Kaiser Heinrich VI.: der unbekannte Staufer

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Hartmut Jericke Kaiser Heinrich VI. der unbekannte Staufer

Von den Taten Heinrichs VI. ist im Volke wenig mehr bekannt, als daß er mit abscheulicher Habgier den tapferen König Richard Löwenherz in Ketten gehalten und die normannischen Barone mit unmenschlicher Grausamkeit zu Tode gemartert hat: zwei gehässi­ ge Unrichtigkeiten, aus denen sich dennoch bis auf den heutigen Tag das Bild Heinrichs VI. und das Urteil über ihn geformt haben. Theodor Toeche: Heinrich VI. Leipzig, 1867, S. 246

Meinem Doktorvater Professor Dr. Kurt Zeillinger in Graz gewid­ met, ohne den dieses Buch niemals geschrieben worden wäre.

P E R S Ö N L IC H K E IT U N D G E S C H IC H T E Band 167

MUSTER-SCHMIDT VERLAG GLEICHEN • ZÜRICH

Hartmut Jericke

KAISER HEINRICH VI. der unbekannte Staufer

M U S T E R - S C H M I D T V E R L A G G L E I C H E N ■ Z Ü R I CH

PERSÖNLICHKEIT UND GESCHICHTE Biographische Reihe im Muster-Schmidt Verlag Begründet von Prof. Dr. Günther Franz, Stuttgart

Herausgegeben von Prof. Dr. Detlef Junker, Heidelberg

Titelbild Heinrich VI., röm. dt. Kaiser (1190-1197), auf dem Thron. - Buchmalerei, Zürich um 1310-1340. Aus: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse). Hei­ delberg, Universitätsbibliothek. Bildnachweis: akg-images

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Na­ tionalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-7881-0158-9 © 2008 MUSTER-SCHMIDT VERLAG 1. Auflage 2008 Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt mbH • Gleichen • Zürich www.muster-schmidt.de Gesamtherstellung: Verlagsgesellschaft Hans Hansen-Schmidt mbH, Gleichen Printed in Germany Die Verwertung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne Zustim­ mung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfälti­ gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektroni­ schen Systemen.

Inhaltsverzeichnis Einleitung

7

Kaisertum und Papsttum

12

Der Wandel der Kaiseridee bei Friedrich Barbarossa

15

Der Thronfolger

21

König Heinrich VI. neben seinem Vater

24

Das Königreich Sizilien

31

Die Kaiserkrönung

38

Der erste Versuch der Eroberung des Königreichs Sizilien

41

Der Kaiser in Deutschland

45

König Richard Löwenherz

50

Richards Gegner und ihre Motive

53

Richards Gefangenschaft in Deutschland

59

Die Eroberung des Königreichs Sizilien

65

Die erste Verschwörung gegen die kaiserliche Herrschaft

70

Die Regelung der Machtverhältnisse im Königreich Sizilien und die Regentschaft der Kaiserin Konstanze

73

Erste Wiederannäherung zwischen Kaiser und Papst

77

Die Vorbereitungen zum Kreuzzug

81 5

Die Umwandlung des deutschen Königreichs in eine Erbmonarchie

85

Widerstand gegen die Erbmonarchie

92

Die Verhandlungen mit der päpstlichen Kurie

96

Maßnahmen zur Sicherung der kaiserlichen Herrschaft in Sizilien

104

Die Beziehungen zum byzantinischen Kaiserreich

107

Der Aufmarsch des Kreuzheeres und die zweite Verschwörung in Sizilien

111

Aufbruch des Kreuzheeres und Tod des Kaisers

118

Der Verlauf des Kreuzzugs 1197/98

123

Nachwirken

128

Schlußbetrachtung

131

Ausgewählte Literatur zur Geschichte Kaiser Heinrichs VI.

134

Urkundenempfängerkarte Kaiser Heinrichs VI.

137

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Einleitung Obwohl mit seiner Person das römische Kaisertum des Mittel­ alters einen letzten Höhepunkt erreichte, ist Heinrich VI. heute weit­ gehend unbekannt. Ganz und gar steht er im Schatten seines Vaters Friedrich Barbarossa und seines Sohnes Friedrich II., die beide auf ihre Art der Stauferzeit zu einer Popularität verhalfen, die noch immer nachwirkt. Der Anteil Heinrichs VI. am Glanz jener Epoche ist dagegen fast in Vergessenheit geraten. Das liegt vor allem an dem Bild, das von diesem Kaiser häufig gezeichnet wurde. Es ist viel weniger von Heinrichs Beweggründen, den Umständen seines Han­ delns, von seinem Wirken und Nachwirken eingefärbt, als von Beur­ teilungen seines vermeintlichen Wesens. Dieses Bild zeigt keinen Helden, sondern einen Gewaltherrscher. Lange Zeit war das völlig anders. Schon während seines König­ tums an der Seite seines Vaters wurde die kommende Herrschaft Heinrichs von einem Zeitgenossen in einer den Staufer verherr­ lichenden Lobrede als das „goldene Zeitalter“ angekündigt und gefeiert. Keinem anderen römisch-katholischen Kaiser der mittel­ alterlichen Glaubensepoche wurde je eine solche Ruhmesschrift gewidmet, wie sie Petrus von Eboli Kaiser Heinrich nach der Inbe­ sitznahme des sizilischen Königreichs in Verehrung zueignete. Die militärische Eroberung Siziliens 1194 wurde im Reich begeistert gefeiert und als Durchsetzung von Recht und Wiederherstellung göttlicher Ordnung interpretiert. Mit Ruhm habe sich der Kaiser beladen und die Ehre des Reiches gewahrt. Nach seinem frühen Tod rief ihm der Chronist Otto von Sankt Blasien nach: „Das deutsche Volk soll seinen Tod in Ewigkeit beklagen, denn er hat es herrlich gem acht... Hätte er länger gelebt, das Kaiserreich wäre durch seine Mannhaftigkeit und Geisteskraft im Schmuck der alten Würde wie­ dererblüht.“ Noch im 14. Jahrhundert galt Heinrich VI. als höchster und wür­ digster Repräsentant des Ritterstandes. Sein Bildnis steht deshalb jeweils am Anfang der beiden damals entstandenen weltberühmten Liederhandschriften von Heidelberg und Weingarten, mit denen das 7

verblassende Rittertum und die längst vergangene Zeit der Minne­ sänger verherrlicht wurde. Erst im 19. Jahrhundert änderte sich diese Wahrnehmung Heinrichs VI. nachhaltig, als die wissenschaftliche Forschung im Handeln des Kaisers weitgespannte Weltherrschaftsanspriiche zu erkennen glaubte und die Verfolgung dieser Ziele zunehmend mit auffälligen Wesensmerkmalen zu begründen versuchte. Diese Sicht­ weise ist bis heute nicht überwunden. Sie zeigt in aller Regel das Bild eines hochintelligenten, aber brutalen und rücksichtslos eigene Interessen durchfechtenden Herrschers, der bedenkenlos auch Grau­ samkeiten verüben ließ, wenn es der Erreichung seiner Ziele diente. Dadurch wurde Heinrich VI. bald zum „enfant terrible“ der Staufer, dessen schlechter Ruf ihn zunehmend ins Abseits öffentlicher Wahr­ nehmung beförderte und wesentlich dazu beitrug, daß keiner der drei Stauferkaiser so unbekannt ist wie er. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß sich das so häufig kritisierte Handeln Heinrichs kaum von dem seiner Zeitgenossen unterschied. Ob sein Vater Friedrich Barbarossa, sein Sohn Friedrich II., ob Richard Löwenherz, Philipp II. August, Kaiser Alexios oder sogar Sultan Saladin, alle handelten sie in bestimmten, vergleichba­ ren Situationen auf erstaunlich ähnliche Weise. Auch sie lavierten, tricksten und täuschten, ließen bedenkenlos unterlegene Gegner öffentlich foltern und hinrichten, und auch sie versuchten mitunter skrupellos, ihre politischen und oft auch persönlichen Interessen mit nahezu allen Mitteln durchzusetzen. Keinem aber wurde jemals eine solche moralische Meßlatte aufgelegt wie Heinrich VI. Ihm wurde immer wieder unterstellt, er habe aufgrund seines Charakters und eben nicht aufgrund rationaler oder politischer Beweggründe die Dinge zu tun befohlen, die ihm zum Vorwurf gemacht wurden. Des­ halb wurde sein Handeln auch weniger mit persönlichen, religiösen, diplomatischen oder juristischen Motiven zu erklären versucht, son­ dern oftmals als eine Verflechtung aus Aktionismus, Zufall, Glück und einem ausgeprägten Willen zur Macht gedeutet. In solchen Sichtweisen spiegeln sich jedoch unzweifelhaft ethisch-moralische Wertvorstellungen wider, die wir der Auf­ 8

klärung verdanken, und die nach und nach für die bürgerliche Gesellschaft maßgeblich und dann bestimmend geworden sind. Derartige moralische Wertungen sind jedoch ein fragwürdiges Instrument zur Annäherung an einen mittelalterlichen Herrscher. Denn sie verstellen allzu leicht den Blick auf die Welt der abend­ ländischen Glaubensepoche, die eben nicht geprägt war von den Errungenschaften der Aufklärung, sondern die durchdrungen war von der christlichen Religion in Gestalt des römischen Katholizis­ mus. In dieser personenbezogenen Welt bestimmte die Religion die politische Ordnung, die Gesellschaft und auch die Herrschaftsinsti­ tutionen. Dabei spielte die Zwei-Reiche-Lehre des Kirchenvaters Augustinus in ihrer personifiziert verstandenen Auslegung eine wichtige Rolle. Ihr zufolge bildeten Kaisertum und Papsttum die einander gegenüberstehenden Tragsäulen, auf denen der weitge­ spannte Rundbogen der einen Christenheit ruhte. Während sich der Papst als das geistliche Oberhaupt verstand, sah sich der Kaiser dem Anspruch nach als Schutzherr der Christenheit und stellte nach die­ sem Selbstverständnis im Einflußbereich der römischen Kirche die höchste weltliche Repräsentanz des Christentums dar. Durch die Anbindung der Kaiserwürde an die deutsche Königs­ krone geriet jeder König spätestens mit Antritt seiner Regierung in den Spannungsbogen zwischen partikularen und universalistischen macht- und ideenpolitischen Interessen. Auf weltlicher Ebene muß­ ten im Laufe der Zeit immer öfter machtpolitische Belange des Kö­ nigtums den partikularen Interessen der Fürsten geopfert werden. Das Fehlen einer Hauptstadt, die Wahlmonarchie im deutschen König­ reich und ein Lehenswesen, das dem König den Durchgriff auf alle Vasallen oder Untertanen nicht ermöglichte, nötigten die Herrscher immer wieder zu Kompromissen, die einen schleichenden Verlust von Königsrechten und damit seiner Machtgrundlagen bewirkten. Auf geistlicher Ebene sahen sich die Könige und Kaiser während der gesamten Stauferzeit dagegen einem anhaltenden Emanzipa­ tionsprozeß der römischen Kirche ausgesetzt, der auf die Suprema­ tie des Papsttums über die weltlichen Gewalten zielte und für das Kaisertum eine zusätzliche Herausforderung bedeutete. 9

Diese keineswegs günstigen Umstände und Voraussetzungen für die Ausübung königlicher und kaiserlicher Herrschaft hatten die ganze Regierungszeit Barbarossas bestimmt. Ihnen sah sich auch Heinrich VI. ausgesetzt: Als Sohn und Nachfolger Friedrichs I. erbte er den Familienkonflikt der Staufer mit den Welfen, der mit der Ent­ machtung Heinrichs des Löwen 1181 keineswegs beendet war. Als deutscher König stand er in Konkurrenz zu den Reichsfürsten, die immer lauter Königsrechte für sich selbst einforderten und im Reich eine offensive Territorialpolitik betrieben. Als römischer Kaiser trat er in ein dualistisches Verhältnis zu Papst und Kirche, denen gegen­ über er die Interessen des Kaisertums zu wahren hatte. Schon diese Herausforderungen stellten an den Herrscher höchste Anforderun­ gen. Sie wurden jedoch nochmals erweitert, als im Königreich Sizi­ lien der Erbfall eintrat und Heinrich VI. und seiner Gattin Konstanze, den legitimen Erben, die Anerkennung ihrer Erban Sprüche durch den Papst als dem Lehensherrn des Königreichs verweigert wurde. Vor diesem Hintergrund trat der junge König ein schweres Erbe an, als er im Frühjahr 1189 die Regierungsgeschäfte im Reich zu­ nächst als Stellvertreter seines Vaters übernahm. Bald aber zeigte sich, daß der Thronfolger auf die Aufgaben und Probleme, mit denen er als Herrscher konfrontiert wurde, bestens vorbereitet war. Durch die langen Jahre an der Seite seines Vaters war er nicht nur mit der Machtausübung vertraut, sondern entwickelte schon sehr bald seine eigenen Vorstellungen von Königsherrschaft und Kaiser­ tum. Dabei handelte er ausgesprochen flexibel. Grundlage seiner Politik war von Anfang an ein ausgeprägtes legalistisches und traditionalistisches Denken, mit dem er zunächst nahtlos an die Politik seines Vaters anknüpfte. Auf dem Boden von Vertragsrecht und tra­ dierten Ordnungsprinzipien entwickelte und formulierte Heinrich seine politischen Ziele und verteidigte die institutionellen Belange des Kaisertums, die bei ihm immer im Zusammenhang mit der Wah­ rung der Ehre des Reiches und der Würde des Amtes und seines Inhabers standen. Viel ausgeprägter noch als sein Vater war Heinrich VI. jedoch ein politischer Herrscher, der sein Vorgehen an den jeweils realen 10

Umständen und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten ausrich­ tete. Nicht das Beharren auf dogmatisch begründeten Standpunkten charakterisiert seine Art des Regierens, sondern ein durchgängig pragmatisch-geschmeidiger Umgang mit Herausforderungen, die sich ihm als König, als Kaiser oder als Miterbe des sizilischen Königreichs stellten. Während andere zeitgenössische Herrscher ihre Ziele, den Gepflogenheiten der damaligen Zeit entsprechend, häufig mit Gewalt zu erreichen versuchten, verfolgte Heinrich VI. einen Weg, bei dem kriegerische Maßnahmen stets nur „ultima ratio“ waren. Sein Handeln war vielmehr bestimmt von Verhand­ lungsstrategien und persönlicher Taktik. Mit dieser Mischung aus unverrückbaren Grundsätzen und klugen taktischen Manövern ver­ suchte er immer wieder, bei Streitfragen auf friedlichem Weg einen Kompromiß zu erreichen, der die Interessen möglichst aller betei­ ligter Parteien berücksichtigen sollte. Diese Vorgehensweise ver­ langte ihm eine Kompromißbereitschaft ab, die im Umgang mit den Reichsfürsten und mit der römischen Kirche auch Problemlösungen aufzeigte, die bis dahin nicht für möglich gehalten worden waren. Die Handhabung seiner Politik trägt somit ausgesprochen modern anmutende Züge. Sie stellt sich dar als eine ganz und gar pragmatisch betriebene Machtausübung auf der Grundlage beste­ henden Rechts, der vorgegebenen Ordnung und unverrückbaren Vorstellungen vom Kaisertum. Mit Gewaltherrschaft hat dies nichts zu tun, sehr viel jedoch mit staatsmännischer Diplomatie. Selten war ein Nachfolger besser auf seine künftigen Herrscheraufgaben vor­ bereitet worden als Heinrich VI. durch seinen Vater. Aber noch viel seltener übertraf ein Nachfolger seine Vorgänger in seiner politi­ schen Kunstfertigkeit in einem solchen Maße wie es dieser Kaiser tat, der zu unrecht im Schatten des eigenen Vaters und Sohnes steht.

11

Kaisertum und Papsttum Als mit dem Antritt der Regierung Konrads III. im Frühjahr 1138 die Epoche der staufischen Herrschaft im Reich begann, da schien es, als seien auch die wesentlichen Grundlagen im Verhältnis zwi­ schen dem neuen Herrscher und der römischen Kirche unstrittig. Das „Wormser Konkordat“, mit dem am Ende des langen Investi­ turstreits wichtige Kirchenrechte des deutschen Königs bzw. des römischen Kaisers im Reich neu vereinbart und festgelegt worden waren, hatte seit etwas mehr als 15 Jahren Bestand. Aber die ver­ tragliche Vereinbarung vom Herbst 1122 war in Wirklichkeit ein Kompromiß gewesen, der, wie sich zeigen sollte, lediglich zu einer vorübergehenden, nicht aber zu einer endgültigen Regelung geführt hatte. Tatsächlich konnten weder der weltliche Herrscher noch das geistliche Oberhaupt mit diesem Abschluß eines jahrzehntelangen Ringens wirklich zufrieden sein. Knapp 100 Jahre lang, von der Wiederaufrichtung des abendlän­ dischen Kaisertums durch Otto den Großen im Jahr 962 bis zum Tode Heinrichs III. im Jahr 1056, verstanden sich die deutschen Könige in ihrer Würde als römische Kaiser immer auch als Schutz­ herren der Kirche - und damit des Papsttums. Im Selbstverständnis jener frühen Herrscher sahen sie ihre Macht vor allem durch die Gnade Gottes legitimiert. In der Ausübung einer Schutzherrschaft über Kirche und Papsttum vollzog sich nach diesem Verständnis somit auch die Durchsetzung eines bestimmten göttlichen Willens. Mit dieser Ordnung konnte man in Rom lange Zeit gut leben, denn unter dem kaiserlichen Schutz festigte und entwickelte sich die Kir­ che zu einer tragenden Institution der christlich-abendländischen Gesellschaft. Dieses Beziehungsgeflecht zwischen Papsttum und Kaisertum änderte sich Mitte des 11. Jahrhunderts aber fundamental. Durch den frühen Tod Heinrichs III. im Jahr 1056 geriet das Kaisertum allein schon infolge der Minderjährigkeit des damals sechsjährigen Thronfolgers Heinrich IV. in eine schwere Krise. Zudem traf der Tod des Kaisers das Reich zu einem Zeitpunkt, als sich die Kirche 12

nicht zuletzt mit Hilfe Heinrichs III. selbst einer Reformbewegung geöffnet hatte, mit dem auch ein Emanzipationsprozeß der Kirche von ihren tradierten Bindungen an das Kaisertum zuerst eingeleitet und in der Folge konsequent weiterverfolgt wurde. Für das poli­ tisch-theologische Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum sollten sich hieraus weitreichende Konsequenzen ergeben, die frei­ lich in ihren ganzen Auswirkungen erst während der Stauferzeit sichtbar wurden. Neben dem Tod Heinrichs III. waren es insbesondere drei Ursa­ chen, die das alte Beziehungsgeflecht zwischen den Kaisern und den Päpsten unwiderruflich zum Vorteil des Papsttums verändern soll­ ten. Innerhalb von nur fünf Jahren, zwischen 1054 und 1059, voll­ zog sich eine Entwicklung, welche die abendländische Kirche auf eine neue ideen- und machtpolitische Grundlage stellte. Sie begann 1054 mit der bis zum heutigen Tag anhaltenden Trennung zwischen der griechisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche. Tatsächlich bedeutete dieses große Schisma den Abschluß eines lan­ gen Kirchenstreites der römischen Bischöfe mit Konstantinopel, der die Päpste in ihrem Kampf um einen Alleinvertretungsanspruch jahrzehntelang beschäftigt hatte. Nach dieser Auffassung verstand sich der Papst mit Berufung auf das Matthäus-Evangelium (16,18) sowie auf den Märtyrertod der Apostel Petrus und Paulus in Rom als das eigentliche Oberhaupt der Christenheit. Durch die Trennung der beiden christlichen Kirchen konnte das Papsttum diesen Anspruch wenigstens im Westen uneingeschränkt durchsetzen. Von noch entscheidenderer Bedeutung für das künftige Verhält­ nis des Papsttums zu seiner bisherigen Schutzmacht aber sollten sich zwei weitere Faktoren erweisen: das Papstwahldekret von 1059 als dem Mitauslöser des Investiturstreits sowie die Ausweitung der römisch-katholischen Amtskirche hin zu einer politisch-weltlichen Ordnungsmacht. Im Zusammenhang mit der Reformbewegung wurde die bis dahin von der Kirche anerkannte Einflußnahme des Kaisers auf die Wahl des Papstes nunmehr in Abrede gestellt. Das mit dem Namen Papst Nikolaus II. verbundene Papstwahldekret von 1059 räumte den Kardinalbischöfen künftig ein Vorwahlrecht ein, 13

denen die übrigen Kardinäle, der Klerus und das Volk zustimmen sollten. Dem deutschen König wurde dabei lediglich noch ein Kon­ sensrecht zugestanden. Mit der parallel dazu aufkeimenden Kritik an der Laieninvestitur, also der Einsetzung von Bischöfen und Äbten durch den weltlichen Herrscher, wurden königliche Kirchen­ rechte dann aber mehr oder weniger prinzipiell zur Disposition gestellt, als sie in den Zusammenhang mit der weltlichen Ämterver­ gabe gebracht wurden. Künftig sollte der Herrscher auf die Wahl und die Bestellung der Geistlichen so gut wie keinen Einfluß mehr nehmen können. Aus Sicht des Königtums war diese Forderung jedoch kaum anders zu interpretieren als ein Frontalangriff auf einen wesentlichen Bestandteil der königlichen Machtgrundlagen. Denn mit der Infragestellung der weltlichen Herrschaft über die Kirche wurde das von Kaiser Otto I. konzipierte Reichskirchensystem un­ weigerlich untergraben. Zukunftsweisend sollte sich aber auch das politische Bündnis der römischen Kirche mit den Normannenfürsten erweisen, die sich im selben Jahr 1059 mit ihren Territorien im Süden Italiens unter die Lehensherrschaft der päpstlichen Kurie begaben. Damit wurde das Papsttum nun auch zu einer weltlichen Ordnungsmacht. Dieser Tat­ bestand sollte im 13. Jahrhundert dann ursächlich zum Untergang der Staufer beitragen. Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Auseinanderset­ zung um die Rechte und damit um die Machtgrundlagen zwischen der Kirche und dem Königtum war mit dem Wormser Konkordat von 1122 schließlich ein Kompromiß ausgehandelt worden, der den Investiturstreit vordergründig beendete. Er stellte den weit vor­ angeschrittenen Emanzipationsprozeß der Kirche auf eine neue rechtliche Grundlage. Das Papsttum hatte sich mit dieser Lösung weitgehend erfolgreich aus einem untergeordneten Abhängigkeits­ verhältnis vom Kaisertum befreit. Damit aber wollte man sich in Rom nicht zufrieden geben. Viel zu deutlich hatten besonders die kirchlichen Reformpäpste Nikolaus II., Gregor VII. und Urban II. den künftigen Weg der Kirche bereits vorgezeichnet: Nicht die gleichrangige, gleichberechtigte Stellung gegenüber dem Kaisertum 14

war das Ziel innerhalb dieser Auseinandersetzung. Vielmehr ging es um die Suprematie der Kirche über die weltliche Herrschaft schlechthin. Dieser Anspruch wurde mit einer eigenwilligen Interpretation begründet. Ihr zufolge besaßen die weltlichen Herrscher nämlich keineswegs allein durch die Gnade Gottes die Legitimation über ihre Machtbefugnisse. Vielmehr definierte sich das Papsttum zuneh­ mend dahingehend, daß sich in der Existenz der Kirche, und damit im Handeln der Päpste, selbst ein bestimmter göttlicher Wille offen­ barte, der Papst und Kirche prinzipiell über jede weltliche Gewalt erhob. Daraus begründete sich nichts Geringeres als die völlige Umwertung des bisherigen Wertesystems. Sie bewirkte jenes Rin­ gen um die Legitimität des jeweils eigenen Machtanspruchs, das die Beziehungen zwischen dem Papsttum und den Staufern dann ganz wesentlich prägen sollte. Denn selbstverständlich wollte und konnte keiner der drei staufischen Kaiser aus eigenem Selbstverständnis heraus einen solch umfassenden Machtanspruch der römischen Päpste akzeptieren. Vielmehr stellten sie ihm jeweils eine Kaiser­ idee entgegen, die im Lauf der Jahrzehnte allerdings immer wieder an der sich verändernden Lage neu ausgerichtet wurde.

Der Wandel der Kaiseridee bei Friedrich Barbarossa Konrad III. hatte noch - immer auch gebunden durch die unun­ terbrochenen Fehden mit seinen welfischen Gegenspielern - weit­ gehend im Einklang mit der Kirche regiert. Unter seinem Neffen und Nachfolger Friedrich Barbarossa wurde das anders. Mit einem I ierrschaftsverständnis, das in vielerlei Hinsicht an die Zeiten Hein­ richs III. anzuknüpfen versuchte, machte der Staufer schon bald nach Antritt seiner Regierung unmißverständlich deutlich, daß er 15

ein Mitspracherecht der Kirche am römischen Kaisertum nicht nur rigoros verneinte, sondern vielmehr für sich selbst ein Mitwir­ kungsrecht bei Besetzung des Papststuhls ableitete. Das aber drohte die inzwischen erreichte Stellung der Kirche ernsthaft zu gefährden. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die miteinander völlig unver­ einbaren Rechtsauffassungen auf eine Machtprobe hinausliefen. Schon zwei Jahre nach der Kaiserkrönung Barbarossas durch Papst Hadrian IV. kam es auf dem Reichstag von Besan§on darüber erstmals offen zur Auseinandersetzung. Auslöser war ein Brief, den zwei Kardinallegaten, unter ihnen der päpstliche Kanzler Roland, überbracht hatten. Friedrichs engster Vertrauter jener Jahre, sein Kanzler Rainald von Dassel, hatte ihn ins Deutsche übertragen und dabei das Wort „beneficia“ nicht etwa mit „Wohltaten“ , sondern mit „Lehen“ übersetzt, genauer mit „noch weitere Lehen“ , die Papst Hadrian im Zusammenhang mit der Kaiserkrönung Friedrich gern habe übertragen wollen. Damit löste Rainald einen Eklat aus. Die Verwendung des Reizwortes „Lehen“ war die Nagelprobe im ge­ genseitigen Verhältnis. Zwei Jahre zuvor, im Zusammenhang mit seiner Kaiserkrönung, hatte Friedrich bereits heftig Anstoß genom­ men an einem Bild im päpstlichen Lateranpalast. Es zeigte Fried­ richs Vorgänger in der Kaiserwürde, Lothar von Supplinburg, wie er vor dem Papst kniete und von diesem die Kaiserkrone empfing. Die abgebildete Handlung wurde mit dem Text erläutert: „Vor die Tore Roms kam der König und beschwor der Stadt ihre Rechte; Lehens­ mann des Papstes ward er dann und empfing von diesem die Krone.“ Friedrich hatte gegen die Umschrift scharf protestiert und von Papst Hadrian die Beseitigung des Bildes gefordert. Damals war der Papst dem Kaiser scheinbar entgegengekommen und hatte zugesagt, das für Friedrich so anstößige Bild zu entfernen. Geschehen aber war nichts. Nun schien Hadrian in seinem Schreiben selbst die Lehensabhängigkeit des Kaisertums von der römischen Kirche zu behaupten. Für den Kaiser und seinen romkritischen Kanzler war das eine offene Herausforderung. Im allgemeinen Aufruhr, der ent­ standen war, ließ sich einer der Kardinäle zu der provokanten Frage hinreißen: „Ja, von wem hat der Kaiser denn die Krone, wenn nicht 16

Hochzeit Heinrichs VI. mit Konstanze, der Tochter König Rogers II. von Sizilien, am 27. Januar 1186 in Mailand. Buchillustration, Zeichnung, 20. Jh.? (Bildquelle ohne nähere Angabe) Bildnachweis: akg-images

Kaiserkrönung Bildnachweis: Burgerbibliothek Bern, Cod. 120.11, f. 105r

vom Papst?“ Diese als Gipfelpunkt päpstlicher Anmaßung empfun­ dene Äußerung gab den Ausschlag für die schriftliche Ausarbeitung des kaiserlichen Herrschafts- und Legitimationsverständnisses. Noch im Anschluß an die Versammlung von Besamjon ließ Fried­ rich eine Zusammenfassung der Vorgänge erarbeiten, die er als Rundschreiben im ganzen Reich bekanntmachen ließ. In wenigen Worten enthält es auch die prägnante Begründung des kaiserlichen Selbstverständnisses: „Da Uns“ , so läßt Friedrich formulieren, „das König- und Kaisertum einzig und allein von Gott durch die Wahl der Fürsten zuteil wurde, von Gott, der den heiligen Petrus sagen ließ: (l. Petrusbrief 2,17), so ist jeder, der behauptet, Wir hätten die Kaiserkrone vom Papst als ein Lehen empfangen, ein Gotteslästerer und überführter Lügner. Ich selber werde eher in den Tod gehen, als unter Unserer Regierung solch einen schmachvollen Umsturz zu dulden.“ Vielleicht hätten sich die Wogen wieder glätten lassen, wenn der Papst sogleich den Sinn des Wortes „beneficium“ vorbehaltlos als „Wohltat“ zu klären versucht hätte. Hadrian aber rief die deutschen Bischöfe in einem Hirtenbrief dazu auf, sich „wie ein Mann“ vor das Maus des Herrn zu stellen und den Kaiser auf den rechten Weg /urückzuführen. Doch dieser Versuch, einen Keil zwischen Fried­ lich und den deutschen Episkopat zu treiben, schlug damals völlig fehl. In ihrer Antwort forderten die Bischöfe ihr Oberhaupt vielmehr auf, Friedrich, den „hochherzigen Sohn“ der Kirche, durch ein neues Schreiben zu besänftigen. Der Kaiser nutzte die Gelegenheit, um seine Auffassung über die Legitimität der Kaiserwürde nochmals deutlich zu machen. Er ließ dem Papst mitteilen: „Die Krönung zum König gebührt dem Erzbischof von Köln, die zum Kaiser dem Papst; alle weiteren Ansprüche sind zuviel und deshalb von Ü b el... In Rom, der Hauptstadt des ganzen Erdkreises, hat Gott die Kirche durch das Kaisertum erhöht, jetzt sucht in Rom die Kirche das Kai­ sertum zu erniedrigen.“ Fast drohend schon fügte er hinzu: „Mit einem Bild fing es an; aus dem Bild wurde die schriftliche These, und nun will man daraus ein Gesetz machen. Das dulden, das leiden Wir nicht! Eher legen Wir die Krone nieder, als daß Wir solche 17

Erniedrigung des Kaisertums und Unserer Person hinnehmen. Man vernichte das Bild, man widerrufe die Schrift, damit sie nicht als ewige Denkmale des Streites zwischen dem Reich und dem Papst erhalten bleiben.“ Daß es in Wirklichkeit nicht mit jenem Bild angefangen hatte, sondern der Wandel in der Rechtsauffassung der Kirche das Ergeb­ nis eines inzwischen hundertjährigen Emanzipationsprozesses ge­ wesen war, spielte für die kaiserliche Argumentation natürlich keine Rolle. Dieses Herrschaftsverständnis duldete keinerlei Kompro­ misse. Es war die Rechtsauffassung, die sich auf das Gewohnheits­ recht stützte, das die Herrschaftsausübung der Kaiser bis zum Inve­ stiturstreit zur Grundlage gehabt hatte. Jede Abweichung davon interpretierte Friedrich als Aushöhlung der gottgegebenen Stellung des Kaisertums im Gefüge der zwei Gewalten. Dagegen aber stand das große, zukunftsweisende Wort Papst Gregors VII., wonach „die Freiheit der Kirche nur durch die Herrschaft der Kirche“ gesichert werden könne. Die Rückkehr zu einem früheren Zustand kam für die Päpste längst nicht mehr in Frage. Die beiden Grundeinstellun­ gen lagen soweit auseinander, daß eine gütliche Einigung weder von der einen, noch von der anderen Seite zu erwarten war. Damit aber waren auch die Weichen gestellt für eine gewaltsame Auseinander­ setzung um die Klärung der Machtverhältnisse zwischen der päpst­ lichen Kurie und dem Kaiser. Durch die Vereinbarungen bzw. die Bündnisse der römischen Kirche mit dem sizilischen König Wil­ helm I. und den oberitalienischen Städten um die Metropole Mai­ land wurde der Kampf noch unter Hadrian IV. vorbereitet. Doch bevor er mit dem Kirchenbann über Friedrich offen ausgetragen wurde, starb der Papst im Spätsommer 1159. In einer tumultuarischen Wahlversammlung wurde Hadrians ein­ stiger Kanzler Roland von der Mehrheit der Kardinäle zum neuen Papst gewählt. Er, der zwei Jahre zuvor vor dem Kaiser gestanden und den Anspruch der Kirche auf Suprematie über den weltlichen Herrscher vertreten hatte, nannte sich nun Alexander III. Schon der Namensbezug auf einen der Reformpäpste des 11. Jahrhunderts war ein unmißverständliches Zeichen. Daß es mit ihm kein Überein­ 18

kommen geben würde, stand für Friedrich Barbarossa und seinen Kanzler von Anfang an fest. Um so bereitwilliger anerkannte der Kaiser alsbald den auf dem Konzil von Pavia von einer Minderheit /um Gegenpapst gewählten Kardinal Octavian. Solange Rainald von Dassel, Kanzler und Erzbischof von Köln, lebte, und solange noch Hoffnung auf den Sieg bestand, hielt Friedi ich unverrückbar an seiner Ablehnung Alexanders fest. Selbst nach dem Tod Octavians 1164 nahm man auf kaiserlicher Seite lieber die Verfestigung der Kirchenspaltung durch die Wahl eines weiteren (Jegenpapstes in Kauf, als die einmal bezogene Stellung wieder preiszugeben. Das geschah, obwohl bereits allenthalben erkennbar war, daß die Zahl derer, die Alexander als rechtmäßigen Papst aner­ kannten, auch innerhalb des Reiches stetig anwuchs. Wie festgefahren die Lage geworden war, zeigte sich schließlich auf jenem Reichstag in Würzburg 1165, als der Kaiser und mit ihm die Mehr­ heit des deutschen Episkopats öffentlich und damit vor aller Welt schworen, Alexander III. und dessen Nachfolger niemals als recht­ mäßigen Papst anzuerkennen. Wenig später, Ende Oktober oder Anfang November dieses Jah­ res, wurde dem Kaiserpaar Beatrix und Friedrich in der Pfalz Nim­ wegen am Niederrhein zum zweiten Mal ein Sohn geboren. Nach­ dem der Erstgeborene den Familienleitnamen Friedrich erhalten hatte, ließ der traditionsbewußte Kaiser diesen Knaben nach seinen salischen Vorgängern auf den Namen Heinrich taufen. Nach dem Tod des älteren Bruders wurde Heinrich zum Thronfolger bestimmt. Im Sommer 1169 wählten ihn die Fürsten auf Betreiben seines Vaters in Bamberg zum deutschen König. Kurz darauf wurde er in Aachen gesalbt und gekrönt. Kaiser Friedrich aber mußte einen zunehmend problematischer werdenden Kampf um die Durchsetzung seiner Ansprüche gegen­ über Alexander III. und dessen Verbündete führen. Es bedurfte ein­ schneidender Ereignisse, um die auf beiden Seiten erstarrten Fron­ ten am Ende doch noch aufzubrechen. Zunächst kam es im Sommer 1167 vor Rom im bis dahin siegreichen kaiserlichen Heer zum Aus­ bruch einer katastrophalen Epidemie, der neben zahlreichen ande­ 19

ren Reichsfürsten auch Rainald von Dassel zum Opfer fiel. Der Kai­ ser verlor damit seinen wohl engsten politischen Berater und Inti­ mus. Rainalds Tod führte anfänglich keineswegs zu einer Änderung der kaiserlichen Prinzipien. Erst die Weigerung Herzog Heinrichs des Löwen, Heerfolge zu leisten und die sich daran anschließende Niederlage Friedrichs bei Legnano im Mai 1176 brachte die Wende. Sie führte dem Kaiser wohl endgültig vor Augen, daß ein militäri­ scher Sieg über die mit Alexander III. verbündeten norditalieni­ schen Städte - und damit natürlich auch über den Papst - nicht mehr zu erzielen war. Im Präliminarfrieden von Anagni, der 1177 zum endgültigen Friedensschluß von Venedig führte, wurde das Verhält­ nis zwischen Kaisertum und Papsttum 25 Jahre nach dem Regie­ rungsantritt Friedrichs auf eine neue Grundlage gestellt. Von Unter­ ordnung der Kirche und des Papstes unter kaiserliche Herrschaft ist dabei nicht mehr die Rede. Die angeschlagene kaiserliche Macht­ grundlage in Italien konnte, wenn auch mit schmerzlichen Ein­ schränkungen, wieder aufgerichtet werden. Insofern ist der Friede von Venedig auch keine Niederlage Friedrichs im eigentlichen Sinn gewesen. Er beendete jedoch ein für alle Mal alte Vorstellungen von einer Superiorität der weltlichen Macht des Kaisertums über das Papsttum und bewirkte dadurch in kurzer Zeit eine an den realen Gegebenheiten ausgerichtete Umorientierung der Idee Friedrichs vom Kaisertum. Aus der Entwicklung heraus, die den Frieden von Venedig ermöglicht hatte, ergab sich in der Folge eine vollständig neue Aus­ richtung der kaiserlichen Positionierung gegenüber den einstigen Gegnern. Von nun an wurde der Kampf um die Interessen des Kai­ sertums nicht mehr militärisch, sondern mit den Waffen der Diplo­ matie geführt. Zunächst wurde der für die Niederlage von 1176 ver­ antwortlich gemachte Herzog Heinrich der Löwe mit Hilfe der Reichsfürsten und aufgrund des Land- und Lehensrechts in einem Prozeß entmachtet und ins Exil gezwungen. Dann versuchte der Kaiser erfolgreich, sich mit seinen einstigen Gegnern auszuglei­ chen. Dem Papsttum gegenüber beharrte er auf der Souveränität der 20

Kaiserwürde, zeigte sich ansonsten jedoch als ein treuer Sohn der Kirche. Soweit keine Reichsrechte betroffen oder bedroht waren, kam er Papst Alexander, und nach dessen Tod 1181 Papst Lucius III., so weit es ging entgegen. Neben dem endgültigen Ausgleich mit den lombardischen Städten verfolgte er aber konsequent das Ziel, die einstigen Feinde künftig nicht mehr als Gegner zu haben. Kurz gesagt verfolgte die kaiserliche Politik nach 1177 stets ein überge­ ordnetes Ziel - der kaiserlichen Herrschaft eine so feste Machtbasis zu verschaffen, daß es einem Papst künftig nicht mehr möglich sein würde, das staufische Kaisertum ernsthaft in Gefahr zu bringen. In diese Politik wurde der heranwachsende Thronfolger Heinrich nach und nach mit einbezogen.

