Journalismus als Beruf: Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert. Deutschland im internationalen Vergleich 9783666357725, 3525357729, 9783525357729

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Journalismus als Beruf: Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert. Deutschland im internationalen Vergleich
 9783666357725, 3525357729, 9783525357729

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 109

V&R

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler

Band 109

Jörg Requate Journalismus als Beruf

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Journalismus als Beruf Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert Deutschland im internationalen Vergleich von Jörg Requate

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Meinen

Eltern

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme Requate, Jörg: Journalismus als Beruf: Entstehung und Entwicklung des Journalistenberuft im 19. Jahrhundert; Deutschland im internationalen Vergleich/ von Jörg Requate. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1995 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 109) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1994 u.d.T.: Requate, Jörg: Kritik, Propaganda, Information ISBN 3-525-35772-9 NE: GT © 1995, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text Sc Form, Pohle. Druck und Bindung: Guide-Druck GmbH, Tübingen.

Inhalt Vorwort Einleitung

9 11

1. Fragestellung und Stellenwert des Vergleichs

12

2. Überlegungen zu einem theoretischen Gerüst

15

3. Vorgehensweise, Quellen- und Forschungslage

26

TEIL A

USA, England und Frankreich: Unterschiedliche Vergleichsperspektiven

33

I.

Die Vorreiterländer der Presseentwicklung: USA und England

33

1. USA: Vom publizistischen Kampf gegen die Kolonialmacht zu den »muckrakers«

33

2. England: Die Konzeption der Presse als »Fourth Estate«

44

II.

Frankreich: Journalismus zwischen Engagement und Kumpanei... 51 1. Die Rahmenbedingungen der Entwicklung

51

2. Presse und Politik: Ein symbiotisches Verhältnis

59

2.1. Girardin und Dutaq: Die französische Variante der Kommerzialisierung der Presse 2.2. Auguste Nefftzer und der Versuch, eine französische Times zu machen 2.3. Das Petit Journal und die französische Massenpresse 2.4. Die personelle Verbindung von Politik und Journalismus a) Le journalisme mène-t-il à tout, à condition d'en sortir? b) Die journalistischen Vereinigungen

3. Presse und Wirtschaft: Das Problem der Korruption

59 68 78 87

98

4. Presse und Literatur: Journalismus im schriftstellerischen Duktus

106

5. »Pour quoi je me suis battu«: Die Besonderheiten des französischen Journalismus

110

5

TEIL Β

Deutschland: Vom Zeitungsschreiber zum Journalisten. Die Entwicklung des »freien« Berufes unter staatlicher Vormundschaft... I. II.

117

Das Zusammenwachsen von Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenbewertung zu einem neuen Beruf

117

Zur Sozialgeschichte des Journalistenberufs

125

1. Die sozialen Grundlagen des Berufsjournalismus

125

2. Die 2.1. 2.2. 2.3. 2.4.

131 131 139 142 156 158

biographische Dimension Methodische Überlegungen oder: Wer ist ein Journalist ? Soziale Herkunft Die Vorbildung der Journalisten Berufswahl Journalismus: Auffangbecken für Gescheiterte? a) Die Entstehung eines Arbeitsmarktes für Journalisten b) Der Zusammenhang zwischen dem Studienfach und der Berufswahl Journalismus c) Dem Journalistenberuf vorausgehende Tätigkeit d) Typische Karrieremuster 2.5. Lebensberuf oder Übergangstätigkeit? 2.6. Geographische Mobilität

161 163 165 178 187

3. Die sozialen und ökonomischen Modalitäten der Berufsausübimg 3.1. Journalistische Tätigkeit außerhalb politischer Tageszeitungen... a) Die Herausgabe von Zeitschriften b) Der freie journalistische Arbeitsmarkt 3.2. Zum Verhältnis zwischen Redakteuren und Verlegern 3.3. Die materielle Situation der Redakteure a) Das Einkommen b) Die Altersversorgung

192 193 193 196 203 209 209 219

4. Die journalistischen Vereinigungen 4.1. Die Journalistentage

222 222

4.2. Die Journalistenvereine

229

5. Die gesellschaftliche Lage des Journalistenberufs im ausgehenden 19. Jahrhundert. Eine Zwischenbilanz

237

III. Die Rolle der Journalisten im Prozeß der öffentlichen Kommunikation

243

6

1. Von der Zensur zum »Groben-Unfugs«-Paragraphen: Die rechtlichen Rahmenbedingungen

244

2. Entstehung und Veränderungen des journalistischen Selbstverständnisses im Bereich der Politik 2.1. Neutralität - »Gesinnungslosigkeit« - Parteilichkeit

264 264

2.2. Die Allgemeine Zeitung: Keine deutsche Times a) Der Aufstieg b) Der Abstieg 2.3. Journalisten und Parteimilieus a) Die liberale Presse b) Die katholische Presse c) Die konservative Presse d) Die sozialdemokratische Presse

271 271 280 290 293 308 314 321

3. Journalistische Praxis zwischen Information, Propaganda und Kritik 325 3.1. Politischer Journalismus 3.2. Wirtschaftsjournalismus 3.3. Feuilletonjournalismus 4 . Die Entstehung der »Generalanzeiger« und ihr Einfluß auf den Wandel von journalistischer Praxis und journalistischem Selbstverständnis 4.1. Das Problem der Finanzierung durch Anzeigen 4.2. Anspruch und Wirklichkeit der Unparteilichkeitsbehauptung 4.3. Lokalberichterstattung als Quelle neuer journalistischer Praktiken?

327 338 347

358 362 366 382

Schluß und Ausblick: D e r deutsche Journalistenberuf im ausgehenden 1 9 . Jahrhundert. Eine Zusammenfassung in vergleichender Perspektive

393

Abkürzungen

408

Anmerkungen

409

Quellen- und Literaturverzeichnis

461

Register

485

Verzeichnis der Übersichten im Text Übersicht 1 : Gehälter bei der Kölnischen Zeitung 1 8 4 6 - 1 8 6 0 (in Talern) Übersicht 2: Grundgehälter bei der Allgemeinen Zeitung 1 8 6 5 - 1 8 9 2 in Mark Übersicht 3: Gehälter an kleineren und mittelgroßen Zeitungen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mark

214 215 217

7

Verzeichnis der Tabellen im Text Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7:

8

Soziale Herkunft der Journalisten Vorbildung der Journalisten Das Verhältnis von Akademikern und Nicht-Akademikern bei ausgewählten Zeitungen Verteilung der nicht-akademischen Redakteure auf die verschiedenen Zeitungssparten Von Journalisten studierte Fächer Nach dem Studium von späteren Journalisten ausgeübte berufliche Tätigkeit Nach dem Journalismus ausgeübte Berufstätigkeit

139 143 147 148 162 164 178

Vorwort

Die vorliegende Studie ist die leicht gekürzte und überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 1994 unter dem Titel »Kritik, Propaganda, Information« am Fachbereich für Geschichtswissenschaft der Freien Universität Berlin angenommen worden ist. Als erstes danke ich meinem Doktorvater Prof. Jürgen Kocka für Unterstützung und Anregungen nicht nur während der Phase der Dissertation, sondern über weite Strecken meines gesamten Studiums in Bielefeld und Berlin. Hervorheben möchte ich darüber hinaus seine besondere Bereitschaft, die materiellen Sorgen ernstzunehmen und soweit es möglich war, für deren Abhilfe zu sorgen. Weiterer Dank gebührt zunächst Prof. Hartmut Kaeble, dem Zweitgutachter meiner Arbeit, den Herausgebern der »Kritischen Studien« ftir die Aufnahme der Arbeit in die Reihe sowie Kritik und Anregungen mit Blick auf die Drucklegung. Ermöglicht wurde die Arbeit durch ein Stipendium der FAZIT-Stiftung und eine Beschäftigung an der »Arbeitsstelle für Vergleichende Gesellschaftsgeschichte«, die aus Mitteln des Leibniz-Preises fur Prof. Jürgen Kocka finanziert und von ihm gemeinsam mit PD Dr. Hannes Siegrist geleitet wird. Die Drucklegung wurde großzügig von einem Zuschuß der Axel-Springer-Stiftung sowie von der Hans-Böckler-Stiftung unterstützt. Allen beteiligten Personen und Instituten sei hier ausdrücklich gedankt. Von all denjenigen, die mir in den Archiven weiterhalfen, möchte ich hier Frau Weigel vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach besonders nennen und ihr für die geduldige Unterstützung bei der Durchforstung der Bestände des Cotta-Archivs danken. Daß die Entstehung einer solchen Arbeit von möglichst häufiger und intensiver Diskussion lebt, weiß jeder, der ähnliches bereits hinter sich hat. Zu danken ist hier vielen: Prof. Pierre Albert und Prof. Marc Martin, die mir den Einstieg in die Geschichte des französischen Journalismus erleichterten, den Teilnehmern verschiedener Kolloquien in Bielefeld und Berlin sowie den Mitarbeitern der Arbeitsstelle für Vergleichende Gesellschaftsgeschichte, insbesondere Hannes Siegrist. Nicht nur für fachliche Unterstützung, Diskussion und das Lesen und Korrigieren von Teilen der Arbeit, sondern auch dafür, daß es auch ein Leben neben der Dissertation gab, danke ich schließlich Olaf Blaschke - insbesondere für die Mithilfe bei der 9

Erstellung des Registers - , Gunilla Budde, Martina Kessel, Kerstin Meiling, Norbert Schitzler, Volker Then und Thomas Welskop. Schließlich bedanke ich mich besonders herzlich bei meiner Familie, vor allem bei meinen Eltern, die nicht nur - wie auch meine Schwiegereltern dadurch, daß sie abwechselnd unseren Sohn Niklas betreuten, die Abfassung der Arbeit in relativer Ruhe ermöglichten, sondern vor allem auch dafür, daß sie als erste kritische Leser sowohl die Mühen des Korrigierens auf sich nahmen als auch immer wieder Anregungen zur Verbesserung gaben. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Meiner Frau Britta danke ich neben vielem anderen - dafür, daß sie mir mein komplettes Unvermögen, mich mit ihr über die Probleme ihrer Dissertation austauschen zu können 32-dimensionale unimodulare Gitter - , nicht verübelt und noch nicht daran verzweifelt ist, daß sie sich darüber wirklich mit (fast) niemandem mehr unterhalten kann. Gemessen daran bekommt man fast das Gefühl, fur eine breite Öffendichkeit gearbeitet zu haben. Jörg Requate, Bielefeld/Berlin 1995

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Einleitung

»Les journalistes - des pourris ou des héros?« titelte vor einigen Jahren die französische Zeitschrift L'Evénement du Jeudi.1 Helden oder Schurken dieses seltsam ambivalente Berufsbild begleitet die Journalisten allen Umwälzungen der Medienlandschaft zum Trotz mit bemerkenswerter Konstanz. In Gustav Freytags Lustspiel »Die Journalisten« aus dem Jahr 1853 steht dem ehrenwerten Redakteur der liberalen Zeitung, Professor Oldenburg, der charakterlose Schmock gegenüber, der gelernt hat »in allen Richtungen zu schreiben«.2 Heinrich von Treitschke entdeckte in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zwar einige »sehr tüchtige und ehrenhafte Männer« unter den Journalisten, die man vor allem deshalb hochschätzen könne, weil sie sich in einer Atmosphäre der »sittlichen Korruption« und »moralischen Pest« so rein erhalten hätten. Die Mehrzahl aber bestehe »aus katilinarischen Existenzen, wie Bismarck sagte, aus Leuten, die sonst im Leben nicht fortgekommen sind.«3 Die deutsche Zeitungswissenschaft hat eher dazu beigetragen, ein solches Bild noch zu verfestigen als es in Frage zu stellen. Die »publizistische Persönlichkeit« wurde zur Leitfigur erhoben und vom Gros der Journalisten, mit dem zu beschäftigen sich kaum lohnte, abgesetzt. So weiß man zumindest über deutsche Journalisten und deren Beruf sowie dessen sich wandelnde Funktion im Laufe des 19. Jahrhunderts wenig. Doch auch für andere Länder ist der Beruf des Journalisten zumeist nur schlecht untersucht, so daß Rolf Engelsing mit seiner Feststellung vielleicht recht hatte, daß der Beruf deshalb so wenig erforscht sei, weil er »schwer erforschbar ist.« Es sei schwierig, »ihn hinreichend zu bestimmen, zu gliedern und gegen andere Berufe eindeutig abzugrenzen.«4 Wenn es darum geht, ein Sozialprofil des Journalistenberufs zu zeichnen, wird die Frage der Eingrenzung des Berufes eingehend zu erörtern sein. Zunächst kommt es jedoch darauf an, Kategorien zu finden, mit denen der »sperrige« Beruf der Journalisten insgesamt zu fassen ist.

11

1. Fragestellung und Stellenwert des Vergleichs Auf dem ersten deutschen Soziologentag in Frankfurt im Jahr 1910 entwickelte Max Weber im Rahmen seines Geschäftsberichtes ein Programm fur den Vorstoß der Soziologie in ein neues Gebiet, das der Erforschung des Zeitungswesens. Nicht ohne Ironie sprach er von der enormen Bedeutung der Presse. Man habe sie mit »kommandierenden Generalen« verglichen, und jeder wisse: »Darüber gibt es bei uns nichts rein Irdisches mehr, und es wäre nötig, in das Gebiet des Überirdischen zu greifen, um Vergleiche zu finden.«5 Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, daß fur ihn die Untersuchung des gesamten Komplexes der Presse eines der von der Soziologie künftig vorrangig zu behandelnden Gebiete sei. Die geringe Resonanz, auf die Weber mit seinem Vorschlag stieß, war wohl nicht zuletzt auf jene etwas geringschätzige Distanz zur Presse zurückzuführen, die von manchen Journalisten und zeitgenössischen Beobachtern beklagt wurde. In der Deutschen Gesellschaft für Soziologie fand Weber kaum Unterstützung, und so kam es zu keinen ernsthaften Ansätzen, das Forschungsprojekt zu verwirklichen.6 In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstand zwar eine enorm breite Literatur zu den verschiedensten Aspekten der Pressegeschichte. Doch diese Arbeiten, vielfach Dissertationen, kamen vor allem aus dem Bereich der neu entstandenen Zeitungswissenschaft und nicht aus der Soziologie. Theoretische Überlegungen oder übergeordnete Fragestellungen, wie sie Weber entworfen hatte, spielten hier in der Regel keine Rolle. Der größte Teil der Fragen, die Weber in Zusammenhang mit einer Untersuchung des Zeitungswesens stellte, ist damit weitgehend unbeantwortet geblieben. Auch wenn hier keine verspätete Einlösung des von Weber skizzierten Forschungsprojektes beabsichtigt ist, sind Teile der von ihm aufgeworfenen Probleme dieselben, die dieser Arbeit zur Entstehimg und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert zugrunde liegen. Dies gilt insbesondere unter zwei Gesichtspunkten. Erstens ergibt sich ein wichtiger Teil der Problemstellungen in Webers Skizze durch den internationalen Vergleich. Ohne moralisierenden Unterton fragte er, wie es zu erklären sei, »daß, wenn etwa ein englischer Lord eine Amerikanerin heiratet, in der amerikanischen Presse ein Steckbrief über Physis und Psyche dieser Amerikanerin mit allem, was dazu gehört, einschließlich der Mitgift natürlich, zu finden ist, während nach den bei uns herrschenden Auffassungen wenigstens eine Zeitung, die etwas auf sich hält, in Deutschland das verschmähen müßte«.7 Und weiter: »Ist das bei uns stetige Wachstum der Bedeutung des reinen Tatsachenreferats eine allgemeine Erscheinung? Auf englischem, amerikanischem und deutschem Boden ist es der Fall, dagegen nicht ganz so auf französischem: - der Franzose will in erster Linie ein Tendenzblatt. 12

Aber warum? Denn z.B. der Amerikaner will von seinem Blatt nichts als Fakta.« Als Demokrat sei der Amerikaner überzeugt, daß er ein mindestens ebenso gutes Urteil über die Fakten habe, wie derjenige, der die Zeitung schreibe. Doch nicht nur die Amerikaner, so Weber, sondern auch die Franzosen wollten Demokraten sein. »Woher also der Unterschied? Jedenfalls aber: In beiden Fällen ist die gesellschaftliche Funktion der Zeitung eine ganz verschiedene.«8 Diese fast beiläufige Feststellung erscheint fundamental. Ist die Beobachtung richtig, daß in zwei Ländern, in denen, wie in Frankreich und den USA, zu dem Zeitpunkt, als Weber seinen Vortrag schrieb, bereits seit langer Zeit fast uneingeschränkte Pressefreiheit herrschte, die gesellschaftliche Funktion der Presse »eine ganz verschiedene« war? Wie ist das zu erklären? Wie sind diese unterschiedlichen Funktionen genau zu fassen, und welche historischen Gründe gab es fiir diese unterschiedliche Entwicklung der Presse oder besser des Journalismus? Erfüllte der Journalismus in beiden Ländern seit jeher unterschiedliche Funktionen, oder seit wann und aus welchen Gründen begann die Entwicklung auseinanderzudriften? Wie ist der deutsche Journalismus hier einzuordnen, der sich offenbar weder mit dem in Frankreich noch mit dem in den USA deckte? Der zweite in unserem Zusammenhang interessante Gesichtspunkt in Webers Ausführungen ist die wichtige Rolle, die er innerhalb des skizzierten Projektes der Untersuchung des sozialen Profils »des Journalistenstandes« zuschreibt. Neben Fragen nach Herkunft, Vorbildung und beruflichem Werdegang ging es ihm dabei nicht zuletzt um die über den Beruf des Journalisten hinausgehenden Karrierechancen. Auch hier verwies er sofort auf einen augenfälligen Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich. Während dort Journalisten Minister geworden seien, »massenhaft sogar«, sei das in Deutschland wohl eher eine seltene Ausnahme. Verknüpft man die von Weber zunächst nur additiv aneinandergefügten Fragestellungen und Beobachtungen, koinzidieren in dem französischen Fall zwei Besonderheiten. Ein mehr auf das Propagieren von Meinungen als auf Informationen ausgerichteter Journalismus schien hier von Journalisten betrieben zu werden, von denen einzelne den Weg in politische Amter fanden. Gab es hier einen ursächlichen Zusammenhang? Ist aus einem bestimmten Sozialprofil oder bestimmten Karrieremustern ein spezifischer Typ oder eine bestimmte Ausrichtung des Journalismus abzuleiten? Oder waren es vielmehr übergreifende politische und soziale Konstellationen, die sowohl für die unterschiedlichen Typen der journalistischen Praxis, so wie man sie bei Weber angedeutet findet, als auch für die unterschiedlichen Karrieremuster der Journalisten verantwortlich waren? Anders als in dem von Max Weber skizzierten Forschungsvorhaben, in dem eine »Soziologie des Zeitungswesens« in all ihren Dimensionen ange13

strebt wurde, soll hier zunächst von dem Journalistenberuf ausgegangen werden. Während Weber, allerdings von dem Ausgangspunkt der Untersuchung des Zeitungswesens aus, insbesondere auch die Berufsgruppe, die fur den Inhalt der Zeitungen im wesentlichen verantwortlich war, ins Auge faßte, ragt hier zwangsläufig die Untersuchung der Berufsgruppe der Journalisten in eine Untersuchung des Zeitungswesens insgesamt hinein. Der Ausgangs- und Schwerpunkt der Arbeit liegt bei der Entstehung des Journalistenberufs in Deutschland, und zwar sowohl was die Ebene der sozialen Formierung des Berufs als auch was die Ebene der inhaltlichen Entwicklung und des gesellschaftlichen Funktionswandels des Journalismus angeht. Ein beide Ebenen einbeziehender Vergleich mit einem oder gar mehreren Ländern wäre angesichts des Forschungsstandes kaum zu verwirklichen. Verschiedene quellentechnische Schwierigkeiten kämen vor allem in bezug auf Frankreich hinzu, wie noch zu erläutern sein wird. Wenn es jedoch richtig ist, daß die gesellschaftliche Funktion des Journalismus in den verschiedenen Ländern unterschiedlich war, erscheint unter diesem Gesichtspunkt der internationale Vergleich nahezu als unverzichtbar. Eine in jeder international vergleichend angelegten Arbeit zu beantwortende Frage ist die nach dem gewählten Vergleichsland. Jeder, der seine Entscheidung begründen muß, weiß aber auch, daß diese Entscheidung nie ausschließlich von wissenschaftlichen, sondern immer auch - wenn nicht sogar vorwiegend - von außerwissenschaftlichen Faktoren beeinflußt wird. Da sich jedoch auch unter rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten selten nur ein bestimmtes Land zum Vergleich anbietet, ist eine gewisse Willkür weder zu vermeiden noch unbedingt von Schaden. Wichtig ist allerdings die Einsicht, daß mit der Wahl des Vergleichslandes die Ergebnisse des Vergleichs in hohem Maße präjudiziert werden können. Ideal wären daher fur einen Vergleich nicht ein, sondern mehrere Länder. Das aber stößt, wenn der Vergleich tatsächlich gleichgewichtig durchgeführt werden soll, in aller Regel an die Grenzen der individuell zur Verfugung stehenden Arbeitszeit und -kraft. Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, versucht die hier vorliegende Arbeit, einen Kompromiß einzugehen. Es soll kein Hehl daraus gemacht werden, daß die Wahl Frankreichs als Hauptvergleichsland zunächst eher im außerwissenschaftlichen Bereich lag. Auf der anderen Seite erwies sich diese zunächst eher willkürliche Entscheidung durchaus als glücklich. Die Wahl Englands als Vergleichsland, die zweifellos auch möglich, wenn nicht für manchen sogar näher gelegen hätte, hätte unter Umständen dazu gefuhrt, einen großen Teil der Ursachen fiir die Unterschiede zur deutschen Entwicklung in stark differierenden presserechtlichen Rahmenbedingungen zu suchen. In Hinblick auf die französische Presseentwicklung wird die Bedeutung der Pressefreiheit dagegen relati14

viert, und andere Faktoren rücken in den Vordergrund. Auf der anderen Seite erwies es sich im Lauf der Vorarbeiten als immer schwieriger, die Entwicklung in England und den USA ganz auszusparen. Beiden Ländern kam in der Entwicklung der Presse eine eindeutige Vorreiterrolle zu, so daß die beiden Länder in der Diskussion um die Presse und den Journalismus sowohl in Frankreich als auch in Deutschland immer präsent waren: zunächst England, vor allem als Vorbild, später die USA, mehr als Schreckdenn als Vorbild. Um also auf der einen Seite die Frage nach der spezifischen gesellschaftlichen Funktion des Journalismus und des Journalistenberufs in den einzelnen Ländern schlüssig beantworten zu können und um auf der anderen Seite die Arbeit im Rahmen des Machbaren zu halten, wurde ein doppelt gestufter Vergleich gewählt. Die Entwicklungen des Journalismus in den USA und in England werden als Hintergrundsfolie dargestellt, bevor im Anschluß daran zunächst auf die französische und schließlich in breiter Form auf die deutsche Entwicklung eingegangen wird. 2. Überlegungen zu einem theoretischen Gerüst Die Beschäftigung mit der Berufs- und Sozialgeschichte der Journalisten hat in mindestens drei Forschungszusammenhängen ihren Platz. Erstens spricht einiges dafür, den Beruf des Journalisten den bürgerlichen Berufen zuzurechnen, deren Entwicklung in der Regel mit Hilfe von Professionalisierungskonzepten untersucht wird. Zweitens berührt die Frage nach der inhaltlichen Entwicklung des Berufs den Prozeß des Strukturwandels der Öffentlichkeit, wie er insbesondere von Jürgen Habermas analysiert worden ist. Drittens schließlich hätte eine Berufs- und Sozialgeschichte der Journalisten wohl auch im Rahmen einer sich bislang nur sehr unscharf abzeichnenden »Kommunikationsgeschichte« ihren Platz. Was die Frage der Professionalisierung des Journalistenberufs angeht, ergibt sich, wenn man die - allenthalben magere - Forschung zu den Journalisten in den verschiedenen Ländern überblickt, ein sehr unklares Bild. So heißt es etwa in einem vergleichenden Aufsatz zum Journalistenberuf in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in England sei dieser bereits Mitte des 19. Jahrhunderts nahe daran gewesen, eine voll entwickelte Profession darzustellen.9 In einer anderen Studie zur Berufsideologie der britischen Journalisten seit dem 19. Jahrhundert hielt Philip Elliott dagegen bereits das Ziel einer liberalen Profession überhaupt für eine Chimäre.10 In bezug auf Frankreich meint der französische Pressehistoriker Marc Martin insbesondere durch die deutlicher werdende Trennung von Journalisten und »gens de lettres« Ende des 19. Jahrhunderts Ansätze zu einer »autonomen« journalistischen Profession zu erkennen.11 15

In einem jüngst erschienenen Aufsatz zur Geschichte des Journalistenberufs in Deutschland weist der kanadische Historiker James Retallack darauf hin, daß die Forschung zum Bildungsbürgertum und den »learned professions« die Journalisten bislang fast vollkommen unbeachtet gelassen hat.12 Retallack räumt ein, daß die Entwicklung des Journalistenberufs den Modellen der Professionalisierung auf den ersten Blick nur wenig entspricht. Dennoch hält er daran fest, das »professional project« zum leitenden Gesichtspunkt seiner Untersuchung zu machen, und fragt daher nach den Berufsorganisationen, kollektiv erhobenen Forderungen, der Regulierung der Ausbildung und ähnlichem mehr.13 Er entdeckt auf allen Gebieten Ansätze, die zwar schwach waren, die aber letztlich den Journalistenberuf auch zur Familie der sich professionalisierenden Berufe zählen läßt, und kommt am Ende zu der Feststellung: »By 1920, journalism was a vocation that had some, but not all of the hallmarks of a free profession.«14 Nipperdey sah allein mit Hinweis auf die Berufsorganisationen die Journalisten am Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Weg der Professionalisierung.15 Auch die Diskussion um eine Ausbildung fur Journalisten vor allem in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde noch unter dem Gesichtspunkt Professionalisierung des Berufs gefuhrt. Innerhalb dieser Diskussion wies der Schweizer Kommunikationswissenschaftler Ulrich Saxer schließlich daraufhin, daß eine volle Professionalisierung des Journalismus mindestens unter den Bedingungen einer demokratischen Gesellschaft weder möglich noch wünschenswert sei: Anders als Medizinalgesetze oder Rechtsanwaltsordnungen, die über Zugangsbeschränkungen, Ausbildungs- und Praxisregelungen die Berufsnormen und Qualitätsstandards für Ärzte oder Rechtsanwälte festlegten, sei für den Journalismus die Pressefreiheit die wichtigste Berufsnorm. Die aber garantiere »- überspitzt gesagt - gerade das Gegenteil: nämlich die Zulässigkeit auch noch der erbärmlichsten Spezies von Journalismus. Der Journalismus muß mit anderen Worten in Demokratien als ein Beruf begriffen werden, dessen rechtlich-politische Dimension gerade eine volle Professionalisierung ausschließt; diese muß aber auch von der journalistischen Tätigkeit selber her fragwürdig bleiben. ... Das Professionalisierungsideal möglichst autonomer Experten und das demokratische Ideal publikumsverpflichteter Mediatoren lassen sich ja ... nur vereinen, wenn man offen oder versteckt zugleich die These vom unmündigen Publikum übernimmt.«16 Um das verwirrende Bild, das sich aus den verschiedenen hier zusammengetragenen Ergebnissen ergibt, aufzulösen, könnte es als sinnvoll erscheinen, die Entwicklung des Berufs in den verschiedenen Ländern konsequent unter dem Aspekt der Professionalisierung zu behandeln und so zu einer Überprüfung der Thesen zu gelangen. Bereits auf den ersten Blick läßt sich dabei feststellen, daß der Journalistenberuf mit dem Typ der 16

»Amtsprofession«, die insbesondere in Deutschland, aber auch in anderen kontinentaleuropäischen Ländern verbreitet war, nichts gemeinsam hatte. Der Staat spielt in der Entwicklung des Journalistenberufs zwar insofern eine Rolle, als er die presserechtlichen Rahmenbedingungen schuf. Ansätze zu einer direkten Regulierungstätigkeit des Staates in Form einer »Professionalisierung von oben« sind jedoch in keiner Weise in einem der Vergleichsländer feststellbar. Anhaltspunkte fur eine »bürgerliche Professionalisierung«, die vor allem von dem sich professionalisierenden Beruf selbst, nicht zuletzt durch eine starke Berufsorganisation, vorangetrieben wurde, sind ebenfalls kaum erkennbar. Angesichts der Überlegungen von Elliott und Saxer fragt sich, ob man mit der Frage der Professionalisierung nicht einer Chimäre nachliefe. Die schwachen Berufsorganisationen der Journalisten wie die Versuche in Richtung auf eine Regulierung der Ausbildung zumindest in Deutschland lassen sich ebenso als Beweis einer NichtProfessionalisierung wie als Beleg fur dessen Ansätze lesen. Ohne ein klar definierbares Expertenwissen, ohne eine vorgeschriebene Ausbildung, ohne klar abgrenzbares Funktionsmonopol, ohne starke Organisationen, ohne einen hohen gesellschaftlichen Status könnte der Journalistenberuf im 19. Jahrhundert nicht nur in Deutschland geradezu als das genaue Gegenbild einer Profession erscheinen. Anstelle der häufig normativ-teleologisch gestellten Frage nach der Professionalisierung eines Berufes ließe sich umgekehrt nach der Beharrungskraft jenes »bürgerlich-egalitären Laienmodells« (Siegrist) fragen, das es auch in anderen Berufen durchaus gab. So wurden etwa während der Französischen Revolution bestimmte ständische Vorrechte von Ärzten und Advokaten vorübergehend abgeschafft. Durch diese De-Regulierung sollte der »Laie und Aktivbürger« in die Lage versetzt werden, diese Funktionen in der Gesellschaft selbst auszuüben. »Der Normalverstand des mündigen Bürgers«, so beschreibt Hannes Siegrist dieses Modell, »galt mindestens eben so viel wie die Spezialkenntnisse eines Experten, der bloß vom sozialen Vertrauen abhängig war.« Das bürgerliche Laienmodell, das von der Idee geprägt war, den Laien nicht den mit Herrschaftswissen ausgestatteten Experten unterzuordnen, spielte nicht nur in der Französischen Revolution, sondern auch in den vergleichsweise liberalen Gesellschaften der Schweiz und der USA eine Rolle.17 Wenn eine institutionalisierte Professionalisierung von Ärzten oder Rechtsanwälten vor diesem Hintergrund als unbürgerlich erschien, so mußte sie für Journalisten geradezu absurd wirken. Journalismus sollte innerhalb der bürgerlichen Öffentlichkeit gerade kein Feld für »Experten«, sondern für jeden Bürger sein. Für die Advokaten hat Siegrist insbesondere am Beispiel der Schweiz gezeigt, daß das »radical free field«, wie die durch Zurückdrängung von Experten zugunsten von Laien geprägte Ordnung auch genannt worden 17

ist, auf lange Sicht keinen Bestand hatte.18 So wurde im Zuge der gesellschaftlichen ebenso wie der inneren Ausdifferenzierung des Rechtsbereiches das Laienmodell in der Regel durch den Typ einer »bürgerlichen Professionalisierung« verdrängt.19 Gegenüber dem spezialisierten Experten behielt jedoch der in verschiedenen Bereichen tätige Vollbürger als eine Art bürgerliches Leitbild weiterhin seine Funktion. Vor diesem Hintergrund bekommt die Frage nach einer etwaigen Professionalisierung des Journalistenberufs eine andere Stoßrichtung. Anstelle einer Konzentration auf die von einer kleinen Minderheit ausgehenden Versuche einer institutionalisierten Professionalisierung kommt es darauf an, die gesellschaftliche Funktion des Journalismus zu untersuchen. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Maße der weder durch staatliche noch durch greifbare berufsinterne Vorschriften regulierte Journalistenberuf als ein Gegenmodell zu den sich auf unterschiedliche Weise professionalisierenden Berufen gelten kann oder ob es nicht dennoch informelle Prozesse gab, die sich, auf lange Sicht gesehen, zu einem eigenständigen »informellen« Professionalisierungsmodell ausbildeten. Darunter soll eine Entwicklung verstanden werden, in der ohne staatliche oder organisatorische Steuerungsmechanismen bestimmte Berufsmerkmale wie etwa die soziale Zusammensetzung und ein spezifisches Selbstverständnis entstanden, an deren Herausbildung die Vertreter des Berufs auf informelle Weise maßgeblichen Anteil hatten. Im Rahmen eines möglichen Funktionswandels des Journalismus innerhalb der Gesellschaft wäre dann konkreter zu fragen: Wann und auf welche Weise wurden nebenberufliche durch hauptberufliche Redakteure ersetzt? War der Zugang zu dem Beruf der Journalisten tatsächlich so frei und ungehindert möglich, wie es in manchen zeitgenössischen Darstellungen erscheint, wo der Journalismus als Tummelplatz für die sog. gescheiterten Existenzen beschrieben wird? Gab es eine schärfer werdende Trennungslinie zwischen Journalisten und Schriftstellern? Wie abhängig oder wie unabhängig von den Verlegern waren die Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs? Wer bestimmte, was und wie in den Zeitungen geschrieben wurde? Wie entwickelte und wie veränderte sich ein spezifisches journalistisches Selbstverständnis? Durch die Frage einer möglichen »informellen« Professionalisierung wird die etwas fruchtlose Fixierimg auf die Berufsorganisationen vermieden und der Blick eher auf die Praxis des Berufs und seine gesellschaftliche Einbettung gelenkt, ohne daß dabei ganz auf das theoretische Konzept der Professionalisierung verzichtet würde. Der zweite Forschungszusammenhang, in dem eine Berufs- und Sozialgeschichte der Journalisten angesiedelt ist, ist die Entstehung und der Strukturwandel der bürgerlichen Öffentlichkeit. Als maßgeblich kann hier nach wie vor die Untersuchung von Jürgen Habermas gelten. Was die Entstehungsphase der bürgerlichen Öffentlichkeit im ausgehenden 18. und 18

frühen 19. Jahrhundert angeht, schreibt Habermas der Presse als »vorzüglichster Institution« der Öffentlichkeit eine fundamentale Rolle in dem Prozeß der Selbstorganisation der Gesellschaft zu. Auch wenn Habermas hier mit gewissem Recht eine Idealisierung der frühliberalen Öffenüichkeit vorgeworfen worden ist, ist seine Darstellung im Kern jedoch immer wieder aufgenommen und bestätigt worden. Der Strukturwandel im Bereich der Presse beginnt für Habermas mit der in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzenden Kommerzialisierung der Presse. Dadurch, daß Verleger wie etwa James Gordon Bennett in den USA, Emile de Girardin in Frankreich oder August Scherl in Deutschland mit kommerziellen Massenzeitungen den publizistischen Markt eroberten, so seine These, ging das Potential der Presse zur gesellschaftlichen Selbstorganisation verloren, die bürgerliche Öffentlichkeit zerfiel, und die Zeitungen verkamen zu einem Einfallstor privater Interessen in die Öffenüichkeit. Habermas sieht sich zwar durch neuere Arbeiten zur Entwicklung der Massenmedien in seiner Beschreibimg eines Strukturwandels der Presse zu einer »vermachteten Öffentlichkeit« bestätigt. 20 Doch eine wirkliche Überprüfung seiner Thesen, die in vielem an die verbreitete Pressekritik des ausgehenden 19. Jahrhunderts anschließt, hat bislang nicht stattgefunden. 21 Es ist unbestreitbar, daß im Zuge der Entwicklung der Massenpresse viele der ursprünglich mit dem Prinzip der Publizität verbundenen Hoffnungen verlorengingen und dieses Prinzip insofern, wie Habermas schreibt, »seine Unschuld« verlor. Die Gegenüberstellung einer idealisierten bürgerlichen Öffenüichkeit des ausgehenden 18. und einer »vermachteten«, manipulativen, wieder repräsentative Züge annehmenden Öffentlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts, die an die pressegeschichtliche Unterscheidung von »Gesinnungs-« und »Geschäftszeitung« anschließt, erfaßt die Veränderungen innerhalb der Presseentwicklung jedoch nur unzureichend. Zum einen ging das Potential zur Selbstorganisation der Gesellschaft, das Habermas der Presse in der Phase der Entstehung der Öffentlichkeit zu Recht zuschreibt, nicht erst durch die Kommerzialisierung der Presse verloren. Vielmehr verminderte sich dieses Potential in dem Maße, wie die Selbstorganisation voranschritt und die in der öffentiichen Diskussion formulierten Ideen und Ideologien in die Gründung von Parteien mündeten. Die Zeitungen, die zuvor zu den Hauptträgern der Ideen gehört hatten, gaben ihre ideologische Vorreiterrolle in dem Maße an die Parteiorganisationen und Verbände ab, wie diese an Stärke zunahmen. Bereits hier verloren viele Zeitungen ihr Potential zur gesellschaftlichen Selbstorganisation, da sie mehr und mehr zu Sprachrohren der Organisationen wurden. Zum anderen war die Wirkung, die von der »Kommerzialisierung« der Presse ausging, wesentiich vielschichtiger, als sie bei Habermas erscheint.

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Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil auch die Zeitungen, die in der Pressegeschichte als »Gesinnungs-« im Gegensatz zu den »Geschäftszeitungen« verklärt wurden, in aller Regel kommerzielle Unternehmungen waren. Auch wenn daher die Gegenüberstellung von »Geschäfts-« und »Gesinnungspresse«, von kommerzialisierter und nicht-kommerzialisierter Presse in vieler Hinsicht in die Irre fuhrt, ist dennoch unbestreitbar, daß in den einzelnen Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein Entwicklungsschub einsetzte, der von einer Reihe von Verlegern ausgelöst wurde, die neue Wege suchten und fanden, die Herausgabe von Zeitungen zu einem erfolgreichen Geschäft zu machen. Dieser Entwicklungsschub wird hier trotz der Unschärfe unter dem Begriff der »Kommerzialisierung« gefaßt. Zu den Kennzeichen werden in erster Linie eine deutliche Herabsetzung des Preises, eine verstärkte Anzeigenfinanzierung und das Ziel einer Massenauflage gezählt. Diese Entwicklung wird in der Regel eng mit den oben bereits genannten Namen Bennett und Girardin in Verbindung gebracht, die in den dreißiger Jahren mit der Gründung des New York Herald beziehungsweise von La Presse die weitere Entwicklung der Presse nachhaltig beeinflußten.22 In Deutschland ist dieser Kommerzialisierungsschub mit der Entstehung der Generalanzeiger in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts verbunden. In England dagegen ist die Kommerzialisierung weniger als ein klarer Schub zu erkennen. Zwar gab es in den dreißiger Jahren Ansätze zu einer billigen »Penny Press«, die jedoch nur mäßig erfolgreich war. Anders als in den Vergleichsländern schaffte es in England jedoch die traditionelle Presse, allen voran die Times, eine journalistische Vorreiterrolle zu übernehmen und vergleichsweise hohe Auflagen zu erzielen. So entstand trotz der günstigen presserechüichen und politischen Rahmenbedingungen eine billige Massenpresse erst in den achtziger Jahren. So richtig es ist, daß sich in allen genannten Ländern die Presse und der Journalismus durch jene Zeitungen zu verändern begannen, deren Verleger in verstärktem Maße kommerzielle Interessen verfolgten, so falsch wäre es, von einem Gleichklang der weiteren Entwicklung infolge der Kommerzialisierung auszugehen. James Gordon Bennett und Emile de Girardin werden stets in einem Atemzug als Vorreiter einer kommerziellen Interessen untergeordneten Presse genannt, ohne daß dabei bedacht würde, daß gerade der Journalismus in den USA und in Frankreich denkbar unterschiedliche Wege ging. Auch wenn in Deutschland und in Frankreich die Frage der »Amerikanisierung« der Presse seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer wieder gestellt wurde und es in der Tat gewisse Annäherungen gab, stechen die Unterschiede doch weit mehr ins Auge als die Ähnlichkeiten. So gibt es zwar gemeinsame Tendenzen in dem Journalismus der sog. »Geschäftspresse« in den einzelnen Ländern; deren Aus20

prägungen waren aber offenbar von verschiedenen anderen, noch zu erläuternden Faktoren abhängig. Doch auch wenn man auf die Entwicklung des Journalismus allein in den USA blickt, zeigt sich, daß der Sensationsjournalismus, wie er in der »Yellow Press« des ausgehenden 19. Jahrhunderts seine ersten Blüten trieb, bei weitem nicht das einzige Produkt der von Verlegern wie Bennett ausgelösten Veränderungen des Journalismus war, wie Habermas dies suggeriert. Eine kritische Funktion spricht er der kommerzialisierten Presse damit weitgehend ab. Sofern diese noch Bestand hat, so nur noch als Überbleibsel der bürgerlichen Öffentlichkeit, das es nach Habermas möglichst zu hegen gilt. Daß mit dem »Zerfall der bürgerlichen Öffentlichkeit« und den Veränderungen, denen die Presse unterlag - insbesondere der verstärkten Kommerzialisierung - , möglicherweise sogar ein Journalismus hervorgebracht wurde, der ein neues kritisches Potential besaß, das in der frühliberalen Öffentlichkeit noch nicht angelegt war, erscheint nach Habermas' Modell undenkbar. Gerade der Blick auf die amerikanische Presseentwicklung zeigt aber, daß die durch Verleger wie James Gordon Bennett ausgelöste Dynamik nicht nur den Sensationsjournalismus der »Yellow Press«, sondern auch einen kritischen, investigativen Journalismus hervorbrachte, der nicht als Restbestand einer bürgerlichen Öffentlichkeit verstanden werden kann und der auf dem europäischen Kontinent im ausgehenden 19. Jahrhundert noch vollkommen unbekannt war. Insgesamt lassen sich mit Habermas' Darstellung des Strukturwandels der Öffentlichkeit die unterschiedlichen Entwicklungen des Journalismus in den einzelnen Ländern kaum erfassen. Die von Max Weber geäußerte Annahme, daß die gesellschaftliche Funktion der Zeitungen - zumindest was das frühe 20. Jahrhundert angeht - in den verschiedenen Ländern offenbar sehr unterschiedlich war, ist mit Habermas' Analyse schwer zu vereinbaren. Der dritte Forschungszusammenhang, in dem eine Berufs- und Sozialgeschichte des Journalistenberufs anzusiedeln wäre, ist die sog. Kommunikationsgeschichte. Vor allem seitens der Kommunikationswissenschaft ist die Forderung erhoben worden, eine moderne Kommunikationsgeschichte müsse die antiquierte Pressegeschichte ablösen und sich zu einer »Geschichte der gesamten gesellschaftlichen Kommunikation« ausweiten.23 Damit verbunden findet sich der wiederholte Appell, Kommunikationsund Geschichtswissenschaft verstärkt aufeinander zu beziehen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit theoretische Konzepte der Kommunikationswissenschaft für die historische Forschung nutzbar gemacht werden können. Abgesehen von der Klage, daß es hier bislang kaum Ansätze gibt, wird jedoch vor allem auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich für Historiker dabei ergeben: »Die aktuellen Theorien zur Massenkommunikation und Medienwirkung widersprechen sich teilweise diametral, so 21

daß sich der Historiker auf schwieriges Terrain begibt, falls er sich ihrer bedient«, schrieb Edgar Lersch in einem Überblick über die Forschung zur »Bedeutung der alten und neuen Medien fur Wirtschaft und Gesellschaft«.24 Problematisch ist an der Verwendung von Massenkommunikationstheorien jedoch nicht einmal so sehr deren Widersprüchlichkeit, da es ja gerade darauf ankäme, die Brauchbarkeit der einen oder anderen Theorie zu begründen. Die Probleme sind anders gelagert: Die Theorien wurden anhand der Massenkommunikationsmedien des 20. Jahrhunderts entwikkelt, wobei Massenkommunikation hier im expliziten oder impliziten Anschluß an die Systemtheorie als ein weitgehend autonomes, nach eigenen Regeln funktionierendes soziales System angesehen wird.25 Auf der Basis systemtheoretischer Überlegungen versucht etwa Manfred Rühl eine »Theorie des Journalismus« zu entwerfen, die möglicherweise auch fiir eine Geschichte des Journalistenberufs hilfreich sein könnte. Konstitutiv für die Konstruktion eines sozialen Systems, als das Rühl den Journalismus versteht, ist die Zuschreibung einer spezifischen gesellschaftlichen Funktion, die dieses System im Unterschied zu anderen sozialen Systemen wie Politik oder Wirtschaft, Religion oder Wissenschaft, innerhalb einer Gesellschaft wahrnimmt. Diese Primärfunktion definiert Rühl fur den Journalismus wie folgt: »Die besonderen Leistungen und die besonderen Wirkungen des Journalismus, durch die sich sein Handeln von anderen, an der Öffentlichkeit orientierten Sozialsystemen unterscheidet, bestehen in der Ausrichtung auf die Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffendichen Kommunikation.« Diese Definition erscheint blaß und konstruiert. Sie spiegelt die Schwierigkeit wider, dem Journalismus jene spezifische Funktion zuzuschreiben, die ihn von anderen sozialen Systemen unterscheidet. Journalisten hatten und haben kein Monopol darauf zu informieren, zu kommentieren, zu unterhalten, aber die Reduktion ihrer Funktion auf bloße Themenbereitstellung begrenzt den Nutzen der Theorie. Rühl zeigt die Grenze selber auf. Er weist auf den Einfluß hin, den in erster Linie Politik und Wirtschaft auf den Journalismus ausüben, dessen Autonomie sie dadurch erheblich einschränken können. Besonders eklatant geschieht das in diktatorischen Systemen, wo der Journalismus durch die politischen Vorgaben dominiert wird. Doch, so Rühl: »Die Primärfunktion des Journalismus wird durch die Zuordnung besonderer Funktionen (in den genannten Beispielen durch einseitige politische Sekundärfunktionen, die mit der Ideologie des politischen Systems konform sind) nicht entscheidend tangiert.«26 Definiert man die Primärfunktion des Journalismus in der Weise, daß sie trotz aller Einflußnahme »nicht entscheidend tangiert« wird, läßt sich mit Hilfe der Theorie der fundamentale Unterschied der Funktion, die der Journalismus in demokratischen und in nicht-demokratischen Systemen erfüllt, in keiner Weise erklären. Der Un22

terschied läßt sich mit dem unterschiedlichen Maß politischen Einflusses nur begrenzt beschreiben. So beschränkte etwa das NS-Regime nicht nur die Themen, die von den Journalisten an die Öffentlichkeit gebracht werden durften, sondern der Journalismus erfüllte hier eine ganz andere Funktion, nämlich die, Propagandainstrument des politischen Systems zu sein. Das bedeutet, daß der Journalismus gänzlich Teil von Politik war, so daß es wenig sinnvoll erscheint, hier dennoch ein separates oder gar autonomes System »Journalismus« anzunehmen. Die theoretische Diskussion darüber, ob Massenkommunikation bzw. Journalismus in heutigen demokratischen, hochindustrialisierten Gesellschaften als ein eigenes, geschlossenes soziales System betrachtet werden sollte, kann hier nicht vertieft werden. Für eine historische Untersuchung bringen Rühls Überlegungen zu einer »Theorie des Journalismus« jedoch wenig. Weiter fuhrt hier schon eher ein Aufsatz von Niklas Luhman über die »Veränderungen im System gesellschaftlicher Kommunikation und die Massenmedien«. Luhmann fragt, inwieweit die Massenmedien eine »gesellschaftliche Primärfunktion« erfüllen oder ob es sich bei »Funk und Presse« lediglich »um einen Annex des politischen Systems, um einen Indoktrinations- und Konsensbildungsapparat« oder einfach nur um »kommerziell betriebene Unternehmen« handelt.27 Zwar sieht Luhmann »Ansatzpunkte für eine eigene Primärfunktion ganz deutlich gegeben.« Diese liegen fur ihn in den strukturellen Bedingungen der weltgesellschaftlichen Kommunikation, denen er eine gewisse Disziplinierungsfunktion fur »Doktrinen und Diktaturen« zuschreibt. Als ebenso wichtig wäre hier die Kontrollfunktion der Medien innerhalb demokratischer Systeme zu nennen. Luhmanns Überlegungen zu der Frage der Primärfunktion und der Hinweis auf die engen Verbindungen zwischen Journalismus und Politik einerseits und Wirtschaft andererseits machen erstens deutlich, daß auch aus systemtheoretischer Sicht die Frage nach einem autonomen System des Journalismus nicht so eindeutig beantwortbar ist, wie es bei Rühl erscheint. Zum anderen läßt sich fur die empirische Forschung daraus ableiten, daß es gerade darauf ankommt festzustellen, wie unabhängig der Journalismus von den Bereichen Politik und Wirtschaft jeweils tatsächlich war. Alle drei genannten Bereiche bieten Ansätze für die Untersuchung der Sozial- und Berufsgeschichte der Journalisten, ohne jedoch für sich allein tragfähig zu sein. Wie lassen sich die verschiedenen Ansätze zu einem Gerüst verbinden, mit dessen Hilfe die Geschichte der Journalisten und des Journalismus im 19. Jahrhundert beschrieben werden kann? Die These lautet, daß der politische Journalismus in der Phase der Entstehung der Öffentlichkeit in den genannten Ländern nicht als ein autonomes, sondern nur als durch und durch politisches Phänomen, als integraler Bestandteil 23

der Politik oder genauer, der einzelnen politischen Strömungen zu begreifen ist. Politischer Journalismus war kein Beruf, der ein spezifisches Expertenwissen verlangte, sondern eher eine Funktion, die von den Aktivbürgern als Teil oder Variante einer politischen Tätigkeit ausgeübt wurde. Die politischen Journalisten der Französischen oder Amerikanischen Revolution beobachteten die Politik nicht aus einer distanzierten »journalistischen« Warte, sondern nahmen durch ihre Publizistik aktiv an ihr Teil. Aus dieser Funktionseinheit löste sich der Journalismus im Zuge der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung, parallel zum Verberuflichungs- und Professionalisierungsprozeß in dem oben beschriebenen Sinne. In den verschiedenen Ländern verlief dieser Ausdifferenzierungsprozeß, beeinflußt von einer Reihe von Faktoren, in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlicher Ausprägung. Die Entstehung der Öffentlichkeit, das öffentliche Räsonieren in Wort und Schrift war - das ist unbestritten - ein politisches Phänomen, öffentliche Kommunikation die Basis fur eine völlige Umgestaltung des politischen Systems. Presse als eines der wichtigsten Kommunikationsmittel war daher ganz und gar ein Teil dieses Prozesses und stand nicht in der Rolle eines kritischen Beobachters daneben. Habermas, der England als »Modellfall« für die Entwicklung der Presse ansieht, schreibt ihr zu früh die Rolle des »Fourth Estate« zu. 28 Diese Funktion begann auch die englische Presse erst seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts zu formulieren und für sich in Anspruch zu nehmen und war damit der Entwicklung in Deutschland und Frankreich weit voraus.29 Der Anspruch der Presse, »Fourth Estate« zu sein, und der damit verbundene Anspruch auf eine spezifische journalistische Unabhängigkeit - inwieweit dieser Anspruch erfüllt wurde, ist zunächst einmal sekundär - ist daher nicht die ursprüngliche Funktion der Presse, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, in der die Presse etwas anderes sein wollte als ein zum Anhängsel verkommener Teil der Politik. Der Ausdifferenzierungsprozeß, in dem der Journalismus sich aus der engen Verbindung mit der Politik, mit den politischen Strömungen löste und autonome Züge annahm, in dem gleichzeitig der Beruf der Journalisten schärfere Konturen bekam und sich die Tätigkeit der Journalisten spezifizierte und spezialisierte, ist grundsätzlich in allen genannten Ländern zu beobachten. Geschwindigkeit und Ausprägung dieses Prozesses, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch keineswegs abgeschlossen war und in gewisser Weise immer noch andauert, verliefen jedoch in sehr unterschiedlicher Weise. In seinem Vortrag zur Soziologie des Zeitungswesens hatte Max Weber die Unterschiede angedeutet: Während die Franzosen ein »Tendenzblatt« lesen wollten, so Weber, wollten die Amerikaner in erster Linie Fakten. In der Tat scheint im französischen Journalismus die Verbindung zwischen Presse und Politik besonders lange gehalten und den

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Journalismus geprägt zu haben. In den USA dagegen löste sich diese Verbindung relativ früh, und der Journalismus begann eine enorme Dynamik zu entwickeln, die die Jagd nach Nachrichten, und nicht das Propagieren bestimmter politischer Ideen zum Kern journalistischer Tätigkeit und journalistischen Selbstverständnisses werden ließ. Das fuhrt zu der Frage, wovon das Tempo und der Verlauf dieses Ausdifferenzierungsprozesses abhingen. Vier Faktoren bestimmten, so die These, diese Entwicklung maßgeblich. Erstens: Auch wenn oben darauf hingewiesen worden ist, daß das Maß der Pressefreiheit keineswegs allein fur die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern verantwortlich war, spielte sie dennoch ohne Zweifel eine wichtige Rolle. Vor allem im deutschen Fall ist die retardierende Bedeutung der Zensur und anderer die Pressefreiheit einschränkender Maßnahmen fur die Entwicklung der Presse und des Journalismus unübersehbar. Gerade unter den Bedingungen der Zensur wird deudich, wie sehr die Presse als solche ein Politikum war. Der Raum für eine autonome Entwicklung des Journalismus war hier denkbar gering. Es fragt sich allerdings, inwieweit die Zensur und andere Maßnahmen sich nur retardierend auf den Entwicklungs- und Ausdifferenzierungsprozeß auswirkten oder ob sie diesen auch in eine bestimmte Richtung lenkten. Als zweiter Faktor ist die Kommerzialisierung der Presse zu nennen, die, wie oben erläutert, in den verschiedenen Ländern zwar überall einen Einschnitt mit ähnlichen Elementen bedeutete. Aber zumindest bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein veränderte sie den Journalismus keineswegs überall in eine einheidiche Richtung. Als dritter Faktor spielte daher, so die These, der in den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich verlaufene Parteienbildungsprozeß eine wesentliche Rolle. Wie bereits dargelegt wurde, ging ein Teil der Funktionen, die die Presse in der Phase der Entstehung von Öffentlichkeit besaß und die ihr Potential zur gesellschaftlichen Selbstorganisation ausmachte, nämlich die Strukturierung und Kanalisierung des öffentlichen Kommunikationsprozesses, in dem Maße an die Parteien über, wie sich diese als Organisationen herausbildeten und stabilisierten. Dieser Prozeß verlief in den einzelnen Ländern so unterschiedlich, daß hier der Schlüssel insbesondere fur die Erklärung der unterschiedlichen amerikanischen und französischen Entwicklung liegen könnte. Als vierter den Entwicklungs- und Ausdifferenzierungsprozeß beeinflussender Faktor ist schließlich die Entwicklung eines journalistischen Selbstverständnisses zu nennen. Dieses war keineswegs konstant, sondern eng verbunden mit dem gesamten Entwicklungsprozeß der Presse und des Journalismus. Die These ist, daß die Herausbildung eines spezifischen journalistischen Selbstverständnisses, einer Art Berufsethos, einerseits 25

von den verschiedenen genannten Faktoren beeinflußt wurde, zum anderen aber dieses Selbstverständnis seinerseits zu einem prägenden Faktor wurde. Zeitlich erstreckt sich die Untersuchung vom ausgehenden 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Inhaltlich wird der Zeitraum von der Entstehung der Öffendichkeit im ausgehenden 18. Jahrhundert und dem vorläufigen Abschluß der durch die Kommerzialisierungsschiibe im Pressewesen ausgelösten Gründungswellen von Zeitungen begrenzt. Mit den UllsteinGründungen Berliner Morgenpost und BZ am Mittag 1898 und 1904 entstanden für längere Zeit die letzten großen - im Sinne von auflagenstarken - deutschen Tageszeitungen. Es hätte bis zu einem gewissen Grade nahegelegen, die Untersuchung bis 1914 zu fuhren. Da es für die Zeit nach der Jahrhundertwende aus verschiedenen Gründen jedoch immer schwieriger wird, die biographischen Daten der deutschen Journalisten zu ermitteln, wurde für den Fragenkomplex der Sozialstruktur des Journalistenberufs das Jahr 1900 als Endpunkt gewählt. Was sonstige Fragen der Berufsentwicklung angeht, wurde auch Material der ersten Dekade des 20. Jahrhundert mit herangezogen.

3. Vorgehensweise, Quellen- u n d Forschungslage Der Aufbau der Arbeit ist oben bereits kurz skizziert worden. Am amerikanischen Beispiel läßt sich der Wandlungsprozeß des Journalismus von einem integralen Bestandteil der politischen Strömungen zu einem gesellschaftlichen Bereich, der zwar nicht »autonom« war, der aber trotz der verschiedenen - insbesondere ökonomischen - Abhängigkeiten, eigene, sich stark ausdifferenzierende Strukturen bildete, in besonders klarer Ausprägung beobachten. Mehr als in allen anderen Ländern wurde hier im ausgehenden 19. Jahrhundert die Jagd nach immer neuen Nachrichten mit immer neuen, teils subtilen, teils rabiaten Methoden zu dem markantesten Kennzeichen des Journalistenberufs. Der anschließend zu behandelnde englische Fall ist deshalb von besonderem Interesse, weil hier in der Mitte des 19. Jahrhunderts, von den Journalisten selber formuliert, zuerst das Konzept zu dem Berufsethos geliefert wurde, das sich nach und nach als ideologischer Überbau des journalistischen Selbstverständnisses auch in anderen Ländern durchsetzte: das Konzept von der journalistischen Unabhängigkeit und der Presse als »Fourth Estate«. Die Darstellung der englischen und amerikanischen Entwicklung dient vor allem als Hintergrund- und Kontrastfolie für die Untersuchung des französischen und des deutschen Falls. Sowohl für England als auch für die 26

USA liegt eine Reihe neuerer und guter pressegeschichtlicher Untersuchungen vor, die als Basis für die knappe Skizze dienen. Wesentlich breiter wird im Anschluß die Entwicklung des französischen Journalismus untersucht. Nach einer Darstellung der politischen Rahmenbedingungen soll, ausgehend von den Zeitungsneugründungen Girardins und Dutaqs im Jahr 1836, nach dem Zusammenhang von Kommerzialisierung und möglichen Veränderungen der journalistischen Konzeption der Zeitungen und des journalistischen Selbstverständnisses gefragt werden. Die Etappen dieser Untersuchung werden durch die Neugründungen der dreißiger Jahre, die von dem Journalisten Auguste Nefftzer konzipierte, 1861 gegründete Zeitung Le Temps und schließlich - am Beispiel des Petit Journal - durch die enorm erfolgreiche französische Massenpresse des ausgehenden 19. Jahrhunderts vorgegeben. Was die Sozialgeschichte der französischen Journalisten betrifft, so wird diese, insbesondere was ihre engen Verbindungen zur Politik, zur Literatur und spezifischer Weise auch zur Wirtschaft angeht, immer wieder thematisiert werden. Auf eine eingehende Untersuchung der sozialen Zusammensetzung, der Vorbildung, der Karrieremuster, wie sie dann im deutschen Fall erfolgt, muß jedoch verzichtet werden. Erstens kann hier auf die Untersuchung Marc Martins über die Pariser Journalisten zwischen 1830 und 1870 verwiesen werden, die sich allerdings als Basis für einen stringenten Vergleich kaum eignet. 30 Das wiederum hängt - hier liegt der zweite Grund - mit der schwierigen Quellenlage für eine Sozialgeschichte der Journalisten in Frankreich zusammen. Eine unentbehrliche Quelle sind für eine solche Untersuchung die biographischen Lexika, die jedoch insbesondere für das 19. Jahrhundert für Deutschland in weit größerem Maße zur Verfügung stehen als für Frankreich. Während im deutschen Fall gute Chancen bestehen, gerade »Literaten«, die nur auf regionaler Ebene eine gewisse Bekanntheit erlangt hatten, in einem der zahlreichen regionalen biographischen Lexika zu finden, war für Frankreich ein weit höherer Bekanntheitsgrad notwendig, um in einem der biographischen Lexika aufgeführt zu werden. 31 Eine zweite für den deutschen Fall wichtige Quellengattung sind die zahlreichen Jubiläumsgeschichten der einzelnen Zeitungen, die häufig sehr detailliert die Lebensläufe der Redakteure über einen langen Zeitraum hinweg aufführen. Hierfür fehlen in Frankreich Pendants nahezu vollständig. Die Erstellung eines ähnlichen Samples wie im deutschen Fall wäre für Frankreich ohne die Erschließung ganz neuen Quellenmaterials nicht einmal annähernd möglich, so daß ein Vergleich auf dieser Ebene kaum sinnvoll erschien. Auf die methodischen Probleme von Martins Arbeit über die Pariser Journalisten wird an anderer Stelle noch eingegangen werden. Was die Forschung zur französischen Pressegeschichte insgesamt angeht, 27

so ist diese wesentlich weniger umfangreich als die zur deutschen Pressegeschichte. Das hängt mit der breiten Literatur zusammen, die in Deutschland insbesondere seitens der Zeitungswissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgebracht wurde. Neuere Arbeiten zur Pressegeschichte des 19. Jahrhunderts sind zwar auch in Frankreich nicht besonders zahlreich, dafür aber zumindest teilweise sehr ergiebig. In erster Linie sind hier die Arbeiten Pierre Alberts, das heißt vor allem seine thèse zur politischen Presse der Dekade zwischen 1870 und 1880 sowie der von ihm verfaßte Abschnitt in der »Histoire générale de la presse« zur Geschichte der französischen Presse in der Zeit der Dritten Republik zu nennen. Die umfangreiche Arbeit zur Presseentwicklung der wichtigen Jahre zwischen 1870 und 1880 ist vor allem deshalb besonders hervorzuheben, da sie auf einer systematischen und detaillierten Lektüre der Zeitungen selbst basiert und dabei auf der einen Seite reichhaltiges Material bietet, ohne auf der anderen Seite die über die eigentlich behandelte Dekade hinausgreifenden Entwicklungen aus dem Auge zu verlieren. Für keines der anderen Länder existiert eine auch nur annähernd vergleichbare Untersuchung. Auch was den Journalistenberuf angeht, ist die Forschungslage für Frankreich vergleichsweise günstig, da mit den verschiedenen Arbeiten Marc Martins inzwischen eine Reihe von Untersuchungen zu unterschiedlichen Aspekten des Journalistenberufs, dessen Organisationen, dessen Beziehungen zur Wirtschaft: und anderen Fragen vorliegt, auf die sich hier zurückgreifen läßt. Angesichts dieser Vorarbeiten wurde hier, was die französische Entwicklung betrifft, auf Archivarbeit weitgehend, wenn auch nicht völlig, verzichtet. Umso intensiver habe ich die reichhaltige zeitgenössische Literatur zu den unterschiedlichsten mit der Presse in Zusammenhang stehenden Fragen sowie die programmatischen Aussagen der Zeitungen selbst ausgewertet. Autobiographien von Journalisten sind dagegen zumeist wenig ergiebig, da sie, wie Pierre Albert bereits feststellte, häufig über alles schreiben, nur nicht über ihren Beruf.32 Die Untersuchung des deutschen Falles nimmt den breitesten Raum ein. Anders als für Frankreich wird hier die soziale Genese und Entwicklung des Berufs intensiv behandelt. Auf der Basis einer breiten prosopographischen Untersuchung, deren Methodik später eingehend erläutert wird, soll versucht werden, den Verberuflichungsprozeß nachzuzeichnen und jene Fragen zu beantworten, die Max Weber bereits in seinem Projekt zur Untersuchung des Zeitungswesens in ähnlicher Weise stellte: Wer wählte den Journalistenberuf, wie akademisch geprägt war er, war Journalismus eher eine Übergangstätigkeit oder ein Lebensberuf, wie sahen Karrieremuster aus, wie war es um die materielle Situation der Journalisten bestellt, und in welchem Maße änderte sich all das möglicherweise? Anschließend 28

wird ähnlich wie fur den französischen Fall die Frage der Entstehung und des Wandels des journalistischen Selbstverständnisses sowie eines Wandels der Funktion der Zeitungen unter den gegebenen Rahmenbedingungen analysiert werden. Dabei wird insbesondere zu fragen sein, inwieweit die die Presseentwicklung stark hemmende Wirkung der Zensur den Ausdifferenzierungsprozeß nur verzögerte oder auch in anderer Weise beeinflußte. Die Forschungslage stellt sich fur Deutschland, zumindest was neuere Literatur angeht, am ungünstigsten dar. Wie bereits angemerkt, existiert aus den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts eine sehr breite pressegeschichtliche Literatur, die zwar ob ihres Positivismus wiederholt gescholten wurde, hier aber gerade wegen des ausfuhrlich aufbereiteten Materials von hohem Nutzen war. Was dagegen die neuere Literatur angeht, ist die wichtige Phase zwischen der 48er Revolution und dem Ersten Weltkrieg die wohl am schlechtesten erforschte pressegeschichtliche Epoche überhaupt. Die wichtigste Arbeit ist nach wie vor Kurt Koszyks Gesamtdarstellung zur deutschen Presse des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus boten die verschiedenen von Heinz-Dietrich Fischer herausgegebenen Bände zu den Zeitungen, Zeitschriften und Presseverlegern des 17. bis 20. Jahrhunderts wichtige Orientierungen, wobei allerdings viele Aufsätze nicht mehr als unkritische Kompilationen des älteren, bekannten Materials darstellen. An neueren, aus den Quellen erarbeiteten Studien zur Pressegeschichte dieser Zeit fehlt es fast völlig. Eine Aussnahme stellt hier die wichtige Arbeit von Hans-Wolfgang Wolter zu den Generalanzeigern dar.33 Für das ausgehende 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts sieht die Forschungslage insofern günstiger aus, als hier im Zusammenhang mit der entstehenden Öffendichkeit einerseits und den Zensurverhältnissen andererseits eine Reihe von Arbeiten existiert. Was speziell die Arbeiten zum Journalistenberuf betrifft, so sind auch diese äußerst rar gesät.34 Hier ist zunächst die Arbeit von Kurt Brunöhler von 1933 zu den Zeitungsredakteuren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu nennen, auf dessen Methode später genauer einzugehen sein wird. Die einzige monographische neuere Untersuchung ist die von Rolf Engelsing zu »Massenpublikum und Journaüstentum in Nordwestdeutschland«. Engelsing hat hier nicht zuletzt deshalb Pionierarbeit geleistet, weil er die Produzenten und die Rezipienten des Zeitungsstoffs, die Journalisten und die Leser gemeinsam als Objekte einer Sozialgeschichte des Zeitungswesens betrachtet und untersucht hat.35 Mit dem bereits zitierten Aufsatz von James Retallack liegt für Deutschland überhaupt die erste Darstellung des Journalistenberufs vor, die dessen Gesamtentwicklung vom ausgehenden 18. bis ins 20. Jahrhundert hinein ins Auge faßt. Schließlich gibt es an neueren Arbeiten noch einige Untersuchungen zur Presse des 19. Jahrhun29

derts aus der ehemaligen DDR. Zu beachten ist hier insbesondere eine Arbeit von Thomas Enke über die soziale Zusammensetzung der Berliner Journalisten im Jahr 1899. 36 Ein gewisses Problem stellt ohne Zweifel die Quellenfrage dar. Um noch einmal Engelsing zu zitieren: »Es ist umständlich, Material über die Geschichte des Journalistentums zu sammeln. Es bietet sich in keinem Archiv an, und suchen heißt bereits konzipieren.«37 Geschlossene Quellenbestände zur Geschichte des Journalistenberufs existieren in der Tat kaum, doch ganz so schwierig, wie Engelsing die Lage beschreibt, ist sie nicht. An ungedruckten Quellen bieten sich drei Gattungen an: erstens der Bereich der staatlichen Akten und darunter zum einen jene zur Presse insgesamt und zum anderen personenbezogene Akten zu einzelnen Journalisten, zweitens die Archive der Zeitungen und drittens Nachlässe von Journalisten und Verlegern. Das insgesamt meiste Material zum Bereich Presse bieten die über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg erstellten Pressebeobachtungsakten. In aller Regel liegen die Gesichtspunkte, unter denen die Akten erstellt worden sind, allerdings quer zu den Fragestellungen dieser Untersuchung, oder sie geben nur Antworten zu bestimmten Teilaspekten der Arbeit. So liefern die Akten insbesondere unter dem Gesichtspunkt der politischen Bedenklichkeit eine Außensicht der journalistischen Tätigkeit, die hier nicht im Zentrum des Interesses steht. Als ergiebig für die Biographien einzelner Journalisten erwiesen sich dagegen die zu unterschiedlichen Zwecken erstellten personenbezogenen Akten des Berliner Polizeipräsidenten. Die grundsätzlich wertvollste Quelle stellt das Material der Archive der Zeitungen, dabei insbesondere die Korrespondenz zwischen den Verlegern und den Journalisten, dar. Doch sind die Archive vieler großer Zeitungen wie etwa der Kölnischen oder der Frankfurter Zeitung sowie sämtlicher großer Berliner Blätter zerstört, oder es fehlen Hinweise auf deren Verbleib. Umso wichtiger sind die noch vorhandenen (und zugänglichen) Bestände. An erster Stelle ist hier das Archiv der im Cotta-Verlag erschienenen Allgemeinen Zeitung zu nennen. 38 Dieses wohl einzige nahezu vollständig erhaltene Archiv einer der wichtigsten Tageszeitungen des 19. Jahrhunderts ist vor allem deshalb so wertvoll, weil der Verleger und die Redaktion nicht an einem Ort saßen und auf diese Weise ein permanenter, sehr dichter Briefwechsel detailliert über Redaktionsinterna Auskunft gibt.39 Während allerdings hier vor allem die Briefe der Redakteure an den Verlag vorliegen, sind in anderen Fällen, insbesondere den noch vorhandenen Beständen des Archivs des Girardet-Verlages und des Archivs der Kölnischen Volkszeitung, in erster Linie die Briefe der jeweiligen Verleger an die Redakteure in Form der Abschriften in den Kopierbüchern erhalten. In den Nachlässen der Journalisten schließlich finden sich Briefe von oder an Kollegen, die zumindest in Einzelfällen 30

zusätzliche Einblicke in die Praxis, die soziale Lage und das Berufsverständnis der Journalisten bieten. Mit den Zeitungen selbst liegt an gedruckten Quellen grundsätzlich ein schier unerschöpflicher Fundus vor. Als Wegweiser dienten hier vielfach die bereits erwähnten Jubiläumsschriften und andere Arbeiten zu einzelnen Zeitungen, die auch sonst eine Art Ersatzquelle darstellen, da sie zum Teil noch auf inzwischen verschollenes Material zurückgreifen konnten. Wie für Frankreich wurde schließlich die in Monographien, Broschüren, Zeitungsartikeln und speziellen Organen geführte Diskussion um Fragen der Presse und des Journalistenberufs herangezogen. Wenn sich also insgesamt die Quellensituation nicht so schlecht darstellt, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist es dennoch nötig, das Gesamtbild aus vielen, zum Teil recht verstreuten Mosaiksteinen zusammenzusetzen. Der Vorteil der breiten Anlage der Untersuchung und der damit verbundenen Entscheidung, auf regionale Abgrenzungen zu verzichten, besteht darin, die verschiedenen verstreuten Einzelhinweise miteinander verknüpfen zu können und so Grundstrukturen deutlich werden zu lassen. Nicht zuletzt in Hinblick auf die Forschungslage ist dabei auf der anderen Seite unvermeidbar, daß an verschiedenen Stellen eher die Umrisse von Lücken aufgezeigt werden, als daß die Lücken selbst gefüllt werden könnten.

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TEIL A

USA, England und Frankreich: Unterschiedliche Vergleichsperspektiven

I. Die Vorreiterländer der Presseentwicklung: USA und England 1. USA: Vom publizistischen Kampf gegen die Kolonialmacht zu den »muckrakers« »Geht die deutsche Presse der >Amerikanisierung< entgegen oder nicht?« So begann der Zeitungswissenschaftler Emil Dovifat seine Darstellung zum amerikanischen Journalismus aus dem Jahr 1927.1 Das Schlagwort des »Amerikanismus« taucht seit dem ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht nur in deutschen, sondern auch in französischen Texten zur zeitgenössischen Presseentwicklung immer weder auf. Wenn auch vor allem in Deutschland dabei zunächst die Ablehnung dessen, was man unter »Amerikanismus« beziehungsweise »Amerikanisierung« verstand, eindeutig überwog, scheint die Wahrnehmung der amerikanischen Presse- und Medienlandschaft seit dieser Zeit von einer eigentümlichen Mischung aus Faszination und Ressentiment geprägt gewesen zu sein.2 So stellte auch Dovifat fest, daß der amerikanische Journalismus »teils ... hemmungslos bewundert, teils maßlos überheblich abgeurteilt« werde. Diese ambivalente Haltung prägt bis heute die Sichtweise der amerikanischen Presse- und Medienlandschaft. Die kritische Berichterstattung amerikanischer Journalisten im Vietnamkrieg oder die spektakuläre Aufdeckung des Watergateskandals durch Carl Bernstein und Bob Woodward von der Washington Post haben auf der einen Seite dem amerikanischen Journalismus weltweit Anerkennung eingetragen. Dererlei Fälle gelten bis heute als Belege für die Funktionsfähigen: der Presse als Kontrollinstanz innerhalb einer Demokratie. Doch der Anerkennung, die investigative Recherche- und respekdose Interviewpraktiken genießen, steht auf der anderen Seite eine ebenso scharfe Ablehnung von Entwicklungen gegenüber, fur die das Stichwort »Reality TV« nur die Spitze des Eisbergs darstellt: die Reduzierung von Nachrichten auf bloße Reizeffekte. Auf eine breitere Darstellung der Entwicklung des amerikanischen Jour33

nalismus muß hier verzichtet werden. Doch die Rolle, die dem amerikanischen Journalismus in der Diskussion über die Presse seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zukommt, nämlich gleichzeitig Vor- oder Schreckbild für die künftige deutsche oder europäische Entwicklung zu sein, läßt es sinnvoll erscheinen, zumindest knapp darauf einzugehen, was das Spezifische am amerikanischen Journalismus ausmachte. Was führte dazu, daß seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in den europäischen Ländern das Schlagwort vom »Amerikanismus« entstand? Im folgenden soll daher zunächst die Entwicklung des amerikanischen Journalismus seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert kurz nachgezeichnet werden, nicht zuletzt, um festzustellen, seit wann und unter welchen Bedingungen sich der »Amerikanismus« in der amerikanischen Presse überhaupt ausbreitete. Ob man das Redaktionszimmer von Samuel Adams Boston Gazette tatsächlich als »das Hauptquartier der Revolutionsführer« bezeichnen sollte, mag dahingestellt bleiben.3 Die Bedeutung der politischen Öffentlichkeit im allgemeinen und der Presse im besonderen für den Kampf um die Loslösung von England ist allerdings unstrittig. In der Tat spielte der Bostoner Journalist und Volkstribun Samuel Adams nicht nur mit seiner Boston Gazette, sondern auch mit anderen publizistischen Aktivitäten dabei eine maßgebliche Rolle. Er gründete in allen Kolonien sogenannte »committees of correspondence«, die gegenseitig Informationen austauschten und mit Hilfe von Zeitungen und Flugschriften darauf hinarbeiteten, die amerikanische Gesellschaft gegen das Mutterland England zu formieren. Zum Kreis der Mitarbeiter der Boston Gazette gehörte der Cousin von Samuel Adams, John Adams, nicht nur einer der Wortführer der Unabhängigkeitsfraktion im Kontinentalkongress, sondern auch der zweite Präsident der Vereinigten Staaten. Wie bei John Adams bildete bei einem großen Teil der politischen Elite der Gründungsphase der Vereinigten Staaten publizistisches und politisches Engagement eine unauflösliche Einheit. Die politischen und die publizistischen Protagonisten waren zum großen Teil identisch. Dies galt nicht nur für die Zeit der Formierung der amerikanischen Gesellschaft gegen die Kolonialmacht, sondern auch für die anschließend sehr schnell erfolgte Parteienbildung. In der Phase, als sich die politische Elite, die sich während der Revolution noch weitgehend einig gewesen war, an neuen, den inneren Aufbau der amerikanischen Gesellschaft betreffenden Fragen aufzuspalten begann, übernahmen die Zeitungen die Funktion des Sprachrohrs für die unterschiedlichen Positionen, die dann zur Grundlage für die sich bildenden Parteien wurden. Die Artikelserie, die Alexander Hamilton, James Madison und John Jay unter dem Sammelnamen »The Federalist« veröffentlichten, war die Basis fur die von Hamilton angeführte Partei. Zur Unterstützung der von ihm verfolgten politischen Linie gündete Hamilton 1789 die Gazette of the United 34

States, die sich in ihrem Programm darauf festlegte, die Politik der Regierung, der Hamilton als Finanz- und Wirtschaftsminister angehörte, zu unterstützen. Geleitet wurde die Zeitung von John Fenno, einem vormaligen Bostoner Lehrer, der Hamilton von Bostoner Federalists als fähiger Journalist und »Parteimann« empfohlen worden war. Als Thomas Jefferson 1790 aus Frankreich zurückkehrte und das Außenministerium übernahm, vertieften sich rasch die Gegensätze zwischen Hamilton und Jefferson, die sich bereits im Verfassungsstreit aufgetan hatten. Zwar saß Jefferson noch bis zu seinem Rücktritt 1793 mit Hamilton in demselben Kabinett; er opponierte aber schon bald auch öffentlich gegen die von Hamilton verfolgte politische Linie und schuf sich ein publizistisches Forum, um Anhänger für seine und gegen Hamiltons Linie zu werben. Zusammen mit James Madison, vormals gemeinsam mit Hamilton Autor des »Federalist«, veranlaßte Jefferson die Gründung der National Gazette, die am 31. Oktober 1791 erstmalig erschien und von dem Journalisten Philip Freneau geleitet wurde. Beide Zeitungen, sowohl die Gazette of the United States als auch die National Gazette, waren kaum in der Lage, sich allein zu tragen. Trotz weiter geographischer Verbreitung kam keine der Zeitungen wesentlich über 1500 verkaufte Exemplare hinaus. Während John Fenno finanziell von Hamilton unterstützt wurde, mußte Freneau sein Blatt schon 1793, nur zwei Jahre nach der Gründung, wieder aufgeben. Angesichts der kurzen Lebensdauer und geringen Auflage klingt Jeffersons Urteil über die National Gazette, das Blatt habe die Verfassung gerettet und das Land vor der Monarchie bewahrt, zwar etwas überzogen. 4 Das Entscheidende aber war, daß mit der National Gazette ein Forum entstand, wo sich der Widerstand gegen die von Hamilton und Washington verfolgte Politik artikulierte und bündelte. Die National Gazette beziehungsweise die von Benjamin Franklin Bache herausgegebene Aurora, die nach dem Eingehen der National Gazette die wichtigste Zeitung der Jefferson-Anhänger wurde, bildeten im öffentlichen Kommunikationsprozeß den Kristallisationspunkt, um den herum die Partei entstand, die für die von Jefferson vertretene Politik eintrat. Zwar gab es auch zu diesem Zeitpunkt in den USA Zeitungen, die behaupteten, unparteiliche Nachrichtenblätter zu sein. Doch bedeutete diese Unparteilichkeitsbehauptung, sofern sie überhaupt explizit gemacht wurde, nichts anderes, als daß die Zeitung, wie man später in Deutschland sagte, »mit Schere und Kleister« gemacht wurde und es politischen Journalismus im eigentlichen Sinne in diesen Zeitungen nicht gab. Wer zu dieser Zeit eine politische Zeitung machte, bezog Stellung und behauptete nicht, unparteilich zu sein. »Professions of impartiality I shall make none,« schrieb der Herausgeber der Porcupine's Gazette William Cobbett im März 35

1897 in seiner Zeitung und fuhr fort: er wolle nicht zu denen gehören, »who look on the conflict with perfect indifference, and whose only anxiety is the strongest side.« Ein Herausgeber, der nicht sein eigenes Urteil fälle, sei »a poor passive fool and not an editor.« In der Ankündigung des in Baltimore erscheinenden American and Daily Advertiser hieß es 1799: »The American people have long enough been imposed upon by pretended impartiality of printers; it is all delusion; every party will have its printer, as well as every sect its preacher ... Every editor who is capable of soaring above the flattery of villainy, and the adulation of power has too much at stake, in the contest of liberty against slavery, virtue against vice, and truth against sophistry, to admit of more than limited impartiality.«5 Wer als Journalist oder Herausgeber einer Zeitung ernstgenommen werden wollte, konnte sich nicht unparteilich geben. Da die politische Diskussion im wesentlichen durch die beiden sich gegenüberstehenden Parteien, die »Federalists« und die »Republicans«, dominiert und strukturiert wurde, bedeutete dies in der Regel, sich für die Unterstützung einer der beiden Parteien zu entscheiden. So richtete sich in relativ kurzer Zeit ein großer Teil der politischen Zeitungen nach den beiden Parteien aus. Was jedoch als Politisierung der öffentlichen Diskussion und Belebung der Zeitungslandschaft begonnen hatte, geriet im Laufe der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts immer mehr in eine Erstarrung. So konstatierte 1825 ein amerikanischer Journalist: »The press is now so conditionned in the United States that nearly every publisher is compelled to take a side in personal electioneering«.6 In Zeiten geringer Verbreitung und niedriger Auflagen sahen die Verleger in der engen Verbindung der Zeitungen mit den Parteien die sicherste Stütze fur die Existenz ihrer Blätter. Zum einen wurden sie von den Parteien mit Informationen versorgt, und zum anderen konnten sie auf finanzielle Unterstützung für den Fall hoffen, daß ihr Blatt in Schwierigkeiten geriet. Frank L. Mott bezeichnete in seinem Standardwerk zum amerikanischen Journalismus die Jahre zwischen 1801 und 1833 als »The dark ages of Partisan Journalism«. Diese Einschätzung resultierte in erster Linie aus der Erstarrung der Presselandschaft und dem damit zusammenhängenden Ton in den Zeitungen. Nachdem sich das bipolare Parteiensystem etabliert hatte, verloren die Zeitungen die parteibildende Funktion und wurden zu reinen Sprachrohren der Parteien. Bezeichnend fur diese Phase ist, daß die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu großen Teilen mit den Mitteln scharfer Polemik, persönlicher Diffamierungen etc. geführt wurde. Der Erfolg der in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts entstehenden Penny-Presse ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Immobilismus der von stereotyper Parteinahme und ermüdender Polemik geprägten Presse zu sehen. 36

Als James Gordon Bennett 1835 den New York Herald gründete, war er weder der einzige noch der erste, der versuchte, Zeitungen mit einem gänzlich neuen Konzept zu machen und vor allem zu verkaufen, doch er war der erfolgreichste. Bennett war selbst Journalist, und zwar durchaus Parteijournalist. Er hatte sich als Washingtoner Vertreter des New York Enquirer, eines der Blätter, die den Demokraten Andrew im Präsidentschaftswahlkampf unterstützten, schon einen Namen gemacht und wurde sogar deren Mitherausgeber. Als Colonel Webb, Hauptherausgeber des Enquirer, 1832 die politische Richtung seiner Zeitung wechselte und sich von den Demokraten abwandte, verließ Bennett den Enquirer und versuchte sich mit eigenen Zeitungsgründungen. Erst als er mit seinen Blättern nicht reüssierte und die erhoffte finanzielle Unterstützung seiner politischen Freunde aus der demokratischen Partei ausblieb, entschloß sich Bennett, eine völlig andere, nichtparteigebundene Zeitung zu gründen. Vorbild dafür war, neben anderen weniger erfolgreichen Billig-Zeitungen, vor allem die von Benjamin Day gegründete New York Sun, die sich mit dem griffigen Slogan »The Sun shines for All« ausdrücklich an die Bevölkerungsgruppen wandte, denen andere Zeitungen zu teuer und wohl auch zu uninteressant waren. Unbestritten ist, daß das Aufkommen der Penny Presse und insbesondere die Gründung des Herald durch James Gordon Bennett, der sich selbst ganz bescheiden für das Genie der Zeitungspresse hielt, einen wesentlichen Einschnitt nicht nur in der amerikanischen Pressegeschichte darstellte. In der Bewertung gehen die Urteile aber weit auseinander, wobei generell die amerikanische Geschichtsschreibung der sogenannten Geschäftspresse positiver gesonnen ist als die deutsche. Frank L. Mott überschrieb das Kapitel über die entstehende Penny-Presse mit »Sunrise« gegenüber den vorhergehenden »dark ages«. Frederic Hudson sah in seiner 1872 erschienenen Geschichte des amerikanischen Journalismus mit der Gründung des Herald im Jahr 1835 die Periode der »Independent Press« beginnen. In pressekritischen Darstellungen erscheint dagegen der Weg, den Day oder Bennett einschlugen, fast als eine Art Sündenfall der Pressegeschichte, weil hier erstmals massiv dem Verkauf der Zeitungen eindeutig Vorrang vor ihrer politischen Aussage gegeben wurde. Die Bedeutung des Herald ist in der Tat kaum zu überschätzen. Man dürfte mit der Behauptung nicht falsch liegen, daß in der von James Gordon Bennett gegründeten Zeitung im Kern die wesentiichen Elemente angelegt waren, die seitdem moderne (Massen)Presse - je nach Zeitung in sehr unterschiedlicher Ausprägung - auszeichnet. Und zwar galt dies für Bennetts Herald in weit stärkerem Maße als für die vergleichbaren englischen und französischen Zeitungen, die ebenfalls in den dreißiger Jahren aufkamen, wie vor allem für die französischen Zeitungen noch zu zeigen 37

sein wird. Zwei Hauptelemente sind hier in erster Linie zu nennen. Erstens: Die Verlagerung des Schwergewichts der Zeitung auf die Verbreitung von Nachrichten, und zwar zunehmend von selbst recherchierten und nicht bloß ungeprüft weitergegebenen Nachrichten. Gerade am Beispiel der weiteren Entwicklung der amerikanischen Presse wird sehr deutlich, wie eng fundierte Recherche mit reformerischem Anspruch einerseits und Sensationsjournalismus andererseits oftmals zusammenhingen. Nicht zuletzt trieb Bennetts Herald die Entwicklung sowohl in die eine als auch die andere Richtung voran. In jedem Fall galt der Herald auf Jahrzehnte hinaus als die Zeitung mit den meisten und zuverlässigsten Informationen. Zweitens: Der Anspruch auf parteipolitische Unabhängigkeit. »We shall support no party - be the organ of no faction or coterie, and care nothing for any election or any candidate from President down to a constable«, schrieb Bennett in der Sondernummer des Herald vom 6. Mai 1835. 7 Die Behauptung parteipolitischer Unabhängigkeit bedeutet zwar noch nicht, daß diese tatsächlich auch gegeben war. Für die Entwicklung der Presse ist jedoch von fundamentaler Bedeutung, daß die Zeitungen begannen, etwas anderes sein zu wollen, als Sprachrohre politischer Parteien oder Gruppierungen. Neben den positiven Effekten des zunehmenden Meinungspluralismus brachte der Anspruch auf Unabhängigkeit auf der anderen Seite die Tendenz zum Populismus hervor, wie er in extremer Form später von William R. Hearst zur Verkaufssteigerung seiner Zeitungen eingesetzt wurde. Auch hier war Bennett Vorreiter. »He tended to form his public identity on the basis of negatives, Anglophobia, anti-catholicism, and antiabolitionism in particular. He misled his unsophisticated readers with simplistic conspiratorial explanations of events and forces that greatly affected their lives«, schrieb James Crouthamel über Bennett. Gleichzeitig urteilte er über den Herald, dieser sei, abgesehen von den zunächst weitgehend von Bennett selbst geschriebenen »editorial columns«, das beste »newspaper« seiner Zeit gewesen.8 Trotz des Einschnitts, den die Gründung des Herald ohne Zweifel bedeutete, entwickelte sich die amerikanische Presse nicht sofort in die Richtung einer absoluten Dominanz des Nachrichtenjournalismus und der Reportage, also der Art von Journalismus, die später von Europa aus als »Amerikanismus« bezeichnet wurde. Auch wenn der Herald vor allem im Vergleich zu den tradionellen Zeitungen dem Nachrichtenanteil wesentlich mehr Raum und Sorgfalt widmete, waren die editorials weiterhin wichtiger Bestandteil der Zeitung. In noch weit größerem Maße galt dies für die 1841 von Horace Greeley gegründete New York Tribune. Greeley war wohl die neben Bennett hervorstechendste Figur des amerikanischen Journalismus in der Zeit zwischen 1840 und 1870 und die Tribune neben dem Herald eine der wichtigsten Zeitungen. Greeley verfolgte stärker als Ben38

nett politische Zielsetzungen und hatte selbst politische Ambitionen. 9 Er machte sich die Verkaufsstrategien der Penny-Presse weitgehend zu eigen, bediente sich aber seiner Zeitung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele, darunter insbesondere der Abschaffung der Sklaverei. Nachdem Greeley zunächst für die amerikanischen Whigs eingetreten war, engagierte er sich später fur die neuentstehenden Republikaner und trug mit seiner Zeitung nicht zuletzt mit zur Bildung der Republikanischen Partei bei. In seiner Geschichte des amerikanischen Journalismus bezeichnetete Mott die Jahre zwischen 1833 und 1860 als Spätphase der Parteipresse. Den Aufstieg der »independent press« setzte er flir die siebziger Jahre an. Durch diese Periodisierung erscheint der Einschnitt zwischen 1860 und 1870 tiefer als das Entstehen der Penny-Presse in den dreißiger Jahren, ohne daß Mott dies erläutert und ohne daß ein pressegeschichtliches Ereignis dies auf den ersten Blick rechtfertigen würde. Dennoch ist diese Periodisierung sinnvoll. Nach der Gründung der Republikanischen Partei Mitte der fünfziger Jahre und der sich daran anschließenden Verfestigung des Parteiensystems mit der seither existierenden Gegenüberstellung von Demokraten und Republikanern einerseits und dem Ende des Bürgerkriegs andererseits war die innergesellschaftliche Organisierung so weit abgeschlossen, daß der politische Rahmen für die folgenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hergestellt war und im Prinzip bis heute kaum verändert wurde. Die Presse, die zuvor integraler Bestandteil in der Auseinandersetzung um die Verfaßtheit der Gesellschaft war, konnte sich nun von der direkten Involvierung in parteipolitische Auseinandersetzung lösen und entwickelte in zunehmendem Maße Eigendynamik. Diese Eigendynamik entfaltete sich vorwiegend auf der Nachrichtenseite der Zeitungen. Auch wenn der Erwerbsaspekt für die Verleger sicherlich im Vordergrund stand, entwickelte sich in diesem Bereich bei den amerikanischen Journalisten die Tradition des Investigativjournalismus. Die Reportage in den verschiedensten Variationen wurde die Form des amerikanischen Journalismus schlechthin. Verleger wie Journalisten merkten sehr schnell, daß sie mit auf recherchierten Fakten beruhenden Reportagen größere und vor allem sehr viel direktere Wirkung erzielen konnten als mit den editorials. Bereits 1866 schrieb ein zeitgenössischer Beobachter: »The prestige of the editorial is gone. ... There are journalists who think the time is at hand for the abolition of editorials, and the concentration of the whole force of journalism upon presenting to the public the history and picture of the day. The time for this has not come, and may never come; but our journalists already know that editorials neither make nor mar a daily paper, that they do not much influence the public mind, nor change many votes, and that the power and success of a newspaper depend wholly and absolutely upon its success in getting, and its skill in exhibiting the news.... The news is the point ofrivalry;it is that which constitutes the power and

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value of the daily press; it is that which determines the rank of every newspaper in every free country.«10 Zwar ist diese Darstellung vor allem für die sechziger Jahre überspitzt und blieb auch nicht unwidersprochen, doch in der Tendenz war die Beobachtung richtig.11 Bemerkenswert ist dabei vor allem, daß hier nicht nur der Erfolg, sondern auch bereits die Macht der Zeitungen in Abhängigkeit von ihrer Fähigkeit, Nachrichten zu recherchieren und zu präsentieren, gesehen wurde. Nicht zuletzt der amerikanische Bürgerkrieg hatte die Bedeutung schneller und zuverlässiger Informationen wachsen lassen. Doch erst in den darauffolgenden Jahren lieferte eine ganze Anzahl amerikanischer Journalisten eindrucksvolle Beweise dafür, daß in der Form der Reportage wesentlich mehr Potential steckte als das bloße Beschaffen möglichst spektakulärer Nachrichten.12 So bildete auch für einen der bekanntesten Polizeireporter jener Zeit, Jacob A. Riis, »murder, fire, and sudden death« den Rohstoff für seine Reportagen, doch blieb er dabei nicht stehen, sondern verarbeitete den Stoff in der Regel so, daß nicht die sensationelle Story, sondern der soziale Hintergrund eines Verbrechens oder anderer Ereignisse im Vordergrund stand.13 Jacob A. Riis war 1849 in Dänemark geboren und arbeitete seit 1877 als Polizeireporter in New York für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem für die Tribune, World und Sun. Riis hatte, wie einige seiner Kollegen, eine Art Büro direkt gegenüber dem Polizeihauptquartier in der Mulberry Street, die eine Art soziale Scheidelinie bildete, jenseits derer die Slums der Lower East Side begannen. Die Einblicke, die er durch seine Recherchen in die Wohn-, Lebens- und Arbeitsverhältnisse der dortigen Bewohner erhielt, verarbeitete er in seinen Reportagen. Diese ließen ihn schließlich zu einem engagierten Sozialreformer werden. »How the other half lives: studies among the tenements«, lautete der Titel eines im Dezember 1889 in Scribner's Magazine erschienenen Artikels, der vor allem deshalb soviel Furore machte, da Riis seiner Reportage erstmalig Fotos beifügte und damit zum Begründer der sozialdokumentarischen Fotografie wurde. Daß diese Art Journalismus sich auch ökonomisch für die Verleger auszahlte, belegt die Tatsache, daß Scribner Riis anbot, eine erweiterte Fassung der Reportage als Buch zu drucken, das 1890 auch erschien.14 Als besondere Form der Reportage entwickelte sich in den neunziger Jahren die Rollenreportage. Sogenannte »stunt reporter« verschafften sich durch Verkleidung, gefälschte Dokumente oder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zugang zu öffentlichen Institutionen, um dann aus der Insiderperspektive über die Praxis dieser Institutionen zu berichten und Mißstände aufzudecken. Die berühmteste Vertreterin dieser Art von Enthüllungsreportage war die 1867 geborene Elizabeth Cochrane, die 1885 40

als Journalistin in Pittsburgh begann, wo sie sich unter dem Pseudonym Nellie Bly schnell einen Namen machte.15 Bereits zwei Jahre später ging sie an die von Joseph Pulitzer gegründete New York World. Pulitzers Name ist eng mit dem sogenannten »new journalism« verbunden, zu dessen Kennzeichen nicht zuletzt die Rollenreportage gehörte. Auch bei Pulitzer und seiner Starreporterin Elizabeth Cochrane wird deutlich, wie eng unter der Maßgabe einer möglichst hohen Auflage Sensationsjournalismus und gut recherchierte Reportage mit sozialreformerischem Ansatz zusammenhingen. Der äußerlich spektakulärste »stunt« von Elizabeth Cochrane alias Nellie Bly war die Jules Verne nachempfundene Reise um die ganze Welt, fur die sie acht Tage weniger als ihr literarisches Vorbild brauchte. Was hier zählte, war die über den gesamten Zeitraum der Reise am Leben gehaltene Aufmerksamkeit der Leserschaft für das von der Zeitung selbst inszenierte Ereignis. Auch bei anderen Stunt-Reportagen stand fur die Zeitungsmacher das Spektakuläre und der damit verbundene Verkaufserfolg sicher im Vordergrund, doch entstand auf diese Weise ein unter soziologischen und sozialreformerischen Aspekten bemerkenswertes Genre. So ließ sich Elizabeth Cochrane in das berüchtigte Irrenhaus auf Blackwell's Island einweisen, indem sie eine geistige Verwirrung vorgab, oder sie ließ sich verhaften, um über die Zustände in Frauengefängnissen zu schreiben, und vieles andere mehr. Durch ihren großen Erfolg fand sie schnell Nachahmer und Nachahmerinnen, und binnen kurzer Zeit wuchs diese Art von Reportage zu einer regelrechten Mode aus, die allerdings, bedingt durch das nachlassende Leserinteresse, auch wieder vorüberging. Doch schon bald entstand eine neue Variante der Enthüllungsreportage, das sogenannte »muckraking«. Das »muckraking«, als deren klassische Periode die Jahre zwischen 1902 und 1 9 1 2 / 1 7 gelten, war die erfolg- und folgenreichste Form des Reportagejournalismus, die nicht nur das Verständnis von Presse, sondern auch das von Demokratie maßgeblich beeinflußte.16 Der Einfluß des »muckraking« war vor allem deswegen so groß, weil die Art von Reportage, die mit diesem Etikett belegt wurde, nicht in Tageszeitungen, sondern in den neuen »ten cent«-Magazinen - McClure's, Everybody's, Collier's, Cosmopolitan, um nur die wichtigsten zu nennen - erschien und damit nicht nur regional begrenzt, sondern landesweit gelesen wurde. Die Methoden der »muckraker« blieben im Prinzip dieselben wie die anderer Enthüllungsreporter, doch im Gegensatz zu den Tageszeitungsjournalisten hatten sie wesentlich mehr Zeit und Raum für ihre Reportage. Dies schuf nicht nur die Möglichkeit zu einer erheblich profunderen Recherche, sonderen auch zu einer breiteren Darstellung, die weit stärker auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge eingehen konnte. Die sowohl einflußreichste als auch aufwendigste Reportage dieser Art war wohl die von Ida M. Tarbeil über 41

die Geschichte der Standard Oil Company, für die sie vier Jahre lang recherchierte. Den Kostenaufwand von rund 50 000 Dollar trug der Verleger McClure, in dessen Magazin die Geschichte 1 9 0 3 / 0 4 als Serie erschien.17 Anhand des Beispiels der Standard Oil Company sollte das korrupte Wirtschaftsgebaren der großen Industrietrusts öffentlich gemacht werden. »Die Reportagen zielen in erster Linie auf die Aufdeckung dessen, was Flynt [Josiah Flynt Willard, einer der einflußreichsten muckrakers; J.R.], einen Begriff aus dem Unterwelt-Argot übernehmend, als >graft< (Schiebung, Korruption) bezeichnet. ... >Graft< signalisiert den Blick hinter die Kulissen, verspricht insider-Wissen und bildet daher eine Metapher für den detektivischen Charakter der journalistischen Tätigkeit, die als enthüllende, unabhängig von Ziel und Zweck, news value besitzt.«18 Wenn auch im einzelnen schwer nachweisbar ist, wie groß der Einfluß der muckraker tatsächlich war, dürften jedoch wenig Zweifel darüber bestehen, daß ihre Artikel insgesamt wesentlich zu einem Klima beigetragen haben, das die Reformbedürftigkeit der amerikanischen Gesellschaft unterstrich, und damit direkt oder indirekt Reformen angestoßen haben. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch, daß diese »Crusaders for American Liberalism« (Filler) der Dynamik des amerikanischen Journalismus entstammten, die mit dem Entstehen der Penny-Presse in den dreißiger Jahren eingesetzt hatte. Die Zeitschriften dienten nicht bloß als Forum für ursprünglich außerhalb des Journalismus stehende Sozialreformer, die sich etwa der Mitteln der Reportage bedient hätten. Vielmehr waren es umgekehrt Reporter, die aufgrund ihrer Recherchen sozialreformerische Anstöße gaben. Wie Rolf Lindner nachgewiesen hat, lassen sich die Recherchemethoden der Reportage durchaus als Vorform der Großstadtsoziologie begreifen. Durch die Person Robert Ezra Parks, der zusammen mit Jacob A. Riis und Lincoln Siefens, einem der wichtigsten muckraker, Polizeireporter an der Mulberrey Street gewesen war und später der Kopf der Chicago School of Sociologie wurde, bestand sogar eine direkte personelle Verbindimg zwischen Reportage und wissenschaftlicher Soziologie. In seiner exzessiven Form war auch das muckraking eine Art Mode, die durch nachlassendes Leserinteresse wieder zurückging. Bis zu einem gewissen Grade fiel das muckraking derselben Dynamik, die es hervorgebracht hatte, wieder zum Opfer. Doch auch wenn eine gewisse Zahl von Magazinen, die durch die Welle des muckraking schnellen Erfolg hatten, in den Jahren 1910 bis 1915 wieder eingingen, hatte sich die Presse spätestens in dieser Phase als geachtete und gefürchtete öffentliche Kontrollinstanz etabliert. Enthüllungsjournalismus wurde damit jedoch auch zu einer Art Selbstzweck, der auf der einen Seite die Kontrollfunktion der Presse von den politischen Einstellungen der Journalisten bis zu einem gewissen Grade unabhängig machte, der auf der anderen Seite die Grenzen zwischen 42

Enthüllungs- und Sensationsjournalismus immer stärker verschwimmen ließ. Beide Tendenzen sind in dem stark an den news orientierten amerikanischen Journalismus spätestens seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts deutlich erkennbar. Sie bildeten letztlich die zwei Seiten derselben Medaille. Seit den dreißiger Jahren hatte der Journalismus unter dem Einfluß von Verlegern, die Zeitungen als lukrative Unternehmen konzipierten, begonnen, sich aus der Funktionseinheit mit der Politik und insbesondere der Parteipolitik zu lösen. Im Zuge dieser Entwicklung hatte der Beruf des Journalisten immer klarere, von der Tätigkeit eines Politikers oder Schriftstellers zunehmend unterscheidbare Konturen gewonnen. Sicher fand in einer ersten Phase dieser Entwicklung ein ähnlicher Verberuflichungsprozeß statt, wie er für Deutschland später eingehender beschrieben werden wird. Stellt man die Frage der Professionalisierung des Journalistenberufs, so ließe sich gemäß der Vorgaben der klassischen Modelle auf diesem Gebiet auf relativ frühe Versuche, eine Journalistenausbildung in speziellen Schulen anzubieten, verweisen.19 Letztlich würde man aber vermutlich zu einem ähnlichen Ergebnis wie James Retallack in bezug auf Deutschland kommen, daß nämlich der Journalistenberuf Anfang des 20. Jahrhunderts »some, but not all of the hallmarks, of a free profession« trug. Mit dem Konzept einer »informellen« Professionalisierung käme man vermudich weiter. Es spricht vieles dafür, daß sich auf dem Arbeitsmarkt der Journalisten gerade in den USA zunehmend ein spezifisches Anforderungsprofil für Reporter und Redakteure herausbildete, ohne daß je - sei es von Verlegern oder von den Journalisten selber - auch nur annähernd verbindliche Richtlinien entworfen worden wären, welche Qualifikationen oder gar formalen Bildungspatente zu fordern wären. So entstand ein Profil des Berufs, das trotz bleibender Überschreitungen zu anderen, verwandten Tätigkeiten nicht nur eigene Konturen, sondern ein eigenes Ethos entwikkelte. Spätestens seit der muckraking-Ära bestand dies vor allem in einem investigativen Journalismus im Dienst der Demokratie. Fragen nach der Herausbildung eines solchen Ethos wie nach der sich wandelnden journalistischen Praxis wären für das Problem der Professionalisierung mindestens so wichtig wie die Suche nach den klassischen Merkmalen einer Professionalisierung.

