Juden und Christen unter römischer Herrschaft: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. ISBN 978-3-647-54209-6

Menschliche Identität ist multiperspektivisch, denn im Spiegel eines Gegenübers erfahren wir uns selbst. Dies trifft au

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Juden und Christen unter römischer Herrschaft: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr.
 ISBN 978-3-647-54209-6

Table of contents :
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Niclas Förster und J. Cornelis de Vos
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Hermann Lichtenberger
„To See Ourselves as Others See Us“ (Robert Burns) – Juden und Christen
unter römischer Herrschaft: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung . . . 17
Thomas Witulski
Integration und Separation im Vierten Makkabäerbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Manuel Vogel
Jesusgemeinden und Täufergruppen zwischen Abgrenzung und
Wertschätzung – eine Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Niclas Förster
Kultische Reinheit und Identitätsfindung – Jesus und der jüdische Tempel
nach P.Oxy. 840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
J. Cornelis de Vos
Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium: Das ambivalente
Verhältnis des Matthäus zu seinem jüdischen Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Detlev Dormeyer
Kein Prozess Jesu: Die römische Strafjustiz gegen Juden nach den
neutestamentlichen Passionsgeschichten und Josephus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Gottfried Schimanowski
Religiöse Identität im Fokus: Selbstbeschreibungen und polemische
Kontrastierung in Philos apologetischen Traktaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Joseph Sievers
Nichtjüdische Autoren im Geschichtswerk des Josephus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Jan Willem van Henten
The Demolition of Herod’s Eagle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Daniel R. Schwartz
A Breslau Translation of Josephus’s Minor Works . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Die Autoren des Bandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Sach-, Orts- und Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

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Academic

Schriften des Institutum Judaicum Delitzschianum Band 10

Vandenhoeck & Ruprecht

Niclas Förster / J. Cornelis de Vos (Hg.)

Juden und Christen unter römischer Herrschaft Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr.

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit einer Abbildung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-54209-6

© 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Produced in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Niclas Förster und J. Cornelis de Vos Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hermann Lichtenberger „To See Ourselves as Others See Us“ (Robert Burns) – Juden und Christen unter römischer Herrschaft: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung . . . 17 Thomas Witulski Integration und Separation im Vierten Makkabäerbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Manuel Vogel Jesusgemeinden und Täufergruppen zwischen Abgrenzung und Wertschätzung – eine Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Niclas Förster Kultische Reinheit und Identitätsfindung – Jesus und der jüdische Tempel nach P.Oxy. 840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 J. Cornelis de Vos Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium: Das ambivalente Verhältnis des Matthäus zu seinem jüdischen Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Detlev Dormeyer Kein Prozess Jesu: Die römische Strafjustiz gegen Juden nach den neutestamentlichen Passionsgeschichten und Josephus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Gottfried Schimanowski Religiöse Identität im Fokus: Selbstbeschreibungen und polemische Kontrastierung in Philos apologetischen Traktaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

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Inhalt

Joseph Sievers Nichtjüdische Autoren im Geschichtswerk des Josephus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Jan Willem van Henten The Demolition of Herod’s Eagle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Daniel R. Schwartz A Breslau Translation of Josephus’s Minor Works . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Die Autoren des Bandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Sach-, Orts- und Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Vorwort

Die hier zusammengestellten Beiträge gehen, mit einer Ausnahme, auf ein Symposium zurück, das vom 19. bis zum 20. April 2012 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät bzw. dem Institutum Judaicum Delitzschianum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu Ehren des 65. Geburtstags von Prof. Dr. Folker Siegert stattgefunden hat. Allen Teilnehmern sei noch einmal herzlich für die Diskussionen zum Thema und für ihre Beiträge gedankt. Die Tagung wurde finanziell von der Franz-Delitzsch-Gesellschaft und von der Evangelisch-Theologischen Fakultät unterstützt, wofür wir zu großem Dank verpflichtet sind. Zu danken ist ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Institutum Judaicum Delitzschianums, vor allem Frau Maria Arnold und Herrn Florian Oepping, für ihre tatkräftige Hilfe bei der Durchführung der Tagung. Der Franz-Delitzsch-Gesellschaft sowie der Evangelischen Kirche in Westfalen danken wir außerdem für die Gewährung großzügiger Zuschüsse zu den Publikationskosten. Das Team des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht hat uns durch sachkundige Betreuung des Manuskripts zuverlässig unterstützt. Folker Siegert, Direktor des Institutum Judaicum Delitzschianum von 1996 bis 2012, war und ist die Verhältnisbestimmung von Juden und Christen von der Antike bis zur Gegenwart ein zentrales Forschungsanliegen. Wir kennen ihn als einen Menschen, der sich stets Zeit nimmt, engagiert und mit Freude über Themen der Judaistik, neutestamentlichen Exegese sowie das Verhältnis von Kirche und Synagoge zu diskutieren. Mögen die vorliegenden Beiträge einige dieser Diskussionen aufnehmen und fortsetzen. Es ist uns Freude und Anliegen, diesen Band Folker Siegert zu widmen. Münster, im Oktober 2014

Niclas Förster und J. Cornelis de Vos

Einleitung Niclas Förster und J. Cornelis de Vos

Menschliche Identität ist multiperspektivisch, denn im Spiegel eines Gegenübers erfahren wir uns selbst.1 Dies trifft auch auf sozioreligiöse Gruppen zu. Stimmt man dieser These zu, so ist im Hinblick auf die Antike nach der Wahrnehmung zu fragen, die unterschiedliche sozioreligiöse Gruppen voneinander hatten: Welche Sicht prägte ihr gegenseitiges Bild voneinander? Zudem gilt damals wie heute, dass, wer sich ein Bild von seinem Gegenüber macht, dabei immer auch sich selbst erfährt, eigene Gewissheiten gewinnt oder aufgeben muss. In diesem Prozess verschränken sich also wahrnehmende Erkenntnis, Selbst- und Fremdbild und Identitätsfindung. Dabei steht kein Geringes auf dem Spiel, denn es zeigt sich, ob Menschen sich ihrer selbst vergewissern können und zugleich die Anderen als Andere in die eigene Weltdeutung einbeziehen oder nicht. Gelingt dies nicht, so werden andere Menschen leicht als bedrohliches Gegenüber angesehen, ja werden vielleicht sogar als Feinde betrachtet. Es geht also bei dem bisher skizzierten Prozess um ein Wechselspiel gegenseitiger Perspektiven: Bleiben Menschen sich in diesem Geschehen lediglich bedrohlich fremd oder werden sie einander vertraut und sind doch – oder gerade darum – im Hinblick auf das eigene Selbstbild voneinander geschieden? Die mit diesen Überlegungen eng verknüpfte Frage nach der religiösen Identität in der Antike, und vor allem die Frage nach der Identität des antiken Judentums, ist in den letzten Jahren mehr und mehr in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt. Hierbei konzentrierte sich die Aufmerksamkeit oft auf die Erhebung der historischen und sozialen Faktoren, die identitätsstiftend wirksam wurden. Vielfach umstritten ist darüber hinaus das Thema der jüdischen Identität im historischen Wandel, wie er etwa durch die Tempelzerstörung im Jahre 70 n. Chr. ausgelöst wurde.2 Von neutestamentlicher Seite wurde in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit unterstrichen, „das Koordinatensystem, das die theologische Entwicklung in Abhängigkeit von äußeren Gegebenheiten und Veränderungen bestimmen hilft“,3 neu zu definieren. Ein Forschungskonsens scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Es lässt sich aber festhalten, dass, sofern dies die multireligiöse Gesellschaft der Antike anbelangt, das Problem der Identitätsfindung und -erhaltung mittels Selbst- und Fremdwahrnehmung unter ganz 1 2 3

S. u. a. Siegert, Israel als Gegenüber, 9–14. Vgl. hierzu den konzisen Überblick von Herr, The Identity, passim. Mittmann, Die theologische Bedeutung, 1305.

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Niclas Förster und J. Cornelis de Vos

verschiedenen Fragestellungen und methodischen Zugängen4 zumindest schon in den Blick genommen wurde, ohne jedoch in den Mittelpunkt des allgemeinen Forschungsinteresses zu gelangen.5 Dies schließt auch die Beobachtung ein, dass persönliche sowie nationale Identitätsmuster in der Antike in verschiedener Hinsicht perspektivisch gebrochen sein konnten. Ein und dieselbe Person hatte mitunter sogar eine Art multiple Identität, was Joseph Geiger – u. a. am Beispiel des Paulus – herausgearbeitet hat.6 Was für Personen gilt, gilt auch für Gruppen und Gemeinschaften. Die eigene Gruppe kann sich zum Teil der Kultur der Umwelt anpassen (Akkulturation) oder darin mehr oder weniger aufgehen (Assimilation). In den meisten Fällen durchdringen sich die Kulturen verschiedener Gruppen gegenseitig (Transkulturation). Das Mit- und Gegeneinander der verschiedenen Kulturen ist ein wichtiger Faktor in der Identitätswerdung der jeweiligen Gruppen. Dies beleuchten eine Reihe von Studien zum Thema „Judentum und Hellenismus“ in Palästina,7 zum Verhältnis von Juden und Christen zum imperium romanum8 sowie zum multikulturellen Umfeld im antiken Alexandria.9 Sie zeigen u. a., dass eine Gemeinschaft nie eine statische Größe ist, sondern dass die „Eigenheit“ stets intern und extern „ausgehandelt“ werden muss. In diesem Zusammenhang spielt die Wahrnehmung der Differenz eine wesentliche Rolle. Im Kern geht es dabei um die Frage, um hier Impulse der Systemtheorie aufzugreifen,10 wie und ab welchem Zeitpunkt die Differenz zum Anderen nicht nur wahrgenommen, sondern zum Bestandteil des eigenen Selbstbildes gemacht wird, das sich dann seinerseits aus jener Differenzerfahrung speist und in ihr fundiert ist. Hinsichtlich des Verhältnisses solch einer Differenzerfahrung zur Akkulturation, Assimilation oder 4 Zahlreiche Projekte mit einem Bezug zur aktuellen Säkularisierungsdebatte oder Fragen religiöser Identität und Abgrenzung in der Moderne zeigen diese Entwicklung in der Forschung an. Als Beispiel mögen hier das „Centrum für Religion und Moderne“ an der Universität Münster (https:// www.uni-muenster.de/Religion-und-Moderne/) und das Projekt „Mobilisierung von Religion in Europa“ (http://www2.uni-erfurt.de/mobilisierung_religion/) an der Universität Erfurt, der FriedrichSchiller-Universität Jena und der Fachhochschule Jena genannt sein. In diesem Zusammenhang sei ferner auf das seit 2008 (elektronisch) erscheinende Journal of Jewish Identities hingewiesen, dessen Beiträge ihren Fokus aber nicht in der Antike haben. 5 Als Beispiel sei hier der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster angeführt, der in seinen Teilprojekten dieser Frage nachgeht; z. B. Projekt C3: „Initiation – Beschneidung – Identität“ (https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/ forschung/projekte/c3.html); C9: „Konkurrenzen und Identitäten in polytheistischen Gesellschaften des antiken Kleinasien – lokale Kulte zwischen Abgrenzung und Integration“ (https://www.unimuenster.de/Religion-und-Politik/forschung/projekte/c9.html) oder A2–10: „Der jüdische nomos zwischen Normativität und Identität am Beispiel Alexandrias im 1.–3. Jh. n. Chr.“ (https://www. uni-muenster.de/Religion-und-Politik/forschung/projekte/a2–10.html). 6 Geiger, The Jew, passim. 7 Z. B. Hengel, Judentum und Hellenismus. 8 S. die noch immer wegweisende Untersuchung von Smallwood, Jews under Roman Rule, sowie Goodman, Judaism in the Roman World; Rajak, The Jewish Dialogue with Greece and Rome. 9 S. neuerdings z. B. die zwei Themenhefte Alexandria – Stadt der Bildung und der Religion in BN 147, 2010, 148, 2011. 10 Vgl. Luhmann, Einführung, 92 ff. Zum Phänomen von Inklusion und Exklusion im Allgemeinen s. ders., Inklusion und Exklusion.

Einleitung

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Transkulturation sozioreligiöser Gruppen stellt sich die Frage, ob diese im Rahmen der genannten Prozesse aufgehoben oder spezifisch modifiziert wird. Religiös-gesellschaftliche Selbst- und Fremdwahrnehmung und die durch diese generierten Prozesse der Identitätsbestimmung sind also höchst komplexe Phänome und können eigentlich nicht allein auf der Basis schriftlicher Überlieferungen erhoben werden, die zudem in etlichen Fällen nur das Selbstverständnis einer einzelnen Gruppe oder sogar eines bestimmten Autors widerspiegeln.11 Auch andere Phänomene wie Rituale oder mehrheitlich geteilte und statistisch nachweisbare Glaubensvorstellungen müssten analysiert und berücksichtigt werden. Da wir aber aus der Antike in vielen Fällen nur Texte besitzen und anderes Datenmaterial uns lediglich in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung steht, wird sich auch dieser Band darauf beschränken, das Phänomen der Perspektive auf sich selbst und andere anhand der relevanten Texte zu studieren. Dabei soll es sowohl um die Selbst- als auch um die Fremdwahrnehmung gehen.12 Das heißt: Die in diesem Band versammelten Beiträge nehmen nicht allein die Sicht von Juden auf Christen oder Christen auf Juden in den Blick, sondern wenden sich ebenso der Perspektive auf diejenigen zu, die sich von der jeweiligen Mehrheit abgrenzten und eigenständig entwickelten. In dem vorliegenden Band soll an den nachgezeichneten Forschungstrend ausdrücklich angeknüpft werden. Einen gewissen Einschnitt markiert dabei wohl die von Jacob Neusner und Ernest S. Frerichs herausgegebene Aufsatzsammlung mit dem bekannten Zitat des Dichters Robert Burns im Titel: „To See Ourselves as Others See Us.“ Schon die Einleitung verweist auf die fundamentale Dimension der Grundfrage der Selbst- und Fremderkenntnis und des damit inhärenten Problems des Anderen, der auch zum „outsider“ werden kann.13 In dieser Problematik gehen zudem Judentum und Christentum parallel. Den hier begonnenen Faden greift Hermann Lichtenberger im ersten Beitrag dieses Bandes wieder auf. Für die Anregungen, die die Forschung durch sozialgeschichtliche Fragestellungen erfahren hat, soll hier beispielhaft die Studie von Philip A. Harland erwähnt werden,14 der Gruppenidentität im Blick auf antike Vereine und christliche Gemeinden untersucht hat. In diesem Band nimmt vor allem die Untersuchung von Manuel Vogel Anregungen soziologischer Zugänge zum Thema auf. Im Hinblick auf die Erörterung der christlich-jüdischen Identitätsproblematik sei aus der Fülle der einschlägigen Veröffentlichungen die umfangreiche Monographie, „Christian Identity in the Jewish and Graeco-Roman World“ von Judith Lieu angeführt. Exemplarisch sei ferner auf den von Markus Öhler herausgegebenen Sammelband 11 Vgl. grundsätzlich dazu Bengt Holmberg und Michael Winninge in: Identity Formation, Preface, VII. 12 Dieser Ansatz ist bisher vornehmlich in soziologischen Forschungsbeiträgen verfolgt worden, s. z. B. Hans-Jürgen Hildebrandts Aufsatzsammlung mit dem Titel „Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung“, obwohl die Veröffentlichungen zur Identitätsfrage auch in Religionswissenschaft und Theologie zunehmen. 13 Ebd., Preface, XI bzw. XIV. 14 Harland, Dynamics of Identity.

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Niclas Förster und J. Cornelis de Vos

„Religionsgemeinschaft und Identität. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung in der Antike“ hingewiesen. Die Einleitung bietet einen konzisen und hilfreichen Überblick über die verschiedenen Begriffe von Identität.15 Für die Analyse antiker Identitäten sind die Begriffe der ethnischen, religiösen und sozialen Identität am hilfreichsten. Die in diesem Band versammelten Beiträge erörtern das Thema nicht in seiner ganzen Bandbreite, vielmehr konzentrieren sie sich – abgesehen von dem programmatischen Einleitungsbeitrag von Hermann Lichtenberger, der vor allem auch das Selbst- und Fremdbild in der apologetischen Auseinandersetzung beleuchtet – jeweils auf einen Aspekt der behandelten Problematik. Thomas Witulski analysiert das Vierte Makkabäerbuch als Dokument einer geschickten, nach innen gerichteten Apologetik, die sich gegen die weitgehende Anpassung integrationswilliger Kreise im hellenistischen Judentum an ihre pagane Umgebung, wahrscheinlich in Antiochia am Orontes, richtet, was sich u. a. in der Aufgabe der jüdischen Speisegesetze konkretisiert. Dabei wird ebenfalls die Debatte um diese Toragebote mit paganen Opponenten behandelt. Manuel Vogel schlägt eine Brücke zur Untersuchung sozialer Gruppen, wobei er seinen Ausgangspunkt von der auffällig unpolemischen Konkurrenz zwischen den Anhängern von Johannes dem Täufer und ihrem christlichen Gegenüber nimmt. Niclas Förster wechselt zum Thema der Reinheit und der im Tempel für alle jüdischen Besucher der inneren Höfe üblichen kultischen Reinigungen, insbesondere auch der gebotenen Ritualbäder, über, deren Wertigkeit in dem in P.Oxy. 840 erhaltenen Fragment eines judenchristlichen Evangeliums durchaus unterschiedlich beurteilt wird. Diese Fragestellung verbindet sich eng mit der identitätsstiftenden Abgrenzung gegenüber der pharisäischen Halacha und wird auf dem Hintergrund bestimmter Passagen der Gemeinschaftsregel aus Qumran profiliert. J. Cornelis de Vos argumentiert in seinem Beitrag zu Schriftgelehrten und Pharisäern im Matthäusevangelium, dass der Matthäusevangelist und sein Trägerkreis sich von ihrer eigenen wohl pharisäischen Vergangenheit absetzen, indem sie ein stereotypisches Bild der Schriftgelehrten und Pharisäer konstruieren, das als externalisierte Eigenwahrnehmung fungiert. Schriftgelehrte und Pharisäer stehen respektive für Lehren und Handeln und zusammen für das Nichthandeln nach der Lehre. Die matthäische Gruppe findet und stärkt ihre eigene Identität, indem sie mittels der Negativfolie „Schriftgelehrte und Pharisäer“ die Einheit von Lehren und Handeln betont. Detlev Dormeyer vergleicht die Regeln und Praxen der römischen Strafjustiz des ersten Jahrhunderts n. Chr. mit der neutestamentlichen Passionsgeschichte und kommt zum Ergebnis, dass es „keinen förmlichen Prozess Jesu gegeben [hat], weder vor dem jüdischen Synhedrion, noch vor dem Präfekten Pilatus“.16 Die Verurteilung Jesu bewegte sich rechtlich gesehen also innerhalb der koerzitiven Amtsgewalt des Statt-

15 Öhler, „Identität“. 16 S. 137 in diesem Band.

Einleitung

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halters und wurde erst in späterer christlicher Perspektive zum Ergebnis eines regelrechten „Prozesses“ umgedeutet. Gottfried Schimanowskis Beitrag widmet sich den apologetischen Schriften Philos von Alexandria. Schimanowski fragt nach dem Verhältnis zwischen Selbstbeschreibung und polemischer Kontrastierung. Gerade im multikulturellen Alexandria und in Hinblick auf Philo, der sich bewusst als Alexandriner und als Jude versteht, ist das Verhältnis zwischen gesellschaftlicher Integration und religiöser, ethnischer Abgrenzung immer wieder zu bestimmen. Schimanowski argumentiert, dass Philos Glaube an die Vorsehung hierbei eine entscheidende Rolle spielt. Joseph Sievers analysiert die Verwendung nichtjüdischer Autoren durch Flavius Josephus in seinen Werken. Welche Quellen zitiert er wie und warum, und welche nicht und warum? Sievers zeigt, dass sich Josephus, außer in Contra Apionem, nicht mit seinen nichtjüdischen Quellen auseinandersetzt, sondern sie als „Gewährsleute für seine eigenen Angaben“ anführt.17 Jan Willem van Henten interpretiert die bei Flavius Josephus überlieferte Episode, nach der der goldene Adler des Herodes, der sich im Jerusalemer Tempelkomplex befand, demoliert wurde. Möglicherweise repräsentierte der Adler für die Juden, die ihn abgerissen hatten, das römische Imperium und damit Herodes’ Verbindung mit den Römern. Für bestimmte jüdische Gelehrte stellte es einen Verstoß gegen das dekalogische Bilderverbot dar. Die Demolierung des Adlers symbolisierte, dass Herodes als fremd wahrgenommen wurde und es nicht wert war, König der Juden zu sein. Daniel Schwartz schlägt am Ende des Bandes einen forschungsgeschichtlichen Bogen von der Sicht auf Josephus als einen Verräter, die ihm viele seiner jüdischen Zeitgenossen vorhielten, wie der Historiker selbst konzedieren muss, hin zu der frühen Auseinandersetzung mit Josephus und dessen Apologetik durch jüdische Forscher des 19. Jahrhunderts, denen Josephus in einer Epoche des Nationalismus eine durchaus problematische Figur blieb. In allen Beiträgen wird das am Anfang Gesagte deutlich: Die eigene sozioreligiöse Identität entsteht durch ein Wechselspiel von Selbst- und Fremdwahrnehmung. Dies ist ein Prozess, der sich selbst im Lauf der Geschichte immer wieder neu generiert und in diesem Band mit Blick auf die ersten beiden Jahrhunderte nach Christus zum Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung gemacht wird. Der Fokus des Interesses richtet sich dabei auf das Judentum und das aufkommende Christentum, sowohl im Wechselspiel zueinander als auch jeweils zur hellenistisch-römischen Umwelt.

17 S. 173 in diesem Band.

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Niclas Förster und J. Cornelis de Vos

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Einleitung

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„To See Ourselves as Others See Us“ (Robert Burns) – Juden und Christen unter römischer Herrschaft: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung Hermann Lichtenberger

I. Einleitung In seiner Schrift Gegen Apion erinnert Josephus gleich zu Beginn an die Antiquitates, in denen er eine 5000 Jahre umfassende Geschichte seines Volkes in griechischer Sprache dargestellt habe, und fährt fort: Da ich aber sehe, dass viele den übelwollenden Nachreden, die von einigen geäußert wurden, Beachtung schenken und dem in der Altertumskunde von mir Geschriebenen misstrauen […], hielt ich es für nötig, über all dies in Kürze zu schreiben und den Lästerern die Böswilligkeit und vorsätzliche Lüge nachzuweisen und der Unwissenheit der anderen abzuhelfen, alle aber zu belehren, die die Wahrheit wissen wollen, (und zwar) die über unser Alter.1

Sich selbst zu sehen, wie andere einen sehen, wird nur akzeptiert, wenn diese Sicht der Wahrheit entspricht. Ist sie verfälscht aus Böswilligkeit oder Unkenntnis, muss die zutreffende Sichtweise durch Belehrung und Information hergestellt werden. Genau das beabsichtigt Josephus in seinem Buch über Die Ursprünge oder Ursprünglichkeit (so der Buchtitel des Münsteraner Arbeitskreises) des Judentums. Dabei geht es um „das Wahre“ (τἀληθές), und er wendet sich an die, die das Wahre/die Wahrheit wissen wollen. Am Ende seines Werkes wird Josephus noch einmal auf „die Wahrheit“ (ἀλήθεια) zu sprechen kommen, wenn er über diejenigen spricht, „die ungerecht über uns geschrieben haben“, und er sie nun „überführe, dass sie schamlos gegen die Wahrheit selbst den Zank begonnen haben“.2 Josephus weiß, dass man sich nur dann im Spiegel des anderen wiedererkennen kann, wenn dieser Spiegel nicht verzerrt. Entsteht ein Zerrbild, dann muss man es zurechtrücken. Es geschieht dadurch, dass man sich auf die Position des anderen erst einmal einlässt, das heißt, sie wahrnimmt und zu verstehen sucht. Genau dies tut Josephus. Er zitiert sie und führt daraufhin die Auseinandersetzung, und zwar weniger apologetisch 1

2

Ich zitiere nach der Übersetzung von Contra Apionem des Josephus-Arbeitskreises am Institutum Judaicum Delitzschianum unter Leitung von Folker Siegert (Abk.: Siegert, Ursprünglichkeit); Apion. I 2 f, Siegert, Ursprünglichkeit, 1:99. Apion. II 287; Siegert, Ursprünglichkeit, 1:214.

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als affirmativ. Apologie hat er überhaupt nicht nötig, ist er sich doch seiner Sache gewiss. Nur weiß er, dass es für manche schwer zu begreifen ist, und darum erklärt er es, geduldig und ausführlich. Aber gehen wir zunächst einen Schritt zurück. Die alttestamentliche Überlieferung weiß längst um das Problem. In Ex 23,9 heißt es: „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil ihr auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seid“ (vgl. Ex 22,20). Das Wissen um die eigene Identität und Geschichte lässt die anderer kennen: Ihr wisst, was Fremdheit ist. Umgekehrt wurden die heidnischen Geschichten über Israel in Ägypten und den Auszug eine Bedrohung für Juden, als sie selbst unter fremder Herrschaft standen (von Manetho bis Tacitus). An diesem Punkt musste der Fremdwahrnehmung widersprochen werden, und das hat Josephus in Contra Apionem getan.3 Konnten sich Juden in dem Bild wiederfinden, das andere von ihnen zeichneten? Sich selbst zu sehen, wie andere einen sehen, kann die Wahrheit hervorbringen. Der andere kann aber auch falsche oder gehässige Bilder haben; aber auch diese tragen zur besseren Erkenntnis seiner selbst bei. Zu wissen, warum man abgelehnt oder gehasst wird, kann wohl einen Erkenntnisgewinn über einen selbst bedeuten – gerade wenn die Ablehnung oder der Hass unbegründet sind. Es ist also ein beziehungsreiches Geflecht von Nachrichten und Traditionen, das unser Thema umfasst, und von dem wir nur wenige Aspekte aufzeigen können. Wir beginnen mit einer Problemanzeige, die sich in zwei rabbinischen Erzählungen bereits in der Mischna findet: Peroqlos der Philosoph […] fragte Rabban Gamli’el in Ἀkko, als der im Bad der Aphrodite badete. Er sagte zu ihm: in eurer Tora steht geschrieben „An deiner Hand soll nichts mit dem Bann Belegtes kleben bleiben (Dtn 13,18)“; und weshalb badest du (als Jude dennoch) in einem (heidnischen) Bad der Aphrodite? Er sagte zu ihm: man gibt im Bad keine Antwort [d. h. man spricht im Bad im Zustand der Nacktheit nicht von Gott]. Als er hinausgegangen war, sagte er zu ihm: ich bin nicht in ihren (= der Aphrodite) Bereich gekommen, sie ist (vielmehr) in meinen Bereich gekommen. Man sagt (nämlich) nicht‚ „das Bad ist zur Ausschmückung der Aphrodite gemacht worden“, sondern (man sagt)‚ „die Aphrodite ist zur Ausschmückung des Bades gemacht worden“. Oder: wenn man dir viel Geld geben würde, würdest du (dann etwa) nackt oder samenergussbehaftet zu deinem Götzen (in dessen Tempel) eintreten und vor ihm urinieren? Aber diese (Statue der Aphrodite) steht bei der Rinne, und jeder Mensch uriniert vor ihr. Und es steht (schließlich) nur geschrieben: Ihre (= der Heiden) Götter (zerschlagt) (Dtn 12,3). [Der Ausdruck „Götter“ meint:] etwas das als Gottheit behandelt wird, ist verboten; aber etwas, das nicht als Gottheit behandelt wird, ist erlaubt.4

3 4

Siegert, Ursprünglichkeit. mAS 3,4; Übersetzung der Mischna nach jAS 42d,45–48 (Wewers, ‘Avoda Zara, 102); Mischna und Gemara bAS 44b (Übersetzung nach Goldschmidt, Babylonischer Talmud, 9:572–574).

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Man fragte die (jüdischen) Ältesten in Rom: wenn er (= Gott) am Götzendienst [d. h. an Götzen] nicht Gefallen hat, weshalb vernichtet er ihn nicht? Sie sagten zu ihnen: wenn die (Heiden) eine Sache verehren würden, an der die Welt keinen Bedarf hat, hätte er sie (bereits) vernichtet; aber sie verehren doch die Sonne, den Mond, die Sterne, die Planeten, die Berge und die Hügel – sollte er seine Welt wegen der Narren zerstören? Sie sagten zu ihnen: wenn das so ist, könnte er (doch) die Sache zerstören, an der die Welt keinen Bedarf hat, und die Sache bestehen lassen, an der die Welt Bedarf hat. Sie sagten zu ihnen: aber dann würden wir deren Verehrer bestärken, und sie würden sagen: erkennt, daß sie Gottheiten sind, denn diese hat man (= Gott) vernichtet, und jene hat man nicht vernichtet.5

In Rom werden Juden noch in ganz anderer Weise mit Götzendienst konfrontiert als im Palästina des zweiten Jahrhunderts n. Chr., selbst, wenn auch dort die Präsenz heidnischer Göttinnen und Götter die Städte beherrschte. Die Perspektive unseres Themas wird deutlich im Gespräch des heidnischen Philosophen und Rabban Gamliels im Bad beziehungsweise außerhalb des Bads von Akko. Der heidnische Philosoph ist erstaunt, dass sich Rabban Gamliel überhaupt ins Bad der Aphrodite in Akko begibt. Nun gibt es – neben der Nacktheit im Bad – einen Hauptanstoß: die Statue der Aphrodite. Sollte der Gelehrte darum das Bad meiden? Wäre das nicht eine Vorbildfunktion, die man vom großen Lehrer erwarten könnte? Rabban Gamliel weiß, dass er gegen die Statue der Aphrodite im Bad nichts tun kann und betrachtet die Frage scheinbar als ein Adiaphoron: „Ich bin nicht in ihren, sie ist vielmehr in meinen Bereich gekommen.“ Die Statue schmückt höchstens das Bad, aber das Bad ist nicht ihretwegen errichtet. Aber dann geht er zum Angriff über: Die Göttin wird durch ihre heidnischen Verehrer entweiht, indem man sich vor ihr nackt, kultisch unrein und urinierend verhält. Das heißt, man verhält sich ihr gegenüber überhaupt nicht als einer Göttin, und „etwas, das nicht als Gottheit behandelt wird, ist erlaubt“. Also, worin soll das Problem für mich bestehen? Das Argument ist stichhaltig, war doch schon seit Tiberius6 unehrerbietiges Verhalten bereits im Umkreis einer Kaiserstatue untersagt: daß als todeswürdiges Verbrechen angesehen wurde, wenn jemand in der Nähe eines AugustusBildes einen Sklaven auspeitschen ließ oder seine Kleider wechselte, ein Geldstück oder einen Ring mit dem Bild des Augustus auf den Abtritt oder in ein Bordell mitnahm.7

5 6 7

mAS 4,7; Übersetzung nach jAS 44a,43–48 (Wewers, ‘Avoda Zara, 139); Mischna und Gemara bAS 45b–55a (Übersetzung nach Goldschmidt, Babylonischer Talmud, 9:607–609). Sueton, Tiberius, 58. Sueton, Tiberius, 58, zitiert nach Lambert, Suetonius, 152; Hinweis Achim Lichtenberger, vgl. Pekary, Kaiserbildnis; dort der Hinweis auf Historia Augusta, Caracalla 5,7: „Zu jener Zeit wurden Leute verurteilt, die ihr Wasser dort abgeschlagen hatten, wo sich Statuen oder Bilder des Kaisers befanden“ (ebd., 114). Schon zur Zeit des Domitian wurde nach Cassius Dio LXVII 12,2 eine Frau zum Tod verurteilt, die sich vor einer Statue des Kaisers umkleidete (Pekary, Kaiserbildnis, 50.114).

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Nun ist damit das Problem noch nicht erledigt, und in einer Bekenntnissituation wäre die Antwort sicher anders. Und doch lässt diese ruhige und sichere Art der Argumentation Wichtiges für unsere Fragestellung erkennen: sich selbst zu sehen, wie andere einen sehen. Der Philosoph zitiert die Tora und packt Gamliel an einer wunden Stelle. Wie kann er es als jüdischer Lehrer verantworten, ins heidnische Bad mit der Statue der Aphrodite zu gehen? Jede Hörerin und jeder Hörer der Geschichte spürten die Brisanz der Frage angesichts der gebotenen Trennung vom Heidnischen und viel mehr wegen der Martyrien um dieser Abgrenzung willen; hier stehen vor allem die Martyrien der Jahre 132–135 vor Augen. Die erste Antwort „Ich bin nicht in ihren, vielmehr ist sie in meinen Bereich gekommen“ kann nicht wirklich befriedigen, denn auch wenn Aphrodite ein Eindringling ist, so ist sie doch da und Rabban Gamliel in ihrer Nähe. Dennoch zeugt die Antwort von großer Souveränität. Der zweite Argumentationsgang bringt über triviale Beobachtungen die Sache auf den Punkt: Aphrodite wird von ihren (heidnischen) Verehrern gar nicht als Göttin gewürdigt: man geht vor ihr nackt, man ist möglicherweise kultisch unrein, man uriniert vor ihr. Das heißt, sie wird gar nicht als Göttin behandelt, „und etwas, das nicht als Gottheit behandelt wird, ist erlaubt“. Diese Argumentationsfigur ist bestimmend für den Traktat Avoda Sara: Nur Bilder, die verehrt und angebetet werden, sind Götterbilder und darum verwerflich. Wenn, wie in unserem Fall, eine Statue verächtlich behandelt wird, handelt es sich gar nicht um ein Götterbild. Der Philosoph argumentiert mit der Tora, der Rabbi weist nach, dass Aphrodite überhaupt nicht als Göttin verehrt wird und also keine ist. Im Sinn unseres Themas: Die zweite Antwort, die der (heidnische) Philosoph erhält, macht ihm den Blickwinkel des jüdischen Gelehrten deutlich: Eine Statue, vor der man nackt geht und Wasser lässt, kann keine Gottheit repräsentieren. Aber die Argumentation ist damit nicht zu Ende. Der (heidnische) Philosoph hätte doch sofort zugestimmt, dass man sich vor Statuen von Göttinnen und Göttern nicht unehrerbietig verhalten darf. Der Philosoph macht sich die Sichtweise des jüdischen Gelehrten zu eigen. Interessanterweise geschieht dies über den Weg, dass er an die Ehrerbietung erinnert, die von Heiden eigentlich einer Göttinnenstatue entgegengebracht werden muss. Das heißt, beide schlüpfen in die Rolle des andern und gewinnen daraus überzeugende Argumente für sich selbst. Die zweite Erzählung fügt Einzelaspekte hinzu: Auch hier handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Heiden und Juden. Die Frage ist: Warum vernichtet Gott nicht die heidnischen Götzen, die ihm doch missfallen? Auch hier ist die Reflexionsebene zunächst sehr pragmatisch: Das wäre natürlich der Fall, wenn die Heiden Phänomene verehren würden, die keine Bedeutung für die Welt haben, nun aber verehren sie Sonne, Mond, Sterne, Planeten, Berge und Hügel – „sollte er seine Welt wegen der Narren zerstören?“ Doch dann geschieht auch hier der Übergang zur theologischen Argumentation: Würde Gott all das vernichten, das nicht notwendig für den Bestand der Welt ist, dann könnten die Heiden behaupten, dass die Dinge, die notwendig für den Bestand der Welt sind, Gottheiten sind, weswegen Gott sie erhalten hat.

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Die jüdischen Ältesten bestreiten also vehement, dass aus der Tatsache, dass Sonne, Mond, Sterne, Planeten, Berge und Hügel existieren bleiben, geschlossen werden kann, dass sie göttlich seien. Der Text lässt die Opponenten gegen die jüdische Position noch einen Schritt weiter gehen: Wenn Gott all das vernichtete, das für den Bestand der Welt nicht von Bedeutung ist, dann könnten doch die für den Bestand wichtigen Dinge als Gottheiten anerkannt werden. Aber gerade das soll nach dem Willen der jüdischen Ältesten nicht geschehen. Für unser Thema ergibt sich ein wichtiger Gesichtspunkt: Die Gegner versetzen sich in die Situation der jüdischen Ältesten und versuchen ihnen zu suggerieren: Gott könnte doch alles abschaffen, was für den Bestand der Welt nicht vonnöten ist. Die jüdische Seite erkennt sogleich die Versuchung: Dann könnte man ja das, was nicht vernichtet wurde, als Gottheiten bezeichnen, nämlich Sonne, Mond, Sterne etc. Und darauf kann sich eine jüdische Position nicht einlassen. Es ist bezeichnend, wie beide Erzählungen mit großem Einverständnis arbeiten, zugleich aber große Missverständnisse zeigen. „To see ourselves as others see us“ scheint zunächst einmal darin zu bestehen, dass wir uns präsentieren wollen, wie wir uns sehen. Zu erkennen, wie andere uns sehen, führt oft zu Abwehrreaktionen, Verteidigungsstrategien und Verweigerung. Wir nähern uns dem Thema in vier Schritten, indem wir zunächst nach der gegenseitigen Wahrnehmung von Qumran-Essenern und Römern fragen (II), uns dann dem antiken Antijudaismus zuwenden (III) und der Beurteilung Roms durch die Rabbinen (IV). Das letzte Kapitel (V) wird die christliche Gemeinde im Verhältnis zur heidnischen Welt zum Thema haben.

II. Qumran-Essener und die Römer: Innen- und Außenperspektive 1. Das Bild der Römer im Habakuk-Kommentar von Qumran8 Der Kommentar aus Qumran deutet fortlaufend den Bibeltext des Propheten im Hinblick auf die eigene Zeit der Qumran-Gemeinde. Wenn es in Hab 1,6 heißt9: „Denn siehe, ich lasse erstehen die Chaldäer, das bittere und ungestüme Volk“, so wird das sogleich auf die Römer (Kittäer) bezogen: Seine Deutung bezieht sich auf d[ie] Kittäer, die schnell sind und stark im Kampf, vi[el]e zu verderben, [so daß das Land unterworfen wird] der Herrschaft der Kittäer. Sie haben in Besitz genommen [viele Länd]er und glauben nicht an die Gesetze [Gottes]. (1QpHab II 12–15)

Die politische Expansion und Herrschaft wird in der Auslegung von Hab 1,6 f weiter angeprangert: 8 9

Siehe Lichtenberger, Rombild. Übersetzung im Folgenden nach Lohse, Texte.

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Seine Deutung bezieht sich auf die Kittäer, vor denen Furcht [und Schr]ecke[n] auf allen Völkern liegt. Und mit Absicht ist all ihr Sinnen darauf gerichtet, Böses zu tun, und [mit L]ist und Trug gehen sie mit allen Völkern um. (1QpHab III 4–6)

In diesem Sinne wird auch Hab 1,8 f auf „die Kittäer“ gedeutet, die das Land mit [ihren] Rossen und mit ihren Tieren zerstampfen. Und von fernher kommen sie, von den Inseln des Meeres, um alle Völker zu fressen wie ein Geier, ohne Sättigung zu finden. (1QpHab III 9–12)

Die Gewalt der römischen Befehlshaber, die Übermacht der römischen Heere und ihre Belagerungstechnik sind das Thema der Auslegung von Hab 1,10: Seine Deutung bezieht sich auf die Herrscher der Kittäer, die die Befestigungen der Völker verachten und höhnisch über sie lachen. Und mit viel Volk schließen sie sie ein, um sie einzunehmen. Und mit Furcht und Schrecken werden sie in ihre Hand gegeben. (1QpHab IV 5–8)

Mit Hab 1,17, „und kennt keine Schonung“, wird über die Grausamkeit der Kriegführung geklagt: Seine Deutung bezieht sich auf die Kittäer, die viele mit dem Schwert vernichten, wehrlose Knaben und Greise, Frauen und Kinder, und sogar mit der Frucht im Mutterleibe haben sie kein Erbarmen. (1QpHab VI 10–12)

Die „Herrscher der Kittäer“ handeln nach dem „Rat des Sündenhauses“, womit vermutlich der römische Senat gemeint ist; sie kommen „einer nach dem anderen, um das Land zu verderben“ (1QpHab IV 11–13). Diese Wendungen haben nicht nur Roms militärische Gewalt im Blick, sondern auch die wechselnden Präfekten beziehungsweise Prokuratoren und die wirtschaftliche Ausbeutung. In Hab 1,16b, „denn durch sie wurde sein Anteil fett und seine Speise reichlich“, erkennt der Ausleger die Methoden, mit denen Rom zu Lasten anderer Völker – nicht nur Judäas – zu seinem Reichtum kommt: „Seine Deutung ist, daß sie ihr Joch und ihre Fronlast, ihre Speise, auf alle Völker Jahr um Jahr verteilen, so daß sie viele Länder verwüsten“ (1QpHab VI 5–8). Und Hab 1,16a gibt Anlass, neben den finanziellen Lasten, die Rom auferlegt, auch die in den römischen Legionen gepflegte religiöse Verehrung der Feldzeichen zu geißeln, denen die Eroberer ihren Erfolg zu verdanken meinen: Und sie [die Kittäer] häufen ihren Besitz mit all ihrer Beute wie Fische des Meeres. Und wenn es heißt: Deshalb opfert er seinem Netz und bringt Rauchopfer seinem Fischergarn, so ist seine Deutung die, daß sie ihren Zeichen Opfer bringen, und ihre Kriegswaffen sind Gegenstand ihrer Verehrung. (1QpHab VI 1–5)

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Auch die letzte Eroberung Jerusalems am Ende der Tage werde durch die Hand der Römer geschehen, ihnen wird sogar der Reichtum der Priester aus Jerusalem, den sie aus den Völkern gesammelt haben, in die Hände fallen (1QpHab IX 2–7)10: „Das schreckliche eschatologische Volk – das konnte nur das grausame Volk sein, das in der Gegenwart des Auslegers ‚alle Völker‘ bedroht“; der Schrecken, den die Kittäer verbreiteten, war der Schrecken der Endzeit. Die Vermutung, in den Kittim des Habakuk-Kommentars die Römer zu erkennen, wird zur Gewissheit durch den Nahum-Kommentar 4Q169 (4QpNah) Frgm. 3+4 I 3, wo von den Königen Javans (= Griechenlands, d. h. den Seleukiden) gesprochen wird, „von Antiochus bis zum Auftreten der Herrscher der Kittäer“, das heißt, die Zeitspanne von Antiochus IV. (175–164) bis zur römischen Eroberung mit der Entsendung aufeinander folgender Prokonsule und späterer Präfekten in Judäa.

2. Essener, Qumran und andere jüdische und christliche Romperspektiven Die scharfe Kritik der Qumrangemeinde an Rom, seiner militärischen Expansion und politischen Herrschaft, an der Ausbeutung der unterworfenen Völker und an der römischen Religion fügt sich ein in die Romkritik jüdisch-apokalyptischer Texte wie der Esra-Apokalypse (4Esr 11,1–12,3) und der jüdischen Sibylle (Sib 3,158–161). Die scharfen Töne gegen Pompejus in den pharisäischen Psalmen Salomos (17 f) aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. ergänzen das Bild. In der rabbinischen Literatur der ersten Jahrhunderte wird sich der geistige Widerstand gegen Rom fortsetzen und die antirömische Polemik zu neuer Entfaltung kommen. Ein christliches Pendant hat die jüdische Ablehnung Roms in der vehementen Romkritik der Johannesapokalypse. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass wir gerade Rom, gegen das der Verfasser des Habakuk-Kommentars so schonungslos deutliche Worte fand und dessen Ende die Kriegsregel so definitiv erwartete, die Erhaltung der Qumrantexte verdanken: Um sie 68 n. Chr. vor den Römern zu schützen, waren sie in Höhlen versteckt worden, wo sie, nachdem ihre Besitzer umgebracht oder zerstreut worden waren, 1879 Jahre ruhten, bis ein Beduinenjunge auf der Suche nach einer verlorenen Ziege die erste Höhle entdeckte.

a) Die Essener in römischer Perspektive I.: Plinius Der Habakuk-Kommentar gibt den Blick einer spezifischen jüdischen Gruppe auf Rom wieder, die zumindest in Verbindung mit den Essenern steht. Glücklicherweise haben wir auch einen römischen Blick auf diese Gruppe, die Notiz bei Plinius dem Älteren in der Naturalis historia V 73: Es handelt sich dabei um eine außerordentlich sympathische Beschreibung der Essener als

10 Jeremias, Lehrer, 29.

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ein einsamer und auf dem ganzen Erdkreis vor allen andern merkwürdiger Stamm (gens), ohne jede Frau, jeder Wollust abhold, ohne Geld und nur in Gesellschaft von Palmen. Er erneuert sich gleichmäßig Tag für Tag durch die Menge der Neuankömmlinge, da viele dorthin wandern, die das Schicksal durch seine Stürme als Lebensmüde veranlasst, ihre Sitten anzunehmen. So besteht ein ewiger Stamm (eine gens aeterna), bei dem niemand geboren wird, über Jahrhunderte fort, was unglaublich scheint. So fruchtbar ist für jene der Lebensüberdruß anderer.11

Wir wollen nicht die Einzelaussagen auf ihren historischen Gehalt überprüfen, auch nicht die Beziehungen zu andern antiken Essenerberichten und den Qumranfunden herstellen, sondern einzig auf die staunende Darstellung der Essener verweisen. Sicher ist dies im Rahmen antiker Ethnographie nur eine kurze Notiz, aber doch geeignet, bei einem römischen Publikum Interesse und vielleicht auch Bewunderung zu wecken.

b) Die Essener in römischer Perspektive II.: Josephus Einen andern römischen Blick auf die Essener finden wir bei Josephus: Hier schreibt ein Jude, und die intendierten Adressaten sind Römer. Dies mag für das Bellum, die Antiquitates, die Vita und Contra Apionem je verschieden sein, aber sein ausführlichster Bericht im Bellum ist in seiner uns überkommenen griechischen Gestalt zweifelsohne an Römer adressiert. Dabei sind vor allem auch solche Charakteristika wichtig, die Interaktionen mit Römern berichten: Deutlich in jeder Beziehung brachte ihren Charakter der Krieg gegen die Römer ans Licht, in dem sie gemartert und gefoltert, gebrannt und zerbrochen wurden und ihr Weg durch sämtliche Folterkammern führte, damit sie entweder den Gesetzgeber schmähen oder etwas Verbotenes essen sollten, und doch blieben sie fest, weder das eine noch das andere auf sich zu nehmen, auch nicht dazu, ihren Peinigern zu schmeicheln oder Tränen zu vergießen. Unter Schmerzen lächelnd und der Folterknechte spottend gaben sie freudig ihr Leben dahin in der Zuversicht, es wieder zu empfangen. (bell. II 152 f)12

In anderer Weise wird ein griechisch-römischer Standpunkt bei Josephus sichtbar, wenn er den Essenern Züge pythagoräischer Lebensweise zuschreibt – eventuell aufgrund einer pythagoraisierenden Quelle13 –, wie das morgendliche Gebet zur Sonne oder den Vegetarismus, sowie in der angeblichen Lehre von der Unsterblichkeit der Seelen: In Übereinstimmung mit den Söhnen der Griechen tun sie dar, daß den guten Seelen ein Leben jenseits des Ozeans beschieden sei und ein Ort, der von Regen und Schnee und Hitze nicht belästigt wird, dem vielmehr vom Ozean her ein ständig sanft wehender Zephir Frische

11 Übersetzung nach Winkler, Plinius, 58 f. 12 Michel/Bauernfeind, Bello Judaico, 1:211. 13 Siehe Bergmeier, Essenerberichte.

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spendet. Den schlechten dagegen sprechen sie eine dunkle und winterliche Schlucht zu, voll von unablässigen Strafen. (bell II 155 f)14

Josephus bringt dies mit den Inseln der Seligen und dem Hades in Beziehung. Ganz deutlich ist Josephus um Verständnismöglichkeiten seiner griechischrömischen Leserschaft bemüht, wenn er die jüdischen Religionsgruppen mit griechischen Philosophenschulen vergleicht. Die jüdischen „Philosophenschulen“ und ihre Äquivalente in der griechisch-römischen Welt sind: Essener – Pythagoräer (ant. XV 371) Pharisäer – Stoiker (vita 12) Sadduzäer – Epikureer (vgl. ant. X 277) Leitendes Prinzip für die Zuordnungen ist die Frage nach der εἱμαρμένη: „Die Pharisäer sagen, dass einiges, aber nicht alles Werk der εἱμαρμένη ist, bei einigen hängt es von einem selbst ab, ob es geschieht oder nicht“ (ant. XIII 172), sie sind also „Vertreter stoischer Schulmeinung im Sinne des Ineinanders von Schicksal und Selbstbestimmung“.15 „Die Gruppe der Essener jedoch hält die εἱμαρμένη für die Herrin von allem, und dass den Menschen nichts ohne deren Bestimmung geschieht“, sie sind also Vertreter „eines unbedingten Fatums“ (ant. XIII 172). „Die Sadduzäer verneinen die Vorsehung in der Meinung, weder gebe es sie noch nähmen die menschlichen Geschicke ihr zufolge ihren Ausgang.“16 Natürlich ist die Beschreibung der drei beziehungsweise vier Schulen oder Gruppen viel ausführlicher und inhaltlich reicher hinsichtlich der Lebensführung, des Verhältnisses zur Schrift, der Erwartung eines Gerichts, der Unsterblichkeit der Seele und vieles andere mehr. Aber mit dem popularphilosophischen Thema der Frage nach dem Fatum hat Josephus die drei religiösen Gruppen zu Philosophenschulen gemacht, die in nichts den griechisch-römischen nachstehen. Obwohl er sich nach eigenem Bekunden nach Erprobungen der drei Schulen und eines zusätzlichen Voluntariats bei Bannus den Pharisäern anschließt (vita 10–12), gilt seine Liebe eindeutig den Essenern. Auf sie fällt bei Plinius und Josephus der ethnographisch interessierte römische Blick und nimmt ein Staunen erregendes Völklein wahr, die incredibile dictu – Juden sind. Dies scheint in Widerspruch mit dem nachfolgenden Komplex des römischen Antijudaismus zu stehen, der Juden generell unter negativen Vorzeichen sieht. Vielleicht erklärt sich der Widerspruch daraus, dass sich der antike Antijudaismus gegen die Juden insgesamt richtet, mit den Essenern dagegen liebenswürdige Ausnahmen gezeigt werden.

14 Michel/Bauernfeind, Bello Judaico, 1:213. 15 Bergmeier, Essenerberichte, 57 f. 16 Übersetzung nach Bergmeier, Essenerberichte, 57.

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III. Der antike Antijudaismus17 – Wahrnehmung der Juden durch Heiden18 Bei der Frage nach den Gründen für die Andersartigkeit jüdischer Gebräuche und Verschiedenheit der Juden stieß die griechische Ethnographie bei ihrer Frage nach dem αἴτιον, das heißt nach einem geschichtlichen Ereignis, das den zu erklärenden Gebrauch widerspiegelt, auf die Geschichte des Auszugs aus Ägypten.19 Bereits um 300 v. Chr. wird die Eigenart der Juden von Hekataios von Abdera auf Mose zurückgeführt: „Weil er selbst als Fremdling vertrieben wurde, führte er die menschenfeindliche und fremdenfeindliche (μισοξένος) Lebensweise ein.“ Eindeutig negative Züge erhält die Geschichte kurze Zeit später bei dem ägyptischen Priester und Historiographen Manetho, der in seiner Geschichte Ägyptens die Auszugsgeschichte als Vertreibung einer über Ägypten grausam regierenden Fremdherrschaft erzählt: Der erste Abschnitt (I 73–79) beschreibt die Herrschaft der Hyksos in Ägypten, wie sie Göttertempel dem Erdboden gleichmachten. Der zweite Teil berichtet über den „Auszug aus Ägypten“ als Vertreibung wegen Lepra und anderer Krankheiten.20 Diese Geschichte wird vier Jahrhunderte weitergeschleppt, bis sie sich schließlich bei Tacitus in dem großen ethnographischen Exkurs über die Juden in den Historien im ersten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts n. Chr. findet: Die meisten Autoren teilen die Annahme, daß bei dem Ausbruch einer über Ägypten sich verbreitenden, den ganzen Körper entstellenden Seuche der König Bocchoris sich an das HammonOrakel mit der Bitte um ein Heilmittel gewandt und dort die Weisung erhalten habe, er solle sein Reich einer Säuberung unterziehen und dabei dieses Geschlecht als gottverhaßt in andere Länder abschieben. So habe man denn die Leute zusammengesucht und gesammelt. Wie man sie dann in Einöden ihrem Schicksal überließ, da habe, während die übrigen wie stumpfsinnig vor sich hin weinten, Moses, einer der Ausgewiesenen, sie aufgefordert, keinesfalls auf ein Eingreifen der Götter oder auf Menschenhilfe zu warten, da sie ja von diesen und jenen verlassen seien; sie sollten vielmehr, angesichts der himmlischen Führung, unter der sie stünden, auf sich selber vertrauen; dieser himmlische Beistand sei es in erster Linie, wodurch sie das gegenwärtige Elend überwinden würden. Man stimmte bei und trat, aller Dinge unkundig, aufs Geratewohl den Marsch an. Es setzte ihnen aber damals nichts so zu wie der Mangel an Wasser. Schon waren sie, der Erschöpfung nahe, überall auf den Gefilden rings hingesunken, als eine Herde Wildesel von ihrem Weideplatz zu einer waldbeschatteten Schlucht hinüberwechselte. Moses folgte ihr und entdeckte, was er bei dem grasreichen Boden schon vermutet hatte, reichliche Wasseradern. Dies war eine rechte Erquickung für die Leute, und so konnten sie einen Dauermarsch von sechs Tagen zurücklegen und am siebten Tag nach Vertreibung

17 18 19 20

Siehe Schäfer, Judeophobia, deutsche Übersetzung: Judenhass; Lichtenberger, Judaeophobia. Siehe dazu jetzt Schäfer, Judenhass. Bickerman, Ritualmord, 227. Siehe Yavetz, Judenfeindschaft, 67. Text des Manetho bei Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 62–86 (Nr. 19–21).

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der bisherigen Bewohner das Land besetzen, in dem sie dann ihre Hauptstadt anlegten und den Tempel weihten. (Tacitus, hist. V 3,1 f)

Tacitus fährt fort, Mose habe dann, um sich des Volkes zu versichern, neue Gebräuche eingeführt, die im Widerspruch zu allem, was sonst üblich sei, stünden. Dazu gehört, dass er im Allerheiligsten eine Eselstatue aufgestellt habe, den Genuss des Schweinefleisches untersagt und Sabbat und Sabbatjahr festgesetzt habe. Kurz: „Bei den Juden ist alles unheilig, was bei uns heilig ist; andererseits ist bei ihnen gestattet, was wir als Greuel betrachten.“21 Die älteren Gesetze werden durch später hinzutretende ergänzt. Unter ihnen ragt das des Hasses auf alle anderen heraus: adversus omnes alios hostile odium (Tacitus, hist. V 5,1). Dieser Vorwurf steht in Zusammenhang mit der Beschreibung jüdischer Solidarität untereinander und zugleich der Abgrenzung von anderen: „Beim Essen ausschließlich (unter sich), im Beischlaf getrennt, steht dieses, auf die Ausübung der Begierde ausgerichtete Volk, vom Geschlechtsverkehr mit andern ab.“22 Die Fortsetzung ist verräterisch: inter se nihil inlicitum – „unter ihnen selbst ist nichts verboten.“ Zum Hass gegen andere gehört angeblich entsprechend die Verpflichtung der Proselyten, also der zum Judentum übergetretenen Heiden, zur völligen Trennung von ihrem bisherigen Leben: „Die Götter zu verachten, das Vaterland zu verleugnen, ihre Eltern, Kinder und Geschwister gering zu schätzen“ (V 5,2). Der Vorwurf der geheimen Verschwörung der Juden klingt an in der Wendung, dass unter ihnen nichts verboten sei, beziehungsweise dass „Mose neue religiöse Bräuche eingeführt hat, die mit den sonst auf der Welt üblichen im Widerspruch standen“.23 Das gilt insbesondere für die für Nichtjuden unverständlichen jüdischen Gebote, die das alltägliche Leben regeln. Unter ihnen sind besonders vier zu nennen:

1. Beschneidung Der Beschneidung, dem Bundeszeichen Gottes mit Israel, begegnet man mit Unverständnis und Hohn. Bei Tacitus dient sie der Unterscheidung (die er ja vorwirft!): „Die Beschneidung haben sie als besonderes Unterscheidungsmerkmal bei sich eingeführt. Wer zu ihrem Kult übertritt, hält sich auch an diesen Brauch.“24 Der Lächerlichkeit preisgegeben wird die Beschneidung bei Petronius. Über einen Sklaven, der einfach alles kann – er ist Schuster, Koch, Bäcker – alles in einer Person, schreibt er, er habe zwei Fehler: „Er ist beschnitten und schnarcht.“25 21 Tacitus, hist. V 4,1. Übersetzung und lateinischer Text von Tacitus, hist., nach Borst, Tacitus. Text auch bei Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 2, 18 (Nr. 281). 22 Tacitus, hist. V 5,2. 23 Tacitus, hist. V 4,1 (Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 2, 18). 24 Tacitus, hist. V 5,2; siehe auch Juvenal, Satiren XIV 96–106 (Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 2, 102, Nr. 301). 25 Petronius, Satyricon 68,7–9 (Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 442, Nr. 193).

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2. Die Speisegebote Tacitus bringt die Enthaltung von Schweinefleisch in den Zusammenhang der Austreibung aus Ägypten: Des Genusses von Schweinefleisch enthalten sich die Juden in Erinnerung an die einstige Heimsuchung; war doch über sie selbst seinerzeit der schreckliche Aussatz gekommen, von dem dieses Tier befallen zu werden pflegt.26

Bekannt ist der Kalauer des Augustus, es sei besser, das Schwein als der Sohn des Herodes zu sein (in Anspielung an das jüdische Verbot des Schweinefleischgenusses und Herodes’ Wüten in der eigenen Familie).27 Einen lebhaften Eindruck über Unverständnis und Spott gibt uns Philo von Alexandria in seinem Bericht über die von ihm angeführte jüdische Gesandtschaft an Caligula, um Beschwerde über den Pogrom des Jahres 38 n. Chr. in Alexandria zu führen. Statt die Gesandtschaft anzuhören, fragt er unvermittelt: „Warum enthaltet ihr euch des Genusses von Schweinefleisch?“ Auf diese Frage brach bei unseren Gegnern wieder ein so schallendes Gelächter los, teils weil sie sich darüber belustigten, teils weil sie, um ihm zu schmeicheln, sich befleißigten, seine Bemerkung als geistvollen Witz und unterhaltsamen Ausspruch erscheinen zu lassen.28

Es sei nur angemerkt, dass die Martyrien des greisen Eleasar und der Mutter mit ihren sieben Söhnen, die im Zweiten Makkabäerbuch beschrieben werden, infolge der Verweigerung des Schweinefleischgenusses erlitten werden (2Makk 6 f).

3. Der Sabbat – Das Sabbatjahr Nach Seneca vertrödeln die Juden ein Siebtel ihres Lebens mit Nichtstun (Seneca bei Augustin, civ. VI 11). Der Sabbat wird so zum Zeichen jüdischen Müßiggangs und der Faulheit. Und das Sabbatjahr, also jedes siebte Jahr, das nach biblischem Gebot als Brachjahr dem Land Ruhe geben soll, ist für Tacitus Ausdruck der Freude am Nichtstun.29 Man kennt jüdische Sabbatbräuche wie neben der Arbeitsruhe das Sabbatessen und die Sabbatlichter, aber auch da überwiegt der Spott. Seneca schreibt zu den Sabbatlichtern: „Die Götter brauchen keine Lichter, und die Menschen haben keine Freude am Rauch.“30 Augustus wird bei Sueton zitiert mit31: „Ich habe heute so gefastet wie 26 Tacitus, hist. V 4,1. 27 Text bei Macrobius (melius est Herodis porcum esse quam filium) nach Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 2, 665 (Nr. 543). 28 Philo, legat. 361–363. Übersetzung nach Kohnke, Philo. 29 Tacitus, hist. V 4,2. 30 Seneca, ep. XCV 47. Zitiert nach Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 432 f (Nr. 188). 31 Sueton, Augustus 76 (bei Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 2, 110, Nr. 303).

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ein Jude am Sabbat“ – da sitzt er einer Fehlinformation auf. Unter die bei Seneca als superstitiones genannten sacramenta Iudaeorum gehört maxime sabbata32, der Sabbat.

4. Die Aussetzung von Kindern Aussetzung von Neugeborenen war eine Form der Geburtenkontrolle in der Antike. Es geht hier nicht um Rechtsfragen, auch letztlich nicht darum, ob es denkbar ist, dass Juden so etwas getan oder nicht getan hätten, sondern um zwei aufschlussreiche Aussagen des Tacitus über Kindesaussetzungen bei Juden und Germanen. In beiden Völkern ist es eine Schandtat, nachgeborene Kinder, agnati, zu töten, und Tacitus scheint dem Verbot Zustimmung entgegenzubringen.33 In der Germania und in den Historien steht die Nachricht über die Erhaltung der agnati jedoch in völlig unterschiedlichem Argumentationszusammenhang: Tacitus befürwortet das Verbot bei den Germanen, agnati umzubringen und konfrontiert es mit der sexuellen Unmoral und Geburtenregelung im Rom seiner Zeit. Ganz anders in den Historien: Dort ist die Aufzucht aller Kinder bei den Juden der Grund für ihre (zu) große Zahl.34

5. Judenfeindschaft – Judaeophobie35 Judaeophobie meint, entsprechend dem Begriff der Xenophobie, der Fremdenfeindschaft, die Feindschaft von Nichtjuden gegenüber Juden aufgrund ihres Judeseins. Hier haben wir schon Jahrhunderte früher das Phänomen, das dann gegenüber Christen begegnet, dass jemand wegen des nomen ipsum, das heißt, einzig aufgrund der Tatsache Jude – oder später Christ – zu sein, Feindschaft und Verfolgung erleiden muss. Wie wir gesehen haben, gehört zu dieser Feindschaft explizit der Vorwurf gegenüber Juden, sie seien „fremdenfeindlich“, das heißt, feindselig gegen alle Nichtjuden. In Judaeophobie klingt aber auch das andere mit: die Furcht vor Juden, hervorgerufen aus der Ambivalenz von Faszination und Zurückweisung. Woher kommt diese prinzipielle Feindschaft gegen Juden?36 Zwei Erklärungsversuche herrschen vor: 1. Die Juden haben aufgrund ihrer Andersartigkeit (Beschneidung, Speisegebote, keine intermarriage, Sabbat etc.) Misstrauen und Feindschaft provoziert. Sie sind also die Opfer ihrer eigenen Abgrenzung und damit ursächlich schuld an ihrer Ausgrenzung und Verfolgung. 2. Judenfeindschaft entstand nicht aus prinzipieller Abneigung gegen Juden und ihre Religion, sondern unter ganz bestimmten politischen Bedingungen. Dabei sind drei Konfliktherde zentral:

32 33 34 35 36

Bei Augustin, civ. VI 11. Zitiert nach Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 431 (Nr. 186). Bloch, Antike Vorstellungen vom Judentum, 148. Ebd., 149. Yavetz, Judeophobia; Schäfer, Judeophobia. Siehe Schäfer, Judenhass.

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– Syrien-Palästina zwischen 175 und 164 v. Chr. mit dem Makkabäeraufstand, dann der erste (66–73 n. Chr.) und zweite jüdische Aufstand (132–135 n. Chr.) gegen Rom, – Ägypten, und dabei hauptsächlich Alexandria in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende – und schließlich Rom selbst. Dabei spielen selbstverständlich auch Züge eine Rolle, die den ersten Deutungsversuch bestimmen. So wurden Juden als von der mainstream-Kultur Unterschiedene wahrgenommen und sollten mit sanftem oder hartem Zwang einer als verbindlich angesehenen Gesamtkultur eingefügt werden. Dass diese normierende nichtjüdische „Leitkultur“ durchaus verschieden sein konnte, soll nur angedeutet werden. Gemeinsam ist jedoch, dass eine Leitkultur immer glaubt definieren zu können, wer Jude ist und wie sich Juden zu verhalten haben, was sie denken, was sie glauben (Definitionsmacht der Leitkultur). Ein antikes Beispiel: Griechen definieren, wer Barbar ist. Wohin gehörten Juden? Konnten sie in einer Stadt wie Alexandria zu den Griechen gerechnet werden, oder gehörten sie zu der eingesessenen ägyptischen Bevölkerung, waren also Barbaren? Man bestimmte auch, was ihre Geschichte, was ihre Gesetze seien. Man hat sie weder danach gefragt, noch hat man ihre Schriften gelesen, die in praktischer griechischer Übersetzung – was die Tora betrifft – seit dem dritten Jahrhundert v. Chr. in Alexandria vorlagen. Man hätte dort zum Beispiel statt der durch Jahrhunderte mitgeschleppten Mär, die Juden seien mit ansteckenden Hautkrankheiten geplagt und wie räudige Hunde aus Ägypten weggejagt worden, die wahre Geschichte ihres Auszugs lesen können. Man macht sich auch nicht die Mühe, geographisch, zeitlich und gruppenspezifisch zu unterscheiden. Bei Tacitus wird die in Zusammenhang mit dem Sabbatjahr erhobene Anschuldigung der Faulheit auf alle Juden bezogen, dabei gilt das Gebot des Brachjahrs nur für das Land Israel selbst. Wir kommen zurück zu den beiden genannten Positionen. Keine kann ausschließlich die antike Judenfeindschaft erklären: Die erste läuft Gefahr, die Opfer zu den Schuldigen zu machen, die zweite, Judenfeindschaft auf politische Konflikte zu reduzieren. Hinzu kommt die Frage, ob es historisch richtig ist, dass Judenfeindschaft – wie meist angenommen – in der Makkabäerzeit beginnt.37 Wie wir gesehen haben, beginnt antijüdische Agitation schon viel früher, um 300 v. Chr. in Ägypten. Hinzu kommt ein Ereignis, auf das Peter Schäfer besonders hingewiesen hat:38 die Zerstörung des jüdischen Tempels in Elephantine im Jahr 410 v. Chr. Offenbar in Abwesenheit des persischen Statthalters zerstörten Ägypter den Tempel der jüdischen Militärsiedler. Hier wurde eine Gelegenheit abgewartet, den Widerwillen gegen Juden und ihren Kult zu demonstrieren. Schließlich stellt sich die Frage: Was unterscheidet römische Judenfeindschaft und Negativurteile von denen gegenüber Galliern, Skythen und anderen Barbaren, das heißt: Ist Judenfeindschaft lediglich eine Spielart von Fremdenfeindschaft? 37 Siehe Habicht, Hellenismus und Judentum. 38 Schäfer, Judenhass, 177–197.

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Zvi Yavetz schreibt in diesem Zusammenhang: Juden waren in verschiedener Hinsicht Barbaren, genau wie alle andern auch, doch in bezug auf einige Aspekte waren sie noch etwas mehr, und genau dieses „bißchen mehr“ verdient unsere besondere Aufmerksamkeit.39

Dieses „Mehr“ bestand in ihrer Religion und der damit verbundenen religiösen Praxis, die konstitutiv für Juden ist und für sie selbst ausschließlich. Das schloss die Juden zu einem Ethnos zusammen, das durch eine spezifische Religion definiert ist. Darum spielt die Ausübung der jüdischen Religion eine entscheidende Rolle für die pagane antike Judenfeindschaft. Dies gilt, obwohl Juden seit Caesar freie Religionsausübung garantiert war. Um noch einmal die Kernfrage zu formulieren: Gehört die Judenfeindschaft zum Phänomen der Xenophobie oder bildet sie eine eigene Kategorie? Oder in heutiger Terminologie: Ist es legitim, wie es mit bester Absicht geschieht, Fremdenfeindschaft und Antisemitismus zu parallelisieren? Und wenn man das könnte, bleibt doch zu fragen, warum es Judenfeindschaft auch ohne Juden gibt. Wir finden bei Römern ethnische Verunglimpfungen und gleichzeitig Respektbezeugungen gegenüber anderen Völkern und Barbaren, jedoch gegenüber Juden keine Anerkennung (eine Ausnahme bieten die freundlichen Worte Plinius d. Ä. über die Essener, hist. V 7340)! Wir haben gesehen: Bei Germanen und Juden berichtet Tacitus, dass sie auch die agnati aufziehen. Bei den Germanen hält er dies seiner Gesellschaft als vorbildlich vor, bei den Juden stellt er es in den Zusammenhang ihrer großen (d. h. zu großen) Zahl. Eine weitere Beobachtung ist aufschlussreich: Titus wird nicht zum Iudaicus! Das, soviel sei nur bemerkt, hängt damit zusammen, dass der Begriff Iudaicus ihn in zu große Nähe zu Juden gebracht hätte. Das aber musste vermieden werden. Darum musste er sich auch von Berenike, einer Urenkelin des Herodes, trennen (Sueton, Titus 7). Wie antworten Juden auf das negative Bild, das in der römischen Öffentlichkeit von ihnen propagiert wird und zu dessen Verbreitung sich auch die besten Köpfe nicht zu schade sind? Josephus kann als Beispiel eines beharrlichen, aber letztlich vergeblichen Kampfes um die „Wahrheit“ über das Judentum gewürdigt werden. Ähnliches könnte auch für Philo von Alexandrien gelten. Hier soll kurz der Blick auf die rabbinische Reaktion gelenkt werden.

IV. Die rabbinische Sicht Zwei Kaiser haben sich als Erzfeinde der Juden in die Erinnerung des rabbinischen Judentums eingebrannt: Titus, der Zerstörer des Tempels, und Hadrian, der die Beschneidung verbot – so jedenfalls wurde das Kastrationsverbot verstanden –, 39 Yavetz, Judenfeindschaft, 38. 40 Text bei Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 470 (Nr. 204).

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der den Bar Kochba-Aufstand niederschlug und Jerusalem zur heidnischen Stadt machte.41 Titus zerstört nicht nur den Tempel, er schändet ihn auch und die jüdische Religion: Er schläft mit einer Hure auf einer Torarolle auf dem Altar.42 Mehr Frevel kann man nicht kumulieren)43 Titus verhält sich also nach einem Topos, der aus der Zeit des Antiochus IV. Epiphanes kommt. Titus stirbt dann auch den Tod des Gottesfeindes, hier durch eine Mücke, die dem „Besieger der Barbaren“ durch einen Weinpokal im Bad in Rom in sein Gehirn kommt und sich nach seinem Tod als von der Größe einer kleinen Taube erweist.44 Ist das Titus-Bild nur negativ, so ist das des Hadrian ambivalent. Hadrian diskutiert mit Rabbinen, erweist Jüdinnen und Juden Ehre,45 ist dann aber eben auch der, dessen Name mit dem Zusatz genannt wird: „Mögen seine Gebeine zermalmt werden!“ Die Belagerung der letzten Bastion der Aufständischen, Betar, südöstlich von Jerusalem, wird zum Symbol seines Frevels, die Gräuel bei der Einnahme werden drastisch, wenn auch toposmäßig geschildert: Sie mordeten so lange unter ihnen, bis das Pferd bis zu seinen Nüstern im Blut (stand). Und das Blut schwemmt Felsbrocken von vierzig Se’a Gewicht davon, bevor es sich vierzig Meilen weit ins Meer ergoß.46

Weiter sind die mit den Gehirnen der kleinen Kinder besudelten Steine (jTaan 69a,11– 13) zu nennen; oder in einer Baraita: Rabban Shim’on ben Gamli’el sagt: Fünfhundert (Schul-)Häuser gab es in Betar, und das kleinste von ihnen fasste nicht weniger als fünfhundert Kinder. Sie sagten: Wenn die Feinde über uns kommen, dann ziehen wir mit diesen Griffeln gegen sie hinaus und stechen ihnen die Augen aus. Da sie aber Freveltaten anrichteten, wickelten sie jedes einzelne (dieser Kinder) in seine Schriftrolle ein und verbrannten es, und von ihnen allen ist keines übrig geblieben außer mir.47

41 Siehe Stemberger, Römische Herrschaft, 69–74 [Titus], 78–86 [Hadrian]. 42 Ebd., 70. 43 Vgl. 2Makk 6,4–5: „Denn die Heiden erfüllten das Heiligtum mit wüstem Treiben und mit Gelagen. Sie gaben sich mit Dirnen ab und ließen sich in den heiligen Vorhöfen mit Frauen ein […]. Auf den Brandopferaltar häuften sie unerlaubte und vom Gesetz verbotene Dinge.“ Zitiert nach Stemberger, Römische Herrschaft, 72. 44 ARN B7. 45 Stemberger, Römische Herrschaft, 78–82. 46 jTaan 69a,7–11; Übersetzung Lehnardt, Fastentage, 47. 47 jTaan 69a,13–18; Übersetzung Lehnardt, Fastentage, 147.

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Günter Stemberger schreibt zutreffend: So übertrieben diese Angaben auch sind und so sehr sie stereotyp wiederholen, was an anderer Stelle von der Einnahme Jerusalems durch Nebukadnezzar gesagt wird, spiegeln sie doch die besondere Härte, mit der die Römer nach der Belagerung an den Besiegten Rache übten.48

„50 Festungen, 985 Dörfer waren zerstört, 580000 Juden (?) im Kampfe gefallen, ungerechnet die durch Krankheit oder Hunger umgekommenen.“49 Die Bevölkerung Judäas wurde, soweit sie den Römern in die Hände fiel, in die Sklaverei verkauft, der Preis fiel auf dem Sklavenmarkt von Hebron auf den eines Pferdes.50 Andererseits waren die römischen Verluste so groß, dass Hadrian in seinem Schreiben an den Senat die übliche Eingangsformel, dass „er und das Heer sich wohl befinde“, wegließ.51 Hadrian ist in das jüdische Gedächtnis als Verfolger eingegangen und darin Antiochus IV. vergleichbar, dessen Werk der Hellenisierung er vollenden wollte. Juden konnten Hadrian nicht als den sehen, der er sein wollte: Humanist und Kulturbringer. Er war ein wiedergekehrter Antiochus, der ebenfalls die Beschneidung verboten hatte.

V. Christliche Gemeinde und heidnische Welt 1. Trennung So scharf für Paulus die Abgrenzung der christlichen Gemeinde von der heidnischen Vergangenheit und Lebenswelt ist (vgl. 1Kor 6,9–11), so warnt er doch vor falschem Eifer und vor Weltflucht: 1Kor 5,9–11 bezieht er sich auf einen früheren Brief, in dem er offenbar missverstanden worden war, und dieses Missverständnis möchte er ausräumen: Ich habe euch in dem Brief geschrieben, nicht mit Hurern Umgang zu haben. Nicht überhaupt mit den Hurern dieser Welt oder den Habgierigen und Räubern oder Götzendiener – dann müsstet ihr ja aus der Welt ausziehen. Nun (d. h. in Wirklichkeit) schrieb ich euch, keinen Verkehr mit jemandem zu haben, der ein Bruder heißt, der Hurer, Habgieriger oder Götzendiener oder Lästerer oder Säufer oder Räuber ist – mit einem solchen nicht einmal essen!

Ganz anders fordert Apk 18,4 zum Auszug aus Rom auf: „Zieht aus, mein Volk, aus ihr (vgl. Jes 52,11), damit ihr nicht Gemeinschaft habt mit ihren (scil. Roms) Sünden, und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt.“ Auf derselben Linie wie Apk 18,4 ist der wohl nichtpaulinische Abschnitt 2Kor 6,14–7,1, wo in 6,17 ebenfalls Jes 52,11 bestimmend ist. 48 49 50 51

Stemberger, Römische Herrschaft, 85. Schürer, Geschichte, 1:698 nach Cassius Dio LXIX 14. Schürer, Geschichte, 1:698. Schürer, Geschichte, 1:698 nach Cassius Dio LXIX 14.

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In besonderer Weise hat der Erste Petrusbrief das Selbstverständnis, hier in der Fremde zu sein und das Ziel noch nicht erreicht zu haben, zum Ausdruck gebracht. In 1Petr 2,11 f heißt es: „Geliebte, ich ermahne euch als Fremde und Fremdlinge euch fernzuhalten von den fleischlichen Begierden, die gegen die Seele Krieg führen. Euren Lebenswandel unter den Heiden führt gut …“ Die Gemeinde soll diese „Zeit der Fremdlingschaft“ (1,17) als teuer Erlöste führen. Das Wissen, in der Fremde zu sein, führt aber nicht zur Selbsterhebung über diese so böse fremde Welt, sondern zum Zeugnis vor der Welt: Die Heiden sollen „durch eure guten Werke zur Einsicht kommen und Gott am Tag der Heimsuchung preisen“ (2,12). Dieser vorbildliche Wandel schließt sogar die Unterordnung unter die kaiserliche Gewalt ein (1Petr 2,13–17; vgl. Röm 13,1–7). Eine besondere Fremdheitserfahrung machen die Gemeinden, an die die Johannesoffenbarung gerichtet ist. Der Kaiserkult, an dem sich die christliche Gemeinde nicht beteiligt, macht sie zu Fremden; die Nichtteilnahme führt zum Ausschluss aus der sozialen und politischen Gemeinschaft und zur Ausgrenzung: Niemand kann kaufen oder verkaufen, der nicht das Zeichen des Tieres hat (Apk 13,17).

2. Die Außenwirkung des Gottesdienstes – Zungenreden und Fremde/heidnische Gäste 1Kor 14,23–25: Wenn alle in Zungen reden und es kommen „Ungebildete“ (ἰδιῶται) und Ungläubige (ἄπιστοι) – „werden sie nicht sagen, dass ihr verrückt seid (μαίνεσθε)?“ (14,23) – Wenn aber alle prophetisch reden, werden sie sagen: „Es ist wirklich Gott bei ihnen“ (14,25). Paulus hält den Korinthern vor Augen, wie andere, das heißt Nichteingeweihte und Ungläubige, also Heiden, sie in den beiden unterschiedlichen Formen des Gottesdienstes sehen: eine zungenredende Gemeinde als Verrückte, eine prophetisch redende Gemeinde als Zeugen Gottes.

3. Die Johannesapokalypse und Rom Meines Wissens gibt es keinen Text der Jahrhunderte um die Zeitenwende, der so romfeindlich ist wie die Johannesapokalypse; in ihrer Grundsätzlichkeit übertrifft sie sogar noch die jüdische Sibylle. Ganz gleich, ob wir sie ans Ende des ersten Jahrhunderts datieren oder in die ersten Jahrzehnte des zweiten Jahrhunderts, so bleibt die Grundsätzlichkeit der Ablehnung, die einen entscheidenden Ausgangspunkt beim Kaiserkult hat. Die Johannesapokalypse zeigt uns im Purpur nicht die dea Roma, sondern eine lupa Roma, die Hure Roma, die betrunken ist vom Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu (17,6). Die Forderung der Teilnahme am Kaiserkult beziehungsweise das Ansinnen, Kompromisse einzugehen, hintertreibt die Johannesapokalypse durch kategorische Ablehnung und Verteufelung der römischen Kaiser und ihrer Umgebung. Hier soll auf einen anderen Punkt unterschiedlicher Wahrnehmung eingegangen werden, und zwar auf den römischen Luxus. Dieser offenbart sich in der Bekleidung

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und im Schmuck der „Frau“: gekleidet in Purpur und Scharlach, geschmückt mit Gold und Edelstein(en) und Perlen (17,4). Bevor wir uns dem „Warenkatalog“ der über den Untergang Roms klagenden Händler 18,12–14 zuwenden, werfen wir einen Blick auf den Text eines kleinasiatischen Rhetors, des Aelius Aristides, der 143 n. Chr. mit seiner Bewunderung Roms sicher das Selbstverständnis großer Teile der römischen Oberschicht trifft. Natürlich gab es in Rom seit frühester Zeit Luxuskritik, und die Kaiser haben seit Augustus regulierend einwirken wollen, aber nach dem, was wir aus den Funden von den Städten am Golf von Neapel nach dem Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. wissen, kann das nur als vergeblich bezeichnet werden.52 So zahllos sind die Lastschiffe, die hier eintreffen und alle Waren aus allen Ländern von jedem Frühjahr bis zu jeder Wende im Spätherbst befördern, daß die Stadt wie ein gemeinsamer Handelsplatz der ganzen Welt erscheint. Schiffsladungen aus Indien, ja – wenn man will – sogar aus dem „glücklichen Arabien“, kann man in solchen Mengen sehen, daß man vermuten könnte, für die Menschen dort seien fortan nur kahle Bäume übriggeblieben, und sie müßten hierher kommen, um ihre eigenen Erzeugnisse zurückzufordern, wenn sie etwas davon bräuchten […]. Eure Getreideländer aber sind Ägypten, Sizilien und der kultivierte Teil von Afrika. Das Ein- und Auslaufen der Schiffe hört niemals auf, so daß man sich nicht nur über den Hafen, sondern sogar über das Meer wundern muß, daß es, wenn überhaupt, für die Lastschiffe noch ausreicht. Und was Hesiod von den Grenzen des Ozeans sagte, daß es einen Ort gebe, wo alle Wasser zu einem Anfang und zu einem Ende ineinanderströmen, geradeso kommt auch alles hier zusammen, Handel, Schiffahrt, Ackerbau, Metallveredelung, Künste, wie viele es auch gibt und je gegeben hat, und alles, was erzeugt wird und auf der Erde wächst. Was man hier nicht sieht, zählt nicht zu dem, was existiert hat oder existiert.53

Kommen wir zum „Warenkatalog“ von Apk 18,12–14: Der ganzen Szenerie von Kapitel 18 mit der Klage der Könige der Erde (18,9–10), der Kaufleute (18,11–17a) und der Seeleute (18,17b–19) liegen Ez 26 und 27 zugrunde. Der „Warenkatalog“ beziehungsweise das Handelsgut ist dort noch vielfältiger und wird geographischpolitisch mit Handelspartnern in Verbindung gebracht (Ez 27,12–22). Die einzelnen Handelsvölker werden in Apk 18 nicht mehr genannt, die Waren sind nicht ihrer Herkunft nach, sondern ihrer Zusammengehörigkeit nach geordnet. Der Handel ist globalisiert und in den Händen der Großhändler. (12) Fracht von Gold und Silber und Edelstein und Perlen und Byssusleinwand und Purpur und Seide und Scharlach, und all das Citrusholz und all die Geräte aus Edelholz und Bronze und Eisen und Marmor (13) und Zimt und Amonum und Räucherwerk und Salböl und Weihrauch und Wein und Öl und Feinmehl und Rinder und Schafe und Wagen und Sklaven (σώματα), und Seelen von Menschen (ψυχὰς ἀνθρώπων). 52 Weeber, Luxus; zur Gesetzgebung gegen Luxus: ebd., 157–165. 53 Aelius Aristides, 11–13; Übersetzung nach Klein, Romrede, 13–15.