Der Thronfolger Bis zu seinem 18. Lebensjahr ist über den jungen König Heinrich VI. nur wenig Konkretes bekannt geworden. Gelegentlich wird er in den Urkunden seines Vaters erwähnt oder tritt darin als Zeuge auf. Sicher ist, daß er während des 5. Italienzuges seines Vaters zwischen 1174 und 1178 in Italien war. Ob er sich während dieser Jahre aber immer am kaiserlichen Hof aufgehalten hat, läßt sich wie vieles andere nicht mit Bestimmtheit sagen. Erzogen wurde er zweifellos von kompetenten Ausbildern, unter ihnen der hochgebildete Gottfried von Viterbo, so daß er später als für die damalige Zeit ungewöhnlich gebildet beschrieben wurde. Neben Deutsch beherrschte er vermutlich auch Latein und dürfte anders als Barbarossa - des Lesens und Schreibens kundig gewesen sein. An seinem Hof unterhielt er Kontakte mit Minnesängern wie Friedrich von Hausen oder Bligger von Steinach und trat sehr wahr­ scheinlich auch selbst als Dichter von Liebesliedern hervor. Gern 21

würde man mehr erfahren über seine Erziehung und Ausbildung, die Umgebung, in der er aufwuchs, oder die den jungen König umge­ benden Menschen. Wenig ist darüber bekannt geworden. Der Jagd und dem Vogelfang soll er verbunden gewesen sein und klugen Gesprächen stets zugetan. Auf buntes Treiben an Heinrichs Hof ver­ weisen Berichte über Gaukler, einen Spielmann, ja sogar einen Hof­ narren. Zu vielem anderen schweigen unsere Quellen, und so ist auch kaum etwas über sein Aussehen und seine Wesensart bekannt. Als körperlich eher schmächtig, als hager und von zartem Körperbau wird er beschrieben, gesellig und ausgesprochen freigebig gegen­ über seinen Getreuen, aber auch als häufig nachdenklich bis grüb­ lerisch, angetrieben von einem wachen, klugen Geist und hoher Intelligenz. Seine Feinde dagegen stellten ihn als grausam dar, über­ heblich und mitleidslos Verrätern gegenüber. So bleibt ein nur sehr eingeschränkt aussagefähiges Bild, und die hier vorliegende An-j näherung an einen in vieler Hinsicht unbekannten Herrscher muß daher weitgehend auf sein Handeln beschränkt bleiben. Das aber zeugt von einem starken Selbstbewußtsein, von Scharfsinn, von einer betont legalistischen Rechtsauffassung, von einem klar umris- j senen Herrschaftsverständnis und der festen Überzeugung von einer j christlichen Kaiseridee, welche die augustinische Zwei-Reiche-; Lehre zur Grundlage hatte, wonach Kaisertum und Papsttum die } personifizierten Stützen des abendländischen Christentums waren, i Nach und nach wurde der junge König mit Aufgaben betraut, die ] er mit Hilfe seiner Berater weitgehend eigenständig zu lösen hatte ; und ihn langsam an die große Politik heranführten. Die langen Jahre an der Seite seines Vaters und seine zunehmende Einbeziehung in die Regierungstätigkeiten prägten ihn ganz wesentlich. Dabei kam ihm zweifellos zugute, daß ihm von Anfang an fähige und loyale ; Berater und Vertraute zur Seite standen. Er verinnerlichte den von seinem Vater vollzogenen Paradigmenwechsel hin zu einer Herr­ schaftsausübung der offenen oder geheimen Diplomatie. Zeit seines I Lebens hielt er mit erstaunlich zielsicherem Gespür für das Mach- | bare daran fest. Immer versuchte er erst, seine Ziele auf dem Ver­ 22

handlungsweg, durch Taktieren und Ausspielen seiner Gegner, durch Versprechungen, Geschenke und gelegentlich auch durch offen ausgeübten Druck zu erreichen. Von dieser Mischung aus Zielstrebigkeit, Taktik, Beharrlichkeit, politischem Kalkül und bisweilen auch durch glückliche Umstände ist später seine ganze Regierungszeit geprägt. Kriegerische Maßnahmen waren ihm dage­ gen nie etwas anderes als ein Mittel zum Zweck. In die Verhandlungen, die im Frühjahr 1183 mit den oberitalieni­ schen Städten geführt wurden, scheint der junge Heinrich bereits einbezogen gewesen zu sein. Der 1177 auf sechs Jahre ausgehan­ delte Waffenstillstand sollte zu einem dauerhaften Frieden führen. Unter Verzicht auf zahlreiche alte Ansprüche des Reiches gegenüber den lombardischen Städten schlossen Kaiser und König im Juni 1183 in Konstanz einen Frieden, der die 25 Jahre dauernden Feind­ seligkeiten mit den Städten Norditaliens endgültig beendete. Den anwesenden päpstlichen Gesandten gegenüber erneuerte Friedrich zudem sein Angebot aus dem vorangegangenen Jahr, sich mit dem Papst über die Besitzverhältnisse hinsichtlich der seit langem umstrittenen Mathildischen Güter in Mittelitalien und in der Tos­ kana ausgleichen zu wollen. Auch für Heinrich VI. sollte dieser Streitpunkt zwischen Kirche und Reich später eine wichtige Be­ deutung erlangen. Nicht zuletzt infolge der Forderung Friedrichs nach einem Mitkaisertum seines Sohnes und einer zwiespältigen Bischofswahl in Trier verschlechterten sich die Beziehungen zur päpstlichen Kurie aber bald wieder. Solange er die uneingeschränkte Mündigkeit nicht erlangt hatte, die mit der Erlangung der Ritterwürde verknüpft war, konnte Hein­ rich nicht wirklich selbständig handeln. Vom Alter her erfolgte seine Aufnahme in die Ritterschaft erstaunlich spät, dafür aber im Rah­ men eines der größten und denkwürdigsten Feste dieser Epoche. Kaiser Friedrich ließ es auf dem Höhepunkt und im Glanz seiner Macht ausrichten. An Pfingsten 1184 kam zum Hoffest vor den Mauern der Metropole Mainz zusammen, was damals im Reich Rang und Namen hatte. Zahlreiche Besucher aus dem Ausland ver­ größerten die Zahl der Teilnehmer, für die man eigens eine Feststadt 23

errichtet hatte. Neben dem feierlichen Hochamt am Pfingstsonntag stand die Schwertleite der beiden ältesten Söhne des Kaiserpaares im Mittelpunkt des Geschehens. In feierlichem Rahmen erfolgte am Pfingstmontag die Aufnahme Heinrichs VI. und seines jüngeren Bruders Friedrich in den Kreis der Ritterschaft. Reiterspiele und andere Vergnügungen schlossen an dieses Ereignis an. Das pracht­ volle Fest endete am darauffolgenden Tag allerdings abrupt, als ein schwerer Gewittersturm die Feststadt verwüstete und dabei zahlrei­ che Menschen ums Leben kamen.

König Heinrich VI. neben seinem Vater Von diesem Zeitpunkt an vollzieht sich die Regierungstätigkeit im Reich zunehmend arbeitsteilig. Ganz anders als später Friedrich II., der seinen Sohn Heinrich (VII.) als bloßen Befehlsempfänger behandelte, bereitete Barbarossa den Thronfolger früh und erfolg­ reich auf dessen künftige Aufgaben vor. Immer wieder tauschte er sich mit ihm aus und entwickelte in seinen letzten Jahren wohl auch die politischen Ziele in enger Zusammenarbeit mit seinem Sohn. Schon im Frühsommer 1184 übernahm Heinrich einen ersten mi­ litärischen Auftrag und zog gegen den polnischen Großherzog Ka­ simir, um die Belange an der Ostgrenze des Reiches nötigenfalls auch militärisch durchzusetzen. Als Kasimir beim Herannahen des Königs jedoch sofort die Huldigung anbot, sah Heinrich darin die Interessen des Reiches hinlänglich gewahrt und akzeptierte die Unterwerfung als friedenssichernde Maßnahme. Unterdessen hatte der Kaiser seine Bemühungen wieder aufge­ nommen, die Absicherung des Kaisertums weiter voranzutreiben. Sein größter Erfolg in diesem Zusammenhang bestand dabei zwei­ fellos in der Aushandlung eines Ausgleichs mit dem einstigen 24

I lauptgegner im Süden Italiens, dem normannischen Königreich \i/ilien. Durch den 1184 herbeigeführten Friedensschluß ver, hwand nicht bloß ein potentieller Kriegsgegner. Die eigentliche II, isanz dieses Übereinkommens bestand vielmehr in der Heiratsab.prache, die damit verbunden war. Ihr zufolge sollte Heinrich VI. König Wilhelms Tante Konstanze ehelichen, die mit ihren damals t() Jahren etwa gleich alt wie ihr Neffe war. Ein Ausgleich auf der Uasis einer Heiratsverbindung zwischen dem deutschen Thronfolrer und einer potentiellen Erbin des sizilischen Königreichs neutra­ lisierte praktisch die Lehensabhängigkeit Siziliens von der päpst­ lichen Kurie auf politischer Ebene. Eine der tragenden Stützen aus ,1er Front möglicher Verbündeter eines feindseligen Papstes in einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dem Kaisertum wurde damit herausgebrochen. Für Heinrich VI. und Konstanze wurde diese Ver­ einbarung zum Lebensschicksal. Während König Heinrich die Interessen des Reiches in Deutsch­ land vertrat, war der Kaiser im Spätsommer 1184 ohne Heer und ohne seine Gattin Beatrix zu seinem sechsten und letzten Italienzug aufgebrochen. Beatrix war möglicherweise wegen einer schweren Erkrankung ihres jüngsten Kindes, der damals etwa fünfjährigen Agnes, zuhause geblieben. Nur wenige Wochen, nachdem die kleine Agnes im Oktober starb, folgte ihr am 15. November die Kaiserin in den Tod. Der König hatte noch im Oktober in Augsburg einen Hof­ lag abgehalten, wo auch seine Verlobung mit Konstanze bekannt­ gegeben wurde. Er war in der Gegend von Trier, als ihn die Nach­ richt vom Tod seiner Mutter erreichte. Zur Beisetzung von Mutter und Schwester im Speyerer Dom reiste er Ende November 1184 an den Rhein. Zeitgleich verhandelte Barbarossa mit Papst Lucius in Verona. Nach seiner Ankunft in Italien hatte Friedrich demonstrativ Mailand besucht, jene Stadt, die er 22 Jahre zuvor dem Erdboden hatte gleichmachen lassen. Nach dem Frieden von Konstanz symboli­ sierte sein Besuch in der Metropole der lombardischen Liga den Beginn eines neuen und vertrauensvollen Verhältnisses, an das sein Sohn später nahtlos anknüpfen konnte. Im Anschluß daran war Bar25

barossa nach Verona weitergezogen, wo er Verhandlungen mit Lucius III. führte. Neben zahlreichen Themen, über die man sich bald verständigte, kam man in den wirklich entscheidenden Fragen zu keinem Ergebnis. Schon länger hatte der Kaiser die Absicht ver­ folgt, in Anknüpfung an Karl den Großen und andere seiner Vor­ gänger in der Kaiserwürde seinen Sohn Heinrich vom Papst zum Mitkaiser krönen zu lassen. Durch das Bekanntwerden des Heirats­ projekts änderte sich das Verhandlungsklima aber bald. Das kai- l serliche Ausgleichsangebot hinsichtlich der Mathildischen Güter lehnte der Papst nun genauso ab wie die zuvor doch recht vage in Aussicht gestellte Kaiserkrönung Heinrichs VI. Mit dem dadurch herbeigeführten Abbruch der Verhandlungen Ende 1184 verhärteten sich die Fronten zwischen Kaiser und Papst noch weiter. Friedrichs Maßnahmen konzentrierten sich in den folgenden Monaten darauf, die Zusammenarbeit mit den lombardi­ schen Städten zu intensivieren und die Entstehung eines reichs­ feindlichen Städtebunds in der Toskana zu verhindern. Die Apenmnenpässe wurden von Reichsbeamten gesichert sowie der Druck auf die vom PaPst beanspruchten Mathildischen Besitzungen in Mittelitalien erhöht. Im Juli 1185 reiste der Kaiser nach Süden, um seiner künftigen Schwiegertochter einen würdigen Empfang zu bereiten . In einem prachtvollen Zug war die Prinzessin bereits unter- : wegs zu ihrem künftigen Gatten, begleitet von einem riesigen Troß. Allem 150 Saumtiere sollen wertvolle Geschenke und die Mitgift Konstanzes befördert haben. Wahrscheinlich traf sie Ende Septem­ ber in Foligno, am Wohnsitz der Familie Herzog Konrads von Spole t° ,mit dem Kaiser zusammen. Schon während dieses Aufenthalts dürfte Konstanzes vertrauensvolles Verhältnis zur Gattin Herzog Konrads entstanden sein. Das sollte 1195 dazu führen, daß die Kai- ; serin ihren soeben geborenen Sohn nach Foligno brachte und ihn der Herzogin anvertraute, ehe sie selbst nach Sizilien weiterreiste. Kon- I stanze begleitete den Kaiser nun auf dem Rückweg in die Lombar- | dei. Ihr Bräutigam war in jenen Wochen damit beschäftigt, die Interessen des Reiches im Westen zu wahren, wo es im Grenzbereich seit 26

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liingerem Konflikte gab. Schon wurden kriegerische Maßnahmen gegen Frankreich vorbereitet, da untersagte der Kaiser von Italien aus seinem Sohn die weitere Verfolgung dieser Pläne und berief ihn /u sich. Noch vor Weihnachten 1185 traf der König am H of in Nord­ italien ein, wo sich die künftigen Gatten das erste Mal begegneten. Ihnen Monat später, am 27. Januar 1186, fand in Sant’ Ambrogio zu Mailand die Trauung Heinrichs mit seiner elf Jahre älteren Braut Konstanze statt. Die Hochzeit wurde zu einem prunkvollen Staatsakt aufgewertet, denn ihr schloß sich eine Krönungszeremonie an, die symboltrachtig das universale Selbstverständnis des römischen Kaisertums unterstrich. In Friedrich, seinem Sohn Heinrich und dessen Gattin sollte vermutlich die unaufhebbare Verbindung der drei Königrei­ che die das Heilige Römische Reich damals bildeten, personifiziert präsentiert werden. Sich selbst ließ der Kaiser vom Erzbischof von Vienne, dem Kanzler des Königreichs Burgund, die Krone aufset/.en. Der Patriarch von Aquileia krönte den deutschen König wohl zum italischen König, und ein deutscher Bischof krönte wiederum Konstanze, vermutlich zur deutschen Königin. Zugleich soll Fried­ rich seinen Sohn zum Caesar ausgerufen haben, was als ein allge­ meinverständliches Zeichen für die erfolgte Regierungsteilung und Mitregentschaft des Thronfolgers an der Seite seines Vaters ausge­ legt werden dürfte. Diese Zeremonie richtete sich zweifellos aber auch an die Adresse des Erzbischofs von M ailand, der nach dem Tod Lucius III. im November 1185 unter dem Namen Urban III. den päpstlichen Thron bestiegen hatte. Als entschiedener Gegner der kaiserlichen Ansprüche war er demonstrativ den Hochzeitsfeier­ lichkeiten femgeblieben. Bald verhärtete sich das angespannte Verhältnis noch weiter und eskalierte schließlich zur offenen Konfrontation, als Urban in den noch immer schwelenden Konflikt um den Bischofsstreit von Trier eingriff und Anfang Juni 1186 den vom Kaiser zurückgewiesenen Kandidaten zum Erzbischof weihte. Tatsächlich bedeutete Urbans Vorgehen die offene Mißachtung der Vereinbarungen aus dem Wormser Konkordat. Entsprechend scharf reagierte der Kaiser auf

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diese Provokation. Nachdem sich auch das Verhältnis zu Erzbischof Philipp von Köln immer mehr verschlechtert hatte, entschloß er sich dazu, nach Deutschland zurückzukehren. Sogleich übertrug der Kai­ ser seinem Sohn die Aufgabe, in Italien die Interessen des Reiches zu verfolgen und die gegenteilig ausgerichteten Bestrebungen des Papstes und seiner Anhänger zu unterlaufen. Ende Juni kehrte er über die Alpen zurück. Schon seit dem Frühjahr 1186 hielt sich Heinrich VI. in der Toskana auf, um dort die Reichsrechte zur Geltung zu bringen und um den Druck weiter zu erhöhen, die Mathildischen Besitzungen unter die Kontrolle des Reiches zu bringen. Im Juni erreichte ihn der Befehl seines Vaters, gegen die päpstlichen Besitzungen militärisch vorzugehen. Wie auf einem förmlichen Kriegszug zog er daraufhin, unterstützt von stadtrömischen und weiteren papstfeindlichen Kräf­ ten, mit Waffengewalt in den Kirchenstaat, zwang die Orte auf dem Weg zur Zahlung der Heeresabgabe und ließ zahlreiche Städte bela­ gern und das umliegende Land ausplündem. Im August wurde die Strafaktion eingestellt. Der König zog über die Marken zurück in die Lombardei. Heinrich blieb jedoch in Italien, um auch in Gegen­ den die Präsenz des Reiches zu zeigen, die abseits der wichtigen Verbindungsstraßen in Piemont, der Toskana oder den Marken lagen. Bis zum Herbst 1187 zog er unermüdlich durch Reichsitalien, ehe er in die Lombardei zurückkehrte. Die Auseinandersetzung mit Urban III. strebte unterdessen einem neuen Höhepunkt zu, als bekannt wurde, daß der Papst beabsich­ tigte, Kaiser und König mit dem Kirchenbann zu belegen. Inmitten dieser Vorbereitungen erkrankte er Anfang Oktober plötzlich. Die Nachricht vom bevorstehenden Fall Jerusalems, die kurz darauf in Italien eintraf, soll ihn zudem wie ein Schlag getroffen haben. Am 20. Oktober 1187 starb der streitbare Papst in Ferrara. Seinem Nachfolger Gregor VIII. war nur ein Pontifikat von zwei Monaten beschieden. Sie standen ganz unter dem Eindruck des Verlustes der heiligsten Stätten der Christenheit. Neben einem allgemeinen Aufruf zur Befreiung des Heiligen Grabes bot er auch Kaiser und König die Hand zum Ausgleich. Durch den Tod Gregors, der wenige 28

l äge vor Weihnachten 1187 völlig unerwartet in Pisa starb, blieben die Dinge aber weiterhin offen. Zu diesem Zeitpunkt war Heinrich VI. längst schon wieder in Deutschland. Mitte November war er (Iber die Alpen gegangen. Zwei Jahre lang hatte er selbständig und allein das Reich in Italien regiert, sich mit den Verhältnissen dort bestens vertraut gemacht und wichtige Erfahrungen für die Zukunft gesammelt. Selten war die Reichsgewalt südlich der Alpen ähnlich stark repräsentiert gewesen wie Mitte der 80er Jahre des 12. Jahr­ hunderts. Als im Herbst 1187 die Nachrichten vom Fall Jerusalems das Abendland erschüttert hatten, zeichnete sich bald ab, daß es einen neuen Kreuzzug geben würde, um die heiligen Stätten der Christen­ heit wieder zurückzuerobern. Friedrich hatte zunächst gezögert, sich an diesem Unternehmen persönlich zu beteiligen. Zu unsicher schie­ nen ihm die Dinge im Reich, um auf einen Kreuzzug zu ziehen. Doch die Dimension der Aufgabe, die allgemeine Glaubensbegei­ sterung und die auf Betreiben Heinrichs erfolgte Aussöhnung mit Philipp von Köln ebneten dem Kaiser den Weg, selbst an die Spitze lies Kreuzzugs zu treten. Dazu trug aber auch das Zugeständnis des neuen Papstes Clemens III. bei, Heinrich VI. zum Kaiser krönen zu wollen. Als in Mainz im Frühjahr 1188 auf dem großen „Hoftag Jesu Christi“ die Kreuzfahrt des Reiches unter der Leitung des Kai­ sers beschlossen wurde, da wollte Friedrich unbedingt sichergestellt wissen, daß der Landfrieden in Deutschland während seiner Abwe­ senheit gewahrt blieb. Dies aber hing wesentlich vom Verhalten des gedemütigten Heinrichs des Löwen ab. Nachdem Herzog Heinrich von Sachsen und Bayern Ende 1181 seine beiden Herzogtümer verloren hatte und zu einem mehrjähri­ gen Exil verurteilt worden war, war er mit seiner Familie an den königlichen Hof seines Schwiegervaters nach England gegangen. Im Oktober 1185 kehrte er von dort nach Deutschland zurück. Schon kurz darauf begann er, alte Anhänger um sich zu scharen. Dann versuchte er, seinen politischen Einfluß und seine ge­ schwächte Machtbasis zumindest in Sachsen wieder auszudehnen. Nicht zu unrecht befürchtete der Kaiser daher, daß diese Bemühun29

gen seines Vetters einen erneuten Unruheherd im Norden des Rei­ ches schaffen könnten. Während Heinrich VI. im Auftrag seines Vaters in Burgund unterwegs war, fand im Sommer 1188 in Goslar ein Reichstag statt, zu dem auch Heinrich der Löwe besonders gela­ den wurde. In einer persönlichen Unterredung machte der Kaiser seinem Vetter klar, daß er nicht dulden könne, ihn im Reich zurück­ zulassen, während er selbst und zahlreiche Fürsten sich auf unbe­ stimmte Zeit im Heiligen Land aufhalten würden. Barbarossa stellte den Löwen deshalb vor die Alternative. Entweder solle er sich dem Kreuzzug anschließen, oder aber zusammen mit seinem ältesten Sohn erneut außer Landes gehen. In diesem Falle habe er eidlich zuzusichem, nicht vor Ablauf von weiteren drei Jahren zurückzu­ kehren. Der Welfe wählte das Exil, leistete dem Kaiser den ge­ wünschten Eid und verließ um die Osterzeit 1189 Deutschland. Friedrich war nun festen Glaubens, alles Erdenkliche für die Zeit seiner Abwesenheit getan zu haben, um dem Reich den inneren Frieden zu bewahren. Im Mai 1189 brach er zusammen mit seinem jüngeren Sohn Friedrich, dem Herzog von Schwaben, zum Kreuz­ zug auf. Von seinem Sohn Heinrich hatte er sich schon im April ver­ abschiedet. Selten war ein Nachfolger besser auf seine Aufgabe vor­ bereitet gewesen als Heinrich VI., der nun als Stellvertreter seines Vaters die Regierungsgeschäfte im Reich übernahm. Der junge König hatte kaum Zeit gefunden, die Arbeit richtig aufzunehmen, da begannen die Dinge eine gänzlich unerwartete Wendung zu nehmen. Ursächlich hierfür waren drei Todesfälle, die jeder für sich auf das Handeln Heinrichs VI. einwirken und den wei­ teren Verlauf der Reichsgeschichte beeinflussen sollten: Am 28. Juni 1189 starb in Braunschweig Herzogin Mathilde, die Frau Hein­ richs des Löwen. Nur gut eine Woche später verschied König Hein­ rich II. von England, Mathildes Vater. Ihm folgte deren Bruder Ri­ chard Löwenherz auf den Thron. Im November schließlich starb auch König Wilhelm II. von Sizilien, der Mann von Mathildes und Richards Schwester Johanna. Kaum hatte ihn die Nachricht vom Tod seiner Frau in seinem Exil erreicht, da besprach sich Heinrich der Löwe mit seinem Schwager 30

Kichard, dem neuen König von England. Wohl mit dessen Einverlandnis faßte er einen weitreichenden Entschluß. Unter Bruch sei­ nes dem Kaiser geleisteten Eides kehrte er nach Braunschweig zurück. Sofort machte er sich dann daran, die Abwesenheit Fried­ richs auszunutzen und seine früheren Besitzungen in Sachsen /urückzuerobern. Innerhalb weniger Wochen gelang es ihm, fast alle nordelbischen Gebiete in seine Hände zu bekommen. Für König Heinrich VI. war dieser neuerliche Verrat die erste wirkliche Herausforderung als Stellvertreter seines Vaters. Er han­ delte blitzschnell. Noch im Oktober 1189 berief er einen Reichstag nach Merseburg ein, wo dem Löwen als Reichsfeind der Krieg erklärt wurde. Dann zog das rasch zusammengezogene Reichsheer gegen die welfischen Besitzungen in Sachsen. Der einbrechende Winter unterbrach schließlich alle Kampfhandlungen. Die Entschei­ dung war längst noch nicht gefallen, da gelangte um die Weih­ nachtszeit die Nachricht vom Ableben König Wilhelms von Sizilien an den königlichen Hof in Deutschland. Diese Meldung veränderte die gesamte politische Situation schlagartig. Denn nachdem König Wilhelms Ehe mit seiner Frau Johanna kinderlos geblieben war, war Konstanze, die deutsche Königin, nach sizilischem Erbrecht die ein­ zige legitime Erbin des normannischen Königreiches.

Das Königreich Sizilien Das normannische Königreich Sizilien bestand 64 Jahre lang, von 1130 bis 1194. Anders als die übrigen Königreiche in Europa war es kein über Jahrhunderte gewachsener, sondern ein mit dem Schwert eroberter Staat. Seit Beginn des 11. Jahrhunderts hatten sich französische Normannen in Unteritalien, später dann auch auf der Insel Sizilien festgesetzt. Im Kampf gegen Sarazenen, Lango­ 31

barden und das Oströmische Reich gelang es ihnen, nach und nach ganz Süditalien zu erobern und dort bald darauf eigenständige Für­ stentümer zu gründen. Dabei hatten sie zunächst die Lehenshoheit des römischen Kaisertums über die süditalienischen Gebiete aner­ kannt. In den Wirren nach dem frühen Tod Heinrichs III. 1056 änderte sich die Sachlage aber grundlegend. Nur drei Jahre später unterwar­ fen sich die Normannen im Süden Italiens einer päpstlichen Lehens­ herrschaft. Sie verpflichteten sich dabei ausdrücklich, künftig jeden rechtmäßig gewählten Papst zu unterstützen. Für das Beziehungs­ geflecht zwischen Kaisertum und Papsttum hatte dieses Überein­ kommen weitreichende Konsequenzen. Denn von nun an war die päpstliche Kurie auf dem besten Weg, auch zu einer weltlichen Ord­ nungsmacht zu werden. Die alten Rechte des Reiches wurden bei dieser Belehnung nicht mehr beachtet. Die folgenden Jahrzehnte nach 1059 waren im Reich geprägt durch den Investiturstreit und nach dem Aussterben des salischen Herrscherhauses 1125 auch durch den beginnenden Dualismus zwi­ schen Welfen und Staufern. Weder Heinrich IV. noch Heinrich V. hatten sich mit der Einforderung alter Reichsrechte im Süden Itali­ ens beschäftigen können. So ging der weitere Ausbau der norman­ nischen Herrschaft in Süditalien und Sizilien von seiten des Reiches ungestört voran. 1127 hatte Roger II. alle normannisch-italienischen Fürstentümer unter seine Herrschaft gebracht. Als es nach dem Tod des damaligen Papstes Honorius II. Anfang 1130 zudem zur Wahl zweier Päpste kam, nützte Roger das Schisma geschickt aus, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Er stellte sich auf die Seite des Gegenpapstes Anaklet II. Bei Anerkennung der päpstlichen Lehens­ herrschaft erlangte er von ihm nicht nur die Königswürde für die Insel Sizilien und die festländischen Herrschaftsgebiete, sondern auch die bedingungslose Anerkennung der freien Erblichkeit im ' Königreich ohne jegliches Bestätigungsrecht seitens des Papstes, j Dagegen wurde der Nachfolger Heinrichs V. im Reich, Lothar von Supplinburg, 1133 vom rechtmäßigen Papst Innozenz II. zum Kai- ] ser gekrönt. 32

Einzug Kaiser Heinrichs VI. in Palermo (1194 nach dem Untergang des Normannenreiches). Nach einer Zeichnung von Gustav Adolf Closs (geh. 1864). Aus: A. Bär u.a. (Hrsg.), Bildersaal deutscher Geschichte, Stuttgart Leipzig Berlin, 1890. B ildnachw eis: akg-im ages

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Gegen die einschneidende Veränderung der Machtverhältnisse in Siiditalien verbündeten sich Innozenz II. und die beiden Kaiserrei­ che zu einer antinormannischen Front. Der 1136 begonnene Feldzug Kaiser Lothars gegen Roger II. war eine militärische Meisterleislung, mußte im darauffolgenden Jahr aber dennoch ohne bleiben­ den Erfolg abgebrochen werden. Und so gelang es dem neuen König von Sizilien selbst nach dem Tode Anaklets II. im Jahre 1138, das Iirreichte zu behaupten. Durch seinen Sieg über das päpstliche Heer und die Gefangennahme Papst Innozenz II. bei Mignano im Juli 1139 war es nun Roger, der den Frieden diktierte. In völliger Ver­ kennung der tatsächlichen Stärkeverhältnisse hatte Innozenz den von ihm gebannten König vernichten wollen, um danach das südita­ lische Lehen der Kirche endlich nach päpstlichen Vorstellungen ordnen zu können. Nun mußte er ihn vom Bann lösen und Rogers Königtum anerkennen. Erst nachdem der Papst durch ein rechtsver­ bindliches Generalprivileg die mit Anaklet II. getroffenen Verein­ barungen in nahezu vollem Umfang bestätigt hatte, huldigte Roger seinem Lehensherrn. Die Anerkennung des sizilischen Königreichs wurde nun auch vom rechtmäßigen Papst vollzogen. Ein dauerhafler Friede war damit freilich immer noch nicht gewonnen. Denn die auf Innozenz II. folgenden Päpste verweigerten alle die Anerken­ nung des Privilegs von 1139 und stellten damit auch die Existenz des normannischen Königreichs in Frage. Unter Papst Hadrian IV. kam es letztmals zum Versuch, das sizilische Königtum wieder zu beseitigen. Doch Rogers Sohn und Mit­ könig Wilhelm I. gelang es, seine Ansprüche auf den Thron nach dem Tod des Vaters 1154 zu behaupten. Ohne die zuvor vereinbarte militärische Unterstützung durch den neuen Kaiser Friedrich Barba­ rossa sah sich Papst Hadrian bald gezwungen, die Existenz des Nor­ mannenreiches in seinem vollständigen territorialen Umfang unter Wilhelms Herrschaft anzuerkennen. Im Konkordat von Benevent wurden die Rechtsgrundlagen zwischen dem Königreich und dessen päpstlichem Lehensherm 1156 wiederum zu Gunsten der Krone geregelt. Dazu zählte auch die Absicherung der Erbfolge, nachdem noch 1151 Papst Eugen III. das Erbrecht Wilhelms ernsthaft in Frage 33

gestellt hatte. Eine Einflußnahme des Papstes auf die Regelung der Nachfolge wurde für die Zukunft erneut ausgeschlossen. Das Kon-' kordat von 1156 war ein förmlicher Staatsvertrag zwischen zwei gleichrangigen Partnern, an dem auch das Lehensverhältnis nichts änderte. Er blieb in der Folge juristische Grundlage innerhalb der Beziehungen zwischen dem Königreich Sizilien und dem Papsttum. Sein Abschluß bedeutete gleichzeitig das Ende der antinormanni­ schen Koalition zwischen dem Reich und der päpstlichen Kurie. Mehr als 30 Jahre lang spielten die Vereinbarungen dieses Ver­ trages dann keine Rolle mehr. Auch der Übergang der Herrschaft von Wilhelm I. auf seinen Sohn Wilhelm II. im Jahr 1166 vollzog sich geräuschlos auf dieser Grundlage. Nachdem es Barbarossa 1184 jedoch gelungen war, mit Wilhelm II. die Heirat des Thronfol­ gers mit Wilhelms Tante Konstanze auszuhandeln, sollte das Kon­ kordat von Benevent innerhalb der Beziehungen zwischen Heinrich VI. und der römischen Kirche bald eine ungeahnte Bedeutung erlan­ gen. Diese Eheabsprache war in mehrfacher Hinsicht ein herausra­ gender Erfolg der kaiserlichen Diplomatie jener Jahre. Sie beendete den latenten Kriegszustand zwischen den beiden Reichen, der noch infolge des Friedens von Venedig lediglich durch einen auf 15 Jahre ausgehandelten Waffenstillstand unterbrochen worden war. Darüber hinaus stellte sie dem künftigen Kaiser unter bestimmten Umstän­ den sogar den Erwerb des Königreichs Sizilien in Aussicht. Denn Konstanze, die erst nach dem Tod ihres im Februar 1154 verstorbe­ nen Vaters Roger II. geboren wurde, war neben König Wilhelm selbst und ihrem illegitimen Neffen Tankred von Lecce der einzige noch lebende Sproß des in Palermo regierenden Hauses der Hauteville. Anläßlich der Verlobung zwischen Heinrich VI. und Konstanze wurde deshalb ein zweiseitiger Vertrag abgeschlossen. Darin war festgelegt worden, daß Konstanze und ihrem künftigen Gatten im Falle eines kinderlosen Todes ihres Neffen das Königreich als Erbe zufallen sollte. Der Kontrakt wurde vom Adel der beiden Monar­ chien beschworen. Für die deutsche Seite geschah dies im Oktober 1184 während jenes Hoftags in Augsburg, auf dem die Verlobung 34

lies Thronfolgers öffentlich gemacht wurde. Auf sizilischer Seite \crbanden die Barone ihren Eid mit einer gleichzeitigen persönli­ chen Huldigung vor Konstanze im apulischen Troia. Dieser Schwur bezog den deutschen König ausdrücklich mit ein. Sollte der VerIlagsfall eintreten, würde dies die Umwälzung der bestehenden Machtverhältnisse in Italien zugunsten des deutschen Königs und kiinfügen Kaisers zur Folge haben. Zudem drohte dem Papsttum die vollständige territoriale Umklammerung des Kirchenstaates. Das illes war geregelt worden, ohne den Papst und die römische Kirche m diese Pläne mit einzubeziehen, obwohl die Kirche über das Kö­ nigreich bereits seit über fünfzig Jahren die Lehensherrschaft ausnhte und seither eine kaiserliche Herrschaft über Gesamtitalien ablehnte. Die verhältnismäßig schwache politische Stellung der Päpste nach Alexander III. hinderte diese zunächst daran, in der für das Papsttum so bedeutenden Angelegenheit tätig zu werden. Das änderte sich, als Ende 1187 Clemens III. den päpstlichen Thron bestieg. Seine Wahl erfolgte zu einem Zeitpunkt, als Heinrich VI. Italien nach zweijährigem Aufenthalt gerade verlassen hatte. Unbe­ einflußt von der Anwesenheit des Kaisers oder Königs richtete ( Jemens die päpstliche Politik in den folgenden Monaten an ver­ schiedenen Punkten neu aus. So war er seit 1144 der erste Papst, dem es durch finanzielle Zusagen an den Senat der Stadt gelang, die luhrzehntelangen Streitigkeiten mit den Römern weitgehend beizu­ legen. Dies ermöglichte die Rückkehr der päpstlichen Kurie nach Rom. Es dauerte nur wenige Monate, dann wandte sich Clemens aber auch schon dem Königreich im Süden Italiens zu. Zum ersten Mal seit 1156 sollten die Bestimmungen des Konkordates von Benevent neu bekräftigt werden. Für die Gebiete des päpstlichen Lehens ver­ langte der Papst die Leistung des Treueides von König Wilhelm. Aus diesem Anlaß schickte er im Sommer 1188 zwei Kardinallega­ len nach Palermo, die den Schwur des Königs entgegennehmen soll­ ten. Dafür würde ihm eine neuerliche Bestätigung und Anerkennung seiner Herrschaft zuteil werden. 35

Anläßlich der Eidesleistung des Königs wurde am Hof in Pa­ lermo nun aber die prinzipielle Frage erörtert, ob der päpstlichen Forderung zu entnehmen sei, daß künftig jeder Nachfolger des Königs jedem neuen Papst Treueid und Hominium zu leisten habe. Diese Frage erachtete Wilhelm II. als so wichtig, daß er sie nach Rom weiterleiten ließ. Clemens III. zeigte sich erstaunlich ent­ gegenkommend. Würden die Erben im Erbfall unverzüglich ihre Bereitschaft bekunden, die Verpflichtungen aus dem Konkordat von Benevent ungeschmälert und ohne Zögern einhalten zu wollen, dann könnte ihnen der eigentliche Lehensdienst erlassen werden. In Palermo zeigte man sich mit dieser Antwort zufrieden. Als König Wilhelm II. am 18. November 1189 in Palermo mit 36 Jahren starb, ohne einen Leibeserben zu hinterlassen, da schien es, als sei der Übergang der Herrschaft auf das deutsche Königspaar eine Formsache. Doch es sollte anders kommen. Ein Teil des sizilischen Adels weigerte sich plötzlich, die zuvor beschworenen Erb­ ansprüche Konstanzes und ihres Gatten anzuerkennen. Kaum drei Wochen nach dem Ableben des Königs wählten die Barone mit Wis­ sen und dem ausdrücklichen Einverständnis des Papstes am 8. Dezember 1189 in einem handstreichartigen Akt Graf Tankred von Lecce in Palermo zum Nachfolger Wilhelms. Der illegitime Enkel Rogers II. hatte zu denjenigen Baronen gezählt, die nur wenige Jahre zuvor die Nachfolge Konstanzes und Heinrichs beschworen und der künftigen Königin persönlich gehuldigt hatten. Am 18. Januar 1190 wurde er in Palermo gekrönt. Die legitimen Erben dagegen erfuhren vom Tod Wilhelms II. erst, als Tankred bereits gewählt worden war. Der Eintritt des Erbfalls selbst aber war es, der die Erben zur Leistung des Treueids und damit zur Anerkennung der päpstlichen Lehensherrschaft über das Königreich Sizilien verpflichtete. Dieser Obliegenheit nachzukom­ men, war ihnen jedoch von Anfang an versperrt. Durch den Staats- j streich in Palermo war dem deutschen Königspaar jede Möglichkeit genommen, auf den Gang der Dinge einwirken zu können, zumal Papst Clemens die Usurpation des sizilischen Thrones augenschein- j lieh unterstützt hatte. 36

Ganz offensichtlich war es die in Aussicht stehende Verbindung Siziliens mit dem Reich, die es Clemens III. und nach ihm Papst Coelestin nahezu unmöglich machte, die legitimen Erbansprüche der Konstanze anzuerkennen. Sie lieferte ihnen wohl auch die Begründung dafür, das Konkordat von 1156 zu mißachten. Denn eine künftige kaiserliche Herrschaft über nahezu ganz Italien traf die römische Kirche im Kern ihrer Funktion als eine politische Ord­ nungsmacht. Mit dem päpstlichen Lehen in Händen des deutschen Königs und damit des potentiellen römischen Kaisers drohte eine in ihren Folgen unabsehbare Beeinträchtigung der weltlichen Macht­ grundlagen des Papsttums. Die möglichen Konsequenzen hatte man in Rom nur allzu deutlich vor Augen. Nicht einen Augenblick lang hatte man sich an der päpstlichen Kurie mit dem Übergang der Herr­ schaft im Königreich Sizilien auf Konstanze und ihren Gatten tatsächlich abgefunden. Sein Entgegenkommen in Fragen künftiger Lehenshandlungen, das Papst Clemens zuvor König Wilhelm signa­ lisiert hatte, läßt eher auf ein taktisches Manöver schließen, wahr­ scheinlich um die potentiellen Erben in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. Tatsächlich aber hatte sich keiner der Päpste jemals zum Erb­ anspruch Konstanzes und ihres Gatten geäußert. Beide mochten anfänglich noch davon überzeugt gewesen sein, aufgrund der Ver­ einbarungen aus dem Ehe vertrag, den Schwüren der Barone und den vertraglichen Nachfolgebestimmungen im Königreich problemlos und schnell das Erbe antreten zu können. Nun zeigte es sich, daß Papst Clemens das unzweifelhafte Anrecht Konstanzes nicht aner­ kannte. Weder Heinrich noch Konstanze waren indes bereit, ihre Ansprüche fallenzulassen. Als ihnen bewußt wurde, daß sie daran gehindert wurden, die Regierung in Sizilien zu übernehmen, ver­ folgte das Königspaar praktisch nur noch ein Ziel - den faktischen Erwerb des Königreiches und die Legitimierung ihrer Herrschaft durch den päpstlichen Lehensherrn. Nahezu alle politischen Projekte, die mit der Regentschaft Hein­ richs VI. in Zusammenhang stehen, dienten mittel- oder unmittelbar diesem einen Zweck. Die Kurie hatte sich jedenfalls nicht darauf 37

beschränkt, allein darauf zu hoffen, daß dem normannischen Königspaar in Palermo doch noch ein Thronfolger geboren werden könnte. Man hatte in Rom vielmehr Vorbereitungen für den Even­ tualfall getroffen und insgeheim Pläne für eine Usurpation des Nor­ mannenthrones befördert. Auf den Erbfall war der Lehensherr des Königreiches zweifellos vorbereitet gewesen, während die Erben vom Tod Wilhelms II. anscheinend völlig überrascht wurden.