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2 . England: Die Konzeption der Presse als »Fourth Estate« Die englische Presse des 19. Jahrhunderts besaß nicht nur unter den europäischen Zeitgenossen einen guten Ruf, sondern gilt auch bis heute unter Historikern weithin als die im internationalen Vergleich wohl beste ihrer Zeit. Diesen Ruf verdankte sie auf der einen Seite der weitgehenden Freiheit, die sie vor allem im Vergleich zu der Presse in den anderen europäischen Ländern genoß. Auf der anderen Seite war es die Konzeption der Presse als »Fourth Estate«, der Anspruch auf Unabhängigkeit, der allen voran von der Times populär gemacht, propagiert und mit Einschränkungen auch durchaus eingelöst wurde, der für den Ruf der englischen Presse verantwordich war. Doch diese Konzeption des »Fourth Estate« war auch der englischen Presse nicht in die Wiege gelegt, sondern entstand erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Frage, welche Motive es für die Entwicklung dieser Konzeption gab, was sie beinhaltete und was sie für Folgen hatte, soll im folgenden in groben Zügen beantwortet werden, da im Anschluß für Frankreich und Deutschland die Frage im Mittelpunkt stehen wird, inwieweit eine solche Konzeption von Presse auch in diesen Ländern Vorbildfunktion hatte.20 Die Entwicklung der englischen Presse verlief nicht nur anders als die der amerikanischen, sondern auch anders als die der meisten europäischen Länder, da infolge der frühen Parlamentarisierung die Entstehung politischer Parteien dem Entstehen öffentlicher Kommunikation vorausging.21 Die im engeren Sinne parteibildende Funktion von Zeitungen fiel damit für die englische Presse zumindest bezüglich der Whigs und Tories weg. Beide Parteien erkannten jedoch bald die Bedeutung der Zeitungen und nutzten sie für ihre politischen Ziele. Im frühen 18. Jahrhundert war es zunächst in erster Linie die jeweilige Regierungspartei, die die Presse für sich einsetzte. Unter der in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts beginnenden Herrschaft der Whigs begann jedoch erstmals auch die Opposition, sich in ihrer Auseinandersetzung mit der Regierung wirksamer publizistischer Mittel zu bedienen. Allen voran war es der Führer der Konservativen Henry Saint-John Bolingbroke selbst, der, seiner Macht beraubt, die öffentliche Auseinandersetzung mit der Regierung suchte. Mit dem Craftsman gründete Bolingbroke 1726 »die publizistische Plattform der Opposition«. Habermas sieht in der Gründung dieser Zeitschrift einen entscheidenden Einschnitt: »Mit dieser Zeitschrift, der später Gentleman's Magazine folgt, etabliert sich erst die Presse recht eigentlich zum kritischen Organ eines politisch räsonierenden Publikums, als: Fourth Estate.«22 Diese Einschätzung erscheint mir falsch. Zwar entstand mit der Oppositionspresse in der Tat eine politisch räsonierende Öffentlichkeit, doch darf diese nicht mit der Presse als »Fourth Estate« gleichgesetzt 44

werden. Diese Konzeption entstand erst wesentlich später, und zwar in Absetzung gegen die Funktion, die die Presse bis dahin gehabt hatte. Inwieweit die Presse später dieser Konzeption tatsächlich gerecht wurde, ist eine andere Frage, doch deren Formulierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts wäre unverständlich, wenn die Presse diese Rolle bereits in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts eingenommen hätte. Bolingbrokes publizistische Tätigkeit bildete wie etwa bei Alexander Hamilton oder Thomas Jefferson eine Einheit mit seinem politischen Engagement. Dort, wo Journalismus nicht einfach aus ungeprüfter Weitergabe von Nachrichten bestand, war er unauflöslich mit Politik verbunden. Mit der Gründung von Oppositionszeitungen wurde die bereits parlamentarisch geäußerte Kritik öffentlich, wodurch sich der Charakter von Politik grundsätzlich zu ändern begann. Doch gerade der das gesamte 18. Jahrhundert anhaltende Streit über die Veröffentlichung der Parlamentsdebatten zeigt, daß die Funktion der Presse zunächst die einer Art Erweiterung des Parlamentsforums war. Auch wenn die Presse nicht direkt an dem Zustandekommen der Parteien beteiligt war, übertrug sie durch die Veröffentlichung der parlamentarischen Auseinandersetzungen die Polarisierung von Regierung und Opposition, von Whigs und Tories auf die Gesellschaft und entfaltete so das von Habermas hervorgehobene Potential der Öffentlichkeit zur gesellschaftlichen Selbstorganisation. Bei der fortschreitenden Politisierung, enorm verstärkt durch die Französische Revolution, spielten die im Parlament vertretenen Parteien weiter eine wichtige Rolle. Die zu großen Teilen noch farblose Nachrichtenpresse begann sich unter dem Einfluß der Parteien zunächst häufig nach diesen auszurichten. Auch außerhalb Londons versuchten Whigs und Tories, sich eine publizistische Basis zu schaffen, und gründeten oder kauften zu diesem Zweck Zeitungen, die zunächst keine kommerziellen Unternehmungen waren, sondern als Organe der lokalen Parteiorganisationen dienten. Diese Art Zeitungen dominierten in der Provinz bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, während in der Londoner Presse der Verkaufsaspekt auch bei den Zeitungen, die sich als Organ einer der beiden dominanten politischen Parteien verstanden, zunehmend wichtiger wurde. Eine originär politische Rolle spielten Zeitungen noch einmal fur die entstehende Arbeiterbewegung. Zeitungen wie Feargus O'Conners Northern Star waren weit davon entfernt, Anspruch auf journalistische Unabhängigkeit zu erheben. Ihr Ziel bestand darin zu agitieren, Anhänger zu gewinnen und auf diese Weise die Gesellschaft umzuformen. Die Chartisten- und Arbeiterpresse stärkte zwar gewiß das kritische Potential der Öffentlichkeit und erweiterte dessen Basis, doch war sie integraler Bestandteil der gesellschaftlich-politischen Auseinandersetzung. Als einzelne Zeitungen, allen voran die Times, begannen, die Presse in der Rolle einer 45

unabhängigen »Vierten Gewalt« zu sehen, beanspruchten sie, etwas anderes zu sein als ein Teil der »political machine«. Wie in den USA entstand auch in England in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts eine billige Penny-Presse. Doch die Veränderungen im Journalismus gingen in England weit weniger von der Penny-Presse aus, die in den dreißiger Jahren auch nicht sehr erfolgreich war, als von der traditionellen Presse selbst. Daß es aber, wie bei der amerikanischen PennyPresse, in erster Linie ökonomische Motive waren, die die Times und andere Zeitungen dazu veranlaßten, parteipolitische Unabhängigkeit fur sich in Anspruch zu nehmen, ist in der englischen Pressegeschichtsschreibung unbestritten. Die Politik der Unabhängigkeit habe die Times im Vertrauen auf die Erkenntnis betrieben, »that independence was a marketable commodity«, schrieb Tom Morley in einem Aufsatz über die Times und das Konzept des »Fourth Estate«.23 Die Times war eine der ersten und in jedem Fall die auf diesem Gebiet erfolgreichste Zeitung, die erkannte, daß sich Information besser verkaufen ließ als politische Agitation. Das große Gewicht, das die Times daher auf die Nachrichtenbeschaffung legte, führte dazu, daß sie 1836 als wohl einzige Zeitung der Welt von sich behaupten konnte, sie verfuge über »correspondents, all over the inhabitated world, who have access to the most authentic sources of information in foreign courts and countries«.24 Die große Überlegenheit, die die Times allen anderen Zeitungen gegenüber vor allem bezüglich der inländischen Informationen besaß, war nur dadurch möglich, daß sie ständig enge Kontakte zur jeweiligen Regierung unterhielt. So konnte die Times zwar schon früh fur sich in Anspruch nehmen, über den Parteien zu stehen, doch, wie Stephen Koss schrieb: »Even when it had postured as being above party, it was seldom above government.«25 Ihre exklusive Stellung erkaufte die Times dadurch, daß sie die jeweilige Regierungspolitik unterstützte, was für sie bei einem Regierungswechsel auch eine Änderung ihrer Politik bedeutete. »It floats with the tide, it sails with the steam«, schrieb ein Beobachter im Jahr 1823. 2 6 Dieses Dilemma, das auch ein ökonomisches Problem war, da bei einer Änderung der politischen Richtung auch die Gefahr bestand, Leser zu verlieren, verbunden mit der Tatsache, daß sich die englische Presse seit den dreißiger Jahren zunehmend von direkter staatlicher Kontrolle lösen konnte, führte dazu, daß die Times nicht nur die eigene Rolle neu definierte, sondern der Presse insgesamt eine neue Rolle zuwies, nämlich die des »Fourth Estate«. In erster Linie war es der Journalist und zeitweilige Times-Redakteur Henry Reeve, der sich in der Entwicklung dieser Konzeption hervortat. In den Leitartikeln der Times vom 6. und 7. Februar 1852 formulierte er erstmals öffentlich seine Konzeption. Sein Gedanke, daß die Presse ein unabdingbares Bindeglied zwischen der öffentlichen Meinung und der 46

Regierung sein sollte, erscheint zunächst nicht besonders originell. Ähnliches findet sich bei allen frühliberalen Theoretikern der Pressefreiheit wie Benjamin Constant oder Theodor Welcker. Doch im Gegensatz zu Welcker oder Constant, bei denen Pressefreiheit synonym mit Mitspracherecht des Volkes und damit nur eine Variante parlamentarischer Mitsprache war, entwickelte Reeve seine Gedanken vor dem Hintergrund bestehender Pressefreiheit und eines funktionierenden parlamentarischen Systems. So spezifizierte er die Funktion der Presse auch wesentlich gegenüber den liberalen Theoretikern und wies ihr eine vom Parlament klar unterschiedene Rolle zu. »The duty of the journalist is the same as that of the historian - to seek out truth, above all things, and to represent to his reader, not such things as statecraft would wish them to know, but the truth, as near as he can attain it.« Staatskunst sei gekennzeichnet durch »concealment, evasion, factious combinations, the surrender of convictions to party objects, and the systematic pursuit of expediency«, während es die oberste Aufgabe der Presse sei, »to obtain the earliest and most correct intelligence of the events of the time and by instantly disclosing them, to make them the property of the nation.« 27 Zwar setzte Reeve die Funktion der Presse insbesondere von der Vertretung der Regierungspolitik ab, da jedoch die jeweilige Oppositionspartei immer potentielle Regierungspartei war, mußte sich die Presse von der Vertretung von Parteiinteressen überhaupt trennen, wenn sie die ihr von Reeve zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen wollte. Als Reeve wenige Jahre zuvor Charles Greville seine Ideen zur Funktion der Presse mitgeteilt hatte, reagierte dieser bezeichnenderweise mit leichtem Unverständnis: »I am not sure I understand what you mean by >the duty of a journalist lying apart from that of the members and agents of the Govt.Fourth Estate< of the Realm: not merely the written counterpart and voice of the speaking >Thirdd'informationd'opinionPflanzschuleorgane< (combien ce vocabulaire paraît démodé!) une réelle autorité vis-à-vis de l'opinion publique.« 217 Die Ausführungen legen nicht so sehr Zeugnis über den tatsächlichen Zustand der französischen Presse um die Jahrhundertwende ab, als daß sie Ausdruck eines spezifischen journalistischen Selbstverständnisses sind. Von einem »excès du reportage« und Zeitungen, die zu - im negativen Sinne verstanden - »agences d'informations« geworden seien, konnte, bezogen auf Frankreich, nur ein Journalist sprechen, fur den Information alles andere als den Kern seines Berufes darstellte. Im Verständnis des ehemaligen Redakteurs des Journal des Débats bildete die Redaktion einer Zeitung eine durch gleiche Anschauungen verbundene soziale Einheit, die fur eine gemeinsame Sache einstand - ein »lieu de sociabilité«, wie er von Tudesq insbesondere bezogen auf die Zeitungen der Julimonarchie beschrieben worden ist. Dadurch, daß die politischen Redakteure der wichtigen Tageszeitungen aufs engste mit dem politischen Milieu verbunden, wenn nicht überhaupt Teil davon waren, stellte sich fur die journalistische Elite das Problem der Informationsbeschaffung nicht oder jedenfalls nicht in der Weise, daß sie hier einen Kernbereich ihres Berufes gesehen hätte. Ihr »Informiert-sein«, ihr Wissen darüber, was in der Politik gespielt wurde, war das Kennzeichen ihrer Tätigkeit, und nicht das Bemühen, Informationen einzuholen. Das mußten nur die versuchen, die nicht dazu gehörten und damit automatisch im zweiten oder dritten Glied unter den Journalisten standen. Das Sammeln von Nachrichten erschien vor dem Hintergrund eines derartigen Berufsver112

ständnisses per se als eine nachgeordnete, wenn nicht minderwertige Tätigkeit. Auf der anderen Seite gab es jedoch durchaus eine Reihe von Stimmen, die die langsame Zunahme des Nachrichten- und Reportagejournalismus als Fortschritt und als Abbau eines Defizits begriffen, das man gegenüber dem englischen und amerikanischen Journalismus konstatierte. » Avonsnous en France des Crawford, des Forbes?« fragte Eugène Dubief, ein Journalist, der eine Zeitiang im Innenministerium für Pressepolitik zuständig gewesen war, in Anspielung auf zwei berühmte britische Reporter.218 Zum Teil war es gewissermaßen »sportliche« Anerkennung, die man den angelsächsischen Kollegen für ihren Aufwand und ihre Leistungen hinsichtlich der Schnelligkeit und Präzision ihrer Berichterstattung zollte. Vor allem beim Blick auf die englische Presse ging die Annerkennung bei manchen zeitgenössischen Autoren jedoch darüber hinaus, und sie nutzten den Vergleich als Folie für eine substantiellere Kritik des französischen Journalismus.219 In scharfsinniger und abgewogener Art und Weise tat dies bereits 1858 der liberale Publizist und Politiker Lucien Prévost-Paradol, der seinerseits durchaus ein typischer Vertreter des von ihm angegriffenen Journalismus war.220 Zunächst wandte er sich gegen den immer wieder an die Adresse der englischen Presse gerichteten Vorwurf, ganz und gar von den Anzeigen dominiert zu sein. Es stimme zwar, daß eine Zeitung wie die Times einen enorm hohen Anteil an Anzeigen habe, doch gehe das nicht auf Kosten des inhaltlichen Teils, insbesondere der Politik, die dadurch keine Zeile verliere, da die Zeitungen einfach umfangreicher seien. Prévost-Paradol ging allerdings noch nicht so weit, den Spieß umzudrehen und in dem niedrigen Anzeigenanteil der französischen Zeitungen ein Problem zu sehen. Daß das große Anzeigenvolumen der englischen Presse ihre finanzielle Unabhängigkeit sicherte und daß umgekehrt die Korruption beziehungsweise die besondere Willfährigkeit der französischen Zeitungen wirtschaftlichen Interessen gegenüber in unmittelbarem Zusammenhang mit den geringen Einkünften stand, die das normale Anzeigengeschäft einbrachte, drang erst langsam ins Bewußtsein. Prévost-Paradol erkannte, daß die englischen Zeitungen auf einer anderen journalistischen Konzeption beruhten als die Zeitungen seines Landes. Der große Wert, der in England auf Umfang und Exaktheit der Nachrichten gelegt wurde, erscheint so nicht bloß als zwar anerkennenswerte, aber doch relativ beliebige Besonderheit der englischen Presse, sondern als Ergebnis eines anderen journalistischen Selbstverständnisses. Damit war auch die Funktion, die die englische Presse erfüllte, eine andere als die der französischen Presse. In leicht polemischer Zuspitzung formulierte Prévost-Paradol bezogen auf die englische Presse: »La question n'était pas de 113

savoir qui flatterait le mieux l'opinion publique mais qui instruirait le mieux le public; la victoire ne devait pas rester au plus éloquent, mais au mieux informé.«221 Während die französischen Zeitungen, ohne dem Leser die Fakten zunächst zu nennen, die Ereignisse gleich kommentierten und im Sinne ihrer jeweiligen politischen Richtung interpretierten, sähen es die englischen Zeitungen als ihre vornehmste Aufgabe an, ihr Publikum in erster Linie über die jeweiligen Ereignisse in Kenntnis zu setzen. »Qu'on lui parle d'une révolution, d'une intrigue diplomatique, d'une bataille, d'un accident, aucun détail ne le lasse ni le rebute; on dirait qu'il [le public; J. R.] assiste à l'instruction d'une cause, et il est aussi patient devant son journal que sur les bancs du jury.«222 Ohne an die Parteien gebunden zu sein, verfolgten die Zeitungen insbesondere in innenpolitischen Fragen keinerlei unabänderliche Prinzipien, sondern behandelten jede Frage für sich »avec une entière indépendance«. Englische Zeitungen, so PrévostParadols Resümee, seien nicht, wie die französischen, Instrumente der politischen Auseinandersetzung, sondern unabhängige Informations- und Kontrollorgane. Die französische Presse dagegen »est donc avant tout une presse de partis; qui ne voit que c'est la source de sa grandeur et de ses misères?« Wenn Pévost-Paradol neben den Schwächen auch die »Größe« des französischen Journalismus herausstreicht, war dies nicht nur eine Konzession an den Journalismus seines Landes, sondern es charakterisierte, wenn man über die etwas pathetische Überhöhung hinwegsieht, durchaus sowohl das Selbstverständnis als auch die Stärke des französischen Journalismus, wenn er fortfuhr: »II y a de la grandeur à rester indocile aux mouvements variables de l'opinion et à rester debout contre la fortune. Il y a de la grandeur à lutter pour une idée, tantôt avec la foule et tantôt dans la solitude, avec le cours des événements et malgré leur cours. ... mais elle [la presse; J. R.] est faible surtout parce qu'elle est enchaînée au sort des partis et qu'elle partage leurs revers aussi bien que leurs victoires.«223 So erscheinen der distanziert und akribisch auf die Darstellung der Fakten konzentrierte englische Journalist einerseits und der gegen alle Widerstände fur eine Idee kämpfende französische Journalist andererseits als die idealisierten Inkarnationen des Journalismus der beiden Länder. Zwischen 1858, dem Erscheinungsdatum von Prévost-Paradols Aufsatz, und dem Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich auch der französische Journalismus, so daß diese idealtypische Gegenüberstellung die Realität vor allem des französischen Journalismus des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts nur noch bedingt erfaßt. Trotz weiter bestehender enger Verbindungen zu den »Parteien« waren die Massenzeitungen ihrem Inhalt, ihrem Ton und ihrer Konzeption nach keine politischen Kampfzeitungen mehr. Die Zeitungen lösten sich schließlich auch in Frankreich langsam von ihrer politischen Instrumentalisierung, ohne jedoch gänzlich dem angel114

sächsischen Beispiel zu folgen. Ohnehin wäre es zu einseitig, den französischen Journalismus nur unter dem Blickwinkel »relativer Rückständigkeit« im Vergleich zu den Vorreiterländern England und USA zu betrachten. Zwar fiel in England und den USA die Funktionseinheit von Presse und Politik vergleichsweise schnell und umfassend auseinander. Doch dafür entwickelte sich in Frankreich ein eigenständiges, von der angelsächsischen Presse unterschiedenes Modell, das sich durch jenes im einzelnen beschriebene dreifach symbiotische Verhältnis zu Politik, Wirtschaft und Literatur auszeichnete. Seine Prägung erhielt der französische Journalismus in erster Linie im politischen Bereich. Die Gründe dafür, daß der Journalismus wesentlich länger als in England und den USA integraler Bestandteil der Politik blieb, sind zum einen in der insgesamt bewegten politischen Geschichte Frankreichs im 19. Jahrhundert und zum anderen bei der relativen Schwäche der französischen Parteiorganisationen zu suchen, als deren »Ersatz« die Zeitungen bis zu einem gewissen Grade fungierten. Ihrem Selbstverständnis nach eher Mitgestalter als Beobachter der politischen Verhältnisse, entwickelten die französischen Journalisten jenes spezifische Unabhängigkeitsbewußtsein kaum, das insbesondere ihre englischen Kollegen beanspruchten. Als fatal erwies sich dies insbesondere im Wirtschaftsjournalismus, der dort, wo er nicht schlicht korrupt war, sich doch fast überall durch eine ausgesprochene Willfährigkeit wirtschaftlichen Interessen gegenüber auszeichnete.224 Wesentlich vom politischen Journalismus geprägt war nicht zuletzt der Vorrang, der dem Meinungs- vor dem Nachrichtenjournalismus eingeräumt wurde. Dies hatte zur Folge, daß sich auch in anderen journalistischen Bereichen das intensive Bemühen um Nachrichten und Neuigkeiten nur langsam entwickelte. Da die Auflagen der Massenzeitungen auch ohne aufwendige Reportagen im ausgehenden 19. Jahrhundert enorme Höhen erreichten, entstand von Seiten der Zeitungsbesitzer kein dahingehender Druck. Der Typus des überall herumschnüffelnden und nach Sensationen gierenden Reporters amerikanischer Provenienz blieb dem französischen Journalismus damit jedoch ebenso erspart, wie es auf der anderen Seite kaum einen französischen Journalisten gab, der den hartnäckig und sorgfältig recherchierenden Reportern wie Jacob Riis oder Ida Tarbell nachgeeifert hätte. Zu den Stärken des französischen Journalismusmodells gehörte es, daß die personelle Verbindung von Journalismus und Politik sich nicht nur in der Nähe der Journalisten zur Politik, sondern auch umgekehrt in der Nähe der Politiker zum Journalismus manifestierte. So war zwar die französische Presse als eigenständig recherchierende Kontrollinstitution weniger wirkungsvoll als in den USA. Als Forum der politischen Auseinandersetzung entfaltete sie nicht nur durch die Symbiose von Politik und Jour115

nalismus, sondern auch durch die enge Verbindung von Journalismus und Literatur, von Journalisten und gens de lettres ihre besondere Wirkung. Die Intensität der Diskussion der Dreyfusaffäre und die hohe Beteiligung »der Intellektuellen«, ja nicht zuletzt das Gewicht, das den Intellektuellen in der französischen Öffentlichkeit zukam und auch noch immer zukommt, haben gewiß auch hier ihre Ursachen. In der deutschen Diskussion um die Presse wurde im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert wiederholt die Distanz beklagt, die seitens der Personen des öffentlichen Lebens zur Presse gehalten werde. In diesem Zusammenhang wies man gerade auf das Beispiel Frankreichs hin, wo sich Politiker, Professoren und Schriftsteller in ganz anderem Maße am öffentlichen Diskurs beteiligten.225 So ergibt sich das zunächst paradox erscheinende Ergebnis, daß auf der einen Seite die politische Öffentlichkeit in Frankreich mit Hilfe der Presse in hohem Maße aktiv blieb, daß aber auf der anderen Seite die »vorzüglichste Institution« der Öffentlichkeit, wie Habermas die Presse bezeichnet hat, als eigenständige Institution gleichzeitig relativ schwach oder sogar korrupt war. Die Entwicklung der französischen Presse im 19. Jahrhundert macht jedoch deudich, daß deren Stärke als Instrument der politischen Auseinandersetzung und die Schwäche als unabhängig kontrollierende Institution die beiden Seiten derselben Medaille waren. Wenn Marc Martin behauptet, der Journalistenberuf sei gegen Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere durch die zunehmende Trennung von Journalisten und den gens de lettres »autonom« und damit schließlich auch zu einer regelrechten Profession geworden, ist daran zwar richtig, daß die Tätigkeit des Journalisten ein eigenständigeres Profil bekam. Da der »esprit de corps dans le monde de la presse«, wie Martin selbst darlegt, vor allem dort seinen Kern hatte, wo die Verbindung zwischen Politik und Journalismus geradezu institutionalisiert worden war, nämlich in den journalistischen Vereinigungen »autour de ce noyau des journalistes devenus hommes politiques«, erscheint schon von daher fraglich, inwieweit man von einer Autonomie des Berufes sprechen kann.226 Das Ziel der journalistischen Elite, so wie es sich in den journalistischen Vereinigungen manifestierte und wie es in einer Vielzahl von Einzeläußerungen zum Ausdruck kommt, war gerade nicht ein autonomer, »professionalisierter« Beruf, sondern bestand darin, möglichst enge Verbindung mit der Politik zu halten, und wohl auch darin, weiterhin zu den gens de lettres gezählt zu werden.

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TEIL Β

Deutschland: Vom Zeitungsschreiber zum Journalisten. Die Entwicklung des »freien« Berufes unter staatlicher Vormundschaft

Wendet man den Blick auf die deutsche Entwicklung, ist damit zunächst ein zeidicher Sprung verbunden. Ähnlich wie in den Kapiteln über die USA, England und Frankreich bildet das späte 18. Jahrhundert den Ausgangspunkt der Untersuchung. Innerhalb des Prozesses, der gemeinhin als Entstehung der Öffentlichkeit bezeichnet wird, begannen sich auch die Grundlagen für den Aufstieg der Presse und damit für die Entstehung und die Etablierung des Berufes der Journalisten herauszubilden. Diese Ausgangsbedingungen sollen im folgenden knapp dargestellt werden, und zwar zum einen was die inhaltliche, und zum anderen was die soziale Seite des entstehenden Berufes betrifft. Wie in der Einleitung dargelegt, wird für Deutschland anders als für Frankreich die Sozialgeschichte des Berufes breit untersucht. Dies geschieht im Anschluß an die Skizzierung der Grundlagen der Entwicklung, bevor dann, ähnlich wie für Frankreich, nach den Veränderungen der Berufswirklichkeit und des Berufsverständnisses der Journalisten gefragt wird.

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I. Das Zusammenwachsen von Nachrichtenübermittlung und Nachrichtenbewertung zu einem neuen Beruf In einer der wenigen Arbeiten zur Geschichte des deutschen Journalismus unterschied Dieter Baumert 1928 neben einer bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts dauernden »präjournalistischen Periode« drei Zeiträume der Entwicklung: Die Periode des »korrespondierenden Journalismus« bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, die des »schriftstellerischen Journalismus« bis zum Ende des Vormärz und schließlich die seitdem andauernde Periode des »redaktionellen Journalismus«.1 Versteht man diese Periodisierung durchaus in Baumerts Sinne - nicht als getrennt aufeinanderfolgende Phasen, sondern als fur die jeweiligen Zeiträume dominante Erscheinungsformen, die zunehmend ineinandergriffen und sich dabei veränderten, bietet die von Baumert vorgenommene zeitliche und begriffliche Gliederung tragfähige Beschreibungskategorien für die frühen Entwicklungs-stufen des Journalismus bis hin zur festen Etablierung des redaktionell eingebundenen Berufsjournalismus. Unter dem »korrespondierenden« Journalismus verstand Baumert das Einholen, Sammeln und Veröffentlichen von weitgehend per Korrespondenzen weitergegebenen Nachrichten beziehungsweise Gerüchten. Die »Journalisten« in diesem Sinne waren Postmeister oder Drucker, die die auf unterschiedlichen Wegen zu ihnen gedrungenen Nachrichten häufig ohne weitere redaktionelle Bearbeitung zusammenstellten und abdruckten. Eine Bewertung der Meldungen, ein Räsonnement, wie die Zeitgenossen das Diskutieren der Ereignisse nannten, blieb in vielen der so entstandenen »Avisenzeitungen«, sei es wegen mangelnder Qualifikation der »Redakteure«, sei es, weil die Zensur wenig Spielraum dazu ließ, bis weit ins 19. Jahrhundert hinein aus. Umso intensiver fand dieses dagegen in den zum Teil als »Schriftstellerzeitungen« bezeichneten Blättern statt. Für den Zeitraum zwischen 1750 und 1850 ist eine solch idealtypische Trennung zweier unterschiedlicher periodischer Publikationstypen sinnvoll. Doch statt von »Avisen-« und »Schriftstellerzeitungen« zu sprechen, wie Baumert es tut, schlage ich die Gegenüberstellung von »Herausgeber-« und »Verlegerzeitungen« vor. Diese Unterscheidung beruht zum einen mit Bezug auf die Trägerschaft des Blattes auf einem vergleichsweise klaren Merkmal und vermeidet zum anderen impli118

zite Wertungen, wie sie bei Bezeichnungen wie »Schriftsteller-« oder »Individualzeitung« mitschwingen. Zudem umgeht die so gewählte Differenzierung die für das ausgehende 18. und frühe 19. Jahrhundert zwar immer wieder gebrauchte, aber wenig praktikable Unterscheidung zwischen Zeitung und Zeitschrift. Das Kriterium der Erscheinungshäufigkeit, das diesbezüglich im allgemeinen als maßgeblich gilt, ist fur diesen Zeitraum unbrauchbar, da Blätter, die ihrem Charakter nach eher als »Zeitungen« einzustufen wären, zum Teil seltener erschienen als ein Teil der Blätter, die von der Länge und dem Charakter ihrer Artikel eher Zeitschriften nahekamen. 2 Die Zeitgenossen verwendeten die Begriffe ohnehin häufig mehr oder weniger synonym. Unter den »Herausgeberzeitungen« werden hier all jene Blätter verstanden, die, um nur einige wenige zu nennen, von Wielands Deutschem Merkur, Schubarts Deutscher Chronik, Göckingks Journal von und ßir Deutschland über Görres' Rheinischen Merkur, Ludens Nemesis, Rottecks Teutsche Blätter oder Pfeilschifters Zeitschwingen bis hin zu Siebenpfeiffers Westboten, Wirths Deutscher Tribüne, Gutzkows Telegraphen für Deutschland oder Herloßsohns Kometen zum einen unauflöslich mit dem Namen ihrer Gründer und Herausgeber verbunden und zum anderen in der Regel von kurzer Lebensdauer waren. Sofern die Herausgeber, die häufig auch als Haupt- zum Teil sogar alleinige Verfasser fungierten, nicht wie etwa Christoph Martin Wieland ihre Blätter im Selbstverlag druckten, gaben sie diese bei einem Verleger in Auftrag, der auf den Inhalt des Blattes in der Regel kaum Einfluß hatte. 3 Der oder in Einzelfällen die Herausgeber trugen das geschäftliche und politische Risiko weitgehend oder ausschließlich allein. Bei einem drohenden Verbot ihres Blattes entschieden sie darüber, ob ein vorsichtigerer Ton angeschlagen wurde oder nicht. Bei einem tatsächlichen Verbot bestand für sie noch immer die Möglichkeit, einen neuen Druckort in einem anderen Bundesstaat zu suchen, ein Weg den etwa der ehemalige Jenaer Medizinprofessor Lorenz Oken mit seiner infolge der Karlsbader Beschlüsse verbotenen Zeitschrift Isis gleich zweimal ging, um das Blatt zu retten. Letztlich gelang dies aber nur, weil er gleichzeitig die Anstoß erregenden politischen zugunsten wissenschaftlicher Artikel zurücknahm. 4 Ludwig Börne und andere versuchten mit ihren Blättern ähnliches, scheiterten über kurz oder lang jedoch an der wirksamen Durchsetzung der Karlsbader Beschlüsse. Weit häufiger noch als an den Verboten gingen jene Ein-Mann-Zeitungsunternehmen allerdings an der mangelnden ökonomischen Basis zugrunde. Bei dem hier als »Verlegerzeitung« bezeichneten Publikationstyp stand für deren Träger dagegen der Erhalt der ökonomischen Basis und damit der Fortbestand der Zeitung im Vordergrund. Die enorme Langlebigkeit, die nicht nur Zeitungen wie die Vossische oder die Königsberger Hartungsche 119

Zeitung, die Leipziger, die Magdeburgische oder die Schlesische Zeitung, sondern auch einen großen Teil der wenig bedeutenden kleinstädtischen Zeitungen auszeichnete, lag darin begründet, daß diese Blätter zumeist Generation fur Generation in den Händen derselben Verlegerfamilie blieben, deren primäres Interesse der geschäftliche Erfolg und der damit verbundene Erhalt der Zeitung war. In der Rückschau auf das ausgehende 18. und frühe 19. Jahrhundert erscheint diese Art von Zeitungen vor allem im Vergleich zu den von Publizisten wie Wekhrlin, Görres oder Wirth verfaßten beziehungsweise herausgegebenen Blättern häufig als recht fade Kost. So kann auch kein Zweifel bestehen, daß der intellektuelle Gehalt der »Herausgeberzeitungen« in aller Regel weit höher war als das, was die meisten »Verlegerzeitungen« ihren Lesern anboten. Ersteren wurde und wird zum Teil immer noch in der Zeitungs- und der Geschichtswissenschaft wesentlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Doch abgesehen davon, daß den von den Verlegern getragenen Zeitungen inzwischen eine für die Breitenwirkung und somit insgesamt für den Prozeß der Entstehung der Öffentlichkeit höhere Bedeutung beigemessen wird, als dies lange Zeit der Fall war, kam den »Verlegerzeitungen« fur die Entstehung und Weiterentwicklung des Journalistenberufs eine wesentlich größere Bedeutung zu als den »Herausgeberzeitungen«. 5 Von den ökonomischen Sorgen um die Zeitung befreit, gleichzeitig aber auch zumindest potentiell den nicht zuletzt ökonomisch bedingten Weisungen des Verlegers unterworfen, bot sich einer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts langsam anwachsenden Gruppe von Personen die Möglichkeit, den Beruf des Journalisten in einem Angestelltenverhältnis auszuüben. Hier entstand der »redaktionelle Journalismus«, dessen eigentliche Periode Baumert mit der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnen läßt, der sich tatsächlich aber, wenn auch zunächst sehr langsam seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und dann mit einer gewissen Beschleunigung seit 1830 entwickelte. Der Typus des nur von der Person des Herausgebers getragenen Blattes mit mehr oder minder tagesaktuellem Bezug verschwand dagegen nach der Jahrhundertmitte weitgehend, beziehungsweise er nahm klarer den Charakter von Zeitschriften an, bei denen jedoch wie bei den Zeitungen die Position des Verlegers in den meisten Fällen stärker wurde. Mit Zeitschriften wie Maximilian Hardens Zukunft, Julius Rodenbergs Deutscher Rundschau und einigen anderen entstanden jedoch gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder Blätter, die eindeutig mit der Person ihres Herausgebers identifiziert wurden. Die Zunahme des Räsonnements, die Diskussion und Kritik der sellschaftlichen Zustände und der Maßnahmen der Regierungen, an sich Journalisten in ihren Zeitungen verstärkt beteiligten, gilt als grundlegende Wandlungsmoment der Presse seit dem ausgehenden 120

geder das 18.

Jahrhundert. Das Hauptaugenmerk der Pressegeschichtsschreibung hinsichtlich dieser Epoche liegt daher auf dem an vielen Stellen angefochtenen Kampf um die Möglichkeit zu politischer Meinungsäußerung in der Presse. Die Bedeutung des Prozesses, innerhalb dessen »die Zeitungen ... aus bloßen Nachrichtenpublikationsorganen auch Träger und Leiter der öffentlichen Meinung« wurden, ist unbestreitbar.6 »Meinungspresse« erscheint dabei jedoch häufig so sehr als normativer Fluchtpunkt, daß Veränderungen, die im Nachrichtenbereich der Zeitungen lagen, kaum beachtet werden. In der zeitgenössischen Diskussion um die Presse des ausgehenden 18. Jahrhunderts fällt jedoch auf, daß nicht nur mehr Räsonnement gefordert, sondern in erster Linie das Problem der vielfach unzuverlässigen und belanglosen Informationen reflektiert wurde. So läßt sich gerade in dem Zeitraum, in dem zunehmend Räsonnement und Kritik Eingang in die Presse fanden, auch ein Bewußtseinswandel bezüglich des Wertes von Nachrichten feststellen. 1784 verfaßte Karl Philipp Moritz, der gerade Redakteur der Vossischen Zeitung in Berlin geworden war, eine kurze programmatische Schrift über das »Ideal einer vollkommenen Zeitung.«7 Auch wenn Moritz meinte, eine solche Zeitung »müsse ganz anders beschaffen seyn, als irgend eine, die jemals noch bis jetzt geschrieben worden« ist, war das Programm, das ihm vorschwebte, nicht weit von dem entfernt, das auch die moralischen Wochenschriften verfolgten.8 Die Zeitung, so Moritz, sei »vielleicht das beste Vehikel, wodurch nützliche Wahrheiten unter das Volk gebracht werden könnten«.9 Die Betonung dabei lag fur Moritz mindestens so sehr auf dem moralischen Nutzen wie auf der Wahrheit der Dinge, die in den Zeitungen verbreitet werden sollten. »Denn«, schrieb er weiter, »was heißt es nun, wenn man sagt: Frankreich hat dieses oder jenes beschlossen, u.s.f. ... Giebt mir dies nun wohl mehr Stoff zum Nachdenken, als wenn es heißt, in Paris ist ein starker Hagel gefallen, oder in Metz hat ein Gewitter eingeschlagen? ... Ein Vergleich zwischen zwei Sackträgern, die sich auf der Straße gezankt haben, kann, in so fern er den Charakter der Nation bezeichnet, für den Menschenbeobachter wichtiger seyn, als ein Vergleich zwischen Rußland und der ottomanischen Pforte.«10 Die in der zeitgenössischen Presse häufig bunt gemischten und ohne nähere Erläuterung versehenen Meldungen über die verschiedensten Ereignisse, Schlachten, Naturkatastrophen, abgeschlossene Verträge oder fürstliche Feste, deren Bedeutung für die Leser gleichermaßen im dunkeln blieb, veranlaßten Moritz zu der Forderung nach einer Abwendung von den scheinbar großen hin zu den kleinen, aber bedeutsamen Begebenheiten des menschlichen Zusammenlebens. Als Redakteur der Vossischen Zeitung scheiterte Moritz allerdings schnell, und auch in Zukunft zeitigte sein Programm wenig Wirkung auf den Inhalt der Zeitungen. Das Pro121

blem, an dem Moritz ansetzte, nämlich dem zumeist geringen Informationswert der beliebig zusammengestellten Nachrichten, wurde auch in der weiteren Diskussion um die Presse immer wieder thematisiert. Die daraus abgeleiteten Forderungen an den Inhalt der Zeitungen gingen jedoch in eine andere Richtung. So prangerte Joachim von Schwarzkopf in einer 1795 erschienenen zeitungskundlichen Schrift: an, »wenn ein Ritterordenfest bis auf den Winkel des gebogenen Knies voran dargestellt und dagegen der Abschluß eines Bündnisses unter einem Wust unerheblicher Nachrichten versteckt ist.«11 Während fur Moritz die Zeitung in erster Linie ein Mittel der moralischen Erziehung war, klagte Schwarzkopf die bessere Erfüllung der in seinen Augen zentralen Funktion der Zeitung ein, nämlich die Leser zu informieren. So forderte er wiederholt Korrektheit bei der Nennung von Zahlen und Namen, denn, schrieb er weiter, erst wenn die »erforderlichen Data und Prämissen« bekannt seien, dürfe »auch der Zeitungsverfasser ein Urteil kühnlich wagen.«12 Es spricht viel dafür, daß die Ereignisse der Französischen Revolution einiges dazu beitrugen, daß der Anspruch an die Qualität und Schnelligkeit der Berichterstattung deutlich anstieg. Konnte Moritz fünf Jahre vor dem Ausbruch der Revolution noch eine Abkehr der Zeitungsschreiber von den »großscheinenden«, aber letztlich bedeutungslosen Begebenheiten fordern, waren mit der Französischen Revolution Ereignisse eingetreten, die nicht nur »groß schienen«, sondern tatsächlich so »groß« waren, daß sie nach ständiger und korrekter Berichterstattung verlangten. Es war ein »Informationserwartungsraum« entstanden, der die Leser an die Zeitungen konkrete Fragen über den Fortgang der Geschehnisse richten ließ.13 So brachen nicht wenige auf, »um die Revolution an den Quellen zu sehen« und darüber in Deutschland zu berichten.14 Der ehemalige preußische Offizier Johann Wilhelm von Archenholtz fuhr im Sommer 1791 nach Paris, um »die politischen Wunder in der Nähe anzustaunen und vielleicht Vorteil daraus zu ziehen«.15 Der Vorteil bestand darin, daß er selbst vor Ort für seine in Berlin erscheinende Zeitschrift Minerva über die Pariser Ereignisse berichten konnte. Als Archenholtz nach Berlin zurückkehrte, verpflichtete er Konrad Engelbert Oelsner als festen Pariser Berichterstatter. Mit einiger Berechtigung läßt sich hier die Geburt des modernen Korrespondentenwesens ansetzen. Im Gegensatz zu dem häufig wahllosen Nachrichtensammeln an bestimmten Nachrichtenumschlagplätzen berichtete hier ein Korrespondent mit konkretem Auftrag und konkreter Fragestellung. Aus dem Unterschied zwischen wahlloser Aneinanderreihung unterschiedlichster Meldungen und gezielt selektierten »historisch wichtigen Facta« entwickelte die Neueste Weltkunde, die Vorläuferin der Allgemeinen Zeitung, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu der wohl wichtig122

sten deutschsprachigen Tageszeitung werden sollte, denn auch ihr Programm. Nicht ganz zufällig war der Plan zur Gründung der Zeitung in Paris entstanden und besprochen worden. 16 In der ersten Nummer der Neuesten Weltkunde vom 1.1.1798 hieß es: »Nicht erwarten dürfen sie [die Leser; J. R.] gerade das, was der Hauptstoff der meisten anderen Zeitungen ist: Zerfetzte, oft im nemlichen Blatte mehr als einmal sich widersprechende Briefauszüge, Aufzählungen der anwesenden Kammerherren oder Kanonenschüsse bei irgendeiner Vermählung oder anderer Festlichkeit; überhaupt nicht Facta, die keine Spur des Seyns hinter sich lassen. ... Was man hingegen in derselben zu suchen berechtigt ist, sind wahre Facta historisch wichtige Facta - so viel wie möglich alle wahren und historisch wichtigen Facta.«17 Daß die von dem Verleger Johann Friedrich Cotta gegründete Zeitung sich vor allem im Nachrichtenbereich tatsächlich von allen übrigen politischen Zeitungen deudich abhob, wurde von Zeitgenossen schon bald wahrgenommen. In einer Kritik der Zeitung im Neuen Teutschen Merkur von 1799 hob der Verfasser hervor, daß der Leser dort detaillierte Informationen über die wichtigsten politischen Ereignisse bekomme, wohingegen in allen anderen politischen Zeitungen nur »chronikmäßige Rhapsodien«, »bloße Repertorien unverdauter und unverbürgter Sagen« zu finden seinen. Bezeichnend ist, daß der Kritiker gerade nicht das Räsonnement der Allgemeinen Zeitung positiv herausstrich. Die wertenden Stellungnahmen gingen ihm bereits zu weit: »Sollte es denn durchaus unmöglich seyn, ein politisches Tageblatt zu liefern, das sine ira et studio nur Thatsachen darstellte, dem Leser das Heranziehen der Resultate überließe?«18 Der Unmut des Kritikers rührte von dem Umstand her, daß es für den interessierten Zeitgenossen weit schwieriger war, relevante und exakte Informationen über die Zeitereignisse zu erhalten als allgemeines Räsonnement. Die Forderung nach Pressefreiheit, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in den deutschen Staaten mit immer größerer Vehemenz erhoben wurde, bis sie im Vormärz zum Synonym der Forderung nach Freiheit schlechthin wurde, war nicht nur, wie es häufig erscheint, eine Forderung nach Meinungsfreiheit, sondern insbesondere auch nach Informationen. Wenn Hoffmann von Fallersleben 1841 in seinen »Unpolitischen Liedern« dichtete: »Wie ist doch die Zeitung interessant/ Für unser liebes Vaterland!/ Was haben wir heute nicht alles vernommen!/ Die Fürstin ist gestern niedergekommen,/ Und morgen wird der Herzog kommen,/ hier ist der König heimgekommen, / dort ist der Kaiser durchgekommen./ Wie interessant, wie interessant!/ Gott segne das liebe Vaterland!«19 kam darin genau jene Klage über die Inhaltslosigkeit der Zeitungen, deren »chronikmäßigen Rhapsodien« zum Ausdruck, die die Zeitgenossen bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert erhoben hatten. 123

War im ausgehenden 18. Jahrhundert die Rückständigkeit der deutschen Presseentwicklung gegenüber den westlichen Vorreiterländern tatsächlich weniger groß als es häufig den Anschein hat, klaffte im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schere zunehmend auseinander. Dennoch blieb auch in Deutschland trotz der restriktiven Maßnahmen der Karlsbader Beschlüsse die Entwicklung nicht stehen. So entstanden nicht nur immer mehr jener kurzlebigen, politisch engagierten »Herausgeberzeitungen«, für die »Literaten« wie Philipp Jakob Siebenpfeiffer, Johann Georg August Wirth, Karl Mathy, Arnold Ruge, Friedrich Wilhelm Held oder Karl Gutzkow verantwortlich zeichneten. Qualitative Verbesserung setzte sich langsam auch in den Zeitungen durch, die, von den Verlegern getragen, primär als Geschäftsunternehmen fungierten. Zumindest galt dies für die Zeitungen, die nach dem Vorbild der Allgemeinen Zeitung von hauptberuflichen Journalisten redigiert wurden. Die Verbesserung bezog sich zum einen auf den Informationsgehalt und zum anderen auf die Zuverlässigkeit der Informationen. Es war nicht zuletzt eine Folge der Verberuflichung der redaktionellen Arbeit, daß »unverdaute und unverbürgte Sagen« aus den Zeitungen zunehmend verbannt wurden, auch wenn man weit davon entfernt war, »alle wahren und historisch wichtigen Facta« bringen zu können, wie es die Allgemeine Zeitung ihrem Programm zufolge angestrebt hatte. Dennoch entwickelte sich gerade das Cottasche Blatt, dessen Redaktion wohl als die »professionellste« im deutschsprachigen Bereich über die gesamte erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hin gelten kann, zu einer der europaweit bestinformierten und -informierenden Zeitungen. In den Zeitungsredaktionen der Allgemeinen, der Kölnischen, Vossischen oder Schlesischen Zeitung, deren Verleger ihre Redaktionen nach und nach im Vormärz mit hauptberuflichen Journalisten besetzten, wurden die sozialen Voraussetzungen für den neu entstehenden Beruf des Journalisten geschaffen. Hier entwickelte sich zudem im Umgang mit Nachrichten, deren Beschaffung, Selektion, Übermittlung und Kommentierung ein Tätigkeitsbereich, der den Journalisten ein eigenes, auch von Schriftstellern unterscheidbares Berufsprofil verschaffte. Auch wenn die von einzelnen bedeutenden Journalisten getragenen »Herausgeberzeitungen« inhaltlich den meisten »Verlegerzeitungen« lange Zeit den Rang abliefen, wird mit Hinblick auf die Herausbildung des Journalistenberufs der Schwerpunkt der Untersuchung auf den von den Verlegern getragenen politischen Tageszeitungen liegen.

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II. Zur Sozialgeschichte des Journalistenberufs 1. Die sozialen Grundlagen des Berufsjournalismus Die Entstehung eines Arbeitsmarktes fur Journalisten in Form von Zeitungsredaktionen, die mit fest angestellten, hauptberuflichen Redakteuren besetzt wurden, war Teil der Herausbildung eines literarisch-publizistischen Marktes, der seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zunächst einer kleinen, aber langsam wachsenden Zahl von Männern und sehr wenigen Frauen die Möglichkeit eröffnete, vom Schreiben in seinen unterschiedlichsten Formen zu leben.1 In der Literatur werden vor allem die Schwierigkeiten hervorgehoben, mit denen der Versuch, sich als Schriftsteller oder Journalist über Wasser zu halten, behaftet war. So verfluchten insbesondere die Schriftsteller häufig den Druck, unter den ungewohnten Marktbedingungen schreiben zu müssen. Vor allem im Vormärz sehnten sich viele nach den Zeiten zurück, in denen es noch möglich gewesen war, von einer Mäzenenrente zu leben oder in einer Stellung als Hofpoet oder Bibliothekar ohne größere dienstliche Verpflichtungen und ohne Erwerbsdruck seinen schriftstellerischen Neigungen nachzukommen. Doch die Chancen, die der Prozeß eines in alle Richtungen expandierenden literarisch-publizistischen Marktes fiir diejenigen bot, die vom Schreiben leben wollten, sind ebenso hervorzuheben wie die Zwänge, die dadurch entstanden. Immerhin mußte sich August von Schlözer schon den Vorwurf der Geldgier gefallen lassen, als bekannt wurde, daß er mit seinem Briefwechsel meist statistischen Inhalts (1775-82) und dem Nachfolgeorgan, den Staatsanzeigen (1783-94), durchaus wohlhabend geworden war.2 Anfang des 19. Jahrhunderts verdiente der Gymnasialdirektor und vielseitige Publizist Karl August Böttiger durch Rezensionen, Aufsätze, Leitartikel, Korrespondenzen und die Herausgabe kleiner Zeitschriften mehr als ihm sein eigentlicher Beruf einbrachte. Als Gymnasialdirektor bekam er jährlich 900 Taler und durch seine publizistische Tätigkeit zeitweise zusätzlich 1600 Taler.3 Ein großer Teil seiner Honorare stammte aus seiner Tätigkeit fiir verschiedene Blätter des Cotta-Verlags, dessen anständige Bezahlung für eine ganze Reihe von Literaten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Tat der Tropf des Überlebens war. Daß die immer wieder zitierten Klagen der Schriftsteller und Journalisten ihre tatsächliche finanzielle Situa125

tion nicht immer ganz richtig widerspiegeln, zeigt das Beispiel Karl Gutzkows. Im Februar 1836 hieß es in den Geheimberichten des Mainzer Informationsbüros, das die oppositionellen Schriftsteller akribisch überwachte, Gutzkow habe zwei Verleger, Cotta und Campe, die ihn, auch wenn er mehrere Jahre nichts schriebe, nicht verließen. Zudem bekomme er von der Allgemeinen Zeitung 1100 Gulden jährlich für seine Beiträge.4 1852 schrieb Gutzkow an Feodor Wehl, der in einem Artikel behauptet hatte, Gutzkow verdiene 3000 Taler im Jahr, er bedürfe einer solchen Summe jährlich, »aber verdienen? Erschreiben? Da sein muß fast diese Summe jährlich, um anständig zu leben, 4 Kinder zu erziehen, eine junge Frau nicht mit Mühsal zu placken und der Welt nicht den Triumph zu gönnen, daß ein Literat, der nicht schmeicheln, speichellecken, sich verkaufen, in den Modeton des Tages nicht einstimmen kann, pauvre geht.«5 Hier wird deutlich, daß es um mehr ging, als um die Möglichkeit, sich durch das Schreiben ein passables Auskommen zu verschaffen. Ein Einkommen von 3000 Talern jährlich, das Gutzkow als angemessen ansah, lag in den fünfziger Jahren klar im oberen Bereich bildungsbürgerlichen Verdienstes.6 Der Anspruch war somit, sich ohne Sorgen um materielle Belange der Schriftstellerei widmen zu können. Der expandierende literarischjournalistische Markt bot durchaus die Chance, sich hier ein Auskommen zu verschaffen. Für die Vielzahl junger Literaten, die vor allem seit den dreißiger Jahren auf diesem Markt ihr Glück versuchten, reichte das dort zu verdienende Geld jedoch in der Tat nicht aus. Der Umstand, daß die Verleger der größeren Zeitungen in dieser Zeit begannen, hauptberufliche Redakteure zu beschäftigen und zudem der Bedarf an außerredaktionellen Mitarbeitern langsam anstieg, trug immerhin zu einer gewissen Entlastung des Marktes bei.7 Quantitative Angaben zu den Schriftstellern und Journalisten, die seit dem ausgehenden Jahrhundert hauptberuflich tätig waren, sind nur auf der Basis von Schätzungen zu machen. Die Zahlen, die das Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller von Hamberger und Meusel für die Zeit zwischen 1760 und 1800 nennt, können sich, sofern man ihnen überhaupt eine Bedeutung zumißt, nur auf die Gesamtzahl derer beziehen, die sich - in der erdrückenden Mehrzahl neben ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit schriftstellerisch betätigten. Anders lassen sich die genannten Zahlen von 2000 bis 3000 »Schriftstellern« im Jahr 1760 und über 10 000 »Schriftstellern« um 1800 kaum verstehen. Entsprechend waren auch unter den Mitarbeitern der von Biester und Gedike herausgegebenen Berlinischen Monatsschrift, die von 1783 bis 1811 existierte, lediglich ein Dutzend freier Schriftsteller. Von wenigen Ausnahmen abgesehen - fünf Kaufleuten, einem Handwerksmeister und einem Buchhändler - bestand die übrige Mitarbeiterschaft aus Beamten.8 Auch unter Herausgebern der bekannte126

ren periodischen Publikationen des ausgehenden 18. Jahrhunderts finden sich nur wenige Berufsjournalisten - Schubart und Wekhrlin, Forter, Rebmann und Posselt wären hier als Beispiele anzuführen - , während die meisten unter den Herausgebern, wie Schlözer, Schirach, Dohm, Boie, Gedicke, Biester, Moser, Campe und Göckingk, um nur einige bekannte Namen zu nennen, in ihrem Hauptberuf als Beamte und Gymnasial- oder Universitätsprofessoren tätig waren. Die Zahl von 2000 bis 3000 freien Schriftstellern, die Haferkorn fur das ausgehende 18. Jahrhundert nennt, erscheint somit bei weitem zu hoch gegriffen. Vielmehr dürfte Wehler mit seiner Vermutung richtig liegen, daß um 1800 kaum mehr als »ein Häuflein von rund hundert Männern« von dem, was sie mit der Feder produzierten, leben konnte.9 Im Vormärz änderte sich die Lage deutlich. Unter den Herausgebern der Vielzahl von kurzlebigen Blättern, die seit Anfang der dreißiger Jahre auf dem Markt erschienen, finden sich kaum noch Beamte oder Professoren.10 Zwar war ein großer Teil der Mitarbeiter der Zeitungen und Zeitschriften weiterhin nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich auf die publizistische Tätigkeit angewiesen. Doch ist dieser Markt viel zu unübersichtlich, um eine Schätzung des Verhältnisses von neben- zu hauptberuflichen »Literaten« vornehmen zu können. Da die überwiegende Zahl derer, die ausschließlich vom Schreiben zu leben versuchte, dies nur schaffen konnte, wenn sie sich möglichst vielen Blättern als Rezensenten, Korrespondenten oder sonstige Mitarbeiter empfahlen, ist anzunehmen, daß sich das Verhältnis auch hier deutlich zugunsten der hauptberuflichen Schriftsteller und Journalisten verlagerte. »In keinem anderen Land Europas ist die allgemeine literarische Wehrpflicht so im Schwange wie bei uns«, schrieb Heinrich Laube im Rückblick auf seine Studienzeit in den zwanziger und dreißiger Jahren.11 Zum einen brachte er damit zum Ausdruck, was viele seiner Zeitgenossen in ähnlicher Weise wahrnahmen: die personelle Überschwemmung des literarischen Marktes.12 Wenn Laube ironisch von »Wehrpflicht« sprach, wird auf der anderen Seite deutlich, daß für die meisten die schriftstellerisch-journalistische Betätigung vielfach nur einen zeitlich begrenzten Ausflug in die literarische Welt darstellte. An anderer Stelle seiner »Erinnerungen« zeigt sich denn auch, wie neu der Beruf des Schriftstellers und Journalisten noch war. Als Laube Anfang der dreißiger Jahre zu Besuch in sein Heimatstädtchen Sprottau kam, fragte man sich: »Was ist er eigentlich? ... Er schreibt Bücher und Zeitungen, hieß es. Der Stand war ihnen ganz neu; aber da ich mit Extrapost gekommen und sauber gekleidet war, so respektierten sie den Stand.«13 So dürfte auch gegen Ende des Vormärz die Zahl hauptberuflicher Schriftsteller und Journalisten kaum über 1000 Personen gelegen haben. Wesentlich besser als auf dem schwer zu überschauenden allgemeinen 127

Markt der Literaten läßt sich die langsame Durchsetzung des Berufsjournalismus in den Redaktionen der von Verlegern getragenen politischen Zeitungen verfolgen. Dieser zunächst noch sehr kleine Arbeitsmarkt gewann fur die Gesamtenwicklung des Berufes zunehmend an Wichtigkeit. Die von der ökonomischen Macht der Verleger getragenen Zeitungen entwickelten sich langsam, aber unaufhaltsam zum Kernbereich des Journalismus, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, daß diese Zeitungen mehr und mehr auch für nicht redaktionell gebundene Journalisten interessant wurden. Denn mit wachsendem qualitativen Anspruch der Leserschaft wuchs der Bedarf dieser Zeitungen an außerredaktionellen Mitarbeitern, insbesondere an auswärtigen Korrespondenten. Vorreiter dieser Entwicklung war in mehrfacher Hinsicht die 1798 von Johann Friedrich von Cotta gegründete Allgemeine Zeitung.14 Die Allgemeine Zeitung war zwar nicht die erste, die einen hauptberuflichen Journalisten beschäftigte. Am Hamburgischen Correspondenten war mit Heinrich Stöver mindestens seit 1793 ein Redakteur tätig, der keinen weiteren Beruf nebenher ausübte.15 Doch gerade der Vergleich mit dem Hamburger Blatt macht Cottas Innovationsleistung deutlich. Zwar erreichte der Hamburgische Correspondent dank seines günstigen Standortes an einem der wichtigsten Nachrichtenumschlagplätze Europas unter Stövers Leitung Ende der neunziger Jahre des 18. Jahrhundert eine Auflage von 2 5 - 3 0 000 Exemplaren. Damit war die Zeitung die wohl auflagenstärkste Europas.16 Doch konnte dieses Niveau in keiner Weise gehalten werden. Weiter unter Stövers Redaktion wurde der enorme Standortvorteil nach und nach verspielt; die Auflage fiel, allerdings auch unter dem Einfluß der napoleonischen Zensur, bis 1813 wieder auf unter 10 000 Exemplare. Doch auch danach konnte man nicht an die alten Erfolge anknüpfen und die Zeitung versank mehr und mehr in Bedeutungslosigkeit. 1847 erreichte der Correspondent mit einer Auflage von 4000 Exemplaren einen vorläufigen Tiefstand.17 Da kaum eine andere deutsche Stadt ähnlich gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zeitung bot wie die Hafenstadt Hamburg als traditionelle Nachrichtenbörse mit einer vergleichsweise breiten bürgerlichen und insbesondere wirtschaftsbürgerlichen Schicht und schließlich einer vergleichsweise liberalen Zensur wird deutlich, wie sehr beim Hamburgischen Correspondenten ein Verleger fehlte, der die Bedeutung der Zeitung hätte sichern oder ausbauen können. Symptomatisch ist, daß nach dem Tod des langjährigen, hauptberuflichen Redakteurs Stöver im Jahr 1822 wieder ein nebenberuflicher Journalist die Redaktion übernahm und sich so der Auflagenverlust weiter beschleunigte.18 An der Auflage des Hamburgischen Correspondenten konnte sich die Allgemeine Zeitung zunächst in keiner Weise messen lassen. Bis 1815 kam das von Tübingen zunächst nach Stuttgart und schließlich nach Augsburg 128

verlegte Cottasche Blatt nur selten über die Zahl von 2000 verkauften Exemplaren hinaus.19 Cotta hielt jedoch an seinem Konzept einer professionell gemachten und gut informierten Zeitung fest und bemühte sich von Beginn an, ein Netz von Korrespondenten zu schaffen, das die Basis fur die Bedeutung bildete, die die Allgemeine Zeitung langsam annahm. So kletterte die Auflage bis in die vierziger Jahre auf gut 9000 Exemplare. Im internationalen Vergleich war man damit zwar von einer Spitzenstellung weit entfernt. In Deutschland aber wurde das Augsburger Blatt bis zur 48er Revolution nur von der Vossischen Zeitung, die 1847, wie bereits erwähnt, einen Sprung auf knapp 20 000 Exemplare machte, deutlich übertroffen.20 Während die meisten Redaktionen noch Ein-Mann-Unternehmen waren, arbeitete Cotta schon sehr bald zunächst mit zwei und seit 1833 in der Regel mit vier Redakteuren.21 Allein die Kölnische Zeitung zog Ende der vierziger Jahre bei der Redaktionsgröße gleich und verfugte nach der zusätzlichen Einstellung eines Feuilletonredakteurs am Vorabend der 48er Revolution sogar über die am stärksten besetzte deutsche Redaktion.22 In ihrer Vorreiterrolle war die Allgemeine Zeitung gleichzeitig die große Ausnahme in der sich ansonsten wesentlich langsamer vollziehenden Entwicklung zum redaktionell eingebundenen Berufsjournalismus. Bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts finden sich nur sporadisch hauptberuflich tätige Redakteure. In der Regel waren es nach wie vor die Verleger selbst, die ihre Zeitungen »redigierten«, das heißt in erster Linie aus anderen Zeitungen zusammenstellten. Als etwa Marcus DuMont 1805 durch die Hochzeit mit Katharina Schauberg Chef des Schaubergschen Verlages wurde, war er damit gleichzeitig auch Redakteur der Kölnischen Zeitung. Im nächsten Schritt wurde dann vielfach, so auch bei der Kölnischen Zeitung, ein nebenberuflich für sie arbeitender Redakteur hinzugezogen. 1820 übernahm bei der Kölnischen Zeitung der Prokurist der Firma zusätzlich die redaktionellen Arbeit - das allerdings eher untypisch. Weit häufiger übernahmen statt dessen Gymnasiallehrer die Redaktionsgeschäfte im Nebenamt. So wurde die Vossische Zeitung zwischen 1789 und 1797 und zwischen 1806 und 1822 jeweils von einem Gymnasiallehrer geleitet. Ebenso waren bei der Schlesischen und der Breslauer Zeitung, der Königsberger Hartungschen Zeitung, der Augsburger Postzeitung und, wie schon gesehen, dem Hamburgischen Correspondenten bis in die vierziger Jahre hinein mindestens ein, zum Teil auch mehrere Lehrer nacheinander beschäftigt.23 In kleineren Städten standen häufig auch Pfarrer den Verlegern zur Seite. Vereinzelt finden sich daneben Advokaten, Bibliothekare und Professoren. Bis auf wenige Ausnahmen wurden somit Akademiker für diese Arbeit herangezogen, da die wichtigste Voraussetzung dafür das Beherrschen von Fremdsprachen war, um die ausländischen Zeitungen lesen und übersetzen 129

zu können. Da dies zum einen aber häufig schon die einzige Qualifikation war, die die nebenberuflichen Redakteure mitbrachten und zum anderen die Arbeitsbelastung mehr und mehr anstieg, gingen die ambitionierteren Verleger zumindest in den größeren Städten etwa seit den dreißiger Jahren dazu über, hauptberufliche Journalisten zu beschäftigen. Bei der Vossischen Zeitung wurde 1826 der erste und nur zwei Jahre später der zweite hauptamtliche Redakteur eingestellt. 1835 folgte die Breslauer Zeitung, 1837 die Kölnische Zeitung, 1838 die Spenersche Zeitung, 1839 die Schlesische, 1846 die Königsberger Hartungsche Zeitung mit der Einstellung des ersten hauptberuflichen Journalisten.24 Auch bei kleineren Zeitungen wie etwa der Elberfelder, der Bremer oder der Stadt-Aachener Zeitung setzte sich seit den späten dreißiger Jahren dieser Trend fort. Nicht zuletzt wird bei den ambitionierteren Neugründungen in dieser Zeit deutlich, daß Erfolg mit einer Zeitung nur noch zu erzielen war, wenn die Verleger nicht nur nach einem, sondern bald auch nach zwei hauptberuflichen Redakteuren Ausschau hielten. Noch 1833 beschieden die Behörden den Verleger der zwei Jahre zuvor gegründeten Rhein-Mosel Zeitung, daß ein zweiter Redakteur weder für notwendig noch fur zulässig erachtet wurde. 25 Die Redaktionen der neugegründeten Leipziger Allgemeinen Zeitung (1837), der Rheinischen Zeitung (1842) oder der Bremer Weserzeitung (1844) wurden dagegen von vornherein mit zwei Redakteuren besetzt.26 Der Berufsjournalismus steckte also noch in den Kinderschuhen. Unverkennbar ist jedoch, daß sich in den dreißiger und vierziger Jahren ein erster Durchbruch vollzog. Will man eine Schätzung wagen, dürfte die Zahl der mit Berufsjournalisten besetzten Redaktionen politischer Tageszeitungen am Vorabend der 48er Revolution sicher über dreißig, aber wohl nicht wesentlich über fünfzig gelegen haben. Die Revolution selbst, die zwar eine Vielzahl kleiner und kleinster Blättchen entstehen und wieder eingehen ließ, übte auf die weitere Entwicklung des Berufsjournalismus keinen wesentlichen Einfluß aus. Die Zahl der außerredaktionellen Mitarbeiter mag sich in dieser Zeit zwar erhöht haben, zusätzliche Einstellungen von Redakteuren finden sich hingegen kaum und standen nicht unbedingt mit den Revolutionsereignissen in Beziehung. Der Prozeß der Verdrängung der Verlegerredakteure sowie den nebenberuflich tätigen Redaktionshilfen bis zur quasi vollständigen Durchsetzung von Berufsjournalisten in den politischen Zeitungen zog sich bis ins 20. Jahrhundert. Einen Schub erhielt die Entwicklung in den siebziger Jahren, als sich in Folge des Reichspressegesetzes der wirtschaftliche Spielraum der Zeitungen erweiterte und eine Welle von Neugründungen einsetzte. Dennoch wurden auch in größeren Zeitungen in einzelnen Fällen die nebenberuflichen Redakteure noch nicht vollständig verdrängt. Dies betraf insbesondere den Wirtschaftsteil, wo man auch in den neunziger 130

Jahren noch Redakteure oder redaktionelle Mitarbeiter antrifft, die noch einer anderen, im wirtschaftlichen Bereich angesiedelten Tätigkeit nachgingen. Bei der keineswegs unbedeutenden Breslauer Zeitung war in dieser Zeit der Börsenmakler Adolf Heymann nebenberuflich als Handelsredakteur tätig.27 Beim Leipziger Tageblatt bearbeitete um die Jahrhundertwende der Prokurist des Verlages gleichzeitig den Wirtschaftsteil.28 Abgesehen von solchen Fachleuten, die vereinzelt auch bei Zeitungen von überregionaler Reichweite zur redaktionellen Arbeit herangezogen wurden, waren es die kleinen und kleinsten Zeitungen, die auch Anfang des 20. Jahrhunderts von Laien redigiert wurden. In dem 1902 erschienenen Handbuch der Presse von Joseph Kürschner finden sich noch eine Reihe von Angaben wie die folgende: »Bruchsaler Bote, Aufl.: Sommer 2500, Winter 2900; Richtung: Zentrum; Red.: Jus. Kunz, Stadtpfarrer.«29 Einem im selben Jahr erschienenen »Handbuch der Journalistik« läßt sich entnehmen, daß den bei vielen kleinen Blättern weiterhin tätigen Verlegerredakteuren »in schwierigen Fällen« ein Lehrer, ein Landrat, ein Kreissekretär oder ein anderer kundiger Berater zur Seite stand.30 Der Abschluß des Verberuflichungsprozesses der Journalisten fand vermutlich erst in der Weimarer Republik statt.

2. Die biographische Dimension 2.1. Methodische Überlegungen oder: Wer ist ein Journalist? »Wer ist denn nun ein Journalist? Wenn wir jeden dahin rechnen wollen, der einige Artikel oder Korrespondenzen in Journalen veröffentlicht hat, so wird die Ziffer eine ganz unbegrenzte. Gesetzt aber auch, es gelänge, scharfe Kriterien für einen Begriff zu finden: wie lange muß es z.B. her sein, daß jemand den letzten Artikel geschrieben hat? Ist ein Journalist ewig Journalist?«31 Mit der Frage, wer denn nun ein Journalist ist, die ein Teilnehmer des Dritten Deutschen Journalistentages von 1868 in Berlin so pointiert formulierte, um ihre Unbeantwortbarkeit unter Beweis zu stellen, sieht sich unweigerlich auch derjenige konfrontiert, der versucht, ein Sozialprofil des Berufs zu zeichnen. Wenn es tatsächlich nicht möglich sein sollte, zu bestimmen, wer ein Journalist ist oder war, so hieße dies fur die Frage nach der sozialen Zusammensetzung des Journalistenberufes, daß sie nicht beantwortbar ist. Will man so weit nicht gehen, ist zumindest notwendig, das Problem zu diskutieren, um anschließend festzulegen, wer bei der Erstellung eines Sample als Journalist gelten soll.32 Die Spannweite journalistisch-schriftstellerischer Tätigkeit schlug sich im 131

19. Jahrhundert in einer Vielfalt von Bezeichnungen nieder. Das Problem besteht nicht nur in der objektiv schwierigen Abgrenzbarkeit verwandter Tätigkeiten, sondern auch darin, daß die unterschiedliche Verwendung von Bezeichnungen latent einen Kampf um Sozialprestige beinhaltet. 1795 unterschied Joachim von Schwarzkopf den »Zeitungsschreiber«, dessen Tätigkeit fast ausschließlich im Auswählen und Neuzusammenfugen von Nachrichten bestehe, vom »Zeitungsverfasser«, der andere Zeitungen als Quelle benutze, die Artikel aber selbst verfasse.33 Der »Zeitungsverfasser« setzte sich als Begriff aber nicht durch, vielmehr blieb »Zeitungsschreiber« vor allem als Fremdbeschreibung zunächst der geläufigste Begriff, dem gleichzeitig eine gewisse Negativkonnotation anhaftete. Sich selbst sahen die Zeitungsschreiber lieber in der Nähe des Schriftstellers, so daß sie sich als »Zeit-« bzw. »Tagesschriftsteller« bezeichneten, wobei der »Tagesschriftsteller« schon wieder eher zur Fremdbezeichnung mit abwertendem Klang wurde. »Journalist« hingegen scheint zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts positiver besetzt zu sein als »Zeitungsschreiber«. Das »Journal«, von dem die Bezeichnung abgeleitet wurde, verstand man zum Teil eher als »räsonierendes« und damit »geistig höherstehendes« Blatt als die bloß referierende Zeitung. Aber auch hier ist, nicht zuletzt abhängig vom Sprachgebiet, die Trennung nicht scharf; »Zeitung« und »Journal« bildeten z.T. auch Synonyme. Rasche Verbreitung fand im Vormärz der »Literat« als Bezeichnung für die freie schriftstellerische Tätigkeit in jeder Form. »Leipziger Literatenverein« nannte sich 1842 die erste schriftstellerisch-journalistische Interessenvertretung. Doch der »Literat« wurde schnell zum Inbegriff des »Proletariers der Geistesarbeit«, wohl gerade weil das Wort, statt sowohl den Schriftsteller als auch den Redakteur zu umfassen, eher keinen von beiden, sondern vor allem einen Zwischentypus zu bezeichnen schien, der es weder zum Schriftsteller gebracht hatte noch eine Redakteursstelle besaß. »Wer ernten wollte, ohne gesät zu haben, wurde Literat«, schrieb Wilhelm Heinrich Riehl in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts, nachdem er selbst einige Jahre Journalist gewesen war. Ob er sich selbst auch als »Literaten« bezeichnet hätte, weiß man nicht. Einem Porträt, das er seinem früheren Kollegen, dem Redakteur der Frankfurter OberpostamtsZeitung Hofrat Berly widmete, gab er den Titel »Ein vormärzlicher Redakteur«. Das Porträt zeichnet nicht gerade das Bild eines »Proletariers der Geistesarbeit«, so daß Riehl in ihm vermutlich nicht unbedingt einen »Literaten« sah.34 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschwand der »Literat« zunehmend zugunsten des »Journalisten« aus dem Sprachgebrauch.35 Damit ging auch der Bedeutungsgehalt des Wortes mit in die Bezeichnung »Journalist« ein. Journalist wurde damit einerseits zu einer Art Sammelbezeichnung für unterschiedliche schriftstellerisch-journalisti132

sehe Betätigungen, andererseits bezeichnete er jedoch wiederum spezifischer jenen Typus, der weder Schriftsteller noch Redakteur war. In seinem 1902 erschienen »Handbuch der Journalistik« unterschied der Journalist Richard Wrede daher auch zwischen Journalisten im weiteren und im engeren Sinne, wobei er unter dem Journalisten »im engeren Sinn« gerade den verstanden wissen wollte, der keiner Redaktion angehörte. Interessant an dieser Definition ist die damit verbundene standespolitische Implikation. Wrede, der als treibende Kraft bei der Gründung des Vereins deutscher Redakteure und Herausgeber der Zeitschrift Die Redaktion in dieser Hinsicht tätig war, versuchte den »Redakteur« als professionalisierbaren Beruf zu etablieren. Zu diesem Zweck setzte er den »Redakteur« einerseits vom Schriftsteller ab. Andererseits versuchte er mit einer Trennung der Begriffe »Redakteur« und »Journalist« eine begriffliche Möglichkeit zu schaffen, den »Redakteur« nach »unten« gegenüber dem »Journalisten« abzuschütten. »Die Deklassierten der verschiedenen Berufe, Lehrer, Kaufleute, Offiziere u.s.w. werden >JournalistenArbeiter< nennt. Es gibt zweifellos auch tüchtige Journalisten, die als >freie Arbeiten eine Zierde ihres Berufs sind, die sich aber nicht in einen Redaktionsverband einfügen lassen ...; aus allgemeinen volkswirtschaftlichen und journalistischen Standesinteressen ist zu wünschen, daß die >freien Arbeiten auch dauernde günstige Dienstverträge abschließen.«36 Insgesamt war Wrede mit seinen standespolitischen Vorstellungen wenig erfolgreich. Zwar hatte in der Tat der Begriff »Redakteur« häufig eine positivere Konnotation im Vergleich zu dem des »Journalisten«, da er eine Berufsstellung, also ein konkretes Arbeitsverhältnis bezeichnete. So fällt auf, daß in den seit 1905 erschienenen biographischen Lexika »Wer ist's« bei der Angabe des Berufs der Begriff »Journalist« zumeist vermieden wurde. Wenn möglich bezeichneten sich Journalisten dort als Redakteure der Zeitungen, bei denen sie tätig waren, wobei häufig hinzugefügt wurde: »und Schriftsteller«.37 Eine klare Gruppe umschließt der Begriff dennoch nicht, da sowohl derjenige, der aus Liebhaberei ein Fachblatt für Briefmarken, als auch derjenige, der bei einer großen Tageszeitung tätig war, sich Redakteur nennen konnte. Daß sich Wrede mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte, lag wohl auch nicht zuletzt daran, daß Journalisten die Trennungslinie zu den Schriftstellern nicht so scharf gezogen sehen wollten. Das wird auch in der Klassifikation deutlich, die Richard Jacobi, Chefredakteur des Hannoverschen Couriers, in seinem berufskundlichen Buch über den Journalisten vornahm. Jacobi verwandte »Schriftsteller« als Gattungsbegriff, unter den er die »Tagesschriftsteller (vulgo Journalisten)« einerseits und die »Buchschriftsteller« andererseits faßte, wobei unter den 133

Journalisten »dann wieder die Unterarten der Redakteure und journalistischen Mitarbeiter zu unterscheiden« seien.38 Die Probleme, die sich aufgrund der Vielfalt der Begriffe und deren uneinheitlicher Verwendung fur die Erstellung eines Sozialprofils des Journalistenberufs ergeben, sind bereits in bezug auf die französischen Journalisten und die Arbeit von Marc Martin zu den Pariser Journalisten in der Zeit zwischen 1830 und 1870 angeklungen. Anhand der Untersuchung sollen die Probleme verdeutlicht werden, die hinsichtlich der Methode bei der Erstellung eines solchen Sozialprofils entstehen. Dabei soll gleichzeitig gezeigt werden, warum die dort erarbeiteten Ergebnisse nicht als Basis eines Vergleichs dienen können. Martin stützt sich auf das »Dictionnaire des contemporains« von Vaperau aus den Jahren 1858 und 1870, das er als »source de substitution« verwendet. Auf diese Weise legt er für seine Untersuchung zwar eine einheitliche Quelle zugrunde, muß sich aber mit den zwangsläufigen Unzulänglichkeiten eines solchen biographischen Lexikons abfinden, da er es als einzige Quelle benutzt. Da aus den Angaben des Lexikons häufig nicht hervorgeht, in welcher genauen Beziehung jemand zu einer Zeitung stand - oftmals ist nicht erkennbar, ob jemand hauptberuflicher Redakteur oder nebenberuflicher Mitarbeiter war - , muß Martin die Gruppe, auf die er seine Untersuchung aufbauen will, sehr breit fassen. Das geht auch aus der Präzisierung seiner Kriterien hervor. Journalisten waren für ihn erstens all diejenigen, die von den Autoren des Dictionnaire als »journaliste«, »rédacteur« beziehungsweise »appartenant à la rédaction« bezeichnet wurden. Zweitens zählte er jene dazu, die eine Zeitung oder eine Zeitschrift gegründet hatten oder Direktor einer Zeitung waren, und drittens diejenigen, die über eine gewisse Zeit ständig an mehreren Zeitungen oder Zeitschriften tätig waren.39 Auf diese Weise stufte Martin von den 3995 Eintragungen des Jahres 1858 471 als Journalisten ein, und unter den 4516 Notierungen des Jahres 1870 zählte er 630 Journalisten. Wenn auf diese Weise unter den rund vier- bis fünftausend bekanntesten Zeitgenossen knapp 12% beziehungsweise 14% als »Journalisten« verzeichnet wurden, so wird deutlich, wie weit der Begriff gefaßt wurde. Zudem zeigt eine Reihe von Stichproben, daß »normale« Redakteure in dem Lexikon nur selten aufgenommen waren. Martins Sample umfaßt daher eher jene Vielzahl bekannter französischer Schriftsteller, Verleger und Politiker, die zeitweise journalistisch gearbeitet haben als gewöhnliche Journalisten. Martin räumt das im übrigen auch ein. Da für Deutschland wesentlich umfangreicheres biographisches Material vorliegt, ist es möglich, einen anderen, für das Sozialprofil des Journalistenberufs genaueren Weg einzuschlagen. In modifizierter Form schließe ich an die Arbeit Kurt Brunöhlers an, dessen Dissertation aus dem Jahr 1933 über die »Redakteure der mittleren und größeren Zeitungen im heutigen 134

Reichsgebiet 1800-1848« die bislang einzige quantitativ ausgerichtete deutsche Arbeit zur Sozialgeschichte der Journalisten ist. Als Ausgangspunkt wählte Brunöhler, dessen Sample 90 Personen umfaßt, eine Reihe von Zeitungen aus, deren Redakteure er zunächst mit Hilfe von Jubiläumsschriften und ähnlichem erfaßte, um die biographischen Angaben anschließend über Lexika etc. zu vervollständigen. Auf diese Weise war er bei der Festlegung, wer als Journalist gelten sollte, nicht, wie Martin im französischen Fall, auf die häufig sehr vagen Eintragungen in den biographischen Lexika angewiesen. Ohne daß auf die Schwächen bei Brunöhler im einzelnen eingegangen werden soll, erweist sich dieser prosopographische Zugang als wesentlich durchsichtiger und damit sinnvoller als Martins sozialstatistische Methode. Die grundsätzliche Entscheidung für ein prosopographisches Vorgehen löst aber noch nicht das Problem, nach welchem Kriterium die Auswahl fur das Sample getroffen werden soll. Das soll im folgenden erläutert werden. In dem breiten Spektrum journalistisch-schriftstellerischer Tätigkeiten ist die Arbeit als Redakteur einer politischen Tageszeitung die am eindeutigsten vom freien Schriftsteller abgrenzbare Beschäftigung. Mindestkriterium für die Aufnahme in das erstellte Sample von Journalisten ist daher eine zeitweilige Tätigkeit als Redakteur einer politischen Tageszeitung. Hinzu kommt lediglich eine Reihe ständiger (zumeist Berliner) Korrespondenten, die sich seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auch größere Provinzzeitungen zu leisten begannen. Das Kriterium erscheint auf den ersten Blick relativ restriktiv. Doch es gibt gute Gründe, so zu verfahren. Der Beruf des Journalisten mit seinen spezifischen Arbeitsbedingungen, Anforderungen und nicht zuletzt einem spezifischen Selbstverständnis entstand im wesentlichen in den langsam wachsenden Redaktionen der größeren Zeitungen. Die Tatsache, daß unter den Bedingungen eines ständig expandierenden Zeitungs- und Zeitschriftenmarktes immer mehr, und darunter auch eine ganze Reihe sog. »gescheiterter Existenzen« versuchten, etwas von diesem Kuchen, und seien es nur Krümel, abzubekommen, ist nicht weiter erstaunlich. Nun konnte jemand durchaus auf dem freien journalistischen Markt erfolgreich sein, doch der Eintritt in eine Redaktion bildete eine Schranke, die nicht den individuellen Erfolg auf einem unstrukturierten Markt zum Maßstab nimmt. Erst die Untersuchung des Berufes jenseits einer solchen Schranke ermöglicht es, den zunächst sehr stark im Vordergrund stehenden Eindruck der Heterogenität zu hinterfragen und damit festzustellen, wie offen der Journalistenberuf tatsächlich gewesen ist. Wie sich zeigen wird, übten Journalisten im Laufe ihres Berufslebens häufig mehrere journalistische Tätigkeiten gleichzeitig oder nacheinander aus. Die Redakteurstätigkeit an einer Zeitung Schloß eine Mitarbeiterschaft 135

oder eine Korrespondententätigkeit fxir eine andere Zeitung nicht aus. Nicht wenige Journalisten gaben vor, nach oder auch während ihrer Redakteurstätigkeit eine Zeitschrift heraus. Insgesamt ermöglicht das Mindestkriterium »feste Redakteurstätigkeit« folglich einen wesentlich breiteren Einblick in das journalistische Milieu, als dies auf den ersten Blick scheint. Ausgeschlossen bleiben lediglich diejenigen, die nie als feste Redakteure tätig gewesen sind. Andernfalls ergäbe sich ein ähnliches Problem wie das, das oben zitiert worden ist: Wieviel Artikel muß jemand publiziert haben, um als Journalist zu gelten? Die von Martin gewählte Eingrenzung - mindestens zweijährige Mitarbeit an zwei Pariser Tageszeitungen oder einer Tageszeitung und zwei Zeitschriften oder an vier Zeitschriften - ist willkürlich und inhaltlich kaum begründbar. Zudem sind die Quellen selten so genau, daß sich der Umfang der Mitarbeit an Zeitungen auch nur halbwegs exakt feststellen ließe. Wenn die Kriterien flir die Erstellung des Sample so festgelegt wurden, wie oben erläutert, bedeutet das jedoch nicht, daß die nicht-redaktionelle Tätigkeit der Journalisten außer acht gelassen würde. 40 Damit bleibt die Frage nach der Größe, dem Zustandekommen und der Repräsentativität des Sample. Insgesamt wurden 781 Journalisten fur das gesamte 19. Jahrhundert erfaßt. Da Berufsjournalisten in etwas größerer Zahl erst seit den dreißiger Jahren auftraten, ist die Zahl derjenigen, die den Beruf vor 1830 aufnahmen, mit 31 nur gering. Nimmt man den Beginn der journalistischen Tätigkeit der einzelnen Journalisten als Maßstab, stellt sich die quantitative Verteilung folgendermaßen dar: 143 der insgesamt 781 Fälle verteilen sich auf den Zeitraum zwischen 1800 bis 1848. 4 1 Für die Zeit zwischen 1848 und 1870 konnten 154 Journalisten biographisch ermittelt werden, 275 für die Zeit zwischen 1870 und 1890 und schließlich 209 für die zehn Jahre zwischen 1890 und dem Ende des Jahrhunderts. Nicht berücksichtigt wurden in dem Sample Journalisten, die ausschließlich für sozialdemokratische Zeitungen tätig waren, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen liegt mit der Arbeit von Waltraud Sperlich bereits eine Untersuchung über die SPD-Journalisten vor, auf die zurückgegriffen werden kann.42 Zum anderen wäre es in vieler Hinsicht ohnehin notwendig gewesen, zwischen den sozialdemokratischen und den übrigen Journalisten zu unterscheiden, da die Ergebnisse etwa zur Frage der sozialen Herkunft oder der Vorbildung ansonsten irreführend ausgefallen wären. Insofern habe ich das Sample von vornherein auf die Redakteure bürgerlicher Zeitungen beschränkt. Die biographischen Angaben stammen im wesentlichen aus vier unterschiedlichen Quellenarten. An erster Stelle sind die Jubiläumsschriften von Zeitungen zu nennen, die für deutsche Zeitungen in großer Zahl vorliegen. Qualität und Informationswert solcher Schriften variieren naturgemäß 136

sehr stark, doch eine Reihe davon liefert neben anderem vorzügliche Angaben über das Leben eines großen Teils der seit Gründung der Zeitung dort beschäftigten Redakteure. So ließen sich verschiedene Redaktionen, wie die der Augsburger (später Münchner) Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Zeitung, des Hamburger Fremdenblatts, der Breslauer Zeitung oder der Kölnischen Zeitung von ihrer Gründung an bis 1900 zu etwa 70-80%, für einzelne Perioden vollständig rekonstruieren. Eine zweite wichtige Quelle bildet eine 1899 vom Innenministerium erstellte Liste sämtlicher Berliner Redakteure, deren Namen teilweise mit kurzen biographischen Notizen versehen sind.43 Drittens liefern die personenbezogenen Akten des Berliner Polizeipräsidenten Informationen über einzelne Journalisten.44 Die aus diesen drei Bereichen erhaltenen Namen wurde schließlich in biographischen Nachschlagewerken auf zusätzliche Informationen überprüft, so daß die Lexika als vierte Quellengattung gelten können.45 Daneben ist es oftmals noch möglich, in den Zeitungen Nekrologe von Journalisten zu finden. Doch selbst wenn das genaue Todesdatum bekannt ist, ist dieses Verfahren extrem aufwendig, so daß die Nekrologe nur in Ausnahmefällen herangezogen wurden. Zudem liefern sie oft nicht die Informationen, die man sucht. Allerdings lagert im Archiv des Kölner Stadtanzeigers eine Sammlung von Nekrologen nahezu aller Redakteure der Kölnischen Zeitung und des Kölner Stadtanzeigers, die ebenfalls ausgewertet wurde. Schließlich ist eine Vielzahl weiterer Informationen aus den unterschiedlichen Nachlässen und anderen archivalischen Quellen eingeflossen. Um die Frage der Repräsentativität klar beantworten zu können, müßte man wissen, wieviel Journalisten es insgesamt zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben hat. Unabhängig davon, wie weit oder wie eng man den Begriff faßt, liegen derartige Angaben kaum vor.46 Mit Hilfe des 1902 von Joseph Kürschner herausgegebenen Handbuchs der Presse läßt sich fur die Jahrhundertwende zumindest eine Größenordnung fur die Zahl der Redakteure ermitteln, da hier für sämtliche deutschsprachigen Publikationsorgane neben Angaben über Auflage, Preis, Inhalt, Erscheinungshäufigkeit auch die Namen der Redakteure aufgeführt wurden. Eine Auszählung ergab, daß es auf dem Gebiet des Deutschen Reiches um 1900 rund 1700 mindestens sechsmal wöchentlich erscheinende politische Zeitungen existiert haben. An etwa 350 dieser Zeitungen ist der Verleger gleichzeitig der Redakteur, an rund 650 Zeitungen je ein Redakteur tätig gewesen.47 Ohne die Verlegerredakteure kommt man bei der Zählung auf knapp 2500 Redakteure an mindestens sechsmal wöchentlich erscheinenden Zeitungen, von denen gut 1800 zumindest einen Kollegen in der Redaktion hatten.48 In einer Untersuchung aus dem Jahr 1927 wurden rund 3200 Redakteure an deutschen Zeitungen gezählt, von denen etwa 320 Alleinredakteure waren.49 Eine Größenordnung von 2500 Redakteuren in 137

der Zeit der Jahrhundertwende erscheint damit durchaus plausibel. Im Jahr 1899, also etwa um die Zeit, in der das Handbuch erstellt wurde, waren aus dem hier erarbeiteten Sample 320 Journalisten als Redakteure an politischen Tageszeitungen tätig.50 Damit wurden rein rechnerisch etwa 12% der um die Jahrhundertwende tätigen Journalisten erfaßt. Für frühere Jahre lassen sich absolute Zahlen noch schwerer ermitteln. Für 1866 gab Heinrich Wuttke eine Zahl von 300 täglich oder öfter erscheinenden Zeitungen an.51 Da auch die größten Zeitungen um diese Zeit kaum mehr als fünf Redakteure beschäftigten, dürfte die Zahl der festangestellten Redakteure in den sechziger Jahren zwischen fünf- und sechshundert gelegen haben. Gegen Ende der vierziger Jahre dürfte es damit kaum mehr als vierhundert Redakteure an politischen Zeitungen gegeben haben. Für die Repräsentativität des Sample bedeutet dies, daß davon ausgegangen werden kann, daß rechnerisch für die meisten Jahre mindestens 10 Prozent der Redakteure ermittelt wurden. Da Einzelredakteure mangels Quellen nur in geringer Zahl aufgenommen werden konnten, repräsentiert das Sample in erster Linie Journalisten, die zumindest zeitweise an Zeitungen mit wenigstens zwei Redakteuren tätig waren. Da auf der anderen Seite, wie oben erwähnt, einige Redaktionen für einzelne Jahre oder gar für einen langen Zeitraum hinweg in hohem Grade rekonstruiert werden konnten, ist die Repräsentativität in bezug auf Journalisten, die in Redaktionen mit mindestens zwei bis drei Redakteuren arbeiteten, vergleichsweise hoch. Bei Aussagen über Einzelredakteure ist man weitgehend auf Rückschlüsse angewiesen. Ohnehin soll das Zahlenmaterial in der Analyse nicht überstrapaziert werden. Lebensläufe von Journalisten, die lückenlos über alle wichtigen Eckdaten wie Herkunft, Konfession, Bildung oder Ausbildung, eine etwaige andere berufliche Tätigkeit vor dem Eintritt in den Journalismus, Lebensalter bei Aufnahme des Journalistenberufs, Dauer der journalistischen Tätigkeit und schließlich ein etwaiges Überwechseln in einen anderen Beruf Auskunft geben, finden sich relativ selten. So läßt sich über die Bildung von Journalisten ein recht genaues Bild ermitteln, während die soziale Herkunft nur in etwa einem Drittel des Sample festgestellt werden konnte. Das Lebensalter bei Einstieg in den Journalistenberuf ist nur selten so genau zu bestimmen, daß sich für die unterschiedlichen Zeitabschnitte Durchschnittswerte ermitteln ließen, die exakt belegen könnten, ob das durchschnittliche Einstiegsalter möglicherweise sank. Das bedeutet, daß nicht über alle Lebensstationen von Journalisten quantitativ exakte Aussagen möglich sind. Der Heterogenität und Dynamik journalistischer Lebenswege würde eine vorwiegend quantitative Untersuchung ohnehin kaum gerecht werden, so daß den errechneten Zahlen immer wieder Einzelbeispiele gegenübergestellt werden sollen. 138

2.2. Soziale Herkunft Auch der Weg in den Journalismus begann mit der Geburt. Anders ausgedrückt: die soziale Herkunft spielte auch bei dem scheinbar so frei zugänglichen Beruf des Journalisten eine nicht unwesentliche Rolle. In 271 Fällen, d.h. in rund einem Drittel des gesamten Sample, ließ sich der Beruf des Vaters ermitteln. Das ist zwar weniger, als man sich wünschen würde, aber rein quantitativ doch noch von einem Umfang, der Aussagen möglich und sinnvoll erscheinen läßt. Schwerer wiegt für die Aussagekraft die Tatsache, daß die Angaben in der Regel eher von den bekannteren Redakteuren vorliegen, so daß bei der Interpretation der Daten Vorsicht angebracht ist. Das trifft insbesondere für die Zeit seit den siebziger Jahren zu. Dennoch sind die Daten aufschlußreich und lassen bestimmte Tendenzen deutlich werden. Bei der Frage der Größe und Repräsentativität des Gesamtsample sind vier Zeitbereiche unterschieden worden: die Zeitspanne bis 1848, 1 8 4 8 70, 1870-90 und 1890-1900. Ebenso wird bei der Frage der Vorbildung der Journalisten verfahren werden. In Anbetracht der geringeren Fallzahl soll hier nur ein Einschnitt bei 1870 gemacht werden, wodurch sich numerisch zwei fast genau gleich große Gruppen ergeben: Von den Journalisten, die bis 1870 den Beruf ergriffen hatten, wurden 136 mit ihrer sozialen Herkunft erfaßt im Vergleich zu 135 für die Zeit nach 1870. Bezogen auf die starke Expansion des Berufs, nimmt die Repräsentativität damit erheblich ab. Das wird auch deutlich, wenn man die Angaben über die soziale Herkunft mit den Gesamtzahlen des Sample vergleicht. Konnte bis 1870 noch von knapp der Hälfte der erfaßten Redakteure die soziale Herkunft ermittelt werden, so fiir die Zeit nach 1870 nur noch von gut einem Viertel.