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Der Katalog lässt sich wie folgt gliedern: – Schmuck: Gold und Silber, Edelsteine und Perlen – Kleidungsstoffe: Byssos, Purpur, Seide und Scharlach – Einrichtung bzw. Geräte: aus Citrusholz, aus Elfenbein, aus wertvollem Holz, aus Bronze, aus Eisen und aus Marmor – Parfumstoffe und Räucherwerk: Zimt, Amonum, Räucherwerk, Myrrhe und Weihrauch – Nahrungsmittel: Wein und Öl, Feinmehl und Weizen – Tiere: Rinder und Schafe, Pferde mit Wagen – Sklaven: Leiber und Menschenseelen – Abschluss V. 14: „Obst“ der Begierde, alles Glänzende und Leuchtende Der Verfasser übernimmt dabei aus Ez 27 mindestens 14 Waren wörtlich, darunter die „Menschenseelen“ (Ez 27,13) als Bezeichnung für Sklaven, weitere drei bis fünf der Sache nach (z. B. statt „Wolle“ „Schafe“, oder statt „Kriegswagen“ „Reisewagen“). Noch auffälliger aber ist, was er Neues bietet. Es sind Waren, die für Tyros-Ezechiel (noch) keine Rolle spielten, nun aber im Mittelpunkt des Interesses des römischen Luxus stehen: Perlen, Purpur, Seide und Scharlach, Zitrusholz(tische), Marmor. In der Tat finden sich in Apk 18,12–14 13 der 29 teuersten Produkte aus einer Liste des Plinius.54 Gold, Silber, Perlen, Purpur, Scharlach und Seide sind schon genannt; begehrte Luxusgüter waren exotische Hölzer für die Inneneinrichtung, dabei ragt das sogenannte Zitrusholz (ξύλον θύϊνον) heraus. Wir können nicht die Luxusgüter im Einzelnen durchgehen,55 sondern beschränken uns auf die letzten beiden Glieder von V. 13: „und (Fracht) von Sklaven (Leibern) und Seelen von Menschen.“ Im Warenkatalog stehen am Ende schwergewichtig Sklavinnen und Sklaven.56 Durch die Doppelung „Sklaven“ und „Menschenseelen“ gelingt es der Johannesapokalypse schlaglichtartig das Unrecht der Sklaverei in den Blick zu rücken: Menschen stehen in einem Warenkatalog! Dies ist der Höhepunkt von Roms Freveltaten. Diese „Warenlieferungen“ nach Rom und die Sklavenmärkte sind nun zu Ende: Mit dem Untergang Roms gibt es keine Abnehmer mehr von „(Fracht) von Leibern“; durch ein grammatisches Signal zeigt uns der Verfasser auf, wie schwergewichtig ihm dies Achtergewicht ist, wenn er aus dem Genitiv in den Akkusativ springt: „und Seelen von Menschen“, „Menschenleben“. Man meint, darin geradezu ein Aufseufzen über das Unrecht des Sklavenhandels und der Sklaverei zu hören. Aber die Romkritik der Johannesapokalypse ist viel grundsätzlicher: Sie betrifft den Götzendienst, den göttlichen Machtanspruch des Kaisertums, die Weltherrschaft 54 Nach Bauckham, Economic Critique (Plinius, hist. XXXVII 204). 55 Lichtenberger, Rom, 485–491. 56 Grundsätzlich Friedlaender, Darstellungen, 2:366–369 („Der Sklavenluxus“); siehe auch Weeber, Schwelgerei, 127–136; Prigent, St. John, 508: „It is certainly not by accident that the list ends by mentioning men who are treated like merchandise.“

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mit der Ausbreitung römischer Kultur und Religion. Wir stehen heute staunend vor den Resten jener Globalisierung. Von Schottland bis Nordafrika, von Spanien bis in den Nahen Osten zeigen uns die archäologischen Funde eine Einheitskultur der militärischen Anlagen, Tempel, Theater, Aquädukte etc. Nicht alle haben das bewundert. Man konnte das auch anders sehen. Der Apokalyptiker hat das radikal anders gesehen. Auch rabbinische Gelehrte haben das anders gesehen. Der babylonische Talmud bShab 33b berichtet von einem Gespräch von Gelehrten der Mitte des zweiten Jahrhunderts: Einst saßen R. Jehuda, R. Jose und R. Šim‘on beisammen, und der Proselytenabkömmling Jehuda war unter ihnen. Da begann R. Jehuda und sprach: Wie schön sind doch die Werke dieser Nation [gemeint: Rom]! Sie haben Straßen angelegt, Brücken gebaut und Bäder errichtet. R. Jose schwieg. Darauf nahm R. Šim‘on b. Johaj das Wort und sprach: Alles, was sie errichtet haben, geschah nur in ihrem eigenen Interesse. Sie haben Straßen angelegt, um da Huren zu setzen, Bäder errichtet zu ihrem Behagen, Brücken gebaut, um Zoll zu erheben.

Die Grundsätzlichkeit und Gefährlichkeit dieser Kritik wird erst in der Fortsetzung der Erzählung deutlich: Der Proselytenabkömmling Jehuda erzählte ihr Gespräch weiter, und es wurde der Regierung bekannt. Diese beschloß dann: Jehuda, der gelobt hat, soll erhoben werden, Jose, der geschwiegen hat, soll nach Sepphoris verbannt werden, und Šim‘on, der geschmäht hat, soll hingerichtet werden.57

Schim‘on b. Johaj überlebt dann doch auf wunderbare Weise. Die Johannesapokalypse sah es auf ihre Weise noch grundsätzlicher: Der Herrschaftsanspruch Roms und die religiöse Verehrung, die für ihn verlangt wird, stehen in unversöhnlichem Widerspruch zur Herrschaft Christi beziehungsweise Gottes und des Lammes. Darum geht es der Johannesapokalypse nicht um Eindämmung des Luxus, um einen Ruf zur Bescheidenheit, sondern um die Zerstörung Roms; womit sich dann auch das Luxusproblem gelöst hat. Wenn es irgendwo – so ließe sich zugespitzt sagen – Luxus geben darf, dann im himmlischen Jerusalem. Nicht nur, dass diese Stadt aus Edelsteinen und Gold gebaut ist, auch die Fruchtbarkeit der Bäume wird paradiesisch sein (22,2). Nun werden – in Aufnahme der Erwartung der Völkerwallfahrt – die Heiden ihre Schätze in diese Stadt bringen (21,26). Was die vierte jüdische Sibylle ankündigt, wenn sie im Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. eine göttliche Strafe für die Zerstörung Jerusalems58 im Jahr 70 und zugleich eine 57 Übersetzung nach Goldschmidt, Babylonischer Talmud, 1:532. 58 4. Sibylle 130–136: „Schießt im italischen Land aus einer Erdkluft eine Wolke aus Feuer hervorblitzend zum weiten Himmel empor und verbrennt gar viele Städte und tötet die Männer, und erfüllt den geräumigen Äther viel schwärzliche Asche,

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Vorabbildung59 der Zerstörung Roms sieht, ist in der Johannesapokalypse antizipierte Wirklichkeit: Die Klagelieder werden bereits gesungen. Es ist auch kein moralischer Protest, wie ihn der Jude (oder Christ) an eine Hauswand in Pompeji geritzt hat (CIL IV 4976): „Sodoma Gomora“ (ob vor oder nach dem Vesuvausbruch ist unklar), der Schreiber also einen Untergang von Pompeji wie Sodom und Gomorra voraussieht oder eine Bestätigung dafür findet. Es ist ganz simpel eine andere Sicht der Dinge.

VI. Abschluss: To See Ourselves as Others See Us60 Die Titelzeile entstammt einem Gedicht des schottischen Dichters Robert Burns To a Louse aus dem Jahr 1786, und ist zum geflügelten Wort geworden. Es ist Titel und Motto eines von Jacob Neusner und Ernest S. Frerichs herausgegebenen Sammelbands To See Ourselves As Others See Us. Christians, Jews, „Others“ in Late Antiquity (Chico, California 1985), mit dem mich eine besondere Geschichte verbindet. Vielleicht ist die Geschichte des Buches das beste Beispiel für die verhandelte Problematik. Jacob Neusner, der gegenwärtig bedeutendste amerikanische Judaist, hatte zum 60. Geburtstag von Martin Hengel (1986) eine „Living Festschrift“ geplant, das heißt ein Symposion mit dem Thema „To see ourselves as others see us“, das 1984 stattfand. Aber es war nun nicht mehr Hengel gewidmet, da über die Haltung zu den Jerusalemer Historikern ein Dissens aufgebrochen war, und Hengel und ich unsere Teilnahme abgesagt hatten. Die Tilgung von Hengels Name reicht – wohl unabsichtlich – bis in die Register hinein, wo sein Name falsch geschrieben ist. Vielleicht bringt uns dies zurück, bescheidener zu beginnen und dort anzufangen, wo Jonathan Zwi Smith in seinem großen Eingangsvotum zum genannten Band endet: Dass wir gewissermaßen mit der umgekehrten Fragestellung beginnen sollten: eine Methodologie zu entwickeln, die es erlaubt, über „die andern“ in der Weise zu denken, wie wir über uns selbst denken.61 Dann kann es uns vielleicht gelingen, uns mit den Augen des anderen/der anderen zu sehen und ihn/sie und uns selbst besser zu verstehen. Robert Burns weiß, dass, wo und wann es gelingt, es ein Geschenk ist, und darum zitiere ich die Verszeile (in englischer Version) nun vollständig:

fallen ferner Tropfen, dem Mennig vergleichbar, vom Himmel, dann soll draus man erkennen des himmlischen Gottes Erzürnung, weil man der Guten und Frommen unschuldiges Volk will vernichten“ (Übersetzung nach Gauger, Sibyllinische Weissagungen, 121). 59 4. Sibylle 159–161: „[…] dann sieht man ein, dass Gott nicht weiterhin gnädig mehr sein wird, daß er, knirschend vor Zorn, das ganze Menschengeschlecht will, gänzlich auf Erden vernichten durch einen gewaltigen Weltbrand“ (Gauger, Sibyllinische Weissagungen, 121–123). 60 Dr. Dr. F. Lötzsch macht mich auf die Maxime in I. Kants Anthropologie aufmerksam: „Sich (in der Mitteilung mit Menschen) in die Stelle jedes Anderen zu denken“, zitiert nach Gross, Kant’s sämtliche Werke, 1:416 (= Kant’s Gesammelte Schriften, 7:228). 61 Smith, Difference, 48.

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O would some power the gift to give us to see ourselves as others see us. Ach, wär uns doch die Gabe gegeben, Uns so zu sehn, wie andre uns sehen.62

Oder in einem eigenen Versuch näher am Text: Ach, könnt durch eine Macht uns das Geschenk geschehn’, uns so zu sehn, wie andere uns sehn.

Das Wichtigste dabei ist, dass wir den andern/die andere ernster nehmen als uns selbst. Dann könnte auch aus der zweitausendjährigen „Ver-gegnung“ (Martin Buber) zwischen Christen und Juden eine Be-gegnung werden.63

Literatur Quellen Frühjüdische Quellen Flavius Josephus, De bello Judaico, Der Jüdische Krieg, Griechisch und Deutsch, hg. und übers. von O. Michel/O. Bauernfeind, 3 Bde., München/Darmstadt 21962–1969. Flavius Josephus. Über die Ursprünglichkeit des Judentums. Contra Apionem, hg. v. F. Siegert, 2 Bde., SIJD 6, Göttingen 2008. Philo von Alexandria, Die Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 7: Gesandtschaft an Caligula, übers. von F. W. Kohnke, Berlin 1964, 166–266. Die Texte von Qumran. Hebräisch und deutsch, mit masoretischer Punktation, Übersetzung, Einführung und Anm., hg. und übers. von E. Lohse, Darmstadt 41986 (Nachdr. d. Ausg. München/ Darmstadt 1964). Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch. Auf der Grundlage der Ausgabe von Alfons Kurfeß, hg. und übers. von J.-D. Gauger, Düsseldorf/Zürich 1998.

Mischna Shisha sidre mishna, hg. von Ch. Albeck, 6 Bde., Jerusalem 1952–1958.

Talmud Der Babylonische Talmud, hg. und übers. von L. Goldschmidt, 12 Bde., Frankfurt 1980 (Nachdr. d. 2. Aufl. 1967). Übersetzung des Talmud Yerushalmi, II,9 Ta’aniyot – Fasten, übers. von A. Lehnardt, Tübingen 2008. Übersetzung des Talmud Yerushalmi, IV,7 Avoda Zara – Götzendienst, von G. A., Wewers, Tübingen 1980.

62 Übersetzung Camerer, Burns, 139. 63 Das Institutum Judaicum Delitzschianum und sein scheidender Direktor Folker Siegert haben zu dieser Begegnung entscheidend beigetragen. Dafür sei Anerkennung und Dank gesagt.

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Pagane Quellen Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, hg. von M. Stern: Bd. 1: From Herodotus to Plutarch, Bd. 2: From Tacitus to Simplicius, Fontes ad res Judaicas spectantes, Jerusalem 1976; 1980. Die Romrede des Aelius Aristides, übers. und mit Erläuterungen versehen von R. Klein, TzF 45, Darmstadt 1983. Gaius Suetonius Tranquillus, Leben der Caesaren, übers. und eingeleitet von A. Lambert, München 1972. C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde, Lateinisch-deutsch, Buch V: Geographie: Afrika und Asien, hg. u. übers. von G. Winkler in Zusammenarbeit mit R. König, München 1993. P. Cornelius Tacitus, Historiae – Historien, Lateinisch-deutsch, hg. und übers. von J. Borst, unter Mitarbeit von H. Hross und H. Borst, Tusculum-Bücherei, München 1959. Römische Satiren : Ennius, Lucilius, Varro, Horaz, Persius, Seneca, Petron, Juvenal, Suplicia, hg. v. W. Krenkel, übers. von W. Binder et al., Römische Reihe, Bibliothek der Antike, Berlin u. a. 21977.

Spätere Quellen R. Burns, Liebe und Freiheit. Lieder und Gedichte zweisprachig, hg. von R. Camerer in Zusammenarbeit mit R. Selle, H. Meller und J. Utz, Heidelberg 1988. Immanuel Kant’s sämtliche Werke in sechs Bänden, Bd. 1, hg. von F. Gross, Leipzig 1912. Kant’s Gesammelte Schriften, Abt. 1, Bd. 7, Der Streit der Fakultäten. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Berlin 1917.

Sekundärliteratur Bauckham, R., The Economic Critique of Rome in Revelation 18, in: ders., The Climax of Prophecy. Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 338–383 (= L. Alexander [Hg.], Images of Empire, JSOT.S 122, Sheffield 1991, 47–90). Bergmeier, R., Die Essenerberichte des Flavius Josephus. Quellenstudien zu den Essenertexten im Werk des jüdischen Historiographen, Kampen 1993. Bickerman, E., Ritualmord und Eselskult. Ein Beitrag zur Geschichte antiker Publizistik, in: ders., Studies in Jewish and Christian History II, AGJU 9, Leiden 1980, 225–255 (erweitert aus: MGWJ 71, 1927, 171–187; 255–264). Bloch, R. S., Antike Vorstellungen vom Judentum. Der Judenexkurs des Tacitus im Rahmen der griechisch-römischen Ethnographie, Hist.E 160, Stuttgart 2002. Friedlaender, L., Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang der Antonine. Neunte neu bearbeitete und vermehrte Auflage besorgt von G. Wissowa, Bd. 1, Leipzig 1919, Bd. 2, Leipzig 1920. Habicht, Ch., Hellenismus und Judentum in der Zeit des Judas Maccabäus, JHAW 1974, Heidelberg 1975, 97–110. Jeremias, J., Der Lehrer der Gerechtigkeit, StUNT 2, Göttingen 1963. Lichtenberger, H., Das Rombild in den Texten von Qumran, in: H.-J. Fabry/A. Lange/H. Lichtenberger, Qumranstudien, SIJD 4, Göttingen 1996, 221–231. –, Judaeophobia – von der antiken Judenfeindschaft zum christlichen Antijudaismus, in: G. Gelardini (Hg.), Kontexte der Schrift, Bd. 1: Text, Ethik, Judentum und Christentum, Gesellschaft, FS E.W. Stegemann, Stuttgart 2005, 168–181. –, Rom, Luxus und die Johannesoffenbarung, in: W. Kraus (Hg.), Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte, BZNW 163, Berlin 2009, 479–493. Neusner, J./Frerichs, E. S., To See Ourselves as Others See Us. Christians, Jews, „Others“ in Late Antiquity, Chico 1985. Pekary, Th., Das römische Kaiserbildnis in Staat, Kult und Gesellschaft dargestellt anhand der Schriftquellen, Das römische Herrscherbild Abt. 3, Bd. 5. Berlin 1985. Prigent, P., Commentary on the Apocalypse of St. John, Tübingen 2001. Schäfer, P., Judeophobia. Attitudes toward the Jews in the Ancient World, Cambridge, MA, 1997. –, Judenhass und Judenfurcht. Die Entstehung des Antisemitismus in der Antike, Berlin 2010.

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Integration und Separation im Vierten Makkabäerbuch* Thomas Witulski

Bereits im exordium des Vierten Makkabäerbuches1, in 4Makk 1,1–12,2 wird der Leser anscheinend sehr klar und eindeutig über die Zielsetzung, die dessen Verfasser mit seinem Œuvre verfolgt, informiert; jenem gehe es darum, im Rahmen einer „überaus philosophischen Rede“ (φιλοσοφώτατος λόγος3; 4Makk 1,1) die Frage zu diskutieren, ob die gottesfürchtige Urteilskraft, der εὐσεβὴς λογισμός,4 als „souveräne Herrscherin“ (αὐτοδεσποτός) über die „Leidenschaften“ (πάθη) gelten könne (4Makk 1,1.13).5 Dieser Zielsetzung entsprechend definiert der auctor ad Machabaeorum im ersten Hauptteil *

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Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine signifikant erweiterte, umgestaltete und inhaltlich neu akzentuierte Überarbeitung meines in ZAW 125, 2013, 289–303, veröffentlichten Beitrages mit dem Titel „Antiochos contra Eleazar – Das vierte Makkabäerbuch als Zeugnis des Ringens um ein zentrales Element jüdischen Glaubens“. In der gegenwärtigen Forschung herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass das Vierte Makkabäerbuch im ersten nachchristlichen Jahrhundert verfasst worden ist; vgl. hierzu etwa De Silva, 4Macc, xvif. Als Abfassungsort wird insbesondere aus sprachlichen und theologischen Gründen immer wieder Antiochia in Syrien vorgeschlagen; vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 667: „Die Gründe dafür, den Abfassungsort [des 4Makk] in einer Stadt Syriens oder Kleinasiens zu suchen, verdichten sich. Innerhalb dieses immer noch recht weiten Rahmens stellt Antiochien wahrscheinlich die beste Lösung dar“; ähnlich Hengel/Schwemer, Paulus, 293 mit Anm. 1209. Nach Klauck, 4Makk, 631, umfasst das exordium dieser Schrift, in dem das Thema und die Vorgehensweise des Verfassers dargestellt werden, 4Makk 1,1–12; daran schließe der erste, bis 4Makk 3,18 reichende Hauptteil an; vgl. hierzu auch Dupont-Sommer, 4Makk, 190, und De Silva, 4Macc, xxviiif. Zur Frage der Gattung des Vierten Makkabäerbuches vgl. etwa Klauck, 4Makk, 659–662; Klauck beschreibt das Vierte Makkabäerbuch allgemein als eine epideiktische Rede, der durchaus auch ein appellativer Charakter eignen kann (ebd., 659). Zu fragen bleibt allerdings, ob diese Rede tatsächlich gehalten worden ist; zu den in der Forschung erwogenen unterschiedlichen möglichen Sitzen im Leben dieser Rede vgl. Klauck, 4Makk, 663 f. Vgl. zu diesem Begriff Breitenstein, Beobachtungen, 170: „Selbst die Vernunft unterwirft sich der Frömmigkeit oder steht zumindest in ihrem Dienst. […] ὅ εὐσεβὴς λογισμός bedeutet die Vernunft, die auf Frömmigkeit beruht, Vernunft, welche ein,frommes‘ Leben gewährleistet und um der Frömmigkeit willen sogar den Märtyrertod nicht verachtet. Die Vernunft folgt dem Gebot der Frömmigkeit.“ In ähnlicher Weise auch Klauck, 4Makk, 666; De Silva, 4Macc, 70, sieht in dem Terminus εὐσεβής „the epithet […] what immediately distinguishes this author’s proposition from the commonplace topic of Greco-Roman philosophical conversation“. Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 686, mit Verweis auf Breitenstein: „Der Satz: ‚Die Urteilskraft herrscht über die Leidenschaften‘, begegnet als Zentralthese der Schrift in den verschiedensten Abwandlungen über hundertmal.“

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seiner Schrift, der ὑπόθεσις (4Makk 1,12), die unmittelbar an das exordium anschließt, zunächst unter anderem die zentralen Begriffe „Urteilskraft“ und „Weisheit“ (λογισμός und σοφία; 4Makk 1,15–17),6 entwickelt im Anschluss daran ein Schema der Tugenden (4Makk 1,18 f)7 sowie eines der diesen Tugenden entgegenstehenden Affekte und ihrer jeweils leiblichen und seelischen Konkretionen (4Makk 1,20–28), um dann unter Verwendung dieser beiden Schemata sowohl anhand von Begebenheiten aus dem Alten Testament als auch anhand von Beispielen aus der alltäglichen Lebenserfahrung aufzuzeigen, dass die in 4Makk 1,1.13 formulierte Frage mit einem klaren „Ja“ zu beantworten sei. Diese theologisch- bzw. philosophisch-systematische Argumentation schließt ab mit einer an 2Sam 23,13–17 par. 1Chr 11,15–19 anknüpfenden Erzählung vom Durst Davids (4Makk 3,6–18).8 Daran anschließend präsentiert der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches in einem mit 4Makk 3,19 beginnenden und bis 4Makk 17,6 reichenden,9 der peroratio 4Makk 17,7–18,2410 vorangehenden zweiten Hauptteil seines Werkes, eine „Erzählung der besonnenen Urteilskraft“ (ἰστορία τοῦ σώφρονος λοσγισμοῦ; 4Makk 3,19), eine exemplarische Erzählung,11 in der es im Wesentlichen um die Darstellung des Martyriums des Priesters beziehungsweise Gesetzeslehrers Eleazar, der sieben Brüder und deren Mutter geht,12 einer bereits in 2Makk 6,18–7,41 geschilderten Begebenheit, die der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches ausgebaut und weiterentwickelt hat.13 4Makk 4,23–26 zufolge hat als Auslöser für den Märtyrertod des Eleazar, der sieben Brüder und deren Mutter ein Edikt des seleukidischen Königs Antiochus IV. Epiphanes zu gelten, in dem dieser, nachdem er die Stadt erobert hatte, allen Einwohnern Jerusalems den Tod androht, die sich in ihrer Lebensführung weiterhin nach den väterlichen Gesetzen richten (4Makk 4,23).14 Da dieses Edikt aber offensichtlich nichts fruchtete (4Makk 4,24), unternahm er höchstselbst den Versuch, die Juden Jerusalems durch die Androhung von Folter dazu zu bringen, verbotene Speisen zu sich zu nehmen und sie so dem Ἰουδαϊσμός (4Makk 4,26), das heißt der jüdischen Lebensart abspenstig zu machen. Eleazar, die sieben Brüder und deren Mutter aber 6 Vgl. hierzu Weber, Gesetz, 214 f. 7 Zur Verwendung des Schemas der vier Kardinaltugenden innerhalb des Vierten Makkabäerbuches vgl. etwa Klauck, 4Makk, 687. 8 Vgl. hierzu auch Breitenstein, Beobachtungen, 148. 9 Vgl. hierzu wiederum Klauck, 4Makk, 652 f. 10 Vgl. hierzu Dupont-Sommer, 4Makk, 190. 11 Zu diesem Begriff vgl. Klauck, 4Makk, 703. 12 Zu der diesen Ereignissen vorangehenden Vorgeschichte 4Makk 3,19–4,26 und deren Berührungen zu 2Makk 2–7 vgl. etwa Klauck, 4Makk, 654. 13 Vgl. hierzu etwa Klauck, 4Makk, 654, der für die Annahme einer Benutzung des in 2Makk 6 f überlieferten Stoffes durch den Verfasser des Vierten Makkabäerbuches votiert; zu weiteren forschungsgeschichtlich relevanten Hypothesen zur Erklärung der inhaltlichen Berührungspunkte zwischen 2Makk 6 f und 4Makk 5,1–17,6 vgl. ebd., 655 f. 14 Εἴ τινες αὐτῶν φάνοιεν τῷ πατρίῳ πολιτευόμενοι νόμῳ θάνοιεν. Vgl. zur Charakterisierung Eleazars als νομικός 4Makk 5,4; im Unterschied dazu wird er in 2Makk 6,18 als γραμματεύς bezeichnet; vgl. zu dieser Diskussion Klauck, 4Makk, 709. Zur Person des Eleazar vgl. auch De Silva, 4Macc, 128.

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hielten, so wird berichtet, dem Druck stand und zogen das Martyrium dem Ungehorsam gegenüber dem Gesetz und dem damit einhergehenden Abfall von der jüdischen Lebensart vor, eine Haltung, die für jene selbst, für das jüdische Volk insgesamt, aber auch für Antiochus selbst sowohl im Positiven als auch im Negativen schwerwiegende Konsequenzen nach sich zog, wie die entsprechenden Ausführungen des Verfassers in der mit 4Makk 17,7 beginnenden peroratio (4Makk 17,17–24; 18,1–5) deutlich erkennen lassen. An dieser Stelle ist zumindest in Kürze auf die von Steve Mason ausgelöste Debatte über die Frage einzugehen, ob der Begriff Ἰουδαῖος in nicht-religiösem, ethnischem Sinne mit „Judäer“ oder aber in religiösem Sinne mit „Jude“ wiederzugeben ist. Mason selbst votiert für Ersteres, seine Ergebnisse folgendermaßen zusammenfassend: The rare Ioudaismos (‚Judaization‘) was usable only in the special context of movement toward or away from Judaean law and life, in contrast to some other cultural pull. That is why the term is hardly ever used. Ioudaismos as a belief system and way of life – as a concept abstracted from the realities of Judaea, Jerusalem, temple and priesthood, sacrificial cult, aristocratic governance, political constitution, ancestral laws and traditions – was the construction of an ascendant Christianismos from the third to fifth centuries C.E. Christianismos was itself a new and hybrid kind of group, which drew elements from ethne, cults, philosophies, collegia, and magical systems; it was also based initially in households.15

Diese nicht-religiöse Interpretation des Ἰουδαῖος- bzw. des Ἰουδαϊσμός-Begriffs ist im Blick auf das Vierte Makkabäerbuch zu verneinen, entscheidet doch die Praxis des mosaischen νόμος darüber, wem das eschatologische Heilsgut der ζωὴ αἰωνία (4Makk 15,3) bzw. die Teilhabe an der Gemeinschaft mit den Vätern (4Makk 5,37; 13,17) zuteil werden und wem nicht, verbindet sich somit mit der Einhaltung der Thoragebote bzw. mit der jüdischen Lebensart als einem nachgerade konfessorischen Akt die unzweifelhaft religiöse Frage des ewigen Lebens bzw. des ewigen Todes16.

I. Die Intention des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches Insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich das Vierte Makkabäerbuch selbst als eine „überaus philosophische Rede“17 (4Makk 1,1) geriert, stellt sich nach der Lektüre des ersten Hauptteils 4Makk 1,13–3,18 dem unbefangenen Leser die Frage, warum der Verfasser dieses Werkes offensichtlich die Notwendigkeit gesehen hat, seiner mit 4Makk 3,18 schließenden systematischen Beweisführung eine so umfangreiche, seine „überaus philosophische Rede“ doch letzten Endes nur unnötig verlängernde exemplarische Erzählung anzufügen, die für die Zuhörer – zumindest auf den ersten Blick – keinen 15 Mason, Jews, 511 f. 16 Vgl. zu diesem Kriterium Stegemann, Religion, 54. 17 Klauck, 4Makk, 659; zur Frage der Gattung von 4Makk s. o. Anm. 3.

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erkennbaren Erkenntnisfortschritt mit sich bringt?18 Immerhin scheint er doch im ersten Teil seiner Darlegungen sein theologisches beziehungsweise philosophisches Anliegen bereits hinlänglich und differenziert diskutiert und die zu Beginn seines Werkes aufgeworfene Frage, ob die „gottesfürchtige Urteilskraft“ (εὐσεβὴς λογισμός) die „Leidenschaften“ (παθή) sowohl theoretisch als auch praktisch zu beherrschen in der Lage sei, eindeutig beantwortet und diese Antwort auch zureichend begründet zu haben. Diesen Eindruck erwecken zumindest die die bisherige Argumentation und zugleich den ersten Hauptteil seines Werkes abschließenden Erörterungen in 4Makk 2,24–3,18; im Rahmen der Abwehr eines Gegenarguments stellt der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches zunächst klar, dass die gottesfürchtige Urteilskraft ihre Herrschaft über die Leidenschaften“ nicht als deren ἐκριζωτής, sondern als deren ἀνταγωνιστής ausübe (4Makk 3,5), die Leidenschaften also nicht entwurzle, sondern lediglich in Schach halte, um daran anschließend mit Hilfe der Beispielerzählung vom Durst Davids seine solchermaßen ausdifferenzierte Antwort auf die Ausgangsfrage letztgültig zu untermauern (4Makk 3,6–18). Der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches selbst nun scheint diese Frage bereits am Beginn seines Werkes, nämlich in 4Makk 1,7–12, insbesondere in 4Makk 1,7 f, hinlänglich zu beantworten;19 hier vermag er zu formulieren: 7 Auf vielfältige Weise, von den unterschiedlichsten Seiten her könnte ich euch nun aufzeigen, daß die Urteilskraft (λογισμός) souveräne Herrscherin (αὐτοκράτωρ) ist über die Leidenschaften (παθή); 8 Weitaus am besten aber erscheint mir dazu eine Beweisführung, die von der Heldenhaftigkeit (ἀνδραγαθία) derer ausgeht, die für die Tugend (ἀρετή) gestorben sind: Eleazar und die sieben Brüder und deren Mutter.20

Diesen Einlassungen zufolge fügte er seiner theologisch- beziehungsweise philosophisch-systematischen Argumentation die exemplarische Erzählung vom Martyrium des Eleazar, der sieben Söhne und deren Mutter also an, um in einem letzten Argumentationsschritt seine im ersten Hauptteil als Antwort auf die in 4Makk 1,1.13 gestellte Ausgangsfrage entwickelte These endgültig zu untermauern.21 Diese Erklärung scheint ihre Bestätigung zu finden einerseits in den zahlreichen unmittel18 Vgl. hierzu Lebram, Literarische Form, 81: „Nachdem vorher die Geschichte von Davids Durst aus II Sam 23,15 ff. als Illustration für den genannten philosophischen Lehrsatz eingehend behandelt worden ist […]. Es mag auffallen, dass nach einer Anzahl illustrativer Beispiele über den Lehrsatz das letzte nun noch einmal als die Geschichte eingeführt wird.“ 19 Anders hier Lebram, Literarische Form, 85, der zu der Aussage kommt, dass sich „die Verse 1,7–12 […] von ihrer Umgebung durch eine abweichende Thematik ab[heben]“; dies trifft zwar für 4Makk 1,10–12 zu, nicht aber für 4Makk 1,7–9. 20 Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 688; vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 78: „The author claims in 1:7 to have many avenues of demonstration at his disposal […], but fixes on the one proof that, in his opinion, will most conclusively demonstrate reason’s ability to master the passions.“ 21 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 648 zu 4Makk 1,8: „Der Verf.[asser] stellt sich die Aufgabe, den Nachweis dafür zu erbringen, daß ‚die fromme Urteilskraft souveräne Herrscherin ist über die Leidenschaften‘ […] Beweisen will er das in erster Linie mit Hilfe eines historischen Exempels (1,8).“

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baren Rückbezügen auf seine im ersten Hauptteil entwickelte These, die der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches im Rahmen des zweiten Hauptteils 4Makk 3,19–17,6 vornimmt,22 andererseits in den zahlreichen Beispielen innerhalb der exemplarischen Erzählung, in denen jener das Wirken der Urteilskraft, wenn auch womöglich nur implizit, thematisiert.23 In diesem Sinne fungierte die Erzählung vom Martyrium des Eleazar, der sieben Söhne und der Mutter im Rahmen der Beweisführung des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches somit als ultima ratio zugunsten der philosophischen These der Herrschaft der „(gottesfürchtigen) Urteilskraft“ über die Leidenschaften,24 eine literarische Technik, die etwa Hans-Josef Klauck in ähnlicher Weise in den Schriften stoischer Philosophen, insbesondere Senecas zu finden glaubt.25 Folgende Beobachtungen legen allerdings die Annahme nahe, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches mit seiner an den ersten Hauptteil angefügten exemplarischen Erzählung 4Makk 3,19–17,6 die im ersten Hauptteil 4Makk 1,13–3,18 entwickelte philosophische These einerseits zwar durchaus letztgültig verifizieren wollte, andererseits aber dieser „exemplarischen Erzählung“ (ἱστορία) zugleich auch eine darüber hinausgehende und eigenständige textpragmatische Funktion zugedacht hatte: (a) Eine genauere Analyse der jeweiligen philosophischen Implikationen der beiden Hauptteile lasse Urs Breitenstein zufolge einen „deutliche[n] Mangel an Uebereinstimmung“26 zwischen beiden erkennen,27 eine Beobachtung, die jenen von einer mangelhaften Integration beider Hauptteile ineinander sprechen lässt.28

22 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, xxl, der in diesem Zusammenhang folgende Belegstellen anführt: 4Makk 6,31–35; 7,16–23; 13,1–5; 16,1–4, sowie schlussendlich 4Makk 18,1 f. 23 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, xxl: „[…] but explores the relevance of each specific example for his thesis (as when the author examines the way pious reason is seen to master the emotions of fraternal affection in 13:19–14:1 or love for offspring in 14:13–20; 15:4–10) and the particular ‚deliberations‘ in which pious reason engaged in order to commit to the virtuous course of action against the drive of the passions (13:8–18; 15,2–3; 8:25–28; 16:16–25).“ 24 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, xxl: „In this vein, the author’s goal is to secure his audience’s assent to the truth of his propositions.“ 25 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 661: „Auch die Stoiker, Seneca insbesondere, haben die Richtigkeit ihrer Lehre gerne mit förmlichen stoischen ‚Martyrologien‘ illustriert. Für den Autor von 4Makk ergab sich somit problemlos eine Brücke von seinen stoisch gefärbten philosophischen Anleihen zu der Märtyrererzählung.“ Deutlich anders hier allerdings Lebram, Literarische Form, 82, der feststellt: „In Wirklichkeit steht jedoch [4Makk] 3,19–18,24 unter einem anderen Thema.“ 26 Breitenstein, Beobachtungen, 148. 27 Vgl. zum Verhältnis des ersten zum zweiten Hauptteil Breitenstein, Beobachtungen, 148–151; Breitenstein stellt insgesamt fest, „dass der ‚philosophische‘ Hauptgedanke und die Märtyrererzählung nicht zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen sind“ (149; vgl. auch 132). Umso mehr stellt sich die Frage nach dem Grund der Kombination der beiden Hauptteile. Im Gegensatz zu Breitenstein stellt freilich De Silva, 4Macc, xxviif, fest: „In light of such connections [d. h. von ihm aufgewiesenen inhaltlichen Verbindungen zwischen dem ersten und dem zweiten Hauptteil], the contention that the discourse and narratives fail to work together to develop the philosophical thesis should be put to rest.“ 28 Vgl. hierzu Breitenstein, Beobachtungen, 132: „Die Philosophie ist nicht integriert in die Märtyrergeschichten und umgekehrt.“

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Die von ihm beobachtete Inkongruenz zwischen „Themenstellung“ (ὑπόθεσις) und „exemplarischer Erzählung“ (ἱστορία) kommt Breitenstein zufolge insbesondere in der Affektenlehre zum Ausdruck;29 exemplarisch sei hier auf drei Beobachtungen hingewiesen: (1) Während der Begriff „(verwerfliche) Lust“ (ἡδονή) in der „Themenstellung“ durchgehend negativ konnotiert sei, vermag der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches diesen innerhalb der „exemplarischen Erzählung“ auch positiv zu bewerten, wie etwa 4Makk 9,31 belege, ohne dass er diesen Bedeutungswandel explizit kenntlich gemacht hätte.30 (2) Der Begriff „des Schmerzes“ (λύπη) begegnet in der gesamten exemplarischen Erzählung mit Ausnahme von 4Makk 16,12 – hier erscheint das Verbum λυπέω – nicht, wiewohl doch für jenen „vielfältige Verwendungsmöglichkeiten offengestanden“31 hätten. (3) Umgekehrt seien zahlreiche „Leidenschaften“ (πάθη), „mit denen die Märtyrer zu kämpfen hatten […], in der philosophischen ὑπόθεσις nicht vertreten“.32 Eine solche Inkohärenz ließe sich nun unter der Voraussetzung, dass der den zweiten Hauptteil des Vierten Makkabäerbuches ausmachenden exemplarischen Erzählung ausschließlich die Funktion der Verifikation der im ersten Hauptteil entfalteten philosophischen These zukommt, kaum erklären. Verständlicher und auch erklärlicher wird jene hingegen, wenn angenommen wird, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches im Rahmen des zweiten Hauptteiles seines Werkes zwar einerseits durchaus die philosophische These von 4Makk 1,13–19.20–30 letztgültig zu untermauern, andererseits aber mit jenem zugleich auch eine neue Kommunikationsebene zu erschließen beabsichtigte. Auf der Basis einer solchen Annahme ließe sich immerhin mutmaßen, dass der auctor ad Machabaeorum es nicht für notwendig gehalten hat, die jeweiligen philosophischen Implikationen der beiden Hauptteile seines Werkes zu synchronisieren, da es ihm in 4Makk 3,19–17,6 um anderes und um mehr ging als in 4Makk 1,13–19.20–30. Breitenstein selbst zieht aus dieser Beobachtung die Konsequenz, dass die Philosophie des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches bloss auf Gehörtem und Gelesenem beruht, das er weder wirklich verstanden noch sich geistig voll angeeignet hat, und daß er infolgedessen auch nicht imstande war, sie mit der von 2Makk bezogenen Märtyrergeschichte zu assimilieren,33

eine Annahme, die das von ihm Beobachtete allerdings kaum zureichend zu erklären vermag – immerhin ist der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches doch etwa im ersten Hauptteil durchaus in der Lage gewesen, eine in sich stringente und nachvollziehbare 29 Vgl. ebd., 149–151. 30 Vgl. ebd., 149: „Ps-Ios bringt also plötzlich eine positive Wertung des Begriffs ἡδονή, ohne auf die Differenzierung, die er da vornimmt, je hinzuweisen.“ 31 Ebd., 150. 32 Ebd., 151; Breitenstein benennt hier konkret die Leidenschaften der φιλαδελφία, der φιλοτεκνία, der φιλότεκνα πάθη und der συμπάθεια τέκνων. 33 Ebd., 148.

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Beweisführung zu entwickeln, was die Frage aufwirft, warum ihm diese Stringenz und Logik bei der inhaltlichen Verknüpfung der beiden Hauptteile seines Werkes dann abhanden gekommen sein sollte. (b) Darüber hinaus ist auffällig, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches die alttestamentliche Speisegesetzgebung einerseits in 4Makk 1,33 f im Rahmen seiner philosophischen Argumentation thematisiert und jene insgesamt als im Gesetz fixierte und daher nicht diskutable Vorschrift akzeptiert hat, andererseits aber in der späteren exemplarischen Erzählung 4Makk 3,19–17,6 diesen Topos ausführlich bespricht und Argumente für und wider die Beachtung der alttestamentlichen Speisegesetzgebung diskutiert34 – eine Beobachtung, die der von Breitenstein konstatierten offensichtlich nur losen Verknüpfung der beiden Hauptteile des Vierten Makkabäerbuches durchaus zu entsprechen scheint35 und in gleicher Weise die Annahme nahelegt, dass der Verfasser mit der Darbietung der exemplarischen Erzählung in 4Makk 3,19–17,6 auf der einen Seite zwar durchaus auch seine in der Themenstellung (ὑπόθεσις) entwickelte philosophische These zu untermauern trachtete, auf der anderen Seite aber auch bestrebt gewesen ist, jene im zweiten Hauptteil seines Werkes im Rahmen eines neuen beziehungsweise neu akzentuierten Diskussionsprozesses weiterzuverarbeiten. In 4Makk 1,30–2,3(.4–6a) kommt der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches darauf zu sprechen, dass die Urteilskraft (λογισμός) – natürlich neben anderem – auch den der Kardinaltugend der Besonnenheit (σωφροσύνη36) entgegenstehenden Affekt der Begierde (ἐπιθυμία37) zu kontrollieren in der Lage ist, ein Argument, das er in einem ersten Schritt, eben in 4Makk 1,33 f, mit einem Hinweis auf die jüdische Praxis der Einhaltung von Speisevorschriften zu explizieren sucht. Die Urteilskraft begrenzt und unterdrückt das in der Sphäre des Somatischen zu verortende Verlangen nach verbotenen Speisen und Lebensmitteln, was in der Praxis dazu führt, dass es demjenigen, der sich solchen Speisegeboten verpflichtet weiß, auch möglich wird, diese einzuhalten. (c) In 4Makk 1,10 weist der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches – hier durchaus in gewisser Spannung zu 4Makk 1,8 – explizit darauf hin, dass er mit seiner an seine philosophisch-systematische Beweisführung angehängten Märtyrererzählung über den Erweis der Richtigkeit seiner These hinaus die Absicht verfolgt, dem vorbildlichen Verhalten der in der „exemplarischen Erzählung“ vorgestellten Märtyrer ein Loblied zu singen, die den Forderungen und den Verlockungen des Antiochus IV. Epiphanes gegenüber standhaft und dem jüdischen Gesetz und dessen Bestimmungen treu geblieben sind – ein Hinweis, der den enkomiastischen Charakter der Erzählung 4Makk 3,19–17,6 betont und damit ihre ausschließliche Deutung im Sinne einer ultima

34 Vgl. hierzu dann ausführlich unten 63–65. 35 Vgl. hierzu oben 45 f. 36 Vgl. zur Tugend der σωφροσύνη als einer der vier Kardinaltugenden etwa die von Klauck, 4Makk, 687, angeführten Belege. 37 Zur Verortung des Affekts der ἐπιθυμία innerhalb der Affektenlehre des Vierten Makkabäerbuches vgl. neben anderen Klauck, 4Makk, 691.

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ratio der in 4Makk 1,1.13 formulierten philosophischen Zentralthese unmittelbar falsifiziert:38 Mir nun fällt die Aufgabe zu, ihrer Tugend (ἀρεταί) wegen das Loblied jener Männer zu singen (ἐπαινεῖν), die mit ihrer Mutter zu dieser Zeit für das Schöne und Gute (καλοκἀγαθία) starben, ja selig möchte ich sie preisen um ihrer Ehren willen. (4Makk 1,10)39

(d) Schließlich legen die Ausführungen in 4Makk 18,140 unmittelbar die Annahme nahe, dass es dem Verfasser des Vierten Makkabäerbuches mit dem zweiten Hauptteil seines Werkes durchaus auch darum zu tun gewesen ist, seine Zuhörer aufzufordern, es den Märtyrern Eleazar, den sieben Brüdern und der Mutter, den Protagonisten der exemplarischen Erzählung (ἱστορία), gleichzutun41 und das jüdische Gesetz42 und dessen Bestimmungen vollumfänglich einzuhalten,43 also eine dezidiert auf die aktuelle

38 Vgl. zu dieser Beobachtung Lebram, Literarische Form, 83: „Diese Beobachtung führt uns zu der Schlußfolgerung, dass der Verfasser des philosophischen Traktats als letztes Beispiel für die Wahrheit seines Lehrsatzes eine ihm vorliegende Rede übernommen haben muß, die man mit dem Autor ein ἔπαινος nennen kann. Inwieweit diese Beobachtung allerdings solch weitreichende literarkritische Konsequenzen zu indizieren vermag, muss doch dahingestellt bleiben. 39 Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 688 f; vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 80: „The author declares that he will also be intent on praising the martyrs for their noble deaths, so that his discourse will incorporate elements both of a philosophical demonstration and an encomium for the commemorated death.“ 40 Vgl. zu der zentralen Bedeutung und Position von 4Makk 18,1 f im Kontext des gesamten 4Makk De Silva, 4Macc, 252 f: „Both the philosophical demonstration and the encomium arrive together at their goal in 18:1–2, the exhortation to the audience to take up the way of life promoted throughout the book as the way to attain the ideal of self-mastery in regard to the passions“; ähnlich hier auch Dupont-Sommer, 4Makk, 152: „Cette péricope reprend pour une bonne part les idées exprimées vers la fin du chapitre précédent; les mêmes idées apparaissent dans l’Exorde, et quelques-unes encore dans la péricope finale.“ Diese Beobachtung führt ihn allerdings zu dem Schluss, die Passage 4Makk 17,23–18,19 als sekundäre Zufügung anzusehen (ebd. 132; vgl. hierzu auch De Silva, 4Macc, 253); vgl. zur literarkritischen Diskussion Klauck, 4Makk, 657–659, und Kraus Reggiani, 4 Maccabei, 140. 41 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 253: „The opening of 18:1 could be heard as yet another apostrophe to the martyrs […], but the imperative surprises the audience with a direct address to them, asking them to identify themselves with the way of life exemplified by those other, children descended from the seed of Abraham‘.“ 42 Zum νόμος als dem mosaischen Gesetz vgl. Redditt, Concept, 250 f; Redditt stellt als Ergebnis seiner Durchsicht der entsprechenden Belege fest: „From the survey of the six verses listed above, one clear conclusion emerges. The term nomos in those verses refers to the Torah of the Hebrew Bible“ (ebd., 251). Darüber hinaus gilt: „Further, none of the remaining thirty-four occurrences is incompatible with the meaning of ‚Pentateuch‘. Nor does any of those thirty-four occurrences appear to have in view a different referent, e. g., the Oral Law. Thus the conclusion seems safe that 4 Maccabees means by nomos the first five books of the Hebrew Bible“ (ebd., 251); vgl. hierzu auch DeSilva, 4Makk, 85. 43 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 664, der sich gegen die Annahme ausspricht, das Vierte Makkabäerbuch richte sich „an eine bis auf den Tod verfolgte Gemeinde“ (664): „Von seinen Adressaten erwartet er [d. h. der Verfasser des 4Makk] nicht mehr, als er in 18,1 selbst sagt: ‚Gehorcht dem Gesetz und übt auf jede Weise Frömmigkeit‘.“

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Frömmigkeits- und Lebenspraxis seines Auditoriums zielende Aufforderung,44 die über die in 4Makk 1,1.13 formulierte und im ersten Hauptteil auch realisierte rein philosophisch-theoretische Zielsetzung weit hinausreicht: O ihr Abkömmlinge von Abrahams Samen, Kinder Israels, gehorcht diesem Gesetz und lebt in jeder Hinsicht fromm.45

Werden diese aus den Ausführungen in 4Makk 18,1 sich ergebenden Überlegungen nun verknüpft mit der Beobachtung, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches unmittelbar im Anschluss daran in 4Makk 18,2 auf seine in 4Makk 1,1.13 formulierte Ausgangsfrage und die im Anschluss daran in der Themenstellung (ὑπόθεσις) entwickelte philosophische These zurückweist, so wird zwischen dem ersten und dem zweiten Hauptteil dieses Werkes zumindest in Umrissen eine mehrsträngige inhaltliche Relationalität erkennbar: Einerseits ist die in 4Makk 3,19–17,6 dargestellte, auf die Lebenswirklichkeit des aktuellen Auditoriums des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches hin zugespitzte exemplarische Erzählung (ἱστορία) in der Lage, die Richtigkeit der in der Themenstellung entwickelten, die jüdische Lebensart in ihrer Gesamtheit betreffenden philosophischen Zentralthese zu untermauern. Andererseits stellt diese in der Themenstellung entwickelte philosophische Zentralthese zugleich auch den faktischen Ermöglichungsgrund des in der exemplarischen Erzählung geschilderten und zugleich auch geforderten konkreten vorbildlichen religiösen Verhaltens dar, eine Interpretation, die insbesondere durch den partizipialen Anschluss von 4Makk 18,2 an 4Makk 18,1 (γινώσκοντες) indiziert wird.46 Mit anderen Worten: Einerseits steht die auf die konkrete Lebenswirklichkeit der aktuellen Zuhörerschaft zielende 44 Zu diesem Ergebnis kommt, ausgehend von der Schilderung des Antiochus als eines τύραννος und der dramatisierenden Darstellung in 4Makk 3,19–17,6, auch Heininger, Antiochus, 57 f: „Die Adressaten des 4Makk, auf der Erzählebene durch die Zuschauer Welt und Menschheit repräsentiert, sind vom Verfasser aufgefordert, das Beispiel Eleazars, der sieben Brüder (und schließlich auch das der Mutter, obwohl bei ihr ein Martyrium im eigentlichen Sinne gar nicht vorliegt) nachzuahmen, was im Kontext des 4Makk nichts anderes bedeutet, als die Treue zum jüdischen Gesetz und insbesondere zu den Speisegeboten zu bewahren. Dieser Absicht des Autors leistet die Dramatisierung der Vorlage mitsamt ihrer Kommentierung (und hier speziell der fingierten Reden sowie der gedachten Einwände) entscheidende Dienste: sie lädt zur Identifikation mit den Protagonisten per Rollenübertragung geradezu ein. Wer wollte dagegen schon den Part des Tyrannen spielen? Damit gerät hellenistische Lebensweise, deren Prototyp Antiochus ja verkörpert, global in Misskredit; Einreden gegen jüdische Kultur und jüdisches Gesetz […] haftet von vornherein der Ruch der Tyrannis an.“ 45 Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 754; De Silva, 4Macc, 79, greift zu kurz, wenn er 4Makk 18,1 als „interpretative key [lediglich] for reading the detailed, grisly accounts of torment and suffering that dominate chapters 5–18“ interpretiert; 4Makk 18,1 stellt den „interpretative key“ für die ἱστορία 4Makk 3,19–17,6 insgesamt dar. 46 Vgl. hierzu Heininger, Antiochus, 55: „Nun hat diese ‚philosophische Frage‘ einen sehr konkreten Kontext. Denn alles deutet darauf hin, daß die in der Diaspora lebende Gemeinde des Verfassers die für solche Konstellationen typischen Probleme zu bewältigen hat: Die Balance zwischen Assimilation und dem Rückzug ins Getto, zwischen Preisgabe der eigenen Identität und dem Beharren auf Tradition, droht verlorenzugehen. Insbesondere jüdische Speisetabus und jüdische Lebenskultur überhaupt scheinen der angenehmeren hellenistischen Lebensweise weichen zu müssen.“

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exemplarische Erzählung über die Märtyrer 4Makk 3,19–17,6 im Dienst der allgemeingültigen philosophischen Abhandlung 4Makk 1,13–3,18, vermag sie doch als ein konkretes Beispiel die allgemein formulierte Wahrheit zu belegen, dass die gottesfürchtige Urteilskraft (εὐσεβὴς λογισμός) in der Tat als souveräne Herrscherin über die „Leidenschaften“ gelten kann. Andererseits aber steht die philosophische Abhandlung 4Makk 1,13–3,18 im Dienst der auf die konkrete Lebenswirklichkeit der aktuellen Zuhörerschaft zielenden exemplarischen Erzählung über die Märtyrer, liefert sie doch mit dem Aufweis des Faktums der Herrschaft der „gottesfürchtigen Urteilskraft“ über die „Leidenschaften“ die grundsätzliche philosophische Erklärung und Begründung für das Phänomen der Standhaftigkeit der Märtyrer eben bis zum Martyrium47 sowohl als auch für die von der aktuellen Zuhörerschaft des Vierten Makkabäerbuches geforderte Bewahrung des Gesetzes.48 Das Dictum von der Herrschaft der gottesfürchtigen Urteilskraft über die Leidenschaften als dem Ermöglichungsgrund für das vorbildliche und standhafte Verhalten der Märtyrer begegnet etwa in 4Makk 5,29 f.31, im Rahmen der ersten Rede des Eleazar,49 einer Antwort auf entsprechende Vorhaltungen des Antiochus. Ersterer stellt zunächst klar, dass er den Gehorsam gegenüber dem Gesetz auch unter schmerzhaftester Folter nicht aufgeben werde (5,29 f), um dann auszuführen: „Ich bin nicht so alt und schwächlich, daß meine Urteilskraft (λογισμός) nicht durch die Frömmigkeit (εὐσέβεια) jugendlichen Schwung gewinnen könnte.“ (5,3150). Damit wird der durch die Frömmigkeit gestärkte Urteilskraft als diejenige Institution namhaft gemacht, die die zuvor verkündete Standhaftigkeit letzten Endes bewirkt und ermöglicht. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang in 4Makk 8,27 f; die sieben Brüder ließen sich auch die angedrohte und bevorstehende Folter nicht von ihrem Gesetzesgehorsam abringen, weil (γάρ) ihnen diese konsequente Haltung durch die Urteilskraft ermöglicht wurde: 27 Aber nichts von alledem sprachen die Jünglinge, denen die Folter bevorstand, oder dachten auch nur daran. 28 Denn auf die Leidenschaften (παθή) schauten sie verächtlich herab, und 47 In diesem Sinne spricht Klauck, 4Makk, 664, durchaus mit Recht von einem „philosophischen Unterbau“; die in der ὑπόθεσις diskutierte Problematik der Herrschaft des λογισμός über die πάθη kann aber, anders als Klauck dies vorschlägt, kaum im Sinne eines Versuchs, die „jüdische Lebensweise als rational vertretbar und begründbar erscheinen [zu] lassen“ (ebd., 664), interpretiert werden. Damit aber wird auch die von ihm beschriebene Relation zwischen ὑπόθεσις und ἱστορία – letztere soll Klauck zufolge „ihren [d. h. seiner Aufforderung zum Gesetzesgehorsam] Ernst und ihren Verpflichtungscharakter“ (ebd., 664) unterstreichen – in Frage gestellt. 48 Die Feststellung von De Silva, 4Macc, 253, „[t]hat the philosophical thesis has really served throughout as a cipher for commitment to the Thora and the God of Israel in the encounter with […] the non-Jewish world is seen in the transformation of the very Greek-sounding:,I urge you therefore to pay earnest attention to philosophy‘ (1:1) into the very Jewish ‚O children of Israel, offspring of Abraham, obey this law in every way!‘ (18:1)“, geht zu sehr in die Richtung einer Differenzierung zwischen formal-allgemeinem philosophischem und konkretem jüdisch-theologischen Denken, eine Differenzierung, die aber durch den bereits in 4Makk 1,1 vorliegenden Hinweis, dass eben nicht der λογισμός, sondern der εὐσεβὴς λογισμός die πάθη zu beherrschen vermag, in Frage gestellt wird. 49 Vgl. hierzu unten 66–68. 50 Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 713.

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Schmerzen (ἀλγήδονοι) vermochten sie souverän zu beherrschen (αὐτοκράτορες). (4Makk 8,27 f)51

Auf dem Hintergrund dieser mehrsträngigen Relationalität zwischen dem ersten und dem zweiten Hauptteil des Vierten Makkabäerbuches bedarf die in 4Makk 1,1.13 formulierte Intention des Verfassers einer deutlichen Modifikation: Ihm ging es in seiner „überaus philosophische Rede“ zwar womöglich vordergründig, aber eben beileibe nicht nur darum, zu zeigen, dass die gottesfürchtige Urteilskraft die Leidenschaften zu beherrschen vermag; daneben oder darüber hinaus beabsichtigte er zugleich, sein womöglich in weiten Teilen integrationswilliges Auditorium zur Beibehaltung der überlieferten jüdischen Lebensart, des Ἰουδαϊσμός, zu bewegen.52 Das Vierte Makkabäerbuch ist somit einerseits als eine philosophisch-theoretische Abhandlung, andererseits aber – zumindest auch, wenn nicht, wie der große Umfang der exemplarischen Erzählung nahelegen will, sogar in erster Linie – als ein religiöses Zeugnis des aktuellen Ringens um ein zentrales Element jüdischen Glaubens zu lesen.53 Die in 4Makk 18,1 f einer direkten Anrede formulierte unmittelbare Aufforderung54 an seine Zuhörerschaft lässt nun ihrerseits die Annahme wahrscheinlich erscheinen, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches innerhalb der jüdischen Gemeinschaft, an die er sich wendet, die Bereitschaft wahrzunehmen glaubt, womöglich um einer weitergehenden Integration in die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft willen das überlieferte Gesetz als die eigene Existenz normierende Instanz zu relativieren,55 eine Bereitschaft, die sich sicherlich nicht nur auf die Beachtung der im Gesetz festgelegten Speisevorschriften,56 sondern, wie die eher beiläufige Erwähnung der Beschneidung

51 Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 725. 52 Vgl. hierzu treffend Kraus Reggiani, 4 Maccabei, 140: „Sembra non sussistano dubbi circa i vv. 1–2 […]: un‘ esortazione agli israeliti a seguire la Legge di Mosè, un‘ esortazione che, più di ogni altra precedente, suona rivolta a un pubblico di uditori piuttosto che di lettori, ripropone il tema conduttore dello scritto e ben si adatta a una conclusione che voglia essere coerente con la battuta iniziale di 1,1. La distinzione tra sofferenze di ordine morale e di ordine fisico del v. 2 si giustifica in quanto viente richiamata l’attenzione di un pubblico ebreo, certo avvezzo a frustrazioni di tipo morale e spirituale, ma non provato dal martirio.“ 53 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 44, mit Verweis auf Redditt: „Redditt […] rightly perceives that the rule of reason over the passions is ,only the formal and not the crucial focus‘ – obedience to the Torah is the primary concern, for which the philosophical thesis becomes a sort of cipher.“ 54 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 253: „The opening of 18:1 could be heard as yet another apostrophe to the martyrs […], but the imperative surprises the audience with a direct address to them, asking them to identify themselves with the way of life exemplified by those other ‚children descended from the seed of Abraham‘.“ 55 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 666: „Mit Sorge betrachtet er [d. h. der Verfasser des 4Makk] Auflösungstendenzen in assimilationswilligen jüdischen Kreisen seiner Umgebung.“ 56 Zu den Speisevorschriften als ein wichtiges Element für „the construction or de-construction of Jewish identity“ vgl. De Silva, 4Macc, 127 f, hier 127.

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in 4Makk 4,2557 und des Götzenopferfleisches in 4Makk 5,258 nahelegen,59 auch auf andere dieser weitergehenden Integration womöglich hinderliche Bestimmungen des Gesetzes bezog. Dabei mag die exklusive Thematisierung der Speisevorschriften in der exemplarischen Erzählung 4Makk 3,19–17,6 durch die Darstellung in der entsprechenden literarischen Vorlage 2Makk 6,18–7,4160 evoziert sein.61 Unter anderem mit dem zumindest zum Teil enkomiastischen Charakter des Vierten Makkabäerbuches geht die Annahme einer ausschließlich jüdischen Zuhörerschaft dieses Werkes einher. Damit aber ist auszuschließen, dass dessen Verfasser mit seiner Schrift – zumindest unmittelbar – nach außen gerichtete Apologetik betreiben wollte.62 Wenn der Begriff „Apologetik“ im Zusammenhang mit dem Vierten Makkabäerbuch verwendet wird, dann muss von „nach innen gerichtete[r] Apologetik“63 gesprochen werden, das heißt: Der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches suchte die Form des von ihm praktizierten konsequenten Ἰουδαϊσμός gegen 57 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verfasser des 4Makk in 5,2 mit dem Verbum ἐπισπᾶσθαι einen Terminus verwendet, der auch im Sinne von „die Vorhaut wiederherstellen“ verwendet werden kann (vgl. hierzu etwa Klauck, 4Makk, 709). Auch wenn es unwahrscheinlich sein mag, „that the verse should be translated as indicating that the king sought to perfom epispasm on each and every Hebrew right there on the spot“ (De Silva, 4Macc, 127), so lässt sich doch nicht ausschließen, dass „the pun in the author’s choice of this verb may have been intentional and appreciated by the audience“ (ebd., 127), die womöglich gerade auch die Beschneidung als ein wichtiges Merkmal jüdischer Identität um einer weitergehenden Integration willen hinter sich zu lassen begann. 58 Zwar ist auch in 2Makk 6,21 von Opferfleisch die Rede, das Eleazar zu sich nehmen soll. Allerdings differieren die Begriffe doch erheblich; während der Verfasser des Zweiten Makkabäerbuches von κρέα ἀπὸ τῆς θυσίας spricht, verwendet der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches den Terminus εἰδωλόθυτα. Durchaus denkbar ist, dass dieser doch recht spezifische Begriff seinem Auditorium weitaus geläufiger ist als die eher unpräzise Umschreibung in 2Makk 6,21. 59 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 709, der im Blick auf die dort ergänzend erwähnten εἰδωλόθυτα und auf das Verhältnis dieses Begriffs zu den zuvor thematisierten Speisevorschriften feststellt: „Eigentlich zwei verschiedene Dinge: Schweinefleisch war von der Tora per se verboten, ob Götzenopferfleisch oder nicht. Ebenso selbstverständlich durfte ein Jude kein Fleisch essen, daß von heidnischen Götzenopfern stammte, gleichgültig ob Schweinefleisch oder z. B. an sich erlaubtes Rindfleisch. Beides fiel aber oft zusammen, da das Schwein ein beliebtes Opfertier war“; in eine ähnliche Richtung weist auch De Silva, 4Macc, 128: „The avoidance of food offered to other gods (i. e., idols) was not proscribed by the dietary laws of the Torah […], but the prohibition of idolatry was understood to extend to participation in the idol’s ‚table‘ in any form.“ Auf die mit dem Essen von Götzenopferfleisch indizierte Teilnahme an paganen Kulten hebt etwa auch Kraus Reggiani, 4 Maccabei, 94, ab, wenn sie feststellt: „il secondo è la carne die animali sacrificati agli idoli, il cui consumo non è ovviamente vietato da una norma precisa, ma implica la grave colpa di adesione al culto pagano, dato il valore annesso nell’ A. T. ai riti sacrificali, che segano il più alto grado di communione con Dio.“ 60 Vgl. hierzu oben 43. 61 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Klauck, 4Makk, 665, der hinsichtlich der Verwendung des Zweiten durch den Verfasser des Vierten Makkabäerbuches erwägt: „Zur Benutzung des 2Makk könnte ihn [d. h. den Verfasser des 4Makk] u. a. die Tatsache veranlaßt haben, daß auch dort Assimilationsbestrebungen einer jüdischen Oberschicht Auslöser der Krise sind, in deren Folge es zu den Martyrien der wahren Glaubenszeugen kam.“ 62 Vgl. hierzu unten 70 f. 63 Klauck, 4Makk, 665.

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innerjüdische Kritik zu verteidigen64 und seine Zuhörerschaft davon zu überzeugen, sich eben diesem konsequenten Ἰουδαϊσμός ebenfalls – wieder – anzuschließen.65

Auf dem Boden der aus 4Makk 18,1 f ableitbaren zweiten – oder womöglich ersten – textpragmatischen Funktion des Vierten Makkabäerbuches lässt sich das Rededuell66 4Makk 5,1–4.5–3867 – hier antwortet Eleazar auf den Versuch des Antiochus, ihn zum Essen von verbotenem Schweinefleisch zu überreden – als implizite Diskussionen des Verfassers mit denjenigen Kreisen seiner Zuhörerschaft interpretieren,68 die nach einer weitergehenden Assimilation mit der paganen Mehrheitsgesellschaft streben. Das aber legt die Annahme nahe, dass die von Antiochus IV. Epiphanes vorgetragenen Argumente zugunsten des durch das Gesetz verbotenen Schweinefleischgenusses im Wesentlichen die gleichen gewesen sind, die auch die nach weitergehender gesamtgesellschaftlicher Integration strebenden jüdischen Gruppen im Umfeld des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches der von konservativeren und eben dieser Integration kritisch entgegenstehenden Kreisen erhobenen Forderung nach strikter Befolgung desselben entgegengehalten haben werden. Die Analyse des Argumentationsgefüges dieser beiden Passagen vermag demzufolge ein Schlaglicht auf die zur Zeit der Abfassung des Vierten Makkabäerbuches im Umfeld des Verfassers dieses Werkes aktuelle Diskussion über das Für und Wider jüdischer Integration beziehungsweise Separation zu werfen. Offen bleiben muss an dieser Stelle, in wieweit diese im Vierten Makkabäerbuch sichtbar werdende innerjüdische Diskussion auf von außen an das jüdische Auditorium des Vierten 64 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 664: „Aber der Verfasser sieht mit Sorge, wie sich in seinem Umfeld liberale Einstellungen zur Gesetzesobservanz auszubreiten beginnen. Soziale Zwänge, Aufstiegschancen innerhalb der Stadtgesellschaft und rationale Hinterfragung obsolet erscheinender Gesetzesvorschriften wirken dabei mit.“ 65 Hier deutlich unschärfer De Silva, 4Macc, 124 f: „These exchanges [d. h. die Rededuelle] in 4 Maccabees afford the author an opportunity to examine the dominant culture’s ‚case against Judaism‘ and the prejudices against the Jewish way of life that the audience might themselves encounter, as well as to show how these dissuasive arguments might be answered and commitment to the Jewish way of life confirmed.“ 66 Dupont-Sommer, 4Makk, 105, spricht in diesem Zusammenhang von einer „véritable joute oratoire“ zwischen Aniochus und Eleazar. 67 Klauck, 4Makk, 709 f, weist darauf hin, dass sich weder für die Rede des Antiochus IV. Epiphanes in 4Makk 5,5–13 noch für die Antwort des Eleazar in 4Makk 5,14–38 Anhaltspunkte in 2Makk 6,18–31, der literarischen Vorlage für die Erzählung vom Martyrium des Eleazar in 4Makk 5,1–7,23, finden lassen, was wohl darauf schließen lässt, dass diese beiden Reden auf den Verfasser des Vierten Makkabäerbuches zurückgehen. 68 Dies geht über die Einlassungen von Grimm, 4Makk, 321, deutlich hinaus, der die Reden eher allgemein als „gewöhnliche Einreden der gebildeten Heiden und ethnisirenden Juden gegen die Beobachtungen der mosaischen Ceremonialvorschriften“ deuten möchte; vgl. hierzu anders akzentuiert aber De Silva, 4Macc 124, mit Verweis auf Thukydides und Quintilianus: „This author [d. h. der Verfasser des 4Makk] […] develops [in den Rededuellen] the kinds of arguments that would be appropriate to the setting. Sometimes this would simply add ‚emotional effect‘ […], but it was also an effective means by which to allow the audience to enter the mind of the character giving the speech.“

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Makkabäerbuches herangetragene – eher auf der intellektuellen beziehungsweis akademischen Ebene einzuordnende – judenkritische Äußerungen oder gar auf physische Verfolgungen und Bedrängnisse zurückzuführen ist.69 Da sich im Vierten Makkabäerbuch explizite Hinweise auf unmittelbare Diskriminierungen der Adressatengemeinde von paganer Seite jedoch nicht finden, wird die Annahme wahrscheinlich, dass der Verfasser hier ein lediglich innerjüdisches Problem thematisieren möchte.

II. 4Makk 5,1–4.5–38 – θρησκεία Ἰουδαίων: „Quark“ oder Philosophie? Im Rahmen seiner Ansprache an Eleazar (4Makk 5,6–13) formuliert Antiochus IV. Epiphanes nach einigen einleitenden, sein offensichtliches Wohlwollen signalisierenden Bemerkungen (4Makk 5,6 f) in 4Makk 5,7b – und hier durchaus sehr pointiert – seine grundlegende Kritik „am religiösen Brauchtum der Juden“ (θρησκεία Ἰουδαίων), die sich für ihn nicht als Philosophie begreifen und darstellen lässt: οὔ μοι δοκεῖς φιλοσοφεῖν τῇ Ιουδαίων χρώμενος θρησκεία.70 Diese Diskrepanz ergibt sich für Antiochus aus der Tatsache, dass Eleazar als Jude den Genuss von – zudem noch außerordentlich wohlschmeckendem71 – Schweinefleisch verabscheut, obwohl doch die Natur (φύσις), hier offensichtlich personifiziert gedacht,72 den Menschen eben dieses Tier und auch sein Fleisch darreicht (4Makk 5,8), ein Verhalten, das Antiochus zunächst als „widersinnig“ (ἀνόητον;73 4Makk 5,9a), darüber hinaus dann aber auch als „ungerecht“ (ἄδικον;74 4Makk 5,9b) zu charakterisieren weiß, was letzten Endes heißt, dass das religiöse

69 In diese Richtung scheint durchaus De Silva, 4Macc, 124 f (vgl. hierzu bereits oben 54, Anm. 65), zu denken. 70 Vgl. hierzu 4Makk 5,7b: „[…] und immer noch am religiösen Brauchtum der Juden festzuhalten, erweckt in mir Zeifel, wie weit es mit deinem Philosophieren her ist“ (Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 710); vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 129: „Having devoted himself to a lifetime of the study and practice of the Jewish law, Eleazar is still no philosopher.“ 71 Zur Bedeutung der Wendung καλλίστην […] σαρκοφαγίαν vgl. De Silva, 4Macc, 129. 72 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 710: „Zweimal wird in V. 8 und V. 9 die φύσις als Geberin eingeführt.“ 73 Vgl. hierzu Barrett/Thornton, Texte, 80; hier stellen sie im Rahmen ihrer Darstellung der älteren Stoa in Hinsicht auf deren ethische Prinzipien fest: „Des Menschen Pflicht ist, in Übereinstimmung mit dieser [d. h. der göttlichen] Vernunft oder dem Naturgesetz […] zu leben.“ Vgl. hierzu auch De Silva, 4Macc, 129 f, der den Aspekt der Unfreiheit, der mit solchen gesetzlichen Bestimmungen, die der φύσις widersprechen, einhergeht, betont: „If consuming pork was condemned by the Jewish Law, it was the Jewish Law that stood condemned as enslaving people to empty tradition, since Nature passed no such judgment on the flesh of this animal.“ 74 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 130, mit Verweis auf Dupont-Sommer: „A second reason for eating the pork is that to refuse such an excellent gift with which Nature would grace humans […] would be unjust,“ wobei De Silva erklärend ausführt: „Here Antiochus claims that Eleazar, as representative of his nation, is guilty of injustice against Nature for spurning her good gifts.“ Dabei wendet sich De Silva gegen die auf den etwa von Hadas, 4Macc, 170, erwogenen Gedanken einer religiösen Ungerechtigkeit abzielende Deutung dieses Terminus.

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Brauchtum der Juden zumindest in Teilen den Ordnungen der Natur entgegensteht und somit mit philosophischen Prinzipien inkompatibel erscheint.75 Nicht ohne Bedeutung ist, dass Antiochus in 4Makk 5,10, also unmittelbar im Anschluss an seine Feststellung der Unrechtmäßigkeit der jüdischen Speisevorschriften, noch einmal das Thema des Widersinns (ἄνοια) aufgreift, mit diesem Terminus interessanterweise nun aber die Weigerung Eleazars, seinen herrscherlichen Willen zu befolgen, thematisierend: Du scheinst mir etwas noch Unsinnigeres (ἀνοητότερον) zu tun, wenn du mit leeren Meinungen über das Wahre (τὸ ἀληθές) dich auch noch mir widersetzt, zu deinem eigenen Schaden (τιμωρία). (4Makk 5,10)76

Sicherlich mag dies – vordergründig – die Rezipienten daran erinnern, „that refusal of assimilation to the Greek way of life presents an affront to Antiochus“;77 im Hintergrund scheint hier aber durchaus auch die in assimilations- und integrationswilligeren Kreisen der Hörerschaft des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches vertretene Position zu stehen, dass jenseits der Frage, inwieweit die jüdische Philosophie als der Natur beziehungsweise der „Verständigkeit“ (εὐλογιστία;78 4Makk 5,22) ent- oder widersprechend einzustufen ist, die Verweigerung einer weitgehenden Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft letzten Endes nicht anders denn als eine „zum eigenen Schaden“ (ἐπὶ τῇ ἰδίᾳ τιμωρίᾳ; 4Makk 5,10)79 erfolgende Unverständigkeit bzw. Torheit betrachtet werden kann. Eleazar solle sich, so der König im Anschluss an seine negativen Urteile über die jüdischen Speisevorschriften, von dieser „absurden Philosophie“ (φιλοσοφία φλύαρα) und diesem „Quark“ (λῆρος)80 abwenden, seine Vernunft (νοῦς) walten lassen und über die auf den Vorteil (συμφέρον81) ausgerichtete Wahrheit (ἀλήθεια82) philosophieren (4Makk 5,11); auch diese Ausführungen mögen eine Anspielung auf das Verhalten solcher Kreise aus der Zuhörerschaft des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches sein, die sich in ihrem praktischen Lebensvollzug bereits weitgehend auf die sie umgebende 75 Vgl. hierzu von Arnim, SVF, Bd. 1, Nr. 552: ὁ Ζήνων – τέλος εἶπε τὸ ὁμολογουμένως τῇ φύσει ζῆν; vgl. hierzu auch Klauck, 4Makk, 710: „Eleazar verstößt in der Sicht des Königs gegen einen Grundsatz der stoisch gefärbten Philosophie, der anzuhängen er vorgibt.“ 76 Übers. LXX-D. 77 De Silva, 4Macc, 131. 78 Vgl. zu diesem Terminus unten 60 f. 79 Dass der Begriff τιμωρία durchaus in einem doppeldeutigen Sinne gebraucht werden konnte, zeigen die Ausführungen bei Liddell/Scott/Jones, Lexicon, s.v. τιμωρία, 1795; sie geben als mögliche Bedeutung neben „vengeance“ oder „punishment“ auch „retribution“, d. h. „Vergeltung“ an. In diesem Sinne und diesen Gesichtspunkt herausarbeitend übersetzt auch Klauck, 4Makk, 710, mit: „zu deinem eigenen Schaden“; Kraus Reggiani, 4 Maccabei, 93, wählt den Begriff „castigo“. 80 Zu dieser Übersetzung des Begriffs λῆρος in 4Makk 5,11 vgl. Deissmann, 4Makk, 158. 81 Vgl. zu diesem Begriff Klauck, 4Makk, 711. 82 De Silva, 4Macc, 131 spricht im Zusammenhang mit dem Begriff τοῦ συμφέροντος ἀλήθεια von einem „typically Stoic value“.

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pagan-hellenistische Kultur eingelassen und dabei ihren ursprünglichen ioudaismos weitgehend hinter sich gelassen haben.83 Am Schluss seiner Argumentation, nachdem er Eleazar noch einmal mit scheinbarem Wohlwollen ermuntert hatte, seinen Widerstand aufzugeben (4Makk 5,12), liefert Antiochus jenem ein dessen Widerstand und die diesem zugrundeliegende religiöse Konzeption anscheinend pulverisierendes Argument. Er weist nämlich darauf hin, dass, sollte über der jüdischen Religion tatsächlich eine Macht (δύναμις) walten,84 diese jede unter Zwang geschehene Gesetzeswidrigkeit (παρανομία) verzeihen müsste (4Makk 5,13).85 Durchaus nicht undenkbar ist es, auch den durch die Wendung δι᾿ ἀνάγκην explizierten Gedanken der Notwendigkeit der „Gesetzeswidrigkeit“ (παρανομία) im Sinne von „demands that were placed upon Jews who whished to secure safe and prosperous lives for themselves and their families“86 zu explizieren und damit auch hier eine Anspielung auf eine im Umfeld des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches geäußerte Begründung zugunsten einer weitergehenden Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft und einen damit einhergehenden weitgehenden Verzicht auf die überkommene jüdische Lebensweise zu sehen. Der Gedanke der offensichtlichen Widernatürlichkeit des ioudaismos, der jüdischen Lebensart und der diese Lebensart begründenden Philosophie (4Makk 4,26), der auch in paganen Einlassungen zum Judentum seinen deutlichen Widerhall fand,87 ergänzt um die konkret spürbaren gesellschaftlichen Nachteile einer zu weit gehenden Separation, mag jüdische Kreise und Gruppen auch aus dem Umfeld des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches dazu geführt haben, die jüdische Theologie insbesondere im Blick auf ihre rational schwer zu vermittelnden Elemente in Richtung etwa der stoischen Philosophie hin zu entwickeln, um die augenscheinliche Diastase zwischen dem religiösen

83 Vgl. hierzu durchaus treffend De Silva, 4Macc, 131: „Considerations of temporal advantage would often play out in favor of a more radical Hellenization, relaxing the commandments of Torah further and further for the sake of easier intercourse with the dominant culture and access to a share of its benefits. The author may well invite Jews who have ‚crossed the line‘ where Torah is concerned to see themselves mirrored here, where ‚the beneficial‘ has been privileged over ‚the right‘.“ 84 Zu diesem Begriff vgl. Dupont-Sommer, 4Makk, 106 f, und Klauck, 4Makk, 711. 85 Vgl. zu diesem Argument sehr instruktiv Klauck, 4Makk, 711: „Wahrscheinlich versteckt sich dahinter ein Einwand, dem sich der Autor in der Diskussion mit liberaler gesinnten Mitjuden ausgesetzt sah. Ihnen genügten schon soziale Zwänge als Entschuldigung für eine Übertretung von rational schwer zu vermittelnden und gesellschaftlich hinderlichen Speisetabus.“ 86 De Silva, 4Macc, 132, mit Verweis auf Hadas. 87 Vgl. hierzu etwa P. Cornelius Tacitus, hist. V 4,1: Moyses quo sibi in posterum gentem firmaret, novos ritus contrariosque ceteris mortalibus indidit. profana illic omnia quae apud nos sacra, rursum concessa apud illos quae nobis incesta (Text nach J. Borst, Tacitus, 514; „Moses gab, um sich des Volkes für die Zukunft zu versichern, ihm Gebräuche, die neu waren und denen aller übrigen Menschen zuwiderliefen. Unheilig ist dort alles, was bei uns heilig ist, wiederum bei ihnen erlaubt, was bei uns als unrein gilt“; Übersetzung nach Sontheimer, Historien, 289), und V 5,1: Hi ritus quoquo modo inducti antiquitate defenduntur: cetera instituta, sinistra foeda, pravitate valuere (Text nach J. Borst, Tacitus, 516; „Wie immer diese Gebräuche eingeführt worden sind, sie finden ihre Rechtfertigung nur in ihrem hohen Alter. Alle übrigen Einrichtungen sind widerwärtig, abscheulich und haben nur durch ihre Widernatur Geltung erlangt“; Übersetzung nach Sontheimer, Historien, 290).

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Brauchtum der Juden (θρησκεία Ἰουδαίων) beziehungsweise dem Gesetz auf der einen und der Natur auf der anderen Seite zu überwinden. Eine solche Entwicklung scheint etwa vorzuliegen in den wohl im ersten nachchristlichen Jahrhundert vermutlich in Alexandria88 verfassten Sentenzen des PseudoPhokylides. Die Analyse dieses Lehrgedichts (ποίημα νουθετικόν) führt zur Erkenntnis des „paradoxen Sachverhalts“, daß „in PseuPhok […] mehr biblisches Material vorhanden [ist] als in der philonischen Zusammenfassung des mosaischen Gesetzes“ […], während andererseits „das griechische Element […] bei PseuPhok nicht nur eine oberflächliche Verkleidung [ist], sondern […] die ganze Haltung unseres anonymen [bzw. pseudonymen] Autors prägt,“89

ein Sachverhalt, der etwa darin seine Bestätigung findet, dass Pseudo-Phokylides innerhalb seines Lehrgedichts, das er selbst zusammenfassend immerhin als „Geheimnisse rechter Lebensweise“ (μυστήρια δικαιοσύνης;90 (Ps-Phok 229), die zu befolgen ein „gutes Leben“ (ζωὴ ἀγαθή; Ps-Phok 230) mit sich bringt, bezeichnen kann, gänzlich ohne Speisevorschriften auskommt. Sicherlich darf Pseudo-Phokylides die Absicht unterstellt werden, zu zeigen, „wie eng gut-griechische und gut-biblische Moral beieinanderliegen“;91 für die Hypothese aber, diesen Aufweis mit der Annahme zu verbinden, Pseudo-Phokylides wolle mit seinen Ausführungen der bei von der hellenistischen Kultur faszinierten hellenistischen Juden aus seinem Umfeld beobachtbaren Tendenz, sich von dem religiösen Brauchtum der Juden (θρησκεία Ἰουδαίων) abzuwenden, entgegenwirken,92 lassen sich in seinem Lehrgedicht (ποίημα νουθετικόν) keinerlei Textsignale, die etwa auf über die Gemeinsamkeiten zwischen jenen und der hellenistischen Kultur hinausgehende und für sein jüdisches Publikum und deren jüdische Identität unaufgebbare Differenzen hindeuteten, namhaft machen. Demgegenüber scheint es sinnvoller, Pseudo-Phokylides als Propagandisten eines hellenistischen Judentums zu begreifen, dem es um einer möglichst weitgehenden Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft willen darum ging, einen soweit als möglich integrationsfähigen Ἰουδαϊσμός zu kreieren.93 Die von Pseudo-Phokylides entwickelte Konzeption stellt – 88 Vgl. hierzu Walter, Ps-Phok, 193. Van der Horst, Sentences, 82 f, hält ein Datum zwischen 30 v. und 40 n. Chr. für wahrscheinlich und votiert ebenfalls, unter Verweis auf Ps-Phok 102, für Alexandria als Entstehungsort, stellt aber zugleich fest: „It should be added, however, that we know very little about other Jewish communities in the Diaspora.“ 89 Walter, Ps-Phok, 191, mit Verweis auf Küchler. 90 Vgl. hierzu van der Horst, Sentences, 260, der zu dieser Wendung feststellt: „ταῦτα δικαιοσύνης μυστήρια: by means of these words Ps-Phoc. summarizes the content of the whole poem.“ 91 Walter, Ps-Phok, 192. 92 Vgl. hierzu Walter, Ps-Phok, 192: „Er wollte wohl auf diese Weise einer unangebrachten Faszination mancher hellenistischer Juden durch die Welt hellenistischer Bildung und einem Abschwenken vom jüdischen ‚Weg der Gerechtigkeit‘ […] zu einem etwa als höherstehend empfundenen griechischen Lebensstil entgegenwirken.“ 93 Vgl. hierzu van der Horst, Sentences, 64: „After all that has been said in the chapter on the history of the research, it is not necessary to repeat that Ps-Phoc. preaches a kind of universally valid ethics

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ganz im Sinne des Antiochus – eine auf den Vorteil (συμφέρον94), hier konkret das gute Leben (ζωὴ ἀγαθή), ausgerichtete praktische Philosophie dar. Einem in obiger Weise skizzierten Unterfangen seiner innerjüdischen Kontrahenten, expliziert hier in der Rede des Antiochus IV. Epiphanes, stellt sich der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches in der Antwort des Eleazar entgegen. Dabei weist er zunächst darauf hin, dass es für die Juden, da sie ihr Leben nach einem „göttlichen Gesetz“ (θεῖος νόμος) ausrichten, eben keine größere Notwendigkeit (ἀναγκή) geben kann als eben „der Gehorsam“ (εὐπειθεία) gegenüber diesem (4Makk 5,16),95 was dann dazu führt, dass das Gesetz und dessen Bestimmungen unter keinen Umständen, auch nicht bei angedrohter Folter, missachtet werden dürfen (4Makk 5,17).96 Mit diesem Hinweis nimmt Eleazar die letzte Bemerkung des Antiochus auf;97 der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches stellt damit gegenüber seinen innergemeindlichen Antipoden klar, dass es für die Nichtbeachtung des Gesetzes keinerlei Entschuldigung oder Rechtfertigung gibt.98 Dies gilt auch für den Fall, dass das Gesetz nicht göttlicher Herkunft oder Qualität wäre; solange „wir“, das heißt die Juden allgemein in gleicher Weise wie auch das jüdische Publikum des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches, überzeugt sind, es sei göttlicher Herkunft und Qualität, besteht keine Möglichkeit, die jüdische, durch das Gesetz bestimmte Lebensweise aufzugeben (4Makk 5,18). Dies stellt ein deutliches Signal an alle integrations- und assimilationswilligen Juden seiner Zuhörerschaft dar, die eigene religiöse Identität nicht in die der sie umgebenden, hellenistisch geprägten Mehrheitsgesellschaft aufgehen zu lassen.99 Diese Ausführungen des Eleazar, damit auch des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches, sind über die Zementierung des unbedingten Gesetzesgehorsams hinaus in zwei Hinsichten bemerkenswert: (a) In 4Makk 5,18a diskutiert Eleazar die Möglichkeit, dass das von den Juden beachtete Gesetz nicht als „göttlich“ (θεῖος) charakterisiert werden könne, eine Aussage, die auf entsprechende Tendenzen im Umfeld des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches hinzuweisen scheint; womöglich gab es hier Stimmen, die eine göttliche Herkunft oder Qualität des Gesetzes that could be assented to by any right-minded man in antiquity.“ 94 Vgl. hierzu oben 55 f. 95 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 132: „Countering Antiochus’s attempt to invoke the topic of the ‚necessary‘ […] at the close of his speech, Eleazar responds that the most forceful compulsion or necessity for the Judaean is to obey the Torah.“ 96 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 133: „The underlying question in their debate [d. h. diejenige der Antigone] is the same as in 4 Maccabees 5: what truly is compelling? Is it the force of law or power and the concern for temporal well-being on which they depend in order to work, or concern for maintaining one’s integrity in regard to the values one holds inviolable?“ 97 Vgl. hierzu Dupont-Sommer, 4Makk, 107: „Éléazar commence par proclamer sa foi dans la sainteté de la Loi. Puis à l’argument assez spécieux d’Antiochus il répond, non sans habileté, que, pour un Juif, ‚il n’y a pas de plus forte contrainte que l’obéissance à la Loi‘.“ 98 Klauck, 4Makk, 711, weist auf den Zusammenhang von 4Makk 5,16 f mit 4Makk 5,13 hin: „Das ist im Verein mit V. 17 die Antwort auf das vergängliche Argument von V. 13: Die Gesetzestreue erkennt eine äußere Gewalt, die über dem Gesetz zu stehen meint, nicht an.“ 99 Vgl. zu 4Makk 5,18 Klauck, 4Makk, 711: „Die allgemeine Aussage des Satzes scheint dahin zu gehen, daß es in jedem Fall geboten ist, nach der eigenen tiefsten Überzeugung zu handeln.“

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beziehungsweise einiger Partien dessen in Zweifel zogen – eine Ansicht, die sich immerhin in Gal 3,19 f widerzuspiegeln scheint, einem Brief, in dem Paulus sich augenscheinlich mit einer Theologie auseinandersetzt, deren Wurzeln im Umfeld des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches zu suchen sind.100 (b) Auffällig ist, dass Eleazar in 4Makk 5,18 die Ausführungen des Antiochus als Verneinung des göttlichen Ursprungs und der göttlichen Qualität des Gesetzes interpretiert (ὡς ὑπολαμβάνεις, „wie du annimmst“), wiewohl doch jener in seiner Rede dies zumindest explizit nicht behauptet hat. Erklärbar wird diese Aussage nur unter der Voraussetzung, dass zumindest im Umfeld des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches die These vertreten wird, dass aufgrund der Identität des Schöpfers und des Gesetzgebers Gesetz und Natur einander entsprechen müssen;101 was dann heißt, dass ein der Natur nicht entsprechendes Gesetz (vgl. 4Makk 5,8 f) auch nicht göttlichen Ursprungs sein kann.

