hier: ihrer gemeinsamen) Gesellschaft den Auftrag für eine Schiffsladung Salz gegeben und von dem Brief eine Kopie angefertigt habe.99 Mit dieser Formulierung wurde allerdings nur ausgedrückt, daß Cosimo Bottegari nicht anders als sein Bruder Piergiovanni ein membro der Lyoner Bartoliniund Bartolini-Rossi-Gesellschaft war. Überblickt man die Geschäftspartner Francesco Naldinis für seine Lyoner Anfangsjahre, so fallen einem außer den französischen Lieferanten nur die bekannten Namen des Medici-Umfeldes auf. In Florenz sind es allen voran Gianbattista Bracci und Giovanni 97 Daraus resultierten dann Kontenposten wie diese: 2 Scudi und 8 Denare hatte Naldini gemäß

einem Buchungsposten vom 6.9.1498 an die Bartolini-Rossi-Bank zu geben, die diese Summe für einen Boten bezahlte, den Cosimo Bottegari dem Naldini aus Marseille im Auftrag Braccis geschickt hatte. Umfangreiche Warenladungen (meist diverse Tuche) kaufte Naldini in der Regel per conto von Gianbattista Bracci und Benedetto Buonvisi; vgl. ASP I/38, c. 52, LIIII; ASP I/37, c. 153. 98 ASP I/37, c. 157 (März 1498/99). 99 ASP I/37, c. 157 (Richordo chome ho dato chommissione a Marsilia a Chosimo d’una navata di sali per chonto dela nostra Chompagnia e la lettera c’è ne chopia).

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Franceschi100, in Lucca und den weiteren Filialorten die Buonvisi und ihre Verwandten, in Rom ist es hingegen sein alter Freund Giuliano Panciatichi, während in Lyon natürlich vor allem Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi bzw. ihre entsprechenden Gesellschaften begegnen. Auffallend starke Schnittmengen ergeben sich auch bei den Partnern Naldinis, Braccis und Buonvisis auf der einen und der Bartolini- bzw. Bartolini-RossiGesellschaft auf der anderen Seite. Greifen wir nur wenige, signifikante Beispiele heraus. Die ersten 15 Fiorini für seine Romreise erhielt Francesco Naldini im Juli 1497 von der Florentiner Bank des Giovanni d’Ambra, über die schon am 21. Juni 1497 eine Zahlung von 100 venezianischen Dukaten durch Naldini an Bracci erfolgt war.101 Giovanni d’Ambra aber war bekanntlich einst Mitarbeiter der Florentiner Bartolini-Bank sowie der Medici-Seidengesellschaft, um sodann unter seinem Namen (mit einer nochmaligen Tarnung des Getarnten) in Florenz eine Art Hausbank für die Mediceer und vermutlich auch die Medici zu betreiben. Im September 1497 schloß Naldini in Siena trotz aller Widrigkeiten und Bedrohungen noch schnell ein von Bracci und Buonvisi eingefädeltes Alaungeschäft mit Antonio Pivi und Alessandro Colombini ab, die bereits ein Jahr vorher wiederholt als Geschäftsfreunde der neuen Bank des Leonardo Bartolini in Lyon in deren Büchern begegnen.102 Bezeichnender als die Querverbindungen zu Pivi und Colombini erscheint uns hingegen die zu Domenico Perini, dem unter- und zugeordneten Kommissionär – um nicht Handlanger zu sagen – der Lyoner Bartolini und Medici-Bank. Nach dem sichernden Erwerb von Gütern des Medici-Haushaltes Anfang 1495 war er im Mai 1495 durch Giuliano da Gagliano als Substitut bei Wechselbriefoperationen eingesetzt worden, die er noch Anfang 1496 für den abgereisten Giuliano ausführen durfte. Dies geschah in Abstimmung mit Filippo da Gagliano und Lanfredino Lanfredini in Florenz als Leitern der Medici-Goldschläger-Gesellschaft. Mit ihr und der Lyoner Medici- und Bartolini-Bank kooperierte Perini auch, als er in jener Zeit als Kommissionär Giulianos Warengeschäfte erledigte, für die er eine Provision von einem Prozent erhielt.103 Folgerichtig ist er danach nicht nur weiterhin in den privaten Büchern Giulianos als Agent für Waren- und Wechselbriefgeschäfte, sondern ist seit Gründung der Lyoner Gesellschaft des Leonardo Bartolini, d.h. seit August 1496, sowie der Bartolini-Rossi-Bank über die Jahre hinweg zugleich in deren Büchern nachweisbar, etwa weil er für den Bartolini Geld zu Cosimo Sassetti (das für Alessandro Tornabuoni bestimmt war) oder zu Bernardo de’ Rossi brachte oder 100 Giovanni Franceschi hatte Naldini mit 11 Scudi einen Teil der bis zur italienischen Grenze

entstandenen Reisekosten ausgelegt, von denen Naldini im Juni 1498 die restlichen 2 Scudi zurückzahlte; ASP I/38, c. 53. Von ihm hatte Naldini ja sein Verbannungsurteil erhalten und über ihn hatte er seine für die Florentiner Behörden bestimmten Briefe gesandt; legte dies schon eine Vertrautheit nahe, die noch unverbindlich sein konnte, so spricht das Zeugnis der Reisefinanzierung für eine Freundschaft. 101 Zum Vorgang vom 21.6.1497, der eventuell mit Leonardo di Zanobi Bartolinis Venedigreise in Verbindung steht, vgl. ASP I/37, c. 28. 102 ABS 197, c. 3/III (für September, November und Dezember 1496), 34 (August 1497, Jacopo Ghori als offenkundiger Mitarbeiter der Pivi-Colombini-Gesellschaft in Lyon) u.ö. 103 S.o. S. 194f.; zum Geburtsdatum Perinis vgl. Tratte, s.v.

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weil er für Leonardo ein Geschenk kaufte und für dessen Bank Goldfäden verkaufte. So wie für Giuliano und Filippo da Gagliano nahm er aber auch für jene Banken eine wichtige Funktion bei Wechselbriefgeschäften zwischen Florenz und Lyon ein.104 Es war demnach wie so vieles in dieser Geschichte alles andere als Zufall, daß Domenico Perini nun in Naldinis Aufzeichnungen wie selbstverständlich in engen Bezügen an der Seite von dessen Freunden auftritt. Er wird in Naldinis Büchern erstmals im Januar 1499 genannt, als Perini ihm per conto des Cosimo Bottegari weißes Leinen aus der Bretagne verkaufte.105 Bezeichnend ist zudem der in Naldinis Niederschriften überlieferte weitere Personenkreis, der über ein Warenkonto bei Perini Seidenstoffe erwarb. Es sind Lorenzo Spinelli, Gianbattista Bracci, Lorenzo und Michele Buonvisi sowie eben Francesco Naldini selbst.106 Erhellend ist ferner ein Eintrag zum 22. Juni 1499, als Francesco Naldini in seinem Rechnungsbuch in der Rubrik ‚Spesen für meinen Gebrauch und auf Kosten (per conto) meiner Ankunft in Frankreich‘ auf der Ausgabenseite 67 Pfund Tournosen verzeichnete, die er für bestimmte (Luxus-)Stoffe bezahlte: Taft, um Stoff für Gianbattista Bracci zu füttern; Stoff für Naldini; schwarzen Velours für sich selbst, den er von Domenico Perini bezogen hatte; Tuche aus Rouen für ein Kleidungsstück für Bracci und für violette Strümpfe für sich sowie einiges mehr.107 Naldini hatte für sich und seinen Mentor Gianbattista Bracci also feine Bekleidungsartikel herstellen lassen, deren Material er unter anderem wiederum von Domenico Perini kaufte. An dem subalternen Status Perinis hatte sich somit nichts geändert. Ein solcher war auch Francesco Naldini zu eigen, doch er handelte nicht wie Perini für alle Lyoner Mediceer-Banken und für die Florentiner Mediceer, sondern nur für einen: Gianbattista Bracci. Dieser steuerte auch nach 1497 die Geschäftsbewegungen seines – eben deshalb von der Bartolini-Rossi-Bank „adoptierten“ – Adlatus Naldini, wobei dieser sich im Laufe seiner Lyoner Exilsjahre immer mehr zu einem Partner Braccis und dessen Geschäftspartner Benedetto Buonvisi entwickelte. Dies zeigen Naldinis Aufzeichnungen luce clarius. Diese Hierarchien und Verflechtungen muß man sich vergegenwärtigen, wenn wir die weitere Entwicklung der Medici- bzw. Mediceer-Bankiers verfolgen, die sich als ein neues, spannendes und überraschendes Stück europäischer Wirtschaftsgeschichte offenbaren wird.

104 Vgl. etwa ABS 197, c. 3 (1496), 37, 40 (1498), 62 (1500), LXXV (1501) u.ö.; ASP IV, 5, pas-

sim. 105 ASP I/37, c. CLIII, 154. Das von Perini am 23.1.1499 bezogene Leinen aus der Bretagne hatte

Naldini über einen mit Bottegari vereinbarten Jahreskredit (tempo dell’anno) bezahlt. 106 Am 5.3.1499 wurden über ein Warenkonto (di chonto del Perino, [pagato] al Perino) wertvolle

Stoffe verrechnet, die (in dieser Reihenfolge) ein Simone Benedetti, dann Lorenzo Spinelli, Gianbattista Bracci, Lorenzo Buonvisi, Francesco Naldini und Michele Buonvisi von Perini kauften; ASP I/37, c. 157. 107 ASP I/38, c. LIII.

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c) Die Lyoner Salviati-Gesellschaft als Mediceer-Großbank Die Teilhaber der Lyoner Salviati-Gesellschaft: Salviati, Lanfredini und Naldini Die Salviati bildeten nur einen Teil, nicht einmal den wichtigsten, der bedeutenden Lyoner Salviati-Bank. Im Archiv der Salviati in Pisa habe ich ein (rotes) Geheimbuch der Lyoner Salviati-Gesellschaft gefunden, in welchem für die Jahre 1508 bis 1528 die einzelnen Teilhaber und ihre Anteile am Kapital aufgeführt wurden.108 Der Inhalt hat alle Erwartungen übertroffen. Am 17. April 1508 wurde in Florenz die Gründung einer neuen Gesellschaft in Lyon beschlossen. Sie umfaßte drei Teilhaber bzw. Kapitalgeber: erstens die Florentiner Bankgesellschaft von Alamanno und Jacopo Salviati, zweitens die Florentiner Bankgesellschaft des Lanfredino Lanfredini und drittens Francesco Naldini!109 Damals einigte man sich darauf, daß diese Gesellschaft den Namen Lorenzo di Jacopo Salviati e compagnia tragen, also nach dem 1492 geborenen Sohn Jacopos benannt sein sollte. Die Leitung aber sollte Francesco Naldini übernehmen – daran wird sich bis zu dessen Tod nichts ändern! Die Gesellschaft sollte ihre Geschäfte sofort aufnehmen und ihren Namen zur Allerheiligen-Messe 1508 bekanntgeben, wenn alle Kapitalanteile eingegangen seien. Am 12. August 1508 schrieben jedoch Alamanno und Jacopo Salviati wie auch Lanfredino Lanfredini aus Florenz an den Naldini, daß sie sich geeinigt hätten, den Namen dieser ragione in Alamanno Salviati e compagnia zu ändern. Zum 1. November 1508 hatten alle drei Teilhaber ihre ersten Anteile in ihre Gesellschaft eingebracht: Alamanno und Jacopo Salviati e compagnia di Firenze gaben 3.510 Scudi di marca; Lanfredino Lanfredini e compagnia del bancho di Firenze legten 3.795 Scudi, 13 Soldi und 11 Denare ein; von Francesco Naldini als Privatperson kam die zweithöchste und beachtliche Summe von 3.708 Scudi, 6 Soldi und 3 Denaren! Doch jeweils 5.000 Scudi umfaßte das vereinbarte Kapital, so daß die Salviati zur Messe von Christi Erscheinung im Januar 1509 ihre restlichen 1.490 Scudi bereitstellten, die Lanfredini 1.204 Scudi, 6 Soldi und 1 Denar sowie der Naldini 1.291 Scudi, 12 Soldi und 9 Denare.110 Mit einem Gesamtkapital von 15.000 Scudi – fast doppelt so viel wie das der bedeutenden Chigi-Gesellschaft in Rom – besaß diese neue Gesellschaft in Lyon also ein äußerst beachtliches Fundament! Gut zehn Jahre nach seiner fast mittellosen Ankunft in Lyon als am weitesten Verbannter aller Medici-Anhänger hatte Francesco Naldini somit den Gipfel eines fulminan108 ASP III/9 („libro rosso segreto di Alamanno [Salviati], ove sono descritti i corpi che chiascuno

di essi Salviati aveva di proprio nella Banca Salviati di Lione, 1508–1528“. Diese Beschreibung stammt allerdings vom Verfasser des Inventars; der Band ist nicht von Alamanno Salviati geführt worden (der schon 1510 starb), sondern offenkundig zunächst von Francesco Naldini, der in den ricordi am Schluß des Bandes von sich in der ersten Person spricht und der die Gesellschaft in Lyon leitete; da Naldini 1516 starb, muß der Band von seinem Lyoner Nachfolger fortgesetzt worden sein.). 109 ASP III/9, c. 43. 110 ASP III/9, c. I–II.

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ten Aufstiegs erreicht, der es ihm erlaubte, mit der hohen Kapitalsumme von 5.000 Scudi – von ihm allein getragen, nicht von einer Gesellschaft wie im Fall der Salviati und Lanfredini – an der Salviati-Bank in Lyon zu partizipieren. Sein Ansehen muß durch seine Leistungen derart gewachsen sein, daß ihm sogar die Leitung dieser Gesellschaft anvertraut wurde. Es war sozusagen die Krönung einer Exilskarriere. Sie wäre aber ohne die Hilfe guter Freunde, ohne die Effizienz des Medici-Netzwerkes nicht möglich gewesen: Bernardo de’ Rossi und Leonardo Bartolini in Lyon, Gianbattista Bracci in Florenz sind als maßgebliche Wegbereiter zu nennen. Doch auch Naldini wird seine Position in der neuen Salviati-Gesellschaft in gleicher Weise dem Einfluß Braccis verdankt haben. Wenn ein Aufsteiger wie Francesco Naldini in so kurzer Zeit eine solche Bedeutung erlangte, wird dies nicht ohne (verdiente) Protektion geschehen sein. Ihn hatten wir in vielerlei personalen Bezügen gesehen, doch niemals vorher in einem näheren Kontakt zu den Salviati-Cousins oder Lanfredino Lanfredini – obgleich er sie aus seiner Florentiner Zeit bestens kannte. Ist an deren Zugehörigkeit zum Medici-Kreis auch nicht zu zweifeln, so erklärt dies noch nicht, warum sie einem Mann wie Naldini eine so gewichtige Teilhaberschaft an ihrer Gesellschaft erlaubten und zudem deren Leitung übertrugen. Diese Ehrung verdankte Naldini dem Entschluß eines Mannes, mit dem er seit langem in engster Verbindung stand und der von seinen Qualitäten wie kein anderer wußte. Dies war sein Mentor Bracci. Er konnte Naldini als verantwortlich leitenden Partner in einer Gesellschaft der Salviati- und der Lanfredini-Bank plazieren, weil er selbst Teilhaber der Lanfredini-Bank war und Naldinis Handlungen lenkte. Deswegen konnte Bracci von Beginn an eine zentrale Rolle in der Lyoner SalviatiGesellschaft übernehmen. In einem Memorialbuch der Lyoner Salviati-Bank wurde notiert, wie Francesco Naldini im Juli 1508 – als diese Gesellschaft zwar schon gegründet, das Kapital aber noch gar nicht eingebracht war! – bei einer Durchreise durch Montpellier mit Piergiovanni Bottegari, dem dortigen Vertreter der Lyoner Bartolini-Bank, eine gemeinsame Versicherung für ihre Warenlieferungen vereinbart hatte. Die Hälfte hatten die Bottegari zu tragen, die andere Hälfte aber teilten sich zu 50% die Lyoner SalviatiGesellschaft und zu je 25% Gianbattista Bracci sowie Francesco Naldini persönlich (d.h. mit je einem Viertel bzw. einem Achtel des Gesamtwertes). Am 15. November 1508 schrieb Bracci dann nach Lyon, daß er mit dieser Vereinbarung einverstanden sei und daß seiner Ansicht nach jedes Jahr darüber abgerechnet werden müsse.111 Wenn aber Naldini demnach noch 1508 für Bracci, nach dessen Anleitung, handelte, dann spricht alles dafür, daß Naldinis gewaltiger Kapitalanteil von 5.000 Scudi – analog zu dem des Bartolomeo del Rosso in der Londoner Bartolini-Bank, dem Leonardo Bartolinis und Piergiovanni Bottegaris in den nominell von Bartolomeo Bartolini finanzierten Banken in Lyon und Montpellier sowie dem des Bernardo de’ Rossi – gar nicht von dem mittellos gestarteten Naldini, sondern von Bracci getragen wurde! In seinen persönlichen Aufzeichnungen bezeugte Naldini diese Struktur: 2.000 Scudi seines Kapitals stammten 111 ASP I/438 („Libro di ricordi di ricevute e mandate. Copia di cedole. Entrate e Uscita drappi.

Copie di Conti“), c. 3; vgl. ANF 70, c. VIIII

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von Bracci, der unter Naldinis Namen von 1508 bis 1517 heimlich an der Salviati-Bank partizipierte, zudem offen als Lanfredini-Teilhaber. Deshalb erhielt Naldini 1513 40% des Gesamtgewinns.112 Bracci investierte über sich und/oder Naldini offenkundig wiederum Teile des geretteten oder vielmehr neu aufgebauten Medici-Vermögens, das zu einem Teil auch in die Hände der Tornabuoni-Erben bzw. ihrer Vormünder gelangt war. Braccis Position in der Lanfredini-Bank zeigt sich anschaulich in gleicher Weise nach dem Tod Alamanno Salviatis, der am 24. März 1510 erfolgte. Da Alamanno der Lyoner Gesellschaft den Namen gegeben hatte, mußten die Teilhaber sich nun auf einen neuen einigen. Dies geschah rasch. Doch wer nun Francesco Naldini über die Entscheidung informierte, ist schon bemerkenswert. Denn ihn erreichten am 13. April in Lyon nicht nur Missiv-Briefe von Jacopo Salviati und Alamannos Sohn Averardo vom 28. März sowie von Lanfredino Lanfredini vom 9. April, sondern auch ein von Bracci am 29. März geschriebener Brief! Alle Schreiben hatten zum einen die Nachricht vom Tod Alamannos zum Inhalt, zum anderen die Anweisung, daß ihre ragione in Lyon in der gleichen Form wie bisher, aber unter dem neuen Namen Jacopo et Rede d’Alamanno Salviati e compagnia weitergeführt werden solle.113 Ohne Bracci konnte eine solche Entscheidung nicht gefällt werden, wohl aber ohne Giovanni Bartolini, der doch wie sein Schwager Lanfredini und wie Bracci am Anteil der Lanfredini-Bank zu einem Drittel partizipierte. Welche Präsenz, welche Stellung Gianbattista Bracci in der Lanfredini-Gesellschaft einnahm, können wir durch ein späteres Beispiel personaler Nähe veranschaulichen, das aus der Zeit kurz nach Ende des Medici-Exils stammt. Leonardo di Zanobi Bartolini war nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Florenz im Februar nach Rom zurückgekehrt, von wo er jeden Tag entweder an Lanfredini oder an Bracci geschrieben hatte. Am 9. März 1513 richtete er nun seinen in Rom verfaßten Brief an beide zugleich: an den ‚wie einen Vater zu verehrenden‘ Lanfredini und bzw. oder an Bracci, seinen Schwager. Alles, was Leonardo zu erzählen wußte – über das laufende Konklave; seine Vermutung über den künftigen Papst und die Wette, die er mit Bracci darüber eingehen wolle; über Braccis Sohn Marco und seine Tochter Lisa; über die bei Lanfredino und Bracci hinterlegte Aussteuer seiner eigenen Tochter und manch anderes mehr –, all dies schrieb er an beide, wie an eine geistige Einheit. Fast gewinnt man den Eindruck, Lanfredino und Gianbattista hätten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt – und dies seit vielen Jahren. Als der deutsche Kaufmann Hans Paumgartner der Jüngere 1514/15 am Schluß seiner mehrjährigen Reise zu den wichtigsten europäischen Handels- und Bankplätzen auch Lyon besuchte, führte er in seinen Aufzeichnungen als namhafte Lyoner Banken bzw. creditori außer den Buonvisi aus Lucca und den Sauli aus Genua nur noch acht Florentiner Banken auf, darunter neben der Bank der Nasi und des Bartolomeo Panciatichi auch die Salviati- und die Bartolini-Bank.114 Obwohl mit den Welsern und generell mit der 112 S.o. S. 124 u. Anm. 90. Das Verfahren gleicht dem zwischen Bracci und Giuliano da Gagliano. 113 ASP III/9, c. 43/XLIII (Addì 24 marzo 1509 [i.e. 1510] morì Alamanno Salviati). 114 Müller, Welthandelsbräuche, S. 271 (die Bartolini erscheinen dort, in der überlieferten Abschrift

von Paumgartners Aufzeichnungen und vom Herausgeber nicht berichtigt, in der verballhornten

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internationalen Handelsfinanz bestens vertraut, war auch ihm die innere Verbindung zwischen der Salviati- und Bartolini-Bank verborgen geblieben. Wenn diese beiden für die Außenstehenden zu den wichtigsten Banken an einem der bedeutendsten europäischen Finanzplätze zählten, darf man unseren Mediceern einen nicht geringen Erfolg bescheinigen – der noch respektheischender wäre, wenn sich die vermutete Verbindung der NasiBank zu den Mediceer-Banken bestätigen würde und wenn über die der Buonvisi-Bank Genaueres bekannt wäre. Die Beteiligung der Lyoner Salviati-Gesellschaft und Bartolini-Bank an der Naldini-Gesellschaft in Toulouse Über die Lanfredini-Gesellschaft gab es nicht nur eine Beteiligung Giovanbattista Braccis, sondern auch Giovanni Bartolinis an der Lyoner Salviati-Gesellschaft. Dieser Bezug wird nun ganz konkret in einer kurz darauf vorgenommenen Erweiterung des Geschäftsfeldes deutlich. In Toulouse war 1507 eine Gesellschaft gegründet worden, die unter dem Namen von Domenico [di Giovanni] Naldini – einem Cousin Francescos, der 1475 (wie dieser und die ganze Familie) im Florentiner Stadtviertel San Giovanni geboren worden war – und dem des noch recht jungen, 1488 in Memmingen geborenen Johann Vöhlin (Gian Felini) firmierte. Die eigentlichen Kapitalgeber waren allerdings die Welser-VöhlinGesellschaft bzw. ihre Lyoner Faktorei (7.000 Pfund Tournosen per il chorpo und 1.000 per la persona, also Johann Vöhlin) sowie offenkundig Francesco Naldini (5.000 Pfund per il chorpo und 2.000 per la persona, also Domenico Naldini), der als verlängerter Arm Braccis bzw. der Lanfredini-Bank handelte und wie sein Cousin von jenem das Kapital (oder dessen größten Teil) erhalten haben wird – analog zur Lyoner Salviati-Bank.115 Als diese ragione nach einer schon im Januar 1508 getroffenen Übereinkunft zum 9. Juni 1508 aufgelöst wurde, vereinbarte Francesco Naldini für sich und für die bereits im Status Form Parchelini, die Panciatichi hingegen als Panzati), vgl. S. 66f. (zur allgemeinen Einordnung dieser Lyoner Banken). 115 Für die freundliche Auskunft über die Teilhaber und die Entwicklung dieser Gesellschaft danke ich Peter Geffcken; vgl. hierzu Lang, Fremdsprachenkompetenz, S. 80 (mit etwas ungenauer Zuordnung), 88 (der junge Johann Vöhlin stand schon im März 1505, unter anderem wegen Geschäftsbeziehungen nach Zaragoza, im engen Kontakt mit Domenico Naldini in Toulouse, der wiederum briefliche Instruktionen von Francesco Naldini aus Lyon erhielt). Das Schuldbuch dieser Gesellschaft von Domenico Naldini und Johann Vöhlin beginnt mit dem 21.10.1507 und ist im Salviati-Archiv überliefert; ASP I/39. Häufige Namen in den Konten sind die wohl bekannten Leonardo di Bartolomeo Bartolini, Lanfredino Lanfredini, Gianbattista Bracci, Francesco Naldini, Pierfilippo und Piero Bartolini und natürlich die Johann Vöhlin zugeordnete Lyoner Welser-Vöhlin-Faktorei. Auf deren Einbindung in das Netzwerk der medicinahen Kaufleute wird später noch näher einzugehen sein. Francesco di Domenico di Francesco Naldini bezeugt sowohl einen Bruder namens Domenico, der ihm beispielsweise im August 1496 Geld nach Prato schickte (ASP I/38, c. V), als auch einen gleichnamigen Cousin (ASF, MAP VII, doc. 432: ... Domenico Naldini mio chugino...), bei dem es sich um Domenico di Giovanni di Francesco di Domenico Naldini handeln muß, der am 23.8.1475 geboren wurde und offenkundig von 1497 bis 1505 in Toulouse als Vertreter der Buonvisi-Gesellschaft wirkte; s.u. S. 661, 796; Tratte, s.v.

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nascendi befindliche Lyoner Salviati-Gesellschaft zum gleichen Tag in Lyon mittels eines Privatvertrages mit Domenico, daß er bzw. die Salviati-Bank (d.h. Bracci im Hintergrund!) nun gleichsam an Stelle Vöhlins bzw. der (Lyoner) Welser-Vöhlin-Gesellschaft (Faktorei) mit 7.000 Pfund (bzw. Franchi) Tournosen, doch nur noch per via d’accomandita in die Toulouser Gesellschaft Domenicos einstiege, welcher (nominell) wie bisher 5.000 Franchi als Kapital einlegen und als Ausgleich für seine Dienste wie die Salviati (d.h. Salviati, Lanfredini und Naldini) zur Hälfte am Gewinn beteiligt sein würde. Einige Monate später jedoch wünschte Lanfredino Lanfredini, daß zum 18. Mai 1509 auch Leonardo di Bartolomeo Bartolini, d.h. dessen Lyoner Bank, in diese accomandita aufgenommen würde.116 Wie die Lyoner Salviati-Gesellschaft sollte die Lyoner BartoliniBank 7.000 Franchi investieren und dafür von Beginn an wie die beiden anderen Partner mit einem Drittel am Gewinn profitieren. Ob Lanfredinos Intervention zugunsten seines Schwagers eher den Interessen und dem Verlangen der Florentiner Zentrale als dem Wunsch Leonardos folgte, ist fraglich. Am 21. Mai 1509 kamen schließlich Leonardo Bartolini sowie Domenico und Francesco Naldini überein, überdies Piero Cerretani mit 1.200 Franchi Kapitaleinlage in die accomandita zu integrieren und von Beginn an am Gewinn partizipieren zu lassen. Piero Cerretani stammte aus Siena und war ein Mitarbeiter der Lyoner Salviati-Gesellschaft.117 Der Partizipationsschlüssel lautete demnach: Die Lyoner Bartolini- und Salviati-Gesellschaft sollten mit jeweils 6 Soldi, 5 Denaren 7/109 pro Franken teilhaben, Domenico Naldini mit 5 Soldi, 8 Denaren 28/109 pro Franken und Piero Cerretani mit 1 Soldo, 5 Denaren 67/109 pro Franken. Die Naldini-Gesellschaft in Toulouse firmierte nun unter den Namen der beiden Cousins (Francesco e Domenico Naldini e compagnia di Toulouse).118 Seit 1509 befand sich die Gesellschaft des Leonardo Bartolini in Lyon also über die beiden Naldini in einer Partnerschaft mit der Lyoner Salviati-Gesellschaft. Die Netzwerkfaktoren Verwandtschaft, Freundschaft und Geschäftspartnerschaft wurden immer enger miteinander verflochten. Vertragsgemäß sollte diese accomandita bis zur Allerheiligen-Messe 1511 dauern, doch ließ man sie ohne einen neuen Vertrag noch weitere zwei Jahre laufen. Der Tod Leonardo Bartolinis im Oktober 1512 wird dazu beigetragen haben, daß seine Brüder und ihr väterlicher Partner Lanfredino Lanfredini sich angesichts der komplexen Erblast dieser Verpflichtung entledigten. Gherardo Bartolini informierte seinen Seniorpartner bzw. maggiore Lanfredino im Oktober 1513 neben vielen einzelnen Punkten, die ihre gemeinsame compagnia betrafen, daß Francesco Naldini sich jetzt in Lyon mit Zanobi Bartolini treffen würde, um den seit längerem geplanten Ausstieg der Bartolini aus dieser ‚gesegneten Gesellschaft von Toulouse‘ (questa benedetta compagnia di Tolosa) finanziell und vertraglich zu regeln.119 Die Einigung, die Naldini im eigenen Namen sowie als Vertreter der 116 ASP III/9, c. 43, XLIIII (falsch paginiert als „44“). 117 Vgl. etwa ASP III/9, c. 4 (Piero di Muciatto Cerretani da Siena nostro giovane ...). 118 Vgl. etwa ABS 202, c. 61. 119 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 38 (15.10.1513, Gherardo Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini

in Florenz). Durch den Überforderung indizierenden Kontext und florentinischen Usus wird benedetta hier ironisch-spöttisch gemeint gewesen sein.

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Lyoner Salviati-Gesellschaft und Domenico Naldinis am 26. November 1513 mit Zanobi Bartolini als Prokurator der Lyoner Bartolini-Erben-Bank erzielte, sah vor, daß deren Kapital (7.000 Franchi) und Gewinn (gut 2.333 Franchi tornesi) nach der Saldierung der Konten zunächst in die Lyoner Salviati-Bank transferiert würde, von der die Gesamtsumme dann in Lyon in zwei Raten an Zanobi bzw. die Erben ausbezahlt würde.120 Eine Mediceer-Agentur: Von der Perini-Gesellschaft zur Rossi-Fraschi-Gesellschaft In der bisherigen Forschung hat Domenico Perini einen wichtigen Platz erhalten. Denn man nahm an, unter seinem Namen hätten Alamanno und Jacopo Salviati 1505 ihre erste Bank in Lyon gegründet und geführt, der sie erst 1508 ihren eigenen Familiennamen gaben. Domenico Perini sei schon am 14. April 1505 in Lyon gestorben, weshalb die Salviati seine Gesellschaft übernommen, den Namen zunächst beibehalten und deren Geschäfte auf eigene Rechnung fortgeführt hätten. (Die am 1. Juni 1505 unter seinem Namen gegründete Gesellschaft hätte demnach die seiner Erben sein müssen.) Den Grund für diese Annahme sah man in dem von 1505 bis 1508 reichenden Geschäftsdokument, das man als erstes und einziges (erhaltenes) der Perini-(Erben-)Gesellschaft bezeichnete, da es den sachlichen Beginn der dann folgenden Bücher der 1508 gegründeten Lyoner SalviatiBank bilde.121 Diese Behauptung ist jedoch nicht korrekt. Allerdings ist es in der Tat erstaunlich, daß sich das einzige erhaltene Geschäftsbuch der Perini-Gesellschaft im Besitz der Salviati befand. Die vermutliche Genese der Besitzverhältnisse läßt sich aufzeigen, wenn man dieses Buch genauer analysiert. Es entstand nach dem Tod Domenico Perinis, der jedoch

120 ABS 202, c. 61; ABS 204, c. 102. Der Gesamtbetrag von gut 9.333 Franchi tornesi entsprach

damals insgesamt ca. 13.666 Franchi di re bzw. 6.933 Fiorini. 121 ASP I/436 („Spoglio del libro di debitori e creditori di Domenico Perini e compagnia di Lione“)

und Inventario. Zur bisherigen Forschung vgl. v. a. Hurtubise, Salviati, S. 145, Anm. 145 u. Anm. 35 (doch irrig die Angabe, das Rechnungsbuch I/427 stelle den ersten Band der Lyoner Salviati-Bank dar und beginne 1505; das erste Geschäftsbuch der Salviati-Bank hat die Signatur I/437 und beginnt 1508) und Pinchera, L’archivio Salviati, S. 984: Hier wird sogar festgestellt, daß Jacopo und Alamanno Salviati 1505 ihre für Bank- und Handelsgeschäfte konzipierte Gesellschaft in Lyon gegründet hätten, die unter dem Namen Domenico Perini e compagnia entstanden und nach Perinis Tod von den Salviati als neuen Inhabern auf ihre Rechnung weitergeführt worden sei. Doch Pinchera stützt sich hierbei auch auf eine irrige Angabe im Inventar des Salviati-Archivs, nach welcher Domenico Perini am 14.4.1505 in Lyon gestorben und begraben worden sei – dann aber hätte ihre Perini-Gesellschaft als Erben-Gesellschaft bezeichnet werden müssen. Zu korrigieren ist auch Pincheras Vermerk, der Band ASP I/435 sei der erste Band dieser „Perini-Salviati-Gesellschaft“, denn bei ihm handelt es sich um einen „libro pagonazzo, segnato ‚cs‘, debitori e creditori 1517–28/30“ der Lyoner Salviati-Gesellschaft. Unabhängig von diesen Fragen würdigt Hurtubise, a.a.O., S. 145–147, die Gründung der Lyoner SalviatiGesellschaft als isolierte unternehmerische Tat, da er die Bezüge zum Mediceer-Kreis nicht sah.

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erst am 13. April 1508 eintrat.122 Bis dahin hatte Perini zwei Geschäftsbücher geführt, ein rotes Buch „A“ von ca. 1495 bis 1505 sowie ein blaues Buch „B“ von 1505 (1.6.) bis 1508. Das im Salviati-Archiv vorhandene Geschäftsbuch mit der Signatur ASP I/436 stellt eine Art Saldierungsbuch jener zwei Bücher Perinis dar, um deren Konten zu klären und abzuschließen. Es wurde im Juni 1508 verfaßt, und zwar von Mitarbeitern der Gesellschaft Bernardo de’ Rossi e Francesco Fraschi e compagnia di Lione, die nämlich damals die Perini-Gesellschaft übernommen, liquidiert und deren finanzielles Erbe angetreten hatte.123 Sowohl die Perini- als auch die Lyoner Rossi-Fraschi-Gesellschaft waren wiederum eng mit der Lyoner Gesellschaft von Leonardo Bartolini verknüpft, welche für den Kontenausgleich auch Geld aus dem Vermögen der Perini-Gesellschaft erhielt. Vor allem aber transferierte die Rossi-Fraschi-Gesellschaft mit einem credito von 7.429 Scudi eine große Summe aus dem Vermögen der Perini-Gesellschaft bzw. der Erben des Domenico in ihre eigene. Hierbei kann es sich nur um einen aus corpo-Anteil und Profiten oder allein aus dem Gewinnanspruch bestehenden Kapitaltransfer gehandelt haben, so daß die Rossi-Fraschi-Gesellschaft, d.h. deren einzelne Teilhaber, als Mitgesellschafter der PeriniGesellschaft anzusehen ist.124 Dies betrifft aber, wie noch zu zeigen sein wird, nicht nur und nicht einmal primär die Namensgeber Bernardo de’ Rossi und Francesco Fraschi (auch Frascha genannt), der tatsächlich ein Partner Perinis war. Fraschi hatte 700 Scudi zum Kapital beigetragen, Perini jedoch 5.300 Scudi. Diese Kapitaleinlage erhielten die Söhne Domenicos als dessen Erben bzw. ihre Mutter Lisbetta als ihr Vormund nach der Bilanzierung unter Verrechnung bestimmter Verbindlichkeiten.125 Nach Aussage der Bilanzersteller sollen Perini und Fraschi ihre Kapitalanteile schon während der ersten Geschäftsperiode (1495–1505) eingebracht haben, doch Perini sei damals alleiniger compagno gewesen, d.h. er betrieb die Gesellschaft allein.126 Ein ge122 Vgl. ASP I/436, c. 14 (das Datum ergibt sich aus dem Konto Spese fate p’el mortorio del nostro

magior Domenico [Perini]: schwarze Tuche wurden am 13.4. gekauft, Ausgaben für Messe und Almosen erfolgten am 14.4.1508). 123 ASP I/436. Domenico Perinis Partner Francesco di Zanobi Fraschi wurde erst 1508 Partner von Bernardo de’ Rossi, mit dem er bis mindestens 1514 eine gemeinsame Gesellschaft Bernardo de’ Rossi e Francesco Fraschi e compagnia di Lione führte und die eine Vertretung in Florenz besaß (zufällige Zeugnisse etwa in ASP I/437, 444, 449; ABS 199). Sie führten zudem, wie z. B. für 1509 zu belegen ist, eine gemeinsame Seidengesellschaft (Bernardo de’ Rossi e Francesco Fraschi e compagnia setaiuoli); ASP IV/5, c. 145, 146. Fraschi ist ähnlich wie Perini eine der Forschung weitgehend unbekannte Person. Es handelt sich wohl um den Sohn des Florentiners Zanobi di Domenico di Cecco Frasca, der z. B. um 1450 in den Florentiner Ämterlisten erscheint, zu den neuen Familien der Stadt gehörte und dessen anzunehmender Verwandter Domenico Fraschi schon Ende der 80er Jahre im Wechselbriefgeschäft mit Südfrankreich nachzuweisen ist; vgl. Rubinstein, Government, S. 154 (zur Familie); Collier/Billioud, Histoire, S. 159 (zu Domenico Fraschi bzw. Frascha). 124 ASP I/436, c. XVIIII (die Erben von Domenico Perini hatten der Rossi-Fraschi-Gesellschaft diese Summe zu geben per e tempi che infralloro sono d’achordo di che appare schritta per mano d’Antonio di Migliore Ghuidotti e cciaschuno delle parte è dd’achordo – diese kryptische Begründung spricht wieder für eine interne, geheime Vereinbarung). 125 ASP I/436, c. 6/VI. 126 ASP I/436, c. 19.

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nauerer Blick in das Innenleben dieser Perini-Gesellschaft bringt weitere Merkwürdigkeiten zu Tage. Perini handelte zwar bei einigen Warengeschäften auf eigene Rechnung, doch bis zu seinem Tod bestand seine Funktion in erster Linie darin, eine Lyoner Schaltstelle für Wechseloperationen seiner Auftraggeber aus dem Kreis der führenden Florentiner Mediceer-Bankiers zu bilden und ferner für diese gegen eine Provision Waren zu kaufen und zu verkaufen. Von Giuliano da Gagliano zum Beispiel wird der Name Perinis im Kontext solcher Geschäfte erstmals zum 31. Oktober 1506 mit dem Zusatz e compagnia versehen.127 In den Büchern der Lyoner Gesellschaft des Leonardo Bartolini wird jedoch für das Frühjahr 1501 angegeben, daß man Domenico Perini di qui, also in Lyon, eine bestimmte Summe aufgrund eines Wechselbriefes auszahlte, der aus Florenz durch Domenico Perini nach Lyon gezogen worden war.128 Dies dürfte auf Teile bzw. jene Teilhaber der Perini-Gesellschaft hinweisen, die in Florenz saßen. Deshalb bewegten sich nahezu alle Geschäfte der Perini-Gesellschaft zwischen Firmen und Namen, die dem Kreis der Mediceer-Geschäftsleute und ihren engsten Freunden zuzuordnen sind: die Lyoner Banken von Leonardo Bartolini, von Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi, von Bernardo de’ Rossi und Francesco Fraschi, von Bartolomeo Panciatichi, von den Buonvisi und Micheli, die Florentiner Banken des Bartolomeo Bartolini und Carlo Ginori, die Bank des Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Bracci, die Gesellschaft des Francesco Giocondi [del Giocondo] und die Wollgesellschaft des Bernardo Pucci in Florenz, Lorenzo Spinelli, Raffaello di Francesco di Giuliano de’ Medici, die Bottegari in Montpellier oder die für den Levante- und Asienhandel eingerichtete Gesellschaft des Andrea di Paolo Carnesecchi in Pera, die offenbar eine dortige Agentur der Florentiner Lanfredini-Bank darstellte und Kooperationsgeschäfte mit der Perini-Gesellschaft tätigte. Gleichsam als menschliche Substruktion dieses ökonomischen Geflechts erscheinen die zahlreichen Patenschaften innerhalb dieses Kreise, so etwa die von Andrea Carnesecchi, Giuliano da Gagliano und Giovanni di Niccolò Martelli am 19. Mai 1505 für eine Tochter Domenico Perinis, der damals in Florenz gewesen sein muß.129 Und wie in diesem Zirkel üblich, begegnen auch anonyme Freunde, so etwa ein amicho Domenico Perinis, der das Sigle „M“ erhielt und für den zwischen Anfang 1506 und Mai 1508 beachtliche Summen von einigen Tausend Scudi über Wechselbriefe vor allem zwischen Lyon und Florenz transferiert wurden! Bei ihm handelte es sich um Matteo, den Sohn jenes Luca da Panzano, der zu den engsten Freunden der Familie Da Gagliano gehörte und dessen Bank gleichsam eine Hausbank von Giuliano und Filippo da Gagliano war. Perinis (und Bernardo de’ Rossis) Partner Francesco Fraschi war im Grunde eher ein Mitarbeiter der Perini-Gesellschaft, denn er erhielt so wie Francesco di Vivaldo Ghini zwischen 1505 und 1508 dreieinhalb Scudi Lohn pro Monat, während Riccardo Maccinghi 40 Scudi pro Jahr bekam. Das waren keine Gehälter für höhere Angestellte. Die höchsten Posten der spese di merchatantie wurden jeweils der Lyoner Gesellschaft des Leo127 ASP IV/6, c. 112r. 128 ABS 197, c. LXII. 129 ASP IV/6, c. 72v.

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nardo Bartolini vergütet. Vom 1. Juni 1505 bis zum 1. Juni 1506 berechneten die Bartolini der Perini-Gesellschaft allein 80 Scudi ‚für die Spesen des Francesco Fraschi und Riccardo Maccinghi und ihrer Pferde‘, die sich auf Kosten der Bartolini in deren Haus befunden hatten. Ein ähnlich hoher Posten Spesen (86 Scudi für 1507/08) betraf gleich Fraschi, Ghini, Maccinghi und Tommaso, einen Diener der Perini-Gesellschaft, deren Ausgaben und Kosten von der Bartolini-Bank ausgelegt worden waren und der Perini-Gesellschaft am Schluß in Rechnung gestellt wurden. Offenkundig hatten die Mitarbeiter der PeriniGesellschaft im Haus der Bartolini-Bank gewohnt. Ihre eigene Gesellschaft verfügte denn auch über nicht mehr als eine Kammer, in der sich die Waren befanden (bei der Inventur am 11. Juni 1508 Tuche im Wert von 2.589 Scudi), und eine Schreibstube (schrittoio), für die man 28 Scudi Miete pro Jahr bezahlte.130 Es erscheint bezeichnend für dieses dichte Gewebe, daß auf der Gegenseite für 1506 Ausgaben verzeichnet sind, für die Piero Bartolini, Pierfilippo Bartolini und Giovanni Dati als Leonardo Bartolinis Diener verantwortlich waren, d.h. die sie für die Perini-Gesellschaft tätigten.131 So erklären sich auch die gemeinsamen Tätigkeitsfelder. Fraschi hielt sich beispielsweise im Juli 1506 in Chambéry auf, wo er für die Perini-Gesellschaft unter anderem dem Herzog von Savoyen Diamanten verkaufen sollte.132 Piero und Pierfilippo Bartolini, die für Leonardo Bartolini mit wichtigen Missionen in Frankreich, Savoyen und Oberitalien wirkten, haben zugleich für die Perini-Gesellschaft gearbeitet und Spesen für Pferde, Kerzen, Öl usw. anfallen lassen. All diese Bezüge zeigen, daß die Perini-Gesellschaft nur eine Agentur der MediceerKaufleute war und daß die weiteren, die eigentlichen Teilhaber der Perini-Gesellschaft (neben Perini und Fraschi) aus dem Kreis der Bankiers stammen mußten, die auch hinter den Bartolini- und Rossi-Banken standen. Domenico Perini war nie mehr als ein Handlanger der führenden Mediceer in Lyon und Florenz, der Aufträge anzunehmen hatte und dafür Provisionen erhielt. Seine Gesellschaft muß (wie die der Bottegari in Montpellier) ein Appendix der Bartolini-Bank und damit ein Instrument der Florentiner MediceerBankiers gewesen sein, was auch die Analyse der Konten deutlich machte. Wenn Perini ein Kapital von 5.300 Scudi zugeschrieben wurde, dann ist ihm dieses offenkundig wie im Fall des Piergiovanni Bottegari, Bernardo de’ Rossi oder Leonardo Bartolini von den Florentiner Mediceern zur Verfügung gestellt worden. Die Übertragung des Kapitals an die Erben seitens der Rossi-Fraschi-Bank geschah demnach bankintern pro forma, wird aber nicht faktisch erfolgt sein. Realiter aber errechneten die Saldierer für diese kleine Perini-Gesellschaft beachtliche Gewinne von 2.286 Scudi (für das Geschäftsjahr 1.6.1505–1.6.1506), 1.693 und 1.482 Scudi (1506–08), von denen Perini und Fraschi trotz ihres Drei- bzw. Einviertel-Anteils nominell nur ca. 67% erhielten; realiter wurde 1508 ein noch höherer Gewinn von 7.429 130 ASP I/436, c. 18, 25. 131 ASP I/436, c. 22, 23, 24. Pierfilippo entstammte der Ehe zwischen Bernardo di Niccolò Bartoli-

ni und Caterina di Piero Vespucci; von Lyon aus hatte er z. B. 1503 einen Erbstreit mit seinen Brüdern und seiner Mutter schlichten lassen; ABS, Inventario delle pergamene, I, 2 (atten. alla fam.), 18.5.1503. 132 ASP I/436, c. 24.

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Scudi aus der Perini-Gesellschaft in die Rossi-Fraschi-Gesellschaft übertragen.133 Deren Teilhaber dürften demnach Hauptgesellschafter der Perini-Gesellschaft gewesen sein, weshalb sie diese nach Perinis Tod übernahmen und liquidierten. Solche Kontenbereinigungen umfaßten sogar noch die alte, 1502 aufgelöste Gesellschaft von Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi; vor allem floß immer wieder Geld von der Perini-Gesellschaft auf Korrentkonten in Florenz, wo die Drahtzieher zu verorten sind. Es sind, kaum verwunderlich, die mit der Lanfredini-Bank verbundenen Florentiner Mediceer. Als Fortsetzung der Perini-Gesellschaft gründeten sie 1508 die Gesellschaft Bernardo de’ Rossi e Francesco Fraschi e compagnia di Lione, die als solche im November 1508 bei einem Wechselgeschäft nachzuweisen ist.134 Die Lyoner Bartolini-Bank hatte damals für diese Lyoner Gesellschaft (als Remittent) einen Wechsel über 654 Scudi zum 15. Januar 1509 nach Florenz auf bzw. in die Rossi-Fraschi-Gesellschaft (als Trassat) gezogen, von welcher Bernardo de’ Rossi als Begünstigter den Betrag erhalten sollte; doch tatsächlich war er für Cosimo Sassetti bestimmt. Andere Wechsel, bei denen sich die Lyoner RossiFraschi-Gesellschaft wiederum der Bartolini-Bank bediente, wurden unmittelbar für Cosimo Sassetti in Bernardo de’ Rossi e Francesco Frascha trassiert.135 Sassetti stand also hinter Bernardo de’ Rossi; er war in Florenz der eigentliche Kopf der Rossi-FraschiGesellschaft Lyon. (Deshalb sprach man für Lyon von einer compagnia, während es für ihre Florentiner Vertretung nur hieß: Rossi e Fraschi di Firenze.) Da diese Funktion Rossis als verlängerter Arm Sassettis auch schon 1503 zu belegen ist und da Sassetti als einer der Teilhaber der Lyoner Medici-Bank seit 1496 hierarchisch über Rossi stand, gehörte Sassetti offenkundig auch zu den Hintermännern und Kapitalgebern Rossis in der Lyoner Bartolini-Rossi-Bank.136 Doch Cosimo Sassetti führte Bernardo de’ Rossi nicht unabhängig oder aus eigenem Antrieb, sondern als integrierte Kraft der Florentiner Lanfredini-Bank. Diesen Funktionszusammenhang demonstriert zum einen wiederum ein Wechsel, den Bernardo de’ Rossi über die Lanfredini- auf die Bartolini-Bank zog, von der Francesco Naldini zum 15. Juli 1508 als Begünstigter Rossis 455 Scudi erhielt.137 Noch deutlicher erscheint er in einem 133 ASP I/436, c. XVIII, XVIIII. 134 ABS 199 (Libro di fiera der Bank des Leonardo Bartolini in Lyon, 1507–09), c. 91/LXXXXI. 135 ABS 199, c. 91, 165, 180 (November 1508 bis November 1509; erhellend die Formulierung:

Bernardo de’ Rossi e Francesco Frascha e Co. di Lione geben am 27.11.1508 marca 10, 0, 13, 14 per una lettera di cambio fatta loro per Firenze per dì 15 di gennaio [...] a Bernardo de’ Rossi in detti Rossi e Fraschi, al quale Bernardo trassimo per Cosimo Sassetti sopra di lui). 136 Giuliano da Gagliano hatte zum 4.4.1503 die Lyoner Buonvisi-Micheli-Gesellschaft als Kreditor über 92, 11, 6 Scudi bzw. 100 fl. l.o.o. verzeichnet, die er ihnen mit einem Wechsel über 1, 3, 9, 11 Goldmark zur nächsten Oster-Messe trassierte, und zwar in Bernardo de’ Rossi, al quale gli rimissi per conto di Cosimo Sassetti posto debitore; ASP IV/5, c. 79/LXXVIIII, CIII; IV/6, c. 105v; IV/8, c. 82r (trassi per mio conto e rimissi per conto di Cosimo Sassetti). Schon im Mai 1502, als Cosimo Sassetti sich in Florenz von einem Konto Giuliano da Gaglianos bei der Gaddi-Bank für eine Woche 50 Fiorini geliehen hatte, um in ein Thermalbad zu gehen, ließ Sassetti diesen Betrag am 14.5. durch Bernardo de’ Rossi per mano di Luca da Panzano, also über ein Konto bei Panzano, zurückzahlen; ASP IV/5, c. 79; IV/6, c. 38v; IV/8, c. 80r. 137 ABS 199, c. LIII.

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umfassenderen Kontext. Sassetti war nicht nur ein ehemaliger Medici-Bankier, sondern immer noch ein aktiver Mediceer-Bankier, der über die Lanfredini-Bank oder aus ihr heraus Güter der Medici betreute. Zur Oster-Messe 1509 erhielt die Rossi-FraschiGesellschaft in Lyon mit einem Wechselbrief, den die Lanfredini- auf die Bartolini-Bank gezogen hatte, eine Goldmark im Wert von 65 Dukaten per conto della Cascina del Poggio; d.h. Empfänger des Betrages war dieses Konto bei der Rossi-Fraschi-Gesellschaft.138 Analog überwies die Rossi-Fraschi-Gesellschaft im November 1509 über die BartoliniBank 190 Scudi an Cosimo Sassetti von einem Sonderkonto mit dem Sigle „L C“, das für La Cascina stehen muß. Hierbei handelte es sich um den aus mehreren Einzelgütern bestehenden alten Medici-Gutskomplex La Cascina in Poggio a Caiano, den 1496 Lorenzo Tornabuoni, Spinelli und Sassetti mit anderen zwischen Florenz und Prato gelegenen Gütern für den Kauf der Lyoner Medici-Bank von den Syndizi erhalten hatten. 1509 waren Spinelli, Sassetti und die Söhne Lorenzo Tornabuonis immer noch Besitzer von La Cascina, das von der Lanfredini-Bank betreut wurde. Denn im April 1509 wies die Lanfredini-Bank ihren in Mailand auf Provisionsbasis für sie arbeitenden Interessenvertreter Neri del Benino an, 350 Dukaten d’oro in oro larghi an den Verwalter des Gutes auszuzahlen, a maestro Domenico [Ghini de Manolis] fattore della Cascina del Poggio a Caiano!139 (1510 wird das Gut dann für die Medici an Alfonsina Orsini übertragen, die dafür aber nur einen finanziellen Gegenwert verlangte und erhielt – doch auch dieser Akt wurde durch die Lanfredini-Bank gesteuert.140) Wenn Sassetti also aus der Lanfredini-Bank heraus handelte, muß diese die Rossi-Fraschi-Bank gesteuert haben – was nicht erstaunt, da Bracci, der Leiter und Teilhaber der Lanfredini-Bank, ja Vorgesetzter Spinellis, Sassettis und Rossis gewesen war. Noch für die Jahre 1511 bis 1513 finden sich im Rechnungsbuch der Lyoner Salviati-(Lanfredini-Naldini-)Gesellschaft überraschend häufig Konten für Geldgeschäfte mit der in Lyon ansässigen Gesellschaft von Bernardo de’ Rossi und Francesco Fraschi, deren Florentiner Gesellschaft wir dann z. B. 1514 als Korrespondenten und Geldempfänger der Lyoner Salviati-Gesellschaft erblicken.141

138 ABS 199, c. CXXVIIII. 139 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 28.4.1509 (Neri del Benino aus Mailand an die Lanfredini-Bank in

Florenz). 140 S.u. S. 856–859. 141 ASP I/444 („Debitori e creditori, segnato ‚B“, 1511–1513, Salviati-Gesellschaft Lyon), etwa c.

43/LXIII, 197/CLXXXXVII, 266/CCLXVI, 323/CCCXXIII, 371/CCCLXXI; I/448 („Copia di lettere“), c. 48, und I/449 („Copia di lettere“), c. 68r (30.7.1514, an Giovanbattista Bracci und an Francesco Fraschi in Florenz wegen einer Zahlungsanweisung an Francesco Fraschi durch Bracci; 10.9.1514, an Fraschi und Rossi in Florenz wegen dieser Zahlung und vieler weiterer Punkte).

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d) Das europäische Handelssystem der Mediceer-Firmen Kredit- und Wechselgeschäfte Das Kreditgeschäft gehörte von Beginn an zum Geschäftsbereich der Mediceer-Banken nach 1494. Doch aufgrund der für sie meist unkalkulierbaren, durch Zinserträge nicht zu deckenden Risiken wurde es nie für eine breite Masse angeboten, sondern primär für eine politische Elite, mit der es verbindliche gegenseitige Beziehungen gab und von der man generelle Vorteile erwarten durfte. Der zentrale französische Partner dieses vom Prinzip gegenseitigen Nutzens getragenen Geschäfts war wie schon betont der aus Tours stammende Kaufmann und Bankier Jacques de Beaune, der über sein Amt als Schatzmeister der Königin zu einem der wichtigsten Finanzgeneräle Frankreichs aufstieg. Er hatte im Sommer 1494 der Krone den Kredit der Lyoner Bartolini-Bank vermittelt, er konnte aber auch hochstehenden Adligen wie dem Prinzen von Orange, Jean de Chalon, 1499 einen Kredit der Bartolini-Rossi-Bank besorgen.142 Im November 1503 gaben die MediceerBankiers den vier Finanzgenerälen des Königreichs Frankreich einen Kredit über 3.000 Dukaten, den sie über Giovanni Pandolfini bzw. die von ihm geleitete neue BuonvisiGesellschaft in Rom abwickelten. Das Geld nahm Louis de Poncher, als Rat und [Finanz-] General des Königs bezeichnet, für die Finanzgeneräle in Rom entgegen, wo sich damals noch der medicinahe Kardinal Georges d’Amboise aufhielt, der den Kredit maßgeblich erwirkt haben könnte; die Schuld trieb im Frühjahr 1504 die Lyoner Bartolini-Bank ein.143 Es ist gut möglich, daß dieses Geld für den Entscheidungskampf der Franzosen gegen die Spanier im Königreich Neapel gedacht war, bei welchem Piero de’ Medici wenige Wochen später sein Leben verlieren sollte. Auch die Spitze des französischen Hofes wurde mit Krediten versorgt, vor allem in schwierigen Zeiten. Gerade als der Konflikt zwischen Frankreich und Papst Julius II. seinen ersten Höhepunkt erreichte, der Bruch vollzogen war und Frankreich sich anschickte, unter maßgeblicher Führung von Federico Sanseverino einen kirchenpolitischen und militärischen Kampf gegen Julius II. zu starten, da stattete die Lyoner Bartolini-Bank den Kardinal Louis d’Amboise in Rom mit einem Kredit über 552 Scudi aus – am 4. September 1510 quittierte der Kardinal, das Geld seitens der Bank des Pierfrancesco

142 Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte Jacques de Beaune 1499 über die Lyoner Bartolini-

Rossi-Bank 5.000 Pfund di re als Kredit für Jean de Chalon (Cialom), Fürst von Orange, gegeben, die mit Zinsen von 400 Pfund in die Bartolini-Rossi-Bank flossen; ABS 197, c. 46. Zu Jean de Chalon, 1502 verstorben, vgl. etwa Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), s.v. Natürlich erhielt auch Jacques de Beaune – ob persönlich oder als Finanzgeneral ist nicht stets zu erkennen – Kredite der Bartolini-Bank, so beispielsweise wie oben ebenfalls 1499 oder 1511, als die Lyoner Bartolini-Bank zum 20.7.1511 von Jacques de Beaune, generale di Francia, 1.500 Scudi di sole zurückerhielt, die sie ihm als Kredit per più cose gegeben hatte; ABS 200, c. III. 143 ASP IV/5, c. 102/CII, 109/CVIIII; IV/8, c. 52r, 54v. Giuliano da Gagliano trug zu diesem Kredit 500 fl. l.o.o. bei, die er unter Beteiligung von Carlo Ginori mittels eines städtischen Reiters in bar nach Rom bringen ließ. Poncher ist allerdings erst seit 1.8.1504 als Trésorier de France im Languedoil bekannt, als einer der 4 Finanzgeneräle gar nicht; Jacqueton, Documents, S. 289.

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Borgherini empfangen zu haben.144 Solche Akte zeugen von einer tiefen Einbindung in die Interessen der französischen Krone, die sich ihrerseits zu Dank verpflichtet wußte. Zu den guten Gläubigern gehörten natürlich ebenso Karl III., Herzog von Savoyen, der savoyische Bastard Prinz René und der Kardinal Federico Sanseverino, auf die noch gesondert einzugehen ist.145 Das System jener Wechselgeschäfte ist ebenfalls schon so oft als solches und mit instruktiven Beispielen erläutert worden, daß hier nur einige wichtige neue, strukturelle Akzente zu ergänzen sind. In diese Geschäfte mit Wechselbriefen wurden – dies gilt aber auch grundsätzlich für alle Warengeschäfte – sämtliche Mediceer-Firmen und MediceerMitarbeiter, -Vertreter und -Agenten eingebunden. Das innerhalb weniger Jahre nach 1494 ausgebaute Netzwerk umspannte die gesamte europäische Handelswelt. Die zentralen Knotenpunkte befanden sich in Konstantinopel und Pera (Francesco Barducci und Giovanni Maringhi, Andrea Carnesecchi e compagnia di Pera), Neapel (der bei der Medici-Vertreibung nur knapp einer Todesstrafe entgangene, seitdem jedoch auf Lebenszeit verwarnte Francesco Davanzati, der dort unter dem Namen des Averardo di Alamanno Salviati seit 1506 eine Mediceer-Gesellschaft leitete, mit Verbindung nach Palermo), Rom (Gesellschaften von Giovanni Pandolfini und Antonio Buonvisi), Lucca (BuonvisiMicheli-Gesellschaft und Silvestro Bernardini sowie Giovanni Guinigi), Ancona (Andrea Carnesecchi, Antonio Ugolini), Venedig (Matteo Cini), Mailand (Salvestro di Dino Guardi, Neri del Benino, Francesco Maggiolini), Lyon, Montpellier und Toulouse (bekanntlich Bartolini, Rossi, Bottegari, Naldini, Salviati – mit Verbindungen nach Spanien, vor allem nach Valencia, Medina del Campo und Sevilla), Paris (Alberto Salviati), Rouen (Zanobi Rucellai), Brügge (Raffaello de’ Medici, der im März 1497 in Florenz wahrscheinlich aktiv an dem Umsturzversuch der Medici beteiligt gewesen war, und Filiziano Pinocci als Vertreter sowie Girolamo Frescobaldi und Antonio Gualterotti als Kooperationspartner) und schließlich London (Bartolomeo del Rosso sowie die Serristori als Kooperationspartner). Als integrierte Geschäftsfreunde waren natürlich auch alle Filialen der SalviatiGesellschaft sowie – exklusiv und als einzige deutsche Firma! – sämtliche WelserFaktoreien in das Netzwerk eingebunden, wie separat zu erörtern ist. Über diese Mediceer-Knotenpunkte erfolgten die Ankäufe und die Bezahlung von Waren, die Bearbeitung von Wechseln, die Verteilung von Geld und die Kommunikation. Alle Fäden liefen seit 1498 in der Florentiner Lanfredini-Bank zusammen, die selbst die gewaltigen Schritte des Leonardo di Bartolomeo Bartolini lenkte. Jedes Jahr erreichten daher Hunderte von

144 ABS, Lettere, mazzo II, 4.9.1510, Quittung des Kardinals Louis d’Amboise. 145 Nur zwei Beispiele von vielen: So konnte z. B. die Lyoner Bartolini-Bank zum 15.11.1506 300

Scudi di sole als Gewinn verbuchen, die sie von Herzog Karl von Savoyen als ricompensa für mehrere Kredite an ihn erhalten hatte; ABS 108, c. 5. Zum 16.4.1507 trug diese Bank einen Gewinn von 600 römischen Kammerdukaten bzw. 660 Scudi in ihre Bücher ein, die sie vom Kardinal Federico Sanseverino als Geschenk erhielt bzw. als ricompensa für einen Kredit von 3.400 Kammerdukaten, die er erst in 3 Jahren zurückzahlen wollte; ABS 108, c. VII.

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Briefen von all diesen und weiteren Handelsplätzen den scrittoio der Lanfredini-Bank.146 Regelmäßig gaben die Schreiber am Schluß ihrer Briefe kurz die aktuellen Wechselkurse der jeweils für sie wichtigen europäischen Bankenplätze an. So notierte Pietro Cerretani, Mitarbeiter der Lyoner Salviati-Bank, am 11. Mai 1509 die Kurse in Lyon, Venedig, Neapel, Mailand, Brügge, London, Valencia, Medina (del Campo), nachdem er vorher über die damals sehr niedrigen cambi in Lyon berichtet hatte.147 Analog informierten Francesco Davanzati aus Neapel oder die Pandolfini-Gesellschaft in Rom über die dortigen Kurse und jene etwa in Palermo oder Brügge. Mit dem bargeldlosen Briefverkehr sachlich verknüpft war der Transfer von Bargeld unterschiedlicher Münzung. Das damit verbundene große Risiko von Überfällen und Diebstählen wurde offenkundig in Kauf genommen, weil etwa günstige Wechselkurse oder Münzknappheit entsprechende Profitmöglichkeiten boten. So benachrichtigte Pietro Cerretani die Florentiner Lanfredini-Bankiers in seinem Brief vom 11. Mai 1509, er habe über zwei Kuriere zwei Beutel (meist gruppi genannt) mit je 200 Dukaten larghi in dem einen und 800 Scudi di sole in dem anderen an die Lanfredini-Bank gesandt. Diese solle ihn zum Gläubiger machen und beim Wechseln oder besser der Bewertung (valutare) der Scudi den größtmöglichen Vorteil erzielen, solle sie vor allem an einem geheimen Ort sicher verwahren und sie ihm sofort zur nächsten August-Messe zurücksenden. Am 28. April 1509 hatte Gianbattista Bracci seitens der Lanfredini-Bank eine piastra mit 1.000 Dukaten zu Matteo Cini nach Venedig geschickte, der dann 900 Dukaten für die Lanfredini-Bank bargeldlos mit Wechselbriefen in mehreren Partien an ‚ihre‘ PandolfiniGesellschaft nach Rom sandte.148 Am 2. Oktober 1507 hatte Gherardo di Bartolomeo Bartolini, einer der Mitarbeiter der Lanfredini-Bank, von dem (häufig eingesetzten) Fuhrmann Benedetto Sangrico eine piastra mit unterschiedlichen Münzen im Wert von gut 61 Dukaten für die Kasse seiner Bank erhalten, die ihm sein Bruder Zanobi aus der Lyoner Bartolini-Bank über Domenico Perini geschickt hatte und die für Agostino Chigi, d.h. die Gesellschaft der Erben des Mariano Chigi von Siena, bestimmt waren.149 Von den Gewinnmöglichkeiten des Wechselverkehrs, wie ihn Lorenzo de’ Medici 1482 mit den beiden Bartolini-Tarnbanken in Florenz und Lyon eingerichtet hatte, profitierten alle zentralen Mediceer, von Lorenzo Tornabuoni über Gianbattista Bracci und Bartolomeo Bartolini bis hin zu den Erbverwaltern bzw. Gläubigern – Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini – des 1494 hingerichteten Antonio di Bernardo di Miniato Dini, dessen Erbe natürlich auf diese Weise heimlich aufgestockt wurde, vermutlich nicht nur 146 Durch einen Überlieferungszufall ist im Archiv der Bartolini Salimbeni der offensichtlich größte

Teil der im Jahr 1509 eingetroffenen Briefe erhalten geblieben, was wir vermutlich Gherardo Bartolini verdanken, der zu den Mitarbeitern der Lanfredini-Bank gehörte; ABS, Lettere, mazzo I, IIIbis. 147 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 11.5.1509 (Pietro Cerretani aus Lyon an die Lanfredini-Bank in Florenz); weitere Beispiele sind im gleichen Bestand zu finden. 148 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 28.4. und 5.5.1509 (Matteo Cini aus Venedig an die LanfrediniBank in Florenz). 149 ABS 232, c. 50r.

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bzw. primär zugunsten seiner Söhne (die nach einer kleineren, 1506 durch Giovanni Bartolini ausgezahlten Summe Ende 1513 aus ihrem 1494 ‚verlorenen‘ Erbe 5.000 Fiorini zurückerhielten), sondern auch derjenigen, für die Antonio bis zu seinem Tod Geld gehortet hatte.150 Die einzelnen Mediceer-Banken handelten dabei als relativ eigenständige Teileinheiten eines kompakten, in sich koordinierten Systems. So besorgte beispielsweise die römische Pandolfini-Gesellschaft Ende Dezember 1509 für die LanfrediniGesellschaft, ihre Mutterbank, über deren Konto einen Geldtransfer mittels Wechselbriefen zwischen Rom und Lyon.151 Empfänger des Geldes war die Lyoner Salviati-Bank, deren Teilhaber die Lanfredini-Gesellschaft ja war; dabei kam das Geld im Auftrag Lanfredinis nicht nur vom Konto der Lanfredini, sondern auch von dem der Salviati selbst und von dem der Bartolini, über welche die Lanfredini demnach verfügen durften! Pandolfinis Ehrgeiz bestand darin, die Wechselkursrisiken so gering wie möglich zu halten, sie besser noch gewinnbringend zu gestalten. Das Gleiche erwartete er bei einem Geschäft, bei dem nun die Lanfredini-Bank über das bei ihrer Gesellschaft bestehende Konto der Pandolfini in deren Auftrag einen Wechsel nach Lyon ziehen sollte – und zwar an die Gesellschaft des Leonardo Bartolini oder an die der Salviati (a Leonardo Bartolini e compagnia o a Salviati)! Es war somit gleichgültig, auf wen der Wechsel gezogen wurde. Die Bartolini-Bank und die Salviati-Bank in Lyon bildeten demnach für die PandolfiniGesellschaft ein Korpus, ein gemeinsames Unternehmen – genau wie bis 1497 die Lyoner Medici- und Bartolini-Bank als eine Einheit erschienen waren. Nur eine dünne, einen osmotischen Austausch ermöglichende Membran trennte die einzelnen MediceerGesellschaften. Weitere Bankdienstleistungen bestanden in der Betreuung gut verzinster Depoteinlagen für Mitglieder und Freunde des Netzwerkes, für welche z. B. auch Finanzansprüche realisiert werden konnten. Bernardo de’ Rossi hatte für die Herzogin von Savoyen nach Jahren ihren dem König von Frankreich 1494 gewährten Kredit von dessen Finanzbeamten eintreiben können, und für den Bastard René von Savoyen konnte die Lyoner Bartolini-Bank sich 1506 die Pension auszahlen lassen, die er vom französischen König zu erhalten hatte. Das Gleiche unternahm diese Bank im Sommer 1508 für Giangiordano Orsini, der mittlerweile zu einem ‚Mann des Königs von Frankreich‘ geworden war. Die ihm zustehende Pension von 6.000 Franchi di re holte die Bank auf eigene Spesen und Risiken, wofür sie dann einen Gewinn von 900 Franchi bzw. 508 Scudi verbuchen konnte. 152 Warengeschäfte Es gab offenbar kaum eine Ware, mit welcher die Mediceer-Firmen nicht handelten. Eine große Rolle für den Import in die Toskana, aber auch den Fernhandel spielten Rindsleder 150 Vgl. außer den bereits gegebenen Quellenbelegen ABS 227, c. 54/LIIII, 74/LXXIIII, 78, 82, 84;

Cerretani, Ricordi, S. 314. 151 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 24./26.12.1509 (Giovanni Pandolfini e compagnia di chorte in

Roma an Lanfredino Lanfredini e compagnia in Firenze). 152 ABS 108, c. X.

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aus Irland, Schottland und Holland, Wollstoffe aus England, Leinentuche aus Holland, Marderpelze aus Deutschland (d.h. vermutlich durch deutsche Kaufleute aus Nord- und Osteuropa importiert), Heringe aus Holland und Deutschland, Wein aus Frankreich, Färberwaid aus Südfrankreich, Safran aus Spanien, Schamlottstoffe und Seide aus Spanien und der Levante. Exportiert wurden durch sie vor allem Luxusstoffe aus der Seidenverarbeitung (Rohseide, Brokat, Damast, Samt, Satin, Taft usw.), Wein, Gold- und Silberfäden und Alaun, über den aufgrund seiner Bedeutung in einem eigenen Kapitel zu handeln ist. Oft erwarben sie mit dem Verkauf ihrer Waren neue Produkte aus der betreffenden Region, so etwa für den in London oder Brügge verkauften Alaun Wollstoffe aus England oder Waffen aus Nürnberg. Hier sollen nur einige instruktive Beispiele gegeben werden, um das Zusammenwirken des global vernetzten Handelssystems der Mediceer-Firmen und die Bedeutung der zentralen, der einst von Lorenzo de’ Medici rekrutierten Mediceer-Kaufleute zu veranschaulichen, zumal auf weitere Warengeschäfte noch in anderen Zusammenhängen einzugehen ist. Einige unserer Kaufleute hatten im medicifeindlichen Florenz zwangsläufig an politischer Bedeutung verloren, ihre kaufmännische Leidenschaft aber gaben sie nie auf. 1498/99 betrieben Gianbattista Bracci, der leitende Teilhaber der Lanfredini-Bank, und federführend der in Florenz wieder geduldete Filippo da Gagliano ein gemeinsames Geschäft, bei dem sie eine große Menge erstklassiger Perpignan-Wolltuche (ein besonders für Hosen benutzter elastischer Stoff) in diversen Farben in Südfrankreich aufkauften und in die Levante exportierten. Bracci hatte dafür seinem Adlatus Francesco Naldini die Aufgabe erteilt, die Tuche zu erwerben, die dieser jedoch wegen der gewünschten Menge nur sukzessive und von zahlreichen Einzelhändlern (vor allem aus Narbonne, aber auch Montpellier) zu unterschiedlichen Preisen erhalten konnte. Über die Lyoner BuonvisiFiliale, mit deren Firmenzeichen versehen, versandte Naldini dann die insgesamt 14 Ballen bzw. ca. 963 ½ Ellen di panni perpignani (Stoffe aus Perpignan) am 14. Februar 1499 über Land nach Pesaro zur Gesellschaft des Matteo di Pardo, wo sie nach dem Versprechen des Fuhrmanns Matteo da Villa bis höchstens März ankommen sollten. Von dort wurden sie dann vermutlich nach Ragusa verschifft und weitertransportiert. Filippo da Gagliano hatte für seinen Anteil 483 Fiorini zu zahlen, die sein Bruder Giuliano mit einem Wechsel (7 Goldmark zu 69 Dukaten pro Mark, wobei Domenico Perini 6 Mark und die Bartolini-Rossi-Bank 1 Mark übernahm) auf Braccis Konto bei der Lyoner BuonvisiMicheli-Gesellschaft überwies, welche dann die entsprechende Summe in Scudi an die Lyoner Bank des Taddeo Gaddi auszahlte, die somit Naldinis Ausgaben finanziert hatte.153 Fast im Gegenzug lieferten je zur Hälfte Bracci auf der einen sowie Filippo und 153 Der ganze Vorgang ergibt sich erst aus der Synopse von Giulianos und Francescos Geschäftsbü-

chern bzw. ASP IV/5, c. 65, LXVIIII; IV/6, c. 94v; ASP I/37, c. 156–158. Giuliano notierte, daß Filippo in seinem eigenen Rechnungsbuch ein Konto dieses Geschäfts führte, Debitor jener 7 Mark war, und daß die Anweisungen Braccis von Filippo kamen. Der Lyoner BuonvisiGesellschaft (Bernardino Buonvisi e Bonaventura Micheli e compagnia) warf Giuliano im übrigen am 9.8.1499 eine ‚habgierige Provisionsrate‘ vor. Im Herbst 1503 hatte Filippo da Gagliano

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Giuliano da Gagliano auf der anderen Seite Schamlottstoffe, die sie in der Levante bei Francesco Barducci geordert hatten, über den Fuhrmann Benedetto Sangrico nach Lyon an die Bartolini-Rossi-Gesellschaft, welche die Ware mit größtem Gewinn verkaufen sollte.154 Vermutlich wirkte Filippo, so wie Bartolomeo Bartolini, noch immer als Strohmann der Medici, denn ein Handeln auf eigene Faust und Rechnung erscheint uns recht unwahrscheinlich; er blieb jedenfalls wie sein Bruder im Umkreis von Bracci, d.h. der Lanfredini-Bank, sehr aktiv. Je zur Hälfte beteiligten sich Gianbattista Bracci und die Lyoner Bartolini-Rossi-Bank an einem weiteren Großeinkauf, bei dem sie Ende 1501 für rund 940 Scudi in England Wolltuche (134 pezze di calisee fine (ca. 10.156 Meter feiner Tuche, die ursprünglich in Calais gefertigt wurden) und neun pezze di fregi (offenbar Ornamentstickereien) durch die Londoner Bartolini-Bank, d.h. die Bartolomeo-del-Rosso-Gesellschaft, aufkaufen ließen. Diese Ware wurde nach Florenz geliefert und durch Bracci und Carlo Ginori verkauft.155 Eine breite Kooperation erforderte auch der Handel mit Leder, der schon unmittelbar nach 1494 durch Gianbattista Bracci und Francesco Naldini verstärkt betrieben worden war, oft zusammen mit den Buonvisi in Lucca.156 Alamanno Ughi versicherte Lanfredino Lanfredini z. B. im Februar 1507, daß er als dessen Mitarbeiter in der römischen PandolfiniGesellschaft von den dortigen Schuldnern mit Nachdruck das Geld einziehen werde, jedoch allen voran von den Debitoren aus dem Lederverkauf.157 Selbst Alamanno Salviati, in politischer Mission als Florentiner Kommissar in Pisa, kümmerte sich 1509 und 1510 intensiv um Probleme, die aus einer Lederlieferung entstanden waren, bei der die genauen Zuständigkeiten zwischen einzelnen Beteiligten wie Giovanni Guinigi und einzelnen Firmen wie der Salviati-Gesellschaft in Lyon ungeklärt gewesen waren.158 Die Pisaner Gesellschaft Alamanno Salviatis nahm hier ebenfalls eine wichtige Mittlerrolle ein, weil sie den Transport von der französischen Mittelmeerküste in die Toskana und auch die weitere Verschiffung nach Rom oder Neapel betreute. So schrieb sie etwa am 13. Oktober 1509 an die Lanfredini-Bank, sie habe wie gewünscht Waren versichert, welche ihre Partner aus Toulouse, also die Naldini-Gesellschaft, nach Neapel senden sollten. Andere Produkte habe man noch nicht vom Zoll geholt, da es noch Probleme bei der Farbe gebe. Wie man gehört habe, erwarteten die Lanfredini aus Marseille 200 Kisten mit Zucker und über seinen Bruder Giuliano z. B. 100 gegerbte ‚Pelze des Wassermarders‘ (die pelle choncie di martore d’aqua stammten vermutlich von Fischottern) importiert. Angekauft und geliefert wurde ihm die Ware von den Buonvisi-Filialen in Brügge (Biagio Balbani e Co.) und Lyon (Bernardo Buonvisi und Bonaventura Micheli-Gesellschaft), den gesamten Transport organisierte Francesco Naldini auf Anordnung Filippos; ASP IV/5, c. CIII. 154 ASP IV/6, c. 98r; IV/8, c. 76r. 155 ABS 197, c. 80–81 (mit Spesen und Transportkosten betrug der Einkaufspreis 1.001 Scudi); die pezza entsprach in Florenz 12–14 cannae, eine canna hingegen zehn braccia bzw. 5,83 Metern. 156 Vgl. etwa ASP I/37, c. 4/IV, 7/VII. 157 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 182 (6.2.1506/07, Alamanno Ughi, Rom, an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 158 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 190, 195 (3.6.1509, 15.2.1509/10, Alamanno Salviati aus Pisa an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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etwas Pfeffer, die wohl gut in Livorno ankommen würden; wegen der Sachen, die ‚jene aus Toulouse‘ zu besorgen hätten, werde man jetzt veranlassen, daß auch der Rest in Kürze abgeschickt werde.159 Der über Südfrankreich laufende Handel mit Zucker und Pfeffer aus dem portugiesischen Wirtschaftsraum erfolgte in Kooperation mit den Welsern. Im August 1512 berechnete die Pisaner Salviati-Bank der Lanfredini-Gesellschaft auf Anweisung von Gianbattista Bracci die Auslagen für die Zollgebühren für Leder aus Irland, wobei das Geld ein gewisser Raffael erhalten hatte, ein Diener von Gianbattistas Sohn Zanobi, der ebenfalls in der Lanfredini-Gesellschaft tätig war.160 Im übrigen arbeitete Gianbattistas Sohn Lorenzo in der Lyoner Salviati-Bank als giovane, d.h. als Mitarbeiter.161 Wie ein gutes Uhrwerk mußte das Handelssystem vor allem bei verderblichen Waren funktionieren, wie etwa den 197.350 Heringen, die Zanobi Bartolini und Carlo Ginori mit zwei weiteren Partnern 1508 in der Normandie über Zanobi Rucellai, ihren Mittelsmann in Rouen, erwarben. Dieser bezahlte auch den Expresskurier, der die Ankunft des Schiffes in Südfrankreich meldete, von wo der Fisch sowohl in die Toskana als auch nach Rom und Neapel transportiert wurde, um schließlich einen Gewinn von 783 Scudi einzubringen.162 Kostbare Waren und lange, gefährliche Transportwege über See erforderten Versicherungen. Versicherungen Das heute bekannte Instrument der Risikostreuung bzw. -minderung durch Versicherungen ist seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bekannt und vor allem für Schiffstransporte eingeführt worden. Die Medici hatten im 15. Jahrhundert ihre Waren nicht nur versichert, sondern waren selbst im Versicherungsgeschäft tätig gewesen, wobei es üblich war, daß ein Versicherungsträger immer nur eine begrenzte Haftung für einen Teil des Gesamtwarenwertes übernahm.163 Unsere Mediceer setzten diese Praxis nach 1494 intensiv fort. Sie kann hier freilich nicht in extenso analysiert werden; einige Beispiele sollen dazu dienen, die beteiligten Partner und das Ausmaß des Handels aufzuzeigen. Schon seit Oktober 1496 hatten Leonardo Bartolini in seiner neuen Lyoner Bank und sein Bruder Giovanni in der Florentiner Bartolini-Bank je zur Hälfte bestimmte Warenwerte versichert; das Gleiche machten Giuliano da Gagliano (vermutlich an Braccis Seite in der Florentiner Medici-Erben-Bank), Filippo da Gagliano und ihr Freund Niccolò Michelozzi, mit dem sie sich teilweise ebenfalls das Risiko zu je 50% teilten. Mit Blick auf identische Kaufleute, Schiffe und Passagen zeigt sich, daß sie alle oft als Teile eines Verbundes von

159 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 13.10.1509 (Alamanno Salviati e compagnia in Pisa an Lanfredino

Lanfredini e compagnia in Firenze). 160 ASP I/606 („Libro grande rosso, seg. ‚P‘, debitori e creditori di Alamanno ed Eredi di Alaman-

no Salviati e Jacopo di Giovanni Salviati e Co. di Banco in Pisa, 1509–1512“), c. 92, 120. 161 Vgl. etwa ASP I/440, c. 7/VII (1509). 162 ABS 266, c. 50. 163 Vgl. etwa Spufford, Handel, S. 24–26.

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Versicherungsträgern handelten, der vornehmlich aus Mediceer-Bankiers zu bestehen schien und nicht nur, aber auch für Mediceer-Firmen die Versicherung übernahm.164 Ein instruktiver Posten stammte vom 3. Juli 1497, als die Wollgesellschaft des Gherardo Frescobaldi für Tuche, die per Schiff von Pesaro nach Ragusa geliefert wurden, 100 Fiorini ihres Warenwertes bei Giovanni und Leonardo Bartolini versicherte, 200 Fiorini hingegen bei Giuliano da Gagliano und Ser Niccolò Michelozzi (wobei Giuliano in diesem Fall die Haftung für 150 Fiorini übernahm), die jeweils eine Versicherungsprämie von 3½ Prozent verlangten.165 Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß beide Versicherungsträger die vom Frescobaldi zu zahlende Prämie auf ihre Konten bei der Bank des Giovanni d’Ambra einzahlten, die nichts anderes war als eine Tochterbank der (weiterhin für die Medici agierenden) Bartolini-Tarnbank. Dieses Verfahren ist in den betreffenden Konten so häufig, ja offenbar durchgängig zu beobachten, daß die Vermutung naheliegt, darin habe eine der Funktionen der Ambra-Bank gelegen. Bleiben wir kurz in jenem für die Mediceer so bedeutungs-, so verhängnisvollen Jahr 1497, denn die beiden Bartolini-Brüder versicherten zum 14. und 15. April sowie zum 11. Mai für die Lebensmittelbehörde der Stadt Florenz (die ufficiali dell’abbondanza) zu einer Prämie von 5–6% und für Haftungssummen von zweimal 100 und einmal 150 Fiorini Getreide, das per Schiff offenbar aus Frankreich importiert wurde, d.h. werden mußte. Denn seit dem Sommer 1496 herrschte durch eine wetterbedingte erneute Mißernte eine solch gravierende Getreideknappheit in Florenz, daß das Volk außer unter einer galoppierenden Teuerung auch unter Hunger litt, gar vor Hunger in Ohnmacht fiel und starb.166 Die Pisaner und die Medici hatten diese Situation mit ihrem Krieg gegen Florenz verschärft. Piero de’ Medici spekulierte in jenen Wochen darauf, das Florentiner Volk mit Getreidegeschenken für sich gewinnen zu können – und Ende April 1497 stand er mit seinen Soldaten vor den Mauern von Florenz! Im Juli 1497, als ein weiterer, aber verratener Großangriff auf Florenz bevorstehen sollte, erhielt die von den Gagliano-Brüdern betriebene Wollgesellschaft des Michele Ubaldini durch Ugo di Niccolò della Stufa eine große Kornlieferung aus der Levante, von der noch zwei Jahre später Kontingente an die Florentiner Lanfredini-Wollgesellschaft und die römische Panciatichi-Bank gingen.167 Gianbattista Bracci ließ sowohl in der Florentiner Erben-Bank als auch in der Lanfredini-Bank häufig Waren von „seinen“ Leuten versichern. Zum 2. Juni 1497 hafteten Giovanni und Leonardo Bartolini für Tuche im Wert von 100 Fiorini und zum 3. Februar 164 Da in den Geschäftsbüchern der genannten Personen und Banken in den conti di sicurtà jedoch

immer nur die einzelnen Partikularversicherer genannt werden, wäre der gesamte Verbund nur zu erfassen, wenn man die Bücher aller beteiligten Versicherungsträger kennen würde und analysieren könnte. 165 ABS 210, c. 10; ASP IV/5, c. XXVI, 48/XLVIII (in beiden Büchern wurden die Posten jeweils zum 3.7.1497 verbucht). 166 Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 187–201 (die Getreideernte des Sommers 1496 war durch Unwetter äußerst schlecht, so daß die Preise kontinuierlich stiegen; exakt für den 14.4. notierte Landucci, in Livorno sei ein Schiff mit einer großen Getreidelieferung von ca. 2.500 Tonnen angekommen, und für den 19.4., daß der Getreidepreis fiel). 167 ASP IV/6, c. 21v, 87v.

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1498 Giuliano und Filippo da Gagliano für Ware im Wert von 200 Fiorini, die Bracci jeweils von Pesaro nach Ragusa verschiffte.168 Für Lanfredino Lanfredini e compagnia di Firenze versicherte Giuliano da Gagliano zum 12. Juli 1498 ‚das Risiko für 100 Fiorini‘ für die gleiche Strecke – über sein eigenes Konto und ohne weitere schriftliche Fixierung; die Prämie von 3% kam wie in den vorigen Fällen auf ein Konto bei der Bank des Giovanni d’Ambra.169 Auffallend sind die Versicherungen für Waren, die auf dem Schiff Gabriella zwischen dem ägyptischen Alessandria und Aigues-Mortes bzw. Marseille transportiert wurden. Zum 3. November 1500 erhielt Giuliano da Gagliano eine wiederum von Luca da Panzano eingetriebene neunprozentige Prämie von neun Fiorini d’oro in oro, weil er einer Person aus Montpellier Gewürze ‚und andere Sachen‘ im Wert von 100 Fiorini versicherte, welche der Lyoner Kaufmann Piero Faia auf der Gabriella oder Tresoriera durch Kapitäne aus Montpellier von Alessandria nach Marseille oder Aigues-Mortes bringen ließ.170 Zur Allerheiligen-Messe 1501 haftete die Lyoner Bank des Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi für 100 Fiorini, als die Gabriella wiederum nach Aigues-Mortes zurückfuhr. Versicherungsnehmer war eine Person aus Avignon, doch Träger war die Bartolini-RossiBank lediglich indirekt, da sie für einen anonymen Freund „J“ handelte, der die Prämie von 7, 5 Scudi erhielt.171 Genau ein Jahr später versicherte erneut Giuliano da Gagliano eine Partie, die auf dem gleichen Weg mit der Gabriella befördert wurde, nur daß dieses Mal die Gesellschaft des Filippo Nasi für eine Prämie von 6½ Prozent Waren eines katalanischen Kaufmanns im Wert von 50 Fiorini versichern ließ.172 Dieser amico J ist von grundlegenderem Interesse, wie ein kleiner Exkurs zeigt. So ist eine Summe von zwei Scudi bemerkenswert, welche die Bartolini-Bank 1501 von der Bartolini-Rossi-Bank als Restschuld für ein Tuchkonto des Leonardo Ringhiadori erhielt, von welchem es jedoch auf ein Konto des amico J transferiert wurde.173 Für diesen Freund „J“ handelte Ringhiadori also als Kommissionär. Ringhiadori ist nun gleichfalls bei Giuliano da Gagliano erwähnt, da er diesem im Juli 1500 über einen Wechselbrief der Bartolini-Rossi-Bank 71 Fiorini überwiesen hatte. Sie waren der Erlös aus dem Verkauf von Schamlott-Tuchen, den die Bartolini-Rossi-Bank für Filippo da Gagliano übernommen hatte.174 Sollten diese Tuche zu dem Tuchkonto Ringhiadoris gehören, müßte man hinter Filippo da Gagliano (in diesem Fall?) den Freund „J“ und in diesem somit am ehesten Jacopo Salviati vermuten. Das Erstaunliche ist, daß dieser (1454 geborene) Leonardo 168 ABS 200, c. 10; ASP IV/5, c. LI. 169 ASP IV/5, c. 37, 58; auch am 7.4.1503 fungierte Giuliano als Versicherer Braccis, der damals

50 Fiorini versicherte und die Prämie von 2½ Fiorini über Luca da Panzano bar einzahlte, der sehr häufig eine solche Funktion für Giuliano übernahm und dazu einer Florentiner Bankgesellschaft seinen Namen gab, die wie die Ambra-Bank zum Mediceer-Kreis gehörte; vgl. a.a.O. c. LXXI. 170 ASP IV/5, c. LXXI. 171 ABS 197, c. LXX, 75. 172 ASP IV/5, c. LXXI. 173 ABS 197, c. 62, LXX. 174 ASP IV/5, c. 78.

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di Francesco Ringhiadori als ein Medici-Anhänger bekannt ist, der wie Simone Tornabuoni und Luigi della Stufa wegen seiner Aktivitäten für die Medici bzw. gegen deren Florentiner Gegner von der damaligen Signoria bestraft und gleich nach der Vertreibung Piero Soderinis 1512 rehabilitiert wurde.175 Im Januar 1495 hatten die Syndizi eben diesen Mann zu ihrem Handlungsbevollmächtigten deputiert, um in Rom die dortige MediciFiliale zu leiten, zu beaufsichtigen und deren Konten und Bilanzen erheben zu lassen; wenige Monate später sollte er Pierfrancesco Panciatichi helfen, ein noch bei der Pisaner Bankgesellschaft des Piero de’ Medici bestehendes Guthaben zurückzuerhalten.176 Bei vielen Sitzungen der Syndizi war er dann im Laufe des Jahres 1495 auch als Zeuge anwesend, oft zusammen mit Francesco Cegia.177 Zugleich versuchte er zu jener Zeit, in die höheren Florentiner Ämter zu gelangen.178 Der amicho segnato J war nicht nur Kunde der Bank des Leonardo Bartolini in Lyon, er bediente sich auch ihrer oder war gar an ihren Geschäften beteiligt. Dies belegt ein für ihn geführtes gesondertes Gewinnkonto (conto a parte d’avanzi a buon conto). Dort erhielt er von der Bartolini-Bank zur Oster-Messe 1503 in einigen Teilzahlungen eine Gesamtsumme von 300 Scudi, die ihm aus dem Erlös mehrerer, nicht näher bestimmter Warenverkäufe zustanden, die Leonardo di Bartolomeo Bartolini erstaunlicherweise zusammen mit Giangiordano Orsini und anderen im Auftrag des Freundes „J“ erledigt hatte. Zudem hatte dieser noch 68, 5 Scudi di marca auf seinem Konto zu erhalten.179 Diese Gesamtsumme von 368, 5 Scudi di marca ließ der Freund „J“ dann von der BartoliniBank auf ein Konto eines amico segnato L [Luigi Ciei] zahlen, um sie schließlich an einen weiteren unbestimmten, nicht mit einer Chiffre versehenen Freund weiterzuleiten und diesem in einer anderen französischen Währung (667, 5, 6 Pfund di re) gutzuschreiben.180 Jener amico J des Leonardo Bartolini versicherte zur Oster-Messe 1501 für 100 Scudi zu zehn Prozent auch Wein, den die Lyoner Bartolini-Bank gemeinsam mit der BuonvisiGesellschaft vertrieb. Beide hatten 107 moggia bzw. Tonnen südfranzösischen Wein für Gesamtkosten von 735 Scudi aufgekauft, um ihn über Aigues-Mortes in den Hafen von Rom verschiffen zu lassen, wo sie ihn durch den Römer Antonio Soldi verkaufen ließen.

175 Vgl. Butters, Governors, S. 171. Ringhiadori hatte sich 1511 geweigert, ein päpstliches Interdikt

gegen eine bestimmte Kirche aufheben zu lassen und war der darauf folgenden Vorladung der Signoria nicht gefolgt; diese hatte Simone Tornabuoni, für den sich wie gesehen ja Kardinal Georges d’Amboise eingesetzt hatte, 1501 für 20 Jahre die Wählbarkeit in öffentliche Ämter abgesprochen. Leider gibt Butters die genaueren Umstände für Ringhiadoris Entscheidung nicht an; es wird sich um eine Handlung Julius’ II. gegen die Florentiner Signoria und zugunsten Giovanni de’ Medicis gehandelt haben. Zum Geburtsjahr Ringhiadoris vgl. Tratte, s.v. 176 Le collezioni medicee nel 1495, S. 13, 35f.; s.o. S. 154, 175f. 177 Vgl. etwa ASF, MAP LXXXII, doc. 145, c. 447r (4.6.1495 anwesend, als die ufficiali bzw. sindachi sui beni dei Medici banditi da Firenze Giovanni und Lorenzo Tornabuoni die Aufgabe übertrugen, die römische Medici-Bank zu liquidieren); Le collezioni medicee nel 1495, S. 51f. und s.v. 178 Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 111, Anm. 48. 179 ABS 197, c. 83. 180 ABS 197, c. LXXXIII.

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Der Gewinn von fast 568 Scudi wurde zwischen beiden Gesellschaften geteilt.181 Eine Prämie von zehn Prozent verlangten Leonardo und Giovanni Bartolini 1497 ebenso für die Versicherung von Zucker, der aus dem portugiesischen Madeira nach Venedig verschifft wurde, wo der Mediceer Matteo Cini auch bei solchen Geschäften mit ihnen kooperierte, sowohl bei den Versicherungen als auch beim Verkauf, sowohl mit den Bartolini als auch mit Gianbattista Bracci und Francesco Naldini.182 Abschließend ist noch eine recht merkwürdige Versicherung anzusprechen, die Giuliano da Gagliano bei der befreundeten Bank von Francesco Girolami abschloß. Für fünf Fiorini ließ er sich bei ihnen am 18. April 1500 100 Fiorini für sechs Monate des Lebens von Papst Alexander VI. versichern!183 Tatsächlich war der Papst im Frühjahr schwer fieberkrank gewesen.184 Offenbar hätte ein plötzlicher Tod Alexanders einen finanziellen Schaden für Giuliano und vor allem für seinen amico G, also Gianbattista Bracci, bedeutet. Deutsche als Partner und Schüler der Mediceer: Die Welser Es war ein in vielerlei Hinsicht exklusiver Kreis, den die Mediceer gebildet und ausgeformt hatten. Wer hier eintrat, tat dies bewußt, aber niemals ohne eine vorausgegangene Einwilligung der führenden Mediceer. Nur wer ihr Vertrauen gewonnen hatte, erhielt den begehrten, weil eben immer auch lukrativen und große Märkte eröffnenden Zugang. Es ist bemerkenswert, aber auch bezeichnend, daß das große deutsche Handelshaus der Welser – die Konkurrenten der Fugger, zu denen die Mediceer wiederum auf Distanz gingen185 – diesen Eintritt suchte und fand. Geschäftliche Verbindungen zwischen den Welsern und den Medici sind schon ab 1465 belegt.186 Im (persönlichen?) Schuldbuch des Giuliano da Gagliano, der damals immer noch die Bank des Bartolomeo Bartolini in Lyon leitete, eine der Tarngesellschaften Lorenzo de’ Medicis, findet sich dann für 1494/95 ein Konto der Johann-VöhlinGesellschaft, deren operatives Geschäft zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend von Anton Welser geleitet wurde und die ab 1496 den Namen Anton Welser & Konrad Vöhlin-

181 ABS 197, c. LXX, 71, 75. 182 ABS 210, c. 26/XXVI, 49/XLVIIII, 53, 58 u.ö.; zu früheren Kooperationen zwischen Gianbatti-

sta Bracci und Francesco Naldini sowie Matteo Cini bei Zuckergeschäften Anfang 1497: ASP I/37, c. 21, XXII; ASP I/38, c. 34/XXXIIII. 183 ASP IV/5, c. 71 (die 5 Fiorini Prämie hob Giuliano über seinen Vertrauten Luca da Panzano von seinem Konto bei der Bank des Taddeo Gaddi ab, um sie durch Luca bei der Girolami-Bank einzuzahlen per fiorini 100 m’asichurono per 6 mesi insulla vita di Papa Alexandro), LXXVI. 184 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/1, S. 540, Anm. 1. 185 Exemplarisch etwa die Aussage Jacopo Salviatis vom April 1513, er habe Leo X. bzw. Leonardo Bartolini mit einem großen Kredit bei der Finanzierung der Krönungsfeier für den MediciPapst geholfen, damit sich nicht die römische Fugger-Bank einschalte (die durch einen Großkredit Druck auf den Papst hätte ausüben können); BNCF, Ms. II. V. 22, c. 10 (21.4.1513, Jacopo Salviati, Rom, an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 186 Geffcken, Die Welser, S. 135 mit Anm. 408.

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Gesellschaft trug.187 In jenen Jahren standen die Welser durch Kredit- und Wechselgeschäfte in Verbindung zu den Mediceern, die den Deutschen offenbar auch die Tür zu hohen französischen Finanzbeamten in Lyon öffneten. Von Oktober 1507 bis zum Juni 1508 gab es wie erörtert sogar eine institutionelle Verbindung zwischen ihnen in Toulouse, die unter den Namen von Domenico Naldini und Johann Vöhlin firmierte.188 Da hinter Domenico damals dessen Cousin Francesco stand und dieser wiederum allein für Gianbattista Bracci und die Lanfredini-Bank in Florenz handelte, kann man durchaus von einem Joint Venture zwischen ihr und der Welser-Vöhlin-Gesellschaft (federführend die Lyoner Faktorei) sprechen, das vermutlich das erste Gemeinschaftsunternehmen zwischen zwei großen Gesellschaften darstellte, die zudem noch aus zwei verschiedenen Ländern stammten. Die Naldini-Vöhlin-Gesellschaft in Toulouse pflegte, das stand anders kaum zu erwarten, besonders mit Leonardo di Bartolomeo Bartolini, Pierfilippo und Piero Bartolini, Gianbattista Bracci, Lanfredino Lanfredini und Piergiovanni Bottegari zahlreiche Handels- und Geldgeschäfte, wobei Pierfilippo Bartolini als neuer Interessenvertreter der Lyoner Bartolini-Bank diese Aktivitäten in Toulouse unterstützte.189 Der Warenhandel scheint sich dabei vor allem auf südfranzösischen Färberwaid (pastelli) konzentriert zu haben, umfaßte aber auch Tuche aus Südfrankreich oder Alaun aus Italien.190 Zwar wurde zum Juni 1508 die gemeinsame Gesellschaft in Toulouse beendet, nicht aber die enge Zusammenarbeit der Mediceer und Welser – ganz im Gegenteil. Noch instruktiver als Buchungsposten sind die zahlreichen Briefe der Welser und ihrer Faktoren an die honorandi carissimi amici der Florentiner Lanfredini-Bank aus dem Jahr 1509, die im Privatarchiv der Bartolini Salimbeni überliefert sind und sehr anschaulich die Substanz der Kooperation konkretisieren. Es handelt sich um 21 Originalbriefe der Welser-Vöhlin-Gesellschaft, geschrieben aus Augsburg, Lyon, Mailand, Venedig und Rom.191 Sie geben Zeugnis über eine erstaunlich intensive Zusammenarbeit. Im Warenhandel bezog sie sich zum Beispiel im Oktober 1509 auf mit Salz konserviertes Rindsle187 Grundlegend zur Welser-Gesellschaft bis um 1500: Geffcken, Die Welser, dort S. 129–157 zu

den europäischen Geschäften der Welser, zu frühen Kontakten zu den Medici sowie zur stufenweisen, 1496 institutionalisierten Verschmelzung der Welser- und Vöhlin-Gesellschaft. Weitere wichtige Hinweise auf die spätere Kooperation zwischen den Welser-Vöhlin und den Mediceern bei Lang, Fremdsprachenkompetenz, S. 80–90. 188 S.o. S. 642f. Da dieses Geschäftsfeld der Welser-Vöhlin-Gesellschaft durch ein Forschungsprojekt der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter Leitung von Mark Häberlein und Peter Geffcken untersucht wird, beschränken wir uns auf wenige Hinweise. 189 ASP I/39 (1507, „Libro dei debitori e creditori“); s.o. S. 642, Anm. 115 190 Vgl. etwa ASP I/39, c. 37/XXXVII, 39/XXXIX, 44/XLIIII, 74/LXXIIII, 84/LXXXIIII; I/40 (1508–1510, „giornale e ricordanze“ des Francesco Naldini in Lyon), c. 8/VIII, 10/X. Namens der Lyoner Bartolini-Gesellschaft hatte Pierfilippo z. B. 1507 die Naldini-Vöhlin-Gesellschaft in Toulouse beauftragt, fünf Karren Färberwaid (pastelli) nach Narbonne zu liefern; und für ihn und Leonardo wurde von der Naldini-Vöhlin-Gesellschaft ein eigenes Konto geführt, in welchem z. B. auch der für sie vorgenommene Verkauf von Alaun in Toulouse und Narbonne verzeichnet wurde; ASP I/39, c. 55v, 83v. 191 ABS, Lettere, mazzo I, mazzo IIIbis.

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der, das von der Welser-Niederlassung in Antwerpen mit einem (Welser-?)Schiff namens La Maddalena nach Livorno geliefert werden sollte. Bemerkenswert ist, daß es sich um ein gemeinsames Geschäft zwischen der römischen Faktorei der Welser-VöhlinGesellschaft (Antonio Belzer e Corrado Felini e compagnia in Roma) und Francesco Naldini handelte, der von den Welsern – im übrigen nicht das einzige Mal – gegenüber der Lanfredini-Bank als ‚Euer Naldini‘ bezeichnet wurde. (Solche Formulierungen unterstreichen, daß er für Gianbattista Bracci und die Lanfredini-Bank in der Lyoner SalviatiGesellschaft agierte.) Das vermutlich aus Irland und Schottland stammende Leder wurde im übrigen seit ca. 1510 von einer Gerber-Gesellschaft verarbeitet, die den Namen von Gianbattista Braccis Sohn Zanobi trug.192 Ebenfalls auf der Maddalena ließ die römische Welser-Gesellschaft Ende 1509 aus Antwerpen eine Ladung Heringe für Rom transportieren, doch da man auch wegen möglicher Unwetter unsicher war, ob die Heringe bis zur Fastenzeit im Hafen von Civitavecchia eintreffen würden, schlug man der LanfrediniBank vor, sie sollte im negativen Fall die Heringe an sich nehmen und zum besten Preis verkaufen.193 Ein wichtiger Warenposten war für beide Gesellschaften neben Tuchen und Pfeffer wohl stets der Zucker, den nun offenbar exklusiv die Welser in die Toskana lieferten. Ein informativer Brief stammt von Anton Welser d. J. persönlich. Der 1486 geborene und damals in Lyon wirkende Augsburger Kaufmann schrieb ihn am 16. Mai 1509 an seine ‚ehrenwerten Freunde‘ in der Lanfredini-Gesellschaft.194 Wir erfahren, daß Anton Welser am 23. April zwei Briefe der Lanfredini-Gesellschaft vom 7. und 14. April erhalten hatte und daß beide zusammen vor allem für Wechselbriefgeschäfte Konten mit den gegenseitigen Ansprüchen führten; daß Lanfredini von ‚seinem‘ (del vostro) Francesco Naldini sicherlich schon unterrichtet worden sei, wie hoch bei der letzten Messe der Silberpreis gewesen sei und daß man für jenen Preis kein Silber nach Florenz liefern könne. Ausführlich erörtert wurde ein Zuckergeschäft, das Anton Welser in Lyon mit der LanfrediniGesellschaft in Florenz abgeschlossen hatte. Welser hatte nun Anweisungen nach Marseille und Aigues-Mortes gegeben, daß man den Lanfredini 80 Kisten Zucker (chasse di zucheri vel zucha) schicken solle, die auf einem Schiff, einer galleone mit dem Namen Santo Christofan, transportiert würden, das Cosimo Bottegari aus Marseille gehöre – also dem dortigen Vertreter der Lyoner Bartolini-Bank! – und das dann in Bibbona (einem kleinen Ort mit Hafen südlich von Livorno) gelöscht werde. Die Lanfredini-Kaufleute sollten sich bemühen, den Zucker mit gutem Gewinn für den Welser zu verkaufen, und sich überlegen, ob man nicht jedes Jahr ein solches Geschäft abschließen wolle, da es gute Ernten gebe. Vermutlich stammte dieser Zucker aus den erst kurz vorher von den Welsern auf Madeira und auf den Kanarischen Inseln aufgebauten Plantagen, welche sie von ihrer 192 Vgl. ASP I/606 (1509–1512, „Libro grande rosso, seg. ‚P‘, debitori e creditori di Alamanno ed

Eredi di Alamanno Salviati e Jacopo di Giovanni Salviati e Co. di Banco di Pisa“), c. 120/CXX, 148/CLXVIII. 193 ABS, Lettere, mazzo I, 20.10.1509 (Welser-Gesellschaft Rom an Lanfredini-Bank Florenz). 194 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 16.5.1509 (Anton Welser aus Lyon an Lanfredino Lanfredini e compagnia in Firenze).

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großen Faktorei in Lissabon aus betreuten.195 Doch hatten sich Gianbattista Bracci und Francesco Naldini schon 1496/97 für die Florentiner Medici-Erben-Bank stark im Handel mit Zucker aus Portugal engagiert.196 Die Lanfredini-Gesellschaft, die offenkundig Sonderkonditionen erhalten hatte, trat sowohl mit Jahresrationen als Großabnehmer des Zukkers auf als auch als Kommissionär, der für die Welser den Zucker verkaufte. Doch selbst, wenn die Welser ihren portugiesischen Zucker für die Levante nach Pera verschifften, konnten sie dort von ihrer Freundschaft mit der Lanfredini-Bank profitieren. 1509 hatten sie in Pera beispielsweise Probleme mit dem Florentiner Giuliano Pitti, der seine Schuld aus einem Zuckerkauf nicht beglich. Inständig wandten sich die Welser daher an die Lanfredini, die ‚ihren Mann in Pera‘ daraufhin beauftragten, Pitti zur Bezahlung seiner Schuld zu veranlassen.197 Der dortige Partner der Lanfredini war die unter dem Namen Andrea Carnesecchis firmierende Gesellschaft, aus welcher jener Lanfredini-Agent demnach stammte; er wird wahrscheinlich Giovanni di Francesco Maringhi geheißen haben, der in den Aufzeichnungen Giuliano da Gaglianos als Vertreter oder Agent der Mediceer in Pera begegnet. Über die Bottegari in Marseille wurden die Lanfredini von den Welsern in Lyon überdies mit Pfeffer versorgt.198 In ein Proprium des Mediceer-Netzwerkes führt uns freilich ein ganz anderes Kooperationsfeld: das Geld. So ließen die Welser in Lyon nach dem Vorbild der Lyoner Mediceer große Mengen Bargeld durch den von den Mediceern bevorzugten Fuhrmann Benedetto Sangrico (auch Sancrico) ‚im Namen Gottes‘ nach Florenz bringen (im Mai 1509 1.745 Dukaten d’oro larghi, dabei aber einige ‚leichte‘ Münzen), wo die Lanfredini-Bank sie je nach aktueller Kurssituation zum Profit der Welser entweder zur WelserNiederlassung nach Rom weiterleiten oder mittels Wechselbriefen dorthin transferieren sollte.199 Dieses Feld war allerdings noch fruchtbarer: Gesteuert aus der Augsburger Zen195 Vgl. hierzu R. Kießling, Art. „Welser“, in: LexMa VIII (1997), Sp. 2155f. 196 ASP I/37, c. 21/XXI, 22/XXII, 25/XXV. 197 Vgl. etwa ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 26.5.1509 (Welser-Vöhlin in Rom an Lanfredini-Bank:

Freude über Nachricht, daß die Lanfredini ihren Mann in Pera beauftragt hatten, den Pitti wegen der Saldierung des Zuckerkontos für die Welser zu befragen), 8.6.1509 (Welser-Vöhlin in Mailand an Lanfredini-Bank: Bedauern über geringe Nachfrage nach Zucker, den die Lanfredini so gut wie möglich für sie verkaufen sollen), 9.7.1509 (Welser-Vöhlin in Lyon an LanfrediniBank: Ob diese Zucker ankaufen wolle und wenn ja, wieviel casse di zucheri für ein Jahr nach Pisa oder Florenz und zu welchem Preis geliefert werden sollten; wenn Profit ersichtlich sei, könne man gute Mengen liefern), 20.10.1509 (Welser-Vöhlin in Rom an Lanfredini-Bank: Man habe mit ‚Begierde‘ die Antwort aus der Levante wegen ihres Schuldners Giuliano Pitti gehört). 198 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 18.11.1509 (Narziß Lauginger für Welser-Vöhlin in Lyon an die Lanfredini-Bank: Man habe außer den drei Silberbarren auch 10 Ballen Pfeffer von Marseille nach Livorno an Gianbattista Bracci geschickt). 199 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 16.5.1509 (Anton Welser aus Lyon an Lanfredini-Bank), 26.5.1509 (Welser in Rom an Lanfredini-Bank: Man hoffe, daß Sangrico mittlerweile die drei piastre mit den Dukaten ausgeliefert habe; wegen der Knappheit bei den anderen [Münzen] sei es besser, das Geld nicht in bar nach Rom bringen zu lassen, sondern durch die Lanfredini als Wechselnehmer bzw. Remittenten mit den üblichen Gewinnsätzen per Wechselbrief nach Rom trassieren zu lassen), 9.7.15109 (Welser-Vöhlin in Lyon an Lanfredini-Bank: Sie sollen den Inhalt der 3 piastre wechseln, als ob es ihre eigene Sache sei).

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trale, von Anton Welser (I.) d. Ä. persönlich, ließen die Welser große Mengen Silber in die Florentiner Zecca liefern, um es ihr gegen qualitativ hochwertige Golddukaten zu verkaufen und diese für verschiedene Zahlungszwecke einzusetzen. Dieser schon wegen der Transportrisiken besondere Handel ist deshalb hervorzuheben, weil bekanntlich Giovanni Bartolini als Teilhaber der Lanfredini-Bank die Leitung der Zecca innehatte und weil deren Gewinne zur Hälfte ihm, zur Hälfte aber der Lanfredini-Bank zukamen. Die Zecca kaufte seit längerem in großen Mengen Silber (etwa aus dem Deutschen Reich) und Gold (vor allem aus dem afrikanischen Raum), das auswärtige Handelsfirmen einführten, für ihre Prägungen oder für den Weiterverkauf auf. Doch kaum ein zweiter dieser Kaufleute wird bei diesem Geschäft so exklusive Konditionen erhalten haben, wie sie die Welser dank ihrer besonderen Freundschaft zu den Mediceern, den Herren der Zecca, erwarten durften. Im September, Oktober und November 1509 erreichten den Lanfredini-Kontor in Florenz mehrere Briefe in dieser Sache, die von Anton Welser d. Ä. in Augsburg und von der Welser-Gesellschaft in Lyon (wo am 18.11. Narziß Lauginger als Leiter der Faktorei schrieb) stammten. Worum ging es? Versteckt in vier Ballen mit Tuchrollen hatten die Welser im September aus Lyon vier Barren Silber (pani di argento) nach Florenz transportieren lassen. Die Lanfredini-Bank sollte die Tuche an die römische Welser-Vöhlin-Faktorei senden und (in der Zecca) für das Silber den bestmöglichen Gegenwert in großen Golddukaten erhandeln. Dieses Geld sollte sie sodann bis zur Ankunft von Johann Pfister, dem Verwandten und Teilhaber der Welser, in sichere Verwahrung nehmen, um es ihm dann auszuhändigen. Denn Pfister befand sich auf dem Weg nach L’Aquila, wo die Welser mit den neuen Münzen eine große Menge des sündhaft teuren Safran (zaffi d’Abruzo) kaufen wollten. (In den westlichen Abruzzen lag ein Hauptanbaugebiet der den Safran liefernden Krokusart – und die Welser übten zusammen mit den Imhoff eine Dominanz auf dem mitteleuropäischen Safranmarkt aus.) Die erstaunlich vertraute, die Interessen des Partners wahrende Kooperation zwischen den beiden Gesellschaften bezeugt Anton Welsers Bitte an die Lanfredini, diese sollten sowohl beim Einschmelzen und Wiegen des Silbers als auch beim Einkauf der Golddukaten auf den gebührenden Nutzen der Welser achten. Nachdem die Lanfredini-Bank den Augsburger Welsern mitteilen konnte, daß jenes Silber wohlbehalten in Florenz angekommen und ihr Wunsch bestens erfüllt worden sei, teilten ihnen diese bereits am 2. Oktober mit, ihre Lyoner Faktorei habe den Lanfredini weiteres Silber in die Zecca liefern lassen, zu einem Gewicht von 160 Mark. Die Lanfredini-Bank sollte dieses Silber bzw. dessen Wert in der Zecca erneut in Dukaten d’oro in oro larghi guten Gewichtes wechseln lassen und versuchen, dabei auf eine Summe von 1.600 Dukaten zu kommen. Diesen Brief vom 2. Oktober würde nun Johann Pfister persönlich in Florenz überbringen, dem (auch) die 1.600 Dukaten ausgezahlt werden sollten. Falls in der Zecca weiterer Gewinn mit dem Welser-Silber erzielt werden könnte, sollte Pfister diesen erhalten, dem die Lanfredini überdies einen Kredit von 2.000 Dukaten einräumen sollten, mit dem die Welser in Lyon oder Brügge zu belasten seien. Am 18. November schrieb dann Narziß Lauginger aus der Lyoner Faktorei an die Lanfredini-Bank,

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er habe ihr (trotz gewisser, von ihm nur angedeuteter Probleme in der Zecca) am 16. des Monats über das Fuhrunternehmen von Benedetto Sangrico erneut Silber geschickt, eine Menge von drei Barren (in drei Tuchballen mit dem Welserzeichen vor den Nummern 2, 3 und 4). Bei Bedarf könne weiteres Silber nach Florenz versandt werden – und an bzw. für Gianbattista Bracci habe man zehn Ballen mit Pfeffer von Marseille nach Livorno geliefert.200 Wie auch der Brief Anton Welsers d. J. vom 16. Mai 1509 zeigte, belieferten die Welser offenkundig regelmäßig die Florentiner Münze mit mitteleuropäischem Silber. Denn während das Silber im Deutschen Reich aufgrund der massiven Silberproduktion, welche das Saigerverfahren seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ermöglichte, im Vergleich zum Gold unterbewertet war, stellte sich dieses Verhältnis in Italien genau umgekehrt dar.201 Die Mediceer der Lanfredini-Bank waren für ihre Profite aus der Zecca demnach an günstigem Silber interessiert – die Welser etwa für ihre Monopol-Ambitionen auf dem zentral-europäischen Safranmarkt an hochwertigen Goldflorenen zu guten Bedingungen. Ähnliche Intentionen dürften die Welser in Lyon zur Bartolini-Bank geführt haben, um über deren exzellente Beziehungen zur königlich-französischen Münze und Finanzwelt Vorteile beim Vertrieb ihres Silbers erlangen zu können. Wie fest die Welser, diese gerade in den Überseehandel eingestiegene Großgesellschaft, mit der Lanfredini-Gesellschaft, d.h. mit den Florentiner Mediceern, verknüpft waren, zeigt eine Passage im Brief Anton Welsers d. Ä. vom 2. Oktober, die er persönlich an den Adressaten richtete. Dieser Zusatz betraf seinen Sohn Johann: Wenn Johann die Bank oder das Haus Lanfredino Lanfredinis betrete und sich nicht gut verhalte, solle Lanfredino ihn aus Liebe zu Anton Welser an sich nehmen und züchtigen (castigare), um ihn auf den Pfad der Tugend zu führen.202 Denn Johann Welser gehörte seit spätestens Mai 1509 als kaufmännischer Lehrling zum Personal der Lanfredini-Bank, wie ein Brief seines (älteren) Bruders Anton aus Lyon erweist. In diesem bereits mehrfach ausgewerteten Brief vom 16. Mai mahnte auch Anton Welser d. J. die Freunde der Lanfredini-Gesellschaft, sie sollten seinen Bruder Johann durchaus zurechtweisen, bestrafen, falls er etwas tun sollte, was er nicht tun dürfte (che vi piace chorigarlo se facessi chossa che non fussi di fare); 200 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 17.9. und 2.10.1509 (Anton Welser der Ältere für die Welser-

Vöhlin-Gesellschaft Augsburg an Lanfredini-Bank), 18.11.1509 (Narziß Lauginger für die Welser-Vöhlin-Gesellschaft Lyon an Lanfredini-Bank). Der Augsburger Kaufmann Hans Paumgartner der Jüngere hatte sich damals (1509/10) zusammen mit Hans Pfister zum Safrankauf in die Abruzzen begeben, wo beide fürstliche Zollprivilegien erhielten. In seinen Aufzeichnungen über die Tarife des Welthandels, die für den internen Geschäftsgebrauch bestimmt waren, notierte er diese Episode, allerdings ohne weitere Einzelheiten; vgl. Müller, Welthandelsbräuche, S. 44–47, 53, 253 [42], sowie S. 40f., 146–150 zum Import von Silber und Gold in die Florentiner Zecca, über den die Gesellschaft von Hans Paumgartner dem Älteren schon 1484/85 das notwendige Wissen in ihren Büchern notierte. 201 Vgl. Jenks, Von den archaischen Grundlagen, S. 66f. 202 ABS Letter, mazzo IIIbis, 2.10.1509 (Anton Welser d. Ä. für die Welser-Vöhlin-Gesellschaft Augsburg an Lanfredini-Bank); vgl. hierzu und zum folgenden Brief jetzt auch Lang, Fremdsprachenkompetenz, S. 81f.

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und sie sollten ihm vor allem das Kaufmannsgeschäft beibringen (e instruirlo a la merchadantia), damit Johann ein ehrenwerter Mann (homo da bene) werde. Anton hatte keinen Zweifel, daß seine Florentiner Freunde sich seines Bruders wie ihres eigenen Sohnes angenommen hätten.203 Unter Lanfredino Lanfredini, Giovanbattista Bracci und Giovanni Bartolini wurde also dieser junge Deutsche aus dem neben den Fuggern führenden Handelshaus Deutschlands, das gerade über Europa hinaus in die Welt ausgriff, in die Kunst italienisch-europäischer Kaufmannsfertigkeiten eingeführt. Dieses Faktum demonstriert so anschaulich wie eindrucksvoll, welches Ansehen sich die Mediceer-Bankiers auch nach der Exilierung der Medici erwerben konnten und wie aktiv sie waren. Das Levante-Syndikat Mehrfach konnten wir bereits auf die auffälligen Handelsaktivitäten der Mediceer mit der Levante und auf ihre Präsenz in Pera (bei Konstantinopel) hinweisen. Sie gilt es, soweit möglich, zu systematisieren, da sich aus ihnen ein erstaunliches Phänomen herausschält, das mangels weiterer Quellen zwar noch nicht hinreichend zu erschließen ist, hier dennoch vorgestellt werden soll und muß. Grundlage sind vor allem die persönlichen Aufzeichnungen von Giuliano da Gagliano. Für die Zeit von 1497 bis 1499 bezeugt er Ugo di Niccolò della Stufa als Agenten oder Handelspartner der Mediceer in Pera, der z. B. Anfang Juli 1497 eine große Ladung Korn nach Florenz lieferte; im September 1497 war es Seide, die für einen amico Giulianos bestimmt war, den dieser dann als seinen Bruder Filippo identifizierte, um sogleich zu erklären, auch dieser handele im Namen eines amico (vermutlich Lanfredino Lanfredini oder Gianbattista Bracci).204 Erhielten die Mediceer von Ugo della Stufa Anfang 1499 nochmals eine Lieferung Schamlottstoffe aus der Levante, so richteten Giuliano und Filippo da Gagliano ab dem Sommer 1499 ihre brieflichen Aufträge, meist mit der Post des Pompeio del Vantaggio, via Pesaro oder Ancona (wo Andrea di Paolo Carnesecchi damals als Mediceer-Agent wirkte) und Ragusa an Francesco Barducci und/oder Aldobrando Baroncelli in Pera di Costantinopoli. Im Juli 1499 lieferte ihnen Barducci erstmals Seide aus der Levante, wobei Giovanbattista Bracci hier auch explizit mit einer fünfzigprozentigen Beteiligung als weiterer Auftraggeber neben den beiden Gagliano-Brüdern genannt wird.205 Außer an Seide und anderen wertvollen Stoffen, die sie weiterhin im Verbund mit Bracci von Barducci bezogen und etwa (wie im August 1500) über die Bartolini-Rossi-Gesellschaft in Lyon verkaufen ließen, waren die Brüder ebenfalls an Moschusöl interessiert, das sie dann in Florenz, Rom (u. a. über Giovanni di Baldassare Amadori und Giunta di Giunta) und Venedig (über Matteo

203 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 16.5.1509 (Anton Welser d. J. aus Lyon an die Lanfredini-Bank). 204 ASP IV/6, c. 21v, 87v (Juli 1497); IV/5, c. 36/XXXVI (September 1497). 205 ASP IV/6, c. 88r (16.1.1499); zu den Briefen ab Sommer 1499: IV/6, c. 37v/38r; IV/8, c. 57r–

60v; zur Seidenlieferung vom Juli 1499: IV/6, c. 43v/44r.

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Cini) profitabel weiterveräußerten.206 Bei ihrem Agenten in Pera handelte es sich entweder um den 1445 geborenen Francesco di Bartolomeo oder um den am 26. Februar 1484 in Florenz geborenen Francesco di Giovanni di Stagio Barducci. Barducci wurde schon Ende 1495 im engeren Umkreis der Mediceer genannt, als Giuliano da Gagliano bei seiner Abreise aus Lyon bei der Nasi-Bank einen großen, in einen Goldring eingefaßten Tafelrubin deponierte, den er wiederum etwas früher von Leonardo di Bartolomeo Bartolini erhalten hatte, der Giuliano erklärte, der Rubin gehöre Francesco Barducci. Im April wurde Giuliano der Rubin durch die Nasi nach Florenz geschickt, wo er ihn dem Barducci übergab.207 Mit Blick auf den Kontext spricht alles dafür, daß der Barducci als Strohmann der Mediceer handelte, um ein Juwel der Medici vor dem Zugriff der Kommune zu retten. Seit spätestens Ende 1501 ist Giovanni Maringhi – er war schon im März 1497 durch Giuliano nach Lyon zur Nasi-Bank geschickt und dabei als besonders liebenswerter Freund bezeichnet worden – an Stelle Barduccis in Pera nachzuweisen, da ihm Giuliano da Gagliano Ende Januar 1502 zwei Briefe senden ließ. Einen versandte Giuliano erstaunlicherweise über den Maler Raffael (per Raffaello dipintore!), den anderen über Zanobi de’ Medici.208 Spätestens 1506 läßt sich nun in Pera eine Gesellschaft nachweisen, die unter dem Namen Andrea Carnesecchis firmierte und vermutlich als dortiger Partner der Lanfredini-Bank eingerichtet wurde. Aus dieser neuen Gesellschaft dürfte jener Lanfredini-Agent gestammt haben, der (wie oben angesprochen) zugunsten der Welser-Ansprüche vermittelte; er wird sehr wahrscheinlich Giovanni di Francesco Maringhi geheißen haben. Ob Andrea di Paolo Carnesecchi sich persönlich am Bosporus aufhielt, ist nicht belegt; im Mai 1505 jedenfalls hatte er noch zusammen mit Giuliano da Gagliano und Giovanni di Niccolò Martelli jene Tochter von Domenico Perini aus der Taufe gehoben.209 Diese Gesellschaft ist bis 1508 in dem Saldierungsbuch der von der Lyoner Rossi-Fraschi-Gesellschaft übernommenen Perini-Gesellschaft in Lyon nachweisbar, mit welcher sie Kooperationsgeschäfte tätigte, an denen auch die Lanfredini-Bank beteiligt war.210 Generell wird in den bisher verfügbaren Quellen jedoch wenig Konkretes über diese Levante-Niederlassung ausgesagt. Giuliano da Gagliano äußert sich erst nach dem Medici-Exil, 1515, eingehender über sie, und dabei auch nur anläßlich eines zu klärenden Problems. Erhellend ist es allemal. Es gab nämlich eine gemeinsame Vertretung bestimmter Florentiner Handelsgesellschaften in Pera, die Giuliano als il Sindachato di Giovanni di

206 ASP IV/6, c. 98r; IV/8, c. 76r (zur ciambellotti-Lieferung vom August 1500); zum Moschusöl

(muscho bzw. moschado, der in kleinen Ampullen verkauft wurde): IV/6, c. 53v/54r, 58v/59r u.ö. 207 ASP IV/6, c. 80r–81v; zu den Barducci vgl. Tratte, s.v. Der einzige andere Barducci mit dem Vornamen Francesco war am 13.7.1445 geboren worden und wird in den Tratte nur mit diesem Datum aufgeführt. 208 ASP IV/6, c. 87r (27.3.1497); IV/8, c. 62r (Briefspesen vom 25. und 28.1.1502). 209 ASP IV/6, c. 72v. 210 ASP I/436, c. 10/X.

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Francesco Maringhi bezeichnete.211 ‚Dieser sei vor 1515 in der Levante gestorben, und hier in Florenz habe man ihm vor einiger Zeit das Syndikat gegeben bzw. anvertraut.‘ Probleme gab es nun in Florenz mit Schuldnern und Gläubigern des Syndikats, zu deren Klärung man sich auf eine schriftliche Übersicht stützte, die am 9. Februar 1514 in Florenz erstellt wurde, nach dem Tod Maringhis, da man nun in Florenz ein neues Syndikat des ‚ruhenden Erbes des Giovanni Maringhi‘ ins Leben rief. Giuliano schrieb zu dem ganzen, sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Vorgang einen ricordo, weil er persönlich zu den Geldgebern des zweitgrößten Gläubigers des Syndikats gehörte, als welchen er die Soderini-Seidengesellschaft namhaft macht, an der ja auch sein Bruder Filippo partizipierte. Größter Gläubiger war Andrea di Paolo Carnesecchi, der hier als Privatperson, nicht als Namensgeber der Gesellschaft genannt wird. Weitere Gläubiger, die Giuliano aufführte, waren (der von 1450–1528 lebende) Francesco di Giuliano di Giovenco de’ Medici sowie dessen jüngere Brüder Giovenco und Giovanni, Alessandro di Francesco Fraccasini und Lorenzo d’Antonio Rucellai. Bei der Umformung des Syndikats erhielten einige Personen spezielle Aufgaben. Vertreter der Gläubiger wurden Filippo da Gagliano (und zwar speziell für die Ansprüche der Soderini-Seidengesellschaft), Andrea Carnesecchi sowie Raffaello, der Sohn von Francesco (di Giuliano di Giovenco) de’ Medici; Syndizi ‚für die Geldbörse‘ wurden Luigi di messer Agnolo della Stufa, Niccolò di Simone Zati und Lutozzo di Battista Nasi; zum Depositar wurde Francesco di Giuliano de’ Medici ernannt, der zudem viele Juwelen aufbewahrte. Im Zuge dieser bis mindestens Ende 1517 dauernden Problemklärungen erwähnte Giuliano nun, daß auch Antonio Miniati (also Antonio di Bernardo di Miniato Dini) zu den Schuldnern des Giovanni Maringhi bzw. des Syndikats gehört habe, und daß Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati als Kreditoren Miniatis mit dessen Gläubigern Kompromisse schließen würden.212 Dieses Syndikat existierte jedenfalls noch einige Jahre, denn im April 1519 notierte Giuliano da Gagliano, Ser Niccolò Michelozzi und sein Sohn Lorenzo hätten sich erneut als Schuldner von Francesco di Giuliano di Giovenco de’ Medici, dem Depositar der Gläubiger des sindacato di Giovanni Maringhi, erklärt.213 Unter dem Namen Miniatis wurden demnach – wie bereits mehrfach für die Jahre zwischen 1494 und 1512 beobachtet – weiterhin Geschäfte geführt, die primär durch Lanfredini und Salviati finanziert wurden, wobei man sich auch des Levante-Syndikats bediente. Die von Giuliano da Gagliano enthüllten beteiligten Gesellschaften und vor allem Personen weisen unmißverständlich auf den Florentiner Mediceer-Kreis hin. Der 1461 geborene Lutozzo di Battista di Giovanni (di Jacopo) Nasi war ein Neffe zweiten Grades des vor 211 ASP IV/10, c. 14v/15r. 212 ASP IV/10, c. 24r. Im Zuge einer komplizierten Verrechnung der Schulden, die Ottaviano di

Lorenzo di Bernadetto de’ Medici (einst) und Antonio Miniati (immer noch) beim Syndikat hatten, wurde zuletzt durch Andrea Carnesecchi, Raffaello de’ Medici und Giuliano da Gagliano als Vertretern des Syndikats erklärt, daß dieses Gläubiger der Erben des Antonio Miniati bleibe – womit klar wird, daß der 1494 gestorbene Miniati gleichsam transpersonal in diese Geschäfte involviert blieb und daß „er“ dabei maßgeblich von Lanfredini und Salviati finanziert wurde. 213 ASP IV/10, c. 29r.

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allem in Neapel wirkenden Medici-Bankiers Francesco di Lutozzo di Jacopo Nasi, dessen Sohn eine Tochter von Giovanni Tornabuoni und dessen Tochter einen Sohn von Francesco Carnesecchi geheiratet hatte.214 Seine Cousins zweiten Grades waren jene Söhne des Bartolomeo di Lutozzo di Jacopo Nasi, unter deren Namen in Lyon die Nasi-Bank geführt wurde, die wir wiederholt als sehr engen Geschäftsfreund der Bartolini-Bank und des Giuliano da Gagliano eruiert hatten, wenn sie denn nicht sogar eine reine Mediceer-Bank war. Raffaello di Francesco de’ Medici hatten wir bereits als Vertreter der Lyoner Bartolini-Bank in Brügge erwähnt, werden ihn aber noch eigens vorstellen, weil er nach 1500 z. B. auch die Alaungeschäfte der Bartolini-Bank und Chigis betreute, hinter denen Bracci und insbesondere Lanfredini standen, wie wir am Schluß ermitteln können. Francesco di Giuliano di Giovenco de’ Medici werden wir ebenfalls noch etwas genauer behandeln, war er doch ein Handelspartner der Lyoner Bartolini-Bank, sein Bruder Giovenco mit einer Bartolini verheiratet, während ein weiterer Bruder, Antonio, höchstwahrscheinlich als Kassierer in der römischen Medici-Bank unter Leonardo di Zanobi Bartolini und Nofri Tornabuoni wirkte.215 Auf den engsten Zirkel der römischen und florentinischen MediciBankiers werden wir die Existenz dieses Levante-Syndikats demnach zurückführen dürfen, das als solches in diesem Kontext wenigstens thematisiert werden sollte, nicht zuletzt in dienender Funktion für weitere Forschungen. Das Alaunmonopol: Die Mediceer und Agostino Chigi Zur Reputationssteigerung der Florentiner Mediceer trug zweifellos der gewaltige Erfolg bei, den Leonardo di Bartolomeo Bartolini im europäischen Alaunhandel erzielen konnte. Bei aller Anerkennung der kaufmännischen Brillanz dieses jungen Bartolini darf freilich nicht vergessen werden, daß er gemäß der nie aufgegebenen internen Medici- und Mediceer-Hierarchie weiterhin aus der Florentiner Zentrale gelenkt wurde, die sich nun in der Lanfredini-Bank befand. Doch für jeden, der nach 1500 an den üppigen Profiten beim Alaunhandel partizipieren wollte, führte der Weg über Agostino Chigi. Chigis erstaunliche – und noch nicht hinreichend zu erfassende – Position im Netzwerk der Medici zeichnet sich wie die der meisten wichtigen Protagonisten durch engere Beziehungen zu weiteren zentralen Akteuren des Netzwerkes aus; sie war also nicht, wenn überhaupt, nur auf die Medici ausgerichtet. Seine – soweit bisher zu erkennen – wichtigsten Bezugspersonen sind Leonardo di Zanobi Bartolini und Leonardo di Bartolomeo Bartolini mit dessen Partnern, wobei die beiden Verwandten nicht durch eigene, gleichsam isolierte Interessen mit dem Chigi verbunden waren, sondern interessanterweise durch gemeinsame. Das sie alle miteinander verknüpfende Objekt war der begehrte Alaun.

214 Vgl. Tratte, s.v. Francescos Vater, der 1382 geborene Lutozzo di Jacopo di Lutozzo, und der

Großvater von Lutozzo di Battista, der 1386 geborene Giovanni di Jacopo di Lutozzo, waren Brüder. 215 S.u. S. 804f.

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Der Alaun war im Mittelalter ein vor allem für die Textilverarbeitung unverzichtbares Mineralsalz; mit ihm wurden die Tuche gereinigt, entfettet und später vor dem Färben gebeizt, um die Farben zu fixieren. Man benötigte ihn aber auch bei der Zucker- und Glasherstellung. Bis zum 15. Jahrhundert bezog das christliche Abendland den Alaun aus dem Orient. Durch die Eroberungen der Türken wurde der Alaun jedoch immer schwerer im Westen erhältlich, die Preise stiegen stark an, so daß es notwendig war, eigene Vorkommen zu finden und zu erschließen. Dies gelang, als 1462 die Alaunvorkommen bei Tolfa im Kirchenstaat entdeckt wurden, die den Päpsten als Eigentümern große Einkünfte bescherten und durch das gleichzeitige Verbot, den orientalischen Alaun zu importieren, eine Monopolstellung. Diese wurde jedoch durch andere, wenngleich geringere Alaunvorkommen in Europa gefährdet oder unterminiert. Das Privileg, die Alaunminen zu pachten und den Alaun zu verkaufen, errangen schon 1466 die Medici; sie mußten es jedoch nach 1474/76 an andere Gesellschaften abgeben, etwa an die Pazzi, ihre Feinde. Inwieweit die Medici nach 1476 noch im Alaunhandel engagiert waren, mußte De Roover als bester Kenner der Medici-Bank aufgrund der schlechten Quellenlage offen lassen. Auffallend ist jedoch, daß sich im bilancio der römischen Medici-Bank von 1495 ein sehr großer Posten von 25.000 Dukaten, die sie auf Wunsch der Rucellai (den damaligen Pächtern der Alaungruben von Tolfa) als Rest von 50.000 Dukaten an die Spannocchi in Rom zu zahlen hatte, auf eine Alaunlieferung bezog; von dieser Schuld hatte sie im kommenden Mai (1495) ein Drittel zu begleichen. Über die näheren Umstände dieser Schuld aber war Leonardo informiert, also niemand anders als unser Leonardo di Zanobi Bartolini.216 In Kooperation mit den Rucellai und den Spannocchi war die MediciGesellschaft demnach noch im Alaungeschäft tätig, und Leonardo Bartolini scheint es in Rom geführt zu haben. Nicht von ungefähr gehörte die römische Bank des Paolo Rucellai auch zu den engen Partnern der Medici-Bankiers in Lyon bei Kredit- und Wechselgeschäften. Bis Mai 1501 hielt die Erben-Gesellschaft des Paolo Rucellai die Alaunpacht. Anfang Dezember 1500 schloß dann Agostino Chigi mit der zuständigen Apostolischen Kammer einen Pachtvertrag über zwölf Jahre ab, der im Mai 1501 begann und mit einer Beteiligung von 60% die Bank Mariano Chigi e compagni betraf (in der Mariano und sein Sohn Agostino je 40,62% und ihr Partner Francesco Tommasi 18,76% hielten) sowie mit 40% ihren Partner, die Gesellschaft der ‚Erben des Ambrogio Spannocchi und Partner‘. Nachdem Chigi – ähnlich wie später im Fall Leos X. bzw. Leonardo Bartolinis – dem regierenden Papst Alexander VI. im Februar 1501 einen Kredit über 20.000 Dukaten geben hatte, zahlten die Pächter vermutlich 15.000 Dukaten carlini pro Jahr für die Pacht. Die Apostolische Kammer zog sich völlig aus dem Alaungeschäft zurück. Die Chigi-

216 Sapori, Bilancio, Nr. 252 (dort eine vermutete Identität dieses Leonardo mit dem Bartolini, die

wir jedoch als gesichert annehmen dürfen; in diesem Posten werden die Beträge äquivalent in den Währungen lire und ducati angegeben, was bei der lira auf einen Lese- oder Schreibfehler zurückzuführen sein wird, da sie als Silberwährung mehrfach geringwertiger war als die Goldwährung des ducato). Die in Rom tätige Florentiner Bankgesellschaft der Erben des Paolo Rucellai war bis Mai 1501 Pächter der Alaunminen von Tolfa; vgl. Gilbert, Venedig, S. 86.

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Gesellschaft war nun führend als Produzent und monopolartiger Verkäufer des Alauns von Tolfa.217 Diese Entwicklung bei der Alaunverpachtung ist für die Geschichte der Medici und ihres Exilsnetzwerkes alles andere als irrelevant, wie sich bereits aus einer Verknüpfung mit den erschlossenen Bezügen der Sieneser Chigi zu den Medici ergibt. Zunächst ist generell festzustellen, daß Siena von Beginn an und nahezu kontinuierlich einen entscheidenden lokalen Stützpunkt für die Mediceer und politische wie militärische Hilfe bot. Agostino Chigi hatte schon 1496 Piero de’ Medici bzw. dessen Prokurator Leonardo Bartolini einen Kredit von 4.000 Dukaten gegeben, der mit wertvollen Kunstobjekten aus der MediciSammlung abgesichert worden war. Im November 1501 stellten Agostino Chigi und seine Partner, die Spannocchi, also die neuen Pächter des Tolfa-Alauns, den Medici sogar 25.000 Dukaten zur Verfügung, die einen entscheidenden Beitrag zu jenen 100.000 Dukaten darstellten, mit denen sich die Medici die Gunst und Unterstützung Frankreichs für ihre Restituierung in Florenz erkauften; Silvio Passerini brachte das Geld damals als Diener Giovanni de’ Medicis persönlich nach Frankreich zu Kardinal Georges d’Amboise.218 Der Architekt des gesamten Finanzierungsvorhabens konnte nur Leonardo di Zanobi Bartolini gewesen sein, dessen Freund Federico Sanseverino in Rom bei der Beschaffung der Obligationen für die restlichen 75.000 Dukaten beteiligt gewesen war. (Die Florentiner Bürgen blieben uns unbekannt, doch werden sie wesentlich aus dem LanfrediniBracci-Salviati-Kreis gekommen sein.) Gilbert konnte feststellen, daß Agostino Chigi den Medici während ihres Exils über jene Großkredite hinaus weiterhin mit Geld aushalf, und zwar insbesondere Piero (also bis Ende 1503), das dann 1514 Alfonsina Orsini dem Chigi zurückzahlte.219 1509 hatte Chigi überdies zum Ärger von Papst Julius II. die Orsini als wichtige Verbündete der Medici finanziell unterstützt. Gerade die so engen Beziehungen Braccis und Lanfredinis zu den Buonvisi in Lucca spielen auch mit Blick auf die Chigi-Gesellschaft eine wichtige Rolle, denn 1502 werden wir die mit dem Chigi verbundenen Spannocchi als finanzielle Helfer Pisas erblicken, das damals eben auch von den Venturi in Siena und den Buonvisi in Lucca gefördert wurde.220 Sie alle aber hatten wir für 1497 als Beteiligte an einem erstaunlichen Alaungeschäft vorgestellt. Damals, im September, hatte der gerade aus Italien verbannte Francesco Naldini auf Geheiß seines nach Lucca zu den Buonvisi geflüchteten Mentors Gianbattista Bracci noch schnell stellvertretend für die Gesellschaft des Benedetto Buonvisi mit der Sieneser Gesellschaft von Antonio Pivi und Alessandro Colombini ein großes Geschäft über die Lieferung von 5.000 Cantari Alaun abgeschlossen, das zu einem sehr günstigen Preis aus dem zum Sieneser Territorium gehörenden Hafen Talamone geliefert werden sollte (der Cantaro entsprach hier ca. 50 Kilogramm). Naldinis Provision bestand in einer 217 Montenovesi, Agostino Chigi, S. 108–112; De Roover, Rise, S. 152–164; Delumeau, Alun de

Rome, S. 97f.; Gilbert, Venedig, S. 86; The correspondence of Agostino Chigi, S. 5, 26f; Guidi Bruscoli, Papal Banking, S. 169. 218 S.o. S. 557f. 219 Gilbert, Venedig, S. 89, 93, 164, Anm. 10. 220 S.o. S. 567f.

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durch Pivi und Colombini zu liefernden Menge von 100 Cantari Alaun; diese Provisionsschuld hatte dann Gianbattista Bracci nach einer Einigung mit den Buonvisi übernommen. Die Finanzierung des für die Buonvisi abgeschlossenen Alaungeschäfts besorgte für den Naldini jedoch die Sieneser Gesellschaft der Venturi, bei der er auch auf Anordnung Benedetto Buonvisis, aber im eigenen Namen, eine wertvolle Perle aus dem Medici-Schatz in Sicherheit gebracht hatte.221 Gianbattista Bracci scheint, vermutlich in Kooperation mit seinem Schwager Leonardo di Zanobi Bartolini, als Leiter der Florentiner Medici-Erben-Bank auch deren frühere, äußerst gewinnbringende Alaungeschäfte weitergeführt zu haben. Denn bereits von März bis Mai 1497 hatten Bracci und Lorenzo Tornabuoni ihren Adlatus Francesco Naldini wegen eines Alaungeschäfts nach Piombino geschickt; die Spesenrechnung von immerhin 35 Fiorini zeigte an, daß es sich um einen wichtigeren Vorgang gehandelt haben muß.222 In diesen noch recht nebulösen Geschäftskontext gehört vermutlich auch eine kurze Bemerkung in einem von den Florentinern abgefangenen Brief eines unbekannten Mediceers, den dieser im Mai 1502 aus Blois vom französischen Hof an Giulio de’ Medici und Silvio Passerini schrieb und in welchem er im Zuge einer Reihe knapper Informationen über interne Angelegenheiten des Medici-Kreises auch lapidar vermerkte, a Sanazaro sei der Alaunvertrag bestätigt worden.223 Und im Januar 1505 übergab Bracci als leitender Teilhaber der Lanfredini-Bank den Freunden von der Florentiner Salviati-Bank unter seinem Namen ein spezielles Alaunkonto, das er von Niccolò Buonvisi aus London erhalten hatte, dem Sohn von Benedettos Bruder Paolo.224 Dieses jetzt in Chigis Pachtzeit fallende europäische Alaungeflecht können wir jedoch nur annähernd erfassen, wenn wir uns nun gesondert den Alaungeschäften des Leonardo di Bartolomeo Bartolini zuwenden. Den Einstieg dürfte sein Verwandter Bartolomeo di Niccolò Bartolini erleichtert haben, der in Südfrankreich im Alaungeschäft engagiert war und spätestens 1486 in Avignon lebte. So gab es am 30. Januar 1495 einen Vergleich zwischen ihm und dem Genueser Kaufmann Niccolò di Andrea Lascari. Lascari mußte dem Bartolini aus einem 221 S.o. S. 452f., 456 222 S.o. S. 170f., 447. 223 ASF, SR 24, c. 254 (17.5.1502, ein Anonymus aus Blois an Giulio de’ Medici in Rom: ... A

Sanazaro fu confirmata la lumiera). Agostino Chigi hatte am 19.5.1501 über seinen Prokurator Giulio Spannocchi die Pacht der nördlich von Neapel gelegenen Alaunmine von Agnano erworben, die bis dahin Jacopo und Marcantonio Sannazaro mit Erlaubnis des Königs von Neapel gepachtet hatten. Chigi schloß diese Mine jedoch sofort (ebenso wie andere kleinere in Italien), um den Preis für sein Tolfa-Alaun besser hochhalten zu können. Da die Franzosen im Hochsommer 1501 die nördlichen Regionen des Königreichs Neapel zurückerobert und König Federico gefangengenommen hatten, könnte die obige Information so zu interpretieren sein, daß die neuen Machthaber entweder dem alten Pächter Jacopo Sannazaro die Mine von Agnano zurückgaben und bestätigten (was wegen der Vertreibung der Franzosen aus dem Regno Ende 1503 nicht von Dauer gewesen sein konnte) oder aber dem Chigi in dem neapolitanischen Stadtteil Sannazzaro seinen noch mit dem spanischen Herrscher geschlossenen Pachtvertrag neu genehmigten; vgl. The correspondence of Agostino Chigi, S. 32, 178f. 224 ASP I/378 („Giornale e ricordi, segnato ‚K‘, 1504–1510“ der Salviati-Bank Florenz), c. II (10.1.1504/05).

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Geschäft mit weißem Alaun 1.200 Fiorini zurück- sowie einen Gewinn von 180 Fiorini auszahlen – offenbar da er trotz eines päpstlichen Verbots von dem Korsaren Miramondo gestohlenen Alaun gekauft und weiterverkauft hatte.225 Bartolomeo scheint dem Mediceer-Netzwerk nahegestanden zu haben: Im September 1504, als Bartolomeo di Niccolò Bartolini als Depositar der Florentiner Signoria und damit auch Piero Soderinis bezeugt ist, stellte ihm Giuliano da Gagliano die hohe Summe von 1.132 Fiorini zur Verfügung.226 Als Bartolomeo im Oktober 1505 sogar zu einem der Prioren der Florentiner Signoria gewählt wurde, kam es durch diese Regierung zu jener wichtigen Entscheidung, mit welcher Leonardo di Bartolomeo Bartolini zum Prokurator von Florenz bestellt wurde, um für seine Heimatstadt alle beliebigen Geschäfte im Ausland tätigen zu können, wobei er dann seine Vollmacht an Francesco Naldini und Piergiovanni Bottegari delegierte.227 Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte schon im November 1495 einen ersten Kontakt zum künftigen römischen Alaunbaron Agostino Chigi gehabt, als er sich als Mitarbeiter der Florentiner Bartolini-Bank in Rom aufhielt.228 Gleichsam im Gegenzug unterhielt Agostino Chigi hervorragende Finanzbeziehungen nach Florenz, offenkundig zu den Mediceer-Bankiers. Anfang Dezember 1499 war er im Eiltempo von Bologna kommend persönlich dort, um die ihm noch fehlenden 1.500 Dukaten für einen doppelt so hohen, Cesare Borgia eingeräumten Kredit in Empfang zu nehmen, die Giulio Spannocchi ihm auf ein bestimmtes Florentiner Konto anweisen sollte. Gut ein Jahr später betonte Agostino Anfang Januar 1501, (der Mediceer-Bankier) Francesco Girolami habe seinem Vater Mariano nur aus Liebe zu ihm, Agostino, finanziell geholfen.229 Die Beziehung zu Chigi muß Leonardo di Bartolomeo Bartolini nach der Gründung seiner Lyoner Bank 1496 intensiviert haben, sonst hätte es nicht den bereits erörterten Briefwechsel vom Frühjahr 1501 zwischen Chigi und Leonardos Londoner Bank gegeben, die er Anfang 1501 unter dem Namen und der Leitung von Bartolomeo del Rosso etablierte.230 Chigi bezeugte damals, daß Leonardo mittlerweile ein so teurer Freund von ihm sei, daß er sich – was eine Ausnahme sei! – gut vorstellen könne, mit diesem eine gemeinsame Gesellschaft zu führen, die auch Chigis Namen trage. In diesem Kontext ging

225 ABS, Inventario delle pergamene, I, 1 (atten. alla famiglia), 26.11.1486, 30.1.1494/95. Ein

Absatzgebiet des von Bartolomeo di Niccolò Bartolini verkauften Alauns war zum Beispiel Avignon. 1495 zalten einige Bürger dieser Stadt dem Bartolini z. B. 330 Avignoneser Fiorini für erhaltenen Alaun; ABS, Inventario delle pergamene, I, 1 (atten. alla famiglia), 17.11.1495. Bei diesem Bartolomeo muß es sich um Bartolomeo Michelagnolo di Niccolò di Bartolomeo Bartolini handeln, dessen Großvater zugleich der Urgroßvater unseres Leonardo di Bartolomeo di Leonardo di Bartolomeo Bartolini aus Lyon war. 226 ASP IV/5, c. 107/CVII. 227 ABS, Inventario delle pergamene, I, 2 (atten. alla famiglia), 16.10.1505; s.u. S. 799–801. 228 ABS 227, c. XXIIII (ein zum 14.3.1496 verbuchter Posten über 11, 2 Fiorini, offenbar eine Restschuld der Bartolini-Bank bzw. Leonardos bei Agostino Chigi; Leonardo hatte im Oktober 1495 zwei Neffen – aus der Ehe seiner Schwester Lucrezia al. Marietta mit Luigi d’Ugolino Martelli – mit einer Person aus Poggio a Caiano nach Rom gebracht; ebd. c. 19). 229 The correspondence of Agostino Chigi, S. 3–10, 24. 230 S.o. S. 616.

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es schon um Alaun, wobei Chigi sich für die Preisinformationen der Rosso-Gesellschaft bedankte. Als Agostino Chigi jenen Brief am 22. Mai schrieb, hatte er gerade seit 22 Tagen die neue Pacht der päpstlichen Alaunminen übernommen, nachdem er im Dezember den Pachtvertrag abgeschlossen hatte. Wenn es nicht vorher eine Bank Leonardo Bartolinis in London gegeben hätte, könnte man aufgrund dieser zeitlichen und sachlichen Koinzidenzen vermuten, daß die neue Gründung 1501 im Kern für eine Kooperation im Alaunhandel und für die Durchsetzung des Monopolanspruchs bestimmt war. Einen ersten entsprechenden Hinweis gaben allerdings die Florentiner Mediceer, die freilich auch hinter Leonardos Alauninteressen gestanden haben müssen, da er nichts Wichtiges ohne Anweisung aus Florenz tat. Giuliano da Gagliano hatte über sein eigenes Konto im Mai 1504 der Bank von Chigis engem Freund Francesco Girolami einen Alaunwert von 50 Fiorini mit einer Prämie von sechs Fiorini versichert; dieser Alaun wurde als solcher des ‚Agostino Chigi von Siena‘ bezeichnet und wurde auf dem Schiff Santa Maria, das der aus Rouen stammende Franzose Treno Tirnanca befehligte, von Civitavecchia nach Sluis in Seeland (alle schiuse in Silanda) oder nach London gebracht.231 Die (hohe) zwölfprozentige Versicherungsprämie indiziert Wert und Risiko der Fracht. Mit dem Jahr 1506 stellte Leonardo Bartolini seine Intentionen im Alaungeschäft auf eine völlig neue Grundlage. Mitte Dezember 1505 hatte er in Florenz mit seinem Vater die Konten der Lyoner Bank saldiert, da Bartolomeo aus Altersgründen als Partner ausscheiden wollte. In den folgenden Wochen ritt Leonardo nach Rom (noch im März 1506 ist er dort bezeugt), wo er mit dem Kardinal Federico Sanseverino – unter anzunehmender Vermittlung und Hilfe der Medici sowie seines älteren Großcousins Leonardo di Zanobi Bartolini – einen noch ausführlich zu thematisierenden Benefizien- und Kreditvertrag abschloß, auf dessen Grundlage Leonardo bzw. die Lyoner Bartolini-Bank ein in Europa bis dahin in seinem Ausmaß offenbar unbekanntes Benefizienpachtsystem aufbauen wird. Zur gleichen Zeit setzte er sich in Rom mit Agostino Chigi an einen Tisch, um ein Alaunprivileg zu vereinbaren. Dieses Geschäft begann ungefähr mit dem 1. März 1506 und sollte drei Jahre dauern. Agostino Chigi verpflichtete sich, bis 1508 auf vier Schiffen insgesamt 4.408 Cantari Alaun zu einem Gesamtbetrag von 7.470 Dukaten larghi zu liefern, wobei der für die einzelnen Sendungen festgelegte Preis für das dritte und vierte Schiff deutlich reduziert wurde; alle Lieferungen wurden nur noch mit 5% versichert, da sie nun auf (den von den Portugiesen entwickelten, mit schweren und leichten Geschützen ausgestatteten) Galeonen transportiert wurden.232 Der Durchschnittspreis pro Cantaro 231 ASP IV/5, c. CXII (die Prämie erhielt Giuliano wiederum in bar aus der Hand von Luca da

Panzano; exakt den gleichen Vorgang verbuchte Giuliano nochmals zum 24.1.1505). 232 ABS 204, c. 109 (Conto di più spese apartenenti a Bartolini di Lione fatti intorno a più galeoni

d’allumi mandatili in Provenza: Die erste Galeone mit 800 Cantari Alaun zum Preis von 1.475 Dukaten gehörte Gregorio Morillo und wurde ohne präzise Zeitangabe im Jahr 1506 versichert; die zweite, zum 25.2.1507 versicherte Galeone des Giuliano d’Olia führte 950 Cantari Alaun zu einem Preis von 2.150 Dukaten mit sich; die dritte des Gregorio Ferrara lieferte 1.458 Cantari zu 2.145 Dukaten, die im November 1507 versichert wurden; die vierte, allerdings nur als ‚Schiff‘ bezeichnete, führte 1.200 Cantari zu 1.700 Dukaten mit sich. Der Preis pro Cantaro stieg von

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betrug demnach nur gut 1,7 Dukaten. Es handelte sich um einen außergewöhnlichen Vertrag zwischen Agostino Chigi und der Bank des Leonardo di Bartolomeo Bartolini, denn Chigi sicherte ihr damit „das Monopol auf den Verkauf des Tolfa-Alauns in der Provence und in Aigues-Mortes für die Dauer von drei Jahren“ zu!233 Es wird deutlich, wie das seit langem aufgebaute Netz der Mediceer-Gesellschaften oder besser -Agenturen in Montpellier, Marseille und kurz darauf in Toulouse immer mehr an strategischer Bedeutung gewinnt. Mit einem solchen Vertrag bzw. Privileg gehörte der Bartolini zu einer kleinen Schar ausgewählter Kaufleute, die Chigi aus den verschiedenen Regionen Europas aussuchte, um mit ihnen Vereinbarungen zu treffen, mit denen er die Monopolstellung des Tolfa-Alauns in ganz Europa durchsetzen wollte. Den jeweiligen Partnern garantierte er, daß in ihr Absatzgebiet für die nächste Zeit kein anderes (billigeres) Alaun gelangen würde, doch beanspruchte er in der Regel die Hälfte des Gewinns.234 Eine solche Klausel ist bei allen Alaunabkommen der Bartolini-Gesellschaft mit dem Chigi allerdings weder bekannt noch aus den Konten ersichtlich! Der extrem niedrige Lieferpreis, der um so höhere Gewinnspannen verhieß, resultierte aus noch zu nennenden Problemen Chigis und aus einer langjährigen Freundschaft mit den Mediceern. Die in Südfrankreich lebenden Mediceer bewältigten diese gewaltige Aufgabe so gut, daß Agostino Chigi zum 1. März 1509 den privilegierten Vertrag nicht nur verlängerte, sondern sogar verbesserte. Wiederum für drei Jahre sicherte er der Lyoner Bartolini-Bank nun zu, ihr für die scala der Provence und des Languedoc 9.000 Cantari zu liefern! Doch damit überschätzte selbst ein Chigi seine Möglichkeiten, zumal ihn Papst Julius II. seit 1511 mit Einschränkungen beim Alaunabbau in erhebliche Schwierigkeiten brachte. (Ende 1511 wird Agostino Chigi daher den in der Romagna vor Bologna mehr weilenden als wirkenden Kardinallegaten Giovanni de’ Medici bitten, er möge sich in dem Zwist, den er mit Papst Julius II. wegen des Alauns habe, für ihn einsetzen.235) Bis zum 8. Januar 1513 konnten von dieser Menge erst 6.000 Cantari geliefert werden, zu einem Preis von 5.675 Dukaten larghi bzw. 5.820 (römischen) Kammerdukaten, womit der Durchschnittspreis gar auf 1,05 Dukaten pro Cantaro gesunken war.236 Als diese Rechnung aufgestellt wurde, war Leonardo di Bartolomeo Bartolini allerdings bereits gut drei Monate tot; seine Brüder übernahmen das Erbe und trugen schwer daran. Daß jene 3.000 Cantari Alaun noch Ende 1512 ausstanden, sollte im Auge behalten werden. Das monopolistische Privileg für die Provence stellte nur den Anfang dar. Leonardo Bartolini hatte das Vertrauen Chigis gewonnen; er wurde zu Chigis homo di governo e

1,84 Dukaten mit dem zweiten Schiff auf 2,26 Dukaten, um zum Schluß nur noch 1,47 und 1,41 Dukaten zu betragen.). 233 Gilbert, Venedig, S. 158, Anm. 58 (als Begünstigte werden nur pauschal die Florentiner Bartolini genannt, der Hinweis auf den Vertrag für Südfrankreich erfolgte ohne Datierung). 234 Vgl. Gilbert, Venedig, S. 93f. 235 Vgl. Bibbiena, Epistolario I, S. 381, 407, 411. 236 ABS 224, c. 112.

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fede237 – und zwar für das gesamte Westeuropa, wo man aufgrund der intensiven Tuchproduktion dringend auf den Alaun angewiesen war. Agostino Chigi schloß mit ihm in den folgenden Jahren analoge Monopolverträge für ganz Frankreich, Flandern und England ab und ließ auch dort durch ihn den Alaun verteilen! England, einer der wichtigen Absatzräume, hatte 1505 aus Protest gegen die zu hohen (oft vierfach überteuerten) Preise Chigis das päpstliche Alaunmonopol mißachtet, ignoriert, und ließ durch die Florentiner Gesellschaft des Antonio Gualterotti türkischen Alaun importieren, den es anschließend durch die florentinische Gesellschaft des Girolamo Frescobaldi und andere (auch?) in das habsburgische Flandern – dank seiner starken Tuchindustrie der Hauptabnehmer von Alaun – exportieren ließ.238 Die Verletzung der päpstlichen Monopolverordnung verursachte dort einen Preissturz. 239 Der Papst, die Apostolische Kammer und Agostino Chigi hatten deswegen 1507 Chigis Partner, Freund und ehemaligen Lehrmeister, den auch kuriale Ämter bekleidenden Sieneser Bankier Francesco Tommasi, nach England gesandt, um eine Einigung zu erzielen, die den Interessen des Papstes und der Chigi-Gesellschaft entspräche; außerdem sollte er die Konten von Chigis Londoner Vertreter Antonio di Jacopo (Giacomo) Salvini da Siena überprüfen, der im Verdacht der Untreue stand. Auf dem Weg dorthin wurde Tommasi in Lyon verhaftet, offenkundig wegen des Vorwurfs der Wucherei und weil man ihm die Exkommunikationen anlastete, die der Papst im Sinne Chigis einigen Franzosen auferlegt hatte, die ebenfalls mit dem wesentlich günstigeren türkischen Alaun gehandelt hatten. Bezeichnend die Person, deren Bürgschaft Tommasi nach einigen Tagen seine Freilassung verdankte und die ihn dann in ihrem Haus beherbergte. Es handelte sich, so der Editor, um Bartolomeo de’ Rossi, d.h. entweder um Leonardo di Bartolomeo Bartolinis Mitarbeiter bzw. Administrator Bartolomeo del Rosso, unter dessen Namen der Bartolini bis 1506 seine Londoner Gesellschaft betrieben hatte, oder – im Fall einer irrig aufgelösten Vornamensabkürzung – um den Mediceer-Bankier Bernardo de’ Rossi.240 Beide hätten mit ihrem Hilfsakt natürlich dem Wunsch und den Interessen Bartolinis entsprochen. Von der gegenseitigen Nähe und Abhängigkeit zeugt auch ein zweiter, mit dem obigen verknüpfter Fall. Agostino Chigi hatte damals größere Differenzen mit dem Verantwortlichen seiner Londoner Vertretung, jenem Antonio di Jacopo Salvini da Siena, dem er Veruntreuung von Geldern der Gesellschaft und Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen 237 So die Formulierung von Antonio Gualterotti vom 3.11.1512 in einem Brief an Gherardo Barto-

lini, dem Antonio auch mitteilte, daß entsprechende Briefe Leonardos über seine Funktion als Verteiler des Alauns in Westeuropa in Florenz lägen; ABS, Lettere, mazzo I. 238 Zur Sache: Delumeau, Alun de Rome, S. 36–38, 45–48; Gilbert, Venedig, S. 94–99. 239 Hierzu auch Finot, Commerce; Montenovesi, Agostino Chigi, S. 114f. 240 Montenovesi, Agostino Chigi, S. 117f. und 135–141, doc. X, XI (Bartolomeo di Pierozzo del Rosso wird auch in anderen Quellen häufig de’ Rossi genannt; sollte der Editor freilich einen vielleicht nur mit den Anfangs- und Endbuchstaben „B–o.“ abgekürzten Vornamen als Bartolomeo gelesen haben, wäre dieser hier aufgrund des Nachnamens als Bernardino zu transkribieren); zu den Betrugsvorwürfen gegen Antonio di Jacopo, der mit dem billigeren türkischen Alaun in England gehandelt haben soll, vgl. auch The correspondence of Agostino Chigi, S. 127, 129–135.

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vorwarf. Um diesen Zwist zu klären, beauftragte er wohl Ende 1508 drei Schiedsrichter, die am 31. Januar 1509 nach Sichtung aller Unterlagen in Rom ihren Schiedsspruch fällten, der von dem Notar Cristofano Pagni – zugleich Mitarbeiter und Freund Chigis – in einem Notariatsinstrument aufgesetzt wurde und in vielen, aber nicht allen Punkten der Erben-Gesellschaft des Mariano Chigi recht gab, deren Haupt eben Marianos Sohn Agostino war. Verblüffend sind vor allem die Namen zweier Schiedsrichter.241 Denn bei einem handelte es sich um Simone da Ricasoli, Intimus der Medici und gleichsam ein verlängerter Arm ihres Bankiers Leonardo di Zanobi Bartolini, bei dem anderen um niemand anderen als dessen Verwandten Leonardo di Bartolomeo Bartolini, der sich also wieder einmal – über Savoyen und Mailand gekommen – in Rom aufgehalten hatte!242 Der zentrale Grund seiner Reise nach Rom lag diesmal in einem aus politischen Gründen notwendig gewordenen Gespräch mit dem Kardinal Federico Sanseverino, der mit Leonardo ein intensiviertes Verfahren bei der Pacht seiner bedeutendsten italienischen Benefizien vereinbaren mußte. Daran beteiligt war ganz gewiß Leonardo di Zanobi Bartolini – zum einen weil ein so folgenreicher und komplexer Plan ohne den engen Freund Sanseverinos und besten Kenner kurialer Strategien nicht entworfen und realisiert werden konnte, zum anderen weil Leonardo di Zanobi das Faktum solcher Gespräche mit seinem Großcousin bezeugte. Mit dem Chigi wird der Lyoner Leonardo natürlich auch über ihr gemeinsames Alaungeschäft gesprochen haben, doch die grundlegenden Entscheidungen waren längst gefällt. Nachdem sie Südfrankreich erfaßt hatten, dehnten Chigi und Leonardo Bartolini ihr Monopolabkommen sukzessive auf ganz Frankreich aus. Da selbst ein Unternehmen wie das der Bartolini angesichts des Raumes und der Quantität damit allein überfordert war, holte Leonardo einen Partner ins Boot, den aus Rouen stammenden Kaufmann Guglielmo Lamellia, mit dem er schon vorher bei Tuch- und Wechselgeschäften zusammengearbeitet hatte.243 An ihn verkaufte die Lyoner Bartolini-Gesellschaft den Alaun zu einem höheren Preis (zu 2,5 Kammerdukaten pro Cantaro), nicht ohne sich eine Beteiligung am Gewinn 241 Druck des Urteils bei Montenovesi, Agostino Chigi, S. 140–144 (von allen drei Schiedsrichtern

eigenhändig unterschrieben!). Der dritte Schiedsrichter war der nicht näher bekannte Onofrio di Giente, vielleicht ein Vertreter des Kontrahenten. Das Dokument ist auf den 31.1.1508 datiert, doch da es von (mindestens zwei) Florentinern für Sienesen abgefaßt wurde, die beide unabhängig von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort stets den auch in Siena geltenden calculus Florentinus beachteten, der den Jahresanfang bekanntlich auf den 25. März nach unserem Jahresbeginn am 1.1. legte, ist 1509 als Jahreszahl zu setzen; zur Sache vgl. auch The correspondence of Agostino Chigi, S. 131f. (wo die drei Schiedsrichter allerdings nicht namentlich genannt und auch nicht weiter thematisiert werden; erst auf S. 209, Anm. 7, wird der Ricasoli als einer der Schiedsrichter erwähnt). 242 Im November 1508 konnten wir ihn in Mailand nachweisen, wo ihn Herzog Karl von Savoyen wegen eines Kredites über 8.000 Scudi aufsuchen ließ. Bereits am 27.4.1509 ist Leonardo Bartolini – nach einem Aufenthalt in Florenz – wieder in Mailand zu belegen, wo er bei dem feierlichen Einzug des französischen Königs Ludwig XII. anwesend war, der sich auf dem Kriegszug gegen die Venezianer befand; am 5.5.1509 ritt der Bartolini nach Lyon zurück; ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 28.4.1509, Neri del Benino aus Mailand an die Lanfredini-Bank. 243 ABS 199, c. 11 (Februar 1508).

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auszubedingen. Für den September 1508 ist belegt, daß Leonardo mit einer aus Civitavecchia gekommenen Galeone 950 Cantari Alaun an ihn veräußerte und nochmals 50 Cantari aus einer Galeonen-Fracht von 1.517 Cantari, wobei der Empfänger der restlichen 1.467 Cantari nicht genannt wurde, wohl aber Cosimo Bottegari in Marseille als Verantwortlicher für die Lagerung und Verteilung des Alauns. Als eine Art Zwischenhändler fungierte nun Leonardos Mitarbeiter Pierfilippo Bartolini in Toulouse, der dabei bis zum Frühjahr 1507 mit der dortigen Naldini-Vöhlin-, danach mit der Naldini-Gesellschaft zusammenarbeitete.244 Das Konsortium mußte erweitert werden, als 1510 ein weiterer, auf vier Jahre angelegter Vertrag geschlossen wurde, der die Lieferung von insgesamt 18.000 Cantari des Chigi-Alauns vorsah, 4.500 pro Jahr. Da zu dieser Zeit noch der Vertrag für die Provence und den Languedoc lief (9.000 Cantari in den drei Jahren von März 1509–1512), muß diese Menge für das restliche Frankreich bestimmt gewesen sein. Aus organisatorischen Gründen hatte sich Guglielmo Lamellia mit dem Spanier Alonso di Sevilla in einer Gesellschaft zusammengeschlossen, an der die Lyoner Bartolini-Bank mit einem Drittel am Profit beteiligt war. Ein zweites Alaunkonsortium bildete Lamellia mit den Lyoner Kaufleuten Giovanni und Piero Faia – ebenfalls unter Gewinnbeteiligung der BartoliniBank –, das offenkundig im Zusammenhang mit dem Vertrag für die Provence und den Languedoc entstanden war und mit der Gesellschaft Piergiovanni Bottegaris in Montpellier zusammenarbeitete. Aus der ersten Beteiligung rechnete die Bartolini-Bank zum 31. Oktober 1510 mit einem Gewinn von 800 Scudi, aus der zweiten sogar mit einem von 4.433 Scudi. Wichtig ist hierbei, daß die Organisation und der Vertrieb maßgeblich durch die Lyoner Bartolini-Bank gesteuert wurde, daß Leonardo persönlich alle entsprechenden Konten saldierte und die Gewinne an die Partner auszahlte.245 Doch nicht nur dieser Leonardo stand hinter dem Vertrag. Obwohl für diese großen Alaunkonsortien bisher noch nicht alle relevanten Quellen berücksichtigt werden konnten, erweisen die bekannten nun allerdings, was zu erwarten stand, ohne Belege aber nicht behauptet werden konnte: Zu den maßgeblichen Konstrukteuren gehörte Leonardo di Zanobi Bartolini! In enger Abstimmung mit seinem Schwager Bracci und dem Lanfredini (als den Köpfen der Lyoner Bartolini-Bank) mußte er dieses Großgeschäft organisiert haben, an welchem daher zugleich die Medici beteiligt gewesen sein müssen. Leonardo di Zanobi hatte bei seinem unermüdlichen Bemühen, Geld für die Medici und seine Finanzpläne zu gewinnen, weiterhin auf die Hilfe Chigis bauen können, wie ein Kredit über 3.000 Dukaten zeigt, den er im April 1505 (zu dem recht hohen Zinssatz von 10%) von Chigi erhalten hatte und den er ihm Anfang Juni 1510 zurückzahlen konnte. In der zweiten Julihälfte 1510 ritt Leonardo di Zanobi Bartolini persönlich nach Siena. Agostino Chigi hielt sich in jenen Tagen in den Tolfer Bergen auf, wies seinen Bruder Gismondo aber an, den Bartolini im Chigi-Palast zu Siena zu empfangen und ihn so zu ehren, als ob er Agostino Chigi sei! Diese besondere Auszeichnung steht für den geplanten Abschluß eines ebenso besonderen Geschäfts. Es wurde am 24. August 1510, 244 ABS 108, c. XIII, 14/XIIII; ASP I/39, c. 75v, 83v/84r. 245 ABS 200, c. IIII, V, 6.

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wiederum durch Cristofano Pagni, notariell beurkundet und betraf als Partner Agostino Chigi, Leonardo di Zanobi sowie Leonardo di Bartolomeo Bartolini; sachlich ging es um den Verkauf von Tolfa-Alaun in Lyon. Dabei kann es sich zum einen um die auf vier Jahre angelegte Großlieferung für den gesamten französischen Markt gehandelt haben, zum anderen um eine damals verwirklichte neue Strategie für Flandern und England.246 Daß die beiden Bartolini und der Chigi so eng mit einem Kaufmann aus Rouen kooperierten, hatte einen einfachen Grund. In der Normandie befand sich aufgrund der dortigen und benachbarten Textilindustrie der wichtigste Alaunmarkt Frankreichs und mit Rouen der entsprechende Einfuhrhafen. In den fünf Jahren von 1489 bis 1494 sind beispielsweise etwas mehr als 19.965 Cantari (umgerechnet ca. 998 Tonnen) Tolfa-Alaun in die Normandie geliefert worden, während die Provence über ihre wichtigsten Häfen AiguesMortes und Marseille im gleichen Zeitraum nur knapp über 9.924 Cantari (gleich ca. 496 Tonnen) erhielt.247 Seit 1508 hielt Leonardo Bartolini als homo di governo e fede des Agostino Chigi diesen gewaltigen Markt allein in seiner Hand, und nun sogar mit einer pro Jahr größeren Importmenge an Alaun! Chigi setzte auf den Bartolini, um seinen Monopolanspruch durchzusetzen, den man natürlich auch in Frankreich zu unterwandern versuchte, ging doch der enorme Gewinn der Alaunverkäufer auf Kosten der Endabnehmer in der Tuchindustrie. Diese privilegierte Position Bartolinis – viele hofften vergeblich auf eine Partizipationschance an den enormen Alaunprofiten, auch ohne die Sonderkonditionen Bartolinis! – gab ihm Chigi allerdings nur, weil er wußte, daß sein Florentiner Freund die Mittel besaß, um den Monopolvertrag zu erfüllen. Die Voraussetzung dafür war durch das Netzwerk der Mediceer gegeben (nicht von ungefähr wirkte damals Zanobi Rucellai in Rouen, Alberto Salviati in Paris), das kontinuierlich gewachsen war und immer noch aus Florenz und Rom gelenkt wurde. Diese Motive und Strukturen kamen in Flandern und England noch stärker zum Tragen. Wir hörten, wie der englische König 1505 auf Druck seiner Kaufleute das päpstliche bzw. Chigis Monopol ignorierte und durch die Florentiner Firma des Antonio Gualterotti türkischen Alaun importierte, den er danach mit Hilfe der Florentiner Gesellschaft des Girolamo Frescobaldi auch in das habsburgische Flandern und die Niederlande liefern ließ, was zu einem akuten Preisverfall führte. Agostino Chigi konnte dieses Problem in den folgenden Jahren nicht lösen. Erzherzog Karl hatte 1507 sogar den gesamten päpstli246 Erwähnt wird der Vertrag und die Beteiligung der (teilweise irrig identifizierten) Bartolini-

Cousins durch Rowland in The correspondence of Agostino Chigi, S. 70–77, 80–83, doch ohne weitere inhaltliche Angaben. Die von Rowland zitierten einschlägigen römischen Quellen zu diesen Alaunverträgen und zu weiteren Beziehungen der Bartolini zum Chigi konnten vom Verf. bisher leider noch nicht konsultiert und ausgewertet werden; diese Arbeit soll für eine beabsichtigte speziellere Studie über das gesamte Alaungeschäft zwischen Chigi und den beiden Bartolini bzw. den weiteren beteiligten Mediceer-Bankiers geleistet werden. Der notarielle Abschluß des Vertrages im August 1510 scheint nicht mit dem praktischen Beginn des Frankreichgeschäftes übereinzustimmen, da im Rechnungsbuch der Lyoner Bartolini-Bank erklärt wird, das erste Jahr des mit Agostino Chigi abgeschlossenen vierjährigen Geschäfts über jährlich 4.500 Cantari Alaun ende am 3.3.1511; ABS, Nr. 200, c. 6. 247 Vgl. etwa Delumeau, Alun de Rome, S. 48f., 244f., 251, 254–259.

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chen Alaun beschlagnahmen lassen. Im Oktober 1508 gelang es Kaiser Maximilian, die politischen Interessen auszunutzen und mit dem Vertreter des Papstes für das von Habsburg beherrschte Flandern und die Niederlande einen auf zwei Jahre begrenzten Vertrag zu Sonderkonditionen auszuhandeln, denn der Papst wünschte Habsburg zusammen mit Frankreich in der damals diplomatisch vorbereiteten, gegen Venedig gerichteten Liga von Cambrai. Pro Jahr sollten 4.000 cariche (bzw. 16.000 Cantari oder 800 Tonnen) geliefert werden, aber zum Preis von höchstens drei großen flandrischen Pfund und 12 Soldi pro carica.248 Chigis Retter hieß einmal mehr und nun erst recht Leonardo di Bartolomeo Bartolini, wahrscheinlich im Verein mit seinen drei zentralen Mentoren aus Florenz und Rom. Die so geniale wie einfache Lösung, die Leonardo und seine Freunde fanden, bestand darin, genau jene gegen den Tolfa-Alaun agierenden Gesellschaften der Gualterotti und Frescobaldi als Partner in den neuen Alaunvertrag einzubinden, den der Bartolini nun auch für Flandern und England mit Agostino Chigi abschloß! (Daß der um 1495 gestorbene Giovanni Frescobaldi ein Medici-Vertreter in Venedig war, und daß Francesco di Bartolomeo Gualterotti als Schwager Leonardos zur Bartolini-Familie gehörte und nach langer Medici-Gegnerschaft um 1506 in den Salviati-Lanfredini-Kreis eintrat, dürfte diesen Coup neben den realen Gewinnaussichten erleichtert haben.) Sowohl die Gesellschaft von Antonio und Filippo Gualterotti als auch die von Girolamo Frescobaldi hatte ihren nordeuropäischen Hauptsitz in Brügge (mit einer Vertretung in Antwerpen), wo der Frescobaldi und Antonio Gualterotti auch wohnten. Als ihren Interessenwahrer hatten die Mediceer den 1477 geborenen Raffaello (di Francesco di Giuliano di Giovenco) de’ Medici in Brügge plaziert. Noch im Sommer 1508 hatte er für Zanobi Bartolini als einem der leitenden Mitarbeiter der Lyoner BartoliniBank Tuche, Hüte und ähnliches in Rom eingekauft; 1509 wirkte er bereits in Brügge für die Lyoner Bartolini-Bank, etwa beim Warenhandel und auch bei Wechselgeschäften zwischen der Gualterotti-Gesellschaft und der Bartolini-Bank.249 Als weiteren Agenten, der für die Bartolini-Bank und für den Chigi arbeitete, postierte man dort Filiziano Pinocci. Der personelle Aufwand war notwendig. Höchstwahrscheinlich ist dieses Geschäft für Flandern und England ebenfalls im Sommer 1510 vereinbart worden, sicherlich wiederum unter der Einflußnahme von Chigis Freund Leonardo di Zanobi Bartolini. Erste Kontenbelege lassen sich für den März 1511 finden, als die Gesellschaft des Girolamo Frescobaldi in Brügge 83 cariche (bzw. 332

248 Vgl. Delumeau, Alun de Rome, S. 37 (der hier vermittelte Eindruck, Maximilian habe aus poli-

tischen Gründen wegen der Liga von Cambrai dem Vertrag mit dem Papst zugestimmt, dürfte die politischen Gewichte nicht angemessen spiegeln, denn Habsburg hätte auf Dauer gegen Druck und Kirchenstrafen des Papstes kein Alaun aus dem Osmanischen Reich beziehen können, während Flandern zwingend auf Alaunimporte angewiesen war; der Papst hingegen brauchte Habsburg an der Seite Frankreichs in der Liga gegen Venedig, weshalb der Vorzugspreis für den Alaun eine Konzession Julius’ II. darstellte, mit der er Maximilian I. in die Allianz locken und zugleich sein Alaunmonopol sichern konnte – freilich ohne Berücksichtigung von Chigis Profitinteressen.). 249 ABS 266, c. 53, 66/LXVI; zur Person: Tratte, s.v.

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Cantari) des Tolfa-Alauns kaufte, den Leonardo di Bartolomeo Bartolini über Pinocci ausliefern ließ. Die Frescobaldi mußten den Alaun mit größtem Profit verkaufen und erhielten die Hälfte des Gewinns – an dem wiederum Bracci und Francesco Naldini beteiligt waren.250 Zur gleichen Zeit hatte die Gualterotti-Gesellschaft von Chigi 750 cariche Alaun gekauft, zu einem recht hohen Preis von 2.250 großen flandrischen Pfund, die ca. 7.740 Scudi entsprachen. Giuliano da Gagliano hatte in Florenz einen Teil der Ladung versichert; die Lyoner Bartolini-Bank partizipierte an dem auf Jahre angelegten Geschäft mit einem Drittel an Unkosten und Profit und konnte im März 1512 einen Gewinn von 2.430 Scudi verbuchen.251 Offensichtlich wurden diese Konsortien ins Leben gerufen, als das habsburgische Alaunprivileg nach zwei Jahren im Oktober 1510 ausgelaufen war. Kurz darauf entschieden sich Agostino Chigi, Leonardo di Bartolomeo sowie wahrscheinlich Leonardo di Zanobi Bartolini, das Alaungeschäft für Flandern und England erheblich auszuweiten. Am 3. Dezember 1511 schloß Leonardo di Bartolomeo Bartolini mittels seines für ihn als Prokurator fungierenden Bruders Gherardo mit Chigi in Rom einen bisher nicht bekannten Vertrag ab, der wiederum durch Chigis Vertrauten Cristofano Pagni, Notar des Auditors der Apostolischen Kammer, aufgesetzt und beurkundet worden war. Dies geschah demnach und wohl nicht zufällig in jener Zeit, als der Chigi den Medici-Kardinal um Hilfe wegen des Alaunstreites mit dem Papst gebeten hatte. Leonardo di Bartolomeo hatte das Abkommen dann im Januar 1512 in Brügge persönlich rektifiziert, also korrigiert, während das gleiche nochmals im August 1512 durch Francesco Vigorosi, ebenfalls Notar des Auditors der Kammer, in Rom vorgenommen wurde – wenige Wochen vor Leonardos plötzlichem Tod. Mit diesem Vertrag verpflichtete sich Agostino Chigi, dem Bartolini nicht weniger als 8.000 cariche Alaun aus Tolfa über den Hafen Civitavecchia bis nach Flandern zu liefern, wofür er zum 1. Dezember 1512 einen Betrag von 25.600 flandrischen Pfund bzw. 86.535 Scudi und vier Denaren (die dem gleichen Betrag in Kammerdukaten entsprachen) zu erhalten hatte, also 10,82 Scudi (bzw. 3,2 Pfund) pro carica bzw. für vier Cantari!252 Eine ‚Ladung, Last‘ (carica) entsprach vier Cantari, der damaligen Massenmaßeinheit; und da der Cantaro etwa 50 Kilogramm entsprach, nahm Leonardo Bartolini dem Chigi also 32.000 Cantari bzw. rund 1.600 Tonnen Alaun ab! Gemessen am Vertrag für Frankreich liegt der Durchschnittspreis etwas höher – bedingt vermutlich durch den längeren Transportweg –, aber noch unter dem vorherigen Sonderpreis für die Habsburger. Mit Blick auf die Alaunmenge war die dafür zu bezahlende, an und für sich gewaltige Summe ein Freundschaftspreis, da Chigi sein Alaun sonst oft für vier bis sieben Pfund pro carica verkaufte. Leonardo Bartolini hatte das Geld innerhalb von sechs Jahren zu zahlen, wobei das erste Sechstel 1512 fällig wurde. Als Si250 ABS 204, c. LXXXXVI (das Abschlußkonto dieses Alaungeschäfts unterschrieb Girolamos

Sohn Leonardo Frescobaldi ‚aus Brügge‘ am 25.5.1513 in Antwerpen); ANF 70, c. XVI. 251 ABS 200, c. 10/X (die Bezahlung wurde zur August-Messe 1511 vereinbart); ASP IV/5, c. 155

(Giuliano da Gagliano hatte über sein eigenes Konto schon zum 7.2.1511 einen Teil von Chigis Alaunlieferung an die Gualterotti versichert). 252 ABS 200, c. 12 (mit kurzer, aber instruktiver Inhaltsangabe des Abkommens); Inventario delle pergamene, I, 2 (atten. alla famiglia), 3.12.1511.

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cherheit für dieses großzügige Angebot sollte der Bartolini dem Chigi im April 1512 die Summe von 30.000 Dukaten larghi d’oro geben. Man kann Leonardo Bartolinis Preis von 86.535 Dukaten in Relationen stellen, um sich das Ausmaß dieses Geschäftsvolumens und die finanziellen Vorteile klarmachen zu können. Agostino Chigi, dessen wesentlich aus der Alaunpacht resultierendes Vermögen man auf 400.000, ja sogar 800.000 Dukaten geschätzt hat253, aus dem er unter anderem den Bau der heute unter dem Namen Farnesina bekannten Prestigevilla auf dem rechten Tiberufer finanzierte, hatte in seinem 1501 abgeschlossenen Pachtvertrag dem Papst eine feste jährliche Zahlung von (lediglich) 15.000 Dukaten für den gesamten von ihm in Tolfa geförderten Alaun zugesichert.254 Wieviel er abbauen ließ und an wen er es verkaufte, oblag dafür allein seiner Entscheidung. In seinem ersten Geschäftsjahr verkaufte er an drei Abnehmer insgesamt gut 10.000 cariche in foglia, also ca. 40.000 Cantari.255 Die Jahresproduktion betrug in der Regel ca. 28.000 Cantari.256 Bei einer Pachtsumme von 15.000 Dukaten a carlini kostete der Cantaro den Chigi also ca. 1,86 Dukaten a carlini pro Cantaro, während er 1506 für die Provence im Durchschnitt nur 1,69 Kammerdukaten für den Cantaro verlangte, 1509 gar nur 1,05 Kammerdukaten und im Dezember 1511 für das Flandern-Geschäft 2,7 Kammerdukaten pro Cantaro vom Bartolini beanspruchte. Bei einem damaligen Verhältnis des Kammerdukaten von 1,313 zum Dukaten a carlini nahm Chigi vom Bartolini also 1511 nur etwas weniger als das Doppelte dessen, was er selbst für die gleiche Menge Alaun an die Apostolische Kammer zu zahlen hatte, wobei seine weiteren Kosten für die Ausbeutung des Alauns, Infrastruktur usw. hier gar nicht einbezogen sind; 1506 und 1509 hätte er bei der oben genannten Jahresproduktion gar Verluste gemacht! Bei aller Problematik solcher Vergleichswerte: Eine finanzielle Sonderbehandlung der Bartolini-Gesellschaft wird deutlich, vor allem wenn wir vergleichsweise ermitteln, was er den Venezianern zur selben Zeit abverlangte. Ihnen drängte er 1511 als Gegenleistung für einen zinslosen Großkredit einen Vertrag auf, mit welchem sich Venedig verpflichtete, vom Chigi 7.000 Cantari Alaun aus Tolfa zum Preis von 18 bzw. 17 Dukaten pro Cantaro abzukaufen, der dann für 20 Dukaten weiterverkauft werden durfte!257 Leonardo Bartolini eröffneten sich somit beträchtliche Gewinnspannen. Hinsichtlich der Menge können folgende Vergleichszahlen genannt werden: Das gesamte englische Königreich verpflichtete sich in dem mit Chigi geschlossenen Kompromiß, jährlich 5.000 Cantari abzunehmen. In

253 Zu Chigis kaum klar zu bezifferndem Vermögen: Delumeau, Alun de Rome, S. 104f.; vgl.

Gilbert, Venedig, S. 22. 254 Gilbert, Venedig, S. 86. Delumeau gibt jedoch erst für den verlängerten Vertrag von 1513 eine

gesicherte jährliche Pachtgebühr von 15.000 Dukaten di carlini an, während er sie für die Jahre 1501–1513 als wahrscheinlich annimmt; Delumeau, Alun de Rome, S. 98, 105. 255 Montenovesi, Agostino Chigi, S. 114. 256 Delumeau, Alun de Rome, S. 98; Gilbert, Venedig, S. 149, Anm. 31 (7.000 Cantari entsprächen einem Viertel der Jahresproduktion der Tolfa-Minen). 257 Gilbert, Venedig, S. 61f. (die Münzart wird nicht spezifiziert, doch wird es sich um den venezianischen Dukaten gehandelt haben).

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den Niederlanden beschlagnahmte die habsburgische Regierung als Reaktion auf das päpstliche Verbot, türkischen Alaun zu importieren, die gesamte dort lagernde Alaunmenge mit einem Schätzwert von 80.000 Dukaten; nach dem mit Maximilian I. 1508 für zwei Jahre geschlossenen Kompromiß wollten die Niederlande das päpstliche Monopol beachten und 4.000 cariche bzw. 16.000 Cantari importieren, doch mußte Chigi den Preis auf die Hälfte dessen reduzieren, was er vor dem Konflikt verlangt hatte.258 Und das gesamte französische Königreich hatte in den zwölf Jahren von 1501 bis 1513 eine Menge von 37.476 Cantari Alaun aus Tolfa importiert.259 Leonardo Bartolini aber nahm dem Chigi ab 1509 für die Provence und das restliche Frankreich 7.500 Cantari pro Jahr ab und 1511/12 allein 32.000 Cantari für Flandern und England! Ohne Kooperation und Konsortialpartnerschaften war dieses gigantische Geschäft nicht zu bewältigen – zumal es ja nur einen Teil der Geschäfte des Leonardo di Bartolomeo Bartolini darstellte. Da Agostino Chigi 1503 eine eigene Gesellschaft für den Vertrieb seines Alauns in Flandern gegründet hatte, mit welcher er von 1510 bis 1513 etwas mehr als 36.000 Cantari Alaun absetzte260, und da der Bartolini mit dem Chigi kooperierte, nicht konkurrierte, hatten die beiden ein grundlegendes Einverständnis erzielt, das ihnen für diese Märkte die Monopolstellung sicherte. Der für beide tätige Filiziano Pinocci veranschaulicht diese strategische und freundschaftliche Partnerschaft.261 Es war schon ein kluger Schachzug, mit dem Leonardo Bartolini gerade die Frescobaldi und Gualterotti von früheren Monopolverhinderern zu Monopolförderern machte. Schon am 6. Dezember 1511 – nur drei Tage nach dem notariellen Vertragsabschluß zwischen Chigi und Leonardo Bartolini bzw. dessen Prokurator Gherardo Bartolini in Rom – verkaufte Leonardo persönlich in Brügge 4.000 cariche Alaun (also 16.000 Cantari oder 800 Tonnen) an die Gesellschaft von Antonio und Filippo Gualterotti, zu einem Preis von drei flandrischen Pfund und 5 Soldi pro carica bzw. zu einem (bis 1515 zu zahlenden) Gesamtpreis von 13.000 flandrischen Pfund bzw. 43.943, 6 Scudi (knapp 11 Scudi pro carica), sowie nochmals 100, de facto aber nur noch 20 cariche zum gleichen Preis. Sowohl den Kaufpreis als auch jeden Gewinn und Verlust teilten sie zur Hälfte. Ein großer Teil des zu verkaufenden Alauns wurde von Filiziano Pinocci verwaltet, der dafür aber auch Anweisungen von Agostino Chigi erhielt.262 Als sich Leonardo Bartolini in Brügge aufhielt, wo er ja im Januar 1512 den römischen Vertrag anerkannte, hat er auch mit Girolamo Frescobaldi ein gemeinsames Geschäft abgeschlossen.

258 Gilbert, Venedig, S. 95f.; nach Delumeau (Alun de Rome, S. 37) hätte der Wert des 1507 in den

Niederlanden konfiszierten Alauns gar 800.000 Fiorini bzw. Dukaten betragen! 259 Delumeau, Alun de Rome, S. 244f. 260 Delumeau, Alun de Rome, S. 38. 261 Instruktiv: ABS 204, c. LXXXXV (Chopia di partite salde che Filiziano Pinocci manda a Rede

di Mariano Ghigi e Co. di Roma, Brügge, 26.7.1513: darunter zum 4.3.1513 Spesenauslage Pinoccis für Domingo, den Moren und Hausdiener der Bartolini-Gesellschaft, weil er diesen zu Agostino Chigi schicken sollte). 262 ABS 200, c. XII; ABS 204, c. 91/LXXXXI (die Menge ist dann auf 4.020 cariche reduziert worden).

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Im März 1512 kaufte Girolamo Frescobaldi von der Lyoner Bartolini-Bank mit einer wiederum 50%-Konsortialpartnerschaft in mehreren Partien 929 cariche (d.h. 3.716 Cantari bzw. fast 186 Tonnen) Alaun aus Civitavecchia, wofür beide bei einem Einkaufspreis von drei Pfund und neun Soldi pro carica insgesamt 3.205 flandrische Pfund bzw. 10.837 Scudi je zur Hälfte an zwei Terminen im September 1512 und an Pfingsten 1513 auf der Antwerpener Messe zahlen wollten, also ca. 3,45 Pfund bzw. 11,66 Scudi pro carica und damit lediglich gut einen Scudo pro carica mehr, als der Bartolini dem Chigi bezahlte.263 Dieses Geschäft führte dann Girolamos Sohn Leonardo Frescobaldi bzw. die unter seinem Namen eingetragene Gesellschaft fort.264 In London kooperierte Leonardo Bartolini mit den Florentiner Brüdern Francesco und Giuliano di Averardo di Antonio Serristori, und zwar bereits seit 1496.265 Besonders der drei Jahre ältere, 1470 geborene Francesco gehörte gleichsam zur Familie, denn er war ein Schwiegersohn von Filippo da Gagliano, dessen Tochter Cornelia er 1499 geheiratet hatte – und deren Taufpaten am 29. April 1483 im übrigen Ser Niccolò Michelozzi, Taddeo d’Agnolo Gaddi und Bernardo di Niccolò Capponi gewesen waren.266 Vermutlich hatte diese Serristori-Gesellschaft die 1506 beendete Londoner Bartolini-Gesellschaft (Bartolomeo del Rosso e compagnia di Londra) ersetzt, ihre Aufgaben übernommen. Sie hatte jedenfalls schon zu den Geschäftspartnern der Lyoner Bartolini- und Bartolini-RossiGesellschaft gehört.267 Eine Vertretung der Mediceer in London war nach 1511 notwendiger denn je, denn mit dem Alaunverkauf in Flandern, den Niederlanden und eben auch in England war ein umfangreicher Ankauf anderer Waren verbunden, ein wahrer Welthandel. Dies erhellen die spezifizierten Konten, welche vor allem Antonio Gualterotti nach dem Tod Leonardos seit dem 3. November 1512 an dessen Brüder und Erben sandte. Von seinen 4.020 cariche Alaun waren bis dahin noch nicht alle in Brügge eingetroffen. Ein Teil des Alauns wurde von Flandern aus auch nach Nürnberg verkauft, wo Mariotto und Bernardo della Palla als Agenten der Bartolini und Gualterotti handelten und für diese im Gegenzug und darüber hinaus große Mengen Waffen aller Art kauften. Die Bartolini-Gesellschaft war an diesem Geschäft mit einem Drittel, die GualterottiGesellschaft mit zwei Dritteln beteiligt. Es verlief zwischen Nürnberg, Flandern und London. Im November 1512 befanden sich von 13 großen Artilleriegeschützen sechs Stück im Herzogtum Kleve, drei in Bacharach (a 15 lighe di là da Chologna) und vier Kanonen 263 ABS 200, c. 11. 264 Vgl. etwa ABS 202, c. II, 12/XII. 265 Vgl. ABS 231bis (Schuldbuch der Lyoner Bank des Leonardo Bartolini, 1496–1502), c. III

(27.11.1497, unter den Gewinnen auch 142 Scudi levati da conto di Giuliano Serristori e Co. di Londra). Instruktiv auch ein Buchungsvorgang vom 13.1.1513, bei dem die Bartolini-ErbenGesellschaft auf das chonto di tempi von Agostino Chigi in London 22.765 Fiorini überwies, die ihm durch den noch von Leonardo di Bartolomeo Bartolini zu seinen Lebzeiten (also bis Oktober 1512) zusammen mit Giuliano Serristori vorgenommenen Verkauf von Alaun zustanden; ABS 202, c. XXI. Zur Sache unten noch ausführlicher. 266 Vgl. ASP IV/1, c. 192r; IV/5, c. 72; IV/6, c. 170r/v; IV/8, c. 9v; zu den beiden Brüdern vgl. auch Tratte, s.v. 267 ABS 197, c. 62/LXII, LXXV.

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noch in Nürnberg, doch alles schon bezahlt mit einem Wert von 1.500 Pfund Sterling (ca. 7.500 Scudi). Zu diesem Waffengeschäft gehörte: Eine Schiffsladung Salpeter und Schwefel (ca. 2.000 Pfund Sterling); ferner 3.000 bereits gelieferte Waffen in London (1.800 Pfund Sterling); 1.500 Waffen (für 1.050 Pfund Sterling), von denen sich noch ein Teil auf dem Weg von Nürnberg nach London, der größte Teil schon in Brügge befand; für 1.000 Pfund Archebusen, Hellebarden, Piken, Artillerie, Schwefel, Rüstungen und anderes Waffengut auf dem Weg zwischen Brügge und London; eine Ladung Salpeter auf dem Weg nach Livorno (gut 135 Pfund); Rüstungen aus Mailand (633 Pfund). Ferner partizipierte die Bartolini-Bank (mit 9/2) an einem Einkauf von 1.857 Stück Rindsleder aus Irland, mit einem Viertel an einem in Rouen realisierten Einkauf von Leinentüchern. An einen Engländer wurden bereits 1.500 ‚Waffen‘ verkauft, wobei man – so die Gualterotti – einen Profit von sechs bis acht Prozent erwarte. Viele Sachen seien überdies bereits in London durch die Cavalcanti- und die Bardi-Gesellschaft, durch Piero Corsi und Francesco de’ Bardi sowie durch ‚Euren‘ Raffaello, also Raffaello de’ Medici, für sie verkauft worden. Alles in allem rechne man für den verstorbenen Leonardo Bartolini mit einem Gewinnanteil von 3.000 Pfund Sterling (ca. 15.000 Scudi).268 Mit einem Konto vom 30. Dezember 1512 berichteten die Gualterotti von einem Geschäft, das sie je zur Hälfte mit der Lyoner Bartolini-Bank betrieben. Es umfaßte Seide aus Messina, 229 Waffen für den Krieg und 231 Stück Brasilholz aus der ‚neuen Welt‘, pezze 231 di Brazil di terra nuova (das zum Färben benutzt wurden)! Diese Waren hatte man Ende Oktober 1512 in Antwerpen an den Engländer Thomas Aldale verkauft und von ihm dafür 1.928 Stück grünes Rindsleder aus Holland gekauft.269 Die Serristori hingegen lieferten im Gegenzug für Alaun zum Beispiel Wolltuche aus London, die oft über Pisa an die Ricasoli nach Rom geliefert wurden, d.h. an den fondaco von Simone da Ricasoli und Giovanfrancesco de’ Bardi. Der Ricasoli ist generell als verlängerter Arm von Leonardo di Zanobi Bartolini anzusehen und verkaufte denn auch nicht von ungefähr die Tuche an Mediceer wie Lorenzo Salviati, Bernardo Bini, Francesco Biliotti oder an anonyme amici.270 Deutlicher wurde die Funktion der Serristori in London aber erst, als Gherardo Bartolini für sich und seine Brüder als Erben des Leonardo di Bartolomeo seit dem Oktober 1512 in Rom die Alaunkonten mit Agostino Chigi zu klären 268 ABS 204, c. LXXXXI–LXXXXII. Auch später kauften die Lyoner Bartolini-Bank und die

Gualterotti gemeinsam Waffen in Nürnberg, so etwa 1513 23 Fässer Kanonenpulver über Mariotto und Bernardo della Palla, das noch bis 1518 an verschiedene Käufer weiterveräußert wurde; ebd. c. 133. 1514 wurde durch die Gualterotti in Brügge und die Lyoner Bartolini-Bank wiederum gemeinsam Alaun (allumi in rocha) nach Frankfurt und Nürnberg geliefert, wo es von Mariotto und Bernardo della Palla verkauft wurde (keine Gesamtmenge angegeben, nur für den 27.11.1514 eine Verlustsumme des Kontos von 36 Pfund Sterling); ABS 204, c. 116. 269 ABS 204, c. 96, LXXXXVII. Das von den Portugiesen damals erst seit kurzem in Südamerika gefundene Brasilholz ersetzte das offenbar durch den Vormarsch der Türken seit ca. 1450 nicht mehr importierte indische Rotholz aus Java und Ceylon, das während des gesamten Mittelalters sehr intensiv eingesetzt worden war, um einen rötlichbraunen Farbton zu gewinnen; vgl. Spufford, Handel, S. 250. 270 ABS 204, c. 98/LXXXXVIII, 125.

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hatte. Wir kommen darauf noch zurück, konzentrieren uns hier auf den Londoner Knotenpunkt und davon ausgehend auf die besondere Form der Partnerschaft zwischen Agostino Chigi und Leonardo Bartolini. Gherardo di Bartolomeo Bartolini hatte am 10. Dezember 1512, auch namens seiner Brüder als Erben Leonardos, von Agostino Chigi alte Schuldner Leonardos übernommen; nomineller Inhaber dieser Titel bzw. Ansprüche war der verstorbene Leonardo Bartolini gewesen, von dem sie aber auf seinen Partner Chigi übergegangen waren.271 Es handelte sich um vier Titel, die eine Gesamtsumme von 5.050, 1, 10 Pfund Sterling ausmachten. Zum 1. Januar 1513 ist Agostino Chigi auf seinem Londoner ‚Zeitkonto‘ durch die Erben-Gesellschaft des Leonardo Bartolini dieser Betrag von 5.059 Pfund Sterling, der immerhin 22.765, 19 Fiorini larghi d’oro in oro bzw. 25.295, 10 Scudi entsprach, gutgeschrieben worden.272 Als Verrechnungsgrund wurde Chigis Anteil am Erlös seines Alauns angegeben, den der Bartolini zusammen mit Giuliano Serristori in London verkauft hatte. Diese 5.059 Pfund Sterling mußten von den Bartolini-Erben – oder gar vom Chigi selbst, das ist nicht ganz klar – jedoch noch von den einzelnen Schuldnern eingezogen werden. Es handelte sich im einzelnen um 1.) Francesco Serristori mit einer Summe von 1.454, 6 Pfund Sterling für feine englische Wolle, die man (die Bartolini und Chigi) auf seine Rechnung bis ins Florentiner Magazin geliefert hatte; 2.) um die Ricasoli in Rom und die Egidi in Neapel, die verschiedene Waren im Wert von 258, 14, 10 Pfund Sterling in ihrer Hand hatten; 3.) um ein Schuldnerkonto im Wert von 226, 1 Pfund Sterling, das Leonardo Bartolini in London im Auftrag (per chonto) des Agostino Chigi von den Serristori übergeben worden war; 4.) um die Buonvisi-Niederlassung in Brügge (Biagio Balbani e Avertino Buonvisi e compagnia di Bruggia273) mit 3.120 Pfund Sterling für feine englische Wolle. Gherardo Bartolini und seine Brüder sollten das Geld bzw. die Titel jedoch nicht in diesem Wert erhalten. Vielmehr besagte ihre Vereinbarung mit dem Chigi, daß die Schuldner ihm, dem Chigi, 16.300 Fiorini bzw. Dukaten (larghi d’oro in oro) in sechs Jahresraten zahlen sollten, beginnend mit dem August 1513. All diese Schulden waren durch Alaunlieferungen nach London an die Serristori entstanden, wofür Chigi auch noch weitere Zahlungen zustanden. Die ‚schlechten‘, d.h. nicht zu tilgenden Schulden sollten generell von den Bartolini-Erben getragen werden, bis auf die umfangreichen des Francesco Serristori, bei dem Agostino Chigi zwei Drittel des Schadens übernehmen sollte (der maximal ca. 1000 Pfund Sterling entspräche) und die Bartolini das restliche Drittel. Hätte Agostino Chigi dem Bartolini wie bei seinen sonstigen Monopolverträgen, die ihm die Hälfte des Gewinns zusicherten, nur den Alaun geliefert und die Konkurrenz billigeren Alauns verhindert, wäre eine Verlustübernahme von zwei Dritteln durch den Monopolisten Chigi nicht verständlich. Solche Vereinbarungen machten nicht anders als 271 ABS 204, c. CLI (ein auf den 1.1.1513 datierter ricordo der Übereinkunft zwischen Gherardo

Bartolini und Agostino Chigi vom 10.12.1512). 272 ABS 202, c. 2, XXI. 273 Bis 1503 war Benedetto Buonvisi gar nicht unter seinem Namen in Brügge präsent gewesen,

sondern unter dem der Gesellschaft des Biagio di Francesco Balbani, an welcher aber Benedetto mit zwei weiteren Buonvisi partizipierte; vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 306.

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die komplizierten Verrechnungstechniken, die zum Teil an Einkünfte aus dem Wollhandel gebunden waren, nur Sinn, wenn beide eine über den reinen Alaunhandel hinausgehende Geschäftspartnerschaft eingegangen waren, an der Leonardo di Zanobi Bartolini wohl nicht nur für das im August 1510 abgeschlossene Frankreich-, Flandern- und Englandgeschäft beteiligt war. Offenkundig hatte Chigi der Bartolini-Bank und weiteren MediceerBankiers deshalb so exzellente Konditionen bei der gemeinsamen Alaunpartnerschaft eröffnet, damit er am europäischen Warenhandel dieser Mediceer beteiligt wurde, aus dem die Schuldnerposten vom Jahresende 1512 ja nur einen kleinen Ausschnitt darstellen.274 Wegen dieser komplexen Partnerschaft war die Kontensaldierung so kompliziert. Zu betonen ist denn auch mit Blick auf die genannten Schuldner, daß sie alle aus dem Kreis der Mediceer stammten. Mit den Buonvisi war die Lanfredini-Bank nicht nur über Giovanni Pandolfini in Rom eine Partnerschaft eingegangen; Benedetto Buonvisi wird den Lanfredini sogar als seinen maggiore bezeichnen. Mit den Ricasoli war wie gesagt die Gesellschaft des Simone Ricasoli gemeint. Ihr aber hatte Agostino Chigi offensichtlich 1513 für die Alaunmine im neapolitanischen Agnano – deren Pachtvertrag er 1511 verlängert hatte, um sie vermutlich zunächst weiterhin geschlossen zu halten – weitgehend autonome Schürfrechte gewährt.275 Dieses Privileg ist mehr als konsequent, da wir die römische Ricasoli-Bank als eine Art Verrechnungsbank des Leonardo di Zanobi Bartolini in Rom charakterisieren können, die uns in genau einer solchen subalternen Position noch im Kontext der Alauninteressen eben dieses Bartolini beschäftigen wird. Daß die Ricasoli im Verbund mit den Egidi in Neapel von Gherardo Bartolini und Agostino Chigi aufgeführt worden waren, ist ebenso auf die Stellung der Egidi-Bank im ökonomischen Netzwerk der Mediceer zurückzuführen. Denn sie muß enger mit der Salviati-Gesellschaft verbunden gewesen sein, für die Francesco Davanzati (von ca. 1506–1514) unter dem Namensgeber Averardo di Alamanno Salviati eine Bank in Neapel führte.276 Francesco Naldini hatte z. B. 1508 seinen Mitarbeiter Piero Rondinelli, der für ihn eine Geschäftsreise von Südfrankreich (Färberwaid) über Spanien (Leder!) nach Süd- und Mittelitalien durchführte, ausdrücklich instruiert, sich in Neapel in allem an Francesco Davanzati und in Rom an Giovanni Pandolfini zu wenden.277 Es handelte sich um den intimen, auf Lebenszeit verwarnten Medici-partigiano und Salviati-Partner Francesco di Francesco Davanzati (den ehemaligen Hauptbuchführer des Monte Comune in Florenz) und um Be274 Hierzu paßt auch ein Gläubigerposten, bei dem die Brüder nach Leonardo Bartolinis Tod von

dessen Lyoner Gesellschaft einen Anspruch auf 158 Scudi sowie 147, 19 Scudi geerbt hatten, die sie für Tuche bzw. unbestimmte Waren zu erhalten hatten, welche Agostino Chigi gehörten (der aber nicht explizit als Schuldner genannt wurde); ABS 202, c. II. 275 Vgl. The correspondence of Agostino Chigi, S. 206, 209; vgl. zu diesem Vorgang und seinem Kontext unten S. 687, 1039. 276 Pinchera, L’archivio Salviati, S. 984. Davanzati wirkte zugleich für die Lanfredini-Bank. 277 ASP I/438, c. IIII–V, hier c. V. Die von Naldini geleitete Lyoner Salviati-Gesellschaft führte in ihrem Rechnungsbuch der Jahre 1508–1510 auf einer Kontenseite bezeichnenderweise sowohl die Gesellschaft des Leonardo Bartolini in Lyon, die des Giovanni Pandolfini in Rom und die der Egidi und Davanzati in Neapel auf; ASP I/440, c. 67/LXXVII (ohne daß wir diese Bezüge zu den Egidi und Davanzati systematisch untersucht haben).

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nigno Egidi, die in Neapel später eine gemeinsame Gesellschaft betrieben. An den durch Davanzati (in einer eigenen oder mit anderen geführten Gesellschaft) realisierten Gewinnen partizipierten – wie bei den Buonvisi in Lyon und den Frescobaldi in Brügge – erneut Gianbattista Bracci und sein Strohmann Francesco Naldini!278 Die These, die LanfrediniBank sei Nachfolger der Medici-Bank und deren Generalmanager Bracci habe in ihr gleichsam weitergearbeitet, wird immer stärker gestützt.

e) In Savoyen Die imponierenden wirtschaftlichen Möglichkeiten der Lyoner Bartolini-Bank und generell aller Mediceer-Firmen in Frankreich und Savoyen erwuchsen aus den guten Verbindungen, welche die Medici und einzelne ihrer Mitarbeiter zum französischen und savoyischen Hof aufgebaut hatten. Nehmen wir die Beziehung zwischen den Mediceern und Savoyen noch einmal genauer in den Blick. Denn aus dieser besonderen Freundschaft resultierte zugleich der sofort nach Beendigung des demütigenden Exils möglich gewordene Aufstieg der nichtadligen Medici in den savoyisch-französischen und damit erstmals in den europäischen Hochadel, der so wesentlich zu dem späteren Glanz des Hauses Medici beitrug. Und zu denjenigen, welche diesen Boden nach 1494 verbesserten, gehörten die Gesellschafter der Bartolini-Rossi-Bank in Lyon, Leonardo di Bartolomeo Bartolini und vor allem sein damals noch unentdeckt für Piero de’ Medici wirkender Vater Bartolomeo, Lorenzo di Francesco Spinelli sowie Bernardo di Giovanni de’ Rossi und dessen mutmaßlicher Kapitalgeber Gianbattista Bracci. Resümieren wir kurz die bereits erschlossenen Verbindungen zwischen den Medici und Savoyen. Wir sahen, wie die Medici-Bank beispielsweise 1489 Herzog Karl I. von Savoyen einen großen Kredit über 10.000 Dukaten zur Verfügung stellte; wie dessen faktischer Nachfolger Graf Philippe de Bresse 1491 längere Zeit im Haus des Medici-Bankiers Cosimo Sassetti in Lyon wohnte; wie sich Lorenzo de’ Medici an der Kurie für Graf Philippe bzw. für dessen Benefizienwünsche mit Erfolg einsetzte und wie Lorenzo Spinelli diese in Savoyen organisatorisch umsetzte; wie Spinelli im Gegenzug dann 1491 Giovanni de’ Medici savoyische Benefizien verschaffen wollte; wie die Medici dem savoyischen Herzogshaus in Rom die ersehnte, weil lukrative Genehmigung zur Erhebung des kirchlichen Zehnten verschafften, die dann praktischerweise gleich von den Medici-Bankiers in Lyon durchgeführt wurde und noch bis zum Juli 1495 zu finanziellen Ansprüchen der Medici in Turin führte; wie die aus Lyon vertriebenen Mitarbeiter der Medici-Bank im savoyischen Chambéry Zuflucht fanden; und schließlich, wie Philippe de Bresse zusammen mit diesen Bankiers Piero de’ Medici auf die französische Seite führte und sich nach dessen Exilie-

278 ANF, c. XVI (1511: profitti ... per avanzo in uno chonto de’ Davanzati di Napoli, Frescobaldi

di Bruggia, Lanfredini di Firenze, Buonvisi e Micheli [di Lione] per me [Naldini] et Gianbattista Bracci). Von Benigno Egidi hatten Leonardos Brüder und Erben zum 1. Januar 1513 neben dem oben dargestellten Posten weitere 821, 14 Fiorini zu erhalten, die vermutlich im Kontext eines Alaun- oder eines sonstigen Geschäfts mit dem Chigi angefallen waren; ABS 202, c. II.

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rung in Florenz und am französischen Hof mit größtem Nachdruck für ihn und seine Brüder einsetzte. Es erscheint also naheliegend, daß solch freundschaftlich vertrautes und gegenseitige Vorteile verschaffendes Einvernehmen nach 1494 nicht beendet wurde. Es sind die Medici-Bankiers Lorenzo Spinelli, Leonardo Bartolini und Bernardo de’ Rossi, die hier für Kontinuität sorgten und ihre von politischer Freundschaft getragenen Finanz- und Handelsgeschäfte ausbauen konnten. In Savoyen, das damals – bis auf einzelne, kurzzeitig aktive prohabsburgische Kräfte – in einer engen Allianz mit dem französischen Königshof stand, wurde die Bartolini-Rossi-Gesellschaft schnell und nahezu exklusiv zur bedeutendsten Bank für den Hof. Dies verdankte sie nicht zuletzt Lorenzo Spinelli. Als der im Frühjahr 1498 mit seiner Eins-zu-vier-Beteiligung am Kapital der Lyoner Bartolini-Bank in die Bartolini-Rossi-Gesellschaft einstieg, hatte er bereits eine hervorragende Position am Hof der Herzöge von Savoyen erlangt. Diese Stellung behielt er bei; er schuf somit beste Voraussetzungen für eine Etablierung der Gesellschaft im Herzogtum. Ein sprechendes Zeugnis ist in dem Geldgeschenk von 47 savoyischen Fiorini (etwas mehr als 13 Dukaten) zu sehen, das die Herzogin am 11. Juli 1495 Lorenzo Spinelli, dem Leiter der Medici-Bank in Lyon, wegen seiner zahlreichen, an mehreren Orten geleisteten Einsätze für herzogliche Angelegenheiten auszahlen ließ.279 Solche dona erhielten nur Hofleute und Vertraute. Im Dezember 1499 bekam Spinelli, nun als Florentiner Bürger bezeichnet, vom Herzogshof aus dem gleichen Grund sogar ein Geschenk von beachtlichen 200 Scudi di sole.280 Denn in jenen Jahren gelang es ihm, dem Teilhaber der Bartolini-Rossi-Gesellschaft, gleichsam in den Rang eines zweiten Schatzmeisters des savoyischen Prinzen Karl aufzusteigen! Dies erhellt auch aus einer Kreditrückzahlung Karls von Savoyen (des Halbbruders Herzog Philiberts, und nach dessen Tod im September 1504 selbst Herzog als Karl III.) an den in Lyon tätigen Florentiner Kaufmann Raynerus (René) Dei. Dieser hatte Karl auf Bitten Spinellis und des herzoglichen Thesaurars Antonio Brunetti im März 1502 600 Scudi di sole geliehen; zur Rückzahlung aber verpflichtete sich nicht allein der savoyische Prinz bzw. sein Thesaurar, sondern gleichfalls Spinelli, der denn auch am 11. und 12. April 1503 die Schuld gegenüber Dei beglich.281 Lorenzo Spinelli blieb dabei stets ein Mediceer-Bankier, als welcher er etwa im Juni und Juli 1500 einen Betrag von 146 Fiorini nach Florenz trassierte, den Giuliano da Gagliano in seinem ominösen ‚blauen Buch E‘ der alten Lyoner Bartolini-Bank auf einem Konto der ehemali279 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 148, fol. 195r/v; vgl. oben S. 41. 280 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 152, fol. 303v. 281 AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 9, fasc. 28, fol. 41v. Das 600 Scudi auri di sole be-

tragende Darlehen gab René Dei am 30. März 1502; der Gerichtsschreiber (greffier) und Notar Charboniers aus Lyon nahm das Geld für den Prinzen in Empfang und signierte die Quittung. Zugleich beglaubigte der Notar das Obligationsschreiben, mit welchem sich Karls Thesaurar Antonio Brunetti und – notabene – auch Lorenzo Spinelli zur Rückzahlung der Summe verpflichteten. Nicht der Gläubiger René Dei, wie zu erwarten wäre, sondern Spinelli erhielt daraufhin als Sicherheit für die 600 Scudi einen großen Ballen Seidenstoffe aus dem Besitz der Herzogin Claude de Brosse, der zweiten Frau des verstorbenen Herzogs Philippe de Bresse und Mutter Karls, die somit hinter diesem Darlehensgeschäft stand; Spinelli aber haftete gegenüber René Dei für die Summe, wirkte also gleichsam als Bankier Karls von Savoyen.

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gen Medici-Bank in Lyon (Piero de’ Medici e Lorenzo Tornabuoni e compagnia che furono di Lione) für Spinelli gutschreiben sollte.282 Zugleich kehrte Spinelli immer wieder für kürzere Zeit nach Florenz zurück. So schloß er z. B. am 5. Oktober 1501 in seiner Heimatstadt mit seinem Partner Bernardo de’ Rossi einen Vertrag, mit welchem er diesem die Schuldbriefe von zwölf seiner Schuldner in Savoyen für die Gesamtsumme von 2.000 Scudi ‚auf dessen Risiko und Glück‘ (a suo rischio e fortuna) verkaufte. Den Betrag mußte Bernardo dem Spinelli bei der Allerheiligen-Messe 1503 in Lyon auszahlen. Doch trug Rossi dieses in zwei Jahren zu bewältigende Risiko nicht allein, sondern nur zur Hälfte. Ein Drittel nahm Leonardo di Bartolomeo Bartolini auf sich und ein Sechstel ein anonymer Freund Bernardos.283 Diese drei müssen sich sehr sicher gewesen sein, die Schulden in Savoyen einziehen zu können. Für eine solche Zuversicht gab es Grund genug! Nicht allein der profilierte Medici-Bankier Lorenzo Spinelli, auch seine jungen Partner hatten sehr schnell das Vertrauen des savoyischen Hofes und damit Zugang zur Macht gefunden. Trotz ihres jungen Alters durften Leonardo Bartolini (am 9.11.1498 wurde er 23 Jahre alt) und Bernardo de’ Rossi (ca. 29 Jahre alt) kurz nach Gründung ihrer gemeinsamen Gesellschaft gleich auf höchster politischer Ebene handeln. Finanz- und Warengeschäfte mit dem savoyischen Hof Auch wenn die neue Gesellschaftsstruktur der Bartolini-Rossi-Bank den großen Vorteil bot, vor den Ansprüchen der Medici-Gläubiger geschützt zu sein, sie blieb in der Substanz weiterhin eine Medici-Bank! Paradigmatisch erwies sich dies etwa an ihrer Schutzfunktion für den verbannten Medici-Bankier und Bracci-Adlatus Francesco Naldini. Eine gewisse sachliche Kontinuität zeigt sich auch bei der Rückzahlung jenes Kredites über 10.000 Dukaten bzw. 35.000 savoyischen Gulden, den die savoyische Herzogin ihrem Cousin Karl VIII. im Herbst 1494 zur Verfügung gestellt hatte und den sie aus einer mailändischen Finanzquelle erhielt, die nur mit dem heimlichen Depot identisch sein konnte, das die Lyoner Medici-Bankiers in jenen unsicheren Zeiten bei ihrem Agenten Francesco Maggiolini eingerichtet hatten.284 Nicht Ostern 1495, wie von Karl VIII. angekündigt, sondern erst 1499 unter seinem Nachfolger Ludwig XII., dem ehemaligen Herzog von Orléans, konnte die Herzogin ihr Geld zurückerhalten. Erstaunlich aber ist der Name der Person, über welche die Herzogin die Restitution ihres Kredites verwirklichen konnte. Es war der als Lyoner Kaufmann und nobilis bezeichnete Bernardino de’ Rossi! Zweifelsfrei handelte er hier als Vertreter der Bartolini-Rossi-Bank.

282 ASP IV/6, c. 97r; IV/8, c. 75r. 283 ABS 197, Ricordo auf unpaginierter Schlußseite. Bis zur Auflösung der Bartolini-Rossi-Bank

Ende 1502 hatten sie immerhin schon 1.795, 6, 4 Scudi von den Debitoren einziehen können, so daß Leonardo Bartolini von Bernardo de’ Rossi 598, 8, 9 Scudi als seinen Anteil erhalten konnte; ABS 197, c. 89/LXXXXVIIII, 124. 284 S.o. S. 42–44.

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Am 30. April 1499 zahlte Joffredus Ferreri als Biancas Thesaurar dem Bernardino de’ Rossi 20.914 savoyische Fiorini (p.p.) aufgrund einer Abrechnung (computus), die er mit Rossi wegen jener 35.000 Gulden vornahm, welche dieser über Thomas Bohier, den General der Finanzen der Normandie, vom König von Frankreich wiedererlangt hatte.285 Es handelte sich bei den 35.000 savoyischen Fiorini um den Äquivalenzbetrag jener 10.000 Dukaten, welche die Herzogin im Herbst 1494 König Karl VIII. zum größten Teil mittels eines eigens aufgenommenen Darlehens gegeben hatte. Rossi hatte den Gläubigeranspruch der Herzogin demnach für sie nach langen Jahren in Frankreich realisiert. Davon standen ihm jedoch gut 21.000 savoyische Fiorini zu, für einen von ihm gelieferten Diamanten und weitere Waren sowie für die von ihm aufgewandten Spesen bei der Rekuperation des Kredites (u. a. 200 Scudi an den Finanzgeneral der Normandie, der angab, so teuer sei es gewesen, die 10.000 Dukaten beim König einzutreiben). Für seine Auslagen und seine dem Hof gelieferten Güter erhielt Rossi also ziemlich genau 6.000 Dukaten aus der ursprünglichen Kreditsumme. Da er für Spesen einige Hundert Dukaten aufgewandt haben wird, müßte der Wert der Waren bei mehr als 5.000 Dukaten gelegen haben. Das ist ein überaus hoher Betrag, zumal ein Diamant selten mehr als wenige Hundert Dukaten kostete. Ein solch lukratives Warengeschäft verdankte die Bartolini-Rossi-Bank nicht allein ihrer Hilfe bei der Schuldeneintreibung, sondern auch der langjährigen Reputation ihrer Vorgängerbanken am savoyischen wie französischen Hof. Der Einsatz Bernardo de’ Rossis für den savoyischen Hof in Frankreich blieb kein singulärer Akt. Schon am 12. Dezember 1499 erhielt er, als banchierus Lugdunensis bezeichnet, vom savoyischen Thesaurar Sébastien Ferrier 62 Scudi di sole bzw. 206 savoyische Fiorini für seine Auslagen, die er im Auftrag des Herzogs gehabt hatte.286 Herzog Philibert le Beau hatte ihn nämlich angewiesen, aus leider ungenanntem Grund 50 Scudi an Florimond Robertet, den Sekretär Ludwigs XII., zu zahlen sowie insgesamt 12 Scudi an die Schreiber Robertets zu verschenken. Am 20. Dezember 1499 bekam er nochmals 497 savoyische Fiorini vom Thesaurar Ferrier für seine Leistungen, die er Mitte Juli 1499 im Dienst der Savoyer erbracht hatte. In diesem Fall hatte René, Graf von Villars, Generalleutnant von Savoyen und allgemein meist als ‚Bastard von Savoyen‘ bezeichnet, dem Bankier die Instruktionen erteilt.287 Als der Graf sich auf Anweisung König Ludwigs XII. im Juli 1499 als dessen Gesandter von Lyon nach Asti begeben hatte, sollte Bernardo de’ Rossi dort für den Bastard am 20. Juli bestimmten Personen Geschenke überreichen. Es handelte sich dabei um wertvolle Stoffe für bedeutende Persönlichkeiten des französi285 Vgl. AS Torino, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 5, fasc. 19 (computus des Joffredus Ferre-

rii, thesaurarius illustrissime Domine Blanche de Monteferrato Duchisse Sabaude, 1496–1502), fol. 49v. Vgl. hierzu auch Usseglio, Bianca di Monferrato, S. 253, Anm. 1, der (mit unpräzisen Quellenangaben) die Restitution des Kredites auch dem Rechnungsbuch des savoyischen Generalthesaurars entnahm. Aus der Rückzahlung an Bernardo de’ Rossi schloß er jedoch auf eine Lyoner Rossi-Bank, da er die Einbindung Rossis in die Bartolini-Rossi-Bank nicht kannte. Zum eigentlichen Kreditvorgang s.o. S. 43f. 286 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 152, fol. 197v–198r. 287 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 152, fol. 145v–146v.

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schen und savoyischen Hofes: Vier Stück schwarzer Kamelott und zehn Ellen guter schwarzer Satin im Gesamtwert von 149 Fiorini für Florimond Robertet, den Sekretär des Königs; zwölf Ellen schwarzer Damast (78 Fiorini) für den Logis-Marschall des Königs; 13 Ellen schwarzer Velours (29,3 Fiorini) für den Kontrolleur der Post; zwölf Ellen schwarzer Velours (117 Fiorini) und drei Ellen satin tramoysin (48,9 Fiorini) für Pierre de Chastillion, escuyer des Bastards bzw. herzoglicher Rittmeister (scutifer). Ferner hatte Rossi dem Pagen des Grafen, Rolant genannt, der krankheitshalber in Lyon bleiben mußte, zwölf Fiorini gegeben, Chastillion die Kosten für zwei Postverbindungen bezahlt (33,4 Fiorini) und einem Notar die Kosten wegen einer Übereinkunft des Bastards mit dem Général des finances du Languedoc mit zehn Fiorini vergütet. Für seine Auslagen, Unkosten und als Lohn erhielt Bernardo de’ Rossi dann am 15. Dezember 1499 durch Romagnin de Romagnano, den magister hospicii Savoyens, 497 savoyische Fiorini und 4 Groschen. Was da im Juli 1499 geschah, ging weit über einen bedeutenden geschäftlichen Auftrag hinaus! Denn dieser erfolgte im Kontext einer hochpolitischen, militärisch brisanten Situation. Es waren besondere Zeiten, in denen Rossi agierte und nichts vermag eindringlicher als jener Vorgang veranschaulichen, welchen Stellenwert die Bartolini-RossiGesellschaft innerhalb kürzester Zeit in Frankreich und Savoyen erlangt hatte. Im Juli 1499 befanden sich nämlich die militärischen Vorbereitungen König Ludwigs XII. zur Eroberung des Herzogtums Mailand, einem epochalen Ereignis der europäischen Geschichte, auf dem Höhepunkt. Ludwig XII. war am 5. oder 6. Juli 1499 nach Lyon gekommen, um von dort aus den Feldzug zu beobachten.288 Hier stießen u. a. die Kardinäle Georges d’Amboise, Giuliano della Rovere und Cesare Borgia zu ihm. Zu den zentralen politischen und militärischen Verbündeten gehörte Savoyen. Mit dem jungen, gerade 19jährigen Herzog Philibert von Savoyen hatte Ludwig XII. – nicht zuletzt dank der Vermittlung des Thesaurars Sébastien Ferrier! – schon im Mai einen Vertrag geschlossen, der dem König und seinen Truppen den freien Durchzug durch Savoyen erlaubte, Verpflegung, Führer und Unterkunft zusicherte und dem Herzog eine großzügige jährliche Pension von 22.000 Pfund verschaffte.289 Herzog Philibert le Beau war der älteste Sohn aus der Ehe des uns wohlbekannten Medici-Freundes Philippe de Bresse mit Marguerite de Bourbon; seine drei Jahre ältere Schwester war Luise von Savoyen, die Mutter des künftigen Königs Franz I. von Frankreich. René von Savoyen, der Graf von Villars, war hingegen ein illegitimer Sohn des Philippe de Bresse aus einer Verbindung mit Libera Portoneri. Durch die Anerkennung seines Vaters stieg er in höchste Ämter auf, wurde unter Philibert Generalleutnant Savoyens und Gouverneur von Nizza. Der Grand Bâtard de Savoie stand dezidiert auf französischer Seite und erhielt auch deswegen wie sein Bruder eine jährliche Pension durch Ludwig XII., freilich nur über 10.000 Pfund. Faktisch führte er damals die Staatsgeschäfte in Savoyen, verfügte über eine große Autorität, während sein herzoglicher Halbbruder Jagd, 288 Pélissier, Recherches (I), S. 398; Quilliet, Louis XII, S. 245 (10.7. als Ankunftsdatum in Lyon). 289 Zur Rolle von Ferrier vgl. Arcangeli, Esperimenti, S. 294, Anm. 1.

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Spiel und Vergnügen bevorzugte.290 Sowohl Philibert als auch René sollten beim Feldzug gegen Ludovico Sforza jeweils eine der acht großen Kompanien mit 100 Lanzen kommandieren, eine Ehre.291 Die französischen Truppen sammelten sich im Juli 1499 in Asti, Ludwigs Territorium jenseits der Alpen; dorthin durfte sich Bernardino de’ Rossi also an der Seite Renés von Savoyen begeben! Während die mailändischen Kaufleute wie alle ihre Landsleute zur Wahrung der militärischen Geheimnisse längst aus Frankreich ausgewiesen waren – am 8. Juli befand sich kein mailändischer Bankier mehr in Lyon –, während Giovanni de’ Medici sich auf dem Weg nach Venedig befand, wo er am 25. Juli bei seinem Bruder eintraf, um zusammen mit dem französischen Botschafter Beaumont seine Reise nach Frankreich vorzubereiten, da stand der ehemalige giovane der Medici-Bank Bernardino de’ Rossi als Vertreter der Bartolini-Rossi-Bank inmitten der hochrangigsten zivilen und militärischen Amtsträger Frankreichs im Zentrum des sich formierenden Orkans – welcher kurz darauf ebenso die Bartolini-Bank nach Mailand trug.292 Rossi hatte im Juli 1499 den notariellen Vertrag zwischen dem Bastard und dem auch für das Lyonnais zuständigen Général des finances du Languedoc bezahlt und vermutlich aufsetzen, zumindest überbringen lassen.293 Bei diesem mächtigen Finanzgeneral handelte es sich um keinen Geringeren als Jacques de Beaune, den erklärten, treuen Freund und Partner des Hauses Medici und insbesondere der Lyoner Medici-Bankiers. (Mit ihm hatte Rossi von Chambéry aus schon im Sommer 1494 unter der Ägide von Giuliano da Gagliano bei dem großen Kreditgeschäft, das die Lyoner Medici-Bartolini-Banken mit der französischen Krone abgeschlossen hatten, in Verbindung gestanden.294) Rossi hatte ferner Korrespondenz für Pierre de Chastillion, den Vertrauten des Bastards, erledigen lassen; er hatte unmittelbaren Kontakt zur Elite Frankreichs und Savoyens; er besaß das Vertrauen sowohl des Königs als auch des faktischen Herrschers von Savoyen, die keine Scheu hatten, ihm den Zugang zu militärisch relevanten Tatsachen zu ermöglichen – denn unsere Quelle weist unmißverständlich darauf hin, daß er René von Savoyen persönlich ins französische Feldlager nach Asti begleitet hatte. Bernardo de’ Rossi hatte offenkundig analog zu seinem früheren Vorgesetzten Lorenzo Spinelli innerhalb der Bartolini-Rossi-Bank die Geschäftsbeziehungen zum savoyischen 290 Vgl. Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 28f., 37–39; Freymond, Politique, S. 26f.; anders hin-

gegen Harsgor, Recherches, S. 1680 (René sei illegitimer Sohn aus Philippes Verbindung mit Bonne Romagnan; am französischen Hof habe er eine Pension von 6.000 Pfund erhalten, die 1510 auf 4.000 reduziert worden sei). 291 Pélissier, Recherches (II), S. 1f. 292 Zu der am 12.3.1499 mit königlichem Edikt angeordneten Ausweisung der Mailänder und Genuesen aus Frankreich und insbesondere Lyon: Pélissier, Recherches (I), S. 484–486. 293 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 152, fol. 145v–146v. 294 S.o. S. 46–48, 137–141. Die Freundschaft ist auch für die folgenden Jahre bezeugt; vgl. etwa ASF, SR 24, c. 254 (17.5.1502, ein anonymer Diener der Medici aus Blois an Giulio de’ Medici: Er erwarte die Erfüllung bestimmter Wünsche in einer Finanzsache, perché il general di lengua de hoc [è] gran amico di casa, permecte favorirne gaglardamente); zur Amtszeit vgl. etwa Jacqueton, Documents, S. 292 (Jacques de Beaune hatte diese Funktion von 1495 bis 1510 inne).

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Hof betreut, denn als er Ende 1502 aus dieser Gesellschaft ausstieg, übernahm er es, die 7.000 Scudi einzutreiben, die man noch vom Herzog von Savoyen zu erhalten hatte.295 Aus dieser Einbindung der Medici-Bankiers in zentrale politisch-militärische Projekte Frankreichs und Savoyens ergaben sich vielfältige Vorteile für das Medici-Netz. Und wenn es nur ein ihnen wohlgesinntes Milieu war, in das sie bei Krisen eintauchen, in welchem sie Zuflucht finden konnten. Galeazzo Sassetti scheint von solch einem Milieu profitiert zu haben. Als einer derjenigen, die bis zum Sommer 1497 aus der Florentiner Medici-Erben-Bank heraus Geld und Nachrichten zwischen Florenz und den exilierten Medici vermittelt hatten, gehörte er als Verbannter zu den Betroffenen der harten Maßnahmen, welche die Medici-Feinde nach dem mißglückten Rückeroberungsversuch Piero de’ Medicis ergriffen hatten. Galeazzo war wie sein Bruder Cosimo ein Sohn Francesco Sassettis, des mächtigen Generaldirektors (bis 1489/90) der Medici-Gesellschaft, und hatte neben seinem Bruder vor 1497 ebenfalls in der Lyoner Medici-Filiale gearbeitet.296 Da lag es nahe, daß Galeazzo sich nach seiner Verbannung nach Frankreich und Savoyen begab. Eine Momentaufnahme aus dieser Zeit erhalten wir durch einen Bericht des mailändischen Gesandten in Savoyen an seinen Herrn Ludovico il Moro, dem er am 21. August 1498 Nachrichten aus Frankreich weitergab, die er gerade am Abend jenes Tages von dem aus Lyon angekommenen Galeazzo Sassetti, mercadante fiorentino, erfahren hatte. Dabei ging es um eine geheime, vom Papst durch Dispens geförderte Eheschließung zwischen Ludwig XII. und Anne de Bretagne sowie französische Gegengaben für Cesare Borgia.297 Galeazzo Sassetti hatte sich also in Lyon aufgehalten, wo gerade damals die Bartolini(Spinelli-)Rossi-Gesellschaft gegründet wurde, und muß sich aus Frankreich an den savoyischen Hof begeben haben – vermutlich nicht ohne geschäftliche oder politische Aufgaben im Dienst Spinellis und der Bartolini-Rossi-Gesellschaft. Die 1499/1500 durchgeführte Eroberung des Herzogtums Mailand hatte nicht nur die Sanseverino, sondern auch die Medici für einige Zeit orientierungslos gemacht. Gleichwohl hörten wir, wie in jenem Juli 1499, als Bernardo de’ Rossi in Asti beim französischen Heer war, Piero und Giuliano de’ Medici in Venedig viele und vertrauliche Gespräche mit dem französischen Botschafter Beaumont führten und angeblich kurz vor einer Abreise nach Frankreich standen – was dann am 11. August ihr Bruder Giovanni unternahm, der sich am 25. Juli in Venedig eingefunden hatte. Es ist schwer vorstellbar, daß es damals keine kommunikative und sachliche Verzahnung zwischen den Medici in Venedig

295 ABS 198, ricordo der Saldierungsvereinbarung vom 21.12.1501 (unpaginiert am Schluß des

Bandes). 296 Vgl. De Roover, Rise, S. 305, 310 und s.v. Die beiden Brüder sind übrigens mit einem weiteren

Bruder in der berühmten, von Domenico Ghirlandaio ausgemalten Sassetti-Kapelle in Santa Trinita zu Florenz, in unmittelbarer Nachbarschaft der Kapelle der Bartolini Salimbeni(!), auf der linken Bildhälfte porträtiert worden; vgl. etwa Innocenti, Cappella Sassetti, S. 83f. 297 Vgl. ASM, SPE, Savoia 511 (21.8.1498, Maffeo Pirovano aus Turin an Ludovico Sforza: Postscripta: Per mezo de Galeazo Saxeto mercadante fiorentino arivato questa sera qui de Lione, se ha como el Re secretamente ha sponsata la Regina Anna de Bretagne e consumato el matrimonio, ...); vgl. Pélissier, Alleanza (1894), S. 350, Anm. 2 und oben S. 471f.

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und ihren Freunden am Hof des französischen Königs und savoyischen Herzogs gegeben haben sollte. Über die Bankiers lief gewöhnlich der Briefverkehr; über befreundete und vertraute Bankiers wechselte man die Briefe mit wichtigem Inhalt. Eben solche Funktionen nahm auch und besonders die Bartolini-Rossi-Gesellschaft wahr, mit Sicherheit für das Medici-Netzwerk, erstaunlicherweise gleichfalls für ihre politischen Gönner. Das savoyische Postprivileg Die vorzügliche Nähe zu den Herrschern führte zu einem besonderen Privileg, das stets Vertrauen voraussetzte: Die Bartolini-Rossi-Gesellschaft erlangte eine exzeptionelle Position als Betreiber des Postverkehrs für den savoyischen Hof. Einige Jahre früher scheint es auf diesem Feld durchaus Alternativen und einen gewissen Wettbewerb gegeben zu haben. Denn Ende 1492 empfahl der savoyische Gesandte am französischen Hof für seinen Briefwechsel mit der Herzogin Bianca von Monferrat sowohl die Post der Capponi als auch die der Medici.298 Nach 1504 gab es zumindest für den nach Lyon gehenden und offenbar ebenso für den über Lyon laufenden Briefverkehr der Savoyer an den französischen Hof nur noch eine Wahl: die Gesellschaft des Leonardo di Bartolomeo Bartolini, in welcher die Bartolini-Rossi-Gesellschaft Ende 1502 aufgegangen war. Allerdings hatte sie diese Dienste schon früher übernommen, wie ein erster Beleg vom 22. Dezember 1501 zeigt, als Bernardino de’ Rossi von Herzog Philibert bzw. dessen Thesaurar neun Scudi auri di sole für zwei Posttransporte vom Hof nach Lyon erhielt.299 Doch in den folgenden 26 Monaten sind im Rechnungsbuch des savoyischen Thesaurars kaum noch Zahlungen für Kurierpost aufgeführt, und wenn, dann ohne personale und sachliche Präzisierungen. Das änderte sich nachhaltig seit dem 21. April 1504, als eine dichte Folge entsprechender Rechnungen die vorzügliche Stellung Leonardo Bartolinis bzw. seiner Bank für die Versendung der savoyischen Post bezeugt, die bis zu seinem Tod im Herbst 1512 dauerte. Die Bartolini-Bank verlor diese Position jedoch nicht, denn anschließend nahm sie sein Bruder Zanobi ein, der nun diese Lyoner Bank leitete.300 298 AST, Sede P. Castello, Corte, Lettere Ministri di Francia, mazzo 1, Nr. 2 (4.11.1492). 299 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 153, fol. 446v–447r. 300 Vgl. etwa AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 157, 1. computus, fol. 22v (21.4.1504); Reg. 156,

fol. 190v (15.5.1504); Reg. 157, 1. computus, fol. 22r (2.7.1504); Reg. 156, fol. 192r/v (9.9.1504); Reg. 159, fol. 200v (20.1.1506); Reg. 157, 3. computus, fol. 36r (8.11.1506 von F. de Challes); Reg. 160, fol. 83r (4.2.1507); Reg. 161, fol. 330r–331r (29.10.1507, 9.12.1507, 16.12.1507, 17.12.1507, 1.1.1508, 26.1.1508); Reg. 161, fol. 172v (7.1.1508); Reg. 161, fol. 332r (2.3.1508; 18.3.1508 an savoyischen Thesaurar Henrisse Rousseau); Reg. 161, fol. 333v– 334r (29.4.1508, 11.5.1508); Reg. 161, fol. 335r (6.6.1508); Reg. 161, fol. 336r (9.8.1508); Reg. 161, fol. 337r (9.9.1508, 11.9.1508 an maistre Cholex) [die weiteren Seiten in Reg. 161 konnten wegen akutem Blattriß nicht durchgesehen werden]; Reg. 162, fol. 265r–266r (28.10.1508, 3.11.1508 und 1.12.1508 vom und an den Hof des Königs von Frankreich); Reg. 162, fol. 267r (14.1.1509 aus Frankreich); Reg. 157, 6. computus, fol. 47v–48r (7.2.1508 und 28.2.1509 jeweils von maistre Cholex vom königlichen Hof in Frankreich); Reg. 157, 6. computus, fol. 49r (11.3.1509 und 15.3.1509 von und an maistre Cholex am königlichen Hof); Reg. 157, 7. computus, fol. 29v (31.7.1510 nach Frankreich); Reg. 165, fol. 301r/v (4.12.1511, 29.1.1512); Reg. 165, fol. 296v (20.2.1512); Reg. 165, fol. 297v (11.3.1512); Reg. 165, fol. 395r (24.4.1512);

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Das Verfahren sah wie folgt aus: Der Herzog sandte mittels eines eigenen oder eines im Dienst Leonardo Bartolinis stehenden Kuriers ein oder mehrere Pakete mit Briefen von seinem Hof, Chambéry etwa, nach Lyon in die Bank des Leonardo Bartolini. Die Briefe waren entweder an Bartolini persönlich gerichtet oder an den in Lyon ansässigen savoyischen Adligen Pierre de Chastillion (Châtillon), der sie von Bartolini erhielt, oder auch an den savoyischen Gesandten am französischen Hof, François de Challes (Chaules, Cholex), dem ebenfalls Bartolini diese Briefe zustellen ließ. Chastillion wie Challex beauftragten ihrerseits dann für ihre Briefsendungen an den Herzog gleichermaßen die Kuriere Bartolinis, der sie mit einem an den Herzog gerichteten persönlichen Begleitschreiben an den Hof schickte.301Andere Banken werden für solche Briefbeförderungen nicht genannt; seit Januar 1512 gingen herzogliche Briefe zum Teil jedoch auch direkt a la poste du Roy, also an eine vom französischen König in Lyon eingerichtete Poststelle.302 Frankophiles Opfer politischer Gegensätze am savoyischen Hof Es fiel auf, daß die Bartolini-Rossi-Gesellschaft für das Jahr 1502 und die BartoliniGesellschaft im Jahr 1503 nicht als Anlauf- und Relaisstation für die Post des savoyischen Hofes bezeugt sind. Der Grund dürfte in einem vorübergehenden Wechsel der politischen Präferenzen in Savoyen liegen. Mit anderen Worten: Der große Gegensatz zwischen Frankreich und Habsburg traf unsere profranzösischen Florentiner. Er begann mit der Hochzeit zwischen Herzog Philibert und Margarethe von Österreich, der Tochter MaxiReg. 165, fol. 394v (5.4.1512); Reg. 165, fol. 395v (12.5.1512, 14.5.1512, 27.5.1512); Reg. 165, fol. 396r/v (5.6.1512, 21.6.1512); Reg. 165, fol. 398r (8.12.1512); Reg. 166, fol. 60r (1.10.1512); Reg. 169, fol. 24v (2.1.1513 vom Hof des Königs in Frankreich); Reg. 165, fol. 27v (10.10.1514 von mons. de Confignon, dem Gesandten bzw. Repräsentanten des Herzogs am französischen Hof); Reg. 168, fol. 27v (2.10.1514 von Confignon). Zu Challes, Seigneur de Confignon, vgl. Caviglia, Seyssel, S. 176, 188, 211, 234, 239 Anm. 3. Durch den Tod des Ende 1512 gestorbenen Leonardo di Bartolomeo Bartolini gab es offenbar eine kurze Unterbrechung, doch führte sein Bruder und Nachfolger Zanobi diese Aufgabe dann weiter fort, wie die Zeugnisse für 1514 veranschaulichen sollen. Da außerhalb unseres Untersuchungszeitraums liegend, wurden die betreffenden weiteren Bände nicht mehr analysiert. Sofern bei den obigen Quellenangaben keine Präzisierung nach dem Datum erfolgte, betreffen alle Fälle Brieftransporte vom savoyischen Hof an die Bartolini-Bank in Lyon oder von dieser an den Hof, wobei es durch sachliche Auslassungen bei der Registrierung der Zahlungsanweisungen an die Kuriere durchaus möglich gewesen sein kann, daß Lyon nur eine Zwischenstation für Briefe vom oder an den französischen Hof gebildet hatte. 301 Im Turiner Staatsarchiv ist ein Autograph Leonardo Bartolinis erhalten, wobei es sich um einen am 20. Juli ohne Jahresangabe in Lyon geschriebenen, direkt an den Herzog adressierten Begleitbrief des Bankiers für einen von ihm eingesetzten Kurier handelt. Er berichtet dabei, daß er dem Herzog par se present pourteur expres ung pacquet de lettres sende, das le maistre Chatillion escript a vostre Illustrissime seigneurie. Falls es Bedarf für eine Antwort gebe, solle sich der Herzog des Kuriers nach Belieben bedienen und Bartolini werde wie gewohnt für den sicheren Transport sorgen. Vgl. AST, Sede P. Castello, Corte, Materie politiche relative all’interno, lettere di particolari, B, mazzo 13, Nr. 6. 302 Vgl. AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 165, fol. 301v (29.1.1512); Reg. 165, fol. 298r (5.4.1512); Reg. 165, fol. 397r (17.7.1512).

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milians I. und Schwester Philipps des Schönen im Jahr 1501. Am Beginn dieser Verbindung kam der profranzösischen Gruppe am savoyischen Hof noch eine tragende Rolle zu. Der Große Bastard René zählte zusammen mit Jean de Loriol, Seigneur de Challes (Cholex) und Corgenon und Gouverneur der Bresse, sowie Romagnin de Romagnano zu den Prokuratoren Philiberts bei den die Ehe vorbereitenden Verhandlungen.303 Der frühere Medici-Faktor Pierre Fossier, nun Bankier in Genf, erhielt die Aufgabe, in Rom die wegen der verwandtschaftlichen Nähe der beiden Ehekandidaten notwendigen päpstlichen Dispense zu besorgen.304 Der Hochzeitsvertrag datierte vom 26. September 1501. Am 13. November beauftragte Philibert dann seinen älteren Bruder, den Bastard René, die Hochzeit per procura für ihn zu vollziehen. Zur Delegation gehörten Jean de Challes und Amé de Challes, der maître d’hôtel.305 Nachdem Margarethe von Österreich dann im Dezember 1501 nach Savoyen gereist war, kam es sofort zu Spannungen und einem erbitterten Machtkampf. Opfer wurde der ihr zu mächtige Bastard René, zugleich das Haupt der profranzösischen Partei in Savoyen, an dessen Seite Bernardo de’ Rossi sich 1499 im Vorfeld des französischen Feldzuges gegen Ludovico Sforza befunden hatte. Margarethe, die neue Herzogin Savoyens, klagte im Bündnis mit den Schweizern den Bastard des Staatsverrates an. Schon am 14. Mai 1502 wurde im Deutschen Reich sein Legitimitätsbrief annulliert; er selbst wurde vom Boden des Imperiums – zu dem Savoyen rechtlich ja generell, nun aber auch einmal machtpolitisch gehörte – verbannt. René mußte sich an den Hof des französischen Königs zurückziehen, dem er früher schon gedient hatte; im Sommer 1503 wird er während der Endphase des zwischen Frankreich und Spanien geführten Krieges um Neapel, der sich mittlerweile auch auf das Gebiet von Roussillon und Navarra ausgedehnt hatte, als Admiral der Provence die Küsten des Languedoc und der Provence zu bewachen haben.306 Am 14. Juli 1502 wurden Renés savoyische Güter konfisziert, der Rang des Generalleutnants von Savoyen wurde ihm aberkannt. Eine anschauliche, man möchte sagen: bezeichnende Bestätigung der Verbindung zwischen der Bartolini-Rossi-Bank und dem französischen Bastard aus Savoyen gibt uns ein Finanzvorgang aus dem Jahr 1502, den Leonardo Bartolini in seinem persönlichen Rechnungsbuch aufgezeichnet hatte. Genau zu jener Zeit, als Margarethe von Österreich den Bastard René aus Savoyen vertrieb, im Juni 1502 wandte sich René über seinen Getreuen, den Kastellan von Gourdans Alessandro de Puchier, an Leonardo Bartolini in Lyon, dieser

303 Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 31f. Diese drei fuhren im August und September 1501 je-

doch nicht mit nach Brüssel. Jean de Loriol, nach seiner Seigneurie stets nur Challes (bzw. Chaules und Cholex) genannt, gehörte zu den Vertrauten von Philippe de Bresse; vgl. Marini, Savoiardi, S. 304–311. 304 Fossier mußte hierfür im Auftrag des Herzogs zwei Reisen unternehmen und erhielt am 6.8.1501 für seine Auslagen und Mühen 666 savoyische Fiorini; AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 153, fol. 428r/v. 305 Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 31f. 306 Vgl. Courteault, Dossier, S. 243, Anm. 1.

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möge ihm auf sein, des Bastards Wort 200 Scudi leihen. Bartolini folgte diesem Wunsch und zahlte das Geld am 21. Juni 1502 an Filippo Testa, den Sekretär des Bastards, aus.307 Unschwer ist in jenem Vorgang wiederum ein wichtiger politischer Bezug zu erkennen. Margarethe von Österreich, die René damals seine Güter entziehen ließ, hatte nämlich im Juli 1502 zwei seiner wichtigsten in Savoyen selbst okkupiert, die Grafschaft von Villars und eben die Herrschaft von Gourdans!308 Hierbei wird wohl auch Renés Kastellan Alessandro de Puchier seine Stellung verloren haben. Die Bartolini aber haben dem Großen Bastard nicht allein und bestimmt nicht primär aus geschäftlichen Interessen durch ihren Kredit in einer finanziellen Notlage beigestanden – im übrigen nicht das letzte Mal, denn 1506 halfen sie ihm z. B., seine französische Pension einzutreiben.309 Sie unterstützten ihn aus Gründen politischer Freundschaft und sie investierten dabei zugleich. 307 ABS 197, c. 123/CXXIII. Der Kastellan von Gourdans hatte sich am 2. Juni durch Luigi Masa-

notto – vermutlich ein in Lyon ansässiger Notar, dem wir noch als maistre Masenot begegnen werden – zur Rückzahlung verpflichtet, wobei jeweils 100 Scudi im August und am Michaelstag (16.10.) zu zahlen waren, was jedoch nicht geschah. Erst zur Messe von Christi Erscheinung 1503 (sie begann am Montag nach dem 6.1. und dauerte wie alle vier Lyoner Messen 15 Werktage) konnte Bartolini die 200 Scudi verbuchen, die 350 Pfund Tournosen entsprachen. Merkwürdig war hierbei, daß der Betrag auf das Haben-Konto eines anonymen, mit „L“ bezeichneten Freundes von Leonardo Bartolini ging, den er selbst für 1499/1500 als Luigi Ciei identifizierte; ABS 231bis, c. 8. Denn diesen Freund sehen wir ebenfalls in einem Bezug zu Giangiordano Orsini. Dem amico L von Leonardo Bartolini standen Anfang 1503 die Erlöse zweier Lieferungen aus Mailand zu, die zwei Kaufleute aus Tours und einer aus Lyon dort im Auftrag Bartolinis gekauft hatten. Der Gewinn war auf den Einnehmer der taille im Herzogtum Bourbon angewiesen worden, zugunsten von Giangiordano Orsini, von welchem die Bartolini-Bank die Warenlieferung kaufte; ABS 197, c. 123. Diese letzten dem amico L gutgeschriebenen Beträge, insgesamt zusammen mit den Krediten für René von Savoyen immerhin 920 Scudi, erhielt jedoch schließlich die Bartolini-Gesellschaft, welcher der amico L sie zur Tilgung einer Schuld gab. Giangiordano Orsini aber befand sich damals in allergrößten Schwierigkeiten, waren Papst Alexander VI. und sein Sohn Cesare Borgia doch entschlossen, das Haus Orsini zu vernichten, auszulöschen. Im Januar 1503 hielt sich Giangiordano zunächst im Heer der Franzosen in Süditalien, dann auf seiner Burg Tagliacozzo in den Abruzzen auf, von wo er im Februar nach Vicovaro ging, um von dort aus die Verteidigung Braccianos und des Orsini-Territoriums im Kirchenstaat zu organisieren, im engen Schulterschluß mit dem Hof Ludwigs XII. und dessen Mann in Rom, Federico Sanseverino; s.o. S. 582–584; Sanuto, Diarii IV, Sp. 600, 603, 654, 709f., 726, 740f., 747–750, 758, 766–768, 775, 782f., 800, 814, 817, 826f., 832, 837, 843, 849f; V, Sp. 18, 75, 80, 93, 180, 187f. Warengeschäfte, die in jener Zeit mit Giangiordano Orsini zusammenhingen und auf Frankreich bezogen waren, können recht eigentlich nur seinen 1502 in Blois von Pierre und Perona Macur gekauften Palast betreffen. Diesen sicherlich teilweise umgebauten oder renovierten Palast hatte Giangiordano noch 1516 besessen; vgl. ASF, Carte Strozziane I/349, p. 47. Es hat allen Anschein, als habe der Orsini bei der Einrichtung oder beim Umbau seines Palastes mit der Bartolini-Bank kooperiert, der er vielleicht sogar Kompetenzen übertragen hatte. 308 Vgl. Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 93, 102f. Der Bastard René wollte sich mit dem Verlust dieser bei Margarethe verbliebenen Territorien nie abfinden, wollte 1506 sogar von Lyon aus militärisch seinen alten Besitz zurückerlangen und fand in seinen Ansprüchen starke Unterstützung bei seiner Schwester Luise von Savoyen, der Mutter des künftigen Königs Franz I. 309 ABS 108, c. 5 (zum 15.11.1506 konnte die Bartolini-Bank aus dieser Dienstleistung einen Gewinn von 500 Scudi verbuchen; dieses ‚Geschenk‘ des Bastards entsprach den Unkosten der Bank).

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Denn damit konnten sie ihren politischen Kredit am französischen Königshof verstärken, wo nicht nur König Ludwig XII. zu Renés Gönnern gehörte, sondern auch dessen Schwester Luise von Savoyen, deren Sohn Franz einige Jahre später Nachfolger Ludwigs werden wird. Herzog Philibert schien den Repressalien gegen seinen Halbbruder, den Bastard René, eine Zeitlang zugesehen zu haben, distanzierte sich von Ludwig XII. und nahm auch habsburgische Privilegien in Empfang, obwohl sein Allianzvertrag mit König Ludwig XII. vom Mai 1499 immer noch gültig war, er weiterhin seine französische Pension bezog und noch im Oktober 1503 eine Kompanie Ludwigs kommandierte. Im Frühjahr 1504 jedoch ergriff er offen die Partei seines verbannten Halbbruders, protegierte ihn und begann mit Gegenmaßnahmen, die erneut zu exzellenten Beziehungen zu Ludwig XII. führten.310 Erstaunlicherweise sehen wir genau seit jener Zeit, seit April 1504, die Lyoner BartoliniBank (als Nachfolgerin der Bartolini-Rossi-Bank) im Spiegel der Brieftransporte wieder eng mit dem Herzog verbunden. Die dichte Folge der nun von und nach Lyon transportierten Briefe spricht dafür, daß viele von ihnen aus Frankreich kamen oder für den französischen Hof bestimmt waren. Mit dem frühen Tod Philiberts am 10. September 1504 endete auch vorerst – denn Kaiser Karl V. wird die Macht der Habsburger später wieder in Savoyen herstellen! – der habsburgische Einfluß in Savoyen. Margarethe von Österreich mußte sich im Frühjahr 1505 nach Straßburg zu ihrem Vater Maximilian I. begeben, konnte aber noch die Gründung der grandiosen Abtei Brou bei Bourg-en-Bresse mit einer Grablege für Philibert und ihre Schwiegermutter Margarethe von Bourbon initiieren, um dann nach dem Tod ihres Bruders Philipp des Schönen (25.9.1506) im Oktober 1506 endgültig Savoyen zu verlassen und nach Mecheln in die Niederlande zurückzukehren, deren Regentin sie im März 1507 wurde.311 Verwurzelung in Savoyen Die Nachfolge Herzog Philiberts trat Ende 1504 sein erst 18-jähriger Halbbruder Karl an, der erste Sohn von Philippe de Bresse aus seiner zweiten Ehe mit Claude de Brosse bzw. de Bretagne. Mit Karl III. stellte sich Savoyen wieder eindeutig an die französische Seite; der junge Herzog zeigte sich Ludwig XII. ganz ergeben. Savoyen wurde, so Jacques Freymond, quasi ein Lehen Frankreichs.312 Die Bartolini-Gesellschaft sollte davon ungemein profitieren. Denn sie stand in Lyon fest auf dem Boden der französischen Politik. Als Parteigänger Frankreichs aber wurde auch sie in jener kurzen Phase habsburgischer Dominanz in Savoyen wie ihr Protektor, der Bastard René, ein Opfer. Die Bindung an den Hof erkaltete, nicht jedoch die zu einzelnen Angehörigen des Hofes und erst recht nicht 310 Vgl. Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 38–40 (zu Philiberts Maßnahmen für René gehörte eine

Initiative, mit der er im Mai 1504 durch den französischen König Naturalisierungsbriefe für ihn ausstellen ließ), 102–104 (zur Auseinandersetzung zwischen dem Bastard und Margarethe von Österreich); Freymond, Politique, S. 28f. 311 Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 54f. 312 Vgl. Freymond, Politique, S. 30f.

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die zum französischen König. Gerade dies läßt sich kaum eindringlicher veranschaulichen als durch ihre Rolle bei einem der großen politischen Ereignisse im Jahr 1503. Zu dem in Lyon residierenden König Ludwig XII. kam Margarethes Bruder, der habsburgische Erzherzog Philipp, Schwiegersohn der spanischen Könige Ferdinand und Isabella, die ihn als ihren Vertreter zu Verhandlungen nach Lyon gesandt hatten, bei denen es um die spanisch-französischen Kriege im Königreich Neapel ging. Wir hatten die dortigen, Piero de’ Medici den Tod bringenden Ereignisse des Jahres 1503 mit Blick auf die involvierten Medici und ihre Freunde bereits genauer betrachtet. Erzherzog Philipp, dem Ludwig XII. zu dessen Sicherheit die Grafen von Foix, Vendôme und Montpensier als Geiseln gestellt hatte, zog am 22. März 1503 feierlich in Lyon ein.313 Weniger die Verhandlungen als vielmehr die Rolle der Bartolini soll uns hier freilich interessieren. König Ludwig XII. war sehr daran gelegen, auch das savoyische Herzogspaar zu der Zusammenkunft mit Erzherzog Philipp heranzuziehen, also dessen Schwester Margarethe und ihren Mann Philibert. Mit dieser wichtigen Mission beauftragte der König bzw. einer seiner Minister den aus vornehmstem savoyischen, dezidiert profranzösischem Baronalgeschlecht stammenden, juristisch gebildeten Claude de Seyssel, der nach seiner Mitgliedschaft im geheimen Rat des Herzogs Philippe de Bresse nach dessen Tod 1497/98 in die Dienste des französischen Königs gegangen war, Rat Ludwigs XII. wurde und von diesem nach der Eroberung Mailands eine hohe Position als ein führender Rat im Mailänder Senat des Königs erhalten hatte.314 Doch in diese Gesandtschaft eingebunden wurde augenscheinlich ebenfalls Leonardo Bartolini, der schon Mitte März 1503 die Order erhielt, einen zuverlässigen Kurier an den herzoglichen Hof zu entsenden, um den Herzog und seine Frau von der baldigen Ankunft des Erzherzogs zu informieren. Zu erkennen ist diese Mission wiederum aus den Rechnungsbüchern des herzoglichen Thesaurars. Aus einer ersten (durch die merkwürdigen grammatischen Bezüge allerdings etwas mißverständlichen) Aufzeichnung geht hervor, daß Mitte März 1503 aus Lyon ein gewisser Dionysius, Diener und Briefbote des Bankiers Lyonard de Bertollin, ‚mit allergrößter Sorgfalt‘ (cum omni extrema diligencia) gekommen sei und den Herzog mittels eines Briefes über die demnächst in Lyon stattfindende Ankunft des Erzherzogs unterrichtet habe.315 Ein zweiter 313 Vgl. Auton, Chroniques III, S. 152f. (mit den Namen der Geiseln, aber mit irrigen Daten);

Gachard, Collection I, S. 281f. (mit dem Bericht des habsburgischen Chronisten Antoine de Lalaing); zu den Einzelheiten: Courteault, Dossier, S. 182f., Anm. 4; vgl. ferner Wiesflecker, Maximilian I., III, S. 263. 314 Grundlegend zu Seyssel: Caviglia, Seyssel, hier bes. S. 59f., 64–66, 81; vgl. Lewin, Seyssel, S. 7–16. 315 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 155, fol. 180v–181r. Der in einem grammatikalisch (v. a. bei den Kasus-Endungen der Nomina) nicht durchgearbeiteten Latein geschriebene Eintrag sagt im ersten Teil aus, daß der Thesaurar am Sonntag, dem 19.3.1503, 8 aus Turin kommende Briefkuriere (poste) kraft einer littera clausa des Herzogs von Savoyen ausbezahlt habe. Hieran schließt sich direkt folgender Passus an: Eunti cum omni extrema diligencia Lugduni cum una alia lictera domini directa Lyonard de Bertollin banquero pro notifficando eidem illmo. dno. nro. duci intratam Lugduni fiendi per illmum. Dnm. Archiducem. Et quos libravit Dyonisius eius servitor inter horas secundam et terciam noctis in 4 scutos sol. etc.. Folgt man dem grammatischen Sinn,

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Eintrag betraf die am 21. März 1503 erfolgende Bezahlung (mit 26 Fiorini p.p.) des Lancelloctus Gonterius, ebenfalls Kurier und Diener Bartolinis, der wegen des am folgenden Tage stattfindenden Einzugs des Erzherzogs an den Herzog von Savoyen gesandt worden sei und mit Briefen nach Lyon zurückgeschickt wurde.316 Zu betonen ist hierbei, daß in den herzoglichen Rechnungsbüchern wegen der causa introitus Archiducis nur Leonardo Bartolini als Briefpartner oder Korrespondenzvermittler genannt wird, keine andere Person. Nun wird allerdings Bartolini nicht aus eigenem Antrieb den Herzog über jenes Ereignis informiert haben, denn er war kein Informant Philiberts und Margarethes und stand gerade zu diesen beiden nach Ausweis unserer Quellen damals eher in einem distanzierten Verhältnis. Die causa war zudem politisch so brisant, daß Bartolini sich durch ein eigenmächtiges, ohne den König abgestimmtes Verhalten der sicheren Gefahr ausgesetzt hätte, dessen Gunst und damit jegliche Geschäftsbasis in Lyon zu verlieren. Nein, diese sich über mindestens zwei gesonderte Kurierreisen erstreckende Aktion mußte im Auftrag König Ludwigs XII. erfolgt sein, möglicherweise vermittelt über den Bastard René, den Kardinal Georges d’Amboise oder eben über dessen Verwandten Claude de Seyssel, den offiziellen Gesandten des Königs.317 Ludwig XII. war mit seinem Hof von Blois aus nach Lyon gereist, wo man am 31. März 1503 ankam. Erzherzog Philipp der Schöne als Bevollmächtigter der spanischen Könige war bereits am 22. März in Lyon eingetroffen; die Informationen von Bartolinis Kurier waren also zutreffend. Das den Erzherzog vor der Stadt begrüßende und begleitende Empfangskomitee wurde angeführt von Kardinal Georges d’Amboise, der demnach vermutlich bereits seit einiger Zeit in Lyon anwesend war, das Treffen vorbereitet hatte und durchaus Leonardo Bartolini beauftragt haben könnte.318 Zwischen dem 2. und 4. April unterzeichneten Ludwig und Philipp einen Friedensvertrag, mit dem sich die beiden Kriegsparteien erneut ihre Eroberungen im Königreich Neapel (d.h. Kalabrien, Apulien, wären jene 8 savoyischen Kuriere mit einem gesonderten Brief, den der Herzog an Leonardo Bartolini gerichtet hatte, nach Lyon geritten, um dem Herzog den bald stattfindenden Einzug des Erzherzogs zu melden. Und die Kuriere hätte Dionysius, der Diener Bartolinis (der des Erzherzogs konnte es nicht sein), mit 4 Scudi bzw. 16 Fiorini ausbezahlt. Dies aber macht keinen Sinn, da der Herzog keinen Boten nach Lyon zu Bartolini senden mußte, um sich selbst über die Ankunft Erzherzog Philipps zu informieren, und weil der Diener keine Zahlung für den Herzog vornehmen konnte. Demnach müssen die Kasus so geändert werden, daß Bartolini den Herzog mittels seines Briefkuriers Dionysius über die Ankunft Philipps informierte und daß dementsprechend der Kurier bezahlt wurde. Doch selbst wenn hier angezeigt werden sollte, daß der Herzog wegen jenes Ereignisses Briefe an Bartolini gesandt hatte, konnte dies nur erfolgen, wenn Bartolini vorher einen Boten zum Herzog geschickt hatte. 316 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 155, fol. 181r (libravit die martis vigesima prima marcii 1503 hora sexta de mane Lancellocto Gonterii poste et servitorii dicti Lyonardi directa illmo. Dno. nro. Duci ad causam introitus Lugduni dicti illmi. Dni. Archiducis qui in crastinum deberet intrare ut dixit ...). Bei diesem sich auf den obigen Eintrag beziehenden Zahlungsvermerk sind die Bezüge eindeutig. 317 Zur Verwandtschaft zwischen Claude de Seyssel und Georges d’Amboise: Caviglia, Seyssel, S. 19; Lewin, Seyssel, S. 9. 318 Zum Empfang des Erzherzogs vgl. Gachard, Collection I, S. 281f..