Tabelle 1: Soziale Herkunft der Journalisten52 Beruf des Vaters

insges.

bis 1870

ab 1870

Bildungsbürgertum und Beamte Kaufleute/Unternehmer Offiziere Handwerker Bauern/Gutsbes.

53,5% 17% 4% 12,5% 5,5%

50% 15,5% 5% 15,5% 6%

57,5% 18% 3% 10% 5,5%

N=

271

136

135

139

Auch wenn man in Rechnung stellt, daß damit vornehmlich eine gehobene Schicht von Journalisten repräsentiert wird, war das Ergebnis, das Tabelle 1 zeigt, nicht unbedingt zu erwarten. Der prinzipiell ungeregelte Berufszugang und die starke Expansion des Berufs gegen Ende des Jahrhunderts lassen es erstaunlich erscheinen, daß die soziale Öffnung offenbar nicht zunahm. Die langsame Öffnung der Universitäten gegenüber kleinund unterbürgerlichen Schichten schlug zumindest auf den Arbeitsmarkt der etablierten Journalisten nicht durch, eher im Gegenteil. Im einzelnen lassen sich vier Beobachtungen machen. Erstens: Der Anteil von Journalisten aus bildungsbürgerlichen und Beamtenfamilien war durchgehend enorm hoch. Die Zunahme von 50% auf gut 57% in der Berechnung ist sicher zumindest teilweise der Tatsache zuzuschreiben, daß in den letzten 30 Jahren des Untersuchungszeitraums in verstärktem Maße Redakteure in gehobenen Positionen erfaßt wurden. Zweitens nahm nach den hier vorliegenden Zahlen der ohnehin geringe Anteil von bürgerlichen Journalisten aus Handwerkerelternhäusern noch weiter ab. Redakteure bürgerlicher Zeitungen, die dem Arbeitermilieu entstammten, kamen so gut wie gar nicht vor. Unter den drei als Arbeiter gezählten befanden sich bezeichnenderweise zwei Buchdrucker. Als dritter stammte der langjährige Parlamentsstenograph des Berliner Tageblatts, Max Bäckler, aus einer Arbeiterfamilie, wuchs jedoch bei begüterteren Verwandten auf.53 Deutlich ist zum dritten der relativ niedrige Anteil von Journalisten aus kaufmännischen bzw. unternehmerischen Elternhäusern. Zieht man von der Gesamtzahl noch diejenigen ab, deren Vater Verleger oder Verlagsbuchhändler war, stammten nur rund 13% aus diesem Bereich, der ohnehin sehr heterogen gewesen sein wird. Die Bezeichnung »Kaufmann« ist ausgesprochen unspezifisch. Zum vierten fällt auf, daß Kinder aus neueren sozialen Milieus wie der Angestellten oder der technischen Intelligenz praktisch überhaupt nicht vertreten sind. Insgesamt war die soziale Herkunft der hier untersuchten Redakteure homogener als vermutet. Besondere Aufstiegschancen aus unterbürgerlichen Schichten bot der Journalismus offenbar nicht. Vielmehr scheint es, daß, vielleicht auch im Kampf um das ständig gefährdete Sozialprestige, die gehobeneren Posten innerhalb des bürgerlichen Journalismus zunehmend dem Bildungsbürgertum vorbehalten blieben. Im Zusammenhang mit der Frage nach der sozialen Herkunft sei kurz auch auf die Frage der konfessionellen Zusammensetzung der Berufsgruppe eingegangen. Verteilt auf den gesamten Untersuchungszeitraum sind die diesbezüglichen Angaben eher spärlich. Da auf der anderen Seite für das Jahr 1899 die Konfession sämdicher Berliner Redakteure bekannt ist, wird hier ein aufschlußreicher Einblick in die Verhältnisse ermöglicht: Rund 68% der Berliner Redakteure waren um die Jahrhundertwende Protestanten, 140

gegenüber 18% Juden sowie lediglich 11% Katholiken. Ein Drittel davon machten allein die Redakteure der Germania und der Märkischen Volkszeitung aus. Die deutiiche Unterrepräsentation der Katholiken bleibt auch dann noch bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, daß Berlin zu einer protestantischen Region gehörte. Denn nur etwa 20% der Redakteure stammten tatsächlich aus Berlin. Selbst wenn in katholischen Gebieten die Anzahl katholischer Journalisten sicher um einiges höher war, wird hier die in anderen Bereichen festgestellte Unterrepräsentierung der Katholiken in bürgerlichen Berufen bestätigt.54 Ein Indiz für die insgesamt geringe Zahl an katholischen Journalisten ist nicht zuletzt darin zu sehen, daß katholische Zeitungen lange Zeit große Schwierigkeiten hatten, qualifizierte Redakteure zu finden.55 Der hohe Anteil jüdischer Journalisten insbesondere in der Berliner Presse ist eine Tatsache, die von der antisemitischen Propaganda bis zum Exzess ausgeschlachtet worden ist.56 Thomas Enke meinte sich in seiner Untersuchung über die Berliner Redakteure im Jahr 1899 damit insofern auseinandersetzen zu müssen, als er deren Argument, regierungsfeindliche Kräfte seien hauptsächlich jüdisch, zu widerlegen suchte. Bei der linksliberalen und sozialdemokratischen Presse sei die konfessionelle Zusammensetzung mit 61% Protestanten gegenüber 28% Juden nicht wesendich anders gewesen als bei regierungstreuen Zeitungen. Diese gut gemeinte, aber völlig unnötige und zudem falsche Argumentation führt Enke zu der irrigen Schlußfolgerung, daß - abgesehen von den klerikalen Blättern »nicht die Zugehörigkeit zu einer Konfession, sondern berufliche Qualifikation ... entscheidendes Kriterium für die Beschäftigung in einer Berliner Zeitungsredaktion« waren.57 Selbst wenn man den Unterschied von knapp 30% Juden bei als »regierungsfeindlich« eingestuften Blättern gegenüber knapp 10% bei »regierungstreuen« Zeitungen noch als unwesentlich ansähe, macht eine differenziertere Analyse im Gegenteil den beträchtlichen Stellenwert der Konfessionszugehörigkeit deutlich. Allein 11 der 18 bei regierungsfreundlichen Zeitungen beschäftigten Juden waren beim Berliner Lokal-Anzeiger tätig, eine Besonderheit, auf die noch zurückzukommen ist. Vier weitere jüdische Redakteure waren bei der nationalliberalen Nationalzeitung beschäftigt, so daß lediglich noch drei Juden bei allen anderen nationalliberalen und konservativen Zeitungen angestellt waren. Bis auf eine Handvoll Katholiken waren die Norddeutsche Allgemeine Zeitung, die Kreuzzeitung, der Reichsbote, die Deutsche Tageszeitung, die Post, die Deutsche Warte, die Tägliche Rundschau die Deutsche Zeitung, die Staatsbürgerzeitung und die Berliner Börsen-Zeitung 1899 in ihrer redaktionellen Zusammensetzung rein protestantisch. Letztere ist vor allem im Vergleich zu dem linksliberalen Berliner Börsen-Courier interessant. Waren am Börsen-Courier sieben der zehn Redakteure Juden, beschäftigte die 141

nationalliberale Börsen-Zeitung zur selben Zeit keinen einzigen Juden. Ganz offensichtlich versuchte man bei der Börsen-Zeitung, sich von dem Image der als besonders jüdisch dominiert geltenden Börsenpresse abzusetzen. Daß das Kriterium der Qualifikation dem der Religionszugehörigkeit vorging, kann hier kaum ernsthaft behauptet werden. Daran gemessen fallt die heterogene Zusammensetzung des Berliner Lokal-Anzeigers auf, wo der erweiterte Redaktionsverband 29 Protestanten, 15 Juden, 6 Katholiken und 4 Konfessionslose umfaßte. Die Erkenntnisse, die sich aus der konfessionellen Zusammensetzung der Berliner Redaktionen gewinnen lassen, sind vorerst Indizien, deren Aussagekraft im Zusammenhang mit anderen Kriterien zu überprüfen sind. So deutet zum einen der insgesamt hohe jüdische Anteil unter den Berliner Journalisten darauf hin, daß in den Journalistenberuf nicht zuletzt jene drängten, denen andere Karrieren versperrt blieben. Zum anderen ist die konfessionelle Zusammensetzung der verschiedenen Redaktionen aber auch ein Anzeichen für eine starke Segmentierung des journalistischen Arbeitsmarktes, was dafür spricht, bei der Untersuchung in allen Bereichen dieser Segmentierung Rechnung zu tragen.

2.3. Die Vorbildung der Journalisten An den Stellen, an denen sich Zeitgenossen polemisch mit der Presse auseinandersetzten, fehlte selten der Seitenhieb auf die Journalisten und nicht zuletzt deren angeblich unzureichende Bildung oder Qualifikation.58 Doch auch wohlwollendere Kritiker der Presse waren zuweilen der Meinung, daß »die durchschnittliche Bildung der Redakteure nicht eben günstig« sei.59 Ein Autor namens J.G. Weiß, der sich, wie eine ganze Reihe anderer Journalisten, Publizisten und Wissenschaftler im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert, Gedanken über die häufig skeptisch beurteilte Presseentwicklung machte, meinte als einen wesentlichen Mißstand in der Presse die mangelnde wissenschaftliche Bildung des Gros der Redakteure zu erkennen. Weiß schätzte, daß von den in Deutschland erscheinenden Zeitungen etwa 87% »kleine Winkelblätter«, 9% »größere Lokalblätter mit einiger Verbreitung nach auswärts, 3% Blätter mit Verbreitung über eine Provinz oder einen mittleren Bundesstaat und nur knapp 1% eigentlich große politische Blätter« seien. Nur die beiden letzten Gruppen legten, so Weiß, »auf eine gewisse allgemeine Bildung bei den zu engagierenden Redakteuren Gewicht«. Bei den vom ihm geschätzten 9% Lokalblättern fänden sich als Redakteure »schon vielfach schiffbrüchige Existenzen nicht wissenschaftlicher Berufe«. Die Winkelblätter schließlich würden fast ausschließlich von ihren Druckern redigiert, also von Leuten, die gerade 142

Volksschulbildung aufzuweisen hätten. So stehe fest, daß der größte Teil der deutschen Zeitungen von Redakteuren bedient werde, »denen es an wissenschaftlicher Bildung absolut fehlt.«60 Die in zeitgenössischen Schriften über die Presse immer wieder erhobene Klage über die angeblich mangelhafte wissenschaftliche Bildung deutscher Redakteure erörterte der Chefredakteur des Hannoverschen Courier, Richard Jacobi, in seinem 1902 erschienenen berufskundlichen Buch über den Beruf der Journalisten ausfuhrlich und differenziert. So widersprach Jacobi zwar der Auffassung nicht, daß rein quantitativ der größte Teil der kleinen Lokalblätter von Männern redigiert, »richtiger wohl zurechtgemacht« werde, denen es an Bildung fehle.61 Es seien vielfach Besitzer kleinster Druckereien, die gleichzeitig als Redakteur ihrer Zeitung aufträten, die jedoch einen Anspruch, Journalist zu sein, gar nicht stellten. Ihre Tätigkeit bestehe lediglich in der Zusammenstellung von bereits druckfertigem Material. In Zweifelsfällen stünden Ihnen kundigere Helfer, wie »der Landrat, der Kreissekretär, der Lehrer u.a.m.« zur Seite.62 Wenn Jacobi es als »ungerecht« zurückwies, »den ganzen Stand« der Journalisten »nach den Leuten von minderwertiger Bildung, die den wirklichen Journalisten ins Handwerk pfuschen ... beurteilen zu wollen«, wird die standespolitische Implikation seiner Argumentation deutlich. Dennoch bleibt es sinnvoll, wie Jacobi dies tut, die textproduzierenden Journalisten bzw. Redakteure von der Gruppe derjenigen zu unterscheiden, deren Handwerkszeug nicht die Feder, sondern ausschließlich Schere und Klebstoff waren, und die den Anspruch, Journalist zu sein, wohl in der Tat kaum erhoben. Die Auswertung des hier erarbeiteten Sample (vgl. Tab. 2) zeigt, daß Jacobi mit der Zurückweisung eines negativen Pauschalurteils über den Bildungsgrad der

Tabelle 2: Vorbildung der Journalisten63 Zeitraum

Studium

davon promoviert

abgebr. Studium64

kein Studium

1800-1900 1800-1848 1849-1869 1800-1869

81,5% 84,5% 87,5% 86,0%

54,5% 56% 58,5% 57%

6%

6,5%

18,5% 15,5% 12,5% 14%

1870-1889 1890-1900 1870-1900

78,5% 78,5% 78,5%

51% 55,5% 53,5%

5,5%

21,5% 21,5% 21,5%

N=768 6 5

143

Redakteure, jedenfalls was die formalen Bildungspatente betrifft, nicht falsch lag. Der Anteil der Akademiker unter den Journalisten blieb über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg enorm hoch. Mit der Expansion des Zeitungsmarktes in den siebziger Jahren sank ihr Anteil zwar von über 85% auf knapp unter 80% ab, blieb aber danach auf dem hohen Niveau erstaunlich stabil. Auffallig ist zudem der Prozentsatz der Promovierten, der gleichfalls nur geringfügig zurückging. Die Zahl der »abgebrochenen« Studenten fallt dagegen kaum ins Gewicht. Die Ergebnisse korrigieren die zuletzt noch bei Nipperdey vertretene pauschale Behauptung, das Studium sei als Vorbereitung fur den Journalistenberuf im Laufe des 19. Jahrhunderts »viel seltener« geworden. 66 Auch Engelsing ging von größeren Veränderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Verhältnis zu seiner ersten Hälfte aus. Vor allem nahm er an, daß die Gruppe derer zu wachsen begonnen habe, »die die Universität ohne Examen verließen und sehr viel weniger freiwillig den Beruf des Redakteurs wählten, als das die Akademiker mit abgeschlossenem Hochschulstudium getan hatten.« Als »hervorstechende Gestalt« unter den Journalisten der vormärzlichen Presse sah Engelsing »den Doktor, dem die Habilitation verbaut war«, während für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts »der Student, der es nicht zur Promotion gebracht hatte«, charakteristisch gewesen sei.67 Statt dessen ist hervorzuheben, daß die Jahrhundertmitte oder spezieller die 48er Revolution in dieser Hinsicht keinen Einschnitt bildete. Nach den hier zugrunde gelegten Zahlen gab es zwischen 1850 und 1870 sogar einen leichten Anstieg des Akademikeranteils. Dieser ist zwar nicht signifikant, aber von einer Trendwende in der von Engelsing behaupteten Richtung kann um die Jahrhundertmitte sicher keine Rede sein. Die Zahl derer, die die Universität ohne Abschluß verließen, um Journalist zu werden, nahm, auch wenn dies in Einzelfällen nicht immer eindeutig feststellbar ist, nach der Jahrhundertmitte nicht zu. Überhaupt scheint, nicht zuletzt angesichts des hohen Anteils an Promovierten, die Zahl der sog. »gescheiterten Studenten« über den gesamten Zeitraum eher unbedeutend gewesen zu sein. Das gilt auch dann noch, wenn die tatsächliche Rate höher gewesen sein mag als die hier gezählten 5% bis 6%. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß nicht jeder, der sein Studium nicht mit Examen abschloß und anschließend Journalist wurde, daran gescheitert sein mußte. In seinen Erinnerungen schrieb der Journalist Otto von Breitschwert rückblickend auf seine beruflichen Anfänge in den sechziger Jahren: »Mein Studentenleben allerdings, welches schon ganz durchwoben war von der einleitenden Thätigkeit zu meinem journalistischen Beruf, endete demgemäß nicht mit einem Examen, sondern mit der festen Anstellung als Redakteur 144

(1000 Gulden Gehalt) beim Neuen Stuttgarter Tageblatt.«6* Breitschwert wurde also Journalist, weil er eine feste Redakteursstelle antreten konnte, und nicht, weil er sein Examen nicht schaffte. Ein Rückgang des Akademikeranteils unter den Journalisten setzte erst in den siebziger Jahren zeitgleich mit der Expansion der Presse ein. Bevor danach gefragt wird, warum und inwiefern sich der Beruf im ausgehenden 19. Jahrhundert langsam stärker für Nicht-Akademiker zu öffnen begann, sei die akademische Orientierung des deutschen Journalismus zunächst noch unterstrichen. Wie sehr der Journalistenberuf im allgemeinen Bewußtsein als ein akademischer Beruf galt, wird nicht zuletzt daran deutlich, daß es offenbar mindestens bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts üblich war, Journalisten mit »Herr Doktor« anzureden.69 Vor allem aber verdeutlichen die Lebensläufe verschiedener Journalisten, welche Bedeutung die akademischen Weihen auch im Journalistenberuf besaßen. Eine Reihe durchaus etablierter Redakteure jeglicher politischer Couleur verspürte offensichtlich das Bedürfnis, ihren Namen mit einem Doktortitel zu schmücken. So erlangte etwa Ernst Francke 1892 seinen Doktorgrad, nachdem er bereits 1881 Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten geworden war. Ebenso waren Leopold Kayssler, von 1849 bis in die siebziger Jahre Redakteur und Korrespondent der Spenerschen Zeitung, und Adolf Kohut, Redakteur an verschiedenen Zeitungen in Breslau, Düsseldorf, Kiel und Berlin, schon einige Jahre als Redakteure tätig, bevor sie eine Promotion anstrebten.70 Das gleiche gilt fur Ludwig Lenz, von 1841 bis 1873 Redakteur des Freischütz (Hamburg), Wilhelm Kronsbein, seit 1898 Chefredakteur der freikonservativen Post, und Hans Contzen, in den neunziger Jahren Redakteur der Germania,71 Verschiedene Journalisten drosselten auch ihre Berufstätigkeit oder unterbrachen sie ganz, um das Studium insgesamt nachzuholen, sei es aus Gründen des Sozialprestige, sei es um ihre Karrierechance zu verbessern, sei es um für den Beruf besser gewappnet zu sein. Georg Bernhard, der sich später als Chefredakteur der Vossischen Zeitung einen Namen machte, wechselte nach einigen Jahren als Bankangestellter ganz in den Journalismus, nachdem er schon einige Zeit als Börsenberichterstatter fur die Berliner Zeitung gearbeitet hatte. Dort seit 1898 als Handelsredakteur angestellt, besuchte er alsbald gleichzeitig die Universität, um sich mit einem Studium der Nationalökonomie weiter zu qualifizieren.72 Friedrich Menck, der Sohn des Druckereibesitzers, Gründers und Verlegers des Hamburger Fremdenblatts, verbrachte zunächst seine Lehrzeit als Drucker in einer Flensburger Druckerei und bekleidete anschließend verschiedene Stellungen in Hamburger Druckereien. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1862 übernahm er den väterlichen Betrieb zusammen mit einem Teilhaber. Einige Jahre später, um 1870, stieg Menck, der sich zuvor 145

bereits vor allem um die Redaktion bekümmert hatte, als Teilhaber aus, um noch im Alter von 33 Jahren die Universität zu besuchen. Nach einem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften und einer entsprechenden Promotion übernahm er wieder die Chefredaktion des Fremdenblatts, die er bis zu seinem Tod im Jahre 1907 behielt.73 Wie Menck war auch Eugen Richter, nicht zu verwechseln mit dem linksliberalen Reichstagsabgeordneten und Herausgeber der Freisinnigen Zeitung gleichen Namens, Sohn eines Verlagsbuchhändlers. Nach Buchhändlerlehre und Übernahme der Redaktion der im väterlichen Besitz befindlichen Reform machte er 1868 im Alter von 29 Jahren das Abitur nach, um anschließend Jura und Philosophie zu studieren, bevor er wieder zum Journalismus überwechselte. 74 Trotz des deutlichen akademischen Übergewichts stieg der Anteil der Journalisten, die keine Universität besucht hatten, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf gut 20% an. Im Hinblick auf die Frage, inwieweit sich Zeitungsredaktionen Nicht-Akademikern öffneten, ist es jedoch sinnvoll, nicht nur den zeitlichen Aspekt im Auge zu haben. Vielmehr sollen erstens die einzelnen Sparten näher untersucht werden. Dabei hat man es automatisch mit den größeren Zeitungen zu tun, deren Redaktionen sich in vielen Fällen relativ gut rekonstruieren lassen. Daher stellt sich zweitens die Frage, wie sich die Verhältnisse bei den Zeitungen darstellten, die nur von einem Redakteur redigiert wurden. Drittens ist im Zusammenhang mit den Veränderungen des Zeitungsmarktes seit den siebziger Jahren speziell nach Veränderungen in der redaktionellen Zusammensetzung der Generalanzeiger zu fragen. Einen ersten Eindruck davon, in welchen Bereichen Nicht-Akademiker am ehesten Chancen hatten, Fuß zu fassen, bietet die Aufschlüsselung der redaktionellen Zusammensetzung einiger ausgewählter Zeitungen (vgl. Tab. 3). Eine Unterteilung in die verschiedenen Zeitbereiche würde bei den vergleichsweise geringen Zahlen kaum von Nutzen sein. Auch regionale Unterschiede spielten keine wesentliche Rolle, da die Bedingungen des Berufs nicht selten ein hohes Maß an geographischer Mobilität erforderlich machten. 77 Zu vermerken ist zunächst, daß der Akademikeranteil bei den hier aufgeführten Zeitungen, die allesamt zu den wichtigeren deutschen Zeitungen zu zählen sind, durchaus schwankte. Dabei fällt auf, daß bei den Zeitungen mit traditionell stark politischer Ausrichtung der Akademikeranteil besonders hoch war. Das gilt für die Kölnische, die Schlesische und die Breslauer Zeitung wie fur den Schwäbischen Merkur, aber auch für die katholische Kölnische Volkszeitung. Auch bei der Germania war unter 13 erfaßten Redakteuren lediglich ein Nicht-Akademiker, den man übrigens an die Kölnische Volkszeitung weiterempfahl, wo er bereits nach zweimona146

Tabelle 3: Das Verhältnis von Akademikern und Nicht-Akademikern bei ausgewählten Zeitungen 75 erfaßte Redakteure Allgemeine Zeitung Berliner Tageblatt Breslauer Zeitung Frankfurter Zeitung Hamburger Fremdenblatt Hannoverscher Courier Kölnische Volkszeitung Kölnische Zeitung Nationalzeitung Schlesische Zeitung Schwäbischer Merkur76 Vossische Zeitung Weserzeitung

51 44 31 51 19 28 22 44 34 22 12 41 24

Studium

45(88%) 37(84%) 26(84%) 38(75%) 14(74%) 25(89%) 20(91%) 40 (91%) 31 (91%) 19 (86%) 12 32 (78%) 16(67%)

ohne Studium 6 7 5 3 5 3 2 4 3 3

(12%) (16%) (16%) (25%) (26%) (11%) (9%) (9%) (9%) (14%) -

9 (22%) 8(33%)

tiger Tätigkeit wegen offensichtlicher Unfähigkeit wieder endassen wurde.78 Bei Zeitungen hingegen, die sich von Anfang an stärker auf Handelsund ökonomische Fragen konzentrierten, wie die Bremer Weserzeitung, das Hamburger Fremdenblatt oder die Frankfurter Zeitung, die 1856 als Frankfurter Handelszeitung gegründet worden war, fällt im Vergleich dazu der höhere Anteil an Nicht-Akademikern auf. Dies Bild wird dadurch bestätigt, daß etwa 44% der Journalisten, die sich vornehmlich mit Handels- und Wirtschaftsfragen beschäftigten, keine Universität besucht hatten. 79 Um festzustellen, wer sich im einzelnen hinter den Nicht-Akademikern verbirgt, soll diese Gruppe zunächst näher aufgeschlüsselt werden (vgl. Tab. 4). Trotz der nicht sehr großen Zahl an Fällen und relativ vielen Unbekannten in Tabelle 4 sind für den Zusammenhang von Vorbildung und redaktionellem Arbeitsgebiet zwei Punkte augenfällig: Erstens blieb der Politikbereich, der zweifellos wichtigste Teil einer Zeitung, Nicht-Akademikern weitestgehend verschlossen. Über den gesamten Zeitraum waren es gerade 15 Redakteure, die es schafften, ohne universitäres Studium speziell im politischen Ressort angestellt zu werden. Zwar würde sich das Bild verschieben, wenn man jene hinzuzählte, die als Alleinredakteure auch fur Politik zuständig waren. Doch dort, wo es mehrere Redakteure und unterschiedliche Ressorts gab, blieben Nicht-Akademiker auf dem Stuhl 147

Tabelle 4: Verteilung der nicht-akademischen Redakteure auf die verschiedenen Zeitungssparten80

Bank-/Kaufmannslehre Offizier Setzerlehre Buchhändlerlehre Handwerkslehre Lehrerseminar Schauspieler sonst./unbek. 82

ings.

Ρ

H/W

F

50 23 12 9 3

3 5

30 1

2 4

1 2

4 1

10 10

1

1 1

4

1

1

6

8 7 32

1 2

1 1 5

2 6

L

3

1 2

Fr

1 1 1

K / R unbek81

1

4

1

2 1 2

1

17

N=144 8 3 P=Politik; H/W=Handel/Wirtschaft; F=Feuilleton; L=Lokales; Fr=Frauenbeilage; K / R = Korrespondenten/Reporter

eines politischen Redakteurs eine seltene Ausnahme. Zweitens sticht aus der ansonsten disparaten Verteilung der hohe Anteil derer heraus, die nach einer kaufmännischen Ausbildung in den Handels- bzw. Wirtschaftsteil einer Zeitung wechselten. Wenn von den vielzitierten gescheiterten Existenzen im Journalismus die Rede war, fehlte selten der Commis in der Aufzählung. Wie »gescheitert« diejenigen, die eine wie auch immer geartete kaufmännische Ausbildung hinter sich hatten, in ihrem ursprüngliche Beruf waren, ist zumeist nicht feststellbar. In hohem Grade blieb ihnen in der Zeitung jedoch der Bereich reserviert, in dem sie praktische Kenntnisse erworben hatten. Der Anteil der Lokaljournalisten am Gesamtsample ist relativ gering, da Lokaljournalismus in einem engeren Sinne mit einer eigenen Redakteursstelle erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt durch die Generalanzeiger vorangetrieben, entstand. Etwa 55 der erfaßten Redakteure waren vorwiegend im lokalen Bereich tätig, wobei jedoch in einigen Fällen noch zwischen Lokalpolitik und sonstigem Lokaljournalismus zu unterscheiden wäre. Das Verhältnis von etwa 70 zu 30 zugunsten der Akademiker unter den Lokaljournalisten unterstreicht zum einen nochmals die Dominanz der Akademiker auch auf diesem Gebiet. Andererseits zeichnet sich hier ab, daß mit einer allgemeinen Ausweitung des Lokaljournalismus ein Bereich entstand, der Nicht-Akademikern deutlich offener stand als der politische Journalismus. Das galt insbesondere für den nichtpolitischen Lokaljournalismus.84 Eine kurze Anmerkung verdienen in die148

sem Zusammenhang die Volksschullehrer. Deren Anteil ist zwar sehr gering, doch es fallt auf, daß fünf der acht Redakteure, die zuvor ein Lehrerseminar besucht hatten und eine Zeitlang als Volksschullehrer tätig waren, Lokaljournalisten geworden waren. Ähnlich wie bei denen, die aus dem kaufmännischen Bereich in den Journalismus kamen, besteht auch hier eine deutlich erkennbare Nähe zwischen der journalistischen und der vorjournalistischen Tätigkeit, die bei der Frage der Motivation für die Berufswahl Journalismus noch eine Rolle spielen wird. Der Zusammenhang zwischen der Entstehung unterschiedlicher Zeitungssparten und dem allmählichen Vordringen von Nicht-Akademikern in den Zeitungsredaktionen läßt sich nun genauer fassen. Neben der Politik als Kernbereich einer Tageszeitung begann sich in der Regel als erste Sparte das Feuilleton redaktionell abzuspalten. Theater-, Musik- und Buchkritik gehörten bekanntermaßen zu den ältesten Bestandteilen von Zeitungen, die schon im 18. Jahrhundert teilweise von ständigen festen Mitarbeitern und bald auch von direkt in die Redaktion eingebundenen Journalisten gestaltet wurden. Die beiden ältesten redaktionell besetzten Sparten, Politik und Feuilleton, blieben das gesamte 19. Jahrhundert hindurch ohne signifikante Abnahme bis zu 90% mit Akademikern besetzt. Ein Mann wie Emil Walter, der das Gymnasium nur bis zum sog. »Einjährigen« besucht hatte und dennoch den Aufstieg zum Chefredakteur überregional bedeutsamer Zeitungen schaffte, war auch noch in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine große Ausnahme. 1860 geboren, war Walter bis 1892 Redakteur an Eugen Richters Freisinniger Zeitung, bevor er 1892 Chefredakteur der Breslauer und 1896 der Königsberger Zeitung wurde, wo er dann auch zum Verlagsdirektor und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung avancierte.85 Die Öffnung des Journalistenberufs für Nicht-Akademiker hing also wesentlich mit der inhaltlichen Erweiterung der Zeitungen und der damit verbundenen Vergrößerung der Redaktionen zusammen. Spezielle Handels- oder Wirtschaftsredakteure gab es bis zur Jahrhundertmitte nur in seltenen Fällen.86 In den fünfziger Jahren wurden zwar mit der Berliner Börsen-Zeitung und vor allem der Frankfurter Handelszeitung, der späteren Frankfurter Zeitung, zwei wichtige auf Wirtschaftsfragen konzentrierte Tageszeitungen gegründet. Die ökonomischen Daumenschrauben in Form der Kautionspflicht und der Stempelsteuer, die den Zeitungen staatlicherseits zur Eindämmung der Presse angelegt wurden, verhinderten aber zunächst oft den Ausbau der Redaktionen und damit die Schaffung eines speziellen Ressorts für Wirtschaftsfragen. 87 Erst nach der Abschaffung dieser zusätzlichen finanziellen Belastungen durch das Reichspressegesetz von 1874 gewannen die Zeitungen mehr Spielraum für eine Vergrößerung und Ausdifferenzierung in verschiedene redaktionelle Sparten. 149

Augenfällig wird der Zusammenhang zwischen der Schaffung neuer Sparten und der sozialen Öffnung der Redaktionen fur Frauen. Diese erhielten erst mit der Schaffung von Frauenbeilagen Zugang zum Redaktionsverband einer Zeitung. Die drei Redakteure, die in Tabelle 4 unter der Sparte »Frauenbeilage« verzeichnet sind, waren alle weiblichen Geschlechts. Sie sind damit auch die einzigen Frauen, die in dem gesamten Sample vorkommen. Als Mitarbeiterinnen und teilweise auch als Herausgeberinnen von Zeitschriften waren Frauen dagegen längst tätig. Stellt man in Rechnung, daß die Verminderung des hohen Prozentsatzes an Akademikern in den Redaktionen großenteils dadurch zustande kam, daß Spezialisten für neu entstehende Sparten eingestellt wurden, erstaunt es nicht, daß an Zeitungen mittlerer Größe und Bedeutung der Akademikeranteil nicht geringer, sondern eher höher als bei großen Zeitungen war. Zwar mag am Schwäbischen Merkur während des 19. Jahrhunderts der eine oder andere Nicht-Akademiker beschäftigt gewesen sein, der hier nicht erfaßt wurde. Doch auch an Zeitungen wie dem Stuttgarter Neuen Tageblatt oder der Elberfelder Zeitung waren nur vereinzelt Nicht-Akademiker beschäftigt. Bezeichnenderweise blieb die Augsburger Allgemeine Zeitung, die ihre in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte Bedeutung nach der Jahrhundertmitte Zug um Zug verlor und kaum Konzessionen an neuere Entwicklungen im Zeitungswesen machte, eine Hochburg des akademischen Journalismus. Noch 1877 stellte die Allgemeine Zeitung einen Redakteur ein, der folgende Anzeige aufgegeben hatte: »Ein Philologe, Dr. phil., der alten und neuen Sprachen mächtig, seit einigen Jahren mit Erfolg im Lehrfach tätig, worüber Zeugnisse zu Gebot stehen, sucht ... dauernde Stellung an Lehranstalt oder Redaktion.«88 Der akademische Grad und die Beherrschung vor allem der neueren Sprachen, wichtig zum Lesen der ausländischen Zeitungen, reichten dem Verleger offenbar als Qualifikationsnachweise aus. In diese Richtung geht auch, daß man Erkundigungen über neu einzustellende Redakteure häufig bei Professoren einholte.89 Ähnliches wie für die Allgemeine Zeitung galt für die Berlinischen Nachrichten, die sog. Spenersche Zeitung, die 1874 einging, nachdem der Zeitung noch 1872 durch die Gründung einer Aktiengesellschaft und die Bildung einer neuen Redaktion unter Leitung des nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Wilhelm Wehrenpfennig ein neues Fundament gegeben werden sollte. Von den sechs Redakteuren, die 1872 den Neuanfang schaffen sollten, waren fünf promovierte Akademiker.90 Einblicke in die Redaktionsverhältnisse von Zeitungen mit nur einem oder höchstens zwei Redakteuren sind, wie bereits erwähnt, schwieriger. Da man nur über wenige solcher kleinen Blätter so gut informiert ist wie über die Saarbriicker Zeitung, soll deren redaktionelle Entwicklung ausführlicher dargestellt werden.91 Die Geschichte der Saarbriicker Zeitung 150

ging zurück auf das 1761 als Nassau-Saarbriickisches Wochenblatt gegründete Intelligenzblatt. Bis zum Jahr 1838 war die inzwischen in Saarbrücker Anzeiger umbenannte Zeitung ein reines Amts- und Anzeigenblatt. 1838 erhielt der Verleger Hofer, in dessen Familienbesitz die Saarbriicker Zeitung bzw. deren Vorgänger war, die Genehmigung zum Abdruck politischer Nachrichten. Erst in der Mitte der vierziger Jahre holte sich der Verleger Unterstützung bei der Redaktionsarbeit durch den Gymnasiallehrer Johann Wilhelm Elsermann. Auch der schrieb jedoch wohl keine eigenen Artikel, sondern veröffentlichte Einsendungen durchaus verschiedener politischer Couleur. Im September 1848 übernahm fur kaum drei Wochen der Rechtsanwalt Carl Winsweiler die Redaktion. Die demokratische Richtung, die er dem Blatt gab, stieß offenbar schnell auf Widerstand, so daß er umgehend durch den stärker konstitutionell-monarchistisch gesinnten Gymnasiallehrer Friedrich Schröter abgelöst wurde. Nach der Niederschlagung der Revolution kehrte das Blatt nicht nur zur politischen Farblosigkeit zurück, sondern es endete auch die Phase der nebenberuflichen Redakteure. Schröters Nachfolger wurde der bis dahin als Schriftsetzer im Hoferschen Verlag tätige Conrad Hermann. Vermutlich waren es seine schriftstellerischen Ambitionen, die den Verleger dazu bewogen, dem 33jährigen die Redaktion zu übertragen. Neben den verschiedenen Novellen und Romanen, die Hermann veröffentlichte, spielte er auch im Saarbrücker Vereinsleben eine durchaus maßgebliche Rolle. 23 Jahre lang war Hermann Redakteur der Saarbrücker Zeitung, bis er 1873 aus unbekannten Gründen das Blatt verließ. Nach einem gescheiterten Versuch, eine eigene Zeitung herauszugeben, wurde er Ende der siebziger Jahre Redakteur der St.-Johann Saarbrücker Volkszeitung. Nachdem Hermann die Saarbrücker Zeitung verlassen hatte, war der Verleger Fritz Hofer zunächst gezwungen, die Redaktion selber zu übernehmen, da er über ein Jahr lang keinen geeigneten Redakteur fand. 1874 schließlich verpflichtete er mit dem Journalisten Max Dittrich einen auswärtigen und erfahrenen Redakteur, der noch kurz vor dem endgültigen Eingehen der Spenerschen Zeitung von Dresden nach Berlin gekommen war. Infolge der Auflösung der Redaktion der Spenerschen Zeitung war er jedoch gezwungen, eine neue Stellung zu suchen und die sicher bescheidenere Stelle an der Saarbrücker Zeitung anzunehmen. Als Dittrich 1876 wegen des Abdrucks eines gegen katholische Geistliche polemisierenden Artikels zu zwei Monaten Haft verurteilt wurde, entließ der Verleger seinen Redakteur jedoch wieder.92 Wahrscheinlich aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem von auswärts kommenden Dittrich versuchte der Verleger, wieder auf eine Kraft aus dem eigenen Haus zurückzugreifen. Nach einem vergeblichen Versuch mit Heinrich Becker, wohl auch ein im Verlag tätiger Schriftsetzer, besorgte schließlich Theodor Vogel von 1880 151

bis 1893 die Redaktionsarbeit. Vogel war seit 1860 zunächst als Schriftsetzer und später in der Expedition des Blattes tätig gewesen. Die Saarbriicker Zeitung sei das meist gelesene Blatt im Regierungsbezirk Trier, doch »ohne eigentlichen politischen Redakteur« gewesen, schrieb der Direktor des Saarbriicker Gymnasiums Wilhelm Hollenberg in seiner Autobiographie, »wurde aber aus gut redigierten gemäßigt liberalen Blättern in meist geschickter Weise Hand in Hand mit den bedeutenden Bergwerksbehörden und der Regierung hergestellt.«93 Hollenberg selbst stand in enger Verbindung mit dem Blatt, da er von dem Verleger wiederholt zu Rate gezogen wurde und eine Art geistiger Mentor des Blattes war. Hier findet sich eine genaue Illustration der Verhältnisse, die von sachkundigen Zeitgenossen als typisch fur die Erstellung von Zeitungen dieser Größenordnung angesehen wurden. Die Zeitung wurde von einem Redakteur zusammengestellt, von dem man nicht weiß, inwieweit er den Anspruch, Journalist zu sein, überhaupt erhob. Zumindest von außen wurde er nicht wirklich als solcher angesehen. Der kundigere Helfer, von dem Richard Jacobi bei der Schilderung der Redaktionsarbeit in solchen Blättern sprach, war bei der Saarbriicker Zeitung der Gymnasialdirektor Hollenberg. 94 »Erst als nach dem Tode des fleißigen Redakteurs ein akademisch geschulter Redakteur gewonnen war«, fuhr Hollenberg in seiner Beschreibung fort, »trat ich der Sache ferner und auch die noch eine Zeitlang beibehaltenen nichtpolitischen Festartikel übernahm der Redakteur selbst umso fuglicher, weil er einst auch Theologie studiert hatte.« 95 Bei dem »akademisch geschulten Redakteur« handelte es sich um Albert Zühlke, der außer bei verschiedenen kleineren Zeitungen in den achtziger Jahren auch Redakteur der Nationalzeitung gewesen war. Entgegen seiner ursprünglichen Absicht blieb Zühlke fast 30 Jahre lang, bis 1921, als er sich 64jährig zur Ruhe setzte, Redakteur der Saarbriicker Zeitung.96 Es spricht vieles dafür, daß die redaktionellen Verhältnisse der Saarbrükker Zeitung ftir Blätter dieser Größenordung in mancherlei Hinsicht typisch waren. Es war kein Zufall, daß, nachdem lange Jahre die Redaktionsarbeit von Nicht-Akademikern, nämlich von Personal aus dem Verlag besorgt worden war, der Verleger die Redaktion schließlich einem »akademisch geschulten« Journalisten übertrug. Schon bei der Verpflichtung von Max Dittrich wird das Bemühen des Verlegers deutlich, die Qualität und damit die Auflage seiner Zeitung durch die Einstellung eines erfahrenen Redakteurs zu steigern. Das gelang jedoch erst mit Albert Zühlke, unter dessen Leitung die Auflage rasch von knapp 3000 auf 12 000 Exemplare im Jahr 1900 anstieg. Für die Gesamtentwicklung ist damit festzuhalten, daß erstens auch Einzelredakteure kleinerer Zeitungen durchaus Akademiker sein konnten - im Sample ist Zühlke kein Einzelfall - und daß hier zweitens quasi eine »aufsteigende Linie« in der Qualifikationsentwicklung zu beob152

achten ist. Anders ausgedrückt: Wenn ein Verleger Ambitionen besaß, mehr aus seiner Zeitung zu machen als eine bloße Kompilation aus anderen Blättern, benötigte er einen qualifizierten, was oft geheißen haben wird: akademisch gebildeten Redakteur. Solche standen offenbar auch in den neunziger Jahren noch in genügender Zahl zur Verfugung.97 Eine weitere Beobachtung, die an die Darstellung der redaktionellen Verhältnisse der Saarbriicker Zeitung anzuschließen ist, betrifft die Frage, inwieweit Schriftsetzer oder Drucker die Chance besaßen, zu Journalisten aufzusteigen. Trotz der methodischen Probleme, diese Gruppe quantitativ genau zu bestimmen und zudem noch zwischen »eigentlichen« Redakteuren und bloßen Scherenredakteuren zu unterscheiden, läßt sich doch festhalten, daß die Chance eines in einem Zeitungsverlag tätigen Setzers oder Druckers die relativ größte war, aus einer unterbürgerlichen Berufsgruppe zum Redakteur aufzusteigen. Wieviele Schriftsetzer oder Drucker zu »richtigen« Journalisten wurden, ist nicht zuletzt von subjektiven Einschätzungen abhängig. Vermutlich wird sich Conrad Hermann, Redakteur der Saarbriicker Zeitung bis 1873, entschiedener als Journalist betrachtet haben als Theodor Vogel, der Redakteur von 1880 bis 1893. Unter den in Tabelle 4 aufgeführten 12 ehemaligen Schriftsetzern sind einige durchaus als »richtige« Journalisten anzusehen. So war bei den Bremer Nachrichten aus dem Verlag Schünemann, in dem auch die Weserzeitung gedruckt wurde, von 1872 bis zu seinem Tod 1899 der ehemalige Setzer Justus Finger beschäftigt. Er hatte seine Setzerlehre im Schünemannschen Verlag absolviert und schon früh begonnen, kleinere Artikel und Berichte fur die Weserzeitung zu schreiben. Im Alter von 30 Jahren wurde ihm schließlich die Redaktion der Bremer Nachrichten übertragen, die eine Art Lokalausgabe der Weserzeitung war.98 Nach der Differenzierung hinsichtlich der Größe der Zeitungen bleibt die Frage zu stellen, ob sich mit dem Aufkommen der Generalanzeiger die Zusammensetzung der Redaktionen im Vergleich zu den traditionelleren Zeitungen erkennbar änderte. Für das später noch zu erörternde Problem, inwieweit in der Generalanzeigerpresse eine andere Form von Journalismus betrieben wurde und welche Gründe dafür ausschlaggebend waren, kommt diesem Aspekt eine besondere Bedeutung zu. Schon vor Jahren beklagte der Kommunikationswissenschaftler Winfried Lerg in einem Aufsatz zu den Anfängen der Massenpresse, man wisse »bitter wenig« über Redakteure und Mitarbeiter der Generalanzeiger. Insbesondere gelte dies fìir den Berliner Lokal-Anzeiger.99 Aus verschiedenen Gründen ist es in der Tat schwieriger, Redaktionen von Generalanzeigern zu rekonstruieren, als dies bei anderen Zeitungen der Fall ist.100 Sieht man zunächst vom Berliner Lokal-Anzeiger ab, waren 19 Redakteure des Sample an Zeitungen tätig, die als Generalanzeiger gelten können.101 Das ist nicht ganz so wenig, wie 153

es auf den ersten Blick erscheint, da, wiederum abgesehen vom Berliner Lokal-Anzeiger, die Redaktionen der Generalanzeiger in der Anfangsphase ihres Bestehens häufig nur mit zwei bis drei, manchmal sogar nur mit einem Journalisten ausgestattet waren. Die Tatsache, daß erstens 14 dieser 19 Redakteure studiert hatten und zweitens ein großer Teil von ihnen sowohl an traditionelleren Zeitungen als auch an Generalanzeigern gearbeitet haben, deutet nicht darauf hin, daß dieser neue Zeitungstypus auch von einer neuen Generation von Journalisten mit einem eigenen Sozialprofil gemacht wurde. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die redaktionelle Zusammensetzung des Berliner Lokal-Anzeigers, der zwar nicht der erste, sicher aber der bedeutendste Vertreter der Generalanzeiger war. 1883 von August Scherl gegründet, stabilisierte sich die Auflage der Zeitung bald bei 150 000 Exemplaren und stieg dann weiter auf etwa 200 000 um die Jahrhundertwende.102 Entsprechend seiner Auflage verfugte das Blatt 1899 mit 34 Redakteuren über die bei weitem größte deutsche Redaktion. Von 30 der zwischen 1883 und 1900 dort beschäftigten Redakteure konnten biographische Angaben ermittelt werden. Bemerkenswert ist, daß der Anteil der Nicht-Akademiker mit gut einem Drittel der ermittelten Redakteure vergleichsweise hoch war. Auffallend ist zudem die heterogene Zusammensetzung der Redaktion und die Ansammlung von Journalisten mit vergleichsweise unbürgerlichem Lebenslauf. Allein vier Mitglieder des Redaktionsverbandes von 1899 hatten Vorstrafen, die nicht aus Pressevergehen resultierten. Drei der sieben Journalisten, die von der Schauspielerei in den Journalismus gewechselt waren, befanden sich im Redaktionsverband des Berliner Lokal-Anzeigers. Auf die konfessionelle Heterogenität der Redaktion ist oben bereits hingewiesen worden. Eine stärkere Öffnung des Journalistenberufs für Nicht-Akademiker setzte mit den Generalanzeigern insofern ein, als sie durch die inhaltliche Schwerpunktverschiebung von der Politik zu lokalen und weniger »seriösen« Ereignissen jenen Bereich stärkten, in dem akademische Bildung nicht unbedingt gefragt war. Vor allem der steigende Bedarf an Reportern stand mit dem Aufkommen der Generalanzeiger in direktem Zusammenhang. Auch wenn über diesen neu entstehenden Journalistentyp wenig in Erfahrung zu bringen ist, darf man annehmen, daß formale Qualifikationen hier eine geringere Rolle spielten als Findigkeit, Ideenreichtum und Erfahrung. Drei der vier Reporter oder »Rechercheure«, wie sie in den Akten des Innenministeriums teilweise gefuhrt wurden, die für den Berliner LokalAnzeiger arbeiteten, verfügten über keinerlei akademische Vorbildung. Nicht zuletzt bot sich offenbar auch für Frauen eher die Chance, als Reporterin Fuß zu fassen, denn eine feste Redakteursstelle zu bekommen. Zumindest geht aus der Jubiläumsausgabe des Berliner Lokal-Anzeigers zu 154

dessen 10-jährigem Bestehen im Jahr 1893 hervor, daß zu diesem Zeitpunkt mehrere Frauen als Lokalreporterinnen fur die Zeitung arbeiteten. Als Einstieg in eine journalistische Laufbahn eignete sich die Reportertätigkeit in Deutschland, ganz anders als in England oder den USA, offenbar kaum. Das in der englischen Presse übliche Aufrücken vom Reporter zum Redakteur sei in der deutschen Presse nur ausnahmsweise anzutreffen, schrieb der Journalist Franz Walther in einer Schrift über das Pressewesen im Jahr 1888. Bis ins frühe 20. Jahrhundert änderte sich daran wenig. Der Chefredakteur des Hannoverschen Courier Richard Jacobi kam 1902 noch zu demselben Ergebnis wie Walther.103 Tatsächlich findet sich unter den Redakteuren des Sample so gut wie niemand, der zuvor als Reporter im engeren Sinne gearbeitet hatte. Faßt man die Ergebnisse zusammen und stellt den anhaltend hohen Anteil von Akademikern unter den deutschen Redakteuren, vor allem unter den politischen Journalisten, in Rechnung, erscheinen die Klagen über eine angeblich »mangelnde wissenschaftliche Vorbildung« der deutschen Journalisten in einem anderen Licht. Das Argument, das übrigens in der breiten französischen Diskussion um die Möglichkeit einer Niveausteigerung des Journalismus bezeichnenderweise keine Rolle spielte, verweist auf den stark akademisch geprägten Blickwinkel, unter dem Presse in Deutschland beurteilt wurde. Der Journalist Julius Duboc, der lange Zeit in England als Korrespondent deutscher Zeitungen tätig war, kam durch seine Kenntnisse der englischen Presse zu einem völlig anderen Urteil. In einem 1872 erschienenen Aufsatz kritisierte Duboc anstelle einer angeblich mangelnden wissenschaftlichen Vorbildung die durch und durch akademische Orientierung der deutschen Journalisten. »Der deutsche Zeitungsschreiber - um uns dieses mit Unrecht als unfein beanstandeten Ausdrucks zu bedienen - fühlt sich mit Vorliebe als Gelehrter, er überträgt die Gewöhnungen früherer Lebensverhältnisse, die meistens mehr oder minder mit gelehrten Studien verknüpft waren, auf seinen späteren Beruf, das Büreau seiner redaktionellen Tätigkeit wird ihm zur Studierstube, die Zeitung, der er seine besten Kräfte und Jahre widmet, zur wissenschaftlichen Disziplin, der Dienst der Tagespolitik, der seine bewegliche Kraft fordert, zum strengen, schwer gewichtigen Dienst der Wahrheit. ... Etwas Unsagbares von Schulstubenluft und grauer Theorie haftet ihnen an, überall tritt uns die Würde der politischen Wissenschaft mit pathetischem Ernst entgegen, vergebens aber suchen wir nach der Frische der Behandlung, die auch den strengsten, wissenschaftlichen Forschungen einen das große, lehrbedürftige Publikum gewinnenden Reiz mitzuteilen vermag.« 104 Mit der Expansion der Presse in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts setzte zwar ein langsamer Rückgang der Akademiker unter den 155

Journalisten ein, ohne daß jedoch deren deutliche Dominanz in den Redaktionen mittlerer und größerer Zeitungen in Frage gestellt worden wäre. Die Tatsache, daß es immer wieder etablierte Journalisten gab, die ihre Promotion nachholten, unterstreicht diese Dominanz. Insgesamt ist weniger wichtig, ob Ende des 19. Jahrhunderts nur 20 oder schon 25 Prozent dieser Journalisten keine Akademiker waren - das hängt immer auch von der Berechnungsgrundlage ab. Vielmehr ist die Tatsache entscheidend, daß es ganz bestimmte Kanäle gab, nämlich die neu entstehenden Sparten, über die spezifische Gruppen von Nicht-Akademikern Eingang in den Journalismus fanden. Für den Journalismus insgesamt war ein solcher Kanal nicht zuletzt die sozialdemokratische Presse, die hier außer acht gelassen wurde.105 Eine stärkere Entakademisierung des Journalistenberufs setzte insgesamt offenbar erst später ein als vermutet. Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1920 hatten von den Journalisten in Köln zwar 67% die Universität besucht, doch angeblich nur 13% von ihnen hatten einen Abschluß gemacht. Nach einer Umfrage der Akademischen Auskunftsstelle von 1923 bei vorwiegend kleineren und mitderen Zeitungen waren von 425 erfaßten Redakteuren 258 Akademiker, von denen wiederum nur knapp die Hälfte ihr Studium abgeschlossen hatte.106 Es dürfte schwierig sein, die Phase genauer einzugrenzen, in der neben der Zahl der Nicht-Akademiker vor allem die Zahl derer rapide anstieg, die ohne ein abgeschlossenes Studium Redakteur werden konnten. Zwar liegt für die Jahre 1904—1908 eine Untersuchung über den Arbeitsmarkt der Redakteure vor. Dort ermittelte Paul Stoklossa, daß lediglich in gut 13% der Stellenangebote ein Studium verlangt wurde und in rund 39% der Stellengesuche auf einen akademischen Abschluß verwiesen wurde. Doch Stoklossa wies selbst darauf hin, daß dies über den tatsächlichen Anteil von Akademikern, den er selbst wesentlich höher als die von ihm aus den Stellenanzeigen ermittelten Angaben schätzte, nicht viel aussage.107

2.4. Berufswahl Journalismus: Auffangbecken für Gescheiterte? Die Frage, welche Gründe oder Motive jemanden zu einer bestimmten Berufswahl veranlaßt haben, wird jenseits einer rein biographischen Ebene selten explizit gestellt. Auf der anderen Seite steht hinter jeder Untersuchung der sozialen Zusammensetzung eines Berufs immer die Frage nach den »objektiven« gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür, daß sich Rekrutierungsmuster so und nicht anders verfestigten. Als Motiv fur den Sohn eines Handwerkers, Pfarrer oder Lehrer zu werden, reicht die Annahme des Wunsches nach sozialem Aufstieg aus. Die Frage, warum sich aber 156

jemand innerhalb einer Gruppe »gleichwertiger« Berufe dazu entschloß, eher Arzt und nicht Ingenieur oder Rechtsanwalt zu werden, ist zumeist müßig zu stellen, da man jenseits des Hinweises auf eine allgemeine Neigung zur Selbstrekrutierung schnell auf subjektive Momente verweisen müßte. Für die Journalisten kommt aber dem Problem, warum und auf welchem Wege jemand zu diesem Beruf kam, eine besondere Bedeutung zu, da sich der Journalistenberuf gesellschaftlich gerade im Vergleich zu anderen bürgerlichen Berufen nicht genau verorten läßt. Überspitzt ließe sich sagen: Während es bei der Untersuchung anderer bürgerlicher Berufe nicht zuletzt um die Zugangschancen geht, ist für den Beruf der Journalisten nach den »Zugangszwängen« zu fragen. Eine solche Formulierung setzt jedoch schon voraus, daß die Berufswahl Journalismus zumeist eine unfreiwillige war. Die Frage, inwieweit dies tatsächlich der Fall war, soll im folgenden gestellt werden. Ihre Beantwortung kann dann als ein Anhaltspunkt für eine genauere soziale Verortung des Journalistenberufs dienen. In seiner Eröffnungsrede zur Schulkonferenz im Dezember 1890 attakkierte Wilhelm II. in scharfer Art und Weise die sog. »Überproduktion der Gebildeten«, die in den achtziger Jahren angesichts stark ansteigender Abiturienten- und Studentenzahlen von den Zeitgenossen ausgemacht und heftig diskutiert wurde.108 Es war dabei kein Zufall, daß er diese »Überproduktion« speziell mit den Journalisten in Verbindung brachte: »Da ist das Wort vom Abiturientenproletariat, welches wir haben. Die sämtlichen sog. Hungerkandidaten, namentlich die Herren Journalisten, das sind vielfach verkommene Gymnasiasten, das ist eine Gefahr fur uns.«109 Es ist an der Zeit, dem hier schon wiederholt angesprochenen Topos vom Journalisten als gescheiterter Existenz auf den Grund zu gehen. Läßt man den polemischen und moralisierenden Aspekt solcher Äußerungen beiseite, kristallisiert sich dahinter die berechtigte Frage heraus, inwieweit der Journalistenberuf eine Art Auffangbecken für diejenigen bildete, die in anderen Berufen, aus welchen Gründen auch immer, nicht unterkamen. Diese Frage liegt nahe, wenn man sich vor Augen fuhrt, daß vor allem in Preußen fiir lange Zeit eine gesicherte Anstellung beim Staat als Ziel quasi jeder akademischen Ausbildung galt. »Im Grunde klammerte sich alles an den Staat«, schrieb Heinrich Laube rückblickend auf seine Studienzeit in den zwanziger Jahren. »Eine Anstellung, die mit dem Staate zusammenhing, wurde gesucht, nur eine solche; jede freie Tätigkeit, welche lediglich auf selbständige Kraft angewiesen blieb, galt für abenteuerlich, ja verdächtig.«110 Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlich, daß der von Unsicherheiten und nur langsam nachlassenden Schikanen geprägte Beruf des Journalisten mindestens bis weit über die Jahrhundertmitte selten direkt angestrebt wurde. Insofern ließe sich vermuten, daß in den Zeiten sog. akademischer Überproduktion die Zahl 157

derjenigen, die auf den journalistischen Markt drängte, besonders groß war. Quantitativ zu überprüfen ist dies jedoch nicht, da schlechterdings nicht zu entscheiden ist, wie groß die Zahl derer war, die zu unterschiedlichen Zeiten versuchten, sich journalistisch zu betätigen. Bei dem Versuch, einen Überblick über die Entwicklung auf dem journalistischen Arbeitsmarkt zu gewinnen, ergibt sich ein ambivalentes Bild. Fast fur den gesamten Zeitraum stößt man auf der einen Seite auf Verleger, die Mühe hatten, geeignete Redakteure zu finden, und auf der anderen Seite auf Journalisten, die händeringend nach einer Anstellung suchten. a) Die Entstehung eines Arbeitsmarktes ßir Journalisten. Erst seit Beginn der dreißiger Jahre läßt sich überhaupt vom Entstehen eines Arbeitsmarktes fiir Journalisten sprechen. Wie oben dargestellt, begannen Verleger in den dreißiger und vierziger Jahren nach und nach, Journalisten hauptberuflich an ihren Zeitungen zu beschäftigen. Für manch einen, der mit seinen literarischen Ambitionen nicht recht zum Zuge kam, entstand hier die Möglichkeit, zu einem relativ gesicherten und, wie noch zu zeigen sein wird, häufig gar nicht einmal geringen Einkommen zu gelangen, ohne dem literarischen Milieu ganz den Rücken kehren zu müssen. Das Emporschnellen der literarischen Produktion seit den zwanziger Jahren hing ohne Zweifel nicht zuletzt mit der um 1830 einsetzenden ersten Akademikerschwemme zusammen. Zwischen 1821 und 1843 stieg die Anzahl der pro Jahr neuerscheinenden Titel von 4505 auf 14 059 um das Dreifache. 1843 war damit ein Spitzenwert in der Buchproduktion erreicht, der nach einem Absacken auf deutlich unter 10 000 Titel in den fünfziger Jahren erst seit 1879 wieder übertroffen wurde, bezeichnenderweise zu einem Zeitpunkt, als die Zahl der Hochschulabsolventen wieder stark angestiegen war und damit die Diskussion um die akademische Überproduktion erneut aufflammte.111 Die vergleichsweise große Zahl derer, die sich in den dreißiger und vierziger Jahren schriftstellerisch-journalistisch betätigten, mag manchen Verleger dazu veranlaßt haben, hauptberufliche Redakteure zu beschäftigen. Unter den Bedingungen der Zensur waren jedoch nur wenige Verleger wie Cotta oder DuMont in der Lage, die Redakteursstellen für begabte Journalisten hinreichend attraktiv zu gestalten. Wenn z.B. Karl Gutzkow darüber klagte, sein Geldmangel zwinge ihn dazu, »auf 14 Tage ein hiesiges Lokalblatt zu redigieren«, so zeigt dies einerseits, daß es offenbar nicht besonders schwer war, einen solchen »Job« zu bekommen, zum anderen aber kommt hier auch deutlich die Abneigung eines ambitionierten Schriftstellers gegen eine solche Tätigkeit zum Ausdruck, die vermutlich wenig journalistischen Gestaltungsspielraum bot. 112 Geht man davon aus, daß die akademische Überproduktion seit Ende der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine große Zahl von Akademikern in 158

den Journalismus trieb, muß es erstaunen, daß nach dem generellen Abschwellen des Überangebots an Akademikern in den fünfziger und sechziger Jahren die Zahl der Studierten unter den Redakteuren eher noch zunahm (Tab. 2). Auf dieser globalen Ebene wird damit bereits deutlich, was später noch fur die einzelnen Studienfächer belegbar ist, daß nämlich die akademische Überproduktion nur bedingt auf den journalistischen Arbeitsmarkt durchschlug. Für das leichte Ansteigen des Akademikeranteils unter den Redakteuren in den fünfziger und sechziger Jahren scheinen zwei Faktoren ausschlaggebend gewesen zu sein. Die Säuberungswelle, die nach der 48er Revolution die Verwaltungen von Revolutionssympathisanten reinigen sollte, war der eine Grund dafür, daß weiterhin eine relativ große Zahl an Akademikern im Journalismus Unterschlupf suchte. Zum anderen aber sorgten die ökonomischen Daumenschrauben, die den Zeitungen und Zeitschriften nach der Revolution anstelle der Zensur angelegt wurden, dafür, daß vor allem der Zeitschriftenmarkt stark schrumpfte. Die Möglichkeit, sich ohne feste Redakteursstelle auf dem freien journalistischen Markt zu behaupten, sank damit erheblich, so daß sich manch einer gezwungen gesehen haben wird, eine nicht sonderlich attraktive Redakteursstelle an einer kleinen Zeitung anzunehmen. Ein Einblick in die Situation auf dem journalistischen Arbeitsmarkt der fünfziger Jahre läßt sich aus den Akten des Literarischen Büros beim preußischen Innenministerium gewinnen. Neben einer großen Anzahl an Schreiben von Personen, die ihre Dienste anboten, um Unterstützung oder Anstellung nachsuchten, finden sich hier die Probleme dokumentiert, die ein Verleger 1853 bei der Suche nach einem geeigneten Redakteur für die Düsseldorfer Zeitung hatte. Um weiteren Schikanen durch die Behörden zu entgehen, hatte dieser 1852 einen Vertrag mit dem Literarischen Büro geschlossen, der der Regierung weitestgehenden Einfluß auf das Blatt ermöglichte.113 Bewerbungen seien zwar zahlreich eingegangen, heißt es in der Akte, aber entweder hätten die Bewerber eine anrüchige politische Vergangenheit, so daß sie für die Düsseldorfer Zeitung nicht in Frage kämen, oder aber sie besäßen eine völlig unzureichende Qualifikation.114 Die Düsseldorfer Zeitung war nicht das einzige Blatt, dessen Besitzer die Erfahrung machte, daß es trotz einer großen Zahl von Anwärtern schwierig war, unter ihnen eine geeignete Kraft zu finden. So haderte der Verleger der Kölnischen Volkszeitung, Joseph Bachem, immer wieder mit der Schwierigkeit, fähige Redakteure zu finden. 1867 schrieb Bachem an einen Bewerber namens W. Virnich, sein Schreiben sei zu spät eingetroffen, und im übrigen sei er bereits der 34. gewesen, der sich für die Stelle interessierte. Als der ausgewählte Bewerber die Stelle doch nicht antrat, wandte sich Bachem wieder an Virnich, den er nach drei Monaten jedoch schon wieder entließ, weil es ihm an »Beweglichkeit und Gewandtheit des Geistes, die aber für 159

einen Redakteur unerläßlich ist, und die alle Kenntnisse nicht ersetzen können«, fehle.115 Das Problem, geeignete Redakteure zu finden, verschärfte sich noch, nachdem sich Bachem 1869 wegen Auseinandersetzungen um die politische Linie von seinem Chefredakteur Fridolin Hoffman getrennt hatte. 1870 klagte Bachem in einem Brief an die Baronin von Leonrod-Schätzler: »Die Armut an brauchbaren Kräften in unserer Partei zeigt sich ein Mal wieder so recht. Von 15 Persönlichkeiten, die sich mir anboten, ist keiner mehr übrig, der in Betracht zu ziehen wäre, als ein junger Mann, der schon ein halbes Jahr bei uns war, doch wegen Mangel an Fleiß bei gutem Talent enüassen wurde und bei einem tüchtigen Hauptredakteur den dritten Redakteur genügend ersetzen könnte. Woher nur einen Mann nehmen, der die Leitung fuhrt? Ich kenne in Gottes weiter Welt nur Einen - einen ziemlich jungen Geistlichen, und unterhandle jetzt wegen seiner mit seinem und mit meinem Bischöfe.«116 Bei dem jungen Geistlichen handelte es sich um Paul Majunke, den späteren Redakteur der Germania und Reichstagsabgeordneten, mit dem Bachem jedoch auch kein Glück hatte. Bereits nach wenigen Monaten kam es über Kompetenzgerangel und Streit über die politische Linie wieder zum Bruch.117 Erst als der Jurist Julius Bachem und Hermann Cardauns, Privatdozent für Geschichte, in die Redaktion der Kölnischen Volkszeitung eintraten und das Blatt über die Jahrhundertwende hinaus leiteten, war das Redakteursproblem im wesendichen auf lange Jahre gelöst.118 Sowohl die gouvernementale Düsseldorfer Zeitung als auch die katholische Kölnische Volkszeitung befanden sich bei dem Problem der Besetzung ihrer Redaktionen in einer besonderen Situation. Die Segmentierung des journalistischen Arbeitsmarktes, von der oben bereits die Rede war, machte sich fur beiden Zeitungen besonders bemerkbar: Ihnen stand bei der Suche nach Redakteuren nur eine schmale Auswahl unter der insgesamt relativ großen Zahl an Bewerbern zur Verfugung. Bachem beklagt denn auch den Mangel an brauchbaren Kräften »in unserer Partei«. Die Tatsache, daß er von 1862 bis 1875 sogar einen Protestanten in seiner Redaktion beschäftigte, unterstreicht, wie schwierig es offenbar war, geeignete katholische Redakteure zu finden.119 Liberale Zeitungen konnten im Vergleich dazu aus einem weit größeren Angebot an fähigen Journalisten schöpfen, auch wenn etwa der Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung, Otto Braun, 1875 unter 30 bis 40 Bewerbungen für eine Redakteursstelle keine brauchbare zu finden meinte.120 Als die Schlesische Zeitung 1879 per Inserat einen Journalisten mit abgeschlossenem Studium für die Stelle des dritten politischen Redakteurs suchte, gingen 60 bis 70 Bewerbungen ein. Im einzelnen hieß es in dem Inserat, die mit 3500 Mark dotierte Stelle solle »mit einem den höheren Gesellschaftsklassen angehörenden Publicisten christlicher Ab160

stammung besetzt werden, welcher mit einer vollständig abgeschlossenen Gymnasial- und Universitätsbildung ausreichende Kenntnis der neuesten Geschichte und der preußischen Staatseinrichtungen, stylistische Gewandtheit und die Fähigkeit verbindet, französische und englische Zeitungen ohne besonderen Zeitaufwand zu lesen.«121 Ob tatsächlich alle der hier eingegangenen Bewerbungen die gestellten Anforderungen erfüllten, mag dahingestellt bleiben. Es kann jedoch kein Zweifel darüber bestehen, daß erstens der Journalistenberuf stark an Attraktivität gewann. »Wer in einigen größeren Zeitungen ein Inserat des Inhalts erläßt, die Redaktion suche zur Mitarbeit und vielseitigen Einarbeitung einen jüngeren Volontär gegen Gehalt, der kann sicher sein, zwischen fünfzig und hundert, oft bis zweihundert Meldungen zu bekommen, je nach den Chancen, die er bietet«, hieß es 1909 in einem Artikel zum Problem des Journalistennachwuchses.122 Zweitens ist sicher, daß unter den Bewerbern der Anteil der Akademiker so hoch blieb, daß Verlegern und Chefredakteuren mittlerer und größerer Zeitungen auch gegen Ende des Jahrhunderts bei Stellenbesetzungen ein reichliches Angebot an Akademikern zur Verfugung stand.123 Die Erkenntnis, daß sich manche dieser Bewerber »trotz guter wissenschaftlicher Vorbildung als ungeeignet für den journalistischen Beruf« erwiesen, wie Alfred Oehlke, seit 1896 Chefredakteur der Breslauer Zeitung, einmal feststellte, mag dazu gefuhrt haben, daß journalistischer Erfahrung auf lange Sicht der Vorrang vor dem Besitz formaler Bildungspatente gegeben wurde. 124 Noch 1885 schrieb die Kölnische Zeitung jedoch eine Stelle aus, in der ein junger Mann gesucht wurde, der seine akademischen Studien beendet, aber noch keine journalistischen Vorkenntnisse haben sollte.125 Als Faustregel für die Neueinstellung von Journalisten galt weiterhin, »daß der Griff ins Dunkle beim Engagement journalistischer Neulinge seltener ein Fehlgriff sein wird, wenn von vornherein akademische Bildung verlangt wird, als wenn diese Bedingung nicht gestellt wird«.126 b) Der Zusammenhang zwischen dem Studienfach und der Berufswahl Journalismus. Bislang ist in der Analyse der Vorbildung von Journalisten innerhalb der Akademiker nicht nach Fächern differenziert worden. Das soll hier nachgeholt werden (vgl. Tab. 5), um anschließend zu untersuchen, ob bzw. in welchem Maße und fur Studenten welcher Fachrichtung die Berufswahl Journalismus mit einer Überproduktion in den jeweiligen Fächern zusammenhing. 127 Generell bestätigt sich in Tabelle 5, was schon bei der Untersuchung des Verhältnisses von Akademikern zu Nicht-Akademikern deutlich geworden war, daß sich nämlich die Zusammensetzung des Journalistenberufs nicht nach der 48er Revolution, sondern mit der Expansion der Presse in den 161

Tabelle 5: Von Journalisten studierte Fächer 128 Zeitraum

Phil.129

Theol.

Jura

Nat.ök.

Medizin/ Nat.wiss130

1800-1900

55%

8% (14%)

26%

(9%)

13%

1800-1848 1849-1869 1800-1869

53% 55% 54%

15% (29%) 9% (18%) 12% (24%)

31% 33% 32%

(3%) (10%) (7%)

6% 10% 8%

1870-1889 1889-1900 1870-1900

54% 56% 55%

4% (7%) 7% (9%) 6% (8%)

22% 21% 22%

(11%) (11%) (11%)

18% 14% 16%

N=433131

siebziger Jahren veränderte. Des weiteren ist festzustellen, daß sich die Schwankungen der Absolventenzahlen der verschiedenen Studienfächer nicht auf dem journalistischen Arbeitsmarkt niederschlugen. So blieb der Anteil der Journalisten, die Philosophie, Geschichte oder eine Philologie studiert hatten, ungeachtet aller Frequenzschwankungen bei der Zahl der Absolventen in diesen Fächern beeindruckend konstant zwischen 53 und 56 Prozent. Gerade bei den Absolventen der Philosophischen Fakultät hätte man vermuten können, daß der Journalismus als Ausweichberuf gewählt wurde, wenn die Stellen fur Lehrer an höheren Schulen knapp waren. Wie von Hartmut Titze herausgearbeitet worden ist, setzte eine Überfullung in diesem Bereich das erste Mal in den dreißiger Jahren ein und hielt bis zur Jahrhundertmitte an. Nach einer Phase empfindlichen Lehrermangels in den sechziger und siebziger Jahren kam es in den achtziger Jahren erneut zu einer Lehrerschwemme. 132 Keine dieser Phasen von Lehrermangel und Lehrerschwemme zeitigte direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Redakteursberufs. Das gleiche gilt fur die Juristen. Den relativ hohen Anteil von Juristen unter den Journalisten in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts mag man noch mit der Stellenknappheit im Staatsdienst in Zusammenhang bringen, die zu fìinf- bis zehnjährigen Wartezeiten für Assessoren führte. Der große Andrang auf die juristischen Berufe in den siebziger und achtziger Jahren, den man mit einer Erhöhung der Durchfallquote im Staatsexamen einzudämmen versuchte, führte hingegen offenbar nicht dazu, daß Journalismus von denjenigen, die im Staatsexamen durchgefallen, also auf ihrem ursprünglich gewählten Weg gescheitert waren, verstärkt als Ausweichberuf angestrebt wurde. 133 Da das Jurastudium gene162

rell als gute Berufsvoraussetzung fur Redakteure angesehen wurde, kann davon ausgegangen werden, daß sich auch unter den freien Journalisten der Anteil der Juristen nicht wesentlich erhöhte. Erstaunlich und nicht ganz einfach zu interpretieren ist der relativ hohe Anteil von Redakteuren, die Fächer studiert hatten, die dem Journalismus relativ fern standen, nämlich Medizin sowie Natur- und Technikwissenschaften. Die Schwankungen, denen die Rate der Absolventen dieser Fächer unterlag, lassen sich schon wegen des geringen Anteils der einzelnen Fächer an der Rekrutierung nicht mit den zyklischen Schwankungen der Studentenzahlen in Verbindung bringen. Im übrigen wäre schwer erklärbar, warum etwa für Mediziner Journalismus eher als Ausweichberuf in Frage gekommen sein sollte als fur Juristen. Neben verschiedenen individuellen Gründen, die Medizin-, Mathematik- oder Chemiestudenten dazu veranlaßt haben mögen, Journalisten zu werden, ist der Anstieg vor allem der Natur- und Technikwissenschaftsabsolventen in der Zeit nach 1870 auf den gleichen Grund zurückzufuhren, der auch den zunehmenden Anteil der Nicht-Akademiker in dieser Zeit erklärt, nämlich den Ausbau verschiedener Sparten. So begannen die großen Zeitungen seit den siebziger Jahren, eigene Redakteure fur Fragen der Technik und Naturwissenschaften zu beschäftigen, die dann in der Regel auch Ingenieurwissenschaften, Chemie oder ähnliches studiert hatten. 134 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Zusammensetzung des Journalistenberufs weitgehend unabhängig von zyklischen Schwankungen der Studentenfrequenzen im allgemeinen als auch in den einzelnen Fächern war. Das bedeutet nicht, daß der Journalismus nicht auch als eine Art »Auffangbecken« für diejenigen diente, denen andere Berufswege versperrt waren. Dies wird unten an einzelnen Lebenswegen noch genauer verfolgt werden. Doch schon aufgrund der Tatsache, daß Verlegern spätestens seit den siebziger Jahren in der Regel genügend Bewerber zur Verfügung standen, war ein schnelles Umschwenken in den Journalismus etwa nach dem Nichtbestehen des Staatsexamens häufig gar nicht möglich. Nicht feststellbar ist, wieviele es versucht haben und dabei gescheitert sind. c) Dem Journalistenberuf vorausgehende Tätigkeit. »Man findet heute schon oft junge Leute, die mit voller Absicht, Journalist zu werden, die Universität beziehen und ihr Studium danach ausrichten«, schrieb 1909 ein Journalist in einem Artikel, in dem er seinen Kollegen Hinweise gab, wie sie aus der Menge von Bewerbungen die richtigen aussuchen sollten.135 Daß der Journalistenberuf auch noch um die Jahrhundertwende und erst recht in Zeiten, als der Berufsjournalismus noch im Entstehen begriffen war, nicht als ursprüngliches Berufsziel galt, läßt sich nicht zuletzt daran erkennen, daß ein großer Teil der Journalisten zuvor eine andere Berufstätigkeit 163

ausgeübt hatte. Wie aus Tabelle 6 ersehbar, nahm deren Zahl im Laufe des Jahrhunderts zwar langsam ab, blieb aber immer noch beträchtlich. Tabelle 6: Nach dem Studium von späteren Journalisten ausgeübte berufliche Tätigkeit136 keine/Schrifst. Gymn.lehrer Hauslehrer Beamtenlaufbahn davon unspezifiziert »Justizdienst« Assessoren Referendare Rechtsanwälte Priester/Pastoren/ Vicare Ärzte Privatdozenten Professoren Ingenieure/Chemiker Kaufmann. Tätigkeit Buchhändl/Archivare/Bibliothekare Schausp./Dramaturgen sonst. N=386

insges. 153(40%) 59 (15%) 24 (6%) 44(11%)

vor 1870

nach 1870

59(32%) 31(17%) 23(13%) 20(11%)

94 (46%) 28(14%) 1 24(12%)

16 6 5 17 10

7 3 3 7 8

9 3 2 10 2

11 6 15 4 9 12 13 9 18

4 3 10 1

7 3 5 3 9 7 7 6

-

5 6 3

Noch bis zur Jahrhundertwende hatten über die Hälfte der akademisch gebildeten Journalisten vor ihrem Übergang in den Journalismus einen anderen Beruf ausgeübt oder zumindest den Weg dahin eingeschlagen. Nimmt man die übrigen Journalisten hinzu, die keine Universität besucht hatten, gingen bis zum Ende des Untersuchungszeitraums sogar etwa zwei Drittel der Journalisten aus anderen Berufen hervor. Unter denjenigen, die nicht studiert hatten, wurden lediglich fünf der im Sample erfaßten direkt nach dem Abitur Journalist.137 Alle fünf hatten zwar nach 1870 den Beruf ergriffen, so daß sich daraus eine gewisse Tendenz dahingehend ablesen läßt, daß Journalismus sich erstens als »richtiger« Beruf langsam zu etablieren begann und daß zweitens nicht mehr unbedingt ein Studium oder eine bestimmte für den Journalismus verwendbare praktische Vorbildung Voraussetzung war, um bei einer Zeitung eingestellt zu werden. Die Tatsache, 164

daß größere Zeitungen nach und nach Volontariate für Berufsanfánger einrichteten, weist in dieselbe Richtung.138 Doch die Entwicklung dahin verlief langsam: Zwischen 1875 und 1889 gaben von 85 043 preußischen Abiturienten ganze sieben an, unmittelbar nach dem Abitur Journalist werden zu wollen.139 Bemerkenswert ist, daß sich der Anstieg des Anteils der Redakteure, die sich in der Zeit nach 1870 gegenüber der Zeitspanne zwischen 1800 und 1870 direkt im Anschluß an das Studium der Schriftstellerei und dem Journalismus widmeten, um den Anteil erhöhte, der zuvor auf die Hauslehrer gefallen war. Das war ein Beruf, der typischerweise häufig nur für eine bestimmte Zeit ausgeübt wurde und im Laufe des 19. Jahrhunderts praktisch ausstarb. Der Anteil derer, die aus anderen Laufbahnen in den Journalismus wechselten, blieb damit bei genauem Hinsehen über das gesamte 19. Jahrhundert nahezu konstant. Daß die »Vorfeldtätigkeiten« von Journalisten dennoch Veränderungen unterlagen, läßt sich an der Entwicklung des Lebensalters ablesen, in dem die Journalisten ihren Beruf ergriffen. Es ist zwar nur selten möglich, genau zu ermitteln, seit wann jemand hauptberuflich als Journalist tätig war, zumal, wenn man die journalistische Tätigkeit noch von der schriftstellerischen trennen wollte. Vergleichsweise häufig läßt sich jedoch immerhin das Alter der Journalisten bei Übernahme ihrer ersten Redakteursstelle feststellen. Auf diese Weise lassen sich Durchschnittswerte errechnen, die trotz aller Ungenauigkeiten in ihrer Größenordnung durchaus Aussagewert besitzen. So sank das Durchschnittsalter bei »Berufsantritt« um über fünf Jahre von errechneten knapp 34 Jahren (bis 1850) auf gut 28 Jahre (seit 1890). 1 4 0 Da davon auszugehen ist, daß nicht wenige schon eine gewisse Zeit zuvor als Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften tätig gewesen waren, sind die Werte absolut gesehen sicher zu hoch. Das deutliche Absinken des Durchschnittsalters zeigt jedoch, daß die dem Journalismus vorausgehende Tätigkeit im Laufe des 19. Jahrhunderts wesentlich eher und vermutlich auch gezielter verlassen wurde. d) Typische Karrieremuster. »Das Wort: >Der Dichter wird geboren< gilt auch vom Journalisten wie vom Künstler.«141 Das Wort vom »geborenen Journalisten« kann als eine Art komplementäres Gegenstück zu der Rede vom Journalisten als »gescheiterter Existenz« angesehen werden. Es sei falsch, Schriftsteller und Journalisten als Leute zu bezeichnen, »die ihren Beruf verfehlt haben«, hieß es in »Violets Berufswahlfuhrer« fur Schriftsteller und Journalisten von 1912, »sondern gerade im Gegenteil, es sind zumeist Leute, die ihren richtigen Beruf gefunden haben. ... Da gibt es keinen Berechtigungsschein^ den man auf irgendeiner Schule ersitzen kann, sondern das Können allein ist es, das die Berechtigung gibt, am 165

geistigen Leben der Nation mit tätig zu sein.«142 Gibt man sich nicht damit zufrieden, daß die Zusammensetzung des Journalistenberufs eben heterogen war und sich dort je nach Standpunkt »das akademische Proletariat«, die schiffbrüchigen Existenzen aller Berufe oder aber »Berufene« zusammenfanden, schälen sich typenartige Karrieremuster heraus, die im folgenden nachgezeichnet werden sollen. Jenseits der oben zitierten stark moralisch überfrachteten Verdikte über die Wege, die in den Journalismus führten, läßt sich durchaus unterscheiden zwischen Journalisten, die eher aus eigenem Antrieb diesen Beruf wählten, und solchen, die eher aufgrund äußerer Zwangslagen dort landeten. Da sich in langfristiger Perspektive eine sukzessive Verlagerung des Schwerpunktes vom zweiten zum ersten Weg feststellen läßt, soll mit denen begonnen werden, die Journalist wurden, weil ihnen andere Karrieren versperrt blieben. Den politischen Verhältnissen im Gefolge der Karlsbader Beschlüsse und der 48er Revolution kommt hier ein besonderer Stellenwert zu. Am augenfälligsten sind hier zunächst die aus politischen Gründen gescheiterten universitären Karrieren. Der bekannteste Fall dieser Art ist vielleicht der von Karl Marx, wenn auch bei ihm zu den politischen Problemen hinzukam, daß sein Mentor, der Philosophieprofessor Eduard Gans, verstarb. Um weiter wissenschaftlich arbeiten zu können, war Marx darauf angewiesen, anderweitig zu Einkünften zu kommen, wozu der seit den dreißiger Jahren aufblühende journalistische Markt auch durchaus Gelegenheit bot. Nachdem sich verschiedene Zeitungsprojekte zerschlagen hatten, bot sich für Marx bei der neugegründeten Rheinischen Zeitung die Möglichkeit, zunächst als Mitarbeiter und dann als leitender Redakteur zu einer beruflichen Tätigkeit mit stabilem Einkommen zu gelangen. Wegen des baldigen Verbots der Zeitung währte diese jedoch bekanntermaßen nicht lange.143 Bei der Kölnischen Zeitung waren in den vierziger Jahren nacheinander gleich drei Redakteure beschäftigt, die eine universitäre Karriere hatten einschlagen wollen und aus politischen Gründen daran gehindert wurden: Karl Hermes, von 1842 bis 1843 bei der Kölnischen Zeitung tätig, Karl Andree, 1844/45 dort beschäftigt, sowie Karl Heinrich Brüggemann, der 1845 zur Kölnischen Zeitung kam und sie sogleich als Chefredakteur übernahm. 1855 mußte er auf Druck der preußischen Regierung von diesem Posten zurücktreten, blieb aber bis zwei Jahre vor seinem Tod im Jahr 1887 weiter Redakteur.144 Hermes und Andree wurde die Universitätslaufbahn aufgrund ihrer Mitgliedschaft in einer Burschenschaft verwehrt. Am härtesten trafen jedoch Karl Heinrich Brüggemann die Repressionen des Staates. Er stammte aus bürgerlichem Elternhaus, besuchte das Gymnasium und ging 1829 zunächst nach Bonn und dann nach Heidel166

berg, um Staatswissenschaften zu studieren. Er trat einer Burschenschaft sowie dem Heidelberger Polenkomitee bei und nahm am Hambacher Fest teil. Eine Rede, die Brüggemann wenig später auf einem weiteren politischen Volksfest hielt, brachte ihm die erste Verhaftung ein. Er wurde schon bald wieder enüassen mit der Verpflichtung, am Ort zu bleiben, erhielt aber kurze Zeit später die Genehmigung, nach Mannheim zu gehen, um dort vertretungsweise den radikalen Wächter am Rhein zu redigieren. Nach fiinf Nummern verhaftete man ihn erneut und lieferte ihn nach Preußen aus, wo er 1836 in einem Massenprozeß zum Tode verurteilt wurde. Nachdem 1837 die Strafe in 15 Jahre Haft umgewandelt worden war, kam er schließlich 1840 frei. Brüggemann bereitete sich anschließend mit der Schrift »Lists nationales System der politischen Ökonomie« auf eine Laufbahn an der Universität vor, die aber vom preußischen Kultusminister Eichhorn vereitelt wurde. Für ein monatliches Honorar von 50 Thalern arbeitete er dann an den Börsennachrichten der Ostsee mit, schrieb Korrespondenzen für verschiedene Zeitungen, bis DuMont ihn 1845 schließlich als Chefredakteur der Kölnischen Zeitung mit einem Jahresgehalt von immerhin 2000 Talern verpflichtete. Nicht nur angesichts seines vorhergehenden Lebenslaufes konnte Brüggemann damit ebenso zufrieden sein wie sein Kollege von der Augsburger Allgemeinen Zeitung, Gustav Kolb. Auch Kolb hatte seine Burschenschaftstätigkeit eine mehrjährige Festungshaftstrafe eingebracht. Der Untersuchungsrichter soll Kolb dem württembergischen Justizminister empfohlen haben, der seinerseits die Empfehlung an Johann Friedrich von Cotta, den Verleger der Allgemeinen Zeitung, weitergeleitet habe.145 In jedem Fall trat Kolb 1826, nur drei Tage nach seiner zweijährigen Festungshaft, in den Cottaschen Verlag ein, in dem er zunächst als Korrektor tätig war, bald aber Redakteur und schließlich Chefredakteur wurde, der er bis zu seinem Tod 1865 blieb.146 Die Möglichkeiten, die sich für Kolb und Brüggemann trotz ihrer politischen Verfolgung oder sogar gerade durch sie ergaben, waren außergewöhnlich. Im allgemeinen waren die Chancen für politisch Verfolgte, Redakteur einer politischen Tageszeitung zu werden, beschränkt, da die Regierungen durchaus auch Einfluß auf die Besetzung der Redakteursstellen nahmen. In dem Vertrag, den der Bremer Senat 1843 mit dem Verleger Schünemann über die Genehmigung der Weserzeitung Schloß, hieß es in Punkt 5: »Dem Herausgeber [also Schüneman, J.R.] bleibt die Anstellung eines oder mehrerer Redakteure dieses Blattes überlassen, jedoch hat er die Genehmigung der von ihm getroffenen oder bei etwa ermangelnder Befolgung der für die Redaktion erteilten Instruktion zu erneuernden Wahl bei der Commission des Senats bei dem hiesigen Zeitungswesen nachzusehen und zu erwirken.«147 Ähnlich wurde auch in anderen Staaten verfahren. Von der Schlesischen Zeitung ist bekannt, daß 167

der Redakteur Friedrich Hielscher 1846 die Redaktion niederlegen mußte, weil die Regierung von dieser Bedingung eine Konzessionsverlängerung abhängig gemacht hatte.148 Die Einmischung der Regierungen in die Redaktionsverhältnisse der einzelnen Zeitungen wird unterschiedlich intensiv gewesen sein. Grundsätzlich läßt sich jedoch davon ausgehen, daß die Beschäftigung von jemandem, der politisch bereits so angeeckt war, daß ihm eine Anstellung beim Staat verwehrt wurde, zumindest beargwöhnt wurde. Zudem werden die meisten Verleger das Risiko, durch die Anstellung eines politisch exponierten Redakteurs ständige Scherereien mit der Zensurbehörde zu bekommen, höher eingeschätzt haben, als die Chance, dadurch die Auflage des Blattes zu steigern. DuMont, der dieses Risiko einging, hätte hier jedoch durchaus als Vorbild dienen können.149 Die Niederschlagung der Revolution in Verbindung mit der Furcht vor ihrem erneuten Ausbrechen führte dazu, daß politisch für gefährlich gehaltene Personen, d.h. diejenigen, die sich direkt an revolutionären Aktionen beteiligt hatten, vom Staatsdienst ferngehalten wurden. Von diesen wiederum suchte ein Teil ihr Auskommen im Journalismus. Prominente Namen finden sich auch hier, etwa Lothar Bucher oder Hermann Becker, der spätere Reichstagsabgeordnete der Fortschrittspartei und Oberbürgermeister von Köln. Bucher und Becker hatten beide die juristische Laufbahn eingeschlagen und griffen wie viele andere bei Ausbruch der 48er Revolution zur Feder. Becker redigierte 1848 die Westdeutsche Zeitung und arbeitete an anderen Blättern mit, was ihn schließlich zum Mitangeklagten im sog. »Kommunistenprozeß« machte und ihm eine fünfjährige Haftzeit einbrachte. Aus dem Justizdienst längst entlassen, mußte er sich 1856 nach Absitzen der Strafe eine neue berufliche Tätigkeit suchen. Zunächst im kaufmännischen Bereich beschäftigt, engagierte er sich schnell wieder politisch und wurde bereits 1862 für die Fortschrittspartei in den preußischen Landtag gewählt. Gleichzeitig übernahm er die Redaktion der Niederrheinischen Volkszeitung, die bald darauf in Rheinische Zeitung umbenannt wurde, und blieb dort für drei Jahre. Nach zwei weiteren Jahren als Journalist ging er ganz in die Politik, wurde 1867 zunächst Oberbürgermeister von Dortmund und 1875 von Köln.150 Wie Becker verlor auch Lothar Bucher durch seine journalistischen Tätigkeiten während der 48er Revolution seine Stelle im Justizdienst. Bucher konnte sich einer Haftstrafe jedoch durch Flucht nach England entziehen, von wo aus er bis Anfang der sechziger Jahre als Korrespondent der Nationalzeitung tätig war. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er für kurze Zeit im Wölfischen Telegraphenbüro (WTB) beschäftigt, bis er 1864 seine Anstellung im Auswärtigen Amt erhielt.151 Die angeführten Beispiele, denen sich weitere hinzufügen ließen, zeigen, daß diejenigen, die aufgrund ihrer revolutionären Vergangenheit verfolgt 168

wurden, häufig erst Ende der fünfziger Jahre eine Chance hatten, eine Redakteursstelle zu bekommen. Der Kontrolle durch die Politische Polizei, zu deren vordringlichen Aufgaben nicht zuletzt die Beobachtung der Presse zählte, entging offenbar wenig.152 Nur einzelnen gelang es, so schnell wie Otto Michaelis, der 1849 wegen eines Pressevergehens angeklagt worden war und trotz Freispruchs seine juristische Laufbahn aufgeben mußte, eine Redakteursstelle zu bekommen. Er wurde 1851 Redakteur der Nationalzeitung, bezeichnenderweise aber nicht Politik-, sondern Handelsredakteur. 153 Als Julius Schanz, der noch bis 1853 in Haft gesessen hatte, 1856 Redakteur der neugegründeten Dresdner Nachrichten wurde, hatte er infolge seiner politischen Vergangenheit einen schweren Stand. »Wenn die Klatschmäuler fortfahren werden, ihren Geifer über mich auszuschütten, so werde ich solche nunmehr dem Gericht zur Bestrafung anzeigen«, wandte er sich 1858 direkt an seine Leser und gab ein Jahr später die Redaktion der Zeitung auf.154 In den sechziger Jahren wurden Fälle, in denen jemand aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entfernt bzw. nicht zu ihm zugelassen wurde, seltener, so daß damit die Zahl der Journalisten, die aus diesem Grund zu ihrem Beruf kamen, ebenfalls zurückging. Dennoch starb diese Art von Karriere keineswegs aus. Der Kammergerichtsreferendar Heinrich Steinitz mußte 1861 seine juristische Laufbahn wegen zu starken Engagements fur die Fortschrittspartei aufgeben. Steinitz übernahm daraufhin die Leitung der Berliner Volkszeitung und gab seit 1865 eine liberale Parlamentarische Korrespondenz heraus.155 Ebenso wurde 1873 der Katholik Eduard Hüsgen aus dem Referendariat entlassen, da er bezichtigt wurde, Verfasser eines majestätsbeleidigenden Artikels zu sein. Hüsgen promovierte anschließend zum Dr. jur. und bekam dann eine Stelle als Redakteur der Kölnischen Volkszeitung, bevor er von 1875 bis 1904 Chefredakteur der ebenfalls katholischen Düsseldorfer Volkszeitung wurde. 156 Schließlich noch ein Fall: Johannes Flach, Professor für Altphilologie an der Universität Tübingen, hatte sich nach einigen Jahren als Oberlehrer an einem Gymnasium in Elbing 1874 habilitiert, woraufhin man ihn zum außerordentlichen Professor ernannte. Als er sich bei Stellenbesetzungen übergangen fühlte, veröffentlichte er 1885 eine Broschüre mit dem Titel »Die akademische Karriere der Gegenwart«. Der Skandal, den er mit der Schrift verursachte, vereitelte endgültig seine wissenschaftlichen Ambitionen. Darauf begann er, sein Geld mit Schriftstellerei und Journalismus zu verdienen. 1888 gelang es ihm, eine Redakteursstelle an der Hamburger Reform zu besetzen. Ein Jahr später wechselte er zu dem 1888 gegründeten Generalanzeiger für Hamburg-Altona, wo er bis zu seinem Tod 1895 blieb.157 Allen genannten Fällen ist gemeinsam, daß der Grund für die Entlassung aus dem Staatsdienst bzw. die Unmöglichkeit, eine eingeschlagene Karriere 169

fortzusetzen, eine im weiteren Sinne publizistische Tätigkeit war. Die Chance, nach dem erzwungenen Abbruch einer alten Karriere im Journalismus ein Auskommen zu finden, war damit sicher besser als für jemanden, der noch nie eine Zeile veröffentlicht hatte. Ob der eine oder andere bei seinen publizistischen Aktivitäten vielleicht sogar bewußt die Endassung aus dem Beamtendienst in Kauf genommen hat, ist kaum zu beantworten. Doch es ist vorstellbar, daß jemand wie der oben genannte Eduard Hüsgen seinen »majestätsbeleidigenden« Artikel unbefangener schrieb, weil er damit rechnen konnte, im Journalismus unterzukommen und sich dort sogar wohler zu fühlen als im Beamtendasein. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch noch einmal die Juden, deren enorm hoher Anteil speziell unter den Berliner Journalisten oben bereits damit in Zusammenhang gebracht worden war, daß ihnen auch gegen Ende des 19.Jahrhunderts und darüber hinaus der Staatsdienst weitestgehend versperrt blieb.158 Josef Stern war sicher nicht der einzige, dem nach bestandenem Staatsexamen mit Lehrerlaubnis für alle Klassen des Gymnasiums eine Anstellung verweigert wurde und der damit auf andere Weise seinen Lebensunterhalt verdienen mußte. Nach einigen Jahren als Privatlehrer gelang es ihm, über die Mitarbeit an verschieden liberalen Blättern, unter anderem an Guido Weiß' Zukunft, im Journalismus Fuß zu fassen. Von 1868 bis 1873 war er Leiter der Neuen Badischen Landeszeitung, von wo er dann zur Frankfurter Zeitung wechselte. Dort blieb er quasi bis zu seinem Tod. 159 Wie sah es nun tatsächlich mit den vielzitierten »gescheiterten Existeñzen« im Journalismus aus? Anders gefragt: Wie groß waren die Chancen derer, die nicht auf äußeren politischen Druck ihren Lebensweg ändern mußten, sondern aus diversen anderen Gründen ihren ausgeübten Beruf aufgeben mußten? Im Alter von 56 Jahren übernahm der Hamburger Kaufmann Heinrich Schaedtler 1833 die Redaktion der Neuen Hamburger Zeitung, nachdem er zwei Jahre zuvor mit einem Geschäft Schiffbruch erlitten und auch danach mit verschiedenen anderen geschäftlichen Aktivitäten keinen Erfolg gehabt hatte.160 Ähnlich erging es Anfang der vierziger Jahre dem Nürnberger Buchhändler Georg Winter, der, nachdem er mit seiner Buchhandlung in Konkurs gegangen und mit anderen Geschäften ebenfalls gescheitert war, sein Glück im Journalismus suchte. Zwei Jahre lang, von 1841 bis 1843, arbeitete er als Redakteur der Allgemeinen Zeitung von und für Bayern, die zuvor bereits zwei Redakteure beschäftigt hatte, für die der Journalismus eher eine Notlösung gewesen war: Ein Vikar, der »wegen seiner dem positiven Christentum entfremdeten Predigten, seines beharrlichen Unfleißes hinsichtlich seiner Berufsausbildung und eines anstößigen Lebenswandels« von der Kandidatenliste für ein Pfarramt gestrichen worden war sowie ein Pfarrer, der auf Anklage von Gemeinde170

mitgliedern wegen fehlerhafter Amtsführung ohne Gehalt entlassen worden war.161 Akute Geldnöte gehörten immer wieder zu den Motiven, den Weg in den Journalismus zu suchen. Briefe, in denen Männer ihre persönliche Situation beschrieben und um Hilfe baten, legen davon beredt Zeugnis ab. So wandte sich 1865 der promovierte Jurist Adolph Erich an das Literarische Büro mit der Bitte, die Redaktion des Staats-Anzeigers übernehmen zu dürfen. Er sei von 1850 bis 1862 besoldeter Stadtrat in Frankfurt a.d. Oder gewesen und müsse seitdem, da er nicht wiedergewählt worden sei, von 4 5 0 Thalern Pension seine Frau und fünf Kinder ernähren. Er habe versucht, seine Pension durch literarische Arbeiten aufzubessern und daher zwei Jahre lang das Patriotische Wochenblatt redigiert. Das Literarische Büro stellte ihn daraufhin ein Jahr zur Probe mit einem monatlichen Gehalt von zunächst 25 Thalern ein, das 1 8 6 6 auf 50 Thaler verdoppelt wurde, bis ihm schließlich ein Jahresgehalt von 8 0 0 und seit 1870 von 9 0 0 Thalern gewährt wurde.162 Einen plastischen Eindruck solcher, aus der Not geborenen Wege in den Journalismus erhält man durch einen Bittbrief, den der ehemalige Chefredakteur der Kölnischen Zeitung, Heinrich Kruse, im Jahr 1 8 9 6 erhielt. Detailliert schilderte der Verfasser des Briefes, ein gewisser Max Kübel, seinen Werdegang und die dabei erlittenen Schicksalsschläge: »Als Sohn einer angesehenen Kölner Familie hatte ich Jura und Volkswirtschaft studiert, war es doch mein sehnlichster Wunsch, die Konsulatscarriere einzuschlagen. Schon hatte ich meine Studien vollendet und war im Begriff, mich weiter fur meine Laufbahn vorzubereiten, da traf mich als fester Schicksalsschlag der Verlust fast unseres ganzen Vermögens, den meine Mutter und ich urplötzlich durch Untreue eines Bankiers erlitten. An eine Fortsetzung meiner Karriere durfte ich gar nicht denken, stand ich doch völlig mittellos da und mußte mir alsbald selbst meinen Unterhalt zu verdienen suchen. Allein alle meine Bemühungen um eine Stellung waren vergeblich, und ich wäre wohl damals zu Grunde gegangen, hätte sich nicht der wohl auch Ihnen bekannte Geheimrath Professor von Gneist in Berlin in hochherzigster Weise meiner angenommen. Auf seinen Rath widmete ich mich der journalistischen Laufbahn, und es gelang mir in die Redaktion der »Täglichen Rundschau< einzutreten.«

