Junge Hirten und alte Fischer: Die Gedichte 27, 20 und 21 des Corpus Theocriteum [Reprint 2012 ed.] 3110192241, 9783110192247

Robert Kirstein untersucht drei Gedichte des Corpus Theocriteum, die auf Grund vermuteter Unechtheit in der Forschung de

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Junge Hirten und alte Fischer: Die Gedichte 27, 20 und 21 des Corpus Theocriteum [Reprint 2012 ed.]
 3110192241, 9783110192247

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Robert Kirstein JUNGE HIRTEN UND ALTE FISCHER



TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Siegmar Döpp, Adolf Köhnken, Ruth Scodel

Band 29

Walter de Gruyter · Berlin · New York

JUNGE HIRTEN UND ALTE FISCHER Die Gedichte 27, 20 und 21 des Corpus Theocriteum

von

Robert Kirstein

Walter de Gruyter · Berlin · New York

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISSN 0563-3087 ISBN 978-3-11-019224-7 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Satz: Tim Doherty · Rhema, Münster Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

Kopfreplik des Alten Fischers, Typus Vatikan-Louvre, Marmor

Archäologisches Museum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Inventar-Nr. 2035 (Foto: Ulla Gericks)

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Wintersemester 2005/06 vom Fachbereich Geschichte/ Philosophie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde. Mein ganz besonderer Dank gilt Adolf Köhnken, der diese Arbeit angeregt und durch steten Rat und Kritik gefördert hat, sowie Christian Pietsch, ohne dessen selbstlose Unterstützung das Projekt nicht so schnell hätte abgeschlossen werden können. Den Kollegen des Münsteraner Instituts danke ich für so manchen Hinweis und die angenehme Atmosphäre, die das Arbeiten zum Vergnügen gemacht hat. Zahlreiche Anregungen und Unterstützung habe ich erfahren von William M. Calder, Marco Fantuzzi, Annette Harder, Marcus Heckenkamp, Stephan Heilen, Rainer Henke, Richard Hunter, Jaap Mansfeld, Armin Müller, H.-Helge Nieswandt, Konrad Repgen, Dieter Salzmann, Thomas Schmitz, Bruce Swann, Teun Tielemann, Stephan Trzkoma und Sabine Völlinger. Die Fondation Hardt hat mir mehrere Forschungsaufenthalte ermöglicht, in denen ein Teil dieser Arbeit entstanden ist. Den Herausgebern danke ich für die Aufnahme in die Reihe ›Texte und Kommentare‹ und Frau Sabine Vogt vom Verlag Walter de Gruyter für die exzellente Betreuung. Frau stud. phil. Maria Hellmann hat das ganze Manuskript mit bewundernswerter Sorgfalt korrekturgelesen. Gewidmet ist die Arbeit den beiden Menschen, die meinen Werdegang von Anfang an in besonderer Weise begleitet haben, meinem Lehrer Adolf Köhnken und meinem Vater Roland Kirstein. Münster, 5. Februar 2007

Robert Kirstein

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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17 17 24 30

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Idyll 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gedicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zum Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zur Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Darstellungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Konstruktionsprinzip retrospektiver Verständniserhellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Vollständigkeit des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Vollständigkeit des Gedichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 Die Verse 72–73 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Literarische Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 34 42 42 45 46 47 66

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Textgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zu den frühen Drucken der idd. 27, 20 und 21 3. Zur Textwiedergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . Conspectus siglorum

Idyll 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Text und Übersetzung . . . . . 2. Das Gedicht . . . . . . . . . . . . 2.1 Zum Text . . . . . . . . . . 2.2 Zur Forschungsgeschichte 2.3 Interpretation . . . . . . . .

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. 89 . 90 . 96 . 97 . 98 . 101

X

Inhalt

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6

Aufbau . . . . . . . . . . . . . . Darstellungsform . . . . . . . Welt der Hirten . . . . . . . . Lob der eigenen Vorzüge . . Katalog mythischer Exempla Anhang: Parallelen . . . . . .

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139 140 150 150 151 154 155 162 163 164 180 184 203

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Idyll 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gedicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zum Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zur Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . 2.3 Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Darstellungsform . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Bezüge zum Corpus Theocriteum . . . . . 2.3.4 Abweichungen vom Corpus Theocriteum 2.3.5 Fischer im Corpus Theocriteum . . . . . . 2.3.6 Exkurs: Fischer im Hellenismus . . . . . . 2.3.7 Asphalions Traum . . . . . . . . . . . . . .

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Schlußbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Literaturverzeichnis . . . . . . . . 1. Ausgaben und Kommentare 2. Forschungsbericht . . . . . . . 3. Literatur . . . . . . . . . . . . .

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Indizes . . . . . . . . . . . 1. Namen und Sachen 2. Wörter . . . . . . . . 3. Stellen . . . . . . . . .

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Einleitung Unter dem Namen Theokrits sind dreißig überwiegend vollständige Gedichte, vierundzwanzig Epigramme und ein Figurengedicht (Syrinx) überliefert. 1 Ihre Zusammenstellung bezeichnet man als Corpus Theocriteum. Es handelt sich dabei um ein modernes Konstrukt, denn keine Handschrift aus Antike, Mittelalter oder Renaissance überliefert die genannten Werke als ein einheitliches Ganzes. 2 So kommt Gow in seiner Ausgabe von 1950 (2 1952) auf eine Gesamtzahl von insgesamt nicht 30, sondern 31 Gedichten, weil er einem auf dem Papyrus Antinoe (P 3 Gow; saec. V.) gefundenen Fragment im Gegensatz zu anderen Bruchstücken eine eigene Nummer (31) zuweist. 3 Gallavotti nimmt in seine Ausgabe das von Athenaios überlieferte Fragment Berenike, von Gow im Anschluß an 31 ohne Nummer unter Jeokr–tou Çpospàsmata geführt, mit eigener Nummer unter die Gedichte auf, die damit bei ihm eine Gesamtzahl von 32 ergeben. 4 Zu den allgemein als nicht theokriteisch angesehenen Gedichten gehören Idyll 8, 9, 19, 20, 21, 23, 25 und 27. 5 Auch die Echtheit einiger Epigramme ist fraglich. 6 Die genannten Gedichte haben auf Grund vermuteter Unechtheit in der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts weniger Berücksichtigung gefunden als die unumstrittenen Gedichte. Köhnken verzeichnet in seinem Forschungsbericht für den Zeitraum von 1950 bis 1998 beispielsweise 1 Zur Text- und Editionsgeschichte s. die Monographien von Hiller (1888) und Wilamowitz (1906) sowie die kritischen Ausgaben von Ahrens (1855–1859) 1, V–LXXX, Gow (2 1952) 1, xxx–lxxxiv und Gallavotti (3 1993) 297–380. Eine gute Übersicht bietet Dover (1971) xv–xviii. Weitere Lit. bei Köhnken (1995) 214. Zur Frage der Entstehung des Corpus Theocriteum im Altertum s. Gutzwiller (1996a) 119–148; weitere Lit. unten Anm. 97. Die Bedeutung der Ausgabe von Ahrens (1855–1859) hebt Wilamowitz (1906) 2–3 hervor. 2 Hunter (1996b) 28. 3 Gow (2 1952) 1, 236 und 2, 519. 4 Gallavotti (3 1993) 223; Gow (2 1952) 1, 238. Zu diesem Fragment s. unten S. 183. 5 So in den Ausgaben von Gow (2 1952) und Gallavotti (3 1993). Zu Idyll 25 s. Gallavotti (3 1993) 28 und 32. Er führt dieses Gedicht unter »Incerti auctoris«, nicht wie die übrigen umstrittenen Gedichte unter »Anonymi«. 6 Gow (2 1952) 2, 527 und jetzt ausführlich Rossi (2001) passim, bes. 353–375.

2

Einleitung

45 Aufsätze zu Idyll 1 (Thyrsis-Lied) und 85 zu Idyll 7 (Thalysien). Dem stehen 7 Aufsatzpublikationen zu Idyll 21 (Fischer) und nur 3 zu Idyll 27 (Oaristys) gegenüber. 7 Nimmt man die anteiligen Ausführungen der im Forschungsbericht genannten Monographien hinzu, tritt die Vernachlässigung der als unecht geltenden Stücke des Corpus noch deutlicher hervor. Eine Ausnahme in diesem Gesamtbild stellt lediglich der jüngst erschienene Einzelkommentar zu Idyll 21 von Luigi Belloni dar. 8 Der geschilderte Befund entspricht dem allgemein üblichen Umgang mit autorlosen Texten der Antike: »The ›authorless‹ text (or that which is judged so) has, on the whole, received a cold reception from classicists; for reasons which lie deep in the heart of the history of the subject, classicists have, on the whole, never been very comfortable with the anonymous, and this anxiety may indeed surface in ›aesthetic condemnation‹ « (Hunter).9 Die folgenden Untersuchungen befassen sich mit drei solchen Gedichten: Idyll 27 (Liebesgespräch), 20 (Boukoliskos) und 21 (Fischer). Dabei geht es jedoch nicht allein darum, die angesprochene Forschungslücke zu schließen. Vielmehr soll durch eine genaue Interpretation auch das allgemeine Verständnis der Bukolik Theokrits und seiner Nachfolger ein wenig gefördert werden. Eine Analyse der Gedichte, von denen Idyll 20 und 27 in der Regel als ›bukolisch‹ verstanden werden, nicht aber Idyll 21,10 scheint nämlich geeignet, einen Beitrag zur Behebung der »Unschärfe« des Bukolik-Begriffs nicht nur der Antike (Fantuzzi) 11, sondern auch der Gegenwart zu erbringen. Auch hier gilt die von Köhnken getroffene Feststellung, daß in der modernen Forschungsliteratur »nicht selten Thesen den Ausgangspunkt bilden, bevor überhaupt der jeweils zur Diskussion stehende Text analysiert worden ist, statt daß der Text und die sich aus ihm ergebenden Fragen zum Anlaß für eine These zu ihrer Lösung genommen werden.«12 Ziel muß sein, zunächst die Grundlagen zu verbreitern, mit deren Hilfe Merkmale und 7 Köhnken (1995) 254–262, 279–296 und Köhnken (1999) 42–43, 62–63. 8 Belloni (2004), mit kritischem Text und Übersetzung. – Hingewiesen sei auch auf den in Vorbereitung befindlichen Aufsatz von Marco Fantuzzi zu Idyll 20 »The Importance of Being Boukolos: Ps.-Theocr. 20«, in the proceedings of the conference: M. Paschalis (Hrsg.), The Successors of Theocritus and Virgil. The Reception of Bucolic Poetry in Ancient and Modern Times (May 22–23, 2006). 9 Hunter (2002) 91. 10 Zum Beispiel Fantuzzi (1997b) 828; Reed (1997) 29–30. 11 Fantuzzi (1997b) 831–832. 12 Köhnken (2006) 2–3.

Einleitung

3

Grenzen dieser Dichtungsart näher erfaßt werden können. Die Gewinnung inhaltlicher Kriterien für die Gattung Bukolik ist unumgänglich zur näheren Bestimmung dieser literarischen Dichtungsform und ihrer Nachwirkungen. Ein konventionell-pragmatischer Bukolikbegriff, wie ihn Bernsdorff seiner Untersuchung zu Hirtendarstellungen in der nicht-bukolischen Dichtung zugrundelegt (»alle unter dem Namen des Theokrit, des Moschos und des Bion überlieferten Gedichte«), 13 kann für den bezeichneten Zweck nicht dienlich sein, so sinnvoll er für Bernsdorffs eigene Themenstellung auch ist. Die Schwierigkeit, sich dem Phänomen Bukolik gattungstheoretisch zu nähern und es definitorisch zu erfassen, 14 liegt darin beschlossen, daß der Begriff selbst und die darunter subsumierten literarischen Werke im Laufe der Zeit einem stetigen Wandel unterworfen waren. Zunächst muß man damit rechnen, daß bei der Anlage antiker Sammlungen ›bukolischer‹ Dichtung andere Gesichtspunkte leitend gewesen sein können als in der Neuzeit: »Modern criticism of Greek bucolic, looking back through the spectacles of the modern genre of pastoral, has suffered first from a blindness to the range of Theocritus’ work and secondly from an almost complete neglect of the poetry of his followers, the remains of Moschus and Bion and the pseudo-Theocritean idylls in our collections« (Reed). 15 Die hier geäußerte Skepsis gegenüber einer zu engen Auffassung von ›Bukolik‹ kann sich auf eine Reihe von antiken und byzantinischen Zeugnissen stützen. Ganz offensichtlich gab es eine Tradition, die drei Autoren Theokrit, Moschos und Bion als eine kanonische Trias bukolischer Dichtung anzusehen. 16 Im Eintrag der Suda zu Theokrit finden sich die drei Autoren unter dem Stichwort ›Bukolik‹ vereint:  stËon d‡ Ìti treÿc gegÏnasi Boukolik¿n ‚p¿n poihta–, JeÏkritoc oÕtos–, MÏsqoc Sikeli∏thc ka» B–wn  Smurnaÿoc (Suda J 166). 17 13 Bernsdorff (2001) 10–12, Zitat 10; s. auch unten S. 6. 14 Zum Forschungsstand (in Auswahl) s. Schmidt (1972); ders. (1987); Effe (1977); Halperin (1983); Hutchinson (1988) 143–144; Nauta (1990); Gutzwiller (1991) 3–19; Hubbard (1993); Reed (1997) 3–15; Hubbard (1998) 19–44; Bernsdorff (2001) 10–12; Fantuzzi-Hunter (2004) 133–190. – Zum Bedeutungswandel des mit der Bukolik verbundenen Wortes e d‘llion von der Bezeichnung eines kleinen Einzelgedichts zum bukolischen Hirtengedicht s. Nauta (1990) 123; Gutzwiller (1996a) 129–133; Effe-Binder (2 2000) 27. 15 Reed (1997) 4. 16 Fantuzzi (1997a) 691 nimmt eine Fixierung dieses Kanons aber erst nach dem 5. Jahrhundert an. 17 Hubbard (1998) 37 Anm. 57 weist darauf hin, daß das Bestreben der alexandrinischen Gelehrten, jedem Autor klassifikatorisch jeweils ein Genre zuzuweisen (dazu Pfeiffer

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Einleitung

Dieselbe Zusammenstellung von Theokrit, Moschos und Bion begegnet auch in einem Scholion zu Moschos’ Stück óErwc drapËthc (AP 9, 440). 18 Servius erwähnt Moschos in einem Atemzug zusammen mit Theokrit als Autor von Bucolica. Stobaios führt in ähnlicher Weise die von ihm zitierten Bion-Fragmente unter dem Sammelbegriff Boukolikà ein. 19 Der anonyme Verfasser des Epitaphion Bionis apostrophiert Bion als ›Rinderhirten‹ 20 und preist ihn als bukolischen Dichter, der im Gegensatz zu Homer nicht Kriege, sondern die Welt des Pan besungen habe: keÿnoc d+ oŒ polËmouc, oŒ dàkrua, Pêna d+ Ímelpe ka» bo‘tac ‚l–gaine ka» Çe–dwn ‚nÏmeue ka» s‘riggac Íteuqe ka» ÅdËa pÏrtin ämelge ka» pa–dwn ‚d–daske fil†mata ka» t‰n óErwta Ítrefen ‚n kÏlpoisi ka» ¢reje tÄn >Afrod–tan. (v. 80–84). 21

Die gattungsdefinitorischen Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß die Antike auch solche Werke von Theokrit, Moschos und Bion als ›bukolisch‹ bezeichnet hat, die weder von Hirten handeln noch sonst in ihrer Thematik irgendwie ›bukolisch‹ anmuten. Das zeigt sich exemplarisch an Theokrits Hylas-Idyll (13), das die Apollonios-Scholien zu den ›Boukolika‹ rechnen, obwohl es nicht Hirten zum Gegenstand hat, sondern mit Herakles und Hylas zwei heroische Figuren des Mythos behandelt. 22 Die Polyphemgedichte 6 und 11 zeigen, wie Theokrit eine andere Figur des Mythos ›bukolisiert‹, indem er den Kyklopen »geradezu in den Kategorien

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[1968] 203–209), gegenläufig von der vielbesprochenen experimentellen Tendenz zur Gattungskreuzung (s. unten Anm. 23) begleitet wird. Das Gedicht ist sowohl in der Anthologia Graeca als auch in den Bukolikerhandschriften überliefert (s. Gallavotti [3 1993] 236). Das Scholion lautet: o›toc  MÏsqoc poiht†c ‚sti t¿n kaloumËnwn boukolik¿n poihmàtwn, ¡n pr¿toc JeÏkritoc, de‘teroc aŒt‰c  MÏsqoc, tr–toc B–wn Smurnaÿoc (Waltz-Soury [1974] 43). S. auch Cameron (1993) 248–249. Moschos: Servius, Prooem. Verg. Ecl.: intentio poetae haec est, ut imitetur Theocritum Syracusanum, meliorem Moscho et ceteris qui bucolica scripserunt (p. 2, 14–16 Thilo-Hagen). Bion: z.B. Stobaios 3, 29, 52 ‚k t¿n B–wnoc Smurna–ou boukolik¿n zur Einleitung von frgm. 4 (ähnlich 4, 1, 8 zu frgm. 6; 4, 16, 14 zu frgm. 7; 4, 20a, 7 zu frgm. 9 und öfter; s. allgemein Reed [1997] 3). BoukÏloc: v. 11, vgl. v. 95 und 120; bo‘tac: v. 65, vgl. v. 81. Dazu Nauta (1990) 134–135. Zum Bionepitaph s. auch Mumprecht (1964) passim und Schmidt (1972) 69–92. Schol. Ap. Rh. 1, 1236 (p. 112, 11) JeÏkritoc ‚n toÿc Boukolikoÿc ‚n tƒ ìUl¯ ‚pigrafomËn˙ Õp‰ pas¿n fhsin aŒt‰n t¿n numf¿n ôrpàsjai (id. 13, 46ff.). Diese und weitere Beispiele behandelt Bernsdorff (2001) 11.

Einleitung

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›Schafzucht‹, ›Milchgewinnung‹ und ›Käsezubereitung‹ « denken läßt.23 Im Schnitter-Idyll 10 haben wir es mit einer ländlichen Szenerie zu tun, die Akteure sind aber keine Hirten, sondern Erntearbeiter. Hutchinson zählt es zu den ›bukolischen‹ Gedichten, Fantuzzi und Hunter dagegen nicht.24 Für den Standpunkt Hutchinsons spricht vielleicht nicht nur die Präsenz von ländlicher Szenerie, Liebesthematik und Gesang, sondern man könnte auch auf Idyll 7 verweisen, das beide Berufsgruppen unmittelbar zusammen nennt: t‰n d+ ‚g∞ Çme–fjhn; Luk–da f–le, fant– tu pàntec / ™men suriktÄn mËg+ Õpe–roqon Ín te nome‹sin / Ín t+ Çmat†ressi (v. 27–29). Die Reihe von in gattungstheoretischer Hinsicht problematischen Gedichten alleine im Corpus Theocriteum ließe sich weiter fortsetzen: »Wenn man zum Beispiel das erste oder fünfte Idyll als Prototypen der bukolischen Dichtung sieht, wird bei anderen Gedichten Theokrits fraglich, ob sie noch unter diese Kategorie fallen« (Bernsdorff). 25 Schon der allgemein als authentisch geltende Teil des Corpus Theocriteum erweist sich somit als viel zu komplex, um eine eindeutige Trennlinie zwischen ›bukolischen‹ und ›nicht-bukolischen‹ Gedichten zu ziehen. Ein vergleichbares Bild ergibt sich, wenn man die Werke von Moschos und Bion auf ihren bukolischen Gehalt hin überprüft. Bei Moschos weist nur ein einziges Werk direkte thematische Bezüge zur theokriteischen Bukolik auf. Es handelt sich um das von Gow unter den Apospasmata geführte Fragment 1, das den Gegensatz zwischen Land und Meer zum Inhalt hat. 26 Auch die Europa zeigt »eine gewisse Vorliebe für die Landschaftsbeschreibung« 27, etwa im Motiv des Blumensammelns (v. 63–71)28, gehört insgesamt aber

23 Dazu Köhnken (1996b) 172–174, Zitat 173. Bedenken gegen eine Abgrenzung bukolischer Gedichte von nichtbukolischen Gedichten im Werk Theokrits z.B. auch bei Bulloch (1992) 333. – Zur ›Kreuzung der Gattungen‹ (so Kroll [1924] 202–224) in der hellenistischen Literatur s. die Beiträge in: Harder u.a. (1998) sowie Fantuzzi-Hunter (2004) 17–41 und 457–461; Fantuzzi (1980) 433–450. 24 Hutchinson (1988) 143; so auch Nauta (1990) 125 mit Anm. 43 »Hirten und Mäher gehören aber eng zusammen«; weiter Köhnken (1996b) und unten S. 97. – Fantuzzi (1997b) 828: »Eid. 10 ist … eher landwirtschaftlich-hesiodeisch als pastoral«; in diesem Sinne auch Hunter (1999) 199–200. 25 Bernsdorff (2001) 11. 26 So auch Fantuzzi (2000b) 415: »Allein apóspasma 1 Gow belegt Inhalte, die einen Titel Bukoliká für die von Stobaios benutzte Gedichtsammlung rechtfertigen könnten«; Beckby (1975) 554: »ein schönes Bukolikon«. – Zu dem Gedicht s. unten S. 193. 27 Fantuzzi (2000b) 415.

6

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doch in die Tradition des hellenistischen Epyllions. Von den siebzehn erhaltenen Fragmenten (Apospasmata) Bions weisen nach Reed vier (frgm. 5, 9, 10 und 11) einen vorwiegend bukolischen Charakter auf, andere behandeln dagegen Themen, die nicht der bukolischen Welt angehören. 29 Um dem Problem zu entgehen, aufgrund einer zu statischen Definition der Gattung Bukolik den Blick für eine Vielzahl von Gedichten zu verstellen, hat sich die Forschung der letzten Jahrzehnte zunehmend von einem normativen und universellen Gattungskonzept entfernt und statt dessen die historische Genese literarischer Gattungen ins Zentrum gerückt. Im Anschluß an Überlegungen von Jauß hat Nauta vorgeschlagen, den Begriff der »historischen Familie« zu verwenden. Eine solche Familie bildet sich dann, wenn Nachfolger Merkmale eines für sie vorbildlichen Werkes aufgreifen und so in einem Rezeptionsprozeß die gattungshafte Identität des Ausgangswerkes entstehen lassen. 30 Daß eine historisch orientierte Auffassung vom Wesen der Gattung Bukolik zu fruchtbaren Interpretationen gerade auch solcher Stücke führen kann, die bisher eher vernachlässigt wurden, weil sie in das Niemandsland der ›Spätbukolik‹ zwischen Theokrit und Vergil fielen, zeigen die Kommentare von Reed und Rossi zu Bion und den Epigrammen Theokrits sowie die Untersuchungen Bernsdorffs zu den Hirten in der nicht-bukolischen Dichtung. 31 Während Knaack auf der Basis eines normativen Gattungsbegriffs noch der Meinung war, daß die Gedichte von Bion und Moschos »keinen wirklich bukolischen Charakter mehr« haben,32 versucht Reed zu zeigen,

28 Bühler (1960) 108–109 weist auf die Bezüge dieses Motivs zu den theokriteischen Gedichten (id. 13, 39ff. und 22, 37ff.) hin. – Die Europa ist nie Teil der in den sog. Bukolikerhandschriften überlieferten Tradition gewesen, s. Bühler (1960) 1. 29 Reed (1997) 8; vgl. Fantuzzi (1997a) 691. 30 Nauta (1990) 118–120 im Anschluß an Jauß (1972) 107–138. 31 Reed (1997), s. bes. 3–15 über »Bion bucolicus«; Rossi (2001), bes. 29–73; Bernsdorff (2001). 32 Knaack (1897) 1009, wo es weiter heißt: »… es sind nur erotisch-sentimentale Tändeleien und Spielereien. Wenn der Verfasser des Epitaphs auf Bion diesen als boukÏloc feiert, mit dem das boukolik‰n mËloc ausgestorben sei – doch nennt er sich selbst seinen dichterischen Erben –, wenn der Dichter des >Epijalàmion >AqillËwc ka» Dhidame–ac … zwei Hirten als Gesprächspersonen einführt und im Anfang einen bukolischen Ton anschlägt, so beweist das nur, wie fest die von Theokrit begründete Terminologie bei den Nachfahren haftete.« Ebenso Beckby (1975) 361: »Das Bukolische tritt bei ihm mehr noch als bei Moschos in den Hintergrund … und wo das Bukolische durchschimmert, ist es eher Maske als Wirklichkeit.«

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wie eng die Gedichte Bions (und Moschos’) mit dieser Tradition verbunden sind. 33 Es ist nicht wahrscheinlich, daß Theokrit aus einem festen Gattungsverständnis heraus bereits selbst Teile seines Werkes als Boukolika betitelt hätte. 34 »Sowohl die Hirtengedichte Theokrits als auch die erwähnten Pseudepigraphe, die in ländlicher Umgebung angesiedelt werden und (Kuh-)Hirten als Protagonisten haben, sind nur eine bestimmte Variation der ›Mimen‹ des Corpus, die sonst auch in städtischer (Eid. 15) oder in unbestimmter Umgebung (Eid. 2; 14) spielen oder Fischer als Protagonisten haben (Eid. [21]). Die Hirtengedichte unterliegen also dem weiter gefaßten Vorhaben, das Leben der niederen Bevölkerung zur Dichtung zu erheben« (Fantuzzi). 35 Primär ist letztlich nicht die Frage, ob bestimmte Gedichte als ›bukolisch‹ angesehen werden sollen oder nicht, sondern vielmehr, welches Verständnis sich aus den jeweiligen Definitionen und Gruppierungen für die dann in der Konsequenz ausgeschlossenen Gedichte ergibt. Wieweit Ansätze zur Bestimmung zur Dichtungsgattung Bukolik auseinandergehen, zeigt exemplarisch die Kritik an Effes Definition der Bukolik Theokrits, wie sie u. a. Stanzel formuliert hat. Nach Effe geht es Theokrit darum, gegenüber einem »Publikum gebildeter literarischer Feinschmecker« die »niedere Wirklichkeit«, den engen Horizont der Unter- und Mittelschichten mit »ironisch-distanzierter Überlegenheit« zu »entlarven«, beispielhaft im »Moment roher, krasser Sexualität«, das Theokrit »offensichtlich als charakteristisch für das Denken und Fühlen einfacher Leute« betrachtet habe.36 Der Ausgangspunkt Effes ist das Vorstellungsschema einer in großstädtisch-zivilisierter Natur lebenden Oberschicht. Ihr soll der »mit allen Elementen zeitgenössischer Gesellschaft und einem Höchstmaß literarischer Bildung ausgestattete Dichter« die Entlarvung der einfachen Leute als Objekt »überlegen lächelnder, distanzierter Ironie« vorführen. 37 Ein solches Schema in der behaupteten Ausschließlichkeit ist jedoch anhand der Texte Theokrits kaum nachweisbar. Das vierte Idyll, mit dem Effe seine These zu belegen versucht, ist keineswegs »das 33 Zur Programmatik s. Reed (1997) 4: »It will be the work of this section to vindicate for Bion, through a study of his fragments, his place in the bucolic tradition.« 34 Fantuzzi (1997b) 832. 35 Fantuzzi (1997b) 828–829 und ausführlich Fantuzzi-Hunter (2004) 133–190 »Theocritus and the bucolic genre«. 36 Effe-Binder (2 2000) 14–33, Zitate: 16, 23, 26, 23 und 21. 37 Effe-Binder (2 2000) 17.

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banale Geschwätz zweier Hirten«.38 Theokrit stattet sie, wie andere seiner Figuren auch, mit dem aus, was man als Höchstmaß literarischer Bildung bezeichnen kann. Die Hirten kennen die Mythenwelt der Dichtung bis in subtile Einzelheiten, sie finden geistvolle Anklänge und beziehungsreiche Parallelen. Wie für Idyll 4 gilt diese Feststellung zum mythologischen Bildungsniveau generell für Theokrits handelnde Personen. Am Gesamtbild ändert nichts, daß ihnen gelegentlich humorvoll nachgesehene Irrtümer unterlaufen. 39 Effe räumt selbst ein, daß die kleinen Leute der Bukolik hinsichtlich ihrer Bildung einer verfeinerten Oberschichtkultur zuzurechnen sind. Andererseits spricht er ihnen als – ausschließlich die Unterschicht kennzeichnende – Merkmale »Klatschsucht«, »tölpelhafte Naivität«, »Selbstüberschätzung« und »Affektbestimmtheit« zu. Darin liegt ein unaufgelöster Widerspruch. Zu fragen ist auch, ob Effe nicht inzident Theokrit eine lebensfremde Sicht unterstellt, eine Sicht, die ihrerseits auf Naivität und Selbstüberschätzung des Dichters in der Beurteilung von Ober- und Unterschichten schließen lassen müßte. Theokrit und sein Leserkreis haben wohl gewußt, daß für seine Figuren der Unterschicht dieselbe Conditio humana gilt wie für die Angehörigen der die Literatur schätzenden Gesellschaft. Das dürfte bis zu der von Effe vorausgesetzten Differenzierung sexueller Praktiken nach gesellschaftsspezifischer Zugehörigkeit gelten. Gegen Effe argumentiert Stanzel wie folgt: Theokrit wollte die Gestalten seiner Dichtung schon deshalb nicht entlarven, weil er sie nicht als – gelegentlich zur Verdeutlichung etwas überzeichnete – Figuren des wirklichen Lebens schilderte, sondern als künstliche erfand. 40 Er hat eine neue literarische Gattung dadurch begründet, daß er in bewußtem Gegensatz zur überkommenen Literatur eine literarische Fiktion in Szene setzte, die eine in sich geschlossene Realität eigener Art bildet. In dieser fingierten Welt verfügen Hirt und Landarbeiter über ein hohes Maß literarischer Bildung, sie artikulieren ihre Bestrebungen und Befindlichkeiten mit außerordentlicher sprachlicher Gewandtheit. Damit schafft Theokrit »eine neue Welt, die gerade von den Gegensätzen und scheinbaren Widersprüchen lebt«. 41 Er läßt seine Leser nicht darüber im Unklaren, daß er die dichterische Welt der Bukolik nicht mit der Lebenswirklichkeit verwechselt. 38 39 40 41

Effe-Binder (2 2000) 19. Dazu Dover (1971) lii–liii; Stanzel (1995) 129–144 »Das Problem der Irrtümer«. Dazu Stanzel (1995) 113–114. 295–296. Stanzel (1995) 110.

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Wie Effe zutreffend feststellt, holt in Idyll 10 der Erntearbeiter Milon den Kameraden Bukaios aus seinem bukolischen Liebeslied »auf den Teppich der Realität« zurück, »er setzt dem Liebeslied ein echtes Arbeitslied entgegen«. 42 Das Beispiel zeigt aber entgegen der Argumentationslinie Effes, daß Theokrit mit dem Instrument seiner Dichtung Inhalte vermittelt, die von allgemeiner Bedeutung für die reale Lebenswelt sind. Im Sinne dieses Beispiels ›gut theokriteisch‹ ist im umstrittenen Idyll 21 die Mahnung des Kameraden an Asphalion, über sinnlosen Goldfischträumen nicht die Arbeit zu vergessen, die den Lebensunterhalt sichert. Konzepte der Art, für die Effe und Stanzel stehen, zeigen die sachbedingte »Unschärfe« (S. 2) des Bukolik-Begriffs in der gegenwärtigen Diskussion auf. Die genannten Autoren ziehen die Grenzen dessen, was nach inneren Kriterien als Bukolik zu verstehen ist, ganz verschieden. Wenn, wie Effe meint, 43 in den Folgegenerationen die vorausgesetzte Ironie Theokrits nicht mehr verstanden worden und folglich als prägendes Konstitutionsprinzip entfallen wäre, hätte es von einem eingrenzbaren Zeitpunkt an überhaupt keine bukolische Dichtung mehr geben können, die ihrem Wesen nach mit dem Kernbestand der theokriteischen Gedichte in Kontinuität stehen würde. Gleichwohl wäre die nachfolgende bukolische Literatur, obwohl auf einem Mißverstehen Theokrits beruhend, als Bukolik im Sinne von Nautas Begriff der »historischen Familie« anzusehen. 44 Wie die angesprochenen Entwürfe zu bewerten sind, läßt sich nur in jedem einzelnen Fall nach genauer Textanalyse entscheiden. Es könnte sich durchaus zeigen, daß von Effe herangezogene Textbelege nicht vorrangig für eine als Verspottung aufzufassende Ironie stehen, sondern (beispielsweise) einer wohlmeinenden sokratischen Tendenz folgen. Weiterführend dürfte jedenfalls die Beachtung des die Kontroverse bestimmenden Bezugs auf das Realitätsverständnis theokriteischer Bukolik sein. Das mit dem Hellenismus zunehmende Interesse an den sozialen Realitäten des menschlichen Lebens wird meist mit dem Begriff ›Realismus‹ bezeichnet. Um eine weitere Komplizierung dieses Terminus zu vermeiden, geht die folgende Untersuchung von einer Begriffsdefinition aus, die Graham Zanker gegeben und die im Anschluß an ihn jüngst beispielsweise Bernsdorff aufgegriffen hat. Bernsdorff versteht Realismus als »eine überzeitliche künstlerische Darstellungsweise …, die sich auszeichnet durch 42 Effe-Binder (2 2000) 24. 43 Effe-Binder (2 2000) 33–48; dazu Fantuzzi (1997b) 832. 44 Zu Nauta s. oben S. 6.

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›close resemblance to what is real, fidelity of representation, rendering the precise details of the real thing or scene‹, wobei sich diese realistische Haltung unter anderem darin zeigt, daß als abstoßend und unerfreulich Empfundenes nicht aus der dichterischen Darstellung ausgeklammert wird.«45 Aus dieser Definition wird deutlich, daß Realismus nicht ausschließlich die sozialen Wirklichkeiten und Härten des Lebens meint. Zum Realismus gehört nach Zanker ebenso das Interesse für detaillierte Beschreibungen von Gegenständen wie das Bemühen um Glaubwürdigkeit in der Darstellung: »So realism, as an universal mode, can be observed principally, as far as literature is concerned, in a style which emphasizes detail, in a subjectmatter which tends towards the everyday and familiar, or in an intellectual approach which pays especial attention to probability and plausibility«. 46 Der Terminus ›Realismus‹ eignet sich trotz aller problematischen Aspekte schon deshalb für den beabsichtigten Gebrauch, weil er auch in Archäologie und Kunstgeschichte eine (allerdings ebenfalls umstrittene) Verwendung findet. 47 Stanzel weist in Auseinandersetzung mit der Zankerschen Definition darauf hin, daß zur realistischen Darstellung der Hirten bei Theokrit auch der ganze Bereich der Hirtenarbeit wie die Versorgung der Herden etc. gehört. 48 Bernsdorff ergänzt dies durch Hinweis auf »Ereignisse …, die den Frieden der Hirten bedrohen«, wie der in Idyll 5 erhobene Vorwurf des Felldiebstahls (v. 2). 49 Wesentlich für den so verstandenen Realismus ist, daß er mit realistischen Elementen arbeitet, ohne in toto Reales abzubilden. Daß auch ›nicht-realistische‹ Elemente zur Hirtenbukolik Theokrits gehören, zeigen beispielsweise die gelehrten Ausführungen der Hirten, die sich in der Welt der Mythologie bestens auskennen (z. B. id. 3, vgl. auch id. 20) oder ein Kunstwerk zu beschreiben vermögen (id. 1). 50

45 Bernsdorff (2001) 171–172 mit Zitat aus dem OED und im Anschluß an Zanker (1987) 4. Zum Realismus-Begriff s. Zanker (1987) passim; eine kritische Auseinandersetzung bei Stanzel (1995) 76–79; Effe-Binder (2 2000) 14–15; Fantuzzi-Hunter (2004) 133–141 »Theocritus and the ›realism‹ of everyday life: in search of new worlds for poetry«; Elliger (1975) 286–287. 46 Zanker (1987) 8; s. auch Bernsdorff (2001) 172 mit Anm. 302. 47 Zum Terminus ›Realismus‹ in der archäologischen Diskussion zur Kunst des Hellenismus s. Himmelmann (1980) 13. 55–56. 70. 88 u.ö.; ders. (1994) 1–23; Laubscher (1982) 59–69, der statt von Realismus von Verismus oder Naturalismus spricht; Pochmarski (1985) 259 mit Bezug auf Laubscher; Völcker-Janssen (1993) 229–230; Zanker (1989) 15–22. 48 Stanzel (1995) 77. 49 Bernsdorff (2001) 172; vgl. idd. 5, 106. 112–113; 4, 49. Dazu auch Dover (1971) lvii. 50 Zur mythologischen Bildung der Hirten s. unten S. 115.

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Auch die zweifellos echten Gedichte Theokrits weisen eine große Spannweite auf von – im Sinne der benutzten Definition – teilweise mehr und teilweise weniger realistischen Stücken. Es kann als geradezu typisch für die theokriteische Dichtung angesehen werden, daß sich realistische und nicht-realistische Elemente in wechselnden Anteilen miteinander verbinden. Generell erfährt man bei Theokrit wenig über die Lebensumstände der Hirten. Daß sie vor und nach dem bukolischen Gesang Hirtenarbeit verrichten, wird zwar erwähnt, 51 aber nicht zum eigentlichen Thema gemacht. Wie sie wohnen oder was sie essen, wird so gut wie nicht erwähnt; auch erfährt der Leser nicht, wie sie ihre mythologische Bildung erworben haben. Spezifische soziale Verhältnisse werden, wenn überhaupt, nur nebenbei berührt. 52 In Idyll 11 erwähnt Polyphem in seiner Eigenwerbung Milch als Nahrung (v. 35); 53 die soziale Lage der Hirten kommt in Idyll 5 zum Ausdruck, wenn Komatas seinen Kontrahenten Lakon mit d¿le Sib‘rta (v. 5) anredet. 54 Bisher hat sich die Literaturwissenschaft – wie Arland 1937 mit Geltung bis heute konstatiert hat 55 – mit den für unecht gehaltenen Gedichten des Corpus Theocriteum vor allem unter dem Gesichtspunkt befaßt, ob sie von Theokrit selbst stammen oder anderen Verfassern zuzuordnen sind. 56 Die Untersuchungen hierzu stützen sich überwiegend auf sprachliche Einzelbeobachtungen wie Metrik, Wortgebrauch und Stil. Vielfach liegt ihnen ein Deszendenz-Schema zugrunde, nach dem zeitlich frühe (und echte, theokriteische) Bukolik durch herbe Züge gekennzeichnet sei, die Spätbukolik dagegen zu Sentimentalität und Süßlichkeit neige. 57 Diese Betrachtungsweise verlegt die Beurteilung ihres Gegenstands in den Bereich schwer nachvollziehbarer literarästhetischer Subjektivität. So kann einmal eine Häufung von Anklängen an Theokrit-Gedichte zu dem Urteil führen, es sei unecht (so geschehen bei Idyll 20). Umgekehrt kann aus dem Fehlen von Anklängen derselbe Schluß gezogen werden (Idyll 21). Vorgefaßte Urteile über Echtheit und Unechtheit wirken sich schon bei der Textkonstitution aus, indem

51 Fantuzzi (1997b) 830. 52 Zu diesen Aspekten s. Reinhardt (1988) 23–24 und Dover (1971) lvii. 53 Vgl. auch noch id. 1, 57 und 5, 86. – In den ›mythologischen‹ Gedichten Theokrits ist dagegen manchmal von Mahlzeiten etwas ausführlicher die Rede: id. 24, 137–140 (dazu Ambühl [2005] 96 mit Anm. 248; 13, 32). 54 Stanzel (1995) 71. 55 Arland (1937) 7. 56 Arland (1937) 7–8. 57 S. unten die Kapitel ›Zur Forschungsgeschichte‹, S. 45, 98, 151.

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zum Beispiel der dorische Dialekt bald einheitlich hergestellt wird, bald nicht. 58 Auch die Frage nach der Vollständigkeit eines Gedichts kann von der Stellungnahme zu seiner Echtheit beeinflußt werden (Idyll 27). Wie wenig zwingend Zuschreibungen mitunter sind, zeigt sich besonders deutlich am Beispiel von Idyll 26 (Die Bacchantinnen). Das Gedicht weist eine Reihe von Merkmalen auf, die auch für die heute umstrittenen Gedichte kennzeichnend sind: In äußerer Hinsicht zählen hierzu die schmale und schlechte Überlieferung durch nur eine vollständige Handschrift (D) und – nach früherem Wissensstand – das Fehlen von antiken Papyruszeugen. Die erste Zuschreibung an Theokrit als Autor findet sich bei Eustathius und dann in den Drucken von Iunta und Callierges (beide 1516). 59 Auch in stilistischer Hinsicht kann man Besonderheiten anführen wie etwa den Mangel an Enjambements. Wilamowitz hat auf diesen Punkt mit besonderem Nachdruck hingewiesen; die Vermeidung von Enjambements hält er für ein typisches Merkmal späterer Bukolik.60 Weiter bietet das Gedicht ungewöhnliche Wörter wie malopàrauoc (v. 1), jumarËw (9) und ≤moplàth (22) sowie ganze in der Bedeutung obskure Verspartien (z. B. v. 29–31). 61 In inhaltlicher Hinsicht bleibt neben vielen Einzelproblemen vor allem die Funktion des Gedichts dunkel; die Frage etwa, ob es sich um einen Hymnus auf Dionysos oder ein ›mythologisches Epyllion‹ handelt, ist nicht befriedigend geklärt. 62 Auf Grund der skizzierten Merkmale hatte Wilamowitz – im Anschluß an Eichstädt und Dahl – Idyll 26 zunächst Theokrit aberkannt. 63 Erst später, nach dem Bekanntwerden des Papyrus 58 Dazu unten S. 96. 59 Eustath. 691, 52 Tin‡c d‡ ‚keÿ ärna fas» malòn ‚ntel¿c ‚n disullab–¯, Ìjen ka» parÄ Jeokr–t˙ malopàr˘oc (id. 26, 1), ô Åpalopàr˘oc, ka» malerÏn t‰ e÷fjarton

di+ ÅpalÏthta £ t‰ marantik‰n t¿n Åpal¿n swmàtwn £ t‰ sklhr‰n katÄ Çnt–frasin (2, 501 van der Valk). 60 Wilamowitz (1906) 215: »Hier [i.e. im Gegensatz zu vergleichbaren Fällen in anderen Theokritgedichten] ist es Monotonie, Technik der Zeit des Bion, die tief von der Kunst der Meister gesunken ist.« Zur Sache s. auch Reed (1997) 48–49. 61 Dazu Gow (2 1952) 2, 478, 480 und 480–483. 62 Überblicke bei Gow (2 1952) 2, 475 und Köhnken (1999) 59–62. S. auch Dover (1971) 265: »The poem differs from hymns, however, in the abruptness of its narrative opening; in hymns the subject is announced more elaborately … It is thus doubtful whether Theokritos conceived the poem as a hymn and wrote it as if for a festival; he may have conceived it rather as narrative poem on a mythical subject, in which he felt free to incorporate a hymn-like ending.« 63 Wilamowitz (1906) 215: »Ob das anonyme Gedicht von uns dem Theokrit beigelegt werden soll, wie von Eustathius und Musuros, will ich ganz unabhängig von seiner Deutung erörtern. Ich erkläre aber, daß ich ihm ein solches Tendenzgedicht zur Entschuldigung

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Antinoe (P 3 Gow), in dem Idyll 26 zwischen 15 und 24 überliefert ist, revidierte er (widerwillig) sein Urteil. 64 Dem Umschwung ist die Wissenschaft weitgehend gefolgt: heute wird Idyll 26 in allen Ausgaben unter dem Namen Theokrits geführt. Auch Gow akzeptiert die Papyrusfunde als Argumente für die Echtheit des Gedichts, hält es aber für mißlungen: »There would seem, therefore [i. e. because of the papyri], no good ground for rejecting it. It is a poor and unattractive poem which does not enhance the author’s credit, but the same might be said of Id. 12 …«. 65 Sehr oft führt – anders als bei Gow – ein vorgefaßtes Urteil über die Qualität eines Werkes zu fehlerhaften oder zumindest fragwürdigen Zuordnungen, weil man gut mit echt, schlecht mit unecht gleichsetzt: »As far as style is concerned, descriptions of literary quality (in the broadest sense) very properly continue to play an important role in scholarly discussions of the authorship of literary works« (Hunter). 66 Wie groß die Unsicherheiten in der Echtheitsdiskussion nach wie vor sind, zeigt sich auch an anderen Gedichten. So hat beispielsweise Irigoin die beiden Gedichte 8 und 9 des Corpus Theocriteum, die heute allgemein als unecht angesehen werden, Theokrit zugesprochen. Ausgangspunkt für diese Zuordnung ist Irigoins übergreifende Theorie einer von Theokrit selbst angelegten Sammlung, die die Gedichte 1 und 3 bis 11 umfaßt haben soll. 67 Bemerkenswert ist diese Einschätzung in methodischer Hinsicht, weil Irigoin nicht, wie sonst üblich, von stilkritischen Argumenten ausgeht, sondern vom Gesichtspunkt einer möglichen Gedichtsammlung. Bei Idyll 25 (Herakles leontophonos) hat man die Echtheit stets weniger entschieden ausgeschlossen als bei den anderen umstrittenen Gedichten. Symptomatisch hierfür sind die Abwägungen von Gow: »It cannot be said that these resemblances do much to establish T.’s authorship of the poem. So far as they

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eines Verbrechens nicht zutraue; er hat nicht in der großen Welt gelebt und ist daher von solchem Kontagium freigeblieben. Das Gedicht ist nicht von ihm, weil es schon formell in jeder Beziehung mit Ausnahme des korrekten Versbaues zu schlecht für ihn ist«; dasselbe Urteil in seiner Ausgabe (2 1910) 166. Wilamowitz (2 1955) 2, 72: »Daß das Gedicht von Theokrit ist, kann ich nach dem Funde der Papyrusbücher nicht mehr bestreiten. Aber ich bestreite, daß wir es verstehen.« – Auch P 4 (Gow) enthält einige Verse von Idyll 26 (dort neben id. 13 stehend), s. Gow (2 1952) 1, l–li und Gallavotti (3 1993) 355. Gow (2 1952) 2, 476; vgl. Susemihl (1891–1892) 1, 212: »sehr schwach«. Hunter (2002) 90. In der Anordnung 3–1, 6, 11–7, 4, 10–5, 8, 9; s. Irigoin (1975) 27–44, hier bes. 32. Auf die Echtheitsfrage geht Irigoin allerdings nicht detailliert ein. Irigoin folgen modifizierend Ancher (1981) 295–314 und Meillier (1981) 315–337, ders. (1982) 164–186.

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go they are favourable to it, and they seem weightier than die adverse evidence adduced above. The internal evidence is insufficient to support a decided opinion on either side, and since at present the external evidence is without weight, it is better to leave the question open. It may however be remarked that Id. 26, assigned to T. only by lunt. and Cal. (possibly therefore only by Musurus), had an even weaker title than Id. 25 until its appearance in papyri made his authorship reasonably secure.« 68 Hunter, der sich unter anderem mit der kompositorischen Einheit von Idyll 25 befaßt, äußert sich zurückhaltend. Er hält die Autorschaft Theokrits insgesamt zwar für unwahrscheinlich, dies aber auch nicht auf Grund stilkritischer Argumente, sondern wegen Berührungspunkten mit Kallimachos’ Victoria Berenices (SH 254–269), auf die nach Hunter der Verfasser von Idyll 25 Bezug nimmt. 69 Sider hat in seiner Studie zu Idyll 27 die Stichhaltigkeit der gegen die Echtheit dieses Gedichts vorgetragenen Argumente in Frage gestellt: »Nor are there any insuperable features of meter or language that would prove it spurious.« 70 Er weist zu Recht auf die hermeneutischen Schwierigkeiten hin, die sich daraus ergeben, daß Texteditoren und Kommentatoren den schlecht erhaltenen Text in einer Weise emendieren, die die Unechtheit bereits voraussetzt. 71 Die nachfolgenden Untersuchungen wollen die als unecht geltenden Gedichte Idyll 27, 20 und 21 unter Zurückstellung der Echtheitsfrage untersuchen. Die von Arland vorgeschlagene Prüfung der »unechten Stücke« auf ihren Zusammenhang mit Moschos, Bion und bukolischen Epigrammen ist entschieden zu eng. 72 Unabdingbar ist, gerade im Hinblick auf den Forschungsstand zur Gattungsbestimmung der Bukolik, zunächst ein struktureller Vergleich mit Theokrit selbst als dem Ausgangs- und Bezugspunkt der Bukolik. Deshalb sind die Zusammenhänge mit dem Kernbestand der unzweifelhaft von Theokrit stammenden Texte (s. Seite 4) primäres Kriterium der Analyse. Leitende Gesichtspunkte sind nachprüfbare textimma68 Gow (2 1952) 2, 441. 69 Hunter (1998) 116: »but if it is true that Idyll 25 imitates the ›Victoria‹ …, it will be hard to believe, on the conventional dating, that it can be by Theocritus«. Zur Chronologie der hellenistischen Dichter s. auch unten Anm. 103. – Zu den Problemen der Echtheitsdiskussion bei Theokrit (und Ovid) s. weiter die eingehenden Erörterungen von Hunter (2002) zu Idyll 23. 70 Sider (2001) 99–100. 71 Sider (2001) 100 mit Anm. 4. Zu diesem Problem s. grundsätzlich Hunter (2002), hier bes. 97; weiter oben S. 11 und unten S. 96. 72 Arland (1937) 7–8.

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nente Kriterien kompositorischer und inhaltlicher Art. Diese dürften aufgrund spezifischer Merkmale auch geeignet sein, in Verbindung mit weiteren Forschungsergebnissen verläßliche Feststellungen zur literargeschichtlichen Einordnung (Ort, Zeit, Vorbilder, Verfasser) zu treffen. In sich stellen die drei Gedichte keine Gruppe dar, wie auch die Gesamtheit der umstrittenen Teile des Corpus keine Einheit bildet. 73 Für die Auswahl waren folgende Besonderheiten maßgebend: Idyll 27 unterscheidet sich von den anderen Gedichten des Corpus Theocriteum dadurch, daß es aus einem Dialog mit abschließendem auktorialem Schluß besteht. Außerdem tritt nur in ihm die umworbene Geliebte mit eigenem und sogar gleichwertigem Sprechanteil auf. Idyll 20 stellt singulär im Corpus eine Ich-Erzählung dar und rückt den bei Theokrit gelegentlich vorkommenden Gegensatz von Stadt und Land in den Mittelpunkt. Nur Idyll 21 bringt die Figur von Fischern als handelnden Personen. Außerdem fehlen in ihm die bukolischen Elemente Erotik und Gesang. In allen drei Gedichten kommen soziale Gegebenheiten (Stellung der Frau, Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung, Armut) zur Sprache. Sie werden teilweise realistisch gezeichnet, in Idyll 21 geradezu kraß. »›Late‹ and imitative poems become almost inevitably, bad poems«. 74 Diese Feststellung Hunters gilt auch in umgekehrter Richtung: häufig werden für ›schlecht‹ befundene Werke später datiert als vermutete ›bessere‹ Vorlagen. 75 Die in beiden Fällen gegebene Verquickung von literarisch ›schlecht‹ und zeitlich ›spät‹ begegnet mit besonderer Häufigkeit bei den anonym oder zweifelhaft überlieferten Werken. Damit kommt aber eine weitere Komponente ins Spiel, ein Desinteresse der Forschung. 76 Gerade diese Nichtbeachtung führt dann wiederum zur literarästhetischen Abwertung, diese zur Spätdatierung und letztere dann im Zirkel wiederum zur Vernachlässigung. Die folgenden Untersuchungen stellen zwar, wie oben begründet, nicht direkt und zuallererst die Frage nach Echtheit oder Unechtheit, versuchen aber die häufig anzutreffende Abwertung der Gedichte 27, 20 und 21 auf ihre Berechtigung zu prüfen und dadurch auch die Echtheitsfrage neu zu thematisieren.

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Zu den Bezügen zwischen Idyll 20 und 27 s. unten S. 213. Hunter (2002) 99. Eine Ausnahme von dieser Regel ist die Einschätzung Gows zu Idyll 26, s. oben S. 13. S. oben S. 1.

Vorbemerkungen 1. Zur Textgeschichte Mehr als 180 Handschriften aus Mittelalter und Renaissance sowie über 20 Papyri enthalten Gedichte unter dem Namen Theokrits, viele zugleich auch andere Werke unter den Namen von Bion und Moschos. 77 Drei Handschriftenfamilien werden unterschieden: eine Ambrosianische (vertreten allein durch den Codex Ambrosianus 886), eine Vatikanische und eine Laurentianische. 78 Die Gedichte 1 bis 18 (nach der in modernen Theokrit-Ausgaben üblichen Zählung) sind durch sehr viel mehr Handschriften bezeugt als die übrigen Gedichte des Corpus Theocriteum. Hiller, gefolgt von Wilamowitz, rekonstruiert für diese zweite Hälfte des Corpus, die Gedichte 19 bis 30 (mit den Epigrammen), zwei Überlieferungslinien, die er F und P nennt. 79 Gallavotti bezeichnet die Familie F mit La (= gleich Laur. bei Gow), weil ihre Handschriften in Idyll 1 bis 18 mit der Laurentianischen Familie zusammengehen. 80 P erscheint in Gallavottis kritischem Apparat aufgelöst in D und K. 81 Die drei hier behandelten Gedichte sind jeweils nur durch einen Traditionsstrang überliefert: 20 und 21 durch F, 27 durch P (idd. 22 und 25 sind dagegen sowohl durch F als auch durch P überliefert). 82 Die erschlossenen Familien F und P sind aber nur durch wenige bekannte Manuskripte vertreten: Idyll 20 und 21 sind in zwei unabhängigen Handschriften über-

77 S. die Listen der Textzeugen bei Ahrens (1855–1859) 1, xxv-xlvii, Gow (2 1952) 1, xxx–li, und Gallavotti (3 1993) 351–380. 78 Dazu Ahrens (1874) 385–417 und 577–609; Gallavotti (3 1993) 297–314; Gow (2 1952) 1, xxxiii–xxxiv. 79 Hiller (1888) 2 und 4, sowie Wilamowitz (1906) 69–99; s. auch Gow (2 1952) 1, xxxiv. 80 Gallavotti (3 1993) 27–33. 81 Dazu Gow (2 1952) 1, xxxiv und lvii. 82 Gow (2 1952) 1, lvi–lvii.