Daran anschließend führt Eleazar aus, dass ein aus dem Genuss verbotener Speisen resultierender Verstoß gegen die Bestimmungen des Gesetzes in jedem Falle eine schwerwiegende Gesetzesübertretung darstelle; letzten Endes seien alle Verstöße gegen die Satzungen des Gesetzes als in gleicher Weise schwerwiegend zu betrachten,102 da sie aus der Grundhaltung des Hochmutes gegenüber jenem resultierten (4Makk 5,19–21).103 Bemerkenswert ist, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches Eleazar hier einen Punkt aufgreifen lässt, den Antiochus IV. Epiphanes in seiner Rede zuvor überhaupt nicht angesprochen hat, eine Beobachtung, die über das oben Ausgeführte hinaus die Annahme wahrscheinlich erscheinen lässt, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches hier einen Gedanken diskutiert, der in seinem eigenen jüdischen Umfeld Platz gegriffen hat, den Gedanken einer theologischen Gewichtung und Ausdifferenzierung einzelner Gesetzesverstöße nach der Schwere der ihnen jeweils inhärenten Sündhaftigkeit, einen Gedanken, der es erlaubt, die Praxis des konsequenten Gehorsams gegenüber dem Gesetz im alltäglichen Leben zu relativieren.104 Der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches schließt eine solche Relativierung jedoch vollständig aus.105

100 Vgl. zu diesem Problemfeld insgesamt Witulski, Das Konzept des νόμος im 4Makk und im Gal (im Druck; erscheint 2014/15 in EstB). 101 Vgl. hierzu Weber, Gesetz, 222: „Diese Identifikation enthält ihre eminent theologische Begründung durch den Gottesgedanken; da es derselbe, eine Gott ist, der als Schöpfer wie als Gesetzgeber waltet, kann auch die Sinaithora nur als Ausdruck seines einen, einheitlichen Willens verstanden werden. In der Identität Gottes mit sich selbst gründet die Identität von Schöpfungs- und Sinaithora.“ 102 Vgl. zum Problem der Gleichwertigkeit aller Gebote in der Thora Weber, Gesetz, 236–239. 103 Dupont-Sommer, 4Makk, 107, verweist in diesem Zusammenhang auf die „thèse stoïcienne de l’égalité des fautes“; vgl. ähnlich auch De Silva, 4Macc, 133 f. 104 Vgl. hierzu, durchaus in eine ähnliche Richtung gehend, wenn auch anders akzentuiert, De Silva, 4Macc, 133: „However, Eleazar may be seen to express not his own view at this point, but to anticipate Antiochus’s objection that eating unclean food might be a ‚minor sin‘, and that only to disabuse him of such a notion.“ In wieweit Eleazar hier einen nicht formulierten Einwand des Antiochus antizipieren sollte, muss fraglich bleiben; demgegenüber scheint es weitaus plausibler, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches hier einen Einwand aus seinem Auditorium antizipiert. 105 Vgl. hierzu die entsprechende Diskussion bei Klauck, 4Makk, 711.

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In 4Makk 5,22–24 verteidigt Eleazar dann, den von Antiochus erhobenen Vorwurf der fehlenden Verständigkeit (εὐλογιστία106) der jüdischen Philosophie aufnehmend (4Makk 5,21), mit einem ironisierenden Unterton107 deren Wirksamkeit als einer Erzieherin zur Tugend, somit also deren Charakter als einer wahren Philosophie.108 Im Einzelnen „lehrt“ (ἐκδιδάσκω) sie die Tugend der „Besonnenheit“ (σωφροσύνη), „übt ein“ (ἐξάσκω) in die Tugend der „Tapferkeit“ (ἀνδρεία), „erzieht“ (παιδεύω) zur Tugend der „Gerechtigkeit“ (δικαιοσύνη) und „lehrt“ (ἐκδιδάσκω) die Tugend der „Frömmigkeit“ (εὐσέβεια). Mit diesen Ausführungen vermittelt Eleazar Antiochus, vermittelt damit zugleich der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches seinem Auditorium die Erkenntnis, dass ein der Verständigkeit (εὐλογιστία) gemäßes Existieren im Rahmen des Ἰουδαϊσμός beziehungsweise der jüdischen Philosophie, das heißt somit unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Gesetzes, sehr wohl möglich ist. Denn jene lehrt schließlich doch all das, was zu einem tugendhaften Leben beziehungsweise einem Leben in Weisheit (4Makk 1,18 f) notwendig ist. Damit ist zugleich die prinzipielle Grundlegung für die daran anschließende, auf die Speisegebote abzielende Konkretisierung formuliert. Bemerkenswert ist, dass in 4Makk 5,24 die Tugend der Frömmigkeit als die offensichtlich wichtigste und höchste Tugend109 – auch im Unterschied zu 4Makk 1,2.18 f 110 – an die Stelle des „Verstandes“ (φρόνησις) getreten ist.111 Mit dieser Akzentsetzung bereitet der Verfasser, zugleich anknüpfend an einen breiten, in der paganen Literatur sichtbar werdenden Traditionsstrom,112 den argumentationslogischen Boden für die in 4Makk 5,25 gezogene Konsequenz:113 Wenn die Tugend der auf eine göttliche Gestalt gerichteteten Frömmigkeit114 zu den Kardinaltugenden zu rechnen ist, dann lässt sich schwerlich etwas gegen die Notwendigkeit der Beachtung und Befolgung eines aus 106 Zu diesem Begriff als einem Fachterminus der stoischen Philosophie vgl. Klauck, 4Makk, 712. 107 Vgl. hierzu die Partikel γάρ als Einleitung von 4Makk 5,23 und die entsprechende Auslegung etwa bei Klauck, 4Makk, 712, mit Verweis auf Grimm. 108 Vgl. hierzu treffend Weber, Gesetz, 217: „Die θρησκεία Ἰουδαίων lehrt also die vier philosophischen Kardinaltugenden, sie ist somit die wahre Philosophie, und es ist pure Unkenntnis oder Bosheit, ihren Anhängern die εὐλογιστία absprechen zu wollen“; ähnlich hier auch De Silva, 4Macc, 136: „Eleazar can claim that Jewish philosophy is indeed μετὰ εὐλογιστιάς […], answering Antiochus’s claim in [4Makk] 5:9 that the Jewish way of life is ‚senseless‘ (ἀνόητον).“ 109 Vgl. hierzu Dupont-Sommer, 4Makk, 108. 110 Darauf macht etwa Breitenstein, Beobachtungen, 149, aufmerksam. 111 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 712, mit Verweis auf Belege in den Schriften Philos von Alexandria; in spec. IV 147 vermag Philo die εὐσέβεια immerhin als βασιλίς τῶν ἀρετῶν zu bezeichnen. 112 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 135 f, der verschiedene Belege für die Verankerung der Tugend der εὐσέβεια in der paganen Literatur anführt und feststellt: „The elevation of piety here is especially helpful for the promotion of Judaism. Greeks, Romans, Jews, Egyptians, Syrians – all sought to live piously and give to the gods their due.“ Weber, Gesetz, 226, weist darauf hin, dass 4Makk „im Blick auf diese Wortgruppe [d. h. auf die Wortgruppe εὐσέβεια κτλ.] [in der LXX und der frühjüdischen Literatur griechischer Provenienz] eine echte Sonder- und Ausnahmestellung einnimmt.“ 113 Vgl. hierzu unten 62 f. 114 Weber, Gesetz, 226, macht darauf aufmerksam, dass der Begriff εὐσέβεια im Vierten Makkabäerbuch „sowohl mit der Philosophie […] als auch mit der Vernunft […] als auch mit dem Nomos […] verknüpft werden“ kann. Insofern u. a. vermag der εὐσέβεια-Begriff dem Verfasser des Vierten

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dem Willen dieser göttlichen Gestalt hervorgehenden Gesetzes und dessen einzelner Bestimmungen ins Feld führen.115 Darüber hinaus ist keinesfalls auszuschließen, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches mit dieser Neuakzentuierung seinem zumindest in Teilen von der jüdischen Philosophie abzurücken bereiten Auditorium deutlich zu machen versuchte, dass seine dezidiert jüdische Konzeption der Tugenden (ἀρεταί) mit „Roman imperial values“116 und anderen philosophischen Konzeptionen durchaus kompatibel ist – ein Hinweis, der seinerseits wiederum zu untermauern vermag, dass der von Antiochus gegenüber der jüdischen Philosophie geäußerte Vorwurf mangelnder „Verständigkeit“ (εὐλογιστία117) ins Leere laufen muss. An diese Erwägungen anknüpfend kommt Eleazar auf die Speisegebote zu sprechen, indem er – nun die Ausführungen des Antiochus in 4Makk 5,8 f aufnehmend118 – in 4Makk 5,25 formuliert: „Deswegen essen wir nichts Unreines“ (διὸ οὐ μιαροφαγοῦμεν). Die Verwendung der Konjunktion διό signalisiert, dass das nun Folgende als Konsequenz des zuvor Ausgeführten119 aufzufassen ist,120 was dann zunächst allgemein bedeutet, dass „die speziellen jüdischen Reinheitsgebote bezüglich der Nahrung […] mit der allgemeinen philosophischen Tugendlehre in Verbindung gebracht“121 und kausal als aus jener resultierend dargestellt werden. Aufgrund der Argumentationsstruktur von 4Makk 5,22–24.25 lässt sich diese Auskunft jedoch dahingehend präzisieren, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches die Speisegebote in besonderer Weise mit der Tugend der Frömmigkeit verknüpft122 und deren Praxis als Element der Praxis der Frömmigkeit verstehen möchte. Mit der Beachtung der Speisegebote ist somit ein μόνον τὸν ὄντα θεὸν σέβειν μεγαλοπρεπῶς123 (4Makk 5,24d) intendiert, was letzten Endes heißt, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches hier inhaltlich die Aus-

Makkabäerbuches dazu zu verhelfen, hellenistische φιλοσοφία und jüdisches Denken miteinander zu synchronisieren. 115 Wenig überzeugend hier De Silva, 4Macc, 136, der vermutet: „It seems more to the point here that, with the elevation of ‚prudence‘ to the chief virtue […] and its near identification with the right operation of ὁ λογισμός itself […] there is now room for another ‚peer‘ virtue for the other three to be introduced.“ 116 De Silva, 4Macc, 136, mit Verweis auf D’ Angelo. 117 Vgl. hierzu oben 55 f. 118 Vgl. hierzu Weber, Gesetz, 222. 119 Vgl. hierzu etwa Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik, § 451.5, 381; die Konjunktion διό wird hier in die Rubrik der „konsekutive[n] koordinierende[n] Konjunktionen“ eingeordnet. 120 Dieser Zusammenhang wird in der Forschung nur selten herausgearbeitet; De Silva, 4Macc, 136, etwa formuliert im Blick auf den Übergang von 4Makk 5,24 zu 4Makk 5,25 lapidar: „Regarding, then, the specific matter of the dietary laws, Elazar claims that the Thora is a better guide to knowing what is allowable and what is unsuitable than Nature alone.“ 121 Weber, Gesetz, 217, der darüber hinaus feststellt: „Für Eleazar [und damit auch für den Verfasser des 4Makk] besteht hier eben kein Gegensatz, sondern vielmehr ein kausaler Zusammenhang.“ 122 Dieser Zusammenhang wird in der Literatur zum Vierten Makkabäerbuch kaum je gesehen. 123 „[…], so daß wir allein den Gott, der wahrhaft ist, in gebührend erhabener Weise verehren“ (Übersetzung nach Klauck, 4Makk, 712).

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führungen von 4Makk 5,16 f – mit der dort vorgelegten Charakterisierung des Gesetzes als eines „göttlichen Gesetzes“ (θεῖος νόμος124) – aufnimmt. Im Anschluss daran wird diese zunächst recht formale, allgemeine und durchaus in philosophischem Gewand einherkommende, aber letzten Endes doch eher theologisch akzentuierte Feststellung – noch einen Schritt weitergehend – philosophisch ausgestaltet und in diesem Sinne rationalisiert.125 Eleazar erklärt126 Antiochus, dass Gott – und hier formuliert der jüdische Priester beziehungsweise Gesetzeslehrer aus seiner Perspektive Wissen (οἴδα) –, der Geber des Gesetzes, zugleich aber auch der Schöpfer der Welt,127 dem Menschen gegenüber der Natur entsprechend (κατὰ φύσιν) Sympathie entwickelt (συμπαθεῖ),128 wenn er Gesetze erlässt, Gesetze, denen dann – eben aufgrund der der Natur entsprechenden sich ergebenden Sympathie Gottes nachgerade eo ipso – auch philosophische Rationalität eignen müssen, da sie womöglich nicht der Natur im allgemeinen, sehr wohl aber der menschlichen Natur (φύσις ἀνθρώπινα) entsprechen. An dieser Stelle muss die in der Forschung geführte Diskussion hinsichtlich der Interpretation der Wendung κατὰ φύσιν zumindest in Kürze nachgezeichnet werden. Folgende Interpretationsmöglichkeiten sind möglich bzw. werden diskutiert:129 (a) Die Wendung κατὰ φύσιν wird um das Possesivpronomen αὐτοῦ ergänzt, in diesem Sinne dann als „seiner (göttlichen) Natur gemäß“ aufgefasst, und auf das Partizipium νομοθετῶν bezogen; Gott erließe dann „Gesetze gemäß der [d. h. seiner] Natur“,130 seine Gesetze entsprächen der von ihm geschaffenen Natur131

124 Vgl. hierzu oben 59. 125 Insofern trifft die Beobachtung von Weber, Gesetz, 215, durchaus zu: „[S]o bleibt es doch bedenkenswert, daß hier eine Form der Rationalität angezielt ist, der es auf allgemeine Überzeugungskraft ankommt, und die sich in einen Argumentationshorizont einbetten will, der universal-kommunikative Optionen impliziert“, ohne dass allerdings zu postulieren wäre, dass der Verfasser des 4Makk sich einer pagan-philosophischen Zuhörerschaft gegenübersieht.“ 126 Somit wird die Partikel γάρ, mit der das Folgende eingeleitet wird, als γάρ-explicativum gefasst. 127 Vgl. hierzu Klauck, 4Makk, 712: „Weil Gott Physis und Nomos geschaffen hat, müssen beide in Einklang stehen, und wer nach dem Gesetz lebt, der lebt auch naturgemäß“; vgl. hierzu ergänzend Weber, Gesetz, 220: „Dies wird ja überdies auch durch die Tatsache gestützt, daß Gott in 4. Mac sowohl als Gesetzgeber wie als Schöpfer erscheint: […] Ein solcher Vergleich führt zu einem höchst interessanten Ergebnis, insofern die explizite Erwähnung Gottes als Gesetzgeber praktisch durchgängig begleitet ist von seiner Prädikation als Schöpfer.“ 128 Vgl. hierzu etwa Weber, Gesetz, 218: „Das συμπαθεῖ wäre also viel mehr ontologisch denn psychologisch zu verstehen. Es geht nicht um das Mitleiden, um ein sympathetisches Mitfühlen, also um eine emotionale Eigenschaft Gottes, sondern um die Konformität der verschiedenen göttlichen Akte: Gott knüpft in seinem Handeln an sich selber an, sein Geschichtshandeln steht in Kongruenz zu seinem Schöpfungshandeln; in aller Unterschiedenheit seiner Wirkungsweisen nach außen bleibt er doch stets mit sich identisch.“ 129 Vgl. hierzu die – ein wenig zu oberflächliche – Diskussion bei Weber, Gesetz, 217 f: „Manche Exegeten beziehen die Wendung auf Gott selber; denken sich also stillschweigend ein αὐτοῦ hinzu. Andere wiederum stellen einen Bezug auf die menschliche Natur her“ (ebd., 217). 130 So die Übersetzung von Klauck, 4Makk, 712. 131 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 137 mit Verweis auf Redditt: „Far from being in contradiction to the Stoic philosopher’s goal of living ‚according to nature‘, adhering to Torah was a superior means to

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und der ihr inhärenten Schöpfungsordnung.132 (b) Die Phrase κατὰ φύσιν wird, ergänzt um die Konjektur des Personalpronomens ἡμῖν in das Possessivum ἡμῶν, auf die menschliche Natur bezogen, der entsprechend Gott die Gesetze erlassen133 habe. Diesen beiden Deutungsvorschlägen widerrät, dass sie auf textliche Emanationen angewiesen sind, für die der Text selbst an dieser Stelle keinen Anlass bietet. Darüber hinaus scheint aufgrund der Wortstellung der Bezug der Wendung κατὰ φύσιν auf das Partizipium νομοθετῶν eher unwahrscheinlich; viel näher legt sich demgegenüber die Annahme (c), die Phrase κατὰ φύσιν – textlich unverändert – auf das finite Verbum συμπαθεῖ zu beziehen134 und eher neutral im Sinne von „naturgemäß“ zu verstehen, was dann bedeutete, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches in 4Makk 5,25 Gott als jemanden beschreiben wollte, der naturgemäß eine Sympathie zu den Menschen entwickelt.

Im Falle der Speisegebote wird deren über die Sympathie Gottes vermittelte und in ihr begründete philosophische Rationalität konkret fassbar in der in 4Makk 5,26 anklingenden stoischen Oikeiosis-Lehre:135 Das, „was zu etwas unseren Seelen Verwandtem werden kann“ (οἰκειωθησόμενα ἡμῶν ταῖς ψυχαῖς) darf gegessen werden, das, was [zu ihr] im Gegensatz steht (ἐναντιωθησόμενα) hingegen ist untersagt. Damit sind die von Antiochus noch als jeglicher „Verständigkeit“ (εὐλογιστία) entbehrenden Speisegebote136 sowohl theologisch als auch vor allem philosophisch legitimiert.137 Mit discovering what was truly in accordance with nature, being supplied by the God who also created the ‚world order‘ that was ‚Nature‘.“ 132 Die Wendung κατὰ φύσιν wird hier somit, etwa im Sinne von Redditt, Concept, 217, im Sinne von „Schöpfung“ bzw. „grundlegendes Schöpfungsprinzip“ interpretiert: φύσις‘ „is understood by the author of 4 Maccabees as an immanent principle or world-order built into creation by God himself, according to which mankind ought to live.“ Anders hier Weber, Gesetz, 219 f, der in der Wendung κατὰ φύσιν eine semantische Mehrsträngigkeit vermutet: „Von daher wird man sich umso mehr berechtig fühlen dürfen, die […] Mehrsträngigkeit der Interpretation des κατὰ φύσιν […] dahingehend weiterzuverfolgen und zusammenzufassen, daß in dem κατὰ φύσιν sowohl der Bezug auf das innere, ontologische Wesen Gottes, als auch auf die bestehende Ordnung der geschaffenen Welt, als auch auf die Natur des Menschen mitschwingt, der ja ein Teil derselben ist, die wiederum in Gottes Sein ihren Grund hat. Daß κατὰ φύσιν nicht determiniert ist, wäre dann gerade ein Anzeichen dafür, daß sich in ihm die drei Größen Gott, Welt und Mensch verbinden und in Relation zueinander treten: […] Unter Berücksichtigung dieser Differenzierungen kann man m.R. zu der Aussage kommen: Nomos und Schöpfungsordnung entsprechen sich.“ 133 Vgl. hierzu Hadas, 4Macc, 174. 134 Ausdrücklich anders hier De Silva, 4Macc, 137: „The point is rather that the giving of the Law was itself ‚ccording to nature‘, insofar as the parent’s love and provision for the child’s education and upbringing is in accordance with Nature.“ 135 Vgl. hierzu Höfer, Oikeiosis, 4: „Die Lehre von der Oikeiosis ist ein zentraler Gedanke der stoischen Philosophie. Die Oikeiosis besteht in der Hinwendung zu dem, was in der Selbstwahrnehmung als zugehörig betrachtet wird. Demnach eignet sich der Mensch die ihm naturgemäßen Dinge an, wobei er zwischen dem ihm Zuträglichen oder Schädlichem unterscheidet, da er wie jedes Lebewesen nach Selbsterhaltung strebt.“ 136 Vgl. hierzu oben 55 f.60 f. 137 Vgl. hierzu Dupont-Sommer, 4Makk, 40: „Appliquant aux prescriptions concernant la nourriture le principe de la conformité de la Loi mosaïque à la nature […]. Rien n’empêche de prendre les mots prout sonant, et de voir dans ce verset la trace d’une apologétique juive.“ Weitergehender und

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diesen Ausführungen entwickelt der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches „unter der Hand“ gleichsam einen gegenüber demjenigen des Antiochus, das heißt auch gegenüber demjenigen seiner innerjüdischen Opponenten, neu akzentuierten und in jedem Falle strukturierteren und differenzierten, womöglich – auch – biblische Traditionen stärker in den Fokus nehmenden Naturbegriff (φύσις).138 Der Argumentation des Eleazar und damit derjenigen des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches zumindest im Ansatz durchaus vergleichbar präsentieren sich etwa die Hinweise Philos in spec. IV und die Überlegungen des Verfassers des Aristeasbriefes in Arist 144–150. Während Philo die Speisegesetze im Rahmen des Gedankens der von Mose implementierten Lebensführung im Sinne der ἀταρπὸς μέση als eines Mittelweges zwischen der ἀταρπὸς σκληραγωγία und der ἀταρπὸς ἁβροδίαιτος – initiiert mit dem Ziel der Erlangung einer ἁρμονία βίου beziehungsweise einer συμφωνία ἀνεπίληπτος (spec. IV 101 f) – interpretiert (spec. IV 100) und den entsprechenden Rein- bzw. Unreinheiten eine symbolische Bedeutung zuschreibt (spec. IV 105–131), vermag der Verfasser des Aristeasbriefes, hier durchaus dem alexandrinischen Religionsphilosophen vergleichbar,139 unter anderem die in den Speisegesetzen erlaubten und verbotenen Tiere und deren Verhalten allegorisch auszulegen und aus dieser Auslegung zu folgern: „Er hat uns nun alle Gebote hinsichtlich dessen, was uns von diesen [d. h. den Vögeln] und von den Haustieren erlaubt ist, wegen ihres Symbolgehalts gegeben (πάντα οὖν τὰ τῆς συγχωρήσεως ἡμῖν ἐπὶ τούτων καὶ τῶν κτηνῶν τροπολογῶν ἐκτέθειται)“ (Arist. 150).140 Sowohl Philo als auch der Verfasser des Aristeasbriefes als auch der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches versuchen somit, die Speisegesetze in einen größeren, allgemein-philosophischer Rechtfertigung zugänglichen Zusammenhang zu stellen, um damit deren Beachtung als der Natur beziehungsweise der Vernunft entsprechend deklarieren zu können. Im Unterschied insbesondere zum Verfasser des Aristeasbriefes verzichtet der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches allerdings darauf, das Skandalon der scheinbar widernatürlichen und widervernünftigen

mit einem deutlich anderen Akzent hier Weber, Gesetz, 216: „Und eben darum sind auch die dem ‚natürlichen‘ menschlichen Empfinden zunächst fremden und absonderlich erscheinenden jüdischen Speisegesetze nicht anderes als der Ausdruck gesteigerter Menschlichkeit, welche sich über das untere Reich der Triebhaftigkeit in die Region der Vernunft aufgeschwungen hat, die selber so göttlich ist wie das Gesetz. Gesetz und Vernunft führen also zu wahrer Menschlichkeit, welche das Ziel der göttlichen Erziehung und Gebote ist.“ 138 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 137: „Thus the Law communicates to the Jewish sage what Nature was held to implant in its creatures, namely knowledge of what is adverse and what is suitable.“ In wieweit hier von einem verinnerlichten oder gar spiritualisierten φύσις-Begriff gesprochen werden kann (vgl. hierzu Weber, Gesetz, 223.240 f) muss angesichts der nur schmalen Textbasis in der vorliegenden Studie offen bleiben. 139 Vgl. hierzu im Blick auf den Aristeasbrief Meisner, Arist, 39 f, mit einem Hinweis auf die Ausführungen Philos: „§§ 128–171 und 306 werden einige jüdische Speise- und Reinheitsgebote allegorisch ausgelegt. Die Nähe dieser Allegorese zu der Philos hat schon dazu angeregt, eine literarische Abhängigkeit dieser Teile des Arist von Philo anzunehmen.“ 140 πάντα οὖν τὰ τῆς συγχωρήσεως ἡμῖν ἐπὶ τούτων καὶ τῶν κτηνῶν τροπολογῶν ἐκτέθειται (Text nach Pelletier, Lettre, 174; Übersetzung nach Meisner, Arist, 64).

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Speisevorschriften ausschließlich mittels deren allegorischer Interpretation zu entschärfen141 und deren tatsächliche Einhaltung damit de facto obsolet werden zu lassen. Insofern lassen sich die Erwägungen des Verfassers des Aristeasbriefes in systematischer Hinsicht durchaus als Zwischenglied zwischen der Position des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches und derjenigen des Pseudo-Phokylides interpretieren; letzerer scheint, weitaus radikaler als jene, die Speisevorschriften gänzlich ignorieren zu wollen.142

Im Anschluss an den Aufweis der philosophischen Rationalität der jüdischen Speisegesetze entlarvt Eleazar die eigentliche Motivation des Antiochus; ihm gehe es letzten Endes darum, sich über den auf seine Nötigung hin erfolgenden Verzehr eigentlich verbotener Speisen durch die Juden zu amüsieren (ἐπιγελάω) (4Makk 5,27 f) – eine Absicht, die Eleazar als tyrannisch (τυραννικόν) bezeichnen kann. Auffällig ist, dass dieser Hinweis des Eleazar auf ein mögliches Amüsement des Antiochus nicht nur in der mit 4Makk 3,19 beginnenden exemplarischen Erzählung keinerlei Anhalt hat, sondern den Einlassungen des Antiochus etwa in 4Makk 5,11 f selbst diametral entgegensteht;143 werden die Ausführungen in 4Makk 5,11 f weiterentwickelt, so ergibt sich aus ihnen, dass Antiochus nicht etwa lachte, wenn Eleazar der jüdischen Philosophie den Abschied gäbe, sondern im Gegenteil nur dann, wenn Eleazar standhaft und dem von ihm vertretenen „Quark“144 treu bliebe. Viel wahrscheinlicher scheint hier die Annahme, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches mit den Ausführungen des Eleazar in 4Makk 5,27 f auf integrationswillige und -bereite Kreise innerhalb seines Auditoriums zielt, denen er vor Augen zu führen versucht, dass der Versuch jüdischer Kreise, sich unter weitgehendem Verzicht auf die eigenen die spezifische Identität ausmachenden religiösen Traditionen in die pagane Mehrheitsgesellschaft zu integrieren, bei dieser selbst nicht etwa Begeisterung, sondern vielmehr Spott und Hohn auslöst – eine Erfahrung, die in den Augen des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches dazu führen sollte, solche Versuche der Anbiederung zu unterlassen. Einen Beleg für eine solche vom Verfasser des Vierten Makkabäerbuches in 4Makk 5,27 f konstatierte Verspottung integrationswilliger Juden könnte die Inschrift ISmyrn 697 bieten, eine Liste mit Stiftungen im Zusammenhang mit der Inauguration des zweiten provinzialen asia141 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 137: „This is a very different understanding of the dietary laws from that seen in Letter of Aristeas, which focuses on the allegorical signification of these laws.“ Anders hier Klauck, 4Makk, 713, der zu 4Makk 5,26 ausführt: „Dies scheint eine allegorische Interpretation der Speisegesetze im Blick zu haben, wie sie ausführlich der Aristeasbrief bietet“; von einer solchen allegorischen Interpretation lässt sich im Vierten Makkabäerbuch, insbesondere dann, wenn in 4Makk 5,26 ein Hinweis auf die stoische Oikeiosis-Lehre zu sehen ist, allerdings kaum etwas erkennen. 142 Vgl. hierzu oben 58 f. 143 Gänzlich anders hier De Silva, 4Macc, 138: „This is precisely how Eleazar understands the moment. Antiochus has already ridiculed the Jewish philosophy for seeming senseless […]; Eleazar will not give him opportunity to have a second laugh.“ Diese Interpretation wird dem Duktus der Argumentation innerhalb des Rededuells aber nur schwerlich gerecht. 144 Vgl. zu diesem Begriff oben 56.

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nischen, dem römischen Kaiser Hadrian gewidmeten Kaiserkultes in Smyrna. Nach Georg Petzl ist diese Inschrift „nicht allzu lange nach 124 n. Chr.“145 zu datieren. In Zeile 30 dieser Inschrift wird eine als οἵ ποτε Ἰουδαῖοι bezeichnete Gruppe erwähnt, die im Rahmen der Installation dieses zweiten Provinzialkultes der öffentlichen Hand die Summe von μυ(ριάδα) α᾿ gestiftet hat.146 Wie auch immer die Bezeichnung οἵ ποτε Ἰουδαῖοι letzten Endes zu deuten sein mag,147 entscheidend ist, dass sie offensichtlich zeigt, dass die pagane Umwelt die assimilationswilligen Juden trotz aller Integrationsversuche und -bemühungen eben nicht als ihresgleichen angesehen, sondern die Andersartigkeit jener mit Hilfe der – mehr oder weniger – diskriminierenden Bezeichnung οἵ ποτε Ἰουδαῖοι durchgehalten hat.

Daran anschließend formuliert Eleazar – explizit unter Verweis auf die Tradition des religiösen Brauchtums der Juden (θρησκεία Ἰουδαίων; 4Makk 5,29)148 – eine ausführliche und außerordentlich emphatische Bekundung seiner Gesetzestreue bis zum Tode, die, gestärkt durch das Zusammenwirken von Frömmigkeit und Urteilskraft (εὐσέβεια und λογισμός; 4Makk 5,31),149 auch durch die Androhung des Martyiums nicht erschüttert werden könne (4Makk 5,27–38). Dabei hebt jener insbesondere auf das Gesetz als eines der entscheidenden Elemente des religiösen Brauchtums der Juden (θρησκεία Ἰουδαίων) ab, den es kompromisslos weiterzuführen gelte (4Makk 5,29.33). Bemerkenswert ist, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches zwar durchaus eine individualeschatologische Perspektive sein eigen nennt (4Makk 5,37), seinen Protagonisten Eleazar zumindest an dieser Stelle aber nicht eschatologisch argumentieren und die Notwendigkeit der konsequenten Beachtung des Gesetzes mit dem Hinweis auf dessen Funktion als Gerichtskriterium150 begründen lässt,151 ein Sachverhalt, der neben anderem dafür spricht, dass der Verfasser in 4Makk 5,14–38 danach zu streben scheint, diejenigen aus seiner Zuhörerschaft, die um einer weitergehenden Integration in die pagane Mehrheitsgesellschaft willen das Gesetz oder einige seiner Teile zu ignorieren beabsichtigen, mit auf die Gegenwart des Daseins zielenden 145 Inschriften, 191. 146 Text nach Petzl, Inschriften, 192. 147 Vgl. hierzu Petzl, Inschriften, 195, in Aufnahme eines Zitates von Kraabel: „,These three words are often used as an example of the public repudidation of their ancestral religion by some Anatolian Jews. […] This is surely an odd way to record one’s apostasy! These are more likely to be ‚people formerly of Judaea‘, perhaps immigrants from Palestine, now doing their civic duty as residents of Smyrna‘.“ 148 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 138, der in 4Makk 5,29 einen Hinweis auf die „ancestors [des Eleazar und damit natürlich auch der Rezipienten des 4Makk] in regard to the oath they swore at Sinai twice“ erblickt. 149 Mit diesem Hinweis des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches auf ein Zusammenwirken von εὐσέβεια und λογισμός im vorliegenden Zusammenhang wird zugleich die oben vorgelegte Interpretation von 4Makk 5,24.25 bestätigt, der zufolge die Einhaltung der Speisegebote der Tugend der εὐσέβεια zuzurechnen ist; vgl. hierzu oben 61–63. 150 Vgl. hierzu Weber, Gesetz, 224. 151 An dieser Stelle anders, wenn auch nicht überzeugend De Silva, 4Macc, 140: „The consideration of life beyond death runs throughout the book as perhaps the ultimate motivator for virtuous conduct, especially keeping faith with God through Torah observance.“

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Argumenten von der philosophischen Konkurrenzfähigkeit beziehungsweise letzten Endes der philosophischen Überlegenheit der jüdischen Philosophie und der jüdischen Lebensart ( Ἰουδαϊσμός) zu überzeugen. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches – im Grunde in Ergänzung zu dem in 4Makk 5,1–4.5–38 dargestellten Rededuell zwischen Antiochus IV. Epiphanes und Eleazar – in 4Makk 6,12–23 von einem weiteren Versuch, jenen zum Abfall vom Ἰουδαϊσμός zu überreden, berichtet. 4Makk 6,12–15 zufolge versuchen τινες τοῦ βασιλέως, Eleazar dazu zu bewegen, nur so zu tun, als ob er vom Schweinefleisch kosten würde, um sich so zu retten: Du aber, indem du so tust (ὑποκρινόμενος152), du würdest vom Schweinefleisch kosten, rette dich! (τῶν ὑείων ἀπογεύεσθαι σώθητι)“ (4Makk 6,15b). Bei der Formulierung dieser Passage greift der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches auf die Darstellung in 2Makk 6,21 f zurück, allerdings nicht, ohne seine Vorlage erheblich zu bearbeiten, wie folgende Gegenüberstellung zu verdeutlichen vermag: 2Makk 6,21 f

4Makk 6,13–15

(21) οἱ δὲ πρὸς τῷ παρανόμῳ σπλαγχνισμῷ (12) ὅθεν τὰ μὲν ἐλεῶντες τὰ τοῦ γήρως αὐτοῦ τεταγμένοι διὰ τὴν ἐκ τῶν παλαιῶν χρόνων πρὸς (13) τὰ δὲ ἐν συμπαθείᾳ τῆς συνηθείας ὄντες τὰ τὸν ἄνδρα γνῶσιν δὲ ἐν θαυμασμῷ τῆς καρτερίας προσιόντες αὐτῷ τινες τοῦ βασιλέως ἔλεγον ἀπολαβόντες αὐτὸν κατ᾿ ἰδίαν παρεκάλουν ἐνέγκαντα κρέα οἷς καθῆκον αὐτῷ χρᾶσθαι δι᾿ αὐτοῦ παρασκευασθέντα ὑποκριθῆναι δὲ ὡς ἐσθίοντα τὰ ὑπὸ τοῦ βασιλέως προστεταγμένα τῶν ἀπὸ τῆς θυσίας κρεῶν

(14) τί τοῖς κακοῖς τούτοις σεαυτὸν ἀλογίστως ἀπόλλεις Ελεαζαρ (15) ἡμεῖς μέν τοι τῶν ἡψημένων βρωμάτων παραθήσομεν σὺ δὲ ὑποκρινόμενος τῶν ὑείων ἀπογεύεσθαι

(22) ἵνα τοῦτο πράξας ἀπολυθῇ τοῦ θανάτου καὶ διὰ τὴν ἀρχαίαν πρὸς αὐτοὺς φιλίαν τύχῃ φιλανθρωπίας

σώθητι

Der für den vorliegenden Zusammenhang wichtigste Unterschied besteht in der gegenüber 2Makk 6,21 deutlich unklareren Formulierung des Eleazar angeratenen Verhaltens in 4Makk 6,15. Während aus 4Makk 6,15 „nicht klar hervor[geht], was das für Speisen sind und inwiefern durch sie ein Ausweg eröffnet werden soll“,153 ergibt sich aus den Einlassungen in 2Makk 6,21, dass Eleazar selbst „erlaubtes Fleisch zubereiten [soll], so daß er in diesem Punkt [d. h. der Frage, ob das zu verzehrende Fleisch verboten ist oder nicht] ganz sicher sein kann“,154 um „dann beim Essen nur so zu tun, als sei es Opferfleisch“.155 Zu fragen ist, aus welchem Grund der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches hier im Vergleich zu seiner Vorlage so unklar formuliert und durch diese Unklarheit den Aspekt des ὑποκριθῆναι weit deutlicher als in jener 152 Zur Bedeutung des Verbums ὑποκριθῆναι vgl. Klauck, 4Makk, 715: „Erst in der LXX und von da aus im frühchristlichen Schrifttum gewinnt ὑποκρίνομαι, das im profanen Sprachgebrauch die Tätigkeit des Schauspielers bezeichnet, den negativen Sinn ‚heucheln‘.“ 153 Klauck, 4Makk, 715. 154 Ebd. 155 Ebd.

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herausarbeitet? Durchaus denkbar ist, dass auch hier jenseits der Textebene, das heißt jenseits des Konflikts zwischen Antiochus und Eleazar, seine gegenwärtigen Hörer in ihrer Lebenswirklichkeit unmittelbar angesprochen sind; womöglich versuchten integrationswillige Kreise seines Auditoriums, Ἰουδαϊσμός und gesellschaftliche Assimilation dadurch miteinander zu versöhnen oder doch zumindest zu verknüpfen, dass sie im Ernstfall den Genuss von nicht erlaubten Speisen lediglich vortäuschten, um so im Blick auf den νόμος und dessen Bewahrung letztlich als rein gelten zu können. Auch die in 4Makk 6.16–23 vorliegende Antwort des Eleazar auf diesen Überredungsversuch stellt eine Bearbeitung einer Passage aus 2Makk 6 dar, nämlich 2Makk 6,23–28. Auch hier hat der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches seine Vorlage charakteristisch verändert, wie die Gegenüberstellung beider Texte deutlich werden lässt: 2Makk 6,23–28

4Makk 6,16–23

(23) ὁ δὲ λογισμὸν156 ἀστεῖον ἀναλαβὼν καὶ (16) καὶ ὁ Ελεαζαρος ὥσπερ πικρότερον διὰ τῆς ἄξιον τῆς ἡλικίας καὶ τῆς τοῦ γήρως ὑπεροχῆς συμβουλίας αἰκισθεὶς ἀνεβόησεν καὶ τῆς ἐπικτήτου καὶ ἐπιφανοῦς πολιᾶς καὶ τῆς ἐκ παιδὸς καλλίστης ἀναστροφῆς μᾶλλον δὲ τῆς ἁγίας καὶ θεοκτίστου νομοθεσίας ἀκολούθως ἀπεφήνατο ταχέως λέγων (17) μὴ οὕτως κακῶς φρονήσαιμεν οἱ Αβρααμ παῖδες ὥστε μαλακοψυχήσαντας ἀπρεπὲς ἡμῖν δρᾶμα ὑποκρίνασθαι (24) οὐ γὰρ τῆς ἡμετέρας ἡλικίας ἄξιόν ἐστιν ὑποκριθῆναι ἵνα πολλοὶ τῶν νέων ὑπολαβόντες Ελεαζαρον τὸν ἐνενηκονταετῆ μεταβεβηκέναι εἰς ἀλλοφυλισμὸν (25) καὶ αὐτοὶ διὰ τὴν ἐμὴν ὑπόκρισιν καὶ διὰ τὸ μικρὸν καὶ ἀκαριαῖον ζῆν πλανηθῶσιν δι᾿ ἐμέ καὶ μύσος καὶ κηλῖδα τοῦ γήρως κατακτήσωμαι

(18) καὶ γὰρ ἀλόγιστον εἰ πρὸς ἀλήθειαν ζήσαντες τὸν μέχρι γήρως βίον καὶ τὴν ἐπ᾿ αὐτῷ δόξαν νομίμως φυλάσσοντες νῦν μεταβαλοίμεθα

(26) εἰ γὰρ καὶ ἐπὶ τοῦ παρόντος ἐξελοῦμαι τὴν ἐξ ἀνθρώπων τιμωρίαν ἀλλὰ τὰς τοῦ παντοκράτορος χεῖρας οὔτε ζῶν οὔτε ἀποθανὼν ἐκφεύξομαι (27) διόπερ ἀνδρείως μὲν νῦν διαλλάξας τὸν (19) καὶ αὐτοὶ μὲν ἡμεῖς γενοίμεθα τοῖς νέοις βίον τοῦ μὲν γήρως ἄξιος φανήσομαι (28) τοῖς ἀσεβείας τύπος ἵνα παράδειγμα γενώμεθα τῆς δὲ νέοις ὑπόδειγμα γενναῖον καταλελοιπὼς εἰς μιαροφαγίας τὸ προθύμως καὶ γενναίως ὑπὲρ τῶν σεμνῶν καὶ ἁγίων νόμων ἀπευθανατίζειν τοσαῦτα δὲ εἰπὼν ἐπὶ τὸ τύμπανον εὐθέως ἦλθεν

156 Zwar begegnet hier in 2Makk 6,23 der für das Vierte Makkabäerbuch insgesamt außerordentlich wichtige Terminus λογισμός (vgl. hierzu oben 42 f; bzw. auch Klauck, 4Makk, 715), allerdings doch semantisch deutlich anders gefüllt.

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Thomas Witulski (20) αἰσχρὸν δὲ εἰ ἐπιβιώσομεν ὀλίγον χρόνον καὶ τοῦτον καταγελώμενοι πρὸς ἁπάντων ἐπὶ δειλίᾳ (21) καὶ ὑπὸ μὲν τοῦ τυράννου καταφρονηθῶμεν ὡς ἄνανδροι τὸν δὲ θεῖον ἡμῶν νόμον μέχρι θανάτου μὴ προασπίσαιμεν (22) πρὸς ταῦτα ὑμεῖς μέν ὦ Αβρααμ παῖδες εὐγενῶς ὑπὲρ τῆς εὐσεβείας τελευτᾶτε (23) οἱ δὲ τοῦ τυράννου δορυφόροι τί μέλλετε

Jenseits der grundsätzlichen Verweigerung des Eleazar, auf diesen Überredungsversuch einzugehen, lassen sich folgende grundsätzliche inhaltliche Gemeinsamkeiten ausmachen: (a) Beide Autoren verweisen auf die Tatsache, dass Eleazar seinen Gehorsam gegenüber dem νόμος bis ins hohe Alter bewahrt habe, ein Sachverhalt, der eine Abkehr von dieser Lebensweise für eine nur noch kurze Zeit als nicht angemessen erscheinen lasse (2Makk 6,24 f.27; 4Makk 6,18.20). (b) Beide Texte bieten den Hinweis auf die Vorbildfunktion des Eleazar, die es ihm verbietet, auf dieses unlautere Angebot einzugehen (2Makk 6,24 f.27 f; 4Makk 6,19). Diesen Gemeinsamkeiten stehen folgende Unterschiede entgegen: (a) Während der Gedanke der Abkehr vom Ἰουδαϊσμός in Eleazars hohem Alter in 2Makk 6,24 als οὐ τῆς ἡμετέρας ἡλικίας ἄξιόν charakterisiert wird, vermag der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches jenen als ἀλόγιστον zu beschreiben (4Makk 6,18),157 hier den Terminus ἀλογίστως aus 4Makk 6,14 aufnehmend.158 (b) Der in 2Makk 6,26 explizierte Gedanke einer Bestrafung durch Gott fehlt in 4Makk 6,17–23, ein Sachverhalt, der der oben bereits beobachteten nicht-eschatologischen Argumentation des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches159 zumindest an dieser Stelle zu entsprechen scheint. (c) Der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches lässt Eleazar, anders als derjenige des Zweiten Makkabäerbuches, durchgängig in der ersten Person Plural reden. Diese Beobachtung kann in gleicher Weise wie auch der Umstand, dass Eleazar, anders als in 2Makk 6,23–28, in 4Makk 6,22 die Umstehenden unmittelbar anspricht, insbesondere aufgrund der Darstellung von 4Makk 5,1–4 nicht oder zumindest nicht vollständig damit erklärt werden, „daß im Vierten Makkabäerbuch die sieben Brüder das Verhalten und Reden des Eleazar miterleben“.160 Nach 4Makk 5,1 nämlich befindet sich Antiochus mit seinen Beratern an einem τόπος ὑψηλός und befiehlt seiner Leibwache, jeden einzelnen Hebräer zu ihm zu bringen: παρεκέλευεν τοῖς δορυφόροις ἕνα ἕκαστον Εβραῖον ἐπισπᾶσθαι (4Makk 5,2), Ausführungen, die eher indizieren, dass alles im Folgenden sich Ereignende vor einem von der all-

157 Anders hier De Silva, 4Macc, 145, der diese Differenz einebnet, wenn er formuliert: „The argument is essentially the same as found in 2 Macc 6:23–25,27–28.“ 158 Vgl. hierzu De Silva, 4Macc, 145: „Eleazar will tell his former companions what is truly irrational […], and it is not suffering the torments under these conditions.“ 159 Vgl. hierzu oben 67 f. 160 Klauck, 4Makk, 716. Klauck verweist zwar mit Recht auf 4Makk 16,15; hier erfährt der Leser, explizit und zudem recht spät allerdings nur, dass die Mutter und die sieben Brüder mit ansahen, wie Eleazar gefoltert wurde: καὶ γὰρ ὅτε συνελήμφθης, μετὰ τῶν παίδων εἱστήκεις τὸν Ελεαζαρον ὁρῶσα βασανιζόμενον, ohne dass deutlich würde, dass sie auch das von ihm Gesagte mitbekommen hätten.

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gemeinen Öffentlichkeit eher abgeschirmten König stattfindet. Damit aber wird die Annahme nicht unwahrscheinlich, dass der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches mit der Verwendung sowohl der ersten Person Plural als auch der direkten Anrede – zumindest auch – sein gegenwärtiges Auditorium erreichen möchte,161 ein Gedanke, der den etwa von André DupontSommer erwogenen Bezug der Wendung τόπος ὑψηλός auf Antiochia,162 sofern es sich bei Antiochia beziehungsweise der Region um Antiochia herum denn um den Abfassungsort des Vierten Makkabäerbuches handelte,163 untermauern würde.

III. Ergebnis Wird das Rededuell 4Makk 5,1–4.5–38 jenseits seiner quasi-historischen Verankerung als aktueller Diskussionsbeitrag des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches gelesen, so lässt sich hinter ihm eine innerjüdische, auch in der Zuhörerschaft des Verfassers des Vierten Makkabäerbuches Platz greifende Diskussion um die Vernünftigkeit des jüdischen Gesetzes oder zumindest einzelner seiner Bestimmungen und um eine sich daraus ergebende Möglichkeit der Nichtbeachtung der als widervernünftig erkannten Elemente in der Praxis des alltäglichen Lebensvollzugs ausmachen. Dem hält der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches entgegen: (a) Die jüdische Philosophie (φιλοσοφία) zeichnet sich insgesamt durch ein hohes Maß an Verständigkeit (εὐλογιστία) aus. (b) Die – von jederman, auch von paganer Seite, anerkannte und als erstrebenswert angesehene – Tugend der Frömmigkeit (εὐσέβεια) erfordert und gebietet die Beachtung der in ihrem Charakter als göttlich (θεῖος) erkannten und geglaubten Bestimmungen des Gesetzes. (c) Die Speisevorschriften des Gesetzes (νόμος), hier konkret Gegenstand der Diskussion, entsprechen in ihrer Gesamtheit, vermittelt über die OikeiosisLehre, durchaus der menschlichen Natur (φύσις ἀνθρώπινα); sie haben somit also nicht nur als nicht unangemessen beziehungsweise als nicht unvernünftig, sondern im Gegenteil als dezidiert angemessen und philosophisch legitimiert zu gelten. (d) Von Seiten der Juden unternommene Versuche, sich unter Aufgabe der eigenen religiösen 161 Vgl. hierzu Kraus Reggiani, 4 Maccabei, 94: „Il luogo del giudizio dovette essere presumibilmente Gerusalemme, ma intendono fosse Antiochia, capitale della Siria, gli studiosi che suppongono essere stata questa la città in cui fu pronunciato il discorso.“ 162 Vgl. hierzu Dupont-Sommer, 4Makk, 105: „Où a lieu cette scène? Il n’est pas dit ni dans II Mac. ni dans IV Mac, que ce soit à Jérusalem; la présence du roi suggère que c’est plutôt ailleurs qu’à Jérusalem, et probablement à Antioche, capitale du royaume.“ Anders hier Klauck, 4Makk, 708: „Wo das war, wird nicht ausdrücklich gesagt. Da kein Ortswechsel angezeigt ist, muß man aufgrund von 4,22 f an Jerusalem denken, was von 18,5 her […] nur bekräftigt werden kann.“ Auch De Silva, 4Macc, 125, verweist auf das augenscheinliche Desinteresse des Autors des Vierten Makkabäerbuches an einer genauen Lokalisierung der Szene: „Similarly the question as to the site of the inquisitions, whether at Jerusalem or Antioch, is also of little interest to him“; auch dieses Desinteresse weist aber die Richtung der oben ausgeführten Argumentation: Der Verfasser des Vierten Makkabäerbuches kann auf eine genaue Lokalisierung verzichten, weil er eigentlich seine aktuelle Zuhörerschaft ansprechen will. 163 Vgl. hierzu oben 42 mit Anm. 1.

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Thomas Witulski

Identität weitgehend in die pagane Gesellschaft zu integrieren, werden von jener nicht unbedingt und nicht immer positiv und anerkennend gouttiert. (e) Die Beachtung des religiösen Brauchtums der Juden (θρησκεία Ἰουδαίων) ist fest in der jüdischen Tradition verankert. Das alles indiziert: Weder das Gesetz (νόμος) noch die jüdische Lebensart (Ἰουδαϊσμός) insgesamt bieten unter Hinweis auf ihre mangelnde Verständigkeit (εὐλογιστία) beziehungsweise ihre mangelnde Entsprechung zur Natur (φύσις) Spielraum zu ihrer Relativierung; vielmehr sind beide aufgrund ihrer göttlichen Qualität sowohl als auch ihrer im konkreten Fall erwiesenen Naturgemäßheit im alltäglichen Dasein vollständig und bis in die einzelnen Bestimmungen hinein konsequent einund durchzuhalten, zumal das der jüdischen Tradition entgegenstehende Unterfangen, Gesetz und jüdische Lebensart (Ἰουδαϊσμός) abzulegen, keinesfalls mit Notwendigkeit die erwartete gesellschaftliche Anerkennung von nichtjüdischer Seite mit sich bringt.

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Integration und Separation im Vierten Makkabäerbuch

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Jesusgemeinden und Täufergruppen zwischen Abgrenzung und Wertschätzung – eine Skizze Manuel Vogel

Wenn gilt, dass beim Geld die Freundschaft aufhört, dann gilt dies bei der Religion allemal, denn Fragen der Religion berühren letzte Wahrheiten, die, bei aller Freundschaft, nicht verhandelbar sind. Nun kommen letzte Wahrheiten immer als Menschenwort oder im Menschenwort auf uns, sind als Äußerungen von Menschen kontingent, fehlbar und dem Streit der Meinungen preisgegeben. Dreht sich der Meinungsstreit um Dinge der Religion, wird er schnell unversöhnlich, steht Wahrheitsanspruch gegen Wahrheitsanspruch. Das frühe Christentum und zumal das Neue Testament ist voll von solchem Meinungsstreit. Allen voran gibt Paulus das anschaulichste Beispiel, dass die Wahrheit des Evangeliums von Anfang an umkämpft ist und verteidigt werden muss. Gegen eine torakonforme Variante des Christusglaubens für Nichtjuden, für die sich besonders die paulinischen Gemeinden in Galatien empfänglich zeigten, ist der Apostel mit sattsam bekannter Entschlossenheit eingeschritten, bis hin zur hypothetischen Verfluchung eines Engels in Gal 1,8. Auch gegen seine Kontrahenten in Korinth ist Paulus in aller Schärfe vorgegangen. Im Zweiten Korintherbrief stellt er seine Gemeinde mit schwerem theologischen Geschütz unmissverständlich vor die Wahl zwischen ihm und seinen Konkurrenten, an deren Adresse in 2Kor 11,15 das harte Wort von den Satansdienern gerichtet ist1. Der Vorwurf der Teufelskindschaft an die in Joh 8,44 Angeredeten fällt noch drastischer aus, richtet er sich doch im Kontext der Stelle an die in 8,30 genannten „Juden, die zum Glauben an ihn [d.i. Jesus] gekommen waren“2. Zu diesem Wort des irdischen Jesus kommt das des erhöhten Christus in Apk 2,9 und 3,9 gegen die „Synagoge des Satans“ und ihre Mitglieder, „die sagen, sie seien Juden und sind es doch nicht“. Aber auch dort, wo nicht zur ultima ratio der Dämonisierung gegriffen wird, ist das neutestamentliche Schrifttum reich an religiöser Polemik. Bisweilen sind 1 2

Vgl. dazu Vogel, Polemik. Es sind nach Joh 8,37 zugleich diejenigen, die Jesus töten wollen. Schlüssig erklärt diesen Sachverhalt m.E. Theobald, Johannes, 597: „Die ungeheure Polemik, die in dieser literarischen Fiktion steckt, wird nur für den durchsichtig, der sieht, dass der Evangelist zeitgenössische Anhänger des Messias Jesus im Visier hat, die nach wie vor in Israel beheimatet sein wollen, und das heißt aus seiner Sicht: in einer Religionsgemeinschaft, die dem eigenen Kreis wegen seiner Christologie das Trauma des Ausschlusses beigebracht hat. ‚Die Juden‘ haben den Tod Jesu betrieben, dann haben sie die johanneischen Christen verfolgt und ‚exkommuniziert‘ – und immer noch gibt es MessiasGläubige, die sich mit dieser Synagoge gemein machen! So könnte der Evangelist gedacht haben, was erklären würde, warum er ‚die glaubenden Juden‘ und ‚die ihm nach dem Leben trachtenden Juden‘ in 8,31–59 in einen Topf wirft.“

Jesusgemeinden und Täufergruppen zwischen Abgrenzung und Wertschätzung

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sogar beide Positionen im Neuen Testament greifbar, etwa im Falle der präsentischen Eschatologie des Kolosserbriefes, die im Zweiten Timotheusbrief bekämpft wird. Gilt nach Kol 2,12, dass die Christen mit Christus bereits „auferstanden sind durch den Glauben“, polemisiert 2Tim 1,18 gegen die, „die von der Wahrheit abgeirrt sind und sagen, die Auferstehung sei schon geschehen, und bringen einige vom Glauben ab“. Als letztes neutestamentliches Beispiel aus dem vielfältigen polemischen Inventar des frühen Christentums sei auf die Pharisäerschelte des Matthäusevangeliums verwiesen. Stellt man die Weisung Mt 23,3 in Rechnung – „Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen es zwar, tun es aber nicht“ – entsteht der Eindruck, dass zwischen der bekämpften pharisäischen Position und der des matthäischen Jesus kein großer materialer Unterschied besteht. Dies verweist auf das Phänomen intergruppaler Polemik einander nahe stehender Gruppen3. Gerade dort, wo Gruppen ein hohes Maß an Gemeinsamkeit aufweisen, steigt der auf die beteiligten Gruppen einwirkende Distinktionsdruck und in Folge dessen nimmt das intergruppale Konfliktpotential zu. In einem modernen Kontext wurden die bei der Entstehung von Gruppenkonflikten wirksamen Mechanismen in der von Henri Tajfel und John C. Turner entwickelten Theorie der sozialen Identität analysiert und beschrieben4. Nach Tajfel und Turner bedarf es für die Entstehung von Gruppenkonflikten weder einer Konkurrenz um begrenzte Ressourcen, noch anderweitiger Interessengegensätze. Vielmehr steuert bereits die Gruppenzugehörigkeit als solche die soziale Selbst- und Fremdwahrnehmung in einer Weise, die Unterschiede innerhalb der eigenen Gruppe ausblendet und intergruppale Differenzen betont, und zwar auch und gerade dort, wo sie marginal ausfallen. Die Anregung, die social-identity-Theorie von Tajfel und Turner auf das antike Judentum und das frühe Christentum anzuwenden, geht auf den finnischen Neutestamentler Raimo Hakola zurück5. Der Zugewinn dieser Perspektive besteht in der geschärften Wahrnehmung antiker religiöser Gruppenbildungsprozesse als Phänomene sozialpsychologischer Strukturen jenseits der emischen Beschreibungsebene expliziter sachlicher (einschließlich religiöser) Differenzen. Zwar scheint die Übertragung der in den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts in Kleingruppen-Experimenten gewonnenen Ergebnisse auf die antiken Verhältnisse nicht ohne weiteres statthaft. Ist jedoch die dualisierende Eigendynamik dieser Gruppenprozesse zutreffend beobachtet, legt sich die Anwendung auf antike mediterrane Gesellschaften, in denen Konstruktionen von Identität und Alterität noch viel stärker als in der Moderne der Figur des kontrastierenden Vergleichs gehorchten, geradezu von selbst nahe. Religiöse Polemik in neutestamentlichen Texten erscheint dann als zu erwartender Normalfall der gruppenförmigen Ausdifferenzierung der Jesusbewegung, wobei eine Referenz

3 4 5

Für die im Matthäusevangelium greifbare Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Pharisäismus vgl. Zangenberg, Conflict; Hakola, Social Identity. Tajfel/Turner, Integrative Theory; Tajfel, Human Groups; Mummendey, Verhalten. Hakola, Social Identities.

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dieser Polemik auf reale Konfliktlagen nicht pauschal vorausgesetzt werden kann6. Vor allem aber verdienen aus der Perspektive der social-identity-Theorie diejenigen Gruppenkonstellationen besondere Aufmerksamkeit, die weitgehend oder gänzlich unpolemisch ausfallen. Die übergeordnete Fragestellung lautet dann, welche Faktoren religiöse Polemik fördern und welche sie reduzieren. Hier scheint es mir kaum ein dankbareres Forschungsfeld zu geben als die frühe Jesusbewegung in ihren Beziehungen zur Bewegung Johannes des Täufers7. Die neutestamentlichen Texte dokumentieren eine durchgängige Nähe und Verwandtschaft beider Gruppen – den Begriff der „Gruppe“ für die Täuferbewegung als angemessen vorausgesetzt –, die sich chronologisch vom Wirken des irdischen Jesus bis in die Zeit der Abfassung des Johannesevangeliums verfolgen lässt. Soziologisch sind diese Täufergruppen allerdings schwer fassbar. Dass die neutestamentlichen Schriften überhaupt den Kontakt früher christlicher Gemeinden mit solchen Gruppen erkennen lassen, hat Knut Backhaus in seiner Dissertation von 1991 für die Mehrzahl der von der Forschung als Belege beanspruchten Texte mit Nachdruck bestritten8. Für Backhaus ist der Schluss von Täuferjüngern oder gar dem Täufer selbst als Erzählfiguren auf eine aktuelle Konkurrenz zwischen den Trägerkreisen der jeweiligen Evangelienschrift einerseits und Täufergemeinden andererseits in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unbegründet und unstatthaft. Zwar geht auch Backhaus von „einer breiten und fortgesetzten starken Täuferverehrung im Judentum“ sowie einer „weitgehenden Ursprungsidentität von Täuferbewegung und frühestem Christentum“ aus, hält aber den Rekurs der Evangelien samt der Apostelgeschichte auf Täufer und Täuferjünger für ein Phänomen, das suffizient auf der Ebene theologischer, namentlich christologischer Selbstverständigung der christlichen Gemeinden erklärt werden kann. Nach Backhaus lässt sich dieses „Bedürfnis nach christologischen Absicherungen [...] plausibel ohne Rekurs auf eine hypothetische Täufersekte“ und auch ohne „eine besondere, von den Synoptikern bekämpfte Verehrung des Johannes in jüdischen Volksschichten“9 erklären. Die Verwurzelung Jesu, seines Anhangs und des frühen Christentums in der Täuferbewegung, die Kirche als Folge und Wirkung der Initiative des Johannes stellen das eigentliche Problem der neutestamentlichen und insbesondere der synoptischen Täuferinterpretation dar, nicht aber die Befehdung einer hypothetischen Täufersekte mit hypothetischen Geltungsansprüchen. Die neutestamentlichen Theologen setzen sich nicht primär apologetisch-polemisch mit

6 7

8 9

Für die antipharisäische Polemik des Matthäusevangeliums wird diese Referenz von Hakola, Social Identity, bestritten. Wichtige monographische Arbeiten sind in chronologischer Reihenfolge Dibelius, Urchristliche Überlieferung (1932); Kraeling, John the Baptist (1951); Schlatter, Johannes der Täufer (1956); Scobie, John the Baptist (1964); Wink, John the Baptist (1968); von Dobbeler, Gericht (1988); Ernst, Johannes der Täufer (1989); Backhaus, Jüngerkreise (1991); Webb, John the Baptizer (1991); Stowasser, Johannes der Täufer (1992); Ch. G. Müller, Mehr (2001); U. B. Müller, Johannes der Täufer (2002); Rothschild, Baptist Traditions (2005). Backhaus, Jüngerkreise. Ebd., 112.

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einer konkurrierenden Gemeinschaft auseinander, sondern ‚protologisch‘ mit der Ursprungsgeschichte der eigenen Gemeinschaft10.

Schon für die Q-Gemeinde geht Backhaus nicht von einer frühen palästinischen Mission unter Johannes-Sympathisanten aus, sondern von der Reflexion einer TäuferVerehrung in den eigenen Reihen, die sich dem Umstand verdankte, dass sich die frühen Jesus-Gemeinden in nicht geringer Zahl aus Anhängern des Täufers rekrutierten11. Erst recht auf der Ebene der Evangelienredaktion sei eine Auseinandersetzung mit kontemporären Täufergruppen aus den Texten nicht zu erheben. So gilt etwa für die Fastenperikope Mk 2,18–22, dass „[b]ereits das vormarkinisch-markinische Traditionsstadium“ keine Auseinandersetzung mit Täuferjüngergruppen erkennen lasse. „[D]ie Jünger des Johannes gehören einer heilsgeschichtlich überwundenen und historisch irrelevanten, fast vergessenen Epoche an“12. Auch in Apg 19,1–7 gehe es auf der Ebene der lukanischen Darstellungsabsicht „um den Gedanken der heilsgeschichtlichen Kontinuität, nicht um den einer aktuellen Konkurrenz“13. Backhaus lastet einem Großteil der Forschung den Irrtum an, „,intrareligiöse‘ Probleme der Auseinandersetzung des Christentums mit seinen eigenen Ursprüngen als ‚interreligiöse‘ Probleme der Auseinandersetzung des Christentums mit einer konkurrierenden Sekte“ zu missdeuten14. Nun scheint mir allerdings Backhaus’ Annahme der religionsgeschichtlichen Ursprungsidentität von Jesusgemeinden und Täuferbewegung sowie der Fortdauer der Täuferverehrung im Judentum bei gleichzeitiger weitestgehender Binnenfokussierung des frühchristlichen Täuferdiskurses unabhängig von sozialen Berührungen mit Täuferkreisen historisch in höchstem Maße unwahrscheinlich zu sein. Für theologisch nicht unbedenklich halte ich außerdem die Konstruktion eines Christentums, das schon im ersten Jahrhundert in sozialer und historischer Verhältnislosigkeit zum Judentum lebte und an seiner jüdischen Herkunft in heilsgeschichtlicher Rückschau nur noch ein antiquarisches Interesse hegte. Beachtung verdient aber Backhaus’ Zurückhaltung gegenüber der gängigen Klassifizierung der Quellen als gegen Täufergruppen gerichtete Polemik. Liest man die einschlägigen Texte als christologische Selbstverständigung der frühen Christen, erweist sich das polemische beziehungsweise apologetische Paradigma auf weite Strecken als entbehrlich und nicht selten als reichlich bemüht. In der Tat erzeugen die Texte insgesamt nicht den Eindruck, dass eine intergruppale Konkurrenz polemisch ausgetragen wird. Allerdings ist zwischen polemischer Gruppenkonkurrenz und unpolemischer Binnenverständigung ein Drittes in Betracht zu ziehen, dass nämlich die neutestamentlichen Texte sehr wohl gegenseitige Wahrnehmungen von Jesusgemeinden und Täufergruppen reflektieren, dass

10 11 12 13 14

Ebd., 112. Ebd., 135. Ebd., 161. Ebd., 213. Ebd., 331.

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diese aber weitestgehend unpolemisch vonstattengegangen sind. Mit Johannes Tromp wäre dann von einer „friendly competition“ zu sprechen15. Eine notwendige diachrone Differenzierung dieses Eindrucks fällt mit der Mehrheit der Forschung16 so aus, dass am Anfang die Hochschätzung des Täufers durch Jesus bei teilweise fließenden Zugehörigkeiten zum Gefolge Jesu und des Täufers stand. Nach dem Tode beider verfestigten sich die Gruppenstrukturen in dem Maße, wie beide Lager ihre Gründerfigur in einer besonderen eschatologischen Würdestellung sahen. Üblicherweise gilt die Ausbildung der frühen Christologie als Schrittmacher, der bei den Täuferkreisen zu einer analogen messianischen Verehrung des Johannes führte17. Auch hier ist zu differenzieren, denn dass die Täuferkreise einfach frühe Christologie kopiert haben sollten, ist nicht ohne weitere Begründung einsichtig. Außerdem ist zu fragen, ob eine parallele Christologisierung Jesu und Messianisierung des Täufers so weitgehend unpolemisch vonstattengehen konnte, wie die Texte dies erkennen lassen. Risto Uro fragt mit Recht: „Would one not expect to recognize much stronger hostility in the traditions about John than there now exists?“18. Diese Überlegung hat insofern Anhalt an den Texten, als von einer expliziten Feindseligkeit zwischen christlichen Gemeinden und Täuferkreisen im Neuen Testament nicht die Rede sein kann. Zwar lassen die Texte keinen Zweifel daran, dass der Täufer als Vorläufer Jesu hinter Jesus zurücksteht, doch geht diese Platzanweisung stets mit deutlichen Gesten der Wertschätzung einher, oder aber die Verhältnisbestimmung von Jesus und dem Täufer bleibt auffällig unterbestimmt. Beides erstaunt, wenn die ersten drei Generationen der Jesusbewegung tatsächlich von einer sich verschärfenden Konkurrenz zweier Gruppen um die messianische Würde ihrer Gründerfiguren bestimmt gewesen sein sollte. War also Tromps „friendly competition“ am Ende nichts derartiges, zwar „friendly“, aber eben keine „competition“? Hat schließlich doch Backhaus darin recht, dass der neutestamentliche Täuferdiskurs (wie er in anderem Zusammenhang sagt19) „friedlich“ sein konnte, weil er schon längst „schiedlich“ war? Doch scheint mir dieser Weg, wie gesagt, nicht gangbar, weil er einen christlichen Binnendiskurs voraussetzt, der in heilsgeschichtlicher Abgeklärtheit jeder vitalen Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Juden längst enthoben ist. Dass dieses Gespräch auf den gewundenen Pfaden der Täufertradition der Evangelien und der Apostelgeschichte durchaus geführt wurde, hat zuletzt Vadim Wittkowski am Beispiel der lukanischen Chronologie vorgeführt20. Wittkowski geht es nicht primär um die historische Rekonstruktion biographischer Daten Jesu und des Täufers aus den notorisch spannungsreichen Angaben des lukanischen Doppelwerkes, sondern um die Frage, was Zeitgenossen des Lukas aus täuferischer beziehungsweise christlicher Perspektive über die Chronologie von Geburt, Leben, Wirken und Sterben 15 16 17 18 19 20

Tromp, John the Baptist, 148 mit Anm. 38. So etwa Lichtenberger, Täufergemeinden. Ebd., 51 Uro, John the Baptist, 254. Backhaus, Hebräerbrief, 16. Wittkowski, Heiden.

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beider Gestalten noch wissen konnten oder zu wissen meinten. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Angaben des Josephus zu dem von, wie Josephus sagt, „einigen Juden“ angenommenen durch göttliches Strafhandeln verfügten Kausalzusammenhang zwischen der Hinrichtung des Täufers durch Herodes Antipas und Antipas’ Niederlage gegen die Nabatäer im Jahre 36 n.Chr. Setzt man voraus, dass der angenommene Folgezusammenhang die zeitliche Nähe beider Ereignisse impliziert, muss es, Josephus folgend, gegen Ende des ersten Jahrhunderts Kreise gegeben haben, die den Tod des Täufers auf Mitte der dreißiger Jahre datierten, also deutlich nach dem Tod Jesu entsprechend der Chronologie der synoptischen Tradition 27 oder 30 n.Chr. Und diese Leute müssen, da Gott seinen Tod nicht ungesühnt ließ, vom Täufer eine hohe Meinung gehabt haben. Nach Wittkowski hat Lukas nun in seine chronologischen Angaben gezielt Unschärfen eingebaut, die es den bei Josephus erwähnten Kreisen erlaubten, die lukanische Synchronisation der Viten Jesu und Johannes’ mitzuvollziehen, ohne ihre eigene Sicht, der Täufer sei erst kurz vor 36 n.Chr. gestorben, aufgeben zu müssen. Von hier aus ist auch, so Wittkowski weiter, die lukanische Besonderheit zu erklären, dass Antipas in der Passion Jesu eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Nur bei Lukas wird Jesus von den Pharisäern die Kunde überbracht, Antipas wolle ihn töten, und nur bei Lukas kommt es zu einer Jerusalemer Begegnung zwischen Antipas und Jesus, einschließlich der Verhöhnung Jesu durch Antipas „und seine Truppen“, σὺν τοῖς στρατεύμασιν αὐτοῦ (Lk 23,11), eine Formulierung, die insofern auffällig ist, als Josephus in ant. XVIII 119 notiert, dass die Strafe Gottes über Antipas’ „Truppen“ (ἐπὶ τῷ στρατεύματι) hereingebrochen sei. Liest man Josephus und Lukas parallel, ist die Botschaft des Lukas: Antipas wurde nicht nur wegen der Ermordung des Täufers von Gott bestraft, sondern auch, ja vor allem wegen der Hinrichtung Jesu. Das kann man schwerlich unter „antitäuferischer Polemik“ verbuchen, denn es ist kaum zu übersehen, dass Lukas in erster Linie mit historischen Mitteln eine sehr sorgfältige und aufwändige Überzeugungsarbeit leistet, die die Sympathien von der Person des Täufers mit sanfter Gewalt auf die Person Jesu umlenkt, und zwar in einem geschickten „sowohl, als auch“: Die josephische Variante, dass die nabatäische Niederlage des Antipas eine Strafe Gottes für die Ermordung des Täufers war, wird nicht bestritten, sondern Antipas’ Schuld am Tod Jesu kommt im lukanischen Passionsbericht als weiterer Tatbestand hinzu. Für den lukanischen Rezeptionskontext ist mithin folgendes Szenario denkbar: Christusgläubige und Täufersympathisanten verhandeln auf der Grundlage des lukanischen Werkes und des josephischen Berichts beziehungsweise der Quelle dieses Berichts, warum Antipas von Gott bestraft wurde: des Täufers wegen, Jesu wegen oder beider wegen? Gewiss hat die lukanische Version eine klare christliche Tendenz. Diese wird jedoch nicht gegen die täuferische scharf profiliert, sondern in einer Art Überblendtechnik in diese eingezeichnet. Im Blick auf die christliche Verarbeitung täuferischer Traditionen spricht Clare Rothschild in einer zumal für Lukas treffenden Formulierung von „a spirit of conversation and compromise“21. 21 Rothschild, Baptist Traditions, 235, hier mit dem Fokus auf die Positionierung der Logienquelle gegenüber dem Täufer. Vgl. hierzu auch Uro, John the Baptist, und Arnal, Redactional Fabrication.

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Dass Lukas jedenfalls nicht daran interessiert ist, mit Täufersympathisanten auf Konfrontationskurs zu gehen22, zeigt meines Erachtens die konsequente Weichzeichnung der Unterschiede zwischen Täuferbewegung und Jesusglauben in Apg 18,24– 19,723. Schon das Portrait des Apollos in 18,24–28 ist ein Verwirrspiel sondergleichen. Wie kann es sein, dass jemand schriftkundig ist und „unterrichtet im Weg des Herrn“, dazu „brennend im Geist“, dass er obendrein „genau über Jesus redet und lehrt“ und dennoch nur die Johannestaufe kennt, das heißt nicht die Taufe auf den Namen Jesu und auch nicht Taufe als Medium des Geistempfangs? Und geht es mit rechten Dingen zu, wenn dieser Mann von Priscilla und Aquila nur eine kurze Nachschulung erhält, über deren Inhalt überdies nichts verlautet, und gleich darauf segensreich unter den Christen in Achaja wirkt? Und was ist mit jenen zwölf Männern in Apg 19,1–7, die Lukas als μαθηταί bezeichnet, die bereits „zum Glauben gekommen“ sind (πιστεύσαντες), die aber gleichwohl der Taufe auf den Namen Jesu samt Geistempfang noch bedürfen. Welcher Art war die πίστις dieser μαθηταί vor diesem Ereignis, und vor allem: Warum wählt Lukas diese Formulierungen? Wer sollte das lesen und sich etwas dabei denken? Die historische Analyse dieser Texte ist so unwiderstehlich wie theologiegeschichtlich unverzichtbar24. Nicht minder interessant ist aber ihre Pragmatik. Für die Profilierung christlicher Gruppenidentität sind sie nicht nur untauglich, sie scheinen geradezu das Gegenteil zu bezwecken25. Apollos und den zwölf μαθηταί wird eine relative Geltung ihrer Glaubensweise zuerkannt, die angetan ist, einem möglichen Streit um die christliche Wahrheit von vornherein jede Schärfe zu nehmen. Will man nicht annehmen, dass dieser Streit zur Zeit der Abfassung der Apostelgeschichte längst ausgetragen und zugunsten der Kirche entschieden ist und deshalb aus der Gewinnerperspektive in ein mildes Licht getaucht werden kann, muss es andere Gründe für diese Irenik geben, die auch noch an anderen Stellen im lukanischen Doppelwerk und ebenso in den anderen Evangelien26 spürbar ist. In den lukanischen Kindheitskapiteln steht Johannes – möglicherweise in Aufnahme genuiner Täufertradition in Form einer Geburtslegende27 – nahezu eben22 Aus missionstheologischer Perspektive wurde dies gesehen und thematisiert von King, De Baptista. 23 Fragen der Abgrenzung von Tradition und Redaktion behandelt ausführlich Wolter, Apollos. 24 Noch immer lesenswert ist Käsemann, Johannesjünger. Nach Käsemanns Einschätzung kann Apg 19,1–17 „nur für sich selbst betrachtet, den Exegeten verzweifeln lassen, weil fast jeder Satz vor Schwierigkeiten stellt und das Ganze widerspruchsvoll und unglaubwürdig wirkt“ (ebd., 144). 25 Nach Hedlun, Acts 18,24–19,7, geht es dagegen um einen Konflikt zwischen Anhängern eines an Reinheit und Beschneidung orientierten Jesusglaubens und nichtjüdischen Jesusgläubigen, deren religiös voll gültiger Status durch das Phänomen der Glossolalie als eines neuen identity markers erwiesen werden soll. Die unpolemische Darstellung dieses „Konflikts“ wäre in dem Maße erstaunlich, wie Hedluns These zutrifft. 26 Eigens zu würdigen ist auch der Umstand, dass der Johannestaufe in Mk 1,4; Lk 3,3 sündenvergebende Wirkung zuerkannt wird; vgl. dazu ausführlich von Dobbeler, Gericht, 153–200. 27 So die Auffassung von Dibelius, Formgeschichte, 121, zu Lk 1,5–25.57–66: „Diese Johannes-Legende ist einheitlich und ihrer Art nach jüdisch, nicht christlich. Denn was die Christen von dem Täufer zu sagen wissen, wird hier überhaupt nicht erwähnt, seine Stellung als Vorläufer, seine Unterordnung unter Jesus spielen keine Rolle; im Gegenteil, Johannes wird 1,15 genau so uneingeschränkt ein ‚Großer‘ genannt wie später 1,32 Jesus selbst. Die Legende stammt also von jüdischen Verehrern

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bürtig neben Jesus. Zwar streicht Lukas die Subordination des Johannes unter Jesus im Evangelium wie in der Apostelgeschichte auf Schritt und Tritt in aller Deutlichkeit heraus28, doch stellt die unter den Bedingungen seiner Vorläuferrolle größtmögliche Hochschätzung des Johannes einen Kontrapunkt dar, der sich von den ältesten Schichten der neutestamentlichen Täuferüberlieferung bis zum Johannesevangelium als ihrem mutmaßlich spätesten Stadium durchhält. Bereits im Jesus-Logion Q 7,28 steht beides hart neben einander: Die unvergleichliche Stellung des Johannes unter den Menschen, die im redaktionellen Kontext von Q in der Fluchtlinie der Aussage V. 26 liegt, dass Johannes mehr war als ein Prophet, und die völlige Relativierung seiner Person nach dem Maßstab des Reiches Gottes. Gleichviel, ob dieses Wort ganz auf Jesus selbst zurück geht29 oder in der vorliegenden Form bereits nachösterliche Differenzierungsprozesse zwischen Täufergruppen und Jesusgemeinden reflektiert30, deutlich ist, dass die christliche Relativierung des Täufers nicht aussagbar ist, ohne ihm zugleich höchstes Lob auszusprechen. Dies gilt auch noch im Johannesevangelium, wo eine Auseinandersetzung mit Gruppen, die den Täufer als Heilsgestalt verehrten, nach verbreiteter Forschungsmeinung ihren deutlichsten Niederschlag gefunden hat. Auch Backhaus sieht im Vierten Evangelium in seiner Endgestalt, das heißt um die Wende zum zweiten Jahrhundert, deutliche Spuren der Auseinandersetzung mit einer regelrechten „Johannes-Sekte“, freilich in Diskontinuität zum Gefolge des historischen Täufers und somit überhaupt erst als neutestamentliches Spätphänomen31. Aber gerade hier, da die Reduktion des Täufers auf die Zeugenrolle am weitesten fortgeschritten ist, wird Johannes mit größtmöglicher Würde ausgestattet. Er ist „von Gott gesandt“, eine Aussage, die sonst nur von Jesus und dem Parakleten gilt32. Im Bild gesprochen ist er exklusiv „der Freund des Bräutigams“, der sich „über seine Stimme freut“. Das Motiv der „Freude“ über den Erfolg eines anderen beziehungsweise anderer kehrt in 4,36–38 wieder, wo es möglicherweise um Synergien zwischen Täuferbewegung und früher christlicher Mission geht33: Das „sich Mitfreuen“ von Täuferkreisen mit Erfolgen der Jesusbewegung ist gewiss viel verlangt.

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des Johannes, d. h. aus Kreisen der Täuferbewegung selbst.“ Vgl. schon ders., Jungfrauensohn. Ihm folgt im Wesentlichen U. B. Müller, Johannes der Täufer, 160 f. Dazu Verheyden, Creating Difference. Nach Wiefel, Lukas, 151 steht hinter V. 28b „eine Aussage, die das heilsgeschichtliche Selbstbewußtsein Jesu ausdrückt [...]. Die von vielen Exegeten angenommene Schichtung, nach der nur die erste Vershälfte auf Jesus zurückgeht, die zweite eine (polemisch-antitäuferische) Fortschreibung durch die Gemeinde darstellt, ist mit dem Hinweis auf den streng parallelen Aufbau der beiden Hälften des Logions zu Recht bestritten worden“. So Wolter, Lukasevangelium, 283, der annimmt, „dass das Wort erst nach Ostern gebildet wurde und in den Kontext der Ausdifferenzierung der ersten ‚Christen‘ aus der Täuferbewegung gehört“. Vgl. Backhaus, Jüngerkreise, 365. U. B. Müller, Johannes der Täufer, 164. Für Joh 3,31–36 ist mit Theobald, Johannes, 292, zu betonen, dass Johannes in V. 31 nicht abqualifiziert wird als jemand, der „irdisch redet“. Vielmehr gilt: „Johannes redet auch in seinem ‚Schlusswort‘ nicht ‚irdisch‘, sondern sagt über Jesus nur Wahres.“ Vgl. die Diskussion bei Backhaus, Jüngerkreise, 363 f. Dagegen denkt Theobald, Johannes, 337 f, mit O. Cullmann (Samarien) an die Jerusalemer „Hellenisten“, an deren von Philippus initiierte Samaria-Mission der johanneische Kreis angeknüpft habe.