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Abruzzen und Terra di Lavoro) gegenseitig anerkannten; zugleich verzichteten beide auf ihre Ansprüche, um sie den in einer künftigen Ehe verbundenen Thronfolgern Claude de France und Karl von Österreich (dem 1500 geborenen künftigen Kaiser Karl V.) zu übertragen.319 Kein unbedeutender Akt demnach – selbst wenn er angesichts der spanischen Kriegserfolge in Unteritalien sehr schnell nichtig wurde –, und so ist verständlich, daß dem König sehr an einer Anwesenheit des savoyischen Herrscherpaares in Lyon gelegen war, doch dessen Verhältnis zu Ludwig XII. war zu jener Zeit vor allem durch Margarethe von Österreich derart abgekühlt, daß beide die Einladung ablehnten und sich mit der Entsendung einiger savoyischer Adliger begnügten, d.h. den König düpierten.320 Der französische Hof wird den Bartolini nicht zuletzt deswegen ausgewählt haben, weil er und seine Mitgesellschafter immer noch sehr gute Kontakte zum savoyischen Hof besaßen, wenn auch auf persönlicher Ebene weniger zum damaligen Herzogspaar als zu anderen Mitgliedern der Herzogsfamilie. Wir hatten bereits die Tätigkeit Lorenzo Spinellis als Bankier des Prinzen Karl von Savoyen angesprochen, dem er beispielsweise im März 1502 einen Kredit des ebenfalls in Lyon wirkenden Florentiner Bankiers René Dei vermittelt hatte und für den er die Schuld am 11. und 12. April 1503 beglich.321 Dies erfolgte also kurze Zeit nach der Zusammenkunft zwischen König Ludwig XII. und Erzherzog Philipp von Österreich. Erzherzog Philipp, der eigentlich innerhalb von fünf Wochen nach Vertragsunterzeichnung die Ratifikation in Spanien erzielt haben wollte, war am Montag, dem 10. April, zunächst nach Savoyen zu seiner Schwester Margarethe und zu seinem Schwager gegangen, wo er sich, nicht zuletzt aufgrund einer schweren fiebrigen Erkrankung, noch einige Wochen aufhielt; König Ludwig XII. aber blieb mit seinem Hof bis Mitte Juli 1503 in Lyon.322 An der Rückzahlung in Lyon war erstaunlicherweise auch Leonardo Bartolini an der Seite seines früheren Partners Spinelli beteiligt; beide regelten die Rückführung des für den Kredit gegebenen Pfandes (Seidenballen) an Karls Mutter Claude de Brosse und die Entlohnung der Lyoner Notare Charboniers und maistre Masenot (wohl der oben genannte Luigi Masanotto, der den Kreditvertrag zwischen Leonardo Bartolini und dem Bastard René im Juni 1502 aufgesetzt hatte), welche die Obligationsdokumente abgefaßt hatten. Die geschäftlichen Verbindungen dieses – bald das Herzogtum beherrschenden – Teils der savoyischen Herzogsfamilie zu Bartolini, Rossi und Spinelli blieben eng. Für uns sind sie freilich nur im Spiegel der savoyischen Rechnungsbücher zu erkennen, gleichsam wie 319 Zu den Einzelheiten, insbesondere den differierenden Angaben zum Tag des Vertragsabschlus-

ses, vgl. Courteault, Dossier, S. 182f., Anm. 4; ferner Wiesflecker, Maximilian I., III, S. 263. 320 Vgl. Freymond, Politique, S. 29, Anm. 5. 321 Der gesamte hier beschriebene Vorgang ergibt sich aus den zu entsprechenden Zahlungen ge-

machten Erklärungen im computus des Thesaurars Antonio Brunetti vom 11. und 12.4.1503; vgl. AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 9, fasc. 28 (computus Anthonii Bruneti thesaurarii Karoli ducis Sabaudie, 10.2.1503–9.4.1504), fol. 10v–12r, 41v; vgl. oben S. 689. 322 Vgl. Gachard, Collection I, S. 285–293 (von Ende Mai bis zum 17.6.1503 hielt sich der immer noch kranke Philipp der Schöne nochmals in Lyon auf, um sein Versprechen zu halten, daß er nicht abreisen würde, ohne sich nochmals vom König zu verabschieden); Courteault, Dossier, S. 244f.; Wiesflecker, Maximilian I., III, S. 264.

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durch ein kleines Prisma. Im Mai 1503 schickten Karl von Savoyen und sein Gouverneur Janus de Duyn, Seigneur de la Val d’Isère (meist La Valdisse genannt) – er wird unter Karl als Herzog dessen Grand Escuyer –, Karls Thesaurar Brunetti von Pont-d’Ain nach Lyon, um bei Lorenzo Spinelli Waren einzukaufen.323 In Pont-d’Ain bzw. im dortigen Schloß hielt sich seit Ende April der schwer kranke Erzherzog von Österreich auf, zusammen mit Angehörigen des Hofes, darunter Karl von Savoyen mit seinem eigenen Hof. Am 11. Mai hatte man in Pont-d’Ain die Nachricht vom Tod des Herzogs von Nemours und vieler Franzosen beim Kampf um Neapel erfahren; am 19. Mai begab sich Philipp der Schöne zur endgültigen Verabschiedung nochmals nach Lyon.324 Noch instruktiver ist der Eintrag des Thesaurars zum 25. Juni 1503.325 An jenem Tag mußte er aus der Kasse des Prinzen Karl einen Zinsbetrag von 681 Fiorini p.p. und acht Grossi zahlen (ein Scudo auri di sole war damals ca. 3½ savoyische Fiorini p.p. wert), der aus einem Darlehen über 2.000 Scudi di sole resultierte. Karl hatte diesen Betrag vom Général des finances der Lombardei erhalten, Sébastien Ferrier. Dieser wiederum hatte das Geld in Lyon dem Kaufmann und Bankier Leonardo Bartolini ausgehändigt, der es dann ebendort Brunetti übergab. Der Zweck des Darlehens wurde mit speziellen Bedürfnissen (u. a. Schmuckringen) von Karls Mutter Claude de Brosse angegeben. Nicht die Waren erregen dabei unser Interesse, sondern die Wege des Geldes und die beteiligten Personen, weil sie die künftige Entwicklung mitgestalten. Sébastien Ferrier (auch Ferreri und Ferrero genannt), 1438 geboren, Seigneur von Gaglianico in Savoyen, kannte die Florentiner Bankiers seit langem. Sowohl mit der Lyoner Medici-Bank als auch mit der ihr folgenden Bartolini-(Spinelli-Rossi-)Bank hatte er als Tresorier général de Savoye und als Thesaurar der Herzogin Blanche de Monferrat enge geschäftliche Kontakte gepflegt. Ein bemerkenswertes Kreditgeschäft aus dem Jahr 1494 hatten wir bereits dargestellt, weitere wären zu nennen; die von ihm ausgezahlten Geschenke an Lorenzo Spinelli haben wir angesprochen.326 Ferrier nahm 1496 in Vigevano als Gesandter des savoyischen Herzogs Philippe II (de Bresse) an jenem Treffen mit Maximilian I. teil, zu dem auch Giuliano de’ Medici und einige Sanseverino hinzugezogen worden waren. Bis Ende Dezember 1499 reichte der letzte computus, den Ferrier als Thesaurar für den savoyischen Hof erstellte, darin enthalten zum 10. Dezember die Rückgabe der 62 Scudi, die Bernardo de’ Rossi in savoyischem Auftrag an Ludwigs XII. Sekretär Florimond Robertet gezahlt hatte, sowie die 200 Scudi, die der Herzogshof Lorenzo

323 AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 9, fasc. 28, fol. 14v–15r (Spesenabrechnung am

10.5.1503). 324 Vgl. Gachard, Collection I, S. 287–290. 325 AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 9, fasc. 28, fol. 19v–20r. 326 Vgl. oben S. 41, 44, 689 bzw. AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 147, fol. 270r/v (1494); Reg.

148, fol. 195r/v (Geschenk für Lorenzo Spinelli 1495); Reg. 149, fol. 180v–181r (Kredit über 1.000 Fiorini durch Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti im Februar 1496 an Blanche de Monferrat, Rückzahlung im März 1497 durch Sébastien Ferrier); Reg. 152, fol. 303v (Geschenk für Spinelli 1499). Allgemein zu ihm: F. Salamone, Art. „Ferrero, Sebastiano“, in: DBI 47 (1997), S. 38f.

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Spinelli für diverse Dienste als Geschenk gab, von diesem am 26. Dezember 1499 quittiert.327 Das Datum ist nicht unwichtig, denn am 23. Dezember 1499 hatte Sébastien – schon seit spätestens Mai 1499 Empfänger einer königlichen Pension aus Frankreich – mit Zustimmung des Generalleutnants René von Savoyen sein Amt als savoyischer Generalthesaurar aufgegeben, um in die Dienste König Ludwigs XII. zu treten, der ihm ein herausragendes Amt übertrug. Ferrier wurde im Frühjahr 1500 Général des finances, königlicher Rat und Finanzadministrator im gerade eroberten Herzogtum Mailand, das nicht zuletzt wegen seines enormen Reichtums die Begierde des Franzosen geweckt hatte, und konnte seine überragenden Kompetenzen bald auch auf die französisch beherrschten Territorien von Asti und Genua ausdehnen.328 Wir hatten ihn in dieser Position bereits bei unseren Ausführungen über die Mailänder Filiale der Lyoner Bartolini-Bank gut kennengelernt; er wird maßgeblich für deren Etablierung eingetreten sein, um ihr in französischem Interesse einen besonderen Rang für seine Finanzverwaltung zu verleihen. Es ist schon erstaunlich, daß Ludwig XII. für jene exponierte und zentrale Position des mailändischen Finanzgenerals keinen seiner eigenen erfahrenen Finanzverwalter ausgewählt hatte. Die Ursache dürfte in den politisch-sozialen Bindungen Ferriers gelegen haben: Er gehörte dem Netzwerk der Freunde und Vertrauten des allmächtigen Kardinals Georges d’Amboise an; und er visualisierte diese Verflechtung, indem er in seinem Schloß Gaglianico ein Fresko malen ließ, auf welchem Gaillon, das Sommer- und Prestigeschloß des Kardinals, zu sehen war!329 Unsere Beobachtung eines relativ homogenen Netzwerkes wird demnach bestätigt und vertieft. In diesem warmen Wasser vielfältig verbundener Freundschaften zwischen einem Georges d’Amboise und Federico Sanseverino (der wiederum als Ehren-Terracottastatue in Gaillon neben dem König zu betrachten war) gedieh nicht nur die zwischen dem Sanseverino und den Bartolini, sondern auch deren Freundschaft und Geschäftsbeziehung mit Sébastien Ferrier. Trotz seines Wechsels in höchste französische Dienste ließ Sébastien Ferrier seine Bindungen nach Savoyen nicht erlöschen. Er behielt seinen Titel als herzoglicher Rat und Kammerherr und bekam dafür vom savoyischen Herzog eine Pension von mehreren Tausend savoyischen Fiori-

327 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 152 (1.10.1498–31.10.1500, für Blanche de Monferrat; die

angesprochenen Zahlungen auf fol. 197v/198r und fol. 303v [Anweisung des Geschenks für Spinelli am 6.11.1499, Quittung vom 26.12.1499]). Der computus wurde am Ende des Bandes für die zehn Monate des Jahres 1500 vom Vizethesaurar fortgesetzt. Ferreri hatte nach dem Abschluß seines computus den bereits thematisierten, die Medici-Bank betreffenden computus specialis ad causam decime papalis eingefügt. Blanche de Monferrat hatte für ihren eigenen Hof noch einen gesonderten Thesaurar, dies war z. B. für die Jahre 1496–1502 Sébastiens Sohn Geoffroy (Joffredus) Ferrier; vgl. Inv. 39, fol. 9, mazzo 5, fasc. 19. Zur Dynastie der tesorieri Ferrero vgl. auch Barbero/Castelnuovo, Governare, S. 505. 328 Vgl. Pélissier, Documents pour l’histoire (1891), S. 83; zu Ferrier in diesem Amt auch Caviglia, Seyssel, S. 87, Anm. 6, S. 208f., 228f. u.ö.; F. Salamone, Art. „Ferrero, Sebastiano“, in: DBI 47 (1997), S. 38; sowie jüngst Arcangeli, Esperimenti, S. 265, 293–295, 310; Hamon, Aspects, S. 111. 329 Vgl. Chastel/Rosci, Un château; Hamon, Aspects, S. 111f.; Arcangeli, Esperimenti, S. 294.

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ni.330 Auf der anderen Seite half er dem Herzog – der vom französischen König eine stattliche, aus den Einnahmen des Herzogtums Mailand stammende Pension von 20.000 Pfund Tournosen bezog – beispielsweise durch beträchtliche Kredite, so im Oktober 1505 mit 10.000 Fiorini p.p. (ca. 2.860 Dukaten), mit welchen dieser seine Beamten bezahlte und auch Schulden beglich, die er etwa bei Leonardo Bartolini hatte.331 Bleiben wir bei den Beziehungen der Lyoner Bartolini-Rossi-Bank zu Savoyen, um ihr weiteres Geschäftsfeld zu analysieren, soweit es das Medici-Netzwerk betrifft. Wir hatten bereits den Postdienst angesprochen, den diese Bank seit 1501 bzw. 1504 für den Herzogshof organisierte. Dieser Service bildete freilich nicht das geschäftliche Standbein der Lyoner Bartolini-Rossi- bzw. ab 1503 der Bartolini-Bank, die zudem natürlich nicht nur und auch nicht in erster Linie mit Savoyen Geschäfte machten. Er ist vielmehr als ein Gefälligkeitsdienst anzusehen, mit welchem die Gesellschaften die bestehenden Verbindungen und das erworbene Vertrauen festigten. Gewinn machte man mit Kredit- und Warengeschäften. Exemplarisch seien einige besonders anschauliche und über die eigentliche Sache hinaus auch instruktive Fälle vorgestellt. Am 5. Juli 1505 gab Herzog Karl III., noch kein Jahr an der Regierung, aber mit unseren Florentinern seit längerem bestens bekannt, seinem tres cher et bon amy – eine durchaus nicht gewöhnliche Anrede! – Leonardo Bartolini mittels eines in Annecy (südlich von Genf) geschriebenen Missivbriefes den Auftrag, seinem Rat und Kammerherrn Heustace du Breul, Seigneur de Fossat, den Betrag von 100 Scudi di sole zu geben, damit dieser davon gute Seidentuche kaufen könne – ob für sich oder für den Herzog, bleibt unklar.332 In der abschriftlich erhaltenen Quittung des Heustace erklärt dieser nun, das Geld am 21. Juli 1505 von Leonardo Bartolini im Auftrag und Namen des Herzogs erhalten zu haben, aber nicht in Savoyen oder Lyon, sondern erstaunlicherweise in Tours. Da Prokuratoren in der Regel namentlich genannt werden, hatte Bartolini dem savoyischen Kammerherrn die Summe also persönlich in Tours ausgehändigt, wo er sich aus anderen Gründen aufgehalten haben muß. (Für eine bloße Geldauszahlung hätte er sich eines Angestellten oder Wechselbriefes bedient.) Am 21. Oktober 1505 erfolgte dann die Anweisung des Herzogs zur Rückzahlung der 100 330 Vgl. etwa AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 7, fasc. 23 (Pensionen für herzogliche

Beamte für 1502); Inv. 16, Reg. 160, fol. 190v–191r (z. B. hier Zahlung von 6.000 und 4.000 Fiorini zwischen 1504 und 1507 belegt). 331 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 159, fol. 303v–304v (es handelte sich um 85 Scudi di sole bzw. 311 savoyische Fiorini, die Bartolini im Auftrag Herzog Karls III. an den savoyischen Thesaurar Antonio di Plastro bezahlt hatte). Zur Pension des Herzogs, die in den Quellen mit 20.000 Pfund bzw. 10.000 Dukaten angegeben wird und wie bereits erwähnt durch Henrisse Rousseau als receveur de la pension du Roy de France pour le duc de Savoye eingezogen wurde, vgl. etwa AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 7, fasc. 26, p. 6; Calligari, Carlo di Savoia, S. 662–665, Nr. 23 (zu einem kurzfristigen Protest Karls III. gegenüber Ludwig XII. wegen der Pension und zur – nicht beibehaltenen – Zession derselben durch den Herzog an seinen Bruder Filippo, erwählten Bischof von Genf, 4.5.1507); Freymond, Politique, S. 31 (schon im November 1507 hatte Ludwig XII. dem Herzog mit großem Entgegenkommen den freien Verkehr der savoyischen Gold- und Silbermünzen im Königreich Frankreich gestattet, was die Wirtschaftsverbindungen zwischen den beiden Ländern erheblich erleichterte). 332 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 159, fol. 161r–162r.

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Scudi durch den Thesaurar. Hierfür aber sandte Leonardo Bartolini einen Prokurator, einen negociorum gestor. Dieser hieß Pierfilippo Bartolini und nahm das Geld am 20. Juni 1506 in Empfang. Halten wir fest: Leonardo di Bartolomeo Bartolini wird 1505 als ein besonders werter und guter Freund des Herzogs von Savoyen bezeichnet, für den er auch als Bankier wirkte. Er bzw. seine Gesellschaft operierte zu jener Zeit zudem bereits in ganz Frankreich. Als Mitarbeiter der Gesellschaft zog er, nicht zuletzt aufgrund des weiten Tätigkeitsfeldes, auch Verwandte heran. Leonardo (di Bartolomeo di Leonardo di Bartolomeo) und Pierfilippo (Sohn des Bernardo di Niccolò di Bartolomeo Bartolini und seiner Frau Ginevra di Piero Vespucci) hatten einen gemeinsamen Urgroßvater, Bartolomeo di Leonardo di Bartolino. Pierfilippo war freilich nicht der einzige Familienangehörige, den Leonardo in die Gesellschaft einband. Ein weiterer war Piero di Marco di Leonardo, der also den gleichen Großvater wie Leonardo hatte. Piero Bartolini begegnet nun in derselben Funktion und fast zur gleichen Zeit wie Pierfilippo, nämlich als Prokurator Leonardos, um sich ebenfalls für diesen eine dem Herzog geliehene Summe auszahlen zu lassen. Am 18. November 1505 erhielt er vom herzoglichen Generalthesaurar Stefano Capris in Turin 85 Scudi di sole, die Leonardo Bartolini im Auftrag des Herzogs zusammen mit dem hohen Betrag von 6.000 Fiorini p.p. im Februar und April 1505 Antonio di Plastro gegeben hatte, dem damaligen, mittlerweile verstorbenen Thesaurar der Bogenschützen und adligen Familiaren (nobiles hospicii) des Herzogs; die Rückzahlung an Piero Bartolini erfolgte im Kontext einer umfangreicheren Schuldenbegleichung, die der Herzog mit dem bereits erwähnten Kredit des Sébastien Ferrier über 10.000 Fiorini p.p. vornehmen konnte.333 Leonardo Bartolinis Kredite bzw. (und wohl zutreffender:) seine Finanzierungen herzoglicher Ausgaben betrafen also unterschiedlichste Materien. 1506 etwa besorgte Leonardo in Rom die Auszahlung von 144½ Golddukaten (bzw. etwas mehr als 541 savoyische Fiorini) für den Herzog bzw. dessen Prokurator, der damit päpstliche Bullen erwarb und weitere nicht präzisierte Angelegenheiten erledigte. Diesen Betrag erhielt Bartolini über seinen Faktor Bartolomeo del Rosso am 30. September 1506 zurück.334 Bei größeren Finanzierungsvolumina gab das herzogliche Schatzamt oft die Quelle für die Rückzahlung an, da die Beschaffung des Bargeldes nicht selten mit einigen Problemen verbunden war. 2.300 Scudi di sole, die Bartolini offenbar als Kredit gegeben hatte, sowie 341 Scudi di sole, die der Herzog für drei von Bartolini gelieferte Partien marchandise, also Kaufmannsware, zu zahlen hatte, wurden am 1. Januar 1506 aus der Summe von jenen 20.000 Pfund Tournosen bezahlt, die Karl III. vom König als jährliche Pension erhielt.335 Im 333 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 159, fol. 245v–246r, 303v–304v. Bereits im ersten Eintrag

wird für den 1.7.1505 eine Rückzahlung der 85 Scudi an Leonardo Bartolini persönlich registriert, im zweiten für den 18.11.1505 nochmals und nun an Piero Bartolini, jeweils aufgrund der früheren Zahlung an Antonio Plastro und im Zusammenhang mit einer höheren Summe. Offenbar ist erst zum zweiten Datum eine effektive Rückzahlung erfolgt. 334 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 159, fol. 246v–247v (der Faktor Bartolinis wurde als Bartolomeo du Ros bezeichnet). 335 AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 7, fasc. 24, p. 6.

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November 1506 verpflichtete sich Herzog Karl von Savoyen zur Rückzahlung eines Darlehens über 1.600 Scudi di sole, das ihm Leonardo Bartolini mittels Bartolomeo del Rosso gewährt hatte. Weitere 300 Scudi sollte Bartolini für seine Unkosten und Dienste erhalten, aber auch deswegen, weil die Rückzahlung der 1.600 Scudi nicht vor dem Michaels-Tag 1508 möglich sei. Seinen Thesaurar wies der Herzog an, die 1.900 Scudi aus den Einnahmen der zum Dominium des Herzogs gehörenden Grafschaft Nizza zu entnehmen.336 Wenn es wie 1507 um einen Kredit ging, mit dem Herzog Karl seine Schulden bei einem hochrangigen Verwandten wie dem Marquis de Rothelin (Ludwig von OrléansLongueville, meist Louis de Longueville genannt) bezahlen wollte, scheute der Herzog keinen Aufwand, um die Zusage Leonardo Bartolinis zu erhalten.337 Am 22. Januar 1507 ließ Karl III. seinen Briefkurier Domeynne Baroyl entlohnen, der sich mit Briefen des Herzogs wegen des Geldes für Rothelin bis nach Mailand begeben sollte, um dort Leonardo Bartolini aufzusuchen.338 Am 4. Februar wurde ein weiterer Kurier bezahlt, der ebenfalls nach Mailand reiten und von dort rückkehrend schnell mit Karls Briefen zu Leonardo Bartolini weiterreiten sollte, welcher Mailand demnach bereits wieder verlassen hatte, wie man am herzoglichen Hof offenbar genauestens wußte, da Bezahlung und Aufträge der Kuriere vor deren Abreise registriert wurden.339 Bevor der Kurier Bartolini aufsuchte, sollte er also eine bestimmte Sache in Mailand klären. Schon am 5. Februar 1507 besoldete der Thesaurar erneut einen Boten, den er nun von Chambéry nach Lyon schickte, um die Diener (bzw. Mitarbeiter) Leonardo Bartolinis aufzusuchen.340 Der Herzog benötigte 336 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 160, fol. 231v–232v; sowie AST, Sede P. Castello, Corte,

Materie politiche per rapporto all’interno, Real Casa, Protocolli dei notai della corona, mazzo 142. Als Gewinn verbuchte die Bartolini-Bank ihrerseits zum 15.11.1506 jene 300 Scudi di sole, welche man vom Herzog als ricompensa für mehrere Kredite an ihn erhalten habe; ABS 108, c. 5. 337 Der Titel Ludwigs von Orléans-Longueville als Marquis de Rothelin (Rötteln) geht auf seine Ehe (1504) mit Johanna von Hachberg-Sausenberg zurück, deren Vater, der mit Maria von Savoyen verheiratete, im September 1503 gestorbene Markgraf Philipp (zugleich Graf von Neuenburg/Neuchâtel), die Burg Rötteln besaß und ein langjähriger Anhänger Frankreichs war, deshalb zum Gouverneur und Groß-Seneschall der Provence und Marschall von Burgund ernannt und in Frankreich Hochberg genannt wurde. Zu Philipp von Hachberg bzw. Hochberg als Marquis de Rothelin vgl. auch Courteault, Dossier, S. 219, Anm. 2 (Philipp für Juni 1503 als Marquis de Rothelin benannt; ihm als Gouverneur und Groß-Seneschall der Provence gehörte das in Marseille liegende Schiff Marcquise, das damals für die Lebensmittelversorgung der französischen Truppen im Königreich Neapel eingesetzt wurde). Sein Schwiegersohn Ludwig von Orléans-Longueville, aus einer illegitimen Nebenlinie des Hauses Valois-Orléans, wird beispielsweise für Juni 1507 als marquys de Routhelin bezeugt bei Auton, Chroniques IV, S. 351; vgl. hierzu auch Bruchet, Marguerite d’Autriche, S. 82 (Louis als dem Herzog von Savoyen nahestehend). Wie sein Schwiegervater gehörte Louis de Longueville zur engeren Umgebung des französischen Königs, geriet später in die Gefangenschaft des englischen Königs Heinrich VIII., bei dem er im Sommer 1514 sogar eine Eheverbindung zwischen Ludwig XII. und Maria Tudor aushandelte; Caviglia, Seyssel, S. 213, 315. 338 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 160, fol. 82v. Der Kurier erhielt am 22.1.1507 vom Thesaurar 4 Scudi di sole bzw. 14 savoyische Fiorini, 8 grossi. 339 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 160, fol. 83r. 340 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 160, fol. 83r.

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eine Summe von 20.000 Fiorini p.p. bzw. 5.800 Scudi auri regis di sole, zu der außer dem Bartolini auch Karls Räte und Kammerherrn Janus de Duyn, Herr von Val d’Isère – der uns schon bekannte Vertraute und frühere Gouverneur Karls –, und Sébastien Ferrier, Herr von Gaglianico und französischer Finanzgeneral in Mailand, beitrugen.341 Allein in den savoyischen Rechnungsbüchern ist die persönliche Anwesenheit Bartolinis in Mailand außer für den obigen Fall des Januar 1507 nochmals für den November 1508 bezeugt, als Herzog Karl III. am 8. November einen Boten nach Mailand zu Leonardo Bartolini schickte, um lettres de assecuration für einen Kredit über 8.000 Scudi abzuholen, die dieser für den nächsten Mai versprochen hatte.342 Der gleiche Bote sollte dann am 21. November diese „Versicherungsbriefe“ bzw. Bürgschaftserklärungen Bartolinis und weitere Briefe aus Mailand so schnell wie möglich mit einem Tagundnachtritt zu Karl III. bringen.343 Wenn wenige Tage später, am 1. Dezember 1508, ein anderer Bote den Auftrag erhielt, ein Paket Briefe des Herzogs nach Lyon zur Bartolini-Bank zu bringen, um es von dieser dem Hof des Königs von Frankreich zustellen zu lassen, und wenn am 14. Januar 1509 ein Diener Bartolinis für den Transport von Briefen aus Frankreich zum Herzog bezahlt wurde – zur gleichen Zeit, als der zum savoyischen Offizier aufgestiegene Bernardo de’ Rossi mit den gros chevaulx ins Piemont kommen sollte344 –, werden wir wohl kaum fehlgehen, diese Vorgänge in den Kontext der damals, im Dezember 1508 gebildeten Liga von Cambrai und der savoyischen Teilnahme am Krieg gegen Venedig zu stellen. Leonardo selbst aber war zu dieser Zeit schon auf dem Weg nach Rom, wo er im Januar 1509 für Agostino Chigi als Schiedsmann wirkte (wegen der Unregelmäßigkeiten bei den Londoner Alaunkonten Chigis) und mit Federico Sanseverino gerade wegen des politischen Kontextes eine neue Dimension der Benefizienpacht eröffnen wird. Bemerkenswert ist bei diesen Vorgängen die Konzentration auf Leonardo Bartolini, dessen Anwesenheit im französisch besetzten Mailand, seine offenkundige Kooperation mit Sébastien Ferrier, dem Général des finances König Ludwigs XII. im Herzogtum Mailand, sowie die Tatsache, daß dieser weiterhin dem Hof des Herzogs von Savoyen angehörende Schatzmeister dem Herzog mit Krediten half. Da in den Abrechnungen der savoyischen Schatzmeister so gut wie kein anderer Bankier als der Bartolini oder die ihm verbundenen Florentiner in Lyon genannt werden, konnte der tres cher et bon amy des Herzogs eine privilegierte Position am Hof erwerben, dessen Abhängigkeit vom Bargeld Bartolinis evident ist. Man glaube nicht, diese historischen Momentaufnahmen seien unbedeutende Details für Finanzprobleme irgendeines Herzogs. Wir können nur nach und nach die größeren Dimensionen aufzeigen, innerhalb derer sich diese Ereignisse abspielten, sicherlich nicht alle, aber doch einige, genug jedenfalls, um das Niveau auch dieser 341 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 178r/v. Jacobus Lexone, castellanus Gallianici,

hatte dann mit Spesen von 300 savoyischen Fiorini dem Marquis de Rothelin die 20.000 Fiorini p.p. überreicht, die der Herzog seinem entfernten Verwandten schuldete. 342 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 265v. 343 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 265v. 344 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 266r, 267r; zu Bernardo de’ Rossi als scutifer des Herzogs von Savoyen im folgenden Kapitel.

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Kreditvergaben über einen partikularen Bedeutungshorizont zu heben. Denn mit den personalen Verdichtungen wachsen auch die sachlich-strukturellen, wie sich am Einfluß der Familie Ferrier zeigt. Sébastien Ferriers 1474 zweitgeborener Sohn Geoffroy heiratete in erster Ehe Maddalena di Amerigo Sanseverino und wechselte aus savoyischen Schatzmeisterdiensten in französische, als er nach 1503 an der Seite seines Vaters Präsident der königlichen Einnahmen in Mailand wurde und diesem dann sogar als Général des finances in das höchste Amt der französisch-mailändischen Finanzverwaltung folgte.345 Ein vermutlich mit ihm verwandter Constantius Ferrerii war 1499 von Ludwig XII. als Sekretär der Mailänder Kanzlei eingesetzt worden. Gut ein Jahr älter als Geoffroy war Sébastiens Sohn Jean Etienne (Giovanni Stefano), der in den geistlichen Stand trat und als Bischof von Vercelli unter Alexander VI. im September 1500 (in pectore, Juni 1502 offiziell) zum Kardinal erhoben wurde, 1502 dann Erzbischof von Bologna wurde.346 Er gehörte mit Georges d’Amboise, Amanieu d’Albret und anderen zu jenen profranzösischen Kardinälen, die sich im Sommer 1502 in Mailand aufhielten, als Ludwig XII. dort persönlich nach dem Rechten sah. Ende Juli 1502 stieß dann auch Federico Sanseverino zusammen mit Kardinal Giambattista Orsini zu diesem Kreis, um vor allem in eigenen Angelegenheiten bei seinem französischen Herrn und seinen Freunden zu wirken.347 Im Januar 1504 schließlich, als die Franzosen nach der schmachvollen und endgültigen Niederlage am Garigliano die Rückkehr aus dem Königreich Neapel antreten müssen, da sind es Federico Sanseverino, Amanieu d’Albret und auch Jean Etienne Ferrier, die in Rom für die französische Krone ihre Soldaten betreuen, z. B. deren Einschiffung nach Frankreich organisieren.348 Vom Bankier der Medici zum Offizier Savoyens: Bernardo de’ Rossi Wie aber kam es eigentlich dazu, daß Leonardo Bartolinis einstiger Partner, der in Savoyen so heimische Bernardo di Giovanni de’ Rossi, seit 1508 offenkundig nicht persönlich, sondern nur namentlich in jener Gesellschaft wirkte, die seinen Namen und den des Francesco Fraschi trug und die z. B. Wechselgeschäfte durchführte, für die Cosimo Sassetti verantwortlich zeichnete? Bernardo hatte augenscheinlich den ungewöhnlichsten Lebensweg all unserer Mediceer eingeschlagen. Ohne die besonderen Anforderungen des Medi345 Vgl. P. Cascioli, Art. „Ferrero, Filiberto“, in: DBI 47 (1997), S. 8–10, hier S. 8; F. Salamone,

Art. „Ferrero, Sebastiano“, in: DBI 47 (1997), S. 38f.; Barbero/Castelnuovo, Governare, S. 505; vgl. ferner Pélissier, Documents pour l’histoire (1891), S. 247f. 346 Zu Constantius Ferrier vgl. Pélissier, Documents pour l’histoire (1891), S. 26; zu Jean Etienne vgl. F. Salamone, Art. „Ferrero, Sebastiano“, in: DBI 47 (1997), S. 38f.; Eubel, Hierarchia III, S. 136, Anm. 3 zu „Bononien.“, mit dem Quellenvermerk, daß Jean Etienne maioris thesaurarii regis Franciae filius sei, womit freilich seines Vaters Position als Général des finances des Königs in Mailand gemeint war; zu seiner profranzösischen Ausrichtung vgl. Frati, Spedizioni, S. 81. 347 S.o. S. 596. Auch Sébastiens Sohn Antoine wird für Frankreich wirken, als Offizier, der dann bei der berühmten, noch zu thematisierenden Schlacht von Ravenna für Frankreich sterben wird; vgl. Barbero/Castelnuovo, Governare, S. 505. 348 S.o. S. 601.

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ci-Exils wäre er wohl kaum zu einem führenden Mitarbeiter der Medici-Bank geworden, ohne die damit verbundenen Wirkungsfelder hätte er vermutlich aber auch keine Tätigkeiten außerhalb dieser Bankenwelt aufgenommen. Durch die Exilswirklichkeit seiner Patrone konnte er sich in höchst unterschiedlichen Aufgaben bewähren, ohne dabei je den Bezug zu seinem sozialen Zentrum zu verlieren. Bernardino, wie er meist genannt wurde – das ist für Identifikationen nicht unwichtig –, hatte von Lyon aus immer wieder gezielt Finanz- und Warengeschäfte in Savoyen betrieben, wo er jedoch auch wiederholt persönlich erschien und großes Vertrauen gewann. Daher konnte er es auch wagen, am 5. Oktober 1501 in Florenz zwölf savoyische Schuldtitel von Lorenzo Spinelli zu kaufen und sich bei der Auflösung der Bartolini-Rossi-Gesellschaft im Dezember 1502 zu verpflichten, eine Schuld von 7.000 Scudi beim Herzog von Savoyen einzutreiben. Doch eine Stabilität des Aufenthaltsortes durfte er in jenen Monaten nicht erwarten; dieser wechselte beständig zwischen Lyon und Florenz. Hier ist Bernardo de’ Rossi am 14. Mai 1502 nachzuweisen, als er im Auftrag von Cosimo Sassetti dessen Schuld über 50 Fiorini bei Giuliano da Gagliano beglich.349 Dem Sassetti scheint Bernardo damals unmittelbar zugeordnet gewesen zu sein; jener scheint seine jeweilige Wirkungsstätte bestimmt zu haben. Kein Jahr später, am 4. April 1503, ist er wieder in Lyon bezeugt, wo er für Cosimo Sassetti bzw. für dessen Konto einen durch Giuliano da Gagliano über die Lyoner Buonvisi-Bank remittierten Wechselbrief in Höhe von 100 Fiorini o.o.l. anzunehmen hatte.350 Aber bereits zum Ende jenes Jahres hielt er sich erneut in Florenz auf, wo man ihn mit neuen Aufgaben betreute, im Zuge derer er auch einem besonderen Medici-Feind dienlich zu sein hatte. Bernardo de’ Rossi übernahm es, sowohl am 27. November als auch am 6. Dezember 1503 Briefe der Florentiner Dieci di Balìa aus Florenz zu Niccolò Machiavelli mitzunehmen. Machiavelli befand sich seit dem Oktober mit einem diplomatischen Auftrag an der römischen Kurie, von wo er des öfteren – da er niemand anderen fand und keinen anderslautenden Auftrag besaß – ausgerechnet über die Post des ihm sicherlich als Mediceer bekannten Giovanni Pandolfini an die Dieci berichten mußte. Die Dieci informierten Machiavelli am 28. November, daß man ihm ‚durch die Hand des Bernardino de’ Rossi‘ in der vergangenen Nacht geschrieben habe, und am 8. Dezember, daß er per Bernardino de’ Rossi einen Brief erhalten werde, der vorgestern abend verfaßt worden und kurz sei, da man nur wenig Zeit gehabt habe.351 Bernardino de’ Rossi bewegte sich somit nicht nur in Florenz, sondern auch in Rom. Weil die Dieci von seinen Ritten dorthin wußten, gaben sie ihm – wie man solches aus pragmatischen Gründen zu tun pflegte – bei diesen zwei Gelegenheiten einen Brief an ihren Gesandten in Rom mit. Was aber hatte Bernardino de’ Rossi dort zu erledigen? Zumindest Ende November, Anfang Dezember 1503 konnte er sich nur wenige Tage in Rom aufgehalten haben, da er ja bereits am 6. Dezember wieder-

349 ASP IV/8, c. 80r. 350 ASP IV/5, c. 79/LXXVIIII; IV/6, c. 105v. 351 Vgl. Machiavelli, Legazioni III, S. 204f., 233 (obwohl die jeweilige Formulierung es nahelegen

könnte, war Rossi nicht der Schreiber, sondern der Überbringer jener zwei Briefe); zur Benutzung der Kuriere von Giovanni Pandolfini durch Machiavelli ebd. passim.

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um in Florenz war, von wo er aber sogleich in die Tiberstadt zurückkehrte. Dort hatte am 26. November die Krönung des neuen Papstes, am 6. Dezember der feierliche possesso von Julius II. stattgefunden, mit welchem er seine Bischofskirche San Giovanni in Laterano in Besitz nahm.352 Piero de’ Medici kämpfte in jenen Tagen mit dem französischen Heer verzweifelte Schlachten gegen die Spanier am Garigliano. Rossi aber wird in Florenz außer Cosimo Sassetti sicherlich auch seinen alten Vorgesetzten Giovanbattista Bracci in der Lanfredini-Bank aufgesucht haben; in Rom wird er zweifellos mit Giovanni de’ Medici und den dortigen Mediceern in Verbindung getreten sein. Seine kurz aufeinander folgenden Ritte zwischen Florenz und Rom lassen einen besonderen Auftrag vermuten. Mit Blick auf seine Position im Medici-Kreis und seine Erfahrungen in Frankreich erscheint es uns nicht ausgeschlossen, daß Bernardino de’ Rossi mit seinen Patronen den abermaligen Aufenthalt des vom Konklave nach Frankreich zurückreisenden Kardinals Georges d’Amboise im Florentiner Tornabuoni-Palast vorbereitete, der am 18. Dezember 1503 erfolgte und an dem die Prokuratoren des Tornabuoni-Erbes, also Bracci und seine Freunde und Partner, gewiß organisatorisch stärker beteiligt waren als der sechzehnjährige Gastgeber Giovanni di Lorenzo Tornabuoni.353 Es ist eher unwahrscheinlich, daß Bernardo de’ Rossi sich im Dezember 1503 dem Gefolge des Kardinals Georges d’Amboise anschloß, zu dem neben Galeazzo Sanseverino allerdings auch der in französischen Diensten stehende Savoyer Claude de Seyssel gehörte, der zu den guten Bekannten der Lyoner und Mailänder Bartolini-Bank zählte und, wie gesehen, im Januar 1504 in Lyon 2.000 Scudi vom Bartolini bzw. Alessandro Ferreri in Empfang nehmen wird. Über Rossi gibt es in den folgenden Jahren kaum Notizen. 1506 wird er mit weiteren Erben seines Vaters Giovanni de’ Rossi in Verbindung zu Bernardo und anderen Söhnen bzw. Erben des 1494 als Mediceer hingerichteten Antonio di Bernardo di Miniato Dini (Miniati) genannt, da beide Seiten über Giovanni Bartolini Geld von der Florentiner Bartolini-Bank erhielten. Vermutlich resultierte dieser Betrag auch aus den Wechselgeschäften, welche die Mediceer-Bankiers im Namen des verstorbenen Antonio geführt hatten, als dessen Erbverwalter bekanntlich Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini fungierten.354 In der 1508 errichteten Rossi-Fraschi-Gesellschaft scheint Francesco Fraschi meistens die Geschäfte für Rossi geführt zu haben. So vertrat er beispielsweise am 22. Januar 1512 in Lyon den abwesenden Bernardo de’ Rossi, als die zu einer Nation zusammengeschlossenen Florentiner Kaufleute in Lyon unter Führung ihres Konsuls Francesco Naldini – der sich als Leiter und Teilhaber der Lyoner Salviati-Gesellschaft nun endgültig vom Stigma des Verbannten befreit hatte – eine Versammlung abhielten.355 Bernardino de’ Rossi war somit immer noch Mitglied der Nation der Florentiner Kaufleute in Lyon, doch der Grund für die Delegierung seiner kaufmännischen Tätigkeiten auf seinen „Partner“ Fraschi war sein Wechsel in den Dienst des Herzogs von Savoyen, durch 352 Zu den Daten vgl. Eubel, Hierarchia III, S. 9, Anm. 2. 353 S.o. S. 591f. 354 ABS 210bis, c. 8; s.o. S. 240f., 652f., 668. 355 BAV, Reg. lat. 1914, fol. 36v. Die Bartolini sind damals von Zanobi Ginori vertreten worden.

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welchen seine kaufmännische Schattenexistenz für Cosimo Sassetti freilich nicht hinfällig wurde. Als die Florentiner Signoria am 9. September 1505 Bernardo de’ Rossi beauftragte, für sie vor Herzog Karl III. von Savoyen eine seit längerem strittige Schadenssache zu regeln, dürfte sie sich auf eine bereits vorhandene Dienststellung Rossis beim Herzog gestützt haben.356 Denn so, wie man mit solchen Aufgaben etwa auf dem Heimweg befindliche Gesandte betraute, so nutzte die Stadt hier die Nähe ihres Bürgers zu dem Herzog. Natürlich hätte sich Bernardino auch aus geschäftlichen Gründen an dessen Hof aufgehalten haben können, doch bereits zum Juni 1506 liegt ein erstes Zeugnis für seine neue Funktion vor. Vom Thesaurar des savoyischen Herzogs erhielt er am 13. Juni drei Scudi di sole, die er dem palafrenier des Bischofs von St-Jean-de-Maurienne für ein Maultier geben sollte, das für den Herzog bestimmt war.357 Der Auftrag indiziert sein neues Amt als ein escuyer Herzog Karls III. von Savoyen, der es ihm angetragen haben mußte, weil er ihn bestens kannte und offenkundig auch von einer besonderen Affinität des Florentiner Bankiers zu Pferden wußte und diese schätzte – wir hatten Rossi ja auch deshalb mit dem für Piero de’ Medici tätig gewesenen cavallaro Bernardino identifiziert. Bernardino de’ Rossi gehörte nun zum kleinen Kreis jener meist von savoyischen Adligen gestellten herzoglichen Stallmeister, die im Rang höherer Offiziere für die Pferde und Stallungen des Herzogs zuständig waren und denen natürlich im militärischen Bereich hohe Verantwortung zukam. Galeazzo Sanseverino konnte zu dieser Zeit am benachbarten französischen Hof sogar den Rang eines Grand escuyer erwerben, zählte also zu den höchsten Offizieren des Königs. Diese Position hatte am savoyischen Herzogshof Janus de Duyn inne, doch stieg Bernardo de’ Rossi nach Ausweis der herzoglichen Rechnungsbücher zum wichtigsten, zumindest meist genannten escuyer des Herzogs auf. In denen des Thesaurars werden nun explizit seit Juni 1508 sehr häufig Ausgaben notiert, die mit den unterschiedlichsten Aufgaben Rossis als escuyer zusammenhingen, etwa Geld für den Ankauf, die Vorführung oder den Transport von Pferden, für den Kauf verschiedener Ausstattungsgegenstände für die unter seiner Verantwortung stehenden Pferde und Pagen; ja selbst die Kosten wurden verzeichnet, die der herzogliche Schuhmacher Johannes von Burgund hatte, um Rossi ein Paar Schuhe herzustellen.358 Bemerkenswert erscheint, daß Bernardino de’ Rossi als savoyischer Offizier weiterhin enge Kontakte nach Florenz und zu seiner Finanzwelt pflegte. So sandte Herzog Karl III. seinen Postkurier Jean Marron, den Postmann von Montcellier (Moncalieri bei Turin?), im Dezember 1507 eigens nach Florenz zu messire Bernardin de Rossy.359 Dieser kurze 356 Zur Streitsache vgl. Lupi, Relazioni, S. 295, Nr. 283–285, 287 (der herzogliche Untertan Ruf-

fino Belmundi da Villafranca hatte die Florentiner angeklagt, für seine Warenverluste im Hafen von Viareggio verantwortlich zu sein). 357 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 159, fol. 192v. 358 Statt vieler Einzelnachweise einige exemplarische Belege: AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 176v, 336v; Reg. 162, fol. 230r, 269r, 325r, 338v–339r; Reg. 163, fol. 54v–65r; Reg. 165, fol. 67r–68r, 174r–176r, 188v–189r; Reg. 166, fol. 19r–25v. 359 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 330r.

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Florentiner Aufenthalt könnte mit Geldgeschäften verbunden gewesen sein, denn im Februar 1508 ist Rossi bereits wieder in Mont Denys (am Paß von Mont Cenis?) bezeugt, als der Herzog einen Diener seines Kanzlers zu ihm sandte, um eine Quittung über (die Rückzahlung?) von 6.000 Fiorini in Empfang zu nehmen.360 Möglicherweise hing dies mit einem Kredit zusammen, den Bernardos ehemaliger Partner Leonardo Bartolini dem Herzog im Dezember 1507 geben sollte.361 Im Mai 1508 schickte Karl III. messire Bernardin des seigneurs de’ Rossie – wie er im Rechnungsbuch tituliert wurde – jedenfalls persönlich nach Lyon.362 Aufträge für den Herzog liegen als ein möglicher Grund für solche Reisen nahe. Im Juni 1508 lieferte Bartolini über einen Diener Seidentuche an den Herzog, der Bartolinis Diener am 23. Juni das Geld für die Lieferung auszahlen ließ, während Bernardino de’ Rossi einen Tag vorher seine Auslagen für die Mützen oder Kappen der Pagen erstattet bekam und für ähnliche Käufe am 3. Juli einen Fiorin vom Thesaurar erhielt.363 Gut zwei Monate später kaufte Giuliano da Gagliano am 24. August 1508 in Florenz für fast 24 Fiorini d’oro in oro larghi (als Gegenwert von 25 Scudi di sole) ein Pferd, einen Fuchs aus französischer Zucht, mitsamt Sattel und sonstiger Ausrüstung von Luigi, dem Diener des Bernardo de’ Rossi, und zahlt den Betrag in bar an Zanobi di Tommaso Ginori (der später als Mitarbeiter der Lyoner Bartolini-Bank bezeugt ist).364 (Gute Freunde konnte der escuyer demnach auch mit besonderen Pferden versorgen.) Und drei Monate später wurden unter Rossis Namen, aber wiederum wahrscheinlich durch Cosimo Sassetti, in Florenz Wechselbriefe über die Lanfredini-Bank auf die Lyoner Bartolini-Bank gezogen, die etwa zum 24. November 1508 780 Scudi an die SalviatiGesellschaft auszahlen sollte.365 Als escuyer – oder scutifer, wie der gleicherweise gebrauchte lateinische Begriff lautete – des Herzogs von Savoyen hatte sich Bernardo de’ Rossi natürlich auch an dessen militärischen Aktionen zu beteiligen. In diesem Kontext wird Bernardino nun ausdrücklich als escuyer bezeichnet. Karl III. war der im Dezember 1508 zunächst zwischen dem Kaiser und König Ludwig XII. geschlossenen Liga von Cambrai beigetreten, der sich im März 1509 auch der Papst anschloß, um den Venezianern Teile ihrer Gebietserwerbungen abzunehmen.366 Im März und April 1509 nahmen die Kriegsvorbereitungen der Franzosen sehr konkrete Formen an, die schon Mitte Mai 1509 in dem berühmten Sieg Frankreichs über Venedig in der Schlacht bei Agnadello mündeten. Ein erster Reflex auf die Kriegsvorbereitungen könnte in der Mitte Januar 1509 gegebenen Anweisung des Herzogs an messire Bernardin de’ Rossie zu sehen sein, mit den großen, sicherlich für Panzerreiter

360 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 331v. 361 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 330r. 362 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 175r. 363 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 176v, 336r. 364 ASP IV/5, c. 19 (Giuliano da Gagliano erwarb un cavallo baio colore di castagna basso franze-

se; sein Konto bei der Bank von Luca da Panzano belastete er damit zum 20.9.1508). 365 ASP I/437, c. 57; ABS 199, c. LXXXIIII. 366 Vgl. etwa Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 754f.; Shaw, Julius II, S. 209–243.

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gedachten Pferden über die Alpen ins Piemont zu kommen.367 Im April hatte monsigneur de’ Rossie messire Bernardin l’escuyer Ösen oder Schnallen (boucles) für die Pferde zu kaufen und dem Herzog ein besonderes Pferd vorzustellen.368 Am 16. Mai 1509 schließlich gab der herzogliche Thesaurar einem Turiner Händler Geld für zwei Ellen schwarzen Velours, den Bernardo de’ Rossi für die Prunkdecken des Maultieres und des Pferdes des Herzogs erhalten hatte, damit dieser bei der Ankunft des Königs angemessen auftreten konnte.369 Augenscheinlich galt es für den Herzog, dem Sieger von Agnadello in Mailand Reverenz zu erweisen – wie er es schon nach Ludwigs XII. Triumph über Genua 1507 gemacht hatte.370 Für den Juli, Oktober und Dezember 1511 sind wiederum herzogliche Zahlungsanweisungen vorhanden, mit denen Karl III. seinem escuyer Bernardino de’ Rossi Pferdekäufe und deren Transport (zum Teil von Genf) nach Chambéry und Turin bezahlte, während er ihm im Februar 1512 den Lohn für den umgekehrten Weg von Chambéry nach Genf, wohin der Herzog sich begeben hatte, erstatten ließ.371 (Und im Januar 1512 hatte Francesco Fraschi als Stellvertreter für den abwesenden Rossi an der Versammlung der Florentiner Nation in Lyon teilgenommen!) Am 12. April 1512, unmittelbar nach der Schlacht von Ravenna, beauftragte die Florentiner Signoria ihren Bürger Bernardo de’ Rossi erneut, bei Herzog Karl von Savoyen wegen eines Streites zu verhandeln bzw. zu schlichten, den Francesco Pitti mit dem Herzog hatte. Die auf Rossi bzw. seinen Einfluß beim Herzog gesetzten Hoffnungen erfüllten sich. Am 23. Mai 1512 informierte Karl III. die Signoria, er habe nach Gesprächen mit Bernardino de’ Rossi den Streit mit Pitti beendet.372 Kurz darauf, im Juni 1512 – als die Franzosen sich mit ihrem Gefangenen Giovanni de’ Medici aus der Lombardei zurückzogen –, hatte Bernardino de’ Rossi, subgect, serviteur et escuyer des Herzogs, 15 Pferde und Reiter in sieben Tagen von Genf ins Piemont, von dort nach Chambéry und zurück nach Genf zu führen.373 Wir haben den escuyer Bernardin noch von Oktober bis Dezember 1512 in herzoglichen Rechnungen finden können, in den darauf folgenden Monaten aber nicht mehr. Denn 1513/14 ist er wieder in Florenz und Rom nachzuweisen, nun wieder in unmittelbarer Nähe der Medici, für die er sowohl in finanziellen Angelegenheiten tätig sein wird (zusammen mit der Lanfredini-Bank) als auch in höchst folgenreichen dynastischen, an denen auch sein Verwandter Luigi de’ Rossi, der Intimus Giovanni de’ Medicis, sowie Francesco Naldini als Leiter der Lyoner Salviati-Gesellschaft beteiligt sein werden. Die unter seinem und Francesco Fraschis Namen laufende Gesellschaft wird in jenen Jahren weiterhin Geschäfte mit den großen Mediceer-Banken wie der Salviati-Gesellschaft in Lyon und Florenz und der Bartolini-Bank machen. Am meisten aber werden die Medici von seiner hervorragenden Stellung beim Herzog von Savoyen 367 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 267r. 368 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 230r, 269r. 369 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 230r. 370 Vgl. Freymond, Politique, S. 31. 371 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 164, fol. 84v–85v; Reg. 165, fol. 174r–176r, 188v–189r. 372 Lupi, Relazioni, S. 304, Nr. 320, 321. 373 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 165, fol. 67r–68r.

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profitieren, bei dem er Anfang 1514 wieder persönlich erscheinen wird, nun mit einem ganz besonderen Auftrag der Medici. Dazu aber später. Hier wollen wir jedoch noch der Frage nachgehen, ob sich die erstaunlichen Wirkungsfelder des Bernardino de’ Rossi nicht dadurch erklären lassen, daß es sich um zwei namensgleiche Personen handelte. In der Tat legen einige Angaben in den Rechnungsbüchern der savoyischen Schatzmeister nahe, unser Florentiner Kaufmann messire Bernardin de’ Rossie könnte in dem nobilis Bernardinus ex dominis Rossie bzw. des seigneurs de’ Rossie einen nicht identischen Namensvetter gehabt haben, der zu den Adligen des Herzogtums Savoyen gehörte und mit dem escuyer gleichzusetzen wäre. Dieser wird denn auch als monsigneur de’ Rossie oder eben auf Latein als der herzogliche scutifer Bernardinus von den Herren zu bzw. aus dem Geschlecht der Rossie (auch in den Schreibvarianten Russie, Ruffie, mit denen aber stets Rossi gemeint ist) bezeichnet, der am 7. Februar 1509 für dieses Amt sein herzogliches Stipendium von 300 savoyischen Fiorini (p.p.) erhielt, die ungefähr 80 Dukaten entsprachen und als Jahreslohn unter dem des Medici-Bankiers Francesco Cegia gelegen hätten.374 Ex dominis Rossie stammte auch ein gewisser Johannes de Cambianis ab, der sich im September 1509 für 40 savoyische Fiorini einen Verkaufsvertrag vom Herzog anerkennen ließ.375 Es gab in Savoyen tatsächlich einen Ort, der Rossie hieß und mit einer Herrschaft verbunden war. Doch in den gleichen Quellen wird der Rittmeister des Herzogs eben auch einfach nur als messire Bernardin de’ Rossie bezeichnet.376 Und vor allem: Als nobilis, also adlig, kennzeichnete der Schreiber der herzoglichen Rechnungsbücher nicht nur den scutifer ducalis Bernardin de Rossye, sondern eben auch und schon im April 1499 den in Lyon wirkenden und wohnenden Florentiner Kaufmann, den nobilis Bernardinus de Roussi, merchator Lugdunensis, der beim königlichen Finanzgeneral der Normandie eine große Summe Geldes für die Herzogin von Savoyen wiedererlangt hatte, oder im November 1506 Leonardo Bartolini und seinen Faktor Bartolomeo del Rosso, dem der Schreiber irrig den Familiennamen de Rossy gab!377 Die Ähnlichkeit zwischen dem Florentiner Familiennamen und der savoyischen Herrschaft sorgte bei den savoyischen Schreibern offenbar für Probleme bei der Zuordnung, wobei das Attribut ‚aus dem Haus der Rossi‘ bzw. ‚von den Herren zu Rossi‘ sowohl für den Florentiner als auch für einen Savoyer treffend war. Die Frage nach der Gleichsetzung des Florentiner Medici-Bankiers mit dem Offizier des savoyischen Herzogs ist uns vor allem deshalb so wichtig, weil Bernardino de’ Rossi mit genau dieser in seiner Person verkörperten zweifachen Qualifikation Anfang 1514 374 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 162, fol. 230r, 338v–339r. 375 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 164, fol. 23v–24r. 376 Etwa AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 175r, 176v; Reg. 162, fol. 267r; Reg. 163, fol.

325r u.ö. 377 AST, Sede V. Piave, Inv. 39, fol. 9, mazzo 5, fasc. 19 (Libravit nobili Bernardino de Roussi

merchatori Lugdunensi ...); AST, Sede P. Castello, Materie politiche per rapporto all’interno, Real Casa, Protocolli dei notai della corona, mazzo 142, Nr. 57 (alte Nr. 76) (der Herzog erklärt mit einem Notarsinstrument, habuisse et recepisse a nobilibus Leonardo de Berthollin et Bartolomeo de Rossy [sc. del Rosso], civibus et merchatoribus florentinis, ...).

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eine für die weitere Familiengeschichte der Medici, für ihren sozialen Aufstieg entscheidende Aufgabe übernehmen wird: Maßgeblich über ihn werden die Verhandlungen über eine Ehe zwischen dem bürgerlichen Giuliano de’ Medici und einer mit dem französischen Königshaus verwandten savoyischen Prinzessin, der Schwester des Herzogs Karl, geführt werden. Auch die dafür nach Rom geschickten Gesandten des Herzogs werden in ihrem Bericht an ihren Herrn stets nur von messire Bernardin sprechen, der ihnen zusammen mit dem messire Loys am stärksten zur Seite stand, denn dem Herzog brauchte man ihre Nachnamen nicht zu nennen. Ihm waren beide bestens bekannt, Bernardino de’ Rossi und dessen Verwandter und Medici-Cousin Luigi de’ Rossi, die beide mit je einem Fuß sowohl in Savoyen als auch im Florenz und Rom der Medici standen.378 Wenn Bernardino de’ Rossi ab 1508 tatsächlich primär als Gehilfe Cosimo Sassettis Wechselbriefe aus Florenz nach Lyon geschickt hätte, wäre nicht zu verstehen, warum ihm der Herzog und die Medici 1514 eine solch hochpolitische Mission anvertraut hätten. An der Identität des Florentiner Bankiers und savoyischen escuyer wollen und können wir somit nicht zweifeln. Allerdings erscheint es uns nicht ausgeschlossen, daß Bernadino de’ Rossi in Savoyen Land erwarb, womit er zum subgect des Herzogs und zum ‚Herrn zu Rossi‘ wurde.

2. Benefiziengeschäfte und Benefizienpolitik a) Kardinal Giovanni de’ Medici als neues Medici-Oberhaupt: Strategiewechsel Der Tod Piero de’ Medicis zwischen Ende Dezember 1503 und Anfang Januar 1504 hatte einen gravierenden Einschnitt für die Geschichte der exilierten Medici bedeutet. So schmerzhaft der Verlust Pieros für sie gewesen sein muß, so deutlich muß doch auch auf das ambivalente, spannungsreiche Verhältnis vor allem zwischen Piero und seinem Bruder Giovanni hingewiesen werden. Der zweite Sohn Lorenzos – mit Stolz stets seines Status als Kardinal bewußt – hatte schon vier Monate nach dem Tod des Vaters mit großem Ärger auf die Bevormundungen und den mangelnden Respekt Pieros reagiert. Dessen sprunghaft arroganter, selbstherrlicher Charakter war Giovanni fremd, der jedoch immer die Entscheidungen des Familienoberhauptes zu tragen hatte, auch wenn sie ihm wie im Fall des Verkaufs seines Palastes am Campo dei Fiori einen erheblichen Ansehensverlust und eminente praktische Probleme bereiteten. Zeichen tiefer Trauer um den Tod Pieros sind uns in den Quellen nicht begegnet. Als die Führung der Familie 1504 auf den zweitältesten Sohn von Lorenzo de’ Medici überging, vollzog sich ein Wechsel in vielfacher Hinsicht. An der Spitze der exilierten ehemaligen Herren von Florenz stand jetzt ein hoher Geistlicher, nicht länger ein sich adelsgleich gebärender Laie. Hatte Piero sich in seinem kurzen Leben viele Feinde gemacht, besonders im Florentiner Bürgertum, so hört man Entsprechendes von Giovanni 378 S.u. S. 1084–1100.

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nicht. Zahlreiche Zeugnisse belegen, daß sich die scharfen Florentiner Ressentiments gegen die Medici hauptsächlich an Piero entzündet hatten, daß nach seinem Tod die Medici sofort wieder an Ansehen gewannen. Aber auch für die aktive Exilspolitik der Medici mußte der Führungswechsel grundlegende Konsequenzen haben. Der zu Piero so unterschiedliche Charakter Giovannis mußte zu anderen Verhaltensweisen und Strategien bei der Bewältigung bzw. Beendigung des Exils führen. Doch vom Typus des Führers der exilierten Familie hing die Gestaltung des Exils ja nicht allein, nicht einmal primär ab – dies hatte sich eindringlich gezeigt. Neben den großen politischen, als strukturelle Faktoren zu verstehenden Rahmenbedingungen war die Exilswirklichkeit geprägt von den jeweiligen Freunden der Exilierten. Als maßgeblich erwiesen sich Mitglieder der mit Piero eng verwandten Familie Orsini, vor allem aber der Kardinal Federico Sanseverino, der trotz erheblichen Mängeln bei der Quellenlage – der gesamte Briefwechsel zwischen ihm und den Medici fehlt z. B. – vor allem durch die Augen der Florentiner Gesandten in Rom von Exilsbeginn an als ihr engster und vertrautester Freund erschienen ist. Die Frage, wie dieser Kardinal, der zwischen 1500 und 1504 zum wichtigsten Vertreter der französischen Interessen an der Kurie aufstieg und der mit seinen Brüdern in einem französisch dominierten Herzogtum Mailand erneut, in Frankreich selbst aber erstmals fest in die Herrschaftsspitze eingebunden wurde, wie dieser einflußreichste unter den wahren Freunden der Medici ihr Exilsschicksal nach dem Tod Pieros beeinflussen und bestimmen wird, wird für den zweiten Abschnitt des Exils eine zentrale Bedeutung erhalten. Daneben werden wir weitere Freunde der Medici zu berücksichtigen haben – manche stärker als bisher, andere erstmals. Denn einige demonstrierten ihre Verbundenheit mit den Medici in bemerkenswerterer Weise erst im weiteren Verlauf der Exilsperiode, ohne daß sie vorher unbeteiligt gewesen wären. Allein die Quellen und die Umstände lassen sie deutlicher ins Licht treten. So werden aber zugleich neue Kontexte bzw. neue Räume des Netzwerkes sichtbar, die personelle wie sachliche Ursachen haben. Welche Folgen diese wiederum für die Exilsbewältigung hatten, werden wir zu fragen haben. Und ganz wichtig erscheint uns dabei die Frage, ob jene neuen Verflechtungen und Verbindlichkeiten eine qualitative Auswirkung auf das Netzwerk hatten. Konnten z. B. wirtschaftliche Bindungen vorhandene personale oder politische Bindungen festigen oder gar steigern? Können eventuell auch durch solche erweiterte Fragestellungen ganz neue personale Verflechtungen sichtbar werden? Sie können es, dies sei schon vorweg gesagt. Überblickt man den Zeitraum von 1504 bis zum Ende des Exils 1512, vergleicht man ihn dabei mit den auffälligen Aktionen der Medici, dann fällt besonders eines ins Auge: Bis zur tatsächlichen Rückkehr nach Florenz „auf den Schultern“ eines päpstlichspanischen Heeres unternahmen die exilierten Medici – im völligen Gegensatz zur Zeit unter Piero – keine direkten Versuche mehr, mit militärischer Macht ihre Heimatstadt zurückzugewinnen! Kardinal Giovanni de’ Medici sah ganz offensichtlich in den kleinteiligen, kostspieligen, stets erfolglosen, unpatriotischen und in kontraproduktiver Weise nur noch stärkere Aversionen gegen die Medici provozierenden Militäraktionen gegen Flo-

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renz kein adäquates Mittel mehr für eine Rückgewinnung der Macht. Ob er in den ersten Jahren nach 1504 überhaupt eine konkrete Strategie zur Exilsbeendigung verfolgte, erscheint sehr zweifelhaft. Welche Möglichkeiten er hierbei und generell zur Gestaltung des Exils besaß, wird zu untersuchen sein. Sicher ist jedenfalls, daß sich das räumliche, personale und geistige Zentrum des Exiliertenverbandes nach Pieros Tod stabilisierte, indem es sich auf Giovanni de’ Medici und seinen Lebensmittelpunkt Rom konzentrierte, auf den weisen der drei Brüder, wie sein Vater einst über ihn geurteilt hatte. Damit aber lenken wir den Fokus auf die Welt und die Möglichkeiten des Giovanni de’ Medici, die des hohen Geistlichen, dessen Macht wie auch Zwänge vornehmlich aus dem kirchlichen Leben resultierten. Es wäre freilich ein großer Irrglaube, sich dieses ohne politische und ökonomische Konnotationen vorzustellen. Eine ausführliche, zweifellos zutreffende Analyse der unterschiedlichen, an ihren jeweiligen Charakter gebundenen Rückkehrstrategien Piero und Giovanni de’ Medicis dürfte Francesco Guicciardini in seinen ‚Storie fiorentine‘ vorgelegt haben.379 Gemäß seiner natura bestiale seien Pieros Verhaltensweisen hochherzig und gewalttätig gewesen und einer Rückkehr in die Stadt abträglich. Er habe die – trotz des Verlustes des Pisaner Dominiums – immer noch gewaltige Macht von Florenz unter- und die seinige überschätzt, vor allem da er es nicht als notwendig angesehen habe, seine Feinde in Florenz zu besänftigen, eigene Fehler einzugestehen und eine Rückkehr nicht als Machthaber, sondern als Privatperson zu versuchen. Statt dessen habe Piero stets den Konflikt gesucht und damit Gegenreaktionen und interne Belastungen der Stadt provoziert – etwa durch die Drohungen gegen seine Feinde und durch die verschiedenen Bündnisse mit Venedig, Mailand, dem König von Frankreich, dem Papst und Cesare Borgia, durch welche er sich (teilweise) zu einem Instrument der Feinde von Florenz gemacht und die gesamte Stadt ständig mit Ausgaben, Ängsten, Kriegen usw. belastet habe. Mit dieser Strategie bewirkte Piero jedoch das Gegenteil des Intendierten. Die Stadt öffnete sich ihm keinen Fußbreit, verschloß sich vielmehr um so stärker. Denn, so ein Fazit Guicciardinis, Pieros Taktik habe zu gesteigerter Wachsamkeit und Unversöhnlichkeit nicht nur seiner Feinde und zu einem großen Haß der gesamten Bürgerschaft geführt. (Und in der Tat: Wer – um es etwas überspitzt zu formulieren – wie Piero glaubte, in Zeiten bitterer Hungersnot durch das Winken mit einigen Korngarben einen politischen Aufstand und Umsturz zu seinen Gunsten bewirken zu können, dem muß es ganz grundsätzlich an Urteilskraft gefehlt haben!) Die aus Pieros Gewaltpolitik resultierende erneute Verschärfung des Verbannungsurteils für ihn und Giuliano habe nicht nur die Wiederholung des Kopfgeldbeschlusses bewirkt, sondern auch das Verbot des persönlichen oder geschäftlichen Verkehrs mit den Verbannten, das vor allem nach der Hinrichtung von Bernardo del Nero und den anderen dazu geführt habe, daß die Florentiner, wenn sie in Rom oder an einem anderen Aufenthaltsort der Medici waren, diese höchstens geheim und mit großer Vorsicht aufgesucht hätten. Weiterhin hätten Pieros Unternehmungen, da er für sie sein ganzes bewegliches Vermögen ausgegeben habe, ebenso Giovanni in finanzielle Nöte gebracht. 379 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 321–325.

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Doch nach der Wahl Piero Soderinis zum Gonfaloniere auf Lebenszeit (Herbst 1502) und nach dem Tod Piero de’ Medicis hätten Giovanni und Giuliano de’ Medici ganz andere Vorgehensweisen gezeigt, nicht zuletzt mit Blick auf eine Rückkehr nach Florenz. Guicciardini wollte nicht entscheiden, ob diese neue Strategie aus ihrer natura piú civile ed umana hervorging oder aus der Einsicht in die Erfolglosigkeit von Pieros Bemühungen, und stellte – wie so oft – beide Kausalitäten als gleich wahrscheinlich nebeneinander. In der Tat wird man sie kaum voneinander trennen können. Die Folge dieser neuen Strategie sei die Abkehr von Gewalt und Rücksichtslosigkeit gewesen. Vielmehr hätten die beiden Brüder mit Liebe, Wohlwollen und Gunsterweisungen sowie jeglicher Vermeidung von öffentlicher oder privater Beleidigung gegenüber den Florentinern ihre Ziele fördern wollen. Höchst bemerkenswert – nicht zuletzt für unsere weitere Untersuchung – sind die konkreten Mittel, die Guicciardini als Bestandteil dieser Strategie nennt und primär auf den Kardinal bezieht. Giovanni habe sowohl den in Rom lebenden als auch den dorthin kommenden Florentinern große Hilfe in allen ihren Angelegenheiten geleistet, habe ihnen sogar Geld und Kredite zur Verfügung gestellt, wenn sie dies benötigten, generell aber sein Haus, seine Möglichkeiten, Macht und Reputation zu ihrem Vorteil eingesetzt. Diese Großzügigkeit sei um so positiver aufgefallen, als der zweite Florentiner Kardinal, Francesco Soderini, eine Ausgeburt an Geiz gewesen sei, der keinem Landsmann irgendeinen Gefallen getan habe. Giovanni de’ Medici setzte die mit seinem Status verbundenen Möglichkeiten also gezielt ein, um neue Freunde zu gewinnen. Schnell habe sich in Florenz herumgesprochen, welche Vorteile sich hier boten. Nahezu jeder Florentiner, der etwas von der römischen Kurie wollte – sei es ein lukratives Benefizium oder etwas anderes –, habe sich persönlich oder brieflich an den Medici-Kardinal gewandt, selbst die Feinde der Familie! Jedem habe er sofort gedient. Auf diese Weise habe er dem unter Piero so verhaßten Namen der Familie zu neuem Ansehen bei Freunden wie Feinden verholfen. Diese erneute Hinwendung zu den Medici sei zugleich durch die Enttäuschung über die Regierungsform und -weise des Gonfaloniere Piero Soderini gefördert worden. Die Gesetze, die den Kontakt mit den exilierten Medici verboten, seien jedenfalls nicht mehr beachtet worden; und besucht worden seien sie nun auch von jenen, die ihre Hilfe gar nicht benötigten. Was Giovanni de’ Medici hier betrieb, war nichts anderes als die alte, für die Macht der Medici so fundamentale Politik der Klientelgewinnung, der er einen patriotischen Anstrich gab. Mit jedem Florentiner, dem er zur Gewinnung eines Benefiziums – das eben zeitlebens ein in der Regel sicheres Einkommen gegen geringe Leistungen bedeutete! –, eines kurialen Postens oder zum Erwerb eines Kredites verhalf, stiegen über die so geschaffenen Dankbarkeiten und Abhängigkeiten seine Einflußmöglichkeiten in Florenz. Piero de’ Medici, der Florenz und die Macht verloren hatte, fehlten die Voraussetzungen für eine solche Klientelpolitik, wenn er sie denn überhaupt für notwendig erachtete. Doch wird man wirklich davon ausgehen wollen, daß Giovanni de’ Medici erst nach Pieros Tod das Schicksal der Familie durch solche Mittel der Einflußnahme an der Kurie fördern wollte? Immerhin konnten wir den Berichten der Florentiner Spione mehrfach entnehmen,

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daß sich fast jeder der neu nach Rom gekommenen Florentiner seit 1495 beim MediciZirkel einfand – heimlich meist, gewiß – oder von Leuten wie Leonardo di Zanobi Bartolini persönlich dazu aufgefordert wurde. Man wird wohl zu differenzieren haben: Zum einen wird Pieros Strategie des offensiven, von auswärtigen Mächten abhängigen Konfliktes, der abstoßenden Aggression, mit einer Patronagepolitik nur schwer vereinbar gewesen sein; zum anderen war diese für einen exilierten Kardinal maßgeblich an die Kurie und damit eben immer an den regierenden Papst gebunden. Unter Alexander VI. jedoch gehörten die Medici nicht zu den Günstlingen der Kurie. Ganz anders sah es da unter dem seit 1503 regierenden Papst Julius II. aus. Es war also nicht allein Pieros Tod, sondern auch – von Guicciardini bei der Analyse der Kausalitäten unbeachtet – die Wahl dieses Papstes, die den Medici starken Auftrieb gab und neue Möglichkeiten eröffnete. An der Kurie lag der Lebensmittelpunkt des neuen Oberhauptes des Medici-Kreises, aber gleichfalls der von vielen anderen Mitgliedern. Hier boten sich, wie es Francesco Guicciardini ansprach, aufgrund der kirchlichen Ämter und Postenvergaben Möglichkeiten und Mittel der gegenseitigen Förderung, die für die Existenzwahrung und -verbesserung der Exilierten und ihrer Freunde von grundlegender Bedeutung waren. Hier lassen sich zudem dank der verdichteten und günstigen Bedingungen sowie der hervorragenden Quellenlage zentrale Verknüpfungen erschließen und veranschaulichen. Wenn wir uns dabei dem Feld der Benefizien- und Geldpolitik intensiver zuwenden, müssen wir uns jedoch zweierlei vergegenwärtigen. Einerseits konnte Giovanni de’ Medici sich nicht darauf einlassen, jedem beliebigen Florentiner und potentiellen Sympathisanten den Lebensstandard zu verbessern, sondern mußte gezwungenermaßen zuallererst versuchen, sein eigenes Einkommen, das seiner Familie und engsten Freunde zu sichern und nach Möglichkeit zu verbessern; andererseits konnte Giovanni de’ Medici sowohl diese Existenzsicherung als auch all seine Freundschaftsdienste für die Florentiner niemals alleine zum Erfolg bringen. Für die Gewinnung und Vermittlung von Benefizien, Ämtern, Gefälligkeiten und vor allem Krediten war er stets auf seine Freunde angewiesen, auf die zentralen Mitglieder des Medici-Netzwerkes innerhalb und außerhalb der Kurie! Ihnen muß unser Augenmerk also genauso intensiv gelten wie dem Oberhaupt der Familie Medici.

b) Strategien zur Existenzsicherung eines exilierten „armen“ Kardinals Das Kapital eines Geistlichen waren seine Benefizien: Erzbistümer, Bistümer, Priorate von Abteien und Klöstern, Propsteien und Kanonikate von Stifts- bzw. Kollegiatkirchen, Pfarrkirchen, Kaplaneien usw. Je mehr und je höher die jeweiligen Einkünfte, desto besser. Da er die mit den Benefizien verknüpften Ämter, aus denen das Einkommen resultierte, nur sehr eingeschränkt persönlich ausüben konnte, wurden diese entweder durch Stellvertreter oder Vikare versehen, oder die entsprechenden Funktionen wurden nur sporadisch ausgeübt; das Verbot der Kumulation von Kuratbenefizien, die Seelsorgeaufgaben wahrzunehmen hatten (Pfarreien z. B.), konnte durch päpstliche Dispense umgangen werden. Giovanni de’ Medici wurden noch durch die Interventionen seines Vaters Lorenzo zahlreiche lukrative Benefizien zuteil, darunter eben die bedeutenden Abteien von Monte-

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cassino im Königreich Neapel und Morimondo im Herzogtum Mailand. Die hohe Attraktivität der Benefizien lag in der mit ihnen verbundenen Möglichkeit, den sozialen Status zu erhöhen, und in der materiellen Absicherung. Zeitlebens war dem Benefiziaten ein in der Regel ungefährdetes und kontinuierliches Einkommen garantiert, das er zudem oft in Form von gemünztem Geld erhielt. Dieses war jedoch noch im Spätmittelalter bzw. in der Renaissance selten und daher um so begehrter. Diese materielle Bedeutung der Benefizien wird nicht immer genug gewürdigt. Gerade die finanzielle Komponente eines Benefiziums machte es mit zunehmender Intensität am Ende des Mittelalters zu einem wertvollen politischen und ökonomischen Objekt. Der Besitzer konnte es mit politischen Intentionen kraft einer Resignation an bestimmte Dritte weiterreichen, bei denen er sich dadurch Gunst oder Gegenleistungen erwartete; er konnte es aber auch wie eine Handelsware auf dem Markt anbieten, um sich damit finanzielle Vorteile zu verschaffen. Dies bot sich vor allem dann an, wenn der mit der päpstlichen Bulle verbundene Besitztitel auf ein Benefiz bezogen war, dessen Einkünfte nur mit großem Aufwand oder Risiko bezogen werden konnten, weil es beispielsweise in einem weit entfernten Land lag, wo der Besitzer über wenig Einflußmöglichkeiten verfügte, oder weil es zu einem Herrschaftsgebiet gehörte, zu dessen Fürst der Benefizienbesitzer in einem gespannten Verhältnis stand, so daß er jederzeit mit der Konfiskation der Einkünfte rechnen mußte. Obwohl kirchenrechtlich höchst anrüchig oder gar untersagt, fanden die Benefiziaten vor allem im 15. Jahrhundert Wege, den „Handel“ mit Benefizien zu ihren Gunsten zu intensivieren, die ihnen in der Alltagspraxis von den einzelnen Päpsten sogar geebnet wurden. Die Benefiziaten gaben z. B. risikoreiche oder aus anderen Gründen abzugebende Benefizien für eine bestimmte Person auf, ‚resignierten es zugunsten eines Dritten in die Hände des Papstes‘, so die Fachsprache, ohne dabei aber – und das ist entscheidend – auf einen Teil oder gar die Gesamtsumme der Einkünfte zu verzichten. Vor der Resignation oder Zession handelten sie mit dem Nachfolger im Amt bzw. künftigen Besitzer eine bestimmte Pensionssumme und die Modalitäten der Zahlung aus. Um 1500 wurde die Aufgabe des Benefiziums immer öfter mit der Klausel einer reservatio fructuum verbunden, d.h. der Bedingung, daß der alte Besitzer weiterhin alle Einnahmen des abgetretenen Benefiziums erhielt – während der Träger des Titels auf eine spätere Übertragung der Einkünfte oder sonstige Gunsterweise hoffte. Genau diese Praktiken machte sich nun auch Giovanni de’ Medici zunutze, um die finanziellen und sozialen Konsequenzen des Exils kompensieren zu können – und eben deshalb versuchten seine Florentiner Gegner es zu verhindern. Im Frühjahr 1497 sahen die Kontrahenten der Medici, daß diese verzweifelt versuchten, Geld aufzutreiben. Leonardo di Zanobi Bartolini ging damals nach Venedig, um einen größeren Kredit, den die Medici-Bank in Neapel dem Venezianer Andrea Braghadini gegeben hatte, zurückzufordern oder auf andere Weise profitabel einzusetzen. Eine andere Möglichkeit bestand im Erwerb oder in der lukrativen Veräußerung von Benefizien. Ende Mai 1497 hatte Giovanni de’ Medici vorsichtig die kurialen Formalitäten eingeleitet, um das vor den Toren von Florenz gelegene Hospital von Santa Maria del Bigallo für sich zu

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erlangen, das durch den Tod eines gewissen Ser Piermatteo vakant geworden war. Für einen seiner Familiaren hatte Giovanni hingegen um ein Kanonikat in Prato suppliziert, das seit einem Monat frei war. Alessandro Braccesi forderte die Florentiner Dieci di Balìa umgehend auf, dafür zu sorgen, daß Giovanni in beiden Fällen nicht die Besitzrechte erhalten würde.380 Gerade die Benefizien im Florentiner Dominium bildeten eine unsichere Einkommensquelle. Wenn die Florentiner Signoria dem Medici-Kardinal den Benefizienerwerb nicht verwehrte, konnte sie die Einkünfte vorhandener Pfründen sperren oder durch Taxen verringern. Schon im April 1496 hatte sich Giovanni de’ Medici von Mailand aus bei Papst und Kardinälen beschwert, daß Florenz ihm eine Steuer über gut 1.000 Dukaten auf seine auf florentinischem Territorium liegenden Benefizien auferlegt hatte.381 Als Lösung bot sich daher an, solche Benefizien unter Wahrung finanzieller und rechtlicher Vorteile abzutreten. Die Informationen über Giovanni de’ Medicis entsprechenden Pläne konnte ein Alessandro Braccesi außer durch seine Spitzel insbesondere von dem gleichsam hauptamtlichen Denunzianten Ricciardo Becchi erhalten, der als apostolischer Skriptor im Zentrum des Geschehens saß, den Medici-Aktivitäten ständig hinterherspionierte und mit seinem Wissen wahrlich nicht geizte. Am Morgen des 19. Mai 1497 paßte Becchi den Kardinal Antoniotto Pallavicini ab, um ihn am Schluß des Gesprächs nach seinen laufenden Unterredungen mit dem Kardinal Giovanni de’ Medici zu befragen.382 Aus mehreren folgenden Berichten Braccesis und Becchis geht hervor, daß es bei ihnen um ein größeres Projekt ging, bei dem Piero de’ Medici aus einer der Prestigeabteien seines Bruders Gewinn zu schlagen versuchte. Piero bot dem Pallavicini aus den Einkünften der Abtei Montecassino (in den Quellen mit Bezug auf ihren zentralen weltlichen Besitz stets San Germano genannt) eine Summe an, die den Einnahmen aus den beiden im Chianti gelegenen Vallombrosanerabteien San Michele in Passignano und San Lorenzo in Coltibuono entsprach, und zwar für den Fall, daß der Pallavicini die toskanischen Abteien nicht in Besitz nehmen könne. Diese beiden ebenfalls hoch angesehenen Abteien hatte Giovanni schon 1485 bzw. 1488 durch massiven Einsatz seines Vaters erhalten; nun wollte er sie wegen drohender Einnahme-Konfiskationen gegen eine Pension an den Pallavicini abtreten.383 Das Geld aus Montecassino diente also als möglicher Ausgleich und als Sicherheit für Probleme bei der Übertragung der toskanischen Abteien. Pallavicini forderte jedoch von Giovanni einen freiwilligen Verzicht auf Montecassino und wollte diesem dafür statt einer Pension den ganzen Rest der Einkünfte geben. Es waren also komplizierte Sachverhalte und Verhandlungen, zu denen man einmal Mitte Juni hörte, sie seien zum Vorteil des 380 ASF, DBR 46, c. 20 (25.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 381 ASF, DBR 46, c. 130 (19.4.1496, Ricciardo Becchi, Rom, über die Klage Giovannis). 382 ASF, DBR 46, c. 9 (19.5.1497, Ricciardo Becchi, Rom). 383 Zu Passignano und Coltibuono vgl. Picotti, Giovinezza, S. 88–92 und s.v. Wegen dieser beiden

Abteien hatte Giovanni de’ Medici im übrigen schon damals häufig mit dem Kardinal Oliviero Carafa zu tun, da dieser auch Protektor des Vallombrosanerordens war; Coltibuono stand unter dem Patronat der Ricasoli, die bekanntlich wie der Carafa zu den engeren Sympathisanten der Medici gehörten.

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Medici abgeschlossen worden, ein anderes Mal aber, sie seien wegen eines Unfalls des Papstes noch nicht geklärt.384 Die Verhandlungen mit Antoniotto Pallavicini zogen sich tatsächlich in die Länge, da sie nicht die finanziellen Erwartungen der Medici erfüllten. Giovanni scheint weiterhin über die Einkünfte aus Montecassino verfügt zu haben – im November 1501 wollte er aus politischen Gründen mit französischem Plazet diese Abtei mit ihren Territorien an den Kardinal Juan Borgia abtreten385 – und soll (zumindest) die Abtei von Coltibuono bis 1499 in Besitz gehabt haben.386 Statt dessen war ihm, wie man in Florenz bestens wußte, zur gleichen Zeit im Sommer 1497 eine Einkommensverbesserung gelungen, die mit der komplizierten Besitzgeschichte des zwischen Frankreich und Habsburg umkämpften Bistums Tournai und indirekt wiederum mit dem Pallavicini verbunden war. Nach Ausweis der kurialen Quellen war dieser von 1491 bis 1494 Bischof von Tournai, bis er auf Wunsch des französischen Königs einem französischen Abt das Bistum übergab, an dessen Stelle dann Ende 1497 der vom Habsburger Maximilian I. geförderte Petrus Kuick, Abt des Zisterzienserklosters St-Amand in Brügge, trat, dem gegen den französischen Widerstand jedoch bis 1506 nie die endgültige Zulassung gelungen sein soll.387 Vor dem Erfolg des Habsburgerkandidaten muß Giovanni de’ Medici jedoch Rechte an Tournai erworben haben, da er zugunsten des Brügger Abtes gegen eine Pensionszahlung von 2.000 Dukaten aus den Einkünften Tournais auf das Bistum verzichtete. Dies war eines jener angesprochenen Mittel, um aus geistlichen Rechten Kapital zu schlagen. Dem Abt war der Bischofssitz so teuer – bzw. der Medici und seine Helfer setzten ihn so unter Druck –, daß er Giovanni darüber hinaus noch einen Kredit über 8.000 Dukaten gab – jedoch nicht in Münzen, sondern in Form von wertvollen Tuchen und anderen Waren –, der von der römischen Bank der Moscheroni ausgezahlt wurde. Schließlich hätten Piero und Giovanni vom Abt noch das Versprechen einer künftigen, über sechs Jahre laufenden Pension in Höhe von 1.000 Dukaten erhalten, die wiederum in Waren ausgezahlt würde. Aktuell jedoch hätten die Medici aus jenem Vertrag mit dem Abt, der Mitte Juli sogar persönlich nach Rom kam, 10.000 Dukaten Bargeld herausziehen können. Diese Leistung interessierte die Florentiner deshalb so brennend, weil man sicher war, daß das Geld allein den Angriffen der Medici gegen Florenz dienen würde.388 Die Aufdeckung des dahinter stehenden Komplotts kostete kurz darauf im August 1497 fünf der engsten MediciFreunde in Florenz das Leben. Bemerkenswert erscheint uns, daß Piero de’ Medici diese Instrumentalisierung der Benefizien seines Bruders initiiert, daß er für sich ein Verfü384 ASF, DBR 56, c. 33, 34, 45, 53 (5., 6., 12. und 17.6.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 385 ASF, SR 22, c. 144 (23.11.1501, Francesco Pepi, Rom); vgl. oben S. 548f. 386 Vgl. ASF, DBR 56, c. 107 (19.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom); Picotti, Giovinezza, S. 92

und 140f., Anm. 110 (1499 Verzicht auf Coltibuono gegen Zahlung einer Pension). 387 Vgl. Eubel, Hierarchia II, S. 253, III, S. 316. 388 ASF, DBR 56, c. 45 (12.6.1497, Alessandro Braccesi, Rom; die von Braccesi in jenem Kontext

weiterhin mitgeteilten Verfahren der Verrechnung bestimmter Beträge aus jenen Brügger Einnahmen sind mir nicht plausibel geworden), c. 107 (19.7.1497, Ders.: Der Abt von St-Amand sei vor einigen Tagen nach Rom gekommen, eventuell wegen jener Benefiziengeschäfte).

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gungsrecht in Anspruch genommen zu haben scheint. Braccesi bestätigt eine solche Einschätzung. Am 1. Juli berichtete er aus Rom, daß Piero, der sich weiterhin ununterbrochen an der Seite Federico Sanseverinos aufhalte, keinen Cent (carlino in diesem Fall) mehr besitze; deshalb sei er ständig bestrebt, aus den Benefizien des Kardinals (de’ Medici) Geld zu ziehen.389 Doch nicht nur Piero, auch Giovanni befand sich stets in akuter Geldnot. Im Juli 1497 zwang ihn eine – so formulierte Braccesi es – ‚extreme Notlage seines täglichen Lebens‘ zur Reise in seine Abtei Montecassino, da sich bei ihm alles in allergrößter Unordnung befinde. Giovanni sei so heruntergekommen, daß er ärmer als jeder andere Kardinal reite, und man sage, es seien ihm gerade so viel Silbermünzen im Haus geblieben, daß sie einem richtig armen Bischof – von denen es gerade in Süditalien viele gab, mit Einkommen deutlich unter denen eines norditalienischen Pfarrers – als wenige erscheinen würden. In diesen Kontext ist sein damals erfolgter Verzicht auf die bedeutende, im September 1494 als Nachfolger von Agnolo Poliziano erworbene Propstei der Florentiner Kollegiatkirche San Paolo einzuordnen, die er gegen eine Pension an Niccolò Pandolfini, den Bischof von Pistoia, abtrat – an einen treuen Medici-Freund wohlgemerkt.390 Hierbei handelte es sich also um eine Form der minimierten, dafür aber ungefährdeten Einkommenswahrung unter gleichzeitiger Sicherung solch wichtiger Benefizien innerhalb des Medici-Netzwerkes – der Medici hätte den Pandolfini nicht daran gehindert, wenn er ihm das Benefiz in besseren Zeiten wieder angetragen hätte. Allerdings waren gerade diese gefährdeten Benefizien auf Florentiner Territorium gar nicht so einfach abzugeben, denn Auswärtigen konnte der Besitz durch die Florentiner Signoria verwehrt werden und Einheimische standen immer im Verdacht, zur MediciPartei zu gehören. Möglicherweise trug einer dieser Faktoren zum Scheitern eines größeren Benefiziengeschäfts bei, das schon Anfang Juni 1497 in Angriff genommen worden war. Damals versuchten die Medici, dem Papstneffen Kardinal Juan Borgia die Benefizien des im Mai jenes Jahres verstorbenen Ser Carlo de’ Medici, eines illegitimen Sohnes des großen Cosimo de’ Medici, zu resignieren, welche Giovanni 1492 erworben hatte. Sollte der Borgia akzeptieren, wollte der Papst sie mit einer Kehrtwendung einem Florentiner übertragen. Da es sich hierbei um wertvolle (mehr als 1.000 Dukaten Gesamteinkünfte) und Giovanni teure Benefizien handelte (u. a. ein Kanonikat am Florentiner Dom, die von Giovanni häufig besuchte Pieve [Taufkirche] von Calenzano, die Vallombrosanerabtei San Salvatore von Vaiano und insbesondere die Propstei der Kollegiatkirche Santo Stefano in Prato), wird es sich bei dem zu bevorteilenden Dritten um einen Freund der Medici gehandelt haben, aus dessen Hand man nicht nur Pensionen, sondern auch die spätere Rückgabe der Benefizien erwarten konnte.391 Wie notwendig dieser Weg der Existenzsi-

389 ASF, DBR 56, c. 74 (1.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 390 ASF, DBR 56, c. 107 (19.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom; u. a. zur Resignation von San

Paolo); zum Erwerb dieser Kirche vgl. Picotti, Giovinezza, S. 96 und 143, Anm. 121. 391 ASF, DBR 56, c. 36 (8.6.1497, Alessandro Braccesi, Rom); zu jenen Benefizien des Carlo de’

Medici vgl. Picotti, Giovinezza, S. 94 und 141f., Anm. 114.

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cherung war, zeigt sich im Fall von Giovannis Abtei Santi Giusto e Clemente in Volterra, deren Einkünfte die Florentiner konfisziert oder dem Medici verwehrt hatten. Diese ehrwürdige und strategisch wichtige Abtei des Kamaldulenserordens hatte Lorenzo de’ Medici seinem Sohn 1485 durch eine Resignation des amtierenden Abtes verschafft. Ende Juli 1497 aber sah sich der Kardinal Oliviero Carafa auf Bitten Giovannis gezwungen, die Florentiner zu einer Aufhebung ihres Verbots zu bewegen.392 Als ein anderer Freund aus diesem Kreis zur gleichen Zeit auf dunklen Wegen ein Kloster vor den Mauern Cortonas erwerben wollte, versetzte dies die Florentiner Gegner in Alarm. Es handelte sich um Federico Sanseverino, der Anfang Juli um das Klarissenkloster Santa Maria de’ Targi supplizierte. Dahinter stand eine ganz andere Strategie der Medici. Denn dieses Kloster stand bereits auf der Benefizienagenda Giovannis, der dort schon sein Wappen hatte anbringen lassen, in der ‚Zeit der Windstille‘, wie Braccesi es formulierte, also offenbar schon vor der Exilierung oder vor den Umsturzversuchen des Jahres 1497. Giovanni übergab es nun dem Sanseverino, doch nicht nur, um ihn auf diese Weise (für seine Freundschaftsdienste) zu belohnen, sondern um mit dem Kloster gleichsam eine Bastei vor den Mauern Cortonas und ein Hilfsmittel für bestimmte Pläne zu gewinnen. Auf einem geheimen kurialen Weg (per via secreta) hatte Sanseverino sehr schnell die Expedition der für die Provision notwendigen Bullen erreicht – was nur mit guten Freunden an der Kurie gelingen konnte –, die ihm (jährlich) ca. 300 Dukaten einbringen würden. Braccesi, der es schaffte, das Konzept der Provisionsbulle in die Hände zu bekommen, wollte die Sache nun mit Hilfe des Protektors des Franziskanerordens durch den Papst verhindern lassen.393 Die dankbare Zueignung diente also hier, auf dem Höhepunkt einer neuen Angriffsaktion gegen Florenz, nicht zuletzt strategischen Zielen, weshalb die Florentiner sie auch unbedingt unterbinden wollten. Harmloser dagegen erschien es ihnen, wenn – wie im März 1497 geschehen – der Rom aufsuchende Leonardo d’Antonio de’ Nobili als Resultat seiner ständigen Besuche bei Giovanni und Piero de’ Medici von diesen ‚das Benefizium von Montecuccoli‘ erhielt (vermutlich eine Pfarrei in dem nördlich von Florenz gelegenen Dorf), das offenkundig ebenfalls aus dem Besitz des verstorbenen Humanisten Agnolo Poliziano in eine (wie auch immer geartete) Verfügungsgewalt der Medici übergegangen war. Hier handelte es sich wirklich um ein Mittel der Klientelbindung – so sah Braccesi den glücklich Bedachten denn auch ‚schwanger‘ nach Florenz zurückkehren und schloß seinen Bericht mit der Einschätzung, es könne nicht schaden, diesen Sympathisanten überwachen zu lassen.394 Generell konnte Giovanni es sich jedoch nicht leisten, Benefizien zu verschenken. Dafür war und blieb er zu sehr auf Geldeinkünfte angewiesen. Im September 1501 schilderte er selbst in Briefen an die Signoria seine Notlage. Einen Teil seiner Benefizien hatte Giovanni an den Florentiner Benedetto di Giovanni Gualberto del Giocondo verpachtet, der 392 ASF, DBR 56, c. 130 (28.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom); zur Abtei, die Giovanni erst 1505

aufgab: Picotti, Giovinezza, S. 87 und 137, Anm. 94. 393 ASF, DBR 56, c. 78, 81, 91 (4., 7. und 10.7.1497, Alessandro Braccesi, Rom). 394 ASF, DBR 46, c. 70 (21.3.1497, Alessandro Braccesi, Rom).

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ihm dafür jeden Monat eine bestimmte Summe zahlte. Auf Befehl der Florentiner Behörde der Otto di Pratica wurde Benedetto nun im Spätsommer 1501 unter Androhung einer schweren Strafe gezwungen, der Kommune, d.h. hier den Dieci di Balìa, aus dieser Pachtsumme bzw. aus seinen Einnahmen der Medici-Benefizien 500 Dukaten d’oro larghi als Kredit zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund mußte Benedetto del Giocondo jene 500 Dukaten von dem Giovanni zu zahlenden Pachtbetrag abziehen (immerhin fünf Jahresgehälter eines sehr gut verdienenden Medici-Angestellten wie Francesco Cegia!). Damit aber brachte er den Medici-Kardinal ‚in große Not‘. Denn diese Pachteinnahmen dienten, so Giovanni, für seine täglichen Ausgaben, und durch ihr Fehlen könne er sich selbst und seine famiglia nicht mehr angemessen ernähren und unterhalten. So bat er – als seine patria liebender Bürger und Sohn – die Signoria daher um eine andere Lösung. Obwohl die Florentiner Republik seit einiger Zeit unter hohen Ausgaben und Sorgen leide, die er an ihrer Stelle gern erdulden würde – Giovanni war eben diplomatischer und konzilianter als Piero –, zwinge ihn seine durch die Forderung an den Giocondo verursachte persönliche Notlage zur Klage und zu der Bitte, man möge ihm dafür jene 500 Dukaten auszahlen, mit denen er in den Büchern der Dieci di Balìa als Gläubiger verzeichnet sei. Er hoffe auf eine positive Entscheidung, da die Signoria um seine ernsthafte Achtung des Vaterlandes wisse.395 Gut einen Monat später kam die Antwort aus Florenz. Giovannis Kredit würde man durchaus zurückbezahlen, wenn dieser vorher seine vielen eigenen Schulden begleichen würde, so insbesondere die über 304 Dukaten bei seinem Gläubiger Bernardo Guidotti.396 Diese Schuld erkannte Giovanni zwar an, bezahlte sie jedoch auch in den nächsten anderthalb Jahren nicht, da er die Summe nicht zur Verfügung hatte. So kam der Medici auf die für ihn günstigere Idee, dem Guidotti einfach seinen bei den Dieci di Balìa bestehenden Kredit von 500 Dukaten zu übertragen. Benedetto del Giocondo wurde damals, im April 1503, im übrigen von Giovanni nicht mehr als Pächter seiner Benefizien bezeichnet.397 Dieses Zeugnis ist in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll. Neben dem Modus, Benefizien gegen eine jährliche Pension zu resignieren, hatte Giovanni de’ Medici als weiteres Mittel der Einnahmesicherung die Verpachtung von (sicherlich) toskanischen Benefizien praktiziert, die ihm sogar jeden Monat reguläre Einnahmen garantierten, ohne daß er die Benefizien aufgeben mußte. Da dieses Verfahren auf Vertrauen und Zuverlässigkeit beruhen mußte, vollzog es sich nur im Kreis der Familienfreunde. Benedetto di Giovanni Gualberto del Giocondo ist demnach als Freund der Medici zu bezeichnen. Giovanni de’ Medici schöpfte alle Möglichkeiten seiner Zeit aus, um die gefährdeten Einnahmen seiner Benefizien zu sichern. Neben der Verpachtung und der an eine Pension gebundenen Resignation gab es noch eine weitere Form des „sanften Verzichts“, die in jenen Jahren um 1500 geradezu kreiert und immer beliebter wurde, dem Sinn und Zweck eines geistlichen Benefiziums jedoch völlig widersprach. Auch sie wußte der spätere Papst Leo X. für seine 395 ASF, SR 21, c. 244 (18.9.1501, Giovanni de’ Medici, Rom). 396 ASF, SR 22, c. 96 (23.10.1501, Giovanni de’ Medici, Rom). 397 ASF, SR 26, c. 68 (22.4.1503, Giovanni de’ Medici, Rom).

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Belange anzuwenden, wie ein Zeugnis vom Oktober 1503 belegt. Ganz offen erläuterte Giovanni der Florentiner Signoria, daß er vor einiger Zeit die Propstei in Prato und die Pieve in Calenzano – die er aus dem Benefizienfundus des Carlo de’ Medici übernommen hatte und schon 1497 mit Hilfe der Borgia abtreten wollte – zu Gunsten des Oddo Altoviti resigniert habe. Doch in Wahrheit, das könne er sagen, habe der Altoviti die Titel und die Ehre dieser Benefizien, er selbst (weiterhin) die Einnahmen. Giovanni hatte also eine Resignation mit gleichzeitiger reservatio fructuum praktiziert bzw. vom Papst, vermutlich bereits Pius III., genehmigt bekommen. Obwohl er es hier nicht sagte, ist doch anzunehmen, daß Giovanni mit dieser Resignation ein weiteres, üblicherweise erbetenes Recht erhielt, das des sogenannten regressus, d.h. das Recht zur Rückkehr auf das resignierte Benefiz, wenn der Titelträger es aufgeben sollte. Mit diesem in späteren Reformzeiten inkriminierten Verfahren blieb das aufgegebene Benefiz ohne Einkommensverlust in der Hand des Verzichtenden; der Träger von Titel und Ehre hatte hingegen, in der Hoffnung auf später daraus erwachsende Vorteile, ohne die entsprechenden Pfründeinnahmen die geistlichen Aufgaben zu versehen – wenn er es denn tat.398 Giovanni schilderte den Fall deshalb so genau, weil er sich veranlaßt sah, die Signoria dringend zu bitten, von einer finanziellen Belastung dieser Benefizien Abstand zu nehmen. Aus ihr würde ihm ein Schaden und eine beträchtliche Einbuße an Würde erwachsen, welche Florenz doch sicherlich nicht beschädigen wolle. Selbstverständlich wolle auch er, Giovanni de’ Medici, seine Schuld gegenüber der patria gemäß den Wünschen der Signoria begleichen, doch könne er dies nicht mehr leisten. Jede noch so kleine Verringerung seiner Einnahmen bringe ihm nicht geringes Unglück.399 Mag die Not auch etwas dramatisiert worden sein, an grundsätzlichen Finanzproblemen des exilierten Kardinals ist nicht zu zweifeln. Sie müssen natürlich relational und differenzierend betrachtet werden. Seinen Feinden gegenüber war es gerade mit Blick auf die toskanischen Benefizien nur vorteilhaft, sich als bedürftig auszugeben. Die wahren Vermögensverhältnisse mußten, auch wegen noch bestehender Schulden, verschwiegen werden. Diese grundsätzliche Strategie wurde mutatis mutandis ebenso von seinen Bankiers in den Medici-Erben-Banken befolgt. Was Giovanni von ihnen, aus altem und neuem Medici-Kapital, erhielt, ist nirgendwo überliefert worden, dürfte aber wie die Pfründeinnahmen beträchtlich gewesen sein. In beiden Fällen nahm er zugleich die Buonvisi-Dienste in Anspruch. Diese Familie hatten wir in extenso als heimlichen Transferknotenpunkt für Medici-Kapital beschrieben. Für den Juli 1504 ist nun ebenfalls überliefert, wie Giovanni den alten Familienfreund Benedetto Buonvisi bat, ihm Pfründeinnahmen aus Pisa in Höhe von 100 Dukaten larghi nach Rom zu bringen. Bei dem Pisaner Kanoniker Piero Lanfranco, seinem besonderen Freund, bedankte sich der MediciKardinal am 31. Juli 1504, aus den Händen des Buonvisi diesen Betrag erhalten zu haben,

398 Zu diesen Verfahren vgl. Tewes, Römische Kurie, etwa S. 177f. und s.v. 399 ASF, SR 26, c. 225 (7.10.1503, Giovanni de’ Medici, Rom).

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den Lanfranco ihm für seine Pisaner Abtei übermittelt habe.400 Dieses Einzelzeugnis dürfte für ein häufiger angewandtes Verfahren, für eine strukturelle Kooperationsform zwischen dem Medici-Kardinal und dem Luccheser Kaufmann und faktischen Stadtherrn stehen. Da die Florentiner gerade zu dieser Zeit auf Drängen Piero Soderinis – und gegen den Widerstand Lanfredinis! – eine neue Großoffensive gegen Pisa planten oder durchführten, könnte es sich damals darüber hinaus erneut um einen nicht ganz risikolosen Freundschaftsdienst des Buonvisi für die Medici gehandelt haben.401 Auf der anderen Seite hatten Pieros kriegerische Eskapaden Unsummen an Geld verschlungen. Dieser Faktor und der, daß ihm eine öffentlich gezeigte Armut mehr nutzte als schadete, ließen Giovanni de’ Medici im Vergleich zu anderen Kardinälen verarmt erscheinen, auch gegenüber seinem Freund Federico Sanseverino. Dies veranschaulicht die Taxe, die der Papst den Kardinälen im Mai 1500 als Zehnten für einen geplanten Türkenkreuzzug auferlegte: Hier stand Federico mit 1.300 Dukaten als Zehntel seines veranschlagten Einkommens an 7. Stelle von 41 berücksichtigten Kardinälen, deutlich hinter Ascanio Sforza mit dem höchsten Betrag von 30.000 Dukaten, doch noch vor Georges d’Amboise (9.000 Dukaten Gesamteinnahmen) und Giovanni de’ Medici (6.000 Dukaten).402 Solche Listen sind freilich sehr kritisch zu sehen und zu hinterfragen. Entscheidend waren die tatsächlichen Einnahmen, die nachweislich stark von den deklarierten abweichen konnten, waren weiterhin die laufenden Ausgaben des jeweiligen Kardinals, die etwa für einen Kurienkardinal in Rom wesentlich höher gewesen sein werden als für einen in seiner Heimat lebenden Kardinal, von denen es viele gab. Gerade an der Kurie war der mit dem Amt verbundene Status zu wahren; mit ihm waren Pflichten und Ausgaben (etwa Kleidung, Ausstattung und Essen für die Angehörigen seiner famiglia, standeskonforme Gästebewirtungen usw.) verbunden, denen sich auch ein von anderen finanziellen Verpflichtungen bedrängter exilierter Kardinal wie Giovanni de’ Medici nicht entziehen konnte. Seine Einkünfte aber waren von politischen Konstellationen abhängig. Dies galt generell für alle Kardinäle, für den Staatsfeind aber besonders. Denn die meisten der Benefizien Giovannis lagen aus politischen Gründen auf dem Boden des Florentiner Territoriums. Sein Vater als faktischer Herr dieses Raumes konnte sie ihm einst verschaffen; die neue Florentiner Regierung konnte und wollte sie ihm nach 1494 entziehen und die Übertragung neuer Benefizien verhindern, zumal aus ihren Erträgen immer wieder primär die teuren Angriffe Pieros auf Florenz finanziert wurden. Um so wichtiger waren für den Medici daher seine großen Abteien außerhalb des Florentiner Dominiums, die nicht nur wegen ihrer beträchtlichen Einkünfte, sondern auch wegen ihrer politischen Bedeutung so begehrt waren. Montecassino konnte nicht nur für finanzielle Sicherheiten sorgen, sondern auch gleichsam als Faustpfand dienen, dessen Nutzung deshalb vom König genehmigt werden mußte. Nicht zur Sprache kam in diesem Kontext die lombardi400 BNCF, Ginori Conti 29/39, Nr. 24. Der Name di quella nostra abbatia wird leider nicht ge-

nannt. 401 Vgl. hier nur Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 121–125. 402 Vgl. Thuasne, Burchardi diarium III, S. 56f.

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sche Abtei Morimondo. Sie verdient nämlich ein eigenes Kapitel. Denn mit ihr werden wir wieder in das Herz unseres Netzwerks geführt.

c) Abteien als Spiegel von Freundschaft und Verflechtung Morimondo oder: Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino Die Zisterzienserabtei Morimondo, in der Nähe Mailands östlich des Flusses Ticino gelegen, zählte zu den bedeutendsten Benefizien der an reichen Pfründen so gesegneten Lombardei.403 So feierte Lorenzo de’ Medici denn auch einen ungemeinen Prestigeerfolg, als er kurz nach dem Erwerb von Montecassino im Jahr 1487 mit Morimondo eine zweite große Abtei, gleichsam einen kleinen Staat, für seinen damals zwölfjährigen Sohn Giovanni erwerben konnte. Wie im Fall des neapolitanischen Montecassino war das Erlangen der lombardischen Abtei ein hochpolitischer Akt, der ohne das Wohlwollen des Herrschers von Mailand, seinen Willen zur Demonstration politischer Freundschaft und eine Verständigung Lorenzos mit diesem unmöglich war.404 Auch wenn Giovanni de’ Medici als Kommendatarabt nicht persönlich die Abtei führte, sondern mit Francesco della Torre einen Medici-Getreuen als seinen Stellvertreter einsetzte, eine Nebensächlichkeit war sie nicht: Morimondo brachte ihm viel Geld ein (man schätzte die jährlichen Einkünfte auf vermutlich zu hohe 5.000 Dukaten), diente ihm und selbst den Florentiner Gesandten gleichsam als Stützpunkt in der Lombardei und wurde – diese Funktion optimierend – 1491 dem streng observanten Reformkloster von Settimo Fiorentino angegliedert, dessen toskanische Mönche nun die lombardischen verdrängten.405 Doch zwei Faktoren bewirkten, daß Giovanni de’ Medici mit der Zeit kaum noch Vorteile aus dem Besitz von Morimondo ziehen konnte. Zum einen sorgte die proaragonesische, Virginio Orsini verpflichtete Politik seines Bruders Piero für frostige Verhältnisse in den Beziehungen zwischen dem Sforza-Hof und den Medici, die auch Reaktionen des Herzogs gegen den Abt von Morimondo bewirkten. Zum anderen führten die neuen Partizipationsrechte der Reformmönche an den Besitzungen und Einkünften des Klosters, diverse Konflikte sowie vor allem die Rechte und Ansprüche der mächtigen Pächter der Klosterbesitzungen dazu, daß Giovanni schon ab 1492 faktisch kaum noch Einnahmen aus Morimondo bezogen haben soll.406 Diese Widrigkeiten wurden zu einem unbestimmten Zeitpunkt vor 1497, vermutlich Anfang 1495, noch verstärkt, als der Kardinal Gian Giacomo Schiaffenati, Bischof von Parma, die Abtei mit der Zustimmung Herzog Ludovico Sforzas besetzte und dem Medici die Einkünfte verwehrte, woraus ein langer Streit zwischen ihnen entstand.407 Der Schiaf403 Für unseren Untersuchungszeitraum jetzt grundlegend zur Abtei Morimondo: Cavallera, Mori-

mondo. 404 Vgl. hierzu Picotti, Giovinezza, S. 106–111; Cavallera, Morimondo, S. 81–84. 405 Zur Einführung der settimianischen Reform vgl. Cavallera, Morimondo, S. 104–107. 406 Cavallera, Morimondo, S. 107–112. 407 ASF, DBR 56, c. 197 (13.12.1497, Alessandro Braccesi, Rom; resümierende Darstellung der

Vorgeschichte).

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fenati war damals, 1487, unter dem Vorbehalt eines Einverständnisses von Ludovico il Moro durch Papst Innozenz VIII. mit Morimondo providiert worden, doch mußte er sie aus politischen Gründen an den jungen Medici abtreten.408 Die Kehrtwendung trat offenbar Anfang 1495 und somit als Folge des Machtverlustes und der Exilierung der Medici ein, da aus einem Brief Federico Sanseverinos vom 8. Februar 1495 an den Moro hervorgeht, daß diesem durch Luigi Becchetti (Diener des Moro, aber Vertrauensmann Sanseverinos) ein von Schiaffenatis Agenten übermitteltes Breve des Papstes wegen bestimmter Einzelheiten zur Abtei Morimondo vorgelegt würde. Der Sforza sollte auf Wunsch Federicos keinerlei Entscheidung über Morimondo treffen, bevor er nicht die Ausführungen Becchettis gehört hätte.409 Offenbar versuchte der Sanseverino über seinen Vertrauten zugunsten seines Medici-Freundes Einfluß zu nehmen, der ohne Zweifel Opfer der politischen Strategie seines Bruders Piero geworden war und deshalb seit Sommer 1495 nicht nur wegen der Bitte um mailändische Hilfe gegen Florenz, sondern auch wegen Morimondo an den Sforza-Hof reisen wollte, wo er dann im November 1495 eintraf. Ungefähr Mitte September 1497 wollte Papst Alexander VI. den langen Konflikt um die Abtei Morimondo beenden, indem er Schiaffenati mit einer Bulle Morimondo als Kommende – also als von Dienstverpflichtungen befreite geistliche Pfründe – verlieh und dem Medici eine jährliche Pension von 1.000 Dukaten reservierte. Doch Giovanni weigerte sich beharrlich, in diesen Kompromiß einzustimmen.410 Statt dessen hatte er, wie Mailänder Quellen zeigen, wegen Morimondo, als dessen rechtmäßiger Besitzer er sich weiterhin sah, längst eine heimliche Vereinbarung mit Federico Sanseverino getroffen. Schon am 4. Juni 1497 hatten die beiden ihre (leider nicht überlieferte) Übereinkunft, die in einzelne Kapitel gegliedert war, mit zwei von ihnen unterschriebenen und besiegelten Schriftstücken vollzogen, die nach dem Tod Schiaffenatis in Kraft treten sollte. (Genau in diesen Junitagen versuchte Giovanni, seine beiden toskanischen Vallombrosanerabteien in Passignano und Coltibuono zu guten finanziellen Konditionen abzugeben; Piero hielt sich öfter im Haus des Sanseverino auf als im Medici-Palast am Campo dei Fiori; und Leonardo di Zanobi Bartolini bemühte sich in Venedig, über den 12.000-Dukaten-Kredit der

408 Picotti, Giovinezza, S. 108f.; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 631f. 409 ASM, SPE, Roma 112 (8.2.1495, Federico Sanseverino, Rom, an Ludovico Sforza). 410 ASF, DBR 56, c. 197 (13.12.1497, Alessandro Braccesi, Rom). Die Darstellung Braccesis

stimmt nicht mit dem überein, was Pellegrini jüngst hierzu schrieb. Nach ihm hatte Giovanni de’ Medici die Abtei zugunsten von Schiaffenati resigniert und dafür eine jährliche Pension von 500 Dukaten sowie das Regressus-Recht erhalten, das ihm die Wiedererlangung des Benefiziums nach dem Tod des Inhabers sicherte; vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 631f. Möglicherweise hatte der Okkupant dem Medici eine inoffizielle Pension über 500 Dukaten als Entschädigung gegeben oder auch nur geben wollen, doch eine rechtlich verbindliche Resignation des Benefiziums durch den Medici hat es offenkundig nie gegeben; sie wird auch in den weiteren Quellen zu diesem Fall nie bezeugt. Hingegen bezeugte Ascanio Sforza persönlich, daß eine Einigung zwischen dem Schiaffenati und dem Medici nie zustande kam. Schiaffenati hatte einige Monate vor seinem Tod im Dezember versucht, sie durch die Vermittlung Ascanios zu erreichen, der jedoch wegen einer Krankheit daran gehindert wurde; ASM, SPE, Roma 124 (12.12.1497, Ascanio Sforza, Rom, an Ludovico Sforza).

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Medici-Bank für Braghadini Bargeld zu erhalten.) Das erwartete Ableben Schiaffenatis trat nun in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1497 ein. Bereits am 10. Dezember ließen der Medici und der Sanseverino ihren Vertrag nach Mailand senden, um ihn durch den Herzog approbieren zu lassen. Beigelegt war Giovannis päpstliche Bulle für Morimondo, in welcher auch die bisherigen Besitzverhältnisse erklärt waren, aufgrund derer er vom Sforza eine Besitzanerkennung erbat und eine Übertragung der Rechte an seinen hierfür entsandten Prokurator, um anschließend die Abtei gemäß der mit Federico Sanseverino abgeschlossenen Konvention an diesen übergeben zu können.411 Bereits am 28. November 1497 hatte Federico Sanseverino seinen Sforza-Herrn um die Benefizien aus dem Besitz des im Sterben liegenden Kardinals gebeten, darunter neben Morimondo auch das Bistum Parma, das er als Kompensation für sein ihm damals gerade (kurzzeitig) entzogenes französisches Bistum Maillezais wünschte.412 Selbstredend feierten Giovanni und Federico gemeinsam die Exequienfeier für den verstorbenen Kardinal Parmensis in der römischen Kirche der Augustiner.413 Der Tod des Kardinals von Parma, wie er stets genannt wurde, schuf eine mehr als komplizierte Situation, da Morimondo mittlerweile zum Objekt vielfacher Interessen geworden war. Da gab es Ascanio Sforza, der ein Auge auf Morimondo geworfen hatte, es dem toskanischen Einfluß entziehen und der in seinem Besitz befindlichen Abtei von Chiaravalle unterordnen wollte; da gab es einen Borgia-Papst, der mit dieser Abtei und den anderen Benefizien des verstorbenen Kardinals Schiaffenati seinen Sohn Cesare ausstatten wollte; und da gab es den rechtmäßigen Besitzer Giovanni de’ Medici, der Morimondo (gegen eine Pension) nun seinem Freund Federico Sanseverino zueignen wollte.414 Federico, bereits auf zwistträchtiger Distanz zu den Sforza, hatte zudem keinerlei Bedenken, Morimondo im toskanischen Reformverband von Settimo Fiorentino zu belassen. Bei dieser Sanseverino-Medici-Kooperation auf dem Benefiziensektor sind die zeitlich parallel laufenden politischen und militärischen Aktionen zur Restitution der MediciHerrschaft in Florenz im Auge zu behalten: Im Frühjahr und Sommer 1497 waren die fehlgeschlagenen Angriffe der Medici-Orsini-Partei auf Florenz unter maßgeblicher Beteiligung Federico Sanseverinos erfolgt, der sich ständig an der Seite Pieros aufhielt; nachdem ihre Freunde in Florenz verraten und fünf von ihnen hingerichtet worden waren, hatten die Medici, stets von Federico begleitet, seit November 1497 neue Unterstützung bei den Venezianern gefunden und mit diesen geheime Verhandlungen begonnen.415 Doch wer auf Venedig setzte, konnte nicht Mailands Gunst erwarten. Und noch war Lu411 ASM, SPE, Roma 124 (10.12.1497, Brief ohne Adressat und Absender); bestätigt ebd.,

12.12.1497, Ascanio Sforza, Rom, an Ludovico Sforza, der offenbar den verlorengegangenen Vertrag in zweifacher Ausfertigung und die entsprechende Erläuterung vom 10.12. sandte); zum Todestag des Kardinals Schiaffenati vgl. auch Eubel, Hierarchia II, S. 53, Nr. 597. 412 ASM, SPE, Roma 124 (28.11.1497, Federico Sanseverino, Rom, an Ludovico Sforza; 29.11.1497, Ascanio Sforza, Rom, an Ludovico Sforza). 413 S.o. S. 468, Anm. 407. 414 Vgl. die einzelnen Passagen bei Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 631f., 635f., 662–664. 415 Vgl. oben S. 462–464 und 474f.

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dovico Sforza Herr über das mailändische Herzogtum, auf dessen Boden Morimondo lag. So nimmt es nicht Wunder, daß die beiden Häupter der Sforza, Ascanio und Ludovico, mit aller Macht gegen den Sanseverino und damit gegen die Medici-Interessen agierten und intrigierten. Geraume Zeit vor Schiaffenatis Hinscheiden stand in Mailand und Rom bereits fest, daß man dem Sanseverino eine Lektion erteilen wollte. So erklärte Ludovico Sforza am 2. Dezember, die Erfahrung habe leider gezeigt, daß der Sanseverino und seine Leute immer unzuverlässiger und illoyaler würden, je mehr man ihm helfe und ihn aufsteigen lasse. Weder Morimondo noch das Bistum Parma und eine weitere erbetene Abtei sollten in seine Hände gelangen. Das war damals bereits mit dem Papst vereinbart worden. Parma hatte der Moro für seinen Günstling, den in Rom als Botschafter wirkenden Stefano Taverna vorgesehen, der bezeichnenderweise in einem sehr gespannten Verhältnis zum Sanseverino stand. Schon am 9. Dezember erklärte der Papst seinen Willen, diese Bistumsbesetzung zu vollziehen, und am 23. Dezember unterzeichnete Taverna seine Briefe aus Rom als electus Parmensis. Aus der längst beschlossenen Vergabe Morimondos machte der Papst hingegen ein kleines Schauspiel mit leicht sadistischer Einlage. An jenem 9. Dezember, dem Todestag Schiaffenatis, hatte sich auch Kardinal Giovanni de’ Medici im Vatikan eingefunden, wo er die Kurie geradezu ‚auf den Kopf stellte‘, wie es Braccesi formulierte, und mit aller Vehemenz vom Papst forderte, ihm die Abtei Morimondo zur freien Verfügung zu übertragen, da sie ihm gehöre. Als der Papst darauf nicht antwortete, warf ihm Giovanni vor, ihm Unrecht zu tun. Doch als der Medici hinzufügte, er glaube nicht, daß es irgendeinen Kardinal gebe, der ihm die Abtei wegnehmen würde, da sie seine sei, fing der Papst an zu lachen und wandte sich an seinen Sohn, den Kardinal Cesare Borgia, ob er sie denn akzeptieren würde, wenn seine Heiligkeit sie ihm geben wolle. Cesare erwiderte, er würde sie nehmen, wenn seine Heiligkeit sie ihm antrage. Und so geschah, was mit Mailand längst beschlossen war. Schon am 13. Dezember hatte Cesare die Bullen für Morimondo in der Hand und durfte auf das Wohlwollen des Herzogs von Mailand setzen. Giovanni de’ Medici aber war vorgeführt, lächerlich gemacht worden und fand sich ohne Abtei und ohne Pension wieder.416 Am Ende setzte sich über Umwege dann doch der Wille Giovanni de’ Medicis durch; dies zeigt, wie viel ihm tatsächlich an Morimondo lag. Da Cesare Borgia, der Morimondo vergeblich zu einem überhöhten Preis an den Sanseverino verkaufen wollte, im August 1498 den geistlichen Stand wegen seiner politischen Ambitionen verließ, übertrug Alexander VI. die Abtei mitsamt der kleineren Benediktinerabtei von S. Vittore vor den Mau416 Vgl. die entsprechenden, sich ergänzenden Florentiner und Mailänder Quellen: ASF, DBR 56, c.

197 (13.12.1497, Alessandro Braccesi, Rom, mit dem Fokus auf den Medici); ASM, SPE, Roma 124 (2.12.1497, Ludovico Sforza, Mailand, an Ascanio Sforza; 9.12.1497, Ascanio Sforza, Rom, an Ludovico Sforza; 23.12.1497, Stefano Taverna, Rom, an Ludovico Sforza; 27.12.1497, Ludovico Sforza aus Mailand an Federico Sanseverino: er habe die Konvention zwischen diesem und dem Medici gelesen, freue sich darüber, habe aber leider die Verfügung über die Benefizien ganz dem Papst überlassen; da dieser Morimondo dem Kardinal Cesare Borgia gegeben habe, könne er sich nicht mehr einmischen ohne Konflikte zu erzeugen).

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ern Mailands für 8.000 Dukaten seinem Neffen, dem Kardinal Juan Borgia, der das Geld allerdings nicht aufbringen wollte und beide Abteien dem Sanseverino anbot. Dieser schlug ein, ließ angesichts seiner finanziellen Engpässe seine Freunde und Verwandten für sich bürgen, erhielt Anfang Oktober 1498 die päpstlichen Bullen, mußte sich jedoch bis zum April 1499 dem Widerstand des Sforza-Herzogs beugen, der erst dann, unter dem Druck der gegen ihn auftretenden Franzosen und Venezianer, den Sanseverino als Verbündeten suchte und ihm sogar mit 2.000 Dukaten bei der Abzahlung des hohen Kaufpreises half.417 Auch wenn der päpstliche Clan aus dem kirchlichen Erbe des Schiaffenati Besitzrechte auf Morimondo beanspruchte oder auch besaß, letztendlich blieb Giovanni de’ Medici kraft seiner Provisionsbulle und der verweigerten Resignation der eigentliche Inhaber der Abtei. Dies belegt eindeutig die Tatsache, daß weiterhin er von dem neuen Besitzer Federico Sanseverino eine Pension (500 Dukaten) bezog, nicht Juan Borgia.418 Mag eine solche Pensionszahlung in vielen Fällen ein rein technischer Akt gewesen sein, der nichts über eine Verbundenheit zwischen den beiden Parteien aussagt, in diesem Fall ist sie kein singuläres, nichtssagendes Faktum, sondern Folge ihres schon im Juni 1497 abgeschlossenen Übereinkommens und damit eine weitere Bestätigung der tiefen Freundschaft zwischen dem Sanseverino und den Medici. Morimondo wird aber zugleich, das darf bereits vorausgeschickt werden, die Beziehungen zwischen ihnen sowie ihren Partnern – in erster Linie den Bartolini – noch erheblich vertiefen; auch an Morimondo werden wir ablesen können, daß eine der Öffentlichkeit in späteren krisenhaften Zeiten suggerierte Distanz zwischen Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino eine rein taktische Täuschung war. Einer der ersten Akte Federico Sanseverinos als neuer Kommendatarabt von Morimondo bestand im Juli 1499 in dem Versuch, die Macht der weltlichen Pächter, die den Grundbesitz von Morimondo durch frühere Vertragsabschlüsse mit Giovanni de’ Medici nutzten, zurückzudrängen und den direkten Einfluß des Abtes zu erhöhen. Da die Pächter jedoch erhebliche Summen in die Landverbesserung investiert hatten, konnten ihre Verträge nicht ohne eine entsprechende Kompensation der Investitionssummen gekündigt 417 Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 696–698; vgl. auch ASV, Cam. Ap., Oblig. comm. 12, fol.

12r (Federico Sanseverino erhielt über seinen Beauftragten Laurentius de Capellano die auf den 9.10.1498 datierten Bullen für die beiden Abteien am 29.10.1498 auf der Apostolischen Kammer, der er für Morimondo 1.000 Kammerfiorini, für San Vittore 300 Fiorini an Servitien zu zahlen hatte); Cavallera, Morimondo, S. 112 und Anm. 68 (irrig 200 Fiorini für San Vittore angegeben), S. 120, Anm. 91 (irrig 28.10.1498 als Datum der Bulle); ASM, Autografi 32, fasc. 264 (Briefe des Federico Sanseverino 1492–1513), (4.12.1498, Federico Sanseverino, Rom, an Ludovico Sforza: wegen dessen Wunsch, Sanseverino möge Morimondo und San Vittore resignieren, was er gern tun wolle, wenn er nicht Verpflichtungen eingegangen wäre, die er nicht aufgeben könne, ohne Schande für sich und Schaden für seine Freunde zu bewirken). 418 Vgl. ASV, Reg. Lat. 1053, fol. 106r–108r (10.7.1499; mit der Angabe, daß die Provision von Morimondo gegen eine jährliche Pensionszahlung an Giovanni de’ Medici erfolgte). Die Höhe der Pension wird hier nicht genannt, doch wird sie in späteren Quellen mit 500 Kammerfiorini angegeben.

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werden. Um diese Geldmittel zu erlangen, wollte Federico von Alexander VI. die Erlaubnis erhalten, zur Auszahlung der Pächter und zur Bezahlung der Pension weniger wichtige und weit entfernte Güter des Klosters bis zu einem Wert von 5.000 Kammerfiorini verkaufen zu dürfen. Dadurch würden sich zwar die Einkünfte von Morimondo (auf vorgeblich 125 Fiorini) verringern, doch würde dies durch den Rückerwerb der melioramenta kompensiert, da hierdurch die Erträge auf 500 Fiorini gesteigert werden könnten. Der Papst freilich wollte sich mit diesen Informationen nicht begnügen, wünschte genauere Angaben seitens der Pächter und über deren Güter durch zwei Deputierte, die dann im zutreffenden Fall die Erlaubnis geben durften.419 Auffällig ist (nicht nur) bei dieser Bulle die Beteiligung von Vertrauten mit hohen Kurienämtern. Am Kopf des betreffenden Registereintrags steht der Name des judizierenden Abbreviators: Alessandro Sanseverino, sein Bruder, der die Urkunde also in formaler sowie rechtlicher Hinsicht mit der genehmigten Supplik verglichen hatte.420 Im Februar 1501 erneuerte Federico Sanseverino dann als Abt von Morimondo explizit die von Giovanni de’ Medici begründete toskanische Reformausrichtung seines Klosters, indem er durch Alexander VI. die damals neu eingeführten Statutenbestimmungen bestätigen ließ, nach welchen die Mönche aus Settimo Fiorentino sowie die im Kloster verbliebenen Mönche mittels eines Zehnten auf den Immobilienbesitz und anderer Rechte eine angemessene persönliche Ausstattung erhalten sollten.421 Auch dieser, für sich gesehen gar nicht so spektakuläre Akt muß in einem Kontext der Freundschaftsbestätigungen betrachtet werden. (Zudem wäre ja auch eine Zurückdrängung des toskanischen Elements durch den Sanseverino denkbar gewesen, der 1501 bereits die volle Unterstützung durch den neuen Herren über das Herzogtum Mailand, Ludwig XII., besaß, welcher wie seine italienischen Vorgänger die Kontrolle der Benefizien in seiner Hand hielt.) Dovadola oder: Giovanni de’ Medici und die Bartolini Der Erwerb bedeutender Abteien und auch kleinerer Benefizien war nicht nur für den jungen Medici und dessen Familie ein Erfolg in mehrfacher Hinsicht: Er brachte regelmäßige finanzielle Einkünfte, Prestige, regionale Stützpunkte, schuf mögliche Objekte des Tausches und Verkaufes – oder aber konnte zur Versorgung, Förderung und Anerkennung von Freunden dienen. Diese zuletzt angesprochene Funktion spielte nicht nur im Fall Morimondos eine Rolle, sondern auch bei einer weiteren Abtei Giovanni de’ Medicis, der südwestlich von Forlì in der Romagna gelegenen Benediktinerabtei San Andrea di Dovadola. Mit einer auf den 24. Januar 1506 datierten Bulle bestätigte Julius II. einen bemer419 Vgl. ASV, Reg. Lat. 1053, fol. 106r–108r (10.7.1499). 420 Zu den formalen Aspekten vgl. Frenz, Kanzlei, S. 120–124, 130, 473 (mit anderen Belegen für

Alessandros Funktion als Abbreviator seit 1490, doch ist dieses Amt in der einschlägigen Kurzbiographie auf S. 274, Nr. 76, nicht angegeben worden). 421 ASV, Reg. Lat. 1107, fol. 168v–171r (12.2.1501); zur Sache vgl. auch Cavallera, Morimondo, S. 121–124 (jener Akt war Teil eines umfassenderen Reformprogramms, zu welchem auch die Bestätigung der 1497 vorgenommenen Eingliederung von Morimondo in die observante Zisterzienserkongregation von San Bernardo di Tuscia gehörte).

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kenswerten Akt.422 Kardinal Giovanni de’ Medici gab seine ihm kommendierte Abtei San Andrea di Dovadola per cessionem in die Hände des Papstes zurück, der das so vakante Benefiz gemäß dem Wunsch des Medici dem Florentiner Kleriker Lorenzo di Bartolomeo Bartolini kommendierte. Julius II. gewährte dem Medici dafür motu proprio die Reservation aller Einkünfte des Klosters anstelle einer Pension durch Lorenzo Bartolini sowie das freie Regressus-, also Rückkehrrecht. Die anliegenden Ausgaben des Klosters aber hatte Giovanni de’ Medici aus den fructus zu tragen. Aus der mit dem gleichen Datum versehenen Bulle des Papstes an die Exekutoren der Provision erfahren wir, daß die fructus des Klosters 100 Kammerdukaten betrugen und der neue Kommendatarabt gerade einmal in seinem zwölften Lebensjahr stand, durch eine entsprechende Dispens aber alle Rechte eines wahren Abtes erhielt.423 Am 20. März 1506 erfolgte die Obligation zur Zahlung der entsprechenden Taxen, der Servitien, die sowohl den Medici als auch den Bartolini betraf, da jener sich alle Einkünfte reserviert hatte und das Regressus-Recht besaß, dieser aber als nomineller Kommendatarabt zu einem späteren Zeitpunkt auch über die Einnahmen verfügen könnte.424 Offensichtlich ist die päpstliche Benefizienübertragung von 1506 nur eine, die nach außen gezeigte Seite der Medaille. Die im Geheimarchiv des Vatikans befindlichen Dokumente werden ergänzt durch Quellen, die sich im privaten Archiv der Bartolini Salimbeni befinden und eine ganz andere Realität aufzeigen. Julius II. hatte Kardinal Giovanni de’ Medici mit einer Urkunde vom 20. Januar 1504 die Abtei San Andrea di Dovadola wegen des Todes des bisherigen Abtes Tonsus verliehen; dabei bestätigte er, daß die Abtei über ein jährliches Einkommen von 160 Kammerdukaten verfüge (also erheblich mehr als zwei Jahre später angegeben).425 Giovanni de’ Medici wollte trotz seiner vorgeblichen „Armut“ diese fructus allerdings gar nicht beanspruchen. Er ließ sich nur deshalb mit der Abtei providieren, um ihren Ertrag heimlich dem Sohn eines seiner engsten und wichtigsten Freunde zukommen zu lassen: dem damals gerade zehnjährigen Lorenzo, dem jüngsten Sohn Bartolomeo Bartolinis! In dessen Rechnungsbüchern lesen wir, was in den Urkunden nicht gesagt bzw. verschwiegen wird. Seit dem 21. Oktober 1504 erhielt Lorenzo Bartolini regelmäßig (bis 1521) die Einkünfte (entrate) ‚seiner‘ Abtei San Andrea di Dovadola, in Form von Bargeld und landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Getreide, Hülsenfrüchten usw., die dann sein Bruder (und Kontenführer) Giovanni für ihn verkauf-

422 ASV, Reg. Lat. 1174, fol. 287r–289v. 423 ASV, Reg. Lat. 1175, fol. 256v–258v (die Exekutoren waren der Archidiakon des Doms von

Florenz, der Propst des Doms zu Fiesole und der Vikar des Bischofs von Forlì). 424 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 65r (die Abtei war in den Büchern der Kammer auf 50

Kammerfiorini taxiert worden). 425 Durch die freundliche Bereitschaft des Marchese Lorenzo Bartolini Salimbeni konnte ich die

originale Papst- bzw. Provisionsurkunde für den Medici-Kardinal einsehen und den Irrtum im Inventar des 18. Jahrhunderts korrigieren. Sie erschließt sich aus ABS, Inventario delle pergamene II, 1, 1503 II 9 (völlig irrig hinsichtlich Inhalt und Datum: Lorenzo Bartolini sei am 9.2.1503/04 durch den Papst, also Julius II., zum Protektor dieses Klosters ernannt worden!).

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te.426 Aber auch die verschiedenen Unkosten für die Bestechung eines konkurrierenden Priesters aus der regionalen Familie der Federighi und für die Besitznahme der Abtei in Rom ließ Giovanni Bartolini seit dem Jahr 1504 verbuchen. Ob Lorenzo den Titel eines Abtes wirklich schon 1504 erwerben konnte, ist nicht eindeutig zu erkennen (der Vorgang scheint erst 1508 endgültig abgeschlossen gewesen zu sein), doch die Einkünfte erhielt er durch den Willen des Medici-Kardinals seit dem Herbst jenes Jahres – und deshalb liegt dessen Besitzurkunde vom Januar 1504 heute im Bartolini-Archiv. Die päpstliche Bulle vom Januar 1506, mit welcher Giovanni de’ Medici die Abtei an Lorenzo abtrat, sich dabei jedoch die Reservation aller fructus vorbehielt, ist somit so wie die deshalb juristisch notwendige folgende Servitienobligation des Kardinals ein die Wirklichkeit verschleiernder Rechtsvorgang, der wahrscheinlich wegen der Minderjährigkeit Lorenzos als geboten angesehen wurde. Diese Benefizien- und Einkommensabtretung Giovanni de’ Medicis ist denn auch mit den anderen nicht zu vergleichen. Sie stellt eine Anerkennung der Leistungen dar, welche die Bartolini für das exilierte Haus Medici erbracht hatten und darüber hinaus auch eine materielle Rückvergütung, die mit Lorenzo die ganze Familie betraf. Dieses Geschenk des Medici-Kardinals spiegelt wider, daß die Bartolini Großes für die Medici leisteten. Die Übertragung der Abtei in Dovadola an den jungen Bartolini ist allerdings kein singulärer Akt einer Freundschaftsfestigung gewesen; sie ist ebensowenig eine nur zwischen Giovanni de’ Medici und Lorenzo di Bartolomeo Bartolini bzw. dessen Familie verlaufende, gleichsam linear zu sehende Stärkung zweier Knotenpunkte des Netzwerkes gewesen. Sie war vielmehr Bestandteil eines komplexeren Vorganges, mit welchem sich zentrale Persönlichkeiten des Netzes gegenseitig förderten und absicherten. Daß dabei nicht allein die Ebene geistlicher Pfründen betroffen war, sondern ganz eminent auch und besonders die von Wirtschaft und Finanzen, wird sich an dem folgenden Fall zeigen und wird aus ihm heraus zu entwickeln sein. Entremont und Ugine oder: Federico Sanseverino und die Bartolini Die im Mittelpunkt stehende, zur Diözese Genf und damit zur Kirchenprovinz Vienne gehörende, um 1154 von Augustinern gegründete Abtei Entremont (Intermontes) befand sich in Savoyen, bildete eines der vorzüglicheren Benefizien des Herzogtums, bei deren Besetzung die jeweils maßgeblichen Herrscher (Grafen von Genf, Grafen bzw. Herzöge von Savoyen) in der Regel ein Entscheidungsrecht ausübten.427 Wer ein solches Benefiz um 1500 bekleidete, stand meist in der Gunst des Herzogs. Was Entremont betrifft, so fiel 426 ABS 368 (Haushaltsbuch von Lorenzo di Bartolomeo Bartolini in Form eines giornale), c. 81r–

82r; ABS 369 (Haushaltsbuch von Lorenzo Bartolini in Form eines Schuldbuches), c. V, 13, 14/XIIII. Giovanni Bartolini führte bis zum 23.9.1513 auch die entsprechenden Konten für Lorenzo, der die Abtei San Andrea durch seinen ministro e fattore Don Galeotto verwalten ließ. 427 Vgl. Gallia Christiana, Bd. 16 (Provinz Vienne), Sp. 503–506, doch mit sehr fehlerhaften Angaben zu den uns interessierenden Äbten in den Jahrzehnten vor und nach 1500. Für diesen Zeitraum gibt es auch im Bestand „Materie ecclesiastiche. Abbazie, Entremont“ des Archivio di Stato di Torino, Corte, kaum Quellenstücke.

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sie auf Personen, die scheinbar wenig gemein hatten. Oder was konnte zwei jugendliche Kleriker aus Florenz mit einem französischen Kardinal verbinden, der sogar Verwandter des Königshauses war? Die verknüpfende Kraft war wieder einmal der Kardinal Federico Sanseverino. Zu seinen Partnern auf dem Feld der höheren Benefizienversorgung gehörte der königsnahe Philipp von Luxemburg (ein Cousin des mächtigen Louis de Luxembourg, Comte de Ligny), der am 21. Januar 1495 durch massiven, in Rom vor Papst Alexander VI. ausgeübten politischen Druck des gegen Neapel ziehenden Königs Karl VIII. zum Kardinal erhoben worden war, wenige Tage nach Guillaume Briçonnet.428 Philipp war als Nachfolger seines Vaters Theobald schon 1476 Bischof von Le Mans geworden. Der Besitz des Bistums Thérouanne hingegen wurde 1498 durch eine Kooperation mit Federico Sanseverino möglich. Dieser hatte das spannungsgeladene Bistum – die Stadt war französische Enklave, die Diözese gehörte teils zu Frankreich, teils zu Habsburg, und Calais war englisch – Anfang 1496 als erklärter Anhänger Frankreichs in Besitz nehmen können. Doch mußte er später allerdings auch das Plazet des in Flandern regierenden habsburgischen Erzherzogs Philipp eingeholt haben, da es ihm 1497 durch den Erzherzog wieder entzogen werden sollte, was vorerst nur durch einen Dankbarkeit heischenden Ludovico Sforza verhindert werden konnte.429 Offenbar waren die Pressionen jedoch zu stark und Sanseverinos Einflußmöglichkeiten zu schwach, so daß er sich zur Resignation des Bistums zugunsten Philipps von Luxemburg entschloß, der ihm dafür eine jährliche Pension bezahlte. Doch mußte Federico auch in Le Mans Rechte besessen haben, aus denen er einen finanziellen Vorteil schlagen konnte. Denn für beide Bistümer zahlte Philipp noch über Jahre hinweg jeweils eine Pension an den Sanseverino. Die Abtretung Thérouannes wird nicht anders als der Verzicht auf bestimmte Rechte an Le Mans freundschaftlich erfolgt sein, geschah zudem fast ein Jahr vor der vorübergehenden Entfremdung zwischen Ludwig XII. und Federico Sanseverino, die vom Sommer 1499 bis zum Sommer 1500 dauerte. Ganz einvernehmlich, gar auf eine tiefere Verbundenheit weisend, geschah auch die Übergabe Entremonts. Diese Abtei hatte Philipp von Luxemburg 1483 erhalten.430 Am 7. März 1506 nun trat der luxemburgische Kardinal die in der Diözese Genf gelegene Augustinerabtei Entremont sowie das gleichfalls als Kommende besessene Priorat des (in der gleichen Diözese befindlichen) Benediktinerklosters Ugine, das einen Pfründwert von 180 Kammerdukaten hatte, mittels seines Prokurators ab, um sie über Julius II. in die Hände des Kardinals Federico Sanseverino zu geben. Philipp von Luxemburg sollte als Entschädigung für seine Zession der Abtei Entremont eine Pension von Federico Sanseverino erhalten, die zehn Kammerdukaten betrug und nur als ein symbolischer Freundschaftsakt 428 Vgl. etwa Eubel, Hierarchia II, S. 23; Harsgor, Recherches, S. 393 (aber irrig 1496 als Jahr des

Kardinalats); Labande-Mailfert, Charles VIII (1975), S. 321, 517. 429 ASM, SPE, Roma 116 (23.5.1496, Federico Sanseverino, Rom, an Ludovico Sforza); Roma 121

(4.5.1497, Federico Sanseverino, Rom, an Ludovico Sforza; 25.5.1497, Ludovico Sforza aus Mailand an Federico Sanseverino). 430 Vgl. Eubel, Hierarchia II, S. 162, Anm. 2 zu „Cenomanen.“.

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bezeichnet werden kann. Gleichsam in einem Atemzug wurde auch die ältere Pensionsregelung wegen der Bistümer Le Mans und Thérouanne neu geregelt. Sie wurde mit ausdrücklicher Zustimmung Federicos im Fall von Le Mans, für das er bis dahin 1.000 Pfund Tournosen an Pension erhalten hatte, völlig aufgehoben, kassiert, während für Thérouanne nur noch 500 Pfund statt der bisherigen 2.000 Pfund Pension zu zahlen waren. Philipp von Luxemburg wird diese Pension über 500 Pfund bis zu Federicos Tod 1516 regelmäßig an den Sanseverino zahlen, und zwar – wir werden dies noch näher darstellen – über die mediceische Bank der Bartolini in Lyon, die mittlerweile die Hausbank Federicos geworden war.431 Und dies war beileibe kein Zufall; nichts, was sich hier bei diesen Benefizien abspielte, geschah zufällig – erst recht nicht die sofortige Weitergabe der beiden Klöster an zwei junge Sprößlinge der Bartolini. Kardinal Federico Sanseverino war zu diesem Zeitpunkt, 1506, Erzbischof von Vienne und Bischof von Maillezais und Novara und durfte mit päpstlicher Erlaubnis neben all seinen weiteren Benefizien auch die beiden neuen Klöster Entremont und Ugine besitzen. Doch obwohl insbesondere Entremont ein prestigeträchtiges Benefiz war, entschloß er sich sofort zur Weitergabe dieser Pfründen, die er vor Ort gar nicht erst formal in Besitz genommen hatte. Schon drei Tage nach Erhalt, am 10. März 1506, ließ er durch eine persönliche Initiative an der Kurie eine päpstliche Bulle ausstellen, mit welcher das Priorat von Ugine dem in seinem ca. zwölften Lebensjahr befindlichen Florentiner Kleriker Lorenzo di Bartolomeo Bartolini übertragen wurde, der bereits das Kloster San Andrea di Dovadola in Kommende halte, nun aber auch das von Ugine als Kommende erhalten solle.432 Der Sanseverino förderte also explizit einen jungen Vertrauten der Medici, dem Giovanni de’ Medici keine drei Monate vorher an der Kurie offiziell seine Abtei in Dovadola übergeben hatte (die er ihm faktisch jedoch schon 1504 überlassen hatte). Doch damit nicht genug. Am 30. März 1506, also zwanzig Tage nach der Zession Ugines, gab Federico auch seine Abtei Entremont per cessionem zurück in die Hände des Papstes, damit dieser sie dem Florentiner Kleriker Gherardo di Bartolomeo Bartolini, Lorenzos Bruder also, im Konsistorium als Kommende verleihen möge. Aber sowohl für Entremont als auch Ugine ließ sich der Kardinal alle Einkünfte reservieren sowie das RegressusRecht erteilen – ganz so, wie es auch Giovanni de’ Medici im Fall von San Andrea di Dovadola formal gehandhabt hatte.433 431 Zu den neuen Pensionsregelungen vgl. die Erläuterungen einer päpstlichen Bulle für Philipp von

Luxemburg vom 7.3.1506, in welcher es um die Abtei Entremont geht; ASV, Reg. Vat. 902, fol. 233r–235v, 235v–238v. Die Pension für Thérouanne ist in vielen Rechnungsbüchern der Bartolini-Bank bezeugt, die offenbar letzte Zahlung im Juni 1515 betrug allerdings 600 Pfund bzw. 320, 14, 4 Scudi; vgl. ABS 204, c. LXXVI. Bei Eubel, Hierarchia II/III, s.v. „Cenomanen.“ und „Morinen.“ ist zwar der Besitz Thérouannes durch Federico Sanseverino erwähnt, nicht aber ein Besitzanspruch für Le Mans, ohne welchen der Luxemburger freilich keine Pension gezahlt hätte. 432 ASV, Reg. Lat. 1182A, fol. 84v–86r. 433 ASV, Reg. Lat. 1171, fol. 29r–32r; zu beiden Benefizien vgl. auch ABS, Inventario delle pergamene II, 2, S. 123f. (zu einem Konvolut von 8 päpstlichen Dokumenten, in denen dem Kardinal Federico Sanseverino 1506 für Entremont und Ugine bestimmte Rechte wie die retentio

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Am 18. Mai 1506 obligierte sich Gherardo Bartolini durch seinen Prokurator zur Zahlung der Servitien für das Kloster Entremont, das auf 133⅓ Kammerdukaten taxiert war. Über diesen Prokurator erhielt er noch am gleichen Tag die Bullen für die Abtei, weil jener für ihn versprach, alle der Apostolischen Kammer zustehenden iura von Entremont in dem Fall zu zahlen, daß Federico Sanseverino die Pfründeinkünfte nicht mehr in Anspruch nehme; so lange dies geschah, hatte der Prokurator der Apostolischen Kammer jährlich darüber Rechenschaft abzulegen.434 Direkt unter diesem Registereintrag der Kammer steht jener für den Kardinal Federico Sanseverino, der sich am gleichen Tag persönlich – und offenbar an der Seite des Prokurators von Gherardo Bartolini – zur Zahlung der Servitien für Entremont obligierte, wozu er wegen der reservatio omnium fructuum und des Regressus-Rechts verpflichtet war.435 Gherardo Bartolini war zu jener Zeit stärker in Savoyen verwurzelt. Schon am 12. Januar 1504 hatte Papst Julius II. den damals in seinem sechzehnten Lebensjahr befindlichen Gherardo (geboren am 4.3.1487) kraft einer Dispens vom Defekt des Alters sowie einer Dispens von der vorgeschriebenen Fähigkeit des künftigen Pfarrers, das Idiom des Pfarrortes sprechen und verstehen zu können, mit der Pfarrkirche b. Maria de Alex in der Diözese Genf providiert, die fructus von 60 Kammerdukaten einbrachte und durch den Tod des früheren Inhabers extra Romanam Curiam vakant geworden war.436 Zur Zahlung der Annaten hatte er sich am 3. Januar 1505 durch seinen Prokurator obligiert.437 Doch erst am 31. Mai 1506, gut zwei Wochen nach der Obligation zur Servitienzahlung für Entremont, zahlte er die Annaten in Höhe von 23½ Dukaten.438 Auf Dauer hatte Gherardo Bartolini, der auch nicht im Klerikerstand zu bleiben beabsichtigte, an Entremont kein Interesse. Schon am 20. September 1508 verzichtete er auf Entremont, um die Abtei seinem Bruder Lorenzo zu übergeben. Die entsprechende Urkunde ließ er (vermutlich durch seinen Bruder Leonardo als Prokurator) am savoyischen Hof durch Herzog Karl kraft dessen Patronatsrecht ausstellen, beglaubigt durch so illustre Zeugen wie François de Luxembourg, Vicomte de Martigues, Louis de Miolans und hohe savoyische Amtsträger.439 Erst am 27. Mai 1510 ließ Gherardo das savoyisch-weltliche Recht durch das höchste geistliche ergänzen bzw. absichern. Er übergab, offensichtlich persönlich an der Kurie, seine Rechte an der Abtei per cessionem in die Hände des Papstes, um sie durch diesen seinem damals im ca. siebzehnten Lebensjahr stehenden Bruder Lorenzo verleihen zu lassen, der im Klerikerstand blieb und nun auch mit päpstlichem

fructuum, das Regressus-Recht usw. zuerkannt worden waren; die Originale konnten leider nicht mehr eingesehen werden). 434 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 74r. Um 1400 betrug die Taxe noch 100 Dukaten bzw. Fiorini; vgl. Hoberg, Taxae, S. 241. 435 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 74r. 436 ASV, Reg. Lat. 1142, fol. 29v–30r, und Reg. Lat. 1133, fol. 146v–147r (Dispens de ydiomata). 437 ASV, Cam. Ap., Annatae 48, fol. 53r. 438 ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 538, fol. 73v. 439 ABS, Inventario delle pergamene II, 3, 20.9.1508 (das Original konnte freundlicherweise eingesehen werden).

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Recht über viele Jahre als stolzer Abt von Entremont amtierte.440 Der Kardinal Federico Sanseverino verzichtete dabei auf sein Regressus-Recht, behielt aber – zumindest im Tenor der päpstlichen Bulle, die wiederum als Reskript der vom Sanseverino formulierten Supplik folgte – den Anspruch auf Zuweisung aller fructus der Abtei. Auch wenn Gherardo Bartolini engere Bindungen nach Savoyen besaß – sie beruhten auf der dortigen Tätigkeit seines älteren Bruders Leonardo di Bartolomeo Bartolini; er allein hätte wie sein jüngerer Bruder Lorenzo niemals die päpstliche Kommendierung mit einer savoyischen Abtei bzw. einem Kloster erlangen können. Betrachtet man den gesamten Vorgang, berücksichtigt man weiterhin die sachlich-personalen Konnotationen, spricht alles für eine Initiative des Kardinals Federico Sanseverino, mit welcher er Personen fördern wollte, die sowohl ihm als auch den Medici sehr nahestanden. Federico scheint seine guten, wechselseitige Verpflichtungen bedingenden Beziehungen zu Philipp von Luxemburg offensichtlich benutzt zu haben, um diesen zur Übertragung seiner Rechte an Entremont und Ugine auf sich zu veranlassen. Als förderndes „Argument“ scheint er dabei eine radikale Reduktion seiner bestehenden Pensionsansprüche ins Spiel gebracht zu haben, die sich insgesamt auf stolze 2.500 Pfund pro Jahr belief. Federico nahm also einen erheblichen finanziellen Nachteil in Kauf, um diese beiden Klöster zu gewinnen. Da er sie fast sofort an die beiden jungen Bartolini weitergab, die Benefizien somit ganz augenscheinlich gar nicht für sich selbst erstrebt hatte, akzeptierte er demnach erhebliche Geldeinbußen – die auch durch die Reservation der Einnahmen von Entremont nur minimal kompensiert wurden –, um den beiden Bartolini einen Vorteil zu verschaffen. Das im folgenden Kapitel anzuführende Beispiel einer analogen und fast zeitgleichen Übertragung eines hohen Benefiziums in Parma durch Federico Sanseverino an seinen Neffen Pompeio Sanseverino im Juni 1506 demonstriert im übrigen, daß der mächtige mailändische Kardinal die beiden Bartolini-Jugendlichen wie nahe Verwandte behandelte! (Er hätte zudem jene bedeutenden Benefizien auch einem seiner Blutsverwandten, Alessandro oder Pompeio, vermachen können.) Weil aber eine rein altruistische Selbstlosigkeit gerade bei diesem Renaissance-Kardinal nicht anzunehmen ist, muß es sich um eine – qualitativ sehr hoch anzusetzende – ausgleichende Gefälligkeit gehandelt haben, die primär der Familie Bartolini, sekundär auch den Medici galt. Diese logisch zu erschließenden, noch recht abstrakten Beweggründe können freilich noch nicht an dieser Stelle inhaltlich konkreter hinterfragt werden. Dafür ist der sachliche Kontext zu komplex. Nähern wir uns daher zunächst den in jene Benefizienübertragungen involvierten Freunden der Medici an der Kurie, die für das Gelingen eine wichtige Voraussetzung bildeten und zugleich auch in das außerkuriale Netzwerk der Medici involviert waren, um dann die Wirk-

440 ASV, Reg. Lat. 1253, fol. 61v–64v. Auf die Bedeutung Entremonts für Lorenzo Bartolini und

seine Familie werden wir noch eingehender zurückkommen; sie wird vor allem aus den Quellen des Bartolini-Archivs ersichtlich. Als Abt von Entremont wird Lorenzo auch für 1526–1528 im Kontext von Schenkungen an die Abtei genannt, die in Inventaren des Turiner Staatsarchivs registriert worden sind; AST, Sede P. Castello, Corte, Materie ecclesiastiche, Abbazie, Entremont, Inventaire des livres terriers, Collé D-G.

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samkeit der Bartolini in Savoyen und ihre Bindungen zu Federico Sanseverino ausführlich zu erschließen.

d) Vom Wert kurialer Freunde All jene beschriebenen Benefizienübertragungen konnten ungemein erleichtert, beschleunigt und in dubioseren Punkten eventuell gar erst ermöglicht werden (per via secreta), wenn man in dem für einen Außenstehenden verwirrenden Gefüge, dem Labyrinth der Kurie die richtigen Personen an der rechten Stelle kannte. Welche Widrigkeiten man zu gegenwärtigen hatte, wenn man diese Beziehungen nicht besaß, ist oft genug in zeitgenössischen Quellen geschildert worden. Welche konkreten Vorteile eine bestimmte Person bieten konnte, ist für den Historiker allerdings nur in seltenen Fällen genauer zu erkennen. Denn Kompetenzen waren nicht immer klar voneinander abgegrenzt und der betreffende Kuriale konnte durch Freundschaften zu anderen Beamten auch außerhalb des eigenen Wirkungsbereichs Einfluß nehmen. Wie so viele Herrscher hatten auch die Medici als faktische Regenten von Florenz den Nutzen und die Notwendigkeit eigener Vertrauensleute in kurialen Schlüsselpositionen erkannt. Lorenzo il Magnifico beispielsweise hatte im Zuge der Neustrukturierung der MediciBank im Pontifikat von Innozenz VIII. nach der desaströsen Konfrontation mit Papst Sixtus IV. in den 80er Jahren mit Dominicus de Attavantis gezielt einen patronagehaft geförderten „Freund“ aus einer den Medici seit längerem und mit mehreren Mitgliedern verbundenen toskanischen Familie gleichsam aufgebaut.441 Dominicus de Attavantis hatte dann in zentralen Funktionen an der Apostolischen Kammer nahezu exklusiv die für die Medici fundamentalen französischen Benefizienangelegenheiten verantwortet. Daher ist unser Zeugnis, nach welchem Dominicus eine Herberge in Rom betrieb, in der kein Geringerer als der (oft in Giuliano de’ Medicis Nähe zu sehende) französische Gesandte Louis de Villeneuve, der Seigneur de Trans, logierte, nicht nur plausibel, sondern von geradezu natürlicher Konsequenz. Sein Sohn Francesco di Domenico (degli) Attavanti trat als Kammernotar in die Fußstapfen seines Vaters, übernahm die Aufgaben seines Vaters.442 Er scheint auch der einzige Kammernotar gewesen zu sein, der wie sein Vater für die von ihm vertretenen, meist französischen Providierten die Annatenzahlungen persönlich vornahm, wobei Domenico nach dem 29. Juni 1504 nicht mehr in den Registern der

441 Ausführlicher geschildert bei Tewes, Römische Kurie, S. 260-272 (Lit.). 442 Zu weiteren kurialen Ämtern von Franciscus de Attavantis vgl. Hofmann, Forschungen II, S.

194; Frenz, Kanzlei, S. 325, Nr. 678 (bei Frenz als Kammerskriptor belegt für 1497–1502, als Skriptor der Kanzlei seit 1503 – was zu korrigieren ist – und der Pönitentiarie seit 1507, presidens annone et mercium seit 1509 oder 1514, Abbreviator seit 1520); bei Hofmann, a.a.O., S. 194, 196–198, und Frenz, a.a.O., s.v. „Attavantis“ zu weiteren Mitgliedern der Familie, die an der Kurie zum Teil nur mit Ämtern versorgt wurden und von denen Petrus Paulus de Attavantis nachweislich ein Sohn von Franciscus war, mit 8 Jahren unter Julius II. 1507 das Amt eines Sollizitators erhielt, später aber höhere Funktionen tatsächlich ausübte.

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Kammer erscheint, dafür aber nun in einem nahtlosen Übergang Francesco, der in dieser Funktion vorher nicht genannt wurde.443 Bisweilen übernahm solche stellvertretenden Annatenzahlungen auch ihr Verwandter Alovisius (Luigi) de Attavantis.444 Dieser aber hatte damals augenscheinlich gar kein Amt innerhalb der kurialen Behörden inne, sondern war offensichtlich schon unter Alexander VI. Kastellan der Burg von Civita Castellana; erst 1511 ist er als Abbreviator in parco minori mit einem Kurienamt bezeugt.445 In welchem personalen Beziehungsgeflecht er so wie Dominicus und Franciscus de Attavantis stand, zeigte sich am 20. März 1506, als Kardinal Giovanni de’ Medici sich zur Zahlung der Servitien für das Kloster San Andrea di Dovadola obligierte, dessen fructus er sich ja trotz der Zession an Lorenzo Bartolini formal gesichert hatte. Denn der Medici leistete diese Obligation nicht persönlich auf der Apostolischen Kammer, sondern mittels seines Prokurators, Alovisius de Attavantis.446 Dieser wäre durch solch einen Vertrauensdienst im Falle einer fehlenden Zahlungsbereitschaft des Medici zur Begleichung der Summe, hier 50 Kammerdukaten, verpflichtet gewesen, hätte bei eigener Weigerung exkommuniziert werden können.447 Kaum einer der einflußreicheren Kurialen begnügte sich mit einem Amt; oft genug erwarben bzw. kauften sie weitere Ämter, allerdings meist „pro forma“, um an den einträglichen Gebühren partizipieren zu können. Bevor Franciscus de Attavantis seit 1503 eine Ämterkumulation einleitete, amtierte er seit ca. 1493 als Skriptor der Kammer, in welcher ein großer Teil jener Bullen registriert wurde, die nicht von der Kanzlei, sondern von der päpstlichen Kammer (camera secreta) expediert wurden; diese wurde von den Sekretären des Papstes geleitet, agierte im Vergleich zu der mehr formaljuristischen Regeln gehorchenden Kanzlei stärker nach Ermessen ihres leitenden Personals und darf nicht mit der die Finanzen verwaltenden Apostolischen Kammer verwechselt werden.448 Die 443 Vgl. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 62v, 63v. 444 Vgl. etwa ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 536, fol. 67r (4.7.1505, Arnaldus de Sancto Petro zahlte

47 Kammerfiorini als Annaten für die ihm providierte Sakristei des Klosters S. Volusiani im Ort Finexo in der französischen Diözese Pamiers per manus Alovisii Attavantis); vgl. ebd. fol. 67v– 68r mit 10 weiteren Einzahlungen, auch für deutsche und eine englische Diözese. 445 Alovisius de Attavantis hatte nämlich während der Sedisvakanz nach dem Tod Alexanders VI. erhebliche Geldmittel für den Erhalt des zum Teil baufälligen Kastells aus eigenen Mitteln aufgebracht, weshalb er am 12.4.1504 von der Apostolischen Kammer als Kreditor über eine Summe von 720 Kammerdukaten eingeschrieben wurde, von denen er am 4.7.1505 554 Kammerfiorini seitens der Kammer zurückerhielt; ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 56, fol. 21r (Kreditor); Intr. et Ex. 536, fol. 157v (Rückzahlung). Als Abbreviator, dem parcus minor sogar schon vorstehend, wird er für den Oktober 1511 genannt, vor welchem er also dieses Amt erhalten haben muß; vgl. ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 60, fol. 118v. Bei Hofmann, Forschungen, ist er nicht aufgeführt. 446 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 65r. 447 Vgl. hierzu Tewes, Römische Kurie, S. 260–263. 448 Die Daten bei Frenz, Kanzlei, S. 325, Nr. 678 (der dortige Erstbeleg für 1497 kann aufgrund unseres Beispiels durch 1493 ersetzt werden); zur expeditio per cameram secretam ebd. S. 132– 140; ebenfalls instruktiv zu den informellen Verfahren an der camera secreta: Hofmann, Forschungen II, S. 155–162; Pitz, Supplikensignatur, S. 184–206 (mit nicht immer eindeutiger Trennung zwischen den beiden Kammern).

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von der päpstlichen Kammer expedierten Bullen sind in der heutigen Serie der Vatikanregister erhalten, und in genau diesen Bänden finden wir denn auch Franciscus de Attavantis nicht nur als kollationierenden Schreiber, sondern sogar in einem sicherlich mehr als nur formalen Bezug zu Kardinal Federico Sanseverino. Es ging um eine der päpstlichen Bullen, mit denen Alexander VI. am 26. September 1493 dem Wunsch Karls VIII. nachgekommen war, Federico mit der Abtei St. Ambrosius zu Bourges zu providieren.449 Franciscus de Attavantis hatte zusammen mit dem Abbreviator (de parco minori) Maturinus Robini die Übereinstimmung des Registertextes mit der Urkundenvorlage überprüft und bestätigt. Die gleiche Funktion übte er mit Blick auf unseren Personenkreis nochmals am 7. März 1506 aus, nun bereits als Kammernotar, als er bei den angesprochenen Bullen, mit denen Philipp von Luxemburg die Klöster Entremont und Ugine kraft Zession an Federico Sanseverino übertrug und dieser die Pensionszahlungen durch den Luxemburger neu regeln ließ, den Register- mit dem Urkundentext kontrollierend verglich.450 Doch Francesco Attavanti wirkte nicht allein als Kurienbeamter, sondern auch für die Medici-Bank. Es war üblich, daß die den Medici verbundenen Kurienbeamten wie Domenico und Francesco Attavanti etwa bei der Finanzierung von Taxverpflichtungen französischer Kleriker Aufgaben übernahmen, die unmittelbar das Geschäftsfeld der römischen Medici-Bank betrafen, ohne daß eine sachlich-personale Trennung sichtbar oder notwendig wäre. Francesco allerdings hatte noch 1492 eine Anweisung erhalten, die mit seiner kurz darauf nachzuweisenden Kurientätigkeit kaum zu vereinbaren war. Als Faktor der unter dem Tornabuoni-Namen laufenden Medici-Bank in Neapel hatte er in Apulien größere Mengen an Getreide von dem Florentiner Kaufmann Niccolò Giuntini zu kaufen, der hierfür eine Exporterlaubnis besaß.451 Bald darauf agierte Franciscus de Attavantis jedoch in der Nachfolge seines Vaters primär als Prokurator für französische Kleriker. Seine Verwandten, die Florentiner Bernardo Attavanti und dessen Sohn Bartolomeo, scheinen an den militärischen Aktionen der Medici im Raum Arezzo und Borgo Sansepolcro teilgenommen zu haben. Denn 1504 bemühte sich der Papstverwandte Galeotto della Rovere um ihre Freilassung aus einem florentinischen Gefängnis und sandte dafür eigens seinen magister domus an die Signoria. Zu dieser Zeit setzte sich Papst Julius II. in äußerst energischer Weise auf Bitten Giovanni de’ Medicis für die Florentiner Rebellen von Arezzo, Borgo und Cortona ein.452 449 ASV, Reg. Vat. 779, fol. 233v–234v (26.9.1493). In diesem Band wird am Schluß der Regi-

stereinträge häufiger vermerkt, daß Franciscus de Attavantis den Text kollationiert habe. Zur Sache vgl. auch Pitz, Supplikensignatur, S. 162f. 450 ASV, Reg. Vat. 902, fol. 233r–235v, 235v–238v (bei der ersten Bulle stand ihm als zweiter Kollationierender Wilhelm von Enckenvoirt zur Seite, bei der zweiten Franciscus de Vega, beide zu jener Zeit offenbar als Kanzleiskriptoren wirkend; vgl. hier nur Frenz, Kanzlei, S. 335, Nr. 787, und S. 454, Nr. 2216). 451 Vgl. Silvestri, Attività, S. 112. 452 ASF, SR 26, c. 48 (15.3.1504, Galeottus della Rovere, Rom), c. 152 (6.6.1504, Giovanni Acciaiuoli, Rom: sollte Julius II. bewegen, seine Hilfe für die Rebellen aufzugeben, doch dieser wollte davon nichts hören; statt dessen stava renitente et duro: et tutto faeva ad instantia del cardinale de’ Medici: che li advisava et favoriva).

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Der römisch-kuriale Umkreis Kardinal Giovanni de’ Medicis schlug viele Brücken von Rom nach Lyon, auf den Fundamenten der alten. Dafür sorgte ebenso der Florentiner Riccardus de Milanensibus, der das Team der Mediceer-Prokuratoren Domenico und Francesco Attavanti und Luigi Lotti verstärkte. Auch er wirkte vornehmlich als Prokurator für päpstlich Providierte aus Savoyen und Frankreich. Nehmen wir den Fall der savoyischen Abtei Entremont, die Kardinal Federico Sanseverino im März 1506 Gherardo di Bartolomeo Bartolini übertragen hatte.453 Wir hatten den Namen seines Prokurators offen gelassen, der sich für den Bartolini am 18. Mai 1506 auf der Apostolischen Kammer zur Zahlung der Servitien verpflichtete. Es war Riccardus de Milanensibus, der damals als Kammerkleriker amtierte. Riccardus hatte noch am gleichen Tag die Bullen für Entremont erhalten, weil er versprochen hatte, alle der Kammer wegen dieser Provision zustehenden finanziellen Forderungen in dem Augenblick zu bezahlen, zu dem Federico Sanseverino die (ihm bei seiner Zession der Abtei zugesicherte) Reservation der Pfründeinnahmen aufgeben würde.454 Riccardus mußte der Kammer ferner versprechen, ihr jährlich die Nutznießung der Pfründe durch den Sanseverino zu zertifizieren; er stand also in wissender, vertraulicher Nähe zu den Bartolini wie dem Sanseverino. Dieser hatte sich übrigens am gleichen Tag, dem 18. Mai, ebenfalls und persönlich auf der Kammer aufgrund seiner Pfründenreservation und des Regressus-Rechts auf Entremont zur Zahlung der Servitien verpflichtet.455 Die Registrierung im entsprechenden Obligationsbuch der Kammer legt nahe, daß er dies zusammen mit Riccardus de Milanensibus tat. Lorenzo di Bartolomeo Bartolini bestimmte Riccardus dann 1517 als seinen Prokurator für Florentiner und französische Benefizienangelegenheiten.456 Vermutlich durch die Gunst des Herzogs von Savoyen konnte Riccardus im gleichen Jahr, 1517, sogar eine Pfarrkirche in Savoyen mit dem beachtlichen Pfründwert von 300 Dukaten erwerben.457 Leo X. schließlich salvierte ihn später mit einer Indemnität vor Ansprüchen der Apostolischen Kammer, die aus seiner über 20-jährigen Prokuratorentätigkeit bei Obligationen (vor allem bei Regressus- und Pensionssachen) resultierten.458 Auffallend sind die überaus starken Bezüge des Riccardus de Milanensibus zu den Borgherini, die auch durch ihn und einen Verwandten fester in den Mediceer-Kreis eingebunden werden. 1512 hatte die Bank von Pierfrancesco di Salvi Borgherini, Salvis (ältestem, 1480 geborenen) Sohn und Nachfolger mithin, dem savoyischen Herzog päpstliche Bullen expedieren lassen, welche die Union der Abtei von Payevue mit dem Dekanat der 453 S.o. S. 738. 454 Vgl. ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 74r. 455 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 74r. 456 ASV, Cam. Ap., Annatae 59, fol. 71v, 72r. 457 Vgl. ASV, Cam. Ap., Annatae 57 (1513), fol. 37v, 40v, 103r, 119r, 137v, 155r; Annatae 58

(1516), 12v, 24r, 31r, 39r, 54v; Annatae 59 (1517), 43r (für Herzog von Savoyen), 53r, 71v und 72r, 175v; Annatae 60 (1517), 31r, 75v (Baldassare de Milanensibus als Prokurator für Savoyen), 100v, 125r, 131r, 143r (savoyische Pfarrkirche in Erzdiözese Lyon für Riccardus de Milanensibus). Neben dem französisch-savoyischen und italienischen Raum handelte Riccardus sonst noch manchmal als Prokurator für Benefiziensachen in Portugal. 458 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 262, Anm. 14.

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Sainte-Chapelle in Chambéry genehmigten. Ob ihr Mitarbeiter Baldassare de Milanensibus diese Bullen selbst an den savoyischen Hof brachte, wird nicht gesagt, doch wird er als ihr in Savoyen wirkender agente bezeichnet und nahm als solcher in zwei Zahlungen jeweils 1.000 und 907 Scudi für die Kosten der Bullen in Empfang.459 Baldassare de Milanensibus ist allerdings zugleich wie sein Verwandter Riccardus als Mitglied des Medici-Kreises nachzuweisen. Im Pontifikat Leos X. konnte Riccardus de Milanensibus in das Kurienamt eines apostolischen Skriptors, später sogar in das eines Abbreviators aufsteigen.460 Wie Riccardus wurde auch der Bankier Pierfrancesco Borgherini apostolischer Skriptor und Abbreviator unter Leo X., während sein jüngerer Bruder, der 1496 geborene Giovanni di Salvi Borgherini, schon als ca. Neunjähriger unter Papst Julius II. 1507 ein Sollizitator- und 1511 ein Abbreviator-Amt erhielt, um dann als laicus sogar päpstlicher Sekretär unter Leo X. zu werden – auch eine Frucht des für drei Generationen aufgezeigten sowohl partnerschaftlichen als auch helfenden Einsatzes der Borgherini für die Medici.461 Der Kreis verdichtet sich weiter mit einer Bulle aus dem ersten Pontifikatsjahr Leos X., der Pierfrancesco Borgherini und Riccardus de Milanensibus einen Ablaß gewährte, welcher den ‚helfenden Händen‘ bei der Restauration und Instandhaltung der Hospitalkirche St. Jakob prope et extra muros Castri Cereti Guidi (Cerreto Guidi, bei Empoli) in der Diözese Lucca zuteil werden sollte, unter den Auspizien der Buonvisi mithin.462 Wenn die Lyoner Bartolini-Bank ihrem besten Kunden, dem Kardinal Federico Sanseverino, von dessen Lyoner Konto Geld in Rom auszahlen wollte, so wandte sie sich noch nach 1513 an die Bank von Pierfrancesco Borgherini.463 Es waren alte, vertraute, genauestens passende, noch auf die Medici-Bank zurückgehende Verzahnungen eines bestens eingespielten Räderwerks. Und so ging der in Rom wirkende Medici-Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini 1514 zur Borgherini-Bank, um für seinen Sohn Battista Geld an die Lyoner Bartolini-Bank überweisen zu lassen, die es Lorenzo di Bartolomeo Bartolini auszahlen sollte, da dieser gemeinsam mit Battista zum Studium nach Paris reiste und ihm Geld geliehen hatte.464 1515 schließlich durfte Pierfrancesco Borgherini seinen Mediceer459 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 165, fol. 218r/v (23.4.1512), 399r–400r (19.8.1512; hier heißt

es allerdings – und offensichtlich irrig – explizit: libravit etc. nobilibus Petro et Francisco Borgarinis banqueriis Rome ....). Bei Bullard, Mercatores, S. 55, wird jedoch Pierfrancesco für 1511 als Leiter der römischen Borgherini-Bank angegeben; ebenso ist in anderen Quellen eindeutig von Pierfrancesco die Rede. Der Beleg für das Vater-Sohn-Verhältnis findet sich z. B. in ABS 202, c. CXXVIIII u.ö. 460 Vgl. Frenz, Kanzlei, S. 438, Nr. 2025. Der Status als Kleriker der Erzdiözese Florenz ist in den noch anzuführenden Annaten-Bänden notiert. 461 Vgl. Frenz, Kanzlei, S. 366, Nr. 1169 (zu Giovanni Borgherini, als Geburtsjahr „ca. 1498“), S. 426, Nr. 1866 (zu Pierfrancesco Borgherini, der allerdings nicht erst 1520, sondern schon am Pontifikatsbeginn Leos X. als Skriptor zu belegen ist). Zu Giovanni Borgherini vgl. auch Hofmann, Forschungen II, S. 121, 185; Andrea del Sarto, Catalogo 1986, S. 105–111 (mit dem Geburtsjahr 1496). 462 Vgl. ASV, Indice 350 (I/48 bzw. XXXXVIII Anni I sub „Lucan.“). 463 ABS 202, c. 118, CXXVIIII. 464 Vgl. ABS 369 (Haushaltsbuch von Lorenzo di Bartolomeo Bartolini), c. XVII.

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Status krönen, indem er als einer der zehn Monte-Beamten seinen Teil zu den insgesamt 50.000 Dukaten beitrug, die sie dem Florentiner bzw. mediceischen Staatshaushalt als Kredit gewährten. Da die Zugehörigkeit dieses und der anderen Borgherini zum engeren MediciNetzwerk nicht nur Verknüpfungen zu den anderen Mitgliedern des Netzwerkes impliziert, sondern sich in nahezu allen Lebensbereichen manifestierte, konnte auch die neuere kunsthistorische Forschung nachweisen, daß Pierfrancesco Borgherini sein ganzes Leben lang zu den Unterstützern der Medici gehörte, also auch während ihrer Exilszeit.465 Höchst bemerkenswert erscheint es uns deswegen, daß es Pierfrancescos Vater Salvi Borgherini (gleich Giuliano Panciatichi) 1496 gelang, als erster seiner Familie in den neuen elitären ‚Rat der Achtzig‘ und dadurch dann auch zu einem der Prioren der Signoria gewählt zu werden. 1498 wurde er zudem zu einem der Ufficiali del Monte ernannt.466 Daß solche Gremien, und gerade letzteres, alles andere als homogen mit Medici-Feinden besetzt waren, hatten wir schon mehrfach konstatieren dürfen. Unter jenen amici aus dem Medici-Netzwerk, die sich an der Ausfertigung päpstlicher Gnadenbriefe für Personen, die ihnen bzw. ihrem Medici-Patron engstens verbunden waren, beteiligten, war der Florentiner Lorenzo Pucci die dominierende Gestalt. Will man diesen Aspekt seiner kurialen Tätigkeit analysieren, muß man sich wie bei den Attavanti seine Bindungen zu den Medici vergegenwärtigen. Lorenzo d’Antonio Pucci, nein, im Grunde seine ganze Familie nimmt eine Schlüsselstellung im Netzwerk der Medici ein, und dies nicht erst seit deren Exilierung. Lorenzos Vater Antonio z. B., einer der ganz engen Vertrauten des Magnifico (neben Bernardo del Nero, Agnolo Niccolini u. a.), amtierte zusammen mit Bongianni Gianfigliazzi 1484 als Florentiner Kriegskommissar bei Pietrasanta; beide starben in dieser Funktion im November 1484.467 Lorenzos Verwandter Niccolò Pucci ist uns wie Jacopo di Bongianni Gianfigliazzi für die Jahre 1495/96 als Helfer der exilierten Medici im Florentiner Umfeld von Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci bekannt468, sein Bruder Alessandro d’Antonio Pucci war im Oktober 1495 zusammen mit Nofri Tornabuoni als Freund Piero de’ Medicis nach Florenz zitiert worden469, sein anderer Bruder Giannozzo d’Antonio Pucci gehörte im August 1497 sogar zu den fünf Hingerichteten, deren offene Kooperation mit den exilierten Medici zum Todesurteil geführt hatte. Von Lorenzo Pucci wußten die Florentiner Medici-Feinde, daß er sich – wie im März 1497 ausgerechnet zur Fastenzeit – wiederholt mit Federico Sanseverino und Piero de’ Medici im Haus des wegen seiner zentralen Bedeutung für die MediciAktionen „entfernungswürdigen“ Leonardo di Zanobi Bartolini zum abendlichen Mahl und zu geheimen Beratungen contra Florenz einfand, was das Schicksal seines Bruders

465 Vgl. etwa Andrea del Sarto, Catalogo 1986, S. 105–111; Rogers Mariotti, Selections, S. 106f.,

129. 466 Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 79 mit Anm. 66, S. 94, 111, Anm. 48, S. 152. 467 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 25, 62. 468 Pampaloni, Ricordi, S. 218. 469 Parenti, Storia fiorentina I, S. 277.

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Giannozzo sicherlich mitbesiegelte.470 Die Loyalität dieser Familie zu den Medici ist somit felsenfest gewesen; die Exekution Giannozzo Puccis durch die Medici-Feinde dürfte seinen Bruder, aber nicht nur diesen, noch enger an die Medici gebunden haben. Lorenzo Pucci gehörte also früh zum innersten Zirkel des Medici-Kreises, durfte an dessen geheimsten Gesprächen teilnehmen. Nicht allein die Treue der Familie zu den exilierten Medici, auch Lorenzos geistige Fähigkeiten werden ihn in das Zentrum geführt haben. Der ca. 1458 Geborene, hoch Gelehrte erwarb den adelsgleichen Grad eines Doktors beider Rechte, der sicherlich eine Grundlage seines beeindruckenden Aufstiegs in der kurialen Hierarchie bildete. Schon 1492 gelangte er in den Rang eines Abbreviators de parco maiori, 1498 wurde er Korrektor der Bullen (bis 1504), 1504 Kammerkleriker, und 1509 stieg er in das Amt des Summators auf, der entscheidenden Einfluß darauf hatte, ob die von der Kanzlei abgelehnten und deshalb der expeditio per cameram secretam überantworteten Bullen vom Papst genehmigt wurden. Dieses Amt übte Pucci bis zu seinem Tod aus; durch ihn erhielt es freilich auch eine Macht, die sich zum Schaden der gesamten Kanzleiverwaltung auswirkte. Als Pucci 1510 bis 1513 zugleich Datar wurde (der die Kompensationszahlungen für Dispense, Indulte und viele andere Gnaden festlegte und dabei auch über deren Genehmigung entschied) und Referendar (der bei der Supplikensignatur mitwirkte), zählte er noch im Pontifikat Julius’ II. zu den mächtigsten Männern der Kurie. Unter Leo X. konnte Lorenzo Pucci seinen Einfluß sogar noch entscheidend ausbauen, etwa durch seine Ernennung zum Kardinal, und er behielt eine Entscheidungskompetenz auch in jenen Bereichen, für die er formal – v. a. in der Datarie – gar nicht mehr zuständig war.471 Um seine Einflußmöglichkeiten mit Blick auf den uns vornehmlich interessierenden Zeitraum zu veranschaulichen: Als einer der zwölf Abbreviatoren des parcus maior war Pucci mit der rechtlichen Prüfung der Papsturkunden (der iudicatura) betraut, hatte beispielsweise die Übereinstimmung mit den Kanzleiregeln zu untersuchen – und konnte Freunden mit notwendigen Formulierungen hilfreich zur Hand gehen; als Summator hingegen konnte er juristische Beanstandungen in der camera secreta des Papstes gleichsam neutralisieren, da ja bei der expeditio per cameram secretam die Kanzleiregeln kein Maßstab waren, diese Expeditionsart sogar gewählt wurde, um juristische Bedenken zu umgehen.472 Selbstverständlich begegnet der Name Puccis als Abbreviator in den Registern der Papsturkunden nicht nur bei jenen, die für Freunde und Freunde der Freunde ausgestellt wurden. Es ist aber doch erstaunlich, wie oft gerade er in solchen Fällen aktiv wurde – und dabei nicht selten begleitet von Kurialen, die wir ohne Zweifel ebenfalls dem MediciKreis zuordnen können. Als Piero de’ Medici im französischen Heer bei Gaeta und am Garigliano kämpfte und kurz vor seinem Ende stand, erhielt sein Bruder Giovanni am 26. November 1503, am Krönungstag des neuen Papstes Julius II., eine Urkunde, deren 470 ASF, DBR 46, c. 70 (21.3.1496/97, Alessandro Braccesi, Rom); vgl. oben S. 406. 471 Vgl. Hofmann, Forschungen, bes. I, S. 98, II, S. 157–161 s.v.; Frenz, Kanzlei, S. 395, Nr. 1487

und s.v.; Tewes, Datarie, S. 175f. und Anm. 45, S. 179, Anm. 58. 472 Vgl. Frenz, Kanzlei, S. 121–124, 134–137.

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Supplik und genehmigende Signatur noch in den Pontifikat Alexanders VI. zurückreichte und daher (nach ihrem Incipit) als Rationi congruit-Urkunde bezeichnet wird. In ihr wurde Giovanni de’ Medici das Regressus-Recht auf das Priorat des Kollegiatstifts S. Apollinare in Florenz gewährt, das er per cessionem 1495 dem Isaac Argyropoulos, Kleriker aus Konstantinopel, durch Alexander VI. hatte kommendieren lassen.473 Rechts oben neben dem Registereintrag wurden die Namen der beiden judizierenden Abbreviatoren aufgeführt: Lorenzo Pucci und Alessandro Sanseverino. Alessandro ist von Frenz für den Zeitraum 1490 bis 1507 als Abbreviator des parcus maior nachgewiesen worden – an der Seite Lorenzo Puccis als für die Judikatur zuständiger Abbreviator bei ein und demselben Vorgang sogar schon für den März 1495!474 –; er hatte in dieser Funktion auch die bereits erwähnte Urkunde vom 10. Juli 1499 für seinen Bruder Federico bearbeitet, bei der es um Maßnahmen hinsichtlich der Pächter und Güter von Morimondo gegangen war. Allerdings hatte Alessandro erst im Herbst 1495 beschlossen, dauerhaft an der Kurie zu bleiben und Priester zu werden. Denn sein Patron Ludovico Sforza begrüßte beide Entschlüsse und bestätigte ihm dafür im Oktober 1495 die bereits vorher erteilte Genehmigung, im Mailänder Herzogtum Benefizien im Wert von 1.000 Dukaten erwerben zu dürfen.475 Kollegen im gleichen Amt eines Abbreviators waren Alessandro Sanseverino und Lorenzo Pucci also seit 1492, vertraute Mitglieder eines Netzwerkes sicherlich nicht viel später. Stellen wir aus dem Fundus des Vatikanischen Archivs einige weitere Bullen zusammen, bei denen Lorenzo Pucci ebenfalls als judizierender Abbreviator für den MediciKreis gewirkt hatte. Hier wäre zunächst jene Bulle zu nennen, mit welcher der ca. 16 Jahre alte Gherardo di Bartolomeo Bartolini am 12. Januar 1504 die savoyische Pfarrkirche de Alex in der Diözese Genf erhielt, obwohl er zu jung war und das Idiom des Ortes weder sprach noch verstand, das Amt des Pfarrers also persönlich gar nicht ausüben konnte.476 Auch bei dem folgenden Fall ist ein Bartolini betroffen gewesen. Lorenzo Pucci hatte als Abbreviator gleichfalls die beiden Bullen „betreut“, mit denen Giovanni de’ Medici am 24. Januar 1506 zum einen das Kloster San Andrea di Dovadola mit einer Zession zugunsten des Lorenzo di Bartolomeo Bartolini abtrat, zum anderen sich dabei die Reservation aller Einnahmen sowie das Regressus-Recht sicherte – und ein Lorenzo Pucci wußte, daß der Rechtsinhalt nicht der praktizierten Realität entsprach, half aber, diese zu sichern.477 Doch damit nicht genug. Als Federico Sanseverino seine von Philipp 473 ASV, Reg. Lat. 1143, fol. 19v–21r (Alessandro Sanseverino wird auch in diesem Band häufig

als Abbreviator genannt). 474 Frenz, Kanzlei, S. 473f. (ein weiteres Beispiel für eine gleichzeitige Bearbeitung einer Urkunde

durch Pucci und Sanseverino bildet die im März 1495 ausgestellte Urkunde „U 308a/b“). Zur Position der Abbreviatoren-Namen bei den Registereinträgen vgl. Pitz, Supplikensignatur, S. 106–110. 475 ASM, SPE, Roma 114 (8.10.1495, Ludovico Sforza ex castris an Ascanio Sforza). 476 ASV, Reg. Lat. 1133, fol. 146v–147r. 477 ASV, Reg. Lat. 1175, fol. 256v–258v; Reg. Lat. 1174, fol. 287r–289v. Bei der ersten Urkunde wurde nur Puccis Name im Register aufgeführt, bei der zweiten nach ihm noch der des P. de Parma (zu ihm auch bei Frenz, Kanzlei, S. 419, Nr. 1793, nur die Angabe, er sei 1486 als Abbreviator de parco minori nachzuweisen).

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von Luxemburg gerade erst erhaltene Abtei Entremont nur einige Tage später am 30. März 1506 per Zession aufgab, um sie Gherardo Bartolini durch den Papst als Kommende übertragen und sich selbst die Reservation der fructus und das Regressus-Recht zugestehen zu lassen, ist es erneut Lorenzo Pucci, der als Abbreviator bei diesem Vorgang die rechtliche und formale Prüfung der Urkunde vornahm.478 Nur wenige Wochen später, am 6. Juni 1506, resignierte Federico Sanseverino per cessionem seine mit 700 Kammerdukaten äußerst lukrative Präzeptorei des der Augustinerregel verpflichteten Antoniterhospitals San Antonio zu Parma (dessen Mutterhaus St-Antoine-en-Viennois ja in der von ihm, seit Mai 1506 auch faktisch, als Erzbischof geleiteten Diözese lag), um sie durch den Papst seinem im 19. Lebensjahr stehenden Neffen Pompeio übertragen zu lassen und um sich mit einer weiteren Bulle die Reservation der Einnahmen zu sichern. Auch hier waltete Lorenzo Pucci als federführender Abbreviator.479 Dies tat er wiederum, als Lorenzo di Bartolomeo Bartolini am 27. Mai 1510 die päpstlichen Urkunden erhielt, mit denen ihm aufgrund einer Zession seines Bruders Gherardo die savoyische Abtei Entremont kommendiert wurde – wobei auch hier kein Zweifel an Puccis Wissen um die Scheinhaftigkeit des gewährten päpstlichen Rechts bestehen kann.480 Ein großer Teil jener Provisionen, mit denen Giovanni de’ Medici und sein Freund Federico Sanseverino ihre jungen Bartolini-Vertrauten und diese sich selbst förderten, stand somit bei der Abfassung und Expedition unter maßgeblicher Verantwortung Lorenzo Puccis. Seine kompetente Beteiligung ist auch bei den Zahlungsverpflichtungen zu erkennen, die mit der Genehmigung der Urkunden verbunden waren, den unvermeidlichen, auf der Apostolischen Kammer zu leistenden Obligationen. Sie mit Blick auf die Prokuratoren zu analysieren, bietet einen weiteren und besonderen Erkenntnisgewinn, da hier durchweg – wir sprachen es bereits an – ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Empfänger der Urkunde und dem für ihn die Zahlungsverpflichtung übernehmenden Prokurator bzw. Bürgen gegeben war, das nicht unbedingt persönlich, sondern auch rein geschäftlich gewesen sein kann, das jedoch bei den an der Urkundenausfertigung beteiligten Beamten an sich nicht vorausgesetzt werden kann. Gherardo di Bartolomeo Bartolini wählte als seinen Prokurator, der sich ungewöhnlicherweise erst am 3. Januar 1505, gut ein Jahr nach der Provision, für ihn zur Zahlung der Annaten für die Pfarrkirche de Alex in Savoyen verpflichte, den Florentiner Bartolomeo Gaddi.481 Er, der in den Florentiner Chroniken wenig Beachtung fand482, gehörte wie sein

478 ASV, Reg. Lat. 1171, fol. 29r–32r (auch hier wirkte wiederum P. de Parma an seiner Seite, der

durchaus zum mailändischen Umkreis von Sanseverino gehört haben könnte). 479 ASV, Reg. Lat. 1177, fol. 4r–7r, 7r–10r (bei der zweiten Urkunde fungierte der bekanntere

Doctor decretorum Franciscus de Arianis de Parma neben Pucci als Abbreviator des parcus maior, der dem Florentiner nahe gestanden zu haben scheint; vgl. Frenz, Kanzlei, S. 332, Nr. 757 und s.v.). Pompeius Sanseverino wurde als Sohn eines nicht namentlich genannten Bruders von Federico bezeichnet. 480 ASV, Reg. Lat. 1253, fol. 61v–64v. 481 ASV, Cam. Ap., Annatae 48, fol. 53r. 482 Weder Guicciardini noch Cerretani, Landucci oder Parenti erwähnen Bartolomeo Gaddi.

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Verwandter Taddeo Gaddi mit der gleichnamigen Bank zum Kreis der Medici-Vertrauten. Sonst hätte ihn nicht auch Giovanni de’ Medici beauftragt, sich in seinem Namen am 27. Dezember 1505 zur Zahlung der Servitien für sein Benediktinerkloster S. Bartolomeo di Camposellone in der Adria-Diözese Fermo zu obligieren, die mit 60 Kammerdukaten genausoviel Pfründeinnahmen erbrachte wie Gherardo Bartolinis Pfarrkirche in der Diözese Genf.483 Wenig später hatte der Medici ja, wie bereits vernommen, Luigi Attavanti gebeten, für ihn die Obligation wegen der Servitien für San Andrea di Dovadola zu leisten, die durch die Reservation der Einnahmen anfielen.484 Wegen dieses Klosters mußte auch Lorenzo di Bartolomeo Bartolini als Besitzer und – nach außen – potentieller Nutznießer der Einnahmen auf der Kammer eine Servitienobligation vornehmen, doch war er schon durch seine Minderjährigkeit zur Stellung eines Prokurators gezwungen. Diese Bürgschaft gab ut principalis sein Bruder Leonardo di Bartolomeo Bartolini de Lugduno.485 Er hatte im Dezember 1505 in Florenz mit seinem Vater die Konten ihrer Lyoner Bank saldiert, weil Bartolomeo als Teilhaber aussteigen wollte; danach ritt Leonardo nach Rom, wo er mit Agostino Chigi das gewaltige Alaungeschäft für die Provence vereinbarte und für seine Brüder mit Federico Sanseverino die Abtretung der beiden savoyischen Benefizien Entremont und Ugine regelte! Mit den kurialen Finessen wird ihn nicht nur Lorenzo Pucci, sondern auch sein gleichnamiger Großcousin, wahrscheinlich auch sein Patron Giovanni de’ Medici vertraut gemacht haben, galt es mit diesem doch zur gleichen Zeit die faktische Übergabe der Abtei in Dovadola nach 15 Monaten in kurialjuristische Formen zu gießen. Bei der Registrierung jenes letzten Obligationsaktes für die Abtei in Dovadola wurde auch ein zu jener Zeit eher selten notierter Vorgang erwähnt: Lorenzo Pucci wird hier in seiner seit 1504 bekleideten Funktion eines Kammerklerikers als derjenige bezeichnet, der dem sich obligierenden Prokurator sententiam tulit, ihm also nach Leistung des Obligationseides das entsprechende Eventualurteil verkündete, nach welchem im Fall einer Besitznahme der Pfründe bei verweigerter oder verspäteter Zahlung die Exkommunikation erfolgen sollte. Die zwei Zeugen, die bei diesem nicht öffentlichen Vorgang auf der Kammer in der Regel zugegen waren, stammten (zumindest für die besser untersuchte Mitte des 15. Jahrhunderts) aus dem Kreis der Kammerkleriker oder Schreiber des Kammerregisters. Hier war es jedoch erstaunlicherweise Bartolomeo Gaddi, der als einer der beiden Zeugen genannt wird (der zweite ist nicht notiert worden), aber kaum ein Amt an der Apostolischen Kammer bekleidet haben dürfte.486 Man gewinnt bei diesem Fall den

483 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 55v. 484 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 65r (20.3.1506). 485 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 65r (20.3.1506, der Eintrag stand unmittelbar unter dem

für Giovanni de’ Medici). 486 Zum Vorgang des sententiam ferre, der in der Regel vom monatlich wechselnden, verantwortli-

chen clericus mensarius bestritten wurde, vgl. für die 1450er Jahre Pitz, Supplikensignatur, S. 268f. Er sollte sowohl bei den Servitien- als auch Annatenobligationen üblich sein, doch ist er in den mir bekannten Annatenregistern aus der zweiten Hälfte des 15. und den ersten beiden Jahr-

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Eindruck, daß es sich weniger um einen streng formalen, rechtsverbindlichen Akt gehandelt hatte als vielmehr um ein zwar notwendiges, doch geradezu familiär geprägtes Geschehen. Offensichtlich zog man es – zumindest in diesen Kreisen – vor, solche Rechtsakte nach Möglichkeit unter vertrauten Freunden abzuschließen. Solche gleichsam familiär exklusiven, vorteilhaften Inseln innerhalb des gewaltigen Verwaltungsapparates der Renaissance-Kurie werden vermutlich nicht allein vom MediciKreis geformt worden sein, für ihn dürfen wir dieses Verhalten jedoch quellengestützt behaupten. So fungierte Lorenzo Pucci auch am 12. Januar 1505 bei einer das französische Königreich betreffenden Servitienobligation als verantwortlicher Kammerkleriker, der die Sentenz fällte. Die beiden Zeugen waren gewiß nicht zufällig Franciscus de Attavantis und Dominicus de Juvenibus, der schon zusammen mit Franciscus’ Vater Dominicus ebenfalls vornehmlich für französische Benefizienangelegenheiten gewirkt hatte.487 Nur wenige Tage später, am 21. Januar 1505, begegnet uns wiederum eine ähnliche Konstellation. Vor den Zeugen Bartolomeo Gaddi und Giovanni Pandolfini – jenem wichtigen Medici-Vertrauten in Rom aus jener bekanntlich mit vielen Mitgliedern promediceischen Florentiner Familie – sprach Lorenzo Pucci die Sentenz nach einer Servitienobligation, die der französische Kuriale Johannes Cheminart für den neuen Bischof des südfranzösischen Bistums Tarbes leistete.488 Dieser Bischof hieß Thomas de Foix, war jedoch zu jener Zeit trotz der päpstlichen, einer Bitte Ludwigs XII. folgenden Provision nur Administrator, da das Domkapitel aus seiner Mitte Rogerius de Monte Alto gewählt hatte.489 Die Mediceer in Verbindung zu dem aus alter südfranzösischer Grafenfamilie stammenden Thomas de Foix zu erblicken ist allerdings nicht das Resultat eines glücklichen Zufallsfundes. Denn der positive Befund gründet auf einer höchst plausiblen Annahme, die sich aus einer ganz anderen Quellengruppe ergab, den Rechnungsbüchern der Lyoner Bartolini-Bank. Hier ist nämlich eine äußerst enge Kooperation der Bartolini-Bankiers mit Thomas de Foix zu entdecken, die eben wesentlich auf dessen Benefizien und zuvorderst auf sein Bistum Tarbes zielte und deshalb zur gezielten Suche im Geheimarchiv des Vatikans aufforderte. Doch müssen wir noch im engeren kurialen Kontext bleiben. Thomas de Foix hatte vom Papst kraft der retentio das Privileg erhalten, als Bischof weitere Benefizien behalten zu dürfen. Dazu gehörte neben der bedeutenden Zisterzienserabtei Scala Dei (Diözese Tarbes) das Zisterzienserkloster Benedictionis Dei alias de Nisos/Nisolz (Diözese Comminges), das ihm am 4. Dezember 1504 kommendiert worden war und für dessen zehnten des 16. Jahrhunderts nicht mehr eigens registriert worden, wohl aber offenbar in den (von mir nicht über mehrere Bände untersuchten) Registern der Servitienobligationen. 487 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 4r (für den mit dem Benediktinerkloster de Longis in der Diözese Bayeux providierten Johannes Ovenne trat Johannes Gerbilon damals als Prokurator auf). Zu Dominicus de Juvenibus als Medici-Vertrautem vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 270f. (Lit.). 488 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 5r. Zu Johannes Cheminart vgl. Frenz, Kanzlei, S. 369, Nr. 1208; eindringlicher trat sein Verwandter Licinus Cheminart in den vatikanischen Quellen als Prokurator für Franzosen hervor, vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 168, 260, 271. 489 Dies geht aus einer Bulle hervor, mit welcher Papst Julius II. Thomas de Foix am 16.12.1505 in seinen Rechten unterstützte; ASV, Reg. Lat. 1176, fol. 90r–92r.

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Servitienzahlung er sich (erst) am 12. Dezember 1505 durch seinen Prokurator Johannes Cheminart obligierte.490 Die Servitiensumme von gut 169 Kammerfiorini aber ließ Thomas de Foix durch die römische Bank des Florentiner Kaufmanns Paolo Rucellai einzahlen.491 Deren gleichnamiger Vorgängerbank, die gewiß zu den befreundeten Banken der Mediceer gehörte, hatte sich im Sommer 1494 Giuliano da Gagliano bzw. die Lyoner Bartolini-Bank bei ihrem Kredit für den französischen König bedient; die Bank der Erben des Paolo Rucellai war bis 1501 Pächter der päpstlichen Alaunminen von Tolfa. Mit Blick auf die Familie ist in diesem Kontext auch auf Bernardo Rucellai hinzuweisen, der aus Verärgerung über den neuen, auf Lebenszeit bestimmten Florentiner Gonfaloniere Piero Soderini nach Avignon geflüchtet war und sich (nach einer Distanz zu Piero de’ Medici) wie seine Söhne Palla und Giovanni unter dem neuen Familienoberhaupt Giovanni de’ Medici wieder an die Seite der Medici stellte. Daß die an der Kurie wirkenden Mitglieder des Medici-Netzes eine speziellere Fürsorge für den Bischof von Tarbes sowie für die savoyischen Benefizien der jungen Bartolini demonstrierten, geht ganz entscheidend auf die Bartolini-Bank in Lyon zurück.

e) Kuriengeschäfte Ursprung der kurialen Mediceer-Akte für den neuen Bischof von Tarbes war ein Geschäft, daß der bedeutende französische Hochadlige Jean de Foix, Vicomte de Lautrec, vermutlich irgendwann im Laufe des Jahres 1504 mit Leonardo di Bartolomeo Bartolini abgeschlossen hatte. Dieser hatte sich für seine Lyoner Bank bereit erklärt, die spedizione di Tarba zu übernehmen, also den gesamten kurialen Provisions- und Expeditionsprozeß zu organisieren, vorzufinanzieren und zu betreuen, der zur päpstlichen Verleihung des Bistums Tarbes für Jeans Sohn Thomas führen und ihm zugleich den Besitz zweier bedeutender Klöster sichern sollte. Diesen Auftrag erledigte die Lyoner Bartolini-Bank gemeinsam mit ihrem Agenten Pierantonio da Fossano, der aus Mailand stammte, bis mindestens 1511 für den Bartolini wirkte und dabei weiterhin bei kurialen Dienstleistungen für französische Kleriker nachzuweisen ist.492 Er sollte zumindest bei dem Auftrag des Jean de

490 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 53v. 491 ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 538, fol. 16r. Zu den Rucellai vgl. Guicciardini, Storie fiorentine,

s.v.; Ferrajoli, Il ruolo della corte, S. 432 (zu Palla di Bernardo Rucellai); zu Bernardo Rucellai als hervorragendem Vertreter der Florentiner primati bzw. Oligarchie vgl. auch Guidi, Lotte I, S. 371f. Bei Cerretani, Ricordi, S. 446, wird im Zusammenhang mit einem vorgesehenen Soldvertrag für Bartolomeo d’Alviano 1509 Paolo Rucellai als gran merchante in Roma und als Vermittler bei den Verhandlungen vorgestellt. Das genaue Verwandtschaftsverhältnis dieses Paolo Rucellai konnte noch nicht geklärt werden. 492 Vgl. ABS 200, c. 9 (hier geht es 1511 um ein conto a parte des Pierantonio da Fossano, von dem 444 Scudi di marca eingezogen werden sollten). Im Oktober 1507 hatte er beispielsweise die Servitienobligation für den Pariser Prior Philippe Hurault übernommen, weitere Dienstleistungen für französische Kleriker ließen sich aufführen; vgl. etwa ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 132r (zu Hurault), fol. 146r (für den Abt eines Cluniazenserklosters in der Diözese Verdun) – ohne systematische Suche, so daß sich leicht weitere Belege finden lassen werden.

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Foix mit der Hälfte am Gewinn beteiligt sein. Zum 29. September 1505 erhielt die Bartolini-Bank aus einem eigens angelegten, auch anderen Kuriengeschäften dienenden libro delle spedizione aus der Expedition der päpstlichen Bullen für Tarbes einen Gewinn von 412, 2, 7 Scudi!493 Doch da die Bank und Fossano zugleich die Expedition der Bullen für die Abtei Scala Dei und das Kloster Benedictionis Dei übernommen hatten – wobei die Bank auch die Unkosten des (durch sie) als Prokurator eingesetzten Johannes Cheminart für die Provision mit dem Kloster Benedictionis Dei trug! –, wird der hohe Gewinn aus allen drei Provisionen entstanden sein. Lohnend waren solche Kuriengeschäfte allemal, vor allem wenn man die richtigen Personen in Rom kannte. Schwieriger war es schon, die ungleich höheren Auslagen von mehreren tausend Scudi zurückzuerhalten, denn dies zog sich bis 1507 hin, erforderte die persönliche Anwesenheit Bartolinis und Fossanos in Paris am 11. Juli 1506 sowie Fossanos in Toulouse Ende Juni 1507.494 So wie bei Kardinal Federico Sanseverino führt uns dieser Vorgang ins Herz des französischen Hofes, in die unmittelbare Nähe König Ludwigs XII. – kein unwesentliches Detail für das Medici-Netzwerk, das in Frankreich wie Rom alle drei Benefizienverleihungen auf sämtlichen Stufen betreute! Auch wenn über den hochadligen Jean de FoixLautrec wenig bekannt ist, einflußlos und königsfern kann er nicht gewesen sein. Sonst wäre er nicht in den exklusiven Michaelsorden des Königs und den Kreis seiner Kammerherrn aufgenommen worden und hätte von diesem nicht eine jährliche Pension von zunächst 2.000, dann 4.000 Pfund erhalten.495 Bekannter wurden seine Söhne: Der älteste, der 1481/83 geborene Odet de Foix wurde Vicomte de Lautrec und gehörte schon 1499 zur Entourage Ludwigs XII. bei seinem triumphalen Einritt in Mailand, dann 1507 zu den 493 ABS 108, c. V; vgl. auch c. 6 (dort heißt es, der libro delle speditione sei für jene Kurienge-

schäfte angelegt worden, die man gemeinsam mit Catelano Tuardi gemacht habe; zum 1.10.1505 wurden aus den avanzi dieses Buches nochmals 500 Scudi als Gewinn für die Bartolini-Bank verbucht). 494 ABS 204, c. 106 (detailliertes Konto der Bürgschaft, die Leonardo Bartolini am 11.7.1506 wegen der noch ausstehenden hohen Schulden des Jean de Foix in Paris gegenüber Pierantonio da Fossano leistete, nachdem dieser zwei entsprechende Zahlungsverpflichtungen des französischen Adligen vorlegen konnte; mit weiteren Notizen zur Sache, die offenbar erst am 30.6.1507 in Toulouse erledigt werden konnte, wobei den endlich eingezogenen 4.299 Scudi immer noch eine Restschuld von 394 Scudi gegenüberstand). Die Notariatsinstrumente befinden sich noch im Archiv der Bartolini Salimbeni. Mit einem hatte Jean de Foix am 16.4.1505 erklärt, dem Mailänder Kaufmann Pierantonio da Fossano wegen der Expedierung der Provisionsbullen für Tarbes und Scala Dei zugunsten seines leiblichen Sohnes Thomas noch die Summe von 3.750 Kammerdukaten schuldig zu sein – allein die Servitien für das Bistum und die Abtei betrugen jeweils 1.200 und 450 Kammerdukaten [ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 5r, 8v], zu denen demnach noch weitere Gebühren und Handgelder in beachtlicher Höhe zu addieren sind, um auf 3.750 Dukaten zu kommen. Mit dem anderen verpflichtete sich Jean de Foix am 6.2.1507 zur Zahlung einer Summe von 670 Scudi di sole, die Pierantonio da Fossano für die Expedierung der Bulle ausgegeben hatte, mit welcher der Papst dem Thomas de Foix aufgrund seiner retentio das Zisterzienserkloster Benedictionis Dei in der Diözese Comminges verliehen hatte; vgl. ABS, Inventario delle pergame, I, bolle 2, 16.4.1505; und I, 2 (non atten. alla famiglia), 6.2.1506. 495 Vgl. die knappen Skizzen bei Chanterac, Odet de Foix, S. 14; D’Amat, Art. „Branche de FoixLautrec“, in: Dictionnaire de biographie française 14 (1979), Sp. 216.

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Offizieren des Königs bei der ruhmreichen Eroberung Genuas. Er wurde 1509 selbst Träger des Michaelsordens, 1511 Marschall Frankreichs, bestimmte in den folgenden Jahren in herausragender Weise die Geschicke Frankreichs in Italien mit, etwa an der Seite seines berühmten Cousins Gaston de Foix, des Herzogs von Nemours, der 1512 bei der Schlacht von Ravenna sterben wird. Danach wurde Odet de Foix vom König an den Hof gezogen, um den künftigen Thronfolger Franz von Angoulême auf einer militärischen Mission zu begleiten und zu leiten. Der zweite Sohn des Jean de Foix, der um 1486 geborene Thomas, Vicomte de Lescun, hatte vor seiner Erhebung zum Bischof von Tarbes in Pavia Theologie und kanonisches Recht studiert; er wird 1514 seinen Bischofsstab mit dem Schwert tauschen und wie sein Bruder zu den maßgeblichen Offizieren des französischen Königs in Oberitalien gehören, sich an der Seite von Franz I. 1515 bei der Eroberung von Novara und der siegreichen Schlacht von Marignano auszeichnen, wird zum Generalleutnant des neu eroberten mailändischen Herzogtums ernannt werden und schließlich 1516 Giovanni de’ Medici bzw. Papst Leo X. helfen, für den Medici-Neffen Lorenzo di Piero das Herzogtum Urbino zu erobern.496 Es handelt sich also wie bei Federico Sanseverino um hochkarätige, für die Medici-Geschichte alles andere als unwichtige Personen, welche die Dienste der Lyoner Bartolini-Bank gesucht hatten. Geschäfte mit der Kurie gehörten aber ebenfalls zu den wesentlichen Aufgaben des von Giovanni Pandolfini geleiteten fondacho sowie der von ihm in Personalunion geführten römischen Buonvisi-Gesellschaft, die beide maßgeblich zur Florentiner LanfrediniBank zählten und mit denen die in Frankreich tätigen Mediceer wie in einem eng verzahnten Räderwerk zusammenarbeiteten. Mindestens ebenso lukrativ wie Warengeschäfte mit Römern und vor allem den römischen Kurialen waren für die Kaufleute und Bankiers in Rom die umfassenden Dienstleistungen auf dem Benefiziensektor und die damit verbundenen Geldgeschäfte an und mit der Kurie. Giovanni Pandolfini besaß über seine Mediceer-Freunde wie etwa Lorenzo Pucci, Francesco Attavanti und natürlich über die Medici selbst hervorragende Verbindungen in den Vatikan, wo er aber auch persönlich in funktionaler Weise wirkte. Für den Januar 1505 trat er beispielsweise zusammen mit Bartolomeo Gaddi (dem Prokurator eines Giovanni de’ Medici und Gherardo Bartolini)497 als Zeuge an der Apostolischen Kammer auf, um der vom Kammerkleriker Lorenzo Pucci ausgesprochenen Sentenz nach der Servitienobligation des Thomas de Foix, des neuen Bischofs von Tarbes, ihre Rechtmäßigkeit zu verleihen.498 Prokurator von Thomas de Foix war damals Johannes Cheminart, der auch einen Teil der Servitien zahlte; einen anderen Teil seiner Servitienschuld ließ der südfranzösische Adlige im Januar 1505 durch die von Giovanni Pandolfini geleitete römische Gesellschaft der Buonvisi tilgen.499 496 Vgl. hier nur D’Amat, Art. „Foix-Lautrec (Odet de Frailly de)“ und „Foix-Lautrec (Thomas de

Grailly de )“, in: Dictionnaire de biographie française 14 (1979), Sp. 216–219. Zu Odet de Foix weiterhin maßgeblich: De Chanterac, Odet de Foix, wo der Bruder Thomas wenig Raum erhält; auf Literaturhinweise zu Gaston de Foix sei hier verzichtet. 497 S.o. S. 749f. 498 S.o. S. 751. 499 ASV, Cam. Ap., Oblig. et Sol. 88, fol. 5r.

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Das Geschäft mit den Zahlungsverpflichtungen französischer Kleriker an der Kurie bildete ein festes Standbein für Pandolfinis Buonvisi-Gesellschaft. Am 31. Mai 1506 beglich die Apostolische Kammer eine größere Schuld, die sie bei der Gesellschaft von Antonio Buonvisi hatte. Die Kammer überließ ihr einen Geldbetrag, der sich aus zahlreichen einzelnen Zahlungseingängen zusammensetzte. Erstaunlicherweise handelte es sich bei den 71 Buchungsposten fast nur um Annaten- und Servitienzahlungen aus Frankreich und Savoyen, darunter zweimal Teilzahlungen des Thomas de Foix für die Servitien von Tarbes (100 und 106 Kammerdukaten) sowie die Annatenzahlung des Gherardo di Bartolomeo Bartolini für seine erste Pfarrkirche in der savoyischen Diözese Genf.500 Der Pandolfini hatte wahrscheinlich darauf bestanden, seine Kreditforderung an die Kurie durch solche Spiritualienzahlungen aus dem französischen Raum begleichen zu lassen, da er sich durch die dortigen Mediceer-Beziehungen größere Sicherheit für die Rückzahlung versprach. Der in Frankreich einflußreichste Mediceer Federico Sanseverino hatte dieses Verfahren Ende 1503 gleichsam eingeführt; von Leonardo di Zanobi Bartolini wird es dann 1513 perfektioniert.501 In den Geschäftsbüchern der Lyoner Salviati-Gesellschaft finden sich einige Zeugnisse, die exemplarisch erläutern und veranschaulichen, wie das von den Mediceern in Rom und Frankreich entwickelte System funktionierte. Dabei handelt es sich um mehr als nur um ein Geschäft an und mit der Kurie; es geht um ein ökonomisch-politisches Fundament des Mediceer-Netzwerkes. Unser Fallbeispiel wird erstmals für den 19. August 1508 dokumentiert, wobei der Vorgang vorher schon eingeleitet worden sein muß. Zu diesem Zeitpunkt war die neue Salviati-Gesellschaft in Lyon noch gar nicht endgültig institutionalisiert; man hatte sich, zwischen Lyon und Florenz kommunizierend, gerade ein zweites Mal auf den Namen geeinigt, das Kapital war noch nicht gänzlich eingebracht, doch die Teilhabe an der Naldini-Gesellschaft in Toulouse war seit Juni beschlossen. Dieser Stützpunkt war nicht nur wegen des Handels (Alaun, Färberwaid, Perpignan-Tuche, Import spanischer Waren wie Safran, Leder usw.), sondern auch wegen der Dienstleistungen für Kleriker aus Südfrankreich wichtig. Ein zentraler Partner der Lyoner Salviati bzw. Francesco Naldinis hieß Giannot Rigault, er kam aus Carcassonne und war ein Mittelsmann 500 Vgl. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 538, fol. 73v/74r (die 71 Posten verteilen sich auf die Seiten

fol. 71r–76r). 501 Federico Sanseverino ließ sich seinen Kredit von 15.000 Dukaten, den er Julius II. Ende 1503

oder Anfang 1504 gegeben hatte, allein aus französischen Servitienzahlungen zurückerstatten – wobei diese französischen Konsistorialbenefizien ad relationem des Sanseverino vergeben worden waren; hierzu und zu den Bartolini-Krediten s.u. S. 1075–1077. Jenes Kredit- oder Warengeschäft der Buonvisi-Bank wird ebenso eine Klausel beinhaltet haben, die bei der Rückzahlung französische und savoyische Kurienzahlungen als Sicherheit vorsah. Annaten, d.h. die vom Begünstigten bei päpstlicher Provision mit sogenannten niederen Benefizien (Kanonikaten, Pfarreien usw.) zu bezahlende Taxe, sowie Servitien, die bei päpstlicher Verleihung sogenannter höherer Benefizien (Bistümer, Abteien) fällig waren, wurden von der Apostolischen Kammer als Spiritualien bezeichnet, während z. B. die im Kirchenstaat kraft der weltlichen Herrschaft des Papstes erhobenen Steuern und sonstigen Abgaben von ihr als Temporalien definiert wurden; vgl. hierzu etwa Tewes, Römische Kurie, S. 192f. und Anm. 6 (mit weiterer Lit.).

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für südfranzösische Geistliche, die bestimmte Anliegen an der römischen Kurie hatten. Diese wandten sich an Rigault, er wiederum an unsere Florentiner. Im ersten Memorialbuch der Lyoner Salviati-Gesellschaft notierte Francesco Naldini (oder wer für ihn schrieb) für den 19. August 1508 zwei Materien, die aus Prokurationsaufträgen Rigaults resultierten.502 Beim ersten Auftrag ging es um die päpstlichen Bullen für die Resignation einer Pfarrkirche in der Diözese Carcassonne, die der Pfarrer an der Kurie zugunsten einer festgelegten Person vornehmen lassen wollte, die er mit einer jährlichen Pension in Höhe von 46 Kammerdukaten für sich, den Resignierenden, verband und die auch eventuellen Nachfolgern des resignierenden Pfarrers übertragen werden sollte. Mit der zweiten Prokuration sollte anläßlich eines Tausches zweier Pfarrkirchen in der Diözese Narbonne eine vorhandene Pension mittels einer päpstlichen Bulle reserviert bzw. gesichert werden. Diese Aufträge, die bis spätestens September erledigt sein sollten, übernahm die Gesellschaft von Giovanni Pandolfini in Rom, welche die gewünschten drei Bullen gleichsam in Rekordzeit zum Preis von 45½ Dukaten für die ersten beiden (Resignation und Pension) sowie 14 Dukaten für die dritte Bulle nach Lyon an die Salviati-Gesellschaft senden konnte, bei der sie bereits am 11. September eintrafen. Am gleichen Tag schickte ein Mitarbeiter der Lyoner Salviati die drei Bullen in einer Briefsendung der Doni an Francesco Naldini, der sich in Avignon aufhielt, damit dieser sie an Giannot Rigault ausliefere oder ausliefern lasse. Der dafür verlangte Preis betrug 62½ Dukaten, denn je einen weiteren Dukaten verlangte die Salviati-Gesellschaft für den Transport, den porto jeder einzelnen Bulle. Der Auftrag Rigaults vom August 1508 muß beispielhaft für viele weitere gewesen sein. Denn am 27. August fand sich dieser Vermittler persönlich in Lyon ein, um mit der Salviati-Gesellschaft einen Vertrag über solche Geschäfte abzuschließen.503 In ihm ging es explizit um die ‚Expedition von Materien‘, die Rigault für seine Kunden an der römischen Kurie in Auftrag gab, wobei dies entweder über die Lyoner Salviati-Gesellschaft oder über Rigault persönlich in Montpellier, Avignon oder an einem anderen Ort (in Südfrankreich) erfolgen konnte. Immer aber mußte der Auftrag an die Gesellschaft von Giovanni Pandolfini in Rom geschickt werden, die ihn dann einem von ihr bestellten Sollizitator bzw. Prokurator übergab, der die Expedition der Bulle durch die notwendigen Ämter besorgte und für die dabei anfallenden Taxen in Vorleistung trat.504 (Dieser Prokurator wird damals in der Regel der Mediceer Francesco Attavanti gewesen sein.) Für jede hundert Dukaten, die man Rigault in Rom zahlen ließ, hatte dieser in Lyon 118 Scudi d’oro di re sowie jeweils einen Dukaten porto pro Bulle in Lyon an die Salviati-Gesellschaft zu begleichen. Rigault hatte sich ferner an die mitgelieferten Konten der einzelnen Bullenspeditionen, denen die Gebührenangabe des jeweiligen Sollizitators beigefügt war, zu halten, während die Salviati-Gesellschaft ihm jeweils die Kopie dieser Abrechnungen 502 ASP I/438 („Libro di ricordi di recevute e mandate. Copia di cedole, Entrate e Uscita drappi.

Copie di Conti“), c. II. 503 ASP I/438, c. III. 504 Zum Amt des Sollizitators vgl. Frenz, Kanzlei, hier S. 128, 212–214 und s.v.

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senden mußte. Bezahlen sollte Rigault dann an den einzelnen Messeterminen. Eigenhändig unterschrieb er die Vereinbarung. Die Materien werden sich auf alles erstreckt haben, was Franzosen von der Kurie erbitten konnten. Die Kosten für die Resignation einer Pfarrkirche ‚in die Hände des Papstes‘, verbunden mit der Bestimmung des Nachfolgers und einer Pension für den das Benefiz Aufgebenden, rechneten sich durchaus, wenn man auf diese Weise lokale Konkurrenten für solche begehrten – weil sicheres Bargeld einbringenden – Pfründen ausschalten und den Nachfolger aus dem Familien- oder Freundeskreis selbst festlegen konnte. In keinem Land des papstchristlichen Erdkreises sind im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert gerade Resignationen von Pfarrkirchen an der Kurie mit nachfolgender Provision durch den Papst so oft vorgenommen worden wie in Frankreich. Da es sich um Seelsorgebenefizien handelte, die ein einziger Geistlicher ja nicht in größerer Zahl betreuen konnte und von denen daher nur wenige in seinem Besitz sein durften, beantragten viele Kleriker Dispense von dieser Beschränkung. Die Kurie gab diese teuren Ausnahmegenehmigungen nicht ungern, wie sich an ihrer hohen Zahl ablesen läßt.505 Auch Giannot Rigault wandte sich wegen solcher Materien an die Lyoner Salviati-Gesellschaft, die ihm beispielsweise im September 1509 für einen Adligen der Diözese Toulouse, der mehrere Pfarrkirchen besaß, die Signatur einer entsprechenden Dispensbulle über den Pandolfini in Rom besorgte.506 Gerade in Aufträge aus diesem Raum wurde zudem die Naldini-Gesellschaft in Toulouse eingebunden, an der ja sowohl die Lyoner Salviati- als auch BartoliniGesellschaft partizipierte.507 Unser Beispiel vom August 1508 zeigte, daß der klerikale Kunde zum Teil eine sehr schnelle Erledigung seines Auftrages wünschte. Je besser man dies erfüllen konnte, um so stärker konnte man Kunden binden, neue gewinnen und sich von den Konkurrenten absetzen. Dieses Dienstleistungsgewerbe unterschied sich in solchen zentralen Punkten kaum vom heutigen. Wenn die Pandolfini-Gesellschaft jener Forderung nach schneller Erledigung tatsächlich – angesichts der Zeiten für den Postweg und vor allem der normalerweise langwierigen Behördengänge an der Kurie – in vergleichsweise sehr kurzer Zeit nachkommen konnte, war dies nur möglich, weil sie sich auf ein bestens eingespieltes Netz befreundeter Kurialer und Kaufleute zu stützen vermochte, kurzum: weil sie eine Mediceer-Bank war. Wir hatten bereits ausführlicher beschrieben, welche Bedeutung der enge Medici-Vertraute Lorenzo Pucci kraft seiner hohen Kurienämter für das MediciNetzwerk besaß bzw. welchen Einfluß er als Abbreviator und seit 1504 als Kammerkleriker potentiell ausüben konnte.508 Als päpstlicher Datar wird er dann ab 1510 zu den mächtigsten Kurialen gehören und eine der wichtigsten und geheimnisvollsten Einnahmequellen des Vatikans verwalten, mußten vor ihm doch alle Kompositionen für die Genehmigung der kostspieligen Dispense und ähnlicher Sonderwünsche ausgehandelt wer505 Zur Sache vgl. Tewes, Römische Kurie. 506 ASP I/438, c. X (bei diesem Vorgang schaltete man auch Ludovico Capponi ein). 507 Beispiel in ASP I/438, c. X. 508 S.o. S. 746–751.

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den.509 Und der Kuriengeistliche Lorenzo Pucci besaß wie alle guten Florentiner einen ausgeprägten Sinn fürs Geschäftliche. Gerade seine auffallend häufige Beteiligung an der Ausfertigung päpstlicher Bullen für Freunde legt nahe, daß er hier gezielt aktiv geworden war. Davon werden gewiß auch die französischen Kunden unserer Lyoner Mediceer und ihres römischen Partners Giovanni Pandolfini profitiert haben. Der intensive Austausch zwischen Pucci und Pandolfini ist bezeugt und noch zu thematisieren. Pucci hingegen konnte bei den Kuriengeschäften beispielsweise seinen Einfluß so geltend machen, daß ein Vorgang schneller als üblich die einzelnen Ämter durchlief und in sachlicher Hinsicht ließ sich durch ihn manches genehmigen, was bei anderen abgelehnt wurde. Wenn aus Lyon solche Wünsche seitens der Bartolini- oder Salviati-Gesellschaft an Giovanni Pandolfini in Rom, von diesem dann an Lorenzo Pucci (oder Francesco Attavanti) gerichtet wurden, wird außer der bestehenden Freundschaft eine weitere personelle und geschäftliche Verdichtung die Effizienz des Netzwerkes gesteigert haben. Es ist bezeichnend, daß sich eben jener Giannot Rigault aus Carcassonne ebenfalls in den Geschäftsbüchern der Lyoner Bartolini-Gesellschaft wiederfindet. Für ihn werden, etwa für die Februar-Messe 1509, auch Wechselbriefgeschäfte bezeugt, die zu einzelnen Messen zwischen den Lyoner Bartolini und den Pandolfini in Rom abgewickelt wurden.510 Hier kann es sich nur um die Begleichung der Kosten handeln, die für Rigault durch seine Kurienaufträge angefallen waren. Solche Finanztransfers zwischen Lyon und Rom gehörten zu den Kuriengeschäften der Lyoner Bartolini-Bank. Von ihnen profitierten außer Giannot Rigault ebenfalls Domenico Attavanti und sein Sohn Francesco, die beiden Spezialisten für Prokurationsaufträge französischer Geistlicher, sowie wahrscheinlich ein weiterer römischer Mediceer, Luigi Lotti. Schon Domenico Attavanti, der unter Lorenzo de’ Medici als dessen Klient und Sachwalter an der Kurie aufgestiegen und dabei besonders für französische Kirchengeschäfte zuständig war, besaß ein eigenes Konto bei der Gesellschaft von Leonardo di Bartolomeo Bartolini in Lyon, die am 18. Juli 1499 von einem älteren Konto Domenicos bei der Bartolini-Rossi-Bank einen nicht unbeträchtlichen Gewinn von 500 Scudi di marca und nochmals am 15. Juni 1500 ein auf einem weiteren Konto Domenicos befindliches Guthaben von 960 Scudi als Gewinn auf ein neues Konto überschreiben ließ. Analoge Kontenübertragungen erfolgten für die Banken von Salvi Borgherini in Rom und Giovanni d’Ambra in Florenz.511 Warum aber führte die Lyoner Bartolini-Rossi- bzw. BartoliniBank für einen römischen Kurialen ein Konto in Lyon, aus dem sie – für sich, nicht für ihn! – Profite verbuchen konnte? Der Grund ist leicht zu erahnen, wenn man sich eine der Hauptaktivitäten Domenicos vor Augen hält: Dieser Florentiner war, wie angesprochen, seit den Zeiten des Lorenzo de’ Medici DER Prokurator für französische Kleriker an der Kurie. Für die lukrativen Kuriengeschäfte brauchte die Bartolini-Bank einen Domenico 509 Vgl. hierzu Tewes, Datarie. 510 ABS 199 („Libro di fiera“, 1507–1509), c. 108/CVIII. 511 ABS 198 (1498–1506), c. III, IIII (jeweils avanzi di nostra ragione deono avere ... levati da

chonto di messer Domenico Attavanti di Roma per nnoi).

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Attavanti – und das gleiche gilt für seinen Sohn Francesco, mit dem Giovanni Pandolfini vorwiegend kooperiert haben wird. Es ist die gleiche Struktur wie bei analogen Konten für Mediceer-Agenten, -Vertreter und -Partner wie Francesco Maggiolini, Matteo Cini, Giovanni d’Ambra oder die Londoner Gesellschaft des Giuliano Serristori, aus denen die Bartolini-Bank Gewinne schöpfte. Diese waren eingebunden in die geschäftlichen Interessen der Bartolini-Bank. Domenico Attavanti trat ja zum Beispiel in der Regel bei allen Annatenleistungen für französische Benefiziaten in Vorleistung und haftete, wenn ein Benefiz noch nicht in Besitz genommen werden konnte, bei der Apostolischen Kammer für die Bezahlung nach erfolgtem Besitz. Er wird auch bei allen anderen Aufträgen, die ihm übergeben wurden, die an der Kurie anfallenden Gebühren für die Bartolini-Bank vorgestreckt haben – so, wie wir es schon für den Prokurator Johannes Cheminart bei dem Auftrag von Jean de Foix zeigen konnten.512 Das Risiko trug in solchen Fällen die Bank, nicht der Prokurator bzw. Sollizitator, der Gebühren, Trinkgelder und Annaten oder Servitien bezahlte. Deswegen wurde im Vertrag der Lyoner Salviati-Bank mit Giannot Rigault auch dieser Punkt kurialer Spesenrechnungen explizit geregelt. Dieses Geld mußte nicht Attavanti, sondern sein Auftraggeber, die Bartolini-Bank, in Frankreich von jenen Personen einkassieren lassen, die ihn (über die Bank) zu ihrem Prokurator gemacht hatten. Daß es sich um französisches Geld auf seinem Konto handelte, sagt uns das Rechnungsbuch der Bartolini, wo die Beträge für Domenico in französischen Scudi angegeben werden. Die ausgewiesenen Profite von insgesamt fast 1.500 Scudi allein für 1499 und 1500 zeigen zudem wie schon bei der spedizione di Tarba, daß solche Geschäfte mit päpstlichen Benefizienprovisionen und sonstigen Gnaden (Dispensen, Pensionen, RegressusRechten usw.) offenbar ein recht stattliches Volumen hatten, das natürlich auch durch die Masse der von ihm übernommenen Aufträge zustande kam. Doch welcher Pfarrer etwa in einem kleinen Dorf bei Carcassonne kannte Domenico Attavanti in Rom, wer wußte in den weiten Räumen Frankreichs denn von seiner Kompetenz? Ihm übertrug anfangs die Medici-Bank, danach die Bartolini- und Salviati-Bank in Lyon diese Aufgabe, um dann einen französischen Vermittler und Kunden wie Giannot Rigault an den Attavanti zu verweisen – falls Rigault überhaupt noch Kontakt mit ihm aufnehmen mußte. Wenn seit ca. 1507/08 die Gesellschaft von Giovanni Pandolfini in Rom solche französischen Kurienaufträge besorgte, handelte es sich offenbar um eine organisatorische Bündelung der Kräfte, nicht um einen Ersatz oder gar eine Ausschaltung von Prokuratoren wie Domenico Attavanti, ohne die in der Praxis nichts lief. Dies zeigt sich anschaulich bei Domenicos Sohn Francesco, dem ehemaligen Faktor der Tornabuoni, der seit Ende Juni 1504 in nahtlosem Übergang die Aufgaben seines Vaters übernahm.513 Auch Francesco Attavanti, der seinem Vater in dessen Position als Kammernotar und Prokurator französischer Kleriker nachfolgte und vorher sogar Mitarbeiter der römischen und neapolitanischen Medici-Bank war, ist in den Rechnungsbüchern der Lyoner Bartolini nachzuweisen. Für die Februar-Messe 1509 zum Beispiel ist ein interessanter Fall no512 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 260–272. 513 S.o. S. 741–743.

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tiert worden. Der Franzose Guglielmo Marello d’Albino hatte als Remittent bzw. datore bei der Bartolini-Bank in Lyon zur Februar-Messe 1509 einen Wechsel über die große Summe von 2.340 Scudi d’oro gekauft, den die Bartolini an ihren Partner Giovanni Pandolfini in Rom über ihr dortiges Guthabenkonto trassierten. Der Begünstigte, dem die Pandolfini die Summe am 25. März 1509 auszahlen sollten, war Francesco Attavanti.514 Guglielmo Marello war ein guter Kunde und Geschäftspartner der Bartolini-Bank in Lyon, bei der er ein umfangreicheres Konto unterhielt, über das ganz unterschiedliche Geschäfte abgewickelt wurden: Tuchlieferungen aus Mailand etwa, Wechsel, Postleistungen oder Zahlungen an bzw. von Dritten wie den Buonvisi und Micheli aus Lucca zum Beispiel.515 Welchen Hintergrund die hohe Zahlung Marellos an Francesco Attavanti hatte, ist leider nicht vermerkt worden und bisher auch nicht zu erschließen. Es kann sich mit Blick auf den gesamten Kontext eigentlich nur um eine Leistung gehandelt haben, die Attavanti im Auftrag der Bartolini-Bank an der Kurie für Marello erbracht hatte. Möglicherweise übte Marello neben seinen kaufmännischen Aktivitäten so ähnlich wie Giannot Rigault eine Vermittlerfunktion für Geistliche seiner Region aus, die über ihn, die Lyoner Bartolini und Salviati sowie die Pandolfini-Gesellschaft in Rom mit ihrem „Hausprokurator“ Francesco Attavanti mittels päpstlicher Bullen bestimmte Rechte in Rom erwarben. Der Fall bestätigt die funktionale Differenzierung innerhalb des Systems der MediceerKuriengeschäfte mit Frankreich.

f) Finanzadministration auf unbekannten Höhen: Die Bartolini-Bank und die Benefizien des Kardinals Federico Sanseverino, des Bischofs Thomas de Foix und des Abtes Lorenzo Bartolini Einen besonderen Platz in dem von den Mediceern intensivierten System römischfranzösischer Kuriengeschäfte nahm Federico Sanseverino ein, der sich allerdings fast ausnahmslos auf die Bartolini stützte. Diese beiden Parteien bildeten einen Kosmos für sich, dem in seiner Zeit augenscheinlich auch nichts Vergleichbares zur Seite zu stellen wäre. Geprägt war er nicht von einseitiger Nutzbarmachung, von unilateraler Zwecksetzung, sondern von vielschichtiger Gegenseitigkeit, wie sie sich ebenso im Verhältnis zwischen den Bartolini und den Medici zeigt. Es ist eine Kette miteinander verknüpfter Voraussetzungen, die den beiden jungen Bartolini, Lorenzo und Gherardo, den Erwerb der Benefizien in Oberitalien und Savoyen ermöglichte. Die Freundschaft, Loyalität und Verwandtschaft ihres Vaters, ihrer Brüder und ihres Cousins zweiten Grades, Leonardo di Zanobi Bartolini, zu den Medici führte im Herbst 1504 wie erwähnt zur faktischen Übertragung der Abtei San Andrea di Dovadola an den zehnjährigen Lorenzo durch Giovanni de’ Medici, der dem Kind die Einkünfte der Abtei überließ. Das vielleicht noch höher anzusetzende, Anfang 1506 überreichte „Geschenk“ der Abtei Entremont und des Priorats Ugine in Savoyen an Gherardo und Lorenzo hat ebenfalls vielfältige Ursachen: die gera514 ABS 199, c. 108. 515 Vgl. ABS 199, c. 108/CVIII.

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dezu symbiotische Freundschaft des Sanseverino zu den Medici und eben auch zu deren governatore Leonardo di Zanobi Bartolini, seine gewiß daraus erwachsenen Beziehungen zu den Söhnen von Bartolomeo Bartolini, der Aufstieg Leonardo di Bartolomeo Bartolinis und Bernardino de’ Rossis in Frankreich und Savoyen, der sie zu Vertrauten der politischen Spitze in den beiden Ländern werden ließ, und nicht zuletzt eine finanzielladministrative Abhängigkeit Sanseverinos von der Bartolini-Bank. Wenn nun aber ein italienischer Hochadliger, der zugleich der zentrale, entscheidende Sachwalter des französischen Königs an der Kurie war und einer der wichtigsten Freunde und Helfer der exilierten Medici, wenn diese Persönlichkeit sich in solch demonstrativer Nähe zu den Bartolini als Mediceer-Bankiers zeigt, die für die Exilsbewältigung der Medici kaum weniger wichtig sind, dann müssen wir diesen Spuren folgen und dem Phänomen auf den Grund gehen. Wir werden überaus spannende Entdeckungen machen. Frühe Verbindungen und Merkwürdigkeiten bei Benefiziengeschenken Federico Sanseverinos geschäftliche Beziehungen zu den Bartolini sind fast so alt wie seine Freundschaft zu den Medici. Im März 1494 hatte Leonardo di Zanobi Bartolini dem Kardinal in Rom einen von Piero de’ Medici genehmigten Kredit über 1.000 Dukaten gegeben, bei dem Leonardo auch mit Luigi Becchetti kooperierte, der wiederum nicht nur ein Mann des Sanseverino war, sondern auch die besondere Gunst Piero de’ Medicis besaß. Da Becchetti seit spätestens 1486 als Laie an der Kurie in hohen Ämtern als Skriptor, officialis collectorie plumbi und dann als Abbreviator wirkte und sich nach 1494 als einer der besonders engen Vertrauten Federico Sanseverinos und als eifriger Förderer der Restitutionsversuche der Medici zeigte, ist anzunehmen, daß er auch an der Kurie die geschäftlichen Interessen der Mediceer unterstützte.516 Auf eine tiefere Verbindung Sanseverinos zu den Medici und Bartolini ließ dann ein hohes Darlehen über 8.000 Fiorini schließen, welches nun Federico seinerseits kurz darauf im Frühjahr oder Frühsommer 1494 den Medici gab, wobei das Merkwürdige in einigen Details lag. An dieser finanziellen Unterstützung war die kurz vor ihrer Ausweisung stehende oder bereits in Chambéry befindliche Lyoner Medici-Bank nicht nur maßgeblich beteiligt, sondern das Geld traf auch noch in französischen Franc ein und war zudem aufgrund einer vom Erzbistum Narbonne bezogenen Pension gegeben worden.517 Diese Pension ist dem Sanseverino wahrscheinlich von seinem Freund Georges d’Amboise, dem seinerzeitigen Erzbischof von Narbonne, zugesprochen worden, weil der Sanseverino ihm den Weg zum begehrten Erzbistum von Rouen freigemacht hatte. Die den 8.000 Dukaten entsprechenden 15.000 franchi aber hatte Federico Sanseverino bei der Lyoner Medici-Bank einzahlen lassen, um sie sich dann in den nächsten Jahren mit halbjährlichen Raten von 800 Dukaten von der 516 Zu Becchetti s. bes. oben S. 396–398, 418–424; vgl. ABS 202, c 54, 78 (Becchetti besaß ein

eigenes Konto bei der Lyoner Bartolini-Bank und kooperierte spätestens seit 1513 mit der Mailänder Filiale der Bartolini-Bank); zu Funktionen und Ämtern Becchettis an der Kurie vgl. Frenz, Kanzlei, S. 276, Nr. 105. 517 S.o. S. 213, 301–303.

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römischen Medici-Filiale, also von Nofri Tornabuoni und Leonardo di Zanobi Bartolini, zurückzahlen zu lassen. Diese beiden Bankiers sollten einen Teil der Rate (1.080 Dukaten) mit einer Schuld Sanseverinos bei seinem Gläubiger Niccolò Borgherini verrechnen, bei dem Vater jenes Salvi mithin, der 1495 die von Leonardo di Zanobi Bartolini vorgenommene Bilanzfälschung der römischen Medici-Bank deckte, wenn nicht mittrug – man sieht, wie dicht verwoben das Netz schon damals war. Es zeigt sich somit einmal mehr: Zwischen Rom, Florenz und Lyon gab es ohne Zweifel die am dichtesten verknüpften, verflochtenen Stränge unseres Mediceer-Netzwerkes – und den bisher freigelegten lassen sich neue, ebenso tragende hinzufügen. Maßgebliche Urheber sind Federico Sanseverino und die Bartolini. Es ist schon faszinierend, daß Federico Sanseverino, diese Schlüsselfigur des ganzen Netzwerkes, nicht nur ein äußerst enger Freund von Leonardo di Zanobi Bartolini wurde, in dessen Haus er sogar des öfteren speiste, sondern gleichzeitig auch mit dem Lyoner Bartolini eine ähnlich enge Verbindung pflegte. Um und ab 1504 scheint sie intensiver geworden zu sein. Am 14. Januar 1503 oder 1504 setzte Federico Sanseverino zusammen mit Giovannantonio Rovellini einen Vertrag auf, mit welchem sich beide verpflichteten, ihrem Gläubiger Leonardo [di Bartolomeo] Bartolini eine Schuld von 3.000 Kammerdukaten zurückzuzahlen.518 Es spricht einiges dafür, daß der Sanseverino durch solche Kredite Leonardos ermuntert wurde, seine beiden savoyischen Benefizien im März 1506 den jüngeren Brüdern des Bankiers zu vermachen. Denn zum 4. Mai 1506 durfte die Lyoner Bartolini-Bank 450 Kammerdukaten (495 Scudi) als ‚Geschenk‘ des Kardinals Sanseverino verbuchen, das er seiner Bank als Ausgleich für deren Kosten und Mühen gab, die mit einem Kredit von monatlich 700 Kammerdukaten verbunden waren, die er zwölf Monate lang von der Bartolini-Bank erhielt – und zwar ‚aufgrund einer bestimmten mit ihm getroffenen Abmachung‘!519 Da Leonardo Bartolini sich in jenen Monaten persönlich in Rom aufhielt, hatte er – wie mit Agostino Chigi – mit dem Sanseverino gleichsam ein größeres Paket geschnürt, in das außer Krediten auch die Benefizien gehörten. In gewisser 518 ABS, Inventario delle pergamene, II, 1, 14.1.1503 (der Datierungsstil ist aus den Angaben nicht

zu erkennen; nach Florentiner Stil könnte es sich also auch um das Jahr 1504 gehandelt haben). Da in diesem Archiv vornehmlich der Nachlaß des Florentiner Zweiges aufbewahrt wird und mir dort von dem in Rom wirkenden Leonardo di Zanobi Bartolini zwar Briefe an seine Florentiner Verwandten, aber keine Urkunden oder Geschäftsbücher begegnet sind, wird der im Inventar nicht näher präzisierte Leonardo mit dem Sohn von Bartolomeo identisch sein. Der zu gleichen Teilen in Leonardos Schuld stehende Partner Sanseverinos, Gianantonio Rovellini, konnte bisher nicht identifiziert werden; würde es sich bei Rovellini um eine Verschreibung oder Verballhornung von Rotallini bzw. Rotellini handeln, wären Bezüge zu Geschäftspartnern der Medici oder (weniger wahrscheinlich) zu dem französisch-savoyischen Markgrafenhaus möglich. In den Aufzeichnungen der Florentiner Beauftragten zur Abwicklung des MediciVermögens von 1495 wird des öfteren ein famulus Rotallini erwähnt; vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 34, 48 (jeweils Laurentius famulus Rotallini), 53 (Pelegrinus famulus Rotallini pro computo magone florinos 2 largos de auro), 74 (Johannes Spina famulus Rotallini); wenn es sich bei der auf S. 53 angesprochenen magona um die von Piero de’ Medici et Co. in Pisa gehandelt hatte, wären die Diener Rotallinis bzw. dieser selbst den Medici zuzuordnen. 519 ABS 108 (Libro segreto verde segnato D der Lyoner Bartolini-Bank, 1504–10), c. 5.

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Weise handelt es sich also um Kompensationsakte auf dem Boden einer engen freundschaftlichen Verbindung, wobei Leonardos herausragende Position am savoyischen Herzogshof gewiß eine gleichermaßen entscheidende Voraussetzung bildete. Auch wenn Gherardo und Lorenzo Bartolini die Nutznießer der beiden savoyischen Benefizien waren, unbeteiligt war ihr älterer Bruder an dem ganzen Vorgang natürlich nicht. Er handelte alles aus, fungierte als Prokurator der beiden und verpflichtete sich für sie am 21. April 1506 in Rom gegenüber Federico Sanseverino, diesem sowohl die Einkünfte von Entremont als auch von Ugine zukommen zu lassen.520 Sie betrugen 1.420 französische Pfund für Entremont und 380 Pfund für Ugine, insgesamt also 1.800 Pfund (bzw. ca. 960–1.000 Kammerdukaten). Aber die Merkwürdigkeiten bei diesen im Mediceer-Kreis übertragenen Benefizien wollen nicht enden. San Andrea di Dovadola wurde Lorenzo Bartolini erst 1506 nach Verzicht des Medici-Kardinals durch den Papst verliehen, doch die Einnahmen überließ ihm der Medici schon 1504; auf Entremont verzichtete Gherardo Bartolini zugunsten Lorenzos im September 1508 am savoyischen Hof, doch erst im Mai 1510 an der Kurie. Was erfahren wir hingegen aus dem persönlichen Geschäftsbuch des jungen Lorenzo Bartolini? Bereits seit dem 10. Januar 1508 zahlte die Lyoner Bank seines Bruders Leonardo für ihn die Unkosten für die Bullenexpedition der Abtei Entremont sowie vor allem seit jenem Tag eine pensione an Kardinal Federico Sanseverino, für Ugine wie für Entremont, die Lorenzo als ‚seine französischen Benefizien‘ bezeichnete! Der Sanseverino hatte nun also zum Vorteil des Bartolini-Geistlichen auf die ihm reservierten Einnahmen verzichtet, um sich mit einer Pension zu begnügen, die sich bis zum 24. Juni 1509 allerdings auf den erstaunlich hohen Betrag von 1.823, 18, 6 Scudi summierte (ca. 1.658 Kammerdukaten), denen Lorenzo nur 1.800, 19 Scudi an Einnahmen gegenüberstellen konnte.521 Diese ‚Pension‘ entsprach also zumindest im Wert der 1506 festgelegten Pfründenreservierung. Mit dem 24. Juni 1509 begann allerdings ein neuer Abrechnungsmodus. Im folgenden Posten seines Haushaltsbuches notierte Lorenzo dann für die drei Jahre vom Festtag des San Giovanni (24.6.) 1509 bis San Giovanni 1512 für beide Benefizien eine jährliche Zahlung von nur noch 500 Kammerdukaten als Pension an den Sanseverino, die in der Summe 1.462, 10 Florentiner Dukaten d’oro larghi bzw. 1.650 Scudi entsprachen, deren Auszahlung aber nur im Zeitraum vom 1. Januar 1510 bis Mitte Juli 1511 erfolgte.522 Auf 520 ABS, Inventario delle pergamene, I, bolle 2, 21.4.1506. 521 ABS 369, c. VI, 15. Da es bei den Spesen für die Bullenexpedition hieß, diese seien von der

Bartolini-Bank ‚seit Januar 1507‘ bezahlt worden, kann die Provision auch später erfolgt sein; doch in den Registern des Vatikanischen Archivs ist eine vor der Zession Gherardos im Mai 1510 erfolgte nicht überliefert. 522 Die letzte Jahresrate ist in dem 1510 angelegten Rechnungsbuch der Lyoner Gesellschaft von Leonardo Bartolini belegt, wo unter den Ausgaben für 1511 500 Kammerdukaten bzw. 550 Scudi di marca verbucht wurden, die der Kardinal Federico Sanseverino als jährliche Pension (von San Giovanni 1511 bis San Giovanni 1512) für die Abtei Entremont und das Priorat Ugine zu erhalten hatte und mit denen ein Konto von Lorenzo Bartolini belastet wurde; ABS 200, c. VII. Vgl. ABS 369, c. 15 (von Januar 1509 bis Januar 1511 hatte die Lyoner Bartolini-Bank 617

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die zeitlichen Brüche bei diesen Pensionszahlungen werden wir noch zu sprechen kommen; sie sind nur in einem komplexen, jedoch spannenden politischen Kontext zu verstehen. Bereits evident sind gewisse Rechtsbeugungen. Der eigentliche Partner Sanseverinos bei diesen „Benefiziengeschenken“ waren nicht die jungen Bartolini, sondern war ihr älterer Bruder Leonardo, der sich als ihr Prokurator schon im Mai 1506 gegenüber dem Sanseverino verpflichtete, ihm außer den Einkünften Gherardos aus Entremont auch – und gegen den päpstlichen Urkundentext – die Lorenzos aus Ugine zukommen zu lassen. Gut anderthalb Jahre später ist Lorenzo bereits faktischer Besitzer beider Benefizien, deren Einnahmen die Lyoner Bartolini für ihn einziehen und als pensio an den Sanseverino weiterleiten – Monate bevor Gherardo Entremont durch den Herzog von Savoyen an Lorenzo verleihen läßt und mehr als zwei Jahre vor dem analogen kurialen Rechtsakt! Die Bartolini-Bank als Finanzverwalter und Benefizienpächter Federico Sanseverinos In jener Zeit, als Federico Sanseverino nicht zuletzt wegen der Kredite, die er von der Bartolini-Bank erhielt, mit Leonardo Bartolini eine Regelung traf, die dessen Brüder von seinen beiden savoyischen Benefizien profitieren ließ, fällten Federico und Leonardo weitere Entscheidungen, die zu offenkundig revolutionären Neuerungen auf dem Gebiet der Benefizienverwaltung führen sollten. Es geht um die Verpachtung bedeutender Pfründen eines hohen Geistlichen an einen einzelnen Kaufmannsbankier, der dafür dem Geistlichen für einen bestimmten Zeitraum eine bestimmte Summe Bargeldes zu zahlen hatte. Solche Verpachtungen, die vor allem in Norditalien in der Landwirtschaft altbekannt und weitverbreitet waren, gab es auch bei den geistlichen Gütern im Spätmittelalter häufiger, offenbar besonders seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Doch nach bisherigem Kenntnisstand, den wir vor allem McClung Hallman verdanken, bezogen sie sich auf einzelne Besitzungen, etwa einer Abtei, vereinzelt wohl auch auf alle Güter. Sie sollten auf jeden Fall aufgrund zweier Bullen Papst Pauls II. von 1465 und 1467 nach Möglichkeit vermieden oder nur für wenige Jahre vorgenommen werden.523 Die Verpachtung ganzer Benefizien, gar eines ganzen Bistums, scheint nach den Forschungen McClung Hallmans erst seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts aufgekommen zu sein. Dieser Forschungsstand kann nun nachhaltig revidiert werden, sowohl in zeitlicher als auch und vor allem in qualitativ-quantitativer Hinsicht. Schon vor dem Mai 1506 hatte Federico Sanseverino nämlich sein Bistum Maillezais an die Lyoner Bartolini-Bank verpachtet und durch die Bank verwalten lassen; seit 1508/09 folgten dann alle seine großen Benefizien in Frankreich und Oberitalien: Abteien, Bistümer und sogar ein Erzbistum. Eine solch umfassende Entfremdung geistlicher Besitztümer in die Hand eines einzelnen Scudi für diese savoyischen Benefizien aufgrund von Reparationen nach Unwetterschäden, Unkosten für Dokumente, Schriften, Aufenthalte vor Ort usw. bezahlt; auf der Gegenseite verbuchte sie Einkünfte von 2.761 Scudi für die Zeit von Juni 1509 bis Juni 1512). 523 Vgl. McClung Hallman, Italian Cardinals, S. 66–80.

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Kaufmannsbankiers scheint es selbst während des ganzen 16. Jahrhunderts nicht gegeben zu haben.524 Ist dies für sich schon sensationell, so ist damit immer noch nicht die Grenze des für diesen Bankier Möglichen erreicht. Denn Leonardo Bartolini erhielt noch mehr Benefizien zur Pacht und Verwaltung: Für seinen Bruder Lorenzo verpachtete er Güter der Abtei Entremont und des Priorats Ugine; von Bischof Thomas de Foix pachtete er ebenfalls 1509 dessen Bistum Tarbes und weitere große Benefizien dieses königsnahen südfranzösischen Hochadligen. Was Leonardo Bartolini dabei – insbesondere vor dem Hintergrund des gleichzeitigen gigantischen Alaunabkommens mit Agostino Chigi! – organisatorisch leistete, mutet angesichts der Zahl und weiten Streuung dieser Güter fast unglaublich an. Der gesamte Vorgang ist über diese neue Qualität intensivster Verflechtung hinaus aber zudem geprägt von einer ungemein politischen Dimension, die für die exilierten Medici große Bedeutung erhalten wird. Wir werden uns dem komplexen System der Pachtvereinbarungen also in gebotener Gründlichkeit nähern müssen, um am Ende ein überaus verwegenes Täuschungsmanöver erschließen zu können, mit dem die Medici, der Sanseverino und ihre engsten Freunde die europäischen Zeitgenossen und die späteren Forscher hinters Licht führten. Beginnen wir mit dem Abkommen zwischen dem Sanseverino und Bartolini. Leider hat sich bisher kein Vertrag finden lassen, in welchem die Verpachtung der Sanseverino-Benefizien an Leonardo Bartolini geregelt worden ist. Im Gegensatz zu den bei McClung Hallman aufgeführten Fällen ist sie offensichtlich zunächst nicht durch päpstliche Bullen legitimiert worden!525 Erst 1510 wurde eine päpstliche Genehmigung eingeholt, die dann jedoch nur einen Teil der Verpachtungen betraf und eine strategische Zielsetzung unter geänderten kirchenpolitischen Vorzeichen besaß, daher auch in einem späteren Kontext vorzustellen ist. Da aber alle von Sanseverino verpachteten Benefizien im französischen Königreich oder in der französisch besetzten Lombardei lagen, muß der Sachwalter Frankreichs vorher das Einverständnis seines Herrn eingeholt haben, sonst wäre das zu Schildernde undenkbar gewesen. Zu erschließen ist es aufgrund der fehlenden Verträge nur aus den Rechnungsbüchern der Bartolini, d.h. aus Geheimbüchern der Lyoner Bank, aus dem privaten Haushalts- oder Geschäftsbuch Lorenzo Bartolinis sowie vor allem aus dem ungemein informativen Hauptbuch der Gesellschaft der Erben des (im Oktober 1512 verstorbenen) Leonardo di Bartolomeo Bartolini, in welchem zur Klärung zeitlich zurückgreifender Finanzprobleme eben auch die früheren Umstände erläutert werden. So erfahren wir aus Leonardo Geheimbuch, daß seine Bank schon zum 4. Mai 1506 ein ‚Geschenk‘ des Kardinals Federico Sanseverino verbuchen konnte, mit dem dieser Verluste der Lyoner Bartolini-Bank bei der Pacht seines Bistums Maillezais ausgleichen,

524 Vgl. die Liste bei McClung Hallman, Italian Cardinals, S. 68, die den Zeitraum von 1514 bis

1561 abdeckt und höchstens die Verpachtung eines Bistums und eines Klosters nennt. 525 Bei einer umfassenden Erschließung der die Sanseverino, Medici und Bartolini betreffenden

vatikanischen Kanzlei- und Kammerakten durch den Verfasser konnten solche Dokumente für den Zeitraum von ca. 1490–1520 jedenfalls nicht gefunden werden.

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kompensieren wollte.526 Da solche Abrechnungen meist in Jahresfrist erfolgten, könnte der Sanseverino also bereits seit dem Frühjahr 1505 sein in Westfrankreich, unweit des Atlantik gelegenes französisches Bistum, dem er seit langem relativ ungehindert als Bischof vorstand, an seine Bank verpachtet haben. Die Bartolini-Bank wird eine solch komplexe Aufgabe, bei der sie nicht nur die Einkünfte einzuziehen, sondern auch Instandsetzungen durchzuführen und vorzufinanzieren hatte, nicht übernommen haben, wenn sie dabei nicht auch Gewinnmöglichkeiten für sich gesehen hätte – trotz aller Freundschaft zwischen den Mediceer-Bankiers und dem Mediceer-Kardinal. Von welch dynamischkorrelativer Substanz, von welch tiefer Einvernehmlichkeit dieses Verhältnis zwischen dem mächtigen Kardinal Federico Sanseverino und der Lyoner Bartolini-Bank tatsächlich geprägt und getragen war, ist allerdings nicht allein aus dem Faktum der Benefizienverpachtung ersichtlich. Die in Briefen gespiegelte Alltäglichkeit ist weit instruktiver. Am 15. September 1508 schrieb Zanobi Bartolini seinem irgendwo in Savoyen tätigen Bruder Leonardo, daß der Sanseverino ihnen aus Viterbo einen Kurier nach Lyon geschickt habe.527 Die Bartolini-Bank habe er ermächtigt, den Boten sodann ‚mit großer Sorgfalt‘ an den Hof des Königs zum ghrande schudiere, also zu Federicos Bruder Galeazzo Sanseverino, sowie zu Leonardo zu entsenden. Der Grund für den wichtigen Auftrag lag in der schweren Krankheit des Kardinals von San Pietro in Vincula (Sisto della Rovere), die diesem wenig Lebenshoffnung lasse. Der Sanseverino wolle (deshalb) durch seinen Kurier den König um die Abtei Chiaravalle bitten und dies sei, so Zanobi, ‚ein schönes Stück‘ (una bella pezza), wenn er es haben könnte. Gott möge ihm die dafür notwendige Gnade geben – sowohl für des Kardinals Wohl als auch für das spezielle Interesse der Bartolini-Bank (tanto per il bene suo che per il partichulare nostro)! In der Bank sei man der Meinung, man müsse mit allen Mitteln die Angelegenheiten Sanseverinos zum Erfolg führen, man warte auf Leonardos Anweisung. Danach teilte Zanobi seinem Bruder den Namen des Kuriers mit und daß dieser ihn über den Tod eines bestimmten Kurialen und die Krankheiten der beiden Kardinäle Raffaele Riario und Georgius Costa (der Portugiese starb am 18.9.1508) unterrichten werde. Nicht nur über den jeweiligen Gesundheitszustand hochrangiger Kurialer – wegen der daraus, aus wahrscheinlichen Todesfällen resultierenden Optionen auf lukrative Benefiziengeschäfte – mußte der Leiter der Bartolini-Bank auf dem laufenden gehalten werden. Er war mit seiner Bank so wie der Königsvertraute Galeazzo Sanseverino ein zentraler Aktivposten bei der Benefizienpolitik Federicos. (Schon am 15. Juni 1508 hatte er Leonardo Bartolini zu seinem Prokurator ernannt, um seine Ansprüche auf bestimmte Kanonikate geltend zu machen.528) Der Sanseverino war auf ihn angewiesen, und die Bank profitierte davon. Mit Gottes Gunst und

526 ABS 108, c. 5 (360 Pfund bzw. Franchi di re, die 203 Scudi entsprachen: sono che tanti ce ne

dona il prefato cardinale [di Santo Severino] per ricompensa di perdita che facesssimo in sulla fitta di Magliares). 527 ABS, Lettere, mazzo II, 15.9.1508 (Zanobi Bartolini aus Lyon an Leonardo di Bartolomeo Bartolini in Savoyen). 528 ABS, Inventario delle pergamene, II, 3, 15.6.1508.

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persönlichem Einsatz gab es den erhofften Erfolg, obwohl der Kardinal von San Pietro in Vincula erst 1517 sterben sollte! Die in der Diözese Parma gelegene, prestigeträchtige Abtei Chiaravalle kam in der Tat Ende 1508 oder Anfang 1509 in Sanseverinos Besitz, der sich jedoch mit Unterstützung seines Mentors Ludwig XII. gegen harte Konkurrenz durchsetzen mußte. Denn sie hatte dem am 28. Mai 1505 gestorbenen Ascanio Sforza gehört und war nach dessen Tod durch Papst Julius II. seinem Lieblingsnepoten Galeotto della Rovere, Kardinal und Vizekanzler der Kurie, vermacht worden.529 Dieser starb aber schon im September 1507, so daß Chiaravalle wiederum im Zentrum eines Interessenkonfliktes stand. Der Papst wollte die Abtei in der Familie halten und übergab sie sofort Galeottos Bruder Sisto (den er noch am Todestag Galeottos zum Kardinal und neuen Vizekanzler erhob) mit den anderen Benefizien des Verstorbenen.530 Doch wollte sie zugleich der französische Kardinal François Guillaume de Clermont, dessen Wut sich wegen Chiaravalle im Oktober 1508 gegen den Papst, Frankreich (also den französischen König) und besonders gegen Federico Sanseverino richtete, der die Abtei ebenfalls begehrte.531 Ludwig XII. und der Sanseverino vereinbarten dann eine Komposition, aufgrund derer dem Kardinal Clermont Ende Dezember 1508 durch den Papst eine Abtei in Frankreich verliehen wurde und Julius durch den König gedrängt wurde, seine Familieninteressen zurückzustellen und Sanseverinos Wunsch nachzukommen.532 Dies muß in den nächsten Wochen geschehen sein. Denn da gehörte Chiaravalle bereits zum Bestand eines umfangreichen Pachtvertrages zwischen dem Sanseverino und der Bartolini-Bank. Die Bücher der Bartolini-Bank bezeugen unmißverständlich, daß die Bank seit dem Jahr 1508 (nach Florentiner Stil, also bis zum 24.3.1509) die Einkünfte lombardischer Benefizien für den Sanseverino einzog. Für die beiden Jahre 1508 und 1509 handelte es sich um eine Gesamtsumme von 45.000 mailändischen Pfund imperiali, die ungefähr 9.375 Kammerdukaten entsprachen und die der Sanseverino dem Bartolini durch eine Anweisung zugesprochen hatte. Da ein kleinerer Betrag von insgesamt 2.500 Pfund von dem Faktor (fattore) des Bistums Novara namens Anseldo und von verschiedenen Pächtern der Abtei Morimondo nicht eingezogen werden konnte, hatte der Sanseverino dieses Geld noch im Januar 1514 an die Bartolini zurückzuzahlen.533 Offenbar hatte Leonardo Bartolini dem Sanseverino einen größeren Kredit gegeben, der durch bestimmte Einkünfte aus Sanseverinos Benefizien im Mailändischen getilgt werden sollte. Möglicherweise wurde die Rückzahlung bereits auf der Basis einer Verpachtung der dem Sanseverino zustehenden fructus geregelt. Unzweifelhaft wurde eine solche Benefizienverpachtung aber im Jahr 1509 zwischen ihnen beschlossen, und nun nicht nur für die Lombardei.

529 Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 850. 530 Vgl. Eubel, Hierarchia III, S. 10f.; Sanuto, Diarii VII, Sp. 680f. 531 Sanuto, Diarii VII, Sp. 653. 532 Sanuto, Diarii VII, Sp. 680f. 533 ABS 202, c. 54, LXII. Der Restbetrag belief sich auf 2.000 Pfund für Novara und 500 Pfund für

Morimondo, die zusammen 520 Kammerdukaten bzw. 507 Fiorini entsprachen.