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Vorbemerkungen

liefert, im Vaticanus Graecus 1311 (X) und im Parisinus Graecus 2832 (Tr). 83 Als Nebenzeuge dient für Idyll 20 auch wieder der – hier vom Parisinus abhängige – Codex Ambrosianus 104 (C). Idyll 27 ist im Codex Parisinus Graecus 2726 aus dem 15. Jahrhundert (D) und im Codex Ambrosianus 104 aus dem fünfzehnten bis sechzehnten Jahrhundert (C) erhalten. 84 Doch hat der – hier von D abhängige – Ambrosianus lediglich Wert als Nebenzeuge. Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen umstrittenen Gedichten der zweiten Corpus-Hälfte: 19 und 23. Dagegen gehören Idyll 8 und 9 zusammen mit den übrigen Gedichten der ersten Hälfte (Idyll 1–18) zum Bestand von allen drei Handschriftenfamilien. Das früheste vollständige Manuskript des Corpus Theocriteum ist der Codex Ambrosianus 104 aus dem fünfzehnten bis sechzehnten Jahrhundert (C). 85 Ihm fehlen nur die Gedichte 31 (Gow und Gallavotti) und 32 (Gallavotti). Dieser Codex, der auch Werke Hesiods überliefert, bietet (nach heutiger Auffassung) unumstrittene und umstrittene Gedichte Theokrits zusammen mit Werken von Moschos und Bion. 86 Die in unseren Ausgaben heute übliche Anordnung und Zählung geht erst auf die Ausgabe von Stephanus (Basel 1566. 2 1579) zurück. Nur für Idyll 1 bis 18 ist sie älter und handschriftlich vorgegeben, für sie übernahm Stephanus die in der Vatikanischen Handschriftenfamilie überlieferte Reihenfolge. 87 Die Handschriften und die frühen Drucke aus dem 15. und 16. Jahrhundert bieten nicht in allen, aber in den meisten Fällen Gedichttitel und Autorzuschreibungen. Die Frage, ob die Titel auf Theokrit oder, bei den umstrittenen Gedichten, auf die vermuteten Verfasser zurückgehen, ist nicht abschließend geklärt. Wilamowitz’ These, daß viele der überlieferten Titel authentisch seien, 88 hat Gow in Zweifel gezogen, vor allem wegen der über-

83 Abgekürzt Tr, weil der Codex die recensio des Triklinios enthält. Ahrens, Wilamowitz und Gow halten den Parisinus für ein Autograph des Triklinios. Es handelt sich aber nur um eine Kopie (deshalb das neutrale Siglum R bei Gallavotti [3 1993] und Reed [1997]); Gallavotti (1934) 355 Anm. 2; Gallavotti (3 1993) 310; Wilson (1981) 397; Reed (1997) 72 Anm. 139. 84 Cod. Parisinus 2726: Hiller (1888) 3 und 5; Wilamowitz (1906) 39 und 84; Wendel (1920) 189–190; Gow (2 1952) 1, xxxvii–xxxviii; Gallavotti (3 1993) 343–348. – Cod. Ambrosianus 104: Wilamowitz (1906) 86–87; Wendel (1920); Gow (2 1952) 1, xxxvii; Gallavotti (3 1993) 341–343. 85 Zur Datierung s. Gow (2 1952) 1, xxxvii. 86 S. auch unten S. 19. 87 Wilamowitz (1906) 1; Gow (2 1952) 1, lxvi–lxvii. 88 Wilamowitz (1924) 2, 135.

1. Zur Textgeschichte

19

lieferten Titelvarianten. 89 Die beiden Handschriften, die Idyll 27 überliefern (D und C), bieten keinen Titel und auch keinen direkten Hinweis auf den Autor. Der Titel >Oarist‘c, ›vertrauliches Gespräch, Liebesgespräch‹, ist zuerst in den Ausgaben von Iunta und Callierges (beide von 1516) bezeugt. 90 Die Beurteilung des handschriftlichen Befundes wird dadurch erschwert, daß D, der einzige unabhängige Zeuge für Idyll 27, vor (und auch nach) dem Gedicht einen freien Platz aufweist. 91 Bei Idyll 20 findet sich die Zuschreibung an Theokrit (Jeokr–tou) nur in einem der beiden Textzeugen (X und in dem von diesem abhängigen C); sie fehlt in Tr. Der Titel Boukol–skoc steht in X und in Tr, in Tr noch ergänzt durch den Zusatz Dwr–di, ›im dorischen Dialekt‹. Die ersten vier Verse von Idyll 20 sind zudem in den Handschriften der Griechischen Anthologie enthalten, sie stehen dort hinter Epigramm 9, 136 (Kyros von Panopolis, 5. Jhdt.), aber ohne Nennung von Titel und Autor. Im Fall von Idyll 21 enthält ebenfalls nur X die Autorzuschreibung Jeokr–tou, sowie den Titel Ad∏nidoc >Epitàfioc (Bion) und >Epijalàmioc >AqillËwc (Bion). 92 Ebenso weist der Codex Parisinus Graecus 2726 (D) neben Idyll 27 auch den B–wnoc >Epitàfioc (Moschos) Theokrit zu. Der Parisinus Graecus

89 Gow (2 1952) 1, lxix–lxxii, hier bes. lxx. Gegen Gows Argument kann man jedoch einwenden, daß es in der Antike auch eine Tradition gab, doppelte Titel zu verwenden, die sich beispielsweise einmal nach den handelnden Personen und einmal nach dem Inhalt richten konnten; dazu Mansfeld (1994) 71–74. – S. weiter van der Valk (1965) 84–96, bes. zu Idyll 26. S. auch Anm. 97 und die Erörterung bei Schröder (1999) 236–238. Schröder weist darauf hin, daß sich die Titel im Laufe der frühen Textgeschichte verändert haben (z.B. id. 7, id. 26). S. auch Hiller (1888) 58–66 zu den Gedichtüberschriften im Corpus Theocriteum. 90 Gow (2 1952) 1, lxx Anm. 1 (und 2, 485) nimmt an, daß der Titel >Oarist‘c nicht vom Verfasser des Gedichts stammt. 91 Zu diesem Problem und der Frage der Authentizität des bei Iunta und Callierges stehenden Titels s. unten S. 42. 92 Zu den möglichen Verfassern s. Reed (1997) 26–31.

20

Vorbemerkungen

2832 bringt MËgara (Moschos), B–wnoc >Epitàfioc (Moschos) und den >Epijalàmioc >AqillËwc (Bion) unter Theokrits Namen. Die Ausgaben des Iunta und des Callierges verfahren ähnlich (die Aldina enthält nur Idyll 1 bis 18). Die komplexe Editionsgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts wird unten gesondert besprochen (S. 24). Hier soll nur darauf hingewiesen werden, daß die Ausgaben von Iunta und Callierges den Handschriften in den Eigentümlichkeiten der Werkzuschreibungen folgen. Beispielsweise führen auch sie den >Ad∏nidoc >Epitàfioc (Bion) unter dem Namen Theokrits. Äußere Kriterien, die eine genauere Zuweisung von Idyll 27, 20 und 21 an einen Verfasser oder wenigstens an einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Zeit ermöglichen könnten, sind schwer zu ermitteln. Neben den unzuverlässigen Autorzuschreibungen und Werktiteln behindern weitere Umstände die literaturgeschichtliche Einordnung: (1) der schlechte Überlieferungszustand (nur ein oder zwei Handschriften mit zahlreichen Lücken und Textverderbnissen) sowie die daraus resultierende Unsicherheit über den jeweiligen Dialekt, (2) das Fehlen von antiken Scholien, wie sie für Idyll 1 bis 18 sowie für 28 und 29 erhalten sind, und (3) das Fehlen von Papyrus-Funden. 93 Hinzu kommt noch eine weitere Auffälligkeit. Posch hat in seiner detaillierten Analyse der Theokrit-Reminiszenzen Vergils aufgezeigt, daß Idyll 21 und 27 überhaupt keinen Nachklang in den Eklogen gefunden haben und Idyll 20 nur ganz vereinzelt in der 2. und 3. Ekloge anklingt. 94 Dieser Befund steht in auffälligem Gegensatz zu dem ebenfalls umstrittenen Idyll 8, das Posch sogar unter die »besonders nachgeahmten« Gedichte einstufen kann. 95 Es gehörte ganz offensichtlich einer Sammlung von Theokrit-Gedichten an, die Vergil bekannt war (dazu unten S. 23). Die genannten Merkmale bilden Unterscheidungskriterien zur Mehrzahl der als genuin eingestuften Theokrit-Gedichte, aber nicht zu allen, wie

93 Parsons (1983) 100–134 bietet eine Übersicht über »all the unpublished manuscripts of Theocritus so far identified in the Egypt Explorations Society’s holdings«; s. auch Gutzwiller (1996a) 120 mit Anm. 4 und 147. – Das Fehlen von Papyri gilt nur für manche der umstrittenen Gedichte: 19, 20, 21, 23 und 27. Zu Teilen von Idyll 8 und 9 sind dagegen Papyri gefunden worden, ebenso zu Idyll 25 (P Oxy. 4431, ed. Handley-Wartenberg [1997] 123–125). S. auch unten S. 13 zu Idyll 26. 94 Posch (1969) 17 »Tabelle 1«. Zur Theokrit-Rezeption bei Vergil s. Snell (5 1980) 257–274 »Arkadien. Die Entdeckung einer geistigen Landschaft« und die Literaturübersicht bei Köhnken (1995) 243–250. 95 Posch (1969) 16.

1. Zur Textgeschichte

21

das Beispiel von Idyll 26 (Lenai vel Bakchai) 96 zeigt, auf das deshalb oben näher eingegangen wurde (S. 12–13). Weder Handschriften noch Papyri erlauben einen sicheren Rückschluß darauf, wie Theokrit seine Werke veröffentlicht hat. Es ist nach wie vor ungeklärt, ob er seine Werke einzeln herausgegeben (Wilamowitz) oder selbst eine Sammlung veröffentlicht hat (Lawall). 97 Im Lichte der jüngsten Forschungen scheint jedoch die These einer vom Autor selbst vorgenommenen Sammlung an Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. 98 Für sie spricht einerseits, daß sich in hellenistischer Zeit auch sonst eine Tendenz zu solchen Sammlungen als poetischer Darstellungsform, wie beispielsweise bei den Aitien und Iamben des Kallimachos, nachweisen läßt. Auch der jüngst publizierte Mailänder Papyrus mit fast hundert neuen Poseidippus-Epigrammen (P. Mil. Vogl. VIII 309) weist in diese Richtung. 99 Ein weiteres gewichtiges Argument bieten die intertextuellen Bezüge und Querverweise, die sich innerhalb der theokriteischen Gedichte aufzeigen lassen. 100 Nicht auszuschließen ist natürlich, daß Theokrit sowohl einzelne Werke veröffentlicht als auch eine oder mehrere Sammlungen herausgegeben hat. Solche Ausgaben könnten auch bereits früher einzeln veröffentlichte Gedichte enthalten haben. Dasjenige antike Zeugnis, das der Lebenszeit Theokrits in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr. vielleicht zeitlich am nächsten kommt, ist ein anonymes Epigramm aus der Anthologia Palatina: óAlloc  Qÿoc, ‚g∞ d‡ JeÏkritoc Ác tàd+ Ígraya eŸc Çp‰ t¿n poll¿n e m» Surakos–wn, 96 Zum Titel s. van der Valk (1965) 84–96. 97 Wilamowitz (1906) 112–129, bes. 123; ders. (2 1910) iii–v, Zitat iii: »Theocritus cum carmina sua collecta non edidisset, singula et in manibus hominum versabantur et in bibliothecarum laterculis recensebantur, quamvis exigua, tamen suo quodque nomine instructa … plerumque compluria uno volumine fuisse comprehensa, prout scribae libuerit, facile credimus, sed nec demonstrari hoc potest nec momentum facit.« Lawall (1967) 3–5 und 108–117. – S. weiter Van Sickle (1976) 18–44; Irigoin (1975) 27–44; Nauta (1990) 123–126. Überblick bei Köhnken (1995) 238–241 »Arbeiten zur ursprünglichen Anordnung der Gedichte (Gedichtsammlung)«. Eine Übersicht zur älteren Forschung findet man bei Susemihl (1891–1892) 1, 219–229. 98 Dazu Gutzwiller (1996a) 119–148 und Hunter (1996b) 28–29. 99 Zu hellenistischen autorbasierten Werkausgaben s. Krevans (1984); Harder (1993b) 99– 110; Gutzwiller (1998) 183–188. 100 So z.B. zwischen den beiden Polyphemgedichten 6 und 11 (s. Köhnken [1996b] 171–186) und zwischen Idyll 13 und 22. Dazu Hunter (1996b) 28 und 59–63; »Selbstzitate« bei Theokrit behandelt Stanzel (1996) 205–225.

22

Vorbemerkungen

u…‰c PraxagÏrao perikleitêc te Fil–nnac; Mo‹san d+ Êjne–an o÷tin+ ‚felkusàman. (AP 9, 434; Gow 27) 101 ›Ein anderer ist der [i.e. Theokrit] aus Chios. Ich aber Theokrit, der diese Werke geschrieben hat, bin einer von den vielen Syrakusanern, Sohn des Praxagoras und der bekannten Philinna. Und ich habe keine fremde Muse an mich gezogen.‹

Der Bewertung dieses Epigramms steht eine ganze Reihe von grundsätzlichen Schwierigkeiten entgegen. Zunächst kennen wir die exakten Lebensdaten Theokrits nicht. Es darf jedoch als sicher angenommen werden, daß er in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts gelebt hat und seine Hauptschaffenskraft in die 80er und 70er Jahre gehört. 102 Noch nicht befriedigend geklärt ist die Frage der relativen Chronologie zwischen den Werken Theokrits und anderer hellenistischer Autoren. 103 Das Epigramm óAlloc  Qÿoc kann als Einleitung einer frühen, noch im dritten Jahrhundert entstandenen Sammlung von Theokrit-Gedichten gedient haben. Die erste sicher bezeugte Ausgabe von ›Bukolikern‹, die Werke nicht nur Theokrits umfaßte, veranstaltete in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Artemidor von Tarsus. Er stellte den Gedichten ein beziehungsreiches Epigramm voraus: Boukolika» Moÿsai sporàdec pokà, n‹n d+ âma pêsai ‚nt» miêc màndrac, ‚nt» miêc ÇgËlac. (AP 9, 205) ›Die Bukolischen Musen waren einst versprengt, jetzt aber sind sie alle zusammen in einem einzigen Stall, in einer einzigen Herde.‹

Nach der These von Wilamowitz handelte es sich um eine umfangreiche Kollektion, die im Wesentlichen die Grundlage für die heute noch faßbare handschriftliche Überlieferung bildete. 104 Umfang, Anordnung und Nachwirkung dieser Ausgabe werden kontrovers eingeschätzt. Sie enthielt wohl 101 Zu dem Epigramm s. Cameron (1995) 422–425; Gutzwiller (1996a) 133–137; Hunter (1996b) 91–92; ders. (1999) 1. Daß das Epigramm tatsächlich von Theokrit selbst stammt, erwägt Immisch (1918) 337–341. 102 Die Hauptquellen zum Leben Theokrits sind der Eintrag in der Suda und das GËnoc Jeokr–tou der Scholien (p. 1–2 Wendel), s. Gow (2 1952) 1, xv-xvi. Die äußere Chronologie, insbesondere unter Berücksichtigung von idd. 15, 16 und 17, behandeln Köhnken (1965) 13–16 und Hunter (2003) 3–8. 103 Zu dieser Debatte s. Wilamowitz (1906) 177–178; Köhnken (1965) passim, bes. 118–121; ders. (2001) 73–92; ders. (2005a) 85–91; ders. (2005b) 506–512; Hutchinson (1988) 190– 191; Effe (1992) 299–309; Harder (1993b) 99–110; s. auch Gow (2 1952) 2, 591. – Daß Kallimachos in seinen Werken auf Theokrit anspielt (epigr. 46 Pf. auf Idyll 11), darf als gesichert gelten: Köhnken (2001) 81 [= Köhnken (2006) 559]. 104 Wilamowitz (1906) 127.

1. Zur Textgeschichte

23

mindestens die Gedichte 1 und 3 bis 7. Möglicherweise vermittelte sie auch Vergil Kenntnis von Theokrits Bukolik. Da Vergil die heute hinsichtlich ihrer Echtheit angezweifelten Gedichte 8 und 9 zitiert und ganz offensichtlich als genuin behandelt, könnten sie ebenfalls dieser Sammlung angehört haben. 105 Daß die erhaltenen Papyri eine von allen Handschriften abweichende Reihenfolge aufweisen, zeigt, daß es in den ersten Jahrhunderten der Textgeschichte keine durchgehende und einheitliche Überlieferung eines Corpus gegeben hat. 106 Gutzwiller unterscheidet mindestens vier verschiedene Ausgaben vom dritten bis zum ersten Jahrhundert vor Christus. 107 Die zahlreichen Theorien zur Textgeschichte sollen nicht im Einzelnen nachvollzogen werden. Letztlich hängen alle Versuche einer Rekonstruktion möglicher antiker Theokrit- und Bukoliker-Ausgaben davon ab, was jeweils unter ›Bukolik‹ verstanden wird. Festzuhalten ist jedoch, daß die Text- und Überlieferungsgeschichte bei der gegebenen Forschungslage auch für die hier nicht im Vordergrund stehende Echtheitsdiskussion keine abschließenden Ergebnisse liefert. 108

105 Dazu auch Nauta (1990) 125–126. 106 Gutzwiller (1996a) 125. 107 Gutzwiller (1996a) 138–139 postuliert »at least four different editions of Theocritean poetry issued during the period from the third through the first centuries B.C.: (1) a third-century collection of e d‘llia headed by the älloc  Qÿoc epigram, which may have been comprehensive and so included the surviving hexameter poems, the lost Berenice, the Aeolic poems, perhaps the epigrams, and perhaps as well some of the other titles listed by the Suda as attributed to Theocritus; (2) then, in the late third or early second century, an alphabetically arranged book of poems conceived as bucolic – Idylls 1, 5, 6, 4, 7, 3; (3) next, an enlargement of the first bucolic collection with the addition of Idylls 8 and 9, produced at a time (likely the late second century) when editors were supplementing the works of earlier Hellenistic poets with their own compositions; (4) finally, the comprehensive bucolic edition by Artemidorus, who likely rearranged the alphabetical order of the earlier edition, apparently added other, nonherding poems by the boukÏloc Theocritus, and perhaps also gathered the compositions of Moschus and Bion in additional books.« 108 Hunter (2002) 95–96, dort die vorsichtige Formulierung: »The transmission of the Theocritean corpus poses particular problems for the scholar interested in the authenticity question; there is both sufficient consistency in the arrangement of the corpus (or corpora) in the ancient and medieval traditions to encourage a belief that positive results are possible, and sufficient uncertainty to discourage over-confidence«, mit Anm. 12 »new papyri can, of course, always change the picture.«

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Vorbemerkungen

2. Zu den frühen Drucken der idd. 27, 20 und 21 Die ersten Drucke der Gedichte 27, 20 und 21 erfolgten in den Ausgaben, die zum Corpus Theocriteum in der heute vorliegenden Form führten. Die Geschichte der frühen Drucke des Corpus hat seit den grundlegenden Arbeiten von Gow und Gallavotti vor allem durch die Studie von Hicks (1993) wichtige Ergänzungen und Modifizierungen erfahren. 109 Werke von Theokrit wurden zum ersten Mal 1481 in Mailand bei Bonus Accursius (Med) als Buchdruck veröffentlicht, vereinigt in einem Band mit Hesiods Erga. 110 Die Ausgabe enthält die Gedichte 1 bis 18 in der auch heute noch üblichen Reihenfolge. 111 Wenig später, 1496, erschien in Venedig die erste Ausgabe mit Werken von Theokrit, Moschos und Bion aus dem Haus des Aldus Manutius (Ald1 ), wiederum zusammen mit Hesiod (und Theognis). 112 Die Aldina folgt für Idyll 1 bis 18 der editio princeps des Bonus Accursius, enthält darüber hinaus aber neues, nun erstmalig gedrucktes Material in folgender Reihenfolge: idd. 1–18, Mosch. 3, Mosch. 2, Mosch. 1, id. 19, Bion 1, id. 20, id. 21.1–65, id. 21.66–67, Mosch. 4.1–13, Mosch. 3.35–Ende, id. 22.1–44. 92–175. 177–85, id. 18.51–Ende, id. 23, Syrinx, E c Nekr‰n óAdwnin, Prolegomena. Strittig ist, welcher Handschrift (oder welchen Handschriften) Aldus diejenigen Gedichte entnahm, die in der editio princeps nicht enthalten sind, also sämtliche Texte hinter Idyll 18. Ahrens (gefolgt von Hiller, Gallavotti und Gow) vermutet, die benutzte Vorlage sei ab einschließlich Mosch. 1 der Codex Vaticanus Graecus 1311 (X) gewesen, eine Handschrift des 15. Jahrhunderts mit Theokrit, Pindars Olympien und Tzetzes’ Kommentaren zu Hesiod. 113 Der Vaticanus (X) besteht aus drei verschiedenen Teilen, von

109 Hicks (1993) passim. 110 Vgl. Proktor (1892) 386, nr. 5967. Daß die frühen Drucke Theokrit und Hesiod in einem Band enthalten, liegt daran, daß Handschriften als Vorlagen dienten, in denen diese Autoren zusammengefaßt waren. Zu den frühen Drucken des Corpus Theocriteum s. Ahrens (1855–1859) 1, xlviii–lxvii, und Gow (2 1952) 1, xliv-xlvi. 111 Die editio princeps des Bonus Accursius folgt in Inhalt und Anordnung der Vatikanischen Handschriftenfamilie. 112 Zu dieser Theokritausgabe s. ausführlich Sicherl (1997) 341–350, weitere Lit. ibid. 341 Anm. 3. – Das Datum 1496 nach heutigem Kalender. Das Kolophon datiert die Ausgabe auf Februar 1495, aber nach dem Venezianischen Kalender, der das Jahr erst im März beginnen läßt; s. Hicks (1993) 139 mit Anm. 2, und 154; Sicherl (1997) 341. 113 Ahrens (1874) 591 Anm. 71; Hiller (1888) 8–9; Gallavotti (3 1993) 310. 322; Gow (2 1952) 1, xliii.

25

2. Zu den frühen Drucken der idd. 27, 20 und 21

denen der erste aus dem Codex Vaticanus Graecus 913 (H), der zweite, hier wichtige aus dem Codex Vaticanus Graecus 1824 (V) kopiert ist: Teil

Inhalt 114

Vorlage

(1)

idd. 1–15, id. 18, Moschos 3, id. 28, id. 29.1–8.

H

(2)

id. 16, id. 25, Moschos 4.1–13, Moschos 3.35–Ende, id. 22.1–44. 92–185, id. 18.51–Ende, id. 20, id. 21, Moschos 1, id. 19, Bion 1, E c Nekr‰n óAdwnin, id. 23, Bion 2.

V

(3)

id. 24.1–87, Techn. 4.

Gegen diese von Ahrens bis Gallavotti herrschende Meinung hat in neuerer Zeit Hicks nachgewiesen, daß Aldus für seine erste Ausgabe (Ald1 ) nicht X, sondern eine andere Abschrift von V verwendet hat. 115 Noch im selben Jahr 1496 veranstaltete Aldus Manutius eine zweite, verbesserte und erweiterte Ausgabe (Ald2 ). 116 Sie bietet einen verbesserten Text von Idyll 19 und Bion 1 sowie (ab Idyll 21) 66 ganz neue Seiten mit folgendem Inhalt: id. 21.66–67, Mosch. 4 (jetzt vollständig), id. 22 (jetzt vollständig), id. 23, Syrinx und E c Nekr‰n óAdwnin. Auch hier stellt sich die Frage nach den handschriftlichen Vorlagen des Aldus Manutius. Ein Vergleich von Ald2 mit den erhaltenen Handschriften ergibt, daß es sich dabei um eine Handschrift gehandelt haben muß, die dem Parisinus Anc. Fonds Graecus 2832 (Tr) verwandt ist. Hiller und nach ihm Gallavotti und Gow vermuten die Verwendung des Codex Vaticanus Graecus 1379, einer im 15. Jahrhundert verfertigten Abschrift des Parisinus (Tr). 117 Der Vaticanus Graecus 1379 bringt die Gedichte id. 25, Moschos 4, id. 22, id. 20, id. 21, Bion 1, id. 23, Bion 2, Syrinx, Techn. Für Ald2 hat Hicks die bisherige Forschungsmeinung korrigiert und wahrscheinlich gemacht, daß nicht diese Ausgabe vom Codex Vaticanus Graecus 1379 abhängt, sondern umgekehrt der Codex Vaticanus Graecus 1379 von Ald2 . 118 Da der Vaticanus damit als mögliche Vorlage für Ald2 entfällt, vermutet Hicks, gefolgt von Reed und

114 Die Abkürzungen für die Werke von Bion und Moschos folgen dem System von Gow (2 1952) 1, xxxv. 115 Hicks (1993) 138–149; s. auch Reed (1997) 73 und Sens (1997) 53. 116 Hicks (1993) 153. 169–170 hat zudem eine zwischen Ald1 und Ald2 gelegene Ausgabe entdeckt, die Verbesserungen von id. 22, Mosch. 4 und id. 23 enthält, aber id. 19 und Bion 1 unverändert läßt (Florenz, Biblioteca Laurenziana D’ Elci 341). 117 Hiller (1888) 8 zu Tr 15–39; Gallavotti (3 1993) 311; Gow (2 1952) 1, xliv; Hicks (1993) 149–170. – Zum Codex Vaticanus Graecus 1379 s. Gallavotti (3 1993) 311 und 362. 118 Hicks (1993) 149–170.

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Vorbemerkungen

Sens, Aldus Manutius habe eine andere, heute verlorene Abschrift von Tr verwendet. 119 In Ald1 und Ald2 finden sich außer den gegenüber der editio princeps des Bonus Accursius neu hinzugekommenen Gedichten auch vereinzelte gute Lesarten in den übrigen Gedichten. Nach Hicks handelt es sich dabei nicht um Emendationen des Aldus Manutius, sondern um alte Lesarten der von Aldus gebrauchten Handschriften (Kopien von X und Tr). Hicks bezieht sich dafür auf das editorische Prinzip, das Aldus selbst in seiner Praefatio formuliert: »Quod incorrectum est si lateat raro vel potius numquam emendatur. Si vero prodit in publicum, erunt multi qui castigent, saltem longa die.« 120 Bemerkenswert ist, daß Aldus Idyll 25, das ihm sowohl aus X als auch aus dem Vaticanus Graecus 1379 bekannt war, in beide Ausgaben nicht aufgenommen hat. Anfang des folgenden Jahrhunderts, 1516, erschienen zwei neue Ausgaben mit Werken von Bukolikern. Philipp Iunta in Florenz druckte 1516 einen von Euphrosynus Boninus besorgten Text (Iunt), aus demselben Jahr stammt die Ausgabe des Druckers Zacharias Callierges in Rom (Cal). 121 Als editio princeps im engeren Sinne gilt Iunt, weil sie einige Tage früher erschienen ist als Cal. 122 Beide Bücher enthalten neue Lesarten unterschiedlicher Qualität und zudem weitere nun erstmals gedruckte Werke unter dem Namen Theokrit: Iunt idd. 1, 7, 3–6, 8–13, 2, 14–18, 22, 24, Mosch. 2, id. 29.1–25, id. 26, id. 27, id. 28, Mosch. 4, id. 25, id. 21, id. 23, id. 20, Bion 1, E c Nekr‰n óAdwnin, Mosch. 3, Mosch. 1, id. 19, epigr., Techn. 4, Techn. 2, Techn. 1. Cal

idd. 1–18, 22, 24, Mosch. 3, Mosch. 2, Mosch. 1, id. 19, Bion 1, id. 20, id. 21, Mosch. 4, id. 22, id. 23, E c Nekr‰n óAdwnin, Techn. 4, id. 24, id. 25, id. 26, id. 28, id. 29.1–25, id. 27, epigr., Techn. 1, Techn. 2, Techn. 5.

Die Textbestände sind mithin nahezu identisch, Ausnahme ist Techn. 5, das nur Callierges hat. Auffällig ist vor allem die unterschiedliche Reihenfolge der Texte. Während Callierges die Gedichte 1 bis 18 in der aus den älteren 119 Hicks (1993) 16. 150–154. 120 Hicks (1993) 147–154, Zitat 147. 121 Zu Euphrosynus Boninus (Frosino Bonini), einem Schüler des Politian, s. Cotton (1969) 157–175; allgemein Pettas (1980) 49–52. – Der aus Kreta stammende Drucker Zacharias Callierges (floruit 1499–1523) hat seinen Namen auf verschiedene Weisen latinisiert; so ist die Ausgabe Pindars von 1515 »per Zachariam Calergi« gedruckt. 122 Dazu Gow (2 1952) 1, xlvi.

2. Zu den frühen Drucken der idd. 27, 20 und 21

27

Ausgaben des Bonus Accursius und des Aldus Manutius bekannten Ordnung beläßt, nimmt Iunta zwei signifikante Änderungen vor, indem er Idyll 2 zwischen 13 und 14 sowie Idyll 7 zwischen 1 und 3 setzt. Diese Umstellung kann natürlich entweder auf eigenen Überlegungen beruhen (die Abfolge 1, 7 wird schon durch den programmatischen Inhalt der Gedichte nahegelegt) oder aber aus einer entsprechenden handschriftlichen Vorlage übernommen worden sein. Die Benutzung eines Manuskripts erhält dadurch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß Iunta (und Callierges) vielleicht indirekte Kenntnis einer sehr alten Handschrift (»ÇrqaiÏtaton bibl–on«) hatten, des geheimnisvollen, weil heute verlorenen sogenannten Codex deperditus Bucari Patavinus (B nach Wilamowitz; Gallavotti und Gow gebrauchen kein Siglum): 123 Dieser Codex befand sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Besitz des Paolo Capodivacca (gest. 1553) in Padua. Dort sah ihn Musuros (1470–1517) ein, wohl zwischen 1503 und 1509, als er Professor in Padua war. 124 Musuros trug in seine Handschrift neben eigenen Verbesserungen und Anmerkungen auch solche aus dem Codex Patavinus (B) ein und ergänzte offenbar diejenigen Texte, die in den früheren Ausgaben noch nicht enthalten waren (idd. 24, 25, 26, 27, 28, 29.1–25, Epigramme). 125 Die Handschrift des Musuros erwarb dann Philipp Pandulphinus in Venedig und sandte sie weiter an Euphrosynus Boninus, den Herausgeber der Iuntina. Boninus gebrauchte sie für seine Ausgabe von 1516. Er stellte ihr den Begleitbrief des Philipp Pandulphinus voran, in dem dieser den von Musuros eingesehenen Codex, eben den sog. Patavinus (B), als »ÇrqaiÏtaton bibl–on« bezeichnet und darauf hinweist, daß die Handschrift des Musuros zugleich auch viele Emendationen enthalte, die von Musuros selbst stammten. Die Ausgabe des Callierges zeigt ebenfalls Kenntnis der Musuros-Handschrift, ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf sie zu geben. 126 Sollten Iunt und Cal tatsächlich eine durch Musuros vermittelte indirekte Kenntnis einer »sehr alten Hand123 Zum Codex Patavinus (B) s. Hiller (1888) 3–4; Wilamowitz (1906) 7. 85–86; Gallavotti (3 1993) 363–371; ders. (1981a) 116–135; ders. (1981b) 3–27; Sens (1997) 52–53; Hicks (1993); Gow (2 1952) 1, xlv–lix. 124 Zu Musuros s. Reynolds-Wilson (3 1991) 156 (dort verwechselt mit Callierges?); Pfeiffer (1949–1953) 2, lxxv. 125 OŒ mÏnon ‚phn∏rjrou tÄ pr»n ‚ntupwjËnja … ÇllÄ ka– tin+ älla t¨ m‡n poihmàtia t¨ d‡ ‚pigràmmata Jeokr–tou … pro®gen e c f¿c. 126 Daß Iunta und Callierges zusammenarbeiteten, wird u.a. durch die Ausgabe des Etymologicum Magnum von 1499 gesichert, das von Musuros ediert und von Callierges gedruckt wurde.

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Vorbemerkungen

schrift« genutzt haben, käme den beiden Ausgaben von 1516 für die guten Lesarten der Stellenwert wichtiger Textzeugen zu. Nach Ahrens und Wilamowitz gehörte der Patavinus (B) zur sonst nur durch den Codex Ambrosianus Graecus 886 aus dem 13. Jahrhundert (K) repräsentierten sogenannten Ambrosianischen Handschriftenfamilie, enthielt aber über den Bestand von K hinausgehende weitere Texte. Die These, daß Iunt und Cal neben eigenen Konjekturen des Musuros auch Lesarten einer älteren unabhängigen Handschrift böten, hat Gallavotti in den beiden ersten Auflagen seiner TheokritAusgabe (1 1946, 2 1955) zurückgewiesen. Nach ihm war der von Musuros konsultierte Codex Patavinus (B) direkt aus dem Codex Ambrosianus (K), saec. XIII, und dem Codex Parisinus Graecus 2726 (D), saec. XV, kopiert, also ohne eigenen Textwert. Alle eigenständigen Varianten in Iunt und Cal wären demnach lediglich Konjekturen des Musuros. In der dritten Auflage (3 1993) räumt Gallavotti jedoch einem Umstand mehr Gewicht ein, der zuvor schon von Hiller und später von Gow betont worden war, nämlich daß Idyll 29, 26–40 zwar in K und D, aber nicht in den Ausgaben Iunt und Cal enthalten ist. 127 Die Existenz des Codex Patavinus (B) ist, ganz abgesehen von seinem textgeschichtlichen Stellenwert, nicht nur durch den in der Iuntina publizierten Brief des Philipp Pandulphinus gesichert, sondern auch durch ein Scholion zu Theokrit epigr. 14 (AP 9, 435). 128 Spuren des Codex Patavinus (B) enthält darüber hinaus vielleicht auch eine Handschrift in Salamanca, der Codex Salmanticensis 295 (Non.). Der Salmanticensis, verfaßt zu Beginn des 16. Jahrhunderts von dem spanischen Humanisten Fernán Núñez de Guzmán (F. Nonius Pincianus), bringt auf den Seiten 46 bis 56 »Emendationes in nonnulla loca Theocriti depravata. Ex codice antiquissimo«. 129 Eine Abschrift dieses Textes findet sich noch im Codex Bruxellensis 18174, geschrieben im 16. Jahrhundert von Andreas Schott. 130 Bei den Emendationes handelt es sich um aus der zweiten Ausgabe der Aldina (Ald2 ) übernommene Lemmata zu Idyll 1 bis 21, zu Mosch. 1 bis 3 und zu Bion 1, die von alternativen Lesarten begleitet werden. Die Formulierung »ex codice antiquissimo« 127 Hiller (1888) 4 Anm. 2 und Gow (2 1952) 1, lix. 128 Das Epigramm ist in Iunt und Cal nicht enthalten, das Scholion lautet: Ín tini Çrqaiotàt˙ Çntigràf˙ Pa‘lou to‹ Boukàrou ‚n Patab–˙. Vgl. Gallavotti (3 1993) 365; ders. (1981a) 116–135; ders. (1981b) 3–27; Gow (2 1952) 2, 538–539. 129 Professor in Barcelona, durch seine Ausgabe des Phrynichos (1580) bekannt, Verfasser einer Griechischen Grammatik (1590). 130 Gallavotti (1951) 79–80. – Der Jesuit Andreas Schott aus Antwerpen (1552–1629) war u.a. Professor in Toledo und Saragossa gewesen, s. Sandys (3 1920) 2, 305.

2. Zu den frühen Drucken der idd. 27, 20 und 21

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erinnert auffällig an den Brief des Philipp Pandulphinus, in dem der Patavinus (B) als »ÇrqaiÏtaton bibl–on« bezeichnet wird; der Übereinstimmung kann aber kein allzu großes Gewicht beigemessen werden. Der Salmanticensis (Non.) hat eine Reihe guter Lesarten, die sich auch entweder nur in Iunt oder nur in Cal oder aber in Iunt und Cal zusammen finden. Damit stellt sich die Frage, ob diese Übereinstimmungen die These von Ahrens und Wilamowitz bestätigen, daß Musuros neben eigenen Emendationen auch altes unabhängiges Textgut an Iunt und Cal weitergegeben hat (gegen Gallavottis These, Musuros habe nur eigene Emendationen vermittelt). Der Herausgeber der Emendationes, Antonio Tovar, kommt nach Vergleich der Lesarten von Iunt, Cal und Non. zu dem Schluß, daß Núñez den verlorenen Codex Patavinus (B) selbst als Vorlage genutzt habe, da zahlreiche Lesarten nicht aus Konjekturen entstanden sein könnten. 131 Dagegen hält Gow eine indirekte Kenntnis von B, etwa durch ein adnotiertes Exemplar von Cal, für wahrscheinlicher und äußert sich insgesamt sehr unbestimmt über den Wert von Non. 132 Gallavotti schließlich bleibt auch im Falle von Non. bei seiner ursprünglichen Auffassung und spricht wie schon zuvor B so auch Non. jeglichen Wert als Textzeuge ab. 133 Nach Gallavotti handelt es sich bei Non. um nichts weiter als um dieselben Emendationen des Musuros, die sich auch in seinem von Pandulphinus erworbenen Exemplar befunden hätten und, etwa durch Vorlesungsmitschriften, weiter verbreitet worden seien. Bühler äußert sich in seiner Ausgabe von Moschos’ Europa (Mosch. 2) ähnlich zurückhaltend wie Gow, kommt aber letztlich zu dem sich Gallavotti annährenden negativen Ergebnis, daß im Falle von Mosch. 2 sämtliche Verbesserungen von Iunt, Cal und Non. eher auf Emendation verderbter Textstellen als auf Kenntnis einer alten Handschrift zurückzuführen seien. 134

131 Tovar (1945) 41–48 (Auszüge); ders. (1947/49) 15–89 (vollständiges Faksimile mit Kommentar). 132 Gow (2 1952) 1, xlvi–xlvii; Hicks (1993) 202–203; Bühler (1960) 13–15; Latte (1951) 253 Anm. 1. 133 Gallavotti (1981a). 134 Vgl. Bühler (1960) 14–15 zur umstrittenen sechszeiligen Verspartie Mosch. 3, 92a–f, die nur in Cal und Non. überliefert ist. In Cal werden die Verse ausdrücklich dem Musuros zugesprochen: »Màrkoc  Mouso‹roc Ílege toia‹tà tina le–pein«. Iunt indiziert nur eine Lücke durch »le–pei«. Non. allein hält sie für echt: »Å Mitulàna post hunc versum debent sequi sequentes omnes«. Da die Verse 92aÌf aber mit großer Wahrscheinlichkeit mit Cal ein von Musuros selbst aus Theokrit (bes. id. 7) zusammengestelltes Interpolament sind (Naeke, Op. 1, 1817, 167), ist Bühler zuzustimmen, der Non. diskreditiert sieht, »wenn ein Zusatz des Musurus als genuin notiert wird«. Die Echtheit der Verse

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Vorbemerkungen

Sein Stemma läßt die Frage nach dem Verhältnis zwischen Iunt, Cal, und Non. bewußt offen. 135 Hinsichtlich der Druckwerke gilt Folgendes: Die Ausgabe des Bonus Accursius von 1481 ist somit die editio princeps der Gedichte 8 und 9. Die beiden Aldinen von 1496 sind maßgebend für die Gedichte 19, 20, 21 und 23. Die Ausgaben von Iunta und Callierges (1516) sind Textgrundlage für die Gedichte 25 und 27. Die heutige Numerierung und Anordnung der Gedichte des Corpus Theocriteum geht auf die Ausgabe des H. Stephanus zurück (Basel 1566, 2 1579).

3. Zur Textwiedergabe Der Text der Gedichte folgt weitgehend der Ausgabe von Gow (2 1952). Berücksichtigt sind weiter die Ausgaben von Gallavotti (3 1993), Wilamowitz (2 1910) und Ahrens (1855–1859). Abweichungen von Gows Text sind jeweils einzeln vermerkt. Der mitgegebene kritische Apparat orientiert sich an den Arbeiten von Gow und Gallavotti. Er soll keine neue kritische Recensio sein, die sinnvoll nur für das ganze Corpus Theocriteum geleistet werden könnte, sondern eine Hilfe für die Lektüre bieten.

verteidigen nur Tovar (1947/49) 51ff. und Latte (1951) 253–254, für unecht erklären sie dagegen Wilamowitz, Legrand, Gallavotti, Gow und Beckby. 135 Bühler (1960) 16.

Conspectus siglorum Codices C D Tr X Non Laur

Codex Ambrosianus 104 (B 75 sup.) Codex Parisinus Graecus 2726 Codex Parisinus Graecus 2832 Codex Vaticanus Graecus 1311 Emendationes in nonnulla loca Theocriti depravata. Ex codice antiquissimo (cod. Salmanticensis 295). Consensus codicum Laurentianorum

saec. XV–XVI saec. XV saec. XIV saec. XVexeuntis saec. XVIineuntis

Editiones Ald1 Ald2 Iunt Cal Morel Steph

Editio prima Aldi Manutii, Venetiis Editio altera Aldi Manutii, Venetiis Editio Philippi Iuntae, Florentiae Editio Zachariae Calliergis, Romae Editio altera Moreliana, Parisiis Editio H. Stephanus, Basileae Editio altera H. Stephanus, Basileae

1496 1496 1516 1516 1561 1566 1579

Virorum doctorum nomina (decurtata) Ahrens, Ameis, Auberus, Bindemann, Belloni, Blayde, Briggs, Brodaeus, Brunck, Buecheler, Campbell, Cobet, Doehler, Edmonds, Eldik, Fritzsche, Gaisford, Gall(avotti), Gebaureus, Giangrande, Graefe, Gow, Greverus, Hartung, Haupt, Headlam, Heinsius, Herm(ann), Hemsterhusius, Higt, Kaibel, Koehler, Kiessling, Knaack, Legrand, Lucas, Luzacius, Martinus, Mein(eke), Platt, Rannow, Reiske, Ribbeck, Salmasius, Sanctamandus, Sauppe, Scaliger, Schaefer, Sider, Sitzler, Stephanus, Stroth, Theiler, Toupius, Valck(enaer), Voss, Wakefield, Warton, Wassenberg, Winsemius, Winterton, Wilam(owitz-Moellendorff), Wuestemann, Wyngaardenius, Ziegler.

Idyll 27

Idyll 27 1. Text und Übersetzung OARISTUS 1 KORH tÄn pinutÄn Akrot–mh Edmonds : äkra timò D : (o⁄d+) ära; tim–h Hartung : (o÷ g+) ära; tim–a Gallapp : >Akrat–qh Theiler 45 te‰n Wilam : Èjon D : Èjen D2 Iunt Cal : ·‰n Ahrens | afilic Iunt Cal : aia D : a⁄a D2 : aŒlÄ Blayde 47 boukÏlw Ahrens : bwkÏla D : bwkÏlw Iunt Call 48 —na parjËn˙ älsea Steph : —na älsea parjËni (parjËn˙ C) D : ‚mÄ par. äl. Ahrens 49 ˚Ëzeic C Iunt Cal : -zhc D 51 teòn D : teÄn Galltxt 52 deilà Iunt Cal : d–a D 55 m–tran ed. Morel Winsemius : mikrÄn D | ÇpËsqisac Scaliger : ÇpËstiqec D | fe‹ fe‹, ka» m–tran meu ÇpËsqisac Sider (2001) 100

1. Text und Übersetzung

39

35 Mä. Schwöre, daß du mich nach vollzogenem Liebeslager nicht gegen meinen Willen verläßt und weggehst! Da. Nein, bei Pan selbst, selbst wenn du mich fortjagen wolltest. Mä. Willst du mir Hochzeitsgemächer errichten, Haus und Gehöfte bauen? Da. Ich will dir Hochzeitsgemächer errichten. Und die schönen Herden werde ich weiden. Mä. Dem alten Vater aber, welche denn, welche Geschichte soll ich ihm erzählen? 40 Da. Loben wird er deinen Ehebund, sobald er meinen Namen hört. Mä. Deinen Namen, sag’ mir jenen! Auch ein Name erfreut oft. Da. Daphnis bin ich, und Lykidas ist mein Vater, und Nomaia meine Mutter. Mä. Von guter Herkunft! Aber ich bin nicht geringer als du. Da. Ich weiß, Akrotime bist du, und dein Vater ist Menalkas. 45 Mä. Zeig’ mir deinen Wald, wo dein Stall steht! Da. Hier, sieh, wie meine schlanken Zypressen gedeihen! Mä. Meine Ziegen, grast! Ich werde die Besitzungen des Rinderhirten besichtigen. Da. Stiere, weidet schön, damit ich dem Mädchen meine Wälder zeige! Mä. Was machst du da, Satyrlein? Warum greifst du drinnen an meine Brüste? 50 Da. Deine Äpfel, die flaumigen da, werde ich zuerst lehren. Mä. Ich erstarre, beim Pan. Nimm’ deine Hand wieder heraus! Da. Nur Mut, liebes Mädchen! Warum zittertest du mir? Wie überängstlich! Mä. Du wirfst mich in den Graben und meine schönen Kleider befleckst du. Da. Aber unter deine Gewänder werfe ich, sieh, ein weiches Fell. 55 Mä. Oh oh, auch den Gürtel hast du abgerissen. Warum hast du ihn gelöst? Da. Der Paphierin bringe ich als erste diese Gabe dar. Mä. Warte, Kerl! Es kommt wohl jemand. Ich höre ein Geräusch.

40

Idyll 27

DA. KO. 60 DA. KO. DA. KO. DA. 65 KO. DA.

Çll†laic lalËousi te‰n gàmon a… kupàrissoi. ÇmpeqÏnhn po–hsac ‚mòn ˚àkoc; e m» d‡ gumnà. ällhn ÇmpeqÏnhn t®c s®c toi me–zona d∏sw. f§c moi pànta dÏmen; tàqa d+ ’steron oŒd+ âla do–hc. a“j+ aŒtÄn dunàman ka» tÄn yuqÄn ‚pibàllein. óArtemi, mò nemËsa sËo ˚†masin oŒkËti pist¨. ˚Ëxw pÏrtin óErwti ka» aŒtî bo‹n >Afrod–t¯. parjËnoc Ínja bËbhka, gunò d+ e c o⁄kon ÇfËrpw. ÇllÄ gunò m†thr tekËwn trofÏc, oŒkËti k∏ra.

√Wc oÀ m‡n qloeroÿsin  ainÏmenoi melËessin Çll†loic yij‘rizon. Çn–stato f∏rioc eŒn†. q£ m‡n ÇnegromËnh pàlin Ístiqe m®la nome‘ein 70 Ómmasin a domËnoic, krad–h dË o… Índon  ànjh; Ác d+ ‚p» taure–ac ÇgËlac keqarhmËnoc eŒnêc b 71 ¢ien. DËqnuso tÄn s‘rigga teÄn pàlin, Ólbie poimàn; t¿n d+ afi poimnag¿n ·tËrhn skey∏meja molpàn.

58 Çll†laic D | lalËousi D : lalËonti Iunt 59 ÇmpeqÏnhn … ‚mòn Herm : tÇmpËqonon … ‚m‰n D : kÇmpËqonon … ‚m‰n Sitzler : ÇmpeqÏnhn … Ìlon Ahrens : t≤mpËqonon … ‚m‰n Galltxt | ˚àkoc Iunt : ˚àgoc D 60 ällhn ÇmpeqÏnhn t®c s®c D : ällan ÇmpeqÏnan têc sêc Galltxt | me–zona D : Çme–nona Cobet 62 ‚pibàllein Iunt Cal : -llw D 63 sËo Herm : su D : soi D2 : soÿc Ahrens | ˚†masin Ahrens : Írhmac D | pist¨ D : pistî Galltxt 64 ˚Ëxw Iunt Cal : ˚Ëzw D | bo‹n Iunt : b¿n D Galltxt 65 bËbhka D Iunt Cal : bËbhkac D1 | gunò D : gunÄ Galltxt | ÇfËrpw Ahrens : -ph D : -yw D 66 gunò m†thr D : gunÄ màthr Galltxt 68 Çll†loic D : Çllàloic Galltxt | Çn–stato Iunt Cal : Çn–sta D : Çn‘eto Ahrens : änusto d‡ Mein Galltxt | eŒn† D : eŒnà Galltxt 69 pàlin Ístiqe Wilam : ge diËstiqe D : sÿg+ Ístiqe Ahrens 70 a domËnoic Herm : -nh D | krad–h D : krad–a Galltxt 71b ¢ie(n) D Iunt : ¢ie(n) in media linea habet Cal : kien C : del. Ahrens 72–73 om. Iunt Cal 72 teÄn Ahrens : te¿n D Galltxt (Gallapp : defend. commate post s‘rigga posito) 73 t¿n d+ afi Legrand : t¿n ka» D Galltxt : tî ka» Wilam | poimnag¿n Edmonds : poimaign–wn D : poimenik¿n con. Galltxt | ·tËrhn D : ·tËrwn Wilam : ·tËran Galltxt | vacuum folium post v. 73 reliquit D.

1. Text und Übersetzung

Da. Mä. 60 Da. Mä. Da. Mä. Da. 65 Mä. Da.

41

Es beschwatzen miteinander die Zypressen deine Eheschließung. Meinen Umhang hast du zu Fetzen gemacht. Und ich bin nackt! Einen anderen Umhang, größer als deinen, werde ich dir geben. Du behauptest, mir alles zu geben. Vielleicht gibst du mir aber später nicht einmal Salz. Könnte ich doch nur selbst meine eigene Seele dazugeben! Artemis, zürne mir nicht, daß ich auf deine Ratschläge nicht mehr höre! Ich werde ein Kalb Eros opfern und Artemis selbst eine Kuh. Als Mädchen bin ich hierher gekommen, und als Frau gehe ich nach Hause. Ja, als Frau, Mutter, Erzieherin von Kindern, nicht mehr als Mädchen.

So flüsterten sie miteinander, erhitzt in ihren jugendlichen Gliedern. Es ereignete sich ein heimliches Liebeslager. Und sie stand auf und ging zurück, um ihre Schafe zu hüten, 70 mit schamhaften Augen, und ihr Herz war innen freudig-warm. Er aber ging zu seinen Stierherden, glücklich über das 71b Ehelager. Nimm’ die Syrinx wieder für dich, glücklicher Hirte! Und von den Hirtengesängen laßt uns einen anderen versuchen!

42

Idyll 27

2. Das Gedicht Ein Rinderhirt, Daphnis, wirbt erfolgreich um die junge Ziegenhirtin Akrotime. Insgesamt 73 Verse sind überliefert, davon einer unvollständig (71b ), einer sicher (19) und andere vielleicht (9. 20–21) verstellt. Der Hauptteil enthält einen Dialog zwischen Akrotime und Daphnis in durchgehender Stichomythie (1–66). 136 Es folgt eine abschließende Schilderung des Geschehens (67 bis 71b ), am Schluß steht ein Anruf an den Sänger (72 bis 73). Das Gedicht in seiner überlieferten Fassung hat sechs Teile: 1–21 22–44 45–48 49–66 67–71b 72–73

Werbung des Daphnis und Abwehrverhalten der Akrotime Annäherung bis zur gegenseitigen Vorstellung Avancen der Akrotime Verführung der Akrotime durch Daphnis Narrativer Abschluß Übergabe der Syrinx für ein neues Lied

2.1 Zum Text Nur zwei Handschriften überliefern Idyll 27, der Codex Parisinus Graecus 2726 aus dem 15. Jahrhundert (D) und der – für Idyll 27 von diesem abhängige – Codex Ambrosianus 104 aus dem fünfzehnten bis sechzehnten Jahrhundert (C). 137 Beide Handschriften enthalten keinen Titel. D hat sowohl vor als auch nach dem Gedicht eine Lücke. Der Titel >Oarist‘c, 136 Mit Umstellung von v. 19 hinter v. 10 nach Ribbeck (1890) 146–147. Ribbecks Vorschlag akzeptieren Gow und Gallavotti. Wilamowitz (2 1910) ordnet die Verse anders: 8 10 9 19 11

mò kauq¿; tàqa gàr se parËrqetai ±c Ónar °bh. Å staful»c staf»c Ístai; Á n‹n ˚Ïdon, afion Êleÿtai °de ti ghràskei? tÏde pou mËli ka» gàla p–nw. möpibàlhic tòn qeÿra; ka» e sËti? qeÿloc Çm‘xw. de‹r+ Õp‰ tÄc kot–nouc, —na so– tina m‹jon ‚nËyw.

Die Reihenfolge der anschließenden Verse ist nach Wilamowitz (1878) 277–278 so wiederherzustellen: v. 12–16, 20, 21, 17, 18, 22. Wilamowitz folgt teilweise Haupt (1846) 274–277 = (1875) 1, 181–183; s. weiter Wilamowitz (2 1910) 113; Gow (2 1952) 2, 488. Nicht überzeugend ist die Umstellung von Hermann (1832) 1078–1080 = (1834) 5, 113–115, der das Gedicht mit v. 11 beginnen läßt. 137 Zum Parisinus 2726 s. Hiller (1888) 3 und 5; Wilamowitz (1906) 39 und 84; Wendel (1920) 189–190; Gow (2 1952) 1, xxxvii–xxxviii; Gallavotti (3 1993) 343–348. Weiteres oben in den ›Vorbemerkungen‹ (S. 17–30).