Die Kaiserkrönung Als kein Zweifel mehr daran bestehen konnte, daß man ihnen das sizilische Erbe vorenthalten wollte, nahmen Heinrich und Konstanze die Herausforderung unverzüglich an. Der König ließ einen Reichskrieg gegen den Usurpator Tankred ausrufen, um die ver­ letzte Ehre des Königspaares und des Reiches wieder herzustellen. So schnell wie möglich wollte er versuchen, Sizilien militärisch zu erobern. Um die dafür erforderlichen Rüstungen durchführen zu können, war es unbedingt erforderlich, in Deutschland rasch den inneren Frieden wieder herzustellen. An eine Vertreibung der Wel­ fen war unter diesen Umständen kaum zu denken. König Heinrich verzichtete darauf, den Verrat des Löwen mit militärischen Mitteln zu bestrafen. Vielmehr zielte sein Bestreben darauf ab, mit dem Weifenherzog zu einer auf dem Verhandlungsweg herbeigeführten Einigung zu gelangen. Im Sommer 1190, als sein Vater, mit dem er in regelmäßigem Briefverkehr gestanden hatte, auf dem Zug ins Heilige Land starb, und als sich bei Vezelay in Burgund endlich auch die Heere des englischen und französischen Königs zum Kreuzzug sammelten, kam es in Fulda zu einem für Heinrich den Löwen äußerst günstigen Friedensschluß mit dem Reich. Allerdings bestand der König darauf, daß zwei Söhne des Löwen als Garanten 38

der Vereinbarung ihn auf dem bevorstehenden Kriegszug nach Ita­ lien begleiten sollten. Während Lothar, der jüngere, noch im selben Jahr starb, mußte der ältere, Heinrich von Braunschweig, die Reise über die Alpen antreten. Reibungslos hatte sich der Übergang der Herrschaft von Friedrich Barbarossa auf seinen Sohn vollzogen. Der junge König hatte nun endlich den Rücken frei, um die erfor­ derlichen Rüstungen für einen Kriegszug zur Eroberung des Erbes seiner Gattin durchführen zu können. Schon während der Sommer­ monate 1190 waren deutsche Truppen in den Norden des König­ reichs eingefallen. Ohne nennenswerte Unterstützung mußten sie sich aber bald wieder zurückziehen. Ursprünglich wollte Heinrich VI. schon im Herbst in Italien sein. Doch erst Ende des Jahres waren die Vorbereitungen soweit gediehen und die Verhältnisse im Reich entsprechend geordnet, daß er Deutschland verlassen konnte. Mitten im Winter eilte er über die Alpen und folgte seinem Heer, das schon nach Oberitalien vorausgezogen war. Zu dieser Zeit überwinterten die französischen und englischen Kreuzfahrer bei König Tankred in Messina auf Sizilien. Besonders das Verhalten König Richards von England während dieses Aufenthalts sollte den weiteren Verlauf der Ereignisse und die Politik Heinrichs VI. sehr bald schon in einem ungeahnten Ausmaß beeinflussen. Obwohl er Wahl und Krönung Tankreds offen unterstützt hatte, zögerte Papst Clemens, die neue Regierung des Königreichs auch formaljuristisch anzuerkennen. Die hierzu erforderliche Belehnung unterblieb zunächst. Die Rüstungen Heinrichs, aber auch die in Aus­ sicht stehende Kaiserkrönung des Königspaares ließen es dem Papst geboten erscheinen, die Entwicklung der Dinge bis auf weiteres abzuwarten. Seit Anfang 1191 wurde zwischen der päpstlichen Kurie und Abgesandten des Königs intensiv um die Kaiserkrönung verhandelt, die von Clemens III. bereits 1188 zugesagt worden war. Unterdessen zog der königliche Hof durch die Lombardei und die Toskana nach Süden. Zur Finanzierung des Zuges wurde in den Städten die Heeresabgabe erhoben, Privilegien wurden veräußert, Reichsgut verpfändet. Mit den Seestädten Pisa und Genua wurden Bündnisvereinbarungen getroffen und für die Flottenunterstützung 39

umfangreiche Handelsprivilegien im Königreich Sizilien in Aus­ sicht gestellt. Die für Ostern 1191 vorgesehene Kaiserkrönung wurde aller­ dings durch den plötzlichen Tod des Papstes Ende März und dem damit verbundenen Wechsel auf dem Papstthron fast noch einmal in Frage gestellt. Sein Nachfolger wurde der damals etwa 85jährige Hyazinthus Bobo, der als Kardinaldiakon vor seiner Krönung zum Papst noch zum Priester geweiht werden mußte. Erst als dies ge­ schehen war, konnte er schließlich konsekriert und gekrönt werden. Neben diesen Schwierigkeiten wurde der König mit einem Pro­ blem konfrontiert, dessen Lösung ihm später als Verrat ausgelegt wurde: die Preisgabe der Rom benachbarten Stadt Tuskulum. Tat­ sächlich aber hatten die Stadtrömer an die Rückkehr des Papstes nach Rom seinerzeit die Bedingung geknüpft, sie mit allen Mitteln darin zu unterstützen, ihre alte Rivalin Tuskulum endlich zu bezwin­ gen. Clemens III. hatte dies schon 1187 zugesagt. Nach seiner Rück­ kehr bestand der römische Senat auf einer vertraglichen Vereinba­ rung, die im Mai 1188 abgeschlossen wurde. Darin waren nicht nur die Rechte des Papstes in seiner Bischofsstadt genau geregelt, son­ dern auch die Verpflichtung festgeschrieben, die Römer bei der Eroberung Tuskulums aktiv zu unterstützen, sollten sie die Aufgabe nicht binnen Jahresfrist selbst gelöst haben. Als dies nicht gelang, zögerte Clemens, seine Zusagen einzulösen und zog damit die Wut der Römer auf sich, die den Kampf nun alleine fortsetzten. Schon schien sich die Wagschale endgültig zu ihren Gunsten zu neigen, da wandten sich die Tuskulaner in ihrer Verzweiflung an König Hein­ rich. Der ließ Truppen in die Stadt legen und unterband damit die erbitterten Kämpfe bis auf weiteres, obwohl sein Vater im April 1189 die Besitzrechte des Papstes an der Stadt Tuskulum bestätigt und die Bürger auf Clemens III. verpflichtet hatte. Der Tod Clemens’ unmittelbar vor der Kaiserkrönung Heinrichs VI. verschaffte den Römern eine unerwartete Gelegenheit, ihr Ziel doch noch zu erreichen. Sie brachten das Problem Tuskulum in die Verhandlungen mit ein und garantierten dem König eine ungestörte Kaiserkrönung, wenn dieser nur bereit wäre, die königliche Besat­ 40

zung abzuziehen und Tuskulum dem neuen Papst auszuliefem. Obwohl dieser Vorschlag auf die Vernichtung der Stadt durch die Römer hinauslief, fand er die Unterstützung der päpstlichen Kurie. Dort hatte man die angespannten Beziehungen zu den Römern vor Augen und dachte wohl auch daran, daß alle Besitzungen in Tusku­ lum an die Kirche fallen würden. Auch der König mochte pragma­ tisch gedacht haben. Er wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Das gute Verhältnis zum römischen Senat war ihm allem Anschein nach wichtiger, als die Verteidigung einer kleinen Stadt innerhalb des Kirchenstaates, die schon sein Vater dem Papst restituiert hatte, und an deren Untergang die päpstliche Kurie selbst interessiert war, nicht zuletzt, um davon zu profitieren. Und so willigte Heinrich ein, Tuskulum seinem zugedachten Schicksal zu überlassen. Wenige Tage später schon wurde es von den Römern zerstört. Coelestin III., wie sich der neugewählte Papst nun nannte, trat sein Amt an, indem er einen Tag nach seiner eigenen Krönung am 15. April 1191, dem Ostermontag, an Heinrich VI. und Konstanze die Kaiserkrönung vollzog, so wie es mit seinem Vorgänger Cle­ mens noch vereinbart worden war.

Der erste Versuch der Eroberung des Königreichs Sizilien Auch sonst verfolgte der neue Papst die politische Linie sei­ nes Vorgängers konsequent weiter. Dieser Sichtweise zufolge stand der bevorstehende Eroberungszug Heinrichs VI. in fundamentalem Gegensatz zu den Interessen der Kirche. Deshalb hielt es der Papst sogleich für angezeigt, den neuen Kaiser vorsorglich davor zu war­ nen, das Königreich militärisch zu erobern. Doch mit dem Recht auf seiner Seite zeigte sich Heinrich von solchen Worten unbeeindruckt. 41

Gegen den erklärten Widerstand der päpstlichen Kurie begann er wenige Tage später seinen Kriegszug zur Eroberung Siziliens. Ende April überschritt das Heer die Grenze zum Königreich. Nach beachtlichen Anfangserfolgen schien schon vier Monate später alles verloren. Der Sturmlauf der kaiserlichen Truppen war vor dem schwer befestigten Neapel gestoppt worden, nicht zuletzt durch den persönlichen Einsatz von Graf Richard von Acerra, dem Schwager König Tankreds. Zum Schrecken der Belagerer gelang es der sizilischen Flotte unter Admiral Margarito, den seeseitigen Zugang zur Stadt zu erzwingen. Der pisanische Flotten verband, der den Hafen gesperrt hatte, konnte nur mit knapper Not entkommen. Genuesi­ sche Schiffe kamen dagegen zu spät. Damit war es unmöglich geworden, Neapel durch Aushungem kurzfristig zur Kapitulation zu nötigen. Viele erblickten darin ein schlechtes Zeichen, nicht zuletzt auch deshalb, weil der damals schon berühmte Zisterzienserabt Joa­ chim von Fiore, den der Kaiser im Heerlager vor Neapel empfangen hatte, Heinrich vergeblich zum Abbruch des Feldzuges und zur Heimkehr aufgefordert hatte. Für diesen Fall hatte Joachim ihm den friedlichen Gewinn des Königreiches prophezeit. Dann brach in der Sommerhitze im Heer auch noch eine furcht­ bare Seuche aus. Die Zahl der Toten, unter ihnen zahlreiche Reichs­ fürsten, stieg von Tag zu Tag. Heinrich von Braunschweig, der Sohn des Löwen, den Heinrich VI. als Geisel für den Frieden in Deutsch­ land mit sich nach Italien genommen hatte, setzte sich in der immer unübersichtlicher werdenden Lage ab und floh nach Neapel. Über Rom und Burgund kehrte er nach Hause zurück und vergrößerte dort noch die Unsicherheiten, indem er fälschlich behauptete, der Kaiser sei vor Neapel dem Fieber erlegen. Dieser neuerliche Verrat eines Welfen steigerte den Unmut des Kaisers gegen die Familie Hein­ richs des Löwen nochmals. Er trug wesentlich dazu bei, daß Hein­ rich VI. in der Folge eine zeitlang darum bemüht war, die Gegner der Welfen im Reich zu stärken. Tatsächlich hatte sich Heinrich VI. vor Neapel ebenfalls infiziert und war dem Tode nahe. Schwer erkrankt mußte er die Belagerung im August schließlich abbrechen. Er ließ sich in das Kloster Monte42

cassino bringen, wo er medizinisch versorgt wurde. Der Feldzug war verloren, und die Gegner der staufischen Ansprüche auf das sizilische Erbe triumphierten. Doch fast noch schwerer wogen die Nachrichten aus Salerno, wo sich die Kaiserin während jener Som­ merwochen aufgehalten hatte. Auf Veranlassung ihres Erzbischofs Nicolaus hatten die Bürger Konstanze gefangengesetzt und umge­ hend an König Tankred ausgeliefert. Noch 1191 kehrte Heinrich VE gescheitert, aber keineswegs ent­ mutigt nach Deutschland zurück. Die Eroberung Siziliens schien vorerst in unerreichbare Ferne gerückt. Doch schon auf dem Rück­ weg traf er sich in Mailand mit Philipp August von Frankreich, der gerade vom Kreuzzug zurückkehrte. In den Gesprächen mit dem französischen König machte er deutlich, daß er seine Ansprüche auf Sizilien unter keinen Umständen aufgeben würde. Was ihm Philipp in diesem Zusammenhang über seinen Kreuzzugspartner Richard Löwenherz und dessen Verhältnis zu König Tankred mitzuteilen wußte, sollte die Pläne Heinrichs VI. bald schon auf ungeahnte Weise beeinflussen. Obwohl man in Rom die Einstellung Heinrichs genau kannte, ließ Papst Coelestin zu Beginn des Jahres 1192 dem Kaiser ein Vermittlungsangebot für einen Frieden mit König Tankred nach Deutschland überbringen. Diesen Vorschlägen zufolge, die nicht etwa von einem Kardinal, sondern lediglich von einem Abt über­ mittelt worden waren, sollte Kaiser Heinrich einem Waffenstillstand zustimmen. Später sollte dann ein allgemeiner Friede folgen. Die Annahme dieses Ersuchens hätte jedoch nicht nur die Anerkennung von Tankreds Königtum bedeutet, sondern letzten Endes auch den Verzicht auf das sizilische Erbe. Die päpstliche Vermittlung scheint der Kaiser deshalb geradezu als eine persönliche Beleidigung aus­ gelegt zu haben. Er wies sie mit der Bemerkung zurück, derartige Überlegungen werde er künftig unbeachtet lassen und kündigte einen zweiten Feldzug zur Beseitigung von Tankreds Herrschaft an. Papst Coelestin möge ihm dabei helfen, sein Recht durchzusetzen. Heinrichs Antwortschreiben wurde daraufhin nicht mehr beantwor­ tet. Fast drei Jahre sollte es anschließend dauern, ehe die gegensei­ 43

tigen Kontakte zwischen dem kaiserlichen Hof und der päpstlichen Kurie wieder aufgenommen wurden. Hatte man in Rom bis dahin noch gezögert, so bot der Abbruch der Beziehungen zum kaiserlichen Hof die Gelegenheit, bezüglich des päpstlichen Lehens Sizilien nunmehr endgültig neue und vollendete Tatsachen zu schaffen. Obgleich eine Entscheidung längst noch nicht gefallen war, wurden mit Tankred Verhandlungen aufgenommen, die dem König die bislang noch vorenthaltene rechtliche Anerkennung seiner Herrschaft durch die päpstliche Kurie in Aussicht stellten. Kö­ nig Tankred ergriff dankbar die Hand, die ihm gereicht wurde. Doch der Preis, den er zu zahlen hatte, war hoch. Für die Anerkennung als Lehensmann der römischen Kirche mußte er die wichtigsten kirchen­ politischen Vorrechte der sizilischen Könige preisgeben. Durch das im Juni 1192 in Gravina Unterzeichnete Konkordat, das die bislang unangefochtenen Rechtsgrundlagen aus dem Jahre 1156 ersetzte, wurden die bis dato geltenden Regelungen der Kirchenherrschaft nun­ mehr ausschließlich zum Vorteil der römischen Kirche abgeändert. Von den normannischen Vorgängern Tankreds zäh verteidigte Vor­ rechte wurden vom König nun für eine aus rechtlicher Sicht durch­ aus fragwürdige Anerkennung seiner Person preisgegeben. Dem König mögen diese weitreichenden Zugeständnisse als der zwingend zu entrichtende Preis für die Legitimierung und Absiche­ rung seiner Herrschaft durch den päpstlichen Lehensherrn des Kö­ nigreiches erschienen sein. Machtpolitische Vorteile ergaben sich aus dieser vertraglichen Vereinbarung mit dem Papsttum dagegen keine. Weder gelang es ihm, neue Verbündete zu gewinnen, noch ließ sich sein Gegner durch den Abschluß dieses Vertrages in irgendeiner Weise beeindrucken. Ganz im Gegenteil. Unbeirrt hielt der Kaiser seine eigenen Ansprüche auf den sizilischen Thron auf­ recht und rüstete mit Macht für einen zweiten Feldzug. Der Kirche war es dagegen gelungen, ihre lehensherrschaftliche Stellung im Königreich entscheidend auszubauen und zu festigen. Der Rechts­ akt von 1192 ließ jedenfalls keinen Zweifel mehr daran, daß auch Papst Coelestin die Anerkennung kaiserlicher Erbansprüche auf das Königreich Sizilien verweigerte. 44

Mit dieser Rechts Vereinbarung wurde aber eine Hürde im Konllikt zwischen der Kurie und dem Kaiserpaar errichtet, die kaum noch zu überwinden war. Denn weder Heinrich noch Konstanze, die nach einjähriger Gefangenschaft im Sommer 1192 die Freiheit wie­ dererlangte und auf Umwegen zu ihrem Gatten zurückkehren konnte, akzeptierten die Uber ihren Kopf hinweg mit einem Usur­ pator ausgehandelten Veränderungen der Rechtsgrundlagen. Papst Coelestin dagegen schien in der Folge nicht mehr bereit gewesen zu sein, noch einmal hinter die für die Kirche so überaus günstigen neuen Vereinbarungen zurückzugehen.

Der Kaiser in Deutschland Zwei Aufgaben waren es, die der Kaiser im Anschluß an seine Rückkehr nach Deutschland vorrangig zu erledigen hatte: die Wie­ derbesetzung mehrerer erledigter Bistümer und die Bestrafung Heinrichs von Braunschweig für dessen Verrat vor Neapel. Von besonderer Bedeutung war dabei die Vergabe der beiden Sitze in Köln und Lüttich. In Köln hatte das Domkapitel unter dem Einfluß Herzog Heinrichs von Brabant den Verzicht des bereits gewählten Lothar von Hochstaden erwirkt, eines ausgewiesenen Anhängers der Staufer. Mit dem rheinischen Altemativkandidaten Bruno von Berg war der Kaiser daher nur einverstanden, weil er in dem betag­ ten Propst wohl einen Übergangskandidaten auf dem Stuhl dieses für das Reich wegen der damit verbundenen Erzkanzlerwürde für Italien und dem Krönungsrecht so wichtigen Erzbistums sah. Von ihm erwartete er keine Schwierigkeiten. Komplizierter und in seinen Folgen weitaus dramatischer zeigte sich die Wiederbesetzung des Lütticher Stuhls. Heinrich von Bra­ bant und der den Staufern nahestehende Graf Balduin von Hen­ 45

negau hatten jeweils versucht, in Lüttich Einfluß auf die Bischofs­ wahl zu nehmen. Während der Brabanter seinen Bruder Albert unterstützte, wollte Balduin den Kandidaten Albert von Rethel durchsetzen. So kam es zu einer zwiespältigen Wahl, die zur Ent­ scheidung vor den Kaiser gebracht wurde. Heinrich VI. reagierte völlig überraschend. Zunächst ließ er sich von den deutschen Bi­ schöfen entsprechend den Bestimmungen des Wormser Konkorda­ tes bestätigen, daß er das Recht habe, bei der Besetzung des Bistums mitzuwirken. Daraufhin wies er beide gewählte Kandidaten zurück und investierte den in Köln gescheiterten Lothar von Hochstaden. Dieser überraschende Schachzug, mit dem der Kaiser zweifellos versucht hatte, die schmale stauflsche Position am Niederrhein zu stärken, sollte jedoch in einem persönlichen Drama enden. Während die Partei des Grafen von Hennegau die Entscheidung des Kaisers klaglos akzeptierte und dem neuen Bischof huldigte, wei­ gerten sich die Brabanter Brüder, das kaiserliche Investiturrecht anzuerkennen. Sogleich machte sich Albert von Brabant auf den Weg nach Rom, um seinen Fall vor den Papst zu bringen. Coelestin III. hätte die Entscheidung des Kaisers gemäß den Bestimmungen des Wormser Konkordats akzeptieren und Lothar in seinem Amt bestäti­ gen müssen. Er stellte sich jedoch auf die Seite Alberts und legiti­ mierte dessen Wahl. Als dies am Hof bekannt wurde, ließ der Kai­ ser die Stadt Lüttich für Albert sperren und verbot auch dem Herzog von Brabant, seinen Bruder bei sich aufzunehmen. Im September erschien er persönlich an der Maas, um Lothar von Hochstaden die allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Selbst Herzog Heinrich von Brabant wurde jetzt genötigt, das königliche Investiturrecht anzuer­ kennen, dem Kandidaten des Kaisers zu huldigen und mit seinem Rivalen Balduin von Hennegau Frieden zu schließen. Als Heinrich VI. auf diese Weise seine Autorität durchgesetzt hatte, wähnte er die Angelegenheit als erledigt. Er sollte sich täuschen. Anfang Oktober 1192 zog der Hof weiter nach Sachsen, wo wichtige Reichsangele­ genheiten die Anwesenheit des Kaisers erforderlich machten. Der Verrat Heinrichs von Braunschweig und seine Flucht nach Deutschland hatten den Kaiser dazu veranlaßt, schon von Italien aus 46

die geistlichen und weltlichen Fürsten Sachsens gegen die Welfen um Unterstützung zu bitten. Noch 1191 war für den Sommer des fol­ genden Jahres die Heerfahrt gegen Heinrich den Löwen und seine Anhänger beschlossen worden. Der aber war über das Verhalten sei­ nes Sohnes alles andere als glücklich und wollte einen allgemeinen Reichskrieg gegen sich unter allen Umständen verhindern. So ließ er nach Heinrichs Rückkehr Boten an den Hof schicken und dem Kaiser ein Angebot unterbreiten. Er beteuerte seine Unschuld und bot als Sühne für den Treuebruch seines Sohnes an, den Kaiser bei seiner beabsichtigten Heerfahrt nach Italien und bei der Befreiung der Kaiserin militärisch zu unterstützen. Tatsächlich betrieb der Kaiser längst schon wieder intensive Rüstungen. Doch nicht nur die aufwendigen Vorbereitungen hielten ihn einstweilen noch in Deutschland zurück. Auch die inneren An­ gelegenheiten bedurften einer zufriedenstellenden Regelung, ehe Heinrich daran denken konnte, Deutschland erneut für längere Zeit zu verlassen. Deshalb achtete er sehr darauf, daß die vakanten Bistü­ mer mit loyalen oder ungefährlichen Männern besetzt wurden. Das gleiche geschah mit den freigewordenen Herzogtümern in Schwa­ ben, Bayern und in der Steiermark. Heinrich war daher nicht abgeneigt, im Interesse eines allgemeinen Friedens trotz der Kriegs­ vorbereitungen der sächsischen Fürsten mit dem Löwen auf diplo­ matischem Weg eine baldige Einigung herbeizuführen. Dagegen stand aber die durch ihn selbst herbeigeführte Kriegs­ ansage der Fürsten. Geschickt und unter voller Wahrung seines Ansehens hielt er sich bis auf weiteres alle Optionen offen. Auf einem Reichstag in Worms im Mai 1192 ließ er wie erwartet über Heinrich von Braunschweig die Reichsacht verhängen. Den sächsischen Gegnern der Welfen sagte er militärischen Beistand gegen Heinrich den Löwen zu. Doch während diese bald darauf schon in welfisches Gebiet einfielen und das Land verheerten, unternahm der Kaiser keinerlei militärische Anstrengungen. Viel­ mehr zog er in den folgenden Wochen fern des Geschehens im Norden durch das Herzogtum Schwaben und schloß von dort aus mit oberitalienischen Gemeinden Verträge im Hinblick auf den 47

bevorstehenden Italienzug ab. Heinrich der Löwe konnte das Signal gar nicht mißverstehen: Der Kaiser würde nicht militärisch eingreifen. Und so waren die sächsischen Fürsten ohne die entscheidende Hilfe des Kaisers tatsächlich bald genötigt, ihren Kriegszug wieder einzustellen und mit dem Herzog einen Waffenstillstand auszuhan­ deln. Anfang Oktober kam der Kaiser endlich nach Sachsen, aber eben nicht, um von dort aus nunmehr gegen Heinrich den Löwen militärisch vorzugehen. Vielmehr erschien er wiederum als Vermitt­ ler, und zwar, um sowohl die Auseinandersetzung mit den Welfen beizulegen, als auch um wichtige regionale Fehden schlichten zu helfen. Überall im Reich zielten die Bestrebungen Heinrichs VI. während jener Monate darauf, möglichst schnell die Voraussetzun­ gen dafür zu schaffen, Deutschland verlassen und ein zweites Mal gegen seinen Widersacher Tankred Vorgehen zu können. Inmitten seiner weitverzweigten diplomatischen Bemühungen führte die Auseinandersetzung um das Bistum Lüttich zu einer verhängnisvol­ len Gewalttat. Am 24. November 1192 wurde Albert von Brabant bei Reims von zwei deutschen Rittern erschlagen. Auf die Auffor­ derung des Papstes hin hatte ihn der dortige Erzbischof zum Bischof geweiht. Seither hatte sich Albert in Reims, also auf französischem Boden, aufgehalten. Der Mord an Albert löste weit über die Reichsgrenzen hinaus Empörung aus. Gerade erst 20 Jahre waren seit der Ermordung von Erzbischof Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury ver­ gangen. Nun war schon wieder ein hoher Geistlicher Opfer einer Bluttat geworden. Obwohl der Mord sehr wahrscheinlich aus priva­ ter Rache begangen worden war, gerieten die einstigen Gegner Alberts sogleich unter General verdacht. Lothar von Hochstaden beschwor vergeblich im Kölner Dom seine Unschuld. Gegen ihn und seinen Bruder richteten sich zuerst die Schuldzuweisungen der lothringischen Partei um Heinrich von Brabant und deren Pläne für die Verwüstung der Hochstadener Besitzungen. Bald wurde aber auch Kaiser Heinrich selbst als möglicher Anstifter des Attentats verdächtigt. Denn die Mörder waren zwei 48

Vor ihrer Reise nach Sizilien übergibt Konstanze ihren Sohn Fried­ rich (II.) der Herzogin von Spoledo. Bildnachweis: Burgerbibliothek Bern, Cod. 120.II, f. 138r

Heinrich VI. und die sieben Tugenden Bildnachweis: Burgerbibliothek Bern , Cod. 120.11, f. 146r

erklärte Anhänger der Staufer, die nach der Tat an den kaiserlichen Hof flohen. Heinrich gewährte seinen Getreuen Schutz, vermutlich um sie vor der Rache derjenigen zu bewahren, die sich unter dem Eindruck des Verbrechens an Albert nunmehr zu einer Empörung gegen ihn selbst absprachen und Herzog Heinrich von Brabant bereits als möglichen Thronprätendenten ausersehen hatten. Für eine Mitschuld Heinrichs VI. am Mord an Albert von Brabant fin­ den sich in den Quellen jedoch keine Hinweise. Es steht noch nicht einmal fest, ob der zum Zeitpunkt der Tat in Sachsen weilende Kai­ ser von dem Anschlag überhaupt wußte. Heinrich war nach Sachsen geeilt, um dort zu vermitteln, zu schlichten und Ordnung zu schaffen. Einem Gutachten der sächsi­ schen Fürsten folgend regelte er den Erbfolgestreit in der Mark Meißen. Noch wichtiger war ihm die Rettung des bayerischen Her­ zogtums für den jungen Ludwig von Wittelsbach, der in einer gewaltsamen Auseinandersetzung um erledigte Lehen entlang der Donau von seinen Widersachern vernichtend geschlagen und bei­ nahe aus seinem Herzogtum hinausgedrängt worden war. Womög­ lich wäre er endgültig unterlegen, wenn der Kaiser nicht energisch für ihn Partei ergriffen hätte. Anfang Dezember erzwang er in Ver­ handlungen mit den Kontrahenten einen Waffenstillstand und berief für den 6. Januar 1193 einen Hoftag nach Regensburg ein. Dort sollte der Frieden wiederhergestellt und beschworen werden. Als Mitwisser oder gar Auftraggeber für den Mord an einem sei­ ner Gegner hätte der Kaiser seinen eigenen Plänen im Hinblick auf einen baldigen zweiten Feldzug gegen Tankred nur schaden können. Mit Nachdruck wies er deshalb jeden Schuldvorwurf zurück. Den­ noch bewirkten die Vorhaltungen, daß sich Ende des Jahres 1192 seine Gegner zu formieren begannen. Heinrich von Brabant und Erzbischof Bruno von Köln vereinbarten ein Bündnis. Mit ihnen sympathisierten bald weitere unzufriedene Fürsten. Zum Ausbruch einer Empörung kam es jedoch nicht. Denn um die Weihnachtsfei­ ertage erreichte den kaiserlichen Hof eine Nachricht, die mit einem Schlag die ganze Lage verändern sollte und Kaiser Heinrich dazu zwang, seine Pläne für einen Feldzug gegen König Tankred bis auf 49

weiteres zu verschieben: In Erdberg bei Wien war der englische König Richard Löwenherz von Bediensteten Leopolds V. gefangen­ genommen und an den Herzog ausgeliefert worden.

König Richard Löwenherz Die Gefangennahme des englischen Königs Richard Löwenherz im Dezember 1192 durch einen deutschen Reichsfürsten war ein bis dahin beispielloses Ereignis in der Geschichte des mittelalterlichen Europas. Ein König, zumal noch ein Kreuzfahrer auf der Rückreise in die Heimat, verfolgt, aufgespürt, gefangengesetzt und anschlie­ ßend an den Kaiser ausgeliefert - das war eine derjenigen Geschich­ ten, aus denen Legenden und Märchen entstehen. Und so wurden die Fakten bald mit dichterischer Phantasie und Freiheit ausgemalt und einzelne Szenen anekdotenhaft ausgeschmückt. Die überprüfbaren Tatbestände selbst lassen sich dagegen wegen der bruchstückhaften und zum Teil auch parteiischen Berichterstattung verschiedener Chronisten nur mit Schwierigkeiten erschließen. Schon wenige Jahrzehnte nach den Ereignissen hat sich auch die Dichtung mit Macht des Stoffes angenommen und, ohne den tat­ sächlich gesicherten Erkenntnissen auch nur halbwegs Rechnung zu tragen, die Fabel um den Sänger Blondei de Nesle erfunden, der den versteckt gefangengehaltenen König Richard aufspürte. Der Barde soll ein guter Freund des Königs gewesen sein und mit ihm zusam­ men manches schöne Minnelied gedichtet und komponiert haben. Als König Richard nun aber nicht vom Kreuzzug nach England zurückkehrt, da macht sich der Spielmann sogleich auf, um den ver­ mißten Helden zu suchen. Die Sage läßt den treuen Blondei nun ruhelos von Burg zu Burg durch Deutschland ziehen, bis er endlich den Aufenthaltsort seines Herrn entdeckt. Der im Verlies einer Burg 50

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schmachtende König erkennt denn auch das Lied, das sein Sänger­ freund als Erkennungszeichen vor den Mauern angestimmt hat und antwortet mit der zweiten Strophe. Daraufhin gelingt es endlich, den König aus deutscher Kerkerhaft zu befreien. Soweit die Fabel. Mehr als ein Jahr lang befand sich Englands König als Gefange­ ner des Reiches in kaiserlicher Haft. Da er sich seine Freiheit jedoch teuer erkaufen mußte, fiel alsbald der Schatten moralischer Ver­ urteilung auf jene vier Personen, die für Richards Gefangenschaft verantwortlich gemacht wurden: Herzog Leopold V. von Österreich, König Richards Bruder Johann Ohneland, Frankreichs König Philipp II. August und Kaiser Heinrich VI. Besonders der Kaiser kommt dabei schlecht weg. Geld- und Machtgier sollen die Haupt­ motive gewesen sein, die Heinrichs Handeln bestimmten und ihn angeblich alle Regeln christlichen Anstands beiseite schieben lie­ ßen. Kalt berechnend, ja menschenverachtend soll er die unglück­ liche Lage Richards skrupellos ausgenutzt haben, um den König zu erpressen. Richards Gefangenschaft war jedoch allein durch sein eigenes Verhalten verursacht worden. Nur deshalb konnte der Kai­ ser überhaupt Richards Lage zum eigenen Vorteil ausnutzen. Wie er dies betrieb, ist jedoch weitaus weniger auf charakterliche Eigen­ schaften zurückzuführen, als vielmehr auf diplomatische Taktik und Verhandlungsgeschick. Richard Plantagenet wurde am 3. September 1189 als Nachfolger seines Vaters Heinrich II. in der Abtei von Westminster zum engli­ schen König gekrönt. Als er den Thron bestieg, war er 32 Jahre alt und - für diese Zeit gänzlich unüblich - noch immer unverheiratet. Kaum drei Monate nach seiner Krönung verließ er bereits die Insel, um sich in den französischen Festlandsgebieten seines Reiches auf den Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems vorzubereiten. Bei Vezelay in Burgund versammelten Richard und der französische König Philipp August im Sommer 1190 ihre Heere. Auf eigens zusammengestellten Flotten fuhr man wenig später von Marseille bzw. von Genua aus der italienischen Westküste folgend nach Mes­ sina auf Sizilien. Dort trafen Engländer und Franzosen im Septem­ ber 1190 ein, als Kaiser Barbarossa bereits tot und Heinrich VI. 51

längst schon mit Rüstungen für den Feldzug zur Eroberung Siziliens beschäftigt war. Zu jenem Zeitpunkt konnte Richard noch nicht ahnen, daß ihm dieser Aufenthalt mehr als ein Jahr Gefangenschaft in Deutschland verschaffen würde. Was als Zwischenhalt beabsichtigt gewesen sein mag, wurde zu einem halbjährigen Überwintern. Erst im April 1191 traten die Kreuzfahrer schließ] ich die Weiterfahrt an und verließen Sizilien nur wenige Tage bevor die kaiserlichen Truppen in das Königreich eindrangen. Noch auf dem Weg ins Heilige Land eroberte Richard Löwenherz im Frühjahr 1191 die formal unter byzantinischer Herrschaft stehende Insel Zypern und übertrug sie bald darauf an Guido von Lusignan, dem vertriebenen König von Jerusalem. Anfang Juni 1191 verließen die Engländer die Insel. Wenig später trafen sie vor Akkon ein. Die Küstenfestung war 1187 wie die meisten der Kreuzfahrerstädte von den Muslimen erobert worden. Doch schon seit 1189 versuchten christliche Belagerer, diese Bastion als zentralen Anlaufhafen und Umschlagplatz für das Heilige Land wieder einzunehmen. Den dortigen Belagerungstruppen hatte sich König Philipp II. August angeschlossen, als er im April 1191 am Ort des Geschehens eingetroffen war. Auch Herzog Leopold V. von Österreich kam in jenen Wochen mit seinen Begleitern dort an. Doch erst als Ri­ chard Löwenherz eintraf, konnte die Stadt schließlich genommen werden. Am 12. Juli 1191 kapitulierte die muslimische Besatzung, Die Gefangenen sollten ausgelöst werden. Als aber das vereinbarte Lösegeld für ihre Freilassung nicht rechtzeitig eintraf, scheute Richard keinen Augenblick davor zurück, die in seinen Händen befindlichen annähernd 3000 muslimischen Verteidiger Akkons kurzerhand öffentlich hinrichten zu lassen. In seinem Handeln unterschied er sich dabei im übrigen kaum von anderen Herrschern jener Zeit. Auch Sultan Saladin hatte nach der Eroberung Jerusalems 1187 angeordnet, alle in seine Hände gefallenen Templer und Hospitaliter sogleich umzubringen. Während der folgenden 15 Monate führte Richard einen erbitterten Kampf mit wechselndem Kriegsglück um die Rückeroberung Jerusalems. Gekämpft wurde tapfer, aber auch grausam. Das Ziel 52

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des Kreuzzugs, die Wiedergewinnung der Heiligen Stätten, wurde nicht erreicht. Wenigstens konnten einige wichtige Küstenstädte für die Christen zurückerobert werden. Dies stabilisierte die schmale Basis der Kreuzfahrerstaaten immerhin so sehr, daß sich die christ­ lichen Vorposten im Heiligen Land noch weitere 100 Jahre halten konnten. Mehr aber war nicht zu erreichen gewesen. Der dritte Kreuzzug endete schließlich mit einem auf drei Jahre ausgehan­ delten Waffenstillstand. Jerusalem verblieb den Muslimen, und Ri­ chard Löwenherz trat Anfang Oktober 1192 die Heimreise an. Nach einer abenteuerlichen Fahrt durch das südliche Mittelmeer und die Adria erlitten die Schiffe mit den Heimkehrern infolge eines Herbststurms Anfang Dezember 1192 in der Nähe von Venedig Schiffbruch. König Richard beschloß daraufhin aus bis heute nicht eindeutig geklärten Gründen, sich mit einigen wenigen Vertrauten über Reichsgebiet in die Heimat durchzuschlagen. Bei dem Ver­ such, unerkannt durch das heutige Slowenien, durch Kärnten und die Steiermark zu gelangen, um das Gebiet seines Schwagers Hein­ rich des Löwen zu erreichen, wurde Richard kurz vor Weihnachten in Erdberg bei Wien aufgespürt. Nach seiner Entdeckung gab er sich Herzog Leopold von Österreich gefangen, der ihn daraufhin für einige Tage auf die Burg Dürnstein an der Donau bringen und be­ wachen ließ. Damit begann König Richards Zwangsaufenthalt in Deutschland, der fast 14 Monate dauern sollte.