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Leonardo di Bartolomeo Bartolini wurde dabei in Oberitalien wie Frankreich zu einem Oberpächter, der von zahlreichen einzelnen Pächtern die Abgaben einzutreiben hatte. Betrachten wir zunächst die lombardischen Benefizien und die Genese ihrer Verpachtung anhand des Itinerars des maßgeblichen Manager-Bankiers. Mitte September 1508 befand sich Leonardo di Bartolomeo Bartolini im Herzogtum Savoyen, wo er durch Zanobi sowie durch einen Kurier Sanseverinos über dessen dringendes Interesse an der Abtei Chiaravalle informiert wurde. Im November 1508 ist Leonardo bereits in Mailand nachzuweisen, wo ihn der Herzog von Savoyen wegen eines großen Kredites (8.000 Scudi) aufsuchen ließ; von dort aus könnte er sich schon um die Abtei gekümmert haben, die zwischen Piacenza und Parma liegt, denn Leonardo war auf der Reise (sicherlich über Florenz) nach Rom. Hier beendete er zusammen mit Simone da Ricasoli am 31. Januar 1509 mit einem Schiedsspruch das Problem seines Partners Agostino Chigi wegen der Londoner Alaunkonten. Es ist mehr als naheliegend, daß Leonardo sich in Rom oder Umgebung zugleich mit Federico Sanseverino an einen Tisch gesetzt hat, um ein Abkommen wegen der oberitalienischen Benefizien Federicos abzuschließen. Denn bereits am 6. März 1509 hatte der Sanseverino mittels seines Prokurators Carlo Barbiano, Graf von Belgioioso – des ehemaligen Gesandten Ludovico il Moros in Frankreich somit! –, dem in Lyon wohnenden Florentiner Bürger und Kaufmann Leonardo Bartolini, der von seinem Bruder Zanobi vertreten wurde, alle Einkünfte seiner Zisterzienserabteien Morimondo und Chiaravalle, seiner Propstei Crescenzago (in den Quellen oft Carsinzagho genannt) und seines Bistums Novara gegen einen bestimmten, vertraglich festgelegten Betrag verpachtet. Diese (vermutlich in Mailand notariell beurkundete) Verpachtung war offensichtlich nicht durch eine päpstliche Bulle legitimiert; eine solche wurde erst am 11. Juni 1510 anläßlich einer erneuten Verpachtung ausgestellt – und nur aus deren resümierenden Erläuterungen wissen wir überhaupt von den Einzelheiten der ersten Verpachtung.534 (Auf die möglichen Motive für die zweite Verpachtung und die dann erfolgende Ausstellung einer päpstlichen Bulle kommen wir noch zu sprechen.) Die Sache war also so eilig, daß Federico und Leonardo beschlossen, den Pachtvertrag noch vor einer Rückkehr Leonardos in die Lombardei durch Prokuratoren vollziehen zu lassen. Leonardo selbst wird – nach einem anzunehmenden erneuten Aufenthalt in Florenz – allerdings auch schon wieder für den 27. April 1509 in Mailand bezeugt, wo am 1. Mai der feierliche Einzug des französischen Königs Ludwig XII. erfolgen sollte, der sich mit den anderen Mitgliedern der Liga von Cambrai auf dem Kriegszug gegen die Venezianer befand, mit hohen Offizieren, die ihre Luxuskleidung von der Bartolini-Bank erhalten hatten. Am 5. Mai 1509 ritt der Bartolini dann wieder nach Lyon zurück.535 Morimondo war, wir erinnern uns, einst eine der Prestigeabteien des jungen Giovanni de’ Medici gewesen, der sie zwar abtreten mußte, doch weiterhin eine Pension aus ihr 534 ASV, Reg. Lat. 1247, fol. 313r–314v. 535 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 28.4.1509 (Neri del Benino aus Mailand an die Lanfredini-Bank),

6.5.1509 (Salvestro di Dino aus Mailand an Lanfredini-Bank mit der Nachricht über die Abreise Leonardos am Vortag).

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zog, sich das Regressus-Recht bewahren konnte und die Abtei 1498/99 gegen den Widerstand der Sforza für seinen Freund Federico Sanseverino sichern konnte.536 Federico hatte damals versucht, die Macht der einzelnen Pächter des Grundbesitzes von Morimondo zu beschneiden, allerdings vermutlich vergeblich, da Alexander VI. sich gegenüber diesen Plänen sehr reserviert zeigte. 1501 hatte Federico dann die toskanische Reformausrichtung von Morimondo erneuern lassen. Von ihm und spätestens seit 1509 auch von den Bartolini erhielt also Giovanni de’ Medici seine Pension für Morimondo. Über die früheren Besitzverhältnisse des dicht bei Mailand gelegenen Stifts Crescenzago ist hingegen nichts bekannt. Eine Stufe über den großen Abteien Federico Sanseverinos lagen seine Bistümer. Das italienische Bistum Novara war schon unmittelbar nach dem Tod Ascanio Sforzas in Federicos Besitz gewechselt, der ihn aber auch erst mit Mühe gegen den Clan der Della Rovere behaupten mußte.537 Obwohl in der päpstlichen Bulle von 1510 nur über die im März 1509 erfolgte Verpachtung der vier bedeutenden norditalienischen Benefizien gesprochen wird, gehörte zu dem Pachtabkommen auch Federicos Erzbistum Vienne im Südosten des französischen Königreichs. Dieses konnte er zwar im Februar 1497 mittels eines Prokurators in Besitz nehmen, doch bedurfte es königlicher und gerichtlicher Interventionen, um sich im Mai 1506 endgültig gegen den lokalen Konkurrenten Antoine de Clermont durchzusetzen.538 Aus den Rechnungsbüchern der Bartolini-Gesellschaft erfahren wir aufgrund entsprechender Ausgabenposten zweifelsfrei, daß Leonardo Bartolini ebenfalls seit Anfang (vermutlich seit dem März) 1509 das bei Lyon im Dauphiné gelegene Erzbistum Vienne gepachtet und verwaltet hatte sowie weiterhin das ganz im Westen befindliche Bistum Maillezais.539 Was wissen wir über die Aufgaben und Kompetenzen Bartolinis in den drei französischen und lombardischen Bistümern sowie drei Abteien bzw. Stiften? Wie waren die finanziellen Fragen geregelt? Eines sei vorweg gesagt: Alle wesentlichen Entscheidungen lagen, zumindest in der Bank, in der Hand Leonardo Bartolinis, der über den Zweck bestimmter Einnahmen und Ausgaben allein Bescheid wußte und bestimmen wollte – ganz wie bei den Alaunabkommen. Dies wird in den Büchern immer wieder klar betont. Stellen wir zunächst die Pachtbeträge zusammen, die von dem Bartolini an den Sanseverino pro Jahr zu zahlen waren. Für die Pacht der vier mailändischen Benefizien zahlte er seit dem St. Martin-Termin 1509 regelmäßig jährlich zusammen 39.000 mailändische Pfund, die

536 S.o. S. 729–734. 537 Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 485 (Veneris, XXX maii [1505], fuit consistorium se-

cretum, in quo Papa providit ecclesiis per obitum Ascanii vacantibus, ubi absolvit d. F[ranciscum] episcopum melitensem a vinculo etc., et prefecit cum Ecclesie papiensi; cardinali Sancti Petri ad Vincula commendavit Ecclesiam cremonensem et monasterium Carevallis; cardinali Sancti Severini commendavit Ecclesiam novariensem; [...]); Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 850. 538 Am 27.3.1497 hatte der Papst dem Sanseverino in einem geheimen Konsistorium das Erzbistum Vienne kommendiert; Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 20f. 539 ABS 200, c. VII; Nr. 202, c. 61, 64, LXV, 233.

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ungefähr 8.298 Kammerdukaten entsprachen. Für die Abtei Morimondo ist dabei der Betrag von 11.000 Pfund bzw. 2.340 Dukaten überliefert, für die Propstei Crescenzago sind es 9.000 Pfund bzw. 1.915 Dukaten.540 Wieviel von den restlichen 19.000 Pfund jeweils auf das Bistum Novara und die Abtei Chiaravalle in Parmigiana entfielen, ist nicht überliefert. Etwas, aber kaum wesentlich höher lagen die Abgaben für die zwei französischen Bistümer. Für die Pacht des Erzbistums Vienne erhielt Federico Sanseverino von den Bartolini jährlich 2.700 Scudi di sole bzw. 2.450 Kammerdukaten oder 4.900 Franchi di re; das Bistum Maillezais brachte dem Kardinal 6.000 Franchi bzw. 3.000 Kammerdukaten pro Jahr ein, war also am lukrativsten.541 Diese Beträge blieben seit 1509/10 konstant. Insgesamt erhielt der Mediceer-Kardinal von der Bartolini-Bank somit jährlich seit 1509 ca. 13.750 Kammerdukaten – eine beträchtliche Summe. Quellenkritisch dürfen wir hierbei aber feststellen – und dies nicht zum ersten Mal! –, daß die Rechnungsbücher untrüglich von den tatsächlichen Verhältnissen berichten. Das muß betont werden. Denn ein ganz anderes Bild wird uns in den vatikanischen Quellen vermittelt, ein trügerisches. In der päpstlichen Bulle vom 11. Juni 1510, mit welcher sich Federico Sanseverino und Leonardo di Bartolomeo Bartolini die zweite Verpachtung genehmigen ließen, heißt es unmißverständlich, dieser Pachtvertrag sehe für die vier oberitalienischen Benefizien eine auf vier Jahre bezogene Gesamtsumme von 4.000 Kammerdukaten vor, die von Leonardo Bartolini mit einer jährlichen Rate von 1.000 Dukaten zu zahlen sei. Bei der ersten Verpachtung vom März 1509 sei eine über drei Jahre laufende Gesamtsumme von 3.000 Dukaten beschlossen worden.542 Es schien also nur um eine zeitliche Verlängerung eines unter gleichen finanziellen Bedingungen weiterlaufenden Pachtvertrages zu gehen. Über die tatsächliche Höhe der Pachtbeträge wurden Papst und Kurie demnach offenkundig gezielt im unklaren gelassen, mehr noch: Es wurde bewußt und fälschlich eine viel zu niedrige Summe angegeben, denn die faktischen, vertraglich festgelegten und konstanten Pachteinnahmen Sanseverinos betrugen in Oberitalien mehr als das Achtfache des dem Papst angegebenen Betrages! (So konnte er z. B. bei einkommensabhängigen Sondertaxen des Papstes viel Geld sparen.) Eine päpstliche Genehmigung der französischen Verpachtungen hielten unsere beiden Medici-Freunde offenbar nicht für notwendig oder opportun. Leonardo di Bartolomeo Bartolini bzw. seine Gesellschaft hatte nun freilich nicht nur dafür zu sorgen, daß sie jährlich insgesamt ca. 13.750 Kammerdukaten an den Kardinal zahlte. Mit der Pacht waren auch zahlreiche Pflichten verbunden – und überhaupt war sie alles andere als risikolos. Wer eine solche Aufgabe übernahm, mußte auf festem und sicherem Boden stehen, mußte über die logistischen und strukturellen Möglichkeiten und notfalls Machtmittel verfügen, um die Erfüllung des Vertrages gewährleisten zu können. In Frankreich lag zum Beispiel von Anfang an die Bezahlung der in den beiden Bistümern anfallenden reparazioni in der Hand der Bartolini. Es handelte sich dabei um notwendige 540 ABS 202, c. 52, LXIIII; Nr. 204, c. III. 541 ABS 202, c. LIIII, 59, 61, 63, 64/LXIIII, LXVI. 542 ASV, Reg. Lat. 1247, fol. 313r–314v.

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Instandsetzungsmaßnahmen, Restaurierungen (z. B. nach Unwettern), die von den Verantwortlichen vor Ort durchgeführt wurden, von den Bartolini aber vorfinanziert werden mußten. Diese Ausgaben wurden in eigenen Konten festgehalten und mit den einzelnen Pachtsummen verrechnet, so daß die reparazioni zuletzt von Federico Sanseverino zu zahlen waren. (Von seiner ‚geschenkten‘ Kompensation entsprechender Bartolini-Verluste in Maillezais zum 4.5.1506 hatten wir bereits gehört.) So führten die Bartolini im Erzbistum Vienne seit 1509 jährlich Reparaturen durch bzw. finanzierten diese; sie kosteten für fünf Jahre von 1509 bis 1513 insgesamt genau 1.471 Scudi di re bzw. 1.400 Kammerdukaten und wurden in einem eigenen Konto registriert, das von Guglielmo Palmieri als Sanseverinos Vikar bzw. doiano in Vienne und als dem für die reparazioni Verantwortlichen bestätigt wurde.543 Doch wenn die Bartolini keine genauen Rechnungsbelege für die angefallenen Reparatur- oder Verbesserungskosten vorlegen konnten, mußten sie (zunächst) die volle Pachtsumme bezahlen, da der Sanseverino erst nach Einsicht in ein solches Konto die Verrechnung akzeptierte. Im Jahr 1510 hatten die Bartolini deshalb vorerst geschätzte 500 Franchi bzw. 250 Kammerdukaten auszulegen.544 Diese von Anfang 1509 bis Ende 1513 geleisteten reparazioni waren explizit nel detto arcivescovado di Vienna e sua membri durchgeführt worden, d.h. in diesem Kontext offensichtlich: in allen dem Erzbischof gehörenden und zugeordneten Besitztümern.545 Im Bistum Maillezais wollten die Bartolini im Jahr 1511 zum Beispiel 600 Franchi von der Pachtsumme abziehen, da sie die angefallenen reparazioni auf diese Höhe schätzten. Doch weil sie das betreffende Rechnungskonto und ebenfalls Quittungen noch nicht vorlegen konnten, wollte der Sanseverino auch diesen Abzug nicht akzeptieren.546 Damals waren unter anderem die reparazioni dell’Armanalt von Niccolò Pottieri und den anderen fermieri in Maillezais durchgeführt worden; vermutlich handelte es sich um Verbesserungsmaßnahmen am oder im Schloß von Hermenault nordwestlich von Maillezais, der von Federico schon zu Beginn seiner Amtszeit bewohnten bischöflichen Sommerresidenz.547 Da Pottieri und die anderen Pächter aber sicherlich ebenso oder vor allem den Grund und Boden des Bistums bewirtschafteten, kann es sich sowohl um Kultivierungen als auch um Restaurierungen an Kirchen oder Palästen gehandelt haben. 1510 mußten die Bartolini den örtlichen Pächtern gut 490 Pfund di re für solche Verbesserungen bzw. Instandsetzungen zahlen, 1511 waren es genau 508, 19 Pfund di re.548 Zugleich hatten sie für das Jahr 1510 die Kosten für bestimmte Prozesse (processi) zu übernehmen.549 Und selbstverständlich war es die Lyoner Bartolini-Gesellschaft, die von den einzelnen lokalen 543 ABS 202, c. 233. 544 ABS 202, c. LXIIII, 65. 545 ABS 202, c. LXV. Analoges galt für die Pacht des Bistums Tarbes mitsamt seinen membri (s.u.

S. 775), weshalb mit diesen im Fall von Vienne nicht dessen Suffraganbistümer gemeint sein können. 546 ABS 202, c. 61. 547 Zum Schloß von Hermenault vgl. Bourloton, Nomination, S. 115. 548 ABS 202, c. 61. 549 ABS 202, c. LXI, 64.

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Pächtern und Vikaren in Frankreich deren Abgaben in unterschiedlichen Münzen einzuziehen hatte.550 Schon diese Beispiele zeigen, daß mit der Pacht ein erheblicher organisatorischer Aufwand verbunden war, der nur mit dem entsprechenden Personal vor Ort geleistet werden konnte. Dies erweist sich fast noch deutlicher im Herzogtum Mailand. Hier hatte die mailändische Filiale der Bartolini-Bank die Umsetzung des Pachtvertrages übernommen; oder anders ausgedrückt: Ohne die Gründung dieser Filiale, ohne vertrautes, eingearbeitetes Personal und eine bereits gewachsene regionale Verwurzelung des Medici-Unternehmens Bartolini wäre die Übernahme eines solch umfassenden Geschäfts nicht möglich gewesen. Hauptverantwortlich in Mailand war der uns bekannte Salvestro di Dino Guardi, dem einige Mitarbeiter zur Seite standen, so zeitweise etwa Leonardo di Damiano Bartolini oder später Raffaello Gherardini, aber auch nicht zur Familie gehörende Personen aus Mailand. Salvestros Aufgabe scheint ungleich komplizierter gewesen zu sein als die seiner Kollegen in Lyon, hatte er doch in der Lombardei ein wahres Wurzelwerk an verschiedenen, untereinander zudem hierarchisch organisierten Unterverpachtungen zu berücksichtigen. Die Abtei Chiaravalle hatte Federico Sanseverino zum Beispiel 1509 an Luigi de’ Rossi verpachtet, einen cittadino di Parma, der also aus der bekannten Familie Rossi in Parma stammte und nicht mit den Rossi aus Florenz zu verwechseln ist. Noch 1514 mußte die Mailänder Bartolini-Bank kämpfen, um bei Rossi eine Pachtschuld von 5.185 mailändischen Pfund, umgerechnet ca. 1.103 Kammerdukaten, einzuziehen, die der Sanseverino ihnen überlassen hatte.551 Damals aber lebte Leonardo di Bartolomeo Bartolini nicht mehr, was die Bewältigung der Pacht ungemein erschwerte. Fundamental scheint nämlich die persönliche Präsenz und Autorität von Leonardo di Bartolomeo Bartolini gewesen zu sein. Den Freund maßgeblicher Personen wie eines Herzogs von Savoyen, eines Kardinals Sanseverino und seiner Familie sowie eines mailändischen Général des finances Sébastien Ferrier hatten wir ja bereits des öfteren in Mailand erblicken können, etwa im Januar 1507, im November 1508 und im April/Mai 1509; ein den Bartolini betreffender Notariatsakt vom August 1509 in Mailand wird später vorgestellt. Im September 1510 kam er in die lombardische Metropole, um sich – auf der Grundlage des nun auch vom Papst legitimierten Pachtvertrages – von den Beauftragten des Kardinals Federico Sanseverino die Güter der Abtei Morimondo übergeben zu lassen.552 Leonardo Bartolini gab dann den Brüdern Ambrogio und Daniele di Daniele da Muzano einen Pachtvertrag, mit welchem ihnen zwei der Abtei gehörende Mühlen, de Ceredo genannt, für die Summe von 410 Pfund (bzw. 82 Fiorini larghi) unterverpachtet

550 Beispiele etwa in ABS 202, c. LXVI. 551 ABS 202, c. 77/LXVII sowie CCXXXIII (die geschuldete Summe konnte nicht eingezogen

werden, da Rossi behauptete, sie für die Renovierung der Abtei Chiaravalle ausgegeben zu haben; mit dem Betrag wurde daher verabredungsgemäß das Konto von Sanseverino belastet). 552 ABS, Inventario delle pergamene, I, bolle 2, 27.9.1510.

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wurden.553 Der diese Kontrakte aufsetzende Notar hieß Gianantonio da Robbiate, ein des öfteren sowohl für die Bartolini als auch den Sanseverino tätiger Mailänder. Welche Organisationsleistung die Mailänder Bartolini-Bank zu erbringen hatte und welchen Einfluß sie erworben haben mußte, zeigen schon die Namen der beteiligten Pächter an. Zwischen den Bartolini und kleineren Pächtern auf den Gütern der mailändischen Benefizien wie den Brüdern da Muzano stand vor allem der mächtige Gianpiero Morone als einer der Generalpächter der Abtei Morimondo, dem einzelne Pächter wie die Erben des Jacopo Choiro oder Bernardino Musino da Fontanala Pachtgelder zu zahlen hatten, die Morone dann an die Bartolini weiterleitete. Weitere Generalpächter Morimondos waren Giulio da Vimercato aus der einflußreichen Mailänder Familie Vimercati554 und Gianbattista da Roma. Bestimmte Güter der Abtei Morimondo und der anderen Benefizien waren ferner an Bernardino Visconti, GianJacopo da Casora, die Erben des Bernardo Cacatossici, die Erben des Biagio da Terzago und andere verpachtet; die Wälder von Morimondo wurden von den Gesellschaften des Ambrogio da Soma und der Erben des Domenico da Pozzo Bonello bewirtschaftet, die Sümpfe von Carlo Pagnano.555 Dieses wirtschaftliche Wurzelgeflecht besaß zum Teil einen beachtlichen politischen Nährboden: So hatte beispielsweise ein Luigi da Terzago als persönlicher Sekretär von Ludovico il Moro fungiert und stand dessen Vertrauten Gianfrancesco und Galeazzo Sanseverino bis 1489 (als er einer Verschwörung gegen den Moro angehörte) sehr nahe.556 Bemerkenswert ist, daß in diesem, aus alteingesessenen und bedeutenden Familien gebildeten Geflecht von Pächtern auch die Mailänder Maggiolini eine große Rolle spielten, Söhne jenes Francesco Maggiolini, der schon seit den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts die Geschäftsinteressen der Lyoner Medici- und Bartolini-Bank als deren Agent in Mailand vertreten hatte. Als Pächter werden nun sein (vermutlich ältester) Sohn Gianbattista Maggiolini und dessen Brüder (Ludovico, Pietro und Giacomo) genannt.557 Die Aufgaben der Bartolini-Gesellschaft für Federico Sanseverino gingen allerdings weit über die Zahlung der Pachtbeträge hinaus. Deren Begleichung wurde verkompliziert, weil der Kardinal sehr oft von den Kirchen oder Pächtern Geldbeträge für sich oder Ver-

553 Noch im März 1516 erhielten die Bartolini von dem mulinero Ambrogio da Muzano vertrags-

gemäß 205 mailändische Pfund bzw. 41 Fiorini larghi als halbjährlich zu zahlende Pachtsumme; ABS 202, c. CXII. 554 Zu den Vimercati vgl. etwa Arcangeli, Trivulzio, S. 63, Anm. 75; Dies., Esperimenti, S. 299, 301, 322. 555 ABS 202, c. LII, LXII, 170, CCXV, 222. 556 Vgl. Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, hier S. 233f., 238, 253. 557 ABS 202, etwa c. LXII, 170. Zu den Söhnen von Francesco Maggiolini vgl. die genealogische Übersicht bei Scharf, Amor di patria, S. 974 (das Fragezeichen hinter Gianbattista wird man streichen dürfen). Zu den Großpächtern von Morimondo, Maggiolini, Morone und anderen, deren Ansprüche und Macht schon Giovanni de’ Medici als Kommendatarabt von Morimondo vor Probleme gestellt hatten, sind auch einige Hinweise bei Cavalla, Morimondo, S. 110f., 128,154, zu finden, doch wird das ganze Pachtsystem nicht systematisch analysiert.

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wandte abzweigte oder mit anderen Ausgaben bzw. Unkosten verrechnen ließ.558 Doch auch aus seinen normalen Guthabenkonten bei der Bartolini-Bank ließ der Kardinal zahlreiche finanzielle Verpflichtungen durch diese Bank begleichen, die somit zu seiner Hausbank wurde. Während Leonardo di Zanobi Bartolini in Rom zum Hausbankier des Kardinals Giovanni de’ Medici geworden war, nahm sein naher Verwandter in Lyon und Mailand als Mediceer-Bankier die gleiche Funktion für den wichtigsten Freund der Medici ein. Leonardo di Bartolomeo Bartolini und seine Nachfolger bezahlten die Sekretäre Sanseverinos in Rom und Frankreich, sie entlohnten von ihm eingesetzte Prokuratoren, die zugleich oft die ihrigen waren, sie zahlten die Kosten für sein vom Ospedale del Salvatore gemietetes Haus in Rom, sie zogen für ihn von Kardinal Philipp von Luxemburg die halbjährlich bezahlte Pension für das Bistum Thérouanne ein. Wünschte Federico Sanseverino Wein aus Frankreich oder Jagdhunde aus seinem Erzbistum Vienne, finanzierten und organisierten dies die Bartolini über seine Konten, so wie sie auch besondere Brieftransporte für ihn regelten und durchführen ließen.559 Kurzum: Es gab kaum einen Bereich seines Lebens, in den sie nicht involviert gewesen wären. Die Verflechtung der Bartolini-Bank mit Federico Sanseverino erreichte also eine kaum noch zu überbietende Intensität. Zählte in Rom Leonardo di Zanobi Bartolini zu den engsten Freunden und Vertrauten dieses einflußreichen Kardinals, so wurden Leonardo di Bartolomeo Bartolini, seine Brüder und seine Bankgesellschaft – natürlich mit Protektion durch die Medici und ihren römischen Verwandten – zu einem Fundament für Sanseverinos Lebenswelt in Italien und Frankreich. Hierzu werden wir noch einige herausragende und unser Thema unmittelbar berührende Vorgänge im einzelnen darstellen. Doch vorerst gilt es, den sachlichen Kontext weiter auszuleuchten, denn weder mit den bisher dargestellten Handels- und Finanzaktivitäten noch mit der Pacht der großen Benefizien des Sanseverino hatte diese erstaunliche Bankgesellschaft ihr Leistungsvermögen erreicht. Die Pacht von Entremont, Ugine und Tarbes und ein kleines Mediceer-Netz In jenem Jahr 1509, in welchem die Pachtverträge zwischen Federico Sanseverino und Leonardo Bartolini besiegelt wurden, schloß der Florentiner Bankier noch weitere ab. Zumindest der erste Vorgang muß ebenfalls mit dem Sanseverino abgesprochen gewesen sein. Denn auch Güter der Abtei Entremont und des Priorats Ugine wurden damals verpachtet. Der Sanseverino hatte die Abtei 1506 nominell Gherardo Bartolini gegen die Reservation der Pfründeinkünfte abgetreten, doch muß kurz darauf dessen junger Bruder Lorenzo über die Einkünfte verfügt haben, da er dem Kardinal seit dem Januar 1508 über 558 Für die beiden Jahre 1510 und 1511 zog der Sanseverino auf diese Weise 40.897, 16, 9 Lire

imperiali (ca. 9.784 Kammerdukaten) aus den regulären Pachteinkünften ab; ABS 204, c. 110, CXI. 559 All dies und mehr findet sich in reicher Fülle auf den entsprechenden Kontenseiten Sanseverinos im Hauptbuch der Erben-Gesellschaft von Leonardo di Bartolomeo Bartolini, die von dessen Brüdern gebildet wurde; ABS 202. Das in Lyon geführte Hauptbuch Leonardos sowie die Bücher seiner Mailänder Filiale scheinen nicht erhalten zu sein. Zum Haus Federicos s.o. S. 355, 469 und s.u. S. 845.

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Leonardo als Sachwalter eine Pension auszahlen ließ. Wenig später gab Leonardo, für seinen Bruder Lorenzo handelnd, einige Güter der Abtei an einzelne Pächter ab, die dafür einen festgelegten Betrag zu zahlen hatten. Von diesen amediatori della nostra badia, so nannte Lorenzo sie, erhielt er jährlich 2.400 savoyische Fiorini durch einen zu San Giovanni 1509 beginnenden, über drei Jahre laufenden Vertrag. Dieser korrespondierte also mit den Pensionszahlungen für den Kardinal, der für beide Benefizien seitdem nur noch 500 Kammerdukaten statt der gesamten Einkünfte erhielt. Etwas später, mit dem März 1510, begann ein zweijähriger Pachtvertrag für Lorenzos Priorat Ugine, der ihm jährlich 575 savoyische Fiorini einbrachte. Als aus beiden Verträgen resultierenden Gesamtbetrag verbuchte Lorenzo 1513 den Betrag von 2.761, 17, 4 Scudi di marca, den die Lyoner Bartolini für ihn von Juni 1509 bis Juni 1512 von den Pächtern eingezogen und auf sein Konto angewiesen hatten. Auf der Ausgabenseite standen jedoch 617 Scudi für Reparationen nach Unwetterschäden, für Dokumente, Reise- und Aufenthaltskosten usw. der Lyoner Bankangestellten.560 Zu erläutern wäre nun schließlich noch die Verpachtung des Bistums Tarbes an Leonardo Bartolini. Mit einem Notarsinstrument, das am 18. August 1509 in Mailand aufgesetzt worden war, verpachtete Thomas de Foix – zweifellos mit Einwilligung seines Vaters und des Königs! – für den Zeitraum von drei Jahren sein Bistum Tarbes mitsamt den zugehörigen Besitztümern (membri) und Dominien, den Einkünften aus Siegelrechten, Zehnten, ricognizioni, Wiesen, Häusern, Pensionen usw., also mit allem, was Einkünfte erbrachte. Leonardo Bartolini hatte dem jungen Bischof oder dessen Prokurator dafür jährlich 4.000 Pfund Tournosen (gleich ca. 1.870 Fiorini larghi) zu zahlen; Thomas de Foix verpflichtete sich per Eid und mit der Hypothek all seiner beweglichen und unbeweglichen weltlichen wie geistlichen Güter zur Einhaltung des Vertrages.561 Am gleichen Tag ernannte Thomas de Foix mit einem weiteren Notariatsinstrument den in Mailand anwesenden Leonardo Bartolini zu seinem Prokurator, um über alle Einkünfte, auch die aus Verpachtungen, zu verfügen, die zum Bistum Tarbes und zur Abtei Scala Dei gehörten.562 Wie wollte Leonardo di Bartolomeo Bartolini diese unglaubliche Aufgabe bewältigen? Was bewog ihn, innerhalb eines Jahres 1509 solch ein Risiko einzugehen: einen jährlichen Pachtzins von insgesamt ca. 16.000 Kammerdukaten aufzubringen, der aus sämtlichen Einkünften eines Erzbistums, dreier Bistümer in West- und Südfrankreich und in Oberitalien und schließlich mindestens dreier großer Abteien und eines Priorats in Südfrankreich und Norditalien zu gewinnen war? Was gab ihm die Sicherheit, die aus unzähligen Töpfen 560 ABS 369, c. 15/XV. 561 ABS, Inventario delle pergamene, I, bolle 2, 18.8.1509. 562 ABS, Inventario delle pergamene, I, bolle 2, 18.8.1509. Der nur für den ersten Vertrag genannte,

sicherlich aber auch beim zweiten aktive Notar hieß Gianantonio de Robbiate (da Robbia). Das war der Mann, der am 27.9.1510 den gesonderten Pachtvertrag zwischen Federico Sanseverino und dem erneut in Mailand befindlichen Leonardo Bartolini wegen der Abtei Morimondo abfassen wird, ein Mann, der weiterhin sowohl für den Sanseverino als auch für die Bartolini als Notar und Prokurator in Mailand wirken wird; vgl. etwa ABS 202, c. 52, 94, CV; Nr. 204, c. V.

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gespeisten Einnahmen tatsächlich einziehen zu können, so daß er überhaupt einen Überschuß als Gewinn verzeichnen konnte? Fragen, die mehr als berechtigt erscheinen, wenn man berücksichtigt, daß er zusätzlich zu den „normalen“ kaufmännischen Unternehmungen auch das mit Agostino Chigi vereinbarte gewaltige Alaungeschäft als Chigis homo di governo seit 1506 persönlich kontrollierte und organisierte, das spätestens 1511 auf Flandern, die Niederlande und England ausgeweitet wurde, mit persönlichen Aufenthalten Leonardos etwa im Januar 1512 in Brügge. Überblickt man die vorhandenen Quellen und resümiert man problemorientiert die bisherigen Ergebnisse, kann zumindest eine klare Aussage gewagt werden: Leonardo di Bartolomeo Bartolini konnte eine solch gewaltige Pachtverpflichtung wagen, weil er auf ein festes und gut organisiertes Netz von Interessenvertretern (Verwandte und Freunde) bauen konnte, die an den entscheidenden Orten vertreten waren, in Mailand, Lyon, Marseille, Montpellier, Toulouse, Paris, Rouen, Brügge und London, um nur einige der wichtigsten zu nennen. Lyon ist hier aufzuführen, weil natürlich auch ein Francesco Naldini mit der Lyoner Salviati-Gesellschaft für die Interessen der Bartolini-Bank arbeitete, nicht zuletzt da dessen Mentor Gianbattista Bracci zusammen mit Giovanni Bartolini und Lanfredino Lanfredini Teilhaber der Lanfredini-Bank war und diese wiederum über ihre Teilhaberschaft mit der Salviati-Bank verflochten war. (Der von Leonardo Bartolini und seinem Partner Bernardo de’ Rossi 1497 aufgenommene Francesco Naldini war ja bereits 1505 vom Bartolini zu einem seiner beiden Prokuratoren ernannt worden, als er die umfangreiche Geschäftsgewalt von der Florentiner Republik erhalten hatte.) Mit der Lyoner Salviati-Gesellschaft beteiligte sich die Lyoner Bartolini-Bank dann ab Mai 1509 ebenfalls an der Gesellschaft von Francesco und Domenico Naldini in Toulouse, wo nun (seit ca. 1507) zugleich Pierfilippo Bartolini als Vertreter bzw. Mitarbeiter der Lyoner Bartolini-Bank lebte. Beide wurden wie in die Alaun- oder Waidgeschäfte natürlich auch in die Verwaltung des im August 1509 gepachteten Bistums Tarbes und der weiteren Benefizien von Thomas de Foix eingebunden. Pierfilippo Bartolini, noch 1513 als in Toulouse wohnend bezeugt, zog in der Regel mit einem großen Radius für die Bartolini-Bank die Einkünfte der verschiedenen Unterpächter im Bistum ein, z. B. bis August 1513 von den fermieri von Tarbes 1.127 Scudi, die 2.000 Pfund di re entsprachen.563 Für 1512 ist belegt, wie er 30 Scudi di sole, die aus der Lyoner Bartolini-Kasse stammten, an Monault de Mortory zahlte, den Diener von Thomas de Foix.564 Im Mai 1513 kam Pierfilippo die Aufgabe zu, mit Thomas de Foix die Konten zu saldieren, und zwar am Hof des Königs von Frankreich! Thomas de Foix stand damals mit 11.274 Pfund bzw. 5.720, 16 Kammerdukaten (gleich 6.356, 8, 6 Scudi di marca) bei den Bartolini in der Schuld.565

563 ABS 202, c. 59, LXXX; ABS 204, c. 101 (zum 20.4.1513 Rückzahlung von Spesen für Pierfi-

lippo, die durch mehrmalige Reisen nach Albi, Tarbes und Bayonne entstanden waren, wo er jeweils Geld einzuziehen hatte); zum Aufenthalt noch 1513 in Toulouse vgl. auch ABS, Inventario delle pergamene, I, 2 (atten. alla fam.), 17.6.1513. 564 ABS 202, c. 1, 80. 565 ABS 202, c. I, 80.

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In diesem Bereich wurde auch Bernardo di Giannozzo Salviati eingesetzt, der sich beispielsweise schon 1511 in einem Geschäftsbuch der Lyoner Salviati-Gesellschaft unter einem Konto der Lyoner Bartolini-Bank als Partner eines von Leonardo getätigten Wechselbriefgeschäfts finden läßt.566 Im August 1513 zahlte Bernardo im Namen der Lyoner Bartolini einen Betrag von 316 Scudi di re bzw. 562, 10 Pfund am Hof des Königs von Frankreich an Thomas de Foix aus.567 Ihm hatte die Lyoner Salviati-Gesellschaft einen festen Platz am Hof des französischen Königs zugewiesen. Augenscheinlich noch in jenem Jahr oder Anfang 1514 wurde Bernardo über einen Akkomanditvertrag auch Teilhaber der Lyoner Salviati-Gesellschaft, konnte mit seinem Einsatz so am Gewinn profitieren.568 Seine gleichzeitige Tätigkeit für die Lyoner Bartolini-Gesellschaft war indes kein singulärer Akt. Noch 1520 überwies er für den Bischof von Tarbes Geldbeträge auf dessen Konto bei dieser Bank.569 Bernardo di Giannozzo Salviati konnte bisher erst für die Jahre ab 1516 als Bankier in Lyon nachgewiesen werden, wo er damals als Prokurator Jacopo Salviatis beim französischen König agierte. Schon 1517 sah Bernardo sich in der Lage, die Seigneurie und das Schloß von Talcy (zwischen Orléans und Blois in LoireNähe gelegen) im Blésois zu kaufen.570 Dieses bekannte Zeichen seines wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs wird man nun nicht auf eine erst zweijährige Präsenz in Frankreich zurückführen dürfen, sondern auf seine schon länger ausgeübte Tätigkeit in der Bartoliniund Salviati-Bank, die ihn in die höchsten Kreise Frankreichs führte. Mit Françoise Doucet wird er dann 1527 die Tochter eines königlichen Finanzkontrolleurs heiraten und seine Familie, sozial angesehen, in Frankreich verwurzeln. In Paris hatten die Mediceer um 1508 Alberto Salviati positioniert, der offenkundig für den nordfranzösischen Wirtschaftsraum und die Handelsverbindungen nach Flandern und England einen Knotenpunkt bildete und dabei mit Zanobi Rucellai in Rouen kooperierte. Nicht nur die Geschäfte mit den Gualterotti in Brügge oder den Welsern in Flandern profitierten davon, sondern immer wieder auch die Lyoner Bartolini-Bank.571 Alberto Salviatis Stellung in Paris wurde dann spätestens ab 1513 wie gesagt durch Bernardo Salviati ergänzt bzw. verstärkt, den man am französischen Hof plazierte, also jeweils dort, wo der König sich gerade aufhielt. Sowohl Alberto in Parigi als auch Bernardo in corte waren 566 ASP I/443 („Libro dei debitori e creditori, seg. ‚A3‘, di Jacopo ed eredi di Banco in Lione;

1510/11“), c. 310/CCCX. 567 ABS 202, c. 59, 80. 568 Eine entsprechende Gewinnberechnung in ASP III/9, c. 8 (Bernardo di Gianozo Salviati di

Firenze stante in corte del cristianissimo Re, dare in fiera d’aparizione 1513 [1514] per chonto di mesa in achomandita per questa ragione [...] scudi MCXXI, Soldi XVII, Denari VI). 569 ABS 202, c. CCXXXI. 570 Vgl. Hurtubise, Salviati, S. 198–200, 212, 225 (auch hier ohne Bezüge zu den Bartolini). 571 Vgl. z. B. ASP I/440 („Debitori e creditori, seg. ‚A2‘, 1508–1509“), c. 176, CLXXVII, 188/CLXXXVIII, 225/CCXXV; I/443 („Debitori e creditori, seg. ‚A3‘, 1510–1511“), c. 161/CLXI; I/444 („Debitori e creditori, seg. ‚B‘, 1511–1513“), c. 43/XLIII, 51/LI, 65/LXV; ABS 266 (Geschäftsbuch von Zanobi Bartolini als Mitarbeiter der Lyoner Bartolini-Bank), c. LX, 90/LXXXX. Bei Hurtubise, Salviati, wird Alberto Salviati erstaunlicherweise (zumindest im Register) nicht genannt.

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zugleich für die Vermittlung päpstlicher Bullen aus Rom zuständig; beide fungierten somit ebenfalls als personale Schaltzentrale bzw. Agenten für das lukrative Benefiziengeschäft der Mediceer.572 Die von den Mediceern aufgebaute Geschäftsstruktur blieb also die gleiche, nur wurde sie mit der Zeit und gemäß den neuen Erfordernissen rationaler und arbeitsteiliger organisiert. Der Pachtvertrag mit Thomas de Foix, dem Bischof von Tarbes, war seinerzeit nur für drei Jahre abgeschlossen worden, sollte also bis 1512 dauern. Doch noch zur AugustMesse 1513 zahlten die einzelnen Pächter im Bistum Tarbes ihre Abgaben an Pierfilippo Bartolini, der sie an die Bartolini-Bank in Lyon weiterleitete, wo man die entsprechende Summe von 1.014, 15 Fiorini larghi dem Konto von Thomas de Foix gutschrieb.573 Das Pachtsystem funktionierte demnach; ob man es 1512 verlängerte, ist aus den vorhandenen Unterlagen nicht zu erkennen. Auffallend ist jedoch, daß die Bartolini-Bank in Lyon noch in den Jahren nach 1514 für den Nachfolger von Thomas de Foix, den 1514 das Bistum übernehmenden Monault de Mortory (richtig: sein ehemaliger Diener, dem Pierfilippo Bartolini 1512 Geld auszahlte!) größere Summen von mehreren tausend Fiorini einzog, die auf ein weiter bestehendes Konto von Thomas de Foix angewiesen wurden. (Eventuell fungierte der Diener lediglich als Strohmann im Amt des Bischofs, zumindest hinsichtlich der finanziellen Seite.) Sowohl Thomas als auch sein Nachfolger Monault de Mortory unterhielten im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts weiterhin Konten bei den Bartolini, die des öfteren Geldtransaktionen für sie übernahmen.574 Noch 1519 reiste Zanobi Bartolini, seit 1513 Leiter der Lyoner Bartolini-Bank, persönlich wegen oder im Auftrag des Bischofs von Tarbes nach Paris.575 Und auch ein Bernardo Salviati transferierte z. B. 1520 einen Betrag von 250 Scudi auf Mortorys Konto bei der Bartolini-Bank.576 Thomas de Foix blieb demnach als Offizier des Königs ein vertrauter Kunde der Bartolini-Bank. Zanobi Bartolini begab sich beispielsweise im Oktober 1515 – also nach der siegreichen Schlacht von Marignano und vor dem Treffen zwischen König Franz I. und Papst Leo X. in Bologna! – in Angelegenheiten des Thomas de Foix nach Paris, mit fünf Pferden und Ausgaben von 45 Scudi di sole.577 Von Toulouse aus haben die Bartolini gleicherweise die Interessen des Kardinals Federico Sanseverino wahrgenommen. Als sein Prokurator hatte Giovanni Normanni 1513 ihn bei einem Prozeß gegen den Bischof von Lectoure (nordwestlich nahe Toulouse gele572 Vgl. etwa ASP I/448 (Briefkopien di là da’ monti ab 1514), fol. 41v, 47v–48r. 573 ABS 202, c. LXXX. 574 Vgl. etwa ABS 202, c. 80/LXXX, 231/CCXXXI. 575 ABS 202, c. CCXXVIIII. Dieser Parisaufenthalt erfolgte im Kontext einer längeren Reise Zano-

bis, die ihn von Florenz aus nach Mailand (wegen der lombardischen Pachten), Lyon, Paris und Flandern (wegen der Handelspartnerschaft mit den Londoner Cavalcanti) führte. Da die Reise mehr als 7 Monate dauerte und im März 1520 abgerechnet wurde, muß er 1519 in Paris gewesen sein. 576 ABS 202, c. CCXXXI. 577 ABS 202, c. 80. Ebenfalls im Oktober 1515 bezahlte die Lyoner Bartolini-Bank den Kurier Branchino wegen unbestimmter Angelegenheiten (affary) des Thomas de Foix mit 31 Scudi di marca; ABS 202, c. 80.

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gen) und den Abt der Abtei della Grassa vertreten, um von diesen eine Pension für ihn zu erstreiten. Die mit 16 Quittungen bezeugten Gesamtkosten seiner Spesen von 140 Kammerdukaten zahlte die Lyoner Bartolini-Bank über Pierfilippo Bartolini an Normanni; diesen Betrag stellten sie dem Sanseverino in Rechnung.578 Unser Lyoner Leonardo Bartolini hatte diese Effizienzsteigerung durch Differenzierung und Diversifizierung maßgeblich gefördert, beispielsweise mit seiner Beteiligung an der Naldini-Gesellschaft in Toulouse und der Entsendung von Pierfilippo Bartolini dorthin oder mit seiner Mailänder Filialgründung. Und so wie er von dem Stützpunkt in Toulouse, Marseille, Montpellier, in Paris oder am französischen Hof profitierte, so nutzten auch die Florentiner Lanfredini-Bank und die Lyoner Salviati-Gesellschaft von Beginn an die Mailänder Bartolini-Bank (etwa bei Wechselbriefgeschäften, bis hin zur Vermeidung von Einfuhrzöllen), deren Leiter, Salvestro di Dino Guardi und Raffaello Gherardini, sie explizit zu ihren ‚besonders teuren Freunden‘ zählten.579 Die Mailänder Bartolini-Filiale stellte wiederum eine unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung des Pachtabkommens mit Federico Sanseverino dar, das sich in der Lombardei aufgrund politischer Verwerfungen erst ab 1511 als risikoreich erweisen wird. Das Pachtsystem als solches scheint sich bis dahin und generell in Frankreich dank der politischen und organisatorischen Voraussetzungen für beide Seiten als lohnend erwiesen zu haben, wie gerade das Beispiel Tarbes zeigte.

3. Politik der Florentiner Mediceer in und außerhalb von Florenz a) Die Freundschaft zwischen Lanfredino Lanfredini und den Salviati Das Bild einer großen Familie miteinander befreundeter und partnerschaftlich verbundener Kaufleute und Politiker, vereint durch ihr Bekenntnis zu den Medici und vielfältige Verwandtschaftsstränge, drängt sich mit aller Macht immer wieder auf. Eine besondere Intimität spricht aus dem Briefwechsel zwischen Lanfredino Lanfredini und Alamanno sowie Jacopo Salviati. So schrieb Alamanno seinem honorando compare – compare kann hier mangels genaueren Hintergrundwissens sowohl als ‚Freund‘ als auch als ‚Mit-Pate‘ übersetzt werden – Lanfredino am 26. Oktober 1500, daß er dessen Brief und weitere Informationen Lanfredinos von dem Mandatar Marco Salviatis erhalten habe.580 Der Bote kam also von jenem Medici-Partisanen Marcuccio Salviati, der zusammen mit Simone Tornabuoni und Andrea de’ Medici, il Grasso, an dem von Venedig unterstützten Kriegszug Piero de’ Medicis teilgenommen hatte und dafür im April 1499 zunächst als Rebell

578 ABS 202, c. 39/XXVIIII, 64. 579 Vgl. etwa ABS, Lettere, mazzo I, 2.7.1507; mazzo IIIbis, 6.5.1509, 12. und 19.1.1510; ASP

I/438, c. VI (1508); I/448, c. 42r, 57r u.ö. 580 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 31 (26.10.1500, Alamanno Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfre-

dini in Pistoia).

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verurteilt, dann zu einem dreijährigen Exil begnadet worden war, und der noch im April 1500 an der Spitze der französischen Soldaten in das Mailänder Kastell gestürmt war, um den Sieg des französischen Königs (bzw. seines Heeres) und die Gefangennahme Ludovico Sforzas mitzuteilen.581 Höchst bemerkenswert ist nun, daß Lanfredino den Marcuccio, der sich bei ihm in Pistoia befunden haben mußte, bei Alamanno Salviati empfohlen hatte und ihn bat, für jenen zu intervenieren – zum Nutzen der Stadt und wegen der vergangenen Vorfälle in Florenz. Offenbar ging es um eine Rehabilitierung Marco Salviatis. Trotz besten Willens sah sich Alamanno jedoch nicht in der Lage, gegen vorherrschenden Widerstand etwas ausrichten zu können. (Marcos Exilsdauer konnte offensichtlich nicht verkürzt werden, denn erst Anfang 1503 ist er wieder in Florentiner Diensten nachweisbar.582) Auf dieser politischen Seite stand auch Alamannos Einschätzung über etwas, was Lanfredino ihm über einen Rechtsspruch geschrieben hatte, der außer ihn auch Giuliano da Gagliano betraf. (Seit November 1500 mußte Lanfredino als Prokurator der Gläubiger der Kommune für Giuliano und seinen Bruder Filippo in mehreren Raten einen Zwangskredit von 150 Fiorini zahlen.583) Alamanno wünschte nun Giuliano – den er nur mit dem Vornamen zu nennen brauchte –, er möge nach diesem Urteil jene Entscheidung fällen, die seinem Wohlergehen diene. (Keine zwei Monate später wird Giuliano übrigens in Rom die Panciatichi-Gesellschaft erwerben, um sie für Giovanni Pandolfini als fondaco Lanfredinis und seiner Partner bzw. als Pandolfini-Gesellschaft zu etablieren.) Diese enge Freundschaft und Partnerschaft zwischen Lanfredino und Alamanno gewinnt eine besondere Note durch die Tatsache, daß der Salviati zuvor vom Herbst 1498 bis Ende 1499 mehr als ein Jahr als Florentiner Botschafter am Hof Ludwigs XII. zugebracht hatte.584 Von äußerst vertrauter Freundschaft zeugen auch spätere Briefe Alamannos an Lanfredino.585 Sie prägte auch das Verhältnis zwischen Alamanno und seinem Cousin Jacopo sowie das zwischen diesem und Lanfredino Lanfredini. Es ist schon außergewöhnlich, was Jacopo Salviati seinem Freund Lanfredino am 5. Dezember 1506 aus Neapel schrieb, wo er sich als Botschafter der Florentiner Republik aufhielt.586 Lanfredino hatte Jacopo offenbar in einem vorherigen Brief erzählt, er fühle sich nach Jacopos Abreise in Florenz einsam, allein gelassen. Jacopo tröstete ihn. Lanfredino seien ja immer noch einige von jenen Personen geblieben, mit denen er seine Angelegenheiten wie gewohnt besprechen könne. Er möge sich vielmehr Jacopos Situation vor Augen halten. Ihm erscheine es, daß er we-

581 S.o. S. 482, 518. 582 S.o. S. 482. 583 ASP IV/5, c. 59/LVIIII, LXXX (als weiterer Prokurator neben Lanfredini wird Atinoro Bellacci

genannt). Der bis 1502 laufende Zwangskredit dürfte als Strafe zu verstehen sein, wenn er aus jenem Rechtsspruch resultierte. 584 Vgl. Hurtubise, Salviati, S. 68, Anm. 98. 585 Vgl. etwa BNCF, Ms. II. V. 21, c. 190, 195 (30.6.1509 und 15.2.1509/10, Alamanno Salviati aus Pisa an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 586 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 171 (5.12.1506, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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sentlich stärker allein sei, da er niemanden, also keinen vertrauten Freund um sich habe. ‚Gleichwohl: Selbst wenn ich‘ – so Jacopo wörtlich – ‚alle jene hätte, die ich zu fragen oder auszuwählen wüßte und nicht Euch hätte, würde es mich nicht gänzlich befriedigen, da ich keinen Ort hätte, wo ich alle meine Sachen mit mehr Sicherheit aufbewahren könnte als bei Euch, da es keinen mit mehr Treue und größerer Intelligenz gäbe.‘ Jacopo bezog dieses Kompliment auch auf notwendige Entscheidungen innerhalb eines gewissen Auftrages, den er und Lanfredino gemeinsam auszuführen hatten. Wenn nicht alles täuscht, ging es dabei um das Medici- bzw. Tornabuoni-Erbe. Über die Tornabuoni-Sache und damit zusammenhängende Verträge schrieb er zum Beispiel in einem Brief vom 28. Februar 1506 an Lanfredino.587 In diesem Brief sprach er auch eine Kommission wegen bestimmter Juwelen an, die ihm tatsächlich zusammen mit Lanfredino übertragen worden war. Denn Lanfredino berichtete ihm am 21. März 1506 aus Rom über den Fortgang dieser Juwelen-Angelegenheit, in welche auch Giovanni Pandolfini involviert war.588 Allem Anschein nach befinden wir uns schon tief in den dunklen Gewölben des Medici- und Tornabuoni-Erbes.

b) Das Medici-Tornabuoni-Erbe und seine Mediceer-Prokuratoren Erinnern wir uns: Lorenzo Tornabuoni hatte 1495 wegen des Kaufes der römischen Medici-Bank gewaltige Geld- und Sachwerte aus dem Medici-Besitz erhalten, mit denen er die Gläubiger dieser Bank zufriedenstellen sollte. Diese Werte aber umfaßten mit einem gewichtigen Bestandteil auch Juwelen der Medici. Statt sie zur Tilgung der Medici-Schulden einzusetzen, hatten Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci einen Teil dieser Juwelen am 1. Juli 1497 dem von ihnen nach Rom geschickten Francesco Naldini übergeben, der die meisten noch im August 1497 in Rom in Sicherheit brachte und dann – und offenbar nicht zuletzt deswegen – aus Italien verbannt und im Oktober 1497 von Bracci instruiert wurde, die Juwelen würden nun von den Buonvisi betreut. Die Florentiner Signoria war jedenfalls sehr um eine Restitution der Juwelen bemüht. Ihre Ansprechpartner waren nach Lorenzo Tornabuonis Hinrichtung dessen Kinder. Da sie aber als Söhne eines Rebellen unter Vormundschaft gestellt, somit als Mündel bezeichnet wurden, lag die Verantwortung für die Juwelen zum einen bei ihren Vormündern, zum anderen bei den Syndizi der konfiszierten Güter Lorenzo Tornabuonis und schließlich auch bei dessen ehemaligem ministro Domenico Alamanni, der als ‚Intimus‘, als besonderer Vertrauter der Söhne Lorenzos fungierte.589 Der Weg eines dieser kostbaren Steine, des berühmten BallasRubin von Mantua, führt uns bereits zu einigen der Verantwortlichen. Gianbattista Bracci

587 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 164 (28.2.1505/06, Jacopo Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfredi-

ni [in Rom?]). 588 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 168 (28.3.1506, Jacopo Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfredini in

Rom). 589 Vgl. ASP I/37, c. 145; s.o. S. 457.

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fungierte damals als Generalprokurator Francesco Naldinis, der nominell für die Juwelen haftete. Deshalb erhielt er am 30. Juli 1498 von Bracci die Information, daß ein Juwel Lorenzo Tornabuonis, das auf Naldinis Namen noch in Rom lag, nun durch die Buonvisi den Syndizi des Tornabuoni-Erbes überreicht werde; am 6. August präzisierte Bracci, das eine Juwel Lorenzo Tornabuonis, das nicht bei den Buonvisi bleiben sollte, sei am 30. Juli 1498 auf Wunsch von Domenico Alamanni, dem ehemaligen ministro und Bürgen Tornabuonis, sowie derjenigen, die Tornabuonis Mündel ‚regierten‘ – also ihrer Vormünder –, den für die Güter des Tornabuoni verantwortlichen officiali übergeben worden. Diese sindachi wiederum teilten Naldini am 25. August durch ihren Notar mit, daß sie dieses Juwel auf Naldinis Namen an Jacopo Salviati weitergereicht hätten, womit er von dieser ‚Last‘ befreit sei.590 Jacopo Salviati hatte also das Schicksal der Medici- bzw. Tornabuoni-Juwelen in die Hand genommen. Daß hinter dieser Verantwortung für die Juwelen mehr stand, daß es um eine Sorge für das gesamte Medici- und Tornabuoni-Erbe ging, bezeugt uns nun ein Vorgang, der aufgrund seiner Anschaulichkeit wie raren Instruktivität eine genauere Schilderung verdient. Es sind die Streitfälle des täglichen Lebens, die oftmals Einblicke in Zusammenhänge erlauben, welche unter normalen Umständen verborgen bleiben. Nur durch solche Reibungsflächen kommen dann in den historischen Quellen Protagonisten bestimmter Interessen zum Vorschein wie jene, die das Tornabuoni-Erbe und somit zu einem großen Teil Vermögenswerte der exilierten Medici bewahrten und verwalteten. Den Medici-Rebellen war natürlich der Zugriff auf diese Güter verwehrt; um so aufschlußreicher und interessanter ist es, ihre Sachwalter und (inoffiziellen) Stellvertreter kennenzulernen. Zu den von Lorenzo Tornabuoni mit der römischen Medici-Bank übernommenen Gläubigern gehörte der Sieneser Kardinal Francesco Piccolomini, der spätere Papst Pius III. (1503). Mit mehr als 9.000 Kammerdukaten credito stand er 1495 in den Büchern der römischen Medici-Bank.591 Im November 1500 forderte er von Lorenzo Tornabuoni bzw. von dessen Erben immer noch einen Betrag von ca. 7.000 Dukaten; die ihm als Sicherheit gegebenen Juwelen wolle er nicht und die ihm verkauften Landgüter nützten ihm nichts. Wenn die Florentiner Signoria nicht bald für Abhilfe sorge, wolle er die Stadt mit einem Interdikt unter Druck setzen und zudem mit Repressalien gegen Florentiner Kaufleute vorgehen.592 Das wirkte. Seine Sache wurde in den folgenden Monaten mit Nachdruck angegangen, in Rom von den Florentiner Gesandten Francesco Pepi und Francesco Cappello. Sie setzten sich immer wieder mit dem Piccolomini bzw. dessen Sachwalter Bernadino Capaccio sowie mit dem wichtigsten römischen Vertreter der Tornabuoni-Interessen zusammen. Er hieß Giovanni di Pierfilippo Pandolfini.

590 ASP I/37, c. 145–147; vgl. oben S. 457. 591 Zum Piccolomini als Gläubiger im römischen bilancio von 1495 vgl. Sapori, Bilancio, Nr. 243,

250. 592 ASF, SR 19, c. 214 (28.11.1500, Florentiner Kaufleute, Rom).

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Schon Ende März 1501 gab es einen Lösungsvorschlag, der eine sofortige Zahlung von 1.700 Dukaten vorsah, während für den Rest eine über zwei oder drei Jahre durch drei oder vier römische Banken zu leistende Bürgschaft vorgesehen war, nach deren Abschluß Kardinal Francesco Piccolomini dann die Juwelen zurückgeben wollte. Die ihm (von den Tornabuoni-Prokuratoren) angebotenen Banken waren die der Buonvisi, Sauli, Ghinucci und Borgherini – alle wohlbekannt als Freunde der Medici, die ersten drei zudem einst 1497 von Francesco Naldini als Depositare der Tornabuoni- bzw. Medici-Juwelen ausgesucht. Offenbar versuchte man aber, die Bürgschaft allein auf die Buonvisi zu beschränken, womit sich der Kardinal unter Gewährleistung bestimmter Sicherheiten einverstanden erklärte.593 Die Vollmacht, sich für die Buonvisi-Gesellschaft – und nur für sie – obligieren zu dürfen, besaß Giovanni Pandolfini, weil eben genau in jenen Wochen durch Lanfredino Lanfredini, Gianbattista Bracci, Benedetto Buonvisi und ihre Partner sowie über ihren verlängerten Arm Giuliano da Gagliano die Pandolfini-Gesellschaft gegründet wurde, die Ende 1501 eine Art Fusion mit der neuen römischen Buonvisi-Gesellschaft einging. Der Pandolfini aber hatte sich in jenen Monaten ständig im Interesse der Tornabuoni und damit der Medici mit dem Piccolomini und eben auch mit Francesco Pepi auseinanderzusetzen. Deswegen wird Francesco Pepi im Juli 1501 Lanfredino vor den schädlichen Aktionen seines römischen Vertreters Giovanni Pandolfini warnen, die eine entschiedene Intervention Lanfredinis oder Braccis erfordern würden. Der Grund lag darin, daß Pandolfini zu offensichtlich für die Medici eintrat und in Vorfälle verwickelt war, bei denen der Sanseverino mit dem Papst und Piero de’ Medici mit einem Kardinal aneinandergerieten.594 Aus dem Kontext und weiteren Zeugnissen ergibt sich, daß es sich bei diesem Kardinal um Francesco Piccolomini handelte. Damit dürfen wir weiterhin konstatieren, daß Federico Sanseverino und die Medici sich vehement in diese Gläubigerangelegenheit eingeschaltet hatten – sie betraf ja auch ihr materielles Fundament. Anfang Oktober 1501 war eine neue Stufe der Schlichtung im Streit zwischen dem Piccolomini-Kardinal und den Tornabuoni-Vertretern erreicht worden. Von den Tornabuoni sollte der Piccolomini sofort 1.700 Dukaten erhalten, den Rest verbürgt in zwei Jahren, wobei er die Juwelen so lange behalten sollte. Giovanni Pandolfini, der keine Sicherheiten mehr geben durfte, war nun aber in Rom nicht mehr der alleinige Sachwalter der Tornabuoni, den der Florentiner Gesandte mit dem Agenten des Kardinals an einen Tisch brachte. An der Seite Pandolfinis erscheint jetzt auch Gianbattista Bracci! Es kam also tatsächlich jener mit umfassender Autorität versehene Partner Lanfredinis, den Francesco Pepi im Juli explizit gefordert hatte, um Giovannis Aktionismus in angemessenere Bahnen zu leiten – von deren Qualität Pepi und Lanfredini bzw. Bracci gleichwohl unterschiedliche Auffassungen gehabt haben dürften. Doch Pepi erklärte der Florentiner Signoria ausdrücklich, daß er dem Pandolfini und den Tornabuoni (d.h. deren Prokuratoren) helfen wolle und sich deshalb auch mit Pandolfini und Bracci zusammengesetzt habe. 593 ASF, SR 14, c. 102 (9.3.1500/1501, Francesco Pepi, Rom); SR 20, c. 123–124 (30.3.1501,

Francesco Cappello, Rom). 594 S.o. S. 627f.

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Bracci und der gleichsam an die Hand genommene Pandolfini stellten nun verschiedene Möglichkeiten der Satisfaktion vor. Klärungsbedarf gab es vor allem noch wegen zweier Landgüter, die der Piccolomini beanspruchte.595 Fast paradox erscheint, daß Bracci damals eigentlich im Auftrag der Florentiner Signoria nach Rom gekommen war, für die er zusammen mit Francesco Pepi die Interessen von Florentiner Kaufleuten gegen finanzielle Ansprüche des portugiesischen Kardinals Georgius Costa vertreten sollte – genau in jenen Tagen, in denen Pepi die Entfernung des Leonardo di Zanobi Bartolini als ‚Kompaß der Medici‘ und als ihres wichtigsten Finanziers aus Rom forderte – jenes Mannes, mit dem Bracci verschwägert war, mit dem er engstens und sicherlich auch hier in Rom kooperierte, und der Giovanbattistas Sohn Zanobi als Mitarbeiter rekrutieren wird.596 Als jedoch im November 1501 die dem Piccolomini gegebenen Versprechungen noch nicht eingelöst waren, begab sich Pepi als Gesandter zusammen mit Giovanni Pandolfini erneut zum Kardinal, um die Verzögerung zu entschuldigen und ein besseres Verfahren vorzuschlagen, das sowohl der Florentiner Signoria als auch den Söhnen von Lorenzo Tornabuoni gefallen würde. Francesco Piccolomini wollte die Sache mit seinen Vertrauten reiflich überlegen; Pepi hingegen zog sich zurück, um Pandolfini das Feld zu überlassen – da dieser die Tornabuoni vertrete (havendo lui la cura da decti Tornabuoni)!597 Sachwalter der Tornabuoni war Giovanni Pandolfini aber nur in Rom; und aus Florenz erhielt er seine Anweisungen auch nicht von den Söhnen Lorenzo Tornabuonis, sondern von ihren Prokuratoren. (Giovanni Tornabuoni, Lorenzos Ältester, war am 11.10.1501 gerade 14 Jahre alt geworden, während sein Bruder Leonardo am 29.9. neun Jahre alt geworden war.) Sie erzielten schließlich eine Vereinbarung mit dem Piccolomini, die uns summarisch überliefert ist, aber nicht alle Einzelheiten erläutert.598 Sie führt ins Zentrum des Florentiner Medici-Netzwerkes. In Rom sollten Francesco Piccolomini die gewünschten 1.700 Kammerdukaten (bzw. 1.989 Dukaten larghi d’oro) in bar ausgezahlt werden. Innerhalb eines Jahr sollte er von Niccolò Tanini e compagnia lanaiuoli oder einer anderen von Tanini beauftragten Firma 357 Dukaten erhalten, von Giuliano Biliotti 119 sowie von Alamanno [Salviati] oder Lanfredino [Lanfredini] oder Giovanbattista Bracci oder Carlo Ginori 578 Dukaten. Innerhalb von zwei Jahren würde Cosimo Sassetti 738 Dukaten zahlen. Einen Ballas-Rubin, der sich im Auftrag der Tornabuoni im Gewahrsam von Alamanno Salviati befand, berechnete man mit einem Wert von 300 Dukaten. Die restliche Summe von 454 Dukaten sollte schließlich wiederum in einem Zeitraum von zwei Jahren durch Alamanno [Salviati] oder Lanfredino [Lanfredini] oder Giovanbattista Bracci oder Carlo Ginori dem Piccolomini ausgehändigt werden. Nach Begleichung aller genannten Schulden sollten die Tornabuoni-Söhne gegenüber den Besitzern der Landgüter von jeglicher Verbindlichkeit befreit sein, welche diese Besitzer nun ihnen gegenüber

595 ASF, SR 22, c. 14 (8.10.1501, Francesco Pepi, Rom). 596 ASF, SR 22, c. 26, 34–35, 62 (13. und 18.10.1501, Francesco Pepi, Rom). 597 ASF, SR 22, c. 187 (11.11.1501, Francesco Pepi, Rom). 598 ASF, SR 24, c. 60 (ohne Datum, offenkundig Januar bis März 1502, copia dello accordo ragio-

nato con i Tornabuoni per lo assexto della causa col cardinale di Siena).

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kraft der von Lorenzo Tornabuoni gemachten Obligation geltend machen könnten. Diese Besitzer sollten damit auch jeden Anspruch gegenüber den Knaben verlieren, was sich jedoch nicht auf die von ihnen bereits vorgenommenen Renovierungen an den Landgütern erstrecken sollte. Bevor wir näher auf die Prokuratoren der Tornabuoni eingehen, kurz einiges zu jenen Gütern. Jene zwei Gutshöfe haben eine interessante Geschichte hinter sich, wie aus dem Bericht eines Vertreters des Kardinalskollegiums hervorgeht. Vor der Verurteilung von Piero de’ Medici war dessen römische Bank Depositar des Kollegiums, bei dem sie zum Zeitpunkt der Verbannung Pieros noch Schulden von ca. 4.000 Dukaten hatte. Der Papst schickte daraufhin einen Unteroffizier mit päpstlichen Breven nach Florenz, um das Geld einzutreiben. Doch statt dessen gab es zahlreiche Diskussionen mit den Syndizi der Rebellen – unter denen sich ja auch erklärte Medici-Freunde wie Francesco Girolami befanden –, weshalb man die Streitsache der Rota, also dem Kuriengericht übergab. Dieses sprach dem Kardinalskollegium ein Haus des verstorbenen Carlo de’ Medici (von dem Giovanni de’ Medici Benefizien „erbte“) zu, ferner zwei Geschäfte (botteghe) und zwei Gutshöfe in Chiasso Maciarello. Da man Lorenzo Tornabuoni 40.000 Dukaten gegeben hatte, um die Gläubiger der römischen Medici-Bank leichter auszahlen zu können, wurde ihm erlaubt, durch den Verkauf jener Immobilien Geld zur Schuldenbegleichung zu gewinnen. So verkaufte er also das Haus und die beiden Geschäfte. Es verblieben die zwei Landgüter. Weil sie sich aber in der Nähe eines Besitzes von Lorenzo Tornabuoni befanden, der Le Brache genannt wurde, veräußerte er sie nicht, um sie vermutlich statt dessen für sich selber zu nutzen. Dann jedoch kam es (1497) zu seiner Verurteilung. Das Kardinalskollegium wandte sich mittels eines Prokurators wegen der Güter erneut nach Florenz, wo sie ihm durch die Signoria und die Syndizi notariell zugesprochen wurden. Das Kollegium tauschte nun die Arbeiter auf den Gütern aus und zog die Einkünfte ein. Doch nach Abreise des Prokurators der Kardinäle drängten die procuratori der Erben von Lorenzo Tornabuoni mit Nachdruck darauf, daß sie die rechtmäßigen Besitzer der beiden Gutshöfe seien, was sie mit Fakten unterstrichen. Sie ersetzten nun ihrerseits die vom Kardinalskollegium bestellten Arbeiter durch die früheren, also ihre eigenen. Die Florentiner Signoria sollte deshalb dafür sorgen, daß das Kollegium die poderi bzw. deren Einkommen wieder nutzen könne.599

599 ASF, SR 24, c. 39 (Kopie ohne Datum, Henricus Brunus, Erzbischof von Taranto, Rom, an

Francesco Cappello). Den Erzbischof des süditalienischen Taranto, der neben seinen vielen Kurienämtern zugleich einer der beiden Kleriker des Kardinalskollegiums war, hatte auch Francesco Pepi in einem Brief vom 24.10.1501 als ihn quälenden Gläubiger der Medici bzw. Tornabuoni erwähnt, der von ihm außer der alten, hier nur noch mit 1.000 Dukaten bezifferten Geldschuld Lorenzo Tornabuonis ebenfalls die dem Kardinalskollegium vertraglich zugesprochenen zwei Landgüter bei dem Ort le Brache forderte; vgl. ASF, SR 22, c. 71 (24.10.1501, Francesco Pepi, Rom); zu Henricus Brunus vgl. Frenz, Kanzlei, S. 345, Nr. 921 und s.v. In der Bilanz der römischen Medici-Bank von 1495 war das Kardinalskollegium mit 3.569 Dukaten als Gläubiger verzeichnet; vgl. Sapori, Bilancio, Nr. 241.

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Francesco Pepi hatte die Signoria am 24. Oktober 1501 informiert, daß der Erzbischof von Taranto als einer der beiden Kleriker des Kardinalskollegiums bei ihm gewesen sei, um ihm mit rechtsgültigen Verträgen und anderen Dokumenten zu beweisen, daß das Kollegium für einen Anspruch von 1.000 Dukaten bei Lorenzo Tornabuoni zwei seiner poderi bei dem Ort Le Brache erhalten habe.600 Auf diese Landgüter bezog sich augenscheinlich nun der Anspruch des Kardinals Francesco Piccolomini, dessen Anwalt ja noch im Oktober 1501 nur wegen der Abtretung der poderi mit Giovanni Pandolfini und Gianbattista Bracci uneins geblieben war. Die endgültige Einigung sah offenbar die Übergabe der Güter an die Kardinäle bzw. den Piccolomini vor. Ganz klar sind die genauen Besitzverhältnisse auf der Grundlage der bekannten Quellen jedoch nicht. Eines jedoch ist evident: Diese Tornabuoni-Güter gehörten zu jenem reichen Komplex, den Giovanni Tornabuoni am 20. Februar 1495 seinen Neffen Giovanni und Leonardo geschenkt hatte, wobei ihrem Vater Lorenzo ausdrücklich jedes Recht und jeder Anspruch auf dieses Erbe abgesprochen wurde. Die von Sapori in Teilen veröffentlichte Liste der Güter führt außerhalb der Florentiner Stadtmauern im Ort Chiasso Maceregli einen Palast (unam domum magnam sive palatium), ein Landgut (podere cum domo pro laboratore et columbario et terris laboratiis, vineatis, fructatis et arboratis) sowie drei weitere unbebaute Landbesitzungen auf, während direkt danach a Castello, loco decto Le Brache, ein weiterer Palast, ein Landgut, ein Haus und ein Stück Wirtschaftsland erscheinen. Andere Güter Tornabuonis lagen etwa in Mezzana und Pizzidimonte vor den Toren von Prato, wie überhaupt der gesamte verschenkte Besitz zwischen Florenz und Prato gelegen zu haben scheint.601 Mit den beiden umstrittenen poderi waren demnach offenbar jene in Chiasso Maceregli und Le Brache gemeint. Der Erbausschluß Lorenzos hatte sicherlich nur dem Zweck gedient, diesen Besitz vor den Zugriffen der für die Liquidierung des Medici-Erbes eingesetzten Syndizi zu retten, ihn von jenen Vermögenswerten Lorenzo Tornabuonis zu trennen, mit denen Lorenzo die Medici-Gläubiger zufriedenzustellen hatte. In gleicher Weise hatten Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti Ende 1496 für den Kauf der Lyoner Medici-Bank nicht nur fünf, bereits angesprochene, zwischen Florenz und Prato gelegene Medici-Landgüter erhalten, die sie an mutmaßliche Strohmänner verkauften, sondern auch weitere fünf poderi des MediciGutskomplexes La Cascina, des heutigen Le Cascine bzw. Castelnuovo, ganz in der Nähe von Poggio a Caiano, wo Lorenzo il Magnifico seine berühmte Villa hatte erbauen lassen. Diese blieben bei den Partnern Spinelli und Sassetti sowie den Tornabuoni-Söhnen, wurden wie gesehen von der Lanfredini-Bank und der Cosimo Sassetti zugeordneten RossiFraschi-Gesellschaft betreut, um dann wieder in den Medici-Besitz überzugehen, weil Alfonsina Orsini mit Hilfe der Lanfredini-Bank vor der römischen Rota gegen die Söhne

600 ASF, SR 22, c. 71 (24.10.1501, Francesco Pepi, Rom). 601 Vgl. Sapori, Cacciata, S. 304–306, 314–318.

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Lorenzo Tornabuonis und gegen Spinelli und Sassetti klagte, um die Güter 1510 mit weiteren als Teil der ihr zuerkannten Mitgift übertragen zu bekommen.602 Doch einige mißtrauische Köpfe in Florenz hatten bald gemerkt, daß Lorenzo Tornabuoni seine Verpflichtung gegenüber den Gläubigern der Medici-Banken nur sehr bedingt erfüllte und statt dessen mit Hilfe seiner Freunde hohe Summen für die Medici unterschlug oder rettete. Deshalb war Ende 1496 ein neues Gremium für die Güter der MediciRebellen und die Kontrolle aller bisherigen auf sie bezogenen Akte eingesetzt worden, wodurch es im November 1497 zu den Anklagen des Antonio da San Gimignano gegen Lorenzo Tornabuoni und seine Helfer kam, denen wir für den 30. Januar 1500 eine Denunziation gegen Lorenzo und Nofri Tornabuoni, Leonardo di Zanobi Bartolini und Giuliano Panciatichi zu Seite stellen konnten. Als Antwort auf diese Inkriminierung folgte am 5. Februar 1500 vor den ufficiali di torre e dei rebelli die Gegenklage der Tornabuoni bzw. der sindachi e curatori der konfiszierten Tornabuoni-Güter, die wir als Prokuratoren der Tornabuoni ansehen dürfen, da sie sich massiv für die finanziellen Interessen der Tornabuoni einsetzten und für diese von der Kommune Florenz die Erstattung großer, fälschlich oder betrügerisch erhaltener Summen forderten, statt Unterschlagungen Lorenzos zuzugeben. So mancher Medici-Feind dürfte dies als Provokation angesehen haben, und so kam es innerhalb eines Jahres nach dem 25. März 1500 zu jener erneut denunziatorischen Reaktion, mit welcher wiederum Lorenzo Tornabuoni sowie Giovanbattista Bracci als weiterer Leiter der Florentiner Medici-Erben-Bank eines großangelegten Finanzbetruges angeklagt wurden, der vor allem beim Monte Comune und mit Hilfe einiger MonteBeamten begangen worden sei. All diese Vorgänge bezogen sich letztendlich auf die Liquidierung der römischen Medici-Bank durch Lorenzo Tornabuoni und damit auf Finanzmanipulationen, die nicht allein von ihm, sondern auch von der Florentiner MediciErben-Bank ausgingen. Das Medici- und Tornabuoni-Erbe sind demnach ebensowenig zu trennen wie Lorenzo Tornabuoni und die Florentiner Medici-Erben-Bank. Dies zeigte sich auch am 7. August 1499 und am 24. Februar 1500, als zwischen den Vertretern der Medici-Tornabuoni-Seite und ihren städtischen Gegnern umfangreiche Rechtsdokumente abgefaßt wurden, in denen es um die Liquidierung des Erbes von Lorenzo Tornabuoni ging, wobei die Schenkung Giovannis an seine Neffen, die seit August 1497 zu Mündeln erklärten Giovanni und Leonardo di Lorenzo Tornabuoni, von den ufficiali dei rebelli angefochten wurde.603 In der Tat sind die umstrittenen beiden Landgüter ja auch als Vermögenswerte Lorenzo Tornabuonis angesehen worden – und als solche hatten sie noch 1500 und danach zur Begleichung alter Schulden der römischen Medici-Bank bei dem Kardinal Francesco 602 ASF, MAP CLVII, hier c. 26v–46r, c. 88r–89v. Eine etwas andere Darstellung des Vorgangs bei

Elam, Sculpture Garden, S. 52 u. 71, Anm. 83 (Le Cascine bei Poggio a Caiano sei von Lorenzos Söhnen Giovanni und Leonardo Tornabuoni für die Medici gekauft und von diesen am 5.9.1516 zurückgekauft worden). 603 Vgl. Sapori, Cacciata, S. 304, 310 (doch leider unter Verweis auf die künftige, aber offenbar nie realisierte größere Studie hierzu nur mit knappen Angaben, bei denen die einzelnen Kontrahenten auch nicht klar mit ihren jeweiligen Funktionen bezeichnet werden).

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Piccolomini und dem Kardinalskollegium zu dienen. Wer immer sich gegen solche Ansprüche wehrte und im Gegenzug solche Tornabuoni-Besitzungen für die TornabuoniErben zu sichern versuchte, handelte damit zugleich für die Medici. Dies trifft auf die Prokuratoren der Tornabuoni-Erben – auch ‚Syndizi und Kuratoren des TornabuoniErbes‘ genannt –, die sich in Rom und Florenz mit alten Forderungen an die Medici-Bank auseinanderzusetzen hatten, in besonderem Maße zu. An vorderster Stelle ist Giovanbattista Bracci zu nennen, der sich des Streitfalls in Rom im Auftrag der Florentiner Signoria sogar persönlich annahm. Er zahlte zudem den größten Betrag der Tornabuoni-Schuld, d.h. nicht er allein! Denn auffallend ist, daß er jedesmal zusammen mit Alamanno Salviati, Lanfredino Lanfredini und Carlo Ginori genannt wurde. Entweder er oder einer von ihnen hatte sich verpflichtet; es war vollkommen gleichgültig, wer von ihnen die hohe Summe bezahlte! Dies ist nur nachvollziehbar, wenn die anderen drei analog zu Bracci einem bestimmten institutionellen Gremium angehörten, wenn sie zu den Prokuratoren bzw. Syndizi des Tornabuoni-Vermögens zählten, über das sie gemeinsam verfügen konnten, weil es immer noch um die Schulden von Lorenzo Tornabuoni bzw. der Medici ging. Sie sind daher als zentrale oder hauptverantwortliche Prokuratoren anzusehen. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem, das aus den Kompetenzen über den berühmten Mantuaner Ballas-Rubin gewonnen werden konnte, der pauschal als ‚das Juwel Lorenzo Tornabuonis‘ bezeichnet wurde. Die Syndizi des TornabuoniVermögens hatten ihn im Juli 1498 von Francesco Naldini zurückgefordert. Er bzw. sein Generalprokurator Gianbattista Bracci hatte dann Benedetto Buonvisi, der den als ‚Diamanten‘ bezeichneten Rubin in seiner römischen Bank (d.h. bei Giovanni Pandolfini) behütete, aufgefordert, ihn den Syndizi auszuhändigen, die ihn Jacopo Salviati zur Aufbewahrung gaben. Da Naldini sowohl durch diesen Akt von seiner Haftung befreit wurde als auch dadurch, daß nun Bracci die Verfügungsgewalt über den Rubin besaß, konnten wir schließen, daß Bracci zu den Syndizi gehörte und Jacopo Salviati zu ihren Vertrauten.604 Dieser Rubin befand sich dann bei dem Tornabuoni-Prokurator Alamanno Salviati und wurde mit 300 Dukaten bewertet. Das Gremium der Syndizi des TornabuoniVermögens ist noch stärker als das beim Medici-Erbe von Mediceern beherrscht worden. Es ist bemerkenswert, daß sich mit Carlo Ginori und Lanfredino Lanfredini zwei Schwiegersöhne (beide seit 1500) von Bartolomeo Bartolini und mit dem Bracci ein Schwager von Leonardo di Zanobi Bartolini unter jenen vier Syndizi befanden. Auch der Ginori war mit seiner Bank eng mit den anderen Mediceer-Firmen verflochten. Eine einfache Helix reichte den Mediceern nicht als Substrat; ihr Geflecht mußte aus multiplen Helices bestehen. Von der heimlichen Beteiligung Carlo Ginoris an Leonardo Bartolinis Londoner Del Rosso-Gesellschaft hatten wir ebenso bereits gehört wie von der im gleichen Jahr 1501 erfolgten Partizipation Ginoris an einem Geschäft mit englischen Tuchen, das die Lyoner Bartolini-Rossi-Bank gemeinsam mit Gianbattista Bracci durchführte. Zum 1. Januar 1504 beteiligte sich dann Giovanni Bartolini mit 2.000 Fiorini am Kapital der Florentiner Gesellschaft Carlo Ginori e compagnia del banco, an der er mit 25% (5 604 S.o. S. 457, 781f.

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Soldi pro Lira) am Gewinn partizipierte.605 Diese dem persönlichen Geheimbuch Giovannis entnommene Information ist ganz offensichtlich auf ihn als Teilhaber der LanfrediniBank zu beziehen und damit auf seine beiden Partner Lanfredini und Bracci zu übertragen, müßte demnach in deren privaten Geheimbüchern ebenfalls notiert sein. Denn zum 2. Januar 1508 wurde im Geheimbuch der Lanfredini-Bank für das Konto der Ginori-Bank vermerkt, daß zu diesem Tag Lanfredino Lanfredini, Giovanbattista di Marco Bracci sowie Giovanni Bartolini eine Summe von jeweils 3.580, 13, 5 Fiorini von der Ginori-Bank zu erhalten hätten. Der Bartolini erklärte in seinem persönlichen Geheimbuch zu diesem Betrag, er resultiere aus seiner Teilhaberschaft an der Ginori-Bank.606 Es handelt sich also um den Gewinn der drei Lanfredini-Teilhaber als Mitgesellschafter der Ginori-Bank, in der sie demnach 6.000 Fiorini zum Kapital beisteuerten und eine Dreiviertel-Mehrheit hielten! Die Ginori-Bank ist demzufolge als eine Tochter der Lanfredini-Bank anzusehen. Carlo Ginori scheint von Lanfredini sogar erheblich gefördert worden zu sein, denn in einem Brief vom 15. Februar 1510 an Lanfredini bemerkte Alamanno Salviati, Lanfredino habe ‚diesen seinen‘ Carlo Ginori mit so viel ‚Kredit‘ ausgestattet – was sich sowohl auf Reputation als auch auf Geld beziehen kann –, daß sich nun ‚die ganze Welt‘ an ihn wende.607 Weil Carlo Ginori gleich Lanfredini und den Salviati zum engeren Kreis der Florentiner Mediceer zählte – von weiteren Bezügen Ginoris zu den Medici werden wir noch hören –, gehörte er nicht nur zu ihrem engeren geschäftlichen Zirkel, sondern auch zu den Prokuratoren des Medici- bzw. Tornabuoni-Erbes. Als dessen Prokuratoren vertraten sie alle – Alamanno, Lanfredino, Giovanbattista und Carlo – in exzeptioneller Weise die Interessen der Medici in Florenz, auf jene Weise, die sie uns mit jener Quelle vom 5. Februar 1500 als sindachi e churatori der konfiszierten Güter des Lorenzo Tornabuoni präsentierten. Sono molto ricchi, ‚sie sind sehr reich‘, diese Erben der Medici! So schrieb noch am 16. September 1508 die Florentiner Signoria an den Herzog von Savoyen, der im Namen seines Rates Bonifazio Ferrier, Bischof von Ivrea, über den Florentiner Staat eine Rückerstattung alter Medici-Schulden von den Erben des Lorenzo de’ Medici und denen des Lorenzo Tornabuoni forderte, doch abgewiesen wurde, da Florenz die Güter der Medici nicht konfisziert habe – aber überaus reich seien sie, jene Schuldner des Bischofs von Ivrea, d.h. jene Erben der Medici-Güter.608 Nicht primär die Medici selbst, sondern vor allem Jacopo und damals noch Alamanno Salviati, Lanfredino Lanfredini, Giovanbattista

605 ABS 210bis (Libro piccolo segreto di Giovanni Bartolini proprio), c. 1, 4 (zum 31.12.1504

verbuchte Giovanni aufgrund seiner Rate 650 Fiorini aus einem Gewinn der Ginori-Bank von 2.600 Fiorini; in den beiden folgenden Jahren waren es 550 und 600 Fiorini). 606 ABS 92, c. 2; ABS 210bis, c. 11. 607 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 195 (15.2.1509/10, Alamanno Salviati aus Pisa an Lanfredino Lanfredini). Damals scheint Carlo Ginori schon über den Lanfredini in die Lyoner Salviati-Gesellschaft integriert gewesen zu sein, da Ginori wegen bestimmter, diese Gesellschaft betreffender Waren an die Capponi in Pisa geschrieben hatte, sie sollten sie als Leonardo [di Bartolomeo] Bartolini gehörend in Empfang nehmen. 608 Vgl. Lupi, Relazioni, S. 297f.

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Bracci und Carlo Ginori waren hiermit gemeint. Sie waren in der Tat äußerst wohlhabend, wahrten aber bei allem Eigeninteresse dabei stets das Interesse der eigentlichen, der leiblichen Erben des Magnifico. Diese Sorge für das Tornabuoni- und Medici-Erbe gilt auch für die nachgeordneten Schuldzahler Niccolò Tanini, Giuliano Biliotti und Cosimo Sassetti, die ebenfalls dem Medici-Kreis bzw. den Medici-Gesellschaften angehörten. Aus der Familie von Tanini hatte neben Lorenzo di Lotto Tanini als Mitarbeiter der Brügger Medici-Bank vor allem der Namensgeber Lotto di Tanino Bozzi al. Tanini eine herausragende Position in der Medici-Gesellschaft eingenommen, da er zur Zeit von Cosimo de’ Medici die MediciBank in Venedig leitete.609 Niccolò Tanini nun hatte z. B. zusammen mit Piero und Nofri Tornabuoni, Jacopo Gianfigliazzi, Domenico Alamanni, Niccolò Morelli und natürlich Lanfredino Lanfredini im Juni 1495 zu den Bürgen Lorenzo Tornabuonis bzw. der Florentiner Medici-Erben-Bank gezählt, mit welcher Tanini bzw. seine Wollgesellschaft dann 1496 nicht nur über Lorenzo Tornabuoni und Francesco Cegia, sondern auch über Gianbattista Bracci und Francesco Naldini Geschäfte machte.610 Sassetti, der den zweithöchsten Betrag bezahlte, gehörte zu den Leitern und ab 1496 an der Seite Tornabuonis und Spinellis zu den Teilhabern der Lyoner Medici-Bank; er stand in führender Funktion seit 1508 hinter der Rossi-Fraschi-Gesellschaft und war ein enger Freund von Giuliano da Gagliano, mit dem er z. B. 1502 zusammen mit Lorenzo Spinelli die Patenschaft für eine Tochter von Giuliano Biliotti, 1508 zusammen mit Piero di Leonardo Tornabuoni die für eine Tochter von Piero di Francesco Spinelli, dem Bruder Lorenzos, übernahm.611 Der dritte, der für das Tornabuoni-Erbe Schulden übernahm, war also jener Giuliano d’Agostino Biliotti, den wir bereits als Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank und vor allem – entscheidend für diesen Kontext – für 1495 als hoffnungsvollen Stellvertreter Giuliano da Gaglianos bei seinen von Lanfredini und Filippo da Gagliano angeordneten Wechselbriefgeschäften in der Lyoner Bartolini-Bank vorgestellt hatten. (Jacopo Salviati ging noch am 23. Januar 1507 in einem Brief an Lanfredini ausdrücklich auf Giuliano Biliotti ein.612) Auch Biliotti entstammte einer den Medici äußerst treuen Familie. Sein Vater Agostino di Sandro Biliotti war in den 70er Jahren von Lorenzo de’ Medici als Leiter seiner neu eröffneten Bank in Neapel eingesetzt worden, in den 80er Jahren zusammen mit Giovanni Tornabuoni neben dem Magnifico als Partner in die Florentiner MediciBank aufgenommen und als Krisenmanager nach Lyon geschickt worden. Sein Verwand-

609 S.o. S. 163. 610 Vgl. Pampaloni, Ricordi, S. 219f., 226; ASP I/37, c. 5 (am 27.5.1496 verbuchte Francesco

Naldini auf Gianbattista Braccis Ausgabenseite 80 Goldfiorini, die bar an die Wollgesellschaft des Niccolò Tanini gingen, zu zahlen für die Gesellschaft von Matteo degli Albizzi wegen eines Wechselbriefes von Giovanni Nardi ‚zu 11%‘). 611 Zu 1502: ASP IV/5, c. 93, LXXXVIII; IV/8, c. 36r; zu 1508: ASP IV/6, c. 161r, 162r, 164r/v, 165r/v, 166v. 612 Vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 179 (23.1.1506/07, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfredini in Florenz; die kaum lesbare Kopie der Handschrift erlaubt keine genauere Aussage, worum es ging, außer daß Jacopo etwas mit Bezug auf Biliotti bedauerte).

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ter Alderio Biliotti war Familiar Kardinal Giovanni de’ Medicis, Paolo Biliotti hingegen wurde im Frühjahr 1496 von einem gefolterten Medici-Anhänger als Teilnehmer der damaligen Medici-Verschwörung verraten; Bartolomeo Biliotti war wegen eines (eventuell zugunsten der Medici) in jugendlichem Alter begangenen Mordes verbannt worden; und noch Giulianos Sohn Agostino gehörte 1529 während der nächsten Vertreibung der Medici zusammen mit Lorenzo Tornabuonis Sohn Giovanni, Alamanno Salviatis Sohn Piero und Leonardo di Zanobi Bartolinis Sohn Onofrio und vielen weiteren zu den angeklagten Medici-partigiani – Beispiel langjähriger loyaler amici-Tradition.613 Nicht die Söhne von Lorenzo Tornabuoni, sondern ihre Prokuratoren standen für dessen finanzielle Verpflichtungen als Käufer der Medici-Banken ein. Alltäglich-Konkretes vermag ihre Funktionen und Möglichkeiten einmal mehr zu illustrieren. Etwas mehr als vier Zeilen im Memorialbuch der Lyoner Salviati-Bank offenbaren, daß Gianbattista Bracci als Kurator des Tornabuoni-Vermögens über viele Jahre mehr als nur den Mantuaner Ballas-Rubin vor dem Zugriff der Signoria retten konnte. Denn am 17. August 1508 erhielt sein Adlatus Francesco Naldini als frisch eingesetzter Leiter der Lyoner SalviatiBank von der Lyoner Filiale der Buonvisi, die unter dem Namen Ludovico (di Benedetto) Buonvisi und Bonaventura (di Niccolò) Micheli e compagnia firmierte, einen in Gold eingefaßten Smaragd und eine große lange Perle, die er dem Gewahrsam seines Mitarbeiters Piero Cerretani übergab.614 Es muß sich dabei um Schmuckstücke aus dem Lorenzo Tornabuoni 1495 übergebenen Medici-Schatz gehandelt haben – und höchstwahrscheinlich um jene Perle aus 32 Karat und den großen in Gold eingefaßten Smaragd, die beide zusammen einen Schätzwert von 1.000 Dukaten besaßen. Naldini hatte den Smaragd am 20. August Stefano Ghinucci in Rom, die Perle am 13. September 1497 Antonio Venturi in Siena in Gewahrsam gegeben. Sie blieben also noch elf Jahre später weiterhin ihrem eigentlichen Zweck, der Satisfaktion der Medici-Gläubiger, entzogen, befanden sich immer noch als Finanz- und Pfandmittel in der Obhut der engeren Medici-Freunde – und zweifellos mit Wissen von Braccis und Naldinis Partnern Lanfredino Lanfredini sowie Alamanno und Jacopo Salviati. Verständlich ist dies nur, weil die Hauptteilhaber der Lyoner Salviati-Gesellschaft allesamt gleichzeitig die zentralen Nachlaßverwalter des Tornabuoni- und damit Medici-Erbes waren!

613 Zu Giuliano Biliotti s.o. S. 187f., Anm. 278, S. 194f.; zu Agostino di Sandro Biliotti: De Roo-

ver, Rise, s.v.; zu Bartolomeo Biliotti: ASF, SR 26, c. 127 (13.6.1503, Kardinal Antoniotto Pallavicini an Signoria; setzt sich bei dieser dafür ein, daß man dem Biliotti einen Geleitbrief nach Florenz gewährt); zu den denunzierten, angeklagten bzw. verfolgten Medici-Anhängern von 1529 vgl. Stephens, Fall, S. 249–251 (neben den Genannten wären als bemerkenswerte weitere Fälle ungebrochener Kontinuität Lucrezia und Jacopo Salviati und der für unsere Zeit in Venedig als Medici-Agent wirkende Kaufmann Matteo di Simone Cini zu nennen, der gleich mit Beginn des Medici-Exils in Francesco Naldinis bzw. Gianbattista Braccis Rechnungsbüchern als Geschäftsfreund auftaucht und uns noch weiter beschäftigen wird). 614 ASP I/438, c. II.

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Die Rolle der Buonvisi-Gesellschaft in Lucca Einem überraschenden Phänomen haben wir uns allerdings noch nicht angemessen zugewandt: der Integration der Buonvisi-Gesellschaft in dieses den Medici- und TornabuoniBesitz betreuende und schützende Gefüge. Das in den Briefen Sichtbare läßt auf eine festere Vernetzung schließen, die bisher noch nicht durch Rechtsdokumente erschlossen werden konnte. Benedetto Buonvisi, Freund schon eines Lorenzo de’ Medici, muß nach der Exilierung der Medici in mehr als nur engen freundschaftlichen Geschäftsbeziehungen zu den Medici-Banken gestanden haben. Bereits seine bemerkenswerte und singuläre Funktion als Finanzknotenpunkt für die heimliche Geldversorgung der exilierten Medici, als Beschützer des Pisaner Medici-Vermögens sowie seine überaus intensiven Handelsbeziehungen zu Gianbattista Bracci und Francesco Naldini in den Jahren nach 1494 zeigen wie seine folgende Sorge um die Juwelenschätze der 1497 bedrohten Verwalter des Medici-Erbes und sein Asyl für den geflüchteten Bracci, daß hier weit mehr als nur altruistische Freundschaftsbeweise vorliegen. Spätestens als Benedetto Buonvisi im Dezember 1500 zusammen mit Lanfredini, Bracci und der Florentiner Soderini-Seidengesellschaft, an der Filippo und Giuliano da Gagliano partizipierten, in Rom zunächst die neue Gesellschaft des Giovanni Pandolfini etablierte und diesen Ende 1501 zum Leiter seiner Bankgesellschaft in Rom machte, institutionalisierte er seine politische Freundschaft zu den Medici und Mediceern. Es gibt weitere bezeichnende Zeugnisse. Ende November 1501 beschwerte sich die Regierung von Lucca bei den Florentinern, daß sich im Florentiner Machtbereich in Livorno drei für Lucca bestimmte Barken mit Korn befänden, die aus Portovenere kommend in den (Luccheser) Hafen von Viareggio gesegelt und dort gekapert worden seien, wobei sogar ein Boot mitsamt Ladung zerstört worden sei.615 Das Korn sei mit einem Schiff aus dem sizilianischen Trapani geliefert und in Portovenere auf Luccheser Rechnung entladen worden. Die Florentiner Signoria solle für Restitution sorgen. Um zu beweisen, daß das Korn von Lucca gekauft worden sei, schicke man einen Brief aus Palermo mit, der an den Gonfaloniere von Lucca, Benedetto Buonvisi, gerichtet sei. Aus ihm werde ersichtlich, daß das Korn im Namen Buonvisis gekauft und verladen und dann vor allem durch Giovanbattista Bracci sowie Gherardo Corsini weitertransportiert worden sei. Da der Florentiner Kommissar in Livorno diesen Sachverhalt bestritt, forderten die Luccheser, also allen voran Benedetto Buonvisi als ihr höchster Amtsträger, Florenz zur Intervention auf. Sie verwiesen dabei nochmals auf Bracci, der den Wahrheitsgehalt des Briefes aus Palermo bezeugen werde – und dies auch wegen des Vertrauens gegenüber dem Patron der Barken und des Unfallschadens bei der einen gekaperten Barke, da sie zu seiner eigenen Flotte gehöre! Der Besitzer zumindest eines der Boote war also Giovanbattista Bracci, der das von Buonvisi für Lucca gekaufte Korn von dem bei La Spezia (und außerhalb des Florentiner Territoriums) befindlichen Hafen von Portovenere an den Bestimmungsort transportieren sollte. Hand in Hand liefen

615 ASF, SR 22, c. 138, 139 (28. u. 30.11.1501, Antiani et vex. iustitiae populi et comunis Lucen.,

aus Lucca).

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also ihre Geschäfte, zum Vorteil beider Seiten – denn aufgrund des gesamten Kontextes handelt es sich um mehr als um einen bloßen Lieferungsauftrag. Bereits im Juli 1500 hatten die Florentiner den Buonvisi im Verdacht, ein großes Salpetergeschäft zum Vorteil der Pisaner und damit der Medici abzuschließen, weshalb man es zu verhindern suchte.616 Der Beschlagnahmung der Kornlieferung im November 1501 konnte durchaus ein ähnlicher Beweggrund vorausgegangen sein, zumal Guicciardini für die Jahre nach 1494 genau diese Kooperation zwischen Lucca und Pisa beschrieben hatte, die dann 1508, gerade auch wegen Luccheser Kornlieferungen für das belagerte Pisa, zu größeren Spannungen zwischen Florenz und Lucca führte.617 Für die Aufdeckung der Geschäftsbeziehungen zwischen den Buonvisi und den Mediceern ist allerdings die Erwähnung und Involvierung von Giovanbattista Bracci aussagekräftig, nicht weil sie die Freundschaft zwischen Buonvisi und Bracci unterstreicht, sondern weil Bracci damals schon an der Seite von Lanfredino Lanfredini die unter dessen Namen laufende Gesellschaft in Florenz führte. Bracci wird sich an dem Korngeschäft kaum als Privatmann, sondern als Vertreter der Lanfredini-Gesellschaft beteiligt haben, wahrscheinlich sogar auf der Basis einer gemeinsamen Partnerschaft, die sie ja spätestens seit 1500/1501 schon mit der römischen Pandolfini- und Buonvisi-Gesellschaft praktizierten. In zahlreichen Briefen wird uns dieser Giovanni Pandolfini als Empfänger von Aufträgen Lanfredinis und als dessen Mittelsmann in Rom bezeugt – ein für die Substanz des Medici-Netzwerkes wichtiger Sachverhalt. So bat Lorenzo Pucci seinen Freund und Verwandten Lanfredino im September 1504, Giovanni Pandolfini zu veranlassen, eine bestimmte Obligation in Rom zu kassieren.618 Im März 1506 stimmte sich Jacopo Salviati mit seinem gerade in Rom weilenden Freund und Kompagnon Lanfredino ab, dem Pandolfini bestimmte Juwelen zur Verwahrung zu geben, die offenkundig aus dem Tornabuoni-Erbe stammten.619 Im Februar 1507 bezeugte Alamanno Ughi – der schon 1497/98 und 1504 im Florentiner Mediceer-Kreis um Giuliano da Gagliano und Gianbattista Bracci nachzuweisen ist und offenbar von dort als Mitarbeiter in Lanfredinis römisches Geschäft entsandt wurde – Pandolfinis abhängige Stellung, als er dem Lanfredini aus Rom schrieb und seine Arbeitsüberlastung in Lanfredinos fondaco beklagte, da der Seniorpartner (maggiore) Giovanni damals (zur Berichterstattung) nach Florenz gereist sei und er deshalb alles allein zu bewältigen habe.620 Im April 1510 schrieb Kardinal Giovanni de’ 616 S.o. S. 523. 617 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 311–318. 618 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 154, 156 (14. u. 20.9.1504, Lorenzo Pucci, Rom, an Lanfredino Lanfre-

dini; auf ihre Verwandtschaft werden wir noch eingehen). 619 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 168 (28.3.1506, Jacopo Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfredini in

Rom). 620 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 182 (6.2.1506/07, Alamanno Ughi, Rom, an Lanfredino Lanfredini).

Ughis Name erscheint schon für 1497/98 auf einem Konten-Notizzettel im Geschäftsbuch von Giuliano da Gagliano, zusammen mit dem von Giulianos Diener Stefano Imbert und Antonio di Piero da Gagliano; und noch im Juli 1504 nahm Ughi in Florenz für Giuliano da Gagliano eine Bareinzahlung bei der Bank des Carlo Ginori vor, gehörte also damals bereits zum MediceerKreis um Lanfredini, Bracci und die Gagliano-Brüder; ASP IV/5, c. 103 (1504 ging es um die

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Medici aus Rom an seinen vorzüglichen Freund (amico nostro precipuo!) Lanfredini wegen eines Vorschlages, den Lanfredini dem Kardinal über Giovanni Pandolfini unterbreitet hatte und über den sich der Medici außerordentlich freute – denn Lanfredino wollte unter Zustimmung des Medici-Kardinals bestimmte Medici-Güter in Pisa kaufen und dem Medici zugleich ein Rückkaufsrecht zum Kaufpreis einräumen. Pisa war nun doch noch von den Florentinern erobert worden und hatte damit seine Funktion als sicherer Stützpunkt für die Medici verloren!621 1513 und 1514 schließlich sind es Gherardo di Bartolomeo Bartolini und kein Geringerer als Benedetto Buonvisi selbst, die sowohl ihre Teilhaberschaft in einer gemeinsamen compagnia als auch die des Giovanni Pandolfini in ihr bestätigen.622 Pandolfini hatte sich damals den Ärger der Partner zugezogen, da er für einen offenkundig von ihm verursachten finanziellen Schaden nicht die persönliche Verantwortung übernehmen, sondern diesen über die Gesellschaft ausgleichen lassen wollte. Schon im Dezember 1511 hatte die venezianische Gesandtschaft in Rom gemeldet, der Florentiner Giovanni Pandolfini sei bankrott.623 Ob sich dieser finanzielle Schadensfall Pandolfinis bis 1513/14 hinzog, wissen wir nicht. Bemerkenswert ist dabei aber vor allem, daß außer Gherardo Bartolini auch Benedetto Buonvisi (der im übrigen gut zehn Jahre älter als Lanfredini war) den Lanfredini – hier wohl mit Blick auf die römische Pandolfini-Gesellschaft – als seinen maggiore, also als übergeordneten Seniorpartner bezeichnete; für Benedetto war er darüber hinaus ein teurer Freund. Aus Briefen der Salviati gewinnt diese Florenz und Lucca verbindende Handelsgemeinschaft weiteres Profil. Die Republik Lucca bzw. Benedetto Buonvisi hatte im November 1501 erklärt, daß nicht nur Gianbattista Bracci, sondern auch Gherardo Corsini den Transport des von Buonvisi angekauften Korns von Portovenere über Viareggio nach Lucca besorgte. Gherardo di Bertoldo Corsini stammte nicht aus jener gleichnamigen Familie in Lucca, aus der Benedetto Buonvisi in den 70er Jahren Giovanni Corsini zu seinem Prokurator in Palermo bestimmt hatte624, sondern aus Florenz. Es ist so bemerkenswert wie bezeichnend, daß Alamanno Salviati am 16. Oktober 1502 von Arezzo aus den Lanfredini bat, neben seinem compare Antonio Berlinghieri gerade diesen Gherardo Corsini ausdrücklich von ihm zu grüßen, den dann Jacopo Salviati am 5. Dezember 1506

Begleichung einer Schuld von 35 Fiorini, die Giuliano da Gagliano bei der Lyoner BuonvisiGesellschaft wegen der Lieferung von Tuchen hatte), der Notizzettel ist am Schluß des Bandes in die unpaginierten ricordi eingelegt worden. 621 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 199 (25.4.1510, Kardinal Giovanni de’ Medici, Rom, an Lanfredino Lanfredini; dieser solle so viele Güter der Medici in Pisa kaufen wie er wolle, natürlich mit der durch Giovanni Pandolfini angebotenen Obligation des Rückkaufsrechts zum gleichen Preis; im übrigen hob der Medici die ununterbrochene besondere Freundschaft Lanfredinos und schon seines Vaters Jacopo zum Haus der Medici hervor, was – da in der neueren Forschung teilweise bezweifelt – hier betont, später nochmals erörtert werden soll). 622 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 38, 45 (15.10. u. 1.12.1513, Gherardo Bartolini, Rom, an Lanfredino Lanfredini); c. 59 (21.9.1514, Benedetto Buonvisi aus Lucca an Lanfredino Lanfredini). 623 Vgl. Sanuto, Diarii XIII, Sp. 349 (11.12.1511: In Roma è falito Zuan Pandolfini fiorentino). 624 Vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 306.

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aus Neapel gegenüber Lanfredini sogar als ‚unseren‘ Gherardo Corsini hervorhob.625 Francesco Guicciardini stellte Lanfredini und Corsini vor einigen anderen Ungenannten als diejenigen Florentiner heraus, welche die stärksten Handelsbeziehungen mit den Buonvisi und Lucca unterhielten und daher am nachhaltigsten unter einem Anfang oder kurz vor 1508 in Florenz verabschiedeten Handelsverbot mit Lucca litten, das wegen der Luccheser Unterstützung für Pisa seit längerem gefordert worden war.626 Daß Lanfredinis (und Braccis!) Verbundenheit gerade mit den Buonvisi maßgeblich auf einer gemeinsamen Freundschaft mit den Medici ruhte, ist mehr als plausibel, weniger allerdings, ob das gleiche auch für Gherardo Corsini gilt. Denn bis 1512/13 sahen ihn einige wie etwa der Chronist Cerretani als Anhänger des medicifeindlichen Regimes, gar als Freund der Medici-Feinde; doch nach der Rückkehr der Medici entwickelte oder entpuppte er sich rasch zu einem der entschiedensten Mediceer in Florenz.627 Es scheint, als habe er vor 1512 aus pragmatischen oder taktischen Gründen eher seine wahre Gesinnung verschleiert als offenbart, denn wer so ausgewiesenen Mediceern wie den Salviati-Cousins, Bracci, Lanfredini und Buonvisi derart nahe stand, gerade bei einem Florenz schädlichen Geschäftsumfeld wie beispielsweise den Luccheser Kornlieferungen, wird kaum zu den erklärten Feinden der Medici gehört haben. Einen dezidierten Medici-Feind hätte Alamanno Salviati auch nicht durch Lanfredino von sich grüßen lassen und Jacopo nicht als ‚unseren‘ Gherardo Corsini bezeichnet. Solche verbindenden Aufmerksamkeiten wurden gezielt und wohldosiert eingesetzt, das erweist sich aus unzähligen Briefen. Nicht zufällig bat Jacopo Salviati in seinem Brief vom 5. Dezember 1506 den Lanfredini, Ludovico Morelli von ihm zu grüßen, jenen Mann mithin, den schon der bedrohte Filippo da Gagliano 1495 gegenüber Niccolò Michelozzi als geeigneten Retter ansah.628 Eine Brücke nach Lucca und zu den Buonvisi schlugen die Salviati jedoch nicht nur indirekt über Gherardo Corsini, sondern sehr unmittelbar über ihren Freund und Partner Lanfredino. Zu ihren gemeinsamen Geschäftsfeldern gehörte auch der Handel mit Leder aus Irland. In Briefen an Lanfredino bezeugte Alamanno Salviati 1509 und 1510, während er als Florentiner Kommissar in Pisa wirkte, daß an diesen Geschäften auch Giovanni Guinigi beteiligt war, offenbar durch eine Kooperation mit der Lyoner Salviati-Gesellschaft, da er das Geld aus dem Verkauf des Leders mit der Begründung an sich zog, dies betreffe die Lyoner Gesellschaft. Bei diesem Giovanni Guinigi muß es sich um jenen Luccheser Kaufmann gehandelt haben, der Benedetto Buonvisi sehr nahestand, hatte dieser doch 1496 Giovannis Sohn Michele seine Tochter Elisabetta zur

625 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 136 (16.10.1502, Alamanno Salviati aus Arezzo an Lanfredino Lanfre-

dini), c. 171 (5.12.1506, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfredini). 626 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 312f. 627 Vgl. Cerretani, Ricordi, bes. S. 13, 316, 399 und s.v.; Butters, Governors, S. 193; Stephens, Fall,

S. 178. Zu Piero di Bertoldo Corsini als Mediceer s.o. S. 336f., 401, 428f. 628 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 171 (5.12.1506, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfredini;

der Name der nach Morelli zweiten Person, die Lanfredini grüßen sollte, ist zumindest auf der Kopie unleserlich); zu Filippo da Gagliano und Ludovico Morelli s.o. S. 196f.

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Frau gegeben und einem Francesco Guinigi dann seine Tochter Lucia.629 Wir werden in der Tat durch Alamanno Salviatis Verweis auf den Guinigi wiederum in das Geschäftsdreieck zwischen Florenz, Lucca und Lyon geführt. Doch Alamannos Zeugnis ist einmal mehr nur die Folge einer längeren Entwicklung, die in der Florentiner Medici-Erben-Bank ihren Ausgangspunkt besaß. Die außerordentlich intensiven Geschäftsbeziehungen Gianbattista Braccis und Francesco Naldinis mit den Buonvisi in Lucca resultierten aus der Freundschaft der Buonvisi mit den Medici, durch welche sie die Finanzierung der Exilierten unterstützten, dem verfolgten Bracci Asyl gewährten und sich um die Betreuung der Juwelen aus dem MediciErbe kümmerten. Dies hatten wir ebenso ausführlich dargestellt wie die auffallende Beobachtung, daß Francesco Naldini sofort nach seiner Ankunft in Lyon und nach seiner Förderung durch Bernardo de’ Rossi und Leonardo Bartolini die Geschäftsverbindungen mit den Buonvisi in Lucca wie Lyon fortführte, nun aber von Lyon aus mit einem weiten Zugriff auf die Filialen der Buonvisi-Gesellschaft in Brügge und London. Hierbei handelte er oft im Auftrag Gianbattista Braccis und eben auch Benedetto Buonvisis. Für dessen Lyoner Gesellschaft wiederum (Bernardino bzw. seit 1505 Ludovico di Benedetto Buonvisi e Bonaventura di Niccolò Micheli e compagnia) führte Francescos Cousin Domenico di Giovanni Naldini in Toulouse von 1497 bis 1505 Kladden mit Geschäftsnotizen, so daß er offenkundig in dieser Zeit an dem südfranzösischen Handelsstützpunkt für die Buonvisi-Gesellschaft als deren Vertreter wirkte.630 Erstaunlicherweise begann diese Tätigkeit genau in jenem Jahr, in welchem Francesco Naldini aus Florenz über Rom und Siena, aber in ständiger Verbindung mit den Buonvisi und seinem Mentor Bracci in Lucca – die ihn ja noch das auch für ihn profitable Alaungeschäft organisieren ließen! –, nach Lyon auswandern mußte. Ob er dabei von seinem Cousin Domenico begleitet wurde, erzählt er uns nicht, doch dessen neues Wirkungsfeld in Toulouse ist zweifellos in jenen dramatischen Monaten des Jahres 1497 in Lucca bestimmt worden, wo nicht nur Giovanbattista Bracci, sondern auch Francesco Naldini in den Räumen der Buonvisi gleichsam zu Hause war. All diese strukturellen Verflechtungen härten unsere Annahme einer frühen Partnerschaft zwischen dem Bracci und Buonvisi. Vermutlich hatte Bracci schon 1495 als führender Partner der Florentiner Medici-Erben-Bank einen personalen wie institutionellen Brückenschlag zur Buonvisi-Gesellschaft vollzogen. Dies würde auch die Funktion der 629 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 190, 195 (30.6.1509 u. 15.2.1509/10, Alamanno Salviati aus Pisa an

Lanfredino Lanfredini). Im Bartolini-Archiv ist ein in Lucca geschriebener Geschäftsbrief von Giovanni Guinigi an die Lanfredini-Bank erhalten; ABS, Lettere, mazzo I, 4.10.1509. Zu diesem Giovanni di Michele di Giovanni Guinigi vgl. Bratchel, Lucca, S. 165f. und s.v.; zu den Eheverbindungen mit den Töchtern von Benedetto Buonvisi vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 306. 630 Vgl. ASP IV/283; im „Inventario dei libri di commercio e di administrazione patrimoniale“, S. 161, bezeichnet als „Più quadernucci di ricordi di Domenico di Giovanni Nardini[!], mercante fiorentino in Tolosa per i Buonvisi e Micheli di Lione“, eingefügt in den Bestand „Libri di diversi, non collegabili direttamente alla famiglia Salviati“; freundlicher Hinweis von Peter Geffcken. Dieser Band konnte leider noch nicht eingesehen werden.

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Buonvisi als Finanzknotenpunkt für Transaktionen zugunsten der Medici erklären. Das formal–institutionelle Aktionszentrum, aus dem Bracci den Naldini in Lyon instruierte, war bis 1497 die Florentiner Medici-Erben-Bank und anschließend deren Nachfolgerin, die Florentiner Lanfredini-Bank. Naldini erledigte jedenfalls die meisten seiner Einkäufe im Auftrag der Buonvisi und vor allem per conto Gianbattista Braccis, der ihm laufend Anweisungen erteilte und dabei sicherlich nicht als Einzelhändler agierte, wobei der Instruktionsweg durchaus von Florenz über Lucca laufen konnte. Wir hatten bereits exemplarisch die Szene beschrieben, wie Naldini sich am 5. September 1498 in Lyon in das Haus des Bankiers Lorenzo Dati begab, dem er Anweisungen übermittelte, die Naldini schriftlich von Gianbattista Bracci erhalten hatte und durch die geschäftliche Aufträge der Buonvisi aus Lucca umgesetzt werden sollten.631 Hier erteilten zwei Partner ihrem Mitarbeiter eine Kommission. Manche Spesen, etwa für Pferdewagen nach Flandern, rechnete Naldini direkt mit den Buonvisi ab, so wie er auch direkt von Benedetto, etwa im November 1498, den Auftrag zum Kauf von Waren, hier von Tuchen, erhielt – per conto di Benedetto Buonvixi e mio! – und mit einem Drittel am Gewinn beteiligt wurde.632 Im Februar 1499 schickte er der Buonvisi-Gesellschaft in London eine große Ladung Brokatstoffe, die er im Namen der Dati über Dieppe versandte. Im gleichen Monat überwies er dem Buonvisi-Partner Bartolomeo Cenami auf dessen Luccheser Konto einen Geldbetrag, mittels eines über die Lyoner Bank des Lorenzo Dati – Giovanni Dati war ein Diener von Leonardo Bartolini – auf die Gesellschaft von Giovanni Guinigi und Lorenzo Dati gezogenen Wechselbriefs.633 Der Luccheser Guinigi und der Florentiner Dati besaßen also eine gemeinsame Gesellschaft, die in dieses weitgespannte Handelsnetz eingebunden war. Doch aussagekräftiger für das System erscheint, daß Bracci unter Naldinis Namen und dieser selbst mit ca. 31% an den Gewinnen der Lyoner Buonvisi-Gesellschaft partizipierten. Dies erklärt die beschriebenen Kooperationen und Befehlswege.634

c) In der Höhle des Löwen So bestürzend das Exil für die Medici gewesen sein muß, brisanter gestaltete sich das Leben ihrer engsten Freunde in Florenz, in der Höhle des Löwen. Das wußten auch die Medici. Immer wieder hörten wir, wie sie zu raschem Handeln gegen Florenz drängten und den finalen Erfolg herbeisehnten, weil sie um das Leben ihrer Freunde fürchteten – mit Recht! Den zahlreichen, wegen ihrer Aktivitäten für die Medici Verbannten ging es dabei noch relativ gut, wenn man ihrem Schicksal das der fünf im August 1497 hingerichteten Medici-Anhänger entgegenhält. Freilich wird so manch Verbannter wie Leonardo di Zanobi Bartolini, Nofri Tornabuoni oder Francesco Naldini diesem teuersten Preis unbedingter Freundschaftsbeweise nur dadurch entgangen sein, daß er sich nicht in Flo631 ASP I/37, c. 148; s.o. S. 635. 632 ASP I/37, c. 149–CL; ASP I/38, c. 60–LXI; s.o. S. 635f. 633 ASP I/37, c. CLVI. 634 ANF 70, c. V, VIII, XVI (von 1511, doch auf ein älteres Verfahren verweisend).

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renz aufhielt – mit besten Gründen mißachteten sie ihre Vorladung nach Florenz. Doch es ist mehr als verwunderlich, daß solch zentrale Personen des innersten Medici-Zirkels wie etwa Gianbattista Bracci und Bartolomeo Bartolini nicht verhaftet und nicht vor Gericht gezogen wurden, während die in gleicher oder ihnen untergeordneter Funktion tätigen Mediceer wie Lorenzo Tornabuoni, Giovanni Cambi oder Francesco Naldini sterben bzw. eine harte Verbannung erleiden mußten. Warum sie und nicht ihre Freunde? Hatten sie einfach Glück, nicht verraten oder entdeckt worden zu sein und damit nicht zu den Opfern des sich als Furie gerierenden Francesco Valori zu zählen? Verbargen sie ihre Aktivitäten – wie offenkundig der Bartolini zumindest bis 1499 – geschickt genug oder waren diese bei entsprechenden Verweisen gerade noch tolerierbar? Warum aber wurden dann Bartolomeo Bartolini und Francesco Bottegari, denen ihre grundlegende Hilfe für Piero de’ Medici nachgewiesen werden konnte, nur mit einer Geldstrafe belangt? Weil es keinen zweiten Valori mehr gab? Durften sie, gesichert durch eine verbindliche Haltung, die für den Bartolini jedenfalls bezeugt ist, zudem die schützende Hand mächtiger Sympathisanten über sich spüren, die nun einflußreicher waren als noch 1497? Verstanden sie alle es vielleicht, sich bei allem Einsatz für die Interessen der Medici gleichzeitig so nachhaltig, so patriotisch für den Florentiner Staat zu engagieren – etwa aufgrund ihrer Finanzkraft in einem finanziell darbenden Staat –, daß ihr Nutzen für das Gemeinwesen stärker wog als die von ihnen ausgehende Gefahr? Wobei diese natürlich sehr unterschiedlich beurteilt werden konnte, denn die Gegnerschaft zu den Medici und die Aversion gegenüber ihrer Rückkehr besaß vom erbitterten Haß bis zur Indifferenz unzählige Schattierungen. Klare Abgrenzungen werden bei dem Versuch, diese Fragen zu beantworten, nicht oder nicht immer zu erzielen sein, doch die je besondere Gültigkeit der genannten Aspekte sollte evident werden. Mancher ist bereits zur Sprache gekommen – man denke nur an den Rüffel für den Medici-Freund Luigi della Stufa635 –, weitere sollen am Beispiel einiger so prominenter wie zentraler Personen vorgestellt werden. Beginnen wir mit Bartolomeo Bartolini, einer der großen grauen Eminenzen des Florentiner Medici-Netzes. Bartolomeo di Leonardo di Bartolomeo Bartolini war als enger Partner, d.h. als verlängerter Arm Lorenzo de’ Medicis in die großen finanzpolitischen Operationen des Magnifico verwickelt gewesen, doch der Vorwurf, öffentliche Gelder zu privaten Zwecken mißbraucht zu haben, traf nach dem November 1494 postum den Medici und sogar ihren gemeinsamen Partner Filippo da Gagliano, nicht – soweit zu erkennen ist – den Bartolini. Bartolomeo wohnte deshalb auch weiterhin in Florenz, hielt sich jedoch politisch offensichtlich zurück; in den gedruckt vorliegenden Chroniken und Stadtgeschichten von Parenti, Cerretani, Landucci und Guicciardini wird er so wie in den einschlägigen Studien zur Regierung des Governo popolare (1494–1512) gar nicht erwähnt.636 Offenbar geriet

635 Vgl. oben S. 577. 636 Vgl. Parenti, Storia fiorentina I, II; Cerretani, Ricordi; Landucci, Florentinisches Tagebuch;

Guicciardini, Storia fiorentina; Pesman Cooper, Florentine Ruling Group; Butters, Governors. Politisch aktiv war nicht er, sondern sein Verwandter Gianbattista di Niccolò di Bartolomeo Bartolini; vgl. etwa Pesman Cooper, a.a.O. S. 180 u.ö.

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er selbst 1497 nicht in den Verdacht promediceischer Umsturzversuche, als sein Vetter zweiten Grades Leonardo di Zanobi Bartolini als Medici-Bankier und TornabuoniVerwandter verbannt und zum Rebellen erklärt wurde.637 Aber 1499 wurde er nicht nur verdächtigt, er wurde entlarvt; 1499 erkannte man, daß er (wie schon bis 1492 für Lorenzo de’ Medici) seit 1492 aufgrund eines Vertrages mit Piero de’ Medici seine gesamten kaufmännischen Leistungen in den Dienst dieses größten Staatsfeindes gestellt hatte. Selbst eine noch so große Beliebtheit in der Stadt hätte ihn in dieser Situation nicht mehr vor dem Richtbeil oder zumindest einer Verbannung retten können. Doch sogar Parenti, der jedes Augenzwinkern der Mediceer in Florenz mit Argwohn notierte, erwähnt in seiner ‚Storia fiorentina‘ weder den Bartolini oder Bottegari noch die Sache selbst. 638 Sie muß in einem kleinen Kreis mit großer, überaus erstaunlicher Diskretion geregelt worden sein. Warum? Warum also nur jene glimpfliche Geldstrafe, von der kaum jemand wußte? Nur durch die Hilfe sehr mächtiger Freunde, eine breite politische Akzeptanz, ebenso dichte wirtschaftliche Verknüpfungen und nicht zuletzt eine starke Finanzbasis, durch die er der finanziell äußerst stark belasteten Republik beispielsweise mit Krediten helfen konnte, ist überdies verständlich, daß Bartolomeo Bartolini trotzdem bis Mitte 1503 Provisor der Zecca blieb und daß er in diesem wichtigen, reichen Bürgern vorbehaltenen Amt seinen Sohn Giovanni als seinen direkten Nachfolger durchsetzen konnte, der es immerhin bis 1525 bekleidete, um es dann seinem Bruder Zanobi zu übergeben!639 Die Florentiner Geldpolitik lag über Jahrzehnte in der Hand der Bartolini, d.h. der Medici, für die auch die daraus resultierenden Gewinne zunächst in die Bartolini-, dann in die Lanfredini-Bank flossen. Ein analoger Einfluß während der republikanischen Periode zeigt sich bei einem erstaunlichen Beschluß, den die Signoria im Jahr 1504 fällte. Damals wählte sie Bartolomeos Sohn Leonardo, der sich gerade in Avignon aufhielt, zum Prokurator der Republik Florenz und erteilte ihm die Freiheit, für sie von jedem Fürsten und König aus jedem Land bestimmte Waren kaufen und Geld einziehen zu dürfen.640 Seine Leistungen, sein Anse637 Vgl. oben S. 442. 638 Parenti, Storia fiorentina II. 639 Vgl. Ildefonso di S. Luigi, Delizie, S. 361–370, Nr. 168; Bernocchi, Le monete, bes. I, S. 424–

427, II, S. 482f.; Lingohr, Palastbau, S. 52 (1508 wurde Giovanni Bartolini auch priore di libertà). Daß Florenz angesichts seiner vielen Kriege und Zahlungsverpflichtungen gegenüber Frankreich dringend auf das Geld seiner reichsten Bürger angewiesen war, die es in Form von Krediten in den Staatshaushalt schleusten, betonte beispielsweise Marks, Crisi finanziaria, bes. S. 68f. 640 ABS, Inv. perg. I, 2 (atten. alla famiglia), 16.10.1505. In der bei Ildefonso di San Luigi gedruckten ‚Storia genealogica‘ der Familie Bartolini Salimbeni wird gesagt, Leonardo Bartolini habe im Jahr 1504 das Florentiner Prokurationsmandat erhalten, als er sich gerade in Avignon aufgehalten habe; Ildefonso, Delizie, S. 354f. Da das Regest des 1728 erstellten Inventars der Bartolini-Urkunden und sonstigen Dokumente außer dem Auftrag der Republik Florenz auch das folgende Prokurationsmandat paraphrasiert, das Bartolini seinerseits in Lyon aufsetzen ließ, und dabei den Namen des rogierenden Lyoner Notars (Guido Tubelot) nennt, wird sich das Datum des Regestes (16.10.1505) auf dieses zweite Mandat beziehen, mit welchem Bartolini seinem Auftrag folgen wollte. Das Florentiner Dokument muß auf jeden Fall vor diesem Lyoner Vertrag aufgesetzt worden sein.

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hen sowie nicht zuletzt seine breite Vernetzung im gesamten europäischen Wirtschaftsraum prädestinierten ihn für diese Aufgabe, auch wenn es in Florenz keine Illusionen über seine Nähe zu den Medici gegeben haben kann. Es handelte sich nicht um einen kurzfristigen Auftrag, da Leonardo Bartolini noch am 16. Oktober 1505 zwei Stellvertreter einsetzte, die sein Florentiner Mandat übernehmen sollten. Denn vor allem die Kriege um Pisa hatten die Not in Florenz weiter verschärft. So wird er beispielsweise ermächtigt gewesen sein, Getreide für die unter Lebensmittelknappheit und entsprechender Teuerung leidende Kommune einzukaufen, wie man es Anfang 1505 aus England bezogen hatte.641 Doch der Hintergrund dieser Entscheidung mag auch ein anderer bzw. ein zweiter gewesen sein. Am 14. Oktober 1505 traf nämlich in Florenz die Nachricht ein, daß ein wütender König Ludwig XII. nun definitiv die Rückzahlung der ihm von Florenz noch geschuldeten 25.000 Fiorini fordere, sonst würde er sich an alle Florentiner Kaufleute halten.642 Es wurde daraufhin in Florenz sofort eine große Versammlung einberufen, welche beschloss, alles zu bezahlen und das Domkapitel um ein Darlehen bzw. einen Zehnten zu bitten. Da dies wohl kaum gereicht hätte und die decima letztendlich auch nicht vom Papst genehmigt wurde, könnte die Vollmacht für Leonardo Bartolini mit jener großen Geldrückzahlung in Verbindung stehen, wenn Florenz sich schon vor dem Oktober 1505 um die Organisation der großen Summe bemüht haben sollte und dafür auch auswärtige Schulden oder Verbindlichkeiten eintreiben ließ. Trifft dies zu, dann bestätigt es einmal mehr seine Position am französischen Hof und in Frankreich. Doch selbst wenn es nur um Lebensmittelkäufe gegangen sein sollte, würde daraus ersichtlich, welch überragende Stellung er in kurzer Zeit als Lyoner Bankier und Kaufmann erworben hatte. Nicht zu bestreiten ist, daß das Mandat von 1504 auf seine enorme Reputation in Florenz zurückzuführen ist, die ihm auch von Gegnern der Medici zuteil geworden sein muß. Daß dieser Aspekt in die ganze Angelegenheit hineinspielte, wird aus Leonardos Gestaltung seiner Prokuration deutlich. Wegen eigener Geschäfte – der auf der gesamten europäischen Bühne wirbelnde Leonardo war beispielsweise im Juli 1505 in Tours – und aus Krankheitsgründen ernannte Leonardo Bartolini nämlich seinerseits mittels eines in Lyon am 16. Oktober 1505 aufgesetzten Vertrages zwei Prokuratoren, die den Florentiner Auftrag für ihn erledigen sollten. Man reibt sich die Augen, liest man die Namen. Beim ersten handelte es sich um niemand anderen als um Francesco Naldini, der nun als in Lyon wohnender Florentiner Kaufmann bezeichnet wird. Die Vita dieses Medici-Mitarbeiters und Exilierten, seine Nähe zu Leonardo Bartolini nach seiner Verbannung aus Italien, seine ununterbrochene Verbindung zu Gianbattista Bracci in Florenz sind uns nur zu gut bekannt. Es ist schon kurios, daß ein Mann, der 1497 wegen seines Einsatzes für die Medici um sein Leben fürchtete, nun acht Jahre später von einem Mediceer die Vollmacht erhielt, die wirtschaftlichen Interessen 641 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 276; Mecatti, Storia cronologica, S. 513 („Ed essendo

stato in quest’anno [1505] gran carestia, i Fiorentini fecero venire per cinquantamila Scudi di grano d’Inghilterra“). 642 Cerretani, Ricordi, S. 116.

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von Florenz im Ausland vertreten zu dürfen! Da diese Entscheidung Bartolinis in Florenz genehmigt worden sein muß, hatte Naldinis durch seinen wirtschaftlichen Aufstieg und Erfolg dort offenkundig beträchtliche Akzeptanz gewonnen und eine Rehabilitierung erhalten bzw. seine Freunde und Förderer in Florenz vermochten ihren Einfluß entsprechend zu steigern. Der zweite Prokurator Leonardo Bartolinis hieß Piergiovanni Bottegari, der bis 1483 in der getarnt mediceischen Florentiner Bartolini-Bank u. a. unter seinem Bruder Francesco gearbeitet hatte, um dann zunächst in die Lyoner Bartolini-Bank und für diese als ihr Mitarbeiter bzw. Vertreter 1488 nach Montpellier zu gehen, wo er in den nächsten Jahrzehnten blieb. Korrespondierend ist dann sein Bruder Cosimo 1498 in Marseille positioniert worden. Es ist bekannt, daß Cosimo Bottegari auch mit Benedetto Buonvisi im Getreidehandel kooperierte, der in diesem Fall zwischen Marseille und Viareggio bzw. Lucca abgewickelt wurde.643 Jene umfassende Vertretung der Florentiner Wirtschaft konzentrierte sich also auf drei Personen, deren Zugehörigkeit zum Netzwerk der Medici den Florentiner Medici-Feinden nicht unbekannt geblieben sein kann. Über diese Prokuration aber stieg indirekt oder gar direkt auch der Einfluß der Medici. Da sie Leonardo primär seinem Vater und dessen Freunden (wie Lanfredini und den Salviati) verdankt haben wird, zeigt sich auch an diesem Beispiel der weiterhin große Einfluß Bartolomeos in Florenz, mit dem er das öffentliche Interesse in die Hände enger Medici-Freunde zu legen und das Ansehen der Medici damit zu steigern vermochte. Nicht zu vergessen sind dabei seine weiteren in Florenz lebenden Verwandten. Denn der Verfasser des Regesteninventars der Bartolini-Dokumente vermerkte zu diesem Vorgang noch, daß einer der damaligen Florentiner Prioren, die Leonardo Bartolini 1504 zum Prokurator der Signoria machten, Bartolomeo di Niccolò di Bartolomeo Bartolini gewesen sei, ein Bruder des damals in Florenz einflußreichen Giovanbattista Bartolini, beide wiederum Vettern zweiten Grades unseres Bartolomeo di Leonardo di Bartolomeo. Diesen Bartolomeo di Niccolò Bartolini hatten wir bereits mit seinen von Avignon aus betriebenen Alaungeschäften und für 1504 als Depositar der Florentiner Signoria vorgestellt. Und es paßt recht gut in diesen Kontext, wenn wir seinen Bruder Giovanbattista di Niccolò Bartolini – der zahlreiche öffentliche Ämter in Florenz erhielt, auch als Kriegskommissar und wie gesehen offenbar verdeckt für die Medici-Interessen wirkte – im Geheimbuch der Florentiner Salviati-Bank in seiner Funktion als Beamter des Monte Comune in Bezug zu den Salviati, Gherardo und Francesco Guardi, anonymen Freunden und dem Monte erblicken.644 Vorteilhaft für den Einfluß der Bartolini-Bank wirkte sich sicherlich auch aus, daß sie gleichfalls mit evidenten Feinden der Medici wie z. B. Alfonso Strozzi Geschäfte machte; ob der als Feind Pieros bezeichnete Benedetto de’ Nerli aber wirklich einer war, erscheint angesichts seiner engeren Geschäftsbeziehungen nicht nur zu den Bartolini, sondern auch zu den Gagliano-Brüdern und Lanfredino Lanfredini im Juni 1495 fraglich. Von beiden 643 Vgl. Luzzati, Art. „Buonvisi, Benedetto“, S. 305. 644 ASP II/30bis, c. 83–LXXXIV. Giovanbattista di Niccolò Bartolini war am 31.1.1500 zum Uffi-

ciale del Monte gewählt worden; Barteleit, Staatsverschuldung, S. 227.

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berichtet Cerretani indes, sie hätten Ende Dezember 1500 zu einer Gruppe führender Feinde Piero de’ Medicis gehört, die sich zusammengeschlossen hätten, um den damaligen Versuchen des Papstes und des französischen Königs, Piero wieder in Florenz einzusetzen, Widerstand zu leisten und die Medici-Freunde zu überwachen; Benedetto di Tanai de’ Nerli sei sogar der Initiator gewesen.645 Alfonso Strozzi wird von Guicciardini als einer jener erbitterten Feinde charakterisiert, die sich niemals mit den Medici ausgesöhnt hätten, weshalb er 1508 auch vehement gegen die (noch näher zu thematisierende) Ehe seines Bruders Filippo mit Clarice di Piero de’ Medici agierte.646 Freilich erscheinen der Nerli und Strozzi bzw. ihre Gesellschaften nicht als enge und häufige Kunden der Bartolini-Gesellschaft. Nach Ausweis des Lyoner Rechnungsbuches von Leonardo di Bartolomeo Bartolini waren sie 1496 an Wechselbriefgeschäften beteiligt, die über das Lyoner Konto von Giovanni di Ser Francesco d’Ambra liefen und in die außer den Gesellschaften von Alfonso Strozzi und Benedetto und Francesco de’ Nerli auch die von Tommaso Guadagni in Lyon – ein Geschäftsfreund der Bartolini – sowie die von Piero de’ Nerli einbezogen waren.647 Piero und Francesco de’ Nerli werden in den Lyoner Büchern weitaus häufiger genannt. Derart exponierte und erfolgreiche Banken wie die unter dem Namen der Bartolini geführten konnten ihre Kunden natürlich nicht nach politischen Kriterien aussuchen – auch wenn die wirklich substantiellen Geschäftsverbindungen nach eben solchen erfolgten! –, doch sollte der Geschäftskontakt zu Gegnern der exilierten Medici nicht von vornherein relativiert werden, zumal eine möglichst breite Basis ihrem Status in Florenz nur dienen konnte. Dabei muß zugleich zwischen Gegnern der Medici und Gegnern Piero de’ Medicis differenziert werden, wie bereits mehrfach, unter anderem mit dem entsprechenden Zeugnis Guicciardinis, betont wurde. Eine sehr persönliche, auf Rivalität wegen einer Frau gegründete Auseinandersetzung zwischen Piero und seinem Verwandten Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici hatte zu der bereits angesprochenen Vertreibung Giovannis und seines Bruders Lorenzo geführt, die wegen der entschieden profranzösischen Neigungen dieser beiden sofort politische Folgen hatte, da sie nach Frankreich flüchteten und die Aversion König Karls VIII. gegen Piero förderten. Mit der Exilierung Pieros und seiner Brüder kamen die beiden Vettern im Gegenzug triumphierend nach Florenz zurück. Mag sich an ihrer Antipathie zu Piero nichts geändert haben, so näherten sie sich doch relativ schnell wieder dem Haus der Medici-Hauptlinie an, so daß ihr Verhalten Mißtrauen bei den Medici-Feinden erweckte.648 Wie eine breite Brücke in gegnerische Florentiner Kreise wirkte die Seidengesellschaft, welche Piero Soderinis Bruder Pagolantonio di Tommaso im März 1498 zusammen mit Giuliano und (dem Ehemann seiner Nichte Alessandra) Filippo da Gagliano

645 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 13. 646 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 326, 328; vgl. zu ihm als Medici-Feind auch Butters, Gover-

nors, s.v. 647 Vgl. etwa ABS 197, c. XII. 648 S.o. S. 435, 533f.

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(bzw. dessen Sohn Pierfrancesco als Strohmann seines Vaters) gründete, welche beide mit insgesamt 30% am Gewinn partizipierten, sich aber ein Jahr später zur Hälfte am Kauf jener einst von der Medici-Seidengesellschaft gemieteten bottegha posta in Porsantamaria a uxo di seta beteiligten. Denn galt Pagolantonio Soderini zwar als Freund der Medici und ebenfalls wie die Gagliano-Brüder, die Salviati-Cousins und der Lanfredini als Anhänger Savonarolas, so zählten seine Söhne Tommaso und Giovanbattista, die nach seinem Tod 1499 die Soderini-Seidengesellschaft in gleicher Form bis mindestens 1513 fortführten, zu den Feinden der Medici.649 Gleichwohl hatte sich auch diese Seidengesellschaft unter der Ägide Lanfredinis am Kauf der promediceischen Panciatichi-Gesellschaft in Rom und an deren Umwandlung in die Pandolfini-Gesellschaft beteiligt, während Piero Soderini noch 1504 durch Giuliano und Filippo da Gagliano Wechselbriefgeschäfte mit den Lyoner Mediceern durchführen ließ, die ihm einen Profit von 77 Fiorini bescherten.650 Auch in solchen Verknüpfungen und gegenseitigen Vorteilsnahmen wird man einen gewichtigen Grund dafür sehen dürfen, daß ein Bartolomeo Bartolini und Filippo da Gagliano relativ glimpfliche Strafen erhielten. Gerade für eine Handelsmetropole wie Florenz ist deshalb eine weitere Distinktion zu treffen: Wirtschaftliche Interessen und Zusammenschlüsse wurden nicht prinzipiell durch persönliche Animositäten und politische Entscheidungen beeinflußt; doch ein so elementar von politischen Bedingungen, von Lagerbildungen geprägtes Geschäftsnetzwerk wie das der Mediceer während der republikanischen Periode mußte bei den wesentlichen Bezügen Freunde von Feinden unterscheiden. All die beschriebenen Finanzmanipulationen, heimlichen Geld- und Warenbewegungen, Tarngesellschaften und Anklagen wären sonst zu einem existentiellen Risiko geworden. Wenn die Firma der Brüder Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici nach 1494 auffallend intensive Beziehungen zu Mediceer-Gesellschaften bzw. Mediceern pflegten, entsprang dies sowohl einem ökonomischen Pragmatismus als auch einem politischen Bekenntnis, das sich hier als wirtschaftspolitische Freundschaft bezeichnen läßt. (Denn für individuelle, persönliche Freundschaften gibt es nur indirekte, nachgeordnete Zeugnisse.) Die Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici kooperierte eng mit den Banken von Bartolomeo Bartolini und seinem Sohn Leonardo.651 Giuliano da Gagliano hatte als Teilhaber der Lyoner Bartolini-(Medici-)Bank und als Repräsentant des anonymen Freundes „G“ seinen Kredit für die französische Krone im Sommer 1494 vor allem über die römische Bank von Paolo Rucellai abgewickelt. An ihr war jedoch die 649 Vgl. ASP IV/5, passim, etwa c. 56/LVI, 64/LXIIII, 75/LXXV, 94/LXXXXIIII; IV/6, c. 93r;

IV/10, c. 23v. Giuliano und Filippo da Gagliano traten im März 1499 jedoch nicht offen als Käufer der bottega auf, die mit Spesen 642 Fiorini kostete, sondern unter dem Namen ihrer Mutter Ginevra. Zu den politischen Haltungen Pagolantonio Soderinis und seiner beiden Söhne, die im Oktober 1512 als Gegner der Medici verbannt wurden, vgl. etwa Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 102, 221, 223, 225, 236f., II, S. 55; Cerretani, Ricordi, S. 13, 292, 295; Guicciardini, Storie fiorentine, s.v. 650 ASP IV/5, c. LXXXX. 651 Vgl. etwa ABS 197, c. 1/I, 2/II, 7/VII, 12/XII.

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Florentiner Bank von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco beteiligt, wie aus einer Bilanz bzw. Saldierung hervorgeht, die Ende Dezember 1505 von Lorenzos (1503 gestorben) und Giovannis (1498 gestorben) geschäftlichen Erben vorgenommen worden war. Gemäß einem Geschäftsbuch Lorenzos und Giovannis schuldete Pagholo Ruciellay e compagnia di Roma per conto del chorpo (also wegen einer Kapitalberechnung) ihrer Gesellschaft die stattliche Summe von 16.975 Fiorini!652 Auf der Gegenseite wies ein Rechnungsbuch Lorenzos die Rucellai-Bank über ein conto fermo mit 18.573 Fiorini als Gläubiger aus. Recht kryptisch hieß es dazu, diesen Betrag würde man aus jener ragione (d. h. der Rucellai-Bank) ‚ziehen‘. Aber auch die Pisaner Medici-Bank Piero di Lorenzo de’ Medici e compagnia di Pisa wird hier über ein Zeitkonto mit 170 Fiorini als Schuldner aufgelistet. Bezeichnend sind die vielen Mediceer, die mit ihren nun saldierten Konten als „Kunden“ der Verwandten Piero de’ Medicis erscheinen: Salvestro di Salvestro d’Aghostino (genannt Riccio) etwa, der als Kommissar bzw. Statthalter Kardinal Giovanni de’ Medicis in Bolsena wirkte, dann Galieno di Michele Ricamatore und der Goldschmied Michelangelo da Viviano – beide an den klandestinen Finanzhilfen für die Medici-Rebellen beteiligt! –, Giovanfrancesco di Filippo Tornabuoni und Andrea de’ Medici, genannt il Butta – der im August 1497 zusammen mit Piero di Filippo Tornabuoni und anderen rechtzeitig seiner Verhaftung als Medici-Verschwörer entfliehen konnte und anschließend verbannt wurde! –, die Bank von Francesco Girolami, ferner Gaspare (Fracasso) Sanseverino, Giangiordano Orsini, Giannozzo Pandolfini, Bischof von Troia und in Rom zum engeren Medici-Zirkel gehörend, sowie sein Bruder Battista di Pandolfo Pandolfini, die Apotheken- und Gewürzgesellschaft von Bernardo de’ Rossis Bruder Piero, die Bank von Alamanno und Jacopo Salviati, die des Carlo Ginori und die des Giovanni d’Ambra, Filippo da Gaglianos Sohn Lorenzo, Giovanni del Benino – um nur die Auffälligsten zu nennen. Die treibenden Kräfte, die hinter der Erben-Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni de’ Medici standen, hießen sehr wahrscheinlich Jacopo und Alamanno Salviati, wie noch näher auszuführen ist. Die Bartolini standen mit weiteren Mitgliedern des Medici-Clans in Geschäftsbeziehungen. Ein recht entfernter Verwandter der exilierten Medici war Francesco di Giuliano di Giovenco de’ Medici (1450–1528), der mit bescheidenen Bankgeschäften, vor allem aber später mit dem Wollhandel nach Frankreich und in die Levante sein Geld verdiente. Nicht von ungefähr hatten wir ihn bereits als Kunden oder gar als offenkundiges Mitglied des mediceischen Levante-Syndikats behandelt, für das er nach 1513 als Depositar der Gläubiger fungierte.653 In seinen Büchern erscheint nun für die Jahre 1503 bis 1505 sehr häufig die Lyoner Gesellschaft von Leonardo di Bartolomeo Bartolini. Zusammen mit seinem Partner Antonio della Pieve fungierte Leonardo gleichsam als Agent des Francesco de’ Medici, indem er für ihn die Verschiffung und den Transport der Wolle organi-

652 ASF, MAP CIV, doc. 56, c. 562r–572v, hier c. 564r. 653 S.o. S. 668f.

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sierte, bezahlte und in Rechnung stellte.654 Francesco di Giuliano de’ Medici scheint seinen exilierten Verwandten nicht fern gestanden zu haben. Dafür spricht insbesondere, daß sein Ende 1477 geborener Sohn Raffaello im März 1497 am Umsturzversuch der Medici beteiligt war und später als Vertreter der Lyoner Bartolini-Bank etwa in Brügge wirkte; dafür spricht ebenfalls, daß sein (anzunehmender) Bruder Antonio für die letzten Jahre der römischen Medici-Bank als deren cassiere bezeugt ist, also einem Bartolini unterstand, Leonardo di Zanobi.655 Einmal mehr wurde hier – wie schon bei den Kindern von Bartolomeo di Leonardo Bartolini – der geschäftliche Zusammenhalt durch verwandtschaftliche Bindungen gestützt: Francescos Bruder Giovenco di Giuliano di Giovenco de’ Medici war in zweiter Ehe mit Giovanna di Stefano Bartolini verheiratet.656 So mag die weitere geschäftlich-verwandtschaftliche Vernetzung der Bartolini mit den Verwandten der exilierten Medici durchaus auch als ein Zeichen des durch das Exil gewachsenen Zusammenhalts der Familie Medici gewertet werden, wie dies bei Pieros Onkeln dritten Grades Lorenzo und Giovanni sowie Andrea d’Alamanno (il Grasso), Andrea di Bernardo (il Butta) und Averardo di Bernardo di Antonio de’ Medici zu erkennen ist, die zum Kreis der Verbannten gehörten bzw. diesen beistanden. Für diesen zunehmenden Zusammenschluß der Medici steht auch die Tatsache, daß Giovanni di Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici – also der aus der Ehe mit Caterina Sforza geborene Sohn von Pieros „Onkel“ – nach dem Tod seiner Mutter in Florenz von den Salviati aufgenommen und im Juni 1511 wegen seiner Medici-Nähe als gerade 13-Jähriger aus Florenz verbannt werden wird, um sofort nach der Restitution der Medici-Herrschaft eine führende Position zu erhalten und dann als Giovanni delle Bande Nere außerordentliche Prominenz zu gewinnen.657 Und so scheint uns, als ob neben Alamanno und Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini oder Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici auch die anderen Florentiner Kaufleute, die in den Rechnungsbüchern der Bartolini hervorstechen, doch vorwiegend dem Medici-Lager angehörten, Namen wie Giuliano, Benedetto und Antonio Serristori, Niccolò di Simone Vespucci, Alamanno, Gianfrancesco und Ludovico Martelli, Ludovico Cavalcanti, Roberto degli Albizzi, Girolamo Frescobaldi oder der bereits als Anhänger vorgestellte Francesco Girolami und viele mehr. All diese Familien übten vor 1495 und/oder nach 1512 einen zum Teil erheblich größeren Einfluß in den Florentiner Magistraten aus als während der Herrschaft der Medici-Gegner, so daß politische Nähe zu den Medici eine beträchtliche Rolle für diese Geschäftsbeziehungen spielte.658 Es gab freilich

654 Vgl. Catalogue of the Medici archives, Nr. 752; Gioffrè, Gênes, S. 134, Nr. 74, S. 173, Nr. 253;

De Roover, Rise, S. 15, 385; Ders., Labour Conditions, S. 299, 302, Anm. 3; Tewes, Medici und Frankreich, S. 30f. u. Anm. 42. 655 Zu Raffaello de’ Medici s.o. S. 416, 680; zu Antonio vgl. Sapori, Bilancio, S. 192 u. Anm. 103. Sapori identifizierte Antonio als Antonio di Giuliano de’ Medici. Dieser Antonio di Giuliano di Giovenco war 1449 geboren worden und somit gut ein Jahr älter als Francesco; vgl. Tratte, s.v. 656 Vgl. Lingohr, Palastbau, S. 51, Anm. 38. 657 Vgl. hier nur Cerretani, Ricordi, S. 247, 288; ausführlicher unten S. 826f. 658 Instruktiv zu dem wechselnden politischen Gewicht in Florenz die Tabellen bei Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 169–178 (App. 3).

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eine zweite Kategorie, unter welcher jene Personen zu subsumieren sind: die der Verwandtschaft – eine gerade in Florenz von der politischen wie von der wirtschaftlichen nicht zu trennende Kategorie. Vier, teilweise bereits angesprochene Töchter von Bartolomeo Bartolini haben uns dabei zunächst zu interessieren: Lucrezia alias Marietta wurde 1487 mit Luigi Martelli verheiratet, dem 1503 gestorbenen Sohn von Ugolino Martelli und seiner Frau Elisabetta di Serragli; Maria Maddalena ging 1492 eine Ehe mit Francesco Gualterotti ein; Cassandra wurde 1500 von ihrem Vater mit Carlo di Lionardo Ginori vermählt, dessen Mutter Maddalena eine Tochter von Antonio Martelli war; Francesca hingegen heiratete zweimal, 1495 Bartolomeo di Piero del Benino und, nach dessen Tod, 1500 Lanfredino di Jacopo Lanfredini.659 Luigi Martellis Ehe mit Lucrezia Bartolini war seinerzeit noch von Lorenzo de’ Medici arrangiert worden; Francesco di Roberto Martelli gehörte zu den Medici-Verschwörern von 1497.660 Francesco di Bartolomeo Gualterotti gilt als Gegner der Medici, kaufte wie der bereits genannte Alfonso Strozzi ebenfalls nach 1494 Land der Exilierten auf, doch sind in der jüngeren Forschung für die Zeit nach 1500 intensivere, noch anzusprechende Bindungen zu Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati festgestellt worden – der eine natürlich sein Schwager, aber beide auch während der Exilszeit erklärte Verfechter der Medici-Sache.661 Carlo Ginori, der (ebenfalls) aus einer den Medici seit langem sehr verbundenen Familie stammte, hatten wir bereits mit seinen engen Bezügen zu den Bartolini, zum Lanfredini, Bracci und dann auch zu den Salviati vorgestellt. Als besonders instruktives Indikatorphänomen für seine Zugehörigkeit zum zentralen Medici-Netzwerk in Florenz ist zu werten, daß er sich schon um 1500 mit dem offenbar gleichen Status wie Gianbattista Bracci, Lanfredino Lanfredini und Alamanno Salviati als Prokurator um das Tornabuoni-Erbe kümmerte, in das ja auch ein Gutteil des Medici-Erbes eingeflossen war. Eventuell ist ihm diese Vertrauensstellung sogar von den Medici übertragen worden. Ginori gewann – nicht zuletzt dank der Kapitalhilfen seitens der Lanfredini-Bank, wie wir hörten – während der Exilszeit stark an politischem Einfluß, den er freilich nach der Rückkehr der Medici erheblich steigern konnte. Schon vorher war jedoch sein wirtschaftlicher Erfolg so durchschlagend, daß er nach 1500 zu einem der reichsten Männer von Florenz wurde und auch deshalb am 1. März 1512 für ein Semester zu einem der domini 659 Vgl. Ildefonso, Delizie, S. 353f., Nr. 162–165; Lingohr, Palastbau, S. 51; Arrighi, Art. „Lanfre-

dini, Lanfredino“, S. 605 (mit dem Jahresdatum 1500 für die Heirat zwischen Lanfredino Lanfredini und Francesca Bartolini, während Ildefonso und ihm folgend Lingohr 1502 angeben). Ergänzend ließe sich mit weiterer Verdichtung dieser Familien noch hinzufügen, daß Niccolò di Francesco Tornabuoni, der Vater von Leonardo di Zanobis Schwiegervater Nofri Tornabuoni, dessen Schwester Cleofe 1482 mit Alessandro di Gino Ginori verheiratete, während er selbst ja wie gesagt seit 1471 mit Lucrezia d’Alessandro Martelli vermählt war; s.o. S. 160, Anm. 191. 660 Vgl. Lingohr, Palastbau, S. 51, Anm. 41; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 139; Cerretani, Ricordi, s.v. 661 Vgl. zu Francesco Gualterotti: Guicciardini, Storie fiorentine, s.v.; Stephens, Fall, S. 27; Butters, Governors, passim, bes. S. 139. Möglicherweise ist Francesco Gualterotti durch seine Opposition zu Piero Soderini, dem Gonfaloniere auf Lebenszeit, sowie durch seine verwandtschaftlichen Bindungen zu den Bartolini und Lanfredini dem Medici-Lager etwas näher gerückt.

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di Zecca, speziell zum Signore e ufficiale della Zecca per l’oro gewählt wurde, während Gianbattista di Niccolò Bartolini in gleicher Funktion für das Silber und die mistura zuständig war – beide wahrscheinlich durch Protektion ihres Schwagers bzw. Verwandten Giovanni di Bartolomeo Bartolini. Ginori wird mit Sicherheit bereits während der Exilszeit über seine Prokuratorentätigkeit hinaus zu den aktiven Unterstützern der Medici gehört haben. Nicht zufällig begann er 1515 hinter dem Medici-Palast in der heutigen Via de’ Ginori mit dem Bau seines Palastes, erhielt er von Giulio de’ Medici 1514 die Patronatsrechte über eine bei seiner Landvilla gelegene Kirche, 1520 eine Kapelle in San Lorenzo in Florenz, und mußte er mit den Medici 1527 bei ihrem erneuten Sturz zusammen mit seiner Bartolini-Frau nach Lucca flüchten, wo beide kurz darauf starben.662 Wissen wir kaum etwas zu Bartolomeo del Benino – dessen Familie seit dem 14. Jahrhundert zu den medicinahen case grandi in Florenz zählte, zwischen 1495 und 1512 deutlich seltener in Florentiner Ämter gewählt wurde als vorher und nachher, dafür aber auffallend häufig in der Liste der Nominierten und Nominierenden von Alamanno Salviati und Lanfredino Lanfredini erscheint663 –, so etwas mehr von Giovanni und Neri del Benino. Ersterer zählte zu jenem Kosmos der Geschäftspartner der Bartolini-Banken; auffällig sind dabei die weiteren Bezüge zu Giovanni di Ser Francesco d’Ambra und zur Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici.664 Neri hingegen wirkte in Mailand als Interessenvertreter der Lanfredini-Bank, eng mit Salvestro di Dino als dem der Lyoner Bartolini-Bank kooperierend.665 Ein Schwiegersohn von Bartolomeo Bartolini verdient ein eigenes Kapitel. Lanfredino Lanfredini ist bisher bereits häufig als zentraler Mediceer in Florenz vorgestellt worden. Die bereits gewonnenen Erkenntnisse sollen nun mit weiteren Beobachtungen verknüpft werden, wobei nach der geschäftlichen Ebene die politische verstärkt zu berücksichtigen ist.

d) Savonarolas Freunde: Die Mediceer um Lanfredino Lanfredini Die Lanfredini gehörten zu den wichtigen Stützen des Medici-Regimes vor 1494; dies und die erste Lebensphase Lanfredinos haben wir bereits im Kontext von Lorenzo de’ Medicis Goldschläger-und Wollgesellschaft kurz erörtert.666 Wie bei so vielen dieser Florentiner aus der Oberschicht gab es auch bei Lanfredino keine Trennung zwischen seiner politischen und seiner wirtschaftlichen Welt. Verzahnt mit dem politischen Vertrauenserwerb 662 Vgl. zu Carlo Ginori: Ildefonso, Delizie, S. 354, Nr. 165; Kent, Household, passim, hier bes. S.

103f., 178f., 211–219; Bernocchi, Monete I, S. 441, II, S. 509f.; Arrighi, V., Art. „Ginori, Carlo“, in: DBI 55 (2000), S. 31f. (wo allerdings bis auf die Ehe mit Cassandra die privaten wie geschäftlichen Verbindungen zu den Bartolini nicht erwähnt werden, die auch bei Kent nicht zur Sprache kommen). 663 Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 88, 170; Butters, Governors, S. 313, 316. 664 Vgl. etwa ABS 197, c. 3/III, 7/VII, 12/XII (alle 1496). 665 Vgl. etwa die Briefe des Neri del Benino aus Mailand an die Lanfredini-Bank in ABS, Lettere, z. B. mazzo I (18.9.1509), mazzo IIIbis (28.4.1509). 666 S.o. S. 129f.

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bei den Medici vollzog sich die Einbindung in ihre ökonomischen Interessen. Alle drei Faktoren – Loyalität, Politik und Geschäfte – kamen dann zum Tragen, als Lanfredino Ende 1491 offenbar auf Wunsch des vorsorgenden, kranken Lorenzo de’ Medici mit diesem, Filippo da Gagliano und wenigen weiteren Mediceern die Woll- und Goldschlägergesellschaft gründete, die dazu beitrugen, Medici-Interessen und -Gelder für die Zukunft zu sichern. Und aus der verschworenen Gemeinschaft zwischen Lanfredini, den GaglianoBrüdern, Gianbattista Bracci und der Bartolini-Familie erwuchs dann 1498 die LanfrediniBank. Lanfredino begegnet in den Bartolini-Rechnungsbüchern daher bereits vor seinem Eintritt in die Familie. Als Leonardo di Bartolomeo Bartolini 1495/96 in der Florentiner Bartolini-Bank die Kasse betreute, führte er zwei Geheimkonten, die ganz offenkundig Gianbattista Bracci und Lanfredino Lanfredini gehörten. Beide verfügten weiterhin über die Gelder, als Leonardo 1496 (wieder) nach Lyon entsandt wurde. Bezeichnend, daß Lanfredini 530, 5, 4 Scudi (bzw. 8, 1, 6 Goldmark), die ihm noch als Rest der Mitgift für Francesca di Bartolomeo Bartolini zustanden, zur Ostermesse 1502 über seinen Schwager Leonardo in Lyon in den Kauf von bensodi e sodamento investierte; Leonardo sollte das Geld für ihn wechseln und eine doppelte Provision erhalten.667 Lanfredino Lanfredini fand in der Forschung bisher allerdings primär als Florentiner Politiker Beachtung, und dies zumeist für die Periode des Governo popolare bzw. für die Exilszeit der Medici, zu denen er Distanz gehalten habe.668 Doch wenn wir seine politische Position und Bedeutung in jener Phase auch nur annähernd erfassen wollen, dürfen wir seine geschäftlichen Interessen und seine engsten Partner nicht ausblenden. Denn an wen er sich band, wem er hier vertraute – und zwar kontinuierlich über die Schwelle der Regimewechsel hinweg! –, ist ein politisches Bekenntnis und daher von großer Aussagekraft. Lanfredino war und blieb ein zentraler Mediceer-Bankier. Deshalb bestand der Kern der hauptverantwortlichen Prokuratoren des Medici-Tornabuoni-Erbes eben aus ihm, Giovanbattista Bracci, Alamanno und Jacopo Salviati sowie Carlo Ginori; deshalb flossen Giovanni Bartolinis Zecca-Gewinne in die Lanfredini-Bank; deshalb betreute diese Bank Medici-Güter in Poggio a Caiano und finanzierte Alfonsina Orsini; deshalb gründete Lanfredino mit Bracci, Benedetto Buonvisi und der Soderini-Seidengesellschaft die Pandolfini-Gesellschaft als Nachfolgerin der denunzierten Panciatichi-Bank in Rom, baute er mit Francesco Naldini sowie den Salviati unter deren Namen die kapitalstarke Handels- und Bankgesellschaft in Lyon auf und steuerte vor allem die ganze Zeit Leonardo di Bartolomeo Bartolini und dessen Lyoner Bank. Vor diesem hier nur resümierend zu skizzierenden weiten und klaren Hintergrund kann wahrlich nicht behauptet werden, es habe eine Distanz Lanfredinos zu dem Medici-Kreis und damit zu den Medici gegeben! 667 ABS 197, c. 83, 86r/v (bei diesen Produkten handelte es sich vermutlich um Mineralsalze, d.h.

um Natriumcarbonat oder bestimmte Modifikationen dieses für das Glas- und Tuchgewerbe benötigten Salzes). 668 Vgl. etwa Butters, Governors, passim; Polizzotto, Elect Nation, passim; Arrighi, Art. „Lanfredino, Lanfredini“, bes. S. 605 („parallelamente alla politica, che rimase il principale interesse della sua vita, il L. continuò l’attività bancaria e commerciale ereditata dal padre e dallo zio“ – ohne daß dieses Geschäftsleben Lanfredinos jedoch näher untersucht worden wäre).

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All jene Zeugnisse seines hervorragenden Status als Medici-Anhänger wurden bislang übersehen, wenn man Lanfredinos politische Position in Florenz nach 1494 thematisierte. Es irritierte offenbar, daß er sich als Anhänger des Dominikanerpredigers Girolamo Savonarola, Prior an San Marco, erklärte, daß er somit zur Gruppe der frateschi bzw. piagnoni zählte, woraus manche eine Gegnerschaft zu den Medici ableiten wollten.669 Die Parteiungen pro und contra Savonarola sind freilich, wie schon wiederholt angesprochen, nicht mit den Gruppierungen der Medici-Freunde und -Gegner deckungsgleich; diese fanden sich in beiden Lagern. So hat die Forschung unter Bezug auf zeitgenössische Chronisten wie Parenti, Cerretani und Nerli hervorgehoben, daß viele der nun nach 1494 heimlichen Medici-Anhänger sich dem Dominikaner angeschlossen hatten, nachdem dieser in den ersten Monaten des Jahres 1495 unter dem Postulat eines universalen Friedens eine politische Amnestie und das Appellationsrecht gegen Todesurteile der Signoria durchsetzte. Selbst so erkennbar aktiven Medici-Partisanen wie Lorenzo Tornabuoni und Giannozzo Pucci bot der in manchen Darstellungen und Dokumentationen wohl zu stark als fanatisches, vor allem gegen Medici-Macht wie -Prunk agitierendes Zerrbild überzeichnete Prediger Schutz, was ihm den noch stärkeren Haß der über diesen Schirm Erzürnten (arrabiati) eintrug.670 Gerüchte über eine Verständigung zwischen Savonarola und Piero de’ Medici sowie über eine heimliche Verwahrung von Medici-Gütern im Dominikanerkloster von San Marco machten daher rasch die Runde in Florenz.671 Ob sie gänzlich unberechtigt waren, ist eine andere Frage. Noch in den Monaten vor seiner Exilierung hatte sich Piero de’ Medici jedenfalls in mindestens zwei Briefen an Oliviero Carafa für die Belange der Dominikaner von San Marco eingesetzt.672 Auf der anderen Seite notierte Francesco Cegia, Savonarola habe am 25. Februar 1496 gegen die Tyrannen und ihre 669 Vgl. zu diesen komplexen Sachverhalten mit Blick auf Lanfredini: Cerretani, Ricordi, S. 443

(uomini della parte dell frate nell quartiere di S. Spirito); Guicciardini, Storie fiorentine, S. 123; Butters, Governors, S. 48; Polizzotto, Elect Nation, passim; Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 604 (sie modifizierte das Urteil der vor allem bei Polizzotto aufgrund der Anhängerschaft zu Savonarola behaupteten generellen Distanz Lanfredinos zu den Medici, indem sie von einer erst im September 1512 erfolgenden Wiederannäherung Lanfredinos an die Medici sprach). 670 Vgl. Cerretani, Storia fiorentina, S. 315, 317; Cadoni, Lotte, S. 96f.; Polizzotto, Elect Nation, S. 13–19 (Polizzotto ignoriert freilich im Verlauf seiner Arbeit solche von ihm anfangs getroffenen Differenzierungen, indem er die piagnoni trotz interner Rivalitäten gerade mit Blick auf die Medici als einen geschlossenen Block betrachtet, der dann z. B. 1512 die Rückkehr der Medici zu erleiden gehabt hätte, während die Medici in der Folge einige der besonders renommierten piagnoni wie Lanfredino Lanfredini für sich zu gewinnen versucht hätten; ebd. S. 236f., 245 u.ö.). Ähnliche Distinktionen traf auch Guidi: „Difatti, fluttuanti tra le altre correnti (savonaroliani, oligarchici e uomini di mezzo) vi sono i sostenitori dei Medici che prendono posizione secondo la convenienza e opportunità del momento“; Guidi, Lotte I, S. 297. Der Kreis der Florentiner Medici-Anhänger wird von Guidi in seiner stark institutionengeschichtlich ausgerichteten, voluminösen Arbeit leider jedoch nicht erschlossen, obwohl es in ihr eben auch und nicht zuletzt um die politischen Kämpfe im Florenz der Jahre von 1494 bis 1512 geht. 671 Vgl. etwa Ridolfi, Life, S. 107. 672 Vgl. Del Piazzo, Ricordi di lettere (1955), S. 119 (19.2.1494), 129 (4.6.1494); zum Briefwechsel zwischen Oliviero Carafa und Piero de’ Medici vgl. auch De Maio, Savonarola, S. 31, Anm. 25.

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Laster, für das Volkswohl gepredigt, was er gelobt hätte, wenn Savonarola dabei nicht mit vielen Lügen Cosimo de’ Medici und dessen Sohn Piero geschmäht und sich als Feind des Hauses Medici gezeigt hätte.673 Allerdings erfuhren wir aus einem Brief des Savonarola-Feindes Ricciardo Becchi vom 7. März 1497, daß der Prediger über seinen Mitbruder Fra Sante da San Casciano seit längerem in engem Kontakt mit Piero und Giovanni de’ Medici in Rom stand, und dies noch zu einer Zeit, als die Medici sich durch jene Signoria vom März/April 1497, an deren Spitze ihr Freund Bernardo del Nero als Gonfaloniere di Giustizia stand, größte Hoffnungen auf ihre Restitution in Florenz machten.674 Vermutlich hatte sich Savonarola damals angesichts seiner wachsenden Gegnerschaft in Florenz und Rom und der angedrohten Exkommunikation bemüht, über die Medici Einfluß auf deren engen Freund Oliviero Carafa als Kardinalprotektor des Dominikanerordens auszuüben, um die folgenreiche Kirchenstrafe noch abzuwenden. Es wäre durchaus denkbar, daß er den Medici dabei politische Zugeständnisse in Aussicht stellte.675 Und frappierend erscheint, daß die fanatischsten Medici-Feinde genau dann ihren größten Triumph feiern konnten, als Savonarola durch die am 25. Juni 1497 ausgesprochene päpstliche Exkommunikation erheblich geschwächt wurde. Zwischen ihr und der Hinrichtung der fünf Mediceer um Lorenzo Tornabuoni im August 1497 dürfte es tatsächlich einen Kausalnexus gegeben haben, denn die schützende Hand Savonarolas über den Mediceern und deren demonstratives Eintreten für ihn gerade während seiner Bedrohung ist evident. Während seines Prozesses dementierte Savonarola zwar nicht gewisse Annäherungsversuche der Medici – auch über Caterina Sanseverino und Alfonsina Orsini – zu ihm, doch jegliche Hilfe für diese.676 Nicht dementieren konnte und wollte er seine bis kurz vor seinem Sturz andauernde Freundschaft mit dem Kardinal Oliviero Carafa, die besonders den Kurienvertretern, die das letzte Verhör Savonarolas im Mai 1498 durchführten, verdächtig erschien, da Carafa bekanntermaßen ein Gegner Papst Alexanders VI. war. In diesem Zusammenhang hat man in der Forschung die feste Integration Carafas in das römische Medici-Netz verkannt oder unterschätzt; die enge Freundschaft des Neapolitaners zu Piero und Giovanni de’ Medici sowie zu Federico Sanseverino wird vielen Zeitgenossen freilich noch klarer gewesen sein als jetzt auch uns. Kontakte zu diesem Kreis unterhielt Savonarola zudem über Kardinal Giambattista Orsini, der gar verkleidet nach San Marco kam.677 In dieses Bild fügt sich, wem Savonarola seine Korrespondenz nach Rom anvertraute, die er u. a. mit Kardinal Carafa führte: Es war der Florentiner Bartolomeo del Vantaggio, gleichsam ein Großunternehmer im Kuriergeschäft, den der Domini-

673 Pampaloni, Ricordi, S. 222. 674 Vgl. oben S. 402. 675 Vgl. zu diesem Kontext auch oben S. 402, Anm. 246. 676 Villari, Storia II, S. clxvf., clxxxvi; vgl. Parenti, Storia fiorentina II, S. 109 (Caterina Sanseveri-

no habe im Mai 1497 über Anhänger Savonarolas an diesen geschrieben und sich ihm empfohlen). 677 Villari, Storia II, S. cxciii–cxcvii, clxxxvi, cxciii–cxcvii.

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kaner sogar als großen Freund bezeichnete, der sich uns aber wie sein Sohn Pompeio zugleich als bewährter Partner der Medici und Bartolini zeigt.678 Sehr diffus bleiben Savonarolas Aussagen vom April 1498 zu den dramatischen Ereignissen vom August 1497, über die seine Gegner offenbar nicht von ungefähr seine genaue Haltung wissen wollten. Lorenzo Tornabuoni habe er bei Francesco Valori empfohlen, doch so verhalten, daß der heiße Vernichtungswille Valoris dadurch nicht erkalten konnte; generell sei es ihm hinsichtlich jener fünf Bürger gleichgültig gewesen, ob sie hingerichtet oder vertrieben würden. Und als ein zur Signoria vom März/April 1497 gehörender Medici-Feind den Gonfaloniere di Giustizia Bernardo del Nero am Karfreitag aus einem Fenster des Palazzo della Signoria werfen wollte und die Dominikaner fragen ließ, ob ein solcher Tod durch göttliche Inspiration erfolge, soll Savonarola ihn und seine Anhänger zum Widerstand gegen die Politik Bernardos und zu dessen Verbannung, nicht aber zu seiner Tötung ermuntert haben. Savonarolas Aussagen stammen freilich aus den offiziellen Protokollen der unter Folter über viele Tage durchgeführten Verhöre; daß sie nachweislich zahlreiche Lügen und Widersprüche enthalten, daß die Protokolle durch Auslassungen und falsche Darstellungen manipuliert wurden, wird gerade im Fall des geplanten Fenstersturzes von Bernardo del Nero durch einen Mitbruder bestätigt, der angab, Savonarola habe von diesem Plan gar nichts gewußt, sei nie dazu befragt worden.679 Natürlich wäre jegliche Sympathie Savonarolas für die Medici und ihre Anhänger, gar das Bekenntnis einer Verständigung, seinen Peinigern nur zu willkommen gewesen, um ihm die angestrebte Todesstrafe noch begründeter verkünden zu können.680 Angesichts der Umstände solcher Bekenntnisse und der zahlreichen offenen und verhaltenen Parteigänger der Medici, die zugleich zu Savonarola hielten, darf man also an seiner vorgeblichen Indifferenz gegenüber ihrem Schicksal mit Fug und Recht zweifeln – zumal er sein eigenes durch jede positivere Aussage nicht verbessert hätte. Wenn er, wie er mehrfach betonte, die Absicht hatte, seinen Anhängern die Regierung von Florenz gänzlich oder zumindest mit einer Dreiviertel-Majorität zu übertragen, hätte er mit Blick auf die vielen Mediceer unter ihnen eigentlich auch die daraus möglichen Konsequenzen erkennen müssen.681 Jene hielten sich fürwahr nicht zurück. Lanfredino Lanfredini gehörte nach dem im April 1497 unter Androhung des Interdikts erfolgten päpstlichen Predigtverbot für Savonarola zu jener Florentiner Minderheit von über 300 Personen, die im Sommer eine Petition für den Dominikaner unterschrieben. Auf ihr finden wir – neben dezidierten Medici-Gegnern – auch die Namen von Lorenzo und Simone Tornabuoni, Giuliano da Gagliano, Alamanno und Jacopo Salviati, Carlo Ginori, Giovanni Cambi, Giannozzo Pucci, Giovanbattista Bartolini, Giuliano di Piero Panciatichi, Giovanni de’ Rossi (Bernardinos Vater), Lorenzo di Lotto Salviati, Tempera678 Villari, Storia II, S. clxxxiii; zu Baccio und Pompeio: oben S. 666, unten S. 1009f. 679 Villari, Storia II, S. xlvivf., clxivf., clxxxixf., ccxxvij. Zur Problematik der Prozeßakten jüngst:

Fournel, Le procès, hier bes. S. 226f. 680 Vgl. die Dokumente bei Villari, Storia II, S. cviii– cxxxvi, cxlvii–cxcviii; und das Urteil Ridol-

fis, Life, S. 251–257, 263–265 (allerdings ohne Problematisierung eines Medici-Bezuges). 681 Vgl. zu diesem Ziel Villari, Storia II, S. clxxix.

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no und Francesco di Manno Temperani sowie viele weitere erklärte und weniger erklärte Anhänger der Medici, von denen ein großer Teil wenige Monate oder auch Jahre später seinen Einsatz für die Medici mit der Verbannung oder gar Hinrichtung büßen mußte! Lorenzo Tornabuoni beklagte sich sogar, daß er nicht zu den ersten gehörte, die man um eine Unterschrift bat.682 (Im September 1497 starb dann auch der piagnone Pierfilippo Pandolfini, der mächtige Kontrahent Francesco Valoris, der die Petition allerdings – im Gegensatz zu zwei Söhnen von Pandolfo Pandolfini – nicht unterschrieben hatte.683) Aus den Verhören Savonarolas und seiner u. a. aus den Familien Medici, Salviati, Tornabuoni und Da Gagliano stammenden Mitbrüder im Frühjahr 1498 läßt sich diese Liste von piagnoni noch ergänzen und mit Handlungen bereichern, die eine bemerkenswerte Verbundenheit führender und nachgeordneter Mediceer mit Savonarolas Kloster offenbaren. Als weitere Freunde Savonarolas aus dem weiteren Kreis der Mediceer können so beispielsweise Lanfredinos Brüder Alessandro und Antonio Lanfredini, Antonio Tornabuoni, Giovanni di Filippo Carnesecchi, Bartolomeo di Pandolfo Pandolfini und Enea di Giovenco della Stufa namhaft gemacht werden.684 Unter den Teilnehmern einer offenbar im Winter 1497/98 in San Marco gefeierten Prozession stechen aus den Namen der 40 huomini da bene die von zwei hochrangigen Mediceern hervor: Filippo da Gagliano und sein Freund Niccolò Michelozzi. Beide zählten dann erneut zu den Teilnehmern einer weiteren Prozession am 7. Januar 1498, begleitet u. a. von dem seit November 1494 als erklärter Medici-Anhänger verwarnten SalviatiMann Francesco Davanzati – der 1500/01 als Schreiber des Monte-Hauptbuches denunziert werden wird, in welchem der Finanzbetrug Lorenzo Tornabuonis und seiner Helfer zu entdecken sei, und der nach 1504 die Salviati-Bank in Neapel führen wird!685 – sowie von Antonio Berlinghieri, der 1502 als compare von Alamanno Salviati bezeugt ist und aus einer Familie stammte, in welcher Berlinghieri Berlinghieri und dessen Vater Francesco Leiter des Medici-Seidengeschäfts waren, das offenkundig von ihrem Sohn bzw. Enkel Giovanni di Berlinghieri di Francesco fortgeführt wurde und an welchem die Florentiner Bartolini-Bank eine zwanzigprozentige Teilhaberschaft hielt.686 Ist das nicht höchst erstaunlich? Noch 1495 und 1496 hatte Filippo da Gagliano wegen seiner besonderen Beteiligung an den Finanzoperationen der Medici um sein Leben gefürchtet; nun treten er und der Michelozzi bei demonstrativen Prozessionen in Savonarolas Kloster hervor – als ob sie, d.h. insbesondere Filippo, vom Prediger beschützt würden. Tatsächlich hatte Giuliano da Gagliano den Brüdern von San Marco am 8. April 1497 in bar einen Fiorin gegeben, damit sie für die Rechtssache seines Bruders Filippo beteten.687 Im übrigen dürfen wir gerade Giuliano eine besondere Affinität zu Savonarola nicht abstreiten, ließ er sich 682 Polizzotto, Elect Nation, S. 446–460; Villari, Storia II, S. cclvif. 683 Vgl. etwa Schnitzer, Savonarola I, S. 453; Polizzotto, Elect Nation, S. 456. 684 Villari, Storia II, S. ccxxviii. 685 S.o. S. 220, 222, 227f.; s.u. S. 980. 686 Villari, Storia II, S. ccxxxvii; De Roover, Rise, S. 168f.; s.o. S. 99, Anm. 20, S. 232. 687 ASP IV/6, c. 8v/9r (mit nur 10 Soldi ließ Giuliano zugleich die Servitenbrüder der Santissima

Annunziata in Florenz per la detta causa di Filippo beten).

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doch am 29. März 1498 zwei Schriften des Dominikaners als Bücher binden, von denen er eines als dessen Predigten, das andere mit ‚Triumph des Glaubens‘ (trionfo della fede) titulierte.688 Niccolò Michelozzi zählte zudem zu den häufigen Besuchern des Dominikaners Fra Silvestro, der als enger Vertrauter Savonarolas wie dieser verurteilt und verbrannt werden sollte.689 Florentiner Innenpolitik spielte im Kloster von San Marco durchaus eine Rolle. Dort äußerte sich Giannozzo Pucci über Francesco Valori, als dieser als Gonfaloniere di Giustizia Bernardo del Nero für dieses Amt verhindern wollte; und Francesco Carnesecchi erzählte einem Mönch von seiner Zuversicht über eine Wahl Lanfredinos in die Signoria.690 Pierantonio Carnesecchi – der einst von Lorenzo de’ Medici ausgewählte Partner und Freund Lanfredinis und Filippo da Gaglianos in der Goldschläger-bottega –, Alamanno und Jacopo Salviati sowie Alessandro Nasi (durch seine Ehe mit Lodovica di Giovanni Tornabuoni Schwager von Lorenzo) erklärten um die Jahreswende 1497/98 in San Marco, es sei gut, Francesco Valori seiner Anhängerschaft zu berauben, da er – ein Freund Savonarolas, aber Feind der Medici! – zu viel Autorität und zu viel Gewalt über sie habe; und dies sei auch die Meinung Lanfredino Lanfredinis! Valoris glühender Eifer, die fünf Mediceer im August 1497 hinrichten zu lassen, brachte ihm gerade bei Alamanno Salviati und Alessandro Nasi Verachtung ein.691 Wir sehen, es ist wiederum der alte, engere Kern der durch Lorenzo il Magnifico kurz vor seinem Tod für die Bewahrung seines geschäftlichen Erbes intensiv an sich herangezogenen Mediceer, der hier gleichsam unter den Augen Savonarolas Politik betreibt. Alessandro di Francesco Nasi, der TornabuoniVerwandte, stand den Mediceern offenkundig schon damals nahe; Ende März 1506 wird Jacopo Salviati dann seinem in Rom weilenden Freund und Partner Lanfredino aus Florenz schreiben, dieser solle Alessandro Nasi sagen, es sei nicht sicher, ob man die Sache von dessen Freund noch erledigen könne, da das Ende der Amtszeit nahe, diese Angelegenheit von einiger Bedeutung sei und viele Partner mit Sorgfalt bedacht werden müßten; aber wenn nicht jetzt, dann durch die Amtsnachfolger, vor allem, da ‚unser‘ Alamanno [Salviati] und Giovanbattista Ridolfi unter ihnen seien.692 Ende März und Anfang April 1498 spitzte sich die Konfrontation zwischen den piagnoni und ihren Gegnern zu. Diese sahen in einem Feuergericht die seit langem erstrebte Möglichkeit, Savonarolas Treiben endgültig zu beenden. Ein solch atavistisches Gottesurteil zur Wahrheitsfindung war von einem Dominikaner aus Savonarolas Umgebung und

688 ASP IV/6, c. 29v/30r. 689 Villari, Storia II, S. cclxi. 690 Villari, Storia II, S. ccxxiii. 691 Villari, Storia II, S. cclxxxii. Anfangs galt Alessandro Nasi noch als Anhänger Valoris; vgl.

Guicciardini, Storie fiorentine, S. 145. Zur Ehe des Alessandro di Francesco Nasi mit Lodovica di Giovanni Tornabuoni: Pampaloni, I Tornaquinci, S. 359. Vermutlich gab es über ihn eine Verbindung zur Lyoner Bank ‚Bernardo und Erben des Bartolomeo Nasi und Partner‘, die zu den engen Kooperationspartnern der Medici- und Bartolini-Bank gehörte. 692 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 168 (28.3.1506, Jacopo Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfredini in Rom).

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einem auf der Gegenseite stehenden Franziskaner als praktikable Lösung des Konfliktes vorgeschlagen worden; nolens volens fanden sich Vertreter beider Seiten, um für ihre Doktrin ins Feuer zu gehen.693 Savonarola mißfiel ein solches Verfahren, doch es war Lanfredino Lanfredini, der ihn in maßgeblicher Weise zur Zustimmung bewog. Er hielt sich auch am Samstag, dem 7. April, dem Tag des Urteils, neben Savonarola in der Loggia dei Lanzi auf, wo sie der Feuerprobe auf der Piazza della Signoria beiwohnen wollten.694 Geschützt wurde die Partei der Dominikaner und ihrer Anhänger durch zweihundert Bewaffnete unter der Führung von Marcuccio Salviati. Ihn hatte sein Bruder, der Dominikaner Roberto Salviati, schon vor der Feuerprobe zu Savonarola geführt, der in Marcuccio einen feurigen Freund fand.695 Als das Gericht durch göttliches Eingreifen, sprich durch ein Unwetter mit heftigem Regen, vorzeitig beendet wurde, erhielten die sich bestätigt fühlenden Dominikaner von der Signoria die Erlaubnis, in ihr Kloster San Marco zurückkehren zu dürfen. Gleichwohl sahen sie sich heftigen Verunglimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt; ihre Sicherheit gewährte erneut Marcuccio Salviati mit 25 Soldaten. Doch schon in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag begannen erste Aggressionen seitens der arrabiati und ihrer gleichgesinnten jüngeren compagnacci gegen die piagnoni bzw. frateschi. Am Palmsonntag, dem 8. April, eskalierte der Konflikt. Angesichts der massiven Bedrohung bewaffneten sich einige Mönche aus San Marco und piagnoni, um ihren das Kloster belagernden Feinden Gegenwehr leisten zu können.696 Als besonders aktiv erscheinen der Dominikaner Francesco de’ Medici sowie die piagnoni Giovanni di Leonardo Carnesecchi, Deiphebo della Stufa, Rosso Panciatichi, Marco Pucci und ein oder zwei aus der Familie der Ginori. Giuliano da Gagliano – der sich noch zehn Tage vorher jene zwei Schriften Savonarolas binden ließ – in Mantel und Kapuze, Giovanbattista Ridolfi und Alessandro Pucci gehörten zu den unbewaffneten Unterstützern, die allesamt an jenem Tag durch ihren Aufenthalt in San Marco vor einer Verurteilung als Rebellen der Kommune standen.697 Matteo Strozzi hingegen, den wir noch als engen Freund Jacopo Salviatis erleben werden, hatte das Kloster mit Waffen versorgt. Matteo hatte sich heftig gegen Francesco Valoris Plan gewehrt, ihn mit der Tochter seines Neffen zu verheiraten – dies würde in Anbetracht seiner, Matteos, modi schlecht ausgehen!698 Alessandro di Antonio Pucci war ein Bruder von Lorenzo und Giannozzo Pucci und wurde am 24. April 1498 wegen solcher Aktivitäten verhört. Giuliano da Gagliano und Giovanbattista di Luigi Ridolfi – Bruder des 1497 hingerichteten Niccolò und nicht nur deshalb als Freund der

693 Vgl. etwa Ridolfi, Life, S. 231–243. 694 Vgl. Villari, Storia II, S. clix, clxxiii; Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 603; zu Lanfre-

dino als Erz-fratesco auch Parenti, Storia fiorentina II, S. 162. 695 Villari, Storia II, S. xc, clxii; Ridolfi, Life, S. 240f. 696 Vgl. Ridolfi, Life, S. 244–248. 697 Villari, Storia II, S. xcvf., ccxxxiii–cclxxv passim. 698 Villari, Storia II, s.v.

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Mediceer anzusehen699 – standen hingegen an der Spitze jener Weinenden und Schreienden, die Savonarola im Laufe jenes Sonntags von seinem Opfergang zu seinen Richtern bzw. zum Mob abhielten.700 Bekanntlich zählte auch Giulianos Geschäftspartner Pagolantonio Soderini, der im Gegensatz zu Piero Soderini mehr für eine Oligarchie als für eine Popolanenherrschaft in Florenz eintrat, zu den erklärten Anhängern Savonarolas, weshalb Feinde des Predigers 1498 versuchten, Pagolantonios Haus zu stürmen.701 Eine ganz spezielle Note erhält diese Konstellation durch die Tatsache, daß zu den Anhängern Savonarolas, die an jenem 8. April in San Marco zu ihm standen, auch Francesco Valori gehörte. Sein Versuch, die vor dem Kloster zusammengerottete, aufgebrachte Menge der arrabiati und compagnacci zu beschwichtigen, endete mit seiner Verfolgung, die auch seine Familie erfaßte, denn in Valori, dem capo dei frateschi, sah man den Grund allen Übels, das Florenz so schwer getroffen hatte. Diese Gunst der Stunde nutzten Simone Tornabuoni und Vincenzo Ridolfi, ein Neffe des hingerichteten Niccolò Ridolfi, mit weiteren Helfern wie Jacopo Pitti mitsamt Verwandten, um sich an Francesco Valori für den Tod ihrer Verwandten zu rächen, indem sie ihn ermordeten.702 Als die Signoria an jenem blutigen Palmsonntag den Beschluß faßte, Savonarola zu verbannen, stellte sich Lanfredino Lanfredini als einer der Prioren der Signoria des März und April 1498 mit einem Minderheitsvotum gegen den Beschluß seiner Kollegen. Savonarola, in der Nacht vom 8. auf den 9. April verhaftet, gestand schließlich kurz darauf während seines mit der Folter verbundenen Verhörs, von Lanfredino und dessen Bruder Antonio zur Feuerprobe ermutigt worden zu sein, so daß Lanfredino nun selbst als Zeuge vernommen wurde und dabei durch seine Verteidigung Savonarolas nicht nur die Exkommunikation, sondern gar sein Leben riskierte.703 Schon am Montag, dem 9. April, hatte man Marcuccio Salviati zusammen mit Andrea Cambini, Bernardo Nasi, Gianbattista Ridolfi und weiteren pia-

699 Belege für Ridolfis Zugehörigkeit zum Medici-Kreis: z. B. Cerretani, Ricordi, S. 137f. (‚einer

der weisesten Männer in Florenz und einer der Alten aus der Schule des Lorenzo de’ Medici‘!); Guicciardini, Storie fiorentine, S. 327. Im März 1506 betonte wie gehört Jacopo Salviati gegenüber Lanfredino, dass die Sache von Alessandro Nasi bzw. dessen Freund nicht zuletzt durch die Wahl von Gianbattista Ridolfi in ein bestimmtes Amt gefördert würde; im März 1513 trug dann z. B. Leonardo di Zanobi Bartolini Lanfredino auf, nach dessen Ermessen die gemeinsamen Freunde von ihm zu grüßen, ganz besonders aber Gianbattista Ridolfi, wenn er ihn sehe; BNCF, Ms. II. V. 21, c. 168 (28.3.1506, Jacopo Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfredini in Rom), c. 236 (4.3.1512/13, Leonardo Bartolini, Rom, an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 700 Villari, Storia II, S. ccxxvi. 701 Vgl. Guidi, Ciò che accadde, S. 187. Laut Parenti führte die Ernennung Pagolantonio Soderinis und Gianbattista Ridolfis im Februar 1499 zu Florentiner Botschaftern für Venedig zu ‚Bauchgrimmen‘ in Florenz, da diese beiden Anführer der setta fratesca seien; Parenti, Storia fiorentina II, S. 234. 702 Vgl. Villari, Storia II, S. cii; Parenti, Storia fiorentina II, S. 164f.; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 151; Ridolfi, Life, S. 247. 703 Villari, Storia II, S. xciv (Verbannungsurteil Savonarolas vom 8.4.1498), clix, clxxiii; Ridolfi, Life, S. 243, 246; Arrighi, Art. „Lanfredino, Lanfredini“, S. 603 (Datum des 7.4. für das Verbannungsurteil).

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gnoni in den Palazzo della Signoria geführt und in Haft genommen.704 Zu kleineren Geldstrafen und mehr oder weniger höheren Zwangskrediten wurden dann Ende April Francesco Davanzati, Gianbattista Ridolfi, die Nasi und Salviati verurteilt.705 In der Tat: Versteckt hatten sich einige der exponiertesten Mediceer nicht hinter Savonarola. Will man wirklich – wie dies nicht zuletzt mit Blick auf die Petition für Savonarola z. B. Polizzotto, nicht aber Butters und Rubinstein tun – von einer „Partei“ der frateschi sprechen, muß man angesichts jener Namen sowie der vorgestellten, erstaunlich intensiven Bezüge zwischen führenden Mediceern und Savonarola konzedieren, daß dieser Block der frateschi wenn nicht ein Bollwerk der Mediceer, so doch massiv von den Mediceern und sogar den zentralen Personen des Florentiner Medici-Netzwerkes unterwandert war!706 Auf eine rein religiöse Ebene wird man ihre Unterstützung Savonarolas angesichts des politischen Kontextes nicht reduzieren dürfen, so daß die Liste der Petenten und die Reihe der sonstigen piagnoni nicht eine homogene entschlossene Anhängerschaft, sondern höchst unterschiedliche Interessen widerspiegeln. Es ist jedenfalls bezeichnend, daß nach dem Tod Savonarolas die politischen Konnotationen noch stärker zum Vorschein kamen. Parenti registrierte nicht nur für den November 1499, als der Rebell Marcuccio Salviati mit Hilfe Alamanno Salviatis und des Gonfaloniere Gianbattista Ridolfi überraschend nach Florenz kommen durfte, mit starkem Mißfallen, wie sich die Partei der Medici-Anhänger, der bigi, mit jener der piagnoni zusammenschloß, um gegen ihre Opponenten in der Partei der disperati vorzugehen und sich vom popolo abzusetzen.707 Schon als Piero de’ Medici im Winter 1498/99 mit den Venezianern und Orsini im Casentino gegen Florenz kämpfte, gelang es den Oligarchen unter den frateschi und bigi, einen besonderen Magistrat von zehn Personen für die Regelung aller innen- und außenpolitischen Angelegenheiten bilden zu lassen, in dem sie unter Führung von Pagolantonio Soderini und Gianbattista Ridolfi dominierten.708 Immer wieder gelang es der vereinten 704 Villari, Storia II, S. ciif.; Ridolfi, Life, S. 248–250; Zuliani, Nuovi processi, S. 326f. 705 Parenti, Storia fiorentina II, S. 173f. 706 Polizzotto konstruiert eine den historischen Realitäten widersprechende Gruppe der Savonarola-

Anhänger bzw. piagnoni und kommt daher zu so irrigen Aussagen wie denen, daß alle piagnoni nach dem November 1494 das Ende der Medici-Tyrannei und die Vorzüge des neuen Regimes gefeiert hätten, wobei für ihn selbstverständlich alle Unterzeichner der Petition für Savonarola zu den piagnoni zu zählen sind – nur: nach dieser Logik hätte auch ein Lorenzo di Giovanni Tornabuoni das Exil der Medici bejubelt! Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati gelten für ihn gar als Prototypen der piagnoni, die nach 1512 Ämter bekleideten, um die Medici-Macht zu begrenzen und das System von innen zu reformieren; vgl. Polizzotto, Elect Nation, S. 23–28, 251–254. Hingegen sahen Rubinstein und Butters, gegen Simplifizierungen auch der Chronisten argumentierend, die frateschi bzw. piagnoni als sehr lockeren Zusammenschluß geistiger Anhänger Savonarolas, der mit Blick auf die Medici-Anhängerschaft ebenso differenziert zu sehen ist wie die Gruppe der arrabiati bzw. Savonarola-Gegner, da sich in beiden Anhänger der Medici befanden, die als solche wiederum zusammen agieren konnten; vgl. Rubinstein, Politics and Constitution, S. 166–172; Butters, Governors, S. 25f. In diesem differenzierenden Sinne auch Brown, Partiti. 707 Parenti, Storia fiorentina II, S. 315–317. 708 Parenti, Storia fiorentina II, S. 226 (Januar 1499).

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Savonarola- und Medici-Partei – und ein Ridolfi, Lanfredini oder Jacopo und Alamanno Salviati verkörperte eben beide in sich! – auf solche Weise, sich institutionell oder auf anderen Machtwegen an die Spitze des Staates zu stellen, dadurch aber auch sofort die Opposition ausgeschlossener primati und aller mediocri sowie minori zu provozieren.709

e) Salviati und Lanfredini vs. Piero Soderini, den neuen Herrscher von Florenz Wir dürfen also feststellen: Mit Lanfredino Lanfredini, Lorenzo Tornabuoni, Jacopo und Alamanno Salviati, Giuliano und Filippo da Gagliano, Niccolò Michelozzi und vielen mehr gehörten einige der zentralen Florentiner Mediceer zu den mutigen Anhängern Savonarolas, selbst und gerade in dessen härtesten Stunden. Wir wollen und können nicht entscheiden, ob sie sich dabei generell oder in bestimmten Situationen mehr der casa Medici oder mehr dem Prediger verpflichtet fühlten – oder ob beide Intentionen sogar zur Deckung kamen. Entscheidender ist uns hier ihre starke Präsenz im politischen Leben von Florenz, ihr Einfluß in der Stadt. Dies gilt in besonderer Weise für das MediceerTriumvirat Lanfredino Lanfredini, Jacopo und Alamanno Salviati – und dies gilt eben nicht nur für die Zeit Savonarolas, sondern auch für die folgenden Jahre. Wir werden uns diesen Jahren nach 1498 wiederum unter einer mehr innenpolitischen Perspektive zuwenden, wollen das Ganze jedoch, nicht ohne neue Aspekte, auf das resümierend verdichtete Fundament bereits gewonnener Erkenntnisse stellen. Der große Lorenzo de’ Medici hatte Jacopo und Alamanno Salviati durch Ehestiftungen früh in den Kreis seiner Protegierten eingebunden; zum einen 1482 durch die Ehe Alamannos mit Lucrezia Capponi, besonders aber durch die von ihm gewünschte Ehe Jacopos mit seiner Tochter Lucrezia (1481 der sposalizio als erster Akt der Eheschließung und, da Lucrezia, am 4.8.1470 geboren, damals erst elf Jahre alt war, 1487/88 die Hochzeit). Gerade Jacopo galt daher – genauso wie Lanfredino Lanfredini – vor und mit dem Exil der Medici als offener Parteigänger des Hauses Medici.710 Ihre herausragende Positi709 Vgl. etwa Parenti, Storia fiorentina II, S. 260 (Mai 1499: Spaltung der Florentiner primati in die

dominierenden frateschi/bigi und die unterlegenen, deswegen ‚Verzweifelten‘, die disperati), 313–317 (November/Dezember 1499: Als Alamanno Salviati und der Gonfaloniere Gianbattista Ridolfi dem Rebellen Marcuccio Salviati die Erlaubnis zum Betreten von Florenz verschafften, beschwerten sich die compagnacci – eine Gruppe junger, hedonistischer Savonarola-Gegner –, allen voran ihr Oberhaupt Doffo Spini, der im Gegenzug von den Ridolfi und den piagnoni der Sodomie mit einem Sohn von Tommaso Antinori angeklagt wurde. Dem Ridolfi gelang es zudem im Verein mit den ebenfalls in wichtigen Ämtern befindlichen Lorenzo Morelli und Piero Guicciardini sowie weiteren bigi, den 1494 in ein Gefängnis in Volterra verbannten Ser Giovanni di Ser Bartolomeo Guidi da Pratovecchio begnadigen und in sein Florentiner Haus bei der Porta San Gallo zurückkehren zu lassen; dieser mehr als symbolische Akt weckte bei allen Mediceern große Hoffnung und ließ die disperati einmal mehr wütend verzweifeln); 478 (Oktober 1501: Einheit der frateschi und bigi regiere Florenz). 710 Grundlegend: Hurtubise, Salviati, hier S. 59–62; zur Ehe auch: Walter, Der Prächtige, S. 202 (1486 als Jahr der Hochzeit); zur politischen Position Jacopo Salviatis als dezidierter MediciAnhänger in den Jahren 1494/95 vgl. auch Ridolfi, Life, S. 90; Weinstein, Savonarola, S. 150

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on im Medici-Regiment nach 1512 hätten Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini nicht erlangen können, wenn die Vertrauensbasis während der Exilszeit zerstört worden wäre. Dies ist generell zu betonen, da man ihnen immer wieder eine Indifferenz für verschiedene politische Gruppierungen während der Exilszeit unterstellt hat.711 Doch schon unmittelbar nach der Flucht und Exilierung der Medici hatten sich Jacopo und sein Cousin Alamanno di Averardo Salviati, der so wie Jacopo von Lorenzo il Magnifico protegiert worden war, zusammen mit den Tornabuoni, Pandolfini und Del Nero offen für die Belange Pieros eingesetzt, gegen die Verbannung gestimmt und bei Karl VIII. für eine Rückkehr gewirkt.712 Weitgehend heimlich, doch nicht zuletzt gerade deshalb um so instruktiver für ihr Handeln als Mediceer, wird dagegen Filippo da Gagliano von Jacopo und Alamanno Salviati sowie Lanfredino Lanfredini unterstützt worden sein. Filippo befand sich 1495 während seines gefahrvollen Aufenthaltes in Florenz an der Seite Lanfredinos, während Jacopo und Alamanno damals und über die folgenden Jahre hinweg Gelder Filippos betreuten. Das war alles andere als ein unpolitischer Geschäftsvorgang, aber es war exemplarisch für die Struktur des Florentiner Medici-Netzwerks. Filippo da Gagliano war als einflußreicher Repräsentant der Medici-Finanzwelt im November 1494 geflüchtet, war dann nach seiner Rückkehr mit einer sehr hohen Summe zum Schuldner der Florentiner Kommune erklärt worden. Doch Filippo verstand es, Geldbeträge nicht wie gesetzlich gefordert in die Stadtkasse zu überführen, sondern gewinnbringend beim städtischen Monte Comune anzulegen – ganz so, wie es in einem größeren Rahmen die Schuldner Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci praktizierten. Der Schuldner war somit zugleich Gläubiger der Kommune, was nach Ansicht des bereits zitierten Denunzianten zumindest bei diesen Schuldnern illegal war. Filippo benötigte also befreundete Strohmänner, die sein Geld für ihn beim Monte zu dem (damals noch üblichen) lukrativen Zinssatz von 14% anlegten. Diese Freunde gingen ein hohes Risiko ein. Es waren vornehmlich Alamanno Salviati, in dessen Handeln sein Cousin Jacopo eingeweiht gewesen sein muß, sowie ein anonymer Freund Alamannos und Filippos, der das Kürzel „F“ trug. Seit dem 1. Oktober 1495 erhielt Filippo da Gagliano für sein Konto bei der Florentiner Salviati-Bank Zinsen aus einem Monte-Kredit, den Alamanno bzw. sein anonymer Freund unter ihrem Namen angelegt hatte.713 Auszahlungen, Zinsberechnungen und Kreditumschichtungen korrespondierten zeitlich erstaunlich genau mit den Flucht- oder jeweiligen Aufenthaltszeiten Filippos, etwa zum Februar 1498, als er

(in der Gruppe, die auf eine Medici-Restauration hoffte, „were such primati as Bernardo Del Nero, Agnolo Niccolini, Niccolò Ridolfi, Pierfilippo Pandolfini, Lorenzo Tornabuoni, and Iacopo Salviati. This die-hard group suffered the greatest amount of odium ...“). 711 Dieser Eindruck wird nicht nur generell bei Polizzotto, Elect Nation, passim, sondern z. B. auch bei Butters, Governors, etwa S. 64f., erweckt, der zudem m. E. die Salviati auch nach Savonarolas Tod zu stark und unzutreffend als frateschi klassifiziert. 712 Hurtubise, Salviati, S. 63. 713 ASP II/30bis („Quaderno, ossia libro segreto di debitori e creditori di Averardo e Jacopo Salviati di Banco in Firenze, 1494–1512“; Averardo di Alamanno fungierte lediglich namensgebend), c. 40, 46; ASP IV/5, c. XXV; vgl. hierzu oben S. 203f., 228f..

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an der Seite seines Freundes Niccolò Michelozzi plötzlich wieder in Florenz erschien, bei Prozessionen in Savonarolas Kloster von San Marco! Es hat den Anschein, als stünde dieser verschleierte Monte-Kredit Filippos mit dem von Lorenzo Tornabuoni in einem sachlichen Zusammenhang. Lorenzo hatte 10.000 Fiorini nicht zur Tilgung seiner von den Medici übernommenen Schulden bei der Kommune verwandt, sondern am 30. Oktober 1495 lukrativ beim kommunalen Monte angelegt. Zur Verschleierung des verbotenen Vorgangs hatte er das Geld in unterschiedlicher Stückelung bestimmten Florentiner Bürgern und Kaufleuten zur Verfügung gestellt, wie wir aus der im Jahr 1500/01 vorgebrachten Denunziation erfuhren, in welcher auch angegeben wurde, daß der jährliche Zins von 14% den vom Tornabuoni Begünstigten einen Gewinn von beachtlichen 7.000 Fiorini einbrachte. Weder diese Profiteure noch die zum Nachteil der Kommune beteiligten Monte-Beamten wollte der Denunziant nennen; er verwies statt dessen auf das von Francesco Davanzati geführte Hauptbuch des Monte, in welchem die Beteiligten zu fassen seien.714 Wir vermuteten bereits, daß Alamanno Salviatis Name zu denen gehörte, die man lieber verschweigen wollte. Denn zum einen leitete Davanzati später die Salviati-Bank in Neapel, zum anderen ließ Alamanno die Laufzeit des für Filippo am 1. Mai 1496 erneut angelegten Kredites am 1. März 1500 enden und führte entsprechende Kontoabschlüssse im Mai und August 1500 durch, wobei dies sowie gewisse Unsicherheiten bei der Rückzahlung gut mit bestimmten aus der Denunziation resultierenden Problemen zu erklären wäre. Sicher ist, daß Alamanno Salviati dem Chefbankier der heimlichen Finanzoperationen Lorenzo de’ Medicis eine Form der Geldanlage ermöglichte, die einem inkriminierten Schuldner der Kommune verwehrt sein mußte. Der Freundschaftsdienst, den Alamanno und Jacopo Salviati dem unter Betrugsverdacht stehenden und um sein Leben fürchtenden Medici-Bankier Filippo da Gagliano und auch seinem Bruder Giuliano erwiesen, stimmt vollkommen mit weiteren uns zugänglich gewordenen Zeugnissen überein. So ist es doch erstaunlich, daß Alamanno genau die gleiche Monte-Anlage für Gherardo und Francesco Guardi vornahm. Denn wir kennen Francesco Guardi als jenen Medici-Freund, der dem Medici-Diener Francesco Cegia in den Tumulten der Nacht vom 9. auf den 10. November 1494 in seinem Haus lebensrettenden Unterschlupf angeboten hatte – und daß Bartolomeo Bartolini und sein Sohn Leonardo ihre Mailänder Filiale dem Florentiner Salvestro di Dino Guardi anvertrauten, ist vor dem gleichen Hintergrund des Zusammenhalts des Medici-Netzwerkes zu verstehen. Alamanno Salviati vermerkte in seinem Geheimbuch wie bereits für Filippo da Gagliano zum 5. Mai 1500, daß er auf seinen, Alamannos Namen, für die beiden Guardi ab Februar 1495 für fünf Jahre 500 Fiorini larghi di grossi zu 14% beim Monte angelegt habe; der noch einzuziehende, etwas geringer ausfallende Zinsgewinn von 266 Fiorini wurde den Guardi zu jenem Datum gutgeschrieben. Für die zweieinviertel Jahre vom 1. März 1500 bis zum 31. Mai 1502 erhielten die Guardi dann am 3. August 1502 nochmals 157 Fiorini und 10 Soldi für eine zu 14% verzinste Anlage, die nun aber nicht explizit auf Alamannos

714 Vgl. oben S. 220, 222.

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Namen lief.715 Und auch auf der Geben-Seite des Guardi-Kontos finden wir analoge Einträge wie für Filippo da Gagliano, bis hin zur Beteiligung anonymer Freunde.716 Möglicherweise stammte die erste Einlage ebenfalls, wie für Filippo vermutet, aus dem Tornabuoni-Geld. Unbestreitbar ist zudem, daß die Salviati mit dem Medici- bzw. Tornabuoni-Erbe betraut waren. Jacopo war mit ihm befaßt, als er im August 1498 in Francesco Naldinis Namen und mit Wissen von Gianbattista Bracci den aus dem Medici-Schatz stammenden, zum Erbe Lorenzo Tornabuonis gehörenden ‚Ballas-Rubin von Mantua‘ verwahrte, den Lorenzo 1495 Naldini gegeben und dieser dann den Buonvisi überreicht hatte, von denen er im August 1498 den Syndizi der Güter Tornabuonis und von diesen dem Salviati überreicht wurde.717 Um 1500 befand er sich offenbar einige Zeit in der Hand von Alamanno Salviati. Und noch für 1506 konnten wir sehen, wie Jacopo sich zusammen mit Lanfredino Lanfredini und Giovanni Pandolfini um Juwelen und (andere) Tornabuoni-Sachen kümmerte. Alamanno Salviati war für die Jahre um 1500 zusammen mit Gianbattista Bracci, Lanfredino Lanfredini und Carlo Ginori einer der Prokuratoren des TornabuoniErbes bzw. der unter Vormundschaft gestellten Söhne von Lorenzo Tornabuoni – und dem ältesten dieser Söhne bzw. Mündel, Giovanni, wird er 1507 seine Tochter Caterina zur Frau geben!718 Dieser Eheverbindung muß durch unseren Kontext ein geradezu programmatischer Impetus zugemessen werden, der vielleicht sogar das Medici-Erbe betraf. Kontinuitäten wurden auch geschaffen, als Jacopo und Alamanno Salviati 1508 zusammen mit dem (ehemaligen) Medici-Rebellen Francesco Naldini, mit Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Bracci die kapitalstarke Lyoner Salviati-Bank gründeten. Gianbattistas Sohn Lorenzo Bracci ist schon 1509 als Mitarbeiter (giovane) der Lyoner SalviatiGesellschaft nachzuweisen; sein anderer Sohn Zanobi gehörte evidentermaßen zu den Mitarbeitern der Lanfredini-Gesellschaft in Florenz und wird uns ab 1512 noch als vertrauter Mitarbeiter seines Schwagers Leonardo di Zanobi Bartolini begegnen, für den Zanobi z. B. eines seiner zentralen Rechnungsbücher führte.719 Diese beiden Söhne Gianbattistas sind es nun, die Jacopo Salviati im November 1512 bei seiner aufwendigen Gesandtschaft nach Rom finanziell unterstützen werden; und ihr Vater, ehemaliger Gouverneur der Medici-, aktueller der Lanfredini-Gesellschaft, wird – man möchte fast sagen:

715 ASP II/30bis, c. LXXXIIII. Die Gewährung von 14% Zinsen widerspricht allerdings der Beob-

achtung von Butters, daß ab 1500 zunächst nur noch 8%, dann sogar nur 6% gezahlt wurden; Butters, Governors, S. 53. 716 ASP II/30bis, c. 84. 717 ASP I/37, c. 145. 718 Butters, Governors, S. 65; Hurtubise, Salviati, S. 498. 719 ASP I/440, c. 7/VII (1509: Lorenzo di Giovanbattista Bracci nostro giovane); ASF, Corp. Sopp. 100/88 (Rechnungsbuch von Leonardo di Zanobi Bartolini als Generalprokurator des Kardinals Giovanni de’ Medici), c. 244 (Lionardo Bartolini per suo chonto proprio del suo libro rosso di Roma segnato B, che ttiene Zanobi [di Giovanbattista] Bracci), 246 u.ö.

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konsequenterweise – 1520 nun offiziell persönlicher neuer Teilhaber in der Lyoner Salviati-Gesellschaft.720 Diese fundamentalen Bezüge und Entwicklungen hat man bei der Erörterung unseres Triumvirats als Anhänger Savonarolas nicht berücksichtigt oder nicht berücksichtigen können; sie kommen freilich ebenso bei der in Florenz organisierten Finanzierung der exilierten Medici zum Tragen. Als Jacopos junge, 1470 geborene Ehefrau Lucrezia de’ Medici in den Jahren 1495 bis 1497 zusammen mit Caterina Sanseverino, Lorenzo Tornabuoni, Gianbattista Bracci, Francesco Naldini und vielen weiteren Freunden die finanzielle Not ihrer exilierten und geflohenen Brüder lindern half und sich dabei in große Gefahr begab, ihre Hilfe mutig bekannte – sollte sie da ganz ohne Wissen ihres Mannes gehandelt haben, der zur gleichen Zeit einen Teil der Finanzen des inkriminierten Filippo da Gagliano „betreute“?!721 Lucrezia muß mehr als die stillschweigende, passive Zustimmung Jacopos erhalten haben. Dieser aber beherrschte die Kunst der Systemmanipulation, ohne in den offiziellen Dokumenten Spuren zu hinterlassen! Genau das wird ihm 1514 immerhin ein (ihm freilich distanziert gegenüberstehendes) Mitglied der MediciFamilie vorwerfen.722 Daher konnte über seine Rolle im Medici-Netzwerk auch so viel Unklarheit entstehen. Doch durch den prosopographischen Ansatz, also u. a. durch die Erschließung der Salviati-Freunde, sowie durch die Auswertung auch wirtschaftshistorischer Quellen lassen sich aktive und demonstrative Handlungen für das Medici-Netz erkennen. Wen wundert es angesichts dieser manifesten Zugehörigkeit der Salviati zum engsten Medici-Kreis, daß sich auch im politischen Leben von Florenz nach 1494 immer wieder aktive wie passive Demonstrationen ihres Bekenntnisses zu den Medici finden lassen. Deshalb zählten Jacopo und Alamanno Salviati nicht anders als ein Lorenzo Tornabuoni, Piero Alamanni, Giannozzo Pucci, Niccolò Ridolfi, Antonio Malegonelle, Luca di Maso degli Albizzi, Antonio und Filippo Lorini oder Cosimo Sassetti zu jenen bekannten Medici-Anhängern, die man am 28. April 1497 im Palazzo della Signoria neutralisierte, als Piero und seine Truppen vor den Mauern von Florenz standen und auf ihre Unterstützung warteten!723 Jacopo Salviati galt als verantwortlich dafür, daß Marco (Marcuccio) di Bernardo Salviati, im April 1498 noch Beschützer Savonarolas, ein Jahr später auf die Seite Piero de’ Medicis und Venedigs wechselte, weswegen dieser wie Andrea d’Alamanno de’ Medici und Simone Tornabuoni, die in Florenz an den Umsturzversuchen für Piero beteiligt waren, von der Signoria verbannt wurde. Alamanno Salviati gelang es dann Ende 720 Vgl. Hurtubise, Salviati, S. 146 und Anm. 42 (die genauen Verwandtschaftsverhältnisse und die

seit vielen Jahren bestehende Integration Gianbattista Braccis in die Lyoner Gesellschaft waren Hurtubise allerdings unbekannt). 721 Grundlegend zu ihr und Jacopo Salviati: Hurtubise, Salviati, hier S. 59–61 und s.v. Zu Lucrezias Aktivitäten 1495–97 vgl. bes. oben S. 379–382, 386–389, 435f., 440f. 722 ASF, MAP, CXVI, doc. 516 (21.11.1514, Galeotto de’ Medici an Lorenzo de’ Medici); vgl. Polizzotto, Elect Nation, S. 231. 723 Parenti, Storia fiorentina II, S. 99; vgl. oben S. 415, Anm. 276; Hurtubise, Salviati, S. 66 (doch es handelte sich nicht um eine Einkerkerung).

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1499 im Verein mit dem Gonfaloniere Gianbattista Ridolfi, daß der Rebell Marcuccio unbehelligt Florenz betreten durfte.724 Als Ende Februar 1500 für die folgenden beiden Monate eine neue Signoria gewählt wurde, in der fast alle Prioren als Anhänger des ‚alten Staates‘, also der Medici, sowie Frankreichs galten, stachen Jacopo Salviati und Filippo di Antonio Lorini hervor.725 Seine Loyalität zu den Medici hinderte Jacopo nicht, sich wie Alamanno und Lanfredino während der Exilszeit der Medici aus republikanischer Überzeugung politisch für die Sache von Florenz einzusetzen. Doch es gibt viele weitere, auf den ersten Blick manchmal nicht sofort evidente Zeugnisse für ihre Unterstützung der Medici. In Pistoia, einer Stadt im Florentiner Dominium, führten die Parteien der Cancellieri und Panciatichi einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft. Dieser Konflikt betraf auch Florenz. Die Panciatichi gehörten traditionell zu den Medici-Anhängern, während die Cancellieri gerade deshalb in Florenz besonders von den Feinden der Medici gefördert wurden. Auf einem Höhepunkt der Auseinandersetzung stellten sich Jacopo und Alamanno Salviati 1500 offen auf die Seite der Panciatichi. Ihr Freund Lanfredino Lanfredini ließ es an einem analogen Bekenntnis nicht fehlen. Als Kommissare der Florentiner Dieci di Balìa wurden Lanfredino und Luca di Maso degli Albizzi (dieser Mediceer wird ebenfalls nach 1512 eine führende Rolle für die Medici einnehmen und ist nicht zu verwechseln mit Luca di Antonio degli Albizzi, der nach 1494 in offizieller auswärtiger Funktion für die Republik intensiv gegen die Mediceer agierte) im Februar 1500 nach Pistoia geschickt, um die blutige Fehde zu befriedigen. Dabei konnten sie für 24 der unterlegenen und vertriebenen Panciatichi einen Exilsaufenthalt in Florenz erwirken, wo die Mitglieder dieser Fraktion bis dahin als ehemalige Protegés Lorenzo de’ Medicis nicht willkommen waren.726 Während dieser Mission kam der verbannte Mediceer Marcuccio Salviati zu Lanfredino nach Pistoia, der über Marcuccios „Boten“ Alamanno Salviati im Oktober 1500 um Hilfe für den Exilierten bat!727 Kurz darauf, im Frühjahr 1501, wurde Florenz durch die unheilvolle Allianz zwischen den Medici und Cesare Borgia bedroht. In diesem Zusammenhang hörten wir von Medici-

724 S.o. S. 482. 725 Parenti, Storia fiorentina II, S. 336. 726 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 7, 15f.; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 204f. (allerdings gehörte

auch Piero Soderini damals zu den Gönnern der Panciatichi). Unpräziser sind die Angaben bei Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 49–58, nützlicher der Kommentar S. 57f., Anm. 2. Für die Zeit bis 1492 vgl. zu den Parteiungen in Pistoia auch Connell, Clientelismo (die Medici waren zunächst für die Cancellieri, dann seit Cosimo de’ Medici für beide Gruppen, bis es unter Lorenzo de’ Medici eine stärkere Annäherung an die Panciatichi gab; die Bindungen nach 1492/94 werden nicht thematisiert). Einige Mitglieder der Panciatichi waren im 14. Jahrhundert auch nach Florenz eingewandert und gehörten wie Bartolomeo und seine Söhne Gabriello und Giovanni di Bartolomeo Panciatichi 1403 und 1427 noch vor den Medici zu den reichsten Bürgern; vgl. De Roover, Rise, S. 28, 48; zu Lanfredinos Mission s. auch Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 603f. 727 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 31 (26.10.1500, Alamanno Salviati aus Florenz an Lanfredino Lanfredini in Pistoia).

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Anhängern in der Stadt, die den Angreifern damals geholfen haben sollen. Als Piero Soderini und Alamanno Salviati zum Valentino gesandt wurden, gab es sofort einflußreiche Stimmen, die beide als Vertreter des alten, also Medici-Staates ansahen – was damals nur für Alamanno zutraf – und große Gefahr für einen Umsturz in Florenz befürchteten, so daß man ihnen Jacopo di Tanai de’ Nerli als erwiesenen Feind des alten Staates an die Seite stellte.728 Noch ein Jahr später, Ende Juli 1502, wurde Alamanno Salviati verdächtigt, für den Umsturz zu wirken; durch den Capitano del Popolo wurde Alamanno deswegen einige Tage lang verhört.729 Ein Jahr vorher, im Mai/Juni 1502, soll der damalige Gonfaloniere Lorenzo di Lotto Salviati mit führenden Bürgern der Stadt versucht haben, durch Cesare Borgia und die verbündeten Truppen der Medici und Orsini einen Machtwechsel in Florenz herbeizuführen.730 Piero Soderini, seit September 1502 Gonfaloniere auf Lebenszeit, soll ihn 1503 mit lediglich zehn Jahren Verbannung bestraft haben, weil er nicht gleich zu Beginn seiner Amtszeit seine Hände mit Blut beflecken wollte, vielleicht auch, weil er sich die mächtige Partei der Salviati, die ihn bei der Wahl zu unterstützen schien – wohl weil der Gegenkandidat und Mediceer Antonio Malegonelle keine realistische Chance besaß –, nicht gleich zum Todfeind machen wollte.731 Soderini scheint das Verbannungsurteil kurze Zeit später aufgehoben zu haben, da Lorenzo di Lotto Salviati schon 1503 wieder in politischen Ämtern bezeugt ist, als er Lorenzo Morelli zum ufficiale des Monte nominierte.732 Lorenzo Salviati zählte, so Butters, zur Salviati-Gruppe733, und 728 Parenti, Storia fiorentina II, S. 435; Cerretani, Ricordi, S. 18; vgl. oben S. 538. 729 Cerretani, Ricordi, S. 53. 730 S.o. S. 539. 731 Vgl. Mecatti, Storia cronologica, S. 508f. (zu Soderinis Nachsicht für den Salviati). Zum an-

fänglich noch nicht offen feindlichen Verhältnis der Salviati und des Lanfredini zu Piero Soderini – wobei die Salviati gegen einen auf Lebenszeit zu wählenden Gonfaloniere di Giustizia waren – und zu Malegonelle als dessen Kontrahent vgl. Butters, Governors, S. 46–48; und Polizzotto, Elect Nation, S. 217–223 (doch sieht er Malegonelle primär in seiner Kategorie als Savonarola-Anhänger und möchte ihn deshalb nicht unbedingt als Mediceer bezeichnen). Antonio Malegonelle ist nach 1492 sogar als erklärter Unterstützer Piero de’ Medicis bekannt – was beileibe nicht für jeden Mediceer gilt –, der deshalb auch im November 1494 verfolgt wurde (während sein Bruder Tommaso für die Medici auf die Piazza ging) und der im Kontext seiner Gesandtschaft in Rom wegen seines Bekenntnisses zu Piero de’ Medici von Parenti und anderen Medici-Feinden mit großem Mißtrauen betrachtet wurde; vgl. oben S. 76, 415, 486, Anm. 473. Untersucht man die Gesandtenberichte von Antonio Malegonelle, wird außerdem im Vergleich zu Ricciardo Becchi, Alessandro Braccesi oder Luca di Antonio degli Albizzi eine auffallende Zurückhaltung bei seinen Informationen über die Aktivitäten der Medici deutlich. 732 Butters, Governors, S. 95, vgl. S. 72 zu einem weiteren analogen Beleg für 1510. Aus diesen Nominierungen erfolgte offenbar jedoch keine Wahl Morellis zum Ufficiale del Monte, da er in Barteleits Liste für jene Jahre nicht als solcher verzeichnet ist; vgl. Barteleit, Staatsverschuldung, S. 227f. 733 Butters, Governors, S. 95. Bei Hurtubise wird er erstaunlicherweise gar nicht erörtert, doch findet sich sein Name in der genealogischen Tafel A, S. 496: hiernach ist er 1521 gestorben, sein Vater war mit Alessandra Mazzini verheiratet und stammte offensichtlich aus der zweiten Ehe von Lorenzos Großvater Giovanni mit Valenza de’ Medici. Der gemeinsame Vorfahre Lorenzos und Jacopos wie Alamannos war der am Beginn des 14. Jahrhunderts lebende Lotto di Salvi Salviati.

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so werden wir auch jene Aktion Lorenzos vom Juni 1502 als einen Versuch der von Jacopo und Alamanno geführten Salviati werten dürfen, die politischen Verhältnisse zugunsten der Medici zu ändern, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Wahrscheinlich war Jacopo Salviati dann Anfang 1503 an der Rettung des Mediceers Goro Ghieri beteiligt, als er Niccolò Machiavelli, der Ghieri freikaufen und aus der spanischen in Florentiner Haft überführen wollte, als Florentiner Botschafter bei Cesare Borgia ablöste.734 Seit September 1502 sahen sich die Mediceer in Florenz einer völlig neuen politischen Struktur gegenüber. Gab es bis dahin trotz der Dominanz ihrer Feinde immer noch die Möglichkeit, durch die Wahl von Freunden Einfluß in den wichtigen Gremien auszuüben und sogar das oberste Staatsamt zu besetzen – Lanfredini war im November/Dezember 1501 Gonfaloniere di Giustizia735, Bernardo del Nero im März/April 1497, um nur die prominentesten Beispiele zu nennen –, so blieb nun zwar noch die mögliche Präsenz in zentralen Ämtern, doch stets unter der mächtigen, aber nicht allmächtigen Hand eines auf Lebenszeit gewählten Gonfaloniere di Giustizia namens Piero Soderini, der aus seiner Gegnerschaft zu den Medici nie ein Hehl gemacht hatte.736 Das Spiel mit politischen Optionen war jetzt wesentlich stärker eingeschränkt als vorher. Soderini stand seitens seiner Gegner unter dem Verdikt, nicht nur wie ein venezianischer Doge als princeps angesprochen und regieren, sondern wie ein Fürst über Florenz herrschen zu wollen. Lanfredino Lanfredini gehörte zusammen mit seinen Freunden Jacopo und Alamanno Salviati zu den schärfsten Kritikern und Opponenten des neuen Gonfaloniere a vita, der bis zum Spätsommer 1512 – d.h. bis zum Ende des Exils der Medici bzw. bis zum Ende dieser medicifeindlichen Republik – dieses höchste Amt bekleiden wird. Wie schon bei der Verteidigung Savonarolas bewiesen sie Mut, als sie Piero Soderini immer wieder vorwarfen, durch sein Verhalten die Interessen von Florenz zu verraten. Anlässe dazu gab es mehr als genug. Große und tief im Land verwurzelte Gegensätze berührten Florenz, als es 1504 um die Bestellung eines Condottiere für die Florentiner Soldaten ging. Florenz ließ sich dabei in den uns bereits bestens bekannten Konflikt zwischen den Colonna und Orsini hineinziehen, und es wurde zugleich von der tiefen Freundschaft zwischen den Medici und den Orsini erfaßt. Kaum war Piero de’ Medici gestorben, da nutzte Kardinal Giovanni de’ Medici in den ersten Monaten des Jahres 1504 den auf seine Person gegründeten neuen Einfluß seiner Familie in Florenz, um den für ein Jahr zu ernennenden Florentiner Söldnerführer zu bestimmen. ‚Der Kardinal de’ Medici und ihre alten Freunde in Florenz wollten einen Orsini‘, so drückte es Bartolomeo Cerretani aus.737 Der Orsini war in diesem Fall Gianpaolo Baglioni als Vertreter des Orsini-Clans. Die ihn und Kardinal Giovanni unterstützenden Florentiner Medici-Freunde nennt uns Francesco Guicciardini:

734 S.o. S. 578f. 735 Mecatti, Storia cronologica, S. 504; Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 604. 736 Zu den Kompetenzen Piero Soderinis vgl. etwa Butters, Governors, S. 47. 737 Cerretani, Ricordi, S. 99.

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Alamanno Salviati und Lanfredino Lanfredini!738 Sie, die damit eben auch deutlich die Interessen Giovanni de’ Medicis vertraten, waren damals Mitglieder und Häupter der Dieci di Balìa, die sich dem Soderini-Clan entgegenstellten, der die condotta für den noch in spanischen Diensten befindlichen Fabrizio Colonna als völligen Gegenpol zu einem Orsini-Mann durchsetzen wollte. Im März 1504 wurde dann ein Kompromiß geschlossen, der zwar die Ernennung Baglionis vorsah – ein Erfolg mithin von Giovanni de’ Medici und seinen Florentiner Freunden! –, doch wurden ihm mit Marcantonio Colonna und Jacopo Savelli zwei politische Feinde an die Seite gestellt. Im Zuge dieser Einigung über die militärische Führung der Florentiner Truppen wurde auch eine Weiterführung der Eheverhandlungen beschlossen, durch die Piero Soderini eine Tochter seines Neffen Tommaso di Pagolantonio mit Pierfrancesco di Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici verheiraten wollte.739 Soderini setzte sich mit diesem politischen Eheprojekt durch: Pierfrancesco heiratete Maria Soderini, während seine Schwester Laudomia Francesco Salviati ehelichte. Daß jener Plan, mit welchem der Soderini neben einer Stärkung seiner Position und einer Schwächung seiner Gegner zugleich Pierfrancesco von seinen Medici- und Salviati-Verwandten entfremden wollte, gerade von Jacopo und Alamanno sowie deren Cousin Giuliano Salviati heftig bekämpft worden war, zeigt eindringlich, wie sehr die Salviati die Interessen der exilierten Medici in Florenz vertraten, wie sehr der Zweig der jüngeren Medici, der einst mit Piero verfeindeten Verwandten, inzwischen ins Lager der älteren Linie übergetreten war, vermittelt nicht zuletzt durch die Salviati, getragen auch durch eine gemeinsame Feindschaft zu Piero Soderini.740 Dies alles bestätigen nicht zuletzt unsere nächsten Beispiele, bei denen es um Bündnisse durch Verwandtschaft und Ehen geht. Sollten mit der Verhinderung der Soderini-Medici-Hochzeit die Interessen der Medici in Florenz gestärkt werden, so setzte Alamanno Salviati 1507 ein konstruktives Zeichen, als er seine Tochter Caterina mit Giovanni di Lorenzo Tornabuoni verheiratete, den Sohn also jenes 1497 Hingerichteten, der wie kaum ein anderer für die Sache der exilierten Medici stand und einen großen Teil ihres Erbes betreute! Der Mündelstatus des Rebellensohnes Giovanni di Lorenzo Tornabuoni muß demnach spätestens 1507 aufgehoben worden sein. Eine so manifeste wie mutige Demonstration für die Medici-Brüder praktizierten ebenfalls deren Schwestern Lucrezia Salviati und Contessina Ridolfi, als sie mit großer Ermunterung durch viele Bürger und Handwerker in der Kirche Santissima Annunziata ein lebensgroßes Wachsmodell ihres Bruders Giuliano de’ Medici aufstellten, um auf diese Weise hilfreich für dessen Genesung von einer schweren Krankheit wirken zu können. Natürlich provozierten sie damit den Ärger Piero Soderinis. Dieser wiederum be738 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 276f. 739 Vgl. Butters, Governors, S. 83–85. 740 Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici gehörte von Beginn an ebenso wie Bernardo Rucellai –

beide einst durch Piero de’ Medici von den Medici entfremdet – zu den erklärten Gegnern des neuen Gonfaloniere auf Lebenszeit Piero Soderini, der seinerseits dann auch die Salviati und Lanfredino Lanfredini bewußt nicht in seinen Rat gezogen hatte; vgl. Butters, Governors, S. 48, 60–63.

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kämpfte die Macht der Symbole, indem er im Juni 1508 den Befehl gab, alle in Florenz befindlichen Vasen mit Wappen der Medici zerstören zu lassen.741 Auf der Gegenseite intensivierten die Salviati ihre Fürsorge für den längst ins Lager der Mediceer gewechselten jüngeren Zweig der Medici, für die Nachfahren von Pierfrancesco di Lorenzo de’ Medici, dessen väterlicher Onkel Cosimo de’ Medici war. Jacopo Salviati und sicherlich ebenso seine Frau Lucrezia de’ Medici, die nichts unterließ, um das Ansehen ihrer Familie zu stärken und die verschiedenen Familienzweige zusammenzuführen, sie sorgten sich nicht nur um die Eheverbindung des Sohnes von Lorenzo di Pierfrancesco, sondern kümmerten sich auch nachhaltig um Caterina Sforza, die Witwe des schon im September 1498 verstorbenen Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici, sowie um deren Sohn Giovanni, der bald als Offizier der Medici den Beinamen ‚delle Bande Nere‘ tragen sollte. Caterina Sforza hatte als Herrin von Imola und Forlì noch vor ihrer Ehe mit Giovanni (1496) im Dezember 1495 Piero de’ Medici Hilfstruppen für einen Angriff auf Florenz in Aussicht gestellt.742 Cesare Borgia hatte Caterina dann Anfang 1500 besiegt und sie in die Engelsburg in Haft gebracht, aus der sie im Juni 1501 durch französische Intervention entlassen wurde. Sie begab sich nach Florenz, wo Jacopo Salviati sie in den Kreis seiner engen Freunde aufnahm und sie auch mit großen Summen Geldes unterstützte. Caterina Sforza setzte Jacopo sowie ihren Vertrauten Francesco Fortunati, Pleban von Cascina und Savonarola-Anhänger, vor ihrem Tod (29.5.1509) als ihre Testamentsvollstrecker ein sowie als governatori ihres Sohnes und Universalerben Giovanni, der sich dem Willen seiner beiden ‚Regenten‘ völlig zu beugen hatte.743 Daß sie im Palast der Medici starb, demnach also auch bis dahin dort wohnen durfte, werden wir als eine Entscheidung Jacopo Salviatis und diese wiederum als eine Verständigung zwischen ihm und den verbannten Eigentümern des Palastes werten dürfen.744 Die genauen Angaben über den Tod und die Testamentsverfügungen von Caterina Sforza wurden in einem merkwürdigen Dokument notiert. Es handelt sich um ein im Medici-Archiv befindliches Notizheft (giornale) der Jahre 1506 bis 1511, dessen Verfasser sich nicht nennt, das sich jedoch an umfangreiche Konten und Notizen der römischen Medici-Bank aus den 1420er Jahren anschließt.745 Der Inhalt dieser Notizen weist den Schreiber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als führenden Mitarbeiter der Erben-Gesellschaft von Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici aus – und deshalb wird auch des öfteren Jacopo Salviati erwähnt, etwa als Empfänger von Geldzahlungen über den Mediceer Marco di Paretes, sowie allgemein die Salviati-Gesellschaft, die von dieser Erben-Gesellschaft nach einem festen Schlüssel Provisions- und Spesen741 Butters, Governors, S. 77f. 742 Brief des Piero Dovizi da Bibbiena, Venedig, 11.12.1495, an Leonardo di Zanobi Bartolini in

Rom; vgl. Le Carte Strozziane, S. 667f., (i), c. 154. Zum Tod von Giovanni di Pierfrancesco im September 1498 in Bagno a Santa Maria s. etwa Parenti, Storia fiorentina II, S. 196. 743 ASF, MAP CXXXI, doc. B, c. 19r; vgl. Butters, Governors, S. 65f.; Cloulas, Borgias, S. 274– 277, 281f., 305. 744 Caterina Sforzas Sterbeort ist erwähnt bei Cerretani, Ricordi, S. 196. 745 ASF, MAP CXXXI, doc. B.

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zahlungen erhielt.746 In diesen Kontext wird man gleichfalls die bereits erwähnte Verbannung des unter Jacopo Salviatis Obhut stehenden jungen Giovanni di Giovanni de’ Medici (delle Bande Nere) im Jahre 1511 einzuordnen haben. Die Salviati handelten zukunftsweisend. Lucrezia Salviati setzte 1516 die Eheverbindung Giovannis delle Bande Nere mit ihrer Tochter Maria durch; eine weitsichtige Entscheidung, sollte doch aus dieser Ehe mit Cosimo de’ Medici ein Herrscher der Toskana hervorgehen, den sich die Familie vor allem bis 1512 kaum vorzustellen gewagt haben wird.747 Jacopo Salviati aber war 1506, an der Seite Francesco Gualterottis im übrigen, durch Piero Soderini zum letzten Mal vor der Rückkehr der Medici mit einer bedeutenden diplomatischen Gesandtschaft betraut worden, die sie nach Neapel führte. Soderini wollte mit seiner Entscheidung die Einflußmöglichkeiten und vor allem die Reputation Jacopos mindern. Zu stark war nicht nur dessen Opposition gegen Soderini geworden, sondern war auch sein Engagement für die Sache der exilierten Verwandten zu Tage getreten. Die Florentiner Mediceer verfolgten dabei eine Strategie, die in offenkundiger Abstimmung mit Kardinal Giovanni de’ Medici entworfen wurde, und die allem Anschein nach das Ziel hatte, den Machtwechsel in Florenz durch personale Änderungen in Florentiner Schlüsselpositionen durchzusetzen, auf deren Besetzung der Medici-Kreis Einfluß nehmen konnte. Diese – den kopflosen und kontraproduktiven militärischen Angriffen Pieros auf Florenz diametral entgegengesetzte – Taktik zeigte sich schon bei der Ernennung des Condottiere 1504. Wenige Jahre später, Ende 1507, Anfang 1508, bot sich eine erneute Möglichkeit, als der Florentiner Erzbischof Rinaldo Orsini, der Kardinal Giovanni sehr verbunden war, sein hohes Amt aufgeben wollte und ihm die Bestimmung seines Nachfolgers anvertraute. Dieser mußte nun die Interessen seines römischen Kontrahenten Kardinal Francesco Soderini sowie die des letztendlich entscheidenden Gonfaloniere Piero Soderini neutralisieren. Möglich war das nur durch gezielte Schritte seiner Freunde in Florenz, die als Mitglieder der Signoria, durch andere Ämter oder durch ihren Einfluß auf die zentralen Amtsinhaber den von der Medici-Partei gewünschten Kandidaten zum Ziel bringen sollten. Bei dem ersten Kandidaten, Guglielmo Capponi, mit welchem Giovanni die Front dieser Feinde seiner Familie aufbrechen wollte, mißlang der Versuch. Wichtig ist für uns hier jedoch, daß erneut Jacopo und Alamanno Salviati offen und entschieden 746 ASF, MAP CXXXI, doc. B, c. 3v. Klare Indikatoren für die Zuordnung sind z. B. präzise Anga-

ben über Aufenthalte des jungen Giovanni di Giovanni de’ Medici Ende 1510 und Anfang 1511 im Haus des Schreibers, ferner dessen Zahlung an die ‚Beamten des Turms‘ für die ‚Erben des Lorenzo [di Pierfrancesco] de’ Medici‘, eine Notiz über ein Schiedsurteil zwischen Pierfrancesco di Lorenzo de’ Medici und Giovanni di Giovanni de’ Medici vom Januar 1507 sowie zahlreiche Angaben zur römischen Rucellai-Bank, dem Partner dieser Medici-Erben-Gesellschaft, und zur Salviati-Gesellschaft, die näher mit ihr verbunden gewesen sein muß. Der Katalane Marco di Bartolomeo di Paretes, auch Pares genannt, ist hingegen ebenso in den geschäftlichen Aufzeichnungen von Giuliano da Gagliano häufig anzutreffen, da er offenkundig für Giuliano, der auch seine Spesen trug, als Kommissionär wirkte; vgl. etwa ASP IV/5, c. 141 (1508); IV/6, c. 112v/113r/v, 115v, 116v/117r u.ö. (1506/07 führte Giuliano für Paretes ein anonymisiertes conto a parte M für Wechselbriefgeschäfte). 747 Zur Rolle Lucrezias bei dieser Ehe: Hurtubise, Salviati, S. 151f.

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für das Anliegen der Medici eintraten; unterstützt wurden sie vor allem vom Mediceer Giovanbattista Ridolfi. Da Kardinal Giovanni beim nächsten Anlauf geschickt den Wirkungsraum der Soderini einschränkte, indem er Francesco Soderini eigene Absichten auf das Amt des Erzbischofs von Florenz unterstellte und dessen Bruder Piero somit als befangen, parteiisch erklärte, gelang es ihm mit Hilfe seiner Florentiner Freunde in den nächsten Monaten bis zum Juli 1508, Cosimo de’ Pazzi, den Bischof von Arezzo, – nicht ohne finanzielle Vorteile für Rinaldo Orsini – als seinen neuen Favoriten gegen die Soderini durchzusetzen. Erneut verpflichtete er sich und seiner Familie ein Mitglied einer den Medici früher tief verfeindeten, doch schon 1497 zu ihr gewandten Familie; zum unwilligen Erstaunen mancher seiner Anhänger. Mit dem Pazzi aber, einem Cousin Giovannis, konnte er den Soderini einen ernsthaften Opponenten entgegenstellen.748 Diese Annäherung des Medici-Kreises an frühere Gegner war maßgeblich durch eine Allianz der Salviati-Gruppe mit Bernardo Rucellai gefördert worden, in welche auch die Pazzi eingebunden wurden. Zugleich besaßen die Salviati großen Einfluß in einem Zirkel Rucellais, der nach seinem Treffpunkt in dessen Garten unter dem Namen Orti Oricellari berühmt wurde.749 Bernardo Rucellai hatte sich einst von einem Anhänger der Medici zu einem Kritiker des autokratischer werdenden Regiments von Lorenzo de’ Medici gewandelt und wurde von der sich aufplusternden Präpotenz eines infantilen Piero dann gänzlich abgestoßen. Gleichwohl war er als Sympathisant einer patrizisch elitären Republik nach venezianischem Vorbild ebenfalls kein Freund des nach 1494 eingesetzten Governo popolare in Florenz und erst recht nicht von Piero Soderini. Nach kurzem „freiwilligen Exil“ 1502/03 versammelte er daher von 1503 bis 1506 in seinem Garten einen Zirkel von Patriziern und Philosophen, die der Blüte der Kultur unter den Medici nachtrauerten. Gerade die jüngeren Mitglieder dieses Zirkels aber solidarisierten sich mit der politischen Opposition der Salviati-Lanfredini-Gruppe, die zwar innenpolitisch primär gegen Soderini gerichtet war, doch zugleich die Interessen der Medici förderte – auch wenn vielen die gesamte Dimension nicht erkennbar gewesen sein dürfte. So wundert es also nicht, wenn die jüngeren Mitglieder des Rucellai-Zirkels beim Sturz Piero Soderinis 1512 ebenfalls eine tragende Rolle einnehmen werden. Giovanni de’ Medici war es demnach gelungen, über seine Freunde erheblichen, strategisch bedeutenden Einfluß in Florenz auszuüben. Dies gelang ihm im Laufe des Jahres 1508 ein weiteres Mal, zwar nicht bei einer zentralen Ämterbesetzung, so doch – gleichermaßen reputationsfördernd – auf familiärer Ebene, indem er wiederum ein Mitglied einer der führenden, aber den Medici weitgehend verfeindeten Florentiner Familien verwandtschaftlich mit seiner Familie vernetzte. Auch dieses Unterfangen konnte ohne die Hilfe einflußreicher Freunde in Florenz nicht gelingen, zumal es um die Tochter seines 748 Vgl. zu diesen Vorgängen Cerretani, Ricordi, S. 170–172; Guicciardini, Storie fiorentine, S.

305f., 319f.; Butters, Governors, S. 127–129. Cosimo de’ Pazzi war ein Sohn von Guglielmo de’ Pazzi, der mit Lorenzo de’ Medicis Schwester Bianca verheiratet war. Dieser Guglielmo de’ Pazzi hatte 1497 Lucrezia de’ Medici wegen ihrer Hilfe für ihre exilierten Brüder verhört; sein mildes Urteil ist möglicherweise auf die verwandtschaftliche Nähe zurückzuführen. 749 Vgl. Gilbert, Bernardo Rucellai; Butters, Governors, S. 59–63.

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Bruders Piero ging, Clarice, das Kind eines Rebellen mithin – dem kein Geringerer als Niccolò Machiavelli gleichfalls den Status eines Rebellen zuschrieb, da ihr Vater dreimal seine Heimatstadt attackiert habe und alle seine Nachfahren der gleichen Strafe verfallen seien. Genau mit diesem Punkt argumentierten denn auch die Medici-Gegner, um eine Heirat Clarices mit Filippo Strozzi zu verhindern. Diese Widerstandsgruppe bestand vor allem aus Piero Soderini, Alfonso Strozzi, Antonio Canigiani, Pierfrancesco Tosinghi, Alessandro Acciaiuoli und Niccolò Valori, die sich als Valori-Sekte (setta valoriana) bezeichneten, da sie fast alle schon zum Zirkel um den ermordeten Medici-Hasser Francesco Valori gehört hatten.750 Unerheblich erschien ihnen nun, daß Piero Soderini vorher über die Vermittlung von Lucrezia Salviati bei Giovanni de’ Medici versucht hatte, die mit einer hohen Aussteuer von 6.000 Fiorini bedachte Clarice mit seinem Neffen Giovanbattista zu vermählen. Kardinal Giovannis Verbündete hingegen hießen wieder Jacopo, Lucrezia und Alamanno Salviati und Giovanbattista Ridolfi, zu denen außerdem Bernardo Rucellai und seine Söhne Palla und Giovanni sowie Giovanni di Bardo Corsi und Antonfrancesco degli Albizzi (Sohn des Medici-Gegners Luca di Antonio degli Albizzi!) traten, die zu den jungen Patriziern des Rucellai-Garten-Zirkels zählten.751 Entscheidend ist bei dem Streit um die Rechtmäßigkeit einer solchen Eheverbindung, daß diese von den Medici-Gegnern als Versuch gewertet wurde, die Regierung zugunsten der Medici zu stürzen, und daß als Urheber eines solchen Staatsstreiches die Salviati betrachtet und angeklagt wurden. Alfonso Strozzi forderte gar die Enthauptung einiger Befürworter der Ehe wie Cosimo de’ Pazzi (der nun also tatsächlich die Medici-Interessen in Florenz vertrat), Bernardo Rucellai, Filippo Buondelmonti, Giovanni Corsi und anderer. Nach der tatsächlich erfolgten Eheschließung verurteilten die politisch Verantwortlichen Filippo Strozzi jedoch nur zu einer für ihn geringen Geldstrafe von 500 Fiorini und einer dreijährigen Verbannung ins Königreich Neapel, da sie zwar Pieros Söhne, doch nicht seine Tochter als Rebellen betrachteten.752 Wie gegen eine mediceische Hydra sah sich Piero Soderini zu jener Zeit gezwungen, überall scharfe Hiebe zu setzen, auch gegen einen weit und mächtig nach außen wirkenden Brückenkopf der Mediceer. Ihm konnten ja die innigen Verbindungen Lanfredinis und Gianbattista Braccis zu den Salviati – manifest etwa in der gemeinsamen Verantwortung für das Tornabuoni- bzw. Medici-Erbe – sowie zu den Buonvisi nicht verborgen geblieben sein. Nicht von ungefähr richtete sich das von Soderini vorangetriebene und am 19. Dezember 1507 als Gesetz verabschiedete Handelsembargo gegen Lucca außenpoli750 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 328; Polizzotto, Elect Nation, S. 216. 751 Zu diesen Jugendlichen vgl. Butters, Governors, S. 59–62. Schon 1506 fielen Antonfrancesco di

Luca di Antonio degli Albizzi (der Sohn jenes medicikritischen Amtsträgers mithin) und Filippo Strozzi auf, als sie u. a. mit Antonio di Luca degli Albizzi im Haus von Prinzivalle della Stufa – später an der Spitze einer Verschwörung gegen Soderini! – eine Maskerade aufführten; bei ihr handelte es sich vermutlich um jene von Bernardo Rucellai angestiftete, die sich gegen Soderini richten sollte. 752 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 326–332; Bullard, Filippo Strozzi, S. 45–60; Butters, Governors, S. 129–133.

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tisch gegen eine von den Buonvisi regierte Stadt, die seit Ende 1494 Pisa ständig mit Waren und vor allem Getreide belieferte, so daß die belagerte Stadt nicht auszuhungern war. Innenpolitisch aber zielte Soderinis Gesetz laut Guicciardini primär gegen Lanfredino Lanfredini, der das eigentliche Opfer dieser Maßnahme war.753 Guicciardini hatte mit dieser Einschätzung vollkommen Recht. Und wir wissen nun, daß nicht nur Lanfredino, sondern auch sein Freund und Partner Gianbattista Bracci dabei im Visier Soderinis gestanden haben muß, zumal Bracci schon viele Jahre früher – möglicherweise schon damals im Verein mit Lanfredino Lanfredini – als Kooperationspartner der Buonvisi im Getreidehandel aktiv gewesen war, von dem eben nicht zuletzt die Pisaner profitierten. Dieser Zusammenhang war den Florentinern unter Piero Soderini durchaus bekannt, als der Gonfaloniere 1504 eine neue und teure Großoffensive gegen Pisa durchsetzte. Zu seinen wenigen, scharfen Opponenten gehörte Lanfredino Lanfredini.754 Lanfredinis enge politische Kooperation mit den Salviati läßt sich an vielen Beispielen aufzeigen. Als Gianpaolo Baglioni im April 1505 seinen Vertrag als Condottiere der Florentiner beendete, setzten sich Lanfredino Lanfredini und Alamanno Salviati vehement für den Markgrafen von Mantua, Francesco Gonzaga, ein, während die Soderini-Partei erneut für Fabrizio Colonna plädierte.755 Wie schon bei den Panciatichi und der von Kardinal Giovanni de’ Medici geförderten Ernennung Baglionis als Orsini-Mann zeigte sich Lanfredino also erneut öffentlichkeitswirksam als Verbündeter der Salviati- und MediciPartei. Ob hinter dem Wunsch eines Soldvertrages für den Gonzaga wiederum der Medici stand, wird in den Quellen nicht explizit formuliert, anzunehmen ist es dennoch. Francesco Gonzaga war seit dem Oktober 1499 Träger des französischen Michaelsordens, hatte sich schon im Oktober 1502 vom französischen Hof in Lyon aus um eine condotta der Florentiner bemüht, mußte indes den Wünschen Ludwigs XII. folgen und 1503 an den Kämpfen im Königreich Neapel teilnehmen.756 Vor allem aber war er durch Freundschaft und Verwandtschaft den Sanseverino und den Medici eng verbunden, die mit Francesco Gonzaga somit alles andere als einen Gegner an der Spitze des Florentiner Heeres gehabt hätten. Im März 1507 reiste Kardinal Giovanni de’ Medici eigens nach Mantua, um stellvertretend für das ganze Kardinalskollegium die Taufe des neugeborenen Ferrante Gonzaga zu vollziehen (in der Regel ließen sich Kardinäle und Könige als Taufpaten durch Prokuratoren vertreten); Markgraf Francesco berichtete dem Kardinal Federico Sanseverino über diesen Akt, einem der Paten seines älteren Sohnes Federico.757 Zurück zur con-

753 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 311–314; Butters, Governors, S. 134f. (ihm erschien die

Ansicht Guicciardinis, Lanfredini sei das primäre Opfer des Handelsembargos gewesen, allerdings nicht zutreffend). 754 Vgl. Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 604; Butters, Governors, S. 88 (die Florentiner hatten damals von Pisaner Gefangenen vernommen, wie sehr die Stadt auf die Hilfe der von See über den Arno kommenden Schiffe aus Lucca, Siena und Genua angewiesen war). 755 Vgl. Butters, Governors, S. 93–95, 98–101. 756 Vgl. Coniglio, Politica, S. 160, 164f. 757 Luzio, Isabella d’Este ne’ primordi, S. 3 und Anm. 2. Zu Federico Sanseverino als Paten Federico Gonzagas 1502: Tamalio, Federico Gonzaga, S. 19, Anm. 15.

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dotta: Francesco Gonzaga unterzeichnete zwar den Vertrag im Juni 1505, doch nahm er sie nicht an, da Ludwig XII. sich weigerte, sie anzuerkennen.758 Ein weiteres Schlaglicht auf die intensive Verständigung zwischen Lanfredino Lanfredini und den beiden Salviati erhalten wir durch ein Zeugnis Jacopos, das während der letzten politischen Mission Jacopo Salviatis entstand, und das uns wieder an den Ausgangspunkt ihrer Verbindungen zu den Bartolini zurückführt. Salviati war Ende 1506 zusammen mit Francesco Gualterotti – seit 1492 durch seine Ehe mit Maria Maddalena Bartolini Schwiegersohn Bartolomeos – nach Neapel gesandt worden. Von dort sind uns Briefe Jacopos an Lanfredino überliefert; und wir hatten gehört, wie die beiden damals in authentischer, außergewöhnlicher Weise ihre Trennung und das Fehlen des Freundes beklagten. Zu dieser Zeit soll Gualterotti, der den Medici ablehnend gegenüberstand, sich von Soderini distanziert und der Salviati-Gruppe angeschlossen haben. Jacopo versuchte offenbar, ihn noch enger an sich und damit an die Medici-Partei zu binden. Natürlich unterrichtete er seinen Intimus Lanfredino hiervon ausführlich in seinen Briefen. Auch wenn er diesem beteuerte, noch einsamer als Lanfredino zu sein, da er gar niemanden in Neapel habe, mit dem er seine Angelegenheiten besprechen könne, konnte er Lanfredino doch versichern, daß es zwischen dessen Schwager (bzw. seinem Kollegen) und ihm, Jacopo, die größtmögliche Verbindung und Einigkeit gebe, die wohl je zwischen zwei Florentiner Gesandten geherrscht habe; sie wohnten mit gemeinsamen Spesen im gleichen Haus, und wenn sich die Absichten nicht änderten, könnten Jacopos und Gualterottis Wünsche die gleichen werden. Weiterhin erzählte er Lanfredino, daß er sich bemühe, sich vollkommen Gualterottis Wünschen anzupassen, um diesen für sich zu gewinnen, und daß er ihm sogar eine Eheverbindung ihrer Kinder vorgeschlagen habe.759 Tatsächlich wurde später Jacopos Tochter Francesca mit Piero Gualterotti verheiratet.760 Ganz im Sinne der mediceischen, Freundschaften und Loyalitäten verstärkenden Verwandtschaftspolitik beschlossen Lanfredino Lanfredini und Lorenzo Pucci 1501/02 eine Eheschließung, die Lorenzos im Januar 1475 geborenen jüngeren Bruder Piero sowie Lucrezia, eine offenbar noch sehr junge Tochter Lanfredinos, zusammenführte.761 Zahlreiche erhaltene Briefe Lorenzo Puccis an Lanfredino bezeugen, daß die neue Verwandt758 Butters, Governors, S. 100. 759 Vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 171 (5.12.1506, Jacopo Salviati aus Neapel an Lanfredino Lanfre-

dini in Florenz); Butters, Governors, S. 139. 760 Hurtubise, Salviati, S. 151, 499 (nach Piero Gualterottis Tod wurde Francesca in zweiter Ehe

mit Ottaviano di Lorenzo de’ Medici verheiratet). 761 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 126 (15.1.1501/02, Lorenzo Pucci, Rom, an Lanfredino Lanfredini in

Florenz: Er sei glücklich wegen des parentado seines Bruders Piero d’Antonio Pucci mit der Familie Lanfredinos; diese Ehe solle die Freundschaft der Pucci mit den Lanfredini verstärken; er selbst wolle wie ein Bruder für Lanfredino sein); zu Piero d’Antonio Pucci vgl. Litta, Famiglie IX, Tafel 5. Da Lucrezia Pucci erst 1561 stirbt und da der 1456 geborene Lanfredino aus seiner 1495 geschlossenen ersten Ehe mit Selvaggia Tornaquinci nur den 1495 geborenen Sohn Bartolomeo und aus seiner zweiten Ehe (1500) mit Francesca Bartolini erst 1503 einen Sohn Giovanni hatte, könnte seine Tochter Lucrezia aus einer unehelichen Verbindung stammen und 1501/02 noch recht jung gewesen sein.

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schaft tatsächlich zu einer umfassenden Intensivierung ihrer Verbindung führte. In ihnen ging es oft – wie konnte es selbst bei einem hohen Florentiner Geistlichen anders sein – um Geldgeschäfte (nie mit Geld spekulieren, das gegen Zins geliehen wurde, so etwa der Rat Puccis, nicht Lanfredinis!), um allgemeine Reflexionen über den angemessenen Zeitpunkt für die Bezahlung der Gläubiger und konkrete Schuldbegleichungen für den Pucci durch den Lanfredini. Schon am 14. September 1504 hatte Lorenzo Pucci gegenüber Lanfredino geklagt, sein (seit dem Juni übernommenes) neues Amt eines Kammerklerikers bringe zwar etwas Reputation, raube ihm aber viel Zeit, da er sich die Rechtssachen der Kaufleute und der Apostolischen Kammer anhören müsse, ohne Verdienst(!), und es schränke ihn bei der Ausübung seines Amtes als Abbreviator ein (das sich wohl lukrativer gestalten ließ).762 Dieses neue Amt koste ihn so pro Jahr 600 Dukaten – eine wahrlich beklagenswert hohe Summe. Lorenzo Pucci teilte dem Lanfredini sein Leid jedoch mit, weil sich daraus konkrete Folgen für einen gemeinsamen Plan ergaben. Offenkundig hatten beide Pläne geschmiedet, um Lorenzos Brüdern die Eröffnung eines Geschäftes zu ermöglichen. Lorenzo d’Antonio Pucci sah nun wegen seiner kurialen Finanzeinbußen Probleme, seine Brüder dabei über die von ihm gegebenen Summen hinaus finanziell zu unterstützen, doch würden sich die Voraussetzungen bessern, wenn seine Brüder (Alessandro, Roberto und Piero, der Schwiegersohn Lanfredinos) bestimmte Gelder von einem Francesco und Ludovico erhalten würden. Im positiven Fall sollte Lanfredino die Sache dann so entwerfen, wie Giovanni [Pandolfini vermutlich] sie ihm seitens Lorenzos darlegen würde. Ob dieses Geschäft Wirklichkeit wurde, ist nicht bekannt. Entscheidend ist die Intention und die gemeinsame Planung, in die offenbar auch Giovanni Pandolfini eingeschlossen war. Es hat darüber hinaus jedoch allen Anschein, als sei der Geistliche Lorenzo Pucci persönlich auch an säkularen Geschäften beteiligt gewesen, die gleichwohl den MediciInteressen dienten. Dafür gibt es mehrere deutliche Hinweise. Viel Raum nahm ein durch Lanfredino vermittelter Verkauf einer Mühle durch die Brüder Lorenzo, Alessandro, Roberto und Piero Pucci an Jacopo und Alamanno Salviati ein, da Alamanno eine ganz in der Nähe von Florenz gelegene Mühle wünschte. Offenkundig handelte es sich um ein altes Medici-Gut, das nun zum Tornabuoni-Erbe gehörte und mit verdeckten Winkelzügen innerhalb des Mediceer-Kreises gehalten wurde. Die Mühle brachte nämlich Wasser zu dem uns mittlerweile bestens bekannten Gutskomplex La Cascina bei Poggio a Caiano, wo sich neben der Medici-Villa im Umland die zahlreichen Landgüter der Medici befanden. (Dieses Gut wurde durch die Lanfredini-Bank und Cosimo Sassetti mit der RossiFraschi-Bank über heimliche Konten in Mailand und Lyon finanziell betreut.) Zudem werden von Pucci sehr deutlich, aber doch nie eindeutig die komplizierten Besitzrechte angesprochen, von denen ‚die Söhne‘ betroffen seien, die man nicht übergehen wollte. Mit diesen Söhnen können nur Giovanni und Leonardo di Lorenzo Tornabuoni gemeint sein, zu deren Prokuratoren Lanfredini und Alamanno Salviati ja gehörten. Pucci beriet 762 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 154 (14.9.1504, Lorenzo Pucci, Rom, an Lanfredino Lanfredini in

Florenz).

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sich daher im September und Oktober 1504 eingehend mit seinem Freund Lanfredino Lanfredini über den Verkauf der Mühle zum Preis von immerhin 4.000 Dukaten d’oro in oro larghi. Zunächst reflektierte er in einer nur den Eingeweihten verständlichen Form, daß es ihm ehrenwert erscheine, die Mühle unter seinem Namen zu verkaufen, obwohl sie anderen gehöre. Etwas später gab es trotz der gemeinsamen guten Absichten jedoch Irritationen unter den Beteiligten, weil er den Besitz ‚des Partners‘ (del compagnio) verkaufte. Wenn er damit Unrecht getan habe, so habe er sich doch in Übereinstimmung mit seinem Bruder Alessandro geirrt, der ein wesentlicher Nutznießer dieses Verkaufs war – jener Alessandro, der noch im Oktober 1495 zusammen mit Nofri Tornabuoni als staatsfeindlicher Medici-Partisan nach Florenz zitiert worden war.763 Der hohe Kuriale Lorenzo Pucci besaß so starke Interessen und Kompetenzen in Finanzsachen – nicht von ungefähr leitete er ja ab 1510 als Datar eine der größten und undurchsichtigsten Finanzbehörden der Kurie –, weil er offensichtlich noch viel stärker als bisher beschrieben als Kaufmann engagiert war. Zu den Mediceer-Banken in Rom gehörte auch jene, die unter dem Namen Bernardo Bini e compagnia di Roma lief und so wie die Ricasoli-Bank unter der Kontrolle von Puccis Freund Leonardo di Zanobi Bartolini stand. Der 1462 geborene Bernardo di Piero di Giovanni Bini kam aus einer Familie, die durch seinen Vater zu den engen Freunden der Medici gehörte.764 Die unter Bernardos Namen laufende Bank in Rom war also eindeutig eine mediceische, und Lorenzo Pucci muß in sie integriert gewesen sein, augenscheinlich sogar als Teilhaber. Denn am 20. Oktober 1509 schrieb die Bini-Bank an die Florentiner Lanfredini-Bank unter anderem über eine Zahlung der Lanfredini an messer Lorenzo Pucci sopra di noi. Der Pucci bediente sich also zumindest der Bini-Bank. Doch mit einem Postskriptum empfahl sich dann Bernardo Bini persönlich gegenüber Lanfredino, um ihm zu berichten, daß diese Krankheit ‚unseres Messer Lorenzo‘ (del nostro Messer Lorenzo) ihm großes Mißfallen bereitet habe und noch bereite. Sie sei so schwer, daß man diese Nacht befürchtete, er überstehe sie nicht; jetzt gehe es ihm aber wieder besser.765 Dieser messer Lorenzo aber war niemand anderes 763 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 154, 160–161 (14.9., 9. und 19.10. 1504, Lorenzo Pucci, Rom, an Lan-

fredino Lanfredini in Florenz), c. 164 (28.2.1505/06, Jacopo Salviati aus Florenz an Lanfredini, wegen ‚der Sache mit der Mühle‘ und einer damit zusammenhängenden ‚Rechtssache der Tornabuoni‘. Eine Mühle wurde sowohl im Kontext der Medici-Güter bei Poggio, die Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti 1496 für den Kauf der Lyoner Medici-Bank erhielten, als auch in dem der Alfonsina Orsini 1510 übertragenen Medici-Güter erwähnt (unum situm et una domus ad usum molandini sive mulini bei Castelnuovo, in Blickweite von La Cascina und Poggio a Caiano); ASF, MAP CLVII, c. 39r–42r. Zur Vorladung Alessandro Puccis 1495 s.o. S. 345. Alessandro d’Antonio Pucci blieb in diesem Kreis. Im Schuldbuch der von Alamanno und Jacopo Salviati sowie weiteren (ungenannten) Teilhabern 1509 gegründeten Gesellschaft für die Haltung von Nutzvieh wie Büffeln und Pferden (maghona di bestiame) fand sich für jenes Jahr ein eigener Posten für den Pucci; ASP I/607, c. 2/II. 764 Vgl. jetzt Rubin, Images, S. 248, 250; zu Bernardo s. Tratte, s.v. (bezeichnenderweise ist er während der Exilszeit der Medici nicht in den Tratte verzeichnet, nur vorher und nachher). 765 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 20.10.1509 (Bank des Bernardo Bini in Rom an die LanfrediniBank). Die Zuordnung der Bini-Bank zu Leonardo di Zanobi Bartolini ergibt sich aus instruktiven Konten in seinem 1512 als Generalprokurator des Kardinals Giovanni de’ Medici angeleg-

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als Lorenzo Pucci; daß er als ‚unser‘ bezeichnet wurde, indiziert in diesem Kontext eindeutig seine Zugehörigkeit zur Bank, die – da er kein Mitarbeiter gewesen sein kann – nur auf einer Teilhaberschaft beruhen konnte. Es gab zwischen den Pucci und Bini sogar eine enge, von Lorenzo de’ Medici persönlich gestiftete verwandtschaftliche Bindung, welche die partnerschaftliche Integration Lorenzo Puccis in die Bank von Bernardo Bini (bzw. die seines Namens) noch plausibler erscheinen läßt, die allein aber nicht die durch Binis ‚unser Lorenzo‘ formulierte Verbundenheit begründen kann. 1483 hatte Giannozzo Pucci in zweiter Ehe die 15-jährige Lucrezia di Piero Bini geheiratet, während ihr und Bernardos Bruder Francesco zur gleichen Zeit ein Mitglied der Medici-Familie ehelichte, Smeralda di Alamanno di Bernardo de’ Medici.766 Und eben weil die Bini-Bank mediceisch war, wird Leonardo da Vinci zwischen 1513 und 1516 aus ihrer Kasse seine monatlich 40 Dukaten Gehalt von Giuliano de’ Medici erhalten, für den der große Künstler 1515 in Rom auch jenes berühmte Porträt einer Dame anfertigte, das laut Zapperi mit der ‚Mona Lisa‘ des Pariser Louvre zu identifizieren ist!767 Wie schon bei der Mühlensache fällt auf, wie offen, wie familiär der Austausch zwischen den Beteiligten war. Sorgen wegen der schweren Krankheit Puccis sind mit Lanfredini in Florenz zu teilen. Als Lorenzo Pucci den beiden Salviati wegen der Mühle dankte, geschah dies mit einem Brief, den Lanfredino erhielt und lesen durfte. Dieser wirkte nicht nur als Vermittler bei dem Mühlenverkauf, sondern übermittelte auch Wünsche Puccis an die Salviati, darunter ganz gewöhnliche wie den, sie sollten Pucci melden, ob sie seine Briefe erhalten hätten. Die Wege zwischen dem Lanfredini und den Salviati müssen so kurz und so breit gewesen sein wie die zwischen Lanfredino und seinem Schwiegervater Bartolomeo Bartolini, der die Gedanken auch der Salviati und Lorenzo Puccis bewegte, denn immer wieder wollten sie von ihm hören.768

ten Geschäftsbuch, in welchen im übrigen ebenfalls eine Verfügungs- und Instruktionsgewalt Lorenzo Puccis über die Bank bzw. ihre Mitarbeiter bezeugt wird; vgl. ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 145/CXLV (24.12.1512 Bankspesen von 93 Kammerdukaten per più staffette e vantaggi fatti per hordine di Mons. da Pucci datario di Nostro Signore che disse per chose appartenere a nnoi [d.h. Leonardo und seine Mitarbeiter]). 766 Lightbown, Sandro Botticelli, S. 114–117 (nachdem Giannozzo Puccis erste Ehefrau am 8.8.1482 gestorben war, hatte sein Vater Antonio für die bald darauf geschlossene neue Ehe mit Lucrezia di Piero Bini bei Sandro Botticelli vier bemalte Holztafeln als Wandverkleidung für das Hochzeitszimmer bestellt, auf denen dann auch wegen Lorenzos Vermittlungsfunktion das Wappen und die Devisen der Medici abgebildet wurden); Rubin, Images, S. 248f.; zu den Tafeln vgl. etwa auch Botticelli e Filippino, S. 102–105. 767 Zapperi, Abschied, hier S. 87 (aus einer Liste der Bini-Bank von April bis Juli 1515 läßt sich erschließen, daß Giulianos Zahlungen für Leonardo während des gesamten Zeitraums über diese Bank erfolgten) u. 105 (im April/Mai 1515 erhielt Leonardo von Giuliano den Auftrag für die „Gioconda“, für die er daher ohne jeden Zweifel durch die Bini-Bank und somit durch eine unter der Obhut Leonardo di Zanobi Bartolinis stehende „Tochter“ der alten Medici-Bank sein Gehalt bekam). 768 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 127, 130, 154, 156, 160–161, 207, 211 (1502–1510, stets Lorenzo Pucci an Lanfredino Lanfredini).