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Auch kann über die Realitätsnähe dieses Konzepts nur so viel gesagt werden, als dass es aus neutestamentlicher Zeit kein Zeugnis manifester Feindseligkeit von Täufergruppen gegen christliche Gemeinden gibt. Als Modell intergruppaler Beziehungen ist es auf irenische Weise vereinnahmend, und es erlaubt die Ausbildung einer Gruppenidentität, die der Fremdgruppe eine relative Geltung zuerkennt. Das frühe Christentum ist nirgends den Weg gegangen, den Täufer zum Pseudomessias zu erklären, auch nicht im Johannesevangelium, wo die Christologie zum beherrschenden Thema wird, und dies, obwohl das Konzept des ἀντίχριστος in der johanneischen Literatur geläufig und gebräuchlich ist (1Joh 2,18.22; 4,3; 2Joh 7). Täuferbewegung und frühes Christentum sind, so Hermann Lichtenberger, „ein Paradigma für eine Auseinandersetzung zweier sich nahestehender, und darum umso härter um die Wahrheitsfrage streitender Minderheiten“34. Warum ist aber dieser Streit nicht heftiger ausgefallen? Philipp Vielhauer macht zwei Faktoren dafür verantwortlich: Die Wertschätzung, die der historische Jesus dem Täufer entgegen gebracht hat, und das heilsgeschichtliche Vorläufermodell, das eine positive Zeichnung des Täufers vorgab. Darin „ist es begründet, dass die älteste Christenheit den Täufer trotz der antichristlichen Haltung seiner Gemeinde so hoch eingeschätzt und ihn für sich reklamiert hat“35. Hatten sich die frühen Christen also selbst in Zugzwang gebracht und mussten gute Miene zu einem bösen Spiel um konfligierende religiöse Wahrheitsansprüche machen? Die schwierige Formulierung von der „antichristlichen Haltung“ der Täufergemeinde benennt die rätselhafte Verwerfung zwischen religiöser Gruppenkonkurrenz und partieller Akzeptanz, auf die von der eingangs vorgestellten Theorie der sozialen Identität von Tajfel und Turner ein neues Licht fällt. Wenn zutrifft, dass intergruppale Polemik zwischen einander nahe stehenden Gruppen eher die Regel als die Ausnahme darstellt, gebührt unpolemischen Formationen wie denen zwischen Jesusgemeinden und Täufergruppen besondere Aufmerksamkeit. Nicht jeder Dissens und nicht jede Konkurrenz wurde im antiken Christentum mit polemischen Mitteln ausgetragen. Für die Darstellung des Täufers und seiner Anhänger in den Evangelien kann insofern nicht von Polemik die Rede sein, als dieser Darstellung der Wille zu Beleidigung fehlt36. Da unpolemische Modi der Auseinandersetzung für gewöhnlich leiser daherkommen als polemische, können sie leicht übersehen werden. Sucht man erst danach, wird man auch dort fündig, wo man sie nicht ohne weiteres erwartet, etwa in den Qumranschriften37. In welchem Maße sich die sonderbare Irenik der Evangelien in Bezug auf den Täufer und sein Gefolge 34 Lichtenberger, Täufergemeinden, 56. 35 Vielhauer, Benedictus, 45. 36 So treffend Folker Siegert, mündlich. Für das JohEv vgl. jetzt auch Rese, Johannes 3,22–36, 98: „Wie immer historisch das Verhältnis von Christen und Täufersekte gewesen sein mag, von einer direkten Polemik zwischen beiden lassen sich im Johev nur schwer Spuren finden.“ 37 Für 1QH und verwandte Dokumente vgl. Newsom, Contructing. Newsom resümiert seinen Artikel wie folgt: „The community we have come to know as the Yahad cultivated sentiments of affinity for the group and estrangement from other groups in a variety of ways. In his brief essay I have attempted to suggest that as scholars examine these various mechanisms, we need to pay as much attention to the non-polemical discourses of the community as we do to the explicitly polemical language of ‚we‘ and ‚they‘“ (ebd., 21).

Jesusgemeinden und Täufergruppen zwischen Abgrenzung und Wertschätzung

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historisch überhaupt weiter aufklären lässt, mögen künftige Studien erweisen. Schon das Phänomen als solches verdient jedes Interesse, denn dass bei Fragen der Religion die Freundschaft nicht aufhört, ist bekanntlich alles andere als selbstverständlich.

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Kultische Reinheit und Identitätsfindung – Jesus und der jüdische Tempel nach P.Oxy. 840 Niclas Förster

1. Einleitung Seitdem im Dezember 1905 P.Oxy. 840 auf einem Müllhaufen der antiken, etwa dreihundert Kilometer südlich von Alexandria im Faijûm gelegenen Stadt Oxyrhynchus entdeckt und drei Jahre später von Bernhard P. Grenfell und Arthur S. Hunt publiziert worden war,1 hat dieses Stück Pergament von lediglich 7,6 x 8,6 cm Größe – also etwa dem Format unserer Visitenkarten – die Forschung bewegt. Ist es dem Schreiber doch gelungen, nicht weniger als 25 Zeilen in fast mikroskopisch kleiner Schrift auf dem winzigen Pergamentblatt unterzubringen und uns dadurch einen Teil eines apokryph gewordenen Evangeliums, das bis zu seiner Auffindung unbekannt war, zu bewahren. Die Erstherausgeber datieren diese Seite aus einer Art Miniaturbuch in das späte vierte oder frühe fünfte Jahrhundert. Michael J. Kruger hat in seiner jüngst erschienenen, umfangreichen Monographie zu P.Oxy. 840 eine Ansetzung in die Zeit zwischen 300 und 350 n. Chr. vorgeschlagen.2 Die in der wissenschaftlichen Diskussion kontrovers erörterte Funktion des vergleichsweise sehr kleinformatigen Buches, aus dem P.Oxy. 840 ursprünglich stammt, etwa als Amulett oder als Miniaturkodex3 zur privaten Lektüre, soll uns hier nicht beschäftigen. Ich möchte mich vielmehr ganz auf den Inhalt der uns durch P.Oxy. 840 überlieferten kurzen Episode aus einem Evangelium konzentrieren. In diesem Zusammenhang muss vorausgeschickt werden, dass die wissenschaftliche Erörterung seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1908 unter einem bis heute nicht unbedingt förderlichen, „unglücklichen Start“ stand, wie es Joachim Jeremias einmal formuliert hat.4 Von namhaften Gelehrten etwa den Erstherausgebern5 – beraten durch Emil Schürer6 – oder beispielsweise von Theodor Zahn wurde das durch P.Oxy. 840 1 2 3

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Grenfell/Hunt, Fragment, 1–10. Kruger, The Gospel, 44–45. An anderer Stelle führt Kruger aus (Papyrus, 127): „it is quite unlikely that P.Oxy. 840, as a Christian parchment codex, would be earlier than the mid-third century.“ Vgl. Kruger, Papyrus, 134; vgl. auch die Nachweise ebd. 132–134. Er sieht P.Oxy. 840 als Teil eines ursprünglich längeren, evangelienähnlichen Buches an, ders., Papyrus, 130; s. ferner Kraus, Amulett, und Markschies, Was wissen wir, 77. Jeremias, Der Zusammenstoß, 97; vgl. ferner zusammenfassend Kruger, Papyrus, 125. Grenfell/Hunt, Fragment, 3–4. Schürer meint (Bespr. Fragment, 170), der Verfasser „hat aber offenbar keine Kenntnis mehr von den wirklichen Institutionen des Judentums zur Zeit des Tempelbestandes“.

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Niclas Förster

bekannt gewordene Evangelienfragment nämlich als „historische Romandichtung“7 abgetan. Dabei haben gerade jüdische Forscher, beginnend mit Adolf Büchler8 und Arthur Marmorstein9, auf seine Bedeutung aufmerksam gemacht und die kenntnisreiche Schilderung des jüdischen Tempels in Jerusalem und der rituellen Waschungen für Priester und Laien nachgewiesen. Büchler urteilte sogar über diesen Text, er enthalte „more original materials than are to be found in the Synoptics“.10 Ihm sind in dieser Einschätzung – mit Modifikationen – andere wie z. B. Daniel Schwartz11 gefolgt. Dies hielt aber etwa François Bovon nicht davon ab, P.Oxy. 840 als Dokument einer Auseinandersetzung zwischen Gnostikern und der Mehrheitskirche bzw. einer judenchristlichen Taufbewegung des zweiten Jahrhunderts n. Chr. um das rechte Taufverständnis zu deuten, die den Tempel, dessen Priester und Tauchbäder nur als literarische Fassade verwendet habe, hinter der eigentlich eine innerchristliche Debatte verborgen sei.12 Das Streitgespräch zwischen Jesus und dem Priester um Reinheitsfragen wird dadurch von allen Rückfragen nach den historischen Hintergründen abgerückt und steht nun für einen innerchristlichen Konflikt. Mir scheint aber, dass diese These durch die Monographie von Michael J. Kruger überzeugend widerlegt ist.13 Das durch P.Oxy. 840 erhaltene Bruchstück eines unbekannten Evangeliums entstammt vielmehr einem judenchristlichen Milieu,14 das an Reinheitsfragen, auch an den damit verbundenen Tauchbädern und dem Tempel noch interessiert war. Anders als Kruger werde ich in erster Linie den Jerusalemer Tempel und die spezifisch kultische Reinheit, die das Betreten der inneren Vorhöfe von allen Juden forderte, in den Blick nehmen. Folgende Frage ist dabei für mich leitend: Sollte man den Text nicht zuerst einmal als das nehmen, was er zu sein vorgibt, nämlich als eine Erinnerung an Jesu Auftreten im Tempel, seine kritische Auseinandersetzung mit von der Tora gebotenen Reinigungsbädern sowie mit pharisäischen Neuerungen, die die Reinigung aller Tempelbesucher betrafen und die sich als maßgeblich in der jüdischen Bevölkerung weitgehend durchgesetzt hatten? Diese die kultische Reinheit der Tempelbesucher betreffenden Innovationen, die ohne biblische Grundlage waren, bezogen sich auf die von allen Nichtpriestern zu vollziehenden Waschungen vor Betreten der den Juden 7 Zahn, Neue Bruchstücke, 380. 8 Büchler, The New Fragment, 331. 9 Marmorstein (Einige Bemerkungen, 338) urteilt: „[A]n der Echtheit des Fragments ist nach dem Gesagten schwer zu zweifeln.“ 10 Büchler, The New Fragment, 346. 11 Ders., Viewing, 153 bzw. 157. 12 Bovon, Fragment, 728; ähnlich Tripp, Meanings, 238 und Fraade, The Temple, 265 f. Überzeugende Anhaltspunkte für diese radikale Interpretation, die den jüdischen Tempel, die Priester und die kultischen Waschungen als bloße Staffage einer innerchristlichen Auseinandersetzung betrachtet, bringt Bovon m. E. nicht. Beispielsweise bietet er keine Belege für seinen Vorschlag, die im Text genannten τὰ ἅγια σκεύη auf christliche liturgische Geräte zu deuten (Fragment, 720); vgl. auch die Kritik von Kruger (Papyrus, 162). Nicklas (Das Fragment, 358) schließt sich unkritisch Bovons Einschätzung an. 13 Vgl. bes. Krugers Zusammenfassung seiner Argumente in ders., The Gospel, 209–211. 14 Vgl. Krugers Zusammenfassung seiner Überlegungen in ders., Papyrus, 163 f.

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Jesus und der jüdische Tempel nach P.Oxy. 840

vorbehaltenen inneren Höfe im Tempelareal. Damit eröffnet der Text nicht allein einen seltenen Einblick in die „christliche Kathartik“ in durchaus polemischer Abgrenzung zum jüdischen Gegenüber, um hier eine Formulierung von Anton Fridrichsen aufzugreifen,15 sondern berührt auch einen im Judentum der Zeit Jesu höchst sensiblen Punkt. Gerade hinsichtlich des Tempels waren unterschiedliche halachische Standpunkte, die die Reinheit betrafen, ein Kriterium, das Spaltungen, ja sogar den Ausschluss vom Kult, herbeiführen konnte. Nicht zufällig betont Josephus, dass den Essenern „wegen eines Unterschieds in der Reinigung“16 der Zutritt zu dem für alle Juden zugänglichen Tempelbereich verschlossen war. Jedenfalls konnten in dieser Frage nicht leicht divergente Standpunkte im Heiligtum koexistieren. Ferner ist zu beachten, dass laut P.Oxy. 840 die besondere Position Jesu und seiner Jünger in ihrem Verhalten und Auftreten für jedermann sichtbar wurde, denn sie trugen eine von den übrigen Juden, die den Tempel aufsuchten, deutlich unterscheidbare Kleidung. Als ein weiteres auffälliges Merkmal kam noch hinzu, dass sie nicht den Schmutz von ihren Füßen abwuschen, bevor sie den reinen Innenbereich des Tempels betraten. Damit wurde ebenfalls ihre gruppenspezifische Besonderheit nach außen erkennbar dokumentiert.

2. P.Oxy. 840: Kursorische Analyse Zum besseren Verständnis des Folgenden gebe ich nachstehend den Text nach der Edition von Dieter Lührmann und Egbert Schlarb mit eigener Übersetzung wieder:17 1

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πρότερον πρὸ ἀδικῆσαι πάντα σοφίζεται. ἀλλὰ προσέχετε μή πως καὶ ὑμεῖς τὰ ὅμοια αὐτοῖς πάθητε· οὐ γὰρ

früher, bevor er Unrecht tut, ersinnt er alles klug, aber achtet darauf, dass nicht auch ihr irgendwie ihnen Gleiches erleidet.

ἐν τοῖς ζωοῖς μόνοις ἀπολαμβάνουσιν οἱ κακοῦργοι τῶν ἀν(θρώπ)ων ἀλλὰ [κ]αὶ

Denn nicht allein unter den Lebenden empfangen die Übeltäter der Menschen ihren Teil,

κόλασιν ὑπομένουσιν καὶ πολ[λ]ὴν βάσανον. καὶ παραλαβὼν αὐτοὺς εἰσήγαγεν εἰς αὐτὸ τὸ ἁγνευτήριον καὶ

sondern sie erwarten auch Strafe und viel Qual. Und er nahm sie mit sich und führte sie in den Reinheitsbezirk selbst

περιεπάτει ἐν τῷ ἱερῷ. καὶ προσ[ελ-] θὼν Φαρισαῖός τις ἀρχιερεὺς [Λευεὶς?] τὸ ὄνομα συνέτυχεν αὐτοῖς καὶ ε[ἶπεν]

und ging in dem Heiligtum umher. Und es kam ein Pharisäer, ein Hohepriester, [Levi?] mit Namen, traf mit ihnen zusammen

τῷ σω(τῆ)ρι· τίς ἐπέτρεψέν σοι πατ[εῖν] τοῦτο τὸ ἁγνευτήριον καὶ ἰδεῖν [ταῦ-]

und sagte zu dem Erlöser: Wer hat es dir gestattet, diesen Reinheitsbezirk zu betreten und diese

15 Fridrichsen, Bemerkungen, 139. 16 Ant. XVIII 19; vgl. dazu auch Beall, Josephus’ Description, 115 f. 17 Lührmann/Schlarb, Fragmente, 167–169.

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Niclas Förster τα τὰ ἅγια σκεύη μήτε λουσα[μ]έν[ῳ] μ[ή-]

heiligen Geräte zu sehen, obwohl weder du

τε μὴν τῶν μαθητῶν σου τοὺς π[όδας βα-]

dich gewaschen hast noch deine Jünger ihre Füße gebadet

πτισθέντων; ἀλλὰ μεμολυ[μμένος] ἐπάτησας τοῦτο τὸ ἱερὸν τ[όπον ὄν-] τα καθαρόν, ὃν οὐδεὶς ἄ[λλος εἰ μὴ] λουσάμενος καὶ ἀλλά[ξας τὰ ἐνδύ-]

haben? Sondern beschmutzt hast du diesen heiligen Ort, der rein ist, betreten, den kein anderer, außer er hat sich gewaschen und die Kleider

ματα πατεῖ οὐδὲ ὁ[ρᾶν τολμᾷ ταῦτα] τὰ ἅγια σκεύη. καὶ σ[τὰς εὐθέως ὁ σω(τὴ)ρ]

gewechselt, betritt, noch wagt, diese heiligen Geräte zu betrachten. Und sofort

[σὺν τ]οῖς μαθηταῖ[ς ἀπεκρίθη αὐτῷ·] σὺ οὖν ἐνταῦθα ὢν ἐν τῷ ἱερῷ καθα-

blieb der Erlöser mit den Jüngern stehen und antwortete ihm: Du nun, der du hier in dem Heiligtum bist,

bist du rein? ρεύεις; λέγει αὐτῷ ἐκεῖνος· καθαρεύω, ἐλουσά- Jener sagt zu ihm: Ich bin rein, denn ich habe mich μην γὰρ ἐν τῇ λίμνῃ τοῦ Δ(αυεὶ)δ καὶ δι᾽ ἑτέ- im Teich Davids gewaschen und bin auf der ρας κλίμακος κατελθὼν δι᾽ ἑτέρας ἀ[ν]ῆλθον, καὶ λευκὰ ἐνδύματα ἐνεδυσάμην καὶ καθαρά, καὶ τότε ἦλθον

einen Treppe hinab- und auf der anderen hinaufgestiegen, und ich habe weiße Kleider angezogen und reine, und danach bin ich

καὶ προσέβλεψα τούτοις τοῖς ἁγίοις σκεύεσιν. ὁ σω(τὴ)ρ πρὸς αὐτὸν ἀπο[κρι]θεὶς εἶπεν· οὐαί, τυφλοὶ μὴ ὁρῶντ[ε]ς· σὺ ἐλούσω τούτοις τοῖς χεομένοις ὕ[δ]ασι(ν) ἐν οἷς κύνες καὶ χοῖροι βέβλην-

gekommen und habe diese heiligen Geräte betrachtet. Der Erlöser antwortete ihm und sagte: Wehe, Blinde, die nicht sehen. Du hast dich in diesen ausgegossenen Wassern gewaschen, in denen Hunde und

[ται] νυκτὸς καὶ ἡμέρας, καὶ νιψάμε35 [ν]ος τὸ ἐκτὸς δέρμα ἐσμήξω, ὅπερ [κα]ὶ αἱ πόρναι καὶ α[ἱ] αὐλητρίδες μυρί[ζ]ου[σιν κ]αὶ λούουσιν καὶ σμήχουσι [καὶ κ]αλλωπίζουσι πρὸς ἐπιθυμί[αν τ]ῶν ἀν(θρώπ)ων· ἔνδοθεν δὲ ἐκεῖ40 [ναι πεπλ]ήρωται σκορπίων καὶ [πάσης κα]κίας. ὲγὼ δὲ καὶ οἱ [μαθηταί μου] οὓς λέγεις μὴ βεβα-

Schweine bei Nacht und bei Tag liegen, und hast die äußere Haut abgewaschen und abgerieben, die auch die Prostituierten und Flötenspielerinnen salben, waschen, abreiben und schmücken zur Begierde der Menschen, innen aber sind jene erfüllt von Skorpionen und aller Schlechtigkeit. Ich aber und meine Jünger, von denen du sagst, wir hätten uns

[πτίσθαι βεβά]μμεθα ἐν ὕδασι ζω-

nicht untergetaucht, wir haben uns untergetaucht in

[ῆς αἰωνίου τοῖ]ς ἐλθοῦσιν ἀπὸ.. [.] [......... ἀλ]λὰ οὐαὶ [τ]οῖς [... ]

Wassern des ewigen Lebens, die kommen von … … aber wehe denen …

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Jesus und der jüdische Tempel nach P.Oxy. 840

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Beginnen wir die Erörterung mit einem ersten kursorischen Durchgang durch das Evangelienfragment: Der erhaltene Text setzt abrupt mitten im Satz mit einer Scheltrede Jesu gegen nicht näher bezeichnete Leute ein, die Unrecht tun und denen Strafe nicht nur in diesem Leben, sondern auch danach angedroht wird (Z. 1–7). Sodann wechselt die Szene, doch ist es gewiss nicht zufällig, dass sie durch den vorausgehenden polemischen Abschnitt von vornherein in ein bestimmtes Licht gerückt ist. Denn anschließend wird mit knappen Worten geschildert, dass Jesus sich mit seinen Jüngern in den Tempel begibt und dort mit ihnen umhergeht (Z. 7–9). Währenddessen wird er von einem Priester, dessen Name möglicherweise als Levi zu rekonstruieren ist und der näher als Hohepriester und Pharisäer gekennzeichnet wird, zur Rede gestellt (Z. 9–12). Dieser pharisäische Priester wirft Jesus und seinen Jüngern vor, diesen reinen Ort ohne die nötigen Waschungen zur kultischen Reinigung betreten zu haben (Z. 16–19). Weder Jesus sei „gewaschen“ (λουσα[μ]έν[ῳ]) noch seine Jünger hätten sich „die Füße gebadet“ (τoὺς π[όδας βα]πτισθέντων). Dennoch würden sie es wagen, die heiligen kultischen Geräte anzusehen (Z. 13–16 bzw. 20 f). Man dürfe diesen Bezirk im Tempel jedoch wegen seiner Reinheit nur gewaschen und nach einem Wechsel der Kleidung betreten (Z. 18–20). Diese Beschuldigung provoziert eine Gegenfrage Jesu, der mit seinen Jüngern stehen bleibt (Z. 21 f). Er erkundigt sich nun seinerseits, ob denn der Priester selbst rein sei (Z. 23 f: σὺ οὖν … καθαρεύεις). Daraufhin beschreibt dieser ausführlich sein Tauchbad in einem „Teich Davids“, der offenbar zwei Treppen, eine zum Hinunter- und eine zum Hinaufsteigen, besaß, und betont, dass er reine Kleidung angezogen habe, bevor er in den inneren Vorhof des Tempels gegangen sei und die heiligen Geräte gesehen habe (Z. 24–30). Jesus antwortet ihm mit einem Weheruf über „Blinde, die nicht sehen“ (Z. 30 f). Der Priester habe sich in „ausgegossenen Wassern“ (τοῖς χεομένοις ὕ[δ]ασι(ν) gereinigt, in denen „Hunde und Schweine“ liegen und darüber hinaus lediglich etwas getan, was unter „Dirnen und Flötenspielerinnen“ üblich sei, die sich die Haut durch Salben, Waschen, Einreiben und Schminken zu verschönern suchen. Dies ändere aber nichts an derjenigen Schlechtigkeit, die Jesus mit Skorpionen in ihrem Inneren vergleicht (Z. 32–41). Das Fragment endet mit einem unvollständig erhaltenen Satz, in dem Jesus darauf hinweist, er habe sich ebenso wie seine Jünger sehr wohl in „Wassern des Lebens“ ([βεβά]μμεθα ἐν ὕδασι ζω[ῆς]; Z. 43–44) gebadet. Diese Wasser sind, wie wahrscheinlich zu ergänzen ist, als Wasser des „ewigen“ Lebens näher beschrieben und „kommen“ von einem Ort „her“, der für uns nicht mehr eindeutig bestimmbar ist, da der erhaltene Text an dieser Stelle abbricht (Z. 41–45). Sicher ist allein, dass anschließend ein zweiter Weheruf Jesu folgt (Z. 45), ohne dass weitere Einzelheiten noch zu erkennen sind.

3. P.Oxy. 840: Kommentar ausgewählter Abschnitte Befassen wir uns zunächst mit den beiden Punkten der gegen Jesus und seine Jünger erhobenen Vorhaltungen des pharisäischen Hohenpriesters (Z. 12–21): Die Beschuldigung, in das ἁγνευτήριον (Z. 8) ohne die vorschriftsmäßige Reinigung ein-

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getreten zu sein, setzt den Grundriss des jüdischen Tempels als bekannt voraus, in dem sich um das eigentliche Tempelgebäude mehrere hintereinander gestaffelte Vorhöfe gruppierten. Unmittelbar vor dem Heiligtum befand sich der Priesterhof mit dem Altar, der mit einer relativ niedrigen Balustrade abgegrenzt war; danach folgte der Vorhof der männlichen Juden, von dem aus man den Priesterhof einsehen konnte.18 Etwas tiefer und durch eine Mauer umgeben lag der Bereich für die jüdischen Frauen. Rings herum erstreckte sich der äußere Vorhof, den Nichtjuden besuchen durften. Ihn zu verlassen und das Heiligtum zu betreten, war den Heiden bei Todesstrafe untersagt, worauf sie durch Warninschriften, von denen zwei in Jerusalem ausgegraben wurden,19 ausdrücklich hingewiesen wurden. Der jüdischen Männern vorbehaltene innere Vorhof war im Osten durch ein von Nikanor aus Alexandrien gestaltetes und nach ihm benanntes prunkvolles Tor zugänglich, zu dem man über eine Freitreppe vom Vorhof der Frauen gelangte. Den verschiedenen Tempelhöfen wurde eine ansteigende Heiligkeit zugeschrieben,20 weshalb der Zugang nur genau festgelegten Gruppen, d. h. Frauen, Männern und Priestern (und allen männlichen Juden bei Zeremonien, die mit den Opfern zusammenhingen) vorbehalten war. Grundsätzlich galt aber, dass alle Besucher – außer den Heiden im äußersten Tempelhof – kultisch rein zu sein hatten, worauf der Terminus ἁγνευτήριον (Z. 8 bzw. Z. 13) anspielt, der in der griechischen Literatur der Zeit nur noch bei dem stoischen Philosophen und ägyptischen Priester Chaeremon vorkommt. Chaeremon verwendet ihn im Rahmen seiner detaillierten Beschreibung ägyptischer Heiligtümer und bezeichnet damit ein Tempelareal, das „denen, die nicht rein sind, unzugänglich und heilig für die gottesdienstlichen Handlungen“ war.21 Der Begriff ἁγνευτήριον meinte also einen speziellen, durch Reinheitsvorschriften abgesonderten Tempelbereich,22 den es nicht nur in Ägypten sondern auch im jüdischen Tempel gab. Von entscheidender Bedeutung ist nun, welche Reinigungsvorschriften bei den Waschungen gemeint sind, die Jesus bzw. seine Jünger nach den Vorwürfen des Priesters angeblich versäumt hätten. Man muss nämlich zwischen biblischen Geboten, z. B. bei der Verunreinigung durch Leichen (Num 19,1–22), und weiteren Waschungen differenzieren, die keine biblische Grundlage hatten. Diese Unterscheidung ist wichtig, um Jesu von der allgemein üblichen Norm abweichendes Verhalten zu verstehen; 18 Dies setzt Lukas in Lk 1,21 f voraus, wo die versammelte Menge beobachten kann, wie Zacharias aus dem Tempel herauskommt. 19 Vgl. z. B. OGIS 597. Auch Josephus erwähnt mehrfach diese Inschriften, die in Abständen auf einer Steinmauer angebracht waren (bell. V 194; VI 124–126; ant. XV 417). 20 Vgl. dazu mKel 1,8; Bill., Bd. 4, 754. 21 Chaeremon legt in einer heute bis auf Fragmente verlorenen Schrift den ägyptischen Götterglauben dar und gab darin u. a. eine Darstellung von der Lebensweise der Tempelpriester; dazu s. Schwyzer, Chairemon, 11; van der Horst, The Way of Life, 62; Frede, Chaeremon, insb. 2075–2081; Kruger, The Gospel, 107. Das Zitat ist aus Frgm. 10 entnommen und uns durch Porphyrius (De Abstinentia 4,6) überliefert (Text: van der Horst, Chaeremon, 18): ἁγνευτήρια τοῖς μὴ καθαρεύσουσιν ἄδυτα καὶ πρὸς ἱερουργίας ἅγια. Auf den Zusammenhang mit P.Oxy. 840 machen auch Schürer (Bespr. Fragment, 171) und van der Horst (Chaeremon, 58 Anm. 13) aufmerksam. 22 Kruger, Papyrus, 149.

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denn für alle Juden, die durch das Nikanortor den inneren Tempelbereich betreten wollten, waren, wie einige Notizen in der rabbinischen Literatur voraussetzen, zur Zeit des Zweiten Tempels zusätzliche Waschungen vorgeschrieben, die über die biblischen Gebote hinausgingen. So vermerkt die Tosefta: „Wer immer den Hof durch das Nikanortor betritt, nimmt in demselben Hof ein Tauchbad.“23 Hierbei spielte es keine Rolle, ob der Eintretende schon zuvor gewissenhaft alle die Reinheit betreffenden Vorschriften erfüllt hatte und demzufolge eigentlich kultisch rein war, was die Mischna ausdrücklich vermerkt: „Kein Mensch betritt den Hof zum Opferdienst, sogar rein, ohne zuvor einzutauchen.“24 Das rituelle Tauchbad war folglich eine zusätzliche Maßnahme, die zudem nicht allein die Priester betraf25 und ohne irgendeine biblische Begründung war. D. h., das Tauchbad wurde nicht nur von Priestern sondern von allen Laien verlangt, selbst wenn die kultische Reinheit eigentlich schon hergestellt war.26 Ähnliches galt für das Verbot, mit staubigen Füßen auf den Tempelberg zu kommen, denn im inneren Tempelareal durfte kein Besucher Schuhe oder Sandalen tragen, was uns verschiedene Quellen bezeugen. Sogar ein jüdischer König wie Agrippa II. ging im Tempel barfuß umher, wie der römische Satiriker Juvenal spöttisch anmerkt.27 Außerdem war der „Staub an den Füßen“ abzuwaschen, was die Mischna festhält.28 Spezielle Vertiefungen zum Waschen der Füße wurden in der Tat in Ritualbädern (Miqwa’ot) Jerusalems aus der Zeit des Zweiten Tempels archäologisch nachgewiesen.29

23 tNeg 8,9 (Text: Rengstorf, Die Tosefta, 180). 24 mJoma 3,3 (Text und Übersetzung: Krupp, 12 f). Dasselbe findet sich in jJoma 40b,57–69; dazu Büchler (The New Fragment, 335) und Safrai (Art. Temple, 618). Diese Vorschrift stellt Priester und Laien gleich. Alle hatten sich vor Betreten des Tempelhofes zu waschen; s. Finkelstein, The Pharisees, 275; Safrai, Die Wallfahrt, 177; Schwartz, Viewing, 156; Kruger, Papyrus, 154. Dass die Stelle nur auf die Priester zu beziehen ist, so Schürer (Bespr. Fragment, 172), trifft also nicht zu. 25 Baumgarten, The Pharisaic-Sadducean Controversies, 159–159. 26 Wie Safrai (Die Wallfahrt, 175) hervorhebt, hätten kultisch unreine Personen schon den Frauenvorhof des Tempels nicht betreten dürfen. Diese Regelung sah aber von dieser torakonformen Vorschrift ab und machte ein Tauchbad für alle, auch reine Besucher, zur Bedingung. Die kultische Reinigung vor Betreten des Heiligtums, etwa an einem Pilgerfest, setzt auch Joh 11,55 voraus; dazu Edersheim (Der Tempel, 145) und Haber (They Shall, 200). 27 Saturae VI 159 (Text: Duff 32): observant ubi festa mero pede sabbata reges. 28 mBer 9,6 (Text und Übersetzung: Krupp, 38–39): ‫ ;ובאבק שעל רגלו‬vgl. auch bBer 62b, wo die Sitte, barfuß zu gehen, mit Ex 3,5 begründet wird; dazu Blau, Das neue Evangelienfragment, 215; Sulzbach, Zum Oxyrhynchus-Fragment, 175; Marmorstein, Einige Bemerkungen, 336; Jeremias, Der Zusammenstoß, 102; Safrai, Die Wallfahrt, 178; Derrett, Domine, 148; Tigchelaar, Bare Feet, 29–32. Allerdings scheinen sich unter gewissen Umständen nicht alle Juden daran gehalten zu haben; so beklagt sich Josephus u. a. über die Zeloten, die es wagten „mit befleckten Füßen“ (μεμιασμένοις τοῖς ποσί) im Heiligtum umherzulaufen, was möglicherweise voraussetzt, dass sie solche Waschungen unterließen; bell. IV 150; vgl. Büchler (The New Fragment, 342), der allerdings voraussetzt, dass jene Zeloten Schuhe getragen hätten, was Josephus ihnen aber gerade nicht vorwirft. Außerdem war das Verhalten der Zeloten u. U. durch die spezielle Situation während des Ersten Jüdischen Krieges bedingt. 29 S. Gibson, Die sieben letzten Tage, 72.

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Auch für derartige Fußwaschungen existiert kein biblisches Gebot,30 sie leiteten sich lediglich von einer verbreiteten Sitte ab, die allem Anschein nach allgemein befolgt wurde. Dasselbe galt für das Anlegen reiner weißer Kleidung, wenn man den Tempel aufsuchen wollte. Dieser Brauch wird von Josephus erwähnt: Selbst der Herodessohn Archelaos habe sich ihm gefügt, als er nach dem Tod des Vaters die Bevölkerung im Tempelvorhof empfing. Bei Josephus heißt es dazu: „Dann legte er ein weißes Gewand an und betrat den Tempel“, wo er auf einem Thron Platz nahm.31 Nach P.Oxy. 840 scheint Jesus diese besonderen Bräuche und Reinigungsriten, d. h. das Tauchbad vor Betreten des Hofes der Männer, das Fußwaschen und die spezielle dem Ort angemessene Kleidung, abgelehnt zu haben. Er machte sie bewusst nicht mit, was ihn und seine Jünger aus der Masse der Pilger und sonstigen Tempelbesucher herausheben musste. Er und die Seinen fielen auf, eben weil sie Alltagskleidung trugen und durch die fehlenden Waschungen erkennbar waren. Indessen muss eingeschränkt werden, dass Jesus nach P.Oxy. 840 keineswegs die Reinheitsgebote grundsätzlich ablehnte,32 vielmehr nur diejenigen nicht befolgte, die keine Legitimation durch die Tora hatten. Dass ein Festpilger, der den Tempel aufsuchen wollte, sich zuvor beispielsweise von Leichenunreinheit gemäß biblischem Ritual zu säubern hatte, blieb auch für Jesus selbstverständlich. Er wandte sich einzig und allein gegen menschliche Satzungen und über die Tora hinausgehende, zusätzliche Regelungen.33 Diese Kritik an der παράδοσις τῶν ἀνθρώπων, die die mündlich tradierte, pharisäische Halacha meinte, ist in den synoptischen Evangelien ebenfalls nachweisbar (Mk 7,8–9). Jesu abweichendes Verhalten musste zudem, gerade wenn es den Tempel betraf, gravierende Folgen haben und Widerspruch provozieren. Schon durch äußere Merkmale wie den fehlenden Kleidungswechsel trennte er sich mit seinen Anhängern von der Mehrheit der jüdischen Zeitgenossen ab. Dass Jesus und seine Jünger im Tempel Aufsehen erregten, wie es das Evangelienfragment aus Oxyrhynchus darstellt, ist zudem durchaus plausibel, wenn man bedenkt, dass gerade dieser heilige Ort in Reinheitsdingen einer Kontrolle unterlag. So wurde der Zugang zum Tempelbereich und der Besucherstrom an Festtagen schon an den Toren 30 Ein Zusammenhang mit den priesterlichen Waschungen der Hände und Füße (Ex 30,17–28; 40,31; vgl. Josephus, ant. VIII 87) ist unwahrscheinlich, da in P. Oxy. 840 die Hände nicht erwähnt werden. 31 Bell. II 1: μεταλαμβάνει μὲν ἐσθῆτα λευκήν, πρόεισι δὲ εἰς τὸν ἱερόν; dazu Büchler, The New Fragment, 336; Safrai, The Temple and the Divine Service, 296; ders., Die Wallfahrt, 177; Kruger, Papyrus, 155; vgl. ferner ant. XI 327, wo der Hohepriester sein offizielles Priestergewand anlegt, während die Bevölkerung weiße Kleidung trägt, um Alexander den Großen in Jerusalem willkommen zu heißen. Auch in bell. V 229 bzw. ant. XX 218 setzt Josephus voraus, dass die Priestergewänder Leinenroben waren, die wahrscheinlich weiß waren; vgl. mJoma 3,6. Die Bevölkerung ahmte also als Zeichen der Frömmigkeit die Farbgebung dieser eigentlich priesterlichen Gewänder für ihre eigene Kleidung nach. Diese fromme Sitte, priesterliche Gebote auch für Laien zu übernehmen, machte Jesus offenbar bewusst nicht mit. 32 Maccoby, The Washing, 4; anders Leipoldt, Jesu Verhältnis, 45. 33 Vgl. Jeremias, Unbekannte Jesusworte, 59. Hierbei wurde eine Regelung, die eigentlich nur für Priester vor dem Betreten des inneren Hofes Waschungen vorschrieb, mJoma 3,3, auf alle Laien übertragen, vgl. den Hinweis bei Lagrange (Nouveau Fragment, 547).

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überwacht. Zuständig dafür waren bestimmte levitische Familien, denen es oblag, die Eintretenden auf ihre kultische Reinheit hin zu überprüfen.34 Kommen wir nun zu dem Priester, dessen Name möglicherweise als Levi zu rekonstruieren ist und der mit Jesus ein Streitgespräch beginnt. Er wird als Hohepriester (ἀρχιερεύς) bezeichnet (Z. 10), was nicht unbedingt bedeutet, dass er dieses Amt bekleidet hat, sondern dass er zum Kreis der hohepriesterlichen Familien gehörte. Ein solcher Sprachgebrauch lässt sich auch in Apg 19,14 und bei Josephus nachweisen.35 Denkbar ist ferner, dass dieser Priester das Amt des sagan (Apg 5,24) innehatte und den Kult beaufsichtigte.36 Dies wird in dem Evangelienfragment aber nicht expressis verbis mitgeteilt. Für unsere Fragestellung ist allerdings wichtig, dass der Priester explizit als Pharisäer bezeichnet wird (Z. 10). Mit seiner Zugehörigkeit zu den Pharisäern dürfte der zweite Vorwurf zusammenhängen, den er gleich mehrfach gegen Jesus und dessen Jünger erhebt: Sie hätten sich τὰ ἅγια σκεύη in Unreinheit angeschaut (Z. 14 bzw. 21). Um diese Beanstandung zu verstehen, muss man wissen, dass der Ausdruck τὰ ἅγια σκεύη (kult-)technisch gemeint und in diesem Sinne biblisch belegt ist. Er übersetzt in der Septuaginta37 das hebräische ‫ כלי הקדש‬und bezieht sich nach 1Makk 4,49 auf die Menora, den Rauchopferaltar und den Schaubrottisch.38 Diese für den Kult wesentlichen Ausstattungsgegenstände des Jerusalemer Tempels waren aus Metall hergestellt. Sie befanden sich normalerweise im Inneren des Tempelgebäudes, also dem exklusiv für die Priester reservierten Bereich, waren darum den Laien unzugänglich und konnten von ihnen nicht gesehen werden. Nur an einigen Pilgerfesten wurden sie den herbeiströmenden Besuchern im Priesterhof des Heiligtums gezeigt, wie aus dem babylonischen Talmud an verschiedenen Stellen zu entnehmen ist.39 Das Betrachten der heiligen Kultgeräte war dabei durchaus intendiert. Gleichzeitig legten die Pharisäer besonderen Wert auf die Reinigung der heiligen Geräte am Ende des Festes. Diese 34 Diese Funktion der Leviten hebt Philo von Alexandria hervor: spec. I 156; vgl. Heinemann, Philos griechische und jüdische Bildung, 27; Safrai, The Temple, 572; ders., Die Wallfahrt, 179; Kruger, The Gospel, 96. Wachen an den Tempeltoren, die alle Unreinen fernhalten sollen, erwähnt auch 2Chr 23,19. 35 Hölscher (Die Hohenpriesterliste, 8) verweist u. a. auf bell. II 566 sowie IV 574; vgl. ferner Lietzmann (Das neugefundene Evangelienfragment, 669) sowie Kruger (The Gospel, 97 f). 36 Der ‫ סגן‬setzte dabei die pharisäische Halacha durch. Einen Pharisäer in diesem Amt bezeugt uns mAv 3,2 bzw. mPes 1,6; dazu Eliav, The Temple Mount, 88 f; Kruger, The Gospel, 99–100; ders. Papyrus, 147. 37 Kruger (The Gospel, 102) weist auf Num 3,31; 18,3; 1Kön 8,4; 1Chr 9,28 f; 22,19; 2Chr 5,5 hin. Booth (Jesus, 212) führt Hebr 9,21 als neutestamentliche Parallele an. 38 Ebenso findet sich diese Dreiteilung bei Philo, her. 226. Sie gehörten nach ant. VII 342 zur Tempelausstattung; s. Kruger, The Gospel, 102. 39 bJoma 21b, 54a; bChag 26b; bPes 57a; bMen 96b; dazu Marmorstein (Einige Bemerkungen, 337) und Kruger, (The Gospel, 111). Der Schaubrottisch wurde sogar hochgehoben, damit ihn die Wallfahrer besser sehen konnten, bJoma 21b; bChag 26b; bMen 96b; dazu Büchler, The New Fragment, 338. Die Tatsache, dass in P.Oxy. 840 nicht spezifiziert wird, dass der Besuch des Tempels und das Anschauen der Geräte an einem Festtag geschah, lässt sich möglicherweise durch den Verlust der entsprechenden Passagen vor Anfang des erhaltenen Textes erklären, spricht also nicht an sich gegen die darin geschilderte Szenerie; anders Nicklas, Critical Study, 208.

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Maßnahme setzte offensichtlich die Befürchtung voraus, dass τὰ ἅγια σκεύη durch die Besuchermassen verunreinigt werden konnten.40 Denkbar ist, dass hierbei eine Verbindung zum Ansehen des Heiligen durch unreine und daher eigentlich unwürdige Personen bestand.41 In diesem Zusammenhang hat Daniel Schwartz darauf hingewiesen, dass das aus jüdischer Perspektive ungeheuerliche Sakrileg des römischen Feldherrn Pompeius, der es nach der Eroberung Jerusalems im Jahr 63 v. Chr. wagte, als Heide mit seinem Gefolge den Tempel zu betreten, vor allem darin bestand, die heiligen Kultgeräte angesehen zu haben, wobei Josephus den siebenarmigen Leuchter explizit nennt.42 Das Anblicken heiliger Kultgegenstände – obschon nichts mit Händen berührte wurde – konnte demnach an und für sich eine Form der Verunreinigung implizieren. Dieser Gefahr suchten die Pharisäer vorzubeugen und tauchten daher u. a. die Menora nach einem Pilgerfest unter Wasser, um sie auf diese Weise erneut rein zu machen. Auch diese Waschungen waren eine Neuerung im Tempelritual, die allein von pharisäisch gesinnten Priestern vorgenommen wurde. Die in halachischen Fragen unterlegene sadduzäische Richtung der Priesterschaft konnte dieses Tun der Pharisäer zwar nicht verhindern, spottete jedoch darüber mit der ironisch gemeinten43 Bemerkung: „Kommt und seht die Pharisäer, wie sie das Licht des Mondes untertauchen.“44 Vielleicht spielten die Sadduzäer darauf an, dass die Himmelskörper und das Licht, das von ihnen ausging, nicht unrein werden konnten (im Gegensatz zu Menschen und deren Augen, von denen nach antiken optischen Theorien ebenfalls Strahlen wie bei der Sonne ausgingen und das Sehen erst ermöglichten45). Unbestreitbar ist aber, dass die Not40 Klawans (Purity, 183) verbindet die Reinigung mit der Tatsache, dass die Reinheitsvorschriften an den großen Pilgerfesten nicht streng gehandhabt werden konnten, und verweist zum Beleg auf mChag 3,7 f. 41 Dafür gibt es durchaus eine biblische Begründung: Die Lade bzw. der Altar sollten in der Wüstenzeit beim Transport bedeckt werden (Num 4,5–14). Das Heilige zu schauen, war nur Priestern gestattet (Num 4,20); vgl. dazu die rabbinische Diskussion in bJoma 54a; Schwartz, Viewing, 157. 42 Josephus schreibt z. B. in bell. I 152 mit ausdrücklichem Bezug auf die Ausstattung des Heiligtums: „Er betrachtete, was darin war, Leuchter samt Lampen, Tisch und Opferschalen und Räuchergefäße“ (τὰ ἔνδον ἐθεάσατο, λυχνίαν τε καὶ λύχνους καὶ τράπεζαν καὶ σπονδεῖα καὶ θυμιατήρια); dazu Schwartz, Viewing, 154. 43 Möglicherweise setzten die Sadduzäer voraus, dass Metallgegenstände überhaupt nicht verunreinigt werden könnten. Sie beharrten damit u. U. auf einem älteren halachischen Standpunkt; vgl. die Vermutung von Le Moyne (Les Sadducéens, 292) sowie Lightstone (Sadducees, 207). Metallgefäße hatte nach bShab16a erst Schim‘on ben Schetach, der nach rabbinischer Tradition im ersten Jahrhundert v. Chr. lebte, s. zu ihm Stemberger (Einleitung, 74), als fähig zur Verunreinigung erklärt. Allerdings setzt auch die Damaskusschrift aus Qumran als gegeben voraus, dass Metall kultisch unrein werden könne, D XII 17 f; dazu Baumgarten, The Pharisaic-Sadducean Controversies, 166. 44 tChag 3,35 (Text: Lieberman, The Tosefta, Bd. 2, 394). In der Parallelüberlieferung jChag 79d, 31 ist vom „Sonnenrad“ die Rede, das die Pharisäer untertauchen würden; dazu Bill. Bd. 4, 348; Zeitlin, The Rise, 181; Le Moyne, Les Sadducéens, 28 f; Schwartz, Viewing, 156. Dabei wurden alle Geräte, die im Heiligtum waren, untergetaucht, (mChag 3,8) bis auf den goldenen und kupfernen Altar. 45 Hierbei mag die in der Antike allgemein verbreitete Theorie von der aktiven Rolle des Auges beim Vorgang des Sehens vorausgesetzt sein. Man stellte dies sich so vor, als sende das Auge wie beim Werfen eines Speers einen Sehstrahl aus, der das gesehene Objekt berührt. Diese Emissionstheorie lag der volkstümlichen Vorstellung vom schädlichen „bösen Blick“ zugrunde, die u. a. rabbinische

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wendigkeit dieser Säuberungen im inneren Priesterhof nach Festtagen und die damit einhergehenden Waschungen keineswegs Konsens in den Priesterkreisen waren, selbst wenn die Sadduzäer nach übereinstimmenden Mitteilungen von Josephus46 und den rabbinischen Quellen47 stets gezwungen waren, sich dem pharisäischen Standpunkt anzupassen. Jesus berührte also einen innerhalb der Priesterschaft empfindlichen Punkt, wenn er sich um solche Reinheitsbedenken beim Betrachten der heiligen Kultgegenstände nicht kümmerte,48 die gerade den Pharisäern am Herzen lagen, wie auch P.Oxy. 840 hervorhebt, wo dies nicht zufällig ein pharisäischer Gesprächspartner Jesu gleich zweimal erwähnt (Z. 14 bzw. 21). Dementsprechend beteuert der Priester auf Jesu Entgegnung: „Du nun, der du hier in dem Heiligtum bist, bist du rein?“ (Z. 23–24), dass er selbst nach seiner Überzeugung alle nötigen Reinigungsriten sorgfältig erfüllt habe, und beschreibt u. a. sein Tauchbad im Teich Davids (Z. 25). Damit ist ein Ritualbad gemeint.49 Derartige Anlagen mit einer Doppeltreppe, wie von dem Priester vorausgesetzt, die Reine von Unreinen trennen sollte, werden nicht nur beiläufig in der Mischna genannt,50 sondern sind mittlerweile in und um Jerusalem auch archäologisch nachweisbar.51 In seiner Erwiderung auf diese Ausführungen des Priesters kommt Jesus mit einem Weheruf über „Blinde, die nicht sehen“ (Z. 31–32), zum eigentlichen Kernpunkt der Auseinandersetzung: Jesus zielt darin auf die für Priester durch biblische Gebote vorgeschriebenen Waschungen und Tauchbäder ab und übt an ihnen Kritik. Auf diese Weise verschiebt er die Debatte um einen wesentlichen Punkt; denn nun geht es um spezielle Waschungen, die nach der Tora für die Priester zwingend erforderlich sind. Stand zuvor eine vom üblichen Verhalten abweichende Praxis Jesu und seiner Jünger im Mittelpunkt, die sich auf Waschungen bezog, die nicht in der Tora verankert waren, so nimmt Jesus jetzt einen anderen Problemkreis in den Fokus: Es geht ihm um die kultische Reinigung durch Tauchbäder im Allgemeinen und um die entsprechenden Waschungen der Priesterschaft. Auch sie riefen seine Missbilligung hervor, selbst wenn er solche Handlungen

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Quellen erwähnen, s. Bill. Bd. 4, 1218 s.v. und die noch bis heute im Mittelmeerraum verbreitet ist; vgl. Meisen, Der böse Blick, bes. 144–157. Diese Vorstellung war aber auch die Voraussetzung der antiken Optik, wie sie sich etwa in der einschlägigen Fachliteratur niedergeschlagen hat, vgl. z. B. Plato, Tim. 45b, dazu Rakoczy, Böser Blick, 23–25. Ant. XVIII 17. tJoma 1,8; bJoma 19b; bNid 33b; dazu Alon, The Jews, 202; Klausner, Jesus, 293; Baumgarten, The Essenes, 64; Lightstone, Sadducees, 213–214; Kruger, The Gospel, 103. Dass Jesus im Tempel umherging, um sich alles anzusehen, teilt auch Mk 11,11 mit; vgl. den Hinweis bei Lietzmann (Das neugefundene Evangelienfragment, 668), ohne dass hierbei irgendeine Verbindung zu der in P.Oxy. 840 aufgeworfenen Problematik besteht. Ein solches Bad dieses Namens ist sonst nirgends bezeugt, s. Kruger, The Gospel, 115. mSheq 8,2. Dort werden zwei Treppen ‫ דרך ירידה‬bzw. ‫( עליה‬Text: Krupp, 43) vorausgesetzt, s. Baumgarten, The Essenes, 63; Kruger, The Gospel, 119. Im ersten Jahrhundert n. Chr. waren Ritualbäder sehr verbreitet; etwa 700 solcher Anlagen wurden bisher ausgegraben; s. Berlin, Jewish Life, 453; Magness, Stone, 16. Ritualbäder mit zwei getrennten Treppen wurden in der Umgebung von Jerusalem bei Grabungen aufgedeckt; für die archäologischen Nachweise s. Reich (Mishnah, XIV) bzw. Reich et al. (The Jerusalem Archaeological Park, 13) und Haber (They Shall, 198).

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nicht direkt ablehnte. Diese rituellen Tauchbäder geschehen, wie schon erwähnt,52 für Jesus in Wassern, in denen „Hunde und Schweine“ (Z. 33), d. h. unreine Tiere, liegen,53 und sie gleichen der Körperpflege von „Prostituierten und Flötenspielerinnen“ (Z. 36). Nach Jesu Überzeugung ist aber entscheidend, ob im Inneren eines Menschen Böses (κακία, Z. 41) vorherrscht oder nicht. Die vorausgesetzte Unterscheidung zwischen Innen und Außen sowie ihre Verbindung mit der Reinheitsfrage ist in den synoptischen Evangelien im Munde Jesu gleichfalls gut bezeugt (Mk 7,15; Mt 23,25; Lk 11,39).54 An den genannten Stellen legt Jesus das Hauptgewicht auf die innere Reinheit55 und wendet sich zugleich gegen die Pharisäer und deren Auffassung zur Herstellung der Reinheit. Sie werden ebenso wie in P.Oxy. 840 als „Blinde“ bezeichnet (Mt 23,26; vgl. 15,14). Freilich fehlt in den synoptischen Parallelen jeder Bezug auf den Tempel und seine Rituale, so dass eine gegenseitige Abhängigkeit, vor allem zwischen Mt 23,26 und dem Oxyrhynchusfragment, wohl nicht gegeben ist. In beiden Überlieferungen, der synoptischen Version bzw. in P.Oxy. 840, geht es Jesus aber um eine Umkehr der Wertigkeit in Reinheitsangelegenheiten: Die Seligkeit geht mit einem reinen Herzen zusammen (Mt 5,8),56 was die Forderung nach innerer Umkehr radikalisiert und den wesentlichen Ursprung der Reinheit bzw. Unreinheit von der Oberfläche des Körpers in den Menschen hineinverlegt.57 Die Besonderheit von P.Oxy. 840 stellt also die Verknüpfung dieser Umkehr der Wertigkeit mit dem Tempel und den Tauchbädern aller Tempelbesucher, insbesondere aber denen der Priester, dar. Die im Tempel praktizierten Waschungen werden, wie bereits ausgeführt, von Jesus kritisch bewertet, teils sogar verworfen – allerdings nur dann, wenn sie nicht biblisch legitimiert waren, was in 52 S. o. S. 89. 53 Dies ist natürlich nicht als Aussage über die Wasserversorgung des Tempels gemeint, in die Hunde und Schweine hineingerieten und daher nur als „Einbildung oder Erfindung“ eines über Jerusalem schlecht informierten Autors zu bezeichnen, wie Harnack (Ein neues Evangelienbruchstück, 247); ähnlich Zahn (Neue Bruchstücke, 380) und Goodspeed (The New Gospel Fragment, 145) argumentieren, sondern soll als drastische Bildlichkeit die Aussage illustrieren. Es setzt einen metaphorischen Gebrauch dieser unreinen Tiere voraus, die ebenso gern mit Wasser in Kontakt kommen wie Menschen, ohne dass dies an sich schon etwas über ihre kultische Reinheit aussagt; s. zum Vergleich dieser Tiere mit bestimmten polemisch attackierten Menschen, u. a. christlichen Häretikern, Mt 7,6; 2Petr 2,22 bzw. Apk 22,15; dazu Hofius, Unbekannte Jesusworte, 373; Bovon, Fragment Oxyrhynchus, 717. Rabbinische Belege dokumentieren, dass Heiden als Hunde und Schweine bezeichnet werden konnten, Bill. Bd. 1, 449 f bzw. 722–724, was die Schärfe des Bildes im Kontext kultischer Waschungen in Jerusalems Tempel vor Augen führt. 54 Auf diese Parallelen wurde immer wieder hingewiesen, z. B. schon Preuschen (Das neue Evangelienfragment, 8). Aber dennoch fehlt an diesen Stellen der Bezug auf den Tempel und die dort erforderliche rituelle Reinheit. 55 Gemeint ist hier also, dass das ethische Verhalten vorrangig ist und Unreinheit verursacht, so Goldenberg, Art. Reinheit III, 485. 56 Magness, Stone, 23. 57 Podella, Art. Reinheit II, 481; Booth, Jesus, 206–210; Dunn, Jesus, 464; Furstenberg, Defilement, 198; Magness, Stone, 23. Dabei fällt auf, dass es stets um eine moralische Ebene geht. Furstenberg (Defilement, 199) hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass Jesus so implizit der pharisäischen Tendenz entgegentritt, das Reinheitsdenken des Tempels immer mehr in den Alltag zu übertragen; vgl. auch Magness, Stone, 21 f.

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dem Text Anlass zu dem Streitgespräch gibt. Ist ihre Begründung durch entsprechende Gebote der Tora hingegen gegeben, so werden sie zwar von Jesus nicht direkt zurückgewiesen, aber doch durch seine Forderung nach einem Mehr an innerer, moralischer Reinheit überholt. In diesem Zusammenhang greift Jesus nach P.Oxy. 840 in seiner Argumentation – wie Ludwig Blau58 hervorgehoben hat – auf den Gegensatz von ausgegossenem bzw. fließendem oder lebendigem Wasser zurück (Z. 32 f bzw. Z. 43 f). Hierfür gibt es Parallelen in der Mischna, wobei dem lebendigen Quellwasser die größere reinigende Kraft zugeschrieben wird, weil es sich z. B. zur Reinigung Aussätziger und für die Bereitung des rituellen Sühnewassers eignet.59 Ein mögliches Missverständnis muss von uns aber ausgeschlossen werden: Jesus kritisiert keineswegs die Beschaffenheit und Herkunft des Wassers, schon gar nicht will er dessen mögliche Verunreinigung durch unreine Tiere diskutieren,60 wobei im Hinblick auf die im Text genannten Schweine ohnehin sehr fraglich ist, ob sie von Juden in Jerusalem bzw. in seiner Umgebung gehalten wurden.61 Vielmehr verwendet Jesus das Bild von lebendigem Wasser in übertragener Bedeutung. Darum kann er in polemischer Zuspitzung das Waschen an sich, obwohl es in einem Ritualbad im Tempel geschah, mit der Körperpflege von Prostituierten und Flötenspielerinnen gleichsetzen. Das für die Reinheit Wesentliche ist nämlich nicht das Untertauchen im Wasser, sondern wird durch die innere Umkehr des Menschen bewirkt. Leider bricht der erhaltene Text an dieser Stelle bis auf wenige Wortreste ab. Unbestreitbar ist allerdings, dass Jesus sich nach P.Oxy. 840 mit seinen Jüngern ausdrücklich gleichstellt. Er unterstreicht nämlich, sie alle hätten sich sehr wohl im Wasser untergetaucht (Z. 43–44), indessen nicht in rituellen Tauchbädern, wie sie die Priester und andere Tempelbesucher vor dem Eintreten in die Vorhöfe des Heiligtums aufzusuchen hatten. Daraus wird deutlich, dass Jesus in dem Fragment von Wasser spricht, das von innen heraus und nicht allein auf der äußeren Körperhaut wirkt. Weil jedoch der auf dem Pergamentblatt noch lesbare Text an dieser Stelle endet, kann man über den Sinn des Folgenden auf der Grundlage der kurzen Textpartie am unteren beschädigten Blattrand von P.Oxy. 840 nur noch Vermutungen anstellen. Einen Hinweis, was gemeint sein könnte, geben die letzten teilweise erkennbaren Worte der Antwort Jesu, die ganz am unteren Rand erhalten sind. Sie verbinden das Stichwort βεβάμμεθα mit ἐν ὕδατι ζωῆς (Z. 43–44). In der Lücke am Ende der vorletzten Textzeile könnte man eventuell das Adjektiv αἰωνίου ergänzen, was das „Leben“ als „ewiges Leben“ qualifizieren würde. Für die Interpretation ergeben sich aus den letzten Textzeilen zwei Möglichkeiten: Geht man davon aus, dass das Verb βεβάμμεθα die Taufe meint, so wäre an dieser Stelle das 58 Blau, Das neue Evangelienfragment, 215. 59 mMiq 1,1 und 5,4; vgl. ferner mEd 7,3 f und bBer 55b; dazu Blau, Das neue Evangelienfragment, 215; Schoeps, Theologie, 144. 60 Jesus kommt es nicht darauf an, die Qualität des Wassers aus dem Aquädukt zu kritisieren, das den Tempel in Jerusalem versorgte, sondern darauf, dass diese unreinen Tiere eben mitunter im Wasser liegen, was der Polemik dient; vgl. die Überlegungen von Lietzmann (Das neugefundene Evangelienfragment, 671) sowie Kruger (Papyrus, 151). 61 Vgl. den Hinweis von Booth (Jesus, 213).

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Getauftsein62 in der Vergangenheit betont. Gemeint wäre folglich die – in der Erzählperspektive – im Hinblick auf Jesus bzw. seine Jünger vergangene Taufe, d. h. die Taufe des Johannes. Dabei scheint Jesus vorauszusetzen, dass er ebenso wie seine Jünger in einem lebendigen, d. h. fließenden Gewässer – dem Jordanfluss – getauft wurde. Denkbar ist ferner, dass Jesus möglicherweise darauf anspielt, dass er von Johannes getauft wurde und er selbst seine Jünger taufte bzw. dass diese sich gegenseitig die Taufe im Jordan gespendet hätten, wie es ein durch Johannes Moschus erhaltenes Zitat aus den heute bis auf Bruchstücke verlorenen Hypotyposen des Clemens von Alexandria voraussetzt.63 Wie dem auch sei, diese Erklärung bezieht die Stelle auf eine tatsächliche Taufe im Jordan. Eine andere mögliche Deutung stützt sich auf einen übertragenen Gebrauch: Unter den „Wassern des Lebens“ wäre dann der Heilige Geist zu verstehen (vgl. Joh 7,38 f; Apk 22,17).64 Das Bild des Geistes als vom Himmel herabfließendes Wasser ist biblisch verschiedentlich bezeugt (Jes 44,3; Ez 39,29; Joel 3,1). Der Geist würde demnach – jedenfalls nach P.Oxy. 840 – Jesus mit seinen Jüngern vereinen65 und sein Empfang würde sie – schon wegen des an dieser Stelle implizierten Reinheitsverständnisses – von der Priesterschaft und den meisten anderen Juden unterscheiden:66 Die Anwesenheit des Geistes Gottes schließt ja alle Unreinheit per se aus.

4. P.Oxy. 840 und das Judenchristentum Auch wenn die fragmentarisch überlieferte Schlusspassage viele Fragen offen lässt, so können wir erkennen, dass dieser Text aus einem sonst unbekannten Evangelium starkes Interesse an den Ritualen und Reinheitsvorstellungen des Tempels in Jerusalem voraussetzt.67 Zudem war sein Autor vergleichsweise gut informiert, kannte Details etwa über die zwei getrennten Treppen eines Ritualbades, den Kleiderwechsel oder das zur Schaustellen der heiligen Tempelgeräte, wie es die pharisäischen Priester durchgesetzt hatten. Dies alles weist auf ein judenchristliches Milieu hin, in dem Jesu Einstellung 62 Das Verb βαπτίζειν kann auch ein Tauchbad in einer Quelle bezeichnen, wie Judith 12,8 voraussetzt; vgl. den Hinweis von Wright (Jewish Ritual Baths, 208). 63 Frgm. 6 (aus dem fünften Buch der Hypotyposen, Text: Stählin/Früchtel, 196, 21–25): Nach Clemens habe Jesus selbst nur Petrus getauft und Petrus Andreas. Von Andreas seien dann Jakobus und Johannes getauft worden, die wiederum „die übrigen“ (ἐκεῖνοι δὲ τοὺς λοιπούς) getauft hätten. Die von Clemens vorausgesetzte Beschränkung der Taufe durch Jesus auf Petrus setzt offenbar Joh 3,22 bzw. die Korrektur in Joh 4,1 f voraus. Ich verdanke den Hinweis auf diese Stelle Dr. Uwe-Karsten Plisch (Berlin). 64 Lagrange, Nouveau Fragment, 552. 65 Jesus schließt sich an dieser Stelle mit den Jüngern im „wir“ zusammen, wie Jeremias (Unbekannte Jesusworte, 58) hervorhebt, der nur noch Mk 10,33 par und Lk 22,8 zum Vergleich anführt. 66 Es ginge aber viel zu weit, Jesus eine generelle Ablehnung aller Reinheitsvorschriften zu unterstellen, so Leipoldt, Jesu Verhältnis, 49. Jesus ging es vielmehr um die Wertigkeit der Reinheit, s. Regev, Pure Individualism, 200. 67 Vgl. hierzu die Schlussfolgerungen von Kruger (Papyrus, 164), denen ich in diesem Punkt zustimme.

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zum Jerusalemer Tempel mehr Aufmerksamkeit zuteilwurde als in anderen christlichen Kreisen, selbst nachdem Jerusalem und das Heiligtum durch die Römer zerstört worden waren. In einem solchen Umfeld könnte das Evangelium, von dem uns P.Oxy. 840 ein Stück erhalten hat, wohl im zweiten Jahrhundert n. Chr., entstanden sein. Für diese Entstehungszeit nach den kanonischen Evangelien sprechen außerdem einige Anhaltspunkte wie z. B., dass Jesus in dem Evangeliumsfragment – soweit dies noch erkennbar ist – konsequent σωτήρ68 genannt wird, was auch im Unbekannten Berliner Evangelium69 wiederkehrt, das ebenfalls in das zweite Jahrhundert n. Chr. zu datieren sein könnte.70 Ob man jedoch eine anderweitig bezeugte, judenchristliche Gruppe wie die Nazoräer, die Michael J. Kruger ins Spiel gebracht hat, mit dem Fragment des Evangeliums in Verbindung bringen kann, scheint mir fraglich.71 Dass der Text aber aus der Ambiance judenchristlicher Gemeinden stammt, bleibt nichtsdestotrotz die wahrscheinlichste Lösung.72 Diese Annahme lässt sich durch eine weitere Parallele aus einem judenchristlichen Umfeld untermauern, die Kruger in seinen Untersuchungen nicht berücksichtigt hat: Sie findet sich in dem Apostelroman der Pseudoclementinen,

68 Die Bezeichnung, die zum ersten Mal in Phil 3,20 vorkommt, findet sich in den kanonischen Evangelien für Christus nur in Lk 2,11 und Joh 4,42 und dann öfter in Texten wie z. B. Eph 5,23; 2Tim 1,10; Tit 1,4; 2,13; 3,6 sowie 2Petr 1,1.11; 2,20; 3,2.18, die eine „spätere Christologie“ voraussetzen (Schelkle, Art σωτήρ, ῆρος, ὁ, 783). Dieser Befund ist sicherlich ein Indiz für die relativ späte Entstehung des uns durch P.Oxy. 840 überlieferten Evangeliums, das seinerseits die kanonischen Evangelien bereits voraussetzt, vgl. ferner Kruger, The Gospel, 145–205, und ders., Papyrus, 159. 69 Vgl. z. B. UBE 98,27; 100,27; 101,36; dazu Hedrick/Mirecki, Gospel, 16. Im Unbekannten Berliner Evangelium ist aber auch vom „Herrn“ oder „Sohn“ die Rede, s. den Hinweis bei Frey (Leidenskampf, 74). 70 Wenn man für die koptisch erhaltenen Fragmente eine griechische Vorlage annimmt, so könnte das Unbekannte Berliner Evangelium möglicherweise in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts zu datieren sein; vgl. die Diskussion der Datierung, die wiederum davon abhängt, ob der koptisch erhaltene Text aus dem Griechischen übersetzt wurde, bei Nagel (Gespräche Jesu, 225, 238) bzw. Plisch (Zu einigen Einleitungsfragen, 68). Weitere Argumente für eine vergleichsweise späte Entstehung des Textes und entsprechende „Verwilderung“ der Tradition sammelt Frey (Leidenskampf, 79–82). Parallelen lassen sich zudem in vergleichsweise späten koptischen „Apostelbüchern“ nachweisen, s. Hagen, Ein anderer Kontext, 360–363. Die Bezeichnung Jesu als σωτήρ begegnet auch einmal im Petrusevangelium im Munde des Schächers, EvPetr 4,13 (Text: Lührmann/Schlarb 87), aber ihre häufige Verwendung zeichnet neben P.Oxy. 840 nur noch das Unbekannte Berliner Evangelium aus; s. Plisch, Zu einigen Einleitungsfragen, 78. 71 Vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen von Nicklas (Critical Study, 210). 72 Immerhin findet sich in der Überlieferung der Toledot Jeschu in einigen der verschiedenen erhaltenen Manuskripte der Hinweis, Jesus habe sich in Jerusalems Tempel zusammen mit seinen Jüngern durch die gemeinsame Kleidung von allen übrigen Pilgern unterschieden, was aber in den diversen sehr späten Textzeugen durch mannigfaltige Weiterungen, wie, dass dies der Tarnung bei drohender Verhaftung gedient hätte, übermalt wurde; s. die Diskussion dieser Sonderüberlieferung durch Krauss (Das Leben, 196 f) bzw. Schlichting (Ein jüdisches Leben, 127 bzw. 209 Anm. 442); vgl. ferner Krupp (Eine jüdische Erzählung, 52). Zweifellos ist in dieser Jesuserzählung mit einer gezielten polemischen Abgrenzung gegenüber dem Judenchristentum und den Überlieferungen der Evangelien zu rechen. Dies diskutiert Piovanelli, The Toledot Yeshu, 98–100.

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dessen Entstehung wohl in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. fällt73 und der somit deutlich jünger ist als dasjenige Evangelium, aus dem uns P.Oxy. 840 ein Blatt bewahrt hat. Die Notwendigkeit von regelmäßigen Tauchbädern wird in den Pseudoclementinen – sowohl in der lateinischen Version der Rekognitionen als auch in den griechischen Homilien – für Christen eingeschärft, wobei in der heute nicht mehr vorhandenen gemeinsamen Grundschrift des Apostelromans höchstwahrscheinlich neben diversen anderen Vorlagen auch judenchristliche Quellen verarbeitet wurden. In unserem Zusammenhang ist interessant, dass an der einschlägigen Passage der Rekognitionen bzw. Homilien die rituellen Bäder zwar befürwortet, aber ähnlich wie in P.Oxy. 840 einer inneren Reinheit untergeordnet werden, was sich mit einer expliziten polemischen Frontstellung gegen die Pharisäer verbindet.74 Nur der Jerusalemer Tempel und seine Priesterschaft werden nicht mehr erwähnt, vermutlich weil der Tempel mit seinen Opfern entsprechend der in den Pseudoclementinen verarbeiteten speziellen judenchristlichen Theologie als durch die von Jesus eingeführte Taufe überholt galt.75 Stattdessen konzentriert sich in den Pseudoclementinen die Diskussion auf die von der Tora geforderten rituellen Waschungen nach der Menstruation (vgl. Lev 15,24–27). Sie werden akzeptiert, sogar mit Nachdruck empfohlen, aber doch als gegenüber der inneren Reinigung zweitrangig erachtet. Dass solche von der Tora angeordneten Tauchbäder von Christen tatsächlich beibehalten wurden, setzen z. B. die im dritten Jahrhundert n. Chr. wohl in Syrien entstandenen Apostolischen Konstitutionen voraus, die diese Praxis scharf bekämpfen.76 Ferner bezeugt Epiphanius diese Art von Waschungen und bringt sie mit den Ebioniten in Verbindung.77 Die Relevanz der ganzen Fragestellung und entsprechender von einigen Christen gepflegter Reinigungsrituale belegt 73 Zur Entstehung und Quellenlage s. die zusammenfassende Einleitung von Wehnert (Pseudoklementinische Homilien, 32–36). 74 PsClem H XI 28,4–29,2 mit ausdrücklichem Verweis auf Mt 23,25 f. Das Prinzip fasst in PsClem H XI 28,3 die Formel zusammen, dass man sich nicht auf körperliche Reinheit konzentrieren solle, denn es sei nicht so, dass „die Reinigung des Körpers Vorrang vor der Reinigung in Bezug auf das Herz hat, sondern so, dass dem Guten das Reine folgt“ (Text: Rehm, 168,9–11: ὅτι προηγεῖται τῆς κατὰ τὴν καρδίαν καθάρσεως ἡ τοῦ σώματος ἁγνεία, ἀλλ᾽ ὡς ὅτι ἕπεται τῷ ἀγαθῷ τὸ καθάριον); vgl. ähnlich PsClem R VI 11; dazu Fitzmyer, The Qumran Scrolls, 226 sowie van Unnik, The Mosaic Law, 33. 75 PsClem R I 39 vgl. I 37. Dies entspricht einem Zitat des Epiphanius aus einem Evangelium der Ebioniten, wonach Jesus den Jerusalemer Opferkult für alle Zukunft beenden wollte und als Grund des göttlichen Zorns verdammte: „Ich bin gekommen, die Opfer abzuschaffen“ (haer. 30,16,5; Text: Holl, 354, 7; vgl. Preuschen, Antilegomena, 143, Nr. 8, sowie Klijn, Jewish-Christian Gospel, 75 f, Nr. XI). Zu diesem Logion und seinen Parallelen in den Pseudoclementinen s. Schoeps (Theologie, 222 f). Diese opferkritische Position übernehmen dann die Elkesaiten und von ihnen diverse Gruppen bis in die islamische Zeit, wie Pines (The Jewish Christians, 44) erläutert. 76 ConstAp VI 27 (Text: Funk, 368–375). 77 Dass bei den Ebioniten solche Waschungen nach dem Geschlechtsverkehr üblich waren, überliefert uns Epiphanius, haer. 30,2,3–6 (Text: Holl, 334, 16–20). Dabei scheint Epiphanius in der betreffenden Passage nicht aus ihm vorliegenden schriftlichen Quellen, zu denen auch den Pseudoclementinen ähnliche Überlieferungen gehörten, geschöpft zu haben, sondern aus anderen Informationen. Er weiß z. B. mitzuteilen, dass diese Tauchbäder oft voll bekleidet vollzogen wurden, was sie vom Besuch einer Therme unterschieden hat.

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uns darüber hinaus, dass sich beispielsweise Clemens von Alexandria mit durchaus polemischen Untertönen gegen sie abgrenzte.78 Für unsere Untersuchung sind jedoch die Pseudoclementinen von größerem Interesse, da sich in ihnen dieselbe Rangfolge zwischen innerer Reinheit und Tauchbad wie in P.Oxy. 840 findet, wobei die von der Tora vorgeschriebenen Taufbäder beibehalten werden. Allerdings nimmt P.Oxy. 840, dadurch dass hier die Waschungen im Jerusalemer Tempel in den Blick gefasst werden, ein Thema auf, das sonst in keiner anderen christlichen Überlieferung auftaucht79 und fast immer stillschweigend übergangen wird, wohl weil das Jerusalemer Heiligtum nicht mehr existierte.80 In dem Evangeliumfragment aus P.Oxy. 840 ist dies ganz anders: Diese Beobachtung könnte dafür sprechen, dass in diesem Bruchstück eine Erinnerung an ein spezifisches Problem aus der Zeit, als der Jerusalemer Tempel noch stand, bewahrt wird, die nicht aus den Konflikten der christlichen Gemeinde gespeist ist. Wie wir sahen, entzündeten sich die späteren innerchristlichen Auseinandersetzungen eher an den in Lev 15 gebotenen rituellen Waschungen, die in judenchristlichen Kreisen weiterhin praktiziert wurden, was auch die Ablehnung einiger Kirchenväter hervorrief. Die Diskussion über das Händewaschen in Mk 7,2–4 par. bzw. das Waschen von Geschirr in Mk 7,4 par. Lk 11,39 berührt hingegen einen weniger sensiblen Bereich als die kultische Reinheit im Tempel. Die ganze Schärfe der auch von den synoptischen Evangelien vorausgesetzten Debatte wird also 78 Strom. III 12,82,3 (Text: Stählin et al., 234, 38). Clemens betont hier, alle Reinigungsbäder – wie die nach Geschlechtsverkehr – seien durch die Taufe ein für alle Mal aufgehoben; ähnlich protr. III 9, wo Bäder nur zur Beseitigung von Schmutz zugelassen sind, was Clemens mit einem Hinweis auf die Pharisäer und Schriftgelehrte und einem Zitat aus Mt 23,25 f verbindet; vgl. dazu Koskenniemi, Legal Texts, 44 f. Ähnlich wie Clemens argumentiert bereits Justin, dial. 14. 79 Ein fernes Echo mag sich in der islamischen Jesusüberlieferung – vermittelt vielleicht durch judenchristliche Einflüsse, deren mögliches Nachwirken in der muslimisch-kontroverstheologischen Literatur Sh. Pines (The Jewish Christians, bes. 39–41) diskutiert – erhalten haben; vgl. dazu ein Jesuszitat aus dem Ras᾽il Ikhwān al-Safā bei Khalidi (Der muslimische Jesus, 146 f Nr. 161), wo Jesus das Tragen einer von Walkern frisch gereinigten und gebleichten weißen Kleidung kritisiert, wenn das Innere des Menschen nicht von „dem Unrat von Unvernunft und Blindheit“ befreit sei. Der jüdische Tempel bleibt jedoch auch hier außen vor, obschon das Kleidungsproblem aufgenommen wird; zu dem betreffenden enzyklopädischen Sammelwerk der „lauteren Brüder“ (Ikhwān al-Safā) – möglicherweise aus Basra im heutigen Südirak – und der darin gesammelten Jesus-Tradition s. Marquet, Art. Ikhwān al-Safā᾽, 1075; Nanji, Art. Ikhwan al-Safa, 349 bzw. Poonawala, Art. Ikhwān al-Safā᾽, 4376. 80 Bezeichnend hierfür sind die Überlegungen von Johannes Chrysostomus, der sich in der in seinen antiochener Jahren entstandenen Homilie, De baptismo Christi 2 f (Text: PG 49, 366), ausdrücklich im Zusammenhang mit der Taufe des Johannes und der der Christen – unter explizitem Verweis auf Lev 15,7 – mit den von der Tora gebotenen Ritualbädern auseinandersetzt, diese aber als rein körperliche Reinigung qualifiziert, die keine Sünden vergeben könnte (Τὸ μὲν οὖν ᾽Ιουδαϊκὸν καθάρσιον ἁμαρτημάτων μὲν οὐκ ἀπήλλαττε, ῥύπων δέ σωματικῶν μόνον). Die Johannestaufe wird von ihm als eine Art „Brücke“ (γέφυρα) zur christlichen Taufe interpretiert, die allein den Geist verleihe. Letzterem hätte auch der Autor von P.Oxy. 840 vielleicht zugestimmt, wenn denn das in der Schlusspassage des Fragments erwähnte Lebenswasser auf den Geist zu deuten ist. Allerdings wird in P.Oxy. 840 die Frage des Tempelkults viel detaillierter in den Blick genommen als bei Johannes Chrysostomus, der diesen vollkommen übergeht. Er war für ihn offenbar kein theologisches Problem mehr, das in seine Erörterung jüdischer Ritualbäder einbezogen werden musste.

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erst vor dem Hintergrund des Heiligtums vollkommen transparent. Dass das in P.Oxy. 840 enthaltene Streitgespräch aus den synoptischen Parallelen erst sekundär generiert ist, erscheint mir daher unwahrscheinlich.

5. Eine Parallele in der Gemeinderegel aus Qumran Schließlich gibt es noch eine weitere Parallele zu dem von Jesus in P.Oxy 840 eingenommenen Standpunkt, die sich unbestreitbar in vorchristliche Zeit datieren lässt: Es handelt sich hierbei um eine Passage aus den Qumranfunden. Seit der Entdeckung der Schriftrollen wurde der betreffende Textabschnitt schon öfters diskutiert. Er findet sich in der sog. Gemeinderegel, die in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. entstanden sein dürfte.81 In der uns interessierenden Stelle, die die Neuaufnahme von Mitgliedern regelt, geht es um Juden, die sich – wohl nach einer gewissen Probezeit – gegen die Aufnahme in diejenige Gemeinschaft entschieden hatten, deren Zusammenleben in dieser Schrift geordnet wird.82 Über solche Leute außerhalb dieser (höchstwahrscheinlich essenischen) Gruppe urteilt der Verfasser:83 Nicht wird er entsühnt durch Sühnungen, und nicht darf er sich reinigen durch Reinigungswasser und nicht darf er sich heiligen in Meereswasser oder Flüssen und nicht darf er sich reinigen durch irgendein Wasser der Waschung. Unrein, unrein soll er sein alle Tage, da er verwirft die Satzungen Gottes, ohne sich zurechtzuweisen zu lassen in der Gemeinschaft seines Rates. Denn durch den Geist des wahrhaftigen Rates Gottes werden die Wege eines Mannes entsühnt, alle seine Sünden, so dass er das Licht des Lebens erblicken kann. Und durch den heiligen Geist der Gemeinschaft in seiner Wahrheit wird er gereinigt von allen seinen Sünden, und durch den Geist der Rechtschaffenheit und Demut wird seine Sünde gesühnt. Und wenn er seine Seele demütigt unter alle Gebote Gottes, wird sein Fleisch gereinigt werden, dass man ihn mit Reinigungswasser besprenge und dass er sich heilige durch Wasser der Reinheit. (1QS III 4–9)

Im zitierten Textabschnitt aus Qumran, den der Verfasser des Evangeliums in P.Oxy 840 sicherlich nicht kannte, gibt es deutliche Konvergenzen mit Jesu Ausführungen in dem Fragment, insofern als er mit einer heftigen Polemik gegen kultische Waschungen einsetzt. Diese Reinigungsrituale, sei es im Meer, in Flüssen oder in einem anderen Wasser, erreichen (sozusagen per opere operato) ihr Ziel nicht und führen die intendierte Reinheit nicht herbei.84 Wer sich ihnen unterzieht, bleibt trotzdem unrein: „Unrein, unrein soll er sein“, falls er sich der betreffenden Gruppe nicht anschließt. Von ent81 Zur Datierung s. Stegemann, Die Essener, 152. 82 Zur Deutung des Textabschnitts auf Leute, die sich nach einer gewissen Probezeit gegen die Aufnahme in die Gemeinschaft entschieden, vgl. Knibb, The Qumran Community, 91. 83 Text: Charlesworth et al., 12–15; Übersetzung: Lohse, 9–11. 84 Vgl. Newton, The Concept, 25; Baumgarten, The Purification Rituals, 199; García Martínez, The Problem, 154; Baumgarten, The Purification Liturgies, 139.

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scheidender Bedeutung ist es, „sich zurechtweisen zu lassen“ und die Seele unter Gottes Gebote zu demütigen.85 Erst danach erfolgt eine Reinigung durch den Geist,86 der jedoch nur innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft seine Wirkung entfaltet.87 Wir erörterten bereits, dass in P.Oxy. 840 möglicherweise ebenfalls vom Wirken des Geistes die Rede ist, selbst wenn die letzten Zeilen des Textes wegen ihres schlechten Erhaltungszustands mehrdeutig bleiben. Als weitere wichtige Übereinstimmung kommt hinzu, dass laut der Gemeinderegel aus Qumran die Voraussetzung für Reinheit darin zu suchen ist, dass man sich zu einer Gemeinschaft bekannt hat und sich ihren spezifischen ethischen Anforderungen unterwirft. Auf diese Weise wird in dem Qumrantext der Konnex zwischen Reinheit und der inneren Kohärenz einer religiösen Gruppe88 transparent, der auch in P.Oxy. 840 vorausgesetzt ist. Dementsprechend schließt sich Jesus am Ende des Fragments explizit mit seinen Jüngern zusammen und stellt sich dem pharisäischen Priester und der durch ihn repräsentierten jüdischen Mehrheit im Tempel gegenüber. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass er sich sogar gemeinsam mit den Jüngern als βεβάμμεθα bezeichnet.

6. Ergebnis Auch wenn der Sinn von P.Oxy. 840 wegen seines fragmentarischen Zustands – gerade im Hinblick auf die Schlusspassage – m. E. nicht ganz eindeutig zu eruieren ist, so ist doch klar, dass eine Grenze zwischen dem sozialen Innenraum der das in P.Oxy. 840 erhaltene Evangelium überliefernden Gruppierung und der Außenwelt markiert werden soll. Diese Divergenz ist dabei nicht in die Situation der späteren christlichen Mehrheitskirche eingebettet, für die der Tempel in Jerusalem und die mit ihm verbundenen Reinheitsfragen immer unbedeutender wurden. Vielmehr scheint sich der Text aus dem Selbstverständnis (und den Traditionen) judenchristlicher Gruppen herzuleiten, für die dieser heilige Ort noch immer von großem Interesse war und auch im Blick auf die Reinheitsfrage seine Relevanz behalten hatte. Jesus durchbricht – so stellt es der Text dar – für sich und seine Jünger die für alle erkennbare Konformität mit den anderen Tempelbesuchern, was sich darin dokumentiert, dass er die geltende pharisäische Sitte nicht befolgte und Kleiderwechsel, Fußwaschungen und zusätzliche Tauchbäder vor Betreten des den Juden vorbehaltenen Tempelareals unterließ. Ferner zeigt sich Jesu Proprium im Wechsel des Blickwinkels, unter dem von ihm gewisse Rituale, die der kultischen Reinheit dienen sollten, bewertet wurden. Die von der Tora vorgeschriebenen priesterlichen Waschungen lehnte er zwar keineswegs rundweg ab, 85 Thiering, Inner and Outer Cleaning, 268; Klawans, Moral, 280 f. 86 Vgl. Neusner, A History, 45; Baumgarten, The Purification Liturgies, 207. 87 Baumgarten, Sacrifice, 48 f; Janowski/Lichtenberger, Enderwartung, 48; García Martínez, The Problem, 155 f. Ihre Reinheitsvorstellungen trennen also diese Gruppe vom Rest des jüdischen Volkes. 88 Vgl. die Überlegungen von Douglas (Reinheit, 151).