2. Das Gedicht

43

›vertrauliches Gespräch, Liebesgespräch‹, findet sich zuerst in den Ausgaben von Iunta und Callierges. Callierges druckt Dàfnidoc ka» kÏrhc Êarist‘c, Iunta leicht abweichend Dàfnidoc ka» NhÚdoc Êarist‘c. Der Name des Mädchens ist in v. 44 äkra tim† entstellt überliefert. Erst Edmonds hat den Namen >Akrot–mh mit guter Plausibilität wiederhergestellt.138 Iuntas Text NhÚdoc statt kÏrhc ist wohl durch Idyll 8 beeinflußt, das von einer Verbindung zwischen Daphnis und der Nymphe NhÚc berichtet: kök to‘tw prêtoc parÄ poimËsi Dàfnic Ígento, / ka» n‘mfan äkraboc ‚∞n Íti NaÚda gêmen (v. 92–93); in Idyll 27 spielt NhÚc dagegen keine Rolle. 139 Gow qualifiziert den bei Iunta und Callierges enthaltenen Titel zwar als passend, »it is quite appropriate to the poem in its present state«, hält ihn aber für einen späteren Zusatz. 140 Der originale Titel ist nach Gows Auffassung zusammen mit einem Anfang des Gedichts verloren gegangen. Anregung für den Titel kann die Stelle der Ilias gegeben haben, in der Hera Zeus mit Aphrodites Hilfe verführt: Ínj+ Íni m‡n filÏthc, ‚n d+ —meroc, ‚n d+ ÊaristÃc / pàrfasic, ° t+ Íkleye nÏon p‘ka per froneÏntwn (14, 216– 217). Denn auch in Idyll 27 kommt ein Gürtel vor: Daphnis will Akrotimes Gürtel abnehmen und der Göttin als Dank für sein erfolgreiches Liebeswerben darbringen (v. 55–56). Die Frage nach dem Urheber des Titels ist durch mögliche Vorlagen jedoch nicht zu klären. Gegen Gows These der Unechtheit ist zu bedenken, daß der Titel, wie Gow selbst zugesteht, passend klingt und daß er nicht aus dem Gedicht selbst entnommen ist. Das Wort Êarist‘c und das zugehörige Verbum Êar–zein kommen, was nicht unbedingt überrascht, abgesehen von dieser Stelle im ganzen Corpus Theocriteum nicht vor. Der Sache nach erinnert der Titel an eine Stelle aus Longos, in der sich Daphnis und Chloe an Küssen und an Liebesworten (lÏgwn Âmil–a terpn†) erfreuen: flHn d‡ aŒtoÿc ka» filhmàtwn ÇpÏlausic suneqòc ka» lÏgwn Âmil–a terpn†. DiÄ s‡ ™ljon, QlÏh. _ O⁄da, Dàfni; _ DiÄ s‡ Çpoll‘w toÃc Çjl–ouc koy–qouc. _ T–c ofin soi gËnwmai? _ MËmnhsÏ mou. _ Mnhmone‘w, nò tÄc N‘mfac … (3, 10, 3). 141 138 Gow (2 1952) 1, 222, App. crit. ad locum. Gegen Edmonds schlägt Theiler (1959) 280 (= [1986] 341) >Akrat–qh vor. Vgl. hierzu S. 60. 139 Gow (2 1952) 2, 31. 485. 140 Gow (2 1952) 2, 485. 141 Das Liebesgespräch zwischen Daphnis und Chloe geht in demselben Stil noch einige Zeilen weiter. In einem der Liebesbriefe des Aristainetos ist auch von einem solchen Gespräch die Rede, aber in anderem Kontext: Der Liebhaber muß sich mit bloßen Worten (yil‰n ˚®ma) zufriedengeben, weil ihm Intimeres verweigert wird: Ístw, dedÏqjw, ‚x Çpor–ac Ífhsen >ArqitËlhc; e  gÄr o’tw soi f–lon, ¬ Teles–pph, oŒd+ ‚mo» ‚qjrÏn.

44

Idyll 27

Die Zuordnung des ersten Verses an das Mädchen und des zweiten an Daphnis entspricht der Ausgabe von Iunta (1516). Seiner Verteilung der Sprecher folgen u. a. Reiske, Brunck und die meisten Herausgeber seit Wuestemann. Callierges dagegen gibt beide Verse Daphnis. Ihm schließen sich u. a. Valckenaer und Kießling an. Doch fordern die beiden Verse eine Verteilung auf zwei Sprecher, denn die Versionen von Helena als Geraubter (v. 1) und Helena als Raubender (v. 2) widersprechen sich direkt. Für eine Verteilung auf zwei Personen spricht auch, daß andernfalls die sonst durchgehende Stichomythie (zu v. 19 s. oben Anm. 136) unterbrochen würde. Ein weiteres stilistisches Argument läßt sich anbringen: Charakteristisch für die stichomythische Wechselrede in Idyll 27 ist die enge Verbindung von Aussage und Gegenaussage, bzw. von Frage und Antwort, durch das wörtliche Wiederaufgreifen zentraler Begriffe:142 v. 3 ken‰n – 4 keneoÿsi, 5 pl‘nw – 6 pl‘neic, 11 m‹jon – 12 m‘j˙, 15 Paf–ac – 16 Paf–a, 17 bàll˘ – 18 ballËtw, 20 fe‘geic – 21 fe‘gw, 23 ‚mn∏onto – 24 mnhstòr, 25 gàmoi – 26 gàmoc, 27 tromËein – 28 tromËousi – 29 tromËw (– 31 tromËw), 30 mogostÏkoc – tekeÿn, 37 te‘qeic moi jalàmouc – 38 te‘qw soi jalàmouc, 40 o÷noma – 41 o÷noma … o÷noma, 53 bàlleic – 54 bàllw, 65 gun† – 66 gun†. Hinzu kommen das Leitmotiv fileÿn, das in v. 1–7 nicht weniger als sechsmal gebraucht wird, und Wiederholungen von solchen Wörtern, die nicht wurzelidentisch, aber durch Gegensatz oder Variation eng aufeinander bezogen sind, wie z. B. v. 47 a⁄gec … bÏskesje – 48 ta‹roi … nËmesj+ (jeweils am Versanfang). Genau solche Korrespondenzen und damit den Charakter einer Wechselrede bieten nun auch die beiden ersten Verse: 1 AkrÏtimoc. 186 Die Wendung des Gesprächs auf das Thema Ehe tut dem Interesse von Daphnis an Akrotime keinerlei Abbruch. Er nimmt es vielmehr bereitwillig 185 Zu Pan in Verbindung mit erotischen Motiven s. Herbig (1949) 36: »Die zärtlichen Liebesidyllen des Gottes mit einer Reihe von weiblichen Naturwesen sind Erfindungen der hellenistischen Poesie. Im Wesen des Pan selbst lag die Rolle des aus der Ferne schmachtenden Liebhabers in keiner Weise begründet«; s. weiter Hunter (1983) 37; Merkelbach (1988) 32–36; Larson (2001) 96–98 (»Nymphs and the Pastoral Gods«) u.ö.; zu Pan bei Theokrit Fantuzzi-Hunter (2004) 156. – Zum unpassenden Schwur bei Pan s. ausführlich unten S. 85. 186 Gow (2 1952) 2, 491; vgl. S. 43.

2. Das Gedicht

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auf und streicht die Vorzüge der Ehe mit großen rhetorischen Anstrengungen heraus. So etwa in v. 26 oŒk Êd‘nhn, oŒk älgoc Íqei gàmoc, ÇllÄ qore–hn, ›Nicht Trübsal, nicht Schmerz bietet die Ehe, sondern Tanz‹. Denn mit qore–a spielt Daphnis geschickt auf die schönen Seiten der Ehe an (vgl. id. 18) und lenkt damit vom Alltag ab. Auffällig ist auch hier der bereits besprochene ironisch-witzige Ton in den Antworten des Daphnis. Er könnte damit zwei verschiedene Absichten verfolgen: entweder eine ironische Distanz vom Thema Ehe zu schaffen oder gerade im Gegenteil Akrotimes Bedenken mit ihren eigenen Argumenten zu zerstreuen. Letzteres ist schon allein deshalb wahrscheinlicher, weil der Text von Idyll 27 keinen einzigen Anhaltspunkt dafür enthält, daß Daphnis seine ab v. 22 offen erklärte Ehebereitschaft heimlich zurücknähme. Auf Seiten der Akrotime ist vor allem ihr mit v. 25 einsetzender, durch Daphnis’ positive Reaktion auf das Thema Ehe ausgelöster Gesinnungswandel auffällig. Dieser ist im folgenden begleitet von einem persönlicher werdenden Ton und von einer aktiven Lenkung des Gesprächs durch konkrete, aufeinander aufbauende Fragen an Daphnis, die deutlich erkennen lassen, daß sie genau weiß, was sie will. Diese Intention stützt die oben gemachte Feststellung, daß Akrotime von Anfang an nicht Opfer, sondern aktive Gestalterin des Geschehens ist. Ihre Intention wird noch deutlicher, wenn man sich dem folgenden dritten Gedichtteil, den Avancen der Akrotime (v. 45–48), zuwendet. Akrotime spricht ihren Verehrer jetzt nicht mehr mit Fragen, sondern mit Aufforderungen an: deÿxon ‚mo» te‰n älsoc, Ìp˘ sËjen —statai afilic, ›Zeig’ mir deinen Wald, wo dein Stall steht!‹ In v. 11–14, hatte Akrotime es noch abgelehnt, Daphnis irgendwohin zu folgen. Nun, nach erfolgtem Eheversprechen, fordert sie ihn selbst auf, ihr seinen Besitz zu zeigen. Der Wandel der Verhältnisse wird in v. 46 sinnfällig gemacht, indem de‹ro, ›hierher‹, aus v. 11 und 13 aufgegriffen wird. Der vierte Gedichtteil behandelt die erfolgreiche Verführung der Akrotime durch Daphnis (v. 49–66): 49–52 53–56 57–60 61–64 65–66

Daphnis faßt Akrotime an die Brüste. Daphnis wirft Akrotime zu Boden und löst ihren Gürtel. Daphnis entkleidet Akrotime. Nachgeben der Akrotime. Schluß der Dialogszene.

Die Verse weisen in Perspektive und Handlungsführung auffällige Parallelen zum Anfang des Gedichts (v. 1–22) auf. Denn jetzt ist es wieder Daphnis, der durch seine Initiative den weiteren Gang der Handlung bestimmt.

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Idyll 27

Gegliedert sind die Verse zwar durch Worte der Akrotime, diese beziehen sich jedoch jeweils reagierend auf Handgreiflichkeiten des Daphnis, variierend formuliert in v. 49 durch eine zweifache Frage (t– ˚Ëzeic …), in v. 53 durch eine Aussage (bàlleic …), in v. 57 durch einen Imperativ (m–mne …) und in v. 61 wieder durch eine Aussage (f§c moi …). Zugleich illustrieren verschiedene gezielte Rückbezüge auf frühere Verse den Fortgang des Geschehens. Wieder berührt Daphnis Akrotime, diesmal aber nicht nur mit dem Ziel, sie zu küssen, sondern sich ganz mit ihr zu vereinen (v. 49ff.), der Bezug zwischen dem anfänglichen Kußversuch in v. 1 ff. und dem Hindringen auf die Eheschließung, d. h. durch geschlechtliche Vereinigung, wird in v. 49 durch die Wiederholung der Anrede satur–ske aus v. 3 deutlich gemacht. Auch treten die aus dem ersten Teil bekannten Götter wieder in Erscheinung. In v. 21 hatte Akrotime noch versichert fe‘gw na» t‰n Pêna, ›ich komme davon beim Pan‹, jetzt ruft sie in v. 51, nachdem Daphnis ihre Brüste berührt hat, aus: nark¿, na» t‰n Pêna, ›Ich erstarre, beim Pan‹. Von Flucht ist keine Rede mehr. Schon die Erwähnung Pans, der nicht gerade ein Garant für Keuschheit ist, zeigt an, daß sie nachgiebig wird. In v. 15ff. hatte Daphnis mit dem Zorn der Aphrodite gewarnt, falls sich Akrotime seinem Liebeswerben entziehe, jetzt möchte Daphnis v. 56 den gelösten Gürtel Akrotimes als Zeichen der erfolgreichen Verführung der Liebesgöttin weihen, tî Paf–¯ pràtiston ‚g∞ tÏde d¿ron Êpàzw, ›Der Paphierin bringe ich als erste diese Gabe dar‹. 187 Die Reaktion Akrotimes besteht einzig in der Sorge, jemand könnte sie beobachten, Akrotime wehrt Daphnis’ Tun nicht entschieden ab, v. 57 m–mne, tàlan; tàqa t–c toi ‚pËrqetai; ™qon Çko‘w, ›Warte, Kerl! Es kommt wohl jemand. Ich höre ein Geräusch‹. Das endgültige Nachgeben Akrotimes in v. 61–64 wird schließlich durch das Wiederaufgreifen des Treueschwurs aus v. 35–36 eingeleitet, v. 61–62: f§c moi pànta dÏmen; tàqa d+ ’steron oŒd+ âla do–hc. – a“j+ aŒtÄn dunàman ka» tÄn yuqÄn ‚pibàllein, ›Du behauptest, mir alles zu geben. Vielleicht gibst du mir aber später nicht einmal Salz. – Könnte ich doch nur auch meine eigene Seele dazugeben!‹ Im folgenden v. 63 verkündet Akrotime ihr Nachgeben, indem sie sich von Artemis lossagt, der Göttin also, auf die sie sich anfangs v. 16–18 noch als Schutzgottheit berufen hatte, óArtemi, mò nemËsa sËo ˚†masin oŒkËti pist¨, ›Artemis, zürne mir nicht, daß ich auf deine Ratschläge nicht mehr höre!‹ 187 Zum Gürtel der Aphrodite, den diese der Hera leiht: Il. 14, 214ff. (die Stelle, in der das Wort des Gedichttitels Êarist‘c vorkommt, s. oben S. 43); Ap. Rh. 1, 288 u.ö.; Call. hym. 1, 21; s. Gow (2 1952) 2, 491 ad locum; weiter z.B. AP 5, 121. 270; 6, 88.

2. Das Gedicht

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Die Ausgangsfrage lautete, welche Intentionen Daphnis und Akrotime verfolgen, ob mit Sider Daphnis der Verführte oder mit Sánchez-Wildberger Akrotime die Verführte ist. Die Analyse des Handlungsverlaufs hat ergeben, daß beide Standpunkte in ihrer Einseitigkeit dem Gedicht nicht gerecht werden. Daphnis ist nicht nur Opfer, denn von ihm geht der erste Kuß und damit das erste Werben aus, und auf das Thema Ehe geht er bereitwillig ein, bekräftigt sogar seinen Treueschwur nach vollzogenem Beilager. Akrotime ist nicht nur einfach die Verführte, denn die von Sider aufgezeigten Anspielungen Akrotimes zeigen, daß sie genau weiß, was sie will und daß sie nicht weniger als Daphnis auf eine dauerhafte Vereinigung der beiden hinarbeitet, wenn auch mit anderen, subtileren Mitteln. Daß beide, Daphnis mit seiner Werbung und Akrotime mit der geschickten Art, in der sie sich erobern läßt, über den Beischlaf hinaus übereinstimmend eine Bindung für das Leben anstreben, unterscheidet sie von Delphis und Simaitha in Idyll 2, denen es bei ihrem flüchtigen Verhältnis um das beiden allein Wichtige geht, ans Ziel ihrer Sehnsucht zu kommen (v. 143). Am Ende willigt Akrotime ohne großen Widerstand in die Verbindung ein. Gerade aus der Spannung zwischen der Einigkeit über das Ziel (eine gegenseitige Verbindung) und der Unterschiedlichkeit des Verhaltens (Daphnis wirbt heftig und direkt – Akrotime ziert sich auf raffinierte Weise) ergibt sich die Dynamik der Handlung, die sich dem Leser in ihrem Fortgang erschließt. Reizvoll ist dabei die Verschränkung der beiderseitigen Motivation: Daphnis ist primär an der sofortigen geschlechtlichen Vereinigung interessiert und erst sekundär an der beabsichtigten Ehe, die für Akrotime das Wichtigste ist. Die bisherige Analyse hat ergeben, daß Daphnis und Akrotime über die geschilderte Begegnung und Verführung hinaus auch als an einer dauerhaften Verbindung interessiert geschildert sind. Man könnte jedoch zwei Einwände gegen diese Interpretation erheben. Da ist zunächst die Heimlichkeit, mit der Daphnis und Akrotime ihre Verbindung vollziehen. Akrotime hört ein Geräusch und befürchtet, von Zeugen beobachtet zu werden, während Daphnis sie verführt. Bei den ›Zeugen‹ handelt es sich aber nur um Zypressen, die den gàmoc ›beschwatzen‹: Çll†laic lalËousi te‰n gàmon a… kupàrissoi (v. 58). Im auktorialen Schlußteil (v. 67–71b ) wird diese Situation durch die Wendung f∏rioc eŒn†, ›heimliches Liebeslager‹, noch einmal hervorgehoben (v. 68). 188 Zum andern läßt das Gedicht den 188 Die Überlieferung von v. 68 Çn–stato f∏rioc eŒn† bereitet Schwierigkeiten für das Verständnis. Gow (2 1952) 1, 225 folgt dem Text von Iunta und Callierges, die beide Çn–stato bieten, und übersetzt: »and their stolen bridal was accomplished«. Im Kom-

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Idyll 27

weiteren Verlauf offen. Das Geschehen endet damit, daß beide nach dem f∏rioc eŒn† (v. 67–68) wieder getrennt zu ihren Herden zurückkehren (69– 71b ). Zur Vorstellung vor den Eltern (vgl. v. 39) kommt es beispielsweise nicht mehr. Der Text enthält auf der anderen Seite jedoch eine Reihe von Indizien, die in dem geschilderten Geschehen die Anbahnung einer dauerhaften Liaison vermuten lassen. Nach vollzogenem Beilager äußert Akrotime in v. 61 die Befürchtung, Daphnis könne ihr leere Versprechungen gemacht haben und sie nun trotz des Schwurs (v. 36) verlassen wollen. Doch statt davonzulaufen, erneuert Daphnis seinen zuvor (v. 36) geleisteten Treueschwur: f§c moi pànta dÏmen; tàqa d+ ’steron oŒd+ âla do–hc. – a“j+ aŒtÄn dunàman ka» tÄn yuqÄn ‚pibàllein, ›Du behauptest, mir alles zu geben. Vielleicht gibst du mir aber später nicht einmal Salz.‹ – ›Könnte ich doch nur auch meine eigene Seele dazugeben!‹ (61–62). Die Ernsthaftigkeit von Daphnis’ Interesse an Akrotime wird auch durch den Schlußvers des Dialogteils (66) bestätigt, der die Aussage von Akrotime in v. 65 verstärkend fortführt: parjËnoc Ínja bËbhka, gunò d+ e c o⁄kon ÇfËrpw. – ÇllÄ gunò m†thr tekËwn trofÏc, oŒkËti k∏ra, ›Als Mädchen bin ich hierher gekommen, und als Frau gehe ich nach Hause. – Ja, als Ehefrau, Mutter, Kindererzieherin, nicht mehr als Mädchen.‹ Daphnis’ Rede in v. 32, daß Akrotime Kinder gebären werde, könnte dort noch als Mittel der Verführungskunst aufgefaßt werden, in v. 66 bestätigt die Wiederholung aber wohl doch die Aufrichtigkeit seiner Absichten. Dasselbe gilt schließlich für den auktorialen Schluß v. 67–71b , vgl. besonders v. 71–71b : Ác d+ ‚p» taure–ac ÇgËlac keqarhmËnoc eŒnêc /

mentar zur Stelle äußert er jedoch selbst Zweifel an der Richtigkeit dieser Lesart (Gow [2 1952] 2, 492: »hardly credible«). In der Tat stört, wie Gow bemerkt, zunächst das Tempus. Da im Folgenden gesagt wird, daß beide wieder zu ihren Herden zurückkehren, würde man hier statt eines Imperfekts eher eine abgeschlossene Handlung erwarten (so übersetzt Gow es auch). Außerdem ist fraglich, ob Çn–stamai vom Vollenden eines Liebeslagers gesagt werden kann. Die Odyssee-Stelle 20, 124 ThlËmaqoc d+eŒn®jen Çn–stato ist nicht vergleichbar (›Telemach erhob sich aus dem Bett‹). Eine gewisse Attraktivität besitzt die Konjektur Meinekes änusto, ›war vollendet worden‹. Sie fügt sich gut in den Kontext und wurde u.a. von Gallavotti, Beckby und Legrand in den Text genommen. Doch ist das Plusquamperfekt Passiv von Çn‘w sonst erst spät und nicht in der Dichtung belegt (z.B. Flavius Josephus bell. Iud. 6, 117 ¢nusto d+ ±c ka» prÏteron aŒtoÿc t‰ pano‹rgon pr‰c kairÏn; Appian. hist. Mithr. 502 Mijridàt˘ d‡ ô per–odoc ¢nusto to‹ PÏntou; Appian. hist. bell. civ. 4, 17, 137 Írgon ¢nusto; Paus. 5, 1, 10; Galen. De differentia pulsuum 8, 576, 1). Das Verbum Çn‘w ist in anderen Formen ›gut theokriteisch‹, s. id. 3, 41 mit Runpel (1879) 30 s.v. – Zu eŒn† s. Anm. 189.

2. Das Gedicht

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¢ien, ›Er aber ging zu seinen Stierherden, glücklich über das Ehelager‹. 189 Dafür daß Daphnis Akrotime belügt und nur um einer augenblicklichen affaire d’amour willen sich engagiert zeigt, gibt das Gedicht also keinen Anhaltspunkt (s. oben S. 61). 190 Bemerkenswert ist außerdem, mit welcher Häufigkeit im ganzen Gedicht die zu Hochzeit und Eheschließung gehörigen Begriffe präsent sind: Es ist vom ›Freien‹ die Rede (v. 23 ‚mn∏onto und 24 mnhst†r), von den Brautgeschenken (33 Èdnon … gàmou äxion, s. auch 37 te‘qeic ka» d¿ma ka» aŒlàc), vom Treueschwur (35 Ómnue mò …), von der Zustimmung der Eltern (39–40), dem Hochzeitsgemach (37 und 38 jalàmouc) samt Frage der sozialen Abkunft (43 ‚x eŒhgenËwn; Çll+ oŒ sËjen e m» qere–wn), von Mann und Frau im Sinne von ›Ehemann‹ und ›Ehefrau‹ (22 deima–nw mò d† 189 EŒn† kommt im Corpus Theocriteum sonst nur noch in der eigentlichen Bedeutung ›Bett‹ vor, s. Rumpel (1879) 114 s.v. 1 (das gilt auch für id. 18, 11, in dessen Kontext man sonst eine id. 27 vergleichbare Verwendung erwarten könnte: ™ ˚a pol‘n tin+ Ípinec, Ìk+ e c eŒnÄn katebàlleu). Die Bedeutung ›Ehelager‹ ist aber schon seit den homerischen Gedichten weit verbreitet (z.B. Od. 9, 133) und deshalb im vorliegenden (eindeutigen) Kontext nicht weiter auffällig, s. LSJ 723 s.v. I.4 »marriage-bed«. Dasselbe gilt für tÄ lËktra bzw. t‰ lËktron (v. 35, 40), das im ersten Fall das ›Liebeslager‹ meint (metÄ lËktra, Gow [2 1952] 1, 221: »once mated«), im zweiten aber, wenn es um die Zustimmung ihres Vaters geht, sicher die auch sonst gängige Bedeutung ›Ehelager, Ehebund‹ trägt, s. LSJ 1037 s.v. II.1 »marriage-bed«. Im Corpus Theocriteum sonst nur noch einmal in eigentlicher Bedeutung: id. 24, 63 (das Bett Amphitryons). 190 Zur Verdeutlichung dieser in der Antike verbreiteten Auffassung vom Eheschluß, die in Spannung zum Interesse der Rechtsgemeinschaft (Familie) stand, sei auf Gratian verwiesen, der zwischen der durch Vertrag eingegangenen Ehe, dem matrimonium initiatum, und der durch Vollzug perfekt gewordenen Ehe, dem matrimonium consummatum, unterschied. Die – an sich verbotene – heimliche Ehe war für ihn nach dem Beischlaf unauflöslich, weil dieser den ehebegründenden Konsens zum nicht widerlegbaren Ausdruck brachte (im protestantischen Kirchenrecht entsprach dieser Auffassung die teilweise praktizierte Zwangstrauung nach dem auf ein Eheversprechen folgenden Beischlaf). Das spätere kanonische Recht folgte St. Victor und Petrus Lombardus, die für den wirksamen Eheschluß allein auf den – auch nicht öffentlichen – Ehekonsens abstellten, ihn jedoch nicht hinreichend vom Eheversprechen (Verlöbnis) abgrenzen konnten. Die daraus entstehenden Probleme clandestiner Ehen und die allgemeine Unklarheit in der Frage, ob und ab wann wer mit wem verheiratet war, wurden über die Ehelehren Luthers, die protestantischen Kirchenverfassungen und das Tridentinum letztlich erst durch Einführung der Zivileheschließung beseitigt. Dazu Roland Kirstein, Die Entwicklung der Sponsalienlehre und der Lehre vom Eheschluß in der deutschen protestantischen Eherechtslehre bis zu J. H. Böhmer, Bonn 1966 (Bonner Rechtswissenschaftliche Abh. 72). – Zweifelhaft ist die These von Gow (21952) 2, 489 zu v. 26, weil im Kontext nicht vom Hochzeitsereignis, sondern von der fortdauernden Ehe die Rede ist: »he [i.e. Daphnis] understands, or affects to understand, her gàmoi to mean weddings not wedlock.«

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Idyll 27

se kakwtËr˙ ÇnËri d∏sei und 27 na» màn fasi gunaÿkac ·oÃc tromËein parako–tac, 28), und von der Kindeszeugung (29 ≤d–nein tromËw …, 31 tekeÿn und 32 … tËk˘c f–la tËkna, s. auch 66 ÇllÄ gunò m†thr tekËwn trofÏc, oŒkËti k∏ra). Sogar das Element der Trauzeugen ist zumindest indirekt präsent, wenn von den schwatzenden Zypressen die Rede ist (58, s. oben). 2.3.2 Darstellungsform Idyll 27 besteht der Form nach aus einem längeren Dialog (v. 1–66) und einem auktorialen Schluß (v. 67–71b ). Am Schluß sind zwei Verse (v. 72–73) überliefert, die keinen spezifischen Bezug zum übrigen Gedicht aufweisen.

2.3.3 Konstruktionsprinzip retrospektiver Verständniserhellung Aus den vorstehenden Untersuchungen ergibt sich, daß das Gedicht durchgehend nach dem Prinzip strukturiert ist, das Verständnis des Handlungsfortgangs und des Wortwechsels durch spätere Mitteilungen aus der Rückschau zu erschließen. Dazu sei im einzelnen hingewiesen auf die Ausführungen auf S. 50, 57, 58, 60, 62, 63, 67, 68, 69, 73, 74. Erst die erläuternden Rückbezüge vermitteln dem Leser die Erkenntnis, welche Intentionen die handelnden Personen verfolgen. Das Kompositionsprinzip der retrospektiven Verständniserhellung läßt zunächst eine schwebende Unsicherheit darüber entstehen, ob Daphnis nur ein Liebesabenteuer sucht oder von vornherein einen Heiratsantrag machen will, ob Akrotime nur unverbindlich tändelt oder eine feste Verbindung sucht. Daß das Zwiegespräch mit dem Doppelakkord der v. 65 und 66 enden würde, konnte der Leser zunächst nicht erwarten. 191 Die Methode des erläuternden Rückbezuges hat die Funktion, den Fortschritt der gegenseitigen Annäherung zwischen Akrotime und Daphnis zu verdeutlichen. Sie ist in der Verknüpfung folgender zum Teil schon behandelter Verse zu erkennen: v. 8 – 3 Mahnung (mò kauq¿) v. 25 – 2–10a Anrede ›Lieber‹ – küssen (f–loc – fileÿn) v. 28 – 2 Kräfteverhältnis zwischen Mann und Frau 191 Vgl. die ähnlichen Beobachtungen von Bowie (1996) 94 zu Idyll 6.

2. Das Gedicht

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v. 29 – 16–18 Geschoß (bËloc – bàllw) v. 30 – 16–18 Artemis: Göttin der Keuschheit – Geburtshelferin (s. auch v. 63) v. 32 – 7 Jugend (°bh – äzux k∏ra) v. 35 – 2 Bereitwilligkeit der Braut (ÇËkousa – ·koÿsa) v. 36 – 21 Pan (s. auch v. 51) v. 46 – 11, 13 Aufforderung mitzukommen: erfolgreich – erfolglos (de‹ro) v. 49 – 3 Satyrlein (satur–ske) v. 49 – 10a zudringliche Handbewegung des Daphnis v. 51 – 10a zudringliche Handbewegung des Daphnis v. 51 – 21 Pan: Erstarren beim Pan – Flucht beim Pan v. 56 – 15–21 Aphrodite v. 61 – 35–36 Treueschwur (f§c moi pànta dÏmen – Ómnue) v. 63 – 16 Artemis: Absage an Artemis als Schutzgottheit – Artemis als Schutzgottheit v. 64 – 15ff. Aphrodite: erfolglose Drohung mit Aphrodites Zorn – Dankopfer an Aphrodite nach erfolgreicher Verführung v. 66 – 29ff. Kinder: Mutter von Kindern – Angst vor dem Gebären v. 68 – 58 Geflüster 2.3.4 Vollständigkeit des Dialogs Aus dem in diesem Gedicht bevorzugt angewandten Stilmittel der retrospektiven Verständniserhellung läßt sich ein Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage gewinnen, ob die erhaltenen Dialogverse vollständig sind. Das erste Thema des Gesprächs ist der Kuß (Ende von v. 2ff.). Bezugspunkt ist ein Kuß, den Daphnis Akrotime gegeben hat, bevor sie den ersten Satz des Gedichts spricht. Das ergibt sich aus dem erläuternden Rückbezug, den der Leser durch v. 12 erhält: oŒk ‚jËlw; ka» pr–n me par†pafec ÅdËi m‘j˙, ›Ich will nicht. Auch vorher hast du mich mit einer süßen Geschichte betört.‹ 192 Für die vorgeschlagene Auffassung spricht die Überlegung, daß v. 12 sich andernfalls auf eine frühere Begegnung beziehen würde, die zeitlich von den Ereignissen des Gedichts zu trennen wäre. Damit wäre der Reiz der Darstellung einer ersten Begegnung gemindert, die Geschlossenheit im 192 Auch Gow (2 1952) 2, 488, bezieht v. 12 als Anspielung auf den ersten Kuß des Daphnis, macht diesen aber erst in v. 5 aus.

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Idyll 27

Ablauf des Geschehens würde gestört. Daß eine frühere Begegnung stattgefunden hätte, paßt nicht zu den Feststellungen über die Eheverhandlungen Akrotimes. Denn nach einer vorangegangenen Begegnung wäre sie zum Zeitpunkt des Gesprächs im Gedicht über Person und Namen des Rinderhirten sicher genau informiert (s. v. 41). Alle Rückbezüge des Gedichts zielen mithin auf das Ereignis, das sich unmittelbar vor v. 1 begeben hat, den Kuß. Vers 1 ist die Reaktion Akrotimes darauf, daß sie sich einen Kuß hat gefallen lassen. Sie vergleicht ihre Situation mit Helena, die sich auch einem Rinderhirten gegenüber fand, der mit ihr in einer Weise verfuhr, die nicht ihrem Willen entsprach. Aus dieser Situation erklärt sich die Bezeichnung von Helena als pinutà, ›klug, prudens‹. Die Wortwahl ist auffällig, denn die ›kluge‹ Frau des Mythos schlechthin ist nicht Helena, sondern Odysseus’ Gemahlin Penelope. 193 Von Penelope heißt es in der Odyssee gleich mehrfach, sie sei pinutà. 194 Dagegen ist die Verwendung des Adjektivs für Helena offensichtlich singulär. 195 Die Aufmerksamkeit des Lesers wird in v. 1 also nicht nur auf die namentlich genannte Helena, sondern zugleich auch auf die durch das Epitheton pinutà evozierte Penelope gelenkt. Im Corpus Theocriteum kommt pinutÏc noch ein weiteres Mal in id. 17, 34 vor, wo es der indirekten Charakterisierung Berenikes dient und ebenfalls auf Penelope anspielt. 196 Idyll 27 enthält aber noch eine weitere Anspielung auf Penelope. In v. 23 sagt Akrotime mit dem Stolz der Begehrten, schon viele hätten um sie gefreit, allein ihr habe keiner gefallen: pollo– m+ ‚mn∏onto, nÏ˙ d+ ‚mƒ o÷tic Èade. 197 Darauf antwortet Daphnis in einer Weise, die das Werben der zahlreichen Freier um Penelope am Anfang der Odyssee in Erinnerung ruft: eŸc ka» ‚g∞ poll¿n mnhstòr te‰c ‚njàd+ …kànw, ›als einer von vielen, als dein Freier, kam auch ich‹. Die zweite Anspielung auf Penelope zeigt somit, daß die erste in v. 1 nicht zufällig ist, sondern disponierende Funktion hat. Der Dichter hat hier nicht eine bestimmte Variante des Mythos ansprechen wollen, sondern Akrotime die Bezeichnung in den Mund gelegt. Die Funktion dieser Bezeichnung liegt in der Verwunderung darüber, daß Helena, die doch klug war, sich dem Vorgehen des Paris nicht hat entziehen können. Das Beiwort klug, das Akrotime sich über Helena 193 Gow (2 1952) 2, 486. 194 11, 445; 20, 131; 21, 103; 23, 361; vgl. auch Hermesianax, frgm. 7, 30 pinut®c … PhnelÏphc. 195 Gow (2 1952) 2, 486, weist darauf hin, daß Helena, auch wenn das Wort selbst nicht fällt, bei Homer durchaus als pinutà charakterisiert wird, z.B. Ilias 3, 172 und 6, 344. 196 Id. 17, 34 o—a d+ ‚n pinutaÿsi perikleitÄ Beren–ka / Íprepe jhlutËr˘c, Ófeloc mËga geinamËnoisi; s. Gow (2 1952) 2, 332. 197 Die Form ‚mn∏onto auch Odyssee 11, 288, dort aber mit Bezug auf Pero.

2. Das Gedicht

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auch selbst beilegt, 198 ist hier nicht zu verstehen als ein herausragendes besonderes Merkmal, sondern als die Klugheit der Frauen, die sich zu ihrem Schutz an die Weisungen der Göttin Artemis halten und sie anrufen (v. 16. 18. 63). Gemeint ist also die Klugheit, die in exemplarischer Weise Penelope und damit allen Frauen zugeschrieben wird. Indem der Dichter in v. 1 ohne nähere Erläuterung Helena als klug bezeichnet, erzielt er zunächst bei dem Leser einen Verfremdungseffekt, der nach späterer Auflösung verlangt. Wie Akrotime über den Kuß verblüfft ist, so ist auch der Leser erstaunt über die ungewöhnliche Formulierung. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Dialog, vielleicht sogar das ganze Gedicht, mit dem überlieferten v. 1 begonnen hat. Die vielfach geäußerte Vermutung, daß vor v. 1 etwas fehlt, ist jedoch so falsch nicht. Im Text fehlt tatsächlich etwas, das zu erschließen ist. Es ist kein Vers, sondern der dem Gespräch vorausgegangene Kuß, wie dem Leser in der Rückschau klar wird. Dieser Kunstgriff ist ein weiterer Hinweis auf die subtile, für ein umstrittenes Gedicht auffällig häufig anerkannte Darstellungskunst des Dichters: Das ganze Gedicht ist herausgesponnen aus einem Ereignis, das selbst nicht geschildert ist. 199 Noch ein weiteres Argument spricht für die Unversehrtheit des Dialog- bzw. Gedichtanfangs. Die Verse 1 bis2 haben, wie dargelegt, expositorischen Charakter, indem sie durch ihren mythologischen Inhalt und durch die beiden darin enthaltenen Deutungsvarianten (Paris raubte Helena – Helena griff sich Paris) den Handlungsrahmen für Akrotime und Daphnis festlegen. Diese Analyse, die sich auf innere Kriterien des Handlungsverlaufs sowie die Aufzeigung des Kompositionsprinzips rückbezüglicher Verständniserschließung stützt, führt zu folgendem Ergebnis: die Helena-Paris-Episode in v. 1–2 bildet eine Exposition für die Linien des folgenden Geschehens; ein nicht direkt geschilderter Kuß ist das Ereignis, auf dem das Gedicht in v. 1 beginnend aufbaut; also ist der Dialog zwischen Daphnis und Akrotime in v. 1–66 in sich vollständig.

198 So Sider (2001) 102. 199 Ein Kuß als Ausgangspunkt eignet sich mit einer gewissen Natürlichkeit, denn »oft ist der Kuß der Anfang von Weiterem« (Theiler [1977] 58 mit Verweis u.a. auf Moschos’ óErwc drapËthc, v. 3–5:  man‘sac gËrac ·xeÿ. / misjÏc toi t‰ f–lhma t‰ K‘pridoc; £n d+ Çgàg˘c nin, / oŒ gumn‰n t‰ f–lhma, tà d+, ¬ xËne, ka» plËon ·xeÿc).

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2.3.5 Vollständigkeit des Gedichts Diese Interpretation widerlegt zunächst aber nur die These, daß ein Anfang des Dialogs verloren ist, sagt jedoch noch nichts über die darüber hinaus bestehende Möglichkeit, daß ein Anfang fehlt, der mit dem narrativen Schluß v. 67–71b korrespondiert haben könnte. Die Theokritforschung des 19. und 20. Jahrhunderts geht überwiegend davon aus, daß im Zuge der Überlieferung am Gedichtanfang eine Lücke entstanden ist. Dies gilt etwa für die Ausgaben von Ahrens (»deest initium«), Meineke, Ziegler, Wilamowitz, Gow und Beckby sowie für die Interpretationen von Hermann, Arland, Theiler und Sider. 200 Nach Gow fehlen sowohl der Anfang des Dialogs als auch ein narrativer Rahmen: »The poem is plainly incomplete at the beginning. Some lines of the conversation during which Daphnis has snatched a kiss are missing, and the narrative close probably implies a narrative introduction.« 201 Andere lassen offen, ob nur ein narrativer Rahmen oder auch ein Anfang des Dialogs als verloren angenommen wird. Für vollständig halten das Gedicht dagegen Reiske, Valckenaer, Wuestemann, Fritzsche und Cholmeley. Wuestemann und Cholmeley charakterisieren den Anfang als abrupt, vgl. Cholmeley: »The beginning is abrupt, but there is no necessity to suppose anything lost.« 202 Es ist zunächst zu fragen, ob die äußere Überlieferung Anhaltspunkte liefert, die Rückschlüsse auf einen verlorenen Anfang enthalten. Weiter ist zu untersuchen, ob es relevante Parallelen für eine Gedichtform gibt, in der ein narrativer Schlußteil keinen korrespondierenden Anfangsteil hat. Der Codex Parisinus 2726 (D) enthält neben bukolischen Gedichten noch Arat und Nikander. Der die bukolischen Gedichte umfassende Teil (Fol. 135r –206r ) besteht aus vier Abschnitten, die durch kreuzförmige Schlußzeichen voneinander getrennt sind. Idyll 27 steht im vierten und letzten Abschnitt (204r –206r ). 203 Dieser beginnt mit leerem Raum von ca. 3 ½ Sei200 Hermann (1832) 1078–1079 = (1834) 5, 113; Wilamowitz (1878) 277; ders. (2 1910) 90; Arland (1937) 59; Sider (2001) 101. 201 Gow (2 1952) 2, 485. 202 Cholmeley (2 1919) 364; Wuestemann (1830) 372: »Quum in medium statim sermonem nos abripiat poeta, alia praegressa sunt cogitanda, quae talia tibi finge: Daphnis bubulcus cum puellâ blande confabulatus, summo eius amore se flagrare obtestatus erat. Ad quae puella nulli viro fidem habendam esse respondet. Iam Daphnis se bubulcum esse ait, et simplicem et a dolo proinde fraudibusque alienum. Respondet puella: bubulcis fidem non esse habendam docet exemplum Paridis …« 203 Zum Codex Parisinus 2726 s. oben Anm. 137.

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ten, die nach Wendel 85 Zeilen entsprechen. 204 Es folgt Idyll 27, ohne Überschrift als Nr. 29 numeriert. Darauf folgt wieder ein freier Raum von 18 Zeilen, dann das Figurengedicht Sim–ou PtËrugec. Weitere Texte enthält dieser vierte Abschnitt der Handschrift nicht.205 Aus der Anordnung ergibt sich folgendes: Die Lücken vor und nach Idyll 27 sind auffällig, zumal dieselbe Handschrift auch nach Idyll 24, 140 einen leeren Raum im Umfang von 73 Zeilen läßt. Es ist allerdings zu bedenken, daß die 85 ›Leerzeilen‹ vor Idyll 27 weit mehr Raum bieten als für eine Lücke am Gedichtanfang zu erwarten wäre, denn der narrative Schlußteil umfaßt 6, mit v. 72–73 acht Verse. D rubriziert durchgehend die Gedichtanfänge, unterläßt das aber bei Idyll 27. Daraus schließt Ahrens, daß der Schreiber bewußt auf einen fehlenden Anfang hinweisen wollte: »in D. pictae literae absentia prodit initium librario mutilum visum esse.« 206 Für eine empfundene Lücke in der Überlieferung von Idyll 27 sprechen also sowohl der freie Raum vor dem Gedicht (besonders wenn man die Anordnung in Idyll 24 hinzunimmt) als auch die fehlende Rubrizierung des vorhandenen Gedichtanfangs. Zwingend ist die äußere Evidenz aber nicht, weil auch nach dem Gedicht freier Raum gelassen ist. Die Ausgabe von Callierges vermerkt nichts zum Gedichtanfang, Iunta schreibt »Le–pei ô Çrq†«, worauf sich viele der neueren Editoren und Kommentatoren stützen. Besonders auffällig ist die Struktur des Gedichts, das aus einem längeren Dialogteil (v. 1–66) und einem sehr viel kürzeren narrativen Schlußteil (v. 67–71b ) besteht. Gängige Praxis im Corpus Theocriteum ist die Rahmung eines Dialogs, Gesangs oder Wettgesangs durch einen in der 1. oder 3. Person gehaltenen Anfangs- und Schlußteil. 207 Idyll 6 besteht aus einem narrativen Rahmen von jeweils fünf Versen (v. 1–5 und 42–46) und zwei eingelegten Liedern des Daphnis und Damoitas (v. 6–19 und 21–41), die durch einen narrativen Vers voneinander getrennt sind (v. 20). Das korrespondierende Polyphemgedicht Idyll 11 hat eine ähnliche Struktur aus einem Rahmen (v. 1–18 und 80–81) und dem Lied Polyphems (v. 19–79). Allerdings wendet sich der Dichter hier, wie auch in Idyll 13, in der ersten Person an den Adres204 Wendel (1920) 189–190. 205 Gallavotti (3 1993) 11 ordnet Moschos 3 versehentlich dem vierten und nicht dem dritten Abschnitt von D zu, vgl. ibid. p. 344. 206 Ahrens (1855–1859) 1, 236; ebenso Gow (2 1952) 1, 218 ad locum: »D titulo caret, et rubricatione neglecta initium deesse indicat«; Ziegler (3 1879) 160. 207 Zur Rahmung als Kompositionsprinzip in den Gedichten Theokrits s. Ott (1969) 67–71 und öfter; Hunter (2005a) 240–241. Vergils Eklogen: Rumpf (1996) 71–72. 205–239 und öfter.

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saten des Gedichts, Nikias. Andere Gedichte Theokrits enthalten nur einen Anfangs-, aber keinen Schlußteil. Idyll 18, das Epithalamium für Helena, besteht aus einer narrativen Einleitung (v. 1–8) und dem Hochzeitsgesang (v. 9–48). Idyll 3, das Paraklausithyron-Gedicht, beginnt mit einer Einleitung, in der ein Ziegenhirt ankündigt, Amaryllis ein Ständchen zu bringen (v. 1– 5), es folgt das Ständchen selbst (v. 6–51). In Idyll 7 spricht der Erzähler, Simichidas, in der ersten Person über eine vergangene Episode.208 Die beiden umstrittenen Gedichte Idyll 8 und 9 sind ebenfalls von einem Rahmen umschlossen. In Idyll 8 ist dieser (v. 1–10 und 88–93; vgl. auch v. 81) narrativ, in Idyll 9 gemischt teils in der ersten, teils in der dritten Person gehalten. 209 Idyll 21 hat einen Anfangs-, aber keinen Schlußteil und richtet sich wie Idyll 11 in der ersten Person an den Adressaten Diophantus. Die anderen Gedichte, die einen Dialog oder Wettgesang enthalten, Idyll 1, 2, 4, 5, 10, 14 und 15, haben keinen in der 1. oder 3. Person gehaltenen, sondern einen dramatischen Rahmen. Idyll 22 enthält eine in die epische Erzählung eingebundene stichomythische Wechselrede (v. 54–74). 210 Der Überblick zeigt, daß die Kombination aus Dialog und narrativem Schlußteil innerhalb des Corpus Theocriteum singulär dasteht. Auch außerhalb dieser Gedichtsammlung findet sich in der hellenistischen Dichtung keine Parallele für eine derartige Struktur. Dasselbe gilt für Vergils Eklogen. 211 Zu einem gewissen Grad vergleichbar ist Horazens 2. Epode Beatus ille …, die sich in einen längeren Monolog des Alfius (v. 1–66) und einen narrativen Schlußteil (v. 67–70 Haec ubi locutus faenerator Alfius) gliedert. Der Überlieferungsbefund (Lücke in der entscheidenden Handschrift, entsprechender Vermerk in der Ausgabe Iuntas) und die auffällige Struktur ohne Parallele (Teilrahmen nur am Gedichtende) legen zunächst die Vermutung nahe, daß das Gedicht unvollständig überliefert ist. Von entscheidender Bedeutung ist aber die Frage, ob das Gedicht in seinem vorhandenen Umfang aus sich heraus verständlich ist oder ob es den Leser mit unüberwindbaren Verständnisschwierigkeiten konfrontiert. Zum typischen Inhalt von Gedichtanfängen schreibt Ott: »In den Anfangsversen der Gedichte bukolischer oder ländlicher Situation im Corpus Theocriteum sind die Angaben über die auftretenden Personen gewöhnlich auf die Bezeich208 209 210 211

Hunter (1999) 144–145. Ott (1969) 10 Anm. 25. Sens (1997) 119 ad locum. Einen Überblick gibt Rumpf (1996) 205–239.

2. Das Gedicht

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nung des Berufes [idd. 1, 1 und 7; 3, 1–2; 4, 1; 6, 1–2; 8, 1–2; 9, 3; 10, 1–3] beschränkt; allenfalls werden noch ihre Namen genannt [idd. 4, 1; 6, 1; 8, 1–2; 9, 1–2; 10, 1].« 212 Als Ausnahme hebt Ott Idyll 5 hervor, dessen (dramatischer) Anfang neben Beruf und Namen noch Informationen zu Stand, Herr und Heimat bietet (v. 1–20). Die oben gestellte Frage nach der inhaltlichen Vollständigkeit muß präziser also lauten, ob im Fall von Idyll 27 Informationen der von Ott festgestellten Art am Gedichtanfang vermißt werden. Daß Daphnis boukÏloc, ›Rinderhirt‹, ist, sagt gleich der erste überlieferte Vers (vgl. v. 34. 48); daß Akrotime Ziegen- und Schafhirtin ist, erfährt der Leser aus v. 47 a⁄gec ‚ma–, bÏskesje und v. 69 pàlin Ístiqe m®la nome‘ein. Die Namen der beiden Protagonisten fallen in der gegenseitigen Selbstvorstellung in v. 39–44. Die Nennung der Namen bildet einen integralen Bestandteil in der gegenseitigen Annäherung von Daphnis und Akrotime, zumal die Namen zugleich auch etwas über die soziale Stellung des Werbenden und der Umworbenen aussagen, die anders als z. B. die Protagonisten des 5. Idylls keine Sklaven, bzw. Abhängigen sind, s. v. 43 ‚x eŒhgenËwn; Çll+ oŒ sËjen e m» qere–wn, ›Von guter Herkunft! Aber ich bin nicht geringer als du‹. Über die Heimat der beiden erfährt der Leser nichts, die Szenerie ist bukolisch, ohne Hinweis auf einen näher bestimmbaren Ort (vgl. v. 11 u. 13. 24. 34. 45–46. 58. 69–71b ). 213 Daphnis weist nach der literarischen Tradition auf Sizilien. 214 Neben den Angaben zur Person gehören in die Disposition auch Einzelheiten zur Szenerie, zu Ort, Tages- und Jahreszeit und zur Herde. 215 Die zeitlichen Umstände bleiben in Idyll 27 ebenso vage wie der Ort des Geschehens und die Heimat der Protagonisten. Die Herde wird beim Aushandeln der Modalitäten der Eheschließung genannt (v. 34), dann erneut, wenn Akrotime sich schließlich bereit erklärt, Daphnis’ Besitztümer in Augenschein zu nehmen (v. 46–48), und schließlich im narrativen Schlußteil, der beschreibt, wie beide wieder zu ihren Herden zurückkehren (v. 69–71b ). Es ist zunächst auffällig, daß die typischen Informationen zu Person und Szenerie, soweit notwendig, im Dialog selbst enthalten sind und die einzelnen diesbezüglichen Informationen an funktionalen Stellen innerhalb dieses Dialogs gegeben werden. Die ›Nachlieferung‹ von Informationen im späteren

212 213 214 215

Ott (1969) 14. Schmidt (1987) 105–128 zur bukolischen Landschaft in idd. 8 und 9. S. Stanzel (1995) 36–38 »Der geographische Raum der Hirtengedichte«; Hunter (1999) 9. S. unten zu Idyll 21, S. 164.

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Verlauf des Geschehens entspricht dem oben S. 66 beschriebenen Stilmittel retrospektiver Verständniserhellung, das Fehlen von Angaben am Anfang ist also beabsichtigt. Für die Frage, ob ein narrativer Anfang verloren ist, ist noch ein weiterer Gesichtspunkt entscheidend. Der Schluß (v. 67–71b ) enthält vier Elemente: den Vollzug des Beilagers (v. 68 Çn–stato f∏rioc eŒn†), die Freude von Daphnis und Akrotime darüber (v. 67  ainÏmenoi. v. 70 krad–h dË o… Índon  ànjh), die Heimlichkeit des Liebeslagers (v. 68 Çn–stato f∏rioc eŒn†) und die Rückkehr beider zu ihren Herden (v. 69 pàlin Ístiqe m®la nome‘ein. 71–71b Ác d+ ‚p» taure–ac ÇgËlac keqarhmËnoc eŒnêc / ¢ien). Alle vier Elemente haben ihren Bezugspunkt im Dialogteil des Gedichts (1–66) und greifen nicht über diesen hinaus auf einen etwa nicht mehr vorhandenen Anfang. Der Vollzug und die damit verbundene Freude nehmen unmittelbaren Bezug auf den direkt voranstehenden letzten Teil des Dialogs, die Verführung (v. 49–66). Die Heimlichkeit erklärt sich aus v. 57–58 m–mne, tàlan; tàqa t–c toi ‚pËrqetai; ™qon Çko‘w. – Çll†laic lalËousi te‰n gàmon a… kupàrissoi. 216 Die Rückkehr zu den Herden korrespondiert mit dem Abschnitt, der der Verführung unmittelbar vorausgeht, die Avancen der Akrotime (v. 45–48). In den anderen (unumstrittenen) Rahmengedichten findet sich im Gegensatz zu dieser Gestaltung ein direkter Bezug zwischen Anfangs- und Schlußteil. So nimmt in Idyll 6, 45–46 direkten Rückbezug auf v. 5. Ebenso greifen in Idyll 11 die Schlußverse 80–81 das in v. 1 angeschlagene Ausgangsthema (›Heilmittel für die Liebe‹) wieder auf. 2.3.6 Die Verse 72–73 Die Verse 72 bis 73 weisen keinen kompositorisch oder inhaltlich zu erfassenden Bezug auf den Dialogteil des Gedichts oder den auktorialen Schluß auf. Das bedeutet nicht, daß sie nicht zum Gedicht gehören. Aber sie könnten ebenso am Schluß oder nach dem Schluß jedes anderen Idylls des Corpus Theocriteum stehen oder Rahmentext einer Gedichtsammlung sein.

216 Arland (1937) 63.

2. Das Gedicht

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2.3.7 Literarische Bezüge Bisher wurde der Versuch unternommen, die Frage nach der ursprünglichen Form von Idyll 27 (ganzer oder halber Rahmen) aus dem Gedicht selbst heraus und im Vergleich mit anderen Rahmen-Gedichten des Corpus Theocriteum zu beantworten. Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß Idyll 27 in seiner erhaltenen Fassung (narrativer Schluß ohne korrespondierenden Anfang) zwar einzigartig im Corpus dasteht, in sich betrachtet aber dennoch geschlossen und vollständig wirkt. An die Frage nach der ursprünglichen Form schließt sich die Frage nach den literarischen Parallelen und möglichen Vorbildern innerhalb des Corpus Theocriteum und der übrigen bukolischen Dichtung an. Idyll 27 ist ein Mimus wie idd. 1, 2, 3, 4, 5, 8, 10, 14 und 15. Hunter definiert die Mimen Theokrits als »›playlets‹ set either in the town or the countryside with more than one character, though Idylls 2 and 3 have only one speaker.« 217 Anhand von idd. 6, 7, 11, 13 und 18, die ebenfalls je eigene Berührungspunkte mit dem Mimus haben, zeigt Hunter die Schwierigkeiten auf, die Gedichte des Corpus Theocriteum in ein starres Schema zu pressen: »This [i. e. the relation between idd. 11 and 13] is a good illustration of the dangers of rigid classification. The Theocritean corpus is in fact peculiarly resistant to scholastic and formalist approaches of ›genre‹: no poem is quite like any other, but the impression is rather of the constant rearrangement and fresh patterning of elements drawn from a repertoire which seems familiar, but is in fact being created before our eyes. Constant difference within the unchangingly familiar was to remain a feature of the bucolic/pastoral tradition.«218 Diese Beobachtungen zu Vielfalt und Innovationskraft im Corpus Theocriteum fördern zugleich die hermeneutischen Probleme ans Licht, die sich bei der Frage nach der Echtheit umstrittener Gedichte stellt: geht man von der Echtheit von Idyll 27 aus, kann der ›fehlende‹ Rahmenteil zu Anfang des Gedichts als Kennzeichen innovativer Kunst gelten, ist man dagegen von der Unechtheit überzeugt, ist dasselbe ›Fehlen‹ Hinweis auf epigonales Unvermögen. Idyll 27 ist ein besonders lebhaft gestalteter Mimus. Ohne Einleitung führt er den Leser gleich medias in res, auch die Wahl der stichomythischen Wechselrede zwischen den beiden Figuren verleiht dem Dialog Vorwärtsdrang und Lebendigkeit. Arland – der das Idyll in die Zeit nach Bion

217 Hunter (1999) 4. 218 Hunter (1999) 4–5.

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Idyll 27

datiert219 – konstatiert, daß diese Eigenheit Idyll 27 von anderen nachtheokriteischen Gedichten unterscheide: »Hier aber zeigt sich auf den ersten Blick, daß die Oaristys in einigen recht wesentlichen Punkten von allen übrigen bukolischen Gedichten aus der Zeit nach Theokrit grundverschieden ist. Konnten wir dort ein Zurücktreten des Mimus beobachten, so haben wir hier die Wechselrede in ihrer lebhaftesten Form, der Stichomythie. Natur und Hirtenleben, für die das Interesse nach Theokrit immer mehr geschwunden war, nehmen hier einen breiten Raum ein.«220 Unterstützt wird der Eindruck der mimetischen Lebendigkeit schließlich auch durch den Szenenwechsel in v. 45, den das Gedicht mit Idyll 3 (v. 6) und Idyll 15 (v. 44) gemeinsam hat. Die sprachlichen Übereinstimmungen mit anderen Gedichten im Corpus Theocriteum geben einen ersten Hinweis auf diejenigen Gedichte, zu denen Idyll 27 engere Bezüge hat:221 v. 4 v. 11 v. 13 v. 14 v. 21 v. 31 v. 31 v. 34 v. 36 v. 46 v. 47 v. 62 v. 68

id. 3, 20 id. 5, 32 id. 1, 21 id. 5, 61 id. 4, 47 id. 6, 14 id. 2, 110 id. 1, 83 id. 5, 14 id. 11, 45 id. 5, 1 id. 11, 52 id. 2, 141

Ísti ka» ‚n keneoÿsi fil†masin ÅdËa tËryic teÿd+ Õp‰ tÄn kÏtinon ka» tälsea ta‹ta kaj–xac de‹r+ Õp‰ tÄn ptelËan ·sd∏meja t¿ te Pri†pw tÄn saut¿ patËwn Íqe tÄc dr‘ac ôx¿, na» t‰n Pêna katÄ d‡ qrÏa kal‰n Çm‘x˘ Çll+ ‚pàghn dag‹di kal‰n qrÏa pàntojen “sa pànt+ älsea oŒ maŒt‰n t‰n Pêna t‰n äktion ‚nt» ˚adina» kupàrissoi a⁄gec ‚ma– kaiÏmenoc d+ Õp‰ te‹c ka» tÄn yuqÄn Çneqo–man ka» ‚yijur–sdomec Åd‘

Die auffälligste Verbindung zu einem anderen Gedicht des Corpus Theocriteum findet sich in Idyll 3, dessen 20. Vers mit dem 4. Vers unseres Idylls identisch ist. Die unterschiedlichen Kontexte geben dem Vers einen je leicht verschiedenen Sinn. In Idyll 3 sagt der verzweifelte Ziegenhirt, der vor der verschlossenen Höhle der Amaryllis um diese wirbt, sie solle in seine Arme 219 Arland (1937) 62–63. 220 Arland (1937) 61. 221 Gow (2 1952) 2, 485; Legrand (3 1967) 2, 103 Anm. 2; Brinker (1884) 43–45; Lembach (1970) 104, weist darauf hin, daß, anders als in id. 27, 11 in id. 5, 31 der Baum noch rühmend hervorgehoben wird (v. 32).