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Einer dieser Briefe, der vom 14. September 1504, zeigt uns mit einer Momentaufnahme, wie sich die sozialen und politischen Erwartungen innerhalb des Netzwerkes zu einem bestimmten Zeitpunkt gestalten konnten.769 Nachdem Pucci gegenüber Lanfredino den Verkauf der Mühle, die gemeinsame Geschäftsgründung, seine finanziellen Einbußen an der Kurie, Schuldbegleichungen und das für das Private wie den Staat schlechte Verhalten von Piero Martelli erörtert hatte – wobei er auch hier dem Rat Lanfredinos folgen wollte –, kam er auf ein Gespräch mit Giovanni Pandolfini zu sprechen, der ihm ja ab und zu bei kurialen Akten assistierte.770 Lorenzo war nämlich, wie er seinem Freund und Verwandten erzählte, vom Pandolfini gefragt worden, ob sich Lanfredini denn mit Piero Soderini – dem Gonfaloniere auf Lebenszeit – vertrage oder verstehe. Pucci nahm dies an, doch wußte er nichts Genaues über Lanfredinis damaliges politisches Verhalten. Er meinte jedoch sagen zu können, daß ein so guter Bürger wie Lanfredino an das Wohl der Stadt Florenz denke, wie er es bisher immer getan habe. Pucci wollte den Brief an Lanfredino nicht beenden, ohne diesen zu bitten, so zu handeln, daß er damit seinen Freunden und Verwandten (zu denen neben den Tornaquinci-Tornabuoni und den Bartolini nun ebenso die Pucci gehörten) beistehen, helfen könne, offenbar nicht zuletzt deswegen, weil Lorenzo sich mit dem Gedanken trug, innerhalb der nächsten zwei Jahre nach Florenz zurückzukehren, um ein ruhigeres Leben zu genießen. Wie genau die vom Pucci und Pandolfini erwartete Haltung Lanfredinis gegenüber dem gegnerischen Gonfaloniere aussehen sollte, ist aus diesen Zeilen schwer herauszudeuten. Möglicherweise wollte Pucci, daß sich Lanfredini nicht wie die Salviati in eine zu offene Opposition zu Soderini begab; vielleicht intendierte er aber auch genau dieses. Lanfredino hatte sich gerade 1504 zusammen mit Alamanno Salviati für die Ernennung des von Giovanni de’ Medici gewünschten Baglioni als Florentiner Condottiere eingesetzt und sich damit dem Willen Soderinis entgegengestellt, gegen den er im gleichen Jahr zudem schärfstens wegen der Offensive gegen Pisa opponierte. Wie dem auch sei, bemerkenswert ist die klärende Unterredung der außerhalb von Florenz lebenden MediciFreunde über das Verhalten der unter den Medici-Gegnern agierenden Freunde. Nach all diesen Zeugnissen ist nicht mehr anzuzweifeln, daß Jacopo und Alamanno Salviati sowie Lanfredino Lanfredini während der Exilszeit nicht nur auf der wirtschaftlichen, sondern auch auf der politischen Ebene ihre aktive und ungebrochene Zugehörigkeit zum engeren Florentiner Medici-Netzwerk demonstrierten; sie gehörten daher zu den gefährdeten Freunden. Nur deshalb bezeichnete Kardinal Giovanni de’ Medici Lanfredino im April 1510 als seinen besonderen, hervorragenden Freund, der wie sein Vater (Jacopo Lanfredini) immer die Freundschaft mit dem Haus Medici gehalten habe771 – und solches waren wohlbedachte, alles andere als freundlich-hohle Worte! –; nur deshalb ist schließ-

769 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 154 (14.9.1504, Lorenzo Pucci, Rom, an Lanfredino Lanfredini in

Florenz); teilweise paraphrasiert bei Butters, Governors, S. 94f. (Giovanni Pandolfini war freilich mehr als nur ein Bekannter Puccis). 770 Vgl. oben S. 751. 771 S.o. S. 793f. mit Anm. 621.

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lich verständlich, daß Jacopo Salviati – sein Cousin und Bruder im Geiste Alamanno war schon 1510 gestorben – und Lanfredino Lanfredini zu den zentralen Figuren bei der Rückkehr der Medici 1512 zählen werden, und daß ihnen beiden durch die Medici eine herausragende Verantwortung in der neuen Regierung übertragen wird.772 Neben ihrer Loyalität und ihren zahlreichen konkreten Aktionen für die Medici wird ihnen diese führende Position im Florenz der Medici-Restitution vor allem auch durch einen Faktor zuteil werden, der ihnen zugleich während der republikanischen Phase eine Verurteilung erspart haben dürfte: ihre gewaltige Finanzkraft und -kompetenz! Florenz befand sich insbesondere durch die (vom Mediceer-Kreis immer wieder konterkarierten!) Kriegszüge gegen Pisa und durch die enormen finanziellen Forderungen des französischen Königs in einer desolaten Haushaltslage, die durch Mißernten und Hungersnöte noch verschärft wurde. Für die Bewältigung dieser Kosten und der laufenden Ausgaben für die städtischen Beamten und Gesandten war Florenz auf die Finanzeinlagen des Monte Comune angewiesen.773 Neben der regulären Aufgabe, die ordentlichen Ausgaben der Kommune zu regeln, wurde von den neu gewählten ufficiali del Monte mit einem schon vor 1495 praktizierten Verfahren in den Krisenjahren nach 1495 mittels eines Gesetzes erwartet, der Kommune sofort mit größeren Krediten von ca. 10.000 Fiorini für den Monte zu helfen, die wiederum durch die Einlagen des Monte bzw. durch die zu erwartenden Gelder von Zwangsanleihen abgesichert wurden, welche für die Finanzbedürfnisse der Stadt allein nicht mehr ausreichten. Die ufficiali konnten diese der Stadt vorgestreckten Summen aus ihrem Privatvermögen, aber auch durch eigene Kreditaufnahmen decken, wobei ihnen (bis 1502) der deutlich über sonstigen Renditen und erst recht der über der Verzinsung der Zwangsanleihen des Monte liegende Zins von 14% Anreiz zu möglichst hohen Krediten bieten sollte. (1502 mußte der Zins auf 8%, 1504 auf 6% abgesenkt werden.) Gerade die von den Dieci di Balìa ab 1495 benötigten und geforderten Gelder für die Kriege gegen Pisa führten somit zu einer Zwangssituation der Kommune, die von finanzkräftigen Bürgern gemildert werden konnte und sollte. Nur vor diesem Hintergrund ist überhaupt verstehbar, warum der als sehr reich geltende Lorenzo Tornabuoni am 28. April 1495 als Nachfolger seines verstorbenen Vaters Giovanni und nochmals am 8. Februar 1497 zum ufficiale del Monte bestimmt wurde und warum er trotz seiner gewaltigen Schulden bei der Stadt diese Position ausnutzen konnte, um nach Aussage des Denunzianten einen mit 10.000 Fiorini di grossi beachtlichen Teil des von ihm zur Tilgung der Medici-Schulden erhaltenen alten Medici-Vermögens zur zinsstarken Anlage beim Monte Comune zu verwenden. Aus den Büchern des Monte ergibt sich, daß Lorenzo Tornabuoni der Kommune sogar insgesamt 13.000 Fiorini di grossi als kurzfristigen Kredit zur Verfügung stellte. Er gehörte damit zur Spitzengruppe jener als ‚Gläubiger der 14%‘ bezeichneten Kreditoren, die wegen des Finanzbedarfs der Stadt über den Kreis der ufficiali hinausgingen und allein für den Zeitraum von Ende 772 S. bes. S. 964–982. 773 Vgl. hierzu und zum Folgenden jetzt Barteleit, Staatsverschuldung, bes. S. 73–84, 115–130,

145f., 150–160.

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November 1494 bis November 1496 den überaus hohen Betrag von fast 450.000 Fiorini zur Verfügung stellten. 42.000 Fiorini kamen von Benedetto de’ Nerli, 20.000 von Pagolantonio Strozzi. Doch bereits an dritter und vierter Stelle standen zwei evidente Mediceer, Alamanno Salviati, der 19.000 Fiorini als Kredit zu 14% gab, und Francesco Girolami mit 16.200 Fiorini. Aus dem Kreis der uns weiterhin als Mediceer bekannten oder anzunehmenden Großkreditoren sind dann noch Taddeo Gaddi (14.000), Battista Pandolfini (12.500) und Antonio del Giocondo (11.000 Fiorini) zu nennen. Auch die mit 14.200 Fiorini aufgeführte Gesellschaft von Pagolantonio Soderini und Matteo Strozzi kann den Mediceern zugeordnet werden: Matteo Strozzi war ein guter Freund der Salviati, seine mit Piero Corboli in Venedig betriebene Bank gehörte zum Netzwerk der Mediceer und half z. B. den Gagliano-Brüdern; Filippo da Gaglianos Verwandtschaft mit den Soderini-Brüdern ist ebenso schon angesprochen worden wie ihre gemeinsame Seidengesellschaft. In der Liste der Gläubiger mit mehr als 10.000 Fiorini sind Jacopo und Lanfredino nicht aufgeführt; ob sie zu diesen chreditori dei 14 per cento gehörten, denen ja per Gesetz bis 1499 ein Kredit von ca. 10.000 Fiorini abverlangt wurde, ist fraglich, da sie beide am 10. April 1503 erstmals dieses den reichsten Bürgern vorbehaltene Amt antraten, als der Zinssatz bereits auf 8% reduziert worden war. (Jacopo bekleidete das Amt dann nochmals 1506, 1509 und 1515, Alamanno 1504.) Aus diesem Kreis sind vorher nur Alamanno Salviati und Giovanni bzw. Lorenzo Tornabuoni zwischen 1495 und 1497 zu ufficiali gewählt worden.774 Die von Alamanno Salviati seit 1495 über fünf bzw. sieben Jahre verwalteten geheimen Monte-Kredite und Konten für Filippo da Gagliano sowie Francesco und Gherardo Guardi weisen auf Finanzpraktiken hin, mit denen die Salviati die Zwangslage der Kommune zugunsten von Mediceern ausnutzten. Trotz aller Vorbehalte und Verdächtigungen seitens der Medici-Feinde war die Stadt also fundamental auf die Finanzkraft und -kompetenz der Salviati, Tornabuoni und Lanfredini angewiesen. Das gleiche gilt mutatis mutandis für Bartolomeo und Giovanni Bartolini als kontinuierlichen Vorstehern der Florentiner Zecca, der Münze. Ihr für städtische Interessen – und so geschickt wie verborgen zugleich für die finanziellen Interessen der Mediceer – eingesetzter Reichtum bot ihnen zugleich einen politischen Schutz, der natürlich im Fall Lorenzo Tornabuonis aufgrund des Verrates im Sommer 1497 nicht mehr ausreichte. Doch die Abhängigkeit des hoch verschuldeten Florenz von finanzstarken Bürgern wie den Salviati und dem ebenfalls zu den größten Steuerzahlern zählenden Lanfredini gewährte ihnen – und hier ist selbstverständlich auch Giovanbattista Bracci oder ein Carlo Ginori einzubeziehen – einen beträchtlichen Freiraum, den sie für ihre promediceischen Aktivitäten und ihre Opposition gegen das republikanische Regime und dann besonders gegen Piero Soderini nutzen konnten.775 Deshalb gelang es Lanfredino so wie den Salviati und dem Bracci trotz aller Fluchten, Verdächtigungen, oppositionellen Handlungen, Verhöre, Sicherheitsverwahrungen und manifesten Verwicklungen – man 774 Barteleit, Staatsverschuldung, S. 226–229; vgl. auch oben S. 204, 225f. 775 Zu den Lanfredini als Mitgliedern der quantitativ kleinen Gruppe der größten Steuerzahler vgl.

auch Marks, Crisi finanziaria, S. 50f.

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denke nur an jene mit den Buonvisi und Lucca, die zu einer Stärkung Pisas führten, durch welche auf der Gegenseite die Finanzbelastung des mit längeren Kriegen belasteten Florenz erhöht wurde! –, einer Anklage wegen staatsfeindlicher Aktivitäten und einer Verbannung zu entgehen. Augenscheinlich verstanden sie es, auf dem äußerst schmalen Grat zwischen Loyalität zum Staat und aktiver Hilfe für die Medici und ihre Freunde zu balancieren, wobei ihre wirtschaftliche Kompetenz und Potenz ihnen in einem von Schulden und vielfachen Hungersnöten erdrückten Florentiner Staat mächtige Schutzschilde und jene Stabilität verlieh, mit welcher sie das Gleichgewicht halten konnten. Lanfredino Lanfredini und Jacopo wie Alamanno Salviati pflegten ihre Bindungen an das Haus Medici als selbstbewußte Patrizier und erfolgreiche, das Medici-Erbe rettende und tradierende Kaufleute und Bankiers, die auf klientelare Protektion nicht mehr angewiesen waren und eine Beteiligung an der Macht wie zu Zeiten Lorenzos intendierten, keine Unterordnung unter einen Alleinherrscher.776 Sie figurieren demnach als relativ autarke, aber zugleich mit vielfältigen Verknüpfungen versehene Knotenpunkte im Netzwerk der Medici – autarker zweifelsohne als die Bartolini oder ein Bracci. Ohne die gehobene soziale und relativ autonome politische Stellung der Salviati und des Lanfredini im Florenz der Savonarola- und Soderini-Zeit hätten die Medici allerdings auch niemals eine derart wirkungsvolle Unterstützung von ihnen erhalten können. Unser Triumvirat, ab 1510 auf zwei reduziert, verstand über die vielen Jahre von 1494 bis 1512 die Kunst des Chamäleons; es agierte unter Wahrung eigener Interessen als maßgeblicher Florentiner Freund der Medici, ohne je wirklich deswegen inkriminiert zu werden. Ein Vertreter einer neuen Medici-Generation wird später, 1514, Jacopo Salviati genau diese Kunstfertigkeit vorwerfen, das Florentiner System manipuliert zu haben, ohne verdächtige Spuren zu hinterlassen.777 Man wird diesen Balanceakt als politische Klugheit zu interpretieren haben, denn eine Verbannung auch dieser Persönlichkeiten hätte den Medici mehr als geschadet. Sie brauchten einflußreiche Freunde in Florenz, um realistische Hoffnungen auf eine Rückkehr hegen zu können. Als dies endlich nach so vielen Jahren und zerschlagenen Hoffnungen gelang, da bemerkte Lanfredino gegenüber Kardinal Giovanni de’ Medici mit Recht, diesen Erfolg hätten die Medici mehr dem Einsatz einfacher Bürger als ihren Soldaten verdankt; und Jacopo Salviati wird betonen, sein Handeln sei während der Exilszeit auf nichts anderes ausgerichtet gewesen, als seinen Medici-Verwandten die Rückkehr nach Florenz zu ermöglichen.778

776 Zur entsprechenden Haltung Jacopo Salviatis: Hurtubise, Salviati, S. 66. Polizzotto hatte gewis-

se Spannungen zwischen Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini auf der einen und bestimmten Teilen der Medici-Familie – die sich ja selbst keineswegs in allen Zielen einig war! – überbetont, aus dem Kontext gerissen und verabsolutiert, um jene als treue SavonarolaAnhänger in Opposition zu den Medici setzen zu können. 777 ASF, MAP CXVI, doc. 516; vgl. Polizzotto, Elect Nation, S. 231. 778 Vgl. Mansfield, Family, S. 228; s.u. S. 965.

VI. Giovanni de’ Medicis Balanceakt zwischen Papst Julius II. und Frankreich Sowohl für Piero als auch für Giovanni de’ Medici gab es nur ein Ziel, das ihr Exilsleben bestimmte: die Rückkehr nach Florenz, an die Herrschaft. Allein konnte ihnen dies niemals gelingen; sie waren auf helfende Kräfte angewiesen. Das waren zum einen ihre engeren Freunde, zum anderen äußere Mächte, die je auf ihre Weise den Erfolg der Medici herbeiführen konnten, wenn sie denn über ein ausreichendes Machtpotential verfügten. Bei dem Kreis der alten, etablierten Medici-Anhänger um Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini resultierte es aus politischem Einfluß, ökonomischer und finanzieller Stärke sowie sozialpolitischer Bindekraft. Bei den auswärtigen Mächten basierte das Potential für den Herrschaftswechsel in erster Linie aus militärischen Mitteln, doch diese erwiesen sich bei den treuesten Verbündeten aus dem Haus der Orsini sowie bei den durch weitere Verwandtschaftslinien oder Freundschaftsbündnisse nachgeordneten kleineren Potentaten aus den Häusern Vitelli, Petrucci, Baglioni, Bentivoglio als zu gering, um die Florentiner Tore mit Gewalt öffnen zu können. Mittelmächte wie Mailand und Venedig verfügten zwar über größere Militärkraft, doch waren sie untereinander Rivalen, verfolgten Eigeninteressen und scheuten einen Entscheidungskrieg mit Florenz. Wirkliche, effiziente Hebel stellten allein die politisch-militärische Großmacht Frankreich sowie das Papsttum mit seinen besonderen Möglichkeiten dar, die beide kraft ihrer Autorität und ihres Einflusses über weitere direkte wie indirekte Mittel zur Schwächung der Florentiner Medici-Gegner verfügten (etwa über die Stärkung von deren Feinden, über finanzielle Druckmittel und vieles mehr). Doch Frankreich war durch seine aus traditionellen wie aktuellen Gründen nicht zu negierende Allianz mit der Republik Florenz gleichsam ein einbeiniger und einarmiger Riese für die Medici, der seine Hand trotzdem während des gesamten Exils (und danach) über sie hielt. Die Päpste verfügten als eine der fünf großen italienischen Territorialmächte über eine schlagkräftige Armee, die sie zudem durch bedeutende Bündnispartner zu einem Machtfaktor ersten Ranges erhöhen konnten. Ihr Kirchenstaat grenzte im Norden, Osten und Süden direkt an das Florentiner Territorium; man konnte von dort in vielfältiger Weise auf das guelfische Florenz, die üblicherweise treue Tochter der Kirche, einwirken. Als Universalgewalt besaßen die Päpste weitere wirksame Mittel (bis hin zu Interdikt, Bann und Exkommunikation), die sie gesondert oder ergänzend zu den weltlichen einzusetzen vermochten. In ihrer Situation gab es somit nur eine Autorität, auf welche die Medici ihre Hoffnung setzen konnten, zumal Giovanni de’ Medici durch seinen Kardinalsrang den unmittelbarsten Zugang zu ihr besaß. Doch sprunghaft und unberechenbar erwies sich Papst Alexander VI. Wie trügerisch sein Wohlwollen sein, wie tragisch seine Feindschaft enden konnte, hatten wir anschaulich verfolgen können. Ganz anders zeigte sich der andere, zweite Papst, der nun für ebenfalls fast neun Jahre die letzte Exilshälfte der Medici bestimmte. Aber abhängig waren die Mediceer ebenso von dem seit 1503 regierenden Papst Julius II.,

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der ihnen dies denn auch in drastischer Weise vor Augen hielt. Nicht zuletzt aufgrund seiner Feindschaft zu Alexander VI., seines langjährigen, exilartigen Aufenthaltes in Frankreich und der von dort erhaltenen Protektion kam es durch Julius II. zunächst zu einer Vereinigung mit der französischen Krone, jener zweiten bedeutenden Macht, die sich bis 1503 entschiedener als Papst Alexander für die Medici eingesetzt hatte, jedoch durch die Florentiner Beharrlichkeit und übergeordnete Bündnisinteressen neutralisiert wurde. Gleichwohl: Ein mit Frankreich alliierter Papst Julius II. als verlängerter Arm der Medici-Ambitionen wirkte sich spürbar positiv für die Mediceer aus. Solange also diese beiden mächtigen Pole miteinander verbündet waren, profitierte der gesamte Medici-Kreis ungemein: von Ämtern, Benefizien, Begünstigungen, wachsendem Einfluß. Sollte es jedoch zum Konflikt zwischen diesen beiden Mächten kommen, mußte die mühsam erarbeitete Konsistenz des Netzes in Gefahr geraten. Und dies trat tatsächlich ein, in extremster Form sogar. Zwischen Julius II. und Frankreich brach eine erbitterte Feindseligkeit aus, die zu einer völligen Umkehrung, zum brachialen Bruch der bisherigen Kooperation und Allianz führte und in den Jahren 1511 und 1512 ihren Höhepunkt erreichte. Aber wurde mit dem völligen Dissens zwischen Julius II. und Frankreich auch das Netz der Medici-Freunde zerstört? Zerriß es durch die Scheidung in Anhänger des Papstes und Anhänger Frankreichs? Wie handelten unsere Protagonisten? Waren langjährig gewachsene Bindungen durch gemeinsame, gefahrvolle Aktivitäten, waren Loyalitäten und Freundschaften fester und tragender als politische Abhängigkeiten? Welchen Spielraum, welche Handlungsmöglichkeiten und -mittel besaß man überhaupt, welche Strategien konnte man entwickeln? Und welche Konsequenzen würden die jeweiligen Entscheidungen zeitigen? Die Antworten, die wir durch die Fokussierung auf die handelnden Personen des Netzwerkes erhalten, werden nicht die gleichen sein, die der Medici-Kreis der damaligen Öffentlichkeit gab. Was gesehen werden sollte, war eine schützende Farbschicht, die das eigentliche, das wesentliche und wertvolle Gemälde überdeckte. Erst nach dem Ende jener Konstellation, die zur Täuschung zwang, erst nach dem Tod Julius’ II. wird der Medici-Kreis, wird deren Haupt als nachfolgender Papst Leo X. zusammen mit seinen engsten Beratern schnell und konsequent die täuschende Deckschicht abtragen. Was sie verbarg, wird uns nun beschäftigen. Überraschungen seien prophezeit.

1. Julius II. als Freund Frankreichs und Förderer des Medici-Netzwerks (1503–1509) a) An der Kurie Bei der Charakterisierung der politischen Sympathien und Interessen Julius’ II. wird in der Regel sein wütender Kampf gegen die Franzosen in Italien hervorgehoben, ohne dabei zu betonen, daß diese Konfrontation erst die letzten Pontifikatsjahre des nun bärtigen, im Krieg stehenden Papstes bestimmte. Gut zwei Drittel seines Pontifikats aber zeigte er sich

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als enger Freund und Verbündeter Frankreichs. Diese auf seine langjährige „Exilszeit“ in Frankreich zurückgehende Einbindung in die französische Politik hatte dann z. B. die markante Folge, daß Ludwig XII. im Sommer 1500 angesichts des damals als wahrscheinlich angenommenen baldigen Todes von Alexander VI. die Wahl des Della RovereKardinals – nicht die von Georges d’Amboise! – wünschte und seinen neuen Interessenwahrer Federico Sanseverino mit einem entsprechenden Stimmverhalten instruierte. Als Giuliano della Rovere nach dem raschen Tod Pius’ III. am 1. November 1503 auch mit den Stimmen der Franzosen – und offenkundig durch maßgebliche Unterstützung von Georges d’Amboise!1 – zum Papst gewählt worden war, da bezeugte er seine Verbundenheit mit Frankreich vier Wochen später nicht nur mit dem Kardinalat für einen Neffen des Georges d’Amboise, sondern auch diesem zweitmächtigsten Mann Frankreichs gegenüber, indem er ihm am 4. Dezember 1503 nun erstmals die Legation für Frankreich auf Lebenszeit gewährte und ihm dazu die päpstlichen Territorien von Avignon und des Comtat Venaissin verlieh.2 Julius II. gab entscheidende Macht ab, um sie dem Franzosen zu übertragen. Mit einem weiteren Motu-proprio-Mandat bestätigte Julius II. am 7. Dezember 1503 Kardinal Georges d’Amboise als Legat des Hl. Stuhls in partes Gallie und erließ ihm alle Summen an Geldern und Sachen und alle iura, die er noch der Kammer und dem Papst schuldete.3 Für den Medici-Kreis wirkten sich die neuen Verhältnisse an der Kurie sofort in äußerst positiver Weise aus. Schon am 13. November 1503 gab Julius II. Leonardo di Zanobi Bartolini das Amt des thesaurarius provinicie patrimonii für drei Jahre, danach nach Wohlgefallen des Papstes. Der zentrale, seit 1497 ebenfalls exilierte Freund der Medici und ihr zweifellos wichtigster Finanzfachmann erhielt mit dem Schatzamt der Provinz des Patrimoniums Petri – nördlich von Rom im Kirchenstaat gelegen – ein sehr einflußreiches und lukratives Amt, das zugleich stark von den politischen Interessen des jeweiligen Papstes geprägt war. Unter dem medicinahen Innozenz VIII. hatte es Nofri Tornabuoni bekleidet, der damalige Direktor der römischen Medici-Bank und Schwiegervater Leonardo Bartolinis, wovon dann auch noch Giovanni de’ Medici als Legat für das Patrimonium (seit 15.4.1492) profitieren konnte.4 Doch diese günstige Konstellation währte nur kurz, denn mit dem Tod Innozenz’ VIII. änderten sich die Bedingungen grundlegend – zum Nachteil der Medici. Zwar blieb Giovanni Legat des Patrimoniums, doch der faktisch wesentlich bedeutendere Posten des Thesaurarius wurde dem kurzzeitig sogar vom neuen Borgia-Papst in Haft genommenen Nofri Tornabuoni sofort entzogen.5 Statt dessen erhielt das Amt des thesauriere, exactore et depositario in patrimonio am 4. November 1492 Alessandro Francio (Franchi) da Siena, ein Konkurrent der Medici, der es bis zum Amts-

1 2 3 4 5

Vgl. Dispacci di Giustinian II, S. 276. Vgl. oben S. 601. ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 57, fol. 27v. Picotti, Giovinezza, S. 373–377. Picotti, Giovinezza, S. 441f., 465–467, 473.

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antritt Leonardo Bartolinis am 3. Dezember 1503 bekleidete.6 Seinen Eid leistete Leonardo am 23. November 1503 auf Anordnung des päpstlichen Kämmerers allerdings lediglich in die Hände eines Notars, da er durch den Tod eines Sohnes von Nofri Tornabuoni als möglicherweise pestkrank galt.7 Nofri selbst war bereits kurz vor dem 30. September 1501 gestorben.8 Auch wenn Leonardo di Zanobi Bartolini sein Amt als Thesaurar des Patrimoniums erst Anfang Dezember 1503 antrat – einen aus den künftigen Einnahmen dieses Amtes zu tilgenden Kredit über 1.500 Kammerdukaten durfte er der päpstlichen Kammer und damit Julius II. schon am 18. November 1503 geben.9 Daß mit dem Bartolini stets auch dessen Patron, der Medici-Kardinal, sowie der Medici-Kreis in das neue päpstliche Interessenfeld einbezogen waren, zeigt sich anschaulich in dem nicht unwesentlichen Detail, daß nicht Leonardo Bartolini selbst die 1.500 Dukaten auf die Kammer brachte, sondern Antonio Dovizi da Bibbiena als Sekretär des Kardinals Giovanni de’ Medici. Möglicherweise stand der Medici sogar hinter diesem ersten registrierten Kredit für den Della RoverePapst. Sein Sekretär und dessen Bruder Simone da Bibbiena besorgten dann 1504 für die Gemeinde der zum Patrimonium gehörenden, aber dem Medici-Kardinal verliehenen Stadt Bolsena Geldzahlungen an Leonardo Bartolini als Thesaurar des Patrimoniums.10 Diese finanzielle Verantwortung der Medici-Leute in Bolsena dürfte über rein rechtliche Zuständigkeiten hinausgegangen sein, denn Bolsena als päpstliches Lehen Giovanni de’ Medicis hatte wie gesehen während der Kämpfe gegen Florenz eine fundamentale strategische Bedeutung für die Mediceer besessen. Dort amtierte als Giovannis Kommissar ein erklärter Medici-Anhänger, der Florentiner Silvestro degli Agostini (bzw. Salvestro di Salvestro d’Aghostino, genannt Riccio), den wir auch als Kunden der in den MediceerKaufleutekreis integrierten Gesellschaft von Giovanni und Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici vorstellen konnten.11 Im Patrimonium Petri wirkte allerdings 1504 nicht mehr Die genauen Daten in ASR, Camerale I, Tesorerie provinciali, Patrimonio di San Pietro, busta 27, registro 91 (libro di conti di Leonardo de Bartolinis di Firenze, vorgelegt am 7.4.1505), hier fol. 104r. Nach der Absetzung Nofri Tornabuonis amtierte noch der Florentiner Mediceer Domenico Alamanni bis zum November 1492 als Thesaurar; vgl. Picotti, Giovinezza, S. 526f., Anm. 24 (doch daß zwischen Alamanni und Francio noch zwei andere Personen als Thesaurare fungiert haben sollen, wie Picotti aus den Introitus et Exitus-Registern der Kammer eruiert hatte, stimmt mit den exakten Angaben aus Bartolinis Amtsbuch nicht überein; möglicherweise amtierten sie als Stellvertreter von Francio). 7 ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 56, fol. 21r. 8 Nofris Frau Creofe Alamanni war zum 30.9.1501 (und hier offenbar zum ersten Mal bezeugt) durch Giuliano da Gagliano in seinem Geschäftsbuch als Witwe bezeichnet worden; zu jenem Tag schenkte er ihr von Florenz aus über die Gesellschaft des Giovanni Pandolfini in Rom schwarzen Taft im Wert von 2 Dukaten und 4 Soldi; ASP IV/5, c. LXXXVII; IV/6, c. 59v. 9 ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 3v (Bartolini durfte zur Tilgung jährlich 500 Dukaten aus den Einnahmen einbehalten). 10 ASR, Camerale I, Tesorerie provinciali, Patrimonio di San Pietro, busta 27, registro 91, fol. 70r. 11 Vgl. oben S. 804; vgl. Picotti, Giovinezza, S. 473. Am 12.3.1494 hatte Silvester Augustini als commissarius cardinalis Johannis de’ Medicis einen Brief vom Lago di Bolsena an Piero de’ Medici geschickt; ASF, MAP XIX, doc. 502. Mit Silvestro bzw. Salvestro degli Agostini hatte 6

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Giovanni de’ Medici als Legat, sondern vom 27. Januar bis zum 26. Mai zunächst Giovanni Nicolini als Gouverneur, dem dann aber eine erklärte Zentralfigur des MediciNetzes folgte: Federico Sanseverino. Ihm hatte Julius II. am 24. Mai 1504 das ab dem 1. Juni für sieben Monate geltende Amt eines Legaten des Patrimoniums anvertraut.12 Hier durften und mußten Federico und Leonardo also in hochrangigen offiziellen Positionen miteinander kooperieren. Federico Sanseverino, unter Alexander VI. stets in heikler Lage befindlich und am Schluß fast ein weiteres Opfer des Borgia-Wahns, er profitierte als „italienischer Franzose in Rom“ also rasch von den neuen politischen Rahmenbedingungen des Della RoverePontifikats. Die Legation im Patrimonium stellt noch nicht einmal den Beginn solcher Gunstbeweise dar. Schon am 9. Dezember 1503 wies Julius II. den päpstlichen Kämmerer an, dem Sanseverino 3.000 Kammerdukaten aus leider nicht genauer erläuterten Gründen auszuzahlen (pro quibusdam causis et respectibus).13 Doch dies wird nicht für den mailändischen Adligen, sondern für den Sachwalter Frankreichs geschehen sein, wie der Kontext zeigt. Federicos eigentliche Stellung an der Kurie wird geradezu schlagend durch die genauen Bedingungen eines Kredites beleuchtet, den nun er dem Papst gab, und zwar über nicht weniger als 15.000 Kammerdukaten. Die Einzelheiten gehen aus einem Mandat Julius’ II. vom 20. Januar 1504 über die Rückzahlung hervor.14 Für ‚gewisse dringende Notwendigkeiten‘ des Papstes hatte der Sanseverino ihm jene 15.000 Kammerdukaten geliehen. Die vom Papst festgelegten Modalitäten der Rückzahlung geben eine kleine Sensation preis. Sein geliehenes Geld sollte Federico nämlich (innerhalb von zwei Jahren mit je 7.500 Dukaten pro Jahr) aus jenen Spiritualienzahlungen zurückerlangen, die aus dem Königreich Frankreich an die Kurie gelangten.15 Dabei ging es speziell nur um die hochwertigen Konsistorialbenefizien, die im geheimen Konsistorium von Papst und Kardinälen vergeben wurden, im Fall Frankreichs seit langem nur auf Wunsch bzw. mit Einwilligung des französischen Königs. Ist dies schon erstaunlich genug, so übertrifft eine weitere Formulierung des Papstes unsere bisherigen Einschätzungen über die Position

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auch Leonardo Bartolini früh Kontakt, so etwa kurz nach Beginn der Exilszeit am 9.3.1495, als Silvestro ihm über gestohlene Sachen schrieb und über bestimmte Dinge, die sich in seinen sicheren Händen befänden; vgl. ASF, MAP XXVI, doc. 587. Offensichtlich war Silvestro damals auch in das klandestine Finanzierungssystem der Exilierten integriert, denn Francesco Cegia vermerkte für 1496 in seinem Rechnungs- und Tagebuch: e piú siamo debitori a’ libro per chonto di Salvestro; Pampaloni, Ricordi, S. 231. ASR, Camerale I, Tesorerie provinciali, Patrimonio di San Pietro, busta 27, registro 91, fol. 103v–104r, und registro 92, fol. 116v–117r (sachliche Paralleleinträge zu registro 91, mit etwas anderem Wortlaut); Johannis Burckardi Liber notarum II, S. 452 (zur Ernennung Sanseverinos am 24.5.1504). ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 57, fol. 27r. ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 57, fol. 36v. Der Eingang der 15.000 Dukaten ist am 1.2.1504 in den Introitus et Exitus-Registern der Apostolischen Kammer registriert worden; vgl. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 17r, 111r. Der letzte, 640½ Dukaten betragende Posten zur Tilgung des Kredites über 15.000 Dukaten wurde allerdings erst am 1.8.1507 an Federico Sanseverino ausgezahlt; vgl. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 540, fol. 148r.

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Federicos am französischen Hof. Jene Provisionen mit Konsistorialbenefizien des Königreichs, d.h. die Expeditionen der entsprechenden Reskripte, für welche die Servitien zu zahlen waren, geschähen nämlich gewohnheitsmäßig durch diesen Kardinal Sanseverino bzw. gemäß seinem Bericht (ad relationem prefati reverendissimi cardinalis)! Federico Sanseverino war also tatsächlich seit seiner endgültigen Bindung an den französischen König im Sommer 1500 zu dessen alleinigem Sachwalter an der Kurie aufgestiegen und hatte dabei auch die hochpolitischen Besetzungen der französischen Bistümer und Konsistorialabteien im Interesse des Königs und in ständiger Abstimmung mit diesem umzusetzen und zu verantworten! Eine Bistumsbesetzung wie die von Tarbes für Thomas de Foix erfolgte an der Kurie somit nur nach den von ihm vorgetragenen Maßgaben – und von diesen profitierten dann auch seine Bankiers aus der Bartolini-Bank, wie wir am Beispiel der großen Pfründen des Thomas de Foix gesehen hatten.16 Wenn der Sanseverino seinen hohen Kredit über die französischen Spiritualienzahlungen an den Papst tilgen sollte, konnte dies wiederum nur mit Einwilligung Ludwigs XII. geschehen sein. Der König mußte ferner eine Art Garantie für eine künftige und sichere Transferierung der Gelder an die Kurie gegeben haben, die auf eine vorausgegangene Verständigung zwischen ihm und dem Papst schließen läßt. Daß dies alles andere als selbstverständlich war, wird sich einige Jahre später zeigen, als Ludwig XII. in seinem Kampf gegen Julius II. unter maßgeblicher Beteiligung von Federico Sanseverino ein antipäpstliches Konzil initiieren und alle für Frankreich geltenden Bullenexpeditionen durch die Kurie sowie alle französischen Zahlungen an diese unterbinden wird. Als dann etwas später Leonardo di Zanobi Bartolini 1513 einen gewaltigen Kredit an „seinen“ Medici-Papst Leo X. wiederum, d.h. nun aus sämtlichen Spiritualienzahlungen des französischen Königreichs tilgen durfte, war ein analoges Einverständnis zwischen Ludwig XII. und Leo X. vorausgegangen.17 Diese Form der Kredittilgung aber dürfte ihr Vorbild in jener gehabt haben, die zwischen dem Sanseverino, Ludwig XII. und Julius II. Anfang 1504 ausgehandelt wurde. Der Beginn des Pontifikats von Julius II. zeigt uns nicht nur den Papst und den Sanseverino in gegenseitig fördernder Eintracht, er dokumentiert nun auch mit kurialen Quellen die alte innige Vertrautheit zwischen dem Kardinal Federico Sanseverino und seinem Freund Leonardo di Zanobi Bartolini, dem Bankier des Medici-Kardinals. Sie wird durch eine Quelle vom 2. Februar 1504 sichtbar. An diesem Tag zahlte der päpstliche Kämmerer auf Anordnung Julius’ II., aber ohne Angabe eines speziellen Grundes, die Summe von 2.000 Kammerdukaten an den Kardinal Federico Sanseverino.18 In der Regel erschien ein Kardinal deswegen nicht persönlich auf der Apostolischen Kammer, sondern beauftragte einen Vertrauten, z. B. seinen Sekretär, mit der Aufgabe, das für ihn bestimmte Geld bar

16 Zu diesen gegenseitigen Förderungen s. etwa oben S. 752f., 774–779. 17 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 278–290. 18 ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 111r. Einzelheiten des päpstlichen Zahlungsmandates

sollten nach einer dort zu findenden Angabe im Band 57 der Libri diversarum der Kammer auf fol. 94 zu finden sein, doch ist ein entsprechender sachlicher Paralleleintrag in diesem Band nicht registriert worden.

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in Empfang zu nehmen.19 Doch am 2. Februar 1504 muß sich Federico an Leonardo di Zanobi Bartolini mit der Bitte gewandt haben, dieser möge für ihn auf die Apostolische Kammer gehen, um sich für ihn die abgezählte Summe von 2.000 Dukaten aushändigen zu lassen.20 Es ist eine jener historischen Momentaufnahmen, die so wie etwa die Zeugnisse der Florentiner Gesandten über die gemeinsamen Abendessen der Medici und des Sanseverino im Bartolini-Haus wahre Bände sprechen – und die von Kontinuitäten zeugen. Das innige Freundschaftsverhältnis des führenden Medici-Bankiers und governatore des Hauses Medici zu Federico Sanseverino blieb so vertraulich, wie es sich eben auch in einem solchen Dienst, dem Empfang und Transport einer beträchtlichen Bargeldsumme, äußern konnte. Federico Sanseverino wurde als Vertreter des französischen Königs von Papst Julius II. am Beginn seines Pontifikats mit Gunsterweisen geradezu überschüttet. Mit einer am 8. Dezember 1503 erlassenen Zahlungsanweisung befahl Julius II. seinem Kämmerer und seinem Thesaurar, an die guardiani, d.h. die Leiter der bedeutendsten römischen Bruderschaft, der des Bildes vom Salvator ad Sancta Sanctorum (die an anderer Stelle auch als Kustoden des Salvator-Hospitals bezeichnet werden), pro pensione domus dicti hospitalis, das zur Zeit der Kardinal Federico Sanseverino bewohne, rückwirkend zum 15. August 1503 jährlich 200 Dukaten über die als päpstlicher Depositar fungierende Bank der Sauli auszahlen zu lassen.21 Die Bruderschaft vom Bild des Erlösers besaß gerade im Rione Ponte einige Häuser und demnach ebenfalls eines an der Ecke der Via dei Banchi und der Via dei Pontefici bzw. Papalis, wo Federico nachweislich wohnte und für das Julius nun die Zahlung des jährlichen Mietzinses von 200 Dukaten aus der päpstlichen Kasse übernahm. Der Beginn des jährlichen Mietzyklus korrelierte im Jahr 1503 mit dem Todeskampf Alexanders VI., der am 18. August nach mehrtägigen Fieberanfällen starb. Noch Ende Juli 1503 waren Federico Sanseverino, seine französischen Gäste und seine Bedien19 So hatte Federicos Sekretär Hieronymus die am 9.12.1503 vom Papst angewiesenen, am 10.12.

vom Kämmerer ausgezahlten und am 14.12. verbuchten 3.000 Dukaten stellvertretend für seinen Herrn erhalten; diesen frühen Gunstbeweis hatten wir bereits angesprochen. Vgl. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 104v (solvit ducatos auri di camera tria milia sub die X presentis rmo. dno. Federico cardinali Sti. Severini [...] numeratos dno. Jeronimo eius secretario); ebd., Cam. Ap., Div. Cam. 57, fol. 27r. 20 ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 111r (solvit ducatos auri di camera duomilia de mandato sub die primo presentis rmo. dno. cardinali Scti. Severini [...] numeratos Leonardo Bartolini). 21 ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 57, fol. 26r (... solvi faciatis dilectis filiis Guardianis imaginis Salvatoris ad Sancta Sanctorum de Urbe ducati aurei di camera 200 singulis annis proxime futuris incipiendis die XV Augusti 1503 proxime preteriti pro pensione domus dicti hospitalis [s. Johannis] quam ad presens inhabitat dilectus filius Federicus s. Theodori diaconus cardinalis de Sancto Severino, datiert [8.12.] 1503); Intr. et Ex. 535, fol. 121v (am 27.3.1504 zahlte der Kämmerer gemäß der hier exakt datierten päpstlichen Anweisung vom 8.12.1503 den Kustoden die 200 Dukaten). Federico bewohnte das Haus bis zu seinem Tod 1516, damals mit 175 Duakten Mietzins; ABS 202, fol. 186v. 1348 hatte die compagnia del SS. Salvatore ad Sancta Sanctorum das Hospital von San Giovanni in Laterano in der Nähe des Baptisteriums gegründet bzw. errichtet, das deswegen auch Ospedale del Salvatore genannt wird. Zum Hausbesitz der Bruderschaft im Stadtbezirk Ponte vgl. etwa Burroughs, Below the Angel, S. 107.

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steten von 40 maskierten Bewaffneten beim Verlassen des Sanseverino-Hauses überfallen worden; ein Borgia-Auftrag stand zu vermuten. Mit den bisher aufgezeigten Gefälligkeiten des neuen Papstes hatte es noch längst nicht sein Bewenden. Alexander VI. hatte noch in seinen letzten Lebenstagen, Anfang August 1503, Federicos Bruder Alessandro Sanseverino als electus das Bistum Orvieto verliehen. Möglich wurde der Aufstieg, weil der bisherige Bischof sein Amt resignierte. Dies aber war ein Della Rovere, Giorgio, ein Bruder Giulianos, des späteren Papstes also. Als dieser den Papat erlangt hatte, bestätigte er nicht nur die Erhebung Alessandros zum Bischof von Orvieto, sondern erwies ihm zudem noch ein besonderes Entgegenkommen, indem er ihm sämtliche für diese Provision anfallenden Gebühren erließ sowie jene für die Bulle, mit welcher ihm die retentio beneficiorum, also die Erlaubnis zum Besitz seiner bisherigen Benefizien, gewährt worden war.22 Auch Alessandro hielt sich an der Kurie auf, wo er in den Wochen nach dem Tod Alexanders VI. im Auftrag seines Bruders mit Cesare Borgia verhandelt hatte. Im Oktober 1503 hatte er dann das einflußreiche, für die Bullenexpedition über die camera secreta, d.h. die päpstlichen Sekretäre, wichtige und teure Amt eines Summators gekauft, das er aber schon im Juni 1504 resignierte und bis dahin nicht in Besitz nahm.23 Zu den Auszeichnungen für die Familie Sanseverino zählte ebenfalls die condotta, die Federicos Bruder Gaspare alias Fracasso von Julius II. erhielt. Mit einem zeitlich nach Gutdünken des Papstes terminierten Vertrag begann er am 1. Juni 1504 sein militärisches Amt im Dienst des Papstes, das ihm die jährliche Summe von 4.000 Dukaten (de carlenis 10 pro ducato) einbrachte.24 Diese condotta wurde von Julius II. zum 30. Juni 1506 beendet.25 Sowohl dem französischen Hof als auch den Medici war der Franziskaner Giovanni di Domenico da Prato verbunden, den wir als Beichtvater des Kardinals Georges d’Amboise kennengelernt hatten.26 Nachdem er mit diesem im Frühjahr 1503 in Lyon gewesen war, begleitete er ihn ganz offensichtlich im Sommer zum Konklave nach Rom, denn im März

22 ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 57, fol. 77v–78r (ohne Datum, doch offenbar aus der ersten Jahres-

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hälfte 1504; dort das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Julius II. und Georgius, frater noster, belegt). Vgl. auch Eubel, Hierarchia II, S. 260; III, S. 323: Georgius della Rovere hatte wegen seiner langjährigen Gichtkrankheit schon seit längerem mehrere Koadjutoren. Nach Eubel sei ihm erst nach seinem Tod im Oktober 1511 ein neuer Bischof gefolgt, doch nannte sich Alessandro Sanseverino seit 1503 Bischof von Orvieto. (Die päpstliche Neubesetzung des Bistums im Jahr 1511 wird als eine Strafreaktion auf das schismatische Pisaner Konzil zu verstehen sein, denn Julius II. entzog deswegen auch Federico Sanseverino seine kirchlichen Ämter.) Paris de Grassis berichtet hingegen zu den verworrenen Besitzverhältnissen in Orvieto, Alexander VI. habe den aus Perugia stammenden Gentile Baglioni, der weder konsekriert noch Geistlicher gewesen sei, 1503 als Elekten von Orvieto seines Amtes enthoben und dafür (Alessandro) Sanseverino, den Bruder des Kardinals, eingesetzt; Frati, Spedizioni, S. 33. Vgl. Hofmann, Forschungen II, S. 105; Frenz, Kanzlei, S. 274, Nr. 76, und s.v. zum Amt des Summators; zu seinen Verhandlungen mit Cesare Borgia s.o. S. 598f. ASV, Arm. XXXIV, vol. 15 (Instrumenta cameralia 1499–1512), fol. 25r/v. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 538, fol. 213r. S.o. S. 591.

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1504 erhob ihn der neue Papst zum Bischof von L’Aquila.27 Eine Änderung der politischen Ausrichtung war mit diesem Amt freilich nicht verbunden. Schon Anfang Januar 1505 wurde er vom spanischen Vizekönig Gonsalvo di Cordoba nach Neapel bestellt und verhaftet, seine kirchlichen Einkünfte wurden sequestriert, galt er doch als „französisch“. Den Titel als Bischof durfte er zwar behalten, die Einnahmen zumindest in den ersten Jahren jedoch nicht. Dafür ernannte ihn Julius II. zu seinem Hausprälaten und gestattete ihm ein Wohnrecht im vatikanischen Palast.28 Giuliano della Rovere hatte seine französischen Gönner nach seiner Wahl zum Papst also wahrlich nicht enttäuscht. Ohne päpstliche Autorisierung wären auch die von Giovanni de’ Medici und seinem Freund Federico Sanseverino veranlaßten bedeutenden Benefizienverleihungen an Gherardo und vor allem an den jungen Lorenzo di Bartolomeo Bartolini nicht möglich gewesen, obwohl hierbei sicherlich auch die an der Kurie tätigen Medici-Freunde nachhalfen und zweifellos nicht alle Einzelheiten bis zum Papst vordrangen.

b) Außerhalb Roms Ein Zusammenspiel zwischen Papst, Frankreich und dem Medici-Kreis gab es gleichfalls gegenüber dem medicifeindlichen Florenz. Dahinter stand die neue Strategie zur Rückeroberung der Macht in Florenz: nicht mehr wie unter Piero mit ineffizienter Gewalt, sondern mit subtileren Mitteln, die in das Innere von Florenz zielten. Von kaum zu überschätzendem Wert für die Reputation der Medici in Florenz war schon die unzweideutige, in zahlreichen Einzelfällen bekundete Parteinahme Julius’ II. für die Medici und ihre Freunde. Anfang Juni 1504 war Giovanni Acciaiuoli als florentinischer Botschafter in Rom angewiesen worden, beim Papst wegen seiner Förderung von Florentiner Rebellen und Verbannten Protest einzulegen, da er ihnen den Aufenthalt in Città di Castello erlaubte, jener noch auf dem Gebiet des Kirchenstaates gelegenen Stadt unter der Herrschaft der Medici-Freunde aus dem Haus Vitelli.29 Es handelte sich um zahlreiche Florentiner Feinde aus Arezzo, Borgo Sansepolcro und Cortona; und daß solche Personen in der Regel Anhänger der Medici waren, wird auch in diesem Fall wieder deutlich. Kardinal Giovanni de’ Medici bezeugt es explizit, indem er sie als Ruinierte bezeichnete, die aus Liebe zu ihm und seinem Haus zu Rebellen geworden seien. Giovanni setzte sich persönlich bei Julius II. für sie ein, bei dem er auf offene Türen stieß. Die Florentiner Forderung an den Papst, er müsse ihnen den Aufenthalt in Città di Castello verbieten, lehnte Julius in ‚renitenter und harter‘ Form ab. Wenn er dem Botschafter dabei erklärte, hier weniger aus Wohlwollen für den Medici-Kardinal denn aus Mitleid und Barmherzigkeit zu handeln, wird man das genauso als diplomatische Rücksicht relativieren dürfen wie Giovannis Verteidigung seiner Fürsprache: Wenn sie nicht in Città di Castello bleiben könnten, 27 Vgl. Ferrajoli, Il ruolo della corte, S. 151; Eubel, Hierarchia III, S. 113. 28 Ferrajoli, Il ruolo della corte, S. 152f. 29 ASF, SR 26, c. 150–152 (6. und 8.6.1504, Giovanni Acciaiuoli aus Rom).

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müßte er die Rebellen in seinem Haus in Rom aufnehmen. Acciaiuoli, dem er dies glaubhaft zu machen versuchte, hatte sich in dieser Angelegenheit auch mit den Mediceern Giannozzo Pandolfini, Bischof von Troia, und Luigi Lotti, einem der Kanzler des MediciKardinals, auseinanderzusetzen, denen er vergeblich das Skandalöse am Verhalten von Giovanni de’ Medici klarzumachen versuchte. Julius II. und Giovanni de’ Medici fanden viele Wege, Florenz zu brüskieren. Neben solchen demonstrativen Akten für die Feinde der Regierung sind die Anstrengungen hervorzuheben, Freunde in wichtigen Ämtern zu positionieren, politische Gegner in Florenz nach Möglichkeit zu neutralisieren, den Feinden Niederlagen zu bereiten, sie dadurch zu diskreditieren und in ihrer Autorität zu schwächen, um so einen „weichen“, organischen Machtwechsel zu erzielen. Wir sahen, wie Julius II. die Medici vehement bei der politischen Eheschließung zwischen Pieros Tochter Clarice und Filippo Strozzi unterstützte und wie es Giovanni de’ Medici unter maßgeblicher Hilfe seiner in Florenz ansässigen Freunde gelungen war, weitere politische Entscheidungen der Stadt mitzubestimmen. 1508 beispielsweise konnten sie, die Medici, Salviati und Orsini, einen großen Erfolg erzielen, als sie gegen die Interessen der Soderini mit Cosimo de’ Pazzi ihren Kandidaten als neuen Florentiner Erzbischof installieren konnten. Doch einige Jahre früher, unmittelbar nach dem Tod von Piero de’ Medici, bildete Pisa den großen Hebel für den nun ganz aus dem Inneren von Florenz einzuleitenden Machtwechsel. Es ließ sich bereits mehrfach erkennen, welch vielfältig gutes Verhältnis zwischen den Medici und Pisa herrschte, das ja auch auf die tatkräftige Unterstützung der Buonvisi, Lanfredino Lanfredinis und Gianbattista Braccis bauen konnte. Den Mediceern mußte zugleich daran liegen, Florenz im Zuge der Kämpfe gegen Pisa so zu zermürben, daß der daraus resultierende Widerwille und Protest ihre Feinde in die Knie zwang. Schon der mächtigste Verbündete der Medici, Frankreich, spielte bestens auf der Klaviatur dieser Strategie, wobei es weder zu beantworten noch zu entscheiden ist, ob dies mehr im französischen oder mediceischen Interesse erfolgte. Frankreich, der janusköpfige Alliierte der Florentiner, ließ sich von Florenz zwar jährlich 40.000 Scudi für seine Unterstützung zahlen (die wiederum durch die drückenden Steuerlasten Unzufriedenheit in Florenz hervorriefen, auch gegen das herrschende Regime), griff aber niemals beherzt ein, um den Florentinern die erneute Okkupation Pisas zu ermöglichen. Als hingegen der zweitwichtigste und ab Ende 1503 kaum noch potentielle Bündnispartner der Medici, als der Papst im Frühjahr 1504 auf diplomatischem Weg einen Ausgleich zwischen Pisa und Florenz arrangieren wollte, um sich so Florenz zu verpflichten, wurde Kardinal Giovanni de’ Medici aktiv, um den Elan des Papstes zu bremsen. Daß er dies auf eine sehr offene und ehrliche Weise tat, lag allerdings wiederum an seinem hervorragenden Verhältnis zum neuen Papst. Am 15. März 1504 suchte Giovanni de’ Medici Julius II. im Vatikan auf, um eine päpstliche Vermittlung zwischen Pisa und Florenz zu verhindern.30 Sein entscheidendes Argument lag eben in der explizit bekundeten guten Disposition der Pisaner gegenüber 30 Vgl. Dispacci di Giustinian II, S. 23f., Nr. 793 (16.3.1504, Rom).

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dem Haus Medici. Pisa würde sich wesentlich leichter zu einem ehrlichen Abkommen mit Florenz bewegen lassen, wenn die Medici in ihre Heimatstadt zurückgekehrt seien. Erst dann, so bat Giovanni also den Papst, solle dieser die Verständigung bewirken. Julius II. antwortete auf dieses erstaunliche Anliegen in bemerkenswert wohlgesinnter Weise. Wenn er feststelle, daß die Pisaner tatsächlich jenen Wunsch hätten, so werde er sich für die Interessen des Medici und seines Hauses einsetzen – vor allem da es offensichtlich sei, daß die Florentiner nach dem Tod Piero de’ Medicis dessen Haus erheblich stärker zugetan seien als vorher. Der Kardinal sorgte daraufhin dafür, daß ein Kommissionär der Pisaner vor dem Papst ihre gute Disposition gegenüber den Medici bezeugte. Piero Soderini hingegen brauchte dringend einen Erfolg gegen Pisa, um seine Herrschaft zu festigen und die Rückkehr der Medici zu verhindern; diese wiederum mußten daher mit aller Macht eine Eroberung Pisas unter der Ägide ihres Gegners verhindern. Mittlerweile war es in Italien ein offenes Geheimnis, daß die Medici darin das wirksamste Instrument für eine Rückkehr nach Florenz sahen.31 Eine Entscheidung pro oder contra drohte im Jahr 1505. Im März hatten die Pisaner die Florentiner Truppen unter Luca Savelli besiegt und Teile ihres verlorenen Territoriums wiedergewonnen. Soderini plante nun einen gezielten, konzentrierten Angriff auf die Stadt Pisa und setzte dabei auf seinen wichtigsten Condottiere, Gianpaolo Baglioni. Doch völlig überraschend weigerte sich Baglioni, seinen Vertrag weiter zu erfüllen und Pisa anzugreifen – eine herbe Schlappe für den Gonfaloniere. Die Ursache lag in entsprechenden Maßnahmen der Medici-Partei! Wir hatten gesehen, wie die Mediceer 1504 Gianpaolo Baglioni als neuen Söldnerführer durchgesetzt hatten; er galt als Mann der Medici und Orsini, wurde in Florenz namentlich von Alamanno Salviati und Lanfredino Lanfredini gefördert, die gegen die Soderini allerdings nicht die gleichzeitige Ernennung eines (gegnerischen) Colonna und Savelli verhindern konnten.32 In Baglionis Weigerung läßt sich nun vortrefflich erkennen, wie klug und wichtig der damalige Teilerfolg der Mediceer gewesen war. Seine Entscheidung vom Frühjahr 1505 brauchte er freilich nicht in isolierter Reflexion zu fällen. Es war in jenen Aprilwochen zu einer breiten Verständigung der in jener Region verwurzelten Medici-Freunde gekommen; die Initiative ging offenkundig von Kardinal Giovanni de’ Medici aus, der dabei auf alte Vertraute bauen konnte: Pandolfo Petrucci, den Stadtherrn von Siena, Raffaele Petrucci, den nunmehrigen Bischof von Grosseto, Freunde aus Lucca und das Haus Orsini.33 Niccolò Machiavelli, den die Signoria damals zu Baglioni gesandt hatte, konnte nicht nur von solchen geheimen Praktiken berichten, sondern auch von einer auffallend emsigen Tätigkeit des Goro Ghieri aus Pistoia in der Umgebung Baglionis, also von einer offensichtlichen Beteiligung jenes Medici-Freundes, den Machiavelli zwei Jahre vorher aus der Haft der Borgia-Truppen freikaufen lassen wollte, um ihn den Florentiner

31 Dispacci di Giustinian III, S. 479, Nr. 1206 (9.4.1505, Rom). 32 Hierzu oben S. 825 (Marcantonio Colonna und Jacopo Savelli). 33 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 614–617 (VI/13, 14); Ders., Storie fiorentine, S. 276f.;

Butters, Governors, S. 92f.

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Medici-Gegnern und damit potentiell einem Florentiner Schafott zu überantworten.34 Machiavelli erwähnte weiterhin Piero Bartolini, der in Abstimmung mit der Florentiner Signoria eine ihn betreffende Sache mit Baglioni besprochen habe. Bei ihm handelt es sich ganz sicher um Piero di Bernardo Bartolini, einen Cousin des Leonardo di Bartolomeo Bartolini und seiner Brüder sowie des Piero di Marco Bartolini, der ja für die Bartolini-Gesellschaft in Lyon und Mailand arbeitete. Piero di Bernardo lebte damals in Florenz, wird aber von Cerretani schon unmittelbar bei der Rückkehr der Medici neben den Pucci und Tornabuoni als erklärter Anhänger der Medici genannt.35 Da er diese Sympathien nicht erst im September 1512 entdeckt haben wird, ist es gut möglich, daß er wie seine Florentiner Verwandten zu den mehr oder minder heimlichen Förderern der Medici gehörte und im April 1505 eigene Angelegenheiten nur als Vorwand benutzte, um für die Medici bei Baglioni zu wirken. Parallel zur Herauslösung Gianpaolo Baglionis aus seiner Loyalitätsverpflichtung für Piero Soderini waren die Mediceer bestrebt, Pisa auch aktiv zu fördern. Zu diesem Zweck wandten sich Pandolfo Petrucci und Raffaele Petrucci, der im (neuen) Palazzo von Kardinal Giovanni de’ Medici wohnte, Anfang April 1505 an die Republik Venedig, sie möge die Pisaner nachhaltig unterstützen.36 Ein anderes Mittel suchten und fanden die Mediceer in der Verpflichtung eines mächtigen und gut vertrauten Söldnerführers. Es gelang ihnen, Bartolomeo d’Alviano zurückzugewinnen, den gefürchteten Condottiere aus dem Haus Orsini, der 1503 aus Verärgerung über die französische Unterstützung für Cesare Borgia, den Intimfeind der Orsini, auf die spanische Seite gewechselt war, nun aber nicht nur aufgrund eines Zwistes mit Gonsalvo di Cordoba, dem Vizekönig in Neapel, in den Schoß der Orsini-Medici-Familie zurückkehrte. Bereits in jenen Tagen, als Kardinal Giovanni de’ Medici Mitte März 1504 seinen Gönner Julius II. dazu bewog, seine beabsichtigte Vermittlung zwischen Pisa und Florenz bis zur Restitution der Medici aufzuschieben, hatte er sich Hoffnungen gemacht, den Orsini-Schwager aus seinen neapolitanischen Bindungen lösen zu können. Mit entsprechender Instruktion hatte er daher Bernardo da Bibbiena nach Neapel gesandt.37

34 Vgl. Machiavelli, Legazioni IV (ed. F. Chiappelli), S. 77–85. 35 Cerretani, Ricordi, S. 287, vgl. S. 272 (im Mai 1512 noch Florentiner Kommissar in der Lom-

bardei und Offizier von 300 Lanzen an der Seite König Ludwigs XII.); vgl. auch Ildefonso, Delizie, S. 348–350, Nr. 159 (1516 war er commissario generale di guerra der Medici in Borgo Sansepolcro). Seine Zugehörigkeit zur Medici-Partei zeigt sich z. B. am 7.11.1514, als Piero di Bernardo Bartolini in seinem Namen und dem seines ‚Onkels‘ Giovanbattista Bartolini den faktischen Herrscher von Florenz, seinen ‚Patron‘ Lorenzo di Piero de’ Medici, bat, für die im Dezember stattfindende Wahl der 12 buoni homini seinen Schwager Francesco di Mauro Arrighetti zu berücksichtigen, perché è di qualità, che vi farà honore; ASF, MAP CXVI, doc. 461. (Piero bezeichnete Gianbattista di Niccolò zwar als seinen zio, doch leiblicher Onkel wäre dieser nur gewesen, wenn es sich um Pierfilippo di Bernardo di Niccolò Bartolini gehandelt hätte, der damals noch in Toulouse für die Bartolini-Bank wirkte.) 36 Dispacci di Giustinian III, S. 479, Nr. 1206 (9.4.1505, Rom). 37 Dispacci di Giustinian III, S. 23f., Nr. 793 (16.3.1504, Rom).

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Als Bartolomeo d’Alviano dann bald darauf an der Seite der Mediceer stand, gab es Gerede, daß diese nicht nur einen Triumph Soderinis über Pisa verhindern, sondern mit Hilfe der Truppen Petruccis, Baglionis und d’Alvianos Florenz militärisch in die Knie zwingen wollten.38 Ob dies aber tatsächlich von Giovanni de’ Medici und seinen engeren Freunden beabsichtigt oder gar getragen wurde, ist mit Blick auf die neue Strategie Giovannis überaus fraglich. Evident ist freilich, daß er Soderinis Autorität durch militärische Niederlagen unterminieren wollte, hinter denen die Medici (aus patriotischen Gründen) nicht offen zu erkennen waren und die sich nicht direkt gegen die Stadt richten durften. In Florenz hörte man hierzu im April 1505 jedoch von einem erstaunlichen Treffen in Bagno bei Siena. Dort sollen Giuliano de’ Medici, Kardinal Federico Sanseverino, Pandolfo Petrucci, Bartolomeo d’Alviano, Gianpaolo Baglioni und je ein Mandatar Venedigs und Neapels zusammengekommen sein, um nicht nur Maßnahmen zur Rückkehr der Medici nach Florenz zu beschließen, sondern auch der Sforza nach Mailand, um also eine Vertreibung der Franzosen aus dem Herzogtum zu bereden. Irritierend erscheint dem Historiker dabei die Beteiligung Ascanio Sforzas, der mit Hilfe der Spanier und des Bartolomeo d’Alviano zunächst im profranzösischen Florenz, dann in Mailand den Machtwechsel herbeiführen wollte.39 Es mag so mancher manch anderen zu instrumentalisieren versucht haben, ganz sicher aber werden Giuliano de’ Medici, Federico Sanseverino und ihre Freunde über die Vertreibung Soderinis aus Florenz hinaus keinen Angriff auf das französische Mailand gutgeheißen oder gar gefördert haben; und sehr wahrscheinlich werden sie nach den desaströsen Erfahrungen unter Piero de’ Medici den Sturz Soderinis nicht mehr mit militärischer Gewalt gegen die Mauern „ihrer Stadt“ intendiert haben. Auch mit Blick auf die vorgebliche Wendung gegen Frankreich stellt sich die Gewißheit des Chronisten als Gerücht heraus. Es war gerade Federico Sanseverino, der Frankreich und insbesondere seinen Freund und Gönner Georges d’Amboise über jene Umtriebe Ascanios informierte, ihn gegen den Sforza aufwiegelte und ihm vorschlug, diesem zur Strafe die Legation für Bologna durch den Papst entziehen und sie ihm, dem Sanseverino, verleihen zu lassen. Julius II. verbat sich solche Einmischung Frankreichs in die Autorität des Papstes – um Ascanio dennoch als Legaten abzusetzen und durch seinen Neffen Galeotto della Rovere zu ersetzen.40 (Ascanios Tod im Mai 1505 hatte seinen Intrigen dann ein Ende bereitet und den Sanseverino in den Besitz seines Bistums Novara gebracht.) Nach der Brüskierung durch Gianpaolo Baglioni hatte Florenz versucht, die Schmach durch die Verpflichtung des Mantuaner Markgrafen Francesco Gonzaga wettzumachen. Auch dabei mußte die Soderini-Partei eine Niederlage hinnehmen, denn der Gonzaga, 38 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 617f. (VI/14). Giangiordano Orsini wollte schon im März 1504

seinen Verwandten Alviano zudem zu einer Verständigung und Einigung mit Frankreich bewegen, doch wies er dies mit Hinweis auf die von Venedig erhaltenen Gelder zurück; Sanuto, Diarii V, Sp. 1014. 39 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 104; Butters, Governors, S. 93; Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 825, 841–845. 40 Pellegrini, Ascanio Maria Sforza, S. 825f.

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Ritter des Michaelsordens, berief sich auf ein Veto des französischen Königs, der Florenz nicht auf diese Weise unterstützen wollte und sich zudem gegen seinen Verbündeten stellte, weil die Florentiner Subsidien nicht ordnungsgemäß eingegangen seien. Die ArnoRepublik wandte sich daher erneut an die Colonna, die Orsini-Feinde. Als Bartolomeo d’Alviano, Renzo Orsini und Gianpaolo Baglioni im Sommer 1505 gegen die Florentiner Truppen vorgingen, mußten sie freilich im August bei San Vincenzo (nördlich von Piombino) eine schwere Niederlage gegen die florentinischen Soldaten unter Führung des Medici-Hassers Antonio Giacomini (sein Vater hatte 1434 die Rache der Medici zu spüren bekommen) und des Ercole Bentivoglio hinnehmen.41 Soderini nutzte die Gunst der Stunde und setzte mit Mehrheiten, die er in zwei großen Ratsversammlungen gegen die Opposition eines Jacopo Salviati und (erstmals auch Francesco Gualterotti) erzielen konnte, eine erneute, teure Attacke auf Pisa durch. Sie wurde für die Florentiner zum Desaster.42 Ein oberflächlicher Beobachter hätte erwarten können, daß der große Bruder Frankreich seinem geschlagenen Alliierten jetzt zur Hilfe gekommen wäre. Weit gefehlt: Frankreich drehte die Daumenschrauben im Oktober noch enger! Mit Nachdruck, zornig forderte Ludwig XII. gerade jetzt die ihm noch zustehende Summe von 25.000 Fiorini, andernfalls würde er sich an die Florentiner Kaufleute in Frankreich halten. Einen Bartolini hätte er freilich gewiß nicht belangt, wie überhaupt diese Aktion generell dem MediciKreis nutzen konnte. Ganz konkret förderte Ludwig XII. im Frühsommer 1505 denn auch die finanziellen Interessen von Giovanni und Giuliano de’ Medici, die am Parlament von Paris einen Prozeß eröffneten bzw. anstrengen durften, mit dem sie die im November 1495 von Guillaume Briçonnet vorgeblich für Guillaume de Bische (den alten Gläubiger der Medici-Bank in Brügge) einkassierten 17.500 Dukaten zunächst von dessen Erben, dann aber vom eigentlichen Nutznießer Briçonnet zurückforderten, der mittlerweile seine Gunst am französischen Hof verloren hatte.43 Die Medici und ihre Bankiers, die sicherlich an dem Prozeßvorgang beteiligt waren, vergaßen einen solchen Griff in ihre Kassen nicht! Ihr Anliegen ist zweifellos vom König, von den Kardinälen Georges d’Amboise und Federico Sanseverino sowie generell durch die französisch-päpstliche Allianz unterstützt worden. Als Briçonnet nach sechs bis Januar 1507 durchgeführten, auch die Florentiner Bankiers in Lyon einbeziehenden Audienzen des Parlaments realisieren mußte, daß er den Prozeß verlieren würde, bemühte er sich in den folgenden Monaten, mit Giovanni und Giuliano in Rom zu einer Einigung zu kom41 Cerretani, Ricordi, S. 108–111; Butters, Governors, S. 100f. 42 Cerretani, Ricordi, S. 111–114; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 623–627 (VI/15); Butters, Go-

vernors, S. 101–104. 43 Vgl. Chevalier, Le cardinal Briçonnet et l’affaire; s.o. S. 34f. zum Vorgang vom November

1495. Während des Prozesses erwies sich, daß Maximilian von Habsburg 1480 das BischeDepot bei Tommaso Portinari hatte konfiszieren lassen und daß Guillaume de Bische dafür dann von Ludwig XI. eine finanzielle Kompensation erhalten hatte; dadurch und weil weder die Lyoner noch die anderen Medici-Banken für die Brügger Schulden haften wollten, sind die wirklichen Rechtsansprüche natürlich nochmals komplizierter geworden, während der Nachweis einer unrechtmäßigen Aneignung der 17.500 Dukaten durch Briçonnet die Sache wiederum vereinfachte.

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men, die am 6. Oktober 1507 erzielt wurde und ihm erlaubte, nur die Hälfte des geforderten Betrages bezahlen zu müssen. Das Pariser Parlament bestätigte den Vergleich am 4. April 1508 und ordnete die Auszahlung in zwei Raten an. Über den Einzelfall, den finanziellen (Teil-)Erfolg der Medici über ihren alten Gegner Briçonnet hinaus ist bemerkenswert, daß die Medici 1505 am Pariser Gericht einen Prozeß eröffnen durften, der es ihnen erlaubte, eine alte Schuld der Brügger Medici-Bank bei einem einst hochrangigen Mitglied des französischen Hofes (das freilich auf anderem Wege ganz oder teilweise Kompensation erhalten hatte) faktisch annullieren zu lassen, und der in ebenfalls konkreter Konsequenz einen der aktuell ranghöchsten Würdenträger des Hofes belasten und inkriminieren würde – während der König zur gleichen Zeit mit Druck auf Florentiner Bankiers in Frankreich Geld von der Florentiner Regierung forderte, die immer noch Gläubiger der Medici war, sich weiterhin mit anderen Ansprüchen früherer Medici-Gläubiger konfrontiert sah und der man mit gutem Willen aus diesen Gründen das Geld Briçonnets hätte zugestehen können. Doch Frankreich zeigte auch hier, wer sein eigentlicher florentinischer Verbündeter war. Piero Soderini mußte statt dessen nach anderen Wegen suchen, um den schmerzhaften Betrag von 25.000 Fiorini aufzubringen. Er wollte es durch einen vom Florentiner Klerus erhobenen Zehnten eintreiben lassen. Es erscheint wie eine gezielte Kooperation zwischen Frankreich und dem Papst, daß Julius II. den Florentinern keine Erlaubnis zur Erhebung des Zehnten geben wollte, während er sie Frankreich und selbst Venedig gewährte!44 Daß gerade dieser letzte Empfänger eine solche Gnade erhielt, mußte Florenz besonders irritieren, geradezu demütigen. Denn Julius II. hatte seit Beginn seines Pontifikats deutlich und ohne jeden Zweifel vor allem einen Staat auf die Anklagebank gesetzt: Venedig. Die Markus-Republik hatte die päpstliche Ehre und Autorität durch die Okkupation von Städten wie Faenza, Rimini und Cesena, die zum päpstlichen Territorium in der Romagna gehörten, nachhaltig verletzt. Da Venedig diese Ausdehnungspolitik nicht revidieren wollte, sondern im Gegenteil noch fortführte, gab es für Julius II. nur eine Lösung. Gegen das mächtige Venedig mußte eine Koalition gleichgesinnter Großmächte gebildet werden, die zum je spezifischen Nutzen der einzelnen Partner Venedig militärisch in die Knie zwingen sollte. Doch noch kam es nicht dazu; Venedig bemühte sich seit dem Frühjahr 1505 um einen fragilen Ausgleich mit dem Papst, der zunächst die päpstliche Herrschaft in den Städten Perugia und Bologna wiederherstellen wollte. In beiden regierten MediciFreunde: in Perugia Gianpaolo Baglioni und in Bologna Giovanni Bentivoglio. Während Baglioni sich im September 1506 mit Julius II. verständigte und diesem unterwarf, sollte es gegen Bologna zur kriegerischen Eroberung kommen, angeführt vom Papst selbst. Eine merkwürdige Allianz verband ihn dabei mit Frankreich, auf dessen Hilfe er angewiesen war. Ludwig XII. hatte lange gezögert, Julius II. beim Sturz des Bentivoglio zur Seite zu stehen, denn dieser war auch ein Freund Frankreichs, das sich zudem als Schutzmacht Bolognas verstand. Da sich der Plan des ohne französische Zustimmung voranmarschierenden Papstes nicht mehr verhindern ließ, gab Frankreich Giovanni Bentivoglio 44 Cerretani, Ricordi, S. 116f.

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Ende Oktober 1506 freies Geleit und gewährte ihm ein freies Asyl im Mailändischen. Französische Truppen unter Charles d’Amboise aber zogen gegen Bologna. Ludwig XII. und sein erster Minister, Kardinal Georges d’Amboise, forderten und erhielten für ihre Unterstützung vom Papst mehr als sie gaben: einen hohen Geldbetrag, Sonderrechte bei der Verleihung der Benefizien im Herzogtum Mailand, die Bestätigung der Legation für Georges d’Amboise und den Kardinalshut für drei seiner nahen Verwandten, den Jean François de La Trémoille (Erzbischof von Auch), René de Prie (Bischof von Bayeux) und Louis d’Amboise (Bischof von Albi) im Dezember 1506 erhielten.45 In diese politischen Bewegungen der großen Mächte waren auf einer Subebene auch Elemente des Medici-Netzes eingebunden. Als François Guillaume de Clermont, der Kardinal von Narbonne und Neffe von Georges d’Amboise, von diesem und Ludwig XII. aus Frankreich zum Papst nach Perugia geschickt worden war, um Julius doch noch von einer Eroberung Bolognas abzuhalten, machte er Anfang September 1506 auch in Florenz Station. Es war gewiß kein Zufall, daß er wiederum wie sein Onkel im Palast des MediciIntimus Giovanni di Lorenzo Tornabuoni wohnte.46 Das war erneut eine politische Demonstration, und sie wird als Indiz dafür zu werten sein, daß der französische Hof den Medici-Kreis über seine Pläne auf dem laufenden hielt. Dabei darf die Teilnahme Federico Sanseverinos an dem Zug Julius’ II. nicht unberücksichtigt bleiben.47 Gleichwohl: Der sich schon im Fall Bolognas öffnende Interessenkonflikt zwischen Papst und Frankreich mußte gerade auch die Mediceer unmittelbar berühren. Giangiordano Orsini wird als einer der ersten unter den prominenteren Medici-Freunden hiervon betroffen sein, weil er als „französischer“ Orsini auf ganz besondere Weise in Verbindung zum Papst trat.

c) Giangiordano Orsini als Schwiegersohn des Papstes, Schuldner der Medici – und der Coup mit Alfonsina Orsinis Mitgift Obwohl die Freundschaft, die Allianz und Zweckgemeinschaft zwischen Julius II. und dem französischen Hof von Beginn an auch von gegenseitigem Mißtrauen geprägt war und somit als heikle Balance austariert werden mußte – es fehlte nicht an Demonstrationen politischen Bindungswillens. Eine für das Medici-Netzwerk äußerst bedeutende erfolgte im Mai 1506. Nach anfänglichen Plänen, seine in Rom nahe dem Vatikan residierende Tochter Felice mit einem Colonna zu verheiraten, entschloß sich Julius II. im Frühjahr 1506, sie Giangiordano Orsini zur Frau zu geben, einem Mann Ludwigs XII. mithin, 45 Zu den genannten Ereignissen bei der Eroberung Bolognas durch Julius II. 1506, bei denen sich

auch Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino an der Seite des Papstes aufzuhalten hatten: Guicciardini, Storia d’Italia, S. 641–649 (VII/3); Frati, Spedizioni (s.v. zum Medici und Sanseverino); Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 723–742; Scheller, Gallia cisalpina, S. 32f.; Shaw, Julius II, S. 147–161, 209–212. 46 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 133 (Abreise aus Florenz am 6.9.1506, doch irrig ‚Kardinal von Rouen‘ statt von Narbonne); mit der richtigen Person, aber ohne Erwähnung der Übernachtung bei den Tornabuoni: Cerretani, Ricordi, S. 125; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 646 (VII/3). 47 Hinweise etwa bei Sanuto, Diarii VI, Sp. 520, 555.

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einem Mitglied des königlichen Michaelsordens.48 Dies führte natürlich zu enormen Spannungen, als Julius II. sich gut zwei Jahre später entschieden gegen Frankreich stellte und seinen Schwiegersohn damit in einen Loyalitätskonflikt stürzte. Da Giangiordano einen zentralen Knotenpunkt im Medici-Netz bildete, konnte seine Entscheidung nicht folgenlos bleiben. Gewiß, gerade zu Zeiten Piero de’ Medicis erfolgte sein Bekenntnis zum Haus Medici augenscheinlich weniger aus innerer Überzeugung als vielmehr aufgrund seiner familiären Stellung. Seine rachegleichen, vergeltungsmäßigen Grobheiten gegenüber Piero beim Verkauf des Orsini-Hauses am Campo dei Fiori sprachen Bände. Dennoch ließen sich Verstöße Giangiordanos gegen die grundlegenden Interessen der Medici nicht nachweisen; neben seinen eigenen förderte er die ihrigen statt dessen gerade während seiner Frankreichaufenthalte wie auch bei seinen Kämpfen für Frankreich in Süditalien, denn der Wiedergewinn Tagliacozzos bedeutete ebenso für Alfonsina Orsini einen materiellen wie ideellen Gewinn. Frühere Dissonanzen werden dann vor allem während der maßlosen Verfolgung der Orsini durch die Borgia von einem harmonischeren Gleichklang abgelöst worden sein. Konstitutiv für die Position Giangiordano Orsinis als Mediceer war überdies nicht allein sein Verhältnis zu Piero oder Giovanni de’ Medici, sondern auch das etwa zu Federico Sanseverino, seinem entfernten Verwandten, der sich ja während des Vernichtungszuges der Borgia in der ersten Jahreshälfte 1503 wie kein anderer in Rom für Giangiordano und die anderen Orsini eingesetzt hatte. Zur gleichen Zeit ließ sich Federico Sanseverinos baldiger Hausbankier Leonardo di Bartolomeo Bartolini ebenfalls in einer engeren Beziehung zu Giangiordano Orsini nachweisen. Dieser bediente sich 1503 bei komplexeren Warengeschäften der Lyoner Bartolini-Bank, die dann im Sommer 1508 für ihn seine französische Pension von 6.000 Franchi di Re auf eigene Spesen und Risiken und mit Gewinn eintrieb.49 Manche haben Giangiordano Orsini als bunten, närrischen Vogel, als pubblico pazzo bezeichnet.50 Irrational war sein Verhalten jedoch nicht, und seine Stellung als Oberhaupt des Hauses Orsini, Herrscher über Bracciano und andere Burgen und Güter sowie als enger Verwandter der Medici (und fernerer des Federico Sanseverino) war von zentraler Bedeutung für die exilierten Medici. Zudem war er als Erbe seines Vaters Virginio der vermutlich größte Schuldner der Medici. Im Frühjahr 1504 traf Giangiordano Orsini mit den Medici Vereinbarungen, um einen Teil der alten Schulden zu begleichen; einen Anlaß bot offenkundig der Tod von Caterina Sanseverino, Alfonsinas Mutter, und der von Piero de’ Medici. Wenn Ende April 1504 zudem bezeugt wird, daß Leonardo di Zanobi Bartolini sich in Bracciano aufhielt und emsig in der Umgebung Roms umherritt, dürfen wir davon ausgehen, daß er an der Regelung der Vereinbarungen maßgeblich beteiligt war – solches gehörte zu seinem Me-

48 Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 723f.; Shaw, Julius II, S. 168f., 182f. Auch der von Felice

offenbar abgelehnte Plan des Papstes, sie mit Roberto Sanseverino, dem Prinzen von Salerno, zu verheiraten, hätte sie ins französisch-angiovinische Lager geführt. 49 S.o. S. 653. 50 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 724, Anm. 1; Shaw, Julius II, S. 182 („eccentric“).

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tier.51 Das betreffende Notariatsinstrument wurde dann am 10. Mai 1504 aufgesetzt.52 Mit ihm übergab Giangiordano als Erbe seines Vaters Virginio – und explizit als Graf von Tagliacozzo und Albe sowie als ‚Kapitän des allerchristlichsten Königs von Frankreich unter dem Orden des Heiligen Michael‘! – seiner Verwandten Alfonsina (als Universalerbin der 1502 gestorbenen Caterina Sanseverino) das Kastell und Dominium von Sant’Angelo oberhalb von Tivoli (Castrum S. Angeli, heute Castel Madama). Gewaltig waren die von ihm übernommenen finanziellen Verbindlichkeiten: 1. als Erbe der Schulden seines Vaters bei den Erben des Lorenzo de’ Medici – die ja u. a. von den Salviati und Lanfredino Lanfredini vertreten wurden – die enorme Summe von 49.636 Dukaten (de carlenis decem pro quolibet ducato), die am 3. September 1494 festgesetzt worden war; 2. als Schuldner der Erben Lorenzos eine Summe von 16.000 gleichwertigen Dukaten wegen der Aussteuer für Alfonsina in Höhe von 12.000 Dukaten und weiterer 4.000 Dukaten, die bei der Bereitstellung der Aussteuer anfielen; 3. als Erbe Virginios eine Schuld über 13.000 Kammerdukaten bei den Erben von Piero di Lorenzo de’ Medici kraft eines Schuldscheines Virginios vom 18. Dezember 1493; 4. schließlich 9.000 Dukaten als Schuldner Alfonsina Orsinis, Universalerbin ihrer Mutter Caterina Sanseverino, für deren Aussteuer, bezeugt durch einen Schein Virginios vom 25. September 1487. Aufgrund all dieser Schulden vermachte Giangiordano den Medici-Erben verschiedene Burgen und Orte mit ihren Einkünften, etwa Santa Maria di Galleria und Castro Cesano in der Nähe des Lago di Bracciano, sowie Alfonsina jenen Besitz von Castrum S. Angeli bei Tivoli, der später an Lucrezia Salviati überging.53 Da Giangiordano Orsini als Erbe seines Vaters den Medici tatsächlich noch die Aussteuer Alfonsinas schuldig gewesen war und glaubhaft machen konnte, diese Schuld beglichen zu haben, konnten die Medici und ihre in Politik und Finanzen versierten Vertrauten mit augenscheinlicher Unterstützung des Papstes in den folgenden Jahren einen spektakulären Coup landen, der wie ein gewaltiger Betrug erscheint. Denn nach Pieros Tod – also zur gleichen Zeit, als sie mit Giangiordano die umfassende Schuldenregelung vereinbarten – begannen sie am römischen Kuriengericht der Rota mehrere Prozesse, um durch eine Übertragung von Pieros Erbe auf Alfonsina die Restitution ihrer Mitgift zu erlangen. Sie machten geltend, die Aussteuer sei bezahlt worden, sei somit in den MediciBesitz übergegangen, und da Alfonsina wegen der Verbannung ihres Mannes sowie wegen dessen Tod die Aussteuer zustehe, müsse sie ihr aus dem Medici-Vermögen rückerstattet werden. Dieses jedoch sei von der Kommune konfisziert worden (d.h. hier: an sie 51 Das Zeugnis findet sich in einem Brief eines anonym gebliebenen, seinen Namen mit „V“ ab-

kürzenden Freundes von Niccolò Machiavelli an ebendiesen vom 24.4.1504 (E’ non fu a tempo la lettera de’ 13, per la quale mi ordinavi che io parlassi col Bertolino [sc. Leonardo di Zanobi Bartolini], perché io la trovai in Roma venerdì, venendo da Bracciano; nelquale dì trovai Leonardo poco fuori di Roma, che cavalcava in costà, in modo che non se li parlò, etc.); Machiavelli, Lettere (ed. F. Gaeta), Nr. 89, S. 189. 52 ASF, Carte Strozziane I/349, fol. 86r–89r. 53 Zu Castel Sant’Angelo vgl. Lefevre, Patrimonio, S. 106 und passim zum weiteren Verbleib dieses Besitzes.

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hätte Giangiordano seine Schuld bezahlt). Deshalb war sie also für die Rückgabe verantwortlich! Schon Ende Dezember 1507 hatte Roberto Acciaiuoli als florentinischer Botschafter in Rom die Erlaubnis erhalten, mit Alfonsina Orsini wegen ihrer Aussteuer ein Abkommen zu schließen.54 Im April 1508 erhob Alfonsina gegenüber Florenz eine Forderung von 13.000 Dukaten für sich und von 3.000 Dukaten für die contessa, also ihre Mutter Caterina Sanseverino, die in der Florentiner Quelle erstaunlicherweise nicht als verstorben genannt wird. Papst Julius II. unterstützte das Verlangen der Medici massiv, denn er drohte Florenz das Interdikt an, falls es nicht zahlen würde.55 1509/10 kam es nach hartem Prozeß vor der römischen Rota zum Ausgleich mit der Republik Florenz, die ihr die dote aus den konfiszierten Medici-Gütern – bis auf den nicht verkaufbaren Medici-Palast in Florenz – zurückerstatten ließ. Nicht nur wegen der Beteiligung von Julius II. und des päpstlichen Gerichtes, der Rota, ist das Ergebnis eingehender zu erörtern. Auch die Entwicklungen in und um Pisa spielen dabei eine entscheidende Rolle. Pisa mußte Anfang Juni 1509 kapitulieren und einen Friedens- wie Unterwerfungsvertrag mit Florenz unterzeichnen.56 Bereits am 13. Juni 1509 konfiszierten die Beamten der Florentiner Turm-Behörde die Pisaner Güter der Erben des Rebellen Piero de’ Medici; diese Erben waren seine Brüder Giovanni und Giuliano sowie sein Sohn Lorenzo. Dazu gehörten der Medici-Palast in Pisa (am Arno in der Kapelle von San Marco), zwölf mit dem Palazzo verbundene Läden – in denen die Mediceer ihre Geschäfte betrieben! –, die als die botteghe del diamante bezeichnet wurden, sowie die Güter von Vicarello und Collesalvetti auf Pisaner Territorium (südlich von Pisa, auf der Höhe von Livorno). Der juristische Sieg in Rom führte schon am 26. März 1509 zu einer ersten Zahlung an Alfonsina, die in Florenz durch ihre Prokuratoren Lucrezia Salviati und Antonio di Lorenzo de’ Pisci vertreten wurde.57 Vom Kämmerer der Turmbehörde erhielt sie damals 500 Fiorini (auri in auro larghi), der am 30. Juni nochmals 140 Fiorini an dieselben Prokuratoren und 500 Fiorini an Alfonsinas weiteren Prokurator Clemente (Chimente) di Cypriano Sernigi zahlte. Dieses Vertrauen hatte Sernigi deshalb erhalten, weil er und sein Sohn Cristofano seit vielen Jahren (spätestens 1497) aktiv in die Geschäfte (Wechsel und Fernhandel) der Florentiner Bartolini-Bank, des Giuliano da Gagliano und der LanfrediniGesellschaft integriert waren.58 Am 5., 9. und 11. Februar 1510 ließ sich Alfonsina durch den Dominikaner Francesco Maria di Antonio de’ Gondi, Profeß am Kloster San Marco in Florenz, vertreten. Er erhielt vom Kämmerer des Florentiner Hospitals Santa Maria Nuova zunächst 2.706 Fiorini als Preis für die Güter von Collesalvetti und Vicarello, die der Kardinal Francesco Soderini nach der Eroberung Pisas gekauft hatte; mit dem Geld gab 54 Cerretani, Ricordi, S. 158. 55 Cerretani, Ricordi, S. 163 (die 3.000 Dukaten für Caterina Sanseverino wurden offenbar gleich

bezahlt). 56 Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, S. 199–203. 57 Die einzelnen Akte der Rückerstattung von Alfonsinas Aussteuer finden sich vor allem in ASF,

MAP CLVII, bes. c. 1–89v, 95r–96v; in Teilen korrespondierend: ASF, Carte Strozziane I/10, p. 39–42, 120–122; vgl. auch Lefevre, Patrimonio, S. 129f.; Tomas, Alfonsina Orsini, S. 89. 58 ABS 210, c. 26/XXVI; ASP IV/5, c. CV, 130, CXXXII.

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Alfonsina ihre Rechte auf. An den beiden anderen Tagen wurden ihr durch diesen Kämmerer jeweils 152 und 186 Fiorini ausbezahlt, als Preis für Güter, welche die Florentiner Bernardo de Nerettis und Simone Rucellai erworben hatten. Am 14. Februar 1510 wurde Alfonsina schließlich der Medici-Gutskomplex La Cascina bei Poggio a Caiano zugesprochen, den sie jedoch vom bisherigen Verwalter weiterhin betreuen ließ und nicht als Immobilie übernehmen wollte (bzw. sollte), um statt dessen (nur) 2.800 Fiorini als Gegenwert jener Landgüter und Häuser bei Poggio a Caiano zu verlangen. Diese Forderung war in fünf Einzelfälle spezifiziert worden, bei denen sie nominell gegen die nun als Okkupanten bezeichneten Besitzer Giovanni und Leonardo Tornabuoni (als Erben ihres Vaters Lorenzo) sowie Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti angetreten war, welche diese zum Komplex von La Cascina gehörenden (oder ihn konstituierenden) Landgüter Ende 1496 für den Kauf der Lyoner Medici-Bank erhalten hatten und offensichtlich deren Besitzer bleiben durften. Deshalb mußten einige der Alfonsina zugesprochenen Medici-Güter wie etwa La Cascina und mindestens ein podere bei Careggi, das sie von Ristoro di Antonio Serristori zu erhalten hatte, 1516 und 1517 erneut durch die Medici von den früheren Besitzern bzw. ihren Freunden zurückgekauft werden.59 Gerade den riesigen Gutskomplex La Cascina bei Poggio a Caiano hatten wir bereits mehrmals ansprechen müssen, da Lanfredino Lanfredini seinen neuen Verwandten Lorenzo Pucci 1504 bewogen hatte, eine dortige Mühle an die Salviati zu verkaufen, weil Cosimo Sassetti zur Oster-Messe 1509 über die Rossi-Fraschi-Gesellschaft und die Lyoner Bartolini-Bank Wechsel für ein Sonderkonto von La Cascina durchführte und weil schließlich zur gleichen Zeit im April 1509 die Florentiner Lanfredini-Bank über ihren Mailänder Agenten Neri del Benino 350 Dukaten an Domenico Ghini de Manolis, jenen Gutsverwalter von La Cascina, zahlen ließ.60 Wie tief die mediceische Lanfredini-Bank in diese Vorgänge involviert war, d.h. wie sehr sie diese steuerte, zeigen Briefe ihrer Tochterbank in Rom vom Mai und Juli 1509. Die Gesellschaft des Giovanni Pandolfini berichtete am 5. Mai, sie habe wie von der Lanfredini-Bank gewünscht dem Notar Ser Giovanni da Monte Varchi seinen restlichen Lohn wegen des Prozesses von Cosimo Sassetti, Lorenzo Spinelli und Giovanni (di Lorenzo) Tornabuoni bezahlt. Zugleich habe man Alfonsina Orsini 200 Dukaten gegeben, da die Lanfredini-Bank gewünscht habe, sie solle das Geld erhalten, sobald sie sich in Rom befinde und noch bevor sie es eigentlich be59 Im September 1516 kauften die Medici von Giovanni und Leonardo di Lorenzo Tornabuoni für

6.147 Fiorini (larghi di grossi) la Chascina del Poggio [a Caiano] zurück, womit die einst Lorenzo Tornabuoni, Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti als Käufern der Lyoner Medici-Bank übertragenen Landgüter und Mühlen gemeint gewesen sein werden; vgl. MAP CL, doc. 18, c. 20r–21v. Analog verkauften Ristoro und Carlo Serristori am 17.11.1517 Pieros Sohn Lorenzo de’ Medici, nun Herzog von Urbino, als einem der Medici-Erben dua poderi posti a Careggi per fiorini 2.535 larghi di grossi et il pasco di Colle Mezzano con sue appartenenze per fiorini 3.001; ASF, Carte Strozziane I/10, p. 18. Ende Mai 1510 hatte Alfonsina Orsini nach einem Prozeß gegen Ristoro di Antonio Serristori und dessen Sohn Roberto bewaldetes Land a Monte Livectrio in populo s. Petri ad Careggi erhalten; ASF, MAP CLVII, c. 65v–67v. Auch die Serristori sind als Medici-Freunde anzusehen. 60 S.o. S. 624, 649, 786f., 832.

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kommen müßte.61 Lanfredini und Bracci hatten für Alfonsina einen Wechsel über 500 Dukaten auf die Pandolfini-Bank gezogen, von dem sie am 12. Mai die restlichen 300 Dukaten erhielt. Und noch im Juli 1509 bekam sie über die gleichen Kanäle das restliche Geld eines weiteren Wechselbriefes.62 Beide „Prozeßgegner“ wurden also von der Lanfredini-Bank betreut und unterstützt, denn der Scheinprozeß diente ausschließlich den Interessen der Medici. Noch Ende 1513 gab Lanfredino Alfonsina konkrete Ratschläge, wie sie der restlichen ihrer (bzw. Pieros) Güter habhaft werden könne und bot ihr Hilfe seitens der Lanfredini-Gesellschaft an.63 Andere Besitzer von Medici-Gütern waren Mitglieder der mit den Tornabuoni verwandten Familien Lapi (Lorenzo, Jacopo und Bartolomeo di Tommaso) und Pucci, während weitere Landgüter zwischen Florenz, Prato und Poggio a Caiano, die (wie z. B. der podere della Torricella, del Ponticello, della Caccerina oder die Mühle bei Poggio) ebenfalls durch den Kauf der Lyoner Medici-Bank 1496 aus dem Erbe des Lorenzo de’ Medici in das des Lorenzo Tornabuoni und seiner Partner Lorenzo Spinelli und Cosimo Sassetti übergegangen und vornehmlich an Strohmänner aus Prato bzw. an die Pucci und Salviati abgetreten worden waren, offenkundig aufgrund jener Winkelzüge nicht zu dieser Prozeßmasse gehörten. Zu dem Komplex von Landgütern wurden aber auch zwei Läden bzw. apoteche der Medici in Florenz gezählt, u. a. ein Gewürzladen, den Alfonsina dann an Gabriello di Giovanni de’ Rossi als einen der beiden Pächter verpachtete, an den Bruder des Bernardo de’ Rossi mithin. Nicht alle, aber die meisten der „Prozeßgegner“ Alfonsinas waren also Verwandte oder enge Vertraute der Medici. Die Übertragung dieses Komplexes von Gütern, Häusern und Läden wurde in exakt 46 Notariatsinstrumenten geregelt, die zwischen dem 29. Mai und 5. Juni 1510 aufgesetzt worden waren. Der tatsächliche Wert dieser Immobilien muß gut das Zehnfache des vor Gericht vereinbarten Wertes betragen haben. Auf diese Weise erhöhten sich die Ansprüche Alfonsinas. Und so wurde am 11. Juni 1510 nochmals beschlossen, Alfonsina 10.000 Fiorini für die noch ausstehenden Restansprüche seitens der Turmbehörde auszuzahlen, doch bekam sie am 4. September 1510 über ihren Prokurator Filippo Strozzi nur etwas mehr als 1.402 Fiorini und am 16. Januar 1511 7.328 Fiorini, von denen sie gut eine Hälfte zur Aufgabe, die andere zur Wahrung ihrer Rechte auf die Güter einzusetzen hatte. Insgesamt erhielt Alfonsina Orsini de’ Medici zwischen März 1509 und Januar 1511 demnach gut 15.715 Fiorini als Gegenwert für eine den Medici nie bezahlte, sondern von der Kommune beanspruchte Mitgift, wobei der tatsächliche Wert der dafür zugesprochenen Güter erheblich höher war. Die Voraussetzungen für diese finanziell vorteilhafte Form der Besitzwahrung aber wurden maßgeblich durch einen den Medici äußerst wohlgesinnten Papst Julius II. geschaffen.

61 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 5.5.1509. 62 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 12.5. und 7.7.1509, Giovanni Pandolfini-Gesellschaft Rom an Lan-

fredini-Gesellschaft Florenz. 63 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 48 (10.12.1513, Alfonsina Orsini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in

Florenz); vgl. hierzu unten S. 1103.

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d) Frankreichs Triumph über Genua und latente Spannungen mit Julius II. Zwischen Giangiordanos Schwiegervater Julius II. und Ludwig XII. soll es schon Ende 1506, Anfang 1507 zu Spannungen gekommen sein, als in Frankreich Gerüchte kursierten, die in Genua gegen die französische Herrschaft gewaltsam opponierenden Aufständischen seien von Julius II. unterstützt worden.64 Ob der Papst sich durch die Drohung des Königs, er würde bei einer Intervention des Papstes für die Rebellen seinerseits sofort wieder Giovanni Bentivoglio in Bologna einsetzen, einschüchtern ließ, ob sie ihn sachlich überhaupt traf, ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls ließ Julius öffentlich kein Eingreifen zugunsten jener Genuesen erkennen; Ludwig XII. aber sammelte ein großes Heer, an dessen Spitze er persönlich gegen die als uneinnehmbar geltende Stadt zog. Dies war einer jener erhebenden Augenblicke, wo sich der Adel Frankreichs bewähren, Ruhm und Auszeichnungen erwerben konnte; es war jedoch zudem eine Möglichkeit für die profranzösischen Adligen Italiens, ihre Loyalität gegenüber ihrem Patron zu demonstrieren. Wenn nun auch bedeutende Freunde der Medici mit großem Tatendrang dem König Frankreichs zur Seite sprangen, wird dies die Bindungen innerhalb des Netzwerkes erneut mit jenem gallischen Akzent versehen haben. Noch bevor Ludwig XII. italienischen Boden betrat, war bereits Giangiordano zu ihm geeilt, um seine Pflichten als Michaelsritter loyal zu erfüllen. Der König war Ende Januar 1507 aus Blois aufgebrochen und begab sich über Bourges und Lyon zunächst nach Grenoble, wo er das Osterfest feierte.65 Genau dort stieß Giangiordano zu ihm, um am Feldzug gegen Genua teilzunehmen.66 Hier traf er unter anderem auf Kardinal Georges d’Amboise und den jungen Odet de Foix, dessen Vater Jean und Bruder Thomas so wie der Orsini enge Kunden der Lyoner Bartolini-Bank waren. Diese Perspektive ist ungewohnt, aber nicht konstruiert; sie hilft, das Innenleben des Netzwerkes aus unterschiedlichen Richtungen auszuleuchten. Genauso wichtig ist es, bereits entwickelte Fäden neu aufzunehmen, um sie weiter zu verknoten. Aus den savoyischen Quellen hatten wir gehört, daß sich Leonardo di Bartolomeo Bartolini im Januar 1507 in Mailand aufhielt und daß Herzog Karl III. von Savoyen im Januar und Februar 1507 Eilkuriere zu dem Bartolini und nach Mailand einsetzte; dabei war es in Kooperation mit Sébastien Ferrier, dem französischen Général des finances in Mailand, um Gelder für den Marquis de Rothelin (Rötteln), Louis d’Orléans, gegangen, einen Verwandten des Herzogs.67 Wir mußten in jenem Kontext offen lassen, was es mit diesen dringenden Angelegenheiten auf sich gehabt haben könnte. Doch bedenkt man, daß damals die Rüstung gegen Genua begonnen worden war und daß sie maßgeblich über die französische Staatskasse in Mailand finanziert worden sein mußte, daß zu den Teilnehmern des Kriegszuges alle savoyischen Adligen unter (teilweiser) Führung Herzog Karls – mit anzunehmender Beteiligung seines 64 65 66 67

Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 742; Shaw, Julius II, S. 212–216. Baumgartner, Louis XII, S. 185. Auton, Chroniques IV, S. 174. S.o. S. 860.

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Rittmeisters Bernardino de’ Rossi – sowie die fast vollzählig versammelten französischen Adligen mit François (II) d’Orléans als Herzog von Longueville und seinem jüngeren Bruder Louis de Longueville als Marquis de Rothelin gehörten, dann scheint vieles für einen Geldtransfer im Zusammenhang des Genua-Zuges zu sprechen.68 Die unbestreitbare Verbindung des Leonardo di Bartolomeo Bartolini zur französischen Krone und Finanzverwaltung wäre demnach auch in diesem wichtigen Kontext zum Tragen gekommen. In Mailand befand sich seit spätestens Februar 1507 ebenfalls Federico Sanseverino, der den Hof des Papstes verlassen durfte, um eine Krankheit in seiner Heimatstadt auskurieren zu können. Diese Episode scheint auch literarisch durch eine Novelle des berühmten Dichters Bandello verbürgt zu sein, der eine Operation an der Harnblase Sanseverinos erwähnt, aus der sich der Kardinal einen großen Stein entfernen ließ, der ihn Tag und Nacht gequält hatte.69 Dies war wohl jene Krankheit, wegen der er mit päpstlicher Erlaubnis nach Mailand reisen durfte, wo er dann vermutlich den Eingriff durchführen ließ. Die dabei empfundene Todesangst führte im Mailänder Palast Federico Sanseverinos, der bei der Porta Vercellina lag, zu anregenden Gesprächen über den Tod und die Scheu des Menschen, an diesen zu denken, sowie zu einer Erzählung eines spanisch-navarresischen Kammerherrn Federicos über den grausamen Tod eines Königs von Navarra. Da Bandello bei diesen Gesprächen anwesend war, handelt es sich bei seiner Novelle um ein sehr authentisches Zeugnis über die Krankheit des Sanseverino. Nach seiner Genesung schloß Federico sich rasch seinem Freund Georges d’Amboise und dem Heer Ludwigs XII. an, wo sich bereits seine Brüder Galeazzo, der Grand Ecuyer des Königs, und Antonio Maria, für den die Bartolini in Mailand ja z. B. den Postverkehr besorgt hatten, befanden. Viele profranzösische italienische Adlige kamen hinzu, Francesco Gonzaga etwa und Alfonso d’Este, der Herzog von Ferrara, aber auch Alessandro Bentivoglio, der Sohn des im Mailänder Exil befindlichen Giovanni Bentivoglio.70 Genau in diesen Wochen erfolgte die bereits angesprochene Reise Giovanni de’ Medicis an den Hof der Gonzaga nach Mantua, wo er, vermutlich im Auftrag des Papstes, stellvertretend für das ganze Kardinalskollegium die Taufe des neugeborenen Ferrante Gonzaga vollzog, worüber Markgraf Francesco Gonzaga am 7. März 1507 seinen Verwandten Federico Sanseverino informierte.71 Diese Dreiecksverknüpfung zwischen dem Medici, dem Sanseverino und dem Gonzaga-Hof wird insbesondere Giovanni de’ Medici genau fünf Jahre später, nach den dramatischen Ereignissen der Schlacht von Ravenna, einen entscheidenden Halt bieten.

68 Zu diesen Beteiligungen: Auton, Chroniques IV, etwa S. 234, 269, 310f., 351; Baumgartner,

Louis XII, S. 185 („with him [Ludwig XII.] came all the gens d’armes of Dauphiné and Savoy and all the princes and great lords of France...“). Nach Freymond, Politique, S. 31, hätte Karl III. den König nur bis Moncalieri bei Turin begleitet, um dann erst wieder nach dem Sieg bei den Feiern in Mailand zu ihm zu stoßen. 69 Vgl. Bandello, Le novelle II, S. 325 (III, Nr. 15), sowie I, S. 391 (I, Nr. 31), zu einer weiteren Novelle, in der es um einen Aufenthalt Federico Sanseverinos in Mailand zu Zeiten Julius’ II. geht; zur Lage des Sanseverino-Palastes: Fiorato, Bandello, S. 204f. 70 Auton, Chroniques IV, S. 160–162, 174f. 71 S.o. S. 830; vgl. Luzio, Isabella d’Este ne’ primordi, S. 3 und Anm. 2.

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Am 24. April 1507 begannen die Kämpfe gegen das stolze, noch nie besiegte Genua, in das freilich schon drei Tage später Charles d’Amboise mit seinen Truppen eindringen konnte. Zwei Tage darauf feierte der Sieger Ludwig XII. seinen triumphalen Einzug in Genua. Beeindruckend ist dabei die Präsenz der französischen und profranzösischen Kardinäle vor und in Genua: Georges d’Amboise, René de Prie und/oder Jean de La Trémoille, Louis d’Amboise, Carlo Domenico del Carretto, Marchese di Finale in Ligurien und – Federico Sanseverino.72 Ludwig XII. hatte den genesenden Sanseverino eigens in sein Heerlager bestellen lassen, möglicherweise wegen einer Einigung mit Julius II. Hierfür könnte es einen sehr konkreten Grund gegeben haben. In Genua befand sich nämlich Fracasso Sanseverino.73 Julius II. soll ihn zur Unterstützung der Aufständischen in die Stadt gesandt haben.74 Sollte dies zutreffen, wird Fracasso kaum mit jener Absicht gegangen sein. Denn seit dem Juni 1506 stand er nicht mehr im Sold des Papstes.75 Warum sollte er daher für die von keiner anderen Macht konkret unterstützten genuesischen Aufständischen Partei ergriffen haben, und zudem gegen drei seiner Brüder? Auch wird von Sanktionen gegen Fracasso rein gar nichts bekannt; vielmehr erscheint er bald wieder an der Seite Federicos und Frankreichs.76 Wahrscheinlich ist anzunehmen, daß er die Situation nutzte, um seinen Brüdern zu helfen, und daß auch deswegen Federico – der ja die letzten Jahre mit ihm in Rom verbracht hatte – vor der Einnahme Genuas ins Heerlager geholt wurde. Die ersten zwei Drittel des Mai 1507 hielt sich Federico Sanseverino mit den Franzosen in Genua auf, wo er z. B. am 11. Mai gleich hinter dem König und Georges d’Amboise den neuen Herrschaftsvertrag des Königs über Genua unterzeichnete.77 Über Pavia begab er sich dann zusammen mit Georges d’Amboise und Kardinal Del Carretto nach Mailand, wo ein weiterer feierlicher Einzug des Siegers bevorstand, gefolgt von ausschweifenden Feiern: Banketten, Turnieren, Tänzen.78 Die nächsten Wochen nach dem Sieg über Genua, die außer durch Festlichkeiten auch durch hochkarätige politische Verhandlungen bestimmt waren, führten Freunde und Vertraute des Medici-Netzes in einer konzentrierten Dichte zusammen, wie sie – zumindest so störungsfrei – wohl kaum jemals wieder möglich wurde. Was sie jedoch vereinte, und

72 Vgl. Auton, Chroniques IV, S. 234f. und Anm. 5. Auton selbst nennt den Sanseverino nicht,

73 74 75 76 77 78

wohl aber eine andere Quelle; da Federico jedoch aus Mailand ins Heerlager gerufen worden war und spätestens am 2.5. in Genua nachzuweisen ist (Sanuto, Diarii VII, Sp. 72), ist er entweder nicht beim Einzug anwesend gewesen – was eher unwahrscheinlich ist – oder er konnte erst kurz darauf in die Stadt kommen. René de Prie wird bei Auton genannt, Jean de Trémoille bei Sanuto. Zum triumphalen Einzug Ludwig XII. in Genua: Scheller, Gallia cisalpina, S. 36–44. Sanuto, Diarii VII, Sp. 43, 46, 57, 59. So bei Sanuto, Diarii VII, Sp. 46; sowie in der Einleitung bei Adami, Carteggio, S. 28, doch war Adami nicht die Beendigung der päpstlichen condotta im Sommer 1506 bekannt. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 538, fol. 213r; vgl. ebd. fol. 216r, 217r etc. zu den bis Juli 1506 laufenden Restzahlungen. Sanuto, Diarii. Diarii VII, Sp. 356, 366f., 548f. (März bis Juni 1508). Auton, Chroniques IV, S. 269; vgl. Sanuto, Diarii VII, Sp. 72 (2.5.1509 Anwesenheit Federicos in Genua mit anderen Kardinälen bezeugt), 93 (22.5. in Pavia, auf dem Weg nach Mailand). Vgl. Auton, Chroniques IV, hier S. 292–329; Scheller, Gallia cisalpina, S. 44–49.

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das ist das Entscheidende, was das gemeinsame Dritte bildete, das Tertium comparationis, war ihre Nähe und Bindung zum französischen König, die eben dadurch auch die Substanz und Qualität des Netzwerkes bestimmte. Greifen wir einige Bilder, einige Momentaufnahmen heraus, um dies zu veranschaulichen. Das größte und prächtigste Bankett, das während der Siegesfeiern im Mai in Mailand gegeben wurde, hatte Giangiacomo Trivulzio ausgerichtet, der alte Gegner der Sanseverino. Selbstverständlich waren diese aber wie der König und alles, was Rang und Namen besaß – etwa aus den Häusern Bourbon, Orléans, Foix –, eingeladen. Neben Georges d’Amboise sehen wir wieder Federico Sanseverino und die übrigen französischen Kardinäle, Jean de La Trémoille, Louis d’Amboise, René de Prie und jetzt auch jenen François de Clermont, Erzbischof von Narbonne, der auf dem Weg zu dem in Perugia befindlichen Julius II. in Florenz bei Giovanni di Lorenzo Tornabuoni gewohnt hatte.79 Das Gedränge der tanzwilligen Damen und Herren war damals so groß, daß der König persönlich mit einer Hellebarde Platz schaffen mußte. Alle anwesenden Prinzen und Herren des Königreiches tanzten, mit ihnen auch Herzog Karl III. von Savoyen.80 Hatte der Chronist bei diesem Anlaß zwar nicht ausdrücklich den Auftritt der Kardinäle auf der Tanzfläche erwähnt, so tat er dies doch bei der Beschreibung des Banketts, das nun der König persönlich zum Abschluß im Mailänder Kastell gab, ou le Roy mesmes voulut dancer, qui tres bien s’en savoit ayder. Der König tanzte, und zwar gut! Da wollten außer allen anwesenden Prinzen auch die Kardinäle nicht nachstehen – und so erblickte man explizit François de Clermont und Federico Sanseverino, wie sie ihre kulturelle Pflicht erfüllten!81 Diese beiden bildeten zusammen mit den anderen französischen und (profranzösischen) italienischen Kardinälen, Bischöfen und Prinzen wie etwa dem Herzog Karl von Savoyen hinter Georges d’Amboise auch jene Delegation, die den päpstlichen Gesandten Antoniotto Pallavicini in Mailand empfing.82 Ein politischer Höhepunkt ereignete sich Ende Juni, Anfang Juli 1507, als König Ferdinand von Aragón, der von einem Besuch in seinem Königreich Neapel per Schiff über Genua nach Barcelona zurückfuhr, mit dem Sieger von Genua ein Treffen wünschte, das in Savona stattfinden sollte, der Heimatstadt des düpierten Papstes, den zu treffen Ferdinand sich geweigert hatte. Zur Erklärung seiner Bereitschaft sandte Ludwig XII. seinen Neffen Gaston de Foix als Mandatar zu Ferdinand.83 Zum Empfang des spanischen Königs und seiner Begleitung aber schickte er eine größere Delegation übers Meer voraus, an deren Spitze einmal mehr die Kardinäle Georges d’Amboise, Federico Sanseverino, François de Clermont, Carlo del Carretto und Louis d’Amboise standen.84 Die anschließenden Feiern in Savona zeichneten sich durch eine selbst für die Zeitgenossen erstaunliAuton, Chroniques IV, S. 310f. Auton, Chroniques IV, S. 311. Auton, Chroniques IV, S. 328. Auton, Chroniques IV, S. 325; zu Pallavicini vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 748f. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 747–749; Baumgartner, Louis XII, S. 187; Shaw, Julius II, S. 224f. 84 Auton, Chroniques IV, S. 341. 79 80 81 82 83

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che Zuvorkommenheit zwischen den beiden langjährigen Feinden aus; die „Nemesis“ der Franzosen, Gonsalvo di Cordoba, erhielt beim Bankett sogar einen Platz am Ehrentisch. Zur gemeinsamen Feier eines Gottesdienstes betraten die Könige Hand in Hand die Kirche. Zu beiden Seiten der Monarchen befanden sich Bänke, auf denen die hohen Prinzen beider Königreiche saßen, unter den Franzosen auch Francesco Gonzaga, auf der Bank der Kardinäle Georges d’Amboise, François de Clermont, Federico Sanseverino und die übrigen französischen Kardinäle; ganz in der Nähe Ludwigs XII. aber wurden u. a. François d’Orléans, Herzog von Longueville, sein Bruder Louis d’Orléans, Marquis de Rothelin, sowie Giangiordano Orsini, Charles d’Amboise und Jacques de Bourbon plaziert.85 Sie alle waren also an prominentester Stelle dabei, bei diesem Gipfeltreffen der beiden mächtigsten Monarchen Europas, verbunden mit dem, der sich nach dem Sieg von Genua als allermächtigster fühlte. Es ging bei dem Treffen in Savona natürlich auch und besonders um politische Fragen, doch diese blieben geheim, wurden allein zwischen den beiden Königen und mit Ludwigs „Schatten“ Georges d’Amboise beredet. Es ist anzunehmen, daß damals bereits ein gemeinsamer Angriff auf das zu mächtig gewordene Venedig beschlossen wurde, der Spanien und Frankreich ein vorerst letztes Mal zu Bündnispartnern des Papstes machte.86

e) Der Krieg gegen Venedig Zunächst aber hielt Frankreich zu seinem langjährigen Alliierten Venedig, den es im Frühjahr 1508 sogar gegen die Angriffe Kaiser Maximilians unterstützte. Doch als die Venezianer bei den anschließenden Friedensverhandlungen die Interessen Frankreichs verletzten, entschloß sich Ludwig XII. zu einem radikalen Wechsel seiner Politik, der im November und Dezember 1508 durch seinen Verhandlungsführer Georges d’Amboise zur Liga von Cambrai zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich führte, die auf der Grundlage des Friedensschlusses zwischen diesen beiden Mächten faktisch den von Papst Julius II. gewünschten Krieg gegen Venedig zum Ziel hatte; unterzeichnet wurde der entsprechende Vertrag von Ludwig XII. und Julius II. erst im März 1509, unterstützt wurde er von Ferdinand von Aragón.87 (Vor diesem Hintergrund gelang es Kaiser Maximilian im Oktober 1508, den Alaun Chigis für seine niederländisch-flandrischen Territorien für zwei Jahre zu einem Vorzugspreis zu erhalten.) Paradoxerweise ließ sich Julius, der es versäumt hatte, einen eigenen Gesandten nach Cambrai zu schicken, durch Georges d’Amboise vertreten, den er verdächtigte, ihn stürzen und selber Papst werden zu wollen. Diese Liga war eine Allianz, in der jeder der Partner im Kampf gegen Venedig seinen eigenen Vorteil suchte, doch begleitet vom ständigen Mißtrauen, von jedem Alliierten übervorteilt zu werden.

85 Auton, Chroniques IV, S. 350f. 86 Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 747, Anm. 3; Baumgartner, Louis XII, S. 188. 87 Wiesflecker, Maximilian I., IV, S. 23–36; Shaw, Julius II, S. 228-233.

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Auch die zentralen Figuren unseres Netzwerkes suchten damals ihren Vorteil, möglicherweise getragen von den anrollenden Wogen der großen Allianzen. Den Papst konnten die exilierten Medici im April 1508 überzeugen, die finanziellen Forderungen Alfonsinas an Florenz durch die Androhung des Interdiktes zu bekräftigen. Julius II. hatte damit die Feinde der Medici geschwächt; eine analoge Wirkung erzielte Kardinal Georges d’Amboise von Frankreich aus, als er im Mai 1508 Florenz als Skandal von Italien (lo schandolo d’Italia) beschimpfte, weil es bei französischen Hilfsforderungen stets Geldmangel vorschütze, bei eigenen Anliegen diesen aber nicht kenne.88 Im Sommer 1508 konnte Giovanni de’ Medici – nicht ohne Hilfe des Papstes – seinen Kandidaten für den Florentiner Erzbischofsstuhl durchsetzen, wenige Monate später die Vermählung Filippo Strozzis mit seiner Nichte Clarice – ein weiterer Schlag für seine Feinde. Hier hatten nicht nur seine Florentiner Freunde um die Salviati und Rucellai mitgeholfen, sondern wiederum und noch massiver der Papst. Julius II. hatte diese Ehe nicht nur öffentlich gefördert, sondern hatte im Dezember 1508 sogar in eigener Person die Eheschließung zwischen Filippo und Clarice in seiner päpstlichen Kammer vollzogen und Filippo wegen der Schwierigkeiten in Florenz Mut gemacht. Damit dort gar kein Zweifel an der Hilfe des Papstes für die Medici aufkommen konnte, hatte er drei Monate vorher beim Florentiner Botschafter in Rom gefordert, die Tochter Piero de’ Medicis müsse ihre Hochzeit in Florenz feiern, so wie sein Verwandter Sixtus IV. 1478 die Tochter der rebellischen Pazzi in der Stadt verheiraten ließ.89 Ende Dezember erließ Julius dann per Breve einen Befehl an die Florentiner Signoria und den neuen Erzbischof Cosimo de’ Pazzi, daß die Ehe des Strozzi mit Pieros Tochter nicht verboten werden dürfe; die Signoria hatte sich daraufhin diese Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten verbeten.90 An der Seite Giovanni de’ Medicis befand sich damals, 1508, auch Federico Sanseverino in Rom. Es hat den Anschein, als seien beide von den sich anbahnenden politischen Umwälzungen betroffen gewesen. Den Anlaß für Frankreichs Abkehr von seinem Verbündeten Venedig hatte jener Waffenstillstand geboten, den Venedig mit Kaiser Maximilian am 6. Juni 1508 in Santa Maria delle Grazie abgeschlossen hatte, ohne Frankreich zu konsultieren, gegen den Protest der französischen Gesandten und mit der Konsequenz, daß Ludwig XII. ‚vor Schmerz und Zorn fast weinte‘, die Treulosigkeit der Venezianer anklagend und einen Verlust von einer Million Dukaten behauptend.91 Venedigs Kurz88 Cerretani, Ricordi, S. 166f. (Addì 23 [di maggio] venne lettera da l’oratore che diceva che

monsignore di Roana gl’aveva dato una charta di villanie, e che quando el re haveva bisogno noi l’aiutassimo noi facevamo il povero, e che quanddo chome in questa noi volavamo ofendere alchuno non ci manchava danari, e tutto havamo fato sanza licentia del re, e che noi eramo lo schandolo d’Italia). 89 Cerretani, Ricordi, S. 177; vgl. auch Bullard, Filippo Strozzi, S. 55 (wo die Eheschließung in der päpstlichen Kammer jedoch nicht erwähnt wird). 90 Cerretani, Ricordi, S. 178. 91 Wiesflecker, Maximilian I., IV, S. 20–23 (am 6.6.1508 erfolgte der Abschluß der Verhandlungen durch Unterschrift unter die Verträge, am 10.6. wurden die Urkunden ausgetauscht, wobei die französischen Gesandten ihre Teilnahme an dem öffentlichen Akt ablehnten); Baumgartner, Louis XII, S. 193.

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sichtigkeit kostete es den wichtigsten Verbündeten, der den Schmerz vielleicht etwas übertrieb, um den seit längerem gesuchten Anlaß zu finden. Auch in Rom reagierte die französische Partei. Am 11. oder 12. Juni 1508 brach Kardinal François de Clermont aus Rom nach Frankreich auf, um angeblich seinen Onkel Georges d’Amboise zu besuchen. Doch man wußte an der Kurie, daß es um einen Feldzug gegen Venedig ging, zu dessen Teilnahme sich Julius II. noch nicht offen bekennen wollte.92 Aufschlußreich ist einmal mehr der fokussierte historische Blick. Denn wer begleitete den Kardinal von Auch (wie er seit 1507 genannt wurde, als er von dem verstorbenen Jean de La Trémoille das Erzbistum Auch übernahm) bis zum Hafen in Ostia? Der Kardinal Federico Sanseverino, dessen Bruder Fracasso und andere! Bei dieser Gelegenheit hätten nun, so wußte es der venezianische Gesandte in Rom, diese „französischen“ Kardinäle den exilierten Medici gesagt, sie sollten guter Hoffnung sein, bald würde man die Regierung in Florenz wechseln!93 Offensichtlich waren Sanseverino und Clermont, dessen Aufenthalt Anfang September 1506 bei den Tornabuoni in Florenz nun jede Zufälligkeit verliert, überzeugt, mit dem Kriegszug gegen Venedig würde es auch zu einem Sturz des medicifeindlichen Regimes in Florenz und zur Rückkehr der Medici kommen. Wie berechtigt und realistisch diese Einschätzung gewesen sein mag, ist gar nicht so entscheidend; wichtiger ist die Tatsache, daß beide Kardinäle mit den Medici auch über diese hochpolitischen Vorgänge in Norditalien sprachen, daß die Änderung des Status der Medici weiterhin ein Anliegen von ihnen und von Frankreich war und daß es mit einem so fundamentalen Bündniswechsel verknüpft wurde. Die an sich schon geradezu symbiotische Verknüpfung von Federico Sanseverinos Leben mit dem der Medici ist gerade in jenen janusköpfigen mittleren Jahren des Pontifikats von Julius II. nochmals intensiviert und erweitert worden, und zwar durch seine Verbindungen mit einem Teilnetz, das wir nun stärker in jene politischen Entwicklungen einbinden müssen und können. Dieser Teil des Mediceer-Netzes wurde maßgeblich von Leonardo di Bartolomeo Bartolini geformt, und zwar durch seine Pacht der SanseverinoBenefizien. 1508/09 hatte Leonardo di Bartolomeo Bartolini zum ersten Mal für Federico Sanseverino dessen Benefizieneinkünfte in der Lombardei eingezogen, einer der reichsten Regionen Europas. Gerade weil es bei solchen kirchlichen Ämtern immer (und zum Leidwesen der Gläubigen vor Ort: leider) auch um Geld ging, d.h. neben zu verkaufenden Naturalien vor allem um relativ sichere, seltene und kontinuierliche Bargeldeinnahmen, die den Begünstigten privilegierten, gerade deshalb waren sie nicht nur in ganz Europa ungemein begehrt, sondern stets ein Politikum – und um so mehr, je hochrangiger die Benefizien waren. Da bei ihnen die geistliche, wirtschaftliche und politische Komponente niemals voneinander zu trennen war, da aber erstere oft genug weniger Bedeutung als die beiden anderen besaß, deshalb hatten die sich festigenden politischen Allianzen auch Auswirkungen 92 Zum Aufbruch des Kardinals: Sanuto, Diarii VII, Sp. 548f.; zur Reaktion des Papstes: Shaw,

Julius II, S. 230. 93 Sanuto, Diarii VII, Sp. 548f.

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auf die Benefizien Federico Sanseverinos und damit auf die Mediceer. Kurz nach Abschluß der Verträge von Cambrai (10.12.1508) hatte der französische König erfolgreich Druck auf den verbündeten Papst ausgeübt, seinem Protegé Federico Sanseverino die Abtei Chiaravalle zu überlassen, die neben dem Kardinal de Clermont auch Julius II. für seinen Neffen begehrte. Federico aber hatte wegen dieser Abtei im September 1508 eigens einen Eilkurier zu Leonardo Bartolini gesandt. Von Januar bis März 1509 rüsteten die Franzosen und ihre Alliierten mit großem Eifer für den Kampf gegen Venedig.94 In Rom schmiedete der über Mailand gekommene Leonardo Bartolini genau in jenen Wochen mit Federico Sanseverino einen neuen Vertrag wegen dessen lombardischer Benefizien und mit Agostino Chigi einen über noch größere Alaunlieferungen für Frankreich. In Lyon besorgte die Bartolini-Bank auch den Postverkehr zwischen dem französischen und dem savoyischen Hof, bei dem es um kaum ein anderes Thema als den Krieg gegangen sein dürfte. Noch im Dezember 1508 hatte sich Herzog Karl III. der Liga von Cambrai angeschlossen; ihn trieb vorwiegend die Hoffnung auf den Erwerb „seines“, des savoyischen Königreichs Zypern, das die Venezianer seit 1489 okkupiert hatten, und damit eine länger bestehende Aversion gegen Venedig, die sich auch in einem Rangstreit mit den Venezianern während des Mailänder Banketts von Giangiacomo Trivulzio im Mai 1507 nach dem Sieg über Genua ausgedrückt hatte.95 Ende Januar 1509 hatte Ludwig XII. seinen Botschafter aus Venedig abgezogen; am 10. April war der König zusammen mit dem kranken Georges d’Amboise von Lyon aus nach Italien aufgebrochen; am 17. April ließ er über seinen Herold in Venedig den Krieg erklären, da die Republik illegal Land besetzt halte, das dem Papst, dem Deutschen Reich und dem Herzogtum Mailand gehöre; am 1. Mai traf Ludwig XII. mit Amboise in Mailand ein, um von dort gegen Venedig zu reiten.96 Hier befand sich seit dem 27. April 1509 bereits der aus Rom nach Lyon zurückreisende Leonardo Bartolini, von Salvestro di Dino und Neri del Benino begrüßt, der im Auftrag der Lanfredini-Bank eilig Tuche herstellen ließ, um sie nach der Rückkehr Ludwigs XII. an die Franzosen zu verkaufen, die nach seiner Einschätzung großen Bedarf haben würden, wenn alles so laufe wie sie erwarteten.97 Genau in dieser spannungsreichen Vorkriegszeit, am 6. März 1509, hatte Federico Sanseverino über seinen Prokurator Carlo Barbiano Leonardo di Bartolomeo Bartolini über dessen Prokurator und Bruder Zanobi seine vier großen lombardischen Benefizien verpachtet, Chiaravalle eingeschlossen. Am 14. Mai 1509 mußten die Venezianer in der Schlacht von Agnadello bei Cremona eine herbe Niederlage gegen die Franzosen hinneh94 Vgl. etwa Sanuto, Diarii VII, Sp. 738, 759; VIII, Sp. 47, 50, 92; Baumgartner, Louis XII, S.

193f.; profund: Scheller, L’union des princes. An dem Feldzug sollte auch Antonio Maria Sanseverino teilnehmen, der jedoch am 13.1.1509 in Mailand starb; seine Kompanie von 50 Lanzenreitern erhielt im Februar der Markgraf von Monferrat, der sie dann auch in den Krieg führte; Sanuto, Diarii VII, Sp. 719, 738; VIII, Sp. 47, 50, 92. 95 Zu den Intentionen Karls III.: Freymond, Politique, S. 30f.; zum Rangstreit: Auton, Chroniques IV, S. 311 und Anm. 1. 96 Baumgartner, Louis XII, S. 193f. 97 ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 28.4.1509, Neri del Benino aus Mailand an die Lanfredini-Bank.

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men. Ludwig XII. und sein Heer blieben die nächsten Monate in heftige Kämpfe gegen Venedig verwickelt; am 6. August 1509 verließ der König nach mehrtägigem Aufenthalt in Mailand die Lombardei Richtung Frankreich.98 Am 18. August 1509 verpachtete dann Thomas de Foix sein Bistum Tarbes mit einem in Mailand aufgesetzten Vertrag an Leonardo Bartolini. Sollte die erstaunliche zeitliche Koinzidenz all dieser Verträge mit den politisch-militärischen Handlungen ein Zufall gewesen sein? Wollten Federico Sanseverino und Thomas de Foix die Last der Einnahmeverwaltung in die Hände eines Vertrauten geben, weil sie ihre eigenen frei haben wollten für größere, politischere Aufgaben? Ähnlich wie der Sanseverino hatte auch Thomas de Foix seine die Benefizieneinkünfte rechtfertigenden geistlichen Pflichten nie persönlich erfüllt; in seiner Diözese Tarbes habe er nie residiert, auf seine Mitra habe er verzichtet, um in Italien militärischen Ruhm zu erringen.99 Dies war sicherlich ein ausschlaggebender Faktor für die Verpachtung der Benefizien, der allerdings auf Federico Sanseverino weniger zutrifft, denn Bischof und politischer Sachwalter der französischen Krone war er ja schon seit vielen Jahren. Gerade bei ihm dürfte der Zeitpunkt der lombardischen Verpachtungen in einem stärkeren Zusammenhang mit den politisch-militärischen Verwerfungen gestanden haben. Die enge Einbindung des Medici-Kreises in die damalige französische Politik ist evident. Diese Verknüpfung zeigte sich schon bei jenem Schlaglicht, das die Kardinäle Federico Sanseverino und François de Clermont warfen, als sie Mitte Juni 1508 den Medici Hoffnung auf einen baldigen Machtwechsel in Florenz machten; sie wird weiter erhellt und bestätigt durch ein zweites, das die Quellen für den September 1509 werfen. Damals, kurz nach der Rückkehr Ludwigs XII. nach Frankreich, gab es das Gerücht, der König sei sterbenskrank, sei gar schon gestorben. In Rom wurde es durch Informationen des in Civita Castellana befindlichen Kardinals François de Clermont genährt, der durch einen aus Mailand erhaltenen Brief von dem Zustand des Königs erfahren hatte und große Trauer zeigte. Dieser Neffe des Georges d’Amboise führte damals, d.h. seit seiner Rückkehr nach Rom am 20. August 1509, im Auftrag König Ludwigs Verhandlungen mit dem Papst, die zunächst sehr freundschaftlich und erfolgreich verliefen, gerade in jenen Septembertagen aber scheiterten – und dieser enge Vertraute des französischen Königs fühlte sich nun verpflichtet, Leonardo di Zanobi Bartolini, dem Intimus der Medici in Rom, aus Civita Castellana einen Brief zu schreiben, mit welchem er ihn über den (angeblichen) Tod Ludwigs XII. informierte!100 Ein französischer Hochadliger des engeren Kronrates sieht sich veranlaßt, einen nichtadligen Florentiner Bankier persönlich über das Ableben des französischen Königs in Kenntnis zu setzen. Mehr als viele Worte demonstriert diese Tat 98 Baumgartner, Louis XII, S. 195f.; Scheller, L’union des princes, S. 216–229. 99 Vgl. Histoire des diocèses de France, vol. III, S. 47f. 100 Sanuto, Diarii IX, Sp. 180f. (17./18.9.1509 aus Rom: ... dicea ogi Lunardo Bertolini fiorentino

banchier ha dito il re di Franza esser morto et aversi per lettere venuta a Aus [sc. dem Erzbischof von Auch, Kardinal François de Clermont]). Julius II. hatte sich dann, immer noch im Krieg mit Venedig, ebenfalls nach Civita Castellana begeben, wollte von dort nach Viterbo, begleitet u. a. von Federico Sanseverino. Zu den Verhandlungen Clermonts und dem Kontext: Shaw, Julius II, S. 247.

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das feste Freundschaftsband zwischen den Medici und Frankreich, vor allem aber Ansehen und Gewicht des Leonardo di Zanobi Bartolini als „Gouverneur“ des Hauses Medici, der von einem Tod des Königs unmittelbar, in gravierender Weise betroffen gewesen sein mußte. Dies ist eines jener Indikatorphänomene, bei denen eine Handlung Bände spricht, bei dem das Einzelereignis über sich hinaus auf eine umfassende Struktur verweist. Papst Julius II. stand damals noch auf der Seite der Liga von Cambrai, deren Krieg gegen Venedig gerade im Juli und August 1509 einen Rückschlag erlitt, als die Venezianer Padua zurückerobern und den in der Liga kämpfenden Markgrafen von Mantua gefangennehmen konnten. Doch generell fürchtete er einen zu großen Erfolg Maximilians und vor allem Ludwigs über die Venezianer. Seit dem Sommer 1509 kam es deshalb bereits zu Verhandlungen zwischen der Markus-Republik und Julius II., der trotz der raschen Rückgabe „seiner“ Städte in der Romagna gegenüber den Venezianern auf Forderungen beharrte, die diese als inakzeptabel erachteten. Den Anstoß zu einer Einigung gab offensichtlich vor allem die Nachricht, Ludwig XII. plane einen noch größeren Feldzug gegen Venedig im Frühjahr 1510. Julius II. setzte Venedig massiv unter Druck, endlich einzulenken. Die im Konsistorium abgegebene Erklärung des Papstes, er wolle die große Exkommunikation über Venedig aufheben, erfolgte am 4. Februar, die feierliche Absolution der Republik am 24. Februar 1510.101 Doch schon Wochen vorher, als die Präliminarien noch gar nicht abgeschlossen waren, gab es keinen Zweifel mehr an dem Willen Julius’ II., mit Venedig zu einem Ausgleich zu kommen, um sich fortan gegen die französische Herrschaft in Oberitalien zu stemmen.

2. Die Feindschaft zwischen Julius II. und Frankreich a) Erste Auswirkungen auf die Mediceer Die Erkenntnis, daß Julius II. nach anfänglich inniger, nachfolgend mißtrauischdistanzierter Freundschaft nun seit Anfang 1510 zur harten Konfrontation mit Frankreich entschlossen war, mußte das Medici-Netzwerk vor große Probleme gestellt haben. Viele Mediceer waren mehr oder weniger vom Papst protegiert worden – wir hatten es mit zahlreichen Beispielen darstellen können –, sie alle mußten jetzt in je individueller Weise bittere Konsequenzen befürchten. Jene Verbindung, die durch eine französische und päpstliche Kraft gebildet worden war und zu zahlreichen Synergieeffekten führte – individuelle Privilegien, gemeinsame politische Maßnahmen –, sie brach zusammen. Würden Federico Sanseverino als Mann des Königs und Giovanni de’ Medici, dessen Hoffnungen nur an der Seite des Papstes realisiert werden konnten, nun auf gegenüberliegendem, feindlichem Terrain agieren müssen und gar zu Gegnern werden? In welcher Weise wären davon die anderen Mediceer betroffen?

101 Ausführlich: Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 767–771; Shaw, Julius II, S. 235–243.

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Bereits am 16. Januar 1510 erhielt der Medici-Vertraute Piero Dovizi da Bibbiena in Venedig einen Brief aus Rom, der ihn darüber informierte, daß der Papst die kirchlichen Zensuren gegen Venedig aufheben wolle. Konkret ging es um eine Reaktion von Felice Orsini, der Ehefrau Giangiordanos und Tochter des Papstes, die Giulio Orsini ausrichten ließ, er solle sich bereitmachen, da der Papst zusammen mit den Venezianern gegen Frankreich vorgehen wolle.102 Offenbar glaubte Felice an eine condotta für den Orsini, zumal Venedig im Frühjahr 1509 mit 16.000 Dukaten versucht hatte, einige Orsini als Offiziere anzuwerben und Felice auf Drängen ihres tobenden Vaters diese damals noch von der Annahme des Angebotes abhalten mußte.103 Ihre Verwandten Niccolò Orsini, Graf von Pitigliano, und Bartolomeo d’Alviano hatten hingegen an der Spitze des venezianischen Heeres bei Agnadello gestanden, wo Alviano in französische Gefangenschaft geraten war und von wo er anschließend ins Gefängnis von Loches gebracht wurde.104 Felices Mann Giangiordano kämpfte, wie sein Ordensbruder Francesco Gonzaga, 1509 für Frankreich.105 Giangiordano Orsini, er mußte als „französischster“ Orsini und Schwiegersohn Julius’ II. von dessen Gesinnungswandel in stärkerem Maße als die meisten anderen Mediceer betroffen sein. Mochte seine Frau auf eine harmonische Wendung ihres Mannes zu Julius und Venedig hoffen, er entschied sich gegen jede verwandtschaftliche Verpflichtung für Frankreich, für die politische Loyalität. Es scheint, als habe er einige seiner Verwandten mitgeführt. Denn ebenfalls im Januar 1510 hörten die Venezianer aus Frankreich, die Orsini hätten sich mit Ludwig XII. verständigt und der Papst habe, eventuell als dessen Folge, nach dem alten Orsini-Gegner Prospero Colonna geschickt; am französischen Hof erwarte man zudem den Herzog von Urbino – an dessen Seite sich (immer noch) Giuliano de’ Medici befinde –, der sich wegen eines bestimmten Verdachtes im Zusammenhang mit einem Vertrag der Bentivoglio erklären wolle.106 Wir befinden uns bereits mitten auf dem Feld der Spannungen zwischen Frankreich und der julianischen Kurie, die sich nicht zum letzten Mal an Bologna entzünden werden, der strategisch wichtigen Bastion im nördlichen Kirchenstaat, des Schützlings von Frankreich. Ende 1506 hatte Frankreich – zähneknirschend und gegen ansehnliche Privilegien – den Willen seines päpstlichen Bündnispartners mitgetragen, die Bentivoglio aus Bologna zu vertreiben, um diesen dann ein Asyl in Mailand anzubieten. Die Bentivoglio wollten sich mit ihrem Sturz allerdings nicht abfinden, sondern versuchten anschließend immer wieder, ihre Stadt gegen den Papst zurückzugewinnen, was ihnen aber erst im Mai 1511 mit französischer Truppenhilfe gelingen sollte. In diesen Bologna-Kontext ist jene merkwürdige, auf einen Vertrag mit den Bentivoglio bezogene Meldung über Giuliano de’ Medici und Francesco Maria della Rovere ein102 Sanuto, Diarii IX, Sp. 497. 103 Sanuto, Diarii VIII, etwa Sp. 135, 139; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 763 (mit weiteren

Belegstellen). 104 Baumgartner, Louis XII, S. 195. 105 Vgl. etwa Sanuto, Diarii VIII, Sp. 316. 106 Sanuto, Diarii IX, Sp. 495.

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zuordnen, die nicht nur wegen Giulianos inniger Verbindung zu den Bentivoglio und ihren Rangoni-Verwandten, sondern auch wegen seiner engen Beziehung zum Hof von Urbino instruktiv ist. Der Della Rovere war seit dem April 1508 als Neffe und Adoptivsohn Guidobaldos da Montefeltro dessen Nachfolger als Herzog von Urbino, hatte 1509 für den Papst und die Liga von Cambrai in der Romagna gefochten. Giuliano de’ Medici befand sich möglicherweise schon damals an seiner Seite. Denn gerade er stand seit längerem in einem ausgezeichneten Verhältnis zum Hof in Urbino, den wir in vielfältiger Weise als Förderer der Medici gesehen hatten. Dort konnte Giuliano sich daher seit 1505 längere Zeit aufhalten, hochgeachtet, bekannt als „Meister aller Palastdamen“, auf Kosten des Herzogspaares in repräsentativen Gemächern lebend, aber so verschwenderisch, daß er seinen Bruder und seinen Cousin Giulio zu deren Ärger immer wieder um Geld anbetteln mußte und sich selbst von seinen Damen reich beschenken ließ.107 Eine von ihnen, Pacifica Brandani, gebar nach den jüngsten, überzeugenden Forschungen von Zapperi im Frühjahr 1511 Giulianos illegitimen Sohn Ippolito, für den Giuliano 1515 zum Andenken an seine bereits verstorbene Mutter durch Leonardo da Vinci jenes Frauenporträt malen ließ, das als ‚Mona Lisa‘ weltberühmt geworden ist.108 Giovanni und Giuliano de’ Medici hatten nicht zuletzt aufgrund der frühen und engen Freundschaft ihrer Familie mit dem Hof von Urbino 1507/08 sogar die feste Absicht, ihre Nichte Clarice di Piero mit dem urbinischen „Hofmann“ Baldesar Castiglione zu vermählen, der dann ja Filippo Strozzi weichen mußte. Francesco Maria della Rovere, der Neffe auch des Papstes Julius II., knüpfte über eine Ehe ein Band zum medicinahen Hof von Mantua, indem er im Dezember 1509 Eleonora Gonzaga heiratete, die Tochter des Markgrafen Francesco.109 Mit seiner soeben anvermählten Frau aus dem Haus Gonzaga – dessen Oberhaupt, der Markgraf Francesco Gonzaga, immer noch in venezianischer Gefangenschaft war – erwartete man nun im Januar 1510 den Della Rovere zusammen mit Giuliano de’ Medici in Frankreich. Beide hatten offenkundig den Bentivoglio bei ihren Restitutionsversuchen geholfen – was bei Giuliano wesentlich verständlicher erscheint als bei seinem Della Rovere-Freund –, gegen die erklärten päpstlichen Interessen und möglicherweise ohne Absprache mit Frankreich oder nicht im Einklang mit dessen Strategie. Die jeweiligen Intentionen wurden schon wenige Monate später erheblich klarer. Bereits im Frühsommer 1510 wurden die Bentivoglio offen von den Franzosen unterstützt, nicht zuletzt als Reaktion auf die Offensive der päpstlichen Truppen gegen das französische Genua.110 Als energischer Helfer der Bentivoglio tritt dabei im Juni 1510 namentlich Giangiordano Orsini in Erscheinung. Er hatte nämlich enge Kontakte mit den Bentivoglio unterhalten und Hermes Bentivoglio geholfen, sich einem päpstlichen Zugriff zu entzie107 Zapperi, Abschied, S. 32–43. 108 Zapperi, Abschied, S. 44–114. 109 Vgl. etwa Castiglione, Cortegiano (ed. Barberis), S. LXXVIIf. Insbesondere Giuliano de’ Medi-

ci hatte am Hof von Urbino zwischen 1504 und 1512 große, von geistreicher Kultur geprägte Gastfreundschaft gefunden, wo er sich auch (wohl seit 1506) mit Castiglione anfreundete; hierzu Giuliano de’ Medici, Poesie, S. XXII–XXXIII; Zapperi, Abschied, hier bes. S. 32–43. 110 Hierzu Shaw, Julius II, S. 264.

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hen, wie wir aus dem heftigen Tadel des Papstes erfahren. Julius machte seinen Schwiegersohn Giangiordano zudem dafür verantwortlich, dem Rest der Bentivoglio die Zuflucht ins sichere Cremona ermöglicht zu haben. Daß an dieser Aktion auch die Franzosen beteiligt waren bzw. daß Giangiordano in deren Interesse handelte, sprach Julius mit seinen heftigen Drohungen gegen Frankreich deutlich aus.111 Wie schnell dieser Mediceer, der stärker als andere wahrlich auf der Reibungsfläche jener sich aneinander erhitzenden Sonnensysteme stand, durch seine politische Loyalität zu Frankreich zum Feind seines Schwiegervaters wurde, beschreibt in sprechenden Bildern eine Szene, die sich Mitte Juni 1510 am Lago di Vico (nördlich von Rom) ereignete. Julius II. hatte sich zum Fischen an den See begeben, und man brachte ihm von allen Seiten zahlreiche Geschenke, die er alle annahm. Als jedoch auch eines von Giangiordano Orsini eintraf, weigerte er sich, es zu akzeptieren und sagte dem Boten: ‚Gehe mit Gott. Ich nehme keine Geschenke meiner Feinde an!‘ Wörtlich fügte er hinzu: Non est amicus noster! Und zwar sei Giangiordano deshalb nicht sein Freund, weil er Hermes Bentivoglio gehen ließ.112 So intensiv wie Giangiordano Orsini bis Ende 1509 in seiner Person das Netzwerk der Medici-Freunde enger mit dem Della Rovere-Papst verbinden half, so entschieden trennte er diese Bande nun 1510 durch. Er wäre ansonsten wohl gleichsam verglüht; das Netz aber wurde dadurch weitmaschiger. Im Juli 1510, als Julius’ breit angelegtes militärisches Vorgehen gegen die Franzosen und ihre Verbündeten in Italien (etwa der Herzog Alfonso d’Este) einem Höhepunkt zustrebte, verkündete der Papst in Rom, man sehe bei diesen Kämpfen, daß die Franzosen ‚Verrückte‘ seien; und Giangiordano Orsini, der sowohl verrückt sei als auch sein Verwandter, helfe ihnen dabei.113 Giangiordano konnte sich nur durch den Sprung auf die französische Seite retten. Ganz konsequent verließ der Orsini – ohne seine Ehefrau – Mitte Juli 1510 Italien, um sich ins französische Königreich zu begeben, wo er ja seit Jahren über einen Palast und Grundbesitz verfügte. Julius II. aber traute selbst seiner Tochter Felice nicht, die er mit den Adligen der Orsini-Territorien nach Rom kommen ließ, um sie alle Gehorsam gegenüber der Apostolischen Kirche schwören zu lassen und um Felice dann als Leiterin des Orsini-Staates einzusetzen.114 Dieser Akt ist in einem Dokument des Vatikanischen Archivs überliefert. Der Eid Felices und einiger der Untertanen Giangiordanos als Vertreter seiner Besitzungen erfolgte am 11. Juli 1510. Nachdem Felice ihrem Vater die Treue schwören mußte, forderte Julius das Gleiche von den Untertanen des Orsini gegenüber seiner Tochter und sich selbst. Jene Vasallen Giangiordanos mußten wie Felice weiterhin eidlich versprechen, daß sie keine Feinde und Rebellen des Papstes aufnehmen und etwa durch Unterkunft und Hilfe unterstützen würden; insbesondere Giangiordano dürften sie nicht empfangen und seinen Befehlen nicht gehorchen, falls er in seine Territorien zurückkehren würde.115 Für all jene 111 Sanuto, Diarii X, Sp. 564. 112 Sanuto, Diarii X, Sp. 630. 113 Sanuto, Diarii X, Sp. 763 (... et Zuan Zordan Orsini ch’è pazo e mio parente è in lhoro ajuto). 114 Sanuto, Diarii X, Sp. 831 (17.7.1510). 115 ASV, Arm. XXXIV, vol. 15, fol. 34r/v (Giangiordano Orsini hatte den Papst sogar um Erlaubnis

gebeten, nach Frankreich gehen zu dürfen, doch sicherlich ohne positive Antwort).

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Mediceer aber, die ein solches Zerwürfnis mit dem Papst nicht eingehen und austragen konnten, wurde Giangiordano zu einem brisanten Freund. In einem analogen Konflikt wie Giangiordano Orsini befand sich Federico Sanseverino, der aber eine wesentlich zentralere und bedeutendere Position im Netzwerk einnahm, dabei dem Papst nicht familiär, sondern durch sein hohes geistliches Amt eng verbunden war und in Frankreich tiefer verwurzelt als der Orsini. Länger und heftiger als dieser mußte der Sanseverino die Kollision seiner beiden Herren ertragen, entschied sich dann aber ebenso eindeutig für den gleichen. Als Julius II. am 4. Februar 1510 erstmals öffentlich im Konsistorium seiner Kardinäle seine feste Absicht verkündete, die Exkommunikation gegen die gehorsam gewordenen Venezianer aufzuheben, gab es unter den 26 anwesenden Kardinälen 15, die dafür, elf, die dagegen waren; von den elf sollen sechs Franzosen gewesen sein.116 Zwei aber hatten ganz besonders stark ihre Opposition verlauten lassen: Federico Sanseverino, der für Frankreich, und Bernardino Carvajal, der für das Deutsche Reich sprach und den wir bereits 1501 zusammen mit Oliviero Carafa mit einem Akt demonstrativer Freundschaft in der Nähe Sanseverinos gesehen hatten.117 Beide sagten, es sei notwendig, diesen Beschluß der Liga von Cambrai kundzutun, denn deren Interesse werde dadurch tangiert.118 Tatsächlich war Carvajal ein langjähriger Freund Deutschlands und des Kaisers gewesen; er war entschieden für den deutschen Beitritt zur Liga von Cambrai und für den Kampf Maximilians gegen Venedig eingetreten.119 Federico Sanseverino bewies einmal mehr, daß er der französischste aller „französischen“ Kardinäle in Rom war – und daß diesem hochadligen Hünen Stolz, Selbstbewußtsein und Mut nicht fehlten. Denn der bärbeißige, cholerische Julius duldete keinen Widerwillen im Konsistorium, und er war auch jetzt keineswegs geneigt, die Opposition der zumeist französischen bzw. profranzösischen Kardinäle hinzunehmen.120 Um den Einfluß dieser Gegner aufzuheben, beabsichtigte er vielmehr, eine von Franzosen freie Kurie zu schaffen – aber nach seinen Maßgaben und zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt!121 Giovanni de’ Medici hingegen konnte sich einen offenen Widerspruch gegen den Papst auf keinen Fall erlauben; dies hätte ihm mehr geschadet als genutzt. Er, der überaus beliebte Kardinal in Rom, galt deshalb auch während jenes Konfliktes im Konsistorium als Freund der Venezianer.122

116 Shaw, Julius II, S. 241. 117 S.o. S. 516, 536. 118 Sanuto, Diarii IX, Sp. 529, 531 (mit analogem Zeugnis vom 5.2.1510). 119 Vgl. etwa Sanuto, Diarii X, Sp. 74f. (April 1510: Carvajal bzw. Santa Croce, wie er nach seiner

römischen Titelkirche genannt wurde, sei Feind der Venezianer und tutto di l’imperator); Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 750–753; Wiesflecker, Maximilian I., IV, s.v. 120 Zum autoritären Stil Julius’ II. und zur devoten Haltung der Kardinäle, von der sich der Sanseverino jedoch auch schon bei einem Fall im Jahr 1508 abgehoben hatte: Shaw, Julius II, S. 180. 121 So auch klar von den Venezianern in Rom erkannt: ... sichè non è restà alcun francese in la sua corte; Sanuto, Diarii X, Sp. 831 (16.7.1510). 122 Sanuto, Diarii X, Sp. 74f. (April 1510; die bei jenen politischen Charakterisierungen der Kardinäle vom venezianischen Botschafter geäußerte Einschätzung, Federico Sanseverinos Verhältnis

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Die Spannungen zwischen Julius II. und der französischen Partei stiegen nach dem Februar 1510 kontinuierlich und in immer dramatischerer Weise an. Zwei Faktoren trugen maßgeblich zu jener Dynamik bei. Der erste bestand in einer erbitterten Feindschaft des Papstes gegen den Herzog Alfonso d’Este von Ferrara, der trotz seines Lehensverhältnisses zum Papsttum eine eigenständige Bündnispolitik betrieb, die 1506 aus Bologna vertriebenen Bentivoglio unterstützte und sich seit dem Sommer 1509 vollkommen in eine französische Schutzallianz begeben hatte. Der Este gab diese Allianz mit Frankreich auch nach der politischen Wende des Papstes vom Januar 1510 nicht auf, ignorierte päpstliche Befehle und bewirkte damit, daß Julius seit dem April 1510 mit zunehmender Entschlossenheit die Wiedergewinnung der päpstlichen Autorität im Herzogtum Ferrara in Angriff nahm. Anfang Juli 1510 begannen die konkreten Vorbereitungen eines Feldzuges des Papstes gegen Ferrara.123 Den zweiten Faktor bildete paradoxerweise der Tod des Kardinals Georges d’Amboise am 25. Mai 1510 in Lyon, den Julius II. aufgrund entsprechender Gerüchte – etwa nach dem Triumph Frankreichs über Genua – in den vorangegangenen Jahren verdächtigt hatte, seine Absetzung zu betreiben, um selbst Papst zu werden. Die Nachricht vom Tod des Kardinals kommentierte Julius mit der Bemerkung, dies sei eine gute Nachricht für das Papsttum und ganz Italien. Eine nun von Frankreich erhoffte Versöhnung lehnte der Papst ab.124 Seine Aversion gegen Frankreich fokussierte Julius jetzt in Rom auf die dort anwesenden französischen Kardinäle. Alle wollten sie im Juni 1510 wegen des Todes von Amboise aus Rom nach Frankreich zurückkehren, doch Julius verweigerte ihnen die Erlaubnis, offenbar auch, weil er von ihnen antipäpstliche Maßnahmen im Falle eines offenen Konfliktes mit Frankreich fürchtete. Das erste Opfer der wachsenden Spannung an der Kurie war der Kardinal François de Clermont, dem Julius schon vor dem Tod seines Onkels das Verlassen des römischen Hofes nach Frankreich faktisch verboten hatte, indem er ihm für diesen Fall die Verhaftung androhte. Als dieser Neffe des gestorbenen Kardinalministers von Frankreich Ende Juni Vorbereitungen für eine Jagd außerhalb Roms begann, wurde er wegen Fluchtversuch verhaftet und in der Engelsburg inhaftiert. Wie ernst Julius II. die Gerüchte über eine Konspiration des Georges d’Amboise gegen ihn genommen hatte, zeigt sich darin, daß er den gefangenen Kardinal insbesondere wegen einer Beteiligung an solchen Plänen verhören ließ. Offenbar war er von einer Schuld überzeugt, da er Clermont als der Todesstrafe würdig betrachtete, ihm aus Gnade aber eine lange Haftstrafe androhte.125 Bedenkt man nun in diesem Kontext die bezeugten persönlichen Kontakte gerade dieses Kardinals mit den Tornabuoni 1506 und Leonardo di Zanobi Bartolini noch im September 1509 sowie seine zusammen mit Federico Sanseverino im Juni 1508 geäußerte Ermunterung an die Medici, sie könnten einen baldigen Machtwechsel in Florenz erhof-

zu Ludwig XII. sei nicht sehr gut, findet in den Quellen keine Entsprechung und scheint ein Fehlurteil zu sein). 123 Vgl. Shaw, Julius II, S. 255–260. 124 Prevost, Art. „Amboise (Georges Ier D’)“, Sp. 500f.; Shaw, Julius II, S. 264, 279. 125 Shaw, Julius II, S. 279f.

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fen, so bedeutete die Verhaftung Clermonts zunächst einmal den Verlust eines mächtigen Mittelsmannes für die Mediceer und mit Blick auf den Papst Gefahr bei weiteren Kontakten zu ihm. Zugleich aber stellte seine Inhaftierung und vor allem der Tod seines Onkels Georges d’Amboise das Ende einer stets verheißungsvollen Option für die Medici dar bzw. für ihre Rückkehr nach Florenz. Die im Sommer 1510 dramatisch gesteigerte Konfliktsituation für die französische Partei an der Kurie mußte eben auch für die meisten Mediceer entsprechend gravierende Konsequenzen haben. Nach der Gefangennahme des Kardinals François de Clermont waren es die französischen Botschafter und Kardinäle in Rom sowie – natürlich, aber in der Literatur meist nicht erwähnt – Kardinal Federico Sanseverino, die sofort bei Julius II. vorstellig wurden, um die Freilassung Clermonts zu erbitten, doch entweder gar nicht vorgelassen wurden oder nichts erreichten.126 Daraufhin wandten sie sich mit der Bitte an Ludwig XII., er möge brieflich für die Freilassung des Kardinals eintreten. Diesen Brief präsentierten Mitte Juli 1510 persönlich fünf Kardinäle: Guillaume Briçonnet, der Bretone Robert Britto, Louis d’Amboise, René de Prie und erneut Federico Sanseverino. Die ihnen gegebene Antwort war eine cholerische Reaktion des Papstes, verbunden mit der Frage, ob sie beabsichtigten, zu Clermont in die Engelsburg zu kommen.127 Genau zwischen Ende Mai und Mitte Juli 1510 erreichte der Konflikt zwischen dem Papst und Frankreich also eine (erste) Klimax, die angesichts der Gefangenschaft des Kardinals François de Clermont und der Kriegsvorbereitungen des Papstes gegen das „französische“ Ferrara realistischerweise auch nicht in naher Zukunft zu beseitigen war. Es gibt hier eine zeitliche Koinzidenz, die uns veranlassen muß, an dieser Stelle wiederum eine Verknüpfung dieser Handlungs- und Ereignisstränge mit den subpolitischen Vereinbarungen zwischen dem Sanseverino und den Bartolini vorzunehmen. Die Verpachtung der Sanseverino-Benefizien im Spiegel des päpstlich-französischen Konfliktes Ist es nicht merkwürdig, daß Federico Sanseverino und Leonardo di Bartolomeo Bartolini genau am 11. Juni 1510 mit einer in Civita Castellana ausgestellten Bulle einen von Julius II. bewilligten zweiten Vertrag abschlossen, mit welchem die Verpachtung der großen oberitalienischen Sanseverino-Benefizien an den Bartolini nun durch den Papst legitimiert wurde, wo der erste gerade seit 15 Monaten bestand? Doch gleichermaßen erstaunlich wie das Datum sind die Details dieser neuen Verpachtung. Es handelte sich wiederum nur um die norditalienischen Benefizien Federicos, nicht um die bereits ebenfalls vom Bartolini verwalteten französischen! Der entscheidende Punkt dieser Neuverpachtung war die verlängerte Terminierung. Statt nur für drei Jahre von 1509 bis 1512 sollte der Vertrag um ein Jahr verlängert für vier Jahre gelten, also bis 1513. Zudem konnten wir eruieren, daß die dem Papst genannten Pachterträge weitaus niedriger waren als die tatsächlich vereinbarten und erzielten! 126 Sanuto, Diarii X, Sp. 725. 127 Sanuto, Diarii X, Sp. 856.

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Es kann keinen Zweifel geben. Dieser Kardinal Federico Sanseverino hat in jenen Tagen, als der Papst den französischen Kardinälen das Verlassen der Kurie und die Reise nach Frankreich verbat, als er somit seine Entschlossenheit zur Konfrontation mit Frankreich unmißverständlich demonstrierte, dieser so entscheidende Medici-Freund hat damals eine äußerst rationale und kluge Entscheidung getroffen, die er zweifellos mit dem engeren Medici-Kreis abstimmte. Denn er hat eine langjährige und folgenreiche Auseinandersetzung Frankreichs mit diesem Papst vorausgesehen oder zumindest befürchtet; und er hat gewußt, daß er auf Seiten Frankreichs an ihr beteiligt sein würde. Er war sich bewußt, daß dies mit großer Sicherheit einen Verlust seiner Benefizien in Italien bedeuten würde, denn über sie konnte der Papst bei entsprechenden Voraussetzungen auch faktisch verfügen – nicht aber über die französischen, auf die er nur einen theoretischen Zugriff besaß, da der König sich einem derartigen Benefizienentzug nicht beugen würde. Deshalb also entschieden sich der Sanseverino und Bartolini Anfang Juni, als der Bruch mit dem Papst noch nicht völlig vollzogen war, die lombardischen Benefizien – d.h.: deren Einkünfte, um sie ging es! – nun durch eine päpstliche Verfügung in die Hand des Bartolini zu geben, eventuell auch bewußt mit einer sehr niedrigen Pachtsumme, um das Vorhaben durch eine zu hohe Summe nicht in Gefahr zu bringen. Zudem mußte der Bartolini als Intimus des Hauses Medici aufgrund der weiterhin guten Beziehung Giovanni de’ Medicis zu Julius II. als relativ unverdächtig gelten. Nicht zu vergessen ist vor allem der römische Bartolini, Leonardo di Zanobi, der nach eigener Aussage bestens wußte, wie man mit diesem Papst umzugehen hatte128 – was ihn zu einer Rarität gemacht haben dürfte –, und dessen Beteiligung bei der Ausfertigung der Bulle wie die eines Lorenzo Pucci anzunehmen ist. Das Ganze war jedenfalls ein überaus kluger Schachzug, der überdies auch die aus der Abtei Morimondo stammende Pension für Giovanni de’ Medici rettete. Denn wenn Julius II. diese vier großen Benefizien aufgrund eines Ungehorsams des Sanseverino einem anderen Geistlichen übertragen würde, blieben die Einkünfte doch durch päpstlichen Willen in der Hand der Bartolini-Bank, einer getarnten Mediceer-Institution mithin! Das war das Entscheidende. Wäre die päpstliche Legitimation im Juni 1510 nicht eingeholt worden, wäre ein Entzug nicht nur der Benefizien, sondern auch eine Aufhebung der bisher ja offenbar nicht autorisierten Verpachtung zu befürchten gewesen. Wir werden sehen, daß diese kluge Voraussicht, diese nüchtern kalkulierte Vorsichtsmaßnahme ihre volle Berechtigung finden wird, daß der Vorgang als kirchen- und wirtschaftspolitisches Kabinettstück zu bewerten ist!

b) Die Mediceer und die beginnende Kirchenspaltung Seit dem Juli 1510 war der Bruch zwischen Frankreich und dem Papst endgültig vollzogen. Falls Federico Sanseverino noch ernsthaft geglaubt haben sollte, Ludwig XII. und Julius II. versöhnen zu können, so hatte er eine solche Hoffnung Mitte August 1510 auf-

128 S.u. S. 1022.

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gegeben.129 Julius widmete sich nur noch seinen Kriegszügen gegen Frankreich und dessen Verbündete in Italien. Ludwig XII. reagierte. Im Juli 1510 ließ er in Lyon päpstliche Wechsel sperren, mit denen Julius Schweizer Söldner bezahlen wollte. Der Papst wiederum zitierte vier profranzösische Kardinäle an seinen Hof: Carlo Domenico del Carretto aus dem ligurischen Markgrafenhaus di Finale, der von Ludwig XII. zum Gouverneur des von den Venezianern 1509 eroberten Brescia ernannt worden war, dann den Kardinal Ippolito d’Este als Bruder seines Feindes Alfonso d’Este von Ferrara, ferner einen Franzosen sowie schließlich den Florentiner Kardinal Francesco Soderini als Bruder Piero Soderinis, der weiterhin am Bündnis mit Frankreich festhielt.130 Am 1. September 1510 brach Julius von Montefiascone nach Bologna auf, wo er am 22. September eintraf, um von dort aus den bereits begonnenen Feldzug gegen Ferrara zu leiten.131 (Und am 4.9.1510 quittierte Kardinal Louis d’Amboise in Rom den Empfang von 552 Scudi, die ihm die Lyoner Bartolini-Bank als Kredit gegeben hatte!132) Die Kardinäle hatten ihn zu begleiten oder ihm zu folgen. Diesen Gehorsam forderte er nun auch, weil es inzwischen um weit mehr als eine kriegerische Auseinandersetzung mit Frankreich ging. Es drohte eine kirchenpolitische, eine geistliche Konfrontation. Nach einer anzunehmenden Entschlußphase hatte Ludwig XII. am 30. Juli 1510 den französischen Klerus zu einem Nationalkonzil für Mitte September in Orléans zusammengerufen, das dann aber in Tours tagte und hauptsächlich die Auseinandersetzung des Königs mit dem Papst unterstützen und legitimieren sollte.133 In der Zwischenzeit hatte Ludwig XII. am 16. August eine Ordonnanz erlassen, mit welcher er all seinen Untertanen verbot, sich wegen irgendwelcher Benefizienangelegenheiten an die römische Kurie zu wenden. Damit sollte nicht nur die Autorität dieses Papstes in Frage gestellt, sondern vor allem der Geldtransfer aus Frankreich an die Kurie unterbunden werden, da diese – im übrigen enormen – Summen nach Ansicht Ludwigs XII. nur dem Krieg des Papstes gegen Frankreich dienten.134 Als das französische Nationalkonzil am 30. September 1510 seine Versammlung beendete, stand der Plan eines allgemeinen, gegen den Papst gerichteten Konzils offen im Raum. Für dieses aber brauchte Ludwig XII. die Beteiligung einiger Kardinäle, um dem Konzil Legitimität zu verleihen. Mit den dazu bereiten Purpurträgern mußte er sich bereits im September, wahrscheinlich sogar schon früher, verständigt haben. Denn noch während sein französisches Konzil in Tours tagte, schrieb Ludwig am 27. September von dort einen Brief nach Florenz, mit welchem er die Stadt bat, einer auf dem Weg nach Mailand

129 Sanuto, Diarii XI, Sp. 201 (Bernardo Dovizi da Bibbiena am 17.8.1510 aus Rom an seinen

Bruder Piero in Venedig: ... e che ’l cardinal San Severino si afaticha di acordar il papa con il re di Franza). 130 Cerretani, Ricordi, S. 222. 131 Frati, Spedizioni, S. 189 [–331 zur gesamten Zeit bis 28.6.1512]; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 784f.; Baumgartner, Louis XII, S. 213f.; Shaw, Julius II, S. 260–262. 132 S.o. S. 650f. 133 Baumgartner, Louis XII, S. 212f. 134 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 284 und passim zur Bedeutung der aus Frankreich an die Kurie gelangenden Gelder, deren Höhe die jedes anderen Landes weit übertraf.

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befindlichen Gruppe von Kardinälen Gastfreundschaft in ihren Mauern und in anderen Orten ihres Territoriums zu gewähren.135 Es handelte sich um drei „französische“ Kardinäle, Guillaume Briçonnet, René de Prie und Federico Sanseverino, sowie um zwei spanische, Bernardino Carvajal und Francesco Borgia, die als Gegner Julius’ seiner Anordnung, nach Bologna zu kommen, nicht Folge leisteten; manche scheinen auch ernsthaft um ihre Sicherheit gefürchtet zu haben. Bedenkt man den regulär mehrwöchigen, in dringenden Einzelfällen aber durchaus in ca. zehn Tagen zu bewältigenden Postweg von Rom nach Tours, so könnte ihr Entschluß Anfang September, also kurz nach dem Aufbruch des Papstes, gefällt worden sein, der dann dem König mitgeteilt wurde.136 Da aber ein solcher Schritt nicht ohne eine vorherige Konsultation mit Ludwig umgesetzt worden sein wird, müssen entsprechende Vorbereitungen schon im Juli getroffen worden sein, vermutlich kurz nach der Verhaftung des Kardinals François de Clermont, als der Konflikt seinen ersten unumkehrbaren Höhepunkt erreichte. Am 3. Oktober 1510, nach einem überaus schnellen Postweg von nur sieben Tagen, war der Brief des Königs in Florenz zugestellt worden, wo die fünf Kardinäle am gleichen Tag oder in den folgenden beiden Tagen eintrafen und bis zum 17. Oktober blieben.137 Als der Papst die Information über den Ungehorsam, den Aufruhr der Kardinäle erhielt, traf ihn dies sehr. Sofort befürchtete er ein von diesen Kardinälen organisiertes, als schismatisch zu erachtendes Konzil, das seine Absetzung betreiben würde – eine Vermutung, die kurz darauf durch abgefangene Briefe bestätigt wurde.138 Erneut zitierte Julius die abtrünnigen Kardinäle zu sich und als diese nicht reagierten, beauftragte er seinen Datar, den er nach Rom geschickt hatte, um Geld für den Krieg zu besorgen, den Kardinälen in Florenz diesen Befehl nochmals persönlich vorzutragen. Seit spätestens Anfang Oktober 1510 aber bekleidete Lorenzo Pucci das mächtige Kurienamt des Datars, der Federico Sanseverino natürlich bestens kannte und ihm durch die gemeinsamen Aktivitäten für das Haus Medici mehr als eng verbunden war! Pucci hatte ihm und seinen Mitstreitern nun in Florenz offenbar auch die Drohung Julius’ II. auszurichten, die Kardinäle würden ihre Benefizien und Titel verlieren, wenn sie sich weigerten, nach Bologna zu kommen.139 135 Renaudet, Concile, Nr. 13; Shaw, Julius II, S. 281f. 136 Zu den normalen Kuriergeschwindigkeiten vgl. etwa Spufford, Handel, S. 20–23 (für die Strek-

ke zwischen Florenz und Paris rechnete man bei einem für Kaufleute tätigen Briefboten gewöhnlich mit 20 bis 22 Tagen, für die zwischen Florenz und Rom mit 5 bis 6 Tagen; Sonderkuriere konnten solche Distanzen freilich im Stafettenritt, durch Auswechslung von Reiter und Pferd, erheblich schneller bewältigen). 137 Am 3.10.1510 wurde der Brief Ludwigs XII. vom 27.9. in Florenz registriert: Renaudet, Concile S. 10, Nr. 13; nach Auskunft der offiziellen Florentiner Korrespondenz befanden sich die Kardinäle bereits am 5.10. in Florenz (ebd. S. 10f., Nr. 14); vgl. zum Aufenthalt der Kardinäle auch Sanuto, Diarii XI, Sp. 535 (6.10.1510 Nachricht aus Rom, daß die fünf Kardinäle in Florenz seien). Nach Cerretani, Ricordi, S. 225, wären sie erst am 10.10.1510 in Florenz eingetroffen. Zum Abreisetag vgl. Renaudet, a.a.O. S. 20, Nr. 25, 26. 138 Sanuto, Diarii XI, Sp. 530 (Bologna, 17.10.1510: Et che ’l papa havia ditto, che questi [cardinali] tractavano di far papa etc.); Shaw, Julius II, S. 283. 139 Zur Zitation durch den Datar: Cerretani, Ricordi, S. 225; zu den Drohungen des Papstes: Sanuto, Diarii XI, Sp. 546 (cinque cardinali, chiamati dal papa, sub privatione beneficiorum et pilei,

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Eben dieser Gefahr, in der Lombardei Einkünfte von jährlich mehr als 8.000 Kammerdukaten zu verlieren, hatte Federico Sanseverino im Juni 1510 mit seinem päpstlich abgesegneten Pachtvertrag für Leonardo Bartolini vorgebeugt! Während Federico Sanseverino mit den gleichgesinnten Kardinälen Entscheidungen gegen den amtierenden Papst traf, die in ihrer Tragweite von großer Bedeutung waren und schon zu seiner Zeit in die Geschichtsbücher eingingen, kümmerte er sich zur gleichen Zeit auch um praktische Details jener Verpachtungen. Noch im August oder September 1510 muß er sie mit dem in Lyon befindlichen Leonardo di Bartolomeo Bartolini vereinbart haben. Denn am 27. September, als Federico sich im Aufbruch oder schon auf dem Weg nach Florenz befand, hatten seine Bevollmächtigten den aus Lyon nach Mailand gekommenen Bartolini in die Güter der Abtei Morimondo eingewiesen, sie ihm übertragen.140 Florenz verließen die fünf Kardinäle am 17. Oktober 1510 mit einem militärischen Geleit, das freilich nicht ihren weitergehenden Forderungen entsprach, wie sie offenkundig insbesondere von Federico Sanseverino erhoben worden waren, um den Papst zu provozieren und damit, ganz im Interesse der Mediceer, die Florentiner Regierung zu diskreditieren – dessen war man sich in Florenz sehr bewußt. Gleichwohl gab man ihnen eine Eskorte, die sie über Pisa sicher bis Sarzana am äußersten Rand des Florentiner Territoriums begleitete; von dort sollte es dann nach Genua gehen, von wo aus sich die Kardinäle nach anfänglichen Plänen zu König Ludwig XII. begeben wollten, bei dem sich schon weitere befreundete Kardinäle befunden haben sollen.141 Einen Monat später aber wollte man in Bologna wissen, daß alle fünf doch zusammen nach Pavia gegangen seien, dort aber unterschiedliche Reisewege aufnahmen. Sicher ist, daß Federico Sanseverino sich von spätestens Anfang November 1510 bis Januar 1511 in Mailand befand; für den 29. Dezember 1510 ist sogar ein Aufenthalt in seiner Abtei Morimondo nachzuweisen, dem „Geschenk“ seines Freundes Giovanni de’ Medici.142 Auch in diesen Tagen blieb er mit der Bartolini-Bank in engster Verbindung – aber das wird sich in den folgenden Jahren sono a Fiorenza, e pocho lo stimano); zum bisher frühesten Beleg für Puccis Wirken als Datar: Frenz, Kanzlei, S. 395, Nr. 1487 (2.10.1510). 140 S.o. S. 772. 141 Zum Geleit, das in seiner Form unter den Forderungen der Kardinäle lag und deshalb später v. a. bei Federico Sanseverino, der damit offenbar eine Provokation des Papstes herbeiführen wollte, zu Verstimmungen führte, sowie zur Reiseroute: Renaudet, Concile, Nr. 15, 25–33; vgl. Sanuto, Diarii XI, Sp. 546 (18.10.1510, Bericht aus Bologna, daß die fünf aus Florenz aufgebrochen seien; nach Sanuto wären die beiden spanischen Kardinäle vorerst in Pisa geblieben); Cerretani, Ricordi, S. 225 (von Genua aus wollten die Kardinäle Ludwig XII. aufsuchen, in dessen Begleitung sich die Kardinäle Adriano Castellesi von Corneto, Ippolito d’Este und Carlo Domenico del Carretto befunden hätten). 142 Die Dieci di Balìa in Florenz erwähnten schon am 10.11.1510 den Aufenthalt Federico Sanseverinos in Mailand: Renaudet, Concile, Nr. 31; vgl. Sanuto, Diarii XI, Sp. 633f. (25.11.1510, aus Bologna: nach gemeinsamem Aufenthalt aller fünf Kardinäle in Pavia seien der Sanseverino und René de Prie angeblich nach Frankreich, doch tatsächlich nach Mailand gegangen), 791 (14.1.1511, aus Rom: über einen Brief, den Federico Sanseverino am 29.12.1510 in der Abtei Morimondo bei Mailand an einen sehr guten, leider ungenannten Freund geschrieben habe).

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nicht ändern, im Gegenteil, und soll nun nicht jedesmal eigens betont werden. Am 20. Oktober 1510 schrieb er einen Wechselbrief aus, mit welchem er die Bartolini-Bank beauftragte, Antonio Giacomini 126, 5, 8 Dukaten larghi im Wert von 130 Kammerdukaten auszuzahlen.143 Warum zahlte der Sanseverino im Oktober 1510 Geld an Antonio Giacomini de’ Tebalducci? Denn war dieser nicht ein enger Freund Piero Soderinis, der ihm beispielsweise im Mai 1504 den Posten eines Generalkommissars für den Florentiner Feldzug gegen Pisa verschafft hatte?144 Galt er, dessen Vater noch 1466 von den Medici exiliert worden war, nicht als Feind dieser Familie?145 Im August 1505 konnte er dann zusammen mit Ercole Bentivoglio den bereits angesprochenen Sieg über Bartolomeo d’Alviano, den damaligen Verbündeten der Medici, erringen, war einen Monat später aber maßgeblich an der (von den Medici erhofften) Niederlage der Florentiner vor Pisa verantwortlich.146 Doch wenn er tatsächlich 1504/05 ein Freund Soderinis war, so muß er in der folgenden Zeit seine Haltung grundlegend geändert haben. Als nämlich der Gonfaloniere Soderini im Jahr 1508 die von Giovanni de’ Medici, seinen Freunden und sogar dem Papst gewünschte Ehe zwischen Clarice di Piero de’ Medici und Filippo Strozzi mit aller Macht verhindern wollte, da wird uns von Guicciardini auch und gerade Antonio Giacomini zusammen mit den Salviati und Gianbattista Ridolfi als einer der Feinde Soderinis genannt, die in Kooperation mit den Medici diese Hochzeit unterstützten und verwirklichten.147 Erfolgte die Zahlung des Sanseverino an Giacomini im Oktober 1510 also deshalb, weil dieser mittlerweile zum Kreis der Medici gehörte? Es hat fast den Anschein. Denn wer sich damals für die Hochzeit zwischen dem Strozzi und der Tochter des Rebellen Piero de’ Medici einsetzte, bekannte sich unverhohlen zur Medici-Partei. Auffällig ist zudem, daß Giuliano de’ Medici sich kurz nach dem Machtwechsel in Florenz persönlich zu dem erbitterten und erblindeten Antonio Giacomini begab, um ihm zuzusichern, daß ihm im Gegensatz zu anderen nicht seine als Kriegstrophäen erbeuteten Waffen abgenommen werden würden.148

c) Der päpstlich-mediceische Attentatsversuch auf Piero Soderini, den Regenten von Florenz Während sein Freund Federico Sanseverino sich gegen den Papst auflehnte und nach Mailand begab, folgte Giovanni de’ Medici mit dem Großteil der Kardinäle und sonstigen Kurienbeamten Julius II. nach Bologna. Giovannis Ziel blieb unverändert die Rückkehr nach Florenz, die nur durch die Ablösung des dortigen Regimes möglich war. Der Allianzwechsel des Papstes aber hatte die politischen Koordinaten – und damit die Strategie der 143 ABS 202, c. 134. 144 Butters, Governors, S. 87f. 145 Vgl. Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 103 u. 123, Anm. 188. 146 S.o. S. 852; Guicciardini, Storie fiorentine, S. 280; Butters, Governors, S. 101. 147 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 327. 148 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 245, Anm. 1.

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Mediceer – fundamental geändert. Jeder erklärte Freund und Alliierte Frankreichs wurde nun zum besonderen Feind des Papstes. So wie Ferrara war auch Florenz einer der wichtigen Bündnispartner Frankreichs, unter dessen Schutz es sich – gegen einen hohen Preis! – begeben hatte. Hatte Julius II. schon immer deutliche Sympathien für die exilierten Medici und Aversionen gegen ihre Gegner in Florenz gezeigt, so gab es für ihn nun, seit Anfang 1510, noch mehr und sowohl kirchenpolitisch als auch rational zu rechtfertigende Gründe, die Arno-Republik auf die Anklagebank zu setzen und ihr mit Strafen zu drohen, falls sie weiterhin zu Frankreich halte. Und bildete eine Restitution der Medici in Florenz nicht eine besonders geeignete Form der Züchtigung? Die einfachste Regel politischer Allianzsysteme, nach welcher der Freund des Feindes ebenfalls zum Feind wird, bekam schon am 20. Juli 1510 Kardinal Francesco Soderini zu spüren, der Bruder des Florentiner Gonfaloniere, als er (wie schon angesprochen) mit weiteren profranzösischen Kardinälen und einem Franzosen von Julius II. zu sich zitiert wurde, weil er sie alle als franzesi betrachtete.149 Noch im gleichen Monat wurde dieser Feindesstatus auf den ganzen Staat übertragen. Bereits im Juli 1510, als der Feldzug gegen Ferrara klare Formen annahm, gab es Drohungen des Papstes gegen Florenz, da es ein Freund der Franzosen sei; es kam auch zu kleineren Scharmützeln bei Livorno, bei denen der in päpstliche Dienste getretene Condottiere Marcantonio Colonna geringe Verluste zu erleiden hatte. Obwohl es sich nur um 70 erbeutete „päpstliche“ Pferde handelte, die später zurückgegeben wurden, tobte der Papst; vor allem aber sah er in der Wiedereinsetzung der Medici die geeignete Vergeltungsmaßnahme!150 Ein schweres Geschütz, das Julius hier auffuhr, das seine Berechtigung aber nicht allein durch den Verlust einiger Dutzend Pferde erhielt. Entscheidend für unsere Mediceer war die hier erstmals klar artikulierte Sanktion, die Form der Repressalie für die Florentiner Weigerung, sich von Frankreich zu distanzieren und in das päpstliche Bündnis einzutreten. Damit ließ sich trefflich arbeiten. Wer die Medici-Restitution als Strafmaß des Papstes so schnell und effizient wie möglich realisieren wollte, der brauchte nur dafür zu sorgen, daß Florenz sich als Parteigänger Frankreichs und damit als Gegner des Papstes selbst desavouierte. Es war ein sehr unmittelbar ansetzbarer Hebel, von den Florentinern seit dem November 1494 selbst konstruiert, der auch von Franzosen instrumentalisiert werden konnte, wenn sie sich für die Interessen der Medici einsetzen wollten. Ist das Prinzip erst einmal erkannt, läßt sich einigen historischen Handlungen eine neue Tiefenschärfe verleihen. Ob Ludwig XII. Ende September 1510 gezielt eine Verschärfung des Dissenses zwischen Florenz und Papst zugunsten der Medici intendierte, als er seine Florentiner Konföderierten aufforderte, den fünf auf dem Weg nach Mailand befindlichen Kardinälen mitsamt ihren Kardinalshaushalten, ihren Familien, eine ehrenvolle und sichere Aufnahme in Florenz und seinen Territorien zu gewähren, ist nicht auszuschließen, muß aber Spekulation bleiben, zumal der 149 Cerretani, Ricordi, S. 222. 150 Cerretani, Ricordi, S. 221f. (... Lettere del papa furno in questi dì in Firenzze tolte, di che e dello

svalig[i]are e chavalli il papa se ne turbò assai et minacciò di rapresaglia, e che rimetterebbe e Medici in Firenze).

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unbezweifelbarste und energischste Freund der Medici am französischen Hof, Georges d’Amboise, nicht mehr lebte. Wenn sich jedoch Federico Sanseverino ans Werk machte, den Keil zwischen Florenz und Julius II. tiefer zu treiben, läßt sich an seinen promediceischen Motiven nicht deuteln. Genau diese Arbeit betrieb er im Oktober 1510. Alle fünf Kardinäle berichteten dem französischen Hof in Blois, wie gut sie in Florenz und danach durch ihre Eskorte behandelt worden seien – nur einer wollte sich damit nicht begnügen: Federico Sanseverino. Über seinen Bruder Galeazzo, den Grand Ecuyer des Königs, ließ er diesem zudem ausrichten, daß die Florentiner ihn überaus warmherzig und als guten Freund aufgenommen hätten – doch jeder politisch Interessierte wußte in Florenz von seiner intimen Freundschaft zu den Medici, die ihn somit für die Soderini-Partei zum Feind machte! – und daß man alle notwendigen Angelegenheiten effizient und freundschaftlich ausgeführt habe.151 Federico durfte sicher sein, daß der päpstliche Botschafter am französischen Hof von dieser Eloge Kenntnis erhielt, die offenbar genau diesen spaltenden Effekt erzielen sollte. Denn in Wahrheit waren die Kardinäle am 17. Oktober höchst unzufrieden aus Florenz abgereist, da sie nicht jenes außerordentliche Geleit und weitere (leider nicht genauer erläuterte) Zugeständnisse erhalten hatten, die sie von Beginn an gefordert hatten, die vor allem aber eine Schädigung und Beleidigung des Papstes bezwecken sollten.152 Weil jene Privilegien weniger den Kardinälen dienten – da reichte ein sicheres Geleit – als vielmehr eine Provokation des Papstes bedeuteten, hütete sich die Florentiner Regierung, sie ihnen zu gewähren. Dennoch sah sie sich seit dem Florentiner Aufenthalt der Kardinäle ununterbrochen gezwungen, die durch ihre Dienste für diese Kardinäle beim Papst bereits zertrümmerten Scherben ihrer Politik zu kitten. Bis zum 30. November 1510 gelang dies trotz intensivster diplomatischer Bemühungen nicht, weil die Kardinäle nach ihrer Ankunft in Mailand ihr ‚intrigantes‘, Florenz isolierendes Werk fortsetzten. Man sprach zwar allgemein von den Kardinälen, doch namentlich wird nur einer genannt und hervorgehoben. Federico Sanseverino gebe, so die Florentiner wörtlich, diesen in Mailand nicht das zurück, was er von ihnen erhalten habe; hätten ihn die Florentiner geehrt und unterstützt, so betreibe er nun das Gegenteil.153 Das angeblich aus Florenz angeordnete ungebührliche Verhalten der ihm gestellten Geleitsoffiziere bildete nur einen seiner Beschwerdepunkte. Tatsächlich hatten die Florentiner den Eindruck, 151 Renaudet, Concile, Nr. 29. 152 Renaudet, Concile, Nr. 33 (Noi habbiamo un mese continuo dalla partita de cardinali di qua

fino ad hoggi operato industriato et combattuto quanto ci è stato possibile, et teniamo per certo che ci sarebbe riuscito, se non fussi stato la opera che ne hanno facto quelli cardinali poi che arrivorono in Lombardia: e quali, partitisi di qua malcontenti per non havere obtenuto da noi et salvocondocti et altre cose che desideravono in danno et offesa di Sua Santita, non hanno mai restato che ci hanno condocti in questa necessita, contro la quale non ci è possibile trovare remedio. Et forzati da l’honor nostro ... ci siamo contro a nostra voglia resoluti ad far quello che non pensamo mai havere ad fare – nämlich zum eigenen Schaden jene Hilfstruppen so schnell in die Lombardei entsenden zu müssen, daß man die dadurch provozierten diplomatischen Verwerfungen nicht mehr oder nicht mehr teilweise beseitigen konnte). 153 Renaudet, Concile, Nr. 31 (Il cardinale San Severino non ha facto quello offitio verso di noi che tucta questa citta ha facto verso di lui ...).

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umfassender und tiefer von ihm bloßgestellt zu werden. Dieses befremdliche Verhalten führten sie in grundsätzlicher Weise auf sein Denken, seine Natur, seine Disposition gegenüber Florenz zurück. Immerhin hatten sie seit Ende 1494 viele Gelegenheiten gehabt, die Folgen seiner familiär-symbiotischen Freundschaft mit den Medici kennenzulernen. Wenn die Florentiner Regierung also Ende November 1510 den sisyphoshaften Charakter ihrer Anstrengungen um eine päpstliche Rehabilitierung konstatieren mußte, so trug der Sanseverino offenkundig in nicht unerheblicher Weise mit unterschiedlichen, aber stets auf den gleichen Zweck ausgerichteten Mitteln dazu bei. Konnte man im Oktober wenn auch nicht die Ehrung und den Schutz der fünf Kardinäle, so doch ihre übermäßige Privilegierung vermeiden, so mußte Florenz Ende November, trotz größten Widerstands, als Alliierter Frankreichs 200 Soldaten als Hilfstruppe ins französische Mailand entsenden, was den heftigen Zorn von Julius II. erregte, dessen cholerisches Temperament berüchtigt war. Boten ihm schon 70 auf Florentiner Boden verbrachte Pferde im Juli den hinreichenden Anlaß, um die Medici an die Macht zurückzubringen, so mußten für ihn Ende November die Sanktionsvoraussetzungen in einem kaum noch erträglichen Maß erfüllt gewesen sein. Im Dezember hatte sich der Papst daher entschlossen, umzusetzen, was er den Florentinern schon im Juli angedroht hatte: den Sturz der Soderini-Regierung. Im Dezember 1510 kam es zu einem erstaunlichen Ereignis, das in den Quellen gut und recht übereinstimmend dokumentiert ist: ein geplantes Attentat auf den Gonfaloniere Piero Soderini, das von keinen Geringeren als dem Papst und Kardinal Giovanni de’ Medici mit Sicherheit gedeckt und getragen, augenscheinlich sogar angeregt worden war!154 Was war geschehen? Aus Bologna – also vom päpstlichen Hof – war am 17. Dezember 1510, einem Dienstag, der junge, ca. 25-jährige Prinzivalle della Stufa, ein an der Kurie tätiger Sohn von Luigi d’Agnolo della Stufa, nach Florenz gekommen; wie sein Vater war er ein entschiedener Medici-Anhänger. Nachdem er in der Stadt mehrere Personen aufgesucht hatte, wandte er sich schließlich an seinen Jugendfreund Filippo Strozzi, den Ehemann von Clarice di Piero de’ Medici, um ihm eine Sache von großer Bedeutung mitzuteilen. In einem vor Mithörern sicheren Zimmer des Strozzi-Palastes verkündete er dem 154 Eine breite und recht zuverlässige Darstellung findet sich bei Cerretani, Ricordi, S. 230–237;

präzise und Cerretanis Darstellung stützende Informationen finden sich in den von Renaudet gedruckten Briefen der Florentiner Dieci di Balìa und weiteren in den Anmerkungen zitierten Quellen: Renaudet, Concile, Nr. 34f.; vgl. ebenso die kürzeren Darstellungen bei Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 188f. (nach ihm war der Ort des Attentats noch nicht festgelegt, es hätte auch im Rat, in Soderinis Zimmer oder irgendwo im Freien stattfinden können; mit Rekurs der Herausgeberin auf eine weitere Strozzi-Quelle: die von in ihr geäußerte Vermutung, der [auch] in dieser Quelle zu findende Verweis auf den Papst als Anstifter des Attentats könne nicht stimmen, da dort als Motiv die Zustimmung der Soderini für das schismatische, antipäpstliche Konzil von Pisa genannt sei und dieses erst später im Mai 1511 einberufen worden sei, spricht nicht gegen die Rolle des Papstes, sondern gegen das vom Chronisten vorgebrachte Motiv. In der Tat hatte Julius II. ja längst vorher seine Feindschaft zu Florenz als Bündnispartner Frankreichs deutlich kundgetan!); Guicciardini, Storia d’Italia, S. 895f. (IX/12); Ammirato, Istorie fiorentine VI, S. 262–266; Mecatti, Storia cronologica, S. 518f.; Bullard, Filippo Strozzi, S. 61–63; Butters, Governors, S. 143–145. Von Shaw, Julius II, ist dieser Attentatsversuch erstaunlicherweise nicht thematisiert worden.

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verblüfften Strozzi dann einen ungeheuerlichen Plan. Marcantonio Colonna, der Condottiere des Papstes, und er, Prinzivalle della Stufa, hätten in Bologna eine Unterredung mit Julius II. gehabt, deren Ergebnis (nach dem detaillierten Bericht Cerretanis) wie folgt lautete: Am 1.(?) Januar (il dì di chalen ddi gennaio [1511]) wollte Marcantonio Colonna sechs oder acht seiner Männer nach Florenz schicken, um Piero Soderini und die Signoria, die an jenem Tag die Messe in San Giovanni (d.h. im Dom S. Maria del Fiore) besuchen würden, auf dem Weg zum Dom zu ermorden. Er selbst, Prinzivalle, würde mit einigen anderen jungen Männern den Palazzo Vecchio stürmen und den Machtwechsel in Florenz herbeiführen. Die erste Frage Filippo Strozzis war daraufhin, ob der Kardinal Giovanni de’ Medici dies wisse. Prinzivalle antwortete, der Kardinal sei zu jener Unterredung mit dem Papst hinzugekommen und habe gesagt, er wolle nicht mit Gewalt nach Florenz zurückkommen – doch sollten sie es so machen wie geplant! Der Strozzi warf Prinzivalle nun vor, er sei verrückt; dieser solle sich um seine Sachen, er selbst wolle sich um die seinigen kümmern. Filippo begab sich nun zunächst zu seiner Schwiegermutter Alfonsina Orsini, die sich gerade in der Stadt aufhielt – und für die er ja noch am 6. September 1510 prokuratorisch 1.402 Fiorini als Teil ihrer Mitgift in Empfang genommen hatte! –, und beklagte sich, daß Giovanni de’ Medici ihn wegen der Verwandtschaft in den Attentatsplan einbinde. Alfonsina solle den Kardinal wissen lassen, daß er bei einem solchen Vorgang nicht mitwirken wolle. Alfonsina lobte seinen Entschluß und gab vor, selbst nicht eingeweiht zu sein. Am Abend traf sich Filippo nochmals mit Prinzivalle, teilte ihm mit, er wolle mit dem Staatsstreich nichts zu tun haben, und riet ihm, die Stadt schnell zu verlassen. Doch Prinzivalle wollte von seinem Plan nicht ablassen. Daher informierte Filippo in der Nacht Leonardo Strozzi, der zu den Dieci di Balìa gehörte und der dann mit weiteren seiner Amtskollegen den Gonfaloniere über den Fall in Kenntnis setzte. Obwohl Piero Soderini um Stillschweigen bat, wurde der Plan auch anderen erzählt, was wiederum Prinzivalle zu Ohren kam, der am folgenden Tag unbehelligt die Stadt verlassen konnte. Erst am Montag, dem 23. Dezember 1510, reagierten Piero Soderini und die Signoria und ließen eine Untersuchung des Falles beschließen. Am Dienstag wurde Prinzivalles Vater Luigi verhaftet, dann mit weiteren Familienangehörigen verhört. Während Luigi zunächst nichts von dem Attentat gewußt haben wollte, gab er später – wie schon vorher seine Frau Guglielma – zu, alles erfahren und seinem Sohn Geld für die Flucht nach Siena gegeben zu haben. Durch weitere Verhöre kam heraus, daß Lucrezia Salviati durch ihren Mann Jacopo von der Mitteilung des Attentatsplanes an Piero Soderini gehört hatte und Guglielma della Stufa dann auf einem Zettel ohne Unterschrift eine entsprechende Warnung zukommen ließ. Der Familien- und Freundesverband hielt also zusammen. Der Florentiner Botschafter am päpstlichen Hof in Bologna hatte die Aufgabe, sich beim Papst über den Medici-Kardinal und Marcantonio Colonna zu beschweren, doch auf keinen Fall die Beteiligung des Papstes zur Sprache zu bringen! Julius ließ eine solche denn auch nicht anklingen, sondern verwies darauf, daß Marcantonio Colonna mittler-

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weile in Diensten Sienas stehe – was nicht stimmte.155 Dem Medici aber wolle er ‚die Ohren lang ziehen‘. Dieser schwor dann wenig später, nichts von dem Attentat gewußt zu haben und in keiner Weise daran beteiligt gewesen zu sein. Piero Soderini aber hatte die ganze Sache doch erheblich zugesetzt. Öffentlich bekundete er, seit gut acht Jahren als Gonfaloniere stets zum Wohle der Republik gehandelt zu haben, unter erheblichen Opfern. Er sei nun 58 Jahre alt, und er könne nicht mehr. Es schmerze ihn, jetzt Gefahren für die Freiheit von Florenz zu sehen. Nach diesen Worten begann er so zu weinen, daß er nicht mehr sprechen konnte. Nach einer Pause fuhr er dann fort, er wolle sich weiterhin frei und ohne Bewachung in Florenz bewegen können, schloß mit dem Angebot, sein Amt niederzulegen. Das wurde nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, doch den Attentatsversuch tat man nicht als Bagatelle ab. Prinzivalle della Stufa wurde, da er einer Zitation nicht folgte, am 29. Dezember 1510 zum Rebellen erklärt; seinem Vater Luigi erkannte man – trotz Gegenstimmen – eine erhebliche Schuld zu, so daß man ihn am 31. Dezember für fünf Jahre unter die Aufsicht des Podestà von Empoli und Castelfiorentino verbannte und ihm den Status eines Rebellen androhte, sollte er seinen Verbannungsraum verlassen. Am 3. Januar 1511 schließlich wurde ein Erlaß veröffentlicht, mit welchem jedem Florentiner der weitere Aufenthalt in einem Haus von Giovanni und Giuliano de’ Medici oder in einem ihrer Vertrauten sowie der Kontakt mit diesen verboten wurde, falls die Signoria darüber nicht informiert werden würde. Wer dagegen verstieße, würde als Rebell verbannt werden. Ebensowenig hatte man in Florenz Zweifel an der Rolle des Papstes, denn man verstärkte die Truppen, da man nun einen Angriff des Papstes auf Florentiner Territorium für noch wahrscheinlicher hielt als vorher schon; man warnte die Florentiner Kaufleute in der Umgebung Roms vor einer Verhaftung; und man traf am 20. Januar 1511 vorbereitende Notstandsmaßnahmen für den Fall einer Ermordung führender Regierungsmitglieder.156 Wie sind nun der Attentatsplan und die Rolle des Papstes und des Medici-Kardinals zu bewerten? So unglaublich deren Beteiligung aus moralischen Gründen erscheinen mag, so unmißverständlich sind die Angaben in den Quellen. Diesem Papst war in jenen Monaten durch seinen Haß auf Frankreich und dessen Verbündete eine solche Involvierung tatsächlich zuzutrauen, dem nach außen so konzilianten Giovanni de’ Medici ebenfalls.157 155 Daß Marcantonio Colonna im Dezember 1510 weiterhin in päpstlichem Dienst stand, geht aus

Guicciardini, Storia d’Italia, S. 894 (IX/12), hervor, der den Colonna mit päpstlichen Truppen als Bewacher Modenas benennt. 156 Bullard, Filippo Strozzi, S. 62f.; Butters, Governors, S. 143f. 157 Butters (Governors, S. 143f.) hingegen glaubt nicht an eine Beteiligung des Kardinals Giovanni de’ Medici, läßt das Problem der päpstlichen offen. Doch die wichtige Tatsache, daß Prinzivalle della Stufa direkt aus Bologna vom päpstlichen Hof kam, wird bei ihm nicht weiter thematisiert; auch sind die wenigen Gegenargumente nicht sehr tragfähig – weniger der Plan scheint kindlich gewesen zu sein als der Glaube Prinzivalles, in Filippo Strozzi einen aktiven Unterstützer zu finden; ferner sind fehlende Bekenntnisse der Beteiligten kein Indiz für deren Unschuld, da eine freimütige Erklärung der Schuld nicht vom Historiker erwartet werden darf –; und schließlich sind die präzisen Indizien in Cerretanis ‚Ricordi‘ nicht beachtet worden. Und daß der MediciVertraute Bernardo Dovizi da Bibbiena in einem aus Bologna Anfang Januar 1511 geschriebe-

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Wir werden am Beispiel des Gemetzels in Prato 1512 noch sehen, daß er weit schlimmere Gewalttaten in Kauf nahm, um die Familie wieder in Florenz an die Macht zu bringen. Mag Cerretani mit seiner Bewertung, Prinzivalle della Stufa und Marcantonio Colonna seien viel zu beschränkt und finanzschwach gewesen, als daß solch ein Attentat ernst genommen werden könnte,158 einen wunden Punkt des Planes berührt haben, so erweist sich dieses gegen die heftigen Florentiner Reaktionen gerichtete Argument doch mit Blick auf die Rolle von Julius II. und dem Medici als um so stützender. Denn gerade wenn Prinzivalle und Marcantonio etwas naiv und unbedarft waren, erscheint es um so wahrscheinlicher, daß sie eher Handlanger als Initiatoren waren, daß mächtigere und klügere Köpfe den Plan entwickelt hatten. Und selbst wenn diese nicht Urheber waren, Mitwisser und Förderer waren sie zweifellos. Erkennt man dies an, dann muß man auch davon ausgehen, daß die Mitwisserschaft sich nicht auf Personen an der Kurie in Bologna beschränkt haben konnte, sondern Verbündete in Florenz einbezogen haben mußte. Denn sollte das Attentat tatsächlich gelingen, mußten Florentiner Autoritäten bereitstehen, um die Gunst der Stunde zum Wechsel des Regime nutzen zu können. Aus einem späteren Brief Filippo Strozzis vom 4. September 1512 geht in der Tat klar hervor, daß es damals in Florenz einen Kreis von Mitwissern, von eingeweihten Verschwörern gab, die nämlich eine aktivere Beteiligung Filippos, des gegen großen Widerstand der Soderini-Partei durchgesetzten neuen Medici-Verwandten, erwarteten und ihm seine Verweigerung vorwarfen!159 Luigi della Stufa kam aus angesehener Familie und war ein alter Anhänger der Medici, ein Freund Lorenzos – auch wenn es wegen einer Frau schon einmal zu einem Zwist kommen konnte –; er war ein aktiver Mediceer auch während der Exilszeit.160 Und wir erinnern uns, wie der aus Florenz geflohene Filippo da Gagliano im Oktober 1495 aus Ferrara ‚seinen‘ Luigi della Stufa – den Paten seines im November 1485 geborenen Sohnes Lorenzo! – durch Niccolò Michelozzi grüßen ließ und sich erkundigte, wie es Luigis Sohn (vermutlich Prinzivalle) nach dem Reitunfall gehe!161 Nichts spricht dagegen, aber alles – u. a. die Verwarnung durch die Signoria 1502 – dafür, daß Luigi auch 15 Jahre später zum engeren Kreis der Florentiner Mediceer zählte. Wie einigen von ihnen war es auch ihm gelungen, in jener Zeit wichtige militärische, diplomatische und politische Ämter in Florenz zu bekleiden.162 Die Anwesenheit von Alfonsina Orsini wird man nicht als nen Brief an Isabella d’Este in Mantua den Vorwurf, der Medici-Kardinal sei an dem Attentatsversuch gegen den Soderini beteiligt gewesen, lapidar als unsinnig erklärt, wird man gewiß nicht als Beweis für dessen Unschuld werten dürfen; vgl. Moncallero, Epistolario I, Nr. 85. 158 Cerretani, Ricordi, S. 236f. Diese Einschätzung diente dem Chronisten primär dazu, Piero Soderini als rach- und blutsüchtig zu diskreditieren, seine Reaktion als übertrieben abzuwerten. 159 Vgl. Butters, Governors, S. 163 und Anm. 191. 160 Vgl. etwa Guicciardini, Storie fiorentine, S. 77f.; Stephens, Fall, S. 64, und s.v. zur kontinuierlichen Loyalität des Luigi della Stufa gegenüber den Medici. 161 BNCF, Ginori Conti 29/69 (n), c. 62; s.o. S. 197. 162 Wir hatten Luigi della Stufa z. B. bereits 1495 als commissario in Arezzo erlebt, wo er über die Bewegungen Giovanni de’ Medicis Bericht erstatten mußte, dann Ende 1500 als Kommissar in Borgo Sansepolcro, 1502 als unbotmäßigen Botschafter. 1501 übte er das Amt eines commissario generale der Florentiner bei der Belagerung und Einnahme Faenzas durch die Truppen Cesa-

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Zufall werten dürfen; die Stolze aus dem Hochadel Roms litt geradezu existentiell unter dem ehrmindernden Exil und dürfte keine Mittel gescheut haben, es endlich beenden zu können. Ebenso kann man sich kaum vorstellen, Jacopo und Lucrezia Salviati hätten erst durch einen Strozzi von dem Plan erfahren. Es gibt Anzeichen, daß Prinzivalle della Stufa schon 1506 zur Gruppe jener jungen, von den Salviati und Rucellai geförderten und beschützten Patriziersöhne gehörte, die den Gonfaloniere Soderini attackierten.163 Nach der Enthüllung des Attentats wurde Jacopo Salviati sogar öffentlich auf in der Stadt kursierenden Zetteln als Verräter Soderinis gebrandmarkt – wahrscheinlich nicht ohne Grund.164 Zur frühzeitigen Aufdeckung des Plans hat vermutlich erst die Einweihung Filippo Strozzis geführt. Er kam aus einer Familie, die den Medici weitaus mehr Leid als Freude verdankte; auch wenn Filippo sich mit den Medici verwandtschaftlich verband, viele Strozzi blieben Feinde der Medici. Schon die Duldung des Attentats hätte seine Stellung in der Familie erschüttert; vor allem aber war seine rechtliche Position in Florenz aufgrund seiner Heirat mit Clarice de’ Medici immer noch umstritten.165 Weil Filippo die Absichten Prinzivalles entlarvte – auch wenn er ihn nicht dem Scharfrichter auslieferte –, weil er im Dezember 1510 nicht aktiv für die Sache seiner neuen Medici-Verwandten eintrat, mußte Giovanni de’ Medici gleichsam den Hohn des Florentiner Kuriengesandten Pierfrancesco Tosinghi ertragen, wurde Filippo aber im August 1512 bei dem letzten, nun tatsächlich erfolgreichen Umsturzversuch der Medici von den Florentiner Mediceern bewußt nicht (mehr) eingeweiht.166 Filippo Strozzi war und blieb ein distanzierter Verwandter der Medici, der auch auf die Seite ihrer Gegner treten konnte, da sein Handeln nicht durch gewachsene Freundschaft und ein Klientelverhältnis, sondern primär durch eigene Interessen bestimmt wurde. Es erscheint überaus fraglich, ob Giovanni de’ Medici und die übrigen Häupter der Familie – hier wäre vor allem der stets im Hintergrund agierende, aber sehr einflußreiche Giulio de’ Medici zu nennen! – eine Einbeziehung Filippo Strozzis überhaupt angeraten hatten – angesichts der langjährigen und immer noch aktuellen Medici-Feindschaft in der Familie sicherlich nicht. Dies scheint ein allzu vertrauensseliger Schritt Prinzivalles gewesen zu sein, der Filippo aus früherer Freundschaft und wegen seiner Verwandtschaft mit den Medici als engen Verbündeten ansah.167 Diese Entscheidung Prinzivalles wird eine einsame gewesen sein, nicht mit den Mitwissern und Drahtziehern abgestimmt, keinen vorherigen Instruktionen entsprechend. Wir möchten, was aus diesen Überlegungen schon re Borgias aus; vgl. seine Depeschen bei Thuasne, Burchardi diarium III, S. 442–445, Nr. 11, 12. Zu weiteren Ämtern: Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 166, 177, 180. 163 Butters, Governors, S. 62. 164 Butters, Governors, S. 144. 165 Vgl. hierzu die Argumente bei Bullard, Filippo Strozzi, S. 61–63. 166 Bullard, Filippo Strozzi, S. 63; Butters, Governors, S. 163. 167 So auch die Einschätzung der Dieci di Balìa am 23.12.1510: Prinzivalle habe Filippo Strozzi ins Vertrauen gezogen, qual pensava trovar disposto a questo effecto per il parentado con e Medici, fu causa di scoprire tucto; Renaudet, Concile, Nr. 34; vgl. auch Mecatti, Storia cronologica, S. 518 (Ed essendo andato a trovare Filippo Strozzi, credendo come Cognato de’ Medici d’averlo dalla sua).

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anklingt, nochmals resümierend eine aktive Beteiligung der Medici und ihrer Freunde an diesem Attentat postulieren. Prinzivalle della Stufa kam von der päpstlichen Kurie in Bologna, er selbst bezeugte eine Unterredung über den Plan mit dem Papst und dem Medici-Kardinal. Sowohl Julius II. als auch Giovanni de’ Medici wußten also davon; beide hatten die potentiellen Attentäter nicht aufgehalten, nicht an der Ausführung gehindert. Von da an wurden beide zu Mitwissern, selbst wenn die Idee nicht von ihnen stammen sollte. Der historische Kontext und die sozialen Hierarchien lassen es indes nicht als glaubhaft erscheinen, daß der glühende Medici-Anhänger und junge Sohn eines bekannten Florentiner Medici-Freundes, der sich zudem in Bologna befand, solch ein gewagtes und folgenreiches Unternehmen für seine Patrone gestartet hätte, ohne das Haupt der MediciFamilie darüber zu informieren, ohne es um Legitimation zu bitten! Es ist völlig abwegig, daß ein solch junger Klient der Medici die Hierarchien nicht beachtet hätte – und daß er nicht geisteskrank war, erweist seine Bedeutung nach 1512. Doch erscheint es uns gleicherweise absurd, daß die Initiative zu dem Attentat von einem ca. 25-jährigen Heißsporn ausging; die Idee eventuell, nicht aber die konkrete Umsetzung. Selbst wenn Giovanni de’ Medici und seine Berater duldend passiv hätten bleiben wollen, nach dem von wem auch immer gebilligten Entschluß Prinzivalles und Marcantonio Colonnas hätten sie sich niemals den Einfluß auf entsprechende Begleitmaßnahmen entgehen lassen, denn der Plan hätte ja gelingen können. Nach 16 Jahren Exil und angesichts jener Konstellation – ein Papst auf ihrer Seite, für den der Soderini wie für sie und ihre Freunde ein Feind war! – hätten sie auf eine Lenkung des Unternehmens nie verzichtet, verzichten können. Einen guten Anhaltspunkt dafür, daß die Medici mit dem Attentat zumindest einverstanden waren, wenn sie es denn nicht sogar anregten, bietet ihr Verhalten nach dem Wiedergewinn der Macht in Florenz, als es keiner schützenden Masken mehr bedurfte. Denn sofort nach Piero Soderinis Absetzung wurden die Urteile gegen Luigi della Stufa, Simone Tornabuoni und Leonardo Ringhiadori aufgehoben.168 Als Giuliano de’ Medici Mitte September 1512 den Palazzo della Signoria eroberte, da gehörte zu seinen bewaffneten Begleitern neben vielen Rucellai und Tornabuoni auch Prinzivalle della Stufa,169 der aufgrund seines fehlgeschlagenen Attentats also keineswegs die Gunst der Medici verlor, sondern in ihrer Nähe blieb. Die Obedienzgesandtschaft, die das neue Medici-Regiment in Florenz zu Giovanni de’ Medici anläßlich seiner Wahl zum Papst zusammenstellte, bestand aus vielen engen Medici-Freunden wie Jacopo Salviati, Giovanni Tornabuoni, Filippo Buondelmonti, Lorenzo Morelli, Gianbattista Ridolfi, Lanfredino Lanfredini, Jacopo Gianfigliazzi und eben Luigi della Stufa. Ihm wurde sogar zusammen mit dem Buondelmonti eine besondere Auszeichnung zuteil: Leo X. erhob ihn zum Ritter!170 Weitere Ehren erhielt er im mediceischen Florenz. Und als Lorenzo di Piero de’ Medici im Mai 1515 zum Capitano generale der Florentiner Truppen aufstieg, war Luigi della Stufa mit Lo168 Butters, Governors, S. 171. 169 Butters, Governors, S. 183f. 170 Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, S. 302, 305; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 262f.,

Anm. 2, S. 265.

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renzo Morelli, dem alten Freund eines Bartolomeo Bartolini, als einer der Organisatoren zu sehen, stand sein Sohn Prinzivalle mit dem höchsten Lohn von 400 Dukaten carlini an der Spitze jener jungen gentiluomini, die wie auch Leonardo di Lorenzo Tornabuoni, Jacopo di Ludovico Morelli, Jacopo Pucci, Carlo Panciatichi und andere von Lorenzo de’ Medici gleichsam in seine famiglia aufgenommen wurden.171 Bliebe noch die Rolle des Papstes zu thematisieren, der nach Guicciardini mit einer Schandtat, einem Attentatsversuch, in Verbindung gebracht wurde. Auch wenn der große Florentiner Historiker die Urheberschaft eher bei Giovanni de’ Medici zu sehen schien, freisprechen konnte und wollte er Julius II. nicht. Zu stark waren die rationalen Gründe. Gerade in dem Gonfaloniere Piero Soderini sah der Papst die treibende Kraft für das fortbestehende Bündnis der Florentiner mit seinen Feinden, den Franzosen. Obwohl in der jüngeren Forschung aufgrund fehlender Quellen Zweifel an einer rückhaltlosen Unterstützung Frankreichs durch Soderini angemeldet wurden und obwohl gerade die Dieci di Balìa versuchten, einen politischen Kurs zwischen Frankreich und dem Papst zu fahren,172 um diesen nicht zu stark zu provozieren, blieben noch genug Beweise für die aktive Unterstützung Frankreichs – gerade in den Augen dieses Papstes. Die abtrünnigen, aufsässigen Kardinäle fanden zum großen Ärger des Papstes wochenlang in Florenz ehrenvolles Quartier, wollten ihre antipäpstlichen Initiativen sogar von Florenz aus betreiben; zwar wurde ihnen bei der Abreise das verlangte außergewöhnliche Geleit versagt, doch stellte Florenz ihnen eine bewaffnete Begleitung bis Sarzana, also bis an die Landesgrenze. Bis Ende November focht Florenz einen vergeblichen Kampf an der diplomatischen Front, um die negativen Folgen des Florentiner Aufenthalts der abtrünnigen Kardinäle und vor allem der dann aus Mailand, insbesondere durch Federico Sanseverino betriebenen Intrigen zu beseitigen. Ende 1510 hatten die Florentiner den Waffenstillstand mit Siena, das sich unter päpstlichem Schutz befand, aufgekündigt und damit großen Zorn bei Julius II. hervorgerufen, auch wenn sie mit Truppen erst sechs Monate nach der Aufkündigung vorgehen wollten.173 Ende November 1510 schließlich mußte Florenz 200 Bewaffnete zur Unterstützung Frankreichs in die Lombardei senden, obwohl man sich gegen ein solches Begehren der Franzosen gewehrt hatte. Um die Reaktion des Papstes in Grenzen zu halten, sollte diesen Soldaten eine rein defensive Aufgabe zukommen.174 Das alles waren, wie schon erörtert, für Julius II. mehr als genug gute Gründe, um die Florentiner Regierung unter ihrem auf Lebenszeit bestellten Gonfaloniere Piero Soderini oder noch besser diesen selbst zu strafen und die Medici zu restituieren. Unsere Analyse wird von kompetenter Stelle bestätigt und bezieht sich auf die Entsendung der Florentiner Hilfstruppen in die Lombardei. Die maßgeblichen Florentiner Amtsträger, hier die Dieci di Balìa, stellten am 23. Dezember 1510, wenige Tage nach Aufdeckung des Attentatsplanes, bemerkenswerterweise 171 Cerretani, Ricordi, S. 327; Butters, Governors, S. 267. 172 Butters, Governors, S. 142f. 173 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 895f. (IX/12). 174 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 896 (IX/12); Butters, Governors, S. 143.

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einen deutlichen Kausalnexus zwischen der Absendung jener 200 Soldaten und dem darauf folgenden Entschluß des Papstes zur Durchführung des Attentates auf Soderini her; sie sahen ihre Befürchtungen, daß jener Schritt fatale Konsequenzen für sie hätte, vollauf bestätigt!175 Kaum habe Julius II. von der Entsendung der Soldaten, die man in Florenz mit guten Gründen hatte verhindern wollen, gehört, habe er sofort nach Mitteln gesucht, deren Absendung zu verhindern – was ihn militärisch allerdings kaum beunruhigt haben konnte – und einen Macht- und Politikwechsel in Florenz herbeizuführen. Deshalb also habe er den Kardinal Giovanni de’ Medici, Marcantonio Colonna und Prinzivalle della Stufa zu sich gerufen, um mit ihnen das Attentat auf Soderini zu bereden und zu planen. Den Kardinal habe er mit der argumentativen, rhetorischen Frage ermutigt, ob er denn für immer im Exil bleiben wolle. Marcantonio sollte sich um geeignete Männer kümmern, die für jene Freveltat in Frage kämen; Prinzivalle sollte sie in Florenz organisieren. Sie seien sich also einig gewesen, der Papst und der Kardinal. Das Leugnen beider, von Giovanni de’ Medici sogar unter Eid, wurde in Florenz nicht geglaubt, denn man besaß schriftliche Beweise für das Gegenteil.176 Die Florentiner waren sich der Urheberschaft dieses Komplotts so sicher, daß sie auch den französischen König über die päpstliche Anstiftung eines Staatsstreichs in Florenz und die Vereinbarung mit dem Medici-Kardinal sowie den Attentätern informierten. Zum französischen Hof drang so Anfang Januar 1511 des weiteren durch, daß Prinzivalle della Stufa ein geheimes Bündnis mit hochstehenden MediciAnhängern in Florenz schloß bzw. schließen sollte, und daß er nach dem Fehlschlag nicht allein nach Siena, sondern schnellstens zurück zum Papst floh.177 Es gab somit sowohl ausreichende Gründe für den Papst, in der Florentiner Führung einen Feind von französischer Qualität zu sehen, als auch hinreichend Ursachen und Informationen für die Soderini-Partei, im Papst den Urheber des Attentatsplanes zu erblikken. Sind auch, über die bisherigen Quellenbelege hinaus, weitere Indizien für Julius’ aktive Beteiligung an dem Attentatsplan zu erkennen? Ein wichtiges liegt zweifellos in der Person des Marcantonio Colonna. Denn dieser junge Baron besaß eine besonders enge 175 Renaudet, Concile, Nr. 34 (La mandata loro [sc. der Soldaten für die Lombardei] ha facto

quello effecto di che sempre si è dubitato, et si verifichera hora che il nostro differirla non era senza ragione; perche subito che il papa l’intese, penso di perturbare l’andata loro et travagliare questa citta, accciocche occupata in altro non potesse recarli questo impedimento; et pero chiamato il cardinale de’ Medici et il signore Marcantonio Colonna e uno Prinzivalle della Stufa giovane nostro, conforto il cardinale ad non volere stare sempre in esilio et il signore Marcantonio ad provederli di huomini apti a quello che si dira si sotto, et il giovane ad volere qui ordinare et tener mano ad una tale scelerateza; et ordinorono d’accordo in questa solennita pasquale andando fuori tagliare ad pezi il gonfaloniere, et facto questo procedere più oltre alla total mutatione di quello stato ... So die Überzeugung der Dieci di Balìa!). 176 Renaudet, Concile, Nr. 35 (Da Bologna se ne fanno maraviglia assai, et sono in sul negare et iurare; pur noi ne habbiamo scriptura di man propria di questo che richiesto ne ha facto fede) und Anm. 51 (aus einem anderen Brief der Dieci vom selben 29.12.: A Bologna si maravigliono et giurano non obstante che qui sene habbi fede di man propria di chi ne è stato richiesto). 177 Lettres du roy Louis XII, vol. II, S. 87–92 (Bericht des Andrea del Burgo, Gesandter der Margarethe von Österreich am französischen Hof, vom 4./5.1.1511); vgl. Renaudet, Concile, Nr. 34, Anm. 49 (mit Paraphrase dieses Briefes).

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Bindung an den Papst; ihn hatte Julius II. mit seiner Nichte Lucrezia verheiratet, ihm hatte er im Sommer 1510 als offenbar einzigem der römischen Condottieri-Barone eine condotta ohne Einschränkungen gegeben, die bis zum Sommer 1511 in Kraft blieb.178 Analog zur Stellung des Prinzivalle della Stufa zu den Medici ist auch für ihn festzuhalten: Ohne päpstliches Plazet konnte er diesen Plan nicht verfolgt haben, konnte er seine vom Papst bezahlten Männer nicht für eine Verschwörung in Florenz freistellen! Die von Guicciardini attestierte infamia traf Julius II. somit zu Recht. Für den Kardinal Giovanni de’ Medici konnte es kaum etwas Besseres geben, als gemeinsam mit der höchsten geistlichen Autorität eine Restitution anzustreben, die durch ein Attentat gelingen sollte – es fragt sich nur, was ihm bei der Vorstellung durch den Kopf ging, daß der päpstliche Verwandte seines Komplizen fast 23 Jahre vorher auf gleichem Wege und nahezu an gleichem Ort (im, nicht auf dem Weg zum Dom) seinen Onkel Giuliano und beinahe auch seinen Vater durch die Pazzi-Verschwörer ermorden ließ. Recht merkwürdig erscheint das Verhalten Frankreichs bei jener Konfrontation. Sowohl die Beendigung des Waffenstillstandes mit Siena als auch die – in den Augen der Florentiner: verhängnisvolle – Entsendung der Florentiner Soldaten in die Lombardei erfolgten auf Drängen der Franzosen, die wußten, daß dies den Zorn des Papstes hervorrufen würde, und die sogar noch mehr Bündnisbeweise forderten. Guicciardini sah vor allem hinter der französischen Forderung nach den 200 Soldaten denn auch weniger das Motiv, das Bündnis zu stärken, sondern ausdrücklich die Intention Frankreichs, den Papst zu provozieren, ihn noch stärker gegen Florenz aufzuhetzen.179 Ein solcher Dissens nutzte Frankreich aber nicht an sich, sondern nur, wenn damit ein weiteres Ziel erreicht würde. So dürfen wir in Guicciardinis Einschätzung eine Bestätigung unseres oben formulierten Prinzips sehen. Denn offensichtlich kam dieses Hilfsbegehren aus der Lombardei selbst, wo Chaumont d’Amboise, ein Verwandter von Georges, die französische Krone als Generalleutnant vertrat. Dort aber agierte auch seit Anfang November, wie gesehen, insbesondere Federico Sanseverino in der Gruppe der aufständischen Kardinäle ‚gemäß seiner Natur und Disposition‘ gegen die Interessen der Republik. Die Dieci di Balìa hatten am 30. November 1510 einen zwar nicht ausdrücklichen, aber kaum verhohlenen Bezug zwischen seinem Walten in der Lombardei und jener von dort aus intensiv betriebenen, für Florenz nicht zu vermeidenden Zwangslage hergestellt, in die sie die barsch geforderte Entsendung der Soldaten in die Lombardei brachte. Es gab in Mailand außer Federico Sanseverino niemanden, der sowohl die Macht als auch das entschiedene Interesse besaß, eine solche Maßnahme als mittelbaren Hebel für die Restitution der Medici ein- und durchzusetzen; als hochrangiger Sachwalter Frankreichs konnte er zudem eine militäri178 Vgl. Shaw, Julius II, s.v. „Colonna, Marcantonio“ (eine zwischenzeitliche Beendigung der

condotta und Indienstnahme durch die Sieneser ist hier nicht erkennbar; und selbst wenn es sie gegeben haben sollte, hätte ein Dienst für das unter päpstlichem Schutz stehende Siena keine Lösung aus päpstlichen Verpflichtungen bedeutet). 179 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 896 (IX/12) (Cosa dimandata dal re per virtù della loro confederazione, non tanto per l’importanza di tale aiuto quanto per desiderio di inimicargli col pontefice).

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sche Bündnishilfe der Florentiner besser einfordern als einen Monat vorher die außergewöhnliche Geleitdemonstration, die freilich beim Papst die gleiche Reaktion provozieren sollte. Mit Blick aber auf den Brief Ludwigs XII. vom 27. September, mit welchem er seine Florentiner Verbündeten explizit wegen ihrer Bündnispflichten zur ehrenvollen Aufnahme der fünf antipäpstlichen Kardinäle aufgefordert hatte, möchte man annehmen, daß Federico Sanseverinos Handlungen auf seiner Zustimmung beruhten, mit ihm abgesprochen waren. Sollte auch der französische König immer noch ein Interesse daran gehabt haben, das alte Regime in Florenz zu stürzen und die Medici an die Macht zurückzubringen – und nichts spricht dagegen! –, er brauchte seinem toskanischen Verbündeten dafür gar nicht in den Rücken zu fallen, er brauchte nur auf seinen Feind Julius II. zu setzen, der diese Aufgabe für ihn übernehmen sollte und würde, wenn man ihn mit den richtigen Mitteln reizte. Im Handeln der Franzosen ist kein Anzeichen zu erkennen, daß ihnen dieser Effekt unwillkommen gewesen wäre. Im Gegenteil: Frankreichs König und seine Vertrauten zögerten nicht, den Zorn des Papstes auf Florenz noch zu steigern. Sie wußten, daß davon in erster Linie nicht sie, sondern die Medici profitieren würden.

d) Federico Sanseverino, das schismatische Konzil von Pisa und sein Nutzen für die Medici Die Geschichte des vom Papst abgelehnten, daher von kirchlicher Seite als schismatisch bezeichneten Konzils von Pisa ist wenn auch noch nicht hinreichend, so doch recht gut erforscht; sie braucht hier nicht im einzelnen referiert zu werden.180 Wichtig aber ist die Rolle von Federico Sanseverino bei der Entstehung und Durchführung des Konzils, denn wenn dieser entscheidende Medici-Freund zum Feind eines Papstes wurde, der seinerseits die Medici massiv unterstützte, bedeutete dies erhebliche Komplikationen für das Zusammenspiel des Netzwerkes. Wie also verhielt er sich und welchen Einfluß hatte sein Verhalten auf die von ihm ausgehenden Verflechtungen im Netzwerk? Bis Anfang Mai 1511 hielt sich Federico Sanseverino offenkundig weiterhin in Mailand und Umgebung auf. Dabei stand er, wie für den Januar bezeugt, beispielsweise über seinen Sekretär Antonio Magistrello in engem Kontakt mit dem französischen Hof.181 Sein Status am Hof scheint nach dem Tod seines Mentors Georges d’Amboise noch gewachsen zu sein. Das Vakuum, das sich aus dem Ableben dieses die Politik des Königs dominierenden Mannes ergab, füllte Sanseverino offensichtlich in kirchenpolitischer Hinsicht aus. Gerade die Genese des Pisanum, des Pisaner Konzils, zeigt dies sehr anschaulich. Anfang Mai 1511 verfügte der in Mailand befindliche Federico Sanseverino über das Recht, seinen Sekretär an den in Rimini weilenden Papst zu senden, um sich Julius als 180 Eine neue Darstellung des schismatischen Konzils von Pisa wird von Nelson Minnich im Rah-

men seiner Studie über das V. Laterankonzil erarbeitet. 181 Renaudet, Concile, Nr. 36.

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Vermittler einer Verständigung mit Ludwig XII. anzubieten und über das Schicksal Ferraras zu verhandeln; er besaß also die Macht, für den König zu sprechen, obwohl Ludwig XII. mit Etienne Poncher, dem Bischof von Paris, einen eigenen Gesandten in Italien hatte.182 Eine Einigung zwischen den Kontrahenten war freilich längst illusorisch geworden. Schon Ende April hatte der kaiserliche Gesandte, der designierte Kardinal Matthäus Lang, seine Verhandlungen mit dem Papst, der durch ihn das deutsch-französische Bündnis brechen wollte, in Bologna zu einem negativen Ende geführt. Maximilian blieb auf französischer Seite – die den Kaiser mit 100.000 Kronen locken konnte. Ferner wollte Lang die französischen Feldzüge in Oberitalien, damit auch die bereits begonnene Rückeroberung Bolognas für die Bentivoglio, unterstützen und vor allem dem künftigen schismatischen Konzil beitreten.183 Letzte Versuche des Papstes, Lang doch noch zu gewinnen, schlugen fehl. Die deutschen und französischen Gesandten waren sich einig, daß nun ein Konzil einberufen werden müßte, für welches allerdings nicht die wenigen Kardinäle in der Lombardei, sondern die beiden Herrscher verantwortlich sein müßten.184 Es ist jedoch nicht der französische Gesandte Poncher, der sich anschließend mit Lang an den französischen Hof begab, sondern Federico Sanseverino! Am 8. Mai 1511 stießen, so der Bericht Roberto Acciaiuolis, des Florentiner Gesandten am französischen Hof, Sanseverino und Lang im südfranzösischen St-Cher zum Hof Ludwigs XII., um die Modalitäten für die Einberufung des Konzils zu besprechen.185 Mit den in Mailand verbliebenen Kardinälen hatten die beiden sich vorher verständigt, so daß die drei Kardinäle Carvajal, Briçonnet und Borgia am 16. Mai 1511 zusammen mit den Prokuratoren Ludwigs XII. und Maximilians I. und eben auch im Namen Federico Sanseverinos das Konzil mit einem gedruckten Edikt einbestellen konnten.186 Zu den abwesenden Unterzeichnern gehörte auch der Kardinal Philipp von Luxemburg, der Freund des Sanseverino und – durch seine Zession der Abtei Entremont und des Priorats Ugine – indirekte Förderer der Bartolini, des Medici-Kreises, der den päpstlichen Hof in Ravenna am 8. März 1511 mit Einwilligung des Papstes verlassen hatte.187 Der Ort des Konzils sollte schon in dem Aufruf vom 16. Mai das durch Florenz zurükkeroberte Pisa sein, sofern Florenz dies genehmigen würde. Hinter diesem Wunsch stand die französische Seite, stand vor allem Federico Sanseverino, während Bernardino Carvajal als Parteigänger des Kaisers im Sommer 1511 das den Deutschen genehmere Trient im äußersten Süden des Deutschen Reiches forderte. Ein schismatisches Konzil in Pisa

182 Sanuto, Diarii XII, Sp. 203; zu Poncher in diesem Kontext: Minnich, Healing, S. 73–75. 183 Wiesflecker, Maximilian I., IV, S. 80–84; Minnich, Healing, S. 71–73. 184 Minnich, Healing, S. 75. 185 Renaudet, Concile, Nr. 40. 186 Renaudet, Concile, Nr. 42; Minnich, Healing, S. 76. Generell zum Pisanum, besonders aber zu

Briçonnet, jüngst Chevalier, der das Konzil als Konsequenz einer „crise conjoncturelle que traverse en 1510 le sacré collège“ und eines weiterhin strukturellen Problems der Hierarchie in der Kirche (S. 131) betrachtet, damit aber die geistlich-kirchliche Dimension gegenüber der politisch-personellen zu stark gewichtet; vgl. Chevalier, Le cardinal Guillaume Briçonnet et le parti. 187 Sanuto, Diarii XII, Sp. 105.

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aber mußte den Papst noch mehr gegen Florenz einnehmen, das sich über viele Monate denn auch vehement gegen das Anliegen Ludwigs XII. wehrte. Offenbar spielten hier noch ganz andere Gründe eine Rolle, die bei diesem Punkt sonst nicht thematisiert werden. Denn eine Bestimmung Pisas als Konzilsort schadete eben vornehmlich der medicifeindlichen Regierung in Florenz und konnte Soderinis kurzen Triumph nach der hart umkämpften Rückeroberung Pisas im Juni 1509 mehr als revidieren. Es ist überaus erstaunlich, wie Federico Sanseverino vom französischen Hof aus mit seinem entschiedenen, sehr autoritären und vor allem im August 1511 sichtbaren Einsatz für Pisa nicht nur dem französischen König diente, sondern zugleich den Medici in die Hand spielte.188 Daß dies kein zufälliger Nebeneffekt, sondern eine neue Variante eines einfachen Prinzips war, hatten wir schon im Oktober und November 1510 bei analogen Handlungsweisen Sanseverinos gesehen. Je mehr er Florenz zu Schritten zwingen konnte, welche den Papst provozierten und in Rage brachten, desto besser für seine Medici. Es ist von einigem Erkenntniswert, wenn man bei diesem Kampf um Pisa den Fokus gezielt auf Federico Sanseverino richtet. Seit Januar, vor allem Mai 1511 war Pisa von Frankreich und den abtrünnigen Kardinälen favorisiert und war, oft eigens durch französische Gesandte, die Zustimmung der Florentiner erbeten, d.h. verlangt worden.189 Anfang Juni zeigte Federico sich überaus enttäuscht über das seiner Meinung nach fehlende, zu geringe Engagement Ludwigs XII. für das Konzil in Pisa. Seine Aversion gegen Julius II. ging sogar so weit, daß er nach dem französischen Erfolg bei der Rückeroberung Bolognas (23.5.1511) einen Vormarsch der Truppen auf den Kirchenstaat forderte, während der König vor einem solchen Schritt zurückwich.190 Dennoch blieb er der Sprecher des Königs, der Mitte Juni von Mailand aus dem Papst Verhandlungen wegen Bologna anbieten konnte.191 Kurz darauf begab er sich erneut nach Frankreich an den französischen Hof, wo er zunächst in Grenoble, dann längere Zeit während des ganzen Juli 1511 in Valence beim König für das Konzil eintrat. Zur gleichen Zeit reiste sein Freund Giangiordano Orsini, tutto francese, aus Frankreich an die Kurie in Rom, um mit Hilfe seiner Frau Felice mit seinem päpstlichen Schwiegervater über eine Einigung mit Frankreich zu verhandeln, wobei die Problemfelder Bologna (dessen Rückeroberung für die Bentivoglio der Orsini, vermutlich zusammen mit Giuliano de’ Medici, gegen den Papst unterstützt hatte) und Ferrara zu den großen Streitpunkten der letztendlich ergebnislosen Gespräche zählten.192 Federico Sanseverino hielt sich damals und die folgenden Monate meistens am Hof des Königs im südöstlichen Frankreich auf, von dem der stärkste Druck auf Florenz aus188 Renaudet, Concile, Nr. 127, 132, 138. 189 Zu den folgenden Ausführungen: Renaudet, Concile, Nr. 40–179, bes. Nr. 40, 42, 61–62, 64, 80,

83, 89, 92–94, 96, 108–109, 112, 114, 117, 127, 132–133, 138, 142–145, 149, 162, 172, 177, 179; vgl. Cerretani, Ricordi, S. 247–250; Butters, Governors, S. 146–148. 190 Renaudet, Concile, Nr. 61, 62. 191 Sanuto, Diarii XII, Sp. 267. 192 Sanuto, Diarii XII, Sp. 301f., 484 (zu Giangiordano Orsini als tutto francese); Shaw, Julius II, S. 289.

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ging. Am effektivsten glaubte er dort, und nicht in Mailand, für das Konzil wirken zu können. Als aus dem Mailändischen Anfang Juli von den anderen schismatischen Kardinälen die Bitte an den Sanseverino getragen wurde, nach Italien zurückzukehren, um ihrem Konzil mehr Reputation zu verleihen, beharrte dieser auf seiner Präsenz am Hof, da er glaubte, dort mehr für das Konzil erreichen zu können!193 Neben diesem an sich ging es ihm insbesondere um die Durchsetzung Pisas als Konzilsort. Die Soderini-Regierung aber weigerte sich, die Zustimmung für Pisa zu erteilen, weil sie die Reaktion des Papstes fürchtete. Vom Hof in Valence konnte Sanseverino seinen in Mailand wartenden Kardinalsfreunden in den ersten Julitagen nicht nur von einer wachsenden Begeisterung Ludwigs XII. für das Konzil berichten (dem er kurz vorher noch seine Indifferenz gegenüber dem Konzilsplan vorgehalten hatte), sondern konnte ihnen auch Hoffnung geben, daß die Florentiner, bei denen seinerzeit gerade wieder der französische Botschafter wegen Pisa vorsprach, ihren Widerwillen aufgeben würden. Doch so einfach sollte sich dieses diplomatische Tauziehen nicht entscheiden. Gerade im Juli 1511 spaltete sich die mit Blick auf den Ort gemeinsame Linie der Papstgegner in zwei gegensätzliche Zielvorstellungen. Denn die kaiserliche Seite sprach sich nun plötzlich insbesondere für Trient aus, brachte aber auch Konstanz, Verona und Mantua ins Spiel; die französische schlug als Alternativen zu Pisa Vercelli und Casale vor, die für Maximilian aber nicht akzeptabel waren. Der Riß zog sich erstaunlicherweise auch durch die Kardinalsfront. Bernardino Carvajal als Wortführer der in Mailand befindlichen Kardinäle nahm Abstand von Pisa, schlug sich zum Kaiser, wünschte Trient als Konzilsort und wollte sogar den Beginn des Konzils hinauszögern. Es war sein Freund Federico Sanseverino, der ihm Ende Juli von Valence aus mit harschen Worten und unnachgiebig in die Parade fuhr. Carvajal und den ihm folgenden Kardinälen, namentlich dem Borgia und offenkundig erstaunlicherweise auch dem Franzosen Guillaume Briçonnet, ließ er ausrichten, es werde auf keinen Fall weder der Ort (Pisa) noch der Beginn (1.9.) verändert. Eine durch Ludwig XII. geleistete Finanzhilfe von 1.500 Dukaten für Carvajal und 1.000 Dukaten für Borgia änderte an deren Einstellung offensichtlich nichts. Wirkungsvoller war, daß der französische Hof die sich abspaltenden Verbündeten durch Fakten in die Pflicht nahm: Noch im Juli gab er 24 französischen Prälaten die Order, sich persönlich nach Pisa zu begeben, ließ andere hohe Geistliche des Landes ihre Prokuratoren entsenden und kündigte an, Federico Sanseverino werde um den 15. August nach Mailand reisen, um von dort mit den anderen Kardinälen ebenfalls nach Pisa zu ziehen, wo zumindest die ersten beiden Sessionen stattfinden sollten. Gerade einen solchen Transfer erachteten Carvajal, Briçonnet und Borgia als gefährlich und baten Sanseverino, eine Einigung zwischen Ludwig und Maximilian voranzutreiben. Federico und sein König dachten jedoch gar nicht daran, ihren Entschluß zu ändern, luden vielmehr Anfang August befreundete Mächte wie Savoyen, Monferrat und selbst Siena nach Pisa ein, obwohl der Kaiser und die ihm folgenden Kardinäle wie Carvajal Pisa weiterhin ablehnten, einen Aufschub verlangten, und obwohl Florenz immer noch nicht eingewilligt hatte. 193 Renaudet, Concile, Nr. 80, 92, 96, 109, 114.

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Mit aller Macht drängte immer wieder einer, der augenscheinlich alle Fäden zog, auf einen Konzilsbeginn in Pisa. Federico Sanseverino richtete ungefähr am Beginn der zweiten Augustwoche aus Valence im Namen des Königs ermahnende Worte an die Kardinäle in Mailand, am Konzil in Pisa teilzunehmen und zwecks Zeitersparnis bereits mit der Ausarbeitung antipäpstlicher Konzilsartikel zu beginnen, versprach ihnen Florentiner Militärschutz (obwohl man sich dort immer noch nicht entscheiden wollte), die Beteiligung Sienas und Luccas sowie eine Verstärkung durch französische Truppen aus Bologna. Man war sich am französischen Hof also doch recht sicher, die Florentiner Einwilligung zu erhalten. Am 18. August brach der französische Hof von Valence in Richtung Lyon auf. Ludwig XII. wollte von Lyon nach Blois weiterziehen, Federico Sanseverino hingegen am 28. August zusammen mit den französischen Prälaten und Theologieprofessoren über Marseille, Genua und Mailand nach Pisa, falls Julius II. von seiner schweren Krankheit genesen sollte; andernfalls hätte man zum Konklave nach Rom gemußt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Florenz die geistliche Zusammenkunft in Pisa immer noch nicht genehmigt. Erst am 21. August wurde beschlossen, Quartiere und Proviant zu stellen und den Konzilsbesuchern sicheres Geleit zu gewähren, was aber nur Ludwig XII. mitgeteilt werden sollte; und nicht früher als am 30. August 1511 fiel die endgültige Entscheidung auf Drängen des französischen Botschafters, die der Florentiner Gesandte in Rom vorerst verheimlichen sollte. Julius II. erfuhr dennoch rasch davon; er klagte; er ‚schleuderte Blitze‘ (fulminava)194. Bedenkt man, daß der kolossale Plan einer kirchenpolitischen Konfrontation mit Papst Julius II. und eines Europa in ein Schisma stürzenden Konzils am Beginn und im Kern von fünf Kardinälen und König Ludwig XII. ausging, bleibt aus dieser Gruppe nur einer übrig, der konsequent und vehement die schnelle Realisierung dieses folgenreichen Vorhabens betrieb: Federico Sanseverino. Aus dem Kreis der Kardinäle war er zudem der einzige, der unnachgiebig auf Pisa als Konzilsort beharrte und dabei selbst vor einer Zurechtweisung seiner Kardinalsfreunde nicht zurückschreckte. Der diplomatische Druck des französischen Hofes auf Florenz, dieser angesichts der päpstlichen Disposition unzumutbaren Forderung zuzustimmen, kann im Grunde nur durch seine Einwirkung auf den König in dieser Form entstanden und aufrechterhalten worden sein. Federico Sanseverino wußte, warum er den Hof in Valence im Juli nicht verlassen durfte. Es ist in der Tat überaus erstaunlich, warum Frankreich so auf dieser Stadt insistierte, d.h.: warum Federico Sanseverino dies tat, denn Ludwig XII. schien sich ja durchaus eine Versammlung auch in Vercelli oder Casale vorstellen zu können, während der Sanseverino von Pisa nicht abrückte. Daß Frankreich einer Verlegung an einen Ort auf deutschem Boden (Trient und Konstanz) oder im weiteren Machtbereich Maximilians (Verona, Mantua) nicht zustimmen wollte, ist verständlich; angesichts dieses deutschen Drängens auf andere Orte als Pisa kann man allerdings auch nicht davon sprechen, Florenz habe schließlich nicht nur aus Angst vor Frankreichs Feindschaft nachgegeben, sondern auch

194 Cerretani, Ricordi, S. 252.

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vor der der Deutschen.195 Merkwürdig ist aber, warum man von französischer Seite nicht neben Vercelli oder Casale etwa Mailand als Alternative vorschlug, wohin sich das Konzil dann ja tatsächlich vor dem Hintergrund des Widerstands in Pisa verlegte (auch wenn Maximilian dieser französischen Eroberung als Konzilsort wohl kaum sein Plazet gegeben hätte – aber so war es ja bei allen französischen Vorschlägen der Fall). Vor allem aber war Pisa strategisch völlig ungeeignet für solch ein angefeindetes, schismatisches Konzil, da es zu Wasser jederzeit von einer spanischen Flotte bedroht werden konnte und da es auf dem Hoheitsgebiet der Florentiner lag, diese aber keine fremden, erst recht keine französischen Schutztruppen in Pisa oder auf ihrem Land dulden wollten. Viele andere Städte wären für Frankreich wesentlich besser geeignet gewesen. Diese sture Unbeugsamkeit Federico Sanseverinos, auf jeden Fall die ersten Sitzungen in Pisa stattfinden zu lassen – was durch den einkalkulierten Umzug weitere Beschwernisse nach sich zog –, ist weder aus seiner Loyalität gegenüber Ludwig XII. zu erklären (dem Pisa an sich keinen Vorteil brachte) noch aus Eigeninteressen, sondern allein aus seiner symbiotischen Verbundenheit mit den Medici. Denn nur diesen brachte selbst eine nur anfängliche, auf ein oder zwei Sitzungen begrenzte Tagung des Konzils in Pisa einen Vorteil; nur ihnen nutzte die bereits dadurch mit Sicherheit erzielte heftige Provokation des Papstes zu Lasten von Florenz. Niemand anderen als die Soderini-Regierung würde Julius verantwortlich machen. Generell wird Federico Sanseverino demnach als eine treibende Kraft des ganzen Konzilsunternehmens sichtbar, das freilich primär eine kirchenpolitische Reaktion auf den Konflikt zwischen Frankreich und Papst Julius II. – nicht dem Papsttum! – darstellt und gleichzeitig zumindest vom Sanseverino für die Medici-Zwecke instrumentalisiert wurde. Wenn an Federico Sanseverinos Bedeutung als einem der maßgeblichen Handlungsträger bei der Entstehung des Pisanum nicht zu zweifeln ist: Welche Konsequenzen hatte dies für seine Bindungen innerhalb des Medici-Netzwerkes, etwa die ökonomischer Art? In jenen Wochen, als einige wenige Kardinäle und zwei Monarchen Vorkehrungen trafen, an deren Ende die Absetzung eines Papstes stehen konnte und wahrscheinlich sollte, als dieser Papst mit der am 18. Juli 1511 erfolgenden Einberufung eines allgemeinen, Fünften Laterankonzils die Antwort auf das Pisanum gab, als die Christenheit somit vor einer ernst zu nehmenden Spaltung stand, da hielt es einer der Hauptverantwortlichen für notwendig, mit seinem Bankier weitere Schritte zur Neuregelung seiner Benefizieneinkünfte zu treffen. Solche Vorgänge werden nicht in den großen historischen Quellenwerken dokumentiert, sie finden sich in kleinen privaten Aufzeichnungen, den Geschäftsbüchern der Bartolini-Bank. Fast genau ein Jahr nach der zweiten, päpstlich legitimierten Verpachtung der 195 In dieser Beurteilung, Florenz habe auch aus Furcht vor deutschen Pressionen Pisa freigegeben,

möchte ich Butters (Governors, S. 148) nicht zustimmen. Kaiser Maximilian und seine Gesandten hatten vor allem im Juli und August 1511 ausdrücklich nicht nur gegenüber Frankreich, sondern auch Florenz ihre Vorbehalte gegen Pisa und ihren dringlichen Wunsch nach einem Konzilsort wie Mantua, Verona, Konstanz oder Trient geäußert, dem dann ja auch einflußreiche Kardinäle in Mailand folgten; vgl. etwa Renaudet, Concile, Nr. 94, 98, 108, 112, 117, 127, 143. Und die militärischen Möglichkeiten Maximilians vor Florentiner Grenzen wird man in Florenz sehr realistisch als äußerst gering eingeschätzt haben.

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lombardischen Benefizien des Sanseverino an Leonardo di Bartolomeo Bartolini ging es nun um die jährliche Pension, die Federico Sanseverino von dessen jungem Bruder Lorenzo für die Abtei Entremont und das Priorat Ugine in Savoyen bekam. 1506 hatte Federico kraft päpstlicher Bullen Entremont unter Reservierung der Einkünfte an Gherardo Bartolini gegeben, Ugine an Lorenzo. Leonardo Bartolini hatte sich für seine Brüder verpflichtet, dem Sanseverino die Einkünfte für diese Benefizien zukommen zu lassen. Doch bereits seit dem 10. Januar 1508 zahlte Lorenzo für beide Benefizien über die Bank seines Bruders Leonardo eine jährliche ‚Pension‘ an den Sanseverino, die den Einnahmen aus ‚seinen französischen‘ Benefizien entsprach; 1509 übernahm Leonardo für Lorenzo die Verpachtung einiger Güter dieser Benefizien. Gherardo aber trat erst im September 1508 die Abtei Entremont am savoyischen Hof an Lorenzo ab und erst Ende Mai 1510 mittels einer päpstlichen Bulle – kurz vor Ausbruch des großen Konfliktes zwischen Frankreich und Papst. Die von Leonardo Bartolini für seinen Bruder Lorenzo zu bezahlende Pension hatte für die anderthalb Jahre vom 10. Januar 1508 bis zum 24. Juni (San Giovanni) 1509 die recht hohe Summe von gut 1.824 Scudi di marca betragen; für den Zeitraum von San Giovanni 1509 bis San Giovanni 1512 wurden nur noch 500 Kammerdukaten jährlich festgelegt. Tatsächlich aber, so notierte der Medici-Protegé Lorenzo Bartolini es in seinem eigenen Haushaltsbuch, wurde diese Pension für den Zeitraum vom 1. Januar 1510 bis zum 13. Juli 1511 gezahlt.196 Wieso wurde der nominelle Zahlungszeitraum real verändert, wieso endete er völlig ungewöhnlich an einem 13. Juli im Jahr 1511? Versuchen wir, uns dem Hintergrund über die sichtbaren Geschehnisse zu nähern. Im Rechnungs- bzw. Schuldbuch der Lyoner Gesellschaft von Leonardo di Bartolomeo Bartolini, die nota bene personell, finanziell und institutionell eine Medici-Bank war, ist eine präzise Erläuterung zu entdecken. Federico Sanseverino und Leonardo Bartolini waren Ende Juni oder Anfang Juli – offensichtlich aber seit Sanseverinos Reise an den im Dauphiné befindlichen Hof des französischen Königs – übereingekommen, daß Leonardo sich mit einem Lyoner Notar namens Flori Barrot aus Lyon an den Hof in Valence begeben sollte. Dort setzte der Notar am 7. Juli 1511 einen Vertrag auf, mit welchem eine merkwürdige Neuregelung der auf Entremont und Ugine bezogenen Pensionszahlungen für den Sanseverino beschlossen wurde. Sie sollten von nun ab nicht mehr jährlich 500 Kammerdukaten betragen, sondern mit dem Tag des 13. Juli 1511 sollte der Kardinal auf einen Schlag 2.500 Scudi [auri] di sole (bzw. 2.606, 10 Scudi di marca) auf sein Konto bei der Bank des Leonardo Bartolini erhalten, die von Lorenzos Konto bei der gleichen Bank abgezogen wurden! Am 7. oder 13. Juli, dies ist nicht ganz klar, quittierte Federico Sanseverino den Erhalt dieser Summe von 2.500 Scudi und entband Lorenzo und andere für die Pension zuständige Personen (also Leonardo) von den mit ihr verbundenen Verpflichtungen. Zugleich ernannte der Kardinal seinen Bankier Leonardo Bartolini in unwiderruflicher Weise zu seinem Prokurator, mit der Macht, diese Pension gegenüber dem Papst nach üblicher Form auflösen zu lassen. Über diese im Notariatsinstrument festgelegte Regelung hinaus trafen Federico und Leo196 ABS 369, c. 15.

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nardo eine weitere, die der Bankier für den Kardinal in einem gesonderten Schriftstück festhielt. Sie besagte folgendes: Wollte der Kardinal diese Pension innerhalb von drei Jahren zurückerhalten, so konnte er dies tun, indem er jene 2.500 Scudi in bar an Lorenzo zurückzahlte; und falls solches geschehen sollte, so könne er die Pension aus der Abtei Entremont und dem Priorat Ugine wieder wie vorher beanspruchen.197 Was hier geschah, ist klar. Federico Sanseverino trat seine Pensionsforderung gegen die einmalige Zahlung von fünf Jahresraten an Leonardo Bartolini ab, befreite Lorenzo von seinen Pflichten, behielt sich aber bei Rückzahlung des erhaltenen Betrages die Wiederaufnahme des Pensionsvertrages vor. Warum aber hatten sich Federico Sanseverino und Leonardo Bartolini in jenen dramatischen Tagen, als der Kardinal den französischen König zu den letzten notwendigen Maßnahmen für die Durchführung des die Christenheit spaltenden Konzils bewog, zu dieser Aufhebung der laufenden Pensionszahlungen entschlossen? Es handelte sich in erster Linie ganz offensichtlich um eine bemerkenswerte Form eines kurzfristigen Kreditgeschäfts unter Freunden, das beiden Parteien Vorteile bot. Federico erhielt einen hohen Bargeldbetrag; Lorenzo Bartolini verfügte von nun an ohne die Abzüge der Pensionszahlung von 500 Scudi über die gesamten Einnahmen, wobei sich nach fünf Jahren die dafür gezahlte Summe amortisiert hätte. Doch mit dem Datum der Vereinbarung befinden wir uns in einer Zeit, in der eine solche Änderung eine komplexere Bedeutung erhält. Über den finanziellen Vorteil hinaus handelte es sich ganz offensichtlich, wie schon bei den Pachtvereinbarungen des Jahres 1510, um eine Vorsichtsmaßnahme, mit welcher der Sanseverino sich seine kirchlichen Einkünfte sichern wollte. Zweifellos waren im Sommer 1511 die Sorgen noch begründeter, Julius II. könnte dem schismatischen Kardinal die bestehenden Rechte aus Benefizien auch im Herzogtum Savoyen absprechen, das ja de jure nicht zum Königreich Frankreich, sondern zum Imperium gehörte. Gerade Anfang Juli 1511 gab es wieder entsprechende Drohungen vom päpstlichen Hof, doch standen sie seit längerem im Raum und mußten von den fünf Kardinälen auch erwartet werden.198 Obgleich der Sanseverino Entremont und Ugine gar nicht mehr besaß, fürchtete er wohl, daß ihm trotzdem die damit verbundene Pension entzogen würde, daß der Papst Zugriff auf den savoyischen Benefizienraum hätte. Diese berechtigte Möglichkeit vermied Federico, indem er seine Rechte an Leonardo Bartolini abtrat. So wird es ihm nicht nur darum gegangen sein, eine große Summe Bargeld zur Verfügung zu haben, mit welcher er die kommenden Auseinandersetzungen besser bestreiten konnte. Dieser Aspekt spielte dennoch eine Rolle, denn der Florentiner Botschafter Francesco Pandolfini berichtete Mitte August 1511 aus Mailand nach Florenz, der Sanseverino befinde sich durch seine großen Schulden und durch die Verpachtung seiner Benefizien, um die sich niemand mehr kümmern wolle, in Geldschwierigkeiten.199 Allerdings waren die Verpachtungen nicht Ursa-

197 ABS 200, c. 9/VIIII. 198 Renaudet, Concile, Nr. 89. 199 Renaudet, Concile, Nr. 145.

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che seiner Geldprobleme; und die Behauptung einer fehlenden Verwaltung wird sich als ein bloßes Gerücht herausstellen. Die Bartolini-Gesellschaft leistete im Juli 1511 noch mehr für den Kardinal. In jenem Monat trat in Mailand Federico Sanseverinos Sekretär Antonio Magistrello an die dortige Bartolini-Filiale heran und übergab ihr einen Betrag von umgerechnet 1.000 französischen Scudi di sole, die Salvestro di Dino mit einem Wechselbrief nach Lyon transferieren sollte, um sie von dort als Bargeld an den in Valence befindlichen Federico Sanseverino senden zu lassen. Bei diesem Transfer machte die Bartolini-Bank einen Verlust von 30 Kammerdukaten, den sie dem Sanseverino in Rechnung stellte.200 Für den 12. Juli fertigte die Bartolini-Bank dann eine Zahlungsanweisung über 400 Scudi di sole aus; diesen Betrag sollte Niccolò da Ceva von seinem eigenen conto corrente bei der Bartolini-Bank erhalten. Die Bartolini hatten den Betrag in guardia, also wohl in sicherer Verwahrung; Niccolò da Ceva konnte nach seinem Belieben über das Geld verfügen und erhielt darüber in Pisa eine schriftliche Bestätigung (cedola).201 Dieser Niccolò, der vermutlich aus dem piemontesischen Ceva stammte, war einer der wichtigsten Sekretäre des Kardinals Federico Sanseverino, genauer: er war Federicos Sekretär am Hof des französischen Königs – zumindest ist dies für die Zeit seit dem 1. April 1512 eindeutig zu belegen.202 Von Federicos Konto bei der Lyoner Bartolini-Bank erhielt er seinen monatlichen Lohn, der zehn Scudi di sole betrug. Erstaunlich ist nun, daß Niccolò da Ceva im Kontext jener Verfügung über 400 Scudi für den 12. Juli 1511 nicht nur als Sekretär des Kardinals Sanseverino bezeichnet wird, sondern ebenso als Sekretär des grande scudiere, also von Federicos Bruder Galeazzo, dem obersten Ritt- bzw. Stallmeister des französischen Königs. Merkwürdig erscheint der Ort, an dem die Bartolini jenen Zettel für die Geldverfügung ausstellten – Pisa. Die Bartolini besaßen dort keine Filiale, wohl aber ihre Partner, die Salviati. Gut möglich, daß diese dem Sekretär der beiden Sanseverino das Geld zur Verfügung bereit hielten. Was aber hatte er in Pisa zu tun? Der historische Kontext erlaubt nur eine Antwort: Niccolò da Ceva sollte für Federico Sanseverino und dessen Bruder, einen der höchsten Offiziere des Königs, an dem von ihnen favorisierten Ort des künftigen Konzils entsprechende Aufgaben oder Maßnahmen durchführen. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch Federicos energische, autoritäre Aufforderung im Juli und August 1511 an die anderen Kardinäle in Mailand, vor allem Bernardino Carvajal, zu verstehen, ihre Zustimmung für Pisa als Konzilsort zu geben.203 Unverkennbar sehen wir die Bartolini-Gesellschaft in die Vorbereitung des schismatischen Konzils eingebunden. Sie sorgte auch mit mehreren Schritten an verschiedenen Orten für eine finanzielle Absicherung des Kardinals Federico Sanseverino und zahlte, wie bereits geschildert, zwischen Juni 1510 und Juni 1512 für ihn zahlreiche unterschiedliche Ausgaben aus den Pachteinnahmen der vier lombardischen Benefizien bzw. ließ ihn 200 ABS 202, c. 54. 201 ABS 200, c. VIII. 202 ABS 202, etwa c. LXIII, 64 und passim; die Schreibweise seines Namens war Nicholo d’Aceva. 203 S.o. S. 895–897.

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sich dieser Einkünfte bedienen. All diese in kluger Voraussicht getroffenen Vorsorgemaßnahmen sollten bald ihre Berechtigung finden. Allerdings traf es zunächst die vier Kardinäle Briçonnet, de Prie, Carvajal und Borgia, die Julius II. in einem öffentlichen Konsistorium am 24. Oktober 1511 ihrer Kardinalswürde und -ämter enthob.204 Federico Sanseverino wurde zunächst nur unter Androhung der gleichen Strafe an die Kurie zitiert. Es scheint, als habe Julius II. aufgrund der früheren Nähe zwischen ihm und dem Sanseverino noch vor einer Privation zurückgeschreckt, obwohl es sachlich dafür keinen Grund gab, im Gegenteil. Sanseverino hatte augenscheinlich mehr Anteil an der Durchsetzung des Konzils in Pisa als Briçonnet, de Prie, Carvajal und Borgia. Eben dies hatte Julius II. schon am 23. Oktober klar formuliert: Der Sanseverino allein verdiene die Privation mehr als jene vier, die es treffen sollte!205 Die beiden Spanier, Borgia und Carvajal, wollten sich Ende August 1511, als der Papst schwer krank war und Gerüchte über seinen nahen Tod kursierten, sogar von den Franzosen absondern und mit Julius aussöhnen, wurden aber von Ludwig XII. zurückgehalten.206 Solange ein Tod des Papstes möglich erschien, sollte auch Federico Sanseverino auf Anordnung Ludwigs zu einem Konklave nach Rom ziehen, in der Hoffnung vielleicht, selbst Papst zu werden.207 Als die Genesung Julius’ bekannt wurde, trat wieder der ursprüngliche Auftrag des Königs für Federico Sanseverino in Kraft. Zusammen mit seinem Bruder Galeazzo sollte er sich im September 1511 nach Deutschland begeben, an den Hof Maximilians in Südtirol, um diesen zu bewegen, deutsche Prälaten nach Pisa zu entsenden, und um eine Eheverbindung des seit kurzem verwitweten Kaisers mit einer französischen Prinzessin zu bereden sowie Besitzungen der Sanseverino im Gebiet von Verona zurückzuerlangen. Ein Vorgespräch ließ Federico durch seinen Bruder Alessandro mit Maximilian führen.208 Während seiner Reise stand er mit Gaston de Foix und mit Odet de Foix in Verbindung, dem militärischen Beschützer des Pisanum und eben auch Bruder jenes Thomas de Foix, der wie Sanseverino seine großen Benefizien an die Bartolini-Bank verpachtet hatte.209

204 Frati, Spedizioni, S. 303–307; Sanuto, Diarii XIII, Sp. 201; Pastor, Geschichte der Päpste III/2,

S. 820; Minnich, Healing, S. 81 und Anm. 46. 205 Moncallero, Epistolario I, Nr. 107, S. 325 (Julius II. teilte Bernardo Dovizi mit, er wolle dann

auch innerhalb von 40 Tagen den Sanseverino seines Amtes entheben, perché lo merita più lui solo che questi quattro). Die Bedeutung Sanseverinos ist von Chevalier in seinem zu stark auf Briçonnet bezogenen Beitrag zum Pisanum nicht angemessen gewürdigt worden; Chevalier, Le cardinal Guillaume Briçonnet et le parti. 206 Minnich, Healing, S. 80f. 207 Renaudet, Concile, Nr. 145 (Francesco Pandolfini glaubte Mitte August in Mailand zu wissen, der Sanseverino sei sich der Papstwürde sicher, da sie ihm von einem Astrologen vorhergesagt worden sei); 190 (Anfang September hörte Pandolfini, Ludwig XII. habe dem Sanseverino bei seiner Abreise vom Hof in Lyon Ende August die Papstwürde in Aussicht gestellt, doch habe er danach seine Meinung geändert und Briçonnet zu seinem Favoriten erklärt), 227. 208 Renaudet, Concile, Nr. 222, 227, 237, 238, 240. 209 Renaudet, Concile, Nr. 237, 248.

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Federico und Galeazzo Sanseverino hatten von Ludwig XII. eine äußerst wichtige Mission erhalten. Es ging um mehr als um die Teilnahme der Deutschen am Pisanum; es ging darum, die Allianz zwischen Ludwig und Maximilian zu erhalten, diesen von einer Hinwendung zu der sich gerade neu bildenden, gegen Frankreich gerichteten Heiligen Liga zwischen Papst, Spanien, England und Venedig abzuhalten. Sie besaßen Vollmacht, dem Kaiser Ungeheuerliches zu versprechen: französische Truppenhilfe für einen kaiserlichen Romzug und für eine Eroberung des Kirchenstaates, Frankreichs Unterstützung gar für eine Papsterhebung des Matthäus Lang oder des Kaisers selbst. Maximilian aber, der bereits den Frieden mit Julius II. und Venedig plante, unterbrach die Verhandlungen mit Frankreich, indem er noch mehr verlangte.210 Anfang Oktober reiste Galeazzo Sanseverino deshalb wieder zurück nach Italien, traf am 12. Oktober in Brescia ein, um im Eiltempo zu Ludwig XII. zu reiten und weitere Instruktionen einzuholen.211 Federico Sanseverino blieb unterdessen in Südtirol, um Maximilian zur Entsendung deutscher Prälaten nach Pisa zu bewegen, sogar zu einem persönlichen Erscheinen dort. Im Auftrag Ludwigs durfte er dem Kaiser dann noch gewaltigere Angebote machen: eine große Eskorte für die Kaiserkrönung in Rom, eine Zuwendung von 150.000 Dukaten, ferner Siena und die ganze Romagna für den Kaiser und so fort. Doch Maximilian versagte sich dem französischen Locken und näherte sich diplomatisch bereits der am 4. Oktober 1511 geschlossenen neuen Heiligen Liga an; mit leeren Händen kam Federico Sanseverino am 19. November 1511 nach Mailand zurück, wo die folgenden Sitzungen des bereits in Pisa begonnenen Konzils aufgrund der starken dortigen Widerstände fortgesetzt werden sollten. Federico blieb „seinem“ Werk demnach am Anfang nicht fern, sondern versuchte es mit aller Macht entscheidend zu erhöhen, indem er dem schismatischen Konzil durch eine Beteiligung des Kaisers und deutscher Prälaten die so dringend notwendige größere Legitimität verleihen wollte. Auf diese Weise hätte man auch besser eine Absetzung Julius’ II. oder zumindest einen Gegenpapst durchsetzen können.212

210 Wiesflecker, Maximilian I., IV, S. 95. 211 Renaudet, Concile, Nr. 320. 212 Renaudet, Concile, Nr. 482; Wiesflecker, Maximilian I., IV, S. 95f. (eine von Wiesflecker be-

hauptete zwischenzeitliche Rückkehr Federico Sanseverinos nach Italien und eine zweite Reise an den deutschen Hof geht aus den Dokumenten bei Renaudet nicht hervor; dort wird passim sehr klar die immer wieder verzögerte Abreise Federicos deutlich, dem Maximilian eine Unterstützung des Pisanum in Aussicht stellte, was er aber nicht einhielt). Pastors Behauptung, Federico Sanseverino habe in der ersten Novemberhälfte – die dritte Session des Pisanum fand am 12.11. statt und beschloß u. a. die Verlegung nach Mailand, wo die 4. Session eigentlich am 13.12.1512 abgehalten werden sollte, die tatsächlich aber bis zum 4.1.1512 vertagt werden mußte – die Erwartung der Pisaner Konzilsteilnehmer enttäuscht, sich dem „Konziliabulum“ anzuschließen, verkehrt die Tatsachen natürlich vollständig, was um so erstaunlicher ist, als Pastor selbst an anderer Stelle den Aufenthalt Sanseverinos am deutschen Hof beschreibt sowie die vergeblichen Bemühungen, Maximilian für das Pisanum zu gewinnen; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 821, Anm. 4, S. 827, Anm. 4, S. 834f. Nach freundlicher Auskunft von Nelson Minnich, dessen Studie über das V. Laterankonzil und das Pisanum bald zu erwarten steht, nahm in der Tat kein als deutsch zu bezeichnender Prälat am Pisanum teil.