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was ein unhintergehbares Sakrileg bedeutet hätte, aber er überbietet sie durch seine Forderung nach einer Überwindung der Schlechtigkeit im Inneren des Menschen, d. h. durch eine strikte ethische Zuspitzung. Unter dieser Perspektive ist jedes Waschen und Baden zum Erlangen der Reinheit zweitrangig. Somit trat sowohl in der äußeren Erscheinung als auch in der ihr korrespondierenden und sie legitimierenden Lehre die gruppenspezifische Besonderheit Jesu und der Seinen augenfällig in Erscheinung. Die Herausbildung einer eigenen (christlichen) Identität, die zumindest in denjenigen Kreisen, die diese Erzählung tradiert haben, mit Erinnerungen an Jesu Auftreten im Jerusalemer Tempel verknüpft wurde, hätte also in diesen mit tempelspezifischen Reinheitsfragen verbundenen Differenzen eine mögliche Wurzel.

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Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium: Das ambivalente Verhältnis des Matthäus zu seinem jüdischen Hintergrund J. Cornelis de Vos

Einführung Wie hinlänglich bekannt, werden im Matthäusevangelium Schriftgelehrte und Pharisäer heftig kritisiert. Dabei geht das Matthäusevangelium weit über seine Vorlagen hinaus;1 dies ist für manche Forscher/-innen ein Anlass, ihm Antijudaismus vorzuwerfen2 – wobei allerdings zu klären ist, ob die Schriftgelehrten und Pharisäer für das Judentum stehen. Gleichzeitig ist das Matthäusevangelium sehr alttestamentlich-jüdisch

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Allein schon der statistische Befund macht aufmerksam: Das Markusevangelium hat 11 und Q 3 bis 4 (11,39 [2x].43.44 [?]) Belege von φαρισαῖος, das Matthäusevangelium dagegen 29; zum Vergleich: Das Lukasevangelium hat über Q hinaus 22 bis 23 Belege. Der Befund bei γραμματεύς ist im Vergleich zum Markusevangelium nicht signifikant. Das Markusevangelium hat 21, das Matthäusevangelium 22, und das Lukasevangelium 14 Belege. Dagegen hat Q überhaupt keine Belege von γραμματεύς. Der Befund zum gemeinsamen Vorkommen von γραμματεῖς καὶ φαρισαῖοι ist: Mk 3-mal, Mt 10-mal und Lk 5-mal. S. weiter unten S. 113–115. S. z. B. Cook, „Pro-Jewish“ Passages, 135: „The Gospel According to Matthew manifests a persistent anti-Jewish animus“; ähnlich S. 138; vgl. Saldarini, Deligitimation, 680 („anti-Jewish rhetoric“). und Luz in seiner Deutung von Mt 27,25: „[…] das Nein Israels zu Jesus, ja, die heilsgeschichtliche Sackgasse des Gottesvolkes Israel“ (Matthäus, Bd. 4, 278). Luz geht von einem Bruch zwischen der matthäischen Gemeinde und dem jüdischen Synagogenverband aus (Matthäus, Bd. 1, 94–99) und schreibt: „Das Matthäusevangelium ist eine Antwort auf das Nein der großen Mehrheit Israels zu Jesus. Es ist der Versuch, dieses Nein in einer grundsätzlichen Standortbestimmung zu verarbeiten und damit zur Identitätsbildung und Identitätsbewahrung der Gemeinde in einer Situation der Krise und des Übergangs beizutragen“ (ebd. 98; ähnlich Gale, Matthew, 2; Luck, Matthäus, 15; vgl. Saldarini, Pharisees, 289); anders Lohmeyer/Schmauch, Matthäus, 335. Gnilka, Matthäusevangelium, Bd. 2, 533, belässt die Antwort auf die Frage, ob sich die matthäische Gemeinde bereits oder noch nicht von dem Synagogenverband getrennt hat, offen. Er notiert lediglich eine „heftige[r] Auseinandersetzung mit der Synagoge, mit einem Judentum, das nach 70 vom Pharisaismus geprägt wurde“ (ebd.). Fiedler, Matthäusevangelium, 33 f, spricht einerseits von Behauptungen im Matthäusevangelium, „die durchaus das Prädikat ‚antijüdisch‘ verdienen“ (ebd., 33), geht aber davon aus, dass „Mt und seine Gemeinschaft als ‚Bestandteil‘ des damaligen Judentums und somit als durch und durch jüdisch geprägt wahr zu nehmen“ sind (ebd., 34). S. weiter zum Verhältnis von Judentum und „Christentum“ im Matthäusevangelium Broer, Verhältnis; Feldmeier, Israel; Fiedler, Matthäusevangelium, 33 f.

Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium

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geprägt.3 Wie kann man dies zusammenbringen? Es gibt in Anlehnung an M. J. Cook sechs Lösungsansätze:4 1. Der unbekannte Autor bzw. Redaktor des Matthäusevangeliums selbst (weiterhin „Matthäus“5) war anti-jüdisch, aber Teile seines Quellenmaterials pro-jüdisch; 2. Matthäus war pro-jüdisch, aber ein späterer Redaktor anti-jüdisch; 3. Matthäus ist vom Judentum zum Christentum konvertiert. Sein jüdischer Hintergrund hat zu den projüdischen, die Aufarbeitung seiner jüdischen Vergangenheit zu den antijüdischen Äußerungen geführt; 4. Matthäus hatte mit verschiedenen Adressaten zu tun, jüdischen oder judenfreundlichen und nichtjüdischen oder weniger judenfreundlichen, die er alle ansprechen wollte; 5. Matthäus hatte die Befürchtung, dass die sogenannten Heidenchristen die partikularen jüdischen Wurzeln des Christentums verlieren könnten, und betonte deshalb das jüdische Element. Andererseits wollte er den Universalismus des Christentums betonen, was zu den weniger judenfreundlichen Äußerungen führte; 6. das Matthäusevangelium spiegelt die Auseinandersetzung mit den frühen Rabbinen wider, aus der sowohl judenfreundliche als auch weniger judenfreundliche Elemente hervorgegangen sind.6 Diese Auflistung birgt schon viele Voraussetzungen in sich, die näher zu untersuchen wären, gleichzeitig aber zu unentwirrbaren zirkulären Argumentationen führen können. Im Folgenden kann und will ich nur einen Diskussionsbeitrag liefern, keine erschöpfende Behandlung dieses Themas. Ich werde also eine „Schneise durch große Themen schlagen“ müssen. Zurück zu den obigen Lösungsansätzen. Zunächst meine ich, dass es schwierig ist, von einer Konversion (3.) vom Judentum zum Christentum zu reden. Unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass es im ersten Jahrhundert n. Chr. ein „common

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S. vor allem die Bedeutung des jüdischen Gesetzes im Matthäusevangelium (vor allem Mt 5,17– 20.21–48); s. Deines, Gerechtigkeit; Konradt, Vollkommene Erfüllung; Pamment, Singleness; Reinbold, Matthäusevangelium; sowie Gnilka, Matthäusevangelium, Bd. 2, 513. Cook „Pro-Jewish“ Passages, 139 f. Cook, ebd., spricht hauptsächlich von „redactor“, doch konsequent ist er dabei nicht, denn beim vierten Lösungsansatz redet er von „author“, beim sechsten von „Matthew“ (ebd. 140). Ich benutze durchgehend die Kurzbezeichnung „Matthäus“ und meine damit den wohl unbekannten Autor des Matthäusevangelium, der durch die Aufnahme vorliegenden Materials auch als Redaktor zu bezeichnen ist; s. ausführlich zur Frage der Autorschaft des Matthäusevangeliums Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 7–58. Der 6. Punkt bei Cook, scheint mir kein eigener zu sein, sondern mit Punkten 3.–5. zusammengehen zu können.

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Judaism“ (E. P. Sanders7) oder ein „formative Judaism“ (J. Neusner8) gab bzw. ob man von einem mehr oder weniger einheitlichen Judentum („covenantal nomism“; Sanders) oder sehr divergierenden Judentum ausgeht („variegated nomism“; D. A. Carson et al.9), Konversion impliziert eine Zuwendung von einem religiösen System zu einem anderen. Steve Mason hat vor nicht allzu langer Zeit darauf hingewiesen, dass es Religion als emischen Begriff in der Antike nicht gab. Er betrachtet das, was wir als Religion betrachten, als Teil des Ethnosbegriffes.10 Wenn diese Religion tatsächlich an den Ethnosbegriff gebunden ist, würde „Konversion“ die Aufgabe der eigenen ethnischen Zugehörigkeit bedeuten. Bei der Definition von Christentum im ersten Jahrhundert n. Chr. haben wir weitaus größere Probleme als bei der Definition des Judentums. Kann man Juden noch als Teil einer Ethnie mit gemeinsamer Abstammung und gemeinsamem Territorium usw. bestimmen,11 so wird das bei Christen komplizierter, weil mit den sogenannten Heidenchristen Menschen anderer Abstammung und aus anderen Territorien hinzutreten. Wenn sie zum ethnos der Ἰουδαῖοι hinzutreten, werden sie Ἰουδαῖοι, wobei undeutlich ist, ob sie damit Judäer, Juden, beides oder irgendetwas dazwischen werden.12 Treten sie einer eigenen Ethnie bei, dann bilden sie etwas, was es in der Antike eigentlich nicht gab bzw. mit großem Befremden gesehen wurde.13 7 S. Sanders, Practice (s. dazu Neusner, Practice), und Jewish Law (s. dazu Neusner, Mr. Sander’s Pharisees). Bei common Judaism geht es um einen Durchschnitt der identitätsstiftenden Merkmale des Frühjudentums. Sanders hat auch den Begriff „covenantal Judaism“ geprägt (Paul; s. dazu Hengel et al., Sanders’ „Common Judaism“). Hier gehe es um die zugrundeliegenden Prinzipien der Identität des Frühjudentums. Letzteres sei von vielen nicht verstanden worden. In seinem Aufsatz Covenantal Nomism Revisited räumt Sanders ein, dass er zunächst den Begriff „common Judaism“ hätte prägen sollen, und dann erst den Begriff „covenantal Judaism“ (vgl. ebd., 25: „Alas! My brain just did not work this way“). 8 Neusner, Formative Judaism; Judentum, u. ö. 9 Carson et al., Justification. 10 Mason, Jews (wieder abgedruckt in: ders., Josephus, 141–184); s. auch Baker, „Jew“; Berkowitz, Defining; Cohen, ἸΟΥΔΑΙΟΣ; Miller, Ethnicity; Schwartz, How Many Judaisms?; Stegemann, Religion; Trebilco, Self-Designations; Udoh, Redefining. Mason fokussiert m. E. zu stark auf den Wortbefund, den er zwar immer im Kontext analysiert, nicht aber auf die enzyklopädischen Voraussetzungen hin und die begriffliche Metaebene verschiedener Begriffe von Religion und der Texte insgesamt. Verdiskontiert man auch diese Ebenen, ist es sehr wohl möglich, einen Begriff von Religion, der weniger „embedded“ und deutlich eigenständiger ist als Mason meint, aus den Quellen herauszudestillieren. Allerdings haben wir dann genau das Problem der emischen versus etischen Perspektive auf antike Quellen und den Religionsbegriff, auf das uns Mason sehr klar hingewiesen hat. 11 S. die Auflistung bei Stegemann, Religion, 51: „gemeinsame Abstammung; ein gemeinsames Wohngebiet; eine gemeinsame Sprache; gemeinsame heilige Texte (darin auch Mythen und Geschichten des Volkes); einen gemeinsamen Tempel; und eine gemeinsame (Staats-)Verfassung (politeuma) (darin Gesetze, Sitten und Gebräuche).“ 12 S. die unter Anm. 10 genannte Literatur. 13 Das frühe Christentum wäre noch am ehesten als Sekte, im neutralen Sinne einer religiösen Sondergemeinschaft, zu bezeichnen; s. zur klassischen Definition von „Sekte“ Weber, Religionssoziologie, Bd. 1, 211 f, hier 211: „ein voluntaristischer Verband ausschließlich (der Idee nach) religiös-ethisch Qualifizierter, in den man freiwillig eintritt, wenn man freiwillig kraft religiöser B e w ä h r u n g

Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium

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Innerhalb dieser  – letztendlich unlösbaren  – Spannung müssen wir uns jetzt mit dem Matthäusevangelium und seinem Verfasser/Redaktor beschäftigen. Für die Bestimmung des Verhältnisses von Matthäus zu den Schriftgelehrten und Pharisäern ist es entscheidend zu wissen, ob Matthäus zur Zeit der Abfassung seines Evangeliums Jude ist, also, ob er zur jüdisch-judäischen Ethnie gehörte oder nicht. Falls er früher jüdisch war und sich zur Zeit der Abfassung des Matthäusevangeliums nicht mehr als jüdisch betrachtet, muss man sich fragen, was seine Identität dann jetzt ausmacht. In wieweit ist sie noch jüdisch bis sehr jüdisch geprägt, und in wieweit setzt Matthäus ein neues, anderes System voraus bzw. hat er dies entwickelt?14 Bei all diesen Fragen dürfen wir auch nicht aus dem Auge verlieren, dass Matthäus jüdisches oder nicht-jüdisches Traditionsgut in sein Evangelium eingebaut hat. Es ist unbestritten, dass das Matthäusevangelium in den meisten Fällen sehr negativ über Schriftgelehrte und Pharisäer schreibt. Ist es damit aber antijüdisch? Mit anderen Worten: Darf man Schriftgelehrte und Pharisäer mit dem Judentum gleichsetzen? Und in wieweit zeichnet das Matthäusevangelium ein überzogenes, stereotypes Bild von Schriftgelehrten und Pharisäern? Im Folgenden möchte ich eine Antwort auf diese zugegeben komplexen Fragen versuchen. Das werde ich in drei Schritten tun. Zunächst will ich kurz zeigen, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer im Matthäusevangelium dargestellt werden. Dann werde ich – noch kürzer – der Frage nachgehen, ob und in wieweit das Schriftgelehrtenund Pharisäerbild im Matthäusevangelium der Realität, soweit wir sie rekonstruieren können, entspricht. Dafür müssen wir die Ergebnisse für das Matthäusevangelium korrelieren mit den Beschreibungen von Schriftgelehrten und Pharisäern in anderen Quellen. Zum Schluss gehe ich dann auf das Thema dieses Bandes ein und frage nach dem Grad der Abgrenzungstendenzen; aber nicht nur nach dem Grad, sondern auch danach, wovon Matthäus und sein Trägerkreis, die matthäische Gruppe, sich eigentlich abgrenzen, und welche Rolle das Schriftgelehrten- und Pharisäerbild für das Selbstund Fremdbild des Matthäusevangeliums und sein Trägerkreis spielen.

Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium Vergleicht man das Matthäusevangelium mit den beiden anderen Synoptikern, zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass Matthäus’ Kritik an Schriftgelehrten und besonders [Sperrung im Original] Aufnahme findet.“ S. auch Regev, Sectarians?, der noch stärker als Weber den neutralen Begriff von „Sekte“ betont. 14 Für das Verständnis der pro- und antijüdischen Aussagen ist es von Bedeutung zu wissen, ob der Autor des Matthäusevangeliums jüdisch oder nichtjüdisch war (s. für eine Übersicht der diesbezüglichen Positionen bis 1985 Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 10 f). Die Diskussion darüber unterscheidet zwischen einer Auseinandersetzung zwischen Matthäus und dem Judentum intra murosund extra muros, zwischen einer inner- und einer außerjüdischen Auseinandersetzung. Allerdings dürfen wir auch innerjüdischen Antijudaismus nicht ausschließen wie das Beispiel 1Thess 2,14–16 zeigt.

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Pharisäern vergleichsweise hart ausfällt.15 Scheinbar aus dem Nichts attackiert Johannes der Täufer „viele Pharisäer und Sadduzäer“, die zu ihm kommen, um getauft zu werden, als „Otternbrut“ (Mt 3,7).16 In der Erzählung der Johannestaufe im Markusevangelium erfahren wir nichts über diese beiden Gruppen (Mk 1,4–11), sie werden folglich nicht von Johannes kritisiert. Diese Äußerung war wohl traditionell und wurde vermutlich aus Q adaptiert (Q 3,7). Doch auf das Konto des Matthäus gehen dieselben Beschimpfungen durch Jesus in 12,34 und 23,33 zurück, die keine synoptischen Parallelen haben. Einige Male werden im Matthäusevangelium Pharisäer für bestimmte Ereignisse allein verantwortlich gemacht.17 Bezeichnend ist in diesem Sinne der Bericht über den Todesbeschluss. Im Markusevangelium (Mk 3,6) sind es die Pharisäer und die sogenannten Herodianer,18 die den Beschluss fassen, Jesus zu töten. In Mt 12,24 sind es nur noch die Pharisäer, die hierfür verantwortlich sind.19 Zugunsten der Pharisäer muss allerdings gesagt werden, dass sie beim späteren Prozess – wenn es denn ein solcher war20 – und bei der Tötung Jesu überhaupt keine Rolle mehr spielen. Doch das geht nicht auf das Konto von Matthäus, sondern war ihm vorgegeben;21 denn auch bei Markus verschwinden sie nach Mk 12,13. Dafür erscheinen die Pharisäer bei Matthäus dann doch wieder im Anschluss an die Schilderung des Kreuzigungstodes. Laut Mt 27,62–66 wollen die Hohenpriester22 und die Pharisäer das Grab Jesu überwachen lassen, um zu vermeiden, dass Jesu Jünger ihn aus dem Grab stehlen und dem Volk sagen, dass Jesus auferstanden sei. Beide Gruppen erscheinen damit als Zweifler an der Auferstehungsbotschaft. Es ergibt sich also ein schillerndes Bild der Pharisäer im Matthäusevangelium. Beschreibt Matthäus reale Verhältnisse, stereotypiert er, oder macht er beides? Meine Hypothese, die ich im Folgenden ausarbeiten möchte, ist folgende: Die Schriftgelehrten und Pharisäer im Matthäusevangelium stehen stereotypisch für respektive Lehren und Handeln, und zwar als Negativfolie im Vergleich zum Lehren und Handeln Jesu. Die Verbindung von Lehren und Handeln ist kennzeichnend im Markusevangelium und Q, den Quellen des Matthäusevangeliums. 15 Mk 2,16//Mt 9,11; vgl. Mk 2,18//Mt 9,14; vgl. Mk 7,1//Mt 15,1; anders Mk 8,11//Mt 16,1; Mk 8,15// Mt 16,6; Mk 12,15//Mt 22,18; Mk 12,28 ff//22,34 ff u. ö. 16 Möglicherweise verweist die Bezeichnung „Otternbrut“ (γεννήματα ἐχιδνῶν) auf den weit verbreiteten Glauben hin, dass Ottern ihre Mütter auffressen, und damit in übertragenem Sinne auf einen Bruch mit der Tradition; s. Keener, „Brood of Vipers“; Knowles, Serpents. 17 Mk 2,16: „die Schriftgelehrten der Pharisäer“ – Lk 5,30: „die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten“ – Mt 9,11: „die Pharisäer“; Mk 3,32: „die Schriftgelehrten […]“ – Lk 11,15: „einige [aus der Menge]“ – Mt 9,34: „die Pharisäer“ – Mt 12,24: „die Pharisäer“. Vgl. Mt 21,45: „die Hohenpriester und Pharisäer“, während in Mk 12,1–12 wie in Lk 20,9–19 die Deutung (Mt 21,43–45) der Parabel (Mt 21,33–44), in der diese Gruppen genannt werden, fehlt. 18 S. dazu Förster, Jesus und die Steuerfrage, 145–152. 19 Vgl. aber „Herodianer“ in Mt 22,16. 20 S. den Beitrag von Detlev Dormeyer in diesem Band. 21 Mk 14,53–65; Mk 15,27–32a. 22 Es gab zur selben Zeit immer nur einen amtierenden Hohenpriester. Die Bezeichnung ἀρχιερεῖς „bezeichnet in der Regel die aus dem Jerusalemer Oberpriester, seinen Vorgängern und vornehmsten Gliedern des Priesteradels (Apg 4,6) bestehende Führungsgruppe (neben den Schriftgelehrten, Ältesten und Archonten) des Synedriums […]“ (Kellermann, ἀρχιερεύς, 395).

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Matthäus seinerseits hat diese Verbindung noch stärker hervorgehoben und um das Element „Predigen/Verkündigen (κηρύσσειν)“ erweitert.23 So fasst er das Wirken Jesu öfter als Lehren oder Predigen und Tun zusammen.24 Zudem zeigt die Struktur des ganzen Evangeliums eine Verbindung von Lehren und Handeln. Hier ist auf die Aufeinanderfolge von Bergpredigt, also Lehre, und Heilungen und Wundern, also Handlung, zu verweisen. Zuletzt beinhaltet die Lehre selbst zu einem sehr großen Teil praktisch-ethische Themen.25 Dieses Lehren und Tun stehen im Zeichen der Botschaft des kommenden Himmeloder Gottesreiches, das für Matthäus unmittelbar bevorsteht.26 Aus dem Grund begegnet im Matthäusevangelium die Trias Lehren, Predigen/Verkündigen, Heilen oder allgemeiner: Tun.27 Das Predigen/Verkündigen, nämlich des Reiches Gottes, verbindet die beiden Elemente. Um ins Himmelreich eintreten zu können, braucht man außer der Einheit von Lehre vom göttlichen Willen und dem Tun nach diesem göttlichen Willen (vgl. Mt 7,21) auch die richtige Einstellung, die „überbordende Gerechtigkeit“ (Mt 5,20). Das Matthäusevangelium wirft den Schriftgelehrten und Pharisäern vor, dass sie gerade nicht tun, was sie sagen und ihre innere Einstellung nicht aufrichtig ist. Die Hauptkritik ist in diesem Zusammenhang, dass sie ὑποκριταί sind. Was dieses Wort im Matthäusevangelium genau bedeutet, „Heuchler“28, „Gottlose“29 oder beides,30 ist umstritten. Sicher ist, dass es eine pejorative Bedeutung hat.31 Schriftgelehrte und

23 Zum Verhältnis von Lehren und Predigen s. Luz (Matthäus, Bd. 1, 247–250), der ausarbeitet, „daß vom Ganzen des Matthäusevangelium her Verkündigung vom Reich und Lehre vom gottgewollten Handeln nicht voneinander und beides nicht von Jesus getrennt werden kann“ (ebd., 250; Hervorhebung im Original). 24 Mt 4,23; 5,19; 9,35; 21,23. 25 Vahrenhorst, Schwören, 379–409. 26 Windisch (Sprüche) hat die δικαιοσύνη m. E. treffend als „Einlassbedingungen für den Eingang in das Himmelreich“ benannt (bes. S. 179 und 182). Nur wer auch tatsächlich tut, was Gottes Wille ist, so wie dieser in u. a. der Bergpredigt dargelegt wird, kann nach dem Matthäusevangelium ins Himmelreich eingelassen werden. 27 Mt 4,23; 9,35: διδάσκειν, κηρύσσειν, θεραπεύειν; vgl. 5,19, wo das Paar διδάσκειν – ποιεῖν mit dem Inhalt der Verkündigung, dem Reich Gottes, zusammengeht; sowie 19,16, wo jemand Jesus als Lehrer (διδάσκαλος) anspricht und fragt, was er tun muss (ποιεῖν), um das ewige Leben (ζωὴ αἰώνιος) zu erhalten. Die synoptischen Parallelen zu Mt 4,23 (Mk 1,39; Lk 4,44) und 9,35 (Mk 6,6; Lk 8,1) haben diese Triaden nicht. Zur Vorliebe des Matthäusevangelisten für Triaden in vor allem der Bergpredigt, s. Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 62–71. 28 So Wilckens, Art. ὑποκρίνομαι, 566 f. 29 So Giesen, Art. ὑποκριτής. 30 In die Richtung scheint Günther, Art. ὑποκρίνω, 917 f, zu gehen: ὑποκριταί impliziere „eine Selbsttäuschung […], die jeden trifft, der Jesus und seine Lehre nicht als Gottes Wahrheit erkennt. […] Er [Jesus] öffnet ihnen die Augen über ihre wahre Stellung vor Gott. Damit ist Heuchelei nicht mehr ein bewußter Akt der Verstellung, sondern verhängnisvolle Blindheit“ (ebd. 918). „[I]ndem die Frommen Jesus nicht als Erfüller des Gesetzes anerkennen, stehen sie fern von Gott […].“ (ebd.). 31 Außerhalb der Bibel bedeutet ὑποκριτής hauptsächlich „Schauspieler“ in neutralem Sinn. In der Septuaginta und dem Neuen Testament sowie mit wenigen Ausnahmen in der frühjüdischen Literatur kommt das Wort nur in sensu malo vor; s. Wilckens, Art. ὑποκρίνομαι, 559–568.

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Pharisäer versperren sich selbst als ὑποκριταί den Weg ins Gottesreich, und nicht nur sich selbst, sondern auch denjenigen, die sie für ihre Sache werben (Mt 23,15). Die Pharisäer werden im Matthäusevangelium, anders als es Josephus tut,32 fast nie mit einer Lehre in Verbindung gebracht. Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen. Die erste finden wir im Abschnitt über den Sauerteig (Mt 16,5–12). Am Ende der Erzählung verstehen die Jünger Jesu letztendlich, was Jesus mit dem Rätselwort „hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer“ meint, nämlich: „hütet euch vor deren Lehre (διδαχή)“ (Mt 16,12). Im Vergleich zur markinischen Vorlage (Mk 8,14–21) lassen sich zwei Änderungen feststellen. Erstens wird im Markusevangelium die Auslegung des Bildes nur angedeutet. Zweitens geht es im Markusevangelium um den „Sauerteig“ der Pharisäer und des Herodes, im Matthäusevangelium um den „Sauerteig“ der Pharisäer und Sadduzäer.33 Berücksichtigt man die implizite Deutung im Markusevangelium, geht es dort eher nicht um Lehre, aber die Stelle ist schwer zu deuten.34 Im Matthäusevangelium ist die Lehre ein neues Element. Gerade hier hätte Matthäus nur die Pharisäer erwähnen können, da er „Herodes“ bei der Verarbeitung seiner Quelle nicht übernommen hat. Zudem hätte er die Pharisäer mit der bei ihm sonst üblichen stereotypen Hypokrisie verbinden können, wie es im Übrigen im Lukasevangelium begegnet (Lk 12,1). Ich vermute daher, dass im Matthäusevangelium die Sadduzäer in dieser Perikope stellvertretend für die Lehre stehen. Sie sind es in den Synoptikern, die mit der Lehrauffassung über die Leugnung der Auferstehung auf der Bühne erscheinen (Mt 22,23–33 par.). Implizit wird dies schon deutlich in der Mt 16,5–12 vorangehenden Perikope über die Zeichenforderung (Mt 16,1–4 und 12,38 f). Das dort verhandelte Zeichen des Jona weist nämlich auf die Auferweckung35 Jesu hin. Auch hier, so meine ich, erscheinen die Sadduzäer zusätzlich zur markinischen Vorlage, weil es implizit um die Leugnung der Auferstehung geht. Kehren wir zur Perikope über den Sauerteig (Mt 16,5–12) zurück. Stehen die Pharisäer neben den Sadduzäern auch für eine Lehre? Wenn man Josephus Glauben schenken darf, vertreten die Pharisäer gerade die gegenteilige Meinung, nämlich, dass die Seelen der Tugendhaften Menschen nach dem Tode fortleben und Auferstehung möglich ist.36 Das heißt entweder, dass man hier das Wort „Lehre“ nicht so genau nehmen darf und es ganz allgemein auf die Auffassungen der beiden Gruppen beziehen

32 S.u. S. 120 f. 33 S. zu den Pharisäern im Markus- und im Matthäusevangelium Pickup, Pharisees, der leider kaum auf diese Perikopen eingeht. 34 S. z. B. Gnilka, Markus, Bd. 1, 310 f, hier 311: „die Unfähigkeit, Jesus zu verstehen“; dagegen vermutet Pesch, dass „Jesus warnt vor der pharisäischen davidisch-politischen Messiasvorstellung wie vor den politischen Ambitionen des Herodes“ (Markusevangelium, Bd. 1, 413); so auch bereits Lohmeyer, Markus, 157: „Warnung vor [den] politischen Hoffnungen der Pharisäer und des Herodes.“ 35 Dort, wo die Sadduzäer reden, und Jesus darauf reagiert, ist von „Auferstehung [der Toten]“ (ἀνάστασις) die Rede (Mt 22,23. 28. 30.31), ansonsten findet sich im Matthäusevangelium die Bezeichnung „auferwecken“ im passivum divinum (ἐγείρω) für das Auferweckt Werden der Toten oder das Jesu (Mt 3,9; 10,8; 11,5; 16,21; 17,9 u. ö.). 36 Josephus, bell. II 163; ant. XVIII 15.

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muss, die sich gegen die des Lehrers Jesus (Mt 23,8 u. ö.) richten;37 oder die Pharisäer werden „im Schlepptau“ der markinischen Vorlage mitgenannt und sind hier im Matthäusevangelium nicht für eine Lehre verantwortlich.38 Die zweite Ausnahme, in der es anscheinend um eine Lehre der Pharisäer geht, finden wir in Mt 23,2–3, dem Auftakt zu den sogenannten Weherufen über Schriftgelehrte und Pharisäer in Kapitel 23. In den Versen 2 f heißt es: Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet, aber nach ihren Werken handelt nicht. Denn sie sagen es zwar, tun es aber nicht.

Diese Stelle ist bekanntlich eine crux interpretum.39 Die positive Beurteilung der Schriftgelehrten und Pharisäer scheint der vorigen Stelle, in der Jesus vor den Lehren der Pharisäer und Sadduzäer warnt, und der in Kapitel 23 nachfolgenden harschen Kritik an eben diesen Schriftgelehrten und Pharisäern zu widersprechen. Es gibt sehr viele Lösungsvorschläge für diese Aporie, die ich aber nicht alle nenne. Ich erwähne nur einige Beispiele, um die Tendenzen der Forschung aufzuzeigen:40 1. Beliebt bei vielen Exegeten/-innen ist die redaktionskritische Lösung,41 die sich in zwei Varianten findet: a) Der positive Teil, Mt 23,2–3a, wird entweder der Matthäus vorliegenden christlich-jüdischen Tradition zugewiesen, die dann von Matthäus unverändert übernommen wurde; erwogen wird auch, dass es sich um ein ipsissimum verbum Jesu handelt;42 b) oder Mt 23,2–3a stammt von Matthäus selbst, und spätere Redaktoren haben die schriftgelehrten- und pharisäerfeindlichen Stücke hinzugefügt. 2. Ein zweiter Lösungsansatz setzt bei der Person des Matthäus selbst an. Er sei ein Konvertit aus dem Judentum und in 23,2–3a und 23,3b ff sprechen jeweils der jüdische, respektive der „christliche“ Matthäus. 3. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, den positiven Aspekt herunterzuspielen. Bei dieser Variante gibt es auch wieder zwei Ausprägungen: a) Ulrich Luz z. B. paraphrasiert konzessiv: „Haltet also meinetwegen alles, was euch die Schriftgelehrten und Pharisäer sagen – das ist nicht so schlimm! – die Hauptsache ist aber, daß ihr euch nicht an ihre Taten haltet!“43 b) Michael Cook schreibt, dass in beiden Versen überhaupt nichts Positives steckt; 37 So Luz, Matthäus, Bd. 2, 449. 38 Der Matthäusevangelist übernimmt die Erwähnung des „Herodes [Antipas]“ aus Mk 8,15 ebenso wenig wie die der „Herodianer“ aus Mk 3,6 in 12,14; Luz (Matthäus, Bd. 2, 240) bietet hierfür keine Erklärung. 39 S. ausführlich zu dieser Stelle Becker, Kathedra, 52–120. 40 S. dazu Luz, Matthäus, Bd. 3, 300 f. 41 S. Newport, Sources, und seine Übersicht der Lösungsvorschläge auf S. 15–60. 42 So z. B. Mason, Pharisaic Dominance. 43 Luz, Matthäus, Bd. 3, 302.

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in seinen Worten: „How can this passage be construed as pro-Jewish when it introduces thirty-four verses of denunciation of the scribes and Pharisees?“44 Das ist m. E. ein Argument, das zu kurz greift, weil Cook das Positive einfach überspielt. In den nächsten Sätzen wird er aber etwas differenzierter und geht in die Richtung des konzessiven Arguments von Luz: True to his commitment to legalism in general, Matthew is of course respectful of the authority and credentials of legal interpreters. Yet, once granted, this theoretical approval leaves Matthew free to polemicize against these particular interpreters – against their behavior and against the substance of their interpretations.45

Mein eigener Lösungsansatz greift den von Cook benannten Legalismus des Matthäus auf. Es lohnt sich ein Blick auf die Quelle des Matthäus, Mk 12,37b–40. Im Markusevangelium erscheinen keine Pharisäer, nur Schriftgelehrte. Was dort wie auch im Matthäusevangelium kritisiert wird, ist die reine Äußerlichkeit, die Wichtigtuerei des Auftretens der Schriftgelehrten sowie die „unreine Innenseite“, die falsche Gesinnung.46 Sie verkennen im Matthäusevangelium die ethisch-moralischen Prinzipien des Willens Gottes: Recht, Barmherzigkeit und Glauben (τὴν κρίσιν καὶ τὸ ἔλεος καὶ τὴν πίστιν, Mt 23,2347). Wenn meine Hypothese stimmt, dass die Pharisäer im Matthäusevangelium für das Handeln stehen, musste Matthäus sie in seiner Aufnahme von Mk 12,37b–40 also einführen. Die Schriftgelehrten hat er mit übernommen und konnte er gut mit der Lehre verbinden. Und nun kehre ich zur für das Matthäusevangelium wichtigen Einheit von Lehre und Handeln zurück sowie negativ formuliert: die Hypokrisie, die Inkompatibilität von Innen- und Außenseite, falls man nicht nach der Lehre handelt. Die Kritik an Äußerlichkeit oder Wichtigtuerei in der markinischen Vorlage wird durch Matthäus als Hypokrisie gedeutet. Dafür braucht er aber einen Satz über die Lehre, um das Nicht-Handeln nach der Lehre zu entfalten. „Sitzen auf dem Stuhl des Mose“ steht für die Auslegung der Thora. Die Bedeutung und Geltung der Thora wird im Matthäusevangelium nirgends angezweifelt. Mehr noch, in 5,17–20 wird Jesu uneingeschränkte Anerkennung des Gesetzes beschrieben.48 Auch die nachfolgenden Antithesen heben das Gesetz nicht auf, sondern verschärfen es. Wir kehren wieder zu Kapitel 23 zurück: Legt man das Gewicht auf „Mose“ in der Kollokation „Stuhl des Mose“, ist nichts „Unmatthäisches“ abzuspüren. Die Frage ist aber, ob es unmatthäisch ist, wenn Schriftgelehrte und Pharisäer darauf sitzen und das Gesetz auslegen, vor allem weil in 23,10 Christus als der eine Lehrer (καθηγητής)

44 Cook, „Pro-Jewish“ Passages, 144. 45 Ebd. 46 Darauf weist Becker in seiner Studie zu Mt 23,1–12 hin. Es gehe nicht um „‚Sein und Schein‘, sondern die innere Haltung, das falsche Motiv selber“ (Kathedra, 230). 47 S. auch das Zitat von Hos 6,6 in Mt 9,13; 12,7. 48 Dies wird von den meisten Forschern/-innen so gesehen.

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erscheint.49 Ich drehe die Beweislast einfach um. Die Schriftauslegung des mosaischen Gesetzes scheint im Matthäusevangelium kein Problem zu sein, auch nicht, wenn Schriftgelehrte und Pharisäer das verantworten. Zudem wird hier nicht explizit von „Lehre“ oder „Lehren“ geredet, dass geschieht positiv nur in Hinblick auf Jesus oder Christus. Nur dass die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht handeln, nach dem, was sie sagen (= implizit: lehren), ist ein Problem. Die Verse 23,2–3a stammen m. E. daher vom Matthäusevangelisten selbst. Die Verse 2 f richten sich nicht gegen Schriftgelehrte und Pharisäer an sich, sondern protokollieren eine innerjüdische Auseinandersetzung, in der Matthäus sich für die Einheit von Lehre und Handeln gegenüber „anderen“ einsetzt, die seiner Meinung nach diese Einheit nicht leben. Reicht die bisherige Argumentation wirklich aus, um meine These zu untermauern? Jesus hatte doch zuvor, in Mt 16, gerade vor der Lehre der Sadduzäer und Pharisäer gewarnt. Diese Stelle steht aber nicht im Widerspruch zu meiner These; erstens geht es hier um Sadduzäer und nicht um Schriftgelehrte; zweitens stehen die Sadduzäer dort Pate für die Lehre; und drittens geht es um das Thema „Auferstehung“, nicht um das Mosegesetz im Allgemeinen. Ein zweiter möglicher Einwand gegen meine These ist die Überlegung, ob nach matthäischer Darstellung Jesus oder Christus nicht der richtige und einzige Ausleger des Mosegesetzes ist? Er erscheint sogar als ein neuer, ein zweiter Mose.50 Wir brauchen hier nur an die Bergpredigt zu denken. Dort begegnet uns der Satz: „denn er [Jesus] lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten“ (Mt 7,29; s. auch 23,10). Doch auch hier gilt: Das Mosegesetz wird mit der Bergpredigt keineswegs disqualifiziert. Es wird aber direkt auf das Handeln nach diesem Gesetz bezogen und mit dem Reich Gottes verknüpft. Dass Jesus in der Bergpredigt das Gesetz auslegt, heißt zudem noch nicht, dass andere das nicht mehr tun dürfen. Ein dritter Einwand gegen meine These wäre: Sitzen nicht beide Gruppen auf dem Stuhl des Mose, lehren also nicht beide Gruppen? Auch das ist kein stichhaltiger Einwand, denn Vers 3 verbindet gerade Lehren und Tun, also dasjenige, das im Matthäusevangelium von so großer Bedeutung ist. Die Aufgabenteilung zwischen Sadduzäern und Pharisäern für respektive Lehren und Tun kann also aufrecht erhalten bleiben. An den Stellen, wo der Matthäusevangelist „Schriftgelehrte“ aus Markus in „Pharisäer“ geändert hat,51 wird deutlich, dass die Pharisäer im Matthäusevangelium für das Handeln stehen. Nach Mt 9,11 fragen die Pharisäer und nicht die Schriftgelehrten der Pharisäer (Mk 2,16), warum Jesus mit Zöllnern und Sündern isst. Nach Mt 9,34 und 12,24 geht es um den Vorwurf, dass Jesus Dämonen mit Hilfe des Obersten der Dämonen austreibt; und in 21,45 sind es Hohepriester und Pharisäer statt Hohepriester, Schriftgelehrte und Älteste (Mk 2,27), die verstehen dass das Gleichnis von den bösen Weingärtnern auf sie gemünzt ist. 49 Wenn der größte Teil von Mt 23,1–31 auf vorliegende Tradition zurückgeht, verschiebt sich das Problem. Wenn es aus verschiedenen Traditionsstücken zusammengesetzt ist, bleibt die Frage, warum Matthäus dies denn so aufgenommen hat. 50 S. u. a. Allison, New Moses; Lierman, New Testament Moses. 51 S.o. Anm. 17.

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Nur wenn Jesus den Pharisäern eine Frage stellt, und zwar nach der Sohnschaft des Messias, geben die Pharisäer die narrativ richtige Antwort: Er sei der Sohn Davids (Mt 22,41 f) – die Bezeichnung Jesu, mit der das Matthäusevangelium einsetzt (Mt 1,1).

Was wusste Matthäus über Schriftgelehrte und Pharisäer? Für die Beantwortung der Frage, was Matthäus über Schriftgelehrte und Pharisäer wusste, ist es erstens wichtig, das Schriftgelehrten- und Pharisäerbild des Matthäusevangeliums mit dem anderer Quellen zu korrelieren. Zweitens ist von entscheidender Bedeutung, ob der Matthäusevangelist diese Gruppen persönlich gekannt hat. Konkret geht es um die Frage, ob Matthäus mit den jüdischen Gruppierungen vor der Tempelzerstörung des Jahres 70 n. Chr. vertraut war und sie auf dieser Grundlage beschreibt oder ob er die veränderte innerjüdische Lage nach 70 rückprojiziert in die Zeit vor 70. Pharisäer gab es sicherlich nach 70, Sadduzäer und „Hohepriester“ hatten aber mehr oder weniger „ausgedient“. Was wissen wir also über Schriftgelehrte und Pharisäer? Hier kann ich mich kurz fassen, weil schon reichlich Literatur über Schriftgelehrte und Pharisäer vorhanden ist.52 Über Schriftgelehrte wissen wir relativ wenig.53 Es ist sogar unklar, ob es sich hier um eine feste Gruppe oder Berufsgruppe handelt, oder ob es lediglich die sind, die schriftkundig waren.54 Über Pharisäer sind unsere Kenntnisse durch die verschiedenen Quellen etwas umfangreicher:55 durch die Qumran-Schriften,56 die Werke des Josephus,57 das Neue Testament und die rabbinische Literatur.58 Doch diese Quellen sind zum Teil voreingenommen und widersprechen einander des Öfteren. Um die ganze Diskussion nach dem historischen Wert der Quellen abzukürzen, möchte ich mit Steve Mason dafür plädieren, das Zeugnis des Josephus etwas ernster zu nehmen als in der Wissenschaft üblich ist, und auch für das erste Jahrhundert n. Chr. davon auszugehen, dass es viele Pharisäer gab und diese, zwar bereits vor 70 n. Chr., eine

52 S. als Übersichten den Exkurs „Die Schriftgelehrten“ bei Luz sowie Deines, Pharisäer. 53 S. Schwartz, Scribes and Pharisees. 54 Ob bzw. in wieweit die γραμματεύς mit den alttestamentlichen (Amt der) ‫ ס)ו(פרים‬zu tun hat (2Sam 8,17; 1Kön 4,5; 1Chr 2,55; 18,16; 2Chr 24,11; 34,13; Est 3,12; 8,9; Ps 45,2; Jer 8,8), ist nicht deutlich. 55 S. für eine zusammenfassende Besprechung der Quellen Saldarini, Pharisees, 291–303. 56 S. vor allem pNah (4QpNah, 4Q169), vorausgesetzt, die Bezeichnung „diejenigen, die glatte Anweisungen geben“ (‫ ;דורשי החלקות‬pNah Frgm. 3+4 I 7 u. ö.), bezieht sich auf Pharisäer. 57 Josephus, ant. XIII 288–298; XIII 400–432; XVII 41–45; vita 189–198, u. ö. 58 Die Bezeichnung „Pharisäer“ erscheint relativ wenig in der rabbinischen Literatur, und wenn, dann des Öfteren pejorativ (mSota 3,4; bSota 22b; jSota 20c,42–53; jBer 14b,48–49). Keine jüdische Gruppe redet über sich selbst als Pharisäer (Saldarini, Pharisees, 300). Die Erhebung des Pharisäerbildes im ersten Jahrhundert kann nur durch eine literar- und redaktionskritische Analyse der rabbinischen Quellen erfolgen. Dabei muss zudem analysiert werden, ob und in wieweit sich in den ‫חברים‬, „Genossen“, (s. vor allem Traktat Demai) und den ‫חכמים‬, „Weisen“, das Pharisäerbild des ersten Jahrhunderts n. Chr. widerspiegelt. S. u. a. Schwartz, On Pharisees; Waubke, Ḥaberim-Halacha.

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relativ mächtige Strömung darstellten.59 Masons Hauptargument besteht darin, dass sich Josephus grundsätzlich negativ über die Pharisäer äußere und er die Römer als seine Adressaten mit Rückgriff auf frühere Geschichten über die Pharisäer vor diesen warnen möchte. Das hätte Josephus nicht getan, wenn die Pharisäer eine kleine Gruppe darstellten und kaum Macht hätten. Dass die Pharisäer vor allem um Reinheit im Alltag bemüht waren, erfahren wir vom Neuen Testament und den rabbinischen Quellen. Es ist vor allem Jacob Neusners Verdienst, dass wir mit Hilfe der rabbinischen Quellen auch etwas über die Pharisäer des ersten Jahrhunderts erfahren.60 In einer Gesamtschau der genannten Quellen, ergibt sich ein vielschichtiges Bild der Pharisäer, das keineswegs zum einseitigen Bild im Matthäusevangelium passt. Wir wissen nicht genau, ob Matthäus selbst Schriftgelehrte und Pharisäer gekannt hat. Es hängt von der Antwort auf die Frage ab, wo er beheimatet war und wo sich Pharisäer und Schriftgelehrte befanden. Nach dem synoptischen Zeugnis waren die Schriftgelehrten nicht auf das jüdisch-judäische Kernland beschränkt. Auf narrativer Ebene gibt es schon Begegnungen mit Pharisäern, bevor Jesus nach Jerusalem reist;61 und in Lk 5,17 heißt es: „Sie waren aus allen Dörfern Galiläas und Judäas und aus Jerusalem gekommen.“ Wenn der Matthäusevangelist in oder bei Galiläa beheimatet war, was manchmal angenommen wird,62 hat er wahrscheinlich Pharisäer gekannt. Doch wie sieht es mit Pharisäern in Syrien aus, dem Gebiet, in dem Matthäus von den meisten Forschern verortet wird? Gab es dort auch Pharisäer? Wir dürfen es vermuten, weil auch Paulus nach seiner eigenen Darstellung Pharisäer war, falls man κατὰ νόμον φαρισαῖος in Phil 3,5 so deuten darf. Nach der Darstellung des Lukas stammt Paulus aus Tarsus in Kilikien,63 das von Jerusalem aus gesehen weiter als Syrien liegt. Dies macht es wahrscheinlich, dass es auch in Syrien, das zwischen Jerusalem und Kilikien lag, Pharisäer gab.

Matthäus – Schriftgelehrter oder gar Pharisäer? Die meisten Forscher gehen davon aus, dass Matthäus jüdisch war oder ist zur Zeit der Abfassung seines Evangeliums. Wie anfangs gesagt, ist aber eine Unterscheidung von 59 Mason, Pharisaic Dominance. Seit der Artikel φαρισαῖος von Rudolf Meyer und Hans-Friedrich Weiss im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament erschienen ist (1973), ist es geläufig, von der genau gegenteiligen Rekonstruktion der Verhältnisse auszugehen (s. bes. 26–31). 60 S. u. a. Neusner, Judentum; und seinen recht polemischen Aufsatz „Mr. Sanders’s Pharisees“. 61 Mt 9,11.34; 12,2. 14. 24.38; 15,1 usw. Wir hören einmal von Pharisäern und Schriftgelehrten, die aus Jerusalem kommen (Mt 15,1), doch gerade diese Betonung spricht dafür, dass sie nicht auf Jerusalem beschränkt sind. 62 Runesson, Rethinking, 106–108. 63 Die Antwort auf die Frage, ob es Pharisäer außerhalb Israels gab, hängt auch davon ab, inwieweit man Pharisäer mit Reinheit des Landes, und zwar des Landes Israel verbinden muss. Dass sie um Reinheit bestrebt waren, ist bekannt, aber es geht ihnen, m. E., um eine Reinheit der Rituale, um eben die Reinheit, die man im Alltag erreichen kann.

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Judentum und Christentum im ersten Jahrhundert aus mehreren Gründen methodisch schwierig bis unmöglich. Doch selbst wenn Matthäus nicht mehr zum Judentum gehört haben sollte, begegnen bei ihm in positiver Weise viele Überzeugungen und Praxen, die wir als jüdisch kennen, z. B. die Bedeutung des Gesetzes wie auch das Feiern des Sabbats.64 Es gibt einige Stellen, die man, wenn man will, sogar projüdisch nennen kann.65 Meines Erachtens sind die jüdischen Überzeugungen und Praxen, die im Matthäusevangelium begegnen, so prägend, dass man schwerlich sagen kann, dass Matthäus nicht jüdisch war. Wir haben sogar mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Matthäus selbst ein Schriftgelehrter war.66 Schließlich sind bei ihm die meisten Schriftzitate unter den Evangelien zu finden. Und auch die kleine Notiz in Mt 13,52 könnte dies bestätigen: Da sagte Jesus zu ihnen [sc. den Zuhörern]: Darum ist jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn gleich, der Neues und Altes aus seiner Schatzkammer holt.

Zu diesem Text stellt sich allerdings die Frage, ob es um jüdische Schriftgelehrte geht, die sich den Christusgläubigen angeschlossen haben, oder um Christusgläubige, die Schriftgelehrte waren. Möglich ist auch, dass sich diese Notiz auf Matthäus selbst bezieht. Auch hier gibt es dann beide Optionen: Entweder war Matthäus jüdischer Schriftgelehrter oder ist es als Christusanhänger geworden. Angesichts seiner, so meine ich, jüdischen Verwurzelung ist am ehesten davon auszugehen, dass Matthäus, falls sich die Bezeichnung „Schriftgelehrter“ in 13,52 tatsächlich auf ihn bezieht, jüdischer Schriftgelehrter war. Anders Runesson will noch weiter gehen und setzt sogar einen pharisäischen Hintergrund voraus.67 Er argumentiert allerdings nicht mit dem Matthäusevangelisten, sondern mit der matthäischen Gruppe. Diese matthäische Gruppe hatte sich von den Pharisäern abgetrennt, weil sie bei ihnen eine konsequente Einheit von Lehren und 64 S. Runesson, Rethinking, 103 f: „Matthew’s Gospel is located within the Jewish religious system. The pattern of religion, analyzed by focusing on one of the fundamental structures of patterns of religion, the theme of divine judgment, indicates a Jewish understanding of divine retribution, punishment, and reward, as opposed to Greco-Roman ideas about judgment. Furthermore, the text accepts most of the practices central to Jewish identity, such as prayer (6:5–7), almsgiving (6:3–4), fasting (6:17– 18), the Jewish law/the commandments (5:17–19; 19:17), dietary laws (15:1–20) and other purity laws (8:4, 5–13; 23:25–26), the Sabbath (12:1–14; 24:20), festivals (Passover [26:2, 17–35]), tithing (23:23), the temple cult and practices connected with the temple, including the temple tax (5:23–24; 12:3–5; 17:24–27; 23:19–21), and, most likely, circumcision.“ S. für die Sabbathalacha in Frühjudentum und Frühchristentum im Allgemeinen Doering, Schabbat. 65 Es handelt sich um 5,17–20, Jesu Stellung zum Gesetz; um Mt 10,5 f//15,24, die Sendung der zwölf Jünger zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel; und 23,2, „der Stuhl des Mose“. Da alle Texte aber weniger judenfreundliche Texte einleiten, meint Cook („Pro-Jewish“ Passages), dass auch diese anscheinend projüdischen Texte letztendlich antijüdisch sind. Ich finde, dass Cook aber, wie bereits gesagt, zu negativ argumentiert. 66 Vgl. auch Luz, Matthäusevangelium, Bd. 1, 83 f. 67 Runesson, Rethinking, und Behind the Gospel.

Schriftgelehrte und Pharisäer im Matthäusevangelium

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Handeln vermisste. Sie blieb aber in Überzeugung und Lebenswandel pharisäisch, nur nicht in der Selbstwahrnehmung. Als Argumente führt Runesson an, dass sich auch Paulus als Christusanhänger pharisäisch nennt (Phil 3,5; Apg 23,6; 26,5) – ein Argument das nicht völlig überzeugend ist, weil Paulus, erstens, negativ über seine vorchristliche Vergangenheit redet;68 zweitens, weil Paulus sich noch Pharisäer nennt, während die Matthäusgruppe sich gerade nicht so nennt; und drittens, weil in der Apostelgeschichte Pharisäer Christusanhänger wurden (Apg 15,5). Runessons zweites Argument ist, dass Matthäus bzw. die Matthäusgruppe eben deswegen so hart Pharisäern gegenüber ist, weil er bzw. sie sich aus seiner/ihrer pharisäischen Vergangenheit befreien will/wollen.69

Schluss: Selbst- und Fremdwahrnehmung Die Erklärung von Runesson, dass die Matthäusgruppe aus dem Pharisäertum stammt, finde ich sehr reizvoll, auch wenn es sich letztendlich um eine unbewiesene Voraussetzung handelt. Dennoch lassen sich mit dieser Voraussetzung die heftige Attacken auf die Pharisäer im Matthäusevangelium m. E. am besten erklären. Auslöser für die Trennung müsste dann die von Matthäus und der Matthäusgruppe wahrgenommene Diskrepanz zwischen Wort und Tat gewesen sein und die Dringlichkeit der Einheit von Wort und Tat angesichts des nahenden Gottesreiches. Doch auch wenn Matthäus und/oder die Matthäusgruppe nicht selbst aus dem Pharisäertum stammen, Pharisäer haben sie höchstwahrscheinlich gekannt, und die Beschreibungen im Matthäusevangelium könnten der Wahrheit eines Teils der Pharisäer sehr wohl entsprechen. Im Matthäusevangelium wurden Schriftgelehrte und Pharisäer dementsprechend sterotypiert, gerade um sich von ihnen abzusetzen. Die Schriftgelehrten standen stereotypisch für das Wort, die Pharisäer stereotypisch für die Tat, während Matthäus und die Matthäusgruppe sich im Gegenteil für die Einheit von Wort und Tat eingesetzt haben.70 Doch es ist auch davon auszugehen, dass Matthäus und/oder die Matthäusgruppe aus Ressentiment über das Ziel hinausgeschossen sind. Von den anfangs vorgestellten Lösungsansätzen Cooks zur Spannung zwischen judenfreundlichen und nichtjudenfreundlichen Texten ist also der dritte in modifizierter Form zu bevorzugen. Matthäus ist eben nicht vom Judentum zum Christentum konvertiert. Dennoch setzen sich Matthäus und der matthäische Trägerkreis sehr deutlich von „den anderen“ ab, indem sie auf die Einheit von Lehre und Handeln beharrten. Die „anderen“ sind nicht die Juden.71 Das Matthäusevangelium ist nicht antijüdisch, es ist antipharisäisch.72 Vor allem die Pharisäer, aber auch die Schriftgelehrten fungieren 68 69 70 71

In Phil 3,8 nennt er alles, was war, sogar σκύβαλα, „Dreck“. Vgl. den Beitrag von Manuel Vogel in diesem Band. S. auch Davies, Stereotyping. Die einzige explizite Erwähnung von Ἰουδαῖοι im Matthäusevangelium, die wohl negativ konnotiert ist, findet sich in Mt 28,15. 72 Allerdings ist Mt 27,25: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ aus dem Mund des jüdischen Volkes (πᾶς ὁ λαός) eine deutliche Ausnahme.

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als Negativfolie der eigenen Gruppe. Die negative Fremdwahrnehmung der beiden Gruppen durch Matthäus und die Matthäusgruppe dient als externalisierte Eigenwahrnehmung, um die Einheit von Wort und Tat angesichts des kommenden Gottesreiches in der internen Eigenwahrnehmung zu stärken.73 Am wahrscheinlichsten hatten Matthäus und die Matthäusgruppe selbst einen pharisäischen Hintergrund, und um sich von seiner bzw. ihrer eigenen Vergangenheit abzugrenzen, wurde ein künstlicher Gegensatz kreiert.

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Kein Prozess Jesu: Die römische Strafjustiz gegen Juden nach den neutestamentlichen Passionsgeschichten und Josephus Detlev Dormeyer

1. Einleitung Die Kreuzigung ist eine römische, nicht eine jüdische Todesstrafe. Darüber sind sich die neutestamentlichen Passionsgeschichten und ihre Ausleger einig. Doch wie kommt die Verurteilung Jesu von Nazaret zur Kreuzigung zu Stande? Darüber herrscht in den Passionsgeschichten nach wie vor Unklarheit. Folker Siegert überschreibt zu recht einen Exkurs in seinem Kommentar zum Johannesevangelium: „Der fehlende Schuldspruch“.1 Besonders auffällig ist dieses Fehlen im Johannes- und Matthäusevangelium. Nach beiden Passionsgeschichten besteigt Pilatus das bema (Joh 19,13; Mt 27,19). Das bema bezeichnet auf einem öffentlichen Platz die Tribüne, auf der der römische Richter sitzt, Verhandlungen führt und den Schuldspruch verkündet.2 Lukas lässt in seiner Passionsgeschichte das bema aus, holt aber die Beschreibung in der Apostelgeschichte mit sieben Stellen von insgesamt elf neutestamentlichen Belegen nach.3 Es muss einen besonderen Grund haben, dass er wie die Markusvorlage das bema in der Passion Jesu bewusst nicht erwähnt. Hat es überhaupt einen förmlichen, öffentlichen römischen Prozess gegen Jesus gegeben, bei dem ein bema benötigt wird, oder hat es nur ein magistrales Koerzitionsverfahren gegeben, bei dem einem Verhafteten aufgrund von Polizeigewalt eine Strafe auferlegt werden konnte? Gab es also keinen Prozess Jesu? Diesen Fragen möchte ich in folgenden Punkten nachgehen: 1. die Koerzitionsgewalt des römischen Provinzleiters; 2. die Strafgewalt des jüdischen Hohenpriesters und seines Synhedrions; 3. die Darstellung des römischen Strafverfahrens gegen Jesus in den neutestamentlichen Passionsgeschichten.

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Siegert, Johannes, 579. Bauer/Aland, Wörterbuch, 280. Apg 12,21; 18,12. 16. 17; 25,6. 10. 17; Röm 14,10; 2Kor 5,10

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2. Die Koerzitionsgewalt des römischen Provinzleiters Theodor Mommsen weist in seinem Grundlagenwerk Römisches Strafrecht (1899) daraufhin, dass das statthalterische Imperium zur Rechtsprechung und Kriegsführung vom Imperium des Prinzeps, also des Kaisers, abgeleitet ist.4 Dieser wiederum hatte das alte, nicht an das Volk gebundene, magistrale Imperium erneuert.5 Die Prätoren und Präfekten haben an diesem magistralen Imperium ebenfalls Anteil; der prätoriale Stadtpräfekt kann daher gegen Sklaven und Fremde (peregrini) die Todesstrafe verhängen; allerdings muss er ein consilium zu Rate ziehen.6 Die Acta Justini, nach denen weder ein consilium noch ein Verteidiger auftreten, stellen eine Ausnahme dar; sie gilt nur „bei Ergreifen auf frischer Tat und gegen geständige Übeltäter.“7 Auch der Kaiser zieht bei Strafverfahren regelmäßig ein consilium hinzu.8 Entsprechend muss auch der Statthalter für das koerzitive Kognitionsverfahren im Normalfall ein consilium einberufen und außerdem für den Vorrang des Akkusationsverfahrens sorgen9 – soweit Mommsen. Mommsen unterschied also strikt zwischen dem magistralen, öffentlichen Strafprozess in Rom10 und dem statthalterlichen Strafrecht in den Provinzen.11 Diese Unterscheidung ist aber nur bedingt zutreffend.12 Der Gebrauch der magistralen coercitio war besonders in der frühen Prinzipatszeit in Rom und in den Provinzen weit ausgedehnter und willkürlicher, als Mommsen, der bis heute die Forschung beherrscht, angenommen hatte. Die Brandpolizei in Rom, für die Augustus einen eigenen Präfekten, den praefectus vigilum, einsetzte, war zum Beispiel berechtigt, bei Verstößen gegen die Vorschriften auch über römische Bürger die Prügelstrafe zu verhängen. Wohlhabende konnten ersatzweise eine Geldbuße wählen. Im regulären Prozess war die Prügelstrafe als selbständige Strafe für römische Bürger verboten (Lex Porcia).13 Erst recht gilt auch nach Mommsen für die außerrömischen Magistrate und die Statthalter die „rechtliche Schrankenlosigkeit der außerstädtischen Amtsgewalt“.14 Ein römischer Statthalter war in keiner Weise verpflichtet, für Provinziale ohne römisches 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Mommsen, Strafrecht, 229–251. Ebd., 260–275. Ebd., 273 f; Klingenberg, Imperium, 1124 f. Mommsen, Strafrecht, 274. Ebd., 266. Ebd., 139.239. Ebd., 142–222. Ebd., 129–251. Kunkel, Schriften, 442 f; Kirner, Strafgewalt, 30–47. Denn bereits für das Strafrecht in Rom musste Mommsen einräumen: „Wie das Strafverfahren die Durchführung des staatlichen Sittengesetzes ist, ist die Coercition die Durchführung der staatlichen Obergewalt“ (Mommsen, Strafrecht, 54). Mommsen arbeitete dann allgemeine Prinzipien der Trennung von Koerzitionsgewalt und Strafgerichtsbarkeit aus. Doch der Rechtshistoriker Guido Kirner weist nach, dass diese Prinzipien „mehr auf eigenen Grundannahmen beruhen und keineswegs durch eine präzise Aussage in den Quellen eine Bestätigung finden“ (Kirner, Strafgewalt, 32). 13 Gebhardt, Prügelstrafe, 32–38.63–77. 14 Mommsen, Strafrecht, 35.

Kein Prozess Jesu

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Bürgerrecht einen Strafprozess zu führen. Nur bei römischen Bürgern musste der Statthalter wegen des Appellationsrechts beim Prinzeps, also dem Kaiser, auf eine Rechtfertigung vorbereitet sein, wenn er auf die Durchführung eines Strafprozesses verzichtete und nur von der coercitio Gebrauch machte; dies ist auch der rechtliche Hintergrund für den förmlichen Prozess gegen den römischen Bürger Paulus (Apg 25,1–12).15 Hat es dann überhaupt einen Prozess Jesu gegeben? Mommsen bejahte diese Frage,16 obwohl auch nach ihm der Statthalter uneingeschränkt von seinem Herrenrecht zur polizeilichen coercitio hätte Gebrauch machen können.17 Nach Mommsen war das Delikt Jesu „nach jüdischem Recht behandelt“; der Statthalter gewährte die „Bestätigung“.18 Besaßen aber der jüdische Hohepriester und sein Synhedrion unter Pilatus das Recht auf die Todesstrafe? Welche Strafgewalt hatten überhaupt der jüdische Hohepriester und sein Synhedrion?

3. Die Strafgewalt des jüdischen Hohenpriesters und seines Synhedrions Die älteste Darstellung, die Szene Mk 14,55–65/Mt 26,57–68, wirkt zunächst wie das Protokoll eines jüdischen Prozesses. Der Hohe Rat führt als oberste Instanz den Kapitalprozess gegen Jesus. Das jüdische Prozessverfahren ist auf Zeugenbeweis aufgebaut. Die Anklage muss im Kapitalprozess von mindestens zwei Zeugen vorgetragen werden; die Richter urteilen über die Übereinstimmung der Zeugenaussagen und setzen die für das bezeugte Vergehen entsprechende Strafe fest. Die Abweichungen dürfen nicht nur den Kern der Sache, sondern auch die Begleitumstände nicht berühren; sonst gelten die Aussagen als nicht übereinstimmend und damit als unverwertbar. So werden zu Recht die variierenden Zeugenaussagen über ein Wort Jesu gegen den Tempel nicht verwertet (Mk 14,55–59).19 Doch nun fehlen die erforderlichen Anklagen von mindestens zwei Zeugen. 15 So gilt nach Mommsen, Strafrecht, 143: „Die Grenze gewährt der Strafprozess“, und zwar die Grenze zur coercitio. Erst in der Spätantike schwindet nach ihm diese Grenze (ebd.). Nun weist Kirner nach, dass das römische Recht von Anfang an keine klare Grenze zwischen dem Strafprozess cognitio extra ordinem, also dem Magistratsstrafverfahren ohne ordentliches Gerichtsverfahren, und der magistralen Koerzitionsgewalt kennt (Kirner, Strafgewalt, 34–36). Für den römischen Statthalter lässt sich diese mangelnde Unterscheidung erst recht nachweisen. „Das ‚römische Herrenrecht‘ [Anm. 53: Mommsen, Strafrecht, 238] und die vorgeblich ‚eigentliche Strafjustiz‘ sind Bestandteil ein und derselben Strafgewaltspraxis römischer Statthalter“ (Kirner, Strafgewalt, 37 f). Es fallen also in der Strafgewaltspraxis des Statthalters der weitgehend formlose cognitio-Prozess und die coercitio, das ist die außergerichtliche Polizeigewalt, zusammen (Raber, Coercitio). Reinbold wiederum hält am cognitio extra ordinem Verfahren für die historische Rekonstruktion des Prozesses Jesu fest (Reinbold, Bericht, 260–263; ders., Prozess, 97; Hengel/Schwemer, Jesus, 60). 16 Mommsen, Strafrecht, 240 Anm. 2. 17 Ebd., 238. 18 Ebd., 240 Anm. 2. 19 Wenn das Vortragen des Wortes Jesu gegen den Tempel durch die Falschzeugen ungleich geschieht, bezieht sich dieses Urteil auf die mangelnde Übereinstimmung im Detail und auf die ungläubige Ein-

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Hinzu kommen die erheblichen Mängel des Prozessverfahrens im weiteren Fortgang. Ließ die erste Hälfte des Verfahrens noch einen ordnungsgemäßen Verlauf erkennen, so widerspricht die zweite Hälfte eklatant dem mischnischen Strafprozess (vgl. den Traktat Sanhedrin). Weder darf der Richter den Angeklagten dazu verleiten, ein Verbrechen zu begehen – so die Fangfrage des Hohenpriesters – noch dürfen Richter zugleich als Zeugen auftreten – so die übrigen Mitglieder des Synhedrions – und schließlich sind das Aussprechen und der Selbstbezug des Messiastitels nach mSan 7,5 kein todeswürdiges Verbrechen.20 So handelt es sich hier lediglich um ein Vorverhör, das vom Evangelisten oder von der Tradition der äußeren Form eines Prozesses angenähert wurde.21 Verhaftung und Verhör Jesu gingen vom Hohenpriester Kajaphas und seinem Synhedrion aus. In diesem Punkt stimmen die Evangelien überein. Allerdings erwähnt Johannes das Synhedrion nur einmal, und zwar im Zusammenhang mit der Anbahnung der Passion (Joh 11,47). Es kommt nach der Erweckung des Lazarus zusammen und beschließt den Tod Jesu (Joh 11,45–53); die baldige Verhaftung und das Verhör sind vorbereitet (Joh 18,1–11.12–27). Auch Lukas hat nur das Verhör (Lk 22,66–71). In das Verhör haben zwar Markus und Matthäus Züge eines jüdischen Prozesses eingetragen, doch sie haben zugleich einen geordneten Prozessverlauf konterkariert. Der Schlusssatz Mk 14,64b lautet: „Sie nun alle verurteilten (κατέκριναν) ihn, des Todes schuldig zu sein“; Mt 26,66 hat unspezifischer „antworteten (ἀποκρίνω)“. Das Abschlusswort κατακρίνω bleibt doppeldeutig. Es kann das Verurteilen im juristischen Sinne, es kann aber auch „Verdammen“ im moralischen und theologischen Sinne bedeuten.22 „Verdammen“ würde nur den Empfehlungscharakter der Todesstrafe betonen. Die juristische Bedeutung von Verurteilen würde hier aber auch keine Rechtsstellung gegenüber der Voraussage. Die Aussagen können in der Angabe von Ort, Zeit und Intention des Ausspruchs durch Jesus abgewichen sein. Das Wort selbst gilt der späteren Gemeinde dagegen als echtes Jesuswort; denn es ist mehrfach bezeugt (Mk 13,2; Joh 2,19; Apg 6,14) und bringt Jesu Theologie richtig zum Ausdruck. 20 Βλασφημία ohne expliziten Gottesbezug bezeichnet im Griechischen eine Beleidigung, die sich auch auf menschliche Personen, also hier auf das Synhedrion, beziehen kann (Josephus, ant. XX 110; Bickerman, Utilitas, 732–735). Brown macht ebenfalls darauf aufmerksam, dass im ersten Jahrhundert die Blasphemie Gottes breiter gefasst war und alles beinhalten konnte, „that belongs to God alone“, zum Beispiel den Messias- und Menschensohntitel (Brown, Death, 524 f), hält aber weiter an der Fiktion eines Strafprozesses für Markus/Matthäus fest. Doch auch die anderen Umstände sprechen dagegen, dass diese Evangelisten einen Prozess nach Mischna Sanhedrin darstellen wollten. Beim abschließenden Vergleich der vier Passionsdarstellungen wiederum kommt Brown zum Ergebnis, dass das Verhör nach Lukas/Johannes den historischen Ereignissen am nahesten steht (Brown, Death, 548–560). Es sollen sogar nach Josephus die Pharisäer im Gegensatz zu den Sadduzäern Todesurteile und deren Vollstreckung mit Rücksicht auf das Tötungsverbot des Dekalogs grundsätzlich vermieden haben; daher mussten die Sadduzäer den Prozess Jesu an Pilatus nach Joh 18,31 weitergeben (Giovannini/Grzybek, Prozess 73–85). Doch diese These führt zu einer unhaltbaren Deutung von Josephus. 21 Dormeyer, Passion, 171–174; Bösen, Tag, 188–196; Brown, Death, 548–560. 22 Bickerman, Utilitas, 736–739; vgl. Q 11,31 f: Verdammen dieser Generation im Gericht durch die Königin des Südens und die Männer von Ninive = Mt12,41 f/Lk 11,31 f; Röm 2,1; 8,3.34; 14,23.

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kraft schaffen, sondern nur eine Empfehlung. Lokale Synhedria konnten dem Statthalter für Koerzitionen Ratschläge geben. Denn das Recht auf die Todesstrafe, das jus gladii, hatte der römische Präfekt an sich gezogen (Josephus, bell. II 117).23 Die Quellenlage für einzelne jüdische Fälle ist allerdings mager. Neben den neutestamentlichen Passionsgeschichten gibt es noch zwei zeitgenössische Fälle bei Josephus (Josephus, ant. XX 202 f; bell. VI 303–305). Die jüdischen Zeugnisse stammen aus späterer Zeit, und zwar aus Midrasch und Talmud, und zeichnen ein widersprüchliches Bild.24 Folker Siegert analysiert einen der zwei Belege des Josephus, und zwar Antiquitates XX 200–203. Es geht um die Verurteilung von Jakobus, dem Bruder Jesu, durch den Hohenpriester Hanan II. und sein Synhedrion zur Steinigung. Die Pharisäer beschweren sich über dieses Vorgehen beim neuen Präfekten Albinus: „Die Pharisäer machten gegen ihren Hohenpriester geltend, dass er ohne Zustimmung (γνώμη) des Prokurators ein Synhedrion einberufen hatte“25 – „Zustimmung“ = γνώμη steht bei Josephus. Doch für die Einberufung des Synhedrions unterbleibt bei Josephus eine nähere Spezifizierung.26 Selbstverständlich konnte der Hohepriester jederzeit sein Synhedrion ohne Zustimmung der Römer zur Beratung über lokale Fragen einberufen, zum Beispiel beim späteren Vorgehen gegen die Apostel (Apg 4,1–5,42) oder bei Fragen zur Verwaltung und zum Abschluss des Tempelbaus.27 Josephus schreibt dazu: 23 Blinzler, Prozeß, 229–245; Mikat, Prozeß; Kirner, Strafgewalt, 139–150. 24 Brown, Death, 365 f; Kirner, Strafgewalt, 164 Anm. 126; Giovannini/Grzybek, Prozess, 13 Anm. 20; Giovannini/Grzybek verweisen noch auf einen dritten Fall bei Josephus: Kaiser Claudius entscheidet bei einem Streitfall zwischen Juden und Samaritanern zugunsten der Juden. Drei einflussreiche Samaritaner werden hingerichtet, der Statthalter Cumanus wird in die Verbannung geschickt, der römische Militärtribun Celer wird in Jerusalem enthauptet: „Den Celer sandte er gefesselt nach Jerusalem, ließ ihn den Juden zur Peinigung (αἰκία) ausliefern, er solle durch die Stadt geschleppt, und dann enthauptet werden“ (Josephus, bell. II 246; verkürzt ant. XX 136). Ein jüdisches Strafverfahren mit Todesurteil lässt sich aber aus dem Begriff αἰκία („Entehrung“, „Misshandlung“) nicht ableiten (gegen Giovannini/Grzybek, Prozess 18). 25 Siegert, Johannes, 561. 26 „Einige von ihnen gingen sogar dem Albinus, der von Alexandrien kam, entgegen und stellten ihm vor, dass Ananus nicht bevollmächtigt war, ohne seine Zustimmung das Synhedrion zu versammeln“ (Josephus, ant. XX 202). Giovannini/Grzybek erläutern: „Die Behauptung, der Hohepriester sei nicht befugt gewesen, ohne die Zustimmung des Statthalters den Hohen Rat einzuberufen, ist nachweislich falsch“ (Giovannini/Grzybek, Prozess 20). Der Rückschluss ist sicherlich zutreffend, dass der Hohepriester für seine eingeschränkte Gerichts- und Verwaltungsvollmacht jederzeit ohne Befragung des Statthalters das Synhedrion einberufen konnte. Allerdings leiten Giovannini/Grzybek zu Unrecht aus dem Faktum der Gesandtschaft der Pharisäer zu Agrippa II. ab, dass der Hohepriester den König Agrippa II. um Erlaubnis zur Einberufung des Synhedrions hätte fragen müssen (ebd., 18–21). Agrippa II. war wohl für die Einsetzung und Absetzung des Hohenpriesters zuständig und konnte bei Missbrauch die Absetzung androhen und durchführen, hatte aber nicht eine ständige Oberaufsicht über den Hohenpriester inne; die Mehrheit der pharisäischen Gesandtschaft ging zu Recht zu Agrippa II., während eine Minderheit den neuen Präfekten für die Zustimmung zu einer möglichen Absetzung gewinnen wollte, die dann auch durch Agrippa II. erfolgte (Josephus, ant. XX 200–203). 27 Nach Josephus, ant. XV 380, begann der Neubau des Tempels im „18. Jahr des Herodes“, das heißt 18 Jahre nach seiner Anerkennung als König durch den römischen Senat im Jahre 40 v. Chr. Die Zahl 46 Jahre für die gesamte Bauphase (Joh 2,20) kann als zutreffend anerkannt werden (Siegert,

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Die reichlich fließenden Geldmittel und der Ehrgeiz des Volkes führten zu Unternehmungen, die jede Vorstellung übertreffen; und das Werk, von dem niemand hoffen konnte, daß es ans Ende gelange, wurde durch die Beharrlichkeit in langen Zeiträumen erfolgreich abgeschlossen. (Josephus, bell. V 189, übers. Michel/Bauernfeind)

Der Hohepriester leitete den Neubau. Keine dieser Stellen erwähnt, dass der Statthalter gefragt werden musste.28 Nur wenn es um eine Anklage in Kapitalstrafsachen oder um große Projekte ging, musste der Hohepriester den Statthalter informieren und ihm bei Strafverfahren den Angeklagten nach dem Verhör übergeben. So jedenfalls schildert es die zweite Stelle bei Josephus, der Fall des Propheten Jesus ben Ananias: Festnahme des Propheten durch angesehene Bürger, Überstellung an die Oberen (ἄρχοντες), Weitergabe an den Präfekten Albinus (Josephus, bell. VI 303–305).29 So stellen es auch die Evangelien dar. Ob wirklich die Pharisäer nur die nicht mitgeteilte Einberufung des Synhedrions zu einem Strafprozess gemeint haben und nicht auch die anschließende Kompetenzüberschreitung des Hohenpriesters mit der Exekution, bleibt bei der ersten Stelle von Josephus mehrdeutig. Für ein uneingeschränktes jüdisches jus gladii zur Zeit Jesu sprechen sich daher nur wenige Forscher aus.30 Vielmehr hat sich ein Konsens gebildet, dass das Synhedrion unter dem Vorsitz des Hohenpriesters Kapitalprozesse oder Verhöre durchführen konnte, dass das Todesurteil aber vom Statthalter bestätigt oder gefällt werden musste.31 Für die Ausnahme Tempelfrevel, bei dem archäologisch bezeugte Tafeln dem Frevler den sofortigen Tod androhen,32 ist kein einziger Fall bezeugt, und das Verfahren ist

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Johannes, 264). Dann wäre der Tempel im Jahre 26 n. Chr., also kurz vor dem Auftreten Jesu in den Jahren 28–30, gerade vollendet worden; allerdings erfolgte nach Josephus, ant. XX 219, der endgültige Abschluss erst unter Agrippa II. und dem Präfekten Albinus (62–64). Bei der Beschaffung neuer Arbeit für die Handwerker kam es allerdings zum Streit zwischen Pilatus und dem Volk. Das Synhedrion und der Hohepriester werden nicht erwähnt. Da nur das Volk gegen die Verwendung des Tempelschatzes, des Korban (Mk 7,11), für die Baukosten einer neuen Wasserleitung protestiert, wird der Hohepriester der Geldentnahme zugestimmt haben. Das Volk umdrängt das bema, die Richtertribüne; doch niemand erhebt formell Anklage. Pilatus lässt die Schreier von Soldaten mit Knüppeln vertreiben (Josephus, bell. II 175–177). Für das Großprojekt der Wasserversorgung des Tempels und Jerusalems bedurfte der Hohepriester offenkundig einer Koalition mit dem römischen Präfekten gegen das Volk. Ansonsten erfolgte der Ausbau des äußeren Tempelbezirkes durch das Volk und seine Spendenbereitschaft (Josephus, bell. V 184–189). Egger, Crucifixus, 137–146. Juster, Juifs, Bd. 2, 132–142; Lietzmann, Prozeß; Winter, Trial, 75–90; Siegert, Johannes, 560 f. Giovannini/Grzybek (Prozess, 81–84) suchen zwar mit vielen Belegen die jüdische Justizautonomie zu untermauern, räumen aber für Mk 14,65 eine „informelle Meinungsäußerung“ ein; das formelle Urteil sei erst in einem zweiten Prozess am Morgen des nächsten Tages erfolgt. Doch Mk 15,1/Mt 27,1 sprechen nur von einer zweiten Zusammenkunft mit einem Beschluss (συμβούλιον), Lk 22,66–71 hat nur ein Verhör in der Morgenfrühe; alle drei kennen nicht einen zweiten Prozesstag mit einem formellen Urteil. Mommsen, Strafrecht, 240; Brown, Death, 363–372.713–716; Kirner, Strafgewalt, 165; Sänger, Beteiligung, 16–25; Hengel/Schwemer, Anspruch, 154–161. Küchler, Jerusalem, 348.677.

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wie bei Jakobus unklar. Die Römer hatten wahrscheinlich eine sofortige Tötung durch jüdische Autoritäten geduldet.33 Aber bei Jakobus lag kein Tempelfrevel vor. Doch auch bei diesem Konsens gegen ein jüdisches jus gladii werden einige Fragen kontrovers diskutiert. Kann das Synhedrion als eine feststehende oberste Gerichtsbehörde mit 71 Mitgliedern nach der Mischna (3. Jh.) angesehen werden (mSan 1,5; 4,1–5),34 oder wird das Synhedrion nur bei Bedarf einberufen, und zwar vom Hohenpriester?35 Die Belege bei Josephus und im Neuen Testament beweisen keine autonome Institution, sondern nur unregelmäßige Einberufungen durch den Hohenpriester. Dieser war allerdings auf den Rat der Vertreter der jüdischen Oberschicht angewiesen. Die Parallele ist das römische consilium. Guido O. Kirner schätzt, dass die rund 40 Provinzen des römischen Reiches mit 50 bis 60 Millionen Einwohnern nur von 150 Spitzenbeamten aus dem Senatoren- und Ritterstand verwaltet wurden.36 Diese bedurften eines consilium aus engen Beratern und eines consilium aus den lokalen Autoritäten. Nach Cicero hatte der Prokonsul Verres ein consilium aus der statthalterlichen cohors (Verwaltung) und eins aus den lokalen Honoratioren zur Verfügung (Cicero, In Verrem II 70–76).37 Die römischen Präfekten in Judäa werden also vom Hohenpriester verlangt haben, dass er für alle bedeutsamen Fälle ein Synhedrion zurate zieht.38 Wenn der Fall die Kompetenz des Hohenpriesters überstieg, musste die Strafsache mit dem Beratungsergebnis an den Statthalter weitergegeben werden. Fazit: Die These von Folker Siegert, dass das Synhedrion im Strafverfahren gegen Jesus kein Synhedrion „nach den Maßstäben des Mischna-Traktats Sanhedrin“ ist, trifft zu.39 Erst Sanhedrin legt die Zahl der Mitglieder auf 71 fest (mSan 1,5); vor der Tempelzerstörung bestimmte der Hohepriester die Anzahl der Mitglieder, berief die Mitglieder und veranlasste nach Belieben ihr Ausscheiden aus dem Gremium. Nach Sanhedrin hingegen ergänzt sich das Synhedrion selbständig aus den Reihen der Gelehrtenschüler, die vor den Synhedristen sitzen (mSan 4,3). „Lebens-Strafprozesse“ dürfen nur am Tag, nicht in der Nacht stattfinden wie bei Jesus (mSan 4,1). Mehrheitsbeschlüsse des Synhedrions binden den Hohenpriester zur Zeit Jesu nicht, während er sie nach Sanhedrin befolgen muss (mSan 1,5–6; 2,1). Sanhedrin projiziert die Fiktion einer 33 Egger, Crucifixus, 47 f; Josephus bringt den Hinweis auf die Tafeln dreimal (Josephus, bell. V 194; VI 124–126; ant. XV 417). In der zweiten Stelle macht Titus den Verteidigern Jerusalems um Johannes von Gischala den Vorwurf, dass die Römer als Ausnahme die Aufstellung von Warntafeln und deren Realisierung gestattet hätten (Josephus, bell. VI 124–126). Die Gegner der Ausnahmethese empfehlen nun, „nicht zu viel Gewicht allein auf dieses Zeugnis zu legen“ (Giovannini/Grzybek, Prozess, 17). 34 Blinzler, Prozeß, 137–244; Bösen, Tag, 169–174. 35 Stemberger, Synhedrium; McLaren, Power, 211–218; Brown, Death, 348–350; Kirner, Strafgewalt, 165–168; Siegert, Johannes, 547. 36 Kirner, Strafgewalt, 64. 37 Ebd., 110. 38 Egger, Crucifixus, 133–136. 39 Siegert, Johannes, 547; Brown, Death, 340–363.

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Gelehrtenversammlung mit Strafvollmacht in die Zeit des zweiten Tempels zurück. Zur Zeit Jesu war der amtierende Hohepriester ein lokaler Herrscher mit begrenzter Autonomie, der für die Verwaltung und Kooperation mit dem Statthalter ein lokales Synhedrion zu bilden und zu befragen hatte.