2. Das Gedicht

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kommen, auch in leeren Küsse liege Freude: ¬ t‰ kal‰n pojore‹sa, t‰ pên l–joc, ¬ kuànofru / n‘mfa, prÏsptuxa– me t‰n a pÏlon, πc tu fil†sw / Ísti ka» ‚n keneoÿsi fil†masin ÅdËa tËryic. Der Hirte bittet hier bescheiden um ›leere Küsse‹ in dem Sinne, daß diese nicht zu einem weitergehenden sexuellen Engagement führen sollen. In Idyll 27 reagiert Akrotime auf einen Kuß, den Daphnis ihr geraubt hat, mit der Bemerkung, er solle sich auf einen leeren Kuß nichts einbilden. Darauf folgt die Antwort des Daphnis, auch in leeren, d. h. nicht voll erwiderten Küssen liege süßes Vergnügen. 222 Der Vers paßt so gut in Idyll 27, daß er entweder als ein Selbstzitat desselben Autors oder als eine zumindest geglückte Nachahmung eines anderen Autors angesehen werden muß. Valckenaer, Hermann, Meineke, Haupt und Bücheler u. a. gehen noch weiter, indem sie den Vers in Idyll 27 als ursprünglich und in Idyll 3 als Interpolation ansehen. 223 Stanzel, der die Selbstzitate bei Theokrit untersucht hat, hält id. 27, 4 für eine Nachahmung eines Theokrit-Imitators, begründet diese Ansicht aber nicht näher. 224 Die These ist, wie so oft, mehr Ergebnis als Begründung der weiterführenden These von der Unechtheit des gesamten 27. Idylls. Die Zusammenstellung der evidenten Selbstzitate durch Stanzel läßt gerade die Möglichkeit eines Selbstzitats auch im Falle von idd. 3, 20 und 27, 4 als nicht von vornherein unmöglich erscheinen. Ein zwingendes Argument zur Echtheitsfrage läßt sich, bei aller Auffälligkeit, aus idd. 27, 4 und 3, 20 somit nicht gewinnen. 225

222 Gow vergleicht id. 2, 126 e›dÏn t+, e“ ke mÏnon t‰ kal‰n stÏma te‹c ‚f–lhsa. – S. Dover (1971) 114; Hunter (1999) 116–117: »20 is identical to line 4 of the spurious Idyll 27, where it is perhaps to be understood as a ›quotation‹ of T. ›Empty‹ kisses are usually understood as ›not progressing to sexual intercourse‹ (Dover), but at 27. 3–4 ›insignificant‹, ›carrying no serious implications‹ seem the more likely sense; thus the goatherd is offering Amaryllis the ›sweet delight‹ of kisses which need not signify any emotional attachment on her part«; Wilamowitz (1906) 93 Anm. 1: »Bei Theokrit [i.e. in id. 3] heißt das ›laß dich küssen: wenn das auch mò ‚kplhroÿ tòn ‚pijum–an, so ist es doch ein Genuß‹, also ›laß dich küssen: ich will mich ja dabei bescheiden‹. Bei dem Nachahmer sagt das geküßte Mädchen ›Renommiere nicht; man sagt, ein Kuß ist kenÏn, hat nichts zu bedeuten‹, worauf der Knabe den Vers ganz zitiert, auf den sie anspielt, der aber nun den Sinn erhält ›meinethalb kenÏn; schmeckt aber doch gut‹. Es ist beschämend, daß das Zitat hat verkannt werden können, zur Athetese des Theokritverses benutzt ist, und was der Plumpheiten und Sophismen mehr ist.« S. auch Stanzel (1995) 100 zum Kuß-Motiv im Corpus Theocriteum. 223 Meineke (3 1856) 388. 224 Stanzel (1996) 209. 225 So auch Clapp (1911) 167 und Sider (2001) 99–100 mit Anm. 3.

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Idyll 27

Der Vergleich mit Idyll 3 bietet aber in anderer Hinsicht die Möglichkeit, die literarische Eigenart von Idyll 27 näher zu bestimmen. In v. 11 versucht Daphnis, Akrotime unter Wildoliven zu locken, um ihr dort eine Geschichte zu erzählen, de‹r+ Õp‰ tÄc kot–nouc, —na so– tina m‹jon ‚n–yw. Dazu kommt es aber nicht, vielmehr wird der stichomythische Dialog ohne Unterbrechung fortgesetzt. In Idyll 3 bildet dagegen das Ständchen für Amaryllis den Hauptteil des Gedichts, dem nur eine kurze Einleitung vorangeht. So treten in den (unumstrittenen) bukolischen Gedichten Theokrits auch sonst die Geliebten nur im Bericht der Liebenden hervor, sie sprechen niemals selbst (vgl. idd. 3, 5, 7, 10, 11; vgl. auch id. 8 und die zitierte Rede des Mädchens in id. 20). 226 Allenfalls erfährt der Leser über ihr Tun oder Sprechen etwas indirekt aus dem Bericht des sprechenden Hirten (vgl. idd. 6 und 14). 227 Arland erklärt diese Auffälligkeit von id. 27 folgendermaßen: »Ferner tritt hier zum ersten Male in der Bukolik ein Hirtenmädchen als handelnde Person auf. Die theokritischen Hirten haben von ihren Geliebten nur gesungen. Zuweilen war das Mädchen auch in ihrer Nähe zu denken, so daß sie den klagenden und flehenden Liebhaber hören konnte [idd. 5, 7, 10, 8]; nie aber trat die Geliebte selbst auf. Das ist kein Zufall, sondern erklärt sich daraus, daß es Theokrit weniger auf die Erotik ankam als auf die Lieder. Besungen zu werden pflegt die oder der Geliebte aber im allgemeinen nur, wenn sie bezw. er abwesend ist. Seit Bion tritt nun das Erotische immer mehr in den Vordergrund und die Hirtenlieder verschwinden. Das Mädchen wird jetzt dem Mann als handelnde Person gegenübergestellt. Bei Bion selbst gibt es dafür allerdings kein Beispiel, wohl aber im Epithalamios des Achill und im Bukoliskos.« 228 Hinsichtlich der Rolle des Gesangs ist Arland zuzustimmen. Hinsichtlich der Bedeutung des Erotisch-Sexuellen ist jedoch zu sagen, daß dieses Thema einerseits bei Theokrit sehr wohl eine bedeutende Rolle spielt und andererseits in Idyll 27 nicht das ganze Gedicht beherrscht, sondern nur Anfang (v. 1–10a : der Kuß) und Ende (v. 45–66: die Verführung). Mit dem Anfang von Idyll 5, 1 A⁄gec ‚ma–, t®non t‰n poimËna, t‰n Subar–tan ist der Anfang von 27, 47 a⁄gec ‚ma–, bÏskesje; tÄ boukÏlw Írga no†sw identisch. Diese für sich betrachtet wenig auffällige Übereinstimmung erhält dadurch Gewicht, daß Akrotime, die v. 47 spricht, an anderer Stelle als Schaf-, nicht als Ziegenhirtin vorgestellt wird (v. 69; vgl. 226 Dazu Stanzel (1995) 184. 227 Anders verhält es sich mit dem städtischen Mimus Idyll 2. 228 Arland (1937) 62–63.

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v. 38). Arland sieht darin ein Zeichen der Unechtheit: »Bei aller frischen Realistik, die der Dichter der Oaristys sonst an den Tag legt, scheint er doch, sobald er vom Herdenvieh spricht, ebensowenig Wert auf Genauigkeit an den Tag zu legen, wie die Dichter von [Theokr.] 8 und 9. Das Mädchen hütet eine Schafherde. Das hindert jedoch den Dichter nicht, die Theokritreminiscenz a⁄gec ‚ma», bÏskesje (V. 47) anzubringen.« 229 Der Name der männlichen Figur, Daphnis, fordert einen Vergleich besonders zu Idyll 1 heraus. 230 Fritzsche verweist, um die Unechtheit des Gedichts nachzuweisen, auf die fundamentalen Unterschiede zwischen der mythischen Figur des Daphnis in id. 1 und dem gewöhnlichen Rinderhirten, der Sterbliche zu Eltern hat (v. 42), in id. 27 hin: »Primum Daphnis, is, cuius hic sermonem audimus, non est eius pectoris et ingenii, cuius eminentem effigiem Theocritus idylliis I. VII. VIII. consectatus est, non fortis ille bubulcus (id. I, 120), venator (id. I, 115 sq.), cantor (id. I, 128. VI, 5 sqq.), Musis Nymphisque amicus (id. I, 141), heros Siculorum vitae pastoriciae (id. VIII, 92. VII, 73), sed est persona vana nullis omnino – praeter libidinem – morum aut temporum aut locorum certorum notis distincta. Deinde ne patre quidem eodem utitur, quo Mercurio deo prognatus … Daphnis Theocriteus, sed satus est homine, cui – si quid video – Lycidae nomen (v. 41) auctor carminis indidit propter Theocriti septimum idyllium.« 231 Die Beobachtungen Fritzsches erfordern jedoch zwei wichtige Einschränkungen. Auch der singende junge Hirte in Idyll 6, der das erste Lied vorträgt (v. 6–19), ist nicht der Daphnis des ersten Idylls, sondern eher ein gewöhnlicher Hirte der bukolischen Welt wie sein Mitstreiter Damoitas (v. 21–41).232 Der Daphnis in Idyll 27 gibt sich immerhin als Syrinxspieler aus, auch wenn es wegen Akrotimes Ablehnung nicht zum Vortrag kommt (v. 13). Es gibt also kein einheitliches Daphnis-Bild im Corpus Theocriteum, aus dem der Daphnis von Idyll 27 so herausfiele, daß man daraus mit Fritzsche ein Kriterium der Echtheit gewinnen könnte. Sánchez-Wildberger hat die These vertreten, daß Idyll 27 in literarischer Hinsicht vor allem mit Idyll 5 zu vergleichen ist: »Das Gedicht ist ein Gespräch von Anfang bis Ende und muss … formal neben die erste Hälfte der 5. Idylle gestellt werden. Das Gespräch hat unzweifelhaft Wettcharakter, es ist ein Wettgespräch, aber zum Liebesgespräch umgeformt. Als der 229 230 231 232

Arland (1937) 61. Zu Daphnis s. Hunter (1999) 60–68 mit weiterer Literatur. Fritzsche (2 1870) 2, 213; ebenso Fritzsche-Hiller (3 1881) 265. Clapp (1911) 168.

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Idyll 27

Dichter daran ging, diese neue Idee einer Wettrede zu verwirklichen, ereignete sich das Wunder, dass die Wirkung des Inhalts auf die Form immer zwingender wurde und diese wie in einem Umschmelzungsprozess dem neuen Inhalt sich fügte. Die Regeln, nach denen in der 5. Idylle das Wettgespräch sich fortbewegt, scheinen hier gerade noch durch, aber fassen lassen sie sich nicht mehr. Wohl werden auch hier Worte des Gesprächspartners wieder aufgegriffen, aber daraus ergibt sich nicht wie in der 5. Idylle eine Zusammensetzung von fest umrandeten Gesprächspaaren, sondern seltsamerweise gerade das Gegenteil: eine anmutige Bewegung des Gesprächs herüber und hinüber, einem Ballspiel vergleichbar, bei dem der Ball bald aufgefangen und zurückgegeben, bald mutwilligerweise fallengelassen und dann in eine neue Richtung geworfen wird.« 233 Sánchez-Wildberger, die von der Echtheit des Gedichts ausgeht, unterstellt dem Gedicht somit von vornherein eine innovative dichterische Qualität. Wie aber ist ihre These zu bewerten? Sie stellt selbst fest, daß sich die in Idyll 5 geltenden Gesetzmäßigkeiten in Idyll 27 nicht mehr aufspüren lassen. Was gerade noch durchscheint, läßt sich auch noch fassen. In der Tat fehlen Umformungen von und Anspielungen auf die typischen Elemente, die einen Wettgesang einleiten, wie Kritik des musischen Könnens, Aufforderung zum Agon, Festlegung des Orts für den Agon, Wettpreis und Schiedsrichter. 234 Idyll 27 weist an zwei Stellen Berührungen mit dem Epithalamium Achillis et Deïdameiae auf, das Triklinios fälschlich dem Theokrit zugeschrieben hat und das seit Fulvius Orsini entweder Bion oder einem unbekannten Autor zugeschrieben wird.235 Das Gedicht, dessen Schluß verloren ist, beginnt mit der Aufforderung des Myrson, Lykidas solle eine Sizilische Liebesgeschichte wie die von Polyphem und Galateia singen (v. 1–3), eine ganz offensichtliche Anspielung auf Theokrits Polyphemgedichte idd. 6 und 11. Da Lykidas nicht weiß, welches Thema er anschlagen soll (v. 4), empfiehlt ihm Myrson noch einmal die Geschichte von Achill vorzutragen, der sich auf Skyros im Haus des Lykomedes als Frau verkleidet versteckt hielt, um dem geweissagten Tod vor Troja zu entkommen. Heimlich warb er, solchermaßen getarnt, um Lykomedes’ Tochter Deïdameia: Sk‘rion 〈Ìn〉, Luk–da, zal∏menoc ñdec Írwta, làjria PhleÚdao filàmata, làjrion eŒnàn,

233 Sánchez-Wildberger (1955) 53–54. 234 Ott (1969) 11. 235 Vgl. auch Reed (1997) 30 mit Anm. 63.

2. Das Gedicht

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p¿c paÿc Èssato fêroc, Ìpwc d+ ‚ye‘sato morfàn, q∫pwc ‚n k∏raic Lukomhd–sin † âpalËgoisai öe–dh katÄ past‰n >AqillËa Dhidàmeia (v. 5–9).

Die Küsse der Liebenden heißen hier ganz natürlich làjria filàmata, ›heimliche Küsse‹, weil Deïdameias Vater nichts davon ahnt, und aus demselben Grund heißt ihr Liebeslager làjrion eŒnàn, ›heimliches Liebeslager‹. Im narrativen Schlußteil von Idyll 27 wird das Liebeslager von Daphnis und Akrotime mit ähnlichen Worten beschrieben: √Wc oÀ m‡n qloeroÿsin  ainÏmenoi melËessin / Çll†loic yij‘rizon. Çn–stato f∏rioc eŒn†, ›So flüsterten sie miteinander, erhitzt in ihren jugendlichen Gliedern. Es ereignete sich ein heimliches Liebeslager‹ (v. 67–68). Gemeinsam ist beiden geschilderten Situationen die Verheimlichung des Liebeslagers vor dritten Personen. In Idyll 27 geht dies aus v. 57 hervor, in dem Akrotime die Befürchtung äußert, jemand könne vorbeikommen (und sie beobachten), m–mne, tàlan; tàqa t–c toi ‚pËrqetai; ™qon Çko‘w. Doch Daphnis kann sie beruhigen, sie höre nur die Zypressen rauschen. Auch wissen die Eltern nichts von der Begegnung der beiden, denn Akrotime trägt Bedenken, was ihr Vater wohl zu einer Verbindung mit Daphnis sagen würde (vgl. v. 39). Auffällig ist die Wortwahl in Idyll 27 f∏rioc eŒn† (v. 68). F∏rioc bedeutet eigentlich ›gestohlen‹, in der übertragenen Bedeutung ›heimlich‹ findet es sich zum ersten Mal in Idyll 27 und dann später in zwei Epigrammen des Paulos Silentiarios (mit lËktra und blËmma) sowie bei Nonnos (mit eŒn†), jeweils ganz offensichtlich in Anlehnung an Idyll 27: KlËywmen, Aqille‘c (v. 10–15). 10

Der erste Vers des Lykidas-Liedes erinnert an den ersten Vers des 27. Idylls tÄn pinutÄn Ad∏nidoc 64), häufig ist es dagegen in der Anthologie (z. B. Asklepiades 5, 158, 2; Polystr. 12, 91, 6). 250 Die Form ¢n für ‚àn ist dreimal gebraucht (v. 32, 33, 36), kommt in den unumstrittenen Gedichten des Corpus nur in Idyll 12, 25 sowie in epigr. 4, 15 und epigr. 19, 4 vor. 251 Häufiger ist die 247 Schönberger (1960) 169 ad locum sieht in Idyll 27 das Vorbild für Longos’ Text. Hunter (1983) 27–28 vergleicht Catull 45 und vermutet eine – verlorene – gemeinsame hellenistische Quelle. S. weiter oben S. 60. – Liebesschwüre begegnen auch in hellenistischen Epigrammen, beispielsweise in Kallimachos’ Epigramm über die Untreue des Kallignotos: AP 5, 6: óWmose Kall–gnwtoc >Iwn–di m†pot+ ‚ke–nhc / Èxein m†te f–lon krËssona m†te f–lhn. / ∫mosen …; vgl. AP 5, 8 (Meleager): NÃx …erò ka» l‘qne, sun–storac o÷tinac ällouc / Ìrkoic, Çll+ ÕmËac, e…lÏmej+ ÇmfÏteroi? 5, 52 (Dioskorides): ìOrkon koin‰n óErwt+ Çnej†kamen; Ìrkoc  pistòn / >ArsinÏhc jËmenoc Swsipàtr˙ fil–hn. Sie sind aber, wie Syndikus (2 1994–2001) 1, 239, betont, meist gerade nicht auf Dauer ausgelegt. Zum Epigramm des Kallimachos s. auch Meyer (2005) 168. 248 Gow (2 1952) 2, 485. 249 Bühler (1960) 171 ad locum. 250 Reed (1997) 232 zu Bion Adon. 64. 251 Zur Frage der Echtheit von epigr. 19 s. Rossi (2001) 301–303.

2. Das Gedicht

87

Form dagegen in den umstrittenen Gedichten (idd. 8, 35. 39; 20, 28–29; 21, 4; 23, 25. 44–45). 252 Das Wort p¿u, ›Schafherde‹ (v. 38), ist homerisch (Od. 11, 402; 12, 129; Il. 18, 528), kommt aber weder im Corpus Theocriteum noch bei anderen Bukolikern sonst vor. Bei der metrischen Gestaltung von Idyll 27 fällt die trochäische Messung von m–tran (v. 55) auf;253 kurzes a im Vokativ k¿ra (v. 52) hat auch Kall. hymn. 3, 72. Die Messung m–tran nehmen Fritzsche und Gow als Zeichen für ein spätes Entstehen von Idyll 27. 254

252 Gow (2 1952) 2, 177 zu id. 8, 35. 253 Reed (1997) 30 Anm. 62. 254 S. Fritzsche (2 1870) 2, 213; Gow (2 1952) 2, 491. Gow vergleicht ›lan in E c Nekr‰n óAdwnin 44. S. auch Meineke (3 1856) 392.

Idyll 20

Idyll 20 1. Text und Übersetzung BOUKOLISKOS 1 EŒn–ka m+ ‚gËlaxe jËlontà min Ådà filêsai ka– m+ ‚pikertomËoisa tàd+ Ínnepen; ›Írr+ Çp+ ‚meÿo. boukÏloc ªn ‚jËleic me k‘sai, tàlan? oŒ memàjhka Çgro–kwc filËein, Çll+ ÇstikÄ qe–lea jl–bein. 5 mò t‘ge meu k‘ss˘c t‰ kal‰n stÏma mhd+ ‚n Êne–roic. oŸa blËpeic, Âppoÿa laleÿc, ±c ägria pa–sdeic. [±c trufer‰n kalËeic, ±c kwt–la ˚†mata fràsdeic; ±c malak‰n t‰ gËneion Íqeic, ±c ÅdËa qa–tan.] qe–leà toi nosËonti, qËrec dË toi ‚nt» mËlainai, 10 ka» kak‰n ‚xÏsdeic. Çp+ ‚me‹ f‘ge m† me mol‘n˘c.‹ toiàde muj–zoisa tr»c e c ·‰n Íptuse kÏlpon,

D C. X Tr, Codex Vaticanus Graecus 1379, Anth quae conservat vv. 1–4 post AP 9.136 sine auctoris nomine. Titulus: Boukol–skoc X Tr. Jeokr–tou X. Auctor: Dialectus: Dwr–di Tr. Codices: Codices:

1 EŒn–ka X Anth : EŒne–ka Tr cf. v. 42 et id. 13.45 | ‚gËlaxe X : -aze Anth (incertum an et Tr) 2 ‚pikertomËoisa X Tr : ‚pikertomËousa Anth | tàd+ X Tr : tÏd+ Anth | ‚meÿo X : ‚moÿo Tr 3 boukÏloc Anth : bwkÏloc X Tr cf. vv. 32, 37, 38, 40, 42 | ‚jËleic me X Anth : jËleic Tr 4 Çgro–kwc X Tr : Çgro–kouc Anth 5 k‘ss˘c : k‘s˘c X | Êne–roic X: Êne–rwc Tr 6 Âppoÿa Iunt : Âpoÿa X : s‘g+ Âpoÿa Tr | laleÿc Steph : lalËeic X Tr 7–8 seclusit Lucas 7 proscr. Greverus | kalËeic X Tr : lalËeic Ald 9 nosËonti X Tr : notËonti Sauppe | dË toi Steph : dË ti X Tr | ‚nt» Iunt : e s» X Tr 11 ·‰n Iunt Cal : te‰n X Tr

1. Text und Übersetzung

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DER RINDERHIRT 1 Eunika lachte mich aus, als ich sie zärtlich küssen wollte, und mich dazu noch verspottend sagte sie dies: »Weg von mir! Du, nur ein Rinderhirt, willst mich küssen, Elender? Nicht habe ich gelernt, Bauern zu küssen, sondern städtische Lippen zu pressen. 5 Du jedenfalls küsse meinen schönen Mund nicht, nicht einmal in Träumen! Wie du dreinschaust, wie du schwätzt, wie tölpelhaft sind deine Scherze! [Wie geschwollen du rufst, wie geschwätzig dein Gerede ist! Wie sanft das Kinn, das du hast, wie süß das Haar!] Deine Lippen sind krank, deine Hände sind schwarz, 10 und üblen Gestank verströmst du. Geh’ weg von mir, daß du mich nicht beschmutzt!« Solches redete sie und spuckte sich dabei dreimal in den Schoß,

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Idyll 20

ka– m+ Çp‰ têc kefalêc pot» t∞ pÏde suneq‡c e⁄den qe–lesi muqj–zoisa ka» Ómmasi loxÄ blËpoisa, ka» polà tî morfî jhl‘neto, ka– ti sesarÏc 15 ka» sobarÏn m+ ‚gËlaxen. ‚mo» d+ äfar Ízesen aŸma, ka» qrÏa foin–qjhn Õp‰ t∫lgeoc ±c ˚Ïdon Èrs¯. qã m‡n Íba me lipoÿsa, fËrw d+ Õpokàrdion Êrgàn, Ìtti me t‰n qar–enta kakÄ mwm†saj+ ·ta–ra. poimËnec, e“patË moi t‰ kr†guon; oŒ kal‰c ‚mm–? 20 írà tic ‚xap–nac me je‰c brot‰n ällon Íteuxe? ka» gÄr ‚mo» t‰ pàroijen ‚pànjeen Åd‘ ti kàlloc … ±c kiss‰c pot» prËmnon, ‚mÄn d+ ‚p‘kazen Õp†nan, qaÿtai d+ oŸa sËlina per» krotàfoisi kËqunto, ka» leuk‰n t‰ mËtwpon ‚p+ Êfr‘si làmpe mela–naic; 25 Ómmatà moi glaukêc qarop∏tera poll‰n >Ajànac, t‰ stÏma d+ afi paktêc Åpal∏teron, ‚k stomàtwn dË ÍrreË moi fwnÄ glukerwtËra £ mËli khr¿. Ådà dË moi t‰ mËlisma, ka» £n s‘riggi mel–sdw, k£n aŒlƒ lalËw, k£n d∏naki, k£n plagia‘l˙. 30 ka» pêsai kalÏn me kat+ ∫rea fant» gunaÿkec, ka» pêsa– me file‹nti; tÄ d+ Çstikà m+ oŒk ‚f–lasen, Çll+ Ìti boukÏloc ‚mm» parËdrame ko÷pot+ Çko‘ei [q≤ kal‰c DiÏnusoc ‚n ägkesi pÏrtin ‚la‘nei]. oŒk Ígnw d+ Ìti K‘pric ‚p+ ÇnËri m†nato bo‘t¯

13 muqj–zoisa Vat. gr. 1379 (ut Hemsterthusius) : muj–zoisa X Tr 15 m+ ‚gËlaxen Iunt Cal : mËg+ Ílexen X Tr 16 t∫lgeoc X : t∫geoc Tr 21 post hunc versum lacunam stat. Herm | Åd‘ ti kàlloc X Tr : ÅdÃc “ouloc Graefe Galltxt 26 t‰ Iunt Cal : ka» X Tr | d+ afi paktêc Tr : £ ka» Õp+ Çktêc X : d‡ paktêc incertus Gallapp : d+ ™c paktêc Herm Galltxt : ka» paktêc Iunt Cal | Åpal∏teron Valck : gluker∏teron X Tr Galltxt : glafur∏teron Wil 27 ÍrreË editio Moreliana : Írre X : Írrei Tr 28 mËlisma C Vat. gr. 1379 : mËlidma X Tr 29 lalËw X Tr : donËw Tr2 : kalËw Galltxt (errate?) | k£n tertium Tr1 fortasse ante ras. ut Ald : £n X Tr2 | plagia‘l˙ Steph : plasi- X : pagi- Tr. 32 boukÏloc X : bwkÏloc Tr Galltxt | ko÷pot+ Çko‘ei (-w X1 ) X Tr : ™ o÷pot+ äkouse mutata distinctione Ahrens 33 proscr. Meineke def. Legrand (3 1967) 43 | q≤ X :  Tr : ±c Iunt : ±c  Graefe cf. id. 8.52 | DiÏnusoc X Tr : Di‰c u…‰c con. Briggs ita Apollinem significari existimans | ‚la‘nei X Tr : Ílaunen con. Graefe

1. Text und Übersetzung

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und schaute mich vom Kopf bis zu den Füßen in einem Zuge an, die Lippen spöttisch verzogen und mit den Augen schief blickend, und sie warf sich in ganz weibliche Pose und lachte mich grinsend 15 und hochmütig aus. Mir aber begann gleich das Blut zu sieden, und meine Haut wurde purpurrot von Schmerz wie eine Rose vom Tau. Und sie ging weg und ließ mich stehen, ich aber trage tief im Herzen Wut, daß mich, den reizenden, die üble Gefährtin (ver-)schmähte. Hirten, sagt mir die Wahrheit: Bin ich nicht schön? 20 Hat denn irgendein Gott plötzlich mich zu einem anderen Menschen gemacht? Denn früher blühte mir süße Schönheit … [Versausfall: Haarwuchs? ] wie Efeu an einem Baumstamm bedeckte dicht mein Kinn, die Haare flossen wie Eppich um meine Schläfen, und weiß leuchtete meine Stirn über den dunklen Brauen. 25 Augen hatte ich, viel strahlender als die der flammenäugigen Athene. mein Mund wiederum war sanfter als Rahm, aus dem Mund aber floß mir eine Stimme süßer als Honig aus der Wabe. Süß ist mein Gesang, ebenso wenn ich auf der Syrinx spiele, als wenn ich mit der Flöte schwatze, ob mit Rohr, ob mit Querflöte. 30 Und alle Frauen in den Bergen sagen, ich sei schön, und alle küssen mich. Das städtische Ding aber küßte mich nicht, sondern ließ mich, weil ich ein ›Rinderhirt‹ bin, liegen und erhört mich nie. [Auch der schöne Dionysos treibt ein Kalb in den Tälern]. Nicht weiß sie, daß Kypris wegen eines Rinderhirten in Raserei verfiel

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Idyll 20

35 ka» Frug–oic ‚nÏmeusen ‚n ∫resi, ka» t‰n óAdwnin ‚n drumoÿsi f–lase ka» ‚n drumoÿsin Íklausen. >Endum–wn d‡ t–c ™n? oŒ boukÏloc? Ìn ge Selàna boukolËonta f–lasen, Çp+ OŒl‘mpw d‡ moloÿsa Làtmion ãn nàpoc ™lje, ka» e c ÂmÄ paid» kàjeude. 40 ka» t‘, Ol- X Tr (-ou Tr) 39 Làtmion Iunt Cal : làjrion X Tr | ka» e c ÂmÄ Voss: ka» e c ·Ä Tr : ke c ‚mÄ X 40 boukÏlon Ahrens : bwkÏlon X Tr Galltxt 42 EŒne–ka Tr1 cf. v. 1 | mÏna Cal : mÏnon X | boukÏlon Ahrens : bwkX Tr Galltxt 43 öd‡ Tr2 : Çd‡ X Tr 44 mhd+ Å Tr : mhd‡ X : mò dò Galltxt | m†te Iunt Cal : mhd‡ X Tr 45 m†t+ Iunt Cal : mhd‡ X Tr | filËoi Ahrens : -Ëoic X Tr | m∏na Brunck : -nh X Tr | kaje‘doi Ahrens : -doic X Tr.

1. Text und Übersetzung

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35 und in den Phrygischen Bergen Herden weidete und den Adonis im Gebüsch liebte und im Gebüsch beweinte. Endymion, wer war er? Nicht ein Rinderhirt? Den jedenfalls liebte Selene, als er Rinder weidete, vom Olymp kommend kam sie durch die Schlucht des Latmus und schlief gemeinsam mit dem Knaben. 40 Und du, Rhea, beweinst einen Rinderhirten. Und hast du, KronosSohn, dich nicht um eines jungen Rinderhirten willen in einen Vogel verwandelt? Eunika allein küßte den ›Rinderhirten‹ nicht, sie, die größer ist als Kybele und Kypris und Selene. Niemals mehr soll sie, Kypris, ihren Liebling küssen, weder in der Stadt 45 noch im Gebirge, allein soll sie die Nacht über schlafen!

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Idyll 20

2. Das Gedicht Das 20. Idyll des Corpus Theocriteum handelt von einem namentlich nicht genannten Rinderhirten, der sich wütend über die Zurückweisung einer städtischen Hetäre namens Eunika beschwert. Die Gründe zur Aufnahme dieses Gedichts in das Corpus Theocriteum sind offensichtlich. Thematisch fügt es sich zwanglos zur Gruppe der sogenannten ›bukolischen‹ Gedichte (idd. 1 und 3 bis 11). Die Hauptfigur ist ein Rinderhirt, und gerade dieser Stand ist es, der überhaupt die abweisende Haltung der eingebildeten Städterin Eunika provoziert (v. 3–4). Das Publikum, an das der Rinderhirt sich wendet, um eine Bestätigung seiner von Eunika verkannten Qualitäten zu erfahren, besteht aus Hirten (v. 19 poimËnec, e“patË moi t‰ kr†guon). 255 Entsprechend handeln die mythischen Exempla, die die aufreizende Arroganz Eunikas verdeutlichen sollen, ebenfalls von Rinderhirten (v. 33–41). Der Ort der Handlung bleibt ungenannt. 256 In formaler Hinsicht ist Idyll 20 durch den dorischen Dialekt und die hexametrische Versform ebenfalls eng mit den bukolischen Gedichten des Corpus Theocriteum verbunden. Gow ordnet das Gedicht, zusammen mit allen anderen umstrittenen Gedichten außer dem episch-ionischen Idyll 25, zur Gruppe der »Dubious or spurious poems in Doric«. 257 Das hat deshalb gravierende Konsequenzen, weil Gows Einordnung nicht rein deskriptiver Natur ist, sondern unmittelbar seine Textkonstitution beeinflußt. Aus der Überzeugung, daß ein Theokrit-Nachahmer weniger Kontrolle über den dorischen Dialekt gehabt haben müsse als der mit diesem Dialekt vertraute Dichter selbst, hat Gow (Wilamowitz folgend) Hyperdorismen, die er in eindeutig echten Gedichten eliminiert hat, in den für unecht befundenen wie Idyll 20 stehen lassen (mit Ausnahme von idd. 8 und 9). 258 Neben Thema und formaler Ausgestaltung läßt sich eine dritte Verbindungslinie zwischen Idyll 20 und dem übrigen Corpus in den engen motivischen Übereinstimmungen aufweisen, vor allem mit Idyll 3 und den beiden Polyphemgedichten 6 und 11.259 Die besonders auffälligen Bezüge 255 256 257 258

S. unten S. 103 zu poimËnec. Dazu Arland (1937) 54. Gow (2 1952) 1, lxxii. Fantuzzi (1985) 42 zu Bion, sowie Sider (2001) 100 und Hunter (2002) 97 zu (Ps.-)Theokrit. 259 So z.B. schon Fritzsche (2 1870) 2, 106.

2. Das Gedicht

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gerade zu diesen drei Gedichten legen nahe, sie im folgenden besonders zu berücksichtigen. Die Tatsache, daß zwar Idyll 3 zu den bukolischen, 6 und 11 aber mit dem Mythos von Polyphem und Galateia darüber hinaus auch zu den mythologischen Gedichten gehören, zeigt, daß eine strenge Scheidung ›bukolisch – mythologisch‹ problematisch ist und für den Verfasser etwa von Idyll 20 nicht maßgeblich war. 260 Innerhalb der Gruppe der umstrittenen Gedichte berührt sich Idyll 20 in der betonten Liebesthematik besonders eng mit Idyll 19, 23 und 27. Damit steht es in Kontrast zu den Sängeragonen in Idyll 8 und 9 (in ihnen bildet die Liebe nur einen Teilaspekt), zu dem Gespräch der beiden armen Fischer in 21 sowie zu dem Herakles-Gedicht 25. 2.1 Zum Text Die Handschriften haben Idyll 20, vergleichbar mit 21 und 27, in schlechtem Zustand bewahrt. 261 Es gibt nur zwei unabhängige Hauptzeugen, den Codex Vaticanus Graecus 1311 (X) und den Codex Parisinus Graecus 2832 (Tr) aus dem 15. bzw. dem 14. Jahrhundert. Als Nebenzeuge dient der hier von Tr abhängige Codex Ambrosianus 104 (C, saec. XV/XVI). Idyll 20 ist also ausschließlich über den Zweig der Laurentianischen Handschriftenfamilie bezeugt. 262 Die Zuweisung Jeokr–tou findet sich in X und in C. 263 Der Titel Boukol–skoc steht in X und in Tr, der Hinweis auf den dorischen Dialekt Dwr–di nur in Tr. Auf Papyrus wurden bisher keine Fragmente aus Idyll 20 gefunden. 264 Die Zuschreibung von Idyll 20 an Theokrit geht also nicht vor das 15. Jahrhundert zurück. Daraus allein läßt sich zwar kein Argument gegen die Echtheit des Gedichts ableiten. Andererseits hat der Zusatz Jeokr–tou auch keine positive Beweiskraft. Ihn bietet beispielsweise auch Tr für den >Adwn–doc ‚pitàfioc. 265 Die ersten vier Verse von Idyll 20 sind doppelt überliefert: sie fanden zusätzlich zu den bukolischen Handschriften noch Eingang in die Griechische Anthologie. Dort stehen sie im Anschluß an AP 9, 136, ein Epigramm des Kyros von Panopolis aus dem 5. Jahrhun-

260 Dazu Köhnken (1996b); Hunter (1999) 217–218. Einleitung, S. 5. 261 Gow (2 1952) 2, lvi: »The text of Idd. 20, 21, 23, 27 is however in much worse condition than that of any other poems in the collection.« 262 S. oben ›Vorbemerkungen‹, S. 17. 263 Ahrens (1855–1859) 1, 222; Ziegler (3 1879) 108. S. aber Hiller (1888) 59 und 70. 264 S. zuletzt Gutzwiller (1996a) 147. 265 Reed (1997) 194 ad locum; Matthews (1990) 35 Anm. 4.

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Idyll 20

dert, dessen ›bukolischer‹ Gegenstand ganz offensichtlich die Hinzufügung der (pseudo-)theokriteischen Verse ausgelöst hat: A“je pat†r m+ ‚d–daxe das‘triqa m®la nome‘ein, πc ken Õp‰ ptelˢsi kaj†menoc £ Õp‰ pËtr˘c sur–sdwn kalàmoisin ‚mÄc tËrpeskon Çn–ac. Pier–dec, fe‘gwmen ‚uktimËnhn pÏlin, ällhn 5 patr–da maste‘swmen; ÇpaggelËw d+ ära pêsin, ±c Êloo» khf®nec ‚dhl†santo mel–ssac. 266

Eine solche Doppelüberlieferung liegt auch im Falle des kurzen Idylls 19 vor, dort allerdings für das ganze Gedicht. Kenntnis von Idyll 20 zeigen in der Antike Meleager, Vergil, Longus, Achilles Tatius, Nonnus und vielleicht auch Oppian. 267

2.2 Zur Forschungsgeschichte In der Frage der Autorschaft haben sich nahezu alle Kritiker gegen Theokrit ausgesprochen. Ahrens hat aus der relativen Anordnung der Gedichte von Theokrit, Bion und Moschos in der Ausgabe Iuntas (1516) geschlossen, der Editor habe dadurch Idyll 20 stillschweigend Bion zugewiesen. 268 Diese Folgerung überzeugt jedoch deshalb nicht, weil Idyll 20 genau zwischen einem anderen umstrittenen Gedicht, 23, und einem Werk Bions, dem >Adwn–doc ‚pitàfioc, steht. 269 Hinzu kommt, daß gerade die Iuntina den >Adwn–doc ‚pitàfioc Theokrit zuschreibt. 270 Der erste Kritiker, der Idyll 20 Theokrit abgesprochen hat, scheint Heinsius gewesen zu sein. 271 Ihm sind nahezu alle späteren Kommentatoren und Editoren gefolgt: Reiske, Warton, Valckenaer, Ahrens, Meineke, Fritzsche, Hiller, Wilamowitz, Cholmeley, Legrand, Brinker, Gow, Dover, Beckby und Gallavotti. 272 Zu den Verteidi266 267 268 269 270 271 272

Dazu Hiller (1888) 70–71. Übersicht auf S. 137. Ahrens (1874) 597. Die Reihenfolge aller Werke in der Iuntina behandelt Gow (2 1952) 1, xlv. Gow (2 1952) 1, xlv. Heinsius (1604) 294. Reiske (1766) 2, 265; Warton (1770); Valckenaer (2 1810) 226; Ahrens (1855–1859) 1, 222; Meineke (3 1856) 328–337; Fritzsche (2 1870) 2, 106–107; Hiller (1888) 70–73; Wilamowitz (2 1910) 115; ders. (1906) 80–81; Cholmeley (2 1919) 45–58, Legrand (3 1967) 2, 39–41; Brinker (1884) 38; Gow (2 1952) 2, 364; Dover (1971) xviii; Beckby (1975) 474–475; Gallavotti (3 1993) 109.

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gern der Echtheit zählen Wuestemann und Greverus sowie in jüngerer Zeit White. 273 Die alternativen Zuschreibungsversuche gelten überwiegend Bion (Heinsius, Meineke1 ) und Moschos (Valckenaer, Meineke2 ). Wilamowitz, Legrand und Reed274 vermuten als Verfasser einen jüngeren Zeitgenossen Bions, der wegen der Erwähnung Kybeles (v. 40) aus der Gegend von Pergamon gestammt haben soll. Ahrens schrieb wegen der Überlieferung von Idyll 20, 1–4 in der Griechischen Anthologie das Gedicht dem unter Theodosius II. lebenden Kyros von Panopolis zu. 275 Außerhalb der Gesamtkommentare zum Corpus Theocriteum hat Idyll 20 kaum Beachtung gefunden. Die einzige umfangreichere Interpretation stammt von White, 276 hinzu kommen einige kleinere Kapitel in den älteren Arbeiten von Greverus, Zettel, Brinker, Wilamowitz und Legrand. Mit der Struktur des Gedichts befaßt sich V. de Falco. 277 Ein Aufsatz von Marco Fantuzzi ist im Erscheinen begriffen. 278 In der Forschungsgeschichte lassen sich zunächst drei Interpretationsrichtungen ausmachen: (1) Nach Reiske steht die Konfrontation des ungehobelten Rinderhirten mit der städtisch-hochnäsigen Eunika sinnbildlich für die literarische Auseinandersetzung zwischen Bukolischer Dichtung und ihren Verächtern: »Videtur Poëta perstringere hoc Idyllio aliquos Bucolici carminis contemptores, qui forte sua quadam protervia tumentes, haec ut pueriles nugas deriserunt: ut sunt aliqui ingenio nimium fastidioso ac superbo, quibus nihil pulchrum est, nisi quod ipsi iudicio suo comprobaverint«. 279 Diese Auffassung, die Idyll 20 in die Nähe der ›bukolischen Maskerade‹ des Thalysien-Gedichts Idyll 7 bringt, wurde von Fr. Jacobs zurückgewiesen280 und hat keine Nachfolge gefunden. (2) Nach White liegt der Schlüssel zum Verständnis des Gedichts in der Tatsache, daß der Rinderhirte als »pathicus«, als Homosexueller, dargestellt werde: »The merciless irony with which Theocritus characterizes the 273 Wuestemann (1830) 287; Greverus (1850) 137; White (1979b) 117–130. 274 Vgl. Reed (1997) 59 Anm. 109, mit einzelnen Stellenangaben zu der von ihm vermuteten Imitation Bions durch den Verfasser von Idyll 20. 275 Ahrens (1874) 598. 276 White (1979b) 117–130. 277 De Falco (1924) 48–54. 278 »The Importance of Being Boukolos: Ps.-Theocr. 20«, in the proceedings of the conference: M. Paschalis (Hrsg.), The Successors of Theocritus and Virgil. The Reception of Bucolic Poetry in Ancient and Modern Times (May 22–23, 2006). 279 Reiske (1766) 2, 265. 280 Zitiert bei Wuestemann (1830) 287.

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pathicus in Idyll XX is a piece of Theocritean art at its best, but to enjoy Theocritus’ irony and art we must first of all understand his words, i. e. we must understand that he has explicitly depicted a pathicus«. 281 (3) Alle übrigen Forscher verstehen Idyll 20 auf einer ganz unmittelbaren Bedeutungsebene. Meistens wird der hier besonders scharf hervortretende Gegensatz zwischen ›Stadt‹ und ›Land‹ als zentrale dichterische Aussage hervorgehoben. Die literarästhetische Bewertung von Idyll 20 in der Neuzeit ist überwiegend negativ ausgefallen. Nach Meineke zeigt das Gedicht im Ganzen »dulciculam quandam mollitiem«. 282 Dieser Einschätzung folgt Fritzsche: »Non est hic expressa ad vivum et spirans ullius hominis natura certa et indoles, non animorum, non morum ulla proprietas: non affectuum eiusmodi notatio ac varietas, qualem vides in idyllio III, ubi inter spemque metumque suspensus fluctuat amator, qui querimoniis suis vel tangit cor lectoris vel exhilarat: umbram potius hic vides pastoris exsanguem, non colorem pastoris suci pleni: delicatulum paene dixerim colonum Gesnerianum, non fortem agri cultorem Theocriteum, qualis est e. gr. Milon idyllii decimi.«283 Legrand charakterisiert Idyll 20 als »une œuvre sans vie, un exercice littéraire«, 284 ähnlich Gow »a poem so imitative and of so little merit«. 285 Nach Beckby kann »die Gestaltung des Stücks … nur als schlecht bezeichnet werden«. 286 Gewisse positive Züge gewinnt Wilamowitz dem Gedicht ab: »Der Bukoliskos ahmt den Theokrit ganz grob nach; in der Behandlung von Zäsur, Elision, Vokalverkürzung ist er aber so peinlich wie Bions Adonis …, aber die Tendenz ist ganz untheokritisch: Theokrit sympathisiert innerlich mit den Landleuten, er ist kein Salontiroler, sondern der Simichidas der Thalysia. Hier aber liegt der Reiz der Erfindung darin, dass sich der Bauer durch seine Selbstschilderung so blamiert wie der Kyklop des Theokrit. Der Dichter teilt durchaus den Geschmack der städtischen Hetäre. Bezeichnenderweise gehört zu den Anzeichen mangelnder Politur, dass der Bauer das Haar lang trägt und sich einen Bart stehen lässt.« 287

281 282 283 284 285 286 287

White (1979b) 130. Meineke (3 1856) 328. Fritzsche (2 1870) 106. Legrand (3 1967) 2, 41. Gow (2 1952) 2, 365. Beckby (1975) 474. Wilamowitz (1906) 80–81.

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2.3 Interpretation Während die Forschung sich bisher ausgesprochen oder unausgesprochen innerhalb der Echtheitsproblematik vor allem auf die sprachlichen Eigenheiten des Gedichts und seine allgemeine Tendenz (»Salontiroler«, »dulcicula quaedam mollities«) konzentriert hat, stellt die folgende Untersuchung die inhaltliche Interpretation in den Mittelpunkt. Sie dient der Beantwortung einer Reihe von Fragen, die der Text stellt: Welche inhaltlichen (und sprachlichen) Beziehungen bestehen zwischen Idyll 20 und den unzweifelhaft echten Gedichten im Corpus Theocriteum, den anderen umstrittenen Gedichten sowie den sogenannten ›Spätbukolikern‹ Moschos und Bion? 288 Welche Schlußfolgerungen ergeben sich aus diesem Vergleich für die künstlerische Eigenart des Verfassers von Idyll 20? Wie wird der unglücklich ›verliebte‹ Rinderhirte, im Vergleich zum exclusus amator in Idyll 3, Polyphem in 6 und 11 und Aischinas in 14 dargestellt? Ist es ernsthafte ›Liebe‹ oder eher eine ›Affäre‹, deren Scheitern mehr seine Eitelkeit als sein Herz trifft? Wie wird der Hirte jenseits seiner unglücklichen Begegnung mit Eunika geschildert? So kümmert er sich beispielsweise nicht um seine Herde wie etwa Polyphem oder der verschmähte Liebhaber in Idyll 3. Von besonderem Interesse ist der Katalog mythologischer Exempla in v. 33–42 im Vergleich zu anderen derartigen Partien bei Theokrit, bes. zu der eng verwandten exempla-Reihe in Idyll 3. 289 Sind die Exempla gedacht, um insgesamt einen negativ-verunsichernden Eindruck zu hinterlassen, wie Whitaker und Fantuzzi dies für Idyll 3 annehmen? 290 Welche Funktion hat der Gegensatz ›Stadt – Land‹, der in Idyll 20 so besonders stark betont wird (vgl. auch Vergil, ecl. 2 und 8)? 291 Was läßt sich über Aufbau und Gliederung des Gedichts sagen: Wen spricht der Rinderhirte in v. 1 an? Wie ist der auffällige Einschnitt in v. 19 (Apostrophe an die poimËnec) motiviert?

288 289 290 291

Nach Gow (2 1952) 2, 364–365 ist die Entstehungszeit von Idyll 20 »quite uncertain«. S. auch Idyll 17, 53–57 mit Gerber (1981) 21–24; Oehler (1925) 121–122. Whitaker (1983); Fantuzzi (1995). Schmidt (1987) 18; Bernsdorff (2001) 44. 64. 155–156.

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2.3.1 Aufbau Das Gedicht besteht aus zwei größeren Teilen, die durch den Anruf des Hirten an die poimËnec (v. 19) klar voneinander geschieden sind.292 Unvermittelt mit v. 1 setzt ein Bericht ein, von dem der Leser nicht wissen kann, ob er innerer Monolog ist oder nicht. Daß der erste Teil (v. 1–18) als eine übergeordnete Einheit gedacht ist, zeigt die Wortklammer, die durch den Namen EŒn–ka am Beginn von v. 1 und die Berufsbezeichnung ·ta–ra am Ende von v. 18 gebildet wird. Die Verse 1 bis 2a führen in die Situation ein: Der Hirt, dessen IchErzählung das Gedicht darstellt, hat versucht, Eunika einen Kuß zu geben, und diese hat ihn daraufhin verspottet. In v. 2b –10 folgt aus dem Mund des Hirten die Rede der Eunika, die ringkompositorisch durch die Worte ›Weg von mir‹ gerahmt wird (v. 2 Írr+ Çp+ ‚meÿo – v. 10 Çp+ ‚me‹ f‘ge m† me mol‘n˘c). Auf die erste Aufforderung in v. 2b , ihr fernzubleiben, folgt in v. 3– 5 die Begründung für die Abweisung: Der Werbende ist ein ›Rinderhirt‹ (v. 3 boukÏloc ∫n, betont am Versanfang). Eunika sagt, sie habe nicht gelernt, solchen Personen Küsse zu geben (v. 4 Çgro–kwc filËein), küssen könne sie nur Menschen aus der Stadt (v. 4 ÇstikÄ qe–lea jl–bein). Nachdem so der Gegensatz zwischen Stadt und Land einmal genannt ist, ergibt sich aus diesem Abstand der Lebenswelten konsequent die Folgerung, nicht einmal im Traum dürfe der Rinderhirt daran denken, Eunika zu küssen. In den folgenden drei Versen 5–10 (7 und 8 sind fremde Zusätze) 293 folgt eine nähere Begründung für die Abweisung des Rinderhirten: störend sind sein Blick, seine Rede und sein tölpelhaftes Verhalten, seine Lippen und Hände sind schmutzig, er stinkt. Mit der erneuten Aufforderung, sie nicht zu belästigen, endet die Rede der Eunika. Der Rinderhirt setzt die Schilderung der Situation nun fort, indem er nach Wiedergabe von Eunikas Worten eine Beschreibung ihres mit ihnen einhergehenden Verhaltens liefert: Sie spuckt sich dreimal in den Schoß, sie betrachtet ihn spöttisch von Kopf bis Fuß, wirft sich hochmütig in weibliche Pose und lacht ihn aus. Mit m+ ‚gËlaxen (v. 15) endet die Beschreibung und weist durch wörtlichen Rückgriff ringkompositorisch auf den Anfang in v. 1 EŒn–ka m+ ‚gËlaxe zurück. Mit ‚mo» dË in v. 15b beginnt nun der Bericht des Hirten über seine Reaktion, der bis v. 18 geht: Ihm kocht das Blut, er wird rot vor Schmerz; seit sie ihn hat stehen lassen, trägt er die Wut im Herzen, weil die Hetäre 292 De Falco (1924) 51. 293 S. Gow (2 1952) 2, 365.

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ihn verschmäht hat, obwohl er doch so liebreizend ist. Der Bezug auf die Tätigkeit der Eunika am Ende von v. 18 führt wieder zum Gedichtanfang zurück. Daß Eunika wirklich als Hetäre im engeren Wortsinn gedacht ist (v. 18 ·ta–ra nur hier im Corpus), legt der ganze Zusammenhang nahe. Auch daß man sonst nichts über sie erfährt, außer daß sie Städterin ist, bestätigt die Vermutung. Der genaue soziale Status aber läßt sich, wie auch sonst oft, nicht hinreichend bestimmen. 294 Der zweite Teil (v. 19–45) bringt einen Richtungswechsel, der zunächst als Szenenwechsel aufgefaßt werden könnte. Der Hirt spricht einen Kreis von Berufsgenossen an. Auffällig ist, daß er, der selbst Rinderhirt und darauf ja auch besonders stolz ist, sich an poimËnec (v. 19) wendet, also ›Schafhirten‹. Dies ist die übliche Bedeutung des Wortes in der nachhomerischen Literatur. 295 In den unumstrittenen Gedichten unterscheidet Theokrit in der Regel sehr genau zwischen den verschiedenen Hirtentypen, zwischen Rinder-, Schaf- und Ziegenhirten (boukÏloc / bo‘tac – poim†n – a pÏloc). Der Allgemeinbegriff nome‘c kommt nur einmal in Idyll 7, 28 vor (in der Zusammenstellung von Hirten und Schnittern). 296 Einiges spricht dafür, in dieser theokriteischen Differenzierung der verschiedenen Hirtentypen eine (zumindest teilweise) absichtsvolle Hierarchisierung zu sehen, die den Rinderhirten eine besonders privilegierte Stellung zuweist. 297 Eine direkte Parallele zu Idyll 20 bietet das ebenfalls umstrittene Idyll 8. Am Gedichtende wird der Rinderhirt Daphnis (vgl. v. 1 Dàfnidi … boukolËonti), der als Sieger aus dem Wettsingen hervorgeht, als der erste parÄ poimËsi bezeichnet (v. 92). Hier wird man mit Gow unter den poimËnec am ehesten ein allgemeines Publikum im Sinne von nomeÿc verstehen wollen. 298 Die Vergleichsstellen erlauben insgesamt kein eindeutiges Urteil darüber, ob in 294 S. die Überlegungen bei Stanzel (1995) 212. 295 LSJ 1430 s.v. I.2 »after Homer always shepherd«. In Od. 10, 82–85 ist die Bedeutung offen: … Ìji [i.e. Telepylos] poimËna poimòn / öp‘ei e selàwn, Â dË t+ ‚xelàwn Õpako‘ei. / Ínja k+ äÙpnoc Çnòr doioÃc ‚x†rato misjo‘c, / t‰n m‡n boukolËwn, t‰n d+ ärgufa m®la nome‘wn. 296 Eine Zusammenstellung der Belege gibt Reinhardt (1988) 19, ohne auf die Schwierigkeiten z.B. von Idyll 20 einzugehen. 297 Zu dieser These s. von Groningen (1958) 313, aufgenommen u.a. von Halperin (1983) 183–185. Dazu Schmidt (1987) 37–55; Stanzel (1995) 50. 63. 298 Gow (2 1952) 2, 184 ad locum. Wenig aussagekräftig ist die von ihm angeführte Stelle aus Dion Chrys. 56, 2: E s– tinec Çnjr∏pwn ärqontec? πsper Èteroi m‡n a g¿n, Èteroi d‡ Õ¿n, o… dË tinec —ppwn, o… d‡ ka» bo¿n, x‘mpantec o›toi o… kalo‘menoi koin¨ poimËnec; £ oŒk ÇnËgnwkac to‹to t‰ Ípoc Krat–nou; ›poimòn kajËsthk+, a pol¿ ka» boukol¿‹.