Richards Gegner und ihre Motive Die Nachricht über seine Festnahme wurde gleich nach Weih­ nachten dem Kaiser übermittelt, der bereits auf dem Weg nach Regensburg war, wo die bayerischen Fehden endgültig beigelegt werden sollten. Sie verbreitete sich in Windeseile durch ganz 53

Europa. Richards persönliche Gegner triumphierten, besonders Johann Ohneland, der Bruder und Stellvertreter Richards. Er intri­ gierte seit längerem schon gegen den königlichen Bruder und stand dabei eng im Bund mit Philipp II. August. Da Richard noch immer keinen leiblichen Erben hatte, würde Johann die Nachfolge als König von England antreten, wenn sein Bruder daran gehindert würde, nach Hause zurückzukehren. Als die Nachricht von der Gefangennahme in England eintraf, begann Johann unverzüglich damit, den Übergang der Krone auf sich selbst vorzubereiten. Dafür war er bereit, König Philipp August weit entgegenzukommen. Für dessen Anerkennung seiner eigenen Ansprüche auf die Krone wollte er in englischem Besitz befindliche französische Lehen, Burgen und Ländereien in Nord- und West­ frankreich an Philipp abtreten. Gegen Richards ausdrücklichen Be­ fehl verließ er England und reiste Anfang 1193 an den französischen Königshof. Nicht viel anders lagen die Dinge bei Richards persönlichem Erz­ feind Philipp II. August. Auch der hatte ein starkes Interesse daran, daß sein Gegenspieler möglichst niemals wieder in sein Königreich zurückkehrte. War das schon nicht zu verhindern, dann sollte Ri­ chard wenigstens so lange wie irgend möglich in Haft gehalten wer­ den. Philipp wäre bereit gewesen, nahezu jeden geforderten Preis zu zahlen, wenn ihm Richard ausgeliefert werden würde. Die Feind­ schaft der beiden grundverschiedenen Charaktere hatte mannigfa­ che Gründe, und sie hatte im Laufe des gemeinsamen Kreuzzugs noch zugenommen. Jeder glaubte nämlich, im anderen einen Betrü­ ger zu sehen, und beide konnten dafür überzeugende Belege bei­ steuern. Philipp August, der ganz anders als Richard den Kreuzzug ins Heilige Land nie mit Leidenschaft betrieben hatte, war bald nach der Erstürmung Akkons wieder aus Palästina abgereist. Seine Pläne waren nicht auf die Rückeroberung Jerusalems gerichtet, sondern vielmehr auf die Expansion Frankreichs zu Lasten des englischen Königreichs auf dem französischen Festland. Unter Bruch eines zuvor mit Richard geschlossenen Stillhalteab­ kommens für die Zeit des Kreuzzugs begann er gleich nach seiner 54

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Rückkehr nach Europa mit den Vorbereitungen zur Umsetzung sei­ ner Pläne. Eine seiner ersten Maßnahmen bestand darin, noch vor seiner Heimkehr nach Paris mit Kaiser Heinrich in Norditalien zusammenzukommen. Bei diesem für den weiteren Verlauf der Er­ eignisse so bedeutenden Treffen in Mailand im Herbst 1191 muß Philipp dem Kaiser Details über den gemeinsamen Aufenthalt mit Richard auf Sizilien berichtet haben, die Heinrich VI. ganz offen­ sichtlich brennend interessierten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Un­ terredung wurde der englische König nämlich bald darauf als Reichs­ feind öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben. Als Philipp von Richards Gefangennahme erfuhr, beschleunigte er seine Bemühun­ gen zur Eroberung englischen Festlandsbesitzes. Geschickt machte er sich dabei auch den Haß Johanns auf seinen Bruder zunutze. Der Dritte, dem die Gefangennahme Richards Genugtuung be­ reitet haben dürfte, war Herzog Leopold von Österreich. Die Fest­ nahme Richards und die dadurch für ihn in Aussicht stehenden Vorteile waren so groß, daß er dafür sogar in Kauf nahm, den Kir­ chenbann auf sich zu ziehen, den jeder gewärtigen mußte, der einen Kreuzfahrer auf der Heimfahrt belästigte oder gar gefangennahm. Sehr wahrscheinlich aber hätte es der Herzog niemals gewagt, die Hand gegen einen königlichen Kreuzfahrer zu erheben, wenn er dazu nicht autorisiert gewesen wäre. Hinzu kamen seine eigenen Erfahrungen, die er mit Richard Löwenherz gemacht hatte. Als ranghöchster Fürst der Deutschen im Heiligen Land hatte Leopold die Belagerung und Erstürmung Akkons im Juli 1191 mit­ gemacht. Er stand an der Spitze jener Kreuzfahrer, die vom Kreuz­ heer Kaiser Friedrichs noch in Palästina geblieben oder seither dort eingetroffen waren. Da auch Barbarossas Sohn Friedrich, der Her­ zog von Schwaben, im Januar 1191 vor Akkon einer Infektions­ krankheit erlegen war, konnte sich der Herzog von Österreich nach seiner Ankunft mit einigem Recht als ein kaiserlicher Vertreter im Heiligen Land betrachten. Dies könnte erklären, warum nach der Eroberung Akkons der rangniedrigere Leopold neben den königli­ chen Standarten Richards und Philipps auch seine eigene aufpflan­ zen ließ. Doch Leopold hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. 55

Auf Befehl Richards hin sollte einer seiner Leute das herzogliche Banner wieder entfernen. Beide Könige hatten zuvor nämlich ver­ einbart, daß sie jede Beute ausschließlich untereinander teilen wür­ den. Leopold wurde also weder ein Beuterecht zugebilligt, noch etwa wurde er als kaiserlicher Stellvertreter anerkannt. Die Ent­ ehrung seiner Standarte durch einen gemeinen Soldaten, aber auf ausdrücklichen Befehl König Richards, dürfte er deshalb als eine entehrende Beleidigung empfunden haben. Zusammen mit dem französischen König verließ er noch im August 1191 Palästina und kehrte nach Deutschland zurück. Leopold hatte also durchaus persönliche Gründe, sich an Richard Löwenherz zu rächen. Ob dies allein aber ausgereicht hätte, um den Herzog zu seinem späteren Vorgehen zu bewegen, muß dennoch bezweifelt werden. Da er nämlich noch vor der Kaiserkrönung Hein­ richs VI. zum Kreuzzug aufgebrochen war, konnte er für sich tatsäch­ lich nicht in Anspruch nehmen, in offiziellem kaiserlichen Auftrag zu handeln. Dies aber war Ende 1192 völlig anders. Inzwischen hatte der Kaiser den englischen König überall im Reich zur Fahndung aus­ schreiben lassen, wobei jedermann aufgefordert war, Richards hab­ haft zu werden, egal ob tot oder lebendig. Diesem Aufruf kam Leo­ pold erkennbar gern nach, als sich ihm die Gelegenheit dazu bot. Damit wäre man bei Kaiser Heinrich und dessen Beweggründen, König Richard in seine Hände zu bekommen. Seine Motive liegen allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Der Kaiser hatte dem eng­ lischen König von Anfang seiner Regierung an mißtraut. Das lag einerseits in dem engen verwandtschaftlichen Verhältnis des engli­ schen Königshauses zur Familie Heinrichs des Löwen begründet. Der Löwe, bis zu seiner Absetzung 1181 Herzog von Sachsen und Bayern, war mit Richards Schwester Mathilde verheiratet gewesen. Als er ins Exil gehen mußte, fand er am englischen Königshof sei­ nes Schwiegervaters Heinrich II. Asyl und ließ auch seine Söhne dort ausbilden. Andererseits spielte der Aufenthalt der Kreuzfahrer auf Sizilien im Herbst 1190 für Kaiser Heinrichs Einstellung dem englischen König gegenüber eine entscheidende Rolle. Richard war die prekäre 56

Lage selbstverständlich genau bekannt gewesen, in der König Tank­ red damals steckte. Er wußte nicht nur um die schwache rechtliche Basis, auf der dieses usurpierte Königtum fußte. Genauso hatte er Kenntnis darüber, daß Heinrich VI. bereits mit Macht zum Krieg rüstete, um seine eigenen Ansprüche auf das Königreich mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Im Unterschied zu Philipp August bezog Richard in diesem Konflikt jedoch eindeutig Stellung. Er mischte sich in die bis dahin noch völlig unentschiedene Ausein­ andersetzung um die Herrschaft im Königreich Sizilien ein, um die Gelegenheit zu nutzen, König Tankred an der Finanzierung seines Anteils am Kreuzzug zu beteiligen. Richard scheute keine Sekunde davor zurück, die unsichere Lage Tankreds bedenkenlos zum eigenen materiellen Vorteil auszunutzen und ihn offen zu erpressen. Kaum war er im September 1190 auf Sizilien gelandet, da wurden auch schon seine Boten am königli­ chen Hof in Palermo vorstellig. Tankred sollte unverzüglich Ri­ chards andere Schwester Johanna, die Witwe König Wilhelms II., zu ihm nach Messina schicken, und zwar zusammen mit der einst von seinem Vater Heinrich II. für sie gezahlten Mitgift. Dabei wurde kurzerhand eine Liste zusammengestellt, auf der die genaue An­ zahl mehr oder weniger kostbarer Gegenstände aufgeführt war, die Johanna mitzubringen hatte. Ergänzt wurde die Auflistung noch durch die Forderung einer hohen Geldsumme für die Durchfüh­ rung des bevorstehenden Kreuzzugs, den der verstorbene Wilhelm seinem Schwiegervater angeblich in Aussicht gestellt hatte. Sollte Tankred sich weigern, ließ ihn Richard zusätzlich warnen, habe er mit ernsten Konsequenzen zu rechnen. Der König klaubte zusammen, was sich in Palermo finden ließ und sandte Johanna zusammen mit einem beachtlichen Geldbetrag Ende September nach Messina. Doch die schnelle Befriedigung sei­ ner Forderungen weckten bei Richard alsbald neue Begehrlichkei­ ten. Ein weiteres Mal stellte er umfangreiche Geldforderungen und setzte Tankred wiederum unter Druck, indem er zuließ, daß sich seine Leute in Messina gegenüber der einheimischen Bevölkerung wie Eroberer aufführten. 57

In dieser angespannten Situation sah Tankred anscheinend nur noch einen Ausweg. Er unterbreitete Richard im November 1190 kurzerhand ein lukratives Angebot: Der englische König solle mit ihm ein politisch-militärisches Bündnis schließen, das zusätzlich durch die Verheiratung eines Neffen Richards mit einer von Tankreds drei Töchtern besiegelt werden sollte. Zur Bekräftigung dieses Vorschlages erhielt Richard für seine Kriegskasse in Ergänzung zum Wittum Johannas 20000 Unzen Gold. Weitere 20000 zahlte Tank­ red als Anzahlung auf die Mitgift für seine Tochter. Richard zögerte nicht lange. Wenige Tage später schon stimmte er den Vorschlägen zu. Er leistete sodann einen Friedenseid und verpflichtete sich zu­ dem ausdrücklich dazu, Tankred während seiner Anwesenheit im Königreich Sizilien gegen jeden möglichen Angreifer zu unterstüt­ zen. Es war offensichtlich, gegen wen sich dieser Zusatz richtete. Die Hintergründe um dieses Militärbündnis dürften es denn auch gewesen sein, die ein Jahr später Gegenstand jener ausführlichen Unterredung wurden, die Kaiser Heinrich mit Frankreichs König in Mailand führte. Sie bewirkte die harte Haltung Heinrichs VI. gegenüber dem englischen König. Denn als der Kaiser nun die Beweise dafür in Händen hielt, daß sich Richard offen mit jenem Mann verbündet hatte, der ihn als Usurpator daran zu hindern suchte, das sizilische Erbe seiner Gattin als rechtmäßiger Herrscher anzutreten, ließ er ihn zum Kriegsgegner und Feind des Reiches erklären. Richard Löwenherz hatte das Geld gern genommen. Als die Truppen Heinrichs VI. im April 1191 jedoch schon an den Grenzen des Königreichs standen und der Angriffsbefehl nur deshalb noch nicht erteilt worden war, weil sich die Kaiserkrönung Heinrichs und Konstanzes durch den Tod Papst Clemens III. verzögert hatte, da befahl Richard seinen Männern, mit Kurs auf das Heilige Land in See zu stechen, um endlich den Kreuzzug eröffnen zu können. Tank­ red dagegen blieb einem ungewissen Schicksal überlassen.

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Richards Gefangenschaft in Deutschland Wie erwähnt, war Richard Löwenherz als Verbündeter König Tankreds zum Reichsfeind erklärt worden. Seine Festnahme muß daher im Zusammenhang mit dem Kampf Heinrichs VI. um das sizilische Königreich gesehen werden. Englands König war demzu­ folge nicht etwa widerrechtlich seiner Freiheit beraubt worden, son­ dern vielmehr als ein ausgewiesener Feind in Kriegsgefangenschaft geraten. Dem Kaiser eröffneten sich durch diesen einmaligen Glücksfall völlig neue Möglichkeiten. Für Heinrichs Gegner dage­ gen bedeutete Richards Gefangenschaft einen schweren Schlag. Denn von Anfang an ließ der Kaiser nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, daß er Richard für dessen offen erklärte Gegner­ schaft die Rechnung präsentieren würde. Das zeigen seine Forde­ rungen, die er für die Freilassung des Königs in den Auslieferungs­ verhandlungen mit Leopold von Österreich Mitte Februar 1193 in Würzburg erhob. Sie leiteten eine nach allen Regeln der Diplomatie geführte Auseinandersetzung um Richards Freiheit ein, die über ein ganzes Jahr hindurch geführt und die immer wieder an die jeweili­ gen Gegebenheiten angepaßt wurde. Zunächst kündigte der Kaiser an, daß Richard vor die Versamm­ lung der Reichsfürsten gestellt werden solle, wo er öffentlich sei­ ner Vergehen angeklagt werden würde. Dann konfrontierte er den englischen König mit den Bedingungen, die Richard zu akzeptie­ ren hätte, wenn er seine Freiheit wiedererlangen wollte. Neben einem Lösegeld von 100000 Mark Silber, das zur Hälfte an Herzog Leopold ausgezahlt werden sollte, forderte der Kaiser die persön­ liche Heerfolge Richards auf dem bevorstehenden Feldzug gegen Tankred mit insgesamt 50 Kriegsschiffen, 200 Rittern und 100 Bogenschützen. Richard war hell entsetzt, und zwar weit weniger über die astronomisch anmutende Höhe des Lösegelds, als vielmehr über die Forderung nach persönlicher Heerfolge. Denn das zielte eindeutig auf die Herbeiführung eines Lehensverhältnisses, mit dem der Kaiser allem Anschein nach versuchte, Richard unter seine Botmäßigkeit zu zwingen und ihn dadurch zu nötigen, gegen seinen 59

einstigen Bundesgenossen Tankred auch noch persönlich ins Feld zu ziehen. Richard beschloß zu kämpfen. Dabei setzte er seine Hoffnungen auf den englischen Einfluß auf einzelne Reichsfürsten. Als er Ende März 1193 auf einem Reichstag in Speyer offiziell angeklagt wurde, da verteidigte er sich so geschickt und wies mit so viel uner schrockenem Mut die Forderung zurück, die kaiserliche Lehens herrschaft über sein Königtum anzuerkennen, daß Heinrich VI. in dieser Frage zunächst nachgab. Mit diesem taktischen Rückzug fiel gleichzeitig auch die Forderung nach einer persönlichen Teilnahme Richards an einem Feldzug gegen Tankred. Übrig blieb somit die Zahlung des Lösegelds und die Forderung nach militärischer Unter Stützung. Die Höhe der riesigen Summe stand indes nie zur Disposition Denn die deutschen Fürsten hatten den Rechtsstandpunkt des Kai sers bezüglich des Königreichs Sizilien immer geteilt. Demzufolge war Tankred ein Usurpator, der unrechtmäßig auf dem sizilischen Thron saß. Richard hätte von ihm deshalb überhaupt kein Geld annehmen dürfen, zumindest nicht solches, das nicht aus dem Pri­ vatvermögen Tankreds stammte. Überdas gesamte sizilische Staats vermögen konnten dieser Argumentation zufolge auch nur die recht­ mäßigen Erben verfügen, nämlich Heinrich und Konstanze. König Richard sah sich also keineswegs mit einer Erpressung konfrontiert. Vielmehr verlangte der Kaiser mit seiner Lösegeldforderung nur zurück, was Richard sich zuvor widerrechtlich von Tankred ange­ eignet hatte. Dieses Geld aber sollte er auf Heller und Pfennig wie­ der zurückzahlen. Mit dem Ergebnis von Speyer dürfte der Kaiser alles andere als zufrieden gewesen sein. Mehr als er bereit war zuzugestehen, hatte er nachgeben müssen. Er reagierte darauf, indem er Richard zu­ nächst vom Hof entfernen und auf die Reichsburg Trifels bei Annweiler bringen ließ. Für wenige Wochen blieb Richard dort in ehren­ voller Haft, aber eben doch von der Außenwelt weitgehend isoliert. Dann aber entwickelten sich die Dinge in eine Richtung, die wedei dem englischen König noch dem Kaiser gefallen konnten. An den 60

Hof Heinrichs VI. kamen nämlich französische Gesandte, um Ri­ chard Löwenherz offiziell den Krieg zu erklären. Da sich der Kaiser aber die persönliche Gefolgschaft Richards sichern wollte, konnte er kein Interesse an der Schwächung des englischen Königtums zu­ gunsten eines erstarkenden Frankreichs haben, und schon gar nicht an der Vernichtung seines Gefangenen. Den Gesandten ließ er des­ halb ausrichten, wer gegen Richard kämpfe, der beleidige ihn selbst. Ganz anders als König Philipp oder Johann hatte Heinrich VI. kei­ nerlei Interesse an der Person Richards. Ihm war die Gefangenschaft des englischen Königs immer nur Mittel zum Zweck. Sie hatte ganz offensichtlich das Ziel, Richard gegen seinen Verbündeten Tankred zu instrumentalisieren, durch die Begründung eines Lehensverhältnis das englische Königtum dauerhaft an das Reich zu binden und schlußendlich den englischen König dazu zu zwingen, die wider­ rechtlich einkassierten Gelder aus dem sizilischen Staatsschatz wie­ der herauszurücken. Mitte April 1193 ließ er Richard deshalb wieder zu sich an den 1lof nach Hagenau kommen, wo nun neuerliche Gespräche geführt wurden. Sie führten kurz darauf zu einer Vereinbarung, wonach beide Herrscher sich verpflichteten, einander in der Erlangung und Wahrung ihrer jeweiligen Rechte zu unterstützen. Für König Ri, liard bedeutete dies nicht nur. die kaiserlichen Ansprüche auf das Königreich Sizilien anzuerkennen, sondern auch dem Kaiser bei der Lösung seiner innenpolitischen Probleme zu unterstützen. Denn I leinrich VI. wollte sich vor einem neuen Feldzug in Italien unbe­ dingt mit jenen Reichsfürsten wieder aussöhnen, die sich zu ihm in (Ipposition befanden und dadurch den inneren Frieden im Reich bedrohten. Als dem Kaiser Richards Bemühungen in dieser Angele­ genheit nicht schnell genug gingen, nutzte er die Anwesenheit einer /weiten französischen Gesandtschaft Mitte Mai, um den König nun­ mehr massiv unter Druck zu setzen. Philipp August hatte ihm näm­ lich für die Auslieferung Richards eine große Geldsumme geboten. Sollte der Kaiser darauf nicht eingehen wollen, dann sollte er wenig­ stens die Haft seines Gefangenen auf unbestimmte Zeit verlängern. Ileinrich lehnte ab, aber er ließ Philipp ein gemeinsames Treffen für 61

Ende Juni vorschlagen, um dann über alles Weitere persönlich zu verhandeln. Die englische Seite setzte nun alles daran, um ein Zusammenge­ hen zwischen dem Kaiser und König Philipp zu verhindern. Hein­ richs Gegner unter den Reichsfürsten waren schließlich dazu bereit, sich mit dem Herrscher wieder zu arrangieren. Eines von Heinrichs Hauptzielen, die Sicherung des inneren Friedens in Deutschland vor einem weiteren Feldzug in Italien, war damit fast erreicht. So hatte das Angebot des französischen Königs erfolgreich dazu beigetra­ gen, die innenpolitische Krise zu lösen. Das Philipp August ange­ botene 1reffen verlor nun immer mehr an Bedeutung. Anstatt zur Aussprache mit dem französischen König zog der Kaiser Ende Juni an den Rhein. ln Worms sollte im Rahmen einer weiteren Reichsversammlung mit Richard ein neuer Vertrag vereinbart werden, der die Modalitä­ ten zur Beendigung seiner Gefangenschaft regeln sollte. Während der Kaiser wiederum die Lehensherrschaft über das englische Kö­ nigtum einforderte, was Richard weiterhin beharrlich ablehnte, wollte dieser endlich die Verpflichtung loswerden, dem Kaiser ge­ gen seinen einstigen Bundesgenossen Tankred Unterstützung leisten zu müssen. Fünf Tage lang wurde in Worms intensiv verhandelt. Dann einigte man sich auf einen Kompromiß, der folgendes beinhaltete: Für seine Freilassung würde Richard weitere 50000 Mark Silber - insgesamt also 150000 Mark - bezahlen. Dafür verzichtete der Kaiser auf seine Forderung nach englischer Unterstützung an Schif­ fen und Mannschaften gegen Tankred. Gleichzeitig beharrte er nicht länger auf einer Lehensuntertänigkeit des englischen Königtums. Dafür sollte Richard sich aber verpflichten, seinen Schwager Hein­ rich den Löwen zur Heerfolge gegen Tankred zu bewegen. Wäre der Welfe hierzu uneingeschränkt bereit, dann bot sich der Kaiser an, 20000 Mark Silber aus eigener Tasche an Herzog Leopold zu zah­ len, die von Richard zu entrichtende Gesamtsumme also um diesen Betrag zu reduzieren. Sollte der König bei seinen Bemühungen allerdings absehbar erfolglos bleiben, dann war die Gesamtsumme fällig, alle anderen Forderungen aber erledigt. Auf dieser Grundlage 62

wurden die Abmachungen anschließend von den deutschen Fürsten beschworen. Damit schien eine Vereinbarung getroffen worden zu sein, die dem König endgültig spätestens dann die Freiheit zurück­ bringen würde, wenn das Lösegeld die kaiserliche Kriegskasse auf­ gefüllt haben würde. Nachdem im Herbst 1193 nach und nach die englischen Gelder am kaiserlichen Hof eingingen, wurde vereinbarungsgemäß Ri­ chards Freilassung angekündigt. Als Termin wurde der 17. Januar 1194 festgelegt. Kurz vor Weihnachten berief der englische König deshalb seine Mutter Eleonore nach Deutschland. Dabei teilte er ihr mit, daß der Kaiser ihn am Sonntag nach seiner Freilassung mit dem Königreich Arelat, also mit Hochburgund, belehnen würde. Somit tauchte der alte Plan Heinrichs in neuem Gewände auf, nämlich Richard unter allen Umständen zu seinem Lehensmann machen zu wollen. Als die Aussicht, England lehensrechtlich an das Reich zu binden, eigentlich schon nicht mehr bestand, sollte das Ziel durch eine Belehnung mit Reichsbesitz doch noch erreicht werden. Daß diese Übertragung letztlich nicht zur Ausführung gelangte, lag an den Aktivitäten von Richards Feinden, was sich lür Kaiser Heinrich VI. wiederum als Glücksfall heraussteilen sollte. Schon war der Kaiser mit zahlreichen Fürsten in Speyer ange­ kommen, wo Richard bereits ungeduldig auf seine Freilassung war­ tete, da erschien gerade noch rechtzeitig vor dem vereinbarten Ter­ min eine weitere Gesandtschaft aus Frankreich. Die Boten hatten Briefe von Philipp August und Johann Ohneland im Gepäck. Wie schon im Mai des vergangenen Jahres sollte Kaiser Heinrich ein letztes Mal durch große Geldsummen .dazu bewogen werden, die Gefangenschaft Richards zu verlängern. Wenn er den König dage­ gen an ihn ausliefern würde, so sicherte Philipp zu, würde er dem Kaiser exakt die gleiche Summe auszahlen, die Richard bereit gewe­ sen war, für seine Freilassung zu akzeptieren. Das war ein Angebot, mit dem der Kaiser wohl kaum mehr gerechnet haben dürfte. Es ver­ setzte ihn in die denkbar beste Lage. Er ließ Richard umgehend mitteilen, daß seine Freilassung am vorgesehenen Ort und Tag nicht stattfinden werde. Der Termin

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werde um zwei Wochen verschoben und die Angelegenheit von Speyer nach Mainz verlegt. In Anwesenheit zahlreicher Fürsten trat dort am 2. Februar 1194 König Richard von England vor den Kai­ ser. Jedermann erwartete nun die Freilassung des königlichen Gefangenen. Aber es kam anders. Denn nun lief ein bis in Einzel­ heiten hinein fein berechnetes Spiel ab. Zur allgemeinen Bestürzung ließ der Kaiser die französischen Gesandten eintreten und dem König die Schreiben Philipps und Johanns überreichen, die das fran­ zösische Angebot für eine Auslieferung Richards enthielten. Dann erklärte er, daß er nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluß ge­ langt sei, auf diese Vorschläge eingehen zu wollen. Richard und seine Anhänger waren fassungslos. Sollte das ge­ schehen, dann hätten Philipp und Johann ihr Spiel gewonnen. Aus französischer Haft würde Richard höchstwahrscheinlich nie wieder freikommen. Das verlockende Angebot Philipps ermöglichte es dem Kaiser jedoch, sein eigentliches Ziel doch noch erfolgreich einzufordem - die Lehensuntertänigkeit Englands! Trotz der bitteren Erkenntnis, daß dies der einzige Ausweg war, der ihm verblieb, wei­ gerte sich Richard auch jetzt noch, dem Kaiser das zu bewilligen, was er bis dahin als schimpflich von sich gewiesen hatte. Erst durch die Beschwörungen seiner Mutter Eleonore dazu gebracht, gab Ri­ chard endlich nach. Dem Kaiser ließ er seine Bereitschaft erklären, sein englisches Königtum von ihm als Lehen entgegenzunehmen. Daraufhin wurde ihm am 4. Februar 1194 verkündet, er sei frei. Aus der Hand Heinrichs VI. empfing Richard Löwenherz als freier Mann sein Königreich. Kaiser und Fürsten versprachen ihm nunmehr ihre Unterstützung gegen Johann und Philipp August. Beiden wurde um­ gehend mitgeteilt, daß die Gefangenschaft Richards zu Ende sei. Durch eine ausgeklügelte Strategie hatte Heinrich VI. nahezu alle seine angestrebten Ziele gegenüber Richard durch ein überlegenes Verhandlungsgeschick erreicht, seine und seiner Gattin Konstanze verletzte Ehre wiederhergestellt und die gefährliche Gegnerschaft des englischen Königs erfolgreich neutralisiert. Das unbedachte Bündnis mit Tankred hatte Richard und die Bevölkerung seines Reiches dagegen einen hohen Geldbetrag geko64

stet und dem König eine unnötige Gefangenschaft eingebracht, während derer seine Feinde große Teile seines Königreichs iiberrannten. Bis zum Ende seines Lebens war er anschließend damit beschäftigt, die an Philipp August verlorengegangenen Besitzungen wieder zurückzuerobern. Am 6. April 1199 ist er an den Folgen eines Pfeilschusses bei der Belagerung der Burg Chalus in Aquita­ nien gestorben. Er wurde 41 Jahre alt.

Die Eroberung des Königreichs Sizilien Während die Rüstungen für den sorgfältig geplanten zweiten Feldzug gegen Sizilien zu Beginn des Jahres 1194 nahezu abge­ schlossen waren, starb am 20. Februar in Palermo völlig überra­ schend Heinrichs Widersacher, König Tankred. Damit schien das Haupthindernis beseitigt zu sein, das dem Erbantritt des Kaiserpaa­ res im sizilischen Königreich im Weg gestanden hatte. Um so schwerwiegender muß in dem Zusammenhang die Tatsache bewer­ tet werden, daß Papst Coelestin selbst in dieser neuen und nun wie­ der völlig offenen Lage an seiner Rechtsauffassung unbeirrt festhielt und sich auch weiterhin beharrlich weigerte, Heinrich und Kon­ stanze nunmehr als rechtmäßige Nachfolger der Normannenkönige zu betrachten. Denn sogleich erfolgte die päpstliche Anerkennung Wilhelms III., des jüngsten und noch unmündigen Sohnes Tankreds, als legitimer Herrscher des Königreichs. Damit machte der Papst wiederum vor aller Welt deutlich, daß er die kaiserlichen Ansprüche auf den Normannenthron in Süditalien bis auf weiteres nicht zu akzeptieren bereit war. Dieser Schritt war keineswegs dazu angetan, das angespannte Ver­ hältnis zwischen der römischen Kirche und dem Kaiser wieder zu entlasten. Mochte die päpstliche Kurie die Erbansprüche des Kai65

serpaares ignorieren oder gar ablehnen, so waren diese aufgrund der bestehenden Thronfolgeregelungen im Königreich Sizilien dennoch legitim und tatsächlich völlig unabhängig von der Zustimmung oder der Ablehnung des Papstes. Nur Uber die Lehensherrschaft war das Königreich mit dem Papsttum verbunden. Da am Erfolg des im Früh­ jahr 1194 unmittelbar bevorstehenden und bestens organisierten zweiten Feldzugs Heinrichs gegen das Königreich dagegen kaum gezweifelt werden konnte, mußte spätestens mit dem Regierungs­ antritt Heinrichs und Konstanzes die Situation eintreten, daß die rechtmäßigen Throninhaber vom Lehensherrn des Königreiches gleichsam als Usurpatoren betrachtet wurden. Aus kaiserlicher Sicht konnte die päpstliche Legitimierung des kleinen Wilhelm daher kaum anders verstanden werden als eine weitere Brüskierung und Mißach­ tung des vertraglich geregelten Erbrechts. So wurde dem Kaiser nun nochmals deutlich gemacht, daß seine eigene Herrschaft in Sizilien rechtlich so lange anfechtbar und damit auch gefährdet bleiben mußte, wie es ihm nicht gelang, mit dem Papst zu einer dauerhaften und für beide Seiten akzeptablen Einigung zu gelangen. Hierfür stan­ den die Chancen jedoch von Anfang an nicht gut. Im Mai 1194 begann endlich der zweite Italienzug Kaiser Hein­ richs um das sizilische Erbe seiner Gattin. Von der Reichsburg Tri­ fels in der Pfalz aus zog er zusammen mit Konstanze, seinem jüng­ sten Bruder Philipp und einem Teil der Truppen nach Norditalien. In Mailand wurde das Kaiserpaar begeistert empfangen. Der Stadt Mailand, neben Cremona die politisch einflußreichste und mächtig­ ste Kommune der Lombardei, kam für die Aufrechterhaltung des Friedens in Norditalien eine besondere Bedeutung zu. Fast das ganze Jahr 1193 hindurch war zwischen den verfeinde­ ten Städtebünden Mailands und Cremonas um die Herrschaft über den Fluß Lambro und um den Besitz der Stadt Crema Krieg geführt worden. An diesen Kämpfen war zeitweise die ganze Lombardei beteiligt. Vor Beginn des Feldzugs mußte Heinrich in dieser wichti­ gen Region Italiens unbedingt Ruhe haben. Schon im Herbst 1193 hatte er deshalb einen Sonderbeauftragten nach Oberitalien ent­ sandt, um durch kaiserliche Vermittlung und Ausgleichsangebote 66

noch vor Beginn seines zweiten Italienzuges einen Frieden unter den Kontrahenten herzustellen. Diese Bemühungen hatten nach monatelangen Verhandlungen kurz vor Eintreffen des Kaisers end­ lich zum Erfolg geführt. Es war eine labile Friedensvereinbarung, die da zustande gekommen war. Aber sie hatte Bestand und ver­ schaffte dem Kaiser die erforderliche Ruhe, ohne daß er selbst noch in die Angelegenheiten eingreifen mußte. Noch in Mailand trafen Gesandte Leos von Kleinarmenien am Hof ein. Als Herrscher über das christliche Fürstentum in Kleinasien wollte Leo das römischkatholische Glaubensbekenntnis annehmen und sich unter die Le­ hensherrschaft Heinrichs VI. begeben. Durch seine Vertrauten ließ er beim Kaiser um seine Krönung zum König nachsuchen. Noch ehe der Hof weiterzog, nahm Heinrich das Ersuchen an. Auf der roncalischen Ebene bei Cremona wurde Anfang Juni der Aufmarsch des kaiserlichen Heeres abgeschlossen. Ein Flottenverband genuesischer und pisanischer Kriegsschiffe unter dem Ober­ befehl des Reichstruchsesses Markward von Annweiler, einem der engsten Vertrauten Heinrichs VI., ergänzte den Vormarsch des Hee­ res zur See. Der Kaiser begab sich persönlich nach Genua und Pisa, um den beiden Seestädten für ihre Unterstützung Privilegien im Königreich Sizilien zuzusagen. Ende August rückten die kaiserli­ chen Truppen in drei Heeressäulen aufgeteilt in das Königreich ein. Ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, nahm der Kaiser in den folgenden Wochen das süditalienische Normannenreich voll­ ständig in Besitz. Vereinzelte Widerstandsnester wurden schnell niedergekämpft oder umgangen. Die Stadt Salerno wurde für ihren Verrat und die Auslieferung der Kaiserin an König Tankred aller­ dings furchtbar bestraft. Nach der Erstürmung wurde sie zur Plün­ derung freigegeben. Danach wurde Feuer an die Häuser gelegt. Bereits am 1. September war die Flotte in den Hafen von Messina eingelaufen und dort vor Anker gegangen. Bald darauf konnte der Flottenkommandeur Markward von Annweiler dem heranziehenden Kaiser schon mitteilen lassen, er könne kommen, Sizilien sei besiegt und erwarte seinen Herrn. Ende Oktober betrat Heinrich VI. zum ersten Mal den Boden der Insel Sizilien. 67

Nach dem Eintreffen Heinrichs in Messina war die Situation der königlichen Familie in Palermo verzweifelt geworden. Die Vertei­ digung der Hauptstadt wurde angesichts der allgemeinen Lage zu­ nehmend sinnloser. Königin Sibylle, die Witwe Tankreds, entschloß sich daher, wenigstens ihre Kinder, den kleinen König Wilhelm und dessen drei Schwestern, in Sicherheit zu bringen. Die Kinder wur­ den auf die Burg Caltabellotta geschafft, tief im Südwesten der Insel gelegen. Sibylle selbst blieb im Königspalast von Palermo zurück. Heinrich VI. hatte keinerlei Interesse, den Feldzug unnötig zu verlängern. Das zeigte sich nicht zuletzt daran, daß schon in Mes­ sina ein großer Teil der Truppen wieder entlassen worden war. Andererseits mußte er jedoch unmißverständlich klarstellen, daß jeder weitere Widerstand sinnlos war, unnötige Opfer kostete und von ihm mit allen Mitteln gebrochen werden würde. Unverzüglich ließ er deshalb den Kontakt zur Königin in Palermo herstellen. Boten wurden an den königlichen Hof geschickt, die ihr ein Ange­ bot unterbreiteten: Der Kaiser wolle Wilhelm und dessen künftigen Erben die Grafschaft Lecce und das Fürstentum Tarent überlassen, sofern die Königin die Übergabe der Burg Caltabellotta veranlasse und ihren Sohn sowie die Kroninsignien dem Kaiser ausliefere. Die Königin wußte nur zu gut, daß mit ernsthaftem militärischen Wider­ stand gegen den heranziehenden Kaiser nicht mehr zu rechnen war. Deshalb fügte sie sich in das Unvermeidliche und willigte in die Vorschläge ein. Daraufhin vollzog Heinrich VI. unter Betonung auch der Zustimmung seiner abwesenden Gemahlin Konstanze die Verleihung. Von anwesenden Fürsten aus dem Imperium und dem Königreich Sizilien wurde sie zusätzlich beeidet. Boten eilten nun nach Caltabellotta, um Sibylles Befehl auszuführen und den jungen König und seine Schwestern nach Palermo zurückzubringen, ln einem spektakulären Triumphzug zog der Kaiser darauf am 20. November 1194 in Palermo ein und nahm mit dem Betreten des normannischen Palastes gleichzeitig auch das Königreich in Besitz. Sogleich wurde zum bevorstehenden Weihnachtsfest ein Hoftag in der Hauptstadt ausgeschrieben. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung standen die Feierlichkeiten im Dom am ersten Weihnachtstag. Hier 68

soll der kleine Wilhelm die Chorstufen hinaufgestiegen sein und in einer ergreifenden Szene die Krone des Königreiches direkt zu Füßen Heinrichs VI. niedergelegt haben. In der Kathedrale von Palermo zeigte sich der Kaiser dann der Öffentlichkeit das erste Mal mit der Krone des Königreichs. Eine vom Papst autorisierte Krö­ nung zum sizilischen König fand dagegen nicht statt. Die Kaiserin Konstanze, die ihren Gatten zu Beginn des Feldzu­ ges von Deutschland aus zunächst nach Norditalien begleitet hatte, war wegen ihrer damals festgestellten Schwangerschaft schon im Juni in Piacenza zurückgeblieben. Nur langsam war sie in den fol­ genden Wochen ihrem Gatten nach Süden gefolgt. Möglicherweise war von Anfang an beabsichtigt, daß sich Konstanze zur Entbindung nach Foligno begeben sollte, dem Wohnsitz der Familie Herzog Konrads von Spoleto. Doch auf dem Weg dorthin gelangte sie nur bis Jesi, einer kleinen Gemeinde südwestlich von Ancona. Dort brachte sie am 26. Dezember 1194 ihr einziges Kind, den späteren Kaiser Friedrich II., zur Welt. Heinrich VI. schien nun am Ziel seiner Wünsche angelangt. Das Erbe seiner Gattin war erfolgreich in Besitz genommen worden, und durch die Geburt seines Sohnes stand ihm nunmehr auch der ersehnte Thronfolger zur Verfügung. Sollte das Kind die Eltern überleben, dann hätte es aufgrund des Erbrechts einen legitimen Anspruch auf die Ausübung der Herrschaft im Königreich Sizilien. Für die römische Kirche dagegen war eingetreten, was sie so vehe­ ment zu verhindern getrachtet hatte: die Inbesitznahme ihres Lehens durch den Kaiser und damit die vollständige territoriale Umklam­ merung des Kirchenstaates durch ein nunmehr kaiserlich beherrsch­ tes Gesamtitalien. Mit der Geburt eines Thronfolgers hatte sich die Lage noch zusätzlich verschärft. Jetzt bestand sogar die reale Mög­ lichkeit, daß die Kirche nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft die politische Kontrolle über ihr Lehen im Süden Italiens verlieren könnte. Das aber wußte man auch am kaiserlichen Hof. Im Wissen um die großen Vorbehalte der päpstlichen Kurie an­ läßlich der neuen politischen Situation in Italien hatte der Kaiser des­ halb schon vor Abschluß der Kriegshandlungen versucht, die abge69

brochenen Beziehungen wieder aufzunehmen. Mit dem Ziel, zu Ver­ handlungen übereine lehensrechtliche Anerkennung der kaiserlichen Herrschaft über das Normannenreich durch die römische Kirche zu gelangen, ließ er dem Papst ankündigen, einen neuerlichen Kreuz­ zug zur Rückeroberung Jerusalems durchführen zu wollen. Verbun­ den war diese Bekanntmachung offenbar mit einem Angebot, auch über andere Streitfragen in Verhandlungen einzutreten. Doch Kaiser Heinrich mußte sich lange in Geduld üben. Ein halbes Jahr sollte es dauern, ehe Papst Coelestin auf seine Vorschläge antwortete.