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Recht spät, am 30. Januar 1512, führte Julius II. die seit langem angedrohte Amtsenthebung Federico Sanseverinos durch, der nun ebenfalls exkommuniziert und zum Schismatiker erklärt wurde sowie seine Benefizien verlor.213 Wenige Tage später, am 4. oder 5. Februar 1512, verlieh der Papst die wichtigsten italienischen Benefizien – zumindest ist nur von ihnen in den Quellen die Rede – anderen Geistlichen.214 Das Bistum Novara erhielt der Schweizer Kardinal von Sitten bzw. Sion, also Matthäus Schiner, die Abtei Chiaravalle bekam ein aus jener Region stammender Höfling des Papstes, die Abtei Morimondo aber der Kardinal Giovanni de’ Medici, der sie einst seinem Freund Federico Sanseverino gegen großen Widerstand Dritter gleichsam schenken konnte, nun aber auf der Gegenseite stand, Julius II. loyal geblieben war. Offenbar hatte sich hier auch das Regressus-, das Rückkehrrecht des Medici bezahlt gemacht. Denn bereits am 6. Dezember 1511 konnte Bernardo Dovizi da Bibbiena aus Rom dem in der Romagna wirkenden Medici berichten, der Papst habe ihn gefragt, ob Giovanni de’ Medici il regresso sopra Miramondo habe. Nach Dovizis Bejahung habe Julius nichts weiter gesagt, doch anderen habe er schon früher und auch nun erzählt, daß er diese Abtei nach der Privation Sanseverinos dem Medici geben wolle.215 Wir sind gespannt, welche Auswirkungen die neuen Besitzverhältnisse auf die Bartolini-Pacht der alten Sanseverino-Benefizien, welche Konsequenzen sie für die Pachteinnahmen des Sanseverino hatten – ob einer Säule des Hauses Medici Anfang Februar 1512 ein Teil seines Fundamentes wegbrach!

e) Die Bartolini-Bank als Finanzier des Schismatikers Federico Sanseverino Nach normalem Rechtsverständnis war die Sache eigentlich klar: Der Besitzer eines Gutes, der dieses verpachtete, erhielt vom Pächter einen Pachtzins; wechselte das verpachtete Objekt den Besitzer, mußte im Fall einer fortlaufenden Verpachtung der neue Besitzer den Pachtzins erhalten. Eine Auflösung des Pachtvertrages der Bartolini hatte man an der Kurie offenbar überhaupt nicht in Betracht gezogen, als die lombardischen Benefizien des Sanseverino jeweils einen neuen Eigner erhielten. Waren diese denn nun Nutznießer der geänderten Eigentumsverhältnisse? Verlor der schismatische Kardinal jährliche Einnahmen in Höhe von gut 39.000 mailändischen Pfund, die ungefähr 8.298 Kammerdukaten entsprachen? Nein, dem schismatischen Kardinal Federico Sanseverino blieb ein Teil der Einkünfte aus seinen ehemaligen lombardischen Benefizien erhalten! Finanzielle Einbußen hatte er für eine bestimmte Zeit allerdings zu ertragen. Doch die späte Exkommunikation Sanseverinos Ende Januar 1512 – und nicht wie die anderen schon im Oktober 1511 – hatte für ihn einen großen Vorteil: Die für den St.-Martinstag 1511 fälligen Pachtzinsen der lom213 Minnich, Healing, S. 81 und Anm. 46. 214 Sanuto, Diarii XIII, Sp. 470–472. 215 Moncallero, Epistolario I, Nr. 127, S. 390; vgl. ebd. Nr. 136 (Brief Dovizis vom 20.12.1511 an

Giovanni de’ Medici mit Bestätigung der Absichten wegen Morimondo).

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bardischen Unterpächter konnten noch ungehindert eingezogen werden. In dem Zeitraum bis zum nächsten 11. November im Jahr 1512 überschlugen sich freilich die Ereignisse. Diese aber sind wiederum nicht allein für die Verpachtungen, für das BartoliniSanseverino-Verhältnis von Bedeutung, sondern fundamental für das gesamte Netzwerk: Es kam zur militärischen Konfrontation zwischen dem Sanseverino und seinem Freund Giovanni de’ Medici Ostern 1512 bei der Schlacht von Ravenna, welche den Sanseverino auf der Siegerseite sah und den Medici als Gefangenen der Franzosen in dessen Obhut brachte; es kam im Sommer 1512 zu der – für die nicht eingeweihte Öffentlichkeit wundersamen, für uns als Freundestat des Sanseverino zu begreifenden – Befreiung des Medici aus der Gefangenschaft und zu seiner Flucht; es kam kurz darauf im September 1512 zur der von Julius II. seit zwei Jahren angedrohten Rückführung der Medici nach Florenz mit Hilfe dieses Papstes und seiner spanischer Truppen; es kam im Oktober 1512 zum Tod des einflußreichen Leonardo di Bartolomeo Bartolini, dem Architekten des ganzen Verpachtungssystems und deshalb zu einem Autoritätsvakuum für die Bartolini in der Lombardei; es kam zur Rettung des Systems durch den Einsatz der entscheidenden Freunde, des Kardinals Giovanni de’ Medici und vor allem des Mannes, dem der Medici vollste Handlungsfreiheit gegeben hatte, seines Prokurators Leonardo di Zanobi Bartolini, der uns in jenen Wochen darüber hinaus aufklärt, daß der gesamte Familienverband der Bartolini, Bracci, Lanfredini, Salviati usw. die ganze Zeit wie Pech und Schwefel zusammengehalten hatte. Es kam in jenen wenigen Monaten also zu einer Dynamisierung einzelner, miteinander verketteter Ereignisse, die jedoch gesondert betrachtet werden müssen. Da die endgültige Lösung des Pachtproblems zeitlich am Ende der Ereigniskette steht, erscheint es sinnvoller, sie vom äußeren Anfang her freizulegen. Eines ist freilich mit Nachdruck zu betonen: Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte Federico Sanseverino, hatte den Gegner des Papstes auch in jenen dramatischen Monaten mit großem Risiko finanziell unterstützt! Wir nennen nur einige Posten. Hinzuweisen ist auf eine merkwürdige Zahlung Leonardos an Giovanni Pandolfini, die er genau vom 1. Juni 1510 bis zum 31. Mai 1511 über seine Mailänder Filiale für den Kardinal Federico Sanseverino leistete. Diesem hatte Leonardo versprochen, für ihn von seinem, Sanseverinos, Konto monatlich 800 Kammerdukaten an die Gesellschaft des Giovanni Pandolfini in Rom zu zahlen, die weiterhin zur Florentiner Lanfredini-Bank gehörte. Zusätzlich zu dieser Summe von insgesamt 9.600 Dukaten erhielt der Pandolfini noch eine Provision über stattliche 1.200 Dukaten.216 Welche Leistung im Wert von 9.600 Dukaten Giovanni Pandolfini – vermutlich in Rom – für den Sanseverino erbracht oder zu erbringen hatte und warum diese eine so hohe Provision wert war, ist uns leider bisher noch verschlossen. Es ist freilich auffällig, daß der Beginn des Zahlungszeitraums sehr genau mit dem Beginn der Abkehr Federicos von Julius II. übereinstimmt und daß kurz darauf im Juni 1510 in Rom auch der neue, die tatsächlichen Finanzvolumina stark herunterspielende Pachtvertrag zwischen dem Sanseverino und dem Bartolini in Rom abgesegnet wurde. Diese Zahlungen Federicos an die Pandolfini-Gesellschaft decken ferner die Zeit seines Aufenthal216 Ausführlicher hierzu unten S. 1043–1048; vgl. ABS 202, c. 5, Nr. 204, c. 3.

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tes in Florenz und vor allem in Mailand ab und enden ziemlich genau mit dem Aufbruch des Kardinals an den französischen Hof in Grenoble und Valence. Was immer dahinter gestanden haben mag: Unzweideutig hatte eine weitere mediceische Bank einen Kardinal unterstützt, an dessen Bereitschaft, Schismatiker zu werden, damals schon kein Zweifel mehr bestand – ungeachtet des Aufenthaltes Giovanni de’ Medicis bei Papst Julius II. Im gleichen Rechnungsjahr 1510, das nach Florentiner Stil bis zum 24. März 1511 reichte, zahlte der Bartolini dem Kardinal in zwei Tranchen eine explizit als finanzielle Unterstützung (sovenzione) bezeichnete Summe von insgesamt 4.000 Kammerdukaten, die der Bankier mit den Pachteinnahmen der Jahre 1512 (d.h. November 1511 bis November 1512) und 1513 verrechnen sollte.217 Im Juli 1511 erfolgte dann der „Kredit“ über 2.500 Scudi aus der vorerst aufgelösten Verpachtung der savoyischen Benefizien Entremont und Ugine. Genau in die Zeit von Federicos Amtsenthebung Ende Januar 1512 bzw. des Verlustes der lombardischen Benefizien fällt eine Zahlung über 29.246 mailändische Pfund bzw. 6.222 Kammerdukaten, die Federico Sanseverino sich aus den Pachteinnahmen Morimondos und Crescenzagos des Jahres November 1511 bis November 1512 gleichsam im voraus zahlen ließ und die er wie den vorherigen Posten der Mailänder Bartolini-Bank erst am 11. Januar 1514 gutschreiben ließ.218 An eben jenem Tag im Januar 1514 wurden ihm freilich auch für diese beiden Benefizien und jenes Pachtjahr 1511/12 die regulär von den Bartolini zu zahlenden Pachtzinsen in Höhe von 9.000 mailändischen Pfund bzw. 1.915 Kammerdukaten für Crescenzago und 11.000 Pfund bzw. 2.340 Dukaten für Morimondo angewiesen!219 Die Propstei Crescenzago war wie das Bistum Novara Ende Januar 1512 in den Besitz des Schweizer Kardinals Matthäus Schiner gekommen. Das lombardische Bistum hatte der Sanseverino zu Lebzeiten nicht mehr wiedergewinnen können und so erhielt er dafür von den Bartolini auch keine Pachtgelder mehr.220 Wegen Crescenzago aber konnte offensichtlich mit dem als Franzosenfeind bekannten Schweizer eine Einigung erzielt werden; das Gleiche gilt (selbstredend) für die Abtei Morimondo, die Giovanni de’ Medici erhalten hatte. Die Verständigung mit Schiner ist tatsächlich in einigen Quellen nachzuzeichnen, gehört jedoch zeitlich und sachlich in einen späteren Kontext, da sie erst Ende 1512 und Anfang 1513 erfolgte. Damals hatten die Bartolini mit vereinter Kraft und mit Unterstützung vieler bedeutender Freunde auch die Probleme mit der Abtei Chiaravalle

217 ABS 202, c. 54, LXII. Von diesem Betrag hatte der Sanseverino noch am 11.1.1514 die Rest-

summe von 2.000 Kammerdukaten bzw. 9.200 Mailänder Pfund an die Mailänder BartoliniBank zurückzuzahlen. 218 ABS 202, c. 54, LXII. 219 ABS 202, c. 52, LXIIII. 220 Noch im Dezember 1518 zogen die Bartolini kleinere Beträge wie 40 Kammerdukaten von alten Schuldnern der Pacht des Bistums Novara ein, deren Schulden auf das Jahr 1510/11 zurückgingen; vgl. ABS 202, c. CCVI, CCXV; ABS 204, c. 129. Zur Übernahme des Bistums Novara durch Schiner im Februar 1512 vgl. Eubel, Hierarchia III, S. 260, Anm. 3 unter „Novarien.“. Unter Schiner scheint dieser Pachtvertrag der Bartolini beendet worden zu sein, doch konnten hierzu keine systematischen Untersuchungen vorgenommen werden.

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lösen können, die Julius II. seinem Kurialen Bonifazio Aldighieri aus Parma gegeben hatte und die diesem wieder zu Gunsten Sanseverinos entzogen werden konnte. Seit dem Beginn der Auseinandersetzung des Sanseverino mit Julius II. hatten die Bartolini dem Kardinal also mit beträchtlichen Summen unter die Arme gegriffen. Neben den 2.500 Scudi (anstelle der an Entremont und Ugine gebundenen Pensionszahlungen Lorenzos), die Leonardo di Bartolomeo dem Kardinal im Juli 1511 in Valence zukommen ließ, lassen sich bisher weitere 10.222 Dukaten nachweisen, die er zu unbekannten Zeitpunkten erhielt; ferner jene mit Verlust transferierten 1.000 Scudi di sole, die Sanseverinos Sekretär Magistrello in Mailand dem Salvestro di Dino gab und die dieser von Mailand nach Lyon anwies, damit sie von dort im Juli 1511 als Bargeld nach Valence gebracht werden sollten. Doch auf solche, in der Höhe beachtlichen Zuwendungen beschränkte sich die Dienstleistung der Gesellschaft nicht. Offenkundig bestritt der schismatische Kardinal die meisten seiner Ausgaben über seine Konten bei der Bartolini-Bank. Zu den gerade mit Blick auf den politischen Kontext bemerkenswerteren Leistungen der Lyoner Bank gehörte die seit dem 1. April 1512 zu belegende, in einem ersten Turnus bis Ende Juni 1513 durchgeführte monatliche Zahlung von zehn Scudi di sole für Niccolò da Ceva, Sanseverinos für den französischen Hof zuständigen Sekretär.221 Am 15. Mai 1512 ließ sich Federico Sanseverino von der Bartolini-Bank in Mailand 900 mailändische Pfund auszahlen, die 187 ½ Kammerdukaten entsprachen; aufhorchen läßt der Überbringer des als Darlehen zu verstehenden Geldes und vor allem der Ort der Auszahlung. Denn der unter den Bartolini in der Lombardei als Generalpächter fungierende Gianpiero Morone brachte dem Sanseverino das Geld persönlich in dessen Herberge in [Borgo] San Donnino (heute Fidenza).222 Damals war der Sanseverino bereits einer der Sieger der Schlacht von Ravenna, und Giovanni de’ Medici befand sich als Gefangener in seinem Gewahrsam in Mailand. Wie konnte es dazu kommen, und was bedeutete es für die tiefe, gewachsene Freundschaft der beiden?

3. Die Freunde am Scheideweg? Giovanni de’ Medici als Legat Julius’ II. – Federico Sanseverino als Legat des schismatischen Konzils a) Vorteile der Papstnähe Giovannis für die Mediceer Giovanni de’ Medici hatte dem Papst zunächst keinerlei Anlaß gegeben, an seiner Loyalität zu zweifeln. Er hatte Julius II. auf seinem Feldzug gegen Ferrara begleitet, befand sich mit ihm lange Zeit vom September 1510 bis zum Mai 1511 in Bologna und an den

221 ABS 202, c. 5. 222 ABS 202, c. 112, 134; der Betrag wurde dem Kardinal erst im April 1516 in Rechnung gestellt.

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sonstigen Aufenthaltsorten des päpstlichen Hofes wie z. B. Ravenna. 223 Von seinem guten Verhältnis zum Papst profitierten auch die Mediceer. Offenbar kurz nach der Ankunft in Bologna am 22. September 1510 hatte Julius II. den Medici-Intimus Lorenzo d’Antonio di Puccio Pucci zu seinem Datar befördert und somit zu einem der mächtigsten Männer der Kurie gemacht. Am 10. März 1511 wurde dann in Ravenna in einem Konklave neben anderen Geistlichen aus verbündeten Staaten wie Deutschland und England oder Siena (Pandolfo Petruccis Sohn Alfonso) auch der Mediceer Piero Accolti aus Arezzo durch Julius II. zum Kardinal erhoben.224 In Florenz war man sich sehr bewußt, welche Ehre dies für Pucci und Accolti bedeutete. Piero Accolti wurde, obwohl von ‚aretinischer Nation‘, zum Florentiner erklärt, da sein Vater in die Stadt eingewandert und Piero wie sein Bruder schon in Ämter gewählt worden sei. Daß er trotzdem kein Freund des damaligen Florenz war, wußte man genau.225 Ebenso strahlte die Lorenzo Pucci zuteil gewordene Würde natürlich auch auf Florenz ab, wo jeder politisch Versierte von seiner weiterhin engen Freundschaft wußte. Sowohl Accolti als auch Pucci suchten auf ihrer Rückreise nach Rom Florenz auf. Piero Accolti, dessen Kardinalserhebung wegen seiner bisherigen Freundschaft zu den Medici bzw. Gegnerschaft zu Florenz (non era molto amicho della ciptà) nicht gefeiert wurde, hatte mit seiner neuen Würde sein Verhältnis zu Florenz jedoch nachhaltig verbessert (fato chardinale si chominciò a soschrivere fiorentino), so daß man ihm nun bei seiner Ankunft einen ehrenvollen Empfang bereitete. Lorenzo Pucci hingegen mußte sich damit begnügen, sich von seiner Familie würdigen zu lassen.226 Dennoch: Pucci nur wenige Wochen vor dem mißglückten Attentat des Prinzivalle della Stufa in das damals im Grunde schon einflußreichste Kurienamt nach dem Papst gebracht zu haben, bezeugte nicht nur die Gunst der Medici bei diesem Papst, sondern gleichermaßen ihr strategisches Denken. Mit seiner neuen Macht konnte Lorenzo Pucci den Medici und ihren Vertrauten ungemein helfen – und er wird es tun! Von Exilsbeginn an hatte Lorenzo Pucci den römischen und den florentinischen Mediceer-Kreis miteinander verbinden können; er stand im Zentrum des römischen (etwa bei den exklusiven „Arbeitsessen“ im Haus von Leonardo di Zanobi Bartolini oder durch seine Freundschaft mit Giovanni Pandolfini und anderen Mediceern an der Kurie) wie des florentinischen (etwa über seine Brüder, von denen einer eine Tochter Lanfredino Lanfredinis heiratete). Seine Korrespondenz mit führenden Florentiner Mediceern führte Lorenzo Pucci auch während des kriegerischen Aufenthaltes der Kurie in der Romagna fort, wie

223 Vgl. neben den schon genannten Belegen im Kontext des Attentatsversuches durch Prinzivalle

della Stufa weiterhin Frati, Spedizioni, passim; Cerretani, Ricordi, S. 242; Shaw, Julius II, S. 274. 224 Pucci ist wie gesagt bisher das erste Mal am 2.10.1510 als amtierender Datar nachzuweisen; vgl. Frenz, Kanzlei, S. 395. Cerretani (Ricordi, S. 240) glaubte, die Datarsernennung sei im Zuge des Konklaves in Ravenna erfolgt; der päpstliche Zeremonienmeister Paris de Grassis erwähnt sie gar nicht; vgl. Frati, Spedizioni, S. 242–244. Zum Konklave: Cerretani, ebd.; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 794; Eubel, Hierarchia III, S. 11–13. 225 Cerretani, Ricordi, S. 240 (aber Verwechslung Piero Accoltis mit seinem Bruder Bernardo). 226 Cerretani, Ricordi, S. 242f.

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zwei Briefe an Lanfredino vom 2. Januar und 13. Februar 1511 aus Bologna belegen, bei denen es um Finanz- und Familienangelegenheiten ging, aus denen aber zugleich Puccis Abneigung gegen den Kriegszug des Papstes hervorgeht, dessen baldige Rückreise nach Rom er sich schon Anfang Januar wünschte.227 Im August 1511 hatte Giovanni de’ Medici dann die schwere Krankheit des Papstes in Rom miterlebt; nach venezianischen Quellen soll er sich damals schon Hoffnungen auf die Tiara gemacht haben.228 Während Federico Sanseverino sich von September bis Mitte November als Sachwalter des französischen Königs mit großen Zugeständnissen am deutschen Hof um eine Unterstützung Maximilians I. und der deutschen Geistlichkeit für das Pisanum bemühte, hatte der wiedergenesene Julius II. seine Pläne zur bewaffneten Rückeroberung Bolognas – das im Mai 1511 nach der Abreise des Papstes aus der Romagna von den Franzosen und Bentivoglio eingenommen worden war – und anderer Besitzungen des Kirchenstaates sowie letztendlich zur Vertreibung der Franzosen aus Italien mit großer Energie vorangetrieben. Der Papst hatte am 1. Oktober 1511 niemand anderem als Kardinal Giovanni de’ Medici die hierfür entscheidende Legation für Bologna und die Romagna anvertraut, und er konnte am 4. Oktober die Heilige Liga zwischen sich, Ferdinand von Spanien und Venedig abschließen, die auch dem Kaiser und dem König von England, Heinrich VIII., offenstand.229 Noch bevor dieser Vertrag unterzeichnet war, hatte sich Giovanni de’ Medici in Begleitung seines Cousins Giulio und seines Kardinalshaushaltes auf den Weg in die Romagna gemacht.230

b) Der Handel des Papstes: Florenz für Bologna Die Ehre der Legation für Bologna und Romagna, mit der sich sehr gern auch einige andere Kardinäle geschmückt hätten, war alles andere als zweckfrei. Instrumentalisierende Absichten verfolgten freilich beide Seiten, sowohl der Papst als auch die Medici. Julius II. hatte ein vordringliches, ein ihn völlig beherrschendes Ziel: die Rückeroberung Bolognas. Wegen dieser ihm nominell, aber nicht faktisch unterstehenden Stadt war er im Frühherbst 1506 zum Kriegspapst, zu Mars geworden. Nicht zuletzt dank seines damaligen Verbündeten Frankreich, dem er außer einigen Kardinalshüten auch Sonderrechte bei der Benefizienvergabe im Herzogtum Mailand zugestanden hatte, konnte er im Oktober/November 1506 die Vertreibung der Bentivoglio feiern und damit die Eroberung Bolognas. Welch ein Triumph dies für ihn bedeutete, zeigt sich in seinem Auftrag an Michelangelo, eine Bronzestatue von ihm anzufertigen, die dann über dem Portal von San Petronio aufgestellt werden sollte, um dem Volk zu zeigen, wer der eigentliche Herrscher dieser Stadt war. Das 1508 vollendete Werk Michelangelos ist freilich schon im Mai 1511 zusammen mit 227 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 207, 211 (2.1. u. 13.2.1510/11, Lorenzo Pucci aus Bologna an Lanfre-

dino Lanfredini in Rom). 228 Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 815f. 229 Frati, Spedizioni, S. 299; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 819; Shaw, Julius II, S. 290–

293. 230 Vgl. Moncallero, Epistolario I, Nr. 86.

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einer weiteren, an einem weltlichen Repräsentationsort befindlichen Papststatue aus Stuck zerstört worden, als die Bentivoglio nun mit französischer Hilfe ihre Stadt wieder in Besitz nehmen und auch gegen die päpstliche Armee unter Francesco Maria della Rovere, dem Herzog von Urbino, verteidigen konnten. Julius befand sich damals in Ravenna, zog von dort aber bald nach Rom, krank und zornig. Die erneute Eroberung Bolognas mit der nochmaligen oder endgültigen Vertreibung der Bentivoglio wurde dann trotz des Fünften Laterankonzils und des schismatischen Pisanum zur vorherrschenden, den Papst beherrschenden Aufgabe; sie war freilich sowohl päpstlicher Selbstzweck als auch unabdingbare Voraussetzung für die Verteidigung des Kirchenstaates und die Vertreibung der Franzosen. Warum aber bestimmte er für eine von solch gewaltigen militärischen Zielen bestimmte Legation ausgerechnet den alles andere als kriegerischen, zudem stark kurzsichtigen und übergewichtigen Medici-Kardinal?231 Sein diese Entscheidung bestimmendes Kalkül sprach Julius II. oft genug und mehr als deutlich aus, nein: mehr als erträglich brüllte er es in cholerischen Wutanfällen Bernardo Dovizi da Bibbiena, dem für die Kurie zuständigen Verbindungsmann der Medici, ins Gesicht. Bologna sollte von einem mit julianischem Feuer brennenden Medici rasch und energisch erobert werden, weil er dem Medici – gleichsam als Herd dieses Brandes – eine darauf folgende Einnahme von Florenz in Aussicht stellte! Ein auf gegenseitige Interessen spekulierender Kausalzusammenhang wurde also vom Papst aufgebaut: So wie Bologna werde dann auch Florenz genommen; gibst Du mir Bologna, gebe ich Dir Florenz. Sah Julius das primäre Ziel in Gefahr, drohte er mit der Aufgabe des sekundären. Er setzte Giovanni de’ Medici also unter Druck: Hilfst Du mir nicht bei der Verteidigung meiner Interessen, werde ich leider auch nicht die Deinigen verfolgen können. Anlaß zum Schwingen dieser päpstlichen Peitsche gab es genug. Schon am 24. Oktober 1511 mußte Bernardo Dovizi von der Kurie an Giulio de’ Medici berichten, daß Julius sich im engeren Vertrautenkreis heftig und mit bösen Worten über das zu zögerliche Verhalten der unter dem Befehl des Legaten stehenden päpstlichen Truppen beklagte, die Bologna für den Papst einnehmen könnten, aber nicht wollten. Gleichzeitig mit den peitschenden Beschimpfungen bot der Papst Florenz als Zuckerbrot an, so daß Bibbiena die Medici der weiteren Gunst des Papstes versichern konnte.232 Das Lockmittel der Rück231 Zur fehlenden Eignung des Medici für diesen Krieg auch Moncallero, Epistolario I, S. 263,

Anm. 8. 232 Moncallero, Epistolario I, Nr. 109 (der Papst habe gesagt: Bologna posso haver et costoro non

la vogliono pigliare. Il duca d’Urbino [Francesco Maria della Rovere!] è uno traditore, Medici non vede et Colonna [Marcantonio] non se ne cura, bestemmiando sino al cielo ... A me S.S.tà non ne parlò, ma lo dixe S.S.tà in camera, dicendo: a questo modo andremo a Bologna o a Firenze. Di queste cose il cardinal Medici harà ogni dì et bisogna che se ne rida di tucte, perchè infine si vede che S.S.tà li vuol bene, ha grande fede in lui et lodalo assai, se bene talora diece simili cose). Daß Julius in der chiffrierten Passage mit der Formulierung a Bologna o a Firenze eine Eroberung von Bologna oder von Florenz als alternative Ziele gesehen hätte, erscheint jedoch mehr als zweifelhaft. Wahrscheinlich muß statt des o ein e stehen, also ein ‚und‘. Denn nur dies entspricht den damaligen Handlungszielen des Papstes, der auch sonst immer einen kausalen Zusammenhang herstellte; analoge Zeugnisse ebd. auf S. 389 und 435.

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gewinnung von Florenz nach einer erfolgreichen Einnahme Bolognas für den Papst war auch im Kreis der Medici-Freunde bekannt. Niccolò Pandolfini, der gut informierte Bischof von Pistoia, formulierte diese von ihnen ersehnte Aussicht Mitte Dezember 1511 gegenüber Bibbiena mit wenigen Worten: havuta Bologna, le cose di Firenze seranno per se stesse in beneficio vostro! Sei erst Bologna genommen, so werde also die Sache mit Florenz von selbst zum Wohlgefallen der Medici verlaufen; und weil die Umstände so günstig waren, warnte er Giovanni und Giulio de’ Medici, sich vor Spionen ihrer Florentiner Gegner zu hüten und stets ehrenhaft über Florenz zu sprechen.233 Doch der Legat und seine Truppen schienen die Gunst der Stunde weiterhin nicht nutzen zu wollen. Und so hielten die Gegner des Medici an der Kurie mit ihren Einschätzungen seiner Fähigkeiten nicht hinter dem Berge. Kardinal Antonio Maria Ciochi de Monte San Savini teilte im Dezember 1511 jedem, der neben ihm saß, seine Überzeugung mit, der Medici sei für jene Legation so geeignet wie sein, Antonios, Maulesel.234 Es fügt sich trefflich in die konträren Positionen, daß gerade er dann die Florentiner SoderiniRegierung beim Papst verteidigte.235 Andere wollten Giovanni de’ Medici zu jener Zeit durch den Schweizer Kardinal Matthäus Schiner ersetzen, der sicherlich mehr vom Kriegshandwerk verstand als der verbindlich-schöngeistige Medici. Aber Julius II. wollte hiervon nichts hören und hielt solchen Intriganten entgegen: Wegen der cosa di Firenze könne niemand besser geeignet sein als der Medici-Kardinal – kein Kandidat konnte demnach so unter Druck gesetzt werden, war so motivierbar, um nicht zu sagen: erpreßbar wie der Medici!236 Möglicherweise wollte der Papst aber auch durch Gerüchte über personelle Alternativen ganz gezielt das Feuer im Medici entfachen. Das Haus Medici besaß freilich eine unumstößliche Gewißheit, daß Julius II. ‚jene Sache mit Florenz‘ sehr ernst meinte. Denn die päpstliche Botschaft an die Medici, sie könnten durch ihn mit einem baldigen Ende ihres Exils rechnen, wurde getragen von einem abgrundtiefen, unerschütterlichen Haß des Papstes auf die beiden Soderini, den Gonfaloniere Piero und seinen Bruder Francesco, den Kardinal und Bischof von Volterra – ein Haß, der nach dem Attentatsversuch vom Dezember 1510 noch steigerungsfähig war, als Florenz mit erheblichen, berechtigten Bedenken den schismatischen Kardinälen die Abhaltung ihres Konzils in Pisa erlaubte, das ja erst seit wenigen Monaten wieder unter Florentiner Herrschaft stand. Obwohl Julius II. wußte, unter welchen Pressionen der Franzosen Florenz bei seiner Entscheidung stand, wollte er die Verantwortung der Soderini-Regierung dadurch nicht relativieren. Als Soderini dem Druck nachgab und sein Plazet für Pisa gab, tobte Julius II. wie ein Blitze schleuderndes Augustgewitter. Federico Sanseverino, der (wie oben ausführlich erörtert) kompromißlos und am vehementesten Pisa als Konzilsort forderte, wird genau dies beabsichtigt haben.

233 Moncallero, Epistolario I, Nr. 131, S. 411. 234 Moncallero, Epistolario I, Nr. 133, S. 418; Ders., Bibbiena, S. 299 (dort irrig Francesco Soderini

als Sprecher dieser Bosheit genannt). 235 Renaudet, Concile, Nr. 561. 236 Moncallero, Epistolario I, Nr. 138 (Brief Bibbienas vom 25.12.1511 aus Rom), S. 435.

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Wir haben keine expliziten Quellen, aber aufgrund des bisherigen Handlungsverlaufs und Verhaltens größte Gewißheit und einige Indizien, daß Sanseverinos Schlinge, die er Piero Soderini mit Pisa um den Hals legte, von Federico, den Mediceern und den Medici gemeinsam geknüpft worden war. Einen wichtigen Anhaltspunkt bietet die Tatsache, daß Federico Sanseverino auch als abtrünniger Kardinal seine Korrespondenz mit seinem Freund Giovanni de’ Medici fortführte.237 Auffallend war ferner die intensivierte Zahlungsaktivität der Lyoner und Mailänder Bartolini-Bank gerade in jenem kritischen Monat Juli 1511, von der nicht allein Federico, sondern auch sein Sekretär Niccolò da Ceva profitierte – und zwar am 12. Juli ausgerechnet in Pisa, was auf eine Beteiligung der SalviatiBank schließen läßt. Und wenn schon der Attentatsplan vom Dezember 1511 nur unter Einbeziehung und Teilnahme der Florentiner Mediceer gelingen konnte, dann mußten sie auch bei der Pisaner Schlinge ihre Hände im Spiel gehabt haben. Für dieses Werk aber durften sie nicht in Opposition zum Gonfaloniere stehen, sondern hilfreich und ermunternd an seiner Seite. Die der Freigabe Pisas durchaus aufgeschlossene Soderini-Gruppe soll ihren Beschluß gegen innerstädtische Vorbehalte schließlich in entscheidender Weise der Hilfe alter Anhänger Savonarolas verdankt haben.238 Zu den prominentesten frateschi zählten für die Zeitgenossen – ob noch berechtigt oder nicht – beispielsweise Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati, aber auch ihr Freund Filippo da Gagliano. Jacopo Salviati soll allerdings gegen ein Konzil in Pisa gewesen sein. Doch gerade er zeigte sich in einem anderen umstrittenen Fall erstaunlicherweise als Förderer, als amico seines ständigen Gegners Piero Soderini. Wiederum gegen eine Opposition in Florenz setzten sich beide mit ihrer Absicht durch, die Waffenruhe mit dem Petrucci-Regime in Siena zu verlängern und sogar mit einem Allianzvertrag zu festigen, wobei ihnen Siena mit der Rückgabe des okkupierten Montepulciano erheblich entgegenkam. Diese Aufgabe Montepulcianos, wo die Mediceer wie in Siena immer wieder unterstützt worden waren, erfolgte unter maßgeblicher diplomatischer Initiative des Papstes, fand freilich, erstaunlich genug, ebenso die ausdrückliche Zustimmung Frankreichs. Ludwig XII. mag sich davon einen positiven Einfluß auf die Entscheidung wegen Pisa versprochen haben, Julius II. jedoch das genaue Gegenteil. Deswegen sah er doppelten Anlaß zur Wut, als er Anfang September hörte, Florenz habe trotz Montepulciano den Franzosen Pisa für das Konzil freigegeben.239 Es mag sein, daß Lanfredino Lanfredini (wenn er im Fall Pisas zu jenen frateschi gehörte) und Jacopo Salviati bei diesen beiden hochpolitischen Entscheidungen im Sommer 1511 gegen die Regel einmal nicht einer Meinung waren; es könnte jedoch auch gut möglich gewesen sein, daß sie gleichsam getrennt marschierten, um das gleiche Ziel zu erreichen – mit Blick auf die bisher gewonnenen Erkenntnisse und Einblicke in ihre Freundschaft und Interessen möchten wir letzteres für wahrscheinlich halten. Die Reaktion des Papstes konnte ihnen aber mit Blick auf die Soderini nur erwünscht sein.

237 S.u. S. 928f. 238 Butters, Governors, S. 147. 239 Vgl. Cerretani, Ricordi, S. 248f., 252; Butters, Governors, S. 146f.

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Was Julius II. den Florentinern seit längerem angedroht hatte, was sie vermeiden wollten – indem sie z. B. die Mediceer Piero Accolti und Lorenzo Pucci um Fürsprache beim Papst baten!240 –, setzte dieser nach der Freigabe Pisas rasch um. Schon Mitte September 1511 verhängte er gegen den vehementen Protest Piero Soderinis das Interdikt über Florenz, wobei er im Florentiner Erzbischof Cosimo de’ Pazzi eine Stütze fand – in eben jenem Cousin des Giovanni de’ Medici, der durch diesen und seine MediceerFreunde in Florenz mit strategischem Kalkül als Erzbischof durchgesetzt worden war.241 Am 23. September ließ Julius durch den Pazzi das Interdikt in Florenz verkünden, das bei Piero und seinem Bruder, dem Kardinal Francesco Soderini, sowie bei ihren Anhängern zu um so abfälligeren Bemerkungen über einen Papst führte, dessen Anteil am Attentatsversuch gegen den Gonfaloniere sie auch bei öffentlichen Auftritten nicht vergaßen.242 Doch dieses Verbot der meisten geistlichen und gottesdienstlichen Handlungen traf die Florentiner härter, als die Papstgegner zugeben wollten. Daß Julius II. mit seiner Kirchenstrafe primär den Gonfaloniere Piero Soderini strafen wollte, machte er u. a. im Oktober deutlich, als er den Florentinern die Aufhebung des Interdikts in Aussicht stellte, sofern sie den Gonfaloniere ‚nach Haus‘ schicken würden.243 Bis zum 10. April 1512 blieb das Interdikt in Kraft, wurde zwischendurch jedoch für wenige Wochen aufgehoben.244 War Soderini auf diese Weise nicht in die Knie zu zwingen, so setzte Julius II. auf seine Anfang Oktober 1511 geschlossene Heilige Liga mit Spanien und Venedig, durch welche Soderini unvermeidlich getötet oder gefangen würde.245 Dem Medici-Intimus Bernardo da Bibbiena erläuterte der Papst immer wieder seine Verachtung für die Soderini. Ende November 1511 erklärte er ihm, mit der Zeit und bei passender Gelegenheit werde er die Soderini spüren lassen, wie übel sie sich benommen hätten, und Giovanni de’ Medici sowie dessen Freunde in Florenz sollten sich dabei ganz auf den Willen und die Sorgfalt des Papstes verlassen.246 Bemerkenswert ist bei diesem Zeugnis im übrigen die Kenntnis des Papstes über bestimmte, an den Umsturzversuchen beteiligte Freunde der Medici in Florenz. Wenige Tage später, Anfang Dezember, drohte Julius damit, daß er den Verräter Piero Soderini nach der Eroberung Bolognas mit aller Macht ‚ruinieren‘ wolle.247 In diesem Kontext scheint der Papst auch erstmals das militärische Instrument für den Sturz der Soderini-Herrschaft in Florenz bzw. für die Rückkehr der Medici präzi240 Renaudet, Concile, Nr. 219. 241 Vgl. Butters, Governors, S. 148–152. 242 Cerretani, Ricordi, S. 253; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 201; Butters, Governors,

S. 149, 151. 243 Cerretani, Ricordi, S. 257. 244 Cerretani, Ricordi, S. 257; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 202f.; Butters, Governors,

S. 149–157. 245 Butters, Governors, S. 151. 246 Moncallero, Epistolario I, Nr. 124, S. 376. 247 Moncallero, Epistolario I, Nr. 127 (6.12.1511), S. 389 (Così m’ha decto hoggi N.S. parlando di

molte cose, maxime che in ogni modo vuole ruinare Pier Soderini, havuto Bologna, et qui fa dire mille belle cose ... Su questo mi dixe stasera S.S.tà si dice che spagnole farà cacare l’anima a quello traditore di Soderini. Oh come è il papa gaglardo, forse voi direte pazo).

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siert zu haben: die für ihn in der Heiligen Liga kämpfenden spanischen Truppen unter dem Vizekönig Ramón de Cardona. Bibbiena, dem unter dem Exil genauso leidenden Medici-Freund, erschienen diese Worte wie Schalmeienklänge, und er gab dem von ihm ansonsten als cholerische Bestie bezeichneten Papst das Attribut eines Feurigen, Mutigen, vermutete aber, Giovanni de’ Medici könnte ihn verrückt nennen. Solche Drohungen gegen die Soderini folgten dann noch des öfteren.248 Neben dem fehlenden militärischen Geist des Medici gab es einen weiteren Punkt, der die Wahl des Papstes in ein Zwielicht stellt. Jene Familie, die Giovanni de’ Medici in Bologna entmachten sollte, zählte mit ihren engeren Verwandten, besonders den Rangoni, zu den Freunden der Medici, hatte ihnen nachweislich des öfteren während des Exils Hilfe geleistet, bot ihnen einen Zufluchtsort – so etwa den drei Medici-Brüdern schon Ende 1494 nach der Flucht aus Florenz, dann besonders Giuliano, der sich wiederholt für längere Zeit in Bologna aufhielt.249 Ein weiteres bedeutendes Zeugnis dieser Freundschaft wurde ebenfalls kurz nach der Exilierung gegeben, als Giovanni Bentivoglio durch einen Mittelsmann den berühmten Skulpturengarten des Lorenzo il Magnifico auf einer Auktion in Florenz erwarb – ein persönlicher Gefallen für Piero de’ Medici, um die Kostbarkeiten für die Medici-Brüder zu retten und um sie ihnen nach der Rückkehr nach Florenz zurückzuverkaufen.250 Wie motiviert mochte Giovanni de’ Medici wohl gewesen sein, diesen Mann und seine Familie aus ihrer Heimatstadt und von der Macht zu vertreiben? Die wiederholten Wutanfälle – die bestialità, wie Bibbiena sie nannte – des Papstes über die Untätigkeit des Legaten Giovanni de’ Medici, seine Drohungen, diesem deswegen die Legation zu entziehen, sie wurden trefflich gefüttert durch ein nicht enden wollendes öffentliches Gerede in Rom, Giovanni de’ Medici und alle aus seiner Familie seien in Wahrheit Freunde der Bentivoglio.251 Sie hatten ja Recht, jene Verleumder – nur der Papst durfte auf keinen Fall erfahren, daß sie Wahres sprachen. Ob eine bewußte Verzögerungstaktik der Medici zum Fehlschlag der Eroberung Bolognas führte oder ob es primär der beherzte Einsatz des aufgehenden Sterns unter den französischen Feldherrn, Gaston de Foix, war; ob es vielleicht sogar eine Kombination beider Faktoren gab, dies wird sich wohl nie endgültig entscheiden lassen. Eine empfindliche Schlappe erlitt jedoch der Papst Ende Januar, Anfang Februar 1512, als das päpstliche und das spanische Heer am 20. Januar die Belagerung Bolognas begannen, doch diese schon am 6. Februar abbrechen mußten, weil es dem im Eilmarsch aus dem ligurischen Finale nach Bologna gekommenen Gaston de Foix und seinen Leuten ohne große Gegenwehr gelang, in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar in die Stadt einzureiten und sie mit Hilfe seiner dort schon statio-

248 Vgl. Moncallero, Epistolario I, S. 403, 411, 472. 249 Vgl. etwa oben S. 518f., 524, Anm. 627, S. 527, 530. 250 Rogers Mariotti, Selections, S. 109; vgl. Elam, Lorenzo de’ Medici’s Sculpture Garden. 251 Diese und gleichlautende Äußerungen z. B. bei Moncallero, Epistolario I, S. 303, 310, 342, 361,

372, 380 (die Wut des Papstes über das fehlende Bemühen des Medici gegen Bologna wird als bestialità bezeichnet), 406; vgl. auch Ders., Bibbiena, S. 294–297; zu anonymen Äußerungen, Giovanni de’ Medici unterstütze heimlich die Bentivoglio, vgl. auch Honig, Bologna, S. 73.

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nierten Truppen, angeführt auch von Odet de Foix (dem Bruder des Bartolini-Vertrauten), von der Belagerung zu befreien.252 Die Schuld an diesem Desaster gaben sowohl Guicciardini als auch der Papst den zu zögerlichen Spaniern, deren Führer Ramón de Cardona von Julius II. als ‚Weib‘ diffamiert wurde und dem er eine geheime Verständigung mit den Franzosen unterstellte.253 Wenig später aber traf den Medici gleichfalls das Verdikt des Papstes, feige, konfliktscheu und kalt zu sein: wie der capitano Cardona, so der Legat.254 Diese Beschimpfung erfolgte Anfang März 1512, als Giovanni de’ Medici unter einem ganz besonderen, noch größeren Erfolgsdruck stand. Sollte er diesmal die Erwartung des Papstes nicht erfüllen, dessen Interesse nicht verfechten, wollte dieser ihm nicht nur die Legation entreißen, sondern ihm auch die versprochene Hilfe bei der Rückeroberung von Florenz verwehren.255 Julius’ erklärter Feind hieß nun Federico Sanseverino, der vom schismatischen Konzil und König Ludwig XII. zum Legaten für Bologna ernannt worden war. Als schismatischer Legat marschierte Federico Sanseverino also auf Bologna zu, den Papst zu jenen harten Drohungen gegen den Medici-Kardinal provozierend, falls dieser ihn nicht am Einritt in Bologna hindern würde. Der Sanseverino und sein Freund Giovanni de’ Medici werden die Bühne eines Dramas von antiker Dimension betreten, das in seiner Konsequenz das von beiden in engstem Schulterschluß unermüdlich betriebene Ende des Exils bringen, diese Freunde aber durch ihre Abhängigkeit von höheren Gewalten in zwei feindliche Lager führen wird. Über so viele Jahre gab es nur ein denkbares Bild für die Medici und jenen Federico Sanseverino, dem man in Rom schon das schwarz gefärbte Medici-Wappen über sein Hausportal hing: nach den gemeinsamen Anstrengungen, Niederlagen und auch Demütigungen zusammen durch die Florentiner Stadttore zu reiten. Als das gemeinsam geträumte, verfolgte Ziel der Medici-Rückkehr Anfang September 1512 nach gut 18 Jahren endlich doch noch Wirklichkeit wurde, waren sie jedoch weiter voneinander getrennt, als sie es sich wohl je vorstellen mochten, räumlich wie politisch. Bevor der Weg zu diesem dramatischen Höhepunkt nachgezeichnet wird, wollen wir im Gang der Ereignisse kurz innehalten, soll uns ein in seiner ausführlichen und lebensnahen Aussagekraft seltener und daher um so wichtigerer Brief Leonardo di Zanobi Bartolinis in die normale Alltagswelt der Mediceer im Dezember 1511 führen.

c) Leonardo di Zanobi Bartolini und die Bewältigung des Alltäglichen während der Medici-Legation Ein kleines Fenster, das den Blick auf alltägliche Anliegen im Inneren des Netzwerkes freigibt, wird durch einige Privatbriefe aus der Anfangszeit der Legation Giovanni de’

252 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 999–109 (X/9); Moncallero, Epistolario I, S. 444f., Anm. 6;

Honig, Bologna, S. 50–54; Shaw, Julius II, S. 293. 253 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1002, 1005 (X/9); Moncallero, Epistolario I, S. 446, 455. 254 Moncallero, Epistolario I, S. 455. 255 Moncallero, Epistolario I, S. 459.

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Medicis in der Romagna gebildet, insbesondere durch einen Brief, den Leonardo di Zanobi Bartolini am 18. Dezember 1511 an Giulio de’ Medici schrieb, der sich damals an der Seite Kardinal Giovannis befand. Es ist ein langer Brief, der viele Einblicke in Leonardos grundsätzliche Aufgaben und Kompetenzen gibt und möglichst in enger Anlehnung an den Wortlaut paraphrasiert werden soll, um alltägliche Sorgen, Probleme und Denkhaltungen der in die großen historischen Ereignisse involvierten Protagonisten authentisch zu veranschaulichen.256 Logistik Da wäre zunächst der heute als Logistik zu bezeichnende Komplex. Alles, was der Kardinallegat und seine Begleitung an statusgemäßer Ausstattung benötigte, wurde von dem Bartolini in Rom besorgt und versandt. So ging es etwa um einen Tresor, den er am Anfang des Monats über einen Mann des Hofes von Urbino an die Medici geschickt hatte, der jedoch noch nicht angekommen war, wie Leonardo aus einem Brief Giulios vom 10. Dezember 1511 erfuhr. Giulio sollte, wenn der Tresor nach Erhalt des Briefes vom 18. noch nicht eingetroffen sein sollte, direkt nach Urbino schreiben und ihn anfordern, sollte die Sache aber nicht hinauszögern, da sich in dem Tresor alle Dinge des Kardinals befänden, wie Giulio aus dem mit den Schlüsseln bereits geschickten Inventar ersehen könne, sowie ein Bündel des Bernardo de’ Medici. (Dieser wird nach 1512 in Florenz zu den Aufsteigern an der Seite Lorenzo de’ Medicis gehören.257) Weiterhin teilte Leonardo Giulio mit, daß er ihnen am 7. Dezember mit einem Maultiertreiber zwei Velourssessel für den Kardinal, eine gesicherte Kiste mit Sachen ihres Auditors Vincenzo de Thomais sowie eine eben solche Kiste mit einem von „Michele“ erhaltenen silbernen Rasierbecken und mit kostbaren Stoffen geschickt habe. Am Morgen jenes 18. Dezembers habe er mit dem Namen Gottes und der Hand des Bernardo Dovizi da Bibbiena eine Kassette mit den Pferdeausrüstungen für den (bei den Medici befindlichen) ungarischen Kardinal Thomas Bakócz abgesandt, die Leonardo mit den Wappen des Ungarn und mit aller gebotenen Sorgfalt hatte herstellen lassen.258 Da ein bestimmtes Teil nicht komplett in die Kassette paßte, mußte Giulio dann genauestens zur Kenntnis nehmen, wie er das Teil wieder zusammenzufügen hatte. Bakócz erhielt in seiner Kiste zudem ein Paar Steigbügel, das ih256 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 185r–186v (18.12.1511, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom

an Giulio de’ Medici). 257 Vgl. Butters, Governors, S. 256, 267. 258 Die Anwesenheit des Thomas Bakócz bei dem Legaten Giovanni de’ Medici ist in der einschlä-

gigen Literatur (Pastor, Geschichte der Päpste III/2; Shaw, Julius II) nicht thematisiert worden; Pastor erwähnt lediglich, daß der Ungar Ende Januar 1512 wieder in Rom eintraf, wo er jedoch an der am 30.1. stattfindenden und die Absetzung von Federico Sanseverino beschließenden Konsistoriumssitzung nicht teilnahm; Pastor, a.a.O. S. 837. Dies könnte durchaus ein demonstrativer Schritt gewesen sein, wie ihn auch andere Kardinäle praktizierten, da Bakócz durch seine Freundschaft mit dem Medici und zu Frankreich auch dem Sanseverino nahegestanden haben könnte; im Juni 1511 hatte er den König von Ungarn, Wladislaw II., den Ludwig XII. zur Teilnahme am schismatischen Konzil bewegen wollte, immerhin zu einer neutralen Haltung bewogen; vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 809, Anm. 4.

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nen allen hoffentlich gefiel. Auch hier gab es jedoch ein Problem. Leonardo hatte sie ohne Wappen anfertigen lassen, da er beim besten Willen nicht entscheiden konnte, wo die Wappen hätten angebracht werden können. So habe er den Steigbügeln zwei in Papier eingewickelte – sonst hätte man sie wohl nicht gefunden – Wappen beigelegt, die man an die Bügel annageln könne. Giulio solle selbst bestimmen, ob man dies machen wolle oder nicht. Ferner erhielt der Ungar ein Paar Metallbeschläge für die nach Ansicht Leonardos wunderschöne Ausrüstung. Die Sporen waren leider nicht rechtzeitig fertig geworden, sollten aber in Kürze nachgesandt werden; die ‚Stäbe‘ hingegen schon, doch wollten die Transporteure sie wegen ihrer Unhandlichkeit nicht mitnehmen. Die Freundschaft der Mediceer zum ungarischen Kardinal Thomas Bakócz Dieser Auftrag für den ungarischen Kardinal, dessen rasche und gute Ausführung den Medici offenkundig sehr am Herzen lag, da sowohl Bibbiena als auch der Bartolini sich ständig wegen der Verzögerungen rechtfertigen mußten, weist aus sich auf einen wesentlich umfassenderen, hochpolitischen Zusammenhang. Thomas Bakócz ist nicht zufällig bei seiner aufwendigen Maultierausrüstung durch die Medici und ihre Leute geholfen worden. Schon Anfang Oktober 1511 hatte Giovanni de’ Medici den Bibbiena beauftragt, nicht nur in seinem Auftrag etwas für Roberto Orsini, den Parteigänger Frankreichs, sondern auch für den Ungarn zu erledigen. Dabei ging es u. a. offenbar um einen Suffragan des Bakócz, vor allem aber um das ehemals von Giovanni bewohnte, von verschiedenen Personen begehrte Haus der Orsini am Campo dei Fiori in Rom, das Giangiordano Orsini auf jeden Fall Bakócz geben wollte. Ein Problem lag darin, daß Julius II. es selbst auf Lebenszeit für 3.000 Dukaten gekauft hatte, es aber dem Ungarn auf Drängen der Medici überlassen wollte.259 Vor allem aber: Thomas Bakócz war ein bekannter Freund Frankreichs und Venedigs. Für Ungarn, das bis zum Dezember 1511 der Liga von Cambrai angehörte, kam das einflußreichste Mitglied des ungarischen Hofes am 26. oder 27. Januar 1512 nach Rom, um als Vermittler für die Schaffung eines Friedens zu wirken, wobei er sowohl die französischen und deutschen als auch die ihm sehr wichtigen venezianischen Interessen vertreten wollte. Jedenfalls stand er König Ludwig XII. so nahe, daß dieser ihn im Januar 1512 als seinen Gesandten betrachtete, der bei Papst Julius II. wegen eines Friedens verhandeln sollte. Mit viel Mut hatte Bakócz in Rom die Kriegspolitik Julius’ II. kritisiert und sogar die Absetzung Federico Sanseverinos Ende Januar 1512 mißbilligt! Freundschaftliche Verbindungen unterhielt er hingegen zu dem bretonischen Kardinal Robert Guibé, der zwischen Papst und Frankreich vermittelte, sowie zu einem gewissen Fabriano, dem Agenten des Herzogs von Ferrara in Rom, eines Todfeindes dieses Papstes. Nach der Schlacht von Ravenna wird der Papst dann Bakócz mit Fabrizio del Carretto, dem Ge-

259 Zu den Verbindungen von Thomas Bakócz mit dem Medici-Kreis, dem Haus am Campo dei

Fiori und der Mühsal bei der schnellen Herstellung der Maultierausrüstung vgl. Moncallero, Epistolario I, S. 265, 268, 272, 291, 335, 377, 390, 396, 403, 419f., 423, 429.

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sandten Ludwigs XII., verhandeln lassen – und der französische König wird dem Papst vorschlagen, das Schicksal Bolognas in die Hand des Ungarn zu legen.260 Dieses Band des Ungarn zu Frankreich und Ferrara war offenbar entscheidend für seine auffällige Nähe zu den Medici. Daß er sich vor seinem prunkvollen Einzug in Rom bei Giovanni de’ Medici in der Romagna, vor den Mauern Bolognas, aufhielt, war bisher offenbar unbekannt, so wie ihre Freundschaft an sich und die Tatsache, daß der ungarische Kardinal einige wichtige Voraussetzungen für seinen glanzvollen Einzug in Rom durch Leonardo Bartolini schaffen ließ. Und es ist auch hierdurch evident: Giovanni de’ Medici unterhielt während seiner Legation weiterhin enge Verbindungen zur französischen Partei – von jenen zu Federico Sanseverino werden wir noch hören –, vermutlich sogar zu Ludwig XII. Bartolinis Auftrag weist auf eine mehr als kollegial gute Beziehung des Medici-Kardinals und damit der Mediceer zum Ungarn hin. Doch wir sind für diese Annahme nicht allein auf die Episode vom Winter 1511 angewiesen. Nach dem Tod von Papst Julius II. im Februar 1513 wird Leonardo di Zanobi Bartolini während des Konklave als Generalprokurator Giovanni de’ Medicis nicht auf die (zwar erwünschte, aber für unwahrscheinlich erachtete) Wahl seines Patrons wetten, sondern auf die des Kardinals Thomas Bakócz, in welchem er nicht nur einen Freund der Medici und ihres wieder beherrschten Florenz, sondern auch einen Förderer seiner und der Mediceer Interessen wissend erwartete!261 Finanzen und Hierarchien Ein weiterer Punkt des Briefes gibt uns einen ganz zentralen Einblick in die herausragende Stellung, die Leonardo di Zanobi Bartolini im Netzwerk einnahm, genauer: in die Organisation der Finanzen des Kardinals Giovanni de’ Medici, zu der allerdings auch Benefiziengeschäfte gehörten. Das Allgemeine werden wir wiederum aus dem an jenem Tag gerade Alltäglichen, Anfallenden herauskristallisieren können. Leonardo Bartolini teilte Giulio de’ Medici mit, daß Simone da Ricasoli am Morgen des vorherigen Tages aus Rom nach Monte Ritondo abgereist sei, um sich dann zu den Medici in die Romagna zu begeben. Simone habe seinen Leuten Anweisung gegeben, sie sollten die (oben beschriebenen) Kosten der Maultierausrüstungen bezahlen. Wenn dies geschehen sei, werde er, Leonardo, den Medici un pocho di chonto senden, also eine Art vorläufige Rechnung, damit Giulio sie dem monsignore Reverendissimo (mit dem stets „ihr“ Kardinal Giovanni de’ Medici gemeint war, hier also offenkundig nicht Thomas Bakócz) zeigen könne. Weiterhin bringe Simone ihnen die gesamte Folge des dare havere con mons. Rmo. sino al presente giorno, also eine komplette, saldierende Kontenaufstellung der negativen und positiven finanziel260 Vgl. Fraknói, Erdödi Bakócz, S. 122–128; Fraknói, Rapports, S. 261–268; Minnich, Healing, S.

84–88. Die Freundschaft zwischen dem ungarischen und dem Medici-Kardinal verdiente ebenso wie die Beziehungen des Ungarn nach Frankreich eine nähere Untersuchung. 261 S.u. S. 986f.; Fraknói (Rapports, S. 268) vermutete, Bakócz wäre von den französischen und frankophilen schismatischen Kardinälen gewählt worden, wenn sie rechtzeitig zum Konklave nach Rom hätten kommen können.

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len Verbindlichkeiten des Medici-Kardinals; es seien einige zusammengenähte Seiten und sie seien von seiner, Leonardos, Hand signiert. Die Wahrheit sei leider, daß der Kardinal sich bei den Wechseln stark belastet habe, und nun sei es notwendig, es nach seiner (offenbar Simones) Weise zu machen, da man sonst keine Ordnung hineinbringe. Er, Leonardo, habe (bei Ansicht der Konten) etwas hart reagiert, habe sie dann aber schließlich doch signiert, weil Simone sich jetzt auf den Kardinal verlasse. Und damit Giulio sich bereits kritisch mit Ricasolis Vorgehen auseinandersetzen könne, bevor der Kardinal diesem die notwendigen Klarheiten vermittle, habe er (Leonardo) Giulio diese besondere Erläuterung zu jenem Konto übermittelt, die er gewiß vor Ricasolis Ankunft haben werde. Schon der Wortlaut an sich gibt klare Hierarchien kund: Simone da Ricasoli war ein Bankier, der für den Medici wirkte, doch der wirklich Verantwortliche für die Finanzen des exilierten Medici-Hauptes war Leonardo di Zanobi Bartolini! Er sah sich die ihm vorgelegten Kontenaufstellungen an, kontrollierte sie, kritisierte bei Bedarf den die Finanzaktionen Durchführenden (hier Ricasoli, wegen schlechter Wechselbriefgeschäfte), zeichnete das Ganze dann als Hauptverantwortlicher ab. Leonardo di Zanobi stand hierarchisch unmittelbar unter dem Kardinal; unter dem Bartolini befand sich dann auf diesem Kompetenzfeld der Ricasoli. An anderer Stelle und in einem anderen Kontext wurde diese Hierarchie durch Leonardo di Zanobi Bartolini gegenüber seinem als ‚Bruder‘ bezeichneten Verwandten Gherardo di Bartolomeo Bartolini im November 1512 wie folgt ausgedrückt: Il Ricasolo, mit dem nur Simone gemeint sein konnte, sei ein guter, ein ehrbarer Mann (huomo da bene) und könne an jedem Ort eingesetzt werden und nutze in fast allen Angelegenheiten – aber in seine, Leonardos, geheimsten Pläne, die er mit seinen Patronen, also Giovanni und vermutlich Giulio de’ Medici, überlegt habe, weihe er den Ricasoli nicht bis ins letzte ein, so daß er mit diesem eben auch einmal einen Disput habe.262 Mediceer „dritter Güte“: Das Beispiel Simone und Antonio da Ricasoli Auf Leonardo Bartolinis Position als maßgeblicher, als Hausbankier der Medici, die mit seiner Übernahme der römischen Medici-Bank und seinen vielfältigen finanziellen Aktivitäten schon angedeutet worden war, werden wir im Zusammenhang mit seinem nach der Rückkehr der Medici am 16. September 1512 angelegten Rechnungsbuch für den MediciHaushalt noch ausführlicher eingehen.263 Bleiben wir also hier noch bei Simone da Ricasoli, weil genau diese Personen einer gleichsam dritten Ordnung oder Hierarchiestufe genauso wichtig für die Exilsbewältigung waren wie die anderen, höher stehenden. Simone di Ranieri di Andrea Ricasoli war ein Verwandter jenes Antonio di Bettino da Ricasoli, der sich schon kurz nach der Exilierung als aktiver Anhänger der Medici zeigte, im Oktober 1495 verbannt wurde und anschließend an vermutlich allen militärischen Aktionen Pieros beteiligt war, an dessen Seite er dann auch 1503 für Frankreich mit militärischen

262 ABS, Lettere, mazzo I (9.11.1512, Leonardo di Zanobi Bartolini, an den fratel carissimo Gher-

ardo di Bartolomeo Bartolini in Rom). 263 S.u. S. 983–1011.

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Aufgaben im Königreich Neapel betraut gewesen war.264 Antonio blieb danach im Dienst der exilierten Medici, befand sich z. B. im Oktober 1511 bei dem kranken Giuliano, über dessen Gesundheitszustand er Bibbiena brieflich unterrichtete265; im Dezember begleitete er Alfonsina Orsini und ihren Sohn Lorenzo.266 Solche Informationen des Antonio da Ricasoli und seine Briefe wurden dann von Bibbiena direkt an die Medici-Spitze weitergegeben, die stets über alle Vorkommnisse und Zustände ihrer engeren Verwandten und Freunde informiert werden wollte. Es ist demnach völlig folgerichtig, wenn Antonio im August 1512 an dem blutigen Sacco di Prato beteiligt sein wird, danach wieder mit den Medici nach Florenz zurückkehren konnte und von diesen mit zentralen Ämtern betraut wurde, um schließlich dem Medici-Papst wiederum in militärischer Funktion zu dienen.267 Simone da Ricasoli hingegen, 1460 als Sohn des Ranieri di Andrea Ricasoli geboren, stand schon in jungen Jahren Lorenzo de’ Medici, dem Magnifico, als Freund nahe. Nachdem er in Rom ein Handels- und Bankhaus eröffnet hatte, wurde er vom Magnifico sogar mit der Fürsorge und Aufsicht für Giovanni de’ Medici betraut, als dieser als Kardinal an die Kurie kam. Simones Profession als Kurienbankier sowie seine Verbundenheit (und die seiner Verwandten) zu den Medici besaßen wie so oft einen kräftigen Nährboden: Sein Vater Ranieri zählte bereits zu den engen Freunden der Medici, weshalb ihm Lorenzo auch deshalb, bereits in gesetztem Alter, Ende der 70er Jahre die Aufgabe und Gewalt erteilte, die heruntergewirtschaftete Medici-Filiale in Brügge zu kontrollieren und zu sanieren,268 während Piero da Ricasoli mit Niccolò Martelli eine Bankpartnerschaft in Rom einging, die auch mit der alten Medici-Bank zusammenarbeitete.269 Simone da Ricasoli war freilich nicht nur einer jener Florentiner Bankiers in Rom, die den bedürftigen exilierten Medici finanziell unter die Arme griffen, sondern fungierte unter der Obhut von Leonardo di Zanobi Bartolini als ein dienender Bankier der Medici-Familie. Das ist ein wichtiger Unterschied: Simone half nicht, wenn es ihm gefiel oder opportun erschien, sondern wenn die Medici es wünschten – womit gewisse von Simone ausgehende Leistungen nicht ausgeschlossen werden sollen.270 264 S.o. S. 343, 345, 427f., 462, 586. 265 Moncallero, Epistolario I, S. 276, 280, 284, 288. (Moncallero verwechselt freilich öfter Antonio

mit Simone da Ricasoli, der meist nur mit seinem Vornamen genannt wird, von Moncallero aber nicht in sein – sehr mangelhaftes – Register aufgenommen wurde.) 266 Moncallero, Epistolario I, S. 408. 267 Vgl. Passerini, Famiglia Ricasoli, S. 187–192 (Antonio blieb bis zu seinem Tod 1543 den Medici in unterschiedlicher Funktion treu); zum Gemetzel von Prato und den Folgen s.u. S. 956–958. 268 Vgl. Passerini, Famiglia Ricasoli, S. 67–69; De Roover, Rise, S. 351–356; Bullard, Mercatores, S. 67f. (zusammen mit dem Bankier Bernardo Bini war er 1508 von der Florentiner Erzbruderschaft an San Giovanni dei Fiorentini in Rom bestimmt worden, die Kerze der Bruderschaft am Fest der Reinigung Mariae, also am 2.2., zu Kardinal Giovanni de’ Medici zu tragen), S. 55 (in einem Dokument der Apostolischen Kammer wird er für 1511 neben Giovanni Pandolfini und vielen anderen als Kurienbankier bezeugt). 269 Sapori, Bilancio, Nr. 111, 204. 270 Bullard (Mercatores, S. 67f.) scheint Simone da Ricasoli eher als etablierten Bankier in Rom gesehen zu haben, der den Medici aus politischer Sympathie während ihres Exils half.

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So hatte Bernardo da Bibbiena im Auftrag Giovanni und Giulio de’ Medicis beispielsweise im November 1511 Simone da Ricasoli versprechen lassen, Giuliano de’ Medici vor seiner Abreise nach Urbino 200 Dukaten (als Darlehen) zu geben, die über das Konto der Alfonsina Orsini verrechnet wurden.271 (Giuliano suchte in Urbino seinen illegitimen Sohn Ippolito auf, dessen Mutter Pacifica Brandani bereits gestorben war, welcher Giuliano freilich einige Jahre später mit der berühmten Mona Lisa durch die Meisterhand Leonardo das Vincis ein ewiges Andenken schuf.272) Mitte Dezember, kurz vor der Abfassung des zentralen Bartolini-Briefes mit dem Problem der Kontenaufstellung Simones, hatte dieser dem Bibbiena versichert, er werde sich um die Bezahlung jener 206 Dukaten, die für Silber angefallen waren, kümmern; kurz darauf ließ er die Konten durch den Bartolini prüfen und abzeichnen, unterrichtete aber auch Bibbiena von seiner Reise zu den Medici in der Romagna.273 Anfang März 1512 ließ der für Kardinal Thomas Bakócz wirkende messer Bernardo da Narni über Bibbiena Giovanni de’ Medici bitten, ihm durch Simone da Ricasoli seine in den letzten Monaten zugesicherte Provision auszahlen zu lassen; möglicherweise ging es vor allem um eine Pension, die er schon Anfang Dezember 1511 bekommen sollte, als er mit einer vorzüglichen Leistung den ungarischen Kardinal nach Rom geleitet hatte.274 Einer der beiden Ricasoli, Simone oder Antonio, erhielt dann im März 1512 durch einen Brief eines Freundes in Florenz, Clemente (Chimente) Sernigi, die aus dem Umkreis der Signoria erhaltene Information, Ludwig XII. habe Gaston de Foix den Auftrag gegeben, sich gegen den Legaten Giovanni de’ Medici und das päpstliche Heer in Marsch zu setzen.275 Diesen Brief gab Ricasoli an Bibbiena weiter, der darüber zwar den Medici, nicht aber den Papst in Kenntnis setzte, offenbar um das Netzwerk nicht zu transparent zu machen. Denn auch hierin bestand eine wichtige Funktion von Mediceern wie Simone und Antonio da Ricasoli: über ihre Freunde Nachrichten aus dem gegnerischen Florenz an die Medici weiterzuvermitteln. (Jener Informant Clemente Sernigi, dessen Namen Bibbiena sicherlich nicht ohne Grund verschlüsselt hatte, gehörte zum Kreis der MediceerBankiers in der Bartolini- und Lanfredini-Gesellschaft und war gewiß deshalb im Juni 1509 durch Alfonsina Orsini zu ihrem Prokurator bestimmt worden, um einen Teilbetrag ihrer Mitgift in Empfang zu nehmen; er erhielt denn auch nach der Restauration der Medici-Herrschaft hohe Ämter in Florenz.276) Es versteht sich fast von selbst, daß die Gesellschaft des Simone da Ricasoli genauso wie Kardinal Giovanni de’ Medici auch in den Konten der Gesellschaft des Leonardo di

271 Moncallero, Epistolario I, S. 340, 350 (auch hier ist Simone von Moncallero nicht identifiziert,

zudem mit Antonio verwechselt worden). 272 So Zapperi, Abschied, hier S. 53f. 273 Moncallero, Epistolario I, S. 407, 411. 274 Moncallero, Epistolario I, S. 377, 462. 275 Moncallero, Epistolario I, S. 484. 276 S.o. S. 857; Cerretani, Ricordi, S. 292, 298.

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Bartolomeo Bartolini in Lyon erscheint.277 Dieser Kreis läßt sich in ökonomischpolitischer Hinsicht wunderbar schließen. Nach 1513 errichtete Simone da Ricasoli zusammen mit seinem Freund Gianfrancesco de’ Bardi eine gemeinsame Gesellschaft in Rom, die in den folgenden Jahren ebenfalls mit der Lyoner Erben-Gesellschaft des Leonardo di Bartolomeo Bartolini (also mit Gherardo, Zanobi und Giovanni Bartolini) beispielsweise Wechselbriefgeschäfte durchführte und über diese und die Londoner Serristori Tuche erhielt, die sie in Rom vor allem an amici verkaufte.278 Der Bardi hatte dann 1514 Alfonsina Orsini gebeten, sie möge sich dafür einsetzen, seine Freunde Bernardo Bini – an dessen Bank Lorenzo Pucci beteiligt war – und Simone da Ricasoli für die im März 1514 einzusetzende Signoria zu nominieren, was Alfonsina den beiden versprach. Doch hatte ihr Sohn Lorenzo, der die faktische Herrschaft über Florenz ausübte, Alfonsina zu ihrem Ärger ihr Versprechen nicht erfüllen können, da er bereits anderen die Posten in Aussicht gestellt hatte.279 Leonardo Bartolini, die römischen Gärten Giovanni de’ Medicis und weitere Immobilien der Medici Macht besaß freilich auch Leonardo di Zanobi Bartolini, bei den Finanzen ohne Zweifel, doch gleichermaßen wenn es etwa um Immobilien ging. Ungefähr Ende Oktober 1511 hatte Giulio de’ Medici im Namen von Kardinal Giovanni an Giuliano de’ Medici geschrieben, er möge einem gewissen Giovanni Maria ein Landhaus (casale) übertragen. Giuliano, von einer seiner häufigen Krankheiten gerade genesend, antwortete Giulio in dieser Sache am 3. November 1511 aus Rom.280 Giuliano hatte sich wegen des Hauses eigens zu Lionardo begeben müssen, also zu Leonardo di Zanobi Bartolini, damit dieser die Übereignung vornahm. Ein bestimmter Teil der Medici-Immobilien befand sich also in der Obhut Bartolinis, allerdings sogar – wie der Fortgang dieser Sache demonstriert – in seiner Verfügungsgewalt. Leonardo habe sich jedoch – so Giuliano –, wie man es von ihm kenne, hin und her gewunden, habe einmal dieses, einmal jenes vorgebracht, bis er schließlich sagte, jenen casale habe er bereits Simone da Ricasoli versprochen – für den er trotz einzelner fachlicher Differenzen demnach auch als Gönner, als Patron wirken konnte und wollte. Giuliano kam zu der Erkenntnis, daß sein bzw. Giovannis Anliegen aufgrund der Entschlossenheit Leonardos keinen Erfolg haben würde, so daß er seinem Bruder als letzte Möglichkeit vorschlug, einen effizienten Brief an Leonardo oder Simone zu schreiben, mit welchem ihnen die Abtretung des casale geboten werden müßte. 277 ABS 202, c. II. Die nach dem Tod von Leonardo di Bartolomeo Bartolini gegründete Erben-

Gesellschaft übernahm Schulden des Medici von 438 Scudi und solche der RicasoliGesellschaft von 232 Scudi; in dieser Aufstellung wird im übrigen auch noch Rinieri da Ricasoli, der einst Ende der 70er Jahre die Brügger Medici-Filiale für Lorenzo il Magnifico kontrollierte, mit 2, 7 Scudi aufgeführt. 278 S.o. S. 685. 279 Butters, Governors, S. 240f. 280 ASF, Carte Strozziane I/6, fol. 93r (3.11.1511, Giuliano de’ Medici aus Rom an Giulio de’ Medici).

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In Leonardo Bartolinis Brief vom 18. Dezember 1511 an Giulio de’ Medici betraf der letzte seiner Einzelpunkte – die klare Strukturierung seiner Briefe verrät viel über sein effizientes und sachbezogenes Denken und Handeln! – ebenfalls die Verwaltung und Betreuung von Medici-Immobilien, die ihm ja schon Anfang der 90er Jahre zusammen mit seinem Schwiegervater Nofri Tornabuoni anvertraut worden war, als es sich um die Ausstattung des Orsini-Domizils am Campo dei Fiori für den jungen Kardinal Giovanni de’ Medici handelte. Nun, im Dezember 1511, ging es aktuell um den repräsentativen römischen Garten des Kardinals und die komplizierten Besitzverhältnisse des angrenzenden Hauses, die zum Vorteil Giovannis umgewandelt werden sollten. Auch hier besaß der Bartolini Handlungsvollmacht, kümmerte er sich für seine Patrone noch um die letzten Details, wobei die richtungsweisenden Schritte eher von ihm als von den Medici ausgegangen zu sein scheinen. Er hatte das dem Medici gehörende ‚Haus von Santa Agata‘ abreißen und so in einen Garten verwandeln lassen, daß man von dem Haus nichts mehr erkennen konnte. Dieser Garten war nun ‚vereint‘ mit dem angrenzenden des gerade Ende November 1511 verstorbenen Kurialen Paolo Tuba. Er befand sich in dem im Mittelalter kaum besiedelten Rione Monti, genauer zwischen den Kaiserforen und der alten Kirche San Agata dei Goti, daher der Name für das (ehemalige) Medici-Haus.281 Aus Bartolinis Erörterung der aktuellen Sachlage können wir entnehmen, daß zu Tubas Garten ein Haus gehörte, das die Hälfte eines größeren Hauses bildete und Eigentum der Kirche von San Agata war. Für uns aber ist eine weitere, fast beiläufig erwähnte Information von besonderer Bedeutung: Die von den Nonnen bewohnte Haushälfte grenzte unmittelbar an den Garten von Kardinal Federico Sanseverino an.282 Wenn wir die für Eingeweihte klaren, für uns aber stellenweise etwas kryptischen Erläuterungen Bartolinis zu den Eigentums- und Pachtverhältnissen richtig verstanden haben, dann hatte Tuba seine Haus- und Grundstückshälfte nämlich vom Sanseverino übernommen, ohne Besitztitel und ohne Bezahlung eines Pachtzinses, d.h. er hatte offenbar den Bruch Sanseverinos mit Julius II. ausgenutzt. Da er in bar eine Art von Miete an die Nonnen zahlte, gab er seinem Übergriff eine scheinbare Legitimation. Der eigentlich Mieter dieses Hauses – und damit der vom Sanseverino Begünstigte! – aber war der Medici-Freund Alessandro della Casa, der freilich seit fast sechs Jahren keinen Zins, also keine Miete, bezahlt hatte – weder an die Nonnen noch an die Kirche von San Agata dei Goti –, und dem daher durch den Hof des päpstlichen Vikars für Rom jedes Recht an dem Haus abgesprochen worden war. Die Medici bzw. der Bartolini respektierten Della Casas Rechtsanspruch jedoch, nicht zuletzt, weil Tuba testamentarisch verfügt hatte, man solle das Haus und den Garten verkaufen und vom Erlös barmherzige Werke unterstützen. Da Leonardo Bartolini dies verhindern und für den Fall eines Verkaufs einen Prozeß beginnen wollte, drang er mehrmals auf Ales281 Zum Tod von Paolo Tuba vgl. das Zeugnis Bibbienas: Moncallero, Epistolario I, S. 363; zu

seinen hohen kurialen Ämtern: Hofmann, Forschungen II, S. 97, Nr. 28, 244; Frenz, Kanzlei, S. 423, Nr. 1835. 282 Dieser Sachverhalt wird schon kurz bei Gregorovius, Geschichte III/1, S. 350, erwähnt.

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sandro ein und legte ihm nahe, entweder aus beiden Häusern eines zu machen oder – was Leonardo favorisierte – seines durch Zahlung des Zinses an die Kirche zurückzuerwerben, wobei der Medici-Kardinal ihm jede Unterstützung geben wollte. Noch besser sei es, wenn Alessandro es ‚durch uns‘, also die Mediceer, für bzw. im Namen Giovannis erwerben lasse. Da Alessandro sich mit dem letzten Vorschlag zwar einverstanden erklärte, aber keine entsprechenden Schritte unternahm, bat Leonardo Bartolini Giulio, man möge im Namen des Kardinals Druck auf Alessandro ausüben. Offenbar zeigte dieser sich bald gefügig, denn Alessandro della Casa zählte zu jenen jungen Männern, die sich wie ein Prinzivalle della Stufa, Leonardo Tornabuoni, Carlo Panciatichi und Jacopo Pucci im Mai 1515 dem Florentiner Capitano generale Lorenzo di Piero de’ Medici anschlossen.283 Die casa di Santa Agata des Giovanni de’ Medici befand sich demnach direkt neben der Haushälfte des Kardinals Federico Sanseverino, der sie Alessandro della Casa seit Anfang 1506 überlassen hatte. Dieser hatte augenscheinlich nicht nur versäumt, seine Mieterpflichten zu erfüllen, sondern hatte gar nicht in dem Haus gewohnt, weshalb es Paolo Tuba angesichts von Sanseverinos radikaler, kirchenpolitischer Abkehr vom Papst faktisch in Besitz nahm. Zugunsten Giovanni de’ Medicis wollte Leonardo Bartolini das Haus nun durch Alessandro della Casa erwerben lassen, um so für den Kardinal wieder ein Haus in jenem Gebiet zu haben, neben dem alten ‚Haus von Santa Agata‘, das er in einen Garten verwandelt hatte, welcher wiederum dem bereits bestehenden des Sanseverino benachbart war. Gregorovius vermutete, diese beiden Gärten seien dann Grundlage des Parks der Ende des 16. Jahrhunderts eben dort errichteten, prächtigen Villa Aldobrandini gewesen.284 Doch auch wenn es nicht ganz so organisch verlaufen sein sollte, an der nun auch durch Häuser und Gärten veranschaulichten Nähe zwischen dem Medici und dem Sanseverino kann es keinen Zweifel geben. Wir wissen, daß dies kein Zufall, sondern Konsequenz einer langen und unzerstörten Freundschaft war. Da Leonardo Bartolini nun einmal am Schreiben war, wie er es selbst formulierte, wollte er Giulio de’ Medici nicht ein weiteres Gebäudeproblem verschweigen. Dieser sollte wissen, daß das Haus im Garten del populo stark beschädigt sei, und zwar jener Teil, der dem Fluß zugewandt sei und wo sich der Brunnen und die Küche befänden. Schon im letzten Jahr habe Leonardo diesen Teil ristucchare lassen. Das Mauerwerk an der loggietta sei aber schon wieder gerissen, etwas sei eingefallen. Leonardo habe den Schaden diversen Baumeistern gezeigt und glaube, man müsse nun bis zu drei Pilaster dahinter einsetzen und drei Ketten (catene) einziehen lassen. Damit könnte es im Augenblick reichen, ohne weitere Kosten auf sich nehmen zu müssen. Das Ganze würde jetzt ca. 80 Dukaten kosten. Wenn man bis Mai warten würde, müßte man wohl mehr als 600 Dukaten zahlen, weil der Boden zum Fluß hin so ungeeignet, zu weich sei. Er, Leonardo, habe einen Teil des Problems auch Simone da Ricasoli erzählt, der es dem Kardinal (Giovanni) weiterberichten solle. Sie sollten nicht zu zögerlich sein, da der Schaden mit jedem Tag zunehme. So sprach der kluge Kaufmann. 283 Cerretani, Ricordi, S. 327. 284 Gregorovius, Geschichte III/1, S. 350.

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Mit diesem lapidar als giardino del populo bezeichneten Garten und seinem Haus ist ein kleines Drama verbunden. Was Leonardo Bartolini hier verwaltete und mit großem Einsatz, viel Liebe fürs Detail restaurierte, war nichts anderes als der seinerzeit in ganz Rom berühmte, zwischen der Augustinerkirche von Santa Maria del Popolo und dem Tiber bei San Girolamo degli Schiavoni gelegene Garten des verstorbenen Kardinals Ascanio Maria Sforza! Dieser hatte den Garten einst von Rodrigo Borgia erhalten, offiziell im Zusammenhang mit dessen Papstwahl und ebenso als Geschenk wie Borgias prächtigen Palast der (alten) Cancelleria mit dem Vizekanzleramt; der Sforza erweiterte den Garten am Tiber 1498 durch den Kauf eines Weinberges und hielt sich dann während seiner freien Zeit dort am liebsten auf.285 Nach Ascanios Überführung in französische Gefangenschaft hatte sein einstiger Freund Federico Sanseverino den Garten okkupiert und beispielsweise Ende Juni 1501 dort ein prächtiges Fest für die Adligen und Offiziere des auf dem Weg ins Königreich Neapel befindlichen französischen Heeres gegeben, mit Schauspielern und Sängern – wir hörten bereits davon.286 Der Sforza hatte dann oder vielleicht auch: daraufhin während seiner Gefangenschaft in Frankreich diesen Besitz am 8. März 1503 in Blois den Mönchen von Santa Maria del Popolo vertraglich geschenkt.287 Als Ascanio im Sommer 1503 nach Rom zurückkehren durfte, zog sich der seiner Möbel im Palast der Cancelleria beraubte Kardinal in das Haus seines Garten in der Nähe der von ihm besonders verehrten Kirche Santa Maria del Popolo zurück, wo er auch später oft wohnte und wo er 1505 an der Syphilis starb. Über die genauen Besitzverhältnisse nach 1505 wissen wir nur, daß Francesco Maria della Rovere, der Neffe von Julius II. und Präfekt von Rom, den Garten nach Ascanios Tod mietete. Wie prächtig das Anwesen geworden war, zeigt sich u. a. darin, daß der Della Rovere dort seine Schwiegermutter Isabella d’Este während ihrer Romaufenthalte unterbrachte.288 Diesen Miet- oder Pachtvertrag konnten die Medici bzw. der Bartolini dann offenkundig auflösen lassen, um das Anwesen selbst zu erwerben. Wie immer dies war, Leonardo Bartolini pflegte jedenfalls mehr als nur einen beliebigen Garten mit Haus. Man kann nach diesen Berichten verstehen, daß und warum Leonardo di Zanobi Bartolini im Pontifikat seines Herrn auch zum operaio am Bau von S. Giovanni dei Fiorentini in Rom sowie zum Baukommissar des Medici-Papstes in der Ewigen Stadt wurde, an der Seite keines Geringeren als Raffael!289 Geheimhaltung Ein weiterer zentraler Aspekt des Bartolini-Briefes betraf die Vertraulichkeit der mitgeteilten Informationen; und auch auf diesem Gebiet nahm Leonardo eine Schlüsselstellung ein. Er bat Giulio an einer bestimmten Stelle im Brief, das als nächstes anzusprechende 285 Vgl. Pellegrini, Ricerche sul patrimonio, S. 76f.; Ders., Ascanio Maria Sforza, S. 792, 822, 845. 286 S.o. S. 541. 287 Pellegrini, Ricerche sul patrimonio, S. 77. 288 Pellegrini, Ricerche sul patrimonio, S. 76, Anm. 61. 289 Lingohr, Florentiner Palastbau, S. 216.

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Kapitel – der Bartolini strukturierte wie gesagt sehr klar – nur dem Kardinal Giovanni de’ Medici mitzuteilen, da er niemandem schaden, nur Gutes tun wolle; Giulio solle die Sache mit der von ihm praktizierten Vorsicht oder Umsicht behandeln. Es ging um einen Brief, den der treue Luigi de’ Rossi, der sich bei Giovanni und Giulio de’ Medici in der Romagna befand, am 12. Dezember 1511 nach Rom an Giannozzo Pandolfini, den Bischof des apulischen Bistums Troia, geschrieben hatte. Das Brisante lag in dem Inhalt. Denn Luigi hatte den Pandolfini über alle am Hof des Legaten Medici vorgefallenen Dinge, über die guten Hoffnungen und eine Gewißheit wegen Bologna unterrichtet, ferner über viele, viele Einzelheiten und er habe sogar le cose di Toscana hinzugefügt, habe also über die Pläne wegen der Rückeroberung von Florenz geplaudert. Nach Ansicht Leonardo Bartolinis hatte Luigi de’ Rossi gerade hier des Guten zu viel getan, offenbar, um sich der Gunst Giannozzos zu versichern oder um sich mit seinem Wissen zu brüsten. Bevor Leonardo also dem Pandolfini Luigis Brief am Vortag ausgehändigt hatte und bevor dieser den Brief dann auch dem Florentiner Botschafter in Rom (Antonio Strozzi290) zeigte, hatte Leonardo jene Zeilen, die von der Toskana handelten, gestrichen, geschwärzt! Doch könne man durch die vorangehenden und folgenden Worte immer noch sehr gut den Sinn erkennen. So habe der Botschafter denn auch sofort viel Aufhebens davon gemacht: Noch seien sie (die Medici) nicht in Bologna; und noch bevor sie dort hereingetreten seien, legten sie schon solche Anstrengungen an den Tag – des Papstes Zuckerbrot und Peitsche (Florenz ja, aber nur nach Einnahme Bolognas) war also auch in Florenz bekannt! Ein Freund Leonardos und Diener des Kardinals Giovanni de’ Medici sei bei dieser Szene anwesend gewesen und habe eine Kopie des Briefes nach Florenz gesandt. Gestern habe dieser Freund Leonardo aufgesucht, damit er die Medici über den Vorfall informiere und sie daran erinnere, sie sollten ihre Angelegenheiten so vorsichtig wie möglich ausführen; er habe ihm, Leonardo, zudem noch eröffnet, die Medici hätten in ihrem Haus, ihrem Umfeld in der Romagna, mehr als eine Person, die von jeder einzelnen Aktion der Medici Nachricht nach Florenz (also an Soderini) gebe, und der Botschafter habe ihm, dem Medici-Freund, gegenüber Worte gebraucht, die gleichsam demonstrierten, daß den Medici ‚das Ei im Munde zerstört werde‘ (quasi mostrando che vi sara rotto l’uovo in boccha). Die Kommunikationsstruktur im Mediceer-Netz war demnach so organisiert, daß ein von Luigi de’ Rossi an den Bischof Giannozzo Pandolfini in Rom gerichteter Brief zuerst von Leonardo Bartolini in Empfang genommen wurde, der nicht nur als Verteiler fungierte, sondern auch die Kompetenz und das Recht zur Zensur besaß! Der Bartolini hatte den Brief, bevor er ihn an den Adressaten weitergab, geöffnet, d.h. öffnen dürfen, hatte ihn zensiert, d.h. zensieren dürfen, und dann erst weitergereicht. Dieses Handeln aus Sicherheitsgründen, das mit der Medici-Spitze abgesprochen sein mußte, ergänzt sehr illustrativ die schon für die Jahre 1496/97 geschilderte strategische Funktion Bartolinis, in dessen römischem Bankhaus sich die Spitze der Mediceer traf, um bei und nach gemein290 Vgl. Butters, Governors, S. 154 (Strozzi muß gerade im Dezember als neuer Botschafter nach

Rom gekommen sein).

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samem Speisen im kleinsten Kreis Pläne und Vorbereitungen für die Wiedererlangung der Macht in Florenz zu schmieden. Sein Status offenbarte sich auch in jenen Szenen, in denen er bei einem Gespräch innerhalb des Mediceer-Kreises für die angesprochene Alfonsina Orsini wegen der Orsini-Beteiligung an Pieros Angriff gegen Florenz antwortete oder in denen er sich nur flüsternd mit Piero de’ Medici unterhielt, weil sich ein MediciDiener im Raum befand. Auf dieser mit größter Geheimhaltung verbundenen Ebene agierten nur ganz wenige der führenden Mediceer, außer den Medici-Brüdern besonders ihre Intimi Federico Sanseverino, Lorenzo Pucci und Leonardo Bartolini. So bedeutend Rolle und Stellung von Mediceern wie Giannozzo Pandolfini und Luigi de’ Rossi waren – man denke nur an den noch heute eindrucksvollen, von Medici-Bekenntnissen umgürteten Palast Giannozzos in Florenz oder Raffaels weltberühmtes Porträt Luigis neben Giovanni und Giulio de’ Medici! –, in den sicherheitsrelevanten Fragen der Politik nahmen sie nur einen diesem elitären Kern untergeordneten Rang ein. Vorsicht war damals, wie während des gesamten Exils, tatsächlich geboten. Auch Niccolò Pandolfini, der Bischof von Pistoia, hatte Bernardo da Bibbiena in Rom aufgetragen, er solle in seinem an jenem Tag, dem 17. Dezember, an die Medici in der Romagna geschriebenen Brief dringend darauf hinweisen, sie möchten die wichtigen Dinge so geheim wie möglich halten und Briefe nur von einem der ihrigen nach Rom schreiben lassen, da sie hier nämlich (in Chiffre das Folgende) dem Florentiner Botschafter gezeigt würden bzw. da solches vorkomme; und, so Bibbiena, der Pandolfini habe gesagt: dies durch Wissen und Anschauung, nicht durch Vermutung!291 Luigi de’ Rossis Freund Giannozzo Pandolfini, den Hirten des kleinen apulischen Bistums Troia und zweifellos unumstrittenen Freund der Medici in Rom, einen Neffen des Bischofs von Pistoia, ihn charakterisierte Bibbiena wohl nicht ohne Grund als größte ‚Zikade von Rom‘ – wie die Medici ja wüßten.292 Das Gegenteil, die Fähigkeit zu notwendiger Verschlossenheit, zeichnete offenkundig Leonardo di Zanobi Bartolini aus, aus dessen alltäglichen Anliegen weniger Tage wir viel Grundsätzliches erfahren. Leonardo war zudem ein vielseitig kompetenter, vielfältig verantwortlicher und durchsetzungsfähiger Praktiker. Mit diesem Profil ähnelt er sehr Giulio de’ Medici, mit dem er sich – wie zwischen den Zeilen zu erkennen ist – denn auch bestens verstanden zu haben scheint. Giulio befand sich während der Legation Giovannis stets an dessen Seite, war gleichberechtigter Ansprechpartner eines Bernardo da Bibbiena und Leonardo Bartolini, und stieg kraft seiner Fähigkeiten an der Seite Giovannis immer stärker zu dessen wichtigstem Ratgeber, zu seinem Alter ego auf. Giovanni und Giulio bestimmten gemeinsam die Pläne für die Beendigung des Exils, waren die eigentlichen 291 Moncallero, Epistolario I, S. 418. 292 Moncallero, Epistolario I, S. 448. Die Charakterisierung des Giannozzo Pandolfini durch Bib-

biena deckt sich mit späteren, in denen er als lebensfreudiger Spaßmacher unter Leo X. erscheint; vgl. Frommel, Palastbau II, S. 359f. Giannozzo und seine Brüder Battista, Angelo und Giovanni waren Söhne des 1465 gestorbenen Pandolfo di Giannozzo Pandolfini, während zu Pandolfos Brüdern Niccolò, der Bischof von Pistoia, und Pierfilippo gehörten. Alle Genannten waren enge Anhänger der Medici.

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Entscheidungs- und Geheimnisträger, denn der geborene Zweite in der Medici-Hierarchie, der ewig kränkliche, gutmütig-kultivierte und meist fernab vom Entscheidungszentrum lebende Giuliano war solchen Aufgaben nicht gewachsen. Giovanni wird gewußt haben, warum er seinen Bruder während seiner Legation nicht an seine Seite zog, sondern mit untergeordneten Aufgaben betreute. Auch nach dem Ende des Exils wird Giuliano zwar für eine kurze Anfangszeit nomineller Herrscher von Florenz, doch geführt von Befähigteren. Bis dahin sollte es mit Beginn von Giovannis Legation kein Jahr mehr dauern, und der diese Legation überschattende Konflikt zwischen Papst und Frankreich kreierte auf seiner oberitalienischen Bühne zwei Protagonisten in den gegnerischen Lagern, die sich in siebzehn leidvollen Jahren einem Haus zugehörig fühlten, die so eng miteinander befreundet waren, daß es kaum ein Geheimnis zwischen ihnen gegeben haben dürfte. Es war jedoch nur eine scheinbare Tragödie, in der Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino ausgerechnet am Wendepunkt des Medici-Exils die Rolle von Feinden zugewiesen wurde. Hinter den Kulissen werden wir erkennen dürfen, daß sich an ihrer Freundschaft nichts geändert hatte, daß sie im Gegenteil sogar wieder Voraussetzungen für das rasche Ende des Exils schuf. Doch wir werden noch tiefer blicken, d.h. über das Exilsende hinausblikken müssen, um den Schein dieser Bühnenausstattung, vor dem sich ein Stück Weltgeschichte abspielte, ganz beseitigen zu können.

d) Die Freunde als exponierte Gegner: Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino vor der Schlacht von Ravenna Als Giovanni de’ Medici Anfang Oktober 1511 seine Legation angetreten hatte, befand sich Federico Sanseverino noch am Hof des Kaisers, um diesen zur Unterstützung des Konzils zu bewegen. Es erscheint äußerst bemerkenswert, daß beide noch zu diesem Zeitpunkt eine intensive Korrespondenz pflegten! In einem dem Medici am 16. Oktober 1511 aus Südtirol geschriebenen Brief bezeugte Federico nämlich die Tatsache vorausgegangener Briefe des Medici an ihn, vor allem aber dessen Fürsprache für ihn vor dem Papst, wofür er ihm herzlich dankte.293 Es ist gut möglich, daß die erstaunliche Verschonung Sanseverinos bei der ersten Privation der vier Kardinäle am 24. Oktober auch durch solche Interventionen Giovannis verursacht wurde. Doch hatte sich gleichfalls der damals mit dem Medici gut befreundete (wofür Julius den Medici tadelte!), mächtige Kämmerer Raffaele Riario zumindest zeitweilig für den Sanseverino eingesetzt, der außer an den Medici und Kardinal Niccolò de’ Fieschi auch an Riario einen Brief geschrieben hatte.294 Jenen Brief Federicos an seinen Intimus Giovanni, der nur noch als Kopie überliefert ist, ließ Federico durch seinen häufiger an die Kurie gesandten Boten zusammen mit anderen Briefen nach Rom bringen, da er ihn offensichtlich nicht als privaten, sondern als offenen Brief abgefaßt hatte. (Da sich beide vorher geschrieben hatten und der Sanseverino natür293 ASF, Carte Strozziane I/6, fol. 58v; gedruckt: Renaudet, Concile, Nr. 339. 294 Moncallero, Epistolario I, Nr. 121.

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lich von Giovannis Legation wußte, hätte er einen vertraulichen Brief direkt an dessen Aufenthaltsort in der Romagna gesandt.) In Rom händigte Sanseverinos Bote den Brief dann dem Bibbiena aus, der es offenbar für klüger hielt, Julius II. präventiv davon in Kenntnis zu setzen, nachdem der Papst mit dem Boten gesprochen hatte.295 Bibbiena besaß die Vollmacht, nach Rom gesandte Briefe an Giovanni de’ Medici während dessen Abwesenheit zu öffnen, wollte dem Papst Sanseverinos Brief zu lesen geben, der ihn sich aber von Bibbiena vorlesen ließ, diesen und den Medici lobte, Sanseverino aber tadelte. Am Tag der Privation der vier Kardinäle, am 24. Oktober 1511, wurde Sanseverinos Bote ins Gefängnis der Engelsburg gebracht, wo er – offenbar unter Folter – auch verhört werden sollte.296 Bibbiena wollte sich am Schluß eines am gleichen Tag an Giulio de’ Medici geschriebenen Briefes nicht die Frage verwehren, ob Giulio ehrlicherweise nicht zugeben müsse, niemals einen Mann ‚mit weniger Gehirn‘ als Sanseverino gesehen zu haben, da er seinen Vertrauten nach Rom entsende bzw. zurückkehren lasse, wo er doch erst kürzlich gewarnt worden sei!297 Diese Warnung vor einer solchen Reaktion des Papstes kam also offensichtlich von seiten der Mediceer. Bibbienas Ärger über die etwas realitätsblinde Uneinsichtigkeit Sanseverinos war natürlich auch durch eine gewisse Furcht vor Geständnissen bestimmt, welche die Medici treffen konnten. Tatsächlich gab der Bote bei verschiedenen Verhören preis, daß Federico Sanseverino enge Beziehungen zu Giovanni di Sassatello pflegte, der im Heer des Papstes unter dem Medici diente, schon vor den Verhören ständig der verräterischen Kontakte mit den Bentivoglio angeklagt wurde und auch mit den Brüdern Ariosto in Verbindung stand, von denen einer zu den Freunden von Giovanni de’ Medici gehörte, ein anderer aber (wohl gleichfalls mit den Medici befreundeter), Lorenzo, wegen vermuteter Konspiration mit den Bentivoglio ebenfalls in der Engelsburg inhaftiert war.298 Im Dezember gestand jener Bote, Sassatello habe dem Sanseverino Imola aushändigen wollen, worüber Dovizi den Legaten informieren sollte.299 Solche Enthüllungen über antipäpstliche Verbindungen zwischen einem Giovanni de’ Medici unterstellten Truppenführer und dem Sanseverino, den Franzosen und den Bentivoglio mußten vor allem vor dem Hintergrund einer Fortführung des Austausches von Briefen und Boten durch den Medici und den Sanseverino gefährlichen Sprengstoff ber295 Moncallero, Epistolario I, Nr. 107. 296 Auf Folterungen läßt eine Passage in einem Brief des Medici-Vertrauten Ludovico Canossa,

Bischof von Tricarico, schließen, den er in Abwesenheit Bibbienas stellvertretend für diesen am 27.10.1511 aus Rom an Giovanni de’ Medici schrieb, und wo es hieß: se intende che quel messo di San Severino che fu preso ha havuto la corda. Er ist also wohl mit dem Strick gefoltert worden; ASF, Carte Strozziane I/6, fol. 65r. 297 Moncallero, Epistolario I, Nr. 109, S 331 (Ma ditemi il vero, vedesti voi mai manco cervello in homo quanto in Sanseverino a mandare costui et in costui a ritornaci, essendo ultimamente suto avertito?). 298 Moncallero, Epistolario I, Nr. 119, 121, 151 (Sassatello war im März 1512 immer noch verdächtig, doch wollte der Papst dies nicht glauben). 299 Moncallero, Epistolario I, S. 398 (auch von anderer Seite ist ein Kontakt Sassatellos mit den Franzosen und den Bentivoglio behauptet worden).

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gen. Auch nach der Verhaftung von Sanseverinos Briefboten blieben der Anführer der Schismatiker und der Legat des Papstes in engem, vor allem vertraulichem Kontakt. Ein klarer Hinweis auf diese wichtige Beobachtung findet sich in einem Brief Bibbienas vom 20. Dezember 1511. Damals war in Rom die Nachricht eingetroffen, daß Federico Sanseverino, der nach seiner Rückkehr aus Südtirol nach Mailand am 19. November offenbar noch nicht persönlich bei einem offiziellen Akt der schismatischen Geistlichen präsent gewesen war, (am 7. Dezember) in Mailand zusammen mit den schismatischen Kardinälen im geistlichen Gewand aufgetreten sei.300 Mit diesem Auftritt gab es keinen Anlaß mehr für den Papst, die angedrohte Privation Sanseverinos auszusetzen, gab es indes zugleich eine erhöhte Gefahr für all jene Geistlichen, die weiterhin in Verbindung zu ihm standen. Deshalb also schrieb Bibbiena im Anschluß an diese Nachricht, zum Teil chiffriert, die Warnung an Giovanni de’ Medici, von nun ab dem Sanseverino unter keinen Umständen mehr eine Botschaft (ambasciata war z. B. chiffriert) zu senden oder eine solche von diesem zu empfangen, denn wenn der Papst davon erfahre, könnte dies nicht einmal mehr durch ‚die Wasser des Po reingewaschen‘ werden!301 Die Freundschaft und ihre Zeugnisse wurden also hochbrisant, wenn selbst der größte Fluß Italiens eine solche Spur nicht mehr verwischen konnte. Doch trotz dieser bedrohlichen Brisanz – und das gibt Bibbienas Alarm eine noch wichtigere Aussagekraft – setzten die Busenfreunde ihren intensiven Austausch fort, bei dem es wohl kaum um das Wetter ging. Und im Kreis der engeren Medici-Vertrauten war dies bekannt! Was seit Anfang 1510 generell geheimgehalten werden mußte, bis zum Dezember 1511 aber nötigenfalls immer noch vor dem Papst in irgendeiner Weise gerechtfertigt werden konnte, war von nun an nicht mehr zu entschuldigen; diesen Frevel konnte der größte Strom nicht mehr tilgen. Und dennoch: Unsere beiden Protagonisten dachten nicht daran, sich an die Warnung Bibbienas zu halten, obwohl das Risiko kaum noch zu bändigen war. Schon Ende Dezember 1511 hatte man am königlichen Hof in Frankreich den Plan entworfen, den geistlichen Kampf gegen den Papst, also das Konzil, mit dem militärischen zu verknüpfen. Federico Sanseverino wurde erkoren, einen solchen Achilles zu verkörpern. Auf Wunsch des Königs sollte er im Namen des Konzils den militärischen Kampf in der Romagna führen und in Bologna residieren.302 Vorher aber beteiligte er sich noch am 4. Januar 1512 an der vierten Session des Konzils im Mailänder Dom, bei der die Absetzung des Papstes in Aussicht genommen wurde; bei Julius II. entschuldigte sich Federico, der Zitation nach Rom nicht folgen zu können, da er um seine Sicherheit fürchte.303 Am 16. Januar 1512 300 Zum Auftritt Sanseverinos: Renaudet, Concile, Nr. 503. Noch vor dem Beginn des Konzils in

Pisa hatte Federico Mitte September 1511 in Borgo San Donnino seine geplante Reise nach Pisa ja abbrechen müssen, um zusammen mit seinem Bruder Galeazzo den Kaiser und die deutschen Prälaten für das Pisanum zu gewinnen. 301 San Severino entrò con li scysmatici in pontificale a Milano. Guardi S.V.Rev.ma non havere et non mandarli una minima ambasciata chè se S.S.tà lo sapessi non lo laveria l’aqua di Po [sc. del Po]; Moncallero, Epistolario I, Nr. 136, S. 428; Ders., Bibbiena, S. 291. 302 Renaudet, Concile, Nr. 522. 303 Renaudet, Concile, Nr. 526, 527.

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schrieb er dann einen persönlichen Brief an Giovanni de’ Medici, in welchem er diese Weigerung nochmals erklärte und den Medici bat, seine Verteidigung zu übernehmen!304 Dem Brief beigefügt war eine zwölfseitige, in Mailand am 23. Dezember 1511 gedruckte Rechtfertigung Sanseverinos wegen seiner Mißachtung der Zitation, in welcher er auch seine Unschuld erklärte. Giovanni de’ Medici hatte diesen nach heutigem Verständnis als „öffentlich“ anzusehenden Brief des Sanseverino mit der Druckschrift – gegen die Warnung Bibbienas – an sich genommen; beide Stücke sind noch heute erhalten.305 An einen Ausgleich zwischen dem Papst und dem Sanseverino war jedoch nicht mehr zu denken; letzterer suchte vielmehr die endgültige Konfrontation. König Ludwig XII. war es, der das in Mailand tagende Konzil gegen erheblichen Widerstand förmlich zwang, Federico Sanseverino gemäß königlichem Wunsch zum Legaten für Bologna und die Romagna zu ernennen.306 Ihn damit aber auch zum Kontrahenten des päpstlichen Legaten Giovanni de’ Medici zu machen, war unausweichlich geworden. Auf der fünften Session, am 11. Februar 1512 im Mailänder Dom gehalten, erfolgte die offizielle Nominierung Sanseverinos.307 Die Bulle für die Legazione di Bologna hatte ihm sein Freund Bernardino Carvajal als Konzilspräsident ausgestellt, bezahlt wurde sie von Sanseverinos Vertrautem Luigi Becchetti, der das Geld von Gianpiero Morone erhalten hatte, und zwar aus den der Bartolini-Bank zustehenden Pachteinnahmen der lombardischen Benefizien Sanseverinos, der auch diesen Posten später (1513) akkurat mit seinen Bartolini-Bankiers abrechnete!308 Carvajal, nach seiner römischen Titelkirche meist Santa Croce genannt, war Federicos engster und wichtigster Verbündeter unter den Schismatikern, mit dem er eine Anhängerschaft bilden konnte; auf der Gegenseite stand vor allem Guillaume Briçonnet, wiederum jener Mann, der schon 1494 gegen Sanseverinos Freunde, die Medici, agiert hatte und der diesen nach langem Prozeß seit 1508 mit gut 9.000 Fiorini die Hälfte seines in Florenz „erbeuteten“ Geldes zurückzahlen mußte – es sind so feste Konstellationen, daß sie nicht nur in die Vergangenheit hineinreichen, sondern noch in der Zukunft wirksam sein werden.309 Ein Ziel des schismatischen Legaten Federico Sanseverino lag darin, das Konzil in Bologna tagen zu lassen, den Papst somit zu provozieren, ihn aufs Blut zu reizen. Darüber hinaus aber hatte er noch mehr im Sinn. Er, Federico Sanseverino, drängte König Ludwig XII. erneut, den geistlichen und politischen Kampf des Konzils nicht nur mit dem militärischen der Franzosen in Italien zu verschmelzen, sondern diesen Krieg auch gegen den

304 Renaudet, Concile, Nr. 537. 305 ASF, Carte Strozziane I/5, doc. 55, 56. 306 Renaudet, Concile, Nr. 553. 307 Renaudet, Concile, Nr. 559, Anm. 79. 308 ABS 204, c. 100 (nota in che modo el rmo. cardinale di Sanseverino s’è valso d’una somma di

lire d’imperiali sopra e fitti di Lombardia dell’anno 1512 [...] Item pagati per mano di detto [Giampetro] Morone a messer Luigi Bechetti per le spese della bolla della Legazione di Bologna che tanti ne paghò al segretario di Santa Croce, lire 51, 3.). 309 Renaudet, Concile, Nr. 570 (um die Legation für Bologna hatte sich auch René de Prie beworben), vgl. auch Nr. 578 zum Zwist zwischen Carvajal und Briçonnet.

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Kirchenstaat, gegen Rom und letztlich gegen Papst Julius II. zu führen. Bereits Mitte Januar 1512 wurde Federicos Bruder Galeazzo, der Gran Ecuyer des Königs, zu diesem Zweck und zur Unterstützung Federicos nach Italien geschickt.310 Am 21. Februar begab sich der Achill im Kardinalsgewand nach Brescia, um Gaston de Foix aufzusuchen, der diese am 2. Februar 1512 von den Venezianern eroberte Stadt schon am 18. Februar für Frankreich zurückerobern konnte und an den Einwohnern, die zu Venedig gehalten hatten, grausame Rache übte.311 Federico wollte Ludwig XII. mit Nachdruck davon überzeugen, daß er aus Sicherheitsgründen nur mit starker militärischer Begleitung nach Bologna gehen und dort das Konzil abhalten könne; um diese Vereinigung mit dem französischen Heer vorzubereiten, war er nach Brescia geeilt, wo sich neben Gaston de Foix auch sein Bruder Galeazzo aufhielt.312 Ende Februar zog Gaston mit seinen Soldaten nach Parma, während Federico Sanseverino nach Cremona ritt, um nach einer positiven Antwort des Königs sofort den Marsch auf Bologna beginnen zu können.313 Sein Drängen hatte Erfolg. Anfang März gab Ludwig XII. seinem Feldherrn Gaston de Foix den Befehl, alle künftig eroberten Gebiete der Romagna dem Sanseverino für das Konzil zu unterstellen. Den in Mailand residierenden Kardinälen aber befahl der König, sich nach Bologna zu Federico Sanseverino zu begeben, der sich – so wollte es der habsburgische Botschafter am Hof bereits wissen – dort mit 200 leichten Reitern, einer Anzahl von Fußsoldaten und 500 Adligen seines Hauses(!) befinde, um namens des Konzils gegen den Papst vorzugehen.314 Am 11. März befand sich Federico noch in Reggio Emilia, gut 60 Kilometer vor Bologna, um bei günstiger Gelegenheit mit Gaston de Foix in die vom Papst vergeblich begehrte Stadt der Bentivoglio zu ziehen; am 14. März in dem nördlich von Reggio gelegenen Carpi, um auf die angemessene Truppenunterstützung zu warten.315 Am 21. März 1512 geschah, was Julius II. auf keinen Fall erleben wollte und was sein Legat Giovanni de’ Medici mit aller Macht verhindern sollte: Federico Sanseverino ritt in Begleitung eines starken französischen Rittertrupps als Legat des Pisaner Konzils durch die Porta San Felice in Bologna ein, durch Triumphbögen, die ihn und mit symbolischen Zeichen zugleich das schismatische Konzil ehrten, vorbei an Triumphwagen, mit Jubel von den Bentivoglio und dem Volk empfangen, zu Pferd unter Beifall die von Bramante geschaffene Treppe des Kommunalpalastes erstürmend – einem Friedrich Barbarossa gleich, so beschrieb ihn ein Bologneser Poet.316 Am 24. März nahm er vom Rat Bolognas den Treueid für das Pisanum entgegen und garantierte der Stadt in dessen Namen und dem Ludwigs XII. die Achtung der ihr einst von Papst Nikolaus V. gegebenen Privilegien und 310 Renaudet, Concile, Nr. 539. 311 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1010–1017 (X/10); Renaudet, Concile, Nr. 563; Pastor, Ge-

schichte der Päpste III/2, S. 838f. 312 Renaudet, Concile, Nr. 562–565. 313 Renaudet, Concile, Nr. 565. 314 Renaudet, Concile, Nr. 578; Lettres du roy Louis XII, vol. III, S. 188 (Jean le Veau an Marga-

rethe von Österreich, 8.3.1512). 315 Renaudet, Concile, Nr. 586, 589; vgl. Sanuto, Diarii XIV, Sp. 23. 316 Vgl. Honig, Bologna, S. 57.

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den Schutz des französischen Königs. Einen Tag später erklärte Federico im Anschluß an eine Meßfeier in San Petronio in Gegenwart der Bentivoglio und vieler Großer die von Julius II. gegen Bologna erlassenen geistlichen Strafen für null und nichtig; am 26. März zitierte er mittels einer an die Portale von San Petronio und der Kathedrale San Pietro genagelten Bulle den Papst Julius II. vor das Pisaner Konzil. Am Tag darauf verließ Federico Sanseverino wieder Bologna und begab sich nach Budrio zu Gaston de Foix.317 In eben jenen Tagen richteten sich die vermehrt auftretenden cholerischen Wutanfälle des Papstes, den Bibbiena nur noch als ‚immer verrückter werdend‘ bezeichnete, nicht nur gegen den Sanseverino, sondern auch und verständlicherweise verstärkt gegen den der Feigheit und Kälte bezichtigten Giovanni de’ Medici, den Julius eindringlichst aufgefordert hatte, Sanseverino am Betreten Bolognas zu hindern. Sonst wolle er ihm die Legation entziehen und könne ihm wegen Florenz nicht mehr helfen.318 Den Sanseverino aber wollte er wegen seiner Angriffspläne auf Rom zum Häretiker erklären, ihn also über die Amtsenthebung und den Benefizienentzug hinaus zum Feind der römisch-katholischen Kirche erklären und einer möglichen inquisitorischen Verfolgung aussetzen.319 Der Papst befand sich in einer Zwangslage, die nicht zuletzt von maßgeblichen Freunden der Medici verursacht worden war und die Giovanni de’ Medici in erhebliche Komplikationen gebracht haben muß, ihm eventuell aber gleichzeitig sehr unterschiedliche Optionen für seine persönlichen Pläne eröffnet haben dürfte. Da wäre als janusköpfiger päpstlicher Heerführer in der Romagna der Herzog von Urbino, Francesco Maria della Rovere, zu nennen, ein damals durchaus recht enger Freund der Medici und Schwiegersohn des profranzösischen Markgrafen von Mantua, an dessen Seite wir Anfang 1510 Giuliano de’ Medici in Verbindung zu den Bentivoglio und Frankreich sahen. Seinem Onkel Julius II. galt Francesco Maria dann beim Verlust Bolognas im Mai 1511 tatsächlich als Verräter. Im Frühjahr 1512 schickte er sich sogar an, gegen den Papst offen auf die Seite Frankreichs zu treten; dabei stand er wiederum mit dem MediciKreis in Verbindung.320 Da wären vor allem die Orsini, die Federico Sanseverino im Februar 1512 aufforderte, sich zusammen mit den Colonna und anderen römischen Baronen sowie päpstlichen Offizieren gegen Julius II. zu erheben.321 Nun waren und blieben die Orsini aber zugleich Verwandte, Verbündete und Freunde der Medici – auch in jenen vor Spannung knisternden Frühjahrswochen 1512. Während Giangiordano sich nach seiner Rückkehr aus Frankreich im Juli 1511 öffentlich gegenüber seinem Schwiegervater zurückhielt, mit Verweis auf seinen Michaelsorden jedoch im April 1512 jede Aktion gegen Frankreich ablehnte,322 hatte sich Roberto di Paolo Orsini 317 Honig, Bologna, S. 57f. 318 Moncallero, Epistolario I, S. 451, 455, 459, 463f. 319 Moncallero, Epistolario I, S. 487. 320 Vgl. etwa Moncallero, Epistolario I, S. 418, 470, 500f.; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S.

839, Anm. 2; zur Verbindung Francesco Marias mit den Medici und besonders Giuliano s.o. S. 870f. 321 Sanuto, Diarii XIII, Sp. 490, 512, 525. 322 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 190.

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deutlich gegen Julius II. gestellt. Um ihn müssen sich aber zugleich Giovanni und Giulio de’ Medici von der Romagna aus gekümmert haben, denn Bernardo Dovizi da Bibbiena hatte von den Medici im Dezember 1511 den Auftrag bekommen, für sie eine nicht näher erläuterte Angelegenheit in bezug auf Roberto Orsini zu erledigen, was er zur Zufriedenheit der Medici leisten konnte.323 Anfang Februar 1512 war die päpstliche Kurie schließlich informiert worden, daß Roberto in Frankreich gewesen sei, wo er Ludwig XII. und den schismatischen Kardinälen versprochen habe, dafür zu sorgen, daß das gesamte Haus Orsini sich gegen den Papst empören und daß er alle Orsini und Colonna mit weiteren Baronen zu bestimmten Handlungen gegen Julius II. bewegen werde. Dieses Vorgehen stimmte also völlig mit dem zur gleichen Zeit von Federico Sanseverino initiierten überein; es war offensichtlich eine gemeinsame Aktion beider. Da erscheint es bezeichnend, daß sich am 5. Februar Bartolomeo della Rovere aus Rom brieflich an Giovanni de’ Medici wandte, der erklärt hatte, von dem Vorgehen Roberto Orsinis nichts zu wissen. Deswegen informierte ihn Bartolomeo über das Geschilderte und bat ihn, vorsichtig und ganz nach eigenem Gutdünken dafür zu sorgen, daß Roberto sich nicht ins Unglück stürze.324 Doch daran konnte oder wollte Giovanni ihn nicht hindern. Bis Ende April 1512 kämpfte Roberto auf der Seite der Gegner von Julius II., zusammen mit Piero Margano, einem ehemaligen Offizier des Papstes, den Federico Sanseverino Anfang Februar 1512 persönlich aufgefordert hatte, in französische Dienste zu treten – nachdem Margano aufgrund einer tödlich endenden Auseinandersetzung in einem Laden auf dem Campo dei Fiori in Rom Ende Dezember 1511 nach Rimini geflohen war, in das Hoheitsgebiet des Legaten Giovanni de’ Medici, der auch ihn nicht vom Seitenwechsel abhalten konnte!325 Julius II. aber nahm in jenen Wochen die Gefahr eines Angriffs auf ihn so ernst, daß er zahlreiche Verhaftungen durchführen, die Torwachen Roms verstärken ließ und sich selbst in den Schutz der Engelsburg zurückzog.326 Viele, die bis Ende 1511 noch zwischen den politischen Polen irrlichterten, wurden also Anfang 1512 im Zuge der sich unaufhaltsam zuspitzenden Konfrontation mit magnetischer Kraft zu einem der beiden Pole gezogen. Nur das Netz der Mediceer war so widerstandsfähig, daß es selbst diesen Fliehkräften standhielt und zwischen beiden Seiten straff gespannt blieb. Eine Sanseverino-Abtei für den Medici-Intimus Bernardo Dovizi da Bibbiena Wir stoßen also selbst für eine Zeit, welche die zwei engen Freunde Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici als politische Gegner erscheinen läßt, immer wieder auf Zeugnisse, die recht offensichtlich nicht nur die Aufrechterhaltung der zwischen ihnen beste-

323 Moncallero, Epistolario I, S. 411. 324 ASF, Carte Strozziane I/5, doc. 61. 325 Sanuto, Diarii XIII, Sp. 490; XIV, Sp. 190. Noch Mitte März 1512 war Roberto Orsini von

Julius II. als bestiol beschimpft worden, den er verhaften lassen wollte; Moncallero, Epistolario I, S. 473. 326 Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 840.

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henden Verflechtungen, sondern sogar ein gemeinsames Vorgehen gegen den Papst beweisen oder nahelegen. Und erst die kompromißlose Feindschaft zwischen dem Sanseverino und diesem Papst bringt ein weiteres Element der Vernetzung zum Vorschein, das uns wahrlich staunen läßt. Federico Sanseverino hatte in Absprache mit Giovanni de’ Medici – wahrscheinlich sogar auf dessen Wunsch – nicht nur den Bartolini zu Benefizien und Benefizieneinkünften verholfen, sondern auch einem Medici-Intimus, der bis zum Pontifikat Leos X. gar nicht zu den Anhängern Frankreichs und der französischen Option der Medici gehörte: Bernardo Dovizi da Bibbiena.327 Der meist nach seinem Herkunftsort kurz Bibbiena genannte Bernardo gehörte wie etwa auch Luigi Lotti zu jenen Medici-Freunden und -Klienten, die nicht über Reichtümer verfügten und häufig von finanziellen Sorgen geplagt waren. Im Dezember 1511 war er wieder knapp bei Kasse, hatte wohl Ende des Jahres finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen und bat deshalb Giulio de’ Medici, er möge sich für ihn bei Alfonsina Orsini dafür einsetzen, daß sie ihm mit einem Kredit über 100 Dukaten unter die Arme greife. Schon im Mai 1512 könnte er sie zurückzahlen, denn – nun kommt das Entscheidende – dann habe er das Geld aus ‚seinem‘ Benefiz in (oder bei) Brescia zu erhalten, falls der Sanseverino ihm die drei ausstehenden Zahlungen seiner Pension gäbe!328 Um welches Benefiz es sich handelte, war noch nicht zu eruieren. Zu dem Pensionsanspruch war es vermutlich gekommen, weil Bibbiena oder eher Giovanni de’ Medici über bestimmte Rechte oder Ansprüche auf jenes vom Sanseverino beanspruchte oder schon besessene Benefiz verfügte, die gegen die Zahlung der Pension abgetreten wurden. Erstaunlich ist, daß Bibbiena noch im Dezember 1511, als die Privation Sanseverinos nur eine Sache von Tagen schien, eine Erfüllung der Pensionszahlung im Mai 1512 erwartete. Doch hiermit war diese bisher unbekannte Form der aus Freundschaftsdiensten, gegenseitigen Verpflichtungen geformten Vernetzung nicht erschöpft; noch instruktiver ist der zweite Fall. Wenige Tage nach Julius’ Drohung vom März 1512, Sanseverino als Häretiker zu erklären, wandte sich der Papst persönlich mit der Frage an Bernardo, wieviel jene in den Abruzzen gelegene Abtei des Federico Sanseverino wert sei, welche Pension er aus ihr erhalte (es waren 100 Dukaten) und wie Sanseverino ihm diese bezahle.329 Diese Abtei, es handelte sich um S. Giovanni in Venere an der Adria in der Diözese Chieti, war nach der Privation Sanseverinos (Ende Januar 1512) noch nicht vergeben worden, aber so begehrt an der Kurie, daß auch zwei Kardinäle sie für sich beanspruchten. Allerdings hatten die Medici mit Unterstützung des Sieneser Kardinals Alfonso Petrucci, Pandolfos Sohn, schon Mitte März ihre Wünsche beim Papst vorbringen lassen, der sein Plazet jedoch erneut von einer Eroberung Bolognas durch Giovanni de’ Medici abhängig machen wollte, zudem das Regressus-Recht des Medici in Frage stellte (der aufgrund dieses Rechtes 327 Zu seinen prospanischen Neigungen vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 55f., Anm. 86, S.

65, 68f. 328 Moncallero, Epistolario I, S. 382 (... et io a maggio potrò infallanter restituierli, chè il harò dal

mio beneficio di Brescia. Se S. Severino mi pagasse della mia pensione le 3 paghe mi deve.). 329 Moncallero, Epistolario I, S. 495f. und S. 498, Anm. 15, 17 (Bibbiena am 22.3.1512 aus Rom an

Giovanni de’ Medici).

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die Abtei einst, wie Morimondo, dem Sanseverino überlassen haben mußte).330 Kurz darauf wurde Giovanni de’ Medici das Regressus-Recht auf die Abtei dennoch zugestanden, das Julius gegen den Widerstand jener Kardinäle akzeptieren werde, weshalb er dem Bibbiena das Benefiz aufgrund des erklärten Wunsches von Giovanni de’ Medici frei und ohne Einschränkung geben wolle. Natürlich versäumte Julius nicht, Bibbiena vorzuhalten, daß er dafür Gegenleistungen des Medici-Intimus erwarte. Ihm, den Bibbiena bis dahin nur als ‚verrückt‘ bezeichnet hatte, küßte er nun vor trunkener Dankbarkeit die Füße. Vermutlich ist nur aus diesem Überschwang der Gefühle zu erklären, daß Bibbiena anschließend auch das kuriengeschichtlich äußerst aufschlußreiche weitere Procedere beschrieb. Der Papst riet Bibbiena nämlich, mit der entsprechenden Supplik (Bittschrift) für das Benefizium zum Datar, also zu Lorenzo Pucci, zu gehen, der sie sofort signieren, also genehmigen würde. Diese signierende Genehmigung der Supplik aber war offiziell gar nicht seine Aufgabe, sondern die des Papstes, des Vizekanzlers bzw. zu jener Zeit die der Referendare.331 Da der Datar neben der Datierung vor allem die finanziell wichtigen Kompositionszahlungen für außergewöhnliche päpstliche Gnaden auszuhandeln hatte, mußte, um jeden Anschein von Simonie zu vermeiden, die Supplik vor dem Gang zum Datar bereits signiert sein.332 Bibbiena verrät uns, was sogar auf Anregung des Papstes möglich war und praktiziert wurde, obwohl es verboten war – und gibt uns aus der kurialen Praxis ein weiteres schönes, aber selten so klar und authentisch zu belegendes Beispiel, wie die hohen Kurialen unter den Mediceern ihren Freunden helfen konnten, welche Möglichkeiten sie besaßen. Man darf ferner mit Sicherheit davon ausgehen, daß Bibbiena bei dem Medici-Freund Pucci keine Kompositionsgebühren zu bezahlen hatte. Diese hätten jedoch mit einem sehr hohen Betrag erhoben werden müssen; den Grund schildert uns treuherzig Bibbiena selbst. Denn er fungierte offiziell gar nicht als Besitzer des Benefiziums, amtierte gar nicht als Abt, sondern ließ mit dem Konsens des Papstes und der Genehmigung Puccis seinen Patron Giovanni de’ Medici als Besitzer in der Supplik eintragen, so wie der Medici selbst es ihm angeboten hatte! Was erreichte man mit diesem ungeheuerlichen, aber angesichts der Hilfestellung von Papst und Kardinälen offenbar nicht außergewöhnlichen Schritt? Bibbiena brauchte keine weiteren Gebühren zu bezahlen, da Kardinäle ihre Bullen gratis erhielten, und er brauchte nicht das Gewand und die Pflichten des Abtes zu tragen; er kassierte als faktischer Besitzer, und der formale Besitzer hatte mit der Abtei gar nichts zu tun. (Das gleiche Verfahren hatten die Mediceer für einige Zeit bei der Abtei San Andrea di Dovadola praktiziert, als Giovanni de’ Medici de jure Besitzer, Lorenzo Bartolini hingegen Nutznießer der Einkünfte war!) Bibbienas Freunde und die der Medici an der Kurie waren begeistert über diesen Coup. Giovanni de’ Medici gab einige Tage später Silvio Passerini, einem weiteren Medici-Vertrauten – der übrigens Nachfolger Puccis als Datar wurde –, die Vollmacht, als Prokurator des Medici die Abtei 330 Moncallero, Epistolario I, S. 479 (Bibbiena am 17.3.1512 an Giovanni de’ Medici). 331 Frenz, Kanzlei, S. 93–97. 332 Hofmann, Forschungen I, S. 91, 97f.; Frenz, Kanzlei, S. 97–100; Tewes, Datarie (mit weiterer

Lit.).

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regulär in Besitz zu nehmen, und verlieh Bibbiena die procura, namens des Medici die Abtei leiten zu dürfen.333 Erst die Auflösung des normal geregelten Alltags, erst der Konflikt gewährt uns also Einblicke in ansonsten nicht einsehbare sachliche und personelle Zonen des vielschichtigen, weit gespannten Netzwerkes. Konstitutiv für das Netzwerk ist seine Homogenität und eine pragmatisch-innovative, situationsgerechte Flexibilität der zentralen Personen, bei denen die Fäden verdichtend, knotenpunktartig zusammenliefen. Auf diese Weise konnten viele Verbindungsstränge von substantiellen Elementen einzelner Netzteile profitieren. Zu diesen Substanzen gehören etwa die Juwelen und Besitzungen der Medici, Bargeldvermögen und Kreditwürdigkeiten ihrer Bankiers, Reputation und Einfluß einzelner Mediceer oder eben auch jene, materielle Sicherheiten bietenden Benefizien der geistlichen Mediceer, die selbst in Zeiten der Bedrohung ihrer Güter – und das gilt für den Sanseverino wie für Giovanni de’ Medici – diese dank der Hilfe ihrer Freunde im Kreis behalten und schützen konnten. Allein der Fall der in Bibbienas Verfügung gelangenden SanseverinoAbtei impliziert sachlich notwendig zahlreiche von diesem Vorgang abhängige bzw. ausgehende weitere Verdichtungen, beispielsweise durch die involvierten Personen und die Finanz- und sonstigen Dienstleistungen. Giovanni de’ Medici hatte für die Abtei San Giovanni in Venere also wie bei Morimondo ein Regressus-Recht gehabt, das er sich bei der Besitzaufgabe und anschließenden Übertragung an den Sanseverino ausbedungen haben muß. Wir wissen somit von zwei Abteien, die er seinem Freund Federico Sanseverino vermacht hatte. Bei jener südöstlich von Chieti an der Adria und noch im Kirchenstaat gelegenen muß Giovanni bei der Übergabe eine Regelung mit dem Sanseverino getroffen haben, die diesen zu der Zahlung einer recht stattlichen Pension von 100 Dukaten pro Jahr an Bernardo Dovizi verpflichtete – also nicht wie üblich an den Medici als Vorbesitzer, sondern an einen seiner wichtigsten, aber wenig wohlhabenden Vertrauten! Daß gerade Bernardo Dovizi nicht anders als die Bartolini von Benefizien des Sanseverino profitieren durfte, könnte durchaus auf den engen Kontakt Bibbienas mit Sanseverinos und Piero de’ Medicis Vertrautem Luigi Becchetti im Jahr 1494 zurückgehen, als Piero noch die aragonesische Karte spielte oder spielen mußte.334 Dem Becchetti waren übrigens so wie Antonio Magistrello, dem zweiten kurialen „Diener“ des Sanseverino, wegen des offenen Bekenntnisses zu den schismatischen Kardinälen seine hohen Kurienämter durch Julius II. entzogen worden335; beide hatten wir für jene Zeit in enger Verbindung zur Lyoner Bartolini-Gesellschaft erlebt. Auch Bernardo da Bibbiena stand über die beiden Pensionszahlungen in einem längeren und ständigen Kontakt mit dem Sanseverino; er mußte zugleich an der Erhaltung von Sanseverinos Benefizienschatz interessiert gewesen sein, wobei er die Abruzzen-Abtei

333 Moncallero, Epistolario I, S. 502 (Bibbiena am 28.3.1512 aus Fossombrone an Giovanni de’

Medici). Bibbiena konnte die Abtei schließlich sogar testamentarisch einem Neffen vermachen; Moncallero, Epistolario I, S. 498, Anm. 15. 334 S.o. S. 317f. 335 Vgl. Hofmann, Forschungen II, S. 198.

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durch den Rückfall an den Medici sogar selbst in Besitz nehmen konnte, freilich nur durch Wohlverhalten gegenüber dem Papst! Aufhorchen läßt dessen Interesse an Modus und Technik der Pensionszahlungen, das auf die zuständige Bank gerichtet gewesen sein wird. Da in den bisher untersuchten Rechnungsbüchern der Lyoner Bartolini-Bank diese Zahlungen in den Sanseverino-Konten nicht auftauchen, werden sie vermutlich entweder über Leonardo di Zanobi Bartolini oder über die mit den Bartolini und Medici verbundenen Banken der Ricasoli, Bini oder auch Borgherini und Pandolfini in Rom geleistet worden sein, die ja ebenfalls für den Sanseverino arbeiteten. Bei einer von ihnen wird er also ein Konto gehabt haben, über das Bernardo Dovizi seine beiden Pensionen erhielt. Erstaunlicherweise sah selbst dieser Papst kein Problem darin, daß Bibbiena seine Pensionen von einem exkommunizierten Schismatiker bekam – für den Medici-Kreis zählte dieses Faktum sowieso nicht. Die Frage des Papstes, wie der Sanseverino ihm die Pension bezahle, könnte also weniger auf die Art und Weise als vielmehr auf jene Bank selbst gerichtet gewesen sein, die für diesen schismatischen Kardinal, für den – neben Ludwig XII. – größten Feind des Papstes, weiterhin Finanzaufträge erfüllte, die mit ihm kooperierte. Dieses Mißtrauen zielte demnach auf die Struktur des Netzwerkes, die von den aus wechselnden Richtungen kommenden politischen Orkanen relativ unberührt blieb. Vorsicht war indes auf jeden Fall angeraten.

e) Die Schlacht von Ravenna Als Bernardo Dovizi da Bibbiena Ende März 1512 trotz des fehlenden Erfolges seines Patrons vor Bologna sein bedeutendes Benefiz gewinnen konnte, waren es nur noch wenige Tage, die diesen kleinen Triumph von der großen Tragödie trennen sollten. Ludwig XII., von England im Norden, von Spanien im Süden, von den Schweizern im Osten militärisch bedroht und bedrängt, ließ durch seinen fähigsten Feldherrn Gaston de Foix die Entscheidungsschlacht gegen Julius II. und seine Alliierten suchen. Gaston wollte die ausweichenden päpstlichen Truppen bei der strategisch und logistisch wichtigen Stadt Ravenna (dort lagen die Magazine der Päpstlichen) zum Kampf zwingen, sollte dann weitere Gebiete der Romagna und des Kirchenstaates – wo Roberto Orsini und Piero Margano auf ihn warteten – für Federico Sanseverino erobern und sich nach der Entthronung des Papstes an die Wiedergewinnung Neapels begeben.336 Am 11. April, dem Ostersonntag 1512, standen sich zwei große Heere bei Ravenna gegenüber: die Truppen der Franzosen mit ihren Verbündeten aus Mantua und Ferrara und mit mehreren Tausend deutschen Söldnern auf der einen, die Heere des Papstes mit denen seiner Alliierten aus der Heiligen Liga, den venezianischen und insbesondere spanischen, auf der anderen Seite. An der Spitze der Päpstlichen stand der Spanier Ramón Cardona, begleitet vom Legaten Giovanni de’ Medici, durch seine starke Kurzsichtigkeit halb blind und ungerüstet im Kardinalshabit auf einem Schimmel reitend – ihm gegenüber Gaston und Odet de Foix, Galeazzo Sanseverino und des Medici Freund Federico Sanseverino. Er aber, ein 336 Gregorovius, Geschichte III/2, S. 395; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 840.

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Hüne, von Kopf bis Fuß in stählern-glänzender Rüstung, mehr Offizier als Kardinal oder Legat, führte zusammen mit Jacques de Chabannes, dem Seigneur de la Palice und Marschall Frankreichs, eine Abteilung von 600 Lanzenreitern an. Wir müssen uns dieses Bild vor Augen halten, das Bild dieser so innig verbundenen Freunde, die über so viele Jahre mit unendlicher Kraftanstrengung für ihr gemeinsames Ziel gekämpft hatten, viele Hoffnungen und noch mehr bittere Niederlagen teilten, und die sich nun, auch äußerlich völlig gegensätzlich, auf zwei bitterfeindlichen Seiten gegenüberstanden. Man darf sich schon fragen, was sie in diesem Augenblick, an diesem Ostersonntag gefühlt haben. Die Schlacht von Ravenna wurde zu einer der blutigsten, die Italien je sah, mit ca. 10.000 Toten insgesamt, entschieden von der berühmten Artillerie des Herzogs von Ferrara, dem Kampfgeist der deutschen Landsknechte und dem militärischen Genie des Gaston de Foix, der freilich, vermutlich von einer Kugel getroffen, auf dem Boden liegend von Spaniern getötet wurde – obwohl seine Schwester seit 1505 mit König Ferdinand von Aragón verheiratet war. Frankreich hatte zwar einen Sieg erfochten, aber einen erst 24jährigen Helden und den Kopf seiner Armee verloren – ein damals nicht zu ersetzender Verlust.337 Uns aber muß, mehr als der Verlauf der Schlacht, interessieren, welche Folgen sie für die beiden Freunde Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici zeitigte, die den Kern unseres Netzwerkes bildeten, wie beide auf das Ergebnis reagierten, ob die militärische Gegnerschaft auch die Gesten der Freundschaft verbot oder ob diese so tief und stabil war, daß sie der Situation entsprechende, ganz eigene Formen der Verbundenheit entstehen ließ. Es gibt Quellen, Indizien und logisch-rationale Argumente, die eine sehr positive, eine sehr beachtliche und bisher nicht erwogene Antwort erlauben. Während Giulio de’ Medici, der ebenfalls an der Schlacht teilnahm, entkommen konnte, ging Giovanni de’ Medici einem anderen Schicksal entgegen. Als er, der sein Zelt ganz in der Nähe des spanischen Vizekönigs von Neapel, Ramón Cardona, aufgeschlagen hatte, die Fluchtbereitschaft der Spanier bemerkte, forderte er sie zur Standhaftigkeit auf. Der dann doch folgenden großen Welle von Fliehenden schloß er sich nicht an. Seinem Cousin Giulio de’ Medici soll er gesagt habe, er wolle lieber das Ende sehen und eher Gefangener werden als mit Bauern handgemein zu werden. Mit drei Begleitern, darunter Luigi di Lionetto de’ Rossi (der enge Verwandte des Bernardo de’ Rossi), geriet er so zunächst in die Hand eines oder mehrerer stradioti, albanischer Reiter in venezianischen 337 Zu dieser gut dokumentierten, hier nicht im einzelnen nachzuzeichnenden Schlacht vgl. etwa

Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1030–1041 (X/13) (S. 1032 zu Federicos Sanseverino: ... dal cardinale di San Severino legato del concilio, il quale grandissimo di corpo e di vasto animo, coperto dal capo insino a’ piedi d’armi lucentissime, faceva molto piú l’ufficio del capitano che di cardinale o di legato), S. 1035 zu Giovanni de’ Medici (... il cardinale de’ Medici, privo per natura in gran parte del lume degli occhi, mansueto di costumi e in abito di pace, e nelle dimostrazioni e negli effetti molto dissimile al cardinale di San Severino); Gregorovius, Geschichte III/2, S. 395–398; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 840–842; Taylor, The art of war, S. 180–215 (doch ohne Erwähnung Federico Sanseverinos). Zur beeindruckend großen Statur Sanseverinos vgl. auch Infessura, Römisches Tagebuch, S. 258 („Der Kardinal aber ist ein Mann, der sich mehr für die Waffen eignet als für geweihte Dinge, von großer Gestalt.“).

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Diensten, aus der ihn der Mantuaner Federico Gonzaga da Bozzolo „befreien“ konnte, um ihn als Gefangenen zu Federico Sanseverino zu bringen.338 Ein Augenzeuge hinterließ uns die Beschreibung einer sich daran anschließenden Szene, die wegen ihrer großen Anschaulichkeit und Aussagekraft im (übersetzten) Wortlaut wiedergegeben werden soll und nicht kommentiert werden muß: Er [jener Augenzeuge] sah an der Essenstafel die zwei Kardinäle, d.h. den Medici und den Sanseverino, und alle Offiziere aus Sanseverinos Truppe, und alle spanischen Gefangenen aus der Truppe des Medici, alle zusammen sehr traurig, und [er sah], daß sie ihr trauriges und gemeinsames Schicksal beweinten.339 Eine von den politisch-militärischen Gegensätzen nicht zu zerstörende Verbundenheit der Freunde zeigte sich auch, als Federico Sanseverino dem offensichtlich nach der Nachricht von der Gefangennahme Giovannis zurückgekehrten Giulio de’ Medici erlaubte, seinen Cousin zu besuchen, dem er danach sogar einen französischen Geleitbrief gab und die Genehmigung erteilte, im Auftrag Giovannis zu Julius II. zu reiten, um ihm persönlich vom unglücklichen Ausgang der Schlacht zu berichten.340 Giulio traf schon am 15. April in Rom ein und konnte dem am Vortag bereits über die verheerende Niederlage unterrichteten Papst Hoffnung machen, indem er die herben Verluste auf französischer Seite beschrieb und den beginnenden Zug eines großen, vom Kardinal Schiner aufgestellten Schweizer Heeres ins Mailändische meldete, das den befürchteten Vormarsch der Franzosen nach Rom sicherlich unmöglich machen werde.341 Darüber hinaus soll Giulio de’ Medici auch die Unsicherheit der französischen Offiziere wegen der königlichen Absichten sowie den Zwist zwischen den beiden leitenden Feldherren, dem forschen Federico Sanseverino und dem zögerlich-vorsichtigen Jacques de Chabannes, beschrieben haben, bei dem letzterer sich nicht der Anmaßung des ersteren beugen wollte, zugleich Kardinal und Offizier sein zu wollen. Hinter dieser Kontroverse stand vermutlich ein Machtkampf, denn alle nach der Schlacht von Ravenna zusätzlich eroberten Städte des Kirchenstaates wie Forlì, Cesena, Imola und Rimini – weitere kamen später dazu – wurden mit ihren zum Teil ebenfalls eingenommenen Burgen dem Sanseverino als Legaten des Pisaner Konzils unterstellt und von ihm und seinem Bruder Galeazzo regiert.342

338 Cerretani, Ricordi, S. 266 (dieser Quelle folgt unsere Darstellung weitgehend, da sie mit ihren

detailreichen Angaben über das mutige Verhalten Giovanni de’ Medicis offenbar auf Aussagen von Augenzeugen wie dem eben auch bei Cerretani erwähnten Luigi de’ Rossi zurückgeht); Sanuto, Diarii XIV, Sp. 129 (wo unklar bleibt, ob hier eine Flucht im Anschluß an die der Spanier oder nur ein sicherheitsbedingtes Verlassen des Lagers angesprochen wird); sehr knapp: Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1039 (X/13). 339 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 129 (Vide, missier Nicola predicto, ad mensa li doi cardinali, cioè Medici et San Severin, et tutti li capitani francesi da la banda di San Severino, et tuti li pregioni spagnoli da la banda del cardinale Medici: tuti molto afflicti et che piangevano la lor trista et comune sorte). 340 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1044 (X/14). 341 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1044f. (X/14); ihm folgen Gregorovius, Geschichte III/2, S. 399, und Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 843. 342 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1041 (X/13); Sanuto, Diarii XIV, Sp. 190.

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Am Mittwoch, dem 14. April 1512, möglicherweise aber auch schon am 13. April, brach nach venezianischen Quellen Federico Sanseverino mit seinen Gefangenen nach Mailand auf.343 Diese bildeten etwas später den Bestandteil eines Triumph- und Trauerzuges von kaum gekannter Pracht: Am 13. April hatte man den Leichnam des gefallenen Helden Gaston de Foix mit zweihundert bewaffneten Reitern und 18 bis 20 oder gar 24 Siegestrophäen (darunter die Standarte des Königs von Spanien und des Papstes sowie dessen dem Cardona verliehenes goldenes Prunk- und Kapitänsschwert) aus Ravenna entlang der Via Emilia Richtung Mailand gesandt und mit einer täglich gefeierten Zeremonie zu einem bis zum 25. April, der Bestattung in Mailand, andauernden einzigen Begräbnis gestaltet.344 In Bologna erfolgte der Einzug am 15., in Modena – nach dem Bericht einer zeitgenössischen Quelle – am 19. April. Dort, in der vergeblich von ihm belagerten Stadt, wurde Giovanni de’ Medici erst am 17. April zusammen mit Pedro Navarro zu dem Trauerzug der Franzosen geführt und von den Bentivoglio ehrenvoll im Kommunalpalast untergebracht; hier, in Modena, sah man, wie Kardinal Giovanni de’ Medici unmittelbar vor dem mit Goldbrokatstoffen und dem Michaelsorden des Toten geschmückten Bleisarg ging; und man wußte bereits, daß er (mit den gefangenen spanischen und päpstlichen Offizieren wie Pedro Navarro und Fabrizio Colonna) als Gefangener nach Frankreich gebracht werden sollte.345 Am 25. April zelebrierte man dann den pompösen, einem antik-römischen Triumphzug nachgestalteten Einzug in Mailand. Hier schritt Giovanni de’ Medici hinter den je eine Kerze haltenden Mönchen und Geistlichen der wichtigsten Klöster und Kirchen Mailands an der Seite der übrigen hochrangigen Gefangenen – sie alle in Ketten – und vor den in Trauerkleidung gewandeten Reitern mit den mit einem Trauerflor versehenen Fahnen des Herzogs von Nemours, den Insignien seiner militärischen Gewalt und schließlich dem Sarg selbst – so wie der Bildhauer Agostino de Busti, genannt il Bambaia, es auf dem seitlichen Relief seines grandiosen, heute im Museum des Castello Sforzesco in Mailand zu sehenden Grabmonuments für Gaston de Foix dar- und nachgestellt hat. Der ganze Zug bewegte sich anschließend in den Mailänder Dom, um die ebenso gewaltige Begräbnismesse zu feiern, an deren Ende die Grablegung links vom Hochaltar an der Seite der Herzöge von Mailand stattfand.346

f) Giovanni de’ Medici als Gefangener Federico Sanseverinos in Mailand Im Anschluß an die Totenfeier für Gaston de Foix wurde Giovanni de’ Medici in Mailand in Gefangenschaft gehalten, doch in einer ehrenvollen, wie der Chronist betont.347 Vermutlich befand sich Luigi de’ Rossi als einer derjenigen, die de Kardinal bei seiner Gefangennahme auf dem Schlachtfeld von Ravenna noch begleiteten, weiterhin als Diener in

343 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 156. 344 Hierzu jetzt Leydi, Funerali, hier S. 60–62. 345 Zu Bologna vgl. Honig, Bologna, S. 59f.; zu Modena Leydi, Funerali, S. 62, Anm. 10. 346 Leydi, Funerali, S. 63–66, eine Teilabbildung auf der Tafel 1. 347 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1052 (X/15).

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seiner Nähe. Die äußerst zuvorkommende Behandlung hatte er gewiß nicht allein seinem geistlichen Stand, sondern auch und sogar wahrscheinlich primär seinem Freund Federico Sanseverino zu verdanken. Erstaunlich sind die von Guicciardini überlieferten geistlichen Akte Giovannis, die von dem für ihn Verantwortlichen, also dem Sanseverino, genehmigt worden sein müssen. Der Medici hatte von Julius II. die facultas erhalten, die für das Pisaner Konzil gegen den Papst angetretenen Soldaten von den kirchlichen Zensuren zu befreien und den gestorbenen das kirchliche Begräbnis zu gestatten. Während seiner Gefangenschaft erhielt der Legat des Papstes die Erlaubnis, diese Amtsgewalt auszuüben. Unter Zustimmung der Minister Ludwigs XII. – aber unter Mißbilligung der schismatischen Kardinäle (ausgenommen offensichtlich Federico Sanseverino) – kam es zu einer enormen Nachfrage nach diesen Absolutionen.348 Vermutlich gegen Ende April hatte Federico Sanseverino Mailand wieder verlassen, um seinen königlichen Auftrag bei der weiteren Eroberung des nördlichen Kirchenstaates fortzusetzen. Am 3. Mai 1512 oder kurz vorher nahm er die durch Kapitulation eroberte Burg der Stadt Cervia mit vier bis sechs seiner Getreuen in Besitz.349 Was sich dann in den nächsten Tagen abspielte, ist aus den etwas widersprüchlichen Quellen nicht ganz genau zu erfahren. Um den 4. Mai wollten die venezianischen Berichterstatter in Vicenza wissen, der Kardinal Sanseverino sei mit seinem Bruder Galeazzo, dem Gran Scudiere, im Eiltempo nach Frankreich geritten; am 12. Mai hörte man in Vicenza, der Kardinal komme nach Imola – was einen wirklich sehr schnellen Hin- und Rückritt bedeutet hätte, wenn es stimmte.350 An jenem 12. Mai 1512 sandte der venezianische Botschafter in Rom Kopien abgefangener Briefe nach Venedig, die der mailändisch-französische Feldherr Giangiacomo Trivulzio am 4. Mai an Federico Sanseverino geschrieben hatte und in denen er den Kardinal aufforderte oder drängte, das französische Heer aus der Romagna nach Mailand zu verlegen, um den heraneilenden Schweizern entgegenzutreten.351 Tatsächlich brachen die Franzosen in den folgenden Tagen unter dem eigentlichen militärischen Führer Jacques de Chabannes den Vormarsch Richtung Rom ab, verließen die Romagna und zogen sich in die Lombardei zurück. Der Papst, der Frankreich mit Friedensverhandlungen getäuscht hatte, schmiedete erfolgreich ein explizit gegen Frankreich gerichtetes Bündnis mit Spanien, England, Venedig und den Schweizern, dem nach und nach auch der Kaiser unter Auflösung der Liga von Cambrai beitrat. Schon Ende Mai rückten 18.000 bei Trient versammelte Schweizer gegen das französisch besetzte Verona vor und nahmen es rasch ein.352 In jenen dramatischen, von Konfusion und Hektik bestimmten Tagen des vorläufigen Endes französischer Dominanz in Oberitalien spielten sich ganz erstaunliche Szenen zwischen unseren Protagonisten ab, die uns durch verschiedene Quellen wie kleine Gemälde, 348 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1052 (X/15): Cerretani, Ricordi, S. 268. 349 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 194. 350 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 194, 214. 351 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 225. 352 Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 851–853; Wiesflecker, Maximilian I., IV, S. 101f.;

Baumgartner, Louis XII, S. 221f.

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wenn auch nur flüchtig gemalt, vor Augen stehen; es sind merkwürdige Einblicke in eine Freundschaft unter erschwerenden Umständen. Federico Sanseverino hatte in jenen Tagen Salvestro di Dino Guardi, dem Leiter der mailändischen Filiale der Bartolini-Bank, die Anweisung gegeben, aus dem Bankvermögen 200 Scudi di sole bzw. 930 mailändische Pfund an seinen Vertrauten Luigi Becchetti und an Gianpiero Morone zu zahlen, um mit diesem Geld dem gefangenen Kardinal Giovanni de’ Medici zu dienen, zu helfen.353 Salvestro di Dino übergab den Betrag am 4. Mai 1512 an Sanseverinos Sekretär Becchetti, jenen Mann, der in Rom neben Federico Sanseverino und Leonardo di Zanobi Bartolini bis 1503 zu den engagiertesten und wichtigsten Kräften der militärischen Restitutionsbemühungen der Medici gehört hatte. Mit diesem Anfang Mai verfügbar gemachten Betrag von 200 Scudi wollte der schismatische Kardinal also seinen nun gefangenen Freund unterstützen! Doch der Zahlungsvorgang war so verwickelt wie die Zeiten kompliziert.354 Die Bartolini-Bank machte später nämlich geltend, ihr Mitarbeiter Salvestro di Dino habe von ihr gar keinen Auftrag für die Auszahlung der Summe gehabt; und sie wußte, daß Giovanni de’ Medici das Geld nicht annehmen wollte. Bei einer Kontenaufstellung vom 11. Januar 1514 wurden dem Konto Sanseverinos bei der Bartolini-Bank jene 930 mailändische Pfund gutgeschrieben als Stornierung jener gleich hohen Summe, über die man ihn aufgrund der an Luigi Becchetti für den Medici-Kardinal geleisteten Zahlung zum Schuldner gemacht hatte. Am 12. Oktober 1514 wurde daher Gianpiero Morones Konto bei der Mailänder Bartolini-Bank mit einer Zahlungsverpflichtung für die Hälfte, also 100 Scudi, belastet, die dem Konto Salvestros gutgeschrieben werden sollten; am 25. Oktober 1514 wurde mit der anderen Hälfte das Konto Luigi Becchettis belastet, der sich verpflichtete, die 100 Scudi an die Bartolini-Bank zu zahlen, wenn der Kardinal Federico Sanseverino sie nicht akzeptieren würde. Dieser wollte die Forderung tatsächlich nicht annehmen, so daß Salvestro di Dino bis zum Erhalt Schuldner über diese Summe war. (Morone und Becchetti hatten demnach jeweils 100 Scudi vorerst für sich behalten.) Auch wenn wir durch diese Angaben über die genauen Aufträge, Kompetenzen und den Verbleib des Geldes etwas im unklaren gehalten werden, fest steht, daß während der Gefangenschaft Giovanni de’ Medicis in Mailand nicht nur Federico Sanseverino in einer dauernden und positiven Beziehung zu ihm stand, sondern auch dessen Sekretär Luigi Becchetti, sodann der mit dem Sanseverino, den Bartolini und dem Medici (über Morimondo) verbundene Großpächter Gianpiero Morone sowie nicht zuletzt (über ihre Mailänder Filiale) die Bank des Leonardo di Bartolomeo Bartolini, der in vielfältigster Weise mit dem Medici wie dem Sanseverino verflochten blieb – ein zentraler Knotenpunkt unseres Netzwerkes, der durch die politischen Wirren eher wuchs denn darb. Die Bartolini-Bank in Lyon und Mailand erwies sich, vermutlich mehr denn je benötigt, in jenen stürmischen Maitagen als Stütze des Sanseverino-Kardinals, der nun durch die sich überschlagenden Ereignisse ebenfalls zu einem Geworfenen der politischen Er353 ABS 202, c. 5. 354 Die weiteren Zeugnisse hierzu finden sich in ABS 202, c. 62, LXIIII, 78.

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eignisse wurde. Ebenfalls im Mai 1512 stellte ihm die Mailänder Bartolini-Bank aus ihrem Guthaben 900 mailändische Pfund zur Verfügung, die er am 15. jenes Monats in einer Herberge in [Borgo] San Donnino (dem heutigen Fidenza, zwischen Parma und Piacenza an der Via Emilia gelegen) einmal mehr aus der Hand Gianpiero Morones erhielt.355 Die Bartolini halfen dem Sanseverino, der Trivulzios Aufforderung vom 4. Mai zum Rückzug aus der Romagna also nachkam, desgleichen während seines Eilmarsches gen Mailand mit Bargeld; vor allem zeigt diese Momentaufnahme, daß die Bartolini-Bankiers selbst in dieser chaotisch-hektischen Situation in einem ständigen Kontakt mit ihm gestanden haben müssen. Für stabile Kontinuität sorgten sie dann zugleich von Lyon aus, als sie unter anderem seit dem 1. April 1512 die monatliche Besoldung seines für den französischen Hof zuständigen Sekretärs Niccolò da Ceva besorgten – die Finanzierung des Kardinals durch die Pacht seiner großen Benefizien und Bistümer ganz beiseite gelassen.

g) Die Flucht des Giovanni de’ Medici aus der Gefangenschaft: göttliches Wunder oder Freundschaftsakt eines schismatischen Kardinals? Als Federico Sanseverino am 15. Mai 1512 in Borgo San Donnino die 900 Pfund von seiner, der Bartolini-Bank erhielt, befand er sich nicht nur auf einem Rückzug aus der Romagna, sondern zugleich auf dem Weg nach Mailand, um von dort die hochrangigen Gefangenen mit einem Teil des französischen Heeres, das sich in nahezu auswegloser Defensive befand, auf den sicheren Boden Savoyens und Frankreichs zu führen. Giovanni de’ Medici und seine spanischen und italienischen Mithäftlinge erwartete also das Schicksal eines Ludovico il Moro, der in der Gefangenschaft starb, oder eines Ascanio Sforza und Bartolomeo d’Alviano, die erst nach vielen Jahren Italien wiedersahen. Statt baldiger Beendigung des Exils und glorreichem Wiedergewinn der Macht in Florenz mit Hilfe des Della Rovere-Papstes stand dem Oberhaupt einer der glänzendsten Familien Europas die Schmach einer möglicherweise langjährigen Gefangenschaft in Loches oder in einer anderen für solche Zwecke benutzten französischen Festung bevor. Diese Situation war ohne Zweifel der Tiefpunkt seines bis dahin fast dreizehnjährigen Exils. Nun weiß jeder, daß Giovanni de’ Medici kein Jahr später nicht hinter den dicken Mauern eines französischen Kerkers ein dunkles Leben fristete, sondern nach der Rückkehr ins heimische Florenz auf dem gleißenden Gipfel des nicht nur für ihn, sondern für jeden Geistlichen Menschenmöglichen stand: Er wurde Papst. Es gab also vorher einen Punkt, an dem das Schicksal Giovannis und des gesamten Hauses Medici eine Umkehr von höchster Qualität erlebte: das Ereignis der Flucht aus französischer Gefangenschaft. (Genau so interpretierte sie im übrigen auch Giovanni de’ Medici!) Ihre genauere Analyse ist somit für unser Thema von zentraler Bedeutung. Gegen Ende Mai 1512 muß das Heer mit den hochkarätigen Gefangenen aus Mailand aufgebrochen sein, während andere Teile der französischen Truppen, vor allem unter Jacques de Chabannes, noch bis Mitte Juni an verschiedenen Orten versuchten, die Lom355 S.o. S. 906.

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bardei zu verteidigen.356 Die Flucht gelang Giovanni de’ Medici jedenfalls bereits am 3./4. Juni 1512 bei dem kleinen Ort Pieve del Cairo an der Ostseite des Po in der Lomellina, von wo aus es dann nach Alessandria und Asti weiter nach Westen gegangen wäre.357 Was sich bei Pieve del Cairo genau abspielte, läßt sich nicht mehr klären, da die verschiedenen zeitgenössischen Chronisten stark voneinander abweichen und moderne Darstellungen oft zeitlich getrennte Vorgänge zusammenwerfen und Legenden unkritisch rezipieren. Sicher und entscheidend ist die Tatsache, daß Giovanni de’ Medici der Aufsicht Federico Sanseverinos unterstand. Man sagt, der Sanseverino habe mit den anderen Kardinälen und dem Gros der sie begleitenden Truppen am Abend des 3. Juni den Po mit Barken überquert und habe dann in großer Eile den Rückzug Richtung Südwesten fortgesetzt. Giovanni de’ Medici aber habe aufgrund eines vorgetäuschten Unwohlseins die Erlaubnis erhalten, die Nacht auf dem Mailand zugewandten nordöstlichen Ufer des Po im Haus des dort ansässigen Adligen Gentile Beccaria mit seiner Begleitung und wenigen Bewachern zu verbringen. Einen seiner Begleiter, den Abt Jacopo Buongallo, habe Giovanni de’ Medici dann gebeten, in der Gegend Hilfe zu erfragen; und tatsächlich habe sich Gentile Beccaria erboten, zusammen mit Rinaldo Zatti und Ottaviano Isimbardi dem Medici zur Flucht zu verhelfen, wobei ihnen bei der nächtlichen Vorbereitung die Nachlässigkeit der französischen Wachen zugute gekommen sei. Hilfreich sei ihnen bei der am nächsten Morgen, kurz vor Besteigung der Barken am Po-Ufer bei Bassignana, durch wenige Helfer erfolgenden Befreiungsaktion die geringe Zahl von 400 noch dort verbliebenen Franzosen gewesen sowie deren Panik und Ungeduld, die Grenze der Lombardei hinter sich zu lassen.358 Das Wunder in der Kunst und ein schismatischer Kardinal als rettender Engel Tatsächlich hatte Giovanni de’ Medici als Papst Leo X. im September 1513 Empfehlungsbriefe für die Isimbardi-Familie schreiben lassen, hatte er Jacopo Buongallo 1515 das Bistum Anagni gegeben, hatte 1516 Rinaldo Zatti mit dem Kastell Genga (bei Macerata) belehnt, Ottaviano Isimbardi zum Capitano der päpstlichen Wachen gemacht und hatte die Kirche von Pieve del Cairo großzügig mit zwei Ablässen bedacht.359 An dem Ereignis, dem Ort und der Hilfe dieser Personen kann es somit keinen Zweifel geben. Sowohl die Zeitgenossen als auch Giovanni de’ Medici hatten die erfolgreiche Flucht jedoch nicht als menschliche Tat, sondern als ein Wunder begriffen. Paris de Grassis, der päpstliche Zeremonienmeister, schrieb in seinem Tagebuch, nicht ein Mensch, sondern 356 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1054–1061 (X/16), doch ohne Chronologie; Pastor, Geschichte

der Päpste III/2, S. 853–855; Baumgartner, Louis XII, S. 222. 357 Zum Datum: Ravasio, Memorie, S. 384; Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 853, Anm. 4;

Stenius, Prisoner, S. 89, der auch die jüngste und quellenkritischste Darstellung der Flucht bietet. 358 Ravasio, Memorie, S. 384f.; Stenius, Prisoner, S. 88–90. 359 Eubel, Hierarchia III, S. 107 unter „Anagnin.“ zu Buongallo (der ein Jahr später Bischof von Sutri-Nepi wurde, was in der Forschung als erstes „Geschenk“ des Medici bezeichnet wird); Ravasio, Memorie, S. 388; Stenius, Prisoner, S. 92.

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Gott habe den in auswegloser Gefangenschaft gehaltenen Legaten befreit; dem schloß sich schon im Oktober 1512 der große Gelehrte Egidius von Viterbo an – und die Mediceer leisteten dabei sicherlich Interpretationshilfe.360 Bei Leos feierlichem possesso, der rituellen ‚Besitzergreifung Roms‘, die er mit gewaltigen Kosten zu einem Triumphzug erhob, wie ihn Rom seit der Antike nicht mehr sehen durfte, wurde mehrfach auf die zentrale Episode aus dem Leben des Medici hingewiesen. Auf der heutigen Via del Governo Vecchio wurde vor dem Kirchlein San Angelo in Macerello eine Figur aufgestellt, über der in Versen zu lesen war, daß der Dezember ihm mit der Geburt Gunst brachte, der April ihm aber Leid und Qual zufügte – also die Gefangenschaft bei der Schlacht von Ravenna –, während der März ihn (mit der Papstwahl) von jedem Schmerz befreit habe. Einige Meter weiter, kurz vor der Piazza di Parione, gab es vor dem Haus des Florentiner Kurialen Fernando Ponzetto eine Steigerung. Erstmals hatte einer der insgesamt neun gewaltigen, antikisierenden, von Künstlern bearbeiteten Triumphbögen die beiden Schlüsselszenen der Leo-Vita sehr anschaulich visualisiert, die Gefangennahme bei der Schlacht von Ravenna sowie die mirakulöse Flucht, als der Medici-Kardinal im Juni 1512 am Ufer des Po den französischen Soldaten entkommen konnte. Hier aber sah man über dem Wasser als eigentlichen Urheber des Erfolges einen Engel, der die Soldaten in die Flucht jagte! Die Klimax wurde erreicht, als man auf dem Rückweg vom Lateran am Schluß der Prozession die zweite, als neunter und letzter Triumphbogen zu zählende Hälfte eines gewaltigen Doppelbogens durchritt, der von den Florentiner Kaufleuten vor der römischen Zecca errichtet worden war (auf der linken Seite der Gabelung der heutigen Via del Banco Santo Spirito in die Via dei Banchi Nuovi befand sich die auf dem Hinweg zum Lateran durchrittene erste Hälfte, auf der rechten, der einst über den Largo Tassoni führenden Via dei Banchi Vecchi, die zweite). In seinem Inneren wurden nun acht Schlüsselszenen der Vita Giovannis gezeigt, die sich zwecks schlüssiger Zahlensymbolik alle an einem 11. ereignet haben sollten und mit dem possesso endeten. Was bedeutete schon die Korrektur der Daten, wenn der Lebensweg eines erwies: Daß mehr als die Menschen Gott diesem Medici half! Krönender Beweis war die mittlere der Schlüsselszenen der Vita Giovannis, die allen – allein 8–10.000 Personen gehörten zu den Teilnehmern des Zuges! – zum zweiten Mal vor Augen führte, daß die entscheidende Hilfe für seine Befreiung aus französischer Gefangenschaft am Tag des Hl. Barnabas im Juni 1512 von Gott kam, da er wollte, daß jener sein Vikar würde! Leos zentrale Lebensstationen wurden also in doppelter Hinsicht zelebriert: zum einen die eigene Geschichte 360 Frati, Spedizioni, S. 317f. (Laudamus Te Domine Deus omnipotens, et gratias agimus tibi, qui

facis mirabilia magna solus, et quem totus, ut ita dixerim mundus longo vix aevo non potuisset liberare Legatum Apostolicum a Rege Gallo, tam fortiter ligatum, tam arcte carceratum, tam multipliciter muro et milite custoditum. Tu bone Deus tua misericordia liberasti, servasti, reddidisti hominem iustum, pium, bonum et undecumque de tua gratia benemerentem, et ab omnibus dilectum, et pro quo oratio sine intermissione fiebat ad Deum. Itaque Deus, non homo liberavit hunc Legatum, qui est Rev.mus Dominus Ioannes sanctae Mariae in Dominica Diaconus Cardinalis de’ Medicis dudum Legatus Bononiae et Romandiolae creatus [...]; vgl. Stenius, Prisoner, S. 90f.

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als Leidens- und Erfolgsgeschichte im Bild, zum anderen das Bild des Individuums, das Papst wurde, in einer konkret-unmittelbaren Beziehung zu Gott, der bei der Lebenswende in Gestalt seines Engels erschien! Mit diesem die gesamte Vita umfassenden, bildlich gestalteten transzendenten Bezug feierten ihn am Ende des possesso also seine Florentiner Kaufleute, zu denen natürlich auch sein Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini gehörte. Dieser kolossale doppelte Triumphbogen rühmte Leo denn auch in einer Inschrift als von Gott Gesandten.361 361 Bei Penni, der als Augenzeuge die ausführlichste Beschreibung des possesso lieferte, wird nur

die Flucht geschildert, dafür aber sehr genau; gedruckt in: Cruciani, Teatro, S. 390–405, vgl. hier S. 401. Venezianische Zeugen erklärten hingegen, daß im Inneren dieses Bogens außer diesem Ereignis auch das von Ravenna gezeigt wurde; Sanuto, Diarii XVI, Sp. 686 (allerdings mit der irrigen Angabe, die Flucht sei am Ufer des Thesino statt des Po gelungen). Die acht Szenen im Inneren des zweiten Triumphbogens der Florentiner Kaufleute bei Cruciani, Teatro, S. 403f. (in evidenter Zahlensymbolik sind die acht wichtigsten Ereignisse aus dem Leben des Giovanni de’ Medici auf einen 11. gelegt worden, nämlich die Geburt am 11.12., die Kardinalsernennung am 11.3., die Flucht aus Florenz am 11.11., die Gefangennahme bei Ravenna am 11.4., die Flucht aus französischer Gefangenschaft am 11.6. (per divino ajuto di Dio più che mondana opera accioché quello fussi suo vicario lo liberò), die Rückkehr nach Florenz am 11.9., die Papstproklamation am 11.3. sowie questa solenne coronatione am 11.4. – daß diese Daten mit den historischen zum Teil nicht übereinstimmen, sei nur am Rande vermerkt). Ein im Bogen rezitiertes Gedicht zu den Ereignissen am 11. unterstrich die Bedeutung dieses Komplexes); vgl. auch Shearman, Raphael’s Cartoons, S. 17f. Cummings hingegen glaubte diese Szenen auf dem angeblichen Triumphbogen Zinks zu sehen, auf dessen apparato jedoch in den acht tondi und in den Achtecken überindividuelle, oft moralisierende Szenen mit Beschriftung gemalt worden waren. Beide Aussagen scheinen auf eine irrige Lesung Pennis bzw. auf entsprechend falsche Darstellungen in der älteren Literatur zurückzugehen. Penni hatte gegen Ende seiner Beschreibung in gleichsam spiegelbildlicher Form für die Via Florida zunächst den zweiten Teil der ZinkDekoration beschrieben, um dann auf den zweiten Triumphbogen der Florentiner Kaufleute einzugehen, der im Aufbau dem ersten in der Via Pontificum glich, nun aber im Inneren die acht biographischen Szenen bot. Cummings hat mit einer weiteren Fehllesung Pennis bzw. offenkundig durch Rekurs auf entsprechende Literatur geglaubt, der zweite Doppelbogen bei der Weggablung vor der Zecca sei von Johannes Zink finanziert worden. Penni spricht aber sehr präzise von einem arco over edifizio, facto da nostri concivi mercanti fiorentini, der aus zwei Bögen bestanden habe, von denen einer die Via Pontificum (auch Via Papalis genannt, heute Via dei Banchi Nuovi), der andere die Via Florida (meist als Via Peregrinorum bezeichnet, heute Via dei Banchi Vecchi) überspannt habe. Johannes Zink hingegen habe nach Penni einen mit beiden Bögen verbundenen Fassadenschmuck an der von ihm bewohnten Zecca angebracht, eben jenem Haus, das an der Spitze der Gabelung stand (da questo arco nascea un bellissimo adornamento fatto fare del [...] messer Johanni Zincha Teutonico), der wiederum mit einem Architrav und zwei Säulen verbunden war, die Zink mit teuren Stoffen schmückte; vgl. Cruciani, Teatro, S. 397–399; Cummings, The politicized muse, S. 46–51. Günther erkannte die Festdekoration Zinks ebenfalls als eine die gesamte Fassade der Zecca umspannende, glaubte sie jedoch irrigerweise als von Bramante gefertigt; die entsprechende Quelle der Erzbruderschaft von San Giovanni dei Fiorentini verweist jedoch, wenn überhaupt, auf den großen Doppelbogen, den eben diese Bruderschaft bzw. die Florentiner Kaufleute in Rom finanzierten, ist möglicherweise aber gar nicht darauf zu beziehen, wenn die Datierung der Quelle mit dem 1.3.1513 stimmt, da an jenem Tag noch nicht einmal das Konklave begonnen hatte, geschweige denn Giovanni de’ Medici gewählt worden war; vgl. Günther, Trivium, S. 220 und Anm. 272, 273. Doch schon eine sehr grundsätzliche Überlegung läßt es als selbstverständlich erscheinen, daß die Florentiner

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Diese durch die erfolgreiche, mirakulöse Flucht begründete Interpretation ließ Giovanni de’ Medici, der zweifellos schon Einfluß auf die Gestaltung bzw. die Inhalte der Triumphbögen genommen hatte, an keinem geringeren Ort als der Sixtinischen Kapelle für die Mit- und Nachwelt, für die Ewigkeit in eine dauerhaftere Form bringen. Die Sixtinische Kapelle war um 1500 zur exklusivsten Kultstätte der Römischen Kirche geworden, vor allem da die Basilika von St. Peter durch die Umbauarbeiten kaum noch zu benutzen war und auch den Anforderungen eines ausgefeilten Zeremoniells zur Feier der maiestas papalis nicht mehr genügte.362 Das Renaissance-Papsttum hatte die Person des Papstes stärker als je zuvor in den Mittelpunkt einer repräsentativen Liturgie gestellt. Eigens hierfür, für diese den Papst verherrlichenden liturgischen und zeremoniellen Akte, wurde unter Papst Sixtus IV. zwischen 1475 und 1483 eine große Kapelle gebaut, die bald nur noch nach ihrem Auftraggeber benannt wurde. Hier wurden in Anwesenheit des Papstes an ca. 40 Festtagen feierliche, von polyphoner liturgischer Musik getragene Gottesdienste zelebriert, an denen im Chorraum nicht nur die hohen kurialen Geistlichen teilnahmen, sondern auch weltliche Mitglieder des römischen Adels, das gesamte diplomatische Corps der Kurie sowie illustre Gäste. Zur Zeit des ersten Medici-Papstes Leo X. sahen all diese Teilnehmer der Feiern oben an der Decke bereits die Fresken Michelangelos, darunter in der oberen Wandzone die Quattrocento-Fresken Botticellis, Peruginos und anderer, mit Szenen aus dem Leben Christi und Mose. In strenger formaler wie inhaltlicher Beziehung zu diesen Wandfresken ließ Leo X. nun 1514/15 für den unteren Teil der drei Wände des Chores wesentlich teurere, prächtige Wandteppiche mit Szenen der Apostelgeschichte von Raffael entwerfen, wobei er karolingische, von seinen namensgleichen Vorgängern Leo III. und Leo IV. geschaffene Traditionen erneuerte.363 Es war dies eine seiner größten Kaufleute zu Ehren „ihres“ Papstes den gewaltigsten Triumphbogen bauen ließen, und als ausgeschlossen, daß sie einen der beiden Doppelbögen einem konkurrierenden Deutschen überlassen hätten. Zum possesso vom 11.4.1513 vgl. jetzt auch Rohlmann, Kunst und Politik, S. 200, 228f.; Ders., Gemalte Prophetie, S. 282–289; Tewes, Eigenbild, S. 92–96. Teilweise wurde behauptet, die erste Darstellung der Befreiung des Medici-Kardinals aus französischer Gefangenschaft habe sich auf einem Triumphbogen auf der Piazza di Parione befunden; vgl. auch Romeo, Raffaello, S. 61. 362 Vgl. Roth, Liturgische Musik, hier bes. S. 162–164. 363 Grundlegend: Shearman, Raphaels’ Cartoons (doch auf S. 84f. noch mit falscher, auf ältere Legenden zurückgehender Deutung der beiden Bordüren-Szenen unter der „Heilung des Lahmen“: die in chronologisch richtiger Reihenfolge links zu denkende, in Brüssel aber irrig auf die rechte Hälfte gesetzte Szene zeige die Gefangennahme des Kardinals durch die Franzosen bei Ravenna, während die zeitlich spätere und richtigerweise rechts zu setzende, heute links zu sehende Szene die Flucht aus der Gefangenschaft mit der Ankunft in Mantua bringe); mit der richtigen Interpretation, daß rechts (links zu denken) nicht die Gefangennahme bei der Schlacht von Ravenna, sondern die Befreiung und Flucht des Medici bei Pieve del Cairo am Po zu sehen ist, links dagegen (rechts zu denken) die etwas spätere Ankunft in Mantua: Stenius, Prisoner, S. 93f.; und jetzt vor allem Romeo, Raffaello, S. 60–66. Romeo stellt insbesondere den entscheidenden Bezug zur inhaltlich parallelen Fluchtszene auf dem Triumphbogen des possesso her, wo wie auf der Teppichbordüre in antiker Manier eine kleine Einschiffungsszene gezeigt wird (die bei der Gefangennahme während der Schlacht von Ravenna gar keinen Sinn ergäbe und fehl am Platz wäre), die offenbar von der Traianssäule übernommen wurde. Die auf der Bordüre zu se-

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Kunststiftungen überhaupt, vergleichbar mit dem von Michelangelo gestalteten MediciMausoleum an San Lorenzo in Florenz. Jeder einzelne Teppich war ungefähr 2.000 Goldgulden wert; sie wurden nach Raffaels Kartonzeichnungen in einer Tapisseriewerkstatt in Brüssel angefertigt. Leo X. ging es bei der Stiftung der Teppiche jedoch nicht allein um eine Verherrlichung Gottes und um die glanzvolle Vollendung der ihm so wichtigen maiestas papalis. In einer für diesen universal-zentralen Kultort unbekannten Form sollte zugleich seine Familie, oder besser: seine eigene Karriere verherrlicht werden. Kein Papst vor und nach ihm wagte es, sein privates Leben in solch programmatisch-propagandistischer Weise in die bildliche Preisung der biblischen Heilsgeschichte einzubinden. Der Medici-Papst ließ auf den fünf Teppichen der Altar- und rechten Seitenwand die unteren Bordüren mit den zentralen Ereignissen seines Lebens vor der Papstwahl schmücken. Ihre Anordnung war zentripetal auf einen elementaren Bezugspunkt ausgerichtet, den wichtigsten Platz in der Kapelle, den an der linken Längswand vor dem Altarbereich befindlichen Thron des Papstes. Im direkten Blickfeld des Papstes lagen somit die freskierten Szenen aus dem Leben Christi, darunter korrespondierend Raffaels Teppichbilder der Vita Petri, auf deren Bordüren nun in chronologischer Abfolge die Lebenshöhepunkte des Giovanni de’ Medici erschienen. Doch ein Ereignis sollte alle anderen überragen; dieses allein erhielt eine exklusive farbliche Betonung, diesem wurde die zentrale, die wichtigste Position zugewiesen, nämlich die mittlere auf der rechten Wandseite, womit es sich genau gegenüber dem Thron befand. Im Zentrum der papstchristlichen Welt bildete es gleichsam einen Mittelpunkt, einen Angelpunkt päpstlicher Gottesverehrung. Warum? Was war hier zu sehen? An dieser Stelle ließ Leo X. durch Raffael illustrieren, wie er als Kardinal Anfang Juni 1512 bei Pieve del Cairo am Po aus der französischen Gefangenschaft fliehen konnte! Über der Bordüre mit der Fluchtszene zeigte das Hauptbild des Teppichs die wundersame Heilung des Lahmen durch Petrus vor dem Tempel. Im formal und inhaltlich korrespondierenden älteren Fresko im oberen Wandfeld der Kapelle hatte Botticelli die Versuchung Christi durch den Satan gemalt, die mit dem alttestamentarischen, wunderhaften Reinigungsopfer des Leprakranken verknüpft worden war. Die Bezüge waren klar. Durch die axiale Entsprechung bzw. Bildkoordinierung von Teppichbordüre und darüber befindlichen Bildern wurde luce clarius veranschaulicht, was schon schriftlich formuliert war: Die Flucht aus den Fesseln der französischen Gefangenschaft war ein Wunder, möglich allein durch ein Eingreifen Gottes, nicht der Menschen – genau so, wie die Wunder der Lahmenheilung durch Petrus und der Leprosenheilung nur durch göttliche Hilfe möglich waren, und eben so, wie der Widerstand gegen die teuflischen Versuchungen nur dem hende Kampfszene gibt eben auch keinen Ausschnitt aus einer der gewaltigsten Schlachten auf italienischem Boden wieder, sondern das kleine Scharmützel bei der Befreiung des MediciKardinals, der seinen Rettern deshalb den ausgestreckten Arm entgegenhält. Zu den Teppichen vgl. auch Weddigen, Tapisseriekunst (mit Hängeplan S. 270 und Abbildung des Teppichs mit der „Heilung des Lahmen“ und den uns beschäftigenden Bordüren auf S. 355 im Katalog), Tewes, Eigenbild, S. 97–99.

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getauften, vom Hl. Geist beseelten Jesus möglich war. Engel stehen Jesus dabei helfend und dienend zur Seite. Ihr Erscheinen sollte mit einem von Engeln bei seiner Flucht geleiteten Medici-Kardinal parallelisiert werden. Gott hatte Anfang Juni 1512 also eingegriffen. Nur weil Gott die Folgen der Schlacht von Ravenna zum Guten gelenkt hatte, war die wunderbare Erhöhung des aus Italien zu deportierenden Medici-Kardinals zum Papst, zum Stellvertreter Gottes auf Erden möglich geworden. Nun mögen wir gern glauben, Giovanni de’ Medici habe diese so unendlich folgenreiche Wende seines Lebens als himmlischen Eingriff verstanden, haben wir gar keinen Anlaß, an der mehr als fundamentalen Bedeutung dieses Ereignisses für sein Leben zu zweifeln, werden auch gern zugestehen, daß sich göttliche Lenkung mit menschlicher Hilfe zusammenfügte – doch bei nüchterner Betrachtung der überlieferten und bisher präsentierten Zeugnisse erscheint die Flucht so wundersam, daß sie doch zu Nachfragen anregen muß. Wieso blieb ein so hochrangiger und wichtiger, für die Auseinandersetzung mit dem Papst zentraler Gefangener des Königs mit so wenigen Bewachern gleichsam unbeaufsichtigt? Wieso hören wir nichts von den anderen hochkarätigen Gefangenen, die offenbar plötzlich nicht mehr zusammen mit dem Medici nach Frankreich geleitet wurden, die aber keine Gelegenheit zur Flucht erhielten und somit gleich den Sforza und anderen ihre Gefangenschaft in Frankreich antreten mußten? Wieso entfernte sich der so umsichtige, ehrgeizige, stolze und energische Sanseverino von seinem wichtigsten Gefangenen – wenn die Überlieferung denn stimmt –, überließ ihn fernab des Hauptheeres (und nicht mitten in ihm) der Obhut weniger subalterner Soldaten? Wieso konnte eine kleine Truppe von einigen Bauern und Landadligen den höchstrangigen und bedeutendsten Gefangenen aus der Gefangenschaft eines hochspezialisierten Heeres befreien? Wieso vernehmen wir keine einzige Rüge Ludwigs XII. für den verantwortlichen Kardinal Federico Sanseverino, keinen Zornesausbruch des Königs? Nein, der Schlüssel für die Lösung dieser Probleme, der eigentliche, wirkmächtige Hebel für die Öffnung der Fluchtwege, er mußte größer und mächtiger gewesen sein als die genannten und er mußte das Plazet des Königs von Frankreich besessen haben. Bedenken wir nun die bisher herausgearbeiteten (und sicherlich nur einen Teil des Tatsächlichen erschließenden) langjährigen und äußerst engen Beziehungen zwischen Giovanni de’ Medici, seinen Brüdern und Freunden und Federico Sanseverino, der sich als der wichtigste und vor allem im Handeln kontinuierlich aktivste, engagierteste Freund der exilierten Medici erwies, dem man als „Säule der Casa Medici“ deswegen sogar das Medici-Wappen über seinem Hausportal anbrachte, dann kann es allein aufgrund der Indizien und des Kontextes nur eine Antwort auf unsere Fragen geben: Der die Haft aufbrechende Hebel oder – um in dem Giovanni de’ Medici genehmeren Bild zu bleiben – der rettende Engel des gefangenen Medici-Kardinals hieß Federico Sanseverino, war ein schismatischer Kardinal!364 Nur er besaß die Autorität, die Macht und die Möglichkeiten, eine Befreiung des Medici zu billigen, wenn nicht sogar vorzubereiten und zu organisie364 Erste Überlegungen und Erläuterungen zu dieser These bei Tewes, Leo X. und Frankreich, S.

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ren. Dies konnte er aber nur auf der Grundlage einer voraufgegangenen Verständigung mit König Ludwig XII. gewagt und durchgeführt haben, bei dem er damals höchstes Ansehen und größten Einfluß besaß. Schon aufgrund solch rationaler, indirekter Überlegungen und Argumente halten wir diese Annahme für höchst plausibel. Wir müssen uns freilich nicht mit ihnen begnügen. Es gibt eine bisher offenbar übersehene Aussage eines Zeitgenossen zu jenem Vorgang, die unsere Behauptung bestätigt. Da es sich dabei um einen Medici-Intimus handelt, gewinnt sie noch größeres Gewicht und Glaubwürdigkeit. Der 1463 in Prato geborene Jacopo Modesti, ein in den antiken Sprachen und der römischen Jurisprudenz gebildeter Schüler von Angelo Poliziano, Lehrer dann eines Francesco Guicciardini, von der Republik Florenz auch nach 1494 zwar gefördert, doch während des Exils der Medici diesen weiterhin stets sehr freundschaftlich verbunden und ihnen dienend, Jacopo Modesti also schrieb eine kurze Geschichte des Sacco di Prato, jenes furchtbaren Gemetzels, welches die für die Medici eingesetzten spanischen Truppen Ende August 1512 in Prato verübten und mit dessen Schrecken sie kurz darauf den Machtwechsel in Florenz durchsetzten.365 Modesti leitete seine Darstellung mit der Erwähnung der Schlacht von Ravenna und der Gefangennahme des Kardinals Giovanni de’ Medici und anderer großer Persönlichkeiten ein. Dann folgt der entscheidende Satz: Il Cardinal de’ Medici n’era menato prigione in Francia; ma perchè gli fu fatto spalla segretamente dal Cardinal Sanseverino, fu tolto e renduto in libertà!366 Die auf dem Weg in ein Gefängnis in Frankreich erfolgende Befreiung des Giovanni de’ Medici war also nur deshalb möglich, weil Federico Sanseverino ihm in entscheidender Weise mit starker Hand heimlich beistand, weil er den Medici gleichsam auf seinen breiten, starken Schultern rettete. Modesti ist für sein sonst offenbar nicht überliefertes Zeugnis keineswegs bestraft worden, im Gegenteil. Die Kommune von Prato ernannte ihn nach der Papstwahl Giovanni de’ Medicis zu ihrem Gesandten, um die Glückwünsche der Stadt zu übermitteln.367 Der Medici bzw. Leo X. ehrte Modesti sofort nach der am 9. März 1513 erfolgten Wahl (und noch vor der Krönung am 19. März), indem er ihn mit einem auf den 13. März 1513 datierten Breve in den hohen Rang eines Lateranensischen Pfalzgrafen erhob.368 1519 wurde Modesti Bürger von Florenz und Kanzler für die Reformen; Giulio de’ Medici ernannte ihn für einige Jahre zu seinem Sekretär; in sein Wappen durfte Modesti drei der Medici-Kugeln aufnehmen, seine Verbundenheit mit dem Haus somit öffentlich demon365 Modesti, Il miserando sacco; zur Freundschaft etwa die Selbstaussage auf S. 99: ... ero [Ende

August 1512] a Firenze per questi casi [Belagerung seiner Heimatstadt Prato durch die Spanier] insieme con la mia donna e figliolo maggiore, per l’antica amicizia che tenevo con casa de’ Medici, e per paura e sospetto della taglia ...; zum Autor vgl. Vannucci, Notizie, S. 229–231. 366 Modesti, Il miserando sacco, S. 97. Der von Modesti benutzte Ausdruck fare spalla ist im heutigen Italienisch mit dare man forte zu übersetzen, bedeutet also „jemanden tatkräftig unterstützen“; vgl. etwa Guicciardini, Storia d’Italia, S. 181, Anm. 9, wo der auch von Guicciardini benutzte Begriff entsprechend erläutert wurde. 367 Vannucci, Notizie, S. 229. 368 ASV, Arm. XXXIX, vol. 30, fol. 11r/v; vgl. den sehr zuverlässigen Indice 736 (Index Brevium Leonis X et aliorum ab anno 1513 ad 1528), p. 2.

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strieren.369 Seine Erwähnung der heimlichen Hilfe des Sanseverino hatte seinen Status bei den Medici also ebensowenig geschmälert wie die Nennung der erfolgten, von den Medici zumindest in Kauf genommenen Greuel bei der Eroberung von Prato. Sie muß uns hier noch nicht interessieren, wohl aber nochmals Sanseverinos Handlung. Die maßgebliche, entscheidende Hilfe Federico Sanseverinos für seinen gefangenen Freund Giovanni de’ Medici mußte heimlich erfolgen und sie mußte geheim bleiben. Deshalb auch kam es in der Chronistik zur Verschweigung der Rolle Sanseverinos, zur antagonistischen Betonung der Hilfe jener kleinen lokalen Adligen bei Pieve del Cairo. Denn daß der Legat des Papstes seine Befreiung einem schismatischen Kardinal verdankte – der zudem zum größten und gefährlichsten Feind dieses Papstes avancierte, diesen sogar mit militärischer Gewalt auf dem Boden des Kirchenstaates absetzen wollte –, das durfte Julius II. auf keinen Fall wissen. Ein solches Sakrileg hätten alle Flüsse des Orbis christianus nicht mehr reinigen können. Wie hätte er, der sich kaum noch beherrschen konnte, der bei jeder seine Ehre und Ziele in Frage stellenden Nachricht in unerträgliche cholerische Ausfälle geratende Papst Julius II., der seinen Legaten Giovanni de’ Medici seit Monaten ständig wegen Untätigkeit und Unvermögen beschimpfte und beleidigte, ihm deswegen immer wieder mit einem Entzug päpstlicher Hilfe bei der cosa di Firenze drohte, wie hätte er erst auf die Nachricht reagiert, jenes Ungeheuer, das ihn absetzen und das er dafür zum Häretiker machen wollte, habe seinem Legaten die Befreiung ermöglicht?! Dieser so schlichte wie folgenreiche Freundschaftsakt mußte Julius nicht allein wegen des geistlichen, kirchenpolitischen Skandals verschwiegen werden, sondern auch aus ganz profanen, aber fundamentalen taktischen Gründen! Denn welche Hilfe hätte Julius II. den Medici bei der geplanten Rückführung nach Florenz und bei der Absetzung Piero Soderinis noch geleistet, wenn ihm die wahren Ursachen der Rettung seines Legaten bekannt geworden wären? Wie sollte Piero Soderini aufgrund seiner Allianz mit Frankreich seines Amtes enthoben werden, wenn der Legat des Papstes seine Befreiung einem der wichtigsten Parteigänger des französischen Königs verdankte? Rhetorische Fragen, die freilich die einzig mögliche Option der Medici für die Beendigung ihres Exils klarer hervortreten lassen. Nach dem Abzug der Franzosen aus Oberitalien, die allerdings generell kaum militärische Maßnahmen gegen ihren Verbündeten Florenz ergreifen konnten und hätten ergreifen können, blieb den Medici, mehr denn je seit 1510, nur noch eine realistische Karte für den baldigen, bereits seit längerem eingeleiteten Machtwechsel in Florenz: die Unterstützung des Papstes und seiner für ihn kämpfenden spanischen Truppen!

h) Freunde in Modena und Mantua Nach seiner Befreiung bei Pieve del Cairo wandte sich Giovanni de’ Medici – wie er es auch auf Raffaels Teppichbordüren hatte darstellen lassen – nach Mantua, wo er, so hieß

369 Vannucci, Notizie, S. 229f.

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es, am 13. Juni 1512 verkleidet und in armseligem Aufzug eingetroffen sei.370 (Der prächtige Schimmel des Legaten war nach Frankreich gebracht worden und mußte nach der Papstwahl mit viel Geld zurückgekauft werden.371) Der Markgraf von Mantua, Francesco Gonzaga, der trotz seines Status als Gonfaloniere der Römischen Kirche die französisch-italienischen Truppen mit Waffenhilfe (Artillerie) bei der Schlacht von Ravenna unterstützt hatte,372 nahm den Medici auf, stattete ihn aus und beherbergte ihn. Kaum Beachtung fand hingegen eine vorher erfolgte Hilfeleistung, die offenbar zu jener Zeit noch nicht opportun war. Sie wird mit großer Plausibilität in einer Novelle des Mailänders Matteo Bandello (1485–1561) erzählt, der seit 1506 im Dienst von Alessandro Bentivoglio stand und dessen Bericht über die Harnsteinoperation des Federico Sanseverino wir schon angesprochen haben. In der dem Grafen Ludovico Rangoni gewidmeten 34. Novelle des zweiten Buches beschreibt und lobt Bandello die besondere liberalitas von Ludovicos Mutter Bianca Bentivoglio Rangoni, Tochter von Giovanni Bentivoglio und Witwe des Niccolò Rangoni.373 Demonstriert habe sie, die auch Giulio de’ Medici geholfen habe, diese Freigebigkeit in ihrer Residenz in Modena, in die sich der Kardinal Giovanni de’ Medici auf seiner Flucht begab. Bianca habe den ohne Diener gekommenen Medici mit allem Notwendigen versehen, habe ihm standesgemäße Kleidung, Geld, Maultiere usw. gegeben (so daß die armselige Kleidung beim Eintreffen in Mantua als Legende anzusehen ist, durch welche die Bentivoglio geschützt werden sollten). Dies habe sie vor allem trotz der Sorge um ihre acht Söhne und zwei Töchter getan. Denn für Julius II. waren die Bentivoglio ja weiterhin Erzfeinde. Am 10. Juni 1512 hatten sie unter dem Druck der Päpstlichen Bologna verlassen; am 11. betraten Giuliano de’ Medici und Cirio Filonardi, Bischof von Veroli sowie Kastellan von Imola, im Auftrag des Kardinals Sigismondo Gonzaga Bologna, um die Übergabe der Stadt an die Päpstlichen zu verhandeln; am 13. Juni konnte Francesco Maria della Rovere, der zwielichtige Herzog von Urbino, im Namen des Papstes zusammen mit Sigismondo Gonzaga, dem Vizelegaten für die Romagna, Bologna in Besitz nehmen, obwohl der Herzog während des Krieges im April noch seinen Onkel verraten hatte.374 Nur zwei Tage später, am 15. Juni, erhielt Giovanni de’ Medici als Kardinallegat von Julius II. die Fakultät, die Stadt Bologna von den kirchlichen Zensuren loszusprechen, doch mußten die Bentivoglio davon ausgenom-

370 Romeo, Raffaello, S. 64. 371 Stenius, Prisoner, S. 94f. 372 Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 841, Anm. 1. 373 Bandello, Le novelle I, S. 1008f. (II, Nr. 34); biographische Notizen zu den in dieser Novelle

genannten Personen bei Godi, Bandello, S. 237–241 (Ludovico Rangoni trat 1514 in den Dienst Papst Leos X., beteiligte sich ab 1516 am Kampf der Medici um das Herzogtum Urbino). 374 Zur Einnahme Bolognas: Honig, Bologna, S. 66f.; Shaw, Julius II, S. 296f.; zur Rolle des Kardinals Sigismondo Gonzaga: Chambers, Eminence, S. 349; zur ambivalenten Haltung des Herzogs von Urbino: Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1040 (X/13); vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 839, Anm. 2, wo die Tat unverständlicherweise nur als Absicht dargestellt wird.

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men werden, deren Wappen und Insignien man wie die Ludwigs XII. und Federico Sanseverinos entfernt hatte.375 Ein größeres Risiko als Bianca Bentivoglio, die eine Denunziation seitens des Medici gewiß nicht zu fürchten hatte, hatte freilich Giovanni de’ Medici auf sich genommen, als er sich nach Modena und dort zu einem führenden Mitglied der exkommunizierten Bentivoglio-Familie begab. Dieser Schritt aber dürfte nochmals sein Dilemma illustrieren, in welchem er sich 1511/12 bei der Belagerung Bolognas befand, und dürfte bestätigen, daß Giovanni die Familie seinerzeit heimlich unterstützte. Da diese Haltung für die Substanz des Netzwerkes so fundamental ist, sei sie durch ein Zeugnis aus der Feder Sigismondo Gonzagas veranschaulichend ergänzt und vertieft. Sigismondo gehörte wie sein Bruder Francesco, der Markgraf, zu den engen Freunden nicht nur der Sanseverino – mit Federico stand Francesco Gonzaga noch am 7. Mai 1512, gut einen Monat nach der Schlacht von Ravenna, im Briefkontakt! –, sondern auch der Bentivoglio, weshalb er wie der Medici entsprechende Verdächtigungen durch Julius II. zu ertragen hatte.376 Zugleich war Sigismondo Gonzaga mit den Medici gut vertraut. Dies erhellt sehr anschaulich aus jenem bereits angesprochenen Brief des Medici-Intimus Ludovico di Canossa, den er am 27. Oktober 1511 in Abwesenheit Bibbienas aus Rom an den Legaten Giovanni de’ Medici schrieb und in welchem er viele, nur den engeren Freundeskreis angehende Details berichtete. Diesen Brief unterschrieb nicht nur Canossa als servitor der Medici, sondern eben auch der Kardinal Gonzaga, der sich zudem den gleichen Status eines Medici-Dieners gab, somit also seine besondere Verbundenheit unterstrich.377 Es hätte von Giovanni de’ Medici stammen können, was Sigismondo Gonzaga dann am 6. Juni 1512 aus Bologna (wo er also schon vor dem Abzug der Bentivoglio war!) an seinen Bruder Francesco schrieb: ‚Mit Blick auf die Bentivoglio weiß ich kein Mittel, mit welchem ich als Vermittler bei Julius II. irgendeine Gnade für sie erwirken könnte, ohne daß ich eine ungeheure Last auf mich nehmen würde, oder vielmehr: ohne daß ich ganz bestimmt in Gefahr geraten würde, mit einem Schlag alles zu verlieren, was ich mir in langer Zeit und mit viel Mühe erworben habe!‘378 Es lag also an den Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen, daß die Freundschaft mit den Bentivoglio nicht so praktiziert werden konnte, wie es unter normalen Umständen, unter einem anderen Papst als Julius II., geschehen wäre. Giovanni de’ Medici konnte 375 Honig, Bologna, S. 68 (insbesondere zu den Wappen); Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S.

854, Anm. 3. 376 Chambers, Eminence, S. 337f. (zu Bentivoglio), S. 349 und Anm. 128 (zum Brief des Markgra-

fen an Federico Sanseverino aus Mantua, wo es nach Aussage des kurzen Zitats auch um den Legatenstatus Sigismondos im Mantuanischen ging). 377 ASF, Carte Strozziane I/6, fol. 65r. Chambers Annahme, Sigismondo Gonzaga habe Rom zwischen dem Sommer 1508 und Weihnachten 1512 nicht betreten, kann somit nicht stimmen; Chambers, Eminence, S. 349. 378 Alla parte de Bentivoglio io non conosco modo cum quale mi possi intromettere ad impetrare alcuna gratia cum Nostro signore per loro, senza mio grandissimo carico anzi evidentissimo periculo di perdere in uno ponto quello che in longo tempo et cum molte fatiche ho aquistato; Zitat nach Chambers, Eminence, S. 349, Anm. 126.

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daher auch erst als Papst Bianca Bentivoglio Rangoni in angemessener Weise danken – und er bestätigte damit den Inhalt der Novelle Bandellos! Sie wurde von ihm mit einer Pension versorgt. Doch bereits am 16. Oktober 1512 ließ Giovanni durch seinen Prokurator und Bankier Leonardo di Zanobi Bartolini Biancas Sohn Graf Ercole Rangoni da Modena zehn Dukaten für dessen Bedürfnisse sowie Tuche im Wert von fünf Fiorini schenken; nach seiner Wahl zum Papst gehörte Ercole Rangoni zu jenen geistlichen Mediceern, die vom Bartolini für die Krönungsfeierlichkeit auf Kosten Leos X. mit luxuriösen Tuchen ausgestattet wurden. Im Juli 1517 erhielt Ercole schließlich bei einer programmatischen Erweiterung des Kardinalskollegiums zusammen mit vielen anderen MediciFreunden – etwa aus den Häusern Pandolfini (der bereits erwähnte Niccolò), Petrucci, Ferrier/Ferreri, Rossi, Orsini, Salviati und Ridolfi – sogar den Purpur, während ein weiterer von Bianca Bentivoglios Söhnen, Graf Guido Rangoni, neben anderen Ämtern das eines Capitano der päpstlichen Garde bekam.379

4. Der Marsch auf Florenz Auf den festen und breiten Basen alter Freundschaften gelangte Giovanni de’ Medici also in der ersten Junihälfte von Pieve del Cairo über Modena nach Mantua, wo er am 13. Juni eintraf. Elf Tage später, am 24. Juni, zog er als Vertreter des Papsttums in Bologna ein, das er so lange vergeblich belagert hatte.380 Natürlich bildete eine auf diese Weise vorgenommene Restitution päpstlicher Obergewalt in Bologna nun nicht mehr die conditio sine qua non für Julius’ II. entscheidende Hilfe bei der Wiedergewinnung der MediciHerrschaft in Florenz, doch am Ziel dieses Kausalzusammenhanges hatte sich nichts geändert. In den folgenden Wochen wurden mit Hochdruck die Vorbereitungen für den Machtwechsel in Florenz betrieben, aber nicht in Bologna, sondern in Mantua, wo auch Sigismondo Gonzaga mit päpstlicher Erlaubnis – er war nominell Legat der Marken und residierte in Macerata – den Sommer verbringen durfte,381 sowie in Rom, wo Julius II. seine Versprechungen für die Medici endlich in die Tat umsetzte. Wichtig war, die Alliierten für diesen Plan zu gewinnen. Schon am 23. Juni 1512 kam es zu einer Verständigung zwischen Neapel und Venedig, die Medici wieder in Florenz einzusetzen, um die

379 Vgl. ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 40 (auf c. 41 begegnet auch Conte Anibal de Rangona da

Modana in Leonardo Bartolinis Rechnungsbuch); ASR, Camerale I, Nr. 1488, fol. 2v; Eubel, Hierarchia III, S. 15–17. Zu Biancas 1523 in Rom verstorbenem Sohn Annibale sowie vor allem zum 1485 geborenen, 1539 gestorbenen Guido Rangoni vgl. jetzt Godi, Bandello, S. 90–96 (bis 1527/28 stand Guido im Dienst der päpstlich-mediceischen bzw. florentinischen Truppen; als Papst Clemens VII. nach dem Sacco di Roma an seiner früheren Allianz mit König Franz I. von Frankreich nicht mehr festhalten konnte, wechselte Guido in dessen Dienste und erhielt sofort den Michaelsorden). 380 Honig, Bologna, S. 73 (zu seinem Statthalter ernannte der Medici am 9.8.1512 den Bischof von Pola, Altobello Averoldi); Chambers, Eminence, S. 349. 381 Chambers, Eminence, S. 349.

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französische Dominanz über Florenz zu verhindern.382 (Man erkennt erneut, wie wichtig es war, die Freundschaft der Medici zu Federico Sanseverino und deren wahres Ausmaß zu verheimlichen. Denn vor diesem antifranzösischen Hintergrund einer MediciRestitution hätte sich wohl keiner der Bündnispartner engagiert, wenn er gewußt hätte, daß er den Soderini-Teufel mit dem Medici-Beelzebub austrieb.) Einmal mehr kam den Interessen der Medici entgegen, daß Florenz auf französisches Drängen Truppen, u. a. unter Führung Piero di Bernardo Bartolinis, in die Lombardei hatte senden müssen.383 Um den 10./11. Juli forderte Julius II. dann die Florentiner auf, den Gonfaloniere Piero Soderini seines Amtes zu entheben.384 Die dahinter stehende Absicht einer Wiederherstellung der Medici-Herrschaft wurde jedoch noch nicht offen erklärt. Zur gleichen Zeit sandte Julius seinen Datar, den Medici-Intimus Lorenzo Pucci, nach Florenz, um der Stadt bzw. der Soderini-Regierung mit harten Worten ihre Undankbarkeit gegenüber dem Papst und ihre Gastfreundschaft für die schismatischen Kardinäle vorzuhalten und um sie zur finanziellen und personellen Unterstützung der Hl. Liga des Papstes gegen Frankreich und zur Ausweisung des französischen Botschafters aus Florenz aufzufordern.385 Die Soderini-Regierung antwortete ausweichend, wußte, daß hinter dem Papst und Pucci die Medici erscheinen würden. Bezeichnend ist, daß der Druck auf Soderini nicht nur von außen erfolgte, sondern auch von innen, von den noch in Florenz lebenden Mediceern. Gegen Soderinis Position, die päpstlichen Forderungen strikt abzulehnen, votierten im Juli insbesondere Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Ridolfi. Allerdings sprachen sie sich zwar für einen Beitritt zur Hl. Liga aus, doch wünschten sie ebensowenig wie die Soderini-Partei eine Florentiner Beteiligung an den Kämpfen gegen die letzten Stellungen der Franzosen in Italien sowie eine Ausweisung des Botschafters.386 Ob allerdings, wie von Butters erwogen, die Salviati (und mit ihnen natürlich auch Giovanni und Gherardo Bartolini und ihr Schwager Lanfredini) durch das in Florenz von einigen vorgebrachte Argument möglicher Repressalien des französischen Königs gegen die Florentiner Kaufleute in Frankreich und insbesondere in Lyon zu jener moderaten Position bewogen wurden, erscheint eher fraglich, da (was Butters nicht wissen konnte) die Salviati und Bartolini weiterhin volles Vertrauen und großen Einfluß am französischen Hof genossen, da sie somit dort von einer antifranzösischen Position der Florentiner Regierung nicht ernsthaft betroffen gewesen wären. Vermutlich war die Haltung der Florentiner Medici-Freunde eher ein Ausdruck kluger politischer Opportunität, um nicht zu offen Partei für die Medici zu ergreifen, die jeder als Nutznießer der päpstlichen Anmaßung kannte.

382 Sanuto, Diarii XIV, Sp. 413. 383 Vgl. etwa Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1052f. (X/15), 1067f. (XI/1); Cerretani, Ricordi, S.

272; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 218. 384 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 219. 385 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1074 (XI/2); ausführlicher: Cerretani, Ricordi, S. 273; Landucci,

Florentinisches Tagebuch II, S. 219 und Kommentar; Butters, Governors, S. 157f. 386 Butters, Governors, S. 158.

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Nachdem Florenz sich bis Ende Juli nur zu sehr geringen Zugeständnissen gegenüber der Hl. Liga bereit erklären wollte, kam es Mitte August 1512 zur Zusammenkunft einiger Vertreter der Liga in Mantua, bei der neben Francesco und Sigismondo Gonzaga auch Giovanni und Giuliano de’ Medici sowie Bernardo da Bibbiena als Gesandter des Papstes anwesend waren.387 Einig waren sich die Alliierten im Grunde nur in einem Punkt: der Rückführung der Medici nach Florenz. Das wie immer zentrale Problem der Truppenbesoldung mußten und wollten die Medici selbst lösen. Eine erste Zahlung von 10.000 Dukaten an den spanischen Vizekönig Cardona gelang ihnen wiederum maßgeblich durch hilfreiche Kredite ihrer Florentiner Freunde; weitere Gelder sollten nach der Eroberung aus der Florentiner Staatskasse fließen.388 Bemerkenswert erscheint, daß Giuliano de’ Medici laut Guicciardini ein leichtes Gelingen des Unternehmens prophezeite, da die Bürger uneins seien, viele Florentiner Truppen wegen ihres Einsatzes in der Lombardei und in Brescia nicht zur Verteidigung der Stadt bereit stünden und da die Medici vorbereitend geheime Verständigungen mit einigen hochstehenden und mächtigen Personen in Florenz erzielt hätten – die wir mittlerweile ohne weiteres identifizieren können. Diesen Optimismus und eine ähnliche Ausgangslage hatte es freilich bei nahezu jedem Restitutionsversuch gegeben. Neu und ausschlaggebend für den Erfolg war nun der erklärte, eindeutige und unnachgiebige Wille dieses Papstes sowie die (davon nicht zu trennende) Beteiligung einer großen Militärmacht, die dabei primär ihre eigenen Interessen verfolgte. Die neue Medici-Macht war nur der Hebel, um die Franzosen vollends vom italienischen Sockel zu stoßen. Den Medici war dies nicht nur bewußt, sie nutzten diese übergeordnete Zielsetzung gezielt und pragmatisch für ihre eigenen Absichten. So stellte Giuliano den Alliierten in Mantua denn auch in Aussicht, eine völlig von Frankreich abhängige Florentiner Regierung zu beseitigen und sie durch Personen zu ersetzen, die vom französischen König verletzt und beleidigt worden seien.389 Dies war eine schöne Zwecklüge, die aus anderer Perspektive nochmals unterstreicht, warum Giovanni de’ Medici seine Befreiung öffentlich nicht dem französischsten aller Kardinäle verdankt haben durfte. Während man in Florenz noch am 20. August nicht wußte, was in Mantua beschlossen worden war,390 marschierte das spanische Heer bereits unter Führung von Ramón Cardona sowie Giovanni (der am 22. August Bologna verließ) und Giuliano de’ Medici in Richtung Toskana, zu deren Legaten Julius II. den Medici-Kardinal eigens für diese espedizione ernannt hatte.391 Ansonsten aber gab der Papst vor, das Heer handele nicht in seinem Auftrag. Zu erwähnen wäre noch, da von Bedeutung für vorherige Bindungen und künftige Konfrontationen, daß Francesco Maria della Rovere sich in dieser Situation weigerte, die Truppen der Medici mit Soldaten und Artillerie zu unterstützen, obwohl insbesondere Giuliano lange Zeit am Hof von Urbino herzliche Gastfreundschaft gefunden 387 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1075f. (XI/2); Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 858f. 388 Butters, Governors, S. 160. 389 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1076 (XI/2). 390 Butters, Governors, S. 160. 391 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1077 (XI/2); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 222,

Anm. 1.

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hatte und mit dem Rovere offenbar gut befreundet war – ihm werden, vielleicht auch wegen dieser unterlassenen Hilfe, die Medici wenige Jahre später sein Herzogtum mit großem kriegerischen Aufwand abringen.392 Am 26. August stellte der spanische Vizekönig der Florentiner Signoria ein letztes Mal die Forderung, der Liga beizutreten, den Medici die Rückkehr zu erlauben und Soderini abzusetzen.393 Da dies wiederum abgelehnt wurde und Soderini am 27. August durch den Rat der Achtzig und den Großen Rat das Vertrauen ausgesprochen wurde,394 begannen die Alliierten ihre Angriffe im Mugello, wo zunächst kleinere Orte eingenommen wurden und nur einige Todesopfer zu beklagen waren. Dann aber wandte sich das Heer am 28. August gegen das gleichsam vor den Toren von Florenz gelegene Prato, das nur mit einer schwachen Verteidigung versehen war. Obwohl sich auch das spanische Heer in einer kläglichen Verfassung befand und nur über eine kümmerliche Artillerie verfügte, konnte die Stadt schon am 29. August, einem Sonntag, durch eine kleine Bresche in der Stadtmauer eingenommen werden. Was folgte, war der berüchtigte Sacco di Prato: ein fürchterliches Gemetzel der hungrigen Soldateska in Prato, das zur Plünderung und zum „Über-die-Klinge-springen-lassen“ freigegeben worden war, wobei die auch zur Erpressung von Lösegeldern angewandten brutalen Formen von Folterungen, Schändungen von Personen und geistlichen Einrichtungen sowie Vergewaltigungen ein bisher nicht gekanntes Ausmaß erreichten. Das muß erwähnt werden, weil Kardinal Giovanni de’ Medici diese Taten miterlebte, weil er zwar viele Frauen und Kinder in der Hauptkirche von Prato (deren Propst er einst war) schützen ließ, ansonsten aber ca. 5–6.000 Tote, unzählige Gefangene und solche Grausamkeiten wenn nicht billigte, so doch in Kauf nahm, um sie nach eigener Aussage (in einem Brief an Papst Julius II.) denen in Florenz als Exempel und Schrecken vor Augen zu halten und seine Interessen auf diese Weise zum Guten zu lenken.395 (Da die Zivilbevölkerung die weitaus meisten Toten beklagt haben wird, erreichte deren Zahl also gut die Hälfte der Gefallenen bei der allein von Soldaten geschlagenen Schlacht von Ravenna!) Dies muß auch deshalb gesagt werden, um zu verstehen, welchen Preis die Medici für die Beendigung ihres nun achtzehnjährigen Exils zu zahlen bereit waren. 392 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1078 (XI/3). 393 Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 224; Cerretani, Ricordi, S. 276. 394 Butters, Governors, S. 161. 395 Modesti (Il miserando sacco, S. 102) gibt, einer allgemeinen Ansicht entsprechend, eine Zahl

von 5.600 Toten an, die an dem Tag der Erstürmung Pratos durch das Schwert fielen und wegen fehlender Beerdigungsmöglichkeiten in die Brunnen geworfen wurden. Der Chronist und Mönch „Frate Antonio“ sprach sogar von mehr als 6.000 Toten; vgl. Guasti, Sacco di Prato, S. 149. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1085f. (XI/4), spricht hingegen von „nur“ mehr als 2.000 Toten, während Giuliano da Gagliano in seinen privaten ricordi notierte, die Spanier hätten mit ‚großer Grausamkeit‘ mehr als 3.000 Personen in Prato ermordet; ASP IV/5, c. 192. Vgl. auch Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 226–229 und Kommentar; Cerretani, Ricordi, S. 277– 279; der Brief Giovanni de’ Medicis an Julius II. vom 29.8.1512 aus dem Feldlager vor Prato findet sich gedruckt bei Villari, Machiavelli II, S. 548 (... La presa di Prato così subita et cruda, quantunque io ne habbia preso dispiacere, pure harà portato seco questo bene, che sarà exemplo et terrore alli altri; de modo mi persuado le cosse de qua haveranno ad exequire felice successo ...).

VII. Der Sieg der Mediceer 1. Der Machtwechsel in Florenz Folgen wir mit raschen Schritten dem Gang der Ereignisse, die schnell zum Zusammensturz der Soderini-Herrschaft führten, so wie sie bei den Chronisten und der ihnen folgenden Forschung dargestellt worden sind. Anschließend aber wollen wir, nicht zuletzt auf der Grundlage neuer bzw. noch nicht entsprechend ausgewerteter Quellen, in systematisch-analysierender Form die Funktion der Freunde, die Bedeutung des Netzwerkes bei dem Regierungswechsel herausarbeiten, ohne deren Mitwirkung der Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Der Sacco di Prato vom 29. August 1512 führte – ob in dieser Form intendiert oder nicht – überaus schnell zu der gewünschten Konsequenz. Um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen, verständigte sich Pistoia mit dem spanischen Vizekönig. In Florenz brachen Tumulte aus und die Wut richtete sich nicht gegen die Medici, sondern gegen den Gonfaloniere Piero Soderini, dessen Renitenz man für das Desaster verantwortlich machte. Schon am Dienstag, dem 31. August, wurde er aus der Stadt vertrieben.1 Entscheidend ist, daß der Sturz Soderinis von den Mediceern vorbereitet worden war und wer die maßgeblichen Beteiligten waren. Es hatte sich ein durchaus exklusiver Kreis von Eingeweihten gebildet. Denn ausgeschlossen wurde zum Beispiel der neue Verwandte Filippo Strozzi, und zwar ausdrücklich wegen seines (unkooperativen) Verhaltens, das er während des von Prinzivalle della Stufa versuchten Attentats auf Soderini gezeigt hatte.2 Zu den Hauptakteuren außerhalb der Florentiner Mauern gehörte hingegen der pragmatisch-rationale Giulio de’ Medici. Er verkleidete sich als Pilger, um unerkannt in die Nähe einer Villa der Albizzi zu gelangen, wo er sich mit dem jungen Medici-Freund Antonfrancesco di Luca d’Antonio degli Albizzi bei einer Jagd im Wald traf. Von dort aus organisierte Giulio auch die Korrespondenz mit den Freunden in Florenz, um das gemeinsame Vorgehen abzustimmen. Als Boten gewann er einen unverdächtigen Bauern, dem er die Briefe für die Florentiner Freunde ohne Adresse in einem kleinen Bleiröhrchen mitgab, welches der Bauer in seinem After versteckte. Dieses Röhrchen deponierte der Bote dann in Florenz in einem Mauerloch der Kirche Santa Maria Novella, wo es die eingeweihten Freunde abholten und im Gegenzug mit einem Antwortbrief bestückten.3 1

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Vgl. die wichtigen Briefzeugnisse Giovanni und Giulio de’ Medicis vom 31.8.1512 aus Prato sowie das Bernardo da Bibbienas vom 6.9.1512 aus Rom in: Villari, Machiavelli II, S. 549–552 (Bibbienas Brief auch in: Ders., Epistolario I, S. 509); ferner die Chronisten Cerretani, Ricordi, S. 279–281; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 230f. u. Kommentar; sowie Butters, Governors, S. 163–172 (mit zahlreichen weiteren Quellen und Korrekturen falscher Chronistendaten). Die genaue Chronologie dieser dramatischen Stunden ist nicht immer exakt zu eruieren, da die maßgeblichen Chronisten und Zeugen widersprüchliche Angaben machen. Butters, Governors, S.163. Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 236, Anm. 1.

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Piero Soderini bemerkte die Gefahr im Inneren durchaus. Zwischen dem 23. und 27. August ließ er einige Personen – unter ihnen Filippo Strozzi – als mutmaßliche Beteiligte an einem angesichts der anmarschierenden spanischen Truppen unverkennbar bevorstehenden Medici-Komplott im Palast der Signoria in Haft nehmen.4 Am 29. August, dem Tag von Prato, traf es dann sogar prominentere Mediceer, allen voran Jacopo Salviati, Lorenzo Morelli und Bernardo di Giovanni Rucellai – den Schwager und Vertrauten von Lorenzo il Magnifico –, gefolgt von Francesco di Zanobi da Diaceto, Giovanni di Bardo Corsi, dem Archidiakon Francesco Minerbetti, sechs Mitgliedern der Familie Tornabuoni und vielen anderen. Sie alle wurden als suspekte Personen in den Palast der Signoria zitiert, doch blieben sie offenbar nicht längere Zeit inhaftiert. Unter der Folter wurden offenkundig nur einige sozial niedriger stehende Personen verhört.5 Die Männer, die Piero Soderini schließlich tatsächlich zu Fall brachten, waren oder blieben jedenfalls nicht in Haft. Am 31. August überschlugen sich die Ereignisse. Junge Anhänger der Medici, an ihrer Spitze eben jener Antonfrancesco degli Albizzi, Francesco und Paolo di Piero Vettori sowie Bartolomeo Valori, die Soderini recht nahe gestanden hatten, stürmten in den Morgenstunden in den Palast der Signoria, forderten (vergeblich) die Freilassung der Gefangenen und bewegten den Gonfaloniere durch Einschüchterungen und Drohungen, er werde sein Leben verlieren, wenn er Florenz nicht verlasse, zum Rücktritt. Sie brachten ihn dann in das Haus von Paolo Vettori, der ihm die Sicherheit seines Lebens zusagte, beschworen nun wiederholt so lange die Signoria, den Soderini seines Amtes zu entheben, bis dies geschah und Soderini die Stadt verließ.6 An der Seite dieser jungen Mediceer standen unter anderem die Söhne des Bernardo Rucellai mit weiteren Angehörigen dieser Familie (nicht zu vergessen deren kaufmännische Kooperation mit den Mediceern in Rom und Rouen), Gino di Neri Capponi, Söhne und Neffen des Piero Tornabuoni und weitere Tornabuoni sowie Giovanni di Guidantonio Vespucci, von denen viele zum Zirkel des Rucellai-Garten gehörten.7 Doch man wird – analog zum Vorgehen des Prinzivalle della 4 5 6

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Butters, Governors, S. 163f. Cerretani, Ricordi, S. 277. Vgl. die in den Abendstunden des 31.8.1512 in Prato verfaßte Beschreibung von Giovanni und Giulio de’ Medici in ihrem Brief an Piero Dovizi da Bibbiena in Venedig, in: Villari, Machiavelli II, S. 549f.; Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1087f. (XI/4); Cerretani, Ricordi, S. 279f. (wo Soderinis Vertreibung aus dem Palast irrig auf den Montag, 30.8., gelegt wurde); Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 230–232 und Kommentar; Butters, Governors, S. 163f., 170. Eine kurze und wertfreie Darstellung des Sachverhaltes gibt auch Giuliano da Gagliano in seinen Ricordi, wo er am Schluß seines in Florenz für die Jahre 1495 bis 1509 geführten Haushaltsbuches notierte: E a dì 31 detto (d’aghosto) il dì di San Giuliano la mattina fu sforzato il palazzo della Signoria di Firenze da più nobili giovani cittadini e menatone a casa il ghonfaloniere Piero Soderini sano e salvo ...; ASP IV/5, c. 192 (im Archiv paginierte Pergamentseite am Schluß des Bandes). Butters, Governors, S. 164; zu Gino Capponi vgl. E. Luttazzi, Art. „Capponi, Gino [di Neri di Gino]“, in: DBI 19 (1976), S. 31f. Möglicherweise hatte sich der am 11.10.1478 geborene Gino durch seine (ca. 1484 verstorbene) Mutter Violante, Tochter des großen Medici-Bankiers Francesco Sassetti, und durch seine Onkel Cosimo und Galeazzo Sassetti zeitlebens der Medici-

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Stufa – nicht annehmen dürfen, die Jungen hätten ohne entsprechende Instruktionen durch ältere, gestandene Mediceer gehandelt. Schon zeitgenössische Chronisten hatten hervorgehoben, daß sie auf Befehl jener ‚Werkmeister‘ agierten, die diesen Sturz von langer Hand vorbereitet hatten.8 Erstaunlicherweise ist sowohl von den Chronisten als auch von der einschlägigen Forschung einer der Florentiner Architekten des endlich gelungenen Machtwechsels niemals genannt worden: Lanfredino Lanfredini! Die Vertreibung Soderinis gewinnt durch seine Beteiligung ganz neues Profil. Denn Lanfredino gehörte zu den ersten, die am Morgen jenes 31. August 1512 in den Palazzo della Signoria eindrangen und Soderini vom Ende seiner Macht überzeugten; er persönlich begleitete mit den jungen Mediceern den gestürzten Feind der Medici über den Arno, wo ihm auf Anordnung Lanfredinos die Brüder Francesco und Paolo Vettori die Mittel zum Verlassen des Landes bereitstellten.9 An jenem Dienstag stieß auch Lanfredinos Intimus Jacopo Salviati zu den Mediceern im Palazzo della Signoria. Nach der erfolgreichen Abdankung bzw. Absetzung Soderinis gehörte Jacopo zusammen mit Cosimo de’ Pazzi, dem Erzbischof von Florenz, und Paolo Vettori zu jenen neuen Gesandten, die sich nach Prato zum Vizekönig Cardona sowie zu Giovanni und Giuliano de’ Medici begaben. Denn Soderini hatte vor seinem Sturz bereits drei Gesandte nach Prato geschickt, die den Medici am 31. August die freie Heimkehr nach Florenz zusagen durften, aber zugleich eine Verständigung zwischen den Medici und Soderini aushandeln sollten, in deren Mittelpunkt wie üblich eine Heiratsverbindung stehen sollte (hier zwischen Giuliano und einer Nichte des Gonfaloniere). Als es für Soderini mit seinem Sturz nichts mehr zu verhandeln gab, erwirkten die Florentiner Mediceer eine Amnestie für Luigi della Stufa, Simone Tornabuoni sowie Leonardo Ringhiadori und ließen vor allem Giovanni di Bernardo Rucellai sofort nach Prato reiten, um den Medici

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Partei verbunden gefühlt, war er doch schon 1497 als einer der Mediceer-Verschwörer exiliert worden, um sich nach Aufhebung der Verbannung gleich wieder den Medici anzuschließen. Doch hatte sich ebenso sein Vater Neri allem Anschein nach im Gegensatz zu dessen Bruder Piero wohl schon 1494 nicht so eindeutig gegen die Medici gestellt, wie es den Zeitgenossen erscheinen wollte, denn wir sahen, wie die seit dem Juni 1494 maßgeblich von ihm geleitete Lyoner Capponi-Bank erstaunlicherweise in jenen Monaten und auch danach Giuliano da Gagliano und „seiner“ Lyoner Bartolini-Bank half, wie es enge Kooperationen zwischen beiden Banken und ihren Mitarbeitern gab, wie Neri Capponi im Oktober 1497 an der Seite von Lorenzo Spinelli vom savoyischen Hof in Chambéry nach Lyon zurückritt. Es ist denn auch mit Recht darauf hingewiesen worden, daß Neri Capponi nach der Medici-Restitution trotz seiner hohen Ämter unter Piero Soderini sowohl in die große Balìa für die Staatsreform als auch in die Gesandtschaft zur Beglückwünschung Giovanni de’ Medicis als Papst Leo X. gewählt wurde, was ebenso für seine Freundschaft zu den Medici spricht wie die Ehre, daß er Leo X. Ende 1515 zur Zusammenkunft mit König Franz I. in Bologna begleiten durfte; vgl. M. Luzzati, Art. „Capponi, Neri“, in: DBI 19 (1976), S. 75–78, hier S. 76f. Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 230f., Anm. 2. Arrighi, Art. „Lanfredini, Lanfredino“, S. 604 (nach einem am 5.9.1512 an Francesco Guicciardini geschriebenen Brief) – doch zeigt sich hier nicht, wie Arrighi meint, der Beginn einer Annäherung an die Medici, sondern die folgenreiche Konsequenz der über die gesamte Exilszeit hinweg bewiesenen Treue zu den Medici.

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auszurichten, sie sollten jegliche Verhandlung stoppen, bis die drei neuen Gesandten mit neuen Instruktionen erschienen. Statt Eheallianzen standen für diese Gesandtschaft, deren politischer Kopf zweifellos Jacopo Salviati war, die finanziellen Forderungen der spanischen Alliierten im Vordergrund.10 Eine Einigung wurde rasch erzielt; sie sah die schon am folgenden Tag mögliche Rückkehr der Medici als einfache Bürger vor sowie die Erlaubnis zum Rückkauf ihrer veräußerten Güter und hohe Florentiner Geldzahlungen an die einzelnen Alliierten wie etwa den Kaiser und den Vizekönig. Bei einigen Chronisten und Forschern ist Piero Soderinis Ausreise aus Florenz, welche die entscheidende Voraussetzung für die Rückkehr der Medici bildete, als Flucht gewertet worden. Damit hätten allerdings Lanfredino Lanfredini und seine jungen Helfer dem Medici-Feind geholfen, hätten sie sich in ein Zwielicht gebracht. Schon ihr wirklicher Status läßt starke Zweifel an einer Fluchthilfe aufkommen. Tatsächlich hatte sich der ganze Vorgang denn auch völlig anders abgespielt. Piero Soderini, den schon auf seinem Weg vom Palazzo della Signoria zum Haus des Paolo Vettori zahlreiche Feinde ‚in Stücke schneiden‘ wollten, mußte ebenso außerhalb der Stadt um seine Sicherheit fürchten. Deshalb hatte er sich bei Papst Julius II. um freies Geleit bemüht; dieser Geleitbrief ist ihm ausgestellt worden und sollte für eine Reise von Florenz über Siena nach Rom gelten, wo sich ja sein Bruder befand, der Kardinal Francesco Soderini.11 Wir dürfen annehmen, daß Lanfredino Lanfredini diesen Schutzbrief vermittelt hatte, der Soderini in päpstlichen Gewahrsam gebracht hätte. Lanfredino und seine jungen Helfer hatten jedenfalls völlig konform mit den Interessen des Papstes und der Medici gehandelt, als sie Piero Soderinis Ausreise erzwangen und organisierten. Lorenzo Pucci und Francesco Guicciardini, die uns in ergänzender Form über den wahren Hintergrund von Soderinis „Flucht“ aufklären, berichten, daß er unter Florentiner Aufsicht bis Siena gebracht wurde, von dort mit Berufung auf das sichere Geleit (offenbar ohne Bewachung) nach Rom weiterzureisen vorgab, doch von diesem Wunsch abwich, um nun in der Tat einen Fluchtweg einzuschlagen, der ihn nach Ancona und über das Meer in das dalmatinische Ragusa (Dubrovnik) auf türkisches Hoheitsgebiet führte, wo er sicheres Exil fand. Als der Papst von Soderinis Flucht hörte, fühlte er sich hinters Licht geführt, geradezu betrogen, da Soderini dem gewünschten und erhaltenen Geleit nicht vertraut habe. Daß die Befürchtungen des ehemaligen Gonfaloniere auf Lebenszeit allerdings nicht grundlos waren, daß er vermutlich arretiert worden wäre, zeigt die anschließende Anordnung des Papstes, den in der Kammer des

10 Maßgeblich für diesen nicht unrelevanten Ereignisablauf sind auch hier die Darstellungen von

Giovanni und Giulio de’ Medici sowie Bernardo da Bibbiena, der sich am 31.8. ebenfalls bei den Medici in Prato aufgehalten hatte; vgl. die Briefe bei Villari, Machiavelli II, S. 549–552 (bzw. zu Bibbienas Brief auch: Ders., Epistolario I, S. 509); vgl. ferner Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 230 (aber irrige Zeitangabe, daß Soderini erst nach der Rückkehr der Gesandten am Abend des 31.8. zum Rücktritt bewogen worden sei); Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1088 (XI/4); Cerretani, Ricordi, S. 280f.; Butters, Governors, S. 171. 11 Dieser Sachverhalt geht klar aus einem Brief von Lorenzo Pucci hervor, den er am 15.9.1512 aus Rom an Kardinal Giovanni de’ Medici schrieb; vgl. ASF, MAP CIII, doc. 101. Mit ähnlichem Inhalt auch Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1088 (XI/4).

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Kardinals Francesco Soderini befindlichen Florentiner Antonio Segni zu verhaften und in das Gefängnis der Torre di Nona zu bringen, da allem Anschein nach er es war, der Piero Soderini zu einem anderen Ort als Rom geführt hatte. Der über Segnis Verhaftung erboste Kardinal Soderini, der laut Guicciardini seinen Bruder über den geplanten Vertrauensbruch des Papstes informieren ließ, wurde von Julius mit harten Worten zurechtgewiesen, nutzte mit seinem Verhalten jedoch nur den Medici, die in jenen Tagen Anfang September noch nicht die „neuen alten“ Herren in Florenz geworden waren. Schon am Tag nach Soderinis Aufgabe trat jedoch ein, wofür die Mediceer gut achtzehn Jahre lang unter großen Opfern gekämpft hatten: Die Florentiner Stadttore öffneten sich wieder für die Medici. Noch am 1. September betrat Giuliano de’ Medici erstmals wieder den Boden von Florenz, wo er zunächst das Haus von Antonfrancesco degli Albizzi aufsuchte, der ihn aus Prato abgeholt hatte, und –sehr demonstrativ – am folgenden Tag das von Pierfrancesco (di Lorenzo di Pierfrancesco) de’ Medici – der somit wie sein Vater, sein Onkel und dessen Familie tatsächlich seit langem zum engeren Kreis der Florentiner Mediceer zählte. Frei konnte sich Giuliano in der Stadt bewegen, in Begleitung von Verwandten und jungen Männern aus den Häusern Ridolfi, Tornabuoni und Rucellai; der florentinischen Tradition verpflichtet ließ er sich seinen Bart abrasieren und kleidete sich mit einer roten republikanischen Tunika.12 Ein eindrucksvolles Zeugnis für das individuelle Erleben dieses so lange ersehnten Freudentages, der Beendigung einer harten, entbehrungsreichen achtzehnjährigen Leidenszeit, hat uns Bernardo Dovizi da Bibbiena hinterlassen.13 Als Giuliano de’ Medici von Antonfrancesco degli Albizzi in Prato abgeholt wurde, wollte Bernardo eigentlich an der Seite des Medici nach Florenz einreiten, doch um diesen hatte sich solch eine Menschentraube gebildet, daß er gar nicht an ihn herankam und den Anschluß an ihn verlor. Den ersten Anlaufpunkt für Bernardo und seine Freunde bildete in Florenz die Kirche der Servi, also die Santissima Annunziata als Mutterkirche des Servitenordens, in der sie den geistlichen Mächten ihre dankbare Ergebenheit ausdrückten; erst dann ging es zum Palast der Medici, wo Bernardo Giuliano zu finden hoffte. Statt des Medici erwartete sie dort indes eine große Menschenmenge, die immer wieder den Medici-Schlachtruf Palle rief, die Heimkehrer mit den Händen berührte, sie küßte, umarmte und umdrängte, sie mehrmals sogar von den Pferden zog. Besonders berührte es Bernardo, daß sie, die 18 Jahre lang Florenz nicht mehr betreten hatten, von allen erkannt und mit Namen gerufen wurden – ‚schön war dies‘! –, während sie selbst nur wenige kannten. So groß und dicht war das Gedränge, daß sie den Palast gar nicht betreten konnten, dessen Türen voller Menschen waren, und auch in den Fenstern sah man unzählige, die Palle, Palle riefen, in Erwartung eines ankommenden Giuliano. Doch Bernardo und seine Freunde hörten, der Medici sei beim Haus von Antonfrancesco degli Albizzi abgestiegen, so daß sie sich dorthin begaben. Auf dem Weg wurden sie immer wieder überschwenglich begrüßt. Als sie zu Giulia12 Cerretani, Ricordi, S. 281; Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 231–233 und Kommentar. 13 Vgl. Villari, Machiavelli II, S. 550–552 (Bernardo Dovizi am 6.9.1512 aus Rom an seinen

Bruder Piero in Venedig).

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no stießen, rasierte dieser sich gerade seinen Bart ab. Das Albizzi-Haus war ebenfalls voller Menschen, fast alle von Adel, und alle küßten Bernardo mit der größten Freude und Zufriedenheit der Welt, und viele ihm Unbekannte fragten ihn nach seinem Bruder Piero. Lucrezia Salviati, die Giuliano aufsuchte, empfing Bernardo recht freundlich, doch wesentlich herzlicher wurde er von ihrer Schwester Contessina Ridolfi und ihrer Nichte Clarice Strozzi begrüßt, denen er anschließend auf dem Weg begegnete, und die ihm zugleich für seine ihren Brüdern bzw. Onkeln erbrachten Taten dankten, ihm so zeigten, daß sie von seinem belastenden Einsatz für das Haus Medici wußten – was sich nach Ansicht Bernardos mit Recht herumgesprochen haben sollte. Seine Heimat aber war Florenz nicht mehr; mit Genehmigung Giulianos begab er sich noch am gleichen Tag mit einem Gewaltritt (wieder) nach Rom, wo er zu leben gedachte und auch seinen Tod finden wollte. Giovanni de’ Medici hingegen ließ sich Zeit mit dem Einritt in Florenz. Er residierte in den folgenden zwei Wochen in dem Dorf Campi zwischen Florenz und Prato. Am 9. September begab er sich mit 100 Berittenen und 1.000 Fußsoldaten freilich nach San Antonio, außerhalb der Stadtmauer bei der Porta Faenza, wo er ein Haus besaß, in welchem er neben seinen Freunden und Verwandten auch viele Bürger der Stadt empfing. (Es war eben jenes Haus, das von den Florentinern nach seiner Flucht geplündert worden war.14) Die meiste Zeit des Tages aber beriet er sich mit Lanfredino Lanfredini, Jacopo Salviati und Piero Alamanni über den besten Weg einer Umgestaltung der Florentiner Staatsorgane.15 Am folgenden Tag kehrte er von Campi erneut nach San Antonio zurück, um sich wiederum mit den drei zentralen Mediceern zusammenzusetzen und mit seinen Schwestern und anderen Vertrauten zu speisen. Zu den offenen Fragen, die in jenen Tagen noch zwischen den Medici, den Gesandten des spanischen Vizekönigs und der offiziellen Florentiner Regierung zu klären waren, gehörte der künftige Status der Medici sowie die Bezahlung der spanischen Truppen. Für den Dienstag, den 14. September, kündigte Kardinal Giovanni schließlich seinen Einritt in Florenz an, nicht zuletzt unter dem Eindruck einer offenkundigen Überforderung Giulianos, der zwischen disparaten Medici-Gruppen keine klare Linie finden konnte. Nach einem längeren Mittagessen in Campi brach Giovanni recht spät auf, begab sich zur Porta Faenza, durch die er jedoch nicht die Stadt betreten wollte. Vielmehr ritt er Richtung Norden entlang der Stadtmauer bis zur Porta San Gallo, durch die er mit seinem Gefolge nach den entsagungsreichen Jahren wieder nach Hause zurückkehren wollte. Dies war ein bewußter, symbolischer Akt, denn durch eben jene Porta San Gallo hatten er und seine Brüder im November 1494 aus der Stadt fliehen müssen. Über die Via San Gallo ging es am Kloster San Marco vorbei zum Medici-Palast in der Via Larga, wo ihn im Eingangsportal neben Giuliano und Pierfrancesco de’ Medici sowie zahlreichen Tornabuoni und anderen Freunden auch Jacopo Salviati erwartete und

14 S.o. S. 72f., 77. 15 Dieses enge Gespräch mit Lanfredini, Salviati und Alamanni wird auch von Cerretani in seinem

‚Dialogo della mutatione di Firenze‘ betont; vgl. Cerretani, Dialogo, S. 34.

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begrüßte. Einen kühlen Empfang bereitete ihm jedoch die Masse der Florentiner, denn die in Prato begangenen Grausamkeiten lastete man ihm an.16 In jenen Tagen und Wochen geschah das, was bei einem solch fundamentalen Machtwechsel nach so langer Wartezeit zu erwarten stand: Die Medici, die sich von Anfang an nicht mit einer Rolle als Gleiche unter Gleichen begnügen wollten, mußten ihren politischen Einfluß stabilisieren und ausbauen, sahen sich dabei aber nicht nur mit divergierenden Konzeptionen im eigenen Haus, sondern auch mit unterschiedlichen Interessen ihrer Anhänger konfrontiert. Offenkundig gab es unter den Florentiner Mediceern zwei relativ konträre, in grundsätzlichen Fragen sogar konkurrierende Gruppen. Häupter der ersten Gruppe waren jene, von denen uns insbesondere die beiden ersten von Exilsbeginn an als führende, Kontinuität wahrende Mediceer in Florenz begegnet waren: Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini, Piero (di Francesco) Alamanni und Gianbattista Ridolfi. Sie favorisierten eine eher breite aristokratisch-oligarchische Regierungsform, die sie in ausgleichend-moderater, möglichst viele Florentiner einbindender Form durchsetzen wollten, weshalb man sie, nicht ohne Grund, als Anhänger des einst von Savonarola eingeführten Großen Rates erklärte. An der Spitze der rivalisierenden Gruppe standen zumeist jüngere Optimaten wie Giovanni di Bernardo Rucellai, Piero di Braccio Martelli, Giovanni di Bardo Corsi, Francesco da Diaceto, Filippo Buondelmonti, Antonio Serristori, Pandolfo Corbinelli und Prinzivalle di Luigi della Stufa, die mit einer radikaleren, durch ein parlamento legitimierten Neuformierung eine eher enge elitär-dirigistische Regierung wünschten und von weiteren Medici-Partisanen ihrer Altersgruppe unterstützt wurden.17 Fast alle aus dieser Gruppe waren, wie schon Guicciardini erkannt hatte, so wie Bartolomeo Valori und Antonfrancesco degli Albizzi erst nach dem Tod Piero de’ Medicis durch die neue Klientelstrategie Giovannis in den Kreis der Mediceer eingetreten, bewegt dann auch durch Aversionen gegen Piero Soderini; von ihrer Unterstützung und der eines Bernardo Rucellai, Francesco Minerbetti oder Gianbattista Ridolfi profitierten die Medici beispielsweise bei der umkämpften Eheverbindung zwischen Filippo Strozzi und Clarice di Piero de’ Medici – und eben Ende August 1512 bei der Vertreibung Soderinis.18 Gerade durch diese radikaleren, jüngeren und neuen Mediceer, die vor dem September 1512 kaum oder gar nicht in der politischen Verantwortung standen – teilweise aufgrund der Verbannung ihrer Väter nach 1494 –, ist nun jedoch Ende 1512 eine um so stärkere Beteiligung an der Macht unter Zurückdrängung der Optimaten gefordert und ist den Moderaten um Salviati und Lanfredini der Vorwurf gemacht worden, sie hätten mit ihrer Partizipation an den politischen Führungsgremien von Florenz das Soderini- und vorher das Savonarola-Regime gestützt, hätten durch ihre bequeme Präsenz in Florenz nicht unter 16 Cerretani, Ricordi, S. 281–285. 17 Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, S. 281–285, sowie den ausführlichen Überblick über die Ent-

wicklung und die divergierenden Positionen bei Butters, Governors, S. 166–194. Doch hat sich Butters bei manchen Divergenzen vielleicht zu stark an den Einschätzungen von Chronisten wie Cerretani orientiert, denen nicht bekannt gewesen sein konnte, welche Stellung etwa ein Jacopo Salviati wirklich eingenommen hatte und welche eigentlichen Intentionen er verfolgte. 18 Vgl. Guicciardini, Storie fiorentine, S. 324f.; Butters, Governors, S. 77, 130–133.

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dem kargen Brot der Exilszeit leiden müssen, gehörten somit zum ‚alten, abzuschaffenden Staat‘ und seien keine echten, wahren Medici-Freunde. Von den solches berichtenden Chronisten haben viele Historiker dieses Urteil übernommen.19 Doch dabei werden einige zentrale Punkte übersehen. Abgesehen von der ganz allgemeinen Tatsache, daß die Bekenntnisse zu den vielfach diskutierten Formen einzelner Verfassungsinstitutionen an sich nichts über die Bindung an die Medici aussagen und daß die jeweiligen Gremien nicht so entscheidend wie die tatsächlichen Beratungs- und Entscheidungsvorgänge sind, ist zum einen insbesondere mit Blick auf den Salviati und Lanfredini an der kontinuierlichen Treue, Freundschaft und unter großen persönlichen Gefahren erfolgenden Hilfe für die Medici nicht zu zweifeln. Diese konnte allerdings nicht immer offen erfolgen und blieb somit den meisten Zeitgenossen verborgen. Zum anderen mußte ihr berufliches und privates Leben auch die eigenen Interessen wahren, von deren Erfolg – man denke nur an die Entwicklung der Medici-Bank – dann aber ebenso die Medici profitierten. Diesen konnte deren Partizipation an der politischen Gewalt – die allerdings zu Soderini-Zeiten meistens in Opposition verlief – in vielerlei Hinsicht nur nutzen, denn aus ihrem politischen Gewicht zogen nicht nur sie zahlreiche Vorteile, sondern gleichfalls gefährdete Gefolgsleute wie Bartolomeo Bartolini, Gianbattista Bracci und Filippo da Gagliano. Wenn Lanfredino Lanfredini gegenüber dem Medici-Kardinal im Herbst 1512 betonte, mehr als die Kraft der Waffen hätten Einsatz und Treue einfacher Florentiner Bürger (wie selbstredend auch er) den Medici die Straße für ihre Rückkehr bereitet, wenn Jacopo Salviati 1513 erklärte, alle seine Handlungen zwischen 1494 und 1512 hätten darauf abgezielt, die Familie seiner Frau nach Hause zu bringen – was eine Förderung des Großen Rates in keiner Weise ausschloß –, dann hatten sie Recht und dürfen und müssen wir ihnen dies glauben.20 Die Medici wußten natürlich besser als ein Giovanni Rucellai von der wahren Beziehung Salviatis und Lanfredinis zu ihnen – und sie werden entsprechend handeln! Überdies stimmte die integrativ-moderate Politik der beiden führenden Florentiner Mediceer weitgehend mit der von Kardinal Giovanni de’ Medici und der von Papst Julius II. energisch geforderten überein. Beide wußten, daß die Medici ihre Gegner nicht in eine feindselige Opposition zwingen durften, um Florenz nicht der Gefahr eines Bürgerkrieges auszusetzen; und je mehr ihrer Feinde sie sich verpflichten konnten, um so besser. Julius II. führte seinen Legaten Giovanni de’ Medici auch in jenen Wochen der allmählichen Rückeroberung von Florenz gleichsam an einer langen Leine, ermahnte ihn zu häufigeren brieflichen Berichten und hielt ihm vor allem immer wieder seine Abhängigkeit vom Papst und der Heiligen Liga vor Augen. Noch vor dem Einritt Giovannis in Florenz bedrängte er diesen mit Nachdruck, er möge alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Regierung in Florenz zu stabilisieren, in Ordnung zu bringen und zu befrieden sowie der Familie Medici Reputation zu verschaffen, damit die Heilige Liga

19 Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, S. 295; Stephens, Fall, S. 63f.; Butters, Governors, S. 166–170. 20 Vgl. die Belege bei Mansfield, Family, S. 228 (nach einer späteren Aussage von Lanfredinos

Sohn Bartolomeo); Butters, Governors, S. 193 (zum Salviati).

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sich dieses Staates und der Medici bedienen könne, wenn die Notwendigkeit komme.21 Der Kardinal und sein Bruder sollten also nicht nur eine Teilhabe an der Macht oder als einfache Bürger ihren Platz in der Heimatstadt suchen, sondern diese wieder ganz unter ihre Herrschaft bringen, um so den Interessen des Papstes dienen zu können. Sollte der Medici seine Stadt nicht so ‚aufräumen, in Ordnung bringen‘ (assettare, acconciare), wie er es versprochen habe und Papst und Liga es erwarteten, könne Giovanni – so Lorenzo Pucci mit liebevoll klaren Worten an seinen Freund – sich nur noch über sich selbst beklagen, da er sich mit enormen Nachteilen einer überaus glücklichen Gelegenheit beraubt habe, die in tausend Jahren niemals wiederkehren werde. Die Medici waren also alles andere als frei bei ihrer ersehnten Rückkehr nach Florenz und bei der Wiederherstellung ihrer Macht. Ein erster entscheidender Beschluß wurde dann durch Giovanni de’ Medici durchgesetzt, der am 14. September die Florentiner Stadtmauer auch mit der Intention durchschritt, nicht nur die Stadt, sondern desgleichen die konträren Gruppen seiner Anhänger zu befrieden.22 Nachdem Giovanni am 15. September mit den zentralen Ratgebern wie Jacopo Salviati, Piero Alamanni, Bernardo Rucellai und Lanfredino Lanfredini längere Einzelgespräche geführt hatte, setzte er am 16. September mit manifester militärischer Drohkulisse in modifizierter Form deren Optimatenkonzept durch, nach welchem er durch ein breites (von den radikalen Mediceern gewünschtes) parlamento eine für die Staatsgeschäfte verantwortliche Balìa aus 55 vom Kardinal und Giuliano handverlesenen Männern einsetzen ließ. Giuliano de’ Medici übte dabei mit zahlreichen jüngeren bewaffneten Mediceern hilfreichen Druck im Palazzo della Signoria aus. Zu ihnen gehörte bezeichnenderweise Prinzivalle della Stufa, der verhinderte Attentäter Piero Soderinis, der erst am 15. September nach Florenz zurückgekommen war, die Stadt in großem Trubel und gespalten vorfand und sich offenkundig auch deshalb an die Seite Giulianos stellte, um bei diesem eine stärke Berücksichtigung der jüngeren Medici-Freunde – zu denen er sich explizit zählte – in der neuen Regierung einzufordern.23 Auch ein Leonardo di Zanobi Bartolini zögerte nicht, auf der Piazza vor dem Regierungspalast zusammen mit seinem 21 ASF, MAP CIII, doc. 101 (15.9.1512, Lorenzo Pucci aus Rom an Kardinal Giovanni de’ Medi-

ci); MAP LXVII, doc. 32 (15.9.1512, Niccolò Pandolfini aus Rom an Giovanni de’ Medici); vgl. Butters, Governors, S. 207 (ohne allerdings den päpstlichen Druck auf Giovanni zu erwähnen). Beide Medici-Freunde machten Giovanni eindringlich klar, daß Julius II. häufigere Briefe von seinem Legaten erwarte, der in jenen Tagen ja zwischen Campi und San Antonio vor den Mauern von Florenz pendelte, um seinen Einritt und den Regimewechsel in Florenz vorzubereiten. Nach einem Brief vom 8.9. hatte Giovanni zwar am 10.9. den nächsten Brief an Julius geschrieben, doch offenbar nicht mit einem Eilkurier transportieren lassen, da er erst nach fünf Tagen die Kurie erreichte. Seine Nachlässigkeit bei der Korrespondenz mit dem Papst gab Giovanni durchaus zu, kokettierte sogar mit ihr; MAP CXXXVII, doc. 612 (18.11.1512, Giovanni de’ Medici aus Bologna an Giulio de’ Medici in Florenz). 22 Cerretani, Ricordi, S. 284 (... et promixe il martedì [14.9.] venire a Firenze et quivi assettare tutto). 23 Vgl. Villari, Machiavelli und seine Zeit, II, S. 460f. (der hier vom deutschen Übersetzer eingefügte [und irrig ins Jahr 1514 datierte] Brief des Prinzivalle della Stufa vom 23.9.1512 aus Florenz an Piero Dovizi da Bibbiena in Venedig findet sich in der Originalausgabe Villaris nicht).

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Verwandten Piero di Bernardo Bartolini (der demnach im Sommer 1512 kaum als Anhänger Soderinis die Florentiner Truppen in der Lombardei angeführt hatte) sowie zahlreichen Mitgliedern der Familien Medici, Pucci, Tornabuoni, Bartolini, Martelli, Albizzi oder Carnesecchi den rund tausend Bewaffneten unter Führung von Vitello Vitelli, Rinieri della Sassetta, Ramazzotto (Melchiorre) und Andrea Grasso de’ Medici beizustehen.24 Es war ein letztendlich friedlicher Staatsstreich, der am 16. September 1512 die Medici endgültig an die Macht zurückbrachte. Die dafür etablierte, zeitlich unbegrenzte und mit bisher nicht gekannten Kompetenzen ausgestattete Balìa hatte dann während der folgenden 14 Monate zahlreiche entscheidende Einzelmaßnahmen institutioneller und personeller Art getroffen, mit denen die noch labile Medici-Herrschaft wiederhergestellt wurde.25 Die Medici dachten gar nicht daran, den Salviati, Lanfredini, Alamanni und Ridolfi nicht in diese für ihre neugewonnene Macht so entscheidende Balìa aufzunehmen. Doch auf die Mitgliedschaft einiger der führenden radikaleren Anhänger wie Antonfrancesco degli Albizzi, Bartolomeo Valori, Giovanni Rucellai und Paolo Vettori glaubten sie gut verzichten zu können, nahmen am 19. September dann aber noch Giovanni Corsi und Pandolfo Corbinelli hinzu, ergänzt von „altgedienten“ Mediceern wie Jacopo Gianfigliazzi, Alessandro di Antonio Pucci (dem Bruder von Lanfredinos Schwiegersohn Piero Pucci!) und Bindaccio Ricasoli.26 Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Ridolfi bildeten zusammen mit Giuliano de’ Medici zudem den Kern der Zwölf Prokuratoren, die am 26. September von der Balìa bestimmt wurden und die ähnlich wie zu früheren Medici-Zeiten jeweils für sechs Monate das Vorschlagsrecht bei Ämterbesetzungen besaßen, Wahlverfahren ändern konnten und Kontrollkompetenzen ausübten.27 Zu einem dieser ersten Zwölf Prokuratoren bestimmte man jedoch auch Filippo Buondelmonti, während die Balìa mit Pandolfo Corbinelli und Antonfrancesco degli Albizzi zwei weitere der Radikaleren in das Gremium der Fünf Männer aufnahm, welches der Balìa Begnadigungen für Verbannte und Verurteilte vorschlagen durfte.28 Ein engerer Kern von Ratgebern und Vertrauten, mit denen die Medici ab dem September 1512 in Florenz ihre Politik gestalteten, schält sich also klar heraus. Das neue Florentiner Machtzentrum ist mit den führenden Mediceern in der Balìa oder den Mitgliedern der Zwölf Prokuratoren freilich nicht definiert. Denn unabhängig von dieser Balìa oder anderen neuen bzw. erneuerten Verfassungsorganen, die zur Absicherung der Medici-Herrschaft eingesetzt wurden, gab es eine gesonderte Pratica, eine Ratsversammlung, die im Medici-Palast abgehalten wurde und

24 Cerretani, Ricordi, S. 286–288; Stephens, Fall, S. 62–64; Butters, Governors, S. 181–191 (wo

25 26 27 28

jedoch die Errichtung der Balìa als Erfolg der radikaleren Medici-Anhänger gegen die Intentionen Kardinal Giovannis und der Gruppe um Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Ridolfi gewertet wird). Zu den einzelnen Schritten siehe Stephens, Fall, S. 66–73. Butters, Governors, S. 185, 189. Vgl. zu den Namen Cerretani, Ricordi. S. 291; zu Amt und Funktionen Stephens, Fall, S. 68–72; Butters, Governors, S. 196f. Cerretani, Ricordi, S. 291.

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mit welcher die Medici die tatsächlichen Entscheidungen trafen, wie Giovanni Rucellai aufmerksam bemerkte. Die Herrschaft der Söhne und Väter Als Giovanni de’ Medici, der seine Legation in Bologna auf Anordnung des Papstes fortzuführen hatte, am 6. November 1512, einem Samstag, aus Florenz abreiste, vertraute er die noch sehr fragile Gewalt über Stadt und Staat seinem Bruder an, dessen familiären Status er somit wahrte.29 Doch er überließ Giuliano Florenz nicht ohne Vorkehrungen; ihm zur Seite stellte er den Cousin Giulio und eine kleine Zahl vertrautester Ratgeber. Denn Giuliano war viel zu entscheidungsschwach, zu gutgläubig und zudem viel zu oft krank. Nach dem Urteil des Augenzeugen Bartolomeo Cerretani litt er geradezu unter den Widrigkeiten der Staatsführung. Durch das politische Tagesgeschäft oft überfordert, lieh er zu vielen sein Ohr, zeigte sich zu oft zu gutmütig und zugleich naiv; jede Belastung warf ihn sofort zu Bett, die Mühsal des Regierens war ihm mehr als unbehaglich. Das Gegenteil habe Giulio de’ Medici verkörpert, der von robuster Natur gewesen sei, eifrig entschlossen, weise und wortkarg.30 Schon Mitte November war Giuliano erneut so krank und indisponiert, daß Giovanni ein längeres Leiden seines Bruders befürchtete und deshalb sogar eine Rückkehr in Erwägung zog sowie die Konsultation von Ärzten, die jedoch unbedingt vertrauenswürdig sein mußten, im Notfall durch Giulio daher von außerhalb geholt werden sollten.31 Das Mißtrauen saß immer noch tief bei den Medici. Giulio de’ Medici, dem Giovanni eine spezielle Vollgewalt über die Regierungsgeschäfte in Florenz gegeben hatte, sollte einen kranken Giuliano von jeder Mühe und Anstrengung entlasten, doch auch den gesunden sollte er zusammen mit den engsten Freunden stets beraten.32 Von ihnen sprach Giovanni mit Blick auf sich, Giuliano und Giulio als ‚ihren Vätern‘ (quelli nostri patri). Wie diese mit Giulio voranschritten, kooperierten, wie ‚heiß‘ und ‚fleißig‘ sie sich bei der Gestaltung des neuen Medici-Staates verhielten, davon sollte Giulio dem Kardinal – zumindest in der Anfangszeit – immer wieder berichten. Ein konkreter und zugleich äußerst heikler Beratungsgegenstand war kurz nach Giovannis Aufbruch durch Verhandlungen der Medici mit dem Marchese della Padula (im Regno di Napoli) entstanden, Antonio di Cardona, der aus dem Haus des spanischen Vi29 Butters, Governors, S. 204f. Giovanni de’ Medici kehrte am 9.11.1512 nach Bologna zurück,

das er am 14.1. wieder Richtung Florenz verließ; Honig, Bologna, S. 73. 30 Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, S. 281f., 284 (... il quale [Kardinal Medici] era alquanto sdegnato

che Giuliano era stato male ghuidato ed erasi preso male ordine ...), 295 (Giuliano era mal complesionato et ogni disagio lo meteva in su[l] lecto e soportava malvolentieri le fatiche dello stato) und S. 298 zum allzu konzilianten Verhalten Giulianos; vgl. auch Butters, Governors, S. 187f. 31 ASF, MAP CXXXVII, doc. 612 (18.11.1512, Giovanni de’ Medici aus Bologna an Giulio de’ Medici in Florenz). 32 Grundlage dieser und der folgenden Erörterungen bilden die beiden Briefe Giovannis an Giulio vom 11. und 18.11.1512; ASF, MAP CXXXVII, doc. 609 (11.11.1512) und 612. Vgl. Butters, Governors, S. 206f.; vgl. Stephens, Fall, S. 89f. (mit einem etwas erweiterten innersten Kreis von Medici-Ratgebern nach 1512).

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zekönigs stammte und bereits bei der Schlacht von Ravenna an der Seite Giovannis gestanden hatte und mit ihm zu den Gefangenen der Franzosen gehörte.33 Er war nun auch einer der Offiziere des spanischen „Befreiungsheeres“, und ihm hatte Giovanni, sicherlich nicht ohne Druck der Spanier, schon vor dem Sturz Soderinis das Amt eines Generalkapitäns der Florentiner Truppen in Aussicht gestellt.34 Am 11. November 1512 teilte Giovanni dann Giulio mit, daß er von Cardona einen Brief mit dessen Forderungen erhalten habe, die man wohl alle erfüllen könne. Doch solle Giulio darüber mit Giuliano sprechen, und dieser mit ‚ihren Vätern‘, damit man die Sache zum Abschluß bringen könne. In mehrfacher Hinsicht müsse sie jedoch so geheim wie möglich gehalten werden, mit jenen geheimsten und stärksten Eiden, die sie jemals angewandt hätten, auch wenn die patri hier wohl nur wenig helfen müßten. Die Einschwörung auf quelle iuramenti più secreti et più forti, che se siano mai usati durch Giovanni ist natürlich äußerst instruktiv, denn aus ihr dürfen und müssen wir schließen, daß die Medici mit ‚ihren Vätern‘ bei wichtigen Vorgängen schon vorher die strikte Geheimhaltung durch gegenseitige Eide praktiziert hatten! Wer diese ‚Väter‘ der Medici sind, verschweigt uns Giovanni glücklicherweise nicht. Sie hießen Gianbattista Ridolfi, messer Piero [Alamanni], Lorenzo Morelli, Lanfredino [Lanfredini] und Jacopo [Salviati]! Wir erinnern uns, daß wir durch den 1497 begangenen Verrat des Lamberto dell’Antella erfuhren, wie Piero de’ Medici Ende 1495 mit Blick auf einen von ‚seinen Vätern‘ in Florenz gewünschten Angriff an eben diese schrieb, um ihre Aktionen zu erkunden, wenn er wie geplant vor die Mauern seiner Heimatstadt reiten würde.35 Ob es sich um einen festen Kreis solcher von ihm anerkannten Mediceer-Autoritäten bzw. ‚Väter‘ handelte, ließ sich nicht sagen, doch eine Funktions- und Kontextanalyse ließ es als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß diese Väter aus dem innersten Zirkel langjährig loyaler und unersetzbarer Medici-Freunde und -Verwandter kamen, die in politischer und finanzieller Hinsicht an der Spitze der Florentiner Mediceer standen. Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini werden schon damals zu diesen ‚Vätern‘ Pieros gehört haben, ebenso Piero Alamanni, vermutlich ergänzt durch Bartolomeo Bartolini und Giovanni Tornabuoni, mit dem im gleichen Atemzug aber sein Sohn Lorenzo und eventuell sogar Giovanbattista Bracci zu nennen wären. Wenn es unter den fünf patri der Nachexilszeit noch eine Hierarchie in der Vertrautheit gegeben haben sollte, so ergibt sie sich weniger aus der Reihenfolge der Namen als aus der Reduzierung auf die Vornamen. Mit diesen fünf engsten Mediceern hatten die Medici die äußerst geheime Cardona-Angelegenheit geregelt, die schließlich eine Provision von 30.000 Dukaten für den Marchese della Padula vorsah, mit denen er als Capitano generale 200 schwer gerüstete huomini d’arme und 100 leicht Berittene für Florenz zu halten hatte. So blieb es in der Regel auch in den folgenden Jahren. Diese fünf „Väter“ bildeten durch ihre ständige Präsenz in den wichtigsten Florentiner Ämtern und durch 33 Vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1035, 1038f. (X/13). 34 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1088, 1090 (XI/4). 35 S.o. S. 348f.

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ihren unmittelbaren Einfluß auf die Medici (Giulio, Giuliano und Lorenzo di Piero) bzw. deren offizielle Statthalter (Goro Ghieri – nicht aber der Lorenzo 1514/15 inkompetent vertretende junge Galeotto de’ Medici, der mit den ‚Vätern‘ sofort in Konflikte geriet) die faktischen, die eigentlichen Herrscher von Florenz!36 Als ‚einen von denjenigen des Staates‘, welche die Florentiner Republik führten, so bezeichnete im November 1514 der die Regierungsgeschäfte in Florenz führende Galeotto de’ Medici den Lanfredini.37 Sicherlich waren Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Ridolfi zwischen 1494 und 1512 politisch sehr aktiv gewesen; alle drei gehörten sogar zu den Anhängern Savonarolas – aber diese Tatsache allein sagte ja wie gesehen rein gar nichts über eine negative Beziehung zu den Medici aus, sondern war im Gegenteil bei ihnen und vielen anderen (wie etwa auch Filippo da Gagliano oder Niccolò Michelozzi) komplementärer Bestandteil des Mediceer-Status. Wenn der Mediceer Niccolò Pandolfini, Bischof von Pistoia, am 15. September 1512 Kardinal Giovanni aufforderte, die piagnoni (also die alten Savonarola-Anhänger) des Großen Rates mitsamt den weiteren Freunden Soderinis von der künftigen Macht auszuschließen, und wenn er diese Gruppe dann den Medici-Freunden gegenüberstellte, wird er sicherlich nicht Lanfredini, Salviati und Ridolfi als piagnoni klassifiziert haben.38 Gleiches gilt für Leonardo di Zanobi Bartolini, der in freundschaftlich-spöttischer Weise über die piagnoni sprach, die nun Ende 1512 am Boden lägen, deren Macht zerstört sei.39 Da aber gerade Lanfredini und Salviati zu seinen engsten Vertrauten gehörten, er besonders mit Lanfredini geschäftlich nahezu eine Einheit 36 Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, passim; Butters, Governors, passim; Stephens, Fall, passim bzw.

s.v. 37 ASF, MAP CXVI, doc. 516 (21.11.1514, Galeotto de’ Medici aus Florenz an Lorenzo de’ Me-

dici in Rom). 38 Vgl. ASF, MAP LXVII, doc. 32. 39 Vgl. ABS, Lettere, mazzo I, 9.11.1512 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Florenz an Gherardo

di Bartolomeo Bartolini in Rom). Der genaue Sinn ist für den Außenstehenden allerdings nicht präzise zu erschließen, denn nachdem Leonardo Gherardo aufgezogen hatte, daß er nicht in seinem römischen Haus, sondern in dem des Borgherini Quartier genommen habe, lud er ihn mit Nachdruck in sein Haus ein, das seine Frau Francesca mit dem Rest der Kinder Mitte des Monats Richtung Florenz verlassen werde, so daß nur noch Andrea dort sein werde. Es bleibe mit allem Hausrat und Annehmlichkeiten ausgestattet; wenn Gherardo wolle, könne er auch seine Tochter mitbringen, ‚insbesondere jetzt, che e piagnoni sono andati a terra und man Mittel hat, sie jeden Tag etwas mehr zu binden – und wenn Du dies nicht glaubst, frage den Ginoro [also Carlo Ginori], der nicht mehr zu ihnen gehört‘); ein ähnliches Urteil über die piagnoni in: BNCF, Ginori Conti 29/92 (f), Nr. 9 [die Zählung der Bartolini-Briefe aus diesem Bestand erfolgt nach Nummern, da die ehemals von einem Bibliothekar vorgenommene Paginierung der Briefe an einer Stelle nicht der richtigen Reihenfolge entspricht] (20.4.1513, Leonardo Bartolini aus Rom an Niccolò Michelozzi in Florenz: Papst Leo X. wolle das Dominikanerkloster San Marco in Florenz renovieren lassen und sei damit einverstanden, daß Michelozzi dort eine Kapelle erhalte, doch wolle er den piagnoni nicht zu viel Einfluß erlauben – ‚wenn Ihr, Niccolò, einer von ihnen seid, Euer Schaden! Verzeiht mir, daß ich immer frank und frei spreche.‘) Ob es sich hier um eine Differenz unterschiedlicher religiöser Gruppenbindungen handelt, von der die generelle Freundschaft unter diesen Mediceern freilich unberührt blieb, oder um eine gerade unter Florentinern übliche, von Leonardo di Zanobi intensiv kultivierte geistreich-derbe Neckerei, ist ohne weitere Zeugnisse zur Sache schwer zu entscheiden.

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bildete, können diese Mediceer trotz aller früheren Bindungen zu Savonarola nun auf keinen Fall mehr zur Gruppe der von den Medici ausgegrenzten piagnoni gezählt werden. Giovanbattista Ridolfi hatte als Florentiner Botschafter in Venedig im Sommer 1499 zudem zahlreiche Informationen über die Medici zu liefern – aber auch solches mußte engere Bindungen zu ihnen nicht ausschließen. Sollte Ridolfi damals aber tatsächlich zu den Gegnern der Medici gehört haben (was mehr als unwahrscheinlich anmutet), so hatte sich dies ab 1500, spätestens unter dem Soderini-Regiment, grundlegend geändert. Sonst hätten ihn Jacopo Salviati und Lanfredino niemals in den Kreis ihrer engsten Vertrauten einbezogen, wie wir etwa bei Jacopos Brief vom 28. März 1506 an Lanfredini gesehen hatten.40 Mit ihnen hatte er sich 1508/09 auch für die Ehe Filippo Strozzis mit Clarice de’ Medici eingesetzt.41 Die drei – nach Florentiner Maßstäben – jungen Medici-Häupter, die „Söhne“, kooperierten mit ihren fünf ‚Vätern‘ nicht nur in einem übertragenen Sinne gleichsam innerhalb einer Großfamilie, eines Familienverbandes. Der mächtige und reiche Jacopo Salviati stand durch seine Ehe mit Lucrezia di Lorenzo de’ Medici als Schwager Giovannis und Giulianos sicherlich an der Spitze der ‚Väter‘. Jacopos „Zwilling“ Lanfredino Lanfredini hatte durch seine erste Ehe mit Selvaggia Tornaquinci (aus dem Tornabuoni-Clan) in die engere, durch seine zweite Ehe mit Francesca di Bartolomeo Bartolini in die weitere Verwandtschaft der Medici eingeheiratet – ganz abgesehen von seiner politischen Vertrautheit und Geschäftspartnerschaft mit Lorenzo il Magnifico. Der betagte Giovanbattista di Luigi di messer Lorenzo Ridolfi war mit Alamanno Salviatis Schwester Cornelia verheiratet und somit auch mit deren Cousin Jacopo verwandt.42 Sein Bruder hingegen war jener Niccolò di Luigi Ridolfi, der 1497 als einer der fünf Mediceer hingerichtet worden war und dessen Sohn (bzw. Giovanbattistas Neffe) Piero mit Contessina de’ Medici verheiratet war, der Schwester von Jacopo Salviatis Ehefrau Lucrezia. Der von Giovanni de’ Medici in vertrauter Weise nur mit dem Vornamen genannte messer Piero Alamanni ist gleichfalls dem Familienclan zuzuordnen, wie anfangs bereits kurz erörtert.43 In Leonardo di Zanobi Bartolinis Geschäftsbuch, das er als Prokurator des Kardinals Giovanni für die Jahre 1512/13 anlegen ließ, erläuterte einer von Bartolinis Mitarbeitern bei einem Rechnungsposten zu Madonna Creofe Tornabuoni die Verwandtschaftsverhältnisse. Creofe sei Witwe des verstorbenen Nofri Tornabuoni und Tochter von messer Piero Alamanni!44 Da 40 S.o. S. 813–815. 41 Guicciardini, Storie fiorentine, S. 327. 42 Vgl. Butters, Governors, S. 65; bei Hurtubise, Salviati, wird der Ehemann von Cornelia di Aver-

ardo Salviati nicht genannt. 43 S.o. S. 145f., Anm. 143. 44 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 217/CCXVII (Madonna Creofe donna fu di Nofri Tornabuoni e

figluola di messer Piero Alamanni ...); bei Litta, Famiglie, Bd. 11, Tafel 1 zu den „Tornabuoni di Firenze“, wird die Ehefrau von Onofrio (Nofri) Tornabuoni nicht angegeben, doch sein Sohn Francesco soll 1519 Margherita di Luigi Guicciardini geheiratet haben, während Litta für Nofris Tochter Francesca Jacopo Bracci als Ehemann angibt. Sollte Nofris Tochter den Bracci tatsächlich geheiratet haben, dann muß Leonardo di Zanobi Bartolini – der im übrigen ja Schwager von Gianbattista Bracci war – ihr zweiter Ehemann gewesen sein.