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Idyll 20 der Rinderhirt sich an Berufskollegen, also andere Rinderhirten, wendet, oder ob poimËnec in einem allgemeinen Sinne gemeint ist, wie dies offenbar in Idyll 8 der Fall ist. Nach der einleitenden Aufforderung an die Hirten, ihm doch die Wahrheit zu sagen, wehrt sich der Hirt zunächst in v. 19 bis 25a gegen den Vorwurf, er sei nicht schön. Das Stichwort liefert kalÏc in v. 19. Vers 20 dient zunächst der allgemeinen Bekräftigung, daß er tatsächlich ›schön‹ sei, denn sonst müsse ihn ein Gott schlagartig (‚xap–nac) in einen anderen Menschen verwandelt haben. Von v. 21 bis 26a folgt dann eine detaillierte Liste seiner Schönheitsmerkmale: Bart, Haupthaar, weiße Stirn,299 dunkle Brauen, 300 Augen und Mund. Die Beschreibung seines Mundes in v. 26a , der zarter als Rahm sei, bietet einen fließenden Übergang zu den folgenden Versen 26b bis 29, in denen der Rinderhirt seine Fertigkeiten hervorhebt: seine Stimme ist süßer als Honig, lieblich seine Musik, ganz gleich auf welchem Instrument er spielt. Auf dieses Lob seiner eigenen Schönheit und seiner musischen Fähigkeiten folgt in v. 30 bis 32 der Verweis auf seine allgemeine Beliebtheit: alle Frauen in den Bergen küssen bzw. lieben ihn (v. 31 file‹nti) 301, nur Eunika, die Städterin lehnt ihn ab, weil er ein Rinderhirt ist. Mit dem Thema ›Küssen‹ sowie dem Gegensatz ›Rinderhirt – Städterin‹ wird auf den Gedichtanfang Bezug genommen und so ein Einschnitt markiert. Den Abschluß des Gedichts bildet der schon besprochene Katalog von insgesamt fünf mythologischen Exempla, die davon handeln, daß verschiedene Göttinnen und sogar Zeus Rinderhirten geliebt haben. 302 In v. 42 bis 43 werden diese Exempla ausdrücklich in einen kontrastierenden Bezug zu Eunikas Verhalten gesetzt: Einzig Eunika will einen Rinderhirten nicht küssen und beansprucht auf diese Weise, etwas Besseres zu sein als die Göttinnen Kybele, Aphrodite und Selene. Die Verse 30–31 und 42–43 bilden den ringkompositorischen Rahmen für den Katalog mythologischer Exempla, der durch das an identischer Versposition wiederholte oŒk ‚f–lasen sowie den Gegensatz pêsai – mÏna deutlich markiert ist. Der Schluß des Gedichts in v. 44 bis 45 bringt eine Verwünschung der – nicht anwesenden – Eunika: nie mehr soll sie küssen, ob in der Stadt oder auf dem Land, 299 V. 24 leuk‰n t‰ mËtwpon … làmpe. Zur Farbe Weiß als Schönheitsideal s. Anm. 314. 300 V. 24 ‚p+ Êfr‘si … mela–naic. Zu dunklen Augenbrauen als Schönheitsideal s. Saiko (2005) 45–46 mit Anm. 32 und 33. Langgeschwungene, über der Nasenwurzel zusammentreffende Brauen in id. 22, 104 (dazu Sens [1997] 148 ad locum) und in id. 11, 31 (dort negativ von Polyphem gesagt). 301 Zu fileÿn s. auch Anm. 167 und unten S. 108. 302 Zum unechten Vers 33 s. unten S. 133.

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allein soll sie in der Nacht schlafen. Mit dem Wiederaufgreifen des StadtLand-Themas und dem Leitmotiv ›Küssen‹ ist das Ende wiederum mit dem Gedichtanfang verknüpft. Während des zweiten Teiles des Vortrages, der namentlich die Hirten anspricht, wird dem Leser nach und nach klar, daß auch der berichtende erste Teil über das empörende Verhalten der städtischen Hetäre an diese Zuhörer gerichtet war. Denn ohne Information über die Begegnung mit Eunika hätten die Hirten weder die Wut des Sprechers noch seine prahlerischen Rechtfertigungen und die Verwünschung der Städterin verstehen können. Der Autor wendet hier das Verfahren retrospektiver Verständniserhellung an, das durchgehend auch die Struktur von Idyll 27 bestimmt (s. oben S. 66). Vers 19 markiert also keinen Szenenwechsel. Das Gedicht ist von v. 1 an als Ansprache an die Hirten zu verstehen. Die beiden Hauptteile des Gedichts (v. 1–18 und 19–45) sind kompositorisch durch inhaltliche Bezüge miteinander verbunden. Im ersten Teil folgen aufeinander: Eunikas abweisender Hinweis auf den Beruf des Rinderhirten in v. 2b –5, die Beschreibung seines Verhaltens in v. 6 und schließlich die Beschreibung seines Aussehens in v. 9–10a . Auf alle drei Elemente in der Rede Eunikas geht der Rinderhirt im zweiten Teil des Gedichts, seiner Rede an die Hirten, wieder ein, jedoch in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst antwortet er in v. 19 bis 25a auf den Vorwurf der Häßlichkeit, der sich hinter der Beschreibung seines schmutzigen Auftretens in v. 9 bis 10a verbirgt. Besonders prägnant ist der Gegensatz zwischen ›schwarzen Händen‹ und ›weißer Stirn‹ (v. 9 qËrec … mËlainai – v. 24 leuk‰n t‰ mËtwpon). 303 Dann nimmt der Hirt in v. 26b bis 29 Stellung zur Kritik an seinem ungehobelten Benehmen, die in v. 6 zur Sprache kommt, vgl. z. B. die gegensätzlichen Begriffe ägrioc (v. 6) und ÅpalÏc (v. 26). Den übergeordneten Vorwurf gegen seinen Beruf als Rinderhirten greift er in v. 30 bis 33 wieder auf: Çll+ Ìti boukÏloc ‚mm–. Der anschließende gelehrte Katalog mythologischer Exempla ist als Widerlegung der Vorwürfe Eunikas angelegt. Die Exempla sollen die Vorwürfe auf doppelter Ebene entkräften: sie weisen darauf hin, daß Rinderhirten sogar von Göttinnen (und von Zeus) geliebt wurden, und sie zeigen durch ihre gelehrte Art, daß auch Rinderhirten über eine ›höhere‹ 303 Die Stelle erinnert an Catulls ›Kußraub‹-Gedicht. Der Zurückgewiesene wird dort zwar nicht direkt als ›schmutzig‹ bezeichnet, fühlt sich aber so behandelt: nam simul id factum est, multis diluta labella / guttis abstersti omnibus articulis / ne quicquam nostro contractum ex ore maneret, / tamquam commictae spurca saliva lupae (99, 7–10). Akbar Khan (1967) 618 hält eine direkte Abhängigkeit Catulls von Idyll 20 für möglich.

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Bildung verfügen. Der Hirt schlägt gegenüber den anderen Hirten einen Ton an wie der Ziegenhirt von Idyll 3 gegenüber der Geliebten, beweist also, daß auch er seine Geliebte besingen könnte, wenn er nur wollte. Es ergibt sich folgendes Schema: 1–18 Ein Rinderhirt berichtet über seine Begegnung mit der Hetäre Eunika 1–2a Situation: Der Rinderhirt versucht Eunika zu küssen und wird verlacht b 2 –10 Rede der Eunika 11–15a Beschreibung von Eunikas Verhalten 15b –18 Reaktion des Rinderhirten 19–45 Die Rechtfertigung des Hirten vor seinen Standesgenossen 19–25a Verteidigung seiner Schönheit 25b –29 Verteidigung seiner musischen Fähigkeiten 30–32 Vorwurf an Eunika, die als einzige seine Vorzüge nicht anerkennt 33–41 Mythologische Exempla geliebter Rinderhirten 42–43 Erneuter Vorwurf an Eunika 44–45 Verwünschung der Eunika 2.3.2 Darstellungsform Idyll 20 ist die rückblickende Darstellung eines Ich-Erzählers (v. 1–45). Innerhalb dieser Erzählung wird die Rede einer anderen Person wörtlich zitiert (v. 2b –10). Das Gedicht hat keine Rahmenteile.

2.3.3 Welt der Hirten Besonders auffällig in Idyll 20 ist die Haltung des Dichters gegenüber der Welt der Hirten. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist, wie längst beobachtet, stärker hervorgehoben als in jedem anderen Gedicht desCorpus Theocriteum. 304

304 Fritzsche (2 1870) 2, 106: »Ruris autem et urbis differentia (cf. id. VII, 2) nusquam apud Theocritum verbis tam plenis invidiae significatur qualibus hic noster utitur v. 4 et 44: nusquam a Theocrito conditio agricolarum tanquam sordida sordidis verbis describitur,

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Ein Vergleich mit den bukolischen Liebesgedichten 3, 6 und 11 (oder auch mit 27) läßt einen weiteren signifikanten Unterschied sofort hervortreten. Während in den Vergleichsgedichten zu Beginn eine bukolische Szenerie entworfen wird, fehlt eine solche in Idyll 20. 305 Der Dichter läßt den Hirten seinen Bericht über die Begegnung mit Eunika ohne vorherige Hinweise auf den Ort der Handlung und die näheren Umstände beginnen. Daß es sich bei dem Sprecher um einen Hirten handelt, erfährt der Leser erst aus der vom Hirten zitierten Rede der Eunika in v. 3 (boukÏloc ∫n). In dieser Rede ist dann das – negativ gezeichnete – Hirtendasein des Sprechers das zentrale Thema, aber das eigentliche Leben und Tun des Hirten kommt nicht zur Darstellung. Die Formulierung in v. 17 qã m‡n Íba me lipoÿsa könnte man so deuten, daß die Begegnung mit Eunika in der Stadt gespielt hat. Es ist nämlich wenig wahrscheinlich, daß die dem Landleben so fernstehende Hetäre zu den Hirten aufs Land gekommen sein sollte, es sei denn, daß sie eine auch damals schon bei Städtern beliebte Landpartie unternommen hätte. Jedenfalls ist Eunika sowohl während des Berichts (Teil 1 des Gedichts) als auch während der Selbstrechtfertigung des Hirten (Teil 2) nicht anwesend. Damit wird das bukolische Szenario der nicht anwesenden Geliebten (ob dieser Hirt wirklich liebt, bleibt fraglich) in abgewandelter Form wiederaufgegriffen. Thema ist wie schon in der Rede der Eunika das Hirtenleben. Der Hirt beschreibt seine Schönheit mit Bildern aus dem ländlichen Leben, preist seine musikalischen Künste, verweist auf die Frauen in den Bergen, die ihn schön fänden, und präsentiert einen Katalog mythischer Hirten, die als solche geschätzt und geliebt wurden. Der Beruf des Protagonisten wird nicht mit lebendigen Details vor Augen geführt. Ganz anders dagegen der Anfang von Idyll 3 (v. 1–5). Es verlegt das Ständchen für Amaryllis direkt ins Leben eines Hirten, der seine Ziegen einem Freund zum Weiden anvertraut, nicht ohne Hinweise zu einzelnen schwierigen Tieren zu geben. qualia hic legis v. 9 …«. Vgl. auch Stanzel (1995) 197, der »eine grundsätzliche Defizienz des Ländlichen gegenüber dem Städtischen« als Zeichen der »späteren Bukolik« ansieht. 305 Vgl. z.B. id., 3, 1–5 Kwmàsdw pot» tÄn >Amarull–da, ta» dË moi a⁄gec / bÏskontai kat+ Óroc, …; id. 6, 1–5 Damo–tac ka» Dàfnic  boukÏloc e c Èna q¿ron / tÄn ÇgËlan pok+, óArate, sunàgagon; … . 42–46; 11, 12. 34ff. 73ff. Fritzsche (2 1870) 2, 106: »Ante omnia neque res possunt, de quibus agitur, neque persona eius, qui hic loquitur, bubulci cum rebus et cum pastoribus Theocriti comparari. Neque enim ita subiicitur oculis nostris persona et scaena quaedam certa, ut fit e. gr. in idyllio tertio … umbram potius hic vides pastoris exsanguem, non colorem pastoris suci pleni.« Arland (1937) 54: »Wie bei Bion, so vermissen wir auch im Bukoliskos nicht nur die bukolische Szenerie, sondern überhaupt jede Andeutung des Ortes und der Umstände.«

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Die Erwähnung der Quelle vervollständigt dann die bukolische Szenerie. In Idyll 6 wird geschildert, wie die beiden Hirten Daphnis und Damoitas ihre Herden zusammentreiben, sich an einem Sommermittag bei einer Quelle zusammensetzen und einen Gesangswettstreit führen. In Idyll 11 erfährt man über Polyphem, daß er über den Liebeskummer seine Herden vernachlässigt (v. 73–75). Diese Beobachtungen zur Szenerie liefern einen ersten Hinweis darauf, daß dem Verfasser von Idyll 20 die Welt der Hirten ferner stand als dem Verfasser von 3, 6 und 11. Der Eindruck wird bestätigt, wenn man die Charakterisierung der Hirten miteinander vergleicht. Zunächst fällt auf, daß sich die Handlung von Idyll 20 auf einer anderen Gefühlsebene abspielt als die der Vergleichsgedichte. Der Hirt hat versucht, Eunika zu küssen, und sein Ärger über die Zurückweisung bestimmt das ganze Gedicht (v. 1 EŒn–ka m+ ‚gËlaxe jËlontà min Ådà filêsai – v. 17–18 fËrw d+ Õpokàrdion Êrgàn, / Ìtti me t‰n qar–enta kakÄ mwm†saj+ ·ta–ra). Das durchgehend gebrauchte Verbum fileÿn hat die Funktion eines Leitmotivs. Es steht unter anderem im ersten und letzten Vers (v. 1 Ådà filêsai – v. 45 filËoi), dazwischen wird es noch sechs weitere Male gebraucht (v. 4 filËein; 31 file‹nti. ‚f–lasen; 36 f–lase; 38 f–lasen; 42 ‚f–lasen). 306 Hinzu kommt in v. 3 eine Form des aus Homer bekannten und in der Prosa seltenen Wortes für ›Küssen‹, kunËw, das im Corpus Theocriteum sonst nur noch in Idyll 23 vorkommt. 307 Das erinnert formal an die leitmotivische Funktion von fileÿn in Idyll 27 (S. 50, 58). Von Liebe ist dagegen an keiner Stelle des Gedichts 20 die Rede. Nicht echtes Gefühl wie in Idyll 27, sondern Wut über ein fehlgeschlagenes amouröses Abenteuer und Entrüstung über die hochnäsige Hetäre bilden das Thema. 308 Der Hirt in Idyll 3 ist dagegen von echter Liebe ergriffen: n‹n Ígnwn t‰n óErwta; barÃc jeÏc (v. 15), ist in seiner Verzweiflung sogar bereit, für die Geliebte zu sterben (v. 9. 52–54). Daß er sich auch mit ›nichtigen Küssen‹ zufrieden geben will (v. 20), zeigt nur, daß es ihm eigentlich um mehr geht. Ebenso verhält es sich in Idyll 11, in dem gleich zu Beginn gesagt wird, daß Polyphem von Liebe zu Galateia erfaßt war: 306 In v. 36 und 38 ist vielleicht die Bedeutung ›lieben‹ prävalent, so Gow (2 1952) 2, 368 ad locum. 307 Id. 23, 18 ka» k‘se tÄn fliàn, o’tw d+ ÇntËlleto fwnà; s. Rumpel (1879) 159; LSJ 1010 s.v. kunËw. In hellenistischer Zeit ist es u.a. bei Apollonios (1, 313) belegt. 308 Arland (1937) 58. Von Idyll 20 unterscheidet sich deshalb auch Idyll 27, das zwar ebenfalls mit einem Kußversuch beginnt, aber in einer von beiden Seiten gewünschten sexuellen Verbindung mit Perspektive auf dauerhaftes Zusammenleben endet.

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±rqaÿoc Pol‘famoc, Ìk+ ¢rato têc Galate–ac (v. 8). 309 Die Liebe bzw. das Freiwerden von ihr konstituieren hier das zentrale Thema der zusammengehörigen Gedichte 11 und 6 (in dieser Reihenfolge). 310 Der Hirt von Idyll 20 zeigt also keinerlei Anzeichen eines tieferen Empfindens, wie es offensichtlich typisch für die Hirten Theokrits ist. 311 Er lobt an keiner Stelle etwa die Schönheit oder sonstige Reize der Eunika. Er erwähnt zwar ihre Gestalt (v. 14 ka» polà tî morfî jhl‘neto), aber nur, weil ihr Stolz darauf ihn ärgert. Daß die Hetäre ›größer‹ sein soll als Kybele, Kypris und Selene (v. 43) ist nach dem gesamten Kontext als Ironisierung ihrer Selbstüberschätzung gemeint. Ganz anders verhält sich der Hirt in Idyll 3, der Amaryllis gleich zu Beginn ›reizend‹ nennt und im Folgenden ausdrücklich ihre Schönheit preist (v. 18–19 ¬ t‰ kal‰n pojore‹sa, t‰ pên l–joc, ¬ kuànofru / n‘mfa). Ebenso rühmt in Idyll 11 Polyphem Galateias Schönheit (v. 19–21 ¬ leukÄ Galàteia, t– t‰n filËont+ Çpobàll˘, / leukotËra paktêc potideÿn, ÅpalwtËra ÇrnÏc, / mÏsqw gaurotËra, fiarwtËra Ómfakoc ≤mêc), und auch Daphnis erwähnt in Idyll 6 die schöne Haut der Galateia (v. 13–14 fràzeo mò têc paid‰c ‚p» knàmaisin Êro‘s˘ / ‚x Ål‰c ‚rqomËnac, katÄ d‡ qrÏa kal‰n Çm‘x˘). Der Bewunderung für die Schönheit der Verehrten entsprechen in Idyll 3, 6 und 11 auch die intensiven Bemühungen um sie. Der Hirt in Idyll 3 gibt sich alle Mühe, die geliebte Amaryllis für sich zu gewinnen, so will er ihr beispielsweise Äpfel schenken (v. 10–11 ön–de toi dËka mêla fËrw; thn¿je kajeÿlon / ¡ m+ ‚kËleu kajeleÿn t‘; ka» a÷rion älla toi o s¿). Während diese Geste noch zum üblichen Liebeswerben gehört 312 und von Amaryllis auch selbst initiiert ist, zeigt sich der Hirt im weiteren Verlauf bemerkenswert erfindungsreich, besonders in dem Wunsch, in Gestalt einer Biene in die Höhle der Amaryllis zu gelangen (v. 12–14). Weiter droht er gleich zweimal mit Selbstmord (v. 25–27 und 53), gibt sich bescheiden (v. 20: ›leere Küsse‹ sind ihm genug), zupft Mohnblätter (v. 28–30), konsultiert eine Wahrsagerin (v. 31–33) und versucht, Amaryllis eifersüchtig zu machen (v. 34–36). Schließlich ruft er eine Reihe mythologischer Exempla 309 Horstmann (1976) 83. 310 Köhnken (1996b) passim. Zu ›paired poems‹ in der hellenistischen Literatur s. beispielsweise Kirstein (2002) 113–135 (Epigramme). 311 Stanzel (1995) 146: »Man geht nicht zu weit mit der Feststellung, daß kein anderes Thema so sehr im Mittelpunkt der Hirtendichtung Theokrits steht wie die Liebe … Theokrits Hirtendichtung ist in einem konstitutiven Sinn Liebesdichtung oder erotische Poesie.« 312 Der Apfel als Liebeszeichen: idd. 2, 120; 6, 7; 11, 10; s. Gow (2 1952) 2, 107 zu id. 5, 88; Trumpf (1960) 14–22; allgemein Littlewood (1967); Lugauer (1967) bes. 90–93.

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für die Macht der Liebe auf (v. 40–51). Nicht weniger bemüht und erfindungsreich ist Polyphem in Idyll 11 und 6. Wie der Hirt in Idyll 3 zur Biene, so möchte er zum Fisch werden, um zur geliebten Galateia zu gelangen (11, 54–59). Vergleichbar dem Hirten in Idyll 3, der sich sogar zum Selbstmord bereit zeigt, ist Polyphem willens, sein einziges Auge der Geliebten zu opfern (v. 52–53). Auch das Motiv der Werbung mit Geschenken, Lilien und Mohn, kommt vor (v. 56–59). Zu solchem Werben gehört auch das Preisen des eigenen Besitzes (v. 34–41), den er mit Galateia teilen will (v. 42ff. 65ff.). Das Motiv der Eifersucht (v. 77–79) ist ebenfalls Idyll 3 und 11 gemeinsam. In Idyll 11 stellt es auch eine Verbindung zu Idyll 6 her, in dem Polyphem den Desinteressierten und anderweitig Gebundenen spielt (v. 25–26), um Galateia weiter zu reizen. Polyphem entwirft sogar eine umgekehrte Paraklausithyron-Szene, wenn er seine Tür solange verschlossen halten möchte, bis ihm Galateia ein definitives Ja-Wort gibt (v. 32–33). In Idyll 20 hatte sich der Hirt dagegen gar keine Mühe gegeben, die abweisende Eunika doch noch für sich zu gewinnen. Die Chance dazu hatte er verpaßt, als sie ihn als Tölpel stehen ließ und er in seiner Wut rot wurde, aber nichts zu sagen wußte (v. 15b –16). Er bringt zwar ebenfalls andere Verehrerinnen ins Spiel, aber nicht vor Eunika, sondern in seiner vor den Hirten nachgeholten Selbstanpreisung (v. 30–31). Dabei geht es ihm letztlich nur noch um die Verletzung seiner Eitelkeit. Alle seine Äußerungen beziehen sich auf ihn selbst: Ärger über Eunika (v. 15–18), seine eigene Schönheit (v. 19–27), seine musikalischen Fähigkeiten (v. 28–29), seine Beliebtheit bei anderen Frauen (v. 30–31). Besonders signifikant ist das Ende von Idyll 20 im Vergleich zum Ende von Idyll 3: Der Hirt in Idyll 20 wünscht Eunika Pech in der Liebe und einsame Nächte: mhkËti mhd+ â, K‘pri, t‰n ÅdËa m†te kat+ ästu / m†t+ ‚n Órei filËoi, m∏na d+ ÇnÄ n‘kta kaje‘doi (v. 44– 45). Der Hirt in Idyll 3 ist dagegen sogar bereit, für Amaryllis zu sterben (v. 52–54). Die vergleichende Analyse zeigt, daß der Hirt in Idyll 20 in einer ganz anderen Gefühlsslage gezeichnet ist als seine Berufsgenossen in Idyll 3, 6 und 11. Die bukolische Welt bleibt farblos, dem Hirten mangelt jedes tiefere Gefühl. Im Zentrum seines Handelns steht nicht der Versuch, die Geliebte für sich zu gewinnen, oder Schmerz über sein Scheitern, sondern der verletzte Stolz, wie er in v. 18 (an hervorgehobener Stelle) zum Vorschein tritt: Ìtti me t‰n qar–enta kakÄ mwm†saj+ ·ta–ra. Diese Haltung weckt keine Sympathie für den Hirten. Vor dem Hintergrund dieses grundsätzlich anderen Ethos in Idyll 20 erscheinen auch die auffälligen und wiederholt beobachteten Parallelen zu Idyll 3, 6 und 11 in neuem Licht. Besonders häufig sind die Berührungspunkte

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im Fall der Polyphemgedichte 6 und 11. Mit ihnen hat Idyll 20 gemeinsam das Lob der eigenen Schönheit, den Stolz auf die eigene musikalische Begabung, die Verweigerung des Kusses und das Prahlen mit eigenen Liebeserfolgen.

2.3.4 Lob der eigenen Vorzüge Das Lob der eigenen Schönheit in Idyll 6 gewinnt dadurch einen humorvollen Ton, daß der Kyklop per se nicht schön ist und sich dessen auch selbst bewußt ist, wenn er die Einschränkung ±c par+ ‚m»n kËkritai, ›nach meinem Urteil‹ (v. 37), macht (vgl. id. 11, 30–33). 313 Daß Polyphem gerade und ausdrücklich neben seinem Bart und seinen Zähnen auch sein einziges Auge lobt, also dasjenige Merkmal, das ihn vor allem verunstaltet, belustigt den Leser, erweckt jedoch zugleich Mitleid und dadurch auch Sympathie. Davon hebt sich die entsprechende Partie in Idyll 20 gleich durch mehrere Merkmale deutlich ab. Zunächst nimmt der Hirt v. 19–20 in Anspruch, wirklich schön zu sein, nur ein Gott könne dies plötzlich geändert haben: poimËnec, e“patË moi t‰ kr†guon; oŒ kal‰c ‚mm–? / írà tic ‚xap–nac me je‰c brot‰n ällon Íteuxe. Eine (ungewollte) Relativierung des eigenen Schönheitsanspruchs wie in Idyll 11 fehlt. Hinzu kommt eine bemerkenswerte Ausführlichkeit von insgesamt neun Versen, die das Rühmen benötigt (v. 19–27): Barthaare, Haupthaare, Brauen, Mund und Stimme werden aufgezählt (s. oben S. 104). Zu dieser Ausführlichkeit paßt das hohe Maß an Übertreibung in der Darstellung der einzelnen Schönheitsmerkmale, etwa wenn der Hirt seine Augen weit über diejenigen Athenes stellt oder seinen Mund zarter als Rahm, seine Stimme süßer als Honig nennt. Am auffälligsten ist aber, daß die Beschreibung der eigenen Schönheit so formuliert ist, als wolle er nicht sich selbst, sondern die Schönheit einer Umworbenen preisen. Daß dies keine zufällige, sondern eine absichtsvolle Verkehrung des eigentlich zu Erwartenden ist, zeigt ein Blick auf Idyll 11. Dort sagt Polyphem, Galateia sei ›weißer als Rahm‹ und ›zarter als ein Lamm‹: leukotËra paktêc potideÿn, ÅpalwtËra ÇrnÏc (v. 20). Dieselben Attribute leukÏc und ÅpalÏc legt der Hirt in Idyll 20 sich selbst bei: ka» leuk‰n t‰ mËtwpon ‚p+ Êfr‘si làmpe mela–naic … t‰ stÏma d+ afi paktêc Åpal∏teron (v. 24–26). Sogar der bildhafte Vergleich mit dem ›Rahm‹, paktà, stimmt in beiden Gedichten überein. Die Farbe Weiß hat

313 Arland (1937) 54.

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hier wie auch an einer Reihe von anderen Stellen eine erotische Konnotation. 314 Insgesamt kann man festhalten, daß das Eigenlob in Idyll 20 durch seinen Anspruch und die Übertreibungen in Ausführlichkeit und Beschaffenheit den Hirten lächerlich macht, aber in einer Weise, die ihn, anders als Polyphem, dem Leser nicht sympathisch werden läßt. 315 Polyphem preist in Idyll 11 sein Syrinxspiel, aber auch hier findet sich wieder eine Einschränkung, wenn er sagt, daß ›kein anderer Kyklop‹ besser spiele: sur–sden d+ ±c o÷tic ‚p–stamai ¡de Kukl∏pwn … (v. 38–40). Außerdem besingt Polyphem ja tatsächlich seine Geliebte (v. 19–79 ¬ leukÄ Galàteia …) und tut das, wie er selbst sagt, sogar oft (v. 39–40 Çe–dwn / pollàki nukt‰c Çwr–). In Idyll 20 setzt sich beim Lob der eigenen Musikalität die Übertreibung fort, wenn der Hirt gleich vier verschiedene Musikinstrumente aufzählt, die er beherrschen will: Ådà dË moi t‰ mËlisma, ka» £n s‘riggi mel–sdw, / k£n aŒlƒ lalËw, k£n d∏naki, k£n plagia‘l˙ (v. 28–29). 316 Syrinx und Aulos kommen auch sonst in den unumstrittenen Gedichten des Corpus Theocriteum vor. Die Syrinx ist seit Homer das Musikinstrument der Hirten (Il. 18, 526; vgl. 10, 13), sie wird später zum Attribut des Hirten-

314 Reed (1997) 199 zu Bion Adon. 8 leukƒ leuk‰n ÊdÏnti tupe–c (vgl. auch v. 27): »›white‹ describes an attractively fair complexion, esp. of women … and boys«. Weiter Arland (1937) 70 und Bernsdorff (2001) 160. In Theokrits (?) epigr. 2 (AP 6, 177) trägt Daphnis die Attribute ›weißschimmernde Haut‹ (v. 1) und Äpfel (4): Dàfnic  leukÏqrwc,  kalî s‘riggi mel–sdwn / boukolikoÃc ’mnouc, änjeto Pan» tàde, / toÃc trhtoÃc dÏnakac, t‰ lagwbÏlon, ÊxÃn äkonta, / nebr–da, tÄn p†ran, ï pok+ ‚malofÏrei (Rossi [2001] 131–139, hier bes. 134 mit Anm. 23). Merkelbach (1988) 37 deutet die Farbe als Anzeichen dafür, daß Daphnis ein städtischer »Dionysosmyste« sei. Ein Epigramm des Glaukos spricht von den weißen Böckchen des Daphnis: N‘mfai, peujomËn˙ fràsat+ ÇtrekËc, e  parode‘wn / Dàfnic tÄc leukÄc ¡d+ ÇnËpaus+ ‚r–fouc. – / »Na» na–, PÄn suriktà, ka» e c a“geiron ‚ke–nan / so– ti katÄ floio‹ gràmm+ ‚kÏlaye lËgein; / ›Pàn, Pàn, pr‰c MalËan, pr‰c Óroc Ywf–dion Írqeu; / …xo‹mai.‹« – N‘mfai, qa–ret+, ‚g∞ d+ Õpàgw. (AP 9, 341). Daphnis bewundert Chloe u.a. wegen ihrer Haut, die weiß wie Ziegenmilch ist: tÏte pr¿ton ka» tòn kÏmhn aŒt®c ‚ja‘masen Ìti xanj†, ka» toÃc ÊfjalmoÃc Ìti megàloi kajàper boÏc, ka» t‰ prÏswpon Ìti leukÏteron Çlhj¿c ka» to‹ t¿n a g¿n gàlaktoc (1, 17, 3). S. auch Anm. 350. 315 Zu Idyll 11 treffend Horstmann (1976) 80–110. 316 Ungewöhnlich ist die Verbindung von laleÿn mit Musikinstrumenten, vgl. Anaxandrides frgm. 36 màgadi lal†sw mikr‰n âma soi ka» mËga (PCG II, p. 256). In id. 5, 34 vom Zirpen der Heuschrecke gesagt: ka» Çkr–dec ¡de lale‹nti.

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gottes Pan. 317 Die Musik des aŒlÏc ist zwar eng mit Drama und Symposium verbunden, findet sich im Corpus Theocriteum aber auch in der Welt der Hirten wieder. 318 Auffällig wirkt dagegen der Name des dritten Instruments der Aufzählung. Alfesibo–ac. tÄn d‡ kalÄn KujËreian ‚n ∫resi m®la nome‘wn oŒq o’twc ìWdwnic ‚p» plËon ägage l‘ssac, πst+ oŒd‡ fj–menÏn nin äter mazoÿo t–jhti? zalwt‰c m‡n ‚m»n  t‰n ätropon ’pnon  a‘wn 50 >Endum–wn; zal¿ dË, f–la g‘nai, >Ias–wna, Ác tÏsswn ‚k‘rhsen, Ìs+ oŒ peuseÿsje, bËbaloi. 40

Die fünf Exempla bieten die Geschichten von Hippomenes und Atalante, Bias und Pero, Adonis und Kypris, Endymion und Selene sowie von Iasion und Demeter. Sie sollen dazu dienen, die Umworbene doch noch umzustimmen, indem sie Beispiele erfolgreicher Liebesbegegnungen zur Sprache bringen. Diese Absicht legt der hoffnungsvolle Vers nahe, der dem Katalog vorausgeht: ka– kË m+ “swc pot–doi, ‚pe» oŒk Çdamant–na ‚st–n (v. 39). Allerdings hat Gow zu Recht bemerkt, daß die beiden letzten Exempla von Endymion und Iasion dieser Intention nur eingeschränkt dienen, da die Liebschaften beider nicht glücklich ausgehen: Endymion verfällt in ewigen Schlaf, Iasion wird ermordet. 334 Dieser Unterschied zwischen den ersten drei und den letzten beiden Exempla ist entweder so erklärt worden, daß der Hirt hier an dem hohen Stoff gewissermaßen scheitert (Gow u. a.), oder damit, daß er innerhalb seines Kataloges von einer optimistischen (v. 39) zu einer pessimistischen (v. 52–54) Betrachtung seiner Werbungsaussichten wechselt (Whitaker u. a.). 335 Gows Einwand dürfte ebenfalls schon für 334 Gow (2 1952) 2, 74, zu id. 3, 50: »The goatherd however is not altogether happy in his choice of this myth, for Endymion profited little from the infatuation of the goddess … This example also is not altogether fortunate since in the Odysseey (l.c.) Iasion is instanced by Circe as one of the mortals who paid with his life for the love of an immortal, Zeus having killed him with a thunderbolt«; Stanzel (1995) 131–137 mit Lit. 335 Einen Überblick zum Forschungsstand gibt Stanzel (1995) 132–133. Für die Theorie des ›Scheiterns‹ s. z.B. auch Rosenmeyer (1969) 174: »Clearly, then, the poor herdsman with his pathetic book learning has not the slightest idea what he is singing about«; ebenso Segal (1981) 71: »The simple and foolish goatherd, in his naively blundering way, touches upon things far beyond his ken«; Lawall (1967) 40. Dagegen vertritt Whitaker (1983)

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das dritte Exemplum zutreffen, weil auch die Liebe Aphrodites zu dem toten Adonis (v. 48 fj–menÏn nin), den sie an ihrer Brust hält, im Sinne des Hirten wohl kaum als glücklich gelten kann. Das Motiv des Todes bzw. ewigen Schlafes, das in den beiden folgenden Exempla sowie im Schluß des Gedichts eine dominante Rolle spielt, wird hier bereits vorweggenommen. 336 In jedem Fall passen die drei letzten Exempla mit ihrem negativen oder zumindest zweideutigen Ausgang zum Schluß des Gedichts, in dem der Hirt mit Selbstmord droht: >AlgËw tÄn kefalàn, t»n d+ oŒ mËlei. oŒkËt+ Çe–dw, / keise‹mai d‡ pes∏n, ka» to» l‘koi ¡dË m+ Ídontai. / ±c mËli toi glukà to‹to katÄ brÏqjoio gËnoito (v. 52–54; vgl. schon v. 9 und 25–26). 337 Auch sonst sind die Exempla deutlich mit den umgebenden Gedichtteilen abgestimmt, etwa dadurch, daß das Hippomenes-Exemplum das Äpfel-Motiv aus v. 10–11 aufgreift: ön–de toi dËka mêla fËrw; thn¿je kajeÿlon / ¡ m+ ‚kËleu kajeleÿn t‘; ka» a÷rion älla toi o s¿. 338 Die Nähe zum Landleben, die zum bukolischen Charakter des Gedichts paßt, stellt nur das Adonis-Exemplum ausdrücklich her. 339

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die These eines Stimmungsumschwungs: »To summarize: the herdsman, his confidence bolstered up by the omen of l. 37, begins his song with two powerfully persuasive exempla, in both of which the happy issue for the heroes concerned reflects his present high hopes (40–5); there is a dramatic pause after the first half of the song during which he perceives that the gifts he has offered and the song he is singing are having no effect; his hopes now dampened but not extinguished, he sings of rustics who inspired love in goddesses but came to a bad end (46–51); then, his song over and Amaryllis still not having appeared, he abandons the last vestiges of hope and gives himself up to be eaten by the wolves« (52); ähnlich Ott (1969) 189 mit Anm. 543; Hutchinson (1988) 172 mit Anm. 47; Gutzwiller (1991) 121 mit Anm. 77. Dover (1971) verweist auf das alle Exempla verbindende tertium comparationis der Partie: »The goatherd’s citation of mortals whose enjoyment of the love of goddesses was so brief and tragic … suggests at first hearing an extravagant humility, as if Amaryllis were a goddess compared with himself, or a comically insensitive and ignorant choice of exempla. But part of the point is ›If even a goddess …, you need not be ashamed …‹« (118 zu id. 3, 40–51). Fantuzzi (1995) 25: »At any rate, Adonis died as a consequence of the love of Aphrodite, and this death caused by fulfilled love is the very moment of the myth which Theocritus depicts; the consequent resurrection would have been automatically assumed by devotees, but the text stays silent about it.« Ott (1969) 189 mit Anm. 543. Fantuzzi (1995) 22; Stanzel (1995) 133. Bedenkenswert ist aber die Überlegung von Fantuzzi (1995) 22–23: »Besides, Alphesiboea is a self-evidently evocative name = ›she who brings in cattle‹, and in Homer, Il. 18, 593 and HAphr. 119 parjËnoi Çlfes–boiai were specifically ›maidens worth many cattle‹, i.e. as dowry-gifts for the bride’s kin: citing Alphesiboea instead of making a direct reference to her mother Pe(i)ro, the woman whose dowry really had obtained many

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Der Katalog in Idyll 20 besteht wie derjenige in Idyll 3 aus fünf Exempla mehr oder weniger geglückter Liebschaften: Anchises und Aphrodite, Adonis und Aphrodite, Endymion und Selene, Attis und Rhea/Kybele sowie Zeus und Ganymed. (Der interpolierte Vers 33 [Dionysos] wird auf S. 133 behandelt.) Ein auffälliger Unterschied zu Idyll 3 ist der Nachdruck, der auf den Umstand gelegt wird, daß es bei den genannten männlichen Figuren um Rinderhirten geht. 340 Im Exemplum von Aphrodite und Anchises wird das gleich dreifach hervorgehoben: durch die Bezeichnung des Anchises als ›Rinderhirt‹ (v. 34 ‚p+ ÇnËri m†nato bo‘t¯), durch den Ort des Geschehens, ›Berge‹ (v. 35 Frug–oic … ‚n ∫resi) 341 und den Hinweis, Aphrodite hätte in den Bergen Tiere gehütet (v. 35 ‚nÏmeusen) 342. Im Adonis-Exemplum kommt der Beruf Rinderhirt nicht eigens zur Sprache, kann aber im Verständnis des Lesers vorausgesetzt werden; die Tätigkeit wird durch die anaphorisch wiederholte Ortsangabe ›Wälder‹ (v. 36 ‚n drumoÿsi … ‚n drumoÿsin) angedeutet. Endymion wird wieder ausdrücklich als ›Rinderhirt‹ bezeichnet, durch die Einkleidung in eine rhetorische Frage sogar mit besonderer Emphase (v. 37 >Endum–wn d‡ t–c ™n? oŒ boukÏloc?). Der Kuß Selenes findet sich verlegt an den Ort ›bei den Rindern‹ (v. 37–38 Ìn ge Selàna / boukolËonta f–lasen). Auch die beiden letzten Exempla typisieren jeweils ausdrücklich Attis und Ganymed als ›Rinderhirten‹ (v. 40 ka» t‘,Agq–shc, ka» Ísqen aŒt‰n >Afrod–th), Properz (2, 32, 35), Ovid (Her. 16, 201), Servius (Aen. 1, 617) und in Theokrits erstem Idyll: oŒ lËgetai tÄn K‘prin  boukÏloc? Èrpe pot+ óIdan, / Èrpe pot+ >Agq–san; (v. 105–106). Die Ansiedlung des Geschehens in den Phrygischen Bergen in Idyll 20 (v. 35 Frug–oic … ‚n ∫resi) entspricht der homerischen Lokalisation auf dem Idagebirge (Il. 2, 820–821; Hom. hym. 5, 54), sprachlich

353 Rose (1924) 11–16; Erim (1981) 761–764; Bömer (1969–1986) zu Ov. met. 9, 425. 354 Bo‘tac kommt im Corpus Theocriteum mehrfach für ›Rinderhirt‹ vor, vgl. idd. 1, 80. 86. 113; 6, 44; 7, 73; Reinhardt (1988) 19. – Reed (1997) 164 vermutet, daß in frgm. 10, 4 die korrekte Schreibweise ein pseudo-dorisches bwt- gewesen sein könnte, das bei Moschos 3, 81 überliefert ist (bout- ibid. 3, 65). 355 Ilias 5, 312–313 ka– n‘ ken Ínj+ ÇpÏloito änax Çndr¿n A ne–ac, / e  mò är+ Êxà nÏhse Di‰c jugàthr >Afrod–th / m†thr, ° min Õp+ >Agq–s˘ tËke boukolËonti (vgl. Ilias 2, 819–821; 5, 247–248; 20, 208–209); Hom. hym. 5 (in Venerem), 53–55 >Agq–sew d+ ära o… glukÃn —meron Ímbale jumƒ, / Ác tÏt+ ‚n ÇkropÏloic Óresin polupidàkou óIdhc / boukolËesken bo‹c dËmac Çjanàtoisin ‚oik∏c; Hesiod. Th. 1008. 356 Ilias 6, 25; 14, 453; Odyssee 13, 222.

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erinnert sie an das Adonis-Exemplum in Idyll 3, 46 (‚n ∫resi). 357 Für den Kontext der Exempla in Idyll 20 ist von Bedeutung, daß auch im Fall der Liebe zwischen Aphrodite und Anchises die Tradition eines schlechten Ausgangs für den Geliebten vorliegt. Im homerischen Aphrodite-Hymnus wird ihm als Strafe für einen Verrat seines Liebesverhältnisses mit dem Blitz des Zeus gedroht: e  dË ken ‚xe–p˘c ka» ‚pe‘xeai äfroni jumƒ / ‚n filÏthti mig®nai ‚Ùstefàn˙ Kujere–˘, / Ze‘c se qolwsàmenoc balËei yolÏenti keraunƒ (v. 286–288). Von Sophokles ist ein Fragment erhalten, das auf eine Lähmung des Anchises (durch Blitz?) anspielt: n‹n d+ ‚n p‘laisin A nËac  t®c jeo‹ / pàrest+, ‚p+ ∫mwn patËr+ Íqwn keraun–ou / n∏tou katastàzonta b‘ssinon fàroc (frgm. 373 Radt), und so interpretiert auch Servius die Stelle Verg. Aen. 2, 649. 358 Bei Hygin wird Anchises durch den Blitz des Zeus sogar getötet (fab. 94). Daß Anchises als Folge des Blitzes erblindet sei, berichtet Servius mehrfach zu Aen. 1, 617; 2, 35; 2, 649; 2, 687. Dabei beruft er sich auf ein (nicht erhaltenes) Gedicht Theokrits: at Capys quidam: non pater Anchisae. et bene nec se nec patrem huic consilio dicit interfuisse, per quod interitus patriae imminebat. quamquam Aeneas quasi obtrectator Priami non adsit, ut Homerus dicit, Anchises vero propter caecitatem, ut docet Theocritus (2, 35). – at pater Anchises: et hic et alibi Anchisen divinandi peritum inducit oculos ad sidera contra opinionem Theocriti, qui eum fulmine caecatum fuisse commemorat (2, 687). 359 Auf eine mögliche weitere (sonst aber nicht bezeugte) Variante wird vielleicht in Idyll 1 angespielt, die Blendung des Anchises nicht durch einen Blitz, sondern durch den Stich einer Biene: oŒ lËgetai tÄn K‘prin  boukÏloc? Èrpe pot+ óIdan, / Èrpe pot+ >Agq–san; thne» dr‘ec öd‡ k‘peiroc, / a… d‡ kal‰n bombe‹nti pot» smànessi mËlissai (v. 105–107). 360 Im Gegensatz zu Idyll 3, in dem die Exempla-Reihe mit einem positiv ausgehenden Exemplum beginnt, ist in Idyll 20 also gleich als erstes ein solches Exemplum gewählt, das in der literarischen Tradition häufig mit einem negativen Ausgang verbunden wird. 357 S. oben Anm. 341. 358 Serv. Aen. 2, 649 fulminatus autem est Anchises, quia se cum Venere concubuisse iactabat. – Lahm ist Anchises auch in der Kunst gedacht, wenn Aineias ihn aus Troia trägt; s. Bömer (1969–1986) zu Ov. met. 9, 425. 359 Gallavotti (3 1993) 292: De Theocriti fragmentis subditiciis, Nr. 2. 360 So vorgeschlagen von Wilamowitz (1906) 229–236; s. aber die Diskussion bei Gow (2 1952) 2, 23–24 und Hunter (1999) 96–99 ad locum mit Verweis auf eine verlorene Schrift Plutarchs, in der Bezug auf id. 1 genommen wird (QN frgm. 36 Bernadakis = Moralia V 3, p. 28 Hubert-Pohlenz); s. weiter Giangrande (1977a) 177–186; ders. ergänzend (1981) 106–107.

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Dasselbe gilt auch für das zweite Exemplum, den Mythos vom Hirtenjüngling Adonis. 361 Aphrodite liebte Adonis, doch kam dieser noch jung durch einen Eber zu Tode. Auf Aphrodites Bitte darf Adonis die Hälfte des Jahres bei ihr in der Oberwelt verbringen, die andere muß er bei Persephone in der Unterwelt bleiben. In Festen, die ihn mit dem Zyklus von Natur und Vegetation verbanden, wurde jährlich seine Rückkehr von dort gefeiert. Auf orientalische Vorbilder (Tammuz, Dumuzi) zurückgehend begegnet Aphrodites Klage um Adonis in der griechischen Literatur bereits bei Sappho (frgm. 140a L–P = 140 Voigt; vgl. auch 117b. 168. 211c. 214 V.) 362 und später bei Aristophanes (Lysistr. 389ff.). Platon erwähnt die Adonisgärten, die im Sommer gepflanzt werden (Phaedr. 276b). 363 Adonis-Feste wurden in Athen, Alexandria und anderen griechischen Städten gefeiert, in der Regel nur von Frauen und in privatem Kreis. 364 Das Interesse der hellenistischen Dichter an Adonis zeigt die lebendige Schilderung, die Theokrit in Idyll 15 von einem Adonis-Fest in Alexandria gibt. In das Gedicht hat er ein ›Kultlied‹ eingearbeitet, das die Wiedervereinigung des Adonis mit Aphrodite zum Thema hat (v. 100–144). Adonis kommt weiter in Idyll 1 und 3 vor sowie in einem anonymen Gedicht E c nekr‰n óAdwnin, das aber wohl erst aus byzantinischer Zeit stammt. 365 Kallimachos erwähnt die Klage um Adonis in seinem dritten Iambus: K[ub†]b˘ tòn kÏmhn Çnarr–ptein / Fr‘g[a] pr[‰s] aŒl‰n £ pod®rec Èlkonta / óAdw[n]in a aÿ, t®c jeo‹ t‰n änjrwpon, /  hlem–zein (v. 35–40, frgm. 193; vgl. auch den 4. Iambus, frgm. 194, v. 105). Seit Camerarius wird der >Epitàfioc >Ad∏nidoc, ein Hymnus oder Kultlied auf Adonis, Bion zugeschrieben. 366 In Rom macht Ovid den Adonis-Kult zum Gegenstand seiner Dichtung (ars 1, 75–76; met. 10, 519ff.). Idyll 20 spielt auf den Tod des Geliebten ausdrücklich an, wenn es heißt, daß Aphrodite Adonis ›beweinte‹ (v. 36 Íklausen). Auch in dem parallelen Text in Idyll 3 kommt das Adonis-Exemplum vor, dort wird der Tod des Adonis direkt ausgesprochen (v. 48 fj–menon). In Idyll 1 wird er durch den 361 Frazer (1906); Detienne (1972); Burkert (1979) 105–111; Segal (1981) 66–72; Khafaga (1951) 210–237; Griffin (1992) bes. 200–211; Reed (1997) 18–26; Reed (1995); Reiner (1938) 105– 109; Bömer (1969–1986) zu Ovid. met. 10, 519–739; Servais-Soyez (1981) 221–229. 362 Vgl. auch schon Hesiod, frgm. 134 M–W. 363 S. auch Murley (1940) 281–295, hier bes. 294. 364 Nilsson (2 1957) 384–387; ders. (3 1967–1974) 1, 727–728; Deubner (1956) 220–223; Reed (1997) 18–20; Gow (2 1952) 2, 262–265. 365 S. Wilamowitz (2 1910) 168; Gallavotti (3 1993) 224–225, Nr. 33. 366 Reed (1997) 15–26. 194; Beckby (1975) 557; s. auch Wilamowitz (4 1926) 1, 292–305.

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Idyll 20

Erzählkontext (Liebschaften mit Aphrodite nehmen ein schlimmes Ende) zwingend impliziert: K‘pri bareÿa, / K‘pri nemessatà, K‘pri jnatoÿsin Çpeqj†c (v. 100–101). Als ›Hirte‹ oder ›Rinder-Hirte‹ wird Adonis in Idyll 20 zwar nicht direkt charakterisiert, doch verweist die anaphorisch wiederholte Ortsbeschreibung ›in den Wäldern‹ (v. 36 ‚n drumoÿsi … ‚n drumoÿsin) das Geschehen in den ländlichen Raum, das Gebiet von Hirten und Jägern. Daß der Verfasser den Beruf des Adonis nicht explizit benennt, erklärt sich damit, daß er traditionell Schaf-, nicht Rinderhirte ist. Auch in der theokriteischen Parallele in Idyll 1 wird Adonis als ›Schafhirt‹ (und Jäger) bezeichnet: ±raÿoc q∫dwnic, ‚pe» ka» m®la nome‘ei / ka» pt¿kac bàllei ka» jhr–a pànta di∏kei (v. 109–110), ebenso in Idyll 3: tÄn d‡ kalÄn KujËreian ‚n ∫resi m®la nome‘wn / oŒq o’twc ìWdwnic ‚p» plËon ägage l‘ssac (v. 46–47), und später bei Vergil (ecl. 10, 18) et formosus ovis ad flumina pavit Adonis. Dafür rückt ein anderes Element das Adonis-Exemplum wieder direkt mit der Ausgangssituation des Gedichts zusammen: die Küsse, die Aphrodite Adonis gibt (v. 36 f–lase). Daß die Göttin ihren Geliebten ›küßt‹, sagen auch Bion im Epitaph auf Adonis: Çmf» d‡ t†n˙ / jnåskei ka» t‰ f–lhma, t‰ m†pote K‘pric Çpo–sei. / K‘pridi m‡n t‰ f–lhma ka» oŒ z∏ontoc ÇrËskei, / Çll+ oŒk o⁄den óAdwnic Ì nin jnåskonta f–lhsen (v. 12–14; s. auch v. 15ff. 40–62) und Moschos in der Klage um Bion: qÇ K‘pric filËei se polà plËon £ t‰ f–lhma / t‰ pr∏an t‰n óAdwnin Çpojnåskonta f–lhsen (v. 68–69). Die Ausführung des Adonis-Exemplums ist in Idyll 20 kürzer gehalten als in Idyll 3 und auf drei Elemente konzentriert: (1) den Ort, die Wälder, als bukolische Szenerie, die das Hirtenleben des Adonis andeutet und ihn so dem sprechenden Hirten annähert, (2) den Kuß, der zum Ausgangsthema des Idylls paßt, und (3) das Beweinen des Adonis, das dessen Tod in Erinnerung ruft und so einen Bezug zum Adonis-Exemplum herstellt. Auch hier erweist sich, daß die Exempla nicht unbedacht kopiert, sondern sorgsam dem übrigen Gedicht angepaßt sind. Die bisherige Behandlung hat vorausgesetzt, daß in v. 34–36 zwei verschiedene Exempla enthalten sind, zunächst die Liebe Aphrodites zu Anchises (‚p+ ÇnËri … ‚n ∫resi) und dann ihre Liebe zu Adonis (ka» t‰n óAdwnin … Íklausen). 367 Da der Name des Anchises nicht genannt ist, kann auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen werden, daß alle drei Verse nur ein einziges Exemplum, das von Adonis, enthalten. Es hätte dann dieselbe Länge wie das anschließende Selene-Endymion-Exemplum (v. 36–38). Gegen diese Lösung spricht jedoch, daß der von Aphrodite geliebte Rinderhirt schlecht367 So auch Gow (2 1952) 2, 368.