4. Die Darstellung des römischen Strafverfahrens gegen Jesus in den neutestamentlichen Passionsgeschichten Zur Übergabe an Pilatus finden alle Evangelisten die zeitgeschichtlich passenden Worte. Nach Markus und Matthäus fassen Hoherpriester und Synhedrion gemeinsam „einen Beschluss (συμβούλιον)“, das heißt eine Empfehlung (Mk 15,1/Mt 27,1); nach Lukas und Johannes führen sie Jesus zu Pilatus (Lk 23,1) beziehungsweise zu seinem Amtssitz, dem praetorium (Joh 18,28). Hoherpriester und Synhedrion haben ihre Aufgabe erfüllt, die Anakrisis (ἀνάκρισις), das ist das Vorverhör für ein römisches Strafverfahren, durchzuführen. Von einer solchen Anakrisis, die der Vorbereitung einer Anklage dient, ist historisch auszugehen.40 Nun folgt das römische Verfahren, dass nach herrschender Meinung einen römischen Prozess darstellt. Allerdings hat sich in der späten Republik und in der Prinzipatszeit ein Verfahren extra ordinem („außerhalb der Ordnung“) ohne Geschworene und ohne strenge Formpflicht herausgebildet, das die Imperiumträger durchführen können;41 dieser Prozess extra ordinem wird auf die Provinzen übertragen: Wenn die Geschworenenhöfe der iudicia publica nicht auf die Provinzen übertragen werden konnten, so liessen die Delictkategorien und die Strafsätze sich ohne Schwierigkeit auf den Statthalterprozess anwenden und auch das Accusationsverfahren auf diesen magistratischen Process sich füglich übertragen.42

Mommsen merkt entsprechend an, dass nach dem Markus-Evangelium der Statthalter begann, ein Verfahren extra ordinem durchzuführen, das analog zum Akkusationsprozess zu verlaufen hat (Mk 15,1–5).43 Der leitende Richter verliest den Hauptgegenstand der Anklage. Der Angeklagte kann sich dazu äußern. Dann haben die Ankläger das Wort. Wieder kann der Angeklagte ihnen antworten. Entlastungszeugen werden vorgeführt. Dann fällt der Richter das Urteil.44 Doch Mommsen übersieht, dass der Präfekt Pilatus in eklatanter Weise seine Pflicht zur Einberufung des statthalterlichen consilium verletzte und die Anklage des Hohen Rates nicht formgerecht zu Ende führte, so dass der Angeklagte weder einen Verteidiger, noch Entlastungszeugen hinzuziehen konnte. Der Angeklagte erhielt auch kein förm40 41 42 43 44

Mikat, Prozeß. Mommsen, Strafrecht, 193–196. Ebd., 242. Ebd., 240 Anm. 2; Bösen, Tag, 214; Brown, Death, 713–716.853–861. Ebd., 381–452.

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liches schriftliches Urteil, das von dem bema verlesen wurde (anders Akten Cyprians 3 f).45 Die Erwähnung des bema durch Matthäus und Johannes läuft ins Leere und bleibt ohne Ergebnis (anders das Verfahren von Statthalter Gallio in Apg 18,12–16). So lässt sich Mk 15,1–5 nur als formgerechte Darstellung eines Akkusationsprozesses extra ordinem verstehen, wenn die vielen Abweichungen überlesen werden.46 Nun noch zu Einzelpunkten. Wenn der Angeklagte sich schuldig bekennt, muss er verurteilt werden. Doch Jesu Antwort „Du sagst es“ (Mk 15,2 parr.; Joh 18,33–37) ist bekanntlich kein Schuldbekenntnis, sondern eine Bestätigung der Anklagezusammenfassung des Pilatus.47 So schildern es jedenfalls die Akten Cyprians, des 258 n. Chr. hingerichteten Bischofs von Karthago: „Der Prokonsul Galerius Maximus fragte Bischof Cyprian: ‚Du hast Dich zum Papas für Menschen von gotteslästerlichem (sacrilegus) Sinn gemacht (praebere)?‘ Bischof Cyprian antwortete: ‚Ja (ego)‘“ (Akten Cyprians 3). Der Prokonsul fasst das „Ja“ nicht als Zustimmung zum Vorwurf des Sakrilegs auf, sondern fragt sofort nach der Darbringung der Kaiseropfer nach. Cyprian verweigert sie: „Ich tue sie nicht (non facio).“ Daraufhin verurteilt ihn der Prokonsul (Akten Cyprians 3 f). Erst die anhaltende Verweigerung der Opfer erzeugt das Sakrileg, nicht die Bejahung der Anklagezusammenfassung. So hat auch hier Pilatus zutreffend den Hauptpunkt der Anklage, die quaestio, benannt und soll nun klären, was an dem Königsanspruch strafwürdig ist. Auf dem Hintergrund der Mysterienreligionen, der ägyptischen Religion und insbesondere der jüdischen Religion bedeutet ein Königstitel nicht automatisch Hochverrat gegen den Kaiser (perduellio und crimen majestatis imminutae bzw. crimen laesae majestatis) – so zu Recht Mommsen.48 Die Antwort Jesu ist also auf keinen Fall ein Schuldbekenntnis, sondern eine Bestätigung der quaestio des Prozesses.49 Wesentlich schwieriger ist das spätere Schweigen Jesu einzuordnen (Mk 15,5/Mt 27,14; Joh 19,9). Der Richter kann es als Halsstarrigkeit bewerten und deswegen die Verurteilung aussprechen.50 Klaus Rosen deutet das Schweigen Jesu als contumacia („Widersetzlichkeit“), die Pilatus koerzitiv mit der Abführung zur Hinrichtung ahndet; allerdings sind die Belege für Schweigen als Widersetzlichkeit spätantik (Digesta XI 1; 4),51 und das Verfahren des Statthalters Plinius gegen die Christen in Bithynien aufgrund von contumacia trifft nicht zu, weil contumacia hier das „abergläubische“ Christus45 Siegert stellt zu Recht fest, dass ohne Schuldspruch das Verfahren „kein Prozess, sondern eine bloße Ordnungsmaßnahme (exercitio)“ war. Doch habe es den Schuldspruch gegeben, nur die christlichen Berichte wollten ihn nicht überliefern (Siegert, Johannes, 579). Näher liegt es jedoch, das Verfahren des Pilatus als coercitio ohne förmlichen Schuldspruch einzustufen (Dörr, Prozeß, 62–71). 46 Browns scharfe Ablehnung der reinen coercitio ist unzutreffend (Brown, Death, 853–855). 47 Dormeyer, Markusevangelium, 81 f. 48 Mommsen, Strafrecht, 537–595, gegen Demandt, Hände, 152 f. 49 Gnilka betont die Mehrdeutigkeit des Königstitels, der sowohl die religiöse als auch die politische Bedeutung umfasst; entsprechend „offen“, also mehrdeutig, bleibt die Antwort (Gnilka, Markus, Bd. 2, 299 f). 50 Mommsen weist daraufhin, dass das Geständnis nicht zur Verurteilung erforderlich ist (Mommsen, Strafrecht, 436; Demandt, Hände, 152 f). 51 Rosen, Rom, 55.

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bekenntnis, nicht aber das Schweigen meint (Plinius, epist. X 96,3).52 Doch hat Jesus tatsächlich geschwiegen? Rosen behauptet: „Jesu Schweigen ist die eigentliche Mitte des Prozesses. Sie wird auch durch alttestamentliche Vorbilder nicht erklärlich.“53 Das Schweigen des leidenden Gerechten ist aber ein breit bezeugter alttestamentlicher und frühjüdischer Topos (Jes 53,7).54 Vom Schweigen Jesu, sollte es tatsächlich als historisch erwiesen werden können, hängt nichts ab. Im Unterschied zum griechischen Philosophen und Redner wendet Jesus die alttestamentliche Strategie an, durch Schweigen die offenkundige Unhaltbarkeit der Anklagen der Hohenpriester zu unterstreichen (Jes 53,7; Mk 15,3/Mt 27,12). Der Leser muss ergänzen, dass die Hohenpriester die Konflikte um das Gesetz, die Wundervollmacht, die Tempelreinigung und den impliziten Messiasanspruch, die alle zuvor im Evangelium stehen, dem Präfekten vorgetragen haben; so expliziert dann Lukas: „Diesen fanden wir dabei, unser Volk zu verführen und zu hindern, dem Kaiser Steuern zu zahlen, und zu sagen, er selbst sei Christus, ein König“ (Lk 23,2). Jesus baut darauf, dass Pilatus an diesen Handlungen keinen Rechtsverstoß zu erkennen vermag. Die zweite Hälfte des Prozessverlaufs bei den Synoptikern (Mk 15,5–15 parr.) – bei Johannes der dritte Teil (Joh 19,10–16a) – macht deutlich, dass Pilatus diesen stummen Protest durchaus verstanden hat. „Sich Verwundern“ (Mk 15,5/Mt 27,14) ist die begeisterte Reaktion des Volkes auf die Wunder Jesu (Mk 5,20). Pilatus ist wie das Volk zuvor geradezu überwältigt von dem weisheitlichen Schweigen Jesu (Mk 15,10/Mt 27,18). Die knappe Darstellung des Akkusationsverfahrens (Mk 15,1–5 parr.; Joh 18,28– 19,16a) lässt noch die willkürliche, historische coercitio durchscheinen. Pilatus empfing allein in seinen Amtsräumen den Hohenpriester und die Vertreter des Synhedrions, nahm die Anklage entgegen, ließ sie vom Angeklagten bestätigen, hörte sich die Punkte der Ankläger an, ging sofort zum Verhör über, gestattete dem Angeklagten keinen Anwalt (anders: Apg 24,1–23), keine Entlastungszeugen, gab kein förmliches Urteil ab und ließ kein Protokoll anfertigen; sondern er übte gegen ihn die formlose koerzitive Amtsgewalt aus. Es erfolgte auch keine Urteilsberatung mit einem consilium. Jesus wurde als rechtloser Provinziale administrativ den Soldaten zur Kreuzigung und zur Geißelung als Begleitstrafe übergeben.55 52 Demandt, Hände, 153 f; Giovannini/Grzybek, Prozess, 12 f Anm. 19; vgl. die verbale Widersetzlichkeit von Cyprian, die zur Verurteilung führt. 53 Rosen, Rom, 56. 54 Gnilka, Markus, Bd. 2, 300. 55 Egger griff 1997 Mommsen auf, plädierte aber im Falle Jesu für ein formloses, koerzitives Verfahren des Pilatus gegen Jesus (Egger, Crucifixus, 199 f; so auch Dormeyer, Markusevangelium, 74–85; Mikat, Prozess; Mutschler, Verspottung, 143; Omerzu mit Offenheit für einen Prozess extra ordinem, Vermächtnis, 314). Auch die Historizität der Passa-Amnestie wird bei der coercitio nebenranging. Selbstverständlich konnte der Statthalter jederzeit auf Bitten des Volkes hin eine coercitio beenden und den Angeklagten freilassen (Waldstein, Untersuchungen, 215). Außerhalb der Evangelien ist aber eine römische Passa-Amnestie nicht belegt (Dormeyer, Pascha-Amnestie). Zwar berichtet auch Josephus davon, dass Pilatus wiederholt dem Druck des Volkes nachgegeben hat; doch in diesen Fällen lag ein direkter Angriff des Pilatus auf den jüdischen Glauben vor. Pilatus lässt bei seinem Amtsantritt 26 n. Chr. Feldzeichen mit Kaiserbildern nach Jerusalem hineinbringen

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5. Schluss Für den römischen Kaiser und Senat waren die unterworfenen Städte und Nationen Eigentum und zugleich Freunde; daher sollten die römischen Statthalter sie freundschaftlich behandeln außer im Falle von Rebellion (Joh 19,12). Für Jesus und für das jüdische Volk dagegen zählten die römischen Herrscher zu den Unterdrückern und Ausbeutern (Mk 10,41–45). Das Verfahren gegen Jesus zeigt beide Seiten, sowohl die rücksichtslose coercitio als älteste Überlieferungsschicht als auch die späteren Bemühungen um Angleichung an einen ordentlichen oder extraordentlichen stadtrömischen Prozess. Zusammenfassend können wir folgende Punkte festhalten: 1. Es hat keinen förmlichen Prozess Jesu gegeben, weder vor dem jüdischen Synhedrion, noch vor dem Präfekten Pilatus. 2. Das jüdische Synhedrion war keine feststehende Institution gemäß der späteren Fiktion von Mischna Sanhedrin, sondern ein informelles Beratungsgremium für den Hohenpriester aus den führenden Gruppen des Judentums. Insofern haben die Evangelisten Recht, dass sie in unterschiedlicher Weise Amtsträger aus den hohenpriesterlichen Familien = Hohepriester, Schriftgelehrte als Vertreter der Pharisäer und Älteste entweder zusammen (Mk 14,53–15,1 parr.) oder als einzelne Gruppenvertreter (Mk 14,1 parr.; Joh 18,1–19,16a) miteinander agieren lassen. 3. Verantwortlich für die Voruntersuchung und das Vorbringen der Anklage bei einem Kapitalverbrechen ist entweder die lokale Führungsautorität – in Judäa für Juden der Hohepriester – oder der Statthalter selbst. Alle vier Evangelien halten sich an diese Regelung. Nach ihnen führt der amtierende Hohepriester das Vorverhör durch und vertritt die Anklage vor Pilatus. 4. Der Präfekt in Judäa führt normalerweise gegen einen Provinzialen ohne römisches Bürgerrecht keinen stadtrömischen Prozess durch, sondern handelt mit dem Herrenrecht der statthalterischen Koerzitionsgewalt. Daher trifft Alexander Demandts frühere Entgegensetzung von römischem Recht und statthalterischer coercitio nach der Systematik von Mommsen nicht zu: „Dennoch war das in den Evangelien beschriebene Verfahren, das zur Hinrichtung Jesu führte, kein Verfahren nach den Richtlinien des römischen Rechts.“56 Pilatus brach nicht das römische und erst nach heftigem Drängen wieder entfernen (Josephus, bell. II 169–174; Josephus, ant. XVIII 55–59). Ob die Geißelung bei der Kreuzesstrafe zwingend ist (Blinzler, Prozeß, 321–336), muss nicht weiter untersucht werden. Der Statthalter kann ohne Begründung die Geißelung als zusätzliche koerzitive Strafe verhängen, zum Beispiel zur Abschreckung vor gewalttätiger Teilnahme an Aufständen (Cicero, In Verrem V 10–14; Dormeyer, Stasis-Vorwürfe). Jesus erfährt für Gottes Königtum die Unterdrückung und den Missbrauch der Macht des irdischen Kaisers durch seinen Präfekten am eigenen Leibe (Mk 10,42–45). Gegenüber dem vornehmen Tod der griechischen und römischen bedeutenden Männer nimmt Jesus in anstößiger Weise die Geißelung und den Kreuzestod eines rechtlosen Provinzialen auf sich (1Kor 1,18). 56 Demandt, Hände, 170; Demandt korrigiert diese These in seinem neuen Werk von 2012: „Als Polizeimaßnahme nach Kriegsrecht (coercitio) hat er ohne weiteres die Exekution verfügt. Sie lag in

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Recht, sondern handelte in seinem Rahmen. Allerdings sollte das Verfahren in Analogie zum stadtrömischen quaestio-Verfahren verlaufen,57 also Mitteilung der Anklage durch den Richter, Verteidigung des Angeklagten, Anklagen der Kläger, weitere Verteidigung des Angeklagten, Schuldspruch oder Freispruch durch den Richter, Protokoll des Verfahrens und Urteils, wie sie die Märtyrerakten bieten. Diese Analogie ist bei den neutestamentlichen Passionsgeschichten nur in Ansätzen zu erkennen. Außerdem ist die Selbstverteidigung Jesu bei den Synoptikern äußerst knapp und mehrdeutig (Mk 15,2 parr.). Bei Johannes ist sie etwas umfangreicher (Joh 18,33–38). Es gibt kein Anzeichen in den Texten dafür, dass Pilatus die knappe Selbstverteidigung Jesu als eine Widerspenstigkeit oder als ein Schuldeingeständnis interpretiert haben könnte. 5. Der Schuldspruch fehlt. Auch für ein Koerzitionsverfahren ist dieses Fehlen auffällig. Alle Evangelien zeigen mit dem Fehlen an, dass das Verfahren gegen Jesus letztlich von formloser, statthalterischer Willkür geprägt war. Der Kreuzestitel (Mk 15,26 parr.) lässt zwar einen Rückschluss auf den Schuldspruch zu, ersetzt ihn aber nicht. Es wird um Jesu vollmächtige Ankündigung der Königsherrschaft Gottes gegangen sein (Mk 1,14 f parr.) und um die politisch motivierte Verdrehung dieses Anspruches. Doch was während der koerzitiven Verhandlung im Einzelnen gesagt wurde, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.58 Pilatus wird die Anklage des Hohenpriesters mit anfänglichem Widerstand bestätigt und Jesus zur Kreuzigung den römischen Soldaten übergeben haben, um für Judäa und Galiläa Ruhe und Ordnung zu sichern. Die unterschiedlichen Darstellungen der Evangelien verbleiben im Rahmen des römischen Statthalterrechts und konstruieren nachträglich jeweils einen plausiblen Handlungsverlauf, der sich mehr oder minder nahe am stadtrömischen Akkusationsprozess anlehnt. Die Passionsgeschichten sind keine Apologien für Pilatus, sondern Affirmationen und indirekte Appelle für den gerechten Gebrauch der koerzitiven Amtsgewalt eines römischen Statthalters.

Literatur Quellen Ausgewählte Märtyrerakten, neubearbeitet von G. Krüger, SQS NF 3, Tübingen 41965. Die prokonsularischen Akten des Hl. Cyprian, übersetzt von G. Rauschen, Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, BKV 1/14, Kempten/München 1913, 366–370. Cicero, Reden gegen Verres, lateinisch/deutsch, übersetzt und herausgegeben von G. Krüger, 6 Bde., Stuttgart 22010. seinem Ermessensbereich und war gedeckt durch die Lex Julia majestatis aus dem Jahre 46 v. Chr. Seit Tiberius stand auf Hochverrat die Todesstrafe“ (Demandt, Pilatus 82). 57 Haacker, Tode, 32 f. 58 So vertritt der namhafte, im Jahre 2011 verstorbene Rechtshistoriker Paul Mikat in seinem Lexikonartikel der „Prozeß Jesu“ die coercitio und stellt für deren Verlauf abschließend fest: „Unstrittig bleibt, daß Pilatus Jesus kreuzigen ließ u. mit seinem Spruch ein Verfahren beendete, das aus rechtsgesch. Sicht eher Fragen denn Antworten bereithält“ (Mikat, Prozess, 675).

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Religiöse Identität im Fokus: Selbstbeschreibungen und polemische Kontrastierung in Philos apologetischen Traktaten* Gottfried Schimanowski

1. Einleitung Die Frage nach einer angemessenen Beschreibung der Identität von Völkern und Religionen in der Antike beherrscht nach wie vor die wissenschaftliche Diskussion der Charakterisierung des Judentums in seiner antiken Vielgestalt.1 Dieser Aufsatz versucht einen Zugang zu diesem Forschungsproblem aus der Perspektive des städtischen Judentums in Alexandrien mit seinem Hauptvertreter Philo in der frühen Kaiserzeit zwischen gesellschaftlicher Integration und religiöser, ethnischer Abgrenzung: Wie beschreibt und versteht sich der jüdische Autor gegenüber der Öffentlichkeit? Wie verteidigt Philo seine eigene Stellung und die Position seiner Landsleute innerhalb der gesellschaftlichen Vielfalt dieser Weltstadt in der Zeit der besonderen politischen und kulturellen Herausforderungen bei den pogromartigen Zwischenfällen 38 n. Chr.?2 Welche Hinweise auf eine theologische Deutung oder Verarbeitung des Widerstandes, der Verfolgung, ja der drohenden Vernichtung seiner Mitbürger gibt der Alexandriner, wie er sich selbst versteht,3 in diesen Schriften?

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Der Beitrag nimmt – mit zeitlichem und räumlichen Abstand und etwas geänderter Fragestellung – das auf, was Prof. Dr. Folker Siegert und mich während unserer gemeinsamen Zeit in Münster aufs Intensivste miteinander verbunden hat: die Frage nach der Geschichte des städtischen Judentums der frühen Kaiserzeit zwischen gesellschaftlicher Integration und religiöser Abgrenzung. Er fasst auch ein wenig zusammen, was im Gespräch mit ihm entstanden ist und sich mit unserem Studium und Hintergrund an der Universität in Tübingen in den Siebzigerjahren verknüpft: immer wieder neu radikal nach den Quellen zu fragen und sich nicht mit den bisherigen Forschungsergebnissen vorschnell zufrieden zu geben. Ich danke Folker Siegert für die wunderbare, kollegiale fruchtbare Zusammenarbeit und seine weiterführenden Hinweise! Der Hintergrund dieses Kolloquiumsbeitrages lässt sich noch an dem Vortragsstil des Beitrages erkennen. Zur neueren Diskussion vgl. u. a. den Sammelband: Frey et al., Jewish Identity, aber auch schon Mendelson, Identity, Birnbaum, Place of Judaism, und Niehoff, Jewish Identity. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden; zu Philo und den pogromartigen Vorfällen 38 n. Chr. vor allem 192–200. Nun ausführlich auch Gambetti, Riots – zur Diskussion über die „terminology related to anti-Semitism“ (11) s. ebd. 11 f, aber auch schon u. a. Feldman/Meyer, Jewish Life, 322: „There ensued the first pogrom in world history.“ Vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 117–126, mit der Überschrift „Philon, der Jude, Alexandriner und Römer“. Zu der umstrittenen Frage nach dem Verhältnis Philos zu seiner „Heimatstadt“ (πατρίς) vgl. Pearce, Belonging, 97–104 (105: „Philo’s writings reveal a sense of attachment to

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Ausgangspunkt sind die beiden apologetischen Traktate, die sich – in je eigener Perspektive – mit den bedrängenden Vorfällen in seiner Heimatstadt beschäftigen: In Flaccum und Legatio ad Gaium. Natürlich wird auch die philonische Beschreibung der eigenen Identität in Beziehung und in Abgrenzung von anderen „Identitäten“ markiert, was einer gewissen polemischen Note nie entbehrt. Insgesamt scheint sich Philo bei seiner Positionierung inhaltlich weitgehend von einer Vorstellung leiten zu lassen, die gerade die beiden angesprochenen Traktate aufs Engste miteinander verbindet: dem Glauben an die göttliche Vorsehung.

2. Religiöse Identität in schwieriger Zeit 2.1 Selbstbeschreibung – Erwägungen zur philonischen Begrifflichkeit und ihrer Bedeutung Bei Philo ist die Bezugnahme auf die Geschichte und Kultur seines eigenen Volkes zwar durchweg grundlegend, aber Bedeutung und Reichweite der jeweiligen Begrifflichkeit ist nicht immer präzise zu fassen und vor allem nicht in heute verbreitete Kategorien von religiösen und/oder politischen Gruppen und Weltanschauungen zu überführen. Philo kennzeichnet seine Landsleute ganz allgemein als „das Volk“ (ἔθνος, gelegentlich auch λαός); bestimmt durch die väterlichen Traditionen (τὰ πατρία) oder auch in der ihm eigenen Terminologie von „Israel“ als die Menschen, „die Gott schauen“ (legat. 4)4 oder in ähnlicher Weise.5 Bei aller zu konstatierenden Vielfalt und Variationsbreite fällt nun auf, dass Philo in der Schrift In Flaccum im Gegensatz dazu durchweg allgemein von „den Juden“ (Ἰουδαῖοι) spricht;6 und das als eine Bezeichnung, die die ganze Schrift – wie keine andere aus seiner Feder – programmatisch prägt vom ersten bis zu dem berühmten letzten Satz, wo als alles bestimmendes Fazit seine grundlegende Überzeugung zum Ausdruck kommt: Flaccus „wurde zum untrüglichen Beweis dafür, dass Gottes Bei-

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and pride in Alexandria as his patris, and as the proper home of those Jews who live there“); neuerdings Gambetti 179 f.287–292 (Appendix 5) u. ö. Nur hier legat. 4 (in Flacc. gar nicht); vgl. congr. 51 u. ö. Hierzu ausführlich besonders Birnbaum, Place of Judaism, Kap. 1 und 2. Vgl. somn. II 173 (ὁ μὲν Ἰσραήλ ἐστι νοῦς θεωρητικὸς θεοῦ τε καὶ κόσμου – καὶ γὰρ ἑρμηνεύεται θεὸν ὁρῶν); Abr. 57 (τὸ ἔθνος Ἰσραήλ, ὅπερ ἑρμηνευθέν ἐστιν ὁρῶν θεόν); praem. 44 (Ἰσραήλ, Ἑλληνιστὶ δὲ ὁρῶν θεόν) u. ö.; aber auch „die/der Chaldäer“ (Χαλδαῖος; Mos. I 5; II 40), oder er spricht über „den Staat“ (πολιτεία; vgl. bes. legat. 194) oder „das Geschlecht“ (γένος; vgl. bes. legat. 178.346) Über 30-mal. Das übersieht Birnbaum, Place of Judaim, 5 Anm. 4, wenn sie behauptet: „Philo rarely if ever speaks of the quest in explicitly Jewish terms“ (leider geht sie dem nicht weiter nach). Sie trennt allerdings für diese Behauptung die exegetischen Schriften von den „political treatises“; dort konstatiert sie – ohne allerdings Konsequenzen daraus zu ziehen – „Philo talks extensively about his Jewish contemporaries, referring to them as the Jews ( Ἰουδαῖοι), the nation of the Jews (τὸ Ἰουδαίων ἔθνος), or the nation (τὸ ἔθνος); ähnlich 160 f. Vgl. auch u. unter 3.3.

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stand/Hilfe dem Volk der Juden nicht versagt ist.“7 Auf diesen Satz werden wir noch einmal zurückkommen. Inhaltlich ist Ähnliches an der einen  – eben sehr seltenen, aber dafür umso aussagekräftigeren – Äußerung festzustellen, in der Philo etwa in der Mitte seiner Charakterisierung des Gaius Caligula die für ihn offensichtlich entscheidenden Konfliktpunkte thematisiert (legat. 114–118): Die Argumentation beginnt mit dem Vorwurf gegen Caligula,8 dass er sich sowohl den „Halbgöttern“ (ἡμίθεοι)9 als auch den Göttern selbst (θεοί)10 gleichsetzt. In Bezug auf dieses gotteslästerliche Ansinnen ist es nun sein Interesse, vielmehr sogar sein „Verlangen“ (ἡ ἐπιθυμία), die Juden zu vernichten, die doch von Gott in besonderer Weise erwählt und gesegnet sind.11 Die jüdische Religionsausübung geschieht in freier Wahl und gegen allen Polytheismus „von Kindesbeinen an“, weil sie „daran glauben, dass ein Gott sei, der Vater und Schöpfer der Welt“ (legat. 115). Ganz im Sinne des römischen Ideals und Freiheitsgefühls, versagten die Juden dem Kaiser die Proskynese – wie sie wohl wirklich unter Caligula zum ersten Mal beim Kaiserkult eingefordert worden war.12 Das förderte wohl den Verdacht des Kaisers, dass die Juden ihm grundsätzlich die göttliche Verehrung verweigern würden.13 Aber die Juden werden dieses „Stück uralter Tradition, und sei es auch noch so geringfügig, nicht beseitigen“, so Philo.14 Dieses Ansinnen, das den zu Anfang noch zu lobenden Herrscher ganz und gar veränderte, war keine Kleinigkeit, sondern die größte Ungeheuerlichkeit, der Versuch nämlich, das geschaffene, vergängliche Wesen eines Menschen zum ungeschaffenen, unvergänglichen eines Gottes nach eigenem Belieben umzuformen.15

7 Flacc. 191. Hier, wie durchweg im Text, verwende ich die deutsche Übersetzung der Ausgabe von L. Cohn, soweit nicht anders angegeben: Gegen Flaccus von Karl-Heinz Gerschmann (Bd. 7) und Gesandtschaft an Caligula von Friedrich Wilhelm Kohnke (idem). Das aktuell intensiv diskutierte Problem der Übersetzung des Begriffes Ἰουδαῖοι spielt für diesen Beitrag keine entscheidende Rolle; vgl. hierzu u. a. Mason, Jews; Schwartz, Jewish Identity; Stegemann, Religion. 8 Vgl. das kaiserliche Ansinnen, „man müsse ihn für einen Gott halten“ (legat. 75). 9 Vgl. legat. 78–80: Dionysos, Herakles oder die Dioskuren. 10 Legat. 93: Die „Kulte der Gottheiten, die man für größer und von rein göttlicher Herkunft hält“ wie Hermes, Apollo oder Ares. 11 Legat. 114: „Und sein Verlangen war es, uns zu vernichten, die wir einst vom Glück gesegnet waren“ (Übers. G.Sch.). 12 Vgl. Dio Cassius LIX 24,4, wonach die Senatoren sogar vor einem leeren Stuhl des Caligula im Kapitol die Proskynese vollziehen mussten (abgeschafft unter Claudius, ebd. LX 5,4). 13 Legat. 117: „Ein einziges Volk herausragend, das der Juden, stand im Verdacht, es werde Widerstand leisten […].“ 14 Ebd. 15 Legat. 118.

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Was kennzeichnet nun also nach Philo dieses „einzigartige Volk der Juden“? Was kann man als mögliche „identity markers“ bei ihm finden? Wie beschreibt und versteht er sich und seine Landsleute in Alexandrien in dieser besonders kritischen Zeit?16

2.2 Die Entfaltung des Gottesglaubens17 Mit dem paraphrasierten Abschnitt aus der Legatio ad Gaium sind wir schon bei der grundlegenden Frage nach der Besonderheit der jüdischen Gottesvorstellung in der Darstellung Philos angekommen. Das kann durch weitere Hinweise noch vertieft und erläutert werden. Allerdings werden in den beiden hier in besonderer Weise im Mittelpunkt stehenden Traktaten nicht Mose als der eine entscheidende Gesetzgeber der Juden18 und die Gabe der Tora in den Vordergrund gerückt, was sicher auch auf die Adressatenschaft Rückschlüsse zulässt, sondern die Thematik des jüdischen Gottesglaubens wird mit der Beschreibung der jüdischen Religion als einer Philosophie und Weltanschauung verbunden. Dies kommt im Sinne des Autors bei der Schilderung einer der Situation in Alexandrien vergleichbaren Auseinandersetzung in Jamnia etwa zur gleichen Zeit, im letzten Regierungsjahr des Caligula (40–41 n. Chr.), zum Ausdruck (legat. 200–203). Alles in allem ist dies also ein Baustein der in der Literatur weithin als „Caligulakrise“ beschriebenen Zeit.19 Zunächst erwähnt Philo die Zusammensetzung der Bevölkerung in Jamnia (legat. 200) – ebenfalls als kaiserlicher Besitz geltend, von Philo aber als unter mosaischem Recht stehend betrachtet –. Dies geschieht sicher aus persönlicher Perspektive und spiegelt,20 wie Philo wohl auch die Verhältnisse in Alexandrien geordnet haben möchte.21 Er schildert sie uns jedenfalls als „Mischbevölkerung, in der Mehrzahl Juden, aber auch Andersstämmige, die sich als ‚Schäd-

16 Zur geschichtlichen Einordnung und Vorgeschichte vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, vor allem 69–139 mit der Überschrift: „Das geistig-religiöse Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Alexandrien,“ und 140–181 mit der Überschrift: „Die Verschlechterung der rechtlichen Verhältnisse in römischer Zeit.“ 17 Vgl. auch Zeller, Gott, herausgefordert durch das Büchlein von Braun, Gott. 18 Ἰουδαίων νομοθέτης; so in prob. 29. 43. 57.68 u. ö.; vgl. Birnbaum, Place of Judaism, 58 u. ö. 19 Vgl. z. B. den ausführlichen Exkurs bei Hengel, Jesus, 84–87, und unten unter 3.2. 20 Vgl. zur Geschichte des Ortes Jamnia 2Makk 12,8 f und Flavius Josephus, ant. XIII 215, zur Zeit der Makkabäer; ant. XIII 324 zur Zeit der Hasmonäer; ant. XVII 321; bell. II 98 als Besitz der Salome. „The population was then [scil. nach dem Jüdischen Krieg als Besitz Vespasians – ant. XVIII 158] a mixed one of Jews and Gentiles, but with the Jewish element preponderating“ (Schürer, History, Bd. 2, 110); Schürer, History, Bd. 2, ebd., verweist auf denjenigen Text, der hier im Mittelpunkt steht, d. h. auf Philo, legat. 200–203. Weiter auch u. a. Feldman/Meyer, Jewish Life, 327 f (mit Literaturangaben). 21 Wo ebenfalls eine Gesandtschaft nach Rom die lokalen Probleme lösen soll.

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linge‘ dort eingenistet haben.“22 Er kennzeichnet also die Nichtjuden als heidnische Eindringlinge in „jüdisches Gebiet“, die das Unheil verursachen.23 In dem in derselben Schrift eingebetteten, eindringlichen und auch eindrücklichen Brief des römischen Statthalters Petronius, der wohl aus Philos Feder stammt, vergleicht Philo aus der fiktiven Perspektive eines Nichtjuden die jüdische Beziehung zu ihren Gesetzen mit dem Verhältnis aller Menschen zu ihren Sitten.24 Diesen ihr eigentümlichen Gesetzen sind nun Juden – wie andere auch – radikal verpflichtet. Am Judentum Interessierte – so Philo – werden bei den Juden sogar bis zu einem gewissen Maß gleichberechtigt „um nichts weniger wie eigene Mitbürger aufgenommen“ (τῶν ἰδίων ἀποδέχονται πολιτῶν).25 Für diese Überzeugungen sind die Juden sogar bereit, ihr Leben zu lassen; eine Überzeugung, die kaum eindrücklicher und dramatischer behauptet werden kann als gerade in der Auseinandersetzung in Jamnia.26 Eine zweite, ebenfalls sehr ausführliche Beschreibung des jüdischen Glaubens und seines Tempelkultes, lässt Philo in den Worten von König Agrippa in einem langen Brief an Caligula zum Ausdruck kommen.27 Wahrscheinlich spiegeln sich hierin wieder Philos eigene Überzeugungen. In diesem Brief lässt er den Kaiser Augustus „voll Bewunderung und religiöser Verehrung“ den Tempel in Jerusalem betrachten.28 Philo berichtet darüber hinaus, dass auch der gleichnamige römische Staatsmann Agrippa den Tempel besuchte.29 Auf jeden Fall geschieht dort nach seinen Worten „etwas überaus Feierliches und jeden Begriff Übersteigendes“.30 So ungewöhnlich sich an diesen Texten die Beziehungen eines Diasporajuden mit dem Tempel in Jerusalem darstellen,31 so können ihnen ähnliche Beschreibungen des Synagogengottesdienstes an die Seite gestellt werden, wobei die Synagogen in einer dem Tempelgottesdienst vergleichbaren Weise von römischer Seite grundlegende Anerkennung und Förderung, z. B. durch Weihegeschenke, erfahren haben.32 Insbesondere lässt Philo in der schon angemerkten Passage über die Anerkennung des Augustus die Juden in ihren Versammlungsstätten ihre Gesetze auslegen (legat. 157). Die 22 Legat. 200. Flacc. 43 nennt die Zahl von einer Million Juden in Ägypten und Umgebung; Gerschmann (z.St.) geht von „etwa 200 000 Juden“ in der Stadt aus. Vgl. mit ausführlichen Literaturangaben van der Horst z.St. 23 Wir kommen auf ähnliche Fremdabgrenzungen (gegenüber den Ägyptern) unten unter 3.1 noch zu sprechen. 24 Legat. 210: ἅπαντες γὰρ ἄνθρωποι φυλακτικοὶ τῶν ἰδίων ἐθῶν εἰσι. Zu Recht wird diese „globale“ Perspektive bei Leonhardt-Balzer, Jewish Worship, 52 f, als „universal identity“ gedeutet. 25 Legat. 211; vgl. virt. 105 (μέτοικοι).108 oder Mos. II 17–44 nach Birnbaum, Place of Judaism, 204 (mit Verweis auf Dtn 23,8 f). 26 Eine Auseinandersetzung, die allerdings nur durch den Tod des Caligula ein gutes Ende findet! 27 Grundsätzlich zur Stellung Philos zum Tempelkult vgl. Leonhardt-Balzer, Jewish worship, bes. 48–51. 28 Legat. 310: ἐθαύμαζε καὶ προσεκύνει. 29 Zu Recht merkt Krauter, Die Beteiligung, 57 Anm. 15, zu legat. 295–297 kritisch an, wie man sich das konkret vorstellen soll – möglicherweise mit einer Tribüne? 30 Legat. 295. 31 Zu dieser Perspektive vgl. Pearce, Land of the Body, passim, und dies., Jerusalem, passim. 32 Zum synagogalen Gottesdienst bei Philo vgl. Leonhardt-Balzer, Jewish Worship, 44–48.

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Synagogen sind öffentliche und anerkannte Stätten der Erziehung und Bildung (legat. 156). Sie sind „Lehrstätten der Besonnenheit und des Rechtsgefühls für Menschen, die nach Tugend streben“ (legat. 312). Diese Beschreibungen jüdischen Glaubens lassen sich genauso in dem Traktat In Flaccum nachweisen. Es ist deutlich: Die pogromartigen Ereignisse in Alexandrien mit der Zerstörung der Synagogengebäude treffen den Nerv jüdischer Existenz und des jüdischen Gottesglaubens!33 Das ist auch sicher von den Verursachern so beabsichtigt!

2.3 „Antijudaismus“, dargestellt am Festkalender und an der Funktion der Synagogen Weitere konkrete mehr oder weniger bewusste Verletzungen jüdischer religiöser Sensibilitäten führt Philo vor allem im Traktat In Flaccum an. Hier setzt er durchweg unausgesprochen voraus, dass sich die Juden als gleichberechtigte Alexandriner verstehen können und sollen.34 Bei den beim Pogrom angewandten Strafmaßnahmen wurden sie aber wie gewöhnliche Ägypter der Geißelung ausgesetzt.35 Die wohl bewusst provozierten Angriffe zeigen sich z. B. auch an der Verletzung des jüdischen Festkalenders, konkret des Laubhüttenfestes (Sukkot), das offensichtlich auch in Alexandrien Beachtung fand. Dies ergibt sich aus Flacc. 116, wo Philo – sicher für eine nichtjüdische Leserschaft – berichtet, es gebe:36 „das (Volks-)Fest zur Tag- und Nachtgleiche im Herbst, das (die Juden) gewöhnlich in Hütten verbringen.“ Zu diesem Zeitpunkt waren aber die führenden Mitglieder der Gemeinde schon verhaftet worden und warteten auf ihren Prozess. Nur die überraschende Verhaftung des Statthalters selbst verhindert eine weitere Eskalation der Vorgänge. Philo schildert durch die Verknüpfung von der Verhaftung des Flaccus und der unerwarteten Freilassung der Gemeindeglieder in aller Dramatik, was hier für ihn und seine Landsleute auf dem Spiel steht (Flacc. 118): „Denn das Widerwärtige drückt doppelt gerade an Feiertagen auf jene, die nicht feiern können; es raubt ihnen die für ein Fest verlangte Freude […].“ Er fährt fort (Flacc. 119): In ihrer schlimmen Not und von schwerer Last gedrückt, hatten sie sich bei Einbruch der Dunkelheit in den Häusern zusammengedrängt, als Boten die Nachricht von der Verhaftung (des Flaccus) brachten […].

33 Weiter s. u. unter 2.3.1. 34 Vgl. Flacc. 80. Zu Philo selbst vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 120 f. 35 Was die sogenannte Lex Porcia den römischen Beamten verbietet, Bürger körperlich zu züchtigen oder gar hinzurichten, wird hier vollzogen (Livius X 9; Sallust, De coniuratione Catilinae 51,22 f.40). Wenn das Argument stichhaltig ist, dass Juden wie gewöhnliche Ägypter behandelt wurden, dann gehörten doch eine Reihe von jüdischen Bürgern, vor allem bei der Gemeindeleitung, um die es im Zusammenhang geht, zu den gehobenen Schichten der Stadtbevölkerung; vgl. Barclay, Jews, 69. 36 Flacc. 116.

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Im Hintergrund steht die Entweihung der Synagogen, die wir eben schon angedeutet fanden und auf die wir noch ein wenig ausführlicher zurückkommen werden.37 Das Sukkotfest im Herbst 38 n. Chr. in Alexandrien fiel damit völlig aus.38 Auf jeden Fall wird daran sichtbar, dass – auch und besonders in der Diaspora – der Festkalender zur religiösen Identität gehört.39 Die Besonderheit des Festes wird an dieser Stelle noch dadurch verstärkt, dass Philo als Reaktion auf das offensichtliche Ende des Pogroms ein – sicherlich frei formuliertes – Dankgebet der Gläubigen wiedergibt.40 Alles in allem wird diese Episode eingeleitet mit der uneingeschränkten Behauptung, Flaccus wäre, „der Juden wegen“ gefangen gesetzt worden, „weil er sie in seinem Ehrgeiz zu vernichten trachtete.“41

2.3.1 Die Synagogen und die jüdische Identität Das Vorgehen gegen die Synagogen in Alexandrien hängt mit dem Bestreben der alexandrinischen Bevölkerung zusammen, kaiserliche Standbilder in den Synagogen aufzustellen, was diese aus jüdischer Sicht ganz und gar profanisiert. So nennt Philo schon die erste Erwähnung der Synagogen:42 „einen unerhörten, beispiellosen Bruch des Gesetzes.“ Diese Entweihung interpretiert Philo hier allerdings nicht als willkürlichen Spontanakt der alexandrinischen Bevölkerung, sondern als bewusste Aktion des Statthalters:43

37 Vgl. Flacc. 122. 38 Zur historischen Situation vgl. neuerdings Gambetti, Riots, 192 f. 39 Vgl. die Zusammenfassung bei Leonhardt, Worship, 47: „the passage in Flacc. 116–124 indicates that the Jews in Alexandria had certain fixed rites and celebrated the festival living in tents or huts […]. The sacrificial texts also show that Philo knows that Passover, Sukkot and Shavuot are pilgrim festivals; and in Prov 2,64 he even mentions that he performed the pilgrimage himself.“ 40 Flacc. 121; vgl. hierzu – neben den hilfreichen Bemerkungen von van der Horst im Kommentar – den kleinen Aufsatz von Nikiprowetzky, Schadenfreude; noch einmal erweitert in dem zweiten hymnischen (Gebets-)Text in Flacc. 123 f (hier auch ein flüchtiger Hinweise auf die Liturgie mit Hymnen und Gebeten). In diesem Zusammenhang ist auch die Synagogeninschrift zu erwähnen, in der neben der Dedikation der „höchste Gott“ (θεῶι μεγάλωι) mit dem Epitheton „der Gebet erhört“ (ἐπηκόωι) versehen wird (CIJ II 1432 = Horbury/Noy, Jewish Inscriptions, 13; aus Alexandria möglicherweise aus dem Jahr 37 v. Chr.). 41 Flacc. 116, was als eigene Interpretation gekennzeichnet ist (ἕνεκά μοι δοκῶ), allerdings als eine eigene feste Überzeugung (und nicht etwa als Vermutung); vgl. die Anmerkung bei van der Horst, z.St. und unten den Schlussabschnitt dieses Beitrages: „Philons Glaube an die Vorhersehung.“ 42 Flacc. 41. Insgesamt erwähnt Philo die Synagogen und ihre Desakralisierung siebenmal (vgl. weiter Flacc. 45.48 [bis].49. 53. 122). 43 Flacc. 53 f.

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Flaccus nahm uns nun die Synagogen weg44 und ließ ihnen nicht einmal ihren Namen;45 so schien ihm der Anschlag gegen unsere Gesetze46 auf einem guten Weg […].

Die Maßnahme steuert ihren Höhepunkt in der Verantwortlichkeit des Statthalters an, nämlich seinen – wohl eigenmächtigen – Erlass,47 „der uns als Fremde und Ausländer anprangerte und uns ohne Prozess und ohne uns zu Worte kommen zu lassen, verurteilte.“ Auch wenn die Umstände des Erlasses weitgehend im Dunkeln bleiben, ist die Absicht bzw. die Konsequenz dieses Erlasses ganz deutlich,48 wobei allein schon die Verwendung des ἀποκαλεῖν den negativen ungerechtfertigten Charakter der Bestimmung kennzeichnet.49 Mit diesem Begriff wurde schon vorher die Verspottung Agrippas im Theater von Alexandria markiert.50 Allerdings ist die Verwendung der beiden scheinbar synonymen Begriffe ξένους καὶ ἐπήλυδας nicht ganz eindeutig. So spricht sich neuerdings die ausführlichste Untersuchung dieses Textes und seiner Konsequenzen dafür aus, diesen Doppelbegriff hier in einem offiziellen Text, dem Edikt des Flaccus, im Sinne von „Fremde und Immigranten“ zu präzisieren.51 Damit wäre auch ein Hinweis gegeben sozusagen auf eine Duldung der jüdischen Bevölkerung in der Stadt, ihre Beschränkung unter Flaccus auf den Delta-Bezirk und eine weitgehende Übereinstimmung mit dem zeitlich nahe stehenden berühmten Claudiusbrief.52 Im Traktat selbst ist der Paralleltext am Schluss heranzuziehen (Flacc. 172), in dem Philo Flaccus noch einmal ausdrücklich mit ganz ähnlicher Terminologie die jüdische Position in der Stadt markiert als „Fremde, ohne Bürgerrechte, trotzdem mit garantierten Privilegien ausgestattet“.53 Zu den letztgenannten Privilegien stellt darum Sandra Gambetti – bei aller Vorsicht gegenüber der komplexen und

44 Wohl eher eine Enteignung und nicht eine Zerstörung; vgl. die Anmerkung bei van der Horst, z.St. 45 Zur Namensgebung von antiken jüdischen Synagogen vgl. van der Horst, Epitaphs, sowie Apg 6,9 f. Weiterhin trugen später auch die auf einigen Inschriften aus den jüdischen Katakomben Roms erwähnten Synagogen besondere Namen. 46 Genauer: „der Versuch (eines Anschlages) gegen unsere Gesetze (ἡ κατὰ τῶν νόμων πεῖρα) […].“. 47 Flacc. 54 (gekennzeichnet als πρόγραμμα). Zum Thema neuerdings ausführlich Gambetti, Riots, 172–193. 48 Kerkeslager (The Absence, 93 f) entwickelte im Blick auf das, was Philo sagt, und was er verschweigt, eine andere Perspektive, die mich nicht überzeugt hat. Vor allem bei der Bewertung des Ediktes (Flacc. 54) gehen unsere Wege des Verständnisses auseinander. Meine Sicht wird heute weitgehend unterstützt durch die Einschätzung von S. Gambetti (Riots); vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 195–197. 49 Vgl. Gambetti, Riots, 172 f. 50 Vgl. Flacc. 39; s. auch Mos. I 10.30. 51 Gambetti, Riots, 173. 52 Vgl. hierzu die Ausführungen – mit weiteren Literaturangaben – bei Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 165–175. 53 ὠνείδισά ποτε ἀτιμίαν καὶ ξενιτείαν αὐτοῖς ἐπιτίμοις οὖσι κατοίκοις [scil. τοῖς Ἰουδαίοις]. Zur Interpretation Gambetti, Riots, 174.

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umstrittenen Thematik des rechtlichen Status der Juden in der Stadt – die folgenden Bereiche zusammen:54 religious freedom, including exemption from worshipping the local gods and participation of the ruler cult; relative juridical independence; self-government for the community; privileged forms of punishment;55 tax-exempt status.

Wir brauchen hier die rechtliche Problematik nicht weiter zu vertiefen.56 An dieser Stelle ist es nur wichtig, dass die jüdische Position – bei allem apologetischen Interesse des Autors – doch weitgehend mit den städtischen Rahmenbedingungen der damaligen Zeit in Übereinstimmung zu bringen ist.57 Durch das Edikt von Flaccus werden nun die angestammten und den Juden über lange Zeit zugestandenen Privilegien verändert und die politische Position der Juden erheblich eingeschränkt. Die Perspektive unterstreicht Philo noch einmal dadurch, dass er die Einheit der Juden und die Betroffenheit aller Landsleute – weltweit – betont herausstellt. Die Zusammenstellung der verwendeten Begriffe wie πολιτεία, ἔθη, πατρία und πολιτικὰ δίκαια lassen keine Zweifel daran, dass hiermit alles auf dem Spiel steht, was an Respekt für das Mosegesetz und für die jüdischen Gemeinden grundsätzlich in der Diaspora zu erwarten war.58 Das verordnete Edikt verhindert also jegliche Rechtssicherheit für Prozesse, in denen die Juden verwickelt werden könnten. Ohne solchen Schutz würden die Juden immer auf die Seite der Schuldigen stehen. So fasst Gambetti zu Recht zusammen: the loss of privileges proclaimed them to be guilty without judgment. This, then, is the direct effect of the edict’s use of ξενιτεία and ἀτιμία inflicted on them.59

Immerhin ist auf diese Weise und im Vergleich mit anderen regionalen Ereignissen deutlich, dass – soweit die Angaben bei Philo der Überprüfung standhalten – das Edikt des Flaccus einen Umschwung herbeiführt; eine tiefgreifende Veränderung, die im Jahr zuvor von Gaius Caligula durch ein capitum mandatum ermöglicht wurde. Der traditionelle Status als παρεπιδημοῦντες wird nun verändert durch das, was in der lateinische Rechtsterminologie durch peregrini et advenae zum Ausdruck gebracht wird: die advenae oder auch adventores sind die peregrini, denen nur vorübergehend der Aufenthalt in der Stadt gewährt wird. Dies sind in der Regel Geschäftsleute und Händler, die nur für kurze Zeit am Ort wohnen. Gesetzlich werden sie den Nichtbürgern zugeordnet und stehen damit auf der Seite, die gegenüber den eigentlichen Bürgern als 54 Gambetti, ebd. 55 S.o. 2.3 zur Geißelung. 56 Vgl. den Exkurs zum jüdischen Bürgerrecht in Alexandrien (Flavius Josephus, Apion. II 37 f) von Manuel Vogel in: Siegert, Flavius Josephus, Bd. 2, 130–135 (bes. 133 f zu Philo). 57 Zu den rechtlichen Fragen vgl. u. a. Pucci Ben Zeev, Rights, passim. 58 So zu Recht Gambetti, Riots, 175. Dort findet sich auch der Hinweis darauf, dass ein ἄτιμος nach athenischem Recht die rechtliche Sicherheit verliert. 59 Ebd., 176.

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minderwertig einzustufen ist. Diese inferiore Stellung erlaubte auch dem Herrscher, ihnen einen eigenen – in diesem Falle abgeschlossenen und eingegrenzten – Wohnbezirk (in Alexandrien der sog. Bezirk Delta) zuzuweisen und sie auf diesen zu beschränken.60 Die Dynamik der pogromartigen Übergriffe ist nur zu verstehen, wenn solche territorialen und demographischen Aspekte zusammengebracht werden. Auf jeden Fall wird den Juden durch die von Philo behauptete Enteignung der Synagogen die Möglichkeit genommen, sich zu versammeln und ihre religiösen und rechtlichen Angelegenheiten gemeinsam zu regeln und auszuüben. An dieser Stelle kommen beide Schriften Philos zusammen und ergänzen sich. In dem Text aus Flacc. 121 f, auf den wir schon in Bezug zum Sukkot-Fest kurz eingegangen sind, wird das Verständnis der Synagogen als sakrale Bezirke, stillschweigend vorausgesetzt, wenn dann die Dankgebete über die Rettung vor Flaccus nun außerhalb der Stadt, am Gestade des Meeres, stattfinden und der Ort dort beschrieben wird als der „reinste, heilige Platz (καθαρώτατος)“, der ihnen geblieben ist.61 Die Verwüstungen des jüdischen Eigentums werden ausführlich und dramatisch in der Legatio ad Gaium geschildert. Durch die Untätigkeit des Statthalters war den Aktionen des Pöbels freier Lauf gegeben. Philo schildert das folgendermaßen (legat. 132): Sie rotteten sich zu riesigen Haufen zusammen und verwüsteten die Synagogen – es gibt davon eine Menge in jedem Stadtteil – oder zerstörten sie bis auf die Grundmauern. Auch Feuer legten sie an und brannten sie nieder, wobei sie in ihrer Tollwut und Raserei ohne Überlegung auf die benachbarten Häuser keine Rücksicht nahmen […].

Die Schilderung fährt fort (legat. 134): Soweit sie die Synagogen nicht durch Niederbrennen und Niederreißen verschwinden lassen konnten, weil sie inmitten einer dicht besiedelten jüdischen Wohngegend lagen, schändeten sie sie in anderer Form und stießen zugleich jüdische Gesetze und Gebräuche um […].

Einer eigenen Erwähnung ist an dieser Stelle auch die berühmte Hauptsynagoge wert (ἐν δὲ τῇ μεγίστῃ καὶ περισημοτάτῃ), die noch in der rabbinischen Überlieferung mit besonderen Anekdoten präsent ist.62 In ähnlicher Weise verbindet der Schluss des Traktates die Erwähnung der Synagogen und ihre Schändung durch Caligula mit den Väterlichen Gesetzen, sozusagen als der 60 Vgl. Flacc. 55 und legat. 124. 61 Flacc. 122: κἀν τῷ καθαρωτάτῳ στάντες ἀνεβόησαν ὁμοθυμαδόν. Hier wiedergegeben entgegen der Übersetzung von Kohnke: „wo am meisten Platz war,“ was sprachlich allerdings auch möglich wäre. Vgl. zum Begriff Flacc. 141. Ähnlich begegnet er auch öfter in der LXX; zweimal das Substantiv (καθαρότης). Entsprechend übersetzt ebenfalls van der Horst, Flaccus: „the purest possible place“; s. auch die sehr ausführliche Anmerkung mit Bezug auf Mos. II 34.72. Zur keineswegs zufälligen Verortung am Meer vgl. Leonhardt, Worship, 79 f. 62 Zu den dort platzierten Kaiserbildern s. u. Vgl. zur fünfschiffigen Synagoge, dem Vorbild der Synagoge in Kapernaum, tSuk 4,6; jSuk 55a,61–63; bSuk 51b.

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Spitze und dem Skopus der Angriffe auf die jüdische Religion (legat. 371), also auf diejenigen Menschen, die „ihr Leben nach jüdischer Vätersitte gestalten“ (κατὰ τὰ πάτρια τῶν Ἰουδαίων). Denn die Synagogen sind in der Diaspora in dieser Perspektive der einzige öffentliche Ort, wo Juden ihren Glauben anerkanntermaßen und regelmäßig ausüben können.63

2.3.2 Der Sabbat und die jüdische Identität Der Sabbat, als besonderes Merkmal jüdischen Glaubens, wird auch bei der Begegnung der Gesandtschaft mit Caligula in Rom relevant. In Erinnerung an Augustus, dem in beiden Traktaten besondere Aufmerksamkeit gewährt wird – im gewollten Kontrast gegenüber Gaius Caligula –, werden sowohl seine Anerkennung der Synagogen als auch die des wöchentlichen Sabbats aufgegriffen.64 Der „heilige siebte Tag“ dient der Bildung, wie ich schon erwähnt habe, der „öffentlichen Unterweisung in der Philosophie der Väter“.65 Die römischen Juden waren offensichtlich eine beachtenswerte gesellschaftliche Größe und anerkannt genug, dass ihre religiöse Praxis bekannt und akzeptiert war.66 Obwohl die Frage nach dem Sabbat in den beiden hier im Vordergrund stehenden Traktaten keine herausragende Rolle spielt, wird doch auch an diesen Stellen das verstärkt, was Herold Weiss in seiner Untersuchung zur Sabbatfrage bei Philo insgesamt so zusammenfasst:67 „Philo seems anxious to have the Jewish community present a common front vis à vis the Gentile world. He sees the Sabbath as that which gives the Jewish community solidarity.“

2.4 Das Schweinefleischverbot und die jüdische Identität Eine letzte Bemerkung scheint mir in diesem Zusammenhang noch wichtig zu sein: Bei der Beschreibung der Untaten des alexandrinischen Pöbels war ja nicht immer sofort erkennbar, ob die betreffenden Personen auch wirklich Juden waren. Als ein

63 Vgl. legat. 156: Die Synagogen trifft die erste und entscheidende „Attacke“ des Kaisers gegen die Juden (in kontrastreicher Abgrenzung gegenüber der Unterstützung der jüdischen Seite durch Augustus)! Vgl. weiter Leonhardt, Worship 44–48.81. 64 Legat. 156 mit Bezug auf die Zeit unter Augustus. Zur Frage nach der Sabbatobservanz bei Philo vgl. Weiss, Philo on the Sabbath, passim; Doering, Schabbat. Wie cher. 87; Abr. 28; mut. 260 oder spec. II 41. 86. 194 zeigen, ist Philo auch über die hebräische Herkunft und Bedeutung des Namens informiert. 65 Apol. VII 12–14 und legat. 156; vgl. hierzu ausführlich Leonhardt, Worship, 72. 66 Daher verdient an dieser Stelle auch die Akzeptanz der Tempelsteuer schon durch Augustus Erwähnung; vgl. Leonhardt, Worship, 80. Die Zeit des Augustus dient im Traktat immer wieder als Kontrastfolie gegenüber Gaius Caligula (vgl. Flacc. 74; 105 u. ö.; vgl. legat. 143–147.240.291.317 f u. ö.). Vgl. u. a. Barraclough, Philo’s Politics, 453 f, und vor allem Niehoff, Jewish Identity, 128– 133. 67 Weiss, Philo on the Sabbath, 103.

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besonderes Merkmal der Betroffenen wurde dann der Verzehr von Schweinefleisch (κρέα χοίρεια) angewendet. So schildert Philo die Szene:68 Viele wurden so als Jüdinnen erfasst, ohne dass man sich die ganze Gewissheit verschaffte, ob sie es auch waren. Zeigte sich dann, dass sie einem anderen Volk angehörten, kamen sie wieder frei. Im anderen Fall ließ man Schweinefleisch bringen und es ihnen vorsetzen […]. Alle, die nun aus Furcht vor Quälereien davon aßen, wurden also frei, und danach geschah mit ihnen nichts Schlimmes mehr. Die Standhafteren aber kamen zu unmenschlichen Martern in die Hände der Folterknechte und erwiesen damit aufs Bestimmteste ihre Unschuld.

Möglicherweise erinnert dieses besondere Prüfungsverfahren an die Martyriumslegenden im Zweiten Makkabäerbuch (Kap. 6 f), wo unter anderem auch die Frage nach dem Essen des Schweinefleisches einen entscheidenden religiösen Identitätspunkt darstellt.69 Ein zweiter gemeinsamer Berührungspunkt ist die damit verbundene Frage nach dem freiwilligen Tod.70 Der Topos der jüdischen Bereitschaft, lieber zu sterben als sich zum Übertreten der Tora zwingen zu lassen, wird von Philo nochmals aufgegriffen,71 wenn er schildert, wie die jüdische Gesandtschaft aus Alexandrien versucht, einen Kontakt mit Kaiser Gaius Caligula in Rom bzw. später auch in der kaiserlichen Sommerresidenz in Puteoli herzustellen. Philos Mitteilungen in legat. 349–351 beziehen sich auf das erste, etwas ausführlicher geschilderte und wohl entscheidende Gespräch auf dem ager Servianus, nördlich des Esquilin (in den horti Maecenatis und Lamiae), von dem Philo behauptet (legat. 351): „Dort sollte das Schauspiel gegen unser gesamtes Volk in unserer Gegenwart in Szene gesetzt werden.“ Die Themeneröffnung und damit gleichzeitig die spöttische Kennzeichnung der Juden durch den Kaiser lauten nach Philo:72 Ihr seid also die Gottesverächter, die nicht glauben, ich sei ein Gott, ich, der ich schon bei allen anderen anerkannt bin, sondern ihr glaubt an den für euch unbenennbaren Gott.

Danach kommt es zur für jüdische Ohren ungeheuerlichen Provokation der Benennung ihres Gottes durch einen „Gotteslästerer“!

68 Flacc. 61. 69 Nach Lev 11,7; Dtn 14,8; 1Makk 1,47 u. ö. Auf der anderen Seite galt das Schweinefleisch als leicht zu züchtendes und zu unterhaltendes Nahrungsmittel, sogar in Syrien und Palästina (vgl. Jes 65,4; 66,3; Mt 8,28 f). Es war allerdings auch in Ägypten ähnlich (nach Herodot II 14; Plutarch, mor. 353 f), was zu beißender Kritik führte (Juvenal XIV 98 f, Plutarch, mor. 696 E; Flavius Josephus, Apion. II 137; zum Ganzen ebd. II 140–142). 70 Bei Philo wohl nur hier an dieser Stelle. 71 Legat. 361 als provozierende Frage des Kaiser: διὰ τί χοιρείων κρεῶν ἀπέχεσθε; 72 Legat. 353; vgl. z.St. u. a. Shaw, The Emperor Gaius; modifiziert bei van der Horst, Two Short Notes, 18. Beide unterstreichen die bewusst gotteslästerliche Absicht des Aussprechens des jüdischen Gottesnamens.

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Nach einem Zwischenspiel und einer weiteren Begegnung, die ihre jüdischen Interessen für den Kaiser als lästige Störung herausstellt, kommt es zur zweiten Provokation, dem Bezug zu den Reinheitsfragen und Speisegeboten, wie sie auch auf der römischen Seite allgemein bekannt waren, vorbereitet und eingeleitet durch Philo mit der Bemerkung „eine hochbedeutsame und folgenschwere Frage“ (μέγιστον καὶ σεμνὸν ἐρώτημα):73 „Wie haltet ihr es mit dem (Verzehr des) Schweinefleisch(s)?“ Diese provozierende Frage löst bei den Umstehenden wieder lautstarken Beifall, schallendes Gelächter und Hohn und Spott gegenüber den Juden aus.74 Bevor dann als letzte Frage, die angesprochene Thematik der Bürgerrechte, bzw. die rechtliche Herabsetzung (aller?) Juden als Fremde und Migranten das Ende der ersten, eben entscheidenden, Begegnung mit Caligula in Rom markiert.75

3. Die Polemik 3.1 Jüdische Abgrenzung gegenüber „Ägypter“ Wir beginnen unsere Erörterung mit der anfänglichen Charakterisierung in Flacc. 29,76 die die Bedeutung des Besuchs des Agrippa I. in Alexandrien herausstellt:77 Die Ägypter aber, von Natur aus gehässig, barsten vor Neid78 und argwöhnten, dass das Glück anderer ihr eigenes Unheil sei; und weil ihnen die uralte Feindschaft gegen die Juden eingeboren war, ärgerten sie sich darüber, dass ein Jude König geworden war, nicht weniger als wenn jedem einzelnen von ihnen eine angestammte Königswürde geraubt worden wäre.

Es ist zwar die einzige Stelle, in der Philo die Gegner der Juden als „Ägypter“ bezeichnet, was sicher auch durch die besonderen Umstände der Verarbeitung der Auseinandersetzungen von 38 n. Chr. geschuldet ist.79 Verbunden wird diese Polemik mit der genauso herabstufenden Beurteilung der Ereignisse, hervorgerufen durch die Unterschicht der Stadt, dem „Pöbel“. Der Vorwurf des Neids, der Eifersucht und des Hasses

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Legat. 361. Ebd. Legat. 363 f; vgl. 349. Weiter bei Philo, Mos. I 95; Mos. II 193.196; cont. 8; agr. 62; Abr. 107 u. ö. Vgl. u. a. Mendelson, Identity, 11 f; Goudriaan, Strategies, 82; Borgen, Philo, 23 f; Schäfer, Judeophobia, passim, Pearce, Land of the Body, passim, und schon dies. Belonging, bes. 88–97. 77 Vgl. dazu vorher schon die Anschuldigung in Flacc. 17, dass in Alexandrien der geringste Funke genüge, um dort „gewaltige Aufstände zu entfachen (ἐκφυσᾶν στάσεις μεγάλας)“.Vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 192 u. ö. 78 Zur βασκανία vgl. Pearce, Jerusalem, 66 f. 79 So jedenfalls Pearce, Jerusalem, 65, allerdings mit dem Hinweis, dass für Juden diese Auseinandersetzung eine viel längere Vorgeschichte beinhaltet.

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werden traditionell den politischen Gegnern und Rivalen zugeschrieben.80 Philo entzieht sich allerdings der Aufgabe, die „uralte Feindschaft“81 näher zu beschreiben und zu erläutern. Es bleibt hier also zunächst offen, ob in diesem Zusammenhang die Polemik auf Agrippa I., das (jüdische) Königtum überhaupt oder das Judentum an sich gerichtet ist. Ähnlich pointiert bzw. aggressiv sind auch die beiden Polemiken in legat. 162 und 166: (162) [Die Alexandriner] sind nämlich wohl bewandert in der Kunst der Kriecherei, Täuschung und Verstellung; sie verstehen es, einem zum Munde zu reden82 und mit losem, ungezügeltem Mundwerk alles zu verwirren […]. (166) [Sie] sind üble Geschöpfe, deren Seelen ihrer heimatlichen Krokodile und Schlangen Gift und Heimtücke zugleich durchsetzt hatte.

In einer der grundlegenden, klassischen Untersuchungen konstatierte schon 1988 Alan Mendelson zu den überall bei Philo zu bemerkenden Abgrenzungen gegenüber Ägyptern und speziell den Alexandrinern:83 Philo slips with such ease into passages which defame Egypt, its people, and its religion that one wonders how common this mode of thought was within the Jewish community.

Ganz ähnlich in der neuesten ausführlichen Untersuchung bei Sarah Pearce,84 Philo’s construction of the opponents in these terms also emphasises the „Egyptian“ element as a dangerous force which deceives and causes the destruction of Rome’s leaders.

Hier sei noch eine Bemerkung zu den drei bei Philo erwähnten wohl alexandrinischen Personen angefügt, die er im Zusammenhang mit dem Römer Flaccus anführt, Dionysios,85 Lampon86 und Isidoros87 (Flacc. 20 f). Es bleibt offen, wie ihr eigener Anteil an den Aktionen gegen die Juden zu werten ist. Es könnte glaubwürdig sein, 80 Colson in seiner Ausgabe z.St. markiert hier eine Spannung zwischen dem scheinbaren Wunsch Agrippas, unerkannt in die Stadt zu gelangen und seiner Inszenierung als bedeutende, erkennbare Königsgestalt. 81 Flacc. 29; van der Horst (Flaccus, 122) verweist auf die parallele Front bei Josephus (vgl. Apion. I 223 u. ö.); vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, passim. 82 Vgl. Pearce, Jerusalem, 74 f: „Egyptian Atheism: the Language of Deceit.“ 83 Jewish Identity, 121 f. Zur Position von Josephus, vor allem in Apion., vgl. grundlegend Barclay, The Politics, passim. 84 Pearce, Land of the Body, 80. 85 Er kommt bei Philo allerdings nirgends mehr vor! 86 Auf ihn kommt Philo ja noch einmal ausführlich als Sekretär des Flaccus zu sprechen (Flacc. 125– 134). 87 Er scheint eine entscheidende Rolle bei den alexandrinischen Vorkommnissen gespielt zu haben. Flacc. 135–145 stellt ihn als einen der entschiedensten Gegner der Juden dar. Legat. 355 schildert Isidoros als einen der Anführer der Alexandrinischen Gesandtschaft in Rom.

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dass sie hinter demjenigen stecken, was der Statthalter tat bzw. unterließ. Gar nicht erkennen lässt Philo, dass sie keine Ägypter waren, sondern Griechen Alexandriens, nämlich politisch handlungsberechtigte Bürger. Immerhin wird das Ganze ja in diesem Zusammenhang als Mime oder „Maskenspiel“ (προσωπεῖον), als Theater mit wohl offen sichtbarer Vorder- und verborgener Hinterbühne beschrieben. Sicher wird es kein klares Bündnis zwischen dem Römer Flaccus, den Gymnasiarchen und dem oberen alexandrinischen Bildungsbürgertum gegeben haben. Aber die Gruppen, die aktiv gegen die Juden vorgehen, könnten durchaus aus dem Umfeld dieser drei stammen und mehr oder weniger offen ersichtlich ihre Interessen vertreten und ausführen.

3.2 Die Gottesfeindschaft (einzelner) Römer88 Unsere bisherigen Überlegungen führten uns zu der Verbindung zwischen den Alexandrinern bzw. Ägyptern und den politischen Führern, hier Caligula. An dieser Stelle kann deshalb noch einmal kurz auf einige pointierte Provokationen Philos in besonders aussagekräftigen Passagen seiner Schriften verwiesen werden.89 In seinem Traktat gegen Flaccus macht Philo deutlich, wie seiner Meinung nach der römische Statthalter in großem Maße an der katastrophalen Verschlechterung der Situation der Juden beteiligt ist. Lässt Philo den Beginn der Amtszeit Caligulas noch in einem recht positiven Licht erscheinen, so ist für ihn klar, dass später die Amtsfähigkeit des Flaccus eklatant nachlässt und schließlich Kräfte wirksam werden, die die Situation für die Juden brandgefährlich werden ließen. Er nennt sie gleich zu Beginn des Traktats:90 „Nach Sejan91 war es Flaccus Avillius, der die Judenverfolgung übernahm.“ Mit dem Stichwort des (hinterhältigen) Anschlages, ἐπιβουλή, scheint Philo den Begriff gefunden zu haben, mit dem er die Ereignisse in Alexandrien 38 n. Chr. kennzeichnet. Gleich zweimal verwendet er ihn hier am Anfang, und in variierenden Kontexten zieht er sich durch das ganze Werk hindurch.92 Ganz auf dieser Linie arbeitet auch seine polemische Beschreibung der erwähnten drei anderen Gegner bzw. ihrer Anhänger aus der Stadt: Dionysius wird als Volksverführer (δημοκόπος), Lampon als Papierkrieger oder Buchstabenbüffler (γραμματοκύφων) verunglimpft.93 Isidorus hingegen wird als Rebellenhäuptling (στασιάρχης) tituliert und allgemein als Intrigant (φιλοπράγμων), Erfinder böser Pläne (κακῶν εὑρετής), oder schließlich als

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Vgl. die Terminologie nach Kollmann, Einführung, 96: die Caligulakrise – oder: die Claudiuschance. Nächster Abschnitt nach Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 193. Flacc. 1; zur ganzen Passage zu Beginn des Traktates vgl. Runia, Philo, passim. Die Erwähnung Sejans ist natürlich bewusst gewählt. Zu seiner (sehr verschieden beurteilten) Verschwörung gegen Tiberius vgl. Yavetz, Tiberius, 124–151 (zur Sicht Philos ebd. 115 f). Philo schließt sich der üblichen Verfemung dieses an einer Intrige gescheiterten Politikers bedenkenlos an. 92 Bei der nächsten Verwendung in Flacc. 1 wird die Hinterhältigkeit der Handlungen des Flaccus und ihre Radikalität ohne weitere Differenzierung herausgestellt: „er dehnte die Verfolgung mehr mit List als durch Gewalt (διὰ τέχνης τὸ πλέον ἢ δυνάμεως) überall gegen alles (ἐπιὼν τοὺς πανταχοῦ πάντας) aus.“ 93 Flacc. 20.

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Städteverwirrer (ταραξίπολις) tituliert.94 Philo fasst dies in dem Vorwurf zusammen (Flacc. 21): „Diese ganze Bande nun heckte einen furchtbaren Anschlag gegen die Juden aus.“ Die negative Beschreibung des Kaisers Caligula hat dann darüber hinaus in eben diesem Sinne die Absicht – so Jutta Leonhardt –,95„ein besonders einprägsames Bild von der Despotie dieses Herrschers zu geben.“ Insgesamt wurde auch schon in den bisher besprochenen Texten deutlich, dass Philo seine Gegenüber ganz im Sinne der allgemeinen Vorurteile seiner Zeit schildert.96 Dies leuchtet also nicht nur seinem jüdischen Leserkreis ein, sondern auch dem eventuell nichtjüdischen. Hierin liegt auch der Grund dafür, dass viele Ausleger seine beiden hier zu besprechenden Traktate in die Zeit der Thronbesteigung des Claudius oder kurz danach datieren. Auf diesem Hintergrund wird somit die Abhängigkeit der Sicherheit der Juden vor Verfolgung ihrer Person, ihrer Religionsausübung und ihres Eigentums von dem verantwortlichen Verhalten des jeweiligen Kaisers deutlich.97

Beispielsweise macht Philo schon zu Beginn des Traktats über seine Gesandtschaft darauf aufmerksam, dass der Kaiser in seiner Gegnerschaft zu Gott größenwahnsinnige Züge annimmt. Dessen geistige Verwirrung zeige sich in folgenden Punkten:98 – Caligula beansprucht die Totalherrschaft über Land und Wasser (legat. 8); – seine Blütezeit ist offensichtlich überschritten: seine gegenwärtigen Handlungen spotten nun jeglicher menschlicher Vorstellungskraft (legat. 5 f). Damit übernimmt Caligula den Gegenpol zum Herrschaftsanspruch des Gottes Israels. Dies bildet einen Zug, der sich durch den ganzen Traktat wie ein roter Faden hindurchzieht. Dadurch ist der Kaiser letztlich derjenige, der sich der Herrschaft des Gottes der Juden widersetzt und letztlich von diesem zu Fall gebracht wird, womit Philo – wir werden später noch einmal darauf zurückkommen – die Akte befriedigt schließen kann.

3.3 „A distinguished people“ (J. Barclay)99 Ein letzter Punkt ist in dieser kurzen Nachzeichnung der Verhältnisse zu Beginn des 1. Jh. n. Chr. in Alexandrien anzusprechen. Allerdings bin ich mir dabei durchaus bewusst, wie schwierig es selbst für die regionale Perspektive in Ägypten ist, von einem

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Ebd. Leonhardt, Vergleich 107. Ebd., 130 Anm. 26. Ebd. 131. Dies macht Runia, Philo, als drittes, „theologisches Thema“ von dessen Prolog in legat. 4–7 aus. Vgl. Mendelson, Identity, Kap. 5: „A People Apart.“

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nach angebbaren Kriterien einheitlichen Judentum zu sprechen;100 trotzdem setzt das Philo für sich ganz selbstverständlich voraus. Schon zu Beginn des Traktats über die Vorfälle, die nach Philo in erster Linie Flaccus zu verantworten hatte, noch bei der positiven Beschreibung des Statthalters und seiner Verdienste, lässt Philo mit der bilderlosen und opferlosen Verehrung Gottes ein Thema anklingen, das dann später in unterschiedlichen Formen zur Abgrenzung seiner – jüdischen – religiösen Position immer wieder auftaucht. So lobt er in der Einleitungspassage Flaccus, weil er die „Bruderschaften und Vereinigungen aufgelöst hat, denn hier werden unter dem Vorwand von Opferfeiern Gelage veranstaltet“.101 Während sich mit dieser Polemik noch eine breite gemeinsame Frontstellung mit den potentiellen Lesern herstellen lässt und auch mit verbreiteter römischer Kritik, so scheint sich gegenüber der Position der jüdischen Einstellung ein spezieller Punkt herauszuheben, den Philo einmal besonders pointiert als den „unerhörten, beispiellosen Bruch des Gesetzes“ (Flacc. 41) markiert. Hier geht es konkret um die Aufstellung von Kaiserbildern (εἰκόνα) in den alexandrinischen Synagogen,102 die die alexandrinischen Volksmassen (ὀχλοκρατία) lautstark im Theater vom Statthalter verlangten und offensichtlich mit Erfolg umsetzten (legat. 134): In allen Synagogen […] begannen sie, Bilder des Gaius aufzustellen, in der größten und berühmtesten sogar eine Bronzestatue, auf einem Viergespann stehend.

Einmal abgesehen davon, ob sich in dieser Weise wirklich der Anspruch des Kaiserkultes und der Vergöttlichung des Kaisers widerspiegelt,103 was in der Forschung äußerst umstritten ist, so zeigt sich doch hier eine der besonderen religiösen jüdischen Sensibilitäten.104 Als eine weitere Verachtung der jahrhundertealten Traditionen der Stadt stellt diese Verletzung die angestammten jüdischen Rechte aufs Äußerste in Frage; denn zur Zeit der Ptolemäer (legat. 139)

100 Zum Problembereich der unterschiedlichen „Judentümer“ vgl. Schimanowski, Juden und Nichtjuden, 221 Anm. 51. 101 Flacc. 4. Zu anderen philonischen Texten vgl. Leonhardt, Worship, 252 u. ö. Zum kritischen Verhältnis zu den unterschiedlichen Vereinen Alexandriens vgl. Seland, Philo. Zur politischen Gefährlichkeit für Rom vgl. legat. 312. 102 Zur Unterscheidung von diesen „Kaiserbildern“ und den „Statuen“ (ἀνδριάς) vgl. Gambetti, Riots, 168. Zur Verantwortlichkeit des Flaccus s. Flacc. 40.43; vgl. dazu Gruen, Diaspora, 58: Widerstand gegen diese Aktionen des alexandrinischen Mobs hätte dem Statthalter als Widerstand gegen den Kaiserkult ausgelegt werden können. 103 Vgl. legat. 118 mit dem – für Philo besonders typischen – Vorwurf der Gottlosigkeit (θεοπλαστῆσαι), d. h. die Verwandlung des Geschöpfes in einen Gott; vgl. dazu Pearce, Land of the Body, 71 f. 104 Eine Frage, die die historische und politische Fragestellung bei Gambetti, Riots, übergeht. Birnbaum, Place of Judaism, geht in ihrer Untersuchung gar nicht auf diese „Bilderfrage“ ein.

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weihten die Alexandriner keins ihrer Bilder oder keine ihrer Statuen in den Synagogen, obwohl es doch Einheimische und Stammes- und Blutsverwandte waren, an deren Göttlichkeit sie glaubten und von deren Göttlichkeit sie schrieben und sprachen.

Mit denselben Argumenten kommt dann Philo auch bei der Errichtung einer eigenen Statue des Kaisers im Jerusalemer Tempel als „Auflösung der väterlichen Sitten“105 zu sprechen. Auf diese Weise würde die Unverletzbarkeit des jüdischen Zentralheiligtums aufs tiefste gestört und der Jerusalemer Tempel zu einem „Heiligtum des Kaisers“ umfunktioniert.106

4. Schluss: Philos Glaube an die Vorsehung Bei diesem kleinen Beitrag zum philonischen Selbstverständnis „in schwieriger Zeit“ darf eine letzte kurze Betrachtung zur – heute würde man wohl von einer theologischen Deutung und Verarbeitung der bedrohlichen Vorfälle in Alexandrien sprechen – nicht fehlen. Es ist immer schon einmal aufgefallen, dass Philo vor allem in den beiden „apologetischen Traktaten“ auf das Motiv der „göttlichen Vorsehung“ zu sprechen kommt.107 Diese Beobachtung unterstreicht noch einmal in ganz spezieller Weise, wie er seine Gottesvorstellung verstanden haben will.108 Denn die Hoffnung auf die „Fürsorge Gottes“ stellt nun die entscheidende Thematik dar, die Philo gerade in der Vereitelung der widergöttlichen Absicht des Kaisers demonstriert. Von all dem anderen, was dieser Überzeugung widersprechen könnte, sollte man sich deshalb in keiner Weise verunsichern lassen!109 Die Vorstellung von der helfenden Vorsehung gehört zur entscheidenden religiösen Perspektive bei der Verarbeitung der pogromartigen Vorfälle des Jahres 38 n. Chr. in Alexandrien. Es ist also bezeichnend, dass Philo in der Legatio ad Gaium genau damit

105 Legat. 335: τὴν τῶν πατρίων […] κατάλυσιν; diese Ausführungen stehen im Brief des Agrippa an Caligula. 106 Legat. 346: μεθηρμόζετο καὶ μετεσχημάτιζεν εἰς οἰκεῖον ἱερόν; vgl. den Abschluss des Briefes. Der Tempel würde dann den gottesverächtlichen neuen Namen tragen (Διὸς Ἐπιφανοῦς Νέου χρηματίζῃ Γαΐου). 107 Vgl. vor allem Niehoff, Jewish Identity, 135 (mit Verweis auf weitere Literatur): „Philo returned to this theme throughout his treatise and showed how Divine providence had been acknowledged by virtuous Jews.“ 108 Niehoff, ebd.: „These Philonic references to Divine providence obviously suggest that the Jewish God passionately guides human affairs. He even has control over the world power of the day and regulates the behaviour of Roman politicians. This has evident implications for Jewish identity.“ Vgl. oben unter 2.2. 109 Vgl. den Schlusssatz der Kapitels „Roman Benefactors and Friends“ bei Niehoff, ebd., 136: „His readers should therefore not be distracted by them (sc. the Temple incident and the Alexandrian pogrom) from the essentials.“is

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beginnt und endet. Eine Perspektive, die genauso für In Flaccum gilt.110 In Fortführung des zu Anfang zitierten Abschnittes behauptet er in legat. 3: Jedoch, mögen nun manche Menschen im Glauben an eine göttliche Fürsorge für die Menschheit irre geworden sein und besonders für das Geschlecht der Schutzflehenden, dessen Bestimmung es ist, dem Vater und König der Welt, dem Ursprung des Alls als Erbe zugehörig zu sein, so müsste schon allein die gegenwärtige Zeitenwende und die in ihrem Verlauf gefällte Entscheidung über vielen brennenden offenen Fragen genügend Überzeugungskraft für sie haben […].

Im folgenden Text kommt Philo dann direkt mit der Erklärung des Begriffs „Israel“ auf die Juden als das von Gott erwählte Volk zu sprechen. Es ist nicht nötig, die hinter seinen Ausführungen stehende Ansicht vom Eingreifen Gottes in den Kosmos hier weiter nachzuzeichnen, die sich typischerweise auch in seinem Traktat über die Schöpfung (De opificio mundi) findet.111 Die sprachliche Form unterscheidet sich zwar in den beiden apologetischen Traktaten durchaus von seinen exegetischen Schriften, aber sein Welt- und Gottesbild stimmt genau mit den dortigen Darlegungen überein.112 Mit etwas anderen Worten kommt Philo auf diese seine religiöse Einschätzung der Erfahrungen in Alexandrien wieder in der Mitte seiner Schrift zurück (legat. 196): Vielleicht bedeutet unsere Heimsuchung eine Prüfung113 der heutigen Generation, wie sie zur Tugend steht und ob sie gelernt hat, Schrecken mit starkem Herzen und kühlen Verstand in ihren Entschlüssen zu ertragen, und nicht weiter zu wanken. Alles, was aus Menschenhand kommt, geht dahin. Mag es dahingehen! Bleiben aber soll in den Seelen unzerstörbar die Hoffnung auf Gott, den Retter, der sein Volk oft aus Not und Verzweiflung befreite.

Gott der Schöpfer und Retter des Kosmos und insbesondere Israels ist also auch – guter – Pädagoge. Hier wird deutlich, dass die biblische Beschreibung Gottes als „Retter und Erhalter, der sein Volk oft aus Not und Verzweiflung befreite“ ein ganz wichtiges

110 Vgl. Runia, Philo, 360 f: „The theme of divine providence and its care for the Jews is unquestionable the main connecting theme of the treatise, and also of its companion piece, the In Flaccum“ mit Verweis auf „the far too brief analysis“ von Frick, Divine Providence. Allerdings bemerkt Frick, ebd., 187, durchaus zu Recht zu legat.: „Though it often disappears […] under long sections of historical narrative, God’s beneficent providence emerges at every major crisis in the life of the Jewish people.“ Zur Bewertung als entscheidendes Merkmal der „jüdischen Identität“ bei Niehoff s. o. Ähnlich auch van der Horst zu Flacc. 121: „Even though not frequently made explicit, the motif of God’s pronoia is a leitmotif in Flacc.“ (Hervorhebung dort). 111 Runia, Philo, 361, verweist auf seinen ausführlichen Kommentar zu opif. 171 f. 112 Runia verweist zu Recht auf die Behandlung der Stelle bei Birnbaum, Place of Judaism, 106. Vgl. zum Begriff der πρόνοια Gordon, Art. Pronoia, 1257, mit Verweis auf u. a. Jos. 116.161.236 u. ö.; opif. 9 f u. ö.; her. 58; Mos. I 67; mut. 25. 113 Vgl. einen ähnlichen Gedanken zur Verhaftung des Flaccus in Flacc. 119.