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Leonardo di Zanobi Bartolini die Tochter von Nofri Tornabuoni und Creofe geheiratet hatte, Francesca, war Creofe somit seine Schwiegermutter und Piero Alamanni der Großvater seiner Ehefrau, der so zum engen Verwandten Leonardos geworden war – und da die Tornabuoni zu den engeren Verwandten der Medici zählten, konnte sich auch Piero Alamanni so wie Leonardo Bartolini diesem Familienverband zugehörig fühlen. Der messer Piero Alamanni aus Bartolinis Rechnungsbuch und aus Kardinal Giovannis Brief sind mit Sicherheit identisch. Es handelt sich bei ihm um einen der unbekannteren, aber enorm einflußreichen Mediceer, der unter Lorenzo il Magnifico in den Familienverband integriert und durch ihn gefördert worden war. Messer Piero di Francesco di Piero Alamanni – wie er nach seiner väterlichen Herkunft richtig heißt und was mit Blick auf zahlreiche Verwechslungen mit gleichnamigen Verwandten zu betonen ist – war am 7. November 1434 geboren worden, unter den Medici Podestà von Pistoia (1478) und San Gimignano (1482) sowie Capitano del popolo in Pisa (1485) geworden, um anschließend Ende 1486 von Lorenzo de’ Medici als Botschafter an den Mailänder Hof gesandt zu werden, wo er sich schon zu Zeiten von Herzog Francesco Sforza (1466 gestorben) als Jugendlicher aufgehalten hatte, da sein Vater Francesco und sein Onkel Tommaso dort hohe Ämter bekleideten. Weitere wichtige Gesandtschaften nach Rom, Neapel und wiederum Mailand folgten. Vom Januar 1490 bis zur Abreise nach Rom im Januar 1491 rekrutierte Lorenzo ihn in das kurzzeitig zur Verbesserung der Florentiner Staatsfinanzen eingerichtete Gremium der 17 (Finanz-)Reformer; er muß also auch ökonomische Kompetenzen besessen haben. Piero zählte zu den alten Weggefährten und Freunden des Magnifico, der ihm zu sozialer und politischer Reputation verhalf, ihn zugleich reich machte und – wie gerade in solchen Fällen bei ihm üblich – mit Sicherheit stiftend hinter der Ehe zwischen Pieros Tochter Creofe und Nofri Tornabuoni stand, wie denn auch die zahlreichen Alamanni-Kinder ebenso in die Medici- und Salviati-Familie einheirateten bzw. einheiraten werden.45

45 Im Juli/August 1490 bekleidete Piero als Gonfaloniere di Giustizia das höchste Staatsamt; seit

Januar 1491 folgten erneute Gesandtschaften nach Rom, Neapel (1492) und erneut Mailand (1493). Zu Piero di Francesco Alamanni vgl. die biographische Skizze bei Hauvette, Exilé, S. 3– 7, 28 und Anm. 2; Picotti, Giovinezza, s.v.; zur Mailänder Gesandtschaft, die Hauvette schon 1485 beginnen läßt, vgl. auch Lorenzo de’ Medici, Lettere X, bes. Nr. 910 und s.v., XI, s.v.; zur Mitgliedschaft im Gremium der 17 (Finanz-)Reformer, zu dem neben Lorenzo de’ Medici auch sein Freund und Partner Bartolomeo Bartolini, Jacopo Salviati und Jacopo Pucci gehörten, vgl. Brown, Lorenzo, the Monte, S. 156f., Anm. 14, 16, S. 181, 184; zu seiner Förderung durch Lorenzo il Magnifico vgl. das rückblickende Urteil bei Cerretani, Ricordi, S. 407. Analog führte Guicciardini den Alamanni neben Antonio Pucci, Giovanni Lanfredini, Girolamo Morelli, Bernardo del Nero und Pierfilippo Pandolfini sowie einigen anderen als engen Medici-Vertrauten auf: Guicciardini, Storie fiorentine, S. 78f. Als am 3.10.1495 aus seiner vierten Ehe mit Ginevra Paganelli sein Sohn Luigi geboren wurde (der spätere Poet und Medici-Gegner), war Piero Alamanni 61 Jahre alt, während sein älterer, den Medici stets verbundener Sohn Boccaccino damals schon 35 Jahre alt war; von Pieros 11 Kindern überlebten 4 Söhne und 5 Mädchen, die nicht zufällig in die Familien Medici, Tornabuoni (dies muß Creofe gewesen sein), Salviati (Nannina heiratete Alamannos Sohn Averardo) und Carducci einheirateten. 1519 starb Piero im

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Parenti führt den cavaliere Piero Alamanni für die kurze Herrschaftszeit von Piero de’ Medici neben bekannten Mediceern wie Pierfilippo Pandolfini, Bernardo del Nero und Niccolò Ridolfi weiterhin als einen der führenden Politiker in Florenz auf, der (wie schon erwähnt) noch im Sommer 1494 Gesandter in Mailand war und sogar nochmals Ende Oktober 1494 in der dunklen Dämmerung des Medici-Regimes (zusammen mit Francesco Valori) mit einer erneuten Gesandtschaft als Florentiner Botschafter nach Mailand betraut wurde, diese aber offenbar nicht antrat, da er am 2. November zu einem der acht Gesandten bestimmt wurde, die König Karl VIII. aufsuchten.46 Folgerichtig hatte er deshalb in den folgenden Jahren an den Umsturzversuchen der Medici teilgenommen, wurde am 28. April 1497 mit den Salviati, Tornabuoni und vielen weiteren Mediceern neutralisiert, als Piero vor Florenz stand, und wurde im Oktober 1497 als Feind der Republik zusammen mit anderen Mediceern vorgeladen, wobei er es jedoch aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen vorzog, nicht zu erscheinen. Als man ihn sowie Luigi und Piero Tornabuoni daraufhin verbannte, hielt er es allerdings für klüger, sich zusammen mit seinen Tornabuoni-Verwandten in Florenz den Anklagen zu stellen, womit sie ihre Strafen auf eine Verwarnung reduzieren lassen konnten.47 Cerretani berichtet, daß auch der cavaliere Luigi di Boccaccino Alamanni aufgrund seiner Freundschaft zu Piero de’ Medici von 1494 bis 1506 verwarnt worden war, daß man ihn also mit einer Verbannung bedrohte.48 Im Kontext der herausgehobenen Machtstellung von Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini, Piero Alamanni, Gianbattista Ridolfi und Piero Guicciardini in den Jahren nach 1512 betonte wiederum Cerretani, daß diese untereinander alle verwandt und immer befreundet sowie seit Savonarolas Zeiten die ersten Köpfe in Florenz gewesen seien.49 Wegen seiner beständigen treuen Freundschaft zu den Medici und deren engsten Verwandten und Freunden sowie wahrscheinlich aufgrund wirtschaftlicher Verflechtungen mit der MediciBank ist messer Piero Alamanni also mit 78 Jahren nach dem Sturz Soderinis durch die Medici in jenen Rat der fünf ‚Väter‘ – in welchem er allerdings geradezu den Großvater darstellte – aufgenommen und damit bis zu seinem Tod 1519 zu einem der angesehensten, d. h. mächtigsten Florentiner gemacht worden.50 Der entscheidende Faktor für die Aus-

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hohen Alter von 85 Jahren; vgl. Tratte, s.v.; Hauvette, a.a.O. S. 3–7; Hurtubise, Salviati, S. 229, 498. Zu seiner Gesandtschaft (zusammen mit Agnolo Niccolini) vom Sommer 1494 s.o. S. 134f., 286f., 299; zu der von Ende Oktober 1494 und früheren Funktionen vgl. Parenti, Storia fiorentina I, S. 46f., 112; die Entsendung vom 2.11.1494 bei Hauvette, Exilé, S. 6; Guidi, Ciò che accadde, S. 31, Anm. 16. Allerdings spricht sowohl Parenti (a.a.O. S. 46f.) als auch die bei Guidi zitierte Quelle von Piero di Boccaccino Alamanni, cavaliere. Da Pieros Sohn Boccaccino jedoch um 1460 geboren war, kann es sich bei dem Gesandten von Ende 1494 nicht um einen gleichnamigen Enkel Pieros gehandelt haben. Parenti, Storia fiorentina II, S. 127; Landucci, Florentinisches Tagebuch I, S. 215; s.o. S. 441. Cerretani, Ricordi, S. 138. Cerretani, Ricordi, S. 316. Vgl. hierzu auch Cerretani, Ricordi, S. 407 (im Register ist er fälschlich als Piero di Bongianni Alamanni identifiziert worden). Nach Cerretani, ebd., ist Pieros Sohn Luigi, der Poet, Mitte 1522 an einem Putschversuch gegen Kardinal Giulio de’ Medici und dessen politische Helfer beteiligt gewesen, der von einigen jungen Mediceern weniger aus Haß gegen die Medici als

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wahl dieser Mitregenten bestand mithin in ihrer dauernden Loyalität zu den Medici – so wie Giovanni de’ Medici es am 25. April 1510 explizit gegenüber ‚seinem besonderen Freund‘ Lanfredino Lanfredini betonte, der ‚wie sein Vater immer die Freundschaft zum Haus Medici bewahrt habe‘.51 Diese loyale Freundschaft wurde vertieft durch das Band der Verwandtschaft, doch Verwandtschaft allein war in Florenz zwar ein ursächliches, aber noch nie ein hinreichendes Kriterium für eine Handlungs- und Interessenallianz. Für sie dürften gemeinsame Geschäftspartnerschaften ein besseres Bindegewebe gebildet haben als die reine Verwandtschaft, wie gerade am folgenden Fall zu illustrieren ist. In diesem ‚Väter‘-Zirkel besaß der im Dezember 1446 geborene, 1514 gestorbene Lorenzo di Matteo di Morello Morelli offenbar den geringsten Verwandtschaftsgrad zu den Medici; er gehörte im übrigen zu den Gegnern Savonarolas.52 Versucht man, anhand der bisherigen Kenntnisse über ihn das bezeichnende Charakteristikum seiner Person und Tätigkeit zu umreißen, so dürfte dieses in seinem politisch-finanziellen Stellenwert für Lorenzo il Magnifico sowie in seiner (komplementären) engen Freundschaft mit Lorenzos Partner Bartolomeo Bartolini gelegen haben. Morelli war von einem den Florentiner Staat konsolidierenden und für die Medici sichernden Lorenzo ab 1480 nahezu ununterbrochen mit höchsten politischen Ämter betraut worden, hatte vier Jahre lang von 1484 bis 1488 als einer der Ufficiali del Monte die prekären Staatsfinanzen zu beaufsichtigen und zu „füttern“. Für diese Aufgabe bediente sich Morelli der Florentiner Medici-Tarnbank, die unter dem Namen seines Freundes Bartolomeo Bartolini lief, der ab 1488 nach ihm für die gleiche Amtsdauer als Ufficiale del Monte wirkte und der mit Morelli u. a. durch gegenseitige Patenschaften für ihre Kinder verbunden war.53 Wie die Salviati und der Lanfredini bekleidete Morelli auch nach 1494 zahlreiche hohe politische Ämter in Florenz.54 Und im Februar 1497, am Beginn jenes für die Mediceer zunächst so hoffnungsvollen, dann so tragischen Jahres, wird Lorenzo Morelli an der Seite eines Lorenzo Tornabuoni, Alamanno Salviati und Francesco Girolami erneut Ufficiale del Monte.55 Wahrscheinlich waren es neben seiner tiefen Freundschaft zu den Medici seine Kompetenz als Kenner der Florentiner Staatsfinanzen und seine enge Beziehung zu Bartolomeo Bartolini und zu dessen Söhnen, die Lorenzo Morelli zum Mitglied des Beraterzirkels der Medici nach

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vielmehr aus tiefer Unzufriedenheit wegen vorenthaltener politischer Partizipation durchgeführt worden war. Weiss hat Luigis Vater (richtig) mit Piero di Francesco Alamanni identifiziert; Weiss, Art. „Alamanni, Luigi“, in: DBI 1 (1960), S. 568–571. Zum antimediceischen Sohn Pieros jüngst: Frege Gilbert, Luigi Alamanni. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 199 (25.4.1510, Kardinal Giovanni de’ Medici aus Rom an Lanfredino Lanfredini); s.o. S. 145 und Anm. 143. Vgl. etwa Cerretani, Ricordi, S. 441, 444. Vgl. Goldthwaite, Lorenzo Morelli. Schon Marks hatte auf die Geschlossenheit der relativ kleinen oligarchischen Gruppe verwiesen, die zwischen 1482 und 1494 die Florentiner Staatsfinanzen kontrollierte, und aus der er v. a. die Familien Salviati, Albizzi, Davanzati, Gianfigliazzi, Pandolfini, Guicciardini, Pucci und Acciaiuoli nennt (die Bartolini z. B. wären zu ergänzen), in denen Politik und Finanzen koinzidierten; vgl. Marks, Financial Oligarchy, hier bes. S. 140f. Vgl. Guidi, Ciò che accadde, S. 175. Vgl. Barteleit, Staatsverschuldung, S. 226f.

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1512 machten. Doch es sollte uns nicht verwundern, wenn seine außerordentliche Qualifikation nicht auch eine spezielle Kenntnis der Medici-Finanzen beinhaltet hätte. Es sind bisher leider nur Indizien, die uns zu dieser Annahme verleiten. Aber war es nicht überaus auffällig, daß in der von Lorenzo de’ Medici kurz vor seinem Tod aufgebauten Säulenhalle von Partnergesellschaften und Beteiligungen, durch die sein Vermögen an den ungeeigneten Söhnen vorbei in die sichernde Hand kompetenter Vertrauter wie z. B. Lanfredino Lanfredini, Lorenzo Tornabuoni und Gianbattista Bracci geführt wurde, auch die Morelli-Alamanni-Seidengesellschaft durch ihre Bürgschaft für Lorenzo Tornabuoni vertreten war?! Selbst wenn wir Lorenzo Morelli hier wie Piero Alamanni nicht namentlich beteiligt sahen, ihre Desintegration in diese Sphäre will uns wenig glaubhaft erscheinen. Zu evident ist die Involvierung ihrer Verwandten. Führende Teilhaber der Morelli-Alamanni-Gesellschaft waren die Brüder Bernardo und Niccolò di Girolamo di Matteo Morelli, die vermutlich Neffen Lorenzos waren. Niccolò Morelli hatte man Ende Juni 1502 mit 32 Jahren genauso wie Alamanno Salviati zu einem der Prioren der neuen Signoria gewählt und im Sommer 1505 mit 4.000 Fiorini zum Markgrafen von Mantua und wegen Verhandlungen zum französischen Statthalter nach Mailand gesandt.56 Domenico di Andrea Alamanni hatte 1492 dem Kardinal Giovanni de’ Medici während dessen Legation im Patrimonium Petri zusammen mit (seinem Verwandten) Nofri Tornabuoni als Schatzmeister des Patrimoniums geholfen, während er im Juni 1495 als Prokurator Nofris dessen große Bürgschaft für Lorenzo Tornabuoni leistete, die er mit einem kleineren Betrag kurz vorher auch selbst gegeben hatte. Domenico Alamanni gehörte zu den klandestin für die Medici wirkenden Mitarbeitern Lorenzo Tornabuonis und Gianbattista Braccis in der Florentiner Medici-Erben-Bank, der beispielsweise im November 1496 nach Rom gereist war, um wichtige Geheimgespräche mit Piero und Giovanni de’ Medici sowie Nofri Tornabuoni und Leonardo Bartolini zu führen.57 Denn der am 26. Oktober 1455 geborene Domenico, Sohn des 1422 geborenen Andrea di Francesco di Piero Alamanni, war ein Neffe des Medici-‚Vaters‘ Piero di Francesco di Piero Alamanni!58 Stellen wir mit Blick auf die politische Stellung der‚Väter‘ bzw. ihrer Familien einige weitere Bezüge zur mediceischen Finanzwelt zusammen. Zu den Mitarbeitern Leonardo Bartolinis in der neapolitanischen Medici-Bank gehörten Giuliano di Giorgio Ridolfi, mit dem er 1497 Geld für die Medici organisierte, sowie Lorenzo Ridolfi, der 1495 mit der Florentiner Bartolini-Bank die gemeinsamen Konten saldierte und danach mit Spesengeld aus dieser Bank durch Gianbattista Bracci nach Venedig geschickt wurde.59 Als im Frühjahr 1497 die Nachricht vom angeblichen Einmarsch Piero de’ Medicis in Florenz die römischen Mediceer um den Bartolini und Federico Sanseverino vor schierer Begeisterung fast verrückt werden ließ, befand sich unter ihnen auch Lorenzo Alamanni, der sich für die Feier des Erfolges Luxuskleider zuschneiden ließ. Mit 56 57 58 59

Cerretani, Ricordi, S. 48f., 106. S.o. S. 429f., vgl. auch S. 432. Vgl. Tratte, s.v. S.o. S. 144, 154, 424; ABS 227, c. XIII, 67 (zu Lorenzo Ridolfi Februar und August 1495).

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größter Wahrscheinlichkeit wird es sich bei ihm um Lorenzo di Piero di Francesco gehandelt haben, also um einen Sohn des mächtigen cavaliere.60 Und man möchte wetten, es habe sich bei dem folgenden Alamanni ebenfalls um einen engen Verwandten Pieros, wenn nicht sogar wiederum einen seiner Söhne, gehandelt. Wenige Monate später half Matteo Alamanni dem in Lyon exilierten Francesco Naldini, der dann ein Jahr später wiederum einen der von ihm geretteten Medici-Tornabuoni-Juwelen Domenico Alamanni und den bekannten Vormündern der Söhne von Lorenzo Tornabuoni zur Verwahrung gab, die ihn schließlich bei Jacopo Salviati in Sicherheit bringen ließen. Dieser Jacopo Salviati ließ 1506 über Lanfredino Lanfredini Ludovico di Jacopo (di Giovanni) Morelli grüßen, wohl nicht unbedacht, denn Ludovico Morelli hatte im September 1495 in Florenz zusammen mit Niccolò Michelozzi dem geflüchteten Medici-Bankier und Lanfredini-Partner Filippo da Gagliano geholfen; und sicherlich auch wegen der dahinter stehenden Haltung wurde er nach dem Staatsstreich der Medici am 18. September 1512 zu einem der neuen Mitglieder der Otto di Guardia gewählt.61 Dies alles war gewiß kein Zufall. Wenn wir aus diesem Kern der patri nun aber Lanfredino Lanfredini und Jacopo Salviati an die Spitze der hierarchisch aufgebauten neuen Machtstruktur stellen wollen, so liegt der Grund dafür in ihrem eigentlichen, bisher noch nicht hinreichend ausgeleuchteten Kompetenzfeld. Als der junge, politisch unerfahrene und wie sein Vater durchaus hochmütige Lorenzo di Piero de’ Medici Mitte 1513 anstelle des im Mai nach Rom geradezu geflüchteten Giuliano die Herrschaft über Florenz antrat, erhielt er auf Anweisung von Giovanni de’ Medici, nunmehr Papst Leo X., durch Giuliano eine Instruktion für die praktische Ausübung dieser Machtstellung. Die beiden Medici-Häupter stellten dabei über alle wichtigen politischen Aufgaben die Notwendigkeit, die Einnahmen von Florenz bzw. des Staates nicht zu verringern, sie den einzelnen Erfordernissen angemessen auszugeben und die Bürger mit den finanziellen Belastungen nicht zu provozieren. Für die fundamentale Finanzverwaltung müsse er geeignete Personen aussuchen, die ihm vor allem in jeder Hinsicht treu sein müßten. Nur zwei Männer sahen die Medici als geeignet für diese Aufgabe an: Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini!62 Besser als Lorenzo werden Giovanni und Giuliano de’ Medici gewußt haben, daß Jacopo und Lanfredino mehr waren als einfach nur hervorragende Finanzfachleute mit zugleich besonderer politischer Autorität (denn diese Kombination war für ihre Wahl wichtig), daß sie nicht nur die Besten für die Verwaltung der Staatsfinanzen waren, sondern auch mit dem Vermögen der Medici vertrauter als viele andere der engsten Mediceer – wenngleich nicht die einzigen.

60 Vgl. Tratte, s.v. Dort ist nur ein Alamanni mit dem Vornamen Lorenzo verzeichnet, was unsere

Vermutung verstärkt; der gleich zu nennende Matteo Alamanni ist in den Tratte nicht aufgeführt. 61 Cerretani, Ricordi, S. 288. 62 Vgl. Gar, Documenti, S. 299–306, hier S. 303f.

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2. Die Finanzen: Das A und O der Medici-Herrschaft – und Proprium eigentlicher Mediceer-Freundschaft a) Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Bracci als Finanziers des Staates Um die Bedeutung der führenden Mediceer für die seit dem September 1512 wiedergewonnene Medici-Herrschaft annähernd begreifen zu können, ist es notwendig, sich eine grundlegende Konstellation innerhalb des Hauses Medici nochmals zu vergegenwärtigen und weitere zentrale, damit ursächlich verbundene Entwicklungen zu resümieren. Keiner der Medici, der während und am Ende des Exils die Familie führte, besaß die Fähigkeit für die Verwaltung oder gar Beschaffung von Geld. Nichts aber war so entscheidend für ihr Überleben und nun 1512 für den Neuaufbau ihrer Macht wie Geld, viel Geld. Von Beginn an zog sich dieses Grundproblem durch ihre Exilsgeschichte. Kein Feldzug gegen Florenz, nicht einmal die Vorbereitung eines solchen ohne die vorausgehende Organisation gewaltiger Geldmengen! Selbst die Einwilligung des befreundeten Frankreich gab es 1501 nicht ohne die Zahlung von einmalig 25.000 Dukaten und die Bereitstellung zahlreicher gewaltiger Bürgschaften für die nach der Restitution fälligen drei Jahresraten in Höhe von je 100.000 Dukaten, die aber nicht die Medici, sondern ihr Staat aufzubringen hatte. Eine ähnliche Hürde gab es 1512 zu überwinden. Denn auch die Spanier halfen den Medici nicht aus reiner Allianztreue und politischer Vorteilserwartung. Noch vor dem Feldzug gegen Florenz hatten die Medici an den spanischen Vizekönig Ramón Cardona (bescheidene) 10.000 Dukaten zu entrichten, die ihnen durch Kredite ihrer Florentiner Freunde bereitgestellt wurden. Die eigentliche Subvention aber war nach der Rückkehr, nach dem Erfolg zu zahlen. Deren Höhe stand vorher jedoch nicht fest, sondern mußte in Verhandlungen fixiert werden. An jenen für die Geschichte des Hauses Medici so denkwürdigen Tagen des 31. August und 1. September ging es in den Verhandlungen der Florentiner Gesandten und der Medici mit dem spanischen Vizekönig in Prato um nichts anderes als um die Regelung der Geldzahlungen.63 Wer aber von den beteiligten Florentinern bzw. Mediceern war hierfür besser geeignet als Jacopo Salviati? Die Forderungen der Spanier, die ebenso die finanziellen Interessen von Kaiser Maximilian vertraten, waren mit ca. 150.000 Dukaten im Vergleich zu den französischen von 1501 gering, wurden von den Florentinern jedoch, auch gegenüber Papst Julius II., als exorbitant beklagt. Nach harten Verhandlungen sah der Vertrag mit Blick auf die Finanzfrage eine innerhalb von sechs Monaten zu erfolgende Zahlung von 40.000 Dukaten an den Vizekönig vor, die dieser an den Kaiser zu geben hatte, sowie den Unterhalt von 200 Soldaten durch Florenz für die Verteidigung des Königreichs Neapel, während der Vizekönig Florenz im Bedarfsfall mit einer größeren Armee verteidigen wollte. Außerhalb des Vertrages hatten die 63 Tutto questo fu martedì [31.8.1512], nel qual dì et nell’altro poi ad altro non se atendeva, men-

tre vi stetti, che a comporre col Vicerè li partita de’ danari; Bernardo da Bibbiena am 6.9.1512 an seinen Bruder Piero in Venedig, in: Villari, Machiavelli II, hier S. 551.

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Florentiner freilich nochmals in die Zahlung einer erheblich höheren Summe an die Spanier einzuwilligen, mit der sie sich gleichsam den Abzug der spanischen Truppen erkauften, so daß man am 7. September mit gut 150.000 Dukaten rechnete, die man alles in allem aufzubringen hatte.64 Laut Guicciardini hatte der Kaiser nach einer Forderung von Kardinal Lang 40.000 Fiorini zu erhalten, der Vizekönig 80.000 für das Heer (die Hälfte sofort, den Rest innerhalb von zwei Monaten) und 20.000 für sich persönlich.65 Die Medici kehrten also als Privatpersonen nach Florenz zurück, um sich den hohen Preis für dieses Recht von den Florentiner Bürgern, vom Staat bezahlen zu lassen. (Und auch den Rückkauf der konfiszierten und dann an Dritte veräußerten Medici-Güter werden die Medici kaum oder nicht allein aus ihrer Privatschatulle bestritten haben.) Konkreter läßt sich die Durchmischung privaten und öffentlichen Interesses kaum veranschaulichen. Aus bisher für diese Problematik nicht beachteten Quellen wird nun aber deutlich, daß es ein Kreis von vier Personen war, der damals in maßgeblicher Weise diese für die Medici so elementaren Finanzfragen regelte. Wir kennen sie mittlerweile bestens, denn in eben dieser Funktion sind sie uns seit dem Beginn des Exils immer deutlicher entgegengetreten – da sie schon von Lorenzo il Magnifico in verantwortungsvoller Voraussicht in dieses Aufgabenfeld, welches das Fundament seines Hauses bildete, eingebunden worden waren. Es waren Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini, Giovanbattista Bracci sowie Leonardo di Zanobi Bartolini, die für die finanzunkundigen Söhne Lorenzos sowohl die privaten als auch die öffentlichen Finanzen organisierten. Offenkundig im Oktober 1512 hatte Jacopo Salviati zusammen mit seinem Freund Matteo Strozzi die Aufgabe erhalten, das „neue“ Florenz als Gesandter am päpstlichen Hof in Rom zu vertreten.66 Doch als ein „Wegloben“, ein „Exil“ des moderaten Salviati wird man diese Gesandtschaft, wie der Chronist Filippo Nerli und mit ihm manch Historiker annahmen, nicht bewerten dürfen.67 Dazu war Rom viel zu bedeutend, denn das Wohlwollen Julius’ II. war für die Medici-Interessen etwa in finanzieller (Gewährung einer Steuer auf die Florentiner Geistlichkeit) oder politischer (Aversion des Papstes ge64 Butters, Governors, S. 172. 65 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1088 (XI/4). 66 Cerretani, Ricordi, S. 294. Vor dem 20.10. muß Jacopo abgereist sein, da Lanfredino schon an

jenem Tag einen Brief an ihn geschrieben hatte; vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 226 (5.11.1512, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 67 Vgl. Butters, Governors, S. 199, 207 („Salviatis ‚exile‘ to Rome“), und S. 190 zur Freundschaft Jacopos mit Matteo Strozzi; Polizzotto, Elect Nation, S. 251–254, wo Jacopo und auch Lanfredino Lanfredini mit geradezu ideologischer Mißinterpretation weniger Quellen als Prototypen der Savonarola-Anhänger dargestellt werden, die ab September 1512 hohe Ämter bekleideten, um die Medici-Macht zu begrenzen und um das System von innen zu reformieren, und wo behauptet wird, die Medici hätten Jacopo deshalb als Botschafter nach Rom weggelobt. Matteo Strozzi war im übrigen schon seit den 90er Jahren, als er zusammen mit Piero Corboli eine Gesellschaft in Venedig betrieb, ein enger Partner der Mediceer-Bankiers. Seine Bank gehörte z. B. mit Matteo Cini zu den finanziellen Helfern des aus Florenz geflüchteten Filippo da Gagliano während dessen Venedig-Aufenthalt; auch später blieb dieser Strozzi ein Geschäftsfreund der Lyoner Salviati-Gesellschaft und von Zanobi di Gianbattista Bracci; vgl. etwa ASP IV/5, c. XII (75 Dukaten für Filippo bzw. für diesen an Matteo Cini); I/440, c. CCXXXXIIII (1510).

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gen eine zu große Nähe der Medici zu den für ihn zu dominant werdenden Spaniern) Hinsicht weiterhin fundamental.68 Hier benötigten die Medici ein familiäres und politisches Schwergewicht wie Jacopo Salviati. Überdies verlor dieser ja keinesfalls seinen Einfluß in Florenz, den er beispielsweise durch ständige Korrespondenz mit seinem Freund Lanfredino aufrechterhielt. Hätten jene Interpreten Jacopos Briefe an seinen Busenfreund Lanfredino gelesen, sie hätten ihren grundlegenden Irrtum sofort bemerkt. Denn Lanfredino drängte seinen Intimus schon Anfang November aus persönlichen Gründen immer wieder, sofort nach Florenz zurückzukehren, doch Jacopo mußte ihn davon überzeugen, daß sein Verbleiben in Rom aus sachlichen Erfordernissen zwingend notwendig war.69 Jacopo selbst entschied also, wie lange er als Gesandter in Rom blieb und daß er dort – länger als auch von ihm gewünscht – nicht zu ersetzen war. (Noch Benvenuto Cellini hatte seine Autorität und Präsenz am Hof Clemens’ VII. erlebt, wo er ihm eine Mitschuld am Sacco di Roma von 1527 gab.70) Die Regelung der spanischen Geldforderungen bildete dabei nur einen dieser Sachgründe, aber den ersten gewichtigen. Um die vordringlichste Staatsaufgabe zu bewältigen, hatte die neugebildete Balìa am 21. September 1512 einen accatto, eine Zwangsanleihe, über 36.000 Fiorini angekündigt und die Signoria ermächtigt, eine Anleihe von 30.000 Fiorini zu erheben, um dem Vizekönig zum 3. November einen ersten Teil des geschuldeten Geldes zu bezahlen.71 Offensichtlich konnte dieses Ziel bis zum 5. November nicht erreicht werden. Denn aus Jacopo Salviatis an jenem Tag an Lanfredino geschriebenem Brief geht hervor, daß die Bewältigung der Anleihen immer noch im Fluß war.72 Vor allem aber spricht er aus, was uns interessiert und aufhorchen läßt: Die Verwaltung der Florentiner Staatsfinanzen hatten die beiden zu ihrer Aufgabe gemacht; sie war ihr Anliegen. Ganz grundsätzlich sei es wichtig, daß ‚wir‘ uns sorgfältig um die Ausgaben und Einnahmen kümmern, denn sonst werden ‚unsere‘ Sachen nicht gut verlaufen (le cose nostre non andranno bene)! In der konkreten Umsetzung dieser ego- bzw. gruppenzentrischen, zugleich aber mit Blick auf das Gemeinwohl den Bürger vor Überforderungen (und damit wiederum die Mediceer vor Aufständen) schützenden, ausgleichenden Finanzpolitik hatte Jacopo bei Papst Julius II. den Florentiner Wunsch nach einem Zehnten, einer von der Geistlichkeit zu tragenden Steuer, vorgetragen und das Problem der Florentiner Schulden beim Kaiser erörtert. Diese Belastung werde sich wohl zeitlich strecken lassen, so daß die Stadt nicht allzuviel zu leiden habe.

68 Vgl. etwa Butters, Governors, S. 192, 209f. 69 Etwa BNCF, Ms. II. V. 21, c. 226 (5.11.1512, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredi-

ni in Florenz: ... Voi mi ricordate el tornare per ogni vostra [...] ne ho di poi inteso cose che meriti che habbiate havuto a mutare opinione, se gia non fussi la sollecitudine della comare. Parmi necessario che ci stiamo qualche dì per vedere gli effetti che seghuono dopo el partire di costì [aus Florenz].). 70 Vgl. Cellini, Mein Leben, S. 104 (I/34), 112–114 (I/36), 133–135 (I/43). 71 Butters, Governors, S. 190, 194. 72 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 226 (5.11.1512, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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Noch wichtiger als der Einblick in Jacopos und Lanfredinos nicht uneigennützige Sorge um das Allgemeinwohl ist ihr Bekenntnis über ihren ganz persönlichen Beitrag zur Lösung des Florentiner Finanzproblems, d. h.: zur Bezahlung des Preises für die Restitution der Medici. Der Fordernde hieß Giovanni Armingol in seiner Funktion als Prokurator des spanischen Vizekönigs Cardona. Diesem Armingol hatten Jacopo und Lanfredini – und niemand sonst – eine Bürgschaft geleistet, über deren Höhe wir nichts erfahren, die aber zweifellos zu einem großen Teil oder gänzlich die Schuld der Medici bzw. von Florenz bei den Spaniern betraf. Die Obligation war jedenfalls so gewaltig, daß Jacopo am 5. November gegenüber Lanfredino bekannte, ihre vordringlichste Aufgabe bestehe im Augenblick darin, daß Armingol sie von ihrer Obligation entbinde. Cardonas Prokurator sei nach seinem Florentiner Aufenthalt nach Rom gekommen, wo Jacopo mit ihm verhandelte und ihm die Zusage gab, er persönlich trage mit seinem Namen die eine Hälfte von Armingols Forderung, seines Kredites, während die andere Hälfte auf Lanfredinos Namen laufe! Lanfredino, so nun Jacopos dringendes Anliegen, solle sein Bestes tun, damit sie beide wieder aus diesem ‚Labyrinth‘ herauskämen. Um Armingol zufriedenzustellen, habe er Francesco Davanzati – Leiter der Salviati-Filiale in Neapel und bis ca. 1504 als Buchführer beim Monte Mitwisser der Mediceer-Manipulationen – brieflich angewiesen, Armingol 1.000 Dukaten auszuzahlen. Der entsprechende Wechselbrief müsse aber nach Lanfredinos Einverständnis von Florenz aus ohne Schaden für Armingol und ohne weitere Risiken für sie nach Neapel gezogen werden. Falls dies nicht gehe, solle Lanfredini Jacopo mit dem ersten Stafettenreiter informieren und ihn anweisen, was er zu zeichnen habe, damit rechtzeitig gezahlt werden könne. Die hier zum aktuellen Problem gewordene spanische Forderung bezog sich offenbar nicht auf die Gesamtsumme, sondern auf einen in jenen Tagen sofort fällig gewordenen Teilbetrag. Maßgeblich aber ist für uns die Erkenntnis, daß Jacopo und Lanfredino persönlich diese finanziellen Anstrengungen meisterten und daß die Lanfredini-Gesellschaft dabei mit ihrem Kapital federführend war und zugleich mit der Salviati-Gesellschaft in Neapel kooperierte, die damals unter den Namen von Alamannos Sohn Averardo Salviati und Francesco Davanzati firmierte.73 Die Lanfredini-Gesellschaft half freilich noch stärker, in grundlegender Weise, die Heimkehrhürde der Medici zu überwinden. Es sei ja nun einmal wahr, daß Giovanbattista Bracci die Ursache dafür sei, daß Jacopo und Lanfredino mit je 3.000 Dukaten einen Teil der Anleihe zu ‚schultern‘ hätten, die zur Begleichung der Schulden bei Armingol dienen solle – womit Jacopo sehr zufrieden sei. Bracci, der bekanntlich mit Lanfredino an der Spitze der Lanfredini-Gesellschaft stand, hatte den beiden Mediceern somit offenbar nicht nur ihren persönlichen Finanzbeitrag ‚auf die Schultern gelegt‘ – so explizit Jacopos Formulierung –, sondern Anfang November auch das Verfahren als solches sowie in wesentlichen Punkten entwickelt. Tatsächlich wird die Balìa 73 Vgl. zur Salviati-Gesellschaft in Neapel, die von 1506 bis 1514 die Namen Averardo di Ala-

manno Salviatis und Francesco Davanzatis trug, die äußerst knappen Angaben bei Pinchera, L’archivio Salviati, S. 984; bei Hurtubise, Salviati, wird die neapolitanische Filiale nicht thematisiert.

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am 28. November die Signoria ermächtigen, eine weitere Anleihe über 25.000 Fiorini zu erheben, die Giovanni Armingol als Prokurator des spanischen Vizekönigs gezahlt werden sollte.74 Es handelte sich dabei um jenen Betrag, den Florenz noch dem Kaiser schuldete und den Matthäus Lang, Bischof von Gurk und damals in Italien weilender Prokurator Kaiser Maximilians, an Armingol übertragen hatte, der die noch ausstehenden 30.000 Fiorini (der ursprünglichen Schuld von 40.000) auf jene 25.000 Fiorini reduziert hatte. Außer der Zwangsanleihe über 36.000 Fiorini hatte man im September und November 1512 demnach zwei weitere (freiwillige) Anleihen beschlossen, die zusammen 55.000 Fiorini erbringen mußten und deren Geldgeber durch Listen, die bis Ende März 1513 reichten, bekannt sind. Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini hatten am 28. November mit jeweils 3.000 Fiorini zu den beiden Anleihen beigetragen, Lanfredino später nochmals sogar mit weiteren 1.000 Fiorini – und beide standen mit diesen Beträgen an der Spitze der die Medici-Rückkehr sichernden Geldgeber! Mit 2.750 Fiorini folgte an dritter Stelle der reiche und neue Medici-Verwandte Filippo Strozzi.75 Giovanbattista Bracci hatte schon Anfang November, vielleicht auch bereits Ende Oktober, Jacopo und Lanfredino zu Trägern beispielhaften Finanzverhaltens gemacht; er hatte ihnen jene Last zugewiesen, die sie vor alle übrigen Florentiner stellte und diese zweifellos zu entsprechender Nachfolge auffordern sollte. Jacopo Salviati in Rom, Lanfredino Lanfredini sowie Giovanbattista Bracci in Florenz, sie waren es, die erfolgreich mit dem Hauptgläubiger des neuen Medici-Staates verhandelten und den Medici ihr damals größtes Problem von den Schultern nahmen. Daß Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini ihre Rolle als führende Finanzpolitiker des neuen Florentiner Staates nicht nur in jenen Anfangstagen einnahmen, zeigt – neben der bereits thematisierten Instruktion Giovanni und Giuliano de’ Medicis für ihren Neffen Lorenzo 1513 – ein weiterer überlieferter Brief Jacopos an Lanfredino vom 24. Dezember 1512 aus Rom.76 Gleich als erstes teilte er Lanfredino, der als Prior der damaligen Signoria angehörte, mit, es gefalle ihm überaus zu sehen, daß sie (‚wir‘) nahezu das Ende der Zahlungsversprechen erreicht hätten. Er hoffe, mit Lanfredinos Unterstützung einen bestimmten Rest nicht bezahlen zu müssen. Es handelte sich dabei immer noch um die Florentiner Schulden bei den Spaniern, wie aus Jacopos direkt anschließendem Verweis auf den accatto, also die Zwangsanleihe, hervorgeht, bei dem das beschlossene Verfahren genügen müsse, da sie sonst kaum andere Heilmittel hätten. Aufgrund von Informationen Lanfredinos, die Jacopos persönliche, aber auch die öffentlichen Angelegenheiten betrafen, hoffte dieser damals auf eine rasche Heimkehr und bat Lanfredino um Hilfe mit allen Mitteln. Sowohl an Giuliano de’ Medici als auch an seine Frau Lucrezia hatte er deswegen geschrieben. Seinem Urteil über die Wahl des neuen Florentiner Botschafters für Mailand und die Qualitäten der Kandidaten schloß sich eine ernüchternde Erkenntnis über 74 Vgl. hierzu Butters, Governors, S. 190. 75 Butters, Governors, S. 190. 76 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 225 (chronologisch falsch eingeordnet, da offenbar Dezember für Okto-

ber verlesen worden war).

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die Berufungen in Rom an, das wegen seiner Aussagekraft für Jacopos (sowie Lanfredinos) Charakter und wegen seiner allgemeinen Bedeutung nicht verschwiegen werden soll. Dort in Rom, also an der Kurie, würden die Menschen und Dinge nur entsprechend den jeweiligen Erfordernissen beurteilt und geschätzt werden – und auch nur so lange! Dies solle sich Lanfredino für immer merken. Neben so bekannten Medici-Freunden wie Lanfredino Lanfredini, Jacopo Salviati, Filippo Strozzi, Gianfrancesco Ridolfi und Pierfrancesco Borgherini gehörte der zuvor meist bei seiner Gesellschaft in Lyon tätige Bartolomeo Panciatichi zu jenen Mediceern, welche die neue Regierung unterstützten. Am 30. Oktober 1512 liehen sie dem Monte, somit der Staatskasse, insgesamt 30.000 Fiorini. Mitte 1515 wurde Bartolomeo Panciatichi nicht anders als der Borgherini, Strozzi, Ridolfi sowie Matteo Cini, der viele Jahre gleichsam als Medici-Vertreter in Venedig gelebt hatte, unter der Florentiner Herrschaft von Lorenzo di Piero de’ Medici zu einem der zehn Ufficiali di Monte ernannt, die dem Staat über den Monte den erheblichen Betrag von 50.000 Fiorini zur Verfügung stellen durften.77 Am Ende des gleichen Jahres wurde Bartolomeo Panciatichi in den Priorat gewählt, gehörte also der Signoria an, an deren Spitze als Gonfaloniere der Medici-Schwager Piero Ridolfi stand. In dieser Funktion nahm Panciatichi Ende November am triumphalen Einzug Papst Leos X. in Florenz teil, der ihm und seinen Kollegen den Titel und die Privilegien eines Pfalzgrafen verlieh, verbunden mit der etwa den Bartolini schon vor längerer Zeit gewährten Erlaubnis, in das eigene Wappen eine der Medici-Kugeln aufzunehmen.78 Wie viel Bartolomeo Panciatichi diese eindrucksvolle und sichtbare Erhöhung seiner Stellung im Medici-Netz bedeutete, hat die kunsthistorische Forschung aufdecken können. In der von der Florentiner Nation in Lyon genutzten Dominikanerkirche Notre-Damedu-Confort stiftete Bartolomeo Panciatichi 1517 eine Kapelle, deren Altar er später mit Andrea del Sartos großem Gemälde der ‚Assunta‘ schmückte. Die Gründungsmedaille dieser Kapellenstiftung ist erhalten und weist den Florentiner Kaufmann als besonderen Klienten oder besser Freund der Medici aus. Die ihm von Giovanni de’ Medici bzw. Papst Leo X. erwiesene besondere Ehre, die Wappensymbole der Medici führen zu dürfen, manifestierte und materialisierte er in einer Generationen überdauernden Form. Über Panciatichis Wappen steht, in der abgekürzten Form „L“ und „X“, der Papstname auf der Medaille, in sein eigenes Wappen ist eine der palle des Mediciwappens eingefügt; und diese Kugel ist verziert mit den französischen Lilien, die der König von Frankreich einst den Medici als Wappenteil verliehen hatte. Als ein „heraldisches Klientelsystem“ hat der Kunsthistoriker Michael Rohlmann diese Komposition charakterisiert, das sowohl den unter Leo X. ungemein intensiven Bund der Medici mit der französischen Krone als auch den mit ihren Klienten und schließlich deren Partizipation am Frankreichbund der Medici

77 Zu 1512 vgl. Rogers Mariotti, Selections, S. 107; zu 1515: Cerretani, Ricordi, S. 328. 78 Mecatti, Storia cronologica, S. 533f.; Passerini, Famiglia Panciatichi, S. 66f. (unklar ist, ob alle

Prioren dieser Signoria das Privileg erhalten hatten, eine Medici-Kugel in ihr Wappen übertragen zu dürfen).

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umfaßte.79 In der Tat: König Ludwig XII. hatte Bartolomeo Panciatichi sogar ein Territorium in der Lombardei verliehen.80

b) Leonardo di Zanobi Bartolini als Generalprokurator und Bankier des Kardinals Giovanni de’ Medici und sein Einfluß auf die Nachfolge Julius’ II. Der vierte im Bunde unserer Medici-Finanziers hieß Leonardo di Zanobi Bartolini, Schwager Giovanbattista Braccis und auch Verwandter Lanfredinis. Leonardos Funktion resultierte aus der durch ihn seit Exilsbeginn praktizierten Finanz- und Bankierstätigkeit für die exilierten Medici, insbesondere für Kardinal Giovanni de’ Medici. Ein glücklicher und hochwillkommener Fund der Kunsthistorikerin Josephin Rogers Mariotti hat der Forschung ein Rechnungsbuch Leonardo Bartolinis zugänglich gemacht – aus einem Bestand des Florentiner Staatsarchivs, in welchem man es nicht vermuten konnte.81 Leonardo begann sein Rechnungsbuch exakt am 16. September 1512, dem Tag der verfassungsrechtlich entscheidenden Machtergreifung der Medici in Florenz, und beendete es Ende Juli 1513. Er bezeichnete es als ‚großes weißes Buch mit der Signatur A‘ (libro grande biancho segnato A), wonach es in dieser Form und Funktion als erstes Buch anzusehen ist. In ihm ließ er durch einen seiner Mitarbeiter gemäß der von den Kaufmannsbankiers befolgten üblichen Form der Geschäftsbücher auf den sich gegenüberliegenden Seiten die täglich anfallenden Ausgaben und Einnahmen des Medici-Haushaltes aufführen, d. h. die des Kardinals Giovanni de’ Medici sowie – nach dessen Abreise zum Konklave nach Rom Ende Februar 1513 – die des Magnifico Giuliano de’ Medici. Leonardo Bartolini fungierte dabei, wie er explizit erläutert, als ‚Prokurator und [d. h.: bzw.] Unterhändler‘ (prochuratore e nneghoziatore) seines Patrons, des Legaten für Bologna, die Romagna und Toskana. Wann Leonardo diese verantwortungsvolle und mächtige Position übertragen bekommen hatte, ist nicht zu eruieren, doch wird Giovanni de’ Medici sie ihm wahrscheinlich spätestens mit Beginn seiner Legation am 1. Oktober 1511 übertragen haben, wie wir anhand seiner Mitte Dezember 1511 sichtbaren Kompetenzen schon schließen durften.82 In diesem Haushaltsbuch – wie wir es zur Vereinfachung nennen möchten – sind freilich ebenfalls wesentlich ältere Finanzposten registriert worden. Faktisch übte Leonardo di Zanobi Bartolini, wie etwa für die Jahre 1496 und 1497 geschildert, als eigentlicher Gouverneur der casa Medici von Exilsbeginn an die Funktion eines Prokurators aus, wobei ihm ein grundsätzliches Recht aber erst später zugeteilt worden sein wird.

79 Rohlmann, Kunst und Politik, S. 225; vgl. Shearman, Two Paintings; Cecchi, Profili, S. 51f.;

Andrea del Sarto, Catalogo 1986, S. 122–125. 80 Passerini, Famiglia Panciatichi, S. 66f. 81 ASF, Corp. Sopp. 100/88 (Konvent Sant’Orsola); vgl. Rogers Mariotti, Selections, wo diese

Quelle vor allem für die kunsthistorischen Fragestellungen der Autorin ausgewertet wurde. Ich habe Bartolinis Buch verfilmen lassen und für die Exilsthematik analysiert. 82 S.o. S. 914–927.

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Alle, aber auch wirklich alle Ausgaben des Haushaltes von Kardinal Giovanni und dann von Giuliano de’ Medici wurden aus den Kassen ihres Bankiers Leonardo Bartolini bestritten: Von Trinkgeldern, Almosen und Geschenken erstreckten sie sich über sämtliche Nahrungsmittel, Bekleidungsstoffe (meist luxuriöser Natur) und Personalkosten für Arbeiter, Kuriere und Mitarbeiter des Hauses (das zugleich die engeren Verwandten einschloß), von Kosten für mehrere Tänzer und ein junges Mädchen für ihre Tanzaufführung am 22. September 1512 vor dem Kardinal bis zu Krediten und Wechselbriefgeschäften. Die Beteiligten, bis hin zu den Lieferanten, entstammten in der Regel dem Kreis der Mediceer oder standen den Medici nahe. Zahlreiche Posten betrafen Almosen für Witwen in Prato sowie Geschenke und Lösegeldzahlungen für die zahlreichen Gefangenen der Spanier, von denen sie mit festen Lösegeldforderungen mitgeführt wurden, meistens offenbar nach Bologna und in die Romagna.83 Diese Einträge bekunden, daß Giovanni de’ Medici jenen bitteren Preis für die Beendigung des Exils zwar zu zahlen bereit war, daß sein Gewissen davon gleichwohl nicht unberührt blieb – aber auch Grenzen zog. Denn so manches Lösegeld, wie etwa die 25 Dukaten, die Giuliano de’ Medici über Silvio Passerini für die Freilassung des Florentiner connestabole Battista di Jacopo Guicciardini bezahlte, wurde nur als Darlehen gewährt.84 Gleichwohl, viele der 250 jeweils Soll und Haben umfassenden, noch die ersten Monate des Papats von Giovanni de’ Medici abdeckenden, aber längst nicht alle Ausgaben und Einnahmen Bartolinis erfassenden Konten bilanzierten Beträge von mehreren tausend Dukaten. Woher Leonardo Bartolini das Geld für seinen Patron nahm, sagt er uns nicht. Sein Buchführer verweist allerdings immer wieder auf weitere Bücher Leonardos, die in Rom lagen und die leider als verloren gelten müssen. Sie dürften, vor allem seine persönlich geführten Geheimbücher, gleichsam Sprengstoff beinhalten bzw. beinhaltet haben, wird es doch kaum einen zweiten Bankier gegeben haben, der so viel Verantwortung trug, solche Kompetenzen besaß, so stark Politisches und Ökonomisches auf unterschiedlichsten Handlungsfeldern verwob wie Leonardo di Zanobi Bartolini – auch sein berühmter Freund Agostino Chigi nicht. Als Giovanni de’ Medici am 24. Februar nach dem Tod von Julius II. (in der Nacht vom 20. auf den 21.2.) von Florenz aus zum Konklave nach Rom aufbrach, folgte ihm

83 Vgl. etwa ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 15/XV, 19/XVIIII, 44/XLIIII, L, LXVIIII, 70–71, 90;

eindrucksvoll die Erinnerungen von Andrea Bocchineri über das Martyrium und die Odyssee, die er, ein Verwandter von ihm und zum Schluß noch sein Vater bis zum Februar 1513 als Gefangene der Spanier zu erleiden hatten, da sie ein recht hohes Lösegeld nicht sofort bezahlen konnten, wobei der Florentiner Francesco Frescobaldi sich als Kommissar von Papst Julius II. in Bologna noch an diesen Praktiken beteiligte, indem er die Gefangenen von den Spaniern abkaufte und in Bologna in den Kerker warf, um sie dann wieder den Spaniern zu übergeben; vgl. Guasti, Sacco di Prato, S. 127–145 (ebd. S. 171–178 auch zu einem in Prato erhaltenen Register mit 144 Löse- bzw. Kopfgeldforderungen [taglie] und einigen Namen; dort wird z. B. bezeugt, daß Kardinal Giovanni de’ Medici für den Geistlichen Bertoldo Guazzaloti die Hälfte seines Lösegeldes von 150 Fiorini bezahlte). 84 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 71.

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sein Bankier Leonardo Bartolini bereits am 26. Februar.85 Wir wissen, daß er am Montag, dem 28. Februar, in Rom ankam, da er dies Lanfredino Lanfredini mit einem Brief vom 4. März 1513 (einem Freitag) mitteilte, dem er offenbar seit einigen Tagen nicht mehr geschrieben hatte.86 Leonardos Entschuldigung für seine Unterbrechung der Korrespondenz offenbart einmal mehr seine Kompetenzen. Denn er sei seit seiner Ankunft ununterbrochen damit beschäftigt gewesen, die Konten der Apostolischen Kammer zu ordnen. Da die Bücher verlegt oder gar verloren seien, habe er unter größtem Zeitdruck alles(!) neu anlegen müssen. Eine solche Aufgabe oblag allerdings einem führenden Beamten der Kammer selbst, etwa dem Thesaurar, einem der Kammernotare oder -kleriker – oder aber dem aus dem weltlichen Stand stammenden Depositar (einem kreditgebenden Bankier). Wenn sie der Bankier des jungen Medici-Kardinals übernahm, dürfte diese Funktion allerdings nicht dafür sprechen, daß er nach 1503 zudem als Depositar der Kammer fungierte, denn dann hätte er außer über seine eigenen amtlichen Rechnungsbücher auch über die Bücher der Kammer verfügen müssen.87 Die römische Medici-Bank war bis zu ihrem Konflikt mit Sixtus IV. Depositar der Apostolischen Kammer gewesen, doch hatten wir sie im Kontext des Konfliktes zwischen Kardinal Francesco Piccolomini und den Erbverwaltern des Lorenzo Tornabuoni zumindest für die Jahre nach dem Tod Lorenzo de’ Medicis auch als Depositar des Kardinalskollegiums nachweisen können. Diese Funktion scheint danach Leonardo Bartolini ausgeübt zu haben, was ihm jedoch nur möglich war, wenn er über die Finanzmittel einer reichen Bank verfügte – spätestens 1497 hatte er die römische Medici-Bank übernommen! Der Bartolini hatte sich tatsächlich unter Julius II. eine dem Depositarsamt kongruente, hohe Stellung in finanziellen Dingen erworben, wie sich aus einem weiteren Kompetenzfeld dieses Florentiners ergibt. Daß am Vortag, also am 3. März, die Exequien für Julius beendet worden seien, teilte er Lanfredino mit, nicht aber (zumindest nicht in diesem Brief), in welcher Weise er hier erneut involviert war. Mehr als 6.000 Dukaten bezahlte Leonardo Bartolini aus seinem Vermögen in Form von Geld und Sachwerten für die Exequien von Julius II., die er sich Monate später vom neuen

85 Vgl. ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 142 (addì xxvi detto [di febbraio 1512/13] ducati dugiento

d’oro in oro larghi auti dalloro [Lanfredino di Jachopo Lanfredini e chompagnia] chonttanti il nostro Lionardo Bartolini quando partì per Roma), 208. 86 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 236 (4.3.1512/13, Leonardo Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 87 Von 1493–1503 hatte die römische Bankgesellschaft der Erben von Ambrogio Spannocchi, die zu den Partnern von Agostino Chigi gehörte, als Depositar amtiert (Ambrogio selbst von 145557, 1459–1464). Im Dezember 1513 wurde ein umfangreiches Inventar der bis dahin verlegten Bücher des früheren Depositars Ambrogio Spannocchi erstellt; all diese Bücher (unter ihnen auch Bände wie die Annaten- und Introitus-Register, die in die Kammer gehörten) sollten dann dem Sieneser Kaufmann Jacopo Venturi – aus der gut bekannten medicinahen Familie – als neuem Depositar des Medici-Papstes übergeben werden, der sich eidlich verpflichtete, sie später der Apostolischen Kammer zurückzugeben; vgl. ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 63, fol. 164v–169r. Für den Beginn des Pontifikates von Julius II. wurde Ende 1503 die Bank der Sauli aus Genua als Depositar bezeugt (s.o. S. 845), die wohl bis 1513 amtierte und über deren Bücher der Bartolini also nicht verfügen konnte.

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Papst Leo X. bzw. von der Apostolischen Kammer zurückzahlen ließ.88 Zu einer solchen Kreditleistung war eigentlich nur der bzw. ein Depositar verpflichtet. Mit diesem Sechzigfachen eines hohen Jahreseinkommens, das Leonardo Bartolini Ende Februar ohne weiteres flüssig machen konnte, war es jedoch noch längst nicht getan. Dies war ein Hügel gegen das Gebirge an Ausgaben, die Leonardo Bartolini mit und nach der Wahl seines Patrons Giovanni de’ Medici zum Papst, der sich Leo X. nannte, zu bestreiten hatte. Am 4. März 1512 begann das Konklave, an dem der Medici trotz seines wieder akuten, bekannten Fistelleidens teilnahm. Leonardo Bartolini hatte Lanfredino Lanfredini dazu Erstaunliches mitzuteilen: Le cose si ghovernano! Daß man, d. h. Leonardo di Zanobi Bartolini, die Dinge regele und lenke, und zwar noch vor dem Eintritt der Kardinäle ins Konklave, dies sollten Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci unbedingt von Leonardo am 4. März 1513 bestätigt bekommen. Mit angemessener, ‚guter‘ Vorsicht und mit ‚gutem Gehirn und geführt von Gott werden die Dinge einen guten Weg gehen, und wir werden auf jeden Fall einen Papa Amico haben, der uns den Zehnten und weitere Güter zum Nutzen der Stadt (Florenz) und dieses ruhigen Staates geben wird‘!89 Die anstehende Papstwahl wurde somit von Leonardo Bartolini maßgeblich beeinflußt! Da er im gleichen Brief beteuerte, die Dinge verliefen sauber und ohne Simonie, können wir nur spekulieren, auf welches Instrument Leonardo Bartolini seine Zuversicht gründete, wenn nicht auf Geld. Das Volk und die Kurie hätten den Medici gern als neuen Papst gesehen, natürlich ebenso sein Bankier Leonardo Bartolini, doch dessen nüchterner Realismus hielt diesem Traum schon am 4. März entgegen, daß der Medici mit seinen damals 40 Jahren zu jung sei, um als ernsthafter Kandidat gelten zu können.90 Leonardos Favorit hieß erstaunlicherweise Thomas Bakócz, der ungarische Kardinal, den wir bereits als Freund des Medici kennengelernt haben, als Bartolini für ihn im Dezember 1511 die aufwendige Ausrüstung seines Maultieres anfertigen ließ. Von der Wahl des Ungarn war Leonardo bereits am 4. März, aber noch vor Beginn des Konklave, so überzeugt, daß er mit Lanfredino und seinem Schwager Giovanbattista Bracci gar hohe Wetten auf sie abschließen wollte. Dies betonte er nochmals nachdrücklich am 9. März, obwohl damals die meisten in Rom bereits auf den Medici wetten würden.91 Wer Tommaso sei – von dem Bartolini erstaunlicherweise des öfteren nur mit vertrautem Gebrauch des Vornamens sprach! –, werde ihnen Giulio de’ Medici erläutern, um die Sache klarer zu machen. Offenbar wußten Lan-

88 ASR, Camerale I, Nr. 1488, fol. 30r/v. 89 Solamente vi voglio dire, che le cose si ghovernano et con buona prudentia et con buono cer-

vello et menate da dio vanno a buono cammino et haremo un Papa Amico a ogni modo, quale ci concedera le decime et degli altri beni in benefitio della cipta [Florenz] et di cotesto tranquillo stato. Fate questa comune al Bracci; BNCF, Ms. II. V. 21, c. 236 (4.3.1512/13, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 90 Vgl. BNCF, Ms. II. V. 21, c. 236 (4.3.1512/13, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 91 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 237/238 (9.3.1512/13, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini und Gianbattista Bracci in Florenz).

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fredini und Bracci nicht oder nur zum Teil, in welchem Maße Bakócz mit den Medici verbunden war. Zum Glück für den Bartolini kamen Lanfredini und Bracci seinen Wettwünschen gar nicht oder nicht in der gewünschten Form nach, denn noch in der Nacht vom 9. auf den 10. März wurde Giovanni de’ Medici zum neuen Papst gewählt, unter dem Jubel Bartolinis – ‚wir haben den schönsten Papst, den es seit 400 Jahren auf diesem Stuhl gab‘92 – und seiner weiteren Freunde und Anhänger. Drei Tage später begann Leonardo Bartolini mit der Anlage eines Rechnungsbuches, das alle seit dem 12. März getätigten Ausgaben für Sachgegenstände und Geld auflistete, die Leonardo für Leo X. und dessen incoronatione im Auftrag der Apostolischen Kammer bestritt.93 Die am 19. März vollzogene Krönung des neuen Papstes war damit aber nicht gemeint, sondern der mit großer Symbolik am 11. April – dem Jahrestag des Hl. Leo und vor allem der Gefangennahme Giovanni de’ Medicis bei der Schlacht von Ravenna – mit enormem personellen und finanziellen Aufwand gefeierte possesso, bei dem der neue, mit der Tiara gekrönte Papst durch einen Ritt vom Vatikan zur Kirche San Giovanni in Laterano rituell von seiner Bischofskirche und seiner Palastresidenz am Lateran Besitz ergriff. Diesen Akt bezeichneten die Zeitgenossen nun als incoronatione und somit als eigentliche ‚Krönung‘ bzw. Amtseinführung des oder dieses Papstes.94 Wir sind auf diesen Triumphzug bereits eingegangen, da auf ihm in Wort und Bild die „Flucht“ Giovanni de’ Medicis aus französischer Gefangenschaft im Juni 1512 als von Gott und seinem Engel geleitetes Ereignis gefeiert worden war. Der Medici-Papst ließ ihn mit einem Aufwand feiern, den es unter seinen Vorgängern nicht gab und unter seinen Nachfolgern wohl nicht mehr gegeben haben wird: An dem mehrstündigen Zug vom Vatikan zum Lateran und zurück stellten nicht nur die neun gewaltigen, kostbaren Triumphbögen alles Vergleichbare in den Schatten, sondern auch die Zahl von ca. 2.000 zu Pferde teilnehmenden Hauptpersonen, die oft jeweils von acht Knappen und Fußknechten begleitet wurden, allesamt in feine Stoffe gekleidet.95 92 BNCF, Ginori Conti 29/92 (f), Nr. 1 (18.3.1512/13, Leonardo Bartolini aus Rom an Niccolò

Michelozzi in Florenz). 93 ASR, Camerale I, Nr. 1448. 94 Zur Übertragung des Begriffes incoronatione auf den Akt des possesso vgl. etwa BNCF, Ms. II.

V. 22, c. 2 (30.3.1513, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz); ebd. c. 9 und 10 (14., 21.4.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz, mit Feststellungen über dessen und seinen eigenen Beitrag für die so kostspielige incoronatione); vgl. auch Cerretani, Ricordi, S. 303 (Addì 11 d’aprile 1513 si fe’ la incoronatione con tannta pompa con quanta fu possibile, con 80 vescovi et 23 cardinali). Schon der possesso Julius’ II. war, da offenbar als Teil der Krönungsfeiern begriffen, von Johannes Burckard als coronatio bezeichnet worden; vgl. Cruciani, Teatro, S. 316; Tewes, Eigenbild, S. 93–96. Zum possesso Leos X. s. auch unten S. 1062. 95 Die Zahlen wurden aus den quantifizierenden Angaben des Augenzeugen Jacopo Penni gewonnen, der den ausführlichsten Bericht über den possesso liefert; gedruckt in Cruciani, Teatro, S. 390–405. Dessen Angaben sind zu ergänzen durch die der venezianischen Zeugen in Sanuto, Diarii XVI, Sp. 160–166, 678–690. Erst unter Julius II. fand der possesso, losgelöst von der Krönung, einige Tage später als eigener Festakt statt; damals wurden 7 Triumphbögen errichtet, die freilich wesentlich schlichter als unter Leo X. gestaltet waren und lediglich durch ephemere

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Obwohl unter den Empfängern von Leonardos Sachgeschenken viele formal qua Amt bedacht wurden, beleuchten ihre Namen in weiten Teilen, besonders bei den Familiaren Leos X., das kuriale Netzwerk der Medici und dortige Hierarchien. Denn an der Spitze standen mit den teuersten Kleidungssachwerten (d. h. fünf canne bzw. Ellen Stoffe erster Wahl für sich und sechs canne dritter Wahl für seine Diener) Giannozzo Pandolfini, Bischof von Troia und die „Zikade“ Roms, Alessandro Neroni, Leos Maestro di casa, der Datar Lorenzo Pucci, Aldieri Biliotti, der ehemalige Maestro di casa des Kardinals (und baldige zweite des Papstes) Giovanni de’ Medici96, Leonardo Bartolini selbst sowie Luigi Lotti, einer der Sekretäre Giovannis und ehemaliger Mitarbeiter der römischen MediciBank. Die nächste Stufe der Kammerherrn mit leicht reduzierten Kleidungsgeschenken (vier canne bester Qualität und sechs canne dritter Wahl für zwei Diener) wurde angeführt von Giovannis Vertrauten Luigi de’ Rossi, Ercole Rangoni, Filippo Adimari, Silvio Passerini, Lazero Serapica, Amerigo de’ Medici und vielen weiteren, unter denen auch ein Morelli (Agnolo) und ein weiterer Medici (Guido) erscheinen. In den niederen Rängen begegnen ebenfalls Mitglieder uns vertrauter Familien der Exilszeit: Giovanni degli Albizzi, Giovanni Cavalcanti, Ridolfo Panciatichi, Tommaso de’ Rossi, Valerio Tornabuoni, Galeotto Ricasoli, Giovanbattista Salviati, Bartolomeo da Bibbiena und so fort. In dieser Weise wurden aber nicht nur Freunde des Hauses unter den päpstlichen Prälaten und Familiaren, sondern auch sämtliche Beamten und Bediensteten der Kurie ausgestattet: vom päpstlichen Kardinalkämmerer über die Meister der Bullenregister und die Notare der Apostolischen Kammer bis zu den Kustoden des römischen Hafens, des Campidoglio und den päpstlichen Karren- und Maultierführern. Alles in allem hatte Leonardo Bartolini nur anläßlich des als „Krönung“ bezeichneten possesso seines Patrons die gewaltige Summe von 45.369 Dukaten aufzubringen. Die Abrechnung seiner Ausgaben für die Krönungsfeierlichkeiten konnte Leonardo Bartolini freilich erst am 15. September 1513 vor der Apostolischen Kammer vornehmen; er mußte die Summe demnach bis dahin (wenn nicht noch länger) als Kredit vorstrecken. (Auch diese Verpflichtung legt nahe, daß er bis dahin noch als Depositar des Kardinalskollegiums fungierte!) Man möge die ca. 20 Dukaten eines normalen Handwerkerjahreseinkommens oder die 100 Dukaten des recht hohen jährlichen Gehalts eines etablierten MediciBankiers wie Francesco Cegia dagegenhalten und sie auf entsprechende heutige Jahreseinkommen umrechnen, um sich die Dimension des vom Bartolini bereitgestellten Kapitalwertes vor Augen zu halten – und möge das Gleiche mit der Summe tun, die sich aus den weiteren, in den folgenden Wochen und Monaten gewährten Krediten Bartolinis für Rezitations- und Musikeinlagen aufgewertet wurden; vgl. Cruciani, Teatro, S. 305–319; Schimmelpfennig, Papsttum, S. 269 (die zeitliche Trennung des Krönungsumzuges – vom Vatikan zum Lateran und zurück mit dem possesso der Lateransbasilika und des Palastes – von den vorherigen eigentlichen Krönungsakten wird man jedoch zumindest für Leo X. nicht als „Bedeutungsverlust“ interpretieren dürfen); ausführlich zu den Krönungsfeierlichkeiten der Renaissancepäpste um 1500: Ders., Vatikanpalast und Zeremoniell, S. 156–158. 96 Zu Neroni und Biliotti, der seit dem Juli 1513 für einige Zeit als zweiter Maestro di casa amtierte, vgl. Ferrajoli, Ruolo, S. 181–203, 210–215.

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Leo X. ergeben. Denn bis zum oder am 15. August 1513 gab er dem Papst einen weiteren Kredit über 49.480 Dukaten, der offenbar vorwiegend zur Begleichung von Schulden bei verschiedenen Kaufleuten diente und ihm erst im Juli 1514 durch die Apostolische Kammer zurückgezahlt wurde.97 Im Oktober 1513, September 1514 und Januar 1515 stellte Leonardo dem Medici-Papst nochmals jeweils 20.000, 5.000 und 10.000 Kammerdukaten als Kredit zur Verfügung, die der Bartolini vor einem hochpolitischen Hintergrund überwiegend aus den kurialen Abgaben französischer Geistlicher tilgen sollte.98 Allein diese bekannten Kredite vom März 1513 bis Januar 1515 umfassen also den für einen Privatmann ungeheuer hohen Betrag von insgesamt 135.849 Dukaten, die Leonardo Bartolini seinem Papst bzw. der Apostolischen Kammer aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellen mußte – das Tausendfache eines guten Gehaltes; nach heutigen Maßstäben ca. 50 Millionen Euro, wenn man ein (stattliches) Jahreseinkommen von 50.000 Euro als Vergleichsmaßstab anlegen würde. Über die Gegenfinanzierung ist weit weniger bekannt. So konnte der Bartolini am 4. August 1513 von den neuen Pächtern der Alaungruben bei Tolfa einen Kredit über die beachtliche Summe von 57.115 Kammerdukaten (gleich 75.000 Dukaten a carlini X pro ducato) erhalten, mit denen er einen großen Teil seiner umfassenden Auslagen begleichen konnte und an deren Auszahlung neben dem Papst, dem Bartolini und Agostino Chigi auch Lorenzo Pucci, Jacopo Salviati und Giovanni Rucellai beteiligt waren.99 Auch wenn er in der Zwischenzeit also einen Teil seiner Kredite zurückerhalten hatte, diese Zahlen regen zu einer einzigen Frage an: Woher nahm der Bartolini das ganze Geld? Über ein solches Kapitalvermögen konnte er nur verfügen, wenn er Zugriff auf die Finanzmittel der alten Medici-Bank und ihrer Nachfolgebanken besaß! Doch anders als Jacopo Salviati oder Lanfredino Lanfredini wirkte Leonardo Bartolini nach außen nicht als Kaufmann, besaß er keine finanzkräftigen Mitgesellschafter. Aber seine offen als Kaufleute agierenden Freunde sorgten maßgeblich dafür, daß Leonardo Bartolini die Kosten nicht über den Kopf wuchsen. Jacopo Salviati hatte mit einer Bürgschaft über 10.000 Dukaten zu den Krönungskosten beigetragen, um diese mit ‚Reputation und Würde‘ verlaufen zu lassen, da der Bartolini mit den ihm möglichen Mitteln überfordert war und da Jacopo vermeiden wollte, daß die römische Fugger-Bank auf diesem Wege einen Fuß in das Medici-Haus setzte. Lanfredino hingegen hatte, wie Jacopo diesem zufrieden bestätigte, für die Feier ‚eine gute 97 ASV, Cam. Ap., Div. Cam. 63, fol. 246r/v; Intr. et Ex. 552, fol. 34v, 69v (analog: Intr. et Ex.

553, fol. 32v); vgl. hierzu auch Tewes, Römische Kurie, S. 278f.; Ders., Medici und Frankreich, S. 60. 98 Ausführliche Darstellung dieses Sachverhalts in Tewes, Römische Kurie, S. 278–290; Ders., Medici und Frankreich, S. 14–23. 99 Vgl. Montenovesi, Agostino Chigi, S. 109f., 128f. (Abdruck des Vertragstextes). Am 4.8.1513 erklärte Leonardo Bartolini dann in der Kammer des Datars Lorenzo Pucci in Anwesenheit der Zeugen Jacopo Salviati und Jacopo Rucellai, daß er das Geld von der Chigi-Gesellschaft, vertreten durch ihren Hauptgesellschafter Andrea Bellanti, erhalten habe. Zur Sache vgl. auch Devonshire Jones, Francesco Vettori, S. 102 u. Anm. 113; Bullard, Mercatores, S. 63f.; Gilbert, Venedig, S. 115, 164 mit Anm. 10, 11.

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Partie an Sachen‘ geliefert.100 Hiermit sind eben jene Stoffe gemeint, die Leonardo Bartolini seit dem 12. März an die Kurialen verteilte! Das bestätigt uns Leonardo selbst, gleich am Anfang eines Briefes, den er am 30. März 1513 an den ‚wie einen Vater zu verehrenden‘ Lanfredino schrieb.101 Er habe dessen letzten Brief vom 26. (März) erhalten, und wegen der ‚Sachen‘ und anderer Waren, welche die (Lanfredini-) Bank beträfen, habe er an die (Lanfredini-) compagnia und an den Bracci (Giovanbattista) geschrieben. Mit dem, was ihm jetzt noch fehle, werde er sich bequem hier (in Rom) entweder mit Geld oder mit der Zeit auf die bestmögliche Weise versehen können; auf jeden Fall hoffe er, sich so mit Hilfe Gottes und des Wohlwollens von Papst Leo ‚Ehre‘ verschaffen zu können, die nicht ohne ‚Nutzen‘ sein werde. Er hoffe ferner, daß er und Lanfredino, wenn sie sich das nächste Mal persönlich sprechen würden, die Dinge so beschließen könnten, daß man sowohl zum ‚Nutzen‘ wie zur ‚Ehre‘ auf diese Weise fortfahren könne. Lanfredino solle jedoch mit Nachdruck dafür sorgen, daß die Sachen so schnell wie möglich verschickt würden, denn la Incoronatione werde nicht später als am 10. April (sic) gefeiert werden. Diese sehr kurzfristige Einladung werde jedem Einzelnen und besonders den abhängigen Gemeinden Probleme bereiten, doch wer ihn vom 17. (April) habe schreiben lassen, habe einen Irrtum begangen, da er den Auftrag habe, alles für den 10. (April) in Ordnung zu bringen. Daß Lanfredino als einer der Florentiner Gesandten an der Feier teilnehmen solle, freue ihn – doch auf diesen Punkt werden wir noch näher eingehen, da er in einem anderen, hochpolitischen Kontext stand. Es ist demnach zu konstatieren, daß der possesso ursprünglich am 17. April gefeiert werden sollte, daß man ihn aber kurz vor dem 30. März auf den 10. April vorzog, also auf den Tag vor dem Jahrestag der Schlacht von Ravenna! Sowohl der 17. als auch der 10. April waren Sonntage, die dem liturgischen Gehalt dieses letzten, festlichen Aktes der Krönungszeremonie adäquat gewesen wären. Offenkundig entschied sich der MediciPapst dann jedoch Anfang April, das Geistliche gegenüber dem Weltlich-Individuellen zurückzustellen und den triumphalen possesso symbolträchtig auf den 11. April zu verlegen. Dies war zwar ein Montag, aber es war der Festtag des Hl. Leo und vor allem der Jahrestag der Schlacht und seiner Gefangennahme – es war der einzig richtige Tag, um seinen ganz persönlichen Triumph genau ein Jahr nach dem absoluten Tiefpunkt einer an sich schon existentiell demütigenden 18-jährigen Exilszeit zu feiern! Wichtig ist an dieser Stelle ebenso die Tatsache, daß die Lanfredini-Gesellschaft durch Lanfredini persönlich und durch Giovanbattista Bracci – also durch einen ehemaligen Medici-Partner und Generaldirektor der Medici-Bank! – den Großteil der Luxusstoffe lieferte, für die (und weitere Spesen) dem Bartolini dann im September 1513 gut 45.370 Dukaten aus den Kassen der Apostolischen Kammer rückerstattet werden. Die Qualität der Stoffe verschaffte diesem Triumvirat auf dem Feld der öffentlichen Repräsentation 100 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 10 (21.4.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in

Florenz). 101 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 2 (30.3.1513, Leonardo Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in

Florenz).

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höchste Ehren, doch mit Blick auf den noch mehr betonten Faktor des utile werden wir kaum annehmen müssen, die Lanfredini hätten die Waren zum Selbstkostenpreis geliefert. Sie alle drei werden bei diesem Geschäft zur Feier ihres Papstes schon aufgrund seines Kreditcharakters einen angemessenen Gewinn erzielt haben, den sie allerdings nicht protokollierten. Bewältigen konnte Leonardo di Zanobi Bartolini solche Herausforderungen also nur deshalb so gut, weil er sich auf seine engsten Freunde, Partner und Verwandten stützen konnte, die sie alle das Erbe der alten Medici-Gesellschaft fortführten. Es war in gewissem Sinne demnach ein selbstreferentielles System, in dem sie sich bewegten. Zu diesem System müssen allerdings außer den Krediten in Form von Geld- und Sachwerten auch eigene Finanzmittel gehört haben, die Leonardo Bartolini möglicherweise aus Einnahmen durch Geldgeschäfte schöpfte, doch diese werden ihm kaum das notwendige Kapital beschert haben. Seine vielfältigen, zeitraubenden Aufgaben für die Medici – die Ausstattung des Legaten Giovanni de’ Medici, seines Freundes Thomas Bakócz und ihrer Maultiere, die Renovierung der römischen Gärten und Gartenhäuser des MediciKardinals sowie die Abwicklung komplizierter Benefiziensachen an der Kurie waren ja nur singuläre Beispiele – und nicht zuletzt das anzunehmende Depositarsamt für das Kardinalskollegium konnten ihm für komplexe Finanzgeschäfte nur wenige Möglichkeiten gelassen haben. Woher also kam das Geld? Dieser Florentiner muß sich Einnahmequellen erschlossen haben, die wir bisher noch nicht angemessen erfassen konnten. Wir müssen dabei auch resümierend zurückblicken, die hier relevanten bisherigen Erkenntnisse bündeln, um zu einer Lösung oder wenigstens zu plausiblen Hypothesen zu gelangen.

3. Das finanzielle Erbe der Medici: Leonardo di Zanobi Bartolini und die Florentiner Lanfredini-Bank Lanfredino Lanfredini hatte durch Weisung Lorenzo de’ Medicis in der Tat eine zentrale Funktion innerhalb der Medici-Gesellschaft eingenommen. Zunächst agierte er seit 1491 zusammen mit Lorenzos Strohmann Filippo da Gagliano als maßgeblicher Kopf und Teilhaber in der Medici-Woll- und vor allem Goldschläger-Gesellschaft, die wie die anderen Medici-Firmen auch über Wechselbriefgeschäfte Profite erzielten. Als sie 1495/96 aufgelöst werden mußten, ist er offenkundig in die Florentiner Medici-Erben-Gesellschaft gewechselt, die ja ebenfalls Teilhaber der beiden Produktionsfirmen war. Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte jedenfalls in der Florentiner Bank seines Vaters bis zu seiner Abreise im August 1496 nach Lyon zwei Geheimkonten für zwei anonymisierte Freunde geführt, deren Siglen „GB“ und „L“ in diesem Kontext auf Gianbattista Bracci und Lanfredino Lanfredini hinwiesen. Wichtig war, daß beide hierarchisch über dem jungen Bartolini standen und allein über diese Konten verfügten. Nachdem die Medici-ErbenGesellschaft durch die Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis 1497/98 aufgelöst worden war, begegnen sowohl Bracci als auch Lanfredini als leitende Teilhaber der Florentiner Lanfredini-Bank, die personell und finanziell als Nachfolgebank der Medici-Erben-Bank

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angesehen werden und demnach hierarchisch über den Bartolini-Tarnbanken gestanden haben muß. In die Lanfredini-Bank flossen daher – wie seit 1484 durch Lorenzo de’ Medici zu seinem Nutzen für die Florentiner Bartolini-Bank angeordnet – die durch die beiden Bartolini generierten Einnahmen aus der Zecca, aus ihr heraus steuerte und finanzierte Bracci den Medici-Bankier Francesco Naldini in Lyon, setzte er die enge partnerschaftliche Kooperation mit der Buonvisi-Gesellschaft in Lucca fort, welche eine institutionelle Verkörperung in der Pandolfini- und Buonvisi-Gesellschaft in Rom fand, die beide von Giovanni Pandolfini geführt wurden, einem „Agenten“ der Lanfredini-Bank, der unter Anleitung von Giuliano da Gagliano die wegen ihrer promediceischen Finanzmanipulationen inkriminierte Panciatichi-Bank übernahm und in jene beiden Gesellschaften umformte. Die hier wie in einem Brennglas zu erkennende Neugestaltung traditioneller Medici-Geschäfte wurde in der Entsendung von Braccis altem Strohmann Giuliano da Gagliano nach Rom gleichsam personifiziert; bezeichnenderweise wohnte Giuliano während seiner gut halbjährigen Tätigkeit bei Braccis Schwager Leonardo di Zanobi Bartolini, der demnach in den gesamten Vorgang eingeweiht und sicherlich auch involviert war. Ein weiteres zentrales Argument für Lanfredinis Funktion als Verwalter des MediciVermögens wurde nach dem Tod Lorenzo Tornabuonis im August 1497 sichtbar. Er hatte zusammen mit Giovanbattista Bracci, Alamanno Salviati und Carlo Ginori die aus alten Medici-Schulden resultierenden Ansprüche von Gläubigern des Tornabuoni zu bewältigen. Deswegen wandte sich noch am 22. November 1511 Antonio Tomasio aus Neapel an Lanfredino, den er mit unverkennbar gereizten Worten aufforderte, ihm endlich bestimmte ihm noch zustehende Summen zukommen zu lassen.102 Dabei ging es vor allem, und das ist das Bemerkenswerte, um alte Schulden der Tornabuoni bei ihm, die er offenbar nur über Lanfredino eintreiben konnte. Es muß sich primär um Forderungen an die neapolitanische Medici-Bank gehandelt haben, die seit 1490 unter dem Namen Lorenzo Tornabuoni e compagnia di Napoli lief. Denn einem dieser Kompagnons, Bernardo (di Francesco) Carnesecchi, mußte Lanfredino Tomasios Ansprüche übermitteln, damit Carnesecchi ihm das bezahlte, was ihm zustand. Noch klarer wird Lanfredinos Kompetenz, als Tomasio ihn daran anschließend bat, ihm außerdem jene urkundliche Bescheinigung (la fede) über das, was er von den Tornabuoni erhalten hatte (oder zu erhalten hatte), zuzusenden; Lanfredino möge ihm dabei mitteilen, was er, Tomasio, zu tun habe, um bezahlt zu werden und das Seinige zu bekommen. Darüber hinaus ging es noch um ein Landgut (podere) und weitere Forderungen Tomasios bei den Inghirami sowie bei Erben von Alamanno Salviati, die an den Inghirami beteiligt waren, von denen er wenigstens einen Teil sofort ausbezahlt haben wollte.103 Was genau dahinter stand, wissen wir nicht, ebensowenig, ob die ehemalige Partnerschaft Lanfredinos mit dem Mediceer Pierantonio Carnesecchi hierbei eine 102 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 221 (22.11.1511, Antonius Thomasius aus Neapel an Lanfredino Lan-

fredini in Florenz). 103 Die Brüder Giovanni und Francesco Inghirami waren Mitte des 15. Jahrhunderts Manager und

Partner der Florentiner Medici-tavola; vgl. De Roover, Rise, s.v. In welcher Weise ihre Nachfahren um 1500 mit der Medici-Tornabuoni-Gesellschaft bzw. danach mit Alamanno Salviati verbunden waren, konnte noch nicht geklärt werden.

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Rolle spielte, doch an einer noch Ende 1511 bestehenden Verantwortung Lanfredino Lanfredinis für das aus der alten Medici-Gesellschaft resultierende Vermögen der Tornabuoni kann es durch dieses Zeugnis keinen Zweifel geben. Zugleich sorgte Lanfredino Lanfredini mit seiner Florentiner Bank, d. h. zusammen mit Gianbattista Bracci, für den Erhalt wertvoller Medici-Güter. Dies konnten wir besonders nachdrücklich am Beispiel des Gutskomplexes von Le Cascine bei Poggio a Caiano nachweisen. Instruktiv war dabei die Beteiligung seines neuen Verwandten Lorenzo Pucci, der Salviati, Cosimo Sassettis, der Rossi-Fraschi-Gesellschaft und der Lyoner Bartolini-Bank, seines Mailänder Interessenwahrers Neri del Benino und schließlich Alfonsina Orsinis. Auf der gleichen Ebene der Sicherung von Medici-Vermögen ist Lanfredinis Akt in Pisa zu verorten, über den uns kein Geringerer als Kardinal Giovanni de’ Medici persönlich berichtete. Obwohl er in dem nicht chiffrierten Brief aus dem April 1510 nur das mitgeteilt haben wird, was Lanfredino nicht gefährlich werden konnte, bestätigte er dessen außergewöhnlich enge Freundschaft zum Haus Medici. Der Medici hatte es gleichsam als eine Gratifikation angesehen, seinem ‚besonderen‘ Freund Lanfredino auf dessen über Giovanni Pandolfini vermittelten Wunsch zu gestatten, nach der Eroberung Pisas durch Florenz bestimmte Güter der Medici bzw. der Medici-Gesellschaft in Pisa aufzukaufen und sich gleichzeitig zu verpflichten, diese Objekte den Medici zum gleichen Preis zu restituieren, sobald sie es wünschten.104 Gleichsam als Schlußstein ist noch der Nachweis zu erbringen, daß Leonardo di Zanobi Bartolini gemeinsam mit Lanfredino Lanfredini und seinem Schwager Gianbattista Bracci bzw. deren Florentiner Bankgesellschaft die Finanzen der Medici regelte. Leonardo Bartolini war seit Exilsbeginn für die Finanzen des Medici-Haushaltes zuständig, dem bis zu seinem Tod Piero, dann ab 1504 Giovanni de’ Medici vorstand. Entsprechende Zeugnisse, beginnend mit seinen Bilanzfälschungen Anfang 1495, aber gerade auch aus dem Kontext der mediceischen Kriegspläne und -züge gegen Florenz, haben wir in hinreichendem Maße präsentieren können. Ohne Leonardo di Zanobi Bartolini hätte Piero sicherlich keine einzige seiner zahlreichen militärischen Operationen finanzieren können. Deshalb wurde Leonardos Haus in Rom zu einer Kommandozentrale. Hier nun ist allerdings ein weiterer, damit verknüpfter Befund wichtig. Am 14. März 1497 berichtete der argusäugige Ricciardo Becchi nicht nur, daß die von Leonardo und seiner Familie bewohnte römische Medici-Bank zur Zentrale aller Operationen der Medici geworden sei und daß sich dort alle führenden Mediceer – wie etwa die Medici-Brüder, Federico Sanseverino und Lorenzo Pucci – zu gemeinsamen Beratungen und Mahlzeiten träfen, sondern des weiteren, daß diese Bank ihren Namen in den von Leonardo Bartolini geändert habe, nach ihm nun benannt werde; von ihm wurde sie demnach seit spätestens März 1497 geführt. Eigentlich hätte diese Bank, zu der die Medici-Bank in Neapel gehörte, von Becchi als Eigentum des Lorenzo Tornabuoni bezeichnet werden müssen, denn dieser hatte sie ja mit starker Unterstützung der Kommune 1495 gekauft und sich verpflichtet, die alte römi104 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 199 (25.4.1510, Kardinal Giovanni de’ Medici aus Rom an Lanfredino

Lanfredini in Florenz); s.o. S. 793f.

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sche Medici-Bank zu liquidieren und alle Gläubigeransprüche zu erfüllen. In der Zwischenzeit muß es folglich zu entscheidenden institutionellen Änderungen gekommen sein. Im Gegensatz zu den Genesen und Mutationen der offiziellen und der getarnten Florentiner Medici-Banken sind für Rom keine einschlägigen Quellen überliefert. (Hätte Leonardo di Zanobi Bartolini seine Geschäftsbücher der Nachwelt überlassen, gäbe es diese Zeugnisse.) Einen kleinen Baustein haben uns jedoch die Syndizi der Medici in die Hand gegeben, als sie in ihrem Protokoll vom 6. November 1495 eine Sequestrierung aller Finanzmittel anordneten, die sich in der Hand der römischen Bankgesellschaft Nofri e Lorenzo Tornabuoni e compagnia befänden, da sie der Florentiner Bank des Bartolomeo Bartolini große Summen schuldete.105 Lorenzo Tornabuoni hatte nach dem Kauf der römischen Medici-Bank demnach zumindest seinen Cousin Nofri als Teilhaber gewonnen, mit großer Sicherheit auch dessen Schwiegersohn Leonardo di Zanobi Bartolini, der diese Bank leitete und (wahrscheinlich mit seinem Schwiegervater) bewohnte. Die Gläubigeransprüche der Bartolini-Bank, die in Florenz sogar einen Prozeß gegen Nofri führte, hatten wir bereits thematisiert, da sie im Kontext weiterer analoger Prozeßverfahren stehen, mit welchen Gelder aus den zu liquidierenden Medici-Firmen in die (formal von ihr getrennte) Bartolini-Bank transferiert und vor unerwünschten Gläubigerforderungen geschützt wurden.106 Was auf diese Weise gesichert wurde, konnte dann etwa 1496 für die Kapitalausstattung der neuen Lyoner Bartolini-Bank und deren Bottegari-Tochter in Montpellier eingesetzt werden. Es ist anzunehmen, daß das gleiche Procedere zwischen Florenz und Rom angewandt wurde. Vor dem oder im März 1497 erhielt Lorenzo Tornabuonis Bank in Rom sodann den Namen des Leonardo di Zanobi Bartolini, der dementsprechend zu den Teilhabern gehörte, formal die nun aufgelöste Tornabuoni-Bank übernahm und wahrscheinlich auch aus der Florentiner Bank seines Verwandten Bartolomeo Bartolini mit Medici-Geld versorgt wurde. Faktisch existierte und wirkte diese Bank in der Via dei Banchi mit ihrem Personal in den Augen eines in Rom lebenden Florentiner Medici-Feindes weiterhin als römische Medici-Bank. Nicht zu unrecht, denn der gewiefte Leonardo Bartolini war noch im Juni 1497 in der Lage, einen Kredit über 12.000 Dukaten, den „seine“ neapolitanische Medici-Bank dem Venezianer Andrea Braghadini gegeben hatte, in Venedig für die Medici in offenkundig höherwertige finanzielle Vorteile umzuwandeln. Erstaunlich ist nur, daß eine solche „Leonardo Bartolini-Bank“ dem Namen nach für die Jahre nach 1497 nicht mehr zu belegen ist. Offenbar arbeitete Leonardo mit Geld, das er – wahrscheinlich aus Haftungsgründen – nicht mehr in einer eigenen Bank angelegt hatte, sondern in einer oder mehreren ihm zugeordneten, nach außen getarnten Tochterbanken. In Rom wäre dies die Bank des Simone da Ricasoli, der nachweislich für ihn bzw. für die Medici Geld hütete, Konten führte, Zahlungen und Wechseloperationen durchführte und dessen Kontoführung durch Leonardo kontrolliert und signiert wurde. Es ist anzunehmen, daß die Banken des Bernardo Bini und Giovanni Pandolfini gleichfalls solche Funktionen erfüllten, 105 Le collezioni medicee nel 1495, S. 79; s.o. S. 161, 238. 106 S.o. S. 237f.

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zumal sich die Lanfredini-Bank in Florenz als eine solche „Hausbank“ Leonardos und der Medici erweisen wird. In dieses gleichwohl etwas nebulöse Geflecht führt uns ein Vorgang aus dem Jahre 1508. Für den Februar 1508 hatte die Lyoner Gesellschaft des Tommaso Guadagni 325 Scudi an die Lyoner Bartolini-Bank zu bezahlen; diese Auszahlung an die Bartolini sollte aufgrund eines Wechselbriefes erfolgen, den Benedetto Lotti in Rom ausgestellt und auf die Guadagni gezogen hatte, wobei Luigi dal bancho als römischer Remittent, also Wechselnehmer bzw. Käufer, angegeben wird.107 Dieser ‚Luigi aus der Bank‘ müßte Luigi Lotti gewesen sein, der schon unter Lorenzo il Magnifico seit den 70er Jahren zu den wichtigen Mitarbeitern der Medici in Rom gehörte, für ihn auch antike Kunstgegenstände besorgte, sogar explizit als zur römischen Medici-Bank gehörender Prokurator bezeugt ist (sollicitator in bancho de’ Medicis) und speziell – in einer koordinierten Aufgabenteilung mit Domenico Attavanti – ebenfalls maßgeblich für das französische Benefiziengeschäft zuständig war.108 Luigi Lotti hatte sich am 2. Januar 1493 in einem Brief aus Rom an den Medici-Intimus Niccolò Michelozzi in Florenz beklagt, daß man auf diesem Gebiet von Papst Alexander VI. leider nicht mehr die gleichen Vorteile erwarten könne wie vorher von Innozenz VIII.109 Er war es, der am 9. September 1497 – also wenige Tage nach der Hinrichtung der fünf Medici-Vertrauten in Florenz! – wiederum gegenüber Michelozzi resigniert feststellte, sie beide hätten sich ja seit einiger Zeit nicht mehr geschrieben; und er glaube, sie hätten gut daran getan – wenn man bedenke, daß es in diesen Zeiten gut sei, nichts zu wissen, nichts zu schreiben und stumm zu werden!110 Lotti war also ein so wichtiger Mediceer, daß er sich damals von den Medici-Feinden bedroht fühlte. Merkwürdig an dem Wechselgeschäft von 1508 erscheint auf den ersten Blick, daß Luigi Lotti seit spätestens 1503 als einer der Sekretäre von Kardinal Giovanni de’ Medici fungierte und bis zur Papsterhebung in dem Amt blieb.111 War jener Luigi dal bancho, der sich durch Benedetto Lotti in Rom einen Wechselbrief für die Lyoner Bartolini ausstellen ließ, also nicht identisch mit Luigi Lotti? Konnte dieser nicht zugleich Sekretär eines 107 ABS 199, c. 11. 108 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 273f. (mit weiteren Literatur- und Quellenangaben zu der

wichtigen Funktion Lottis auf dem Feld der römisch-französischen Benefiziengeschäfte der Medici, von denen im übrigen ja auch und nicht zuletzt der junge Giovanni de’ Medici profitierte); zu konsultieren ist ferner Ferrajoli, Ruolo, S. 515f. (dort der Hinweis auf den Kauf antiker Statuen für den Magnifico; Ferrajolis Unsicherheiten wegen der Identität des Luigi Lotti waren unnötig). 109 Vgl. BNCF, Ginori Conti, 29/83, c. 73 (et non si può fare con papa Alexandro come si faceva con papa Innocentio!). 110 BNCF, Ginori Conti, 29/83, c. 77 (Io non ho scripto ad voi, ne voi ad me gia è buono tempo, et credo habiamo facto bene, considerato che his temporibus saria buono non sapere, scrivere et diventare mutuo). 111 Vgl. Ferrajoli, Ruolo, S. 515. Als ein weiterer Sekretär des Medici-Kardinals ist Antonio Dovizi da Bibbiena bezeugt; vgl. z. B. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 535, fol. 3v (im November 1503 hatte Leonardo di Zanobi Bartolini der Apostolischen Kammer bzw. dem neuen Papst Julius II. 1.500 Dukaten geliehen, die er per manus Antonii de Bibbiena secretarii reverendissimi domini cardinalis de’ Medicis auszahlen ließ).

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Kardinals und Mitarbeiter einer Bank gewesen sein? Abgesehen davon, daß es niemand anderen gibt, der in diesem Kontext sinnvoll mit einem Luigi dal bancho zu identifizieren wäre, könnte der Schreiber des Rechnungsbuches damit die frühere Funktion Lottis im Sinn gehabt haben; mit größerer Plausibilität wird er jedoch ausgedrückt haben, daß Lotti immer noch als Bankier wirkte, nämlich bei einer von Leonardo di Zanobi Bartolini kontrollierten, diesem zugeordneten Mediceer-Bank. Dabei könnte es sich um die Ricasoli-, Bini- oder Pandolfini-Gesellschaft gehandelt haben. Für eine Identifizierung Luigis mit Luigi Lotti spricht weiterhin der Kontext des Textes, also die geschäftliche Verbindung mit (dem noch nicht näher bekannten) Benedetto Lotti sowie die vertraute Nähe indizierende Beschränkung auf den Vornamen. Die Vermutung läßt sich erhärten. In einem Brief des Bernardo Dovizi da Bibbiena, den er am 3. März 1512 an den in der Romagna als Legat weilenden Giovanni de’ Medici schrieb, betonte Bibbiena, er habe dem messer Julio – also Giovannis Cousin Giulio de’ Medici – nichts in die Lombardei geschickt, da er von Lottis vernommen habe, daß dieser dem Giulio bereits una ritratta gesandt habe von jenem, was man aus Florenz zu erhalten habe.112 Ob es sich nun um eine Geld- oder Warensendung handelte, entscheidend ist die von Lotti – mit dem hier kein anderer als Luigi Lotti gemeint ist – übernommene Aufgabe, die eben ganz in die Zuständigkeit jener dal bancho fällt.113 Aus dem bereits vorgestellten, am 16. September 1512 in Florenz für Giovanni de’ Medici angelegten Haushaltsbuch des Bartolini geht hervor, daß Leonardo mehr oder weniger konsequent verschiedene Finanzsphären trennte, die er in unterschiedlichen Rechnungsbüchern betreute. In Rom führte er um 1511/13 z. B. ein (ebenfalls wie damals üblich nach der Farbe des Einbandes bezeichnetes) ‚grünes Buch mit der Signatur B‘ (libro verde di Roma segnato B), das demnach das zweite Buch einer funktionalen Reihe war. In ihm und dem Vorgängerband listete er offenkundig vornehmlich Kosten auf, die den Kardinal Giovanni de’ Medici persönlich betrafen: u. a. außergewöhnliche Ausgaben Bartolinis für Giovannis römische Gärten bei San Agata dei Goti und bei der Kirche Santa Maria del Popolo, Spesen für den Haushalt des Kardinals in Rom, für seine Teilnahme am Konklave im März 1513 oder für seine Kleidung.114 Solche Ausgaben wurden dann in das große Haushaltsbuch des Kardinals bzw. seines Bankiers übertragen. Aus diesem erfahren wir ferner von einem ‚roten Buch Leonardos in Rom mit der Signatur B‘ (suo libro rosso di Roma segnato B) sowie von einem Geheimbuch (suo libro segreto), das von ihm, und wohl nur von ihm, geführt wurde – und gewiß unschätzbare Zeugnisse enthalten hatte.115 Für das große Haushaltsbuch des Medici-Bankiers bzw. -Prokurators Leonardo di Zanobi Bartolini war dieser zwar verantwortlich, in seinem Namen wurde es angelegt, doch die einzelnen Einträge nahm nicht er, sondern einer seiner Mitarbeiter vor. (Dies hätte 112 ASF, Carte Strozziane I/5, doc. 71; Moncallero, Epistolario I, Nr. 146. 113 Zu dem Begriff ritratta vgl. Edler, Glossary, S. 249f. (ritratta sei auf Zahlungen in Form von

Waren bezogen, während ritratto eine Geldleistung bei Warengeschäften bedeute). 114 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 231, CXVIIII, CL, 157 (a libro segreto che ttiene detto Lionardo

[Bartolini]), 195, CCXL. 115 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 59, 244, 245.

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schon außerhalb seiner zeitlichen Möglichkeiten gelegen; vor allem war er mit wichtigerem beschäftigt, wie etwa mit der Truppenverpflegung der noch bei Prato liegenden spanischen Armee, für die ihn der Medici-Kardinal am 19. September zusammen mit Paolo und Andrea de’ Medici zum Kommissar ernannt hatte.116) Dieser Angestellte notierte dann, daß Leonardo Bartolini aufgrund seiner jeweiligen Ausgaben für die Medici bestimmte Summen gegeben bzw. zu erhalten hatte; oder im Plural erklärte sein Mitarbeiter und Buchhalter, daß ‚durch bzw. für uns‘ (per noi) bestimmte Gelder ausgegeben oder gegeben wurden. Mit Blick auf diese finanztechnische Seite seiner Buchungen fällt nun aber vor allem eines auf: Sofern der Bartolini Ausgaben nicht selbst bezahlte und Einnahmen nicht auf sich bzw. seine Konten einziehen ließ, bediente er sich in der Regel der Florentiner Lanfredini-Gesellschaft del bancho! Die Formulierung per noi da/a Lanfredini prägt dieses Haushaltsbuch; sie bezeichnet vor allem aber ein System. Die LanfrediniBank war gleichsam die Bargeldkasse der Medici bzw. Leonardo Bartolinis. So bezahlte, um nur einige wenige der zahllosen Beispiele herauszugreifen, die Lanfredini-Bank beispielsweise einen Teil der Kosten, die der Zimmermann oder Tischler Bartolomeo d’Antonio für seine Arbeiten im Medici-Haus in San Antonio (vor den Mauern von Florenz) geltend machte; sie gab das Geld für die Lieferungen der Seidengesellschaft von Paolo und Amaddio Giocondi, der Wollgesellschaft von Bartolomeo di Lanfredino Lanfredini, der Seidengesellschaft des Gherardo di Bartolomeo Bartolini oder der Seidengesellschaft der Erben des Domenico Perini.117 Oder, um ein illustratives Beispiel zu nehmen: Aus dem Posten der ‚Wohltaten des Medici-Kardinals‘ erhielt die Lanfredini-Bank am 5. November 1512 auf Anordnung Leonardo Bartolinis von dessen Mitarbeitern 29 Dukaten, da sie die Unkosten für den Transport eines Koffers mit den Sachen des Luigi de’ Rossi übernommen hatte, die man diesem aus Frankreich über die Lyoner SalviatiGesellschaft nach Florenz transportieren ließ.118 Aus welchen Quellen die Summen stammten, welche die Lanfredini-Bank zurückerhielt und ob diese exakt den vorherigen Auslagen bzw. Krediten entsprachen oder vielleicht geringer waren, da aus MediciMitteln in der Lanfredini-Bank geschöpft, läßt sich leider nicht ermitteln. Die Beträge, um die es dabei ging, waren jedenfalls ansehnlich. Einzelne Guthabenkonten der LanfrediniBankgesellschaft erreichten ohne weiteres zwischen 4.000 und 5.500 Dukaten.119 Nach der Lanfredini-Bank in Florenz kam als zweites Institut, das den Bartolini, d. h. die Medici, mit Geld versorgte, mit weitem Abstand die Florentiner Gesellschaft von Jacopo Salviati und den Erben des Alamanno Salviati – aber hier bewegte man sich ja gleichsam im gleichen Haus. Die Salviati-Gesellschaft scheint insbesondere bei Wechselbriefgeschäften eingeschaltet worden zu sein, die recht häufig über die Lyoner SalviatiGesellschaft – also über die Salviati- und Lanfredini-Gesellschaften sowie Francesco Naldini! – liefen. Es ist schon merkwürdig, daß Leonardo Bartolini über die Lanfredini116 Cerretani, Ricordi, S. 289. 117 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 24/XXIIII, 84/LXXXIIII, 85/LXXXV, 86, 88, 111. 118 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 116. 119 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 142, CCXXIIII, 229.

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Bank Geld nach Lyon an die dortige Salviati-Gesellschaft überwies, um in Florenz von der Lanfredini-Bank mit Bargeld für sich, d. h. für den Medici-Haushalt und teilweise auch für private Bedürfnisse, versorgt zu werden. So hatte beispielsweise die Florentiner Lanfredini-Gesellschaft der Bartolini-Kasse am 4. Dezember 1512 den beachtlichen Betrag von 1.836, 16 Dukaten larghi (als Darlehen) zur Verfügung zu stellen, da Leonardo der Lanfredini-Bank einen Wechsel über 32 Goldmark (zum Kurs von lediglich 572/5 Dukaten pro Mark) gab, den er über die Lanfredini-Bank auf die Lyoner Gesellschaft von Jacopo und den Erben des Alamanno Salviati zog, den diese Bank für sich bzw. für Bartolinis Konto bei der Salviati-Bank zur nächsten Messe des Erscheinungstages Christi (6.1.) einlösen sollte.120 Die Salviati-Bank war somit Bezogener wie (zum Teil) Begünstigter des Wechsels, insofern sie den Wechsel annahm und den Gegenwert dem bei ihr geführten Bartolini-Medici-Konto gutschrieb, das also den (Leonardo Bartolini von der Lanfredini-Bank gewährten) Kredit kraft des Wechsels erhielt; die Lanfredini-Bank hingegen fungierte als Wechselnehmer, als Käufer des Wechsels, den Leonardo Bartolini als Finanzier des Medici-Haushaltes ausstellte bzw. nach Lyon trassierte. Offenkundig wollte der Bartolini über diesen, vom Magnifico seit 1482 systematisierten Weg Kursgewinne machen, indem er die Salviati-Gesellschaft anwies, die entsprechende Summe zu einem höheren Kurs (etwa zu den oft üblichen 65 Dukaten pro Mark) nach Florenz zur Lanfredini-Bank oder eine andere befreundete Bank zurückzuwechseln. Auf Leonardo Bartolini trassierte Wechselbriefe (durchaus mit Summen über 1.000 Dukaten) der Lyoner SalviatiGesellschaft kamen dann beispielsweise über befreundete (aber untergeordnete oder abhängige), seit vielen Jahren mit den Mediceern kooperierende Gesellschaften wie die der Erben des Filippo Nasi, der von Bernardo und Bartolomeo Nasi oder die des Luca da Panzano in die Lanfredini-Bank, von der er oder sein Mitarbeiter das Geld erhielt.121 Jacopo e Rede di Alamanno Salviati di Firenze gaben Leonardo Bartolini noch am 6. Juli 1513 einen Kredit über 1.825 Dukaten, den dieser in sein libro verde segnato B di Roma übertrug.122 Die Lyoner Salviati-Gesellschaft fungierte somit als Knotenpunkt für lukrative, aber auch riskante Wechselbriefe bzw. -geschäfte aus Frankreich, denn außer den entsprechenden Beispielen ist bezeichnend, daß ihnen im März 1513 für ein solches conto di cambi 92 Dukaten aus den spese extraordinarie des Medici-Haushalts gutgeschrieben wurden, und zwar für Schäden bzw. Verluste beim Wechselbriefverkehr.123 Es ist daher anzunehmen, daß Gianbattista Bracci seinen Adlatus Francesco Naldini als Leiter der Lyoner SalviatiGesellschaft generell nicht nur mit Kapital, sondern auch mit größeren Summen aus dem Medici-Vermögen versehen hatte, die dieser aufbewahrte und betreute und dann je nach Bedarf über Wechselbriefe nach Florenz oder Rom transferierte bzw. vermehrte. Sinnvoll war ein solches Verfahren vor allem deshalb, weil das Geld in Lyon vor Zugriffen der 120 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 142, CXLVIII. 121 Vgl. etwa ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 142, 148/CXLVIII, CLXXXIII, 152/CLII, CCXVIIII. 122 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 152. 123 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. CXLVIII, CLXXXIII.

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Florentiner Medici-Feinde und der unerwünschten Gläubiger sicher war. Ganz am Schluß, im Kontext der extrem kostspieligen, aber politisch und sozial ersehnten Hochzeit des Giuliano de’ Medici, werden wir nochmals eine Bestätigung für diese These vorstellen. In Rom bediente sich Leonardo di Zanobi Bartolini für den Geldverkehr etwa der Gesellschaften des Bernardo Bini, zu der Lorenzo Pucci gehörte, oder des Simone da Ricasoli, die miteinander befreundet und bei aller Eigenständigkeit – wie am Beispiel Ricasolis gezeigt – gleichsam Hilfsbankiers des Leonardo di Zanobi Bartolini bzw. dann der Lanfredini-Bank gewesen waren. In Venedig hingegen griff er auf die Bank des bewährten und bekannten Florentiner Medici-Agenten Matteo di Simone Cini zurück.124 Cinis Funktion hatten wir nicht nur im Spiegel seiner finanziellen Hilfen für den nach Venedig geflüchteten Filippo da Gagliano erblickt, sondern vor allem auch in dem seiner zahlreichen Waren- und Wechselgeschäfte, bei denen ihn Gianbattista Bracci, Giuliano da Gagliano oder Leonardo di Bartolomeo Bartolini effektiv einsetzten. Aus Bartolinis Haushaltsbuch erfahren wir nun, daß solche Dienste stets aus einer grundlegenden dienenden Funktion für die Medici resultierten. So hatte Matteo Cini am 20. Oktober 1499 – wenige Wochen nach dem Aufbruch Kardinal Giovannis Richtung Frankreich und wenige Tage nach der Abreise Pieros aus Venedig! – dem Medici-Sekretär Ser Piero Dovizi da Bibbiena, der die Medici in Venedig politisch vertrat und dort lange Jahre Pieros Sohn Lorenzo betreute, zwei Dukaten für die Sendung eines Kuriers nach Florenz geliehen, die er nun Ende 1512(!) zurückerhielt. Hier wurde ferner notiert, daß er Ser Piero Dovizi in Venedig am 20. Oktober 1512 nochmals zwei Dukaten gab, daß er vor allem aber am 12./13. November 1512 dem Kardinal Giovanni de’ Medici in Bologna über Filippo Cortesi 500 Dukaten zukommen ließ. Auf Anweisung Leonardo Bartolinis hatte Cini dem Dovizi in Venedig auch jene 160 Dukaten zur Verfügung gestellt, welche für den Erhalt eines Privilegs der Republik Venedigs zu zahlen waren, mit dem Giovanni, Giuliano und Lorenzo de’ Medici die Ehre gewährt wurde, in die Reihe der venezianischen Adligen aufgenommen zu werden; diese 160 Dukaten verbuchte der Bartolini als Schulden der (leiblichen) Erben des Lorenzo de’ Medici.125 Der Medici-Kardinal hatte dieses Privileg am 11. November 1512 in Bologna persönlich erhalten und noch am gleichen Tag mit einem Brief 124 Vgl. etwa ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 89, 113, 145, 152; zu Ricasoli und Bini s.o. S. 919–921,

833f. Leonardo Bartolini kam auch in seinem an Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci gerichteten Brief vom 9.3.1513 auf Bernardo Bini zu sprechen, da er einen Auftrag, den Bracci dem Bini erteilt hatte, storniert hatte, wie er beiden am Vortag bereits erklärt habe, und weil Bini sich wegen etwas beklagt hatte, dessen gute Erfüllung ihm Bartolini jedoch zusichern konnte, wobei er sich des Bini bedienen konnte, ohne zwei bestimmte Wechselbriefe nutzen zu müssen; BNCF, Ms. II. V. 21, c. 237/238 (9.3.1512/13, Leonardo Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci in Florenz). In ähnlicher Weise schrieb Gherardo Bartolini seinem maggiore Lanfredino Lanfredini am 15.10.1513 aus Rom, daß sie durch Bernardo Bini und die Gesellschaft der Ricasoli, also der des Simone da Ricasoli, mit Geld versorgt worden seien; BNCF, Ms. II. V. 22, c. 38. 125 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 60, 89/LXXXVIIII, 119, 165 (... i privilegi, che quella Illustrissima Signoria di Vinezia choncedette a prefati erede daverli messi in nel numero de’ gentiluomini)/CLXV.

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an Giulio de’ Medici nach Florenz gesandt.126 Am 24. Januar 1513 bekam Leonardo Bartolini von Cini 500 Dukaten, die er vom Konto seines Haushaltsbuches gleich auf ein Gläubigerkonto in seinem Geheimbuch zog.127 Dies erinnert an die großen Übermittlungen venezianischer Dukaten, die Francesco Naldini zwischen 1495 und 1497 in seinen persönlichen, aber für die Florentiner Medici-Erben-Bank bzw. Gianbattista Bracci geführten Geschäftsbüchern verzeichnete. In ihrem Kontext hatten wir vermutet, Cini verwalte in Venedig einen Teil des in Sicherheit gebrachten Medici-Vermögens.128 Die obigen Einblicke in die Finanzdienste Cinis für die Medici unterstützen diese Annahme. Zu einer ganz anderen Kategorie von Kreditgebern, jener potentieller Vorteilsnehmer und -geber, gehörte der Florentiner Niccolò Antinori, bei dem Leonardo Bartolini für seinen Patron während dessen Florentiner Aufenthalt zunächst teuren Brokatstoff im Wert von ca. 800 Dukaten auf Kredit kaufte, um sich dann noch einen Bargeldkredit über 500 Dukaten für Giovanni de’ Medici von Antinori zu erbeten, der ihm zinslos gewährt wurde, weil Antinori dem Medici hiermit erneut einen Gefallen tun wollte – und sicherlich nicht ohne die Hoffnung auf Gegenleistungen. Nach der Wahl Giovannis zum Papst wandte sich der Bartolini mit seiner Überzeugungskraft nun nochmals brieflich an Antinori, er solle ihm eine ordentliche Menge an Tuchen und Stoffen unterschiedlichster Qualität liefern, da er davon für die ‚Krönungsfeiern‘, also den possesso am 11. April, ziemlich viel benötige, was jener im Rahmen seiner Möglichkeiten denn auch tat. Natürlich hoffte er wiederum nicht ganz selbstlos, dem neuen Papst damit eine Freude zu bereiten, doch hatte dieser von Antinoris letztem Gefallen gar keine Kenntnis erlangt, was um so ärgerlicher war – wie Antinori freimütig zugab –, da er sich auf eine solche Handlung mit keinem anderen eingelassen hätte und bis Mitte November 1513 noch keinen Denar seiner Kredite wiederbekommen habe. Er hatte sich deshalb an Lorenzo di Piero de’ Medici gewandt, dieser möge Giulio de’ Medici in Rom veranlassen, dem Papst von dem Vorgang zu berichten, damit Leonardo Bartolini diese Kredite zurückbezahle.129 An einer solchen Tilgung kann es keinen Zweifel geben, denn im März 1516 half er den Medici mit einem Kredit von 5.000 Dukaten bei ihrem immens kostspieligen Krieg um Urbino, mit welchem Lorenzo zum Herzog gemacht wurde, bat dafür aber explizit um ein hohes Amt (im Gremium der 12 Buonuomini) für seinen Sohn Camillo. Goro Ghieri, Lorenzos Statthalter in Florenz, war der Ansicht, man könne Antinori diesen Wunsch schon wegen seines hohen Kredites nicht abschlagen, darüber hinaus müsse man ihn sich auf diese Weise aber auch verpflichten, da er wegen seiner buona borsa von einiger Wichtigkeit sei.130 Das Risiko solch pekuniärer Prioritäten zeigte sich freilich ein Jahr später, als Camillo Antinori in seinem Amt eine Denunziation gegen einen Mediceer seitens eines Dritten 126 ASF, MAP CXXXVII, doc. 609. 127 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 89, CLVII. 128 S.o. S. 171. 129 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 21v–22r (17.[11.1513], Lorenzo di Piero de’ Medici aus Florenz

an den Kardinal [Giulio de’ Medici]). 130 ASF, Carte Strozziane I/9, Nr. 44 (4.3.1516, Goro Ghieri aus Florenz an Lorenzo di Piero de’

Medici).

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veranlaßte, entlarvt wurde und zu einer Geldstrafe von 1.200 Dukaten und zu fünf Jahren Verbannung verurteilt wurde.131 Zuverlässiger waren eben Kreditgeber wie Simone da Ricasoli oder Matteo Cini – allerdings nicht vorteilhafter, wenn sie mit Medici-Geld arbeiteten. Viele dieser in Leonardo Bartolinis Haushaltsbuch erscheinenden Namen und Firmen, die bereits genannt wurden, haben auf den Kreis befreundeter langjähriger Geschäftspartner verwiesen. Dieser Reigen ist mit ihnen freilich nicht vollständig. Zu ergänzen wären neben anderen etwa die Buonvisi und Micheli aus Lucca, die ebenfalls Luxusstoffe für den Medici-Haushalt lieferten, oder – um einen weiteren Namen gerade aus jenem Kontext zu nehmen – die Gesellschaft des Gabriello di Giovanni de’ Rossi, speziali de’ Medici, die vom 6. September 1512 bis zum 28. April 1513 medecina (vor allem für Giuliano) und weitere Apothekenartikel (d. h. auch Gewürze) im Gesamtwert von 868 Dukaten an den Haushalt von Kardinal Giovanni und Giuliano de’ Medici in Florenz lieferte, wobei Gabriello de’ Rossi sein Geld meist von Leonardo Bartolini bzw. von der Lanfredini-Bank erhielt.132 Gabriello war ein Bruder von Bernardo di Giovanni de’ Rossi und ist uns bereits bekannt als einer der Pächter, die für Alfonsina Orsini jene als lo speziale de’ Medici bezeichnete bottega ad uso di speziale resp. aromatarii im Florentiner Stadtviertel S. Tommaso betrieben, mit welcher die Kommune ihr 1510 einen Teil der ihr geschuldeten Mitgift zurückzahlte!133 Mit Aufträgen an den befreundeten Pächter eines MediciGeschäfts bedankten sich die Medici also gleichsam für seine Unterstützung. Die nüchternen Einträge des Haushaltsbuches erhalten durch einen erweiterten Kontext durchaus einen Grad an historischer Empathie. So etwa, wenn wir von Aufträgen und Geldzuwendungen für den hochgeschätzten Goldschmied Michelangelo da Viviano hören, den Vater des berühmten Künstlers Baccio Bandinelli, eben jenes Michelangelo, den wir gleich am Beginn des Exils als einen der wichtigsten Florentiner Helfer der Medici kennengelernt hatten, als er Lorenzo Tornabuoni, Giovanbattista Bracci und die MediciFrauen um Lucrezia Salviati, Caterina Sanseverino und Alfonsina Orsini bei der Versorgung der Verbannten mit Geld, Juwelen und Münzen, durch die vorteilhafte Schätzung des Medici-Schatzes, das Einschmelzen von Gold und Silber oder die Umformung einzelner Kunstschätze unterstützte.134 Nach Vasari hatte er, was durchaus zutreffen dürfte, sogar einen Teil der Silber- und Goldwerte der Medici während der Exilszeit heimlich und sicher, doch gewiß unter großen Gefahren, aufbewahrt.135 Seine Treue und sein risikoreicher Einsatz für die exilierten Medici fanden nach Beendigung des Exils ebenfalls sofort Anerkennung, so daß er 1527, nachdem er sich bei Giulio de’ Medici bzw. Papst Clemens VII. in Rom aufgehalten hatte, bei der erneuten Vertreibung der Medici gefoltert und nun 131 Stephens, Fall, S. 104; Butters, Governors, S. 286f.. 132 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 213/CCXIII, 219, 221/CCXXI, CCXXIIII. 133 ASF, MAP CLVII, c. 71v–76v; s.o. S. 859. 134 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. CXXXIII, 151/CLI, 154/CLIIII, 181; vgl. Rogers Mariotti, Selecti-

ons, S. 105, 113, 116–120, 128 (noch mit der Angabe [S. 116], Michelangelo da Viviano habe nur vor und nach dem Exil enge Verbindungen zu den Medici unterhalten). 135 Vgl. Rogers Mariotti, Selections, S. 117.

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ebenfalls verbannt wurde – und vor diesem Hintergrund dürften auch die Aufträge der Medici sowie der Bartolini, Lanfredini und Borgherini für seinen Sohn Baccio Bandinelli und dürfte damit dessen Karriere zu verstehen sein.136 Selbst der spätere Aufbewahrungsort des Haushaltsbuches gibt weitere Einblicke in diese Tiefen des Netzwerkes. Das Rechnungsbuch Bartolinis kam in die Obhut des Florentiner Schwesternkonvents Sant’Orsola, zu dem der Medici-Kreis ganz offensichtlich engere Beziehungen unterhielt und in den sich deshalb wohl nicht zufällig Ende Juni 1502 einige Frauen aus dem Bentivoglio-Umkreis vor Cesare Borgia geflüchtet hatten.137 Aufhorchen läßt uns, daß ausgerechnet eine aus diesem Konvent stammende Schwester Maria Maddalena de’ Guardi nach 1512 Schenkungen des Giovanni de’ Medici in ihren Büchern notierte.138 Denn hatte nicht Francesco Guardi dem verfolgten Medici-Bankier Francesco Cegia im November 1494 nächtens Unterschlupf in seinem Haus geboten, tauchten kurz darauf nicht dieser Francesco und sein Verwandter Gherardo Guardi im Geheimbuch von Alamanno und Jacopo Salviati auf, da Alamanno für beide größere Geldbeträge zu attraktivem Zins beim Monte Comune anlegte, und hieß nicht der Leiter der Mailänder Bartolini-Filiale Salvestro di Dino Guardi?! Unsere wiederholten Hinweise auf die Anerkennung und Bestätigung alter Freundschaften, die bei solchen personellen Kontinuitäten zum Vorschein treten und die im Ergebnis das Netzwerk verfestigten, den Freundeskreis stabilisierten und abgrenzten, sollen freilich die funktionalen Aspekte dieser Verdichtung nicht aus dem Blick geraten lassen. Diese Aspekte werden noch deutlicher, wenn man – wie schon bei den Mitarbeitern der Bartolini-Rossi- und der Lyoner Salviati-Gesellschaft geschehen – die Fluktuation bestimmter Personen oder besser: Vertrauensträger zwischen verschiedenen Firmen oder Aufgabenbereichen analysiert. Gerade in Bartolinis Haushaltsbuch stellt sich uns hierzu ein bemerkenswerter Fall vor, verkörpert durch den ansonsten recht unbekannten Florentiner Alamanno Ughi. Wir hatten ihn bereits (für 1497/98 und 1504) in den Aufzeichnungen des Bracci-Strohmannes Giuliano da Gagliano an dessen Seite erblickt, hatten ihn dann drei Jahre später anhand eines von ihm am 6. Februar 1507 aus Rom geschriebenen Briefes als einen leitenden Mitarbeiter von Lanfredino Lanfredinis Pandolfini-fondacho in Rom kennengelernt, wo er auf seinen „Vorgesetzten“, den damals gerade abwesenden maggiore Giovanni Pandolfini, hinwies und von der Wichtigkeit bestimmter Ledergeschäfte sprach.139 Nun aber, seit (spätestens) dem September 1512, erscheint Ughi als wichtigster Mitarbeiter von Leonardo Bartolini in Florenz! Dieser kannte ihn natürlich bestens aus Rom, wenn er nicht sogar eine Verfügungsgewalt über Ughi hatte; sein 136 Vgl. etwa Rogers Mariotti, Selections, S. 128f.; Colasanti, Il memoriale di Baccio Bandinelli, S.

419. 137 Rogers Mariotti, Selections, S. 105–110 (mit Recht wird die Präsenz des Rechnungsbuches im

Archivbestand des Konvents als „fragment of a larger and forgotten network of relations“ bewertet). 138 Rogers Mariotti, Selections, S. 105f., 135, Anm. 14, 15, 22. 139 ASP IV/5, c. 103; BNCF, Ms. II. V. 21, c. 182 (6.2.1506/07, Alamanno Ughi aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz); s.o. S. 655, 793.

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Schwager Bracci oder sein Verwandter Lanfredini mögen ihm (zudem) „ihren“ Mann in Rom für die finanziellen Belange des Medici-Haushaltes empfohlen haben. Denn eine Hauptaufgabe Alamanno Ughis bestand darin, das Bargeld für die laufenden täglichen Ausgaben zu besorgen. Und dieses Geld erhielt er von der Florentiner Lanfredini-Bank bzw. -Gesellschaft, für deren Tochtergesellschaft er noch wenige Jahre vorher in Rom gearbeitet hatte. Diese reine Mediceer-Karriere scheint ebenfalls dafür zu sprechen, daß schon die römische Pandolfini-Bank Medici-Geld betreute. Einige Beispiele sollen die Tätigkeit des Alamanno Ughi veranschaulichen. Noch während sich Leonardo Bartolini in Florenz aufhielt, setzte er Ughi in zunehmender Intensität seit Dezember 1512 ein, wobei er meistens von der Lanfredini-Gesellschaft oder den (selteneren) anderen Geldgebern Bargeld in Empfang zu nehmen hatte, das er dann den einzelnen Empfängern übergab.140 So holte er für Leonardo Bartolini am 3., 7. und 11. Dezember 1512 insgesamt 292 Dukaten in bar von der Lanfredini-Bank, von denen er 25 Dukaten am 7. Dezember an jenen Giovanni Armingol zu geben hatte, der uns als von Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini finanzierter Prokurator des Vizekönigs von Neapel bereits bekannt ist, hier als Schatzmeister und Botschafter des Vizekönigs bezeichnet wird, und der das Geld vom Bartolini als Kredit erhalten hatte, verbucht in dessen Geheimbuch.141 Besonders aktiv wird Alamanno Ughi im Spiegel des Haushaltsbuches nach der Abreise Bartolinis nach Rom (26.2.1513), da Ughi zunächst in Florenz blieb, um nun den Haushalt Giuliano de’ Medicis mit Bargeld zu versorgen. Als dieser Anfang Mai 1513, der Regierungsgeschäfte endgültig überdrüssig, ebenfalls nach Rom zog, folgte Ughi ihm bzw. den Medici am 14. Mai; die Spesen für seine Reise in Höhe von stolzen 25 Dukaten erhielt Ughi natürlich von der Lanfredini-Bank.142 Daß er aber nicht mehr für die Lanfredini-Gesellschaft, sondern für die Medici wirkte, beweisen die ihm am 9. März 1513 durch Kardinal Giovanni de’ Medici bzw. den Bartolini angewiesenen 25 Dukaten per conto di sua provixione, die per noi da Lanfredini e compagnia ausgezahlt wurden.143 Am 12. März 1513 erhielt Ughi dann von Leonardo Bartolini über die Lanfredini-Bank in bar 400 Dukaten, um sie Zanobi Rustichi für den Haushalt des Magnifico [Giuliano de’ Medici] zu geben. Aus dieser Summe wurden beispielsweise am 15. März die 80 Dukaten für das ‚Trinkgeld‘ (mancia) des Wachpersonals bestritten und jene 50 Dukaten, die Giuliano als ‚Gnadengabe‘ in einem Säckchen aus dem Fenster des Medici-Palastes warf.144 Denn es galt die am 9. März erfolgte Papstwahl Giovannis zu feiern. Und so gab Alamanno Ughi an jenem 15. März auch zwei Dukaten und zehn Soldi als mancia an die Musikanten des Palazzo Vecchio und der Parte guelfa, die in das Haus des Leonardo Bartolini in Florenz kamen, um die Wahl des Medici-Kardinals zum Papst zu feiern; dieser Betrag ging als spese straordinarie ins Haushaltsbuch ein, auf die Haben140 Vgl. etwa ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 102, 107, CXLII, CLII, 157 und passim. 141 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. CXLII, 150/CL. 142 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 189; zum Aufbruch Giuliano de’ Medicis nach Rom s.u. S. 1065. 143 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 189. 144 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 208, 212; zu weiteren Anweisungen Bartolinis an Ughi vgl. etwa c.

XXIIII, 129, 154, 223/CCXXIII, 224.

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Seite Bartolinis.145 Zu Ughis Aufgaben gehörte freilich ebenso die finanzielle Versorgung der Familie Bartolinis. So lieh er am 13. und 14. März 1513 Leonardos Schwiegermutter Creofe Alamanni Tornabuoni in zwei Partien 110 Dukaten, die sie vom Bartolini erhielt.146 Ein Brief Leonardo Bartolinis vom 9. März 1513 gibt uns nun näheren Einblick in Funktion und Stellung Alamanno Ughis; mit diesen Zeilen wird zugleich die Struktur dieser Medici-Finanzierung veranschaulicht.147 Leonardo hatte seinen Brief ausdrücklich sowohl an Lanfredino Lanfredini als auch an Giovanbattista Bracci adressiert bzw. geschrieben; an einen von beiden sandte er im übrigen täglich einen Brief. Lanfredino sprach er respektvoll in der zweiten Person Plural an und titulierte ihn – ganz analog zu Giovanni de’ Medici – als ‚gleichsam Vater‘, während er bei seinem Schwager Bracci die zweite Person Singular benutzte. Bracci nun hatte Leonardo mit offenbar leicht klagendem Unterton geschrieben, daß Alamanno [Ughi] ihnen – also der von Bracci und Lanfredini geleiteten Lanfredini-Gesellschaft – eine recht große Summe Geld ‚herausgezogen‘ habe. Dies verwunderte Leonardo, denn er hatte Alamanno keinen entsprechenden Auftrag erteilt. Vielmehr sollte es reichen, wenn Ughi von Tag zu Tag die jeweils anfallenden Kosten bestritt, wenn er somit nur das täglich benötigte Geld von der Lanfredini-Bank abhob. Gleichwohl, allzu sehr bekümmerte den Bartolini das Vorgehen seines Mitarbeiters nicht, denn er hielt seinem Schwager die kluge Lebensweisheit entgegen: ‚Wer seine Schulden beseitigt, macht sich beweglich‘ (chi disfa debito, fa mobile)! Allerdings solle Bracci doch dafür sorgen, daß Leonardo jeden Tag informiert werde, und daß er, Bracci, ihn mit jedem seiner Briefe auch vom ‚Rest des Restes‘ wissen lasse, denn er, Leonardo Bartolini, wolle nicht, daß Giuliano [de’ Medici] ohne Geld dastehe! Dafür genüge es aber, wenn Ughi den Anweisungen Bartolinis folge, sich mit Bracci und Lanfredini ins Einvernehmen setze und Bartolini eine Bilanz seines Rechnungsbuches sende, wie er es ihm aufgetragen habe. Die Finanzierung der Medici lag also vollkommen in der Hand Leonardo Bartolinis. Und nicht nur eine gemeinsame compagnia, die Bracci ihm vorgeschlagen hatte, für die Leonardo aber noch nicht die Zeit gekommen sah, indiziert, daß es eine gemeinschaftliche Kasse des Bartolini, der Medici und der Lanfredini-Gesellschaft gegeben haben muß, durch welche diese Finanzierung des Medici-Haushaltes und sonstiger Ausgaben der Medici über die Lanfredini-Bank möglich war. So wie sich bei dieser Finanzierung der Medici über alte Freunde und Partner sowie eine Bank, die seit ihrer Etablierung 1498 als Nachfolgebank der Medici-Erben-Bank anzusehen ist, die Grenzen zwischen den einzelnen Gesellschaften bzw. personalen Verantwortungsbereichen nicht klar ziehen lassen, so fließend stellen sich auch die Übergänge zwischen Privatem und Öffentlichem dar. Wir werden auf diese Thematik noch wiederholt zu sprechen kommen, da sie für unsere Mediceer-Bankiers eine Essenz ihres Wir145 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. CLXXXIII, 208. 146 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 217/CCXVII. 147 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 237/238 (9.3.1512/13, Leonardo Bartolini aus Rom an Lanfredino

Lanfredini oder bzw. und Giovanbattista Bracci in Florenz).

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kens darstellte, wollen im gegenwärtigen Kontext jedoch vorerst näher auf eine Person zu sprechen kommen, die vielleicht wie keine andere diese Problematik verkörpert: Filippo da Gagliano. Ihn kannte Leonardo Bartolini bestens, mit ihm war er sehr vertraut und ließ ihn – wer mit dem Vornamen Philippo gemeint war, wußten Lanfredini und Bracci! – in seinen Briefen aus Rom immer wieder grüßen.148 Dieser Filippo da Gagliano – bis 1495/96 als Lorenzo de’ Medicis Strohmann Teilhaber in wichtigen Medici-Firmen, seit vielen Jahren durch dessen Willen Graue Eminenz der mediceischen Staatsfinanzen, Mitarbeiter Giovanbattista Braccis und Schützling Lanfredinos und an deren Seite wie sein Bruder Giuliano weiterhin geschäftlich sehr aktiv – taucht nun nach Ende des MediciExils sofort wieder in einer leitenden Position der Florentiner Finanzwelt auf, doch erneut mit bezeichnender Konturlosigkeit. Er muß in einer funktionalen Verbindung zum Monte Comune gestanden haben, denn Leonardo Bartolini forderte Lanfredini und Bracci in seinem Brief vom 9. März auf, Filippo nicht nur zu grüßen, sondern ihn auch an Leonardos Verträge und Pläne mit den Ufficiali del Monte zu erinnern, bei denen er über Lanfredini und Bracci die Aussteuer für seine Tochter anlegen und einige weitere Dinge vorantreiben ließ. Primär scheint Filippo da Gagliano jedoch in privater wie öffentlicher Hinsicht (erneut) in den Bereich der Medici-Finanzen eingebunden worden zu sein. Denn Bartolinis Haushaltsbuch führt ihn mit entsprechenden Aufgabenfeldern auf, und zwar sofort nach der Rückkehr der Medici, d. h. mit dem Tag des erfolgreichen, unblutigen Staatsstreiches. Vom 16. September bis ungefähr zum 12. Oktober 1512 erhielt Filippo da Gagliano von Leonardo Bartolini, oftmals explizit aus den Kassen der Lanfredini-Bank, mit 13 Partien insgesamt die beachtliche Summe von 2.783 Dukaten und zehn Soldi in barem Geld.149 Nicht jeder Verwendungszweck wurde erläutert, war jedoch Bartolini bekannt. Denn auf dessen Anweisung bekam Filippo einmal 787 Dukaten und nochmals 200 Dukaten, die mehreren Freunden dienen sollten und als Kredit Bartolinis galten, während bei einer Zahlung von 775 Dukaten vom 16. September gar kein Zweck angegeben wurde. 317 Dukaten gab Filippo am 20. September leihweise an Bartolomeo Ginori und 500 an Filippo di Filippo Strozzi. Im Auftrag Bartolinis erhielt aber auch der Priester Cechetto Tolomei aus Pistoia, Speisenmeister im Haushalt von Kardinal Giovanni de’ Medici, Ende September 100 Dukaten von Filippo da Gagliano. Einer Anweisung Bartolinis bzw. Giovanni de’ Medicis folgte Filippo dann auch am 12. Oktober 1512, als er für sie 120 Dukaten und weiterhin Korn im Wert von gut 137 Dukaten an mehrere Klöster und ‚fromme Orte‘ als Almosen verteilte, die einzelnen Ausgaben gesondert in einem Büchlein auf148 Vgl. neben dem Brief Leonardo Bartolinis an Lanfredini und Bracci vom 9.3.1513 auch seine

Briefe an Niccolò Michelozzi in Florenz vom 18.3., 26. 3., 8.4.1513 aus Rom; BNCF, Ginori Conti 29/92 (f), Nr. 1, 4, 5 (aufgrund seiner besonderen Zuneigung für Filippo da Gagliano kam Leonardo trotz enormer Arbeitsbelastung in Rom dessen Wunsch nach, für seinen Sohn Pierfrancesco da Gagliano ein gutes Pferd zu besorgen – denn ‚wenn ich wünsche, jemandem eine Freude zu machen, so gehört Filippo zu diesen‘!). 149 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 6/VI, VII, 10/X, 44 (bei den oben zitierten weiteren Beträgen wurde auf die Angabe von Kommawerten verzichtet).

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führte und dieses Giulio de’ Medici übergab. Die Lanfredini-Bank wiederum erhielt Ende September oder Anfang Oktober 1512 einen Betrag von 300 und nochmals 61 Dukaten aus dem Haushalt der Medici, um dieses Geld an Filippo da Gagliano auszuzahlen. Filippo da Gagliano stand nach dem Exilsende der Medici demnach eindeutig oder besser: offen wieder in Diensten der Medici, wobei er wie diese wiederum oder besser: weiterhin eng mit Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci kooperierte. Eine der Zahlungen für Filippo da Gagliano, die er von Leonardo Bartolini direkt aus der Kasse der Lanfredini-Bank bekam, erfolgte mittels Zanobi di Giovanbattista Bracci, der am 16. und 17. September jeweils 200 Dukaten für Filippo in Empfang nahm, und zumindest am 16. ausdrücklich aus der Hand des Lanfredini-Mitarbeiters Leonardo di Francesco Spina. Er hatte vom 1. Januar 1507 bis zum 31. Dezember 1508 für 20 Fiorini jährlich schon einmal in der Lanfredini-Bank gearbeitet, wurde dann nach Frankreich geschickt, um als giovane in die Gesellschaft von Francesco und Domenico Naldini in Toulouse einzutreten.150 Auf ihn, lo Spina, wie man ihn im Salviati-Lanfredini-Umfeld üblicherweise nannte, hatte sich am 15. Februar 1510 auch Alamanno Salviati in einem Brief an Lanfredino bezogen, als es um Probleme bei einem Ledergeschäft ging, in das neben dem Lanfredini zugleich Leonardo di Bartolomeo Bartolini, Carlo Ginori und Domenico Naldini involviert waren, wobei offenbar eigens für diesen Leder-und/oder Fellhandel eine Gerbereigesellschaft gegründet wurde, die unter dem Namen von Zanobi di Giovanbattista Bracci lief.151 Leonardo Spina darf uns nicht ganz gleichgültig sein, denn spätestens 1516 wird er in Lyon unter Francesco Naldini die dortige Salviati-Gesellschaft (mit)führen, dabei als Prokurator Jacopo Salviatis mit dem französischen König die für die Medici wie Salviati ungemein wichtige Erlaubnis zur Erhebung des Zehnten in Frankreich verhandeln, 1517 zusammen mit Giovanbattista Corboli als neuer Partner an der Gesellschaft partizipieren und diese dann seit 1518 nach Naldinis Tod leiten – während Giovanbattista Bracci ab 1520 persönlich als Lyoner Salviati-Gesellschafter auftreten wird.152 Vor allem aber steht auch dieser Spina für das mediceische Personensystem. Leonardos Vater Francesco di Giovanni di Francesco Spina war ein cognato (also Schwager) von Filippo und Giuliano da Gagliano und ist 1484 als Mitarbeiter der Medici nachzuweisen, denn am 29. Januar übergab Lorenzo de’ Medici 800 Fiorini an Filippo, die dieser über die Bartolini-Bank an Francesco di Giovanni Spina weiterleiten sollte, der wiederum das

150 Vgl. etwa ABS 92, c. 8, 10/X; ASP I/606, c. XXXVII. 151 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 195 (15.2.1509/10, Alamanno Salviati aus Pisa an Lanfredino Lanfredi-

ni in Florenz); zu Zanobi di Giovanbatista Bracci e compagnia dell’ choncia vgl. etwa ASP I/606, c. 148/CXLVIII (die Gerber-Gesellschaft Braccis mußte z. B. am 26.8.1510 311 Fiorini für eine Lieferung von 400 pizzi Leder aus Irland und Schottland an die Pisaner SalviatiGesellschaft geben; die Lederlieferung ging an Zanobis Vater Giovanbattista und wurde von der Pisaner Gesellschaft von Alamanno und Jacopo Salviati in einem Posten ‚Leder der Lanfredini‘ verbucht. Weitere Lieferungen betreffen den Zeitraum bis Oktober 1512). 152 Vgl. Hurtubise, Salviati, S. 142, Anm. 22, S. 146, S. 198, Anm. 1, S. 219, Anm. 80, 81.

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Geld dem Konto der Medici-Viehgesellschaft zukommen lassen sollte.153 Im Februar 1510 berichtete Giuliano da Gagliano, sein cognato Francesco di Giovanni Spina habe ihm Geld aus der Kasse der Seidengesellschaft von Tommaso und Giovanbattista Soderini geliehen, in welcher er demnach zumindest beschäftigt, wenn nicht sogar gleich seinen Gagliano-Verwandten als Teilhaber eingebunden war.154 Der als Mediceer-Bankier und Kaufmann aufsteigende Leonardo Spina erzielte diesen Erfolg somit als Neffe der Gagliano-Brüder und als Sohn eines alten Medici-Vertrauten.155 Steht die exilsübergreifende Karriere Filippo da Gaglianos für die Kontinuität innerhalb des Netzwerkes, so die eines Alamanno Ughi, Leonardo Spina oder Zanobi di Giovanbattista Bracci für die gleichsam osmotische Durchlässigkeit der einzelnen Gruppen, wobei sich die aus ihnen gebildeten Handels- und Bankgesellschaften wohl nur in einem notwendigen juristischen Sinne als für sich handelnde Gesellschaften bezeichnen lassen. Zanobi Bracci arbeitete bis 1512 in Florenz unter der Obhut seines Vaters in der Lanfredini-Bank – die unter Zanobis Namen laufende Gerbereigesellschaft ist noch im Oktober 1512 bezeugt –, während sein Bruder Lorenzo seit ungefähr 1509 als giovane in Lyon unter Francesco Naldini das Geschäft eines Kaufmanns und Bankiers lernte.156 Bezeichnend ist nun, daß beide durch das Haushaltsbuch Bartolinis seit dem September 1512 in Diensten Leonardos bzw. der Medici nachzuweisen sind. Lorenzo Bracci erhielt z. B. am 11. November 1512 aus der Haushaltskasse im Namen Bartolinis zehn Dukaten in bar, da er von Florenz nach Rom geschickt wurde, zu Leonardos Ehefrau Francesca Tornabuoni, für die er bestimmte Einkäufe erledigen sollte.157 Zanobi hatte wie gehört am 16. und 17. September in Bartolinis Auftrag bei der Lanfredini-Bank Geld für Filippo da Gagliano abgeholt. Dort erhielt er am 20. September 1512 durch Lucrezia Bartolini Bracci – also Leonardos Schwester, Giovanbattistas Frau bzw. Zanobis Mutter – 62 Dukaten, die für Zahlungen Leonardos, d. h. des Medici-Haushaltes dienten.158 Für diesen wirkte Zanobi auch im Oktober 1512, als er drei Dukaten an den Maultiertreiber Giuliano mittels einer poliza des Maestro di casa Aldieri Biliotti zahlte, die am 23. November 1512 im Haushaltsbuch verrechnet wurden.159 Doch Zanobi Bracci handelte dabei einwandfrei als Leonardo Bartolinis „Mann“, da dieser für ihn am 8. Oktober 1512 bei der Firma Paolo e Amaddio Giocondi schwarzen Atlasstoff im Wert von gut 4 Dukaten kaufte, der für die Anfertigung einer Jacke gedacht war und auf einem Konto privater Ausgaben Bartolinis 153 ASP IV/1, c. 122 (per servire al conto della Ma[g]ona del bestiame); zur Person und Familie:

Tratte, s.v. 154 ASP IV/6, c. 123r. 155 Brüder des 1489 geborenen Leonardo waren Piero und Lorenzo di Francesco (1490 bzw. 1492

geboren); vgl. etwa ASP IV/5, c. 142 (zu Piero als nipote); Tratte, s.v. 156 Zu Zanobi als Teil der Lanfredini-Bank vgl. auch ABS, Lettere, mazzo IIIbis, 7.7. und

12.7.1509 (jeweils Pandolfini-Gesellschaft Rom an Lanfredini-Bank, für die Alamanno Ughi bestimme Waren an Zanobi Bracci geschickt hatte); zu Lorenzo di Giovanbattista Bracci als Mitarbeiter der Lyoner Salviati-Gesellschaft vgl. etwa ASP I/440, c. 7/VII. 157 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. V. 158 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. X, 20. 159 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. LI.

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verrechnet wurde.160 Der gegenüber seinem Bruder Lorenzo offensichtlich erfahrenere Zanobi Bracci muß sich bei Leonardo Bartolini bewährt haben, denn spätestens in der Jahresmitte 1513 durfte er dessen libro rosso di Roma segnato B führen; er stand nun also in Rom im Zentrum der Medici-Finanzverwaltung.161 Wenn man festgestellt hat, daß unter den Verwandten und Freunden Jacopo Salviatis auch Lorenzo und Zanobi (di Giovanbattista) Bracci im Oktober 1512 zur Finanzierung seiner kostspieligen Gesandtschaft nach Rom beitrugen162, dann wird man dahinter als eigentlichen Geldgeber ihren Vater oder – was mir noch wahrscheinlicher erscheint – ihren „Chef“ Leonardo di Zanobi Bartolini vermuten dürfen. Die Bracci behielten ihren zentralen Stellenwert für die Finanzen der Medici: Im Giornale der Lucrezia de’ Medici Salviati erscheint Gianbattistas Verwandter Bernardo Bracci während beider Medici-Pontifikate als einer ihrer zentralen Bankiers; und auch ihr Mann Jacopo unterhielt im gleichen Zeitraum enge Verbindungen zu ihm.163 Nicht nur die Bargeldversorgung der Medici durch die Lanfredini-Gesellschaft, auch und gerade das neue Aufgabenfeld des Zanobi di Giovanbattista Bracci an der Seite Leonardo Bartolinis bestätigt in anschaulichster Weise, wie organisch die Finanzen der Medici mit der von Lanfredini, Bracci und Giovanni Bartolini geleiteten LanfrediniGesellschaft verbunden waren, in welch hohem Maße diese ein finanzielles Fundament für die casa Medici bildete. Das Bild eines gemeinsamen Hauses einer Großfamilie Medici bietet sich tatsächlich an – und wird durch unzählige Bestandteile farbig. In das Spesenkonto des neuen Papstes Leo X. gelangten die Unkosten, die für die Anfertigung eines Rockes aus feinem Cambrai-Leinen (im Wert von 16 Dukaten) anfielen, der von den Nonnen des Florentiner Kloster San Domenico angefertigt wurde. Ihr Geld für diese Arbeit, zehn Dukaten, erhielten sie auf Anweisung Leonardo Bartolinis wie üblich von der Lanfredini-Bank; ungewöhnlicher aber erscheint, daß die tatsächliche Bezahlung und offenbar zugleich die Arbeitsanweisungen durch Piero di Marco Trevisano, den Diener von Leonardos Schwester, d. h. von Giovanbattista Braccis Ehefrau Lucrezia, erfolgten.164 Den Trevisano aber erblickten wir für die Jahre nach 1495 in Francesco Naldinis Aufzeichnungen als Diener Giovanbattista Braccis in der Florentiner Medici-Erben-Bank; mit der Rückkehr der Medici kümmerte er sich seit September 1512 vor allem um Hafer und Stroh für die Pferde und viele weitere Sachen, wurde für seine Mühen für den MediciHaushalt am 5. März 1513 durch Bartolini mit einer kleinen Provision von elf Soldi und

160 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. LXXXIIII, 151. 161 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 244, 245. 162 Vgl. Hurtubise, Salviati, S. 146, Anm. 42 (wo Lorenzo und Zanobi Bracci jedoch noch nicht als

Söhne Giovanbattistas identifiziert werden konnten). 163 Vgl. Fosi, La presenza fiorentina, S. 57f.; Le carte strozziane, etwa S. 647, 651. In den Tratte ist

Bernardo nicht aufgeführt, so daß wir ohne weitere Quellen nicht wissen, ob es sich vielleicht um einen Neffen oder sogar um einen weiteren Sohn Giovanbattistas handelte. 164 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 218, CCXXVII.

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neun Denaren belohnt.165 Im Zuge des Almosenprogramms der Medici ließ – ähnlich wie schon Filippo da Gagliano – dann ebenso Leonardos Ehefrau Francesca aus dem Haus der Tornabuoni am 26. März 1513 im Auftrag ihres Mannes Korn an die Armen verteilen.166 Die stützende Funktion dieser einzelnen Pfeiler des großen Medici-Hauses besaß allerdings noch ganz andere Dimensionen. Was wir für Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini bereits herausgestellt haben, gilt natürlich auch für die Lanfredini-Bank: Sie war maßgeblich an der Finanzierung der öffentlichen, staatlichen Ausgaben beteiligt. Das Haushaltsbuch Bartolinis wird nicht der geeignete Ort gewesen sein, um diese Zuständigkeiten zu dokumentieren, vermag jedoch trotzdem einige Hinweise zu geben. Die Bezahlung der Florentiner Post – zu der auch die Kuriere aus Frankreich und Savoyen zählten – gehörte zu den Aufgaben Leonardo Bartolinis, die er wegen der Bedeutung einer schnellen und gut funktionierenden Kommunikation für politische und wirtschaftliche Interessen sehr ernst nahm, weshalb er sich entschieden für eine angemessene und vor allem rechtzeitige Bezahlung der Postkuriere einsetzte.167 Neben zahlreichen direkten Zahlungen Bartolinis an die Kuriere war ein Empfänger des dafür gedachten Geldes Leonardo Guidotti, Depositar der Signoria von Florenz, der am 25. Februar 1513 (dem Tag vor Bartolinis Abreise nach Rom) per chonto delle poste von der LanfrediniBank in zwei Partien 40 und 90 Dukaten im Namen Bartolinis und direkt von diesem am gleichen Tag nochmals 50 Dukaten erhielt.168 Leonardo Guidotti war im übrigen ein Vertrauter von Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini.169 Doch das ganze System funktionierte so schlecht, daß Leonardo Bartolini sich Mitte April intensiv mit einer Reform der Florentiner Post beschäftigte, so intensiv, daß er Niccolò Michelozzi als MediciMittelsmann in Florenz scherzend mitteilte, dieser müsse seine Briefe eigentlich an Leonardo grande acconciatore delle poste fiorentine adressieren.170 Diesen Titel eines ‚Großen In-Ordnung-Bringers der Florentiner Post‘ habe er, Leonardo, sich verdient, weil er die Ursachen des schlechten Funktionierens erkundet und Lösungen zur Behebung des Problems gefunden habe. Daß beispielsweise die Kuriere aus Savoyen immer eine Woche später ankämen als die aus Lyon, obwohl sie drei Tage früher gestartet seien, liege schlicht daran, daß die Stafettenreiter zu schlecht bezahlt seien! Baccio bzw. Bartolomeo del Vantaggio, der mit Luca del Vantaggio seit vielen Jahren einen wichtigen Florentiner Postbetrieb führte – doch beide müßten eigentlich, der Bartolini behielt trotz größter Beanspruchung seinen Humor, nicht mehr del Vantaggio (also ‚des Vorteils‘) heißen, son-

165 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. XII. Zu Piero di Marco Trevisano im Dienst Giovanbattista Braccis

bzw. als dessen ‚Bursche“ (gharzone) vgl. etwa ASP I/37, c. 4, VI, VIII; I/38, c. V, 11/XI; und s.o. S. 173. 166 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. CCXX. 167 Erste Hinweise bei Tewes, Medici und Frankreich, S. 41f. 168 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 142, CCII, vgl. c. 126. 169 Vgl. Stephens, Fall, S. 94, 227; Butters, Governors, S. 247. 170 BNCF, Ginori Conti 29/92 (f), Nr. 9 (20.4.1513, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Niccolò Michelozzi in Florenz; die Seiten dieses langen Briefes sind in der BNCF falsch paginiert worden).

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dern del Serotino (‚des Verspäteten‘) –, habe ihm erklärt, die Post würde niemals gute Dienste leisten, wenn die Stafettenreiter nicht sieben Golddukaten pro Auftrag erhielten. Die unzähligen Gründe, die Baccio ihm dafür erläuterte, seien ihm alle einsichtig. Doch die Florentiner Signoria habe ihn, Leonardo Bartolini, beauftragt, vier Dukaten zu bezahlen, wie er es bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt mache. Michelozzi solle also bei den Prioren der Signoria und den Dieci di Balìa vorstellig werden, um eine entsprechende Erhöhung des Lohnes genehmigen zu lassen; er, Leonardo, werde dann für gute Dienste sorgen. Instruktiv ist nun das vom Bartolini erläuterte, da ihn unmittelbar betreffende, Finanzierungssystem. Wie er Michelozzi schon vor seiner Abreise aus Florenz nach Rom erzählt habe, habe er viele hundert Dukaten für die Postkuriere ausgegeben, die ihm die Florentiner Republik zurückzahlen müsse, da sie die Öffentlichkeit beträfen; dies werde er aus den Konten ersehen, die der Bartolini dem Alamanno [Ughi] zusende, der das Buch dem Michelozzi vorzeigen solle. Das Geld brauche er, Leonardo, um einen Teil seiner zahlreichen, für den Medici-Papst in Rom eingegangenen Schulden zu begleichen. Um den Vorgang zu erleichtern, solle der Guidotto das Geld der Lanfredini-Bank für den Bartolini versprechen und nach und nach einzahlen, wenn er es zur Verfügung habe. Leonardo Bartolini leistete also seit der Medici-Restitution über die Lanfredini-Bank eine Vorfinanzierung bestimmter öffentlicher Ausgaben. Das Gemeinwohl betraf alles, was für die Medici von Relevanz war – und Savoyen und Lyon sind von ihm nicht zufällig im April 1513 als mahnende Beispiele für eine notwendige Reform angeführt worden, denn der französische Raum blieb der zentrale politische und ökonomische Orientierungspunkt für die Medici. Schwerer zu durchschauen als die Finanzierung der Post ist ein komplexerer Finanzvorgang vom Februar und März 1513, bei dem Leonardo Bartolini als Prokurator des Kardinals Giovanni de’ Medici, Leonardo Guidotti als Depositar der Signoria und zugleich im Namen der Beamten des Monte Comune, die Lanfredini-Bank sowie Carlo Ginori beteiligt waren.171 Hier ging es immerhin darum, 10.000 Dukaten aufzubringen, die wegen der Abtretung (cessione) dieser Summe durch Matthäus Lang, den Kardinal (seit 19.11.1512) und Bischof von Gurk, zu zahlen waren. Dieser Vorgang muß zu dem bereits thematisierten Finanzkomplex gehören, bei dem Lang als Prokurator Maximilians I. statt der ursprünglich festgelegten Kompensation von 40.000 Dukaten für die Restitutionshilfe nur 10.000 Dukaten von den Florentinern verlangte und zugesagt erhielt, während er den Rest an den spanischen Vizekönig bzw. dessen Prokurator Giovanni Armingol abtrat, der sich mit 25.000 Dukaten begnügen wollte; bei der dafür Ende 1512 angeordneten Zwangsanleihe hatten Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini nicht nur die höchsten Beträge aufgebracht, sondern auch zusammen mit Gianbattista Bracci die Finanzierung organisiert. 10.000 Dukaten mußten im Februar 1513 noch eingetrieben werden, entweder als restliche Zahlung für Armingol oder aber, was wahrscheinlicher erscheint, für Lang bzw. dessen Begünstigten, der die ihm zustehenden 10.000 Dukaten (in einer 171 Vgl. ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 194, 207/CCVII, 208.

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nicht erläuterten Weise) wiederum abgetreten hatte. Zu erkennen ist nun, daß die Lanfredini-Bank über ein Sonderkonto ‚Eintreibung der Abtretung‘ (per chonto a parte del rischosso della cessione de ducati x-mila di Ghurgen.) zunächst 550 Dukaten an die Gesellschaft von Carlo Ginori bezahlte, die sie in bar in drei Partien am 22. und 24. Februar 1513 dem Bartolini übergab, wobei die Ginori-Bank (an der die Lanfredini-Bank mehrheitlich beteiligt war) diese Summe bei den Beamten des Monte auf ihrem Konto von ‚Langs Abtretung der 10.000 Dukaten‘ als Schuld verbuchen ließen. In Bartolinis Rechnungsbuch des Medici-Haushaltes sollten die Lanfredini zum 25. Februar diese 550 Dukaten zurückerhalten. An diesem Tag hatte die Lanfredini-Bank an Leonardo Guidotti wegen der 10.000 Dukaten Langs 3.000 Dukaten bezahlt, die dann für Guidotti Leonardo Bartolini als Generalprokurator des Medici-Kardinals erhielt. Der gleiche Vorgang wiederholte sich am 28. Februar, als die Lanfredini in sieben Partien noch einmal insgesamt 4.500 Dukaten für Guidotti (namens der Monte-Beamten für das Konto der cessione) bzw. den Generalprokurator Bartolini zur Verfügung stellten. Die Lanfredini-Bank aber hatte diese 7.500 Dukaten von Bartolini bekommen, der sie zum 15. März zurückerhielt. Zugegeben, Herkunft und exakter Weg der Gelder sind durch die restringierten Angaben der Buchhalter Bartolinis nicht genau zu erschließen, doch wesentlicher ist auch der eindeutige Kreis der Beteiligten und die sich aus dem Vorgang erschließende Feststellung, daß es sich dabei um die alte Schuld der Medici bei den Habsburgern und Spaniern für deren Militärhilfe im August 1512 gehandelt haben muß. Die Medici hatten diesen Preis für ihre Rückkehr als ‚Privatleute‘, wie es zunächst ja hieß, letztendlich aber für die Restitution ihrer Macht, der Florentiner Staatskasse aufgebürdet! Deshalb waren bei dem rischosso della cessione Leonardo Guidotti und die Ufficiali del Monte beteiligt – doch ohne die Finanzkompetenz und -kraft Leonardo Bartolinis und seiner Verwandten in der Lanfredini-Bank war solch ein problematischer Preis für die Medici nicht zu bewältigen. Die Finanziers der Medici waren bei all ihren Anstrengungen für das Wohl des Hauses Medici gleichwohl auf ihre eigenen Interessen bedacht, auf ihren ‚Nutzen und ihre Ehre‘, wie man es in diesen Kaufmannskreisen formulierte.

4. Von ‚Nutzen und Ehre‘, oder: Das Eigeninteresse der Mediceer-Bankiers Leonardo di Zanobi Bartolini betonte sehr eindringlich in etwas späteren Briefen, die er seit dem März 1513 an Niccolò Michelozzi schrieb, den alten Medici-Intimus, daß er für Giovanni de’ Medici sehr hohe Kosten übernommen hatte, mit denen teilweise durchaus sowohl der Florentiner Staat als auch die Kassen des Papstes belastet werden könnten, für deren Begleichung jedenfalls immer er verantwortlich war, der somit stets – wie schon am Beispiel Niccolò Antinoris geschildert – den Ärger der nicht sofort zufrieden gestellten

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Gläubiger zu kompensieren hatte.172 Wesentlich ist dabei die Erkenntnis, daß Öffentliches und Privates in keinerlei Weise klar geschieden waren, und zwar in vielerlei Hinsicht. Die hohen militärischen Kosten für ihre Restitution ließen sich die Medici aus der Staatskasse bzw. über öffentliche Anleihen (freiwilliger wie erzwungener Natur) bezahlen, deren Rückzahlung sie kaum aus ihrer Privatschatulle bewältigt haben werden, weil sie ihre Rückkehr eben doch als öffentliche Personen vollzogen und als einen politischen Akt zum Wohle von Florenz verstanden. Leonardo Bartolini war bei einigen Posten gar nicht sicher, wer bzw. welche Institution oder Person für die Rückzahlung seiner Auslagen zuständig war. Dies beruhte vor allem darauf, daß er als Prokurator und Handlungsbevollmächtigter des Medici-Kardinals bzw. Papstes immer wieder Finanzverpflichtungen zu bewältigen hatte, die sich mit denen des Florentiner Staates überschnitten oder gar dessen ureigene waren. Schon in seinem Haushaltsbuch ließ sich diese Verzahnung anhand der 10.000 Dukaten des Matthäus Lang erkennen. Denn wenn er für die Geldversorgung von Giovanni und Giuliano de’ Medici verantwortlich war, wie sollte dabei stets deutlich unterschieden werden, welche ihrer Ausgaben für sie als Privatpersonen und welche für ihren Einsatz als faktische Herrscher von Florenz verrechnet werden sollten? Wenn Leonardo mit Hilfe seines Angestellten Alamanno Ughi und seiner Lanfredini-Hausbank dafür sorgte, daß der Magnifico Giuliano stets genügend Geld hatte – wo betraf dies die Privatperson und wo den Leiter des Staates? Giuliano hatte als seinen Sekretär den altbewährten, treuen Niccolò Michelozzi eingesetzt, der schon seinem Vater Lorenzo gedient hatte, doch zugleich übernahm Michelozzi als Nachfolger Machiavellis das Amt eines Sekretärs der Florentiner Staatskanzlei, als welcher er Giuliano über die internen Angelegenheiten der Signoria und der Dieci di Balìa zu informieren hatte.173 Nach Giulianos „Flucht“ nach Rom blieb Michelozzi mit diesen Kompetenzen, die sich auch auf die Besetzung von Staatsämtern erstreckten, in Florenz. Leonardo Bartolini zeigt uns nun aber, daß Michelozzis Befugnisse erheblich weiter gingen. Am 1. Mai 1513 forderte er Michelozzi auf, ihm aus den öffentlichen Kassen jenes Geld wiederzugeben, das er für den Erzbischof ausgegeben hatte. Von Alamanno [Ughi] solle er sich das Konto zeigen und vom Papst nicht beirren lassen, denn es handele sich um Geld, das aus seiner, Leonardos, Börse herausgegangen sei und welches er jetzt benötige, da er damit den Wünschen anderer Personen entsprechen müsse. Dabei solle Michelozzi bedenken, daß die Öffentlichkeit in Florenz durch den Papst in Dingen von größerer Bedeutung ‚bonifiziert‘ werden müsse.174 Nach dem Tod von Cosimo de’ Pazzi am 9. April 1513 war Giulio de’ Medici Florentiner Erzbischof geworden; schon am 17. April hörten die Florentiner, daß der Medici Pazzis Nachfolge angetreten hatte. Um ihm

172 BNCF, Ginori Conti, 29/92 (f), Nr. 11 (1.5.1513), 15 (4.6.1513, jeweils Leonardo di Zanobi

Bartolini aus Rom an Niccolò Michelozzi in Florenz); vgl. auch Tewes, Medici und Frankreich, S. 61. 173 Vgl. etwa Butters, Governors, S. 208f., 220–222, 231. 174 BNCF, Ginori Conti, 29/92 (f), Nr. 11 (1.5.1513).

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zu gratulieren, brachen noch am gleichen Tag Giuliano und einige Mediceer, etwa aus dem Haus der Tornabuoni, nach Rom auf.175 Giulio de’ Medici war in Bartolinis Brief also gemeint, und was dieser für ihn im Zusammenhang mit seiner neuen Würde ausgegeben hatte, betrachtete er nun als öffentliche Ausgabe. Legitim war dies sicherlich nicht, sonst hätte Bartolini die offenbar selbst bei Papst Leo X. vorhandenen Skrupel nicht mit dem Hinweis hinweggewischt, der Staat werde noch in wichtigeren Belangen vom Papst unterstützt werden. Doch als Leonardo am 4. Juni in einem anderen Brief an Michelozzi über die Vielzahl seiner ihn ‚halb konfus‘ machenden Zahlungsverpflichtungen für den Papst klagte, durch die er kein Geld habe, um all die Kredite bedienen zu können, hoffte er bereits auf eine gewichtige Einnahmequelle, die ihm der Papst verschaffen könne, durch welche er die hohen Kredite zurückzahlen und sich nicht zuletzt selbst utile et honore verschaffen könnte.176 Vorteil und Ehre für die eigene Person, sie standen für die Medici-Bankiers allerdings schon immer gleichberechtigt neben ihre Leistungen für das Haus Medici. Das Ende des Exils, der Beginn der neuen Medici-Macht in Florenz seit dem 1. bzw. 16. September und dann vor allem die gleichzeitige Herrschaft des Medici-Oberhauptes auf dem Stuhl des Hl. Petrus führte auch diese Bankiers und Finanziers auf ein Handlungsfeld ungleich höherer Qualität. Dies betraf allerdings nicht nur die geschilderten Herausforderungen für ihr kaufmännisches Geschick, sondern ebenfalls die erst jetzt, nur auf dieser Ebene realisierbaren Möglichkeiten zur Lösung sowohl dieser Aufgaben als auch zur Gewinnung eigener Vorteile. Es ist frappierend zu sehen, wie die einzelnen Bankiers hier wieder zusammenwirkten, so daß sie wie ein fester Block, wie eine in sich geschlossene Familie erscheinen. Diese Familie hatte, so zeigen ihre Briefe seit dem Oktober 1512, mehrere zentrale Probleme, Projekte und Visionen, die uns schon deshalb interessieren müssen, weil sie alle unmittelbar aus dem Medici-Exil resultierten, weil sie die Struktur des Netzwerkes in signifikante Formen gießen – und weil sie immer zugleich die Medici betrafen. Es handelte sich vor allem um Probleme, die sich durch Leonardo di Bartolomeo Bartolinis Tod ergaben. Sie zentrieren sich auf drei Geschäftsfelder: a) die Pacht der SanseverinoBenefizien in Oberitalien; b) den lukrativen Handel mit Alaun, c) ein kompliziertes Finanzgeschäft mit Giovanni Pandolfini. Alle Problembereiche sollen, obwohl sie von den Betroffenen gleichzeitig angegangen wurden, gesondert für sich erörtert werden, um dabei im entsprechenden Kontext zudem Formen und Inhalte dieses „Familien“-Verbandes von Medici-Finanziers zu schildern. Leonardo di Bartolomeo Bartolini, der Bankier und Finanzier des Medici-Intimus Federico Sanseverino, er sollte das Ende des Medici-Exils noch gerade, die dadurch entstehenden Chancen aber nicht mehr erleben. Welch ein Geschäftsimperium er bis dahin aufgebaut hatte, wird erst durch seinen Tod sichtbar, weil dieser sofort zu entschiedenen Maßnahmen zwang, um ruinöse Konsequenzen zu vermeiden, die nicht nur seine Brüder 175 Vgl. Landucci, Florentinisches Tagebuch II, S. 262; Parenti, Ricordi, S. 303. 176 BNCF, Ginori Conti, 29/92 (f), Nr. 15 (4.6.1513, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an

Niccolò Michelozzi in Florenz).

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und Erben betrafen. Kurz vor dem 7. Oktober 1512 starb Leonardo außerhalb von Lyon, offensichtlich in oder in der Nähe von Florenz, wie das für seine (am 9.10. in Florenz erfolgende) Bestattung angelegte Spesenkonto zeigt.177 Als Zanobi Bartolini am 11. Oktober 1512 aus Lyon an Leonardo di Damiano Bartolini in Mailand schrieb, wußte er noch nichts vom Ende seines Bruders. Und erst am 30. Oktober 1512 hatte Gherardo di Bartolomeo Bartolini sowohl Salvestro di Dino Guardi als auch Leonardo (Lionardino genannt) di Damiano Bartolini, die Mailänder Bartolini-Bankiers, über das Ableben Leonardos informiert, wie aus einem Antwortbrief Salvestros vom 6. November hervorgeht, der darin auch seine ‚noch nie erlebte Trauer‘ zum Ausdruck gab.178 Schon einen Tag nach dem Begräbnis Leonardo Bartolinis, am 10. Oktober 1512, wurde dessen jüngerer, am 4. März 1487 geborener Bruder Gherardo nach Rom gesandt, um die durch den Todesfall entstandenen kaufmännischen Probleme zu regeln. Gherardo gehörte zu den Mitarbeitern der Lanfredini-Bank (mit 40 Fiorini Jahresgehalt von 1507– 09) und hatte entsprechende Kompetenzen erworben, als er Anfang Dezember 1511 als Prokurator Leonardos mit Agostino Chigi in Rom den größeren Alaunvertrag für Flandern und England abgeschlossen hatte. Aus dieser Abordnung läßt sich bereits erahnen, daß die Lanfredini-Bank Einfluß auf die zentralen kaufmännischen Entscheidungen Leonardos genommen hatte. Dieses für die gesamte Struktur des Mediceer-Netzwerkes entscheidende Bedingungsverhältnis wird nun sehr deutlich aus dem Briefwechsel zwischen Gherardo Bartolini in Rom und Lanfredino Lanfredini in Florenz ersichtlich, denn in diesen Quellen der Kommunikation mußten angesichts der Herausforderungen solche Machtverhältnisse zur Sprache kommen, die man in Rechnungsbüchern nicht formulieren brauchte. Gherardo handelte in Rom offiziell als Vertreter der Erben der Lyoner Gesellschaft des Leonardo di Bartolomeo Bartolini; er verhandelte also für sich und als Stellvertreter seiner Brüder Giovanni, Zanobi und Lorenzo. Doch jeder Schritt, jedes Wort, jede Entscheidung erfolgte nicht nur nach präziser Rücksprache mit Lanfredini, sondern auf dessen Direktiven – so wie bereits gegenüber Leonardo di Bartolomeo. Selbst die schriftlichen Ratschläge und Anweisungen Giovanni Bartolinis, der immerhin zu den Teilhabern der LanfrediniBank gehörte, wurden erst nach den genauen mündlichen Instruktionen seines Schwagers Lanfredino erteilt. Insbesondere jene Punkte, die Abmachungen mit Giovanni Pandolfini betrafen, sollten einer strengen Geheimhaltung unterworfen bleiben; auf keinen Fall sollte Lanfredini als im Hintergrund steuernde Kraft sichtbar werden. Für diesen bedeutete es im übrigen einen Kraftakt, die Zukunft der Bartolini-Bank in Lyon zu gestalten, denn in den Monaten November und Dezember 1512 gehörte er überdies zu den meist im Palazzo Vecchio eingeschlossenen Prioren der damaligen Signoria, welche die neue Medici-Macht in Florenz umzusetzen und zu konsolidieren hatte, persönlich beeinträchtigt durch Phasen

177 ABS 204, c. LXXXXIII (das erste Datum dieses Spesenkontos ist der 7.10.1512, am 9.10.1512

erhielt der Dominikaner Giovanmaria, Sakristan an San Marco in Florenz, 2 Dukaten für die ‚Begleitung‘ von Leonardos Leichnam). 178 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Salvestro di Dino Guardi aus Mailand an Gherardo Bartolini).

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schwerer Krankheit. Es war auch Lanfredino, der den Prozeß, den die Brüder und Erben des Bartolomeo del Rosso gegen die Bartolini-Brüder als Erben des Leonardo di Bartolomeo Bartolini anstrengten, zu seiner Sache machte, der im November 1512 Zanobi wegen der Angelegenheiten der Bartolini-Gesellschaft und vor allem wegen jenes Rechtsstreites nach Florenz zurückwünschte, und der nach vielen Jahren die Schuld der Bartolini über seine Bank zahlen ließ, die das Geld freilich von Zanobi Bartolini, also von der Lyoner Bartolini-Bank, zurückerhielt.179 Dieses strukturelle Gefüge gilt es nun in instruktiven Fallbeispielen zu veranschaulichen, ohne dabei die menschlichen Aspekte auszuklammern. An der Notwendigkeit eines längeren Aufenthaltes Gherardos in Rom gab es von Anfang an keinen Zweifel, wie auch aus einem besorgten Liebes- bzw. Freundschaftsbrief von Gherardos Freund Giovanni Borgherini(?) aus Florenz ersichtlich wird, der auf einen Brief seines ‚Geliebten‘ aus Rom antwortete, um ihm zur Wahrung seiner Ehre seine Hilfe (‚um das Holz in den Hafen zu führen‘), vor allem aber seine ‚sensuelle Liebe‘ (amore sensual mio verso di voi) zu versichern und ihn zu ermahnen, auf sich aufzupassen, sich nicht zu Fuß durch Rom zu bewegen und alles zu tun, um sein Versprechen für den, den er mehr als jeden anderen zu lieben hoffte, zu halten.180 Pierfrancescos junger, damals ca. 16 Jahre alter Bruder Giovanni kultivierte demnach eine von den Florentinern oft als amore definierte tiefere Freundschaft zu dem neun Jahre älteren Mitglied einer Familie, zu der seine Familie wirtschaftlich und politisch seit längerem enge Beziehungen pflegte. Wahre Freunde und deren Segen erkennt man bekanntlich vor allem in Zeiten der Not. Gherardo, der als Prokurator seiner Brüder das Erbe Leonardos in Rom zu sichern hatte, konnte sich auf eine ganze Reihe von Freunden verlassen, die alle aus dem innersten Kern des Medici-Netzwerkes stammten. In der Ewigen Stadt selbst stützten ihn insbesondere Jacopo Salviati, Agostino Chigi und Lorenzo Pucci. Die Angelegenheiten Gherardos verliefen deshalb in jeder Hinsicht so gut, weil Lorenzo Pucci sich ihrer persönlich angenommen hatte, wie Jacopo dem Lanfredini berichtete.181 Als Datar des Papstes besaß il Puccio in der Tat mehr Macht als jeder andere Kuriale. Er wollte um keinen Preis, daß der Bartolini sich an der Kurie präsentieren müßte, sondern wollte diese ‚Last‘ auf sich neh179 Vgl. ABS, Lettere, mazzo I, 13.11.1512 (Giovanni di Bartolomeo Bartolini aus Florenz an

Gherardo Bartolini in Rom: Lanfredini wünsche dringend, daß alle Bartolini-Brüder bald in Florenz zusammenträfen, auch der noch in Lyon weilende Zanobi, da man gerade ihn wegen des Prozesses mit den Erben von Bartolomeo del Rosso benötige); ABS 202, c. CCXXXI (Lanfredini an Wollgeschäften mit der Londoner Firma von Leonardo di Bartolomeo Bartolini und Bartolomeo del Rosso beteiligt), ebd. c. 242/CCXLII (Inhalt der im März 1520 durch Kardinal Giulio de’ Medici vermittelten Schlichtung zwischen Rosso, Agnolo und Domenico di Pierozzo del Rosso, Brüdern von Bartolomeo del Rosso, sowie Giovanni, Zanobi, Gherardo und Lorenzo Bartolini als Erben von Leonardo di Bartolomeo Bartolini). 180 ABS, Lettere, mazzo I, 6.11.1512 (v[ostr]o Jo[annes?] Bor[gherini?] aus Florenz an Gherardo Bartolini in Rom). Zur synonymen Bedeutung von amore und amicizia im Florenz der Renaissance vgl. etwa Klapisch, Parenti, S. 969. 181 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 225 (5.11.1512, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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men, wobei ihm Jacopo Salviati und Matteo Strozzi gern behilflich sein wollten. (Jacopo hatte genau in jenen Tagen seine und Lanfredinos Bürgschaften bei Giovanni Armingol, dem Prokurator des Vizekönigs von Neapel, wegen der Florentiner Zahlungen für die spanische Armee zu meistern.) Diese gemeinsame Anstrengung zugunsten Gherardo Bartolinis leisteten sie vor allem deswegen, weil sie wüßten, daß es nicht zum Nachteil ihrer eigenen Sachen sei (maxime sappiendo, che non se ne farà dispiacere alle cose nostre)! Mit diesen cose nostre spielte Jacopo offenkundig auf Geschäfte an, die er und Lanfredino gemeinsam betrieben. Eine kurze Bemerkung Salviatis gibt uns damit ein sehr wichtiges Zeugnis über die mehrfach erörterte Verflechtung der Salviati-, Lanfredini- und Bartolini-Gesellschaften. In diesem Kreis ließen sich Mühen für den Freund um so leichter bewältigen, als sie immer auch eine Förderung der eigenen Interessen bedeuteten. Dieses Prinzip traf ebenso auf die weiteren Freunde Gherardos und seiner Brüder zu. Leonardo di Zanobi Bartolini konnte Gherardo mit sicherem Wissen am 9. November 1512 schreiben, Agostino Chigi werde ihm bei all den zu klärenden Problemen an der Kurie (vor allem wegen der Benefizienpachten) ein protector, ein Beschützer sein!182 Er, der dem Chigi auf ziemlich gleicher Augenhöhe begegnet sein wird, kannte ihn so gut, daß er sich dessen Freundschaft zu den Mediceern sehr sicher war. In Florenz hingegen setzte sich Leonardo di Zanobi Bartolini persönlich mit größtem Nachdruck für die Belange Gherardo Bartolinis ein, nicht ohne dabei jedoch von diesem wiederum in Rom besonders bei Agostino Chigi eine Förderung seiner eigenen Projekte zu erbitten, die als solche zugleich Vorteile für die Medici verhießen. So nimmt es nicht Wunder, daß Leonardo Bartolini bei seiner Unterstützung für Gherardo intensiv mit Lanfredino Lanfredini, dessen Schwager Giovanni Bartolini und mit Kardinal Giovanni de’ Medici kooperierte, der jede erdenkliche Hilfe leistete. Was wir aus den einschlägigen Briefen erfahren, unterfüttert nicht nur zentrale Strukturen des Medici-Netzwerkes aus der Exilszeit, es gibt auch dem in jener Zeit aufgebauten neuen System der Medici weitere Gestalt: dem von Freunden erbauten finanziellen Fundament einer Familie, die ihrem Reichtum Macht und Glanz verdankte, doch Geldgeschäfte seit 1492 nicht mehr selbst betrieb. Am Ende dieser notwendigerweise über das Exilsende hinauszuführenden Untersuchung wird mit der Einheiratung Giuliano de’ Medicis in den europäischen Hochadel eine neue, nie zuvor erklommene Stufe der Medici-Reputation stehen, die genau auf diesem Fundament fußen wird.

a) Das Problem der gepachteten Sanseverino-Benefizien in Oberitalien Die Pacht der bedeutenden Benefizien Federico Sanseverinos hatte sich für die Bartolini zu einem grundlegenden Problem entwickelt. Auf die Amtsenthebung und den damit verbundenen Benefizienverlust des nun schismatischen Kardinals im Januar 1512 folgte schon im Sommer 1512 der strukturelle Nachteil der geänderten politischen Herrschaftsverhältnisse. Statt der Franzosen war nun erneut ein Sforza Herr über die Lombardei, aber 182 ABS, Lettere, mazzo I, 9.11.1512 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Florenz an Gherardo Bar-

tolini in Rom).

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gestützt von den Schweizern unter Führung ihres energischen Kardinals Matthäus Schiner, des erklärten Feindes Ludwigs XII. Dies brachte auch einen nicht unerheblichen Austausch zentraler Amtsträger im Herzogtum mit sich.183 Ebenso gravierend für die Mailänder Bartolini-Bank wirkte sich freilich der frühe, nur fünf Jahre nach seinem Vater erfolgte Tod des Leonardo di Bartolomeo Bartolini aus, der uns aber zu zeigen vermag, welchen Einfluß dieser Mann gewonnen hatte, wie entscheidend seine Persönlichkeit für die von der Bartolini-Gesellschaft übernommenen Risiken war. Die im November 1512 verfaßten Briefe der Mailänder Bartolini-Mitarbeiter Salvestro Guardi und Lionardino di Damiano Bartolini, den die Bartolini dem Guardi für neun Monate als Verstärkung an die Seite gestellt hatten, veranschaulichen, welche Autorität und welchen Einfluß Leonardo di Bartolomeo Bartolini gewonnen hatte, so daß sein Tod zu zahlreichen und grundsätzlichen Problemen führte.184 Nehmen wir zunächst die Perspektive der Mailänder Mitarbeiter ein, um dann derjenigen von Leonardo di Zanobi Bartolini zu folgen, der allein in der Lage war, ein Schwert zu schmieden, mit dem der lombardische Knoten durchschlagen werden konnte. Dieser wurde nicht zuletzt verkörpert durch Gianpiero Morone, den allmächtigen Großpächter, der plötzlich nicht mehr an die Bartolini-Bank zahlen wollte. Doch auch zahlreiche Unterpächter weigerten sich, ihre Pflichten zu erfüllen. Lionardino di Damiano Bartolini gab den Grund klar an: Nach der Nachricht vom Tod Leonardos wollten diese Leute ihre Schulden nicht mehr bezahlen und es sei niemand da, der sie nun dazu ermahnen könne. Sie, Salvestro [di Dino Guardi] und Lionardino, hätten es mit ladroni zu tun, gemeinen Dieben, wie Salvestro sie nannte. Lionardino beschrieb, wie er jeden Tag hinter den Schultern des Morone stehe, ihn erinnere und ermahne, wie es seine Pflicht sei und den Bartolini Ehre und Profit verschaffen solle – doch mehr könne er nicht tun. Da die gewünschte Lombardei-Reise des in Rom befindlichen Gherardo nicht zu realisieren war, mußte von anderer Seite Druck auf die säumigen Zahler ausgeübt werden und mußten Voraussetzungen geschaffen werden, durch welche die Pacht auf Dauer wieder Erträge einbrachte. Auch in dieser Situation kamen nun die Vorteile eines gut funktionierenden, engmaschigen Netzwerkes zum Tragen. Lionardino Bartolini bezeugt in seinem Brief, wie Piero di Marco Bartolini weiterhin eine wichtige Rolle bei der Kommunikation zwischen den verschiedenen Knotenpunkten spielte, wie er beispielsweise Briefe und Informationen von Giovanni Bartolini aus Florenz nach Mailand brachte. Zugleich erhielt Lionardino (offenbar ebenfalls durch Piero di Marco Bartolini) Briefe des Kardinals Giovanni de’ Medici an den Morone, bei denen es um die Pacht der Abtei Morimondo ging, 183 Zu den Amtsträgern grundlegend: Arcangeli, Esperimenti; zum Schweizer Einfluß während der

Sforza-Restauration: Schmidt, Suisses en Milanais. 184 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Salvestro di Dino Guardi aus Mailand an Gherardo Bartoli-

ni), 7.11.1512 (Lionardino di Damiano Bartolini an Gherardo Bartolini ‚in Rom oder wo er gerade war‘). Salvestro di Dino Guardi erhielt Mitte 1513 über ein Konto der ‚Erben des Leonardo di Bartolomeo Bartolini von Mailand‘, effektiv aber von den Bartolini in Lyon, 27, 12, 4 Fiorini bzw. 135 mailändische Pfund für die Spesen, die sich aus dem neunmonatigen Aufenthalt des Lionardino Bartolini in seinem Haus ergaben; ABS 202, c. 52.

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die der Medici ja von Federico Sanseverino übernommen hatte, so daß die Bartolini ihre dortigen Pachteinnahmen nun an den Medici weiterzuleiten hatten. Giovanni de’ Medici hatte augenscheinlich bestimmte Verkäufe angeordnet, damit die Bartolini an dem bedrohlich naherückenden Zahltermin von St. Martin Geld zur Verfügung hätten oder Pachtgelder einziehen könnten. Eine hohe Hürde stellte der Schweizer Kardinal Matthäus Schiner dar, der ja keineswegs zum politischen Freundeskreis gehörte, im Februar 1512 aber das Bistum Novara und die Propstei von Crescenzago aus dem Besitz des Sanseverino erhalten hatte. Wegen der dortigen Pachtverträge erbat Lionardino im November von Gherardo einige hundert Dukaten, um sich mit Schiner wegen Novara und Crescenzago einigen zu können! Mit einer nicht übermäßigen finanziellen Zuwendung wäre der in der Lombardei nun sehr einflußreiche Schweizer zu einer Problemlösung zu bewegen, so die Einschätzung des Bankiers. Doch wollte man noch sicherer gehen. Wiederum sollte Kardinal Giovanni de’ Medici durch einen entsprechenden Brief an Schiner helfen. Dieses Empfehlungsschreiben hatte Gherardo bereits in einem am 6. Oktober 1512 nach Mailand geschriebenen Brief in Aussicht gestellt; damals befand sich der Medici-Kardinal noch in Florenz, um die neue Medici-Herrschaft zu stabilisieren. Eine weitere lettera di favore sollte er an den Bischof von Lodi, Ottaviano Sforza, schreiben, der als neuer Gouverneur im Parmigiano wirkte und damit offensichtlich der entscheidende Ansprechpartner wegen der Pacht der dort liegenden Abtei Chiaravalle war. Zwar hatte Gherardo bereits einen Brief an den Bischof geschrieben, doch reichte das nicht aus. Unabdingbar erschien Lionardino das persönliche Erscheinen eines der Bartolini-Häupter, um dort oben Ordnung zu schaffen, befänden sich die Dinge doch in der Hand eines ‚Berges von Dieben‘, wie Gherardo es sofort spüren würde, und es seien die von den Bartolini eingesetzten Gouverneure und Pächter, die täglich Krieg mit ihnen führen würden (explizit: che sono e vostri ghovernatori e fattori auti in detto luogho che v’amo fatto la ghuera e fanno giornalmente). Giovanni de’ Medici wollte freilich nicht nur Unterstützungsbriefe verfassen und durch einen Verkauf im Fall von Morimondo die Dinge zum Guten wenden; er hatte auch seinen Diener Alessandro da Lodi in die Lombardei geschickt, um den Bartolini zu helfen. Dieser habe, so Lionardino, angesichts jenes ‚Krieges‘ alles ihm Mögliche getan, doch wenn der versprochene Verkauf nicht zu erlangen sei, so müsse der Medici-Kardinal einen Brief an seinen Diener Alessandro schreiben, er solle mit seinen Aktivitäten aufhören und sich auf seine Angelegenheiten beschränken und nichts mehr berühren, sondern den Bartolini mit Worten helfen, wie es seine Pflicht sei. Ein inkompetenter Übereifer hatte den Praktikern vor Ort offenbar mehr geschadet als genutzt. Vor allem wegen Crescenzago gab es ein sehr praktisches Problem. Kardinal Schiner verlangte, daß die Bartolini die Pacht oder gar die Einkünfte der Propstei an ihn zahlen sollten; dies aber bedeutete eine zweite, eine doppelte Zahlung, da die Mailänder Bartolini-Bank dieses Geld bereits vor geraumer Zeit auf Anweisung des Leonardo di Bartolomeo Bartolini an den seines Amtes enthobenen Kardinal Federico Sanseverino gezahlt hatte – um es dann mit den späteren Pachteinnahmen aus Benefizien zu verrechnen, deren

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Besitz bereits gefährdet war!185 Einer der neuen Besitzer wurde sein Feind Matthäus Schiner, der nun im November 1512 ebenfalls seine Pachteinnahmen wollte, der andere aber sein Freund und vorgeblicher Gegner Giovanni de’ Medici, der Legat der Romagna, der offenkundig für seinen alten Intimus, den nunmehrigen Erzfeind des Papstes Julius II., einen Weg gefunden hatte, Geld für etwas zu erhalten, was zu einem Teil auch ihm, dem Medici, gehörte – zu dieser Lösung gleich mehr! Am 7. November 1512 hatten Lionardino Bartolini und Salvestro di Dino jedenfalls noch keinen Denar aus der doch guten Summe Geldes für Novara, Crescenzago und Morimondo einnehmen können, weil es unter allen Beteiligten keine Verständigung gegeben habe. Für das vierte wichtige Benefiz, die an einen Kurialen (Bonifazio Aldighieri da Parma, Kammerherr Julius’ II.) gegangene Abtei Chiaravalle, hatte Lionardino offenbar bessere Handlungsmöglichkeiten. Möglichst mit dem Morone wollte er sich dorthin begeben, um einige Teile der Abtei zu vermieten und wegzugeben, wie er es Giovanni Bartolini und Piero di Marco Bartolini bereits angekündigt habe. Wenn alles gut laufe, hoffe er die schöne Summe von 25.000 Pfund oder sogar mehr einzunehmen; auf jeden Fall wolle er denen dort zeigen, daß sie noch am Leben seien, die Bartolini. Doch mußte er dann nach seiner Rückkehr eingestehen, daß er nicht mehr als ca. 300 Scudi für Getreide von bestimmten Schuldnern habe einziehen können sowie einen Teil, ca. ein Drittel, von Gianpiero Morone, der nicht mehr zahlen wolle, da er vorgebe, nicht zu wissen, an wen zu zahlen sei; und so habe dieser durch einen noch von Leonardo di Bartolomeo erhaltenen Auftrag nur einige hundert Scudi bezahlt – ‚und so mache er es und sage es und letztendlich sei er ein Spitzbube, ein Gauner aus ‚schlechter Wolle‘ (una malla lanna), wie Gherardo erfahren werde, wenn er in die Lombardei komme. Von den vielen Briefen, die Giovanni di Bartolomeo Bartolini in jenen Wochen aus Florenz an seinen Bruder Gherardo in Rom schrieb, liegt uns einer vom 13. November 1512 vor.186 Gleich am Beginn seines Briefes ging er auf die Probleme wegen der Benefizienpachten in der Lombardei ein, insbesondere auf jenen Kurialen Bonifazio Aldighieri aus Parma. Dieser verhielt sich äußerst arrogant gegenüber den Bartolini, und zwar vor

185 Wir hatten bereits aufzeigen können, daß Federico Sanseverino tatsächlich vor März 1511 zum

einen insgesamt 4.000 Dukaten von der Bartolini-Bank erhalten und ausgegeben hatte, die mit den lombardischen Pachteinnahmen der Jahre 1512 und 1513 (d.h. November 1511 bis November 1513) verrechnet werden sollten, und daß er für jenes Pachtjahr 1512, vermutlich sogar noch nach seiner Privation Ende Januar 1512, 6.222 Kammerdukaten aus den Pachteinnahmen von Crescenzago und Morimondo erhalten hatte. Und auch die regulären Pachteinnahmen für diese beiden Benefizien in Höhe von insgesamt 20.000 Pfund imperiali (bzw. 4.255 Kammerdukaten) sollten ihm bei der Kontenaufstellung vom 11. Januar 1514 gutgeschrieben werden. Federico Sanseverino, der ja auch Mitte Mai 1512 in Borgo San Donnino auf dem Rückzug von den Kriegsplätzen der Romagna von der Mailänder Bartolini-Bank durch Gianpiero Morone mit Geld versorgt worden war, konnte somit in jenen dramatischen Monaten der Schlacht von Ravenna, der Kriege gegen die päpstlichen Truppen in der Romagna und der Flucht aus Oberitalien Pachtgelder aus zwei Benefizien nutzen, die gar nicht mehr in seinem Besitz waren! 186 ABS, Lettere, mazzo I, 13.11.1512 (Giovanni di Bartolomeo Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini in Rom).

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allem, so Giovanni Bartolini, nach dem Tod Leonardos, vor dem er wohl einigen Respekt besessen hatte. Gherardo solle, so Giovannis Rat, dem arroganten Aldighieri mit Geduld seine Forderungen vortragen, ihm bei Bedarf sein ‚Gesicht zeigen‘ und sich von Lorenzo Pucci, dem Magnifico Agostino Chigi und anderen Freunden helfen lassen! Auf diese Weise werde Aldighieri hoffentlich die 1.300 Dukaten zurückzahlen, mit denen Leonardo ihm einst gedient hatte, und werde die Pächter von Chiaravalle energisch anhalten, daß sie nur den Bartolini verpflichtet seien, damit sie nicht irgend jemandem ohne ihre Erlaubnis zahlten. Neben dem Pucci war eben der Chigi für die Brüder einer der wichtigsten Freunde an der Kurie, um auch diese lästigen Probleme zu beheben. Als der gute Leonardo di Damiano Bartolini von den Ärgernissen in der Lombardei noch sichtlich erschlagen war – er könne ‚eine ganze Bibel über alle Widrigkeiten schreiben und hätte damit nur ein Achtel des Ganzen abgedeckt‘ (e vi si potrebe ischrivere una bibia e non vi si darebe aviso del’otavo!), bemerkte er am 7.11. –, da hatten andere, Einflußreichere, die Sache bereits in die Hand genommen. Der entscheidende Mann war wie gesagt Leonardo di Zanobi Bartolini, weil er dem wichtigsten, Kardinal Giovanni de’ Medici, am nächsten stand, weil er nämlich Prokurator und Handlungsbevollmächtigter des Medici war! Vom 9. November 1512, als Lionardinos Klagebrief noch nicht in Florenz eingetroffen sein konnte, liegt uns der erste einer Reihe von Briefen Leonardos aus Florenz an den in Rom befindlichen Gherardo Bartolini vor, die in mehrfacher Hinsicht sehr aufschlußreich sind.187 Blicken wir also aus diesem Fenster auf das komplizierte Geschehen. Leonardos Briefe bezeugen nun endlich, was seit langem im Raum und zu erwarten stand: die feste Verknüpfung zwischen Rom und Lyon/Florenz, zwischen dem Rebellen Leonardo di Zanobi Bartolini und seinem Cousin dritten Grades Leonardo di Bartolomeo Bartolini sowie dessen Brüdern (ihr Großvater Leonardo di Bartolomeo und Leonardos Vater Zanobi di Zanobi waren Cousins ersten Grades), die sich – wie ein Bartolomeo Bartolini, Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini oder Gianbattista Bracci – in gewisser Weise mit den Medici-Feinden in Florenz arrangiert hatten bzw. mußten, die jedenfalls zu einer Verbannung keinen Anlaß geboten hatten. Auch wenn der Brief kurz nach Beendigung des Exilsdramas geschrieben war, an einer vorher bestehenden, kontinuierlichen Freundschaft kann es keinen Zweifel geben. Sonst hätte Leonardo di Zanobi seinen entfernten Cousin Gherardo niemals durchweg als fratel carissimo, als sehr teuren Bruder (und hier wohl nicht in der Bedeutung von Freund) bezeichnet, hätte ihm gegenüber keine so intim-familiäre Verbundenheit demonstriert und ihn nicht in sein Haus eingeladen. Francesca Tornabuoni, die sich noch in Rom befand, aber mit dem Rest der Familie bald nach Florenz nachreisen wollte, hatte ihren Mann informiert, daß Gherardo nicht in Leonardos Haus abgestiegen sei, sondern in dem des Borgherini. Und so scherzte Leonardo, dieser sei sicherlich der bessere Gastgeber, doch für Gherardos und Leonardos Ehre hätte ein nach Rom reisender Gherardo in Leonardos Haus Quartier beziehen müssen. France187 ABS, Lettere, mazzo I, 9., 16., 20. und 30.11.1512 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Florenz an

Gherardo di Bartolomeo Bartolini in Rom).

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sca werde ihn mit dem Rest der noch in Rom befindlichen Söhne so schnell wie möglich aufsuchen; sein Haus mit allem Hausrat stehe Gherardo zur Verfügung. Zudem, und das ist entscheidend, bezeugte er mehrmals viele und sehr intensive Gespräche mit seinem Namensbruder Leonardo di Bartolomeo, bei denen es auch um gemeinsame Geschäftsprojekte ging – ein sehr entscheidendes Faktum, da wir so von persönlichen Treffen und Geschäften der beiden wissen. Leonardo di Bartolomeo hatte bekanntlich viele Wochen in Rom verbracht. Zum Inhalt, soweit er das Problem der Benefizienpacht betrifft! Es scheint für einen Lionardino di Damiano ein gewaltiges, für einen Leonardo di Zanobi Bartolini aber nicht das größte Hindernis gewesen zu sein, da er diesen Punkt erst nach einigen anderen (im späteren Kontext anzusprechenden) berührte. Folgen wir, wie bei einschlägigen Quellenpassagen des öfteren praktiziert, dem Wortlaut seiner Sätze, um so einen authentischen Einblick in sein Denken, seine Geisteshaltung und sein Handeln zu gewinnen. Am 9. November erläuterte er Gherardo: ‚Die Briefe des Reverendissimo (also des Kardinals Giovanni de’ Medici) für Morimondo und für die Lombardei haben wir nach unserem Wunsch erhalten, und die Deinigen, sie werden wir absenden, wie Du seither gehört haben wirst. Es ist jetzt notwendig, den ganzen Rest mit dem Medici-Kardinal in trockene Tücher zu bringen (assettare ogni resto), der sich nach unserem Wunsch richten wird (bzw.: der sich mit dem zufrieden stellen wird, was wir wünschen)! Und ich als sein Prokurator und kraft der mir verliehenen Autorität kann alles richten (et io come suo procuratore et per la auctorità datomi posso fare il tutto). Doch es ist angebracht, daß wir es auf jeden Fall in Ordnung bringen, um mit dem Frieden des Kardinals zu leben, woraus (auch) für jede andere Sache Kapital zu schlagen ist. Und Samstagmorgen (6.11.) ist er für die Legation abgereist; und messer Lorenzo tuo (also Gherardos jüngerer Bruder, dem der Medici einst seine Abtei Dovadola vermacht hatte) ist mit ihm gegangen.‘ Leonardo di Zanobi ging dann kurz auf die Erteilung des Titels eines Protonotars für Lorenzo Bartolini ein, den man sogar gratis erhalten habe – das war für Bankiers nicht ohne Belang! –, und erläuterte danach das von ihm gelöste Problem der Unterbringung für den Gherardo nahestehenden Bischof von Vaison in Frankreich (vermutlich der Dominikaner Benedetto Paganotti), der von Florenz nach Rom reisen wollte.188 Diesen könne er nicht im Haus des (Medici-)Kardinals einquartieren, weil er dort schon die Gesandten (also Jacopo Salviati und Matteo Strozzi) untergebracht habe, dafür aber in dem (vom Bartolini restaurierten) Haus des Gartens dal populo, das eines jeden Fürsten würdig sei und jede Bequemlichkeit biete, sofern es Gherardo recht sei – andernfalls biete er auch ihm, aber erst nach Abreise seiner Frau Francesca, sein eigenes Haus in Rom an. Nach diesen Punkten kam er nochmals auf sein Verhältnis zu Gherardos Bruder Leonardo und zum Medici-Kardinal zurück. Wenn Gherardo den Bischof in Leonardos Haus einquartieren wolle, solle er sich an die Erörterungen erinnern, die er (Leonardo di Zanobi) mit dem verstorbenen Leonardo geführt habe, und an jene mit ihm selbst, in welchen er, Leonardo 188 Vgl. hierzu auch ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Giovanni Bartolini aus Florenz an Gherar-

do Bartolini in Rom).

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di Zanobi, Gherardo die Unterstützung des Kardinals in allen Dingen angeboten habe (ricordandoti li ragionamenti che io hebbi col quondam Lionardo et quelli havuti con techo offerendoti l’opera del cardinale in omnibus)! Offenbar konnte sich Leonardo di Zanobi bereits geraume Zeit vor der Legation des Medici-Kardinals in geschäftlichen Angelegenheiten der vollen Unterstützung Giovannis sicher sein, über den er in solchen Fragen gleichsam verfügen konnte. Es wird dabei, wie auch aus dem Folgenden zu schließen ist, vor allem um Benefiziengeschäfte gegangen sein, für die Giovanni de’ Medici ja durchaus einen Sinn besaß und über welche zu beratschlagen die beiden Namensbrüder als engste Vertraute Federico Sanseverinos genügend Gründe hatten. ‚Ich möchte nicht versäumen, Dich (Gherardo) an jene Sache mit Crescenzago und Conigo zu erinnern. Wenn jener Bischof seines Amtes enthoben sein wird – was auf jeden Fall geschehen wird, wie ich gehört habe –, dann darfst Du keine Ausgabe scheuen, um sie auf jeden Fall zu bekommen; zum einen um Deinen Bruder (Lorenzo) auszustatten, zum andern um Dir das zu sichern, was Du vom Freund zu erhalten hast. Und wenn Du Dich an den Datar (Lorenzo Pucci) wendest, wird er Dir helfen. Und wenn Du von einem der unsrigen hier (den Mediceern in Florenz) Unterstützung benötigst, sage es, damit wir Dir persönlich jemanden mit Unterstützungsbriefen für diesen Zweck senden. Denk daran, und spare an nichts, da es sich um Dinge, Gelegenheiten handelt, die utile et honore für das Haus bringen und nicht jeden Tag wiederkehren. Und der Papst (Julius II.) läßt sich sehr leicht handhaben und führen, besonders wenn Du ihm nützliche Sachen vorstellst und dabei nicht el conto suo (also seinen eigenen Nutzen) vergißt. Du bist erfahren, Gherardo, doch Du kannst noch kein guter cortigiano sein (will sagen: für den römischen Hof bist Du noch zu unerfahren). Und der Bibbiena (Bernardo Dovizi), der bald in Rom sein wird, er wird Dir in jeder Angelegenheit helfen und ist über alles informiert‘! Leonardo di Zanobi Bartolini verhielt sich also wie ein väterlicher Freund gegenüber dem jüngeren Gherardo, der in Rom die Last des Geschäftserbes seines Bruders zu tragen hatte, und mit einer beträchtlichen Machtfülle konnte und wollte er ihm bei seinen Schwierigkeiten helfen: Macht, die er vor allem durch und über seinen Patron Giovanni de’ Medici erhalten hatte und die ihm als dessen Handlungsbevollmächtigter gleichsam kardinalizische Kompetenzen gewährte; Macht aber auch, die sich auf die unverbrüchliche, von Zweifeln freie Freundschaft mit einem Lorenzo Pucci und anderen Medici-Intimi stützen konnte – und sogar auf langjährige positive Erfahrungen im Umgang mit dem so ungemein schwierigen Papst Julius II., den Leonardo di Zanobi offenkundig wesentlich besser zu nehmen wußte als ein Bernardo da Bibbiena. Vielleicht charakterisiert diese Qualität, den cholerisch-unberechenbaren Papst Julius II. „zähmen“, für die eigenen Interessen gewinnen zu können, besser als jede andere die durchsetzungsfähige und entschlossene Persönlichkeit des Leonardo di Zanobi Bartolini. Offensichtlich aber wird vor allem dies: Jede Lösung der lombardischen Benefizienproblematik muß als Werk dieses Bartolini angesehen werden, das freilich ohne die Kompetenz und Macht eines Lorenzo Pucci in Rom und ohne die Autorität des Medici-Kardinals nicht möglich gewesen wäre.

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Was Leonardo di Zanobi Bartolini im Sinn hatte, als er Gherardo aufforderte, in Rom um jeden Preis die Benefizien von Crescenzago und Conigo für seinen Bruder Lorenzo zu sichern, da der über sie verfügende Bischof nach seinen, Leonardos, sicheren Informationen seines Amtes enthoben würde (habbi a essere privato), ist nicht klar zu erkennen. Denn über Conigo wissen wir nur, daß es 1512 Crescenzago zugeordnet war und zum Bestand der vier lombardischen Benefizien gehörte, welche die Bartolini-Bank vom Kardinal Sanseverino gepachtet hatte, und daß dieser in jenem Jahr insgesamt 8.700 mailändische Pfund aus dem ‚Besitz‘ bzw. aus der ‚Pacht‘ von Conigo gezogen hatte, die er den Bartolini Ende 1513 zurückzahlte bzw. mit ihnen verrechnete.189 Gherardo Bartolini wies seinen Mailänder Bankier Salvestro di Dino Guardi im Mai 1513 an, dem Priester Stefano Salvatico als Kaplan von Conigo 40 Pfund bzw. etwas mehr als acht Fiorini als Teil seiner Provision auszuzahlen und gab ihm auf dem gleichen Weg am 27. Juni 1513 nochmals 72, 15 Pfund (14, 1 Fiorini).190 Offenbar hatte Salvatico das Benefiz für die Bartolini in Besitz genommen, das nach Sanseverinos Privation einem Bischof gegeben worden war, dem im November 1512 das gleiche Schicksal bevorstand. Die Propstei Crescenzago jedoch befand sich zusammen mit Sanseverinos Bistum Novara im Besitz des Schweizer Kardinals Matthäus Schiner, mit dem Lionardino di Damiano Bartolini wegen dieser Benefizien verhandeln zu können glaubte. Den Kardinal aber konnte Leonardo di Zanobi Bartolini nicht gemeint haben, als er von der bevorstehenden Privation des ebenfalls Crescenzago haltenden Bischofs sprach. Wer dieser Bischof gewesen sein soll, bleibt ein Geheimnis, doch die Sache scheint sich bald erledigt zu haben, da man mit Schiner eine Lösung wegen Crescenzago fand. Vordringlicher und einfacher erschien Leonardo Bartolini jedoch die Problembewältigung im Fall der Abtei Morimondo, da diese durch Julius II. dem Medici-Kardinal übertragen worden war, von dem sie einst (in einem schwierigen Prozeß von 1497–1499) in den Besitz seines Freundes Federico Sanseverino gelangt war. Handlungsbevollmächtigter des Kardinals Giovanni de’ Medici aber war Leonardo Bartolini; und das zahlte sich für seine Verwandten aus. Lanfredino Lanfredini hatte seinen Schwager Gherardo schon am 6. November 1512 informiert, daß die Erben des Leonardo di Bartolomeo sich wegen der Pacht von Morimondo auf neue Konditionen einstellen müßten. Denn ‚die Medici‘ (er sprach nicht vom Kardinal, dem eigentlichen Besitzer) hätten aufgrund ihrer finanziellen Belastungen ein berechtigtes Interesse, eine höhere Pachtsumme aus Morimondo zu erhalten, als die bisher dem Sanseverino gegebene. Lanfredino wußte von 800 bis 1.000 Dukaten, um die sie die Pacht erhöhen wollten, um auf 2.000 Dukaten jährlich für sich zu kommen, während der Rest den Bartolini zustehen sollte. (Der Sanseverino erhielt für Morimondo allerdings einen Pachtbetrag von 2.340 Kammerdukaten!) Wenn die Bartolini dies nicht als zu großen Nachteil für sich empfinden würden, sollten sie zusagen, denn die Medici wollten,

189 ABS 204, c. 100. 190 ABS 202, c. 52, 62.

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daß die Bartolini die Abtei in ihrer Hand behielten, was auch dem Lanfredini als sehr nützlich erschien.191 Zehn Tage später, am 16. November 1512, einem Donnerstag, konnte dann Leonardo di Zanobi Bartolini seinem fratel carissimo Gherardo berichten: Was seine und seiner Brüder Sache mit dem Kardinal Giovanni de’ Medici wegen des Erbes ihres Bruders Leonardo betreffe, werde es eine Verständigung geben, die dem Gewünschten entspreche.192 Ein Paukenschlag aber ist der Name des zweiten Verhandlungspartners. Der erste war natürlich Leonardo Bartolini chome procuratore di Monsignore Reverendissimo [Giovanni de’ Medici], nicht der in der Romagna weilende Kardinal selbst; der zweite aber hieß Lanfredino Lanfredini, nicht Gherardos in Florenz lebender und dort für seine Brüder wirkender Bruder Giovanni! Noch vor Samstag, also dem 18. November, werde er, Leonardo di Zanobi, sich als Prokurator des Kardinals mit Lanfredino zusammensetzen, und sie beide würden dieses Problem erledigen – das im Grunde für beide keines war. Gherardo werde dann darüber informiert. Hier liegt also ein sehr instruktives Zeugnis vor, das Lanfredinos Position als Kapitän des Bartolini-Schiffes demonstriert. Lanfredino Lanfredini agierte stellvertretend für die Erben des Leonardo di Bartolomeo Bartolini, für dessen Brüder Giovanni, Gherardo, Zanobi und Lorenzo, welche die Lyoner Bartolini-Gesellschaft übernahmen. Da es bei ‚ihren Angelegenheiten mit dem Medici-Kardinal‘ zweifelsfrei primär um die Pachtzahlungen der Bartolini-Gesellschaft für Morimondo ging, muß Lanfredino Lanfredini am Pachtsystem der Bartolini und damit an der Bartolini-Gesellschaft in Lyon beteiligt gewesen sein. Die Brüder des verstorbenen Leonardo fungierten zwar als Gesellschafter der Lyoner Bank, doch handelten sie gleichsam als Organe, als membri der Lanfredini-Bank. Giovanni Bartolini als ältester der Söhne Bartolomeos hatte als Teilhaber der Lanfredini-Bank deshalb nur eine untergeordnete Stellung unter Lanfredini und Bracci; Gherardo bezeichnete seinen Schwager Lanfredino noch 1513 als ‚seinen‘ maggiore, also als übergeordneten Seniorpartner der Gesellschaft.193 (Dieses Rangverhältnis galt im übrigen nicht erst seit Leonardos Tod, sondern auch vorher, also ebenso für diesen.) Aus diesem Grund war es die LanfrediniGesellschaft, die im Mai 1509 von den Partnern in der Lyoner Salviati-Gesellschaft wünschte, daß in deren (seit Juni 1508 bestehende) Partnerschaft mit der NaldiniGesellschaft in Toulouse zu gleichen Anteilen und rückwirkend auch die Lyoner Bartolini-Gesellschaft integriert würde.194 Wie genau die durch Lanfredino Lanfredini und Leonardo di Zanobi Bartolini besorgte Vereinbarung für Morimondo aussah, sagte uns Bartolini leider nicht. Es gibt freilich entsprechende Zahlungen und Zahlungsverpflichtungen, die etwas Klarheit bringen. Das 191 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Lanfredino Lanfredini aus Florenz an Gherardo Bartolini in

Rom). 192 ABS, Lettere, mazzo I, 16.11.1512 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Florenz an Gherardo

Bartolini in Rom). 193 Vgl. BNCF, Ms. II. V. 22, c. 38, 45 (15.10. und 1.12.1513, Gherardo Bartolini aus Rom an

Lanfredino Lanfredini in Florenz). 194 S.o. S. 643.

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alles Entscheidende ist: Die casi der Bartolini-Erben mit dem Medici-Kardinal, die dessen Prokurator Leonardo Bartolini und deren Sachwalter Lanfredino Lanfredini für sie regelten, betrafen im Kern eine Verständigung zwischen Giovanni de’ Medici und Federico Sanseverino wegen Morimondo, also zwischen dem Legaten des Papstes Julius II. und dessen erklärtem Widersacher, der sich im sicheren Frankreich befand! Dies so explizit zu formulieren, davor hütete sich jedoch nicht nur Leonardo Bartolini. Federico Sanseverino hatte kurz vorher über einen Boten einen Zettel nach Florenz bringen lassen, auf dem er seinen Wunsch äußerte, von der Bartolini-Bank Geld aus seinen Benefizienverpachtungen zu erhalten. Diesen Zettel begutachteten nun Lanfredino, Leonardo di Zanobi, Gianbattista Bracci und Giovanni Bartolini, um gemeinsam über die Forderung zu beraten – was erneut zeigt, wer hier das Sagen hatte. Sie waren sich einig, daß ihre Zahlungsverpflichtung im Augenblick ‚gestorben‘ sei, daß es keinen Grund gebe, jetzt und übereilt zu bezahlen, sondern dann, wenn die rechte Zeit gekommen sei. Außerdem wolle man Rechtsinformationen von ein bis zwei Doktoren einholen. An der grundsätzlichen Beziehung änderte sich für sie allerdings nichts. Giovanni Bartolini ermahnte seinen Bruder Gherardo, er solle in Rom ‚vorsichtig wegen jenes Freundes‘ bzw. dessen Angelegenheiten agieren, dessen Namen er denn auch hinter dem Kürzel „S-no.“ verbarg.195 Die Intentionen und geistlichen Strafen des Papstes sind vom engeren Medici-Kreis zwar berücksichtigt, letztendlich aber ignoriert worden. Nun zu den finanziellen Vereinbarungen, soweit sie für uns faßbar sind. Die Bartolini-Gesellschaft befand sich in einer denkbar schlechten Ausgangsposition. Sie hatte dem bereits als Papstgegner wirkenden Federico Sanseverino im Rechnungsjahr 1510 (25.3.1510–24.3.1511) insgesamt 4.000 Kammerdukaten als Unterstützung gezahlt, die mit den lombardischen Pachteinkünften der folgenden zwei Jahre (November 1511 bis November 1513) verrechnet werden sollten. Noch gravierender war eine zusätzliche Summe von 6.222 Kammerdukaten (bzw. 29.246 mailändischen Pfund). Denn sie resultierte aus zahlreichen Einzelbeträgen, die sich der Sanseverino während des Pachtjahres 1512 – also für den Zeitraum November 1511 bis November 1512 und demnach noch nach seiner Amtsenthebung Ende Januar 1512 – von verschiedenen Unterpächtern aus den Pachteinnahmen von Morimondo und Crescenzago geben ließ, darunter auch jene aus dem bereits angesprochen Besitz von Conigo sowie das Geld für die Bezahlung della bolla della Legazione di Bologna.196 Allerdings betrug der von den Bartolini an den Sanseverino zu zahlende Pachtbetrag für diese beiden Benefizien nur 20.000 Pfund bzw. 4.255 Kammerdukaten (2.340 Dukaten für Morimondo, 1.915 für Crescenzago). Und seit Oktober 1512 sahen sich die Mailänder Bartolini-Bankiers aufgrund von Leonardo di Bartolomeos Tod mit einer massiven Verweigerungshaltung ihrer General- und Unterpächter konfrontiert, die ihre Pachtbeträge nicht mehr zahlen wollten. Sie mußten jedoch 195 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Giovanni Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini in

Rom). 196 ABS 202, c. 54 (da fittaboli di Miramondo e Charsanzago e su l’entrate dell’anno 1512), LXII;

204, c. 100 (sopra e fitti di Lombardia dell’anno 1512), CI; vgl. oben S. 930.

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zugleich zum 11. November 1512 die Pachtbeträge eingezogen haben, um sie im Fall Crescenzagos und Morimondos an die Kardinäle Schiner und Medici weiterzuleiten. Dieser Termin war nicht mehr einzuhalten. Wir hörten, daß der Medici bereit war, durch irgendwelche Verkäufe dafür zu sorgen, daß finanzielle Engpässe wenigstens zum Teil beseitigt werden konnten; ob sie in die Übereinkunft zwischen Bartolini und Lanfredini eingingen, wissen wir aber nicht. Offenkundig stand indes am Ende ihres Treffens vom 18. November eine Lösung, in welche auch der schismatische, in Frankreich lebende Kardinal Federico Sanseverino einbezogen wurde. (Die Bartolini befanden sich vor allem über ihre Lyoner Bank ständig in Verbindung mit ihm.) Denn ein mit ihm wegen der Abtei Morimondo getroffenes Abkommen sah vor, daß Federico Sanseverino für das Pachtjahr 1513 (November 1512 bis November 1513) und das von 1514 jeweils 1.250 Kammerdukaten an Giovanni de’ Medici zu zahlen habe; die erste Hälfte sollte er seinem Freund bis zum 13. Dezember 1513 gutschreiben, doch konnte er dies erst im April 1514 realisieren.197 Natürlich hätte ein solches Abkommen auch später, mit rückwirkender Geltung während des Pontifikats Leos X. geschlossen worden sein können. Doch da der Bartolini und Lanfredini explizit die Angelegenheiten der Bartolini-Erben mit dem Medici-Kardinal regelten, kann es nur um Morimondo gegangen sein, aus dessen bis November 1512 einzuziehenden Pachteinnahmen Sanseverino sich ja schon bedient hatte, so daß jede Übereinkunft wegen Morimondo ihn zu berücksichtigen hatte. Dies müssen aber geheime Vereinbarungen gewesen sein, deren Inhalte offensichtlich noch weitreichender waren. Erstaunlicherweise erhielt Federico Sanseverino nämlich von der Bartolini-ErbenGesellschaft auch für das Pachtjahr 1513 (November 1512 bis November 1513) die gewohnte Pachtsumme für Morimondo, obwohl er seit Anfang 1512 selbst gar nicht mehr regulärer Besitzer der Abtei war, sondern Giovanni de’ Medici. Zum 12. Oktober 1514 verbuchten sie für ihre Mailänder Filiale zwecks Zahlung an den Sanseverino die Pachtsumme von 11.000 Pfund imperiali (bzw. 2.340 Kammerdukaten); sie galt ausdrücklich ‚für die Pacht eines ganzen Jahres der Abtei Morimondo – d. h. von Sankt Martin 1512 bis zu Sankt Martin 1513 –, welche [Abtei] man von ihm [Sanseverino] zum Preis von 11.000 Pfund gepachtet habe‘! Aber: Von dieser Summe mußte man 480 Pfund als Gegenwert von 100 Dukaten abziehen, die der Kardinal Matthäus Schiner vom Maggiolini sequestriert hatte, da er ein Recht auf 100 Dukaten pro Jahr aus den Einnahmen Morimondos habe.198 Den von Schiner zumindest 1513 in Anspruch genommenen Obolus 197 ABS 202, c. XII, 94. Tatsächlich zahlte Federico Sanseverino beide Summen am 13.4.1514 und

am 4.11.1514 über seine Hausbank, die Bank der Erben von Leonardo di Bartolomeo Bartolini, und damit einen Betrag, der etwas höher lag als die 2.340 Dukaten, die er vorher von den Bartolini als Pacht für Morimondo erhalten hatte. 198 ABS 202, c. 62 (lb. decimila cinquecentoventi d’imperiali si fanno buoni al reverendissimo cardinale di San Severino e sono per il fitto d’uno anno intero della badia di Miramondo, cioè da San Martino 1512 sino a San Martino 1513, la quale s’a a fitto dallui per prezzo di lb. 11000, ma se ne sbatte lb. 480 per duc. 100 che il chardinale Sedunensi ha sequestrato nelle mani del Maggiolino per avere diritto su la detta badia, duc. 100 per anno ...)/LXII, LXXXXII-

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aus Morimondos Einkünften zog man Federico Sanseverino freilich ab und ließ ihn für diese Abtei ungefähr die Hälfte seines Pachtgewinns für zwei Jahre an seinen MediciFreund zahlen. Mit dieser Lösung konnten sie alle wahrlich gut leben, denn bis zu seinem Tod wird die Bartolini-Bank für ihn die Pachterträge aus den Abteien Morimondo und Chiaravalle einziehen.199 Wir können aus verschiedenen Buchungsposten und brieflichen Angaben also mit Sicherheit einen Tatbestand feststellen, den Papst Julius II. niemals erfahren durfte und der deshalb nur heimlich geregelt werden konnte: Kardinal Giovanni de’ Medici hatte seine Abtei Morimondo noch vor seiner eigenen Wahl zum Papst im März 1513 dem damals immer noch exkommunizierten, seiner Ämter enthobenen und zum Schismatiker erklärten Federico Sanseverino erneut abgetreten. Dafür erhielt er mit 1.250 Kammerdukaten einen geringeren Betrag, als dem Sanseverino an jährlicher Pachteinnahme (11.000 Pfund entsprachen 2.340, je nach Kurs aber bis ca. 2.390 Kammerdukaten) zustand und als vom Medici ursprünglich von den Bartolini beansprucht. Diese Regelung zugunsten Federico Sanseverinos wurde offenbar nicht zuletzt mit Blick auf die Bartolini-Gesellschaft vereinbart, um deren finanzielle Risiken zu minimieren. Denn wir wissen, daß gerade die Benefizieneinkünfte Morimondos von der neuen Sforza-Regierung zum Nachteil der Bartolini beschlagnahmt worden waren, woraus sich die verspätete Pachtzahlung für Morimondo vom 14. Oktober 1514 an den Sanseverino sowie dessen Abzahlung an den Medici vom 13. April und 4. November 1514 erklären lassen. Am 19. November 1513 hatte Salvestro di Dino Guardi einen Fiorin an den economo generale (eine Art Liegenschaftsverwalter) des Herzogs von Mailand zahlen müssen, um bestimmte Schriften einsehen zu können, mit denen die Beschlagnahmung aufgehoben werden könnte.200 Wesentlich mehr, nämlich 53 Kammerdukaten, mußten die Mailänder Bartolini dann im Juni 1514 für Spesen und Geschenke aufbringen, nach deren Erhalt der economo generale bereit war, die Abtei Morimondo freizugeben, liberare.201 Doch damit immer noch nicht genug: Ebenfalls im Juni 1514 mußte die Mailänder Bartolini-Bank in Gestalt ihres Vertreters Raffaello Gherardini nochmals 50 Fiorini an den so undurchsichtigen wie mächtigen Großpächter Gianpiero Morone zahlen, um von ihm das Plazet für Federico Sanseverinos Besitz von Morimondo zu erhalten.202 Es war also eine komplizierte, zugleich langwierige Angelegenheit, einen solchen Benefizienverlust zum Vorteil des Netzwerkes aufzuheben. Lanfredino Lanfredini war sowohl als Sachwalter der Bartolini-Interessen Mitte November 1512 als auch generell als deren Schwager und Geschäftspartner stets in diese II. Weshalb sich Matthäus Schiner 100 Dukaten aus den Einnahmen der in seinen Augen dem Medici gehörenden Abtei Morimondo hatte ausbedingen können, ist nicht ersichtlich, denn das Bistum Novara und offenbar auch Crescenzago blieben in seinem Besitz. Eventuell handelte es sich um ein Bestechungsgeld, mit welchem er die Regelung wegen Morimondo tolerierte. 199 Vgl. etwa ABS 204, c. 126–131. 200 ABS 202, c. 62, CI (am 12.10.1514 bekam Salvestro di Dino von der Mailänder Bartolini-Bank seine Auslage zurückerstattet). 201 ABS 202, c. LXXXXIIII, CV. 202 ABS 202, c. CV (Federico Sanseverino zahlte diese 50 Fiorini am 12.10.1514 zurück).

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Regelungen eingebunden gewesen. So erscheint die Bank seines Namens nicht zufällig als Glied einer weiteren Finanzaktion, die sich ebenfalls auf Morimondo bezieht und offenbar mit dem Pachtvorgang zumindest mittelbar in Verbindung steht. Am 20. Februar 1513 zahlte die Bartolini-Erben-Gesellschaft dem Kardinal Giovanni de’ Medici bzw. Leonardo di Zanobi Bartolini als dessen Prokurator einen Kredit in Höhe von 2.000 Golddukaten larghi (also nach Florentiner Münzfuß); Leonardo Bartolini wiederum gab seinen Verwandten und Freunden als Sicherheit für den Betrag eine am 25. Februar durch den Notar Ser Domenico Boccianti rogierte Anweisung auf die Einnahmen der Abtei Morimondo des Jahres 1513.203 Das Geld aber zahlte die Bank des Lanfredino Lanfredini für die Bartolini-Gesellschaft dem Leonardo di Zanobi aus. Dieser erwirkte zugleich namens seines Patrons Giovanni de’ Medici eine Bürgschaft des Hospitals von Santa Maria Nuova in Florenz für die genannte Summe. Am 26. Februar 1513 versprach das Hospital den Brüdern Lorenzo, Giovanni, Gherardo und Zanobi di Bartolomeo Bartolini auf Wunsch des Medici-Kardinals und auf Anweisung seines Prokurators Leonardo di Zanobi Bartolini die Rückzahlung des ganzen oder eines Teils des Betrages von 2.000 Golddukaten larghi innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Jahres 1513, falls das Geld nicht aus den Einkünften und Pachtverträgen der (ja noch nicht freigegebenen) Abtei Morimondo eingezogen werden könne. Für den Erhalt der Bürgschaft setzte Leonardo di Zanobi auch den Medici-Vertrauten Ser Baldassare Turini da Pescia ein. Zum 23. Mai 1513 verbuchte die Bartolini-Gesellschaft die Lanfredini-Bank als Gläubiger über jene 2.000 Dukaten, den ehemaligen Kardinal und nunmehrigen Medici-Papst aber als Schuldner. Dieser Vorgang ist analog im Haushaltsbuch des Leonardo di Zanobi Bartolini bezeugt, weniger detailliert, doch in einigen Punkten konkreter. Leonardo Bartolini hatte nämlich als Prokurator des Medici-Kardinals bzw. für dessen Haushaltskasse die 2.000 Dukaten am 20. Februar in bar von Giovanni und Gherardo di Bartolomeo Bartolini erhalten, um sie zum 25. Februar 1513 als Auszahlung der Lanfredini-Bank verbuchen zu lassen.204 Diese war also der eigentliche Medici-Gläubiger wegen eines Kredites, den ihre Mitarbeiter Giovanni und Gherardo Bartolini zugleich im Namen ihrer Brüder – also als Partner der Gesellschaft der Erben des Leonardo di Bartolomeo Bartolini – dem Kardinal Giovanni de’ Medici gaben. Undurchsichtig bleibt bei dem gesamten Abkommen, wie hier die jeweiligen Ansprüche auf die fructus von Morimondo zwischen den Bartolini, dem Medici und dem Sanseverino im einzelnen geregelt waren. Federico Sanseverino wird für das als Bürgschaft dienende Pachtjahr 1513 (November 1512 bis November 1513) wie gesehen im April 1514 nur 1.250 Kammerdukaten an den Medici geben, wird aber im Oktober 1514 bis auf den geringen Abzug für den Kardinal Schiner den gesamten Pachtbetrag für das Jahr 1513 erhalten. Da Giovanni de’ Medici bzw. der hier für ihn handelnde Leonardo di Zanobi Bartolini als Sicherheit für einen Kredit seiner Verwandten nahezu den gesamten Jahre203 ABS 204, c. III, 152 (Kopie der Bürgschaft des Hospitals Santa Maria Nuova, wo der Vorgang

nochmals erläutert wird). 204 ASF, Corp. Sopp. 100/88, c. 142, CCVIII.

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serlös der noch nominell vom Medici besessenen, doch faktisch für den Sanseverino verwalteten Abtei Morimondo zur Verfügung stellte und da zudem das Florentiner Hospital Santa Maria Nuova für diesen Betrag bürgte, können im Hintergrund eigentlich nur (weitere) Verbindlichkeiten gestanden haben, die der Sanseverino bei dem Medici, bei Leonardo di Zanobi oder dem Hospital besaß. Der ferne, schismatische Federico Sanseverino dürfte jedenfalls in das Ganze involviert gewesen sein. Diese Vermutung ist nun mit Blick auf das Datum einmal mehr zu unterstreichen. Denn am 20. Februar 1513 wußten Giovanni de’ Medici und sein Prokurator Leonardo Bartolini schon von dem mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Tod des Papstes Julius II., dessen seit einigen Monaten dauernde Krankheit sich ungefähr seit dem 10. Februar so dramatisch verschlechtert hatte, daß unter den Kardinälen und ihrem Anhang konkrete Vorbereitungen für ein kommendes Konklave getroffen worden waren.205 In der Nacht vom 20. auf den 21. Februar starb Julius II. Giovanni de’ Medici brach bereits am 24. Februar zum anstehenden Konklave nach Rom auf. Einen Tag später ließ sein Prokurator, der für ihn den Kredit in Gewahrsam genommen hatte, den Kreditvertrag notariell beglaubigen und wiederum einen Tag darauf die Bürgschaft für seine Verwandten und Freunde, die Kreditgeber, durch das Florentiner Hospital erstellen – an jenem Tag, als er seinem Patron nach Rom nachreiste! Wer möchte mit Blick auf diese dicht gedrängte, sich fast überschlagende Ereigniskette daran zweifeln, daß die dem Medici-Kardinal von den Bartolini zur Verfügung gestellten 2.000 Dukaten in einem direkten Zusammenhang mit der nächsten Papstwahl standen, für die sich der Medici große Hoffnungen machte. Für diese Wahl schmiedete sein Prokurator Leonardo di Zanobi Bartolini jedoch seine ganz eigenen Pläne; sie formte er nach eigener Aussage gemäß seinen Interessen und Intentionen. Daher sah er mit dem ihm eigenen Realismus den ungarischen Kardinal Thomas Bakócz als neuen, den Mediceern genehmen Papst. Auf dessen Wahl wollte er sogar mit Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci hohe Wetten abschließen. Ein Freund der Mediceer aber würde er mit Sicherheit sein, der neue Papst, dies versicherte er seinem Freund Lanfredino und seinem Schwager Bracci bereits vor Beginn des Konklave, das jedoch noch an jenem Tag, am 4. März 1513, begann.206

b) Der „Manager“ Leonardo di Zanobi Bartolini: Alaun, Kredite und Zehnte Das Interesse Leonardo Bartolinis und das seiner Florentiner Freunde und Partner, Lanfredini und Bracci insbesondere, an dem künftigen Papst war in erster Linie ein finanzielles, denn dessen mit Sicherheit zu erwartenden Wohltaten für Florenz dienten primär ihnen, die sie das neue Florenz der Medici finanzierten, aber auch das Papsttum selbst. Bis zu jenem 4. März hatte der Bartolini, offenkundig in seiner Funktion als Depositar des 205 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 868–872. 206 Vgl. oben S. 986; BNCF, Ms. II. V. 21, c. 236–238 (4. und 9.3.1512/13, Leonardo di Zanobi

Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini bzw. an diesen und Giovanbattista Bracci in Florenz).

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Kardinalskollegiums, mit immensem Zeitaufwand und unter großem Zeitdruck innerhalb von wenigen Tagen die gesamten Konten der Apostolischen Kammer neu zu erstellen gehabt, da die Bücher nicht verfügbar waren. (Vermutlich lagen sie, wie üblich, in den Privaträumen eines Verantwortlichen.) Wir hatten bereits ausführlich seine enormen finanziellen Aufwendungen für die Apostolische Kammer vorgestellt, die in jenen Tagen beispielsweise die Kosten der Exequien für den verstorbenen Papst Julius II. betrafen. Was durch die Analyse der Finanzierung des Medici-Haushaltes sichtbar geworden war, ist auch auf diese Ausgaben für die Kurie zu übertragen: Leonardo Bartolinis Finanzierungen erfolgten über die Lanfredini-Bank und offenbar in gemeinsamer Verantwortung. Er bezeugt dies in seinem explizit an Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci geschriebenen Brief vom 9. März 1513, denen er hierzu folgendes mitteilte: ‚Mit Blick auf die Kredite, die wir der (Apostolischen) Kammer gegeben haben, habe ich die Dinge mittels der Autorität des Patrons (Kardinal Giovanni de’ Medici) an ihren rechten Platz gezogen (ho tirato le cose in luogho), so daß wir sie in den Griff bekommen. Und sie (diese Kredite) werden zu ihren Gunsten dienen. Solange der Papst noch gewählt wird, läßt sich über das Bisherige hinaus nichts Neues erfinden. Doch sofort nach der Kür wird alles seine Perfektion haben, und ich werde es nicht an Sorgfalt fehlen lassen.‘207 Welche Kredite hier gemeint waren, ist gar nicht so wichtig. Entscheidender ist, daß Bartolinis Kredite für die Kammer, also die zentrale Kasse der päpstlichen Kurie, zum Teil oder ganz zusammen mit der Lanfredini-Bank gegeben worden waren, daß es mit anderen Worten drei der führenden Medici-Bankiers waren, die als Geldgeber fungierten. Deshalb mußten Lanfredini und Bracci informiert werden, wie ihr Risiko während des Konklaves durch Leonardo Bartolini minimiert wurde, und daß er es nach der Wahl in perfekter Form meistern werde. Die geeignetste Weise konnte aber nur eine sein, die ihre Leistungen in einen Vorteil umwandeln würde. Leonardo Bartolini dürfte mit seinen Freunden dabei auch jene römische Geldquelle im Auge gehabt haben, die ihn seit der Rückkehr der Medici nach Florenz am stärksten reizte: das päpstliche Alaunmonopol. Die päpstliche Alaunverpachtung 1513 Leonardo di Zanobi Bartolini hatte nach eigener Aussage schon im Vorfeld des anstehenden Konklaves an der Kurie für eine Absicherung seiner finanziellen Risiken gesorgt; und es hat den Anschein, als habe er seine von der Lanfredini-Gesellschaft mitgetragenen Kredite für die Apostolische Kammer an die Bedingung geknüpft, sie über die gewaltigen Einnahmen abzusichern, welche die Kurie aus der Verpachtung der Alaungruben zog, die sie seit der Entdeckung der Alaunvorkommen 1462 bei Tolfa (auf dem Boden des Kirchenstaates) mit lukrativen Pachtverträgen abbauen ließ, um den Alaun dann monopolistisch im papstchristlichen Europa verkaufen zu lassen. Denn hier verfügte zum einen die Kurie über ein wirkungsvolles Finanzinstrument, hier besaß aber auch der Bartolini einen

207 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 237/238 (9.3.1512/13, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lan-

fredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci in Florenz).

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langjährigen engen Freund und Partner: Agostino Chigi war (mit einem Vertrag vom Dezember 1500) seit Mai 1501 Pächter der päpstlichen Alaungruben. Sein auf zwölf Jahre abgeschlossener Vertrag sollte im Mai 1513 enden; über dessen Fortsetzung hatte also der Nachfolger Julius’ II. zu bestimmen. Da Leonardo Bartolini sich sicher war, in diesem Nachfolger einen Papa Amico zu haben, wird er sich Einfluß auf die fundamentale Frage der in wenigen Wochen zu entscheidenden neuen Alaunverpachtung ausgerechnet haben. Daß der Chigi größtes Interesse an der Erneuerung eines Vertrages haben mußte, der einer Maschine zum Prägen von Goldmünzen gleichkam, durfte Bartolini nicht nur voraussetzen, er wird es von seinem Freund gehört haben. Denn beide standen gerade wegen des Alauns seit mindestens 1510, intensiv erneut seit dem Herbst 1512 in enger Verbindung, wie wir noch hinreichend erfahren werden. Die schon von Gilbert geäußerte Vermutung, der Medici – und damit dessen Handlungsbevollmächtigter Bartolini – habe dem Chigi während des Konklaves bestimmte Versprechen gegeben, ist somit plausibel und begründet.208 Sie müssen sich auf die neue Alaunpacht bezogen haben und werden an finanzielle Leistungen Chigis für den Medici geknüpft gewesen sein. Nach der Wahl Giovanni de’ Medicis konnte es niemand anders als Leonardo di Zanobi Bartolini sein, der über die neue Verpachtung der Alaungruben zu entscheiden hatte. Doch vermutlich wird ihm nicht erst sein Patron Giovanni de’ Medici als Papst Leo X. diese Kompetenz erteilt haben, da Bartolini sich als mutmaßlicher Depositar des Kardinalskollegiums und als Gläubiger der Apostolischen Kammer und (zumindest zwischen den beiden Pontifikaten) als Verantwortlicher für deren Bücher entsprechende Zusagen bereits vorher wird erteilt haben lassen, wie dies ebenfalls seine Formulierungen gegenüber Lanfredino Lanfredini nahelegen. Wie auch immer, mit dieser Aufgabe hielt Leonardo Bartolini eine große Macht in der Hand, da die Pacht der Alaungruben zwar einen hohen Geldeinsatz durch den Pächter erforderte, diesem aber kraft seiner monopolistischen Verfügung über das für die Tuchfabrikation notwendige Mineralsalz enorme Gewinne in Aussicht stellte. Schon am 24. März 1513 berichtete Leonardo dem Niccolò Michelozzi, daß ihm dieses mühsame Amt der Verpachtung übertragen worden sei. Natürlich habe er die Alaunpacht zunächst den Vertrauten der Medici und seinen Freunden angeboten, doch habe ihm der Salviati (also Jacopo) schon gesagt, daß er es nicht wolle, was er diesem gern glaube. Und vom Albizzi (Antonfrancesco?) und vom Vettori (Francesco?) glaube er nicht, daß sie dafür die finanziellen Mittel aufbringen könnten.209 Der neue Betreiber der Alaunpacht wurde schließlich Andrea Bellanti, hinter dem sich allerdings die Gesellschaft der Erben des Mariano Chigi verbarg, deren Kopf aber wiederum der mächtige Sieneser Bankier Agostino Chigi war, Marianos ältester Sohn, der bei der neuen Pacht 1513 freilich nur noch einen Anteil von 20% besaß.210 Gleichwohl: Es 208 Vgl. Gilbert, Venedig, S. 115, 164, Anm. 10. 209 BNCF, Ginori Conti 29/92 (f), Nr. 2 (ad me è stato dato l’offitio sopra la fatica [...] a dare la

lumiera, et el Salviato dice non la volere et io gli credo et lo Albizo et il Vettori non credo che possino comprare con e denari); vgl. Bullard, Mercatores, S. 68f. und Anm. 72. 210 Montenovesi, Agostino Chigi, S. 113; Delumeau, Alun de Rome, S. 97f.; Gilbert, Venedig, S. 115, 164, Anm. 11.

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waren die von Leonardo Bartolini ausgewählten Pächter der Alaungruben von Tolfa, die ihm am 4. August 1513 jenen Kredit über 57.115 Kammerdukaten (bzw. 75.000 Dukaten a carlini X pro ducato) gaben, den sich Papst Leo X. bzw. sein Bankier Leonardo Bartolini offenkundig schon vor der Wahl gleichsam als Prämie für die Pacht ausbedungen hatte und für den der Chigi wertvolle Schmuckgegenstände als Sicherheit erhielt. Hier vollzog sich, wenngleich mit erheblich größerem Finanzvolumen, nichts anderes, als was bereits im Mai 1496 zwischen dem Chigi und Leonardo Bartolini als Prokurator des Piero de’ Medici ausgehandelt worden war, als dieser einen Kredit über 4.000 Dukaten bekam und dafür v. a. Teppiche und antike Kunstgegenstände (Kameen) aus dem Medici-Schatz als Sicherheit gegeben hatte.211 Da der Chigi auch danach als Helfer der Medici sowie enger Partner von Leonardo di Zanobi sowie Leonardo di Bartolomeo Bartolini hervortrat, konnten Leonardo Bartolini und die Lanfredini-Gesellschaft bei ihrer Finanzierung der Medici und der päpstlichen Kammer auf alte und solide Geschäftsfreundschaften bauen. Der Alaunnachlaß des Leonardo di Bartolomeo Bartolini Leonardo di Bartolomeo Bartolini hatte seinen Verwandten durch seinen frühen Tod einige schwergewichtige Probleme hinterlassen. Eines der schwersten hatte sofort nach dem Eintreffen der Nachricht von Leonardos Tod sein Bruder Gherardo zu tragen, als er in Rom neben den Schwierigkeiten bei den Benefizienpachten vor allem die aus dem Alaunvertrag mit Chigi resultierenden zu klären hatte, die er als Leonardos Prokurator, der im Dezember 1511 dessen Alaunvertrag mit Agostino Chigi aushandeln durfte, ahnen konnte. Die komplexen Bestandteile dieses Abkommens erforderten nun viel Mühe und Zeit, die Gherardo meist mit Agostino Chigi und dessen Testamentsverwaltern Filippo de Serio und Sigismondo (Gismondo) di Mariano Chigi bei der Klärung der gemeinsamen Konten verbrachte und bei der Aushandlung der durch Leonardos Tod notwendig gewordenen Veränderungen des Vertrages. Diese Sitzungen wurden erst am 15. Dezember 1512 mit einem umfangreichen neuen Vertrag beendet, dem in den folgenden Jahren aber noch viele weitere folgten.212 Kompliziert war die ganze Angelegenheit deswegen, weil Leonardo Bartolini mit dem Chigi nicht bloß die auf den monopolistischen Alaunvertrieb in Frankreich, Flandern und England bezogene Partnerschaft eingegangen war, sondern eine viel umfassendere. Der Bartolini hatte seine außergewöhnlichen Sonderkonditionen offenkundig deshalb erhalten, weil er (bzw. wer hinter ihm stand) den Chigi wie bereits angesprochen an seinen europäischen Handelsgeschäften beteiligte. Gherardo Bartolini und die Chigi mußten daher sämtliche Konten revidieren und saldieren sowie die wechselseitigen Ansprüche festlegen, wobei schließlich mit den neuen Abmachungen jeder andere Vertrag der beiden Parteien kassiert wurde. Das Teilabkommen vom 10. Dezember 1512 hatten wir bereits erörtert, um die komplexe Partnerschaft zwischen dem Chigi und Bar-

211 S.o. S. 353. 212 Vgl. ABS, Inventario delle pergamene I, 2, atten. alla famiglia, 15.12.1512 und zahlreiche wei-

tere Regesten zu den Verträgen der Jahre ab 1513.

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tolini, deren Konsequenzen und die Vermischung von Alaun- und Wollgeschäften zu illustrieren.213 Auch und gerade auf diesem Feld wurde Gherardo Bartolini – aber nicht anders als sein älterer Bruder Giovanni – an einer langen Leine aus Florenz geführt. In seinem richtungsweisenden Brief vom 6. November 1512 schrieb ihm Lanfredino – und dem Wortlaut ist zu folgen, um die Kompetenzprofile zu erkennen –: ‚Deinen Brief an Giovanni [Bartolini] habe ich gesehen und er wird Dir im einzelnen antworten, denn zu jedem Punkt bzw. jedem Kapitel haben wir gemeinsam die Antwort erörtert, die er Dir zu geben hat. Hinsichtlich des Planes, jene Kredite zu übernehmen, die Leonardo [di Bartolomeo] von messer Agustino [Chigi] in die Hand bekommen hat, mißfällt es mir nicht, dies voranzubringen, wenn messer Agustino die Summe auf sich nimmt, die man von den Serristori zu erhalten hat. Dabei solltest Du ihm zeigen, daß ihr keinen Schaden erleiden wollt und ebenso, daß ihr nicht jenes Risiko tragen wollt, sondern daß er es schultern soll. Und so sollte Dir auch Giovanni schreiben. Die Briefe, die Du zugunsten von messer Agustino gewünscht hast, konnten wir nicht erhalten, weil der Kardinal [de’ Medici] heute morgen abgereist ist. Überlege Dir, in welcher Weise man den Dingen des messer Agustino helfen kann. [...] Was jedoch den Alaun betrifft, über den Antonio Gualterotti Dir schrieb, so bezieht er sich auf jene Kommissionen, die Leonardo zu seinen Lebzeiten von Filippo [Gualterotti] erhalten hatte. Für diese sollte jetzt die Zeit der Lieferung gekommen sein und alles, was sie wünschten, sollte man meines Erachtens erfüllen, insoweit es Deiner Einschätzung nach den Interessen des messer Agustino entspricht, da er jene Beschränkungen durch den Papst und jene Probleme mit ihm hat.‘214 Wenn Gherardo allerdings noch im November 1512 als Teilhaber der Lyoner Bank der Erben des Leonardo Bartolini in solch unmittelbarer Weise durch Lanfredino gelenkt wurde, dann muß dieses Abhängigkeitsverhältnis auch und erst recht ein Jahr vorher gegolten haben, als er für seinen Bruder Leonardo den erweiterten Alaunvertrag mit Chigi ausgehandelt hatte. Der eigentliche Auftraggeber Gherardos war demnach damals nicht Leonardo, sondern Lanfredino. Giovanni Bartolini schrieb Gherardo ebenfalls am 6. November 1512 einen längeren Brief, in welchem der Alaunvertrag mit Agostino Chigi und die damit verbundenen praktischen Fragen und Probleme viel Raum einnahmen.215 Seine Ansichten ließ Giovanni jedoch als seine eigenen erscheinen; sein Gespräch mit Lanfredino bestätigte er, dessen Einfluß auf den Inhalt des Briefes wollte er jedoch nicht explizit formulieren. Konkret ging es um den noch recht aktuellen Vertrag über die Lieferung der 8.000 Cantari Alaun für Flandern und England und die anderen Lieferungen für die scale Frankreichs und der Provence, an welchen Cosimo Bottegari beteiligt war. Zu organisieren waren auch die Wollieferungen, die man u. a. für den Alaun erhielt; einer aktuellen Klärung bedurfte die 213 S.o. S. 686. 214 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Lanfredino Lanfredini an Gherardo Bartolini). Weil Julius

II. die Alaunproduktion in Tolfa reduzieren ließ und der Chigi die vorgesehenen Liefermengen nicht mehr aufbringen konnte, wünschte Agostino Chigi damals auch die Unterstützung des Medici-Kardinals. 215 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Giovanni Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini).

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Frage, ob man Alessandro de’ Nerli trauen und ihn in diese Geschäfte integrieren könne. Auch in seinem Brief vom 13. November ging es um den Alaun.216 Aus ‚Liebe‘ zu Agostino Chigi war den Bartolini-Brüdern aber daran gelegen, ihre von Leonardo wegen des Alaunvertrags übernommenen Zahlungsverpflichtungen so schnell und so gut wie möglich zu erfüllen. Konkret betraf dies vor allem eine Obligation über 6.000 Dukaten, die Gherardo aus Florenz gesandt wurde und die er Agostino Chigi übergeben sollte, sowie eine Teilzahlung von 1.300 Dukaten für eine Alaunlieferung Chigis nach Rouen im Wert von 2.500 Dukaten. Questi mia del bancho, also die Mitarbeiter in der LanfrediniBank, hätten diesen Betrag auf seine Anweisung, aber im Namen der Lyoner SalviatiBank, an die Erben-Gesellschaft des Mariano Chigi transferiert. Leonardos Erben sahen sich grundsätzlich in der Lage, die Alaunpartnerschaft mit Agostino Chigi fortzuführen. Aufgrund von Gherardos vorsichtig klugem Verhalten gegenüber dem Chigi war Giovanni sich sicher, daß sie so zufrieden mit dem Chigi sein würden wie er mit ihnen. Giovanni berichtete im Kontext des Alauns für Rouen auch von einem Brief der LanfrediniGesellschaft an Agostino Chigi, den Gherardo aber nicht übergeben konnte, weil er wohl verloren ging. Die Lanfredini-Bank war in der Tat genauso wie Leonardo di Zanobi Bartolini in diese ganzen Alaungeschäfte involviert, was durch weitere Zeugnisse noch erhärtet wird. Das Interesse des Leonardo di Zanobi Bartolini an Chigis Alaun Der wichtigste Punkt, den Leonardo di Zanobi Bartolini in seinem bereits ausführlicher analysierten Brief vom 9. November 1512 und desgleichen in den folgenden an seinen fratel carissimo Gherardo thematisierte, zielte auf den Alaun des Agostino Chigi, an dessen Profiten er ja spätestens seit dem Sommer 1510 partizipierte.217 Leonardo verfolgte nun jedoch von Florenz aus ein gewaltiges Projekt, das nicht nur ihm, sondern auch seinen Medici-Patronen und einigen der führenden Mediceer dienen sollte. Zweifelsohne resultierte dieser Plan aus Leonardos Stellung als Prokurator und Handlungsbevollmächtigter des Kardinals Giovanni de’ Medici sowie aus der neuen Medici-Herrschaft über Florenz; und mit genauso großer Gewißheit dürfen wir annehmen, daß er bei den enormen Finanzproblemen der Medici und ihrer Finanziers helfen sollte. Denn was Gherardo Bartolini in Rom seit Mitte Oktober für Leonardo mit größtem Einsatz besorgen sollte und worüber er schon in Briefen vom 23. und 30. Oktober berichtete, war ein Sonderabkommen mit Agostino Chigi. Von diesem wünschte Leonardo einen Vertrag über Alaunlieferungen, mit denen er das gesamte Dominium der Florentiner Republik versorgen könnte! Für diesen Herrschaftsbereich von Florenz, in welchem die Textilindustrie bekanntlich eine zentrale Rolle spielte, brauche man wohl ‚circa zweihunderttausend im Jahr‘ (circa migliara dugento lo anno), das habe er schon erkundigt. Doch er, Leonardo di Zanobi, wolle dafür (nur) jenen Alaunpreis zahlen, den der verstorbene Leonardo di Bartolomeo 216 ABS, Lettere, mazzo I, 13.11.1512 (Giovanni Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini). 217 ABS, Lettere, mazzo I, 9., 16., 20. und 30.11.1512 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Florenz an

Gherardo Bartolini in Rom).

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mit dem Chigi für die Provence vereinbart habe – und nicht mehr! Leonardo di Zanobi wollte den Alaun also preislich zu jenen Bedingungen, die sein Großcousin wenige Jahre vorher bei seinem Monopolvertrag für Südfrankreich mit dem Chigi ausgehandelt hatte. Ganz nach Belieben des Chigi wolle er, Leonardo di Zanobi, diesem in Florenz oder in Rom bancho geben, könne ihm also sowohl hier wie dort die finanziellen Sicherheiten gewährleisten. Als Kaufmann solle Leonardo oder ein von ihm Nominierter fungieren. Und da man ihm gesagt habe, es solle auch im Hafen von Pisa Alaun entladen werden, würde man noch wesentlich mehr im Dominium und den umliegenden Orten verbrauchen, so daß er einen in seiner Wahl stehenden weiteren Beauftragten benötige, der manch conto di chantaro più per anno haben müßte, wobei der Preis der gleiche wie der für das Florentiner Dominium vereinbarte sein müsse. (Man differenzierte also wieder zwischen Florentiner und Pisaner Territorium.) Zu klären wäre die zeitliche Begrenzung des Vertrages, denn wenn Chigis Alaunpacht für die Ewigkeit dauern werde, wisse er nicht, ob Agostino für eine so lange Zeit liefern wolle bzw. könne. Man könnte hier eine klare Regelung vereinbaren, bei der Agostino kein Alaun mehr liefern müsse, wenn er dies nicht mehr könne; nur müsse er, Leonardo, dies sechs Monate vorher wissen. Auf jeden Fall solle die ganze Sache in seiner, Leonardos Hand liegen. Leonardo di Zanobi berichtete Gherardo dann, wie er sich in diesem Zusammenhang an viele gute Gespräche mit dessen Bruder Leonardo di Bartolomeo erinnere und an die Geschäftspraktiken, Verfahrensweisen (le pratiche), die dieser mit Agostino unterhielt. Nach dieser Erinnerung wurde unser „Macher“ – ganz ungewöhnlich für ihn – zum poetischen Visionär. Er, Leonardo di Zanobi, sehe im Geiste, wie er Agostino Chigi Dienste erweisen könne, und er sehe, wie er ebenso diesen seinen (Medici-) Patronen Dienste erweisen könne, und er sehe seinen Plan, mit welchem er die Interessen bzw. Vorteile beider Parteien ‚bewahren‘, d. h. zusammenführen könne, so daß keine von ihnen die Geldbörse des anderen antasten müsse; und er sehe ferner den Weg, um auch von seiner Heiligkeit dem Papst (hierfür) Anerkennung bzw. Gnade zu erhalten, und er sehe in dem Ganzen tausend schöne, nützliche (also profitable) und ehrenwerte Pläne!218 Hier spricht also ein Leonardo di Zanobi Bartolini zu uns, dessen Funktion man heute als die eines bedeutenden, leitenden Managers bezeichnen würde, der wie üblich im Hintergrund die großen Geschäfte zum Nutzen und Wohl seiner ‚Patrone‘ – wie er die Medici in der Regel bezeichnete – konzipierte und umsetzte. Es ging um nicht weniger als einen monopolistischen Alaunvertrag für das Florentiner Territorium, bei dem er sowohl die Interessen des Chigi als auch die der Medici – und sicherlich gleichfalls seine eigenen – in Einklang zu bringen gedachte. Vorbild war der Monopolvertrag, den sein Freund und 218 Et ricordandomi di molti buoni ragionamenti havuti colla benedetta anima di Lionardo tuo et le

pratiche che teneva con Messer Aghostino, veggo in spirito da potere fare servitio a epso Messer Agostino et veggo da fare alsì servitio a questi mia Patroni et veggo le mia da conservarli insieme et che non habbino a tocharsi le borse l’uno all’altro. Et veggo il modo da ottenere gratia dalla sanctita di nostro Signore et veggoci dentro mille disegni belli, utili et honorevoli; ABS, Lettere, mazzo I, 9.11.1512 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini in Rom).

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Verwandter Leonardo di Bartolomeo mit dem Chigi abgeschlossen hatte, wobei der für Südfrankreich ausgehandelte Vorzugspreis für ihn den Maßstab bildete. Auch und gerade hier erkennt man sehr schön, daß dieser Mann über den Preis gar nicht erst mit dem Alaunbaron, seinem guten Freund, zu verhandeln gedachte; die diesem offerierten Vorteile müssen ihm so erheblich erschienen sein, daß dem Chigi in diesem Punkt gar kein Verhandlungsspielraum geboten wurde. Daß solche Pläne keineswegs einen Vorteil für die Kaufleute und Abnehmer des Alauns im Florentiner und Pisaner Dominium bedeuteten, versteht sich angesichts des anzunehmenden Monopolcharakters. Aber diese Annahme wird auch durch die unbedingt geforderte Geheimhaltung gestützt, die vermutlich sogar mehr als nur ein monopolistisches – generell ja bekanntes – Verfahren bei diesem Geschäft nahelegt! Leonardo di Zanobi schrieb Gherardo nämlich weiterhin, er habe sich auch schon überlegt, wer dieses Alaungeschäft gut verwalten und dabei alle in jeder Hinsicht zufriedenstellen könne. Doch sei es nötig, daß die Sache sehr geheim vor sich gehe und daß er, Leonardo, über den Verhandlungsgang ständig informiert werde (ma bixognerebbe, la cosa andassi molto secreta et chi io fussi anche bene informato delle pratiche che vanno atorno)! Letzteres betraf vor allem die Intentionen Chigis, die er sich frei und ohne Simulationen wünsche. Überaus instruktiv sind nun die Personen, die Leonardo di Zanobi dem Gherardo als informierte Mitwisser nennt. Il Salviato, also Jacopo Salviati, der ja als Florentiner Botschafter nach Rom gegangen sei, sei in die Pläne eingeweiht worden. Gherardo solle ferner wissen, daß Leonardos patroni, also die Medici-Führung, dem Chigi so zugeneigt seien, daß er glaube, man werde sehr leicht zu einer guten Übereinkunft kommen, wobei jedoch immer ehrliche Konten zu führen seien. Doch solle Gherardo vorsichtig sein. Lanfredino (Lanfredini) sei in alles instruiert und dieses Alaungeschäft gefalle ihm überaus; er könne Gherardo noch einiges erzählen. Und wenn Gherardo vom Ricasolo, hier sicherlich Simone da Ricasoli, noch keinen Brief erhalten habe, solle er sich nicht wundern, da dieser noch von dem verstorbenen Leonardo di Bartolomeo instruiert worden sei. Mit Blick auf die – nur kryptisch angesprochenen und hier noch nicht interpretierbaren – zwei Freunde, die ebenfalls wegen eines Alaungeschäfts nach Rom zum Chigi und Papst gingen und denen Ricasoli offenbar entgegenkommen wollte, habe dieser einen alten Kenntnisstand, der nicht mehr den Bartolini- und Medici-Interessen entspreche. Er, Leonardo, habe deswegen einen kleinen Disput mit dem Ricasoli gehabt; doch habe er diesen weder in alle Einzelheiten seines Plans eingeweiht noch habe er ihn über die darüber geführten Erörterungen mit seinen Patronen, also den Medici, in Kenntnis gesetzt! Wenn der Rinaldo oder ein anderer ihm, Gherardo, also vom Ricasoli schreibe, solle er sich nicht wundern; generell sei der Ricasoli ein rechtschaffener Mann (è huomo da bene) und an jedem Ort einzusetzen, sei in vergleichbaren Vorhaben sehr nützlich. Hier werden also erneut sehr anschaulich die Hierarchien innerhalb des befreundeten Netzwerkes offen gelegt: Nicht jeder der Vertrauten wurde in alles, vor allem nicht in die ganz entscheidenden und geheim zu haltenden Vorhaben eingeweiht! Einmal mehr zeigt sich: Leonardo di Zanobi Bartolini war nicht nur einer der wenigen, die in die me-

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diceischen Arcana imperii eingeweiht waren, er war bei solchen Verfahren sogar ihr Urheber und besaß die Macht, niedriger postierten Vertrauten und Freunden – denn selbstverständlich bezeichnete Leonardo den Ricasoli stets als Freund – des Netzwerkes Ort und Inhalt ihrer Aufträge zuzuweisen! Am Ende dieses ausführlichen Passus zum Alaungeschäft erfahren wir aus den Ausführungen Leonardos noch ein entscheidendes Detail. Der grandiose Plan diente zugleich den Interessen Gherardos und seiner Brüder. Leonardo bat Gherardo, er solle das Gesagte untersuchen und sich dann nach seinem Gutdünken äußern. Doch dieses Geschäft helfe wirklich sehr, die von dem armen (verstorbenen) Leonardo in die Wege geleiteten Pläne umzusetzen, zu festigen, und es bringe für Gherardos Familie utile et honore – die bekannte Umschreibung für Profit und Anerkennung. Aus weiteren Briefen Leonardos an Gherardo vom 16., 20. und 30. November 1512 geht hervor, daß Gherardo die Gespräche mit Agostino Chigi in dem von ihm gewünschten Sinn aufgenommen hatte. Der Chigi hatte sich daraufhin mit Kardinal Giovanni de’ Medici, dieser wiederum mit dem Datar Lorenzo Pucci in Verbindung gesetzt, so daß der vom Bartolini entworfene Plan tatsächlich nicht nur seine, sondern auch die Sache der Medici und damit des Florentiner Staates war. Im einzelnen waren die Preisvorstellungen aufeinander abzustimmen und mußte der Ablauf des Alaunpachtvertrags berücksichtigt werden, der ja im Mai 1501 für zwölf Jahre abgeschlossen worden war und somit regulär im Mai 1513 enden würde. Daß kurz vorher Papst Julius II. sterben und daß dann der Interessent Giovanni de’ Medici selbst Papst würde, daß zudem sein Prokurator Leonardo di Zanobi Bartolini über die Neuvergabe der lukrativen Alaunpacht zu bestimmen haben würde – all dies konnten die Beteiligten im November 1512 noch nicht wissen. Doch daß der Chigi ein großes Interesse daran haben mußte, erneut den Zuschlag für die Alaunpacht zu erhalten und daß Leonardo Bartolini dies voraussetzte, da er das Florentiner Alaunprojekt gleichsam für die Ewigkeit plante, ist unbezweifelbar. Lanfredino Lanfredini war tatsächlich von Beginn an in das Projekt eingeweiht, er unterstützte es, und aus seinem zentralen Brief vom 6. November erfahren wir weitere wichtige Details.219 Jene beiden Freunde, die wegen des Alauns nach Rom gegangen waren, hießen Francesco Vettori und Antonfrancesco degli Albizzi; die beiden jungen Mediceer hatten beim Umsturz wichtige Rollen eingenommen. Man hatte sie nach Rom beordert, weil die Florentiner Arte di lana, also der Zusammenschluß aller Woll- und wollverarbeitenden Betriebe, durch die von Julius II. angeordneten Produktionsdrosselungen nicht genug Alaun für die scala von Florenz erhalten hatte. Nach deren Abreise habe sich nun Leonardo di Zanobi des Problems angenommen, weil er hier wie dort größeren und besseren Einfluß besitze als alle anderen! Lanfredino hatte sich nun überlegt, wie dieser bzw. die neue mediceische Regierung am schnellsten an eine große Menge Alaun kommen könne. Sein Projekt erweist einmal mehr, wie es um die Autonomie, die Selbständigkeit der Lyoner Bartolini-Bank tatsächlich bestellt war. Denn Lanfredino schlug vor – d. h. de facto: er bestimmte –, daß die 3.000 Cantari Alaun, die der Chigi der Lyoner 219 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Lanfredino Lanfredini an Gherardo Bartolini).

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Bartolini-Bank noch für die Provence zu liefern hatte, gleichsam nach Florenz umgeleitet werden könnten. Dies sei völlig kongruent mit jener fantasia (mit positiver Wertung zu lesen) Leonardos, und auch der Bartolini-Bank bringe dieser Plan manchen Profit, das Geld käme schnell und ‚gut‘. Doch solle Gherardo das Einverständnis Agostino Chigis suchen, um diesem nicht verpflichtet zu sein. Auf diese Weise würde er sowohl Leonardo di Zanobi als auch ihnen selbst, den Erben des Leonardo di Bartolomeo, Vorteile verschaffen. An Möglichkeiten, den Alaun nach Florenz zu bringen, werde es ihnen sicherlich nicht mangeln. Giovanni Bartolini ging am 13. November ebenfalls auf diesen Punkt ein, ohne den wahren Hintergrund aufzudecken. Er habe aus Gherardos Brief erfahren, daß dieser mit Chigi einige Beschlüsse gefaßt habe – Gott sei Dank! Es sei ihm (Giovanni) wichtig, wenn es möglich sei, den Rest der Alaunlieferung für die Provence zu stornieren, weil (auch) er befinde, es sei eine Sache von Wichtigkeit, daraus das Mögliche zu machen. Gott möge dafür eine ‚gute Hand geben‘. Giovanni hatte das große geheime Alaunprojekt Leonardo di Zanobis also so wie sein Schwager Lanfredino zu seinem eigenen gemacht. Die Handelsinteressen der ebenso von ihm nominell geleiteten Lyoner Bank in der Provence spielten plötzlich keine Rolle mehr – unabhängiges kaufmännisches Handeln und Denken war das nicht! Aber was blieb den Söhnen des Bartolomeo Bartolini anderes übrig, wenn nun die Interessen der Medici und ihres allmächtigen Generalprokurators im Vordergrund standen und zu erfüllen waren. Es wäre überdies ein gewaltiger sozialgeschichtlicher Irrtum, zu glauben, diese Söhne hätten innerhalb eines Medici-Netzwerkes einen anderen, eigenständigeren Status als ihr Vater erlangen können. Wie diese Verhandlungen über ein Alaunmonopol für einen Großteil der Toskana im einzelnen endeten, wissen wir nicht. Doch schon unser Wissen um die frappierende Zuversicht dieses Leonardo di Zanobi Bartolini über den für ihn und die Mediceer günstigen Ausgang der Papstwahl des März 1513 sowie die bezeugten Versprechungen Agostino Chigis für Giovanni de’ Medici während des Konklaves dürfen uns annehmen lassen, die alten Partner hätten auch in diesem Punkt des Alaun für Florenz zu einer sie alle gleichermaßen begünstigenden Einigung gefunden. Ein Brief Chigis vom 7. Mai 1514 aus Rom an seinen Bruder Sigismondo in Siena bestätigt diese Vermutung in wünschenswerter Klarheit. Die Arte di lana in Siena hatte sich nämlich bei Sigismondo heftig darüber beklagt, daß dieser den Tolfa-Alaun in Siena zu 16½ Dukaten pro Cantaro verkaufe, während ihre Kollegen in Florenz den Alaun zu 14 Dukaten erhielten! Agostino gab zu, daß dies stimme, relativierte das (nicht geheim zu haltende) „Privileg“ aber mit der für das Florentiner Territorium geltenden Klausel, durch welche die Florentiner gezwungen seien, keinen anderen als seinen Alaun zu beziehen. Offenbar um möglichem Aufruhr vorzubeugen, wollte Agostino seinen Landsleuten jedoch gestatten, seinen Alaun ebenfalls zu 14 Dukaten zu beziehen, allerdings mit der gleichen Klausel wie für Florenz.220 Bedenkt man, daß Agostino Chigi für den Alaun, den er Leonardo di Bartolomeo Bartolini seit 1509 für die Provence lieferte, nur noch durchschnittlich 1,07 Dukaten pro Cantaro ver220 The correspondence of Agostino Chigi, S. 206–209.