Die erste Verschwörung gegen die kaiserliche Herrschaft Kaum waren die Feierlichkeiten anläßlich des Weihnachtsfestes zu Ende, da wurden dem Kaiser Pläne über eine Verschwörung der königlichen Familie und der sizilischen Barone hinterbracht. Ein Mönch soll den Anschlag enthüllt haben. Anscheinend war beab­ sichtigt gewesen, durch die Ermordung Heinrichs die kaiserlich­ staufische Herrschaft über das Königreich doch noch zu verhindern. Der Kaiser selbst soll diese Verschwörungspläne zunächst angezweifelt haben. Nachdem ihm jedoch Beweise vorgelegt wurden, ließ er Gegenmaßnahmen vorbereiten. Dann berief er die sizilischen Barone zu einer Zusammenkunft. Am 29. Dezember trat er vor die versammelten Adligen und beschuldigte die Betreffenden, darunter auch die Königin Sibylle und ihre Familie, des Verrats und eines geplanten Anschlags auf sein Leben. Sofort wurden die unter den Anwesenden namentlich Beschuldigten in Haft genommen. Noch am selben Tag wurde der Kreis der Verschwörer gesprengt, die daran Beteiligten inhaftiert. Zu ihnen zählten neben der königlichen Familie die treuesten Gefolgsleute Tankreds, insbesondere Erzbi70

schof Nicolaus von Salerno und die Flottenadmirale Margarito und Eugenius. Ein beabsichtigter Anschlag auf das Leben des Herrschers erfüllte den Tatbestand des Hochverrats. Darauf stand die Todesstrafe. Unter einer erdrückenden Last von Beweisen hätte der Kaiser folglich das Recht dazu gehabt, zumindest die Hauptbeteiligten der Verschwö­ rung hinrichten zu lassen. Dies geschah nicht. Zwar zog Heinrich die Verleihungen an Sibylle und Wilhelm sofort zurück. Ansonsten aber begnügte er sich damit, die Verschwörer zu einer Verbannungs- und Haftstrafe zu verurteilen. Es erging die Anordnung, daß alle Gefan­ genen unverzüglich von der Insel entfernt werden sollten. Sie wur­ den daraufhin auf das Festland geschafft und später nach Deutsch­ land gebracht, wo sie auf verschiedene Orte verteilt wurden. Hinter Königin Sibylle und ihren Töchtern schlossen sich die Tore des Non­ nenklosters auf dem Odilienberg im Elsaß. Erst nach dem Tod Hein­ richs VI. und nachdem sich Papst Innozenz III. mehrmals für sie ver­ wendet hatte, kamen sie 1198 wieder frei. Getrennt von seiner Familie wurde der junge König Wilhelm auf Burg Hohenems in der Nähe des Bodensees festgehalten. Dort soll er geblendet worden und bereits um das Jahr 1198 gestorben sein. Erzbischof Nicolaus, Margarito, Eugenius und weitere Barone kamen auf die Burg Trifels. Einige von ihnen wurden drei Jahre später infolge der zweiten Verschwörung gegen den Kaiser geblendet. Aber auch sie kamen nach dem Tode Heinrichs auf Intervention des Papstes wieder frei. Die Enthüllung der Verschwörungspläne gab dem Kaiser die Möglichkeit zum vernichtenden Schlag gegen führende Personen der normannischen Führungsschicht. Ihre Inhaftierung und Verban­ nung beseitigte tatsächlich einen potentiellen Gefahrenherd für die neue kaiserliche Herrschaft. Insofern mochte Heinrich darin sogar ein wirksames Mittel gesehen haben, um seine Herrschaft im König­ reich schneller zu konsolidieren. Sogleich bot sie allen seinen Fein­ den aber auch reichlich Stoff für Anschuldigungen, Unterstellungen und Hetze. Bald schon wurde der Verdacht laut, diese angebliche Verschwö­ rung habe es in Wirklichkeit nie gegeben, die Beweise seien fingiert 71

gewesen, und der Kaiser habe in Wahrheit niemals die Absichi gehabt, seine der Königin und ihrem Sohn gegenüber gemachten Versprechungen einzuhalten. Alles sei vielmehr eine heimtückische Erfindung gewesen und zur endgültigen Ausschaltung von ver­ meintlichen oder tatsächlichen Gegnern arrangiert worden. Gegen diese Überlegungen spricht allerdings, daß Papst Innozenz III., der nach Heinrichs Tod immer wieder zugunsten der Inhaftierten inter­ venierte, niemals von deren Unschuld sprach. Der Kaiser selbst hat sich zu den Vorgängen in einem Brief geäußert: Einige Barone des Königreichs, so schreibt er am 20. Januar 1195 auf dem Weg nach Messina, die bereits zu Anfang seine Feinde gewesen seien und die er wieder in Gnaden aufgenommen habe, hätten dennoch eine Ver­ schwörung gegen ihn angezettelt. Dieses Unterfangen sei allerdings aufgedeckt und alle Teilnehmer auf seinen Befehl hin gefangenge­ setzt worden. Unter den Gefangenen der Verschwörung befand sich auch die byzantinische Prinzessin Irene. Sie war die Tochter von Kaiser Isaak Angelos und Brautwitwe von Tankreds ältestem Sohn, der noch vor seinem Vater Ende 1193 gestorben war. Irenes weiteres Schicksal sollte sich allerdings ganz anders gestalten als das der übrigen Gefangenen. Denn Kaiser Heinrichs jüngster Bruder Phi­ lipp muß sich, kaum daß er die Griechin in Palermo zum ersten Mal gesehen hatte, heftig in die blutjunge Prinzessin verliebt ha­ ben. Seine Gefühle blieben wohl nicht unerwidert. Und so bahnte sich eine Romanze an, die den Minnesängern bald Stoff für ihre Lieder lieferte. Selbst Walther von der Vögelweide sang später das Lob auf das Paar. Philipp bedrängte seinen kaiserlichen Bruder so lange, einer Verbindung mit Irene zuzustimmen, bis der Kaiser schließlich seine Einwilligung zur Verlobung seines noch nicht volljährigen Bruders mit der jungen Griechin gab. Als Braut Phi­ lipps, nicht als Gefangene, reiste Irene dann im Gefolge des kai­ serlichen Hofes nach Deutschland. An Pfingsten 1197 wurde das Paar bei Augsburg getraut, nachdem die byzantinische Prinzessin zum Katholizismus konvertiert war und den Namen Maria ange­ nommen hatte. 72

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Die Regelung der Machtverhältnisse im Königreich Sizilien und die Regentschaft der Kaiserin Konstanze Die Neuordnung der Verhältnisse auf der Insel hielt den Kaiser noch bis Mitte Januar 1195 in Palermo fest. Systematisch wurden während jener Wochen die Steuerregister und Abgabenverzeich­ nisse durchgegangen und die Vermögenswerte festgestellt. Dann wurde der Staatsschatz gehoben, gesichtet und sortiert. Ein Teil wurde zum Abtransport nach Deutschland bereitgestellt. 150 Saum­ tiere sollen erforderlich gewesen sein, um die ausgewählten Wert­ gegenstände alle aufladen zu können. Unter den Kostbarkeiten, die auf diese Weise über die Alpen gelangten, war auch der prachtvolle Krönungsmantel, den arabische Künstler für König Roger II. ange­ fertigt hatten. Das Unikat aus roter Seide wurde später von den deut­ schen Königen während der Krönungsfeierlichkeiten getragen und befindet sich heute neben den Reichsinsignien in der Schatzkammer der Wiener Hofburg. Die Eroberung Siziliens veranlaßte nordafrikanische Berberfür­ sten und selbst den Almohadenkalif Al-Mansur dazu, dem Kaiser nun freiwillig Tributzahlungen anzubieten. Heinrich VI. stand auf dem Gipfel seiner Macht. Mitte Januar 1195 trat er die Rückreise an. Über Messina und Tarent gelangte der Hof Ende März nach Bari an der adriatischen Küste Apuliens. Schon von Sizilien aus war hierhin zum bevorstehenden Osterfest ein allgemeiner Reichstag einberu­ fen worden. Auf dieser Versammlung beabsichtigte der Kaiser die politischen Verhältnisse im gesamten Königreich noch vor seiner Rückreise nach Deutschland umfassend zu regeln. So wurden die vakanten Kanzlerämter für das Imperium und das Königreich neu besetzt und die engsten Vertrauten großzügig belohnt. Wie schon auf Sizilien, so erhielten auch in Bari zahlreiche Kirchenfürsten für ihre festländischen Sprengel Privilegien und Bestätigungen alter Rechte. Bischöfe dagegen, die offen gegen die kaiserliche Herr­ schaft in Sizilien opponiert und dagegen angekämpft hatten, wurden des Landes verwiesen. 73

Anfang des Jahres 1195 war die Kaiserin Konstanze von Jesi aus mit ihrem kleinen Sohn nach Foligno weitergereist. Am Wohnsitz Herzog Konrads von Spoleto und seiner Familie sollte der kleine Friedrich von nun an seine ersten Lebensjahre verbringen. Einige Wochen später schon mußte Konstanze Abschied von ihrem Sohn nehmen. Mehr als zweieinhalb Jahre sollten vergehen, ehe sie ihr Kind nach dem Tod des Kaisers unter gänzlich veränderten Bedin­ gungen Wiedersehen würde. Ende März erschien sie am kaiserlichen Hof in Bari. Fast zehn Monate waren inzwischen vergangen, seit sich Heinrich vor Beginn des Feldzugs von seiner Frau getrennt hatte. Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Verhältnisse in Sizilien kam der Kaiserin als der legitimen Erbin des Königreichs eine herausragende Rolle zu. Als Königin von Sizilien würde sie nun die Regentschaft in ihrem Erbreich bis zur Rückkehr ihres Gat­ ten aus Deutschland souverän ausüben. Das Kaiserpaar konnte nur wenige Wochen miteinander verbrin­ gen. Nach Ende des Reichstages von Bari begleitete Konstanze den Hof ihres Gatten noch ein Stück auf dem Rückweg nach Norden. Mitte April trennte sich das Paar erneut. Die Kaiserin reiste nach Sizilien und erreichte einen Monat später Palermo, wo sie sofort die Regierungsgeschäfte übernahm. Der Kaiser zog dagegen ins Her­ zogtum Spoleto. Zwei Reichskriege hatte Heinrich VI. führen müssen, um die Erbansprüche seiner Gattin durchzusetzen und dem Erbrecht im Königreich wieder Geltung zu verschaffen. Es kann daher kaum verwundern, daß Heinrich VI. schon in Palermo Urkunden nicht nur in seinem Namen, sondern selbstverständlich auch im Namen der Kaiserin ausstellen ließ. Seine und seiner Gattin Herrschaft im Königreich stellte er ausschließlich in die Reihe seiner normanni­ schen Vorgänger Roger II., Wilhelm I. und Wilhelm II., während die Regierung Tankreds oder gar die von dessen Sohn Wilhelm mit kei­ nem Wort Erwähnung fand. In gleicher Weise handelte die Kaiserin während der Zeit ihrer Regentschaft. Tankred war für beide ein Ver­ räter gewesen. Er hatte bekanntlich auf die Nachfolge Konstanzes einen Eid geleistet und diesen später nicht nur gebrochen, sondern 74

sich sogar selbst inthronisieren lassen. Die Verachtung Heinrichs VI. gegenüber diesem Mann war so groß, daß er anscheinend anord­ nen ließ, die Sarkophage Tankreds und seines Sohnes Roger aus der Königsgruft in Palermo zu entfernen. Ein einziges Mal, nämlich unmittelbar nach Beginn des ersten Feldzugs zur Eroberung des Königreiches im Mai 1191, hatte sich der Kaiser über den Verweis auf das sizilische Erbrecht hinaus auch auf ein altes Recht des Kaiserreiches an süditalienischen Gebieten berufen, sehr wahrscheinlich vor allem deshalb, um damit den unzweifelhaft bestehenden Rechtsanspruch auf das Königreich noch zusätzlich zu verstärken. In der Forschung wurde daraus abge­ leitet, Heinrich habe mit dieser erweiterten Rechtfertigung seiner Ansprüche klar zum Ausdruck gebracht, daß er die päpstliche Oberlehensherrschaft über das Königreich prinzipiell ablehne. Für diese weitverbreitete These finden sich jedoch an keiner Stelle in den Quellen weitere Indizien oder gar Beweise, genauso wenig wie es beweiskräftige Belege dafür gibt, daß Heinrich VI. je beabsich­ tigt hatte, das Königreich Sizilien dem Kaiserreich territorial anzugliedem, also eine staatliche Vereinigung herbeizuführen, um dadurch die Lehensherrschaft der päpstlichen Kurie in Rom abzu­ streifen oder zu beseitigen. Sämtliche Maßnahmen Heinrichs deuten vielmehr darauf hin, daß er auf der Grundlage der bestehenden Lehensherrschaft mit dem Papst zu einer gütlichen Einigung gelangen wollte. Nach Über­ nahme der Herrschaft in Sizilien wurde in allen Bereichen streng darauf geachtet, die formelle staatliche Unabhängigkeit des König­ reichs auch nach außen hin zu demonstrieren. Sizilien behielt einen eigenen Kanzler, eine eigene königliche Kanzlei, ein eigenes Großhofgericht, eigene Hofbeamte. Heinrich und Konstanze unter­ strichen die staatliche Eigenständigkeit Siziliens noch zusätzlich, indem sie ihren kaiserlichen Titel um den Zusatz „König bzw. Köni­ gin von Sizilien“ erweiterten. Hätte man auf kaiserlicher Seite das Königreich lediglich als einen dem Kaiserreich ein- bzw. anzugliedemden Landesteil betrachtet, wäre diese Erweiterung des Titels überflüssig gewesen. Sorgfältig wurde vielmehr darauf geachtet, 75

den Übergang der Herrschaft auf das Kaiserpaar in den Rahmen einer durch das Erbrecht in Sizilien begründeten Kontinuität zu stel­ len. Der Herrschaftsantritt Heinrichs und Konstanzes sollte ganz offensichtlich nicht als Bruch, sondern als Fortführung einer Herr­ schertradition verstanden werden, die lediglich durch die kurze Zeit­ spanne der Usurpation des Thrones unterbrochen worden war. Und auch in einem anderen Punkt waren sich Kaiser und Kaiserin von Anfang an immer einig gewesen: Als verbindliche Rechts­ grundlage der Beziehungen zwischen dem Königreich und seinem päpstlichen Lehensherm akzeptierten beide ausschließlich das Konkordat von Benevent aus dem Jahre 1156. Der von päpstlichen Vertretern mit Tankred 1192 in Gravina ausgehandelte Vertrag, der die kirchenpolitischen Rechte des Königtums zum ausschließli­ chen Vorteil der Kurie in Rom korrigiert hatte, war für Heinrich und Konstanze nicht das Pergament wert, auf das er geschrieben worden war. Als man in Rom auch nach der Eroberung Siziliens weiterhin versuchte, auf der Grundlage der mit Tankred getroffenen Vereinba­ rungen in kirchenpolitische Belange des Königreiches einzugreifen, reagierte die Kaiserin umgehend und mit aller Schärfe. Schriftlich wandte sie sich im Herbst 1195 direkt an Papst Coelestin und pro­ testierte energisch dagegen, daß die Kirche Rechte für sich in Anspruch zu nehmen versuchte, die mit den Vereinbarungen des Konkordats von Benevent nicht in Übereinstimmung zu bringen waren. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da ihr Gatte seine Bereit­ schaft zu einer gütlichen Einigung bekundet und sie selbst sich auf Wunsch Papst Coelestins angeschickt habe, in diesem Sinne aktiv einzugreifen, habe der Papst versucht, in ihrem Königreich, das sie durch Erbfolge und die Eroberung des Kaisers gegenüber einem widerrechtlichen Usurpationsversuch in Besitz genommen habe, umwälzende Neuerungen einzuführen. Diese Ausführungen unter­ streichen den Rechtsstandpunkt Konstanzes und Heinrichs VI. wie­ derum in aller Deutlichkeit: Durch die militärische Eroberung war die widerrechtliche Usurpation des Königreiches beendet und dem Erbrecht wieder Geltung verschafft worden. 76

Konstanzes Beharren auf der ausschließlichen Gültigkeit des Vertrages von 1156 steht in völligem Einklang mit der Auffassung und dem Handeln ihres Gatten. Auf eben dieser Grundlage war der Kaiser bereit, mit Papst Coelestin über eine für beide Seiten akzep­ table neue rechtliche Basis des Lehensverhältnisses zu verhandeln. Der Brief Konstanzes ließ keinen Zweifel daran, daß das Kaiserpaar in dieser Frage mit einer Stimme sprach. Er zeigte aber auch, wie unsicher die Regierung Heinrichs und Konstanzes bleiben mußte, solange es nicht gelang, das bestehende Lehensverhältnis auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen. Dies hing letzten Endes aber allein von der Frage ab, ob ein wie auch immer ausgestalteter Aus­ gleich zwischen den Interessen der römischen Kirche und jenen des Kaiserpaares überhaupt möglich war.

Erste Wiederannäherung zwischen Kaiser und Papst Heinrich VI. hatte den Erbanspruch seiner Gattin auf das König­ reich Sizilien gegen den erbitterten, verdeckt und offen betriebenen Widerstand der Päpste nur mit militärischer Gewalt durchsetzen können. Damit aber waren Fakten geschaffen worden, welche die politischen Interessen der römischen Kirche unterlaufen hatten. Wie sein weiteres Vorgehen zeigt, war das Streben des Kaisers von An­ fang an darauf ausgerichtet, einen Ausgleich mit der päpstlichen Kurie auf diplomatischem Weg herbeizuführen. Daß es nicht leicht werden würde, die Kurie davon zu überzeugen, sich mit der kaiser­ lichen Herrschaft über ihr Lehen abzufinden, stand dabei von vorn­ herein fest. Erschwerend kam hinzu, daß es seit fast drei Jahren keine direkten Kontakte zwischen den beiden Höfen mehr gab. Das vorrangige Ziel bestand deshalb darin, die Verbindungen zur päpst­ lichen Kurie wieder aufzunehmen, um Papst Coelestin überhaupt 77

dazu zu bewegen, in gemeinsame Gespräche einzutreten. Dazu wollte Heinrich der Kirche ein großzügiges Anerbieten machen, um auf dieser Basis zu weiteren Ergebnissen zu gelangen. Noch während des Feldzugs hatte der Kaiser von sich aus die Initiative ergriffen. Eine Gesandtschaft wurde beauftragt, nach Rom zu reisen und direkten Kontakt mit Papst Coelestin aufzunehmen. Anfang 1195 wurden Heinrichs Vertraute an der Kurie vorstellig. Die keineswegs leichte Aufgabe der Gesandten bestand darin, den Papst dazu zu bewegen, sein langes Schweigen endlich zu beenden und die von seiten der Kurie abgebrochenen diplomatischen Be­ ziehungen zum kaiserlichen Hof wieder aufzunehmen. Diesem Ziel diente Heinrichs Anerbieten, der nun dem Papst mitteilen ließ, er werde im Namen des wahren Glaubens einen neuen Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems durchführen. Um die Aufrichtigkeit sei­ nes Angebots unter Beweis zu stellen, bot der Kaiser zudem an, dabei selbst - wenn zunächst auch nur heimlich - das Kreuz nehmen zu wollen. Als die Abgesandten Heinrichs Ende März 1195 dann aber am kaiserlichen Hof in Bari erschienen, kamen sie praktisch mit leeren Händen. Die Ankündigung Heinrichs, einen neuen Kreuzzug ausrufen zu lassen, hatte Papst Coelestin keineswegs dazu veranlassen können, sein Schweigen zu brechen. Ja, der Papst hatte nicht einmal seine Einwilligung dazu erteilt, einen Kurienkardinal an den kaiser­ lichen Hof zu entsenden. Lediglich ein Bischof hatte die Gesandten Heinrichs VI. begleiten dürfen. Deutlicher konnte kaum zum Aus­ druck gebracht werden, wie sehr man in Rom die kaiserliche Erobe­ rung Siziliens ablehnte. Der Kaiser aber war fest dazu entschlossen, sich davon nicht entmutigen zu lassen. Ohne weiteres Zögern ließ er sich symbolträchtig am Karfreitag, den 31. März 1195, im Beisein von nur dreien seiner Kapläne von diesem Bischof heimlich das Kreuz anheften. Zwei Tage später, am Ostersonntag, wurde der Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems öffentlich gepredigt. Dann ergriff Heinrich erneut die Initiative. Unter Umgehung des Papstes wandte er sich unmittelbar nach dem Osteraufruf zum Kreuzzug mit einem engagierten Schreiben direkt an das Kardinals78

kollegium und kündigte an, sein Anerbieten nochmals erweitern zu wollen. Er selbst werde aus eigenen Mitteln ein Kreuzheer anwer­ ben und dieses auch ausrüsten. Insgesamt 1500 Ritter und ebenso viele Fußsoldaten werde er ins Heilige Land entsenden. Jeder Ritter solle 30 Unzen Gold und die Verpflegung für ein ganzes Jahr für sich und jeweils zwei Knappen erhalten, die Fußsoldaten jeweils zehn Unzen Gold und ebenfalls die Verpflegung für ein Jahr. Am 12. April, bereits auf dem Rückweg nach Norden, wurde dieser Ent­ schluß zusammen mit einem weiteren Kreuzzugsaufruf den geist­ lichen Würdenträgern des ganzen Reiches bekannt gemacht. Auch Papst Coelestin konnte den guten Willen Heinrichs nun nicht länger in Abrede stellen. Vor dem Hintergrund des öffentlich ausgerufenen Kreuzzuges brach er nun endlich sein Schweigen, das er ungeachtet allen Geschehens über mehr als drei Jahre hinweg aufrecht erhalten hatte. Schriftlich kündigte er dem heranziehenden Kaiser die Ab­ ordnung einer Gesandtschaft hochgestellter Kurienkardinäle an, die an den kaiserlichen Hof kommen werde. Doch schon die Anrede dieses Briefes ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, wie die Kurie die neue Lage beurteilte. Denn Papst Coelestin gestand Hein­ rich nur die Würde des römischen Kaisers zu. Den Titel „König von Sizilien“ hielt er ihm dagegen vor. Wie in einem Prunkzug zog der Hof langsam die adriatische Küste entlang, überall von den Abordnungen der Städte feierlich empfangen. Nach Überschreiten der Grenze nach Reichsitalien traf Heinrich VI. Anfang Mai in Foligno ein, wo er zum ersten Mal sei­ nen einzigen Sohn und Erben persönlich in Augenschein nehmen konnte. Dort müssen alsbald zwei Kardinäle erschienen sein. Ihr Eintreffen beim Kaiser eröffnete eine Reihe von Gesprächen, später auch Verhandlungen, die mit zum Teil langen Unterbrechungen während der nächsten eineinhalb Jahre zwischen der päpstlichen Kurie und Heinrich VI. geführt wurden. Die vom Kaiser so nachdrücklich verfolgte Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zur römischen Kurie als ein erster Schritt auf dem Weg zu Verhandlungen war nun tatsächlich zu­ stande gekommen. Beide Kardinäle, „höchst kundige und umsich79

tige, in der Kirche hochgestellte Männer, die das Wohl der Kirche und des Reiches stets erstrebten“, genossen am Hof zudem einen ausgesprochen guten Ruf. Dennoch mußten sie dem Kaiser mitte i len, daß die Kurie in Rom die kaiserliche Herrschaft über Sizilien nicht anerkennen werde. Deshalb bestehe auch kein Anlaß, mn Heinrich in Verhandlungen über die päpstliche Lehensherrschall über das sizilische Königreich einzutreten. Papst Coelestin sah zudem auch keinen Grund, irgendwelche Zugeständnisse bezüglich des Königreiches zu machen, schon gar nicht aber solche, welche die mit König Tankred vereinbarte Regelung der kurialen Befug­ nisse in irgendeiner Weise wieder beschneiden mußten. Damit hat­ ten die Gespräche schon nach kurzer Zeit bereits den toten Punkt erreicht und wurden wenig später beendet. Während der Hof nach diesen fruchtlosen und wenig Hoffnung versprechenden Unterredungen die Rückreise nach Deutschland antrat, kehrten die päpstlichen Legaten nach Rom zurück. Aber sie wurden dabei von kaiserlichen Beauftragten begleitet, die dem Papst die Entgegnung Heinrichs zu überbringen und dabei nochmals die rechtlichen Argumente der kaiserlichen Seite darzulegen hatten. Wie es aussieht, hatten diese Boten den Auftrag erhalten, mit dem ausdrücklichen Verweis auf die Würde des Reiches und auf die Per­ son des Kaisers mit allem Nachdruck den päpstlichen Standpunkt zurückzuweisen. Jetzt ließ der Kaiser auch erklären, daß er unter den gegebenen Umständen nicht bereit sei, das Königreich Sizilien vom Papst als Lehen entgegenzunehmen, Treueid und Hominium zu lei­ sten. Ergänzend wurde sogleich ein Edikt für das Königreich erlas­ sen, das allen, ob Laien oder Klerikern, strikt untersagte, an die römische Kirche zu gehen oder an sie zu appellieren. Damit war die so intensiv vorangetriebene Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst, kaum daß sie überhaupt in Gang gekommen waren, zu einem schnellen Ende gelangt. Es sollte eine geraume Zeit dauern, ehe überhaupt wieder Gespräche aufge­ nommen werden konnten. Da die gegensätzlichen Standpunkte bei­ der Parteien anscheinend unüberbrückbar fortbestanden, hatten sich die Fronten somit noch weiter verhärtet: Während sich der Papst 80

über den legitimen Anspruch des Kaiserpaares auf das sizilische Erbe hinwegsetzte, verweigerte der Kaiser nunmehr die Lehensnahme des Königreiches aus den Händen des Papstes. Nach kurzem Aufenthalt in Norditalien kehrte der Kaiser um den Johannistag, den 24. Juni 1195, „mit Ruhm und unvergleichlichen Schätzen“ , wie ein deutscher Chronist begeistert notierte, glücklich nach Hause zurück.

Die Vorbereitungen zum Kreuzzug Zwischen dem kaiserlichen Hof und der römischen Kurie schie­ nen die Kontakte erneut vollständig abgerissen zu sein. Die Situa­ tion im Sommer 1195 aber war mit der des Jahres 1192 nicht zu vergleichen. Trotz aller Differenzen mußten beide Seiten schon wegen des öffentlich ausgerufenen Kreuzzugs daran interessiert sein, die Verbindung nicht gänzlich abreißen zu lassen. Der päpstliche Standpunkt veranlaßte den Kaiser aber dazu, die Konzeption seines Kreuzzuges zu überdenken. Immer mehr schien er darin auch ein probates Mittel zum Zweck gesehen zu haben. Im Falle eines Erfolgs, darauf jedenfalls deuten die Indizien, hätte die Rückeroberung Jeru­ salems wesentlich dazu beitragen sollen, die Anerkennung der kai­ serlichen Herrschaft im Königreich Sizilien durch die Kurie zu erlan­ gen. Deshalb wollte Heinrich offenbar nichts unversucht lassen, um ein Scheitern dieses, seines eigenen Kreuzzuges möglichst auszu­ schließen. Damm versuchte er von Anfang an, das Unternehmen zu einer ausschließlichen Angelegenheit des Reiches unter seiner allei­ nigen Führung zu machen und damit alle gegenteilig ausgerichteten Absichten Papst Coelestins zu unterlaufen. Nirgends finden sich Hin­ weise darauf, daß Heinrich VI. auch nur oberflächlich daran gedacht haben könnte, andere Monarchen an dem von ihm in die Wege gelei­ teten Kreuzzug teilnehmen zu lassen. Ganz im Gegenteil. 81

Kaum daß der Hof Ende Juni 1195 über die Alpen zurückgekehrt war, ließ der Kaiser sogleich seinem Lehensmann Richard Löwen­ herz eine prächtige goldene Krone als Zeichen neuer Freundschaft und Verbundenheit zukommen. Dem kostbaren Geschenk war ein Brief beigefügt. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Treue, die der König ihm schulde und mit dem Verweis auf das Leben seiner Geiseln in Deutschland wurde Richard aufgefordert, den Krieg gegen König Philipp von Frankreich unbedingt fortzusetzen und sich für das ihm von Philipp August zugefügte Unrecht zu rächen. Ohne sein Wissen und Wollen dürfe Richard mit König Philipp kei­ nen Vergleich schließen. Als es im Herbst dennoch zu Friedensge­ sprächen zwischen den Kontrahenten kam, wies Heinrich den Ent­ wurf, der ihm übermittelt worden war, entschieden zurück. Er hielt Richard dabei vor, auf Gebiete verzichten zu wollen, die ihm Philipp entrissen habe. Es war augenscheinlich, daß der Kaiser im Westen keinen Frie­ den sehen wollte, sondern größtes Interesse daran hatte, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen in Frankreich weitergingen. Solange die beiden Könige miteinander beschäftigt waren, stand nicht zu erwarten, daß sich einer von ihnen oder gar beide an dem geplanten kaiserlichen Kreuzzug beteiligen würden. Genau wie das Lösegeld für Richards Freilassung maßgeblich dazu beigetragen hatte, den Feldzug gegen das Königreich Sizilien zu finanzieren, so sollte sich offenbar jetzt auch dessen Lehensabhängigkeit zum ersten Mal politisch auszahlen. In Rom hatte man einige Wochen verstreichen lassen, ehe man sich an der Kurie über die weitere Vorgehensweise hinsichtlich des Kreuzzugs abgestimmt hatte. Dann trat ein Kardinallegat die Reise über die Alpen an. Mitte August 1195 traf er auf einem Hoftag in Straßburg mit dem Kaiser zusammen, um mit ihm das weitere gemeinsame Vorgehen hinsichtlich des beabsichtigten Kreuzzugs zu besprechen. Zeitgleich erließ der Papst eine Kreuzzugsenzyklika, mit der er die deutsche Geistlichkeit zur persönlichen Teilnahme am Kreuzzug aufrief. Dem hohen Klerus kündigte er dabei die Entsen­ dung zweier Kardinäle für die Kreuzzugswerbung in Deutschland 82

an. Bei der Auswahl der Kreuzzugsprediger war die Kurie wahr­ scheinlich einem Wunsch Heinrichs nachgekommen und hatte für diese Mission zwei Würdenträger der Kurie abgestellt, die am kai­ serlichen Hof hohes Ansehen genossen. Daher dürfte es dem Kaiser auch leichtgefallen sein, in seiner Antwort an den Papst nochmals und in aller Ergebenheit seine Bereitschaft zur Durchführung des Kreuzzuges zu versichern. Es darf als sicher gelten, daß Papst und Kardinalskollegium der römischen Kirche von Anfang an den Kreuzzugsplan Heinrichs VI. als eine gemeinsame Angelegenheit der abendländischen Christen­ heit betrachtet hatten. Coelestin III. stand dabei ganz in der Kreuz­ zugstradition seiner Vorgänger. Hinzu trat jedoch auch ein starkes Interesse der Kurie, das auf eine Ausweitung der römisch-katholi­ schen Kirche im Osten ausgerichtet war. Mindestens zweimal wandte sich der Papst an den englischen Klerus, um König Richard und das englische Volk aufzufordern, sich ein weiteres Mal an der Befreiung Jerusalems zu beteiligen. Doch seine Appelle blieben vergeblich. Auch an König Philipp August hätte der Papst gern appelliert, sich an dem frommen Werk zu beteiligen. Das Verhältnis zwischen der Kurie und dem französischen Hof war seit Mai 1195 jedoch stark belastet, als der Papst die Scheidung des Königs von seiner dänischen Gattin für ungültig erklärt und Philipp eine neue Heirat untersagt hatte. Deshalb unterließ er es, auch ihn um Hilfe zu bitten. Bald zeichnete sich ab, daß weder Philipp August noch Ri­ chard Löwenherz Frankreich ein weiteres Mal verlassen würden. Ende des Jahres 1195 stand fest, daß Heinrich VI. sein Ziel erreicht hatte. Der Kreuzzug war zu einer ausschließlichen Angelegenheit des Reiches geworden. Und so fanden die Werbemaßnahmen schließlich auch nur in Deutschland selbst statt. Während die Vorbereitungen für das Kreuzzugunternehmen die Aktivitäten des Kaisers immer stärker bestimmten, starb am 6. August in Braunschweig Heinrich der Löwe. Drei Monate später war auch Pfalzgraf Konrad bei Rhein tot, Kaiser Heinrichs Onkel. Heinrich von Braunschweig, der älteste Sohn des Löwen, hatte inzwischen die Tochter Konrads geheiratet, obwohl der Kaiser 83

wegen des Verrats des jungen Welfen vor Neapel strikt gegen diese Ehe gewesen war. Deshalb zögerte der Kaiser zuerst, Konrads Schwiegersohn als Nachfolger des Pfalzgrafen anzuerkennen. Schließlich belehnte er ihn aber doch, vermutlich allein aus prag­ matischen Überlegungen im Hinblick auf das gespannte Verhältnis zu den Welfen. Tatsächlich wurde damit der lange Streit zwischen Staufern und Welfen bis zum Tod des Kaisers ausgesetzt. Nach seiner Rückkehr hatte sich der Kaiser mit großem persönli­ chem Engagement darum bemüht, seinem Kreuzzug zum Erfolg zu verhelfen. Wo immer er hinkam, versuchte er, die deutschen Fürsten für seine Pläne zu gewinnen. Diese Bemühungen wurden auch auf die Ministerialen und Geistlichen am Hof ausgedehnt. Viele von ihnen nahmen schon daraufhin das Kreuz. Eröffnet wurde das Un­ ternehmen jedoch erst mit dem Eintreffen der päpstlichen Kreuz­ zugsprediger, die Anfang Oktober die Alpen überschritten hatten. Im Rahmen einer Reichsversammlung in Gelnhausen begann Ende Oktober die Werbung für den kaiserlichen Kriegszug ins Heilige Land. Schon dort nahmen zahlreiche Fürsten das Kreuz. Den Höhe­ punkt des Werbefeldzugs bildete jedoch der große Reichstag von Worms, der am Fest des Hlg. Nikolaus 1195 begann und mehrere Tage dauerte. Auch hier ließen sich viele Große des Reiches das Kreuz anheften. Im Anschluß daran reisten die beiden Kreuzzugs­ prediger dann durch ihre Legationsbezirke. Ende Januar oder An­ fang Februar 1196 stellten sie ihre Tätigkeiten ein, nachdem viele Fürsten, Edle und Ritter das Kreuz genommen hatten. Die Werbe­ phase für den Kreuzzug Kaiser Heinrichs VI. war damit beendet. Einen größeren Erfolg hätte sich der Kaiser kaum erhoffen können. Mitten in diese bewegten Tage am Ende des Jahres 1195 hinein erschien vor dem Kaiser eine Gesandtschaft aus Zypern. Dort herrschte in der Nachfolge seines Bruders Guido seit 1194 Amalrich von Lusignan. Im Namen ihres Herrn baten die Boten den Kaiser darum, Amalrich unter die Lehensherrschaft des Reiches zu nehmen und ihn dabei zum König zu erheben. Heinrich bekundete daraufhin seine Absicht, selbst nach Zypern zu kommen und noch vor Antritt der Kreuzfahrt Amalrich persönlich zum König zu krönen. Als der 84

Staufer später jedoch nicht an seinem Kreuzzug teilnahm, trat der Reichskanzler Konrad von Querfurt an seine Stelle. Im Herbst 1197 krönte er Amalrich in Nikosia, nahm für Kaiser und Reich dessen Lehenseid entgegen und investierte ihn mit Zepter und Schwert.