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Element seines Glaubens darstellt.114 Ganz ähnlich verwendet Philo dieses Gottesbild, um zum Schluss seines Traktats in legat. 367, sozusagen als Quintessenz, die Wende und das Ende des Caligula zu deuten – wobei er die Terminologie etwas verändert:115 „Gott aber erbarmte sich unser und wandelte Gaius’ Herz zur Milde.“ Denn „Gott hält in seiner Vorhersehung unsichtbar seine Hand über die Gequälten“.116 Philo schildert die Szene als die göttliche Reaktion auf das verzweifelte Gebet dem Tode ins Auge Schauender.117 Im Gegenüber zur – letztlich scheiternden – Mission zum Kaiser wird schon allein das Entkommen des kaiserlichen Spotts und seines Hasses auf das jüdische Volk als Befreiung geschildert (vgl. legat. 368). Wie angedeutet lassen sich an dieser Stelle enge Parallelen zu den betreffenden Stellen in In Flaccum herstellen. Dies gilt vor allem in dem ausführlich wiedergegebenen Dankgebet der befreiten jüdischen Alexandriner.118 Zuvor sind schon Konvergenzen in Bezug auf die hilfreiche Unterstützung der Juden durch Agrippa I. unverkennbar (Flacc. 102): „[Gott] aber erbarmte sich unser und bot uns bald Grund zur Hoffnung, [von ihm] nicht enttäuscht zu werden.“ Das führt dann zu dem schon zitierten aussagekräftigen Schlusssatz, dass das Ende des Flaccus der „untrügliche Beweis dafür ist, dass Gottes Beistand dem Volk der Juden nicht versagt ist.“119 So bleibt nun am Schluss die Frage, wie Philo sich selbst in diese Beschreibung der providentia dei einbindet.120 In meinen früheren Untersuchungen hatte ich diese Perspektive in erster Linie als political correctness gedeutet.121 Das gibt sicher ein wesentliches Element der philonischen Überzeugung wieder, zumal sich eine solche Orientierung durchaus mit römischen Idealen und Vorstellungen vereinbaren ließ. Dies gilt auch für die Beurteilung von Herrschenden wie Augustus und Tiberius im positiven Sinne auf der einen und für die Verurteilung von Flaccus und Caligula auf der anderen Seite. Beides lässt sich durchaus mit Philos Glauben in Einklang bringen. Nach erneuter Lektüre der sogenannten historischen (wie wir gesehen haben dabei durchaus auch polemischen) Traktate Philos möchte ich hier mit diesem Beitrag jedoch die religiöse Dimension stärker gewichten.122 Nicht zufällig deckt sich Philos Glaube 114 Vgl. z. B. Jos. 195; migr. 118–124; spec. I 272 u. ö. Zeller, Gott 42: „In bezug auf den religiösen Gebrauch ist zunächst zu sagen, dass für Philo Gott aus den Gefahren und Nöten des leiblichen Lebens retten kann.“ 115 ὁ δὲ λαβὼν οἶκτον ἡμῶν τρέπει τὸν θυμὸν αὐτοὺ πρὸς ἔλεον. Vorher begegnen ähnliche Gedanken schon in legat. 336 mit dem Stichwort der πρόνοια: προνοίᾳ δέ τινι καὶ ἐπιμελείᾳ τοῦ πάντα ἐφορῶντος καὶ σὺν δίκῃ. 116 Legat. 220: θεοῦ μοι προνοίᾳ δοκῶ τὴν χεῖρα τῶν ἀδικουμένων ἀφανῶς ὑπερέχοντος. 117 Legat. 366. 118 Flacc. 121–125; vgl. Flacc. 170, wo es in dem abschließenden längsten Selbstgespräch des Flaccus heißt: „König der Götter und Menschen, so lässt Du also das Volk der Juden nicht außer Acht (βασιλεῦ θεῶν καὶ ἀνθρώπων, οὐκ ἄρα τοῦ τῶν Ἰουδαίων ἔθνους ἀμελῶς ἔχεις).“ 119 Flacc. 191; vgl. Frick, Divine Providence, 189: „Reflecting finally on Flaccus’ end, Philo gives the theme of divine help for his people a powerful culmination in the very last sentence of the treatise.“ 120 Vgl. Gordon, Art. Pronoia. 121 Vgl. Schimanowski, Jüdische Integration, 135. 122 Vgl. zu dieser Bewertung auch die theologische, philosophische, ja „pastorale“ Perspektive, die van der Horst, Flaccus 1 f.11–16, pointiert herausstellt.

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und die Beschreibung seiner religiösen Identität mit ähnlichen Einschätzungen und einer Weltsicht, die man ebenfalls in Alexandrien zu verorten hat, was aber einer weiteren – eigenständigen – Untersuchung zur Beschreibung jüdischer Identität in der Antike wert wäre: 123 Die Frevler meinen, das heilige Volk knechten zu können; und jetzt lagen sie da, Gefangene der Finsternis, Gefesselte einer langen Nacht, eingeschlossen in den Häusern, von der ewigen Vorsehung (πρόνοια) verbannt!

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Nichtjüdische Autoren im Geschichtswerk des Josephus* Joseph Sievers

Problemstellung Im Kontext der Untersuchungen zu Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung möchte ich mich mit der Beziehung des Josephus zu nichtjüdischen Autoren befassen. Es geht mir dabei nicht in erster Linie um die komplizierte und im Einzelnen oft unbeantwortbare Frage nach den Quellen des Josephus. Vielmehr möchte ich der spezielleren Frage nachgehen, wie Josephus sich zu seinen Vorgängern verhält, wie er sie benutzt, wie und gegebenenfalls warum er sie zitiert oder nicht zitiert. Viele griechische Geschichtsschreiber gehen auf irgendeine Weise auf die Benutzung der Werke ihrer Vorgänger ein. Diodorus Siculus berichtet in seinem Proömium, dass ihm ausgedehnte Reisen, aber vor allem auch sein Aufenthalt in Rom Zugang zu viel Material seiner Vorgänger ermöglichte: Nachdem ich daher erkannt hatte, dass eine derartige Arbeit von größtem Nutzen sein, jedoch auch viel Mühe und Zeit beanspruchen werde, habe ich dreißig Jahre mit ihr zugebracht und unter den größten Mühseligkeiten und Gefahren einen großen Teil Asiens wie auch Europas bereist, um eine möglichst große Zahl der für mich besonders wichtigen Gegenden mit eigenen Augen zu sehen. Aus Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten nämlich sind nicht nur den weniger bekannten Historikern viele Fehler unterlaufen, sondern auch solchen, die an Ansehen zu den Ersten unter ihnen gehören. Antrieb für ein solches Unterfangen aber war mir vor allem die Begeisterung für die Sache; durch sie erreicht es nämlich zuletzt noch jeder, sogar mit dem fertigzuwerden, was ihm zuvor unüberwindbar erschien. Dazu kam, daß mir in Rom die Unterstützung zuteilwurde, die für ein solches Unternehmen nötig war. Diese Stadt nämlich, deren beherrschende Macht sich bis an die Grenzen des Erdkreises erstreckt, hat mir, als ich längere Zeit in ihr weilte, bereitwilligst alle notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung gestellt.1

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Vielleicht kann dieser Beitrag ein bescheidener Ausdruck der Anerkennung für Folker Siegert sein, für die Arbeit, die er und das von ihm geleitete Münsteraner Team an der Vita und am Contra Apionem geleistet haben. Gleichzeitig möchte dies ein kleines Zeichen des Dankes sein für die Gastfreundschaft, die ich nun schon mehrmals über längere Zeit am Institutum Judaicum Delitzschianum erfahren durfte. Diodorus Siculus, Bibliotheca historica I 4,1–3; Übers. Wirth.

Nichtjüdische Autoren im Geschichtswerk des Josephus

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Auf knappere Art beginnt das erste erhaltene Fragment des Cassius Dio mit folgendem Hinweis auf seine Quellenbenutzung: sozusagen alles, was von irgendwem darüber geschrieben worden ist, doch nahm ich nicht alles in mein Werk auf, sondern nur ausgewählte Stellen.2

Im Contra Apionem gibt Josephus freimütig zu, dass er nicht alles gefunden oder gelesen hat, was von Interesse wäre: „ich habe nicht selbst alle ihre Bücher eingesehen“ (Apion. I 216). Jedoch setzte auch er sich schon im Proömium des Bellum, seines ersten Werkes, mit der Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit seiner Vorgänger auseinander (bell. I 6–16). Auf die Gründe für seine Geschichtsschreibung kommt er dann wieder im Proömium der Antiquitates zurück (ant. I 1–9). Allerdings nennt er im Bellum keine außerbiblischen Quellen beim Namen. Dies geschieht erst in seinen späteren Werken, insbesondere in den Antiquitates und im Contra Apionem, in beschränktem Umfang auch in der Vita. Ein erster schematischer Überblick zu den in Josephus genannten Autoren wird von Benedikt Niese geboten. Der Registerband seiner Editio Maior enthält eine Liste mit dem Titel Scriptores quorum testimonio Iosephus utitur hi sunt.3 Es folgen 55 Namen zumeist „griechischer“ Autoren, darunter allerdings auch Herodes, Vespasian und Philo. Diese Liste ist recht unvollständig. Es fehlt zum Beispiel Apollonius Molon,4 aber auch eine Reihe anderer Autoren, die im Contra Apionem genannt werden.5 Für Contra Apionem liegen detaillierte Studien zur Identität und Rolle der von Josephus zitierten oder benutzten Autoren vor. Eine Liste davon hat Heinz Schreckenberg zusammengestellt, die mehr als fünfzig – zumeist nichtjüdische – Autoren enthält.6 Eine ausführlichere Darstellung der paganen Quellen des Contra Apionem findet sich im ersten Band der von Folker Siegert herausgegebenen Textedition.7 Ich will diese Arbeit nicht wiederholen, sondern möchte, zum Teil darauf aufbauend, die Rolle nichtjüdischer Autoren, vor allem in den Antiquitates, untersuchen.

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Cassius Dio, Römische Geschichte I 63; Übers. Veh. Niese, Opera, Bd. 7, 87. Apollonius Molon, aber nur er, ist in der Editio Minor (Bd. 6, 576) nachgetragen. S. Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 151–156. Siehe Schreckenberg, Text, Überlieferung und Textkritik, 55–60. Es fehlen Pythagoras, Anaxagoras, Plato (Apion. II 168); Timaeus von Tauromenium, Antiochus von Syrakus (Apion. I 16 f); Kadmos von Milet (Apion. I 13); Polykrates von Athen, Theopompus von Chios (Apion. I 221). Isokrates (Schreckenberg, ebd., 57) wird in Apion. II 230 nicht namentlich erwähnt, aber ein Topos aus seiner Oratio 12 (Panathenaicus) wird verwendet (M. Vogel bei Siegert, Ursprünglichkeit, Bd. 2, 122). Schreckenberg, Text, Überlieferung und Textkritik, 55–60. Siegert, Ursprünglichkeit, Bd. 1, 23–40.

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Das Bellum Wenn man eine Liste der im Bellum ausdrücklich zitierten Quellen aufstellen möchte, so ist man, wie erwähnt, schnell am Ende. Wenn Josephus es konsequent vermeidet, irgendeine seiner Quellen beim Namen zu nennen, so heißt das natürlich nicht, dass er keine schriftlichen Quellen oder literarischen Vorbilder benutzt hat. Im Gegenteil, es bestehen kaum Zweifel, dass über weite Strecken von bell. I und wohl bis bell. II 100 Nikolaus von Damaskus seine Hauptquelle war.8 Nikolaus wird im Bellum zwar mehrfach erwähnt, nie aber als Quelle, sondern nur als „Freund“ und Beauftragter des Herodes und später des Archelaus. Er wird nicht einmal vorgestellt, sondern Josephus nennt ihn erstmals nur flüchtig in einem kurzen Rückverweis auf eine Kontroverse mit dem Nabatäer Syllaeus (bell. I 574). Diese Episode wird nur verständlich, wenn man die sehr viel ausführlichere Darstellung in ant. XVI 299–372 dazu liest. Dies ist eines der klarsten Indizien, dass Josephus für die Antiquitates nicht nur auf das Bellum und eventuelle neue Quellen, sondern auch direkt auf Nikolaus von Damaskus zurückgegriffen hat. Es könnte aber auch anzeigen, dass Josephus es bei der Abfassung des Bellum vorzog, Nikolaus nicht zu sehr ins Licht zu rücken. Im Proömium des Bellum beklagt sich Josephus über die Unzuverlässigkeit griechischer Geschichtsschreibung (bell. I 13–16), um damit die Wichtigkeit und Verlässlichkeit seines eigenen Werkes zu betonen.9 Zu seinen Quellen oder Vorbildern gibt er keinen Hinweis. Obwohl im Bellum vor allem Thukydides als Vorbild diente, wie schon aus dem Anfang des Proömiums ersichtlich ist,10 wird Josephus ihn erst im Contra Apionem namentlich erwähnen (I 18.66). Über die möglichen Beweggründe, warum er im Bellum keine Quellen beim Namen nennt, lässt sich endlos spekulieren. Hier möchte ich zunächst nur das Faktum feststellen.

In den Antiquitates erwähnte Autoren Im Unterschied zum Bellum verweist Josephus in den Antiquitates relativ häufig auf griechische Autoren, insbesondere auf Nikolaus von Damaskus und Strabo.11 Lateinische Autoren werden nur selten genannt.12 Vielleicht ist es nicht sehr überraschend, dass 8 Schwartz, Josephus and Judaean Politics, 45. 9 Eine wichtige Korrektur zu Interpretationen der Beziehung des Bellum zur historiographischen Literatur wird zusammenfassend von Mason geboten (Greeks and the Distant Past). 10 S. dazu Mader, Politics of Historiography, 56. Mader überbewertet allerdings wohl den sicher vorhandenen Einfluss des Thukydides. Siehe die Rezension von E. Gruen. 11 Schwartz, Josephus and Judaean Politics, 48. 12 Livius wird nur einmal kurz erwähnt (ant. XIV 68). Asinius [Pollio] wird einmal als Strabos Gewährsmann genannt (ant. XIV 138). Häufig vermutet man für Teile von ant. XIX eine lateinische Quelle (Schwartz, Josephus and Judaean Politics, 232). Ward bietet zahlreiche Beispiele von Latinismen in ant. XIX (Roman Greek, 636.639.643.644). In der Vita wird mehrmals auf Vespasians Hypomnemata hingewiesen (vita 342.358; cf. Apion. I 56).

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sich eine Mehrzahl der Namen mit den später im Contra Apionem zitierten deckt. Es kommt sogar mehrmals vor, dass dasselbe Zitat sowohl im einen wie im anderen Werk benutzt wird.13 Allerdings sind die Zitate aus Herodot und Agatharchides im Contra Apionem vollständiger als in den Antiquitates, sind also sicher nicht von dort kopiert, sondern stammen aus dem Original oder einer Zwischenquelle.14 Hier möchte ich nicht eine Liste der benutzten oder zitierten Autoren zusammenstellen,15 sondern an einigen Beispielen prüfen, in welchem Verhältnis Josephus zu seinen Vorgängern steht. Es wird bald klar, dass er frühere Autoren nie einfach als Informationsquelle darstellt, so wie es leider oft mit seinen eigenen Werken geschehen ist, die als eine Art Steinbruch für Detailinformationen ausgebeutet wurden.

Polybius Josephus kommt in zwei Passagen auf Polybius zu sprechen. Im ersten Passus (ant. XII 135–137) zitiert er, in direkter Rede und augenscheinlich verbatim, zwei Sätze aus dessen 16. Buch. Wenn Menahem Stern dennoch schreibt, dass Josephus den Polybius nur durch Nikolaus oder Strabo kannte, so bezieht er diese Behauptung wohl nur auf die Aussagen zum Tempelraub des Antiochus in Jerusalem.16 Allerdings scheint mir diese Beurteilung auch dort fragwürdig, denn Josephus benutzt Polybius ausdrücklich zur Bestätigung dessen, was er selbst zu den guten Beziehungen zwischen Antiochus III. und der jüdischen Bevölkerung in Jerusalem zu sagen hat. Die Aussagen der gelieferten Zitate entsprechen dem aber kaum. Das erste spricht nur von einer ptolemäischen Expedition: „Skopas aber, der General des Ptolemäus, brach in die oberen Regionen auf und unterwarf im Winter das Volk der Judäer“ (ant. XII 135). Das zweite Zitat beginnt in indirekter Rede: „Er [Polybius] sagt in demselben Buch, wie nach der Niederlage des Skopas durch Antiochus der letztere Batanea, Samaria, Abila und Gadara einnahm.“ Das Zitat endet in direkter Rede, wobei mir – und anscheinend nicht nur mir – nicht ganz klar ist, wo diese beginnt. Sowohl Nieses Editio Maior als auch seine Editio Minor hat Anführungszeichen am Ende, nicht aber am Anfang des Zitats. Jedenfalls zitiert Josephus weiter Polybius: Nach kurzer Zeit gingen auch diejenigen der Judäer zu ihm über, die in der Nähe des Heiligtums wohnen, das Hierosolyma genannt wird. Darüber haben wir mehr zu sagen, insbesondere

13 Eine Liste von sechs Doppelzitaten findet sich bei Inowlocki, Citation, 387. 14 ant. XII 6 bzw. Apion. I 209–211. 15 Seth Schwartz zählt 27 griechische und griechisch-orientalische Autoren (Schwartz, Josephus and Judaean Politics, 47). Selbst unter Abzug von Herodes, Philo, Asinius Pollio, Livius, und Vespasian bleiben jedoch wohl noch etwa 30 in den Antiquitates genannte Autoren (s. Niese, Opera, Bd. 7, 87). 16 Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 115 (Nr. 33): „It appears that he knew Polybius only through Nicolaus or Strabo.“

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über die Berühmtheit des Heiligtums,17 werden aber den Bericht auf einen anderen Zeitpunkt verschieben.18

In diesen Zitaten bestätigt Polybius wohl die grundsätzliche militärisch-politische Entwicklung, nicht aber die besondere Behandlung Jerusalems durch Antiochus III. Daher meinen Joseph Chamonard und Théodore Reinach zur Stelle, dass Josephus durch die Zitate „dem Leser Sand in die Augen streuen wollte“.19 Gerade aus dieser forcierten Benutzung des Polybius geht hervor, wie sehr dem Josephus an einer positiven Fremdwahrnehmung gelegen ist, insbesondere der eines so renommierten Historikers. Eine ähnliche Sorge ist auch in der zweiten Passage ersichtlich. Dort geht es um die Todesursache bei Antiochus IV. Josephus folgt dem Ersten Makkabäerbuch (1Makk 6,1–16), demzufolge der Tod dieses Königs als Strafe für den Tempelraub in Jerusalem gedeutet wird. Nach Polybius dagegen stirbt Antiochus IV. infolge seines missglückten Versuchs, den Artemis-Tempel in Elymais auszurauben.20 Josephus referiert den Bericht des Polybius (XXXI 9) nur in indirekter Rede, wie er es im Contra Apionem normalerweise für Autoren tut, denen er widerspricht. Allerdings fügt er hinzu, dass Polybius „ein guter Mann sei“ (ἀγαθὸς ὢν ἀνήρ; ant. XII 358) und dass der Leser sich frei fühlen solle, seine Darstellung vorzuziehen. Hier bestätigt sich teilweise der Befund, den Sabrina Inowlocki im Contra Apionem herausstellt: Josephus zitiert eine Quelle verbatim fast nur dann, wenn er mit dem anderen Autor einer Meinung ist. Die indirekte Rede weist als solche schon auf den „discours du faux“ hin.21 Es scheint gesichert zu sein, dass Josephus zumindest Teile des polybianischen Geschichtswerkes selbst gelesen hat, insbesondere da er das 16. Buch ausdrücklich zitiert. Die Lektüre anderer Bücher mag flüchtig ausgefallen sein. Allerdings würde ich gegen Stern vermuten, dass er den Bericht über den Tod Antiochus IV. selbst eingesehen hat. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, wie groß der Einfluss des Polybius auf Josephus war. Kürzlich hat Eric Gruen nachgewiesen, dass die beiden Autoren nicht nur von ihrer Biographie her, sondern auch in ihren Ansichten über Rom und seine Herrschaft viel mehr gemeinsam haben als bisher erkannt worden war.22

Strabo Bei der Abfassung des Bellum hat Josephus Strabos Werke noch nicht benutzt und wahrscheinlich nicht gekannt. In den Antiquitates dagegen erwähnt er ihn recht häufig, 17 ἐπιφάνεια hat hier wohl nichts mit einer Theophanie zu tun. Reinach: „la célébrité de ce sanctuaire“; Marcus (LCL): „the renown of the temple“, mit Hinweis auf Hekataeus bei Diodorus Siculus XL 3,3. Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 114 f (Nr. 32), schließt sich dieser Meinung an. 18 ant. XII 136; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 113–115. 19 In Flavius Josèphe, Oeuvres completes, Bd. 3, S. 76 Anm. 3 zu ant. XII 135 („En invoquant in globo le témoignage de Polybe, Josèphe a voulu jeter de la poudre aux yeux du lecteur“). 20 Zu Antiochus IV. s. Mittag, Antiochus IV.; Will, Histoire politique, Bd. 2, 352–355. 21 Inowlocki, Citation, 381 f. 22 Gruen, Polybius and Josephus.

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15-mal im Zusammenhang mit zehn verschiedenen Fragmenten, und zwar nur in den Büchern 13–15. Hinzu kommt nur ein Strabo-Zitat in Apion. II 84, das als einziges eine ausdrücklich positive Bewertung dieses Autors gibt. Er wird dabei im gleichen Atemzug mit Polybius, Nikolaus von Damaskus, Timagenes, Kastor und Apollodorus als einer der digni conscriptores genannt. Auf den ersten Blick scheint auch aus den Zitaten in den Antiquitates Hochachtung für sein Werk zu sprechen.23 Das ist aber noch zu überprüfen. Mehr als mit dem Inhalt dieser Zitate im Einzelnen, möchte ich mich mit ihrer Form befassen. Es fällt auf, dass die in Josephus enthaltenen Fragmente drei verschiedenen Kategorien angehören: Zum ersten wird Strabo mehrmals gemeinsam mit anderen Autoren zur Bestätigung von Aussagen des Josephus zitiert. In allen diesen Fällen wird die Übereinstimmung der verschiedenen Autoren unterstrichen. Es heißt zum Beispiel über die Grausamkeit des Ptolemaeus Lathyrus Sowohl Strabo als auch Nikolaus sagt, dass sie (Ptolemaeus Lathyrus und seine Truppen) sie (die Zivilbevölkerung Judäas) auf diese Weise behandelten, wie auch ich gerade gesagt habe.24

Ähnlich möchte Josephus in seinem Bericht über der Eroberung Jerusalems durch Pompeius das heldenhafte Ausharren der Priester im Tempel durch den Hinweis bestätigen, dass „alle, die die Ereignisse unter Pompeius berichtet haben, unter ihnen Strabo und Nikolaus und dazu noch Titus Livius, der Autor der Römischen Geschichte“ die Wahrheit dieser Aussage bezeugen.25 Schließlich behauptet Josephus, dass Nikolaus und Strabo in ihren Berichten über die Feldzüge des Pompeius und Gabinius vollständig miteinander übereinstimmen.26 In allen drei Fällen macht Josephus keine näheren Angaben zu Einzelheiten in den jeweiligen Quellen. Er zitiert auch keine in direkter oder indirekter Rede. Die Namen der Autoren genügen ihm als Gewähr. Die gleiche Praxis verfolgt er im schon genannten Sammelzitat in Apion. II 84 und in mehreren ähnlichen Fällen. In einer zweiten Kategorie von Fragmenten wird Strabo ausdrücklich zitiert, einschließlich der Angabe seiner Quellen, in einem Fall Timagenes,27 im anderen Asinius [Pollio] beziehungsweise Hypsikrates.28 Hier bringt Josephus jeweils ein kurzes Zitat in direkter Rede, das den Text des Strabo wiederzugeben vorgibt. In die dritte Kategorie fallen Zitate aus Strabo ohne weitere Quellenangaben.29 In jedem dieser Fälle wird Strabo bemüht, um Aussagen des Josephus zu bestätigen. Dies findet schon allein dadurch Ausdruck, dass Josephus in der Regel Strabo wörtlich zitiert, 23 Galimberti, Josephus and Strabo. 24 ant. XIII 347; Stern, Greek and Latin Authors, Bd 1, 271 f, Nr. 101. 25 ant. XIV 68; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 276, Nr. 104 (cf. Nr. 91 [Nikolaus], Nr. 132 [Livius]). 26 ant. XIV 104, Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 282, Nr. 106 (cf. Nr. 92 [Nikolaus]). 27 ant. XIII 319; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 271, Nr. 100. 28 ant. XIV 138 f; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 282 f, Nr. 107. 29 Stern, Greek and Latin Authors, Nr. 99, 102, 103, 105, 108.

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mit entsprechender Einleitungs- und Schlussformel.30 Wie Inowlocki aufgezeigt hat, ist zumindest im Contra Apionem die direkte Rede in Quellenzitaten meist Anzeichen des „discours du vrai“, während die indirekte Rede „le discours du faux“ signalisiert.31 Es scheint mir, dass sich diese Unterscheidung auf die Antiquitates übertragen lässt, insbesondere was die direkte Rede betrifft. Es ist aber klar, dass auch im Falle Strabos – wie schon bei Polybius – Josephus seine Quelle zur Stützung seiner eigenen Thesen heranzieht, auch wo solche Unterstützung nicht im Quellentext selbst gewährleistet ist. Dies hat zum Beispiel kürzlich Alessandro Galimberti in seiner Studie zu Strabo und Josephus herausgearbeitet. Er bringt mehrere Beispiele, die aufzeigen, dass Josephus versuchte, die Bedeutung von Strabos Aussagen zu forcieren.32 In der Tat behauptet Josephus, Kleopatra habe nichts ohne die Zustimmung der jüdischen Generäle Chelkias und Ananias getan, „wie auch Strabo der Kappadozier uns bezeugt“ (ant. XIII 286). Das danach folgende Zitat besagt aber nur, dass ausschließlich die Juden aus dem Distrikt des Onias ihr die Treue hielten, weil ihre Mitbürger Chelkias und Ananias von Kleopatra in Ehren gehalten wurden (ant. XIII 287). Ebenfalls entspricht das Bild des Aristobulus I.,33 das in einem angeblich von Strabo aus Timagenes gewonnenen Zitat gezeichnet wird, nicht den sonstigen Angaben des Josephus,34 obwohl es Josephus als Bestätigung seiner eigenen Aussagen vorweist. Nur wenn Strabo gemeinsam mit anderen Autoren genannt wird, folgt also kein wörtliches Zitat. Sonst wird er immer zumindest kurz in direkter Rede zitiert. Er wird nie kritisiert, aber viel manipuliert.35 Zwischen der Benutzung und Zitierung eines Autors, und hier ist Strabo ein gutes Beispiel, besteht also ein erheblicher Unterschied, ja sogar eine tiefe Kluft. Strabo dient zwar dem Josephus als Vorbild,36 wird aber nur in den relativ seltenen Fällen zitiert, in denen es seinen Zielen förderlich ist.

Berossus Berossus wird von Josephus je sechsmal in den Antiquitates und im Contra Apionem genannt. Mehrmals wird er ausführlich zitiert, nach verbreiteter Ansicht nur in einer abgekürzten Fassung, die auf Alexander Polyhistor zurückgeht.37 Stern hat es nicht 30 31 32 33 34 35

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Siehe dazu Inowlocki, Citation, 379. Inowlocki, Citation, 381 f. Galimberti, Josephus and Strabo, 153. Galimberti verwechselt mehrmals Aristobulus I. und Aristobulus II. (Josephus and Strabo, 164 [2x]). ant. XIII 319; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 271, Nr. 100. Galimberti meint abschließend: „Josephus reads the work instrumentally, because Strabo is only quoted by Josephus to support his reconstruction of events and sometimes even by forcing the meaning of the words. Apparently, Josephus is not interested in the context of Strabonian episodes and tends to use them in his accounts to support his own views“ (Josephus and Strabo, 165). Galimberti, Josephus and Strabo, 166. Siegert, Ursprünglichkeit, Bd. 1, 29; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 59; Feldman, Judean Antiquities, 34 Anm. 235.

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für angebracht gehalten, alle diese Zitate und Zeugnisse aufzuführen, sondern bietet nur einen Teil der längsten Passage, aus Contra Apionem, die teilweise schon in ant. X 220–226 wiedergegeben worden war.38 Interessant ist dabei, dass Josephus den Berossus nicht nur häufig und ausführlich heranzieht, wenn auch freilich in der Hauptsache zur Bestätigung der von ihm wiedergegebenen biblischen Berichte, sondern auch gelegentlich behauptet „Ich werde nun Berossos wörtlich zitieren“.39 Solch eine Präzisierung entspricht zwar wohl nicht heutigen Anforderungen an die Genauigkeit eines Zitats, darf aber doch wohl ernster genommen werden als es zuweilen geschieht,40 insbesondere da in dem fast identischen Parallelzitat in ant. X 219 der Leser ausdrücklich auf das dritte Buch der Chaldaika des Berossus verwiesen wird.41

Nikolaus von Damaskus Einen ganz besonderen Platz im Werk des Josephus nimmt natürlich der schon erwähnte Nikolaus von Damaskus ein, Autor einer Universalgeschichte in angeblich 144 Büchern,42 Ratgeber und Freund des Herodes, zeitweise mit der Erziehung der Kinder der Kleopatra und des Antonius betraut,43 später Freund und Biograph des Augustus.44 Nikolaus wird achtmal im Bellum, 33-mal in den Antiquitates und einmal im Contra Apionem genannt.45 Im Bellum wird er nie als Autor oder Quelle erwähnt, sondern nur als Teilnehmer an den Geschehnissen am Hof des Herodes. Auch ein großer Teil der Erwähnungen in den Antiquitates beziehen sich auf seine Tätigkeit als Beauftragter des Herodes. Im Bericht über Herodes und dessen Familie nimmt Josephus nur zweimal auf den Geschichtsschreiber Nikolaus Bezug, beide Male in dezidiert kritischer Haltung: Zum ersten beschuldigt Josephus den Nikolaus, die Genealogie des Herodes absichtlich gefälscht zu haben, um dem König zu gefallen.46 Zum zweiten wirft Josephus dem Nikolaus vor, sowohl Mariamme, die hasmonäische Prinzessin und zweite Frau des Herodes, als auch ihre Söhne fälschlich beschuldigt zu haben,

38 Josephus, Apion. I 128–153. Text, Übersetzung und Anmerkungen in Siegert, Ursprünglichkeit; siehe auch Labow, Contra Apionem, 125–153. Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 56–60, Nr. 17. Für eine vollständigere Wiedergabe der Berossus-Fragmente, nicht nur aus Josephus, siehe Jacoby, FGH 680 F 1–14. 39 Apion. I 134, übers. Siegert. 40 Insbesondere ist die Nennung der judäischen Kriegsgefangenen (ant. X 222 bzw. Apion. I 137) häufig als Interpolation des Josephus angesehen worden. Siehe Barclay, Commentary, 83 Anm. 455; Siegert, Ursprünglichkeit, Bd. 1, 81. 41 Siehe hierzu Inowlocki, Citation, 388. 42 Jacoby, FGH 90 T 11; siehe auch Nicolas de Damas, Histoires (ed. Parmentier/Barone), T 11. 43 Jacoby, FGH 90 T 2; siehe auch Nicolas de Damas, Histoires (ed. Parmentier/Barone), T 2. 44 Siehe Nikolaus von Damaskus, Leben des Kaisers Augustus. 45 Hinzu kommen zwei Nennungen in den Argumenta, den antiken Inhaltsangaben der Antiquitates (ant. XVI, Nr. 18; ant. XVII, Nr. 9). 46 ant. XIV 8 f; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 241 f, Nr. 90; Jacoby, FGH 90 F 96. Siehe auch Nicolas de Damas, Histoires, F 96.

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um Herodes zu entlasten.47 Es ist befremdlich, dass dies die einzigen Hinweise auf die Geschichtsschreibung des Nikolaus über die Zeit des Herodes sind. Josephus zitiert den Nikolaus ausdrücklich nur sechsmal in seinem gesamten Werk. Dreimal geht es um Anmerkungen des Nikolaus zu biblisch belegten Erzählungen. Zunächst zitiert Josephus aus dem 96. Buch des Nikolaus, das, wie die Schriften des Berossus, des Ägypters Hieronymus und vieler anderer, von Noahs Arche berichtet haben soll (ant. I 93–95). Hier benutzt Josephus diese Autoren als eine willkommene Bestätigung für die Verlässlichkeit der biblischen Tradition, selbst wenn er ausdrücklich dem Leser Meinungsfreiheit zugesteht.48 In den nächsten beiden Nikolaus-Zitaten werden Verbindungen mit Damaskus betont: Erstens soll Abraham als König in Damaskus regiert haben (ant. I 159 f). Zweitens führte David Krieg gegen Adadus, den Herrscher von Damaskus (ant. VII 101–103).49 Ein weiteres kurzes Zitat berichtet von Antiochus VII., der aus Rücksicht für Johannes Hyrkan aus Anlass eines jüdischen Feiertages seinem Heer zwei Ruhetage gönnt (ant. XIII 250 f). Außer diesen vier Zitaten gibt Josephus noch zwei Plädoyers des Nikolaus wieder, eines zur Verteidigung der Rechte der Juden Joniens (ant. XVI 31–57) und eines zur Anklage gegen den Herodessohn Antipater, teilweise in direkter, teilweise in indirekter Rede (ant. XVII 106–126). Es ist allerdings nicht klar, wie nahe die Version der Reden in Josephus den Worten des Nikolaus kommt. So bietet Felix Jacoby die Reden in einem Anhang zu den Nikolaus-Fragmenten „als Probe, da in den Fragmenten keine Reden erhalten sind“.50 Dagegen schließt Stern die Reden des Nikolaus bewusst aus „not only because they do not constitute the ipsissima verba of Nicolaus, but also because we cannot even be sure how far they are true to the general ideas expressed by Nicolaus on these occasions“.51 So fällt die Ernte der Nikolaus-Zitate bei Josephus sehr dürftig aus. Nur vier sind einigermaßen gesichert belegt, davon keines die Zeit des Herodes betreffend. Das heißt freilich keineswegs, dass Josephus die Werke des Nikolaus nicht ausführlicher benutzt hat. Es gibt natürlich auch noch einige andere Stellen, wo Josephus ausdrücklich auf das Werk des Nikolaus hinweist, manchmal mit der Angabe des Buches, ohne allerdings wörtlich zu zitieren. In mehreren Zusammenhängen nennt Josephus den Nikolaus von Damaskus als letzte von mehreren Quellen. Dies hat Henry St. John Thackeray dazu bewegt, Nikolaus als eine Art Mittelquelle anzusehen, durch die Josephus die mitgenannten Autoren benutzt habe.52 Mark Toher betont dagegen, dass „to judge from the extant bits of the

47 ant. XVI 179–185; Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 244–246 Nr. 93; Jacoby, FGH 90 F 101 f; siehe auch Nicolas de Damas, Histoires, F 101 f. 48 ant. I 108. Feldman, Judean Antiquities, 39 Anm. 271, zitiert Parallelen sowohl in Josephus selbst als auch in Herodot, Thukydides, Dionysius von Halikarnassus und anderen Historikern. 49 Siehe Wacholder, Josephus and Nicolaus, 150 f. 50 Jacoby, FGH 90 F 142–143. 51 Stern, Greek and Latin Authors, Bd. 1, 231 f. 52 Thackeray (LCL), ad ant. I 94 Anm. b.

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history, Nicolaus never named his sources“.53 Sollte Toher recht haben, müsste man annehmen, dass Josephus selbst tatsächlich die von ihm genannten Autoren wenigstens oberflächlich kannte. Wenn Nikolaus wirklich keine Quellen nannte, dürfte eine weitere Schlussfolgerung lauten, dass er gerade in dieser Hinsicht für das Bellum ein Vorbild darstellen konnte. Edith Parmentier-Morin hat sich bemüht, die Substanz der Nikolaus zuzuschreibenden Texte noch auszuweiten,54 geht aber praktisch nicht über den von Jacoby gesichteten Befund hinaus.55 Sicher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Josephus in verschiedenen Fällen sowohl inhaltlich als auch stilistisch auf Nikolaus zurückgegriffen hat. Hier geht es uns allerdings nicht darum zu bestimmen, inwieweit Josephus die eine oder andere Quelle benutzt hat, sondern festzustellen, wie, in welchem Ausmaß – und warum – Josephus andere Autoren erwähnt. In diesem Sinne bleiben die Lesefrüchte bezüglich Nikolaus sehr spärlich.

Versuchsweise Schlussfolgerungen An diesem Punkt lässt sich zunächst ein vorläufiges Fazit ziehen. Josephus zitiert seine Quellen sehr selektiv und anscheinend nur, wenn er besondere Gründe hat, sie anzugeben. Insbesondere möchte er sich der Nähe zu Strabo versichern. Nikolaus zeigt er als geschickten Diplomaten, der Herodes treu und auf brillante Weise dient. Von seiner Objektivität und Verlässlichkeit als Geschichtsschreiber scheint er weit weniger überzeugt zu sein, obwohl er ihn später, zusammen mit Strabo und anderen, unter die digni conscriptores einreiht. Ist Josephus selbst häufig nur als Informationsquelle benutzt worden, so geht er selbst ganz anders vor. Ihn interessiert es weniger, seine Quellen zu benennen, als vielmehr andere Historiker als Gewährsleute für seine eigenen Angaben anzuführen. Im Gegensatz zum Contra Apionem setzt er sich in den Antiquitates nur selten mit anderen Autoren auseinander, um ihre Aussagen zu widerlegen. Deshalb ist es so bemerkenswert, dass er die Werke des Nikolaus von Damaskus – nach allgemeiner Auffassung seine Hauptquelle für die Zeit des Herodes – nie in diesem Zusammenhang zitiert, sondern ausschließlich seine pro-herodianische und damit anti-hasmonäische Voreingenommenheit kritisiert.

53 Toher, Use of Nicolaus, 162. 54 Parmentier-Morin, L’oeuvre historique de Nicolas, 102–105. 55 Parmentier/Barone in Nicolas de Damas, Histoires, LII f, geben eine Liste von 15 Fragmenten, wovon allerdings nur die oben angegebenen sechs Texte den Nikolaus in direkter Rede zitieren.

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The Demolition of Herod’s Eagle* Jan Willem van Henten

The destruction of Herod’s golden eagle within the Jerusalem temple complex is a famous case of civil disobedience. As so often in the Herod sections in The Jewish War and The Jewish Antiquities, Josephus tells his story twice (War I 648–655 with II 5–7, and Ant. XVII 148–164). The broader narrative contexts of the eagle sections in the War and the Antiquities differ considerably,1 but the chain of events in the immediate contexts leading from the eagle incident to Herod’s death is basically the same in both writings (War I 656–673; Ant. XVII 164–199). The golden eagle episode concerns Herod’s last public performance. Josephus situates the destruction of the eagle at the end of Herod’s life, when he had become seriously ill.2 Both narratives refer to Herod’s seventieth year of age.3 A casual remark in the War suggests that “the inspired persons” (τοὺς ἐπιθειάζοντας; I 656; cf. Ant. XVII 151) considered Herod’s illness to be his punishment for the execution of the sages who instigated the destruction of the eagle. Josephus offers a precise date for the demolition of the eagle in the Antiquities; XVII 167 informs us that there was an eclipse of the moon in the night after the rebels were burned. This eclipse has been calculated for 12/13 March 4 B.C.E.4 The eagle episode shows how a clash between the authority of God and the power *

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For many years Folker Siegert and his team greatly stimulated the research into Josephus. He was the auctor intellectualis and leader of a major research project that brought us new editions of two of Josephus’ writings, and he organized annual colloquia about Josephus in interaction with scholars within Germany and abroad. This case study of an important episode in Josephus is a modest tribute to Professor Siegert to express my sincere thanks for his longstanding contribution to Josephan scholarship.—This article is a thoroughly revised version of J. W. van Henten, Ruler or God? The Demolition of Herod’s Eagle, in: J. Fotopoulos (ed.), New Testament and Early Christian Literature in Greco-Roman Context: Studies in Honor of David E. Aune, NT.S 122, Leiden 2006, 257–286, with a new focus. I warmly thank Dr. Bieke Mahieu (Leuven) for corrections and helpful suggestions. War I 431–673 focuses upon the calamitous history of Herod the Great’s family culminating in the executions of Mariamme’s sons Alexander and Aristobulus as well as Antipater. The composition highlights Herod’s misfortune in the context of the disastrous fate of his sons (War I 622, 646 f, 665; cf. Ant. XVII 94 f). The parallel narrative in Antiquities XVI and XVII intermingles the events of Herod’s rule with the history of his family. War I 645, 647, 649, 654, 656–658; Ant. XVII 146–147, 150, 168–173. War I 647: “for he was about seventy”; Ant. XVII 148: “for he was around his seventieth year.” The translations of Josephus’ Antiquities are my own unless otherwise stated. Otto, Herodes I., 145; Michel/Bauernfeind, Josephus, vol. 1, 426; Schürer, History, vol. 1, 326– 328 n. 165; van Bruggen, Herod, 2; Prause, Herodes, 332, 358; Schalit, Herodes, 638; Günther,

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of Herod as ruler created a crisis for the believers. This crisis led to the rebellious act to demolish the eagle, which triggered the execution of the perpetrators as a result. The episode raises several important questions. (1) What factual information do we have about the eagle, what was its precise location and when was it put in the temple by Herod? (2) What was the symbolic meaning of the eagle, what could have been Herod’s motives to put a golden eagle somewhere at a conspicuous place of the temple? (3) Why was this eagle considered to be an unforgivable offense against Jewish traditions, as Josephus suggests it was? (4) What is Josephus’ own assessment of this episode, and why do the two reports differ in important ways? Do Josephus’ changing Roman context and its perception of the Jews play a role here? My contribution will engage with these questions. I will first offer a brief introduction to the eagle episodes in both of Josephus’ writings and the factual information about the eagle. My second section will deal with the symbolic meanings of the eagle and the perpetrators’ motivations for the eagle’s demolition.

1. The Jewish Antiquities XVII 148–164 and The Jewish War I 648–655 with II 5–7 My discussion of the two primary sources will take the more elaborate version in Antiquities as point of departure. The introduction of the golden eagle episode in Antiquities informs the reader at the start that Herod had turned into a cruel tyrant because of his incurable illness. Josephus immediately characterizes Herod in this section with the help of stereotypes of wicked tyrants.5 On the other hand, the instigators of the rebellion against him (ἐπανέστησαν αὐτῷ; Ant. XVII 148), Judas son of Saripheus and Matthias son of Margalothus (ibid., 149),6 are introduced in highly positive terms: they were part of the most respected members of the Jewish people (τινες τῶν δημοτικωτέρων ἀνθρώπων; Ant. XVII 148), they were the most erudite interpreters of the ancestral laws of their time, and they were beloved by the people because of their role as the youths’ educators (XVII 149; cf. War I 649). Josephus’ introduction of this section of the narrative implies, therefore, that a clash occurred between highly respected representatives of the Jewish people and their brutal tyrant. Josephus argues, in line with his setting of the episode, that Herod’s incurable illness triggered the rebellion (XVII 150, 155; cf. War I 649, 651). That would imply strategic planning by the perpetrators, who waited for a good opportunity after the eagle had been put on the entrance of the sanctuary, which erection was, in their opinion, a

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Herodes, 151, 260. Other scholars propose 15 September 5 B.C.E., 10 January 1 B.C.E., or 29 December 1 B.C.E.; see Mahieu, Rome, 236, 290 f. van Henten, Constructing, 2008. The names vary in the textual traditions (Niese, Opera, vol. 4, 96). Schalit (Herodes, 638, 737) supposes that the two sages were Pharisees, although this is mentioned neither in the War nor in the Antiquities.

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violation of the second commandment (see below). Apparently, serious illness of rulers offered such opportunities. Suetonius’ description of Augustus’ final day states that the emperor frequently inquired whether the rumours of his illness were causing popular disturbances.7 Unfortunately, Josephus does not tell us when Herod erected the eagle and the information about its location is also tantalizing vague. It is unlikely that the eagle was erected shortly before the incident in 5 or 4 B.C.E. Herod was ill and had no reason whatsoever to celebrate. Moreover, the topos about his illness being the motive for the rebels to launch their operation implies that the eagle had already been standing somewhere in the temple for a considerable period. This assumption is strengthened by the consideration that Herod probably erected the eagle in connection with a specific occasion. Analogously, the festival in honour of Octavian in Jerusalem was organized, probably in 28 B.C.E.,8 as a clear attempt to lionize his new patron Octavian, the new ruler of the commonwealth. So we should look for a similar appropriate occasion. A highly plausible moment for the erection of the eagle is Marcus Agrippa’s visit to Jerusalem in 15 B.C.E.,9 which prompted Herod to build a temple gate in Agrippa’s honour (War I 416).10 This setting for the erection of the eagle is a plausible possibility, also because the renovation of the temple had been finished by 15 B.C.E.11 This implies that the eagle may have had a double symbolical function: it may have highlighted Herod’s power as ruler, including his successful building activities, and have indicated his loyalty to his Roman patrons (I will get back to this later). The sages’ incitement of the youths in Josephus’ Antiquities is motivated by Herod’s transgressions of the laws in his building activities (XVII 150). Josephus presents the case of the golden eagle as one of these transgressions (XVII 151). In fact, the eagle is the only offensive construction activity by Herod explicitly mentioned in the narrative. It certainly meant a violation of the second commandment (XVII 151, below), which must have been all the more offensive to at least some of the Jerusalemites because it stood at a conspicuous place. The eagle was meant to be seen by many persons, including important non-Jews. Josephus writes about the eagle: For, the king had constructed on top of the sanctuary’s great entrance an ornament [or “votive-offering”] (ὑπὲρ τοῦ μεγάλου πυλῶνος τοῦ ναοῦ ἀνάθημα) and a costly one indeed, namely a great golden eagle (ἀετὸν χρύσεον μέγαν). (Ant. XVII 151)12 7 Suetonius, Aug. 99. 8 Otto, Herodes I., 64 f, and n. *; Prause, Herodes, 190, 354; Richardson, Herod, 224 n. 30. Schürer (History, vol. 1, 290) and Günther (Herodes, 231) propose the year 27 B.C.E.; Mahieu (Rome, 161) the date of 5 March 24 B.C.E. 9 Schürer, History, vol. 1, 292; Prause, Herodes, 242; Günther, Herodes, 211; Mahieu, Rome, 192. 10 Donald T. Ariel (Jerusalem) suggested this to me in an email (July 2005); see now Ariel/Fontanille, Coins, 182 f. 11 Mahieu (Rome, 149) argues that both the temple building and its enclosures were completed in 18 B.C.E., whereas conventional chronology situates the completion of the temple building in 18 B.C.E. and that of its enclosures in the winter of 12/11 B.C.E. or in 10 B.C.E. 12 The vocabulary in the War is slightly different: War I 650: “the king had set up a golden eagle above the great gate (κατεσκευάκει δ᾿ ὁ βασιλεὺς ὑπὲρ τὴν μεγάλην πύλην ἀετὸν χρυσοῦν)” (trans. Forte/

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There are basically two locations that may fit this description: several scholars have suggested that the eagle was located on top of the broad porch that gave access to the sanctuary itself.13 This would mean that the eagle must have been clearly visible for those standing in the Court of the Israelites and the Priestly Court as long as they were not standing too close to the sanctuary’s walls. This location of the eagle, very close to the Holy of Holies, must have been an enormous provocation of at least part of the Jerusalemite Jews by Herod. An alternative location of the eagle would be on top of the Large Gate that gave access from the large Court of the Women to the sanctuary complex as a whole, which gate is called the Nicanor Gate in the Mishnah.14 In that case the eagle would have been visible also from the Court of the Women. Its position might have been slightly less offensive at this location because the eagle was installed further away from the temple sanctuary. Josephus’ vocabulary is perhaps a clue to the most probable location. The Greek noun ναός usually refers to the inner building of a temple complex in Josephus,15 which observation is supported by a reference to a specific gate of the temple in the War: “the eastern bronze gate of the inner temple-building” (ἡ δ᾿ ἀνατολικὴ πύλη τοῦ ἐνδοτέρου ναοῦ χαλκή; VI 293).16 The phrase τὸ ἱερόν generally indicates the entire temple complex, i. e., the temple precinct or the Temple Mount.17 Josephus’ use of ναός instead of ἱερόν implies that one of the outer gates of the temple is improbable, and, as such, that both the entrance to the sanctuary and the Nicanor Gate fit with the vocabulary used in the indications of the eagle’s location. Our conclusion should therefore be that Josephus’ descriptions are not precise enough to determine the location with certainty. There are only two references in Josephus to “a great gate of the sanctuary” and both concern the eagle (War I 650; Ant. XVII 151). If we have to choose between the gate of the sanctuary itself and the Nicanor Gate, which gave access to the sanctuary complex, the latter is slightly more probable for two reasons: 1) this location was less offensive, and 2) more people were capable to see the eagle on top of the Nicanor Gate. The description of the eagle’s demolition in Ant. XVII 155 is rather brief, but Josephus presents this provocation towards Herod as such a risky undertaking that it almost turns into a suicide attempt. The deed was executed at midday, when many people were

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Sievers); War II 5: “the golden eagle that had been cut down—the one at the gate of the shrine (διὰ τὸν ἐκκοπέντα χρυσοῦν ἀετὸν τῆς πύλης τοῦ ναοῦ)” (trans. Mason). Hachlili, Israel, 27; Meshorer, Coinage, vol. 2, 29; Schalit, Herodes, 396 f. m. Mid. 1 f. As was suggested to me by Steven Fine and Joseph Patrich. Richardson, Herod, 16–18, argues that the gate concerned was the gate above Wilson’s arch. Rengstorf, Concordance, vol. 3, 132, who also gives “temple-structure” and “temple” as relevant meanings. Cf. War V 204; Ant. XI 154, also VIII 74: “And he [i. e., Solomon] paved the floor of the sanctuary with plates of gold, and to the gate of the sanctuary (τῷ πυλῶνι τοῦ ναοῦ) set doors, in proportion to the height of the walls […].” Contrast this with Josephus’ reference to the gate of the entire temple complex, mentioned together with the temple wall, in War II 537: ἡ πύλη τοῦ ἱεροῦ “the gate of the temple.” The phrase τὸ ἱερόν is the usual one (see, e. g., War VI 325; Ant. IX 146; XVIII 30; Rengstorf, Concordance, vol. 2, 373 s.v. ἱερός; Jouön, Mots, 331–334).

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present in the temple. The king’s commander counters the act efficiently (XVII 156– 157) with the arrest of forty perpetrators and the two instigators, Judas and Matthias. The remark in the margin of XVII 156 that associates these law-abiding “rebels” with the stupid behaviour of a crowd deconstructs their rather positive image elsewhere in the story (see below). The arrest leads up to a brief trial scene (XVII 158–160) including a dialogue between Herod and the anonymous perpetrators, which focuses almost entirely on the response of the perpetrators.18 The boys confess their deed,19 elaborately explaining it in a way that recalls the Maccabean martyrs’ refusal to give in to Antiochus IV (175–164 B.C.E.).20 They explain to Herod that God had ordered their deed and that God’s laws overrule the king’s decrees. The assembly that follows the interrogation was held in the theatre of Jericho, or perhaps its amphitheatre (XVII 160–164).21 During this meeting, Herod, in his anger, points out the uniqueness of his temple restoration project and accuses those arrested of having committed sacrilege. The concluding paragraph (XVII 164) is brief; it forms an inclusio with the beginning of the eagle narrative by referring once again to Herod’s tyrannical character (cf. XVII 148). The participants in the assembly22 clearly disconnect themselves from the perpetrators out of fear of being executed as well. They get away with this, but the High Priest Matthias, who probably attended the meeting as well, was replaced because he was suspected of being a member of the rebellious group.

2. The Eagle as Symbol and pièce de résistance The big golden eagle was apparently the pièce de résistance for the sages and their followers (War I 650–653; II 6; Ant. XVII 151, 206). Why did sages and followers object to the eagle so much that they decided to risk their lives by taking it away? Josephus calls the eagle an ἀνάθημα (Ant. XVII 151), which can mean something set up in a temple as a votive-offering or an ornament.23 The eagle as a votive-offering is highly improbable

18 It is strange that neither in the War nor in the Antiquities do the two sages appear as Herod’s opponents in this dialogue. 19 The version in the War states this (I 653), while the Antiquities version elaborates quoting the youths’ statement (XVII 158 f). 20 2 Macc 6:19; 7:2, 30; 4 Macc 5; 8:1–9:9; 12:1–19. See also War I 652 f. 21 The Greek manuscripts literally mention “the same theatre” as the assembly’s location. Naber’s conjecture (Opera, vol. 4, xiii, 98) implies that it took place in the amphitheatre, which is mentioned in Ant. XVII 194. Neither building has been excavated in Jericho, but Netzer (Paläste, 56–59) argues that the hippodrome south of Tell es-Samarat was, in fact, a multifunctional building, which also functioned as a theatre. The War does not specify the location of the meeting. 22 Josephus is not at all explicit about Herod’s counterpart in this section, but context and content imply that the phrase οἱ δέ in Ant. XVII 164 most probably refers to the Jewish officials mentioned in XVII 160. 23 Liddell/Scott/Jones, Lexicon, 105, s.v. ἀνάθημα. Rengstorf (Concordance, vol. 1, 91, s.v. ἀνάθημα) does not offer the meaning “ornament.”

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in a Jewish context. It can also be excluded that the eagle was merely for decoration24 since it was located at a prominent place and was a well-known symbol of power in various contexts, not only in the Greco-Roman world,25 but also in the Ancient Near East.26 One motive is explicit in Josephus’ report: he notes that the eagle was considered to be a violation of the second commandment, and therefore a severe transgression of the Jewish Law (Ant. XVII 151). One other motive, not explicit in the text, may have been a factor as well, namely the eagle’s symbolic meaning. Abraham Schalit and others have interpreted the eagle as a symbol of Herod’s loyalty to Rome.27 At first sight this hypothesis goes without saying, but on further consideration it is less self-evident because the eagle functioned as a powerful symbol in several cultural contexts present in the area of the eastern part of the ancient Mediterranean world. Pre-Islamic Arabic inscriptions attest the veneration of the eagle deity nsr/nswr throughout the Arabic peninsula, from the biblical period onward.28 The eagle was an important astral and solar symbol in the Ancient Near East,29 and visual traditions of this eagle symbolism have been incorporated in Jewish art. In Late Antiquity Jews in Galilee and the Golan Heights were familiar with eagles as decorations on the lintels above synagogue entrances, on Torah shrines, and on arches.30 Sarcophagi from Beth She‘arim as well as the arch of its mausoleum show carved eagles.31 Archaeological sources may therefore be helpful for establishing possible symbolic meanings of the eagle in Herod’s temple.32 I am well aware of the chronological and geographical complications if we draw in various archaeological remains in our discussion, but I think

24 Avi-Yonah (Art, 65) assumes that the eagle motif was only ornamental and devoid of any symbolic meaning. See also Hachlili, Israel, 238, 334, 382. Hachlili (p. 346) explains the prominence of the eagle in (late) ancient Jewish sources with a reference to Midrash Exodus Rabba on Exod 23:13, which passage associates the eagle as the most exalted bird with greatness and royalty, as well as with nearness to God, being located under God’s chariot. 25 Eagles appear in Greek religious representations. Heracles’ statue in his temple in Olympia held a sceptre in the left hand, ornamented with every kind of metal and an eagle sitting on top of it (Pausanias, Descr. V 11.1). Two pillars before the sanctuary of Zeus on Mount Lycaeus (in Arcadia) had gilded eagles standing on them (Descr. VIII 38.7). For Roman references, see below. 26 Becking, Eagle, 271 f. 27 Schalit (Herodes, 734) assumes that emperors and soldiers alike must have interpreted the eagle, situated at such a conspicuous place in the temple, as a tribute to the imperium romanum. 28 About the eagle in the Hebrew Bible, see Becking, Eagle, 271 f, and Vogel, Ambiguities, 85–92. 29 Goodenough, Symbols, vol. 8, 125–131. 30 The lintels at the synagogues of Gush Halav, Safed, Dabbura, Japhia, Horvat Weradim, Kasbieh, and Capernaum (Hachlili, Israel, 206–208, 332, with references). Cf. the Torah shrine ornamentation on a double column from Umm el-Kanatir and a stone relief from ‘En Samsam (Hachlili, ibid., 333, with plates 23 and 26). 31 Avigad, Beth She‘arim, vol. 3, 141 f, with plates xli:1 and xlii:2; Hachlili, Israel, 328–330, 333. 32 Goodenough’s extensive discussion of the eagle motif in Jewish art builds on non-Jewish parallels like, e. g., the eagle as psychopompus (i. e., the transporter of souls of the deceased into heaven). He suggests three different symbolic meanings for the eagle in Jewish contexts: a symbol of the king on his throne, of God or God’s intervention, and of immortality (Symbols, vol. 8, 121–142, esp. 136). Szkolut (Eagle, 1–11) takes the eagle as a symbol of divine presence and protection.

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it is worthwhile to undertake this experiment, even if some of the sources derive from the Diaspora. In the following I will briefly discuss a selection of the sources. Representations of an eagle in the third-century C.E. Dura Europos synagogue suggest that the eagle was a symbol of royal power. One of the centre panels of the wall paintings in this synagogue represents a musician playing a lyre. A large yellow eagle perches on the rail of the throne behind his back.33 Most scholars assume that this figure can be identified as David-Orpheus.34 The interpretation of the eagle as a symbol of royal power is even more obvious in a heavily damaged painting of a panel on the western wall (register A), which depicts a king, perhaps Solomon,35 sitting on a throne with a six-step dais. This dais is still clearly visible, and it shows crouching lions and eagles confronting each other at the ends of its steps in an alternating pattern.36 On this western wall (register C 2), king Ahasverus has also been painted, seating on a similar throne with a five-step dais with crouching lions and eagles. This dais has pairs of eagles at the end of the first and last steps and pairs of lions on the others; the throne itself is flanked by two lions.37 The depiction of these royal thrones with daises in the Dura Europos synagogue38 has probably been taken over from non-Jewish artwork.39 In fact, the eagle has been used as a symbol of a ruler’s power in various ancient contexts, starting from the Persian period. Several sources report that Cyrus and later Persian kings used a golden eagle as their ensign; the eagle was either sitting with outstretched wings on a lance, or depicted on a shield.40 Ptolemaic kings likewise used the eagle as a symbol of their power. Athenaeus’ description of the pavilion in the citadel of Ptolemy Philadelphus in Alexandria mentions golden eagles facing each other along the topmost space of the ceiling, being fifteen cubits in length.41 During the entire period of Ptolemaic rule, from Ptolemy I up to Cleopatra VII, various types of Ptolemaic coins had the ruler’s portrait on one side and the eagle, sometimes holding a thunderbolt, on the other.42 Herod’s enemy Cleopatra, for example, had a silver drachm in 47/46 B.C.E. as well as bronze 40 and 80 drachma coins between 51 and 30 B.C.E. issued in this fashion by the mint 33 Hachlili, Diaspora, 110 f, 179, with figure III-9. 34 Ibid., 247–249, with references. 35 Hachlili (Diaspora, 166) argues that this was an intentional adaptation of Solomon’s throne as described in 1 Kgs 10:18–20. 36 Hachlili, Diaspora, 114, with figure III–45b and plate III–8. 37 Hachlili, Diaspora, 146 f, 166 f, with figure III-45a. A synagogue chancel screen from Horvat Susiya depicts a menorah and a tree of life surrounded by heraldic lions as well as a palm tree surrounded by eagles (Gutman et al., Excavations, 123–128, esp. 125; Hachlili, Israel, 189, 221, with plate 26). 38 Description, plate, and reference in Hachlili, Diaspora, 82 f, 230; also Levine, Synagogue, 245–247, 278, 589. 39 Moon, Nudity, 606–608. A relief in the temple of Gad at Dura Europos with an inscription dated to 159 C.E. depicts Gad of Dura as Zeus-Baalshamin, a bearded male figure seated on a throne flanked by eagles (Downey, Excavations, 14–17 with figure 4, and 208 f; Hachlili, Diaspora, 167). 40 Xenophon, Anab. I 10.12; idem, Cyr. VII 1.4; Arrian, FGrH 156 F 156; Philostratus, Imag. II 31. 41 Athenaeus, Deipn. V 126a. 42 Walker/Higgs, Cleopatra, nos. 67, 74, 76, 90 f, 177–185 (pp. 82, 84, 87, 177 f).

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at Alexandria.43 Two silver tetradrachms issued by Ascalon in 50/49 and 39/38 B.C.E. follow this Ptolemaic tradition, presenting Cleopatra VII’s portrait on the obverse and the eagle on the reverse.44 In Roman contexts, the eagle could symbolize the highest god, Jupiter-Zeus, and express in this capacity Jupiter’s role as protector of the army. This function forms the background for the eagle on the Roman standards.45 The eagle’s function as symbol of the supreme god or the ruler in which the deity’s power could become manifest may explain the presence of the eagle on the ceremonial dress of consuls at their inauguration or the gala dress of emperors.46 A gold coin from 27 B.C.E. indicates Augustus’ new status after his victory at Actium. The reverse of this coin shows the eagle of Jupiter with Augustus’ oak-wreath crown in its talons, and two laurel-branches behind it. A gold coin from 27 B.C.E. indicates Augustus’ new status after his victory at Actium. The reverse of this coin shows the eagle of Jupiter with Augustus’ oak-wreath crown in its talons, and two laurel-branches behind it.47 The Herodians clearly had no difficulty in minting coins with their own portrait and/or animal images and, in fact, one type of Herod the Great’s undated coins depicts a standing eagle with closed wings on its reverse. The obverse has a single cornucopia and an inscription referring to King Herod (ΒΑΣΙΛ ΗΡΩΔ).48 Ya‘akov Meshorer argues that the eagle on these coins refers to Herod’s embellishment of the temple by the golden eagle, as well as to Rome as the source of his power.49 However, why should both the eagle on the coins and the eagle in the temple symbolize Herod’s loyalty to his Roman patrons Augustus and Marcus Agrippa? In the light of the eagle’s symbolism as signal to the power of the ruler in related contemporary contexts, Herod’s eagles may symbolize his own power as a ruler.50 With his eagle coins, Herod may have followed a well-established tradition, which custom is illustrated, among other things, by coins from his arch-enemy Cleopatra VII as well as from his benefactor Augustus.51 Hence, in the light of the Jewish visual sources in the Diaspora and the non-Jew43 References in ibid., 177 f with nos. 177–185. 44 Ibid., 234 with references (nos. 219 f). 45 One type of the Roman standards presented a golden eagle mounted on a pole, Le Bohec, Feldzeichen, 458–462; Schneider/Stemplinger, Adler, 87–93, esp. 88 with references; von Ehrenkrook, Sculpture, 175. 46 Schneider/Stemplinger, Adler, 89. 47 Walker/Higgs, Cleopatra, 259 (no. 301). 48 Meshorer, Coinage, vol. 2, 29 f no. 23 (and 23a–c as coins belonging to this type); Hachlili, Israel, 81; Ariel/Fontanille, Coins, 56, 73, 115–119, 174, 182 f, 188. 49 Meshorer, Coinage, vol. 2, 29. Cf. Ariel/Fontanille, Coins, 117–119, 183 f, who argue that the eagle coin was supposed to evoke associations of the Jerusalem temple, also by way of analogy to the well-known Tyrian sheqel used for the half-sheqel head tax at the temple. 50 Meshorer (Treasury, 68 f) notes the similarity of Herod’s eagle coins with Ptolemaic and Seleucid coins as well as with Tyrian sheqels depicting an eagle, and argues that the Jewish masses may have interpreted the eagle in the temple as a symbol of God’s power (building on Goodenough, see n. 33, and referring to Exodus Rabbah on Exod 23:13). 51 Cf. Ariel/Fontanille, Coins, 56, 115.

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ish traditions, Herod’s eagle may be interpreted as a symbol of the king’s power and perhaps his benefactions. The temple itself was an obvious demonstration of such a benefaction, as Herod himself indicates during the meeting in Jericho following the eagle incident (Ant. XVII 162 f). Such a function, glorifying Herod’s rule, may have been associated with Jewish traditions about the eagle, such as the well-known image of the eagle spreading its wings over its nest as a symbol of God’s protection of the people of Israel (Deut 32:11).52 It is imaginable that the eagle functioned at two ideological levels: it may have been a symbol of Herod’s power in addition to the traditional view of it being a symbol of his loyalty to Rome (although one wonders how many Romans actually have seen his eagle). Such an additional interpretation of the eagle’s symbolical meaning is also called for because the traditional interpretation is not supported by Josephus’ text. Josephus does not say that the eagle was erected in honour of the emperor, or Rome, whereas he does so in connection with the trophies in Jerusalem, which were explicitly erected as a commemoration of all of Augustus’ victories (Ant. XV 272). Herod’s main opponents during this episode, the two sages, also remain silent about the king’s loyalty to Rome. Both eagle narratives do, however, mention two other things: first that Herod had disqualified himself as king because of his transgressions of the Law (see above), which may be triggered by the eagle’s symbolism of the ruler’s power; and secondly that the eagle was a violation of the second commandment. Associations of Herod’s eagle in the temple with Deut 32:11 would only have fuelled such criticism because the symbolism would presuppose in this connection that Herod took over God’s role described in the biblical passage. Josephus’ introduction of his presentation of the golden eagle in the Antiquities points at a transgression of the Jewish Law: “But the law forbids those who intend to live in accordance with it […]” (Ant. XVII 151). Similar phrases with the verb κωλύω plus ὁ νόμος usually imply a ban in the Jewish Law based on the written Torah.53 The ban referred to in Ant. XVII 151 concerns the construction of statues (εἰκόνων τε ἀναστάσεις) as well as the setting up of images of any living creatures (τινων ζῴων ἀναθέσεις) in public. The passage lacks an explicit quotation, but it is obvious that it concerns a paraphrase of the second commandment (Exod 20:4; Deut 4:16; Josephus, Ant. III 91).54 The second commandment is taken in a strict way, possibly because there was disagreement about its interpretation. Not all ancient Jews took offence at images of living creatures in public. Archaeological sources like the wall paintings from the Dura Europos synagogue show that figural decorations were acceptable for 52 Cf. Schalit, Herodes, 734, who suggests that this biblical imagery may also have been applied to rulers. He refers in this connection to a statement by R. Aqiva in Yalkut Shimoni, Jethro 19, fol. 84b 276. Schalit also associates the role of the eagle with the return of the chosen to their homeland. 53 Ant. III 236 (referring to the prohibition found in Lev 22:27–30); IX 74 f (paraphrasing 2 Kgs 7:3 f and hinting at Lev 13:45 f); XII 187 (implying a prohibition of mixed marriages, probably building on Ezra 9:1 f; 10:6–44; Neh 13:23–31). 54 Cf. Josephus’ paraphrase of this commandment in Apion II 190 f. For Jewish receptions of the Ten Commandments, see Segal/Levi, Commandments.

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at least part of the Diaspora Jews. Additionally, remains from Judea dating from the early Second Temple period show that figural representations were not unusual. For example, Yehud coins minted in Jerusalem represent animals, including the eagle.55 Only during the Hasmonean era did it become common to consider images of living creatures to be a violation of the second commandment. The second half of the second century C.E. shows a comeback of figural art, e. g., in the funerary context of the Beth She‘arim cemetery (see 180), followed, among other things, by figurative motifs on synagogue mosaic floors.56 There were even exceptions during the “iconoclastic” period of about 150 B.C.E. until about 150 C.E. The Herodians in particular used figural motifs in decorations and on coins. Herod the Great, Philip, and Agrippa I used them on coins, and Herod Antipas had decorations including living creatures depicted in his palace in Tiberias (see below). There are even a few specimens of images of animals— fish and birds—from the Jewish quarter of Jerusalem during the Herodian period.57 This implies that Judean Jews in the first century C.E. were divided about the tolerance of images of living beings.58 Apparently, the image of the eagle was offensive only to some of the Judean Jews, including Josephus himself. His strict interpretation of the second commandment excluded all images of living creatures, at least in the context of the Holy City of Jerusalem. Two other episodes in Josephus also imply a strict interpretation of the second commandment, taking the fabrication of images (εἰκόνες) of living creatures as a severe violation of the Jewish Law. Josephus himself agreed with the demolition of Herod Antipas’ palace in Tiberias because it included figures of living creatures (ζῴων μορφὰς ἔχοντα, Life 65). Pilate’s decision to move Roman standards presenting busts of the emperor from Caesarea to Jerusalem was taken as a matter of life and death by the Jewish inhabitants of Jerusalem. The Jerusalemites persuaded Pilate, by their faithfulness to the Jewish Law and their willingness to die for it, to return the standards to Caesarea (War II 169–174; Ant. XVIII 55–59). The passage in the War about this transfer suggests that the Jewish Law forbids the erection of any kind of sculpted creature (οὐδὲν […] δείκηλον τίθεσθαι) in Jerusalem (II 170), which implies that the presence of images of living beings could, in any case, not be tolerated in the Holy City of Jerusalem.59 55 References in Levine, Synagogue, 208 f. 56 Ibid., 103, 208–210. 57 Josephus, Life 65; Avigad, Jerusalem, 150, 169; Levine, Synagogue, 210 n. 47. For the coins of Philip (4 B.C.E.–34 C.E.) with portraits of Augustus or Tiberius, or with his own portrait, as well as coins of Agrippa I, see Meshorer, Coinage, vol. 2, 29, 44–46, 60 f. 58 Goodenough (Symbols, vol. 8, 124) assumes that the majority of the Jews accepted the symbol of the eagle on Herod’s coins as well as in the temple. 59 The passage about the prohibition to fabricate images of living creatures in the War also contains a geographical marker: “for it was unlawful for the sanctuary (κατὰ τὸν ναόν) to contain either images or busts or a work representing some living creature” (I 650, trans. Forte/Sievers, slightly changed, my emphasis). The trophies episode in Ant. XV 268–290 also suggests that images of living creatures in Jerusalem were unacceptable. Von Ehrenkrook (Sculpture) argues that Josephus’ passages about idolatry and violations of the second commandment in the War function as a means of constructing a sacred territory.

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3. Conclusion The eagle episode concerns a clash of authorities, a clash between a radical group of Jews and their ruler. Josephus’ factual information about the erection of the eagle is not very specific, but if we combine what he writes with what seems plausible about date and place, we may conclude that the eagle was standing on top of Nicanor’s Gate, the entrance gate to the sanctuary complex, starting from Marcus Agrippa’s visit to Jerusalem in 15 B.C.E. The eagle may have functioned as a symbol of Herod’s loyalty to his Roman patrons, but Josephus does not say so explicitly. It is probable, in the light of Jewish and non-Jewish traditions about eagle imagery, that the eagle had a further connotation: Herod may have erected the eagle also as a symbol of his power over and his benefactions to the Jewish people. The sages and their followers, however, considered this symbol to be a horrendous violation of God’s second commandment. Josephus himself probably supported their strict interpretation of the second commandment, at least in the Antiquities, in which he downplays his previous presentation of the sages as rebels given in the War. The main line in the Antiquities is the contrast between Herod as a tyrant and the sages as defenders of the ancestral laws and piety,60 which in Josephus’ Roman context may have been interpreted as a veiled criticism of the emperor in power. In the light of the ancestral laws Herod’s eagle was a terrible violation, which exposes the monarch as a foreigner who imposed unlawful innovations on the Jews. Between the lines of both accounts, however, one may surmise another motive for the perpetrators: they may have demolished the eagle because it was a symbol of Herod’s power. Destroying the eagle would in that case mean attacking the king’s reputation as a ruler, if not demonstrating that Herod did not deserve to be king.

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60 Van Henten, Ruler, 257–286.

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A Breslau Translation of Josephus’s Minor Works Daniel R. Schwartz

A volume in honor of the head of the teams that produced new Greek-German editions of Josephus’s Life and Against Apion is, I hope, an appropriate place for some detective work devoted to identifying a nineteenth-century German translator of the same works. After that, this study will turn to the genesis of the theory that volume offers in order to explain why Josephus, in the Life, departed radically from his earlier account in his War and portrayed himself as having been a traitor to the rebel cause. In 1867 the Oskar Leiner Verlag in Leipzig published a small volume entitled Die kleineren Schriften des Flavius Josephus: In neuer Uebertragung von M. J. The volume, which includes translations of Josephus’s Life and Against Apion, as well as of 4 Maccabees (which was once attributed to Josephus), is the second of four published between 1865 and 1872 that comprised a “Bibliothek der griechischen und römischen Schriftsteller über Judenthum und Juden in neuen Uebertragungen und Sammlungen” produced by the Institut zur Förderung der israelitischen Literatur.1 The notice that M. J. translated these Josephan works corresponds to the opening notice in the first volume of the Bibliothek, which contains Philo’s Life of Moses, that it is “in neuer Uebertragung von M. J.,” just as the front material of the third volume, which contains other tractates by Philo, says they were “übersetzt von M. J.”2 Although the decorative large letters that the publisher used for “M. J.” (see p. 188) make it seem as if he assumed readers would know who was meant, and some may have, it seems that many others did not and that, in any case, the translator’s identity is something of a mystery. Thus, immediately upon the appearance of the first volume a bibliographer hesitantly offered what appears to be an impossible identification of M. J., only to abandon it with regard to subsequent volumes.3 My own experience, a 1

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On the Institut, see its foundational document (“Aufforderung […] zur Gründung […]”) in the first pages of AZJ 19, no. 8, 19 February 1855, and the summary of its first ten years in AZJ 29, no. 7, 14 February 1865, 101–102. Various publications of this organization are mentioned below, in notes 6 and 49. For a survey, see Roemer, Jewish Scholarship, 73–77. There is no such notice in the final (fourth) volume of the series, published in 1872, which contains more Philonic works, but since that volume has no front material at all it seems it should simply be taken as a continuation of the third. See Steinschneider’s Hebraeische Bibliographie, vol. 8, 1865, 51, where the translator’s name is given as follows: “M. J. (Philippsohn?).” I have not been able to discover any evidence for the existence of any such individual, and suspect that Steinschneider, or whoever prepared this entry, was thinking of Martin Philippson [sic]—who, as a son of Ludwig Philippson, one of the heads of the

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Institut, might well have been mobilized for the project. However: Martin Philippson, born in 1846, was probably too young to produce the volumes in question; although later he made his career as an historian, it was in modern history; and his middle name was Emanuel. On him, see Mehmel, Philippson, Gelehrtenfamilie, 398–399. The suggested identification of the translator was not repeated in Hebraeische Bibliographie’s listings of later volumes of the Bibliothek.

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century and a half later, has been no more successful: Try as I might, perusal of these volumes’ introductions and footnotes has not discovered any clear indication of the identity of M. J. Nor have I been able, despite extensive help from patient (if at times amused) friends and librarians around the world, to locate any copy with marginalia or dedications that might settle the issue conclusively. Some scholars left things as they found them, citing these translations simply as “by M. J.”4 Many others, however, ascribed them to the historian I. M. Jost (1793–1860), usually without a question mark.5 But my attempts to ascertain the basis of that attribution have been fruitless, although they did move cataloguers in a few libraries, with whom I corresponded, either to delete the attribution from their catalogues or to add a question mark alongside of it. It seems that the attribution to Jost, if only a conjecture and not based on reliable tradition, is an inference from two basic facts: Jost wrote extensively on ancient Judaism, and he was among the founders and directors of the Institut that produced the volume.6 Neither point is negligible. Moreover, the fact that such rigorous scholars as Aron Freimann and Heinz Schreckenberg attributed the volume to Jost should not lightly be ignored. Nevertheless, for what it is worth, and in the hope of spurring others to find materials that might shed more conclusive light upon the question, I will note several reasons to doubt Jost was the translator: 1. Jost’s name was Isaak Markus Jost, and as far as I see, in published and unpublished materials, he regularly used Isaak or the initial I. I know of no case in which he went by M. or Markus alone,7 and have noticed only two exceptional cases in which others did that.8 Similarly, note that a friend who usually referred to him as “Jost” employed “der 4 5

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See, for example, Baerwald, Josephus in Galiläa, 25, n. 2, and 45, n. 5, and Schürer, Lehrbuch, 28 (and so too in later editions: idem, Geschichte, vol. 1, 2d ed., 78, and vol. 1, 3d–4th ed., 101). So far, the earliest evidence I know for this attribution is Freudenthal, Erkenntnislehre Philos, 5 (a reference for which, just as the one to Cohn, below, I am grateful to Prof. Adam Kamesar). Later instances include: Krauss, Josephus, 280; Cohn, “Vorwort,” in Die Werke Philos, vol. 1, vi; Freimann, Katalog, vol. 1, 4; Schreckenberg, Bibliographie, 86; Dictionary Catalog NYPL, vol. 2, 1245, and vol. 6, 4881; Dictionary Catalog Klau, vol. 4, 379–380. Similarly, M. J.’s translations of Philo in the Bibliothek are attributed to Jost by Goodhart/Goodenough, General Bibliography, 205, and by Heller, Jost, Isaak Markus, 456. None of those adds any question mark. For the attribution with a question mark, see Heuer, Jost, 141. For lists of Jost’s publications, see below, n. 12. As for his role in the Institut, see esp.: Jahresbericht 1856, 8, and the tribute to him in the Institut’s annual: Goldschmidt, Jahrbuch. Despite much searching, I have not found any case in which Jost referred to himself by his initials alone. In his Israelitische Annalen he refers to himself as “H” (Herausgeber). Goldschmidt, Jahrbuch, viii, refers to Jost as a young child as “der kleine Marcus,” and the frontispiece of Michael, I. M. Jost, includes an old portrait of Jost with a modern Hebrew caption that calls him “M. Jost.” The former may reflect some familiar usage with regard to the child, but could hardly establish such usage with regard to a publication by the adult Jost. As for Michael’s frontispiece, it seems to be a simple mistake, for in response to my query Michael—who has since died—told me that he had no explanation, and the file in the portrait collection of the Jewish National Library in Jerusalem, where Michael found the one he used for his frontispiece, labels it as “I. M. Jost.” Indeed,

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gute Isaak Markus” or “unser treuer Isaak Markus” when he wanted to be familiar, but never omitted “Isaak.”9 Accordingly, M. J. is not an appropriate abbreviation of his name. 2. Jost died in 1860, but there is nothing in these volumes to indicate that the translator was dead—no words in his memory, no words of thanks to whomever finished up the publication process. This would be quite surprising for any deceased translator, and all the more so if he had been one of the founders and directors of the Institut that produced the volumes. 3. On page 9 of the introduction to the Life it is taken for granted that Sulpicius Severus (a fourth/fifth–century church historian) depended, for his knowledge of the events of the Judaean war, upon Tacitus’s partially lost account in his Histories. No authority is cited for that assumption—which was posited and demonstrated, apparently for the first time, in a monograph by Jacob Bernays published in 1861, a short time after Jost’s death.10 4. Jost’s oeuvre was reviewed in detail in numerous necrologies and later works, including two monographs,11 but they make no allusion to him having prepared these translations; similarly, published lists of Jost’s publications make no reference to them.12 Again, although a friend of Jost noted that he was a “Meister vieler Sprachen,” the only example he singled out is Jost’s special love for English—to which testify a textbook and also a dictionary of the language of Shakespeare’s dramas that Jost composed.13 As for Greek, in contrast, the best that this friend had to say is that “auch auf dem Gebiete der klassischen Sprachen bewegte sich der Zögling der Georgia Augusta [= University of Göttingen] mit ziemlicher Sicherheit.”14 But although the lists of his teachers in Göttingen and Berlin include some well-known classical philologists, Jost did not complete a degree15 and I see nothing that indicates that he might have trans-

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what seems to be the same portrait, captioned “Dr. Isaak Markus Jost,” appears as the frontispiece of Zirndorf, Isaak Markus Jost. See Zirndorf, Isaak Markus Jost, 113, 145, 159, 172, 209. Bernays, Chronik. For Bernays’s certainty that his conclusion was new, see ibid., 52–53 (= Gesammelte Abhandlungen, vol. 2, 167); so too Peter, Flavius Josephus, 11. Indeed, Bernays’s study is the earliest listed in the copious bibliography of relevant scholarship offered by Stern, Greek and Latin Authors, vol. 2, 64–65. Of course, it is possible that Jost heard of Bernays’s thesis in advance, or discovered the dependence upon Tacitus himself, or that the volume’s introduction was written by someone other than the translator. However, the first two suggestions are counsels of despair. As for the third—we will return to it below. See esp. Zirndorf, Isaak Markus Jost, and Michael, I. M. Jost, also Goldschmidt, Jahrbuch; Klein, Dr. J. M. Jost, and J. Auerbach, Nachwort; anon., Isak Marcus Jost; Brüll, Isak Marcus Jost; Deutsch, Jost, Isaac Marcus; Baron, I. M. Jost; Herlitz, Three Jewish Historians, esp. 71–76; and Heuer, Jost. For lists of Jost’s publications, see ibid., 132–141, and Zirndorf, Isaak Markus Jost, 225–228. Zirndorf, ibid., 209–210. Zirndorf, ibid., 110. On Jost’s studies, see Zirndorf, ibid., 216–217. Jost spent a year and a half at Göttingen, beginning early in 1813 (ibid., 102), then continued his studies in Berlin, but—despite the statement by Deutsch (Jost, Isaac Marcus) that Jost “graduated” from the latter in 1816—he actually received his doctorate, from Göttingen, only more than a decade later, in 1828 (not “1928”, as in Heuer, Jost, 131), in rec-

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lated Josephus and Philo into German. Nor do his volumes on antiquity indicate any particular love for Greek. 5. In particular, I would note that a long article in Jost’s memory in the 1861 annual of the Institut zur Förderung der israelitischen Literatur makes no reference to these translations,16 although it would have had every reason to mention them and to note that they were forthcoming in the Institut’s own series of publications. Indeed, the fact that that memorial article emphasizes Jost’s proficiency in Hebrew, Polish, and Russian, including the point that he translated a long piece from Russian into German for an Institut publication shortly before his death,17 is an indirect but impressive indication that he did not translate ancient Jewish works from Greek into German—especially not for any forthcoming publication by the same Institut.18 None of these doubts is absolutely fatal to the hypothesis that the works in question were translated by Jost, and we should not lightly reject it. The attribution goes back at least to 1891 (see n. 5), only a quarter-century after the book appeared; perhaps there is earlier evidence for it; and it might depend upon some reliable first- or second-hand knowledge. A single piece of first-hand testimony, that Jost was indeed the translator, might set aside all of these doubts. However, unless and until such testimony is discovered, these doubts encourage us at least to consider other candidates. My nominee would be the Breslau rabbi and historian of Jewish philosophy, Manuel Joël (1826–1890).19 He seems likelier on all of the above counts and on some others as well: 1. M. J. is, of course, the natural abbreviation for Joël’s name. 2. Joël was alive and well and working when all four volumes of the Bibliothek appeared. 3. Joël studied classics during his years at the Universities of Berlin and Halle, and completed his doctorate at the latter in 1853 with a Latin dissertation on Aristotle.20 Moreover, during his years as a teacher at the rabbinical seminary in Breslau his duties included the teaching of Greek and Latin.21 Accordingly, it is clear that he could translate the works in question, and might also have found it attractive. For his continued interest in Greek it is enough to point to the first volume of his Blicke in die Religionsgeschichte (1880), which is devoted to “Der Talmud und die griechische Sprache” and supplemented with appendices about Aristobulus as an Aristotelian philosopher and about Gnosis.