Dort sei er sorgfältig ausgebildet worden und habe anschließend mit Gneists Hilfe eine Stelle an dem nationaliberalen Ostdeutschen Lokalanzeiger bekommen. Nach einiger Zeit sei er jedoch schwer erkrankt und habe daher seine Stelle aufgeben müssen. Nach Wiedergenesung habe er »trotz aller Bemühungen und aller guten Zeugnisse« wieder keine Stellung gefunden und so zusammen mit seiner Frau »traurige Monate durchgemacht« und sich von kleinen Schreibarbeiten ernährt. Nun sei es ihm endlich gelungen, »eine sehr gute Stellung als leitender Redakteur des hiesigen 171

nationalliberalen >Stader Tageblatt< zu bekommen.« Da er aber sein »erstes größeres Gehalt« erst zu Anfang des nächsten Monats erhalte und alle seine Ersparnisse aufgebraucht seien, wandte er sich an Heinrich Kruse mit Bitte, ihm 100 Mark zu leihen. Vorschüsse gebe der Verleger grundsätzlich nicht, habe er von anderer Seite gehört, und eine solche Bitte seinerseits könne ihm nur schaden, da der Verleger, »wie dies nun einmal in einer kleineren Stadt ist, durchaus nur gut situierte Redakteure an seiner Zeitung haben will.«163 In der Darlegung von Kubeis Lebensweg wird sehr deutlich, daß die journalistische Tätigkeit hier zum rettenden Ufer für jemanden wurde, der offenbar aus bürgerlicher Familie stammte und sich plötzlich »vis-à-vis de rien« wiederfand, wie es ein anderer Journalist in einem Brief an seinen Verleger ausdrückte.164 Daneben findet sich in Kubeis Brief manches von dem bestätigt, das schon in anderem Zusammenhang erwähnt wurde, nämlich zum einen die wichtige Rolle, die der Protektion durch den Professor von Gneist zukam, für dessen Empfehlung offenbar sowohl die Tägliche Rundschau als auch der Ostdeutsche Lokalanzeiger empfänglich waren. Zum anderen fällt hier noch einmal ein Schlaglicht auf die Arbeitsmarktsituation für Journalisten in den neunziger Jahren. Es war wohl selbst für einen nicht ganz unerfahrenen und mit einem Jura- und Völkswirtschaftsstudium gut ausgebildeten Journalisten nicht unproblematisch, eine Redakteursstelle zu finden. In die Reihe derjenigen, die aus finanziellen Gründen versuchten, Journalist zu werden, gehörten auch ehemalige Offiziere, die aus dem aktiven Dienst geschieden waren und nach einer anderen Berufstätigkeit suchten. In dem Sample bilden sie zwar nur eine vergleichsweise kleine Gruppe; von zeitgenössischen Kennern des journalistischen Milieus wurden sie aber immer auch zu denen gerechnet, die sich relativ zahlreich auf Redakteursstellen bewarben. Was die Dienstgrade betrifft, finden sich hier durchaus nicht nur untere Offiziersränge. Am häufigsten im Sample vertreten sind Hauptleute, daneben aber auch ein Major und zwei Oberstleutnants.165 Der Zugang zum Journalismus erfolgte bei den Offizieren oftmals über eine freie Mitarbeiterschaft in militärischen Angelegenheiten. Nicht zuletzt als Kriegsberichterstatter bedienten sich Zeitungen ihrer gern. Qualifizierten sich die Offiziere dabei, so eröffneten sie sich die Möglichkeit, fest in die Redaktion einer Zeitung aufgenommen zu werden, wie etwa Alexander von Huhn, der sich 1877, nachdem er seinen Dienst quittiert hatte, an die Kölnische Zeitung wandte, um als Frontberichterstatter im russisch-türkischen Krieg zu fungieren. Ein Jahr später avancierte er zum Redakteur in Köln, und seit 1882 wurde er als Korrespondent der Kölnischen Zeitung zunächst nach Paris und dann nach Berlin geschickt.166 In seinen 1886 erschienen Erinnerungen schrieb Karl Biedermann rück172

blickend auf die Zeit des Vormärz: »Das bekannte geflügelte Wort von dem >verfehlten Berufe< der Tagesschriftsteller war damals ganz anders zutreffend als heutzutage. Daß jemand sich auf den publizistischen Beruf förmlich vorbereitet, die dafür nötigen Studien (geschichtliche, staatsrechtliche, volkswirtschaftliche etc.) planmäßig betrieben hätte, wie das heute häufig und immer häufiger geschieht, kam damals wohl nur höchst selten vor.«167 In welchem Maße spätere Journalisten bereits während ihres Studiums den Journalistenberuf anvisierten, ist kaum nachprüfbar. Aus diversen Selbstzeugnissen von Journalisten geht jedoch deutlich hervor, daß vor allem seit den siebziger Jahren die Zahl derer zunahm, die, sei es direkt nach dem Studium, sei es nach kurzer Zeit in einem anderen Beruf, gezielt in den Journalismus wechselten. So half Julius Bachem während seiner juristischen Referendarszeit 1870 zunächst in der Redaktion der Kölnischen Volkszeitung aus. Die Entscheidung für den Journalismus beschrieb Bachem folgendermaßen: »Nach meiner Ernennung zum Advokaten am Kölner Landgericht ergab sich dann aber bald die Notwendigkeit, zwischen der Juristerei und der Journalistik zu optieren: die beiden Pferde ließen sich nicht länger zusammenfuhren. Die Journalistik siegte. Wen sie einmal hat, den läßt sie nicht leicht wieder los.«168 Im Justizdienst hätte Bachem, der sein Staatsexamen »mit Prädikat« bestanden hatte, mit einiger Sicherheit eine erfolgreiche Laufbahn vor sich gehabt. Der Journalismus erschien Bachem, der, wie bereits erwähnt, mit dem gleichnamigen Verleger nur entfernt verwandt war, wohl nicht zuletzt deshalb als attraktive Alternative, weil er ihm direkten Zugang zur Politik ermöglichte. 1875, im Alter von 30 Jahren, saß er bereits im Kölner Stadtrat und nur ein Jahr später im Reichstag. Aus Briefen an den Verlag der Allgemeinen Zeitung lassen sich individuelle Entscheidungsprozesse für oder gegen eine journalistische Laufbahn noch unmittelbarer verfolgen. Nachdem Karl von Cotta dem Regierungsassessor Julius von Gosen im Jahr 1869 ein Angebot gemacht hatte, in die Redaktion der Allgemeinen Zeitung einzutreten, antwortete dieser, er kenne die Verhältnisse an der Allgemeinen Zeitung und sei nicht abgeneigt, Verhandlungen darüber aufzunehmen. Er müsse dabei jedoch zunächst seine »gegenwärtige Stellung ins Auge fassen«, da er vor der Anstellung in den »sicheren Staatsdienst« stehe, in den er, wenn er ihn einmal aufgebe, nicht so schnell wieder zurück könne. Gosen verlangte 1400 Gulden Einstiegsgehalt mit Aussicht auf baldige Erhöhung und eine feste Kündigungsfrist. Knapp zwei Monate später drängte er noch einmal auf ein definitives Angebot, da er sich binnen kurzem entscheiden müsse, ob er »den Weg in den Staatsdienst weiter verfolge« oder einen anderen einschlage. Aus dem im November schließlich mit Cotta geschlossenen Vertrag geht hervor, daß Gosens Forderungen noch um 200 Gulden über173

troffen wurden, um eine Summe, die ihm jedoch nicht ausbezahlt, sondern fur die ihm zur Verfugung gestellte Wohnung in Rechnung gestellt wurde.169 Gosen blieb bis zu seinem frühen Tod 1874 Redakteur an der Allgemeinen Zeitung. Ähnlich wie Gosen befand sich auch Rudolf Schreiber einige Jahre später in der Situation, zwischen dem Staatsdienst und der journalistischen Tätigkeit eine Entscheidung treffen zu müssen. Schreiber hatte sich 1876 vom Bayrischen Innenministerum für zwei Jahre beurlauben lassen, um als Journalist in die Redaktion der Allgemeinen Zeitung einzutreten. Nach Ablauf der zwei Jahre schrieb er an den Verlag, daß sich für ihn nun die Frage stelle, ob er um eine Verlängerung des Urlaubs bitten, ob er wieder in den Staatsdienst zurückkehren oder ob er überhaupt ganz Journalist werden solle. Er habe diesbezüglich dem Bayrischen Innenminister seine Aufwartung gemacht, der ihm empfohlen habe, wenn er überhaupt in den Staatsdienst zurück wolle, dies jetzt zu tun, da etwaige Stellen sonst anderweitig besetzt würden. Er habe sich zwar überlegt, ganz bei der Allgemeinen Zeitung zu bleiben, weil er andernfalls »an äußerer Stellung, an angenehmem Verkehr mit meinen Kollegen und an befriedigender Tätigkeit« verlöre. Doch er wisse, was ihm an Fähigkeiten fehle, »um etwas Hervorragendes als Journalist zu leisten.« Hinzu komme, daß die regelmäßige Abendarbeit seiner Gesundheit nicht zuträglich sei.170 Schreiber entschied sich zwar letztlich dafür, dem Journalismus wieder den Rücken zu kehren, doch die Situation war durchaus offen. Der Freimut, mit dem Schreiber bekannte, daß er seine journalistischen Fähigkeiten als begrenzt ansah, läßt darauf schließen, daß hier tatsächlich der Grund fur seine Rückkehr in den Staatsdienst lag. Von prekärer sozialer Stellung oder geringeren Verdienstmöglichkeiten als Journalist findet sich in der Begründung für seine Kündigung kein Wort. Die Möglichkeit, sich für einige Zeit aus dem Staatsdienst beurlauben zu lassen, wurde offenbar häufiger genutzt, um zu sondieren, ob der Journalistenberuf nicht eine Alternative zu der vorgezeichneten Karriere im Staatsdienst bot. 1896 ließ sich der Sohn des badischen Staatsministers Julius Jolly im Alter von 40 Jahren als Staatsanwalt beurlauben, da ihm die Chefredaktion der Allgemeinen Zeitung angeboten worden war, für die Jolly, wie auch für andere Zeitungen, als Mitarbeiter tätig war. Obwohl seine juristische Karriere weiteren Aufstieg versprach, schied Jolly 1897 ganz aus dem Staatsdienst und blieb Journalist.171 Daß eine Entscheidimg, wie sie Jolly und andere trafen, nicht von heute auf morgen gefällt wurde und zudem vom privaten Umfeld mit Argwohn betrachtet wurde, läßt sich an Karl Büchers Beschreibung seines Weges in den Journalismus ablesen. Bücher war Gymnasiallehrer in Frankfurt und hatte seit 1874 begonnen, Berichte für die Frankfurter Zeitung über Versammlungen, Eröffiiungsfei174

ern, Ausstellungen etc. zu schreiben. Durch Rezensionen hatte er sich vor allem in volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Themen hervorgetan, so daß Sonnemann ihm eine Redakteursstelle anbot, als er erfuhr, daß sich Bücher in seinem Lehrerberuf nicht besonders wohl fühlte. Der zögerte jedoch zunächst: »Gerade damals (war) die Frankfurter Zeitung scharfen gerichtlichen Verfolgungen von seiten Bismarcks ausgesetzt; ihre Redakteure waren im Zeugnisverfahren eingekerkert worden; ich befand mich in verhältnismäßig sicherer Stellung mit Ruhegehaltsberechtigung; ich wußte, daß ich alle Brücken hinter mir abbrach, wenn ich der Lockung nachgab. So habe ich das Angebot Sonnemanns zweimal ausgeschlagen.« 1878 nahm Bücher schließlich doch die angebotene Redakteursstelle an, mußte sich aber Vorhaltungen von seinen Verwandten gefallen lassen. »Wohlmeinende Freunde ... haben meinen Angehörigen die Hölle heiß genug gemacht.« Vom Gehalt her sei seine neue Stelle ja »sehr annehmbar«, schrieb ihm sein Vater damals, »nur befurchte ich, sie möchte Dir in Deinem späteren Fortkommen hinderlich sein. Die Richtung der frankfurter Zeitung< ist, wie Du weißt, der Regierung mißfallig.«172 Ob es vor allem die politische Richtung der Zeitung war, an der Bücher künftig arbeiten würde, oder die Tatsache, daß er Journalist wurde, die seine Verwandten skeptisch stimmte, ist aus Büchers Äußerungen nicht zu entnehmen. Später habe im übrigen niemand mehr etwas davon wissen wollen, daß man ihm von der Annahme der Redakteursstelle bei der Frankfurter Zeitung abgeraten hatte. In jedem Fall entschied er sich trotz aller Bedenken für den Journalistenberuf, den er allerdings nur zwei Jahre ausübte, um anschließend eine Universitätskarriere einzuschlagen. Oben ist bereits erwähnt worden, daß Zeitgenossen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts feststellten, daß nicht wenige ihr Studium bereits auf den Journalistenberuf ausrichteten. An nur wenigen Karrieren ist dies so genau ablesbar wie an der von Alexander Giesen. 1865 geboren, studierte er zunächst Medizin und wechselte dann zum staatswissenschaftlichen Studium. Von 1883 an, noch während seines Studiums, wurde er von Berlin aus, wo er studierte, parlamentarischer Berichterstatter der Kölnischen und seit 1886 der Freisinnigen Zeitung. Von 1888 bis 1895 war er dann zunächst als Leiter des parlamentarischen Büros und anschließend als Politikredakteur weiter für die Freisinnige Zeitung tätig, bevor er schließlich Redakteur der Frankfurter Zeitung wurde. Auch ohne eine Selbstaussage läßt sich davon ausgehen, daß Giesen schon bei seinem Wechsel von der Medizin zu den Staatswissenschaften den Journalistenberuf im Auge hatte.173 Bei einem weiteren, vielleicht dem am häufigsten in den Journalismus führenden Karrieremuster ergibt die Unterscheidung zwischen einem »freiwilligen« bzw. weniger »freiwilligen« Ergreifen des Journalistenberufs, 175

mit der bislang operiert worden ist, wenig Sinn. Gemeint sind all diejenigen, die über schriftstellerische Ambitionen in den Journalismus gelangten, unabhängig davon, ob sie zuvor einen anderen Beruf ausgeübt bzw. angestrebt hatten oder nicht. Ihnen das naheliegende Etikett vom gescheiterten Schriftsteller anzuheften, ist nicht nur zu normativ. Ein solches Verfahren verkennt vor allem, daß die journalistische Tätigkeit, speziell die als Redakteur, eine durchaus angenehme Alternative zur reinen Schriftstellerei darstellen konnte. Vor allem Feuilletonjournalisten blieben dem literarischen Milieu verbunden, konnten nebenher an eigenen Theaterstücken, Romanen, Gedichten etc. arbeiten, ohne jedoch ausschließlich davon leben zu müssen. Als ein Beispiel unter vielen kann der Lebensweg Karl von Perfalls dienen, der seine Vita in einer ihm zum sechzigsten Geburtstag gewidmeten Festschrift kurz, aber prägnant skizziert. Perfall war 1851 in Landsberg am Lech geboren und absolvierte seine Gymnasialzeit in Regensburg und München. Sein Interesse an Kunst, Literatur und Theater fand durch verwandtschaftliche Beziehungen zum Münchner Generalintendanten zusätzlich Nahrung. Auf Wunsch seines Vaters studierte Perfall zwar Rechtswissenschaften, aber, so Perfall, »ich ... interessierte mich fur alle möglichen Wissenszweige eigentlich mehr als fur die Rechtsweisheit.« Er begann mit der Schriftstellerei und veröffentlichte Novellen und »ästhetische Artikel« in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. »Aus dem Studenten war indessen der Rechtspraktikant oder Referendar geworden, der für die Didaskalien, das Beiblatt des Frankfurter Journal, Münchner Bilderbogen schrieb (!). Der Bureaudienst, der den hochgemuten Kunstenthusiasten und Schriftsteller zum Schreiber erniedrigte, wurde mir so entsetzlich, daß ich nach abgelegtem Staatsexamen sogar aus München floh. Auf Herumzügen in Dresden, Wien, Genf und Paris ... trieb ich meine Schriftstellerei weiter, ohne literarische Verbindungen, so unpraktisch als nur möglich und daher auch mit sehr zweifelhaftem Erfolge. Nach Deutschland zurückgekehrt, wollte ich mich nur vorübergehend in Düsseldorf aufhalten, und nur reiner Zufall war es, daß ich dazu kam, die Redaktion der Düsseldorfer Zeitung zu übernehmen«. Hier blieb er sechs Jahre und ging anschließend - 1886 - zur Kölnischen Zeitung, wo er 25 Jahre lang vor allem als Feuilletonredakteur tätig war.174 Gleichzeitig schrieb er Novellen, Romane, und Theaterstücke. Ob er davon auch hätte leben können, ist schwer abzuschätzen. Jedenfalls verspürte Perfall im Gegensatz zu anderen offenbar keinen Drang, es zu versuchen. In fast allen Sparten finden sich in großer Zahl Journalisten, die sich nebenher mit mehr oder weniger Erfolg schriftstellerisch betätigten oder dies zuvor getan hatten. Gerade bei Redakteuren, die aus Studienfächern oder Berufen hervorgingen, die sie dazu an sich nicht prädestinierten, ist dies nicht selten. So kommt es, daß sich auch ehemalige Ingenieure oder 176

Kaufleute im Feuilletonjournalismus finden.175 Häufiger war jedoch, daß diese Gruppe in den Bereichen tätig war, in denen sie zuvor praktische Kenntnisse erworben hatte, auch wenn ein gewisses literarisches Interesse vielleicht in einem allgemeinen Sinne Ausgangspunkt fur den Weg in den Journalismus war. Vom Zusammenhang zwischen vorjournalistischer und journalistischer Tätigkeit war in bezug auf Kaufleute, die Handels- und Wirtschaftsjournalisten wurden, oder Ingenieure, die über Technik schrieben, bereits die Rede. Doch das Muster läßt sich ausweiten. Wer als Schauspieler oder in anderer Funktion mit dem Theater zu tun gehabt hatte und sich dem Journalismus zuwandte, tat dies in aller Regel im Bereich des Feuilletons. Was die Volksschullehrer angeht, so ist es zwar statistisch nicht signifikant, wenn fünf der acht ermittelten als Lokalredakteure tätig waren (Tab. 4). Doch es spricht viel dafür, daß diese Verbindung kein Zufall war. Gerade in kleineren Städten kannten sich Volksschullehrer im lokalen Bereich häufig besonders gut aus, so daß sie sich als Lokalredakteure anboten. Auch die katholischen Priester, die Journalisten wurden, folgten einer Variante von Lebenswegen, in denen die vorjournalistische als Basis fur die journalistische Tätigkeit diente, da sie fast ausschließlich als politische Redakteure bei katholischen Zeitungen auftauchten und gleichsam die Kanzel mit der Feder vertauschten.176 In einem weiteren Sinne kann schließlich das Reisen zu den Aktivitäten gezählt werden, die zu einer - spezifischen - journalistischen Tätigkeit prädestinierten. Nicht wenige Journalisten begannen ihre Laufbahn mit Artikeln, die sie aus dem Ausland an Zeitungen schickten, woraus sich eine festere Korrespondententätigkeit entwickeln konnte. Zu einer Art deutschem Pendant zu dem berühmten britischen Reporter Henry Morton Stanley, der den verschollenen Afrikaforscher Livingstone aufgespürt hatte, wurde auf diese Weise Hugo Zöller. Er schrieb für die Kölnische Zeitung Reportagen aus aller Welt und eruierte dabei - bezeichnend für den deutschen Journalismus - mit inoffiziellem Auftrag des Auswärtigen Amtes in Westafrika die kolonialen Aussichten für das Deutsche Reich.177 Zusammenfassend läßt sich zunächst einmal festhalten, daß Engeisings Vermutung, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei die Gruppe derer gewachsen, die im Vergleich zum Vormärz »sehr viel weniger freiwillig den Beruf des Redakteurs wählten«, sicher nicht zutrifft. 178 Im Gegenteil: der Beruf des Journalisten, speziell in einem festen Redakteursverhältnis, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend attraktiv. Dies gilt insbesondere für die Zeit seit den siebziger Jahren, als die Presse allmählich freier wurde und stark zu expandieren begann. Die Attraktivität strahlte nicht nur auf diejenigen aus, denen der Zugang zu anderen Berufen verbaut war oder die hofften, auch ohne ein Studium in einen bürgerlichen Beruf zu gelangen. Wäre die gesellschaftliche Stellung von 177

Journalisten generell so prekär gewesen, wie das Image des Berufs suggeriert, ließe sich dies kaum erklären. Mit der Expansion der Presse öffnete sich der Journalistenberuf zwar, doch diese Öffnung erfolgte vor allem durch das Entstehen neuer Zugangskanäle, nicht durch eine allgemeine Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten zu dem Beruf. Da neben journalistischem Talent oder bestimmten Spezialkenntnissen für die Beschäftigung eines Journalisten häufig ein guter Leumund ausschlaggebend war, über den sich die Verleger nicht zuletzt bei Professoren erkundigten, bildete der Beruf eher eine Alternative zu anderen bürgerlichen Berufen, als daß er insgesamt eine Aufstiegsmöglichkeit für nicht zum Bürgertum zu zählende Schichten dargestellt hätte. Man wird allerdings davon ausgehen können, daß mit der Zunahme der Reportertätigkeit seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Chance, Journalist zu werden, auch für diejenigen wesentlich anstieg, die weder akademisch gebildet waren noch über Spezialkenntnisse verfügten.

2.5. Lebensberuf oder Übergangstätigkeit? Für die Beantwortung der Frage nach der Verberuflichung der journalistischen Tätigkeit ist entscheidend, inwieweit der Journalistenberuf eine Übergangstätigkeit war oder für den Rest des Berufslebens ausgeübt wurde. Sofern die journalistische Tätigkeit nur zeitweilig betrieben wurde, ist zu fragen, ob sich dadurch neue Karrieremöglichkeiten eröffneten oder ob nach einiger Zeit der Weg zurück in einen ursprünglich angestrebten Beruf gesucht wurde.

Tabelle 7: Nach dem Journalismus ausgeübte Berufstätigkeit (Die Zeiträume beziehen sich auf den Einstieg in den Journalistenberuf) 179

keine Schriftsteller Verleger Professor sonstiger Staatsdienst sonst. N=538

178

bis 1848

1849-1870

1870-1890

nachl890

47% 16,5% 5,5% 7% 23,5%

64,5% 13% 5% 2,5% 4% 10,5%

69,5% 11,5% 5% 1,5% 3,5% 8,5%

71% 11% 6,5% 3,5% 1% 7,5%

110

121

197

110

Es läßt sich zunächst zwischen denen unterscheiden, die den Journalistenberuf nicht verließen oder die anschließend eine mit dem Journalismus eng verbundene Tätigkeit ausübten, und denen, die in einen Beruf überwechselten, der augenscheinlich mit dem Journalismus nicht zusammenhing. Oben ist bereits dargelegt worden, daß Schriftstellerei und Journalismus oft miteinander einhergingen, so daß eine Trennung in zwei Berufe kaum möglich erscheint. Anders als bei der dem Journalistenberuf vorausgehenden Tätigkeit läßt sich in einer späteren Lebensphase in der Regel jedoch klarer unterscheiden, ob jemand seinen Beruf als Redakteur zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgab, um sich in erster Linie auf seine schriftstellerischen Arbeiten zu konzentrieren, oder ob jemand in der Hauptsache Journalist bzw. Redakteur blieb. Unproblematisch ist die Unterscheidung allerdings auch hier nicht, da sich vor allem von einem bestimmten Alter an die Frage stellt, inwieweit der Rückzug aus dem journalistischen Alltagsgeschäft in die ruhigere Schriftstellertätigkeit als Ausscheiden aus dem Berufsleben oder als Berufswechsel anzusehen ist. Darüber hinaus waren »Schriftsteller«, nachdem sie ihre Redaktionstätigkeit - in den meisten Fällen als Feuilletonredakteur - niedergelegt hatten, häufig weiter, zumeist als Kritiker, journalistisch tätig. Theodor Fontane, der zwischen 1860 und 1870 das Feuilleton der Kreuzzeitung redigiert hatte, war anschließend nicht mehr als Redakteur tätig und somit vornehmlich Schriftsteller. Er schrieb jedoch weiterhin Theaterkritiken fur die Vossische Zeitung.1*0 Ähnlich wie Fontane zogen sich beispielsweise auch Levin Schücking, Paul Lindau oder Hermann Löns, um nur die bekanntesten Namen zu nennen, aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurück, als sie mit ihren Büchern Erfolg hatten. Dabei blieben sie in unterschiedlichem Maße der Presse verbunden. Während sich etwa Levin Schücking, nachdem er von 1843 bis 1852 Redakteur der Augsburger Allgemeinen und der Kölnischen Zeitung gewesen war, auf das Gut Sassenberg bei Warendorf zurückzog und sich weitestgehend schriftstellerisch betätigte, verlief Paul Lindaus Übergang vom Journalisten zum Schriftsteller wesentlich fließender. Nachdem er in den sechziger Jahren als Redakteur der Düsseldorfer und der Elberfelder Zeitung und beim WTB in Berlin journalistische Tagesarbeit geleistet hatte, gab er anschließend verschiedene literarisch-politische Zeitschriften wie die Gegenwart als Wochenschrift und später Nord und Süd als monatlich erscheinendes Blatt heraus. Pointiert läßt sich sagen: je erfolgreicher jemand als Schriftsteller war, desto weniger betätigte er sich journalistisch.181 Trotz aller Unschärfe, die der Trennung zwischen Journalisten und Schriftstellern eigen ist, ergeben die aus dem Sample gewonnenen Werte hier eine erstaunlich gleichmäßige Kurve (vgl. Tab. 7): Der Anteil derer, die vom Journalistenberuf in den Schriftstellerberuf wechselten, nahm im Laufe der Zeit von 16,5% in der ersten Jahrhunderhälfte auf 11% am Ende 179

des Jahrhunderts leicht ab. Die Tendenz zu einer schärferen Abgrenzung des Journalistenberufs und damit zur Verberuflichung bestätigt sich damit auch hier. Darüber hinaus ist ablesbar, daß die Schriftstellerei die bei weitem häufigste Tätigkeit blieb, zu der Journalisten überwechselten. Differenziert man weiter, ergibt sich, daß rund dreiviertel derer, die diesen Weg gingen, Feuilletonredakteure waren. Die Grenze zwischen journalistischer und schriftstellerischer Tätigkeit war also nicht in allen Bereichen gleich fließend. Wenn von der Entstehung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert die Rede ist, wird davon ausgegangen, daß sich dieser zunehmend von dem des Verlegers trennte, und zwar in dem Sinne, daß die Verleger sukzessive nicht mehr selber ihre Zeitungen redigierten bzw. zusammenstellten, sondern dafür Redakteure beschäftigten. Generell ist dies richtig, doch sei darauf hingewiesen, daß es durchaus vorkam, daß Journalisten umgekehrt die Verlagsleitung übernahmen, wenn sie über lange Jahre bei einer Zeitung als Chefredakteure tätig gewesen waren. So wurde Emil Walter, seit 1896 Chefredakteur der Königsberger Hartungschen Zeitung, später auch Direktor des Verlages der Zeitung, genauso wie sein Kollege von der Breslauer Zeitung Alfred Oehlke dort 1914 den Verlag übernahm.182 Georg Hirth, der Anfang der siebziger Jahre Redakteur der Allgemeinen Zeitung gewesen war, ging anschließend zu den Münchner Neuesten Nachrichten, dessen Verleger Julius Knorr sein Schwiegervater war. Zusammen mit Knorrs Sohn leitete er später den Verlag, blieb aber gleichzeitig Redakteur der Zeitung. 1894 wurde er Vorsitzender des neugegründeten Verlegerverbandes.183 Verleger- und Redakteurstätigkeit klafften folglich nicht automatisch immer weiter auseinander, sondern konnten über das 19. Jahrhundert hinaus auch bei größeren Zeitungen noch Hand in Hand gehen. Trotz aller Unschärfen, die zwischen dem Journalismus und ihm verwandten Tätigkeiten bestehen blieben, ist aus Tabelle 7 ablesbar, daß die Verberuflichung der journalistischen Tätigkeit deutliche Fortschritte machte. Der Anteil der Journalisten, die ihren Beruf als Lebenstätigkeit ausübten, nahm innerhalb des 19. Jahrhunderts nicht nur klar erkennbar zu, sondern erreichte mit rund siebzig Prozent der nach 1890 rekrutierten Redakteure ein, auch absolut gesehen, hohes Niveau. Zu beachten ist dabei·, daß die Zahlen einen leicht verschobenen Untersuchungszeitraum widerspiegeln: Unter denen, die nach 1890 Journalist wurden, waren viele auch noch in der Weimarer Republik aktiv. Um so deutlicher ist, daß der Journalismus spätestens seit den siebziger Jahren in den weitaus meisten Fällen zu einem Lebensberuf geworden war. Einschränkend sollte hinzugefugt werden, daß der Anteil derer, die sich nur sehr kurzzeitig als Journalisten betätigten, nicht erfaßt werden kann. Über die ersten Volontäre, die bei der Breslauer Zeitung Ende der neunziger Jahre anfingen, schrieb der 180

damalige Chefredakteur der Zeitung, einige seien bald wieder »zu ihrem ursprünglichen Studienfach« zurückgekehrt. 184 Solche - vermutlich relativ häufigen - kurzfristigen Ausflügen in den Journalismus bleiben hier aber außer acht. Wer waren nun diejenigen, die in einen Beruf wechselten, der auf den ersten Blick mit dem Journalismus nicht in Zusammenhang stand? Relativ schnell läßt sich zunächst die kleine Gruppe von Professoren abhandeln, die aus dem Journalistenberuf hervorgingen. Diese hatten sich zumeist während ihrer journalistischen Tätigkeit intensiv in ein Fachgebiet eingearbeitet und sich damit den Weg in die Universitätslaufbahn eröffnet. Schon erwähnt wurde Karl Bücher, der zwischen seinem Lehrerberuf und der Universitätskarriere nur ein kurzes Gastspiel im Journalismus gab. Wie Bücher wurde auch sein Kollege von der Frankfurter Zeitung, Gustav Cohn, nach kurzer journalistischer Tätigkeit Professor für Nationalökonomie. Cohn war vor seinem Eintritt in die Redaktion der Frankfurter Zeitung bereits Privatdozent in Riga gewesen und setzte somit lediglich eine vorübergehend unterbrochene universitäre Karriere fort. 185 Oskar Peschel, von 1849 bis 1854 Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung und von 1854 bis 1871 Leiter der ebenfalls im Cottaschen Verlag erscheinenden Zeitschrift Das Ausland, hatte sich durch seine Arbeit so qualifiziert, daß ihm 1871 in Leipzig eine Professur für Geographie übertragen wurde.186 Neben Karl Bücher sind Wilhelm Heinrich Riehl und Albert Schäffle die bekanntesten Namen in dieser Gruppe. Riehls journalistische Karriere verlief unstet. Innerhalb von vier Jahren, zwischen 1845 und 1849, war er Redakteur an drei Zeitungen in drei verschiedenen Städten, der Oberpostamts-Zeitung in Frankfurt, der Karlsruher Zeitung und der Nassauischen Allgemeinen Zeitung. Von 1850 bis 1853 arbeitete er schließlich als Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Cotta und sein Chefredakteur Georg Kolb konnten ihn jedoch nicht halten, als er Ende 1853 in München zum außerordentlichen Professor fur Staatswissenschaften berufen wurde. 187 Albert Schäffle, der nach seinem Studium zunächst ein Jahr als Lehrer gearbeitet hatte, war von 1850 an Redakteur des Schwäbischen Merkur und blieb dort bis er 1860 zum Professor für Nationalökonomie nach Tübingen berufen wurde.188 Journalisten, die ihren Beruf zugunsten einer Hochschullaufbahn aufgaben, bilden mit durchschnittlich rund drei Prozent eine sehr kleine Minderheit. Die Schwankungen zwischen 5,5 Prozent und 1,5 Prozent der Journalisten, die auf diesem Weg erfolgreich waren, sind nicht signifikant. Zudem war dieser Weg vielleicht derjenige, der am wenigsten von objektivierbaren äußeren Faktoren beeinflußt wurde. Die übrigen nach dem Journalistenberuf ausgeübten Tätigkeiten lassen sich wiederum grob in zwei Gruppen klassifizieren: erstens den ursprünglich angestrebten oder auch ausge181

übten Beruf beziehungsweise eine Tätigkeit, die jedenfalls zum Journalismus in keinerlei Beziehung stand. Die zweite Gruppe bilden jene Tätigkeiten, zu deren Erreichen der Beruf des Journalisten entscheidende Möglichkeiten erschloß. Erstere finden sich in Tabelle 7 vor allem unter der Kategorie der »Sonstigen«, eine Rate, die zwischen dem Rekrutierungszeitraum von 1800 bis 1850 und dem Zeitraum von 1850 bis 1870 deutlich von 23,5 % auf 10,5 % zurückging. Auch hier macht sich bemerkbar, daß der Journalismus deutlichere Konturen eines Lebensberufs annahm und immer weniger als Übergangstätigkeit angesehen wurde. Journalisten, die nach einiger Zeit wieder Arzt, Rechtsanwalt, Lehrer, Bibliothekar oder Archivar wurden, finden sich, wenn auch jeweils nicht in großer Zahl, noch vor 1870. Danach aber wurden sie zur großen Ausnahme. Lediglich die katholischen Priester, die als Redakteure katholischer Zeitungen tätig waren, kehrten später zumeist noch in ihren ursprünglichen Beruf zurück. Für den Journalistenberuf interessanter ist die Gruppe derjenigen, die sich durch ihren Beruf die Tür zu einer neuen Karriere eröffneten. Zunächst ist hier der Staatsdienst zu nennen. Von Hugo Zöller und dessen Tätigkeit als Korrespondent der Kölnischen Zeitung aus aller Welt war bereits die Rede. Auf seinen Reisen, speziell nach Afrika, verstand sich Zöller weniger als Journalist denn als Entdecker, getragen von dem Gedanken, Kolonialgebiete für das Deutsche Reich auszukundschaften. Sein enger Kontakt zum Auswärtigen Amt, für das er inoffiziell tätig war, führte wiederholt zu Unterredungen mit Bismarck. Eine dieser Unterredungen, die in doppelter Hinsicht bezeichnend ist, gibt Zöller in seinen Memoiren wieder: » >Sollte es mir wirklich vergönnt sein< sagte ich, >siegreich aus Adamua heimzukehren, alsdann würde ich ...< >Ja, was würden Sie alsdann erwartend >Wäre es unbescheiden, wenn ich alsdann glauben würde, eine gewisse Anwartschaft auf den Eintritt in die Anfänge des diplomatischen Dienstes zu haben ...?< Einigermaßen erstaunt wie mir schien, blickte der Fürst mich an. >Darüber', sagte er nach einer kleinen Pause, >wird Herr von K. mit Ihnen sprechen'.« Der habe ihm, so Zöller, einige Tage später mitgeteilt, er könne ein Generalkonsulat bekommen - an der Westküste Südamerikas. »Alsdann würde ich es vorziehen, in der mir nun einmal liebgewordenen Journalistik zu bleiben«, gab Zöller, laut seinen Memoiren, zur Antwort. 189 Bezeichnend daran ist zum einen, daß Zöller den Anspruch stellte, für seine journalistischen Dienste mit einer diplomatischen Laufbahn belohnt zu werden, zum anderen jedoch auch, daß er mit seinem Ansinnen auf wenig Gegenliebe stieß. In Frankreich wäre eine diplomatische Karriere für einen Mann wie Zöller eine Selbstverständlichkeit gewesen. Versuche, eine journalistische Tätigkeit als Sprungbrett für den Eintritt in den höheren Staatsdienst zu benutzen, lassen sich weit zurückverfolgen. 182

Die Tradition des Mäzenatentums, verbunden mit der Schwierigkeit, als freier Schriftsteller und Journalist im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert seinen Lebensunterhalt zu verdienen, förderte die Bereitschaft, den Regierungen publizistische Dienste in der Hoffnung auf eine gesicherte staatliche Anstellung anzubieten. So hoffte Adam Müller 1809, mit einem orginellen Projekt fur ein Publikationsorgan, das »Ministerialund Oppositionsblatt zugleich« sein sollte, in die Dienste der preußischen Regierung treten zu können, um auf diese Weise seinem Ziel einer Beamtenlaufbahn näher zu kommen. Später diente Müller Metternich als »Feder« - »freilich aus Überzeugung«, wie sein Biograph in der ADB nicht versäumte hinzuzufügen. Dies brachte ihm 1827, zwei Jahre vor seinem Tod, schließlich die Ernennung zum Hofrat in der österreichischen Haus-, Hofund Staatskanzlei ein, nachdem man ihn ein Jahr zuvor bereits geadelt hatte.190 Friedrich Buchholz war in dieser Hinsicht weniger erfolgreich. Er hatte 1800 seine Stelle als Lehrer an der brandenburgischen Ritterakademie aufgegeben, um die Beamtenlaufbahn einzuschlagen. Als das mißlang, betätigte er sich journalistisch, unter anderem bei der Vossischen Zeitung, und galt bald als bestechlich. Trotz Verbindungen zu Hardenberg kam es letzdich jedoch nicht zu der angestrebten Stelle im Staatsdienst.191 Die Tatsache, daß die staatlicherseits immer ein wenig suspekte Tätigkeit der Journalisten durch die Karlsbader Beschlüsse unter ein offizielles Verdikt gestellt war, trug nicht dazu bei, daß sich jemand auf diese Weise für den Staatsdienst empfehlen konnte, auch wenn mancher, der sich einem Regierungsorgan andiente, dies vielleicht erhoffte. Karl Hermes etwa, der wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit oder zumindest der Willfährigkeit der preußischen Regierung gegenüber 1843 seine Stelle als Redakteur der Kölnischen Zeitung aufgeben mußte, war zwar anschließend für verschiedene Regierungs- bzw. regierungsnahe Zeitungen tätig, was seinen Biographen in der ADB zu dem abfälligen Urteil veranlaßte, er sei zu einem »vollständigen Mietling geworden«.192 Eine Karriere beim Staat eröffnete sich ihm dadurch jedoch ebensowenig wie seinem seriöseren Kollegen Johann Zinkeisen, der von 1840 bis 1851 Redakteur der Preußischen Staatszeitung bzw. deren Nachfolgerorganen war. Zinkeisen, in den dreißiger Jahren zunächst Privatdozent in München, hatte 1840 eine günstige Offerte Cottas, in die Redaktion der Allgemeinen Zeitung einzutreten, abgelehnt, da ihm gleichzeitig eine Redakteursstelle an der Preußischen Staatszeitung angeboten worden war, von der er sich nicht zuletzt eine Verbeamtung versprach. Diese wurde ihm zwar wiederholt zugesichert, aber letztlich doch vorenthalten. Auch nachdem man 1851 beschlossen hatte, die Zeitung eingehen zu lassen, wurde Zinkeisen nicht in den Staatsdienst übernommen, sondern erhielt lediglich ein bescheidenes Wartegeld. 193 183

Die Beispiele machen deutlich, daß Journalisten, selbst wenn sie im Sinne oder gar im Auftrag einer Regierung schrieben, vor allem in Preußen der Weg in den Staatsdienst nicht leicht gemacht wurde. Doch Lothar Bucher, wohl der bekannteste Fall eines Journalisten, der im Staatsdienst Karriere machte, war auch in Preußen kein Einzelfall. So wurde etwa der Journalist Ludwig Hahn fur seine publizistischen Dienste mit einer Beamtenlaufbahn belohnt. Hahn war 1848 in die Redaktion der Schlesischen Zeitung eingetreten und hatte die Zeitung wieder auf konservativen Kurs gebracht, nachdem sie in der Revolutionszeit liberalere Töne angeschlagen hatte. Nach kurzer Tätigkeit bei der Deutschen Reform wurde er in den Staatsdienst übernommen. In den sechziger Jahren übertrug man ihm die Redaktion der Provinzialkorrespondenz sowie die Leitung der Regierungspresse.194 In besonders massiver Art und Weise forcierte der Offizierssohn Hermann Orges seine Laufbahn, die ihn von der Redaktion der Allgemeinen Zeitung ins Handelsministerium und anschließend ins Auswärtige Amt Österreichs führte. Orges wurde 1821 geboren und schlug wie sein Vater die Offizierslaufbahn ein. 1845 kam er auf die allgemeine Kriegsschule in Berlin. 1848 endete seine militärische Karriere, als er angeblich, zwar nicht im Dienst, aber in Uniform, die Soldaten aufgefordert hatte, nicht auf das Volk zu schießen. Im gleichen Jahr ging er nach Hamburg auf eine Navigationsschule, um anschließend für etwa zwei Jahre auf einem Handelsschiff anzuheuern. Über Reisebeschreibungen kam Orges in Kontakt zu Cotta, der ihn Ende 1851, nach dem Staatsstreich durch Louis Napoleon, zunächst zur Berichterstattung nach Paris und anschließend zum Krimkrieg schickte. 1854 bat Orges um eine feste Anstellung in der Redaktion der Allgemeinen Zeitung, die ihm bald auch gewährt wurde. Er übernahm die Zuständigkeit für Frankreich, Belgien und Spanien. In seiner Geschichte der Allgemeinen Zeitung schrieb Eduard Heyck süffisant über ihn, er sei hauptsächlich deshalb in die Redaktion eingetreten, »um zu zeigen, wie es gemacht werden müsse«.195 So begann er auf eigene Faust, enge Kontakte zu diplomatischen Kreisen aufzunehmen, mit dem Ziel, Österreich publizistisch gegen Preußen zu unterstützen. Orges versuchte immer offener, die Allgemeine Zeitung, die ohnehin als österreichfreundlich galt, zu einem Kampfblatt für österreichische Interessen zu machen, wodurch es zwar zu einem Zerwürfiiis mit den übrigen Redaktionsmitgliedern kam, er selbst aber 1864 in den österreichischen Staatsdienst übernommen wurde, wo er weiter Karriere machte und schon bald in den Ritterstand erhoben wurde. 196 Die angeführten Beispiele von gescheiterten und geglückten Versuchen von Journalisten, sich durch ihre Tätigkeit für höhere Aufgaben im Staatsdienst zu empfehlen, lassen erkennen, daß nur ein schmaler Grat zwischen 184

denen verlief, die der Nachwelt als »Mietlinge« überliefert wurden wie der Journalist Karl Hermes, und denen, die als überzeugungstreue Kämpfer für die Interessen eines Staates präsentiert wurden wie Adam Müller oder Hermann Orges. Ob etwa jemand wie Otto Michaelis, von 1851 bis 1867 Handelsredakteur der Nationalzeitung und anschließend vortragender Rat und Direktor der Finanzabteilung im Kanzleramt, oder wie Julius von Eckardt, der zwischen 1870 und 1874 den Hamburgerischen Correspondenten leitete, bevor er zum Sekretär des Hamburger Senats gewählt wurde und anschließend eine diplomatische Karriere machte, während bzw. mit ihrer journalistischen Arbeit auf eine Karriere im Staatsdienst hinarbeiteten, ist kaum feststellbar.197 Doch es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß solche Karrieren nur möglich waren, wenn die betreffenden Journalisten engen Kontakt zu hohen Beamten pflegten, die ihnen einen Einstieg in den Staatsdienst eröffneten. Vergleichbar sind Karrieren von Journalisten, die zwar nicht in den Staatsdienst, aber ebenfalls in den Bereich führten, in dem sie zuvor journalistisch tätig gewesen waren. Georg Walter Mancke hatte den nicht seltenen Weg von einer Banklehre in den Handels- und Wirtschaftsjournalismus eingeschlagen. 1888 gab er im Alter von 32 Jahren seine Stelle als Handelsredakteur des Berliner Börsen-Courier auf und versuchte sich, offenbar ohne durchschlagenden Erfolg, mit einem Betrieb, der patentierte Waschmaschinen herstellte. Drei Jahre später erwarb er die Bank- und Handelszeitung und den Landwirtschaftlichen Anzeiger, die er beide selbst redigierte. Daneben wurde er Geschäftsführer der Zentralstelle der preußischen Landwirtschaftskammer und war damit wohl eher Lobbyist als Journalist. Eine ähnliche Karriere zum Lobbyjournalisten machte Friedrich Wilhelm Wendlandt, der direkt nach seinem Studium (Philosophie und Staatswissenschaften) die journalistische Laufbahn einschlug - zunächst als Redakteur bei einer Zeitung in Remscheid und später, in den neunziger Jahren, bei der industriefreundlichen Deutschen Warte. Bereits 1896 wurde Wendlandt Generalsekretär des Bundes der Industriellen und saß bald darauf im Vorstand des Deutschen Volkswirtschaftlichen Verbandes, der Deutsch-Marokkanischen Gesellschaft, des Flottenvereins und anderer konservativer Vereinigungen. Gleichzeitig war er Herausgeber der Zeitschrift des Bundes der Industriellen, Deutsche Industrie.19* Schärfer als bei Mancke und Wendlandt, bei denen sich streiten läßt, inwieweit sie Journalisten blieben oder Verbandsfunktionäre wurden, stellt sich bei Paul Steller die Trennung zwischen seinem Journalistenberuf und seiner darauf folgenden Tätigkeit dar. Paul Steller, von 1884 bis 1898 Wirtschaftsredakteur der Kölnischen Zeitung, wurde anschließend Geschäftsführer des Vereins der Industriellen. Auch bei Steller ist anzunehmen, daß er seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins der Industriellen nicht zuletzt dem Umstand 185

verdankte, daß er sich bereits während seiner Redakteurstätigkeit bei der Kölnischen Zeitung deren Interessen gegenüber »aufgeschlossen« gezeigt hatte. Anzeichen dafür, daß dadurch ein Schatten auf Stellers Integrität gefallen wäre, sind gleichwohl nicht erkennbar.199 Gab es einige politische Journalisten, die den Weg in den Staatsdienst fanden, sowie einige Wirtschaftsjournalisten, die Funktionäre oder Lobbyisten von Wirtschafts- oder Landwirtschaftsverbänden wurden, finden sich unter den Feuilletonjournalisten einige wenige, die es schafften, die Leitung eines Theaters zu übernehmen. Auch dies war ein Weg vom Journalismus in den Tätigkeitsbereich, über den sie zuvor als Journalisten berichtet hatten. Der Lebensweg des Schauspielers, Journalisten, Schriftstellers und Theaterdirektors Alfred Schönfeld zeigt exemplarisch, wie eng die verschiedenen von ihm ausgeübten Tätigkeiten zusammenhingen. 1859 geboren, war er nach dem Besuch des Gymnasiums zunächst vier Jahre als Schauspieler tätig und wechselte dann in den Journalismus. Als Lokalredakteur und Theaterkritiker arbeitete er insbesondere für den Berliner Lokal-Anzeiger. 1899, nach rund 15jähriger journalistischer Tätigkeit, wurde er Direktor des Berliner Thalia-Theaters, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1916 leitete.200 Andere Beispiele für Kritiker, die zum Theater wechselten, waren etwa der jungdeutsche Schriftsteller Heinrich Laube, der Feuilletonredakteur der Nationalzeitung, Titus Ullrich, oder der gefurchtete Theaterkritiker des Berliner Tageblatts Oskar Blumental, der 1888 das Lessing-Theater in Berlin gründete. 201 In Stuttgart übernahm 1875 der Schriftsteller und Journalist Feodor Wehl die Leitung des Hoftheaters, nachdem er einige Jahre an verschiedenen Zeitungen als Theaterkritiker gearbeitet hatte.202 Die Affinität eines großen Teils der Journalisten zu dem Milieu, in dem sie vorwiegend tätig waren, wird später im Zusammenhang mit der Frage nach dem Selbstverständnis der Journalisten noch genau zu untersuchen sein. Dort wird auch die Frage nach etwaigen politischen Karrieren von Journalisten zu stellen sein, die den einen oder anderen Journalisten auch zum Berufspolitiker werden ließen. Es sei hier jedoch bereits angemerkt, daß, abgesehen von den sozialdemokratischen Journalisten, es nur wenige Fälle gab, in denen - wie es für Frankreich als typisch galt - die journalistische Tätigkeit die Basis für eine politische Karriere bildete. Hermann Becker, der in den sechziger Jahren Redakteur der Rheinischen Zeitung war und 1875 Oberbürgermeister von Köln wurde, wäre hier als eine der Ausnahmen zu nennen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die journalistische Tätigkeit, sofern sie überhaupt hauptberuflich betrieben wurde, im wesentlichen zu einem Lebensberuf geworden war. Neben einer Reihe von Journalisten, die sich ausschließlich oder vorwiegend der Schriftstellerei widmete und einigen, die zu Verlegern 186

wurden - die Grenzen zur journalistischen Tätigkeit waren hier am unschärfsten - , gab es schließlich noch einen Anteil von Journalisten, die in den Tätigkeitsbereich eindrangen, über den sie als Journalisten geschrieben hatten. Die Anzahl derer, die sich durch den Journalismus eine gehobene Position im Staatsdienst, in der Politik oder in Wirtschaftsverbänden verschaffen konnten, war jedoch gering. Berücksichtigt man zudem, daß von denen, die vom Journalismus in den Staatsdienst gingen oder eine Funktion in einem Wirtschaftsverband übernahmen, wiederum ein großer Teil weiterhin mit Presse- oder Öffentlichkeitsarbeit zu tun hatte, wird deutlich, daß die journalistische Tätigkeit in Deutschland ganz im Gegensatz zu Frankreich nicht die Funktion einer Sprosse auf einer weiter nach oben führenden Karriereleiter hatte. Auch wenn, wie bereits erörtert, in bezug auf Frankreich diese Funktion des Journalismus teilweise überbetont worden ist, so hätte jedoch der Satz: »Le journalisme mène à tout à la condition d'en sortir,« in Deutschland zweifellos nicht geprägt werden können. Dadurch, daß der Journalistenberuf nur sehr begrenzt Möglichkeiten für eine weitere Karriere eröffnete, wurde er, gemessen an seiner noch kurzen Geschichte, innerhalb des 19. Jahrhunderts relativ schnell zu einem Lebensberuf.

2.6. Geographische Mobilität Als letzter Aspekt der biographischen Dimension des Berufs soll nach den berufsinternen Karrierewegen der Journalisten gefragt werden. In anderem Zusammenhang ist bereits erwähnt worden, daß nur rund 20 Prozent aller um die Jahrhundertwende in Berlin arbeitenden Redakteure wirklich aus Berlin stammten oder zumindest noch in der Kindheit dorthin gezogen waren. Die Zahl ist Anlaß, danach zu fragen, ob oder inwieweit räumliche Mobilität zu den unabdingbaren Begleiterscheinungen des Berufs gehörte. Die übrigen 80 Prozent sind zwar nicht alle nach Berlin gekommen, um Journalist zu werden oder ihre journalistische Laufbahn fortzusetzen. Viele waren bereits zum Studieren oder aus anderen Gründen dorthin gezogen. Man wird jedoch nicht zu hoch greifen, wenn man davon ausgeht, daß über die Hälfte der 1899 in der Reichshauptstadt arbeitenden Redakteure ihren Wohnsitz in Zusammenhang mit ihrem Beruf dorthin verlegt hatte, zumal etwa 30 Prozent von ihnen bereits über 30 waren, als sie nach Berlin kamen.203 Berlin hatte sich um die Jahrhundertwende zwar zur wichtigsten deutschen Pressestadt entwickelt, doch war dieser Status bei weitem nicht mit Paris vergleichbar, das als französische Pressehauptstadt vollkommen unangefochten war. Das bedeutet, daß Berlin auch gegen Ende des Jahrhunderts, von der Zeit vor 1870 ganz zu schweigen, nicht wie Paris fur die 187

französischen Journalisten schlechterdings die Stadt war, in die ein ambitionierter deutscher Journalist ziehen mußte. Auch wenn sich für andere deutsche Städte ähnliche Zuzugsraten von Journalisten nicht errechnen lassen, besteht einiger Grund zur Annahme, daß auch in Hamburg, Köln oder Frankfurt der Anteil der zugezogenen Journalisten relativ hoch war. Das läßt zwar darauf schließen, daß räumliche Mobilität zumindest keine Seltenheit im Journalistenberuf war. Um aber über diesen groben Anhaltspunkt hinauszugelangen, müssen wir uns wieder den Einzelkarrieren zuwenden. 204 Zwei Punkte lassen sich zunächst festhalten: Erstens reichte die Bandbreite der Mobilität von absoluter Seßhaftigkeit während des gesamten Berufslebens bis hin zu einer Tätigkeit an fünf bis zehn verschiedenen Zeitungen an über fünf verschiedenen Orten. Eine klare Tendenz hinsichtlich der Zu- oder Abnahme der Mobilität ist nicht erkennbar. Es hat jedoch zweitens eine deutlich erkennbare Verschiebung der Gründe für den Wechsel des Arbeitsplatzes gegeben: Äußere Zwänge nahmen ab, die Freiwilligkeit nahm zu. Der Vergleich der Lebensläufe von Journalisten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einerseits und des Kaiserreichs andererseits läßt die Unterschiede greifbar werden. Johann Baptist Rousseau war 1802 als Sohn eines Stubenmalers geboren worden. Nach einem Geschichts- und Philologiestudium wurde er zunächst Hauslehrer und betätigte sich anschließend als Schriftsteller und Journalist. Nachdem er mit verschiedenen Zeitschriften, die er Mitte der zwanziger Jahre im Rheinland herausgab, wenig erfolgreich gewesen war, bekam er eine Anstellung als Redakteur der Frankfurter OberpostamtsZeitung, die damals zu den bekanntesten deutschen Zeitungen zählte. Rousseau redigierte das Blatt im gouvernementalen Sinne, wodurch er während der Julirevolution schnell zu einer Art Inkarnation des Feindbildes der liberalen Öffentlichkeit wurde. Über Nacht, »sans prendre congé«, sei er nach München übergesiedelt, wußten die Literaten Eduard Beurmann und Franz Dingelstedt in ihrer Darstellung zur Geschichte der Presse vom Ende der dreißiger Jahre zu berichten.205 Dort übernahm er für kurze Zeit die Redaktion der offiziellen Münchner Politischen Zeitung, um anschließend nach Frankfurt zurückzukehren, wo er nach der Beruhigung der politischen Lage seine alte Stellung wieder einzunehmen versuchte. Da das nicht gelang, mußte er sich als freier Journalist durchschlagen. Der Ruf der Käuflichkeit, den er sich vor allem im süddeutschen Raum erworben hatte, machte dieses ohnehin mühsame Unterfangen nicht gerade einfacher. So zog er es vor, wieder zurück ins Rheinland zu gehen. Dort experimentierte er erneut mit der Herausgabe von Zeitschriften, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Ende der dreißiger Jahre stand er für kurze Zeit mit der Kölnischen Zeitung in Verbindung, für die er einige Leitartikel schrieb. Eine 188

Redakteurstätigkeit ergab sich daraus jedoch nicht. Anfang der vierziger Jahre versuchte er schließlich sein Glück in Berlin, wo er 1843 Feuilletonredakteur der offiziellen Neuen Preußischen Allgemeinen Zeitung wurde. Danach verlieren sich seine Spuren.206 Rousseaus Ortswechsel waren weitgehend von äußeren Notwendigkeiten politischer und ökonomischer Natur diktiert. Sein Abgang von der Frankfurter Oberpostamts-Zeitung war zwar in dem Sinn fur den Vormärz untypisch, als infolge der Julirevolution ein konservativer Redakteur seinen Posten verlassen mußte. Doch das Schicksal, aus politischen Gründen, wenn auch in aller Regel mit umgekehrten Vorzeichen, eine Redakteursstelle zu verlieren, teilte Rousseau mit einigen seiner Kollegen. Im Zusammenhang mit der Frage der Einflußnahme der Regierungen auf die Auswahl der Redakteure sind bereits verschiedene Beispiele angeführt worden. Neben direktem oder indirektem Druck auf die Verleger, sich von einem bestimmten Redakteur zu trennen, hatten die deutschen Regierungen gerade durch die Tatsache, daß Journalisten häufig nicht aus dem Staat stammten, in dem sie arbeiteten, zusätzlich die Möglichkeit, die Journalisten auszuweisen. Davon machten sie auch Gebrauch. Als in Bayern 1830 nach einer seit etwa 1828 dauernden Periode relativer Pressefreiheit wieder eine härtere Gangart eingeschlagen wurde, wies die dortige Regierung gleich einen ganzen Schwung von Journalisten aus, die es erst kurze Zeit zuvor gerade wegen der relativen Freiheit dorthin gezogen hatte: E. Große, Redakteur der Bayrischen Blätter; R. O. Spazier, Redakteur der Nürnberger Blätter für öffentliches Leben, Literatur und Kunst; Ε. M. Saphir, Redakteur des Bazar, sowie E. M. Oettinger, der wie Saphir zuvor schon aus Berlin ausgewiesen worden war.207 Aufsehenerregend war 1842 der Fall des Redakteurs der Mannheimer Abendzeitung, Karl Grün, dessen preußische Staatsbürgerschaft zum Anlaß genommen wurde, ihn aus Mannheim auszuweisen. In den Spitzelberichten wurde jedoch darauf hingewiesen, daß auf diese Weise der ansonsten ziemlich unbedeutende Karl Grün zum Märtyrer gemacht worden und die Auflage der Mannheimer Abendzeitung von 300 auf 400 Exemplare angestiegen sei.208 Auch nach der 48er Revolution wurde wiederholt auf die Praxis der Ausweisungen zurückgegriffen. Der aus Hannover stammende Karl Bölsche, seit 1838 Redakteur der Mainzer Zeitung, verlor im Herbst 1849 seine Stellung durch Ausweisungsbefehl. Nur drei Jahre später, als die preußische Regierung erfuhr, daß Bölsche bei der Kölnischen Zeitung wieder eine Anstellung als Redakteur gefunden hatte, ließ sie ihm durch den Kölner Polizeidirektor erneut einen Ausweisungsbefehl zukommen. Der Verleger DuMont wehrte sich jedoch erfolgreich dagegen, indem er darauf hinwies, daß Bölsche lediglich das Feuilleton der Zeitung übernehmen werde.209 Mit einem weniger renommierten Verleger im Rücken hätte 189

Bölsche vermutlich seine Koffer wieder packen müssen. Spätestens seit der »Neuen Ära« wurde nur noch vereinzelt auf derartige Maßnahmen zurückgegriffen. Noch 1884 mußte allerdings der Feuilletonredakteur der Berliner Zeitung, Adolf Kohut, Berlin und Preußen aufgrund eines Ausweisungsbefehls verlassen, der erst 1889 wieder aufgehoben wurde.210 Auf lange Sicht gesehen trat als Grund für einen Ortswechsel der Journalisten äußerer politischer Druck in Form von Ausweisungen oder anderem zugunsten von Gründen, die stärker im persönlichen Bereich lagen, in den Hintergrund. Auch wenn die Gründe für den Wechsel von einer Zeitung zur anderen und damit, wie unten noch näher erläutert werden wird, von einer Stadt in eine andere anhand der Quellen nur in den seltensten Fällen im einzelnen rekonstruierbar sind, sprechen die Berufswege häufig fur sich. Nach Abschluß seines Philosophie- und Geschichtsstudiums und entsprechender Promotion bekam der Journalist Alfred Oehlke, von dem oben bereits die Rede war, 1891 seine erste feste journalistische Arbeitsstelle in dem Berliner Depeschenbüro Herold. Den Posten, der journalistisch vermutlich wenig attraktiv war, verließ Oehlke bald zugunsten einer Stelle als Feuilletonredakteur der Hamburger Zeitung Reform, auf der er jedoch wiederum nicht lange blieb, da er die Chance hatte, als politischer Redakteur an die Breslauer Zeitung zu gehen. 1893, bereits ein Jahr später, wechselte er als Chefredakteur des Niederschlesischen Anzeigers nach Glogau, wo er bis 1896 blieb, um anschließend zurück zur Breslauer Zeitung zu gehen, die er schließlich bis weit in die zwanziger Jahre leitete. An den Stationen läßt sich sehr klar ablesen, daß nicht äußere Widrigkeiten für den raschen Ortswechsel in den ersten Berufsjahren verantwortlich waren. Vielmehr brachte Oehlke seine journalistische Laufbahn mit jedem Umzug einen Schritt voran und erreichte so bereits im Alter von 34 Jahren die komfortable Position des Chefredakteurs einer wichtigen deutschen Zeitung. 211 Die Gegenüberstellung der Berufswege Johann Baptist Rousseaus und Alfred Oehlkes spitzt den Unterschied der Karriereverläufe von Journalisten im Vormärz gegenüber denen ihrer Kollegen am Ausgang des 19. Jahrhunderts stark zu. Ebensowenig wie im Vormärz der Wechsel von einer Stadt in die andere, von einer Zeitung zur anderen, nur von äußeren Umständen diktiert wurde, trieben die Journalisten am Ende des Jahrhunderts mit jedem Ortswechsel ihre Karriere zielstrebig voran. Die Tendenz der Entwicklung, die mit der Gegenüberstellung der beiden Lebenswege illustriert werden sollte, ist gleichwohl unverkennbar. Wenn Mobilität, auch ohne daß sie von außen diktiert wurde, zu den besonderen Merkmalen des Journalistenberufs gehörte, sind dafür vor allem zwei Gründe anzuführen. Zu den Besonderheiten des Berufs gehörte es erstens, daß beruflicher Aufstieg häufig nur über den Wechsel von einer 190

Zeitung zu einer anderen möglich und daß zweitens ein solcher Wechsel in der Regel mit einem Ortswechsel verbunden war. Abgesehen von der ohnehin meist nur geringen, in jedem Fall aber überschaubaren Anzahl an Zeitungen auch in größeren Städten, wäre ein Zeitungswechsel innerhalb einer Stadt fast immer gleichbedeutend gewesen mit einem Wechsel der politischen Richtung. Es gehörte zwar zu den stereotypen Vorwürfen gegenüber Journalisten, käuflich zu sein und je nach Bezahlung ihre politische Richtung zu ändern. Verfolgt man jedoch die Karrieren von Journalisten, findet sich kaum jemand, bei dem sich ein solcher Vorwurf rechtfertigen ließe. Zwar gab es Journalisten, die vom nationalliberalen Lager ins konservative überwechselten, oder ehemals linksliberale Journalisten, wie Franz Mehring oder Max Quark, die Sozialdemokraten wurden und für deren Zeitungen arbeiteten. Davon abgesehen, blieben in aller Regel selbst Feuilleton- oder Wirtschaftsjournalisten bei Zeitungen ein und derselben politischen Couleur tätig. So ermöglichte erst der expandierende Berliner Pressemarkt den Journalisten, nach dem Verlassen einer Zeitung nicht automatisch auch in eine andere Stadt gehen zu müssen, um eine neue Redakteursstelle zu finden. Was den beruflichen Aufstieg betrifft, war es zwar durchaus üblich, daß nach dem Ausstieg des vorherigen Chefredakteurs ein Redakteur aus derselben Zeitung auf diese Position nachrückte. Doch setzte die geringe Größe der Redaktionen abgesehen von der Übernahme des Chefredakteurspostens dem Aufstieg innerhalb einer Redaktion naturgemäß enge Grenzen. Zudem waren die leitenden Funktionen einer Zeitung häufig über Jahrzehnte von derselben Person besetzt. Ohnehin war, wie bereits erwähnt, häufiger Ortswechsel keine Grundvoraussetzung der Berufsausübung. Vor allem bei alteingesessenen Zeitungen, wie der Augsburger Allgemeinen, der Kölnischen, der Schlesischen, der Breslauer Zeitung oder dem Schwäbischen Merkur, gab es Redakteure, die dort während ihres gesamten Berufslebens blieben. Über ein Drittel der Journalisten des Sample war über 20, viele davon über 30 oder gar 40 Jahre bei einer Zeitung tätig. Ein großer Teil von ihnen hatte nie bei einer anderen Zeitung gearbeitet. Hier lag der Schlüssel fur die Stabilität dieser Zeitungen, aber auch der Grund für ihre mangelnde Flexibilität in der Reaktion auf neue Entwicklungen in der Presse. Wer nicht das Glück hatte, schon in jungen Jahren Redakteur einer wichtigen Zeitung zu werden, und wer dort nicht zudem Aussicht auf eine leitende Funktion hatte, versuchte in der Regel, sich durch den Wechsel von einer Zeitung zu einer anderen beruflich oder materiell zu verbessern. Da neue Engagements häufig auf brieflicher Basis zustandekamen, gingen Verleger und Redakteur jeweils ein Risiko ein, das nicht selten wieder ein rasches Auflösen des Vertragsverhältnisses zur Folge hatte. 191

Einige der Tendenzen, die schon in anderem Zusammenhang zu beobachten waren, fanden auch in der Entwicklung der räumlichen Mobilität der Journalisten ihren Niederschlag. Die äußeren Zwänge politischer Art, die vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Lebenswege einer Reihe von Journalisten zum Teil wesentlich geprägt hatten, ließen im ausgehenden 19. Jahrhundert deutlich nach. In dem Maße, wie der Einstieg in den Beruf gezielter und unabhängiger von äußeren Zwangslagen angestrebt wurde, bekam die eigene Entscheidung auch bei der Frage der geographischen Mobilität zunehmend Gewicht. So läßt sich in diesem wie an den zuvor behandelten Punkten ein weiteres Indiz für die Verberuflichung der journalistischen Tätigkeit sehen. Ein sozialer Außenseiter, soviel läßt sich bis hier bereits bilanzieren, der vor allem durch den Druck äußerer Umstände dazu gedrängt wurde, sich mit Zeitungsartikeln sein Geld zu verdienen, und daraus notgedrungen einen Beruf machte, war der Journalist sicherlich nicht.

3. Die sozialen und ökonomischen Modalitäten der Berufsausübung Wenn hier betont worden ist, daß die Attraktivität des Journalistenberufs sowie die Möglichkeit selbständiger beruflicher Entscheidungen für Journalisten zunahmen, fragt sich, inwiefern sich insgesamt die Modalitäten seiner Berufsausübung veränderten und der Beruf möglicherweise auch von daher verlockender wurde. Wenn die staatlichen Schikanen, denen die Journalisten im Vormärz noch vielfach ausgesetzt waren, nachließen, so stellt sich vor allem die Frage nach der Entwicklung der Abhängigkeiten vom Markt und von den Verlegern. Nahmen diese tatsächlich, wie teilweise suggeriert, in dem Maße zu, wie die staatlichen Zwänge zurückgingen? Welche Chancen gab es, sich als »freier« Journalist oder als Herausgeber einer Zeitschrift durchzusetzen? Wie sah die ökonomische Seite des Berufs aus? Waren die Journalisten die »Hungerkandidaten«, als die sie vielfach hingestellt werden? So differenziert der journalistische Arbeitsmarkt war, so unterschiedlich fielen auch die Bedingungen aus, denen die einzelnen Journalisten im Laufe ihres Berufslebens unterlagen. Im folgenden wird daher eine Reihe sehr verschiedener Aspekte zur Sprache kommen, die gleichwohl die Bedingungen der Berufsausübung insgesamt markierten und die einzelnen Journalisten auf den verschiedenen Stufen ihrer Karriere in unterschiedlicherweise betrafen. Nach der Frage der Möglichkeiten, auf dem »freien« journalistischen Arbeitsmarkt, sei es als Herausgeber einer Zeitschrift, sei es als Mitarbeiter unterschiedlicher Blätter zu bestehen, soll 192

die Frage des Abhängigkeitsverhältnisses der Redakteure gegenüber den Verlegern diskutiert werden. Insbesondere ist dabei die in der Literatur zumeist vertretene These zu prüfen, inwieweit tatsächlich die Abhängigkeit der Redakteure mit der Kommerzialisierung der Presse zunahm. Schließlich wird auf der Basis einer Vielzahl verschiedener Gehaltsangaben von Journalisten einiges zur Frage beigetragen werden können, wie es um die materielle Situation der Journalisten bestellt war.

3.1. Journalistische Tätigkeit außerhalb politischer Tageszeitungen Die meisten Redakteure waren im Laufe ihres Berufslebens zeitweilig auch als freie Journalisten tätig, größtenteils am Anfang der Karriere, viele aber auch zwischenzeitlich oder im Anschluß an eine feste Anstellung. Eine ganze Reihe von ihnen arbeitete nebenher an anderen Blättern mit, war gleichzeitig Berichterstatter für auswärtige Zeitungen oder gab sogar eine eigene Zeitschrift heraus. Auch wenn sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die verschiedenen journalistischen Tätigkeiten wie politischer Berichterstatter, Theaterkritiker, Redakteur, oder Zeitschriftenherausgeber stärker ausdifferenzierten, blieben die meisten dieser Tätigkeiten eng miteinander verknüpft und wurden weiterhin teilweise nebeneinander, teilweise nacheinander ausgeübt. a) Die Herausgabe von Zeitschriften. Wer nicht Redakteur oder fester Korrespondent einer Zeitung war, konnte als freier Journalist arbeiten oder als Herausgeber beziehungsweise Redakteur einer Zeitschrift.212 Dabei befand sich der bei weitem größte Teil der Zeitschriftenherausgeber oder -redakteure lange Zeit in einer vergleichbaren Situation wie die freien Journalisten. Zeitschriftengründungen gingen häufig von Journalisten und nicht von Verlegern aus. Die Herausgeber von Zeitschriften agierten damit weniger als Angestellte, sondern waren zumeist voll verantwortlich für ihre Zeitschriften. Die Verleger fungierten damit häufig lediglich als Drucker der Blätter. Dies galt vor allem für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Lange Zeit dürfte Cotta einer unter wenigen gewesen sein, der seinen Zeitschriftenredakteuren genauso wie den Redakteuren der Allgemeinen Zeitung ein festes Gehalt bezahlte. Gerade im Vormärz wird deutlich, daß die Herausgeberschaft einer Zeitung in ihrer Unsicherheit eher eine Variante der Tätigkeit freier Journalisten war, als daß sie mit der Stellung eines Zeitungsredakteurs vergleichbar gewesen wäre. Vor allem infolge einschneidender Ereignisse wie der »Befreiungskriege« oder der Julirevolution, aber auch ausgelöst durch zeitweilige Zensurerleichterungen wie 193

nach 1825 in Bayern, 1831 in Baden oder 1840 in Preußen, kam es regelmäßig zu einem raschen Anstieg an periodischen Publikationen jeder Art. Für Bayern, wo um 1828 vorsichtige Zensurerleichterungen spürbar wurden, erinnerte sich Wilhelm Chezy, selber Schriftsteller und Journalist: »Täglich schössen neue Blätter auf. Manche davon erlebten kaum drei Nummern; andere hielten sich etwas länger; wenige hatten wirklich Erfolg.«213 Ahnliches galt fur die anderen genannten Ereignisse. Den Höhepunkt dieser Boomphasen von kurzlebigen Zeitungsgründungen bildete die 48er Revolution. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Gesamtzahl derartiger Zeitschriftengründungen vermutlich insgesamt eher größer als in der ersten Jahrhunderthälfte. Das Verschwinden der Blätter verlief jedoch weit weniger spektakulär, da sie in der Regel nicht infolge politischen Drucks, sondern durch mangelnden kommerziellen Erfolg eingingen. Über genaue vertragliche Abmachungen zwischen Verlegern und Herausgebern von Zeitschriften ist zumeist nur wenig bekannt. Generell gilt jedoch, daß die Herausgeber von Zeitschriften, vor allem dann, wenn sie diese selbst gegründet hatten, im Guten wie im Schlechten wesentlich enger mit dem Schicksal des Blattes verbunden waren als Zeitungsredakteure. Der Verdienst des Herausgebers oder Redakteurs einer Zeitschrift - die Begriffe und Funktionen sind bei Ein-Mann-Redaktionen nicht klar zu trennen - war weit enger an den Erfolg des Blattes geknüpft als bei Zeitimgsredakteuren. Verkaufte sich eine Zeitschrift nicht, wurde sie häufig nach wenigen Nummern schon wieder eingestellt. War eine Zeitschriftengründung hingegen so erfolgreich wie Julius Rodenbergs Deutsche Rundschau oder Maximilian Hardens Zukunft, waren deren Gründer und Herausgeber gemachte Männer, die sich dadurch an die Spitze der journalistischen Elite katapultierten. 214 Zeitschriftenherausgeber wie Rodenberg und Harden, aber auch Paul Lindau, Herausgeber der Gegenwart und von Nord und Süd, Friedrich Avenarius (Der Kunstwart), Michael Georg Conrad (Die Gesellschaft) aus der Zeit des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts sowie Siebenpfeiffer, Wirth, Gutzkow, Ruge, Herloßsohn oder Friedrich Wilhelm Held, um nur einige der bekanntesten Namen aus der Zeit des Vormärz zu nennen, waren nicht zuletzt in dem Sinne »freie« Journalisten, als sie in nur geringem Maße von einem Verleger abhängig waren. Ohne die Verhältnisse im einzelnen rekonstruieren zu können, ist auf der anderen Seite anzunehmen, daß die Situation von Redakteuren an Zeitschriften wie der Gartenlaube, die 1853 von dem Buchhändler Ernst Keil gegründet wurde, eher der von Tagezeitungsredakteuren entsprach.215 Die »Redaktion« der meisten Zeitschriften bestand jedoch in der Regel nur aus einer Person, so daß Verleger und Redakteur ohnehin aufeinander angewiesen waren. Wenn 1848 mit Julian Schmidt und Gustav Freytag zwei Journalisten die Redak194

tion der Grenzboten übernahmen, war dies für eine Zeitschriftenredaktion schon eine Ausnahme.216 Auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden nur ganz wenige Zeitschriften von einem größeren Redaktionsteam geleitet. Der Kladderadatsch dürfte wohl die einzige deutschsprachige Zeitschrift gewesen sein, an der schon in den fünfziger Jahren mit David Kaiisch, Rudolf Löwenstein, Ernst Dohm und Wilhelm Scholz vier Redakteure arbeiteten.217 Zeitschriften modernen Zuschnitts, deren Redaktionen der einer Tageszeitung vergleichbar geführt wurden, entstanden erst kurz vor der Jahrhundertwende mit der seit 1894 im Ullsteinverlag erscheinenden Berliner Illustrierten Zeitschrift und der 1899 von Scherl gegründeten Woche.218 Stichproben machen schnell deutlich, daß zumindest unter den bekannteren Zeitschriftenherausgebern und -redakteuren die Zahl der NichtAkademiker verschwindend gering war. Angefangen von Schubart, Wekhrlin und Posselt, den ersten Journalisten, die von den Erträgen ihrer Zeitschriften zu leben versuchten, über die Zeitschriftenherausgeber des Vormärz wie Philipp Jacob Siebenpfeiffer, Johann Georg Wirth, Karl Mathy, Karl Gutzkow, Arnold Ruge, Adolf Glasbrenner, Wilhelm Chezy, die »Gelehrten vom Kladderadatsch«, die Redakteure der Gartenlaube, Ferdinand Stolle und Adolf Glaser, bis hin zu Herausgebern von Zeitschriften gegen Ende des 19. Jahrhunderts wie Theophil Zollig, Friedrich Avenarius, Michael Georg Conrad oder Paul Cossmann: Nicht-Akademiker gab es unter ihnen so gut wie keine. Damit entsprach das Sozialprofil der Herausgeber und Redakteure der politisch-literarischen Zeitschriften, wie es die meisten der Genannten waren, ziemlich genau der Zusammensetzung der für Politik und Kultur zuständigen Redakteure an den Tageszeitungen, unter denen sich ebenfalls Nicht-Akademiker kaum fanden. Einer der wenigen unter den erfolgreichen Herausgebern von Zeitschriften, die kein Studium absolviert hatten, war Maximilian Harden - eine Ausnahmeerscheinung in vielerlei Hinsicht.219 Er stammte aus einer zerrütteten Familie, sein Vater, ein Seidenhändler, nahm seinen Sohn mit 13 Jahren vom Gymnasium, um ihn in eine Kaufmannslehre zu stecken. Daraus flüchtete sich Harden jedoch bald zunächst zu seiner Mutter und anschließend zu einer Schauspieltruppe. Zehn Jahre lang schlug er sich dann als Schauspieler durch und begann nach und nach, sich als Kritiker und Übersetzer zu betätigen. 1889, im Alter von 28 Jahren, wandte er sich brieflich an den Kaiser, um ihm seine publizistischen Dienste anzubieten, die Wilhelm II. jedoch brüsk ablehnte. Harden suchte daraufhin bald Kontakt zu Bismarck, ein Umstand, der wesentlich zu Hardens öffentlicher Wirksamkeit beitrug. Nach ein paar Jahren als freier Journalist, in denen er unter anderem Mitarbeiter der Gegenwart war, konnte er 1892 den Buchhändler Georg Stilke, der früher die Gegenwart verlegt hatte, für die 195

Gründung der Zukunft gewinnen, die bald zu einem der einflußreichsten Publikationsorgane der Wilhelminischen Zeit wurde. Verläßt man den Bereich der bekannten Namen, wird das Bild wesentlich heterogener. Vor allem am Beispiel der Frauen ist erkennbar, daß die Tageszeitungsredaktionen gegenüber dem freien journalistischen Markt exklusiver waren. Tauchten Redakteurinnen erst ganz am Ende des 19. Jahrhunderts an Tageszeitungen auf, finden sich Frauen im Zeitschriftenbereich das gesamte 19. Jahrhundert hindurch. Therese Huber als Redakteurin von Cottas Morgenblatt für gebildete Stände war hier nur die bei weitem bekannteste. Ein Bereich der Presselandschaft, über den so gut wie gar nichts bekannt ist, sind die sogenannten volkstümlichen Blätter. Über die Herausgeber solcher harmlosen Witz- und Satireblätter, Zeitschriften und Zeitungen mit starkem Lokalkolorit, die versuchten mit Nachrichten über Skandälchen und anzüglichen Geschichten ihre Auflage zu steigern, ist daher auch wenig in Erfahrung zu bringen.220 »Bin aus dem Volk, schreib für das Volk, dies ist mein höchster Ruhm«, schrieb der Münchner Volksjournalist und -schriftsteller Ferdinand Fränkel über sich in seiner Hofbräuzeitung. Frankel, 1815 geboren, stammte aus einer Kleinbürgerfamilie, besuchte die Volksschule und wurde Buchbinder. Es hielt ihn aber nicht in seinem Beruf, und er versuchte sich als Schauspieler und Theaterschriftsteller. Geldnot habe ihn »der volkstümlichen Journalistik in die Arme« getrieben, hieß es in dem biographischen Abriß, den die ADB ihm widmete.221 Die Eintragung in der ADB verdankte er wohl vor allem den Auszeichnungen fur Kunst und Wissenschaft, die er vom Landesherren fiir seine zahlreichen literarischen Verklärungen der königlichen Familie verliehen bekam. Bevor Fränkel die Hofbräuzeitung herausgab, mit der er relativ erfolgreich war, hatte er zunächst Lokalplaudereien und volkstümliche Beiträge für andere Zeitungen geschrieben und sich dann mit der Gründung verschiedener kleiner Blätter versucht. Von ähnlichem Schlage war der ehemalige Schriftsetzer Julius Marchner, Gründer, Herausgeber und Redakteur der Neuen Freien Volkszeitung. Durch das Blatt, das in dem Ruf eines »schamlosen Revolverblatts« stand, soll Marchner jedoch »zu nicht unbedeutendem Wohlstand« gelangt sein.222 Solche und ähnliche Beispiele lassen den Schluß zu, daß sich in diesem Bereich der Presse Journalisten sehr unterschiedlicher Provenienz betätigten und die Heterogenität wesentlich größer war als unter den Herausgebern und Redakteuren literarisch-politischer Zeitungen. b) Der freie journalistische Arbeitsmarkt. Ein Ergebnis der Untersuchung der Zugangswege zu einem Redakteursposten war die Feststellung, daß sich dieser Zugang als keineswegs so offen erwies, wie er auf den ersten 196

Blick erscheint. Vielmehr war es fur diejenigen, die keine Geisteswissenschaft, Jura oder Nationalökonomie studiert hatten, in der Regel nur möglich, sich über bestimmte »Kanäle« im Journalismus zu etablieren. Was den freien journalistischen Arbeitsmarkt betrifft, scheinen dererlei Schranken wegzufallen. Ebenso wie der Versuch, eine eigene Zeitung herauszugeben, war es an keinerlei äußere Voraussetzungen gebunden, Zeitungen und Zeitschriften mit Artikeln zu beliefern. Allerdings mußten sie auch gedruckt werden, wenn jemand davon leben wollte. Eine genauere Beschreibung des freien journalistischen Tätigkeitsfeldes jenseits der Feststellung, daß dieser sehr heterogen besetzt war, scheint daher schwer möglich, zumal, wie oben bereits festgestellt, die Lebensläufe nicht redaktionell eingebundener Journalisten schwer erfaßbar sind. Klagen aus den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts über die Überschwemmung des literarischen Marktes oder Beschreibungen der Situation der »Literaten«, Schriftsteller und Journalisten bei Wilhelm Heinrich Riehl, Heinrich Wuttke und anderen bestätigen den Eindruck, daß sich hier eine schwer überschaubare Zahl von Männern und wenigen Frauen betätigte, die sich, sofern sie davon leben wollten, zumeist in einer materiell prekären Lage befanden. Vertieft man sich jedoch etwas in dieses Milieu und verfolgt einige Lebensläufe, entsteht der Eindruck, daß es eine erstaunlich scharfe Linie gab, die diejenigen, die es geschafft hatten, sich als freier Journalist zu etablieren, von denen separierte, die außerhalb dieses Pools blieben. Eine genaue Beschreibung dieser Situation vom Ende des 19. Jahrhunderts liefert der Journalist Karl Jentsch in seiner Autobiographie. 1833 als Sohn eines Buchbinders geboren, hatte Jentsch katholische Theologie studiert und war Priester geworden. Nachdem er zunächst zum Altkatholizismus übergetreten war, legte er Anfang der achtziger Jahre sein Priesteramt ganz nieder. Unter der Kapitelüberschrift »Endlich den Beruf gefunden« beschreibt Jentsch detailliert seinen journalistischen Werdegang. Am Rande sei bemerkt, daß er dabei sofort auf den Topos des Gescheiterten zu sprechen kam, um ihn in bewährter Manier umzukehren: »Statt zu definieren, Zeitungsschreiber sind Leute, die ihren Beruf verfehlt haben, würde man in vielen Fällen richtiger sagen: Leute, die ihren Beruf erst spät gefunden haben.« 223 Als Jentsch noch als Priester 1879 in die schlesische Kleinstadt Neiße kam, traf er die für eine Stadt dieser Größenordnung typischen Presseverhältnisse an: Es gab zwei Zeitungen, ein täglich erscheinendes Zentrumsblatt und daneben ein zwei- und später dreimal wöchentlich erscheinendes »liberales« Blatt. »Liberal«, so Jentsch, habe in katholischen Gegenden jedoch nichts anderes bedeutet, als daß es im Gegensatz zu dem Zentrumsorgan gestanden habe. In den Zeiten des Kulturkampfes habe das »liberale« Blatt zwar verschiedene »selbstverständlich unbezahlte« Mitarbeiter gehabt, doch seit dessen Abflauen sei der 197

Verleger der Zeitung, der Buchdruckereibesitzer Letzel, wieder fast ganz auf sich gestellt gewesen. Lediglich der ortsansässige Stadtpfarrer, »dessen Schreibweise jedoch ans Unflätige grenzte«, habe noch fur das Blatt geschrieben. So ergab sich, daß Jentsch wiederholt Beiträge, »meistens über Gegenstände von allgemeinem Interesse«, für die Zeitung schrieb und schließlich von Letzel auch ein kleines Honorar bekam. »Er war der Redakteur seines Blattes und hatte die Redaktionsarbeit satt«, so daß er Jentsch ganz als Redakteur gewinnen wollte, allerdings ohne ein festes Gehalt, das das Blatt nach Ansicht des Verlegers nicht abwarf. Darauf war Jentsch jedoch inzwischen angewiesen, da er sein Priesteramt aufgegeben hatte und versuchte, sich ein Auskommen als Journalist zu verschaffen. Aus Jentschs Beschreibung geht hervor, wie steinig der Weg dahin war. »Ich begann nun, an allerlei Zeitungen und Zeitschriften Manuskripte zu schicken, die ich allesamt wiederbekam, was sehr anständig von den Redaktionen war, denn sie hätten ja das Zeug in den Papierkorb werfen können. Ich war damals noch so naiv, daß ich an ein paar Orten nach dem Grunde der Ablehnung fragte, worauf ich natürlich keine Antwort bekam. An ein paar Stellen, zu denen ich besonderes Vertrauen hegte, wandte ich mich mit Anfragen über das Schriftstellergewerbe, und von beiden erhielt ich freundliche und ausfuhrliche Antworten. Ein Redakteur der Schlesischen Zeitung schrieb mir, ich möchte nur den unglücklichen Gedanken aufgeben, mich auf solche Weise durchschlagen zu wollen, mit Leitartikeln und Feuilletons würden alle Redaktionen überschwemmt; nur die journalistische Handlangerarbeit nähre ihren Mann, Reporter fänden immer lohnende Arbeit.«224

Die zweite Anfrage in dieser Richtung hatte Jentsch an den Berliner Theaterkritiker Paul Lindau geschickt. Speziell erkundigte er sich bei ihm, ob mit Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen etwas zu verdienen sei, da es daran zwar nicht fehle, diese aber häufig unzulänglich seien. Lindau stimmte ihm diesbezüglich zu, meinte jedoch, daß hier wenig zu machen sei; »Studenten und Damen haben die Preise so verdorben, daß tüchtige Übersetzer dabei nicht bestehen können.« Doch, so Lindau weiter, sei es durchaus nicht unmöglich, sich durch Zeitschriftenbeiträge eine Existenz zu gründen. Einen Artikel, den Jentsch daraufhin an Lindau fur die von ihm herausgegebene Zeitschrift Die Gegenwart schickte, lehnte dieser jedoch auch ab. Da es Jentsch später sehr wohl schaffte, sich als freier Journalist zu etablieren, kann davon ausgegangen werden, daß die Gründe für die Ablehnung seiner Artikel nicht so sehr in deren mangelnder Qualität gelegen haben, sondern vielmehr an der Tatsache, daß er völlig unbekannt war. Er gehörte einfach nicht zu dem Kreis von Journalisten, von denen die Zeitungen und Zeitschriften gewohnt waren, Artikel zu bekommen und die sie quasi unbesehen abdrucken konnten. Bezeichnend ist dabei, daß er zunächst mit keinem seiner Artikel Glück hatte und keinerlei Zugang zu dem scheinbar so offenen Beruf des freien Journalisten fand. 198

Als Jentsch sich schließlich im Spätsommer 1882 entschlossen hatte, seine Versuche, Journalist zu werden, in Berlin fortzusetzen, rang sich der Verleger Letzel doch dazu durch, ihm eine besoldete Redakteursstelle in Neiße anzubieten. Jentsch nahm an und blieb, auch wenn Letzel ihm statt der zunächst zugesagten 450 Mark vierteljährlich nur 250 Mark zahlte, da der erhoffte Abonnentenzuwachs ausgeblieben war. Zur Verbesserung seiner Lage kam ihm bald eine Überschwemmimg zur Hilfe, über die er einen Bericht für die Schlesische Zeitung verfaßte, die ihn daraufhin bat, »regelmäßig über die in Neiße vorfallenden Mordtaten, Einbrüche, Feuersbrünste, Jubiläen, Wahlkämpfe und sonstige Staatsaktionen und Familienfeste zu berichten.«225 Mit solchen Berichten besserte Jentsch zwar sein Gehalt etwas auf, seinem eigentlichen Ziel, Leitartikel oder Beiträge für das Feuilleton in anderen Zeitungen zu veröffentlichen, kam er damit aber noch nicht näher. Dies gelang ihm bezeichnenderweise erst über den Weg persönlicher Beziehungen. Durch Bekanntschaft zu einem ehemaligen Offizier, der Redakteur des Berliner Tageblatts geworden war, konnte er dessen Chefredakteur Arthur Levysohn auf sich aufmerksam machen. Durch diesen Kontakt erhielt Jentsch die Möglichkeit, verschiedene Artikel dort unterzubringen, nicht zuletzt »einige mit meinem Namen unterzeichnete« Beiträge für die Monatsbeilage Zeitgeist. »Dadurch hat mich Herr Theophil Zolling, Paul Lindaus Nachfolger, kennen gelernt«, schrieb Jentsch in seinen Erinnerungen weiter, »und auf meine Anfrage antwortete er, daß ihm Beiträge fur die Gegenwart willkommen seien.«226 Als Jentsch der Gegenwart einen Artikel zusandte, den Zolling als dafür nicht geeignet ansah, leitete er ihn an eine andere Zeitschrift weiter. Wäre Jentsch ihm nicht bekannt gewesen, hätte er den Artikel aller Wahrscheinlichkeit nach kommentarlos zurückbekommen. Durch seine Beiträge für das Berliner Tageblatt bzw. dessen Monatsbeilage war Jentsch endlich der Einstieg in den freien journalistischen Markt gelungen. Man ist geneigt zu schreiben: Er ist kooptiert worden. Die Chefredakteure und Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften waren nun bereit, ihn als potentiellen Lieferanten von Artikeln zu akzeptieren. Als Jentsch 1888 die Redaktion des Neißer Lokalblatts aufgeben mußte, da er äußerem Druck auf die Richtung der Zeitüng nicht nachgeben wollte, hatte er sich auf dem freien journalistischen Markt so weit etabliert, daß ihn die Kündigung nicht besonders hart traf. Von den Pflichten des Redaktionsdienstes und der Lokalberichterstattung befreit, sei es ihm nun möglich gewesen, eine größere Zahl von Verbindungen zu knüpfen, von denen es wenig wahrscheinlich gewesen sei, daß sie alle auf einmal abrissen. Im übrigen sei es nicht schwer gewesen, »wenn man einigermaßen bekannt war«, neue Kontakte zu Zeitschriften und Zeitungen aufbauen. Derselbe Umstand, an dem Jentsch zu Beginn seiner journalistischen Karriere fast 199

gescheitert wäre, daß nämlich Beiträge von unbekannten Journalisten kaum die Chance hatten, von den Redaktionen akzeptiert zu werden, wirkte sich nun umgekehrt zu seinen Gunsten aus. Unter der Flut der Beiträge, mit der die Zeitungen und Zeitschriften weiter überschwemmt wurden, besaßen seine nun Priorität vor denen der vielen Unbekannten, zu denen er einige Jahre zuvor selbst gezählt hatte. Jentschs Urteil über den Beruf, den er ausübte, fiel in der Bilanz daher auch eindeutig positiv aus. Wenn man nicht von seinem Vermögen oder einem Amt leben könne, so sei unter den freien Erwerbsarten »die Schriftstellerei wahrlich nicht die schlechteste«.227 Sie biete eine Reihe von Vorteilen, wie man sie in anderen Berufen kaum so vereint sähe. Unter dem Gesichtspunkt der Frage nach der Bürgerlichkeit der Journalisten sind die Gründe, die Jentsch dafür anfuhrt, bezeichnend: Zunächst gewähre einem die Schriftstellerei ein hohes Maß an »innerer Befriedigung«; ein weiterer Vorzug bestehe darin, »daß man alles, was man leistet, durch eigene Arbeit schafft, dadurch weder sich selbst noch anderen verdächtig wird, ein Ausbeuter zu sein« und schließlich sei man niemals zur Untätigkeit gezwungen, sondern könne »stets arbeiten, und zwar fur seinen Beruf arbeiten.« Bürgerliches Arbeitsethos ließe sich kaum deudicher zum Ausdruck bringen.228 Die kritische Phase in seinem Lebenslauf überstand Jentsch durch das Angebot, die Redaktion des Neißer Lokalblattes zu übernehmen. Diese, wenn auch bescheidene Stellung ermöglichte es ihm, nach und nach genügend Kontakte aufzubauen, um anschließend als freier Journalist problemlos leben zu können. Wieviele an dieser Klippe scheiterten, vor allem dann, wenn es Ihnen nicht gelang, persönliche Beziehungen zu Redakteuren oder Herausgebern zu knüpfen, ist kaum abzuschätzen. Doch die vermeintliche oder auch reale Chance, durch derartige journalistische Arbeiten schnell an Geld zu kommen, hat ohne Zweifel vor allem seit dem letzten Jahrhundertdrittel mehr und mehr Leute angelockt. Vor allem für Berlin, das Ende des 19. Jahrhunderts zu Deutschlands Pressezentrum aufstieg, läßt sich davon ausgehen, daß viele vor allem über Berichterstattertätigkeiten die Chance suchten, im Journalismus Fuß zu fassen. Durch die wachsende Konkurrenz im Pressebereich verstärkte sich der Druck auf die Zeitungen, erstens die Nachrichten immer schneller zu liefern und zweitens immer mehr möglichst spektakuläre Meldungen zu bringen. Einen kleinen Einblick in die soziale Zusammensetzung der Gruppe derer, die hier ihre Chance suchte, liefern die personenbezogenen Akten des Berliner Polizeipräsidenten. Hier wird deutlich, daß der sonst kaum zugängliche Bereich der »journalistischen Handlangerarbeit« weit weniger exklusiv war als die Redaktionen politischer Tageszeitungen. Infolge eines Beleidigungsprozesses wurde 1896 der Journalist Heinrich 200

Leckert bei der Berliner Polizei aktenkundig.229 Leckert war 1876 als Sohn eines Kaufmanns geboren worden und hatte nach acht Jahren auf dem Gymnasium eine kaufmännische Lehre absolviert. Anschließend versuchte er sich als Journalist und Schriftsteller. 1894 war er für ein halbes Jahr als Volontär bei der Deutschen Warte tätig, wo er vor allem Kritiken schrieb. Mit kleineren literarischen Arbeiten fur verschiedene meist wenig bedeutende Blätter versuchte er sich über Wasser zu halten. Immerhin gelang es ihm, Kontakte zur Täglichen Rundschau zu knüpfen, fur die er auch als Berichterstatter arbeitete. Er hatte bis zu dem Zeitpunkt, als die Akte angelegt wurde, nie soviel verdient, daß er auf eigenen Füßen hätte stehen können, sondern wurde weiter von seinem Vater finanziell unterstützt. Wenig besser ging es dem fünf Jahre älteren Karl Schelsky.230 Er kam 1897 nach Berlin und war zunächst eine Zeitlang in der später geschlossenen Bezirksredaktion »Süden« des Berliner Lokal-Anzeigers tätig. Der Versuch, bei der Vossischen Zeitung eine Stelle zu bekommen, scheiterte, und so lebte er von Beiträgen für verschiedene kleine Blätter in einem kleinen Zimmer irgendwo in Berlin für 10 Mark Monatsmiete. Als schon zu Beginn der neunziger Jahre »berüchtigter Sensationsreporter« gelangte 1900 der zu dem Zeitpunkt 28jährige Max Wienecke in die Akten der Berliner Polizei. Er gründete eine Reihe von Zeitungskorrespondenzen, durch die er auswärtige Zeitungen mit Nachrichten aus Polizeiund Gerichtskreisen versorgte. Wegen der Unzuverlässigkeit seiner Nachrichten mußte er seine Korrespondenzen immer wieder umbenennen. Reich geworden ist er damit vermutlich ebensowenig wie sein Kollege Hugo Bloch, der, nachdem er Anfang der achtziger Jahre eine »Broncewarenfabrik« betrieben hatte, Ausstellungsberichte für die Tagespresse verfaßte und sich darüber hinaus mit der Herausgabe eigener Ausstellungszeitschriften versuchte. Daneben betrieb er einen Titelhandel und zog damit die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich.231 Die Beispiele zeigen, daß es auch auf dem im ausgehenden 19. Jahrhundert stark expandierenden Berliner Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, verbunden mit dem rasch wachsenden Bedürfnis nach Nachrichtenmaterial, durchaus nicht einfach war, sich auf dem scheinbar so offenen freien journalistischen Markt durchzusetzen. Wer als Reporter einmal in den Ruf der Unzuverlässigkeit geraten war, hatte hier kaum mehr Chancen. Wie wichtig der Ruf eines Reporters war, belegt ein weiteres Beispiel aus den Akten der Berliner Polizei. Julius Schlochauer, 1864 geboren, laut Akten Sohn eines angesehenen jüdischen Fabrikanten, war seit 1885 journalistisch in Berlin tätig. Sein journalistischer Tätigkeitsbereich, der, gekoppelt mit Anzeigenakquisition, vor allem in Rennberichten und Nachrichten aus der Berliner Lebewelt bestand, erweckt keinen besonders seriösen Eindruck. Doch der Polizeibeamte, der den Bericht über ihn schrieb, beschei201

nigte Schlochauer, daß er sich in Journalistenkreisen eines sehr guten Leumunds erfreue. Auf diese Weise wurde es Schlochauer möglich, in engeren Kontakt mit Regierungsstellen zu treten und mit Nachrichten versorgt zu werden. Schlochauer hatte sich insbesondere um Nachrichten aus dem Reichs-Marineamt bemüht und war damit im Begriff, seiner Reportertätigkeit ein sicheres Fundament zu geben, das ihn von seinen vorher genannten Kollegen deutlich absetzte.232 Bedingt durch das Quellenmaterial, lag der zeitliche Schwerpunkt in diesem Abschnitt am Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist insofern nicht ganz einfach zu beurteilen, ob bzw. inwiefern sich die Chancen, als freier Schriftsteller oder Journalist zu bestehen, im Laufe des 19. Jahrhunderts verbessert haben. Auf der einen Seite wuchs die Zahl von Publikationsorganen und damit der Bedarf an Beiträgen enorm an. Gleichzeitig nahm auf der anderen Seite auch die Zahl derer stark zu, die versuchten, auf diesem Markt ihr Auskommen zu finden. Vergleicht man jedoch die Situation der »Literaten« während des Vormärz mit der Lage freier Schriftsteller und Journalisten am Ende des 19. Jahrhunderts, läßt sich auch in diesem Bereich journalistischer Tätigkeit eine Art Verberuflichungsprozeß ausmachen. Es spricht vieles dafür, daß auf dem gerade erst entstehenden literarischen Markt der dreißiger Jahre der Graben zwischen denen, die sich auf diesem Markt etabliert hatten, und denen, die dort hineindrängten, noch wesentlich weniger tief war als gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Mit zahlreichen, wenn auch aus politischen Gründen meist nur sehr kurzlebigen Zeitschriftengründungen schufen die Schriftsteller und Journalisten im wesentlichen erst den Markt, den sie benötigten, um vom Schreiben existieren zu können. In den dreißiger und vierziger Jahren waren die Bedingungen für alle, die vom Schreiben - in welcher Form auch immer leben wollten, gleichermaßen schwierig. Da der Markt insgesamt noch klein und materiell wenig leistungsfähig war, profitierten die renommierteren Schriftsteller und Journalisten weniger von ihrem Bekanntheitsgrad als ihre Kollegen 50 oder 60 Jahre später. Weil aber auf der anderen Seite der journalistische Arbeitsmarkt erst im Entstehen begriffen war und über einen im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts noch relativ engen Kreis schriftstellerisch Ambitionierter hinaus wenig Attraktivität ausstrahlte, war es während des Vormärz vermutlich weniger schwierig, seinen ersten Artikel veröffentiicht zu sehen, als um die Jahrhundertwende. Ein Verberuflichungsprozeß fand im Laufe des Jahrhunderts insofern statt, als die Lage für diejenigen, die sich einen gewissen Namen im Journalismus gemacht hatten, vor allem seit den siebziger Jahren einfacher wurde. Folgt man den Schilderungen von Karl Jentsch, war es für einen einigermaßen bekannten Journalisten gleichgültig, ob neben seinem Manuskript noch zehn oder auch hundert andere Manuskripte von unbekannten Journali202

sten eintrafen, die in den entsprechenden Redaktionen ohnehin niemand lesen konnte. Etablierten Journalisten schadete offenbar die wachsende Konkurrenz derer, die neu in den Beruf drängten, wenig. Abschließend läßt sich zweierlei festhalten. Erstens: die wichtige Rolle, die der Bekanntheitsgrad, fïir den wiederum persönliche Kontakte äußerst hilfreich waren, dabei spielte, ob es einem Journalisten gelang, als fester Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften akzeptiert zu werden, schützte nicht nur die etablierten Journalisten, sondern beschränkte auch die theoretisch gegebene Offenheit des Berufs. Zweitens bestand auf der anderen Seite zunächst im Bereich des sogenannten volkstümlichen Journalismus und später mit dem wachsenden Nachrichtenbedarf der Zeitungen und der damit entstehenden Nachfrage nach Reportern auf dem freien journalistischen Markt eine größere Chance, Fuß zu fassen als in den Redaktionen politischer Tageszeitungen.