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langt hatte, und daß Leonardo di Zanobi seinen Alaun für Florenz zu dem gleichen Preis verlangte, erkennt man unschwer, daß die Medici und ihre zentralen Finanziers von ihren tuch- und wollverarbeitenden Landsleuten nur gut das Dreizehnfache ihres Einkaufspreises für den so dringend benötigten Alaun forderten – immerhin erwiesen sie sich damit wohltätiger als der Chigi gegenüber den seinigen. Die wiederum zwölfjährige Verlängerung von Chigis Pachtvertrag für die Alaunminen von Tolfa, die er vom Bartolini erhielt, muß man demnach so wie Chigis Darlehen, das er dem Bartolini wegen seiner Kosten für die „Krönungsfeier“ des neuen Medici-Papstes gab, als natürliche Folge voraufgegangener geheimer Verständigungen über diesen Alaunvertrag für Florenz ansehen. Es entzieht sich wie gesagt unserer Kenntnis, was damals im einzelnen zwischen den Beteiligten verabredet wurde; wir wissen allerdings mit Sicherheit, daß der engere Medici-Kreis die Kunst der Geheimhaltung meisterlich beherrschte und daß es wenige Monate später Leonardo Bartolini war, der über die Vergabe der begehrten Tolfa-Pacht zu bestimmen hatte. Seiner neuen Macht werden er, seine Mitstreiter und seine Patrone ein weiteres Privileg verdankt haben. Denn Agostino Chigi verknüpfte in seinem Brief vom 7. Mai 1514 das Florenz und Siena betreffende Eingeständnis mit der Aufforderung an seinen Bruder Sigismondo, er solle sich gleichermaßen um den Alaun der Ricasoli-Bank kümmern, für dessen Abbau und Verwertung in Neapel noch nicht die gewünschten Gesetze geschaffen worden seien und den man noch nicht dorthin exportieren könne, wohin man wolle. Da ganz gewiß niemand anderes als Leonardo di Zanobi Bartolini als verantwortlicher Bankier dieser Ricasoli-Bank anzusehen ist, hat er sich und den Medici 1513 offensichtlich im Gegenzug für die Verlängerung des Pachtvertrages für Tolfa das weitreichende Autonomierechte beinhaltende Pachtprivileg für den Alaun von Agnano zusichern lassen. Wie exklusiv aber schon im Herbst 1512, mit der neuen Medici-Regierung in Florenz, der von Chigis Alaunmonopol profitierende Kreis wurde, zeigen seine führenden Protagonisten eindringlich. Daß eine solche Alaunlieferung des monopolistischen Pächters ein großes Privileg darstellen konnte, vor allem bei einem für beide Parteien sehr attraktiven Preis, ist eine Seite dieser Medaille, auf welcher sich zudem die Macht des Bittenden zeigt, wenn er dem Gebenden noch die Bedingungen diktieren kann. Die andere Seite aber zeigt eine Exklusion, den Ausschluß der in diesem Zirkel nicht Gewollten. Agostino Chigi war ja in keiner Weise gehalten oder gar gezwungen, seinen Schatz anderen zur Verfügung zu stellen. Wie begehrt also generell sein Alaun war, erhellt aus einem Brief, den Giovanni di Jacopo Salviati am 23. Oktober 1512 offenbar an Gherardo Bartolini geschrieben hatte.221 Dieser 1490 geborene, dem geistlichen Stand angehörende und 1517 durch seinen Onkel zum Kardinal erhobene Sohn des Jacopo Salviati gehörte offenkundig nicht zum engeren Netzwerk, was er auch sofort betonte. Selbst wenn er mit dem Bartolini nicht jene Freundschaft und familiäre Verbundenheit gepflegt habe, die angemessen wäre, so habe er es doch nicht versäumt, diese im Geiste zu erfüllen, da er gewünscht habe, ihm 221 ABS, Lettere, mazzo III, 23.10.1512 (Giovanni di Jacopo Salviati in Florenz, vermutlich an

Gherardo Bartolini in Rom); zu Giovanni Salviati vgl. Hurtubise, Salviati, s.v.

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zu Gefallen zu sein. Da er vom Bartolini nun das Gleiche annehme, wolle er sich in Freundschaftsdiensten wie an einen Bruder an ihn wenden. Sein enger Freund Niccolò da Filicaia habe ihn, den Bartolini, doch ersucht, sich für ihn bei Agostino Chigi wegen einer bestimmten Lieferung von Alaun einzusetzen, was der Bartolini dem Filicaia versprochen habe.222 Nicht daß dieser nun an der Durchführung des Versprechens zweifle, doch weil ihm sehr an der Sache gelegen sei und weil er annehme, daß der Bartolini wegen seiner vielen Beschäftigungen noch nicht daran gedacht habe, habe der Filicaia ihn, Giovanni Salviati, gebeten, für ihn an den Bartolini zu schreiben. So bat der Salviati also den Bartolini eindringlich, er möge all seinen Einfluß bei Agostino Chigi für seinen Freund geltend machen, damit der Filicaia den Alaun erhalte. Dies zu erlangen sei ja leicht für den Bartolini, da der Chigi bekanntermaßen großes Vertrauen zu ihm habe und da der verstorbene Leonardo di Bartolomeo Bartolini (la buona memoria di Lionardo vostro) ihm versprochen habe, daß seine, Filicaias, Wünsche erfüllt würden, wie es bislang schon des öfteren geschehen sei. Die Schwierigkeit bestehe für bestimmte Alaunmengen jetzt ja nur darin, daß so wenige Ballen Alaun in Pisa verkauft worden seien, von denen Niccolò nicht gewußt habe, daß sie in die Provence transportiert wurden. Selbst ein Sohn des mächtigen Jacopo Salviati und Neffe des Medici-Kardinals mußte bei Gherardo Bartolini zum Bittsteller werden, um seinen Freund von dem wertvollen, begehrten Mineralsalz Alaun profitieren zu lassen. Mit Nachdruck ist also die Exklusivität des Kreises hervorzuheben, der an Leonardo Bartolinis visionärem Großprojekt beteiligt war. Nur ganz wenige Personen waren eingeweiht; sie beachteten dabei größte Geheimhaltung. Daß es neben den Bartolini-Brüdern gerade ihr Schwager Lanfredino Lanfredini, dessen Intimus Jacopo Salviati sowie der (u. a.) mit Lanfredini verwandte, von Beginn an im engsten Zirkel zu erkennende Lorenzo Pucci waren, die Leonardo di Zanobi Bartolini namentlich nannte, will uns als mehr erscheinen als eine Bestätigung bisheriger Erkenntnisse. Sie alle, selbst der für Rom und die Kurie unverzichtbare, einflußreiche Pucci (über seine offenkundige Beteiligung an der römischen Bini-Bank und über seine Verbindungen zum Lanfredini), gehörten zu einem vielfältig miteinander verzahnten Geschäftsimperium, welches das Erbe der Medici222 Niccolò da Filicaia stammte aus einer den Medici nahestehenden Familie. Sein Vater Averardo

di Alessandro da Filicaia, der im Oktober 1495 zusammen mit dem Medici-Mitarbeiter Francesco Cegia als Zeuge bei einer Amtshandlung der Syndizi auftrat, wurde gleich nach der Rückkehr der Medici mit einem hohen Amt betraut, während sein Sohn Niccolò im August 1527 nach erneutem Sturz der Medici zusammen mit Onofrio Bartolini, Erzbischof von Pisa und Sohn von Leonardo di Zanobi Bartolini, von den damaligen Medici-Feinden als geflüchteter Rebell in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde; vgl. Le collezioni medicee nel 1495, S. 95; Cerretani, Ricordi, S. 292, 298; Stephens, Fall, S. 250. Zu Onofrio di Leonardo Bartolini vgl. hier auch Lingohr, Palastbau, S. 53. Im Mai 1501 z. B. setzte Bartolomeo Panciatichi in Venedig Leonardo da Filicaia und Raffaello Bartolini (vermutlich ein Sohn von Giovanbattista di Niccolò Bartolini) als seine Prokuratoren ein, die beide sicherlich ebenso zum Mediceer-Kreis gehörten; ABS, Inventario delle pergamene I, 2, atten. alla famiglia, 27.5.1501. Die Familie Da Filicaia gehörte zu den auch zwischen 1495 und 1512 politisch führenden Familien in Florenz; vgl. etwa Pesman Cooper, Florentine Ruling Group, S. 172, 180f.; Stephens, Fall, S. 9, Anm. 2.

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Gesellschaft übernommen und bewahrt hatte, ohne die eigenen Geschäfte zu vernachlässigen. Lanfredino Lanfredini, der ja in jenen Tagen schon das lombardische Benefizienproblem für seine Schwäger mit dem Bartolini und dem Medici-Kardinal löste, mußte natürlich in dieses Alaunvorhaben Leonardo di Zanobis eingeweiht sein und seinem Schwager Gherardo zu einer Beteiligung raten, weil er nicht nur verwandtschaftlich, sondern auch geschäftlich fest mit den Bartolini verbunden war. Überdies hatten wir für die Medici-Erben-Bank wie auch, vor allem bezogen auf Gianbattista Bracci, für die Lanfredini-Bank wiederholt eine starke Involvierung in den Alaunhandel feststellen können. Doch so floß seit vielen Jahren das Geld, in einem ganz engen Zirkel miteinander verflochtener Mediceer-Firmen. Diese Lanfredini-Bank finanzierte nun aber zugleich die Medici, so wie all diese Bankiers sich intensiv nicht nur mit dem Medici-TornabuoniErbe, sondern auch mit der Geldversorgung der Medici und des Florentiner Staates befaßten. Eben dies, bereits exemplifiziert an der Bezahlung der teuren spanischen Truppen, war genau damals im November 1512 die Hauptsorge von Jacopo Salviati, Lanfredino Lanfredini und Giovanbattista Bracci, die zudem (jedenfalls namentlich die beiden ersten) die größten privaten Gläubiger des Staates waren. Sollte das Alaunmonopol für den neuen Florentiner Staat demnach nicht auf eben dieser Ebene zu verorten sein, zumal es außer den Medici-Finanziers auch bzw. in erster Linie den Patronen selbst diente? Mir scheint dies eine rhetorische Frage zu sein. Warum sonst hatte Leonardo di Zanobi Bartolini sein visionäres Großprojekt in allen Einzelheiten mit Lanfredino Lanfredini besprochen, der davon höchst angetan war? Der Alaun bildete eines der wichtigsten Mittel, um ihre Kassen rasch und sicher zu füllen, wobei wir private und öffentliche Zwecke kaum voneinander trennen können. (Allein die zunächst veranschlagten 3.000 Cantari hätten den Mediceern bei den genannten Einkaufs- und Verkaufspreisen einen Profit von gut 38.800 Dukaten gebracht!) Innerhalb dieses engen Zirkels brauchte man nur wenige Worte, um sich über Fortschritte bei den gemeinsamen geschäftlichen Projekten zu informieren, da es zwischen diesen Bankiers eine dichte, uns leider weitgehend verschlossene Kommunikation gab. So verständigte sich Leonardo di Zanobi Bartolini am 30. März 1513 mit Lanfredino noch vor den drängenden politischen Fragen über ihre, die Lanfredini-Bank betreffenden ‚Sachen und anderen Geschäfte‘, wegen derer er an die compagnia und an Giovanbattista Bracci geschrieben habe, und die ihm hoffentlich mit Gottes und Papst Leos Hilfe nicht nur Ehre, sondern auch Nutzen bringen würden, und die er im baldigen persönlichen Gespräch mit Lanfredino zum Abschluß bringen könne, wenn dieser nur rasch in Florenz die notwendigen Maßnahmen anordnen werde.223 Ganz analog informierte Jacopo Salviati ‚seinen‘ Lanfredino kurz nach der Papstwahl am 9. Mai aus Rom, man finde beim Alaun einige Tausende an Fiorini mehr (an Einnahmen), als in den Büchern stünden; und durch den Verkauf der scale, die allesamt zu veräußern seien, könnte man einen Gewinn von

223 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 2 (30.3.1513, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino

Lanfredini in Florenz).

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15.000 Dukaten machen.224 (Aufgrund dieses Verkaufsrechts konnten mit den scale nur die verschiedenen Verladeplätze für Alaun in Häfen wie z. B. Civitavecchia gemeint sein, die im Machtbereich des Papstes und eventuell des Florentiner Staates lagen.) Wenn zudem noch die Alaungruben von Cartagena in ihre Verfügung kämen, worauf man ‚uns‘(!) ziemlich Hoffnung gemacht habe, würde man nochmals 30.000 Dukaten Einnahmen erzielen. Er glaube indes, der Papst werde sie Agostino Chigi geben, um sich der Mühen zu entlasten. Aber für den Juli 1513 ist bezeugt, daß die Gualterotti in Brügge von der Bartolini-Bank auch Alaun aus Spanien erhielten!225 Obwohl Jacopo Salviati noch Mitte März Leonardo di Zanobi Bartolini gesagt hatte, er wolle die neue Pacht der päpstlichen Alaunminen nicht übernehmen, überlegte er demnach nun wohl doch im Mai 1513 – offenbar kurz vor der Vertragsverlängerung mit Chigi – ernsthaft, sie zu pachten und sie sogar um solche in Spanien zu erweitern; ganz konkret hatte er bereits die aus dem Alaun zu erzielenden Gewinnmöglichkeiten eruiert, die höher lagen als bislang schriftlich fixiert war. Diese Pläne konnte er nur mit Leonardo Bartolini geschmiedet haben und mit seinen Freunden und Partnern um Lanfredino Lanfredini, wobei alle Überlegungen über die Vor- und Nachteile so wie im November 1512 mit Giovanni de’ Medici abgesprochen worden sein müssen. Deshalb sah er die Profite als gemeinsame an, sprach in der Wir-Form über sie, weil von den Verdiensten alle aus diesem kleinen Kreis von Medici-Bankiers betroffen waren; und auf der Ausgabenseite sprach er nicht anders von ‚ihren‘ finanziellen Verpflichtungen, etwa gegenüber den Spaniern, die nach falschen, von Jacopo energisch zurückgewiesenen Gerüchten gerade in jenen Tagen nochmals 25– oder 30.000 Dukaten erhalten haben sollten.226 So wie die immensen Kosten für die possesso-Feier ihres zum Papst aufgestiegenen Medici-Patrons hatten sie diese Kosten zu tragen, wenn auch vorerst als Darlehen. Es war nichts anderes als kluger kaufmännischer Geist, wenn sie sich in gleicher Weise um entsprechende Einnahmen kümmerten. Zu diesen gehörte dann die Steuer des Zehnten auf die Güter der Geistlichkeit, die Jacopo Salviati schon Anfang November 1512 für Florenz und die Medici von Julius II. begehrt hatte, die nun aber im Mai 1513 Leo X. auch gegen Widerstände ‚entweder mit Liebe oder mit Gewalt‘ durchzusetzen entschlossen war, wenngleich er aus taktischen Gründen erst einmal zwei bis drei Monate nichts davon verlauten lassen wollte.227

224 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 17 (9.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in

Florenz). 225 ABS 204, c. 103. 226 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 222 (13.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini; der

Brief wurde in der BNCF irrig auf 1512 datiert). 227 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 226; Ms. II. V. 22, c. 10 (5.11.1512, 21.4.1513, Jacopo Salviati aus

Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz). Zur späteren Erhebung der decima in Florenz vgl. Butters, Governors, s.v.

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c) Das Pandolfini-Finanzgeschäft Ein ganz besonderes Problem unter den vielen, die Leonardo di Bartolomeo Bartolini seinen Brüdern und damit ebenso Lanfredino Lanfredini überlassen hatte, bildete ein Finanzgeschäft, das er mit Giovanni Pandolfini abgeschlossen hatte. In seinem Geschäftsnachlaß stellt es das am schwersten zu rekonstruierende dar, weil alle Beteiligten immer nur einige Aspekte des gesamten Abkommens namhaft machten. Es ist zugleich aber eines der instruktivsten Projekte, weil es von der Medici-Spitze ausging und nur aufgrund der einzigartigen Finanzmacht und -raffinesse des Leonardo di Bartolomeo möglich war. Es hat also einen wichtigen exemplarischen Charakter und ist deshalb zu thematisieren. Ausgangspunkt ist ein Finanzakt Kardinal Giovanni de’ Medicis. Am 18. Juli 1510 transferierte er eine stattliche Pension von 2.000 Kammerdukaten, die er jährlich von der Kongregation des Vallombrosanerordens erhielt, durch einen Verkauf für einige Jahre an Giovanni Pandolfini und behielt sich das Recht vor, die Bank zu bestimmen, bei welcher die Pension einzugehen habe. Der Pandolfini wiederum überließ mit dem gleichen Rechtsakt diese Pension mit einem Verkaufstitel ohne Nachteile Leonardo di Bartolomeo Bartolini und dessen Erben.228 Auffallend ist, daß Leonardo di Bartolomeo Bartolini zur gleichen Zeit, d. h. vom 1. Juni 1510 bis zum 31. Mai 1511, über seine Mailänder Filiale seinem besten Kunden Federico Sanseverino monatlich 800 Dukaten zahlte, indem er dieses Geld an die Gesellschaft des Giovanni Pandolfini in Rom anwies, die für diesen Dienst die erstaunlich hohe Provision von 1.200 Dukaten erhielt.229 (Genau in dieser Zeit hatte der Sanseverino als Interessenwahrer des französischen Königs im Brennpunkt des kulminierenden Konfliktes zwischen Ludwig XII. und Julius II. gestanden, der den Sanseverino zu einem der größten Feinde des Papstes werden ließ.) Ob beide Finanzakte miteinander in Verbindung standen, ist nicht klar zu beantworten. Obwohl Sanseverinos Gesamtschuld von 10.800 Kammerdukaten schon Ende Mai 1511 feststand, mußte sie noch 1513 Leonardos Erben bzw. der Filiale in Mailand gutgeschrieben werden. Mindestens ebenso lange lief jedoch das Geschäft mit der Medici-Pension, allerdings kontinuierlich und nicht ohne Schwierigkeiten. In diesem Kontext liefert uns der bereits ausführlich analysierte Brief des Leonardo di Zanobi Bartolini vom 18. Dezember 1511 an Giulio de’ Medici wichtige Informationen.230 Für seinen Patron Giovanni de’ Medici, der seit einigen Wochen in der Romagna als päpstlicher Legat Bologna erobern sollte, hatte Leonardo eine Aufgabe zu meistern, die nur mit jener Vallombrosaner-Pension zusammenhängen kann. Leonardo berichtete Giulio de’ Medici, er habe vernommen, daß der Pandolfini in Florenz eine cessio (hier als Abtretung im Rahmen des Benefizialrechts) angemeldet habe, die der Kardinal Giovanni de’ Medici gegenüber dem General des Vallombrosanerordens für ihn, Pandolfini, bzw. 228 ABS, Inventario delle pergamene I, bolle 2, 18.7.1510. 229 ABS 202, c. 5; 204, c. 2; vgl. hierzu auch oben S. 904f. 230 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 185r–186v (18.12.1511, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom

an Giulio de’ Medici).

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zu seinen Gunsten vorgenommen habe. Dabei gab es jedoch offenkundig Probleme für die Medici-Partei – und Leonardo di Zanobi Bartolini nahm sie erfolgreich in die Hand. (Tatsächlich gehörte der General der Vallombrosaner Biagio Milanesi zu den lebenslangen, erklärten Feinden Giovanni de’ Medicis; als dieser 1512 die Macht in Florenz zurückerlangt, wird jener für seine Feindschaft mit seinem persönlichen Ruin und Exil zahlen.231) Leonardo begab sich in Rom zu dem einflußreichen Kurialen Gismondo da Prato und zeigte ihm die contraciedola des Giovanni Pandolfini, der sie dem kompetenteren Bartolini gegeben hatte, und deren authentifizierte Kopie Leonardo den Medici mit seinem letzten Brief zugeschickt hatte. Offenkundig hatte jedoch die Gegenseite jene Abtretung zu ihren Gunsten instrumentalisieren können oder wollen. Denn Gismondo – der damals als ein Sekretär des Papstes wirkte und zur Genehmigung von Bullen befugt gewesen sein muß232 – habe ihm daraufhin den Rat gegeben, eine Nichtigkeitserklärung jener cessio zu beantragen, und schon diesen Morgen werde sie nach Ansicht Leonardos in der Apostolischen Signatur signiert, also angenommen werden. Als nächsten Schritt werde er, Leonardo, im Namen des Kardinals Giovanni de’ Medici – als dessen Prokurator der Bartolini also handeln durfte! – eine Unterlassungsanordnung erstellen lassen und werde mit ihr dem General und der Kongregation die Ausführung der cessio untersagen, damit Giovanni de’ Medici wieder Herr des Seinen werde und darüber verfügen könne. Giulio de’ Medici solle also Giovanni berichten, daß Leonardo die Sache zu einem guten Ende geführt habe. Giovanni Pandolfini habe daher jetzt ohne weitere Rücksichten ‚die Hunde ausgesucht‘ (ha sciolto i cani), und wenn nichts fehle, werde troia, also Giannozzo Pandolfini, der Bischof von Troia, die Einigung aushandeln. Giulio solle ferner Giovanni de’ Medici erinnern, daß er wegen der mit Giovanni Pandolfini zu machenden Sachen niemandem gefällig sei oder etwas verspreche, denn die Dinge verliefen nun in einer Weise, daß er (Pandolfini) jene gewünschte Bequemlichkeit erlangt habe und nun einem Freund eine Freude machen könne. Und er, Leonardo, werde, wenn die Medici es wünschten, ihnen die Konten zusenden, damit sie sehen könnten, wie der Medici-Kardinal mit ihm (Pandolfini) stehe. Hervorzuheben ist außer der Handlungsvollmacht, die Leonardo di Zanobi Bartolini bei diesem recht undurchsichtigen, nur den Eingeweihten wirklich verständlichen Teilakt besaß, vor allem sein entschlossenes Handeln auf eigene Initiative, die uns zeigt, daß er als Bankier und „Manager“ der Medici ebenfalls in die VallombrosanerSache involviert war. (Aufgrund dieses Zeugnisses dürfen wir schließen, daß Leonardo Bartolinis Status als Generalprokurator und Verhandlungsführer des Kardinals Giovanni de’ Medici, der expressis verbis durch sein überliefertes, am 16. September 1512 ange231 Rogers Mariotti, Selections, S. 120. 232 Bernardo Dovizi da Bibbiena hatte Anfang Oktober mit messer Gismondo secretario zu tun, der

die von Bibbiena für die Abzeichnung einer Bulle als angemessenen Preis angebotenen 2 Dukaten nur mit grummelndem Widerwillen akzeptierte, da er für die Unterzeichnung der betreffenden Bulle normalerweise 10 Dukaten verlange; Moncallero, Epistolario I, S. 277. Bei Hofmann, Forschungen, ist Gismondo weder unter diesem Namen noch einer anderen Namensform verzeichnet; bei Frenz, Kanzlei, ebensowenig (der S. 339, Nr. 844, genannte Genesius de Prato war in der fraglichen Zeit nur Skriptor, ab März 1512 jedoch Abbreviator).

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legtes Haushaltsbuch bezeugt ist, schon Ende 1511 bestand und offenbar spätestens mit Beginn der Legation Giovannis am 1. Oktober 1511 durch diesen erteilt wurde.233) Ein weiteres Fenster öffnet sich nun, als Gherardo Bartolini in Rom den Nachlaß seines Bruders zu regeln hatte. Die Gespräche mit Giovanni Pandolfini nahmen ihn fast genauso in Anspruch wie die mit Chigi, doch während diese für alle Beteiligten von großer Offenheit geprägt waren, waren jene mit Pandolfini von einer grundlegenden Intransparenz geprägt. Denn hinter den Erben Leonardos stand einmal mehr Lanfredino Lanfredini, aber in diesem Fall durfte dies selbst ein Giovanni Pandolfini nicht wissen. So schrieb Lanfredino am 6. November 1512 wegen Gherardos Unterredung mit Pandolfini, Gherardo solle diesem demonstrieren, daß er von Lanfredino in keinerlei Hinsicht einen Auftrag oder Befehl erhalten habe und daß Lanfredino jene Einigung (compositio) akzeptiere, die Leonardo di Bartolomeo zuletzt mit dem Pandolfini erzielt habe.234 Gherardo wisse, wenn für Lanfredino nicht ein Grund auftreten sollte, der ihn daran hindern müßte, das Versprechen Leonardos zu bewahren, werde er, Lanfredino, nicht von dem abweichen, was Leonardo für ihn, Lanfredino, versprochen habe! (Ein sehr eindeutiges Zeugnis also, daß Leonardo [auch] bei dem Finanzgeschäft mit der Vallombrosaner-Pension für Lanfredino handelte!) Gherardo wisse aber ebenso, daß die Zeiten nicht mehr die gleichen seien wie damals bei Leonardos Übereinkunft mit Pandolfini; der Wandel der Zeit führe viele Dinge mit sich, die einen Wandel der Einstellung verursachen könnten. Doch Lanfredino wolle zu dem stehen, was vereinbart worden sei. Die Crux lag weniger in dem evidenten Spannungsverhältnis zwischen Lanfredini und Pandolfini (dem ersterer nicht mehr hinterherlaufen wollte, wenn er sich nicht selbst bemühe) als vielmehr in dem Risiko. Bei seiner Antwort auf Pandolfinis Anliegen nach einer Fortsetzung der alten Vereinbarung solle Gherardo betonen, daß er, Gherardo, nicht über jene qualità e conditione verfüge wie Leonardo di Bartolomeo sie besessen habe, der dem Ganzen la sua perfectione habe geben können! Wenn Gherardo jetzt freilich anfange zu versprechen und auf der Gegenseite eine cessione von jener Art habe, die Pandolfini für sich erhalten zu haben behaupte, dann lade er sich eine Last auf, die er nicht tragen könne. Dies könne und solle er nur übernehmen, wenn der Vallombrosanerorden seinerseits Versprechungen mache, die das mit den Leistungen für Pandolfini verbundene Risiko mindern würden. Denn im Augenblick gehe es für Gherardo und seine Brüder doch nur darum, das gesamte Erbe Leonardos al netto zu beschneiden und zu reduzieren! Und dafür brauche man Geduld und ziemlich viel Zeit. Die Brüder könnten jetzt nicht in Geschäfte anderer eintreten, vielmehr bedürften sie der Hilfe der ‚ihrigen‘. Nur wenn der Pandolfini von den Vallombrosanern das Versprechen erhalten könne, daß diese sich als Schuldner der Bartolini-Brüder erklärten und jene Summe zahlen würden, welche die Brüder an andere zu zahlen hätten, um diesen einen Vorteil (benefitio) zu verschaffen und ihnen zu helfen, wie dies bekanntlich die Intention Leonardos gewesen sei, dann könnten sie die Sache übernehmen! Gherardo könne dem Pandolfini schon die gute Nachricht mitteilen, 233 Vgl. ASF, Corp. Sopp. 100/88; s.o. S. 908, 914–927. 234 ABS, Lettere, mazzo III, 6.11.1512 (Lanfredino Lanfredini an Gherardo Bartolini).

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daß die Vallombrosaner auf Anordnung des Kardinals de’ Medici 1.000 Dukaten an Simone da Ricasoli (d. h. dessen Bank) gezahlt hätten! Er solle ihm auch sagen, daß er gehört habe, zum nächsten Weihnachten erfolge die andere Zahlung, so daß – falls Pandolfini es sich nicht anders überlege – Pandolfinis Kredit weiterlaufen würde. Dies sei das, was Lanfredino ihm zu dieser Materie zu antworten habe, doch müsse er Gherardo daran erinnern, daß zu dem Zeitpunkt, wenn die cessione dieses Kredites zu restituieren sei, Gherardo das zu befolgen habe, was Lanfredino ihm als ‚Erinnerung‘, d. h. Instruktion, mitgegeben habe. Klarer als durch diesen Wortlaut kann man kaum veranschaulichen, wer hier die Fäden zog. Instruktiv sind freilich auch andere Informationen. Die von Giovanni de’ Medici bestimmte Verrechnungsbank für seinen „Kredit“ an Giovanni Pandolfini war nicht dessen Bank, sondern die römische Ricasoli-Bank und somit eine von Leonardo di Zanobi Bartolini geführte mediceische Hausbank in Rom. Lanfredini war in dieses Geschäft so tief involviert, daß er genauestens über die Handlungen der Medici-Spitze informiert war, um dann Gherardo entsprechend informieren und vor allem instruieren zu können. Dieser und seine Brüder traten also nur in einem sehr mittelbaren Sinne das Erbe ihres Bruders Leonardo an. Doch Lanfredino hat uns überdies bestätigt, daß Leonardos komplexes Finanzmanöver mit dem Pensionskredit – der vom Medici an den Pandolfini, von diesem an den Bartolini und von Leonardo an unbekannte Freunde ging – durch sehr riskante Versprechen des Bartolini getragen wurde, die dieser letztendlich als Strohmann für Lanfredino aussprach! Gerade weil diese promesse so risikoreich waren, daß die Brüder sie ohne Absicherungen durch die Vallombrosaner nicht übernehmen konnten – selbst wenn der Lanfredini trotz der mutatione dei tempi zu seinem Wort stehen wollte –, kann Lanfredino hier (und generell) nur für seine Florentiner Bank gehandelt haben, die als gleichsam zentrale Mediceer-Bank demnach hinter dem ganzen Vorgang stand. Kardinal Giovanni de’ Medici war selbstverständlich in alles eingeweiht, nicht anders als (nach Aussage des Briefes von Leonardo di Zanobi aus dem Dezember 1511) Giulio de’ Medici. Wenn Lanfredino in gewohnt nebulöser Form davon sprach, daß Leonardo di Bartolomeo das ganze waghalsige Konstrukt nur auf sich genommen hatte, um aufgrund seiner Versprechen ‚anderen‘ mit dem Geld zu helfen, dann hatte also die Lanfredini-Bank über ihre Lyoner Tarnbank jenen ‚anderen‘ geholfen – ganz so, wie es seit 1482 auf die gleiche strukturelle Weise gehandhabt worden war. Es ist somit prinzipiell eine mehr als rhetorische Frage, wer jene ‚anderen‘ waren – konkret allerdings eine kaum zu beantwortende. Zu fragen bleibt jedoch, wieso Kardinal Giovanni de’ Medici seit 1510, als das Medici-Netzwerk durch die politische Konstellation einem ungemein starken Druck ausgesetzt war, eine ihm zustehende, hohe Pension verkaufte, um auf komplizierten klandestinen Kanälen davon zu profitieren? Der Hinweis Lanfredinos, die Zeiten hätten sich mittlerweile so geändert, daß der Pandolfini eigentlich nicht mehr so wie bisher von dem Kredit profitieren dürfte, verweist natürlich auf den Machtwechsel in Florenz und zeigt, daß die Heimlichkeiten, die vor dem September 1512 notwendig waren, um die Medici zu unterstützen, zu jenen Versprechungen und Risiken geführt haben mußten, deren Nutznießer

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der Pandolfini eigentlich nicht mehr sein dürfte. Das war ein sehr rationales, ökonomisches Denken Lanfredinis. Mit der Abtretung der Pension waren offenkundig sowohl für Giovanni Pandolfini als auch (aber mit einem höheren Risiko) für Leonardo di Bartolomeo Bartolini bzw. die Lanfredini-Bank Profitchancen verbunden, mit denen dann am Schluß bestimmten Personen oder Institutionen geholfen werden konnte, die zu den engen Freunden der Medici gezählt haben mußten oder aber sogar zur Familie gehörten. Die dem Pandolfini zugestandenen Konditionen mußten hingegen ursächlich an die politischen Verhältnisse in Florenz gebunden gewesen sein; als die Medici dort wieder regierten, besaßen sie eigentlich keine Grundlage mehr. Wie immer dies alles im einzelnen ausgesehen haben mag und so undurchsichtig es vermutlich bleiben wird, es beweist um so klarer, daß die Lanfredini-Bank auch vor dem September 1512 eine zentrale Funktion im Finanzsystem der Medici einnahm. Deshalb wandte sich Giovanni Bartolini wegen der ihm von Gherardo übermittelten Anliegen Pandolfinis nicht nur an seinen Schwager Lanfredino, sondern zugleich an Gianbattista Bracci, um die Sache zu besprechen!235 Der Pandolfini hingegen insistierte aus dem gleichen Grund – d. h. hier wegen seiner Abhängigkeit von der Lanfredini-Bank – bei Gherardo, er müsse unbedingt wissen, was nun Lanfredino davon halte. Etwas ungehalten antwortete Lanfredino am 13. November, denn er habe ja bereits trotz seiner anstrengenden Tätigkeit als Prior der Signoria einen langen Brief (am 6.11.) dazu geschrieben. Wie stehe er also zu den ‚Versprechungen‘, die der Pandolfini zuerst aus Leonardo, dann aus ihnen, den Erben, habe ‚ziehen‘ können. Erneut bestätige er seine Ansicht, sie könnten die Erwägungen negieren, die zur Vereinbarung zwischen Giovanni Pandolfini und Leonardo di Bartolomeo geführt hätten, doch sollten sie seinen Wunsch nach einem finanziellen Vorteil sehr dezidiert anerkennen. Allerdings sollten sie wissen, daß Leonardo keine anderen Verpflichtungen eingegangen sei als jene ihnen bekannten. (Lanfredino wußte darüber also besser Bescheid als die Brüder!) Bei allen Zugeständnissen an den Pandolfini und bei allen Unterredungen mit ihm solle Gherardo aber mit keinem Wort zeigen, daß er etwas auf Lanfredinos Befehl mache oder daß er sage, daß dieser die Einigung erneut ‚unterschreibe‘! Er solle erklären, daß er seit Lanfredinos Eintritt in den Palazzo della Signoria keinen Brief von diesem erhalten habe; er solle vor allem keine sachlichen Informationen oder Argumente geben, aus denen Pandolfini schließen könne, sie stammten aus einer Instruktion Lanfredinos! Diese nochmals betonte Forderung Lanfredinos hatte offensichtlich den Zweck, Pandolfini nicht die Gewißheit zu geben, daß seine finanziellen Wünsche durch die Lanfredini-Bank gedeckt, anerkannt seien. Denn es muß zwischen beiden zu einer gewissen Spannung gekommen sein, weil der Pandolfini einen durch die Exilssituation gewonnenen Vorteil allzu sehr zu seinen Gunsten und wenn nicht auf Kosten, so doch mit einer Distanzierung von Lanfredini ausnutzte. (Möglicherweise resultierte dieses Verhalten aus seinen finanziellen Schwierigkeiten, über die wir durch die Meldung der Venezianer über den Bankrott der 235 ABS, Lettere, mazzo I, 13.11.1512 (Giovanni Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini:

wegen der Pandolfini-Angelegenheit me ne rimetto a Lanfredino e a Gta). Dieser abgekürzte Vorname stand selbstredend für Giovanbattista Bracci.).

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Pandolfini-Gesellschaft Ende 1511 erfuhren.236) Er, Lanfredino, sei nicht der Ansicht, dem Pandolfini wie bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin hinterherlaufen zu müssen; wenn dieser etwas von ihm wolle, fehle es ihm nicht an Mitteln, sich verständlich zu machen. Denn da die Zeiten sich geändert hätten, habe er nicht mehr die gleiche Einstellung wie davor; nicht weil er dem Pandolfini das verweigern wolle, was er ihm versprochen habe, sondern weil er nicht jemandem hinterherlaufen wolle, dem er zu nichts verpflichtet sei! Dies bezog sich wesentlich auf die Versprechen, die Leonardo di Bartolomeo dem offenbar etwas zu gierigen Pandolfini gegeben hatte; die restriktivere Haltung resultierte aus der zentralen, leitenden Funktion der Lanfredini-Bank. Und so bestätigte Lanfredino seinem Schwager Gherardo am Schluß noch, daß er von der Lanfredini-Bank die Agostino Chigi geschuldete Summe erhalten werde, die man diesem nach Information der Lyoner Bartolini-Bank zu zahlen habe. Da er sich nicht gut fühle, möge Gherardo entschuldigen, daß er nicht weiter schreibe. Giovanni Bartolini bestätigte einige Tage später, daß ‚unserem‘ Lanfredino (offenbar aus Arbeitsüberlastung) immer noch so übel sei, daß er den Palazzo verlassen und am 21. November einen ganzen Tag zu Hause bleiben wolle.237

d) Leonardo di Bartolomeo Bartolini: Eine Würdigung Lanfredino Lanfredini war nicht der einzige, der sich im Dienst für ‚seine‘ Medici aufrieb. Auch von Leonardo di Zanobi Bartolini hörten wir, er sei aufgrund der großen Belastung erschöpft und frustriert. Sein Namensvetter, der am 9. November 1475 geborene Sohn des Bartolomeo, starb sogar kurz vor seinem siebenunddreißigsten Geburtstag. Ein genauer Krankheitsverlauf ist nicht überliefert, doch bedenkt man, wo er überall wirkte und welch gewaltige kaufmännischen Aufgaben er sich auflud, wird man seinen frühen Tod als Tribut an diese Lasten anzusehen haben. Wiederholte Ritte zwischen Florenz und Lyon, dann mehrmals von Lyon aus nach Rom, nach Mailand, Savoyen, nach Montpellier, Paris, Brügge und London stecken nicht nur einen enormen Radius ab. Leonardo scheint sich öfter außerhalb von Lyon aufgehalten zu haben als an dem Standort seiner Bank, denn aufgrund der Bedeutung, Komplexität und sicherlich auch der Geheimhaltung der wichtigsten Geschäftsbereiche wollte (oder mußte) er so viel wie möglich persönlich gestalten und zwar vor Ort. (Man fragt sich, wie ein einzelner dies alles bewältigen konnte.) Immer wieder ist aus den Quellen zu vernehmen, daß seine Mitarbeiter bestimmte Vorgänge nicht selbst bearbeiten konnten, weil Leonardo und kein anderer sich darum kümmerte, weil dieser und kein anderer alles dazu wußte. Man hat als Signum des Kaufmannsbankiers der Renaissance seine Seßhaftigkeit hervorgehoben, die Leitung seiner Gesellschaft vom zentralen Kontor aus, da er über Niederlassungen und Mitarbeiter verfügte, die er lenken konnte, so daß er nicht mehr selbst mit seinen Waren von Ort zu Ort reisen mußte. Dies mag in unserem Fall etwa für Gianbattista Bracci und Lanfredino Lanfredini gelten; 236 Sanuto, Diarii XIII, Sp. 349; vgl. oben S. 794. 237 ABS, Lettere, mazzo III, 20.11.1512 (Giovanni Bartolini aus Florenz an Gherardo Bartolini in

Rom).

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in Leonardo di Bartolomeo Bartolini sehen wir hingegen eine Fortentwicklung dieses Typs vor uns, der ein derart anspruchsvolles Geschäftsimperium aufbaute, daß dieses seine Präsenz an wichtigen Handelsplätzen und bei zentralen Entscheidungen und Verträgen erforderte. Er ist ein Prototyp des modernen, rastlosen Managers, dessen Kompetenz so hoch war, daß ein Delegieren wichtiger Aufgaben nicht mehr möglich war. Diesen exzeptionellen Status verdankte Leonardo sicherlich auch seinen Mentoren und Auftraggebern in der Florentiner Medici-Erben-, Bartolini- und Lanfredini-Bank, doch nicht primär. Es war vor allem, wie Lanfredino es treffend auf den Punkt brachte, seine qualità und conditione, also seine Persönlichkeit, sein außergewöhnliches Vermögen, die ihn zu einem der mächtigsten und eindrucksvollsten Kaufleute der Renaissance machten. Dieser der Forschung merkwürdigerweise bisher völlig entglittene Florentiner Kaufmann und Bankier baute ein wahres Geschäftsimperium auf, das von Konstantinopel über Italien, Spanien und Frankreich bis Flandern, England und noch bis nach Deutschland reichte, mit Schwerpunkten allerdings in der Lombardei, Savoyen und in Frankreich. Über den Raum hinaus ist die Vielfalt verblüffend, die alle Formen von Waren- und Wechselbrief-, Kredit- und Depositengeschäften ebenso wie Postdienste, Dienstleistungen bei Benefizienverleihungen und schließlich Benefizienpachten in einem bis dahin nie erreichten Umfang sowie nicht zuletzt den monopolistischen Alaunhandel mit seinen zahlreichen Gegengeschäften umfaßte – und das alles auf höchster europäischer Ebene und mit größter Intensität! Der heute noch in Rom durch seine und seiner Nachfahren Monumente präsente Agostino Chigi war primär durch seinen Alaun reich und berühmt geworden, aber eben auch mit Hilfe des Leonardo Bartolini und seiner Bank. Dieses besondere Bedingungsverhältnis zwischen Person und Geschäftsimperium hatte aber zugleich einen gewaltigen Nachteil: Ohne den Bartolini konnten komplexe, verschachtelte Geschäfte wie die Vallombrosaner-Pension des Medici-Kardinals oder die Pacht der Sanseverino-Benefizien in Oberitalien entweder nur unter neuen, einfacheren Konditionen oder nur unter großen Schwierigkeiten und mit Hilfe zahlreicher mächtiger Freunde fortgeführt werden (die genauso bei dem nicht ganz so problematischen Alaungeschäft zum Tragen kam). Wenn weniger die politischen Verwerfungen in Oberitalien als vielmehr sein Tod, seine plötzlich fehlende Autorität das komplizierte Verpachtungssystem der dortigen, hochrangigen Sanseverino-Benefizien zu einem paralytischen Zusammenbruch führte, dann kann man ermessen, welchen Eindruck allein seine Persönlichkeit auf seine Mitmenschen erzeugte. Er muß ein ähnlich dynamischer, zielstrebiger Mensch gewesen sein, wie man uns seinen Namensvetter Leonardo di Zanobi Bartolini geschildert hatte. Erhaltene Beileidsbriefe seiner Freunde vermitteln ein entsprechendes Bild. Nehmen wir als Beispiel für diese Qualität unseres Mediceers und zudem unserer Netzwerkbeziehungen einen Brief, den Bartolomeo Panciatichi am 28. November 1512 aus Lyon an seinen carissimo mio Gherardo Bartolini schrieb.238Wir hatten ihn ebenfalls schon im Umkreis der Bartolini erkannt, erfahren aber nun, wie eng er ihnen verbunden 238 ABS, Lettere, mazzo III, 28.11.1512 (Bartolomeo Panciatichi aus Ln. [Lyon] an Gherardo Bar-

tolini in Rom).

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war, wie homogen wiederum das Mediceer-Netz sich gestaltete. Gherardo hatte Bartolomeo am 28. Oktober aus Rom einen Brief nach Lyon geschrieben, für den sich dieser bedankte und über dessen Inhalt er sich sehr freute. Auf der anderen Seite mußte er Gherardo jedoch gestehen, daß er immer noch völlig erschüttert, voller Kummer (tutto tribulato) sei wegen der perdita grandissima del nostro Lionardo, che mai senti si intensamente alchun dispiacere quanto questo. Er bewertete also den Tod ‚unseres‘ Leonardo als einen immensen Verlust, der ihm eine noch nie erlebte Trauer bereitete. Zugleich erschien es Bartolomeo wichtig, auch Gherardo, seinen Brüdern und den übrigen ihrer Vertrauten die gleiche Verbundenheit zu erweisen, die zwischen ihm und Leonardo geherrscht habe. Sie sollten Vertrauen in ihn haben, er werde es ihnen mit Fakten bestätigen, und so werde er auf der Gegenseite vertrauensvoll ‚Sicherheit‘ (sichurta) von jedem von ihnen erhalten, wie von Leonardo, den er immer in seinem Geiste haben und dessen Gebeine und Angelegenheiten er immer lieben werde. Sie würden in Lyon weitere Freunde finden, von besserer Qualität als ihn. Außer ‚ihrem‘ Marco [di Damiano Bartolini?] sollte Gherardo namentlich ‚ihren‘ Lanfredino sowie Leonardo [di Zanobi] Bartolini von ihm grüßen. Mit all diesen war Bartolomeo Panciatichi demnach ebenfalls engstens verbunden. Er bestätigt somit, was wir in den Quellen oft nur partikular analysieren können, aus diesen Fundstükken aber glaubten verallgemeinern zu können; er bezeugt vor allem, welch tiefen Eindruck der verstorbene Leonardo di Bartolomeo Bartolini auf ihn hinterlassen hatte, der ihm zugleich Halt und Sicherheit gegeben hatte. Bartolomeo di Francesco Panciatichi (1468–1533), dessen Finanzhilfe für das neue Medici-Regime wir bereits ansprachen, war der Neffe jenes Giuliano Panciatichi, der den Mediceern 1495/96 beim Fälschen der Bilanz der römischen Medici-Bank und bei der Aufbewahrung der Juwelen geholfen hatte und dessen römische Bank von der LanfrediniGesellschaft übernommen wurde; er gehörte zu jener Familie, die dann wenig später wie ihre Anhänger in Pistoia als Medici-Freunde von den Salviati und Lanfredino Lanfredini unterstützt wurden.239 Er lebte und wirkte die meiste Zeit seines Lebens als Kaufmann und Bankier in Lyon, wo er den dortigen Knotenpunkt der Mediceer verstärkte. Im Januar 1502 zählte er zu jenen Florentiner Kaufleuten in Lyon, welche die am 1. Juli 1501 abgefaßten und am 30. Oktober 1501 von der Kapitänen der guelfischen Partei und den Konsuln des Meeres in Florenz approbierten capitoli della natione fiorentina abitante a Lione am 16. Januar 1502 im Haus ihres Konsuls Niccolò del Bene promulgierten.240 Aus dem Medici-Kreis waren damals auch Lorenzo Spinelli, Giovenco della Stufa, Francesco Panciatichi und Piero (di Marco) Bartolini anwesend; Leonardo di Bartolomeo Bartolini und sein Partner Bernardo de’ Rossi fehlten. 1511 erblicken wir Bartolomeo Panciatichi, wie er in Lyon am 2. Mai als dort lebender Florentiner Kaufmann dem Herzog Karl von Savoyen bzw. dessen Thesaurar 4.500 Scudi auri di sole sowie 500 Scudi di re als Darlehen gab.241 Bartolomeo übernahm also mit einer offensichtlichen Komplementärqualifikation 239 Vgl. Passerini, Famiglia Panciatichi, S. 66f. 240 BAV, Reg. lat. 1914, fol. 23r/v. 241 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 164, fol. 39r.

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eine Aufgabe, die in gewisser Exklusivität sein Freund Leonardo di Bartolomeo Bartolini ausgeübt hatte. Es kam daher nicht von ungefähr, daß Giuliano da Gagliano im Juni 1512 neben Cosimo Sassetti auch den sich damals in der Heimat aufhaltenden Bartolomeo Panciatichi als Paten für seine neugeborene Tochter Ginevra auswählte.242 Bemerkenswert ist nicht nur, wie es Leonardos Brüdern gelang, trotz aller Probleme dessen kaufmännisches, aber auch soziales Erbe zu übernehmen, obwohl sie nicht nur bei den Benefizienpachten, sondern auch bei dem opulenten Alaungeschäft durch seinen Tod im Oktober 1512 vor eine gewaltige Herausforderung gestellt wurden. Diese Brüder setzten ihre jeweiligen Kompetenzen in enger Absprache an unterschiedlichen Orten ein: Giovanni, der älteste (12.6.1472 geboren), meist in Florenz; Gherardo zunächst in Rom, dann aber auch in Mailand, wohin er am 24. Februar 1513 aus Florenz mit Lionardino di Damiano Bartolini, einem Notar und einem Diener – teils aus Sicherheitsgründen mit spanischer Eskorte und per poste – aufgebrochen war, um die Benefizienpächter zur Ordnung zu rufen243; Zanobi in Lyon (aber von März bis Mai 1513 zur Nachlaßregelung in Florenz und danach direkt bis September 1513 für die Gesellschaft in Flandern, wo er am 27.7. einen Vertrag mit den Gualterotti in Brügge abschloß244). Der junge Lorenzo hingegen ist am Anfang nicht selten an der Seite Giovanni de’ Medicis zu finden, um dann am 13. Oktober 1513 zusammen mit seinem Privatlehrer Gianpiero Machiavelli – einem Verwandten des im Hause Medici gemiedenen Niccolò! – und mit Battista Bartolini, dem Sohn von Leonardo di Zanobi, zu einem humanistischen Studium nach Paris zu reisen.245 Keiner von ihnen wollte und konnte Leonardos Erfahrung und vor allem seine persönlichen Verbindungen sowie seine Autorität ersetzen. Gemeinsam setzten sie seinen Erfolg jedoch fort, trugen dadurch und durch die Intensivierung ihrer Funktion als MediciBankiers und -Finanziers zum weiteren sozialen Aufstieg der Familie Bartolini bei – man denke nur an Gherardos Funktion als wichtigster Rat und als Schatzmeister des jungen Herzogs von Urbino, Lorenzo di Piero de’ Medici. Gherardo blieb den Medici als der am längsten lebende von Bartolomeos Söhnen bis in die Zeiten ihrer Herzogswürde engstens verbunden.246 Erstaunlich ist bei all dem das erkennbar harmonische Zusammenspiel der drei Brüder Giovanni, Gherardo und Zanobi, ihr Einsatz für die Benefizien ihres jüngsten Bruders Lorenzo sowie die engagierte, intensive Hilfe durch ihre Verwandten bzw. Freunde Leo242 ASP IV/5, c. 193 (ricordi). Da sich Bartolomeo krank in Careggi befand, vertrat ihn sein Bruder

Piero bei der Taufe. Am 11.4.1504 war hingegen Giuliano zusammen mit Bartolomeo Pate eines Sohnes von Ludovico Cavalcanti; ASP IV/6, c. 67v. 243 ABS 204, c. CVII (von Mailand aus ritt Gherardo dann auch nach Lyon; er kehrte über Mailand und Parma Anfang Juli 1513 nach Florenz zurück). 244 ABS 204, c. 101, CV (am 14.9.1512 erhielt Zanobi von seiner Lyoner Bartolini-Bank 80 Scudi für die Spesen, die für seine Reise mit 3 Pferden und teils per poste nach Flandern angefallen waren); ABS 266, c. 111, CXII, 150 (der in der Salviati-Bank tätige Lorenzo di Gianbattista Bracci hatte im März 1513 von der Borgherini-Bank Geld für Zanobi Bartolini erhalten). 245 Vgl. ABS 369 (Haushaltsbuch des Lorenzo Bartolini für sein Pariser Studium). 246 Vgl. hier nur die biographischen Skizzen bei Ildefonso di San Luigi, Delizie, S. 370–379; Cantagalli, Art. „Bartolini Salimbeni, Gherardo“.

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nardo di Zanobi Bartolini, Lanfredino Lanfredini, Carlo Ginori, Jacopo Salviati, Lorenzo Pucci, Agostino Chigi und nicht zuletzt durch die Medici selbst. Die Ursache für diesen alles andere als selbstverständlichen homogenen Zusammenhalt lag nicht nur in ihrer Freundschaft, sondern auch in der Tatsache, daß sie diese Schwierigkeiten als die ‚ihrigen‘, daß sie die Probleme der Freunde als die eigenen verstanden. Nur weil alle gegenseitig voneinander profitierten, konnten sie sich als eine große Familie verstehen – was innerfamiliäre Differenzen selbstverständlich nicht ausschloß. Bezeichnend für dieses enge Gefüge war zudem der ständige Informationsfluß über den Gesundheitszustand ‚ihres Magnifico‘, also Giuliano de’ Medicis, waren die Freudenäußerungen aller, wenn sich dessen Fieber wieder einmal gelegt hatte.

5. Die Medici zwischen Spanien und Frankreich: Von der Brüskierung neuer und der Umarmung alter Freunde Das heiß ersehnte und mit großen Opfern erkämpfte Ende ihres Exils mußte für die Medici einen bitteren Beigeschmack gehabt haben. Jener Mann, der wie kein anderer ihre Sache zu seiner gemacht hatte, der sich wohl mehr als jeder andere, nicht zur engeren Verwandtschaft oder Klientel gehörende Freund mit ihren Zielen identifiziert hatte, der Kardinal Federico Sanseverino konnte weder ihre Rückkehr nach Florenz noch den Papat seines Freundes Giovanni de’ Medici feiern. Er, der sich Ende April 1497 nach der irrigen Meldung über Piero de’ Medicis Einritt in Florenz wie ein Verrückter in Rom gefreut hatte, dem man so wie Giovanni de’ Medici nach der richtigen Nachricht über den Rückzug Pieros aus boshafter Schadenfreude das Medici-Wappen mit schwarzen statt blauen Kugeln über das Eingangsportal seines Hauses genagelt hatte, der über so viele Jahre mit den Medici gelitten und immer wieder gehofft hatte, der schließlich Giovanni im Frühsommer 1512 die „Flucht“ aus der französischen „Gefangenschaft“ und damit letztendlich die Rückkehr nach Florenz ermöglichte, Federico Sanseverino befand sich als politischer Feind des Papstes und als Schismatiker fernab der Freunde in Frankreich. Eine dramatische Geschichte hatte eine Wendung genommen, die von den Mediceern gewiß niemals prognostiziert, erst recht nicht erhofft worden war. Als Giovanni de’ Medici die Nachfolge von Julius II. antrat, ist aus der Dramatik ein Konflikt geworden, denn als der für die universale Kirche und ihre Interessen Verantwortliche standen seine persönlichen Bindungen plötzlich im Widerstreit, gar Widerspruch mit den ihm qua Amt auferlegten Verpflichtungen: Giovannis Freund, den er zurückwünschen mußte, war Feind des Papstes. Verschärft wurde dieser Interessenkonflikt durch die übergeordneten politischen Gegensätze. Der maßgebliche Gegner der schismatischen Franzosen und ihrer Kardinäle um Federico Sanseverino und Bernardino Carvajal waren die Spanier, die wichtigsten Verbündeten Julius’ II. in seiner Heiligen Liga, die den Medici mit ihrer militärischen Macht und grausamen Exempeln die Florentiner Stadttore geöffnet hatten.

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Doch entsprach der prinzipielle Interessenkonflikt auch den individuellen Handlungsentscheidungen? Ließ ein Papst Giovanni de’ Medici 1513 den Sanseverino und alle Franzosen tatsächlich wie einstmals nützliche, nun aber unbrauchbare Helfer fallen? Er benötigte sie ja nicht mehr; mehr noch: Sie waren immer noch Feinde der Kirche und seiner Alliierten, die mit mehr Problemen als Vorteilen erneut in das alte Mediceer-Netzwerk integriert werden mußten. Auf die Unterstützung und den Rat eines Leonardo di Zanobi Bartolini oder der Florentiner ‚Väter‘ um Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini, die zudem nicht allein Freunde, sondern Teil des neuen Systems waren, konnten die Medici nicht verzichten. Doch wie stand es um jene alten Freunde, die nicht mehr dazugehörten, oder jene neuen, die eigentlich nie zu den Freunden gezählt hatten – denn welche Spanier gehörten wirklich zu den Freunden der Medici oder gar zu ihrem Netzwerk? Wie würden sich die Medici also unter den neuen Bedingungen gegenüber ihren alten Freunden vom französischen Königshof und besonders zu Federico Sanseverino verhalten, die durch die politischen Zeitläufte auf der anderen Seite der Grenze standen, die Feinde jener Macht waren, der die Medici ihre Rückkehr zu verdanken hatten? Und welche Position würden nun diese Spanier bei den Medici einnehmen, zu deren Netzwerk sie nie gehört hatten, und deren Freundschaft mit Spanien erst nach dem politischen Allianzwechsel Julius’ II. begann und deshalb als politische zu relativieren, wenn überhaupt als solche und nicht vielmehr als Verpflichtung zu bezeichnen ist? Wie die Medici sich zu den neuen, pragmatisch gekürten Freunden stellten und vor allem ob und wie sie ihre alte Freundschaft mit Frankreich und dem Sanseverino weiter pflegten, von denen sie sich nur aus politischen Gründen distanzieren mußten, ist nicht nur eine spannende Frage für das Ende einer dramatischen Geschichte, sondern besonders instruktiv für die Struktur, um nicht zu sagen: den Charakter des Netzwerkes. Indem wir also einige problemorientierte Schlaglichter auf die Zeit nach dem Exil werfen, versuchen wir, dieses noch besser auszuleuchten und zu verstehen. Denn es spricht zudem einiges dafür, daß mit der wiedergewonnenen politischen Handlungsfreiheit offener bestätigt werden konnte, was vorher den meisten Zeitgenossen und oft genug auch dem Historiker verborgen bleiben mußte und sollte. Es ist überliefert, daß König Ludwig XII., nachdem er die Nachricht von der Wahl Giovanni de’ Medicis zum Nachfolger seines Feindes Julius II. erhalten hatte, geradezu euphorisch reagiert hatte. Keine andere Nachricht habe ihm größere Freude bereiten können. Wiederholt äußerte der König, Giovanni sei ganz nach seinem Geschmack, da er ein guter Mann sei; von jemand Gutem könne man nur Gutes erwarten.247 Die neuere Forschung hielt dem entgegen, daß Frankreich in dem Medici-Papst nicht ohne weiteres einen Freund auf dem Hl. Stuhl hätte sehen dürfen, habe es doch dazu beigetragen, ihn und seine Familie 1494 aus Florenz und von der Macht zu vertreiben, habe es Giovanni doch sogar nach der Schlacht von Ravenna für einige Monate in Gefangenschaft gehalten.248 Es sollte durch die bisherigen Analysen und Erörterungen deutlich geworden sein, daß 247 Vgl. Baumgartner, Louis XII, S. 227. 248 Baumgartner, Louis XII, S. 227. Diese beiden Punkte sind freilich von vielen Forschern vor und

auch noch nach Baumgartner in der gleichen Weise betont worden.

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genau diese vermeintlichen Ursachen für ein tiefes Ressentiment des Medici gegenüber Frankreich nicht zutrafen. Piero de’ Medici war von seinen Florentiner Feinden vertrieben worden, nicht von Frankreich bzw. Karl VIII. Mit diesem hatte sich Piero bereits vor dem November 1494 geeinigt. Frankreich hatte danach im Gegenteil von Beginn an und immer wieder die Restitution der Medici gefordert, konnte freilich eine militärische Rückeroberung aus Rücksicht auf den Florentiner Staat als seinen wichtigsten Verbündeten in Italien nicht aktiv unterstützen. Gleichwohl standen Frankreichs Regenten, vor allem unter der Ägide Ludwigs XII. bzw. des mächtigen Georges d’Amboise, nicht an, die medicifeindliche Florentiner Regierung ein ums andere Mal mit finanziellen Forderungen zu düpieren und ihre Gesandten vorzuführen. Nicht zuletzt über seinen zentralen Sachwalter an der Kurie, den Kardinal Federico Sanseverino, beteiligte sich Frankreich freilich indirekt an den Rückeroberungsversuchen der Medici, indem es die Medici-Verbündeten unterstützte und in der Spätphase des Exils in maßgeblicher Weise den Konflikt seines Alliierten Florenz mit Julius II. verschärfte. Daß der Sanseverino und Giovanni de’ Medici sich dann bei der Schlacht von Ravenna als Gegner gegenüberstanden, weil der radikale Allianzwechsel Julius’ II. sie auf gegnerische Seiten warf, bedeutete weder das Ende ihrer Freundschaft noch eine Aufgabe ihres gemeinsamen Ziels der Medici-Restitution in Florenz. Dem Della Rovere-Papst mußte der Medici folgen, um die seit längerem aktuelle Option einer effektiven päpstlichen Hilfe für die Medici nicht zu verlieren. Die ehrwahrende Gefangenschaft, die Giovanni geradezu suchte, verlief dank der Interventionen des für ihn verantwortlichen Sanseverino alles andere als demütigend; sie schuf keine feindselige Spannung. Die ihm durch seinen Freund – wahrscheinlich mit Einverständnis Ludwigs XII. – ermöglichte „Flucht“ bewahrte die scheinbare Loyalität zu Julius II. und schuf endlich die Voraussetzung für die Rückeroberung von Florenz. Giovanni de’ Medici konnte seinem Freund und Frankreich dankbar sein. Als er jedoch in seinem Amt als Papst den Fall des Schismatikers Federico Sanseverino zu entscheiden hatte, durfte er nicht mehr allein auf frühere Bindungen, auf persönliche Freundschaften Rücksicht nehmen. Zu den Faktoren, die sein Handeln bestimmten, gehörte nun Spanien, eine Großmacht.

a) Die wundersame Rehabilitierung des Federico Sanseverino Von welchen wirklichen Gefühlen und Intentionen Giovanni de’ Medicis Verhältnis zu Frankreich nach seiner Papstwahl bestimmt war, läßt sich gerade auch durch sein Verhalten gegenüber Spanien erkennen. Daß die Spanier ihm und seiner Familie die erneute Macht in Florenz ermöglichten, stand für die Medici außer Frage. Die Medici-Spitze war sich vollauf bewußt, daß sie den Spaniern zu mehr als nur Dank verpflichtet war, da diese ihre Heimkehr bewirkt hatten. Giuliano de’ Medici formulierte diese Verpflichtung explizit mit dieser Konnotation Anfang Mai; Jacopo Salviati am gleichen Tag, als er Lanfredini u. a. von der Aussicht auf die Alaunmine von Cartagena berichtete, wobei er die interes-

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sante Information hinzufügte, die Spanier hätten Giovanni schon zum Papst erheben wollen, als Julius II. sich schwer krank in Bologna befunden habe.249 Eine konkrete Gegenleistung sollte in einem harten Vorgehen Leos X. gegen die schismatischen Kardinäle, insbesondere gegen Federico Sanseverino und dessen Freund Bernardino Carvajal, bestehen. Dieses Verhalten aber war eingebunden in die übergeordneten politischen Konstellationen. Frankreich, das schismatische Konzil immer noch stützend, war dem päpstlichen Laterankonzil nicht beigetreten und schickte sich im Frühjahr 1513 an, den Erfolg der Spanier, Venezianer und Schweizer bzw. den Verlust der Lombardei militärisch zu revidieren, Mailand wieder zurückzuerobern. Den schismatischen Kardinälen die Hand zu reichen, bedeutete in dieser Situation in den Augen der Spanier also nichts anderes als ein Bekenntnis zum französischen Feind. Oder, um es mit den allgemeingültigen Worten Jacopo Salviatis vom 9. Mai 1513 auszudrücken: Eine evidente Verständigung mit Frankreich würde in der Folge Italien ruinieren, denn dies könne nicht ohne eine manifeste Verletzung des Katholischen Königs (Ferdinand) erfolgen, auf den nicht wenig Rücksicht zu nehmen sei.250 Die Entscheidung über die Zukunft und die weitere Form der Freundschaft zwischen Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici war somit mehr als eine persönliche Angelegenheit; sie wirkte sich unmittelbar auf die nationale, gar europäische Politik aus. Was sich daher hinter dem Vorhang diplomatischer Rücksichtnahmen an tatsächlichen, konkreten Handlungen verbarg, dürfte auch die Zeitgenossen, wenn sie es gewußt hätten, verblüfft oder verärgert haben. Die Medici fanden erstaunliche Wege, ihre alten Freundschaften wieder zu vitalisieren; dabei halfen ihnen jene, die wir erst durch eine Berücksichtigung der wirtschaftshistorischen Quellen als zentrale Bestandteile ihres Netzwerkes erkennen konnten. Die Bartolini-Gesellschaft erlaubt uns auch hier durch ihre Rechnungsbücher unverfälschte Einblicke, die aus keiner anderen bisher bekannten Quelle zu erhalten sind. Der ganze, als solcher hochpolitische Vorgang ist weitgehend im Rahmen sachlicher Strukturierungen und nach Möglichkeit gemäß seinem chronologischen Ablauf zu verfolgen, welcher wiederum individuelle Dramatik und allgemeine Brisanz deutlich hervortreten läßt. Überaus merkwürdig war uns bereits erschienen, daß Giovanni de’ Medici schon bzw. noch Anfang 1513, während seines erneuten Aufenthaltes als Legat in der Romagna, mit dem in Frankreich lebenden schismatischen Kardinal Federico Sanseverino einen Vertrag über die Pacht der Abtei Morimondo abgeschlossen hatte, welcher dem Schismatiker weiterhin die Einnahmen dieser Abtei – die Julius II. dem Sanseverino entzogen und dem Medici übertragen hatte! – gegen eine künftige Zahlung von je 1.250 Kammerdukaten in den Jahren 1513 und 1514 sicherte, obwohl die Bartolini erst im Oktober 1514 die Freiga249 Vgl. BNCF, Ginori Conti 29/41, 9.5.1513 (Giuliano de’ Medici aus Rom an Ser Niccolò Mi-

chelozzi in Florenz: .... apparendo pure oblighi de la Sanctita di Nostro Signore con li spagnuoli per haversi operato a benefitio nostro nel’entrare in casa); BNCF, Ms. II. V. 22, c. 17 (9.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 250 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 17 (9.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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be Morimondos durch Massimiliano di Ludovico Sforza, den neuen Herzog von Schweizer Gnaden, erreichen konnten. Recht und Ehre des Hl. Stuhls wurden mit solchem Handeln nicht gestützt, der Schein jedoch geschickt gewahrt. Der eigentliche Schmied dieser Konstruktion aber wird Leonardo di Zanobi Bartolini als Prokurator und Handlungsbevollmächtigter Giovanni de’ Medicis gewesen sein, der ja zusammen mit Lanfredino Lanfredini schon im November 1512 gerade mit Blick auf Morimondo zugleich die Interessen der Erben des Leonardo di Bartolomeo Bartolini wahren wollte, wie er sich generell für das geschäftliche Erbe seines gleichnamigen Verwandten verantwortlich fühlte. Ohne eine gleichzeitige Verständigung mit dem in Frankreich lebenden Sanseverino war eine solche Regelung nicht möglich. Hier in Morimondo waren wie unter einem Brennglas die in einem Objekt gebündelten Interessen aller drei, der Bartolini, der Medici und des Sanseverino, gewahrt worden; und diese Abtei sollte dann nochmals vor dem anstehenden Konklave im Februar 1513 eine wichtige Rolle spielen. Doch zuvor ist erneut zu betonen, daß die außergewöhnliche Verbindung zwischen der Bartolini-Bank und Federico Sanseverino auch nach dessen Rückzug nach Frankreich niemals abbrach. Über die Lyoner Bartolini-Bank wird jede Verbindung des Medici und seines Prokurators Leonardo di Zanobi Bartolini zum Sanseverino vermittelt worden sein. Unbestechlicher Zeuge der hinter den Vorhängen politischer Klugheit betriebenen Handlungen sind erneut die Rechnungsbücher der Bartolini. In ihnen wird uns berichtet, daß die Lyoner Bartolini zum Beispiel spätestens seit dem 1. April 1512 Sanseverinos Sekretär Niccolò da Ceva, der für ihn am französischen Hof wirkte, monatlich über das Konto des Kardinals besoldeten, daß sie aber auch ihn selbst finanzierten, etwa am 15. Dezember 1512, als er am Hof Ludwigs XII. 300 Scudi di sole erhielt, die ihm Niccolò Alamanni aushändigte, der aus einer den Medici bekanntermaßen sehr nahestehenden Familie kam.251 (Noch Anfang November 1512 hatten sich Lanfredini, Bracci, Leonardo di Zanobi Bartolini und Giovanni Bartolini ja noch sehr distanziert gegenüber dem SanseverinoWunsch nach einer Finanzhilfe gezeigt, wie Giovanni in seinem Brief vom 6.11. erklärt hatte.) Die Bartolini standen mit dem Sanseverino in ständigem Kontakt; dieser aber verlief nicht nur zwischen Lyon und dem französischen Hof, sondern band in gleicher Weise die römische Kurie mit ein. Denn wie und warum sonst hätten sich die Lyoner Bartolini veranlaßt sehen sollen, den Kurier Piero di Borgo an den Königshof zu entsenden, um Federico Sanseverino über die schwere Krankheit seines Feindes Julius II. zu informieren?! Der Kurierlohn von 30 Scudi di sole ist für den 20. Februar 1513 zu Lasten des Sanseverino-Kontos verbucht worden.252 Da sich der seit längerem schlechte Zustand des Papstes seit dem 10. Februar dramatisch verschlechtert hatte, wird man Piero di Borgo einige Tage vor dem 20. an den Hof geschickt haben. Sofort nach Beendigung seiner Mission muß der Kurier sich wieder nach Lyon zu den Bartolini begeben haben, andernfalls hätten diese ihn nicht mit der Nachricht vom Tod des Papstes, der in der Nacht vom 251 ABS 202, c. 5, LXIII, 64, LXVII, 134, 184/CLXXXIIII, 234 (die Zahlungen an Niccolò da Ceva

sind vom 1.4.1512 bis zum 31.7.1516 kontinuierlich nachzuweisen). 252 ABS 202, c. 5.

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20. auf den 21. Februar erfolgte, umgehend erneut zum Sanseverino senden können. Offenkundig hatte sich der Kardinal bereits nach Erhalt der ersten Information über die schwere Krankheit von Julius auf den Weg zu einem in Kürze bevorstehenden Konklave gemacht, denn Piero di Borgo wurde beim zweiten Mal nicht mehr explizit in chorte geschickt, sondern al detto kardinale, und er bekam vor allem mit 16 Scudi di sole nur noch etwas mehr als die Hälfte des Lohnes, der bei der ersten Reise an den Hof angefallen war. Auch diesen Ausgabenposten schrieben sich die Bartolini für den 20. Februar auf ihre Haben- bzw. Sanseverinos Soll-Seite.253 Da der Kurier aus Rom, der den Tod des Papstes nach Lyon meldete, selbst in dieser Jahreszeit einen Stafettenritt in wenigen Tagen absolviert haben konnte – eine normale Kurierreise zwischen Rom und Amiens betrug in der Regel zwölf Tage254 –, kann der Sanseverino schon um den 24./25. Februar darüber informiert worden sein. Auf jeden Fall geschah dies auf dem Weg nach Lyon, von wo es dann Richtung Rom gehen sollte. Denn am 3. März 1513 erschien Federico Sanseverino persönlich in Lyon und erhielt von seiner Hausbank 1.000 Scudi di sole ausgezahlt. Bei der Verbuchung (zum 20. März) wurde auch der Zweck angegeben: a chausa potessi andare a Roma, damit er sich nach Rom begeben könne! Als Sicherheit für diese Summe stellte der Kardinal den Bartolini die Einkünfte des laufenden Jahres aus seinem Erzbistum Vienne zur Verfügung.255 Die Bartolini, d. h. Mediceer-Bankiers, setzten den Sanseverino also nicht nur – vermutlich auf seinen Wunsch – über den Gesundheitszustand des ihm feindlichen Papstes in Kenntnis, sie finanzierten ebenso die Reise eines immer noch schismatischen, exkommunizierten, all seiner kirchlichen Ämter enthobenen Kardinals zum Konklave nach Rom, an dessen Teilnahme Federico offenkundig nicht zweifelte! All diese Schritte Sanseverinos müssen sehr schnell und genau zu den Mediceern nach Rom gemeldet worden sein. Denn Leonardo di Zanobi Bartolini berichtete Lanfredino Lanfredini bereits am 9. März, daß die schismatischen Kardinäle mit den anderen Kardinälen vermutlich in Lyon seien.256 Merkwürdig, und zwar in vielerlei Hinsicht, ist in diesem Zusammenhang die bereits thematisierte Zahlung von 2.000 Fiorini durch die Bartolini-Gesellschaft an Kardinal Giovanni de’ Medici bzw. an dessen Prokurator Leonardo di Zanobi Bartolini, die eben am 20. Februar 1513 erfolgte und dem Medici vermutlich für das kommende Konklave dienen sollte. (Giovanni de’ Medici war am 24. Februar aus Florenz nach Rom zum Konklave aufgebrochen, das am 4. März begann.257) Doch es sind nicht nur das Datum und der Finanzier des Kredites, die uns etwas verstören, sondern vor allem die Absicherung des Darlehens. Giovanni de’ Medici wollte es ja bis Ende September 1514 aus den Einkünften der Abtei Morimondo zurückzahlen, die er zwar nominell besaß, an deren Ein253 ABS 202, c, 5. 254 Vgl. Minnich, Healing, S. 123 und Anm. 135 (mit Beispielen für Kurierreisen zwischen Rom

und dem Hof in Amiens vom September und Oktober 1513). 255 ABS 202, c. 5; 204, c. 1. 256 BNCF, Ms. II. V. 21, c. 237/238 (9.3.1512/13, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lan-

fredino Lanfredini in Florenz). 257 Cerretani, Ricordi, S. 300.

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nahmen er freilich nur partiell über seinen Vertrag mit Federico Sanseverino partizipierte, der ihm bis November 1513 eine Summe von 1.250 Kammerdukaten zu geben hatte und erst im November 1514 den Restbetrag in gleicher Höhe. Es spricht also einiges dafür, daß es in jenen Tagen des Lebensendes von Julius II. eine erneute Absprache zwischen dem Medici und dem Sanseverino gegeben hatte, die wiederum über die Bartolini in Rom wie Lyon und über den Lanfredini in Florenz verlief und die möglicherweise sogar dazu dienen sollte, die Chancen des Medici im Konklave zu fördern. Vermutlich befanden sich Sanseverinos Freund Bernardino Carvajal und der nun nach Rom entsandte französische Botschafter, der Piemontese Louis de Forbin, bereits in Lyon an seiner Seite, da sie sich kurz darauf in Marseille gemeinsam einschifften.258 Doch als sie in Livorno eintrafen, um nach Rom weiterzureisen, hörten sie dort bereits von der am 9. März erfolgten Wahl Giovanni de’ Medicis zum neuen Papst. Auf dieser Reise, und augenscheinlich kurz nach seiner Ankunft auf italienischem Boden, versuchte Federico Sanseverino, die Medici auf eine außergewöhnliche Weise auszuzeichnen und (mit neuer Kraft) an seine und Frankreichs Seite zu führen. Aus habsburgischer Quelle, die sich auf abgefangene Briefe stützen konnte und somit sehr zuverlässig ist, verlautet, Federico Sanseverino habe im März 1513 auf seinem Weg zum Konklave in Rom zusammen mit Carvajal Anstrengungen bei Ludwig XII. unternommen, Giuliano de’ Medici in den elitären französischen Michaelsorden aufnehmen zu lassen.259 Damit wäre nicht nur eine jährliche Pension des Königs für den Medici verbunden gewesen, sondern auch dessen eidliche Verpflichtung, stets aktiv und kämpferisch für die Belange des Königs einzutreten. Zu jener Zeit gab es nur wenige Italiener, denen diese Ehre zuteil geworden war: Federicos Brüder Galeazzo und Giulio Sanseverino, Francesco Gonzaga, Markgraf von Mantua und Verwandter der Sanseverino, Giulianos Verwandter Giangiordano Orsini, Ludwig II., Markgraf von Saluzzo, sowie vier frankophile Barone aus dem Königreich Neapel, Berardino Sanseverino als Fürst von Bisignano, Troiano Caracciolo als Prinz von Melfi, Andrea Matteo d’Acquaviva als Herzog von Atri und Giovanni Tommaso Carafa als Prinz von Maddaloni, während der ebenfalls aus dem Regno di Napoli stammende Alberigo Carafa, Herzog von Ariano, nach nur gut einem Jahr Zugehörigkeit zum Orden 1504 gestorben war, wie ja auch Cesare Borgia nicht mehr zu den lebenden Ordensrittern zählte.260 Die mit der Ordenszugehörigkeit verbundene Loyalität war alles andere als ein Lippenbekenntnis. Als Giangiordanos Schwiegervater und Lehnsherr, Papst Julius II., zum erbitterten Feind der Franzosen wurde, befand sich der Orsini in einem fundamentalen Loyalitätskonflikt. Doch gibt es Zeugnisse, daß er sich unter Berufung auf die Zugehörigkeit zum Michaelsorden der geforderten Teilnahme an den Kämpfen gegen Ludwig XII. 258 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1116f. (XI/8); Minnich, Healing, S. 115. 259 Lettres du roy Louis XII, vol. IV, S. 105 (Jakob von Banissis an Margarethe von Österreich,

15.4.1513). 260 Giantommaso Carafa, Conte di Maddaloni, und Alberigo Carafa, Duca di Ariano, wurden im

Frühjahr 1503 in den Michaelsorden aufgenommen; vgl. Courteault, Dossier, S. 200–202, Nr. 51, 52.

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entzog. Noch im April 1512, nach der Niederlage von Ravenna, weigerte er sich explizit als Ritter des Michaelsordens, in päpstlichen Sold zu treten, überließ seinem Schwiegervater dafür aber seine Territorien.261 Eine analoge Loyalität unter geradezu extremen Pressionen bewiesen jene vier „angiovinischen“ Prinzen des Königreichs Neapel, die Ludwig XII. in den Michaelsorden aufgenommen hatte. Im August 1510 beriefen sie sich auf ihre Zugehörigkeit zum Orden, um sich ihren Verpflichtungen zur Heerfolge gegen Frankreich zu entziehen. Sie begaben sich persönlich zum spanischen Vizekönig von Neapel, um ihm zu erklären, daß sie nicht gegen Frankreich ziehen könnten, da sie Ritter des Michaelsordens seien und die Insignien des Engels tragen würden. Der Vizekönig – ein erstaunliches Zeugnis für den Wert der Ehre! – lobte sie für ihre Achtung gegenüber dem Orden und sagte ihnen, daß er deswegen an den (spanischen) König schreiben werde.262 15 Monate später war der Druck, die Forderung nach Loyalität seitens der Spanier, jedoch offenbar so groß geworden, daß diese vier Barone am 12. November 1511 in einem Brief an König Ludwig XII. mit der Rückgabe ihrer Ordensinsignien aus dem Orden austraten, da sie, die bis dahin dessen Statuten ohne Einschränkung gefolgt seien, mit dem Wechsel der Zeiten und unter den neuen Bedingungen als Vasallen des Katholischen Königs ihre Verpflichtungen für den Orden nicht mehr nachkommen könnten.263 Einen größeren politischen Freiraum besaß Francesco Gonzaga, der Markgraf von Mantua, der im gleichen Monat, in welchem die vier neapolitanischen Barone um den Prinzen von Bisignano unter Berufung auf den Michaelsorden die Heerfolge gegen Frankreich ablehnten, mit Verweis auf seine Zugehörigkeit zum Orden des Erzengels Michael ebenso einen Eintritt in die antifranzösische Allianz von Julius II. ablehnte. Er bezog sich dabei explizit auf einen Protest der Ritter des Ordens gegen das päpstliche Ansinnen; diese hätten von ihm gefordert, sich nicht gegen Frankreich zu stellen, den geleisteten Eid nicht zu brechen. Die Folge eines solchen Eidbruches wäre die Aufforderung zum Duell gewesen, und dies – so der Markgraf gegenüber dem Papst – wolle er nicht.264 261 Vgl. Sanuto, Diarii XIV, Sp. 190 (28.4.1512, der damals noch prospanische Bernardo da Bib-

biena u. a. über Giangiordano Orsini, der als Ritter des Ordens vom Hl. Michael kein Geld vom Papst annehmen, also nicht in dessen Sold treten wolle, dafür aber dem Papst seine Territorien zur Verfügung stelle. Giangiordano kam z. B. im Juli 1511 aus Frankreich zurück nach Rom, um eine Einigung mit seinem Schwiegervater, dem Papst, zu erzielen; Giangiordano galt als tutto francese (vgl. ebd. XII, Sp. 301f., 484). 262 Vgl. Sanuto, Diarii XI, Sp. 110 (3.8.1510 entsprechender Bericht aus Neapel nach Venedig; bei Boulton, Knights, nicht erwähnt. 263 Vgl. Boulton, Knights, 407, 445f. (mit Übersetzung des Briefes). 264 Vgl. Sanuto, Diarii XI, Sp. 81 (Bericht aus Rom vom 5.8.1510, daß der Markgraf von Mantua den Papst von zwei ihm gesandten Protesten unterrichtet habe; im ersten hätten ihn der Gran Maestro, monsignor di Foys, sowie der Fürst von Anhalt, Rudolf von Anhalt-Bernburg als Kapitän der kaiserlichen Truppen, aufgefordert, seinen Sohn nicht zu Julius II. zu senden, im zweiten hätten ihn die Ritter vom Orden des Hl. Michael gewarnt, che ’l non sia contra Franza, e non li rompa la fede, e non voler far duello); 113f. (Bericht vom 8.8.1510 aus Rom: avisa dil protesto fato al marchese di Mantoa, et quello li ha risposto li compagni di San Michiel, che lo disfidano; el qual li ha risposta bene ac prudenter). Noch im Mai 1509 wußte die italienische Diplomatie, daß der Markgraf von Mantua als Ritter des hordine del re di Franza seine Truppen

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Mit einer Aufnahme Giuliano de’ Medicis in den Michaelsorden hätte sich der neue Medici-Papst also mehr als demonstrativ auf die Seite eines formalrechtlich immer noch als Feind des Papsttums zu bezeichnenden Königs gestellt. Sie ist denn auch wohl primär deshalb von den Medici abgelehnt worden, weil sie damit ihre spanischen und sonstigen Verbündeten nicht nur düpiert, sondern geradezu provoziert hätten. Daß aber die Verleihung des Ordens an Giuliano von Federico Sanseverino in dieser Situation überhaupt für möglich gehalten und vorbereitet wurde, bezeugt eine tiefe, letztendlich zudem profranzösische politische Verbundenheit zwischen ihnen, die so offen noch nicht wieder visualisiert werden durfte. Der Zeitzeuge Francesco Guicciardini wußte und betonte freilich, daß insbesondere Federico Sanseverino aufgrund seiner engen Freundschaft zu den Medici-Brüdern auf das Wohlwollen des neuen Medici-Papstes setzten konnte.265 Der Florentiner Statthalter in Livorno gewährte ihm, Bernardino Carvajal und ihrem Gefolge den erbetenen Geleitbrief, mit welchem sich die Gruppe nach Pisa begab, wo sie ehrenvoll empfangen wurde. Für die beiden schismatischen Kardinäle aber war eine direkte Weiterreise nach Rom undenkbar, solange Inhalt und Form ihrer Unterwerfung und Restitution nicht geklärt waren. Bei aller Verbundenheit mit dem Sanseverino – hier hatte der Papst und nicht Giovanni de’ Medici zu handeln. Deshalb wurden Sanseverino und Carvajal nach Florenz geleitet, wo sie wiederum ehrenvoll so bewacht wurden, daß sie die Stadt nicht verlassen konnten. Leo X. ließ sie seine Zuneigung spüren, machte ihnen aber klar, daß sie zu ihrer eigenen Sicherheit und für den Frieden der Kirche zunächst in Florenz bleiben müßten, bis entschieden sei, wie sie nach Rom gehen könnten. Da sie aufgrund eines juristischen Verfahrens ihres Amtes enthoben seien und da diese Privation durch das Laterankonzil bestätigt worden sei, könnten sie bis zur Lösung des Problems nicht mehr den Kardinalshabit tragen. Mit sichtbaren Zeichen der Demut würden sie es ihm hingegen erleichtern, ihre Angelegenheit wie von ihm vorgesehen zu einem guten Ende zu führen.266 Diese von Guicciardini auf der Basis guter Informationen analysierte Handlungsregel Leos X., die von politischer Rücksichtnahme geprägt war, ohne die Freundschaft zu verraten, läßt sich sogar durch einen sehr instruktiven Brief von Giulio de’ Medici vertiefen, der schon damals in entscheidender Weise die Politik des Medici-Papats bestimmte. Im Zusammenhang mit umfassenden politischen Ausgleichsverhandlungen, die sowohl von der neuen Kurienregierung als auch von der durch Giuliano de’ Medici vertretenen Florentiner Medici-Regierung mit Frankreich geführt wurden, instruierte Giulio am 31. März 1513 seinen Cousin in Florenz über die generellen Eckpunkte ihrer Politik, zu denen ausgehoben habe, sie nach Lodi und Cassan bringe, und daß er unterwegs in Colorgno bei seiner Schwester, der Ehefrau des verstorbenen Gianfrancesco Sanseverino, des Grafen von Caiazzo, übernachtet habe, um in diligentia zum König von Frankreich zu gehen; vgl. Sanuto, Diarii VIII, Sp. 176. 265 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1117 (XI/8): ma intesa nel porto di Livorno, ove erano sorti, essere eletto il cardinale de’ Medici in nuovo pontefice, confidatisi nella sua benignità, e specialmente Sanseverino nella amicizia stretta che aveva avuto seco e col fratello ... 266 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1117 (XI/8).

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die grundsätzlichen Pflichten eines für das Universale verantwortlichen Papstes genauso wie dessen Verpflichtung gegenüber den Alliierten seines Vorgängers und der Heiligen Liga, aber auch gegenüber dem Florentiner Staat und dessen altem Bündnis mit Frankreich gehörten.267 Der alte politische Freund sollte den Vorrang behalten, wenngleich dies aus taktischen Gründen nicht öffentlich werden durfte. Generell solle Giuliano vorsichtig sein, was er wem sage, doch den französischen König dürfe er offen von der Zuneigung, der großen Liebe Leos X. zu Frankreich unterrichten, ohne aber schriftliche Zeugnisse zu hinterlassen, damit niemand die Medici vor der Zeit des Friedens von ihren Freunden ‚entwaffnen‘ könne! Der Medici-Papst müsse allerdings angesichts der Leidenschaften der Menschen mit Vorsicht agieren, was Giulio offenbar auf die aktuellen Verpflichtungen gegenüber jenen Verbündeten bezog, die zu den Feinden Frankreichs zählten. Denn Giulio erklärt nun, warum Leo X. die beiden abgesetzten Kardinäle nicht so schnell nach Rom habe kommen lassen können, was offenbar in Frankreich kritisiert worden war. Eine sofortige Ankunft in Rom hätte ihn nämlich aus Rücksicht auf die Würde des Apostolischen Stuhls zu einer Demonstration der Strenge gezwungen, die er offensichtlich nicht wünschte. Vielmehr würden ihn Mitgefühl und die wechselseitige Zuneigung leiten, die vor seiner Erhebung zum Papst vorherrschte. Diese Feststellung mußte sich allerdings primär auf Federico Sanseverino bezogen haben. Deshalb habe der Papst gewünscht, daß die beiden Kardinäle aufgehalten würden und daß sie durch Verhalten und Kleidung jene Mäßigung gebrauchten, die sie Gnade verdienen lasse, um auf diese Weise einen Einklang mit dem Kardinalskollegium und den Verbündeten zu erzielen, die sich zu eben jenem Entgegenkommen nicht verpflichtet fühlten. Damit eine rasche Einigung unter Wahrung der Würde des Hl. Stuhls und der Einheit des Körpers der Kirche erfolgen könne, habe der Papst angeordnet, daß sein Gesandter – also der des französischen Königs, Louis de Forbin – nach Rom kommen dürfe, wo er gern gesehen sei, besonders wenn er jenes bringe, was versprochen sei, auch wenn er (bereits) in einer Begleitung und mit einem Auftrag erschienen sei, die besser hätten bedacht werden können. Unverkennbar ist die grundsätzliche Bereitschaft des Medici-Papstes, den größten Feind seines Vorgängers zu rehabilitieren und dies möglichst rasch. Darüber verhandelte nicht nur Forin, sondern auch ein eigens vom Sanseverino entsandter Unterhändler: Es war sein Bruder Alessandro, der immer noch als Bischof von Orvieto tituliert wurde und den wir schon viele Jahre vorher im Umkreis des römischen Medici-Netzes kennengelernt hatten.268 Die in Rom geheim zu haltende wahre Einstellung des Medici-Papstes zu Fede267 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 210r–211r, hier fol. 210r/v. 268 Irrigerweise gab Eubel, Hierarchia III, S. 323, aufgrund kurialer Quellen an, daß Ercole Baglioni

1511 Nachfolger des verstorbenen Giorgio della Rovere als Bischof von Orvieto geworden sei. Ihm folgend wurde der von Guicciardini nur mit seinem Titel genannte Gesandte Federico Sanseverinos mit dem Baglioni identifiziert; vgl. Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1117, Anm. 31 (XI/8); Minnich, Healing, S. 103. Daß allerdings noch 1510 und auch nach 1511 Alessandro Sanseverino den Titel eines Bischofs von Orvieto trug, geht klar aus den Angaben in den Bartolini-Rechnungsbüchern hervor; vgl. z. B. ABS 202, c. 54, LXIII. Mag der Baglioni dem Sanseverino auch nahegestanden haben, sinnvoll erscheint nur die Beauftragung des Bruders, der

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rico Sanseverino, sein unverbrüchliches Bekenntnis zu ihrer Freundschaft, wird auch im Spiegel des Florentiner Umfeldes und der Alltäglichkeiten von Sanseverinos Aufenthalt in Florenz sichtbar – wobei zugleich die Struktur des Netzwerkes weiter ausgeleuchtet wird. Denn der Verantwortliche für die beiden schismatischen Kardinäle hieß Lanfredino Lanfredini! Leonardo di Zanobi Bartolini bezeugt in seinem bereits erwähnten Brief vom 30. März 1513 an Lanfredino, in welchem es zudem um lukrative gemeinsame Geschäfte ging, allerdings noch mehr.269 In jenen Tagen bereitete man sich intensiv auf die „Krönungsfeierlichkeiten“ des neuen Papstes vor, welche die Mediceer so viel Geld kosteten. Was sie und andere als incoronatione bezeichneten, war jedoch – wie bereits betont – der possesso Leos X., die rituelle, feierliche Besitzergreifung Roms und seiner Bischofskirche San Giovanni in Laterano durch einen Umritt des neuen Papstes vom Vatikan zur Laterankirche, die unser Medici mit tiefer symbolischer Bedeutung in den Tagen nach dem 30. März genau auf den 11. April legte, den Jahrestag seiner Gefangennahme in Ravenna und den Festtag des Hl. Leo.270 Am 21. März hatte die Florentiner Balìa die zehn Botschafter bestimmt, die Florenz bei dieser Feierlichkeit vertreten sollten. Es war alles in allem ein „Who is Who“ der führenden Mediceer, die in Florenz weilten, neben z. B. Lorenzo Morelli, Gianbattista Ridolfi, Luigi della Stufa, Giuliano Tornabuoni, Piero Guicciardini, Bernardo Rucellai natürlich ebenso Giuliano de’ Medici, der aber verzichtete, da er schon vorher mit eigener Entourage nach Rom reisen wollte.271 Erstaunlicherweise gehörte Lanfredino Lanfredini zunächst nicht zu den Gesandten. Der Grund lag ganz offensichtlich nicht nur in seiner Verantwortlichkeit für die politisch brisanten schismatischen Kardinäle, sondern auch und noch stärker in seiner Aufgabe, generell die Medici-Interessen in Florenz zu wahren. Leonardo Bartolini spricht dieses Faktum deutlich an, da es zu einem Problem wurde, als Lanfredino für den verzichtenden Giuliano nachrückte, weil er offenbar bei dem spektakulären Festakt in Rom nicht fehlen wollte. Er, Leonardo, freue sich ziemlich, daß Lanfredino in die Reihe der Botschafter aufgenommen worden sei, und sollten sie getrennt in Rom untergebracht werden, stehe ihm sein, Leonardos, Haus so zur Verfügung, daß er an nichts anderes als die Kleidung zu denken brauche, die er tragen wolle. Doch bei aller bekannten Vorsicht Lanfredinos – ein immer wieder betonter Faktor – und Leonardos Liebe zu ihm, den er wie einen Vater verehre, wolle er nicht verschweigen, daß Lanfredino mit seiner Reise nach Rom die Stadt und das Land vollkommen leer an Freunden zurücklasse, und zwar der vorsichtigsten, und zudem ohne eines der ‚wahren Mitglieder‘ (et senza nessuno de’ membri veri!) – und dies, wo er die beiden Schismatiker in seiner Gewalt habe. Italien sei zerrissen und hänge am nicht nur das volle Vertrauen Federicos besaß, sondern auch in der kurialen Praxis bewandert war. 269 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 2 (30.3.1513, Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz); zu den Geschäften s.o. S. 989f., 1041. 270 Zur synonymen Begrifflichkeit von incoronatione und possesso s.o. S. 987. 271 Cerretani, Ricordi, S. 302f. (auch hier die Nachricht, Lanfredini habe die Botschafterstelle von Giuliano de’ Medici nach dessen Verzicht eingenommen).

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Haken von Neidern und Unzufriedenen. Lanfredino solle also vorsichtig sein und die anderen mit Vorsicht anweisen. Fortuna habe einen wunderhaften Weg zu ihrem (der Mediceer) Wohl eingeschlagen; Lanfredino solle mit gebotener Vorsicht dafür sorgen, daß es so weitergehe, und so befehligen, daß die ‚Glucke‘ ruhig bleibe. Leonardo Bartolini zeigt demnach mit seinen Instruktionen und Bedenken, daß er einen höheren machtpolitischen Rang als Lanfredino besaß. Vor allem aber bezeugt er die klar reflektierte Existenz einer Gruppe von ‚wahren Freunden‘ innerhalb des MediciNetzwerkes, eines kleinen festen Kerns, zu dem außer Lanfredino Lanfredini sicherlich Jacopo Salviati sowie vermutlich Lorenzo Morelli und Gianbattista Ridolfi als patri unter den Gesandten gehörten. Die Befehlsgewalt für die Wahrung der Medici-Interessen in Florenz aber hatte Lanfredino wegen seiner Kompetenz, Macht, Vertrauenswürdigkeit und Umsicht inne, dem deshalb die Kardinäle Sanseverino und Carvajal überantwortet worden waren. Seine persönliche Anwesenheit in Florenz war infolgedessen geboten, sogar unabdingbar, zumal die von Fortuna geschenkte Medici-Macht noch so instabil war, daß Lanfredinos Abreise nach Rom den Medici-Gegnern einen Handlungsspielraum eröffnet hätte. Für ihre ruinösen Attacken hätten sie sich nach Ansicht Leonardos in erster Linie des hervorragenden Instrumentes bedient, das die beiden Schismatiker boten. Die Sorgen des Leonardo Bartolini, die sicherlich denen der Medici in Rom entsprachen, wogen stärker als Lanfredinis ehrbringender Wunsch, als offizieller Vertreter der Florentiner Republik an der triumphalen Feier seines Patrons Giovanni de’ Medici am 11. April 1513 teilzunehmen. Die incoronatione bzw. der possesso des ersten Medici-Papstes fand ohne ihn statt! Lanfredino mußte trotz seiner Nominierung in Florenz bleiben, um die Regierungsgeschäfte für die Medici zu führen. Sie betrafen neben laufenden intensiven Verhandlungen mit Frankreich und Spanien auch die Florentiner Finanzpolitik, um die sich Lanfredino weiterhin kümmerte. Da die Steuereinnahmen durch die von Papst Leo X. zu gewährende decima noch nicht zu realisieren waren, beabsichtigte Lanfredini eine Verbesserung der Florentiner Finanzlage durch einen von ihm entworfenen Plan, der von der Einsetzung neuer Beamten für den Monte, die Staatskasse, abhängig war, wobei damit offensichtlich zugleich bestimmte Finanztechniken verbunden waren, die nicht ohne weiteres durchzusetzen und daher noch von den Medici zu genehmigen waren. Jacopo Salviati, der uns von all dem in seinen Briefen an Lanfredino mehr oder weniger transparent berichtet, bezeugt jedenfalls nicht nur seine Unterstützung für Lanfredinos Finanzplan mit den Ufficiali del Monte, sondern zudem dessen Fehlen in Rom, seine kontinuierliche Präsenz in Florenz.272 Denn dorthin schrieb er ihm am 9., 14. und 21. April, danach auch am 5. und 9. Mai 1513. Er berichtete dem evidentermaßen Abwesenden über die enormen privaten Ausgaben der Mediceer für die ‚Krönung‘ ihres Papstes – ihn selbst (Jacopo) und die ganze famiglia habe man vollkommen neu einkleiden müssen – sowie von ihren hohen Krediten für Leo X., an denen sich neben Jacopo und Leonardo Bartolini auch der Lanfredini beteiligte, 272 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 6, 9, 10, 14, 17 (9., 14. und 21.4., 5. und 9.5.1513, Jacopo Salviati aus

Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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wobei mit dessen nach Rom gesandten ‚Sachen‘ (robe) zum größten Teil Luxusstoffe für die neuen Bekleidungen gemeint waren. Zu den zahlreichen, unterschiedlichsten Punkten ihres kontinuierlichen Briefwechsels gehörten nicht zuletzt die cardinali scismatici. Am 9. April konnte Jacopo Salviati seinen Freund trösten, man brauche gar nicht in Erwägung zu ziehen, daß man irgend etwas veranlassen müsse, welches Sanseverino und Carvajal in irgendeiner Weise Unzufriedenheit bereiten werde. Er, Jacopo, glaube allerdings, daß ihre Sache nicht so schnell vonstatten gehen werde wie sie selbst glaubten – falls nicht etwas von den Plänen eintrete, von denen Lanfredino ihm amtlich am 6. April geschrieben habe. Einen Monat später, am 9. Mai, teilte er Lanfredino seine Überzeugung mit, daß es bald eine gute Resolution für die Schismatiker gebe. Der Papst habe den Wunsch, daß Jacopo persönlich als Beauftragter Leos X. nach Frankreich gehe, um dort vor Ort alle Angelegenheiten des Medici – natürlich auch die der Schismatiker – zu regeln und einen universalen Frieden einzuleiten. Der Papst habe darüber schon mit dem französischen Kardinal ‚von Nantes‘, also Robert Guibé, gesprochen; dem Salviati aber erschien dieser Auftrag wie eine große Last, bei der ihn Gott inspirieren sollte, was er zu tun habe. Über diese geplante Gesandtschaft nach Frankreich – die dann doch nicht erfolgte – und über die Information wegen der Schismatiker sollte Lanfredino mit keiner Person reden, da dies sonst den Salviati ‚ruinieren‘ würde. Federico Sanseverino befand sich während seiner Florentiner Wochen nicht nur in der dauernden Obhut von Lanfredino Lanfredini, sondern ebenso im Schoß der Bartolini. Zu den Personen, die ihm das Leben unter Medici-Gewahrsam erleichterten, gehörte, wen wundert es, Giovanni di Bartolomeo Bartolini, der Bruder seines wenige Monate vorher verstorbenen Intimus und Bankiers, der Schwager Lanfredinos. Im April 1513 hatte Galeazzo Sanseverino, der Grande Scudiere König Ludwigs XII., über die Lyoner BartoliniBank Briefe an seinen Bruder in Florenz geschrieben, die ihm Giovanni Bartolini persönlich aushändigte. Dieser exklusive Service kostete den Kardinal immerhin 15 Scudi di sole, die dem gleichen Wert in Kammerdukaten entsprachen.273 Wenig später, im Mai, ließ Giovanni über die Seidengesellschaft des Gherardo Bartolini Luxusstoffe im Wert von gut 466 Fiorini und über die Ugolini-Wollgesellschaft weitere Stoffe im Wert von 187 Fiorini an den Sanseverino nach Florenz liefern.274 Am 13. Juni 1513 gab der Kardinal der unter Gherardos Namen laufenden Seidengesellschaft der Bartolini den Auftrag, ihm nochmals Tuche zu besorgen, die nun explizit aus London von der Gesellschaft des Niccolò Ugolini kamen und 205 Fiorini kosteten.275 Aus Lyon hingegen ließ er sich von den Bartolini Kastanien und andere Sachen im Wert von 1½ Scudi di sole importieren.276 Doch auch private oder politische Angelegenheiten, die der Sanseverino in seiner Heimatstadt Mailand zu regeln hatte – wo seine Feinde an die Macht zurückgekehrt waren –, 273 ABS 202, c. 54. 274 ABS 202, c. LV; 204, c. C (es handelte sich um schwarzen Velours, schwarzen Damast alla

luchese, gelben Damast, karmesinrote Atlas- und Damaststoffe, schwarzen Atlas, schwarzen Taft usw.). 275 ABS 202, c. LXXXXIIII. 276 ABS 202, c. 54.

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wurden über die Bartolini abgewickelt. Dort war es Gherardo Bartolini, der im Auftrag von Sanseverinos Sekretär Luigi Becchetti im Juni den Postkurier Guido Torniello deswegen von Mailand nach Florenz schickte und dem Kardinal dafür etwas mehr als zehn Kammerdukaten berechnen mußte.277 Giuliano de’ Medici, der neue Florentiner Magnifico, scheint wie generell auch bei dem Politikum der schismatischen Kardinäle eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Den Belastungen des Regierungsgeschäfts schon körperlich nicht gewachsen, floh er nicht ungern Anfang April zur Feier der eigentlichen Amtseinführung seines Bruders nach Rom, wohin er Anfang Mai für längere Zeit zog. Den Sanseverino, in dessen Haus in Blois er ja z. B. Anfang 1501 wohnen durfte, förderte er gleichwohl, wie aus seinen überlieferten Briefen aus Rom an Niccolò Michelozzi anschaulich hervorgeht. Weiterhin vertrat er die Interessen der beiden schismatischen Kardinäle, denen er seine volle Unterstützung versprochen hatte und die sich sicher sein durften, daß er sich auch an der Kurie erfolgreich für sie einsetzen werde. Eine realistische Hoffnung auf ein gutes Ende ihrer Sache konnte er ihnen schon am 8. Mai machen.278 Jacopo Salviati hatte sich wie gehört einen Tag später ähnlich optimistisch gegenüber Lanfredini geäußert. Nun ist erstaunlich, daß sowohl Giuliano de’ Medici als auch Jacopo ihre Adressaten wegen il Naldino in Lyon ansprachen. Giuliano informierte „seinen“ Sekretär Niccolò Michelozzi, daß der Überbringer des Briefes im Eiltempo nach Frankreich weiterreiten werde, vermutlich an den Hof. Sollte er nicht in Lyon vorbeikommen, sollte Michelozzi Francesco Naldini schreiben, dieser möge Briefe (aus Rom) an sich nehmen und sie mit der königlichen Post versenden lassen, u. a. ein Breve des Papstes an König Ludwig XII. Jacopo Salviati hingegen wies Lanfredino lediglich darauf hin, daß er ihm einen Brief an den Naldini mitschicke, den Lanfredino so schnell wie möglich weiterleiten sollte.279 Mag es beim Salviati um ihre gemeinsamen Geschäfte gegangen sein, wegen derer er Francesco Naldini schrieb, so nahm er für den Medici eindeutig eine wichtige logistische Funktion in einem hochpolitischen Kontext ein, der natürlich ebenfalls in Salviatis Brief – man denke an 277 ABS 202, c. 54. 278 ASF, Ginori Conti, 29/41, etwa die Briefe Giulianos vom 5.5. (Io orrmai hiersera et digia ho

parlato con la Sanctita di Nostro Signore [Leo X.] del dua Cardinali et ho trovato tanto buona dispositione quanto che si possi, et domani di nuovo ne parlerò et pel primo potrò dar loro più resoluta risposta. Et non mancherò come prudentemente mi ricordate di far l’offitio mio a benefitio loro et così di nuovo per mie parte offerirete loro.) und vom 8.5.1513 (Ser Niccolò Carissimo. Andrete subito ala riceuta di questa [lettera] ad trovar quelli Reverendissimi signori Cardinali et per mie parte farete intendere a la lor Signoria come I’ho facto con la Sanctita di Nostro Signore tale opera che saranno consolati contenti et satisfacti di quanto e desiderano, sì che vivino certa speranza sopra di me sanza star più con l’animo suspeso o dubio.). Er könne und dürfe noch nicht den genauen Zeitpunkt sagen, doch alles werde zu einem guten Ende geführt, wie er es ihnen versprochen habe. Zu Giulianos Umzug nach Rom und seiner im Sommer 1513 erfolgenden Substitution durch den jungen Lorenzo di Piero de’ Medici als Regent von Florenz: Cerretani, Ricordi, S. 304–310; Stephens, Fall, S. 79–81. 279 ASF, Ginori Conti, 29/41, 5.5.1513 (Giuliano de’ Medici aus Rom an Niccolò Michelozzi in Florenz); BNCF, Ms. II. V. 22, c. 14 (5.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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seine geplante Gesandtschaft nach Frankreich – eine Rolle gespielt haben könnte. Francesco Naldini, vom exilierten Medici-Bankier zum Leiter der Lyoner Salviati-(LanfrediniNaldini-)Gesellschaft aufgestiegen, nahm somit nach dem Exil auch für die europäische Kurienpolitik der Medici eine Zentralfunktion ein. Wir werden noch sehen, daß sie über die Vermittlung politischer Korrespondenz hinausging. Die intensive Diplomatie der Medici-Kurie mit dem französischen Königshof dürfte eine unmittelbare Reaktion auf den nach heftigen Kontroversen erteilten Auftrag gewesen sein, mit welchem das Kollegium der Kardinäle den Papst bat, eine Lösung des Problems mit den Schismatikern zu finden. Der Medici galt, dies verwundert nun nicht mehr, als Befürworter einer Rehabilitierung der beiden Schismatiker, die freilich ihre Schuld und die Autorität des vergebenden Papstes anerkennen sollten.280 Auf der Gegenseite stand vor allem der spanische König Ferdinand von Aragón, der zusammen mit dem König von England, Heinrich VIII., und einigen Kardinälen zu den vehementen Gegnern einer Aussöhnung des Papstes mit den abtrünnigen Kardinälen Sanseverino und Carvajal gehörte.281 Unterstützung fanden diese natürlich in König Ludwig XII. von Frankreich, aber auch Kaiser Maximilian I., der dabei primär seinen Anhänger Carvajal im Blick hatte. Daß Giangiordano Orsini sich ebenso offen für die beiden erklärte, ist verständlich. In den Augen der europäischen Öffentlichkeit stand Papst Leo X. somit zwischen den gegensätzlichen Interessengruppen. So präsentierte er sich gegenüber seinen Kardinälen, der gesamten Kurie, den Botschaftern der europäischen Mächte und gegenüber diesen selbst – gutmütig und gnädig, aber die Ehre und Rechte des Hl. Stuhls kompromißlos wahrend. Leo X. bewahrte allerdings nicht allein das Ansehen des Papsttums, sondern zugleich das Niveau seiner alten Freundschaft mit Federico Sanseverino. Dies ist bemerkenswert, da er mit dieser Haltung eine Kränkung der Spanier in Kauf nahm. Deren im Sommer 1512 vor Florenz erworbener Kredit wog demnach sehr leicht, während die Schuld der Medici gegenüber den an der tatsächlichen Florentiner Restitution unbeteiligten Franzosen erheblich schwerer auf der Waagschale drückte. Leos tatsächliche profranzösische Haltung zeigte sich in nuce im Juni 1513 bei dem Ringen um die Form der Restitution der beiden schismatischen Kardinäle, die zwar Symbole der Demut akzeptieren, Zeichen einer Demütigung aber vermeiden wollten: Einzug in Rom im Habit einfacher Priester statt dem der Kardinäle ja, aber nur in dunkler Nacht, nicht am hellen Tag; öffentliche und für alle hörbare Anerkennung ihrer Schuld und Absetzung sowie Bitte um Vergebung ihrer Schuld ja, doch ohne Selbstbezichtigung als Verbrecher und Sünder, Schismatiker und Häretiker. Carvajal gelang die lautstarke Verlesung des Bußformulars während eines Konsistoriums am 27. Juni 1513 – das der englische Kardinal Christopher Bainbridge und der Schweizer Matthäus Schiner bezeichnenderweise aus Protest gegen die Versöhnung boykottierten! – nur nach strenger Ermahnung; Sanseverino hatte mit dem kräftigen Ton keine Schwierigkeiten. Dabei war er es, der mit seinem Stolz gut einen Monat vorher die Bemühungen seines päpstlichen Freundes fast zum Scheitern gebracht hätte, als er mit 280 Minnich, Healing, S. 105. 281 Minnich, Healing, S. 104.

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einer Karawane von 20 Maultieren, deren Decken mit den Insignien seines Kardinalats geschmückt waren, bereits seine persönliche Ausrüstung – darunter gewiß die von den Bartolini besorgten Stoffe bzw. Kleidungsstücke – von Florenz nach Rom transportieren ließ. Erst nach der öffentlichen Buß- und Restitutionszeremonie durften die beiden Kardinäle, die auch alle ihre Würden und die nicht an andere vergebenen Kirchenämter zurückerhielten, am Abend des 27. Juni unter großem Pomp, in Begleitung von 50 Bischöfen und gut 400 Reitern, triumphal also, in ihre römischen Residenzen ziehen.282 Hatte Leo X. am Tag der Versöhnung noch mit den beiden Kardinälen deren Rückkehr in den Schoß der Kirche bei einem gemeinsamen Festmahl gefeiert, so zögerte er nicht, kurz darauf in herausragender programmatisch-symbolischer Weise seine Freundschaft mit demjenigen Kardinal zu demonstrieren, dem Carvajal als Freund des Freundes wahrscheinlich seine rasche und schmerzlose Rehabilitierung verdankte: Federico Sanseverino. Giovanni de’ Medici wählte für diesen Akt keinen geringeren Anlaß als die von ihm in der Basilika von St. Peter zelebrierte Messe an dem für das Papsttum äußerst bedeutungsvollen Festtag von Petrus und Paulus (29. Juni). Neben den Messen des Weihnachtstages und des Ostersonntags war diese die einzige, die der Papst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts überhaupt noch persönlich mit eigens dafür angelegten Meßbüchern zelebrierte; diese Messen gaben zugleich den glanzvollen Rahmen für die Präsentation der maiestas papalis, der päpstlichen Erhabenheit, die gerade durch Leo X. zu einem Glanzpunkt des Renaissancepapsttums geführt wurde.283 Der Papst stand als Stellvertreter Gottes bei dieser zentralen Feier zu Ehren des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus leibhaftig im Mittelpunkt, und dieser Papst stellte für den Festtag des 29. Juni 1513 Federico Sanseverino – und nur ihn – an seine Seite, der ihm bei dem Meßamt ministrieren sollte! Klarer konnte man tiefe Freundschaft und Nähe, gegenseitigen Dank und Verbundenheit, kaum öffentlich visualisieren und konkretisieren. Die Zeitgenossen, vor allem aber die Gegner Sanseverinos, verstanden diese Symbolik sofort und reagierten entsprechend. Die Kardinäle Matthäus Schiner und Christopher Bainbridge protestierten öffentlich vor Notaren und Zeugen, daß sie an dieser Messe eigentlich nicht teilnehmen dürften und daß sie lediglich aus Gehorsam gegenüber dem Papst bereit gewesen seien, zu ihr zu erscheinen; doch ohne Präjudiz für sie und alle anderen Anwesenden!284 Was hier durch Leo X. und Federico Sanseverino zelebriert wurde, war für die Außenstehenden zumindest erstaunlich, für viele schlicht unverständlich. Der Mann, der den

282 Diese und weitere Details in dem grundlegenden Aufsatz von Minnich, Healing, S. 105–109. 283 Zu den drei päpstlichen Meßfeiern und zur maiestas papalis vgl. Roth, Liturgische Musik, hier

bes. S. 162f. 284 Lettres du roy Louis XII, vol. IV, S. 172 (Jacques Annocque, habsburgischer Sollizitator an der

römischen Kurie, in seinem Brief vom 6.7.1513 an Margarethe von Österreich: ... Le jour de sainct Pierre et sainct Paul nostre sainct Pere a volu faire l’office à sainct Pierre et le Cardinaul de sainct Severin a ministré le Pape ondit office, dont les Cardinaulx d’Engleterre et des Suytzes ont protesté devant notaire et tesmoings publiquement qu’il ne dobvent estre entre eulx, mais pour l’obeissance du Pape il estoient content de comparoir audit office sans prejudice d’eulx et de tous aultres qu’il en ont interest).

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Vorgänger dieses Papstes kirchenpolitisch und sogar mit militärischer Gewalt absetzen wollte und diesen selbst als Gefangenen gehalten hatte, wurde nun nicht nur rasch und in äußerst wohlwollender Weise rehabilitiert, er wurde durch den Ministrantendienst beim Hochamt von Petrus und Paulus geradezu geehrt und ausgezeichnet. Wie ungewöhnlich dieser Schritt war, zeigt sich schon durch den Vergleich mit den anderen schismatischen Kardinälen des Pisanum. Guillaume Briçonnet und René de Prie wurden erst zehn Monate später am 7. respektive 24. April 1514 als Kardinäle restituiert.285 Mit Blick auf Briçonnet möchte man eine negative Konsequenz dessen vermuten, was sich bei Sanseverino so positiv auswirkte: die Macht alter und fester Personenkonstellationen. Wer möchte nach Kenntnis all dessen, was Federico Sanseverino und Giovanni de’ Medici verband bzw. was wir diesbezüglich in zweifellos nicht vollständiger Weise erschließen konnten, daran zweifeln, daß dieser Freundschaftsbund nicht auch im Juni 1513 seine Früchte trug. In analoger, doch negativer Folgerichtigkeit dürfte Briçonnet seine späte Rehabilitierung maßgeblich seiner langjährigen Feindschaft zu den Medici zu verdanken haben – zumal er bzw. sein Sohn Denis diese Gegnerschaft wenige Jahre später bei der Kanonisierung des Francesco di Paola erneut unter Beweis stellte.286 Was den in diese Personengeflechte nicht Eingeweihten unerklärlich bleiben mußte, hatte also sehr konkrete Ursachen in Vorgängen, die aus der Zeit des Exils und sogar aus den Jahrzehnten davor resultierten. Ist dieses Wissen schon für das Verständnis der auch allgemeingeschichtlich relevanten Restitution Sanseverinos und Carvajals – von der Leo X. immerhin alle Herrscher Europas sofort verständigte287 – fundamental, so gilt dies noch mehr für die wegweisende und in ihren praktischen Folgen epochale Verständigung des Medici-Papstes mit Frankreich, das offiziell ja immer noch dem schismatischen Konzil von Pisa-Mailand-Lyon anhing.

b) Frankreichs Abkehr vom schismatischen Pisanum und die Rolle des Mediceer-Netzwerkes Es wird nicht allein und nicht in erster Linie das bekanntermaßen gemäßigte Gemüt von Giovanni de’ Medici gewesen sein, das König Ludwig XII. auf die Nachricht von dessen Papstwahl zu den angesprochenen euphorischen Freudenausbrüchen bewegte. In der erstaunlich schnellen Zeit von drei Tagen und 16 Stunden hatte ein Florentiner Kurier die Neuigkeit an den französischen Hof in Blois gebracht, wo er sie dem König und der Königin persönlich vortragen durfte. Die Freude des Königs mit seiner mehrfachen Betonung, Giovanni de’ Medici sei ein guter Mensch und ganz nach seinem Geschmack, erschien außergewöhnlich.288 Über diese Charaktereigenschaften des Medici hinaus werden den König aber auch die langjährigen engen Verbindungen der französischen Krone zu Giovanni, seiner Familie und nicht zuletzt zu seinen Freunden in jene Hochstimmung 285 Eubel, Hierarchia III, S. 6, 11. 286 Vgl. Pietschmann, Heiligsprechung, S. 162f., 167. 287 Minnich, Healing, S. 108f. 288 Vgl. Baumgartner, Louis XII, S. 227; s.o. S. 1053.

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versetzt haben. Was konnte ihm nach dem erbitterten Konflikt mit Julius II. besseres geschehen als die Wahl dieses Medici? (Vielleicht noch eine Wahl des profranzösischen Ungarn und Medici-Freundes Thomas Bakócz, auf die Leonardo di Zanobi Bartolini ja wetten wollte.) Sollte mit diesem Medici-Papst nicht auch eine rasche und konstruktive Beendigung des fruchtlosen schismatischen Zustandes möglich sein? Dies war tatsächlich der Fall, und so wie Frankreich gleichsam mit Samthandschuhen angefaßt wurde, so wurden dessen Feinde, Spanien und die Schweizer vor allem, düpiert! Wenn wir uns diesen Vorgängen als einer der zentralen und epochalen Folgeerscheinungen der Exilszeit zuwenden, sollen indes weniger die recht gut erforschten Fakten im Mittelpunkt stehen als vielmehr die sie bewirkenden Personen, finden wir unter ihnen doch gute Bekannte wieder. Als Federico Sanseverino und Bernardino Carvajal nach ihrer Ankunft auf italienischem Boden in florentinische Obhut gegeben wurden, reiste der sie begleitende neue französische Botschafter Louis de Forbin, Seigneur de Solliers, an die römische Kurie weiter, wo er rechtzeitig zu Leos Krönung am 19. März eintraf. Der Piemontese Forbin, erster Präsident der Rechnungskammer der Provence und königlicher Rat und Kammerherr, hatte die Aufgabe, den neuen Papst zu offiziellen Schritten zugunsten Frankreichs zu bewegen.289 Forbin hatte freilich schon früher Kontakte zum Medici-Kreis gehabt, denn er gehörte wie viele andere hochkarätige Franzosen (u. a. der „Finanzminister“ Jacques de Beaune oder der Kardinal und Bischof von Albi Louis d’Amboise) zum Kundenkreis Giuliano da Gaglianos und der Lyoner Bartolini-Bank, die noch 1515 bei diesen Personen Schulden geltend machte, die aus der Zeit der ragione vecchia des Leonardo di Bartolomeo Bartolini stammten.290 Forbin traf in Rom auf einen Papst, der trotz aller Rücksichten, die sein universales Amt forderte, keinen Zweifel an seiner positiven Haltung gegenüber Frankreich ließ. Als Frankreich am 23. März 1513 zu Blois ein Angriffsbündnis mit der Republik Venedig schloß, dem Verbündeten von Julius II. in der Hl. Liga, das nun beiden die verlorenen Besitzungen in der Lombardei bzw. Romagna wiederbringen sollte, weigerte sich Leo X. gegenüber dem kaiserlichen und spanischen Gesandten, die ihn auf diese Allianz aufmerksam machten und konkrete Gegenmaßnahmen des Papstes verlangten, an einem Krieg teilzunehmen, da er Frieden stiften wolle.291 Diese Neutralität aber war die offizielle, nach außen getragene Haltung des Medici-Papstes. Seine wirklichen Intentionen erkennen wir aus dem bereits angesprochenen, überaus instruktiven Brief Giulio de’ Medicis vom 31. März 1513 an Giuliano, der schon mit dem französischen Hof verhandelte und für dessen Interessen eintrat. Giulio hatte Giuliano angewiesen, sich zwar generell abwägend und vorsichtig zu äußern, dem französischen König jedoch frei den guten Willen des Papstes zu bezeugen, ohne allerdings einen Brief oder eine Kopie für andere zu hinterlassen; dies deshalb, damit – so Giulio – ‚niemand uns unserer Freunde entwaffne, 289 Guicciardini, Storia d’Italia, S. 1117 und Anm. 27 (XI/8); Minnich, Healing, S. 115. 290 ABS 202, c. 149. 291 Pastor, Geschichte der Päpste IV/1, S. 31f.

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bevor der Zeitpunkt der Ruhe, des Friedens erreicht ist, und damit jene Majestät erfährt, mit wieviel Liebe und wieviel Vorsicht der Papst regiert‘. Nachdem Giulio dann die entsprechende Haltung gegenüber den beiden Kardinälen in Florenz erläutert hatte, erklärte er Giuliano, daß Leo X. angeordnet hatte, man möge die von (dem noch französisch beherrschten) Genua hinausführenden Straßen öffnen, sowohl für Fußsoldaten als auch Briefe und Geschäfte (faccende) und Prälaten (aus Frankreich!) und für wen sonst, damit sie ungehindert entweder für die militärischen Operationen (der Franzosen in Oberitalien: alle expeditione) oder zum (Lateran-) Konzil kommen könnten, so daß am Ende die ganze Welt begreife, welche Gesinnung der Papst gegenüber dem König und seinem Königreich habe!292 Anders als die offiziellen Verlautbarungen des Papstes zu verstehen gaben, kann hinter Leos Anweisungen, die auf einen militärischen Kontext zu beziehen sind, nur eine im Ergebnis aktive Unterstützung des französischen Angriffsplans auf das Herzogtum Mailand gestanden haben. Diese grundsätzliche Unterstützung der französischen Pläne, die ja auch den Interessen des Medici-Papstes und denen der Bartolini bei den lombardischen Benefizien um Morimondo förderlich sein würden, war freilich durchsetzt von Nützlichkeitserwägungen, die dem Kirchenstaat und Florenz dienen sollten – und sie wurde konterkariert vom antagonistischen Partner Spanien. Hierbei konnte die von Lanfredino Lanfredini, Giuliano de’ Medici und Niccolò Michelozzi verfolgte Medici-Politik in Florenz durchaus mit der in Rom von Giovanni und Giulio de’ Medici sowie Jacopo Salviati betriebenen in leichtem Widerspruch stehen. Ein solcher Widerstreit entstand vor allem aus der grundsätzlichen Frage, wie weit man Frankreich in die wirklichen Intentionen der Medici einweihen wollte. Gemäß der Analyse Jacopo Salviatis favorisierten die in Florenz regierenden Mediceer eine schnelle und möglichst klare Offenlegung der ‚Gesinnung‘ der Medici, die römische Regierungsgruppe sah hingegen mehr Vorteile in einer langsamen und vorsichtigen Öffnung, um Kränkungen zu vermeiden.293 Solch unterschiedliche strategische Konzeptionen betrafen im Frühjahr 1513 konkret einen Vertrag des Papstes mit den Schweizern, Verhandlungen mit den Venezianern, Absichten der Medici auf Parma und Piacenza sowie die Sicherheit des Florentiner Staates.294 Frankreich hatte sich beklagt, daß Leo X. die von Julius II. begonnene Besoldung Schweizer Soldaten mit einer jährlichen Rate von 20.000 Dukaten fortsetzen wollte. Die Medici hielten die Kritik für abwegig, da diese Truppen zur Verteidigung und nicht zum Angriff dienten und sowohl dem Kirchenstaat als auch dem Florentiner Territorium Reputation und Sicherheit böten, was gerade in diesen Zeiten einer versuchten französischen Rückeroberung des Herzogtums Mailand ein wichtiger Faktor sei. Wenig erbaut waren die 292 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 210r–211r, hier fol. 210r/v; vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 287,

Anm. 101. 293 Vgl. BNCF, Ms. II. V. 22, c. 17 (9.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in

Florenz). 294 Diese zentralen Problemfelder werden von Jacopo Salviati sehr deutlich in mehreren Briefen

thematisiert; vgl. BNCF, Ms. II. V. 22, c. 9, 10, 14, 17 (14. und 21.4., 5. und 9.5.1513, Jacopo Salviati aus Rom an Lanfredino Lanfredini in Florenz).

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Franzosen zudem über Leos Absicht, die Städte Parma und Piacenza, die sich nach dem Sturz des Sforza-Herzogs ab 1500 der Mailänder Oberhoheit entzogen hatten, für 10.000 Dukaten zu erwerben. Zugleich wollten die Medici die mit Frankreich wieder verbündeten Venezianer an das Papsttum binden, um so den französischen Expansionsgelüsten ein Korrektiv entgegenzuhalten. Leo X. ließ Ludwig XII. sehr unmißverständlich ausrichten, daß er zu einer grundsätzlichen Neutralität verpflichtet sei, durch welche er mit allen Fürsten einen universalen Frieden herbeiführen wolle, denn eine zu frühe Verkündung einer Verständigung mit Frankreich würde ihn, den Papst, zum Urheber des dadurch bewirkten Ruins Italiens und in Anbetracht seiner schlechten Verteidigungsposition selbst zum Opfer werden lassen, da die Spanier eine solche Brüskierung nicht akzeptieren könnten. Dieses komplexe Dilemma hatte Leo X. vermutlich Anfang Mai 1513 zu dem Plan veranlaßt, mit Jacopo Salviati einen seiner fähigsten und treuesten Vertrauten an den französischen Hof zu entsenden, um dort den gordischen Knoten zu durchschlagen, zu dem neben den politischen immer noch die kirchenpolitischen Probleme gehörten. Die Franzosen scheiterten mit ihrer Rückeroberung Mailands bereits am 6. Juni 1513 bei der Schlacht von Novara, wo die Schweizer das französische Heer besiegten. Daß der Papst im Gegensatz zu Kardinal Schiner und anderen danach keine Freudenfeier zelebrierte, wundert uns nach den Enthüllungen Giulio de’ Medicis nicht.295 Die Niederlage von Novara gab Ludwig XII. vermutlich den entscheidenden Impuls, nun mit Nachdruck die Lösung seines kirchenpolitischen Dilemmas zu betreiben: Ein fruchtloses antipäpstliches Konzil aufzulösen, das als (mehr politische denn geistliche) Waffe gegen einen Julius II. geeignet erschienen sein mochte, gegen den befreundeten Medici aber völlig untauglich war – diese Unterwerfung aber so zu gestalten, daß sie das Gesicht des Christianissimus wahrte. Noch im Juni 1513 sandte der König zu diesem Zweck den nunmehrigen Bischof von Marseille Claude de Seyssel an die Kurie. Es hat jedoch den Anschein, als ob der Zeitpunkt dieser Mission nicht allein von dem Desaster bei Novara diktiert war, sondern auch und vielleicht noch ursächlicher von der beabsichtigten Restitution des Kardinals Federico Sanseverino, die ja schon Ende Mai konkret im Raum stand, da dieser bereits damals mit großem Aufsehen seine persönliche Ausstattung von Florenz nach Rom hatte transportieren lassen. Claude de Seyssel sollte Hauptverantwortlicher der Verhandlungen sein, Louis de Forbin aber nicht ersetzen. Besonders Seyssel hatte sich jedoch den wachsenden Vorrangsbestrebungen des am 27. Juni rehabilitierten Kardinals zu erwehren, der jetzt erneut als Protektor der französischen Interessen an der Kurie amtierte, anfangs aber noch keine Instruktionen des Königs besaß.296 Der Erfolg zentraler diplomatischer Missionen hängt – und dies ist bekanntlich eine zeitlose Wahrheit – entscheidend vom persönlichen Verständnis der Verhandlungspartner ab. Louis de Forbin scheint hier nicht die besten Voraussetzungen geboten zu haben. Ganz anders sah es damit bei Claude de Seyssel aus, den Ludwig XII. bewußt mit Blick auf seine persönlichen Qualitäten und Beziehungen für diese bedeutende Gesandtschaft aus295 Zur Schlacht und zu den Reaktionen: Pastor, Geschichte der Päpste IV/1, S. 35f. 296 Umfassend zur Mission Seyssels: Caviglia, Seyssel, S. 255–285; Minnich, Healing, S. 117–131.

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gewählt hatte. Seyssel war nicht allein ein hervorragender Diplomat und unbedingter Sachwalter der französischen Interessen, er war zudem offenbar bereits ein persönlicher Freund Giuliano de’ Medicis und wurde ein enger Giovannis.297 Seit vielen Jahren verband ihn zudem eine tiefe Freundschaft mit dem griechischen Gelehrten Janus Lascaris, den Ludwig XII. gleich nach der Wahl des Medici mit einem persönlichen Glückwunschbrief an die Kurie gesandt hatte. Giovanni de’ Medici, der Lascaris noch aus Kindertagen als Freund seines Vaters Lorenzo kannte, hatte den Gelehrten dann Ende März 1513 aus seinem französischen Königsdienst gleichsam abgeworben und ihn für Rom als Lehrer der griechischen Studien gewonnen.298 Damit ist das Ausmaß, die Tiefe dieser an sich schon ausgezeichneten Konstellation für den Auftrag Seyssels allerdings noch nicht erfaßt. Denn spätestens seit 1503/04 stand Seyssel ebenso mit Leonardo di Bartolomeo Bartolini sowie dessen Banken in Lyon und Mailand in unmittelbarer Verbindung; deren Finanzpartner Sébastien Ferrier, Schatzmeister des Königs in der Lombardei, war wiederum ein enger Freund Seyssels.299 Auch wenn wir dann für die Zeit von 1504 bis 1514 keine direkten Zeugnisse haben, ist anzunehmen, daß die Verbindungen Seyssels zur Bartolini-Bank dicht und dauerhaft waren. Hierfür spricht zum einen ein im Besitz der Bartolini befindlicher Kaufvertrag vom 10. Juli 1514, mit dem Françoise de Chabannes, die Witwe von Louis de Miolans (des einstigen Vertrauten von Philippe de Bresse), ihr in der Diözese St-Jean-de-Maurienne befindliches savoyisches Schloß Villarisoaleto mit dessen Besitzungen für 6.000 Scudi di oro in oro regio ad solem an Claude de Seyssel verkaufte. Denn da sich dieser bis November oder Dezember 1514 in Rom aufhielt, und da das Dokument ins Bartolini-Archiv gelangte und von einem Lyoner Notar aufgesetzt worden war, hatte Seyssel den Kauf allem Anschein nach durch die Lyoner Bartolini-Bank vornehmen lassen. Zum anderen ist eine Quittung anzuführen, mit welcher Seyssel noch 1516 persönlich den Erhalt von 500 Pfund Tournosen durch den Leiter der Lyoner Bartolini-Bank, vermutlich Zanobi, mit Unterschrift und Siegel bestätigte.300 Die Medici erhielten mit Seyssel demnach nicht nur einen Freund als Verhandlungspartner, sondern auch einen Amtsträger, der politisch wie finanziell mit ihrem engeren Netzwerk verwoben war – mehr als Louis de Forbin, weniger stark jedoch als Federico Sanseverino. Claude de Seyssel war am 17. Juli 1513 in Florenz eingetroffen, wo er sich einen Tag aufhielt, die alte und neue Freundschaft zwischen Frankreich und dem Haus Medici in poetischen Worten pries, um schließlich am 24. Juli in Rom einzutreffen.301 Wir mögen 297 Caviglia, Seyssel, S. 273f; Minnich, Healing, S. 118. 298 Minnich, Healing, S. 116; zu Lascaris vgl. in diesem Kontext auch Mercati, Frammenti. 299 Vgl. oben S. 609–612; zur Freundschaft zwischen Seyssel und Ferrier: Caviglia, Seyssel, S.

208f., 281, Anm. 2, S. 228f. 300 ABS, Inventario delle pergamene, I, 2, atten. alla famiglia, 10.7.1514; II/4, 28.3.1516 (der Bi-

schof von Marseille mit der verballhornten Schreibweise Roussel). Zur Abreise Seyssels aus Rom: Caviglia, Seyssel, S. 319f. 301 Caviglia, Seyssel, S. 265–270 (eine so anschauliche wie ansprechende Beschreibung der französisch-mediceischen Freundschaft fand Seyssel mit den Worten, daß die Wappenblume Frank-

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nicht an Zufall glauben, wenn wir nun hören, daß eine Woche nach der Abreise Seyssels aus Florenz, am 25. Juli, auch Gherardo Bartolini – der ehemalige Abt des savoyischen Entremont und jetzige Verantwortliche für die Mailänder Bartolini-Bank, von der aus er soeben im Juni einen Kurier an Federico Sanseverino geschickt hatte! – aus Florenz nach Rom aufbrach, wo er bis zum 7. Januar 1514 erneut die Interessen seiner Familie vertrat.302 Nicht so sehr die Tatsache, daß seine Familie Seyssel gut kannte, spricht für eine gewollte Beteiligung der Bartolini an den nun folgenden Verhandlungen, nein, zentrale Ergebnisse der Gespräche zwischen Frankreich und dem Medici-Papst führen uns zu dieser Annahme. Fassen wir zur besseren Einordnung jener Vorgänge kurz die zentralen kirchenpolitischen Resultate zusammen. Claude de Seyssel besaß zwar eine Vollmacht Ludwigs XII., im Namen des Königs dem Pisanum abzuschwören, mußte allerdings für alle anderen Verhandlungspunkte stets mittels eines Kuriers die Genehmigung des Königs einholen.303 Die Medici-Seite bestand auf grundlegenden Forderungen wie einem Schutz der päpstlichen und allgemeinen Medici-Interessen im Kirchenstaat und auf dem Territorium von Florenz; hier scheint die Ende August eingesetzte Kommission schon Anfang September ein tragfähiges Ergebnis erzielt zu haben. Dieser Abordnung gehörten für Frankreich Federico Sanseverino als Protektor des Königreichs sowie Claude de Seyssel und Louis de Forbin an, für die Kurie später auch Lorenzo Pucci und Giulio de’ Medici (offiziell offenbar seit ihrer Kardinalserhebung am 23.9.1513). Sanseverino und Pucci! Man halte sich die Entwicklung vor Augen: Einst hatten wir sie während der Fastenzeit im März 1497 gemeinsam in Leonardo di Zanobi Bartolinis Haus in Rom speisen und Angriffspläne gegen Florenz schmieden gesehen; nun saßen sie zusammen, um als Vertreter des wohl mächtigsten europäischen Staates und der geistlichen Universalmacht Europas einen vom Vorgängerpapst verschuldeten bzw. diesem zugeschriebenen Dissens von europäischen Dimensionen zu einem beide Seiten dienenden Ende zu führen! Leo X. sagte seinerseits Ludwig XII. umfassende Hilfe zu, die er jedoch nicht gewähren könne, solange der König Schismatiker sei. Am 17. September erhielt der Papst aus Frankreich die Antwort, welchen Grad demütiger Reue die Franzosen für eine Aufsage ihres Konzils bereit waren zu ertragen – einen mehr als geringen nämlich, da Frankreich die Schuld an der Entstehung des Pisanum Julius II. zuschrieb. Mit weiterhin großem Druck Leos X. kam die Kommission bereits am 6. September zu einem vom Papst anerkannten Ergebnis, das seine Würde wahrte und den König und seine Gefolgsleute erstaunlich umfassend von jeder Schuld freisprach. Mehr als pragmatisch wurde auch das Problem der durch das Pisanum vergebenen, von der Kurie nicht zu akzeptierenden Benefizien und Dispense gelöst: Alle Beschlüsse des Pisanum wurden als nichtig und unrechtmäßig erklärt, doch die Resultate von reichs, die reine Lilie, wie sie nur der französische König trage, nicht nur die Kugeln im Wappen der Medici dekoriere, sondern nun auch noch von der päpstlichen Tiara überwölbt würde: i gigli di Franza puri et senza alchuna differentia come li porta e Re solo et non altro [...] inserti tra le palle dei Medici decorati et obombrati de la tiara papale; ebd. S. 269). 302 ABS 202, c. LIII. 303 Grundlegend für das Folgende ist die exzellente Studie von Minnich, Healing, hier S. 120–131.

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Rechtsentscheidungen sollten bestehenbleiben; die Provisionen mit Bischofskirchen und großen Klöstern, also mit den benificia maiora, würden nachträglich in päpstliche umgewandelt, wenn der König seine Zustimmung gäbe; ebenso sollte es bei den sonstigen vom Konzil vorgenommenen Provisionen, mit Pfarrkirchen und Prioraten etwa, keine Probleme durch den Papst geben. Der Kurier, den Claude de Seyssel Anfang September nach Frankreich schickte, um die Zustimmung Ludwigs XII. zu diesem Entwurf einzuholen, erreichte Amiens am 15. September und kehrte eine Woche später nach Rom zurück. Ludwig XII. legte offenbar größten Wert darauf, bei der Absage vom Pisanum sein Gesicht zu wahren; Leo X. ließ diesem über den Florentiner Botschafter, Roberto Acciaiuoli, eindringlich nahelegen, daß er bei einer Lösung der Benefizienproblematik im päpstlichen Sinne Frankreich auf anderen Feldern Gunst erweisen könne. Eben diese Zusage Ludwigs XII., Leos Weg gutzuheißen, brachte dann der Kurier Seyssels bei seiner Ankunft in Rom am 4. Oktober 1513 unter anderem mit. Sofort danach, am 5. und 6. Oktober, begab sich die päpstlichfranzösische Kommission an die Ausarbeitung der Details der Aussöhnung, die eine nahezu vollständige Entlastung Ludwigs XII. beinhaltete, die Schuld am Konflikt dafür aber erstaunlicherweise der Kurie unter Julius II. zusprach, der seine väterliche Fürsorge für den ältesten und treuesten Sohn der Kirche sträflich vernachlässigt habe. Am 6. Oktober wurde eine Ausfertigung des Vertrags von beiden Seiten förmlich unterzeichnet; am 9. Oktober erließ Leo X. – ganz aus eigenem Antrieb – die Konstitution Aeternae vitae claviger, mit welcher er den französischen König von jeder Schuld freisprach und ihn von allen vorher auferlegten Strafen absolvierte. Der Medici glättete also nicht nur, er verzerrte vielmehr die historische Wirklichkeit, um die Anerkennung des päpstlichen Laterankonzils durch Frankreich zu erreichen. Aber ging es wirklich nur um diese offene Akzeptanz der päpstlichen Macht? Gab es nicht noch andere als die genannten Interessen des Papstes, Interessen, die auch über die engeren seiner Familie und der Florentiner Herrschaft hinausgingen? Dies ist tatsächlich der Fall, denn im Zuge jener Verhandlungen wurden noch weitere Ergebnisse erzielt, die diesem Papst und seinen Vertrauten dienten und die offenbar nicht unwesentlich zu jener frappierenden Großzügigkeit des Papstes beitrugen. Leo X. konnte und wollte viel geben, weil er viel erhalten hatte, nicht weil er als geistlicher Hirte von sanfter Großmut bewegt wurde. Ein wesentlicher Punkt betraf dabei nicht allein ihn, sondern zugleich „seine“, die mediceische Bartolini-Bank. Sie war schon in einer eher formalen Weise in die ganzen Verhandlungen involviert. Denn der Bote, den Federico Sanseverino als einer der Hauptverhandlungsführer zweimal von Rom an den französischen Hof sandte, wurde jedesmal in Lyon von den Bartolini besoldet. Der erste Kurier, der ungefähr Ende August, vielleicht auch Anfang September 1513 von der französischen Kommission nach Frankreich geschickt wurde, um die päpstlichen Vorstellungen zu übermitteln und die Position des Königs zu erfragen, war ein aus der Florentiner Toskana stammender Diener Federico Sanseverinos, wie wir einmal mehr allein aus den Rechnungsbüchern der Bartolini erfahren. Sie führten nämlich in einem Sollkonto ihres

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wichtigsten Kunden Federico Sanseverino eine am 8. September 1513 getätigte Ausgabe über 31 Scudi d’oro di sole auf, welche die Lyoner Bartolini-Bank auf Befehl Sanseverinos an dessen Diener Sebastiano da Pistoia auszahlte, che andava in poste in chorte [del re].304 Wann Sebastiano am Hof Ludwigs XII. eintraf, wissen wir nicht, doch ist bekannt, daß er am 17. September wieder Rom erreichte, wo er dem Papst und der Kommission mitteilte, wie der König sich seinen Beitrag zur Lösung des Konfliktes vorstellte.305 Zwischenzeitlich war ein Kurier des Claude de Seyssel nach Frankreich gereist, der die am 6. September erzielte Vereinbarung über eine Versöhnung am 15. September dem Hof in Amiens übergab und am 4. Oktober mit dem wichtigen Plazet des Königs zurückkam. Sofort danach begab sich die Kommission wie ausgeführt am 5. und 6. Oktober an die genaue Ausarbeitung des königlichen Mandats zur Abkehr vom Pisanum, das noch am 6. Oktober in Rom unterzeichnet wurde und dem dann am 9. Oktober die Verkündigung der für Frankreich so positiven päpstlichen Konstitution Aeternae vitae claviger folgte. Die von Ludwig XII. begehrten Dokumente der formellen Übereinkunft zwischen Papst und König vom 6. Oktober und der Konstitution vom 9. Oktober brachte mit der dritten zentralen Kurierreise erneut Sebastiano da Pistoia an den französischen Hof, dem nun auch Leo X. am 10. Oktober (u. a.) einen Empfehlungsbrief für den Dogen von Genua mitgab, damit dieser dem Kurier bei seiner Reise zu Ludwig XII. helfen möge. Am 17. Oktober hatte er Lyon erreicht, wo ihm – der als Postkurier das zweite Mal an den Hof ritt (che andava in poste in chorte la sechonda volta) – die Bartolini-Bank erneut per hordine des Kardinals Sanseverino 31 Scudi di sole überreichte.306 Am 26. Oktober ratifizierte der König in Corbie die Übereinkunft vom 6. Oktober; am 8. November konnte Sebastiano diesen Erfolg seiner Mission in Rom präsentieren. Diese Beteiligung der Bartolini bedeutet natürlich noch keinerlei Einflußnahme auf die Inhalte. Doch eine solche muß es in jenen Wochen gegeben haben, und um sie besser in den Ablauf der Verhandlungen einordnen zu können, war es notwendig, die genauen Daten der einzelnen Kurierreisen anzugeben. Der Einfluß der Bartolini offenbart sich in einem Mandat Leos X. vom 12. Oktober 1513, das sich an den apostolischen Kämmerer richtete.307 In diesem Mandat führt der Papst aus, daß Leonardo (di Zanobi) Bartolini aus seinem eigenen Vermögen Leo X. auf dessen Verlangen 20.000 Kammerdukaten geliehen habe. Diese Summe sollte dem Bartolini nun (allein) aus den Gebühren (den als Spiritualien zusammengefaßten Servitien und Annaten) zurückerstattet werden, die französische Geistliche für päpstliche Provisionen mit Bischofskirchen, Klöstern, Pfarrkirchen und allen anderen Benefizien des gesamten Königreichs Frankreich an die Kurie zu zahlen hatten und welche normalerweise der Apostolischen Kammer zustanden. Alle zu Servitien oder Annaten führenden Bullen des Papstes für solche Benefizien des französischen Königreichs sollte die Apostolische Kammer für diesen Zweck sofort und unmittelbar Leo304 ABS 202, c. 54. 305 Hierzu Minnich, Healing, S. 123. 306 ABS 202, c. 54; vgl. zu diesem zweiten Auftrag Sebastianos auch Minnich, Healing, S. 130f. 307 Ausführlich zu diesem Themenkomplex Tewes, Römische Kurie, S. 278–290.

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nardo Bartolini aushändigen. Nur wenn man die Gepflogenheiten der kurialen Praxis kennt, kann man das Ausmaß, die Ungeheuerlichkeit dieses Vorganges erkennen. Die Kammer behielt die päpstlichen Bullen, diese wichtigen Dokumente, eigentlich in ihrer Hand, bis der Begünstigte sich eidlich zur Bezahlung der Gebühren verpflichtet hatte. Diese Obligation konnte auch ein Vertreter einer Bank leisten, doch war es bis dahin noch niemals vorgekommen, daß ein Bankier Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Bullen ausgehändigt bekam, und dies vor allem vor der Obligationsleistung der Providierten oder deren Vertreter. Die Summe von 20.000 Kammerdukaten machte ungefähr die Hälfte der jährlichen Spiritualieneinnahmen der Kurie aus, die aus dem gesamten katholischen Europa nach Rom kamen. Die Annaten für die sogenannten niederen Benefizien wie Priorate, Kanonikate oder Pfarrkirchen sorgten dabei für den größten Anteil, erreichten als Einzelposten freilich in der Regel kaum 30 Dukaten. Leonardo Bartolini aber sollte und wollte die Kreditsumme allein aus den Taxen des Königreichs Frankreich einziehen! Dies war ein gewaltiges Risiko, das in der Kuriengeschichte offenkundig seinesgleichen sucht. (In den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts hatten immerhin 47 Bankiers der Kurie für einen Zeitraum von fünf Jahren einen jährlichen Kredit von 54.000 Kammerdukaten gewährt, der freilich aus den Spiritualieneinkünften des gesamten Orbis christianus getilgt werden sollte – und die meisten von ihnen hatten schwere Verluste hinnehmen müssen.) Zu bedenken ist ferner, daß der französische König den gesamten Benefizien- und Zahlungsverkehr mit Rom kontrollierte; jede Supplik um eine päpstliche Provision mußte von ihm über königliche Notare genehmigt werden. Während seines Konfliktes mit Julius II. aber hatte Ludwig XII. eben diesen Benefizienverkehr unter Androhung von Strafen völlig verboten. Bis zum 12. Oktober 1513 hatte er zwar sein Einverständnis zur Aussöhnung mit Rom gegeben, den endgültigen Text jedoch noch gar nicht ratifiziert! (Die entsprechende Nachricht brachte Sebastiano da Pistoia ja erst am 8.11.1513 nach Rom.) Wenn nun Leo X. seinem Hausbankier und früheren Handlungsbevollmächtigten gestattete, einen großen Kredit nur aus den Taxen für päpstliche Verleihungen französischer Kirchen tilgen zu dürfen, mußte es eine vorausgegangene Verständigung zwischen Papst und König über genau diesen Punkt und eine entsprechende Genehmigung des Königs gegeben haben. Zudem mußte Leonardo Bartolini von Ludwig XII. eine für diesen und seine Nachfolger geltende Garantie erhalten haben, daß der König Frankreichs den Benefizienverkehr mit der Kurie in den nächsten Jahren nicht wieder wie unter Julius II. verbieten und blockieren würde – andernfalls wäre das Risiko des Kredites untragbar gewesen, wäre freilich auch niemals eine Restriktion des Taxen-Raumes auf das Königreich Frankreich vorgenommen worden. Der alles entscheidende Mittelsmann und Spiritus rector bei diesem so waghalsigen wie hochpolitischen Finanzgeschäft muß Leonardos inniger Freund Federico Sanseverino gewesen sein, der häufige Gast in seinem Haus. Diesem soll er bekanntlich sogar zu einer bestimmten Zeit mehr als seinen Medici-Patronen verbunden gewesen sein; beide weisen mit ihrem energisch-dynamischen Willen im übrigen auch ein sehr ähnliches Persönlich-

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keitsprofil auf. Vor allem aber ist mit Blick auf diese Kreditregelung zu bedenken, daß gerade der Sanseverino im Januar 1504 bei seinem Kredit über 15.000 Dukaten an Julius II. eine solche exklusive (allerdings noch von der Kammer vorgenommene) Tilgung mittels rein französischer Servitien und Annaten vorexerziert hatte!308 Wir möchten daher annehmen, Federico Sanseverino habe schon Ende August oder Anfang September über seinen Boten Sebastiano da Pistoia die Tilgungsmodalitäten eines solchen Kredites beim französischen König abklären lassen, dessen Antwort zusammen mit der über die Beendigung des Schismas durch Sebastiano am 17. September nach Rom gebracht worden sein könnte. Federico Sanseverino hätte sich mit diesem Anliegen wieder einmal für elementare Interessen seiner engsten Freunde und des Hauses Medici eingesetzt. Denn der Kredit Leonardo Bartolinis diente dem Papst, dessen persönlichen, doch nicht näher erläuterten Bedürfnissen. In seiner Funktionalität ist Bartolinis Kredit vom Oktober 1513 in eine Kette weiterer Finanzleistungen zu stellen, wie etwa den 6.000 Dukaten an die Apostolische Kammer für die Feiern der Exequien des Papstes Julius II. oder den seit dem 12. März 1513 (also drei Tage nach der Wahl) aufgebrachten Ausgaben von insgesamt 45.369 Kammerdukaten für die aufwendige Krönungs- bzw. possesso-Feier Leos X., deren Kosten er erst am 15. September 1513 vor der Kammer geltend machte. Für diese Ausgaben anläßlich der „Krönung“ Leos X. und für einige andere notwendige Auslagen erhielt Bartolini indes schon am 3. August 1513 durch seinen mit Agostino Chigi im Rahmen der neuen Alaunverpachtung ausgehandelten Kreditvertrag 57.115 Kammerdukaten (bzw. mit anderem Münzfuß 75.000 Dukaten a carlini X pro ducato), die der Chigi ihm als Vertreter des Papstes am 4. August auszahlen ließ.309 Die Chigi sollten ihren Kredit mit gleich hohen Jahresraten innerhalb von zehn Jahren zurückerhalten; Leo X. gab ihnen als Sicherheit Schmuckstücke im Gesamtwert des Darlehens. Nominell blieb die Summe von 57.115 Kammerdukaten freilich nicht in der Hand Leonardo Bartolinis, sondern sollte (zunächst) dem Papst und der Apostolischen Kammer zukommen.310 Schon am 15. August 1513 hatte Leonardo Bartolini seinem päpstlichen Herrn mit einem gewaltigen Kredit über 49.480 Kammerdukaten erneut massiv finanziell unter die Arme gegriffen. Dieses Geld sollte unmittelbar dem Papst für eigene Angelegenheiten dienen, wurde zum Teil aber auch vom Bartolini zur Tilgung von Schulden benutzt, die Leo X. bei verschiedenen Kaufleuten hatte. Der Bartolini selbst sollte diesen Kredit aus unbestimmten Spiritualienund Temporalieneinkünften der Apostolischen Kammer rückerstattet bekommen.311 Wie Leos X. persönlicher Bankier jene riesigen Bargeldsummen erschloß – allein zwischen März und August 1513 gut 100.000 Kammerdukaten (das Jahreseinkommen eines sehr gut verdienenden Bankangestellten lag damals wie gehört bei 100 Dukaten!) –, ob sie von seinen Hausbanken, der Ricasoli-Bank in Rom und der Lanfredini-Bank in Florenz, 308 S.o. S. 843f. 309 S.o. S. 989, 1032. 310 ASR, Camerale I, Nr. 1488, fol. 40r. 311 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 278f. (mit den Quellennachweisen).

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bereitgestellt wurden, bleibt schleierhaft. Zudem flossen aus seiner Tasche ja viele weitere Zahlungen, außer für den Medici-Haushalt gleichermaßen für viele staatliche Ausgaben der Florentiner Regierung, nicht nur für den Sold ihrer Kuriere.312 Bereits am 1. Mai 1513 hatte er über seine hohen Ausgaben für die Medici geklagt – es sollte nicht das letzte Mal bleiben – und eine Deckung über den Florentiner Staatshaushalt in Erwägung gezogen.313 Im Laufe der Verhandlungen mit Frankreich muß sich Leonardo Bartolini jedoch eine alternative Möglichkeit zur Tilgung seiner anderen, späteren Kredite erschlossen haben. Gleichsam als eine von Leo X. und Ludwig XII. zu gebende Bürgschaft muß er die aus französischen Kirchen stammenden künftigen Spiritualienzahlungen ins Spiel gebracht haben. Dabei mußte er die Sicherheit gehabt haben, daß der König diese Zahlungen nicht erneut verbot. Warum aber ließen er und Federico Sanseverino – denn der Papst war für solche Fragen nicht der geeignete Praktiker – jene Servitien- und Annatenzahlungen auf den Raum des Königreichs Frankreich eingrenzen? Wäre es nicht klüger und sicherer gewesen, hierfür den gesamten Raum des Orbis christianus zu bestimmen? Wenn Leonardo Bartolini sich diese Tax-Einkünfte wie sonst üblich durch die Apostolische Kammer hätte ausbezahlen lassen wollen, wäre dies tatsächlich der richtige Schritt gewesen. Er aber wollte die entsprechenden Bullen selbst in der Hand halten, sie für seine Zwecke analysieren und selektieren, um die entsprechenden Zahlungsverpflichtungen festzustellen und umzusetzen. Gegen eine sofortige Zahlung konnten die Bullen in Rom oder Frankreich ausgehändigt werden; gegen eine (meist durch Prokuratoren ausgesprochene) Zahlungsverpflichtung mußten sie in Frankreich verteilt und mußten die sonst auf der Kammer festgelegten, nun von ihm gesetzten Zahlungsfristen kontrolliert werden. Unter Umständen mußten aber auch die Bullen dort als Sicherheit bis zur faktischen Zahlung aufbewahrt werden – womit wir nur den Kern der hiermit verbundenen Aufgaben angerissen haben. Sinn ergibt dieses Vorgehen nur, wenn der Bartolini über die Voraussetzungen verfügte, mit vielen französischen Providierten bzw. ihren Prokuratoren in Verbindung treten, die Zahl möglichst noch steuern zu können, um so eine rasche Rückzahlung zu bewirken. Da er eine

312 S.o. S. 1009–1013; vgl. BNCF, Ginori Conti, 29/92 (f), Nr. 9, 21, 22 (20.4., 20.11., 3.12.1513,

Leonardo Bartolini aus Rom an Niccolò Michelozzi in Florenz). 313 BNCF, Ginori Conti, 29/92 (f), Nr. 11; weitere Klagen ebd. Nr. 15 (4.6.1513: über die Haltung

des Medici-Papstes, ihn für alles mögliche bezahlen zu lassen, doch hoffe er mit Gottes und des Papstes Hilfe auf denari et assegnamento di qualità, so daß er die Gläubigerhoffnungen bald erfüllen könne – offenbar ein Hinweis auf die Verhandlungen mit Agostino Chigi), Nr. 17 (25.7.1513: er habe seine florentinischen und römischen Konten mit dem Papst noch nicht klären können, doch sei die Sache in Kürze abgeschlossen), Nr. 20 (18.9.1513: er habe i conti mia, also seine Ausgaben für den Papst und die Apostolische Kammer, aufgelistet, wo er auch den größten Teil jener Schulden eingefügt habe, die Leo X. ihn per mano mia in Florenz machen bzw. habe machen lassen), Nr. 22 (3.12.1513: v. a. Jacopo Salviati wisse, wie viele Gläubiger in Florenz mit Tausenden von Dukaten durch ihn noch zufriedenzustellen seien); vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 59f. mit Anm. 90 (mit ausführlicherem Zitat aus Nr. 22 und weiteren Literaturhinweisen).

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solche Aufgabe unmöglich alleine bewerkstelligen konnte, brauchte er Partner, auf die er sich verlassen konnte. Sie standen ihm mit der Lyoner Bartolini- und Salviati-Gesellschaft sowie der römischen Pandolfini-Gesellschaft zur Verfügung. Diese Banken hatten das französischrömische Benefiziengeschäft geradezu systematisch koordiniert. Mustergültig sahen wir dies bei den Profiten, welche die Bartolini-Bank für sich auf den Konten ihrer römischen Agenten Domenico und Francesco Attavanti verbuchen konnte, desgleichen in den großen Aufträgen, welche sie für Jean de Foix und seinen Sohn Thomas übernahm, sowie schließlich bei dem Vertrag, den der südfranzösische Prokurator Giannot Rigault mit Francesco Naldini bzw. der Lyoner Salviati-Gesellschaft abschloß und bei dem er sich verpflichtete, die von ihm vertretenen französischen Benefizienangelegenheiten an der Kurie durch die Pandolfini-Gesellschaft abwickeln zu lassen, die dann in Rom die erforderlichen Prokuratoren bzw. Sollizitatoren bestimmte – und dies war für Frankreich in der Regel einer der beiden Attavanti, womit sich der Kreis schließt. An dem gesamten System war immer in irgendeiner Form die Lanfredini-Bank beteiligt, zu der bekanntlich auch der gerade 1513 fast allmächtige Kuriale Lorenzo Pucci ein besonderes Verhältnis unterhielt. Leonardo Bartolini konnte den Raum für „seine“ Spiritualieneinnahmen deshalb auf Frankreich beschränken, weil er wußte, daß er gerade dort äußerst effizient arbeiten konnte. Zudem waren weitere befreundete Banken wie die der Borgherini oder Gaddi und Rucellai in Rom in das System integriert, die beiden letzten vermutlich sogar über Teilhaberschaften.314 Nur mit solch bewährten Helfern konnte er die große Aufgabe bewältigen. Vermutlich wird Gherardo Bartolini bei seinem mehrmonatigen Aufenthalt in Rom ab Ende Juli 1513 solche Fragen mit seinem Freund und Verwandten Leonardo besprochen haben. Wie schwierig Leonardos Kredittilgung über die geistlichen Taxen aus Frankreich dennoch blieb, zeigt sich bei den beiden nächsten Krediten Leonardo Bartolinis an Leo X., bei denen er diesem am 20. September 1514 einen Betrag von 5.000 und am 26. Januar 1515 einen von 10.000 Kammerdukaten gab. Denn auch für sie sollte der Bartolini die entsprechenden Bullen persönlich erhalten, nun aber nur noch vorzugsweise für Benefizien des Königreichs Frankreich und dessen Dominium, ansonsten aus jedem anderen Raum. Anders war die Tilgung offenbar nicht zu schaffen.315 Wenn wir jenen Kredit Bartolinis vom 12. Oktober 1513 über 20.000 Dukaten mit seinen rein auf das Königreich Frankreich bezogenen Tilgungsmodalitäten ursächlich mit den das Pisanum beendenden Verhandlungen zwischen der Medici-Kurie und Ludwig XII. in Verbindung bringen, bei denen Benefizienfragen ja eine erhebliche Rolle spielten, wenn wir dieses Phänomen in solcher Ausführlichkeit nicht zuletzt als eine der herausragenden Folgewirkungen des Medici-Exils herausstellen, müssen wir in diesem Kontext eine weitere erstaunliche Beobachtung thematisieren. Noch bevor Federico Sanseverino 314 Während des Pontifikats von Leo X. erfolgten französische Spiritualienzahlungen an der Apo-

stolischen Kammer sehr häufig per manus der Borgherini, Rucellai und Gaddi; vgl. ASV, Cam. Ap., Intr. et Ex. 553, 554, 555, die den Zeitraum 1513–1517 abdecken. 315 Vgl. Tewes, Römische Kurie, S. 279f.

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und Bernardino Carvajal nach Rom kamen, um am 27. Juni öffentlich ihre Schuld zu gestehen und um Rehabilitierung zu bitten, nahm Leonardo Bartolini bereits Aufgaben für französische Kleriker wahr, die offiziell erst durch den Vertrag zwischen Leo X. und Ludwig XII. möglich gewesen wären. Denn bereits am 17. Juni 1513 übernahm er auf der Apostolischen Kammer für zwei hochrangige französische Kleriker Servitienleistungen. Im ersten Fall zahlte er im Namen von Philippus Heuraent Servitien in Höhe von 710 Kammerdukaten – gemäß der für das französische Königreich geltenden Ermäßigung in patria reducta –, die für Heuraents Provision mit dem Benediktinerkloster s. Petri de Burgolio [in Valleya, Bourgueil–sur–Vallée) in der Diözese Angers anfielen.316 Am gleichen Tag beglich er für Stephan Phaquier dessen ebenfalls ermäßigte Servitientaxe von 700 Kammerdukaten, die aus der Provision mit dem Augustinerkloster s. Stephani de Divione [St–Etienne, Dijon] in der Diözese Langres fällig geworden waren.317 Angesichts des damals immer noch – zumindest offiziell – sehr problematischen Kurienverhältnisses Frankreichs erscheint es geboten, das Datum zu hinterfragen. Tatsächlich gab es an jenem Tag ein bedeutendes Ereignis, das mittelbar mit den Servitienzahlungen Bartolinis in einen Zusammenhang gebracht werden könnte. Am 17. Juni wurde auf der VII. Session des Laterankonzils der Brief der Kardinäle Sanseverino und Carvajal verlesen, mit welchem sie dem Pisaner Konzil entsagten, es verurteilten, dem Lateranum beitraten und für ihre bisherigen Handlungen als Schismatiker um Verzeihung baten.318 Es hat den Anschein, als habe der Medici-Papst mit diesem formalen Akt – der genau wie die Servitienzahlung Bartolinis einen zeitlichen Vorlauf gehabt hatte! – gleichsam den Startschuß für eine erneute Normalisierung des französisch-kurialen Verhältnisses gegeben. Da Heuraent wie Phaquier generell und vor allem zu jener Zeit bei solch wichtigen, exponierten und lukrativen Benefizien wie diesen Klöstern niemals um eine päpstliche Provision suppliziert hätten, ohne im Vorfeld das Plazet ihres Königs zu erbitten (denn andernfalls hätte Ludwig XII. die Provisionen sofort als ungültig erklärt und die beiden Providierten bestraft), muß es für solche Akte jedoch schon geraume Zeit vorher, spätestens im Mai, zu einer Verständigung zwischen König und Papst gekommen sein! Daß es sich bei jenen frühen Übernahmen französischer Servitienzahlungen durch Leonardo Bartolini weder um Einzelfälle noch um „kleine Fische“ handelte, zeigen die beiden nächsten Vorgänge, denen noch viele weitere folgen sollten. Am 17. Juli 1513 – immer noch lange vor einer ersten offiziellen Klärung des schismatischen Konfliktes –

316 ASV, Cam. Ap., Oblig. Comm. 13, fol. 2r (dominus Leonardus Bartolinis mercator Florentin.

[solvit] nomine Philippi Heuraent pro communi monasterii s. Petri de Burgolio OSB Andegaven. dioc. duc. 710 iuxta reductionem Francie; hierbei handelt es sich zugleich um den offenkundig ersten Eintrag dieses ersten, alphabetisch nach Diözesen geordneten Registerbandes für Servitienobligationen bzw. -zahlungen aus dem Pontifikat Leos X.; die voraufgehenden Bände der Jahre 1510 bis 1513 fehlen). Zur Abtei: Hoberg, Taxae, S. 293 (letzter Beleg für 1397, 500 Fiorini Servitientaxe). 317 ASV, Cam. Ap., Oblig. Comm. 13, fol. 41r. Vgl. Hoberg, Taxae, S. 325 (1430 und 1455 als Hälfte der Servitientaxe 700 Fiorini). 318 Minnich, Healing, S. 106.

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wird er wiederum zweimal in dem betreffenden kurialen Registerband aufgeführt. Beim ersten Mal zahlte er für Jacques Hurault, den Bischof von Autun, die (ermäßigten) Servitien von 1.500 Kammerdukaten für die Provision mit dem Benediktinerkloster s. Launomari zu Blois in der Diözese Chartres; das andere Mal erhielt die Kammer sogar (erneut reduzierte) 5.000 Dukaten durch den Bartolini, die er für Louis Guillard (Guillart), den erwählten Bischof von Tournai, für die päpstliche Provision mit eben jener Bischofskirche zahlte.319 Zumindest die Servitienzahlungen für Hurault und Phaquier dürften in einem sachlichpersonellen Zusammenhang zu stehen, da das Augustinerkloster St. Stephan in der Diözese Langres zuerst im Besitz Huraults war, der dafür am 28. Februar 1513 (also eine Woche nach dem Tod von Julius II.) die Servitien zahlte und es dann offenkundig Phaquier abgetreten hatte.320 Mehr als jeder andere weist der im Juni 1513 gerade 22 Jahre alte Louis Guillard, der am 8. Juni aufgrund einer Resignation seines Vorgängers Charles de Hautbois – eines schismatischen Anhängers des Pisanum ebenso wie Louis Guillard selbst! – als Administrator mit dem Bistum Tournai providiert worden war, auf die hohe politische Relevanz dieser Servitienzahlungen hin, denn insbesondere einem strategisch so bedeutenden, auch vom Deutschen Reich begehrten, aber gerade 1513 (bis 1518) von den Engländern durch ihre Besetzung Tournais bedrohten Grenz-Bistum schenkte der französische König ein besonderes Augenmerk.321 Mit Louis scheint ein naher Verwandter, vielleicht ein Sohn des Charles Guillart (immerhin Präsident des Pariser Parlaments), ebenfalls das Vertrauen des Königs erhalten zu haben.322 Leo X. aber zögerte nicht, noch vor der formalen Beendigung des Pisanum einen Anhänger dieses schismatischen Konzils zum Bischof zu erheben, womit er zweifellos einer dringenden Bitte Ludwigs XII. entsprochen hatte. Trotz einiger offener Fragen bei dieser so überraschend schnellen wie folgenreichen Verständigung zwischen Frankreich und der Kurie können wir festhalten, daß sie wesentlich früher erfolgte, als es die offiziellen Dokumente nahelegen, und daß die Medici auch über Leonardo di Zanobi Bartolini sehr früh aktiv an der wieder normalisierten Beziehung zwischen Frankreich und dem Papsttum partizipierten. Dies ist alles andere als verwunderlich. Die Freundschaft der Medici zum französischen Hof war während der gesamten 319 ASV, Cam. Ap., Oblig. Comm. 13, fol. 10r (1.500 ducati di camera iuxta reductionem Francie),

76r. Vor Bartolinis Kredit vom 12.10.1513 lag schließlich noch eine Servitienzahlung vom 20.9.1513 in Höhe von 1.000 Kammerdukaten für Jean de Torretes, der sich mit einem nicht näher spezifizierten Augustinerkloster in der Diözese Saintes hatte providieren lassen; ebd. fol. 86r. Zur Abtei S. Launomari vgl. Hoberg, Taxae, S. 212 (letzter Beleg: 1422 als Hälfte 1.500 Fiorini, die freilich schon bis 1377 zu zahlen waren). 320 Vgl. Eubel, Hierarchia III, S. 95, Anm. 3 sub „Aeduen.“ (dort als Ortsangabe „Divionen.“; die Jahresangabe 28.2.1512 wird wie bei den meisten kurialen Behörden damals üblich dem stilus florentinus folgen und ist daher in 1513 umzuschreiben). Hurault ist Mitte der 20er Jahre dann durch seine Komplizenschaft mit dem rebellischen Herzog Charles de Bourbon beim König in Mißkredit geraten; vgl. Knecht, Renaissance Warrior, S. 207, 267. 321 Vgl. auch Minnich, Healing, S. 149f. 322 Zu Charles Guillart vgl. Knecht, Renaissance Warrior, S. 166, 266, 526f.

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Exilszeit überaus tief und konnte selbst auf dem Höhepunkt der Feindschaft zwischen Frankreich und Julius II. 1511 bis 1513 bewahrt werden. Insbesondere Giuliano de’ Medici war durch seine langen Aufenthalte am französischen Hof – insgesamt mindestens 18 Monate in den Jahren 1501 und 1502, wenn wir seinen Aufenthalt am Hof des Georges d’Amboise in Mailand im Sommer 1501 mitrechnen – und an der Seite führender Franzosen in Italien geradezu zu einem Träger französischer Politik und Kultur geworden. Er hätte in der Tat den Michaelsorden verdient – gewiß mehr als ein Cesare Borgia. Verbindungen, Verbindlichkeiten und Verpflichtungen besaßen die Medici im französischen Königreich, in dessen Satelliten Savoyen und im französisch beherrschten Herzogtum Mailand nach 1494 schließlich gleichermaßen durch Medici-Bankiers wie Lorenzo Spinelli, Francesco Naldini und vor allem Bernardo de’ Rossi und Leonardo di Bartolomeo Bartolini mitsamt dessen Brüdern und ihren Mitarbeitern. Leonardo verstärkte seinen Einfluß und den seiner Bank in jenen Räumen, als er genau zu dem Zeitpunkt der beginnenden Feindschaft zwischen Frankreich und Papst Julius II. ab 1509 die Benefizien des Kardinals Federico Sanseverino und des Bischofs Thomas de Foix in Frankreich und Oberitalien pachtete. Ein solcher Vorgang konnte nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis König Ludwigs XII. erfolgt sein; und vor allem über den Mailänder Sanseverino als einem der maßgeblichen Geistlichen, Politiker und Feldherrn des Königs schlugen nicht nur die Bartolini, sondern auch dessen intime Freunde aus dem Haus Medici selbst während des Schismas eine breite Brücke direkt ins Zentrum des französischen Hofes. Nur die mehr als nachvollziehbare Rücksichtnahme auf spanische Empfindlichkeiten und die mit dem Medici-Papat notwendig gewordene Wahrung der geistlich-universalen und politisch-partikularen Interessen des Papsttums sowie seines Kirchenstaates verhinderten, daß Federico Sanseverino und sein Freund Bernardino de Carvajal sofort nach Rom ziehen und rehabilitiert werden konnten. Nur die Zeit, nicht das Resultat stand für die Medici und ihre wichtigsten Berater zur Disposition.

c) Ein Porträt Federico Sanseverinos durch Raffael: Die Freundschaft als Versöhnung im Bild Wir möchten dafürhalten, Giovanni de’ Medici habe als Papst Leo X. die von seinem Vorgänger Julius II. geschaffenen bildlichen Möglichkeiten genutzt, um seine Freundschaft zu Federico Sanseverino und sein Bündnis mit Frankreich in künstlerisch höchster Qualität den Zeitgenossen zu demonstrieren und der Nachwelt zu überliefern. Leo X. wählte dafür einen Schauplatz höchster universal-kommunikativer Repräsentanz, nämlich die Stanzen als den Ort der alltäglichen Kuriendiplomatie. In der von den Besuchern als erste zu betretenden Stanza d’Eliodoro hatte Julius II. 1511 Raffael den Auftrag erteilt, die Vertreibung der Hunnen unter Attila durch Papst Leo I. im Jahr 452 zu malen, um hier sein politisches Programm zu veranschaulichen: die Befreiung Italiens von den französischen Barbaren. Leo I. sollte dabei in einer Vorstudie in Gestalt des bärtigen Julius, eines kriegerischen, die Hunnen von einem Tragsitz zurückweisenden Papstes gezeigt werden; mit den Hunnen waren natürlich die Franzosen gemeint, die dann wenige Monate später

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am Festtag des Hl. Leo tatsächlich bei Ravenna auf die Päpstlichen trafen.323 Beenden konnte Raffael dieses berühmte Fresko erst 1513/14 unter Leo X.; der Medici aber gab ihm eine völlig neue Programmatik. (Siehe den Ausschnitt auf dem Umschlagbild.) Nun trat der Papst, Leo I. bzw. der Große, mit seinen Begleitern auf der linken Bildhälfte prominenter als je zuvor in den Vordergrund; nun trug er die Züge Leos X. und er ritt auf einem Pferd, und zwar auf eben jenem türkischen Schimmel, der ihn bei Ravenna und ein Jahr später beim possesso getragen hatte! Leos Begegnung mit Attila wurde von Raffael mittels eines spätantiken Blickes auf das Kolosseum und den Aquädukt des Monte Celio auf das Feld vor dem Lateran verlagert, wo sich noch zu Leos X. Zeit (nachweislich seit dem 10. Jahrhundert, wahrscheinlich schon länger) die bronzene Reiterstatue Marc Aurels befand, dessen Handgeste Leo X. imitiert: einen pazifikatorischen Gestus. Durch Raffael ließ Leo X. nun also zeigen, daß dieser Medici-Papst – ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger! – beruhigt, daß er die Kirche und ihre Feinde versöhnt, daß er die bei seinem Amtsantritt zerrissene Welt zusammenfügt.324 Auffallend sind die beiden hinter ihm reitenden Kardinäle, die Julius II. für sein Bild gar nicht vorgesehen hatte. Unter den verschiedenen Deutungen ihrer Identität findet sich bereits jene, es habe sich bei ihnen um die beiden schismatischen Kardinäle Sanseverino und Carvajal gehandelt. Der bisher unbekannte historische Kontext läßt m.E. keine andere Interpretation mehr zu. Es fügt sich bestens zusammen: Der ausgleichende Friedenspapst, der den Feinden der Kirche die Hand reicht, bezeugt seine Haltung durch den Großmut, mit dem er die durch ihre demütige Bitte rehabilitierten, in den Schoß der Kirche wieder aufgenommenen prominentesten Schismatiker gleichsam an seiner Seite reiten läßt – ganz so, wie er Federico Sanseverino bei der feierlichen Messe von Peter und Paul neben sich ministrieren ließ! Auf der heraldisch linken, der vornehmeren Seite ritt rechts hinter dem Papst (links im Bild) der ranghöhere Kardinalbischof Bernardino Carvajal, neben ihm ist der groß gewachsene Kardinaldiakon Federico Sanseverino zu sehen, ein schismatischer Engel bei der das Eigenbild dieses Papstes fundierenden Lebenswende im Juni 1512.325 323 Vgl. hierzu jetzt Rohlmann, Gemalte Prophetie, S. 280–282. Vermutlich aufgrund der schmach-

vollen Niederlage der Päpstlichen oder des wunderbaren Rückzugs der Franzosen im Frühsommer 1512 mußte Raffael seine Skizze nun so ändern, daß der Papst ganz in den Hintergrund trat und die Hunnen primär von den am Himmel mit einem Schwert erscheinenden Apostelfürsten Petrus und Paulus bezwungen wurden. 324 Rohlmann, Gemalte Prophetie, hier bes. S. 283–285; vgl. auch Shearman, The Vatican Stanze, S. 18; Ders., Gli appartamenti, S. 26; Nesselrath, La stanza d’Eliodoro, S. 232; Oberhuber, Raffael, S. 123. Allein Traeger wollte Leo X. in einem der hinter Leo I. reitenden Begleiter sehen und den Hand-Gestus Leos als „Adlocutio-Gestus“, als alte Kosmokratorgebärde interpretieren, mit welcher die barbarischen Völker symbolisch in ihre Schranken verwiesen wurden; vgl. Traeger, Raffaels Stanza d’Eliodoro, S. 50; Ders., Die Begegnung, S. 107. 325 Dies vermutete auch Rohlmann, Gemalte Prophetie, S. 287 (Ähnlichkeit des linken Kardinals mit dem überlieferten Profilbildnis Carvajals), mit Diskussion der Forschung: Auch Stenius, Prisoner, S. 101f., hatte den Sanseverino in einem der beiden Kardinäle vermutet; vielfach wurde der linke Kardinal nicht mit Carvajal, sondern mit dem Mantuaner Kardinal Sigismondo Gonzaga identifiziert, der in der Tat zu den Freunden des Medici gehörte und dessen aufgedunsenes Gesicht ebenfalls zu dem Porträt passen würde. Doch aufgrund des dominierenden politi-

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Allen unwissenden Zeitgenossen bot Leo X. mit den Porträts der beiden einst abtrünnigen Kardinäle ein Symbol seiner, der neuen mediceischen Versöhnungspolitik – allen Wissenden gegenüber konnte Giovanni de’ Medici auf diese Weise dem intimen Familienfreund Federico Sanseverino für seine ungebrochene Unterstützung in den dunkelsten Jahren der jüngeren Familiengeschichte danken.

6. Der Aufstieg der Medici in den europäischen Hochadel – und die Bedeutung alter Freunde wie Bernardo de’ Rossi Während der multilateralen und hektischen diplomatischen Bemühungen, mit denen die beiden schismatischen Kardinäle rehabilitiert und das kirchenpolitische Schisma schnell beendet werden sollte, spielten für die Mediceer neben den niemals vernachlässigten finanziellen Aspekten möglicherweise schon zu jener Zeit auch dynastische eine entscheidende Rolle, die jedenfalls kurz darauf eine zentrale Bedeutung erlangten. Giovanni de’ Medici sah in seinem Amt als Papst – mit Blick auf die Eigeninteressen – von Beginn an mehr als nur eine Möglichkeit, seiner eigenen Person Anerkennung und Ruhm zu verschaffen. Er nutzte seine neue Stellung stets in gleicher Weise zur Festigung der MediciMacht in Florenz sowie zur sozialen Erhöhung seiner Familie. Was sein Vater Lorenzo mit den beiden Eheverbindungen in das italienische Hochadelsgeschlecht der Orsini so fruchtbar begonnen hatte, setzte sein Sohn auf einer noch höheren Ebene fort. Nun sollte es aber nicht mehr der Hochadel Italiens sein, sondern eine königsnahe Nobilität Europas für seinen Bruder Giuliano! Doch ein solches Interesse ging nicht allein von den Medici aus, sondern gleichfalls von Spanien wie Frankreich, die sich gewissermaßen einen europäischen Wettstreit lieferten, den Brautgeber zu stellen und das seit 1513 noch mächtigere und einflußreichere Haus Medici durch eine solch hochkarätige Eheallianz auf ihre Seite zu ziehen. Nur politisch hier Außenstehende wie Margarethe von Österreich, als Witwe eines savoyischen Herzogs aber familiär am Rande involviert, wollten eine Ehe zwischen

schen und programmatischen Kontextes kann es sich nur um Porträtabbildungen der beiden ehemals schismatischen Kardinäle, der Anführer des Pisanum, gehandelt haben. Hätte der Papst sich vom Gonzaga und Sanseverino begleiten lassen, so hätte er den Aspekt der Freundschaft programmatisch visualisiert, der freilich hier nicht in die übergeordnete Thematik der Begegnung des Papstes mit den Kirchenfeinden paßt; zudem hätte er vermutlich eher den ungarischen Kardinal Bakócz als Medici-Freund an der Seite Sanseverinos gegenüber dem Gonzaga vorgezogen. Nesselrath, La stanza d’Eliodoro, hier S. 232–242, sah den feisten, von seiner SyphilisKrankheit gezeichneten Sigismondo Gonzaga hingegen auf der Seite Sanseverinos, begleitet von Alfonso Petrucci, den der Betrachter links sehe; ihm folgend: Oberhuber, Raffael, S. 123. Wenn der Gonzaga im Attila-Fresko porträtiert worden wäre, hätte er mit seinem dicklichen, aufgedunsenen Gesicht aber der linke Reiter sein müssen; hierzu schon Haidacher, Geschichte der Päpste, S. 252; ebenso Kempers, Crowns, S. 410f., Anm. 96 (neben dem Gonzaga habe der Betrachter rechts den Sanseverino gesehen); vgl. jetzt auch Tewes, Eigenbild, S. 104–107.

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dem bürgerlichen, nur durch Handel und Geschäfte reich gewordenen Medici und einem Mitglied des savoyischen Herzogshauses als nicht standesgemäß ablehnen.326 Das Verhältnis der Medici zu Frankreich wird durch die dynastische Bindung gleichsam gekrönt. Diese florentinisch-französische Lilie aber erblühte auf jenem Boden, der unter dem produktiven Leidensdruck der Exilszeit kultiviert worden war. Ist der ganze Vorgang zwar an sich spannend genug, so müßte er uns höchstens am Rande interessieren, wenn er nicht maßgeblich von Kräften betrieben worden wäre, die offenbar erst während und durch die Exilszeit der Medici in deren engsten Vertrautenkreis traten. Dem Herzogshof von Savoyen kommt nämlich eine, die Schlüsselrolle zu, und für ihn betritt erneut Bernardino de’ Rossi die Bühne des Geschehens, jener Bernardino de’ Rossi, der uns erstmals in den 90er Jahren als Mitarbeiter der Lyoner Medici-Bank begegnet war, der 1497 in Lyon als Gastgeber und Helfer des verbannten Francesco Naldini und sodann von 1498 bis Ende 1502 mit merkwürdig hoher Kapitalsumme als Lyoner Partner von Leonardo di Bartolomeo Bartolini, dessen Vater und Lorenzo Spinelli hervortrat; die führenden Medici-Bankiers Giovanbattista Bracci, Lanfredino Lanfredini und Bartolomeo Bartolini werden ihn 1498 mit jenen 5.000 Fiorini ausgestattet haben, die er als Kapitaleinlage in die Bartolini-Rossi-(Spinelli-)Gesellschaft einbrachte. Er wechselte danach in das hohe Amt eines scudiere an den Hof des savoyischen Herzogs, nicht ohne weiterhin namensgebend gemeinsam mit Francesco Fraschi einer Bankgesellschaft vorzustehen, deren heimlicher Kopf Cosimo Sassetti war, ein integriertes Mitglied der Lanfredini-Bank, die sich so wie er zudem um das Immobilienerbe der Medici kümmerte. Besitzen wir zwar erst für eine etwas spätere Zeit ab Februar 1514 eindeutige Zeugnisse für die zentrale Rolle Bernardino de’ Rossis bei den Verhandlungen, welche die Medici mit dem Haus Savoyen und Frankreich über eine Ehe zwischen Giuliano und einer savoyischen Prinzessin führten, so gibt es doch klare Indizien, die eine frühere Beteiligung Bernardinos als sehr wahrscheinlich vermuten lassen. Denn unter den privaten Ausgaben Leos X. erscheint schon für den 19. Juni 1513 ein Posten von 400 Kammerdukaten, die Leo durch den päpstlichen Thesaurar an Bernardo de’ Rossi zahlen ließ, um für Giuliano de’ Medici eine Zinsvergütung zu begleichen (pagati [...] ad Bernardo de’ Rossi per fare provisione di feni per il magnifico Juliano).327 Der ursächliche Vorgang ist allein aus dieser Angabe nicht eindeutig zu erschließen; offenbar sollte Bernardo de’ Rossi für Giuliano Zinsen für Kredite auszahlen, welche dieser bzw. die Mediceer-Bankiers aufgenommen hatten. Sicher ist, daß Bernardino de’ Rossi sich im Juni 1513 in Rom an der Medici-Kurie befand. Drei Tage später, am 22. Juni, zahlte Leo X. über seinen Thesaurar nochmals einen Betrag an Bernardino de’ Rossi. Wiederum übernahm der Papst eine Schuld seines Bruders Giuliano. Rossi hatte geltend gemacht, daß er im Auftrag oder im Namen Giulianos mit einer Summe von 1.026 Kammerdukaten bei der Florentiner Gesell326 Vgl. Zobi, Nozze, S. 10. 327 Mercati, Spese, S. 213, Nr. 37. Mercati hat den Florentiner Bernardino de’ Rossi allerdings mit

Bernardo Rossi di Parma, Bischof von Treviso und Gouverneur von Rom, verwechselt (ebd. S. 223, Anm. 35). Als fenus bezeichnet man den von Kreditgebern erwirtschafteten Zinsgewinn.

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schaft des Lanfredino Lanfredini in der Schuld stehe.328 Rossi hatte demnach für Giuliano diesen Geldbetrag oder eine bestimmte Leistung im Wert von 1.026 Kammerdukaten von der Lanfredini-Bank erhalten, die er nun für den Medici bezahlen wollte. Genau wie Leonardo di Zanobi Bartolini handelte also auch Bernardo de’ Rossi (wieder) als Bankier der Medici; und beide stützten sich auf die Kassen der Lanfredini-Bank, um finanzielle Aufwendungen für die Medici zu bestreiten. Bernardo de’ Rossi gehörte also unbestritten weiterhin zum Finanzsystem der Mediceer. Als er Ende Dezember 1502 seine Partnerschaft mit Leonardo di Bartolomeo Bartolini beendete, übernahm er eine Brückenfunktion zwischen Florenz und Savoyen, wo er seit ca. 1506 als Offizier des Herzogs nachzuweisen ist, dabei auch zwischen Florenz und Rom verkehrend. In seiner Heimatstadt wirkte er nicht zuletzt für den Herzog von Savoyen (der ihm beispielsweise im Dezember 1507 einen Packen Briefe zusenden ließ), um zugleich im Auftrag der Florentiner Signoria (etwa im September 1505 und April 1512) wegen bestimmter Differenzen von Florentiner Kaufleuten am savoyischen Hof zu verhandeln und zu vermitteln.329 Noch im Juni 1512 hatte Bernardino de’ Rossi als scutifer bzw. escuyer des Herzogs von diesem den Auftrag erhalten, 15 Pferde mit Reitern von Genf ins Piemont und über Chambéry zurück nach Genf zu führen; und noch im Dezember 1512 sind weitere Zahlungen für ihn in dieser Funktion belegt.330 1513 dann ist er schon im Juni mit neuen alten Finanzkompetenzen als Sachwalter Giulianos zu erkennen. Bernardino de’ Rossi, dieser in der Forschung ebenfalls nahezu unbekannte Florentiner, wurde vor allem durch seine Stellung am savoyischen Herzogshof für das MediciPapsttum zu einem zentralen Angelpunkt oder – um im Bild des Netzwerkes zu bleiben – Knotenpunkt für die dynastischen Ambitionen der Medici. Deshalb beteiligte er sich aktiver als viele andere an den Heiratsplänen für Giuliano. Ob er die savoyische Karte schon im Juni 1513 ins Spiel brachte – im Auftrag Herzog Karls oder gar König Ludwigs XII., wenn nicht sogar mit eigener Initiative –, läßt sich nicht belegen. Sicher ist jedoch, daß er und desgleichen die führenden Kräfte der Bartolini- und Salviati-Gesellschaft in Lyon eine maßgebliche Rolle bei dieser letztlich epochalen Wendung der mediceischen Familienpolitik einnahmen. Ihre Bedeutung ermißt sich freilich erst aus dem größeren Kontext. Wir sahen, wie im Sommer und Herbst 1513 zwischen der Kurie und dem französischen Hof mit Hochdruck eine Lösung des von Julius II. gleichsam geerbten Konfliktes betrieben wurde, der als solcher den natürlichen Interessen und Bindungen beider Seiten in keiner Weise entsprochen hatte. Es kam daher rasch zu einem Ausgleich, der sowohl den Medici und ihren Freunden (Leonardo di Zanobi Bartolini z. B.) als auch dem französischen König große Vorteile brachte. Schon die schnelle und so erstaunlich gnädige Re328 Mercati, Spese, S. 213, Nr. 38 (E a di 22, ducati 1.000 di carlini pagato per mano del Thesorie-

ro ad Bernardo de’ Rossi per tanti dixe ne era debitore a Lanfredino Lanfredini e compagni di Firenze per conto del magnifico Juliano: sono di camera [...] duc. 1.026,-). 329 Vgl. AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 161, fol. 330r (12.12.1507); Lupi, Relazioni, S. 295, 301. 330 AST, Sede V. Piave, Inv. 16, Reg. 165, fol. 67r–68r (zum Auftrag für den Juni 1512, der am 20.9.1512 abgerechnet wurde), Reg. 166, passim.

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habilitierung Sanseverinos und Carvajals hatte den demonstrativen Protest und Ärger der Vertreter Spaniens, Deutschlands, Englands und der Schweiz (Schiner v. a.) provoziert; die ungewöhnlich milde Behandlung Ludwigs XII. durch den Medici-Papst führte zu den gleichen Reaktionen bei den Verbündeten der julianischen Kurie, unter denen Maximilian I. sich zu Recht wundern durfte, daß ausgerechnet er nun – der einst Federico Sanseverino über Monate hingehalten und mit seiner Distanz zum Pisanum enttäuscht hatte – als Hauptverantwortlicher des Pisanum an den Pranger gestellt wurde!331 Verwunderlich war dies alles nur, wenn man sich über die profranzösischen Motive der Medici und die Tiefe ihrer Verwurzelung in Frankreich nicht im klaren war. Spanien hatte jene Annäherung sehr schnell mit Sorge erkannt; eine der daraufhin ergriffenen Gegenmaßnahmen bestand in dem Versuch, den Papstbruder durch eine Eheverbindung auf die spanische Seite zu ziehen. Schon am 17. Juli 1513 konnte Claude de Seyssel König Ludwig XII. aus Florenz berichten, daß ihn Francesco Pandolfini über die Pläne Spaniens informiert habe, Giuliano zu einer Ehe mit einer Tochter der Herzogin von Bari zu bewegen.332 Vermutlich hat diese Nachricht Frankreich endgültig bewogen, sich nun seinerseits aktiv um eine französische Kandidatin für Giuliano zu bemühen.333 Obwohl Leo X. seit dem August 1513 wiederholt kein Geheimnis aus seinem Mißtrauen gegenüber Spanien und seiner Ablehnung einer spanischen Eheverbindung für Giuliano machte, unterbreiteten die Spanier in den folgenden Monaten weitere Ehevorschläge, über welche die Medici dann auch verhandelten, die sie jedoch aus unterschiedlichen Gründen (zu geringer sozialer Rang etwa) stets verwarfen.334 Ludwig XII. hatte im Zusammenspiel mit Herzog Karl III. von Savoyen bald eine attraktive Alternative anzubieten: Karls Schwester Filiberta von Savoyen, die eine Schwester jener in Frankreich lebenden Luise von Savoyen war (sie alle waren Kinder des Medici-Freundes Philippe de Bresse!), die dort als Frau des Grafen Charles de Angoulême (1496 verstorben) unter der Obhut des Königs ihren Sohn und designierten Thronfolger Franz (I.) aufzog. Der 1494 geborene Franz, den Ludwig XII. 1505 der Fürsorge des Kardinals Georges d’Amboise anvertraut hatte, wurde 1506 mit der Königstochter Claude de France vermählt und 1508 ganz an den Hof gezogen. Das engere familiäre Umfeld der künftigen Braut Giulianos weist weitere bemerkenswerte Bezüge zum Medici-Netzwerk auf. Filibertas Neffen Franz, der vom König das neu 331 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste IV/1, S. 38–40; Minnich, Healing, S. 106f., 124, 136, 153;

Tewes, Römische Kurie, S. 288. 332 Caviglia, Seyssel, S. 597f. (daß es sich dabei um ein Politikum handelte, zeigt sich darin, daß

die entsprechende Passage von Seyssel chiffriert wurde). 333 Zu Ludwig XII. als großem Förderer der dann tatsächlich realisierten Ehe zwischen Filiberta

von Savoyen und Giuliano de’ Medici vgl. Segre, Carlo II, S. 115 (Quelle ist ein Brief des savoyischen Gesandten am französischen Hof, Confignon, vom 3.2., der dem Herzog über das Drängen des Königs für eine Verwirklichung des Eheprojektes berichtete. Da für das fehlende Jahresdatum 1514 zu setzen ist und nicht 1515 [am 25.1.1515 fand bereits die Hochzeit in Turin statt], muß es sich bei dem König um Ludwig XII. und nicht Franz I. gehandelt haben, wie Segre annahm). 334 Vgl. Caviglia, Seyssel, S. 287–289; Tewes, Medici und Frankreich, S. 78–81.

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geschaffene Herzogtum Valois erhalten hatte, standen als Waffengefährten und militärische Lehrer die beiden Brüder Odet und Thomas de Foix zur Seite, die Vicomtes de Lautrec und de Lescun – und ihr Vater Jean sowie Thomas, der Bischof von Tarbes, zählten zu den Bartolini- und somit Medici-Vertrauten!335 Giulio, ein jüngerer Bruder des Bartolini- und Medici-Intimus Federico Sanseverino, stand als maggiordomo dem Haushalt Luises von Savoyen vor; er gehörte als Ritter des Michaelsordens sowie Offizier des Königs zu den höchsten militärischen Würdenträgern Frankreichs. Schon am 30. August 1513 hatte er als capitano del Re mittels seines Dieners Antonio Morulla in bar zunächst 5.100, dann 6.000 Scudi in ein mit 6% verzinstes Depositenkonto der Lyoner BartoliniBank eingelegt.336 Rangmäßig wurde er freilich von seinem Bruder Galeazzo Sanseverino übertroffen, dem Gran escuyer. Und schließlich ist nicht zu vergessen, daß Herzog Karl III. von Savoyen in der Tradition seiner Vorgänger – und analog zu Federico Sanseverino – die Bartolini-Bank zu seiner Hausbank bestimmt hatte, die ja zudem auch die politische Korrespondenz zwischen seinem Hof und dem des französischen Königs besorgte. So unmöglich mit Blick auf diese Verflechtungen einzelne Kausalitäten für das französische Eheprojekt zu bestimmen sind, so unzweifelhaft dürfte jedoch sein, daß die damit umgesetzte neue Qualität der Verbindung zwischen den Medici und Frankreich aus einem wohl kultivierten Boden erwuchs. Es ist daher bezeichnend, daß bei dem offenkundig ersten Hinweis auf dieses französisch-savoyische Eheprojekt für den Papstbruder – wenn man Bernardino de’ Rossis Anwesenheit an der Kurie im Juni 1513 noch nicht vor diesem Hintergrund sehen möchte – die Lyoner Salviati-(Lanfredini-Naldini-)Gesellschaft im Mittelpunkt steht. Am 17. November 1513 schrieb Lorenzo di Piero de’ Medici aus Florenz an den Kardinal Giulio de’ Medici in Rom, er werde mit diesem Brief einen von Francesco Naldini aus Lyon erhaltenen senden, so daß Giulio daraus ersehen und wissen möge, was Naldini über die Schwester des Herzogs von Savoyen schreibe.337 Da es sich bei dieser nicht näher bestimmten Schwester kaum um Luise von Savoyen gehandelt haben kann, wird man sie mit Filiberta identifizieren dürfen. Lorenzos Hinweis legt nahe, daß die Medici Francesco Naldini damit beauftragt hatten, nähere Erkundungen über diese potentielle Ehefrau Giulianos einzuholen. Naldini, dessen Treue zu den Medici man mit seiner Verbannung aus Italien 335 Zu Luise von Savoyen und Franz vgl. Maulde la Clavière, Louise de Savoie, hier bes. S. 197,

297, 314–316; Knecht, Renaissance Warrior, S. 1–15. Filiberta von Savoyen stammte aus der zweiten Ehe des Philippe de Bresse mit Claude (Claudine) de Brosse; vgl. etwa Harsgor, Recherches, S. 1680. 336 Zu Giulio Sanseverino vgl. Sansovino, Origine, p. 201v–202r; Michaud/Poujoulat, Mémoires, S. 117; Caviglia, Seyssel, S. 311 u. Anm. 1; zu seinem bis 1517 bezeugten Depositenkonto ABS 201, c. 3/III, 4. 337 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 22r (Mando alsì una lettera havuta da Francesco Naldini di Lione acciò che la S.V. vega quello, che scrive della sorella del Duca di Savoia, perché iudico a proposito che quella l’intenda et sappia); vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 80 und Anm. 129 (anders als dort geäußert, möchte ich nach der weiteren Erschließung des Kontextes nun doch eine Identität jener Schwester mit Filiberta annehmen, da ein Bezug auf Luise von Savoyen hier keinen Sinn ergibt).

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1497 härter bestraft hatte als die vieler anderer, der dann aber zu einem der wichtigsten Repräsentanten der Mediceer-Bankiers in Lyon wurde, deshalb 1505 Generalprokurator Leonardo di Bartolomeo Bartolinis für dessen Florentiner Mandat und 1508 in leitender Funktion Partner der Salviati, der Lanfredini-Bank und damit auch seines Mentors Gianbattista Bracci in der Lyoner Salviati-Gesellschaft wurde, er nahm nun am Ort seines Exils, der ihm beachtliche Karrierechancen geboten hatte, eine wichtige Funktion für den ehrgeizigen sozialen Aufstieg seiner Medici-Patrone ein. Sie werden ihm all dies 1518 danken, als sie Francesco Naldini gegen alle politischen Regeln das höchste Florentiner Staatsamt des Gonfaloniere di Giustizia anvertrauen wollten.338 Die Vermutung, Francesco Naldini habe im Herbst 1513 als Mittelsmann bereits eine Eheverbindung Giuliano de’ Medicis mit Filiberta von Savoyen angebahnt, läßt sich recht zwingend stützen. Trotz Verhandlungen mit Spanien, das Giuliano nun sogar eine natürliche Tochter König Ferdinands anbot, ließ Leo X. bereits Anfang Januar 1514 erkennen, Giuliano sei mehr zur savoyischen Verbindung geneigt – die demnach bereits konkret im Raum stand und seit einigen Wochen vorbereitet gewesen sein muß! Tatsächlich trafen schon am 3. Februar 1514 mit Pietro Trolliet und Gian Giacomo Grosso zwei Gesandte des Herzogs von Savoyen in Rom ein, um eine mögliche Eheschließung zwischen Giuliano und Filiberta zu besprechen.339 Bemerkenswert ist nun, daß sich zu dieser Zeit wieder338 Vgl. Butters, Governors, S. 291; Tewes, Medici und Frankreich, S. 93f., A. 159. 339 Segre, Carlo II, S. 152–156, Nr. 4, Brief Trolliets und Grossos vom 18.2.1514 an Herzog Karl

III. (wie er in der neueren Forschung gezählt wird) von Savoyen, hier S. 152: Monseigneur, suyvant vostre commendement avons tant fait par nos Journees que le vendredi IIIe de fevrier sumes arrivé à Romme, qui na pas esté sans poyne et dangier. Passant par Florence avons trouvé messr bernardin, lequel nous a presenté pour lhonneur de vous plusieurs plaisirs et pource que par son parlé avons cogneu estoit bien Informé de ce affère luy avons prié faire tenir par les postes une lettre que scripvons à messe loys [Luigi de’ Rossi] pour faire les advertissemens de nostre allée ou bon luy sembleroit. [...] Le saubedi IIIIe au mattin nous vindrent trouver à nostre logis lesdict messe loys et bernardin, au quel messe loys presentay vostre lettre, laquelle leue me pria luy dire la creance dicelle. [...] Avoir parachevé mon propos, me dist [Kardinal Giulio de’ Medici] que nostre sainct père estoit adverty de nostre venue, quil parleroit à monsr le Cardinal [Giulio] et que par messe bernardin serions adverty journellement de ce quavions à faire. Ledict Jour bien tard retournast ledict messe bernardin, lequel nous dist que au landemain serions aouys de nostre sainct père et susnomès. La dimanche suyvant ledict messe Bernardin nous vint trouver pour nous conduyre au pallays en la chambre dudict monsr le cardinal [Giulio], le quel entendant nostre venue feist sorty ceulx questoient avecques luy et ne demourast sinon messes loys [Luigi de’ Rossi], bernardin et Jean Jacques [Grosso] et moy trolliet, qui luy presentay vostre lettre [...]. Weitere Belege zu Bernardino de’ Rossi, den Segre nicht als Vertrauten des Herzogs, sondern als „ministro“ der Medici identifizierte, im weiteren Kontext; mit Verweis auf Segre: Caviglia, Seyssel, S. 293–295 (ebenfalls ohne Identifizierung Bernardinos, den die Gesandten als so prominente wie bekannte Persönlichkeit gegenüber dem Herzog stets nur als messr Bernardin bezeichneten. Der einzige noch in Frage kommende andere Vertreter dieses Vornamens, Bernardo Dovizi da Bibbiena, war dem savoyischen Hof bei weitem nicht so bekannt, als daß die Gesandten ihn nur mit dem Vornamen hätten bezeichnen können; zudem war die Namensform des ‚kleinen Bernardo‘ gerade in Savoyen für Rossi üblich und vor allem ist sie durch den Kontext und weitere Quellen hier eindeutig auf ihn zu beziehen.). Noch Ende Dezember 1513 hatten Leo X. und Giuliano dem französischen König über einen Boten Seyssels

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um Bernardino di Giovanni de’ Rossi an der Kurie befand, der jetzt ohne jeden Zweifel für diese savoyische Eheverbindung als zentraler Vermittler wirkte.340 Trolliet und Grosso konnten dem Herzog bescheinigen, welch hervorragende Dienste Bernardino durch seinen großen Einfluß beim Papst für den Herzog, das Haus Savoyen und speziell für jenes Eheprojekt (l’affaire) geleistet hatte, konnten ihm zugleich auch versichern, daß Bernardino einen großen ‚Kredit‘ (nicht nur) bei Papst Leo X., (sondern auch) bei Kardinal Giulio de’ Medici, beim Magnifico Giuliano und vielen anderen besitze.341 Aus dem Bericht der Gesandten erscheint er geradezu als Seele des gesamten Unternehmens, vor allem zusammen mit seinem Verwandten Luigi de’ Rossi und Kardinal Giulio de’ Medici. Der Mediceer Bernardino de’ Rossi wirkte bei diesem epochalen Projekt demnach auch im Interesse oder gar im Auftrag des Herzogs von Savoyen, was unsere Identifizierung mit dessen gleichnamigem (früherem?) Offizier stützt; als solcher war er durch seine vorherige Stellung am Herzogshof der erste Ansprechpartner der savoyischen Gesandten gewesen. (Da diese ihn nicht als escuyer bezeichneten, wird er dieses Amt damals nicht mehr bekleidet haben; wäre er freilich stets „nur“ ein Bankier in Lyon gewesen, wäre seine hochpolitische, vertrauensvolle Aufgabe für den Herzog bei dem Eheprojekt nicht plausibel.) Wie Rossis Funktion praktisch aussah, soll nun näher verfolgt werden, um in die konkreten Abläufe eines Entscheidungsprozesses von europäischer Dimension einzutauchen, um aber auch eine Figur ans Licht zu holen, die sonst eher hinter dem Vorhang der Medici-Geschichte stehen mußte. Bernardino hatte die beiden Gesandten bereits in Florenz erwartet, empfangen und sie aus Ehrerbietung gegenüber dem Herzog bestens betreut.342 Entscheidend ist hierbei, daß Bernardino es war, der sie schon in Florenz umfassend über den Stand der Ehesache unterrichtete. Da die Gesandten aus seinem Bericht erfuhren, daß er gut über diese affère informiert war, baten sie ihn, vorab einen von ihnen geschriebenen Brief an Luigi de’ Rossi zu schicken, mit dem sie diesen sowie den Papst, Kardinal Giulio und Giuliano über ihr Kommen in Kenntnis setzten. Von Florenz aus begab Bernardino sich dann nach Rom, wo er am Vormittag des 4. Februar, einem Samstag, zusammen mit Luigi de’ Rossi die am Vortag eingetroffenen Gesandten in ihrer Unterkunft aufsuchte. Diese präsentierten Luigi das herzogliche Schreiben, der schon von dem großen Interesse des Papstes an einer Ehe zwischen Giuliano und der Schwester des Herzogs berichten konnte. Vor der Audienz beim Papst sollte eine Unterredung mit Giulio de’ Medici stehen, der die beiden Gesand-

Nachrichten zukommen lassen, die Ludwig XII. ausrufen ließen, der Papst sei nun ganz gewiß auf seiner Seite, sei völlig sein; mehr habe er aber auch nicht tun können, um den Papst für sich zu gewinnen; ebd. S. 291. 340 Caviglia, Seyssel, S. 295, Anm. 1. 341 Et voyant la disposicion telle aussi quavies esté Informé, ledict messe bernardin avoit bien ample puissance de nostre sainct père en cedict affaire, avons deliberé vous adverty du tout vous advertissant, monseigneur, que ledict messe bernardin à ung grant credict envers le pape, monsr le cardinal, le magnifficque et aultres plusiers, Et lavons trouvé propice en cedict affère et en bonne volenté à vous fère service; Segre, Carlo II, S. 155. 342 Vgl. oben Anm. 339.

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ten am Schluß darauf hinwies, daß Bernardino de’ Rossi sie täglich informieren werde, was sie zu tun hätten. Am Samstagabend konnte Bernardino ihnen berichten, der Papst werde sie am folgenden Tag empfangen. Am Sonntag holte Bernardino die Gesandten ab, um sie zum Vatikan und dort zunächst in das Zimmer Kardinal Giulios zu führen. Als Giulio ihr Kommen vernahm, schickte er alle Anwesenden hinaus, so daß außer ihm nur noch Luigi und Bernardino de’ Rossi mit den beiden Gesandten über die herzoglichen Intentionen und die Angelegenheit im allgemeinen sprachen. Anschließend ging es zur Audienz beim Papst, wobei Giulio sie in ein nahe der päpstlichen Kammer liegendes Zimmer führte, für das er eigens einen Schlüssel besaß. Dort ließ er die Gesandten zunächst warten, um zusammen mit Luigi de’ Rossi den Papst aufzusuchen, der kurz darauf mit ihnen das Audienzzimmer betrat. In Latein empfahl Trolliet dann seinen savoyischen Herrn; auf Französisch(!) antwortete Leo X., der in seiner Ansprache nicht versäumte, auf die gute und große Freundschaft hinzuweisen, die zu allen Zeiten zwischen den Häusern Medici und Savoyen geherrscht habe. Und ganz gewiß war es ebenso kein Ausdruck bloßer Höflichkeit, sondern eine ehrlich gemeinte, bewußt formulierte, historischen Tatsachen entsprechende Aussage, wenn Leo danach die große Liebe (la grande amour) betonte, die der Vater des Herzogs (also Philippe de Bresse) dem Haus Medici entgegengebracht hatte, zumal der Papst in einer weiteren, auf Italienisch gehaltenen und nun konkret auf die (beiden Häusern Nutzen und Ehre bringende) Eheverbindung bezogenen Rede nochmals hervorhob, daß dieser Vater le protecteur der Medici und ihres Hauses während ihrer großen Not gewesen sei!343 In der Tat hatten wir ja Karls (und Luises wie Filibertas) Vater Philippe de Bresse schon in vertrautestem Kontakt zur Lyoner Medici-Bank und in den Monaten vor und nach dem Exil als einen der wichtigsten Helfer der bedrohten Medici herausstellen können: Er hatte mit großer Energie Piero de’ Medici auf die französische Seite gebracht und die dennoch exilierten Brüder danach genauso tatkräftig unterstützt. Leo X. hatte also sehr bewußt die Erinnerung an diesen so entscheidenden Freund seines Hauses im Kontext eines Eheprojektes ins Spiel gebracht, das womöglich primär von diesen Erfahrungen genährt wurde – auch hier schließt sich ein Kreis wirkmächtiger historischer Entwicklungen, indem die nie vergessenen Freundschaftsdienste von einst mit ihren festen Vernetzungen positiv auf die Entstehung neuer Qualitäten innerhalb dieses Netzwerkes einwirkten. Nach dem konstruktiven Gespräch mit dem Papst wurden die Gesandten von Luigi de’ Rossi zu den Pforten des Vatikanpalastes geführt, wo er sie Bernardino de’ Rossi übergab, der somit offenbar an der Audienz nicht teilgenommen hatte und sie nun zu ihrer Unterkunft begleitete. Auch die nächsten Tage stand ihnen Bernardino als ständiger Ansprechpartner zur Verfügung, bat sie am Montag um Geduld, da wegen des Konsistoriums keine Gespräche erfolgen könnten, doch kümmerte er sich mit Luigi de’ Rossi an jenem Tag um die Gesandten. Daß die für Dienstag (7.2.) vorgesehene Unterredung mit Giulio de’ Medici wegen der Masse der Personen, die bei diesem vorstellig geworden waren, ebenfalls 343 Vgl. Segre, Carlo II, S. 153f.

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ausfallen mußte, erfuhren sie wiederum von Bernardino, der sie nun Luigi de’ Rossi übergab, welcher sie zu einzelnen Schätzen des Vatikans führte, nicht ohne Trolliet dabei sein besonderes Engagement für ein Gelingen dieser Eheverbindung mitzuteilen – für das sich im übrigen auch Giulio de’ Medici einsetze – und ihn wegen der üblichen Mitgift (100.000 Scudi) und territorialen Ausstattung für Frauen des Herzogshauses zu befragen. Am Mittwochmorgen, dem 8. Februar, erschien Bernardino, um die Gesandten zu Giuliano zu bringen, der erst am Dienstagabend in Rom eingetroffen war und mit dem sie nun erneut ein längeres Gespräch über das Projekt führten und die herzogliche Position darlegten.344 Trotz der Bitten um eine rasche Antwort der Medici, welche die Gesandten über den Herold des Herzogs nach Savoyen übermitteln wollten, mußten sie bis zum Dienstag, dem 14. Februar, warten, als Luigi de’ Rossi zu einem weiteren Gespräch über die affaire bzw. mariage zu Tisch bat. Am Mittwoch traf sich dann Bernardino de’ Rossi zu einer Verhandlung mit Trolliet, bei der es jetzt konkret um die finanzielle Ausstattung Filibertas ging, wobei Bernardino das Gelingen des Ganzen in Aussicht stellte und die Hoffnung ausdrückte, daß Filiberta acht- bis zehntausend Dukaten jährliche Einnahmen haben werde und Hunderttausend als Mitgift, neben der gleichen Summe für la confession. Am Donnerstag schließlich, dem 16. Februar, als die zentralen Entscheidungen gefallen waren, ging Bernardino mit den Gesandten essen, erläuterte ihnen alle bisherigen Antworten und Entscheidungen und überraschte sie mit der Mitteilung, Leo X. wünsche, daß er, Bernardino, sich persönlich in dieser Sache en poste, d. h. so schnell wie möglich im Stafettenritt – wozu ein Bernardo da Bibbiena nicht, ein escuyer aber sehr wohl in der Lage war! –, zu Herzog Karl begebe. Hiervon sei, so die Gesandten, niemals vorher die Rede gewesen! (Dieser Einwand macht ebenfalls nur dann Sinn, wenn Rossi zugleich für den Herzog wirkte.) Bernardino hatte also plötzlich eine herausragende Sonderfunktion erhalten. So erklärten die Gesandten es Herzog Karl: messire Bernardin habe eine sehr weitgehende Vollmacht des Heiligen Vaters in dieser Eheangelegenheit! Trolliet und Grosso hielten es am Schluß ihres am 18. Februar in Rom abgefaßten und uns als Quelle dienenden Berichtes über ihre Mission deshalb für angebracht, den Herzog nicht nur über den gesamten Vorgang, sondern auch über das baldige Kommen Bernardinos zu unterrichten, der auf jeden Fall vor ihnen am savoyischen Hof erscheinen und unabhängig von ihnen verhandeln werde. Für ebenso notwendig hielten sie es angesichts dieser neuen Entwicklung, d. h. der in Kürze anstehenden Verhandlung Rossis mit dem Herzog, Bernardinos großen Einfluß beim Papst, bei Giulio, Giuliano und vielen anderen hervorzuheben – offenbar war ihnen diese Bindung zu den Medici weniger bekannt als die zum savoyischen Hof. Der Herzog sollte schließlich nochmals hören, daß Bernardino die Ehesache sehr fördere, daß er dabei entschlossen sei, zugleich dem Herzog zu dienen, und daß Bernardino ihnen versichert habe, mit bonne responce wegen allem – auch wegen einer den Bruder des Herzogs betreffenden Sache – zu Karl zu kommen.345 Bernardino de’ Rossi hatte demnach von Leo X. die ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe übertragen 344 Segre, Carlo II, S. 154. 345 Segre, Carlo II, S. 155.

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bekommen, dessen Antwort zu überbringen und sodann am savoyischen Hof die endgültigen Modalitäten einer für die Medici und nicht zuletzt sogar für die europäische Geschichte äußerst bedeutenden Eheverbindung auszuhandeln. Aus dem ausführlichen Brief der Gesandten wird sehr deutlich, daß Bernardino in geradezu klassischer Weise eine Vermittlungsposition wahrnahm, in der er den Interessen und Vorteilen beider Seiten dienen wollte. Für unser Thema ist dabei bemerkenswert, welch hohes Ansehen, welche Vertrauensstellung er bei der Medici-Spitze besaß. Bernardos Wirken in Lyon, Savoyen, Florenz und – wie Ende 1503 zu erkennen war – eben auch in Rom hatte den Medici seine Qualitäten vor Augen geführt. Dies wird zudem aus weiteren, ergänzenden Quellen ersichtlich. Denn Bernardino de’ Rossi muß während jener Tage auch die Medici-Führung in Florenz persönlich über die laufenden Verhandlungen unterrichtet haben. So konnte Lorenzo de’ Medici am 10. Februar 1514, als die Gespräche in Rom für einige Tage unterbrochen worden waren, seiner Mutter Alfonsina schreiben, er sei wegen des parentado mündlich durch (den kurz von Rom nach Florenz und zurück reitenden) Bernardino de’ Rossi – hier fällt erstmals der volle Name! – informiert worden, des weiteren schriftlich durch Giulio; von beiden nehme er einen Wandel der Intentionen zur Kenntnis.346 Offenbar hatte man Lorenzo lange in dem Glauben gelassen, die spanische Option werde von den Medici noch mit dem gleichen Ernst verfolgt; der Brief seiner Mutter vom 9. Februar aus Rom, mit welchem sie ihn über den Stand der Eheverhandlungen mit den herzoglichen Abgesandten unterrichtete, wird ihn noch nicht erreicht haben.347 Lorenzo di Piero de’ Medici schien durchaus zu einer Eheallianz mit Spanien geneigt gewesen zu sein, zumindest was seine eigene Zukunft und Standeserhöhung betraf. Denn er hatte Giulio de’ Medici am 10. Februar an die Erlaubnis erinnert, seine eigenen Wünsche Richtung Spanien auszurichten. Und nach den erfolgreichen ersten Verhandlungen mit Savoyen forderte er von den Häuptern der Medici, sie sollten nach Abschluß von Giulianos Eheprojekt rasch an ihn denken.348 Diesen Wunsch äußerte Lorenzo in einem am 14. Februar an Alfonsina geschriebenen Brief, in welchem er sein Einverständnis für eine Heirat zwischen Giuliano und Filiberta bekundete, falls die vom Herzog beabsichtigten Konditionen Wirklichkeit würden; schließlich sei Filiberta eine Adlige und dabei 346 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 39v–40r (10.2.1513/14, Lorenzo de’ Medici aus Florenz an

Alfonsina Orsini in Rom). 347 Alfonsinas Brief vom 9.2.1514 aus Rom an ihren Sohn Lorenzo in Florenz ist gedruckt bei Zobi,

Nozze, S. 27–30 (von Luigi de’ Rossi und dem Kardinal [Giulio de’ Medici] habe sie erfahren, wie es um die Hochzeit mit Savoyen stehe; der Mann des Herzogs wolle dessen Schwester ohne Mitgift Giuliano geben, wolle dafür aber vom Papst eine dota von 30– oder 40.000 Dukaten; Giuliano gefielen diese Konditionen überaus, Luigi de’ Rossi sei angetan und wohl auch Bernardo da Bibbiena, während Kardinal Giulio sich neutral verhalte, sich aber wie gewöhnlich wohl der Mehrheit anschließen werde – man spürt die Spannungen zwischen Alfonsina und Giulio! –; der Papst ziere sich, doch werde er uneingeschränkt zustimmen, da Giuliano es wolle und da die Eheverbindung nobile sei – die Mitgift sei ihm egal). 348 Vgl. ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 39r (10.2.1513/14, Lorenzo de’ Medici aus Florenz an Giulio de’ Medici in Rom); Tewes, Medici und Frankreich, S. 78 und Anm. 126.

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einer nicht legitimen (also der spanischen) Prinzessin vorzuziehen, und die (vom Herzog geforderten) 30– oder 40.000 Dukaten dürften für den Papst kein Problem darstellen.349 Schon am 16. Februar unterrichtete Alfonsina jedoch ihren Sohn, Luigi de’ Rossi habe ihr erklärt, die Mitgift müsse bei 100.000 Dukaten liegen, da auch alle anderen Frauen des savoyischen Hauses sie gehabt hätten – allerdings, so Alfonsina spitz, mit dem Unterschied, daß die Ehemänner sie genommen hätten, während Giuliano sie geben müsse!350 Für Lorenzo sei durch König Ferdinand von Aragón eine spanische bastarda vorgeschlagen worden, doch stamme sie aus dem Haus Cardona – lag somit offenbar unter dem mittlerweile für einen Medici-Mann veranschlagten Niveau. Bernardino de’ Rossi werde am nächsten oder übernächsten Tag – es war wie gesehen nicht vor dem 18.2. – per staffetta nach Savoyen reiten, mit der vom Papst und von Giuliano erhaltenen Anweisung, Lorenzo über diese Sache zu unterrichten – der dann allerdings nicht zeigen sollte, bereits von seiner Mutter informiert worden zu sein. Noch vor der Ankunft Bernardinos ließ Lorenzo am 18. Februar einen soeben bei ihm in Florenz eingetroffenen kurzen Brief Francesco Naldinis aus Lyon in Kopie an Giulio de’ Medici weiterleiten, dessen Inhalt wir nicht kennen, der aber vermutlich ebenfalls über die Eheverbindung und dabei wohl über deren finanzielle Aspekte handelte.351 Am 20. Februar teilte Lorenzo seiner Mutter schließlich mit, er freue sich, daß il parentado di Savoia für Giuliano vorangehe; und Bernardo de’ Rossi, der von hier (Florenz) in dieser Angelegenheit abgereist sei, habe ihm gesagt, für ihn sei die Eheschließung gleichsam beschlossen.352 Diese Einschätzung unseres Mediceers entsprach allerdings mehr seinem Willen als dem tatsächlichen Verhandlungsstand. Denn gerade die finanzielle Seite war für die Beteiligten alles andere als geregelt. Herzog Karl III. von Savoyen dachte tatsächlich nicht daran, seine Schwester mit einer äquivalenten Aussteuer zu versehen. Sie sollte lediglich ein Jahreseinkommen erhalten, das aus den Renditen der Seigneurie von Fossano (südlich von Turin) und der Markgrafschaft von Gex (am Genfer See) stammte.353 Weitaus höher 349 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 40v–41r und fol. 44v–45v (14.2.1513/14, Lorenzo de’ Medici

aus Florenz an Alfonsina Orsini in Rom; und mit gleicher Mahnung, nach Giulianos Ehe sofort an seinen Fall zu denken, nochmals am 20.2.1514); vgl. Zobi, Nozze, S. 42–45; Tewes, Medici und Frankreich, S. 81, Anm. 131. 350 Gedruckt: Zobi, Nozze, S. 31–36 (16.2.1513/14, Alfonsina Orsini aus Rom an Lorenzo de’ Medici in Florenz). 351 ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 43r–44r (18.2.1513/14, Lorenzo de’ Medici aus Florenz an Giulio de’ Medici in Rom). 352 Et Bernardino de’ Rossi, quale è di gia partito per a quella volta, mi ha detto che gli è quasi concluso: il che mi ha dato piacere assai; ASF, Carte Strozziane I/3, fol. 44v–45v; gedruckt bei Zobi, Nozze, S. 42–45 (20.2.1513/14, Lorenzo de’ Medici an Alfonsina Orsini in Rom). Auch an Giulio de’ Medici schrieb Lorenzo an jenem Tag (20.2.1514), er danke diesem für seine Auskünfte wegen des parentado del magnifico Juliano con Spagna et Savoia, worüber ihn bereits Bernardino de’ Rossi informiert habe; ebd. fol. 46r. „Spanien“ war natürlich eine nunmehr bloß hypothetische Alternative, und schon Ende Februar oder Anfang März wußte man auch in Frankreich, daß die spanische Option sich gleichsam in Rauch aufgelöst hatte; Caviglia, Seyssel, S. 295 und Anm. 4. 353 Zobi, Nozze, S. 11.

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sollte die von Giuliano de’ Medici einzubringende Widerlegung ausfallen, doch mit den aus Savoyen geforderten 100.000 Dukaten hatte sich Leo X. trotz seiner vorgeblichen Gleichgültigkeit wegen der dote bei der Abreise Bernardino de’ Rossis noch gar nicht einverstanden erklärt. Alfonsina Orsini klärt uns allerdings in einem Brief vom 18. März auf, die aus dem engeren Medici-Kreis stammenden Befürworter der Ehe hätten Bernardino wegen ihres starken Eifers für diese Verbindung instruiert, er dürfe seitens der Medici für jenen Betrag von 100.000 Dukaten den Vertrag mit dem Herzog abschließen!354 Nun war Bernardino am Abend des 16. März 1514 wieder in Rom eingetroffen – keine vier Wochen nach seiner Abreise! –, hatte bis zum Morgen des 18. März aber noch gar nicht mit dem Papst über die Ergebnisse seiner Unterredungen sprechen können, ebensowenig wie sein Verbündeter Luigi de’ Rossi – der offenkundig stärkste Betreiber der savoyischen Ehe unter den römischen Mediceern – Leo X. über die Ergebnisse von Bernardinos Mission am Savoyerhof informieren konnte. Die Verfechter dieser Ehe wurden daher von starken Zweifeln befallen, ob der Papst nicht eventuell doch auf seiner ursprünglichen Obergrenze von 60.000 Dukaten beharren würde. Was dann? Und wie sollte man ihm da noch eingestehen, daß sie bereits ein fast doppelt so hohes Angebot vorgelegt und zum Abschluß gebracht hatten? Ein Papst war somit vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Zu ändern war die Sache freilich nicht mehr, und so bestand der zweite Zweifel nur noch darin, ob Leo X. den Abschluß der Eheverhandlungen aus Rücksicht auf die gegenwärtigen Staatsangelegenheiten zwei Monate lang geheim halten würde. Denn Leo X. und einigen anderen Mediceern war diese Ehe viel zu wichtig, als daß sie einen solch hohen Preis nicht zu zahlen bereit gewesen wären. Letztlich bedeutete die Heiratsverbindung in eine der angesehensten europäischen Fürstenfamilien nicht nur einen gewaltigen sozialen Aufstieg mit dem Ausblick auf eine Medici-Dynastie – welch Wendung nach 18 Jahren bitteren Exils! –, sondern auch und vielleicht vor allem eine weitere Festigung der neuen Verständigung mit Frankreich, die bald in eine feste Allianz münden sollte.355 Frankreich war nämlich in diese Verhandlungen stets eingebunden gewesen, zeigte ein fast noch größeres Interesse an dem Gelingen als Herzog Karl. Am französischen Hof wußte man schon Anfang April 1514, daß der Papst seinerseits vor der eigentlichen Eheschließung noch die Übertragung eines eigenen Herrschaftsgebietes an Giuliano forderte.356 Die von manchen aus politischen Erwägungen gewünschte zweimonatige Geheimhaltung der Ehesache war also illusorisch, doch weitere Details, insbesondere die politischen, sollten nicht nach außen dringen. Für Frankreich nahmen in Rom Federico Sanseverino und Claude de Seyssel an den äußerst geheim gehaltenen, unter wenigen Vertrauten geführten Gesprächen über die Modalitäten des Vertrages teil. Hier tritt zugleich ein 354 Gedruckt: Zobi, Nozze, S. 36–38 (18.3.1513/14, Alfonsina Orsini aus Rom an Lorenzo de’

Medici in Florenz); vgl. Caviglia, Seyssel, S. 295, Anm. 5 (Caviglia nennt als Befürworter der herzoglichen Forderung nur Luigi de’ Rossi, den von Alfonsina hervorgehobenen sollicitatore di questa causa, doch sprach sie in ihrem Brief klar von mehreren Personen, die Bernardino entsprechend instruierten). 355 Hierzu ausführlich Tewes, Medici und Frankreich. 356 Caviglia, Seyssel, S. 295 und Anm. 5.

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Charakteristikum der Medici-Herrschaft zutage: die große Geheimhaltung wichtiger Angelegenheiten! Sie ließ sogar den venezianischen Botschafter in Rom klagen, es sei nun nicht mehr wie zu Zeiten Julius’ II., wo man alles erfahren habe – und sie unterstreicht die besondere Stellung Bernardinos.357 Aus diesem Wunsch eines eigenen Dominiums für einen Medici entstand zum einen die phantastisch-absurde Idee, Giuliano auf der Grundlage einer von Leo X. und den französischen Vertretern in Rom, also auch Federico Sanseverino, propagierten Allianz zwischen der Medici-Kurie, Frankreich, Florenz, Venedig und Ferrara mit der Krone von Neapel zu versehen, während Ludwig XII. wieder nach Mailand gebracht und Spanien aus Italien vertrieben werden sollte.358 Realistischer erschien Leos Plan, die vier oberitalienischen Territorien von Parma, Piacenza, Modena und Reggio in Medici-Gewalt zu bringen. Da damit aber zugleich Frankreichs unmittelbare Interessen berührt wurden, war dieses Vorhaben ebenfalls umstritten und mußte in langwierigen Verhandlungen immer wieder vorgebracht werden. Parma und Piacenza konnten zum Ärger auch Spaniens und des Deutschen Reichs nach dem Rückzug der Franzosen im Sommer 1512 am 8. Oktober 1512 von Julius II. in den Besitz der Kirche gebracht werden.359 Denn diese beiden Territorien gehörten zum Herzogtum Mailand, das durch Julius’ Wunschkandidaten Maximilian Sforza regiert wurde. Modena und Reggio hingegen unterstanden nominell als Teile Reichsitaliens dem Kaiser, wurden faktisch aber von den Este aus Ferrara beherrscht, den Vasallen des Papstes, der ihnen beide Städte als Strafe für ihr Bündnis mit Frankreich entzog. Modena hatte Leo X. dann im Juni 1514 dem Kaiser mit einem Geheimabkommen für 40.000 Dukaten abgekauft.360 Der ganze Komplex sollte Giuliano de’ Medici als Herrschaftsgebiet dienen und wurde ihm im Februar 1515 übertragen, doch wollte Frankreich seine Ansprüche auf Parma und Piacenza vor dem Hintergrund einer geplanten Rückeroberung des Herzogtums Mailand nicht aufgeben. Dieses päpstliche Projekt eines oberitalienischen Territoriums für seinen Bruder wird mit dem dynastischen gekoppelt gewesen sein, da sich mit dem sozialen Aufstieg in den Fürstenrang der Anspruch auf ein eigenes Herrschaftsgebiet für einen Medici besser vertreten ließ. Bereits am 10. Mai 1514 konnte in Turin ein vorläufiger Heiratsvertrag unterzeichnet werden, in welchem sich Savoyen und die Medici über die finanziellen Einzelheiten einigten; diesen Vertrag unterschrieb Giuliano am 12. Oktober. Am 14. November 1514 wurde schließlich der endgültige Vertrag ratifiziert, mit welchem Leo X. seinem Bruder aufgrund des hohen sozialen Ranges seiner künftigen Frau die so schmerzliche Summe von 100.000 Dukaten versprach. 357 Caviglia, Seyssel, S. 295, Anm. 6 (die venezianische Quelle, in der auch die Anwesenheit San-

severinos und Seyssels an dem geheimen Tischgespräch bezeugt wird, stammt vom 3.3.1514). 358 Pastor, Geschichte der Päpste IV/1, S. 68; Caviglia, Seyssel, S. 308f. Der Plan des neapolitani-

schen, von Frankreich zu verteidigenden Thrones für Giuliano ist in den folgenden Monaten noch mehrmals seitens der Medici mit Nachdruck gegenüber Frankreich artikuliert worden, wo man ihn angesichts der Undurchführbarkeit eines solchen Unternehmens jedoch ablehnte; vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 70, Anm. 110. 359 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste III/2, S. 719; Tedallini, Diario romano, S. 336. 360 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste IV/1, S. 70.

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Leo X. konnte diesen exorbitanten Betrag jedoch nur gewähren, weil seine Finanziers ihm diese Möglichkeit eröffneten. Bernardino de’ Rossi war natürlich nicht nur wegen seiner hervorragenden Verbindungen nach Savoyen zu einem zentralen Mittelsmann des Eheprojektes bestimmt worden, sondern weil er zugleich zu den wichtigen Bankiers des inneren Medici-Zirkels gehörte, aus dem heraus die entscheidenden Voraussetzungen für die großzügige Zustimmung des Medici-Papstes geschaffen worden waren. Schon am 11. November 1514 war in Florenz ein Vertrag aufgesetzt worden, mit dem das finanzielle Problem der Medici gelöst wurde und der unsere besondere Aufmerksamkeit verdient, weil sich hier einmal mehr die Bedeutung des gewachsenen Netzwerkes zeigte, weil sich durch dessen Substanz jenes Hindernis beseitigen ließ, das dem mit der Heirat verbundenen prestigeträchtigen Aufstieg der Medici im Wege stand. Der fortwährende und verstärkte Einsatz unserer Medici-Bankiers in Lyon, der in der Gründung der Lyoner Salviati-Gesellschaft kulminierte, zahlte sich nun auch hier aus. Denn am 11. November 1514 unterzeichnete Jacopo Salviati in seinem Namen sowie als Prinzipal bzw. Hauptgeschäftsführer der von ihm und seinen Mitgesellschaftern betriebenen Bank in Lyon einen Vertrag, mit dem er seine Frau Lucrezia, die Schwester des Papstes, zu seiner Prokuratorin ernannte, um sich bei Herzog Karl von Savoyen und bei dessen Schwester Filiberta zur Zahlung der 100.000 Dukaten zu verpflichten, die Giuliano als Aussteuer bzw. Widerlegung in die Ehe einzubringen hatte! Dieses Geld sollte von Giuliano bzw. dem Salviati innerhalb von drei Jahren bezahlt und zum Kauf von Immobilien verwandt werden, welche dann als Sicherheit für die gleich hohe Aussteuer Filibertas dienten. Das Ganze folgte der Form des am 10. Mai 1514 per verba de futuro, also durch das formale Eheversprechen, zwischen Giuliano und Filiberta bzw. ihren Handlungsbevollmächtigten abgeschlossenen vorläufigen Heiratsvertrages. Am 10. Februar 1515 wurde die Hochzeit zwischen Giuliano und Filiberta gefeiert; zwei Tage später stellte man im Turiner Schloß der Herzöge von Savoyen das Dotierungsinstrument für Giulianos Gabe von 100.000 Dukaten aus, zu deren Zahlung sich Jacopo Salviati als Bürge verpflichtet und von denen er 25.000 Dukaten an jenem 10. Februar bereits bar bezahlt hatte, während er den Rest in drei gleich hohen Raten innerhalb der kommenden drei Jahre begleichen mußte.361 Jacopo Salviati wird sehr bewußt die Last und das Risiko seiner gewaltigen Bürgschaft auch auf die Schultern der Mitgesellschafter seiner Bank in Lyon verteilt und gerade sie für diese Aufgabe gewählt haben. Hätten wir im Pisaner Salviati-Archiv nicht seine Aufzeichnungen über die einzelnen Partner der Lyoner Salviati-Gesellschaft und deren Entwicklung gefunden, wir wüßten nicht, daß hinter dem Gesellschaftsnamen der Salviati bis zum September 1513 zu gleichen Teilen die Lanfredini-Gesellschaft sowie Francesco Naldini standen, der anschließend die Salviati-Gesellschaft in Lyon allein mit der Floren-

361 Das Regest des Notariatsinstrumentes vom 11.11.1514 in: I Manoscritti Torrigiani (ASI 26), S.

399; ebd. S. 361 das Regest zum Vorgang vom 12.2.1515; am 3.12.1515 setzten Giulio de’ Medici und Lorenzo Pucci im apostolischen Palast in Rom einen Vertrag auf, in welchem sie das aus der Bürgschaft für die 100.000 Dukaten resultierende Risiko Salviatis zu minimieren suchten; ebd. S. 361.

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tiner Salviati-Gesellschaft betrieb, in dessen Person wir jedoch wenn nicht den Lanfredini, so doch mit größter Wahrscheinlichkeit immer noch seinen alten Mentor und Geldgeber Giovanbattista Bracci vertreten sehen. Dessen Sohn Lorenzo arbeitete unter Naldini in Lyon; Gianbattista selbst wurde dann wie gesagt 1520 persönlich zum Mitgesellschafter einer immer kapitalstärker werdenden Lyoner Salviati-Gesellschaft. Bracci, Lanfredino Lanfredini, Cosimo Sassetti, die Salviati, Bartolini und viele weitere Mediceer pflegten und bewahrten nicht nur das geschäftliche und finanzielle Erbe der Medici und Tornabuoni, sie sicherten auch die Zukunft des Hauses Medici. Auf der gleichen Ebene wie jene Bürgschaft der Salviati-Gesellschaft steht die finanzielle Funktion der Lanfredini-Bank und die des Leonardo di Zanobi Bartolini für die Medici-Spitze, steht die Verpflichtung Lanfredinos und Jacopo Salviatis für die Finanzen der neuen mediceischen Republik Florenz oder, etwas später, das Amt des Gherardo di Bartolomeo Bartolini als Schatzmeister des jungen Lorenzo di Piero de’ Medici, des Herzogs von Urbino. Luigi de’ Rossi Ein entscheidender Architekt des Ehebündnisses zwischen den Medici und Savoyen/Frankreich war Luigi de’ Rossi, zweifellos einer der ganz engen Vertrauten Giovanni de’ Medicis. Über seine Mutter Maria, eine früh verstorbene (vor März 1473) Schwester Lorenzos il Magnifico, war er wie Giulio de’ Medici ein Cousin Giovannis und seiner Brüder.362 Er, der in seiner Kindheit offenbar einige Jahre bei seinem Vater Lionetto in Lyon verbracht hatte, wurde – nach dessen wegen Mißwirtschaft und nicht beglichener Schulden erfolgter Inhaftierung – in den Medici-Haushalt aufgenommen, wo er gleich Giulio nicht anders als Giovanni und dessen Brüder erzogen wurde.363 Hieraus entwikkelte sich eine enge freundschaftliche Bindung zwischen Giovanni und Luigi, der wir ansatzweise des öfteren ansichtig werden konnten. Luigi begleitete (wie Giulio) seinen Cousin Giovanni bei dessen Legation in der Romagna – wo er freilich nach dem Urteil Leonardo di Zanobi Bartolinis zu viele Geheimnisse ausplauderte – und blieb selbst nach der Schlacht bei Ravenna (anders als Giulio) an der Seite des gefangenen MediciKardinals. Luigis Treue zu den Medici ging jedoch weiter, wie wir einer anonymen Denunziation entnehmen dürfen, die nach dem Januar 1497 (und vor Dezember 1503) an die Ufficiali di torre e de’ beni de’ ribelli geschrieben worden war, als von diesen Beamten verschärfte Gesetze gegen die Rebellen vorgeschlagen und von der Signoria verabschiedet worden waren.364 Diese Gesetze verboten es, im Dienst der Söhne des Lorenzo de’ Medici zu stehen. Da Luigi di Lionetto de’ Rossi genau dies aber getan habe und zum Zeitpunkt der Denunziation immer noch tue, sei er unter das Präjudiz geraten, mit einer Verbannung als Rebell bestraft werden zu müssen. Für den Denunzianten war er als Rebell anzusehen. Deshalb müßten alle seine Güter durch Florenz konfisziert, der Kommune inkorporiert 362 Vgl. Tomas, Medici Women, S. 18 und S. 35, Anm. 43. 363 Vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 97f. (mit Lit.). 364 ASF, MAP XCIV, doc. 194.

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werden. Dies gelte, obwohl Luigi, der allen Besitz seines Vaters Lionetto geerbt habe, diesen Besitz sowie alle mobilen Werte seinem Bruder Ludovico als Geschenk vermacht habe, von dem er dafür eine Art Pachtsumme von mehr als 2.000 Fiorini erhalte. Nach dessen Tod falle der Besitz dann wieder an Luigi. Bei den Immobilien handelte es sich um das Florentiner Familienhaus an der Piazza der beim Ponte Vecchio gelegenen Kirche Santa Felicita – deren Vorhalle sicherlich nicht zufällig noch heute durch das Grabmal des 1518 gestorbenen Kardinals Luigi de’ Rossi geschmückt wird! –, um ein Haus und Land in Castelfiorentino sowie zwei ‚wunderschöne‘ Bauernhöfe bei Montignosi (zwischen Pietrasanta und Massa). Wenn man nach Ludovico de’ Rossi schicke, werde man sehen, daß all dies Luigi de’ Rossi gehöre und nun der Kommune zustehe, da es in betrügerischer Weise verschenkt worden sei. Ein Viertel des Vermögens – mehr oder weniger, so wie es das Gesetz gegen die Rebellen vorsehe – sei natürlich an ihn, den Denunzianten, zu zahlen. Fast beiläufig erwähnte dieser dann noch am Schluß, was uns am meisten interessiert – ihm aber am wenigsten nutzte –: ‚Es sei Euch noch bezeugt, daß alle Einkünfte und Gelder, die in die Hand des Luigi de’ Rossi gelangen, einzig und allein den Ausgaben des Piero de’ Medici dienen! Euer Staat hat keinen perfideren Feind als ihn, Luigi de’ Rossi.‘ Diese selbstlose, hier allerdings gewiß übertrieben geschilderte Unterstützung Pieros und der Medici wird maßgeblich zu der Vertrauensstellung beigetragen haben, die Luigi de’ Rossi dann auch mit Giovanni verband. Die Struktur dieser Finanzhilfe weist jedoch eine große Analogie zu der des Bartolomeo Bartolini auf und wird – wenn sie schon für einen Luigi de’ Rossi gilt, der kein Bankier war! – gleichfalls auf Bartolomeos Söhne, auf einen Gianbattista Bracci und mit einem größeren Eigeninteresse auf Lanfredino Lanfredini und die Salviati zutreffen. Von allen engeren Freunden der Medici, die dem geistlichen Stand angehörten, dürfte Luigi de’ Rossi derjenige mit den stärksten Bindungen nach Frankreich und Savoyen gewesen sein. Sein auffällig intensives Engagement für eine Ehe Giulianos mit Filiberta erhält hierdurch sehr persönliche Motive. Um 1514 bezeichnete er sich gar als Kleriker der Diözese Lyon und besaß bzw. beanspruchte schon in den ersten Pontifikatsjahren Leos X. 1513/14 zahlreiche Benefizien im französischen und savoyischen Raum, und bis auf seltene Ausnahmen eben nur dort. Dabei stand er vermutlich mit Claude de Seyssel in Verbindung. Als dessen Cousin Charles bzw. Carlo de Seyssel am 12. April 1513 als Bischof von Genf starb, erhielt Luigi de’ Rossi bereits am 17. April 1513 – damals erstaunlicherweise noch als Florentiner Kleriker – aus dessen Benefizienbesitz Priorate und Pfarrkirchen auf dem savoyischen Territorium der Diözesen Grenoble, Genf, Belley und Lyon in einem Gesamtwert von 1.000 Dukaten. Da Rossi diese Benefizien in Besitz nehmen konnte, muß er vorher die Einwilligung Herzog Karls erhalten haben.365 Luigi de’ Rossi befand sich mit dem savoyischen Herzog, wahrscheinlich über seinen Verwandten Bernardino, demnach bereits vor dem Eheprojekt in engerem Kontakt, und sein Engagement für diese Ehe wird man von seinen persönlichen Interessen nicht trennen 365 Vgl. Tewes, Medici und Frankreich, S. 97–100, mit weiteren Beispielen und Quellennachwei-

sen.

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dürfen. Dies zeigt sich des weiteren sehr klar bei einem Anliegen Luigis, über das er am 20. März 1514 aus dem apostolischen Palast an Herzog Karl von Savoyen schrieb.366 Damals waren gerade die Verhandlungen über die „Gabe“ Giulianos in ihre entscheidende Phase getreten, nachdem Bernardino de’ Rossi am 16. März aus Savoyen nach Rom zurückgekehrt war und dem Herzog bereits 100.000 Dukaten Aussteuer seitens Giulianos angeboten hatte. Es ging um die savoyische Abtei La Chassagne (Casagne) in der Bresse, die Rossi vor einigen Jahren vom Papst in Kommende erhalten hatte, doch deren Besitz ihm streitig gemacht worden war. Inständig bat er den Herzog, ihm die Abtei zu gewähren, weil es bei dieser Provision nun keine Zweideutigkeiten mehr gebe; zudem empfehle er sich dem Herzog ganz. Sehr geschickt fügte Luigi sodann an diese seine Bitte eine kurze Mitteilung über die laufenden Verhandlungen über den parentado di Savoia an. Denn er teilte dem Herzog mit, daß der Auftrag bzw. ‚das Geschäft‘ (negocium), das Bernardino de’ Rossi, sein Verwandter (affinis meus), im Namen des Papstes mit dem Herzog verhandele, in Kürze, wie Luigi hoffe, ausgeführt werde. Dies konnte sich mit Blick auf das Datum und Bernardinos Mandat nur auf die Eheverhandlungen beziehen und mußte bedeuten, daß Luigi de’ Rossi dem Herzog seine Hoffnung mitteilte, der Papst werde dem von Bernardino offerierten Angebot der 100.000 Dukaten zustimmen! (Es konnte gewiß nicht schaden, die Beförderung persönlicher Anliegen durch derart positive Nachrichten beflügeln zu lassen.) Alfonsina hatte ja zwei Tage vorher, am 18. März, erklärt, Luigi de’ Rossi habe dem Papst das von Bernardino aus Savoyen mitgebrachte Verhandlungsergebnis noch nicht referieren können und er und seine Mitstreiter wüßten an jenem Tag noch nicht, ob Leo X. nicht doch auf den 60.000 Dukaten bestehen würde. Eine ähnliche Interessenverquickung hatte Luigi de’ Rossi bereits am 9. März 1514 vorgenommen, als er Herzog Karl mitteilte, seinem Sekretär Pietro Trolliet (der erst Anfang April wieder im Piemont war) sei im Namen Rossis die Person des Phebo, Markgraf von Ceva (hier: Sieve), empfohlen worden. Luigi bat den Herzog, dieser Fürsprache wegen der Tugenden des Phebo und vor allem wegen seiner besonderen Treue zur Familie Medici zu folgen. Wenn Phebo das erhalte, was er vom Herzog erbitte, erweise er nicht allein ihm, Luigi de’ Rossi, einen besonderen Dienst, sondern gleicherweise Giuliano und der ganzen Familie Medici.367

366 AST, Sede P. Castello, Corte, Materie politiche relative all’interno, lettere di particolari, D

(„De’ Rossi“), mazzo 11 (20.3.1514, Luigi de’ Rossi aus Rom an Herzog Karl von Savoyen; der Inhalt dieses und des folgenden Briefes legt nahe, daß der Florentiner hier nicht nach Florentiner Stil datierte, daß die beiden Briefe also nicht ins Jahr 1515 zu setzen sind). 367 AST, Sede P. Castello, Corte, Materie politiche relative all’interno, lettere di particolari, D („De’ Rossi“), mazzo 11 (9.3.1514, Luigi de’ Rossi aus Rom an Herzog Karl von Savoyen). Auch dieser Brief scheint wie der vorherige, der ebenfalls in sehr humanistischer Schrift geschrieben worden ist, ein Autograph Luigi de’ Rossis zu sein; zur Rückkehr Trolliets: Caviglia, Seyssel, S.295, Anm. 3. Zum Piemontesen Febo di Ceva: Castiglione, Cortegiano, S. 112, 172.

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7. Das Mediceer-Netzwerk als geformter Familienverbund Luigi de’ Rossi gehörte zur Familie; er war ein Verwandter der Medici und war unter Lorenzo de’ Medici im Medici-Haushalt aufgewachsen und erzogen worden, so wie sein Cousin Giulio de’ Medici. Ein gleichsam offenes Portal gab es zum Haushalt der Tornabuoni, in welchem Lorenzo Tornabuoni im übrigen mit Poliziano denselben Lehrer hatte wie Piero de’ Medici.368 Jacopo Salviati zählte seit 1481 als Schwiegersohn Lorenzos zur Familie. Auch nach dem Exil wurden diese Verknüpfungen fortgeführt. Alamanno Salviatis Sohn Averardo wurde Ende 1513, Anfang 1514 – nicht ohne Druck der Medici – mit Nannina di messer Piero Alamanni (einem der ‚Väter‘) verehelicht; von Pieros vielen Kindern hatte mit Creofe eine seiner ersten Töchter bekanntlich Nofri Tornabuoni geheiratet, den Cousin Lorenzo de’ Medicis und Lorenzo Tornabuonis.369 Alamanno Salviatis jüngster, 1504 geborener Sohn Piero wird dann mit seiner Frau Ginevra (di Bernardo di Leonardo) Bartolini, einer Nichte des Bartolomeo di Leonardo Bartolini, in die Hauptlinie der Bartolini Salimbeni einheiraten, während Gherardo di Bartolomeo Bartolini als einer der wichtigsten Medici-Vertrauten 1519 Alamannos Tochter Cassandra heiraten wird.370 Wir hatten mehrfach betont, daß diese Ehen Instrumente waren, um das politischökonomische Netz verdichten zu können. In den Jahren der Medici-Herrschaft dienten sie der Herrschaftsstabilisierung, in den Jahren des Exils der Festigung des Mediceerbundes. Wie sie angebahnt und begründet wurden, zeigt uns nun in exemplarischer Deutlichkeit und Anschaulichkeit ein Brief, den Kardinal Giulio de’ Medici am 7. Januar 1514 aus Rom in seiner typischen Geradlinigkeit an Lanfredino Lanfredini schrieb, den nobilis vir und besonders teuren Freund des Hauses Medici.371 Die Familie der Pandolfini sei immer ein besonderer Freund des Hauses Medici gewesen, und mit vielen würdigen Männern sei sie früher und heute dem Staat (der Medici) verbunden gewesen, weshalb sie von den Medici in singulärer Weise geliebt werde. Die Medici hätten nun gehört, daß Giovanni di Pandolfo Pandolfini (ein Bruder von Giannozzo und Battista) eine schöne und gewandte Tochter habe, die es wegen ihrer Eltern, ihrer Mitgift und ihrer eigenen guten Qualitäten verdient habe, geehrt zu werden und der deshalb etwas ihr Ähnliches zugesprochen werden solle, wie es in den Augen der Medici Zanobi di Bartolomeo Bartolini sei, dem sie aus den gleichen Gründen zugetan seien. Und da es ein frommes Werk sei, die jungen Mädchen zu fördern, insbesondere jene dieser Art, und da man sich der Verwandtschaft und 368 Pampaloni, I Tornaquinci, S. 359; allgemein: Plebani, Tornabuoni. 369 Zur Eheanbahnung zwischen den Familien Alamanni und Salviati vgl. BNCF, Ms. II. V. 22, c.

48 (10.12.1513, Rom, Alfonsina Orsini an Lanfredino Lanfredini in Florenz). 370 Vgl. Ildefonso di San Luigi, Delizie, S. 370–379, Nr. 169; Hurtubise, Salviati, S. 145 und Anm.

36, S. 229f., 498 (dort ist auf der genealogischen Tafel als Cassandras Ehemann statt Gherardo fälschlich Averardo [Bartolini] Salimbeni geschrieben worden; diesem Irrtum erlag noch Tewes, Medici und Frankreich, S. 94, Anm. 159); Lingohr, Palastbau, S. 51. Averardo, Piero und Cassandra di Alamanno Salviati waren wiederum Geschwister von Maria, die den berühmten Historiker Francesco Guicciardini heiratete. 371 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 78 (7.1.1514, Rom, Giulio de’ Medici an Lanfredino Lanfredini in Florenz; erstaunlicherweise nicht nach Florentiner Stil datiert).

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der Autorität erinnert habe, über die Lanfredino bei diesen Bartolini verfüge, bitte man ihn ganz innig, es möge ihm gefallen, sich anzustrengen, eine so konforme Eheverbindung der von ihnen, den Medici, ganz besonders Geliebten zustande zu bringen. Über diese Sache habe man auch an den Magnifico Lorenzo (di Piero de’ Medici) geschrieben, mit dem er sich in allem deswegen absprechen könne. Obwohl der in Lyon lebende Bräutigam immer noch die Erblast seines älteren Bruders Leonardo zu bewältigen hatte, wurde die Ehe natürlich geschlossen. Schon ungefähr von März bis Mai 1513 war Zanobi mit drei Pferden und mehreren Geleitbriefen nach Florenz gekommen, um dann sofort wieder zurückzureisen und nach kurzem Aufenthalt in Lyon ebenfalls mit drei Pferden und im Eiltempo nach Flandern zu reiten, wo er Ende Juli in Brügge mit den Gualterotti die Alaunpartnerschaft neu vertraglich regelte und von wo er erst im September nach Lyon zurückkehrte.372 Einige Monate später dürfte er erneut nach Florenz geritten sein, um die Ehe zu vollziehen und die Hochzeit zu feiern, an deren Anbahnung er womöglich schon im Frühjahr 1513 in Florenz beteiligt war. Uns liegt ein Brief von Costanza Pandolfini Bartolini vor, den sie am 4. Juli 1514 aus Florenz an ihren carissimo sposo Zanobi schrieb, der sich nach der Hochzeit wieder an seine Wirkungsstätte zurückgegeben hatte, ein anschauliches Dokument mediceischer Familienwirklichkeit. Auf mehrere Briefe Zanobis habe sie noch gar nicht antworten können, weil sie so sehr in das mehrtägige, sehr schöne Fest von San Giovanni Battista (24.6.) eingebunden gewesen sei. Aus Rom seien dafür einige Kardinäle gekommen und ebenso der Magnifico Giuliano (de’ Medici) und Agostino Chigi, der sich mit den Kardinälen im Garten traf. Der Magnifico Lorenzo (di Piero de’ Medici) und alle Verwandten Zanobis hätten sich dort eingefunden, um diesen Gästen größte Ehre zu bereiten. Sie selbst, Costanza, habe sich so gekleidet, wie Zanobi es angeordnet hatte (u. a. mit weißem Damast, schwarzem Velours, einer feinen Weste). Vier Tage habe sie an dem Fest teilgenommen, habe mit den anderen Frauen aus der Verwandtschaft schöne Kerzen angefertigt und viel Freude erlebt, auch wenn sie die zahlreichen Einladungen, mit welchen man die Gäste aus Rom ehren wollte, bis auf eine abgelehnt habe, nämlich jene des Jacopo Salviati, in dessen Haus alle gekommen seien – obgleich es an Zanobis Seite schöner gewesen wäre. Sie erwarte seine Rückkehr.373 Jene heiteren, geselligen Festlichkeiten, die das neue Mitglied der Familie Bartolini aus ihrer Perspektive schilderte, hatten allerdings einen eminent politischen Hintergrund, den schon die von ihr hervorgehobenen Personen anzeigen und der deshalb kurz zu skizzieren ist. Es ging um Siena, genauer um ein medicinahes Siena. Nach Pandolfos Tod herrschte dort dessen Sohn, der etwas wirre und unberechenbare Borghese Petrucci, der nicht nur die Interessen der Medici verletzte, sondern vor allem die von Agostino Chigi (z. B. im Fall der Hafenstadt Porto Ercole). Dieser war am 21. Juni zusammen mit Giuliano 372 ABS 266, c. 111, CXII; ABS 204, c. 101, CV (für die Flandernreise fielen immerhin 80 Scudi

Spesen an). 373 ABS, Lettere, mazzo II, 4.7.1514 (Costanza [Pandolfini] Bartolini aus Florenz an Zanobi Barto-

lini in Lyon).

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de’ Medici und sechs Kardinälen (darunter Giulio de’ Medici, Bernardo da Bibbiena und der Papstnepot Innocenzo Cibo) nach Siena gereist, um von dort am 22. Juni für die Feiern von San Giovanni Battista nach Florenz weiterzureiten. Chigi folgte der Gruppe jedoch etwas später in Begleitung von Borgheses Bruder, dem Kardinal Alfonso Petrucci, und vielen Sienesen. Im Hinterland von Siena lagerte unter der Führung von Giulio Bellanti eine kleine Truppe von exilierten Sienesen, die in jenen Tagen den gewaltsamen Sturz Borgheses beabsichtigten. Alfonso Petrucci wollte diesen Plan durch eine rasche Rückkehr nach Siena fördern, doch Papst Leo X. stoppte das Unterfangen mit einem Machtwort. Noch war die Zeit für diesen Machtwechsel nicht reif. Zwei Jahre später sollte die mediceische, auch Spaniens Expansionsgelüste blockierende Toskana jedoch Realität werden. Borghese wurde 1516 entmachtet, an seine Stelle trat sein Cousin, der mit den Medici seit so vielen Jahren eng befreundete Raffaele Petrucci, mittlerweile Kastellan der Engelsburg, ein Jahr später Kardinal. Einer der maßgeblichen Förderer dieses Wechsels, der die alte Harmonie zwischen Siena und den Medici wesentlich vertiefte, war Agostino Chigi, der Borghese Petrucci mit unverblümten Drohungen die Konsequenzen seines dem Chigi so nachteiligen Verhaltens vor Augen gehalten hatte – und zwar bereits am 9. August 1514, kurz nach den prächtigen Festtagen von San Giovanni Battista, die dem Chigi ein schönes Alibi im Fall eines erfolgreichen Putsches gegeben hätten!374 Kehren wir von der für Italien wie Europa wichtigen Regionalpolitik der Medici und ihrer Freunde zurück zu den Strukturen im engeren Familien- und Freundeskreis. Das obige Urteil Giulio de’ Medicis bestätigt – trotz bzw. gerade wegen des evidenten Eigeninteresses der Medici – einmal mehr unsere Erkenntnis, daß die Bartolini und die Pandolfini während der Exilszeit zu den engsten Freunden der Medici gehört hatten und daß Lanfredino Lanfredini eine besondere Autorität gegenüber seinen jüngeren Schwägern besaß. In diesem Kreis dürften die Wünsche der Medici gleichsam auf offene Türen gestoßen sein, doch so war es nicht überall. Exemplarisch berichtet darüber ein Brief, den Alfonsina Orsini am 10. Dezember 1513 aus Rom an Lanfredino schrieb, der ja von der Medici-Spitze zusammen mit Jacopo Salviati zum Ratgeber ihres Sohnes Lorenzo ernannt worden war, diesem nun aber aufgrund von Jacopos Aufenthalt in Rom alleine bei der Regierung des Florentiner Staates beistehen mußte. Alfonsina bedankte sich explizit für Lanfredinos Hilfe bei der Rückgewinnung ihres Eigentums und für sein Angebot, ihr dabei auch seitens der Lanfredini-compagnia zu helfen(!), das sie sehr gern annahm. Ihr Dank galt ferner den ricordi e consigli, die er Lorenzo gegeben hatte. Sie bat den amicissimo Lanfredino, solche von ihm als nützlich erachteten Ratschläge auch in Zukunft auf keinen Fall zu verschweigen. Konkret ging es ihr dann um den parentado zwischen messer Piero Alamanni und Averardo di Alamanno Salviati, der ja Pieros Tochter Nannina 374 Vgl. mit den ausführlichen Erläuterungen von Rowland: The correspondence of Agostino Chigi,

S. 215–222 (an der Seite Chigis und Raffaele Petruccis war im übrigen auch Girolamo Ghinucci an dem Umsturz beteiligt, der Sohn jenes Stefano Ghinucci, bei dem Agostino Chigi wahrscheinlich seine Banklehre in Rom begann, mit dem er jedenfalls 1487 seine erste Gesellschaft gründete und der den Mediceern 1497 bei der Aufbewahrung der Medici-Juwelen so hilfreich war; vgl. hierzu ebd. S. 241f.)

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heiraten sollte. Lanfredino sollte sie über den Stand der Dinge informieren. Denn gerade eben, am Abend dieses 10. Dezembers, habe madonna Lucrezia (Salviati) recht ungebührliche Worte wegen dieser Sache an sie gerichtet. Florenz sei frei, und Alfonsinas Sohn Lorenzo zwinge die Personen! Er habe Lorenzo Pitti genötigt, die Tochter von Niccolò Capponi zur Braut zu nehmen; und jetzt nötige er Averardo. Sie, Alfonsina, habe zu diesem Vorwurf nichts sagen können, weil sie den Gang der Verhandlungen nicht kenne. Aber hinsichtlich der libertà habe sie ihrer Schwägerin Lucrezia gehörig Bescheid gegeben. Lanfredino möge sie also genau über beide Fälle unterrichten und ihr sagen, ob Lorenzo Pitti sich wirklich beklagt habe, gezwungen worden zu sein, wie Lucrezia es behaupte.375 Diese Aussagen sind in mehrfacher Hinsicht von exemplarischer Bedeutung. Zum einen zeugen sie von Spannungen innerhalb der Familie, die natürlich als solche auf der einen Seite selbstverständlich sind und den grundsätzlichen Zusammenhalt in keiner Weise in Frage stellen. Sie sprechen auf der anderen Seite aber auch von sozialen Distinktionen. Die Bartolini und Pandolfini gehörten trotz ihrer großen Bedeutung und Verdienste zu den dienenden Freunden, die sich weitgehend den Interessen ihrer Patrone zu beugen hatten. Selbst Leonardo di Zanobi Bartolini, den man als eigentlichen Gouverneur des Hauses Medici, gar als Kompaß des Medici-Schiffes bezeichnete, schrieb am 10. September 1518 in einem aus Rom an seinen figliolo Gherardo di Bartolomeo Bartolini gerichteten euphorischen Brief, er sei ein Herr und Sklave (uno signore et schiavo) des erlauchten Hauses Medici, denn mit der am Morgen jenes Tages erfolgten Verleihung der Würde eines Erzbischofs an seinen jungen Sohn Onofrio verband sich für Leonardo nicht nur eine unbändige Freude über dieses Geschenk, das seiner ganzen Familie eine erhebliche soziale Rangerhöhung brachte, sondern auch das (kaufmännisch geprägte) Bekenntnis an die Spitzen der Medici-Familie, sie hätten mit diesem Benefiziengeschenk in ihn als ‚Herrn und Sklaven des Hauses Medici‘ ein Depositum gelegt, das ihnen also Profite bringen würde.376 Als weitläufig Verwandter der Medici – durch seine Ehe mit Francesca Tornabuoni – durfte er sich auch als signore des Hauses Medici sehen, und so ist es bezeichnend, daß sein Sohn sich als Pisaner Erzbischof später Onofrio Bartolini de’ Medici nannte.377 Über eine größere soziale Reputation, über einen höheren gesellschaftlichen Rang verfügten hingegen die Salviati. Auch wenn sie die Herrschaft der Medici anerkannten und 375 BNCF, Ms. II. V. 22, c. 48 (10.12.1513, Alfonsina Orsini aus Rom an Lanfredino Lanfredini in

Florenz). 376 ABS, Lettere, mazzo I, 10.9.1518 (Leonardo di Zanobi Bartolini aus Rom an Gherardo di Bar-

tolomeo Bartolini). Der Begriff ‚Sklave des Hauses Medici‘ hatte allerdings einen toposhaften, kaum distanziert-unterwürfig bzw. vertikal-hierarchisch zu wertenden Charakter verpflichtenden Dankes und wurde seit langem von Mediceern benutzt. Selbst Giovanni Tornabuoni, Onkel von Lorenzo il Magnifico, bezeichnete diesen als „Gott auf Erden“; er habe ‚Gott im Himmel und Vostra Magnificentia auf Erden‘; vgl. Bullard, Heroes, S. 187 (mit weiterer Lit.). 377 Vgl. etwa Le carte strozziane, S. 652; Mercati, Frammenti, S. 41–43 (Onofrio wurde vom Medici-Papst aufgrund der verwandtschaftlichen Verbindung über die Tornabuoni auch als secundum carnem affinis noster bezeichnet).

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unterstützten, sahen sie diese gleichsam nur als „primi inter pares“ innerhalb einer oligarchischen, „freien“ Florentiner Elite, zu der sie wie der Lanfredini selbstverständlich gehörten, gerade nach ihren Leistungen während der Exilszeit. Sollte Lorenzo de’ Medici als erklärtes Oberhaupt der Republik die innenpolitischen Fehler seines Vaters wiederholen, mußten Jacopo Salviati und Lanfredino ihre Interessen und die ihres Standes ihm gegenüber behaupten. Ob Jacopos Neffe Averardo die Tochter Piero Alamannis tatsächlich primär auf Druck Lorenzos heiratete, will uns angesichts der Stellung Jacopos und seiner Frau Lucrezia allerdings eher als unwahrscheinlich erscheinen. Solche Bindungsfaktoren sind zu berücksichtigen, wenn man sich die wichtigsten Verwandtschaftsstränge innerhalb des Netzwerkes vor Augen hält. Berücksichtigt sind nur einige zentrale, miteinander verwandte Mediceer aus der Exilszeit und ihre Vorfahren.378 Netzwerktheorien, Freundschaftsformen und Rückblicke Das Modell des Netzwerks erlebt in unseren Zeiten eine Hochkonjunktur. Eine veranschaulichende, aber auch konkrete Vermittlung leistet nicht zuletzt das erfolgreiche World Wide Web, das Internet, in welchem die Menschen die technische Möglichkeit einer unmittelbaren, Zeit und Raum vereinenden weltweiten Verknüpfung nutzen, um ganz neue Formen sozialer, kultureller oder geschäftlicher Verbindungen zu bilden. Das Internet ist freilich an sich noch kein Netzwerk; es konkretisiert in zweidimensionaler Form die modellartige Struktur eines möglichen Netzwerkes und bietet für dessen Verwirklichung gute Voraussetzungen. Doch im Begriff „Netzwerk“ ist eben nicht nur die Verknüpfungsstruktur enthalten, sondern das zweite Substantiv dieses Kopulativkompositums besagt, daß zu diesem Gefüge ein aktiv gestaltendes Element gehört, insofern das Netz von mehreren, mindestens drei Individuen bzw. Kräften geformt und kontinuierlich erneuert wird. Bei einem Netzwerk handelt es sich also um eine dynamische, korrelative Beziehungsstruktur. Die definitorischen Inhalte des Netzwerkes lassen sich recht gut über theoretische und praktische Anwendungsformen erschließen. Es dient mittlerweile sowohl zur Erklärung geschichtlicher, gesellschaftlicher, ökonomischer als auch physikalischer und chemischbiologischer Strukturen und Prozesse. In der Soziologie etwa prägte und begründete der in Berkeley lehrende Spanier Manuel Castells mit seinem zwischen 2001 und 2003 auch auf Deutsch erschienenen, dreibändigen Opus magnum ‚Das Informationszeitalter‘ den Begriff der Netzwerkgesellschaft; für Castells zeichnet sich das Netzwerk u. a. durch eine evolutionäre, biologische Logik und als sich selbst reproduzierendes System aus. Die fraktalen Systeme der Chaostheorie überwindend, untersuchen Physiker wie AlbertLászló Barabási – der sich mit seiner Erforschung der skalenfreien Struktur des World Wide Web einen Namen gemacht hatte – und Mark Newman komplexe Netzwerke von der Ausbreitung des Christentums über das Ökosystem von Meeresbewohnern bis zur Ausbreitung von Virusepidemien. Sie können die von ihnen als hubs bezeichneten großen 378 S.u. S. 1122, Tafel I.

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bzw. zentralen Knotenpunkte als Ergebnis nicht zufälliger, sondern präferenzieller Verknüpfung erkennen: besondere Qualitäten sind Voraussetzung für die Bildung gleichgearteter größerer Qualitäten – positiver wie negativer. Diese Strukturen, Funktionsweisen und Konsequenzen vernetzter Systeme nehmen zunehmend ebenso die Wirtschaftswissenschaften oder die Geschichtswissenschaften in den Blick, für die sich zahlreiche Titel nennen ließen, wenngleich eine dort verheißene Thematisierung und Problematisierung von Netzwerken nicht stets erfüllt wird. Ein breites, fast populäres Interesse wecken die neuen analogen Ansätze von Netzwerkdenken in der Medizin, der molekularen Systembiologie und Neurobiologie, v. a. in der Gehirnforschung. Auch sie wenden sich statt den kleinen einzelnen Teilen dadurch einem großen Ganzen und der Interaktion der Teile innerhalb dieses Ganzen zu. Eine alle Disziplinen verbindende Fragestellung lautet, wie und warum Verflechtungen erfolgen. So haben etwa die Neurowissenschaften und Soziologie erkannt, daß Menschen besser als Teil von Netzwerken zu begreifen sind denn als Individuen, da menschliche Gehirnentwicklungen erfahrungsabhängig, d. h. kulturell spezifisch verlaufen, und daß Menschen durch Kooperation erfolgreicher ihre Ziele realisieren können als durch Einzelleistungen.379 Ein dichtes Geflecht von Kontakten gewährt eben auch hilfreiche Beziehungen und Empfehlungen, vor allem da die Menschen dieses Netzes dieselbe Sprache sprechen und dieselben Wertvorstellungen teilen, welche dann ihre Entscheidungen beeinflussen. Dank der gezielten kooperativen und dadurch effektiven Unterstützung erleben die Mitglieder des Netzwerkes besser und stärker positive Erfahrungen und Erfolge als ohne dessen Hilfe. Aus diesen Resultaten entwickeln sich nun aber in gleicher Weise die sozialen Bindungselemente Sicherheit, Vertrauen, Offenheit, Wahrheit, Respekt, Treue, Loyalität und Freundschaft bis hin zur Liebe. Erst aus ihnen ergibt sich – in welcher jeweiligen Zusammensetzung und Intensität auch immer – eine dauerhafte und dichte, intakte Substanz des Netzwerkes; und erst ein solches offenbart seine faszinierende Kraft. Für das der Mediceer konnten wir im Verlauf unserer Studie immer wieder den realen Gehalt dieser einzelnen Faktoren und Elemente erweisen. Eine bestimmende Ursache für die dynamische Kraft und Stabilität des MediceerNetzwerkes während der Exilszeit liegt augenscheinlich in der großen Bedeutung, welche die Finanzen und damit generell die Wirtschaft für diese Gruppe besaßen. Die Welt der Wirtschaft ist bestimmt von der Einsicht in die Struktur wechselseitiger Abhängigkeiten, in ein vernetztes System; die der Politik ist wesentlich stärker durch egozentrische Partikularinteressen geprägt. Das ökonomisch motivierte Netzwerk hat eigene, systemimmanente Regeln, die ein Handlungsgefüge jenseits des Politischen schaffen. Ökonomische Handlungsmandate kennen in der Regel keine räumliche, zeitliche und sachliche Begrenzung, politische sehr wohl. Diese allgemeinen Aussagen gelten natürlich auch für das Florenz um 1500. Denn die dort erlassenen antimediceischen Gesetze und Mandate kollidierten mit den wirtschaftlichen Interessen der meisten Florentiner Kaufleute, wenn es um mehr als nur die reine Schuldentilgung ging (und selbst für diese waren jene Gesetze eher 379 So z. B. Harald Welzer, in: „Die Zeit“ Nr. 5, 25.1.2007, S. 43.