Die Umwandlung des deutschen Königreichs in eine Erbmönarchie In all den Monaten nach seiner Rückkehr aus Italien hatte sich Kaiser Heinrich mit persönlichem Einsatz und großem Erfolg um die Vorbereitung seines Kreuzzuges gekümmert. Von Anfang an war mit diesen Aktivitäten jedoch immer auch das Bemühen verbunden gewesen, seinem kleinen Sohn Friedrich die deutsche Königskrone zu sichern. Seit der Eroberung Siziliens und der Geburt Friedrichs im Dezember 1194 stellte sich für Heinrich VI. immer drängender die Frage der Nachfolge. Die aber war in Sizilien grundlegend an­ ders geregelt als im römisch-deutschen Königreich. Aufgrund des bestehenden Erbrechts und seiner Thronfolgeregelungen konnte es an der Rechtmäßigkeit Friedrichs als legitimen Erben von Sizilien keinen Zweifel geben. Schon ab Januar 1195 findet sich deshalb in den Vörbehaltsklauseln der Urkunden Heinrichs VI. für Sizilien auch die Verpflichtung auf seine Erben. Völlig anders lagen die Dinge dagegen im deutschen Königreich. Dort folgte der König sei­ nem Vorgänger durch eine Wahlhandlung und nicht aufgrund eines legitimierten Erbrechts. Um seinen Nachfolger schon zu Lebzeiten zu designieren, benötigte der Herrscher die Zustimmung der zur Königswahl berechtigten Reichsfürsten. Neben seinen Bemühungen, dem Kreuzzug im Reich eine mög­ lichst breite Basis zu verschaffen, hatte der Kaiser in der zweiten Jahreshälfte 1195 konsequent versucht, sich dabei die alleinige und 85

uneingeschränkte Führungsrolle zu sichern. Er hatte keinen Zweifel i daran aufkommen lassen, daß er sich als der oberste weltliche Ver­ treter des abendländischen Christentums der Befreiung Jerusalems ganz besonders verpflichtet fühlte. Dem Beispiel seines Vaters fol­ gend, wollte er ebenfalls an der Spitze des Kreuzheeres ins Heilige Land ziehen. Allerdings hatte Heinrich seine persönliche Teilnahme am Kreuzzug wohl von Anfang an mit der Bedingung verknüpft, ! daß die Nachfolgefrage im deutschen Königreich vor Antritt des ; Kreuzzuges geregelt sein müsse. In all den Wochen und Monaten nach seiner Rückkehr aus Italien hatte er daher nicht nur versucht, die Fürsten für seinen beabsichtigten Kreuzzug zu gewinnen. Wo immer er auch hinkam, konfrontierte er die zur Königswahl berech­ tigten Großen des Reiches zudem in Einzelgesprächen mit dem Wunsch, noch vor Beginn der Kreuzfahrt seinen Sohn Friedrich zu seinem Nachfolger als deutscher König gewählt zu sehen. Für die­ sen Fall kündigte er seine eigene öffentliche Kreuznahme an und versprach den Fürsten dafür entsprechende Gegenleistungen. Tat­ sächlich gelang es ihm dadurch, fast alle Großen eidlich darauf zu verpflichten, seinen Sohn alsbald zum römisch-deutschen König wählen zu wollen. Nur Erzbischof Adolf von Köln, seit 1193 der Nachfolger seines verstorbenen Onkels Bruno, weigerte sich, ein eidliches Versprechen darauf abzugeben und gab damit ein erstes Zeichen seiner distanzierten Haltung gegenüber den Staufern im all­ gemeinen und Heinrich VI. im besonderen. Wahrscheinlich sollte die Wahl Friedrichs auf dem Reichstag von Worms im Dezember 1195 stattfinden. Sie kam aber nicht zustande, vermutlich deshalb, weil der Kaiser den Forderungen der Fürsten nicht nachkommen wollte, die darauf abzielten, als Gegenleistung für die Wahl Friedrichs die königliche Lehensherrschaft über den deutschen Adel weitgehend preiszugeben. Für den Kaiser war dies zweifellos ein Rückschlag, zumal dadurch die Terminplanung für den Kreuzzug unsicher zu werden drohte, dessen Beginn auf Weih­ nachten 1196 festgelegt worden war. So entstand eine Situation, die den Kaiser zusätzlich unter Druck setzte. Ohne vorherige Regelung der Nachfolge würde Heinrich Europa nicht verlassen. Damit konn­ 86

ten die ins Auge gefaßten Termine nicht eingehalten werden. Die Dinge verzögerten sich noch weiter, als Heinrich Ende 1195 ernst­ lich erkrankte und die Regierungstätigkeit über mehrere Wochen fast zum Erliegen kam. So waren seit dem großen Reichstag von Worms am Ende zwei Monate verstrichen, ohne daß man in der Nachfolgefrage auch nur einen Schritt weitergekommen wäre. Die ihm durch seine Krankheit auferlegte Ruhepause hatte der Kaiser jedoch dazu genutzt, sein weiteres Vorgehen intensiv zu überdenken und mit seinen Vertrauten abzustimmen. Auf der Grundlage der breiten Zustimmung für den geplanten Kreuzzug und getragen von dem eidlichen Versprechen fast aller Fürsten, seinen Sohn und Erben zu seinem Nachfolger in der Würde des deutschen Königs wählen zu wollen, entwarf Heinrich VI. nun ein umfassendes Kon­ zept, um das Nachfolgeproblem nicht nur jetzt, sondern ein für alle Mal zu lösen. Seitens der Fürsten war man durchaus bereit, dem Kaiser zuzu­ gestehen, seine Nachfolge zu regeln, ehe er sich auf den Kreuzzug begab. Für Friedrichs Wahl zum deutschen König erwarteten sie aber eine angemessene Gegenleistung. In den vergangenen Jahr­ zehnten waren die Stimmen der weltlichen Fürsten im Reich immer lauter geworden, die offen einforderten, endlich ihre vom Reich gehaltenen Lehen künftig vererben zu dürfen. Die geistlichen Für­ sten dagegen verlangten den Verzicht des Königs auf das Spolien­ recht, also das Recht der Krone, nach dem Ableben eines Bischofs, Prälaten oder Propstes dessen beweglichen Nachlaß und während der Sedisvakanz auch die Einnahmen aus den Bistümern oder den Reichsabteien beanspruchen zu können. So verständlich diese Forderungen auch sein mochten, so zielten sie unzweifelhaft auf die Minderung oder sogar auf die Preisgabe wesentlicher Königsrechte. Jedem künftigen König wäre damit die Möglichkeit zur Einflußnahme bei der Lehensvergabe bis hin zu dem Recht auf die Einziehung von Lehen praktisch aus der Hand genommen. Auf ein solches Ansinnen konnte sich Kaiser Heinrich nur einlassen, wenn der Verzicht auf Königsrechte durch eine Kom­ pensation ausgeglichen wurde, welche die politische Stellung des 87

Königtums nicht minderte. Diesen Ausgleich glaubte er, nun gefun­ den zu haben. Er entschloß sich zur Anwendung einer Verhand­ lungstaktik, die auf Überraschung und Überrumpelung zielte. Kurzfristig wurde ein Hoftag nach Mainz einberufen, der wahr­ scheinlich Mitte März 1196 stattfand. Wegen der sehr knapp gehal­ tenen Frist waren nur wenige Fürsten erschienen, obwohl der Kai­ ser ihnen in Aussicht gestellt hatte, ihre Wünsche großzügig erfüllen zu wollen. Heinrich wandte sich persönlich an die Anwesenden. Wegen der großen Kreuzzugsbegeisterung, die im ganzen Fand herrsche, habe er sich dazu entschlossen, nunmehr ihren langge­ hegten Wünschen nachzukommen. An die Adresse der weltlichen Fürsten gerichtet, bekundete er seine Bereitschaft, den adligen Teil­ nehmern am Kreuzzug die Erblichkeit ihrer Lehen durch ein kaiser­ liches Privileg zu garantieren. Dabei brauche die Erbfolge nicht auf männliche Nachfolger beschränkt zu bleiben. Falls der Mannes­ stamm in direkter Folge erlöschen sollte, könnte sie selbstverständ­ lich auch auf die weibliche Deszendenz und sogar auf Seitenlinien ausgedehnt werden. Den geistlichen Fürsten stellte er den Verzicht auf das Spolienrecht in Aussicht. Dann aber brachte der Kaiser die noch immer unerledigte Regelung seiner eigenen Nachfolge zur Sprache. Den anscheinend völlig überraschten Großen wurde eröff­ net, daß er für die Gewährung derartig weitreichender Zugeständ­ nisse allerdings auch ein ähnliches Entgegenkommen von seiten der Fürsten bezüglich der Sicherung seiner eigenen Nachfolge erwarte. So wie er ihnen die freie Erblichkeit ihrer Lehen einräumen und für alle Zukunft garantieren wolle, so sollten sie ihm und seinen Nach­ folgern das Recht zugestehen, die deutsche Königswürde künftig auf die Thronerben übertragen zu dürfen. Die Fürsten waren sich der Brisanz in dieser Gegenforderung selbstverständlich bewußt. Denn sie hatte den Verlust ihres Königs­ wahlrechts zur Folge und zielte auf die geradezu revolutionäre Umwandlung des deutschen Wahlkönigreiches in eine Erbmonar­ chie. Heinrichs Vorschlag stieß daher nicht auf Begeisterung. Vor­ behalte wurden laut und Einwände erhoben. Dennoch gelang es dem Kaiser, mit Argumenten, Versprechungen, Nachdruck und Drohun88

gen die wenigen Teilnehmer dieser Zusammenkunft dazu zu brin­ gen, dem kaiserlichen Vorschlag, wenn auch unter Vorbehalten, zuzustimmen. Um sich beraten zu können, verlangten sie vom Kai­ ser jedoch einen Aufschub bis zu dem seit langem für Ende März in Würzburg einberufenen Reichstag. Dort wollten sie das kaiserliche Konzept der Gesamtheit der Fürsten vorstellen und auch versuchen, eventuell Widerstrebende umzustimmen. Sollten sich ihnen die übrigen Fürsten anschließen, dann käme die Sache zur Ausführung. Mit diesem Vorschlag zeigte sich Heinrich einverstanden. Der Reichstag von Würzburg, der Ende März 1196 begann, war ursprünglich wohl als Abschlußveranstaltung der Werbephase für den Kreuzzug geplant gewesen. Denn mit ihm endete die Werbung für die Heerfahrt zur Befreiung Jerusalems. Noch einmal ließen sich während jener Tage zahlreiche Personen das Kreuz anheften. Im Mittelpunkt dieser großen Veranstaltung aber stand die Forderung des Kaisers, für die Gewährung der freien Erblichkeit der Lehen und entsprechender Zugeständnisse an die geistlichen Fürsten das deut­ sche Königreich in eine Erbmonarchie umzuwandeln. Auch hier stieß das von Heinrich angebotene Kompensationsgeschäft teil­ weise auf heftigen Widerstand. Insbesondere bei Fürsten aus Sach­ sen und aus den westlichen Reichsteilen scheint es erheblichen Widerwillen gegeben zu haben. Doch nach zähem Beharren und Verhandeln konnte sich der Kaiser auch in Würzburg schließlich durchsetzen. Die Versammelten gaben ihre Einwilligung, zögernd zwar und mit Vorbehalten, unter Ein wänden und teils offen wider­ strebend; manche durch Überredung, andere durch Druck dazu ver­ anlaßt. Auch eigensüchtiges Interesse und die Gewißheit, anderen­ falls auf die Gewährung ihrer Forderung nach freier Erblichkeit der Lehen verzichten zu müssen, wird dazu beigetragen haben, den Vor­ schlägen des Kaisers schließlich zuzustimmen. Dabei war es durchaus konsequent, zu einer einheitlichen Hand­ habung des Lehensrechts zurückzu finden, das durch die Entwick­ lung der vergangenen Jahrzehnte zunehmend brüchiger geworden war. Der langfristig folgenschwerste Einschnitt war sicherlich das bahnbrechende „Privilegium Minus“ aus dem Jahr 1156. Im Zusam89

menhang mit der Umwandlung der bayerischen Ostmark zum Her­ zogtum Österreich war damals das Lehensverhältnis zwischen der Krone und Herzog Heinrich Jasomirgott unter Einräumung weitrei­ chender Vor- und Sonderrechte gelockert worden. Damit und durch weitere vergleichbare Fälle in den folgenden Jahren war ein Stein ins Rollen gekommen, der am Ende des 12. Jahrhunderts kaum noch aufzuhalten war. Sollte also nicht auf Dauer mit unterschiedlichem Maß gemessen werden, dann war es nur folgerichtig, zu einer ein­ heitlichen Handhabung des Lehensrechts zurückzufinden. Was für die weltlichen Fürsten die freie Erblichkeit ihrer Lehen bedeutete, das war für die geistlichen Würdenträger der Wunsch nach endgültiger Abschaffung des Spolienrechts. Bekanntlich fiel nach dem Ableben eines Bischofs, Prälaten oder Propstes dessen beweglicher Nachlaß an den König. Zudem flössen in der Zeit der Sedisvakanz die Einnahmen aus Bistümern und Reichsabteien in die Staatskasse. Es ist daher leicht nachvollziehbar, daß das Spolien­ recht von kirchlicher Seite immer wieder als Mißbrauch angefochten und von der Kurie in Rom erbittert bekämpft wurde. Davon unbeeindruckt hatten Friedrich Barbarossa und Heinrich VI. an die­ sem alten Königsrecht jedoch stets eisern festgehalten. Im Rahmen eines übergeordneten Reichsinteresses war der Kaiser nunmehr bereit, darauf zu verzichten, um auch den geistlichen Fürsten einen adäquaten Ausgleich für die Preisgabe ihres Königswahlrechts zu bieten. Gab es für die Ansprüche der Reichsfürsten gute Gründe, so traf dies in gleichem Maße aber auch für die Gegenforderung nach Ein­ führung der Erbmonarchie für den deutschen Reichsteil des Impe­ rium Romanum zu. Verschiedene Dynastien in Europa hatten in den Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts erfolgreich versucht, ihre Herr­ schaft mit Hilfe des Erbrechts zu festigen und abzusichem. Ob in Frankreich, England, Sizilien oder in Byzanz, überall galt das dyna­ stische Erbrecht bereits oder war man dabei, es durchzusetzen. Seit der Eroberung Siziliens und mit der Geburt Friedrichs hatte sich nicht nur die gesamte politische Lage grundlegend geändert, son­ dern eben auch Heinrichs eigene Stellung innerhalb des Machtgefü90

ges. Durch die Verbindung Siziliens mit dem Kaiserreich war die Situation eingetreten, daß der Kaiser nunmehr in einem Teil seines Herrschaftsgebietes kraft Wahlrecht, in einem anderen aber auf­ grund eines Erbrechts die Regierung ausübte. Die Forderung, durch eine Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse die Einführung der Erbmonarchie auch im deutschen Königreich herbeizuführen, war daher ebenfalls nur folgerichtig. Nachdem der Kaiser die Zustimmung für seinen Erbreichsplan erhalten hatte, wurde über die Vereinbarungen eine Urkunde ausge­ fertigt und mit den Siegeln der Fürsten versehen. Die darin aufge­ führten Bestimmungen erlangten für beide Seiten sofortige Rechts­ wirksamkeit. Noch während des Reichstages ließ sich Landgraf Hermann von Thüringen vor den versammelten Fürsten die Erb­ folge seiner unmündigen Tochter vom Kaiser bestätigen. Auch Her­ zog Heinrich von Brabant scheint in der Folge der Würzburger Eini­ gung die Anerkennung seiner Tochter als rechtmäßige Erbin seines Herzogtums erhalten zu haben. Der Kaiser selbst ließ seinerseits die Fürsten an Ort und Stelle nochmals schwören, daß sein Sohn Fried­ rich seine Nachfolge als römisch-deutscher König an treten werde. So standen die Dinge, als Anfang Mai 1196 ein Kardinal mit Vor­ schlägen seines päpstlichen Herrn im Gepäck wieder am Hofe Hein­ richs eintraf. Ein ganzes Jahr nach den ersten Gesprächen mit auto­ risierten Vertretern der römischen Kirche in Foligno begann damit eine neue Phase innerhalb der unverändert angespannten Beziehun­ gen zwischen dem kaiserlichen Hof und der päpstlichen Kurie. Sogleich nutzte der Kaiser die Gelegenheit, um sich schriftlich an den Papst zu wenden. Aus seiner Antwort läßt sich erschließen, daß es ein umfassender allgemeiner Friede war, zu dem er dem Papst gern die Hand reichen wollte. Durchgängig signalisiert sein Schrei­ ben Übereinstimmung mit den päpstlichen Vorstellungen zur Be­ kämpfung des Ketzerwesens und wohl auch zu den Vorschlägen bezüglich des Kreuzzuges. Die soeben erfolgte Umwandlung des deutschen Wahlkönigtums in eine Erbmonarchie erwähnte Heinrich dagegen mit keinem Wort. Dafür kündigte er wenig später in einem weiteren Schreiben sein baldiges Erscheinen in Italien an, um nun91

mehr über einen allgemeinen Frieden mit der römischen Kurie auf direktem Weg mit Coelestin III. verhandeln zu können. Während der Kardinal Anfang Juni an die Kurie zurückkehrte, zog der Hof in das Elsaß. Ende des Monats brach Kaiser Heinrich VI. von dort aus zu seinem dritten und letzten Italienzug auf. Mit geringer Begleitung und ohne Heer reiste er zunächst an den Hof seines Bruders Otto nach Besanfon in Burgund. Unter Ottos gewalt­ tätiger, auf Expansion ausgerichtete Herrschaft waren innerhalb kurzer Zeit große Teile der Region zu einem Unruheherd geworden. Die Anwesenheit des Kaisers in Burgund verfolgte wahrscheinlich auch den Zweck, die kritisch gewordene Lage wieder zu beruhigen. Sein Aufenthalt stand aber unter großem Zeitdruck, und so konnte Heinrichs Präsenz nicht dazu beitragen, die Lage im Interesse aller Beteiligten nachhaltig zu befrieden. Wenig später schon brach der Hof wieder auf und überquerte bald darauf die Westalpen. Am 25. Juli erschien Heinrich in Turin.

Widerstand gegen die Erbmonarchie Kaum war der Hof über die Alpen nach Italien gezogen, da erreichten den Kaiser Nachrichten, die seine weiteren Pläne ernst­ haft zu gefährden drohten. Die erste Mitteilung kam in Form eines Briefes aus der päpstlichen Kanzlei bei ihm an. Dieses Schreiben darf wohl als erste Reaktion Papst Coelestins auf das Bekanntwer­ den der jüngsten Ereignisse im deutschen Königreich interpretiert werden. Aus Sicht der römischen Kirche war die Einführung der Erbmonarchie zweifellos ein weiterer schwerer Schlag angesichts ihrer Bestrebungen, die Autorität des Papsttums gegenüber den weltlichen Herrschern durchzusetzen. Künftig, so stand zu befürch­ ten, würde der Papst den jeweiligen staufischen König lediglich 92

noch zum Kaiser des Römischen Reiches weihen, salben und krö­ nen können. Die Einflußnahme des Papstes auf die zur Wahl des Königs berechtigten Reichsfürsten und somit auf die Person des künftigen Kaisers wäre dagegen nicht mehr gegeben. Ein künftiges Erbkaisertum konnte daher unmöglich im Interesse des Papsttum liegen. Ohne die Dinge direkt beim Namen zu nennen, ließ Papst Coelestin den Kaiser unter Aufzählung zahlreicher Vorwürfe wis­ sen, daß er nicht mehr daran glaube, mit Heinrich zu einem Frieden gelangen zu können. In Rom war man demnach dabei, die Tür für jedwede Verhandlungen endgültig zuzuschlagen. Das aber wollte der Kaiser unter allen Umständen verhindern. Er zögerte keine Sekunde. Mit der ernsten Beteuerung, wie sehr er selbst, aber auch sein Vater Kaiser Friedrich, immer Frieden und Ausgleich mit der Kirche angestrebt hätten, setzte er sich in seiner Antwort mit den einzelnen Vorhaltungen aus Rom ausführlich auseinander. Er sagte zu, sämtliche Beschwerden überprüfen zu lassen und alle berechtig­ ten Klagen unverzüglich abzustellen. Ja, er ging sogar soweit, sei­ nen eigenen Bruder Philipp öffentlich zu desavouieren, dem der Papst Übergriffe auf dem Gebiet des Kirchenstaates vorgeworfen hatte. Philipps Vorgehen bedauere er zutiefst. Er selbst habe seinem Bruder streng untersagt, sich an Besitzungen der Kirche zu vergrei­ fen. Die Übertretungen Philipps würden unterbunden und Unrecht wiedergutgemacht. Nur bei einer einzigen der zahlreichen Beschwerden ließ Hein­ rich nicht mit sich reden. Ohne Rücksprache mit dem Kaiser hatte Papst Coelestin in Siponto, einer Adriastadt im Königreich Sizilien, einen neuen Erzbischof eingesetzt. Nach den Bestimmungen des Konkordates von 1156 war er dazu jedoch nicht befugt. Der Papst konnte sein Vorgehen jedoch auf das Konkordat mit König Tankred stützen. Dies aber lehnte der Kaiser kompromißlos ab. Nach wie vor war er nicht dazu bereit, dem Papst Rechte im Königreich Sizilien zuzugestehen, die nicht mit dem Konkordat von Benevent in Über­ einstimmung standen. Um seine Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, mit der Kirche trotz aller Gegensätze dennoch zu einem allgemeinen 93

Ausgleich zu gelangen, kündigte er abschließend sein baldiges per­ sönliches Erscheinen in Rom an. Noch aber hielten ihn die Regie­ rungsgeschäfte in Norditalien zurück. Unterdessen hatten sich in Deutschland zwei Vorgänge ereignet, die sich auf das weitere Geschehen nachhaltig auswirken und den Bemühungen des Kaisers, mit der päpstlichen Kurie in Verhandlun­ gen einzutreten, weitere Dynamik verleihen sollten. Am 15. August 1196 war Herzog Konrad von Schwaben, ein weiterer Bruder Hein­ richs VI., unter unrühmlichen Umständen im Alter von erst 24 Jah­ ren in Durlach zu Tode gekommen. Er soll versucht haben, sich eine junge Frau mit Gewalt willfährig zu machen. Dabei war er vom Bru­ der oder vom Ehemann des Opfers niedergestochen worden und kurz darauf an den Folgen seiner Verletzungen gestorben. Als den Kaiser die Nachricht hierüber erreichte, handelte er blitzschnell. Sogleich übertrug er das Stammherzogtum der Staufer seinem jüng­ sten Bruder Philipp, den er zu sich an den Hof nach Norditalien berufen hatte. Unverzüglich brach der neue Herzog von Schwaben daraufhin nach Deutschland auf. Die zweite Nachricht kam nahezu zeitgleich aus dem fernen Sachsen. Und diese erwies sich für die Pläne Heinrichs als ähnlich bedrohlich wie die Vorhaltungen aus Rom. Eine einflußreiche Gruppe mitteldeutscher Fürsten hatte sich um den Landgrafen Her­ mann von Thüringen geschart. Bald nach dem Aufbruch des Kaisers zu seinem Italienzug hatten diese Männer begonnen, die soeben erst beschlossene Einführung der Erbmonarchie im deutschen König­ reich im nachhinein doch noch zu Fall zu bringen. Durch die Andro­ hung einer mutwilligen Verzögerung der Kreuzzugsvorbereitungen stand die vereinbarte Terminierung plötzlich wieder in Frage. Da die Vorbereitungen für dieses großangelegte Unternehmen inzwischen jedoch bereits weit gediehen waren und eine längere Verzögerung zu einem unabsehbaren Anstieg der Kosten führen mußte, handelte der Kaiser auch in diesem Fall sofort. Um einer aufkeimenden Widerstandsbewegung aus dem deut­ schen Adel entgegensteuern zu können, berief er deshalb einen Für­ stentag nach Erfurt. Dort sollten sich die betreffenden Fürsten ein94

finden, um von einem Stellvertreter des abwesenden Kaisers nochmals an ihre eingegangenen Eide und Verpflichtungen erinnert zu werden. Tatsächlich trafen sich um die Monatswende September/Oktober in Erfurt die dorthin eingeladenen Fürsten, unter denen der Landgraf von Thüringen wiederum als Interessenvertreter dieser Unzufriedenen auftrat. Heinrichs Stellvertreter, Burggraf Gebhard von Magdeburg, bemühte sich nach Kräften darum, dem Auftrag seines Herrn so gut wie möglich gerecht zu werden. Unter Vorlage kaiserlicher Briefe rief er zur Beschleunigung der Vorbereitungen zum Kreuzzug auf und appellierte an die Anwesen­ den, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen oder ihr Handeln gar hinauszuzögern. Damit erreichte er aber lediglich, daß sich die Stimmung noch mehr verschlechterte. Der Reinhardsbrunner Chro­ nist notierte dazu: „Aber betreffend der Erblichkeit im deutschen Königreich innerhalb seiner Nachfahren pochte der Kaiser auf die­ ser Versammlung vor aller Augen und allen Fürsten gegenüber durch Vorlage seiner Briefe unwiderruflich auf das gegebene Wort. Er erreichte damit aber nichts anderes, als daß die Fürsten, durch die drückenden Ausgaben bereits erschöpft, ihm noch weniger Wohl­ wollen entgegenbrachten.“ Damit stand fest, daß man zu keiner Einigung gelangen würde und der Widerstand der Fürsten die Pläne Kaiser Heinrichs unter Umständen ernsthaft gefährden könnte. So endete diese Fürstenversammlung aus kaiserlicher Sicht mit einem Mißerfolg. Dem Burggrafen blieb nichts mehr zu tun, als unverzüg­ lich einen Boten nach Italien zu entsenden, um den Kaiser über diese für seine Pläne bedrohlich werdende Entwicklung zu informieren. Der unerwartete Tod Konrads, noch mehr aber die beunruhigen­ den Nachrichten aus Deutschland, hatten die Gesamtsituation schlagartig verändert. Immer deutlicher zeigte sich jetzt, wie labil die Lage im Reich und in Sizilien bleiben mußte, solange nicht geklärt war, ob und unter welchen Bedingungen es dem Kaiser gelingen konnte, mit dem Papst zu einem die Interessen beider Sei­ ten berücksichtigenden Ausgleich zu kommen. Noch im August 1196 entsandte Kaiser Heinrich daher Boten an die Kurie in Rom, um Papst Coelestin eine Gesandtschaft anzukündigen. Seine Be­ 95

vollmächtigten würden dem Heiligen Vater neue Vorschläge unter­ breiten, von denen sich der Kaiser erhoffte, daß sie zu allgemeinen Friedensverhandlungen mit der römischen Kirche führen würden. Heinrich selbst dürfte ursprünglich die Absicht gehabt haben, seinen Beauftragten alsbald zu folgen. Aus unbekannten Gründen verzö­ gerte sich seine Abreise. Erst Anfang Oktober 1196 verließ er die Lombardei, um in großer Eile nach Süden zu ziehen.

Die Verhandlungen mit der päpstlichen Kurie Kaiser Heinrich verfolgte die Absicht, in einem neuerlichen diplomatischen Anlauf Papst Coelestin zur Aufnahme von Verhand­ lungen zu bewegen, an deren Ende ein umfassender Ausgleich und die Regelung aller wesentlichen Streitfragen stehen sollte. Vermut­ lich erst nach intensiver Beratung mit seinen Vertrauten muß er sich dazu entschlossen haben, dem Papst ein erstes, für die Kirche äußerst lukratives Angebot zu unterbreiten, das seine Beauftragten in Rom vorstellen sollten. Etwa um die Monatswende September/Oktober 1196 dürfte die dem Papst angemeldete kaiserliche Gesandtschaft an der Kurie eingetroffen sein. Es spricht einiges dafür, daß es sich bei diesem ersten Angebot Heinrichs VI. um einen Vorschlag gehandelt hatte, der auf einen finanziellen Ausgleich bezüglich der zwischen Kaiser und Papst seit langem umstrittenen Besitzansprüche auf Ländereien, Städte und Güter aus den ehemaligen Mathildischen Gütern in Mittelitalien und in der Toskana abzielte. Die Kirche sollte ihre Ansprüche auf diese Besitzungen, die mehrheitlich unter kaiserlicher Verwaltung stan­ den, endgültig aufgeben. Im Gegenzug wollte der Kaiser künftig und für alle Zeiten dem Papst an jeder Metropolitankirche und an den wohlhabenderen Bischofskirchen überall im Reich die jeweils 96

besten Pfründe zukommen lassen. Darüber hinaus sollten auch den Kardinälen, Kaplänen und Klerikern der päpstlichen Kurie an den Bischofskirchen Pfründe und jährliche Einkünfte zugeteilt werden. Später sollte dann versucht werden, diese Vereinbarungen auf die Kirchen aller Reiche im Einflußgebiet der römischen Kirche auszu­ dehnen. Im Kern ging es folglich um eine Ersatzleistung, welche die Kirche dauerhaft finanziell unabhängig machen konnte. Auf der Grundlage dieses Vorschlags sollte jedoch auch über alle übrigen, die gegenseitigen Beziehungen belastenden Streitfragen verhandelt werden. Während die kaiserliche Abordnung längst schon in Rom war, zog der Hof Anfang Oktober mit Tagesleistungen von durchschnitt­ lich 50 Kilometern in großer Eile durch die Toskana nach Süden. Vor seiner Weiterreise an den Tiber wollte der Kaiser unbedingt noch seinen kleinen Sohn Friedrich in Foligno aufzusuchen. Fast eineinhalb Jahre waren inzwischen vergangen, seit er sein Kind zum ersten und bislang auch einzigen Mal gesehen hatte. Auf dem Weg ins Herzogtum Spoleto aber muß ihn die Nachricht erreicht haben, daß Papst Coelestin auf der Grundlage dieses ersten Angebotes bereit sei, auch über andere Streitpunkte mit sich reden zu lassen. Nur noch zwei Tagesreisen von seinem vorläufigen Ziel entfernt, unterbrach der Kaiser deshalb seine Reise und zog wenig später direkt nach Süden an die Grenze zum Kirchenstaat. In dem Städt­ chen Montefiascone empfing er kurz darauf eine hochgestellte Ge­ sandtschaft des Papstes. Der Hof war dort kaum angelangt, als jener Bote aus Deutschland eintraf, der den Kaiser über den Ausgang der Fürstenversammlung von Erfurt aufklären sollte. Über das, was ihm sein Informant dar­ über mitzuteilen hatte, muß Heinrich aber in höchstem Maße beun­ ruhigt gewesen sein. Ernstlich stand zu befürchten, daß zahlreiche Fürsten entgegen aller zuvor getroffenen Vereinbarungen den Beginn des Kreuzzugs mutwillig hinauszögern würden, wenn er weiterhin auf der Umwandlung des deutschen Königreichs in eine Erbmonarchie beharren sollte. Dadurch geriet aber nicht nur die Heerfahrt ins Heilige Land ernsthaft in Gefahr; es bestand plötzlich 97

sogar die Möglichkeit, daß sich die betreffenden Fürsten in ihrem Vorgehen gegen das Erbreichsprojekt sogar mit der päpstlichen Kurie verbünden könnten. Dies mußte der Kaiser unter allen Um­ ständen zu verhindern suchen. In den bevorstehenden Verhandlun­ gen mit der päpstlichen Kurie konnte er sich eine zweite Front von Gegnern nicht leisten. Wie sich jetzt zeigte, befand sich Kaiser Heinrich in einer klassi­ schen Zwickmühle. Beharrte er auf den Absprachen, dann drohte ein unabsehbarer Aufschub des ganzen Kreuzzugsunternehmens und damit unter Umständen sogar das Scheitern. Andererseits stand er dem Papst und der Öffentlichkeit gegenüber im Wort: im einen Fall durch sein Gelübde, im anderen durch die Ausrufung des Kreuzzugs. Fieß er sich allerdings auf eine Rücknahme der Staats­ reform ein, dann wiederum war die Frage der Nachfolgesicherung erneut offen. In dieser Lage sah er anscheinend nur in einem Befrei­ ungsschlag einen Ausweg. Um die Durchführung des Kreuzzuges nicht zu gefährden, zog er gegen die damit verbundene Forderung nach unverzüglicher Einlösung des eidlichen Versprechens der Für­ sten, seinen Sohn Friedrich zum deutschen König wählen zu wollen, das Erbreichsprojekt zurück. Die diesbezügliche Urkunde ließ er wieder an die Fürsten zurückschicken. Der kurzfristig erfolgreiche Versuch, das deutsche Wahlkönigtum abzuschaffen, wurde dem unaufschiebbaren Ziel des Kreuzzuges untergeordnet. Ohne jeden Bezug zu den Verhandlungen, die der Kaiser wäh­ rend jener so überaus bedeutenden Wochen mit der Kurie in Rom führte, wurde in Deutschland nach Rücknahme des Erbreichsge­ setzes unverzüglich die Königswahl des kleinen Friedrich vorberei­ tet. Auf das Betreiben von Erzbischof Konrad von Mainz und von Kaiser Heinrichs Bruder Philipp hin kam es noch Ende des Jahres 1196, womöglich sogar an einem der Weihnachtsfesttage, in Frank­ furt am Main zu einer Wahlversammlung des deutschen Adels. Hier lösten die anwesenden Fürsten ihr dem Kaiser eidlich gegebenes Versprechen ein und wählten Friedrich, den zu diesem Zeitpunkt zweijährigen Thronfolger, in Abwesenheit zum römisch-deutschen König. 98

Nur Erzbischof Adolf von Köln erschien nicht in Frankfurt. Erst im folgenden Jahr gelang es Herzog Philipp von Schwaben, auch ihn zur Anerkennung Friedrichs in der Nachfolge seines Vaters zu überreden. An Adolfs Vorbehalten gegenüber den Staufern änderte sich dadurch nichts. Gleich nach dem Tod Heinrichs VI. wurde er einer der Anführer der stauferfeindlichen Partei im Reich und war maßgeblich für den Ausbruch des Thronstreits in Deutschland ver­ antwortlich. Unterdessen waren auch die päpstlichen Gesandten am kaiserli­ chen Hofe in Montefiascone eingetroffen. Ihnen gegenüber muß der Kaiser erstmals seine eigenen Vorschläge in großem Umfang ent­ hüllt haben. Er schlug dabei anscheinend nichts Geringeres vor als die endgültige Regelung aller im Raum stehenden Streitfragen mit der päpstlichen Kurie und den Abschluß eines dauerhaft angelegten allgemeinen Friedens. Dafür war er bereit, einen hohen Preis zu ent­ richten. Nur über Indizien und verstreute Mitteilungen läßt sich der Inhalt dieser Vorschläge in etwa erschließen. Wegen der damit ver­ bundenen Unsicherheiten gibt es bis heute über die Inhalte dieser Verhandlungen auch keine Übereinstimmung innerhalb der For­ schung. Dennoch lassen sich wenigstens die wichtigsten Punkte des Verhandlungspaketes herausschälen, die Heinrich VI. den Vertre­ tern der päpstlichen Kurie unterbreitet haben dürfte. Demzufolge bekräftigte der Kaiser seine Bereitschaft, zur Beilegung der Strei­ tigkeiten um das mathildische Erbe auf der Grundlage seiner Vor­ schläge die römische Kirche dauerhaft finanziell entschädigen zu wollen, sofern die Kurie ihre Ansprüche auf jene Ländereien und Besitzungen aufgeben würde, die sich bereits unter kaiserlicher Kontrolle befanden. Um aber auch den Hauptstreitpunkt - die nach wie vor verweigerte päpstliche Anerkennung des Kaiserpaares als legitime Erben des Königreichs Sizilien - endgültig aus der Welt zu schaffen, unterbreitete Heinrich offenbar folgende weitere Vor­ schläge: Der Papst solle seinen bislang noch nicht getauften Sohn persönlich taufen und ihn zum sizilischen König salben. Damit würde er das verbriefte Erbrecht in Sizilien und somit auch den Übergang der Herrschaft auf die staufische Dynastie förmlich aner99

kennen. Im Gegenzug würde der Kaiser die lehensrechtliche Ober­ hoheit des Papstes über Sizilien bestätigen, indem er das Königreich aus den Händen Papst Coelestins zu Lehen nehmen würde. Zudem würde er sich vor aller Öffentlichkeit vom Papst das Kreuzzeichen anheften lassen, um an der Spitze des Kreuzheeres die Befreiung Jerusalems persönlich zu leiten. Der Umfang dieses Verhandlungsangebotes und die Dimension seiner möglichen Auswirkungen auf die Zukunft von Kirche und Reich zielten auf eine vollständige Neugestaltung des beiderseitigen Verhältnisses. Es lag auf der Hand, daß diese Vorschläge an Ort und Stelle nicht weiter erörtert werden konnten, allein schon, weil sie den Kompetenzbereich der päpstlichen Gesandten mit Sicherheit über­ stiegen. Deshalb sollten diese zunächst zur Berichterstattung nach Rom zurückkehren, um der Kurie Zeit zur Prüfung und Beratung der kaiserlichen Vorschläge einzuräumen. Für die Fortsetzung der Ge­ spräche wurde ein Termin für Anfang November vereinbart. Dann würde der Kaiser auf seinem Weg in das Königreich Sizilien in Tivoli, also in unmittelbarer Nachbarschaft Roms, Halt machen. Während die Beauftragten Papst Coelestins nach Rom zurückkehrten, nahm der kaiserliche Hof die unterbrochene Reise nach Foligno wieder auf. Mit reichlicher Verspätung traf er dort am 31. Oktober endlich ein. Möglicherweise hatte Kaiser Heinrich seinen Sohn sogar bei sich, als er wenig später weiterzog und am 6. November 1196 vor den Toren Roms erschien, ln den alles in allem drei Wochen andau­ ernden Unterredungen fand das Ringen Heinrichs VI. um eine Eini­ gung mit der Kirche seinen einsamen Höhepunkt. Mehrmals gingen Gesandtschaften hin und her, wurden Forderungen und Gegenfor­ derungen gestellt, wurden Vorschläge zurückgewiesen und mit Gegenvorschlägen beantwortet. Wenig Konkretes ist darüber be­ kannt geworden. Heinrichs Bereitschaft, sich für einen allgemeinen Frieden auf Kompromisse einzulassen, Positionen preiszugeben und Zugeständnisse zu machen, ging zweifellos sehr weit. Eines aber stand für ihn unter keinen Umständen zur Disposition: Seine und seiner Gattin Herrschaft über das Königreich Sizilien und die damit verbundene Erbfolge seines Sohnes. 100

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Die den päpstliche Gesandten in Montefiascone unterbreiteten Vorschläge wurden von der Kurie zurückgewiesen, kaum daß der Hof vor Rom eingetroffen war. Heinrich modifizierte sein Angebot daraufhin und autorisierte seine Vertrauten, auf dieser Grundlage sofort in seinem Namen den Frieden abzuschließen, sollten Papst Coelestin und das Kardinalskollegium seinen Vorschlägen zustim­ men. Auch dieses Angebotspaket wurde abgelehnt. Nochmals gin­ gen kaiserliche Gesandte nach Rom. Auch dieses Mal wurden die Vorschläge als unzureichend zurückgewiesen. Dann aber müssen päpstliche Vertreter dem Kaiser doch noch eine Möglichkeit aufge­ zeigt haben, den angestrebten Frieden zu erreichen. Wie nahe sich Kaiser Heinrich am Ende der langwierigen Ver­ handlungen einer endgültigen Übereinkunft glaubte, zeigt sein Ent­ gegenkommen, zur Erreichung des angestrebten Ziels selbst Forde­ rungen nachzugeben, die bis dahin niemand ernsthaft für möglich gehalten hatte. Seine Bereitwilligkeit, sich mit der Kirche zu bei­ derseitigem Vorteil zu verständigen, muß tatsächlich so weitrei­ chend und umfassend gewesen sein, daß auch im Kardinalskolle­ gium ein Durchbruch bei den Verhandlungen anscheinend nicht mehr ausgeschlossen wurde. Am Scheitelpunkt der auf beiden Sei­ ten mit großer Ernsthaftigkeit geführten Verhandlungen wurde dem Kaiser von seinen Verhandlungspartnern an der Kurie angetragen, ein ganz bestimmtes Zugeständnis zu machen und damit doch noch die Einigung herbeizuführen. Um dieses sogenannte „höchste Angebot“ Heinrichs VI. ist in der Forschung aufgrund der äußerst spärlichen und keinesfalls zwei­ felsfreien Quellenlage lange gestritten worden. Bis heute gibt es in dieser Frage keinen Konsens. Aussagen darüber wird man folglich nur mit Vorbehalten machen dürfen. Dennoch scheinen die Indizien darauf hinzuweisen, daß sich hinter diesem „höchsten Angebot“ , das viel eher ein „letztes Zugeständnis“ gewesen sein dürfte, nichts Geringeres verborgen haben könnte, als Heinrichs Bereitschaft, in einer eindeutigen, dem Lehensrecht verwandten Form die Bindung seiner kaiserlichen Herrschaft an das Papsttum zu bekunden. Darauf deutet jedenfalls die Aussage Papst Innozenz III., dem Nachfolger 101