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hin Anchises war und so u. a. auch in Theokrits 1. Idyll bezeichnet wird (s. oben S. 121), so daß sich im vorliegenden Gedicht diese Assoziation unmittelbar aufdrängt. Dagegen erscheint Adonis allgemein und auch bei Theokrit in Idyll 1 und 3 als Schafhirt und nicht als Rinderhirt (s. oben S. 124). Das dritte Exemplum, Selenes Liebe zum Hirten und Jäger Endymion, nimmt formal durch seinen Umfang von drei Versen und seine Mittelstellung innerhalb des fünfteiligen Katalogs eine herausgehobene Stellung ein. 368 Wie das vorangegangene Adonis-Exemplum, so hat auch das EndymionExemplum eine unmittelbare Parallele in Idyll 3. Dort wird es allerdings deutlich kürzer in etwas mehr als einem Vers erzählt (v. 49–50a ), unter Reduktion auf das für den Mythos zentrale Moment des ›ewigen Schlafs‹ (49 ätropoc ’pnoc). Denn nach der Tradition wird Endymion im Schlaf von Selene besucht, ihm also das gewährt, was Amaryllis dem Hirten von Idyll 3 verweigert. Die griechische Literatur kennt verschiedene Varianten des Endymion-Mythos. Nach Hesiod (frgm. 245 M.-W.) darf Endymion, ein von Zeus gewährtes Privileg, selbst über seinen Tod entscheiden; an anderer Stelle läßt Hesiod Zeus den schönen Endymion für seine Liebe zu Hera büßen, indem er ihn in den Hades stürzt (frgm. 260 M.-W.). 369 368 Zu Endymion s. Page (1955) 273–274 und Gabelmann (1986) 726–742. 369 Quelle ist das Scholion zu Ap. Rh. 4, 57–58 (p. 264, 3 – 265, 19 Wendel): ›oŒk är+ ‚g∞ mo‘nh metÄ Làtmion‹; Làtmoc Óroc Kar–ac, Ínja Ístin äntron, ‚n ≈ diËtriben >Endum–wn. Ísti d‡ ka» pÏlic ô leqjeÿsa Endum–wna. per» d‡ to‹ t®c Sel†nhc Írwtoc …storo‹si Sapf∞ (199 Voigt) ka» N–kandroc ‚n b+ EŒrwpe–ac (frgm. 24 Schn.). t‰n d‡ >Endum–wna Aejl–ou to‹ Di‰c ka» Kal‘khc, parÄ Di‰c e lhfÏta t‰ d¿ron Àn aŒtƒ tam–an e⁄nai janàtou, Ìte jËloi ÊlËsjai 〈…〉 ka» Pe–sandroc (16 frgm. 7 J.) ka» >Akous–laoc (2 frgm. 36 J.) ka» Ferek‘dhc (3 frgm. 121 J.) ka» N–kandroc ‚n b+ A twlik¿n (frgm. 6 Schn.) ka» JeÏpompoc  ‚popoiÏc. fas» d‡ aŒt‰n o… m‡n †Spartiàthn†, o… d‡ >Hleÿon; óIbukoc d‡ ‚n a+ (frgm. 44 B. III 249) óHlidoc aŒt‰n basile‹sa– fhsi. ‚n d‡ taÿc Megàlaic >Ho–aic (Hes. frgm. 260 M.-W.) lËgetai t‰n >Endum–wna Çneneqj®nai Õp‰ to‹ Di‰c e c oŒranÏn, ‚rasjËnta d‡ ìHrac; e d∏l˙ paralogisj®nai [t‰n Írwta] nefËlhc ka» ‚kblhjËnta kateljeÿn e c ìAidou. >Epimen–dhc (3 B 14 Diels-Kranz) d‡ aŒt‰n parÄ jeoÿc diatr–bonta ‚rasj®na– fhsi t®c ìHrac, diÏper Di‰c qalep†nantoc a t†sasjai diÄ pant‰c kaje‘dein. tin‡c d‡ diÄ 〈tòn〉 pollòn dikaios‘nhn Çpojewj®na– fasin aŒt‰n ka» 〈…〉 a t†sasjai parÄ Di‰c Çe» kaje‘dein. Ínioi d‡ Çnairo‹si t‰n ‚p» tƒ >Endum–wnoc ’pn˙ m‹jon. filok‘nhgon gÄr aŒt‰n genÏmenon, n‘ktwr pr‰c t¨ sel†n˘ kunhgeÿn diÄ t‰ ‚xiËnai tÄ jhr–a katÄ to‹ton t‰n kair‰n ‚p» tÄc nomàc, tÄc d‡ ômËrac ‚n sphla–˙ aŒt‰n Çnapa‘esjai, πc tinac o“esjai pàntote aŒt‰n koimêsjai. o… d‡ Çllhgoro‹si t‰n m‹jon, lËgontec ±c ära >Endum–wn pr¿toc ‚peqe–rhse t¨ per» tÄ metËwra filosof–¯, parasqeÿn d‡ aŒtƒ tÄc ÇformÄc tòn sel†nhn Ín te fwtismoÿc ka» kin†sesin, di+ Á ka» n‘ktwr sqolàzonta to‘toic ’pn˙ mò

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Idyll 20

Epimenides nennt als Strafe für dasselbe Vergehen den ewigen Schlaf Endymions (FGrH 457 F 10). 370 Nach Apollodor bringt die freiwillig getroffene Entscheidung für den ewigen Schlaf Endymion ewige Jugend und Unsterblichkeit ein (bibl. 1 [56], 7, 5 = Zenobius 3, 76). Die Variante, daß die Liebe von Selene als dem aktiven Part ausgeht, nicht von Endymion, ist wohl eine Erfindung Sapphos (frgm. 199 Voigt). 371 In der hellenistischen Literatur erfreute sich gerade diese Zuordnung der Initiative besonderer Beliebtheit. 372 Sie liegt nicht nur Idyll 20 zugrunde (Idyll 3 sagt nichts zu diesem Punkt) 373, sondern begegnet auch in den Worten Selenes in den Argonautika des Apollonios: OŒk är+ ‚g∞ mo‘nh metÄ Làtmion äntron Çl‘skw, / oŒd+ o“h kalƒ per» da–omai >Endum–wni (4, 57–58) und in einem Epigramm Philodems: Nukterin†, d–kerwc, filopànnuqe, faÿne, Sel†nh, / faÿne di+ eŒtr†twn ballomËnh jur–dwn; / a÷gaze qrusËhn Kall–stion; ‚c tÄ file‘ntwn / Írga katopte‘ein oŒ fjÏnoc Çjanàt˘. / Êlb–zeic ka» t†nde ka» ômËac, o⁄da, Sel†nh; / ka» gÄr sòn yuqòn Íflegen >Endum–wn (AP 1, 123). 374 In demselben Sinne haben wohl auch Nikander in seinem verlorenen Werk Europia und Kallimachos in seiner Coma Berenices den Mythos gedeutet. 375 Das Bild vom schlafenden Endymion, dem sich Selene nähert, hat in Literatur wie bildender Kunst große Wirkung entfaltet. Der qr®sjai, koimêsjai d‡ mej+ ômËran. tin‡c d‡ tƒ Ónti f–lupnÏn tina gegonËnai t‰n >Endum–wna, Çf+ o› ka» paroim–a ›>Endum–wnoc ’pnoc‹ ‚p» t¿n polà koimwmËnwn £ Çmel¿c ti prattÏntwn ±c dokeÿn koimêsjai. ka» JeÏkritoc mËmnhtai (id. 3, 49 sq.):

370 371 372

373 374

375

›zalwt‰c m‡n Íhn  t‰n ätropon ’pnon  a‘wn >Endum–wn.‹ Schol. Ap. Rh. 4, 57–58; vgl. Schol. Theocr. 3, 49; vgl. Cic. Tusc. 1, 92; AP 5, 165. Aus Schol. Ap. Rh. 4, 57–58; s. Page (1955) 274. Jacoby (1955) 328 zu FGrHist 457 F 10: »Er [i.e. Epimenides] stimmt mit ›Hesiod‹ darin dass er von Endymions Liebe zu Hera erzählt, ihm also eine aktive Rolle zuweist, gegen die zuerst für Sappho bezeugte Liebe Selenes zu Endymion, die in der hellenistischen Poesie das Übergewicht gewonnen hat.« Vgl. aber die Formulierung im Scholion zu id. 3, 49–51b: >Endum–wn parÄ toÿc jeoÿc diatr–bwn öràsjh ìHrac. Sider (1997) 115. Vgl. weiter AP 16, 337, 1–2 (anonym): >Agq–shn KujËreia ka» >Endum–wna Sel†nh / f–lato ka» N–kh n‹n tàqa Porf‘rion; 16, 367, 1–2 (Leontios Scholastikos): >Agq–shn KujËreia ka» >Endum–wna Sel†nh / f–lato; muje‹ntai toÿa palaigenËec. Anders AP 6, 58 (Isidoros Scholastikos v. Bolbythia): LËktra màthn m–mnonta ka» Çpr†ktou skËpac eŒn®c / änjeto so–, M†nh, s‰c f–loc >Endum–wn, / a dÏmenoc; poliò gÄr Ìlou kratËousa kar†nou / oŒ sºzei protËrhc “qnion ÇglaÚhc. Nikander: Schol. Ap. Rh. 4, 57–58; Kallimachos: Catull 66, 5–7 … ut Triviam furtim sub Latmia saxa relegans / dulcis amor gyro devocet aerio (s. frgm. 110 Pfeiffer).

2. Das Gedicht

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Schlaf Endymions wurde sprichwörtlich; besonders häufig ist das Motiv auf Sarkophagen abgebildet. 376 Bei Properz dienen Endymion und Selene als Exemplum für den eigenen Liebeswunsch (2, 15, 15–16). Ovid nennt Endymion und Adonis als mahnende Exempla, die Liebe nicht zu verweigern: Latmius Endymion non est tibi, Luna, rubori, / nec Cephalus roseae praeda pudenda deae. / ut Veneri, quem luget adhuc, donetur Adonis: / unde habet Aenean Harmoniamque suos? / ite per exemplum, genus o mortale, dearum, / gaudia nec cupidis vestra negate viris (ars 3, 83–88; vgl. amor. 1, 13, 43–44). An anderer Stelle nennt er zusammen Anchises, Endymion und Iasion (trist. 2, 1, 299–300): in Venere Anchises, in Luna Latmius heros, / in Cerere Iasion, qui referatur, erit. In der Anthologia Graeca finden sich Epigramme, die Anchises und Endymion in Bezug setzen (16, 337. 357).377 Lukian spricht von Selenes Liebe zu Endymion in Zusammenstellung mit der Liebe Aphrodites zu Anchises und zu Attis: (Sel.) t– ta‹ta, ¬ Sel†nh, fas» poieÿn se? ÂpÏtan katÄ tòn Kar–an gËn˘, …stànai mËn se t‰ ze‹goc Çfor¿san ‚c t‰n >Endum–wna kaje‘donta Õpa–jrion âte kunhgËthn Ónta, ‚n–ote d‡ ka» kataba–nein par+ aŒt‰n ‚k mËshc t®c Âdo‹? … (Aphr.) tòn mhtËra oŸa dËdraken, ärti m‡n ‚c tòn óIdhn katàgwn >Agq–sou Èneka to‹ >IliËwc, ärti d‡ ‚c t‰n L–banon ‚p» t‰ >Ass‘rion ‚keÿno meiràkion, Á ka» t¨ Fersefàtt˘ ‚pËraston poi†sac ‚x ômise–ac Çfe–letÏ me t‰n ‚r∏menon (Dial. deor. 19, 1). Statius kennt die Kombination von Endymion mit Attis und Narkissos (silv. 3, 4, 40–42). In Idyll 20 wird Endymion, wie zuvor schon Adonis, ausdrücklich als ›Rinderhirt‹ bezeichnet, und zwar gleich zweifach (v. 37–38 boukÏloc … boukolËonta). Auch Servius klassifiziert ihn so (Verg. Georg. 3, 391). Das Scholion zu Theokrit, id. 3, 49–51a sagt dagegen, Endymion habe tagsüber geschlafen und nachts gejagt. 378 Überhaupt scheint die Variante, daß Endy-

376 Gabelmann (1986) hier 739–740. 377 S. oben Anm. 374. 378 Servius georg. 3, 391 (p. 307, 21–25): ›munere sic niveo l. s. c. d.‹ mutat fabulam: nam non Pan, sed Endymion amasse dicitur Lunam. qui spretus pavit pecora candidissima et sic eam in suos inlexit amplexus: cuius rei mystici volunt quandam secretam esse rationem. si credere dignum est tantum de Luna sacrilegium. – Schol. Theocr. id. 3, 49–51a (p. 131–133 Wendel): ›Â t‰n ätropon‹ ätrepton, Çmetak–nhton, a ∏nion kaje‘dwn ’pnon. fas» gàr, ±c >Endum–wnoc öràsjh ô Sel†nh katÄ t‰ Làtmion Óroc t®c Kar–ac kunhgeto‹ntoc. filok‘nhgoc d‡ ªn ômËrac ’pnwtte, katÄ tÄc n‘ktac d‡ lampo‘shc t®c Sel†nhc ‚j†reue diÄ t‰ tÄ jhr–a katÄ to‹ton t‰n kair‰n ‚xiËnai. o’twc N–kandroc. makar–zw, fhs–, diÄ t‰ ‚keÿnon m‡n fileÿsjai Õp‰ Sel†nhc, ‚m‡ d‡ Õp‰ so‹ miseÿsjai.

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Idyll 20

mion Jäger gewesen sei, die häufigere gewesen zu sein.379 Die Liebe der Selene zu Endymion wird, ähnlich wie das Rinderhirtendasein des Geliebten, zweifach ausgedrückt: einmal durch f–lasen (v. 38), das hier vielleicht eher ›lieben‹ als ›küssen‹ meint, aber in jedem Fall eine Verbindung zum Ausgangsthema des Gedichts herstellt,380 und andererseits durch die Formulierung ka» e c ÂmÄ paid» kàjeude (v. 39), die auf den Beischlaf Selenes mit dem schlafenden Endymion zielt.381 Daß der Berg Latmos Ort des Geschehens ist (v. 39 Làtmion … nàpoc), entspricht der gängigen Tradition des Mythos. 382 Dort zeigte man auch das Grab des Endymion, an dem sich eine Kultstätte befand (Strabon 14, 1, 8). Bei Catull wird Selene von ihrer Gestirnsbahn abgelenkt (66, 5–6; Call. frgm. 110 Pf.), um sich Endymion zu nähern. 383 Wenn es in Idyll 20 heißt, daß sie vom Olymp herabsteigt (v. 38 Çp+ OŒl‘mpw d‡ moloÿsa), geschieht das, um so sinnbildlich den großen Abstand zwischen liebender Göttin und geliebtem Menschen hervorzuheben. Denn der Herkunftsbezeichnung ›Olymp‹ (besonders hoch) entspricht die Zielbezeichnung ›Tal‹ (besonders tief). 384 Das Endymion-Exemplum in Idyll 20 hebt also drei Aspekte besonders nachdrücklich hervor: die Tatsache, daß Endymion Rinderhirte war, daß Selene ihn geliebt bzw. geküßt hat sowie den großen Abstand zwischen Liebender und Geliebtem. Daß Endymion nur als Schlafender die Liebe Selenes genießt, ist eine Einschränkung seiner Liebe, die dem Exemplum einen ambivalenten Charakter verleiht und es so mit den vorangegangenen Exempla verbindet. Das vierte Exemplum thematisiert das Liebesverhältnis zwischen Rhe(i)a/Kybele 385 und dem Hirtenjüngling Attis. Obwohl kürzer als ein Vers, bringt es drei Gesichtspunkte zum Ausdruck: daß Attis wie der Hirt 379 Schol. Ap. 4, 57–58; s. Gabelmann (1986) 727. 380 Gow (2 1952) 2, 368. Cicero, Tusc. 1, 92 spricht vom Küssen: Endymion vero, si fabulas audire volumus, ut nescio quando in Latmo obdormivit, qui est mons Cariae, nondum, opinor, est experrectus. num igitur eum curare censes, cum Luna laboret, a qua consopitus putatur, ut eum dormientem oscularetur? 381 Vgl. Properz 2, 15, 15–16 nudus et Endymion Phoebi cepisse sororem / dicitur et nudus concubuisse deae. 382 Zum Beispiel Ap. Rh. 4, 57; Catull 66, 5; Cicero, Tusc. 1, 92; Ov. ars 3, 83. 383 Ut Triviam furtim sub Latmia saxa relegans / dulcis amor gyro devocet aerio; vgl. Lukian, Dial. deor. 19, 1 (s. oben). 384 Das Wort nàpoc nur hier im Corpus Theocriteum. Im >Epitàfioc >Adwn–doc 36 ist nàpoc Konjektur, s. Reed (1997) 218 ad locum. 385 Zur Identifikation Rheia/Kybele, die sich bereits bei Hipponax findet (frgm. 156 West = 167 Degani), s. Gantz (1993) 43; Roller (1999) 124–125. 170–171; Munn (2006) 74; Roscher, s.v. Kybele, Bd. 2/1, 1639/1659; ders., s.v. Rhea, Bd. 4, 92.

2. Das Gedicht

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von Idyll 20 ein Rinderhirte war (v. 40 t‰n boukÏlon), daß Kybele ihn liebte und daß Attis umkam (beides darin ausgedrückt, daß Rheia ihren Geliebten ›beweint‹: v. 40 kla–eic; vgl. 36 Íklausen). Mythos und Kult des zusammen mit der Großen Mutter Kybele verehrten Attis kamen aus Kleinasien (Phrygien) und breiteten sich vor allem in hellenistischer Zeit erst in Griechenland und dann in Rom aus. 386 Hepding unterscheidet schematisierend drei Traditionen der Attis-Sage. In der ›lydischen‹ Form stirbt Attis als jungverheirateter Mann auf einer Eberjagd. 387 Hierher gehören vielleicht die aus Herodot bekannte Atys-Geschichte 388 und ein verlorenes Gedicht des Hermesianax, über das Pausanias berichtet (frgm. 8 Powell; Paus. 7, 17, 5–9). 389 Diese Version erinnert vor allem durch die Todesart an den Adonis-Mythos. Auch sonst bestehen durch den Gedanken an Tod und Wiederbelebung sowie die kultische Verbindung zum Vegetationskult Beziehungen zwischen beiden Mythen und ihren zugehörigen Kultformen.390 Von Entmannung des Attis und Liebe der Kybele ist noch keine Rede. Nach der sogenannten ›pessinuntischen‹ Form wird Attis als Jüngling ausgesetzt, von einem Tier mit Milch versorgt und von Hirten großgezogen. In Wahnsinn verfallen entmannt er sich und stirbt, sein Blut verwandelt sich in Veilchen. 391 Diese bei Pausanias und Arnobius in Einzelheiten unterschiedlich ausgestaltete Form des Mythos (Paus. 7, 17, 9–12; Arnob. 5, 5–7 nach Timotheos; s. auch Ovid, Fasti, 4, 223–224) kennt die Liebe Kybeles (in Person der Agdistis) und ist die am weitesten verbreitete Variante. Eine dritte euhemeristische Form macht Attis (Papas) zum Geliebten einer Königstochter Kybele: Kybele, die Tochter des Maion, des Herrschers von Lydien und Phrygien, und der Din-

386 Zu Attis s. Nauta-Harder (2005) passim; Nilsson (3 1967–1974) 1, 640–657; Frazer (1906); Hepding (1903) bes. 5–77 zu den literarischen Quellen; Gall (1999); Roller (1999) bes. 187–259; Vermaseren (1966) bes. 88–125; ders. (1977); ders. (1986) 22–44; Burkert (1979) bes. 108–111; Thomas (1984); Lane (1996); Lancelotti (2002); Bömer (1969–1986) zu Ovid. met. 10, 104–105; Fantuzzi-Hunter (2004) 477–485. 387 Hepding (1903) 100–101; Lancelotti (2002) 6–8. 388 Herodot 1, 34–35. Zur Identifikation Atys/Attis s. Burkert (1979) 104; Roller (1999) 245 mit Anm. 25; Munn (2006) 141–145. Zu Recht skeptisch zuletzt Bremmer (2005) 27–31 in einer sehr umsichtigen Analyse: »We … conclude that our Greek sources do not connect Attis with Lydia in the archaic and classical period. Consequently, there is no ›Lydian‹ version, as all recent discussions, with the exception of Burkert, have led us to believe«. 389 Vgl. auch Plutarch, Sert. 1; Schol. Nic. Alex. 8. 390 Hepding (1903) 101; Burkert (1979) 110–111; Tuzet (1987) 31–32; Roller (1999) 255 mit Anm. 61. 391 Hepding (1903) 103–111; Lancelotti (2002) 1–6.

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Idyll 20

dyme, verliebt sich in Attis. Sie wird schwanger, daraufhin tötet der König den Geliebten (Diodor 3, 58–63). 392 Attis wird regelmäßig in Literatur und bildender Kunst als ›Hirte‹ (poim†n) dargestellt, so offenbar auch in dem verlorenen Gedicht des Hermesianax (Schol. Nik. Alex. 8). 393 Als ›Ziegenhirte‹ (a pÏloc) erscheint er bei Hippolytos (5, 9). 394 Für die eher seltene Charakterisierung als ›Rinderhirte‹ (boukÏloc), wie sie in Idyll 20 gegeben ist, verweist Hepding auf Arnobius (adv. nat. 4, 35). 395 Das ›Beweinen‹ des Attis (v. 40 t‘, AssàrakÏc te ka» Çnt–jeoc Ganum†dhc, / Ác dò kàllistoc gËneto jnht¿n Çnjr∏pwn; / t‰n ka» Çnhre–yanto jeo» Di» o noqoe‘ein / kàlleoc 398 Frgm. 8 Powell (Paus. 7, 17, 9): Duma–oic d‡ Ísti m‡n >Ajhnêc na‰c ka» ägalma ‚c tÄ màlista Çrqaÿon, Ísti d‡ ka» ällo …erÏn sfisi Dindum†n˘ mhtr» ka» óAtt˘ pepoihmËnon. óAtthc d‡ Ìstic ™n, oŒd‡n oŸÏc te ™n ÇpÏrrhton ‚c aŒt‰n ‚xeureÿn,

ÇllÄ Amfitr–tac Brunck : -thc X Tr 56 ‚g∞n Iunt : ‚g∞ X Tr | t≤gk–strw Tr : t¿gk–strwn X 57 poka Brunck : pote X Tr : pot» Doehler Ahrens | t¿ Tr : to‹ X | tÇgk–stria Brunck : t≤gk- X Tr : t≤gq–nia Ahrens | Íqoien Iunt Cal : -oisa X : -onti Tr : Íqoi gÄn Non. (Gow I.xlvii) 58 piste‘sasa Iunt Cal : p–steusa Reiske : spe‘sac Graefe Galltxt | kalà ge t‰n X Tr : kal‰n ägagon Graefe Galltxt | öp†raton X Tr : Çpeir∏tan Ameis Galltxt : öpeir∏tan Herm 60 meneÿn Mein : mËnein X Tr | ka» t¿ Cal : ka– toi X Tr : ka» tƒ Galltxt | tƒ qrusƒ Ahrens basile‘sein Tr : -sei X 61 me Tr : m‡n X | köx†geire Gow : kÇx- X Tr Galltxt 62 tarb¿ Iunt Cal : tarr¿ X Tr

1. Text und Übersetzung

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Die Arme ausstreckend, vornübergebeugt, fand ich einen Kampf, wie ich den großen Fisch hochziehen könnte mit dem schwächeren Eisen. 50 Dann erinnerte ich ihn an die Wunde und stach ihn ein wenig. Und nach dem Stoß ließ ich nach und spannte wieder, als er nicht floh. Ich beendete also den Kampf erfolgreich, ich zog einen goldenen Fisch an Land hoch, überall dicht mit Gold bedeckt. Furcht ergriff mich, es könne ein dem Poseidon lieber Fisch sein 55 oder vielleicht ein Kleinod der blauen Amphitrite. Sachte löste ich ihn vom Haken, damit die Widerhaken kein Gold von seinem Maul zurückhielten. […] ich schwor, in Zukunft nie mehr einen Fuß übers Meer zu setzen, 60 sondern auf dem Festland zu bleiben und über das Gold König zu sein. Das weckte mich auch auf. Du aber, mein Freund, äußere jetzt deine Meinung! Ich fürchte nämlich den Eid, den ich geleistet habe.

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Idyll 21

ETAIROS mò s‘ge, mò trËss˘c; oŒk ∫mosac; oŒd‡ gÄr  qj‘n qr‘seon ±c “dec eŸlec, “sa d+ ™n ye‘desin Óyic. 65 e  d+ ’par oŒ kn∏sswn tÄ pel∏ria ta‹ta mate‘seic, ‚lp»c t¿n ’pnwn; zàtei t‰n sàrkinon  qj‘n, mò sà jàn˘c limƒ ka» toÿc qrusoÿsin Êne–roic.

63 mò s‘ge jarb¿ trËss˘ (Gow I.xlvii) | mò Haupt : ka» X Tr | s‘ge mò Iunt Cal : s‘ge X Tr | trËss˘c X2 : trËs(s)eic X Tr 64 eŸlec Meineke : e›rec X Tr Galltxt Bellonitxt | ™n Ahrens : ‚n X Tr Galltxt | Óyic Ahrens : Óyeic X Tr (Gallapp suspiciat »quapropter etiam “sai pluralem scripsisse« Iunt Cal) 65 e  d+ ’par oŒ Cal : e  g+ ’par ±c Iunt : e“ me gÄr X Tr : e“ men gÄr Voss : e  mò gÄr Graefe Galltxt : e  m‡n är+ oŒ Warton : e  d+ ära mò Wilam | tÄ pel∏ria Headlam : tà tÄ qwr–a Iunt Cal Galltxt : to‹to qwr–a X Tr | mate‘seic Iunt Cal : mate‘eic Tr Galltxt : mante‘eic X 66 t¿n ’pnwn Tr : t‰n ’pnon X : toi m¿non Galltxt : ‚lp–da t¿n ’pnwn zàtei Bindemann : ‚lpist¿n ’pnwn Koehler : ‚lp–sdwn ’pn˙ Greverus | zàtei Stephanus : zateÿ X Tr : zateÿn Galltxt | sàrkinon Tr : sàrkion X 67 ka» toÿc Scaliger : ka– toi X Tr : kÇp» Ahrens : köp» Gall.

1. Text und Übersetzung

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Gefährte Nicht, fürchte ihn nicht! Nicht hast du geschworen. Denn du hast auch keinen goldenen Fisch, wie du (ihn) sahst, gefangen. Das Traumgesicht glich einem Märchen. 65 Wenn du aber wachend, nicht schlafend diese gewaltigen Tiere suchst, erwächst Hoffnung aus dem Schlaf. Suche den Fisch aus Fleisch und Blut, damit du nicht vor Hunger und deinen goldenen Träumen stirbst!

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Idyll 21

2. Das Gedicht Idyll 21 handelt von zwei armen alten Fischern, die in ihrer Behausung am Meer nach kurzem Schlaf in der Nacht erwachen. Einer der beiden, Asphalion, berichtet von seinem Traum: Er habe unverhofft einen goldenen Fisch gefangen und daraufhin geschworen, nicht mehr aufs Meer zu fahren, sondern mit seinem Reichtum nur noch auf dem Land zu leben. Er bittet seinen Berufsgenossen, ihm den Traum zu deuten, weil er fürchtet, künftig an den Schwur gebunden zu sein. Der Kamerad setzt seinen Befürchtungen die Feststellung entgegen, daß das Traumgesicht getrogen habe, und fordert ihn auf, einen echten Fisch aus ›Fleisch und Blut‹ zu suchen statt bei goldenen Träumen zu verhungern. Ob er den Träumer überzeugt, bleibt ungesagt.

2.1 Zum Text Idyll 21 ist wie Idyll 20 im Codex Vaticanus Graecus 1311 (X) und im Codex Parisinus Graecus 2832 (Tr) überliefert, 414 also auch nur über die Laurentianische Handschriftenfamilie bezeugt. 415 Tr bietet als Titel Elp–dac, ìUmnouc, Epik†deia mËlh, ‚lege–ac ka»  àmbouc, ‚pigràmmata (J 166, p. 697, 21 Adler). 428 Tatsächlich kommt ‚lp–c in 423 Wilamowitz (1906) 82; Brinker (1884) 45; Fritzsche (2 1870) 2, 113: »Sed utut haec sunt, morum certe et ingeniorum ea notatio, qua plurimus Theocritus pollet, frustra hic quaeritur, reprehenditurque carmen eisdem nominibus, quibus id. XX«, »Praeterea tractatio rerum non est Theocritea«; Gow (2 1952) 2, 369–370; vgl. auch Zettel (1883) 56 mit Anm. 424 Lesky (1947) 270. 425 Arland (1937) 31: »Der Dichter der AtreÚd˘, ‚k d+ ÇmfotËroiin / Çtrek‡c aŸm+ Ísseua bal∏n, ¢geira d‡ mêllon: ›… ich aber reizte sie noch mehr‹. Falsch ist die Einordnung von LSJ 469 s.v. I 1 »awaken, rouse« und Adrados, DGE VI (2002) 1235 s.v. B IV 2 »crear, hacer surgir, suscitar (fig. inventar)«. 447 Die Geschichte der Sentenz, auch über den Zeitraum hinaus, in dem Gedicht 21 entstanden sein könnte, behandelt Birt (1881) 25ff.; s. ferner Heckel (1999) 910–914 und Müller (2003) passim mit neuerer Lit.; weiter Gow (2 1952) 2, 370–371, zu v. 1–5; Beckby (1975); Belloni (2004) 51–52.

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Idyll 21

theus befreit, mit harter Arbeit die im Boden steckende Nahrung gewinnen muß. 448 In Aristophanes’ Ploutos heißt es: E  gÄr  Plo‹toc blËyeie pàlin diane–meiËn t+ “son aÕtÏn, / o÷te tËqnhn ãn t¿n Çnjr∏pwn o÷t+ ãn sof–an meletºh / oŒde–c; Çmfoÿn d+ Õmÿn to‘toin ÇfanisjËntoin ‚jel†sei / t–c qalke‘ein £ nauphgeÿn £ ˚àptein £ troqopoieÿn, / £ skutotomeÿn £ plinjourgeÿn £ pl‘nein £ skulodeyeÿn, / £ g®c ÇrÏtroic ˚†xac dàpedon karp‰n Dho‹c jer–sasjai, / £n ‚x¨ z®n Çrgoÿc Õmÿn to‘twn pàntwn Çmelo‹sin (v. 510–516).

Häufig zitiert wurde aber vor allem Euripides’ Vers pen–a d‡ sof–an Ílaqe diÄ t‰ suggenËc (TrGF 641, 3 Kan.). In diesem Sinne formuliert bringt auch Anaximenes von Lampsakos die Sentenz: ô gÄr pen–a ka» pr‰c tÄc tËqnac deinotËrouc ka» pr‰c t‰n b–on teqnikwtËrouc toÃc Çnjr∏pouc kaj–sthsi, 449 ebenso Antiphanes, Plautus, Manilius, Lukian und Seneca. Bei Persius heißt es: magister artis ingenique largitor / venter (prol. 10). 450 Populär waren auch Horazens Worte paupertas impulit audax / ut versus facerem (epist. 2, 2, 51–52). 451 Poseidonius hat den Akzent darauf gelegt, daß eigentlich nicht, wie Demokrit gemeint habe, die Not den Menschen zum Erfinder gemacht habe, sondern lediglich den Logos veranlaßt habe, seine Erfindungskraft zur Schaffung der Kultur zu betätigen und diese weiterzuführen. 452 Der Anfang von Idyll 21 weist große Ähnlichkeit mit den Anfängen von Idyll 11 und 13 auf. Alle drei Gedichte bringen zur Eröffnung eine Sentenz, die den Inhalt des Nachfolgenden bestimmt. In Idyll 11 erklärt Theokrit die Kunst des Gesangs zum einzigen Palliativ für unerfüllte Liebe: OŒd‡n pott‰n Írwta pef‘kei fàrmakon ällo, / Nik–a, o÷t+ Ígqriston, ‚m»n dokeÿ,

448 Hes. Erga 47–50: ÇllÄ ZeÃc Íkruye qolwsàmenoc fres» ≠sin, / Ìtti min ‚xapàthse PromhjeÃc Çgkulom†thc; / to÷nek+ är+ Çnjr∏poisin ‚m†sato k†dea lugrà, kr‘ye d‡ p‹r. Dazu West (1978) 155–156. Bedeutsam für die Kulturtheorien der Griechen ist auch die Schrift Per» Çrqa–hc  htrik®c aus dem Corpus Hippocraticum, s. Herter (1963) 464–483. Der unbekannte Verfasser verbindet darin seine diätetischen Überlegungen mit solchen zur allgemeinen Kulturentwicklung. Danach hat die ungesunde und Krankheiten verursachende Lebensweise der frühen Menschen zu Getreideanbau und anderen Kulturtechniken geführt. Die Frage, ob die Termini qre–a und Çnàgkh in diesem Zusammenhang auf Demokrit zurückgehen, behandelt Herter (1963) 472–476. 449 FGrHist 2a, 72 F, frgm. 36. 450 Kißel (1990) 92–93. 451 Wimmel (1960) 311 mit Anm. 2 und Brink (1982) 294–295. 452 Vgl. Seneca epist. 90 passim; dazu Pohlenz (1941) 1–13, bes. 7; Pohlenz (2 1964) 344.

2. Das Gedicht

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o÷t+ ‚p–paston, / £ ta» Pier–dec (v. 1–3). 453 Idyll 13 stellt den allgemeinen Satz voran, daß die Liebe jeden ergreift, nicht nur Menschen, sondern auch Götter: OŒq Åmÿn t‰n óErwta mÏnoic Íteq+, ±c ‚doke‹mec, / Nik–a, ≈tini to‹to je¿n poka tËknon Ígento (v. 1–2). Alle drei Gedichte bestätigen die Gültigkeit der Sentenz mit einem Beispiel. In 11 und 13 läßt Theokrit mit Polyphem und Herakles bekannte Figuren aus der Mythologie auftreten, in 21 wählt der Verfasser dagegen ein nicht-mythologisches Thema, ein Geschehen aus dem Leben armer, ›realer‹ Leute. Idyll 11 und 13 stehen weiter dadurch in einem Zusammenhang, daß sie sich ganz offensichtlich an dieselbe Person, einen Arzt namens Nikias, wenden. Zwischen den beiden theokriteischen und dem umstrittenen Gedicht lassen sich auch stilistische Unterschiede konstatieren: Idyll 11 und 13 enthalten eine jeweils negativ formulierte Sentenz: ›kein (oŒd‡n) anderes Mittel gibt es … außer‹ und ›nicht (oŒq) uns allein … sondern auch‹. Das Fischeridyll bietet dagegen eine positive Formulierung: ›die Armut allein (mÏna)‹. Außerdem enden Idyll 11 und Idyll 13 jeweils auf einer durch das Adverb o’twc, ›solchermaßen‹, eingeleiteten Exegese des Exemplums (id. 11, 80–81 und 13, 72–75). In Idyll 21 ist der Bezug des Schlusses (v. 63–67) auf die Einleitung (1–5) dagegen ohne Ringkomposition allein durch die aufgewiesene formale Struktur der Endstellung von Hauptmotivworten hergestellt (S. 156). Die genannten Unterschiede in der Motivik (keine Figuren des Mythos) und in der stilistischen Ausführung (positiv formulierte Sentenz, keine Exegese) zeigen zunächst, daß der Autor von Idyll 21 nicht einfach nachahmend verfahren ist. Mit dieser Feststellung läßt sich aber noch nicht die These Arlands rechtfertigen, Idyll 21 sei auch deshalb grundlegend anders, weil die Sentenz durch das Exemplum gar nicht erklärt werde. Nach Arland geht es im weiteren Verlauf des Gedichts nicht mehr um das Thema Arbeit, sondern nur noch um den Traum: »In ähnlicher Weise beginnen die ›Fischer‹ mit einer Sentenz: Die Armut allein erwecke das Handwerk. Damit hat aber die Fischergeschichte gar nichts zu tun … Das Schwergewicht der ganzen Erzählung hat sich auf den Traum und seine Deutung verschoben … Damit ist aber das Thema des Anfangs völlig verlassen. Es kann also zumindest nicht das Hauptanliegen des Dichters gewesen zu sein, die Wahrheit seiner in den ersten Versen ausgesprochenen Sätze durch ein Beispiel zu 453 Zum Verständnis des Gedichts s. Erbse (1965) 286–292 (auch in: Effe [1986] 286–292) und Köhnken (1996b) 171–186. Köhnken arbeitet die enge Beziehung zwischen Idyll 11 und 6 heraus.

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Idyll 21

bekräftigen.« 454 Arlands These wird bereits durch die festgestellten engen sprachlichen und inhaltlichen Bezüge zwischen Einleitungsteil und Dialogende widerlegt. Denn seiner Schlußfolgerung, wegen des angenommenen Fehlens einer solchen Bestätigung handele es sich bei Idyll 21 um einen als Selbstzweck vorgeführten Mimus, 455 ist damit die Grundlage genommen. Auch hier zeigt sich das methodische Dilemma in der Forschung zu den sog. pseudo-theokriteischen Gedichten: Wegen vermuteter Unechtheit wird dem Verfasser keine durchgearbeitete Komposition zugetraut. 456 In der Folge werden eigentlich deutliche sprachliche Signale übersehen. Das führt zu gravierenden Fehldeutungen, die dann wiederum die Unechtheit zu bestätigen scheinen. Durch solches Vorgehen wird der Eigenwert des Kunstwerks verkannt und seine Einordnung in die Literaturgeschichte erschwert. Das von Arland aus dem Sichtfeld geräumte Thema der Armut ist nicht nur in der abschließenden ›Deutung‹ des Fischerkameraden (v. 63–67) präsent, sondern natürlich auch in der Traumerzählung des Asphalion (39–62). Denn der Traum vom Fang eines goldenen Fisches samt anschließender Sorglosigkeit (Leben wie ein König, v. 60) ist ja typisch für den von Armut und Hunger Gepeinigten, ein Wunschtraum, der gerade durch die Armut ausgelöst wird. So hat Wilamowitz mit Recht in dem Anfangssatz eine »Thesis probanda«, einen zu beweisenden und mit der Durchführung dann auch tatsächlich bewiesenen Satz gesehen. 457 Die Exposition (v. 6–18) leitet vom allgemeinen Thema ›Armut regt Künste an‹ zu seiner Bedeutung für die armen Fischer über. Gleich zu Beginn (v. 6–8a ) erfährt man dichtgedrängt das Wesentliche: daß es im Folgenden um Fischer geht ( qj‘oc Çgreut®rec), daß sie zu zweit sind (d‘o), daß sie (beide) alt sind (gËrontec) und daß sie (zum Schlaf) auf einem Lager liegen (keÿnto … strwsàmenoi). Dann werden in vielen Einzelheiten die Habe der Fischer, ihre Fischereigeräte, ihr Boot und ihre Kleidung geschildert (v. 8b –13). Was folgt, ist eine drastische Beschreibung ihrer Armut, die Gerätschaften sind ihr einziger Besitz und so wenig wert, daß sie keines Schutzes durch eine verschlossene Tür oder einen Wachhund bedürfen (v. 14–16). Der abschließende Hinweis auf die Einsamkeit, in der sie sich befinden (oŒde»c d+ ‚n mËss˙ ge–twn pËlen) wirkt in diesem Kontext nicht

454 455 456 457

Arland (1937) 33–34. Arland (1937) 35. S. oben Einleitung, S. 15. Wilamowitz (1906) 82.

2. Das Gedicht

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›idyllisch‹, sondern wegen der traurigen Lage der Fischer eher bedrückend (v. 17–18). 458 Den Hauptteil des Gedichts bildet der Dialog der beiden alten Fischer (v. 19–67). Ein kurzer Passus (v. 19–21) faßt die Exposition (v. 6–18) zusammen und leitet zum Hauptteil (v. 19–67) über. Es wird berichtet, wie die Fischer noch während der Nacht aufwachen und miteinander zu sprechen beginnen. Daß die Handlung in der Nacht spielt, war zuvor nur indirekt dadurch angedeutet worden, daß die beiden Alten auf einem Lager liegen (v. 6–7 und 13). Im Folgenden (v. 22–38) bewegt sich das Gespräch auf die eigentliche Traumerzählung zu. Die Unterhaltung der Fischer kreist um das in der Einleitung angeschlagene Thema von Not und Sorge (v. 28 front–c). Sie haben viel Zeit, weil sie ohnehin nicht schlafen können. Asphalion hatte einen guten Traum (v. 29 qrhstÄ gÄr e⁄don), nun will er ihn erzählen (v. 30 o÷ se jËlw t≤m¿ fantàsmatoc ™men ämoiron, mit Wechsel in den Singular). 459 Er bittet seinen Kameraden, ihm den Traum zu deuten. Der ist dazu bereit, erklärt aber schon im voraus, der beste Traumdeuter (Êneirokr–tac) sei derjenige, der sich von seinem Verstand belehren lasse. Nun erzählt Asphalion den Traum (v. 39–62). Einleitend berichtet er, daß er nach einem Essen, das ihn nicht satt gemacht habe, am Abend (deilinÏn, v. 39) eingeschlafen sei (v. 39–41a ). In den Bildern eines Traums sieht er sich als Angler (v. 41b–43). Er fängt einen großen goldenen Fisch (v. 44–53a ). Den Kampf mit der Beute schildert er in aller Breite. Als Asphalion den ungewöhnlichen Fang gelandet hat, erfaßt ihn ein Schrecken. Es kommt ihm der Gedanke, er könne mit dem Fang eine Schutzmacht des Fisches (Poseidon oder Amphitrite) beleidigen. Er setzt den Fisch aber nicht ins Wasser zurück, sondern glaubt sich zu retten mit dem Schwur, nicht mehr aufs Meer zu fahren, um an Land mit dem gewonnenen Gold wie ein König zu leben (v. 53b –60). So will er einerseits den Gottheiten, die er möglicherweise beraubt hat, mit einem Verzicht Genugtuung leisten, andererseits ist nicht zu verkennen, daß ihm als Reichgewordenem der Verzicht aufs Fischen leicht fällt und ihn überdies davor bewahrt, sich etwaigen Sanktio-

458 Der Ausdruck ‚n mËss˙ hat hier die Bedeutung »near at hand«: Gow (2 1952) 2, 374 ad locum und ausführlich Headlam-Knox (1922) 310 zu Herod. mim. 6, 81 ¢lhjen ö Bitêdoc ‚n mËswi. 459 Qrhstà (v. 29) könnte auch mehrere ›gute‹ Träume meinen. Im Folgenden geht es aber immer nur um einen einzigen Traumzusammenhang.

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Idyll 21

nen einer Meeresgottheit auszusetzen. Seine Gedankengänge wecken ihn auf (v. 61–62). Eine Pointe des Geschehens liegt darin, daß Asphalion, der ›Sicherer‹, 460 sich im Traum durch seinen Schwur klug gegen mögliche Rache der Götter abgesichert zu haben glaubt. Nach dem Erwachen findet er sich jedoch in seinem elenden Fischerleben wieder und muß nun auch noch befürchten, gegen sein im Traum geleistetes Gelöbnis zu verstoßen, wenn er weiter zum Fischfang auf das Meer fährt. Am Ende des Dialogs gibt der Kamerad seine ›Deutung‹ des Traumes (v. 63–67). Er greift dabei das Stichwort ›Angst‹ (v. 62 tarb¿, das letzte Wort in Asphalions Traumerzählung) direkt auf mit dem Zuspruch ›fürchte dich nicht‹ (mò s‘ge, mò trËss˘c, die ersten Worte in v. 63). Dann spricht er das Schlußwort, mit dem zugleich auch das ganze Gedicht endet: der Traum ist Trug (v. 63–64), Asphalion soll den echten Fisch ›aus Fleisch und Blut‹ suchen und nicht mit goldenen Fischträumen verhungern (v. 65–67).

2.3.2 Darstellungsform Idyll 21 besteht aus einem längeren Dialogteil (v. 19–67), auf den durch eine zweistufige Exposition des auktorialen Erzählers (v. 1–5 und v. 6–18) hingeführt wird. Das Gedicht kehrt nicht auf diese auktoriale Ebene zurück, sondern bleibt auf der Ebene des Dialogs.

460 Im Traum stellt Asphalion jeden Goldkrümel sicher (v. 56). Zum sprechenden Namen s. Reich (1903) 373; Belloni (2004) 18: »Un omen implicito nel nostro carme, che il nomen del protagonista anticipita e puntualmente realizza. >Asfal–wn (v. 26) si adatta perfettamente alla condizione del pescatore, al suo rapporto con il mare, ma anche rievoca nella nostra memoria un’ immagine di ›sicurezza‹, di ›stabilità‹, che in tutto e per tutto appartiene al cosmo di Asfalione e dell’ Hetairos«. Zum Spiel mit Eigennamen in der hellenistischen Literatur s. allgemein O’Hara (1996) 21–42, zu Theokrit ibid. 37–38 und 267–277: Theokrit spielt z.B. mit der Etymologie Galateia < gàla, ›Milch‹ (id. 11, 20) und Pentheus < pËnjhma (id. 26, 26). Es ist aber bemerkenswert, daß gerade in Vergils Eklogen sich nur relativ wenige etymologische Wortspiele finden (O’Hara [1996] 243).

2. Das Gedicht

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2.3.3 Bezüge zum Corpus Theocriteum Es ist nicht verwunderlich, daß Idyll 21 einen Weg in das Corpus Theocriteum gefunden hat. Das Gedicht weist eine Fülle von vorwiegend formalen Übereinstimmungen mit den unumstrittenen Gedichten Theokrits auf. Der Umfang von 67 Versen und das hexametrische Versmaß entsprechen dem bei Theokrit Gewohnten. Auch die Qualität der Verse ist auf hohem Niveau: »der Versbau stimmt, soweit die Korruptel es beurteilen läßt, zu hellenistischer Technik in Zäsur, Vokalverkürzung, Daktylenhäufungen, ohne die Feinheit ganz zu erreichen.« 461 Wilamowitz’ Einschränkung in der qualitativen Beurteilung – teilweise Mangel an »Feinheit« – basiert auf zwei Beobachtungen: (1) Dem Enklitikon ‚st–n am Anfang von v. 33. Doch verweist Gow für ähnliche Versanfänge auf Parallelen aus Epos und Tragödie (z. B. Ilias 6, 272 und Aischylos, Ag. 1232; dort jeweils als Vollverb Ístin). 462 (2) Der Zäsurposition hinter dem Artikel in v. 47, also innerhalb eines Wortbildes: t‰n kàlamon d+ Õp‰ t¿ | kin†matoc Çgk‘lon e⁄qon. Zäsurposition nach Artikel findet sich auch am Anfang von Idyll 3: kwmàsdw pot» tÄn | >Amarull–da, ta» dË moi a⁄gec (v. 1). 463 An dieser Stelle könnte eine Zäsur als Mittel zur besonderen Hervorhebung des Eigennamens der besungenen Amaryllis allerdings eher gerechtfertigt werden. Idyll 21 enthält dorische Formen, Tr klassifiziert den Dialekt entsprechend als dorisch (»Dwr–di«). Eine exakte Rekonstruktion des Dialekts ist jedoch aufgrund der schmalen Überlieferungslage schwierig. Gows Zurückhaltung ist auch dadurch mitbedingt, daß er das Gedicht für unecht hält: »It is perhaps doubtful however how far strict Doric should be restored to this poem«. 464 Das Fischeridyll weist, anders als etwa Idyll 20 und 27, nur wenige direkte sprachliche Anklänge an andere, umstrittene wie unumstrittene, Gedichte des Corpus Theocriteum auf. Arland vermerkt insgesamt drei derartige Parallelen: 465 Der Ausdruck Çndràsin ‚rgat–naisi (v. 3) erinnert an 461 Wilamowitz (1906) 83 mit Anm. 1. 462 Aisch. Ag. 1232–1233 Ístin – t– nin kalo‹sa dusfil‡c dàkoc / t‘qoim+ än und Il. 6, 271–272 pËplon d+, Ìc t–c toi qariËstatoc öd‡ mËgistoc / Ístin ‚n» megàr˙ ka– toi polà f–ltatoc aŒt¨; Soph. OT 89; OC 1168. S. Gow (2 1952) 2, 377; Denniston (1957) 182 zu Aischylos; ferner Campbell (1938) 27. 463 Gow (2 1952) 2, 379; Beckby (1975) 399 zu id. 3, 1. 464 Gow (2 1952) 2, 371. 465 Arland (1937) 29 Anm. 2. – Zu den grundsätzlichen Problemen von Gows Textkonstitution, soweit sie die umstrittenen Gedichte betrifft, s. oben S. 96.

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die Wendung ‚rgàt¯ Çndr– im Schnitter-Idyll 10 (v. 9). 466 Auffällig ist auch die poetische Umschreibung für den Verlauf der Nacht: ko÷pw t‰n mËsaton drÏmon änuen ârma Selànac (v. 19); sie ähnelt der Formulierung ko÷pw tÄn mesàtan Âd‰n änumec in Idyll 7 (v. 10). Schließlich hat die Junktur t‰ kal‰n jËroc (v. 26) eine exakte Parallele in Idyll 6 (v. 16). Ein auch im Inhaltlichen liegender Grund zur Aufnahme des Gedichts in das Corpus Theocriteum liegt darin, daß es – zumindest auf den ersten Blick und in Einzelzügen – eine Szenerie bietet, die ›bukolisch‹ anmutet: Die Protagonisten gehören der ärmeren, von Handarbeit lebenden Bevölkerung an (ausführlich dazu unten S. 166), die Handlung spielt vor der Kulisse freier Natur, das Geschehen ereignet sich an einem einsamen Ort (v. 17 oŒde»c d+ ‚n mËss˙ ge–twn pËlen). Daß die Szenerie am Meer gelegen ist, ergibt sich aus dem Thema; es erinnert am ehesten an Theokrits Polyphemgedichte Idyll 6 und 11, in denen ein besonderer Reiz gerade darin besteht, daß der ›Hirt‹ Polyphem mit seinen ländlichen Wertvorstellungen der Welt des Meeres, zu der die angebetete Galateia gehört, gegenübersteht. 467 Auch die Zeit ist eine andere: Während sich die Hirten während des Tages treffen (vgl. z. B. id. 1, 15–16 oŒ jËmic, ¬ poim†n, t‰ mesambrin‰n oŒ jËmic ämmin / sur–sden), spielt sich die Unterhaltung der Fischer in der Nacht gegen Morgenanbruch ab (v. 6ff.). 468

2.3.4 Abweichungen vom Corpus Theocriteum Den festgestellten Merkmalen, die eine Zuordnung zur Bukolik begründen könnten, steht eine Reihe von Beobachtungen gegenüber, die den Eindruck signifikanter Ferne erzeugen. Der oben gegebene Forschungsüberblick zur Einschätzung von Echtheit oder Unechtheit zeigt bereits an, daß das Gedicht 466 Das Wort ‚rgat–nhc erscheint selbst auch in Idyll 10 (v. 1) und ist sonst nicht vor der Zeit des Theokrit und des Apollonios belegt; s. Gow (2 1952) 2, 371. Vgl. Ap.Rh. 2, 376. 663; 3, 1323. 1342. 467 Dazu Köhnken (1996b) bes. 172–174; Stanzel (1995) 159: »Dieses vom Kyklopen angepriesene Landleben, das Galateia nicht einmal abzulehnen scheint, … steht jedoch nicht der städtischen, sondern einer ganz anderen Welt gegenüber: der des Meeres, in der die spröde Galateia beheimatet ist. Gegen diese muß Polyphem seine eigene ländliche Welt verteidigen. Andererseits orientiert sich sein gesamtes Denken an ländlichen Kategorien und Wertmaßstäben.« 468 Vgl. Reinhardt (1988) 23: »Der Leser erfährt nicht, wo und wie die Hirten wohnen, was sie am Abend oder in ihrer Freizeit machen …«

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Anlaß gegeben hat, seine Eigenheit und Tendenz außerhalb der allgemein als Bukolik angesprochenen Literatur zu suchen, etwa in einer unbukolischen ›moralisierenden‹ Belehrung oder in dem auffällig ›herben‹ Realismus. 469 In der Echtheitsdiskussion ist eine Reihe von Argumenten aus dem Wortgebrauch des Dichters hergeleitet worden. Die dabei getroffenen Feststellungen tragen auch unter Absehen von der Fragestellung unter diesem (einseitigen) Gesichtspunkt zur genaueren Erfassung des Eigenwerts der Dichtung bei. Zunächst enthält Idyll 21 eine Reihe von Wörtern und Wortformen, die sonst im gesamten Corpus Theocriteum nicht vorkommen: a fn–dion (v. 5), meled∏nh (5), ‚gg‘ji (8), äjlhma (9), prosnàqw (18), ‚rËjw (21), min‘jw (23), traferÏc (44), örËma (56), tarbËw (62) und mate‘w (65). 470 óAjlhma in der Bedeutung ›Handwerksgerät‹ (von Fischern), definiert durch taÿn qeiroÿn, ist in der griechischen Literatur sonst gar nicht belegt. Gow verweist als nächste Parallele auf eine Stelle bei Oppian, an der Çjle‘ein die Arbeit der Fischer bezeichnet: … ‚n» pÏnt˙ / ändrec Çejle‘ousi talàfrona jum‰n Íqontec (Hal. 3, 39–40). Man kann noch eine weitere Stelle hinzufügen: tlhsipÏnoic d+ Ålie‹sin ÇtËkmartoi m‡n äejloi (Hal. 1, 35).471 Ungewöhnlich ist ebenfalls die Verwendung von traferÏc, das sonst ›trocken‹ bedeutet, 472 hier aber, wenn richtig, im Sinne von (eŒ)trÏfimoc und in Ableitung von trËfw ›fett, wohlgenährt‹ verstanden sein muß. 473 Eine mögliche Alternative bestünde vielleicht darin, trufer¿n statt trafer¿n zu lesen. Daß in der Überlieferung des Gedichts traf- und truf- verwechselt werden, zeigt v. 18. Dort ist lediglich truferÏn überliefert, traferàn ist eine (an dieser Stelle überzeugende) Konjektur von Ahrens. Das Adjektiv truferÏc, ›üppig‹, in Bezug auf einen Fisch wäre zwar auffällig, paßt jedoch gut zu dem im ganzen außergewöhnlichen Traum vom goldenen Fisch. Es gibt weiter eine Reihe von Wörtern, die sich nur in Idyll 21 und in einem weiteren ebenfalls umstrittenen Gedicht finden: jlibomËnan (v. 18 und id. 20, 4), ‚dÏkeuon (42 und id. 9, 26), mante‘etai (45 und id. 25, 178), sidàroic (49 und id. 25, 274), e⁄ta (50 und id. 8, 31). Jl–bw bedeutet an der 469 Reich (1903) 373. 470 Für die nachstehenden Beobachtungen s. generell Brinker (1884) 45ff.; Cholmeley (2 1919) 54; Wilamowitz (1906) 83; Arland (1937) 36 mit Anm. 20. 471 LSJ 32, s.v. äjlhma II? Gow (2 1952) 2, 372 ad locum; s. auch die in Anm. 482 zitierte Oppian-Stelle. Gemeint ist in id. 21 ein Gerät, mit dem man sich der Grundbedeutung von ajl- entsprechend ›qualvoll abmüht‹. 472 LSJ 1811, s.v. traferÏc II. 473 Gow (2 1952) 2, 378–379 ad locum; Wilamowitz (1906) 83.