3.2. Zum Verhältnis zwischen Redakteuren und Verlegern Im Verhältnis zu den freien Journalisten waren Redakteure von Tageszeitungen materiell in der Regel insofern besser abgesichert, als sie ein festes monatliches Einkommen bezogen. Dafür waren die Redakteure auf der anderen Seite Angestellte eines Verlages und von daher weniger unabhängig. In der pressegeschichtlichen Literatur findet sich vorwiegend die These, daß die Selbständigkeit der Redaktionen dort am größten war, wo sich die Zeitungen noch im alteingesessenen Familienbesitz befanden. Mit dem Vordringen der »Geschäftspresse« und der Umwandlung von Familienbesitz in anonyme Kapitalgesellschaften sei die Gefahr der äußeren Einflußnahme auf die Redakteure deudich gestiegen. Als Verleger, die die Unabhängigkeit ihrer Redaktionen in besonderem Maße respektiert hätten, werden vor allem Georg v. Cotta, Joseph Bachem, Leopold Sonnemann und Rudolf Mosse genannt. 233 Die Absicherimg dieser These durch die Quellenlage steht jedoch auf sehr schwachen Füßen. Als Nachweise dienen zum einen einige wenige Äußerungen, in denen etwa Cotta und Sonnemann dritten gegenüber betonen, Entscheidungen ihrer Redaktionen bezüglich der Aufnahme von Artikeln nicht vorgreifen zu können, und zum anderen ex post getroffene Äußerungen von Karl Bücher und Theodor Wolff, in denen sie den Respekt Sonnemanns und Mosses vor der Freiheit ihrer Redaktionen hervorheben. »Beinahe rührend« sei die Achtung gewesen, die Joseph Bachem, der Verleger der Kölnischen Volkszeitung, der Selbständigkeit seiner Redakteure entgegengebracht habe, schrieb gar der Zeitungswissensschaftler Emil Dovifat. Er folgert dies aus der Tatsache, daß Bachem in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen 203

Ende der sechziger Jahre mehrfach einen Schlichter zwischen sich und dem Chefredakteur heranzog.234 Die Quellenlage macht es tatsächlich nicht leicht, generelle Aussagen zum Verhältnis und vor allem zu einer etwaigen Veränderung des Verhältnisses zwischen Verlegern und Redakteuren zu treffen. Redaktionsstatute, die die Kompetenzen regelten, gab es nicht oder sind zumindest nicht überliefert. Auch in den Verträgen, die in größerer Zahl vorliegen, findet sich zu dieser Frage wenig. Dennoch ermöglichen die Quellen gerade bei einem Teil der genannten Fälle eine Überprüfung und deuüiche Korrektur der These. Als Grundlage für die Beurteilung von Leopold Sonnemanns Verhältnis zu seiner Redaktion werden vor allem die »Lebenserinnerungen« von Karl Bücher herangezogen, der von 1878 bis 1880 Redakteur der Frankfurter Zeitung war. Als einen Grund dafür, daß er Redakteur der Frankfurter Zeitung geworden war, nannte Bücher die »Verfassung der Zeitung«, die keinen Chefredakteur vorsah. Die Redaktion sei eine autonome Körperschaft gewesen, als deren Teil Sonnemann sich verstanden habe. Entscheidungen wurden durch Redaktionskonferenzen unter Teilnahme Sonnemanns getroffen. Direkter Einflußnahme auf die Tagesarbeit habe sich dieser aber klugerweise enthalten. Als Beleg für die Freiheiten, die er als Redakteur besaß, erzählt Bücher folgende Begebenheit: »Als er [Sonnemann, J . R ] im Winter 1 8 7 9 / 8 0 im Reichstage eine Resolution einbrachte, die von der Anschauung ausging, daß sich die Regierung bei der Zoll- und Steuerreform der vorausgegangenen Session verpflichtet habe, das Monopolprojekt fallen zu lassen, brachte ich einen Leitartikel, in dem bewiesen war, daß eine derartige Verpflichtung niemals eingegangen worden sei. Eben als er die Tribüne besteigen wollte, überreichte ihm ein Kollege aus dem Reichstage diesen Artikel. Er war nicht besonders angenehm berührt von diesem Erlebnis und sagte mir später im Tone der Mißbilligung: >Was hätte ich dem Manne erwidern sollen?< Ich entgegnete: >Da sehen Sie, wie selbständig meine Redakteure sind.< Wenn ich nun auch nicht erwarten kann, daß er dieser Auffassung sich angeschlossen haben wird, so wußte er doch gut genug, daß unter irgendeinem Meinungszwang geistige Arbeit nicht gedeihen kann, und ließ uns gewähren.« 235 Wohl eher unbeabsichtigt, aber dafür umso erhellender wies Bücher gleichzeitig auf die Grenzen der Meinungsfreiheit hin. Jedem Redakteur sei die »volle Freiheit in der Vertretung seiner Überzeugung« gestattet gewesen, »solange diese sich innerhalb der Grundsätze der Volkspartei hielt«.236 Was geschah, wenn Sonnemann der Meinung war, ein Redakteur bewege sich mit seinen Artikeln nicht mehr innerhalb dieser Grenzen, zeigte sich im Fall von Max Quarck, von 1887 bis 1891 sozialpolitischer Redakteur an der Frankfurter Zeitung. Quarck, der wenige Jahre nach 204

seinem Ausscheiden aus der Redaktion der Frankfurter Zeitung Sozialdemokrat wurde, hatte durch Artikel, in denen er fur verbesserten Arbeiterschutz eintrat, eine Reihe von Reklamationen aus Leserkreisen provoziert, woraufhin er von Sonnemann »energisch zum Rückzug« gemahnt wurde. In einer Polemik gegen die Frankfurter Zeitung und die von ihr vertretenen Richtung, die Quarck 1896 veröffentlichte, schilderte er die Begebenheiten, die schließlich zur Auflösung seines Vertrages führten. 237 Es sei nun fast wöchentlich zu »stürmischen Szenen« zwischen Sonnemann und ihm gekommen, die schließlich im März 1891 zum offenen Bruch führten. In seiner Beurteilung Sonnemanns und dessen Einflußnahme auf die Redaktion kam Quarck somit zu einem völlig anderen Urteil als Bücher. Der Umstand, daß die Redakteure formell alle gleich gestanden hätten, sei vor allem Sonnemann auf den Leib geschneidert gewesen. Als Vorsitzender der täglichen Redaktionskonferenzen habe er meistenteils den Ausschlag gegeben, so daß er faktisch der Chefredakteur gewesen sei. Auch wenn Quarck die Geschichte nachträglich ideologisch auszuschlachten trachtete und in der gesamten Schrift Sonnemann immer wieder polemisch attackierte, wird er mit diesem Urteil nicht falsch gelegen haben. Solange die Redakteure mit Sonnemann an einem Strang zogen, ließ er ihnen weitgehend freie Hand. Die Richtlinienkompetenz lag jedoch eindeutig bei ihm als dem Verleger der Zeitung. Genauer lassen sich mit Hilfe des Nachlasses der Familie Bachem die Verhältnisse bei der Kölnischen Volkszeitung bzw. deren Vorgängerin, den Kölner Blättern, rekonstruieren. In der Tat hatte Joseph Bachem bei der Gründung der Kölner Blätter im Jahr 1860 festgelegt, daß in theologischen und kirchlichen Streitfällen zwischen ihm und der Redaktion ein Schiedsrichter herangezogen werden sollte. Auch 1866, nachdem es zum ersten Mal zu einer größeren Auseinandersetzung zwischen dem Chefredakteur Fridolin Hoffmann und Joseph Bachem gekommen war und der Vertrag für Hoffmann erneuert wurde, blieb diese Einrichtung bestehen und wurde in Hoffmanns Vertrag noch einmal bestätigt. Ein solches Arrangement war vermutlich ziemlich einzigartig, sollte aber dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Richtlinienkompetenz für die Kölner Blätter bzw. die Kölnische Volkszeitung wie bei der Frankfurter Zeitung eindeutig bei dem Verleger der Zeitung lag. Als sich der Bonner Professor Reusch, der bis 1869 als »Schiedsrichter« fungierte, auf die Seite des Redakteurs Hoffmann und damit gegen Bachem stellte, wurde er von der Aufgabe entbunden. Im übrigen geht aus den Redaktionskopierbüchern klar hervor, wie massiv sich Bachem in die Redaktionsarbeit einmischte. Von 1866 bis 1869 lag er immer wieder im Streit mit seinem Chefredakteur, zu dessen Schlichtimg Reusch zwar ständig herangezogen wurde, aber ohne dauerhaften Erfolg. Die Auseinandersetzungen mit Hoffmann, in denen es einerseits 205

um die Haltung in kirchenpolitischen Fragen ging, andererseits aber auch um die Frage, ob es opportun sei, bestimmte Nachrichten, die der Einheit der Katholiken schaden könnten, zu bringen oder nicht, waren jedoch nicht nur politische Richtungskämpfe. Bachems Position war hier durchaus eine verlegerische, d. h. geleitet von der Überlegung, auf welche Weise er die Auflage steigern könne. Dazu sollte seine Zeitung für alle Katholiken lesbar sein, was bedeutete, daß er in kirchenpolitischen Fragen möglichst neutral bleiben wollte. Sein politisches Ziel, integrierend auf die katholische Bevölkerung zu wirken, war damit unauflösbar mit seinem verlegerischen Interesse nach möglichst hohem Absatz verbunden. So endeten die jahrelangen Auseinandersetzungen mit Hoffmann schließlich auch mit dessen Kündigung.238 Auf gleicher Ebene lagen auch Bachems Auseinandersetzungen mit Paul Majunke, der im Februar 1870 in die Redaktion der Kölnischen Volkszeitung eintrat. Während Hoffmann allerdings zu sehr in eine liberale Richtung tendierte - er wurde später altkatholisch versuchte Majunke, die Richtung des Blattes stärker ultramontan zu beeinflussen. Der Anlaß fur Majunkes Kündigung, die schon ein gutes halbes Jahr später erfolgte, war ein Artikel von ihm, an dem Bachem Änderungen vorgenommen hatte, die Majunke bei der Veröffentlichung aber unberücksichtigt ließ.239 In einem Brief aus dem Jahre 1874 an Julius Bachem, der seit Anfang der siebziger Jahre die Redaktion des Blattes leitete, wies Joseph Bachem noch einmal deutlich darauf hin, daß er als Verleger für die Gesamtheit der Redaktion »moralisch« verantwortlich sei. Er müsse daher seinen Einfluß dahingehend ausüben, daß in der Zeitung nichts stehe, was er nicht mittragen könne. Die Redaktion könne daher auch nicht ohne sein Vorwissen und ohne seine Zustimmung bestehende Verbindungen mit ständigen Mitarbeitern wesentlich ändern oder lösen.240 Als Beispiel fiir einen Verleger, der die Selbständigkeit seiner Redaktion besonders hoch achtete und keinen Einfluß auf sie ausübte, taugt damit Joseph Bachem kaum. Es spricht jedoch viel dafür, daß er als typisch fur einen im 19. Jahrhundert lange Zeit dominierenden Verlegertypus gelten kann. Die lange Tradition der Pressegängelung sorgte dafür, daß die Verleger gar nicht riskieren konnten, der Redaktion völlig freie Hand zu lassen. Die staatlichen Maßnahmen zur Disziplinierung der Presse betrafen immer auch die wirtschaftliche Seite der Zeitungen: von der direkten Existenzbedrohung durch Verbot oder Konzessionsentzug über die Entziehung des Postdebits oder staatlicher Inserate bis hin zu Prozeßkosten und dem Zahlen der Strafen. Bachem und Sonnemann verfolgten mit ihren Zeitungen zudem ganz deutlich politische Ziele und identifizierten sich mit dem Inhalt ihrer Zeitungen. Wenn auch das Maß des politischen Engagements bei den verschiedenen Verlegern unterschiedlich war, wird man doch davon ausgehen können, daß die meisten jene »moralische« 206

Verantwortung fur den Inhalt ihrer Blätter fühlten, von dem Joseph Bachem in dem Brief an seinen Chefredakteur sprach. Wenn auf der einen Seite die Verleger in aller Regel dafür Sorge trugen, daß der Inhalt ihrer Zeitungen nicht wesentlich von den eigenen Vorstellungen abwich, lag es auf der anderen Seite in ihrem Interesse, nicht ständig korrigierend eingreifen zu müssen. Das Interesse des Verlegers, sich auf seine Redaktion verlassen zu können, fiel daher im Idealfall mit dem der Redakteure zusammen, selbständig arbeiten zu können. Das bedeutet, daß im Prinzip beide Seiten daran interessiert waren, soweit wie möglich an einem Strang zu ziehen. Verschiedene Beispiele zeigen, daß ein enges, wenn nicht gar freundschaftliches Verhältnis zwischen Verlegern und Redakteuren nicht selten war. So schrieb etwa Friedrich Spielhagen, der 1860 als Feuilletonredakteur zur Zeitung für Norddeutschland kam, so, wie er schnell Freund seiner Kollegen geworden sei, sei er »alsbald auch der des Verlegers« gewesen.241 Bevor es zwischen Joseph Bachem und Fridolin Hoffmann zum Bruch kam, verkehrte Hoffmann in der Familie Bachem, aß mit ihr zusammen und war sogar Pate eines seiner Kinder. Auch Herrmann Cardauns, von 1876 bis 1907 Redakteur der Kölnischen Volkszeitung, berichtet von einem freundschaftlichen Verhältnis zur Familie des Verlegers.242 Der Verleger der Kölnischen Zeitung, Joseph DuMont, bestimmte den Chefredakteur seiner Zeitung, Karl Heinrich Brüggemann, für seinen Todesfall zum Vormund seiner Kinder.243 Auf ein freundschaftliches Verhältnis lassen auch Briefe von Heinrich Korn, dem Verleger der Schlesischen Zeitung, an Christian Petzet, zwischen 1863 und 1876 Redakteur der Zeitung, schließen. So begrüßte Korn es in einem Brief aus dem Jahr 1868, daß Petzet sich entschlossen habe, zum Journalistentag nach Berlin zu fahren; er habe ihn schon darum bitten wollen. Was er dort vorbringen wolle, entspreche vollkommen dem, was man wiederholt besprochen habe. Daraus geht eindeutig hervor, daß Korn wie Petzet den Journalistentag gleichermaßen eher als eine Interessenvertretung der Presse denn als journalistische Standesvertretung betrachteten und damit eher von gemeinsamen als von entgegengerichteten Interessen ausgingen.244 Grundsätzlich wird man davon ausgehen können, daß ein Redakteur, insbesondere ein Chefredakteur, umso weniger direkter Einflußnahme ausgesetzt war, je länger er bei einer Zeitung tätig war. Teilweise mögen sich die »Machtverhältnisse« sogar zugunsten des Chefredakteurs verschoben haben. Das galt insbesondere dann, wenn innerhalb einer Verlegerfamilie ein Generationswechsel stattfand, während der Chefredakteur schon viele Jahre die Zeitung leitete. Bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung, wo die Verhältnisse insofern ungewöhnlich waren, als der Verleger nicht vor Ort, sondern in Stuttgart ansässig war, läßt sich deutlich verfolgen, daß es Konflikte innerhalb der Redaktion, speziell zwischen einzelnen Redakteu207

ren und dem jeweiligen Chefredakteur genauso gab wie zwischen einzelnen Redakteuren und dem jeweiligen Verleger. Zu einem Konflikt zwischen der gesamten Redaktion und dem Verleger kam es jedoch nie. Briefkontakte unterhielten sowohl der Verlagsgründer Johann Friedrich Cotta und dessen Sohn Georg als auch deren Nachfolger im Prinzip zu allen Redakteuren, wenn auch in sehr unterschiedlicher Intensität. Bei Auseinandersetzungen mit dem Chefredakteur wandten sich die anderen Redakteure wiederholt an den Verleger, um von ihm Unterstützung zu bekommen. So beschwerte sich Otto Braun, der 1860 Mitglied der Redaktion wurde, schon bald über die innerredaktionelle Zensur durch den Chefredakteur August Josef Altenhofen Altenhöfer streiche ihm alle heikel erscheinenden Bemerkungen über Preußen aus Furcht, daß das Blatt dort konfisziert werden könne.245 Der Chefredakteur hatte die verlegerische Befürchtung nach Konfiszierung und den damit verbundenen Einnahmeverlust vollkommen verinnerlicht. Da die Briefe der Verleger an die Redaktion nur für wenige Jahre vorliegen, läßt sich die verlegerische Position, im genannten Fall die von Georg von Cotta, im einzelnen nicht rekonstruieren. Daß die generelle Haltung eine von Vorsicht geprägte war und Altenhöfer somit im Prinzip im Sinne des Verlegers handelte, geht allerdings aus einer Vielzahl von Briefen hervor. 1870 zeigte sich Otto Braun, inzwischen Chefredakteur, höchst befremdet ob der Vorwürfe, die der Redaktion von Seiten des Verlegers wegen deren Haltung gegenüber Rußland gemacht wurden. »Zu den tausenderlei Rücksichten also, in welche sich die Allgemeine Zeitung fast zum Ersticken eingeengt sieht, sollen wir uns nun auch noch die möglichste Schonung eines auswärtigen Staates und Volkes auferlegen.«246 Die jeweiligen Chefredakteure der Allgemeinen Zeitung schrieben in der Regel mehrmals in der Woche, manchmal sogar täglich an den Verlag, und es ist anzunehmen, daß von dort in gleicher Frequenz geantwortet wurde. Fälle, in denen die Chefredakteure auf Kritik oder Anweisungen reagierten, gab es in großer Zahl. Als Beispiel für eine dem Verlag gegenüber autonome Redaktion kann somit auch die Allgemeine Zeitung zu keiner Zeit dienen. Das galt trotz der räumlichen Distanz zum Verleger und trotz der vor allem gegenüber der sonstigen Redaktion starken Position des Chefredakteurs. 1889, nach dem Tode Karl von Cottas, der bis 1888 den Verlag geleitet hatte, und sieben Jahre nach der Verlegung der Zeitung nach München wurde die Cotta'sche Verlagsbuchhandlung in Stuttgart an die Brüder Adolf und Paul Kröner verkauft, die ihrerseits 1895 die Allgemeine Zeitung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umwandelten. Nach der Übernahme des Verlages durch die Gebrüder Kröner legte auch der inzwischen 65jährige Otto Braun die Chefredaktion nieder. Durch verschiedene Maßnahmen und Projekte - unter anderem wurde der Umzug der Zeitung 208

nach Berlin erwogen - versuchte die neue Verlagsleitung, die sich in starken finanziellen Schwierigkeiten befindende Allgemeine Zeitung wieder auf die Beine zu bringen. Nicht zuletzt kam es in den darauffolgenden zehn Jahren zu häufigen Wechseln in der Redaktion. Zwischen 1889 und 1900 folgten allein fünf Chefredakteure aufeinander. Damit wechselte die Redaktionsleitung in diesen sechs Jahren häufiger als zwischen 1804, als Karl Joseph Stegemann die Redaktion übernahm, und 1889, als Otto Braun diese niederlegte. Wenn auch die Gründe für diese Entwicklung nicht allein auf Kündigungen von seiten des Verlags zurückzufuhren waren, ist dennoch unverkennbar, daß durch die neue Verlagsleitung die personellen Verbindungen, die traditionell zwischen Verlag und Redaktion geherrscht hatten, aufgebrochen waren. Ob das anonymere Verhältnis zwischen Verlag und Redaktion zu einer stärkeren Einschränkung der Selbständigkeit der Redaktion führte, ist bei der Allgemeinen Zeitung nicht erkennbar und scheint mir insgesamt eher zweifelhaft. Gerade bei der Allgemeinen Zeitung zeigt sich, daß trotz aller personellen Veränderungen der Charakter der Zeitung weitgehend erhalten blieb und es infolgedessen auch zu keiner wesentlichen Auflagensteigerung kam. Über das Verhältnis zwischen Verlagen und Redaktionen von Zeitungen, die nicht, wie es in Deutschland üblich war, in Familienbesitz, sondern im Besitz anonymer Gesellschaften waren, liegen so wenig Quellen vor, daß sich Aussagen darüber nicht machen lassen.247 In Frankreich, wo Zeitungen wesentlich häufiger im Besitz von Verlagsgesellschaften waren, läßt sich sehr viel deutlicher als in Deutschland feststellen, daß ein Wechsel in der Direktion des Verlages eine Richtungsänderung der Zeitung nach sich zog. Generell garantierte der in Deutschland vorherrschende Familienbesitz mehr Kontinuität. Im Zusammenhang mit der Analyse des journalistischen Selbstverständnisses und dem Aufkommen der Generalanzeigerpresse wird die Frage nach Art und Wandel der verlegerischen Einflußnahme noch einmal aufgenommen werden. Hier bleibt zunächst festzuhalten, daß es ein Mythos ist, daß die Verleger großer, im Familienbesitz befindlicher Zeitungen sich nicht in die Arbeit ihrer Redaktionen eingemischt und die Selbständigkeit der Redaktionen in besonderem Maße respektiert hätten.

3.3. Die materielle Situation der Redakteure a) Das Einkommen. Zu den Klichees über den Journalistenberuf des 19. Jahrhunderts gehört dessen schlechte Bezahlung. Von den Klagen der vormärzlichen Schriftsteller über ständige finanzielle Schwierigkeiten nicht zuletzt im Vergleich zu ihren französischen Kollegen über Wilhelm Heinrich Riehls Einordnung der Journalisten unter die »Proletarier der Gei209

stesarbeit« bis hin zu dem schon zitierten Wort von Wilhelm II. über die »Hungerkandidaten, namentlich die Herren Journalisten« finden sich über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg Äußerungen, die dieses Bild zu einem Stereotyp erstarren ließen. Es waren vor allem die Journalisten selbst, die seit dem ausgehenden Jahrhundert versuchten, daran Korrekturen anzubringen. Als Antwort auf die im Dezember 1890 gehaltene Rede von Wilhelm II., in der die zitierte Äußerung gefallen war, schrieb der Redakteur der Straßburger Post, Pascal David: »Man wird, ohne sich der geringsten Übertreibung schuldig zu machen, behaupten und beweisen können, daß kein Beruf in Deutschland seine Angehörigen so gut bezahlt, wie gerade der Journalismus. Die Mitarbeiter der großen deutschen Zeitungen, also die Redakteure und die zum Redaktionsstab gehörenden Korrespondenten, sind durchweg sehr hoch bezahlt. Wir kennen verschiedene, die ein Korpskommandeur- oder Ministergehalt empfangen.«248 Auch in mehreren, Anfang des 20. Jahrhunderts erschienenen berufskundlichen Büchern korrigierten die Verfasser, selbst Journalisten, das gängige Bild von der schlechten Bezahlung ihres Berufes. »Über das Einkommen der Schriftsteller sind nicht nur in der Laienwelt, sondern auch in Schriftstellerkreisen grundfalsche Ansichten verbreitet«, schrieb der Schriftsteller und Journalist Friedrich Streißler in einem »Berufswahlfiihrer« fur angehende Schriftsteller und Journalisten aus dem Jahr 1912. Besonders müsse dem »Gerede entgegengetreten werden, daß der Schriftsteller ein Hungerleider sei und daß besonders der deutsche Schriftsteller in bezug auf seine Einkommensverhältnisse hinter den Franzosen und Engländern weit zurückstehe.« Dies sei zurückzuführen auf gelegentliche Angaben über märchenhafte Honorare, die französische oder englische Schriftsteller oder Journalisten in Einzelfällen erhalten hätten. »Man erzählt uns auch von den hohen Gehältern der Redakteure des >Figaro< oder der >Times< und knüpft daran die Jeremiade über das Elend der deutschen Männer der Feder.«249 Im Durchschnitt seien die Schriftsteller und Journalisten in Deutschland weit günstiger gestellt als in England oder Frankreich, vor allem was die Provinz betreffe. Bereits zehn Jahre zuvor hatte der Chefredakteur des Hannoverschen Courier, Richard Jacobi, ebenfalls den Standpunkt vertreten, daß sich Journalisten einkommensmäßig weit günstiger stünden, als gemeinhin angenommen werde. Vor allem verglichen mit anderen Berufsanfängern könnten junge Journalisten schon bald auf ein Gehalt von 4000 Mark und mehr kommen, »wo ihre Studiengenossen sich noch als Probekandidaten oder unbesoldete Assessoren durchschlagen müssen.«250 Jacobi war der Meinung, daß, von ganz kleinen Zeitungen abgesehen, das Minimum fiir einen festangestellten Redakteur ein jährliches Gehalt von 3000 Mark sei. »Tüchtige« Redakteure würden es »im Laufe der Zeit unschwer zu Gehältern von 7 5 0 0 - 10 000 Mark bringen, in leitenden Stellen auch wohl 210

bis zu 12 000 Mark.« In absoluten Spitzenpositionen würden auch 36 000 Mark und mehr gezahlt. Dann sei mit dem Chefredakteursposten jedoch zumeist auch die geschäftliche Leitung des ganzen Unternehmens verbunden.251 Es spricht für die Zählebigkeit der Legende von der schlechten Bezahlung der Journalisten, daß in der Literatur zwar die Angaben Jacobis wiedergegeben, aber mit einer ganz anderen Einschätzung versehen werden. Die soziale Lage der Journalisten sei um die Jahrhundertwende »keineswegs gefestigt« gewesen, die Redakteure kleiner Zeitungen hätten sich mit den - von Jacobi genannten - »Gehältern von 3000 Mark, später von 7500 bis 10 000 Mark zufrieden geben« müssen, heißt es in Koszyks Pressegeschichte des 19. Jahrhunderts.252 Ein Vergleich mit den Beamtengehältern zeigt jedoch, daß Journalisten schon mit einem Einkommen von 7500 Mark deutlich über dem eines preußischen Regierungsrats lagen, der um 1900 6280 Mark bezog.253 Es fällt auf, daß in der zeitgenössischen Literatur negative Urteile über die Presse häufig einhergingen mit einem negativen Urteil über die materielle Lage der Journalisten. Heinrich Wuttke, der mit seinem 1866 erstmalig erschienenen und 1875 bereits zum dritten Mal wieder aufgelegten Buch über »Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung« vielleicht die einflußreichste Polemik gegen die Zustände in der Presse geschrieben hat, prangerte in besonders scharfer Form die »erbärmliche Bezahlung« der deutschen Journalisten und Schriftsteller an, die nicht zuletzt ftir die aus Wuttkes Sicht katastrophalen Zustände in der Presse verantwortlich sei.254 Als einen Beitrag zu einer »Reform der Presse« forderte 1890 J.G. Weiß höhere Honorare, da die gezahlten seiner Meinung nach in Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zu gering seien, »um Kräfte ersten Ranges anzulocken«. Schließlich meinte auch Emil Löbl in seinem von den Zeitgenossen sehr beachteten Buch über »Kultur und Presse« aus dem Jahr 1903, daß sich die gesellschaftliche Stellung der Journalisten nicht zuletzt auch an deren Bezahlung ablesen lasse, hielt seinerseits aber die Verhältnisse in Deutschland keineswegs fur ungünstig.255 Bei Journalisten, die ein besonders positives Bild von den Einkommensverhältnissen in der Presse zeichneten, liegt insofern der Verdacht nahe, daß sie aus standespolitischen Interessen die allgemeine Lage in etwas zu rosigen Farben darstellten. In Pascal Davids zitierter Replik auf die Rede Wilhelms II. spielte diese Intention gewiß eine Rolle. Da auf die zeitgenössischen Urteile folglich nur begrenzt Verlaß ist, sdii im folgenden anhand konkreter Angaben über das Einkommen von Journalisten, insbesondere von Redakteuren, gezeigt werden, daß auch unter Berücksichtigung der großen Spannweiten bei den Einkommen die Bezahlung der Journalisten im allgemeinen besser war als gemeinhin angenommen und somit Streißler und Jacobi mit ihrer Einschätzung durchaus 211

richtig lagen. Da in der Tat ein enger Zusammenhang zwischen Einkommen und gesellschaftlicher Position besteht, ist es in dieser Hinsicht notwendig, die verhältnismäßig zahlreich ermittelten Angaben zum Einkommen der Journalisten möglichst breit darzulegen, auch wenn die Darstellung über den langen Zeitraum hinweg und durch die breite Streuung der Angaben unübersichtlich zu werden droht. Es ist nicht erstaunlich, daß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Redakteure, die im Cottaschen Verlag arbeiteten, die Spitzenverdiener unter den Journalisten waren. Schon 1794 sah der Vertrag, den Cotta mit Schiller über die Redaktion der (später als Allgemeine Zeitung erschienen) Allgemeinen Europäischen Staatszeitung schloß, ein jährliches Honorar von 2000 Gulden vor. Bei über 6000 abgesetzten Exemplaren sollten sogar noch 1500 Gulden hinzukommen. Als die Zusammenarbeit scheiterte und Ernst Ludwig Posselt die Redaktion der Neuesten Weltkunde, der Vorläuferin der Allgemeinen Zeitung, übernahm, bekam er als Grundgehalt zwar nur rund 1000 Gulden, zusammen mit dem Honorar für die Redaktion der Europäischen Annalen und einer Gewinnbeteiligung von 50 Prozent aber kam Posselt auf die ansehnliche Summe von drei bis viertausend Gulden pro Jahr. Der Cottasche Verlag konnte lange Zeit das hohe Niveau bei den Honoraren für seine Redakteure halten. Als Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung erhielt Gustav Kolb von 1838 ab 2500 Gulden Fixgehalt zuzüglich der Honorare für seine »Originalartikel«. Es war vielfach üblich, daß die eigenständig verfaßten Artikel einzeln bezahlt wurden, um einen zusätzlichen Anreiz für die Redakteure zu schaffen, möglichst viele Artikel selbst zu verfassen und nicht nur aus Meldungen anderer Zeitungen zusammenzusetzen. Kolb kam so auf eine Summe von etwa 3000 Gulden jährlich, was in etwa 1700 Talern entsprach.256 Wie für lange Zeit wohl fast alle Redakteure der Allgemeinen Zeitung wurde ihm zudem kostenlos eine Wohnung gestellt.257 1845 erhielten die beiden weiteren Redakteure Mebold und Altenhöfer 1800 Gulden ( - 1 0 2 5 Taler), jeweils zuzüglich der Einzelhonorare, wobei pro Bogen ein Honorar von 88 Gulden zugrunde gelegt wurde. Das Gehalt für die vierte Redakteursstelle, auf der eine relativ hohe Fluktuation herrschte, schwankte zwischen 900 und 1200 Gulden ( - 5 1 5 und 685 Taler). Ähnlich gut gestellt wie Mebold und Altenhöfer waren auch die Redakteure der Zeitschriften, die im Cottaschen Verlag erschienen. Mit Grundgehalt und Bogenhonorar lagen die meisten zwischen 1500 und 2000 Gulden.258 Kolb wird bis Mitte der vierziger Jahre vermudich der am besten bezahlte deutsche Redakteur gewesen sein, doch auch bei anderen Zeitungen finden sich durchaus ansehnliche Gehälter. So bezog in den vierziger Jahren der erste Redakteur der Karlsruher Oberdeutschen Zeitung 2000 Gulden (~ 1150 Taler), der zweite 1500 Gulden. In derselben Zeit erhielt 212

bei der Leipziger Zeitung der erste Redakteur 900 und der zweite 600 Taler. In den zwanziger Jahren war dort der damals einzige Redakteur noch mit der, wie man bereits in den sechziger Jahren befand, »erbärmlichen Summe« von 400 Talern abgespeist worden, obwohl die Zeitung beträchtliche Gewinne erzielte. Angaben, die sich fur andere größere Zeitungen finden, bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen. 259 Es sei jedoch daran erinnert, daß die Zahl der Zeitungen, die hauptberufliche Journalisten beschäftigten, in den vierziger Jahren noch begrenzt war. So zahlten viele Verleger ihren nebenberuflich tätigen Redakteuren häufig nur geringe Beträge, gerade soviel, wie es die Erträge zuließen. Der Redakteur der Neißer Lokalzeitung erhielt noch Anfang der achtziger Jahre ein Gehalt von 1000 Mark jährlich, eine Summe, die unter der eines Pförtners lag. Das Blatt erschien allerdings auch nur zwei- und später dreimal wöchentlich, so daß Zeitungen dieser Art entweder nebenberuflich redigiert wurden oder aber dem Redakteur genug Zeit blieb, das Gehalt mit freier journalistischer Tätigkeit aufzubessern. Die oben genannten Gehälter lassen sich folglich nicht verallgemeinern. Die Zahlen zeigen aber, daß an den größeren Zeitungen, also dort, wo die Redakteurstätigkeit tatsächlich als Vollberuf ausgeübt wurde, bereits im Vormärz Summen gezahlt wurden, die mit den Einkommen aus anderen bürgerlichen Berufen durchaus konkurrieren konnten. Gemessen an den Gehältern von Oberlehrern und Professoren, standen sich die meisten Redakteure größerer Zeitungen besser als viele Gymnasiallehrer, deren Gehälter in dieser Zeit nur selten über 600 Taler hinausgingen und durchaus unter 400 Talern liegen konnten. Die Gehälter der Professoren waren im Durchschnitt mit etwa 1200 bis 1600 Talern deudich höher. Bei den jeweiligen großen Spannen lagen die Chefredakteure größerer Zeitungen wie der Allgemeinen oder der Kölnischen Zeitung damit in ihrem Einkommen über dem eines großen Teils der Professoren.260 Als Albert Schäffle, nachdem er seinen Lehrerberuf aufgegeben hatte, 1850 Redakteur des Schwäbischen Merkur wurde und dort zunächst 600, bald 800 und nach seiner Hochzeit 1500 Gulden (~ 855 Taler) nebst freier Wohnung bekam, empfand er dies als ein »für damals glänzendes Jugendgehalt«. 261 Die Journalisten profitierten von der Tatsache, daß die Verleger zunehmend versuchten, mit relativ großzügigen Honoraren fähige Redakteure zu bekommen, von denen sie sich eine Auflagensteigerung ihrer Zeitung erhofften. Um Cotta im süddeutschen Raum Konkurrenz machen zu können, sicherte der Verleger des Bayrischen Landboten dem Redakteur F.K.A. Müller ein lebenslanges Jahresgehalt von 1200 Gulden zu. Manche Verleger verschätzten sich allerdings und waren gezwungen, ihre Gehälter wieder zu senken, nicht zuletzt, nachdem sich infolge der Niederschlagung der 48er Revolution die Aussichten für die Presse wieder drastisch ver213

schlechtert hatten. So zahlte der Verleger der Freiburger Zeitung dem Gießener Privatdozenten S.H. Krönlein 1847 1200 Gulden. Dessen Nachfolger bekam Anfang der fünfziger Jahre nur noch 1000 und später sogar nur 800 Gulden, allerdings mit Gewinnbeteiligung bei einer Steigerung der Auflage auf über 900 Exemplare.262 Für Joseph DuMont hingegen haben sich die hohen Honorare gewiß rentiert, die er seit dem Zeitpunkt zahlte, als er begann, hauptberufliche Redakteure zu beschäftigen. Während die Zeitung noch Anfang der dreißiger Jahre ein etwas gehobenes Provinzblatt mit einer Auflage von etwas über 3000 Exemplaren war, überflügelte sie die Allgemeine Zeitung schon bald nach der 48er Revolution an Auflage und Bedeutung. Dies schlug sich auch in der Gehaltsentwicklung der beiden Zeitungen deutlich nieder (Übersicht 1 u. 2). Übersicht lé. Gehälter bei der Kölnischen Zeitung 1846-1860 2 6 3 (in Talern)

Brüggemann ( C / P ) Kruse ( P / C ) Guilleaume (Al) Schücking (F) Schwanbeck Arndt (Al) Bölsche ( F / A l ) Krah(L) Grieben ( A l / P ) Schumacher ( H )

1846/48 1200 720 660 1000 720 720 -

1855/57 2000 2000 760 -

900 1000 420

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1859/61 2000 2700 -

1000 1200

>

1200 600

C=Chefredakteur; P=Politik; AUAusland; F=Feuilleton; L=Lokales; H=Handelsteil

Mit 2700 Talern oder 8100 Mark erhielt Kruse 1860 ein Gehalt, das deutlich über dem eines preußischen Regierungsrates lag, der um diese Zeit 3900 Mark verdiente.264 Es war nicht mehr sehr weit von dem eines Regierungspräsidenten entfernt, dessen Gehalt sich auf 10800 Mark belief.265 Zur gleichen Zeit lag Brüggemanns Einkommen ebenfalls noch deutlich über dem Gehalt eines Regierungsrates; zwei weitere Redakteure verdienten 1860 mit 1200 Talern oder 3600 Mark nur geringfügig weniger als ein Regierungsrat. Lediglich der Lokal- und der Handelsredakteur mußten sich mit Gehältern im Bereich von Kanzleibeamten zufriedengeben. Bescheiden nahm sich dagegen das Honorar des Lokalredakteurs aus, auch wenn zu dem Grundgehalt von 420 Talern noch Einzelhonorare für Gerichtsreportagen hinzukamen. Bemerkenswert ist, daß der Prokurist des DuMontschen Verlages und Nachfolger Joseph DuMonts an der Verlagsspitze, Ferdinand Schultze, in den Jahren 1 8 5 7 - 6 0 ein Jahresgehalt von 214

840 Talern erhielt und damit klar im unteren Bereich der Redakteursgehälter lag. Über 1860 hinaus sind keine Gehaltsangaben für die Kölnische Zeitung mehr verfügbar. Angesichts der weiteren Entwicklung der Zeitung ist aber anzunehmen, daß das hohe Gehaltsniveau eher noch ausgebaut wurde. Die Allgemeine Zeitung hatte dagegen zunehmend Probleme, weiterhin Spitzengehälter zu zahlen. In den fünfziger und sechziger Jahren blieb das Niveau zwar im wesentlichen erhalten, doch schon als Altenhöfer Mitte der sechziger Kolb als Chefredakteur ablöste, bekam er nicht dessen Gehalt von 2500 Gulden, sondern lediglich 2000 und schließlich seit 1867 2400 Gulden (~ 1376 Taler oder 4128 Mark). Bei dem Vergleich mit den Gehältern der Kölnischen Zeitung ist zu beachten, daß für die Redakteure der Allgemeinen Zeitung noch eine freie Wohnung sowie Einzelhonorare hinzukamen, die bei der Kölnischen Zeitung nicht getrennt abgerechnet wurden.

Übersicht 2: Grundgehälter bei der Allgemeinen Zeitung 1865-1892 in Mark (Die Angaben in Klammern sind die Endgehälter)266 1865/66 Altenhöfer Braun

3420 2462

Geyer



Koch



Hayduck Gosen Schreiber Bucher Petzet Ballerstedt Jacobi Otto Bulle Günzel Diez Reusche Arnold



1870 -

3933 1710 (1772) 2052 (3215) -

2394 (3052)

1873 -

1876 -

4617 (5489)

4680





2580 3164 (3439)

1879 -

4680 (7340)

1882/83 1890/92 -

4980 (7640)













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2400 3120

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3600

3900

6000

4800 2600

5100 3600

6100 5000 15000 8600 5000 3600 3000 3000 2400

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215

Seit dem Ende der sechziger Jahre sank das Gehaltsniveau der Allgemeinen Zeitung stark ab. Gehörte das Blatt Ende der vierziger Jahren mit rund 10 000 Exemplaren zu den auflagenstärksten deutschen Zeitungen, ging der Absatz in den darauffolgenden Jahren jedoch zurück, statt wie bei anderen Zeitungen zu steigen. Ende der sechziger Jahre waren es kaum noch 6000 Abonnenten, die die Allgemeine Zeitung bezogen. Die meisten Einstiegsgehälter lagen daher in den siebziger Jahren mit durchschnitdich 2000 bis 2500 Mark recht niedrig und im Vergleich mit Beamtengehältern unterhalb von Regierungssekretären. Aus der Korrespondenz der Redakteure mit dem Verlag geht hervor, daß die Gehälter auch im Verhältnis mit anderen Zeitungen häufig als niedrig empfunden wurden. Vor allem der Handelsredakteur Otto Ballerstedt, der 1878 mit einem Gehalt von 2600 Mark bei der Allgemeinen Zeitung anfing, forderte alle zwei bis drei Jahre eine Gehaltserhöhung, nicht zuletzt mit dem Hinweis auf höhere Angebote von anderen Zeitungen.267 Die Tatsache, daß ihm die Gehaltserhöhungen in der Regel gewährt wurden, zeigt, daß seine Forderungen nicht nur als leere Drohimg empfunden wurden. Manche verließen die Zeitung schließlich auch aufgrund besserer Angebote. 268 Anfang der neunziger Jahre, nachdem der Verlag von den Gebrüdern Kröner übernommen worden war, wurde die Gehaltsstruktur deutlich verändert. Der Chefredakteur Hugo Jacobi erhielt nun fast doppelt soviel wie sein Vorgänger Otto Braun und mit 15 000 Mark mehr als ein preußischer Regierungspräsident. Der Versuch, mit hohen Gehältern gute Redakteure zu bekommen und so die Zeitung wieder attraktiver zu machen, ist unverkennbar. Deutlich wird aber auch, wie hoch die Maßstäbe dafür waren. Ältere, langgediente Redakteure wie Bucher oder Petzet bezogen Gehälter, die immerhin noch über denen preußischer Regierungsräte lagen, zumal zu den rund 6000 Mark Grundgehalt noch Einzelhonorare sowie der Mietzuschuß hinzuzurechnen sind. Berufseinsteiger wie Hermann Diez oder Hugo Arnold lagen ebenso wie der Lokalredakteur Friedrich Reusche immerhin im Bereich von Regierungssekretären. Der Vergleich mit den Gehältern der großen politischen Tageszeitungen zeigt, daß die Allgemeine Zeitung erst mit der Anhebung der Gehälter Anfang der neunziger Jahre wieder Anschluß an die Gehaltsentwicklung der Zeitungen gefunden hatte, an denen sie sich maß. Bei der Schlesischen Zeitung bezog der Chefredakteur Heinrich von Blankenburg bereits 1879 ein Gehalt von 15 000 Mark, davon 7500 Mark als Fixum und die gleiche Summe noch einmal pauschal fur das Verfassen von etwa 100 Leitartikeln pro Jahr. Die Gehälter der drei politischen Redakteure beliefen sich auf 5500, 4000 und 3500 Mark, der Berliner Korrespondent der Zeitung bekam 6000 Mark. Die beiden außenpolitischen Redakteure erhielten 3300 bzw. 4360 Mark. Auch hierzu kamen noch Einzelhonorare, wenn 216

auch sicher bei weitem nicht in der Höhe der Einkünfte, die Blankenburg fiir die Leitartikel erhielt.269 Bei der Neugründung der Spenerschert Zeitung im Jahr 1873 wurden Wilhelm Wehrenpfennig, der allerdings nicht nur Chefredakteur, sondern auch für die geschäftliche Leitung verantwortlich war, 18 0 0 0 Mark pro Jahr zugestanden. Der außenpolitische Redakteur bekam 7 5 0 0 Mark. Von fünf weiteren Redakteuren erhielten je zwei 4 5 0 0 Mark und je drei 3600 Mark. Zwei Redakteure mußten sich schließlich mit 1800 Mark zufriedengeben.270

Übersicht 3: Gehälter an kleineren und mittelgroßen Zeitungen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mark

Augsb. Postztg. (A)271 Preuß. Ztg. (C) Preuß. Ztg. (F)272 Karlsruher Ztg. (C) Bad. Landesztg. (A) Mannheimer Journal (A)273 Neues Stuttg. Tb. (Anf)274 Leipziger Ztg. ( P / C ) Leipziger Ztg. (P)275 Elberfelder Ztg. (C) 276 Reform (Hamb.) (C) 277 Rhein. Kurrier (P)278 Magdeburger Korr. (P)279 Köln. Volksztg. (C) Köln. Volksztg. (P) Köln. Volksztg. (Anf.)280 Leipziger GA (A) Leipziger GA (L) GA f. Hamb. Altona281 (P) Bremer Handelsbl. (A)282 Stader Tageblatt (A)283

1850er

1860er

1870er

1880er

2050 4500 1800 2565 1540 2400 1710 3000

3900

4620 4300

3000

1890er

6000

3600 2880

4500 2400 3000 4500 3600 1440

(5400) 5400 3000

4000 2760 4300 4000 2160

A=Alleinredakteur; C=Chefredakteur (mit mindestens einem Kollegen); P=Politik; F=Feuilleton; Anf=Anfangsgehalt für Berufseinsteiger; L=Lokales

Die Übersicht 3 zeigt, daß auch die Redakteure kleinerer und mittelgroßer Zeitungen mit ihren Gehältern voll und ganz im Rahmen bürgerlicher Einkommen lagen. Dies macht nicht nur der Vergleich mit Beamtengehältern, sondern auch mit den Einkommen von Rechtsanwälten deutlich, die 217

ähnlich breit gestreut waren wie die Einkommen von Journalisten. Die Rechtsanwälte eignen sich zudem als Vergleichsgruppe besser als die Beamten, da sie sich als Angehörige eines freien Berufes wie die Journalisten um ihre Altersversorgung kümmern mußten. In den vierziger Jahren galt für Rechtsanwälte ein Jahreseinkommen von 4000 Mark als »hoch«. Damit konnte man nicht nur »standesgemäß« leben, sondern auch fürs Alter Vorsorgen. Ein Einkommen von 1000 Mark galt als »kümmerlich«, 2000 Mark als knapp ausreichend, 3000 Mark hielt man für »einigermaßen genügend«, Einkommen von über 6000 Mark für »sehr gut«. Nach einer Untersuchung für die Jahre 1 9 1 2 / 1 3 hatten 37% aller Rechtsanwälte ein Jahreseinkommen von unter 3000 Mark, 40% von 3000 bis 6000 Mark und 23% von über 6000 Mark.284 Auch wenn die oben zitierte Einschätzung des Chefredakteurs des Hannoverschen Courier von 1901 etwas zu optimistisch war, der meinte, daß abgesehen von ganz kleinen Zeitungen das Mindesteinkommen bei 3000 Mark liege, schnitten die Journalisten im Vergleich zu den Rechstanwälten sicher nicht schlecht ab. Es darf nicht vergessen werden, daß - wie oben schon mehrfach deutlich geworden - zu dem festen Redakteursgehalt häufig noch andere Einkünfte hinzukamen. Neben den Einzelhonoraren für Originalartikel konnten sich die Honorare aus sonstiger journalistischer oder schriftstellerischer Nebentätigkeit zu einem beachtlichen Zubrot summieren. So bezog der Lokalredakteur der Bremer Nachrichten in den neunziger Jahren zwar nur ein festes Gehalt von 90 Mark monatlich, aber seine Berichte aus dem Theater, von Gerichtsverhandlungen und anderen Veranstaltungen wurden mit einem Zeilenhonorar von 5 bis 8 Pfennig einzeln vergütet. Hinzu kamen jährlich 600 Mark für die Redaktion der Halbmonatsschrift Niedersachsen. Im Juli 1898, kurz vor seinem Tode, belief sich sein Monatseinkommen auf 493 Mark, was hochgerechnet immerhin ein Jahreseinkommen von knapp 6000 Mark bedeutete. 285 Stimmen, die über die schwierige materielle Situation der Journalisten klagten, verstummten auch im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert nicht. Insgesamt bot der expandierende Zeitungsmarkt gerade in dieser Zeit Verdienstmöglichkeiten, die das Bild des Zeitungsschreibers, der nur so eben sein Auskommen fand, nicht aufrechterhalten lassen. Wenn man ihn »zur Zeit und mit Wegkenntnis« ergreife, hieß es denn auch in einer Schrift über das Pressewesen aus dem Jahr 1906, biete der Journalistenberuf Versorgungsmöglichkeiten »wie nur einer«.286 Ähnlich wie Hannes Siegrist die Einkommenssituation der Rechtsanwälte zusammenfassend beurteilt, läßt sich auch hinsichtlich des Verdienstes der Journalisten für den gesamten Zeitraum festhalten, daß er sich auf alle Stufen des Bürgertums verteilte, wenn man von den reichen Industriellen, Bankiers und Kaufleuten einmal absieht. Immerhin gab es sogar einige wenige, die in 218

deren Nähe kamen. H u g o von Kupffer, der 1882 fur 150 Mark monatlich beim Berliner Lokal-Anzeiger angefangen hatte, verdiente 1899 bei derselben Zeitung rund 40 000 Mark jährlich. Rudolf Presber, der 1901 noch ein Gehalt von etwa 4500 Mark als Feuilletonredakteur der Post bezogen hatte, kam 1906 bereits als freier Berichterstatter auf ein Jahreseinkommen von 13000 Mark und bezog 1911 aus seiner gesamten journalistischen und schriftstellerischen Tätigkeit ein Einkommen von 4 2 - 4 4 0 0 0 Mark. Der Berliner Handelskorrespondent der Frankfurter Zeitung Georg Schweitzer verdiente mit seiner journalistischen Tätigkeit um 1900 rund 19 000 Mark und besaß ein Vermögen von über 300 000 Mark. Der Sohn des Chefredakteurs der Hamburger Nachrichten, Felix von Eckardt, erinnerte sich, daß die Übernahme dieses Postens durch seinen Vater »Wohlstand« bedeutet habe. Er bezog dort ein Jahresgehalt von 3 0 0 0 0 Mark. 287 b) Die Altersversorgung. Das Problem der Altersvorsorge fur Journalisten ist bereits mehrmals angeklungen. Wo immer Journalisten zusammenkamen, um gemeinsame Interessen zu vertreten, sei es in Vereinen, sei es auf den seit 1864 abgehaltenen Journalistentagen, spielte das Problem der Altersversorgung eine Rolle. Dennoch scheint für die meisten Journalisten, die hier zusammenkamen oder die in den Vereinen organisiert waren, das Problem von geringerer Dringlichkeit gewesen zu sein, als dies zunächst den Anschein hat. Auf dem 3. Deutschen Journalistentag, der 1868 in Berlin stattfand, stellte ein Teilnehmer schlicht den Antrag, »das nun schon auf zwei Journalistentagen behandelte Thema von der Tagesordnung abzusetzen«. Um eine eigene Versicherungsgesellschaft zu gründen, habe man nicht genug Kapital; sich einer bestehenden Gesellschaft anzuschließen ergebe wenig Sinn, da eine solche Gesellschaft ihnen kaum Vergünstigungen einräumen werde. Ein hartes Kriterium dafür, daß jemand »zu der Klasse der Journalisten gehört«, gebe es schließlich nicht. So empfahl er, sich nach der Maxime »jeder für sich, Gott für uns alle« zu richten. Das Problem müsse dadurch gelöst werden, daß die Verleger ihre Redakteure und Mitarbeiter so bezahlten, daß jeder selbst für sein Alter Vorsorge. Leopold Sonnemann, der Verleger der Frankfurter Zeitung schlug statt dessen vor, Kassen, wie sie in seiner Druckerei bereits für die Arbeiter bestünden, auf die Redakteure auszuweiten. Der daraufhin gestellte Antrag, die Frage doch am besten zu vertagen, wurde angenommen. 288 Sonnemann selber verwirklichte seine Idee und gründete ein Jahr später eine Versorgungskasse für die Redakteure. Die Kasse wurde zu gleichen Teilen durch Beiträge der Mitglieder - 10 Prozent ihres Gehalts - und den Verlag finanziert.289 Erst als 1893, nachdem die Journalistentage in der alten Form nicht mehr abgehalten wurden, der Erste Allgemeine Deutsche Journalisten219

und Schriftstellertag in München stattfand, wurde die Schaffung der »Münchner Pensionsanstalt fur Schriftsteller und Journalisten« beschlossen. Die Kasse stand zwar unter der Leitung des »Münchner Journalistenund Schriftstellervereins«, war aber nicht auf den Verein beschränkt.290 Alle deutschen Schriftsteller und Journalisten »ohne Unterschied des Geschlechts« konnten, soweit sie sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befanden, bis zu ihrem 50. Lebensjahr dem Verein beitreten. Es bestand die Möglichkeit, Nachzahlungen von bis zu zehn Jahresbeiträgen zu leisten und so sein Eintrittsalter zurückzudatieren. Auf diese Weise erreichten die ersten Mitglieder bereits 1898 die Altersgrenze von 60 Jahren, die zum Empfang des Ruhegehaltes berechtigte, das sich nach Dauer und Höhe der Einzahlungen richtete. Drei Tarife standen zur Auswahl: ein monatlicher Beitrag von 2,50 Mark, 5 oder 10 Mark bei einem jeweiligen Eintrittsgeld von 10, 20 oder 30 Mark. Nach zehnjähriger Mitgliedschaft bei einem Monatsbeitrag von 10 Mark wurden jährlich 119 Mark ausgezahlt. Das war eine Summe, die höchstens geeignet war, Ersparnisse oder die Einkünfte aus der ansonsten fortgesetzten journalistischen Tätigkeit zu ergänzen. Auch nach zwanzigjähriger Mitgliedschaft reichte die ausgezahlte Summe von 313 Mark kaum zur alleinigen Sicherung der Altersversorgung aus. Nach dreißigjähriger Mitgliedschaft erhöhte sich die Pension auf 721 Mark. Hier befanden wir uns jedoch schon weit in der Weimarer Republik.291 Andere lokale Vereine von Schriftstellern und Journalisten versuchten, Pensionskassen für ihre Mitglieder ins Leben zu rufen. Am Beispiel des Berliner Verein Presse zeigt sich jedoch, daß man hier das Problem eher zögerlich anging. 1873 wurde das erste Mal beantragt, nach dem Muster des Wiener Journalisten- und Schriftstellervereins »Concordia« eine journalistische »Altersversorgungsanstalt« mit lokalen Prinzipien zu schaffen. Dort war es vor allem durch die Veranstaltung von Bällen gelungen, beträchtliche Finanzmittel anzusammeln und so die wohl leistungsstärkste Altersversorgung aller vergleichbaren Vereine hervorzubringen. 292 Nach langem Anlauf wurde bei dem Berliner Verein erst 1892 zum ersten Mal eine Alterspension ausgezahlt. Ein Jahr später waren es zwar schon 10 Pensionen; doch bis 1914 erhöhte sich die Zahl lediglich auf 20.293 Auch hier galt, daß die Summen von 300 und seit 1904 von 400 Mark eher eine Ergänzung als ein Ersatz anderer Einkünfte darstellten.294 In den Genuß einer Pension kam nur, wer seit 30 Jahren dem Verein angehörte und mindestens 65 Jahre alt war. Der Grund dafür, daß sich die Ansätze einer geregelten Altersversorgung eher bescheiden ausnahmen, lag zum einen sicher an den oben von den Delegierten des Dritten Deutschen Journalistentages dargelegten Problemen. Hinzu kam aber auch, daß sich fur die Journalisten, die in den 220

Vereinen oder auf den Journalistentagen vertreten waren, das Problem der Altersversorgung nicht mit der Dringlichkeit stellte, die sich vermuten ließe. Die etablierten Journalisten, die sich hier vor allem zusammenfanden, waren zum einen selbst in der Lage, fur das Alter zu sparen. Zum anderen aber zahlten die größeren Zeitungen zumindest ihren langjährigen Redakteuren selbst Pensionen. Die Frankfurter Zeitung ist schon als Beispiel genannt worden. Über die Höhe dieser Pensionen läßt sich wenig ermitteln. Summen, wie sie der Chefredakteur der Schlesischen Zeitung, Heinrich von Blankenburg, bezog, waren jedoch zweifellos die Ausnahme: nach 26jähriger Tätigkeit fur die Zeitung bekam er seit 1890 eine Jahrespension von 10800 Mark. Als Orientierung kann da schon eher die Allgemeine Zeitung dienen. August Josef Altenhöfer bekam nach seinem Ausscheiden aus der Redaktion im Jahr 1869 jährlich 1000 Gulden (~ 1700 Mark). Die Kölnische Zeitung zahlte 1902 immerhin eine Gesamtsumme von 24 000 Mark an Ruhegehältern fur ehemalige Redakteure. Der Cottasche Verlag stellte im Todesfall eines Redakteurs der Witwe zumindest eine kleine Pension zur Verfügung. So bekam die Frau des Redakteurs August Mebold nach dessen Tod 1854 für dasselbe Jahr zunächst den Rest seines Gehaltes, im Jahr darauf etwa die Hälfte und seitdem jährlich 400 Gulden ( - 685 Mark) ausbezahlt. Ebensoviel erhielt auch die Witwe des bereits 1826 verstorbenen Redakteurs Josef Widemann.295 Joseph Bachem, der Verleger der Kölnischen Volkszeitung, lehnte hingegen die Bitte einer Redakteurswitwe um Zahlung einer Pension mit Hinweis auf die Lage seines Geschäfts ab.296 Der schon wiederholt zitierte Chefredakteur des Hannoverschen Courier, Richard Jacobi, bestätigt in seiner 1901 erschienenen Schrift über den Journalistenberuf, daß die genannten Einzelbefunde keine Ausnahmen waren. Eine ganze Anzahl größerer Zeitungen habe nach dem Muster der Beamten eine allgemeine Pensionsberechtigung eingeführt. Bei anderen Zeitungen bestünden mit den älteren Redakteuren besondere Abmachungen, so daß Jacobi zu dem Urteil kam, daß es »so ungünstig, wie man gewöhnlich glaubt ... mit den Pensionsverhältnissen [der Journalisten, J. R.] nicht« stehe.297 Wenn auch diese von Jacobi als recht günstig beschriebenen Verhältnisse auf kleinere Zeitungen nicht ohne weiteres übertragbar sind und sich die Verhältnisse am Ende des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu der Zeit davor verbessert hatten, stellte sich jedoch insgesamt die Altersversorgung für Journalisten eher besser als schlechter als etwa für Rechtsanwälte oder Ärzte dar. Greift man abschließend noch einmal die oben gestellte Frage auf, ob im Gegenzug zu den abnehmenden staatlichen Bevormundungen im ausgehenden 19. Jahrhundert die Zwänge des Marktes und die Abhängigkeiten von den Verlegern zunahmen, zeigt sich in allen Bereichen, daß sich die 221

Situation der Journalisten durch den expandierenden Markt eher verbesserten als verschlechterten. In dem Maße, wie der Staat Druck auf die Presse ausübte, schränkte er auch die Chancen der Journalisten ein, sich als freier Journalist, als Herausgeber einer Zeitschrift oder als Redakteur einer Zeitung die Basis seines Lebensunterhalts zu verdienen. Die Expansion des Zeitungsmarktes eröffnete einer zunehmenden Zahl von Journalisten hier neue Chancen. Wenn es zum Teil schwierig war, in dem Beruf Fuß zu fassen, dann eben nicht zuletzt wegen dessen steigender Attraktivität. Die These, daß mit der steigenden ökonomischen Macht der Verleger die Abhängigkeit der Redakteure von ihren Arbeitgebern zunahm, ließ sich auf der Basis der Quellen, die hier zur Verfugung standen, nicht bestätigen. Inwiefern sich die Art des Einflusses änderte, den die Verleger traditioneller Tageszeitungen gegenüber den Verlegern der Generalanzeiger ausübten, wird später noch zu zeigen sein.

4. Die journalistischen Vereinigungen Bei der Untersuchung bürgerlicher Berufe wird den Berufsorganisationen in der Regel relativ hohe Aufmerksamkeit gewidmet. Die berufsständischen Vereinigungen gelten zumeist als wichtige Träger des »professional project«. In der Einleitung ist bereits daraufhingewiesen worden, daß die Aktivitäten der verschiedenen journalistischen Interessenvertretungen in dieser Hinsicht nicht überzubewerten sind.298 Als das Berliner Tageblatt 1874 über den neunten deutschen Journalistentag in Baden-Baden berichtete, sprach es von einer »konfusen Vereinigung von Leuten, die ganz verschiedene Interessen verfolgten.«299 In einer 1922 erschienenen, vom Verein für Socialpolitik in Auftrag gegebenen Studie über die Berufsorganisationen der Journalisten und Schriftsteller fiel das Urteil über die seit den sechziger Jahren entstandenen Journalistenvereine nicht günstiger aus: Hierin sei »nicht viel mehr als ein besserer Ausdruck der in Deutschland von jeher üppig blühenden Vereinsmeierei« zu erblicken.300 Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Organisationen damit das Scheitern des »professional project« dokumentieren oder ob sie ohnehin eine andere Funktion erfüllten. 4.1. Die Journalistentage Der erste Deutsche Journalistentag fand am 22. Mai 1864 in Eisenach statt. Eingeladen waren dazu nicht die Journalisten als Personen, sondern »die Zeitungen«, die ihre Vertreter schicken sollten. Daß darin tatsächlich ein 222

Grund der mangelnden Wirksamkeit dieses und nachfolgender Journalistentage zu sehen ist, wie gelegentlich behauptet, erscheint wenig plausibel.301 Immerhin schuf man auf diese Weise ein gewisses Abgrenzungskriterium gegenüber bloßen Gelegenheitsjournalisten und versuchte damit, auch wenn die Vertreter der Zeitungen sowohl deren Verleger als auch deren Herausgeber oder Redakteure sein konnten, die soziale Basis nicht zu disparat werden zu lassen. Da zudem eine Konfliktlinie zwischen den Verlegern einerseits und den Journalisten andererseits im Laufe der Journalistentage nicht erkennbar ist, ist sehr fraglich, ob die Anwesenheit einiger weniger Verleger die Zielsetzung der Zusammenkünfte tatsächlich schwächte. Die Vorbereitungen zum ersten Journalistentag von 1864 hatten ein Jahr zuvor in Frankfurt auf Betreiben verschiedener Vertreter dort ansässiger Journalisten und Verleger begonnen. Ihre Motive legten die Initiatoren in dem Einladungsschreiben für ein Vorbereitungstreffen dar, das an 107 deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften verschickt wurde: »Der unbefriedigende Rechtszustand, in welchem die deutsche Presse lebt, und der Mangel an der gebührenden Rücksicht, den ihre Vertreter noch so häufig zu erfahren haben, sind Übelstände, welche in betheiligten Kreisen tief und allgemein empfunden werden. Sie sind umso schwerer zu ertragen, je höher täglich die Bedeutung der Presse im öffentlichen Leben steigt, je schwierigere und mannigfaltigere Dienste man von ihr fordert.« Diesen Mißständen abzuhelfen, sei der Zweck des beabsichtigten gemeinschaftlichen Handelns. So sehr im folgenden darauf insistiert wurde, daß »der Maßstab politischer Parteiung außer Spiel« bleiben solle und »das Interesse der Presse ... nicht mit demjenigen einer bestimmten politischen Partei« zusammenfalle, ist der politische Charakter der Initiative kaum zu verkennen.302 Die Zeitungen, die dem Ruf nach einem Vorbereitungstreffen folgten, waren ebenso wie die, die ein Jahr später am ersten Deutschen Journalistentag teilnahmen, in ihrer überwiegenden Mehrheit eindeutig liberal orientiert. Ob man wollte oder nicht, war die Forderung nach einer Änderung des Rechtszustandes der Presse angesichts des Symbolwertes, den der Begriff »Pressefreiheit« zumindest bis zur 48er Revolution besessen hatte, weiterhin ein zutiefst politisches Ansinnen. Der Forderungskatalog hinsichtlich der Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, der auf dem Journalistentag beschlossen wurde, entsprach denn auch voll und ganz der liberalen Programmatik: Abschaffung jeder Präventivmaßregel, insbesondere jeder Art von Konzession und Kaution, Abschaffung der polizeilichen Beschlagnahme, volle Unabhängigkeit der Gerichte, volle Öffentlichkeit der Prozesse und Verweisung der Presseprozesse an Geschworenengerichte, Anwendung der Strafgesetze und Abschaffung jeder Art von Spezialgesetzen für die Presse.303 223

Konnte man seitens der Veranstalter mit der Resonanz auf die Einladung fur das Vorbereitungstreffen noch relativ zufrieden sein - von den 107 angeschriebenen Zeitungen entsandten 34 einen Vertreter und 12 bekundeten schriftlich ihre Sympathie - , mußte der Journalistentag selbst nicht nur hinsichtlich der Teilnehmerzahl, sondern vor allem von der Art seiner Zusammensetzung ernüchternd wirken: Insgesamt erschienen zwar wieder Vertreter von 34 Zeitungen. Davon hatten aber gerade einmal 12 auch an dem Vorbereitungstreffen teilgenommen: Arbeitgeber, Danziger Zeitung, Deutsche Allgemeine Zeitung, Frankfurter Journal, Mannheimer Journal, Mittelrheinische Zeitung, Neue Frankfurter Zeitung, Rheinische Zeitung, Stuttgarter Neues Tageblatt, Süddeutsche Zeitung, Weserzeitung und die Wochenschrift des Nationalvereins.304 Das Vorbereitungstreffen hatte offenbar nicht besonders überzeugend gewirkt. Das Urteil, das der deutschbaltische Journalist Julius von Eckardt nach seinem Besuch des 2. Journalistentages von 1865 in Leipzig über das Treffen fällte, geht ganz in diese Richtung. Noch bevor die Veranstaltung begonnen hätte, habe er schon verstanden gehabt, »warum die bedeutenden Journalisten derselben ferngeblieben waren.« Otto Braun, der Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung, und Heinrich Brüggemann, Redakteur der Kölnischen Zeitung hätten gemeint, es reiche, wenn man einen Berichterstatter nach Leipzig schicke. Andere hätten gar nichts davon wissen wollen. »Statt einer Versammlung von Fachgenossen, die die Interessen und Aufgaben ihres Berufs erörtern, hatte sich ein Konzil zumeist liberaler und radikaler Schriftsteller zusammengefunden, die in längeren und kürzeren Reden wiederholten, was sie in ihren Artikeln bereits gesagt hatten. Von der Verfolgung greifbarer Ziele war (soweit ich sehen konnte) nicht einmal zum Schein die Rede.«305 Nachdem 1866 und 1867 keine Treffen stattgefunden hatten, kamen auch in den Jahren 1868 bis 1870 bei den Journalistentagen in Berlin, Wien und Frankfurt die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Sprache. Vorübergehend rückten jedoch andere Punkte in den Mittelpunkt. Das liberalere politische Klima schien eine Veränderung der Pressegestzgebung offenbar nicht mehr als so dringlich erscheinen. Statt dessen wurde verstärkt eine Reihe von Themen erörtert, die sich zu Dauerbrennern der Tagesordnung entwickelten, ohne in den meisten Fällen jedoch zu greifbaren Ergebnissen zu fuhren. Dazu gehörte neben den Statutenfragen erstens das Problem der Altersversorgung. Abgesehen von dem durch Leopold Sonnemann angeregten Modell einer »innerbetrieblichen« Pensionskasse, in die von Verlegern und Redakteuren gleichermaßen einzuzahlen sei, blieb die Diskussion insgesamt fruchtlos. Darauf ist an anderer Stelle bereits eingegangen worden. Zweitens nahm man sich immer wieder des Problems der Nachrichtenversorgung durch das offiziöse Wolffsche Telegrafenbüro an. Bereits auf dem zweiten Journalistentag war der Beschluß gefaßt 224

worden, daß es dringend geboten sei, »das von der Staatsregierung fur sich in Anspruch genommene Monopol aufzuheben.« Als »wünschenswert« wurde die »Bildung von Telegraphenbüros der deutschen Zeitungen durch eine Aktiengesellschaft oder sonst eine Assoziation« angesehen.306 Auf dem 8. Journalistentag von 1873 wurde zwar schließlich ein detailliert ausgearbeiteter Bericht zur Gründung eines solchen Büros vorgelegt. Ein Jahr später in Baden-Baden mußte man jedoch die Undurchfuhrbarkeit des Projekts eingestehen. Übrig blieb lediglich der Beschluß, ein etwaiges, künftiges Konkurrenzunternehmen zum WTB zu unterstützen.307 Drittens wurden wiederholt verschiedene Probleme des Annoncenwesens diskutiert. Neben geschäftlichen Fragen kam hier auch der Versuch von Einflußnahme durch Inserenten zur Sprache. Die betreffende Beschlußfassung war jedoch kaum geeignet, hier Abhilfe zu schaffen. So verpflichteten sich etwa die teilnehmenden Zeitungen des 3. Journalistentages in Berlin, »falls einer von ihnen nachweislich aus dem Grunde Inserate entzogen werden, weil sie gemeinschädliche Übelstände und Tatsachen zur Kenntnis brachte, demjenigen der auf solche Weise die öffentliche Meinung zu unterdrücken sucht, die Annahme von Inseraten zu verweigern.«308 Ohnmächtiger hätte der Beschluß kaum ausfallen können. Auftrieb erhielten die nach 1868 jährlich stattfindenden Journalistentage durch die Diskussion um das nach der Reichsgründung notwendig gewordene Reichspressegesetz.309 Die relativ starke Stellung der Nationalliberalen Anfang der siebziger Jahre und die Tatsache, daß in den Reihen des Journalistentages mit Leopold Sonnemann, Karl Biedermann, Otto Elben und anderen eine Reihe von Abgeordneten saßen, ließ es als berechtigte Hoffnung seitens der liberalen Presse erscheinen, maßgeblichen Einfluß auf das neue Gesetz nehmen zu können. Doch bereits auf dem Journalistentag von 1871, als das bevorstehende Gesetz erstmals diskutiert wurde, zeigte sich erneut, in welchem Maße die Forderungen, die an ein solches Gesetz geknüpft wurden, von den jeweiligen politischen Anschauungen geprägt waren. An der Parteilinie zwischen der Mehrheit der nationalliberalen und der Minderheit der linksliberalen Journalisten gingen die Anschauungen über das Maß der Kompromißbereitschaft in einzelnen Fragen auseinander. Über die Forderung nach Abschaffung von Kaution und Konzessionspflicht herrschte noch weitgehend Einigkeit. Vor allem auf Betreiben Karl Biedermanns - als nationalliberaler Reichstagsabgeordneter auch Wortführer der regierungsfreundlichen Gruppierung - stellte sich die Mehrheit des Journalistentages in der Frage der Beschlagnahmung auf einen »Zweckmäßigkeitsstandpunkt«. Das hieß, man lehnte sie, anders als noch 1864 beschlossen, nicht grundsätzlich ab. Auf diese Weise mache man, so die Argumentation, den Gesetzesentwurf nicht nur für den Reichstag, sondern 225

auch fur die Regierung und den Bundesrat akzeptabel. Ein Jahr später allerdings, als auf dem Journalistentag in München der Entwurf fur das Reichspressegesetz erneut auf der Tagesordnung stand, korrigierte man den eigenen Gesetzesentwurf in diesem Punkt und erklärte das »Recht der provisorischen Beschlagnahme« mit einer liberalen Pressegesetzgebung fur unvereinbar. Ausschlaggebend fur den Meinungsumschwung war ein fur den Journalistentag angefertigter Bericht über polizeiliche Beschlagnahmen in Bayern in den Jahren 1850 bis 1857, der zeigte, wie extensiv und willkürlich von dem Recht seitens der Polizei Gebrauch gemacht worden war. In der 1872 beschlossenen Version übernahm die nationalliberale Reichstagsfraktion tatsächlich den Entwurf des Journalistentages als ihren eigenen, nicht zuletzt, »um damit dem Fortschritt, der schon alle Veranstaltung getroffen, diesen Hasen allein und vor der Nase wegzuschießen.«310 James Retallack bescheinigte dem Journalistentag wegen dieses äußeren Erfolges wirksames »lobbying« in der Gesetzesfrage. Der Einfluß, den die Journalisten durch ihre Beschlußfassung ausübten, sollte jedoch nicht überschätzt werden.311 Erstens gehörte die Abschaffung der alten presserechtlichen Bestimmungen seit jeher zu den Kernpunkten liberaler Forderungen und wurde nicht erst durch den Journalistentag auf die Tagesordnung gesetzt. Zweitens sprach »der Journalistentag« im Reichstag mit mindestens zwei Zungen, der nationalliberalen Biedermanns und Elbens und der demokratischen Sonnemanns. Sonnemann war außer den sozialdemokratischen, weifischen, polnischen und elsässischen Abgeordneten schließlich auch der einzige, der in der Dritten Lesung gegen das Gesetz stimmte. Drittens war das Ergebnis der Verhandlungen der Nationalliberalen mit der Regierung alles andere als befriedigend für die Presse. Als Erfolg konnte es kaum gewertet werden, auch wenn man sich später auf dem Journalistentag zugute hielt, ohne die eigenen Bemühungen, wäre das Gesetz »noch schlimmer ausgefallen.«312 In den Jahren 1871 bis 1873 stand mit den Erörterungen des Entwurfs eines Reichspressegesetzes ein Thema im Mittelpunkt der Beratungen, das fur die Presse unstrittig von zentraler Bedeutung, allerdings auch stark politisch überlagert war. Daß es sich bei den Journalistentagen, anders als ursprünglich behauptet, um einen Zusammenschluß von liberalen Zeitungen handelte, war spätestens zu diesem Zeitpunkt unübersehbar. Anläßlich des 7. Journalistentages 1872 in München übte eine dort erscheinende Lokalzeitung daher auch deutliche Kritik an der Organisation. Der Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, Vecchioni, habe die Redakteure »gleichgesinnter«, also liberaler Blätter eingeladen, den Journalistentag vorzubereiten. Dazu gehörten aber außer den Neuesten Nachrichten selbst nur noch vier weitere. »Dieser aus den Journalisten einer Parteifarbe 226

bestehende >AreopagDevise< oder dem Aufziehen einer Parteifahne antworten, die am Rhein oder jenseits des Rheins ihre Geltung haben mag. Die Weser-Zeitung bildet eben, was die Allgemeine Zeitung der englischen und französischen Presse nachrühmt, den >Reflex von lauter Wirklichkeiten auf deutsche Weise.«86 Inwieweit sich hier das tatsächliche Selbstverständnis eines vormärzlichen Journalisten widerspiegelt oder ob die hier eingenommene Position von den Bedingungen der Zensur diktierte wurde, ist kaum mehr zu entscheiden. Vermutlich war sich mancher Redakteur, der »Unparteilichkeit« für seine Zeitung in Anspruch nahm, selbst nicht genau im klaren darüber, inwieweit er dies aus Überzeugung oder aus Zwang tat und mehr noch, was »Unparteilichkeit« unter den Bedingungen der Zensur eigentlich heißen sollte. Nichtsdestoweniger wird man davon ausgehen können, daß diese Bedingungen das Berufsverständnis der Redakteure umso stärker prägten, je länger sie unter ihnen arbeiten mußten. So wußte ein großer Teil von ihnen 1848 mit der neu gewonnenen Freiheit wenig anzufangen. Daß für einen Journalisten, der überhaupt erst während oder kurz vor der Revolution angefangen hatte, sich journalistisch zu betätigen, »Unparteilichkeit« alles andere als eine erstrebenswerte journalistische Haltung war, macht ein Nachruf deudich, den der Journalist Otto Gildemeister 1850 auf seinen Vorgänger Thomas Arens als Redakteur der Weserzeitung verfaßte. Dieser sei, lobte Gildemeister an seinem verstorbenen Kollegen, vor allem ein ehrlicher Parteimann gewesen.87 Es war gerade erst fünf Jahre her, daß sich Arens öffentlich dagegen verwahrt hatte, mit seiner Zeitung eine »Parteifahne« zu hissen. Zwar hatte sich die Weserzeitung unter Arens' Leitung auch schon vor der 48er Revolution tatsächlich zu einem Blatt entwickelt, das entgegen der Verpflichtung und dem Bekenntnis zur Unparteilichkeit sich vergleichsweise offen zu liberalen Positionen bekannte. Nach der Märzrevolution hatte sich die Zeitung durch eine zwischen liberalen und demokratischen Positionen schwankende Haltung ausgezeichnet. Bei dem, was Otto Gildemeister an seinem Vorgänger aner269

kennend hervorhob, geht es jedoch weniger darum, inwieweit das von dem Journalisten Thomas Arens gezeichnete Bild der Wirklichkeit entsprach, sondern vielmehr darum, welche Eigenschaften zu diesem Zeitpunkt in den Augen der Zeitgenossen und insbesondere der Berufskollegen als journalistische Tugenden galten. War »Gesinnungslosigkeit« der gängigste Vorwurf, der gegen Journalisten, und gerade auch von Journalisten gegenüber politisch anders gesinnten »Kollegen« erhoben wurde, so wurde umgekehrt die »Gesinnungsfestigkeit«, die sich insbesondere im Vertreten fester politischer Grundsätze äußerte, zu einer lobenswiirdigen Eigenschaft, die sich über alle politischen Grenzen hinweg zum Kernpunkt eines allgemeinen journalistischen Selbstverständnisses entwickelte. Der Anspruch auf »Unparteilichkeit«, die vielfach nichts anderes war als der Rückzug auf eine Haltung, die möglichst wenig Scherereien mit der Zensur brachte, hatte sich selbst diskreditiert. Parteilichkeit war fortan fur einen Journalisten kein Vorwurf, sondern eine Eigenschaft, die ein »gesinnungsfester« Journalist selbstverständlich für sich in Anspruch nahm.88 Die Zensur und andere die Pressefreiheit einschränkende Maßnahmen machten es den Journalisten, abgesehen von dem kurzen Zwischenspiel der 48er Revolution, mindestens bis Ende der fünfziger Jahre schwer, ihre »Gesinnung«, sofern sie nicht regierungskonform war, offen zu zeigen. Als sich die politischen Rahmenbedingungen seit Beginn der »Neuen Ära« für die Presse zu verbessern begannen, bestand bei einem großen Teil der Journalisten eine Art »Nachholbedürfnis«, ihren Überzeugungen Ausdruck zu verleihen; die Verbreitung von Gesinnung wurde zum zentralen Anliegen ihrer Tätigkeit und zu einer Art Berufsethos. In einem Brief aus dem Jahr 1872 an den Chefredakteur der Spenerschen Zeitung Wilhelm Wehrenpfennig schrieb der Verfasser, er habe kürzlich in Paris »in einer Gesellschaft anständiger Journalisten« die Behauptung aufgestellt, »daß in keiner Hauptstadt der Welt die Gesinnungsfestigkeit so viele Träger in der politischen Presse« habe wie in Berlin.89 Dreißig Jahre später stellte der Herausgeber der berufsständischen Zeitschrift Die Redaktion die Frage: »Ist der Redakteur ein Söldner, dem die Fahne, unter der er kämpft, gleichgültig ist?« und beantwortete sie umgehend: »Nein, seine politische Überzeugimg ist ein untrennbarer Theil seiner selbst, die Überzeugungstreue seine Ehre.« 90 Unparteilichkeit konnte vor diesem Hintergrund kein Wert sein, auf den Journalisten ihr Selbstverständnis aufbauten. Im Gegenteil: ein großer Teil der Journalisten brachte seine Gesinnung seit Ende der fünfziger Jahre vor allem dadurch zum Ausdruck, daß er sich zu einer der entstehenden Parteien bekannte. Bei den meisten Zeitungen lassen nur die programmatischen Aussagen und der sonstige Inhalt Rückschlüsse auf das Selbstverständnis der Redakteure zu. Doch dort, wo Einblicke hinter die Kulissen

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möglich sind, ist erkennbar, daß offen gezeigte Parteilichkeit mindestens ebenso sehr auf die Initiative der Journalisten wie auf die der Verleger zurückging. Wie wenig sich umgekehrt Journalisten mit einer »unparteilichen« Haltung identifizieren konnten, zeigt sich gerade bei der Zeitung, die als einzige bedeutende deutschsprachige Zeitung des 19. Jahrhunderts fast über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens mehr oder weniger explizit an einem »Unparteilichkeitsanspruch«, so vage dieser auch sein mochte, festhielt: der Cottaschen Allgemeinen Zeitung. Deren Entwicklung wird im folgenden zunächst ausfuhrlich erörtert werden. Im Anschluß an die Darstellung dieses Sonderfalles soll auf breiterer Ebene nach dem Selbstverständnis und der Rolle der Journalisten gefragt werden, seit sich vom Ende der fünfziger Jahre an die politischen Rahmenbedingungen für den Journalismus deutlich zu bessern begannen.

2.2. Die Allgemeine Zeitung: Keine deutsche Times Von überragender Bedeutung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zehrte die Allgemeine Zeitung noch lange von ihrem alten Ruf, auch als sie schon längst deudich an Abonnenten und an Bedeutung eingebüßt hatte. Maßgeblich für den Bedeutungsverlust, den die Zeitung spätestens seit Ende der fünfziger Jahre erlitt, war zwar in erster Linie die Verschiebung der Machtverhältnisse von Österreich nach Preußen, damit aber auch die Tatsache, daß man sich in Stuttgart, dem Sitz der Verlegerfamilie, und in Augsburg, dem Sitz der Redaktion zwischen 1810 und 1882, auf die veränderten Verhältnisse nicht einzustellen vermochte. Zu diesen veränderten Verhältnissen gehörte auch, daß die politischen Rahmenbedingungen sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so zu ändern begannen, daß vorsichtiges Taktieren nicht mehr, wie noch unter Zensurbedingungen, den Erfolg garantierte, sondern ihm zunehmend im Wege stand. In der internen Diskussion zwischen den einzelnen Redakteuren und den verschiedenen Vertretern des Verlages, die sich durch den vorhandenen Quellenbestand weit intensiver als bei anderen Zeitungen verfolgen läßt, waren es die Redakteure, die immer wieder die Forderung nach expliziter Parteinahme erhoben. An dieser Diskussion innerhalb der Allgemeinen Zeitung läßt sich exemplarisch ablesen, in welchem Maße die Vertretung bestimmter Überzeugungen, und nicht eine möglichst unparteiliche Berichterstattung im Zentrum des Selbstverständnisses politischer Journalisten des 19. Jahrhunderts stand. Um die spätere Entwicklung richtig einordnen zu können, ist es notwendig, zunächst bis zur Gründung der Zeitung zurückzugehen.