Coelestins III., der einige Jahre später betonte, Heinrich VI. habe seinen Vorgänger gebeten, daß er ihn mittels eines goldenen Reichs­ apfels mit dem Kaisertum investiere. Tatsächlich wäre ein solcher Schritt, wäre er denn zur Aus­ führung gelangt, geradezu revolutionär gewesen. Denn dies hätte den fundamentalen Wandel des bisherigen kaiserlichen Selbstver­ ständnisses bedeutet, wonach das Kaisertum ausschließlich durch die Gnade Gottes legitimiert war, niemals aber durch ein wie auch immer ausgestaltetes Bestätigungs- oder Mitwirkungsrecht des Pap­ stes. Heinrich VI. aber handelte stets nach pragmatisch ausgerichte­ ten Gesichtspunkten. Seine Idee vom Kaisertum gründete nicht auf einem traditionellen Gewohnheitsrecht. Schon in der Zusammenar­ beit mit seinem Vater hatte er gelernt und verinnerlicht, die kaiser­ lichen Interessen unter Anerkennung der Gegebenheiten mit diplo­ matischen Mitteln durchzusetzen. Dazu gehörte wohl auch das Eingeständnis, daß die ehemals kaiserliche Superiorität über das Papsttum nicht mehr zu erreichen war. Aus dieser Erkenntnis heraus war die Politik Heinrichs VI. zu keinem Zeitpunkt darauf ausgerichtet, die Kirche zu bekämpfen oder sie gar niederzuringen. Sein Handeln läßt vielmehr darauf schließen, daß es auf die Herstellung eines dauerhaften paritätischen Verhältnisses zwischen Kaisertum und Papsttum abzielte und damit offenbar auch nicht unwesentlich von der Zwei-Schwerter-Theorie mitgeprägt war, wonach es nach dem Willen Gottes nebeneinander zwei höchste Gewalten gebe, nicht mehr, aber eben auch nicht weni­ ger. Wenn Heinrich dem Papsttum in dieser so fundamentalen Frage tatsächlich ein Mitwirkungsrecht am Kaisertum einräumen wollte, dann sicherlich nicht allein aufgrund politisch-taktischer Überle­ gungen. Dahinter dürfte die feste Überzeugung gestanden haben, nur mit einem derart weitreichenden Schritt den Frieden zwischen Kaisertum und Papsttum erlangen und die beiderseitigen Beziehun­ gen auf eine tragende Grundlage stellen zu können. Doch selbst dieses letzte oder höchste Zugeständnis wurde von Papst Coelestin kurz darauf als unzureichend zurückgewiesen. Auch damit war der vom Kaiser so intensiv angestrebte Ausgleich 102

mit der Kirche nicht zu erreichen. Und so hatte eine letzte päpstliche Gesandtschaft dem zutiefst enttäuschten Herrscher kaum mehr mit­ zuteilen, als daß eine Friedensvereinbarung unter den bestehenden Bedingungen auf der Grundlage der gemachten Vorschläge nicht möglich sei. Der eigentliche, wahrscheinlichere Grund für das Scheitern ist der schriftlichen Antwort Heinrichs VI. unmittelbar nach dem Ab­ bruch der Friedensgespräche zu entnehmen. Wie er dort betont, wolle er sich dem Ergebnis einer Überprüfung der Rechtsgrund­ lagen wie auch einem Schiedsspruch fügen, die es ermöglichen sollten, die Verhandlungen mit der Kirche abzuschließen. Im Rechtsverhältnis zwischen dem römischen Kaiserreich oder dem deutschen Königreich und der Kirche gab es jedoch nichts, was eine Überprüfung des Rechts bzw. der Rechtsgrundlagen erforder­ lich gemacht hätte. Ganz anders stand es dagegen um das Rechts­ verhältnis zwischen dem nunmehr kaiserlichen Königreich Sizi­ lien und dessen päpstlichem Lehensherrn. Hier lagen die Stand­ punkte beider Parteien betreffend des geltenden Rechts fundamen­ tal auseinander. Für seine und seiner Gattin Anerkennung als legitime Erben des sizilischen Königreichs wäre Heinrich bereit gewesen, in Form eines letzten Zugeständnisses an die Kirche jenen ominösen höch­ sten Preis zu zahlen. Dazu ist es aber wohl vor allem deshalb nicht gekommen, weil Papst Coelestin, und mit ihm offensichtlich die Mehrheit der Kurienkardinäle, trotz aller für die Kirche in Aussicht gestellter Vorteile von jenem Grundsatz nicht abrücken wollten, an dem schon Papst Coelestins Vorgänger Clemens III. festgehalten hatte, nämlich die kaiserliche Herrschaft über das päpstliche Lehen Sizilien - und damit auch die drohende territoriale Umklammerung des Kirchenstaates - zu verhindern oder diese zumindest rechtlich nicht anzuerkennen. Die Bemühungen Heinrichs VI. um einen Aus­ gleich mit der Kirche blieben erfolglos, weil ihm auch noch im November 1196 die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft über das Königreich abgesprochen wurde und er dem Papst somit als ein Usurpator des päpstlichen Lehens galt. 103

Bedenkzeit bis Anfang Januar 1197 hatte sich Coelestin III. erbe­ ten. Doch auch dieser Termin verstrich, ohne daß die Kurie den Kontakt zum kaiserlichen Hof noch einmal aufgenommen hätte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt konnte es keinen Zweifel mehr dar­ über geben, daß zumindest während des Pontifikats dieses Papstes eine Einigung mit der Kurie in Rom ausgeschlossen blieb. Niemals wieder hat der Kaiser danach versucht, mit der Kirche in Verhand­ lungen einzutreten. Fortan konzentrierte er sich auf die Regierungs­ geschäfte, vor allem jedoch auf die Vorbereitungen für seinen Kreuzzug. Die Beziehungen zur päpstlichen Kurie blieben danach auf die Behandlung ausschließlich unstrittiger kirchenpolitischer Belange reduziert. „Weil die Verhandlungen keinen solchen Ab­ schluß fanden wie ihn der Kaiser wünschte, trat er mit großem Ver­ druß die Weiterreise nach Sizilien an.“ Mit diesen dürren Worten faßte der Autor der Marbacher Annalen das Ergebnis jenes wochen­ langen, aber ergebnislosen Ringens zusammen.

Maßnahmen zur Sicherung der kaiserlichen Herrschaft in Sizilien Die gescheiterten Verhandlungen mit der Kurie in Rom bewirk­ ten eine vollständige Umorientierung der Politik Heinrichs VI. Das betraf die Durchführung des Kreuzzugs, viel mehr aber noch die Maßnahmen, welche die kaiserlich-staufische Herrschaft im Kö­ nigreich absichern sollten. Nachdem sich die Hoffnung auf ein Übereinkommen mit der päpstlichen Kurie zerschlagen hatte, stand die Festigung der kaiserlichen Herrschaft in Sizilien im Vorder­ grund. Mit der Zurückweisung des Friedensangebotes hatten sich natürlich auch alle der Kirche in Aussicht gestellten Vorschläge und Zugeständnisse erledigt. Es dauerte nur wenige Tage, dann hatte der 104

Kaiser sein weiteres Vorgehen bereits an der neuen Lage ausge­ richtet. Noch aus der Umgebung Roms erging eine Vorladung an die Barone der festländischen Provinzen des sizilischen Königreiches. Sie sollten sich zu einer Reichs Versammlung in Capua einfinden. Daneben wandte er sich mit einem Schreiben an die deutschen Für­ sten. Ihnen hatte er ursprünglich versprochen gehabt, sich persön­ lich an die Spitze des Kreuzheeres zu stellen, wenn die Nachfolge innerhalb des deutschen Königtums in seinem Sinne geregelt sei. Durch ihre Bereitschaft, nach der Rücknahme der Verfassungsre­ form ihren dem Kaiser gegebenen Eid einzulösen und nunmehr die Wahl des kleinen Friedrich zum deutschen König zu vollziehen, stand er den Fürsten gegenüber nunmehr erneut im Wort. Nach dem Abbruch der Verhandlungen mit der Kurie in Rom kam für den Kai­ ser die persönliche Teilnahme an seinem Kreuzzug bis auf weiteres nicht mehr in Frage. In seinem Schreiben an die Fürsten verwies er deshalb auf die vielfältigen Aufgaben, die seine Anwesenheit in Ita­ lien auf unabsehbare Zeit erforderlich machten. Er wolle daher die Entscheidung über seine persönliche Teilnahme am Kreuzzug ihrem Schiedsspruch unterwerfen. Tatsächlich erklärten sich die Großen des Reiches wenig später mit Heinrichs Wunsch einverstanden und entbanden ihn von seinem Versprechen, den Feldzug persönlich an­ zuführen. Dann verließ der Kaiser den Kirchenstaat und zog ins Königreich Sizilien. Wenn der kleine Friedrich während jener Wochen am Hof seines Vaters gewesen war, wurde er nun wieder nach Foligno zurückgebracht. Noch vor Weihnachten 1196 traf der Hof in Capua ein. Die Maßnahmen, die während der dortigen Reichsversammlung verkündet wurden, standen einerseits im Zusammenhang mit dem Kreuzzug des Kaisers; andererseits sollten sie die Grundlage dafür werden, die kaiserliche Herrschaft auch gegen den Willen der Kir­ che dauerhaft zu sichern. Um den immensen Finanzbedarf für den bevorstehenden Kriegs­ zug ins Heilige Land decken zu können, wurde für das Königreich eine eigene Sondersteuer ausgeschrieben. Darüber hinaus wurde 105

den versammelten Baronen aber auch ein allgemeines Mandat für die festländischen Reichsteile verkündet. Es richtete sich an die Adresse all derer, die vom Kaiser Privilegien erhalten hatten. Sie wurden aufgefordert, die betreffenden Urkunden zur Prüfung erneut vorzulegen. Diese Maßnahme war zweifellos ein unmißverständli­ ches Warnsignal gegenüber allen, die im Königreich gegen die Herr­ schaft des Kaiserpaares eingestellt waren. Die Aufforderung zur Vorlage der Urkunden verfolgte eine deutlich erkennbare Absicht. Sie sollte jedermann bewußt machen, daß die vom Kaiser in der Vergangenheit wie auch in der Zukunft gewährten oder bestätigten Vergünstigungen und Sonderrechte von der offen zu bekundenden Loyalität der Begünstigten gegenüber den legitimen Erben des Kö­ nigreiches abhingen. In den Kreisen des sizilischen Adels bewirkte diese Anordnung erheblichen Unmut. Konnten die Barone verständlicherweise schon nicht sonderlich davon angetan sein, über die Steuerschraube für den Kreuzzug zusätzlich zur Kasse gebeten zu werden, so wurden nicht wenige von ihnen durch das Privilegien-Mandat noch zusätz­ lich gegen die neue Herrschaft aufgebracht. Es war auch kein Zufall gewesen, daß das antike Capua als Aus­ tragungsort dieser Reichsversammlung ausgewählt worden war. Während des Feldzugs im Jahre 1191 hatte sich die Stadt Heinrich VI. sogleich unterworfen. Aber nach dem Scheitern des Unterneh­ mens und dem Rückzug der kaiserlichen Truppen hatten die Bürger schnell wieder die Seiten gewechselt. Als Graf Richard von Acerra, Bruder der Königin Sibylle und enger Vertrauter Tankreds, von Nea­ pel aus daranging, die noch von kaiserlichen Besatzungen gehalte­ nen Städte zurückzuerobem und mit seinen Truppen vor dem befe- j stigten Capua erschien, fiel die Stadt durch den Verrat ihrer Bürger­ in die Hände des Grafen. Auf Richards Befehl hin waren alle Deut­ schen in der Stadt ermordet und die kaiserlich gesinnten Adligen ins Gefängnis geworfen worden. Nach der Eroberung des Königreichs 1194 zählte neben Salerno und Neapel deshalb auch Capua zu den ganz wenigen Städten, die für ihren Widerstand oder Verrat bestraft wurden. 106

Nach Richard von Acerra hatte der Kaiser landesweit fahnden lassen. Auf der Flucht soll er von einem Mönch erkannt und verra­ ten worden sein. Er wurde gefangengenommen und anschließend in Capua inhaftiert. Während der Reichsversammlung und im Beisein des Kaisers wurde der Graf in einem öffentlichen Schauprozeß angeklagt und abgeurteilt. Gegen ihn wurde das Todesurteil ver­ hängt und anschließend auf ausgesprochen abschreckende Weise vollzogen. Aus kaiserlicher Sicht war Richard von Acerra ein Reichsfeind, schlimmer noch als Richard Löwenherz. Bis zuletzt hatte er einem Rebellen und Usurpator gedient und als dessen Feld­ herr auch mit Waffengewalt die rechtmäßigen Flerrscher des König­ reiches daran zu hindern gesucht, ihre legitimen Rechte in Anspruch zu nehmen. Dies und die von Richard veranlaßte Ermordung der Deutschen in Capua wurde als Flochverrat interpretiert. Die dem Königreich auferlegte Steuer sollte zusätzliche Mittel zur Bestreitung der riesigen Kosten beschaffen, die der Kaiser per­ sönlich für den Kreuzzug aufzubringen hatte. Sizilien sollte dabei jedoch keineswegs ausgepreßt werden. Denn neben den Baronen des Königreiches hatte Fleinrich VE seit langem schon einen weite­ ren Geldgeber ins Auge gefaßt, der aus seiner Sicht förmlich dazu verpflichtet war, sich mit einem angemessenen Beitrag an der guten Sache der Christenheit zu beteiligen - den oströmischen Kaiser in Konstantinopel.

Die Beziehungen zum byzantinischen Kaiserreich Noch im Herbst 1196 fuhr in kaiserlichem Auftrag eine Gesandt­ schaft unter der Leitung des Marschalls Heinrich von Kalden an die Residenz des oströmischen Kaisers nach Konstantinopel. Sie traf dort kurz vor Weihnachten ein. Bedeutung für seine Politik haben 107

die wenigen Kontakte nach Byzanz während der Regierungszeit Heinrichs VI. nie gehabt, schon gar nicht aber hatte er jemals ernst­ haft beabsichtigt, das kranke Reich am Bosporus zu erobern. Die von auswärtigen Feinden zunehmend bedrängten, politisch schwa­ chen Nachfolger Kaiser Manuels aus der Dynastie der Angeloi gal­ ten ihm als griechische Verräter. Den amtierenden Kaiser Alexios III., der durch Intrigen, Bestechung und eine Hofrebellion gegen den eigenen Bruder Isaak an die Macht gelangt war, verachtete er gera­ dezu. Ihn bezeichnete er nur als „Constantinopolitanus“ . Für die abschätzige Haltung Heinrichs gegenüber den griechi­ schen Herrschern in Konstantinopel gab es vor allem zwei Gründe: Zum einen waren dies die Vorgänge während des Kreuzzugs seines Vaters, als Kaiser Isaak Angelos, der Vorgänger des Alexios, einen alten Bündnisvertrag mit Sultan Saladin unter dem Vorsatz erneuert hatte, den Marsch des deutschen Kreuzheeres durch byzantinisches Gebiet zu verhindern. Das wurde auf kaiserlicher Seite als offener Verrat an der christlichen Sache empfunden. Die andere Ursache für Heinrichs Verachtung gegenüber den griechischen Herrschern lag in der freundschaftlichen Verbindung des oströmischen Kaiserreiches zu König Tankred. Genauso wie die Kaiser im Westen hatte auch Byzanz die normannischen Könige des sizilischen Reiches stets als Usurpatoren betrachtet und ihnen die Anerkennung verweigert. Dies hatte sich mit dem Erbfall in Sizilien 1189 aber grundlegend geändert, als es Tankred bald darauf gelang, Kaiser Isaak zu einer Eheabsprache zu überreden. Im Juni 1193 wurde Isaaks Tochter Irene mit Tankreds ältestem Sohn Roger verlobt. Für Heinrich VI. war dieses Zusammengehen ein Akt offener Feindschaft und galt ihm als ein weiterer Beleg für die verräterische Gesinnung des grie­ chischen Kaisers. Nach der Eroberung des sizilischen Königreiches boten ihm seine politischen Pläne den Anlaß dazu, Isaak Angelos eine Gegenrechnung zu präsentieren. Gleich zu Beginn des Jahres 1195 wurde eine erste kaiserliche Abordnung am Hof in Konstantinopel vorstellig. Die Gesandten Heinrichs ließen keine Zweifel am Zweck ihrer Mission aufkommen. Unter nachdrücklicher Berufung auf die Vorfälle während des 108

vergangenen Kreuzzugs forderten sie im Namen ihres Herrn Genug­ tuung. Als neuer Herrscher des Königreichs Sizilien habe Kaiser Heinrich Anrecht auf die Abtretung jener Gebiete im Norden Grie­ chenlands, die von sizilischen Truppen im Jahr 1185 nach Kriegs­ recht kurzzeitig unterworfen und erobert worden waren. Wären die Griechen nicht dazu bereit, die Ansprüche Heinrichs durch hohe Abschlagszahlungen und die Bereitstellung einer Schiffsflotte für den bevorstehenden Kreuzzug abzugelten, dann müßten sie mit einem Feldzug gegen ihr Reich rechnen. Der sichtlich eingeschüch­ terte Isaak Angelos beeilte sich, im Frühjahr 1195 eine Abordnung an den kaiserlichen Hof nach Italien zu entsenden und bot anschei­ nend sogar freundschaftliche Beziehungen an. Was seine Boten mit­ zuteilen oder gar anzubieten hatten, erübrigte sich jedoch bald. Denn während sich Heinrichs Bruder Philipp im April 1195 mit Isaaks Tochter Irene, der jungen Brautwitwe Rogers, verlobte, wurde der byzantinische Kaiser von seinem Bruder Alexios ge­ stürzt, geblendet und ins Gefängnis geworfen. Die damals einsetzenden ersten Gespräche mit der römischen Kirche nahmen Heinrichs ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Die umfangreichen Aktivitäten um den angekündigten Kreuzzug und die Sicherung der Nachfolge für seinen Sohn dürften ein weiteres dazu beigetragen haben, daß Byzanz für viele Monate vollständig aus dem politischen Blickfeld des Kaisers geriet. Erst mit seiner Rückkehr nach Italien im Sommer 1196 erinnerte er sich wieder des östlichen Kaiserreiches. Dabei waren es sehr wahrscheinlich die immensen Kosten für den bevorstehenden Kreuzzug, die ihm den Vorwand dafür lieferten, den Nachfolger Isaaks massiv unter Druck zu setzen. Er scheute keine Sekunde davor zurück, Alexios III. zu erpressen. Die noch immer offene Rechnung mit den Griechen sollte jetzt endgültig beglichen werden. Wie er sich das vorstellte, belegt eindrucksvoll die Gesandtschaft unter der Führung Marschall Hein­ richs von Kalden, die im November 1196 an den Bosporus abreiste. Die Boten Heinrichs VI. erneuerten frühere Forderungen und stellten Alexios vor die Alternative, entweder die Bedingungen zu akzeptieren oder einen Feldzug gegen ihr Reich zu riskieren. Für 109

den Frieden verlange Kaiser Heinrich die Zahlung von jährlich 5000 Pfund Gold. Alexios verzagte. Innenpolitische Konflikte, die Kämpfe der vergangenen Jahre gegen Serben und Bulgaren, die auf ihren Kriegs- und Raubzügen bis nach Griechenland vorgedrungen waren, hatten die Kräfte des Reiches bis an die Grenzen strapaziert. Stadt um Stadt, ja ganze Provinzen auf dem Balkan, aber auch in Kleinasien waren in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Das byzantinische Reich kämpfte bereits an vielen Stellen mit dem Rücken zur Wand. Kam es in dieser Situation auch noch zu einem Krieg gegen den Kaiser des Westens, dann drohte dem angeschla­ genen Reich der vollständige militärische und politische Zusam­ menbruch. Um zu retten, was noch zu retten war, anerkannte Alexios zunächst die Forderung der Deutschen. Immerhin wollte er wenig­ stens versuchen, die immense Summe herabzudrücken. Mit solchem Ziel entsandte er den Stadtpräfekten Konstantinopels im Frühjahr 1197 an den Hof Heinrichs VI. in das Königreich Sizilien. Durch kluges Verhandeln gelang dem Diplomaten ein achtbarer Erfolg. Kaiser Heinrich erklärte sich dazu bereit, die zunächst geforderte erste Rate von 5000 Pfund Gold auf 1600 Pfund herabzusetzen. Das einst so reiche Kaiserreich am Bosporus mußte seinen Provinzen eine Sondersteuer, das „Alamannikon“, auferlegen, um den gefor­ derten Betrag aufbringen zu können. Hinzu kamen Spendenaufrufe an die Einwohnerschaft Konstantinopels, an die Senatoren, die Geistlichkeit und die Vertreter verschiedenster Berufe. Die Folge war ein Aufschrei der Entrüstung und die Androhung öffentlicher Rebellion. Kaiser Alexios wurde offen Verschwendung und Vet­ ternwirtschaft vorgeworfen. Unfähig, seine Anordnungen in solch aufgereizter Stimmung gegen das Volk mit Gewalt durchzusetzen, verlangte er nun Gold und Silber aus den Kirchenschätzen. Darauf­ hin trat ihm noch heftigerer Widerstand entgegen. Alexios sah schließlich anscheinend nur noch einen Ausweg, um an das be­ nötigte Geld zu gelangen. Er befahl, die Kaisergräber aufbrechen zu lassen und die kostbaren Grabbeigaben zu entnehmen. Endlich sol­ len auf solche Weise insgesamt 7000 Pfund Silber und einiges Gold 110

zusammengekommen sein, das sogleich eingeschmolzen wurde. Zur Zahlung kam es allerdings nicht mehr. Noch vor der Versendung der geforderten Summe im Herbst 1197 traf in Konstantinopel die Nachricht vom Tod Heinrichs VI. ein. Gold und Silber blieben im Lande.

Der Aufmarsch des Kreuzheeres und die zweite Verschwörung in Sizilien Nach Beendigung der Reichsversammlung von Capua zog der Kaiser nach Apulien, um sich dort von den Vorbereitungen für die Überfahrt nach Palästina ein eigenes Bild zu verschaffen. Der ins Auge gefaßte Zeitplan für den Aufmarsch und den gemeinsamen Aufbruch der fürstlichen Kreuzfahrer und des im Auftrag des Kai­ sers angeworbenen und finanzierten Söldnerheeres sollte unbedingt eingehalten werden, nachdem zu Beginn des neuen Jahres 1197 in Deutschland die ersten Abteilungen der fürstlichen Kreuzfahrer ihre Reise nach Süden angetreten hatten. Den Anfang bildete eine Abtei­ lung rheinländischer und fränkischer Fürsten. An der Spitze stand als vornehmstes Mitglied Erzbischof Konrad von Mainz, der Erz­ kanzler des deutschen Königreiches. Er galt als das geistliche Ober­ haupt des kaiserlichen Kreuzzuges. Als Führer einer Vorausabtei­ lung von 30 Schiffen verließ er Italien schon im März. Weitere Kontingente brachen von Bayern und Österreich aus auf und zogen bald durch die Städte Italiens nach Süden. Andere Kreuzfahrer begannen ihre Reise dagegen erst mit Beginn des Früh­ jahrs Ende März. Auch die in kaiserlichem Auftrag angeworbenen Söldner machten sich nun auf den Weg nach Süditalien. Bei der ein­ gesessenen Bevölkerung im Königreich Sizilien lösten diese feld­ marschmäßig gerüsteten Abteilungen mitunter Angst und Schrek-

ken aus. „Ihr seid nicht gekommen“ , so wurde ihnen von Einheimi­ schen vorgehalten, „um dem himmlischen Herrscher zu helfen, son­ dern um für den irdischen zu kämpfen und unter ihm ganz Apulien und Sizilien auszuplündem.“ Einen gemeinsamen Sammel- oder Zielpunkt gab es nicht. Ein Teil der Kreuzfahrer zog zu den Häfen Apuliens, andere wandten sich dagegen direkt der Insel Sizilien zu. Im Laufe des Monats Juli erschienen sie dort am Hofe Heinrichs VI. Eine letzte Gruppe, vor allem aus Norddeutschland und dem Westen des Reiches, hatte sich für den Seeweg entschieden. Von Flandern aus segelte dieses Kontingent unter der Führung Herzog Heinrichs von Brabant Anfang Juni auf 44 Schiffen um Europa herum durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer. Zuvor jedoch unterbrachen diese Kreuzfahrer ihre Fahrt in Lissabon, um König Sancho I. von Portugal kurzentschlossen in seinem Kampf gegen die muslimischen Almohaden zu unterstützen. In einer Blitzaktion lan­ deten die deutschen Kreuzfahrer bei der Stadt Silves und nahmen den Ort an der Algarve im Sturm. Nach dieser Unternehmung, die mit der Zerstörung der Stadt endete und kaum länger als zwei bis drei Wochen gedauert haben kann, setzten die Deutschen ihre Reise in das Mittelmeer fort. Ihr Eintreffen im Hafen von Messina Anfang August 1197 beschloß den Aufmarsch und die Bereitstellung des Kreuzheeres. Während die Vorbereitungen für die Kreuzfahrt unter der um­ sichtigen Leitung des kaiserlichen Kanzlers Konrad von Querfurt planmäßig voranschritten, zog der Hof weiter nach Süden. Anfang März 1197 betrat der Kaiser zum zweiten Mal den Boden der Insel Sizilien. Hier traf er nach einer fast zweijährigen Trennung auch wieder mit seiner Gattin Konstanze zusammen. Gleich nach seiner Ankunft in Palermo wurde für die Osterfeiertage Anfang April eine Reichsversammlung einberufen. Hatte der Hoftag von Capua im Dezember des Vorjahres die Barone des festländischen Teils des Königreiches als Adressaten gehabt, so erging die Vorladung nun an den Adel der Insel. Neben der Regelung von Regierungsangelegen­ heiten nutzte der Kaiser diese Zusammenkunft zur Bekanntgabe eines weiteren allgemeinen Edikts, das ebenfalls an alle diejenigen 112

gerichtet war, die von ihm Privilegien erhalten hatten. Genau wie in dem Mandat aus Capua wurden auch sie aufgefordert, die betreffen­ den Urkunden nochmals vorzulegen. Die damit verbundene Absicht war dieselbe. Es ging einzig darum, die Vergabe von Privilegien mit einer eindeutigen Loyalitätsbekundung gegenüber dem Kaiserpaar zu verbinden. Der Kaiser scheint den wachsenden Unmut, der durch seine Ver­ ordnungen und die Einführung der Kreuzzugssteuer bei Teilen des sizilischen Adels hervorgerufen wurde, verdrängt, möglicherweise auch nicht ernst genug genommen zu haben. Seme Feinde aber hat­ ten scharfsichtig erkannt, daß es dem in ihren Augen verhaßten Fremdherrscher bei konsequenter Anwendung der PnvilegienEdikte alsbald gelingen mußte, seine Herrschaft flachendeckend abzusichern. War dies aber erst einmal geschehen, dann bestanden kaum noch Chancen für einen erfolgversprechenden Versuch, sich der kaiserlichen Herrschaft wieder zu entledigen. Es schien also Eile geboten, wollte man sich noch rechtzeitig gegen die befürchtete Unterdrückung zur Wehr setzen. Bald hatte sich eine zur bewaffneten Rebellion entschlossene sizilische Adelsfraktion zusammengefunden, die untereinander in heimlichen Absprachen eine Verschwörung gegen das Leben des Kaisers vereinbart haben mußte. Durch die Beteiligung möglichst vieler Städte und befestigter Plätze an einem landesweiten Aufstand nach der Ermordung Heinrichs und seiner engsten Vertrauten sollte die kaiserliche Herrschaft doch noch abgeschüttelt werden. Unter­ stützung erhoffte man sich dabei von der römischen Kirche, wo man allem Anschein nach über die Umsturzpläne der Adelsfrondeure gut unterrichtet war. So soll Papst Coelestin einige Deutsche, die sich in jenen Tagen vor ihrer Weiterreise an den kaiserlichen Hof m Sizilien an der Kurie vorsprachen, ausdrücklich davor gewarnt haben, ihre Reise fortzusetzen. Fraglos war der Aufstand vom Mai 1197 von langer Hand geplant und keineswegs schlecht vorbereitet worden. Anscheinend völlig unbemerkt war es den adligen Verschwörern gelungen, eine stattli­ che Anzahl Bewaffneter zusammenzuziehen. Ihr Anführer, der 113

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Burgherr von Castrogiovanni, dem heutigen Enna auf Sizilien, soll zuvor schon heimlich zum König gewählt worden sein. Nach einem erfolgreich durchgeführten Aufstand hätte dieser Thronprätendent unverzüglich die Regentschaft übernehmen, und einem späteren Gerücht zufolge sogar die Kaiserin Konstanze heiraten sollen. Auch der zeitliche Ablauf des Aufstandes war offenbar in allen Einzelhei­ ten festgelegt worden. Vorrangiges Ziel war dabei, den Kaiser und seine engsten Begleiter gleich zu Beginn der Erhebung in einer Blitzaktion zu ermorden. Heinrich selbst und seine Vertrauten scheinen völlig ahnungslos gewesen zu sein. Trotz der wachsenden Feindschaft von Teilen des sizilischen Adels, die ihm kaum verborgen geblieben sein konnte, fühlte sich der Kaiser offensichtlich nicht persönlich bedroht. So brach er Ende April von Palermo aus zu einem längeren Jagdausflug in den Osten der Insel auf. Das war der Moment, auf den die Ver­ schwörer gewartet hatten. Während sich Heinrich mit kleinem Ge­ folge in den Wäldern unweit von Messina aufhielt, wurde das Zeichen zum Losschlagen gegeben. Buchstäblich im letzten Augen­ blick wurde der Anschlag verraten. Überstürzt konnte sich der Kai­ ser mit seinem Gefolge hinter die Mauern Messinas flüchten, das seine Tore den Aufständischen sogleich verschloß. Mit dem Verlust des Überraschungseffekts hatten die Verschwörer die Chance auf ein schnelles und erfolgreiches Gelingen ihrer Erhebung verpaßt. Es sollte sich zeigen, daß damit auch ihr gesamtes Unterfangen bereits im Ansatz gescheitert war. Denn mit einem Teil der für den Kreuzzug angeworbenen Söld­ ner, die zu diesem Zeitpunkt bereits in Messina eingetroffen waren und auf die Überfahrt nach Palästina warteten, hielten sich auch Markward von Annweiler und der Reichsmarschall Heinrich von Kalden in der Stadt auf. In aller Eile sammelten diese ihre Truppen und zogen daraufhin, unterstützt von zahlreichen deutschen Rittern, den Aufständischen entgegen. Bei Patemo südlich des Ätna kam es wenig später zu einer blutigen Entscheidungsschlacht, in deren Verlauf das Heer der Verschwörer vollständig zerschlagen wurde. Die versprengten Reste entkamen zunächst in das unwegsame Berg114

land im Inneren Siziliens, obwohl die Sieger ihnen sogleich nach­ gesetzt hatten. Die Rädelsführer, und hierbei insbesondere den Thronprätendenten, wollte der Kaiser unter allen Umständen mög­ lichst lebend in seine Hände bekommen. Innerhalb weniger Tage gelang es den Kaiserlichen, die Aufständischen zu stellen, die sich in die befestigte und schwer zugängliche Burganlage ihres Anfüh­ rers in Castrogiovanni zurückgezogen hatten. Von Messina aus war Kaiser Heinrich unterdessen nach Palermo zurückgekehrt, vermutlich um weitere Verstärkungen heranzuführen, aber wohl auch, um durch sein persönliches Erscheinen allen etwa aufkommenden Gerüchten um seine Ermordung den Boden zu entziehen. Ende Mai erschien er persönlich bei seinen Truppen vor Castrogiovanni. Ohne Hoffnung auf Entsatz war das Schicksal der Eingeschlossenen besiegelt. Verzweifelt hielten sich die Verteidiger der Burg noch einige Tage, ehe sie sich endgültig geschlagen geben mußten. Die Anführer und ihr Thronprätendent fielen lebend in die Hände des Kaisers. Man schaffte sie umgehend nach Palermo. Was dann folgte, war ein grausames Strafgericht. Ganz offen­ sichtlich wollte Heinrich VI. ein Exempel statuieren, das nicht nur die Schuldigen bestrafen, sondern vor allem auch potentielle Nach­ ahmer ein für alle Mal von einem ähnlichen Vorhaben abschrecken sollte. Auf Befehl des Kaisers wurde ein öffentlicher Schauprozeß gegen die Verschwörer anberaumt. In Anwesenheit Heinrichs und Konstanzes wurden sie ausnahmslos zum Tode verurteilt. Über die Gefangenen wurden Strafen von ausgesuchter Härte verhängt. Ei­ nige der Abgeurteilten wurden gehenkt, andere verbrannt, zersägt, gepfählt oder im Meer ertränkt. Am fürchterlichsten traf es den Burg­ herrn von Castrogiovanni, den Anführer der Verschwörer, in dessen Hinrichtung sich nochmals jenes Kapitalverbrechen spiegelte, des­ sen er angeklagt worden war. Ihm wurde mit eisernen Nägeln eine Krone an den Kopf genagelt. „Nun hast du endlich die Krone“ , so soll ihm Heinrich zugerufen haben, „nach der du gelangt hast. Ich neide sie dir nicht. Genieße, wonach du so eifrig gestrebt hast! Auch Uber die Alpen wurden Boten mit kaiserlichen Befehlen geschickt. Anscheinend hatten die Verhöre der gefangenen Rädels115

führer Verbindungen oder konspirative Absprachen zwischen den Aufständischen und den in Deutschland inhaftierten sizilischen Baronen aufgedeckt. König Tankreds Vertrauter, sein ehemaliger Admiral Margarito, scheint dabei eine besonders bedeutsame Rolle gespielt zu haben. Die 1195 zu Geisel- oder Einzelhaft Verurteilten und Deportierten mußten nun für den neuerlichen Verrat am Kaiser ebenfalls büßen. Margarito und weitere Grafen und Barone, die auf verschiedenen Reichsburgen, insbesondere aber auf dem pfälzi­ schen Trifels, gefangengehalten wurden, wurden geblendet. Nur die königliche Familie und die Geistlichen blieben von dieser Strafe verschont. Bis heute werden hauptsächlich jene Vorgänge um die Hinrich­ tungen der Verschwörer von 1197 immer wieder zum Beweis dafür herangezogen, dem Kaiser geradezu unmenschliche Eigenschaften zuzuschreiben. Doch sind bei genauerer Betrachtung gerade diese Ereignisse am wenigsten dazu geeignet, von ihnen auf den Charak­ ter Heinrichs schließen zu dürfen. Die Erklärung für das mit äußer­ ster Härte verbundene Vorgehen des Kaisers liegt zweifellos auch in der extremen Ausnahmesituation begründet, die dieser Umsturzver­ such für den Herrscher darstellte. Der Anschlag war inmitten der Bemühungen erfolgt, die kaiserliche Herrschaft über Sizilien trotz der Ablehnung durch den päpstlichen Lehensherrn dennoch dauer­ haft abzusichern. Die allgemeine Verpflichtung zur Wiedervorlage der Urkunden und der damit verbundene Loyalitätsbeweis gegen­ über dem Kaiserpaar zeigte zweifellos Wirkung. Die Rädelsführer hatten womöglich gerade deshalb ihre Pläne auf den Meuchelmord an Heinrich und den engsten Kreis seiner Berater aufgebaut. Nach den damaligen Rechtsvorstellungen aber war das ein Akt von Hoch­ verrat. Von vornherein mußte den Verschwörern daher bewußt sein, was sie erwarten würde, wenn ihr Unterfangen mißlingen und der Kaiser den Mordanschlag überleben sollte. Damalige Chronisten haben dies nicht anders gesehen. So urteilt der zeitnah schreibende österreichische Chronist Ansbert: „Hätte der Kaiser nicht diejeni­ gen, die den glimmenden Funken der Empörung gegen den Herr­ scher anfachten, gestraft, so würde er bald zu heller Flamme aufge116

schlagen sein. Aber der Herrscher, rechtzeitig auf der Hut, bemerkte ihren treulosen Anschlag, kam ihren Plänen zuvor und tötete ohne Schonung, ohne Erbarmen alle ohne Unterschied. So brach er ihre Macht und unterdrückte sie durch Tod und harte Gefangenschaft dermaßen, daß sie ohnmächtig wurden, eine Empörung zu wieder­ holen.“ Arnold von Lübeck, ein anderer Chronist dieser Epoche, schrieb kurz und knapp: „So glückte dem Kaiser, seine Widersacher in die Gewalt zu bekommen und gerechte Rache an ihnen zu neh­ men.“ Im Zusammenhang mit der Verschwörung spielte auch immer wieder die Frage nach dem Wissen oder gar der Beteiligung der Kai­ serin Konstanze eine Rolle. Offenbar kursierte im Umfeld des Hofes das Gerücht, die Kaiserin könnte von der Verschwörung vorab Kenntnis gehabt und die Umsturzpläne insgeheim unterstützt haben. Aus Feindschaft ihrem Gatten gegenüber habe sie mit den Ver­ schwörern gemeinsame Sache gemacht, habe gar heimlich mit dem Anführer bereits Geschenke ausgetauscht. Nichts davon konnte je belegt werden. Was hätte die Kaiserin durch den ihr unterstellten Verrat auch gewinnen können? Die Durchsetzung ihres unzweifel­ haft vorhandenen Anspruchs auf ihr väterliches Erbe verdankte sie ausschließlich der ehelichen Verbindung mit Heinrich VI. Er war es gewesen, der jenes Recht seiner Gattin erfolgreich erstritten hatte und der als einziger auch dazu in der Lage war, dieses Erbe in sei­ nem ganzen Bestand dauerhaft zu verteidigen. Der Kampf um die rechtliche Anerkennung und um die Sicherung der damit verbunde­ nen Herrschaft über das Königreich dürfte die beiden Gatten des­ halb in einem ganz besonderen Maße aneinander gebunden haben, eben weil ihnen diese Anerkennung von Anfang an verweigert wurde. Eine Beteiligung Konstanzes an diesem Aufstand, ja selbst ihr Wissen darum, erscheint deshalb kaum wahrscheinlich.