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ognition of his Geschichte der Israeliten. My thanks to Ms. Angelika Handschuck, of the University of Göttingen archives, for her assistance in clarifying this point. Goldschmidt, Jahrbuch. Ibid., xix. The same may be said of Philippson’s obituary for Jost—Dr. J. M. Jost. No mention is made of any forthcoming volumes, although Philippson was, along with Jost, one of the Institut’s directors. On whom see, in general, Heuer, Joël, 103–111. Other literature is cited below. I. Ioël, Aristotelis de voluptate. See Brann, Geschichte, 86. For example, Jahres-Bericht 1861, iii, lists Joël as teaching Homer, Plato, and Greek grammar; so too Jahres-Bericht 1862, iii, and Jahres-Bericht 1863, 5.

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4. In particular, note that Joël published a good deal about Philo—the author of the works translated in the first, third, and fourth volumes of the Bibliothek.22 5. Being in Breslau and at the rabbinical seminary there, where he taught classics alongside Bernays, Joël will certainly have been familiar with Bernay’s thesis about Sulpicius Severus’s dependence upon Tacitus, which was published in the seminary’s annual report for 1861.23 6. In a public lecture on ancient pagan slanders of Jews and Christians, published in 1879, Joël showed a detailed familiarity with Against Apion, which is at the center of the lecture, but also found an opportunity to praise Philo as having been “meines Erachtens der nach den biblischen Schriftstellern literarisch einflußreichste Jude, der je gelebt.”24 Both points easily fit the hypothesis that Joël translated the works included in the Bibliothek. So does, quite suggestively, the fact that Joël, in this lecture, felt the need to allude to Josephus’s service as governor of the Galilee as a foil for his composition of Against Apion: “Josephus, der im jüdischen Kriege gegen Vespasian in Galiläa commandiert hatte […] hat der Welt durch seine Schriften soviel genützt, daß wir die Fehler des Strategen gern vergessen über die Bedeutung des Schriftstellers.”25 Although that proves nothing, it does resonate well with the notion that he had translated Josephus’s Life. On the basis of all these considerations, both the doubts about Jost and the positive considerations about Joël, I suggest that the Bibliothek translations be attributed to Joël. True, lists of Joël’s publications and reviews of his scholarship do not include them, no more than they are included in lists of Jost’s publications,26 and in the absence of further evidence it cannot be excluded that there is some other M. J. out there waiting to be discovered.27 Nevertheless, as the dossier now stands, Joël seems likelier than Jost. Apart from completing or problematizing the bibliographical record (and piquing the curiosity of other detectives), the suggestion that Joël penned these translations could, of course, lead us to compare the translations, notes, and introductions of these works by Josephus and Philo to Joël’s writings and thus help fill out our understanding

22 See Freudenthal, Über die wissenschaftliche Thätigkeit, esp. 589–590, and n. 2. 23 See above, n. 10. 24 See Joël, Angriffe des Heidenthums, 10. This lecture, which appeared early in 1879 (see AZJ, 43, no. 10, 4 March 1879, 155), is to be read in the context of rising anti-Semitism of the 1870s, which by the end of that year would bloom into the “Berliner Antisemitismusstreit”—to which Joël was to make his own explicit contribution as well; see Krieger, Der “Berliner Antisemitismusstreit,” 24–36. 25 Joël, Angriffe des Heidenthums, 9. 26 For Jost’s publications, see above, n. 12. For reviews and lists of Joël’s, see several articles in MGWJ 70, 1926, upon the centennial of his birth, also Freudenthal, Über die wissenschaftliche Thätigkeit; Bloch, Dr. Manuel Joël’s schriftstellerische Thätigkeit; Brann, Geschichte, 126–127; Heinemann, Joels wissenschaftliches Lebenswerk; and Heuer, Joël, 105–111. 27 In that context I will note that I see no reason to suspect that Marcus Jastrow (1829–1903) was the translator. My thanks to Mr. Melech Jaffe of www.jastrow.org, with whom I corresponded, who concurred that that is most unlikely.

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of his oeuvre, which dealt mostly with the history of Jewish religion and philosophy.28 Indeed, it may be that the doubts I have raised will lead someone to a detailed comparison of these volumes to both Joël’s and Jost’s writings; perhaps such work can pin down the identity of the translator more conclusively. I leave that to others. For my part, and with no necessary relationship to the question of the translator’s identity, I would focus now on the introduction to Josephus’s Life in the Bibliothek, a text that includes what seems to be the earliest clear statement of a thesis usually associated with another and more famous Breslau scholar: the Jewish historian Heinrich Graetz (1817–1891). That thesis pertains to an oft-noted and basic contradiction between Josephus’s Life and his War. In his Life Josephus claims that he sought to prevent war with Rome, and that once it began, and he was appointed commander of the Galilee, he tried to keep the Galileans from actually fighting the Romans; so esp. Life 17–23, 28–29, 77–78, 175–176.29 In his War, in contrast, he portrays himself quite consistently as a sincere rebel who conscientiously did his best to prepare the Galilee for war against Rome; see esp. War II 569–584 and III 59–63. The ensuing question, “Where Was Josephus Lying—In His Life or in the War?,”30 has exercised numerous scholars over the generations, especially insofar as the way Josephus portrays himself in the Life amounts to the admission that he had played a despicable double game, undertaking responsibility for the Jewish rebellion in a most important region of the country but actually hampering and undermining that effort—which in fact collapsed, under his command, shortly after the first Roman forces arrived. For our present purpose suffice it to say that in the era in which what Per Bilde termed “the classical conception” of Josephus held sway, a conception that condemned Josephus both as an individual and as a historian,31 it was usual—as Shaye J. D. Cohen noted in his review of relevant scholarship on this issue, including the 1856 first edition of the third volume of Graetz’s Geschichte—to follow the Life and accept Josephus’s self-condemnation as having collaborated with the enemy and betrayed his people.32 True, by the 1850s and 1860s there were, as Cohen notes, some opposing voices— some scholars who leaned instead toward the War’s account. However, as Cohen presents that minority, it failed to explain why Josephus would have presented himself in the Life as having opposed the rebellion if in fact he had been firmly pro-war.33 That explanation would come only in the 1870s, first in works by two of Graetz’s students and then in Graetz’s revised version of his narrative in the 1878 third edition of the third volume of his Geschichte der Juden—and only with the coming of that explanation did the view preferring the War “solidify.”34 28 29 30 31 32 33 34

See above, n. 26. On that theme see Cohen, Josephus in Galilee and Rome, 152–160. To borrow the title of an article by Rappaport, Where was Josephus Lying? Bilde, Flavius Josephus, 126–128. See Cohen, Josephus in Galilee and Rome, 8–23. See ibid., 12, referring to works by F. Lewitz, H. Milman, M. J. Raphall, and C. Merivale. See Cohen, ibid., 13, with references to: Prager, Über das Verhältniss; Baerwald, Josephus in Galiläa; and Graetz, Geschichte, vol. 3, 3d ed., 515, n. 2. Prager and Baerwald both studied with

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However, in his survey of Graetz’s views in the 1856 first edition of his work Cohen relates only to pages 391–419, i. e., to Graetz’s chapter on the war in the Galilee, not to Graetz’s shorter discussion, at the end of the same volume, of the works Josephus later wrote in Rome—including the Life. There Graetz does offer an answer to the question the other works left unaddressed, namely, why Josephus would misrepresent himself in the Life. Graetz’s answer was that Josephus’s self-portrayal as a traitor, in the Life, was meant to refute Justus of Tiberias’s accusation of him, that he had been a consistent opponent of Rome and, in fact, responsible for Tiberias’s participation in the rebellion (see Life 340–356): Um sich gegen die Anklagen des Justus von Tiberias zu rechtfertigen, beschrieb er sein eigenes Leben und sein Verhalten in dem Kriege, und um sich von dem Verdachte zu reinigen, als habe er aus eigenem Antriebe gegen die Römer gehandelt, stellte er sich in ein noch ungünstigeres Licht.35

A few years later, in the 1863 second edition of this volume, Graetz made the point even clearer, by adding a clause that explains what that “noch ungünstigeres Licht” was: “als habe er von Anfang an verrätherisch mit den Römern gehalten.”36 Such use of “als habe” suggests that Josephus was not, in fact, treasonous from the outset. However, in these first two editions of his work Graetz did not really draw that conclusion. Graetz was writing within a tradition that was very used to characterizing Josephus as a traitor, and in the first two editions of his work he did so several times.37 The seed Graetz planted would bear fruit more than a decade and a half later, in the 1870s, in the works of his two abovementioned students, who both concluded that Josephus’s account in the War was more reliable than that in his Life, for the latter falsely presented him as treasonous from the outset in order to rebuff Justus’s accusations.38

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Graetz at the Breslau seminary—1869–1877 and 1873–1881 respectively, according to Brann, Geschichte, 144, 189. Cohen also refers here to Schürer, but see below, n. 38. Graetz, Geschichte, vol. 3, 1st ed., 457. Graetz, Geschichte, vol. 3, 2d ed., 413–414. Note esp. Graetz, Geschichte, vol. 3, 1st ed., 402–403 = vol. 3, 2d ed., 367–368 (“Wegen dieser zweideutigen [2d ed.: + comma] verrätherischen Haltung […]”); vol. 3, 1st ed., 410 = vol. 3, 2d ed., 373 (“Josephus trifft die ewige Schmach, daß er das starke Bollwerk Judäa’s mit frevelhafter Hand zerstört, das kräftige, kriegerische Galiläa […]”); vol. 3, 1st ed., 405 = vol. 3, 2d ed., 370 (“So war Galiläa durch Josephus’ verrätherische Halbheit in zwei Lager gespalten”); vol. 3, 1st ed., 421 = vol. 3, 2d ed., 382 (“Josephus’ Verrath und der Verlust Galiläa’s”); and vol. 3, 1st ed., 424 = vol. 3, 2d ed., 386 (“Josephus’ verrätherisches Spiel und Uebergang zu den Römern”). See Prager, Über das Verhältniss, 5 (“Um nun […] jede Gefahr von sich abzuwenden und die Gunst der Cäsaren sich zu erhalten, hat Josephus in seiner Vita seine Thätigkeit in Galiläa so dargestellt, als ob er von vornherein Römerfreund gewesen, und dadurch sich zum Verräther seiner Nation gestempelt […]”) and Baerwald, Josephus in Galiläa, 14 (citing Prager). Prager simply claimed that Josephus really supported the rebellion but lied about that in his Life, in order to rebuff Justus’s accusation, and the point of his study was to show that analysis of Josephus’s reports shows that he at first enthusiastically supported the rebellion. Baerwald, in contrast, offered a more intricate thesis that complicated the issue of “traitor” by turning the binary context of Jews versus Romans

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Similarly, in revising his work for its 1878 third edition Graetz—accepting Baerwald’s theory but going beyond it39—now emphasized that Josephus was not treasonous,40 eliminated “treasonous” from his characterizations of Josephus as they appeared in the two earlier editions,41 and added a long footnote dedicated to showing how difficult it is to characterize Josephus without ambiguity.42 True, some instances of “treasonous” remained in the 1878 edition; 43 it is very difficult to revise consistently. But the trend, the direction in which Graetz was revising his work, is clear enough. Elsewhere I hope to discuss why it was so important for Jews, in Bismarckian Germany, to avoid discussion of Jewish traitors—a need of which Josephus seems to have been a beneficiary.44 For our present purposes it is enough to note that if we now revert to M. J.’s translation of the Life we will find that its introduction quite clearly bespeaks, already in 1867, the position clearly taken by Graetz and his students in the seventies. Namely, after a brief presentation of Justus’s accusation of Josephus, the introduction goes on to explain: Um also die Freundschaft der Römer nicht zu verlieren, schilderte er sich in der Selbstbiographie schlimmer, als er wirklich gewesen war und sich auch in der Geschichte der Krieges dargestellt hatte: nämlich als einen vorbedachten Verräther an dem großen Volksstamme, dessen Führung ihm anvertraut worden war. Es ist natürlich, daß die Biographie bei so absichtsvollen

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into one in which Agrippa II played an ambiguous role between those two sides and Josephus was loyal to Agrippa, if not to the Jews; see the next two notes. For some comments on that “extraordinarily confused” thesis, see Cohen, Josephus in Galilee and Rome, 13. Note that although Cohen also refers to Schürer’s 1874 Lehrbuch as voicing this new theory, and it indeed does so both at pp. 24–25 (Josephus misrepresented himself as a pro-Roman traitor in order to answer Justus’s accusation) and at 328 (n. 1—Josephus’s claim at Life 29 that he was sent to Galilee to keep it out of war is “frech”), nevertheless at p. 20 it is still willing to accept the Life’s basic claim, that Josephus at first opposed the rebellion. That is, Schürer, as the early Graetz, was torn between the old interpretation and the new one. Insofar as Baerwald (Josephus in Galiläa, 15–16 with n. 4) troubles to emphasize, at length, that, despite his explanation of Josephus’s motives, what he did amounted to treason against the Jews. Graetz, Geschichte, vol. 3, 3d ed., 515: “Für Agrippa hat Josephus in der That gearbeitet, und insofern hat er nicht ganz unehrlich und verrätherisch gehandelt.” The reference to Agrippa alludes to Baerwald’s thesis. So too at the end of the new long footnote ibid., 515–516, n. 2: “Er hat wohl in Agrippa’s Interesse gehandelt, aber nicht die Römer heimlich und verrätherisch unterstützt.” See Graetz, Geschichte, vol. 3, 3d ed., 517, 525: In these 1878 versions of the first two passages cited in n. 37 Graetz eliminated “verrätherischen” (but not without leaving the telltale comma after “zweideutigen”!) from the first, and, in the second, replaced the plainly condemnatory “mit frevelhafter Hand” with equivocation: “durch Ungeschicklichkeit, Selbstsucht und Unverträglichkeit oder durch sein falsches Spiel.” Graetz, Geschichte, vol. 3, 3d ed., 515–516, n. 2. The last three examples cited in n. 37 remained in the third edition of vol. 3 (pp. 520, 537, 542). For a straw in that wind, note the pathos with which Graetz described the massive volunteering of Jews (“von Begeisterung für das Vaterland erglüht”) into the ranks of the Prussian army, and their self-sacrifice, in the Napoleonic wars, and the way he underlines that at times they found their death in battle against Jews who were fighting just as loyally for other countries: Graetz, Geschichte, vol. 11, 320–321 (2d ed., 301–302).

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Bestreben nach Entstellung der Wahrheit an vielen Orten, je nach dem jedesmaligen Bedürfnisse, sich widerspricht, und besonders daß sie mit der doch weniger tendenziös geschriebenen Geschichte des Krieges in unversöhnbarem Streite steht. Bei solchem Konflikte dieser beiden Werke desselben Verfassers ist dann immer der Geschichte des Krieges der Vorzug zu geben, da sie einmal weniger parteiisch abgefaßt ist und dann auch den geschilderten Ereignissen näher steht. (pp. 12–13)

Correspondingly, this introduction never calls Josephus a traitor. Who wrote this introduction? Although the title page of the volume attributes the translation of the Life to M. J., nothing is said about the authorship of the introduction. Were we to ascribe the translation and the introduction to Jost, that would entail moving the origins of this thesis out of Graetz’s circle, from Breslau to Frankfurt, along with the concomitant conclusion that Graetz and his students took it from Jost without attribution. Moreover, since this thesis does not appear in Jost’s own last discussion of the topic, published in 1857,45 ascription of the thesis to Jost would apparently entail the conclusion that he came up with it in the last couple of years of his life but did not manage to publish it in his lifetime—which is possible, but hardly likely. Moreover, it is not only the case that the introduction to the Bibliothek’s translation of the Life voices a thesis later espoused by Graetz and his disciples. Rather, there are several passages in that introduction that read as if they are straight out of Graetz. Note especially the following:46 introduction to 1867 Life:

Graetz, Geschichte, vol. 3, 1st ed., 1856:

p. 13: Nach der einmüthigen Vertreibung des pp. 369–370: Sobald Florus abgezogen war […] schändlichen römischen Landpflegers Florus aus die Einwohner Jerusalems zerfielen in eine RevoJerusalem hatte sich das jüdische Volk sofort in lutions- und eine Friedenspartei. zwei Parteien getheilt. Die eine, die Kriegspartei, bestand aus der kräftigen Jugend, welche im Vertrauen auf den Gott Israel entschlossen war […]

Die erste bestand größtentheils aus jungen, kräftigen Männern […] sie setzten ihre Hoffnung auf den Gott Israels,

An der Spitze dieser hochsinnigen Männer, die übrigens auch durch Verbindungen mit den auswärtigen Römerfeinden ihre Macht zu erhöhen suchten,

[…] sie hatte bereits Verbindungen mit dem, dem Judenthum so warm ergebenen adiabenischen Fürstenhause angeknüpft und interessirte die parthisch-babylonische Gemeinde für ihre gerechte Sache […] Der grösste Theil der Kriegspartei bestand […] aus hochsinnigen, hingebungsvollen Männern […]

45 Jost, Geschichte des Judenthums, vol. 1, 441–444. 46 I have added italics to point up cases of verbal identity. In the right-hand column the references are to the pages of the first edition of Geschichte, vol. 3, but in all the cases cited the text is virtually identical in the second (1863) edition as well.

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stand der Priester Eleasar ben Anania.

Die Seele der Revolutionspartei in Jerusalem war Eleasar ben Anania, aus einem edlen hohenpriesterlichen Geschlechte […]

p. 14: Diese gebirgige, neunzig Quadratmeilen umfassende Provinz war ungemein bevölkert, so daß auf dem kleinen Raume drei Millionen Menschen wohnten.

p. 391: Galiläa, ein gebirgiges Land, von ungefähr neunzig Quadratmeilen Umfang […] pp. 392–393: am reichsten und dichtesten bevölkert […] überstieg demnach die Zahl von drei Millionen […]

Ein kräftiger, fleißiger, zäher Volksstamm […]

p. 394: Die Galiläer waren fleißig und betriebsam […] Es war ein kräftiger, kriegerischer und zäher Menschenschlag.

p. 15: Leider war Josephus ein zwar ehrgeiziger und höchst eitler, aber schwankender, persönlich feiger und dabei von dem Glanze des römischen Reiches völlig geblendeter Mann.

p. 401: Denn nächst Eitelkeit und Feigheit machten Verstellung und Gesinnungslosigkeit Josephus’ Grundcharakter aus. p. 400: Der Glanz des neronischen Hofes, das Treiben der Weltstadt, die Riesenhaftigkeit der Staatsinstitutionen blendeten ihn so sehr, daß er die römische Macht für die Ewigkeit gebaut […] glaubte […].

p. 15: Wie er die schönen Kräfte Galiläa’s unbenutzt ließ, ja gegen einander richtete […].

p. 405: So war Galiläa durch Josephus’ verrätherische Halbheit in zwei Lager gespalten. p. 412: Was hätte Galiläa erst vermocht, wenn es so viele Krieger aufgestellt hätte, als es Jünglinge und Männer hatte, und von einem erfahrenen, muthigen, hingebenden Feldherrn geführt worden wäre! Doch es war getheilt, geschwächt, entmuthigt und mußte am Ende die Beute des Siegers werden.

Such close thematic and even verbal parallels show that whoever wrote the introduction to the Life in the 1867 volume was either a shameless plagiarist or else Graetz himself.47 That means, first of all, that the introduction is, essentially, to be considered 47 And the same can also be said concerning the introduction to Against Apion later in the same Bibliothek volume. Compare, for example, its p. 90 (“[…] und so entstand daselbst [= in Alexandria] eine eigene judenfeindliche Literatur, deren Haupthelden Apolonius Molon (um 90 v.d.g.Z.), Posidonius aus Apamea (um 70 v.d.g.Z.), Chäremon (um 50 v.d.g.Z.), Lysimachus (30 v.d.g.Z.) und Apion waren; die letzteren drei waren Alexandriner”) to Graetz, Geschichte, vol. 3, 1st ed., 268–269 (“Die Hauptträger dieser judenfeindlichen Literatur waren Apolonius Molo (um 90 v. Chr), Cicero’s Lehrer Posidonius, aus Apamea (um 70 v. Chr.), Chäremon (um 50 v. Chr.) und Lysimachos (30 v. Chr.); die beiden Letzten waren Alexandriner. Doch sie alle übertraf an Frechheit der Grammatiker Apion […]” [original emphases]). True, the introduction to Against Apion does not echo Graetz’s use of “Frechheit” in connection with Apion here—but it does so two pages later, on p. 92 (“Dieselbe Frechheit […]”), just as it goes on, there, to report that “Alles hatte er [= Apion] selbst gesehen oder von ‘alten Leuten’ erfahren; ja, ihm war der Schatten des todten Homer erschienen […]”—which is straight out of the next page of Graetz (Geschichte, vol. 3, 1st ed., 269): “Alles wollte er mit eigenen Augen gesehen oder von glaubwürdigen Personen vernommen haben; er wollte sogar Homer’s Schatten heraufbeschworen haben […].” The passages from Graetz, Geschichte, vol. 3, 1st ed., cited in this note remained the same, apart from some miniscule changes of orthography or punctuation, in the second edition of vol. 3, 257.

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Graetz’s work. Moreover, it has its implications for the identity of M. J. For it is, I think, quite difficult to suppose that Jost would follow the third volume of Graetz’s Geschichte so closely. After all, Jost was a seasoned scholar, who had already written much upon the subject,48 and Graetz was a quarter-century younger than Jost. Indeed, only a few years before he died Jost opposed the proposal that the Institut publish this volume of Graetz’s Geschichte,49 and in 1859 he dismissed Graetz’s work altogether with the comment that it came to “fantastic” conclusions and had an anomalous publication history.50 It is much easier to attribute the borrowing to Joël, for he was a colleague of Graetz but not in the same field, so no competition. In fact, however, I tend to assume that Graetz himself authored this introduction, which definitely reads like the work of a confident historian, one familiar with Josephus’s works. Moreover, note that Graetz had a longstanding relationship with the Institut, which was at the time regularly publishing volumes of his Geschichte as volumes of its Schriften.51 The way such relationships work, it is quite easy to imagine Graetz being roped in, by the Institut or by his colleague, to writing the introduction. One way or another, whether by Graetz himself or inspired by him, it seems very clear that the introduction to this 1867 volume should be viewed as a product of Breslau Jewish scholarship. That, of course, reinforces our suggestion that the translation is too. But new evidence or arguments, that might allow for certainty, would be very welcome.

48 See esp. Jost, Geschichte der Israeliten, vol. 2, 67–117 (on Josephus in Galilee) and, later in the same volume, 55–95 (“Anhang: Zum Sechsten Buche: Ueber den Geschichtschreiber [sic] Joseph als solchen”). 49 As is reported by Philippson, Vom Institute, 387. For the identification of this statement’s author as Philippson (the editor of the AZJ and one of the directors of the Institut), see Graetz, Gegenerklärung, 284–286. 50 In an 1859 survey of Jewish historical writing, Jost offered only the following, somewhat supercilious, comments about Graetz: “Gräz begann eine umfassende Geschichte der Juden, mit phantasiereichen Ergebnissen überraschend, welche, seltsam genug, rückschreitend ins Leben trat” (referring to the fact that the fourth volume of Graetz’s Geschichte appeared before the third); Jost, Geschichte des Judenthums, vol. 3, 364. Correspondingly, when writing (ibid., vol. 1, 442, n. 1) of the Galilean events during the First Revolt the most Jost allowed Graetz was as follows: that “Wir haben in unsern Geschichtswerken dieselben ausführlich beschrieben. S. auch Grätz III,” and of the five footnotes on the two preceding pages, two are devoted to correcting statements made by Graetz. 51 I have seen copies of the following with additional title pages listing them as among the Institut’s Schriften: vol. 3, 1856; vol. 5, 1860; vol. 6, 1861; vol. 8, 1864; vol. 9, 1866; and vol. 10, 1868. On the Institut’s longtime relationship with Graetz, until a major public spat in 1869, see Philippson, Vom Institute, also Graetz’s warm words of gratitude to the Institut in the Vorwort of his Geschichte, vol. 3, 2d ed., 1863.

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52 Note that many of the German-Jewish periodicals cited in this study are available online at www. compactmemory.de.

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Die Autoren des Bandes

Prof. em. Dr. Detlev Dormeyer *1942 Forschungsschwerpunkte: Passionsgeschichten, Neues Testament und Hellenismus, Narrativität der Evangelien und Kleingattungen. Wichtige Veröffentlichungen: – Das Lukasevangelium. Neu übersetzt und kommentiert, Stuttgart 2011. – Das Markusevangelium als Idealbiographie von Jesus Christus, dem Nazarener (SBS 43), Stuttgart 11999, 22002. – Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung (Die Altertumswissenschaft), Darmstadt 1993. – Translation: The New Testament among the Writings of Antiquity, Sheffield 1998. PD Dr. Niclas Förster *1967 Privatdozent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. Forschungsschwerpunkte: Neues Testament, neutestamentliche Apokryphen, hellenistisches Judentum (Flavius Josephus, Philo von Alexandria), Gebet im Judentum und Christentum, Gnosis. Wichtige Veröffentlichungen: – Der titulus crucis – Demütigung der Judäer und Proklamation des Messias, NT 56, 2014, 113–133. – Jesus und die Steuerfrage. Die Zinsgroschenperikope auf dem religiösen und politischen Hintergrund ihrer Zeit mit einer Edition von Pseudo-Hieronymus, De haeresibus Judaeorum, WUNT 294, Tübingen 2012. – Das gemeinschaftliche Gebet in der Sicht des Lukas, BiTS 4, Leuven, Paris, Dudley 2007. – Marcus Magus. Kult, Lehre und Gemeindeleben einer valentinianischen Gnostikergruppe. Sammlung der Quellen und Kommentar, WUNT 114, Tübingen 1999. Prof. Dr. Jan Willem van Henten *1955 Professor für Religionswissenschaft, insbes. Antikes Judentum und Frühchristentum, Universiteit van Amsterdam. Direktor der Graduate School of Humanities , Universiteit van Amsterdam. Extraordinary Professor for Old and New Testament, Stellenbosch University.

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Die Autoren des Bandes

Forschungsschwerpunkte: Josephus, Märtyrertum in der Antike und Rezeption der Bibel. Wichtige Veröffentlichung: – Judean Antiquities 15: Translation and Commentary (Flavius Josephus: Translation and Commentary 7b), Leiden 2014. Prof. i.R. Dr. Hermann Lichtenberger *1943 Forschungsschwerpunkte: Antikes Judentum und Neues Testament. Wichtige Veröffentlichungen: – Die Apokalypse, ThKNT 23, Stuttgart 2014. – Das Ich Adams und das Ich der Menschheit, WUNT 164, Tübingen 2004. – Studien zum Menschenbild in Texten der Qumrangemeinde, StUNT 15, Göttingen 1980. Dr. Gottfried Schimanowski *1950 Schulreferent. Forschungsschwerpunkte: Neues Testament (u.a. Johannesoffenbarung), Judaistik (Geschichte des jüdischen Volkes in Alexandrien). Wichtige Veröffentlichungen: – Juden und Nichtjuden in Alexandrien. Koexistenz und Konflikte bis zum Pogrom unter Trajan (117 n.Chr.), MJSt 18, Münster 2006. – Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes. Die frühchristlichen Traditionen in Offenbarung 4–5 unter Einschluss der Hekhalotliteratur, WUNT 2/154, Tübingen 2002. – Weisheit und Messias. Die jüdischen Voraussetzungen der urchristlichen Präexistenzchristologie, WUNT 2/17, Tübingen 1985 . Prof. Dr. Daniel R. Schwartz *1952 Herbst Family Professor of Judaic Studies at the Hebrew University of Jerusalem, Academic Head of the Mandel Scholion Interdisciplinary Research Center in the Humanities and Jewish Studies. Forschungsschwerpunkt: Ancient Jewish historiography. Wichtige Veröffentlichungen: – Judeans and Jews. Four Faces of Dichotomy in Ancient Jewish History, Toronto 2014. – Reading the First Century. On Reading Josephus and Studying Jewish History of the First Century, Tübingen 2013. – 2 Maccabees, CEJL, Berlin 2008. Prof. Dr. Joseph Sievers *1948 Professor am Päpstlichen Bibelinstitut, Rom. Forschungsschwerpunkte: Flavius Josephus, Judentum in der Zeit des Zweiten Tempels, jüdisch-christliche Beziehungen. Wichtige Veröffentlichungen:

Die Autoren des Bandes

203

– Josephus and Jewish History in Flavian Rome and Beyond, Joseph Sievers/Gaia Lembi (Hg.), JSJ.S 104, Leiden 2005. – Chiesa ed Ebraismo oggi: Percorsi fatti, questioni aperte, Norbert J. Hofmann/ Joseph Sievers/Maurizio Mottolese (Hg.), Rom 2005. – A History of the Interpretation of Romans 11:29, ASEs 14, 1997, 381–442. Prof. Dr. Manuel Vogel *1964 Professor für Neues Testament an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Forschungsschwerpunkte: Paulus, 2. Korintherbrief (Kommentarprojekt), Religionsgeschichtliche Schule, die Jesusbewegung im antiken Judentum. Wichtige Veröffentlichungen: – Von den Makkabäern bis Justin. Jüdische, christliche und pagane Kontroversen zur Beschneidungsfrage in der hellenistisch-römischen Antike, in: Michael Wermke (Hg.), Säkulare Selbstbestimmung versus religiöse Selbstbestimmung? Zur Kritik an der öffentlichen Debatte um das Beschneidungsritual, Leipzig 2014, 27–68. – Modelle jüdischer Identitätsbildung in hellenistisch-römischer Zeit, in: Markus Öhler (Hg.), Religionsgemeinschaft und Identität. Prozesse jüdischer und christlicher Identitätsbildung im Rahmen der Antike, BThSt 142, Neukirchen-Vluyn 2013, 43–68. – Commentatio mortis. 2. Korinther 5,1–10 auf dem Hintergrund antiker ars moriendi, FRLANT 214, Göttingen 2006. PD Dr. J. Cornelis de Vos *1966 Vertretung der Professur für Neues Testament und Antikes Judentum am Institutum Judaicum Delitzschianum an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität. Leiter des Projekts „Der jüdische nomos zwischen Normativität und Identität am Beispiel Alexandrias im 1.–3. Jh. n.Chr.“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Antikes Judentum und seine Schriften, Hermeneutik im Neuen Testament und des Neuen Testaments, Verhältnis von Normativität und Identität in der Antike. Wichtige Veröffentlichungen: – Rezeption und Wirkung des Dekalogs in Judentum und Christentum bis 200 n.Chr. (AJEC), Leiden/Boston [erscheint voraussichtlich 2015]. – Heiliges Land und Nähe Gottes. Wandlungen alttestamentlicher Landvorstellungen in frühjüdischen und neutestamentlichen Schriften (FRLANT 244), Göttingen 2012. – Das Los Judas. Über Entstehung und Ziele der Landbeschreibung in Josua 15 (VT.S 95), Leiden/Boston 2003. apl. Prof. Dr. theol. Dr. phil. Thomas Witulski *1964 Vertretung der Professur für Biblische Theologie und ihre Didaktik an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Abteilung Theologie der Universität Bielefeld.

204

Die Autoren des Bandes

Forschungsschwerpunkte: 4. Makkabäer, Apokalypse, Galaterbrief, Hermeneutik. Wichtige Veröffentlichungen: – Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA/StUNT 63, Göttingen/Fribourg 2007, 22010 (historischer Teil der Habilitationsschrift). – Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007 (theologischer Teil der Habilitationsschrift). – Apk 11 und der Bar-Kokhba-Aufstand, WUNT II 337, Tübingen 2012 (althistorische Dissertation).

Abkürzungen

Zugrundegelegt sind die Abkürzungsverzeichnisse Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaft nach RGG4, Tübingen 2007 sowie SBL Handbook of Style.1 Zusätzlich werden folgende Abkürzungen verwendet: Ancient Judaism and Early Christianity Allgemeine Zeitung des Judenthums Bespr. Besprechung BiTS Biblical Tools and Studies BW The Biblical World CCWJCW Cambridge Commentaries on Writings of the Jewish and Christian World 200 BC to AD 200 Einl. Einleitung MJSt Münsteraner judaistische Studien Rez. Rezension RJVK Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde SRB Studies in the Reception History of the Bible (früher: Studies in Rewritten Bible) TBN Themes in Biblical Narrative TENT Texts and Editions for New Testament Study ThKNT Theologischer Kommentar zum Neuen Testament AJEC AZJ

1

P. H. Alexander et al., The SBL Handbook of Style. For Ancient Near Eastern, Biblical, and Early Christian Studies, Peabody, MA, 1999.

Stellenregister

1. Altes Testament (einschließlich zusätzlicher Schriften der Septuaginta und Vulgata) Exodus 3,5 20,4 22,20 23,9 30,17–28 40,31

91 183 18 18 92 92

Leviticus 11,7 13,45 f 15 15,7 15,24–27 22,27–30

152 183 101 101 100 183

Numeri 3,31 4,5–14 4,20 18,3 19,1–22

93 94 94 93 90

Deuteronomium 4,16 12,3 13,18 14,8 32,11

183 18 18 152 183

2. Samuel 8,17 23,13–17

120 43

1. Könige 4,5 8,4

120 93

2. Könige 7,3 f

183

Jesaja 44,3 52,11 53,7 65,4 66,3

98 33 136 152 152

Jeremia 8,8 Ezechiel 26 27 27,12–22 27,13 39,29 Hosea 6,6 Joel 3,1

120

35 35 f 35 36 98

118

98

Habakuk 1,6 f 1,6 1,8 f 1,10 1,16a 1,16b 1,17

21 21 22 22 22 22 22

Psalmen 45,2

120

Esther 3,12 8,9

120 120

Esra 9,1 f 10,6–44

183 183

Nehemia 13,23–31

183

1. Chronik 2,55 9,28 f 11,15–19 18,16 22,19

120 93 43 120 93

2. Chronik 5,5 23,19 24,11 34,13

93 93 120 120

4. Esra 11,1–12,3

23

Judith 12,8

98

1. Makkabäer 1,47 4,49 6,1–16

152 93 168

2. Makkabäer 2–7

43

207

Stellenregister 6 6f 6,4–5 6,18–7,41 6,18–31 6,18 6,19 6,21 f 6,21 6,23–28 6,23–25 6,23 6,24 f 6,24 6,26 6,27 f 6,27 7,2 7,30 12,8 f 3. Makkabäer 4,21 5,30

69, 152 28, 43 32 43, 53 54 43 179 68 53, 68 69 f 70 69 70 70 70 70 70 179 179 144

161 161

4. Makkabäer 1,1–12 42 1,1 42–45, 49–52 1,2 61 1,7–12 45 1,7–9 45 1,7 f 45 1,8 45, 48 1,10–12 45 1,10 48 f 1,12 43 1,13–3,18 44 f, 46, 51 1,13–19 47 1,13 42 f, 45, 49 f, 52 1,15–17 43 1,18 f 43, 61 1,20–30 47 1,20–28 43 1,30–2,3 48 1,33 f 48 2,4–6a 48 2,24–3,18 45 3,5 45 3,6–18 43, 45 3,18 42, 44 3,19–18,24 46 3,19–17,6 45–48, 50 f, 53

3,19–4,26 3,19 4,22 f 4,23–26 4,23 4,24 4,25 4,26 5 5,1–7,23 5,1–4 5,1 5,2 5,4 5,5–38 5,5–13 5,6–13 5,6 f 5,7b 5,8 f 5,8 5,9 5,9a 5,9b 5,10 5,11 f 5,11 5,12 5,13 5,14–38 5,16 f 5,16 5,17 5,18 5,18a 5,19–21 5,21 5,22–24 5,22 5,23 5,24 5,24d 5,25 5,26 5,27–38 5,27 f 5,29 f 5,29 5,31 5,33 5,37 6,12–23

43 43, 66 71 43 43 43 53 43, 57 179 54 54 f, 68, 70 f 70 53, 70 43 54 f, 68, 71 54 55 55 55 60, 62 55 61 55 55 56 66 56 57 57, 59 54, 67 59, 63 59 59 59 f 59 60 61 61 f 56 61 61 f, 67 62 61 f, 64, 67 64, 66 67 66 51 67 51, 67 67 44, 67 68

6,12–15 6,13–15 6,14 6,15 6,15b 6,16–23 6,17–23 6,18–20 6,18 6,19 6,20 6,22 6,31–35 7,16–23 8,1–9,9 8,25–28 8,27 f 9,24 9,31 12,1–19 13,1–5 13,8–18 13,17 13,19–14,1 13,19 14,13–20 15,2 f 15,3 15,4–10 16,1–4 16,12 16,15 16,16–25 17,6 17,7–18,24 17,7 17,17–24 17,22 17,23–18,19 18,1–5 18,1 f 18,1 18,2 18,5 Psalmen Salomos 17 f Sapientia Salomonis 17,2

68 68 70 68 68 69 70 70 70 70 70 70 46 46 179 46 51 f 161 47 179 46 46 44 46 161 46 46 44 46 46 47 70 46 43 43 44 44 161 49 44 46, 49, 54 49 f, 52 50 71

23

161

208

Stellenregister

2. Neues Testament Matthäus 1,1 3,7 3,9 4,23 5,8 5,13–20 5,17–20 5,17–19 5,19 5,20 5,21–48 5,23 f 6,3 f 6,5–7 6,17 f 7,6 7,21 7,29 8,4 8,5–13 8,28 f 9,11 9,13 9,14 9,34 9,35 10,5 f 10,8 11,5 12,1–14 12,2 12,3–5 12,7 12,14 12,24 12,34 12,38 f 12,38 12,41 f 13,52 15,1–20 15,1 15,14 15,24 16 16,1–4 16,1 16,5–12 16,6

120 114 116 115 96 124 111, 118, 122 122 115 115 111 122 122 122 122 96 115 119 122 122 152 114, 119, 121 118 114 114, 119, 121 115 122 116 116 122 121 122 118 117, 121 114, 119, 121 114 116 121 130 122 122 114, 121 96 122 119 116 114 116 114

16,12 16,21 17,9 17,24–27 19,17 21,23 21,33–44 21,43–45 21,45 22,16 22,23–33 22,23 22,28 22,30 22,31 22,34 ff 22,41 f 23,1–31 23,1–12 23,2 f 23,2–3a 23,2 23,3 23,3b ff 23,8 23,10 23,15 23,19–21 23,23 23,25 f 23,25 23,26 23,33 24,20 26,2 26,17–35 26,57–68 26,66 27,1 27,12 27,14 27,18 27,19 27,24 27,25 27,62–66 28,15 Markus 1,4–11

116 116 116 122 122 115 114 114 114, 119 114 116 116 116 116 116 114 120 119 118 117, 119 117, 119 122 75 117 117 118 f 116 122 118 100 f, 122 96 96 114 122 122 122 129 130 132, 134 136 135 f 136 127 140 123 114 123

114

1,4 1,14 f 1,39 2,16 2,18–22 2,18 2,27 3,6 3,32 6,6 7,1 7,2–4 7,4 7,8–9 7,11 7,15 8,11 8,14–21 8,15 10,33 10,41–45 10,42–45 11,11 12,1–12 12,13 12,15 12,28 ff 12,37b–40 13,2 14,1 14,53–15,1 14,53–65 14,55–65 14,55–59 14,64b 14,65 15,1–20 15,1–5 15,1 15,2 15,3 15,5–15 15,5 15,10 15,20 15,26 15,27–32a Lukas 1,5–25

80 138 115 114, 119 77 114 119 114, 117 114 115 114 101 101 92 132 96 114 116 114, 117 98 137 137 95 114 114 114 114 118 130 137 137 114 129 129 130 132 139 134 f 132, 134 135, 138 136 136 135 f 136 136 138 114

80

209

Stellenregister 1,15 1,21 f 1,32 1,57–66 1,68–79 2,11 3,3 3,7–9 3,7 3,16–17 4,44 5,17 5,30 7,28 8,1 11,15 11,31 f 11,39 12,1 20,9–19 22,8 22,66–71 23,1 23,2 23,11 Johannes 2,19 2,20 3,22–36 3,22 3,31–36 4,1 f 4,36–38 4,42 7,38 f 8,30 8,31–59 8,37 8,44 11,45–53 11,47 11,55 13 18,1–19,16a 18,1–11 18,12–27 18,28–19,16a 18,28 18,31 18,33–38 18,33–37

80 90 80 80 84 99 80 83 114 83 115 121 114 81 115 114 130 96, 101 116 114 98 130, 132 134 136 79

130 131 82 98 81 98 81 99 98 74 74 74 74 130 130 91 107 137 130 130 136 134 130 138 135

19,9 19,10–16a 19,12 19,13 Apostelgeschichte 4,1–5,42 4,6 5,24 6,9 f 6,14 12,21 15,5 18,12–16 18,12 18,16 18,17 18,24–19,7 18,24–28 19,1–7 19,14 23,6 24,1–23 25,1–12 25,6 25,10 25,17 26,5 Römer 2,1 8,3 8,34 13,1–7 14,10 14,23 1. Korinther 1,18 5,9–11 6,9–11 14,23–25 14,23 14,25 2. Korinther 5,10 6,14–7,1 6,17 11,15

135 136 137 127

131 114 93 148 130 127 123 135 127 127 127 80, 84 80 77, 80 93 123 136 129 127 127 127 123

130 130 130 34 127 130

137 33 33 34 34 34

127 33 33 74

Galater 1,8 3,19 f

74 60

Epheser 5,23

99

Philipper 3,5 3,8 3,20 Kolosser 2,12 1. Thessalonicher 2,14–16

121, 123 123 99

75

113

2. Timotheus 1,10 1,18

99 75

Titus 1,4 2,13 3,6

99 99 99

Hebräer 9,21

93

1. Petrus 1,17 2,11 f 2,12 2,13–17

34 34 34 34

2. Petrus 1,1 1,11 2,20 2,22 3,2 3,18

99 99 99 96 99 99

1. Johannes 2,18 2,22 4,3

82 82 82

2. Johannes 7

82

210

Stellenregister

Johannesapokalypse 2,9 3,9 13,17 17,4 17,6

74 74 34 35 34

18 18,4 18,9–10 18,11–17a 18,12–14 18,14

35 33 35 35 35 f 36

18,17b–19 21,26 22,2 22,15 22,17

35 37 37 96 98

3. Sonstige antike Quellen 3.1 Griechische und lateinische Literatur Aelius Aristides Romrede 11–13

35

Akten Cyprians s. Märtyrerakten Apostolische Konstitutionen VI 27 100

Clemens von Alexandria Hypotyposen (ed. Stählin/ Früchtel) Frgm. 6 98 Protrepticus III 9

101

Stromata III 12,82,3

101

Aristeasbrief 128–171 144–150 150 201 306

65 65 65 161 65

Pseudo-Clementinen H XI 28,3 H XI 28,4–29,2 R I 37 R I 39 R VI 11

100 100 100 100 100

Athenaius V 126a

181

Diodorus Siculus I 4,1–3 XL 3,3

164 168

Epiphanius von Salamis Liber de haeresibus 30,2,3–6 30,16,5

100 100

Herodot II 14

152

Augustinus, Aurelius De civitate dei VI 11

28 f

Cassius Dio I 63 LXVII 12,2 LIX 24,4 LX 5,4 LXIX 14

165 19 143 143 33

Chaeremon (ed. van der Horst) Frgm. 10 Cicero, Marcus Tullius In Verrem II 70–76 V 10–14

Historia Augusta Caracalla 5,7 90

133 137

19

Isokrates Oratio 12

165

Johannes Chrysostomus De baptismo Christi 2f

101

Josephus Antiquitates Judaicae I 1–9 I 93–95 I 94 I 108 I 159 f III 91 III 236 VII 101–103 VII 342 VIII 74 VIII 87 IX 74 f IX 146 X 219 X 220–226 X 222 X 277 XI 154 XI 327 XII 6 XII 135–137 XII 135 XII 136 XII 187 XII 358 XIII–XV XIII 172 XIII 215 XIII 250 f XIII 286 XIII 287 XIII 288–298 XIII 319 XIII 321 XIII 324 XIII 347 XIII 400–432 XIV 8 f

165 172 172 172 172 183 183 172 93 178 92 183 178 171 171 171 25 178 92 167 167 167 f 168 183 168 169 25 144 172 170 170 120 169 f 144 144 169 120 171

211

Stellenregister XIV 68 166, 169 XIV 104 169 XIV 138 f 169 XIV 138 166 XV 268–290 184 XV 272 183 XV 371 25 XV 380 131 XV 417 90, 133 XVI Argumenta Nr. 18 171 XVI 31–57 172 XVI 179–185 172 XVI 299–372 166 XVII Argumenta Nr. 9 171 XVII 41–45 120 XVII 94 f 175 XVII 106–126 172 XVII 146 f 175 XVII 148–164 175 f XVII 148 175 f, 179 XVII 149 176 XVII 150 175–177 XVII 151 175, 177–180, 183 XVII 155 176, 178 XVII 156 f 179 XVII 156 179 XVII 158–160 179 XVII 158 f 179 XVII 160–164 179 XVII 160 179 XVII 162 f 183 XVII 164–199 175 XVII 164 179 XVII 167 175 XVII 168–173 175 XVII 194 179 XVII 206 179 XVIII 15 116 XVIII 17 95 XVIII 19 87 XVIII 30 178 XVIII 55–59 137, 184 XVIII 64 140 XVIII 119 79 XVIII 158 144 XIX 166 XX 110 130 XX 136 131 XX 200–203 131 XX 202 f 131 XX 202 131 XX 218 92

XX 219 Bellum Judaicum I I 6–16 I 13–16 I 152 I 416 I 431–673 I 574 I 622 I 645 I 646 f I 647 I 648–655 I 649 I 650–653 I 650 I 651 I 652 f I 653 I 654 I 656–673 I 656–658 I 656 I 665 II II 1 II 5–7 II 5 II 98 II 100 II 117 II 152 f II 155 f II 163 II 169–174 II 170 II 175–177 II 246 II 537 II 566 II 569–584 III 59–63 IV 150 IV 574 V 184–189 V 189 V 194 V 204 V 229 VI 124–126

132

166 165 166 94 177 175 166 175 175 175 175 175 f 175 f 179 177 f, 184 176 179 179 175 175 175 175 175 166 92 175 f 178 144 166 131 24 25 116 137, 184 184 132 131 178 93 193 193 91 93 132 132 90, 133 178 92 90, 133

VI 293 VI 303–305 VI 325

178 131 f 178

Contra Apionem I 2f I 13 I 16 f I 18 I 56 I 66 I 73–79 I 128–153 I 134 I 137 I 209–211 I 216 I 221 I 223 II 37 f II 84 II 137 II 140–142 II 168 II 190 f II 230 II 287

17 165 165 166 166 166 26 171 171 171 167 165 165 154 149 169 152 152 165 183 165 17

Vita Josephi 10–12 12 17–23 28 f 29 65 77 f 175 f 189–198 340–356 342 358

25 25 193 193 195 184 193 193 120 194 166 166

Justin der Märtyrer Dialogus cum Tryphone Judaeo 14

101

Juvenal VI 159 XIV 96–106 XIV 98 f

91 27 152

212 Livius, Titus X9 Märtyrerakten Akten Cyprians 3–4 3

Stellenregister 146

135 135

Nikolaus von Damaskus (ed. Parmentier/Barone) F 96 T2 T 11

171 171 171

Vita Caesaris

171

Pausanias V 11,1 VIII 38,7

180 180

Petronius 68,7–9

27

Petrusevangelium (ed. Lührmann/Schlarb) 4,13

99

Philo von Alexandria Apologia pro Judaeis VII 12–14

151

De Abrahamo 28 57 107

151 142 153

De agricultura 62 De Cherubim 87

De mutatione nominum 25 260

159 151

De opificio mundi 9f 171 f

159 159

De praemiis et poenis 44

142

De providentia 2,64

147

De somniis II 173

142

De specialibus legibus I 156 I 272 II 41 II 86 II 194 IV IV 100 IV 101 f IV 105–131 IV 147

93 160 151 151 151 65 65 65 65 61

De virtutibus 105

145

De vita contemplativa 8

153

De vita Mosis I5 I 10 I 30 I 67 I 95 II 17–44 II 34 II 40 II 72 II 193 II 196

142 148 148 159 153 145 150 142 150 153 153

153

151

De congressu eruditionis gratia 51 142 De Josepho 116 161 195 236

De migratione Abrahami 118–124 160

159 159 160 159

In Flaccum

1 4 17 20 f 20 21 29 39 40 41 43 45 48 49 53 f 53 54 55 61 74 80 102 105 116–124 116 118 119 121–125 121 f 121 122 123 f 125–134 135–145 141 170 172 191 Legatio ad Gaium 3 4–7 4 5f 8 75 78–80 93 114–118 114 115 117

155 157 153 154 155 156 153 f 148 157 147, 157 145, 157 147 147 147 147 147 148 150 152 151 146 160 151 147 146 f 146 146, 159 160 150 147, 159 147, 150, 154 147 154 154 150 160 148 143, 160

159 156 142 156 156 143 143 143 143 143 143 143

213

Stellenregister 118 124 132 134 139 143–147 156 157 162 166 178 194 196 200–203 200 210 211 220 240 291 295–297 295 310 312 317 f 335 336 346 349–351 349 351 353 355 361–363 361 363 f 366 367 368 371

143, 157 150 150 150, 157 157 151 146, 151 145 154 154 142 142 159 144 144 f 145 145 160 151 151 145 145 145 146, 157 151 158 160 142, 158 152 153 152 152 154 28 152 f 153 160 160 160 151

Quis rerum divinarum heres sit 58 159 226 93 Quod omnis probus liber sit 29 144 43 144 57 144 68 144 Philostratus Majoris imagines II 31

181

Pseudo–Phokylides 229 230

58 58

Plato Timaios 45b Plinius der Ältere Naturalis historia V 73 XXXVII 204

Seneca Epistulae morales ad Lucilium XCV 47 28 Sibyllinische Orakel III 158–161 IV 130–136 IV 159–161

23 37 38

Sueton Augustus 76 99

28 177

Tiberius 58

19

Titus 7

31

95

23, 31 36

Plinius der Jüngere Epistulae X 96,3

136

Plutarch Moralia 353 f 696 E

152 152

Polybius XVI XXXI 9

Porphyrius De abstinentia 4,6 90 Sallust De coniuratione Catilinae 51,22 f 146 51,40 146

167 168

Tacitus Historiae V 3,1 f V 4,1 V 4,2 V 5,1 V 5,2

27 27 f, 57 28 27, 57 27

Xenophon Anabasis I 10,12

181

Cyropaedia VII 1,4

181

214

Stellenregister

3.2 Hebräisch-aramäische Literatur Rabbinische Schriften Babylonischer Talmud bAS 44b bAS 45b–55a bBer 55b bBer 62b bChag 26b bJoma 19b bJoma 21b bJoma 54a bMen 96b bNid 33b bPes 57a bShab 16a bShab 33b bSot.a 22b bSuk 51b

18 19 97 91 93 95 93 94 f 93 95 93 94 37 120 150

Jerusalemer Talmud jAS 42d,45–48 jAS 44a,43–48 jBer 14b,48–59 jChag 79d,31

18 19 120 94

jJoma 40b,57–69 jSot.a 20c,42–53 jSuk 55a,61–63 jTaan 69a,7–11 jTaan 69a,11–13 jTaan 69a,13–18 Midrashim Avot de Rabbi Natan ARN B7

91 120 150 32 32 32

32

Midrash HaGadol Shemot Exodus Rabba 23,13 180, 182 Mishna mAv 3,2 mAS 3,4 mAS 4,7 mBer 9,6 mEd 7,3 f mChag 3,7 f mChag 3,8

93 18 19 91 97 94 94

mJoma 3,3 mJoma 3,6 mKel 1,8 mMid 1 f mMiq 1,1 mMiq 5,4 mPes 1,6 mSan 1,5–6 mSan 1,5 mSan 2,1 mSan 4,1–5 mSan 4,1 mSan 4,3 mSan 7,5 mSheq 8,2 mSot.a 3.4

91 f 92 90 178 97 97 93 133 133 133 133 133 133 130 95 120

Tosefta tChag 3,35 tJoma 1,8 tNeg 8,9 tSuk 4,6

94 95 91 150

(Nahum-Kommentar) 4QpNah 3+4 I 3 4QpNah 3+4 I 7

23 120

Saeraek hajjah.ad (Gemeinderegel) 1QS III 4–9

102

Texte aus Qumran Damaskusschrift D XII 17 f

94

Pesharim (Habakuk-Kommentar) 1QpHab II 12–15 1QpHab III 4–6 1QpHab III 9–12

21 22 22

1QpHab IV 5–8 1QpHab IV 11–13 1QpHab VI 1–5 1QpHab VI 5–8 1QpHab VI 10–12 1QpHab IX 2–7

22 22 22 22 22 23

3.4 Islamische Schriften Jesus-Überlieferung (ed. Khalidi) Nr. 161

101

3.5 Koptische Schriften Unbekanntes Berliner Evangelium 98,27

100,27 101,36 99

99 99

215

Stellenregister

4. Textsammlungen Corpus Inscriptionum Iudaicarum II 1432

147

Corpus Inscriptionum Latinarum IV 4976

38

Corpus Juris Civilis Digesta XI 1 XI 4

135 135

Fragmente der Griechischen Historiker (ed. Jacoby) 90 f 96 (Nikolaus) 171 90 f. 101 f (Nikolaus) 172 90 f 142–143 (Nikolaus) 172 90 T 2 (Nikolaus) 171 90 T 11 (Nikolaus) 171 156 f 156 (Arrian) 181 680 f 1–14 (Berossus) 171 Greek and Latin Authors on Jews and Judaism (ed. Stern) I 17 171 I 19–20 26 I 32 168 I 33 167 I 90 171 I 91 169

I 92 I 93 I 99 I 100 I 101 I 102 I 103 I 104 I 105 I 106 I 107 I 108 I 132 I 186 I 188 I 193 I 204 II 281 II 301 II 303 II 543 Inschriften von Smyrna ISmyrn 697 Jewish Inscriptions (ed. Horbury/Noy) 13

169 172 169 169 f 169 169 169 169 169 169 169 169 169 29 28 27 31 27 27 28 28

66

147

Orientis Graeci Inscriptiones Selectae 597 90

Oxyrhynchus-Papyri P.Oxy. 840 P.Oxy. 840 Z. 1–7 P.Oxy. 840 Z. 7–9 P.Oxy. 840 Z. 8 P.Oxy. 840 Z. 9–12 P.Oxy. 840 Z. 10 P.Oxy. 840 Z. 12–21 P.Oxy. 840 Z. 13–16 P.Oxy. 840 Z. 13 P.Oxy. 840 Z. 16–18 P.Oxy. 840 Z. 14 P.Oxy. 840 Z. 18–20 P.Oxy. 840 Z. 21 f P.Oxy. 840 Z. 21 P.Oxy. 840 Z. 23 f P.Oxy. 840 Z. 24–30 P.Oxy. 840 Z. 25 P.Oxy. 840 Z. 30 f P.Oxy. 840 Z. 31 f P.Oxy. 840 Z. 32–41 P.Oxy. 840 Z. 32 f P.Oxy. 840 Z. 33 P.Oxy. 840 Z. 36 P.Oxy. 840 Z. 41–45 P.Oxy. 840 Z. 41 P.Oxy. 840 Z. 43 f P.Oxy. 840 Z. 45

85–104 89 89 89 f 89 93 89 89 90 89 93, 95 89 89 93, 95 89, 95 89 95 89 95 89 97 96 96 89 96 89, 97 89

Stoicorum Veterum Fragmenta I, Nr 552 56

Sach-, Orts- und Namenregister (in Auswahl)

εὐλογιστία (s. auch Verständigkeit) 56, 61 f, 64, 71 f εὐσέβεια (s. auch Frömmigkeit) 51, 61, 67, 71 θρησκεία Ἰουδαίων (s. religiöser Brauchtum der Juden) 55, 57 f, 61, 67, 72 Ἰουδαϊσμός (s. auch Lebensart, jüdische) 43 f, 52–54, 58, 61, 68–70, 72 λογισμός (s. auch Urteilskraft) 42 f, 45, 48, 51, 62, 67, 69 νόμος, θεῖος (s. auch Gesetz, göttliches) 59 f, 63, 71 ὑποκριτής 115 f Abraham 49–52, 172 Actium 182 Adadus 172 Adler 175–186 Agrippa I. 145, 148, 153 f, 158, 160, 177, 184 Agrippa II. 91, 131 f, 194 f Ägypten 18, 26, 30, 35, 90, 145, 152, 154, 156 f Akko 18 f Akkulturation 10 Alexander (Herodessohn) 175 Alexander der Große 92 Alexander Polyhistor 170 Alexandria 10, 28, 30, 58, 141 f, 147 f, 181 f, 197 Alterität 75 Antijudaismus (s. auch Judenfeindschaft) 25–31, 110, 113, 146–151 Antiochia (am Orontes) 42, 71 Antiochus III. 167 f Antiochus IV. 23, 32 f, 43 f, 48, 50 f, 54–66, 68–70, 168, 179 Antiochus VII 172 Antipater (Herodessohn) 172, 175 Antonius 171 Aphrodite 18–20 Apion 197 Apollodorus 169

Apologetik 53 f Apologie 18, 138 Apostolische Konstitutionen 100 Archelaos (Herodessohn) 92 Aristobul 191 Aristobulus I. 170 Aristobulus II. 170, 175 Aristoteles 191 Artemis 168 Asien 42, 66 f, 164 Asinius Pollio 166 f, 169 Assimilation 10, 50, 52–54, 56, 59, 67, 69 Augustus (Oktavian) 19, 28 f, 35, 128, 145, 151, 160, 171, 177, 182–184 Barbaren 30–32 Bar-Kochba 31 f Berenike 31 Berlin 191 Berliner Antisemitismusstreit 192 Berossus 170–172 Beschneidung 27, 29, 31–33, 52 f, 80, 122 Beth Sche’arim 180, 184 Bilderverbot 157, 176 f, 180, 183–185 Binnendiskurs 78 Binnenfokusierung 77 -verständigung 77 f Bismarck 195 Breslau 191 f, 196, 198 Buber, Martin 39 Bürger/Bürgerrecht 128 f, 137, 141, 145 f, 148 f, 153, 155 Burns, Robert 17, 38 Caesarea (Maritima) 184 Caligula (Gaius) 28, 143–145, 149–153, 155 f, 158–160 Chaeremon 90 Cicero 133

Sach-, Orts- und Namenregister Claudius 131, 143, 155 f Claudiusbrief 148 Clemens von Alexandria 98, 100 f coercitio 127–129, 131, 135–138 Cyprian 135 f Damaskus 172 David 43, 45, 120, 172, 181 Dekalog, zweites Gebot, s. Bilderverbot Diaspora/-juden 50, 58, 145, 147, 149, 151, 180–184 Diodorus Siculus 164 Dirne, s. Prostituierte Dura Europos 181, 183 f Ebioniten 100 Eigenbild, s. Selbstbild Eleasar (Märtyrer) 28 Elephantine 30 Endzeit 22 f, 44, 67, 70, 75, 78 Epikureer 25 Eschatologie, s. Endzeit Esquilin 152 Essener 21–25, 31, 87 Flaccus Avillius 142 f, 146–150, 154 f, 157, 159 f Flavius Josephus, s. Josephus Flavius Frankfurt 196 Fremdbild/erfahrung/erkenntnis/wahrnehmung 9 f, 12 f, 34, 113, 124 Fremdheit 18 Frömmigkeit (s. auch εὐσέβεια) 42, 49–51, 61 f, 67, 71 Füße, Waschen der 87–89, 91 f Gaius, s. Caligula Galiläa 180, 192–194 Gallio 135 Gamliel, s. Rabbi Gamliel Geist, Heiliger 98, 102 Gesetz (s. auch Tora) 32, 43 f, 48–55, 57–65, 67, 71 f, 112, 115, 118 f, 122, 136, 145, 147–150, 157, 176 f, 179 f, 183–185 Gesetz, göttliches (s. auch νόμος, θεῖος und Gesetz Gottes) 59 f, 61–63, 65, 71 f Gesetz Gottes 21 Glossolalie 34, 80 Gnosis/Gnostiker 86, 191 Golan 180 Gott/Götter, pagane 18–21, 26–28, 53, 61, 143, 149, 182 Götterbilder 20

217 Gottesherrschaft, s. Reich Gottes Göttingen 190 f Götzendienst 18 f, 33, 36, 53 Gruppe, soziale/sozioreligiöse/religiöse 9–12, 23, 25, 54, 57, 67, 74–85, 90, 99 f, 102–104, 113 f, 116, 119, 120–124, 137, 142 Gruppendynamik/prozess 75 Gruppenidentität 11, 80, 87 Gruppenkonflikt 75 Gruppenkonkurrenz 77 f, 82 Gruppenzugehörigkeit 75 Hadrian 31–33, 66 f Hasmonäer 144 Herakles 143, 180 Herodes I. (der Große) 28, 131, 165–167, 171– 173, 175–185 Herodes Antipas 79 Herodes Archelaos 92 Hoher Rat 129, 131, 134 Hohepriester, s. Priester Hyksos 26 Identität 9–13, 18, 50, 57–59, 66, 71 f, 75, 80, 82, 104, 110, 112 f, 141 f, 147, 151 f, 159–161 Identitätsfindung/-bildung/stiftung (s. auch Gruppe, soziale) 85, 110, 112 Institut zur Förderung der israelitischen Kultur 191 Integration, gesellschaftliche 12 f, 42, 46, 52–54, 56–59, 66 f, 141 Integration, in die nichtjüdische/pagane Mehrheitsgesellschaft 52, 54, 56–59, 66 f Irenik 80, 82 Islam 100 f Israel Land 30, 74, 121 Volk 18, 27, 50, 110, 122, 142, 159, 183 Jamnia 144 f Jericho 179, 183 Jerusalem 23, 32 f, 37, 43 f, 71, 79, 90–92, 94–97, 99, 121, 131–133, 136, 167–169, 177 f, 183– 185, 196 f Jesus 74–76, 7882, 86, 89 f, 92 f, 95–100, 102 f, 114–117, 119–122, 127, 129 f, 133 f, 136–138 Jesus ben Ananias 132 Jesusbewegung/gemeinde 74–84 Johannes der Täufer 12, 76, 78–81, 114 Bewegung Johannes‘ des Täufers 76, 81 Johannestaufe 80, 98, 114 Johannes von Gischala 133

218 Johannes Hyrkan 172 Johannes Moschus 98 Apokalypse 34–38 Jordan 98 Josephus Flavius 13, 17, 24 f, 31, 79, 87, 91 f, 94 f, 116, 120 f, 131–133, 136, 164–200 Judaeophobie (s. auch Judenfeindschaft) 29–31 Judas, Sohn des Saripheus 176 Juden/Judentum/jüdisch 9–11, 13, 17–21, 23, 25–33, 39, 42 f, 51–63, 65–67, 71 f, 74–79, 85–87, 90–94, 97 f, 101, 103, 110–113, 119 f, 127, 129 f, 132 f, 135–137, 141–157, 158–161, 167170, 172, 187, 196, 198, Judenchristentum/judenchristlich 86, 98–103, 117, 121-123 Judenfeindschaft (s. auch Antijudaismus) 29–31, 197 Jupiter (s. auch Zeus) 182 jus gladii 131–133 Justin der Märtyrer 101 Justus von Tiberias 194 f Kaiser, römischer 19, 31 f, 34–37, 128 f, 136 f, 143 Kaiserbild 136, 147, 150, 157 Kaiserkult 34, 67, 135 Kittäer (Kittim) 21–23 Kleopatra VII. 170 f Konversion 111 f Korinth/Korinther 34, 74 Kreuz/Kreuzigung 114, 127, 136–138 Laubhüttenfest (Sukkot) 146 f, 150 Lebensart, jüdische (s. auch Ἰουδαϊσμός) 43 f, 50, 52, 57, 68, 72 Leidenschaften 42, 45–47, 49, 51 f Levit/Leviten 93 Lukas 79–81, 121, 127 Luxus 34, 36 Makkabäeraufstand 30 Manetho 26 Mariamme 171, 175 Markus Agrippa 177, 182, 185 Martyrium/Märtyrer 20, 24, 28, 42–54, 67, 138, 152, 179 Matthäus 111, 113–124 Matthias, Sohn des Margalothus 170 Messias 74, 82, 116, 120, 130, 136 Mose 26 f, 44, 49, 52, 54, 57 f, 65, 117–119, 122, 144, 149 Napoleon 195

Sach-, Orts- und Namenregister Naturgesetz/ordnung 50, 55, 58, 60, 62–65 Nazoräer 99 Nikanor/-tor 90 f, 178, 185 Nikolaus von Damaskus 166 f, 169, 171–173 Oktavian, s. Augustus Olympia 180 Onias 170 Orpheus 181 Oxyrhynchus 85 Passion/Passionsgeschichte 79, 127, 130 f, 134, 138 Paulus 10, 33 f, 60, 74, 121, 123, 129 Perspektive auf andere 9, 11, 110–126 Petrus 98 Pharisäer 25, 75, 79, 87, 89, 93–96, 100 f, 110 f, 113–123, 131 f, 137 Philo von Alexandria 28, 31, 58, 65, 93, 141– 160, 165, 167, 187, 190–193 Philosophie/philosophisch 25, 42–52, 55–52, 55–57, 59, 61–68, 71, 151, 191, 193 Pseudo-Phokylides 58, 66 Plinius der Ältere 23–25, 31, 36, 135 f Polemik 23, 74–77, 79, 82, 97, 102, 153 f, 157 Polybius 167–170 Pompeius 23, 94, 169 Pontius Pilatus 12, 127, 129 f, 132, 134–138, 184 Präfekt 12, 22 f, 128, 131–134, 136 f Priester, jüdische(r) 23, 43, 63, 86, 89–98, 100, 103, 169, 197 Hohepriester 87, 89, 92 f, 114, 119 f, 127, 129–134, 136–138, 197 Proselyt 27, 37 Proskynese 143 Prostituierte/Dirne 32, 88 f, 96 f Prozess/Prozess Jesu 12, 127–138 Pseudoclementinen 99–101 Ptolemäer 167, 181 f Ptolemäus Lathyrus 169 Ptolemäus Philadelphus 181 Puteoli 152 Pythagoras/Pythagoräer 24 f, 165 Q-Gemeinde 77 Qumran 21–24, 82, 102 f, 120 Rabbi Aqiva 183 Gamliel 18–20 Jehuda 37 Jose 37

219

Sach-, Orts- und Namenregister Schim‘on b. Joh.aj 37 Schim‘on b. Gamliel 32 Schim‘on b. Schetach 94 Reich Gottes 37, 138, 156 Reinheit/Unreinheit (kultische) 12, 19 f, 57, 62, 65, 69, 80, 86–98, 100–104, 118, 121, 153 religiöser Brauchtum der Juden (s. auch θρησκεία Ἰουδαίων) 55 f, 57 f, 67, 72 Ritual 11, 92, 94, 96, 98, 100, 102 f, 121 Ritualbad 91, 95, 97 f, 101 Rom/Römer 21–23, 33–38 Romfeindlich 34 Romkritik 23 Sabbat 27–29, 91, 122, 151 Sabbatjahr 27–30 Sadduzäer 25, 94 f, 114, 116 f, 119 f, 130 Schöpfung/Schöpfungsordnung 60, 63 f, 159 Schriftgelehrte(r) 110–126 Schuldspruch 127, 135, 138 Schwein 88 f, 96 f Schweinefleisch/Verbot von Schweinefleisch 27 f, 53–55, 68, 151–153 Selbstbestimmung 25 Selbstbild 9 f, 113 Selbstbeschreibung 141 f Selbsterkenntnis 11, 18 Selbstverständnis 11, 34, 35, 103, 158 Selbstwahrnehmung/Eigenwahrnehmung 9 f, 11 f, 17, 64, 123 f, 164 Seneca 28 f, 46 Sibylle 34, 37 f Smyrna 67 social-identity-Theorie 75 f, 82 Speisegebote/-gesetze/vorschriften 12, 28 f, 48, 50, 52 f, 56, 58, 60–62, 64–67, 71, 122, 153 Statthalter 128 f, 131–138 Stoiker/stoisch 25, 46, 56 f, 60 f, 63 f, 66, 90 Strabo 166–170, 173 Strafe/Strafjustiz/verfahren, römische/s 127– 129, 131–134, 136, 146 Sukkot, s. Laubhüttenfest Sulpicius Severus 190, 192 Synagoge 145–148, 150 f, 157 f

Hauptsynagoge 150 Synagogengebäude 146 f Synagogengottesdienst 145 Synhedrion 127, 129–134, 136 f Tacitus 18, 29–31, 190, 192 Tarsus 121 Tauchbad, s. Ritualbad Taufe 80, 97 f, 100 f, 114 Täufergruppen/kreise 74–84 Teufel 74 Tempel (Jerusalems) 44, 86 f, 89–101, 103 f, 122, 124, 131, 134, 145, 158, 175–180, 182–184 Hof/Höfe des 90 f, 178 f Kleidung in Tempel 87, 92 f, 98 f, 100 Vorhalle, breite 178 Zerstörung des 9, 31 f, 120, 133 Tiberias 184 Timagenes 169 f Titus 31 f, 133 Todesstrafe 127–131, 138 Toledot Jeschu 99 Tora (Gesetz) 18, 20, 30, 49, 52 f, 57, 59, 63, 67, 74, 86, 91 f, 95, 97, 100 f, 103, 144, 152, 183 Transkulturation 10 f Urteilskraft (s. auch λογισμός) 42 f, 45 f, 48, 51 f, 67 Verhör (Jesu) 130, 132, 134, 136 f Verres 133 Verständigkeit (s. auch εὐλογιστία) 56, 61 f, 64, 71 f Vesuv/-ausbruch 35, 37 f Vorsehung 142, 158–161 Votivgabe 177, 179 f Wahrheitsanspruch 74 Weise (rabb Titel) 175–177, 179, 183, 185 Zeloten 91 Zeus (s. auch Jupiter) 180–182 Zungenrede, s. Glossolalie

Autorenregister

anon. 190 Aland, K. 127 Allison Jr., D. C. 113, 115, 119 Alon, G. 95 Ariel, D. T. 177, 182 Arnal, W. 79 Arnim, J. von 56 Auerbach, J. 190 Avigad, N. 180, 184 Avi-Yonah, M. 180 Backhaus, K. 76–78, 81 Baerwald, A. 189, 193–195 Baker, C. 112 Barclay, J. M. G. 146, 154, 156, 171 Baron, S. 190 Barone, F. P. 171, 173 Barraclough, R. 151 Barrett, C. K. 55 Bauckham, R. 36 Bauer, W. 127 Bauernfeind, O. 25, 132, 175 Baumgarten, J. M. 91, 94 f, 102 f Beall, T. S. 87 Becker, H.-J. 117 f Becking, B. 180 Bergmeier, R. 24 f Berkowitz, B. A. 112 Berlin, A. M. 95 Bernay, J. 190, 192 Bickerman, E. J. 26, 130 Bilde, P. 193 Billerbeck, P. 90, 94–96 Birnbaum, E. 141 f, 144 f, 157, 159 Blass, F. 62 Blau, L. 91, 97 Blinzler, J. 131, 133, 137 Bloch, P. 192 Bloch, R. S. 29

Booth, R. P. 93, 96 f Borgen, P. 153 Borst, J. 27, 57 Bösen, W. 130, 133 f Bovon, F. 86, 96 Brann, M. 191 f, 194 Braun, H. 144 Breitenstein, U. 42 f, 46–48, 61 Broer, I. 110 Brown, R. E. 130–135 Bruggen, J. van 175 Brüll, A. 190 Büchler, A. 86, 91–93 Carson, D. A. 112 Charlesworth, J. H. 102 Cohen, S. J. D. 112, 193–195 Cohn, L. 143, 189 Colson, F. H. 154 Cook, M. J. 110 f, 117 f, 122 f Davies, M. 123 Davies, W. D. 111, 113, 115 De Silva, D. A. 42 f, 45 f, 49–57, 59–67, 70 f Debrunner, A. 62 Deines, R. 111, 120 Deissmann, A. 56 Demandt, A. 135–138 Derrett, J. D. M. 91 Deutsch, G. 190 Dibelius, M. 76, 80 f Dobbeler, St. von 76, 80 Doering, L. 122, 151 Dormeyer, D. 130, 135–137 Dörr, F. 135 Douglas, M. 103 Downey, S. B. 181 Duff, J. D. 91 Dunn, J. D. G. 96

221

Autorenregister Dupont-Sommer, A. 42 f, 49, 54 f, 57, 59–61, 64, 71 Edersheim, A. 91 Egger, P. 132 f, 136 Eliav, Y. Z. 93 Ernst, J. 76 Feldman, L. H. 141, 144, 170, 172 Feldmeier, R. 110 Fiedler, P. 110 Finkelstein, L. 91 Fitzmyer, J. A. 100 Fontanille, J.-P. 177, 182 Förster, N. 114 Forte, A. 177 f, 184 Fraade, St. D. 86 Frede, M. 90 Freimann, A. 189 Freudenthal, J. 192 Freudenthal, M. 189 Frey, J. 99, 141 Frick, P. 159 f Fridrichsen, A. 87 Friedlaender, L. 36 Früchtel, L. 98 Funk, F. X. 100 Furstenberg, Y. 96 Gale, A. M. 110 Galimberti, A. 169 f Gambetti, S. 141 f, 147–149, 157 García Martínez, F. 102 f Gauger, J.-D. 38 Gebhardt, J. 128 Geiger, J. 10 Gerschmann, K.-H. 143, 145 Gibson, Sh. 91 Giesen, H. 115 Giovanni, A. 130–133, 136 Gnilka, J. 110 f, 116, 135 f Goldenberg, R. 96 Goldschmidt, A. M. 189–191 Goldschmidt, L. 18 f, 37 Goodenough, E. R. 180, 182, 184, 189 Goodhart, H. L. 189 Goodman, M. 10 Goodspeed, E. J. 96 Gordon, R. L. 159 f Goudriaan, K. 153 Graetz, H. 193–198 Grenfell, B. P. 85

Grimm, W. 54 Gross, F. 38 Gruen, E. S. 157, 166, 168 Grzybek, E. 131–134, 136 Günther, L.-M. 175–177 Günther, W. 115 Haacker, K. 138 Haber, S. 91, 95 Habicht, Ch. 30 Hachlili, R. 178, 180–182 Hadas, M. 55 Hagen, J. L. 99 Hakola, R. 75 f Harland, Ph. A. 11 Harnack, A. 96 Hedlun, R. J. 80 Hedrick, Ch. W. 99 Heinemann, I. 93, 192 Heininger, B. 50 Heller, J. 189 Hengel, M. 10, 38, 42, 112, 129, 132, 144 Henten, J. W. van 175 f, 185 Herlitz, G. 190 Herr, M. D. 9 Heuer, R. 189–192 Higgs, P. 181 f Hildebrandt, H.-J. 11 Höfer, E. G. 64 Hofius, O. 96 Holl, K. 100 Holmberg, B. 11 Hölscher, G. 93 Horbury, W. 147 Horst, P. W. van der 58, 90, 145, 147 f, 150, 152, 154, 159 f Hunt, A. S. 85 Inowlocki, S. 167 f, 170 f Ioël, I. (= Joël, M.) 191 Jacoby, F. 171–173 Janowski, B. 103 Jeremias, Joachim 85, 91 f, 98 Jeremias, Jörg 23 Joël, M. (= Ioël, I.) 191–193 Jones, H. S. 56, 179 Jouön, P. 178 Juster, J. 132 Käsemann, E. 80 Keener, C. S. 114 Kellermann, U. 114

222 Kerkeslager, A. 148 Khalidi, T. 101 King, F. J. 80 Kirner, G. O. 128 f, 131–133 Klauck, H.-J. 42–46, 48–57, 59–63, 66, 68–71 Klausner, J. 95 Klawans, J. 94, 103 Klein, K. 190 Klein, R. 35 Klijn, A. F. J. 100 Klingenberg, G. 128 Knibb, M. A. 102 Knowles, M. P. 114 Kohnke, F. W. 28, 143, 145 Kollmann, B. 155 Konradt, M. 111 Koskenniemi, E. 101 Kraeling, C. H. 76 Kraus Reggiani, C. 49, 52 f, 56, 71 Kraus, Th. J. 85, 99 Krauss, S. 99, 189 Krauter, St. 145 Krieger, K. 192 Kruger, M. J. 85 f, 90–93, 95, 97–99 Krupp, M. 91, 95, 99 Küchler, M. 132 Kunkel, W. 128 Labow, D. 171 Lagrange, M.-J. 92, 98 Lambert, A. 19 Le Bohec, Y. 182 Le Moyne, J. 94 Lebram, J. C. H. 45 f, 49 Lehnardt, A. 32 Leipoldt, J. 92, 98 Leonhardt, J. 147, 150 f, 156 f Leonhardt-Balzer, J. 145 Levi, G. 183 Levine, L. I. 181, 184 Lichtenberger, H. 21, 26, 36, 78, 82, 103 Liddell, H. G. 56, 179 Lieberman, S. 94 Lierman, J. 119 Lietzmann, H. 93, 95, 97, 132 Lieu, J. 11 Lightstone, J. 94 f Lohmeyer, E. 110, 116 Lohse, E. 21, 102 Luck, U. 110 Luhmann, N. 10 Lührmann, D. 87, 99

Autorenregister Luz, U. 110, 115, 117 f, 120, 122 Maccoby, H. 92 Mader, G. 166 Magness, J. 95 f Mahieu, B. 175–177 Marcus, R. 168 Markschies, Ch. 85 Marmorstein, A. 86, 91, 93 Marquet, Y. 101 Mason, S. 44, 112, 117, 120 f, 143, 166, 178 McLaren, J. S. 133 Mehmel, A. 188 Meisen, K. 95 Meisner, N. 65 Mendelson, A. 141, 153 f, 156 Meshorer, Y. 178, 182, 184 Meyer, R. 121, 141, 144 Michael, R. 189 f Michel, O. 25, 132, 175 Mikat, P. 131, 134, 136, 138 Miller, D. M. 112 Mirecki, P. A. 99 Mittag, P. F. 168 Mittmann, U. 9 Mommsen, Th. 128 f, 132, 134–137 Moon, W. G. 181 Müller, Ch. G. 76 Müller, U. B. 76, 81 Mummendey, A. 75 Mutschler, B. 136 Naber, S. A. 179 Nagel, P. 99 Nanji, A. 101 Netzer, E. 179 Neusner, J. 11, 38, 103, 112, 121 Newport, K. G. C. 117 Newsom, C. A. 82 Newton, M. 102 Nicklas, T. 86, 93, 99 Niehoff, M. 141, 151, 158 f Niese, B. 165, 167, 176 Nikiprowetzky, V. 147 Noy, D. 147 Öhler, M. 11 f Omerzu, H. 136 Otto, W. 175, 177 Pamment, M. 111 Parmentier, E. 171, 173

223

Autorenregister Parmentier-Morin, E. 173 Pearce, S. 141, 145, 153 f, 157 Pekary, Th. 19 Pelletier, A. 65 Pesch, R. 116 Peter, K. 190 Petzl, G. 67 Philippson, L. 191, 198 Pickup, M. 116 Pines, Sh. 100 f Piovanelli, P. 99 Plisch, U.-K. 99 Podella, Th. 96 Poonawala, I. K. 101 Prager, J. 193 f Prause, G. 175, 177 Preuschen, E. 96, 100 Prigent, P. 36 Pucci Ben Zeev, M. 149 Qimron, E. 102 Raber, F. 129 Rajak, T. 10 Rakoczy, Th. 95 Rappaport, U. 193 Redditt, P. L. 49, 64 Regev, E. 98, 113 Rehkopf, F. 62 Rehm, B. 100 Reich, R. 95 Reinach, Th. 168 Reinbold, W. 111, 129 Rengstorf, K. H. 91, 178 f Rese, M. 82 Richardson, P. 177 f Roemer, N. H. 187 Rosen, K. 135 f Rothschild, C. K. 76, 79 Runesson, A. 121–123 Runia, D. T. 155 f, 159 Safrai, Sh. 91–93 Saldarini, A. J. 110, 120, 124 Sanders, E. P. 112 Sänger, D. 132 Schäfer, P. 26, 29 f, 153, 162 Schalit, A. 175 f, 178, 180, 183 Schelkle, K. H. 99 Schimanowski, G. 141, 144, 146, 148, 153–155, 157, 160 Schlarb, E. 87, 99

Schlatter, A. 76 Schlichting, G. 99 Schmauch, W. 110 Schneider, T. 182 Schoeps, H. J. 97, 100 Schreckenberg, H. 165, 189 Schürer, E. 33, 85, 90 f, 144, 175, 177, 189 Schwartz, D. R. 86, 91, 94, 120, 143 Schwartz, S. 112, 166 f Schwemer, A. M. 42, 129, 132 Schwyzer, H.-R. 90 Scobie, C. H. H. 76 Scott, R. 56, 179 Segal, B.-Z. 183 Seland, T. 157 Shaw, F. 152 Siegert, F. 9, 17 f, 127, 131–133, 135, 149, 165, 170 f Sievers, J. 177 f, 184 Smallwood, E. M. 10 Smith, J. Z. 38 Sontheimer, W. 57 Stählin, O. 98, 101 Stegemann, W. 44, 102, 112, 143, 162 Steinschneider, M. 187 Stemberger, G. 33, 94, 133 Stemplinger, T. 182 Stern, M. 26–29, 31, 165, 167–172, 190 Stowasser, M. 76 Sulzbach, A. 91 Szkolut, P. 180 Tajfel, H. 75, 82 Thackeray, H. St. J. 172 Theobald, M. 74, 81 Thiering, B. E. 103 Thornton, C.-J. 55 Tigchelaar, E. J. C. 91 Toher, M. 172 f Trebilco, P. R. 112 Tripp, D. 86 Tromp, J. 78 Turner, J. 75, 82 Udoh, F. E. 112 Unnik, W. C. van 100 Uro, R. 78 f Vahrenhorst, M. 115 Veh, O. 165 Verheyden, J. 81 Vielhauer, Ph. 82

224 Vogel, D. 180 Vogel, M. 71, 149, 165 Wacholder, B. Z. 172 Waldstein, W. 136 Walker, S. 181 f Walter, N. 58 Ward, J. S. 166 Waubke, H.-G. 120 Webb, R. L. 76 Weber, M. 112 f Weber, R. 43, 60–65, 67 Weeber, K.-W. 35 f Wehnert, J. 100 Weiss, H. 151 Weiss, H.-F. 121 Wewers, G. A. 18 f Wiefel, W. 81 Wilckens, U. 115

Autorenregister Will, É. 168 Windisch, H. 115 Wink, W. 76 Winkler, G. 24 Winninge, M. 11 Winter, P. 132 Wirth, G. 164 Wittkowski, V. 78 f Witulski, Th. 60 Wolter, M. 80 f Wright, B. G. 98 Yavetz, Z. 26, 29, 31, 155 Zahn, Th. 85 f, 96 Zangenberg, J. 75, 126 Zeitlin, S. 94 Zeller, D. 144, 160 Zirndorf, H. 1