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a) Der Aufstieg. »Leute, welche sich auf ihre politische Kombinationsgabe und großen Scharfsinn etwas einbilden, haben die Behauptung aufgestellt und oft wiederholt, die A.Z. sei nichts mehr und nichts weniger als eine deutsche Nachahmung der Times oder des Journal des Débats. Diese Leute haben den Mann nicht gekannt, in dessen Kopf die Idee der A.Z. entsprang. Wäre eine solche Nachäffung möglich, er hätte sie gewiß nicht gemacht, er hätte eine derartige Spekulation kleineren Geistern überlassen. Nein, der Gedanke ist ein origineller, er ist größer, als diese homunculi zu fassen vermögen, und seines Schöpfers durchaus würdig.« 91 Daß diese Einschätzung der Originalität der Allgemeinen Zeitung von einem Nachgeborenen dem eigenen Urteil Johann Friedrich von Cottas über die von ihm gegründete Zeitung nahekam, zeigt ein Brief, den Cotta 1803 anläßlich des Verbotes der Zeitung in Württemberg an den Reichshofratsagenten Merk in Wien schrieb. »Die gewöhnlichen Zeitungen, die die Tagesgeschichte erzählten und eigentlich fur die Nachwelt aufbewahren sollten, standen in keinem Verhältnis mit der Würde und Wichtigkeit des Gegenstandes. Der Geschichtsforscher, dem kein Zug eines Ereignis gleichgültig sein darf, konnte in diesen Blättern nicht die Befriedigung finden, die er erwartete, und es war daher ein allgemein gefühltes Bedürfnis ein solches Tageblatt zu besitzen, das mit Vollständigkeit, mit Unparteilichkeit, mit Wahrheit und in einer reinen Sprache, jedes Ereignis unter einen solchen Gesichtspunkt zu stellen sucht, aus dem es am richtigsten und deutlichsten aufgefaßt werden konnte. Kein europäischer Staat hatte bis dahin [dem Zeitpunkt der Gründung der Allgemeinen Zeitung; J.R.] ein solches Tageblatt aufzuweisen. Die englischen und französischen Blätter waren zu sehr mit ihren eigenen inneren Angelegenheiten beschäftigt, als daß sie die Angelegenheiten der anderen Staaten mehr als eines flüchtigen Blicks und immer nur in Beziehung auf sich würdigen können.« 92 Mit der Bestimmung dessen, was nach Cottas Ansicht die Einzigartigkeit seines Blattes kennzeichnete, lieferte der Gründer der Allgemeinen Zeitung zugleich eine Präzisierung ihrer Konzeption. Das gilt insbesondere für die Frage der Unparteilichkeit, und zwar in zweierlei Hinsicht: Unparteilichkeit war zum einen ein im wesentlichen auf das Verhältnis der Staaten untereinander gerichtetes, ein gewissermaßen »außenpolitisches« Konzept. Während die Zeitungen anderer Staaten, vornehmlich die in London und Paris, derartige Fragen nur in der jeweils auf ihr Land bezogenen Sicht betrachteten, nahm Cotta in dieser Hinsicht für seine Zeitung eine globale, »unparteiliche« Beurteilung in Anspruch. Unparteilichkeit war zum anderen ein vor allem auf die Nachwelt gerichteter Aspekt. Aufgabe der Zeitung sollte es sein, eine Art von objektiver Tagesgeschichtsschreibung zu liefern und damit eine historische Quelle zu schaffen, die »der Würde und Wichtigkeit des Gegenstandes« entsprach. Neben einer beträchtlichen Summe 272

an Kapital erfordere dies, schrieb er in dem Brief weiter, »die Vereinigung vieler Gelehrter und Korrespondenten in den wichtigsten Staaten, die ohne Parteigeist die Geschichte ihrer Zeit und ihres Landes täglich sammeln und mit Achtung gegen alle Regierungen und ihre Verfassungen sie erzählen.«93 Da die Allgemeine Zeitung anders als die Londoner oder Pariser Blätter, die Cotta als Vergleichsmaßstab nahm, nicht in einer der Hauptstädte einer europäischen Großmacht angesiedelt und insofern nicht per se dem Einfluß einer bestimmten Regierung ausgesetzt war, standen die Chancen zur Verwirklichung dieses Konzeptes besser als fur jede andere Zeitung. Wenn Cotta sich hier von den großen Zeitungen anderer Länder, und damit insbesondere auch von der Times absetzte, bezog sich dies nicht auf das erst später von der Zeitung vertretene Konzept der Presse als »Fourth Estate«, sondern auf ein Blatt, das in bezug auf das Verhältnis der Staaten untereinander britische Interessen vertrat und damit parteilich war. Wie sah die Umsetzimg der Konzeption in der Praxis der Zeitung aus? Wurde der Anspruch auf Unparteilichkeit von den Redakteuren angenommen? Wie reagierte das Publikum darauf? Kritik an der mangelnden Einlösung des eigenen Anspruchs gab es von Beginn an. War es zunächst die kaum verhehlte Frankophilie des ersten Redakteurs Ernst Ludwig Posselt, die den Unparteilichkeitsanspruch konterkarierte, wurde es bald das enge Verhältnis zu Wien, das diesen Anspruch vielfach Lügen strafte. Dennoch: Ebensowenig wie der Anspruch mit der Wirklichkeit zu verwechseln ist, darf auf der anderen Seite verkannt werden, daß mit diesem Anspruch durchaus reale Folgen verbunden waren. Bis zum Tode Karl von Cottas im Jahre 1888 und dem Verkauf der Zeitung an die Gebrüder Kröner hatte die Konzeption des Zeitungsgründers und damit insbesondere der Anspruch auf Unparteilichkeit seitens der Verlegerfamilie gewissermaßen »Verfassungsrang« für die Zeitung. Zu den wichtigsten Folgen der Konzeption der Zeitung gehörte in der Anfangsphase, daß Cotta beabsichtigte, Nachrichten, insbesondere solche aus dem Ausland, soweit wie möglich nicht, wie es sonst zumeist üblich war, aus anderen Zeitungen zu übernehmen, sondern über eigene Korrespondenten in Erfahrung zu bringen.94 Der Schwerpunkt bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern lag eindeutig in Frankreich und Österreich. Doch selbst in Kopenhagen bemühte sich Cotta um jemanden, der direkt von dort berichten sollte, obwohl ihn sein Hamburger Korrespondent und Ratgeber Johann Wilhelm Archenholtz beschieden hatte, daß dort ohnehin nichts passiere, und falls doch, er dies genausogut aus Hamburg melden könne. Die von ihm angestrebte Unparteilichkeit, so war Cotta klar, konnte nur erreicht werden, wenn es gelang, aus den einzelnen Staaten zuverlässige Informationen zu erhalten. 273

Diese Konzeption hatte durchaus Berührungspunkte mit der amerikanischer Presseverleger von Bennett bis Pulitzer, die den Unabhängigkeitsanspruch ihrer Zeitungen in erster Linie auf das selbständige Recherchieren von Informationen gründeten. Doch die Voraussetzungen der Informationsbeschaffung waren am Anfang des 19. Jahrhunderts fiir die Mitarbeiter der Allgemeinen Zeitung vollkommen andere als für amerikanische Reporter in den achtzehnhundertdreißiger Jahren oder gar erst am Ende des 19. Jahrhunderts. Das betraf nicht nur die unterschiedliche Art von Informationen, die die Korrespondenten der Allgemeinen Zeitung im Vergleich zu den Reportern des Herald liefern sollten. Theoretisch hätte sicher für einen findigen Journalisten auch zu dieser Zeit die Möglichkeit bestanden, durch gezieltes Aufspüren undichter Stellen und systematisches Nachgehen von Gerüchten in den Arkanbereich der Politik vorzudringen und seine Zeitung mit Informationen zu versorgen. Doch erstens gab es keinen Journalisten, der seinen Beruf so verstanden hätte, und zweitens wäre eine Berichterstattung, die auch nur in Ansätzen in diese Richtung gegangen wäre, sofort an der Zensur gescheitert. Wenn also die Möglichkeiten für eine selbständige Informationsbeschaffung und unabhängige Berichterstattung denkbar gering waren, bedeutete es umgekehrt, daß Informationen, die über offizielle Verlautbarungen hinausgingen, nur um den Preis von Abhängigkeiten zu haben war. Das galt, wie oben gesehen, auch für die englische Times im Verhältnis zur dortigen Regierung.95 Die Times schaffte es, ihre Position nach und nach so auszubauen, daß sie die für sich in Anspruch genommene Unabhängigkeit bis zu einem gewissen Grade einlösen konnte. Der Grundstein für die Position, die die Times in der englischen Presse besaß, lag jedoch zunächst in dem Austausch von Information gegen Wohlverhalten, das heißt in einer Art gegenseitiger Übereinkunft, daß die gegebenen Informationen im Sinne der Regierung verwendet wurden. Cottas Traum wäre es wohl gewesen, in ein solches Vertrauensverhältnis zu möglichst vielen Regierungen einzutreten. »Achtung gegen alle Regierungen und ihre Verfassungen«, wie er in dem oben zitierten Brief schrieb, im Austausch gegen Informationen von den Regierungen - das war Cottas Konzept. Der Erfolg dieses Konzepts, dessen war sich der Gründer der Allgemeinen Zeitung bewußt, hing entscheidend von den Mitarbeitern ab, die er für sein Blatt verpflichten konnte. Den Norden Europas einfach durch einen Hamburger Korrespondenten abzudecken, reichte ihm daher nicht. Ideale Mitarbeiter waren in dieser Hinsicht Regierungsbeamte, die bereit, befähigt und vor allem autorisiert waren, als Korrespondenten zu arbeiten. Ob Cotta von vornherein ein besonders enges Verhältnis zu Österreich im Sinn hatte, läßt sich kaum mehr beantworten. Aus der Rückschau scheint es zumindest naheliegend, daß sich Cotta um derartige Mitarbeiter insbeson-

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dere in Wien bemühte, anstatt wie in Paris seine Korrespondenten vor allem aus der kleinen Kolonie der dort lebenden deutschen Schriftsteller und Journalisten zu rekrutieren. Jenes Verhältnis zwischen der Österreichischen Regierung und der Allgemeinen Zeitung, von dem beide Seiten zu profitieren meinten, entwickelte sich jedoch erst langsam. Der Einstieg in das enge Verhältnis zu Österreich kam 1803 zustande, als Cotta seinen schwäbischen Landsmann Johann Michael Armbruster als Wiener Korrespondenten gewinnen konnte. Armbruster war im österreichischen Staatsdienst und dort von 1802 bis 1805 als Zensor und anschließend als Hofsekretär tätig.96 Sein Engagement fur die Allgemeine Zeitung sprach er von vornherein mit den zuständigen Regierungsstellen ab und schuf damit die Voraussetzungen fur das spezielle Verhältnis, das sich fortan zu dem Cottaschen Blatt entwickelte. Einen ersten Erfolg der Zusammenarbeit konnte Armbruster Anfang 1805 vermelden: Am Ende des abgelaufenen Jahres sei die Allgemeine Zeitung erstmalig in das Verzeichnis der »ganz erlaubten Blätter« aufgenommen worden. Das bedeutete, daß die Zeitung von nun an in den Kaffeehäusern gelesen werden durfte. 97 So sehr sich damit die Möglichkeit zu einem erhöhten Absatz in Österreich eröffnete, so sehr geriet die Allgemeine Zeitung damit auch ökonomisch in die Abhängigkeit Wiens. Österreich entwickelte sich zum Hauptabsatzgebiet. Als 1856 das Augsburger Blatt in Preußen verboten wurde, konnte Georg Cotta mehr oder weniger gelassen darüber hinwegsehen.98 Ein Verbot der Zeitung in Österreich hätte die Zeitung hingegen zumindest seit den dreißiger Jahren ruiniert. Führt man sich die doppelte Abhängigkeit vor Augen, in die die Zeitung mehr und mehr im Verhältnis zu Wien geriet - einerseits durch die Informationen, die sie von dort erhielt, und andererseits durch den Hauptabsatzmarkt, den Österreich darstellte - , wird deutlich, wie wenig der vor allem im Vormärz immer wieder erhobene Bestechlichkeitsvorwurf gegen die Allgemeine Zeitung die tatsächlichen Verhältnisse traf. »In Deutschland war es dabei etwas wie eine bekannte Tatsache, daß >die Allgemeine Zeitung< bestochen sei«, schrieb Levin Schücking, in den vierziger Jahren Redakteur der Zeitung, in seinen Lebenserinnerungen und stellte richtig: »In der That war nur leider das ganz Umgekehrte der Fall... Herr von Pilat z.B. erhielt unter dem verhüllenden Titel seines Gehalts fur seine Mitarbeiterschaft, von der selten eine Zeile erblickt wurde, 4000 Gulden jährlich, und er war nicht der einzige Parasit dieser Art.«99 Joseph Anton Pilat war so etwas wie Metternichs persönlicher Pressebeauftragter und leitete von 1810 bis 1848 den Österreichischen Beobachter, ein halboffizielles Blatt, das Österreichs außenpolitische Interessen vertrat. Von 1812 an wurde Pilat zu einem der wichtigsten Verbindungsmänner zwischen Wien und Augsburg. Als Bedingung für seine Korrespondententätigkeit nannte er in einem Brief 275

aus dem Jahr 1812, daß aus Wien andere Artikel als die seinen in der Allgemeinen Zeitung nicht erscheinen dürften. Im Jahr 1845 verzeichnete die Korrespondentenliste der Allgemeinen Zeitung ein jährliches Honorar von zwar nicht 4 0 0 0 Gulden, wie Schiicking behauptet hatte, sondern »nur« 1800 Gulden, darüber hinaus jedoch 3600 beziehungsweise 1200 Gulden für zwei weitere Korrespondenten aus Metternichs nächster Umgebung. 100 Von schlichter Bestechung aus Wien konnte also nicht die Rede sein. Das Verhältnis war wesentlich komplizierter und keineswegs spannungsfrei. Immer wieder gab es Mahnungen aus Wien an die Adresse der Allgemeinen Zeitung, das heißt insbesondere an deren Verleger. Trotz aller Vorsicht und allen Wohlwollens, das man Wien gegenüber walten lasse, kämen »ebenso regelmäßig wie die Aequatorialstürme ... auch gegen den Schluß jedes halben Jahres Pilatsche Drohbriefe, die das nahe Verbot der A.Z. ankündigten, um jedesmal wieder durch ergiebige Zahlungen beschworen und besänftigt zu werden.« So klagte der Gründer der Allgemeinen Zeitung 1828 in einem Brief an den bayrischen Gesandten von Bray in Wien. Die Lektüre des Briefes läßt die Daumenschrauben regelrecht spürbar werden, die Wien Cottas Zeitung angelegt hatte. Zwar unterstrich Cotta nochmal den Anspruch auf Unparteilichkeit, wenn er schrieb: »Die Tendenz der A.Z. bleibt sich immer gleich, vielseitige Berichte im Geist der verschiedenen Parteien zu liefern, die Europa seither bewegten, und hierdurch der Nachwelt wahrhafte geschichtliche Materialien zu liefern, wie dieses Blatt denn auch in Staatsakten und diplomatischen Sammlungen bereits als Quelle citiert wird.«101 Doch wirkt dieser Anspruch im Zusammenhang des Briefes eher wie eine Beschwörung denn als eine selbstbewußte Bekräftigung des tatsächlichen Programms. Gegenüber keiner Macht habe die Allgemeine Zeitung seit jeher größere Schonung walten lassen als gegenüber Österreich. Wieviele Österreich höchst feindlich gesonnene Briefe habe sie nicht während des Wiener Kongresses, während des Kongresses zu Laibach oder während des letzten ungarischen Landtags bekommen und keinen einzigen davon gebracht. Wenn er genötigt werde offenzulegen, wieviel Geld er den Wiener Korrespondenten zahle und wie mangelhaft und unbedeutend die Nachrichten seien, die er dafür erhalte, so werde »das Urteil der billigen Lesewelt« wahrhaftig nicht gegen ihn ausfallen.«102 Wenn sich auch Johann Friedrich und Georg von Cotta, der 1832 den Verlag von seinem Vater übernahm, ein unabhängigeres Verhältnis zu Wien gewünscht hätten, sahen sie sich auf der anderen Seite gezwungen, die Mahnungen an die Redaktion weiterzugeben. Deutlich erkennbar ist dabei, wie insbesondere die Chefredakteure Josef Stegemann, der die Redaktion bis zu seinem Tod im Jahr 1837 leitete, und später auch Gustav Kolb, der ihm nachfolgte, im Laufe der Jahre die vorsichtige Haltung ihrer 276

Verleger immer mehr internalisierten oder, wie im Falle Stegemanns, sogar noch darüber hinausgingen.103 Hatte dieser 1821 noch an Cotta geschrieben, er glaube nicht an ein Verbot der Zeitung seitens der österreichischen Regierung, da ein solches viel zuviel Aufsehen erregen würde, paßte ihm der frische Wind, den der junge Burschenschaftler Gustav Kolb in die Redaktion brachte, ganz und gar nicht, und er versuchte mit dem Hinweis auf negative Konsequenzen für die Zeitung Kolbs Einfluß einzudämmen.104 Während sich Stegemann längst daran gewöhnt hatte, alles zu vermeiden, was Anstoß erregen könnte - eigene Artikel schrieb er ohnehin kaum105 - , hatte Gustav Kolb noch andere Vorstellungen von seinem Beruf. Zu Drohgebärden aus Wien kam es in der Tat bald. So zeigte man sich hier Anfang der dreißiger Jahre irritiert, als das Augsburger Blatt in der französischen Politik plötzlich, wie Gentz an Pilat schrieb, zur »parti du mouvement« übergelaufen war und die Opposition rühmte.106 Wohl nicht ganz zu Unrecht vermutete man, daß vor allem Kolb für die Aufnahme derartiger Artikel verantwortlich sei, und forderte dessen Entlassung.107 Cotta hielt seinen jungen Schützling zur Mäßigung an und erinnerte dabei offenbar auch an das Konzept der Zeitung, nämlich eine möglichst unparteiliche Tagesgeschichtsschreibung zu liefern, denn Kolb antwortete ihm: »Sie verweisen mich auf die Pflicht des Geschichtsschreibers. Der Geschichtsschreiber aber spricht seine Überzeugung offen aus und muß dies.«108 Zu einer weiteren Auseinandersetzimg um das »Unparteilichkeitskonzept« kam es zwischen dem Verleger und dem jungen Redakteur jedoch nicht. Ohnehin wurden die Rahmenbedingungen für die Redaktion mehr von der Zensur und den Vorgaben Wiens bestimmt als von Johann Friedrich oder Georg Cotta. »Unparteilichkeit« konnte unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr bedeuten, als einen Kurs zu fahren, mit dem man möglichst wenig aneckte - insbesondere nicht in Wien. Dieser Linie mußte sich Gustav Kolb beugen, sofern er Redakteur der Zeitung bleiben wollte. Je mehr die Leitung der Zeitung von dem kranken Stegemann in seine Hände überging, bis er 1837 schließlich auch nominell Chefredakteur wurde, desto mehr paßte er sich den Rahmenbedingungen an. Ob Kolb damit auch das Konzept der »Unparteilichkeit« für sich übernahm, ist jedoch eher fraglich. Bevor Kolb 1826 Redakteur der Allgemeinen Zeitung wurde, hatte er für sein politisches Engagement als Burschenschaftler über ein Jahr in Haft gesessen. Zumindest Anfang der dreißiger Jahre verstand er sich als politischer Schriftsteller, der Stellung beziehen wollte, und nicht als »unparteilicher« Chronist. Wenn er von seinen ursprünglichen Vorstellungen ohne Zweifel Abstriche machen mußte, spricht vieles dafür, daß er seine Leitung nicht als unparteilich betrachtete, sondern sehr wohl einen klaren Standpunkt für sich in Anspruch nahm, und zwar

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einen der selbstdefinierten Mitte. »Ich gehöre nicht zu den Radicalen, zu denen mich die einen rechnen, noch zu den Servilen, zu denen mich die anderen werfen«, schrieb er 1844 an Heinrich Heine, der bekanntermaßen aus Paris für die Zeitung korrespondierte.109 Als »verständigen Conservatismus«, fern von allen »Radikalen« wollte er seine politische Haltung verstanden wissen.110 Dieses Etikett hätte er der Allgemeinen Zeitung vermutlich eher zugeschrieben als das der »Unparteilichkeit«. In einem Aufsatz, den Kolbs Redaktionskollege August Mebold 1845 über die Allgemeinen Zeitung schrieb, betonte er ganz in diesem Sinne weniger die Unparteilichkeit der Zeitung als die »konservativen Grundsätze«, die sie vertrete, ohne dabei reaktionär zu sein.111 Zu einem direkten Konflikt zwischen Redaktion und Verleger kam es nicht. Die gegebenen Verhältnisse, die Zensur einerseits und die Abhängigkeit gegenüber Wien andererseits, entzogen grundsätzlicheren, konzeptionellen Überlegungen relativ schnell den Boden. Wenn Cotta gegenüber dem Wiener Korrespondenten und Beamten der Staatskanzlei Johann Christian Freiherr von Zedlitz 1847 das Unparteilichkeitskonzept erneut vehement verteidigte, geschah auch dies vor allem aus pragmatischen Gründen. Geschickt hatte Zedlitz Cotta in einem Brief zu einer eindeutigeren Stellungnahme seiner Zeitung durch Leitartikel aufgefordert, da die Zeitung nur so zu einer entschiedenen Macht werden könne, die »sich über alle Parteien ohne Ausnahme stellt und vom höchsten Standpunkt aus ebenso die einen wie die anderen in ihre Schranken weist.«112 Sein Vater sei immer der Ansicht gewesen, schrieb Georg von Cotta in dem Entwurf eines Antwortbriefes, daß von der Redaktion der Allgemeinen Zeitung nie leitende Artikel ausgehen dürften, »um keiner Partei die Luft zu nehmen, sich in ihrem Namen auszusprechen.« Mit besonderer Hervorhebung fuhr er dann fort: »Ich kenne keinen Menschen unter Gottes Sonne, dessen Ansicht ich als allein wahre mit meinem Gelde honorieren und mit meinem Namen in der Welt verbreiten möchte ... Mein teuerster Freund, das kann auch Ihr Ernst nicht sein, mir für die A.Z. zu raten, sie mit leitenden Artikeln einherstolzieren zu lassen, wie jede andere Parteizeitung.«113 Hinter dem Vorschlag Zedlitz' stand zweifellos der Wünsch der Wiener Regierung, das Augsburger Blatt noch eindeutiger zu ihren Gunsten agieren zu sehen. Wenn Cotta auf der »Unparteilichkeit« seiner Zeitung beharrte, diente das sicher in erster Linie der Abwehr dieses verklausulierten Ansinnens. Unverkennbar ist aber auch, daß der Verleger mit dem Konzept der »Unparteilichkeit« immer noch jenen Anspruch auf Einzigartigkeit verband, mit dem sein Vater einst angetreten war. Die Bilanz nahm sich Mitte der vierziger Jahre nicht schlecht aus. Die Zeitung war in dieser Zeit für deutsche Verhältnisse mit einer Auflage von gut 9000 Exemplaren relativ erfolgreich, obwohl sie durch die hohen 278

Kosten fur den großen Mitarbeiterstab finanziell weniger abwarf, als minder aufwendige Zeitungen mit ähnlicher oder sogar geringerer Auflage. Ihre Stellung als wichtigste deutschsprachige Zeitung war unangefochten. Auch wenn der Austausch von Nachrichten gegen Wohlverhalten nicht mit allen Regierungen so funktionieren konnte, wie er es trotz Schwierigkeiten mit Wien tat, war die Allgemeine Zeitung in den vierziger Jahren wohl die europäische Zeitung, die am vergleichsweise umfassendsten über die europäischen Staaten berichtete. In seinen Lebenserinnerungen schrieb der ehemalige Feuilletonredakteur der Allgemeinen Zeitung, Levin Schücking, daß Cotta in den vierziger Jahren jährlich rund 80 000 Gulden fur Redaktion, Mitarbeiter und Porto ausgegeben habe.114 In dem »Verzeichnis sämtlicher Correspondenten der Allgemeinen Zeitung« vom Oktober 1845 werden rund 2 5 0 Namen gefuhrt. Allein 23 Korrespondenten lieferten Nachrichten aus Paris, 13 aus Wien. Sogar fur China, Ostindien, Mexiko und Peru sind Namen verzeichnet. Viele dieser »Korrespondenten« waren zwar nicht mehr als bloße Kontaktieute, die kaum vor Ort »recherchierten«, sondern für ihre Berichte vermutlich in erster Linie nur die örtlichen Zeitungen benutzten. Dennoch: auch die Times dürfte zu dieser Zeit über ein ähnliches Korrespondentennetz kaum verfügt haben. Französische Zeitungen waren auf diesem Gebiet ohnehin keine Konkurrenz. Auch Georg von Cotta war bei der von seinem Vater eingeschlagenen Linie geblieben. Der »Unparteilichkeitsanspruch« sollte nach wie vor durch umfassende, eigenständige Berichterstattung eingelöst werden. Dort, wo man nicht in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis stand, wie es die Zeitung in mehrfacher Hinsicht in bezug auf Österreich tat, lagen Anspruch und Wirklichkeit wesentlich näher beieinander. Dies galt insbesondere für die Berichterstattung aus Frankreich. Aus Paris berichteten eben keine Regierungsbeamte, sondern Schriftsteller und Journalisten vom Rang Heines oder Friedrich Lists. Daß die Allgemeine Zeitung neben Anerkennung vor allem in den vierziger Jahren zunehmend auch Kritik erntete, ist an anderer Stelle bereits erwähnt worden. Doch in gewisser Weise lassen sich die Negativurteile als Beleg für den Erfolg des Konzeptes der »Unparteilichkeit« begreifen. Wenn die Zeitung in ihrer »Allparteilichkeit« der »bewußten Charakterlosigkeit« bezichtigt oder als »Augsburger Hure« geschmäht wurde, zeigt dies zumindest, daß das Konzept der Unparteilichkeit in den Augen des Publikums ein gewisses Maß an Einlösung fand, auch wenn es nicht überall auf Gegenliebe stieß.115 Trotz der Auswirkungen, die das Konzept der Zeitung in der Tat auf ihre Politik hatte, blieb es jedoch eher eines, das dem Verleger in der Auswahl der Mitarbeiter und im Verhältnis zu den verschiedenen Regierungen eine gewisse Flexibilität sicherte, als eines, das von Seiten der Redakteure wirklich angenommen und ausgefüllt worden wäre.

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Ernst Posselt, dem ersten Redakteur der Zeitung, habe man es regelrecht angemerkt, wie er sich stets Mäßigung auferlegen mußte, um den Vorstellungen seines Verlegers zu entsprechen, schrieb Eduard Heyck in der Geschichte der Zeitung. 116 Josef Stegemann ließ sich mehr und mehr von den Maßgaben der Vorsicht als der Unparteilichkeit leiten. Gustav Kolb, der sich anfangs noch gegen die übergroße Vorsicht zur Wehr gesetzt hatte, wurde ebenso schnell zum Gefangenen der Zwänge, denen die Zeitung ausgesetzt war. Sich und seine Zeitung sah er eher in der Rolle einer mäßigend auf den Gang der Dinge einwirkenden Kraft, als daß er sich als jemanden betrachtet hätte, der den Gang der Ereignisse in unparteilicher Weise fur die Nachwelt aufzeichnete. In welchem Maße die Vorsicht und nicht die Unparteilichkeit die Politik der Zeitung bestimmte, offenbarte sich schlagartig in der 48er Revolution. »In München und hier ist so Alles aus den Fugen«, schrieb Kolb bei Ausbruch der Revolution vollkommen hilflos an Cotta, »die lang zurückgedrängte Stimmung hat so gewaltsam sich Luft gemacht, daß auf uns selbst, die wir die friedlichsten Zuschauer machten, die wütendsten Anklagen sich häufen.« Er habe viel entschiedener gegen die Regierung Stellung beziehen müssen. »Ich that es nicht -aus gewohnter übergroßer Vorsicht.«117 b) Der Abstieg. Die äußeren Zwänge, denen die Zeitung unterlag, einerseits und der Erfolg des Blattes andererseits hatten es in den ersten 50 Jahren des Bestehens der Allgemeinen Zeitung kaum notwendig erscheinen lassen, die Konzeption in Frage zu stellen. Beides, sowohl die Zwänge als auch der Erfolg, ließen im Laufe der zweiten 50 Jahre des Bestehens spürbar nach. Der Vorteil von Krisen besteht - fur den Historiker - darin, daß sie Diskussionen auslösen, in diesem Fall zwischen den Redakteuren und den Verlegern um die Politik der Zeitung. Namentlich war es die Unparteilichkeit, die in der zweiten Jahrhunderthälfte immer wieder zur Debatte gestellt wurde. Wenn es auch nie zu einer geschlossenen Haltung der Redaktion gegenüber der auf Beibehaltung des Unparteilichkeitskonzeptes beharrenden verlegerischen Position kam, drängten doch verschiedene Redakteure immer wieder darauf, den Unparteilichkeitsanspruch aufzugeben und sich eindeutig zu einem politischen Programm zu bekennen. Hatte es hinsichdich der unterschiedlichen konzeptionellen Vorstellungen zwischen den Redakteuren und dem Verleger in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits wiederholt Meinungsverschiedenheiten gegeben, kam es hierüber seit den ausgehenden fünfziger Jahren mehrfach zum offenen Konflikt. Gustav Kolb, durch die Revolution verunsichert und gesundheitlich angeschlagen, blieb zwar nominell bis zu seinem Tod im Jahr 1865 Chefredakteur. Seit Mitte der fünfziger Jahre ging die Leitung jedoch faktisch an 280

Hermann Orges über. Der ehemalige Artillerieoffizier trat 1854 in die Redaktion ein, nachdem er zuvor bereits als Korrespondent fur die Zeitung gearbeitet hatte.118 Mit Oskar Peschel und August Mebold hatten gerade zwei Redakteure das Blatt verlassen, der langjährige Redakteur Josef Altenhöfer war mit Kolb so verfeindet, daß beide zeitweise nur schriftlich miteinander verkehrten.119 Da sich Kolb selbst krankheitshalber mehr und mehr zurückzog, war es fur den ehrgeizigen jungen Orges nicht schwer, die faktische Leitung des Blattes rasch an sich zu ziehen. Gerade zwei Jahre in der Redaktion, legte Orges Georg von Cotta ein Programm fur die Zeitung vor, von dem er meinte, daß sie damit an die Öffentlichkeit treten sollte. Den Anlaß lieferte ein Ende September 1856 in Preußen erlassenes Verbot des Blattes. Ziel des Programmes sollte sein, diesem Verbot offensiv zu begegnen, indem man die Haltung des Blattes klarstellte. Grundsatz der Zeitung sei es immer gewesen, »allen Regierungen ein zuverlässiger Freund« zu sein. Ihre Tendenz sei groß-deutsch. Dabei wolle sie als versöhnendes Band zwischen Preußen und Österreich, zwischen Nord- und Süddeutschland, wirken, wobei Österreich freilich stets das Lieblingskind der Zeitung gewesen sei.120 Cotta reagierte ausweichend auf die Frage, was mit dem Programm geschehen solle, dafür umso bezeichnender für seine Haltung als Verleger. Programme, so begründete er seine Skepsis, könnten im Laufe der Zeit »zu quälenden Fesseln« werden, zumal sich die Zeitströmung von Jahr zu Jahr ändere: »Wozu also ein Programm fur das Publikum? Für uns selbst haben wir es umso nötiger, und in dieser Richtung bin ich mit dem Angedeuteten meist einverstanden.« Weiter verwies er auf die Abneigung seines Vaters gegen Programme und zitierte ihn mit den Worten: »Es wäre eine Thorheit, wenn die A.Z. ein solches ausspräche, das muß für uns und die Redaktion bleiben, das Publikum kann es aus der Zeitung erfahren, welches Programm uns leitet ... Welche Polemik würde ein solches hervorrufen, jetzt oder später, bei dieser oder jener Veranlassung. Wir wollen frei bleiben.«121 Die Unterscheidimg zwischen einem Programm für die Redaktion und einem für das Publikum zeigt, daß es dem Verleger vor allem darum ging, die politische Richtung der Zeitung anpassungsfähig zu halten und bei einer etwaigen Notwendigkeit für einem Richtungswechsel nicht an ein bestimmtes Programm gebunden zu sein. Da Cotta für die Redaktion selbst ein »Programm« durchaus befürwortete, zeigte sich das Konzept der Unparteilichkeit erneut als ein verlegerisch-taktisches Prinzip. Spezifische journalistische Anforderungen an die Redakteure der Zeitung stelle es dagegen kaum. Gefordert wurde lediglich eine gewisse Zurückhaltung bei der Vertretung ihrer Anschauungen. Ebenso wie Ernst Ludwig Posselt oder Gustav Kolb in seinen frühen Redaktionsjahren verstand sich Orges als 281

politischer Schriftsteller, der die Zeitung, der er angehörte, zum Organ seiner politischen Überzeugungen machen wollte. So versuchte Orges auch immer wieder, den Verleger zu einem Programm zu bewegen, das die Zeitung vor allem als Feind Frankreichs und Freund Österreichs ausweisen sollte. Innerhalb der Redaktion war Orges' Position keineswegs unumstritten. »Ich für meine Person,« schrieb Josef Altenhöfer 1861 an Cotta, »das bekenne ich, wünsche von Herzen, daß die A.Z. wieder ein Sprechsaal werde, wie sie's gewesen ist.«122 Was hier aussieht wie ein Plädoyer für das alte Konzept der »Unparteilichkeit«, war in Wirklichkeit nichts anderes als ein Plädoyer für einen politischen Richtungswechsel. Altenhöfer paßte die großdeutsche, proösterreichische Linie seines Kollegen überhaupt nicht, und er versuchte mit der Bezugnahme auf das Unparteilichkeitskonzept, seine Position zu stärken. Cottas Antwort auf Altenhöfers Brief macht denn auch deutlich, daß es Altenhöfer weniger um die Frage des Konzeptes der »Unparteilichkeit« ging, als um die Haltung der Zeitung Preußen und Österreich gegenüber. Eine besondere Vorliebe für Österreich habe er nicht, ebensowenig wie für Preußen. Doch sei er dafür, daß Österreich bei Deutschland bleibe, schrieb Cotta und brachte anschließend selbst seinen Unmut über Orges' selbstherrliche Leitung der Zeitung zum Ausdruck: »Daß die anderen Herren der Redaktion ohne mich vorher zu hören, die Erklärung des Herrn Dr. Orges mit den gefärbten Gläsern zugelassen, daran habe ich denselben den bittersten, nie vergessenen Vorwurf gemacht.« 123 Cotta bezog sich hier auf eine öffentliche Erklärung zur Haltung der Allgemeinen Zeitung, die Orges anläßlich eines Beleidigungsprozesses, in den die Zeitung 1859 verwickelt war, abgegeben hatte. Hier legte er sein Programm der Zeitung dar, äußerte jenen später wiederholt zitierten Satz, die Allgemeine Zeitung sei kein für die Crapule, sondern ein für Staatsmänner und Diplomaten geschriebenem Blatt.124 Orges eigenwillige Politik führte 1864 schließlich zum Bruch mit Karl von Cotta, der nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1863 den Verlag übernommen hatte. Für ihn persönlich zahlte sich die österreichfreundliche Haltung, mit der er die Zeitung geleitet hatte, aus. Nach seinem Ausscheiden aus der Redaktion setzte er seine Karriere im österreichischen Staatsdienst fort, wo er bald das »Preßbüro« im Auswärtigen Amt leitete. Als Karl von Cotta 1863 die Leitung des Verlages übernahm, befand sich die Allgemeine Zeitung in einer kritischen Situation. Mit seiner Fixierung auf Österreich und dem Eintreten für eine großdeutsche Lösung hatte Hermann Orges nicht nur den Unparteilichkeitsanspruch gänzlich zu Makulatur werden lassen, sondern die Zeitung zudem auf die »falsche« Seite gefuhrt. Der schwindende Einfluß der Zeitung ist deudich am Absatz 282

ablesbar. Statt einer Auflagensteigerung, die die meisten anderen großen Zeitungen seit Anfang der sechziger Jahre verzeichneten, sank die Auflage auf bis unter 6000 Exemplare ab und fiel damit auf den Stand zurück, den sie schon in den dreißiger Jahren erreicht hatte.125 Mit der Kündigung von Hermann Orges trennte sich Cotta zwar von dem Redakteur, der die Hauptverantwortung für die Politik der Zeitung trug.126 Zu einem Neuanfang kam es dadurch jedoch nur begrenzt. Man wurde preußenfreundlicher, doch sowohl Karl von Cotta als auch Otto Braun, der 1969 Chefredakteur wurde, hielten grundsätzlich an dem Konzept der Unparteilichkeit fest, ohne es jedoch unter den inzwischen völlig veränderten Bedingungen der relativen Pressefreiheit und der organisatorischen Formierung der Parteien inhaltlich neu zu füllen. Statt das Unparteilichkeitskonzept dahingehend weiterzuentwickeln, daß es sich möglicherweise stärker in Richtung eines Konzeptes journalistischer Unabhängigkeit transformiert hätte, hieß »Unparteilichkeit« für Cotta wie für Braun weiterhin das Verfolgen einer »ausgleichenden« liberalen und nationalen Politik. Ein klares Bekenntnis zu einer der liberalen Parteien, wie dies bei anderen Zeitungen längst üblich war, sollte gleichwohl vermieden werden. Genau das forderten jedoch Brauns Redaktionskollegen. Die meisten von ihnen, wenn auch nicht alle, neigten dabei Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre den Nationalliberalen zu. Empört schrieb Otto Braun im November 1869 an Karl von Cotta, der für den Handelsteil verantwortliche Redakteur Albrecht Koch verfolge »die vor aller Welt ausgesprochene Tendenz, die Allgemeine Zeitung in die Hände der Volkspartei auszuliefern« und ihm deswegen die Leitung des Blattes zu entwinden. Koch werde von den Führern der demokratischen Partei in Stuttgart, Frankfurt und Nürnberg unterstützt. Angeblich habe er ein Angebot des Nürnberger Korrespondenten, für ein Gehalt von 1800 Gulden dort eine Stelle anzutreten, ausgeschlagen, weil er in der Allgemeinen Zeitung besser für seine Partei zu wirken hoffe. Das könne doch wohl nicht in Cottas Sinne sein: »Andernfalls hieße es, dem Programm des Gründers gänzlich untreu zu werden.«127 Als Konsequenz aus seinen formulierten oder ihm unterstellten Absichten sollte Koch nicht mehr wie bislang neben Braun und Altenhöfer als verantwortlicher Redakteur erscheinen. Geschickt empfahl sich Braun in dieser Situation erneut als Garant der »Unparteilichkeit« des Blattes, um so seine Position als alleiniger Leiter der Zeitimg abzusichern. So schrieb er an Cotta, er sorge sich um Irritationen, die möglicherweise durch die anstehenden Veränderungen in der Verantwortlichkeit bei den verschiedenen Parteien ausgelöst würden. »Wenn nämlich Herrn Koch am 1. nächsten Monats - also während des laufenden Quartals - die Unterschrift entzogen wird und dieselbe Herrn v. Gosen übertragen werden sollte, so würde es nicht ausbleiben, daß dieser plötzliche Wechsel der 283

verantwortlichen Redaction von Seiten der Volkspartei, bei welcher Hr. Koch bekanntlich sehr gut angeschrieben steht, in der Weise zu deuten versucht werden würde, als ob durch seinen Rücktritt ipso facto eine dem nationalliberalen Standpunkt sich nähernde Wandlung der Allg. Ztg. gegeben sei. Dasselbe würde sich im entgegengesetzten Sinn wiederholen, wenn am 1. Februar, also während des Laufes des nächsten Quartals Hr. Dr. Altenhöfer aus der Redaction schiede ... In diesem Falle würde in dem nationalliberalen Lager, wo Hr. Dr. Altenhöfer persona gratissima, reges Geschrei erhoben und abermals eine politische Wendung der Allg. Ztg. nach der volksparteilichen Seite hin gewittert werden.« Trotz allem sei die Bedeutung der Zeitung noch so groß, »daß alle Vorgänge innerhalb der Redaction, mögen sie noch so privater oder disziplinarer Natur sein, von den mit großer Aengstlichkeit auf sie schauenden Parteien immer in einem ihren politischen Sonderzwecken günstigen oder ungünstigen Sinne gedeutet werden.« Um allen Spekulationen vorzubauen, empfahl Braun daher, Koch und Altenhöfer auf einmal die Verantwortlichkeit zu entziehen, so daß er diese künftig alleine trüge.128 Nur zwei Jahre später wurde erneut deutlich, daß, von Braun abgesehen, das verlegerische Unparteilichkeitskonzept in der Redaktion kaum Unterstützung fand. Für ihre eigene Tätigkeit empfanden die Redakteure diesen Anspruch mehr als Belastung, denn als Herausforderung, und für die Zeitung brachte er in ihren Augen wesentlich mehr Nach- als Vorteile. Trotz der Abkehr von der rein pro-österreichischen Politik der Zeitung stagnierte die Zahl der Abonnenten weiterhin und lag Anfang 1870 bei rund 5500. 1 2 9 Auch von den Kriegsereignissen profitierte die Allgemeine Zeitung weit weniger als andere Blätter. Angesichts dieser Situation forderte Karl von Cotta im März 1871 die Redakteure auf, Vorschläge für eine Reform der Zeitung zu unterbreiten. Zum einen plädierten die Redakteure in ihren Stellungnahmen für eine Reihe von modernisierenden Maßnahmen, den Ausbau verschiedener Rubriken, die Verbesserung der Aktualität und der Schnelligkeit der Berichterstattung - bei den meisten verbunden mit der Forderung einer Standortverlegung der Zeitung - und anderes mehr. Zum anderen stellten sie insbesondere auch das Unparteilichkeitskonzept in Frage. »Eine möglichst ausgedehnte Unparteilichkeit ist allerdings schön, hat aber nur zu häufig den Uebelstand im Gefolge, daß das betr. Organ allzusehr die Physionomie ( ! ) eines Sprechsaals der Meinungen annimmt und in Folge dessen im entscheidenden Augenblick an Einfluß und Wirksamkeit verliert.« Er, schrieb der Redakteur Julius von Gosen, huldige »liberal-conservativen Grundsätzen«, und empfiehlt, diese Richtung stärker zu betonen, die, wie er meinte, »der Vergangenheit und dem Leserkreis der A.Z. vollständig« entspreche.130 Mit Georg Hirth, erst seit 1870 Redakteur der Zeitung, kam es über die

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Frage der Unparteilichkeit sogar zum Bruch mit dem Verleger. Im Zusammenhang mit der Frage der Reform der Allgemeinen Zeitung hatte Karl von Cotta noch einmal ausdrücklich das Festhalten an dem Unparteilichkeitsanspruch bekräftigt und dazu präzisiert: »Als nicht verträglich mit der Stellung eines Mitgliedes der Redaction der Allg. Ztg. erscheint die active Theilnahme am politischen Parteileben und Annahmen von Ordensverleihungen.« Eine solche Anordnung, entrüstete sich Hirth, verstoße »gegen die in allen civilisierten Staaten gewährleisteten Grundsätze.« Hätte er dies vorher gewußt, hätte er die Stelle nie angetreten. Es sei das Recht eines jeden, »ein politisches Amt zu übernehmen und fur seine Überzeugungen einzutreten.« Hirth kündigte und erklärte, er weigere sich für das Vierteljahr der Kündigungsfrist der Anordnung Folge zu leisten.131 Da beide Seiten an einer schnellen Trennung interessiert waren, endete Hirths Anstellungsverhältnis bereits sechs Wochen später. Den Austritt aus der Redaktion nutzte Hirth noch einmal zu einer ausfuhrlichen Darlegung seiner Position. Neben seinen spezifischen politischen Zielen, die im großen und ganzen darin bestanden, die Zeitung zu einem Organ der Nationalliberalen zu machen, brachte er hier noch einmal deudich zum Ausdruck, worin in seinen Augen die Funktion einer Zeitung und die Aufgabe eines Journalisten lagen. Ganz im Bewußtsein der Überlegenheit seiner Position wollte er seine Ausführungen denn auch nicht nur als Stellungnahme im eigenen, sondern als »im Interesse des Deutschen Schriftstellerstandes und der deutschen Presse überhaupt« verstanden wissen. »Was ... soll es heißen, daß sie den Mitgliedern Ihrer Redaction, volljährigen Männern, es untersagen wollen, im öffendichen Leben die Consequenzen zu ziehen, die Sie sich selbst nicht versagen konnten und wollten, indem Sie die >Allg. Ztg.< ihre heutigen Wege gehen ließen.« Hirth spielte hier auf den Kurswechsel der Zeitung zur Bismarckschen Politik an, den sie nach ihrem entschiedenen Eintreten für die großdeutsche Lösung inzwischen vollzogen hatte. »Aber finden Sie es inconsequent, daß Ihre Redacteure die liberale und nationale Tendenz Ihres Blattes durch Betheiligung an der Wahlagitation fur einen liberalen und nationalen Reichstagscandidaten ins Praktische übersetzen? Hat Ihr politisches Gewissen Sie nicht gewarnt vor einer Forderung, die an die widerlichsten Zeiten vergangener Demagogenriecherei erinnert, die, folgsam ausgeführt, in der >Allg. Ztg.< ein in civilisierten Staaten unerhörtes Eunuchentum etablieren würde. ... Verlangen Sie, anstatt Ihren Redacteuren die einfachsten staatsbürgerlichen Rechte zu verwehren, von jedem derselben ein strammes politisches Glaubensbekenntnis und die Verpflichtung auf ein klares Programm. ... Es ist nicht wahr, wenn man sagt, die >Allg. Ztg.< müßte den Mantel nach dem Wind hängen können; ihr Einfluß und ihre Bedeutung würden sich vielmehr verdoppeln, wenn Sie ... sich entschließen könnten, die augenblickli285

che Haltung des Blattes zu fixieren, und ein nachhaltiges und aufrichtiges Handinhandgehen mit den Repräsentanten der nationalen Parteirichtung anzubahnen, welche die >Allg. Ztg.< früherhin bekämpft und neuerdings begünstigt - aber auch nur >begünstigt< hat. ... Eine Presse ohne Grundsätze, ohne männliche Würde, ohne die Freiheit, ehrliche Überzeugungen ehrlich vertreten zu dürfen, ist, wie uns die jüngste Geschichte gelehrt hat, ein gefährliches Gift im Staate. Die Redaction jeder politischen Zeitung, welchen Prinzipien und Idealen sie auch dienen, sollte vielmehr die Schule politischer Charactere sein, ein Sitz gediegener politischer Wissenschaft und Weisheit, ein unantastbares Richtercollegium des öffentlichen Wohls.«132 Entscheidend fur das journalistische Selbstverständnis, das hier zum Ausdruck kommt, ist, daß das Vertreten einer politischen Überzeugung für einen Journalisten wie Hirth direkt in die Unterstützung einer politischen Partei mündete. So war es für ihn nur logisch, daß sich insbesondere im Wahlkampf sowohl die Zeitung als ganzes als auch die einzelnen Redakteure aktiv für den Kandidaten ihrer Partei einsetzten. Die Wirksamkeit einer Zeitung manifestierte sich so nicht zuletzt in dem Erfolg des Kandidaten, dessen Chancen auch von dem Maß der publizistischen Unterstützung abhingen. Eine Zeitung, die »unparteilich« sein wollte, was für Hirth nichts anderes als wankelmütig und letztlich »gesinnungslos« bedeutete, beraubte sich von vornherein der Möglichkeit, Einfluß zu gewinnen. Das »Handinhandgehen« der Zeitungen mit den Parteien war in Hirths Augen eine ideale Verknüpfung der Interessen des »öffentlichen Wohls«, der einzelnen Zeitungen und nicht zuletzt der so häufig diffamierten Journalisten. »Überzeugungstreue« war nicht nur für Hirth ein »Standesinteresse« der Journalisten. Karl von Cotta betrachtete die Ausführungen seines scheidenden Redakteurs als »Stilübung«, die er zu den Akten legte. Konsequenzen zog er daraus weder in der Hinsicht, daß er letztlich doch auf die von Hirth geforderte Linie einschwenkte und nähere Tuchfühlung zu den Nationalliberalen suchte, noch setzte er sich von dem Konzept des »Handinhandgehens« der Zeitungen mit den Parteien klar ab. Der Verlag und der Chefredakteur betrachteten die Zeitung als für das gehobene, gebildete, nationalgesinnte Bürgertum geschrieben, dem man zwar ein gewisses Meinungsspektrum, aber keine tatsächliche Meinungsvielfalt bot. Daß im Zweifelsfall der Gesichtspunkt der politischen Opportunität über die Meinungsvielfalt siegte, zeigt sich am Beispiel einer eingestellten Artikelserie, die sich durchaus kritisch mit den Zuständen im Elsaß nach der Annexion durch das deutsche Reich auseinandersetzte. Immerhin war am 30. November 1874 bereits die 17. Folge der »Elsässer Briefe« erschienen, als Braun an Cotta schrieb, er habe bisher immer viel Wert darauf gelegt, daß

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die hier »dargelegten Mißstände und Beschwerden in Berliner Regierungsund Abgeordnetenkreisen Berücksichtigung finden und den Anlaß zu einer im beiderseitigen Interesse gelegenen Verständigung bieten würden.« Nach der letzten Erklärung Bismarcks vor dem Reichstag, die sogar die Zustimmung der Fortschrittspartei gefunden habe, sei »die Diktatur« als die »den deutschen Interessen am meisten zusagende Regierungsform in Elsaß-Lothringen feierlich gerühmt und sanctioniert« worden. Die Elsässer Briefe seien daher gegenstandslos geworden, und man würde sich nur den Anschein »systematischer Opposition« geben, wenn man sie weiter veröffentlichte. Dies könne ihnen in nationalen Kreisen als »Sympathie mit reichsfeindlichen Elementen ausgelegt werden«, was in keinem Fall im Interesse der Zeitung liege.133 Den Spielraum, den der Unparteilichkeitsanspruch bot und der Beiträge wie die durchaus bemerkenswerten »Elsässer Briefe« ermöglichte, nahm man sich selbst sofort wieder. Statt eine eigene, unabhängige und tatsächlich unparteiliche Position auszubauen, entschied man sich für den Gesichtspunkt der politischen - und vermeintlich geschäftlichen - Opportunität. Erfolg hatte die Zeitung mit ihrer Linie, die keinerlei Neudefinition fand, auf Dauer nicht. In den siebziger Jahren kam es zwar noch einmal zu einem Auflagenzuwachs bis auf die Höhe von rund 8500 Exemplaren um 1878, danach jedoch ging es kontinuierlich bergab, bis in den neunziger Jahren nur noch gut 5000 Exemplare abgesetzt wurden. 134 Die Verlegung der Zeitung nach München im Jahr 1882 konnte den Niedergang ebensowenig aufhalten wie die Übernahme des Verlages durch die Gebrüder Kröner im Jahr 1889. Als Zeitungsverleger vollkommen unerfahren, konnten auch sie mit einem neuen Konzept für die Zeitung nicht aufwarten. So setzte erneut eine Diskussion um die politische Richtung der Zeitung ein, die einmal mehr deutlich macht, in welchem Maße für die Journalisten die Funktion einer Zeitung und somit auch die ihres Berufes darin bestand, politische Überzeugungen zu vertreten und zu propagieren. Der neue Chefredakteur Hugo Jacobi, der sich den Verlegern mit seinen »sehr guten Beziehungen zu den amtlichen Kreisen sowie zu einer Anzahl nationalliberaler Mitglieder des Reichstags« empfohlen hatte, unterschied sich in der Auffassung davon, was eine Zeitung und dessen leitender politischer Redakteur leisten sollten, kaum von dem Berufsverständnis, das Georg Hirth in dem Brief an Karl von Cotta dargelegt hatte. 135 Maßgeblich unter dem Einfluß Jacobis erwogen die Gebrüder Kröner ernsthaft, die Zeitung mit einer neuen Konzeption nach Berlin zu verlegen. Dem alten Unparteilichkeitsanspruch kaum mehr verbunden, beabsichtigten sie die Zeitung dort als ein freikonservatives Organ zu neuem Leben zu erwecken. Zu diesem Zweck holte man sich Rat bei einer Reihe von Journalisten. Bezeichnend an den Ratschlägen, die die verschiedensten sachkundigen 287

Hinweise zur Gestaltung einer modernen Großstadtzeitung gaben, war, daß keiner der Beteiligten den geringsten Zweifel daran äußerte, daß eine Zeitung ein klares politisches Programm brauchte. »Eine Zeitung kann nur leben von der Vertretung der lebendigen Interessen des Tages,« schrieb Johannes Prölß, ein ehemaliger Feuilletonredakteur der Frankfurter Zeitung, 1892 an Adolf Kröner und fuhr fort: »Die Allg. Ztg. hat durch Sie eine solche Aufgabe erhalten: die Vertretung der Bismarckschen Reichspolitik gegenüber dem >neuen Kurse'.«136 Den Grund für den Niedergang der Zeitung sah Prölß folglich darin, daß die Allgemeine Zeitung zuvor in den Händen der Cottaschen Familie durch das Festhalten an der »Unparteilichkeit« eine solche »Aufgabe« nicht gehabt hatte. Der Herausgeber des Magazins für Literatur und ehemalige Theaterkritiker des Berliner Tageblatts Otto Neumann-Hofer warnte Adolf Kröner zwar sehr eindringlich davor, das Blatt zu einem konservativen Organ zu machen: »Die konservativen Kreise Norddeutschlands haben erfahrungsgemäß für eine Zeitung keine große Kaufkraft.« Grundsätzlich stand aber auch für ihn nicht in Frage, daß eine Zeitung mit einem politischen Programm antreten und auf einen ganz bestimmten Leserkreis zielen mußte: »Die Frage: Für welches Publikum muß das Blatt gemacht werden? beantworte ich mithin im Allgemeinen: Für das gebildete und liberale Publikum.« Von der Vorstellung, für ein bestimmtes, möglichst gebildetes Publikum zu schreiben, konnten sich die Journalisten nur schwer lösen. So wies Neumann-Hofer den Verleger der Allgemeinen Zeitung zwar unmißverständlich darauf hin, daß er sich den Bedingungen der modernen Presse anpassen müsse: »Was die Notizen im Allgemeinen betrifft, so muß der Grundsatz sein: Sich von keinem Blatt in Schnelligkeit der Berichterstattung schlagen zu lassen. Ein anderer Standpunkt ist heute selbstmörderisch. Ein Tageblatt nach den Prinzipien einer Vierteljahrschrift redigieren, heißt heute nicht mehr vornehm sein, sondern komisch werden.« Eine explizite politische Ausrichtung einer Zeitung erschien Neumann-Hofer zumindest fur ein ernstzunehmendes politisches Organ - trotz des notwendigen Tributs an die geänderten Verhältnisse in der Presse weiterhin für unverzichtbar. 137 Zu einer Verlegung des Blattes nach Berlin kam es letztlich nicht. Der Chefredakteur Hugo Jacobi ging zunächst als ständiger Korrespondent der Zeitung nach Berlin, wo er von 1894 zu den Berliner Neuesten Nachrichten wechselte und dort die Politik betrieb, die ihm zuvor für die Allgemeine Zeitung vorgeschwebt hatte. Nachfolger Jacobis wurde Christian Petzet, der 1876 von der Schlesischen zur Allgemeinen Zeitung gewechselt war. Petzet, der in Breslau Gründungs- und Vorstandsmitglied der örtlichen Nationalliberalen Partei gewesen war, leitete die Zeitung nun eindeutiger in dieser Richtung, ohne daß sie dadurch neues Profil gewann. 1908 288

wandelte der Verlag die Zeitung in ein Wochenblatt um, 1929 ging sie schließlich ganz ein. Zu einer Art von deutscher Times entwickelte sich das renommierte Blatt des Cottaschen Verlages nicht, auch wenn beide Blätter in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus vergleichbar waren. Die Position, die sowohl die Times als auch die Allgemeine Zeitung in dieser Zeit einnahmen, beruhte in erster Linie auf den engen Kontakten zu Regierungskreisen und dem daraus resultierenden Informationsvorsprung anderen Blättern gegenüber. Daß im Falle der Allgemeinen Zeitung die Regierung, zu der sie diese Kontakte unterhielt, in einem anderen Staat ansässig war als die Zeitung, bedeutete zunächst nur einen marginalen Unterschied. Erst als sich abzeichnete, daß eine großdeutsche Lösung nicht mehr zu realisieren war, änderte sich die Situation für die Allgemeine Zeitung in zweifacher Hinsicht. Zum einen war ihre Politik gegenstandslos geworden, zum anderen kam ihr damit auch ihre wichtigste Informationsquelle abhanden. Während die Times ihre Position in der Nähe der Macht halten und dahingehend ausbauen konnte, daß sie, begünstigt durch das bipolare Parteiensystem, eine relative Unabhängigkeit erreichen konnte, büßte die Allgemeine Zeitung ihre Position völlig ein. So waren die Voraussetzungen in dieser Hinsicht, abgesehen von den zusätzlich erschwerenden presserechtlichen Problemen, fur die Allgemeine Zeitung zweifellos ungleich schlechter, eine ähnliche Rolle wie die englische Times zu spielen. Auf der anderen Seite war die Allgemeine Zeitung, anders als die Times, von vornherein mit einem Unparteilichkeitsanspruch angetreten. An den internen Diskussionen zeigt sich jedoch deutlich, daß es weder seitens der Redakteure noch seitens der Verleger Ansätze dazu gab, den Unparteilichkeitsanspruch zu einem offensiven journalistischen Konzept auszubauen. Für die Journalisten wurde der Anspruch mehr und mehr zu einer ärgerlichen Einschränkung ihrer Tätigkeit. Eine eigenständige journalistische Position bildete der Unparteilichkeitsanspruch auch für die Redakteure nicht, die ihn, wie der langjährige Chefredakteur Otto Braun, dem Verlag und den Redaktionskollegen gegenüber zu verteidigen vorgaben, um ihre Position innerhalb der Redaktion zu sichern. Seitens des Verlages degenerierte das ursprüngliche Konzept immer mehr zu einem längst hohl gewordenen Traditionserhalt. Für Johann Friedrich von Cotta, den Gründer der Zeitung, war der Anspruch auf »Unparteilichkeit« eng mit dem Bemühen verbunden gewesen, möglichst reichhaltiges Nachrichtenmaterial über eigene Korrespondenten zu erhalten. Im Laufe der Zeit diente das Konzept vor allem dazu, anpassungsfähig an die sich wandelnden Rahmenbedingungen zu bleiben. Auf diese Weise schaffte es die Zeitung zwar, sich unter den restriktiven Bedingungen des Vormärz zu behaupten. Der Unparteilichkeitsanspruch geriet damit jedoch 289

immer mehr zu einem Defensivkonzept, mit dem die Zeitung mehr reagierte als agierte. Von dem innovativen Gehalt des Gründungskonzeptes war unter Karl von Cotta nicht mehr viel Übriggeblieben. Die Gebrüder Kröner legten es schließlich ganz ab. So entwickelte die Zeitung aus dem Unparteilichkeitsanspruch weder ein Konzept, das dem Anspruch nahegekommen wäre, als »Fourth Estate« aufzutreten, wie ihn die Times seit Mitte des 19. Jahrhunderts stellte, noch schlug man die Richtung des französischen Matin ein, der Ende des 19. Jahrhunderts zeitweise tatsächlich als ein Meinungsforum fur unterschiedliche politische Parteien fungierte. Die Allgemeine Zeitung blieb ein durch und durch von einem akademischen Journalismus geprägtes Blatt, das seinem Charakter nach im ausgehenden 19. Jahrhundert in der Tat einer Vierteljahrsschrift näherkam als einer modernen Tageszeitung.

2.3. Journalisten und Parteimilieus Die Augsburger Allgemeine Zeitung bildete von ihrer verlegerischen Konzeption her eine Ausnahme unter den deutschen Zeitungen. Das Selbstverständnis der Redakteure aber, die diese Konzeption nur halbherzig oder gar nicht trugen, war umso typischer, und zwar nicht nur für deutsche Journalisten. In den Phasen der Konstituierung der Parteien zeichnete sich die journalistische Elite sowohl in Frankreich als auch in den USA - ungeachtet der sehr unterschiedlichen Entwicklung, die die Presse und das journalistische Selbstverständnis dort später nahmen - durch engagierte Parteinahme aus. In Deutschland schränkten die Zensur und andere Maßnahmen gegen die Pressefreiheit die Möglichkeiten zu derartigem Engagement lange Zeit stark ein. Die Allgemeine Zeitung hatte - zunächst mit Erfolg, dann mit zunehmendem Mißerfolg - versucht, aus dieser Not eine Tugend zu machen, indem sie sich fur »unparteilich« erklärte. Die meisten der dort tätigen Redakteure hätten eine aktivere Rolle der Zeitung sowie ihrer selbst in der politischen Auseinandersetzung und eine engere Verbindung des Blattes zu einer Partei gewünscht. Möglich wäre sie mindestens seit Ende der fünfziger Jahre, mit einigem Geschick aber wohl auch schon vorher gewesen. So sehr die rechtlich-politischen Rahmenbedingungen in Deutschland das publizistische Engagement auch behinderten und retardierten, war doch auch hier das Entstehen der unterschiedlichen politischen Bewegungen untrennbar mit publizistischer Aktivität verschmolzen. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. In der Parteienforschung wird die große Bedeutung der Zeitungen für die Entstehung und Entwicklung der Parteien zwar gesehen, doch werden sie in erster Linie als Mittel betrachtet, die Parteiideologie und entspre290

chende Informationen an das Publikum weiterzugeben. Die Zeitungen erscheinen dabei häufig lediglich als direkt oder indirekt verfugbare Instrumente der Parteien: »Die Parteien erkennen die Bedeutung der Presse für ihre Aufgaben, gründen Zeitungen, kaufen Zeitungen, beeinflussen Zeitungen in ihrem Sinne, indem sie ihnen Material zukommen lassen.« So schrieb Ludwig Bergsträsser in dem zwei Seiten umfassenden Kapitel zur politischen Presse innerhalb seiner »Geschichte der politischen Parteien in Deutschland«.138 Es ist jedoch zu fragen, ob eine solche Sichtweise nicht die Bedeutung der Zeitungen für die Konstituierung der Parteien selbst verkennt. Am französischen Beispiel war zu sehen, daß viele wichtige »Parteizeitungen« weit mehr waren als einfache Mitteilungsorgane der Parteien. Sie bildeten sowohl auf der nationalen als auch auf der lokalen politischen Ebene organisatorische Zentren der Parteien, so daß der von Tudesq auf die Zeitungen bezogene Terminus des »lieu de sociabilité« durchaus angemessen ist. In welchem Maße lassen sich auch deutsche Zeitungen in gleicher Weise als Orte politischer »sociabilité«, als politische »Gemeinschaftlichkeit herstellende Orte« verstehen und beschreiben? Damit ist nicht zuletzt nach der personellen Verbindung zwischen Politik und Presse gefragt, die sich in Frankreich in besonders ausgeprägter Form fand. Auf nationaler Ebene bietet sich hier zunächst ein Blick auf die Zusammensetzung der Parlamente an. Die vergleichsweise geringe Zahl von rund 30 bis 40 Journalisten und Schriftstellern in der Paulskirche ist angesichts der Zensurverhältnisse nicht erstaunlich.139 Wie aber sah es für den Reichstag zwischen 1867 und 1918 aus? Nimmt man die Berufsangaben in Max Schwarz' Biographischem Handbuch der Reichstage als Basis, ergibt sich eine Zahl von 133 als Redakteure, Schriftsteller, Publizisten und Journalisten verzeichneter Personen. Sicherlich sind diese Angaben nicht ganz genau. Für manche, wie etwa den Chefredakteur der Posi, Wilhelm Kropatschek, ist der Beruf verzeichnet, den sie ursprünglich ausgeübt hatten. Doch selbst wenn man neben diesen auch jene hinzuzählt, die wie viele SPD-Abgeordnete zeitweilig als Journalisten tätig waren, aber nicht als solche verzeichnet sind, bleibt die Zahl aktiver oder ehemaliger Journalisten unter den Reichstagsabgeordneten vergleichsweise gering. Großzügig geschätzt, dürften dies kaum mehr als 250 der insgesamt knapp 2800 Abgeordneten gewesen sein, von denen mindestens die Hälfte in den Reihen der SPD zu finden war.140 Zur Erinnerung: in Frankreich spielte bei rund einem Drittel der Abgeordneten der Dritten Republik die Tätigkeit in der Presse für ihre politische Karriere eine maßgebende Rolle. Der enorme Unterschied ergibt sich weniger durch die Zahl der aktiven Journalisten in den jeweiligen Parlamenten als dadurch, daß eine zeitweilige journalistische Betätigung für künftige Abgeordnete in Frankreich weit häufiger war als in Deutschland. Bedenkt man zudem, daß sich hier unter den 291

führenden Persönlichkeiten der jeweiligen Parteien nur sehr wenige befanden, die publizistisch tätig oder einflußreich waren - Ludwig Bamberger, Eugen Richter oder Wilhelm Liebknecht wären etwa zu nennen - , wird noch deutlicher, daß auf der gehobenen politischen Ebene die Verbindung zwischen Presse und Politik in Deutschland bei weitem nicht so eng war wie in Frankreich. Wenn Hermann Poschinger berichtet, man habe auf der Suche nach geeigneten Journalisten fiir die Einladung zu Bismarcks parlamentarischen Soiréen unter den Abgeordneten niemanden gefunden, der persönlich einen Journalisten kannte, wirft dies ein Schlaglicht auf die unterschiedlichen Verhältnisse in Deutschland und Frankreich, wo das kaum hätte passieren können. 141 Was den personellen Austausch zwischen Politik und Presse angeht, war der Unterschied zwischen den einzelnen Parteien, wie bereits angemerkt, enorm. Bei keiner anderen Partei waren Partei- und Pressearbeit auch nur annähernd so eng miteinander gekoppelt wie bei der SPD. In allen liberalen Fraktionen und Gruppierungen zusammen saßen über den gesamten Zeitraum hinweg kaum 50 Abgeordnete, die in größerem Umfang journalistisch tätig waren oder gewesen waren. Bei dem zentralen Stellenwert, den das Prinzip der Pressefreiheit fur die Liberalen einst hatte, muß das, insbesondere im Vergleich zu Frankreich, erstaunen. Vor allem unter den nationalliberalen Abgeordneten war die Zahl der Journalisten denkbar gering: Von insgesamt 2184 nationalliberalen Abgeordneten im Reichstag und in den Einzellandtagen wurden nur 18 als Schriftsteller gefuhrt. 142 Daß der Aufstieg konservativer Abgeordneter nur im Ausnahmefall über die Presse verlief, ist dagegen leichter verständlich. Die Zahl der Journalisten in der konservativen Reichstagsfraktion lag so auch unter, beim Zentrum knapp über 10. Die übrigen Journalisten, Publizisten und Schriftsteller waren fraktionslos oder verteilten sich auf die übrigen kleineren Parteien. Ein gewisses Linksrechts-Gefalle in bezug auf die Intensität des journalistischen Engagements der Abgeordneten gab es auch in Frankreich, jedoch nicht in dem Maße wie in Deutschland.143 Bliebe man auf dieser Ebene stehen, müßte man davon ausgehen, daß Journalisten insbesondere beim Aufbau der liberalen Parteien kaum eine Rolle gespielt haben. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man den Blick auf die regionale und lokale Ebene wendet. Anhand einiger ausgewählter Zeitungen soll, differenziert nach politischen Richtungen, im folgenden gezeigt werden, daß auf dieser Ebene die Entstehung der Parteien sehr wohl in enger Verbindung mit der Presse stattfand und die Rolle der Zeitungen und der Journalisten über die bloßer Instrumente der Parteien hinausging. Das Ziel dabei kann nicht sein, die Funktion der Zeitungen aus der Perspektive der Parteien zu beschreiben, obwohl sich hier in bezug auf alle Parteien ein weites unbearbeitetes Feld eröffnet. 144 Vielmehr soll aus 292

dem Blickwinkel der Journalisten dargestellt werden, wie sie ihre Rolle in bezug auf die Parteien und das Publikum definierten und welche journalistische Praxis daraus resultierte. Zuvor ist noch eine Anmerkung zu dem Begriff »Parteipresse« nötig. In der Pressegeschichtsschreibung wird häufig zwischen zwei Formen von Parteiorganen unterschieden: solche, »die von den Parteiorganisationen«, und solche, »die von Mitgliedern zur Unterstützung der Organisation, aber sonst unabhängig von ihr verbreitet werden.«145 Eine derartige Unterscheidung setzt jedoch erstens bereits bestehende Organisationen voraus. Zweitens wird auf diese Weise suggeriert, es gäbe eine Möglichkeit, »abhängige« und »unabhängige« Parteizeitungen sauber voneinander zu trennen. Nicht als Parteizeitungen im engeren Sinne, sondern als »Parteirichtungszeitungen« erscheinen insbesondere die liberalen Zeitungen. 146 So entsteht der Eindruck, liberale Zeitungen hätten ihre politische Färbung ähnlich wie heutige Zeitungen - nur grob erkennen lassen, indem sie vor allem nicht konservativ, nicht zentrumsnah und nicht sozialdemokratisch waren. Nipperdey spricht etwa in bezug auf die katholischen und sozialdemokratischen Organe von »Milieuzeitungen«, so daß die liberalen Zeitungen dagegen unausgesprochen als »normal« und nicht spezifisch milieugebunden erscheinen. Auch wenn die liberalen Zeitungen zunächst gegenüber den Zeitungen anderer politischer Richtungen in bezug auf Anzahl und Auflage deutlich dominierten, ist diese Gegenüberstellung von den »normalen« - liberalen - Zeitungen einerseits und den milieugebundenen Zeitungen andererseits falsch. Aus vielen Formulierungen in liberalen Zeitungen geht vielmehr hervor, daß die Journalisten in ihrer Leserschaft kein anonymes Publikum, sondern primär Gleichgesinnte, also Anhänger der liberalen Parteien sahen. Nicht zuletzt zeigen die Auflagenzahlen, daß die traditionellen liberalen Zeitungen lange Zeit kaum wesentlich über den Kreis einer bürgerlichen Leserschaft hinauskamen. a) Die liberale Presse. Im Jahr 1914 schrieb der ehemalige Chefredakteur des Hannoverschen Courier, Richard Jacobi, anläßlich einer historischen Ausstellung zum deutschen Zeitungswesen einen kurzen Überblicksaufsatz zur »Geschichte und Bedeutung der nationalliberalen Presse«.147 Er lieferte darin eine Art »invented tradition«, indem er die beiden wichtigsten Stränge der Zeitungsgeschichte zu den Traditionslinien der nationalliberalen Presse machte: Zum einen reihte er die kurzlebigen, im weitesten Sinne liberalen Zeitungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Rheinischen Merkur, mit dem Josef Görres 1814 Furore machte, bis zur Rheinischen Zeitung, der Karl Marx 1 8 4 2 / 4 3 seinen Stempel aufdrückte, in die Ahnenreihe der nationalliberalen Presse ein. Zum anderen zählte er eine ganze Reihe der bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückreichenden 293

Zeitungen dazu, die lange Zeit als farblose, durch Privilegien an die Regierungen geketteten »Nachrichtenblätter« existiert hatten und im Lauf der Zeit nationalliberal geworden waren. An dem Überblick über die liberale Presse des 19. Jahrhunderts fällt insbesondere im Vergleich mit Frankreich auf, daß nur in relativ geringer Zahl Zeitungen gegründet worden sind, die von vornherein mit dem Ziel der Unterstützung einer der liberalen Gruppierungen oder Parteien antraten. Wie läßt sich dies erklären, wenn Richard Jacobi dennoch auf eine Erfolgsgeschichte der nationalliberalen Presse zurückschauen konnte? Auf welche Weise wurden die Zeitungen zu Organen der nationalliberalen Partei, als die Jacobi sie präsentiert? Was genau ist darunter zu verstehen, und welche Rolle spielten die Journalisten in diesem Prozeß? Es wäre müßig, darüber zu streiten, welche unter der Vielzahl der kurzlebigen vormärzlichen Blätter als Vorläufer der liberalen oder gar nationalliberalen Parteipresse gelten sollten. Fragt man nach frühen periodischen Publikationen, die auf der Basis eines kollektiv formulierten Programms beruhten, ließen sich etwa die zwischen 1815 und 1819 von den Kieler Professoren Dahlmann, Welcker, Falck, Twesten und anderen herausgegebenen Kieler Blätter oder der 1832 gegründete Freisinnige nennen, mit dem Rotteck und Welcker sich und der liberalen badischen Kammerfraktion ein Organ verschafften. Als erste »professionell« geplante und redigierte liberale »Parteizeitung«, die zudem auf das Gebiet des gesamten Deutschen Bundes ausgerichtet war, kann die 1847 gegründete Deutsche Zeitung gelten.148 Ein Großteil der Mitarbeiter um Gottfried Gervinus, Karl Mathy und Karl Joseph Mittermaier schlossen sich 1848 der »Casino-Fraktion« an, zu deren Organ die Zeitung faktisch wurde. Gut zwei Jahre später, im September 1850, ging das Blatt ein, nachdem die Abonnentenzahl von 4000 auf 1700 gesunken war und es nach dem Scheitern der Revolution, das nicht zuletzt das Scheitern der von der Deutschen Zeitung vertretenen Linie bedeutete, niemanden mehr gab, der Interesse an der Weiterfuhrung der Zeitung gehabt hätte. Zu einer der wichtigsten liberalen Zeitungen des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die 1848 in Berlin gegründete Nationalzeitung. Anders als das Gros der Blätter, die Jacobi in dem zitierten Aufsatz später zu den nationalliberalen Zeitungen zählte, war die Nationalzeitung eine der ganz wenigen liberalen Organe, die von einer Gruppe, dem sog. »Komitee für die Redaktion der National-Zeitung«, gegründet wurde und von vornherein mit einem liberalen Programm antrat. Zu den wichtigsten Mitgliedern des Komitees gehörten der erste Chefredakteur der Zeitung Adolf Rutenberg, der Verlagsbuchhändler und spätere Mitgründer des Nationalvereins Franz Duncker, der Pädagoge Friedrich A. W. Diesterweg, der Berliner Stadtrat und spätere Abgeordnete der Fortschrittspartei Heinrich Runge, 294

der Privatdozent, Journalist und Abgeordnete der Nationalversammlung Karl Nauwerck sowie Bernhard Wolff, dessen ebenfalls 1848 gegründetes Wolffsches Telegraphenbüro neben Reuter und Havas bald zu den drei wichtigsten europäischen Nachrichtenbüros zählte. Das Komitee legte die Programmatik der Zeitung fest und gründete eine Aktiengesellschaft, in deren Besitz die Zeitung zunächst war.149 Als Chefredakteur wurde Adolf Rutenberg nach Auseinandersetzungen mit dem Komitee bald durch Friedrich Zabel abgelöst.150 Über die Person Zabels, der die Zeitung bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1875 leitete, bildete die Nationalzeitung eines der wenigen institutionellen oder organisatorischen Kontinuitätselemente der liberalen Bewegung zwischen der 48er Revolution und der Gründung des Nationalvereins. Neben Friedrich Zabel gehörte Franz Duncker aus dem 48er Verwaltungsrat der Nationalzeitung zu den Gründungsmitgliedern des Nationalvereins. Mit der Berliner Volkszeitung, der Nachfolgerin der ebenfalls 1848 gegründeten Urwählerzeitung, war Duncker seit 1853 jedoch im Besitz einer eigenen Zeitung.151 In der Folgezeit repräsentierten Zabel und Duncker, der eine als Chefredakteur der Nationalzeitung, der andere als Verleger der Berliner Volkszeitung, die beiden zunehmend auseinanderdriftenden Flügel des Nationalvereins beziehungsweise der Deutschen Fortschrittspartei.152 Friedrich Zabel, der sich auf den rechten Flügel schlug und die Gründung der Nationalliberalen Partei mit vorantrieb, verkörpert somit jenen Typ eines Journalisten, für den politisches Engagement und journalistische Arbeit eine unauflösliche Einheit bildeten. Was Zabel allerdings von einem Chefredakteur oder directeur politique einer ähnlich exponierten Pariser Zeitung unterschied, ist der Umstand, daß Zabel weit davon entfernt war, zu den fuhrenden Persönlichkeiten der Liberalen zu gehören. Er war nicht einmal Abgeordneter, geschweige denn, daß er »ministrable« gewesen wäre, so wie es Gambetta von den Journalisten voraussetzte, die er fur die Redaktion der République Française rekrutierte. Auch wenn Zabel vielleicht tatsächlich nicht das Zeug für eine politische Karriere hatte, gilt dann umgekehrt, daß sich in Paris jemand dieses Zuschnitts kaum über 25 Jahre als Chefredakteur einer herausragenden politischen Tageszeitung hätte halten können, wenn er es überhaupt geworden wäre. Auf der anderen Seite war Zabel sowohl von seinem Selbstverständnis als auch von dem tatsächlichen ihm zur Verfügung stehenden Spielraum her ganz sicher mehr als ein Schreiberling, der seine Feder einem bestimmten Parteiflügel beziehungsweise einer Partei zur Verfügung stellte. In einem Aufsatz zur Geschichte der Nationalzeitung schreibt der Verfasser, Zabel habe es verstanden, »den politischen Kurs der Nationalzeitung flexibel zu halten und ihre Unabhängigkeit auch nach dem Anschluß an die Deutsche Fortschrittspartei bzw. später an die Nationalliberale Partei zu wahren.«153 295

Ähnlich wie in dem oben erwähnten Nachruf dem verstorbenen Journalisten Thomas Arens die Qualität eines »ehrlichen Parteimanns« zugeschrieben wurde, handelt es sich auch hier in erster Linie um eine Zuschreibung, die über den Weg von Nachrufen, Jubiläumsartikeln und ähnlichem als scheinbares Faktum in die Historiographie der Zeitung gelangt ist. Weniger wichtig als die Frage, wie abhängig oder unabhängig Zabel tatsächlich war, ist die Tatsache, daß zu der Qualität des »ehrlichen Parteimannes« die der »Unabhängigkeit« hinzukommen mußte, um einen Journalisten nicht als willfährigen Schreiberling erscheinen zu lassen. Eine äußere Abhängigkeit der Zeitung von der Fortschritts- beziehungsweise später von der Nationalliberalen Partei in Form finanzieller Unterstützung bestand tatsächlich nicht. Inwieweit Bernhard Wolff, in dessen alleinigem Besitz die Zeitung sich seit Mitte der fünfziger Jahre befand, die Politik seiner Zeitung und seines Chefredakteur beeinflußte, läßt sich nicht beantworten. In anderem Zusammenhang bin ich bereits auf die Frage der Einflußnahme der Verleger auf die Politik ihrer Zeitung eingegangen.154 Dort habe ich auch zu begründen versucht, daß es jedoch kaum vorstellbar ist, daß ein Chefredakteur über Jahre hinweg gegen seine Überzeugung den Weisungen seines Verlegers folgte. So wird man zumindest bei längerwährenden Beschäftigungen von einem weitgehenden Konsens zwischen Verlegern und Redakteuren ausgehen dürfen, unabhängig davon, in welchem Maße der Verleger überhaupt Anteil an der politischen Haltung der Zeitung nahm oder sie zu bestimmen beanspruchte. Ohnehin brauchte ein Journalist, wie vor allem am Beispiel der offiziellen und konservativen Zeitungen genauer zu zeigen sein wird, einen gewissen Spielraum, um sein Blatt einigermaßen erfolgreich zu gestalten. So war es auch für Redakteure, die sich in so enger Tuchfühlung mit einer Partei befanden, wie Friedrich Zabel es tat, nicht schwer, Parteilichkeit und Unabhängigkeit in ihrem subjektiven Selbstverständnis zu vereinbaren. Wenn auch der Anspruch auf »Unparteilichkeit« in die Nähe der Gesinnungslosigkeit gerückt war, so eignete sich eine Parteiabhängigkeit als Aushängeschild einer Zeitung ebensowenig, so daß sich eine »unabhängige Parteilichkeit« als das Selbstverständnis kennzeichnen läßt, das sich bei vielen liberalen Journalisten herauskristallisierte. Die Nationalzeitung blieb fur lange Zeit die einzige erfolgreiche liberale Zeitung, die explizit mit dem Anspruch der Unterstützung der liberalen Bewegung angetreten war. Selbst die Gründung des Nationalvereins verlief ohne eine besondere, aus dem Zentrum der Bewegung hervorgehende publizistische Unterstützung oder Begleitung. Eine Zeitung, die, sei es im Vorfeld, sei es im Anschluß an die Gründung des Vereins, als kommunikatives Bindeglied zwischen dem engeren Führungskreis, den Mitgliedern und der Anhängerschaft gedient hätte, existierte nicht. Zwar gab es 296

durchaus Überlegungen zur Gründung einer Zeitung, die die Politik des Nationalvereins nach außen repräsentieren sollte. Die Diskussion darum sowie deren Ergebnis, die Gründung der Wochenschrift des Nationalvereins, offenbaren jedoch an der Spitze der liberalen Bewegung in Deutschland ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Verhältnis von Presse und Politik, als es in Frankreich anzutreffen war. Zwar war einer Reihe der fuhrenden Liberalen die publizistische Tätigkeit nicht fremd. Auch in Tageszeitungen meldeten sie sich gelegentlich zu Wort. So lieferten etwa Ludwig Bamberger, Eduard Lasker oder Heinrich B. Oppenheimer in den fünfziger Jahren wiederholt Beiträge für die Nationalzeitung. Die langwährende und massive Einschränkung der Pressefreiheit im Vormärz und in den fünfziger Jahren hatten jedoch die Entstehung einer Symbiose von publizistischer und politischer Tätigkeit weitgehend verhindert. Während sich noch im Vormärz in dem Begriff Pressefreiheit nahezu sämtliche liberalen Wunschvorstellungen gebündelt hatten, verlor der Begriff zudem nach der 48er Revolution stark an symbolischer Anziehungskraft. Vielen Liberalen war der »Mißbrauch« der Pressefreiheit schon zu weit gegangen. Die Hoffnungen, die in den Wegfall der Zensur gesetzt worden waren, hatten sich hingegen kaum erfüllt. Die begrenzte Möglichkeit zu journalistischer Tätigkeit einerseits sowie der Verlust der Anziehungskraft der Presse andererseits trugen zweifellos dazu bei, daß das publizistische und journalistische Engagement unter den fuhrenden Liberalen eher schwach war. Vielleicht wirkte nicht zuletzt das klägliche Ende der Deutschen Zeitung abschreckend auf mögliche Nachfolgeprojekte. Jedenfalls gab es niemanden, der sich auf eigene Faust oder zusammen mit Gleichgesinnten zu der Gründung einer Zeitung entschlossen hätte. So zog sich die Diskussion um die Schaffung eines offiziellen Organs des Nationalvereins bis zum März 1860 hin, als bei einer Zusammenkunft des Vereins beschlossen wurde, eine ausschließlich an das höhere Bürgertum gerichtete Wochenschrift herauszugeben. 155 Der Nationalverein bildete zudem zwar einen Presseausschuß, der Einfluß auf die Tagespresse ausüben sollte. Doch kann auch dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß die publizistischen Aktivitäten, die von der Spitze des Nationalvereins ausgingen, alles andere als üppig waren. Hält man sich das symbiotische Verhältnis von Presse und Politik in Frankreich vor Augen, muß es als erstaunlich erscheinen, daß weder die Gründung des Nationalvereins noch die späteren Gründungen der verschiedenen liberalen Parteien besondere publizistische Vorbereitung oder Begleitung in Form von neu geschaffenen Publikationsorganen fanden. Gerade wenn man den schwachen Organisationsgrad französischer Parteien daneben hält, zeichnen sich fur Deutschland und Frankreich für die liberale Bewegung zwei unterschiedliche Modelle der politischen Soziabilität ab. Während in Deutschland der organisatorische Zusammenschluß in 297

Vereinen und Parteien die maßgebliche Rolle spielte, kam in Frankreich offenbar den Zeitungen eine weit wichtigere Funktion für die Konstituierung politischer Soziabilität zu. Wenn man die Spitze der liberalen Bewegung in beiden Ländern gegenüberstellt und das publizistische Engagement der jeweiligen politischen Protagonisten miteinander vergleicht, spielten in Frankreich die Zeitungen für die Konstituierung der liberalen Parteien zweifellos eine wichtigere Rolle. Nicht zuletzt am Beispiel der Kandidatenaufstellung wurde, wie oben gesehen, die zentrale Rolle der französischen Zeitungen deutlich. Blickt man jedoch auf die lokale Ebene, entdeckt man, daß auch in Deutschland den liberalen Zeitungen oftmals mehr als nur eine Sprachrohrfunktion für die Partei zukam. Auch ohne gezielte Einflußnahme von der Spitze der liberalen Bewegung identifizierte sich bald ein erheblicher Teil zumindest der größeren und mittleren, ehemals vermeindich »unparteilichen« Zeitungen mit den Zielen des Nationalvereins. Dabei handelte es sich nicht nur, wie Georg Hirth es dem Verleger der Allgemeinen Zeitung vorgehalten hatte, um eine vage »Begünstigung« der Liberalen. Vielmehr erklärten sich die Zeitungen selbst vielfach als »Organe« des Nationalvereins beziehungsweise der Fortschritts- oder Nationalliberalen Partei. Für das Selbstverständnis der liberalen Journalisten ist wichtig, daß diese explizite Parteinahme auf der eigenständigen Entscheidung der Verleger und der Redakteure beruhte. Die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für die Presse Ende der fünfziger Jahre ließ es für viele liberal gesonnene Journalisten ganz selbstverständlich erscheinen, sich eindringlich für die Ziele der liberalen Organisationen einzusetzen, und zwar sowohl publizistisch als auch zum Teil durch direktes persönliches Engagement in den entstehenden lokalen Vereins- und Parteigliederungen. Die Umwandlung der ehemals zur politischen Zurückhaltung gezwungenen, »unparteilichen« Zeitungen in Organe der liberalen Parteien, an deren lokalem Aufbau die Journalisten nicht selten selbst beteiligt waren, läßt sich in einer Reihe von Städten verfolgen. Den Weg einer Zeitung, die mit dem Anspruch auf »Unparteilichkeit« angetreten war und zum selbsternannten Parteiorgan wurde, ging unter anderem der Hannoversche Courier, deren Chefredakteur lange Jahre Richard Jacobi, der Verfasser des oben zitierten Aufsatzes zur Geschichte der nationalliberalen Presse, war. Hierin stellte Jacobi den Hannoverschen Courier neben die Nationalzeitung und die Münchner Neuesten Nachrichten als eine der wichtigen liberalen Zeitungsgründungen von 1848. Die Traditionslinie des Hannoverschen Couriers glättete er damit ein wenig. 1849 hatte Theodor Althaus die Bremer Zeitung nach Hannover verlegt und dort als Zeitung für Norddeutschland weitergeführt. Diese fusionierte 1872 mit dem Hannoverschen Courier, da sich beide als den Nationalliberalen nahestehende Blätter gegenseitig Konkurrenz machten. Als der Hannoversche 298

Courier 1854 gegründet wurde, hörte sich das Programm noch ganz anders an. Unter der Überschrift »Was wir wollen« hieß es: »In der großen und täglich wachsenden Menge des lesenden Publikums hat sich immer lauter und dringender das Bedürfnis ausgesprochen, in der jetzigen, so ereignisreichen Zeit ein Organ zu haben, das fern von jedem Parteistandpunkte in kurzen, kräftigen Zügen die Thatsachen herausgreift.« Daher werde man auch keine großen Leitartikel oder ermüdende Polemik bringen.156 Mit ähnlicher Programmatik traten die seit dem Ende der siebziger Jahre gegründeten Generalanzeiger an die Öffentlichkeit. Als sich das politische Klima Ende der fünfziger Jahre für die Presse verbesserte, gab der Hannoversche Courier den Anspruch auf Unparteilichkeit jedoch schnell auf und ergriff offen Partei fur die Ziele des Nationalvereins. Dieser rasche Verzicht auf die angekündigte Haltung »fern jeden Parteistandpunktes« macht deudich, daß dieser zunächst erhobene Anspruch allein den politischen Rahmenbedingungen gehorchte. Ein journalistisches Selbstverständnis, das auch unter freieren Bedingungen hätte Bestand haben können, kam darin nicht zum Ausdruck. Besser als dem Hannoverschen Courier gelang es zunächst der Zeitung für Norddeutschland, sich im liberalen Milieu der Stadt zu verankern. Auch diese hatte, nachdem sie sich durch ihren Redakteur Theodor Althaus in den Jahren 1848/49 als linksliberales Blatt profiliert hatte, in den fünfziger Jahren politisch zurückstecken müssen. Als die Zeitung 1852 mit der Hannoverschen Presse fusionierte, erklärte man, dies sei geschehen, um »die größeren unabhängigen Blätter zu stärken«. Gegenüber einem offenen liberalen Bekenntnis war dies ein Rückzug, doch meinte »Unabhängigkeit« hier nicht dasselbe wie »Unparteilichkeit«.157 Die »Unabhängigkeit«, die die Zeitung für Norddeutschland hier für sich reklamierte, war vor allem auf die Stellung zur Regierung bezogen und konnte somit durchaus als synonym für »liberal« gelesen werden. Bei anderen liberalen Zeitungen der 48er Revolution wie etwa der Kölnischen Zeitung findet sich in den fünfziger Jahren der gleiche Anspruch auf »Unabhängigkeit«. Seit Ende der fünfziger Jahre stellte sich auch die Zeitung für Norddeutschland nicht nur hinter die Ziele des Nationalvereins, sondern verstand sich ausdrücklich als dessen »Organ«. Eine weitere Fusion der Zeitung mit einem Konkurrenzblatt im Jahr 1867 nutzte sie für eine Selbstdarstellung. Die Zeitimg sei nunmehr, erklärte man selbstbewußt, »seit fast 20 Jahren das anerkannte Organ der nationalen und liberalen Partei«.158 Ohne daß ein äußeres Abhängigkeitsverhältnis bestanden hätte, definierte sich die Redaktion mit ihrer Zeitung ganz selbstverständlich als »Organ« der Partei, mit der sie personell eng verbunden war. Einen Einblick in die Verhältnisse bietet der Schriftsteller und Journalist Friedrich Spielhagen, der 1860 nach Hannover kam, um eine Stelle als Feuilletonredakteur der 299

Zeitung für Norddeutschland anzutreten. In seinen Erinnerungen berichtet er, wie er, der selbst eher Distanz zur Politik hielt, über seine Redaktionskollegen bald in die Kreise des örtlichen Nationalvereins gelangte. Von Zeit zu Zeit habe sich dieser in einem Restaurant zusammengefunden, wobei die Zahl der Anwesenden nie höher als dreißig gewesen sei. Der Kreis sei dafür jedoch umso illustrer gewesen. Die kleine Gesellschaft habe sich rühmen können, »die Blüte der politischen Intelligenz der Hauptstadt und mit ihr auch wohl des ganzen Landes zu repräsentieren.«159 Die zentrale Figur des Kreises war Rudolf von Bennigsen. Spielhagens Schilderung ist sowohl fur die politische als auch für die gesellschaftliche Stellung der Redakteure der Zeitung aufschlußreich. Nicht zuletzt wird der Zusammenhang zwischen den beiden Aspekten deutlich: Der enge politische Kontakt mit den Größen des lokalen Nationalvereins sicherte die gesellschaftliche Stellung der Redakteure. Durch die Mitgliedschaft in den lokalen Gliederungen des Nationalvereins beziehungsweise der nachfolgenden liberalen Parteien bot sich einzelnen Journalisten schließlich auch die Möglichkeit zu weiterem politischem Aufstieg. Ehrenreich Eichenholtz, seit Anfang der fünfziger Jahre politischer Redakteur der Zeitung für Norddeutschland, wurde 1867 in den Norddeutschen Reichstag gewählt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Eichenholtz allerdings schon wegen der preußischen Annexion Hannovers vom Nationalverein abgewendet, die Zeitung für Norddeutschland verlassen und war als Redakteur zur Deutschen Volkszeitung, dem Organ der Deutsch-Hannoverschen Partei, gewechselt.160 Auch hier beharrte man wie überall auf der Parteilichkeit, die für die Journalisten ein Teil ihres Berufsethos war. Auf keinen Fall sollte diese Parteilichkeit jedoch als Abhängigkeit von einer Partei oder einer Person verstanden werden. So schrieb Otto Kuntzemüller, seit 1891 politischer Redakteur des Hannoverschen Courier, in einer Festschrift aus dem Jahr 1899, die Zeitung sei häufig als »das Organ des Herrn von Bennigsen« bezeichnet worden. Daß man mit von Bennigsen enge Beziehungen pflege, sei klar, doch sei deswegen noch lange nicht jeder Artikel von Bennigsen beeinflußt, »denn auch den Parteigenossen und den Parteiführern gegenüber hat sich der Hannoversche Courier von jeher in großen Fragen der Zeit eine unabhängige Stellung und ein unabhängiges Urteil zu wahren gewußt.«161 Gerade Bennigsen habe »das Recht der Zeitung auf ein eigenes Urteil« immer anerkannt, schrieb Richard Jacobi im Rückblick: »Wenn Bennigsen in Zuschriften aus Berlin den Hannoverschen Courier von Absichten der Fraktion unterrichtete, versäumte er nicht hinzuzufügen: >Wenn Sie es irgend verantworten können.Berliner Börsen-Zeitung< hat in den letzten Monaten an den Wahlkämpfen lebhaft und in vorderster Reihe Theil genommen, sie hat den Muth gehabt, der nationalliberalen Partei offen ihre Dienste zu widmen.«165 Der Zeitung für Norddeutschland beziehungsweise dem Hannoverschen Courier war es gelungen, eine zentrale Rolle innerhalb des liberalen Milieus Hannovers zu erlangen. Im einzelnen mag die Stellung der verschiedenen liberalen Zeitungen und ihrer Redakteure innerhalb der lokalen liberalen Milieus unterschiedlich gewesen sein. An einer Reihe von Beispielen läßt sich jedoch zeigen, daß die Verhältnisse in Hannover keine Ausnahme darstellten. Zu einer besonders engen Verzahnung zwischen Zeitungen und Parteimilieu kam es etwa in Breslau. Die Schlesische Zeitung, die schon während der 48er Revolution von dem neu verpflichteten Redakteur Ludwig Hahn ins konservative Lager gefuhrt worden war, schwenkte mit ihrem Chefredakteur Julius Moecke nach der Gründung des National301

Vereins auf liberalen Kurs ein. 1871 wurde mit dem Journalisten Christian Petzet eines der Gründungs- und Vorstandsmitglieder der nationalliberalen Partei Breslaus Chefredakteur der Zeitung. 166 Als der Verleger ein Jahr später den freikonservativen Landtagsabgeordenten Heinrich Blankenburg als politischen Redakteur einstellte, war der Streit um die politische Richtung der Zeitung vorprogrammiert. Blankenburg setzte sich durch und lenkte die Zeitung in konservatives Fahrwasser.167 Das wichtigste Konkurrenzblatt, die Breslauer Zeitung, schwenkte dagegen politisch in die linksliberale Richtung und blieb zudem über die gesamte zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Faktor in der lokalen Parteipolitik. Mit Gottlieb Weis saß bereits von 1853 an einer der Redakteure der Zeitung in der Stadtverordnetenversammlung, aus der er erst 1879 ausschied. 1 8 6 8 versuchten die Chefredakteure der Breslauer Zeitung und der Breslauer Morgenzeitung Julius Stein und Moritz Eisner, beide Mitglieder des Wahlvereins der Fortschrittspartei, die Spaltung der Liberalen auf lokaler Ebene zu verhindern und gründeten einen nationaldemokratischen Verein. Beide saßen zudem ebenfalls jahrzehntelang in der Stadtverordnetenversammlung. 168 Mit Karl Vollrath wurde schließlich 1 8 9 0 einer der Redakteure der Breslauer Zeitung fur die linksliberale Deutsche Freisinnige Partei in den Reichstag gewählt. In Stuttgart war es der Schwäbische Merkur, der eine ähnliche Rolle im liberalen beziehungsweise nationalliberalen Milieu der Stadt spielte. Die Zeitung war seit ihrer Gründung im Jahr 1785 durch Christian Gottfried Elben im Besitz der Familie, auf diese Weise eine der Honoratiorenfamilien Stuttgarts, und wurde zudem seit der Gründung bis weit über das 19. Jahrhundert hinaus von einem Mitglied der Familie geleitet. Otto Elben, der 1854 Chefredakteur des Schwäbischen Merkur wurde, verdankte seine politische Karriere nicht zuletzt der Tatsache, daß seine Zeitung in der Phase der organisatorischen Konstituierung der Liberalen auf regionaler Ebene eine maßgebliche Rolle spielte.169 In Bremen wurde die Weserzeitung infolge der Karriere, die der ehemalige Redakteur und ständige Mitarbeiter Otto Gildemeister machte, zu einem halb-offiziösen Organ der Stadt. Nachdem Gildemeister 1852 die Redaktion der Weserzeitung verlassen hatte, um Sekretär des Senats zu werden, stieg er bald zu einer der wichtigsten politischen Figuren der Hansestadt auf. 1857 erstmals in den Senat gewählt, vertrat er zwischen 1867 und 1 8 9 0 Bremen im Bundesrat und bekleidete seit 1871 dreimal für je vier Jahre das Amt des Bürgermeisters. Sein journalistisches Selbstverständnis war zum Ausdruck gekommen, als er seinen Vorgänger Arens als »ehrlichen Parteimann« gepriesen hatte. So bereitete es ihm auch offenbar keine Schwierigkeiten, seine journalistische mit seiner politischen Tätigkeit zu verbinden. Bis zu seinem Tod im Jahr 1902 blieb er nicht nur