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kontraproduktiv). Insbesondere außerhalb des Florentiner Territoriums konnten und mußten sie negiert werden, um die zum Vorteil aller notwendige Kooperation ermöglichen zu können. Aus diesem Grund konnten wir nach dem November 1494 die Florentiner Bankiers und Kaufleute an den großen Handelsplätzen so gut wie nie dabei beobachten, wie sie ihre mediceischen „Konkurrenten“ durch aktive Maßnahmen oder Denunziationen nachhaltig zu schädigen suchten, auch in Florenz nicht (wo solche offenbar nicht von den Spitzen der Handelsgesellschaften kamen). Denn davon mochten Politiker profitieren, nicht aber Kaufleute – und die Florentiner Elite war gewöhnlich beides. Wegen dieser grundsätzlichen Einsicht in die für alle vorteilhaftere Zusammenarbeit der Kaufleute konnte sich dann zugleich das von Geschäftsmännern dominierte, von Finanzinteressen bestimmte Netzwerk der Mediceer so erfolgreich etablieren und entwickeln, daß es an frühere Leistungen der Medici-Bank anknüpfen konnte. Unabdingbare Voraussetzung für diese Leistungen ist jedoch die Existenz von einigen wenigen Knotenpunkten, die durch Personen mit herausragenden Qualitäten und Kompetenzen gebildet werden und die korrelativ weitaus mehr Verbindungslinien des stets rückführbaren Netzes auf sich ziehen als die vielen kleinen Knoten. Ein Giulio de’ Medici, Lorenzo Pucci, Lorenzo Tornabuoni, Leonardo di Zanobi Bartolini, Leonardo di Bartolomeo Bartolini, Gianbattista Bracci, Jacopo Salviati oder Lanfredino Lanfredini verkörpern diese wichtigen, bestimmenden Knotenpunkte. Es ist verblüffend, daß das MediceerNetzwerk sich in seiner formalen, bildlichen Struktur in keiner Weise von dem Beziehungsnetz unterscheidet, das die Zeichnung der Wechselwirkung innerhalb einfacher Organismen wie z. B. bei den Proteinen der Bäckerhefe, aber auch innerhalb großer Gebilde wie der Struktur eines nationalen Stromnetzes oder der internationalen Finanzwirtschaft ergibt. Geradezu frappant sind die allen gemeinsamen Konsequenzen: Das gesamte Netzwerksystem ist gerade durch die Existenz der zentralen Knotenpunkte bzw. hubs besonders anfällig und verwundbar, denn fällt einer oder mehrere von ihnen aus, droht das gesamte System zusammenzubrechen. In unseren Zeiten müssen wir dies konkret erfahren, wenn solche Knotenpunkte in einem landesweiten Stromnetz kollabieren und sofort zu einem das gesamte Land erfassenden Blackout führen oder wenn einige wenige Großbanken sich etwa durch nicht hinreichend abgesicherte Hypothekenkredite bzw. hochriskante Spekulationen mit solchen und anderen Finanzinstrumenten selbstverschuldet in die Zahlungsunfähigkeit bringen und den Kollaps des ganzen internationalen, miteinander verflochtenen Finanzsystems sowie eine tiefe Krise der Weltwirtschaft provozieren. Zwischen 1494 und 1512 hätten die Medici-Feinde ein strukturell analoges Resultat erzielen können, wenn sie einige jener herausragenden Knotenpunkte eliminiert hätten, wie wir schon in Kapitel I.4. erörterten. Genau dies meinte Ricciardo Becchi, als er der Florentiner Regierung und den Dieci di Balìa dringend empfahl, man müsse das römische Nest namens Leonardo di Zanobi Bartolini ausheben, ihn müsse man entfernen, um die von den Medici ausgehende Gefahr für Florenz nachhaltig beseitigen zu können! Aber auch die anderen, besonders die in Florenz lebenden „hubs“, zwang eben dies zu größter Vor- und Umsicht. Die Hinrichtung der fünf Mediceer im August 1497 mußte eine schreckliche

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Warnung gewesen sein, wobei es ja alles andere als ein Zufall gewesen war, daß mit Lorenzo Tornabuoni und Giovanni Cambi zwei führende Medici-Bankiers zu den Opfern gehörten, die ihren Einsatz bei der klandestinen Finanzversorgung der Medici und bei der verschleierten Umstrukturierung der Medici-Bank mit dem Leben bezahlen mußten. Zu diesem getarnten mediceischen Banksystem gehörten jedoch mehr, die glücklicherweise nicht verraten wurden, weshalb dieser Knotenpunkt nicht vernichtet werden, sondern sich vielmehr substantiell verdichten konnte. All diese Einsichten mögen durch einen Vergleich mit einer neuen, aber anders konzipierten und zeitlich etwas früher angesiedelten Forschungsarbeit zu einem MediciNetzwerk an Profil gewinnen. Eine für unser Thema wichtige Studie ist 1993 von den Soziologen Padgett und Ansell veröffentlicht worden. Sie untersuchten das Netzwerk der Medici um 1434, als Cosimo nach seinem kurzen Exil die faktische Herrschaft der Medici über Florenz begründete. Als Konstituenten oder Faktoren des frühen Medici-Netzwerkes differenzierten die Autoren zwischen den starken Bindungskräften Verwandtschaft und wirtschaftliches Netzwerk sowie den weichen Faktoren des politischen und freundschaftlichen Netzwerkes. Doch die quantifizierende Theorie des Netzwerkes ist zu deduktiv und schematisch angelegt, hinterfragt zu wenig die einzelnen ties, ihre Resultate, indem sie etwa mit einem weiteren Schritt untersucht hätte, weshalb man sich „verknotete“, welche Vorteile dies bot; desgleichen sind ihre quantitativen Ergebnisse nur selten durch ihre konkrete Basis nachzuvollziehen. Denn so wichtig etwa der Faktor Verwandtschaft war, er allein sagt noch nichts darüber aus, ob die konkreten Einzelfälle konstitutiv für das Netzwerk werden, ob sie beispielsweise durch gemeinsame Interessen, Werte und gegenseitiges Vertrauen zu einem network-building beitragen. Vor diesem methodenkritischen Hintergrund muß eben doch die Binsenwahrheit betont werden, daß etwa aus einer Verwandtschaft der Salviati zu den Medici noch nicht die Information zu gewinnen ist, ob die Salviati deshalb auch das politische Regiment der Medici unterstützten und wenn ja, ob sie dies mit ihrem ganzen Haus taten oder nur mit einzelnen Familienmitgliedern. In der Tat gibt es für einige Mediceer-Familien Beispiele (die Martelli seien genannt), daß einzelne ihrer Mitglieder während der Exilszeit nicht zu den Anhängern bzw. Freunden der Medici gehörten, sondern z. T. sogar zu den Feinden – unabhängig von der weiter differenzierenden Einschränkung, daß eine Freundschaftshaltung sich innerhalb weniger Jahre durch bestimmte Ereignisse (Ehrverlust durch Zurückweisung spezifischer politischer Ambitionen z. B.) in ihr Gegenteil verkehren kann. Es gibt allerdings einige Familien, die (wiederum mit seltenen Ausnahmen) wie ein geschlossener Mediceer-Block wirken, allen voran die Tornabuoni, die Pucci, Pandolfini, Salviati, Bartolini, Carnesecchi, Lanfredini usw., die nicht von ungefähr untereinander Eheverbindungen eingingen und damit den von Padgett/Ansell für 1434 konstatierten Zentralismus des Netzes aufheben. Hier herrschen nun multipolare Zentren; es gestaltet sich ein vielschichtiger Familienverbund. Auf der anderen Seite gibt es Beispiele, daß aus den Blökken traditionell oder mittlerweile medicifeindlicher Familien einige auf der Seite der Freunde standen: bei den Strozzi etwa Matteo Strozzi (und eher als der eingeheiratete

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Filippo Strozzi) oder bei den Capponi der 1497 als Mediceer verbannte Gino di Neri Capponi und jene, die zur Lyoner Gesellschaft von Neri Capponi und Bartolomeo Buondelmonti gehörten und etwa Giuliano da Gagliano unterstützten. Geradezu gespalten in Freunde und Feinde der Medici war z. B. die Familie Albizzi. Daraus ergeben sich theoretisch-methodische Konsequenzen. So fruchtbar und auf den ersten Blick überzeugend die Quantifizierung bestimmter sozialer Verhältnisse für die Netzwerkanalyse ist, so gewichtig sind auf der Gegenseite die Gründe, von einer solchen Quantifizierung abzusehen. Aus ihr resultiert eine Scheinobjektivität, da sie die zugrundeliegenden Einzelfälle weder in ihrer jeweiligen Bedeutung nennt noch qualitativ hinterfragt. Sie entspricht mit ihrer Statik im besten Fall einer historischen Momentaufnahme, kann jedoch nicht die dynamischen Prozesse innerhalb des Netzes wiedergeben. Es wird eben durch handelnde, denkende, fühlende, reagierende und interagierende Menschen gebildet, deren Verhalten sich ständig neu definiert, damit auch innerhalb des Netzes positioniert (bis hin zum Austritt aus dem Netz). Die unendliche Komplexität historischer Personenbeziehungen (aber das ist eine anthropologische Konstante) läßt sich nicht in ein zweidimensionales Schema pressen; Netzwerke sind stets multidimensional. Gerade während der Exilszeit hat sich ein Netzwerk von Mediceern herausgebildet, das man sich weder vertikal noch horizontal zweidimensional, sondern in seiner komplexen sozialen und funktionalen, variabel hierarchischen, azentrierten Gestaltung und Ordnung eher dreidimensional vorstellen muß, wie das Rhizom von Deleuze und Guattari. Es war nur deshalb so erfolgreich, weil zahlreiche zentrale Personen nicht in einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander standen (etwa nur als Patron und Klient), sondern ihre jeweiligen individuellen Fähigkeiten so einsetzen konnten und mußten, daß sie relativ autonome, autarke Knoten im Netz bildeten – eben jene modern als hubs bezeichneten zentralen Knotenpunkte, die aber nicht allein von kleinen, sondern von einem ganzen Spektrum unterschiedlich großer und bedeutungsvoller Knoten umgeben wurden! Deshalb gingen von ihnen eigenständige Verflechtungsformen aus, ohne daß sie dabei jedoch die enge Bindung an die Medici oder andere wichtige Mediceer verloren. Sie gestalteten auf diese Weise ein Netzwerk der Fähigen, ließen die Seilschaft der Unfähigen hinter sich. Wir können, um unserem Interesse an Ordnungsgefügen und Strukturen nachzukommen, durchaus einzelnen Personen feste Positionen im Netz zuweisen und zwischen diesen oder weiteren relativ konstante Beziehungen feststellen. Aber die Komplexität und vor allem die Qualität von menschlichen Netzwerkverbindungen läßt sich so niemals angemessen erfassen, erst recht nicht schematisch-graphisch darstellen – dies gelingt selbst bei den mit sehr leistungsstarken Computern berechneten biologischen Prozessen nicht; ihr können wir uns nur durch die Gedankenbilder evozierende Beschreibung und Erzählung historischer Handlungen annähern. So war der hochadlige Kardinal Federico Sanseverino zweifellos einer der engsten und wichtigsten Freunde des Hauses Medici; er bildete deswegen, soziologisch oder mathematisch gesprochen, einen der zentralen Knotenpunkte, einen hub im Netz. Doch war seine Freundschaft zu Giovanni de’ Medici genauso eng wie die zu Piero? Oder gab es hier, wie anzunehmen ist, aufgrund von Federicos und Giovan-

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nis Persönlichkeit eine auf die beiden Individuen bezogene schwächere Intensität, die gleichwohl die grundsätzliche Freundschaft zum Haus Medici nicht in Frage stellte? Freundschaft wird von den Sozialhistorikern, wie dies etwa auch Volker Reinhardt betont, für die uns interessierende Epoche primär als instrumentale Freundschaft verstanden, die unabhängig von gegenseitiger Sympathie oder Zuneigung von äußeren Faktoren (gemeinsame Ziele usw.) abhängig ist und durch ein utilitaristisches Nützlichkeitsdenken geprägt ist, durch das sie freilich zugleich eine gewisse Beliebigkeit in sich trägt. Diese Freundschaftsform findet sich ebenfalls im Netzwerk der exilierten Medici, sowohl zwischen zwei Personen als auch, und dort besonders, in der Freundschaft zwischen Personen und Mächten bzw. Staaten. Die meisten der hauptsächlich auf gemeinsamen ökonomischen Interessen und Verflechtungen beruhenden Freundschaften wird man dieser Kategorie zuordnen müssen. Anton Welser der Ältere hatte seinen Freund Lanfredino Lanfredini vermutlich niemals persönlich kennengelernt, so daß es für eine vertiefende Umwandlung des utilitaristischen Charakters keine Gelegenheit gegeben haben dürfte. Zwischen Lanfredini und seinem römischen Agenten Giovanni Pandolfini gab es derart sichtbare Spannungen, daß diese Freundschaft sich kaum über mehr als gemeinsame Zwecke und die Bindung an die Medici definiert haben wird. Dies wird ebenso für das Verhältnis zwischen Piero de’ Medici und Giangiordano Orsini gelten, bei denen die amicitia trotz evidenter Antipathien und Konflikte grundsätzlich aus der Wahrung von gemeinsamen Familien- und damit Medici-Interessen resultierte. Die Freundschaft zu einem Staat wie Frankreich, Savoyen, Mailand, Venedig oder Siena konnte generell nie mehr als eine beiden Seiten dienende Nützlichkeitsverbindung sein, die relativ schnell beendet werden konnte, wenn es keine gemeinsamen Ziele mehr gab oder die einzelnen miteinander konkurrierten. Doch eine tiefere, persönlichere Ebene konnte diese Form der Freundschaft gewinnen, wenn sich zwischen einzelnen Medici oder Mediceern und den Führern dieser Mächte engere, von verbindlicher Zuneigung geprägte Beziehungen entwickelten. Für Mailand und Venedig ist dies nicht zu erkennen, für Savoyen mit Blick auf Philippe de Bresse allerdings sehr wohl, ebenso für das von al Georges d’Amboise mitregierte Frankreich, wo sogar Ludwig XII. emotionalere Bindungen etwa zu Giuliano de’ Medici entwickelt zu haben scheint. Für die von den Petrucci faktisch beherrschte Republik Siena fällt eine entsprechende Einordnung schwer, aber zwischen ihrem dem geistlichen Stand angehörenden Familienmitglied Raffaele Petrucci und Piero wie Giovanni de’ Medici hatte sich nach Ausweis der Quellen eine so enge Freundschaft entwickelt, daß in dieser das Nützlichkeitsmoment kaum eine Rolle gespielt zu haben scheint. Der in der Republik Lucca den Ton angebende Benedetto Buonvisi hingegen mochte auch aus geschäftlichen Erwägungen die Freundschaft zu den Medici und ihren Bankiers, allen voran Gianbattista Bracci und Francesco Naldini, gepflegt haben; es würde uns allerdings sehr verwundern, sollten seine außergewöhnlichen Freundschaftsdienste für sie, sollten die häufigen Aufenthalte Braccis und Naldinis in seinem Haus nicht Ausdruck einer tieferen persönlichen Freundschaft gewesen sein. Und

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so gilt generell der Vorbehalt, daß utilitaristisch-ökonomische Freundschaftsbeziehungen durch persönliche Begegnungen eine emotionale Qualität gewonnen haben können. Die Quellen zeigen indes eindringlich, daß es im Medici-Netz auch individuellemotionale Freundschaften gab. Ganz sicher existierte eine solche zwischen Piero de’ Medici und Federico Sanseverino, zwischen dem Sanseverino und Leonardo di Zanobi Bartolini (Pepi meinte gar, diese sei enger als die des Bartolini zu den Medici), zwischen Giovanni de’ Medici und Luigi de’ Rossi sowie zwischen Jacopo Salviati und Lanfredino Lanfredini, die uns in ihren Briefen sogar bezeugen, daß und wie sehr sie unter einer Trennung litten. Ein Typus väterlicher Freundschaft und Sorge ist hingegen für das Verhältnis Virginio Orsinis zu Piero de’ Medici und das des Gianbattista Bracci zu Francesco Naldini zu konstatieren. Etwas aber unterscheidet die Substanz der Freundschaften innerhalb des MediciNetzwerkes entscheidend von anderen: die politischen Rahmenbedingungen. Nicht nur Freundschaft, jede Art von Beziehung zu den Medici-Rebellen war für Florentiner verboten, konnte sie im Extremfall wie gesehen sogar das Leben kosten. Wer sich, etwa durch Hilfsleistungen, als Freund der Medici bekannte, tat dies sehr bewußt und mit dem Wissen um die Konsequenzen (Tod, Verbannung, soziale Entwurzelung, Güter- und Ansehensverlust usw.). Natürlich gab es auch bei dieser Form der politischen und instrumentalen Freundschaft erhebliche qualitative Unterschiede, die unmöglich alle im einzelnen auszudifferenzieren sind: Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in Florenz (etwa Gegnerschaft zu Savonarola oder Piero Soderini) konnte frühere Gegner der Medici an die Seite der Medici und Mediceer führen, selbst wenn sie – wie etwa Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici – eine tiefere Aversion gegenüber Piero de’ Medici besaßen. Aber rein verbale oder strategische Annäherungen wußten die Zeitgenossen sicherlich besser als wir von der eigentlichen Freundschaft zu unterscheiden, die sich immer durch Taten erwies. So ist es bezeichnend, daß etwa Piero de’ Medici des öfteren gegenüber seinen politischen Verbündeten die Gefahr für seine Freunde hervorhob, von der er eine genaue Vorstellung besaß. Noch instruktiver ist, wie Leonardo di Zanobi Bartolini differenzierend und kategorisierend von den amici veri sprach, den wahren oder wahrhaftigen Freunden; auf sie und nur auf sie konnte man sich wirklich und in jeder Hinsicht verlassen, nur sie durfte man in bestimmte Geheimnisse einweihen. Dies kann auch nicht anderes gewesen sein, denn die ständige Bedrohung für die Beteiligten zwang zum Abschluß der Gruppe bzw. zu verschiedenen Stufen der Abschottung, Geheimhaltung und Intransparenz, um die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen gewährleisten und Gefahren ausschließen oder minimieren zu können. Es war unbedingt notwendig, den Kreis der Beteiligten klein zu halten und gleichzeitig hierarchische Stufen der beteiligten Kreise aufzubauen. Lamberto dell’Antella, der zum Haushalt Pieros und Giovannis gehörte, hatte sehr anschaulich beschrieben, wie er bestimmte Dinge nicht zu Ohren bekam, weil Leonardo Bartolini sie nur im Flüsterton an Piero weitergab oder weil der Bartolini bei entscheidenden Fragen das Wort für Alfonsina Orsini ergriff. Leonardo beschrieb denn auch in einem seiner exem-

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plarischen Briefe, wie er Briefe von Mediceern kontrollierte und zensierte, die ‚Zikaden‘ zur Ordnung rief, dabei 1511/12 im Einklang mit Giulio de’ Medici handelnd, der wie er zum innersten Zirkel gehörte und den gleichen oder einen ähnlichen Grad an dynamischem Pragmatismus und an Verantwortungsgefühl für das Ganze besaß. Diese Kategorie der veri amici ist nicht von bestimmten Formen wie Nützlichkeit und selbst starker Zuneigung abhängig – obwohl letztere sie mehr als andere förderte –, sondern von übergeordneten sachlichen Zielen und Bewährungsparametern. Die aus Sicherheitsgründen notwendige Hierarchie der Vertrauensstufen kann allerdings nicht mit einer qualitativen Hierarchie von Freundschaftsformen identisch gewesen sein. Denn selbst der zu den Freunden zählende Diener und Bote oder der aus utilitaristischen Gründen zum Netzwerk gehörende Freund mußte in den Kreis der wahren Freunde aufgenommen werden können, sich bewähren und Vertrauen verdienen können, da sonst die für die jeweiligen übergeordneten Sachziele erforderlichen Aufgaben nicht zu bewältigen waren, nicht nur auf der politisch-militärischen, sondern auch geschäftlichen Ebene. Dadurch sind immanente Hierarchien, etwa Stufen der Geheimhaltung, freilich nicht ausgeschlossen. Funktionieren konnte das Netzwerk somit nur, wenn alle Mitglieder unter spezifischen Distinktionen – je nach sachlicher Notwendigkeit sowie persönlicher Fähigkeit und Funktion – als Freunde integriert waren.

VIII. Resümee Im Ausklang dieser umfangreich gewordenen Studie kann es nicht darum gehen, ein reines Resümee der Fakten zu präsentieren. An dessen Stelle soll eine eher problemorientierte Zusammenfassung stehen, in der einige Aspekte pointierter hervorgehoben werden sollen, ohne die Bedeutung der hier unerwähnten negieren zu wollen. Bei der langen Geschichte des Medici-Exils ist es wie bei vielen Geschichten: Ohne die Personen und ihre Vorgeschichten sind entscheidende Vorgänge nicht nachzuvollziehen. Der Charakter Piero de’ Medicis und seine Bindung an seinen Ersatzvater Virginio Orsini sind ebenso als unmittelbare Kausalfaktoren der Exilierung zu nennen wie der harte Griff seines Vaters Lorenzo nach dem Staat und dessen Finanzquellen. Doch was man sich mit geballter Faust in der Tasche von diesem noch gefallen ließ (soweit man es überhaupt wußte), konnte man bei seinem präpotenten und arroganten Sohn nicht akzeptieren. Daß Piero gerade während des Exils mit dem hochadligen mailändischen Kardinal Federico Sanseverino eine außergewöhnliche, äußerst enge Freundschaft unterhielt, fußte nicht zuletzt auf der alten Bindung, die Federicos Vater Roberto und einige seiner Brüder zu den Medici gepflegt hatten, sowie auf der Tatsache, daß Pieros Schwiegermutter Caterina Sanseverino Orsini eine Verwandte Federicos war, die in nicht unerheblicher Weise dazu beitrug, die Interessen der Familien Sanseverino, Medici und Orsini miteinander zu verflechten. Die Monate vor dem Exil und dessen Beginn weisen erstaunliche Phänomene auf. Mehr als Piero selbst stemmten sich einige seiner Freunde (oder besser: Freunde seines Hauses) gegen die drohende Gefahr. Gewiß: Sie handelten nicht uneigennützig, doch ihre Interessen stimmten mit den traditionellen, den eigentlichen Interessen der Medici und denen von Florenz überein. Diese lagen auf einer primär politisch-ökonomischen Ebene, getragen von der alten Allianz zwischen Florenz und Frankreich. Daß hierbei neben dem Herzog Ludwig von Orléans (dem künftigen König Ludwig XII.) vor allem dessen savoyischer Freund Philippe de Bresse energisch hervortrat, lag nicht nur an dessen frankophiler Einstellung, sondern insbesondere an älteren Verbindungen zu den Medici und zu ihrer Lyoner Bank. Aus ihr rekrutierte er denn auch nicht von ungefähr mit Lorenzo Spinelli seinen entscheidenden Mitstreiter, um Piero de’ Medici gleichsam in letzter Minute auf die Seite des gegen Neapel marschierenden Königs Karl VIII. von Frankreich zu ziehen und ihn damit von seinem verhängnisvollen Bündnis mit dem König von Neapel abzubringen, das recht eigentlich nicht mehr als ein loyales Bekenntnis zu dessen oberstem Feldherrn war, zu Virginio Orsini, der seinen Ersatzsohn Piero besser hätte beraten müssen. Der Lyoner Medici-Bankier Spinelli hingegen verkörpert den Typus der bisher meist gesichtslosen, doch zentralen Freunde Pieros und seines Hauses, die erstaunlicherweise selbst nach der Vertreibung der Medici zu ihnen hielten, tatkräftig für sie wirkten. Sie stammten – einige weitere exemplarische Personen wie Bernardino de’ Rossi, Filippo und Giuliano da Gagliano, Francesco Naldini, Bartolomeo, Leonardo di Bartolomeo und

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Resümee

Leonardo di Zanobi Bartolini oder dessen Schwager Gianbattista Bracci seien zur Veranschaulichung genannt – in erster Linie aus der Medici-Bank und sind bisher sowohl von den zeitgenössischen „Erinnerungsproduzenten“ als auch von den Historikern weitgehend ignoriert worden. In der Regel bekannter, da sozial höher stehend und dem engen, vielfach sowohl politischen als auch ökonomischen (und oft genug durch Verwandtschaft intensivierten) Freundeskreis der Medici zugehörend, waren, um wiederum nur einige hervorzuheben, Vertreter der Familien Tornabuoni, Pucci, Alamanni, Lanfredini, Salviati, die ebenfalls energisch und kontinuierlich für die vertriebenen Medici kämpften. Sie alle riskierten während jener langen, achtzehnjährigen Periode des Medici-Exils harte Verbannungsstrafen oder gar ihr Leben für die Medici. Was war es, das ihnen diesen Preis wert war? Keiner der Beteiligten gab darauf eine Antwort, zumindest keine, die überliefert worden wäre. Diese Frage, eine der entscheidenden, läßt sich nur mit großen Vorbehalten pauschal beantworten, da sie nur individuell gegeben werden kann. Jeder hatte seine ganz persönlichen Gründe; sie alle aber einte generell sowohl eine starke soziale als auch finanzielle Bindung – nicht nur an die Medici, sondern auch untereinander! Diese mehrschichtige und mehrdimensionale Verflechtung wird man als wesentliche Ursache für ihre exzeptionelle Freundschaft zu den Medici – und untereinander! – ansehen dürfen. Jeder einzelne gewann dadurch, durch die Synthese von Fremd- und Eigeninteressen, seine ganz persönliche horizontale Autonomie im Mediceer-Netzwerk, die zugleich dafür verantwortlich ist, daß das frühere, stärker vertikal ausgerichtete PatronKlienten-Verhältnis nach dem September 1512 nicht mehr oder nur noch sehr bedingt erneuert werden konnte. Fragt man nun nach einer Hierarchie der hier wirkmächtigen Kausalitäten, wird man zweifellos der erstaunlichen, ja faszinierenden Langlebigkeit der Medici-Bank eine fundamentale Position zuweisen. Nur weil Raymond de Roover, der bis heute maßgebliche Erforscher dieser Bank von Weltgeltung, den späteren engeren Medici-Partnern und ihren Hinterlassenschaften keine Aufmerksamkeit widmete, konnte er zu dem so irrigen wie folgenreichen Fehlurteil kommen, die Medici-Bank sei schon unter Lorenzo de’ Medici so gut wie bankrott gewesen und mit der Exilierung der Medici 1494 endgültig eingegangen. Kaum ein anderes Faktum hat offenkundig so stark für jene fugenlose Freundschaft im Netzwerk gesorgt und die Geschichte des langen Exils geprägt wie Lorenzos Entscheidung, 1478/82 mit der Bartolini bzw. Spinelli/Bartolini-Bank in Florenz und Lyon zwei Tarnbanken innerhalb seiner Medici-Gesellschaft zu errichten, mit denen er nicht nur erhebliche, verdeckte Profite erzielte, sondern zugleich zentrale „Töpfe“ der Staatsfinanz so geschickt kontrollieren und abschöpfen konnte, daß sie noch seinen Erben während ihrer Exilierung dienten. Wer es in einem der effizientesten und wachsamsten Staaten Europas vermochte, die verbannten Feinde des Staates über viele Jahre auch aus dessen Finanzmitteln zu unterstützen, dem war wahrlich ein Meisterwerk der Renaissancefinanz geglückt! Lorenzo Tornabuoni, Bartolomeo Bartolini und seine Söhne, sein Partner Francesco Bottegari, sein Schwiegersohn Lanfredino Lanfredini, dessen Freund und Partner Gianbattista Bracci, der ehemalige Generaldirektor der Medici-Gesellschaft und enge

Resümee

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Bartolini-Verwandte, sowie die Brüder Filippo und Giuliano da Gagliano – ihre Namen müssen in diesem Kontext nochmals unterstrichen werden. Diesen Mediceer-Bankiers gelang es, mindestens bis 1499/1500, doch offensichtlich noch darüber hinaus, den exilierten Medici Gewinne aus zentralen Finanzinstitutionen des Florentiner Staates wie der Zecca, den Otto di Pratica und des Monte Comune heimlich zukommen zu lassen. Eine dauerhaftere, konsolidiertere Form der Medici-Finanzierung schufen sie hingegen, als sie unter der Ägide Lorenzo Tornabuonis und Gianbattista Braccis nach dem November 1494 nicht nur die Bartolini-Tarnbanken, sondern zudem die mediceische Goldschläger-, Woll- und Seidengesellschaft und vor allem die Medici-Bank mit ihren einzelnen Standorten Florenz/Pisa, Rom/Neapel und Lyon als Erben-Bank fortführten, diese mit ihren Schulden übernahmen – für deren Tilgung sie hohe Summen oder Sachwerte aus dem Medici-Vermögen erhielten, welche sie jedoch zweckentfremdend für die Medici sicherten! –, um schließlich nach der Hinrichtung des Tornabuoni im Sommer 1497 die Zentrale dieses genialen Gefüges in die neue, von Bracci und Lanfredini geleitete Gesellschaft der Florentiner Lanfredini-Bank zu überführen, unter weiterer Integration der altbewährten Mitarbeiter und der Florentiner und Lyoner Bartolini-Banken sowie ihrer (z. T. späteren) Dependancen in Montpellier/Marseille, Toulouse, Mailand und London. Spätestens an dieser Stelle müssen auch die römischen Medici-Bankiers Nofri Tornabuoni und sein Schwiegersohn bzw. Braccis Schwager Leonardo di Zanobi Bartolini namhaft gemacht werden, die in Rom die dortige Medici-Bank mit ihrer Filiale in Neapel leiteten und in Besitz nahmen. All diese Mediceer-Bankiers versorgten, in ständiger Kooperation mit der Buonvisi-Gesellschaft aus Lucca, die Medici mit Geld – wobei sie nicht zuletzt wertvolle Stücke des alten Medici-Schatzes für eigene Kredite statt für die Tilgung alter Medici-Schulden einsetzten. In unermüdlicher und erfindungsreicher Weise finanzierten sie ihnen das tägliche Dasein, die militärischen Angriffe auf Florenz (bis zu Pieros Tod Ende 1503) und die ebenfalls zur Exilsbeendigung dienenden Bündnisse mit den europäischen Mächten, allen voran Frankreich. So trostlos den Medici ihr Exilsdasein an einzelnen Tagen erschienen sein mag, es hob sich dennoch in entscheidender Qualität von dem der meisten anderen Verbannten ab. Die Medici stellten am Hof italienischer Mächte wie der Kurie, Urbino, Siena, Lucca, Mailand, Mantua und Venedig sowie europäischer Mittel- und Großmächte wie Savoyen und Frankreich ein perspektivenreiches politisches Instrument dar, weil sie als entmachtete faktische Herren des Florentiner Staates mit realistischen Chancen an dessen Spitze zurückdrängten. Erst durch diese Option öffneten sich ihnen Türen, die anderen verschlossen blieben. Sie behielten dadurch, aber auch durch den Kardinalsrang Giovannis, einen hohen sozialen Status, der ihnen zahlreiche politische Handlungsmöglichkeiten eröffnete. Zu diesen trugen allerdings genauso hochrangige enge Freunde wie vor allem der weitaus mehr dem französischen als mailändischen Hof verpflichtete, Weltliches über Geistliches stellende Kardinal Federico Sanseverino sowie der savoyische Graf bzw. Herzog Philippe de Bresse bei, weshalb sich außer Lucca und Siena nur Savoyen und Frankreich als konstante, nicht allein pragmatisch wechselhafter Interessenpolitik folgende politische Freun-

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de der Medici erwiesen. Hatte schon König Karl VIII. sich nicht zuletzt wegen dieser Intervenienten trotz seiner Allianz mit dem von Frankreich abhängigen Florenz für dessen Feinde, die Medici, eingesetzt, so bot sein Nachfolger Ludwig XII., der schon als Herzog den Medici nahestand, im Verein mit seinem wichtigsten Rat, dem als zweiten, wenn nicht gar eigentlichen König Frankreichs bezeichneten Kardinal Georges d’Amboise, ein gegenüber Florenz geradezu zynisches Schauspiel. Der von Medici-Gegnern geführten Republik mehr als halbherzig beistehend, preßte der französische Alliierte Florenz beharrlich und dreist Bündnisgelder ab, um von dessen Regierung im gleichen Atemzug mit lautstarken Drohungen die Restitution der Medici zu verlangen. Als diese im Spätsommer 1512 tatsächlich gelang, hat allem Anschein nach wiederum eine von französischer Staatskunst geführte Regie dafür gesorgt, daß mit Papst Julius II. und Spanien die beiden größten damaligen Feinde Frankreichs das Regime Piero Soderinis, des bis zuletzt zu Frankreich haltenden Gonfaloniere a vita in Florenz, stürzten und die Medici heimführten. Nach dem Tod von Georges d’Amboise im Mai 1510 lag die Interessenvertretung der Medici am französischen Hof hauptsächlich auf den Schultern ihres intimen Freundes Federico Sanseverino, der nach der französischen Eroberung Mailands und der Vertreibung Ludovico Sforzas in den Jahren 1499 und 1500 zum zentralen Sachwalter Frankreichs an der Kurie aufgestiegen war und der mediceischfranzösischen Interessenverflechtung neue Dynamik verlieh. Zusammen mit dem medicinahen Kardinal Bernardino Carvajal gehörte Federico zu den Initiatoren des gegen Julius II. gerichteten schismatischen Konzils von Pisa, das aber nur der Sanseverino vor König Ludwig XII. zu einem geistlich-militärischen Schwert Frankreichs gegen diesen ehemals befreundeten Papst schmiedete. Dabei zwang er das Florenz Soderinis nicht allein zu konkreten Bündnisleistungen, die den Zorn des Papstes und sein mit den Medici geplantes Attentat auf Piero Soderini provozierten, sondern auch zur Erlaubnis, das antipäpstliche Konzil ausgerechnet in Pisa – gerade erst von Florenz nach langen Jahren und enormen Kosten zurückerobert und bis dahin den Medici verbunden – abhalten zu dürfen. Die Tage der medicifeindlichen Regierung in Florenz waren damit gezählt. Doch vorher durften Federico Sanseverino, als Legat des schismatischen Konzils einer der Anführer der Truppen Frankreichs und seiner Verbündeten, und sein Freund Giovanni de’ Medici, als Legat Julius’ II. mit der Verheißung auf die Rückkehr nach Florenz fast erpresserisch gelockt und die militärische Spitze der Hl. Liga begleitend, auf der zu Ostern 1512 bei Ravenna aufgebauten europäischen Bühne noch als Hauptdarsteller einer Tragödie von antiker Dimension wirken. Fast achtzehn Jahre lang so intime Freunde, daß dem Sanseverino das Schicksal der exilierten Medici zu dem seiner eigenen Familie wurde und Piero de’ Medici sich weitaus mehr in Federicos Haus als bei seiner Frau Alfonsina Orsini aufhielt, standen sie sich nun durch die Fügung größerer Mächte, wenngleich bewußt gewählt, als Gegner in einer der bis dahin blutigsten Schlachten Europas gegenüber. Frankreich siegte, Giovanni de’ Medici geriet in französische Gefangenschaft, aber unter der Obhut seines Freundes Federico Sanseverino, der ihm im Juni 1512 auf dem Rückzug aus dem militärisch nicht mehr zu haltenden Herzogtum Mailand bei der Überquerung des

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Po die Flucht ermöglichte – und seinem Freund dadurch mit päpstlicher und spanischer Hilfe und kraft eines Massakers in Prato die Restitution in Florenz sowie die nur wenige Monate später erfolgende Wahl zum Papst möglich machte. Als solcher wird Giovanni bzw. Leo X. sowohl bei seinem so triumphalen wie kostspieligen possesso zum Abschluß der päpstlichen Krönungsfeierlichkeiten als auch auf zwei herausragenden Kunstwerken Raffaels, dem Attila-Fresko in den Stanzen und den Teppichen bzw. deren Bordüren in der Sixtinischen Kapelle, diesen wegbereitenden Freundschaftsdienst Federicos würdigen und der Nachwelt verkünden, indem er den ehemals schismatischen Kardinal als helfenden Engel gleichsam allegorisierte, ihn aber auch als mit der Papstkirche versöhnten Wegbegleiter für die Öffentlichkeit porträtieren ließ. Zu den ebenso frappanten Erkenntnissen dieser Untersuchung zählt die Tatsache, daß der Kardinal Federico Sanseverino noch als Schismatiker seine Finanzen und Einkünfte – insbesondere die gewaltigen Pachteinnahmen aus seinen großen französischen und oberitalienischen Benefizien – von der Lyoner Bartolini-Bank verwalten ließ, die ihre Funktion als mediceische Tarnbank weiterhin behielt. Gerade sie veranschaulicht, wie stark und eng in dieser Geschichte Politik und Wirtschaft verzahnt waren. Die Mediceer-Bankiers finanzierten eben nicht allein die Medici, sondern wie vor so auch während des Exils zugleich die französische Krone – schlagend etwa die Verbundenheit zwischen Giuliano da Gagliano und Jacques de Beaune! – und den savoyischen Herzogshof. Solche Leistungen machten sich in politischen Freundschaftsdiensten bezahlt; sie schufen Vertrauen und Verbindlichkeiten – und Expansionsmöglichkeiten. Vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Endes der Medici-Bank im Jahr 1494 wirkt der grandiose Ausbau und Aufstieg der Bartolini-Bank um so eindrucksvoller. Wegen ihrer exzellenten Verbindungen zum französischen Hof konnte sie ab 1500 in Mailand eine Dependance errichten, die außer eigenen Geschäften zugleich den Interessen der französischen Finanzverwaltung im neu eroberten und reichen Herzogtum diente, nicht zuletzt aber in gleicher Weise denen Federico Sanseverinos. Weil die Medici, von ihren Bankiers kräftig ermuntert, sich auf ihrem Weg insbesondere von den breiten und starken Schultern Frankreichs tragen lassen wollten, konnte sich die Bartolini-Bank vor allem von Lyon, Montpellier, Marseille und Toulouse aus mit Finanz- und Handelsgeschäften so fest in Frankreich etablieren, daß sie den Sprung nach England wagen und für einen Großbankier wie Agostino Chigi bei der schwierig gewordenen Durchsetzung seines lukrativen päpstlichen Alaunmonopols so interessant wie schließlich unentbehrlich wurde. Schon gut zehn Jahre nach dem durch die Hinrichtung Lorenzo Tornabuonis bewirkten Desaster, das die Mediceer-Bankiers zur Aufgabe der Medici-Erben-Bank und deren Umformung in die Florentiner LanfrediniBank zwang, hatte die Bartolini-Bank den Status einer weltweit agierenden, mit zahlreichen befreundeten Banken und Kaufleuten kooperierenden bzw. verflochtenen europäischen Spitzenbank erreicht. Daß hinter diesen Erfolgen freilich der Wille und die steuernden Direktiven Braccis und Lanfredinis, der maßgeblichen Mediceer-Bankiers in Florenz und Leiter der dortigen Lanfredini-Bank, standen, zeigt sich eindrucksvoll bei der das Geschäftsfeld der Bartolini-Bank erweiternden Gründung der Lyoner Salviati-

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Gesellschaft, an der zu gleichen Teilen eben die Lanfredini-Bank, deren Lyoner Agent Francesco Naldini (zugleich als Strohmann Braccis dessen Beteiligung und Einfluß verstärkend, als sein Adlatus einer der treuesten und deshalb aus Italien verbannten MediciBankiers) sowie (gleichsam als Minderheitseigner) die Florentiner Salviati-Bank partizipierten; es erweist sich genauso instruktiv in der Entscheidung des bereits global agierenden Augsburger Großkaufmanns Anton Welser der Ältere, seinen Sohn Johann als Lehrling in die Florentiner Lanfredini-Bank zu entsenden und dadurch die jahrelange, insbesondere mit der Lyoner Bartolini-Bank gepflegte enge Kooperation mit den MediceerBankiers zu vertiefen. Zugleich erkannte der große Welser damit den ökonomischen Rang dieser Bank und ihrer Leiter an – ein bezeichnendes und vielsagendes Zeugnis. In diesem knapp skizzierten, äußerst erfolgreichen und vielgestaltigen Fortleben der Medici-Bank und ihrer Bedeutung für die exilierten Medici – die freilich über das Exilsende hinausreichte – dürfte eines der zentralen Ergebnisse dieser Studie zu verorten sein. Es trägt gleichwohl neue Fragen und Forschungsinteressen in sich; so weit die neuen Erkenntnisse reichen mögen, so tief sind auf der Gegenseite auch die problematischen Fragen, für die allerdings eine vielsagende Verschlossenheit der Quellen verantwortlich ist. Die fundamentalen Quellendesiderate lassen sich klar bezeichnen: Es fehlen für die Exilsgeschichte nahezu alle Briefe, die zwischen den Medici und ihren engsten Freunden bzw. zwischen diesen selbst gewechselt wurden, sowie die Rechnungsbücher von Leonardo di Zanobi Bartolini, des persönlichen Bankiers von Piero und Giovanni de’ Medici, insbesondere seine Geheimbücher. Aus den Briefen, die zweifellos aus Sicherheitsgründen nach ihrer Bestimmung sofort vernichtet wurden – darauf geben die wenigen erhaltenen eindeutige Hinweise –, würde man noch klarere Informationen über den Aufbau, die innere Struktur, die Handlungen und die Taktik des Mediceer-Netzwerkes erhalten. Wie agierten etwa die ‚Väter‘ der jungen Medici in Florenz, wie gelang ihnen die lebensgefährliche Gratwanderung zwischen heimlicher, aktiver Unterstützung der mediceischen Umsturzpläne und öffentlichem Handeln für die Kommune? Wie setzte sich dieser innerste Kreis um Jacopo und Lucrezia Salviati, Lanfredino Lanfredini, Piero Alamanni, die Tornabuoni, Pucci usw. exakt zusammen; wie verliefen die Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse im einzelnen; welche Vorteile brachte den Medici der energisch-aktive Einsatz besonders Lanfredinis und Salviatis für Savonarola; wie schützte man sich vor den Feinden und Spionen? Allerdings darf man annehmen, daß die wichtigsten Kommunikationsinhalte zwischen den auswärtigen und den Florentiner Mediceern nicht schriftlich, sondern mündlich übermittelt wurden, sofern zuverlässige Kuriere zur Verfügung standen. Und generell deutet vieles darauf hin, daß die Florentiner Finanzoligarchie kein Interesse daran hatte, einige ihrer zentralen Pfeiler zu verlieren, daß sie sich deshalb stärker untereinander schützte, als es einigen ideologisch motivierten Heißspornen lieb war. Noch gewichtiger erscheinen die Fragen an Leonardo di Zanobi Bartolini, denn er verkörpert ein ganzes System, das noch mindestens den Pontifikat Leos X. bestimmte. Da wäre an erster Stelle die Frage, was Leonardo mit der römischen Medici-Bank gemacht

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hat, als deren Besitzer er 1497 von den Florentiner Spionen in Rom entlarvt worden war und der er – mit ihren Worten – in Nachfolge von Lorenzo und Nofri Tornabuoni, seinem Schwiegervater, seinen Namen gegeben hatte. Hat er sie und ihren neapolitanischen Appendix analog zur Florentiner Medici-Erben-Bank und in Absprache mit deren Leiter Gianbattista Bracci, seinem Schwager, in eine andere Bank als neue Gesellschaft transferiert und dieser einen anderen Namen (Ricasoli z. B., vielleicht auch Bini) gegeben, vor allem um den Ansprüchen alter Medici-Gläubiger zu entgehen? In dieser oder einer ähnlichen Form muß die römische Medici-Bank weitergeführt worden sein. Denn Leonardo di Zanobi Bartolini begegnet in allen Quellen nach 1497 nicht mehr als öffentlich bekannter Angehöriger oder Leiter einer Bank. Dennoch verfügte er über gewaltige, offenkundig nicht ererbte Kapitalbeträge und Kreditmöglichkeiten, u. a. auch aus dem alten Kapital der römisch-neapolitanischen Medici-Bank (etwa mit Blick auf die Schulden des Venezianers Andrea Braghadini); und auch 1504 als tesoriere des Patrimoniums Petri oder vor 1513 als Depositar des Kardinalskollegiums mußte er ein Bankier gewesen sein. Allein als Privatperson, als eigenständig und autonom handelnder Privatbankier hätte er die enormen Finanzleistungen und -bewegungen für die Medici oder die Kurie niemals leisten und organisieren können. Er muß mit seinem Medici-Geld an anderen Banken beteiligt gewesen sein. Dafür sprechen die häufigen Verweise auf die römischen Banken, die unter den Namen von Simone da Ricasoli (einem Befehlsempfänger Leonardos) und Bernardo Bini liefen, sowie – dies vor allem in seinem als Generalprokurator Kardinal Giovanni de’ Medicis angelegten Haushaltsbuch ersichtlich – die bezeugte Funktion der Florentiner Lanfredini-Bank als Bargeldkasse des Medici-Haushaltes und die seines Neffen Lorenzo di Gianbattista Bracci als Buchführer zweier römischer Rechnungsbücher Leonardos, die dieser für die Medici führte. Ebensowenig wissen wir, wie eigentlich zwischen den Medici und ihren Bankiers (in erster Linie Bartolini, Bracci, Lanfredini) abgerechnet wurde, wer welche Summen mit welchen Ansprüchen aus welchen „Töpfen“ erhielt, wie genau und wo im einzelnen altes Medici-Kapital angelegt wurde (sicherlich in den Bartolini- und Rossi-Banken, in der Lanfredini- und schließlich auch der Lyoner Salviati-Bank). Immer wieder hat Leonardo di Zanobi Bartolini aus meist verdunkelten Kanälen Kredite für Piero de’ Medicis Belange, vor allem für seine Attacken auf Florenz, generiert. Aber inwieweit waren er und sein Schwager Bracci bereit, Pieros persönliche Eskapaden, seine Spielsucht und sonstigen Leidenschaften, zu finanzieren? Äußerst interessant wäre auch ein spezielleres Wissen darüber, wie Bartolomeo Bartolini als Leiter und Namensgeber der mediceischen Tarnbank und als Provisor der Zecca sowie als Depositar der Otto di Pratica nicht nur Lorenzo de’ Medici bis 1492, sondern auch Piero bis mindestens 1499 mit Geld versorgte. Ähnliche Fragen wären an Filippo und Giuliano da Gagliano zu richten. Handelten sie mit ihren diversen Beteiligungen (etwa der markanten an der Soderini-Seidengesellschaft) und ihren vielfältigen, meist mit Gianbattista Bracci, Lanfredino Lanfredini oder etwa Niccolò Michelozzi praktizierten Waren- und Geldgeschäften in Florenz nach 1496 weiterhin primär (und vielleicht auf Provisionsbasis) für die Medici bzw. Mediceer-Firmen? Filippos er-

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wiesene Funktion als Strohmann Lorenzo de’ Medicis und höchstwahrscheinlich Pieros sowie die Giulianos für Gianbattista Bracci, die für die gesamte Exilszeit zu gelten scheint, dürften eine positive Antwort erlauben. Immer wieder tritt Bracci als eine der zentralen, aber auch undurchsichtigsten Gestalten des ökonomisch-politischen Mediceer-Netzwerkes in Erscheinung! Er war ja nicht nur evidentermaßen der geheimnisvolle, lenkende amico G von Giuliano da Gagliano, sondern auch von Francesco Naldini. Dieser enthüllte in seinem persönlichen Schuldbuch deutlicher als Giuliano (der in Florenz vielleicht vorsichtiger sein mußte als jener im fernen, sicheren Lyon), daß Bracci unter seinem, Naldinis, Namen ‚kaufmännisch‘ und heimlich über eine private Abmachung zwischen ihnen an der Lyoner Salviati-Bank partizipierte – an der jener ja zudem als Teilhaber der Lanfredini-Bank beteiligt war – sowie in gleicher Weise an der Lyoner Buonvisi-Bank, an der Frescobaldi-Gesellschaft in Brügge, der Davanzati-Gesellschaft in Neapel (bzw. den von Francesco Davanzati allein und/oder mit den Salviati und Benigno Egidi dort betriebenen Gesellschaften) und der LanfrediniBank in Florenz, aus deren Gewinnen ihnen nur dann bestimmte Anteile zustehen konnten, wenn sie, wahrscheinlich meist nur unter Naldinis Namen, Kapital beigesteuert hatten. Durch Bracci muß auch maßgeblich das Kapital der Naldini-Gesellschaft in Toulouse, der Mediceer-Banken in Lyon (Bartolini, Rossi usw.) und der Pandolfini-Bank in Rom bereitgestellt worden sein. Wie konnte Bracci über diese Mittel verfügen? Eine andere Antwort als die, es habe sich um solche der alten, über Tarnbanken und weitere Gesellschaften geretteten Medici-Gesellschaft gehandelt, sehe ich nach all dem bisher Eruierten nicht. (Die hier aufgezeigten Verflechtungen und Beteiligungen decken dabei noch nicht einmal das gesamte, bislang zu erkennende Spektrum ab.) Wie all dies im einzelnen vollzogen wurde, mit welchen Kompetenzen, wer in welcher Form von dem System profitierte, dies bleibt ebenfalls noch genauer zu untersuchen – bis hin zur Frage, wie genau das offenkundig mediceisch geformte Levante-Syndikat verfaßt war, von dem Giuliano da Gagliano in seinen persönlichen Notizen erst nach dem Ende des Medici-Exils sprach. Nur weitere Forschungen und Quellenfunde können hier Klärungen bieten, doch wird man sich wohl zugleich damit abfinden müssen, daß zentrale Quellenstücke für immer verloren sind – augenscheinlich hat man sie mit guten Gründen bewußt vernichtet.

Abkürzungen ABS ANF ASF

Archivio Bartolini Salimbeni Archivio Naldini, Firenze Archivio di Stato di Firenze DBR Dieci di Balìa, Responsive (originali) MAP Mediceo Avanti il Principato SR Signori, Responsive (originali) ASI Archivio storico italiano ASM Archivio di Stato di Milano SPE Archivio Sforzesco Ducale, serie „Potenze Estere“ ASP Archivio Salviati di Pisa ASR Archivio di Stato di Roma AST Archivio di Stato di Torino ASV Archivio Segreto Vaticano BAV Biblioteca Apostolica Vaticana DBF Dictionnaire de biographie française DBI Dizionario biografico degli italiani DHGE Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques duc. fl. / l.gr. fl. / l.o. fl. / l.o.o. fl. / p.p. lb. d. s.

ducati Fiorini / larghi di grossi Fiorini / larghi d’oro Fiorini / larghi d’oro in oro Fiorini / parvi ponderis (Savoyen) libbra / libbre denaro / denari soldo / soldi

(Hinweis: Bei Summen werden die Dezimalstellen ebenso wie die Münzsorten durch Kommata abgetrennt, Tausenderwerte durch einen Punkt.)

Lucrezia Capponi

Alamanno

oo

oo

oo

oo

Maria oo Giovanni de’ Medici delle Bande Nere

Piero

Giovanni

oo [= Papst Alfonsina Leo X.] Orsini

Giovanni

Giuliano

Leonardo

Giovanni

Lorenzo

oo Costanza di Pandolfo Pandolfini

oo (I) Salvaggia di Pierpaolo Tornaquinci

Lanfredini

Lanfredino

Bracci

Leonardo

Bartolomeo

Ginori

Carlo

Cassandra oo

Ginevra

Bernardo Bartolomeo oo Marietta di Giovanni de’ Medici oo Piera di Francesco Tedaldi

Bartolini

Salimbene

Zanobi

Zanobi

Leonardo

Lucrezia oo Luigi Martelli

Lucrezia oo Gianbattista

Francesca oo Bartolomeo del Benino oo

oo Leonardo

Gherardo

Francesca

Onofrio (Nofri)

oo Creofe di Piero Alamanni

Niccolò oo Francesca Parenti oo Lucrezia Martelli

Zanobi

oo Giovanna degli Albizzi oo Ginevra Gianfigliazzi

Giovanni oo Francesca Pitti

oo Filiberta von Savoyen

Medici

Lorenzo il Magnifico

Lucrezia oo Piero di Cosimo de’

oo Clarice Orsini

Jacopo oo Lucrezia

Giovanni

Piero Averardo Cassandra Caterina oo Nannina di Piero Alamanni

Cornelia oo Gianbattista di Luigi Ridolfi

Averardo

Alamanno Salviati

Francesco Tornabuoni

(Tornabuoni – Medici – Salviati – Bartolini – Ridolfi – Bracci – Lanfredini – Ginori)

Verwandtschaftliche Verflechtung zentraler Mediceer (in Auswahl)

Medici SeidenGesellsch. (–1497)

Florenz

Medici battiloriGesellsch. (1491–95)

Florenz

Medici WollGesellsch. (1491–) [Benci e C.]

Florenz

Perini Gesellsch. (1495–1508)

Lyon

Rossi-Fraschi Bank (1508–)

Lyon

Medici Bank (–1497) [Sassetti → Tornabuoni ]

Lyon

Rossi Bank (1497–98)

Lyon

Bartolini-Rossi Bank (1498–1502)

Lyon

Medici Bank (–1497) [Nasi → Tornabuoni

Neapel

?

Salviati Bank (?1506–) [Davanzati]

Neapel

Mailand

Florenz

Ambra Bartolini Bank Bank (1476–1507) (1496–) [BartoliniTovaglia → Bartolini e C.]

Florenz

Bartolini Bank (1482–) [Spinelli → Bartolini e C.]

Lyon

Bartolini Bartolini Bank (1498–1506) (1500/01–) [del Rosso e C.]

London

(1469–92: Lorenzo de’ Medici) (1492–97: Erben de’ Medici) Generaldirektoren: (1459–1490) Francesco Sassetti (1490–1497) Gianbattista Bracci

Medici Bank (–1497)

Florenz

[MediciMedici Tarnbank] Bank (–1497) [Tornabuoni → Leon. di Zan. Bartolini]

Rom

?

Ricasoli Bank

Rom

MontpellierBartolini Bank (1482–) [Spinelli→ Bottegari e C.]

Bartolini Bank (1498–) [Bottegari e C.]

Marseille

Versuch einer Rekonstruktion von Mediceer-Gesellschaften, ihrer Metamorphose und operativer Verknüpfungen

Ginori Bank

Lanfredini Bank (1498–) [Teilhaber: Lanfredini, Giov. Bartolini Gianb. Bracci]

Florenz

Panciatichi. Bank (–1500)

Rom

Pandolfini Bank (1500–) [Teilhaber: Lanfredini + weitere ?]

Rom

Offensichtlich selbständig nach Auflösung der Bank in Florenz

Medici Bank (–1509?)

Pisa

Florenz

belegte Gesellschaftsnamen

Buonvisi Bank

Lucca

Buonvisi Bank (1501–) [Direktor: Pandolfini]

Rom

Salviati Bank

Florenz

Salviati Bank (1508–) [Teilhaber: Salviati, Lanfredini, Naldini (= Bracci)]

Lyon

Abhängigkeiten

Nachfolge

(Daten in Klammern) nachweisbare Erst-/ Endbelege

Namen, kursiv

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Register Inhaltsrelevante Synonyme, die auf konkrete Personen verweisen und aus stilistischen oder quellengetreuen Gründen verwendet wurden – etwa der Papst, der König von xy, die leiblichen Erben von xy –, wurden für das Register aufgelöst; Gesellschaften sind über die im Firmentitel genannten Personen und in einer Kurzform der Nachnamen über die betreffenden Orte, soweit bekannt, zu erschließen. Chronistennamen des 15./16. Jahrhunderts wurden in das Register aufgenommen, sofern sie als historische Personen erscheinen. Von den neueren Autoren wurde nur De Roover berücksichtigt. Abkürzungen: Bf. = Bischof, Btm. = Bistum, Ebtm. = Erzbistum, Fam. = Familie, Fs. = Fürst, Ftm. = Fürstentum, Ges. = Gesellschaft, Gf. = Graf, Gft. = Grafschaft, Hg. = Herzog, Hgtm. = Herzogtum, Kard. = Kardinal, Kg. = König, Kgr. = Königreich, Sgr. = Seigneur. Absac (Absago), Pierre d’ 295f., 302, 304 Acciaioli, Vincenzio 34 Acciaiuoli, Alessandro 829 Acciaiuoli, Fam. 974 Acciaiuoli, Giovanni 743, 847f. Acciaiuoli, Lorenzo 154 Acciaiuoli, Roberto 857, 893, 1074 Acciauoli, Zanobi 187 Accolti, Benedetto 407 Accolti, Bernardo di Bendetto 355, 407f., 433, 469, 907 Accolti, Piero di Benedetto, Kard. 408, 469, 907, 912 Acquadependente 271 Acquaviva, Andrea Matteo d’, Hg. von Atri 1058 Adimari, Filippo 988 Adorno, Fam. 504 Adorno, Giovanni 504, 519 Agnadello 713f., 867, 870 Agnano 672, 687, 1039 Agostini, Silvestro di Silvestro degli, al. Riccio 804, 842 Aigues-Mortes 113, 182, 658f., 662, 675, 679 Aix, Baronie 609 Alagno, Lucrezia d’ 258 Alamanni, Alessandro di Piero 442 Alamanni, Andrea di Francesco di Piero 975 Alamanni, Boccaccino di Piero di Francesco 972 Alamanni Tornabuoni, Creofe di Piero di Francesco 145f., 163, 348, 405, 441, 627, 842, 971f., 1004, 1101

Alamanni, Domenico di Andrea di Francesco 159–163, 167, 222, 235, 365, 376–380, 429, 432, 456–458, 781f., 790, 842, 975 Alamanni, Fam. 1114 Alamanni, Francesco di Piero 972 Alamanni, Galeazzo 27 Alamanni, Lorenzo di Piero di Francesco 231, 417, 421, 975f. Alamanni, Luigi di Boccaccino 973 Alamanni, Luigi di Piero di Francesco 146, 972f. Alamanni, Matteo 456, 976 Alamanni, Nannina di Piero di Francesco 972, 1101, 1103 Alamanni, Niccolò 1056 Alamanni, Piero di Boccaccino 973 Alamanni, Piero di Bongianni 973 Alamanni, Piero di Francesco di Piero 63, 78, 134, 146, 163, 286f., 299, 348, 415, 441f., 821, 963f., 966f., 969, 971–974, 1101, 1103, 1105, 1118 Alamanni, Tommaso di Piero 159, 972 Alba Fucens 255 Albe, Gft. 255 Albi, Stadt, Btm. 561, 563, 776, 854, 1069 Albizotti, Niccolò di Ruberto 377 Albizzi, Antonfrancesco di Luca di Antonio degli 829, 958f., 962, 964, 967, 1031, 1037 Albizzi, Antonio di Luca degli 829 Albizzi, Fam. 437, 967, 974, 1109 Albizzi, Francesco di Luca di Tommaso/Maso degli 148, 355f., 439f. Albizzi, Giovanna di Tommaso/Maso degli 82, 142, 217

1150

Register

Albizzi, Giovanni di Francesco di Luca degli 355, 988 Albizzi, Luca di Antonio degli 330, 342, 523, 538f., 544, 549f., 553, 555, 559, 561–567, 569f., 822f., 829 Albizzi, Luca di Tommaso/Maso degli 355, 415, 821f. Albizzi, Matteo degli 165, 172, 790 Albizzi, Niccolò degli 172 Albizzi, Niccolò di Ruberto di Giovanni di Tedice degli 377 Albizzi, Piero di Luca di Antonio degli 148, 337, 356 Albizzi, Roberto degli 805 Albret, Amanieu d’, Kard. 596, 600f., 709 Albret, Charlotte d’ 473 Albret, Jean d’, Kg. von Navarra 473 Aldale, Thomas 685 Aldighieri da Parma, Bonifazio 906, 1019f. Alessandria 54, 56, 499f., 502, 658, 944 Alessandro (Diener von Federico Sanseverino) 550 Alex 748f. – b. Maria 739 Alexander VI. (Rodrigo Borgia), Papst 13, 23, 46, 50, 59, 277, 283, 289, 293f., 296f., 299, 312f., 317–323, 329, 335, 339f., 347, 351f., 358f., 373, 392–402, 407, 409–411, 414f., 417–419, 422, 425, 427, 460, 463f., 468, 470–473, 475, 477f., 484, 487, 495, 500f., 514, 520, 525, 527–530, 533–536, 538– 541, 544, 549, 559, 562, 566, 569, 571, 575f., 578, 580–584, 587–589, 594f., 597f., 600f., 660, 670, 694, 698, 709, 718, 720, 730–732, 734, 737, 742f., 748, 769, 783, 802, 810, 839–841, 843, 845f., 924, 995 Alfons I. (V.), Kg. von Aragón-Sizilien, von Neapel 13, 253, 255, 258, 267f., 311, 371 Alfons II. (der Schielende), Hg. von Kalabrien, Kg. von Neapel 21, 23, 50, 52, 54, 67, 158, 266, 268–271, 283, 287, 298, 313–315, 317, 320, 326, 392, 472 Alfonso I, Hg. von Ferrara 916 Alfonso, Fs. von Biscelgia 472 Allegre, Yves d’ 540 Allio, Francesco 572 Altamura, Ftm. 272 Altobello 954 Altomonte, Gft. 253 Altoviti, Antonio 453 Altoviti, Carlo 434 Altoviti, Oddo 727 Altoviti, Ridolfo 347

Alviano, Bartolomeo d’ 316, 393, 398, 414, 422, 461f., 476, 485, 502, 524, 578, 586, 588–590, 752, 850–852, 870, 880, 943 Alviano, Bernardino d’ 578 Amadori, Giovanni di Baldassare 627, 629f., 666 Amboise 277, 557 Amboise, Charles d’, Sgr. de Chaumont 517, 854, 862, 864 Amboise, Chaumont d’ 891 Amboise, Fam. 292, 297 Amboise, Geoges d’, Kard. 213, 290, 292–298, 302f., 427, 471, 473, 491–493, 507, 515, 517f., 520, 526, 528, 534–536, 539, 542– 545, 548–555, 557f., 561–565, 568–570, 573–575, 577, 580, 584, 587–602, 608, 611, 615, 650, 659, 671, 692, 701, 704, 709, 711, 728, 761, 841, 846, 851f., 854, 860–868, 874f., 882, 891f., 1054, 1082, 1087, 1110, 1116 Amboise, Jean d’ 292 Amboise, Louis d’, Kard. 561, 563f., 650, 854, 862f., 875, 877, 1069 Amboise, Pierre d’ 292 Ambra, Giovanni di Francesco 97, 112, 115, 119, 191, 194, 202, 231–233, 244, 449, 618, 623, 637, 657f., 758f., 802, 804, 807 Amiens, Btm., Stadt 296, 359, 1057, 1074f. Ammirato, Scipione 442, 509 Anagni, Btm. 944 Ancezune, Rostaing d’ 46 Ancona 651, 666, 961 Andreas, Hl. 463 Angers, Btm. 1080 Anghiari, Baldaccio d’ 214 Anglus, Haus 259 Angoulême, Charles d’, Gf. 1087 Anguillara, Gft., Burg 20, 312, 325, 396f., 411 Anichino (Offizier) 551 Anjou, Haus 13, 252f., 266, 269–271, 276, 279, 291, 494 Anne de Bretagne, Kgn. von Frankreich 47, 138f., 180, 187, 192f., 282, 297, 471, 551, 650, 694, 1068 Annecy 705 Annocque, Jacques 1067 Anseldo (Faktor des Bistums Novara) 767 Antinori, Amerigo 27 Antinori, Camillo 1000 Antinori, Niccolò 1000, 1011 Antinori, Raffaele 27 Antinori, Tommaso 817 Antoniazzo Romano 18 Antwerpen 635, 680f., 685 – Welser-Faktorei 662

Register

Aprile, Antonio d’ 455 Apulien 520, 587, 701, 743 Aragón (Aragonia), Kgr., Haus 259, 282, 305, 312, 315f., 326 Aragón, Carlotta von 472f. Aragona, Federico d’ 264 Aragona, Luigi d’, Kard. 297, 590 Aragona, Maria Cecilia d’ 312 Arezzo, Btm., Stadt, Rocca 27, 330, 337, 342, 344, 407f., 436, 477, 502, 571–576, 580, 584, 586, 596f., 604f., 743, 794f., 828, 847, 886, 907 Argyropoulos, Isaac 748 Arianis de Parma, Franciscus de 750 Ariano, Hgtm. 393, 1058 Ariosto, Fam. 928 Ariosto, Lorenzo 928 Armingol, Giovanni 980f., 1003, 1010, 1016 Arrigheti, Francesco di Mauro 850 Asola 514, 524 Asti 43f., 53, 55f., 139f., 265, 280, 340, 471, 493, 495, 575, 596, 612, 691, 693f., 704, 944 Atella 392f. Atri, Hgtm. 1058 Atripalda, Mgft. 69 Attavanti, Attavante di Gabriello 231 Attavanti, Bartolomeo di Bernardo 743 Attavanti, Bernardo 743 Attavanti (Attavantis), Domenico (degli) (Dominicus de) 293, 531f., 741–744, 751, 758–760, 995, 1079 Attavanti, Fam. 741, 746 Attavanti, Francesco di Boninsegna 231 Attavanti (Attavantis), Francesco di Domenico (degli) (Franciscus Dominici) 292f., 741– 744, 751, 754, 756, 759f., 1079 Attavanti (Attavantis), Luigi (Alovisius) 742, 750 Attavanti, Pier Paolo (Petrus Paulus) di Francesco 741 Attila 1082f., 1117 Aubigny, Seigneurie 283, 540 Auch, Ebtm. 130, 854, 866, 868 Augsburg 510f., 661, 664 Auton, Jean d’ 508, 541 Autun, Btm. 46, 1081 Avellino, Gft. 274 Averoldi, Altobello 954 Avigliano 51 Avignon, Btm., Stadt 109, 165, 285, 473, 514, 519, 524, 551, 601, 658, 672f., 752, 756, 799, 841 – Pazzi-Bank 150

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Bacharach 684 Baglioni, Ercole 1061 Baglioni, Fam. 344, 418, 460, 526, 552–554, 560, 571f., 575, 839 Baglioni, Gentile 846 Baglioni, Gianpaolo 573f., 576, 824f., 830, 835, 849–853 Baglioni, Guido 344 Bagno 851 Bagnolo 266, 269, 311 Bagnone 60 Bainbridge, Christopher, Kard. 1066f. Baissay, Antoine de 511 Bakócz, Thomas, Kard. 915–917, 920, 986, 991, 1029, 1069, 1084 Balbani, Biagio di Francesco 655, 686 Balbi, Gian Ambrogio 614 Baldovinetti, Giovanni 390 Balerna, Gft. 258 Balsac, Robert de 73 Balue, Jean, Kard. 276f. Bandello, Matteo 861, 952, 954 Bandinelli, Baccio 366, 1001f. Bandini, Pietro Antonio 154 Banissis, Jakob von 1058 Bar, Hgtm. 13 Barbiano, Carlo, Gf. von Belgioioso 28, 31, 281f., 284, 289, 294f., 299f., 326, 497, 768, 867 Barbure, Guglielmo Simon 625 Barcelona 282, 863 Bardi, Fam. 437 Bardi, Francesco de’ 685 Bardi, Gi(ov)anfrancesco de’ 685, 921 Barducci, Francesco 651, 655, 666 Barducci, Francesco di Bartolomeo 667 Barducci, Francesco di Giovanni di Stagio 667 Bari, Hgtm. 281, 1087 Barnabas, Hl. 945 Baroncelli, Aldobrando 666 Baroyl, Domeynne 707 Barrot, Flori 898 Bartoli, Leonardo 172 Bartolini (Salimbeni), Fam. 90, 96, 606, 620, 651f., 661, 675, 680, 694, 733, 735f., 740f., 753, 799, 808, 835, 838, 904, 934, 967, 974, 982, 1002, 1026, 1051, 1058, 1067, 1070, 1098, 1101, 1103f., 1108 Bartolini, Andrea 970 Bartolini, Andrea di Leonardo di Bartolomeo 106, 170 Bartolini, Andrea di Zanobi 124 Bartolini, Bankhaus 89, 137, 171, 183, 185, 361, 435, 552, 769, 802, 879f., 897, 900, 1016, 1055

1152

Register

Bartolini, Bartolomeo di Leonardo di Bartolomeo di Leonardo di Bartolino 47, 89, 96– 101, 103–106, 110f., 113, 118–123, 130, 151, 161, 164, 168f., 175, 180–184, 191, 194, 197–199, 205, 219, 231–234, 237– 239, 245f., 248f., 361, 443f., 459, 604–606, 617–624, 632, 636, 640, 646, 652, 655, 660, 674, 688, 735, 750, 761, 788, 798f., 801, 803, 806f., 819, 831, 834, 837, 889, 965, 969, 972, 974, 991, 994, 1020, 1024, 1048, 1085, 1099, 1101, 1113f., 1119 Bartolini, Bartolomeo di Leonardo di Bartolino 706 Bartolini, Bartolomeo (Michelagnolo) di Niccolò di Bartolomeo 672f., 801 Bartolini, Battista di Leonardo di Zanobi 745, 1051 Bartolini, Bernardo di Niccolò di Bartolomeo 647, 706 Bartolini, Cassandra di Bartolomeo di Leonardo 98, 806f. Bartolini, Cosimo di Leonardo di Bartolomeo 169 Bartolini, Francesca di Bartolomeo di Leonardo 129, 560, 806, 808, 831, 971 Bartolini, Gherardo di Bartolomeo di Leonardo 105, 606, 620, 622, 624, 643, 652, 676, 681, 683, 685–687, 738–740, 744, 748– 750, 752, 754f., 760, 762–764, 774, 794, 847, 898, 921, 955, 970, 997, 999, 1014– 1025, 1028, 1032–1041, 1045–1051, 1064f., 1073, 1079, 1098, 1101, 1104 Bartolini, Ginevra di Bernardo di Leonardo 1101 Bartolini, Gi(ov)anbattista di Niccolò di Bartolomeo 798, 801, 807, 811, 850 Bartolini, Giovanna di Stefano 805 Bartolini, Giovanni di Bartolomeo di Leonardo 98, 172, 240f., 605f., 620–622, 624, 641f., 653, 656f., 660, 664, 666, 686, 711, 735f., 776, 788f., 799, 807f., 837, 921, 955, 1008, 1014–1017, 1019f., 1024f., 1028, 1033, 1035, 1038, 1045–1048, 1051, 1056, 1064 Bartolini, Leonardo di Bartolomeo di Leonardo 43, 98, 113, 130f., 172, 179–181, 191, 193, 231, 233, 236, 238–243, 245–247, 250, 354, 363, 444f., 452, 459, 547, 556, 603– 606, 608–619, 622–625, 630–634, 637f., 640, 642f., 645–648, 650f., 653, 656–661, 667, 669, 672–690, 695–698, 700–703, 705–709, 713, 715, 739f., 750, 752f., 758, 761–770, 772, 774–776, 779, 788f., 796f., 799–802, 804, 808, 819, 850, 855, 860f., 866–868, 875f., 879, 898f., 904–906, 920f., 942, 991, 999, 1006, 1013–1015, 1017–

1021, 1023–1026, 1032–1038, 1040, 1043, 1045–1051, 1056, 1072, 1082, 1085f., 1089, 1102, 1107, 1113 Bartolini, Leonardo di Bartolomeo di Leonardo di Bartolino 105, 1020 Bartolini, Leonardo (Lionardino) di Damiano 772, 1014, 1017–1021, 1023, 1051 Bartolini, Leonardo di Zanobi di Zanobi di Leonardo 74, 86–88, 90, 105, 124, 130f., 141, 145f., 149, 155f., 160, 162f., 171–173, 203, 208–213, 234, 238, 249, 287, 301, 303, 317, 345, 347, 349, 353–355, 357f., 361, 373, 383, 404–411, 420–425, 430– 434, 441–444, 446, 449f., 452f., 462f., 465, 483, 545–547, 550–552, 556, 568, 623, 626–628, 631, 637, 641, 669–672, 674, 677–681, 685, 687, 720f., 730, 745f., 750, 755, 760–762, 774, 784, 787f., 791, 797, 799, 805f., 815, 820, 833f., 841–845, 855, 868f., 874, 876, 904, 907, 914–917, 919, 921–926, 937, 942, 946, 954, 966, 970– 972, 975, 978, 983–994, 996f., 999–1013, 1016f., 1020–1026, 1028–1032, 1034– 1044, 1046, 1048–1053, 1056f., 1062f., 1069, 1073, 1075–1081, 1086, 1098, 1104, 1107, 1111, 1114f., 1118f. Bartolini, Lorenzo di Bartolomeo di Leonardo 98, 735f., 738–740, 742, 744f., 748–750, 752, 760, 762–765, 774f., 847, 898f., 906, 935, 1014f., 1021–1024, 1028, 1045, 1047, 1051 Bartolini, Lucrezia al. Marietta di Bartolomeo di Leonardo 673, 806 Bartolini (Bracci), Lucrezia di Zanobi di Zanobi 124, 173, 249, 446f., 1007f. Bartolini, Marco di Damiano 1050 Bartolini, Maria Maddalena di Bartolomeo di Leonardo 806, 831 Bartolini (de’ Medici), Onofrio (Nofri) di Leonardo di Zanobi 407, 791, 1040, 1104 Bartolini, Pierfilippo di Bernardo di Niccolò di Bartolomeo 642, 647, 661, 678, 706, 776, 778f., 850 Bartolini, Piero di Bernardo di Leonardo 850, 955, 967 Bartolini, Piero di Marco di Leonardo 610, 614f., 642, 647, 661, 706, 850, 1017, 1019, 1050 Bartolini, Raffaello (di Giovanbattista di Niccolò?) 1040 Bartolini, Salimbene di Zanobi di Zanobi di Leonardo 130f., 172f., 446 Bartolini, Zanobi di Bartolomeo di Leonardo 606, 614, 619f., 624, 643f., 652, 656, 680,

Register

686, 695, 766, 768, 777f., 799, 921, 1014f., 1024, 1028, 1045f., 1051, 1072, 1101f. Bartolini, Zanobi di Zanobi di Leonardo 124, 145, 408, 1020 Bartolomeo d’Antonio (Zimmermann) 997 Basalù, Bankhaus 137 Baschi, Perron de’ 46, 56 Bassignana 944 Baudricourt, Jean de 282 Bayeux, Btm. 751, 854 Bayonne 776 Beatis, Antonio de 297 Beaucaire 24 Beaujeu, Anne de, Hgn. von Bourbon 24, 49, 282f. Beaujeu, Pierre de, Hg. von Bourbon 49, 282f. Beaumont → Polignac Beaumont, Hugo de 522 Beaune 497, 504, 512f., 534 Beaune, Catherine de 47, 193 Beaune, Jacques de 47, 114, 137–139, 180, 187f., 190, 192f., 303, 650, 693, 1069, 1117 Beaune, Jean de 193 Beaune, Raoulette de 47 Beccaria, Gentile 944 Becchetti, Luigi 301, 317f., 396–398, 410, 416, 418–424, 426, 461, 463, 595, 730, 761, 930, 936, 942, 1065 Becchi, Gentile 16, 27, 53, 56, 300, 344 Becchi, Ricciardo 86, 351–355, 359f., 394f., 397–403, 405, 408f., 411, 413, 417f., 420– 424, 427, 429f., 436, 441, 545f., 722, 810, 823, 993, 1107 Belgioioso → Barbiano Belgioioso, Gft. 28, 768 Bellacci, Atinoro 780 Bellanti, Andrea 989, 1031 Bellanti, Giulio 1103 Belley, Stadt, Btm. 179, 1099 Bellinzona 504 Belmundi da Villafranca, Ruffino 712 Benci, Bartolomeo 169 Benci, Donato 434 Benci, Giovanni d’Amerigo 96, 126 Benci, Paolo 128, 177f., 198, 244, 368 Benedetti, Simone 638 Benedictionis Dei al. de Nisos/Nisolz, Kloster 751, 753 Benevent 425 Benintendi, Lorenzo 369 Benizi, Giovanni di Matteo 356 Bentivoglio, Alessandro 861, 952 Bentivoglio, Annibale 477 Bentivoglio, Bianca di Giovanni 530, 952–954

1153

Bentivoglio, Eleonora di Giovanni 498 Bentivoglio, Ercole 560, 852, 880 Bentivoglio, Ermes 576 Bentivoglio, Fam. 330, 354, 519, 553, 560, 575–577, 612, 839, 870–872, 893f., 908f., 928, 931f., 940, 953, 1002 Bentivoglio, Giovanni (II) 49f., 54, 74f., 223, 340, 344, 346f., 351, 354, 530f., 567, 575, 607, 853, 860f., 913, 952 Bentivoglio, Hannibal 351 Bentivoglio, Hermes 871f. Beolchi, Fam. 614 Beolco/Biolco, Giovanni (da) 131f., 135 Bergamo 503, 613 Berlinghieri, Antonio 794, 812 Berlinghieri, Berlinghieri di Francesco 99, 812 Berlinghieri, Fam. 232 Berlinghieri, Francesco 99, 812 Berlinghieri, Giovanni di Berlinghieri di Francesco 99, 232, 812 Berna → Dovizi da Bibbiena, Bernardo Bernando, Bernandino 461 Bernardini, Silvestro 651 Bertini, Jacopo de’ 463 Bettini, Piero 27 Bettini, Sforza 442 Bettus, Bigontius 132 Bianca/Blanche von/de Monferrat, Hgn. von Savoyen 36–41, 43f., 48, 52–54, 56, 60, 244, 653, 689–691, 695, 703f., 715 Bibbiena 196, 477–481, 483–485 Bibbiena, da → Dovizi Bibbona 482, 662 Bidaut, Denis de 46f. Bilhères-Lagraulas, Jean de, Kard. 141, 194, 335, 398, 468, 501 Biliotti, Agostino di Giuliano di Agostino 791 Biliotti, Agostino di Sandro 125, 152, 220, 790f. Biliotti, Alderio (Aldieri) 356, 791, 988, 1007 Biliotti, Bartolomeo 791 Biliotti, Francesco 685 Biliotti, Giuliano di Agostino di Sandro 140, 187, 194f., 356, 784, 790 Biliotti, Paolo 356, 791 Bini, Bernardo di Piero di Giovanni 685, 833f., 919, 921, 994, 999, 1119 Bini, Fam. 833 Bini, Francesco di Piero di Giovanni 834 Bini, Lucrezia di Piero di Giovanni 834 Bini, Piero di Giovanni 833 Bisceglia, Hgtm. 472 Bische, Guillaume de 34f., 852 Bisignano, Ftm., Ort 252–254, 267, 269f., 272, 275, 278f., 285, 309, 1058f.

1154

Register

Blanche de Monferrat → Bianca Blésois 777 Blois (Bles) 187, 474, 515, 526f., 532f., 549f., 555f., 559, 561, 563–570, 575, 672, 693, 698, 701, 777, 860, 882, 896, 924, 1065, 1068f. – Orsini-Palast 582, 698 – S. Launomari 1081 Boccaccio 368, 380, 388 Bocchineri, Andrea 984 Boccianti, Domenico 1028 Bohier, Thomas 691 Bologna, Ebtm., Stadt 54, 69, 74f., 80, 196– 198, 236, 261f., 330, 334, 337, 340, 342, 344, 346f., 351, 360, 415, 426, 437, 439, 455, 489f., 500, 502, 510, 518f., 527, 529– 533, 537f., 560, 564, 567, 575–577, 592, 597f., 601, 604, 607, 613, 631, 673, 675, 709, 778, 853f., 860, 870, 877–880, 883– 886, 888, 890, 893f., 896, 906–910, 912– 914, 917, 925, 929–932, 934, 937, 940, 945, 952–954, 956, 960, 966, 968, 983f., 999, 1025, 1043, 1055 – Kommunalpalast 931, 940 – Porta San Felice 931 – San Petronio 908, 932 – San Pietro 932 Bologna, Alessandro da 489 Bologna, Ludovico da 199 Bologna, Mancino da 421 Bologna, Romano da 489 Bolsena 330, 333, 345, 360, 384, 418f., 431, 437, 804, 842 Bonaguisi, Giacomo/Jacopo di Niccolò de’ 149, 160, 365 Bonaguisi, Niccolò 158 Bonaldi, Giovanmarco de’ 75 Bonaventura, Mario 550 Bonin, Guillaume 139 Bonsi, Andrea di Benedetto di Andrea 389 Bonsi, Domenico 63, 202 Bonsi, Donato 463 Bonsi, Maria di Benedetto 350, 363, 389 Bordeaux 292 Borgherini, Fam., Bankhaus 137, 155, 744– 746, 970, 1002, 1020 Borgherini, Giovanni di Pierfrancesco 1015 Borgherini, Giovanni di Salvi 745 Borgherini, Maria di Salvi 169 Borgherini, Niccolò 213, 301, 762 Borgherini, Pierfrancesco di Salvi 155, 744– 746, 650f., 982, 1015 Borgherini, Salvi di Francesco di Salvi 212 Borgherini, Salvi(o) di Niccolò 155, 169, 208f., 212–214, 375, 463, 744, 746, 758, 762

Borghetto 320 Borgia, Cesare (il Valentino), Kard., Hg. von Valence u. der Romagna 293, 435, 469, 472–475, 482, 489, 520, 527–533, 535– 544, 549, 552–554, 559f., 562, 566f., 569, 571–584, 588f., 593–601, 612, 673, 692, 694, 698, 718, 731f., 822–824, 826, 846, 850, 886f., 1002, 1058, 1082 Borgia, Fam., Haus 468, 472, 501, 521, 540, 548f., 580, 727, 855 Borgia, Federico 293 Borgia, Francesco, Kard. 878, 893, 895, 901 Borgia, Jofré, Prinz von Squillace 599 Borgia, Juan, Kard. 417, 420, 465f., 469, 594, 723f., 733 Borgia, Juan 549 Borgia, Juan/Giovanni, Hg. von Gandia 283, 394, 425 Borgia, Laura 407 Borgia, Lucrezia, Gfn. von Pesaro, Hgn. von Bisceglia 461, 472, 549 Borgia, Pedro Luis, Kard. 549 Borgia, Rodrigo, Kard. → Alexander VI. Borgia, Rodrigo (Neffe Alexanders VI.) 549 Borgia-Lanzol, Juan Antonio, Kard. 395f. Borgo San Donnino 906, 929, 943, 1019 Borgo Sansepolcro 330, 530, 572f., 579, 597, 743, 847, 850, 886 Borgo, Piero di 1056f. Borromei, Carlo 331f., 378f. Bosporus 667 Bossi, Lauro 477 Bottegari, Cosimo di Jacopo 241, 633, 636, 638, 651, 662, 678, 801, 1033 Bottegari, Francesco di Jacopo 97, 99–105, 108, 112, 115, 119, 199, 233, 239, 619, 636, 798f., 801, 1114 Bottegari, Piergiovanni di Jacopo 111–113, 241f., 249, 617, 633, 636, 640, 647, 651, 661, 673, 678, 801 Botticelli, Sandro 834, 947f. Bourbon Montpensier → Montpensier Bourbon, Charles de, Hg. 1081 Bourbon, Hgtm., Haus 516, 698, 863 Bourbon, Jacques de 864 Bourbon, Margarethe/Marguerite von/de, Hgn. 692, 699 Bourg-en-Bresse 41, 699 Bourges 860 – St-Ambroise/St. Ambrosius 292, 743 – b.M. de Prathea 293 Bourgueil-sur-Vallée, S. Petri de Burgolio in Valleya 1080 Bozen (Bolzan) 490, 506 Bozzi → Tanini

Register

Bozzi al. Tanini, Lotto di Tanino 163, 790 Bozzolo, Schloß 514 Braccesi, Alessandro 86, 355, 359, 403–409, 411, 413, 416–431, 433, 436, 441, 449f., 452, 460–466, 469f., 475, 546, 558, 722– 725, 729f., 732, 747, 823 Bracci, Bernardo 1008 Bracci, Cristofano di Marco 173, 634 Bracci, Fam. 904 Bracci, Gi(ov)anbattista di Marco di Tommaso/Tomme 76f., 90, 106, 123–130, 133, 136–138, 141–147, 149f., 152, 158, 163– 175, 177f., 183, 185, 191f., 202f., 205, 219–221, 223–227, 230, 237–239, 245, 248f., 333, 337f., 341, 349, 361–363, 365, 367, 370, 381, 385, 388, 391, 407, 433, 442, 444–459, 476, 523, 546, 552, 568, 604, 606, 620–624, 626–638, 640–643, 646, 649, 652, 654–658, 660–663, 665f., 669, 671f., 678, 681, 688, 690, 711, 746, 776, 781–784, 786–798, 800, 806, 808, 818, 820f., 829f., 837f., 848, 859, 965, 969, 971, 975, 978, 980f., 983, 986f., 990–993, 998–1006, 1008, 1010, 1020, 1025, 1029, 1030, 1041, 1047f., 1056, 1085, 1089, 1098f., 1107, 1110f., 1114f., 1117–1120 Bracci, Jacopo 971 Bracci, Lisa di Gi(ov)anbattista 641 Bracci, Lorenzo di Gi(ov)anbattista 656, 820, 1007f., 1051, 1098, 1119 Bracci, Lucrezia → Bartolini, Lucrezia di Zanobi Bracci, Marco di Gi(ov)anbattista 641 Bracci, Niccolò di Marco 173, 634 Bracci, Zanobi di Gi(ov)anbattista 173, 656, 662, 784, 820, 978, 1006–1008 Bracciano, Schloß 18f., 84, 255f., 260, 285, 305–307, 309f., 312, 318–325, 328, 335f., 340, 342, 344, 348, 352–354, 393, 397, 399, 414f., 430, 433, 453, 461f., 466, 525, 540f., 581–583, 589, 698, 855 Bracciano, Bartolomeo da 358, 464f. Bracciolini, Filippo (di) Poggio 375f., 416 Bracciolini, Gianfrancesco (di) Poggio 375f., 416 Bracciolini, Jacopo di Poggio 376 Bracciolini, Poggio 375f. Braghadini, Andrea 178, 215, 424f., 449, 483, 721, 731, 994, 1119 Bramante 931 Branca (Diener der Vitelli) 418, 422 Branchino (Kurier) 778 Brandani, Pacifica 871, 920 Brascha, Erasmo 131, 279f. Brasighella 478

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Brescia 456, 511, 513, 877, 902, 931, 934, 956 Bresse → François, Philippe de Bresse, Gft. 181, 697, 1100 Bretagne, Hgtm. 275, 293, 471, 474, 638 Breul, Heustace de, Sgr. de Fossat 705 Briançon 50 Briand, Maurice 193 Briçonnet, Denis 29, 1068 Briçonnet, Fam. 47 Briçonnet, François 29 Briçonnet, Guillaume (I, d. Ä.) 193 Briçonnet, Guillaume, Kard. (II, d. J.) 25, 27– 37, 47, 49f., 55, 61f., 67, 75, 81, 193, 277, 282f., 288f., 293, 297–300, 303, 474, 543, 554f., 565, 737, 852f., 875, 878, 893, 895, 901, 930, 1068 Briçonnet, Guillaume (III) 28 Briçonnet, Jean (d. Ä.) 28f., 47 Briçonnet, Jean (d. J.) 47, 193 Briçonnet, Nicole 29 Briçonnet, Perrine 193 Briçonnet, Pierre 29, 47, 137, 192f., 303, 612 Briçonnet, Regnault (Arnaldo) 193 Briçonnet, Thomas 131, 193 Britto, Robert, Kard. 875 Brixen 490 Brognolo, Floramonte 463 Brou, Abtei 699 Brügge 91, 243, 617, 651f., 654, 664, 669, 680f., 683–685, 776, 805, 1048, 1102 – Balbani-Buonvisi-Bank 635, 655, 686, 796 – Frescobaldi-Bank 676, 679–681, 683f., 688, 1120 – Gualterotti-Bank 676, 679–681, 683, 685, 777, 1042, 1051, 1102 – Medici-Bank 34f., 92, 117, 126, 163, 790, 852f., 919, 921 – Pazzi-Bank 150, 152 – St-Amand 723 Brunetti, Antonio 689, 702f. Brunus, Henricus 785f. Bruscoli 415 Brüssel 72, 697, 947 Budrio 932 Bugliotto, Odoardo 595f., 599 Buonaccorsi, Biagio 475, 501 Buondelmonti, Bartolomeo 27, 33, 189, 1109 Buondelmonti, Filippo di Lorenzo 221, 341f., 829, 888, 964, 967 Buonfigliuoli da Prato, Antonio di Agostino 236 Buongallo, Jacopo 944 Buonvisi, Antonio di Benedetto 629, 651, 755 Buonvisi, Avertino 686

1156

Register

Buonvisi, Benedetto di Lorenzo 165, 168–170, 175, 337f., 341, 366, 382–386, 391, 406, 444, 450f., 453–458, 523, 568, 626, 629– 631, 635–638, 671f., 686f., 727f., 783, 788, 792, 794–797, 801, 808, 1110 Buonvisi, Bernard(in)o di Benedetto 654f., 796 Buonvisi, Elisabetta di Benedetto 795 Buonvisi, Fam., Bank- und Handelshaus 165, 168–171, 173, 175, 332, 360, 380f., 384f., 433, 446, 450, 455f., 629, 634–637, 642, 655, 671f., 687, 727, 745, 760, 781f., 792, 795–797, 820, 829f., 838, 992, 1115 Buonvisi, Filippa → Cenami Buonvisi, Lorenzo 638 Buonvisi, Lucia di Benedetto 796 Buonvisi, Ludovico di Benedetto 791, 796 Buonvisi, Michele 638 Buonvisi, Niccolò di Paolo 672 Buonvisi, Paolo di Lorenzo 170, 672 Burckard, Johannes 395f., 534, 572, 581, 987 Burgund (Bergogna), Hgtm. 45, 275, 512f., 534, 707 Burgund, Johannes von 712 Busti, Agostino de (il Bambaia) 940 Busti, Antonio 608 Cacatossici, Bernardo 773 Caetani, Fam. 549 Caetani, Mandella 309 Caggiani, Vittorio 153f. Caiazzo, Gft., Stadt 62, 257f., 261, 266, 274, 279–281, 285, 291, 305, 317, 416, 495– 497, 500, 508, 512, 525, 535, 540–542, 566, 1060 Calais 655, 737 Calderini, Luigi 389 Calenzano, Pieve 724, 727 Cambi, Giovanni di Bernardo di Giovanni 166, 173–175, 198, 230, 333, 366, 377f., 382– 385, 432f., 435, 437f., 440, 442–444, 446, 798, 811, 1108 Cambi, Giovanni di Domenico 175 Cambi, Lucrezia di Piero di Niccolò di Giovanni 174f., 188 Cambi, Piero di Niccolò di Giovanni 175 Cambianis, Johannes de 715 Cambini, Andrea 70, 94, 161, 435, 465, 815 Cambrai, Liga von 680, 708, 713, 768, 864, 867, 869, 871, 873, 916, 941 Camerino 566f., 571, 574 Campagnano, Schloß 325, 335, 460 Campi 963, 966 Camposellone, San Bartolomeo 750 Cancellieri, Fam. 580, 822 Candale, Gft. 497

Canigiani, Antonio 390, 481, 829 Canossa, Ludovico di 928, 953 Capaccio, Bernardino 782 Capaccio, Gft. 252, 256, 267, 270, 272 Capellano, Laurentius de 733 Capelli, Giovanni 167 Cappelletto (Diener) 350 Cappello, Francesco 520–523, 525–528, 559, 562–564, 566–568, 571, 782f., 785 Capponi, Alessandro di Gino di Neri di Gino 33 Capponi, Fam., Bankhaus 25–27, 30f., 35, 49, 111, 131, 135, 150, 153, 288, 300, 437, 1109 Capponi, Bernardo di Niccolò 35, 147, 684 Capponi, Cappone di Gino di Neri di Gino 27, 347, 533, 568 Capponi, Francesco di Gino di Ludovico 441 Capponi, Gino 33 Capponi, Gino di Ludovico 441 Capponi, Gino di Neri di Gino di Neri 33, 250, 442, 959, 1109 Capponi, Girolamo di Gino di Neri di Gino 33 Capponi, Guglielmo 469, 827 Capponi, Lucrezia 817 Capponi, Ludovico 757 Capponi, Neri di Gino di Neri di Gino 27, 33, 111, 132, 189, 250, 442, 445, 960, 1109 Capponi, Niccolò 1104 Capponi, Piero di Gino di Neri di Gino 26–30, 32–35, 64–68, 78, 342, 344, 368, 960 Capris, Stefano 613, 706 Capua 257, 396, 541 Caracciolo, Giovanni, Hg. von Melfi 272 Caracciolo, Marino 473 Caracciolo, Troiano di Giovanni, Hg. von Melfi 272, 1058 Caradosso 371f., 383 Carafa, Alberico, Hg. von Ariano 393, 1058 Carafa, Giantommaso (Giovanni Tommaso), Hg. von Maddaloni 393, 1058 Carafa, Oliviero, Kard. 393, 395–397, 399, 401f., 413, 442, 460–462, 468, 516, 536, 595, 722, 725, 809f., 873 Carcassonne, Stadt, Btm. 755f., 758f. Cardiere, Andrea 331f., 378 Cardona, Antonio di, Marchese della Padula 968f. Cardona, Fam., Haus 1094 Cardona, Ramón (de), Vizekg. von Neapel 913f., 937f., 940, 956f., 960f., 963, 968f., 977–981, 1003, 1010, 1016, 1059 Carducci, Fam. 972 Carducci, Giovanni 620 Careggi 74, 188, 858, 1051

Register

Cariati, Gft. 253 Carnesecchi, Amerigo di Simione 231 Carnesecchi, Andrea di Paolo 646, 651, 663, 666–668 Carnesecchi, Bernardo di Francesco di Berto 127, 144, 152–154, 992 Carnesecchi, Fam. 116, 169, 967, 1108 Carnesecchi, Francesco 669, 813 Carnesecchi, Giovanni di Filippo 812 Carnesecchi, Giovanni di Leonardo 814 Carnesecchi, Paolo 442 Carnesecchi, Pierantonio di Francesco di Berto 70, 76, 127, 138, 177f., 186, 189, 198, 205, 231, 338, 442, 523, 813, 992 Carnesecchi, Piero 534 Carnesecchi, Zanobi di Simone 231 Carpi 498, 931 Cartagena 1042, 1054 Carvajal, Bernardino, Kard. 516, 536, 873, 878, 893, 895, 900f., 930, 1052, 1055, 1058, 1060, 1063f., 1066f., 1069, 1080, 1082f., 1087, 1116 Casale (Monferrato) 56, 895–897 Casale, Cristofalo di 442 Casale, Michele da 550 Cascina 522f., 826 Casentino 477f., 480, 483f., 586, 816 Casolla, Simone 158, 215, 217 Casora, GianJacopo da 773 Cassan 1060 Cassano 278 Cassino 327 Castel Goffredo 524 Castel Madama 856 Castel San Niccolò 478 Castelfiorentino 885, 1099 Castell’Ottieri, Sinulfo di 467 Castellesi von Corneto, Adriano, Kard. 879 Castellina 415 Castello Montorio 271 Castello, Guido da 475 Castelnau, François → Clermont Castelnuovo 258, 786 Castiglion Fiorentino 337 Castiglione, Baldesar 871 Castro Bellum prope loces elie 493 Castro Cesano 856 Castrocaro 347 Cattanei, Vanozza 599 Cattani, Niccolò di Urbano 155, 208, 212, 375 Cavalcabò 512 Cavalcanti, Giovanni 67, 988 Cavalcanti, Ludovico 805, 1051 Ceccone di Ser Barone 76

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Cegia, Francesco di Agostino 73f., 149f., 160, 165, 167, 207, 231, 331–333, 343, 345, 350, 353, 362–369, 374–383, 385–391, 433, 435, 442f., 446f., 579, 607, 659, 715, 726, 790, 809, 819, 843, 988, 1002, 1040 Cegia, Soldo di Agostino 368, 389f., 443 Cellini, Benvenuto 979 Cenami, Bartolomeo di Francesco 635, 797 Cenami, Fam. 635 Cenami, Filippa di Martino 170, 635 Cenami, Martino 635 Cenami, Piero 170 Ceperello, Michele di Francesco 169 Ceri, Burg 583, 594 Cerretani (da Siena), Piero di Muciatto 643, 652, 791 Cerretani, Bartolomeo 16, 81, 93, 144, 219, 438, 529, 560, 587, 592f., 600, 795, 798, 802, 809, 824, 850, 884, 886, 968, 973 Cerreto 18 Cerreto Guidi, St. Jakob 745 Certosa → Fra Michele Cerveteri, Burg 20, 312, 328, 352, 354, 396f. Cervia 597, 941 Cesarini, Giuliano, Kard. 468 Cesena 853, 939 Ceva 900 Ceva, Niccolò da 900, 906, 911, 943, 1056 Ceva, Phebo (Febo) di, Mgf. 1100 Ceylon 685 Chabannes, Françoise de 1072 Chabannes, Jacques de, Sgr. de la Palice 613, 938f., 941, 943 Chalco, Augustino 281 Chalco, Bartolomeo 281, 346 Challant, Louis de 613 Challes (Chaules, Cholex), François de, Sgr. de Confignon 695f., 1087 Challes, Amé de 697 Challes, Seigneurie 697 Chalon, Jean de, Prinz von Orange 650 Châlons, Antoine de 46 Chambéry 27, 31f., 40–42, 44, 47–51, 81, 140– 142, 179, 181–183, 186f., 189, 194, 243, 301, 442, 445, 455–458, 631, 647, 688, 693, 696, 707, 714, 761, 960, 1086 – Sainte-Chapelle 745 Chamonte 610 Charboniers (Notar) 689, 702 Charles-Orland, Prinz von Frankreich 277 Chartres, Btm. 1081 Chastillion (Châtillon), Pierre de 44, 692f., 696 Chaumont, Seigneurie 517 Chelli, Giovanni 210 Cheminart, Johannes 751–754, 759

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Register

Cheminart, Licinus 751 Chianti 722 Chiaramonte, Gft. 253 Chiaravalle (Carevallis), Abtei 731, 766–770, 772, 867, 903, 905, 1018–1020, 1027 Chiaromonte, Gft. 274f., 280 Chiasso Maceregli (Chiasso Maciarello) 785f. Chieregato (Clericatus), Leonello 275, 320, 490 Chieri 44, 55, 60 Chieti, Btm., Stadt 934, 936 Chigi, Agostino di Mariano 169, 245, 353f., 405, 433, 452, 462, 567f., 616f., 652, 669– 688, 708, 750, 762, 765, 768, 776, 864, 867, 984f., 989, 1014–1016, 1020, 1031– 1040, 1042, 1045, 1048f., 1052, 1077f., 1102f., 1117 Chigi, Fam., Bankhaus 353, 671 Chigi, Mariano 245, 452, 652, 670, 673, 677, 1031, 1034 Chigi, Sigismondo (Gismondo) di Mariano 678, 1032, 1038f. Chinon 473 Chiodi, Filippo 170 Chitieri, Ghaldo 192 Chiusi 455 Choiro, Jacopo 773 Cibo Tomacelli, Arano (Aron) 270 Cibo, Franceschetto 18, 20, 145, 270, 306–308, 312, 396f., 442 Cibo, Giovanni → Innozenz VIII. Cibo, Innocenzo, Kard. 1103 Cibo, Lorenzo, Kard. 595 Ciciernau, Guillaume 193 Ciei, Luigi 98, 138, 659, 698 Cieperello, Niccolò 169, 172 Cieseri, Bankhaus 240 Cignano, Niccolò di Antonio da 98 Cigognano (Offizier) 426 Cini, Matteo (Giovanni Matteo) di Simone 171f., 175, 201, 231, 338, 614, 629, 651f., 660, 666f., 759, 791, 978, 982, 999–1001 Cini, Niccolò 171, 232 Cini, Stefano di Giorgio 171 Ciochi de Monte San Savini, Antonio Maria, Kard. 910 Città di Castello 328, 330, 333f., 337, 342, 392, 480, 507, 538, 552f., 560, 571f., 847 Cittadella 274, 504 Civita Castellana 742, 868, 875 Civitavecchia 241, 662, 674, 678, 681, 684, 1042 Claude (Claudine) de Brosse (de Bretagne), Hgn. von Savoyen 689, 699, 702f., 1088 Claude de France 702, 1087 Clemens VII. → Medici, Giulio

Clermont, Antoine de 296, 769 Clermont, François (F. Guillaume) Castelnau de, Kard. 593, 601, 611, 767, 854, 863f., 866–868, 874f., 878 Colle di Val d’Elsa 339 Colle, Leonardo da 202 Collenuccio, Pandolfo 319 Colleoni, Bartolomeo 261 Collesalvetti 857 Colombini, Alessandro 454, 618, 637, 671f. Colombini, Giorgio 189 Colonna, Fabrizio 313, 315f., 319, 357, 393, 413, 460, 825, 830, 940 Colonna, Fam., Haus 255, 257, 303, 310–312, 315f., 318, 325, 327, 349, 391, 460, 472f., 475, 525, 541, 549, 589, 599f., 824, 849, 852, 932f. Colonna, Giovanni, Kard. 316 Colonna, Lucrezia 891 Colonna, Marcantonio 825, 849, 881, 884–886, 888, 890, 909 Colonna, Odoardo 311 Colonna, Prospero 316, 319, 357, 870 Colorgno 1060 Coltellinaio, Antonio 416 Coltibuono, San Lorenzo 722f., 730 Comminges, Btm. 751, 753 Commynes, Philippe de 29–32, 37f., 42, 45, 48f., 52, 55, 73, 234, 243, 282, 288, 315f., 325 Como 504 Concordia, Btm. 320, 490 Condulmaro, Francesco, Kard. 464 Confignon → Challes Confignon, Seigneurie 696 Conigo 1022f., 1025 Conti, Fam. 460 Coppola, Francesco, Gf. von Sarno 269, 271f. Corbie 1075 Corbinelli, Pandolfo 438, 442, 964, 967 Corbinelli, Tommaso 441 Corbizzi, Filippo di Giovanni 148, 206, 356 Corboli, Giovanbattista 1006 Corboli, Piero 171, 189, 195, 837, 978 Cordoba, Gonsalvo von/di 574, 586–588, 847, 850, 864 Corella, Michelotto 589 Corgenon, Seigneurie 697 Cori 322 Corigliano (Calabro) 278 – Santissima Trinità 278 Corinaldo 578 Corneto, Giorgio 543 Correggio (Malatesta), Giovanna di 258f., 290f. Corsi, Fam. 437

Register

Corsi, Giovanni di Bardo 829, 959, 964, 967 Corsi, Piero 685 Corsini, Gherardo di Bertoldo 337, 533, 792, 794f. Corsini, Giovanni 794 Corsini, Luca di Bertoldo 65, 70 Corsini, Piero di Bertoldo 79, 336f., 401, 428f., 478, 795 Corte, Bernardo da 503 Cortesi, Filippo 999 Cortona, Btm., Stadt 330, 342, 344, 347, 558, 572, 579f., 725, 743, 847 Cosenza 253 Costa, Georg(ius) , Kard. 460, 766, 784 Crema 501 Cremona 504, 512, 514f., 535, 867, 872, 931 – San Lorenzo 515 Crescentino 497 Crescenzago (Carsinzagho), Stift 768–770, 905, 1018f., 1022f., 1025–1027 Crèvecoeur, Philippe de, Sgr. d’Esquerdes 282 Crivelli, Fam. 511 Croixmare, Robert de 293, 297 Curcumello, Santi da 20f., 68 Da Filicaia, Averardo di Alessandro 1040 Da Filicaia, Fam. 1040 Da Filicaia, Leonardo 1040 Da Filicaia, Niccolò di Averardo 1040 Da Gagliano → Gagliano Dalla Scharperia, Girolamo di Filippo 333 Dante 368, 380, 388 Dati, Giovanni 633, 647, 797 Dati, Giovanni di Martino di Goro di Stagio 633 Dati, Jacopo di Lorenzo di Jacopo 632 Dati, Lorenzo di Giovanni di Lorenzo 172f., 189, 632, 635, 797 Dauphiné (Delphinat) 25, 51, 131, 293, 296, 519, 769, 861, 898 Davanzati, Alessandro 334, 336 Davanzati, Bartolomeo 424 Davanzati, Fam. 974 Davanzati, Francesco di Francesco di Lottieri 220, 222, 227–229, 651f., 687f., 812, 816, 819, 980, 1120 Davanzati, Francesco di Lorenzo di Piero 227f., 412 Davanzati, Giovanni 438 De Roover, Raymond 88f., 97, 163f., 170, 173f., 185, 231f., 234, 670, 1114 Dei, Benedetto 264 Dei, Raynerus (René) 689, 702 Del Balzo Orsini, Berardina 254, 267, 270

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Del Balzo Orsini, Gabriele/Gabriello, Hg. von Venosa 254 Del Balzo Orsini, Giovanella 254 Del Balzo, Fam. 270 Del Beccuto, Michele 431 Del Bene, Albizzo 27 Del Bene, Niccolò 1050 Del Bene, Tommaso (Thomasius) 390, 440 Del Benino, Bartolomeo di Piero 806f. Del Benino, Giovanni 804, 807 Del Benino, Neri 624f., 651, 677, 768, 807, 858, 867, 993 Del Burgo, Andrea 890 Del Carretto, Benedetta di Galeotto 498 Del Carretto, Carlo Domenico, Kard., Marchese di Finale 862f., 877, 879 Del Carretto, Fabrizio 916 Del Fede, Bernard(in)o 421, 462, 470 Del Giocondo (Giocondi), Amaddio 997, 1007 Del Giocondo, Antonio di Zanobi 225, 837 Del Giocondo, Benedetto di Giovanni Gualberto 725f. Del Giocondo (Giocondi), Francesco 646 Del Giocondo, Guglielmo 240 Del Giocondo (Giocondi), Paolo 997, 1007 Del Lavacchio, Salvestrino 369 Del Magno, Antonio 141f. Del Nero, Bernardo 67f., 76, 78f., 240f., 395, 412–415, 428, 430, 432–434, 436, 438, 440f., 559, 718, 746, 810f., 813, 818, 824, 972f. Del Nero, Fam. 818 Del Proposto, Antonio di Bernado 434 Del Pugliese, Francesco 189, 195 Del Rosso, Agnolo di Pierozzo 618, 1015 Del Rosso, Bartolomeo di Pierozzo 113, 179, 184, 237, 616–618, 640, 651, 676, 684, 706f., 715, 1015 Del Rosso, Domenico di Pierozzo 1015 Del Rosso, Pierozzo 113 Del Rosso, Rosso di Pierozzo 1015 Del Sarto, Andrea 982 Del Tovaglia, Francesco 96f. Del Vantaggio, Bartolomeo (Baccio) 810f., 1009f. Del Vantaggio, Luca 1009 Del Vantaggio, Pompeio di Bartolomeo 666, 811 Dela Fara, Benedetto 397f. Dell’Antella, Alessandro di Giovanni 334, 428f., 483 Dell’Antella, Filippo 415, 441 Dell’Antella, Lamberto di Giovanni 334, 336, 347f., 394, 416, 428–438, 441f., 450, 452, 460, 483, 969, 1111

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Dell’Antella, Lisabetta 429 Della Casa, Alessandro 922f. Della Casa, Antonio 131 Della Casa, Francesco 24, 28f., 44, 79, 282– 284, 300, 525f., 528 Della Comedia, Martino 142 Della Grassa, Abtei 779 Della Mirandola, Ludovico 599 Della Mirandola, Pico 142 Della Palla, Bernardo 684f. Della Palla, Mariotto 684f. Della Pieve, Antonio 804 Della Rovere da Montefeltro, Elisabetta 258f. Della Rovere, Bartolomeo 933 Della Rovere, Fam. 769 Della Rovere, Felice di Giuliano 854, 870, 872, 894 Della Rovere, Francesco Maria, Hg. von Urbino 577, 870f., 909, 924, 932, 952, 956 Della Rovere, Galeotto, Kard. 743, 767, 851 Della Rovere, Giorgio 846, 1061 Della Rovere, Giuliano, Kard. → Julius II. Della Rovere, Sisto, Kard. 766f., 769 Della Sassetta, Rinieri 523, 967 Della Scarfa → Dello Scarfa Della Stufa, Agnolo 108 Della Stufa, Deiphebo 814 Della Stufa, Enea di Giovenco 812 Della Stufa, Giovenco 1050 Della Stufa, Guglielma 884 Della Stufa, Luigi di Agnolo 197, 231, 330, 337, 368, 436, 530, 539, 577, 659, 668, 798, 883–886, 888f., 960, 1062 Della Stufa, Niccolò di Giovanni 108 Della Stufa, Prinzivalle di Luigi 197, 829, 883– 891, 907, 923, 958–960, 964, 966 Della Stufa, Ugo di Niccolò 657, 666 Della Torre, Francesco 729 Della Tosa, Francesco di Bernardo 220 Della Tosa, Giovanbattista 389 Delle Corniuole, Giovanni 369 Dello Scarfa (Scharfi), Fam., Bankhaus 137, 149, 365, 437 Dello Scarfa (Scharfi), Francesco di Bencivenni 149, 161, 350, 365f., 381, 387, 390, 446 Dello Scarfa, Francesco di Martino 65, 365 Dello Scarfa, Martino di Francesco di Martino 365, 533, 537 Deutschland, Deutsches Reich (Alemagna) 274, 277, 490f., 513, 520, 532, 556f., 564, 593, 654, 664–666, 697, 864, 867, 873, 893, 901, 907, 1049, 1081, 1087, 1096 Diaceto, Francesco di Zanobi da 959, 964 Dieppe 797 Dijon 511

– St-Etienne 1080f. Dini → Miniato Dini, Antonio Dini, Bartolomeo 442 Dini, Francesco 441 Dini, Michele 109 Dino → Guardi Dionysius (Diener von Leonardo di Bartolomeo Bartolini) 700f. Domingo (Diener der Bartolini-Bank) 683 Don Guido, Prior de’ Angeli 442 Dondoli da Pistoia, Antonio 407 Doni, Fam., Bank- und Handelshaus 756 Doucet, Françoise 777 Dovadola, Abtei San Andrea 734–736, 738, 742, 748, 750, 760, 763, 935, 1021 Dovizi da Bibbiena, Antonio di Francesco 59, 71f., 76, 337, 354, 356, 413, 432, 558, 842, 995 Dovizi da Bibbiena, Bartolomeo 988 Dovizi da Bibbiena, Bernardo di Francesco, Kard. 21, 35, 51, 53, 59, 147, 231, 318, 333f., 337, 366, 432, 477, 486, 489, 500, 502, 543, 549, 557, 562f., 582f., 850, 877, 885, 901, 903, 909, 912f., 915f., 919f., 926, 928–930, 933–937, 953, 956, 958, 961– 963, 977, 996, 1022, 1044, 1059, 1089, 1092f., 1103 Dovizi da Bibbiena, Gianbattista di Francesco 147 Dovizi da Bibbiena, Piero di Francesco 53, 58f., 71f., 76f., 82, 147, 160, 344f., 347, 406, 423f., 432, 465, 476f., 485, 524, 527, 530f., 564, 870, 877, 959, 962f., 966, 977, 999 Dovizi da Bibbiena, Simone di Francesco 842 Dubrovnik 961 Durazzo, Haus 253 Duyn, Janus de, Sgr. de la Val d’Isère (La Valdisse) 703, 708, 712 Egidi, Benigno 687f., 1120 Elba 342, 549 Empoli 58f., 63, 745, 885 Enckenvoirt, Wilhelm von 743 England (Inghilterra) 272, 282, 384, 454, 492, 519, 618, 654f., 676, 679–681, 683f., 687, 776f., 800, 902, 907f., 937, 941, 1014, 1032f., 1049, 1087, 1117 Entremont, Abtei 736–740, 743f., 749f., 760, 763–765, 774, 893, 898f., 905f., 1073 Erodes, Jacques 48, 192 Esquerdes, Seigneurie 282 Este, Alfonso I. d’, Hg. von Ferrara 549, 861, 872, 874, 877, 938 Este, Borso d’, Hg. von Ferrara 263

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Este, Ercole I. d’, Hg. von Ferrara 67, 79, 311, 319, 340, 477, 482, 498, 504, 509, 549 Este, Fam., Hof 533f., 1096 Este, Ippolito d’, Kard. 468, 490f., 502, 511, 877, 879 Este, Isabella d’ 373, 886, 924 Estouteville, Girolamo d’ → Tuttavilla/Tottavilla Estouteville, Guillaume d’, Kard. 162, 257, 303, 468 Etaples 282 Eugen IV. (Gabriele Condulmer), Papst 464 Exiis, Franciscus de 410 Fabriano (Agent von Hg. Alfonso I. von Ferrara) 916 Faenza 346, 354, 530–532, 536f., 549, 602, 853, 886 Faia, Giovanni 678 Faia, Piero 658, 678 Falcischi, Jacopo 41, 194 Fano, Ulisse da 474 Fantoni, Fantone di Bernardo 433, 442 Farnese, Alessandro, Kard. 293 Farnese, Fam. 373 Farnese, Geronima 407 Farnese, Giulia 293, 407 Federico I., Kg. von Neapel 394, 399, 460f., 472f., 524f., 541f., 672 Federighi, Fam. 736 Federighi, Girolamo di Pagolo 161 Fedinus, Raphael 519 Felizzano (Feliciam) 515 Feltre 514 Ferdinand II. (Ferrandino), Hg. von Kalabrien, Kg. von Neapel 154, 326, 333, 346, 392f., 542 Ferdinand von Aragón, Kg. von Spanien 339, 520, 530, 700f., 863f., 908, 938, 940, 1055, 1059, 1066, 1089, 1094 Fermo, Btm. 750 Fermo, Oliveretto von 577 Ferrante (Ferdinand I.), Kg. von Neapel 13–15, 20, 23, 29, 33f., 42, 58, 255, 257f., 260f., 265–268, 270–272, 275f., 279, 283, 291, 298, 305, 307–309, 311–314, 326, 396 Ferrara 117, 196–200, 263, 265f., 340, 533, 549, 577, 593, 629, 877, 886, 893f., 906, 937, 1096 Ferrara, Gregorio 674 Ferrara, Hge. → Este Ferrara, Hgtm., Stadt 311, 319, 477, 482, 498, 502, 504, 509, 511, 515, 602, 861, 874f., 877, 881, 916f., 938, 1096 Ferreri (Ferrari), Alessandro di Donato 608f. Ferreri → Ferrier

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Ferreri, Alessandro 610f., 613, 616, 711 Ferreri, Donato 608 Ferrerii, Constantius 709 Ferrier (Ferreri), Geoffroy (Joffredus) 43, 691, 704, 709 Ferrier (Ferreri, Ferrero), Sébastien, Sgr. von Gaglianico 40f., 244, 601, 608–615, 691f., 703f., 706, 708f., 772, 860, 1072 Ferrier/Ferreri, Fam. 709, 954 Ferrier, Antoine 709 Ferrier, Bonifazio 249, 789 Ferrier, Jean Etienne (Giovanni Stefano) , Kard. 595f., 601, 613, 709 Fidenza 906, 943 Fieschi, Niccolò de’, Kard. 927 Fieschi, Obietto de’ 264 Fiesole 74 – Dom 735 Filelfo, Francesco 106 Filonardi, Cirio 952 Finale, Mgft. 498, 862, 913 Finexo, S. Volusiani 742 Finochino (Diener Piero de’ Medicis) 344 Fiorenzuola (d’Arda) 496 Firenzuola 103, 390, 570 Fivizzano 60 Flandern 491f., 617, 676, 679–684, 687, 737, 776–778, 797, 1014, 1032f., 1049, 1051, 1102 Florenz, Republik, Stadt, Kommune passim – Ges. Lorenzo di Pierfrancesco de Medici 231 – (Erben-)Ges. Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco de’ Medici 176, 435, 803f., 807, 826, 842 – Albizzi-Ges. 172 – Albizzi-Wollges. 165 – Ambra-Bank 112, 115, 119, 191, 194, 202, 231, 233, 240, 244, 449, 604, 618f., 622f., 637, 657f., 758, 804 – Badia → Santa Maria Assunta – Bargello 78, 362, 389 – Bartolini-Bank 47, 96f., 99–106, 108–112, 114–121, 125, 129–131, 143, 149, 161f., 164, 166, 170, 175, 179f., 182–184, 186, 191, 194, 198f., 231–234, 237f., 240f., 245, 248f., 363, 365, 373f., 443, 449, 605, 618– 623, 636f., 646, 652, 656f., 711, 714, 801, 807f., 812, 857, 920, 974f., 991f., 994, 1006, 1049, 1114f., 1119 – Bartolini-Palast 105 – Bartolini-Seidenges. 172, 997, 1064 – Benci-Wollges. → Medici-Wollges. – Berlinghieri-Seidenges. 99, 232 – Bracci-Gerberei-Ges. 662, 1007 – Bracci-Wollges. 173

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Register

– Cegia-Ges. 363 – Certosa 415 – Del Giocondo-Ges. 646 – Ebtm. 745, 828, 865, 960, 1013 – Fonti di San Gaggio 415 – Frescobaldi-Wollges. 657 – Gaddi-Bank 115, 188f., 195, 198, 203, 603, 607, 648, 660 – Ginori-Bank 621f., 646, 788f., 793, 804, 1011 – Ginori-Palast 807 – Giocondi-Seidenges. 997, 1007 – Girolami-Bank 115, 169, 172f., 363, 660, 674, 804 – Lanfredini-Bank 124, 130, 227, 248, 620– 623, 625, 627–629, 636, 639–642, 646, 648f., 651–658, 661–664, 657, 665, 667, 669, 672f., 677, 687f., 711, 713f., 754, 768, 776, 779, 786, 789, 793, 796f., 799, 806– 808, 820, 832f., 857–859, 867, 904, 920, 980, 990–993, 995, 997–999, 1001, 1003– 1012, 1014, 1024, 1028, 1030, 1032, 1034, 1041, 1046–1050, 1077, 1079, 1085f., 1089, 1097f., 1103, 1115, 1117–1120 – Lanfredini-Wollges. 997 – Loggia dei Lanzi 814 – Medici-(Erben-)Bank (Filiale, tavola) 48, 95f., 100, 102, 106, 109, 113–115, 124– 129, 136–139, 143–145, 149, 158, 163– 168, 170–178, 185f., 192, 194f., 198, 204, 211, 214–216, 219–221, 223–228, 231, 233–235, 237–239, 242, 244f., 248f., 331, 338, 343, 350, 363–368, 370, 374, 378, 382, 384f., 387–389, 407, 423, 429, 432, 434f., 438, 442–447, 456, 458, 620, 622– 624, 630f., 633–636, 656f., 663, 672, 688, 694, 727, 787, 790, 796f., 975, 991, 1000, 1004, 1008, 1041, 1049, 1115, 1117, 1119 – Medici-Goldschlägerges. 48, 127f., 136–139, 149, 164, 170, 176f., 179, 185–193, 195f., 219, 225, 229–231, 240, 243, 248, 338, 361, 622, 637, 807f., 813, 991, 1115 – Medici-Palast 57, 68–74, 76f., 83f., 114, 126, 263, 363, 368, 371, 807, 826, 857, 962f., 967, 1003 – Medici-Seidenges. 99, 105, 112, 170–173, 176, 194, 199, 229, 231–234, 248, 443, 619, 637, 803, 812, 1115 – Medici-Viehges. (magona del bestiame) 1007 – Medici-Wollges. 108f., 128, 176–178, 185f., 198, 219, 229, 244, 622, 808, 991, 1115 – Mellini-Bank 129 – Morelli-Alamanni-Seidenges. 159, 167, 441, 975 – Nasi-Bank 115, 658 – Nerli-Bank 149, 194

– Paganelli-Goldschlägerges. 189 – Palazzo della Signoria/Pal. Vecchio (Kommunalpalast) 68–70, 76, 79, 103, 117, 186, 214, 376, 415, 438, 481, 811, 816, 821, 884, 888, 958, 960f., 966, 1003, 1014, 1047f. – Pandolfini-Palast 223, 926 – Pandolfini-Wollges. 172 – Panzano-Bank 108, 119, 658 – Pazzi-Bank 150 – Perini-(Erben-)Seidenges. 997 – Piazza Bargello 428 – Piazza della Signoria 70, 76, 79, 178, 371, 814 – Piazza Santa Felicita 1099 – Ponte Vecchio 1099 – Porta a San Pier’Gattolini 415 – Porta Faenza 77, 963 – Porta San Gallo 69, 71f., 74, 817, 963 – Pucci-Wollges. 646 – Rossi-Apotheken- und Gewürzges. 804, 859, 1001 – Rossi-Fraschi-Bank 649 – Salviati-Bank 203, 639, 643, 672, 687, 714, 801, 804, 818, 997f., 1097f., 1118 – Salviati-Viehges. (magona di bestiame) 833 – Salviati-Seidenges. 368 – San Antonio 72f., 77, 963, 966f. – San Domenico 1008 – San Gallo 366, 385, 435 – San Giovanni (Quartier) 124, 127, 195, 642 – San Lorenzo 346, 807, 948 – San Marco 73, 75, 77, 147, 202, 223, 371, 402, 442, 809f., 812–815, 819, 857, 963, 970, 1014 – San Paolo 724 – San Tommaso 1001 – Sant’Apollinare 748 – Sant’Orsola 1002 – Santa Croce 76 – Santa Felicita 1099 – Santa Lucia 71, 81 – Santa Maria Assunta 371 – Santa Maria del Bigallo 721 – Santa Maria del Fiore (Dom) 17, 57, 69, 83, 376, 724, 735, 884 – Santa Maria Novella 144, 958 – Santa Maria Nuova (Hospital) 171, 421, 857, 1028f. – Santa Trinita 105, 162, 694 – Santissima Annunziata 107, 139, 202, 825, 962 – Scharfi-Ges. 149 – Soderini-Seidenges. 225, 626, 629f., 668, 792, 802f., 808, 837, 1007, 1119

Register

– Soderini-Strozzi-Ges. 837 – Stinche (Gefängnis) 111, 148, 356, 390, 428 – Strozzi-Bank 99, 533, 883 – Tanini-Wollges. 172, 784, 790 – Tornabuoni-Gianfigliazzi-Wollges. 162, 236 – Tornabuoni-Palast 81, 144, 377, 590f., 593, 611, 711, 854 – Ubaldini-Wollges. 136f., 196f., 657, 1064 – Via de’ Ginori 807 – Via del Cocomero 108 – Via Larga 126, 363, 963 – Via Porta Rossa 125, 533 – Via San Gallo 71, 963 Flores, Antonius 275 Foix, Gaston de, Hg. von Nemours 754, 863, 901, 913, 920, 931f., 937f., 940 Foix, Gft., Haus 700, 863 Foix, Jean de, Comte de Candale 497 Foix, Jean de, Vicomte de Lautrec 752–754, 759, 775, 860, 1079, 1088 Foix, Marguerite de 497 Foix, Odet de, Vicomte de Lautrec 753f., 860, 901, 914, 937, 1088 Foix, Thomas de, Vicomte de Lescun 751f., 754f., 765, 775–778, 844, 860, 868, 901, 1079, 1082, 1088 Folchi, Giovanni 238 Foligno 344 Fonsalida, Johannes de 320 Fontini, Agnolo 441 Foppa, Ambrogio/Cristoforo → Caradosso Forbin, Louis de, Sgr. de Solliers 1058, 1061, 1069, 1071–1073 Forestain, François (Francesco) 141f. Forlì, Btm., Stadt 346, 351, 360, 426, 435, 529, 734f., 826, 939 Fornovo (di Taro) 327, 339f., 495f. Fortunati, Francesco 826 Fosdinovo 60 Fossano, Pierantonio da 610, 612, 752f. Fossano, Seigneurie 1094 Fossat, Seigneurie 705 Fossier, Pierre 244, 304, 697 Fossombrone 936 Fra(te) Antonio 957 Fra Filippo 380, 388 Fra Mariano → Gennazzano Fra Michele da Certosa 435 Fra Sante 402 Fra Sante da San Casciano 402 Fra Serafino 366, 385, 391, 435 Fra Silvestro 813 Fracasso → Sanseverino, Gaspare Fraccasini, Alessandro di Francesco 668 Franceschi, Giovanni di Piero 453, 455f., 636f.

1163

Francesco di Paola → Paola Francio (Franchi) da Siena, Alessandro 841f. François de Bresse 36, 38, 130 Frankfurt (am Main) 685 Frankreich 13–15, 18, 23–34, 39f., 44, 47, 49, 51, 53, 62, 66f., 79, 83, 114f., 131, 135, 139, 141, 187, 195, 201, 205, 236, 265, 268, 271, 274f., 277, 279–281, 287–291, 293–296, 298–300, 304, 307f., 312f., 316f., 321, 325f., 329f., 335, 337–340, 346f., 349, 356, 358f., 376, 391–393, 398, 400, 410f., 414, 423, 439f., 459, 463, 467, 470, 472– 475, 484–489, 491, 494–497, 499–504, 507–510, 512–519, 521, 523f., 526f., 529, 532–534, 536–538, 540, 542–545, 547– 550, 552, 554–559, 561f., 564–572, 575, 577, 581–590, 592–602, 606–608, 611f., 615, 617, 623, 632, 638, 645, 647, 650, 654, 656f., 661, 671, 676–681, 683, 687f., 691–694, 696–699, 704–709, 711, 713, 717f., 723, 737, 744, 751, 753–755, 757, 759–761, 764f., 768, 770, 772, 774–777, 779, 800, 802, 804, 822, 839–841, 843f., 847f., 851–855, 860, 862, 864–873, 875– 877, 881, 883, 889, 891f., 894, 896–899, 902, 908, 915–917, 924, 927, 929, 931– 934, 938, 940f., 943, 949, 951f., 955, 977, 982, 997, 999, 1006, 1009, 1021, 1025f., 1032, 1035f., 1049, 1052–1056, 1058– 1061, 1063, 1065f., 1068–1071, 1073– 1076, 1078–1082, 1084f., 1087f., 1095f., 1098f., 1110, 1113, 1115f. Franz I., von Angoulême, Kg. von Frankreich 277, 594, 692, 698f., 754, 778, 954, 960, 1087 Franz II., Hg. von der Bretagne 139 Franz von Assissi, Hl. 380 Frasca (Frascha), Zanobi di Domenico di Cecco 645 Fraschi (Frascha), Domenico 645 Fraschi (Frascha), Francesco di Zanobi 645– 649, 709, 711, 714, 1085 Fréjus, Btm. 46 Frescobaldi, Francesco 984 Frescobaldi, Gherardo 657 Frescobaldi, Giovanni 131, 171, 680 Frescobaldi, Girolamo 651, 676, 679–681, 683f., 805 Frescobaldi, Leonardo di Girolamo 681, 684 Friaul 507 Friedrich I. (Barbarossa), röm.-dt. Kg., Ks. 931 Friedrich II., röm.-dt. Kg., Ks. 252, 371 Fugger, Bank- und Handelshaus 193, 660, 666 Fuscellon, Diener der Medici 556–558

1164

Register

Gabriele (Diener der Orsini) 357 Gaddi, Bankhaus 137 Gaddi, Bartolomeo 749–751, 754 Gaddi, Francesco 78, 116, 424 Gaddi, Girolamo 189 Gaddi, Taddeo di Agnolo 115f., 131, 172, 188f., 195, 198, 204, 607, 654, 660, 684, 750, 837 Gaddi, Zanobi 189 Gaeta 585f., 588, 747 Gaglianico, Seigneurie, Schloß 703f., 708 Gagliano (Galliano) 108, 202 Gagliano (da), Fam. 139, 173, 646, 812 Gagliano, Antonio di Filippo da 196 Gagliano, Antonio di Piero da 793 Gagliano, Bartolomeo da 170, 175 Gagliano, Cecha da 119 Gagliano, Cornelia di Filippo da 201, 684 Gagliano, Cristofano da 108 Gagliano, Federico di Piero da 109 Gagliano, Filippo da 107 Gagliano, Filippo di Piero di Filippo da 47f., 57f., 63, 65, 96–104, 106–110, 112–124, 126–129, 135–141, 145, 148f., 161f., 164, 167–171, 173, 177f., 182–186, 188–192, 194–206, 225f., 228f., 231, 233, 237, 240, 244, 338, 342, 361, 373f., 443, 476, 604, 607, 619, 621f., 626, 629, 637f., 646, 654– 658, 666, 668, 684, 780, 790, 792, 795, 798, 801–803, 808, 812f., 817–821, 837, 886, 911, 965, 970, 976, 978, 991, 999, 1005–1007, 1009, 1113, 1115, 1119 Gagliano, Francesca di Piero di Filippo da 104, 199 Gagliano, Ginevra da 107f., 119, 199, 202, 206, 803 Gagliano, Ginevra di Giuliano di Piero da 188, 1051 Gagliano, Giovanni Girolamo Romolo di Filippo di Piero da 161 Gagliano, Giuliano di Piero di Filippo da 27, 33, 42, 46–48, 52, 57, 105, 107–114, 121– 126, 130, 133, 135–142, 149, 161f., 168, 173f., 178–199, 201–206, 214, 225, 227f., 233, 237, 240f., 243–245, 248, 258, 303, 361, 592, 603, 607, 616–619, 622, 625– 630, 637f., 641, 646, 648, 650, 654–658, 660, 663, 666–669, 673f., 681, 689, 693, 710, 713, 752, 780, 783, 790, 792–794, 801–803, 808, 811, 814f., 817, 819, 827, 837, 842, 857, 957, 959f., 992, 999, 1002, 1005–1007, 1051, 1069, 1109, 1113, 1115, 1117, 1119 Gagliano, Guglielmo di Niccolò da 135

Gagliano, Lorenzo Martino Romolo di Filippo di Piero da 197, 804, 886 Gagliano, Matteo di Giovanni da 135 Gagliano, Pierfrancesco di Filippo di Piero da 225, 626, 803, 1005 Gagliano, Piero di Filippo da 104, 106–109, 112f., 124, 619 Gaillon, Schloß 297, 602, 704 Galeotto (Faktor an San Andrea di Dovadola) 736 Galera 433 Galieno di Michele → Ricamatore Galliavola 544 Ganay, Jean de, Sire de Guesnay 46 Gandia, Hgtm. 283, 394, 425 Gardasee 524 Garigliati, Niccolò 249 Gascogne 296 Genf, Btm., Gft. 130, 304, 697, 705, 714, 736f., 739, 748, 750, 755, 1086, 1099 – Capponi-Bank 152 – Pazzi-Bank 152 Genfer See 1094 Genga, Kastell 944 Gennazzano, Fra Mariano da 366, 385, 391, 446, 468 Genua, Republik, Stadt 46, 62, 264f., 285, 343, 360, 492, 503f., 517, 519f., 526f., 544, 614, 641, 704, 714, 754, 830, 860–862, 864, 867, 871, 874, 879, 896, 985, 1070, 1075 – Lomellini-Ges. 175 – St. Ambrosius 360 Gerbilon, Johannes 751 Gex, Mgft. 1094 Gherardi, Carlo 438, 441 Gherardi, Gherardo 442 Gherardini, Raffaello 612f., 772, 779, 1027 Ghibellinen 316, 505 Ghieri, Fam. 580 Ghieri, Goro di Baronto 578–581, 824, 849, 970, 1000 Ghieri-Sacchetti, Baronto 580 Ghini de Manolis, Domenico 649, 858 Ghini, Francesco di Vivaldo 646f. Ghinucci, Girolamo 436, 452, 1103 Ghinucci, Stefano 452, 458, 463, 791, 1103 Ghirighoro, Antinori di 27 Ghirlandaio, Domenico 105, 144, 694 Ghori da Pescia, Francesco 331f., 366, 378f. Ghori, Jacopo 637 Giacomini de’ Tebalducci, Antonio 852, 880 Gianfigliazzi, Adriana di Bongi(ov)anni 441 Gianfigliazzi, Bongi(ov)anni 162, 746 Gianfigliazzi, Fam. 974 Gianfigliazzi, Francesco 365

Register

Gianfigliazzi, Ginevra di Bongi(ov)anni 142, 163, 217 Gianfigliazzi, Jacopo di Bongi(ov)anni 59, 76, 142, 159–162, 167, 172f., 222, 236, 438, 441, 746, 790, 888, 967 Giantommaso (Diener von Virginio Orsini) 323f. Gié → Rohan Gié, Seigneurie 561 Giente, Onofrio di 677 Gimel, Seigneur de 392 Ginori, Alessandro di Gino 160, 806 Ginori, Bartolomeo 1005 Ginori, Carlo di Lionardo 98, 616, 621–623, 646, 650, 655f., 784, 788f., 793, 804, 806– 808, 811, 820, 837, 970, 992, 1006, 1010f., 1052 Ginori, Fam. 552, 814 Ginori, Piero 108 Ginori, Tommaso 189 Ginori, Zanobi di Tommaso 711, 713 Giocondi/Giocondo, del → Del Giocondo Giovanantonio (notaio d’Orfeo) 390 Giovanmaria (Sakristan an San Marco, Florenz) 1014 Giovanna von Aragón, Kgn. von Neapel 276 Giovanni Antonio (Medici-Kanzler) 309 Giovio, Paolo 268 Girolami, Francesco di Zanobi 115, 148, 169f., 172f., 197, 204, 206, 223, 225, 338, 363, 368, 660, 673f., 785, 804f., 837, 974 Girolami, Raffaele di Francesco 368 Girolami, Zanobi di Francesco 169 Giubba, Bartolomeo 328 Giugni, Fam. 437 Giugni, Filippo di Domenico 200f. Giugni, Ranieri (Rinieri) di Niccolò 148, 363 Giuliano (Maultiertreiber) 1007 Giumels → Gimel Giunta, Giunta di Marco di 230, 452, 456, 627, 666 Giunta, Leonardo di 230 Giuntini, Niccolò 743 Golpino (Diener der Medici) 557f. Gondi, Francesco Maria di Antonio de’ 857 Gonsalvo → Cordoba Gonterius, Lancelloctus 701 Gonzaga da Bozzolo, Federico, Hg. von Sabbioneta 506, 939 Gonzaga, Barbara 506, 542 Gonzaga, Eleonora di Francesco 871 Gonzaga, Federico 830 Gonzaga, Ferrante 830, 861 Gonzaga, Francesco, Kard. 162, 353

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Gonzaga, Francesco II., Mgf. von Mantua 354, 392, 398f., 410, 448, 463, 506, 508f., 511, 525, 583, 587f., 592, 830f., 851, 861, 869– 871, 932, 952f., 956, 1058f. Gonzaga, Sigismondo, Kard. 952–954, 956, 1083 Goro, Giunta di 231 Goten 14 Gourdans, Seigneurie, Kastell 697f. Goyet (Protonotar) 38 Gramont, Roger de 547, 550f., 556, 567, 571, 585, 597f. Granada 520, 530 Grassis, Paris de 907, 944 Gravina, Hgtm. 393, 461, 576, 578 Grazzini → Staggia, Simone Grenoble, Btm., Stadt 48, 50, 634, 860, 894, 905, 1099 Grimaldi, Fam., Bankhaus 614 Grosseto, Btm. 454, 849 Grosso, Gian Giacomo 1089f., 1092 Grotte di Castro 322 Guadagni, Tommaso 139, 802, 995 Gualante (Faktor von Nofri Tornabuoni) 231 Gualfinara 497 Gualterotti, Antonio 651, 676, 679f., 683f., 1033 Gualterotti, Fam. 437 Gualterotti, Filippo 680, 683, 1033 Gualterotti, Francesco di Bartolomeo 77, 351, 429, 433, 452, 492f., 507, 519, 521, 680, 806, 827, 831, 852 Gualterotti, Gualterotto 70 Gualterotti, Piero 831 Guardi, Francesco di Baptista 363, 607, 801, 819, 837, 1002 Guardi, Gherardo di Andrea 607, 801, 819, 837, 1002 Guardi, Maria Maddalena de’ 1002 Guardi (di Dino), Dino 609 Guardi (di Dino), Salvestro di Dino 606–610, 612–616, 618, 625, 651, 768, 772, 779, 807, 819, 867, 900, 906, 942, 1002, 1014, 1017, 1019, 1023, 1027 Guasco, Cesare 501 Guasconi, Giovacchino 400, 439, 444 Guazzaloti, Bertoldo 984 Guelfen 316, 505 Guesnay, Seigneurie 46 Guibé, Robert, Kard. 916, 1064 Guicciardini, Battista di Jacopo 984 Guicciardini, Fam. 974 Guicciardini, Francesco 16, 22, 24, 32f., 58f., 74–78, 81, 96, 325, 337, 342, 349, 359, 422, 434, 499, 503, 565, 572, 589, 718–

1166

Register

720, 793, 795, 798, 802, 824, 830, 880, 889, 891, 914, 941, 950, 956, 960–962, 964, 978, 1060, 1101 Guicciardini, Margherita di Luigi 971 Guicciardini, Piero 120, 146, 439f., 817, 973, 1062 Guidi da Pratovecchio, Giovanni di Bartolomeo 35, 73, 76–78, 147, 432, 817 Guidiccioni, Elisabetta 132 Guidotti da Colle, Antonio 571 Guidotti, Antonio di Migliore 645 Guidotti, Bernardo 726 Guidotti, Leonardo 1009–1011 Guillard (Guillart), Louis 1081 Guillart, Charles 1081 Guinigi, Francesco 796 Guinigi, Giovanni di Michele di Giovanni 651, 655, 795–797 Guinigi, Michele di Giovanni di Michele 795 Guinigi-Dati-Bankges. 797 Guiscard, Robert 252 Gurk, Btm. 981, 1010 Guybé, Robert 551, 571, 585, 602 Habsburg, Haus 13, 282, 680, 696, 699, 723, 737 Hachberg-Sausenberg, Johanna 707 Hachberg-Sausenberg, Mgft. 707 Hachberg-Sausenberg, Philipp von, Mgf., Gf. von Neuenburg/Neuchâtel 707 Hautbois, Charles de 1081 Heinrich VII., Kg. von England 679 Heinrich VIII., Kg. von England 707, 908, 1066 Herkules 368 Hermenault, Schloß 771 Heuraent, Philippus 1080 Hieronymus, Hl. 367, 380 Hieronymus (Sekretär von Federico Sanseverino) 845 Holland 654, 685 Hurault, Jacques 1081 Hurault, Philippe 752 Imbault → Rivoire Imbert, Stefano 793 Imhoff, Handelshaus 664 Imola 22, 346, 360, 482, 529, 576, 826, 928, 939, 941, 952 Imperium 562, 697, 899 Inghirami, Fam. 992 Inghirami, Fedro 475 Inghirami, Francesco 992 Inghirami, Giovanni 992

Innozenz VIII. (Giovanni Battista Cibo), Papst 13, 18, 20, 39f., 145, 270, 275, 282, 298, 304f., 307–309, 394, 730, 741, 841, 995 Innsbruck 490, 511, 595f. Irland 170, 175, 654, 656, 662, 685, 795, 1006 Isabella von Aragón 14, 279 Isabella von Kastilien, Kgn. von Spanien 339, 700f. Isimbardi, Fam. 944 Isimbardi, Ottaviano 944 Isola Farnese 335, 596 Isvalies, Pietro, Kard. 464 Italien 13–15, 25, 29, 33, 37, 46f., 62, 66, 115, 137, 139, 142, 168, 195, 201, 205, 244, 252, 254, 259, 265, 268, 270, 274, 277f., 282, 290f., 295, 319, 329, 335, 338f., 346, 439f., 445, 447, 453–455, 458, 474, 488, 492, 494f., 497f., 503f., 507, 510, 513, 518, 524, 528f., 531, 534, 540, 544, 549, 554, 561f., 567, 569, 575, 582–585, 587, 594, 596, 614f., 625, 631, 647, 661, 665, 671f., 687, 698, 702, 754, 764, 768, 774f., 781, 840, 855, 860, 865–869, 872, 874, 876f., 893, 895, 902, 908, 930f., 938, 943, 949, 951, 955, 981, 1013, 1049, 1055, 1062, 1070f., 1082, 1084, 1088, 1096, 1118 Ivrea, Btm. 249f., 789 Java 685 Jerusalem, Kgr. 253, 283 Jesus Christus 947–949 Johann II., Hg. von Lothringen und Kalabrien 291f. Johanna III., Kgn. von Neapel 253 Johanna von Valois 471 Julian, Hl. 107, 139 Julius II. (Giuliano della Rovere), Papst 285, 312, 473f., 492, 514f., 524, 590, 592f., 595f., 599–602, 650, 659, 671, 675, 680– 682, 692, 711, 713, 720, 734f., 738f., 741, 743, 745, 747, 755, 763, 767, 800, 839– 851, 853, 855–857, 859–869, 871–878, 880–884, 886, 888–892, 894, 896–899, 901–912, 914, 916f., 922–924, 927–937, 939, 941, 943, 951–957, 961, 965f., 968, 977–979, 984f., 987, 995, 1019, 1022f., 1025, 1027, 1029–1031, 1033, 1037, 1042f., 1052–1059, 1069–1071, 1073– 1076, 1081–1083, 1086, 1096, 1116 Juvenibus, Dominicus de 751 Kalabrien 277, 520, 701 Kanarische Inseln 662 Kant, Immanuel 86 Karl der Große, Hl. 14, 67, 326

Register

Karl der Kühne, Hg. von Burgund 36, 92 Karl I. von Anjou, Kg. von Neapel 253 Karl I., Hg. von Savoyen 36, 38, 688 Karl II., Hg. von Maine 265 Karl II., Hg. von Savoyen 36, 38, 41 Karl III., Hg. von Savoyen 250, 613, 647, 651, 677, 689, 699, 702f., 705–708, 710–716, 739, 744, 764, 768, 772, 789, 860, 863, 867, 1050, 1086–1092, 1094f., 1097, 1099f. Karl V., von Habsburg, Erzhg. von Österreich, röm.-dt. Kg., Ks. 359, 594, 679, 699, 702 Karl VI., Kg. von Frankreich 471 Karl VIII., Kg. von Frankreich 13–15, 23–26, 28, 30–38, 40–57, 59–64, 66–71, 73, 75– 77, 79–84, 123, 130, 134–136, 139f., 142, 147, 158, 162, 174, 179–183, 193, 201, 251, 254, 257, 267f., 274–277, 279, 281– 283, 285–289, 292–299, 302f., 314, 316– 330, 332, 335–340, 349, 357–359, 363, 368, 373, 391f., 398, 407, 435, 439f., 446, 468, 470f., 494–498, 521, 540, 542, 554, 590, 607, 653, 690f., 737, 743, 752, 802, 818, 973, 1054, 1113, 1116 Kirchenstaat 255, 305, 310, 312, 315, 320, 322, 325f., 328, 346, 393f., 419, 549, 575, 583f., 670, 698, 841, 870, 894, 902, 908f., 931, 936f., 939, 941, 951, 1030, 1070, 1073, 1082 Kleve, Hgtm. 684 Kleve-Ravenstein, Philipp von 519f., 526 Köln (Chologna) 684 Konstantinopel 651, 666, 748, 1049 Konstanz 895–897 Kuick, Petrus 723 L’Aquila 255, 266, 270f., 585, 599, 664, 847 La Cascina → Poggio a Caiano La Chassagne, Abtei 1100 La Palice, Seigneurie 613, 938 La Rochelle 291 La Spezia 792 La Trémoille, François de, Kard. 854 La Trémoille, Jean de 862f., 866 La Trémoille, Louis de 504, 512, 588 La Val d’Isère (La Valdisse), Seigneurie 703, 708 La Verna → Vernia Labia, Pierre 165 Lago di Bolsena 20, 271, 322, 328, 427, 842 Lago di Bracciano 856 Lago di Vico 599, 872 Lago Trasimeno 344, 433, 576 Lalaing, Antoine de 700 Lamellia, Guglielmo 614, 677f.

1167

Landriano, Antonio di 135 Landucci, Luca 56, 81, 343, 439, 587, 798 Lanfranco, Piero 727f. Lanfredini, Alessandro di Jacopo 812 Lanfredini, Antonio di Jacopo 351, 812, 815 Lanfredini, Bankhaus 1016 Lanfredini, Bartolomeo di Lanfredino 129, 831, 965, 997 Lanfredini, Fam. 807, 828, 837, 904, 1002, 1108, 1114 Lanfredini, Giovanni di Lanfredino 130, 831 Lanfredini, Giovanni di Orsino 125, 129, 580, 972 Lanfredini, Jacopo di Bongiovanni 794, 835 Lanfredini, Lanfredino di Jacopo di Bongiovanni 48, 90, 98, 124, 127–130, 138, 146, 149, 159–162, 164, 167, 174f., 177–179, 185–191, 194, 196–199, 202f., 205, 222, 225, 227, 231, 233, 237, 240f., 248, 337f., 348, 361, 407, 432, 459, 546, 552, 559f., 604–606, 620–624, 626–629, 637, 639–643, 646, 652f., 655f., 658, 660f., 665f., 668f., 671, 678, 680, 687, 711, 728, 776, 779–781, 783f., 788–796, 801, 803, 805–809, 811–818, 820, 822–825, 829– 839, 848f., 856, 858f., 888, 907f., 911, 955, 960f., 963–967, 969–971, 973–976, 978– 983, 985–987, 989–991, 993, 999, 1002– 1006, 1008–1010, 1014–1016, 1020, 1023– 1031, 1033, 1036–1038, 1040–1043, 1045– 1050, 1052–1058, 1062–1065, 1070, 1085, 1098f., 1101, 1103–1105, 1107, 1110f., 1114, 1117–1119 Lanfredini, Lucrezia di Lanfredino 831 Lang, Matthäus, Kard. 893, 902, 978, 981, 1010–1012 Langres, Btm. 292, 1080f. Languedoc 28f., 47, 113, 139, 187, 193, 289, 675, 678, 692f., 697 Languedoil 29, 46f., 650 Lannoy, Raoul de 542 Lanslebourg-Mont-Cenis (Lanibergho) 455 Lapi, Bartolomeo di Apollonio 160, 163, 222, 375f. Lapi, Bartolomeo di Tommaso 859 Lapi, Fam. 859 Lapi, Jacopo 859 Lapi, Lorenzo 859 Lapi, Niccolaio 160 Lari, Paolo 178 Lascari, Giovanni 589 Lascari, Niccolò di Andrea 672 Lascaris, Janus 611, 1072 Lauginger, Narziß 663–665 Lauria, Gft. 270, 272

1168

Register

Lautrec, Vizegft. 752f., 1088 Laval, Pierre de 288 Lazio 305, 460 Le Brache 785f. Le Cascine → Poggio a Caiano Le Mans, Btm. 737f. Le Puy, Btm. 561 Le Roy, Guillaume 292 Le Veau, Jean 931 Lectoure, Btm. 295–297, 302, 304, 778 Lenzi, Lorenzo 186, 452, 492f., 507f., 519, 521, 524 Lenzoni, Giuliano 65 Leo I., Papst, Hl. 987, 990, 1062, 1083 Leo III., Papst 947 Leo IV., Papst 947 Leo X. → Medici, Giovanni Lescun, Vizegft. 754, 1088 Levante 171f., 200, 623, 646, 654f., 657, 663, 666, 668, 804, 1120 Lexone, Jacobus 708 Libera (Ribera), Giovanni de 152, 154 Librafatta 392, 523, 526 Libri, Alessandra di Niccolò de’ 124 Libri, Andrea de’ 124 Ligny → Luxembourg, Louis de Ligny, Gft. 320, 505, 737 Ligurien 862 Lille 617 Lippi, Filippino 402 Lippomano, Fam. 345, 486 Lippomano, Girolamo (Geronimo) 75, 413, 486, 519 Lippomano, Niccolò 421 Lissabon 461, 663 Livorno 61, 103, 212, 336, 392, 416, 482, 554, 656f., 662, 665, 685, 792, 857, 881, 1058, 1060 Loches, Burg 493, 510, 870, 943 Lodi, Btm., Stadt 15, 298, 506, 1018, 1060 Lodi, Alessandro da 1018 Lodi, Bernardo da 236 Lombardei 41, 131, 140, 258, 264f., 280, 342, 466, 488, 491, 504, 506f., 510, 517, 524, 553, 563, 574, 591, 594, 703, 714, 729, 765, 767f., 772, 779, 850, 866, 868, 879, 882, 889–891, 893, 904, 906, 941, 943f., 955f., 967, 1016, 1018–1021, 1025, 1049, 1055, 1069, 1072 Lombez 194 Lomellina 944 Lomellini, Battista 614 Lomellini, Domenico 613 Lomellini, Fam. 614 Lomellini, Matteo 614

Lomello 544 London 172, 237, 474, 616–619, 651f., 654, 672, 674, 684–686, 776, 797, 1048 – Bardi-Ges. 685 – Bartolini-Bank → Del Rosso-Bank – Buonvisi-Bank 635, 796f. – Cavalcanti-Ges. 685, 778 – Del Rosso-Bank 616–619, 640, 655, 673f., 676, 684, 788, 1015, 1115 – Medici-Bank 126 – Serristori-Ges. 651, 684–686, 759, 921 – Ugolini-Ges. 1064 Longis, Kloster 751 Longueville, Hgtm. 861, 864 Lopez de Haro, Didacus 395 Lopez, Juan, Kard. 319, 418, 420, 468, 470 Loreto 593 Lorini, Antonio di Giovanni 65, 69, 415, 821 Lorini, Filippo di Antonio 338, 415, 821f. Loriol, Jean de, Sgr. de Challes u. Corgenon 697 Lothringen, Hgtm. 274, 291 Lotti, Benedetto 995f. Lotti, Luigi 394, 744, 758, 848, 934, 988, 995f. Louvain, Claude de 612 Lucca, Btm., Republik, Stadt 132, 168, 171– 173, 318, 332, 338, 341, 343, 360, 366, 380f., 384–386, 391f., 406, 433, 444, 446, 450f., 453–456, 523, 544, 568f., 626, 629f., 632, 635, 637, 641, 651, 671, 745, 760, 792–797, 801, 807, 829f., 838, 849, 896, 1110, 1115 – Buonvisi-Micheli-Ges. 651, 1001 Lucignano 346 Ludwig II., Mgf. von Saluzzo 281, 497, 1058 Ludwig von Anjou 253 Ludwig von Orléans, Hg. → Ludwig XII. Ludwig XI., Kg. von Frankreich 13, 15, 28, 34, 36, 67, 75, 265, 277, 290–293, 296f., 471, 494, 852 Ludwig XII., Hg. von Orléans, Kg. von Frankreich 14, 30, 36–38, 42–46, 52–56, 60–62, 139f., 277, 279f., 282, 284, 286f., 290, 293, 296–298, 303, 314, 393, 470–474, 478, 485, 487–495, 497, 499f., 503–508, 512– 515, 517, 519–528, 531–537, 539–542, 545, 548–562, 564–570, 573–576, 583– 588, 593–599, 601f., 611, 624, 677, 690– 709, 713f., 734, 737, 751, 753, 766–768, 775–777, 780, 800, 802, 830f., 836, 841, 844, 850, 852–854, 860–865, 867–869, 874–879, 881, 890, 892–897, 899, 901f., 911, 914–917, 920, 930f., 933, 937, 941, 949f., 953, 983, 1017, 1043, 1053f., 1058f., 1061, 1064–1066, 1068, 1070–1076, 1078–

Register

1082, 1086f., 1090, 1096, 1110, 1113, 1116 Ludwig, Hg. von Touraine und Orléans 471 Lugano, Gft. 258 Luigi (Diener von Bernardo de’ Rossi) 713 Lunati, Bernardino, Kard. 319f. Luxembourg, François, Vicomte de Martigues 739 Luxembourg, Louis de, Comte de Ligny 320, 503, 505, 525–527, 737 Luxemburg, Philipp von, Kard. 296, 737f., 740, 743, 748f., 774, 893 Luxemburg, Theobald von 737 Lyon, Ebtm., Stadt 26–29, 31f., 39, 41, 43, 46– 49, 52f., 81, 91, 97, 109–114, 120, 130– 135, 138, 154, 168, 172f., 177, 179, 181– 185, 187–189, 191f., 195, 198, 201, 214, 226, 231, 236–238, 240–245, 247–250, 258, 283–286, 299, 302f., 313, 368, 400, 418, 439, 442, 444f., 457–459, 474, 489, 498, 503, 510, 516f., 519–521, 526, 528, 535, 556f., 559, 563, 575, 582, 591, 594, 602, 605–607, 609f., 612, 615–619, 625, 631–633, 635, 637–639, 641, 643–647, 651–653, 655, 661f., 664, 667, 670, 676f., 679, 688–698, 700–703, 705, 707f., 710f., 713–716, 744, 755f., 758, 762, 766, 768f., 772, 774, 776–778, 790, 796f., 800, 802, 808, 830, 832, 846, 852, 860, 867, 874, 877, 879, 896, 898, 900, 906, 943, 955, 976, 992, 998, 1006f., 1009f., 1014f., 1024, 1048–1051, 1056–1058, 1064f., 1074f., 1085, 1088f., 1093f., 1097–1099, 1102, 1117, 1120 – Bartolini-(Erben-)Bank 27, 44, 47, 52, 98f., 106, 109–114, 116, 118–126, 130–142, 144, 164, 170, 175, 178–184, 187f., 190– 193, 195, 198f., 203, 225, 231, 233, 236f., 239–243, 245–249, 281, 285, 287, 301, 303, 444, 507, 601, 603–606, 608f., 612, 615–619, 621f., 624–626, 630, 632, 634– 637, 640–653, 656, 658–662, 665, 669, 673–675, 677–689, 693, 695f., 698f., 704, 707f., 711, 713f., 738, 745, 750–754, 757– 768, 770f., 773–779, 790, 801, 803–805, 807f., 813, 844, 850, 855, 858, 860, 876f., 898, 900f., 906, 911, 920f., 930, 936f., 942, 960, 992–995, 1014f., 1017, 1019, 1023, 1025–1028, 1033, 1037f., 1042, 1046, 1048, 1051, 1056f., 1064, 1069, 1072, 1074f., 1079, 1086, 1088, 1114f., 1117– 1119f. – Bartolini-Rossi-Bank 245–247, 249f., 445f., 459, 603–606, 631–638, 646–648, 650,

1169

654f., 658, 666, 684, 688–697, 699, 703, 705, 710, 758, 788, 1002, 1085, 1119 – Buonvisi-Bank 629, 632, 635, 641, 646, 648, 654f., 659, 688, 710, 791, 794, 796f., 1120 – Buonvisi-Micheli-Bank → Buonvisi-Bank – Capponi-Bank 26f., 29, 32f., 111, 152, 189, 245, 442, 695, 960, 1109 – Cieseri-Sauli-Bank 240 – Dati-Bank 172, 189, 632, 797 – Gaddi-Bank 654 – Guadagni-Bank 139, 802, 995 – Konzil → Pisa – Martelli-Bank 132 – Medici-Bank 23, 25–34, 38–44, 47f., 52, 55, 64, 73, 81, 92, 96, 109–111, 113–115, 117, 120f., 125f., 130–135, 140f., 143f., 147, 150, 164, 172, 175f., 178–183, 186f., 192, 194f., 213, 231f., 234–236, 242–250, 263, 281, 285f., 288, 300–304, 314, 345, 356, 400, 443–445, 459, 465, 507, 523, 601, 631f., 637, 648f., 653, 688–690, 693–695, 703f., 761, 773, 786, 790, 813, 833, 852, 858f., 1085, 1091, 1113, 1115 – Medici-Seidenges. 97 – Mellini-Bank 189 – Nasi-(Erben-)Bank 48, 115, 138, 179, 184, 189, 191, 195, 237, 603, 641f., 667, 669, 813, 998 – Nerli-Bank 194 – Notre-Dame-du-Confort 982 – Panciatichi-Bank 641, 646, 982 – Pazzi-Bank 150, 152 – Perini-(Erben-)Bank 98, 644–648, 667 – Peroni-Bank 240 – Pivi-Colombini-Ges. 189, 618, 637 – Rossi-Bank 242, 244–246, 248, 444f., 631– 635, 637, 647, 691, 1119f. – Rossi-Fraschi-Bank 645–649, 667, 711, 714, 786, 790, 832, 858, 993, 1085, 1119 – Salviati-Bank 124, 623, 639–644, 649, 652f., 655f., 662, 711, 713f., 755–760, 776f., 779, 789, 791, 795, 808, 820f., 978, 997f., 1002, 1006, 1024, 1034, 1051, 1066, 1079, 1086, 1088f., 1097f., 1117–1120 – Sauli-Bank 132, 189, 641 – Spinelli-Bank → Bartolini-Bank – Tornabuoni-Bank → Medici-Bank – Tornabuoni-Spinelli-Sassetti-Bank → Medici-Bank – Vöhlin-Ges./Faktorei 189, 193 – Welser-Vöhlin-Faktorei 642f., 663–665 Lyonnais 187 Maccinghi, Riccardo 646f. Macerata 944, 954

1170

Register

Machiavelli, Gianpiero 1051 Machiavelli, Niccolò 74, 83, 332, 410, 475, 477, 482, 525f., 528, 572, 578–580, 607f., 630, 710, 824, 829, 849f., 856, 1012, 1051 Mâcon 535, 590 Macur, Peronne (Perona) 582, 698 Macur, Pierre 582, 698 Maddaloni, Hgtm. 393, 1058 Madeira 171, 660, 662 Maffei, Achille 551 Magdalena, Hl. 359 Maggiolini, Battista 132 Maggiolini, Fam. 773 Maggiolini, Francesco 42–44, 48, 131–135, 179, 281, 285f., 507, 651, 690, 759, 773, 1026 Maggiolini, Giacomo di Francesco 773 Maggiolini, Gianbattista di Francesco 773 Maggiolini, Ludovico di Francesco 773 Maggiolini, Pietro di Francesco 773 Magione 576 Magistrello (Maistrello), Antonio 515, 892, 900, 906, 936 Mailand, Hgtm., Stadt 13–15, 18, 23f., 34, 36f., 42–46, 50, 54, 56, 58, 61–63, 66f., 106, 131, 133–135, 180, 201, 237, 243, 258, 261–265, 279–283, 286, 290, 299f., 303, 305, 307, 317, 323f., 329f., 336, 339, 343, 346f., 349–352, 357f., 360, 362, 374, 376, 389f., 394, 401f., 410, 414–416, 426, 439f., 462, 464, 471f., 474, 476, 478f., 485, 489– 495, 498–504, 506–511, 513, 515–520, 522, 524f., 535, 542–544, 548–550, 553, 558, 562, 575, 588, 596f., 601f., 606–616, 618, 624f., 649, 651f., 661, 677, 692–694, 698, 700, 704f., 707–709, 714, 717f., 721f., 729, 731f., 734, 748, 752–754, 760, 768f., 772–776, 778, 807, 832, 839, 851, 854, 860f., 863, 867f., 870, 877, 879, 881–883, 889, 891–897, 899f., 902, 905f., 908, 929f., 940–944, 972f., 975, 981, 1014, 1017, 1027, 1048, 1051, 1055f., 1064f., 1070f., 1082, 1096, 1110, 1115f. – Bartolini-Bank 608–610, 612–614, 704f., 711, 761, 772–774, 779, 819, 850, 900, 904–906, 911, 942f., 1017–1019, 1027, 1043, 1072f., 1115, 1117 – Broletito 608f. – Castello Sforzesco/Sforza-Kastell 502f., 518, 608, 780, 863, 940 – Dom 608f., 929f., 940 – Hge. → Sforza, Visconti – Konzil → Pisa – Medici-Bank/-Palast 106, 126, 129, 134, 350f., 410, 426, 497, 615

– Ospedale Maggiore 132 – Porta Vercellina 861 – San Alessandro in Zebedia 609 – San Sebastiano 609 – San Vittore 732f. – Sanseverino-Palast 351, 861 – Santo Stefano 264 – Via Broletto 608f. – Welser-Vöhlin-Faktorei 663 Maillezais (Magliares), Btm. 290–292, 296– 298, 532, 541, 731, 738, 764–766, 769–771 Maine, Gft. 13, 542 Malaspina, Lorenzo 263 Malatesta, Roberto 258 Malavolta, Lucrezia de’ 258 Malegonelle, Antonio 76, 78f., 415, 436, 486, 542–544, 548, 821, 823 Malegonelle, Tommaso 79, 823 Manelli, Francesco di Leonardo 533 Manelli, Guido 440, 533 Manelli, Niccolò 533 Manfredi, Astorre 537 Manoppello 256 Mantua, Mgft., Stadt 353, 362, 372, 392, 398f., 410, 448, 451, 457f., 463, 498, 506, 508f., 511, 514, 583, 602, 781, 788, 791, 820, 830, 861, 869, 871, 886, 895–897, 932, 937, 947, 951f., 954, 956, 975, 1058f., 1115 Mantua, Mgfn. → Gonzaga Marc Aurel 1083 Marco (Diener von Virginio Orsini) 313 Marello d’Albino, Guglielmo 760 Maremma 463 Margano, Piero 933, 937 Margarethe von Österreich, Hgn. von Savoyen 696–702, 890, 931, 1058, 1067, 1084 Marignano 754, 778 Maringhi, Giovanni di Francesco 651, 663, 667f. Marino 318f. Marken 574, 954 Marradi 477f. Marron, Jean 712 Marseille, Btm., Stadt 182, 241, 276, 492, 519, 636, 655, 658, 662, 665, 675, 678f., 779, 801, 896, 1058, 1071, 1117 – Bottegari-Ges. 636, 663, 1115 Marsico, Gft. 252f., 257, 259f., 281 Marsuppini, Filippo di Cornelio 627 Martelli, Alamanno 805 Martelli, Alessandro 76 Martelli, Fam., Bankhaus 120, 131, 135, 967, 1108 Martelli, Braccio 64

Register

Martelli, Cosimo 76, 148, 206 Martelli, Francesco di Roberto 76, 415, 441, 806 Martelli, Giovanni di Niccolò 646, 667, 805 Martelli, Girolamo di Antonio 73, 148, 158, 206f., 223, 230, 390, 437 Martelli, Lorenzo di Roberto 76, 415 Martelli, Lucrezia di Alessandro 160, 806 Martelli, Ludovico 805 Martelli, Luigi di Ugolino 673, 806 Martelli, Maddalena di Antonio 806 Martelli, Niccolò 919 Martelli, Piero di Braccio 533, 835, 964 Martelli, Ugolino 806 Martigues, Vizegft. 739 Martin V. (Oddone Colonna), Papst 255 Martine, Guillaume 193 Martinel, Battista di 514 Masanotto (Masenot), Luigi 698, 702 Massa 1099 Mattei, Giulio di Pietro 550 Matteo (Matheo) (Priester) 404f. Maximilian I., von Habsburg, röm.-dt. Kg., Ks. 275, 279, 282, 319, 329, 339, 416, 490f., 493, 495f., 505f., 510–514, 533, 540, 562, 593, 680, 683, 696f., 699, 703, 713, 723, 852, 864f., 873, 893, 895–897, 901f., 908, 927, 929, 961, 977–979, 981, 1010, 1066, 1087, 1096 Mazzini, Alessandra 823 Mecheln 699 Medici, Alamanno di Bernardo di Alamanno de’ 108 Medici, Alfonsina de’ → Orsini Medici, Amerigo de’ 988 Medici, Andrea d’Alamanno de’ (il Grasso) 79, 231, 482–484, 518, 592, 611, 779, 805, 821, 967, 997 Medici, Andrea di Bernardo de’ (il Butta) 365f., 368, 389, 438, 441f., 804f. Medici, Antonio di Giuliano di Giovenco de’ 669, 805 Medici, Averardo di Bernardo di Antonio de’ 343f., 805 Medici, Bank- und Handelshaus 30, 39, 59, 76, 81, 88–90, 95–97, 101, 103, 106, 108, 123, 125–127, 129, 131, 133, 141f., 144, 150, 163, 165, 183, 185, 199, 203–205, 207, 214, 219f., 223, 245, 247f., 251f., 313, 338, 361, 364, 435, 444, 456, 552, 622, 632, 694, 710, 741, 743, 787f., 790, 820, 834, 965, 989–991, 1107f., 1114f., 1117f. Medici, Bernardo de’ 915 Medici, Bianca di Piero di Cosimo de’ 828 Medici, Camilla di Bernardo de’ 214

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Medici, Carlo di Cosimo di Giovanni de’ 724, 727, 785 Medici, Caterina di Lorenzo di Piero di Lorenzo, Kgn. von Frankreich 235, 251, 308, 407 Medici, Clarice → Orsini Medici, Clarice di Piero di Lorenzo 588, 802, 829, 848, 865, 871, 880, 883, 887, 963f., 971 Medici, Contessina di Lorenzo di Piero di Cosimo de’ 438, 971 Medici, Cosimo di Giovanni di Averardo de’ 14f., 59, 88, 91, 106–108, 124, 214, 223, 258f., 346, 355, 417, 437, 483, 724, 790, 810, 822, 826, 1108 Medici, Cosimo di Giovanni di Giovanni de’, Hg. (Großhg.) der Toskana 268, 827 Medici, Donato de’ 483 Medici, Fam., Haus 17, 21–25, 28, 30, 34f., 38, 40, 42, 46, 50, 56, 62, 74, 85, 87f., 90–93, 103, 107, 122, 152, 163, 167, 187, 200, 251–253, 256, 259, 263f., 290, 300, 307, 315, 317, 321, 323, 325, 345, 365, 373, 379, 394, 408, 419, 428, 432, 443, 463f., 521, 543, 580, 623, 688, 693, 716, 736, 740, 785, 788, 802, 810, 812, 817, 821, 834f., 838, 845, 849, 855, 869, 876, 878, 910, 919, 943, 950, 956, 963, 967, 972, 974, 977, 983, 993, 1002, 1008, 1013, 1035f., 1052, 1072, 1077, 1084, 1091, 1098, 1101, 1104, 1110, 1113 Medici, Francesco di Giuliano di Giovenco de’ 416, 668f., 804f. Medici, Galeotto de’ 821, 970 Medici, Giovanni di Lorenzo di Piero de’, Kard., Papst Leo X. 16, 19, 29, 39, 43, 59, 68, 70–77, 82–84, 86, 93, 135, 142, 147, 149–151, 158, 161f., 166f., 175, 178, 212, 221, 230–232, 239f., 243, 249–251, 278, 287, 289f., 298, 304f., 307f., 330–333, 337, 340, 342, 345–351, 354–357, 360, 365f., 373, 376, 380f., 384, 386f., 389f., 393–396, 400–408, 410f., 414–417, 419, 421–423, 425f., 429–432, 436f., 441, 443, 462–470, 474, 477, 479, 483f., 486–494, 502, 505– 507, 509, 515–517, 519, 521f., 525, 527– 530, 532–536, 538, 544, 548f., 553f., 556– 558, 564, 566, 568, 570, 572, 578, 580f., 585, 587, 590f., 593–595, 600, 623f., 631, 659f., 670f., 675, 688, 693f., 711, 714, 716–736, 738, 742–745, 747–750, 752, 754, 760, 768f., 773f., 778, 785, 791, 793f., 804, 810, 824f., 827–830, 833, 835, 838– 844, 847–852, 854f., 857, 861, 865, 869, 871, 873, 876, 879f., 883–891, 903–906, 908–917, 919–923, 925–953, 956–961,

1172

Register

964–966, 968–972, 974–976, 981–984, 986–991, 993, 995–997, 999–1005, 1008, 1010–1013, 1016–1034, 1037–1039, 1041– 1046, 1051–1058, 1060f., 1063–1076, 1078–1085, 1087, 1089–1100, 1103, 1109– 1111, 1115–1119 Medici, Giovanni di Averardo de’, al. Bicci 91 Medici, Giovanni di Giovanni di Pierfrancesco de’ (delle Bande Nere) 435, 805, 826f. Medici, Giovanni di Giuliano di Giovenco de’ 668 Medici, Giovanni di Pierfrancesco di Lorenzo de’ 22, 175f., 200, 426, 435, 438, 482, 534, 802–805, 826, 842, 1111 Medici, Giovenco di Giuliano di Giovenco de’ 668f., 805 Medici, Giuliano di Lorenzo di Piero de’ 16, 59, 68, 71f., 74f., 82–84, 93, 147, 150f., 158, 167, 231, 249, 251, 276, 333f., 337, 339, 342, 344–347, 351, 366, 384f., 389, 408, 410, 415f., 426, 433, 435, 441, 446, 453, 456, 459, 465–467, 477f., 480f., 483– 489, 500, 502, 507, 509f., 518f., 524, 527, 529–536, 543–545, 549f., 552–554, 556– 559, 562–566, 569f., 576, 582, 584, 596f., 623, 631, 694, 703, 716, 718f., 741, 825, 834, 852, 857, 870f., 880, 885, 888, 894, 913, 919–921, 927, 932, 960, 962f., 966– 968, 970f., 976, 981, 983f., 999, 1001, 1003f., 1012f., 1016, 1052, 1054, 1058, 1060–1062, 1065, 1069f., 1072, 1082, 1084–1090, 1092–1097, 1099f., 1102f., 1110 Medici, Giuliano di Piero di Cosimo de’ 17, 92, 107, 124, 263, 346, 437, 891 Medici, Giulio di Giuliano di Piero de’, Kard., Papst Clemens VII. 58f., 135, 187, 251, 333f., 337, 386, 462, 492, 547, 567, 572, 582, 587, 593, 623, 672, 693, 807, 851, 871, 887, 908–910, 915–918, 920–926, 928, 933f., 938f., 950, 952, 954, 956, 958f., 961, 966, 968–970, 973, 979, 986, 996, 1000f., 1006, 1012f., 1015, 1043f., 1046, 1060f., 1069–1071, 1073, 1088–1094, 1097f., 1101, 1103, 1107, 1112 Medici, Guido de’ 988 Medici, Ippolito di Giuliano di Lorenzo de’ 871, 920 Medici, Laudomia di Lorenzo di Pierfrancesco de’ 825 Medici, Lorenzo di Piero di Cosimo de’ (il Magnifico) 14–21, 23, 25–27, 34, 38–42, 46f., 57–59, 63f., 66, 71, 75, 78f., 88–107, 109–111, 114–130, 133–135, 141–146, 148, 150–153, 155f., 158, 161–164, 166–

168, 171, 173–175, 177f., 183–186, 198, 208, 211, 215f., 219f., 223f., 226, 229–232, 234, 240, 243, 246, 249, 251, 256, 259– 265, 268, 274, 287, 290f., 293, 300, 305– 310, 312, 314, 332f., 338, 342, 344, 346, 353, 361, 363f., 367, 371–376, 384, 390, 393, 406, 408, 434, 483f., 498, 532, 548, 580, 587, 591, 620, 622, 624, 652, 654, 660, 688, 716, 720, 725, 729, 741, 746, 758, 786, 789f., 792, 798f., 806–808, 813, 815, 817–819, 822, 828, 834, 838, 856, 859, 886, 891, 913, 919, 921, 959, 971f., 974f., 978, 985, 991, 995, 999, 1006, 1012, 1072, 1084, 1098, 1101, 1104f., 1113f., 1119f. Medici, Lorenzo (Lorenzino) di Pierfrancesco di Lorenzo de’ 24, 32f., 49, 79, 175f., 435, 438, 445, 481, 533f., 538, 542f., 802–805, 825–827, 842, 1111 Medici, Lorenzo di Piero di Lorenzo de’, Hg. von Urbino 71f., 76, 84, 197, 231, 337, 345, 407, 410, 467, 486, 519, 588, 754, 821, 850, 857f., 888f., 915, 919, 921, 923, 970, 976, 981f., 999f., 1051, 1065, 1088, 1093–1095, 1098, 1102–1104 Medici, Lucrezia di Lorenzo di Piero de’ → Salviati, Lucrezia Medici, Luisa di Lorenzo di Piero di Cosimo de’ 306 Medici, Maddalena di Lorenzo di Piero di Cosimo de’ 18, 145, 306–308 Medici, Maria di Piero di Cosimo de’ 243, 1098 Medici, Marietta di Giovanni di Antonio di Giovenco de’ 106 Medici, Ottaviano di Lorenzo di Bernadetto de’ 668, 831 Medici, Paolo de’ 997 Medici, Pierfrancesco di Lorenzo di Giovanni de’ 438, 826 Medici, Pierfrancesco di Lorenzo di Pierfrancesco de’ 435, 962f., 825, 827 Medici, Piero di Lorenzo di Piero de’ 13, 15– 35, 37, 40–45, 47–59, 61–72, 74–84, 86, 93, 103–105, 109, 112, 122f., 126–128, 133–136, 138, 140, 142, 144, 147f., 150– 154, 158, 160–164, 166f., 171–176, 178, 180, 182–184, 187–191, 202, 206, 211f., 215, 217, 219–221, 226, 228–235, 238– 240, 243, 246, 249–251, 254, 256, 259, 262, 282, 285–287, 299–307, 309, 312– 314, 317f., 321, 323f., 326–331, 333–349, 351–355, 357–361, 364–366, 372f., 376– 378, 384–386, 389f., 393, 395f., 398f., 401–438, 441f., 445–447, 449f., 452f., 459,

Register

461–467, 470, 474–492, 494, 497, 500, 502, 506–509, 517–522, 524–530, 532– 537, 539, 545, 547–549, 553f., 557–559, 568, 571–574, 578, 580f., 584–587, 590f., 594, 598, 601, 605, 615, 619, 621, 624, 627, 631, 636, 650, 657, 659, 671, 688, 690, 693f., 700, 711f., 716–720, 722–726, 728–731, 746f., 752, 761f., 779, 783, 785, 798f., 801f., 804f., 809f., 816, 818, 821, 823–826, 828f., 839, 842, 847–849, 851, 855–858, 865, 880, 913, 926, 936, 964, 973, 975, 993, 999, 1032, 1052, 1054, 1091, 1099, 1101, 1109–1111, 1113, 1115, 1118–1120 Medici, Piero di Cosimo di Giovanni de’ 14f., 93, 107f., 142, 152, 214, 243, 259f., 263, 810 Medici, Raffaello di Francesco di Giuliano di Giovenco de’ 416, 646, 651, 668f., 680, 685, 805 Medici, Smeralda di Alamanno di Bernardo de’ 834 Medici, Valenza de’ 823 Medici, Zanobi de’ 667 Medina del Campo 651f. Melfi, Hgtm. 272, 1058 Mellini, Antonio 189 Melun (Meledun) 512, 514, 525f. Memmingen 642 Menaggiere, Guillaume 193 Meran 490, 506 Mercato Sanseverino 252f. Messina 685 Mezzana 786 Michael, Erzengel, Hl., Michaelsorden 278, 284, 286, 299, 319, 393, 495, 497, 499, 508, 530, 583, 589, 593, 753f., 830, 852, 855f., 932, 940, 954, 1058–1060, 1082, 1088 Michelangelo (Buonarroti) 75, 908, 947f. Micheli, Bonaventura di Niccolò 654f., 791, 796 Micheli, Fam., Bankhaus 760 Micheli, Niccolò 160, 165, 170 Michelozzi, Lorenzo di Niccolò 668 Michelozzi, Niccolò 35, 57f., 73, 101f., 106, 114, 116, 119, 129, 136, 182, 185, 196– 203, 225, 228, 231, 342, 363, 394, 416, 443, 469, 656f., 668, 684, 795, 812f., 817, 819, 886, 970, 976, 995, 1005, 1009–1013, 1031, 1055, 1065, 1070, 1119 Milanensibus, Baldassare de 744f. Milanensibus, Riccardus de 744f. Milanesi, Biagio 1044 Mileto, Gft. 253, 270, 272, 309

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Minerbetti, Francesco 959, 964 Minerbetti, Tommaso 441 Minerbetti, Ugolino 127 Miniati, Antonio di Jacopo di Giovanni 240f. Miniati, Antonio di Lorenzo di Miniato 240f. Miniato Dini, Antonio di Bernardo di 35, 73, 76–78, 99, 118f., 147, 240f., 623, 652f., 668, 711 Miniato Dini, Bernardo di Antonio di Bernardo di 241, 711 Minturno 586 Miolans, Jacques de 25, 43, 51, 55 Miolans, Louis de 739, 1072 Miramondo (Korsar) 672 Modena 51, 196, 498, 885, 940, 952–954, 1096 Modesti, Jacopo 950 Modigliana (Mutiliane) 347, 478 Molise, Gft. 257 Moncalieri 712, 861 Mondello, Ludovico 294, 360, 427 Monferrat, Mgf. → Wilhelm XI.; Mgft. 41, 54, 281, 497, 557, 867, 895 Monferrat → Bianca von M. Monreale 417, 465, 469 Mont Cenis 182, 455, 497, 713 Montalone 479 Montcellier 712 Monte Alto, Rogerius de 751 Monte Catini, Tommaso da 172 Monte Choluoli 482 Monte Paldi 369 Monte Varchi, Giovanni da 858 Montecassino, Abtei, Rocca, San Germano 305, 307f., 327, 357, 414, 422, 548f., 557, 585–587, 720–724, 728f. Montecuccoli 407, 725 Montefeltro, Antonio di Gentile da 498 Montefeltro, Giovanna da 577 Montefeltro, Guidobaldo da, Hg. von Urbino 330, 354, 395, 398–400, 410f., 480f., 574, 871 Montefiascone 877 Monteghonzi, Antonio di Giovanni da 424 Montegonzi, Coppo da 424, 430 Montepulciano 399, 544, 592, 911 Montepulciano, Agnolo da → Poliziano Monterano 20, 312 Monterotondo 256, 260, 484 Monticelli 460 Montignosi 1099 Montluel 33, 179–181, 236f. Montorio al Vomano 270f. Montpellier 109, 111–113, 131, 173, 175, 177, 241, 444, 604, 606, 617f., 633f., 640, 651,

1174

Register

654, 658, 675, 678, 756, 776, 779, 801, 1048, 1117 – Bartolini-Bank → Bottegari-Bank – Bottegari-Bank 121, 125, 144, 164, 175, 241, 249, 444, 633, 636, 640, 646f., 994, 1115 – Spinelli-Bank 111, 113, 144 Montpensier, Gft. 700 Montpensier, Gilbert de Bourbon 392 Montughi 69, 388, 440 Morelli, Agnolo 988 Morelli, Bernardo di Girolamo di Matteo 159, 975 Morelli, Fam. 161, 619 Morelli, Francesco di Jacopo 627 Morelli, Giovanni di Jacopo 161, 196 Morelli, Girolamo 42, 161, 265, 972 Morelli, Jacopo di Francesco di Jacopo 627 Morelli, Jacopo di Giovanni 108 Morelli, Jacopo di Ludovico 197, 889 Morelli, Lorenzo di Matteo di Morello 119f., 161, 194, 197, 225, 337, 348, 817, 823, 888f., 959, 969, 974f., 1062f. Morelli, Ludovico di Jacopo di Giovanni 161, 196f., 342, 795, 976 Morelli, Niccolò di Girolamo di Matteo 159– 161, 222, 790, 975 Morillo, Gregorio 674 Morimondo, Abtei 43, 287, 515, 613, 729–732, 734, 748, 767–770, 772f., 775, 876, 879, 903, 905, 935f., 942, 1017, 1019, 1021, 1023–1029, 1055–1057, 1070 Moro, il → Sforza, Ludovico Morone, Gianpiero 773, 906, 930, 942f., 1018f., 1027 Mortory, Monault de 776, 778 Morulla, Antonio 1088 Moses 353, 947 Moulins 139, 187, 275f., 444 Mugello 197, 202, 407, 435, 477f., 534, 592, 957 Mugello, Pierone di Bartolomeo di 74 Murano 484, 486, 519 Musacchio (Offizier) 501 Musino da Fontanala, Bernardino 773 Muzano, Ambrogio di Daniele da 772f. Muzano, Daniele di Daniele da 772f. Naldini, Domenico di Domenico di Francesco di Domenico 642 Naldini, Domenico di (Pier)Giovanni di Francesco di Domenico 642–644, 661, 776, 796, 1006 Naldini, Francesco di Domenico di Francesco di Domenico 124, 131, 167–173, 182, 192, 230, 239, 242, 244, 331f., 338, 341–343,

365f., 368, 382, 384f., 391, 433f., 436, 442, 445–460, 463, 523, 556, 568, 618, 622f., 627, 630–643, 648, 651, 654f., 660–663, 671–673, 681, 687f., 690, 711, 714, 755f., 776, 781–783, 788, 790–792, 796–798, 800f., 808, 820f., 976, 992, 997f., 1000, 1006–1008, 1065f., 1079, 1082, 1085, 1088f., 1094, 1097f., 1110f., 1113, 1118, 1120 Naldini, Naldino di Francesco 368 Nancy 274 Nantes 515 – Kathedrale 139 Napoli, Giovanni da 337 Narbonne, Ebtm. 213, 293–297, 302, 304, 593, 654, 661, 756, 761, 863 Nardi, Giovanni di Pagholo 172, 790 Narni 344–346 Narni, Bernardo da 920 Narni, Francesco da 426, 568–570, 575, 598 Nasi, Alessandro di Francesco di Lutozzo di Jacopo 115f., 152, 179, 813, 815 Nasi, Bartolomea 434 Nasi, Bartolomeo di Lutozzo di Jacopo 48, 115, 138, 179, 237, 669, 998 Nasi, Bernardo di Bartolomeo 48, 115f., 138, 179, 237, 538f., 813, 815, 998 Nasi, Fam. 437, 816 Nasi, Filippo 658, 998 Nasi, Francesco di Lutozzo di Jacopo 115, 125, 152f., 223, 669 Nasi, Giovanni di Jacopo di Lutozzo 669 Nasi, Lutozzo di Battista di Giovanni di Jacopo 668f. Nasi, Lutozzo di Jacopo di Lutozzo 669 Nasi, Pietro 580 Navarra, Katharina von 473 Navarra, Kgr. 697, 861 Navarro, Pedro 940 Neapel, Kgr. (Regno di Napoli), Stadt 13–15, 18f., 21, 23–25, 28, 32f., 37, 44–47, 49–53, 55f., 58, 62, 66f., 69, 84, 129, 135f., 139f., 151–154, 161f., 173, 177, 180, 189, 215, 252–254, 258–262, 266, 268–276, 278f., 283, 285, 291, 296, 304–314, 316f., 321, 324, 326–332, 335, 346, 349, 356, 391– 393, 395, 400, 411, 424, 468, 472f., 490, 497–499, 520–522, 524f., 535, 540–542, 557, 562, 566, 574f., 582, 584–589, 592, 594–596, 598f., 602, 650–652, 655f., 669, 672, 687f., 697, 700f., 703, 707, 709, 721, 737, 780, 790, 795, 827, 829–831, 847, 850f., 863, 919, 924, 937f., 954, 968, 972, 977, 992, 1039, 1058f., 1096, 1113 – Castel Nuovo 271f., 314

Register

– Davanzati-Ges. 688, 1120 – Egidi-Bank 686f. – Egidi-Davanzati-Bank 687f., 1120 – Ginori-Bank 189 – Kastell dell’Uovo 393 – Medici-Bank 42, 96, 115, 125, 127, 143f., 151–154, 158, 175, 178, 215–217, 223, 228, 230, 234, 241, 248, 313, 424f., 449, 462, 721, 743, 759, 790, 975, 992–994, 1115, 1119 – Nasi-Bank → Medici-Bank – Salviati-Davanzati-Bank 228, 651, 687f., 812, 819, 980, 1120 – Tornabuoni-Bank → Medici-Bank Nemi 500 Nemours, Hgtm. 703, 754, 940 Nepi 326, 373, 596, 599 Nerettis, Bernardo de 858 Nerli, Alessandro de’ 171, 1034 Nerli, Bartolomeo de’ 131 Nerli, Benedetto di Tanai de’ 35, 147, 149, 194, 225, 533, 542–544, 548, 801f., 837 Nerli, Fam., Bankhaus 120, 131, 369, 437, 537 Nerli, Filippo 809, 978 Nerli, Francesco de’ 149, 194, 802 Nerli, Jacopo di Tanai de’ 65, 69, 148, 161, 206, 362, 368, 372, 533, 538, 823 Nerli, Piero de’ 194, 802 Nerli, Tanai de’ 65, 67, 161 Neroni, Alessandro 988 Neuenburg/Neuchâtel, Gft. 707 Niccolini, Agnolo (Angelo) di Otto 24, 43, 77– 79, 134, 286f., 299, 357, 415, 746, 818, 973 Niccolini, Francesco di Otto 65, 357 Niccolini, Giovanni di Lapo 533 Niccolini, Manno 63 Niccolini, Otto 214 Nicolini, Giovanni 843 Niederlande 679f., 683f., 699, 776 Nikolaus V. (Tommaso Parentucelli), Papst 931 Nizza, Gft. 692, 707 Nobili, Andrea de’ 442 Nobili, Antonio de’ 407 Nobili, Antonio de’ (il Moro) 407 Nobili, Leonardo di Antonio de’ 407, 483, 725 Nobili, Niccolò di Ruberto de’ 377 Nola 327 Normandie, Hgtm. 293, 656, 679, 691, 715 Normanni, Giovanni 778f. Novara, Btm., Stadt 296, 495, 503, 738, 754, 767–770, 851, 903, 905, 1018f., 1023, 1027, 1071 Nürnberg 193, 654, 684f.

1175

Olia, Giuliano d’ 674 Oliverotto (Diener von Gaspare Sanseverino) 481 Oloron, Btm. 345 Orlandini, Bartolomeo 214 Orlandini, Giuliano di Piero 160, 330 Orléans → Ludwig XII. Orléans (Orliens), Btm., Stadt 275, 492, 515, 553, 777, 877 Orléans, François (II) d’, Hg. von Longueville 861, 864 Orléans, Haus 36, 863 Orléans, Johanna von 36 Orléans-Longueville, Louis d’, Marquis de Rothelin 707f., 860, 864 Ornor, Peter 193 Orsini d’Alviano, Bartolomea 393 Orsini de’ Medici, Alfonsina 16, 18, 24, 59, 69, 71, 81f., 84, 235, 251, 254, 256, 259, 305– 308, 310, 318, 328, 331–333, 338f., 343, 345, 347f., 366–368, 375, 377–379, 382, 387f., 407, 410, 413, 430–435, 490, 519, 557, 582, 588, 623, 649, 671, 786, 808, 810, 833, 855–857, 859, 865, 884, 886, 919–921, 926, 934, 993, 1001, 1093–1095, 1100f., 1103f., 1111, 1116 Orsini, Aurante (Orante) 263, 498 Orsini, Carlo di Giovanni Antonio 255 Orsini, Carlo di Gentil Virginio 325f., 328, 335, 342, 393, 397, 422, 460–462, 474, 476f., 479f., 485, 502, 507, 524, 541, 549, 556, 559, 563–566, 568, 576, 578, 582 Orsini de’ Medici, Clarice 16, 18, 69, 256, 259f., 262f., 305f., Orsini, Fabio di Paolo 584, 589 Orsini, Fam., Haus 18f., 22f., 79, 84–87, 90, 215, 251, 253, 255–257, 260, 263, 266, 273, 308, 315f., 321, 327–329, 336, 344, 356, 391–394, 396, 398–402, 406, 408, 411, 413, 418, 422, 449, 463f., 467, 472– 475, 479f., 482, 484, 494, 518, 520–522, 525f., 528f., 535, 537, 546, 552, 554, 566, 570–572, 574f., 577f., 580–585, 589, 591, 597, 600, 671, 698, 717, 816, 823f., 830, 839, 848–850, 855, 870, 932f., 954, 1084, 1113 Orsini (di Monterotondo), Jacopo 256 Orsini, Felice → Della Rovere Orsini Orsini, Francesca di Orso 256f. Orsini, Francesco, Hg. von Gravina 393, 461, 576–578, 580f. Orsini, Franciotto di Organtino 342, 345, 460, 484, 562, 576 Orsini, Gentil Virginio → Orsini, Virginio

1176

Register

Orsini, Giambattista, Kard. 418, 460, 466, 468, 506, 524f., 535f., 548, 550f., 554, 556, 558, 566, 571, 575f., 578, 581, 583, 591, 596f., 627, 709, 810 Orsini, Gianbattista di Gentil Virginio 578 Orsini, Giangaetano, Papst Nikolaus III. 255 Orsini, Giangiordano di Gentil Virginio 257, 312, 316, 326, 349, 393, 398f., 411, 413f., 460f., 465–467, 473f., 518–522, 524f., 531, 540f., 553, 557, 559, 563, 578, 582–584, 588f., 594, 599, 653, 659, 698, 804, 851, 854–857, 860, 870–873, 894, 916, 932, 1058f., 1066, 1110 Orsini, Gianpaolo 549 Orsini, Giovanni 75 Orsini, Giovanni Antonio (Giovannantonio), Fs. von Taranto 255, 259, 266f., 311 Orsini, Giulio 344, 393, 410, 460, 537, 582, 594, 870 Orsini, Ippolita di Napoleone 257 Orsini, Jacopo 255 Orsini, Latino di Carlo di Giovanni Antonio; Kard. 69, 256 Orsini, Ludovico 344, 589 Orsini, Maddalena di Carlo di Giovanni Antonio 18, 69, 256 Orsini, Matteo Rosso 255 Orsini, Napoleone (I.) 255 Orsini, Napoleone (II.) 255 Orsini, Napoleone di Carlo di Giovanni Antonio, Gf. von Tagliacozzo-Albe 18, 255– 257, 259f., 266, 304f., 311 Orsini, Niccolò, Gf. von Pitigliano 200, 326f., 329f., 332, 337, 476, 551, 584, 870 Orsini, Orsino 407 Orsini, Orso (Organtino) 260 Orsini, Paola di Giacomo 255 Orsini, Paolo di Latino, Marchese di Atripalda 24, 69, 71, 74, 251, 256, 327, 329, 342, 344, 346, 349, 378, 393, 398f., 411, 413f., 460, 466f., 476f., 481, 486, 529, 535, 537, 568, 576–581, 584 Orsini, Renzo 852 Orsini, Rinaldo 578, 827f. Orsini, Roberto di Carlo di Giovanni Antonio, Gf. von Tagliacozzo-Albe 18, 69, 252, 254–256, 259f., 266f., 304f., 310f., 313 Orsini, Roberto di Paolo 916, 932f., 937 Orsini, Virginio (Gentil Virginio) di Napoleone di Carlo 18–24, 53, 68, 84, 158, 208, 212, 251, 255–257, 303–307, 311–317, 320– 330, 332, 335, 339f., 342, 344, 346–350, 353, 356–358, 378, 391–396, 413f., 433, 460f., 464f., 467, 473, 476, 509, 553, 586, 729, 855f., 1111, 1113

Orvieto, Btm., Stadt 330, 335, 434, 846, 1061 Orvieto, Pepo da 566, 568–570 Osmanisches Reich 680 Ostia 318, 413, 866 Osto, Sebastiano 514 Ostuni 308 Otranto 276 Ovenne, Johannes 751 Padua 274, 474, 869 Padula, Mgft. 968 Paganelli, Gherardo 189 Paganelli, Ginevra 972 Paganotti, Benedetto 1021 Pagnano, Carlo 773 Pagni, Cristofano 677, 679, 681 Palermo 651f., 792, 794 Palestrina 322 Pallavicini, Antonio Maria 559 Pallavicini, Antoniotto, Kard. 296, 304, 722f., 791, 863 Pallavicini, Galeazzo 594 Palmieri, Guglielmo 771 Palo 354 Palombara 472, 475 Pamiers, Btm. 742 Panciatichi, Andrea di Gualtieri 176 Panciatichi, Antonia 214 Panciatichi, Bartolomeo di Francesco 188, 214, 641, 646, 822, 982f., 1040, 1049–1051 Panciatichi, Carlo di Giuliano 214, 889, 923 Panciatichi, Fam. 580, 822, 830 Panciatichi, Francesco di Piero 214, 1050 Panciatichi, Gabriello di Bartolomeo 822 Panciatichi, Giovanni di Bartolomeo 822 Panciatichi, Giuliano di Piero di Gabriello 155, 170, 172, 207, 210, 214, 230, 449, 625f., 637, 746, 787, 811, 1050 Panciatichi, Lucrezia 214 Panciatichi, Pierfrancesco 175, 659 Panciatichi, Piero di Francesco 1051 Panciatichi, Piero di Giovanni 176 Panciatichi, Ridolfo 988 Panciatichi, Rosso 814 Pandino, Gft. 258 Pandolfini, Angelo di Pandolfo di Giannozzo 926 Pandolfini, Bartolomeo di Pandolfo 812 Pandolfini, Battista di Pandolfo di Giannozzo 80, 125, 152, 172, 204, 221–225, 228, 370, 804, 837, 926, 1101 Pandolfini, Costanza di Giovanni di Pandolfo 1102 Pandolfini, Domenico 68, 161

Register

Pandolfini, Fam. 818, 954, 974, 1101, 1103f., 1108 Pandolfini, Francesco 899, 901, 1087 Pandolfini, Francesco di Girolamo 225 Pandolfini, Giannozzo (d. Ä.) 223 Pandolfini, Giannozzo di Pandolfo di Giannozzo 223, 804, 848, 925f., 988, 1044, 1101 Pandolfini, Giovanni 368 Pandolfini, Giovanni di Pandolfo di Giannozzo 926, 1101 Pandolfini, Giovanni di Pierfilippo di Giannozzo 624, 626–630, 650f., 687, 710, 751, 754–760, 780–784, 786, 788, 792– 794, 820, 832, 835, 842, 858, 904, 907, 919, 992–994, 1002, 1013f., 1043–1047, 1110 Pandolfini, Jacopo di Giannozzo 70, 481 Pandolfini, Niccolò di Giannozzo 79, 724, 910, 926, 954, 966, 970 Pandolfini, Pandolfo di Giannozzo 79, 812, 926 Pandolfini, Pierfilippo di Giannozzo 26f., 78f., 102, 116, 281, 311, 341f., 352, 401, 469, 630, 812, 818, 926, 972f. Panzano, Alessandro di Luca da 108 Panzano, Fruosino di Andrea da 108 Panzano, Luca di Fruosino da 108, 115, 119, 646, 648, 658, 660, 674, 713, 998 Panzano, Matteo di Luca da 98, 646 Paola 278 Paola, Francesco di 29, 277–279, 314, 1068 Papi, Gherardo de’ 241 Papi, Giovanni de’ 241 Pappacoda, Vincenzo di Luigi 58, 135f. Paradiso, Bernardo di 377 Pardo, Matteo di 654 Parenti, Piero di Marco 33, 59, 74, 81, 321, 332, 338, 341, 482, 548, 798f., 809, 973 Parenti, Guglielmo 240 Paretes (Pares), Marco di 826f. Paris, Btm., Stadt 35, 44, 132–134, 141, 265, 276, 281, 291f., 445, 492, 516, 534, 563f., 617, 651, 679, 745, 753, 776–779, 852f., 878, 893, 1048, 1051 – Louvre 834 Parma, Btm., Stadt 53, 468, 495, 729, 731f., 740, 767f., 906, 931, 943, 1019, 1051, 1070f., 1096 – San Antonio 749 Parmigiano 1018 Passerini, Silvio 346, 557f., 671f., 935, 984, 988 Passignano, Abtei San Michele 59, 722, 730 Patrimonium Petri 162, 322, 433, 841f., 975, 1119

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Paul II. (Pietro Barbo), Papst 371, 404, 764 Paulus, Apostel, Hl. 1067f., 1083 Paumgartner, Hans d. Ä. 665 Paumgartner, Hans d. J. 641, 665 Pavia 53, 56, 491, 493, 506, 509, 565, 594, 754, 862, 879 Payevue, Abtei 744 Pazzi, Antonio de’ 396f., 399, 403, 417, 419, 421, 426, 436, 438, 462 Pazzi, Cosimo di Guglielmo de’ 344f., 436, 438, 445, 452, 485, 489, 491, 493, 506f., 572, 828f., 848, 865, 912, 960, 1012 Pazzi, Fam., Bankhaus 15, 17, 27, 42, 58, 89, 92, 94, 96f., 106, 117, 125, 148, 150, 153, 156, 256, 332, 362, 376, 379, 390, 437, 670, 828, 865, 891 Pazzi, Guglielmo de’ 441, 828 Pellegrino (Kurier) 55 Penni, Jacopo 946, 987 Pentolino (Diener Piero de’ Medicis) 336f. Pepi, Francesco 86f., 332, 476f., 479, 484f., 489f., 499, 501f., 507, 536, 538, 543–548, 550–554, 558, 577, 591, 597, 627–630, 782–786, 1111 Pera 172, 651, 663, 666f. – Carnesecchi-Ges. 646, 651, 663, 667 Perini, Domenico di Gherardo 194f., 368, 637f., 644–648, 652, 654, 667, 997 Perini, Lisbetta 645 Peroni, Giovanni (Giam) 240 Perpignan 114, 654 Perugia, Btm., Stadt 256, 330, 335, 342, 344, 359f., 418, 470, 486, 552, 560, 574, 576, 846, 853f., 863 Perugino 947 Peruzzi, Baldassare 380 Pesaro 524, 529, 657f., 666 Pescia 331f., 341 Pestrola, Antonio da 43, 286 Petrarca 334 Petrucci, Alfonso di Pandolfo, Kard. 907, 934, 1084, 1103 Petrucci, Antonello 269, 271f. Petrucci, Borghese 1102f. Petrucci, Fam. 360, 399, 480, 538, 553, 560, 574, 597, 839, 911, 954, 1110 Petrucci, Guaspare di Jacopo 231 Petrucci, Jacopo 175, 343, 415, 425, 436 Petrucci, Pandolfo 343, 405f., 415, 417f., 425, 429, 436, 475, 481, 554, 559, 566, 570– 572, 574–576, 581, 598, 849–851, 907, 934, 1102 Petrucci, Raffaele, Kard. 352, 359, 413, 462, 558, 849f., 1103 Petrus, Apostel, Hl. 72, 948, 1067f., 1083

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Register

Pfister, Johann (Hans) 664f. Phaquier, Stephan 1080f. Philibert le Beau, Hg. von Savoyen 689, 691– 697, 699–701 Philipp der Schöne, von Habsburg, Erzhg. von Österreich 556f., 697, 699–703, 737 Philippe (II) de Bresse, Gf., Hg. von Savoyen 27, 36–39, 41, 43–45, 49–56, 60–62, 75, 80f., 83, 130, 140, 144, 180, 244, 283, 286f., 298, 314, 335f., 434, 439f., 445, 456, 590, 688f., 692, 697, 699f., 703, 1072, 1087, 1091, 1110, 1113, 1115 Piacenza 41, 53, 56, 496, 768, 943, 1070f., 1096 Piccolomini, Francesco Todeschini, Kard., Papst Pius III. 371, 396f., 468, 516, 589f., 595, 600, 627, 727, 782–784, 786–788, 841, 985 Piedimonte San Germano 586 Piemont 50, 140, 274, 708, 714, 1086, 1100 Piermatteo (Prior des Hospitals Santa Maria del Bigallo, Florenz) 722 Pietrasanta 59–61, 103, 336, 392, 446, 526, 544, 746, 1099 Pieve del Cairo 944, 947f., 951, 954 Pieve Santo Stefano 481, 485 Pinocci, Filiziano 651, 680f., 683 Pio da Carpi, Emilia di Marco 498 Pio da Carpi, Fam. 464 Pio da Carpi, Gian Ludovico 498 Pio da Carpi, Gilberto di Marco 498 Pio da Carpi, Gi(ov)an Ludovico 263 Pio da Carpi, Marco 498 Pio da Carpi, Margherita di Gi(ov)an Ludovico 263, 498 Pio da Carpi, Margherita di Marco 498 Piombino 170, 319, 342, 447f., 463, 540, 549, 672, 852 Pirovano, Maffeo 289, 694 Pisa, Ebtm., Republik, Stadt 58f., 61, 67f., 73, 79, 83, 103, 132, 172–174, 176f., 236, 261f., 264f., 318, 332, 336, 340, 342, 346, 351, 354, 360, 363, 376f., 384, 391f., 401, 403, 410, 414, 423, 475f., 478f., 481, 501, 522f., 526–528, 534, 542–544, 552, 554, 560, 562, 565, 567f., 573, 577, 580, 592, 605, 639, 655, 663, 671, 685, 727f., 780, 789, 793–796, 800, 830, 835f., 838, 848– 852, 857, 879f., 893–897, 900, 912, 929, 972, 993, 1006, 1035, 1040, 1060 – Capponi-Bank 789 – Konzil (Pisanum) 846, 883, 892–897, 901f., 908–911, 915, 927, 929, 931f., 939, 941, 1068, 1073–1075, 1079–1081, 1084, 1087, 1116

– Medici-Bank 89, 96, 125, 129, 143, 166–168, 170f., 173–176, 198, 234, 241, 248, 333, 366, 384, 432, 446, 659, 804, 993, 1115 – Medici-Eisenges. (magona) 762 – Medici-Palast 67, 857 – Salviati-Bank 175, 655f., 900, 911, 1006 – San Marco 857 – Zitadelle 73 Pisci, Antonio di Lorenzo de’ 857 Pistoia, Btm., Stadt 79, 330, 344, 352, 477, 569, 578–580, 724, 779f., 822, 849, 910, 926, 958, 970, 972, 1005, 1050 – San Antonio 135 Pistoia, Sebastiano da 1075–1077 Pitigliano, Gft., Burg 200, 326f., 337, 342, 476, 870 Pitti, Francesco di Piero 250, 714 Pitti, Giuliano 663 Pitti, Jacopo 539, 815 Pitti, Lorenzo 1104 Pitti, Paolo 442 Pitti, Piero di Luca 441 Pius III. → Piccolomini, Francesco Todeschini Pivi, Antonio 189, 454, 618, 637, 671f. Pizzidimonte 786 Plastro, Antonio di 705f. Plessis-les-Tours 274, 277, 279 – Saint-Jean 277 – La Bergerie 279 Poggibonsi 461, 526, 572 Poggio a Caiano 58, 236, 673, 786f., 808, 832f., 858f. – Le Cascine (La Cascina) 236, 624, 649, 786f., 832, 858, 993 Poggio Imperiale 103 Poitiers 291 Pola, Btm. 954 Polignac, Jean de, Sgr. de Beaumont 487–489, 500, 517f., 522f., 693f. Poliziano, Angelo (Agnolo) 142, 264, 407, 724f., 950, 1101 Pompadour, Gouffroy de 561 Poncher, Etienne (de) 893 Poncher, Jean (de) 193 Poncher, Louis de 585, 650 Pont-d’Ain 244, 703 Ponte, Bartolomeo da, Gf. von Tagliacozzo 255 Ponte, Isabella di Bartolomeo da 255 Pontremoli 60f., 495 Ponzetto, Fernando 945 Ponzoni, Fam. 504 Popoleschi, Giovanni di Bartolomeo 365 Poppi 478 Porapicilarghi 478 Portinari, Accerrito 106

Register

Portinari, Folco 106 Portinari, Manetto 607f. Portinari, Tommaso 34, 91, 852 Porto Ercole 1102 Portoneri, Libera 692 Portovenere 792, 794 Portugal 171, 663, 744 Porzio, Camillo 268, 270 Pottieri, Niccolò 771 Pozzo Bonello, Domenico da 773 Prato 171, 235f., 352, 649, 722, 786, 859, 886, 919, 950f., 957–964, 977, 984, 997, 1117 – Santo Stefano 724, 727 Prato, da → Buonfigliuoli Prato, Genesius de 1044 Prato, Giovanni di Domenico da 591, 846 Prato, Gismondo da 1044 Prato, Niccolò da 591 Pratovecchio → Guidi da P. Pratovecchio 478 Premenugo, Angela di Mangiolo 132 Prie, René de, Kard. 854, 862f., 875, 878f., 901, 930, 1068 Principato 257 Probo d’Atri, Jacopo 297 Procaccio (Kurier) 629 Provence, Gft. 13, 114, 265, 276, 293, 675, 678f., 682f., 697, 707, 750, 1033, 1035, 1038, 1040, 1069 Pucci, Alessandro di Antonio di Puccio 115, 345, 406f., 523, 746, 814, 832f., 967 Pucci, Antonio di Puccio 59, 746, 834, 972 Pucci, Benintendo di Francesco 406, 572 Pucci, Bernardo 646 Pucci, Fam. 59, 169, 746, 835, 850, 859, 967, 974, 1108, 1114, 1118 Pucci, Francesco di Giovanni 231 Pucci, Giannozzo di Antonio di Puccio 58f., 70, 76, 82, 135, 231, 345, 351, 406f., 415, 434f., 437f., 440, 746f., 809, 811, 813f., 821, 834 Pucci, Giovanni 59 Pucci, Jacopo 889, 923, 972 Pucci, Lorenzo di Antonio di Puccio, Kard. 59, 91, 345, 406–408, 746–751, 754, 757f., 793, 814, 831–835, 858, 876, 878, 907f., 912, 921, 926, 935, 955, 961, 966, 988f., 993, 999, 1015, 1020, 1022, 1037, 1040, 1052, 1073, 1079, 1097, 1107 Pucci, Marco 814 Pucci, Niccolò 167, 365, 407, 746 Pucci, Piero di Antonio di Puccio 407, 831f., 967 Pucci, Puccio 59

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Pucci, Puccio di Antonio di Puccio 21, 59, 78, 406f. Pucci, Puccio di Francesco 368, 406, 572 Pucci, Roberto di Antonio di Puccio 832 Puchier, Alessandro de 697f. Pulci, Luigi 262–264 Punciery, Jean de 193 Quartaro, Evangelista 318 Quinto 416 Raffael (Raffaello Santi) 72, 74, 924, 926, 947f., 951, 1082f., 1117 Raffael (Diener der Bracci) 656 Raffaello (Maler, dipintore) 667 Ragusa, Ebtm., Stadt 594, 654, 657f., 666, 961 Ramazzotto (Melchiorre) (Condottiere) 537, 967 Rangoni da Modena, Annibale, Gf. 954 Rangoni da Modena, Ercole, Gf. 954, 988 Rangoni, Fam. 871, 913 Rangoni, Gherardo, Gf. 560 Rangoni, Guido, Gf. 954 Rangoni, Ludovico di Niccolò 530, 952 Rangoni, Niccolò, Gf. 519, 524, 527, 530, 952 Ranieri → Tanini Rapolano 347, 433 Ravenna 347, 488, 597, 709, 714, 754, 861, 893, 904, 907, 909, 916, 937–940, 945– 947, 949, 952f., 957, 969, 987, 990, 1019, 1054, 1059, 1062, 1083, 1098, 1116 Reggio Emilia 931, 1096 Regno di Napoli → Neapel, Kgr. René I. von Anjou 253 René I., Hg. von Bar-Lothringen, Kg. von Neapel 13, 270, 291 René II., Hg. von Lothringen 265, 270, 274, 309 Rennes, Btm. 571, 585, 602 Riario, Girolamo 311 Riario, Raffaele, Kard. 468f., 595f., 766, 927 Ribera → Libera Ricamatore, Galieno di Michele 366, 368, 804 Ricamatore, Guglielmo di Michele 368 Ricamatore, Piero 592 Ricasoli, Antonio di Bettino (da) 343, 345, 427f., 449, 462, 586, 918–920 Ricasoli, Bindaccio (da) 967 Ricasoli, Cassandra di Angelo (da) 79 Ricasoli, Fam. 722 Ricasoli, Galeotto (da) 988 Ricasoli, Jacopo (da) 368 Ricasoli, Kastell 345 Ricasoli, Piergiovanni (da) 480f. Ricasoli, Piero di Ranieri (da) 345, 919

1180

Register

Ricasoli, Ranieri (Rinieri) di Andrea (da) 919, 921 Ricasoli, Simone di Ranieri di Andrea (da) 345, 677, 685, 687, 768, 917–921, 923, 994, 999, 1001, 1036f., 1046, 1119 Ricciardi, Antonio di Bertolo 211 Ricciardi, Riccardo 241 Riccier (Riccire) al. Chaion, Jacques 192 Riccier, Jean 193 Ridolfi, Bernardo 27 Ridolfi, Bernardo Schiatte (de’) 440 Ridolfi, Contessina 825, 963 Ridolfi, Fam. 954, 962 Ridolfi, Francesco di Leonardo 606 Ridolfi, Gi(ov)anbattista di Luigi di Lorenzo 54–56, 146, 336, 348, 351, 436, 438, 482, 486–491, 506f., 539, 813–817, 822, 828f., 880, 888, 955, 964, 967, 969–971, 973, 1062f. Ridolfi, Giovanbattista di Niccolò 54 Ridolfi, Gi(ov)anfrancesco 982 Ridolfi, Giuliano di Giorgio 144, 154, 424, 462, 975 Ridolfi, Leonardo di Bernardo 533 Ridolfi, Lorenzo 975 Ridolfi, Niccolò di Luigi 67f., 76, 78f., 415, 438, 440, 483, 592, 814f., 818, 821, 971, 973 Ridolfi, Piero di Niccolò di Luigi 438, 971, 982 Ridolfi, Ridolfo di Pagnozzo 148 Ridolfi, Rosso 424 Ridolfi, Vincenzo 483, 592, 815 Rigault, Giannot 755–759, 1079 Rimini 527, 529, 602, 853, 892, 933, 939 Ringhiadori, Leonardo di Francesco 154, 176, 223f., 658f., 888, 960 Ripafratta 523 Riva 506 Rivoire, Imbault 573f., 584 Robbiate (da Robbia), Gianantonio 773, 775 Robert Stuart, Sgr. d’Aubigny 283 Robert von Anjou, Kg. von Neapel 255 Robertet, Florimond 691f., 703 Robini, Maturinus 743 Roccangìtola, Baronie 253 Roccasecca 586 Rohan, Pierre de, Sgr. de Gié 507, 561, 612 Rohan, Seigneurie 507 Roland/Orlando 277 Rolant (Diener von René von Savoyen) 692 Rom, Stadt, Kurie 18–21, 23, 26, 38, 40, 46f., 58f., 84, 86f., 109, 115, 129, 141f., 144– 146, 149, 151, 154f., 161f., 173, 177, 185, 194, 203, 209, 220, 223, 237, 253, 256f., 260, 262, 271–273, 285, 288f., 295f., 298,

303, 306–309, 314f., 317–326, 328–332, 335f., 340, 344–347, 351f., 354, 359f., 364, 369–374, 376, 379, 381, 384, 387, 393– 397, 399–403, 405, 407f., 410–414, 416f., 419–427, 429f., 434, 436f., 439f., 443, 445, 448–451, 453, 458, 460–464, 466–468, 470, 472–477, 479, 483, 486, 488, 490, 499–502, 505, 513–516, 518–528, 530– 532, 534–537, 541, 543–545, 549f., 553f., 556, 558f., 562–568, 571f., 574, 577, 581f., 584–586, 589–591, 593f., 596–600, 602, 611–617, 619, 624f., 627–631, 634, 637, 641, 650–653, 655f., 659, 661f., 666, 671, 673f., 677, 679–681, 683, 685, 687f., 697, 706, 708–710, 714, 716–720, 723–725, 727, 729f., 732, 736f., 741, 743–745, 747, 750f., 753–762, 768, 774, 778, 781, 783– 786, 788, 791–794, 796, 810, 813, 823, 833f., 841, 846–848, 850, 852, 855, 858, 862, 865–868, 870, 872f., 875, 877f., 883, 885, 887, 894, 896, 901–904, 909, 915– 917, 919–921, 925–929, 931–934, 939, 941, 945f., 953f., 958f., 961–963, 966, 972, 975f., 978, 980–984, 986, 990, 992, 994– 996, 999f., 1002f., 1005, 1007–1010, 1012–1015, 1019–1022, 1025, 1029f., 1032, 1034–1038, 1041, 1044–1046, 1048f., 1051f., 1056–1062, 1064–1067, 1069–1080, 1082, 1085f., 1092, 1095f., 1100–1104, 1115, 1118 – Apostolischer Palast, Papstpalast, Vatikanpalast 397f., 411, 416, 426, 461, 465, 514, 532, 536, 573, 581, 584, 598, 600, 732, 847f., 987f., 1062, 1091f., 1097, 1100 – – Sixtinische Kapelle 468, 536, 947, 1117 – – Stanzen 1082 – Augustiner-Kirche 468, 731 – Bartolini-Bank → Medici-Bank – Bini-Bank 199, 833f., 921, 937, 996, 1040, 1119 – Borgherini-Bank 172, 650f., 745, 758, 783, 937, 1051, 1079 – Buonvisi-Bank 629f., 650f., 754f., 782f., 788, 792f., 992 – Campidoglio 988 – Campo dei Fiori 419, 464, 468, 578, 594, 855, 933 – – Orsini-/Medici-Palast 20, 355, 394–396, 425, 430, 464–466, 468, 594f., 599, 716, 730, 855, 916, 922 – Canale di Ponte 404 – Cancelleria (Palazzo Riario) 468f. – Chigi-(Erben-)Bank 245, 551, 558, 639, 652, 670, 676f., 1031, 1034 – Chigi-Villa (Farnesina) 682

Register

– Engelsbrücke 355, 379, 396, 404, 578, 584 – Engelsburg 578, 826, 874f., 928, 933, 1103 – Fugger-Bank 660, 989 – Gaddi-Bank 115, 131, 172, 189, 1079 – Ghinucci-Bank 451f., 456, 783 – Hl. Lazarus (Kirche, Lazarett) – Kolosseum 1083 – La Cisterna 402 – Largo Tassoni 945 – Lateran 945, 1083 – – Konzil (V.) 892, 897, 902, 909, 1055, 1060, 1070, 1080 – – Palast 987f. – Medici-Bank 20, 26, 40, 42, 86f., 92, 96–98, 114f., 117, 125, 130f., 138, 141, 143–145, 147, 150–158, 160–162, 165f., 168, 175, 179, 189, 194, 205, 207–213, 215–219, 223, 230–232, 234f., 238, 248f., 257, 287, 301–304, 309, 313, 352f., 355, 357, 361f., 364f., 367–370, 373–375, 378, 381, 383f., 386f., 391, 394f., 401–405, 408f., 416, 424, 429, 448f., 659, 669f., 743, 745, 759, 762, 781f., 785, 787, 805, 826, 841, 919, 925, 985, 988, 993–995, 1115, 1118f. – Medici-Palast → Campo dei Fiori, Palazzo Madama – Monte Celio 1083 – Monte Giordano 355, 578, 581, 584 – – Orsini-Palast(komplex) 355, 379, 466f., 578 – Monte Mario 320, 531, 599 – Moscheroni-Bank 723 – Nerli-Bank 213, 301 – Niccolini-Bank 357 – Ospedale del Salvatore → Rom, San Giovanni in Laterano – Palazzo Borgia (Cancelleria [vecchia]) 924 – Palazzo Castell’Ottieri 467 – Palazzo dell’orologio 464 – Palazzo Madama 467, 850 – Palazzo Orsini → Campo dei Fiori, Monte Giordano – Palazzo Riario → Cancelleria – Palazzo Sforza (Cancelleria [vecchia]) 541, 595 – Panciatichi-Bank 155, 170, 172, 207, 210– 214, 452, 456, 625f., 628–630, 657, 780, 803, 808, 992 – Pandolfini-Bank 626–629, 651–653, 655, 687, 754, 756f., 759, 780, 783, 792–794, 803, 808, 842, 858f., 904, 937, 992, 996, 1002f., 1007, 1043, 1048, 1079, 1120 – Piazza di Parione 945, 947 – Piazza Navona 467, 578 – Piazza San Celso 404 – Pompeius-Theater 464

1181

– Ponte Milvio 516 – Porta (S. Maria) del Popolo 516, 536, 541 – Porta San Paulo 468 – Ricasoli-Bank 685–687, 833, 919f., 937, 996, 1039, 1046, 1077, 1119 – Ricasoli-Bardi-Bank 685, 921 – Ricasoli-Martelli-Bank 919 – Rione Monti 922 – Rione Ponte 845 – Rucellai-(Erben-)Bank 48, 115, 137–139, 189f., 670, 752, 803f., 827, 1079 – San Agata dei Goti 922, 996 – San Angelo in Macerello 945 – San Celso 404 – San Eustachio 467 – San Giovanni dei Fiorentini 919, 924, 946 – San Giovanni in Laterano 711, 987f., 1062 – – Baptisterium 845 – – Ospedale del Salvatore (Hospital) 774, 845 – San Girolamo degli Schiavoni 924 – San Luigi dei Francesci 467 – San Pietro in Vincula 766f. – Sankt Paul vor den Mauern 463 – Santa Croce 873, 930 – Santa Maria del Popolo 536, 924, 996 – Santa Maria in Traspontina 396 – Santa Maria sopra Minerva 396, 400, 402, 462, 484 – Santa Sabina 468 – Sauli-Bank 451, 456f., 783, 845, 985 – Spanische Treppe 277 – Spannocchi-(Erben-)Bank 419, 551, 558, 670, 985 – St. Peter 296, 600, 947, 1067 – Synagoge 421 – Tornabuoni-Bank → Medici-Bank – Torre di Nona 962 – Trinità dei Monti 277 – Verazzano-Bank 190 – Via Banco Santo Spirito 355, 404 – Via dei Banchi 355, 404, 419, 425, 469, 845, 994 – Via dei Banchi Nuovi 355, 945f. – Via dei Banchi Vecchi 945f. – Via dei Pontefici 355, 469, 845 – Via del Banco Santo Spirito 945 – Via del Governo Vecchio 945 – Via del Pellegrino/Peregrinorum 468, 946 – Via Florida 946 – Via Papalis 355, 469, 845, 946 – Via Pontificum 946 – Via Trionfale 531 – Villa Aldobrandini 923 – Welser-Vöhlin-Faktorei 662–664 – Zecca 945

1182

Register

Roma, Francesco di 131, 135 Roma, Gianbattista da 773 Romagna 52, 333, 415, 477, 527–530, 536f., 539, 549, 554, 569, 574, 599, 675, 734, 869, 871, 902f., 907f., 915, 917, 920, 925f., 928–933, 937, 941, 943, 945, 952, 983f., 996, 1019, 1024, 1043, 1055, 1069, 1098 Romagnan, Bonne 693 Romagnano, Romagnin de 692, 697 Romorantin 503 Ronciglione 599 Rondinelli, Piero 687 Rosato, Giovanni (Gian) Angelo 612f. Rosato, Silio di Mariotto di 342 Rossi (di Parma), Luigi de’ 772 Rossi di Parma, Bernardo 1085 Rossi, Bernard(in)o di Giovanni di Matteo de’ 42f., 48f., 52, 55, 130f., 140–142, 179f., 182, 191, 205, 241–248, 250, 286, 444f., 459, 556, 631–635, 637, 640, 645–649, 651, 653, 658, 676, 688–694, 697, 702f., 708–716, 761, 776, 796, 804, 811, 859, 861, 938, 1001, 1050, 1082, 1085f., 1088– 1095, 1097, 1099f., 1113 Rossi, de’, Fam. 772, 954 Rossi, Gabriello di Giovanni di Matteo de’ 243, 859, 1001 Rossi, Giovanni di Matteo di Giovanni de’ 241f., 247, 711, 811 Rossi, Lionetto di Benedetto di Antonio de’ 25, 91f., 109, 111, 125, 212, 234, 243, 1098f. Rossi, Ludovico di Lionetto de’ 212, 1099 Rossi, Luigi di Lionetto de’, Kard. 212, 231, 243, 435, 486, 492, 714, 716, 925f., 938– 940, 988, 997, 1089–1095, 1098–1101, 1111 Rossi, Maria de’ → Medici Rossi, Matteo di Giovanni (di Matteo?) de’ 241 Rossi, Piero di Giovanni di Matteo de’ 804 Rossi, Tommaso de’ 988 Rossie, Seigneurie 715 Rossi-Fraschi-Seidenges. 645 Rota 252 Rotallini (Rotellini), Fam. 762 Rothelin (Rötteln) → Orléans-Longueville, Hachberg-Sausenberg Rothelin (Rötteln), Mgft. 860, 864 Rötteln, Burg 707 Rouen, Ebtm., Stadt 213, 293–297, 302, 317, 360, 427, 468, 471, 491f., 509, 515, 563, 614, 638, 651, 656, 674, 677, 679, 685, 761, 776f., 854, 959, 1034 Rousseau, Henrisse 695, 705 Roussillon 697 Rovellini, Giovannantonio 762

Rovereto (Rovere) 506, 514 Royer, Jean (II) 292 Rubino, Abramo di 236 Rucellai, Bernardo di Giovanni di Paolo 74, 80, 254, 272, 305–308, 428, 533, 538, 752, 825, 828f., 959, 966, 1062 Rucellai, Cosimo di Bernardo 79 Rucellai, Fam. 437, 865, 887f., 962 Rucellai, Giovanni di Bernardo di Giovanni 752, 829, 960, 964–966, 967f., 989 Rucellai, Jacopo 989 Rucellai, Lorenzo di Antonio 668 Rucellai, Palla di Bernardo di Giovanni 752, 829 Rucellai, Pandolfo 67 Rucellai, Paolo 752 Rucellai, Paolo (Pagholo) di Vanni 48, 115, 137, 670, 803f. Rucellai, Simone 858 Rucellai, Zanobi 651, 656, 679, 777 Rudolf, Fs. von Anhalt-Bernburg 1059 Ruffo, Giozzolina 309 Rustichi, Battista 172f. Rustichi, Zanobi 1003 Sabbioneta, Hgtm. 506 Sacchetti, Filippo 65 Sacchis (Sacchi), Johannes de (Giovanni) 594f. Saintes, Btm. 1081 Salerno, Ftm. 24, 252f., 262, 266–270, 275f., 280f., 461, 855 Saliceto, Bartolomeo da 464, 473 Salomon 423 Salterelli, Jacopo 409 Saluzzo, Mgf. → Ludwig II.; Mgft. 281, 497, 1058 Salvago (Salvacho), Bernardo 614 Salvatico, Stefano 1023 Salvazo, Alessandro 513 Salvestro di Dino → Guardi Salvestro di Salvestro di Aghostino → Agostini, Silvestro Salviati, Alamanno di Averardo di Alamanno 130, 174f., 186, 190, 203f., 225, 227–229, 240f., 415, 459, 482, 507, 538f., 604f., 607, 623, 639–641, 644, 655, 662, 671, 680, 779f., 784, 788f., 791, 794–797, 801, 803– 808, 811–813, 816–825, 827, 829–838, 849, 856, 971, 974f., 992, 997f., 1002, 1006, 1050, 1089, 1099, 1101 Salviati, Alberto 651, 679, 777 Salviati, Averardo di Alamanno 204 Salviati, Averardo di Alamanno di Averardo 203f., 228, 607, 641, 651, 687, 972, 980, 1101, 1103–1105

Register

Salviati, Bernardo di Giannozzo 777f. Salviati, Cassandra di Alamanno 1101 Salviati, Caterina di Alamanno di Averardo 820, 825 Salviati, Cornelia di Averardo 971 Salviati, Fam., Bankhaus 90, 379, 432, 539, 552, 639, 651, 805, 808, 812, 816, 820, 823, 826–828, 835, 837, 848, 858f., 865, 880, 887, 900, 904, 954, 972–974, 993, 1016, 1098, 1104, 1108, 1114 Salviati, Francesca di Jacopo 831 Salviati, Francesco 825 Salviati, Giannozzo 208 Salviati, Giovanbattista 988 Salviati, Giovanni 823 Salviati, Giovanni di Jacopo, Kard. 1039f. Salviati, Giuliano 175, 342, 825 Salviati, Guglielmo 63 Salviati, Jacopo di Giovanni di Alamanno 78, 130, 146, 161f., 169, 174f., 186, 197, 203f., 227–229, 240f., 348, 363, 366, 368, 379, 382, 407, 415, 435, 441, 457–459, 482, 539, 579, 607, 623, 634, 639–641, 644, 652, 658, 660, 662, 668, 671, 680, 711, 777, 779–782, 788–791, 793–795, 801, 803–806, 808, 811, 813–822, 824–827, 829, 831–839, 852, 856, 884, 887f., 911, 955, 959–961, 963–967, 969–974, 976– 982, 989f., 997f., 1002f., 1006, 1008–1010, 1015f., 1020f., 1031, 1036, 1039–1042, 1050, 1052–1055, 1063–1065, 1070f., 1078, 1089, 1097–1099, 1101–1103, 1105, 1107, 1111, 1118 Salviati, Lorenzo 685 Salviati, Lorenzo di Jacopo 639 Salviati, Lorenzo di Lotto di Giovanni 539, 811, 823f. Salviati, Lotto di Giovanni 823 Salviati, Lotto di Salvi 823 Salviati, Lucrezia (de’ Medici) 350, 366, 368, 379–382, 386–389, 391, 435f., 440, 459, 519, 791, 817, 821, 825–829, 856f., 884, 887, 963, 971, 981, 1001, 1008, 1097, 1104f., 1118 Salviati, Marco (Marcuccio) di Bernardo di Marco 482, 484, 518, 522f., 592, 611, 779f., 814–817, 821f. Salviati, Maria di Alamanno 1101 Salviati, Maria di Jacopo 827 Salviati, Piero di Alamanno 791, 1101 Salviati, Roberto di Bernardo di Marco 814 Salvini da Siena, Antonio di Jacopo (Giacomo) 676 San Antonio → Florenz San Bernardo di Tuscia 734

1183

San Casciano 336, 592 San Casciano, Fra Sante da 810 San Donnino → Borgo San Donnino San Germano → Montecassino San Gimignano 339, 972 San Gimignano, Antonio da 206–210, 229f., 787 San Gimignano, Bartolomeo di Jacopo da 176 San Gineto, Baronie 253 San Giovanni Battista, Hl., Festtag 1102f. San Giovanni in Venere, Abtei 934, 936 San Lorenzo alle Grotte 317, 322, 328, 427, 460 San Lorenzo vecchio 322 San Marco, Hgtm. 253f., 278 San Miniato 58 San Miniato, Ludovico da 421, 430, 432 San Niccolò 350 San Piero 514 San Vincenzo 852 Sancto Petro, Arnaldus de 742 Sandricourt, Seigneurie 516 Sangallo, Antonio da 587 Sangallo, Francesco da 587 Sangrico (Sancrico), Benedetto 652, 655, 663, 665 Sannazaro, Jacopo 672 Sannazaro, Marcantonio 672 Sannazzaro 672 Sanseverino → Mercato Sanseverino Sanseverino, Alessandro di Roberto di Leonetto 258, 598–600, 734, 740, 748, 846, 901, 1061 Sanseverino, Amerigo di Guglielmo 314 Sanseverino, Amerigo di Luigi 258 Sanseverino, Amerigo, Gf. von Capaccio 252, 254, 267 Sanseverino, Annibale di Roberto di Leonetto 258 Sanseverino, Antonello di Roberto di Giovanni, Fs. von Salerno 24, 254, 268–282, 284– 286, 307, 309, 319, 461, 472 Sanseverino, Antonello di Amerigo 254 Sanseverino, Antonio Maria di Roberto di Leonetto 23, 258, 281, 350f., 426–428, 449, 462–464, 479, 497f., 502–504, 510f., 513, 593f., 596, 600, 614f., 861, 867 Sanseverino, Antonio, Gf. von Tricarico, Hg. von San Marco 252, 254 Sanseverino, Barnaba, Gf. von Lauria 270, 272 Sanseverino, Berardino, Fs. von Bisignano 1058f. Sanseverino, Bernabò di Luigi 258 Sanseverino, Bernardino 270

1184

Register

Sanseverino, Bernardino di Girolamo, Gf. von Chiaromonte 274f., 278–280 Sanseverino, Bertrando 257, 259 Sanseverino, Carlo di Luca di Antonio, Gf. von Mileto 253, 270, 272, 309 Sanseverino (Orsini), Caterina di Amerigo 71, 81f., 251f., 254, 256f., 259, 267, 269–272, 305f., 308–310, 313f., 316, 318, 333, 344, 366, 368, 375–379, 386, 391, 413, 422f., 433, 435, 582, 810, 821, 855–857, 1001, 1113 Sanseverino, Diana di Tommaso (V.) 253 Sanseverino, Eleonora di Roberto di Leonetto 504, 519 Sanseverino, Fam., Haus 14, 85, 134, 252–254, 256f., 263, 268, 271, 273, 284, 292, 307f., 314, 391f., 449, 494f., 497f., 504f., 508f., 520f., 694, 703, 772, 830, 863, 953, 1113 Sanseverino, Federico di Roberto di Leonetto, Kard. 22, 64, 86f., 90, 213, 257–259, 264, 283, 287–304, 316–325, 327–329, 351f., 354–360, 393–401, 403–412, 416–419, 422f., 425–428, 431f., 449, 459–461, 463f., 466–472, 474f., 477, 479, 484, 486, 490– 494, 498–502, 505f., 509–513, 515–517, 519f., 524f., 530, 532–534, 536, 538, 541, 546–551, 556, 564, 566–568, 570–573, 575, 580f., 583, 590f., 593–602, 611, 615f., 627, 650f., 671, 674, 677, 698, 704, 708f., 717, 725, 728, 730–734, 737–741, 743– 746, 748–750, 753–755, 760–774, 778f., 783, 810, 830, 841, 843–847, 851f., 854f., 861–869, 873, 875f., 878–880, 882f., 889, 891–906, 908, 911, 914–917, 922–924, 926–934, 936–944, 949–953, 955, 975, 993, 1013, 1016, 1018f., 1022f., 1025– 1029, 1043, 1052–1058, 1060–1069, 1071– 1080, 1082–1084, 1087f., 1095f., 1109, 1111, 1113, 1115–1117 Sanseverino, Fracasso → Gaspare Sanseverino, Francesco 258 Sanseverino, Francesco di Luigi di Francesco 258 Sanseverino, Galeazzo di Roberto di Leonetto 62, 134, 258f., 281, 283–287, 295, 299, 318–320, 322, 416, 490, 494–497, 499f., 502, 505, 510f., 513, 593f., 596, 600, 611, 711f., 766, 773, 861, 882, 900–902, 929, 931, 937, 939, 941, 1058, 1064, 1088 Sanseverino, Gaspare di Roberto di Leonetto (il Fracasso) 258, 261, 263–265, 270, 280, 346, 360, 478–481, 484f., 496, 498, 502– 505, 508–512, 514, 540, 567, 571, 585, 593f., 598–600, 804, 846, 862, 866

Sanseverino, Gi(ov)anfrancesco di Roberto di Leonetto, Gf. von Caiazzo 23, 62, 132– 134, 257f., 261, 263–266, 280f., 285, 292, 317, 416, 478, 481, 495–497, 499f., 502– 504, 506, 508f., 512f., 515f., 520, 534f., 540–542, 566, 615, 773, 1060 Sanseverino, Giorgio di Roberto di Leonetto 258 Sanseverino, Giovanna di Antonio, Gfn. von Sanseverino 253f., 259, 270, 272 Sanseverino, Giovanni, Gf. von Marsico 253 Sanseverino, Giovanni, Gf. von Tursi 270 Sanseverino, Girolamo (Geronimo) di Luca di Antonio, Fs. von Bisignano 253f., 269– 272, 274f., 278f., 285, 309 Sanseverino, Gismondo 270 Sanseverino, Giulio di Roberto di Leonetto 258, 281, 1058, 1088 Sanseverino, Guglielmo di Amerigo, Gf. von Capaccio 252, 254, 256, 270, 272, 314f. Sanseverino, Ippolita di Guglielmo 272 Sanseverino, Leonetto di Bertrando 257–259 Sanseverino, Luca di Antonio, Gf. von Tricarico, Fs. von Bisignano 252, 254, 267, 278 Sanseverino (di Caiazzo), Luigi (Aloisius) di Francesco 258 Sanseverino, Luigi di Giovanni 254 Sanseverino, Maddalena di Amerigo 709 Sanseverino, Margherita di Antonio 252, 254 Sanseverino, Onorato di Girolamo, Gf. von Avellino 274, 278f. Sanseverino, Ottaviano di Roberto di Leonetto 258 Sanseverino, Pier Antonio di Bernardino di Girolamo 278 Sanseverino, Pompeio 740, 749 Sanseverino, Roberto Ambrogio di Gianfrancesco di Roberto 542 Sanseverino, Roberto di Antonello di Roberto, Fs. von Salerno 272, 855 Sanseverino, Roberto di Giovanni, Gf. von Marsico und Sanseverino, Fs. von Salerno 253f., 260, 267f., 270, 275 Sanseverino, Roberto di Leonetto di Bertrando, Gf. von Caiazzo 257–267, 269f., 273f., 279f., 290f., 305, 494, 504, 1113 Sanseverino, Roger II. 253 Sanseverino, Sigismondo 272 Sanseverino, Sveva di Giovanni 272 Sanseverino, Sveva di Roberto di Leonetto 258 Sanseverino, Tommaso I. 252 Sanseverino, Tommaso II. 253 Sanseverino, Tommaso III. 253

Register

Sanseverino, Tommaso V., Gf. von Marsico 253, 257, 259 Sanseverino, Ugo di Roberto di Leonetto 258 Sanseverino, Violante 252 Sant’Angelo (Castrum S. Angeli) 856 Sant’Angelo a Fasanella, Baronie 253 Santa Croce → Carvajal, Bernardino Santa Croce, Jacopo 465, 578, 584, 627 Santa Maria delle Grazie 865 Santa Maria di Galleria 856 Santa Maria Impruneta 560 Santa Maria Impruneta, Mante da 366, 381 Santo Andrea 51 Santo Stefano di Magra 60 Sanuto, Marino 442, 498 Sarno, Gft. 269 Sarzana 43, 60–62, 69, 103, 336, 392, 495, 879, 889 Sarzanello 60, 392 Sasolo, Francesco 457 Sassatello, Giovanni di 928 Sassetti, Cosimo di Francesco 30–32, 37, 39f., 42, 45, 48f., 51, 53, 55, 81, 113, 140, 167, 179–181, 183, 186–189, 197, 205, 231, 234–236, 242f., 246–248, 345, 400, 415, 441, 443–445, 523, 622, 626, 631, 637, 648f., 688, 694, 703, 709–713, 716, 784, 786f., 790, 821, 832f., 858f., 959, 993, 1051, 1085, 1098 Sassetti, Francesco di Tommaso 39, 111, 125f., 129, 143, 167, 234, 248, 694, 959 Sassetti, Galeazzo di Francesco 115, 167, 231, 338, 365, 380, 438, 442, 694, 959 Sassetti, Sibilla di Francesco 345 Sassetti, Violante di Francesco 111, 959 Sassuolo, Herrschaft 498 Sauli, Fam., Bankhaus 46, 240, 614 Sauli, Paolo 189, 452 Savelli, Fam. 460, 549 Savelli, Jacopo 825, 849 Savelli, Luca 849 Savona 863f. Savonarola, Girolamo 66–68, 78, 148, 185, 198, 202, 204, 340, 352, 376, 399, 402, 412, 416, 435, 438, 441f., 468, 475, 483, 803, 809–817, 819, 821, 823f., 826, 838, 911, 964, 970f., 973f., 978, 1111, 1118 Savoyen, Bona von, Hgn. von Mailand 264f. Savoyen, Charlotte von 36 Savoyen, Hge. → Karl I., II., III., Philibert le Beau, Philippe de Bresse Savoyen, Hgtm., Haus 26f., 31, 36–41, 51, 130f., 140, 179, 181, 244, 249, 283, 304, 439f., 455, 498, 647, 677, 688–690, 692– 694, 696f., 699, 702f., 705, 710, 715f., 736,

1185

739–741, 744f., 749, 755, 760f., 764, 766, 768, 772, 861, 863, 895, 898f., 943, 1009f., 1048f., 1082, 1085f., 1090f., 1093–1100, 1110, 1115 Savoyen, Filiberta von 716, 1087–1089, 1091– 1093, 1097, 1099 Savoyen, Filippo von 705 Savoyen, Luise von 692, 698f., 1087f., 1091 Savoyen, Maria von 707 Savoyen, René von (der Große Bastard), Gf. von Villars 651, 653, 691–693, 697–699, 701f., 704 Scala Dei, Abtei 751, 753, 775 Scala, Bartolomeo 78 Scarperia 592 Scerpelloni, Chimente 65 Scharfi → Dello Scarfa Schiaffenati, Gian Giacomo, Kard. 396, 468, 729–733 Schiner, Matthäus, Kard. 903, 905, 910, 939, 1017–1019, 1023, 1026–1028, 1066f., 1071, 1087 Schottland 170, 654, 662, 1006 Seeland 674 Segni, Antonio 962 Seneca 611 Senigallia 577f., 584, 597 Senlis 282 Sentiere, Louis 192 Séranon, Seigneurie 276 Serapica, Lazero 988 Serio, Filippo de 1032 Sermoneta 322 Sernigi, Clemente (Chimente) di Cypriano 857, 920 Sernigi, Cristofano di Clemente di Cypriano 857 Serragli, Elisabetta di 806 Serristori, Antonio 805, 964 Serristori, Bankhaus 1033 Serristori, Battista 401, 412 Serristori, Benedetto 805 Serristori, Carlo 858 Serristori, Francesco di Averardo di Antonio 684, 686 Serristori, Giuliano di Averardo di Antonio 684, 686, 759, 805 Serristori, Ristoro di Antonio 858 Serristori, Roberto di Ristoro di Antonio 858 Settimo Fiorentino 729, 731, 734 Sevilla, Alonso di 678 Sevilla, Ebtm., Stadt 275, 651 Seyssel, Charles (Carlo) de 1099 Seyssel, Claude de 575, 609–612, 700f., 711, 1071–1075, 1087, 1089, 1095, 1099

1186

Register

Sforza Visconti, Fam., Haus 132, 259, 284, 315, 464, 473, 508, 769, 851, 1016, 1027 Sforza, Alessandro 501 Sforza, Ascanio Maria, Kard. 61f., 273, 283, 288f., 296, 298f., 303, 315, 317–321, 326, 329f., 340, 346f., 349, 352, 354, 357–359, 372f., 394–397, 426, 461, 464, 473f., 479, 490f., 500–502, 505, 509, 516, 541, 590, 595, 597, 600f., 728, 730–733, 748, 767, 769, 851, 924, 943, 949 Sforza, Bianca di Ludovico 134, 258, 284, 505 Sforza, Caterina, Gfn. von Forlì 22, 346, 351, 354, 435, 482, 805, 826 Sforza, Elisa di Muzio Attendolo 257f. Sforza, Francesco di Muzio Attendolo, Hg. von Mailand 14, 134, 258, 260, 266, 291, 972 Sforza, Galeazzo Maria, Hg.von Mailand 263f. Sforza, Gian Galeazzo Maria, Hg. von Mailand 14, 264, 279 Sforza, Ludovico Maria (il Moro), Hg. von Mailand 14, 23f., 28, 31f., 34, 36f., 44, 54– 56, 60–63, 73, 131f., 134f., 140, 257–259, 264f., 279–281, 284–289, 294f., 298f., 316–320, 322, 326, 329f., 339f., 342, 346f., 349–352, 355, 357–359, 368, 371, 397, 399, 410–412, 414, 416, 426–428, 438f., 457, 461, 464, 471, 474, 477–481, 484– 486, 488, 490f., 494–506, 508–513, 517f., 524, 527, 540, 574, 593, 615, 693f., 697, 729–733, 737, 748, 768, 773, 780, 943, 949, 1071, 1116 Sforza, Massimiliano (Maximilian) di Ludovico, Hg. von Mailand 1056, 1096 Sforza, Muzio Attendolo 257 Sforza, Ottaviano 1018 Sidonio, Piero di 377 Siena, Republik, Stadt 33, 258, 260, 305, 318f., 322, 325, 328, 331–333, 336, 339, 342– 347, 350–352, 354, 357, 359f., 378, 382, 384, 399, 401, 403, 406, 413–415, 419, 422, 426–430, 433, 436, 439, 449, 452– 455, 461–464, 476f., 479, 482, 486, 499, 518, 538, 544, 551, 554, 558–560, 566, 571f., 578, 581, 592, 598, 615, 631, 637, 643, 652, 671, 674, 677f., 791, 796, 830, 849, 851, 884f., 889–891, 895f., 902, 907, 911, 961, 1038, 1102f., 1110, 1115 – Chigi-Palast 678 – Petrucci-Ges. 175 – Pivi-Colombini-Ges. 454f., 671f. Simonetta, Cicco 264 Sitten (Sion), Btm. 903 Sixtus IV. (Francesco della Rovere), Papst 15, 42, 58, 92, 94, 97, 115, 143, 145, 265f., 270, 311, 741, 865, 947, 985

Sizilien 478 Sluis 674 Soderini da Gagliano, Alessandra di Lorenzo di Tommaso 104, 106f., 196, 198, 802 Soderini, Fam. 825, 837, 848, 913 Soderini, Francesco di Tommaso, Kard. 400, 484f., 489f., 499, 501f., 507, 544, 549f., 553, 555, 559, 561–569, 595, 599, 602, 719, 827f., 857, 877, 881, 910, 912, 961f. Soderini, Gianvittorio di Tommaso 585f. Soderini, Giovanbattista di Pagolantonio di Tommaso 626, 803, 829, 1007 Soderini, Lorenzo di Tommaso 107 Soderini, Maria 825 Soderini, Pagolantonio di Tommaso 54, 197f., 225, 437, 452, 482, 802f., 815f., 837 Soderini, Piero di Tommaso 63, 67, 107, 198, 225, 415, 436, 442, 445, 485, 489, 491, 493, 506f., 516–519, 526–528, 538f., 592, 595, 659, 673, 719, 728, 752, 802f., 806, 815, 822–825, 827–830, 835, 837f., 849– 853, 877, 880f., 883–890, 894f., 897, 910– 912, 925, 951, 955, 957–962, 964, 966, 969f., 973, 1111, 1116 Soderini, Tommaso di Lorenzo 107 Soderini, Tommaso di Pagolantonio 533, 626, 803, 825, 1007 Soissons, Btm. 612 Soldi, Antonio 659 Solliers, Seigneurie 1069 Soma, Ambrogio da 773 Somenzi da Cremona, Paolo 429, 438 Soriano (Suriano), Rocca 393, 398, 589 Sovana 411 Sozzini, Bartolomeo (il Sozzino) 331f. Spanien 13, 114, 277, 282, 312, 329, 495, 500, 557, 562, 582f., 589, 595, 651, 654, 687, 697, 702, 864, 902, 912, 937, 941, 1042, 1049, 1054, 1063, 1069f., 1084, 1087, 1089, 1093, 1096, 1103, 1116 Spannocchi, Ambrogio 169, 551, 670, 985 Spannocchi, Fam., Bankhaus 169, 417, 567, 671 Spannocchi, Domenico 153 Spannocchi, Giulio 672f. Spannocchi, Pierfrancesco 523 Speranzini, Luca 332f., 343, 347f., 366, 385, 387, 433, 442 Spina, Francesco di Giovanni di Francesco 1006f. Spina, Johannes 762 Spina, Leonardo di Francesco di Giovanni 1006f. Spina, Lorenzo di Francesco di Giovanni 1007 Spina, Piero di Francesco di Giovanni 1007

Register

Spinelli, Lorenzo di Francesco di Lorenzo 25f., 32, 39–41, 43–45, 47–53, 55–57, 59f., 62, 81, 92, 97, 109–114, 121, 131, 133f., 140, 180, 183, 187, 205, 234–236, 242, 245– 248, 250, 258, 286, 314, 345, 400, 439, 442–445, 456, 458f., 603, 616, 626, 631f., 638, 646, 649, 688–690, 693f., 702–704, 710, 786f., 790, 833, 858f., 960, 1050, 1082, 1085, 1113 Spinelli, Lorenzo di Antonio di Lorenzo di Spinello 26 Spinelli, Lorenzo di Spinello 25 Spinelli, Piero di Francesco 790 Spini, Cristofano 108 Spini, Doffo 817 Spini, Ginevra di Guglielmo di Angelo → Gagliano Spini, Guglielmo di Angelo (Agnolo) 108 Spino → Spini Spinola, Girolamo 349 Squillace, Ftm. 599 Staggia 415 Staggia, Simone Grazzini da 76, 147 Stanga, Fam. 508 St-Antoine-en-Viennois 749 Staufer 13 St-Cher 893 St-Claude 284 St-Denis 141, 501, 564 Stefano (Luccheser Bote) 456f. Stefano (Medici-Kanzler) 390 Stiene (Diener des Giuliano da Gagliano) 184 St-Jean-de-Maurienne, Btm. 613, 712, 1072 St-Malo, Btm. 25, 27, 193, 282, 288, 297, 299f. St-Omer, St-Bertin 492 Straßburg 699 Strozzi, Alfonso di Filippo 148, 221–223, 225, 533, 537f., 801f., 806, 829, 925 Strozzi, Carlo 169, 440 Strozzi, Clarice → Medici, Clarice di Piero Strozzi, Fam. 887, 1108 Strozzi, Filippo di Filippo 802, 829, 848, 859, 865, 871, 880, 883–887, 958f., 964, 971, 981f., 1005, 1109 Strozzi, Leonardo 884 Strozzi, Matteo 169, 189, 195, 814, 837, 978, 1016, 1021, 1108 Strozzi, Pagolantonio 837 Strozzi, Piero di Giannozzo 533 Strozzi, Selvaggia 221–223 Stuart, Robert (Béraud), Sgr. d’Aubigny 25, 540f. Südtirol 505, 513, 901f., 927, 929 Susa 50f., 455 Sutri 322, 328

1187

Sutri-Nepi, Btm. 944 Taddei, Francesco 65, 69 Tagliacozzo-Albe, Gft., Burg 255–257, 259f., 266f., 304f., 309–313, 315f., 349, 356f., 393, 460, 472, 525, 541, 582f., 589, 698, 855f. Talamone 454, 671 Talcy, Seigneurie, Schloß 777 Tanini, Fam 790 Tanini, Lorenzo di Lotto 163, 790 Tanini, Lotto di Tanino → Bozzi Tanini, Niccolò di Francesco 159, 163, 172, 222, 784, 790 Taranto, Ebtm., Ftm. 255, 267, 785f. Tarbes, Btm. 751–755, 765, 771, 775f., 778f., 844, 868, 1088 Tarsia, Baronie 253 Taverna, Stefano 320, 326, 351, 354, 397, 410, 412, 414, 461, 732 Tebalducci → Giacomini Temperani, Fam. 619 Temperani, Francesco di Manno di Giovanni 182, 619, 812 Temperani, Lorenzo di Manno di Giovanni 112, 182, 194, 231, 619 Temperani, Manno di Francesco di Manno 182, 197, 619, 632 Temperani, Manno di Giovanni di Temperano 108, 112, 619 Temperani, Piero di Manno di Giovanni 619 Temperani, Temperano di Manno di Giovanni 181–183, 619, 811f. Terni 320, 344 Terra di Lavoro 257, 702 Terra nuova 685 Terzago, Biagio da 773 Terzago, Luigi da 134, 773 Tessin 274, 504 Testa, Filippo 698 Thérouanne, Btm., Stadt 296, 358f., 492, 737f., 774 Thomais, Vincenzo de 915 Thomas von Aquin, Hl. 402 Tiercelin, Georges 319 Tignano, Giovanni di Zanobi da 356 Tirnanca, Treno 674 Tirol 491, 502, 522 Tivoli 256, 856 Tivoli, Agnolo da 422, 430 Tolfa 241, 455, 551, 670–672, 675, 679–683, 752, 989, 1030, 1032f., 1038f. Tolomei, Cechetto 1005 Tomasio, Antonio 992 Tommasi, Francesco 245, 670, 676

1188

Register

Tommaso (Diener der Perini-Ges.) 647 Tonsus (Abt von San Andrea di Dovadola) 735 Torelli, Fam. 508 Tornabuoni, Alessandro 40f., 637 Tornabuoni, Antonio 812 Tornabuoni, Cleofe di Niccolò di Francesco 160, 806 Tornabuoni, Creofe → Alamanni Tornabuoni, Fam., Bankhaus 116, 152, 164, 432, 439, 590, 623, 632, 634, 641, 759, 781, 785–793, 799, 812, 818, 835, 850, 859, 866, 874, 888, 959, 962f., 967, 971– 973, 993, 1013, 1098, 1101, 1104, 1108, 1114, 1118 Tornabuoni, Filippo di Francesco di Simone 40, 108 Tornabuoni (Bartolini), Francesca di Nofri 145f., 163, 404, 971f., 1007, 1009, 1020f., 1104 Tornabuoni, Francesco di Nofri 971 Tornabuoni, Gianbattista di Marabotto 238 Tornabuoni, Giovanfrancesco di Filippo 79, 415, 804 Tornabuoni, Giovanni di Francesco di Simone 40, 54, 81, 93, 98, 111, 120, 123, 125, 142– 146, 152f., 155–159, 161–164, 205, 209– 211, 213–218, 220, 225, 227, 233f., 313, 349, 353, 361, 374, 443, 451, 626, 659, 669, 786f., 790, 836f., 969, 1104 Tornabuoni, Giovanni di Lorenzo di Giovanni 156, 217f., 407, 457f., 590, 593, 649, 711, 784, 786f., 791, 820, 825, 832, 854, 858, 863, 888 Tornabuoni, Girolamo 70 Tornabuoni, Giuliano 1062 Tornabuoni, Leonardo di Lorenzo di Giovanni 156, 217f., 457f., 649, 784, 786f., 820, 832, 858, 889, 923 Tornabuoni, Lodovica di Giovanni di Francesco 152, 813 Tornabuoni, Lorenzo di Giovanni di Francesco 40, 43f., 58f., 68, 70, 76–82, 90, 105, 126– 129, 135, 138, 142, 144, 146f., 149–170, 172–174, 176–179, 183, 191, 204f., 208– 211, 213–231, 233–236, 238, 240, 242, 244f., 247–249, 313, 334, 337f., 349, 361– 365, 367–383, 386–389, 391, 400, 407, 415, 424f., 429, 432, 434, 437–451, 453, 455, 457f., 483, 590, 592, 617, 619, 622, 626, 630–632, 634, 649, 652, 659, 672, 690, 746, 781f., 784–791, 798, 809–813, 816–821, 833, 836f., 858f., 969, 974–976, 985, 991–994, 1001, 1101, 1107f., 1114f., 1117, 1119 Tornabuoni, Lucrezia 16, 107, 142, 152, 256

Tornabuoni, Luigi 428, 441, 973 Tornabuoni, Maddalena di Niccolò 160 Tornabuoni, Niccolò di Francesco 108, 160, 806 Tornabuoni, Nofri (Onofrio) di Niccolò di Francesco 40, 144–146, 155–157, 159– 163, 167, 209–211, 222, 231, 234, 238, 301, 309, 345, 348, 353f., 361, 369–371, 373, 376, 383, 395, 405, 408, 420, 430, 441f., 448, 453, 463, 465, 469, 550, 627, 669, 746, 762, 787, 790, 797, 806, 833, 841f., 922, 971f., 975, 994, 1101, 1115, 1119 Tornabuoni, Piero 959 Tornabuoni, Piero di Filippo 76, 415, 438, 441, 804, 973 Tornabuoni, Piero di Leonardo 159, 162, 167, 222, 441, 790 Tornabuoni, Sigismonda di Niccolò 160 Tornabuoni, Simone di Filippo di Francesco 40, 76, 376, 480, 482–484, 489, 500, 518, 537, 592f., 611, 631, 659, 779, 811, 815, 821, 888, 960 Tornabuoni, Valerio 988 Tornaquinci, Fam. 835 Tornaquinci, Giovanni 167 Tornaquinci, Selvaggia 129, 831, 971 Torni, Benedetto 447 Torniello, Guido 1065 Torre Matthie 460 Torretes, Jean de 1081 Tortona 41, 496 Tosinghi, Francesco 527 Tosinghi, Giovanni 27, 44, 141, 445 Tosinghi, Pierfrancesco 390, 829, 887 Tosinghi, Tommaso 376, 429 Toskana 131, 392, 575, 596, 653, 655f., 662, 827, 925, 956, 983, 1038, 1074 Toulouse, Ebtm., Stadt 611f., 642, 651, 655f., 661, 675, 678, 753, 757, 776, 778f., 796, 850, 1006, 1117 – Buonvisi-Ges. 642 – Naldini-Ges. 643, 655, 678, 755, 757, 776, 779, 1006, 1024, 1115, 1120 – Naldini-Vöhlin-Ges. 642f., 661, 678 Tournai, Btm. 723, 1081 Tours 28f., 46f., 114, 131, 192f., 265, 278, 280, 288f., 294, 299, 516, 650, 698, 705, 800, 877f. Trans → Villeneuve, Louis de Trans, Seigneurie 276, 526, 741 Trapani 792 Tréguier, Btm. 551 Trevisano (da Trevisi), Piero di Marco 173, 1008f.

Register

Treviso, Btm. 1085 Trezzo, Antonio da 267 Tricarico, Btm., Gft. 252–254, 267, 928 Trient (Trento) 274, 514, 593, 893, 895–897, 941 Trivulzio, Alessandro 599 Trivulzio, Antonio (Giovannantonio), Kard. 595f., 601 Trivulzio, Fam. 505 Trivulzio, Giangiacomo 498, 503–505, 507f., 510, 513, 561, 594, 615, 863, 867, 941, 943 Trivulzio, Giorgio 513 Trivulzio, Teodoro 594 Troia, Btm. 223, 804, 848, 925, 988, 1044 Troisus 252 Trolliet, Pietro 1089–1092, 1100 Trotto, Luigi 265 Tuardi, Catelano 753 Tuba, Paolo 922f. Tubelot, Guido 799 Tucci, Lorenzo 76, 147 Tudor, Maria 707 Turin 38–40, 44, 50f., 244, 440, 497, 508, 688, 694, 700, 706, 712, 714, 861, 1087, 1094, 1096 – Schloß 1097 Turini da Pescia, Baldassare 1028 Türkei 390 Turpin, Antoine 612 Turri, Santi de 357 Tursi, Gft. 270 Tuszien 395 Tuttavilla/Tottavilla (Estouteville, d’), Geronimo/Girolamo 257, 281, 303, 319 Tybure, Angelus Leoninus de 356–358 Tyran 504 Ubaldini, Michele 136f., 196f., 199, 657 Ugento, Gft. 272 Ughi, Alamanno 627, 655, 793, 1002–1004, 1007, 1010, 1012 Ugine, Priorat 737f., 740, 743, 750, 760, 763– 765, 774f., 893, 898f., 905f. Ugolini, Antonio 651 Ugolini, Niccolò 1064 Uguccioni, Giovanni 65 Ungarn, Kgr. 561, 915f. Ungheretto (Kurier) 432 Urbino, Hge. → Della Rovere, Montefeltro Urbino, Hgtm., Schloß, Hof 72, 76, 261, 330, 337, 354, 395, 398–400, 407, 410f., 480f., 567, 571, 574, 576, 754, 858, 870f., 909, 915, 920, 932, 952, 956f., 1000, 1051, 1098, 1115 Urfé, Pierre d’ 540, 594

1189

Vaiano, San Salvatore 724 Vaison, Btm. 1021 Valence, Hgtm., Stadt 473, 504, 520, 531, 894– 896, 898, 900, 905f. Valencia, Ebtm., Stadt 114, 472, 651f. – Pazzi-Bank 150 Valentino → Borgia, Cesare Valiano 344 Valmontone 592 Valois(-Orléans), Hgtm., Haus 498, 707, 1088 Valori, Bartolomeo 533, 959, 964, 967 Valori, Fam. 437 Valori, Filippo di Bartolomeo 94, 197 Valori, Francesco 63, 78, 376, 415, 427–429, 435, 438, 440f., 452, 483, 534, 592, 611, 631, 798, 811–815, 829, 973 Valori, Niccolò 93, 829 Valtellina 351, 504f. Varano, Giulio 567 Varleto, Odoardo 583 Vasari, Giorgio 1001 Vega, Franciscus de 743 Velletri 271 Venaissin, Comtat, Gft. 601, 841 Vendôme, Gft. 700 Venedig (la Serenissima), Republik, Stadt 32, 50, 54, 58, 72–76, 84, 131, 171f., 175, 183, 189, 196, 200f., 237, 258, 263, 265f., 269– 271, 273f., 291, 309, 318f., 328–330, 337– 340, 343–345, 347, 354, 357, 360, 392, 398f., 401f., 406, 410, 413f., 423–425, 449, 454f., 461–463, 467, 470f., 473–480, 482– 491, 493, 495, 500–502, 504, 506f., 511– 513, 515, 518f., 521f., 524f., 527, 529, 531, 564, 589, 595f., 601f., 610f., 614f., 624, 629, 637, 651f., 660f., 666, 680, 682, 693f., 708, 713, 718, 721, 730f., 779, 791, 815, 821, 837, 839, 850f., 853, 864–870, 873, 877, 902, 908, 912, 916, 931, 941, 954, 959, 962, 966, 971, 975, 977f., 982, 994, 999f., 1040, 1059, 1069, 1096, 1110, 1115 – Medici-Bank 163, 790 – Strozzi-Corboli-Bank 189, 195, 837, 978 Venosa, Hgtm. 254 Venturi, Antonio 452, 791 Venturi, Bankhaus 433, 452, 455f., 567f., 671f. Venturi, Giovanni di Jacopo 113 Venturi, Jacopo 985 Verazzano, Alessandro da 363 Verazzano, Bankhaus 137 Verazzano, Pierandrea da 190 Vercelli, Btm., Stadt 340, 601, 709, 895–897 Verdun, Btm. 752 Verino (Vieri), Ugolino 145

1190

Register

Vernia 196, 201f. Veroli, Btm. 952 Verona 895–897, 901, 941 Vesc, Etienne de 14, 24, 28, 36f., 276, 282f., 285, 288, 320, 542 Vespucci, Agostino 490, 506f. Vespucci, Caterina di Piero 647 Vespucci, Ginevra di Piero 706 Vespucci, Giovanni di Guidantonio 959 Vespucci, Guidantonio 30, 202, 428, 476 Vespucci, Niccolò di Simone 805 Vespucci, Piero 344, 522f. Vettori, Francesco di Piero 959f., 1031, 1037 Vettori, Paolo di Piero 959–961, 967 Viano 312 Viareggio 712, 792, 794, 801 Vicarello 857 Vicenza 941 Vico 255 Vicovaro 256, 259f., 581, 583, 698 Victorinus, Sanctes 303 Vidale, Antoine 192 Vienne, Ebtm. 48, 296, 359, 514, 532, 634, 736, 738, 749, 769–771, 774, 1057 Vigevano 53, 56, 60, 286, 329, 347, 351, 416, 501, 505, 703 Vigorosi, Francesco 681 Villa, Matteo da 654 Villafranca 61 Villanova 55 Villarisoaleto, Schloß 1072 Villars, Gft. 691, 698 Villeneuve, Louis de, Sgr. de Séranon u. Trans 276, 280, 472, 526, 531f., 535, 599, 741 Vimercati, Fam. 773 Vimercato, Giulio da 773 Vinci 124, 173 Vinci, Leonardo da 834, 871, 920 Visconti, Bernardino 773 Visconti, Fam., Haus 36, 45, 132, 508, 511 Visconti, Filippo Maria 258 Visconti, Galeazzo 281, 284, 514 Visconti, Gian Galeazzo, Hg. von Mailand 471 Visconti, Valentina 471, 499 Vitale, Isaach di 236 Vitelleschi → Vitelli Vitelli, Camillo 337, 349, 392

Vitelli, Fam. 328, 337, 391f., 418, 422, 460, 524f., 528f., 535, 537, 552f., 560, 570, 572, 574f., 578, 580, 839, 847 Vitelli, Giulio 330, 337 Vitelli, Paolo 337, 342, 398f., 410, 479–481, 507, 537 Vitelli, Vitello 967 Vitelli, Vitellozzo 337, 393, 398, 402, 406, 507, 522–524, 526, 529, 537, 541, 543, 553f., 566, 569–576, 578f., 597 Viterbo 318–320, 322f., 325f., 372f., 599, 766, 868 Viterbo, Egidius von 945 Viviano, Michelangelo da 366f., 369, 371f., 377, 380f., 383, 386–391, 804, 1001 Voghera 41, 505 Vöhlin, Bank- und Handelshaus 660 Vöhlin (Felini), Johann (Gian) 193, 642, 660f. Vöhlin (Felini), Konrad 660, 662 Volterra, Btm., Stadt 78, 103, 342, 544, 817, 910 Volterra, Santi Giusto e Clemente 725 Welser (Belser), Anton d. Ä. 130, 193, 660, 662, 664f., 1110, 1118 Welser, Anton d. J. 662f., 665f. Welser, Handels- und Bankhaus 641, 651, 656, 660f., 664, 777 Welser, Johann 665f., 1118 Welser-Vöhlin, Handels- und Bankhaus 642, 660f., 667 Wilhelm XI., Mgf. von Monferrat 281, 557, 867 Wladislaw II., Kg. von Ungarn 915 Xenophon 611 Zachini, Fam. 604 Zaragoza 642 Zati, Francesco di Antonio 220 Zati, Niccolò di Simone 668 Zatti, Rinaldo 944 Zeno, Antonio 444f., 458, 631 Zeno, Gianbattista, Kard. 426 Zink, Johannes 946 Zypern, Kgr. 261, 867