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Parallelstelle in Idyll 20, 4 ÇstikÄ qe–lea jl–bein ›(die städtischen Lippen) drücken‹, an der schwierigen und teilweise verderbten Stelle in Idyll 21 dagegen wohl ›bedrängt‹. 474 Weitere sprachliche Auffälligkeiten sind die kurze Messung des u in  qj‘a und  qj‘n (v. 45. 49), 475 die Verbindung von Ómnumi mit oŒ (59) 476 sowie die Verwendung von f–loc im Sinne von ›gewohnt, bekannt, beliebt‹ (20). Wilamowitz kritisiert u. a. noch das »prosaische« m†ti (v. 54), doch kommt dies auch in Idyll 7 vor (v. 106). Gow beobachtet einen relativ freien Gebrauch von än (v. 4. 34) und stellenweise einen Wortgebrauch, der sonst nicht für das 3. Jahrhundert belegt ist, wie der Plural s–dara (v. 49). 477 Was ergibt sich aus diesen Beobachtungen zum Sprachgebrauch in Idyll 21? In Bezug auf die Echtheitsfrage sind mit Gow zwei grundsätzliche Einschränkungen zu machen. Zum einen ist die Überlieferung des Gedichts sehr unsicher, zum anderen bietet das Corpus Theocriteum eine zu schmale Grundlage für statistische Untersuchungen, die zusätzlich noch dadurch erschwert werden, daß Theokrits Werk sich durch ein hohes Maß an Innovationsfreude auszeichnet. 478 Die Unsicherheit über die Zuordnung von Idyll 26 (oben S. 12–13) zeigen, wie subjektiv stilkritische Argumente und Wortstatistiken sein können. Fritzsche hat hingewiesen auf die »studierte Breite, mit welcher der Dichter das Elend der Fischer ausmalt und einen Katalog ihrer Utensilien gibt«. Er sieht darin sogar »einen charakteristischen Unterschied von den bukol. und mimischen Gedichten Theokrits.« 479 Ein Aspekt ist dabei jedoch übersehen, den Arland aufdeckt: »Der Dichter der Afrod–th leukojËa verehrt wurde. 541 Der Text spricht von einem Fischer, der einen ›Leukos‹ genannten Fisch (…er‰n  qj‘n / Án le‹kon kalËousin, v. 3–4) 542 einer Göttin, vielleicht der deifizierten Berenike, als Opfer darbringt. 543 Bei aller Verschiedenheit der Umstände liegt darin eine Parallele zu Idyll 21, daß der Fischer in der Berenike einen Fisch (Á gàr j+ …er∏tatoc ällwn, v. 4) als etwas Besonderes empfindet. In der Berenike steht allerdings die Weihung mit der Bitte um guten Fang im Vordergrund (‚pagros‘nhn te ka» Ólbon, v. 1), in Idyll 21 geht es nicht um eine Dedikation, sondern um die Befürchtung, einen religiösen Frevel begangen zu haben. Die Durchsicht ergibt, daß das Fischermotiv im Corpus Theocriteum insgesamt viermal erscheint, davon dreimal in Gedichten, die einhellig als genuin angesehen werden, den bukolischen Gedichten Idyll 1 und 3 sowie 540 Die Tätigkeit des Thunfischspähers, des junnoskÏpoc, der von einer Anhöhe ausspäht und die Kollegen vom Eintreffen der Fische unterrichtet, schildert Oppian: pollò d+ ÍkpaglÏc te par–statai  qjubÏloisin / ägrh, Ìt+ e arin‰c j‘nnwn strat‰c Ârm†swntai. / q¿ron m‡n pàmprwton ‚pefràssanto jalàsshc / o÷te l–hn steinwp‰n ‚phrefËessin Õp+ Óqjaic / o÷te l–hn ÇnËmoisin ‚p–dromon, ÇllÄ ka» a“jr˘ / ka» skepanoÿc keujm¿sin ‚na–sima mËtra fËronta. / Ínj+ ¢toi pr¿ton m‡n ‚p+ Órjion ’yi kolwn‰n / “dric ‚pamba–nei junnoskÏpoc, Ìste kio‘sac / panto–ac ÇgËlac tekma–retai, a— te ka» Ìssai, / pifa‘skei d+ ·tàroisi (3, 631–640). Vgl. auch Aristoph. Eq. 313 kÇp‰ t¿n petr¿n änwjen toÃc fÏrouc junnoskop¿n über Kleon. 541 Gow (2 1952) 2, 521; Beckby (1975) 526; Hunter (2003) 7. 542 Vergleichbar ist vielleicht Oppian Hal. 4, 244 und Ael. NA 1, 55. 543 Hunter (2003) 63.

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dem Fragment Berenike. In den beiden erstgenannten Gedichten spielen die Fischer keine zentrale Rolle als handelnde Personen, das Fragment läßt keine abschließende Feststellung zu. Theokrit war also in jedem Fall mit dem Motiv vertraut, unabhängig ob er als Verfasser auch von Idyll 21 angesehen wird oder nicht. Arland, der Idyll 21 aus anderen Gründen für untheokriteisch hält, findet keinen plausiblen Grund, warum nicht auch Theokrit selbst Gedichte wie auf Hirten so auch auf Fischer hätte dichten sollen (Leonidas von Tarent tat es), denn »sie [i. e. die »Fischer«] gehören ihrer ganzen Art nach ebenfalls zur Bukolik«.544

2.3.6 Exkurs: Fischer im Hellenismus Oben wurden bereits Erwägungen darüber angestellt, warum Idyll 21 überhaupt in das Corpus Theocriteum gelangt sein könnte, und auf die Ähnlichkeit der sozialen Stellung und der allgemeinen Lebensumstände von Hirten und Fischern hingewiesen (S. 164). Das Interesse am Typos des Fischers erwächst aus dem überall zu beobachtenden Interesse des Hellenismus an Typen und Personen der niedrigeren sozialen Schichten. Hiermit setzte man sich bewußt von Epos und Tragödie und überhaupt von der älteren Dichtung ab, die mythologische Figuren und Adelige in das Zentrum ihrer Werke gestellt hatten. Daraus erklärt sich auch das Bemühen, dann, wenn man mythologische Themen behandelte, ihnen zumindest teilweise ein verändertes, ›bürgerlicheres‹ Gesicht zu geben, wie dem Kyklopen (idd. 6 und 11) oder dem Haushalt des Kleinen Herakles (id. 24). Besonders ausgeprägt ist diese Tendenz einer Darstellung von lebensweltlichen, alltäglichen Themen etwa in den Mimiamben des Herondas oder auch den Epigrammen des Leonidas. Dieser Umschwung in Bezug auf die Motivwelt in Literatur und bildender Kunst hat seine Ursache oder zumindest seine Entsprechung im politischen Umbruch des vierten Jahrhunderts, der durch die Auflösung der alten Polis- und Sozialstrukturen gekennzeichnet war. 545 544 Arland (1937) 29. 545 So etwa Effe-Binder (2 2000) 15–16: »Diese Umwälzungen … führten zumal bei einer Reihe ästhetisch besonders sensibler Literaten des 3. Jahrhunderts zu dem immer wieder implizit, verhältnismäßig häufig aber auch explizit zum Ausdruck kommenden Bewußtsein, daß die Literatur, sofern sie nicht in epigonaler Imitation versinken wolle, nicht ohne weiteres auf den von den griechischen ›Klassikern‹ gewiesenen Bahnen weiterschreiten dürfe, daß die traditionellen Gattungen, wie etwa das Homerische Großepos oder die attische Tragödie, deren gesellschaftliche Basis die Adelskultur bzw. die Welt der auto-

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Fischer gehörten generell in dieselbe soziale Kategorie von Handarbeit lebender ›einfacher‹ Leute. 546 Ihr Gewerbe hatte während der gesamten Antike große Bedeutung, im Hellenismus nahm sie wegen der Versorgung der größer werdenden Städte weiter zu. Besonders in Ägypten entwickelte sich eine hochdifferenzierte Wirtschaft in Fang, Zucht und Handel. 547 Daß bei der sozialen Zugehörigkeit zu unterscheiden ist, daß nicht alle Fischer gleichermaßen arm waren, versteht sich wie bei vergleichbaren Berufsgruppen von selbst: »Auch der Stand der Fischer war sehr differenziert. Es gab freie, oft mit Angestellten arbeitende Großfischer, kleine, sich kümmerlich ernährende, einzeln arbeitende oder in Genossenschaften vereinigte Fischer, Seefischer, Flußfischer, Muschelfänger, Perlmuscheltaucher«. 548 Insgesamt gilt aber für die gesamte Antike das abwertende, geradezu ›antiheldische‹ Bild, das Platon in den Nomoi gibt und das u. a. Plutarch wieder aufgreift. Demnach sind Fisch- und Vogelfang eines freien Mannes unwürdig, zumindest insofern sie auf die ›bequeme‹ Art des gewerblichen Netz- und Reusenfangs erfolgen: flW f–loi, e“j+ Õmêc m†te tic ‚pijum–a m†t+ Írwc t®c per» jàlattan j†rac pot‡ làboi mhd‡ Çgkistre–ac mhd+ Ìlwc t®c t¿n ‚n‘drwn zºwn, m†te ‚grhgorÏsin m†te e’dousin k‘rtoic Çrg‰n j†ran diaponoumËnoic. mhd+ afi ägrac Çnjr∏pwn katÄ jàlattan l˘ste–ac te —meroc ‚pelj∞n Õmÿn jhreutÄc ≤moÃc nomen Polis gewesen war, aufgrund der historischen Veränderungen obsolet geworden seien und daß die Literatur deshalb neue, zeitgemäße Wege einzuschlagen habe. Damit kam ein Entautomatisierungs- und Innovationsprozeß in Gang, der das gesamte konventionelle Gattungssystem erfaßte, zur Etablierung neuer Gattungen und literarischer Ausdrucksweisen führte und der Literatur neue Themen erschloß, insbesondere den von der Dichtung bisher weitgehend ausgesparten Bereich des lebensweltlichen Alltags, der Welt der ›kleinen Leute‹.«; s. auch Bernsdorff (2001) 47. 546 S. oben S. 164 und 175. 547 Zur Bedeutung der Fischerei für die antike Ökonomie s. Bohlen (1937); Rostovtzeff (1955–1956) 2, 941–943; Engemann (1969); Pékary (2 1979) 43–75, hier bes. 62–63; Sozialgeschichtliches bei Gschnitzer (1981) 51. Für die ägyptische Wirtschaft s. z.B. P. Oxy. 4440 (ed. Handley-Wartenberg [1997] 168–171). 548 Schneider (1967–1969) 2, 97. Zur sozialen Stellung der Fischer s. weiter besonders Laubscher (1982) 45–46: »Fischer und Hirten standen auf den untersten Stufen der griechischen Gesellschaft. Die Frage, ob es sich nun bei den hellenistischen Genrefiguren um Bilder von Freien, Abhängigen oder Sklaven handelt, ist daher nur von sekundärem Interesse; an der inhaltlichen Aussage ändert sie nichts. Denn die Dargestellten wurden mit den Augen der Oberschicht gesehen, der graduelle Unterschiede auf einer so niedrigen sozialen Ebene unwesentlich erscheinen mußten.« Weiter: Engemann (1969) 979; Himmelmann (1980) 54; Hölscher (1992) 213; Gutzwiller (1998) 94 mit Anm. 116; Bernsdorff (2001) 22–24; Plut. soll. anim. 965 E – 966 B.

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ka» ÇnÏmouc Çpoteloÿ; klwpe–ac d+ ‚n q∏r¯ ka» pÏlei mhd‡ e c t‰n Ísqaton ‚pËljoi no‹n âyasjai. mhd+ afi pthn¿n j†rac a…m‘loc Írwc oŒ sfÏdra ‚leujËrioc ‚pËljoi tin» nËwn. pez¿n dò mÏnon j†reus–c te ka» ägra loipò toÿc par+ ômÿn Çjlhtaÿc … (leg. 823 d 7 – 824 a 2) 549

Erwartungsgemäß positiver fällt das Urteil Oppians aus, der im dritten und vierten Buch seiner Halieutika die Fangmethoden der Fischer detailliert beschreibt. Er rechnet nicht nur einen kräftigen Körper zu den geforderten Eigenschaften der Fischer, sondern auch gewitzten Verstand: yuqòn d+ ÇspalieÃc polupa–paloc öd‡ no†mwn (3, 41). Die neuere Forschung hat sich mit dem Thema der ›einfachen Leute‹ vor allem aus literarischer und kunsthistorischer Perspektive befaßt. Deshalb soll kurz auf die parallele Entwicklung in der Philosophie eingegangen werden. Denn auch hier vollzieht sich zumindest teilweise ein den übrigen Gebieten vergleichbarer Veränderungsprozeß. Die oben zitierte Passage aus Platon ist typisch für eine auf dem Gegensatz von Geist und Körper aufbauende aristokratisch gesinnte Philosophie. Nach Aristoteles sind Arbeit und Tugend überhaupt unvereinbar, Cicero teilt diese Meinung. 550 Mit dem Christentum ändert sich diese Haltung, aber auch im vorchristlichen Hellenismus zeichnet sich bereits eine entsprechende Tendenz ab. Diese Entwicklung hat Carl Schneider wie folgt zusammengefaßt: »Die Wertschätzung der Arbeit wuchs merklich, solange nicht durch die Kriege und Seeräubereien des zweiten Jahrhunderts große Sklavenmassen das gesamte 549 Vgl. auch Soph. 218d (dazu Schöpsdau [2003] 625–630). Danach Plutarch soll. anim. 965e–966b: di‰ ka» Plàtwn afi pàlin Çpeÿpe nomojet¿n mêllon d+ Çpe‘xato toÃc

nËouc jalatt–ou j†rac Írwta labeÿn; oŒd‡n gÄr Çlk®c gumnàsion oŒd‡ melËthma sof–ac oŒd+ Ìsa pr‰c  sqÃn £ tàqoc £ kin†seic diapono‹si toÿc pr‰c làbrakac £ gÏggrouc £ skàrouc Çg¿sin …. Aelian differenziert vier verschiedene Arten des Fischfangs u.a. nach dem Kriterium, ob sie mit dem Status des freien Mannes vereinbar sind oder nicht (12, 43). 550 Arist. Pol. 3, 5 (1278a 20): oŒ gÄr oŸÏn t+ ‚pithde‹sai tÄ t®c Çret®c z¿nta b–on bànauson £ jhtikÏn; Cicero nennt off. 1, 150 eigens die Fischerei unter den am wenigsten zu billigenden artes: Iam de artificiis et quaestibus, qui liberales habendi, qui sordidi sint, haec fere accepimus. Primum improbantur ii quaestus, qui in odia hominum incurrunt, ut portitorum, ut feneratorum. Inliberales autem et sordidi quaestus mercennariorum omnium, quorum operae, non quorum artes emuntur; est enim in illis ipsa merces auctoramentum servitutis. Sordidi etiam putandi, qui mercantur a mercatoribus, quod statim vendant; nihil enim proficiant, nisi admodum mentiantur; nec vero est quicquam turpius vanitate. Opificesque omnes in sordida arte versantur; nec enim quicquam ingenuum habere potest officina. Minimeque artes eae probandae, quae ministrae sunt voluptatum ›cetarii, lanii, coqui, fartores, piscatores‹, ut ait Terentius; s. auch Dyck (1996) 333–336 ad locum.

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Leben veränderten. Solange freie Menschen in allen Berufen tätig waren, blieb fast jede Arbeit geachtet. Das war, obwohl es oft übersehen wird, immer schon griechische Art. Nur die Griechen kannten arbeitende Götter und hatten für jeden Arbeitszweig besondere Schutzgötter: Athene Ergane, Hermes, Hephaistos und vor allem Herakles, der jede Arbeit und Mühe auf sich nahm. Im Technitenvergleich hatte die Philosophie vom Handwerker, Steuermann, Arzt, sogar vom arbeitenden Sklaven gelernt. Das alles wurde im Hellenismus gesteigert. Zahlreiche neue Zünfte, Gilden und Arbeitervereinigungen sammelten sich um einen bestimmten Gott oder eine Göttin, die die Arbeit ihrer Mitglieder segnete und schützte. Die hellenistische Philosophie, deren Vertreter aus nahezu allen Ständen kamen, mühte sich um ein Verständnis des arbeitenden Menschen, die Künstler bildeten ihn ab oder wählten reizvolle Motive aus seiner Welt. Das konnte zu einem neuen Arbeitsstolz besonders da führen, wo bestimmte Berufe sich in einzelnen Familien weiter vererbten oder wo ein neues Arbeitsethos die Menschen innerlich glücklich machte. Doch enthüllte sich die Gegensätzlichkeit des hellenistischen Menschen und seiner Weltschau auch hier. Der arbeitende Mensch ist Schöpfer und seine Arbeit ist Kunst (dhmiourgÏc, tËqnh), aber die Arbeit drückt ihn auch und ist schwere Mühe (pÏnoc). Doch wurde auch dieses Leidvolle der Arbeit hoch gewertet, und der hellenistische Kynismos ist bis zu der Erkenntnis vorgedrungen, daß nichts schlimmer sei als ein Leben ohne Mühe. Seine Gegner, die Epikureer, haben das zwar abgelehnt, aber auch sie betonten, daß Arbeit Freude sein könne. Bis zu Plutarch hin wiederholen alle, daß Untätigkeit die wirkliche Seelenruhe nicht zu geben vermöge. Auch dabei konnten starke religiöse Impulse mitsprechen: ›Denkst du denn, die Götter helfen dir, wenn du schläfst?‹« 551

Die Tendenz zur Aufwertung der Arbeit, die bei den Kynikern sicher auch Teil ihrer allgemeinen Gesellschaftskritik bildete, findet sich schon in der älteren Stoa. 552 Von Kleanthes wurde berichtet, daß er, zunächst Faustkämp551 Schneider (1969–1979) 2, 72–73. – Zur Bewertung der Arbeit in der Philosophie im Hellenismus s. weiter Chenu (1971) 480–482; Schmidt (1973) 266–269; Hauck (1950) 585–588. Wichtig auch Pohlenz (1965) 2, 1–37 über »Die hellenistische Poesie und die Philosophie«, hier bes. 4–7 zu Leonidas; für den allgemeinen Hintergrund Weinstock (1954) bes. 7–16. In Zusammenhang mit Leonidas von Tarent geht auch Gigante (1971) 45–73 näher auf diese Fragestellung ein; ibid. 45–51 auf den möglichen Einfluß besonders der kynischen Philosophie auf den Epigrammatiker; s. auch Geffcken (1896) 138. Zu Hesiod s. oben S. 157–158. 552 Vgl. z.B. Edelstein (1966) 75: »… there can be no doubt that in the analysis of social obligations the Stoics cut through all the old established and inherited prejudices of the Greeks. This is first of all true of the Stoic estimate of manual labor … Stoic philosophy attributed to work a value of its own, however. Work is a natural human occupation and does not exclude man from a virtuous life«; Pohlenz (6 × 7 1991–1992) 1, 302: »Von der Natur ist der Mensch zur Arbeit bestimmt, und keine ehrliche Arbeit

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fer, es mit großem Eifer als Brunnenschöpfer zum Spitznamen Freàntlhc (›Brunnenschöpfer‹) brachte und wegen seines Arbeitsfleißes ›zweiter Herakles‹ genannt wurde. 553 Er reagierte mit Zustimmung auf die Frage, ob der pÏnoc ein Gut sei. Diese Einstellung blieb auch später stoisches Allgemeingut. Beispielhaft zeigt sich das an Paulus, dessen Arbeitsethos auch in stoischen Ansichten wurzeln dürfte. Er sah es als Ehre an, durch handwerkliche Arbeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben, dadurch von Anderen unabhängig zu sein und sich in den Stand zu setzen, Gutes zu tun. 554 Später findet sich bei Musonius ein Lob der Arbeit, und auch Marc Aurel betont ausdrücklich, daß die Arbeit nicht naturwidrig (parÄ f‘sin) sei. 555 Obwohl oder gerade weil der Hellenismus eine ausgeprägte ›Stadtkultur‹ war, interessierte man sich besonders für die einfachen Leute auf dem Land, für Hirten, Jäger und Fischer. 556 Dieses Interesse, das gleichermaßen für Literatur und bildende Kunst gilt, hat im literarischen Bereich einen breiten Niederschlag gefunden: die Figur des Hirten vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, in der bukolischen Dichtung Theokrits und seiner Nachfolger;557 die des Jägers besonders in den Epigrammen der Anthologie; die des Fischers in Idyll 21 sowie in einer Reihe von weiteren Texten außerhalb des Corpus Theocriteum. Welche Vorbilder oder Parallelen lassen sich für das Fischermotiv in der hellenistischen Literatur anführen? Die Epigramme des Leonidas wurden bereits im Zusammenhang von Stil, Vokabular und Darstellungstechnik im Vergleich zu Idyll 21 behandelt (s. oben S. 169). Sophron, ein Zeitgenosse des Euripides (Suda S 893), verfaßte sich am Alltagsleben orientierende Mimen,

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schändet. Am nächsten steht aber der Natur … die Landarbeit, die Musonius sogar für die philosophische Erziehung nutzbar machen möchte, und einen besonderen Vorzug gewinnt er als Italiker dem Hirtenleben ab, das dem Menschen Zeit zum Nachdenken und zur Selbstbesinnung läßt.« Die politische Bedeutung des stoischen Lobes auf die Arbeit betont Simon (1956) 76. Diog. Laert. 7, 168; SVF I 463; Pohlenz (2 1964) 11–12. 1 Thess. 4, 11 und Eph. 4, 28. SVF I 611; Marc Aurel 6, 33 und 7, 64. – Die Bewertung handwerklicher Tätigkeit im Besonderen zur Zeit des Hellenismus bedarf einer weitergehenden Untersuchung, da die oben zitierten Einschätzungen von Edelstein und Pohlenz teilweise aus späteren Quellen (römischer Zeit) auf den frühen Hellenismus zurückzuschließen scheinen. Schneider (1967–1969) 2, 93. – Übersichten zum Fischermotiv in der antiken Literatur bei Bunsmann (1910); Birt (1881) 54ff.; Legrand (3 1967) 2, 48–49; Elliger (1975) 285ff. 371; Laubscher (1982) 91. Hirten in der nicht-bukolischen Dichtung bespricht Bernsdorff (2001) passim.

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unter den mÿmoi Çndreÿoi auch einen Junnoj†rac, ›Thunfischer‹, betiteltes Stück. Von ihm berichtet Aelian im 15. Buch von De natura animalium: J‘nnwn d‡ ära ôirhmËnwn t®i j†rai t®i Pontik®i; ‚g∞ d+ ãn fa–hn Ìti ka» Sikelik®i; £ t– ka» boulÏmenoc ãn t‰n ôdÃn Junnoj†ran  S∏frwn Ígraye? (15, 6; PCG I p. 213, daraus frgm. 45). 558

Dieselbe Nachricht bietet Athenaios in einem den Thunfisch betreffenden Abschnitt, der eine ganze Reihe literarischer Zitate enthält: parÄ S∏froni  junnoj†rac ‚st–n (7, 66 [303 c]). Ein anderes Stück trug nach Athenaios den Titel ApÏllwnoc. Sm–njoc gÄr tÏpoc t®c Trwàdoc, ‚n ≈ …er‰n >ApÏllwnoc Sminj–ou, Çp‰ a t–ac toiêsde; ‚n Qr‘s˘ pÏlei t®c Mus–ac Kr–nic tic …ereÃc ™n to‹ keÿji >ApÏllwnoc. to‘t˙ Êrgisje»c  je‰c, Ípemyen aŒto‹ toÿc Çgroÿc m‘ac, o—tinec toÃc karpoÃc ‚luma–nonto. boulhje»c dË pote  je‰c aŒtƒ katallag®nai, pr‰c óOrdhn t‰n Çrqibo‘kolon aŒto‹ paregËneto. par+ ≈ xenisje»c  je‰c, ÕpËsqeto kak¿n Çpallàxai. ka» dò paraqr®ma toxe‘sac toÃc m‹c, diËfjeiren. ÇpallassÏmenoc ofin, ‚nete–lato tòn ‚pifàneian aŒto‹ dhl¿sai tƒ Kr–nidi. o› genomËnou, Kr–nic …er‰n …dr‘sato tƒ jeƒ, SminjËwc …er‰n aŒt‰ kalËsac. ‚peid†per, katÄ tòn ‚gq∏rion aŒt¿n diàlekton, o… m‘ec, sm–njoi ‚kalo‹nto. ô …stor–a parÄ PolËmwni. 597 Weiß (1996) 168. – Scheer (1993) 289–290 behandelt einen weiteren Münztypus mit Fischer (SNG Aul. 6046; Ziegler [1988] 103, Nr. 781). Die Münzen aus der Zeit Gordians III. zeigen Perseus mit Harpe und einer Kultstatue des Apollon Patroos (Lykeios). Gegenüber steht ein Fischer mit einem Stab, an dessen Ende Fische hängen. Diese Darstellung, für die bisher »noch keine zufriedenstellende Deutung gefunden worden« ist (Scheer), kann mit D. Salzmann ebenfalls auf die mythische Auffindung eines Kultbildes durch Fischer gedeutet werden. 598 Über den Autor ist wenig bekannt. Von ihm stammt wohl auch das Grabepigramm AP 7, 260. Der Name lautet vielleicht Karfull–dhc (wenn beide Epigrammen von demselben Autor stammen); s. Gow-Page (1965) 2, 218–220.

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o kte–rac d‡ nËkun t‰n Çs∏maton, ‚x Çsid†rou qeir‰c ‚piskàptwn lit‰n Íqwse tàfon; 5 e›re d‡ keujÏmenon qruso‹ ktËar. ™ ˚a dika–oic Çndràsin eŒseb–hc oŒk ÇpÏlwle qàric. (AP 9, 52 = HE 2) 599

Daß Landarbeiter beim Pflügen auf Gold stoßen können, wird beiläufig und nahezu wie selbstverständlich in der vierten Ekloge des Calpurnius Siculus gesagt. Im Kontext eines »bukolischen Herrscherlobes«600 preist Amyntas die Zustände, in denen man nichts zu fürchten hat, wenn man beim Graben einen Goldschatz entdeckt und hebt:

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Iam neque damnatos metuit iactare ligones fossor et invento, si fors dedit, utitur auro; nec timet, ut nuper, dum iugera versat arator, ne sonet offenso contraria vomere massa, iamque palam presso magis et magis instat aratro. (ecl. 4, 117–121) 601

Aus den archäologischen und literarischen Zeugnissen ergibt sich – bei aller Verschiedenheit im Einzelnen – ein Bild, wonach Fischer und Hirten durchaus mit Auffindungslegenden verbunden werden konnten.602 Bei Fischern kommt noch hinzu, daß der Antike das Meer mit seinen fernen Welten wie dem mythischen Ogygia oder Scheria allgemein als Stätte sagenhaften Goldvorkommens galt. 603 Vielleicht klingt auch das Motiv an, vom Meer freigegebenes Gold bedeute, wie in Herodots Erzählung vom Ring des Polykrates (3, 42), ein göttliches Zeichen. Der Überblick über die erhaltenen Genreskulpturen bestätigt den aus der Literatur gewonnenen Befund, daß Fischer geradezu typologisch als alte Männer oder gar Greise dargestellt wurden. 604 Darüber hinaus beobachtet Himmelmann an den plastischen Darstellungen einen teilweise herben Realismus, der sich von den idyllisch-sentimentalen Stimmungen der späteren 599 Vgl. dazu vielleicht Artemidor 2, 59 (unten S. 210). 600 Schröder (1991) 11. 601 Die Verse sind wohl zu verstehen als Bezugnahme auf eine römische Gesetzgebung, die Findern kein Eigentum an Schatzfunden zubilligte. Zur Interpretation dieser schwierigen Verse s. Amat (1991) 41. 111–112 Anm. 96. Amat verweist auf Petron Sat. 38, 8. 602 In diesem Zusammenhang kann man noch Aischylos’ Satyrspiel Diktyulkoi (›Netzfischer‹) heranziehen. Das Stück handelt von der ›Landung‹ der Danae und des Perseus auf der Insel Seriphos mit Hilfe von Fischern (TrGF 46a Radt; TrGFS I, p. 5); dazu Krumeich u.a. (1999) 107–124, hier 109–111. Das Staunen der Fischer v. 10ff.: änax PÏseidon Ze‹ t+ ‚nà[lie / [d]¿ron jalàsshc pempet[ / soi jalàsshc d–ktuon d[ … . 603 Schulz (2005) 212. 604 Himmelmann (1980) 84; Laubscher (1982).

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Bukolik abhebt: »Vorweg sei hier auf eine Merkwürdigkeit aufmerksam gemacht, die die Parallelität von Fischer und Hirt betrifft. Im Hellenismus wird der Fischer nicht nur sehr viel häufiger dargestellt, vielmehr beherrscht die damit verbundene veristische Auffassung auch das Hirten-Genre, dessen in der Dichtung entwickelte idyllische Seite in den Bildern lange nicht zum Vorschein kommt. Nachdem die bukolische Darstellung aber einmal diese idyllische Richtung genommen hatte, zog sie umgekehrt auch das Fischerthema mit sich, das auf kaiserzeitlichen Denkmälern in der gleichen Weise als Allegorie friedlichen Glückes in entsprechend zuständlichen Bildern verwendet wird. Diese Erscheinung ist deshalb auffällig, weil es m. W. dafür keinen literarischen Hintergrund gibt. Das Fischer-Idyll, wie es noch auf späten Sarkophagen als Pendant zum Hirten vorkommt, scheint eine eigenständige, durch Angleichung an das bukolische Motiv gewonnene Prägung der bildenden Kunst zu sein.« 605 Diese Beobachtungen bestätigen die Interpretation von Idyll 21 als ein – im Vergleich zum übrigen Corpus Theocriteum – besonders realistisches Werk. Auch Himmelmann selbst versteht Idyll 21 so und faßt es als ebenso realistisch auf wie die Becherbeschreibung in Idyll 1. Zwar bezeichnet er Idyll 21 durchgehend als »pseudotheokriteisch«, in seiner Interpretation behandelt er es aber – zu Recht – wie ein Gedicht, das, wenn nicht von Theokrit selbst verfaßt, so aber doch aus dem selben Geist stammt, den Himmelmann von der späteren ›sentimentalischen‹ Dichtung abhebt. Kontrovers ist die generelle Deutung der hellenistischen Genreskulpturen. Eine politisch-sozialkritische Interpretationsrichtung lehnt Himmelmann lehnt. Er begründet dies mit dem Hinweis auf die literarischen Zeugnisse (besonders Leonidas), mit den Elementen des Grotesken und Obszönen, die sich neben Alter und Armut fänden, und schließlich mit der von politischen Schwankungen weitgehend unabhängigen Ikonographie. 606 Dagegen meint Laubscher in den Fischerskulpturen eine politische Signifikanz erkennen zu können. Nach ihm sind Alter und Häßlichkeit die konstitutiven Elemente des ganzen Genres, und beide deutet er so, daß sie abwertend gemeint seien: »Eine motivische Beschränkung auf alte Menschen konnte der Betrachter nur als negative Aussage werten. Denn daß das Alter als böses Schicksal, als ein großes Übel empfunden wurde, ist eine bekannte, in der antiken Literatur oft ausgesprochene Vorstellung. Mit besonderer Härte mußte dieses Geschick alle Handarbeiter treffen, da 605 Himmelmann (1980) 100. 606 Himmelmann (1980) 88–89.

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deren materielle Existenz vom Vollbesitz ihrer körperlichen Kräfte abhing. Die alten Menschen unter ihnen waren höchstens beschränkt arbeitsfähig und daher in den Augen der Gesellschaft keine oder jedenfalls keine vollwertigen Produzenten mehr. Gerade wenn deshalb Vertreter der Unterschicht in bildlichen Darstellungen als alt gekennzeichnet werden, konnte dies nur in pejorativem Sinn gemeint sein.« 607 Diese These muß in mehrfacher Hinsicht angezweifelt werden. Zunächst ist über den Kontext der hellenistischen Originale nichts bekannt, so daß eine übergreifende Deutung sich hier von vornherein als schwierig erweist. Eine pejorative Deutung erlaubt nur ein Teil der Kleinskulpturen, nämlich die Kategorie solcher Figuren, die eindeutig als Karikaturen gekennzeichnet sind. 608 Literarische Zeugnisse stützen die These ebenfalls nicht. In Idyll 1 wird, wie oben ausgeführt, gerade die Kraft betont, die der alte Fischer noch hat.609 Idyll 21 enthält weder Hinweise auf eine sozialkritische Haltung des Autors noch darauf, daß die Fischer pejorativ dargestellt wären. Der Gedanke an Sozialkritik entfällt schon durch den ersten Vers des Gedichts, in dem die Armut geradezu positiv oder zumindest produktiv dargestellt ist, denn sie ist es ja, die den Menschen zur Entwicklung von Künsten antreibt: Å pen–a, DiÏfante, mÏna tÄc tËqnac ‚ge–rei. Auch sonst enthält der Text bei aller realistischen Zeichnung keine Hinweise auf eine Verachtung der Fischer. Die auktoriale Einleitung beschreibt ihr Leben, ihre Geräte und ihre Behausung mit einer Detailgenauigkeit, die eher Sympathie als Abscheu zeigt. Oben wurde bereits in Anschluß an Gutzwillers Interpretation der verwandten Leonidas-Epigramme darauf hingewiesen, daß übertreibende Ausdrücke die Fischer eher mit freundlichem Humor als mit negativer Ironie darstellen. Schließlich ist der ›Ausbruch‹ des Asphalion aus der bedrängten Lage seines Fischerlebens in einen Traum verlegt, der ein typischer Wunschtraum ist: vom Armen, der einen großen Goldschatz findet und sich nie wieder Sorgen machen muß. Daß der Gefährte ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen versucht 607 Laubscher (1982) 44, s. auch 45: »Mit visuellen Mitteln sollten hier Angehörige der Unterschicht als sozial und moralisch minderwertig gekennzeichnet werden«. 608 Diesen Hinweis verdanke ich Dieter Salzmann. 609 In demselben Sinn wendet sich auch Stanzel (1995) 11–12 gegen Laubschers These: »Gegen Laubscher, der die Beschreibung Theokrits für seine Deutung der Genre-Darstellungen in Anspruch nimmt, ist darauf zu verweisen, daß das Alter des Mannes sowie die Mühsal seines Geschäfts zwar eindringlich beschrieben werden, andererseits aber immer wieder die seinem Alter entgegengesetzte jugendliche Kraft zum Ausdruck kommt. Da in der Beschreibung des Dichters nichts auf das ›Hinfällige‹ und ›Häßliche‹ deutet, halte ich Laubschers Interpretation für ausgeschlossen.«

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und mahnt, sich wieder dem realen Leben zuzuwenden, ist gerade keine Sozialkritik, sondern eher (resignierende) Akzeptanz der Gegebenheiten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der generellen Bewertung des Alters im Hellenismus. 610 Laubscher scheint in seiner Argumentation davon auszugehen, daß in der Antike durchgehend eine negative Bewertung des Alters vorgeherrscht hätte. 611 Der Hellenismus hat dem Alter ganz generell mehr Beachtung geschenkt als die vorangegangenen Epochen. Dasselbe Interesse, das zur ›Entdeckung‹ bisher wenig beachteter sozialer Gruppen führte wie der Hirten und Fischer, führte auch zur ›Entdeckung‹ neuer Lebensaltersstufen des Menschen: Der Hellenismus wollte den ganzen Menschen in seinen sämtlichen Facetten erfassen. Der Umschwung hinsichtlich der Lebensalter ist beim Greis etwas weniger radikal als beim Kind, das der Hellenismus erst wirklich in seiner Eigenart entdeckt hat. 612 Aber auch die literarischen und bildlichen Darstellungen von Greisen nehmen nun sprunghaft zu. Wie bei der Wertschätzung der Arbeit läßt sich auch bei der Würdigung des Alters dieser Prozeß in der philosophischen Diskussion nachvollziehen. Natürlich existierte in vorhellenistischer Zeit nicht einfach ein einheitlich negatives Greisenbild. 613 In Platons Staat haben die Alten eine durchaus herausgehobene Stellung, in der Wirklichkeit Spartas war dies auch der Fall.614 Und neben der lyrischen Altersklage eines Mimnermos steht die abgewogenere Sicht eines Solon. 615 Während Aristoteles noch ein überwiegend negatives Bild vom Greisenalter gezeichnet hatte, 616 entstand im Umfeld seiner Schüler ein durch ihn 610 S. bes. den von der Archaik bis zur Spätantike reichenden Überblick bei Gnilka (1983) passim, zum Hellenismus bes. 1021–1034. Weiter Brandt (2002) bes. 89–113; GutsfeldSchmitz (2003) passim; Weber (2003) 113–137; Sigismund (2003) passim, bes. 8–45 »Forschungsübersicht zum Thema Alter in der Antike«; Schmakeit-Bean (2005) 124–140. 611 Laubscher (1982) 45. 612 Gnilka (1983) 1032; Ambühl (2005) passim. 613 S. dazu die Überlegungen von Gutsfeld (2003) 210–211. 614 Baltrusch (2003); Schmitz (2003). 615 Gnilka (1983) 1011–1015; Brandt (2002) 50–54. 616 Vgl. beispielsweise Rhetorik 1389b13–1390a23: t‰ m‡n ofin t¿n nËwn toio‹tÏn ‚stin ™joc,

o… d‡ presb‘teroi ka» parhkmakÏtec sqed‰n ‚k t¿n ‚nant–wn to‘toic tÄ pleÿsta Íqousin ¢jh; diÄ gÄr t‰ pollÄ Íth bebiwkËnai ka» ple–w ‚xhpat®sjai ka» ‚xhmarthkËnai, ka» tÄ ple–w fa‹la e⁄nai t¿n pragmàtwn, o÷te diabebaio‹ntai oŒdËn, ©ttÏn te ägantai pànta £ deÿ. ka» o“ontai, “sasi d+ oŒdËn, ka» Çmfidoxo‹ntec prostijËasin Çe» t‰ “swc ka» tàqa, ka» pànta lËgousin o’twc, pag–wc d+ oŒdËn …; dazu Gnilka (1983) 1013–1014. Eine andere Bewertung des aristotelischen Standpunktes findet sich bei Byl (1974) 113–126.

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angeregtes umfangreiches Schrifttum Per» g†rwc. 617 Für Theophrast und Demetrios von Phaleron ist ein solches Werk bezeugt. Stobaios überliefert den Inhalt einer entsprechenden Schrift des Ariston von Keos, auf die sich später Cicero in seinem Werk über das Alter berief. Vor allem von stoischer, aber teilweise auch von epikureischer Seite erhielt das Greisentum positive Beurteilungen. 618 So verteidigt beispielsweise Kleanthes das Alter, solange er nur darin gesund bleibe: Êneid–santoc aŒtƒ tinoc e c t‰ g®rac, KÇg∏, Ífh, ÇpiËnai bo‘lomai; Ìtan d‡ pantaqÏjen ‚maut‰n Õgia–nonta perino¿ ka» gràfonta ka» Çnagin∏skonta, pàlin mËnw. 619 Diese vielleicht insgesamt als typisch zu bezeichnende Haltung findet ihren Widerhall nicht nur in der oben besprochenen Genrekunst (Hirten, Fischer), sondern auch im hellenistischen Porträt. Nach Erika Simon hat die stoische Aufwertung des Alters einen direkten Einfluß auf zahlreiche Greisenbildnisse der hellenistischen Kunst ausgeübt, nicht zuletzt auf die Porträts der eigenen Schulhäupter wie Zenon, Kleanthes und Chrysipp.620 Zum Gesamtbild gehört auch die ›Trunkene Alte‹ der Münchener Glyptothek, eine römische Kopie aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert: »So stellt man etwa zur Zeit der Entstehung der Trunkenen Alten den greisen stoischen Philosophen Chrysipp in einer an klassischen Normen gemessen häßlichen, ganz augenblicksbezogenen Haltung mit vom Alter gekrümmtem Rücken und von denkerischer Anstrengung verzerrtem Gesicht dar.« 621 In der literarischen Überlieferung des Hellenismus ergibt sich ein ähnliches Bild. 622 Die

617 Gnilka (1983) 1021–1024; Sigismund (2003) passim. 618 Gnilka (1983) 1023–1024; Brandt (2002) 89–94. 619 SVF I 601 (Diog. Laert. 7, 174). – Zur Behandlung des Alters im Corpus Hippocraticum s. noch Gnilka (1983) 1030–1032 und Brandt (2002) 92–94. 620 Simon (1975) 58–59 äußert diese Meinung in Zusammenhang einer Interpretation der pergamenischen Friese: »Nicht zuletzt läßt sich ein unverkennbares und völlig singuläres Kennzeichen der pergamenischen Gigantomachie, die Teilnahme so vieler alter, ja greisenhafter Wesen auf Seiten der Götter, aus stoischem Geiste erklären. Der Stoizismus hatte das Greisenalter, das in den Augen der meisten früheren Griechen ein Übel war, als etwas Positives aufgewertet: den lebendigen Beweis dafür lieferten die Begründer der stoischen Schule selbst, die alle ein zum Teil sehr hohes Alter erreichten.« Dazu auch Gnilka (1983) 1032. 621 S. die Besprechung der ›Trunkenen Alten‹ von Zanker (1989) passim, hier bes. 12–13, Zitat 21–22; Zankers Bemerkung bezieht sich auf die Chrysipp-Statue im Louvre. – Daß eine realistische Darstellungsweise nicht notwendig pejorativ ist, ergibt sich schon aus Zankers eigener Feststellung, das Gesicht des Philosophen sei »von denkerischer Anstrengung« entstellt. 622 Zu der oben Anm. 610 genannten Literatur s. hier noch Huber (1926) 69–75.

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Neue Komödie verwendete den Typus des (oder der) Komischen Alten in verschiedenen Facetten, als Choleriker, Phlegmatiker oder etwa als Kupplerin. Insgesamt tritt hier deutlich »eine negativ gefärbte Realistik in der Zeichnung dieser Altersstufe hervor«. 623 Ähnlich verhält es sich im Mimos, wenn man etwa an die Kupplerin Gyllis bei Herodas denkt, und im Spottepigramm. Dagegen hat Kallimachos mit der Hekale beispielsweise eine freundliche Alte geschildert. Der Fischer galt der Antike als Inbegriff des hart arbeitenden, armen, oft Hunger leidenden kleinen Mannes. Armut und Alter als Hauptcharakteristika prägen nahezu alle literarischen Darstellungen von Euripides bis Plautus. Bestätigung findet dieses Bild etwa auch durch die literarischen Briefe des Alkiphron, der sich zeitlich mit Lukian berührt. In epist. 1, 8 schildert ein Fischer drastisch seine Notlage. Das Meer bringe nichts hervor: trËfei gÄr oŒd‡n ô jàlatta (cap. 2), die Armut sei unerträglich: mËnein d‡ pen–¯ suz¿nta qalep‰n ka» oŒ forhtÏn (cap. 3). Es ist aber noch ein weiterer Aspekt hervorgetreten. Gerade wegen seiner Armut und auch wegen seines von Erfolgsschwankungen geprägten Berufs ist der Fischer der typisch ›Hoffende‹, der Typ also, der allen Grund hat, auf die Auffindung eines Schatzes zu hoffen, der ihn in einem Augenblick von allen Sorgen befreit. 624 Daraus erklärt sich nun auch, warum ein (Wunsch-)Traum, wie er in Idyll 21 im kompositorischen Zentrum steht, so gut zum Typ des Fischers paßt.

2.3.7 Asphalions Traum Singulär im Corpus Theocriteum steht ein Traum und seine Interpretation im Mittelpunkt der Darstellung. Der Leser wird allerdings sogleich (v. 32) mit der Ankündigung konfrontiert, daß keine übliche Traumdeutung, sondern nur eine verstandesgemäße Beurteilung des Traumes zu erwarten ist, die dann darauf hinausläuft, daß das Traumgesicht, bei wachem Verstand betrachtet, nichts als ein Trugbild sein könne (v. 63–64). Der Omnipräsenz des Traumphänomens im menschlichen Leben entspricht seine Verbreitung in den überlieferten literarischen wie nichtliterarischen Texten. Traumdarstellungen finden sich von den homerischen Epen (Traum des Agamemnon, Traum der Penelope u. a.) bis in die Spätan623 Gnilka (1983) 1024–1026, Zitat 1025; s. auch Oeri (1948) passim; Zanker (1989) 22–24. 624 Birts weitergehende These, daß Idyll 21 unter die für Theokrit überlieferten Werktitel gehöre (s. oben S. 152), läßt sich damit jedoch nicht beweisen.

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tike. 625 Sie sind in verschiedenen Gattungen vertreten, nicht nur im Epos, sondern auch in der Lyrik, im Drama und in den kleineren Gattungen. Das Motiv des Traums ist dabei keineswegs auf die Dichtung beschränkt. Zahlreiche Träume finden sich im Geschichtswerk Herodots, aber auch bei Polybios (10, 4), Plutarch oder Romanautoren wie Chariton und Heliodor. Latacz unterscheidet grundsätzlich drei Funktionen von Traumerwähnungen, Traumerzählungen und Traumerörterungen in der antiken Literatur: (1) zu künstlerischen Zwecken in den schon erwähnten Bereichen von Dichtung und Prosa; (2) zu praktischen Zwecken in der Traumdeutung (›Oneirokritik‹), in der Wunderheilungsliteratur (›Aretalogie‹) sowie in der Medizin; und schließlich (3) zu wissenschaftlichen Zwecken bei den philosophischen Schriftstellern, etwa bei Aristoteles und bei den Stoikern.626 Die professionelle Oneirokritik galt in der Antike als eigene Wissenschaft. Das erste vollständig erhaltene Traumbuch sind die >Oneirokritikà des Artemidor von Daldis aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert: »Einen Traumdeuter wird man in dieser Reihe [i. e. von Philosophen] nicht erwarten; aber das war damals eine anerkannte Kunst, die an den Stoikern sehr vornehme Eideshelfer hatte, wie denn auch stoische Spuren in der Theorie unverkennbar sind. Demnach hat Artemidoros von Ephesos (oder Daldis, wie er sich lieber nannte) auf einen Platz in dieser Reihe vollen Anspruch. Denn sein Buch ist gut geschrieben; es ist voll von documents humains, denn in dem, was die Leute träumen, offenbaren sie uns ein gut Teil von dem, was sie hoffen und wie sie leben. Vor allem aber ist Artemidor ebenso abschließend geworden wie Herodian und Ptolemaios: auch von ihm aus wird die Forschung sowohl aufwärts den Weg finden bis in die Zeit des Sokrates, die auch für diese Kunst den Grund legte … und ebenso abwärts bis auf die Traumbücher, die heute noch ihre Gläubigen finden.« 627 In der Tat ist Artemidor Repräsentant einer durchgehenden Tradition, die ihren Ausgang 625 Aus der umfangreichen Literatur s. die Arbeiten von Walde (2001a) zum Traum in der griechisch-römischen Dichtung und (2001b) zur wissenschaftlichen Traumdeutung in der Antike; weiter die chronologisch angelegte Arbeit von Näf (2004) sowie Hahn (1992) und Hermes (1996). Zur Traumdeutung speziell im Hellenismus s. Weber (1998); HeadlamKnox (1922) lii–liii. Weitere Lit. in den genannten Arbeiten und bei Walde (2002) 768–773. Wichtig zum Grundverständnis sind die Betrachtungen von Dodds (1970) 55–71. 626 Latacz (1984) passim, mit tabellarischer Übersicht: 16–17; im Anschluß daran Walde (2001b) 24. 627 Wilamowitz (3 1912) 253–254. Friedländer (10 1921–1923) 3, 171: »Er [i.e. Artemidor] betrachtete den ihm gewordnen Beruf, die Kundgebungen der Gottheit auszulegen, wie ein Priestertum, seine ›Wissenschaft‹ war ihm heilig. Sein ganzes Leben hatte er an ihre Erforschung gesetzt, Tag und Nacht studiert …«; dazu Näf (2004) 124. – Zu

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im Alten Orient und im frühen Griechenland genommen und die erst durch Freuds Traumdeutung eine grundlegende Wendung erfahren hat. 628 Welche Rolle nimmt in dieser Tradition die Traumerzählung des armen Fischers Asphalion in Idyll 21 ein? Und wie verhält sich die Traumerzählung Asphalions (Fang des goldenen Fisches, Schwur) und die Traumdeutung durch seinen Kameraden (der Traum ist bedeutungslos) zu den bisher gemachten Beobachtungen über den Charakter des Gedichts?629 Walde unterscheidet terminologisch zwischen dem Oberbegriff ›Traumdarstellung‹, der Einführung, Erzählung und Deutung des Traumes umfaßt, und dem Unterbegriff ›Traumerzählung‹, »der nur die reine Erzählung des Traumes nach dem Aufwachen des Träumers bezeichnet«.630 Im Falle von Idyll 21 kann der gesamte Dialog zwischen Asphalion und seinem Kollegen (v. 22–67) als Traumdarstellung im Sinne Waldes bezeichnet werden. Er umfaßt im einzelnen die Einführung mit Beschreibung der Umstände des Traumes (Sommernacht, allgemeine Sorgen, hungriges Einschlafen: v. 22–41a ), dann die Traumerzählung selbst (Fang des goldenen Fisches, Schwur: v. 41b –60) und schließlich die Bitte um Deutung sowie die Deutung des Traumes durch den Kameraden (v. 61–67). 631 Da aber schon die Einleitung (v. 1–21) direkt auf den Traum hinführt durch die Nennung des übergreifenden Themas Armut sowie durch die Beschreibung der kümmerlichen Lebensumstände der beiden Fischer, kann auch das Gedichtganze als Traumdarstellung bezeichnet werden. Ein literarischer Traum muß nicht vom Träumer selbst erzählt werden, er kann ebenso auch vom Erzähler oder einer anderen Handlungsfigur berichtet werden. In der Dichtung ist dies sogar eine häufige Erzählweise. 632 In Idyll 21 sind dagegen Träumer und Traumerzähler identisch: Asphalion berichtet rückblickend von dem, was er als ›Traum-Ich‹ in seinem eigenen Traum erlebt hat. Der zeitliche Abstand zwischen Traum und Traumerzählung ist dabei sehr kurz, denn Asphalion berichtet gleich nach dem

628 629

630 631 632

Artemidor s. Hahn (1992), Walde (2001b) 144–199, Näf (2004) 124–128; zur Frage der ›Wissenschaftlichkeit‹ Holowchak (2001) passim. Die fragmentarisch erhaltenen Texte zur Traumdeutung sind von Del Corno (1969) gesammelt worden. Walde (2001a) 209–210 streift Idyll 21 nur kurz mit Verweis auf eine eingehende Behandlung in ihrem Buch zur professionellen Traumdeutung (2001b), das den angekündigten Beitrag aber nicht enthält. Walde (2001a) 15. Zu Aufbau und Struktur s. oben S. 155. Walde (2001a) 18.

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frühzeitigen Aufwachen über seinen Traum. Auffällig sind die engen und direkten Bezüge, die zwischen dem Traumbild und den Lebensumständen des Träumers bestehen. Walde spricht hier vom »Grundkonnex Traumbild – Träumer« (»Zusammenhang zwischen Traumbild und Lebens- und Gefühlswelt der träumenden Person«).633 Der Erzähler Asphalion ist (wie auch sein Gesprächspartner) Fischer, im Traum – als Traum-Ich – handelt er ebenfalls als Fischer. Im ›wirklichen‹ Leben ist er arm und sogar hungrig, im Traum fängt er einen goldenen Fisch, wird also durch einen ›Schatzfund‹ von einem Moment auf den anderen reich. Im Wachzustand hat Asphalion religiös motivierte Zweifel (v. 61–62), ob er an den im Traum geleisteten Schwur gebunden sei oder nicht, im Traum selbst hatte er ebenfalls Angst vor dem Zorn der Götter (v. 53–60). Walde unterscheidet bei den literarischen Träumen weiter zwischen »Handlungstraum« und »Redetraum«, einem »Traumbild, das von einer redenden Figur dominiert wird«. In dieser Kategorisierung gehört die Traumerzählung von Idyll 21 zu den Handlungsträumen. Waldes Beobachtung »die Traumbilder der Dichtung sind … meist perfekt erinnert und stellen eine relativ abgeschlossene Handlung vor« 634 trifft auch auf Idyll 21 zu: Die Traumerzählung beginnt mit der Ausschau nach Fischen, schildert das Anbeißen und den anschließenden Kampf bis zur ›Landung‹ des goldenen Fisches, beschreibt die religiösen Skrupel wegen des möglicherweise sakralen Charakters des wundersamen Tieres und schließt mit dem Schwur, zukünftig auf dem Festland zu bleiben. Der Bericht ist in sich geschlossen aufgebaut, hat einen klaren Anfang (Ausschau nach Fischen) und einen klaren Schluß (Schwur, nie wieder zu fischen). Es bleiben keine das Verständnis erschwerenden (Erinnerungs-)lücken. Asphalion unterbricht nur einmal seine Traumerzählung durch eine kurze allgemeine – offensichtlich sprichwörtliche – Bemerkung kommentierenden Charakters (v. 44b –45: ka» gÄr ‚n ’pnoic / pêsa k‘wn ärton mante‘etai,  qj‘a kög∏n). 635 Da der Traum thematisch in direkter Verbindung zur Lebenswirklichkeit des Träumenden steht, fordert er keine symbolische Auslegung. Vielmehr ergibt sich Asphalions Deutung direkt und unmittelbar: Er hat Angst, an den im Traum gegebenen Schwur gebunden zu sein: tà d+, ¬ xËne, loip‰n

633 Walde (2001a) 16. 634 Walde (2001a) 18. 635 S. oben S. 177.

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Íreide / tÄn gn∏man; Ìrkon gÄr ‚g∞ t‰n ‚p∏mosa tarb¿ (v. 61b –62). 636 Es geht also nicht um die Frage, wie der Traum auszulegen ist, sondern ob er überhaupt eine Bedeutung hat. Während Asphalion dem Traum eine solche durchaus zumißt – sonst hätte er ja keine Befürchtung –, fällt die Antwort des Kameraden gegenteilig aus: der Traum gleicht Märchen (“sa d+ ™n ye‘desin Óyic, v. 64), und zwar schädlichen, weil sie Asphalion von der Arbeit abhalten und ihn damit in wirkliches Unglück stürzen können (zàtei t‰n sàrkinon  qj‘n, / mò sà jàn˘c limƒ ka» toÿc qrusoÿsin Êne–roic, 66b –67). In dem Schluß des Gedichts liegt die ganze Besonderheit dieser Traumdarstellung: Auf eine Deutung wird verzichtet. Hier zeigt sich wieder der ausgesprochen realistische Zug des Fischeridylls, der bisher schon deutlich geworden war. Noch bevor Asphalion seinen Traum berichtet, hatte ihm sein Kamerad gesagt, welche Einstellung er zu Träumen oder genauer zu Traumdeutungen hat: e  gÄr ke kàxw katÄ t‰n nÏon, o›toc äristoc ‚st»n Êneirokr–tac,  didàskalÏc ‚sti par+ ≈ no‹c; (v. 32–33)

Auffällig ist die gleich zweifache Erwähnung des Verstandes: Gemäß seinem Verstand (katÄ t‰n nÏon) will er deuten, denn derjenige sei der beste Traumdeuter, bei dem der Lehrer der Verstand ist (didàskaloc … no‹c). Dadurch, daß er den Fachterminus Êneirokr–tac im selben Satz verwendet, wird die Ablehnung professioneller Traumdeuterei, die er hier formuliert, nur um so deutlicher. Dazu paßt, daß im Folgenden das Vokabular für Traum, Traumgesicht, Traumdeutung auch nicht einheitlich oder gar terminologisch verwendet wird. So spricht Asphalion vom ‚n‘pnia kr–nein (v. 29), sein Kamerad in der ›Deutung‹ variierend von Óyic (v. 64), dann von ’pnwn (66) und Óneiroic (67). 637 Im Corpus Theocriteum kommt ‚n‘pnion noch einmal in 636 Mit xËnoc ist hier ein enger Freund gemeint. Das ergibt sich aus der ganzen Schilderung: sie übernachten in derselben Hütte, gebrauchen dasselbe Werkzeug (v. 6–18) und teilen sich den Fang (v. 31). Diese Verwendung des Wortes ist geläufig, z.B. id. 5, 66: Gow (2 1952) 2, 104–105 ad locum und ibid. 614 s.v. 637 Weber (1998) 35 mit Anm. 51; ebenso Walde (2001a) 209: »Die fast in einer gewissen Vollständigkeit verwendeten Begriffe … decken sich nicht mit der terminologischen Verwendung der professionellen Traumdeutung.« – Vgl. dagegen die begriffliche Differenzierung bei Artemidor 1, 1: per» m‡n ofin ‚nupn–ou ka» Êne–rou diaforêc t®c pr‰c

ällhla dia–resic oŒk Êl–gh ka» ‚n älloic gËgrapta– moi ka» ‚peidò äkosmon ka» πsper oŒk Çp+ Çrq®c genÏmenon faneÿta– soi t‰ s‘ggramma, ka» n‹n Çp+ aŒt¿n to‘twn ärxasjai kal¿c Íqon e⁄nai moi dokeÿ. ta‘t˘ gÄr Óneiroc ‚nupn–ou diafËrei, ≠ sumbËbhke tƒ m‡n e⁄nai shmantikƒ t¿n mellÏntwn, tƒ d‡ t¿n Óntwn.