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als Mitarbeiter der Zeitung treu, sondern schrieb hier jahraus jahrein zweimal pro Woche einen Leitartikel, so daß es am Ende seines Lebens rund 5700 Leitartikel gewesen sein sollen, die er für die Zeitung verfaßt hat. 170 Daß die überregionale Bedeutung einer »Parteizeitung« nicht mit einer besonders starken Einbindung in das lokale Parteimilieu einhergehen mußte, zeigt das Beispiel der Kölnischen Zeitung. Das Blatt hatte seine Bedeutung als liberale Zeitung bereits im Vormärz gewonnen und war von jeher stärker auf die nationale und internationale als auf die regionale Politik konzentriert. Daß die politischen Redakteure wie Karl Heinrich Brüggemann oder Heinrich Kruse eine Rolle in den lokalen liberalen Vereinigungen gespielt hätten, ist nicht bekannt. Durch die nationale Bedeutung, die die Zeitung bereits Ende der fünfziger Jahre besaß, war man in der Redaktion weniger am Aufbau einer lokalen Parteigliederung interessiert als an Kontakten zur Parteiführung und an der Etablierung der Zeitung als Organ der Partei auf nationaler Ebene. Dies gelang zwar bis zu einem gewissen Grade, jedoch nicht in dem Maße, wie man es sich in Köln gewünscht hätte. Engen Kontakt pflegte man über lange Zeit vor allem zu dem Erlanger Professor und späteren Abgeordneten der Nationalliberalen Heinrich Marquardsen.171 Mit dem Chefredakteur Heinrich Kruse persönlich befreundet, war er es, der jahrelang aus den Reichstags- und den Kommissionssitzungen für die Kölnische Zeitung berichtete. 1886 klagte jedoch der Berliner Korrespondent der Kölnischen Zeitung, Franz Fischer, darüber, daß die nationalliberalen Abgeordneten »in der größten Mehrzahl der Kölnischen Zeitung fremd gegenüber« stünden. »Jeder hat sein kleines Leibblatt, jeder ist auch bereit, Auskunft zu geben, aber wie wenige beeilen sich, aus freien Stücken mitzuteilen, wenn etwas im Werke ist, wenn etwas geschehen soll! Selbst Marquardsen kann ich davon nicht unbedingt ausnehmen; er ist neben dem Mitarbeiter der Kölnischen Zeitung zugleich Parteiführer; als solcher muß er schweigen, wo er als ersterer schreiben müßte.«172 Die enge Zusammenarbeit oder gar Symbiose, die es auf lokaler Ebene zwischen Partei und Presse häufig gab, bestand auf nationaler Ebene bei den Liberalen in deutlich geringerem Maße. Franz Fischer war zwar 1884 Kandidat der Nationalliberalen im Wahlkreis Nordhausen, aber in der Partei spielte er auf nationaler Ebene ebensowenig eine Rolle, wie einer der übrigen Redakteure der Kölnischen Zeitung.173 Auf lokaler Ebene kam es schließlich auch bei der Kölnischen Zeitung zu jener bei anderen Blättern beobachteten Symbiose, als in den siebziger Jahren mit Albert Bachem ein speziell für Lokal- und Provinzialangelegenheiten zuständiger Redakteur eingestellt wurde. Bachem war Vorstandsmitglied des Kölner nationalliberalen Vereins und gehörte von 1876 bis 1887 der Stadtverordnetenversammlung an. Emil Schmitz, der 1882 als 303

Volontär beim Kölner Stadtanzeiger, dem lokalen Ableger der Kölnischen Zeitung, angefangen hatte, schaffte zwar den Sprung ins Stadtparlament nicht, war jedoch zumindest ebenfalls Vorstandsmitglied des nationalliberalen Vereins. Wie sehr auch noch in den neunziger Jahren eine liberale Zeitung in bezug auf ein regionales liberales Parteimilieu als ein zentraler Ort der sociabilité dienen konnte, läßt sich aus einer brieflichen Schilderung seiner Rolle des Journalisten Hermann Küchling entnehmen. Küchling, zuvor Redakteur der Allgemeinen Zeitung, übernahm 1891 die Leitung des Leipziger Tageblatts. In einem Brief aus dem Jahr 1894 beschrieb er seinem ehemaligen Redaktionskollegen Christian Petzet die Probleme, mit denen er sich in Leipzig konfrontiert sah: »Von den Schwierigkeiten will ich zuerst die erwähnen, die daraus entstehen, daß die nationalliberale Partei, als deren Organ das >Leipziger Tageblatt< gilt, eigentlich gar nicht besteht. Es existiert ja nominell eine n.l. Partei des Königreichs Sachsen, diese besteht aber ... nur aus einem Vorstand, der aus Mitgliedern besteht, die im ganzen Land verstreut sind und nur selten zusammenkommen. U m die Herrschaft im Vorstand ringen Leipzig und Dresden, die übrigen Städte schlagen sich bald auf die eine, bald auf die andere Seite oder gehen ihren eigenen Weg. Die Kammerfraktion bildet ein für sich bestehendes Wesen, das sich herausnimmt, den Vorstand zu reglementieren. Ich gehöre nicht dem Vorstand, sondern nur dem Ausschuß des Lokalverbandes an, werde aber nicht nur zu allen Vorstandssitzungen, sondern auch zu allen Zusammenkünften herangezogen, in denen die aufgebrochenen Streitigkeiten geschlichtet werden sollen. Die Einheit der Partei wird nur durch die Zeitung und durch mich persönlich repräsentiert. An mich kommen daher alle Beschwerden, alle Vorschläge, alle Klagen und alle Parteivertreter, die der Weg über Leipzig fuhrt. Und je mehr ich Boden fasse und ich den Leuten bekannt werde, um so mehr wächst natürlich die Last.« 174

Selbst wenn Küchling seine Position ein wenig stilisiert haben mag, wird doch ersichdich, welche Rolle einer Zeitung und damit insbesondere dessen Chefredakteur innerhalb eines regionalen nationalliberalen Parteimilieus zufallen konnte. Erkennbar ist aus dem Beispiel auch, daß die Position einer »Parteizeitung« und die ihres Chefredakteurs umso stärker war, je schwächer die Organisation ausgebildet war. Das heißt umgekehrt, daß die Rolle der Zeitungen als Orte der sociabilité bezogen auf das Parteimilieu in dem Maße abnahm, wie der Organisationsgrad der Parteien zunahm, und so andere kommunikative Strukturen Raum griffen, die die Zeitungen aus ihren zentralen Positionen verdrängten. Zu den erfolgreichsten deutschen Tageszeitungen des 19. Jahrhunderts gehörten die Münchner Neuesten Nachrichten. Mit einer Auflage von 2025 000 Exemplaren in den sechziger Jahren und 95 000 Exemplaren um die Jahrhundertwende gehörte das Blatt trotz einiger Schwankungen in der 304

Auflagenzahl mindestens seit den sechziger Jahren für die meiste Zeit wohl zu den fünf bis sechs auflagenstärksten deutschen Zeitungen. 175 Auch wenn die Neuesten Nachrichten eine Zeitungsgründung von 1848 war, so war sie zunächst durchaus kein dezidiert liberales Blatt. Die Neuesten Nachrichten überlebten das Ende der Revolution gerade deshalb, weil sie sich in die Phalanx der farblosen Blätter eingereiht hatten. In welchem Maße Julius Knorr, als er die Zeitung 1862 kaufte, von vornherein die Absicht hatte, die Zeitung zu einem oder sogar zu seinem politischen Instrument zu machen, ist unklar. Zu einer einschneidenden Änderung der Haltung des Blattes kam es vor allem dadurch, daß Knorr mit August Vecchioni einen dezidiert politischen Kopf zum Chefredakteur machte. Beide kannten sich bereits aus den Tagen der 48er Revolution.176 Auch wenn Vecchioni im eigentlichen Sinne keine politische Karriere machte und nie ein politisches Amt innehatte, bildet er erneut ein Beispiel für jenen Typ von Journalisten, für die politisches und journalistisches Handeln nahezu deckungsgleich waren. Zusammen mit seinem Chef und Duzfreund Julius Knorr, der von 1869-71 für die Fortschrittspartei im bayrischen Landtag saß, gehörte er zur Führungsriege des Münchner Volksvereins und zählte zudem zum erweiterten Führungskreis der bayrischen Liberalen um Carl Brater, Carl Craemer und Franz von Stauffenberg. Von 1869 an entwarf er fast alle Wahlprogramme zu den Gemeinde-, Landtags- und Reichstagswahlen der Fortschrittspartei. Nur »fast« kongruent waren seine Funktionen als Politiker und als Journalist insofern, als Vecchioni wußte, daß er in seiner Funktion als Chefredakteur einer politischen Tageszeitung das Informationsbedürfnis seiner Leser befriedigen mußte. Als Julius Knorr sich im Frühjahr 1868 in Berlin aufhielt, forderte Vecchioni ihn wiederholt auf, ihm mehr interne Informationen insbesondere »über die Stellung unserer bayrischen Abgeordneten in den verschiedenen Fragen« zukommen zu lassen. Die Donau-, die Kemptener, die Abend-Zeitung und andere bayrische Blätter bekämen von verschiedenen Abgeordneten derartige Informationen, und so wäre es doch »sehr blamabel«, wenn ausgerechnet die eigene Zeitung nichts dazu bringe: »Ich bitte Dich daher nochmals um kleine Correspondenzen; ich selbst bin hier nicht in der Lage sie zu schreiben, einmal, weil mir das zu Gebot stehende Material zu wenig ist,... dann, weil ein nicht in Berlin Anwesender jetzt, wo noch alles im Werden begriffen ist, sich unmöglich ein klares Bild machen kann.« Wenn Knorr selbst keine Zeit finde, so solle er von Stauffenberg bitten, denn es müsse »den Abgeordneten liberaler Stellung ja selbst daran gelegen sein, durch unser Blatt mit ihren Wählern in Kontakt zu bleiben. Ich wünsche vorzüglich orientierende Artikel, Mittheilungen aus Clubsitzungen etc.« Die Sitzungsberichte des Parlaments könne er, soweit es zur Ergänzung der telegraphischen Berichte 305

notwendig sei, auch den Berliner Zeitungen entnehmen. Informationen wollte Vecchioni vor allem darüber, »was hinter den Coulissen geschieht, und nicht in öffentlichen Sitzungen«, denn das sei schließlich, »wie in aller Welt, das Interessantere.«177 Vecchioni sah die Zeitung, fur die er arbeitete, als kommunikatives Bindeglied zwischen den Abgeordneten und ihren Wählern. Als Parteipolitiker mußte er darauf achten, in der Umbruchsphase, in der sich die Liberalen Ende der sechziger Jahre befanden, nicht möglicherweise falsche Informationen zur Haltung der Partei oder ihrer einzelnen Abgeordneten weiterzugeben. Manches von dem, was er wußte, wird er zudem aus Gründen der Parteiräson für sich behalten haben. Als Journalist mußte er dagegen nicht nur den legitimen Anspruch seiner Leser auf Informationen erfüllen, sondern auch die Konkurrenz anderer Zeitungen berücksichtigen. Inwieweit es hier tatsächlich Konflikte gab, geht aus der Korrespondenz nicht hervor. Dadurch, daß Vecchioni in den Lesern jedoch in erster Linie Wähler seiner Partei sah, kamen seine politische und seine journalistische Funktion im eigenen Selbstverständnis wohl weitgehend zur Deckung. Damit stand Vecchioni keineswegs allein da. Vielmehr sahen die meisten politischen Zeitungen seit den sechziger Jahren in ihren Lesern in erster Linie die Anhänger »ihrer« Partei, auf die sie auch einen großen Teil ihrer Berichterstattung abstellten. So schufen sie sich langfristig ihr eigenes Leserghetto, aus dem nur wenige Zeitungen ausbrechen konnten. Hier entstand im übrigen der Raum für den Aufstieg der Generalanzeigerpresse. Unter diesen Voraussetzungen ist der Erfolg der Münchner Neuesten Nachrichten durchaus erstaunlich. Es deutet einiges daraufhin, daß dieser nicht zuletzt das Ergebnis einer Änderung der Redaktionspolitik war. Nachdem Julius Knorr 1881 gestorben war, gab auch Vecchioni seinen Chefredakteursposten ab und rückte in die Verlagsleitung auf. Die Politik der Zeitung bestimmte im folgenden Knorrs Schwiegersohn Georg Hirth. Selbst Journalist, war Hirth Anfang der siebziger Jahre Redakteur der Allgemeinen Zeitung gewesen. Von dort war er, wie oben dargestellt, nach nur kurzer Tätigkeit wieder geschieden, und zwar infolge einer Auseinandersetzung mit der Verlagsleitung über eine etwaige politische Betätigung der Redakteure. Als Redakteur hatte Hirth vehement fur sich in Anspruch genommen, politisch tätig sein zu dürfen, während der Verlag ihm dies untersagen wollte.178 In der Funktion des Verlegers der Münchner Neuesten Nachrichten änderte er zwar seine Haltung nicht grundsätzlich, verschob aber die Akzente. Er war fortan darauf bedacht, die Zeitung nicht ausschließlich als nationalliberales Parteiblatt erscheinen zu lassen, um über die Stammleserschaft hinauszukommen. Ohne die Unterstützung der Nationalliberalen aufzugeben, betonte Hirth nun verstärkt die »Unabhängigkeit« der Zeitung. So hieß es 1889 in einem Extrablatt der Neuesten

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Nachrichten: »Ohne sich an Parteischablone zu binden - die Zeitung wird auch die zur Zeit bestehenden Fraktionen überdauern - halten die Neuesten Nachrichten an den nationalen und Freiheitsidealen der Deutschen und den Verfassungsbestrebungen des bayrischen Volkes fest.«179 Die Unterstützung für die Partei durfte auf keinen Fall als doktrinäres Festhalten an Schablonen erscheinen, sondern als jeweils eigenständig getroffene Entscheidung. Es würde zweifellos zu kurz greifen, wollte man den Aufschwung der Zeitung, den sie seit den achtziger Jahren nahm, ausschließlich auf diese Haltung zurückfuhren. Immerhin schnellte die Auflagenzahl bis zum Ende der achtziger Jahren auf über 60 000 Exemplare empor, nachdem sie noch in den siebziger Jahren rückläufig gewesen war. Viele andere Zeitungen mit einer ähnlichen Ausgangsposition wie etwa der Schwäbische Merkur, die Breslauer und die Schlesische Zeitung, die Vossische und die Nationalzeitung bewegten sich um die Jahrhundertwende noch innerhalb der Spanne von 10-25 000 Exemplaren.180 Im Gegensatz zu anderen Zeitungen schafften es die Münchner Neuesten Nachrichten offenbar, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen und neue Leserschichten zu erreichen, die nicht mehr automatisch als nationalliberale Wähler angesehen werden konnten. Wenn Kurt Koszyk schreibt, die Münchner Neuesten Nachrichten hätten ebenso wie die Kölnische Zeitung »seit dem Ende der Bismarck-Ära ihre Unabhängigkeit von den liberalen Parteien (betont), ohne ihre grundsätzlich konstitutionelle und nationale Tendenz aufzugeben«, so ist die Aussage, für sich betrachtet, jedoch mißverständlich. Hinzuzufügen ist erstens, daß die Betonung von »Unabhängigkeit« schon vorher Teil des Parteilichkeitsverständnisses war, und zweitens, daß die Zeitungen nach wie vor an diesem Anspruch trotz der Betonung von Unabhängigkeit festhielten. Es fand lediglich eine Verschiebung zugunsten einer stärkeren Akzentuierung der »Unabhängigkeit« von den Parteien statt.181 Selbst die Frankfurter Zeitung gab ihren Anspruch, ein »Parteiblatt« zu sein, auch dann noch nicht auf, als sie längst weit über ihr eigenes Parteimilieu hinaus respektiert und gelesen wurde. In der umfangreichen Jubiläumsausgabe zum 50jährigen Bestehen der Zeitung im Jahr 1906 hieß es dazu: »Längst bestrebt, die Zahl der Informationsquellen stetig zu vermehren und als Nachrichtenblatt die gleiche Geltung in weitesten Kreisen zu erlangen wie als Parteiblatt in den Reihen der Gesinnungsgenossen, fand die F.Z. in der jüngsten Periode ihrer Wirksamkeit neue Wege zu diesem Ziele.«182 Die Zielrichtung, so wird deutlich, war es, als Nachrichtenblatt weiter an Boden zu gewinnen. Die Funktion als Parteiblatt sollte dabei jedoch gewahrt bleiben. Es war nicht zuletzt das Aufkommen der Generalanzeiger, das insbesondere die liberalen Zeitungen veranlaßte, sich aus ihren Parteimilieus zu lösen und verstärkt um die Nachrichtenseite der Zeitung zu kümmern. Die Betonung 307

ihrer »Unabhängigkeit« nahm in den Selbstbeschreibungen der »Parteizeitungen« einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Auch Richard Jacobi versäumte in dem hier mehrfach zitierten Artikel zur Geschichte der nationalliberalen Presse nicht zu betonen, daß, abgesehen von den parteiamtlichen Nationalliberalen Blättern und der Nationalliberalen Korrespondenz, »die Tageszeitungen selbst, die der Partei dienen,... der Parteileitung völlig unabhängig gegenüber« stünden. Insbesondere gebe es keinerlei finanzielle Unterstützung.183 Daß ein derartiges Selbstverständnis von Unabhängigkeit mit einem Unabhängigkeitsanspruch amerikanischer oder englischer Journalisten wenig gemein hatte, geht aus der Darstellung klar hervor. Das Gegenteil von unabhängig war nicht parteilich, sondern abhängig, hörig und unselbständig, Eigenschaften, die geradezu als Verneinung bürgerlichen Selbstbewußtseins gelten können. Von derartigen Attributen, die insbesondere den Journalisten der konservativen Presse angehängt wurden, versuchten sich die liberalen Journalisten jeder Schattierung so deutlich wie möglich zu distanzieren, ohne dabei aufzuhören, die Parteilichkeit als eine »ethische Aufgabe«, das politische Wirken als »Ausfluß des Pflichbewußtseins« zu betrachten.184 b) Die katholische Presse. Die Entwicklung der katholischen Presse verlief unter völlig anderen Vorzeichen als die der liberalen Presse.185 Gehörten die Prinzipien von Öffentlichkeit und Pressefreiheit zu den tragenden Säulen liberaler Ideologie, bestand zwischen dem Katholizismus und diesen Prinzipien ein Spannungsverhältnis, das nur sehr langsam abgebaut wurde. »Wir können nicht wahrhaft heimisch werden auf diesem Gebiete, das ursprünglich nicht unser ist«, klagten daher auch die Historisch-politischen Blätter 1861 in bezug auf das Verhältnis zwischen Katholizismus und Presse.186 Katholische Publizisten und Journalisten hatten innerhalb ihres Milieus einen weit schwereren Stand als ihre liberalen Kollegen innerhalb des liberalen Milieus. Die breite zeitgenössische Literatur zu der Frage, was die katholische Presse sein sollte und sein durfte, legt Zeugnis über das schwierige Verhältnis der Kirche zu dem modernen Massenmedium Zeitung ab.187 In einem Artikel der Kölnischen Volkszeitung aus dem Jahr 1893, der an den Zeitungsgründer Josef Bachem erinnerte, hieß es, dieser habe später seinen Kindern immer wieder erzählt, wie schwer es ihm früher als oft einzigem Vertreter der Presse auf Versammlungen katholischer Vereine gemacht worden sei. Den Inhalt hervorragender Reden habe er häufig auf dem Deckel seines Zylinders schreiben müssen, da ihm kein Tisch zur Verfugung gestellt worden sei. Inzwischen, so der Artikel, hätten sich die Verhältnisse allerdings wesentlich gebessert. Hermann Cardauns, von 1876 bis 1907 Redakteur der Kölnischen Volkszeitung, nahm die Anekdote in

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seiner 1910 erschienenen Geschichte der Zeitung auf, zeigte sich aber skeptischer, was die Verbesserungen auf diesem Gebiet anging: »Noch auf der Versammlung zu Würzburg (1877), zu der ein Mitglied der Presse als Redner eingeladen war, fanden wir zwar ein paar rohe Tische vor der Rednertribüne vor, aber die Stühle mußten wir uns selber holen, von Schreibzeug ganz zu schweigen.« Daß die katholischen Journalisten inzwischen einen weit besseren Stand innerhalb ihres Milieus hätten, sei vor allem das Verdienst des 1878 gegründeten Augustinusvereins zur Pflege der katholischen Presse.188 Anders als ein großer Teil der liberalen Zeitungen, die aus ehemals farblosen oder »unparteiischen« Blättern hervorgegangen waren, wurden die meisten katholischen Zeitungen direkt als solche gegründet. Vor allem die in der Zeit des Kulturkampfes entstandenen katholischen Zeitungen waren programmatisch von vornherein auf das Zentrum ausgerichtet, ohne daß die Gründungen direkt von der »Partei« ausgegangen wären. Sie basierten auf der mehr oder weniger privaten Initiative einzelner Katholiken, von denen der Trierer Kaplan Georg Friedrich Dasbach der bekannteste und umtriebigste war.189 Eines der Hauptprobleme der katholischen Presse war der Mangel an fähigen Journalisten. »Der akademisch gebildete Katholik«, begründete ein zeitgenössischer Kritiker diese mißliche Lage, »denkt an alles andere eher als daran, die Mühen des Redakteurs auf seine Schultern zu laden. ... So haben sich denn die Kaplane der Leitung der Presse bemächtigt und fur das gesperrte Gehalt hinreichend Ersatz gefunden.« 190 Das Urteil über die »Kaplanpresse« fiel selbst in der katholischen Historiographie nicht unbedingt positiv aus. Durch das Fehlen geschulter Journalisten seien »manche Elemente« in die Redaktionen gefuhrt worden, deren »Sprache und Kampfesweise der Sache wenig Ehre machte.«191 Der Begriff des »Hetzkaplans« entstand, dessen berühmtester Vertreter wohl Paul Majunke war. Den Titel erwarb er sich vor allem in seiner Zeit als Chefredakteur der Germania zwischen 1871 und 1878 192 Zuvor hatte er bereits fiir einige Monate an Bachems Kölnischer Volkszeitung gearbeitet. Es war kein Zufall, daß er von beiden Blättern im Streit schied. Für diesen Typus von katholischen Journalisten war die Zeitung nichts anderes als ein Ersatz für die Kanzel, ähnlich wie die Zeitung fur die Journalisten der Französischen Revolution ein Ersatz für die Rednertribüne gewesen war.193 Ein spezifisch journalistisches Selbstverständnis wird man hier vergeblich suchen. Paul Majunke berief sich im Streit mit Josef Bachem auf seine »priesterliche Ehre«.194 Doch nicht alle Redakteure der katholischen Zeitungen des 19. Jahrhunderts waren von diesem Schlage. Wenn auch langsam, so rückten nach und nach auch in die Redaktionen katholischer Zeitungen Berufsjournalisten ein, bei denen es sinnvoller ist, nach einem journalistischen Selbstverständ309

nis zu fragen, als bei den vorübergehend journalistisch tätigen Geistlichen. Bis weit in die siebziger Jahre hinein gab es nur wenige katholische Blätter, die ähnlich professionell strukturiert waren, wie es zu diesem Zeitpunkt bereits ein großer Teil der liberalen Blätter fur sich in Anspruch nehmen konnte. Die Zeitung, die es diesbezüglich am ehesten mit der liberalen Konkurrenz aufnehmen konnte, war die Kölnische Volkszeitung. Zwar stand ihr in Köln zu Josef Bachems großem Leidwesen mit der Kölnischen Zeitung eine übermächtige Konkurrenz gegenüber, von deren professioneller Machart Bachem lange Zeit nur träumen konnte. Der Standard, den sie im Vergleich zu anderen katholischen Zeitungen erreichte, war jedoch durchaus beachtlich.195 Die Kölnische Volkszeitung ging 1869 direkt aus den 1860 gegründeten Kölnischen Blättern hervor, als deren Vorläufer wiederum die Rheinische beziehungsweise die Deutsche Volkshalle gelten kann, die zwischen 1848 und ihrem Verbot im Jahr 1855 im Bachemschen Verlag erschien. Die Gründung der Rheinischen Volkshalle ging von dem katholischen »Borromäusverein« aus.196 Lambert Bachem, der ursprünglich eine nur unter seiner Verantwortung stehende politische Tageszeitung geplant hatte, war nicht zuletzt durch seine Funktion als Verleger an dem Projekt beteiligt. Die Federführung geriet zunehmend in die Hände eines »katholischkonservativen Preßvereins«, unter dessen Aufsicht die Deutsche Volkshalle endgültig zu einem reaktionären Blatt wurde, während die Zeitung als Rheinische Volkshalle noch einen liberalen politischen Katholizismus vertreten hatte. Der Redakteur unterstand dabei der ständigen Kontrolle des 1852 entstandenen Preßvereins. Den Kölnischen Blättern, die Josef Bachem 1860 nun in Eigenregie gründete, lag ein anderes journalistisch-verlegerisches Programm zugrunde. In der Zeitung, die sehr wohl als Organ des politischen Katholizismus konzipiert war, sollten nach Bachems Ansicht keineswegs alle Fragen unter einem spezifisch katholischen oder gar ultramontanen Blickwinkel behandelt werden. So war es möglich, daß Bachem 1862 mit Heinrich Schmidt einen protestantischen Redakteur einstellte, der insbesondere für den außenpolitischen Teil verantwortlich zeichnete. Bachems Ziel bestand darin, eine politische, und keine kirchliche Zeitung zu machen. In kirchlichen Fragen, so sein Konzept, sollte die Zeitung »unparteilich« sein, in der Absicht, »daß die Kölnische Volkszeitung das Blatt aller Katholiken sein und bleiben müsse«, wie er schrieb.197 Dieses Ziel war sowohl ein politisches als insbesondere auch ein geschäftliches: Die Zeitung sollte nach Bachems Vorstellung in dem sich in den sechziger Jahren verschärfenden Konflikt zwischen liberalem und ultramontanem Katholizismus eine »gesunde Mitte« vertreten, um von allen Katholiken gelesen und nicht zuletzt gekauft werden zu können. 198 Es ist frappierend, wie Bachem mit 310

seiner Position der »Unparteilichkeit« innerhalb einer »Partei« in ähnliche Schwierigkeiten geriet wie die Allgemeine Zeitung seit Ende des Vormärz. Deren Position der allgemeinen »Unparteilichkeit« trug ihr, wie erwähnt, anstelle von allseitigem Respekt auch den Vorwurf der »bewußten Charakterlosigkeit« ein. Einem derartigen Vorwurf war Bachem zwar nicht ausgesetzt, doch geriet er mit seiner Haltung immer mehr zwischen die sich verhärtenden Fronten von liberalem und ultramontanem Katholizismus. Er befinde sich in der fatalen Lage, »nach beiden Seiten kämpfen zu müssen und fast keine Gleichgesinnte mehr zu haben, da die eigentlichem sowohl als manche der >liberalen< Katholiken gleich sehr zu weit gehen und die christliche Liebe in der Praxis vergessen«, klagte Bachem 1869. 199 Das Problem für Bachem war, daß es flir seine »mittlere« Position tatsächlich keine politische Basis gab. »Unparteilichkeit« konnte es spätestens dann nicht mehr geben, nachdem der Papst selbst eine intermediäre Position in den sich am Syllabus entzündenden Streitfragen als extrem verworfen hatte und jene, die eine solche Position fur sich in Anspruch nahmen, zur Distanzierung vom liberalen Katholizismus zwang.200 Damit war Bachem in einer völlig anderen Situation als die liberalen Zeitungen in der Zeit der Spaltung ihrer Partei. Zwar schlugen sich viele auf die eine oder die andere Seite - die meisten wurden nationalliberal - , aber grundsätzlich war auch eine »mittlere« Position weiter möglich. Das Beispiel der Breslauer Zeitung ist genannt worden. Mit der Gründung des Breslauer nationaldemokratischen Vereins, an der der Chefredakteur der Zeitung selbst maßgeblich beteiligt war, gab es eine politische und soziale Basis, als deren Organ die Breslauer Zeitung fungierte. Für die Kölnische Volkszeitung konnte es eine derartige soziale Basis für eine »mittlere« Position nicht geben. Die Problematik von Bachems Haltung wird nicht zuletzt daran deutlich, daß er einen Journalisten, der seine Position hätte vertreten können, nicht fand. Wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt, trennte er sich zunächst von dem »liberalen«, später altkatholischen Chefredakteur Fridolin Hoffmann und nach nur wenigen Monaten von dem streng ultramontanen Paul Majunke. »Ich will genau dasselbe, wie ich im vorigen Herbst wollte und mittels Entlassung des Herrn Hoffmann durchgesetzt habe; aber so wenig, als ich damals ein Kirchenblatt im oppositionellen Sinne machen lassen wollte, werde ich jetzt dulden, daß es ein Kirchenblatt im Sinne gewisser infallibilistischer Ultras wird,« hatte Bachem warnend an Majunke geschrieben.201 Hoffmann wie Majunke waren beide vielzusehr ihrem jeweiligen politischen Standpunkt verpflichtet, als daß sie Bachems innerkatholische »Unparteilichkeit« überzeugend hätten vertreten können oder wollen. Die journalistische Tätigkeit war für beide aufs engste mit dem Vertreten ihrer politische Positionen verbunden. Für 311

eine vermittelnde, »unparteiliche« Haltung war keiner von beiden zu gewinnen. Die Parallelität der Lage, in der sich Josef Bachem und Karl von Cotta Ende der sechziger Jahre mit ihren jeweiligen Zeitungen befanden, ist auffallend. Während Cotta die Allgemeine Zeitung innerhalb des liberalen Spektrums »unparteilich« halten wollte, versuchte Josef Bachem ähnliches in bezug auf das katholische Spektrum. Da beide Zeitungen damit weder eine Verankerung in einer politischen Richtung noch eine journalistische Konzeption jenseits einer solchen Verankerung hatten, drohten beide ins Abseits zu geraten. Wenn Bachem mit seiner Zeitung nicht dasselbe Schicksal erlitt wie Karl von Cotta, so lag dies daran, daß sich in den siebziger Jahren die Situation fur die Kölnische Volkszeitung grundlegend wandelte. Dies hing nicht nur damit zusammen, daß Bachem mit Hermann Cardauns und (dem entfernt verwandten) Julius Bachem schließlich zwei fähige, mit ihm politisch übereinstimmende Redakteure fand. Ursache dafür, daß Bachem aus der Isolierung zwischen den »Extremen« herausfand, waren die geänderten Rahmenbedingungen. Die Abspaltung des Altkatholizismus einerseits und vor allem der einsetzende Kulturkampf andererseits übten einen Entscheidungsdruck aus, dem sich auch Bachem mit seiner Zeitung nicht entziehen konnte. Eine »unparteiliche« Haltung, wie sie Bachem ursprünglich vorgeschwebt hatte, war nunmehr gänzlich unmöglich geworden. Dafür eröffnete sich insbesondere für die Redakteure die Position jener Kombination aus »Unabhängigkeit« und »Gesinnungsfestigkeit«, wie sie auch unter den Redakteuren liberaler Zeitungen zu finden war. In einem Festartikel zum 25-jährigen Bestehen der Zeitung im Jahr 1885 hieß es, das Urteil darüber, wie die Zeitung ihre Aufgabe erfülle, werde auch im Kreis der Gesinnungsgenossen unterschiedlich ausfallen, eines werde man der Zeitimg aber nicht versagen können: jenes Versprechen, das man bei Gründung der Zeitung gegeben habe, »hat die Kölnische Volkszeitung fünfundzwanzig Jahre hindurch treu und unabhängig erfüllt. ... Die Überzeugungstreue ist der gemeinsame Boden gewesen, auf welchem wir uns mit unseren Lesern zusammenfanden.« 202 In der Geschichte der Kölnischen Volkszeitung, die Hermann Cardauns anläßlich des 50-jährigen Jubiläums der Zeitung verfaßte, findet sich der gleiche Tenor. Die Kölnische Volkszeitung habe »an der Wiege der Neugründung des Zentrums« gestanden und sei seither »ein Organ der Zentrumspartei« gewesen, »ohne deshalb auf ihre Unabhängigkeit zu verzichten.« Cardauns Selbstverständnis, das in dieser Positionsbestimmung der Zeitung, für die er tätig war, zum Ausdruck kommt, entspricht exakt dem bürgerlichen Unabhängigkeitsverständnis, das bereits bei den liberalen Journalisten anzutreffen war.203 Es ist kein Zufall, daß man diese Haltung gerade bei der Zeitung wiederfindet, deren Verleger und Redakteure sich in besonderem 312

Maße als Vertreter eines bürgerlichen Katholizismus verstanden. So wie Cardauns das Verhältnis zwischen der Partei beziehungsweise der Fraktion und der Presse beschrieb, hätte es ein liberaler Journalist auch genauso tun können. Bedingungslos sei die Unterstützung für die Politik der Fraktion nie gewesen. »Wie im Rahmen der kirchlichen Grundsätze und Einrichtungen, so mußte sie [die Zeitung J.R.] im Rahmen des Parteiprogramms in politischen Fragen ihre Unabhängigkeit wahren.« Unterstützen könne die Zeitung die Fraktion nur, wenn sie auch manchmal widerstrebe. Eine Presse, die nur »Sprachrohr, ausführendes Organ und Agitationsmittel einer Fraktion« sei, »würde rasch die Fähigkeit verlieren, ihr als wirklicher Rückhalt in der öffentlichen Meinung zu dienen.« Zwar würde man mit dieser Haltung die Fraktion zum Teil verstimmen, eine im Stil eines »einschwenkenden Unteroffiziers« sich entäußernde Presse sei jedoch mitleiderregend und nicht wirksam.204 In der Tat vertrat die Kölnische Volkszeitung im Vergleich zur Germania oder zu der in Bonn erscheinenden Deutschen Reichszeitung eine moderatere Position. Wichtiger als die Frage, wie unabhängig die Zeitung von der Fraktion, der Julius Bachem seit 1876 schließlich selbst angehörte, tatsächlich war, ist für unseren Zusammenhang das Selbstverständnis, das hier zum Ausdruck kommt. Wie die Kollegen liberaler Zeitungen legte Cardauns Wert darauf, nicht als abhängiger Schreiberling zu erscheinen. In seinem Verständnis besaß er als Journalist die Freiheit, sich hinter die Politik der Fraktion zu stellen oder sie »im Rahmen des Parteiprogramms« zu kritisieren. Anders als die von Josef Bachem ursprünglich angestrebte »unparteiliche« Haltung innerhalb des Katholizismus, die sich ohne Rückhalt zwischen die Fronten begab, war die Position der »unabhängigen Parteilichkeit« erfolgreich. Ohne das Organ einer innerparteilichen Opposition zu sein, verkörperte die Kölnische Volkszeitung doch eine offenere, weniger rigide Position als die Germania und erreichte damit weit höhere Auflagenzahlen als das Berliner Blatt. Als Organ einer eigenen Richtung innerhalb einer politischen Partei war die Kölnische Volkszeitung angesichts des Organisationsgrades der deutschen Parteien weniger erfolgreich als sie es in Frankreich hätte sein können. Die Position, wie sie Cardauns vertrat, ist, wenn auch weniger ausgeprägt, vergleichbar mit der, die August Nefftzer mit dem Temps in bezug auf die liberale »Partei« vertrat: unterstützend, aber nicht bedingungslos unterstützend. Cardauns und Julius Bachem waren jedoch wesentlich stärker durch das Korsett der Partei eingeschnürt, als es französische Zeitungen je waren. Typisch für die katholische Presse war die Kölnische Volkszeitung nicht. Das Gros der katholischen Journalisten sah seine Hauptaufgabe nicht in kritischer Betrachtung, sondern in der »Abwehr gegen die Feinde des Katholizismus«. Dieser Grundgedanke der Abwehr prägte die katholischen 313

Publizistik und damit auch den größten Teil der katholischen Tagespresse bis weit über das 19. Jahrhundert hinaus. Die im Jahr 1900 als »katholisches Nachrichtenbüro« gegründete »Zentralauskunftsstelle der katholischen Publizistik« sah ihre Hauptaufgabe nicht in einer Verbesserung des Informationsgehaltes der katholischen Zeitungen, sondern in einer Organisation der »Abwehr gegen die Angriffe von kirchenfeindlicher Seite«.205 Der nur mäßige Erfolg der katholischen im Vergleich zur liberalen und sogenannten »farblosen« Presse ließ jedoch langsam auch innerhalb der katholischen Publizistik Kritik an der von den katholischen Journalisten gepflegten aggressiven Polemik laut werden. 206 Das Selbstverständnis der meisten katholischen Journalisten als bedingungslose Verteidiger der katholischen Sache wandelte sich langsam. Das Beispiel der Kölnischen Volkszeitung und der für die Zeitung arbeitenden Redakteure zeigt, daß dort, wo sich journalistische »Professionalität« nach dem Vorbild liberaler Zeitungen durchsetzte, sich auch das Selbstverständnis der Journalisten in Richtung auf eine »unabhängige Parteilichkeit« zu ändern begann. c) Die konservative Presse. Die Situation konservativer Journalisten war innerhalb ihres Parteimilieus mindestens so problematisch wie die ihrer katholischen »Kollegen«. Gegen die grundsätzliche Ablehnung der Prinzipien von Öffentlichkeit und Pressefreiheit setzte sich auf konservativer Seite nur langsam die Einsicht durch, daß es notwendig war, sich an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen. Zu den ersten, die das im konservativen Lager erkannten, gehörte Leopold von Gerlach, der 1848 gemeinsam mit seinem Bruder maßgeblich an der Gründung des wohl wichtigsten konservativen Organs des 19. Jahrhunderts, der Kreuzzeitung, beteiligt war. 1842 schrieb er bereits an den Herausgeber der Evangelischen Kirchenzeitung, Ernst Wilhelm Hengstenberg, daß es ein Fehler sei, in der öffentlichen Diskussion keine Stellung zu beziehen. Es gehe nicht, daß eine »antirevolutionäre Zeitung« die Geschehnisse bloß »gesinnungslos nacherzählt«, sondern sie müsse die Dinge jeweils »im richtigen politischen Licht« darstellen.207 Der Begriff der »Gesinnungslosigkeit« tauchte also auch auf dieser Seite des politischen Spektrums im Zusammenhang eines sich neutral gebenden Journalismus auf. Das Konzept eines offensiven politischen Journalismus konservativer Provenienz stieß jedoch im eigenen Lager auf erheblichen Widerstand. Das zeigt sich in besonderer Weise an den diversen Versuchen, mit Hilfe von Regierungszeitungen die konservative Position in der öffentlichen Diskussion zu stärken. Ob in Preußen, in Bayern oder in anderen Ländern: es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, daß lange Zeit jeder Versuch, ein einigermaßen erfolgreiches offizielles oder halb-offizielles Regierungsorgan zu schaffen, letztlich scheiterte. Ob es die Allgemeine Preußische Staatszeitung war, die 314

Preußische Zeitung, die Neue Münchner oder die Bayrische Zeitung: alle derartigen Organe fristeten ein ziemlich trübes Dasein, wurden eine Zeitlang künstlich am Leben erhalten und gingen schließlich dennoch ein. Der Mißerfolg dieser Blätter sticht umso stärker ins Auge, wenn man die verschiedensten Ansätze verfolgt, die in erster Linie in dem jeweiligen Jahrzehnt vor und nach der 48er Revolution dazu gemacht wurden. 208 Ende der fünfziger Jahre setzte sich auch in der preußischen »Zentralstelle für Preßangelegenheiten« die Einsicht durch, daß der Nutzen der Preußischen Zeitung »in keinem Verhältnis zu den Kosten, die sie verursacht«, stehe.209 In einem Bericht über die Arbeit des »Literarischen Büros« vom 3. September 1859 hieß es, daß die Leitung des Büros bereitwillig zugebe, »daß sie noch weit von der Wirkung entfernt sei, welche sie ausüben soll.« Die Gründe dafür sah man zum einen in der mangelhaften Zusammenarbeit zwischen »den verschiedenen Zweigen der Staatsregierung« und zum anderen in der »Unzulänglichkeit der publizistischen Kräfte«, die man zur Verfügung habe. Da die Ministerien nur ein geringes Interesse an der Tagespresse hätten, »fließen der Preußischen Zeitung nur geringe Brosamen« von dem reichhaltigen finanziellen, politischen und volkswirtschaftlichen Material zu. Der persönliche Kontakt zwischen den Korrespondenten und den Ministerien müsse wesentlich intensiviert werden. Im übrigen besitze die Zentralpreßstelle außer dem Direktor keinen einzigen Literaten, »der im Stande ist, einen Leitartikel zu schreiben, geschweige denn, eine große publizistische Arbeit zu liefern.« Wenn man sich entschlösse, den Publizisten »eine würdige Stellung anzuweisen«, würden sich die angesehensten Publizisten zur Verfügung stellen. Die gegenwärtige Lage der Preußischen Zeitung sah man als äußerst unbefriedigend an. Pikante Nachrichten dürfe man nicht bringen, und auf Polemiken dürfe sie sich nicht einlassen. Wenn die Zeitung wirklich wirksam sein solle, dann dürfe die Regierung nicht selbst dafür verantwortlich sein.210 Die Grundprobleme einer offiziellen Zeitung waren hier klar umrissen. Da derartige Zeitungen nicht nur mit Informationen in keiner Weise bevorzugt versorgt wurden, sondern im Gegenteil Informationen, die auf anderem Wege schon an die Öffentlichkeit gedrungen waren, noch nicht als offiziell preisgeben durften, waren sie als Informationsquelle für Leser und andere Zeitungen unbrauchbar. Von der Regierungsposition auch nur um Haaresbreite abweichende Ansichten durften sie auch nicht vertreten. Welcher Journalist, der nur einigermaßen auf sich hielt, stellte sich ftir eine derartige Arbeit zur Verfugung? »Wer selbst mit anerkennenswerter Offenheit gesteht, daß der Zeitung, welche er vertritt, die Aufgabe zuerteilt sei, die jedesmalige Ansicht der Regierung zu verteidigen«, schrieb die Frankfurter Zeitung abschätzig über diese Spezies von Journalisten, »hat kein 315

Recht auf den Namen eines überzeugungstreuen oder, was damit gleichbedeutend ist, ehrlichen Journalisten.«211 Einmal mehr wird deutlich, wie sehr »Überzeugungstreue« oder »Gesinnungsfestigkeit« der Kern des journalistischen Selbstverständnisses war. Der relative Erfolg der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung lag darin begründet, daß die Zeitung eben kein offizielles Blatt war, sondern eines, dessen sich Bismarck bedienen konnte, ohne offiziell dafür geradestehen zu müssen. Doch selbst August Braß, der Besitzer und Chefredakteur der Zeitung, mit dem Bismarck die Vereinbarung über die »Zusammenarbeit« getroffen hatte, war dem preußischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler auf die Dauer zu widerspenstig. Zu Bismarcks Schreiberling degradiert zu werden und ihm jeden Leitartikel zur Kontrolle vorzulegen, paßte dem Chefredakteur der Zeitung nicht. So kam es zum Bruch, und Braß verkaufte die Zeitung 1872 an eine Aktiengesellschaft. Sein Nachfolger als Chefredakteur wurde Emil Pindter, der in der Pressegeschichtsschreibung häufig mit dem Attribut »loyal« versehen wurde. Das bedeutete nichts anderes, als daß von Pindter jene Schwierigkeiten, die Braß noch ansatzweise gemacht hatte, nicht zu erwarten waren. Die Behauptung von Pindters Biographen, dieser sei »nie ein subalterner Schreiberling« gewesen, sondern ein »Vollblutpublizist, dem stets daran gelegen war, sauberen Journalismus zu praktizieren«, erscheint gewagt.212 Wenn die Auflage unter Pindters Leitung in relativ kurzer Zeit um die Hälfte auf 5000 Exemplare sank, lag dies jedoch nicht nur an dem neuen Chefredakteur. Nachdem die Offiziösität der Zeitung jedermann bekannt war, zog Bismarck es vor, bestimmte Informationen in andere, vorwiegend liberale Zeitungen zu lancieren. Das Beispiel Pindters ist deshalb interessant, weil es den Zusammenhang zwischen journalistischem Selbstverständnis und dessen Umsetzung einerseits und der gesellschaftlichen Stellung andererseits deutlich macht. Zudem zeigt sich am Fall Pindters, wie ambivalent die gesellschaftliche Stellung eines Journalisten sein konnte. Er selbst verstand sich als treuer Verfechter der Bismarckschen Politik - jedenfalls solange dieser im Amt war - und sicherte sich durch seine Dienstbarkeit - oder »Loyalität« - einen festen Platz im erweiterten Machtapparat des Reichskanzlers. Gesellschaftlich durfte er sich dem Kreis der Repräsentanten des Machtapparates zugehörig fühlen und konnte dies durch die verschiedensten Ehrungen, Titel und Orden, die ihm verliehen wurden, nach außen dokumentieren. Für politische Gegner jedoch mußte Pindter als die Inkarnation eines willfährigen Schreiberlings erscheinen, der sich jegliche Unabhängigkeit durch ein paar Orden und das Gefühl der Nähe zum Machtzentrum abkaufen ließ. Die Realität kam wohl der zweiten Sichtweise näher als der ersten. Die Abhängigkeit der Redakteure offizieller oder halb-offizieller Zeitun316

gen war beim besten Willen nicht zu kaschieren. Aber auch von den Redakteuren »unabhängiger« konservativer Zeitungen wurde seitens der Regierungen anstelle von Eigenständigkeit Loyalität erwartet. Das bekamen nur kurze Zeit nach ihrer Gründung die Kreuzzeitung ebenso wie die Redaktion des 1851 entstandenen Preußischen Wochenblattes deudich zu spüren, als sie es Anfang der fünfziger Jahre wagten, eigenständige Positionen zu beziehen. Beschlagnahmungen und anderen Schikanen waren die beiden konservativen Organe in dieser Zeit genauso ausgesetzt wie die liberalen Zeitungen.213 Hermann Wagener, wohl einer der fähigsten konservativen Journalisten des 19. Jahrhunderts, legte die Redaktion der Kreuzzeitung 1853, entnervt von den Schikanen, nieder.214 Trotz dieser Schwierigkeiten und trotz des grundsätzlichen Dilemmas, in dem sich konservative Journalisten durch die Abwehr des größten Teils ihrer Gesinnungsgenossen gegen die Presse im allgemeinen befanden, spielten die Zeitungen gerade auch auf konservativer Seite eine wichtige Rolle in dem Prozeß der Formierung von Parteien. Die 1848 gegründete Kreuzzeitung ist hier zweifellos an erster Stelle zu nennen.215 Sie bildete sowohl in der Intention der Verantwortlichen als auch in den Augen der Gegner den ideologischen und den organisatorischen »Kristallisationskern« der konservativen Partei.216 Um der von der Kreuzzeitung repräsentierten Richtung nicht allein die Definitionsmacht über das, was konservative Politik sein sollte, zu überlassen, gründete 1851 eine Gruppe um den späteren preußischen Kultusminister Moritz August von Bethmann Hollweg mit dem Preußischen Wochenblatt ein eigenes Organ. Mit den beiden Zeitungen standen sich innerhalb des konservativen Lagers sogleich auch eine »Kreuzzeitungs-« und eine »Wochenblattpartei« gegenüber, was deutlich macht, in welchem Maße diese Organe als Keimzellen politischer Strömungen angesehen wurden. Während das Wochenblatt jedoch 1861 einging, blieb die Kreuzzeitung in enger Verbindung mit den konservativen Fraktionen des Preußischen Abgeordnetenhauses und des Reichstags über die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinaus das wichtigste Organ des preußischen Konservativismus. Wilhelm Freiherr von Hammerstein, der das Blatt von 1881 bis 1895 leitete, gehörte gleichzeitig dem Preußischen Abgeordnetenhaus und dem Reichstag an. Bis er 1895 die Chefredaktion der Zeitung wegen Urkundenfälschung und Betrug niederlegen mußte, zählte er zu den fuhrenden Köpfen der Partei.217 Hermann Kropatschek, der Hammerstein als Chefredakteur ablöste, war seit 1879 ebenfalls Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und seit 1884 Mitglied des Reichstags.218 Angesichts der anhaltenden Reserve der Konservativen gegenüber der Presse insgesamt ist die Vielfalt, in der sich die konservative Publizistik zumindest in Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert präsentierte, durch317

aus erstaunlich. Neben der Norddeutschen Allgemeinen als offiziösem Regierungsorgan und der Kreuzzeitung als dem traditionellen Organ der Konservativen existierten mit der Post, den Berliner Neuesten Nachrichten, der Deutschen Tageszeitung, der Deutschen Warte und dem Reichsboten noch eine Reihe weiterer Blätter, die in enger Verbindung mit konservativen Parteien oder Verbänden standen. Das Organ der Freikonservativen war die 1866 von dem Eisenbahnunternehmer Bethel Henry Stroußberg gegründete Post. Nach dessen Bankrott im Jahr 1872 wurde das Blatt zunächst von der Berliner Diskontogesellschaft übernommen, bevor im Jahr 1874 mehrere Abgeordnete der Reichspartei die Aktienmehrheit erwarben und sich damit eine publizistische Basis verschafften. Chefredakteur wurde Leopold Kayssler, der zuvor einige Jahre Redakteur und Korrespondent der Spenerschen Zeitung und 1872 bereits Chefredakteur der von den Freikonservativen gegründeten Deutschen Wochenschrift gewesen war.219 Den Freikonservativen nahe standen auch die Berliner Neuesten Nachrichten, die 1893 von einem Kreis finanzkräftiger Bismarckanhänger um den Montanindustriellen Grafen Guido Henckel von Donnersmark erworben worden waren. Als Organe konservativer Verbände fungierten insbesondere die Deutsche Tageszeitung, die 1894 in direkter Verbindimg mit dem Bund der Landwirte gegründet worden ist und die Deutsche Warte als Organ des Beamtenbundes und der Mittelstandsbewegung.220 Bei den genannten Blättern handelte es sich im wesentlichen um direkt zur Unterstützung von Regierungen, einer konservativen Partei oder eines den Konservativen nahestehenden Verbandes gegründete oder erworbene Zeitungen. Die Stärke der liberalen Presse bestand darin, daß viele der alten, von privaten Verlegern aus geschäftlichem Interesse und ohne politische Ambitionen gegründete Zeitungen, vor allem unter dem Einfluß der Journalisten, die Politik der Liberalen offen, aber »unabhängig« unterstützten. Eine derartige publizistische Unterstützung gab es für die Konservativen in weit geringerem Maße. Die Zahl konservativer Zeitungen war insgesamt zwar so gering nicht, doch handelte es sich dabei vielfach um kleine Provinzzeitungen, die vor allem aus Kostengründen auf das von den Regierungen zur Verfügung gestellte Material zurückgriffen. Es spricht im übrigen einiges dafür, daß bei diesen politisch profillosen Provinzblättern die Gelder aus dem Weifenfonds tatsächlich wirksame Verwendung fanden. Es gab jedoch auch innerhalb der konservativen Presse einige Zeitungen, die sich, vergleichbar vielen Blättern im liberalen Spektrum, eigenständig zu Organen »ihrer« Partei erklärten. Am Beispiel der Dresdner Nachrichten läßt sich verfolgen, daß es ähnlich wie bei vielen liberalen Zeitungen vor allem die Journalisten waren, die die Politisierung und die »unabhängige« Unterstützimg einer politischen Richtung betrieben. 318

Gegründet wurden die Dresdner Nachrichten im Jahr 1856 von den ehemaligen Schriftsetzern Julius Reinhardt und Karl Liepsch, die sich erst wenige Jahre zuvor mit einer eigenen Druckerei selbständig gemacht hatten. 221 Politische Absichten spielten bei der Gründung der Zeitung keine Rolle. Politik, so macht schon das Programm deutlich, sollte einen möglichst niedrigen Stellenwert einnehmen. Das ersparte Scherereien mit den Behörden. Als Redakteur wurde der »Literat« Julius Schanz verpflichtet, der sich zwar während der Revolution als radikaler politischer Journalist betätigt und infolgedessen auch im Gefängnis gesessen hatte. Doch inzwischen war Schanz vor allem an einem geregelten Einkommen interessiert und hielt sich gemäß der verlegerischen Vorgaben politisch völlig zurück. Wenn es in der ersten Nummer des Jahres 1857 hieß, die Dresdner Nachrichten hätten »von vornherein den Standpunkt der Unparteilichkeit« eingenommen, so war dies wohl weniger Ausdruck von Schanz' journalistischem Selbstverständnis als die Konsequenz aus den politischen Rahmenbedingungen und den daraus resultierenden verlegerischen Vorgaben.222 1859 verließ Schanz das Blatt und gründete mit der Saxonia eine eigene Zeitschrift. Inwieweit politische Differenzen zwischen den Verlegern und dem Redakteur dazu führten, daß Schanz die Redaktion aufgab, ist kaum mehr feststellbar. Zumindest trennten sich die Verleger zu einem Zeitpunkt, als andere Blätter ihre politische Zurückhaltung mehr und mehr zugunsten einer liberalen Parteinahme aufgaben, von einem Redakteur, der aufgrund seiner politischen Vergangenheit möglicherweise eine ähnliche Richtung einschlagen wollte. Statt dessen verpflichtete man als Nachfolger den politisch uninteressierten »gediegenen Volksschriftsteller« und »rühmlichst bekannten Dichter« Theodor Drobisch als Redakteur, der die Zeitung 13 Jahre lang, bis 1872, leitete. Der politische Teil blieb während dieser Zeit vollkommen bedeutungslos. Man gab sich weiter »unparteiisch« und präsentierte sich im übrigen als »gut sächsisches« Blatt, das, wenn überhaupt, für die sächsischen Partikularinteressen Partei ergriff. Dafür entwickelte sich die Zeitung zu einem populären Lokal- und Unterhaltungsblatt oder, wie Treitschke schrieb, zum »ordinärsten Klatschblatt deutscher Zunge.« Jedenfalls avancierten die Dresdner Nachrichten auf diese Weise binnen kurzer Zeit zu einer der erfolgreichsten Zeitungen »deutscher Zunge«. In den zehn Jahren zwischen 1860 und 1870 vervierfachte sich die Abonnentenzahl von knapp 4000 auf knapp 20 000, eine Zahl, die allein von der Kölnischen Zeitung noch übertroffen wurde. 223 1872, als Theodor Drobisch durch den Berliner Korrespondenten der Zeitung Emil Bierey abgelöst wurde, trat eine deutliche Änderung im politischen Teil der Zeitung ein. Bierey machte die Dresdner Nachrichten zu einer politischen Zeitung, die bald eindeutig Stellung bezog. Antisemi319

tisch, antiultramontan, antisozialdemokratisch schwenkte Bierey bald auf die Linie der Freikonservativen ein und gab Wahlempfehlungen im Sinne von Bismarcks Kartellpolitik ab. Enge Verbindungen knüpfte Bierey insbesondere zu dem freikonservativen Dresdner Reichstagsabgeordneten Karl Gustav Ackermann. Als ein von dem Abgeordneten »inspiriertes« Blatt wollte man jedoch auf keinen Fall gelten: »Die Dresdner Nachrichten sind weder das Organ des Herrn Ackermann noch sonst Jemandes«, antwortete man auf eine entsprechende Behauptung der Nationalzeitung aus dem Jahr 1885, »sondern ein unabhängiges, selbständiges Zeitungsunternehmen, das allerdings infolge seiner gutsächsischen und reichsdeutschen Gesinnung dem einheitsstaatlichen Nationalliberalismus in Sachsen erheblichen Abbruch tut.« 224 In ähnlicher Weise hatte sich der liberale Hannoversche Courier dagegen verwahrt, als das »Organ des Herrn von Bennigsen« zu gelten. Das journalistische Selbstverständnis, das sich dahinter verbirgt, ist das gleiche: Die Unterstützung einer politischen Richtung sollte keinesfalls als eine servile Schreiberlingsarbeit, sondern als Ausdruck der freien Überzeugung des Journalisten erscheinen. Die Auflage der Zeitung stieg unter Biereys Leitung weiter, so daß es von daher fur den Verleger keinen Grund gab, die Richtung zu ändern. Nach Biereys Ausscheiden aus der Redaktion im Jahr 1891 waren Paul Liman und Max Lohan gemeinsam für die Politik der Zeitung verantwortlich und führten sie im gleichen Tenor fort. Seit Mitte der neunziger Jahre begann die Auflage, die inzwischen 55 000 Exemplare erreicht hatte, zurückzugehen; sie stabilisierte sich jedoch bis 1914 auf dem relativ hohen Niveau von 40 000 Exemplaren. Sieht man von dem Berliner Lokal-Anzeiger ab, der seine anfängliche Unparteilichkeit immer offener hinter einer konservativen Gesinnung zurücktreten ließ, waren die Dresdner Nachrichten immer noch die verbreitetste aller sich eindeutig als konservativ verstehenden Zeitungen. Regierungstreuer oder konservativer Journalismus hatte es solange schwer, Fuß zu fassen, wie die Abhängigkeit der Zeitungen so sehr mit den Händen zu greifen war, wie es vor allem bei den diversen offenen oder schlecht getarnten Regierungsorganen der Fall war. Da die Regierungen, wie nicht zuletzt am Beispiel der Kreuzzeitung deutlich wird, auch den für sie schreibenden Journalisten kaum Spielraum ließen, waren ernstzunehmende konservative Journalisten bis in die siebziger Jahre hinein an wenigen Fingern abzuzählen. Auch später blieb die eigentliche konservative »Parteipresse« trotz ihrer relativen Vielfalt in Berlin verhältnismäßig schwach.225 Erfolgreich waren jedoch die Zeitungen, deren Redakteure, wie ihre liberalen Kollegen, glaubhaft machen konnten, daß ihre Politik Ausdruck ihrer eigenen, unabhängigen konservativen Gesinnung war.

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d) Die sozialdemokratische Presse. Bei keiner der anderen Parteien waren die politische und publizistische Tätigkeit so eng miteinander verwoben wie bei der SPD und deren Vorläuferorganisationen.226 Die Rolle des Socialdemokraten einerseits und des Volksstaates andererseits sind für die Frühphase der Arbeiterbewegung kaum zu überschätzen. Aus vielen Autobiographien von Sozialdemokraten geht hervor, in welchem Maße die Zeitung gleich in mehrfacher Hinsicht ihr Leben geprägt hat. Auch wenn der erste Kontakt mit den Ideen der Arbeiterbewegung wohl eher selten über die Zeitung hergestellt wurde, spielte deren intensive Lektüre im weiteren Prozeß der Politisierung häufig eine wichtige Rolle.227 Zum anderen gab es nur wenige hohe Parteifunktionäre, die nicht zumindest zeitweise für ein Organ ihrer Partei gearbeitet hatten. »Seit 20 Jahren stehe ich jetzt ununterbrochen in der Bewegung«, schrieb Karl Grillberger, langjähriger Redakteur der Fränkischen Tagespost, »und habe während dieser Zeit allen Dienst verrichtet, den die Partei verlangt, habe den Kampf in allen Phasen durchgemacht: erst als Fabrikarbeiter und Agitator ... dann als Redakteur mit - lange Zeit hindurch - dem Proletarierlohn (und in diese Zeit fiel die anstrengendste und aufreibendste agitatorische Tätigkeit), dann kam die zwölfjährige Periode des Sozialistengesetzes mit ihrem permanenten Aufregungen, Befürchtungen, gefährlichen Reisen und Unternehmungen und den unerhörten geschäftlichen Sorgen; dazu die parlamentarische Tätigkeit mit all ihren Widerwärtigkeiten, mit geistigen und physischen Anstrengungen.«228 Die Arbeit als Redakteur einer sozialdemokratischen Zeitung war häufig nicht nur eine Variante der Parteiarbeit, sondern auch eine Art Stufe auf der Karriereleiter eines sozialdemokratischen Funktionärs und Mandatsträgers. Weit über die Hälfte der sozialdemokratischen Abgeordneten zwischen 1867 und 1918 waren im Laufe ihrer Karriere als Redakteure oder als freie Journalisten tätig.229 Andere, wie der Parteivorsitzende August Bebel selbst, schrieben immer wieder Beiträge für die unterschiedlichen sozialdemokratischen Organe - nicht zuletzt Leitartikel für den Vorwärts. Auch wenn grundsätzlich die enorme Bedeutung der Parteipresse für die Geschichte der Arbeiterbewegung unbestritten ist, weiß man im einzelnen über die Funktion der Zeitungen für den Prozeß der Politisierung der Arbeiterschaft und des Aufbaus lokaler Parteigliederungen relativ wenig. Im wesendichen beschränkt sich in der Literatur die Funktionsanalyse der Presse darauf, ihr die Rolle zuzuschreiben, die ihr seitens der Parteileitung zugedacht war: ein straff organisiertes und kontrolliertes Instrument der Partei zu sein, das »die Arbeiter ... für ihre politische und soziale Mission erziehen« und zudem neue Mitglieder für die Partei werben sollte.230 Es spricht jedoch manches dafür, die Zeitungen zumindest in der Frühphase der Arbeiterbewegung nicht nur als Sprachrohr der Parteileitung, sondern 321

als Orte einer originären politischen Soziabilität zu verstehen. Die Gründung der ersten Parteizeitungen ging weniger von der im Entstehen begriffenen Partei selbst aus, sondern erfolgte auf private Initiative. Die dominante Stellung, die Johann Baptist von Schweitzer nach Lassalles Tod innerhalb des ADAV einnahm, beruhte im wesentlichen auf der Tatsache, daß er Eigentümer des Sozialdemokraten war. Erst dessen Nachfolgeorgan, der Neue Sozialdemokrat, befand sich im Besitz des ADAV. Die SDAP hatte den Volksstaat bereits 1869 in ihr Eigentum übernommen. Daneben waren 1872 jedoch immerhin noch 17 der 42 die SDAP unterstützenden Zeitungen in Privatbesitz. Bis 1920 verringerte sich die Zahl der nicht im Parteibesitz befindlichen SPD-Zeitungen auf 6 von insgesamt 133. 231 In dem Maß, wie die Partei den Besitz der Zeitungen an sich zog, beanspruchte sie auch die Kontrolle darüber. Spielraum für jene »unabhängige Parteilichkeit«, wie sie insbesondere bei den liberalen, aber auch bei den konservativen und den katholischen Zeitungen zu finden war, gab es kaum. Als Johann Most, einer der agilsten sozialdemokratischen Journalisten, 1879 im Londoner Exil auf eigene Faust eine Zeitung herausbrachte, traf ihn der Bannstrahl der Partei: »Die Herausgabe des Blattes fand statt«, so Bebel in seinen Erinnerungen, »ohne daß man uns mit einem Worte von dem Plan unterrichtete und uns um unsere Zustimmung und Beihilfe ersuchte. Ob wir diese gewährt hätten, ist freilich eine andere Frage. Bedingung wäre alsdann wohl gewesen, daß das Blatt unter unsere Kontrolle kam und wir auf seine Haltung bestimmenden Einfluß ausüben konnten.«232 Anders als fur Liebknecht, der seit 1869 zunächst als Chefredakteur des Volksstaats und später, bis zu seinem Tod, des Vorwärts fungierte, war für Bebel, selbst nie Redakteur, eine einheitliche, die Linie der Parteileitung vertretende Parteipresse unabdingbar. Zwar kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Frage der innerparteilichen Meinungsfreiheit und den Spielraum der Parteizeitungen. Eine heikle Situation trat bereits 1870 ein, als sich Liebknecht weigerte, den Volksstaat im Sinne des Parteiausschusses zu redigieren, der sich fur eine Unterstützung des Krieges ausgesprochen hatte. Derartig spektakuläre Auseinandersetzungen blieben in Zukunft aus, doch der Konflikt zwischen Liebknecht und Bebel über die Frage, wie das jeweilige Zentralorgan der Partei zu redigieren sei, schwelte bis weit in die neunziger Jahre hinein weiter. Auch wenn sich Liebknecht selbst zugute hielt, den Vorwärts »unabhängig und demokratisch geleitet, ... statt ihn zu einem Parteivorstandsorgan« gemacht zu haben, und Bebel seinerseits über die »falsche« Berufsauffassung Liebknechts klagte, war die Parteipresse im ganzen, wie der Vorwärts im besonderen, durch und durch in die Politik der Partei eingebunden.233 Zwar spielten einzelne Blätter wie die Leipziger Volks- oder die Sächsische Arbeiter-Zeitung in innerparteilichen Auseinandersetzungen immer wieder 322

eine wichtige Rolle. Soweit wie möglich wurde jedoch versucht, dem entgegenzusteuern. So sorgte etwa die Parteileitung dafür, daß Heinrich Vollmar, der die von ihm mitgegründete und herausgegebene Münchner Post als Organ einer eigenständigen Linie nutzte, ein linientreuer Parteiredakteur an die Seite gestellt wurde: »Damit wird der Einfluß Vollmars gänzlich paralysiert«, schrieb Bebel 1891 befriedigt an Friedrich Engels.234 Dessen Mahnung, die Zeitungen nicht zu sehr vom Vorstand abhängig zu machen, sondern eine Presse zu fördern, »die in der Lage ist, innerhalb des Programms und der angenommenen Taktik gegen einzelne Parteischritte ungeniert Opposition zu machen und innerhalb der Grenzen des Parteianstandes auch Programm und Taktik frei der Kritik zu unterwerfen«, stieß bei Bebel auf wenig Gegenliebe.235 Statt dessen entstand mit den seit 1891 eingerichteten Preßkommissionen, die ursprünglich die Verbindungen zwischen den lokalen Parteiorganisationen und den Zeitungen intensivieren sollten, eine zusätzliche innerparteiliche Kontrollinstanz. Auf Parteitagen kam es zwar wiederholt zu Klagen über die Inkompetenz und die Bevormundung durch die Kommissionen. Abhilfe wurde aber nicht geschaffen.236 Kritik an den Verhältnissen, wie sie etwa von den Parteijournalisten Heinrich Braun, Richard Calwer oder Bruno Schoenlank, der in einer Tagebucheintragung über die »Abhängigkeit und Angstmeierei« der Parteipresse klagte, vorgebracht wurde, verhallte weitgehend ungehört. 237 Der 1903 erfolgte Parteitagsbeschluß, der die Mitarbeit sozialdemokratischer Journalisten an bürgerlichen Zeitungen untersagte, stellt eine Art Höhepunkt in dem Prozeß der Einbindung und Disziplinierung des Parteijournalismus dar. Das Abstimmungsergebnis von 283 zu 24 Stimmen macht jedoch das Maß der Zustimmung zu diesem Kurs deutlich. Im Selbstverständnis der sozialdemokratischen Journalisten dürfte von daher der Parteidisziplin ein weit höherer Stellenwert zugekommen sein als jener in der bürgerlichen Presse immer wieder bemühten »unabhängigen« Parteilichkeit. Es war sicher kein Zufall, daß der Widerstand gegen eine uneingeschränkte journalistische Parteidisziplin gerade von Journalisten kam, die wie Wilhelm Liebknecht, Heinrich Braun, Georg Ledebour, Bruno Schoenlank, Heinrich Vollmar und andere nicht erst durch die Partei zu Journalisten geworden sind, sondern dies, einige mehr andere weniger, bereits vorher waren.238 Sie brachten eben, wie Bebel es ausdrückte, die »falsche« - es ließe sich hinzufügen: bürgerliche - Berufsauffassung mit. Faßt man die Ergebnisse zusammen, so läßt sich festhalten, daß die »Gesinnungsfestigkeit« fur Journalisten jeglicher Couleur eine wichtige Basis ihrer Tätigkeit war, die sich vielfach in der aktiven Unterstützung einer Partei niederschlug. Der Unterschied zwischen den Journalisten der verschiede323

nen Parteien bestand vor allem in der Betonung der Unabhängigkeit einerseits und der Akzeptierung der Parteidisziplin andererseits. Dieser Unterschied im Selbstverständnis vergrößerte sich in dem Maße, wie insbesondere in der liberalen Presse die Unabhängigkeit stärker akzentuiert wurde, während sich innerhalb der sozialdemokratischen Presse in diese Richtung auch in der Weimarer Republik wenig bewegte. Vor allem an den internen Diskussionen der Allgemeinen Zeitung ließ sich verfolgen, wie sehr es Journalisten als ihr »staatsbürgerliches Recht« ansahen, ihre Überzeugungen zu vertreten und die Unterstützung einer Partei als die »natürliche« Funktion ihres Berufs ansahen. Ähnlich wie in Frankreich sahen sich die deutschen Journalisten als Kämpfer für politische Ideen. Ihre Überzeugungstreue definierten sie als ihre »Ehre«. Aus der Sicht des britischen Deutschlandreisenden Sidney Whitman fiel das Urteil über die deutschen Journalisten allerdings folgendermaßen aus: In ihrer Sorge um die »gewissenhafte Überzeugung« seien sie »oft übertrieben peinlich und werden Prinzipienreiter, die auf dem Besenstil der Überzeugungstreue herumreiten.« Die in England übliche journalistische Praxis, »heute zu verteidigen, was man gestern bekämpfte, ist in Deutschland verrufen und gilt als Mangel an Überzeugung. Eine Zeitung, die ihre Stellung eingestandenermaßen mit jeder Strömung der öffendichen Meinung oder derselben vorauseilend ändert, würde in Deutschland keinen Einfluß, keine Achtung und kein Gewicht haben.« 239 Waren deutsche Journalisten vom Selbstverständnis her ihren französischen Kollegen näher als ihren englischen oder amerikanischen, so gestaltete sich jedoch die personelle Verbindung von Presse und Politik in Deutschland, abgesehen von der SPD, weit weniger intensiv als im Nachbarland jenseits des Rheins. Zwar gab es auch bei den anderen deutschen Parteien derartige Verbindungen, doch waren diese in der Regel mindestens ein bis zwei Etagen niedriger angesiedelt als in Frankreich. Zudem verloren die deutschen »Parteizeitungen« jeglicher Couleur schneller als in Frankreich ihre Funktion als Zentrum der politischen Strömungen. Die Dominanz der Parteiorganisationen wuchs schnell, so daß die Zeitungen und mit ihnen die dort tätigen Journalisten dementsprechend bald in eine subsidiäre Position gelangten. Umso mehr betonten die Zeitungen und die Redakteure bürgerlicher Zeitungen die »Unabhängigkeit« dieser Unterstützung.

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3. Journalistische Praxis zwischen Information, Propaganda und Kritik Am Beispiel des französischen Journalismus einerseits und des amerikanischen und englischen Journalismus andererseits ließ sich verfolgen, in welchem Maße die unterschiedlichen Auffassungen der Journalisten über ihre eigene Rolle die journalistische Praxis in sehr verschiedene Richtungen lenkte, pointiert ausgedrückt: zur Jagd nach jeder Art von Informationen im einen, zur aktiven Teilnahme an den politischen Auseinandersetzungen im anderen Fall. Ihrem Selbstverständnis nach neigten die deutschen Journalisten eindeutig in die französische Richtung. Doch wie gesehen, blieb ihnen eine ähnlich aktive und zentrale Rolle, wie sie die französischen Journalisten lange Zeit fur sich reklamieren konnten, weitgehend verwehrt. Auf der anderen Seite hatten die deutschen Journalisten bis weit über das Ende des 19. Jahrhunderts hinaus nicht nur mit presserechdichen Behinderungen, sondern auch mit einer sehr restriktiven Informationspolitik zu kämpfen. Der Versuch, sich durch investigativen Journalismus nach angelsächsischem Muster zu profilieren, wäre schon von daher problematisch gewesen. So wichtig insbesondere für die politischen Journalisten die »gesinnungsfeste« Vertretung ihrer Überzeugung war, wußten vor allem die Verleger jedoch, daß ihre Zeitung nur dann über den lokalen Rahmen hinaus Bedeutung erlangen konnte, wenn sie sich auch als Nachrichtenorgan profilierte. Josef Bachem blickte zeidebens neidvoll auf die Kölnische Zeitung, der er mit seinem Blatt im Nachrichtenbereich nie das Wasser reichen konnte. Er setzte sich wiederholt gegen Benachteiligungen bei der Versendung regierungsamdicher Depeschen zur Wehr,240 doch auch bei absoluter Gleichbehandlung in dieser Hinsicht hätte die Kölnische Volkszeitung als oppositionelles Blatt nur unter enormen Anstrengungen im Nachrichtenbereich zu einer ernsthaften Konkurrenz fur die Kölnische Zeitung werden können. In der Festschrift der Frankfurter Zeitung wird ein Brief Sonnemanns an die Redaktion aus den neunziger Jahren zitiert, in dem er schreibt, die Begriffe Oppositionsblatt und Nachrichtenblatt seien zumindest in Deutschland »bisher als miteinander unvereinbar angesehen worden.« Der Groll, der manchmal gegen die Frankfurter Zeitung gehegt werde, rühre vielleicht daher, daß »es uns gelungen ist, ein großes, einflußreiches, gutinformiertes Blatt zu werden, ohne von unserer Unabhängigkeit ein Titelchen aufzugeben.« 241 Sonnemanns Stolz auf seine Zeitung war durchaus berechtigt. Mit August Stein verfugte die Zeitung über einen der ganz wenigen und wohl einzigen »oppositionellen« Journalisten, der Zugang zu den engsten Re325

gierungskreisen besaß.242 Möglich war dies nur aufgrund einer sich langsam wandelnden Pressepolitik, im Zuge derer die Nachrichten nicht mehr ausschließlich an Journalisten weitergegeben wurden, von denen anstelle von Kritik erwartet wurde, daß sie als Propagandisten der Regierung auftraten. Vor dem Hintergrund dieser restriktiven Presse- und Informationspolitik einerseits und dem Selbstverständnis der Journalisten andererseits stellt sich daher nicht nur die Frage, welche Möglichkeiten es fur Journalisten gab, an Informationen zu kommen, die über das hinausgingen, was die Nachrichtenbüros und andere Zeitungen lieferten, sondern auch, was die Journalisten ihrerseits dafür taten, den Spielraum zu erweitern. An der französischen Presse zeigte sich besonders deuüich, daß die Praktiken und das Selbstverständnis des politischen Journalismus auch auf die anderen Gebiete des Journalismus ausstrahlten. So war etwa der Umstand, daß sich Journalisten grundsätzlich eher in der Position des aktiven Teilnehmers als des kritisch informierenden Beobachters sahen, ein Grund dafür, daß sie bereit waren, auch als Propagandisten bestimmter wirtschaftlicher Interessen aufzutreten. Für den deutschen Fall stellt sich von daher ebenfalls die Frage, inwieweit bestimmte Praktiken des politischen Journalismus auch andere journalistische Bereiche beeinflußten oder ob insbesondere etwa im Feuilletonjournalismus bereits Praktiken möglich waren, die von dort in den politischen Journalismus eindrangen. Die Quellenlage macht die Beantwortung der Frage allerdings nicht einfach. Auch stellt der gesamte Bereich der Theater- und Literaturkritik - von Musik- und Kunstkritik ganz zu schweigen - ein eigenes weites Feld dar, das hier nur gestreift werden kann. Sowohl der Wirtschafts- als auch der Feuilletonjournalismus können daher nur knapp behandelt werden. Die Frage nach etwaigen Änderungen der Praktiken durch das Entstehen der Generalanzeiger bleibt dabei zunächst weitgehend ausgeklammert, da hierauf im nachfolgenden Kapitel noch ausfuhrlich einzugehen sein wird. Das bedeutet, daß die Darstellung zunächst auf die journalistische Praxis der traditionellen politischen Zeitungen konzentriert bleibt. Besonderes Interesse gilt im politischen Bereich der Kölnischen Zeitung. Wenn die Darstellung zeitlich bis über die Entstehungsphase der Generalanzeiger hinausgreift, zeigt das bereits an, daß die traditionellen Praktiken die »Kommerzialisierung« der Presse in weiten Teilen überdauerten.

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3.1. Politischer Journalismus Zu den renommiertesten deutschen Blättern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte die Kölnische Zeitung. Wie bei der Allgemeinen Zeitung gründete sich dieses Renommee zu einem wesentlichen Teil auf den Informationsgehalt. Bei der Allgemeinen Zeitung war unverkennbar, daß die Informationen, die sie aus Wien erhielt, nur solche waren, von denen man in Wien wollte oder es zumindest autorisierte, daß sie in dem Augsburger Blatt erschienen. Die »Korrespondenten« der Allgemeinen Zeitung in Wien waren hohe Regierungsbeamte und keine Journalisten.243 Auch die Kölnische Zeitung galt Ende des 19. Jahrhunderts als offiziös. So ist die Position, die die Allgemeine und die Kölnische Zeitung zu den jeweiligen Regierungen innehatten, durchaus vergleichbar. Doch die Korrespondenten der Kölnischen Zeitung waren tatsächlich Journalisten. Zudem fehlten der Regierung in Berlin zumindest nach dem Reichspressegesetz die harten Druckmittel, wie sie die Wiener Regierung mit der Verbotsdrohung noch gegenüber dem Cottaschen Blatt besaß. Die Beziehungen zwischen der Kölnischen Zeitung und der Regierung gestalteten sich somit vielschichtiger und komplizierter, aus Regierungsperspektive jedoch letztlich nicht weniger wirkungsvoll. Pressepolitik wird in der Regel unter dem Gesichtspunkt der Ziele und der angewendeten Mittel betrachtet. Im Mittelpunkt des Interesses stehen diejenigen, die versuchten, Einfluß zu nehmen. Die Zeitungen und deren Redakteure gelten zumeist nur als Objekte der Einflußnahme, die durch Druck oder Geldzahlungen bereit waren, bestimmte Artikel aufzunehmen und sich zum Sprachrohr einer Regierung zu machen.244 Sowohl bei der Frage nach der Korruption in der französischen Presse als auch an dem Beispiel der Allgemeinen Zeitung ist bereits darauf eingegangen worden, daß das Problem der Einflußnahme und der »Korruption« unter dem Blickwinkel des einfachen Geldtransfers nur unzureichend erfaßt wird. Dies gilt nicht zuletzt für den sog. »Reptilienfonds«, über dessen Verwendung immer wieder Mutmaßungen angestellt wurden, im einzelnen jedoch wenig bekannt ist.245 Die Behauptung des Pressehistorikers Kurt Koszyk, er sei die »unkontrollierbare Machtquelle Bismarcks« gewesen, »mit der er nach Gutdünken Menschen und Zeitungen von sich abhängig machte,« überschätzt m.E. die Einflußmöglichkeiten, die Bismarck mit den Mitteln des Weifenfonds zu Gebote standen.246 Das Beispiel konservativer und regierungsoffizieller Zeitungen zeigt überdeutlich, daß mit Geld allein im Pressebereich wenig auszurichten war. Das bedeutet keineswegs, daß die aus dem »Reptilienfonds« eingesetzten Mittel ohne Wirkung blieben. Erfolgreich scheint mir das Geld vor allem bei kleineren Zeitungen eingesetzt worden zu sein, die durch die finanziellen Zuwendungen auf Regie 327

rungskurs gehalten wurden. 247 Zeitungen wie der Kölnischen Zeitung war durch Geldzahlungen kaum beizukommen. Dazu bedurfte es anderer Mittel. Mehr wert als ein paar Tausend Taler waren fur eine Zeitung dieser Bedeutung Informationen. Ähnlich wie bei der Allgemeinen Zeitung wird am Beispiel der Kölnischen Zeitung deutlich, wie eng Informationsvergabe und Einflußnahme unter den gegebenen Bedingungen zusammenhingen. Zu diesen gehörte eine auch Ende des 19. Jahrhunderts noch sehr rigide gehaltene Informationspolitik, die einen freien Zugang von Journalisten, sofern sie nicht »handverlesen« waren, zu den politischen Funktionsträgern ausschloß. Wenn im folgenden der Weg der Zeitung von einem Blatt, das der Oberpräsident der Rheinprovinz Kleist-Retzow in den fünfziger Jahren am liebsten verboten gesehen hätte, zu einer halboffiziösen Zeitung am Ende des 19. Jahrhunderts nachgezeichnet wird, steht weniger die Perspektive der Regierung als die der Zeitung im Vordergrund. Über den Einzelfall der renommierten Kölnischen Zeitung hinaus läßt sich an dem, was die Quellenlage an Einblicken in die Redaktionspolitik der Zeitung eröffnet, Grundsätzlicheres zur Frage der Informationsbeschaffung ablesen. Der »Take-off« der Kölnischen Zeitung fand in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts statt. Zuvor hob sich das Blatt kaum von der Masse der weitgehend »mit Kleister und Schere« hergestellten Zeitungen ab. Erst unter der verlegerischen Leitung Joseph DuMonts, der 1831 den Verlag von seinem Vater übernahm, gewann die Zeitung langsam an Profil. Nachdem er 1839 den ersten hauptberuflichen Redakteur eingestellt hatte, suchte DuMont bald jemanden, der dem Blatt trotz Zensur stärkere politische Konturen verschaffte. Den fand er 1845 in dem ehemaligen Burschenschaftler und politischen Häftling Karl Heinrich Brüggemann. Während fortan Brüggemann die politisch-inhaldiche Leitung oblag, kümmerte sich Joseph DuMont weiter um den sonstigen Ausbau der Zeitung. Verbesserungen im Nachrichtenbereich kam dabei - ähnlich wie für Johann Friedrich von Cotta - für Joseph DuMont entscheidende Bedeutung zu. Während für den Gründer der Allgemeinen Zeitung die Kategorie Schnelligkeit im ausgehenden 18. Jahrhundert noch kaum eine Rolle spielte, sah Joseph DuMont die Chance, sich gerade in diesem Bereich zu profilieren. Mit einer 1849 errichteten Taubenposdinie schaffte er es, Nachrichten aus Paris bis zu 16 Stunden früher als durch die schnellsten Postzüge zu beziehen und zu veröffentlichen.248 Durch die Möglichkeit der Telegraphenbenutzung wurden derartige Anstrengungen zwar bald überflüssig. Die Besetzung des Chefredakteurspostens mit dem politisch mißliebigen Brüggemann einerseits und dererlei Maßnahmen andererseits lassen jedoch die verlegerische Linie Joseph DuMonts erkennen. Die Zeitung sollte auf der einen Seite politisch Kontur gewinnen und auf der anderen Seite im 328

Nachrichtenbereich zu einer festen Größe in der deutschen Presselandschaft werden. Weil man sich im Vormärz in diesem Punkt vor allem auf Frankreich und hier vor allem auf die Schnelligkeit der Übermitdung konzentrierte, stellte sich zunächst das Problem der Abhängigkeit noch nicht. So avancierte die Kölnische Zeitung im Laufe der vierziger Jahre zu einer der wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen. Von den Schwierigkeiten des DuMontschen Blattes mit den Behörden während der vierziger Jahre war an anderer Stelle bereits die Rede. So drohte man seitens der Regierung wiederholt damit, DuMont die Konzession zur Herausgabe der Zeitung zu entziehen. Auf der anderen Seite gab es gleichzeitig verschiedene Versuche, die Vergabe von Nachrichten als Hebel zu benutzen, die Zeitung unter Kontrolle zu bekommen. Bereits Ende 1851 fuhren DuMont und Brüggemann nach Berlin, um mit dem Leiter der Zentralstelle fur Preßangelegenheiten Ryno Quehl einen Vertrag zu schließen, der den Austausch von Nachrichten gegen Wohlverhalten zum Inhalt hatte. In einem 14 Punkte umfassenden Vertrag verpflichtete sich die Kölnische Zeitung zu einer »konservativen« Haltung und Zurückhaltung bei Angriffen auf die Regierung. Im Gegenzug sagte die Zentralstelle fur Preßangelegenheiten erstens zu, das DuMontsche Blatt nicht schärfer als andere Zeitungen zu kontrollieren, und zweitens, »einen Korrespondenten der Kölnischen Zeitung mit faktischen Nachrichten, soweit sie zur Veröffentlichung geeignet sind, täglich zu unterstützen, auch in wichtigen Fällen telegraphische Depeschen, die letzteren auf Kosten des Herrn DuMont, zu senden.«249 Bereits nach einem Jahr kündigte man den Vertrag in Berlin wieder, da sich die Kölnische Zeitung nicht als gefugig genug erwiesen hatte. Auf der anderen Seite war die Versorgung mit Nachrichten so spärlich, daß man auch in Köln offenbar keinen besonderen Wert auf eine Verlängerung gelegt hatte. Auch wenn die folgenden Jahre eher im Zeichen der Konfrontation mit der Preußischen Regierung standen - 1855 erzwang diese den Rücktritt Brüggemanns als Chefredakteur gab es weiter Verbindungen zu offiziellen Stellen, insbesondere zum Auswärtigen Amt.250 Anders als im innenpolitischen Bereich, wo Offiziösität einen klaren Bruch mit der Politik der Zeitung bedeutet und die Leserschaft verprellt hätte, trafen sich in außenpolitischen Fragen die Interessen der Zeitung und der Regierung. Der Zeitung ging es um die Informationen, dem Auswärtigen Amt um die Möglichkeit, bestimmte Nachrichten in ein Blatt zu lancieren, das ansonsten eindeutig nicht regierungsnah war. Die Ansätze zur Offiziösität im außenpolitischen Bereich hinderten die Regierung in Berlin jedoch keineswegs daran, die Zeitimg weiter zu schikanieren, und die Kölnische Zeitung nicht daran, im Rahmen des Möglichen Opposition zu betreiben. Wenn die Frankfurter Zeitung in ihrer 329

Festschrift zum 50-jährigen Bestehen im Jahr 1906 fur sich reklamierte, die erste deutsche Zeitung zu sein, die sich gleichzeitig als Oppositions- und als Nachrichtenblatt einen Namen gemacht hatte, trifft dies nicht ganz zu. Ansätze, wenn auch auf niedrigerem Niveau, sowohl was die Nachrichten als auch was das Maß der Opposition betraf, gab es bereits in den fünfziger Jahren bei der Kölnischen Zeitung. Seit Ende der fünfziger Jahre definierte sich die Kölnische Zeitung, wie die meisten wichtigeren Blätter, als liberales »Parteiblatt«. Dabei rechnete es Heinrich Kruse, der Karl Heinrich Brüggemann als Chefredakteur abgelöst hatte, sich und der Zeitung in einem Leitartikel von 1859 als besonderes Verdienst an, Tatsachen auch dann zu melden, »wenn sie für die eigene Partei ungünstig« waren.251 Hier klingt erneut jenes Verständnis der »unabhängigen Parteilichkeit« an, das insbesondere bei den liberalen Zeitungen festzumachen war. Neben der Position als »Parteiblatt« von nationaler Bedeutung baute das Kölner Blatt zudem zielstrebiger und erfolgreicher als andere Zeitungen seine Stellung eines auf nationaler und internationaler Ebene wohlinformierten Blattes aus. Ausschlaggebend für Informationen aller Art waren persönliche Kontakte. Wenn die Zeitung schon nicht in Berlin ansässig war, leistete man sich immerhin bereits von 1855 an mit Emil Frensdorff als eine der ersten deutschen Zeitungen einen ständigen Korrespondenten in der preußischen Hauptstadt.252 Die wichtigsten Kontakte liefen jedoch zunächst weiter über Heinrich Kruse, den Chefredakteur der Zeitung.253 Von den Verbindungen zu Heinrich Marquardsen war bereits an anderer Stelle die Rede. Dadurch, daß die Nationalliberalen nach 1866 faktisch zur Regierungspartei wurden, verbesserte sich die Situation der Kölnischen Zeitung als Nachrichtenorgan weiter, da sie mit ihrer Partei dem Machtzentrum nun weit näherstand als Anfang der sechziger Jahre. Anders als in den fünfziger Jahren, als der Vertrag zwischen der Kölnischen Zeitung und der Zentralstelle für Preßangelegenheiten gescheitert war, standen die Beziehungen zwischen den Regierungsstellen und dem einst mißliebigen Blatt spätestens seit der Reichsgründung auf einem anderen Fundament. So wollte Ludwig Ägidi, der 1871 die Leitung des Pressedezernates des Auswärtigen Amtes übernommen hatte und eine Erneuerung der Beziehungen zur Kölnischen Zeitung anstrebte, diese Kontakte auf einer rein persönlichen Ebene angesiedelt sehen.254 Fast demütig schrieb er im Juli 1871 an Kruse: »Ein anderes >darf ich< fließt mir aus der Feder. Darf ich dann u. wann an Sie schreiben (nicht an die Ztg.), ohne daß ich fürchte, Ihnen lästig zu fallen. Eine Antwort brauche ich nicht; eine solche lese ich dann wohl mitunter in den Spalten des Blattes. Gelingen oder Mißlingen dessen, was ich versuche, hängt von zwei Bedingungen ab: einerseits davon, daß der Kanzler mir vertraut, andererseits daß sich zwischen den unabhängigen

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Männern, die fur die öffentliche Meinung maßgebend sind, und mir ein regelmäßiger Verkehr und Gedankenaustausch ermöglicht.« Das erste sei der Fall, das zweite das Schwierigste. Im Wege stünden Probleme, die »in dem falschen und kleinlichen System sogenannter Beeinflussung« wurzelten, »an dessen Stelle ich das entgegengesetzte freier Verständigung freier Männer setzen will.«255 Ziel Ägidis war selbstverständlich, Bismarck die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Zeitung zu eröffnen. Doch trug er dabei sowohl der gestiegenen Bedeutung der Zeitung als auch dem gewachsenen Selbstbewußtsein der Redakteure Rechnung. Ein Vertrag wie in den fünfziger Jahren oder gar Geldzuwendungen wären im Sinne von Ägidis Absichten kontraproduktiv gewesen. Statt dessen bot er auf der Basis eines Verhältnisses »von gleich zu gleich« eine Intensivierung des Kontaktes an und tat so, als überlasse er es dem Chefredakteur Heinrich Kruse als »unabhängigem Mann«, unter dem Gesichtspunkt des Wohles der Zeitung darüber zu entscheiden, was er mit dem Material mache, das Ägidi ihm zusandte. In der Realität sah die »freie Verständigung freier Männer« so aus, daß Ägidi immer wieder an Kruse herantrat, doch dieses oder jenes »klarzustellen« etwa daß es gar kein Preßbüro gebe ( ! )256 - oder diesen oder jenen von Bismarck »inspirierten« Artikel abzudrucken. Mit wiederholtem Dank für die »viel zu gute Haltung« Kruses erreichte Ägidi in der Regel, was er wollte.257 Daß Ägidis Tonfall dem Selbstverständis der Redaktion, völlig unabhängig zu sein, durchaus entsprach, zeigt ein Brief an einen Mitarbeiter des italienischen Finanzministers Minghetti aus dem Jahr 1863. Brüsk lehnte Kruse eine Ehrenauszeichnung für die Aufnahme eines Artikels ab, da nicht der Schein auf die deutsche Presse fallen dürfe, »als sei sie äußeren Einflüssen« zugänglich.258 So restriktiv die Informationspolitik unter Bismarck - zum Leidwesen Ägidis, der 1876 seinen Posten als Pressedezernent verlor, - auch war, zahlte sich die Bereitwilligkeit, mit der man den Wünschen aus Berlin nachkam, doch aus. Immer öfter gingen Nachrichten und andere Mitteilungen nicht mehr an die ob ihrer eindeutigen Offiziösität verpönten Norddeutsche Allgemeine, sondern an die Kölnische Zeitung. Daß der Charakter der »Informationen« zumeist tendenziös war, störte die Zeitung in ihrem Unabhängigkeitsbewußtsein kaum. In der publizistischen Unterstützung, die man Bismarck insbesondere in außenpolitischen Fragen gewährte, sah sich die Zeitung weiterhin als Organ der nationalliberalen Partei, von der die Redakteure auch etwa Ende der achtziger Jahre noch als von der Ihren sprachen. Ähnelte der Kontakt zum Leiter des Pressedezernats des Auswärtigen Amtes Ludwig Ägidi noch dem Modell, nach dem die Allgemeine Zeitung ihre Nachrichten und Einflüsterungen aus Wien erhalten hatte, versuchte 331

die Kölnische Zeitung zunehmend, über vor Ort tätige Korrespondenten ihre Informationsquellen zu erweitern. Wie hat man sich die konkrete Arbeit eines solchen Korrespondenten vorzustellen? Der Terminus des »Interviews« wurde überhaupt erst langsam im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung einer »amerikanischen Mode« des Journalismus bekannt. Daß jedoch in den siebziger oder achtziger Jahren ein deutscher Journalist einen Abgeordneten nach der Art eines solchen Interviews befragt hätte, lag sowohl für Journalisten als auch fur politische Funktionsträger außerhalb jeder Vorstellung. Die Basis, auf der eine Verständigung zwischen Journalisten und Politikern oder Regierungsbeamten möglich war, bestand ausschließlich in gegenseitigem Einvernehmen und Vertrauen. Wie restriktiv auf der einen Seite die Informationspolitik in den siebziger und achtziger Jahren gehandhabt wurde und welche Möglichkeiten unter diesen Bedingungen bestanden, an nicht autorisierte Informationen zu kommen, ist an einem Fall ablesbar, in dem es darum ging, einer »Indiskretion« nachzugehen. Im April 1880 wandte sich Bismarck in einem Schreiben an den Bundesrat, in dem er Klage darüber führte, daß interne Drucksachen bald nach ihrer Verteilung in öffentlichen Blättern nachzulesen seien. Durch Zeugenvernehmungen sei »ermittelt worden, daß ein hiesiger Zeitungskorrespondent sich fortlaufend Bundesraths-Drucksachen zu verschaffen weiß und deren Inhalt durch mechanisch vervielfältigte Mitteilungen mehreren Zeitungsredaktionen zugänglich macht.« Die Befragungen ergaben, daß es ein »offenes Geheimnis« sei, daß es sich bei dem Korrespondenten um Moritz Gumbinner handelte. Der erklärte seinerseits unter Eid, er sei lange Jahre Korrespondent der Kölnischen Zeitung und bestreite nicht, daß sich unter seinen Korrespondenzen auch solche mit Mitteilungen über den Bundesrat befänden. Diese entnehme er zumeist der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung und ergänze sie durch Mitteilungen aus parlamentarischen Kreisen. »Ich stelle auch gar nicht in Abrede«, fuhr Gumbinner in seiner Erklärung fort, »daß ich auch manchmal Bundesrathsdrucksachen erhalten habe, die mir aber von Leuten in durchaus unabhängiger Stellung zugegangen sind. Ich kann versichern (und bin mir meines Eides dabei vollständig bewußt), daß ich Beziehungen zu Subalternbeamten oder Mitgliedern des Reichsamts des Inneren nicht unterhalte und von keiner dieser Personen oder Unterbeamten, soweit mein Gedächtnis reicht, Bundesdrucksachen oder Mittheilungen über Bundesrathsangelegenheiten erhalten habe. Ich hätte dies auch bei meinem Verkehr mit hochgestellten Persönlichkeiten, wie ihn meine Stellung mit sich bringt, gar nicht nöthig. In diesen Kreisen lerne ich wieder den und jenen kennen, und auf diese Weise fließt mir im Wege der Geselligkeit und gesprächsweise diese und jene Mittheilung zu, bei der niemand auch nur das mindeste Unerlaubte finden könnte. Und wenn ich gleichwohl es ablehnen muß,