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Aufbruch des Kreuzheeres und Tod des Kaisers Während die Niederwerfung des Aufstands den Kaiser noch völ­ lig in Anspruch nahm, sammelten sich nach und nach in den Küsten­ städten Süditaliens und Siziliens die deutschen Kreuzritter. Bis in den August hinein dauerte der Aufmarsch des Kreuzheeres. Von Anfang an hatte Kaiser Heinrich darauf bestanden, daß ausschließ­ lich Ritter und ehrbare Männer an diesem Kriegszug teilnahmen. Trotz solcher Einschränkung warteten im Sommer 1197 mehrere Tausend bewaffnete Ritter mit ihren Knappen und Pferden sowie Fußsoldaten auf ihre Einschiffung. Lebensmittel- und Futtervorräte, Ausrüstungsgegenstände, Reparaturmittel und Ersatzteile waren während der vergangenen Wochen und Monate in den Depots der Verschiffungshäfen eingelagert worden. Es war das mit Abstand größte Heeresaufgebot, das in der Epoche der Kreuzzüge bis dahin unter einer einzigen Fahne über das Meer transportiert werden sollte. Die Organisation der bevorstehenden Überfahrt unterstand auf dem Festland von Anfang an dem Kanzler des Reiches, Konrad von Querl'urt. Auf der Insel Sizilien dagegen scheint der Kaiser die Vor­ bereitungen persönlich überwacht zu haben. Ein Teil der sizilischen Flotte der Normannenkönige, die seinerzeit im Hafen von Messina vor Anker gelegen hatte, war im Frühjahr 1191 auf Befehl von Ri­ chard Löwenherz in Brand gesteckt und vernichtet worden. Trotz­ dem war es dem ehrgeizigen Kanzler Konrad in wenig mehr als einem Jahr gelungen, in den bedeutenden Hafenstädten des König­ reiches jeweils Dutzende von Galeeren und zahllose Transport­ schiffe bereitstellen, herrichten oder neu bauen zu lassen. Zusam­ men mit den 44 Koggen des norddeutschen Kontingents, die Anfang August im Hafen von Messina festmachten, könnten damals bis zu 250 Schiffe zur Verfügung gestanden haben, um das Kreuzheer Heinrichs VI. auf dem Seeweg ins Heilige Land zu befördern. Schon hatte es unter den Wartenden in der Augusthitze nicht zuletzt wegen schlechter hygienischer Verhältnisse die ersten Ausfälle gegeben, als endlich der Befehl zur Abfahrt erteilt werden konnte. Neben den 118

fürstlichen Kreuzfahrern verließ nun auch das kaiserliche Söldner­ heer Italien. Mit dem nahezu zeitgleichen Auslaufen der Schiffe um den 1. September 1197 herum begann endlich der Kreuzzug, den der Kaiser über mehr als zwei Jahre hinweg mit Leidenschaft vorange­ trieben hatte und an den er so große Hoffnungen knüpfte. Während Heinrich VI. Ende Mai noch damit beschäftigt war, den Aufstand in Sizilien vollends niederzuwerfen, feierte sein Bruder Philipp in Deutschland eines der denkwürdigen Feste jener Tage. Am 25. Mai, dem Pfingstsonntag, erhielt er zunächst in Augsburg die Schwertleite und wurde damit vollgültig in den Stand der Rit­ terschaft aufgenommen. Auf dem Gunzenlee südlich von Friedberg bei Augsburg heiratete der inzwischen etwa 20 Jahre alte Herzog von Schwaben sodann seine Braut, die griechische Kaisertochter Irene, die inzwischen zum römisch-katholischen Glaubensbekennt­ nis übergetreten war und den Namen Maria angenommen hatte. Phi­ lipp blieb allerdings nur wenig Zeit, um sein junges Glück unbe­ schwert genießen zu können. Schon wenige Wochen später erreichte ihn der Auftrag seines Bruders Heinrich, nach Italien zu kommen und dort den kleinen Friedrich aus Foligno abzuholen, um ihn zur Krönung nach Aachen zu geleiten. Im September brach Philipp mit einer stattlichen Schar von bewaffneten Begleitern auf und über­ querte kurz darauf auf der Brennerstraße die Alpen. Am Abend des 28. September dürfte er in Verona eingetroffen sein. Kaiser Heinrich war nach dem Prozeß gegen die Anführer der Aufständischen von Palermo aus aufgebrochen, um seinen durch den Aufstand unterbrochenen Jagdausflug in den Wäldern im Osten Siziliens fortzusetzen. Von Ende Juli an hielt er sich mit seinem Gefolge in Linaria auf, einem Flecken inmitten eines beliebten Jagd­ gebietes unweit von Patti. In der ersten Augustwoche begann er zu kränkeln. Was für seine Umgebung zunächst wie eine Erkältung aussah, zog sich in die Länge. Der Kaiser selbst dürfte seine Erkran­ kung zunächst ebenfalls nicht ernst genommen haben. Der Aufent­ halt in Linaria wurde nicht abgebrochen. Bis in den September hin­ ein wurden von der Kanzlei weiterhin Urkunden ausgefertigt und die Regierungstätigkeit aufrecht erhalten. 119

Dann aber verschlimmerte sich Heinrichs Erkrankung plötzlich so sehr, daß man ihn in das zwei Tagesreisen entfernte Messina brin­ gen mußte. Auch die Kaiserin war herbeigerufen worden, die an das Krankenlager ihres Gemahls eilte. Sein Befinden verschlechterte sich jedoch noch weiter, als schwere Durchfallattacken den Fieber­ kranken zusätzlich belasteten. Mehrere Tage hindurch blieb sein Zustand äußerst kritisch. Doch dann trat eine Besserung ein, und der Kaiser nahm sogar die Regierungsgeschäfte wieder auf. Schon ließ er Vorbereitungen für seine Rückkehr nach Palermo treffen. Der größte Teil des Hofstaates war mit dem Gepäck bereits abgereist, da warf ihn ein Rückschlag erneut nieder. Am Sonntag, den 28. September 1197, „nach guter Beichte und mit Zerknirschung des Herzens“ , wie der Verfasser der Marbacher Annalen festhielt, starb Kaiser Heinrich VI. in Messina, der Stadt Siziliens, der er am meisten zugetan gewesen war. An seinem Sterbebett standen nur seine Gattin Konstanze und einige wenige enge Vertraute. Wenige Wochen später wäre er 32 Jahre alt gewor­ den. Knapp drei Jahre nach seinem Tod sollen päpstliche Truppen im Anschluß an die Schlacht von Monreale im Juli 1200 im zurückge­ lassenen Gepäck des geflüchteten Markward von Annweiler das Testament gefunden haben, das Kaiser Heinrich VI. angeblich habe hersteilen lassen. Das Wissen um dieses Dokument verdankt die Wissenschaft einer einzigen Quelle, nämlich dem Biographen Papst Innozenz III., des Nachfolgers Coelestins III. Nach eigenen Anga­ ben habe der päpstliche Informant zwar nur einzelne Teile jenes Dokuments, diese angeblich aber wörtlich wiedergegeben. Dabei handelt es sich im besonderen um ausgesprochen weitreichende Verfügungen betreffend des Königreichs Sizilien und Gebietsüber­ tragungen in Italien zu Gunsten der römischen Kirche. Das Original dieses ominösen Schriftstücks ist jedoch nie aufgetaucht, und auch die Kaiserin Konstanze bezog sich zu keinem Zeitpunkt auf diesbe­ zügliche Verfügungen ihres verstorbenen Mannes. Und obwohl schon der Umstand zu größtem Mißtrauen Anlaß geben sollte, daß ein so bedeutendes und inhaltsschweres Dokument 120

Grabmal Kaiser Heinrichs VI. (rechts, links das Grabmal Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen). Palermo, Kathedrale, westliche Kapelle des Südschiffes. Foto, 1997. Bildnachweis: akg-images

nur in Auszügen, nicht aber vollständig abgeschrieben wurde, wird in der Forschung mehrheitlich an der Echtheit festgehalten, wenn­ gleich man heute geneigt ist, eher davon auszugehen, daß es sich bei den übermittelten Inhalten nicht um den Bestandteil eines Testa­ ments, sondern eines Vertragsentwurfs gehandelt haben soll. Diese angeblichen Willensäußerungen Heinrichs VI. stehen jedoch in solch einem fundamentalen Widerspruch zu seiner jahrelang konse­ quent verfolgten Politik, daß die Argumente, die für die Authenti­ zität dieser Verfügungen vorgetragen wurden, keineswegs zu über­ zeugen vermögen. Der Kaiser hatte kaum die Augen für immer geschlossen, da han­ delte Konstanze sofort. Im Wissen darum, daß ihr Schwager Philipp bereits auf dem Weg sein mußte, um ihren Sohn zur Krönung nach Deutschland abzuholen, setzte die Kaiserin alles auf eine Karte. Unmittelbar nach dem Tod Heinrichs muß sie den Auftrag erteilt haben, ihren Sohn aus Foligno abzuholen und ihn nach Palermo zu bringen, um den kleinen Friedrich im bevorstehenden Kampf um das sizilische Erbe bei sich zu haben. Ihre Beauftragten kamen tat­ sächlich noch vor dem Herzog von Schwaben in Foligno an, ließen sich den Knaben aushändigen und brachten ihn sofort zu seiner Mut­ ter nach Sizilien. Als Philipp mit seinen Leuten eintraf, war sein Neffe nicht mehr da. Die rasch befohlene Verfolgung blieb erfolglos. Nur mit großen Mühen konnte sich der Herzog inmitten der ausbrechenden Unru­ hen nach Bekanntwerden von seines Bruders Tod mit seinen Leuten nach Deutschland durchschlagen. Woran Heinrich VI. wirklich starb, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Der Kaiser mag mit der Malaria infiziert gewesen sein. Doch diese Krankheit kann nicht todesursächlich gewesen sein. Die beschriebenen Symptome vor seinem Ableben lassen sich unmöglich mit der Endphase einer tödlich verlaufenden Form der Malaria erklären. Die geschilderten heftigen Durchfallattacken deu­ ten eher auf eine Ruhrinfektion hin. Ob aber diese Krankheit zum Tod geführt hat, ist ebenfalls ungewiß. Denn der mit einer Ruhr­ erkrankung einhergehende extreme Austrocknungsprozeß hätte 121

nach medizinischen Erkenntnissen eine kurzfristige Erholung mit anschließendem Rückfall nicht zugelassen. Angesichts der spärlichen Informationen kann deshalb nicht völlig ausgeschlossen werden, daß der Kaiser Opfer eines Gift­ anschlags geworden sein könnte. Denn Feinde, die ihm nach dem Leben trachteten oder zumindest seinen Tod wünschten, gab es nicht nur unter den Baronen Siziliens. Wenig später wurde sogar das Gerücht verbreitet, die Kaiserin selbst habe ihren Gatten vergiften lassen. Dies stand möglicherweise im Zusammenhang mit dem Vor­ gehen Konstanzes nach Heinrichs Tod, als sie im Hinblick auf das Erbe ihres Sohnes mit rigiden Maßnahmen versuchte, den Einfluß der Deutschen in Sizilien zurückzudrängen und sie zum Verlassen des Königreiches zu bewegen. Doch gibt es für diese Unterstellung wiederum keine Belege. Heinrich VI. wurde in Messina zunächst nur vorläufig bestattet. Erst mehr als ein halbes Jahr nach seinem Ableben wurde sein Leichnam in die Hauptstadt überführt. Die spätere Öffnung des Sar­ kophags belegte, daß Heinrichs Körper sorgfältig einbalsamiert worden war. Wahrscheinlich im Mai 1198 fand die Beisetzung im Dom von Palermo statt, vermutlich im Zusammenhang mit der Krö­ nung seines Sohnes Friedrich zum König von Sizilien. Der Kaiser ruht in einem prachtvollen dunkelroten Porphyrsarkophag, den Konstanze erst hatte herrichten lassen. Im Zuge von Bauarbeiten an der Kathedrale wurde er im Jahr 1781 geöffnet und der Inhalt erst­ mals erfaßt. Dabei wurden Kupferstiche von den Kleidungsstücken angefertigt und der Zustand des Leichnams beschrieben. Auch fast 600 Jahre nach seinem Tod war der Körper Heinrichs noch fast voll­ ständig erhalten. Sogar Haare waren noch auf dem Kopf, der Körper von gelbem Seidenzeug bedeckt. Lorbeerblätter, Stücke von zerris­ senem, beschriebenem Papier und Haarlocken waren um den Leich­ nam herum verteilt worden. Während der Sarkophag seines Sohnes Friedrich II. im Dom von Palermo vor einigen Jahren aufwendig und mit modernsten technischen Mitteln untersucht wurde, wurde die Totenruhe Heinrichs VI. seither nicht wieder gestört. Weitge­ hend unbeachtet von den gegenwärtigen Besucherströmen ruht er 122

bis heute in jenem Land, um dessen Besitz er vom ersten bis zum letzten Tag seiner eigenständigen Regierung als deutscher König, als römischer Kaiser und als König von Sizilien gekämpft und gerungen hatte.

Der Verlauf des Kreuzzugs 1197/98 Durch den überraschenden Tod des Kaisers am 28. September 1197 nur wenige Wochen nach Beginn seines Kreuzzuges stand die­ ses Unternehmen von Anfang an unter keinem günstigen Stern. Die hohen Erwartungen, die der Kaiser mit diesem Projekt verbunden hatte, ließen sich in der Folge nicht mehr erfüllen. Und so nahm ein Unternehmen schließlich ein wenig erfolgreiches Ende, welches über Jahre hinweg mit Beharrlichkeit verfolgt und generalstabsmä­ ßig bis in alle Einzelheiten vorbereitet und durchorganisiert worden war. Was von jenem Kreuzzug übrigblieb wog letztlich so gering, daß die spätere Geschichtsschreibung sogar vergaß, den kaiserli­ chen Feldzug in die offizielle Zählung der Kreuzzüge aufzunehmen. Das Heer, mit dem Kaiser Friedrich Barbarossa 1189 in den Orient gezogen war, wurde auf 12000 bis 15000 Mann geschätzt. Die Streitmacht Heinrichs VI. war bei weitem größer. Mindestens 16000, möglicherweise sogar 18 000 Ritter und Fußsoldaten warte­ ten im Sommer 1197 mit ihren Knappen, Tieren und all den anderen Gegenständen auf ihre Einschiffung. Unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse waren dies riesige Zahlen. Mit dem Eintref­ fen des Gros der Schiffe in Akkon am 22. September 1197 begann der Kreuzzug, an dessen erfolgreiches Gelingen Kaiser Heinrich seine ganzen Hoffnungen geknüpft hatte. Obwohl dabei selbstver­ ständlich auch starke religiöse Motive mitspielten, war es vorder­ gründig ein politisches Unternehmen. Dieser Feldzug, von dem der 123

Kaiser die Rückeroberung Jerusalems erwartet hatte, sollte gleich­ zeitig auch dazu dienen, sein jahrelang vergeblich verfolgtes Haupt­ ziel doch noch zu erreichen - die Anerkennung der kaiserlichen Herrschaft über das Königreich Sizilien durch den Papst. Während der größte Teil der Flotte bereits Akkon ansteuerte, fuh­ ren einige Schiffe mit dem Kanzler Konrad an der Spitze zunächst nach Zypern. Im Auftrag und im Namen Heinrichs VI. sollte dieser den Herrscher der Insel, Amalrich von Lusignan, mit einer eigens mitgeführten Krone zum König krönen. Die Erhebung Zyperns zum Königreich bildete den Abschluß eines Loslösungsprozesses von der Beherrschung der Insel durch das oströmische Kaiserreich, nachdem, wie erwähnt, bereits Ende 1195 Gesandte Amalrichs am kaiserlichen Hof in Deutschland erschienen waren, um im Namen ihres Herrn den Kaiser darum zu bitten, dessen Herrschaft unter den Schutz des Reiches zu stellen. Die Erhöhung Zyperns zum König­ reich begründete somit auch die vorübergehende Oberlehensherr­ schaft über die Insel durch das westliche Imperium. In Palästina hatten sich in den Wochen vor dem Eintreffen des deutschen Hauptkontingents die Ereignisse förmlich überschlagen. Schon Ende April waren in Akkon die ersten deutschen Kreuzfahrer eingetroffen, die sich mit Erzbischof Konrad von Mainz eingeschifft hatten. Sie trafen auf eine undurchsichtige politische Lage. Nach­ dem Sultan Saladin im März 1193 in Damaskus gestorben war, kam es im muslimischen Lager zu heftigen Diadochenkämpfen. Als daher 1195 der mit Richard Löwenherz vereinbarte Waffenstillstand auslief, hinderten die Familienzwistigkeiten der Ayyubiden die Muslime daran, militärisch gegen die Kreuzfahrerstaaten vorzuge­ hen. So bot Sultan el-Aziz eine Verlängerung des Vertrages an, was nur allzu gern akzeptiert wurde. Denn trotz der latent vorhandenen Bedrohung gab es auch im christlichen Lager ständig Zwistigkeiten, Streiterei und Kompetenzgerangel. An einen neuerlichen Krieg zur Rückeroberung Jerusalems war unter den herrschenden Bedingun­ gen überhaupt nicht zu denken. Dies änderte sich nach dem Eintref­ fen der ersten deutschen Kreuzfahrer. Im Wissen um den bevorste­ henden neuen Kreuzzug galt ihnen der Waffenstillstand nichts mehr. 124

Bald schon kam es zu Scharmützeln, welche die Herrscher in Kairo und Damaskus aufschreckten. Binnen kurzem zogen sie ein Heer zusammen, das sich bald gegen die Stadt Jaffa wandte, der zu die­ sem Zeitpunkt südlichsten christlichen Besitzung an der Küste. Um Jaffa war von Richard Löwenherz hart gerungen worden. An strategisch günstiger Stelle gelegen, galt es als Schlüsselposition für eine Rückeroberung Jerusalems. Die christliche Besatzung der stark verteidigten Zitadelle wurde von der Seeseite her mit Übermacht angegriffen. Noch bevor Entsatztruppen herangeführt werden konn­ ten, war die Stadt überrannt und erobert. Bei der Aufstellung des Hilfskontingents für die belagerten Verteidiger Jaffas war am 10. September darüber hinaus König Heinrich von Jerusalem durch einen dubiosen Fenstersturz ums Leben gekommen. Als am 22. Sep­ tember endlich der Hauptteil der deutschen Flotte in den Hafen von Akkon einlief, hatte sich die christliche Hilfstruppe nach dem Fall Jaffas gerade erst wieder hinter die starken Mauern der Stadt zu­ rückgezogen. Zwei Fragen galt es in dieser verworrenen Situation schnell zu klären: Mit welcher militärischen Gegenstrategie konnte den musli­ mischen Truppen am erfolgversprechendsten begegnet werden, und wer sollte die Nachfolge König Heinrichs antreten? Während das kaiserliche Söldnerheer unter dem militärischen Befehl des Reichs­ marschalls Heinrich von Kalden stand, hatten die fürstlichen Kreuz­ zugsteilnehmer noch keinen gemeinsamen Feldherm. Die Wahl der deutschen Fürsten fiel auf Herzog Heinrich von Brabant. Ihm unter­ stellten sich in der Folge auch die einheimischen Streitkräfte. Nach Ankunft des kaiserlichen Kanzlers Konrad in Akkon ging man auch an die Wahl eines neuen Königs. Die Entscheidung der Barone des Königreichs fiel mit ausdrücklicher Unterstützung durch den deut­ schen Kanzler auf Amalrich, den soeben gekrönten neuen König von Zypern. Im „Rat der Fürsten“ , dem Kriegsrat, wurde nun das weitere militärische Vorgehen besprochen. Ein direkter Vorstoß auf Jerusa­ lem schien augenblicklich ausgeschlossen. Durch den Verlust Jaffas war der von der Küste aus kürzeste und direkte Weg nach Jerusalem 125

versperrt. So wurden die Prioritäten neu festgelegt. Trotz großer Anstrengungen während des dritten Kreuzzugs war es damals nicht gelungen, die gesamte Küste wieder geschlossen in christlichen Besitz zu bringen. Zwischen Dschubail und Tyrus war die Graf­ schaft Tripolis im Norden und das Königreich Jerusalem im Süden noch immer durch muslimischen Besitz um die Städte Beirut und Sidon getrennt. Besonders von Beirut aus machten islamische See­ räuber den Schiffsverkehr zu den Kreuzfahrerstädten entlang der Küste unsicher. Nach dem Verlust Jaffas stand nun um so mehr zu befürchten, das kleine Königreich Jerusalem könnte einem konzentrischen Zangen­ angriff endgültig erliegen. Für sein weiteres Überleben war es daher von entscheidender Bedeutung, diese mißliche Lage zu verbessern. Schnell war man sich daher einig, den Angriff zunächst nach Nor­ den zu richten, um durch die Eroberung der Küste als erstes die Landverbindung zwischen den beiden christlichen Territorien wie­ der herzustellen. Im Oktober 1197 begann der Feldzug. Von Tyrus aus stießen die Kreuzfahrer entlang der Küste und gedeckt durch ihre Schiffe nach Norden vor. Schon vor dem Herannahen des Heeres hatten die Mus­ lime die Stadt Sidon fluchtartig verlassen. Die Kreuzritter rückten in eine leere Stadt ein. In Beirut hatten die Muslime selbst die Mauern niederreißen lassen, da wenig Aussicht auf eine erfolgreiche Vertei­ digung bestand. Einer offenen Feldschlacht stellte sich das Heer der Ayyubiden nicht. Nach kurzem Geplänkel gaben die Muslime die Küste preis. Ende Oktober zogen die Christen triumphierend in Beirut ein. Parallel dazu war von Norden her auch der Fürst von Antiochia vorgerückt. Durch diese gemeinschaftliche Aktion wurde das erste Kriegsziel ohne größere Schwierigkeiten und Verluste erreicht: Von Armenien bis hinab nach Caesarea befand sich die gesamte Küstenlinie nun wieder im Besitz der Kreuzfahrerstaaten. Das Heer befand sich noch in Beirut, da trafen erste Nachrichten vom Tod Heinrichs VI. ein. Dies führte zu erheblicher Beunruhi­ gung unter den deutschen Kreuzzugsteilnehmern. Noch aber wollte man der Meldung keinen Glauben schenken. Die Kreuzfahrer kehr126

ten nun jedoch nach Tyrus zurück. Hier bestätigten sich die Nach­ richten über den Tod des Kaisers. Um die entstandene Unsicherheit zu beruhigen, beschloß man im Kriegsrat, daß alle deutschen Reichsfürsten dem jungen König Friedrich II. huldigen sollten. Dann beriet man über das weitere militärische Vorgehen. Ein direk­ ter Angriff auf Jerusalem verbot sich wegen der starken Befesti­ gungen im Hinterland. Deshalb sollte in einer Blitzaktion die Schlüsselfestöng Toron erobert werden, eine Höhenburg, die den Verkehrsweg zwischen Damaskus und den Küstenstädten kontrol­ lierte. Ihr Besitz war unerläßlich, um sicherzustellen, bei weiteren Operationen nicht durch ein feindliches Heer im Rücken aus Rich­ tung Damaskus bedroht zu werden. Ende November hatten die Kreuzfahrer die Burg von allen Seiten eingeschlossen. Doch der erwartete schnelle Erfolg blieb ihnen versagt. Und so verstrich der Dezember mit der Belagerung. Bergleute aus Goslar unterminierten den Felsen, auf dem die Burg errichtet war und brachten zum Entsetzen der Verteidiger die äußeren Umfassungsmauern endlich zum Einsturz. Gegen freien Abzug waren sie nun bereit, die Burg zu übergeben. Über die Übergabebedingungen kam es auf beiden Seiten jedoch zu heftigen Auseinandersetzungen. Die bereits er­ folgte Übergabevereinbarung wurde wieder verworfen. Und so ver­ ging auch der Januar, ohne daß die Festung eingenommen werden konnte. Während dem Belagerungsheer die Zeit davonlief, handelten die Gegner. Neue Kampfverbände waren zusammengezogen worden. Von Norden und Süden näherten sich muslimische Entsatztruppen. Eine Proviantkarawane, die wegen der sich verschlechternden Ver­ sorgungslage des Heeres mit starken Sicherungskräften noch im Januar nach Tyrus aufgebrochen war, kehrte am 1. Februar 1198 glücklich in das Lager der Kreuzfahrer vor Toron zurück. Ihre Füh­ rer berichteten vom Aufmarsch starker militärischer Verbände. Der sofort einberufene Kriegsrat beschloß, die Entscheidungsschlacht am folgenden Tag herbeizuführen. Da wird bekannt, daß der Kanz­ ler Konrad mit all seinen Rittern das Lager verlassen hat und auf dem Weg zur Küste sein soll. In Scharen verlassen die Ritter und ihr 127

Gefolge nun den Kriegsschauplatz und kehren nach Tyrus und Akkon zurück. Die Nachrichten aus Italien über die zusammenbrechende kaiser­ liche Herrschaft, über Aufruhr in Sizilien sowie die Gerüchte von einem beginnenden Thronstreit um die Nachfolge im Reich nahmen dem Feldzug jeden politischen Sinn. Wie kein anderer war dieser Kriegszug mit der Person und den Zielen Heinrichs VI. verbunden gewesen. Nun aber war der Kaiser tot, die Ordnung im Reich an­ scheinend in Auflösung. Selbst die schon sicher geglaubte Nach­ folge des kleinen Friedrich war plötzlich wieder völlig offen, nach­ dem sich herausstellte, das sich der Knabe nicht wie erwartet in Deutschland, sondern bei seiner Mutter in Palermo befand. Der Kreuzzug Kaiser Heinrichs VI. war damit zu Ende. Schon bald dar­ auf schiffte sich die Hauptmasse der deutschen Kreuzfahrer in den Hafenstädten wieder ein. Mit den Ayyubiden wurde im Juni 1198 ein neuer Waffenstillstand ausgehandelt. Es wurde vereinbart, daß der zurückeroberte Küstenstreifen den Franken verbleiben sollte. Die Stadt Jaffa dagegen wurde nicht mehr herausgegeben. Der Kon­ trakt sollte fünf Jahre und acht Monate gültig bleiben. Er wurde unterzeichnet, als garantiert war, daß den Christen der freie Pilger­ verkehr an die Heiligen Stätten erlaubt blieb.

Nachwirken Der Kaiser war noch nicht beigesetzt, als die Kurie in Rom schon daranging, die von ihr erbittert bekämpfte Verbindung des Kaiser­ reiches mit ihrem sizilischen Lehen wieder rückgängig zu machen. Noch während des Pontifikats Coelestins III., vor allem aber unter seinem Nachfolger Innozenz III. ab Januar 1198, gelang es der römi­ schen Kirche binnen kurzem, die eigene Machtstellung in Mittelita128

lien durch die juristisch wiederum äußerst fragwürdige Politik der Rekuperationen umfassend auszubauen. Ziel war dabei die Herstel­ lung eines päpstlich kontrollierten Landriegels quer durch die itali­ enische Halbinsel, um Reichsitalien auch territorial dauerhaft vom Gebiet des Königreiches Sizilien zu trennen. Der in Deutschland alsbald einsetzende Thronstreit um die Königswürde und somit um das Kaisertum kam dem Papst bei der Umsetzung seiner Pläne durchaus gelegen. Von Rom aus wurde keineswegs unparteiisch beobachtet, wie der Machtkampf zwi­ schen Staufern und Welfen wieder aufflammte und in einen offenen Krieg einmyndete. Nachdem feststand, daß der bereits zum deut­ schen König gewählte kleine Friedrich nicht nach Deutschland zur Krönung kommen würde, zeigte sich bald, daß die Sympathien und dann auch die Unterstützung der päpstlichen Kurie der welfischen Partei um Otto IV. und Erzbischof Adolf von Köln galten. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt, bis Papst Innozenz III. auch aktiv in den Thronstreit eingriff, Mitsprache an der Besetzung des Kaisertums einforderte und sich schließlich eindeutig für den Welfen Otto IV. und gegen die Rechte Philipps von Schwaben und Friedrichs am deutschen Königtum und römischen Kaisertum aussprach. Auch dadurch wurde das Ringen um die deutsche Kö­ nigskrone immer wieder verlängert und dauerte am Ende zehn Jahre. An dieser Positionierung des Papstes zeigte sich einmal mehr die Kontinuität der päpstlichen Politik bei der Verfolgung des für die Kirche als unabänderlich erkannten Ziels. Auch Innozenz III. blieb in seinem Handeln von allen Rechtsvereinbarungen oder Erbrege­ lungen unbeeindruckt darauf ausgerichtet, die Beherrschung Italiens durch einen einzigen Souverän zu verhindern. Nicht zuletzt wegen der päpstlichen Partei- und Einflußnahme auf die Nachfolge im deutschen Königreich mobilisierten die beiden Kontrahenten Phi­ lipp von Schwaben und Otto, Sohn Heinrichs des Löwen, in den Folgemonaten nach dem Ableben Heinrichs VI. all ihre Kräfte, so daß keinem von beiden Zeit blieb, sich um das Problem „Sizilien“ kümmern zu können. In dem dadurch entstandenen politischen Frei129

raum versuchte Innozenz III. im Königreich Sizilien die päpstlichen Vorstellungen durchzusetzen. Nachdem es der Kaiserin Konstanze gelungen war, ihren Sohn zu sich nach Palermo zu holen, war eine wichtige Vorentscheidung gefallen. Indem sie im Namen Friedrichs auf dessen Rechte aus sei­ ner 1196 erfolgten Wahl zum deutschen König verzichtete und ihn im Mai 1198 zum König von Sizilien krönen ließ, wurde die Ver­ bindung des Königreichs mit dem Imperium Romanum wieder ge­ löst. In ihrem Kampf um die Anerkennung der Rechte ihres kleinen Sohnes auf das sizilische Erbe durch den Papst geriet die Kaiserin bald in eine verzweifelte Lage. Das bot der Kurie in Rom die unver­ hoffte Gelegenheit, um zu Vereinbarungen zu gelangen, welche die mit König Tankred im Konkordat von Gravina getroffenen noch übersteigen sollten, und die mit Heinrich VI. niemals zu erreichen gewesen wären. Mit der Anerkennung Friedrichs durch die römi­ sche Kirche sollte das päpstliche Lehen Sizilien nicht nur dauerhaft vom Reich getrennt, sondern auch eine weitgehende Einflußnahme der Kurie im Königreich durchgesetzt werden. Durch den überra­ schenden Tod Konstanzes im November 1198 kam es nicht mehr zum Abschluß eines diesbezüglich bereits ausformulierten Vertra­ ges. Dies verhinderte jedoch nicht die territoriale Abriegelung Sizi­ liens von Reichsitalien. Wohl anerkannte der Papst infolge der Übernahme einer Vormundschaft für Heinrichs und Konstanzes damals vierjährigen Sohn Friedrich dessen Recht auf das sizilische Erbe; die dauerhafte Verbindung des Reiches mit dem normanni­ schen Königreich im Süden Italiens war dagegen zunächst bis auf weiteres gescheitert.

Schlußbetrachtung Der Tod Kaiser Heinrichs VI. am 28. September 1197 war in mehrerer Hinsicht eine Zäsur. Zum einen leitete er einen Umbmch ein, der die Reichsgeschichte in völlig neue Bahnen lenken sollte. Auf der Ebene der Königsherrschaft in Deutschland und Italien bewirkte er die sukzessive Entmachtung des Königtums zugunsten der weltlichen und geistlichen Landesfürsten und anderer partikula­ rer Kräfte. Heinrich VI. konnte seine Herrschaft noch auf ein breites Fundament von Königsrechten stützen. Obwohl schon im Zusam­ menhang mit dem Frieden von Venedig 1177 zahlreiche einstige Reichsrechte preisgegeben werden mußten, war diese Machtgrund­ lage in den 90er Jahren des 12. Jahrhunderts noch breit genug, um den Erbreichsplan für die meisten Fürsten zu einer attraktiven Alter­ native zu machen. Ganz im Sinn eines durchgehend pragmatischen Handelns zielte die Umwandlung des deutschen Königreiches in eine Erbmonarchie darauf, das Beziehungsgeflecht zwischen König und Fürsten den veränderten politischen Gegebenheiten anzupas­ sen. Dieses bedeutende Projekt wurde jedoch zurückgenommen, weil es Bestandteil einer Politik Heinrichs VI. gewesen war, deren vorrangiges Ziel nicht die Einführung der Erbmonarchie im deut­ schen Königreich, sondern die Anerkennung seiner und seiner Gat­ tin Herrschaft im Königreich Sizilien durch die römische Kirche war. Dabei wurde der in Aussicht gestellte Kreuzzug immer wichti­ ger, bis er die kaiserliche Politik schließlich in einem solchen Aus­ maß beeinflußte, daß die Staatsreform in Deutschland zugunsten der klassischen Nachfolgesicherung durch die Wahl Friedrichs zum König hintangestellt wurde. Auch hierbei bewirkte der Tod Heinrichs VI. eine Zäsur. Denn im Zusammenhang mit dem Thronstreit in Deutschland war eine be­ schleunigte Preisgabe von weiteren Königsrechten verbunden. Die Machtgrundlage des Königtums reichte schließlich nicht mehr aus, um gegenüber den immer mehr erstarkenden Partikularkräften den Plan der Durchsetzung einer Erbmonarchie im deutschen König­ reich noch einmal aufgreifen zu können. Infolge dieser Entwicklung 131

mußte Friedrich II. 1213 schließlich wesentliche Rechte der Krone bezüglich der Wahl des Hohen Klerus im deutschen Königreich endgültig preisgeben, was gleichzeitig auch die Aufhebung des „Wormser Konkordates“ bedeutete. Kaum 20 Jahre später verzich­ tete er zudem auf die wichtigsten Königsrechte gegenüber den welt­ lichen Fürsten. Von diesem Aderlaß konnte sich das Königtum nie wieder erholen. Die wohl tiefste Zäsur ergab sich jedoch für das Verhältnis zwi­ schen Kaisertum und Papsttum. Der Tod Heinrichs VI. führte zum endgültigen Sieg des Papsttums und damit zur Durchsetzung eines Ziels, das schon während des Investiturstreits von damaligen Re­ formpäpsten wie etwa Gregor VII. vorgegeben worden war. War es anfänglich vorrangig darum gegangen, die kaiserliche Suprematie über Kirche und Papsttum abzuschütteln und die „libertas ecclesiae“ (Freiheit der Kirche) herzustellen, strebten manche Päpste bald selbst danach, eine Oberherrschaft über alle weltlichen Regenten im Einflußbereich der römischen Kirche auszuüben. Infolge des Frie­ dens von Venedig akzeptierte Kaiser Friedrich Barbarossa eine dua­ listische Parität von Kaisertum und Papsttum. Diese Vorstellung von einem gleichrangigen Nebeneinander der beiden zentralen Mächte prägte auch die Kaiseridee Heinrichs VI. Noch viel mehr als sein Vater war Heinrich aber ein pragmatischer Politiker, der sein Vorge­ hen geschmeidig den jeweiligen Umständen anzupassen verstand. Auf der Grundlage seines ausgeprägten legalistischen Rechtsver­ ständnisses verfolgte er von Anfang an die Durchsetzung des Erb­ anspruchs seiner Gattin Konstanze auf das sizilische Erbe. Dies geschah lange Zeit unter der Prämisse einer gütlichen Einigung mit dem päpstlichen Lehensherrn des Königreichs. Darum strebte der Kaiser im Rahmen seiner eigenen Vorstellung einer dualistischen Parität zwischen den beiden Gewalten auch den umfassenden Aus­ gleich mit der römischen Kirche an, um die prinzipiellen Bezie­ hungen zwischen Kaisertum und Papsttum auf eine solide, für die Zukunft tragfähige Grundlage zu stellen. Erst als die päpstliche Kurie alle Einigungsvorschläge zurückgewiesen hatte, versuchte der Kaiser sein Ziel gegen die Bestrebungen der Kirche durchzuset132

zen. Dabei war er weit vorangeschritten, als ihn der Tod ereilte. Sein Tod beendete für immer die Vorstellung einer Gleichrangigkeit zwi­ schen Kaisertum und Papsttum, nachdem Papst Innozenz III. bald darauf begann, die päpstliche Suprematie über die weltlichen Herr­ scher einzufordern. Danach konnte das abendländische Kaisertum niemals wieder an seine frühere Machtstellung anknüpfen, insbe­ sondere nachdem Friedrich II. auf die wichtigsten Königsrechte ver­ zichtet und damit dem deutschen Königtum im wesentlichen seine Machtgrundlage entzogen hatte. Ein grausamer, machtbesessener Despot soll Heinrich VI. nach dem Urteil seiner Gegner und Kritiker gewesen sein. In seinem ziel­ gerichteten Handeln, wie es sich heute erschließt, präsentiert sich dieser weitgehend unbekannte Kaiser dagegen als ein selbstbewuß­ ter, pragmatischer Politiker, der seine Ziele immer erst auf dem Ver­ handlungsweg zu erreichen suchte, ehe er zu anderen Mitteln griff. Auf der Grundlage unverrückbarer legalistischer und tradierter Grundsätze bezüglich seiner Herrscherwürde als König und Kaiser versuchte er stets, mit klugen taktischen Manövern jene Ergebnisse zu erreichen, die mit den Vorstellungen, ja, mit der Idee Heinrichs von der Königs würde und dem Kaisertum in Übereinstimmung zu bringen waren. Diese geradezu modern anmutende diplomatische Kunstfertigkeit im Umgang mit seinen Kontrahenten beeindruckt auch mehr als 800 Jahre nach seinem Tod immer noch. Herrscher wie Heinrich VI. hat es auf dem Thron des mittelalterlichen römi­ schen Kaiserreichs nur sehr wenige gegeben.

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Karte der Urkundenempfänger 1189-1197 Die Karte macht eindrucksvoll deutlich, wie intensiv sich der Kai­ ser in den wenigen Jahren seiner Regierung allen Teilen seines Rei­ ches widmete, besonders aber dem ihm durch Heirat zugefallenen Königreich Sizilien. Bearbeitung: Peter Thorau 136

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Urkundenempfängerkarte Kaiser Heinrichs VI.

Grafische Gestaltung: Atelier Lohrer, Stuttgart