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Idyll 30 vor, von den Träumen eines Liebenden gesagt (v. 22). 638 Eunikas Ausbruch in Idyll 20, der junge Kuhhirt dürfe ihren schönen Mund nicht einmal in Träumen küssen (v. 5), hat sprichwörtlichen Charakter. In Idyll 9 singt Menalkas, er habe eine Menge Schafe und Ziegen: Ìss+ ‚n Êne–r˙ / fa–nontai (v. 16–17). Ähnlich beiläufig ist die Warnung des Daphnis an Akrotime in Idyll 27, die Jugend gehe so schnell dahin wie ein Traum: tàqa gàr se parËrqetai ±c Ónar °bh (v. 8). Aus diesen Stellen ergibt sich kein zusammenhängendes Bild, nur ein Hinweis darauf, daß Träume vielleicht auffällig häufig in umstrittenen Gedichten des Corpus erwähnt sind. 639 Wie wenig der anonyme Kamerad in Idyll 21 vom Traumdeuten hält, wird nicht zuletzt dadurch deutlich, daß er seine Bereitwilligkeit mit dem Hinweis auf die reichlich zur Verfügung stehende Zeit begründet: ällwc ka» sqolà ‚sti; t– gÄr poieÿn ãn Íqoi tic / ke–menoc ‚n f‘lloic pot» k‘mati mhd‡ kaje‘dwn (v. 34–35). Ganz anders als sein Kamerad sieht Asphalion einen Wert in seinem Traum. Er nennt ihn ausdrücklich ›gut‹ (qrhstà, v. 29) 640, und ohne Vermutung einer tieferen Bedeutung würde er ja auch erst gar nicht um die Meinung des Kameraden bitten. Ob er sich am Ende von dessen ablehnender Haltung bestimmen läßt oder nicht, bleibt offen, weil der Dialog nicht fortgeführt wird. Daß Idyll 21 mit den Worten des Kameraden endet, ohne auf die auktoriale Ebene der Einleitung zurückzukommen, gibt diesen Zeilen besonderes Gewicht, man erkennt darin mit Sicherheit die Meinung des Verfassers. 641 Die rationale Nüchternheit, mit der die Deutung des Traumes abgelehnt wird, erinnert an Milons Ratschläge in Idyll 10. Die Eigenart des Gedichts tritt auch dann hervor, wenn man andere literarische Traumdarstellungen vergleicht. Herodas’ 8. Mimiambus, der >En‘pnion betitelt ist, besteht aus einer Traumdarstellung mit Erzählung und Deutung. Der Text ist teilweise schwer beschädigt, doch läßt sich der Inhalt zu einem gewissen Teil rekonstruieren. 642 Ähnlich wie in Idyll 21 ist Zeitpunkt der Handlung der frühe

638 Zu diesem Gedicht s. Hunter (1996b) 167–186; zu Liebesträumen in der Anthologie (z.B. 12, 125. 127) s. Plastira-Valkanou (1999) 275–282. 639 Darauf weist Weber (1998) 35–36 Anm. 51 hin. 640 S. oben Anm. 459. 641 Diese Interpretation wird durch die enge sprachliche Verknüpfung von auktorialer Einleitung und Dialogende unterstützt (s. oben S. 156). 642 Cunningham (1971) 195; Rosen (1992) 205–216; s. weiter Crusius (1892) 151–161; HeadlamKnox (1922) lii–liii; Bernsdorff (2001) 185–186.

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Morgen (v. 6). Der Sprecher, wohl der Dichter selbst, 643 berichtet einem Sklaven von einem Traum, den er hatte. In diesem Traum hätten Hirten einen Ziegenbock, der als Opfer für Dionysos gedacht war, zerrissen und verspeist. 644 Das faßt der Sprecher in seiner Deutung symbolisch auf und fürchtet nun, er werde im tatsächlichen wie im übertragenen Sinn von seinen Kritikern zerrissen werden: tÄ mËlea pollo» kàrta, toÃc ‚moÃc mÏqjouc, / tile‹sin ‚n Mo‘shisin (v. 71–72). 645 Zweierlei ist an Herodas’ Gedicht im Vergleich zu Idyll 21 bemerkenswert: Zum einen wird der Traum durch den Deuter von vornherein ernstgenommen und symbolisch gewertet. Zum anderen erörtert der Autor hier in dichterischer Form ein wichtiges Thema (eine literarische Auseinandersetzung) mit Hilfe einer Traumdarstellung. Eine ähnliche Bedeutung hat der Traum in Kallimachos’ Aitien. Die genaue Zuordnung der Fragmente (1a–2a) ist im Einzelnen unsicher und umstritten, doch sagt Kallimachos offensichtlich, daß die Musen ihm auf dem Helikon die Aitien mitgeteilt hätten. 646 Träume spielen auch sonst in der hellenistischen Dichtung eine Rolle, Moschos’ Europa zum Beispiel beginnt mit einem Traum, ebenfalls am frühen Morgen. 647 Bei Apollonios haben Medea, Jason und Kirke Träume. 648 Auch in den neuen Poseidippus-Epigrammen kommen Träume und ihre Deutungen vor. 649 Vor diesem Hintergrund gewinnt Idyll 21 ein ganz eigenes Profil: einerseits stellt es eine Traumerzählung ins Zentrum, andererseits bietet es keine Interpretation, sondern lehnt eine solche sogar explizit ab, und dies pointiert im letzten Vers des Gedichts: … mò sà jàn˘c limƒ ka» toÿc qrusoÿsin Êne–roic (v. 67). Aus diesem Grund gehört das Gedicht zwar in die Geschichte literarischer Traumdarstellung, aber nicht zur Tradition der Traumdeutung. 650 Wir wissen nicht, von welcher Kenntnis antiker professioneller Oneirokritik der Verfasser des Fischeridylls ausgegangen ist. Die Tatsache, daß ein enger Konnex zwischen dem Traum des Asphalion und seinen realen 643 So Cunningham (1971) 193 und Rosen (1992) 205. 644 Vgl. AP 9, 99 (Leonidas von Tarent); s. weiter Strocka (1998) 63–96, hier bes. 93–96, zu einer Schale des Onesimos, auf der ein Bock zum Opfer des Dionysos geführt wird. 645 Zum poetologischen Aspekt des 8. Mimiambus s. Stanzel (1995) 54–61; Gutzwiller (1996a) 122–123. 646 Zum Traum des Kallimachos s. Harder (1993a) 11–13; Asper (2004) 71. 647 Bühler (1960) 52; Walde (2001a) 202–208. 648 Ausführlich Walde (2001a) 175–201. 649 Obbink (2005) 102. 650 Die Darstellungen von Walde (2001a) und Näf (2004) verzichten deshalb auch konsequenterweise auf eine Behandlung von Idyll 21.

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Idyll 21

Lebensumständen besteht (s. oben S. 206), wäre nach antiker Traumdeutungslehre einer sinnvollen Auslegung hinderlich gewesen. 651 Vielleicht hat der Autor von Idyll 21 absichtsvoll eine Situation geschildert, die unter professionellen Gesichtspunkten ohnehin nicht aussichtsreich war. Auf der anderen Seite ist es nach Artemidor günstig, wenn man nicht mit vollem Magen, sondern nach maßvollem Genuß zu Schlaf geht (1, 7), so wie das auch bei Asphalion vor seinem Traum vom goldenen Fisch (hier sogar notgedrungen zu maßvoll) geschehen war (v. 40–41). Träume mit Fischen zählt Artemidor zu den universellen Themen, weil alle Menschen – außer den Syrern – Fisch äßen (1, 8). Entsprechend ausführlich behandelt er Träume, in denen Fischer und ihre Ausrüstung eine Rolle spielen (2, 14). Alle Arten von Angelgeräten bedeuteten Hinterhalt, deshalb sei es besser zu träumen, man selbst statt eines anderen würde derartige Gerätschaften handhaben: Sag†nh ka» grÿpoc ka» Çmf–blhstron ka» Ìsa älla ‚k l–nwn pËplektai ‚pit†deia pr‰c Ålie–an, taŒtÄ toÿc l–noic toÿc kunhgetikoÿc, per» ¡n Ímprosjen ‚pemn†sjhn, shma–nei; Ârmia» d‡ ka» ägkistra ka» kajet®rec ka» o… legÏmenoi dÏlwnec dÏlouc ka» ‚nËdrac shma–nousin. Çe» d‡ ämeinon 〈aŒt‰n〉 ta‹ta Íqein dokeÿn £ ällon Íqonta  deÿn.

Große Fische zu fangen, so Artemidor weiter, bedeute für jedermann Glück, außer für Menschen, die im Sitzen arbeiteten, und für Sophisten: lambànein d‡  qj‘ac polloÃc âma ka» megàlouc Çgaj‰n ka» kerdofÏron pêsi plòn t¿n ‚pid–frion tòn ‚rgas–an ‚qÏntwn ka» sofist¿n; toÿc m‡n gÄr sqolòn shma–nei t‰ Ónar diÄ t‰ mò d‘nasjai ka» pr‰c Írg˙ tƒ sun†jei e⁄nai ka» Ålie‘ein, toÿc d‡ o÷ fhsin ‚pithde–wn te‘xesjai t¿n Çkroat¿n; (2, 14)

Wieder an anderer Stelle äußert sich Artemidor zum Traum eines Schatzfundes. Sei der Schatz groß, bedeute das Kummer oder sogar Tod: e“ tic Õpolàboi jhsaur‰n eÕr–skein Êl–ga qr†mata Íqonta, °ttona tÄ qalepÄ shma–nei;  d‡ poluqr†matoc jhsaur‰c l‘pac ka» mer–mnac shma–nei, pollàkic d‡ ka» jànaton proagore‘ei; oŒ gÄr äneu to‹ tòn g®n Çnaskaf®nai jhsaur‰c eÕr–sketai, πsper oŒd‡ [Â] nekr‰c katat–jetai. (2, 59) 652

651 Walde (2001a) 209. Vgl. Artemidor 1, 1 über affektbedingte Träume (der Hungrige träumt vom Essen): tÄ poiÄ t¿n paj¿n prosanatrËqein pËfuke ka» prosanatàssein ·autÄ t¨ yuq¨ ka» toÃc ÊneirwgmoÃc Çpoteleÿn. oŸon Çnàgkh t‰n ‚r¿nta Ónar âma toÿc paidikoÿc e⁄nai dokeÿn ka» t‰n dediÏta Ârên É dËdie, ka» pàlin afi t‰n pein¿nta ‚sj–ein ka» t‰n diy¿nta p–nein … . 652 S. oben S. 197.

2. Das Gedicht

211

An mehreren Stellen äußert sich Artemidor über die Bedeutung von Gold in den unterschiedlichsten Situationen (z. B. 1, 5; 1, 66 und öfter). Die Untersuchung ist von der Fragestellung ausgegangen, inwieweit Idyll 21 Bezüge zum übrigen Corpus und besonderes zu den zweifellos echten Theokrit-Gedichten aufweist. Ein weiterer Gesichtspunkt kann im Zusammenhang des Traummotivs noch hinzugefügt werden. In Idyll 2 zeigt Theokrit ein bemerkenswertes Interesse für die Welt der Magie. Er schildert ausführlich, wie Simaitha versucht, durch magische Praktiken den von ihr geliebten Delphis zurückzugewinnen, sie beschwört Hekate und Selene und schmilzt ein wächsernes Bild des Delphis. 653 Da Traumdeutung und Magie nahe zusammengehören, macht auch diese Gemeinsamkeit plausibel, warum Idyll 21 Eingang in das Corpus Theocriteum gefunden hat. Durch die bisherigen Überlegungen sind sowohl Ähnlichkeiten des Fischeridylls mit der bukolischen Dichtung hervorgetreten als auch gravierende Unterschiede. Man wird angesichts der sehr auffälligen Unterschiede (Beruf, Alter, Fehlen der Liebesthematik etc.) in Idyll 21 sicher kein bukolisches Gedicht im engeren Sinne sehen. Doch belegen die Ähnlichkeiten (Form, Sprache, Szenerie, soziales Milieu) unzweifelhaft, daß der Verfasser bei der Abfassung seines Gedichts seinen Ausgangspunkt von den thematischen und gestalterischen Möglichkeiten der bukolischen Dichtung genommen hat. Die Eigenart des Fischeridylls besteht ganz offensichtlich darin, die in der bukolischen Dichtung angelegten Tendenzen weiter auszuziehen und ihren Themenbereich zu erweitern. Denn durch das ernste Thema Armut (und Hunger) stellt sich Idyll 21 durchaus ›realistischer‹ dar als die bukolischen Gedichte des Corpus Theocriteum, die solche Themen meiden. Das zentrale Motiv, der Traum vom unverhofften Reichtum, erhöht durch seine kontrastierende Wirkung nur die Bitternis der Armut. Es bleibt zu fragen, welche Haltung der Autor zu seinen Figuren einnimmt. Versucht er, die Fischer ironisch bloßzustellen, so wie das die ›ironische‹ Forschungsrichtung für die bukolische Dichtung Theokrits ganz allgemein postuliert hat? 654 Oder werden die Fischer ernstgenommen und mit Sympathie in ihrem Dasein geschildert? Gutzwiller hat in ihrer Untersuchung zu den Fischerepigrammen des Leonidas die These vertreten, daß die ›pompöse‹ Sprache nicht nur sprachliche Spielerei sei, sondern auch und vor allem dazu diene, die ansonsten gering geachtete Berufsgruppe der Fischer

653 Dazu Graf (1996) 153. 159ff.; allg. Schneider (1967–1969) 2, 907–919. 654 Hierzu Einleitung, S. 7.

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Idyll 21

neu zu bewerten. 655 In diesem Sinn kann man auch für Idyll 21 festhalten, daß es dem Verfasser nicht darum geht, einen ironischen Kontrast zwischen niedrigem Gegenstand und hoher Sprache zu erzeugen, um so die Fischer der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern vielmehr darum, die Fischer, wenn auch mit Humor, aber doch ohne ironischen Spott ernstzunehmen und in ihrer Lebenswelt darzustellen.

655 S. oben S. 174 und Gutzwiller (1998) 96: »While both poems [i.e. AP 7. 504 und 506] illustrate Leonidas’ tendency to the baroque, I would resist the idea that he is simply enticed by bizarre happenstance. The careful structure given the poems suggests that Leonidas is attempting, through modification of traditional epigram form, to accommodate the previously unthinkable – praise of a fisherman.«

Schlußbemerkungen Die Analysen der Gedichte 27, 20 und 21 haben ergeben, daß sie – in je verschiedenem Maß – zum Kernbestand theokriteischer Bukolik enge Bezüge aufweisen, denen auf der anderen Seite charakteristische Abweichungen gegenüberstehen. Idyll 27 ist vollständig überliefert. Die ungewöhnliche Verbindung von Dialog und auktorialem Schluß, dem keine auktoriale Einleitung entspricht, ist vom Verfasser beabsichtigt. Die Bauform ergibt sich aus der spezifischen Erzählweise retrospektiver Verständniserhellung (S. 66), die für den Leser im nachhinein schrittweise eine dem Dialog vorangestellte Exposition der Szenerie und der handelnden Personen ersetzt. Der Dialog selbst scheint zunächst unvermittelt einzusetzen, läßt jedoch im weiteren Verlauf erkennen, daß ihm ein nicht geschildertes, aber deutlich impliziertes Ereignis vorausgegangen war: ein Kuß – das Leitmotiv des Gedichts. Mit dieser Modifikation hält das Gedicht das überkommene Rahmenschema auf eine im Kernbestand von Theokrits Gedichten nicht anzutreffende Art ein, die als bewußte Fortbildung anzusehen ist. Die Experimentierfreudigkeit Theokrits läßt es nicht unmöglich erscheinen, daß Theokrit selbst dieses Gedicht verfaßt hat. Idyll 20 weist eine bemerkenswerte Parallele zu Idyll 27 auf. Auch sein Verfasser erschließt im Wege der retrospektiven Verständniserhellung für den Leser, daß der erste Teil, die berichtete Begegnung mit der Hetäre Eunika, kein Selbstgespräch des enttäuschten Liebhabers ist, sondern auch schon an die (erst in v. 19 angeredeten) Hirten gerichtet war. Das Gedicht ist – ohne sich allerdings darin zu erschöpfen – geradezu als Anti-Typus zu Idyll 27 konzipiert. Denn dieses hat eine gegenseitige, auf Hochzeit (gàmoc) angelegte geglückte Liebesbeziehung zum Thema. Idyll 20 dagegen schildert, wie nach kurzem Kontaktversuch ein mangels Erwiderung fehlgeschlagenes erotisches Begehren in Wut umschlägt. Die leitmotivische Verwendung des Wortes fileÿn, die im Liebesgespräch (Idyll 27) das Geschehen verdeutlicht, wirkt in formal identischem Gebrauch des Boukoliskos (Idyll 20) als wiederholter Hinweis darauf, daß es gerade

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Schlußbemerkungen

nicht um Liebe geht, auch nicht um einseitige Liebe, sondern um nichts anderes als um verletzte Eitelkeit. Eine weitere Eigenheit von Idyll 27, die Rolle des umworbenen Mädchens als Sprecherin, erscheint in Idyll 20 in der Variation, daß die Städterin im wörtlich wiedergegebenen Zitat zu Wort kommt. Die festgestellten formalen Ähnlichkeiten, mit denen Idyll 20 ein zu Idyll 27 gegensätzliches Geschehen darstellt, dürften bereits hinreichender Grund für die Annahme sein, daß der Autor von Idyll 20 das Liebesgespräch (Idyll 27) nicht nur gekannt, sondern bewußt in Kontrasten variiert hat. Die Annahme einer Abhängigkeit der beiden Gedichte in umgekehrter Richtung verbietet sich im Hinblick auf die dem bukolischen Kernbestand Theokrits näher stehende individuelle Zeichnung der Personen in Idyll 27 im Gegensatz zu Idyll 20, das schematisierte Typen vorführt, die eine Einfühlung nicht erlauben. Diese dürften aber eher funktional in der parodistischen Tendenz begründet sein als in dichterischem Unvermögen. Dafür, daß Idyll 20 Motive direkt aus Idyll 27 aufgreift, spricht ein weiterer Zusammenhang: Beide Gedichte entwickeln den Handlungsverlauf aus einem Kuß, Idyll 27 aus einem wirklich gegebenen, Idyll 20 aus einem verweigerten. Ähnlich wie in Idyll 27 dem auktorialen Schlußteil eine formal korrespondierende Einleitung fehlt, so steht in Idyll 21 der auktorialen Einleitung keine entsprechende Rahmung des Gedichtendes gegenüber. Die Textanalyse hat jedoch gezeigt, daß der Autor eine stilistische Verklammerung der fünf Einleitungsverse mit den fünf Schlußversen dadurch hergestellt hat, daß er jeweils an den Versenden für den Inhalt des Gedichtes entscheidende Schlüsselworte eingesetzt hat, die miteinander korrespondieren (s. Schema S. 156). Auf diese unkonventionelle Weise erhält die das Gedichtende bildende Schlußbetrachtung des Fischerkameraden die Funktion eines auktorialen Schlußteils. In Idyll 21 treten, im Corpus Theocriteum einmalig, Fischer als Hauptpersonen auf. Die ausführliche Beschreibung ihrer Arbeits- und Lebenswelt fällt durch großen Detailreichtum und realistische Genauigkeit auf. Die Szenerie ist durchaus ›unbukolisch‹. Dennoch ist sie der Bukolik Theokrits verbunden. Das für diese charakteristische Analogieprinzip, nach welchem sich sorgloses Lebensgefühl und Gesang der Hirten in der umgebenden Naturwelt widerspiegeln, 656 wird übertragen auf eine Analogie der von bedrohlichen Elementarkräften bestimmten Küstenlandschaft zur kargen Lebenswelt der Fischer. Die Handlung kreist um ihre von Mangel und 656 Z.B. Fantuzzi (1997b) 829.

Schlußbemerkungen

215

Sorgen bestimmte Situation. Der Verfasser läßt Asphalions Traum vom goldenen Fisch aus der Not entstehen, aus der Not leitet auch sein Gefährte den Ratschlag ab, einen unnützen Traum nicht auszulegen, sondern sich der Nahrung erwerbenden Arbeit zuzuwenden. Im elenden Dasein der alten Fischer haben die bukolischen Kernmotive Erotik und Gesang keinen Platz. Die drei Gedichte, auch das letzte, sind über die äußere Form (Hexameter, dorischer Dialekt und Umfang) hinaus durch die behandelten Gegenstände mit der Bukolik so eng verbunden, daß ihre Aufnahme in das Corpus Theocriteum nicht verwundert. Die beiden ersten Gedichte stehen, weil sie Hirten in typisch theokriteischer Szenerie handeln lassen, den unbezweifelt echten Gedichten näher als das dritte. In ihm verbindet der Verfasser Fischer, die für Theokrits Bukolik untypisch sind, mit einer Szenerie, die im Gesamtbild und in Einzelheiten bukolische Vorbilder aufgreift, zugleich aber deren Tendenz zum Realismus in so hohem Maße steigert, daß ein deutlicher Abstand zum übrigen Corpus (einschließlich Idd. 20 und 27) sichtbar wird. Eingangs wurde auf die hermeneutischen Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der Verknüpfung von Echtheitsfrage, literarästhetischem Werturteil und Datierung eines anonym oder zweifelhaft überlieferten Werkes ergeben. 657 Die vorgetragenen Interpretationen versuchten zu zeigen, daß die untersuchten Gedichte bemerkenswerte literarische Eigenheiten aufweisen, die eine Autorschaft Theokrits zumindest nicht ausschließen. Idyll 21 verläßt zwar die Welt der Hirten, die Übertragung bukolischer Motivik auf das Leben der Fischer ist aber deutlich erkennbar und aufschlußreich. Ähnlich originelle Variationen bukolischer Grundmotive finden sich in kompositorischer Hinsicht in den beiden in mancher Hinsicht zusammengehörigen Gedichten 20 und 27, die in der Art der Rahmung zwar von den unzweifelhaft echten Gedichten des Corpus Theocriteum abweichen, dies aber offensichtlich gezielt und planvoll tun. Wenn die Gedichte 27, 20 und 21 Nachahmern Theokrits zuzuschreiben sind, dann solchen, die durchaus souverän mit ihrem Vorbild umzugehen verstanden. Die Gedichte weisen neben den formalen und inhaltlichen Bezügen auch ein dichterisches Niveau auf, das dem Kernbestand theokriteischer Bukolik (Einleitung, S. 14) nahesteht. Unabhängig von der Frage der Autorschaft ist deshalb festzustellen, daß sie der Gattung Bukolik im weiteren Sinne (Einleitung, S. 6) angehören, Idyll 27 und 20 in konventionellem Sinn (eigentliche Bukolik), Idyll 21 als

657 Oben S. 15, s. auch 160.

216

Schlußbemerkungen

eine Weiterentwicklung (Übertragung der Bukolik auf einen vergleichbaren Berufsstand).

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INDIZES 1. Namen und Sachen Adonis, 116, 118, 119, 123, 124, 129, 134 Agdistis, 129 Agon, vom Fischfang gesagt, 168 Aischinas, 101, 136 Aischylos, 198 Akrotime, 42, 47, 49, 54 Aldus Manutius, 24–26, 28, 30 Alkaios von Messene, 132 Alter, 179, 199–202 Altersstufen, 182 Liebeshemmnis, 51, 83 siehe auch Fischer Anapher, 44 Anchises, 118, 121, 122, 124, 125, 127, 134 Aphrodite, 52, 53, 59, 62, 104, 118, 121, 123, 124, 127, 135 Apollon Smintheus, 197 Apollonios Rhodios, 209 Apostrophe, 101, 120 Arat, 70 Arbeit, Wertschätzung der, 186–188 Archilochos, 83 Ariston von Keos, 202 Aristophanes, 158 Aristoteles, 201, 204 Armut, 156, 160, 168, 176, 178, 199, 203 fördert Kultur, 157 verursacht Wunschträume, 160 Artemidor von Tarsus, 22, 204 Artemis, 53, 58, 59, 62, 69 Asphalion, 150, 162 Atalante, 116 Attis, 118, 127–131 Mythenvarianten, 129

Atys, 129, 131 Augenbrauen, 104 Aulos, 112 Autorzuschreibung, 12, 18–20, 150 Bart, 100 Becherbeschreibung, in id. 1, 181, 182, 195, 199 Bellerophon, 192 Berenike, 68, 183 Bias, 116 Bildung, der Hirten, 7, 8, 10, 11, 106, 115, 135 Bion, 3–7, 12, 19, 20, 78, 80, 86, 98, 99, 107, 123, 124 Bonus Accursius, 24, 26, 30 Boukoloi, Anhänger des Dionysos, 134 Bukolik, 97, 211 als antiker Begriff, 3 Bukolische Maskerade, 99 Gattungstheorie, 2–7, 9, 214, 215 Herbheit, 11 moralisierende Tendenz, 151, 152, 165 Mythologische Stoffe, 97 Süßlichkeit, 11 Sentimentalität, 11, 46, 198 Weichlichkeit, 100, 101 siehe auch Daphnis, Nicht-Hirten, Spätbukolik, Szenerie Callierges, 20, 26–30, 43, 45 Calpurnius Siculus, 198 Chronologie der hellenistischen Dichter, 14, 22 Chrysipp, 202 Cicero, 186, 202

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Indizes

Corpus Theocriteum 1 Handschriften, 17, 18, 23 in der modernen Forschung, 2 modernes Konstrukt, 1 Textgeschichte, 17, 21, 23 Textkonstitution, 96 siehe auch Drucke, Handschriften, Titel Daphnis, 73 im Corpus Theocriteum, 79 in id. 1; 179 in id. 6; 79 in id. 8; 43 in id. 27; 42, 45, 49 Rinderhirte, 50 Deïdameia, 80–82 Demeter, 116 Dialekt, 20, 163 Dorisch, 12, 96, 150 Echtheitsdiskussion, 96 Hyperdorismen, 96 Dialog, 42, 66, 71, 73, 155, 162, 177 Dionysos, 133, 134 Diophantos, 157, 169, 170 Dioskorides, 131 Diphilos, 190–192 Donax, 113 Doppelüberlieferung, 4, 98 Drucke, des Corpus Theocriteum siehe Bonus Accursius, Callierges, Iunta Echtheitsdiskussion, 11, 14, 45, 98, 151, 160, 165, 179 Ehe / Eheschließung, 53, 56–59, 61, 63, 65, 190 Besitztransfer, 57 Brautgeschenke, 59 siehe auch Schwur Eid siehe Schwur Eifersucht, 109, 110, 114 Eigennamen, 43, 162, 182 Eitelkeit, 110, 119 Endymion, 116, 118, 120, 125–128, 134 Enjambement, 12, 120 Eros / Erotik, 15, 53, 78, 97, 109, 154, 176, 178–180, 215

Euphrosynus Boninus, 27 Euripides, 192 exclusus amator, 101 Exempla, mythologische, 101, 104, 105, 107, 109, 115, 116, 121, 124, 128, 134 Fell, als Liebeslager, 85 Fernán Núñez de Guzmán (F. Nonius Pincianus), 28, 29 Fischer, 15, 150, 154, 178, 180, 183–185 Alter, 172, 181, 182, 195, 198 Angel, 196 Arbeitsgeräte, 167, 169, 170, 175 Armut, 154, 176, 181, 185, 190, 191, 211 Einsamkeit, 160 Hunger, 154, 156, 192, 195 in der bildenden Kunst, 194 in frgm. 3 Gow, 183 in id. 1; 181 in id. 3; 182 Lungerleben, 194 ohne Erotik, 179 ohne Familie, 172 ohne Gesang, 179 soziales Ansehen, 185 Statue im Netz, 196 Vatikan-Louvre-Typ, 194–196 Fischereigewerbe, 185 in Ägypten, 154 Fragen, rhetorische, 120 Fragmentum Bucolicum Vindobonense, 86 Frauen, soziale Stellung, 57 Galateia, 80 Galloi, Priester, 130, 131 Ganymed, 118, 120, 131–134 Gattung, literarische siehe Bukolik Geliebte, Rolle in der Bukolik, 78, 107 Genreplastik, 194, 198, 199, 202 Gesang, 15, 78, 115, 154, 179, 180, 215 Gold, 192, 198, 211 Gürtel der Aphrodite, 62 Handschriften Codex Ambrosianus 104; 18, 19, 42, 97 Codex Ambrosianus 886; 17, 28

Namen und Sachen Codex Bruxellensis 18174; 28 Codex deperditus Bucari Patavinus, 27–29 Codex Parisinus Anc. Fonds Graecus 2832; 25 Codex Parisinus Graecus 2726; 18, 19, 28, 42, 70 Codex Parisinus Graecus 2832; 18, 20, 25, 26, 97, 150 Codex Salmanticensis 295; 28, 29 Codex Vaticanus Graecus 913; 25 Codex Vaticanus Graecus 1311; 18, 24, 26, 97, 150 Codex Vaticanus Graecus 1379; 25, 26 Codex Vaticanus Graecus 1824; 25 Handschriftenfamilien, 17 Häßlichkeit, 199 Hekale, 203 Helena, 44, 50, 68, 82 Hellenismus, 201 Interesse an ›einfachen‹ Leuten, 7, 154, 169, 184, 188 Kunst, 176, 194 Philosophie, 186 Porträtkunst, 202 Hermesianax, 115, 129, 130 Herodas, 184, 193, 208 Hetäre, 103, 107 Hippokrates, Corpus Hippocraticum, 158 Hippomenes, 116, 119 Hirten Alter, 120, 134, 179 Hierarchie, 73, 103 und Fischer, 175, 184 siehe auch Bildung der Hirten Hoffnung, 192, 203 Homoerotik, 99, 132 Iasion, 116, 127 Intertextualität, im Corpus Theocriteum, 21 Ironiedebatte, 7, 8, 211 Iunta, 20, 26–30, 43–45 Joch, übertragen, 53, 55, 56 Jugend, vergänglich, 52, 53

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Kallimachos, 14, 21, 123, 126, 131, 203, 209 Karp(h)yllides, 197 Katalog, 104, 115, 170 Kleanthes, 187, 202 Komödie, 152, 189, 190, 203 Komposition, 49, 66, 69, 101, 102, 105, 106, 119, 135, 155, 156 Kuß / Küssen, 51, 53, 54, 77, 81, 102, 105, 108, 111, 124, 128, 135 Beißkuß, 55 Mundkuß, 51 Kulturtheorien, 158 Kybele, 104, 129 Kynische Philosophie, 187 Kyros von Panopolis, 19, 97, 99 Land-Meer-Gegensatz, 164, 189, 193 Latmos, 128 Leitmotiv, 44, 50, 108, 156, 213 Leonidas von Tarent, 154, 168–172, 174, 175, 184, 187, 199, 200, 211, 212 Liebe heimliches Lager, 63 Werbung, 109, 110, 119 siehe auch Eros, Homoerotik Literarästhetische Werturteile, 45, 46, 100, 153 locus amoenus, 178 Longos, 85 Lykidas, 60 Magie, 211 Marc Aurel, 188 Meleager, 132 Menander, 189 Metrik, 87, 163 Echtheitskriterium, 11 Spätbukolik, 11 Mimus, 75, 152, 153, 188, 189, 203 Moschos, 3–6, 19, 20, 86, 99, 124, 193, 209 Münzen, aus Alexandria Troas, 196 Musik der Hirten, 104, 107, 112 Instrumente, 112, 114 siehe auch Gesang Musonius, 188 Musuros, 27–29

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Indizes

Narkissos, 127 Nicht-Hirten, in der Bukolik Aufseher, 180 Fährmann, 180 Holzfäller, 180 Schnitter, 5, 180 siehe auch Fischer Nikander, 70, 126 Nomaia, 60 Oneirokritik, 209 siehe auch Traum Oppian, 186 Ordes (Hirte), 197 Ort der Handlung, 107 am Meer, 164, 191 Pan, 4, 60, 62, 85, 86, 113, 114, 171 Paolo Capodivacca, 27 Papyri, 13, 20, 97 Echtheitsdiskussion, 1 Forschungslage, 1 Papyrus Antinoe, 1, 13 Paraklausithyron, 110 Paris, 50, 68, 82 Parodie, 152, 167, 168 Paulos Silentiarios, 81 Paulus, Urteil über Arbeit, 188 Penelope, 68, 69 Pero, 116 Philipp Pandulphinus, 27–29 Philodem, 114, 126, 131 Pindar, 167 Polyphem, 80, 100, 101, 108, 110–112, 114, 180, 181, 184 Poseidippus, 21, 209 Prosodie, 87, 166 Querflöte, 114 Rahmen, 71, 72, 74, 75, 155–157, 213, 214 ›einteilig‹, 47, 155 Realismus, 9, 10, 152, 154, 155, 165, 168, 169, 176, 179, 182, 195, 198–200, 207, 209, 211, 215

Begriffsdefinition, 9–11 in der bildenden Kunst, 194 Retrospektive Verständniserhellung, 66–69, 74, 105, 213 Rhea/Kybele, 118, 128–130 Rinderhirte, 96, 102, 103, 105, 118, 119, 121, 124, 129, 130, 134, 136, 137 von Göttin geliebt, 104, 105 Ringkomposition, 102, 104, 159 Rubrication, in Handschriften, 71 Schafhirte/-hirtin, 73, 78, 103, 124 Schatzfund / Entdeckung, 192, 196–198, 210 Schiedsrichter, 80 Schnitter siehe Nicht-Hirten Scholien, 20 Schönheit, 104, 107, 109–111, 132, 134, 136 Schwur im Traum geleistet, 150, 162, 205, 206 Treueschwur, 57, 60, 62–64, 85, 86 Selbstlob, 104, 107, 110, 111 Selbstvorstellung, 73 Selbstzitate, 21, 77 Selene, 104, 116, 118, 125, 126, 128 Sentenz, 157, 159 am Gedichtanfang, 157, 158 Formulierung, 159 Sizilien, 73, 80, 189 Sophron, 188, 189 Soziale Verhältnisse / Sozialkritik, 11, 15, 73, 103, 155, 176, 184, 185, 199, 200, 212 Spätbukolik, 12, 107, 199 siehe auch Bukolik Sprecherverteilung, 44 Sprichwörter, sprichwörtliche Redensarten, 51, 177 Stadt-Land-Gegensatz, 96, 100–102, 104–107, 135, 177 Stephanus, 18, 30 Stichomythie, 42, 44, 49, 72, 75 Stil Echtheitskriterium, 11 grandiloquenter, 167–170, 174, 211 Stoische Philosophie, 187, 202, 204 Strophen / strophische Gliederung, 115 Syrinx, 53, 79, 112, 179, 180

Wörter Szenenwechsel, 76 Szenerie, 154 bukolische, 5, 73, 107, 108, 124, 164, 213 Tammuz, 123 Theokrit antike Ausgaben, 21 Lebensdaten, 22 siehe auch Corpus Theocriteum Theophrast, 202 Thunfisch, 182, 183, 189 Timotheos, 129 Titel, 18–20, 42, 43, 71, 97, 189, 190, 193 Doppeltitel, 19 Traum, 150, 154, 203 -darstellungen in der Antike, 203 -deutung, 150, 203, 206, 207, 210, 211 -erzähler, 205 -›Ich‹, 206 Funktionen, 204 im Corpus Theocriteum, 208 Oneirokritik, 204 Sinnbild der Vergänglichkeit, 51, 208 Terminologie, 205–207 vom Schatzfund, 210 von Fischen, 210

werkfüllendes Motiv, 209 Wunschtraum, 160 siehe auch Oneirokritik ›Trunkene Alte‹, 202 Übertreibung, 111, 112, 114 Verführungsszene, 61 Vergil, 6, 20, 23, 71 Versumstellung, 42, 53 Vollständigkeit der Gedichte, 46, 67, 69, 70, 74, 75 Weihung, von Arbeitsgeräten, 170 Weiß (Farbe), erotische Bedeutung, 104, 111, 112, 120 Wettgesang, 80 Wettgespräch, 79 Wortgebrauch, Echtheitskriterium, 11 Wortklammer, 102 Wut, 108, 110, 120, 121 Zeit der Handlung, 107 Nacht, 164 Zeus, 118, 131–133 Ziegenhirte/-hirtin, 42, 73, 78, 103, 130

2. Wörter Çgreut®rec ( qj‘oc), 167, 173 Çg∏n, 168 äejlon, 168 äzux, 55, 56 äjlhma, 165 a pÏloc, 103 a fn–dion, 165 >Akrot–mh, 43, 60 Elp–dec, 152 ‚lp–c, 152

242

Indizes

>En‘pnion, 208 ‚n‘pnioc, 207 ‚rËjein, 165 ‚rgat–nhc, 164 ·ta–ra, 103 eŒn†, 63–65, 81 zugÏn, 54 ¢n, 86 örËma, 165 jl–bein, 165 Junnoj†rac, 189  qjusilhst†r, 173 kuneÿn, 51, 108 k∏ra, 87 làjrioc, 81, 82 lËktron, 65, 81 le‹koc, 183 leukÏc, 111, 120 mante‘esjai, 165 mate‘ein, 165 meled∏nh, 165 mel–sdein (s‘riggi), 113 mËssoc (‚n mËss˙), 161 m†ti, 166 min‘jein, 165 mogostÏkoc, 59 nàpoc, 128 NhÚc, 43 nome‘c, 103 >Oarist‘c, 19, 42, 43

Êneirokr–tac, 207 Óneiroc, 207 Ófra, 86 Óyic, 207 paktà, 111 Paf–a, 86 pen–a, 156 pinutÏc, 68 plag–auloc, 113, 114 poim†n, 103 prosnàqein, 165 p¿u, 87 satur–skoc, 51 s–daroc, 165 s‹rigx monokàlamoc, 113 tarbeÿn, 165 tËqnh, 155, 158, 187, 190, 191 traferÏc, 165 truferÏc, 165 ’pnoc, 156 fe–desjai (gastrÏc), 167 fileÿn, 44, 50, 51, 58, 102, 108, 128 f–lhma, 51 f–loc, 58, 166 f∏rioc, 63, 64, 81, 82 ars, 158 paupertas, 158 venter, 158

3. Stellen Achilles Tatius 2, 37 . . . . . . . . . . . . . . . Aischylos Ag. 1232 . . . . . . . . . . . . . Diktyoulkoi frgm. 46a . . . . . . Anaxandrides frgm. 36 . . . . . . . . . . . . . . Anaximenes v. Lampsakos frgm. 36 . . . . . . . . . . . . .

Anonymi 137

>Epitàfioc B–wnoc . . . . . . . . 4 E c nekr‰n óAdwnin . . . . . . . 123

163 198

Anthologia Graeca 1 123 . . . . . . . . . . . . . . . 126 5 6 . . . . . . . . . . . . . . . . 86 8 . . . . . . . . . . . . . . . . 86

112 158

243

Stellen 52 . . . . . . . . . . . . . . . 179 . . . . . . . . . . . . . . 219 . . . . . . . . . . . . . . . 221 . . . . . . . . . . . . . . .

86 137 81 81

6 4 . . . . . . . . . . . 169, 174, 175 13 . . . . . . . . . . . . . . . 171 173 . . . . . . . . . . . . . . . 131 220 . . . . . . . . . . . . . . . 131 7 222 . . . . . . . . . . . . . . . 131 295 . . . . . . . . . . . . 172, 181 504 . . . . . . . . . . . . . . 173 578 . . . . . . . . . . . . . . 167 709 . . . . . . . . . . . . . . 131 9 52 136 205 341 434 440

. . . . . . . . . . . . . . . 198 . . . . . . . . . . . 19, 97, 98 . . . . . . . . . . . . . . . 22 . . . . . . . . . . . . . . . 112 . . . . . . . . . . . . . . . 22 . . . . . . . . . . . . . . . 4

11 34 . . . . . . . . . . . . . . . 114 12 64 . . . . . . . . . . . . . . . 132 65 . . . . . . . . . . . . . . . 132 16 200 . . . . . . . . . . . . . . 193 337 . . . . . . . . . . . . . . 127 357 . . . . . . . . . . . . . . 127 Apollodoros 1, 7, 5 . . . . . . . . . . . . . . . 126 Apollonios Rhodios 1, 496–511 . . . . . . . . . . . . . 115 4, 57–58 . . . . . . . . . . . . . . 126 Archilochos frgm. 196a . . . . . . . . . . . . . 83 24–31 . . . . . . . . . . . . . . 84 42–53 . . . . . . . . . . . . . . 84 Aristainetos epist. 1, 21 . . . . . . . . . . . 44, 85 Aristophanes Ploutos 510–516 . . . . . . . . . . 158 Arnobius 5, 5–7 . . . . . . . . . . . . . . . 129

Artemidoros 1, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 14 . . . . . . . . . . . . . . . 2, 59 . . . . . . . . . . . . . . . Babrius Fab. 141 . . . . . . . . . . . . . . Bion

210 210 210 120

>Epitàfioc >Ad∏nidoc . . . . . . 123 8 . . . . . . . . . . . . . 112, 120 12–14 . . . . . . . . . . . . . 124 36 . . . . . . . . . . . . . . . 128 64 . . . . . . . . . . . . . . . 86 Epithalamium Achillis et Deïdameiae . . . . . . . . . 80, 82 5–9 . . . . . . . . . . . . . . . 81 10–15 . . . . . . . . . . . . . . 82 31 . . . . . . . . . . . . . . . . 86 32 . . . . . . . . . . . . . . . 86 frgm. 7, 7 . . . . . . . . . . . . . . 137 10, 7 . . . . . . . . . . . . 114, 115 13, 16 . . . . . . . . . . . . . . 86 Calpurnius Siculus 4, 117–121 . . . . . . . . . . . . . 198 Catullus 45 . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 63, 8 . . . . . . . . . . . . . . . 120 66, 5–6 . . . . . . . . . . . . . . 128 99 . . . . . . . . . . . . . . . . 137 99, 7–10 . . . . . . . . . . . . . 105 Cicero de officiis 1, 150 . . . . . . . . . . 186 Diodoros 3, 58–63 . . . . . . . . . . . . . . 130 Epimenides frgm. 10 . . . . . . . . . . . . . 126 Euripides frgm. 641 . . . . . . . . . . . . . 158 frgm. 670 . . . . . . . . . . . . . 192 Heliodoros 5, 14, 2 . . . . . . . . . . . . . . 114 Hermesianax frgm. 7 . . . . . . . . . . . . 68, 115 frgm. 8 . . . . . . . . . . . . . . 129

244

Indizes

Herodas 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 51–52 . . . . . . . . . . . . . . 193 71–72 . . . . . . . . . . . . . 209 6, 93 . . . . . . . . . . . . . . . 166 Herodotos 3, 42 . . . . . . . . . . . . . . . 198 Hesiodos Erga 47–50 . . . . . . . . . . . . . 158 frgm. 245 . . . . . . . . . . . . . . . 125 260 . . . . . . . . . . . . . . 125 Hippolytos 5, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Homeros Ilias 2, 820–821 . . . . . . . . . . . 121 6, 272 . . . . . . . . . . . . . 163 11, 269–271 . . . . . . . . . . . 59 14, 216–217 . . . . . . . . . . . 43 20, 230–235 . . . . . . . . . . . 131 Odyssee 9, 133 . . . . . . . . . . . . . . 65 11, 288 . . . . . . . . . . . . . 68 20, 124 . . . . . . . . . . . . . 64 Horatius Epist. 2, 2, 51–52 . . . . . . . . . 158 Epod. 2 . . . . . . . . . . . . . . 72 Hyginus Fab. 94 . . . . . . . . . . . . . . 122 Kallimachos Aitia frgm. 1a–2a . . . . . . . . . . 209 epigrammata 63 . . . . . . . . . . . . . . . . 52 frgm. 110 . . . . . . . . . . . . . . . 128 193, 35–40 . . . . . . . . . . . 123 761 . . . . . . . . . . . . . . . 131 Longos 1, 4, 3 . . . . . . . . . . . . . . . 114 1, 17, 3 . . . . . . . . . . . . . . 112 2, 39, 1–4 . . . . . . . . . . . . . . 85 3, 10, 3 . . . . . . . . . . . . . . . 43 3, 24, 2 . . . . . . . . . . . . . . . 85

4, 17, 5 . . . . . . . . . . . . . . 137 4, 17, 6 . . . . . . . . 115, 121, 132, 137 4, 26, 2 . . . . . . . . . . . . . . 114 Lukianos Dialogi Deorum 10 . . . . . . . . . . . . . . . 132 19, 1 . . . . . . . . . . . . . . 127 Menandros frgm. 14 . . . . . . . . . . . . . . . 190 22 . . . . . . . . . . . . . . . 190 23 . . . . . . . . . . . . . . . 190 Moschos Epitaphius Bionis 26 . . . . . . . . . . . . . . . 86 51 . . . . . . . . . . . . . . . 113 56 . . . . . . . . . . . . . . . 86 59 . . . . . . . . . . . . . . . 86 63 . . . . . . . . . . . . . . . 86 68–69 . . . . . . . . . . . . . 124 81 . . . . . . . . . . . . . . . 121 95 . . . . . . . . . . . . . . . 86

óErwc drapËthc 3–5 . . . . . . . . . . . . . . . 69 Europa 63–71 . . . . . . . . . . . . . . 5 127 . . . . . . . . . . . . . . . 86 159 . . . . . . . . . . . . . . . 86 frgm. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1–4 . . . . . . . . . . . . . . 193 Nikandros Alexipharmaka 6–8 . . . . . . . . 131 Nonnos 3, 375–379 . . . . . . . . . . . . . 82 15, 280 . . . . . . . . . . . . . . 137 25, 449 . . . . . . . . . . . . . . 132 41, 411 . . . . . . . . . . . . . . . 59 45, 257 . . . . . . . . . . . . . . . 82 Ovidius Ars amatoria 1, 283–340 . . . . . . . . . . . 115 3, 83–88 . . . . . . . . . . . . 127 Epistulae (heroides) 16, 201 . . . . . . . . . . . . . 121

Stellen Fasti 4, 223–224 . . . . . . . . . . . 129 Tristia 2, 1, 299–300 . . . . . . . . . . 127 P. Vindob. Rainer 29801 frgm. 1 11 . . . . . . . . . . . . . . . . 86 25 . . . . . . . . . . . . . . . 86 28 . . . . . . . . . . . . . . . 86 Pausanias 7, 17, 5–9 . . . . . . . . . . . . . 129 7, 17, 9–12 . . . . . . . . . . . . 129 Persius Prol. 10 . . . . . . . . . . . . . . 158 Pindaros Pythie 2, 79–80 . . . . . . . . . . 167 Platon Leges 823–824 . . . . . . . . . . 186 Plautus Aulularia 190–192 . . . . . . . . . 190 Rudens 32–33 . . . . . . . . . . . . . 190 290–305 . . . . . . . . . . . . 191 300 . . . . . . . . . . . . . . 192 310–312 . . . . . . . . . . . . . 191 925 . . . . . . . . . . . . . . 192 Pollux 10, 132–133 . . . . . . . . . . . . 170 Propertius 2, 15, 15–16 . . . . . . . . . . . . 127 2, 32, 35 . . . . . . . . . . . . . . 121 Ps.-Manetho Apotelesmatica 205–209 . . . . . . 82 Sappho frgm. 199 . . . . . . . . . . . . . 126 Scholia Ap. Rh. 4, 57–58 . . . . . . . . . 125, 126, 128 Scholia Hom. Il. 1, 39 . . . . . . . . . . . . . . . 197 Scholia Nik. 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Scholia Theokr. 3, 49–51 . . . . . . . . . . . 126, 127 Servius Ecl. Prooem. . . . . . . . . . . . . . 4

245

Georg. 3, 391 . . . . . . . . . . . . . 127 Sophokles frgm. 373 . . . . . . . . . . . . . 122 Sophron frgm. 42 . . . . . . . . . . . . . . . 189 45 . . . . . . . . . . . . . . . 189 Statius Silvae 3, 4, 40–42 . . . . . . . . . 127 Suda J 166 . . . . . . . . . . . . . . 3, 152 Theokritos epigrammata 2 . . . . . . . . . . . . . . 112, 113 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 86 19 . . . . . . . . . . . . . . . 86 frgm. 3 . . . . . . . . . . . . 183, 192 id. 1 21 . . . . . . . . . . . . . . . 76 27–58 . . . . . . . . . . . 181, 195 43 . . . . . . . . . . . . . . . 195 83 . . . . . . . . . . . . . . . 76 105–106 . . . . . . . . . . . . 121 105–107 . . . . . . . . . . . . 122 109–110 . . . . . . . . . . . . 124 id. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 211 48–49 . . . . . . . . . . . . . 120 110 . . . . . . . . . . . . . . . 76 141 . . . . . . . . . . . . . . . 76 id. 3 . . . . . . . . 72, 78, 96, 97, 107, 108, 110, 122, 124, 134, 135 10–11 . . . . . . . . . . . . . 109 12–14 . . . . . . . . . . . . . 109 18–19 . . . . . . . . . . . . . 109 20 . . . . . . . . . . . 76, 77, 109 25–26 . . . . . . . . . . . . . 182 25–27 . . . . . . . . . . . . . 109 28–30 . . . . . . . . . . . . . 109 40–43 . . . . . . . . . . . . . 119 40–51 . . . . . . . . . . . . . . 115 46 . . . . . . . . . . . . . . . 122 46–47 . . . . . . . . . . . . . 124 46–48 . . . . . . . . . . . . . 119 48 . . . . . . . . . . . . . . . 123 50–51 . . . . . . . . . . . . . . 125

246

Indizes

52–54 . . . . . . . . . . . . . 110 53 . . . . . . . . . . . . . . . 109 id. 4 . . . . . . . . . . . . . . . 7, 8 47 . . . . . . . . . . . . . . . 76 id. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1 . . . . . . . . . . . . . . 76, 78 7 . . . . . . . . . . . . . . . . 113 14 . . . . . . . . . . . . . . . 76 32 . . . . . . . . . . . . . . . 76 61 . . . . . . . . . . . . . . . 76 111 . . . . . . . . . . . . . . . 180 id. 6 . . . . . . . 4, 71, 79, 80, 96, 97, 107, 108, 110, 111 13–14 . . . . . . . . . . . . . 109 14 . . . . . . . . . . . . . . . 76 16 . . . . . . . . . . . . . . . 164 45–46 . . . . . . . . . . . . . 74 id. 7 . . . . . . . . . . . . . . . . 72 10 . . . . . . . . . . . . . . . 164 27–29 . . . . . . . . . . . . . . 5 28 . . . . . . . . . . . . . 103, 180 106 . . . . . . . . . . . . . . 166 120–121 . . . . . . . . . . . . . 84 121 . . . . . . . . . . . . . . . 52 id. 8 . . . . . . . 13, 20, 23, 72, 96, 97 31 . . . . . . . . . . . . . . . 165 35 . . . . . . . . . . . . . . . . 87 39 . . . . . . . . . . . . . . . 87 92 . . . . . . . . . . . . . . . 103 92–93 . . . . . . . . . . . . . . 43 id. 9 . . . . . . . . . 13, 23, 72, 96, 97 26 . . . . . . . . . . . . . . . 165 id. 10 . . . . . . . . 5, 9, 168, 176–178, 180, 208 9 . . . . . . . . . . . . . . . 164 52–55 . . . . . . . . . . . 176, 178 id. 11 . . . . . . . 4, 71, 72, 80, 96, 97, 107, 108, 110, 111, 158 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . 159 8 . . . . . . . . . . . . . . . 109 19–21 . . . . . . . . . . . . . 109 30–33 . . . . . . . . . . . . . . 111 32–33 . . . . . . . . . . . . . . 110 34–41 . . . . . . . . . . . . . 110 38–40 . . . . . . . . . . . . . 112 45 . . . . . . . . . . . . . . . 76

52 . . . . . . . . . . . . . . . 76 52–53 . . . . . . . . . . . . . . 110 54–59 . . . . . . . . . . . . . 110 73–75 . . . . . . . . . . . . . 108 77–79 . . . . . . . . . . . . . 110 80–81 . . . . . . . . . . . . . . 74 id. 12 25 . . . . . . . . . . . . . . . 86 id. 13 . . . . . . . . . . . . . . 4, 158 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . 159 id. 14 . . . . . . . . . . . . . . . 136 id. 15 100–144 . . . . . . . . . . . . 123 123–124 . . . . . . . . . . . . . 132 id. 16 30 . . . . . . . . . . . . . . . 86 id. 17 34 . . . . . . . . . . . . . . . 68 id. 18 . . . . . . . . . . . . . . . 72 11 . . . . . . . . . . . . . . . . 65 id. 19 . . . . . . . . . . . . . 97, 98 id. 20 . . . . . . . . . . . . . . . 15 4 . . . . . . . . . . . . . 165, 166 28–29 . . . . . . . . . . . 87, 179 33 . . . . . . . . . . . . . 118, 133 id. 21 . . . . . . . . . . . . 15, 72, 97 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 87 id. 22 . . . . . . . . . . . . . . . 72 54–74 . . . . . . . . . . . . . 44 id. 23 . . . . . . . . . . . . . . . 97 18 . . . . . . . . . . . . . . . 108 25 . . . . . . . . . . . . . . . 87 44–45 . . . . . . . . . . . . . . 87 id. 24 . . . . . . . . . . . . . . . 184 63 . . . . . . . . . . . . . . . 65 id. 25 . . . . . . . . . . 13, 14, 26, 97 178 . . . . . . . . . . . . . . . 165 190 . . . . . . . . . . . . . . . 86 274 . . . . . . . . . . . . . . 165 id. 26 . . . . . . . . . . . . . . 12, 21 id. 27 . . . . . . . . . . 14, 15, 97, 107 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 54 13 . . . . . . . . . . . . . . . 179 17–18 . . . . . . . . . . . . 53, 77 19 . . . . . . . . . . . . . . 42, 49 44 . . . . . . . . . . . . . . . 43

Stellen id. 29 27–34 . . . . . . . . . . . . . . 52 Vergilius Aen. 1, 742–746 . . . . . . . . . . . 115

247 ecl. 3, 7 . . . . . . . . . . . . . . 137 6, 31–86 . . . . . . . . . . . . 115 10, 18 . . . . . . . . . . . . . 124