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Namen und Persönlichkeiten zu nennen, so geschieht es, weil ich meine dreißigjährige literarische Existenz dadurch geradezu vernichten würde. Denn obwohl die Herren, von denen ich die Mittheilungen erhalte, und dies sind ja, wie gesagt, die verschiedensten Persönlichkeiten, dabei absolut keine Verletzung ihrer Amtspflicht begehen, nach meiner Auffassung wenigstens, so würden dieselben dies doch als eine schwere Indiskretion meinerseits ansehen, mir Mittheilungen fortan versagen, und meine gesellschaftliche Stellung würde in eine ganz schiefe Lage kommen.«259 Gumbinner hatte es geschafft, als Journalist in den Kreisen »hochgestellter Persönlichkeiten« zu verkehren und dort akzeptiert zu werden. Seine Informationen erhielt er nicht dadurch, daß er als befragender Journalist auftrat, sondern auf dem »Wege der Geselligkeit«. Er verwahrte sich ausdrücklich gegen die von ihm geradezu als beleidigend empfundene Unterstellung, seine Informationen durch Verkehr mit Subalternbeamten erhalten zu haben. Wenn bei den Nachforschungen zuerst vermutet wurde, daß es nur dort Leute geben könnte, die »Amtsgeheimnisse« an Journalisten weitergaben, so macht das deutlich, fur wie wenig wahrscheinlich man Indiskretionen von seiten »hochgestellter Persönlichkeiten« hielt. Als die Kölnische Zeitung am 10. September 1858 frühzeitig gemeldet hatte, daß ein Regierungswechsel bevorstehe, verzichtete von Manteuffel auf eine nähere Untersuchung, um nicht zu dem peinlichen Ergebnis kommen zu müssen, daß die Information tatsächlich durch eine Indiskretion seitens der Staatsregierung in die Presse gelangt sei.260 Wenn Bismarck die eidesstattliche Erklärung Gumbinners ausdrücklich für mitteilenswert hielt, so zeigt auch das, fur wie ungewöhnlich er einen derartigen »freien« Verkehr zwischen Journalisten und Abgeordneten- beziehungsweise Regierungskreisen hielt. So bestand die Basis für Gumbinners Tätigkeit in einem engen Vertrauensverhältnis, das sich zwischen ihm und dem Personenkreis, aus dem er seine Informationen bezog, entwickelt hatte. Angesichts der geringen Zahl an Journalisten, die sich in ähnlich privilegierter Situation befanden, konnte der Preis für die Stellung, die er einnahm, nur in einem Höchstmaß an Loyalität seinen Informanten gegenüber bestehen. Die uneingeschränkte Loyalität dem Personenkreis gegenüber, von dem man seine Mitteilungen erhielt, ist bei einem weiteren Berliner Berichterstatter der Kölnischen Zeitung noch deutlicher nachzuweisen. Angesichts der Bedeutung, die den persönlichen Kontakten für den Erhalt von Informationen zukam, hatte man sich bereits 1872 bei der Kölnischen Zeitung entschlossen, neben festen freien Korrespondenten wie Frensdorff oder Gumbinner, zusätzlich mit einem Redaktionsmitglied ständig vor Ort zu sein. Zwischen 1872 und 1884 war es der Chefredakteur Heinrich Kruse selbst, der diese Aufgabe übernahm. Seine Nachfolge übernahm Franz Fischer, der in kurzer Zeit Zugang zum engsten Kreis um Bismarck fand und so zu dem wohl bestinformierten Journalisten am Ende der achtziger 333

Jahre wurde. Deutlicher als bei jedem anderen Journalisten läßt sich bei Fischer verfolgen, wie sehr er sich mit dem Kreis, aus dem er berichtete, identifizierte und auf diese Weise jede kritische Distanz zu ihm verlor. Als Fischer nach Berlin kam, klagte er seinem Verleger gegenüber, daß Kruse, der sich mit zunehmendem Alter immer mehr auf seine literarische Tätigkeit konzentrierte, ihm fast nur unbrauchbare Kontakte hinterlassen habe. 261 »Von den vielen Personen, bei denen er mich bereitwilligst eingeführt, verkehre ich nur noch mit den wenigsten; die meisten hatten, wie ich das bald feststellte, fiir die Zeitung keinen Wert; mit nationalliberalen Männern hat er mich überhaupt nicht in Verbindung setzen können.« 262 Als Voraussetzung für das Knüpfen neuer wertvoller Kontakte sah es Fischer zunächst als unabdingbar an, gesellschaftlich mit den Personen, zu denen er Verbindung suchte, gleichrangig verkehren zu können. Da er keine Zeit habe, allabendlich in die Fraktionskneipe zu gehen, müsse er »die Herren zum öfteren geselligen und freundschaftlichen Verkehr zu mir hinzuziehen.« Das aber sei »zumal für einen Junggesellen, der sich unmöglich mit Haushaltssorgen aufhalten« könne, »recht kostspielig«. 263 Ein Gehalt von monatlich 1250 Mark (= jährlich 15 000 Mark), das noch über dem eines Regierungspräsidenten lag, schien ihm dafür nicht ausreichend. »Es liegt mir unbedingt fern zu sagen, daß ich mit meinem jetzigen Gehalt nicht auskommen könnte. Wenn ich sehe, daß ich damit auskommen muß, wird es ja zu machen sein. Aber eine andere Frage ist, ob damit dem Interesse der Zeitung gedient ist; diese Frage möchte ich verneinen.« Da Kruse ihm nur unzureichende Kontakte habe vermitteln können, müsse er sich »nicht nur ganz neue Verbindungen, sondern auch eine ganz andere gesellschaftliche Stellung erringen.« 1500 Mark monatlich hielt er daher für angemessen. 264 In der Folgezeit berichtete Fischer seinem Verleger wiederholt von Diners, die er für Abgeordnete und hohe Regierungsbeamte - auch Herbert von Bismarck zählte dann und wann zu seinen Gästen - gegeben hatte. Noch wichtiger als der Kontakt zu den nationalliberalen Abgeordneten wurde für Fischer jedoch die Verbindung zu Friedrich von Holstein, Vortragendem Rat im Auswärtigen Amt und engem Mitarbeiter Bismarcks. Mit ihm entwickelte sich bald eine freundschaftliche Zusammenarbeit, die Fischer zu einer Art Pressesprecher Bismarcks werden ließ. Stolz verwies er gegenüber August Neven-DuMont immer wieder auf die von ihm gelandeten »Coups«, die darin bestanden, bestimmte Nachrichten als erste Zeitung veröffentlichen zu dürfen. Fischers größte Sorge war, daß die Redaktion in Köln seine Stellung und seine Erfolge gefährdete, indem sie Anstoß bei Bismarck oder bei anderen Personen seiner Umgebung erregte. Zweifellos war man auch in Köln daran interessiert, daß Fischers Stellung unbeschädigt blieb und er seine Kontakte weiter pflegen und intensivieren 334

konnte. Anders als Fischer, der offenbar keinerlei Bedenken hatte, sich zum Werkzeug Bismarcks machen zu lassen, beharrte Neven-DuMont darauf, doch zumindest ein Minimum an Distanz zu wahren. Dabei hatte er nicht zuletzt die wirtschaftlichen Interessen der Zeitung im Auge. Entsprechende Bedenken des Verlegers wischte Fischer jedoch beiseite und erklärte, er sei nicht der Meinung, daß der Rückgang der Abonnenten daraus zu erklären sei, »daß die K.Z. den Lesern zu officios geworden ist.«265 Beschwerden über die Zeitung leitete Fischer nicht nur nach Köln weiter, sondern machte sie sich in der Regel auch zu eigen. Im Februar 1887 schrieb er an Neven-DuMont, das Auswärtige Amt habe moniert, daß verschiedene Zusendungen an die Kölnische Zeitung nicht abgedruckt worden seien. Dabei habe man darauf verwiesen, daß kaum je ein Zeitungsberichterstatter »von irgend einem Ministerium so ausgezeichnet und als Vertrauensperson behandelt worden ist, wie das jetzt mit mir geschehe. ... Deshalb soll doch die Redaktion den einzelnen Vortragenden Räten den Verkehr mit ihr nicht so sehr verbittern.« Es handele sich absolut nicht um Wünsche, »die irgendwie der Unabhängigkeit der Zeitung zu nahe träten.«266 In Köln sah man dies häufig anders. Als es wieder einmal zu Unstimmigkeiten kam, wandte sich der Verleger in relativ scharfen Worten an seinen Berliner Korrespondenten: »Ich kann immer nicht begreifen, daß Sie so weit von Ihren früheren Ansichten abgekommen sind und nicht mit uns die Meinung teilen, daß die Objektivität und Selbständigkeit der K.Z. höchste Güter sind, daß sie allein hierdurch ihre heutige Stellung errungen hat. ... Es gibt doch in den Augen des Publikums einen Unterschied zwischen der Norddeutschen Allgemeinen, Herrn von Schwbg. und ähnlichem Gelichter und anderseits der K Z . Dieser Unterschied muß doch seinen Grund haben, und ihn zu verwischen, wäre doch das Törichtste, was der tun kann, der Gottseidank auf der besseren Seite steht.«267 Den indirekten Vorwurf der Abhängigkeit hätte Fischer vermutlich kaum gelten gelassen. Bei anderer Gelegenheit hatte er bereits darauf hingewiesen, daß das Problem des »Geruchs der Offiziösität« daher rühre, daß die Zeitung in der Regel das wolle, was auch Bismarck wolle.268 Ähnliches hätte zweifellos auch Emil Pindter, der Redakteur der »freiwillig gouvernementalen« Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, fur sich in Anspruch genommen. Fischer sah sich selbst mit einiger Sicherheit weiterhin als »unabhängig« an und verwies bei der Weiterleitung der Klagen Bismarcks immer wieder auf das »Interesse des Blattes«. Nicht ganz zu Unrecht war er der Ansicht, daß die Informationen, die ihm gegeben wurden, nur auf der Basis von Loyalität zu haben waren. Grundsätzlich wußte auch Neven-DuMont, daß man aus der Offiziösität »in vieler Beziehung riesige Vorteile« zog. Um jedoch auf Dauer nicht dasselbe Schicksal wie die Norddeutsche Allgemeine zu erleiden und wegen zu 335

offensichtlicher Offiziösität an Bedeutung und damit an Abonnenten einzubüßen, drängte er immer wieder auf eine Ausweitung des Spielraums. »Daß wir ... durch diesen Vorwurf [der Offiziösität; J.R.], der mit immer größerer Bestimmtheit - weil mit Berechtigung - auftritt, an unserem Ansehen Schaden leiden, ist ebenso unleugbar. Wir können also nur Geschehenes geschehen sein lassen und durch unser Verhalten den Beweis liefern, daß wir nicht alles, was die Regierimg tut, gutheißen oder gutheißen müssen.«269 Sobald sich die Redaktion tatsächlich solche Freiheiten nahm und es sogar wagte, Kritik an der Politik des Reichskanzlers zu üben, sah Fischer seine Position in Gefahr. Seine größte Sorge war, Bismarcks Gunst aufs Spiel zu setzen. Bei aller Berufung auf das Interesse der Zeitung fürchtete Fischer nicht zuletzt um seine eigene gesellschaftliche Stellung in der Umgebung des Kanzlers. So konnte oder wollte er viele Kontakte gar nicht nutzen. Seine guten Beziehungen zu den Ministern könne er nur aufrechterhalten, wenn er sich darauf beschränke, »ihr Vertrauensmann zu sein, und wenn ich mich hüte, auch nur das Geringste von ihnen zu wollen«, beschied er seinen Verleger auf dessen Aufforderung, bestimmte Informationen nachzufragen. 270 Zwar hatte es vor Franz Fischer kaum ein Journalist geschafft, so nah an das Machtzentrum zu gelangen. Nachdem jedoch diese Position erreicht war, ließ sie sich auf der Basis der Loyalität kaum weiter ausbauen, da Fischer von dem, was er wußte, nur so viel weitergeben durfte, wie es die »hochgestellten Persönlichkeiten« um ihn herum gestatteten. Fischers Loyalität zu Bismarck und seine engen Kontakte zu Friedrich von Holstein hatten noch einen weiteren Haken. Bismarcks Entlassung konnte nicht ohne Einfluß auf Fischers Stellung bleiben. Wollte Fischer als »überzeugungstreu« und nicht als abhängig gelten, konnte er sich der neuen Regierung schwerlich in gleicher Weise andienen, zumal Bismarck an seiner Gegnerschaft zu dem »neuen Kurs« unter Caprivi keinen Zweifel ließ. Sofern die Kölnische Zeitung nicht wie etwa die Hamburger Nachrichten oder zunächst auch die Allgemeine Zeitung zu einem Organ der Bismarckschen Opposition werden und ihre Stellung im Bereich der Nachrichten einbüßen wollte, mußte sie einen neuen Korrespondenten nach Berlin schicken. So blieb Fischer zwar weiter in Diensten der Zeitung in Berlin. Hauptberichterstatter der Zeitung wurde von 1892 an jedoch Arthur von Huhn. Über dessen Stellung zum Machtapparat ist weit weniger in Erfahrung zu bringen, als dies in bezug auf Fischer der Fall war. Vieles deutet jedoch darauf hin, daß von Huhns Stellung derjenigen Fischers nicht unähnlich war. Zumindest der enge Zusammenhang von gesellschaftlicher Stellung und der Möglichkeit, auf der Basis von Loyalität an Informationen zu kommen, ohne diese freilich uneingeschränkt an die 336

Öffentlichkeit geben zu dürfen, scheint sich fortgesetzt zu haben. Zu seinem Tod hieß es in der Frankfurter Zeitung, von Huhn habe das gehabt, was man in Berlin nur ganz selten finde, »einen politischen Salon, in dem man bekannte und hervorragende Männer aus so ziemlich allen Gebieten unseres öffentlichen Lebens« getroffen habe.271 Der Verfasser dieser Zeilen war August Stein, der Berliner Korrespondent der Frankfurter Zeitung, mit dem von Huhn seine Stellung als wohl bestinformierter Journalist um die Jahrhundertwende teilte. Stein und von Huhn seien ihm »zwei Jahrzehnte hindurch die treuesten Berater und Helfer geblieben«, schrieb Otto Hammann, der Leiter des Pressedezernats des Auswärtigen Amtes in seinen Erinnerungen. 272 Wenn mit August Stein seit den neunziger Jahren der Korrespondent einer Zeitung, von der politische Willfährigkeit sicher nicht zu erwarten war, zu dem Kreis der bevorzugt behandelten Journalisten zählte, so ist dies ein deutliches Indiz für einen Wandel der Pressepolitik. Ein gewisses Maß an persönlicher Loyalität mußte zweifellos auch Stein zeigen, um seine Stellung zu halten, doch weiß man leider über dessen Arbeit nur äußerst wenig.273 Auch wenn sich die Presse- und Informationspolitik langsam offener gestaltete, bedeutete das keineswegs, daß der Zugang von Journalisten zu Politikern und Informationen allgemein offener geworden wäre. Gerade das Beispiel August Steins zeigt, daß nach und nach auch oppositionelle Journalisten quasi kooptiert wurden, sich die grundsätzlichen Bedingungen des Zugangs zu Informationen aber nur langsam wandelten. Diese Bedingungen bestanden darin, daß mehr oder weniger enge persönliche Beziehungen zu den Beteiligten bestanden. Einem anonymen Reporter Auskunft zu erteilen erschien unter diesen Voraussetzungen auf gehobener politischer Ebene als ausgeschlossen. Daß eine Zeitung ein wichtiges innenpolitisches Ereignis erfahren habe, bevor es amtlich bekannt wurde, sei daher auch selten vorgekommen, berichtet der aus Wien stammende und seit 1906 in Berlin tätige Journalist Max Reiner in seiner Autobiographie. Im Reichstag habe es nur wenig Verbindungen zwischen den Parlamentariern und der Presse und noch weniger zwischen den Behörden und der Presse gegeben. Nur im Auswärtigen Amt seien »2-3 auserwählte Journalisten empfangen [worden], denen man sagte, was man fur gut fand, und die als offiziöse Sprachrohre der Wilhelmstraße angesehen wurden.« In den anderen Ministerien »hätte das Auftauchen eines Journalisten geradezu eine Panik hervorgerufen.« Man habe weniger die Kritik »als die Berührung mit der Presse« gefürchtet. »Nichts Schlimmeres hätte einem selbst hochgestellten Beamten widerfahren können, als in den Verdacht zu geraten, daß er einem Journalisten etwas gesagt habe.«274 Daß diese Bedingungen des Zuganges zu Informationen von Journalisten, jedenfalls denen, die »dazugehörten«, nicht nur akzeptiert, sondern 337

ausdrücklich gutgeheißen wurden, wird deutlich, wenn der Journalist Robert Brunhuber schreibt, er empfinde es stets als einen »schmerzhaften Nackenschlag ... wenn akademische Journalisten, denen ihre Beschäftigung im Solde des geschäftlichen Kapitalismus schon einen gewissen Teil ihres Ansehens raubt, durch die Geschäftsinteressen des Verlegers gezwungen werden, über Ereignisse zu berichten, zu denen sie nicht als gleichberechtigte Teilnehmer, sondern als geduldete Existenzen, die aus einem Winkel ihre Dienste verrichten dürfen, zugezogen werden.«275 Der Wunsch der Journalisten, als gleichberechtigte Teilnehmer, und nicht als untergeordnete Schreiberlinge angesehen zu werden, korrespondierte so mit dem Anspruch jener, die »Informationen« zu vergeben hatten, an die Loyalität der Journalisten. Als Zeichen der besonderen Dankbarkeit, tatsächlich das geschrieben zu haben, was man ihnen mehr oder weniger offen in die Feder diktiert hatte, dienten nicht zuletzt die Ordensverleihungen. Heinrich Kruse hatte 1863 eine Ehrenauszeichnung für die Aufnahme eines Artikels, der den Interessen des italienischen Finanzministers entgegenkam, abgelehnt. Andere Journalisten waren nicht so feinfühlend, im Gegenteil: Um die Jahrhundertwende scheinen es viele Journalisten geradezu darauf angelegt zu haben, dadurch, daß sie sich zum Sprachrohr der Interessen eines möglichst entfernt liegenden Landes machten, Orden zu sammeln. Gerade das Beispiel der Ordensvergabe läßt augenfällig werden, in welchem Maße die nach außen dokumentierbare gesellschaftliche Stellung von der »Loyalität« gegenüber den »Informanten« abhing.276

3.2. Wirtschaftsjournalismus In einer 1845 in Bremen erschienenen Denkschrift zu Zukunftsfragen der Stadt schrieb der Sohn des Bürgermeisters Johann Smidt: Die Zeiten seien vorbei, in denen gegolten habe, »je weniger die Staaten von sich reden machen, desto besser ist ihr Ruf«. Vielmehr sei es für eine Handelsstadt wie Bremen unabdingbar, daß sie von sich reden mache: »Schweigen ist heute fast gleichbedeutend mit Schlaf.«277 Derartige Überlegungen hatten wohl auch dazu beigetragen, daß der Bremer Senat im Jahr zuvor die Gründung der Weserzeitung unterstützt hatte, die in erster Linie Nachrichten und Berichte über Handel und Verkehr bringen sollte. Das Verhältnis zwischen Handel und Öffentlichkeit, das Smidt in seiner Denkschrift thematisierte, war bis zu diesem Zeitpunkt keineswegs ungebrochen. Werner Sombart hat die Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts als die Periode des »Sonderkreiswissens« gekennzeichnet, in der Kaufleute nicht an einem freien Informationsaustausch interessiert, sondern vielmehr darauf bedacht waren, daß ihre Informationen nur innerhalb von abgegrenzten Kreisen zirkulierten.278 In 338

der, soweit ich sehe, einzigen Untersuchung über das Verhältnis von »Handel und Öffentlichkeit« hat Ernst Baasch für Hamburg gezeigt, wie sich die Kaufmannschaft bis ins 19. Jahrhundert hinein immer wieder sowohl gegen bloße Veröffentlichung von Kurs- und Warenlisten als vor allem auch gegen die Kommentierung von Preis- oder Kursentwicklungen wandte. Noch 1827 wurde dem Senat eine von 133 Firmen und Kaufleuten unterzeichnete Eingabe überreicht, in der man ein Verbot aller Handelsberichte mit der Begründung forderte, die Berichte brächten den Hamburger Kaufleuten nur Nachteile. Kleinere auswärtige Händler würden auf die in den Zeitungen veröffentlichten Preise pochen, obwohl diese häufig nur für große Abnehmer gälten, und überhaupt seien die Angaben über Kurse und Preise häufig fehlerhaft. 279 Auch in Bremen gab es anfänglich Widerstand gegen die in der Weserzeitung veröffentlichten Handelsnachrichten. Diesen Stimmen versuchte Heinrich Smidt mit seiner Denkschrift entgegenzutreten. So begann sich, soweit sich dies bei der derzeitigen Forschungslage feststellen läßt, mit dem Einsetzen eines beschleunigten wirtschaftlichen Wachstums langsam auch das Verhältnis zu Presse und Öffentlichkeit zu wandeln. Erst jetzt wurde Wirtschafts- und Handelsfragen in den Zeitungen größerer Raum gegeben. In Köln erschien bereits seit 1834 auf Initiative der Handelskammer das Allgemeine Organ für Handel und Gewerbe, das das Ziel verfolgte, »die Interessen des Handels und der Industrie durch mehr Öffentlichkeit zu fördern.«280 Ähnliche Ziele hatten ursprünglich wohl auch bei der Gründung der Rheinischen Zeitung, die den Untertitel »Für Politik, Handel und Gewerbe« trug, eine Rolle gespielt. Nachdem eine Reihe von politischen Blättern in den vierziger Jahren ihre wirtschaftliche Berichterstattung intensiviert hatte, entstand in den fünfziger Jahren, parallel zu der einsetzenden Gründung von Aktiengesellschaften, auch eine spezialisierte Fachpresse. Neben Wochenblättern wie dem seit 1853 erscheinenden Aktionär und der Bank- und Handelszeitung wurden 1855 und 1856 mit der Berliner Börsen-Zeitung und der Frankfurter Handelszeitung (der späteren Frankfurter Zeitung) zwei der wichtigsten deutschen Organe fur Handels- und Wirtschaftsfragen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet. Anders als in den meisten Zeitungen üblich, wurden hier die Börsenkurse nicht nur übermittelt, sondern die Kursentwicklungen kommentiert, Unternehmensneugründungen und -entwicklungen bewertet, allgemeine und spezielle Prognosen gestellt. Auf diese Weise erhielt zwar das Prinzip der Publizität, auf das im politischen Bereich mindestens bis zur 48er Revolution große Hoffnungen gesetzt wurden, auch im Bereich der Wirtschaft verstärkt Einzug. Doch hier besaß dieses Prinzip von vornherein einen anderen Stellenwert. Als Motiv dafür, daß die Bremer Kaufmannschaft ihre Vorbehalte gegenüber der wirtschaftlichen Berichterstattung in der Weser339

Zeitung aufgeben sollte, nannte der Autor der zitierten Denkschrift den daraus resultierenden Werbeeffekt. Bremen sollte als Handelsplatz von sich reden machen. Um das zu erreichen, sollten die Kaufleute umdenken und ihre Vorbehalte gegenüber der Presse aufgeben. Leider weiß man über das Verhältnis einzelner Unternehmen zur Presse und einen möglichen Wandel dieses Verhältnisses so gut wie gar nichts. Mit der Gründung von Aktiengesellschaften erhielt die öffentliche Wirkung der Unternehmenspolitik ohnehin einen höheren Stellenwert. In welchem Maße diesem Umstand in den Unternehmen durch eine gezielte Informationsweitergabe an bestimmte Journalisten Rechnung getragen worden ist, ist bislang wenig bekannt. Für Frankreich gab es eine Reihe von Indizien und Belegen, die zeigt, daß die kritische Funktion des Wirtschaftsjournalismus, unabhängig davon, inwieweit man von Korruption sprechen sollte, durch enge Verbindungen zwischen Presse und Wirtschaft zumindest stark eingeschränkt war. Besonders augenfällig war das dort, wo der Wirtschaftsteil direkt an Banken vermietet wurde. Ähnliche Verflechtungen gab es zwar auch im deutschen Fall, soweit sich dies erkennen läßt jedoch in weit geringerem Maße. Eines der hervorstechendsten Beispiele ist die Gründung der Post im Jahr 1866 durch den Eisenbahnunternehmer Bethel Henry Strousberg. Die Zeitung diente unter anderem dazu, seine dubiosen Aktiengeschäfte, die 1872 in einen spektakulären betrügerischen Bankrott mündeten, publizistisch zu flankieren. In den sog. Börsenschwindel der Gründerzeit, für den insbesondere der Name Strousberg steht, war die Presse insofern involviert, als sie vielfach für derartige dubiose Geschäfte die notwendige publizistische Unterstützung lieferte. Inwieweit diese Unterstützung tatsächlich auf Bestechung basierte, wie jene Journalisten behaupteten, die, gekoppelt mit einem handfesten Antisemitismus, den Schwindel anprangerten, dürfte nur schwer feststellbar sein.281 Ein geschicktes Ins-Vertrauen-Ziehen konnte, wie sich auch in anderen Bereichen immer wieder zeigt, weit wirksamer sein als die stets ins Feld geführte Bestechung. Im Zusammenhang mit der Frage der Karrieren von Journalisten hatte sich ergeben, daß es einige wenige unter den Wirtschaftsjournalisten schafften, in Positionen innerhalb von Wirtschftsverbänden zu gelangen. Es dürfte kaum zweifelhaft sein, daß diejenigen, die einen solchen Weg gingen, auch schon als Journalisten »gesinnungsfest« die Interessen dieser Verbände vertreten hatten. 282 Insgesamt findet sich in den Quellen nur wenig über die Arbeitsweise und die Mechanismen im Wirtschaftsjournalismus. Es deutet jedoch manches darauf hin, daß ähnlich wie im politischen Journalismus eine gewisse »Milieunähe«, die auch durch die Tatsache gefördert wurde, daß, wie oben gezeigt, ein großer Teil der Wirtschaftsjournalisten ursprünglich aus dem kaufmännischen Bereich stammte, fur den Informationsfluß eine entschei340

dene Rolle spielte. In mehrfacher Hinsicht bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine briefliche Auseinandersetzung zwischen Franz Fischer und August beziehungsweise Josef Neven-DuMont. Im Januar 1888 schrieb Fischer an Josef Neven-DuMont, die Discontogesellschaft habe zum wiederholten Male »lebhafte Klagen« gegen die Berichterstattung der Kölnischen Zeitung bezüglich der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft erhoben. Der Bericht in der Börsenwochenschau der Zeitung vom 7. Januar sei dort nicht nur als »sachlich unrichtig«, sondern auch als »offenbar tendenziös« empfunden worden. Fischer machte sich, wie üblich, die an ihn herangetragenen Klagen zu eigen und fuhr fort: »Es hat wohl keinen Zweck, auf die Einzelheiten einzugehen; denn es geht ja aus dem Passus selbst hervor, daß der Verfasser keine wirkliche Kenntnis über den tatsächlichen Ertrag des alten und neuen Bergwerksbesitzers hat, sondern nur seine - der Gesellschaft ungünstigen - Vermutungen aufstellt. Der zweite Satz aber enthält m.E. offenbar eine Verdächtigung; er bedeutet nichts anderes als: Die Discontogesellschaft veröffentlicht schönfärberische Berichte, um umso teurer an die Hereinfallenden die Actien der Zeche Erin loszuwerden.« Die leitenden Herren der Discontogesellschaft seien über diese Art der Berichterstattung sehr »verschnupft«. Fischer sah einen »offenen Krieg« drohen, der die Kölnische Zeitung ohne Zweifel hart treffen werde. »Ich weiß nicht, wie weit Sie vorher von diesem Angriff Kenntnis erhalten haben; aber ich möchte Sie nochmals dringend darauf hinweisen, ob denn in der Tat die Aufnahme eines solchen Angriffes, selbst wenn er von Α - Ζ stichhaltig wäre, so erhebliche allgemeine Interessen vertritt, daß die Zeitung darum sich der Gefahr aussetzen soll, großen geschäftlichen Nachteil zu erleiden. Ich halte, wie ich das früher schon mehrmals geschrieben habe, es für den allergefährlichsten Weg, daß eine Zeitung die Berechtigung der Kursänderungen an einzelnen Börsentagen oder -wochen prüft und bekämpft. Aber wenn die Redaction glaubt, mit aller Gewalt dieses Eis beschreiten zu müssen, dann könnte sie doch wenigstens das an solchen Papieren tun, von denen sie noch nicht in Erfahrung gebracht hat, daß sie mit einer solchen Kritik Ungelegenheiten hervorruft, die für den Geldbeutel der Zeitung recht verhängnisvoll werden können. Ich würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir mitteilen würden, wie Sie und Ihr Herr Vater über diesen neuen Angriff denken und ob ich der Discontogesellschaft etwas zur Beruhigung sagen soll oder nicht.« 283 Fischers Sorge um den »Geldbeutel der Zeitung«, die in Wahrheit nichts anderes war als die Sorge um die Gunst der Herren, mit denen er verkehrte, stieß in Köln auf wenig Gegenliebe. In seinem und im Namen der Redaktion weise er, schrieb August Neven-DuMont, den Vorwurf zurück, »daß der in Rede stehende Artikel von Nr. 7 1 [7. Januar, erstes Blatt; J. R ] >offenbar 341

tendenziös< ist. Für ein derartiges Vorgehen unsererseits werden die Herren der Diskontogesellschaft selbst keinen stichhaltigen Grund anfuhren können. Die angenehmen Beziehungen zu diesem Institut könnten doch nur zum Gegenteil verfuhren.« Im übrigen könne er auch keine sachliche Unrichtigkeit in dem Artikel entdecken. Gebe es die, würde man sie sofort korrigieren. Ansonsten aber müsse seine Redaktion das Recht haben, »an allen öffentlichen Vorgängen in anständiger, sachlicher Weise Kritik zu üben.«284 Im gleichen Tenor antwortete noch am selben Tag auch der Juniorchef Josef Neven-DuMont: »Daß sie [die Herren der Discontogesellschaft; J.R.] unser Vorgehen tendenziös nennen, ist unbegreiflich, da doch nur ein Esel an unserer Stelle so verfahren könnte. Am aller unbegreiflichsten aber ist mir, wie Sie diese Ansicht teilen. Sie wissen doch so gut wie ich selbst, daß wir nach langen Bemühungen endlich von der Diskontogesellschaft Prospekte usw. [d.h. Anzeigen; J. R.] erhalten. Wir wären also geradezu verrückt, wenn wir jetzt gegen die Leute agitierten.« Doch dann fuhr er fort: »Ebensowenig werden Sie aber selbst wünschen, daß die K.Z. auf das Niveau von Frankfurter, Börsencourier und Börsenzeitung herabsteigt und nur das bringt, was gewissen Finanzleuten in den Kram paßt.«285 Das Schreiben ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen geht daraus klar hervor, daß es sehr wohl Rücksichtnahmen gegenüber Gesellschaften gab, von denen man Anzeigen bekam, auch wenn man den Eindruck der Käuflichkeit, nicht zuletzt aus Gründen der Selbstachtung der Redaktion, auf jeden Fall vermeiden wollte. Zum anderen distanzierte Josef DuMont sich von der unterstellten Servilität der fuhrenden Wirtschaftszeitungen der Finanzwelt gegenüber. Das Interessante dabei ist, daß der Verleger der Kölnischen Zeitung damit verächtlich auf jene Dienstfertigkeit herabblickte, die seine Zeitung, und insbesondere ihr Berliner Korrespondent, in ganz eklatanter Weise der Politik gegenüber an den Tag legte. Gleichzeitig aber gab er vor, sich auf ein solches Niveau selbstverständlich nicht begeben zu wollen. Was sich bereits im politischen Journalismus andeutete, findet so auch hier Bestätigimg: Korrupt sind immer nur die anderen. Die Frage, inwieweit Josef Neven-DuMont mit seiner Unterstellung recht hatte, ist damit allerdings noch nicht geklärt. Wie unabhängig war die Börsenberichterstattung beispielsweise der Frankfurter Zeitung? Im Dezember 1876 kam es zu einem Prozeß, in dem genau diese Frage zur Debatte stand. Angestrengt wurde das Verfahren von Franz Mehring, der den Besitzer der Frankfurter Zeitung, Leopold Sonnemann, in einem Zeitungsartikel indirekt der Bestechlichkeit bezichtigt hatte. Sonnemann selbst wehrte sich nur publizistisch, nicht aber gerichtlich gegen den Vorwurf. Statt dessen nahm Mehring seinerseits die Gelegenheit wahr, die Sache vor Gericht zu bringen, indem er eine Beleidigungsklage gegen 342

Sonnemann erhob, der ihn einen »notorischen Verleumder« genannt hatte. Mehring, der zu diesem Zeitpunkt noch kein Sozialdemokrat war, arbeitete als Journalist fur verschiedene demokratische und linksliberale Zeitungen und war bis 1875 unter anderem Korrespondent der Frankfurter Zeitung gewesen. Ausgangspunkt der Affáre war ein Brief der Deutschen Vereinsbank in Frankfurt an die Anglo-Österreichische Bank in Wien, von dem Mehring über einen Redakteur der Frankfurter Zeitung Kenntnis erhalten hatte, der sich seinerseits mit Sonnemann überworfen hatte. In diesem Brief, so wie er später sowohl von Mehring als auch von der Frankfurter Zeitung zitiert wurde, hieß es: »Es ist gebräuchlich, die Frankfurter Zeitung, um sie für Unternehmungen zu gewinnen, mit einem Prozent am Emissionskapital zu beteiligen, und nahmen wir daher keinen Anstand, dem Redakteur die verlangten 1 5 0 / M . zu bewilligen. Daß diese Zeitung das bedeutendste finanzielle Organ Süddeutschlands und deren Redakteur gleichzeitig Correspondent der Times und der Semaine financière ist, haben wir Ihnen schon mitgeteilt. Herr X. kann Ihnen nähere Aufschlüsse über denselben (Bernhard Doctor) geben. - Wir legen Ihnen hier einige Exemplare bei, aus welchen Sie selbst ersehen können, wie unangenehm die Opposition dieses Blattes werden kann. Daß wir die übrigen hiesigen Blätter, auf deren Stimme wir wenig Wert legen, so billig abgelohnt haben, dürfte Ihnen ein Beweis sein, daß wir dem Syndikate keine unnützen Kosten aufbürden wollen.«286 Aufgrund dieses Briefes warf Mehring Sonnemann in einem Artikel, der am 21. Mai 1876 von der Staatsbürgerzeitung veröffentlicht wurde, vor, »daß er während der Schwindelperiode seine öffentliche Vertrauensstellung als Besitzer und Leiter der Frankfurter Zeitung benutzt hat zu heimlichen Gewinnsten (!) aus Gründungen, über welche das Publikum in seinem Blatte ein unbestochenes und unparteiliches Urteil zu erwarten berechtigt war.«287 Vermutlich hatte Mehring mit seiner Annahme recht, daß Sonnemann an dem Prozeß, auch wenn er schließlich günstig für ihn ausging, nicht besonders gelegen war, da die in jedem Fall unangenehme Angelegenheit auf diese Weise zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich zog. In dem Prozeß sagte der Zeuge der Deutschen Vereinsbank, der den Brief unterschrieben hatte, aus, der Inhalt habe sich auf Herrn Bernhard Doctor, den Handelsredakteur der Zeitung, aber nicht auf die Frankfurter Zeitung insgesamt bezogen.288 Der aber habe, wie sich der Zeuge genau erinnerte, für seine Artikel in der Times eine Teilnahme am Syndikat verlangt. Im übrigen habe der Brief »die Sache recht drastisch dargestellt, um die Anglobank zu veranlassen, die Syndikatsbeteiligungen, die wir zugesagt, zu geben.« Da es sich um einen Beleidigungsprozeß gegen Sonnemann handelte, 343

war der betroffene Handelsredakteur lediglich als Zeuge geladen. So zog es Bernhard Doctor, der bereits bei der Gründung der Zeitung beteiligt gewesen und seit 1 8 6 0 Miteigentümer war, vor, sich bettlägerig zu melden. 289 Er gab lediglich zu Protokoll, schon seit 1 8 6 6 im Handelsteil der Frankfurter Zeitung nur noch sporadisch tätig zu sein. Mehrings Anwalt versuchte im Laufe des Prozesses, Sonnemann verschiedene Unkorrektheiten nachzuweisen, die Mehrings Vorwürfe hätten rechtfertigen sollen. Das scheiterte jedoch nicht zuletzt daran, daß keiner der maßgeblichen Zeugen, nämlich die Vertreter der Banken, ein Interesse daran hatte, die Handelsberichterstattung der Frankfurter Zeitung in Mißkredit zu bringen. So hieß es in der Urteilsbegründung zu Sonnemanns Freispruch: »Keiner der vernommenen Zeugen konnte aussagen, daß er die Beteiligung gegeben, um den Beklagten und dessen Zeitung hierdurch zu beeinflussen, oder daß Beklagter eine Beteiligung aus diesem Grunde von ihnen verlangt habe. Auch der versuchte Nachweis, daß indirekt durch diese Beteiligungen eine Beeinflussung auf den handelspolitischen Teil der Frankfurter Zeitung stattgefunden, muß fur vollständig mißlungen erachtet werden, denn abgesehen davon, daß sämtliche Zeugen sich anerkennend über die selbständige und korrekte Stellung, welche die Zeitung in dieser Zeit des Gründertums eingenommen, ausgesprochen haben, so wurden sogar einzelne Fälle constatiert, in welchen die Zeitung sich ungünstig über Unternehmungen ausgelassen hat, obgleich der Beklagte an denselben beteiligt war.« 290 Möglicherweise wäre der Prozeß anders ausgegangen, wenn Mehring die Angelegenheit nicht von vornherein als eine Art Privatfehde mit Leopold Sonnemann inszeniert hätte. So aber konnte sich die Frankfurter Zeitung am Ende ganz und gar rehabilitiert fühlen, ohne daß die Frage genauer untersucht worden wäre, wie korrekt denn etwa das Verhalten des Handelsredakteurs Bernhard Doktor gewesen ist. Wichtiger als die Frage, ob dem Handelsredakteur der Frankfurter Zeitung oder auch anderer Finanzblätter möglicherweise gerichtlich ein unkorrektes Verhalten nachzuweisen gewesen wäre, sind die Praktiken des Wirtschaftsjournalismus, die sich hier abzeichnen. Ähnlich wie im politischen Bereich entwickelte sich auch in dem Verhältnis zwischen den Journalisten und den Unternehmen, insbesondere den Banken, eine gewisse Zusammenarbeit, aus der beide Seiten ihren Nutzen zogen. Die Banken hatten den Wert der »Öffentlichkeitsarbeit« offenbar erkannt. Ähnlich wie im politischen Journalismus spielte auch hier der persönliche Kontakt zu den Korrespondenten der wenigen wichtigen Blätter auf diesem Gebiet die entscheidende Rolle. In seinen Erinnerungen erzählt der spätere Arbeiterbewegungshistoriker Gustav Mayer, der zuvor Handelsjournalist der Frankfurter Zeitung gewesen war, wie er als Korrespondent in Amsterdam aufgenommen wurde und arbei-

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tete. Als er Ende der neunziger Jahre von der Frankfurter Zeitung als Korrespondent nach Amsterdam geschickt worden sei, habe ihm ein alter Freund der Familie angeboten, ihn bei den dortigen reichen Häusern einzuführen, was er allerdings abgelehnt habe. »In Amsterdam wären solche Einfuhrungen fur mich so überflüssig gewesen wie für den Botschafter einer Großmacht, der einen neuen Posten bezog. Sehr bald kannte ich die Chefs fast aller führenden Bankhäuser.« Die Amsterdamer Bankiers hätten die Rolle, die der Handelsteil der Frankfurter Zeitung spielte, genau gekannt »und bemaßen danach das Interesse, das sie an dem jungen Vertreter dieses Blattes zu nehmen hatten von dem Tage ab, da dieser auf der Börse oder in ihren Büros auftauchte.«291 So verkehrte Mayer auch gesellschaftlich in diesen Kreisen und erhielt bei den verschiedenen Zusammenkünften - etwa beim häufigen Mittagessen mit dem Besitzer des Bankhauses Alsberg und Goldberg - die Informationen für seine Artikel, wobei für die Bankiers die Weitergabe von Informationen der entscheidende Hebel zur Beeinflussung der Zeitung in ihrem Sinne war. In welchem Maße es über diese Art von Kontakten hinaus Versuche seitens der Banken gab, durch vorteilhafte Beteiligungen an Aktiengeschäften die Journalisten wohlwollend zu stimmen, oder Ansprüche der Journalisten, wohlwollend gestimmt zu werden, ist kaum mehr feststellbar. Daß es Praktiken in dieser Richtung gab, geht aus dem oben zitierten Brief der Deutschen Vereinsbank hervor. Doch wie hieß es im übrigen in einem bissigen Artikel, verfaßt von einem Autor mit dem Pseudonym »Pluto«, über »Unsere Handelsredakteure«? »Für das Publikum ist es freilich völlig gleich, ob der Redakteur, auf dessen Nuancen von ziemlich gut, gut oder sehr gut sie sorglich achten, in Folge einer Beteiligung oder in Folge einer anderen Liebenswürdigkeit milder gesinnt wird. Wenn ein Bankier ersten Ranges gar kein anderes Mittel weiß, eine weitreichende Feder zu stimulieren, so wird er auch gnädig, bittet den Redakteur an der Börse, bei sich Platz zu nehmen, behandelt ihn nicht geschäftsmäßig, sondern gesellig, etwa wie einen Premierlieutnant, der mit den Fräuleins tanzt. ... Das klingt albern, aber dennoch ist es Tatsache, daß man sich in ernsten Kreisen solche Ursachen für das Gelingen mancher großen Anleihe zuschreibt.«292 Gustav Mayer hätte derartige Unterstellungen für seine eigene Person vermutlich weit zurückgewiesen. Sicher hing es auch von den einzelnen Journalisten ab, in welchem Maße sie sich durch den Kontakt zu den Bankiers so »einwickeln« ließen, wie »Pluto« es unterstellt. Immerhin beruhte die Bedeutung, die insbesondere der Wirtschaftsteil der Frankfurter Zeitung unzweifelhaft besaß, nicht zuletzt auf ihrer relativen Unabhängigkeit. In der »Geschichte der Frankfurter Zeitung« konnte man stolz darauf verweisen, daß in einem Prozeß aus dem Jahr 1900 um die Frage eines Regreßanspruches für Anlageempfehlungen die Urteile der

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Fachpresse und insbesondere die der Frankfurter Zeitung als wichtige Informationsquelle anerkannt wurden. Das Ignorieren der Fachpresse und insbesondere des Handelsteils der Frankfurter Zeitung, der »von Sachverständigen als unparteiisch und gut orientiert« bezeichnet werde, müsse dem beklagten Bankier, so das Gerichtsurteil, als »schuldhaftes Versäumnis« angerechnet werden. 293 Unabhängig davon, wie sachkundig das Urteil des Gerichts in dieser Frage tatsächlich war, zeigt es zumindest, daß der deutsche Wirtschafts- und Handelsjournalismus - weit entfernt davon, über jede Kritik erhaben zu sein - es geschafft hatte, sich in ein weit besseres Licht zu setzen als der französische, der durch die vielfältigen Verbindungen zur Wirtschaft sein Kritikpotential und seine Glaubwürdigkeit stark eingebüßt hatte. Als Fazit lassen sich ebenso auffällige Parallelen wie Unterschiede zwischen dem politischen und dem Wirtschaftsjournalismus ausmachen. Das Einholen von Primärinformationen im Bereich des Wirtschaftsjournalismus folgte ähnlichen Mechanismen wie im politischen Journalismus. Der persönliche Kontakt, das Hineingezogen-werden einzelner Journalisten in den Bereich und das Milieu, über das sie berichteten, spielte in beiden Fällen eine entscheidende Rolle. Auch politischen Journalisten wurde die Loyalität, das heißt, die mangelnde Kritik ihren Kontaktpersonen gegenüber von den politischen Gegnern zum Teil als Bestechlichkeit ausgelegt, doch konnten sie sich dabei noch auf ihre »Gesinnungsfestigkeit« berufen. Wirtschaftsjournalisten hingegen konnten sich bei einem vergleichbaren Verhalten gegen den Korruptionsverdacht weit schlechter absichern. Dabei bestand das eigentliche Problem vermutlich jedoch weniger in der direkten Bestechlichkeit etwa durch eine vorteilhafte Beteiligung an günstigen Aktiengeschäften, sondern darin, daß die Wirtschaftsjournalisten, die selbst vielfach aus dem kaufmännischen Bereich kamen, sich dem Milieu, über das sie kritisch berichten sollten, soweit zugehörig fühlten, daß sie in solchen Beteiligungen gar nichts Ungewöhnliches sahen. Dadurch, daß auf der anderen Seite der Wirtschaftsjournalismus per se unter Korruptionsverdacht stand, mußten Zeitungen wie etwa die Frankfurter, deren Ruf und ökonomischer Erfolg nicht zuletzt auf der Seriosität ihres Wirtschaftsteils beruhte, auf eine relative Unabhängigkeit in diesem Bereich bedacht sein. Das Bewußtsein journalistischer Unabhängigkeit insbesondere den Kreisen gegenüber, aus denen die Informationen bezogen wurden, mag auf diese Weise sogar gestärkt worden sein.

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3.3. Feuilletonjournalismus Gemessen an den Bereichen Politik und Wirtschaft erscheint die Stoff- und Informationsbeschaffung im Kultur- beziehungsweise Feuilletonjournalismus unproblematisch. In dem Maße, wie Theaterauffiihrungen, Opern, Konzerte, Ausstellungen zu öffendich zugänglichen Veranstaltungen wurden, setzten sie sich der öffendichen Kritik aus. Damit entwickelte sich die Kritik nicht nur zu einem festen Bestandteil des Kulturbetriebs, sondern besaß insbesondere in der Epoche der entstehenden Öffentlichkeit eine weit darüber hinausgehende Bedeutung. Literarische Kritik konnte sich, wie das fur die Aufklärung fundamentale Prinzip der Kritik überhaupt, erst im Rahmen der entstehenden Öffentlichkeit entfalten. Anders als der politische Bereich lieferten Literatur und Theater die Möglichkeit zu einer weitgehend ungehinderten Auseinandersetzung der zum Publikum versammelten Privatleute. Hier wurde das Modell eines sich selbst verständigenden Publikums geschaffen, als dessen Sprecher der Kritiker auftrat. Von daher weist insbesondere Habermas der sich im Umfeld des Theaters und der Literatur entzündenden Diskussion die wichtige Funktion einer »Vorform der politisch fungierenden Öffentlichkeit« zu.294 Insofern war Theater· und Literaturkritik, die sich relativ früh, das heißt teilweise schon seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als fester Bestandteil in den Zeitungen etablierte, mehr als nur ein journalistischer Teilbereich.295 Die Möglichkeit der eigenen oder durch einen Vertreter, eben den Kritiker oder den Journalisten wahrgenommenen Teilnahme an einer öffentlichen Debatte über ein öffendiches Ereignis lieferte das Modell für den entstehenden räsonnierenden Journalismus.296 Durch die frühe Institutionalisierung der Kritik und den weitgehend freien Zugang zu den für die Kritik notwendigen Informationen stellt sich der Feuilletonjournalismus als der journalistische Bereich dar, der mit Behinderungen vergleichsweise am wenigsten zu kämpfen hatte. Insofern läßt sich fragen, ob dieser weniger reglementierte Bereich auch in praktischer Hinsicht als »Übungsfeld« eines »modernen« Journalismus fungierte. Wie sah die Praxis des Kulturjournalismus aus? Entwickelten sich hier möglicherweise bestimmte Interview- oder andere Recherchepraktiken, die über die reine Kritik hinausgingen und später Eingang in andere journalistische Bereiche fanden? Die Geschichte der Literatur- und Theaterkritik ist Teil der Literaturwissenschaft. So existiert zwar eine Reihe von Untersuchungen, bei denen jedoch die literaturgeschichtlichen Kategorien im Vordergrund stehen, während die konkrete journalistische Praxis weitestgehend ausgeblendet bleibt. Da eine eingehende Untersuchung der Geschichte der Literaturund Theaterkritik - von der Musikkritik ganz zu schweigen - einer eigen347

ständigen Untersuchung bedürfte, konzentriert sich die folgende Darstellung auf einige fur die Gesamtfragestellung relevante Aspekte. Die wechselseitige Bedeutung der entstehenden Öffendichkeit und der Entstehung des liberalen Modells der Literaturkritik ist oben bereits hervorgehoben worden. Die Aufklärung gilt daher vielfach auch als eine Art »Goldenes Zeitalter« für die Kritik. Nicht zuletzt unter Berufung auf Habermas wird die weitere Entwicklung vielfach als ein fortschreitender Verfallsprozeß dargestellt. Auf die Problematik dieser Sicht kann im einzelnen nicht eingegangen werden. Da jedoch die Praxis des Kritikers nicht zuletzt auf dessen eigener Rollendefinition beruhte, sollen zumindest die wichtigsten Züge der Entwicklung kurz dargelegt werden. Überspringt man nach der Aufklärung die speziellen Entwicklungen der Literaturkritik in der Klassik und der Romantik und wendet sich dem Jungen Deutschland und den Junghegelianern zu, ist eine wichtige Veränderung festzustellen. Literaturkritik, wie sie etwa Ludwig Börne in den Dramaturgischen Blättern oder den Zeitschwingen betrieb, hatte nicht mehr nur modellhaften Charakter für politische Kritik. Vielmehr war die literarische Kritik für Börne und seine Mitstreiter zu einem Instrument politischer Aufklärung geworden. In der Fehde mit Heinrich Heine unterstützte die Mehrzahl der Radikalen Börnes Position der Indienstnahme der Literatur für den politischen Fortschritt.297 Durch die per se kritische Funktion der Literatur verwischten sich die Grenzen zwischen Literatur und Literaturkritik. Der letzteren kam dabei vor allem die Aufgabe der Verbreitung und der Vermitdung der literarischen Produktion »an die Masse« zu.298 Eine deutliche Wendung in der Literaturkritik vollzog sich nach der Revolution von 1848. Das Scheitern der politisch-emanzipatorischen Ziele des Jungen Deutschland bedeutete auch das Ende des damit verbundenen literarischen Programms. Theoretiker der Literaturkritik wie Julian Schmidt griffen auf die alte Funktion der Kritik, zwischen »guten« und »schlechten« Werken zu unterscheiden, zurück. Zum Gradmesser wurde nicht mehr der emanzipatorische Charakter eines Romans oder eines Theaterstücks erhoben, sondern eine »objektive« ästhetische Norm. 299 Die Polemik, die sich im Vormärz zu einem wichtigen Stilelement einer sich kämpferisch verstehenden Kritik entwickelt hatte, wurde im Nachmärz zunehmend als deplaciert empfunden. Der Kritiker legte die Rolle des Mitstreiters fur ein bestimmtes literarisches Programm ab und zog sich auf die Position eines sachlich, nach »objektiven« Maßstäben urteilenden Kunstrichters zurück. Anders als in der vormärzlichen literarischen Kritik, die gewissermaßen der verlängerte Arm des literarischen Programms war, sicherte sich die Literaturkritik nun als eine eigenständige Institution ab, die die Normen für »gute« und »schlechte« Kunst festlegte. Das 348

Normative und Doktrinäre dieser sich »objektiv« gebenden Literaturkritik, wie sie etwa in den Grenzboten von Gustav Freytag und anderen Blättern geübt wurde, blieb jedoch nicht unwidersprochen. So warf Rudolf Gottschall, der in Leipzig fur verschiedene Zeitungen als Literatur- und Theaterkritiker arbeitete, seinen Kollegen von den Grenzboten Mißbrauch ihres richterlichen Amtes vor: »Sie haben durch eine einseitige, oft sogar erbitterte und parteiische Kritik die Produktion der Gegenwart zu entmutigen und im Publikum, welches sich stets durch Sicherheit der Behauptungen imponieren läßt, den Glauben an ihre Berechtigung, ihren Wert und ihre Triebkraft zu untergraben versucht.«300 Dadurch, daß sich die Kritiker zu Sachwaltern angeblich objektiver, tatsächlich aber überkommener Normen machten, stand ihr Urteil vielfach schon fest. In Neuerungen sahen sie in erster Linie Abweichungen von der Norm. Ihr Urteil war damit »parteiisch«. Den umgekehrten Vorwurf, den der Subjektivität und der »Prinzipienlosigkeit«, mußte sich jener Typ von Kritikern gefallen lassen, der seit den siebziger Jahren insbesondere in Berlin auftrat. Die als »Feuilletonisten« geschmähten Kritiker scherten sich wenig um die Prinzipien einer tradierten Poetik und andere »objektive« Normen, an denen die Kunst zu messen s e i 301 \ γ 0 s i c h e t w a Karl Frenzel, der Kritiker der Berliner Nationalzeitung, genötigt sah, ein Theaterstück aus formalen Gründen abzulehnen, stellte sich ein »Feuilletonist« wie Paul Lindau auf den Standpunkt, ein Stück sei gut, wenn es ihm gefalle. Ob es dabei den Gattungskriterien entsprach, interessierte ihn wenig. Vorbild dieser Art von Kritik war der Pariser »prince des critiques« Jules Janin, der aus der Literatur- und Theaterkritik eine Art eigene literarische Gattung gemacht hatte, die es ihm ohne eine feste Form erlaubte, in einer Besprechung einer Theaterauffiihrung über alles und jedes zu plaudern.302 Da diese Art von Kritik fiir einen Großteil der Leser weit attraktiver war, als die stark akademisch geprägte Kritik der fünfziger und sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts, ist es zweifellos richtig, wenn die Entstehung des »Feuilletonismus« mit dem expandierenden Zeitungsmarkt und dem Streben nach höheren Auflagen in Verbindung gebracht wird. Für die in der Literaturwissenschaft zu findende These, daß hiermit eine Einschränkung der Autonomie des Kritikers verbunden war, fehlt schlechterdings jeder Beleg.303 Zwar läßt sich argumentieren, daß eine subjektive, keinem literarischen Programm verpflichtete Kritik, leichter zu beeinflussen ist als eine an einer normativen Ästhetik orientierte. Ob die Korruption, auf die noch näher einzugehen sein wird, jedoch unter den »Feuilletonisten« stärker verbreitet war als unter anderen Kritikern, erscheint als ebenso schwer beantwortbar wie die Frage, ob sie verlegerischem Druck gegenüber nachgiebiger waren als andere. Was die Frage der Autonomie des Kritikers angeht, läßt sich auch geradezu umgekehrt be-

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haupten, daß sie in dem Maße zunahm, wie sich ein Kritiker von vorgegebenen Normen löste. Zudem blieb auch der Feuilletonismus Passage. Mit dem Aufkommen des Naturalismus in den achtziger Jahren - der Hauptentstehungsphase der Generalanzeiger - geriet der Feuilletonismus bereits wieder in die Defensive. Gleichgültigkeit, die dem »laisser aller« huldige, »ohne zu bedenken, daß damit der Kritik das Daseinsrecht entzogen wird,« warfen Heinrich und Julius Hart Kritikern wie Paul Lindau vor.304 In der ersten Nummer der von ihnen gegründeten literarischen Zeitschrift Kritische VJaffengänge der Titel war bereits Programm - definierten sie ihre Rolle. »Zwei Worte sind es, mit welchen sich die Aufgaben des Ackerers wie des Kritikers genügend bezeichnen: Pflügen und Pflegen. Das Erdreich zu durchfurchen, es von Steinen zu befreien und das Unkraut auszujäten, das ist die eine Pflicht, die aussprossenden Pflanzen zu warten und zu schirmen, das ist die andere.« 305 Die junge Pflanze, die es zu pflegen galt, war der Naturalismus. Die neue literarische Strömung zu fördern und gegen Angriffe zu verteidigen, war das Programm ihrer Zeitschrift. Gerade am Beispiel des Naturalismus wird deutlich, wie eng Literatur und Literaturkritik miteinander verbunden blieben. So sehr sich die Literaturkritik zeitweise dadurch als eigenständige Institution zu etablieren versuchte, daß sie sich auf »objektive« ästhetische Normen berief, oder von den Feuilletonisten als eine eigene literarisch-journalistische Gattung gepflegt wurde, verstanden sich Kritiker immer wieder auch als Vertreter und zunehmend sogar als Vorreiter neuer literarischer Strömungen. Im politischen Bereich ist unverkennbar, wie die Entstehung politischer Strömungen stets von Journalisten nicht nur begleitet, sondern aktiv vorangetrieben wurde. Dieselbe Funktion übernahmen die Journalisten im Bereich der Literatur, Musik und der bildenden Kunst. Anders aber als im politischen Bereich, wo sich die politischen Strömungen zu mehr oder weniger stabilen Organisationen verfestigten, bleibt der kulturelle Bereich wesentlich stärker in ständiger Bewegung. Zwar gab es auch hier Ansätze von institutioneller Verankerung und Kritiker, die sich zu deren Verteidigern machten. Zunehmend setzte sich bei den Kritikern jedoch das Bewußtsein durch, daß auch neue Strömungen nur von begrenzter zeitlicher Gültigkeit sein würden. So schrieb der Berliner Kritiker Otto Brahm in einem programmatischen Aufsatz in der Freien Bühne: »Wir schwören auf keine Formel und wollen nicht wagen, was in ewiger Bewegung ist, Leben und Kunst, an starren Zwang der Regel anzuketten. Dem Werdenden gilt unser Streben, und aufmerksamer richtet sich der Blick auf das, was kommen will als auf jenes Ewiggestrige, das sich vermißt, in Konventionen und Satzungen unendliche Möglichkeiten der Menschheit, einmal fur immer festzuhalten, soweit sie mir zur Verfügung standen, ... Dem Naturalismus Freund,

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wollen wir eine gute Strecke Weges mit ihm schreiten, allein es soll uns nicht erstaunen, wenn im Verlauf der Wanderschaft, an einem Punkt, den wir heute noch nicht überschauen, die Straße plötzlich sich biegt und überraschende neue Blicke in Kunst und Leben sich auftun.«306 Im politischen Journalismus undenkbar, wird hier bereits angekündigt, daß die Position, die man fur den Moment bezog, nicht von Dauer sein würde. Von der »Prinzipienlosigkeit« der Feuilletonisten mochte man sich zwar abgrenzen, doch die im politischen Bereich gepriesene »Überzeugungstreue« verlor hier ihren Absolutheitsanspruch. Statt dessen wurde eingeräumt, daß eine Position, die für eine gewisse Zeit ihre Gültigkeit hatte, diese in Zukunft wieder verlieren konnte, um anderen Impulsen zu weichen. Während der direkte Einfluß des politischen Journalisten auf die Entstehung politischer Strömungen in dem Maß zurückging, wie die Parteien und Verbände feste Organisationsformen annahmen, blieb dem Kulturjournalisten der unmittelbar gestaltende Einfluß auf den Bereich, über den er kritisch schrieb, grundsätzlich erhalten. Das galt nicht zuletzt deshalb, weil der Beruf des Kritikers und der des Schriftstellers lange Zeit noch in einer Person vereint blieben, wenn sich auch zumeist der Schwerpunkt auf die eine oder die andere Tätigkeit verlagerte. Der theoretische Rahmen der Literaturkritik und das sich wandelnde Rollenverständnis des Kritikers waren die eine Seite des Berufs, die praktischen Arbeitsbedingungen, insbesondere für den Theater- und Musikkritiker, die andere. Verläßt man die Höhen der Theorie, stellt sich jene oben bereits angeschnittene Frage nach der konkreten journalistischen Praxis, vor allem derjenigen, die sich abseits des Schreibtisches abspielte. Einen der frühesten Einblicke in die konkreten Verhältnisse erhält man durch die Erinnerungen des Schriftstellers und Journalisten Garlieb Merkel, der 1802 von dem Verleger der Spenerschen Zeitung als Theaterkritiker engagiert worden war. Der Rahmen der ständig wiederkehrenden Auseinandersetzungen zwischen Kritikern und Theaterdirektoren findet sich hier bereits abgesteckt: »Um gewisser zu sein, daß ich bei dem Theater nützlich eingriffe, schien es mir notwendig, die inneren Verhältnisse desselben zu kennen und alles Neue, was bei demgleichen vorginge oder unternommen würde, sogleich zu erfahren, versteht sich in Rücksicht der Kunst, nicht des Privatlebens der Künstler. Dazu gab es viele Wege, aber der einzige reine und fur mich passende war, mich an den großen Künstler selbst zu wenden, der an der Spitze der Direktion stand. In der gutmütigen Voraussetzung, daß der Schauspieler wirklich einem Kritiker aufrichtig die Hand bieten könne, schrieb ich ein Billet an Iffland und fragte, wann ich ihn besuchen dürfe, um über einen wichtigen Gegenstand Abrede zu nehmen? Eine Viertelstunde nachher war er schon bei mir, und nun begann eine Unterhaltung, deren Andenken bei der Künstlichkeit, mit welcher Iffland sie führte und zu der ich mich nun auch gezwungen sah, mich noch ergötzt.«

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Der Theaterdirektor fürchtete den Kritiker auf der einen Seite, meinte aber auf der anderen Seite, eine Chance zu sehen, die Theaterkritik nun selbst beeinflussen zu können, während Merkel sich eine zu deutliche Einmischung verbat. »So kämpften wir fast eine halbe Stunde, bis ich ermüdete und ihm so höflich als möglich erklärte: die entworfene Chronik des Theaters würde auf jeden Fall erscheinen; es würde mich aber sehr schmerzen, wenn ich seiner Mitwirkung entbehren müßte. ... Das hob alle Bedenklichkeiten; Iffland versprach, was ich wollte.«307 Es ist unverkennbar, daß die Möglichkeiten, die der Theaterkritiker bei der Ausübung seines Berufs hatte, ungleich größer waren als die eines Kollegen aus dem politischen Ressort. Der Theaterdirektor hatte keinen Einfluß mehr darauf, ob es zu einer öffentlichen Kritik seiner Arbeit kam oder nicht. Er konnte nur noch durch »Zusammenarbeit« mit dem Kritiker versuchen, ihn positiv zu beeinflussen und so den Kritiker zu einem Propagandisten zu machen. Wenn das nicht gelang, versuchten die Theater, sich gegen die Kritik zu wehren. 1803, also bald nachdem Merkel seine Tätigkeit bei der Spenerschen Zeitung aufgenommen hatte, schickten die Mitglieder des Berliner Nationaltheaters eine Denkschrift an den für die politischen Zeitungen zuständigen Minister für auswärtige Angelegenheiten mit der Forderung, die Theaterkritiken zu verbieten. Die Schauspieler wollten sich nicht dem Spott der Tageblätter ausgesetzt sehen. Die Kritiken seien zum Teil beleidigend und wirkten nicht fördernd, sondern nur hindernd auf die weitere Arbeit. Die Theater konnten sich mit ihrer Forderung nicht durchsetzen - bezeichnenderweise unter dem Hinweis, ein Verbot sei mit der Pressefreiheit nicht vereinbar. Der Streit zwischen den Kritikern und den Theatern schwelte jedoch weiter. 1813 wandte sich der Direktor des Nationaltheaters mit der Bitte an das zuständige Ministerium zu veranlassen, daß ein Stück erst nach dreimaliger Aufführung rezensiert werden dürfe. 1828 setzte er sich tatsächlich mit dieser Forderung durch.308 Schauspieler und Theaterdirektoren fürchteten die Journalisten nicht zu Unrecht. Mancher Kritiker, der wie etwa der jungdeutsche Schriftsteller Heinrich Laube später selbst am Theater tätig war, mußte die schmerzliche Erfahrung machen, nun selbst zur Zielscheibe der Kritik geworden zu sein. Ein einziger Verriß, so schreibt er in seinen Erinnerungen, konnte das Schicksal eines Stückes besiegeln.309 Versuche, die Kritiker unter Druck zu setzen oder auf andere Weise zu beeinflussen, waren deshalb an der Tagesordnung. Anders als im politischen Journalismus waren die Möglichkeiten der Theater, sich gegen einen Kritiker zu wehren, jedoch denkbar gering. Ein Hebel waren die Freikarten für die Kritiker, die sich die Zeitungen nach und nach erstritten. Wie eine Abmachung aus dem Jahr 1867 zwischen Josef Bachem, dem Verleger der Kölnischen Blätter, und

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dem Direktor des Kölner Stadttheaters zeigt, gab es die Freikarten jedoch keineswegs immer ohne Gegenleistung. Bachem verpflichtete sich, die täglichen Theateranzeigen kostenlos abzudrucken, und erhielt dafür täglich zwei freie Plätze und zusätzlich bis zu vier Billets pro Vorstellung für sich persönlich, sofern er dies vorher schriftlich anmeldete.310 Über das gesamte 19. Jahrhundert gab es immer wieder Fälle, in denen die Theater einem Kritiker die Freikarten entziehen oder gar den Zutritt zum Theater ganz verwehren wollten, wenn man mit der Kritik nicht einverstanden war. Erfolgreich waren derartige Einschüchterungsversuche in der Regel nicht. Als etwa der Direktor des Berliner Wallnertheaters im Jahr 1885 dem Kritiker der Vossischen Zeitung Otto Brahm die Freikarten verweigerte und der Zeitung gleichzeitig mitteilte, man werde jeden anderen Kritiker als Brahm akzeptieren, erklärte die Redaktion der Vossischen Zeitung, daß sie künftig das Theater ganz ignorieren werde.311 Da schlechte Kritiken immer noch besser waren als gar keine, waren den Theatern somit in der Regel die Hände gebunden. Wie das oben genannte Beispiel vom Anfang des 19. Jahrhunderts bereits zeigte, konnten die Theater von staatlicher Seite zumeist nur wenig Unterstützung gegen die Kritiker erwarten. Ein Fall vom Ende des 19. Jahrhunderts deutet in die gleiche Richtung. So wurde dem Theaterkritiker der Breslauer Zeitung, Karl Vollrath, nach einer scharfen Kritik einer Vorstellung des Stadttheaters bei der nächsten Gelegenheit der Eintritt verwehrt. Die Stadt beschied den Theaterdirektor daraufhin, daß ihm eine Auswahl der Kritiker sowie ein Hausrecht in dem von ihm in Anspruch genommenen Sinne nicht zustehe, da er nur Pächter des städtischen Theaters sei.312 Vollraths Position war insofern besonders stark, als er selbst der Stadtverordnetenversammlung angehörte. Aber auch sonst ist mir kein Fall bekannt, in dem sich die Behörden in einem ähnlichen Konflikt auf die Seite der Theater gestellt hätten. Ob die Drohungen der Theater, den Zeitungen die Anzeigen zu entziehen, erfolgreicher waren, ist im einzelnen schwer feststellbar. Im Falle des gefürchteten Theaterkritikers Oskar Blumenthal, des »blutigen Oskar«, wie er aufgrund seiner scharfen Kritiken genannt wurde, nützte das Druckmittel offenbar wenig. Blumenthal, von 1876 bis 1887 Redakteur des Berliner Tageblatts, gehörte zu jenen Feuilletonisten der siebziger und achtziger Jahre, die die Kritik vorwiegend als Selbstzweck betrachteten und mehr das Interesse des eigenen Lesers als das des Theaterpublikums im Auge hatten. »Man lobte Frenzel, man lobte Fontane, man las Blumenthal. Fontane und Frenzel selbst lasen ihn eifrig,« schrieb der Theaterkritiker Paul Schienther später über seinen Kollegen.313 Gerade am Beispiel Blumenthals wird deutlich, daß von einer Einschränkung der Autonomie des Kritikers im Zuge der Kommerzialisierung der Presse keine Rede sein 353

konnte. Die Schauspieler mochten ihm Drohbriefe schreiben und das Theater der Zeitung die Anzeigen entziehen, Blumenthal fuhr dennoch fort, seine Verrisse zu schreiben.314 Die Leser, die Blumenthal der Zeitung zuführte, waren wichtiger als Einnahmen aus den Anzeigen. Bei kleineren Blättern - im Zusammenhang mit der Frage der Kommerzialisierung wird auf das Problem zurückzukommen sein - hätte die Drohung möglicherweise größeren Erfolg gehabt. Grundsätzlich gab es jedoch wirkungsvollere Methoden, die Kritiker günstig zu beeinflussen. Pressekritische Zeitgenossen, selbst häufig Journalisten, sprachen hier unumwunden von Bestechung, die von manchen Kritikern gar direkt eingefordert worden sein soll. Wilhelm Heinrich Riehl berichtet über einen Kritiker, der sich seine Dienste nach dem Prinzip einer progressiv steigenden Steuer bezahlen ließ: Wer als Schauspieler 3000 Gulden an Gage bezogen habe, »mußte etwa 30 Gulden jährlich für gute Bedienung seitens des Recensenten steuern, der mit 1000 Gulden Besoldete dagegen für die gleichen Dienste nicht 10, sondern 2 V2 Gulden.«315 Man wird sicher davon ausgehen können, daß es derartige Fälle von unverhohlener Bezahlung gab. Auch hier gilt jedoch das, was bereits in anderem Zusammenhang zum Thema Korruption angemerkt worden ist: In der Regel vollzogen sich die Versuche der Beeinflussung subtiler. Wie bereits im Fall der Korruptionsvorwürfe gegen Leopold Sonnemann, erlaubt auch hier ein Beleidigungsprozeß einen Blick hinter die Kulissen. Den Ausgangspunkt des Prozesses aus dem Jahr 1897 bildete ein Artikel des Theaterkritikers Alfred Kerr, in dem er ohne Namensnennung behauptete, gewisse Musikkritiker seien bestechlich. Auf eine gemeinsame Erklärung seitens der pauschal Beschuldigten, die die Anschuldigungen weit zurückwies, antwortete Kerr, indem er die Berliner Musikkritiker Tappert und Lackowitz direkt bezichtigte. Die wehrten sich ihrerseits mit einer Beleidigungsklage, die schließlich zum Prozeß führte. Als Zeugen der Anklage wie der Verteidigung wurde eine Reihe von Sängern und Musikagenten aufgeboten. Auf die Frage des Gerichts an einen Tenor namens Heinrich Bötel, ob er dem Kritiker Tappert jemals direkt oder indirekt im Zusammenhang mit seinem Beruf habe Geld zukommen lassen, antwortete dieser: »Jawohl. Als ich vor sechs oder sieben Jahren in Berlin auftreten sollte, machte ich auf Rat des Theaterdirektors Engel Herrn Tappert einen Besuch und habe von demselben in etwa zwei Stunden gute Ratschläge und Lehren in Empfang genommen. Ich habe eingesehen, daß ich in diesem kurzen Zeitraum mehr gelernt habe, als bei einem italienischen Professor in zwei Monaten. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, für diese Dienste, die er mir geleistet, ihm M 50 zuzusenden, die er von mir anonym zugeschickt erhielt.« Die Frage, ob er auch bei anderen Kritikern »solche Instruktionsstunden« genommen habe, verneinte er. Tappert zeig354

te sich in dem Prozeß erstaunt, daß das Geld, das er zugesandt bekommen hatte, von dem Zeugen stammte. Während hier also der Zeuge den Kritiker eher zu entlasten suchte, gab ein zweiter Zeuge ohne Umschweife an, daß ihm klar war, daß es sich bei den »Instruktionsstunden« und dem entsprechenden Honorar nur um eine »Komödie« handelte, die das »Schmieren« nicht zu plump aussehen lassen sollte. Tappert habe auch dann nicht auf sein »Honorar« verzichtet, als der Zeuge ihm seine finanzielle Notlage dargelegt habe.316 Auch der zweite von Kerr bezichtigte Kritiker Lackowitz kam in dem Prozeß nicht besser weg als Tappert. Die Zeugen sagten jedoch übereinstimmend aus, daß ihnen andere Kritiker, die sich ähnlich wie Tappert und Lackowitz ihre wie auch immer verklausulierten Dienste bezahlen ließen, nicht bekannt seien. Als typisch müssen die Fälle von daher nicht gelten. Einen Einblick in die wohl alltäglicheren Bemühungen von Schauspielern, Sängern und Theaterdirektoren, die Kritiker milde zu stimmen, gewährt der Nachlaß des Münchner Musik- und Theaterkritikers Alired Mensi von Klarbach. In einer Vielzahl von Briefen an den Journalisten ist unübersehbar, wie ständig versucht wurde, den Kritiker zu hofieren. Deutlich bemüht um guten Kontakt zu Mensi war insbesondere der Intendant der Königlich-Bayrischen Hoftheater, Ernst von Possart. Für Lob bedankte er sich artig, Kritik wies er vorsichtig zurück. Vor allem wird jedoch aus den Briefen der Schauspieler und Sänger deudich, in welcher Abhängigkeit sie sich von den Kritikern befanden. So wurde Mensi von einer Sängerin namens Irene Abendroth gebeten, doch unbedingt zu ihrem Konzert zu kommen. Obwohl sie »leidend« sei, habe sie keines der Konzerte absagen wollen. Das sei jedoch ein Fehler gewesen, da man jetzt schreibe, sie habe eine »spröde Höhe«. Trotz ihres Schnupfens wolle sie singen, so gut ihr das möglich sei, was ihr aber nur gelingen werde, wenn er, Mensi, zugegen sei. »Denn ich schätze Sie sehr hoch, da Sie nicht nur außerordentlich liebenswürdig, sondern auch gerecht sind.«317 Briefe dieser Art mit dem Dank fur seine »Gerechtigkeit«, mit gekränkten Reaktionen auf »ungerechte« Kritik, mit Bitten um Wohlwollen und Förderung erhielt Mensi ständig: honni soit qui mal y pense. Die Nähe der Kritiker zum künsderisch-literarischen Milieu ist bereits in dem kollektivbiographischen Teil der Arbeit hervorgehoben worden. Wie dort gezeigt, kam es wiederholt vor, daß Kritiker die Seite wechselten und sich als Dramaturgen, Intendanten oder Theaterdirektoren in der Position derer wiederfanden, die der Kritik ausgesetzt waren. In manchen Fällen kam es sogar zu Überlappungen der Tätigkeiten, die so weit gehen konnten, daß der Kritiker das von ihm selbst inszenierte Stück rezensierte. So war etwa Josef Nimbs, seit 1834 Redakteur und Theaterkritiker der Breslauer Zeitung, gleichzeitig Dramaturg und später Direktor des Breslauer 355

Theaters. Erst 1852 gab er seine Redakteursstelle ganz zugunsten des Theaters auf.318 Immerhin existierte hierfür ein berühmtes Vorbild, auf das man sich gerne berief: Als Lessing 1767 Dramaturg des neugegründeten »Deutschen Nationaltheaters« in Hamburg wurde, fungierte er in der von ihm herausgegebenen Hamburgischen Dramaturgie gleichzeitig als Kritiker, nicht zuletzt, um damit für das Theater zu werben. In Lessings Fall wehrten sich jedoch noch die Schauspieler gegen die öffentiiche Kritik, so daß er bald darauf verzichten mußte. »Armer Lessing«, rief Franz Mehring in seiner Polemik gegen Paul Lindau aus: jetzt werde der auch noch als Schutzheiliger fur Lindaus Machenschaften bemüht. In seiner Kampfschrift gegen den bekannten Berliner Theaterkritiker, auf die bereits an anderer Stelle eingegangen worden ist, prangerte Mehring eben jene Verquickung der unterschiedlichen Rollen an: »Er ist Dramaturg des >Deutschen TheatersDeutschen TheatersPrivatparty< eines Verlegers mit einem berühmten Autor: All das ist schön und in gewisser Weise notwendig, weil wir anders kaum unserem Job nachgehen könnten. Aber bilden wir uns ein, etwas sei umsonst, wenn es gratis ist?«320 Die Hofierung des Journalisten, wie sie Greiner hier beschreibt, läßt die zentrale Rolle des Kritikers im Kulturbetrieb deutlich werden. Bis zu einem gewissen Grade findet man eine ähnliche Hofierung der Journalisten durch die Macht der Medien inzwischen in allen Bereichen. Im Kulturbereich fiel 356

den Journalisten diese Machtposition schon wesentlich früher zu. Obwohl, wie gesehen, über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg Versuche gemacht wurden, den Kritikern ihre Arbeit zu erschweren, gab es doch grundsätzlich keine Möglichkeit, den Journalisten den Zugang zu Theatern oder Konzerten zu verweigern. Ein Arkanbereich, in den die Journalisten nicht eindringen konnten, existierte daher nicht. Während die politischen Journalisten durch eine restriktive Informationspolitik in Abhängigkeit gehalten werden konnten, war dies im Kulturjournalismus nahezu ausgeschlossen. Hier lag der Grund, warum der »literarische« Journalismus zu einem »Übungsfeld« fur das politische Räsonnement werden konnte. Und es war auch der Grund dafür, daß der Kritiker in seinem Bereich bereits sehr früh eine Position einnahm, in der nicht er es war, der sich um die Gunst jener bemühen mußte, über die er schrieb, sondern umgekehrt die Schauspieler, Sänger, Theaterdirektoren und Autoren um die Gunst des Journalisten buhlten. Die relativ unabhängige Position des Kritikers, die ihm, sofern er nicht explizit als bestechlich bekannt war, einen zum Teil nicht unerheblichen Einfluß sicherte, läßt ihn tatsächlich als einen vergleichsweise »modernen« Journalistentypen erscheinen. Vorreiter eines im angelsächsischen Sinne »modernen« Journalismus konnte der Kritiker jedoch gerade aus dem Grund nicht sein, der ihn noch im ausgehenden 18. Jahrhundert zu einem journalistischen Pionier gemacht hatte: Dadurch, daß es aufgrund der prinzipiellen Öffentlichkeit kultureller Veranstaltungen keinen Arkanbereich gab, in den der Kritiker eindringen mußte, bestand auch keine Notwendigkeit, »investigative« Techniken zu entwickeln. Die Funktion der Kritik bestand zwar auch darin, das Publikum über ein Theaterstück, ein Buch, ein Konzert zu informieren, doch war diese Information untrennbar mit dem Urteil des Kritikers verbunden. Im Idealfall bildete die Kritik ein Diskussionsangebot an das Publikum, so daß der Feuilletonjournalismus der journalistische Bereich blieb, der dem Modell der liberalen Öffentlichkeit am stärksten verbunden blieb. Hohendahl und andere haben zwar zu Recht gezeigt, daß sich die Kritik immer wieder von diesem Modell entfernte. Wenn sich Kritiker als Hüter feststehender literarischer Normen oder als Vertreter bestimmter literarischer Richtungen verstanden, strahlte hier in gewisser Weise das journalistische Selbstverständnis der »Überzeugungstreue« auch auf diesen Bereich aus und ließ das diskursive Modell erstarren. Im Laufe der Entwicklung funktionierte das Modell jedoch immerhin so weit, daß sich die Kritik selbst korrigierte. Wenn auch viele Kritiker nicht selten überkommenen Traditionen in der Literatur, der Musik und der bildenden Kunst verhaftet blieben, leistete die Kritik insgesamt doch immer wieder einen wesentlichen Beitrag zur Durchsetzung neuer Strömungen. Das bedeutet auch, daß die Kritiker mehr als ihre 357

journalistischen Kollegen aus anderen Sparten direkt handelnd in den Bereich involviert waren, über den sie schrieben. Die Karriere eines Schauspielers oder einer Sängerin war in hohem Maße von der Kritik abhängig, die eines Politikers oder eines Bankiers sicher nicht. Zudem wurde gerade dann, wenn Kritiker vorgaben, auf der Basis »objektiver« künstlerischer Normen zu urteilen, deutlich, wie subjektiv die Kritik war. Während Journalisten in anderen Bereichen die Möglichkeit hatten, sich einer »unparteilichen« oder »objektiven« Position dadurch anzunähern, daß sie sich auf eine umfassende Information des Publikums konzentrierten, schied diese Möglichkeit im Bereich der künstlerischen Kritik aus: Die Information, die ein Kritiker an das Publikum weitergab, bestand vor allem in einem Urteil, das das Publikum selbst durch den Theaterbesuch oder die Lektüre eines Buches kontrollieren konnte. Damit ist auch die Frage nach der Vorreiterrolle der künstlerisch-literarischen Kritik für den Journalismus insgesamt beantwortet. Was die Entstehung eines politischen Räsonnements in den Zeitungen betrifft, so besaß sie diese Rolle gewiß. Auch wenn Kritiker schon früh die Möglichkeit hatten, mit Schauspielern, Theaterdirektoren oder Schriftstellern zu sprechen, gibt es kein Indiz dafür, daß sich hier bereits die moderne Form eines »Interviews« entwickelte hätte, die von dort in andere journalistische Bereiche Eingang gefunden hätte. Wenn allerdings statt dessen in der Ablehnung der »Feuilletonisten«, die aus ihrer Subjektivität keinen Hehl machten, der Einfluß des »überzeugungstreuen« politischen Journalismus zum Ausdruck kommt, so ist auch festzuhalten, daß der Wert der »Gesinnungsfestigkeit« im Feuilletonjournalismus am frühesten in Frage gestellt wurde: Kritiker wußten früher als andere Journalisten, daß das »gesinnungsfeste« Beharren auf alten Positionen nicht unbedingt eine Tugend sein mußte.

4. Die Entstehung der »Generalanzeiger« und ihr Einfluß auf den Wandel von journalistischer Praxis und journalistischem Selbstverständnis »Man behauptet nicht zuviel, wenn man die Generalanzeiger-Presse als einen Herd der Korruption, als die gemeingefährlichste, gemeinschaftsschädlichste Erscheinung unserer Zeit bezeichnet.«321 Mit diesem Satz begann die 1911 erstmals erschienene, innerhalb kurzer Zeit mehrfach aufgelegte und vielzitierte Kampfschrift Walter Hammers gegen die Generalanzeiger· Presse. Kurt Koszyk schreibt in seinem Standardwerk über die Deutsche Presse im 19. Jahrhundert dazu, die Schrift vermittle »einige Einsichten in den beklagenswerten Zustand der reinen Geschäftspresse vor 358

dem ersten Weltkrieg.«322 Tatsächlich aber zeigt sich anhand Hammers Schrift vor allem die Art der Auseinandersetzung mit den Generalanzeigern. Der Schriftsteller und Publizist Walter Hoesterey, der unter dem Pseudonym Walter Hammer diese Polemik verfaßte, war zum Zeitpunkt der Veröffendichung gerade 23 Jahre alt und weder bei einem Generalanzeiger noch bei einer anderen Zeitung als Redakteur tätig gewesen. Hoesterey war aktiv in der Wandervogelbewegung und der freideutschen Jugend engagiert und hatte von daher vielleicht ehrenwerte Motive fur seine Polemik, als Kronzeuge mit intimen Kenntnissen der Materie kann er hingegen nicht gelten. Die zeitungswissenschaftliche und pressegeschichtliche Forschung hat sich die stark kulturkritisch geprägte Sichtweise der Generalanzeiger, wie sie in besonderer Zuspitzung in Hammers Schrift abzulesen ist, lange Zeit zu eigen gemacht. Das kritische Urteil beruhte jedoch keineswegs auf eingehender Forschung, im Gegenteil, die Zeitungen selbst wurden weitgehend ignoriert. Unter der reichhaltigen pressegeschichtlichen Literatur aus den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts lassen sich Arbeiten zur Geschichte der Generalanzeiger an einer Hand abzählen.323 Nach den Gründen des Erfolges des neuen Zeitungstyps wurde kaum gefragt. Statt dessen beklagte man vielfach pauschal eine »Amerikanisierung« der Presse, die man mit den Generalanzeigern in Verbindung brachte, ohne daß die unbestreitbaren Neuerungen, die mit dem Aufstieg der Generalanzeiger-Presse verbunden waren, tatsächlich kritisch analysiert worden wären. So wunderte sich Winfried Lerg in einem Artikel über den Beginn der Massenpresse in Deutschland, daß »merkwürdigerweise ... der Aspekt der neuen publizistischen Erwartungen, die an die neuen Zeitungen herangetragen wurden, von der deutschen Pressegeschichtsschreibung durchweg am Rande - wenn überhaupt - behandelt worden« ist. Statt dessen habe man sich die Gesinnungskritik zu eigen gemacht, mit der den Generalanzeigern von Beginn an begegnet wurde.324 Lergs Ende der sechziger Jahre erhobene Forderung nach eingehenden Untersuchungen zu den Anfängen der Massenpresse verhallte jedoch weitgehend ungehört. Allein Hans-Wolfgang Wolter liefert in seiner Dissertation aus dem Jahr 1980 eine neuere Untersuchung zu dem Zeitungstyp der Generalanzeiger. Die Arbeit, die den großen Vorzug hat, mit Materialien aus dem Archiv des Girardet-Verlages erstmals Quellen zu verwenden, die Einblicke in die Verlags- und Redaktionspolitik eines Generalanzeigers ermöglichen, ist in der Tat die einzige, die sich umfassend und sachlich mit der Thematik auseinandersetzt. Dennoch greift Wolter zu kurz, wenn er diesen Zeitungstyp nur auf den Begriff des »pragmatischen Prinzips« zu bringen versucht.325 Was war neu an den sogenannten Generalanzeigern? Was machte deren Erfolg aus, und was erregte die Kritik? Doch zunächst: was war überhaupt 359

ein »Generalanzeiger«? Der Begriff ist wie fast alle Begriffe, die innerhalb des Pressewesens zu Klassifizierungen dienen sollen, unscharf und dennoch unverzichtbar.326 Soweit man festgestellt hat, erschien die erste Zeitung, die die Bezeichnung »Generalanzeiger« im Titel trug, bereits 1845 in Leipzig. Das Blatt pries sich als das »billigste unter allen deutschen Intelligenzblättern« an.327 Mit dem Titel war also zunächst keineswegs der Anspruch auf ein neues verlegerisches Programm verbunden. Die Bezeichnung »Anzeiger«, etwa als »Stadt- und Dorfanzeiger«, oder »GeneralAnzeiger« löste hier lediglich die ältere Bezeichnung »Intelligenzblatt« fur Publikationsorgane ab, deren Funktion in erster Linie darin bestand, Anund Verkaufsgesuche, Stellengesuche, aber auch amtliche Bekanntmachungen und sonstige Neuigkeiten »anzuzeigen«. Ausgehend von dem Zeitungstitel entwickelte sich der »Generalanzeiger« erst nach und nach zu einer Art Gattungsbegriff für einen bestimmten Typ von Zeitungen, in denen die Tradition, Neuigkeiten nur »anzuzeigen« und nicht zu bewerten, programmatisch ausgebaut wurde. Daraus entwickelte sich nicht zuletzt der Anspruch, sich von der parteilichen Presse abzusetzen. Die Bezeichnung »Generalanzeiger« mußte dabei nicht mehr unbedingt im Titel vorkommen. Auf der anderen Seite gab es vor allem in kleineren Städten eine Reihe von Zeitungen mit dem Titel »Generalanzeiger«, die wenig mehr als mit Agenturmeldungen angereicherte Anzeigenblätter waren und insofern journalistisch weitgehend uninteressant sind. Da es jedoch relativ bald zu gegenseitigen Angleichungen zwischen den traditionellen Zeitungen und den Generalanzeigern kam, ist eine eindeutige Klassifizierung im einzelnen wesentlich schwieriger, als es die Rede von der Generalanzeiger-Presse suggeriert. Unbestreitbar ist jedoch, daß vor allem in den siebziger und achtziger Jahren Zeitungen entstanden, die sich sowohl in der Wahrnehmung der Zeitgenossen als auch vom eigenen Anspruch her von den bestehenden Zeitungen abhoben, zudem billig waren und binnen kurzer Zeit vergleichsweise hohe Auflagen erzielten.328 Unter diesem Gesichtspunkt sind etwa die drei zwischen 1872 und 1883 gegründeten großen Berliner Zeitungen der Verleger Mosse (1872: Berliner Tageblatt), Ullstein (1878: Berliner Zeitung329) und Scherl (1883: Berliner Lokal-Anzeiger), so unterschiedlich sie im einzelnen waren, dem neu entstehenden Typ der modernen Massenzeitung zuzurechnen. 330 Außerhalb Berlins sind hier vor allem die Zeitungsneugründungen der Verleger August Huck, Wilhelm Girardet und Gottlieb Paul Leonhard zu nennen. Der »Generalanzeiger-König« August Huck (1849-1911) war an seinem Lebensende an über einem Dutzend Zeitungen mit einer Gesamtauflage von rund 700 000 Exemplaren beteiligt.331 Zu den wichtigsten gehörten neben anderen der General-Anzeiger fiir Nürnberg-Fürth (seit 1890: Nürnberger Zeitung), der Breslauer Generalanzeiger und die Dresd360

ner Neuesten Nachrichten. Wilhelm Girardets Zeitungsunternehmen, zu dem insbesondere die Ende der achtziger Jahre gegründeten Generalanzeiger in Leipzig, Elberfeld, Hamburg gehörten, stand dem nur wenig nach.332 Die Generalanzeiger gelten als deutsche Variante der »Geschäftspresse«, deren Entstehung parallel zu dem Prozeß der »Kommerzialisierung« der Presse durch Girardin und Bennett in Frankreich und den USA gesehen wird. Bestimmte Grundzüge der »Kommerzialisierung« der Presse in den einzelnen Ländern wie etwa eine drastische Preissenkung gegenüber der Konkurrenz sind in der Tat vergleichbar. Ein anderes stets mit der »Geschäftspresse« in Verbindung gebrachtes Kriterium, die vornehmliche Finanzierung der Zeitungen durch Anzeigen, traf fur die französische Presse, wie oben bereits erläutert, kaum zu. Weder Girardin noch die Besitzer der französischen Massenzeitungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts schafften es, den Anzeigenanteil und die daraus resultierenden Einnahmen wesendich zu steigern. Wie gesehen, hing das Problem der Korruption und der versteckten Reklame nicht zuletzt mit der Tatsache zusammen, daß die Einnahmen aus Anzeigen vergleichsweise gering waren. Was die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in bezug auf die inhaltlichen und journalistischen Veränderungen betrifft, gab es in den USA und England einerseits und in Frankreich andererseits zwar vergleichbare Ansätze, die auf das Erreichen eines größeren Publikums zielten. Ein wichtiges Element hierbei bildete im anglo-amerikanischen Bereich der Anspruch auf Unparteilichkeit und journalistische Unabhängigkeit, die zur Basis eines Journalismus wurden, der sich in zunehmendem Maße auf die eigenständige Recherche von Nachrichten konzentrierte. In Frankreich gab es zwar, wie gezeigt, bei Girardin und anderen Ansätze zu einem Anspruch auf Unparteilichkeit. Letztlich blieb jedoch, insbesondere aufgrund der unterschiedlichen parteipolitischen Entwicklung, der politische Journalismus in Frankreich ein integraler Bestandteil von Politik. Die Verlagerung von einem Meinungs- zu einem Nachrichtenjournalismus vollzog sich daher wesendich langsamer, und der französische Journalismus behielt eine vom amerikanischen Journalismus klar unterscheidbare Prägung. So stellt sich auch fur Deutschland die Frage, was unter dem Prozeß der »Kommerzialisierung« der Presse im einzelnen zu verstehen ist und welche Auswirkungen er auf die Zeitungen und den Journalismus hatte. Seit Lassalles Polemik gegen die »Zeitungspest« in seiner vielzitierten Rede »Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag« wurde merkwürdig genug - über alle Parteigrenzen hinweg immer wieder die, wie Treitschke es ausdrückte, »völlig unnatürliche Verbindung ihrer [der Zeitung; J. R ] politischen Aufgabe, der Vertretung und Verbreitung bestimmter Parteigedanken, mit dem Inseratenwesen« angeprangert. 333 Wie Las361

salle in seiner Rede von 1863 forderte auch Windthorst später die Trennung der Zeitung vom Anzeigenwesen.334 Wenn es stimmte, daß die Generalanzeiger sich vor allem durch Anzeigen finanzierten, mußten sie vor diesem Hintergrund als besonders verwerflich erscheinen. So schrieb denn auch Walter Hammer: »Der Inserent wird Herr und Leiter der Generalanzeiger-Presse, je mehr sich dieser Zweig der Zeitungsindustrie zum Großbetrieb entwickelt. Der inserierende Kapitalist, auf dessen Unterstützung die Generalanzeiger-Presse angewiesen ist, Seine Majestät der Inserent, macht sich die Zeitung mit Leichtigkeit gefügig und benutzt sie als Sprachrohr fur seine wirtschaftlichen und ideellen Sonderinteressen.« Daher würden auf Wunsch der Inserenten nicht nur wichtige Nachrichten etwa über Betriebsunfälle unterdrückt, sondern auch bestimmte redaktionelle Notizen aufgenommen, so daß die Grenze zwischen redaktionellem und Anzeigenteil zu verschwimmen beginne.335 Daß es Druck seitens der Anzeigenkunden auf die Zeitungen gab, bestritt unter den zeitgenössischen Beobachtern niemand. Die Frage ist jedoch, ob das ein spezifisches Problem der Generalanzeiger war und ob man vor allem dort bereit war, derartigem Druck nachzugeben. Nun ist das Problem der wirtschaftlichen Einflußnahme auf die Zeitungen wohl die schwierigste Frage in diesem Bereich überhaupt, da es nur sehr spärliche Quellen dazu gibt. Dennoch soll versucht werden, die in dieser Beziehung gegen die »Geschäftspresse« erhobenen Vorwürfe zumindest auf ihre Plausibilität zu untersuchen. Daran anschließend soll nach Anspruch und Wirklichkeit der Unparteilichkeitsbehauptung gefragt werden. Veränderten sich die Arbeit und das Selbstverständnis der Journalisten unter dem Einfluß der Verleger, denen man eine verstärkte Orientierung am kommerziellen Erfolg nachsagte? Oder verhinderte vielmehr das auf bewußte Parteilichkeit ausgerichtete Selbstverständnis der Journalisten eine grundlegende Veränderung des Journalismus? In einem dritten Abschnitt wird schließlich anhand des in den Generalanzeigern besonders gepflegten Lokalteils nach möglichen Innovationspotentialen gefragt, die von dem neuen Zeitungstyp über den politischen Journalismus hinaus für die journalistische Praxis ausgingen.

4.1. Das Problem der Finanzierung durch Anzeigen Nach einer immer wieder zitierten Formulierung Karl Büchers hatte die Zeitung im ausgehenden 19. Jahrhundert »den Charakter einer Unternehmung« angenommen, »welche Anzeigenraum als Ware produziert, die nur durch einen redaktionellen Teil absetzbar« wurde.336 Kurt Koszyk datierte »dieses Dilemma« auf die Zeit »seit etwa 1880«, also seit der Hauptgrün-

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dungsphase der Generalanzeiger.337 In der Tradition der Kritik an der sogenannten Geschäftspresse entsteht so der Eindruck, als seien die Zeitungen erst im ausgehenden 19. Jahrhundert durch den Einfluß der Generalanzeiger in zunehmender Weise in die Abhängigkeit des Anzeigengeschäfts gelangt. An dieser weit verbreiteten Sichtweise, die auf den ersten Blick einleuchtend erscheint, sind jedoch einige Korrekturen anzubringen. Erstens gab es mit den Intelligenzblättern seit dem 18. Jahrhundert längst vor der klassischen Periode der Generalanzeiger Zeitungen, in denen politische Artikel, so bedeutend diese in einzelnen Fällen gewesen sein mochten - etwa dem von Justus Mosers Beiträgen in den Osnabrückischen Intelligenzblättern -, eigendich nur eine Beigabe zu den Anzeigen darstellten.338 Geht man von den Intelligenzblättern als Vorläufern der Generalanzeiger aus, war es eher der Text, der die Anzeigen verdrängte als umgekehrt. Zweitens spielten Einnahmen aus Anzeigen fur politische Zeitungen seit jeher eine wichtige Rolle in der Kalkulation. Es gibt Beispiele, die zeigen, daß Verleger politischer Zeitungen längst vor der Hochphase der Generalanzeiger bereit waren, dem Anzeigenteil deudiche Priorität vor dem redaktionellen Teil zu geben. So berichtet der Redakteur des Stuttgarter Neuen Tageblatts Otto von Breitschwert, daß Anfang der sechziger Jahre aufgrund eines Booms im Anzeigengeschäft Leitartikel bis zu drei Tage zurückgestellt worden seien, um möglichst viele Anzeigen bringen zu können.339 In den neunziger Jahren hätte sich das kein Generalanzeiger leisten können. Im April 1868 machte die Frankfurter Zeitung, die gewiß nicht unter dem »Verdacht« steht, ein Generalanzeiger gewesen zu sein, den Versuch, Anzeigen auf der ersten Seite zu piazieren. Der Versuch wurde aufgegeben, da er keine greifbaren finanziellen Resultate brachte.340 Vergleicht man den Anzeigenanteil in »Partei-« oder »Gesinnungszeitungen« mit dem in den Generalanzeigern, ergibt sich keineswegs, daß dieser in der sog. Geschäftspresse grundsätzlich höher war. Das 1872 gegründete Berliner Tageblatt, das zumindest in seiner Anfangsphase durchaus den Generalanzeigern zugerechnet werden kann, bestand in seinem Gründungsjahr zu rund 30% aus Anzeigen. Viele der sog. Partei- oder Gesinnungszeitungen bewegten sich zu diesem Zeitpunkt deutlich darüber: die Vossische Zeitung mit einem Anzeigenanteil von 52%, die Berliner Volkszeitung mit 44%, die Nationalzeitung mit 42,7%, die Kreuzzeitung mit 34,3%, die Königsberger Hartungssche sogar mit 69,7%, die Kölnische mit 53%, die Magdeburgische mit 50%, die Breslauer und die Schlesische Zeitung schließlich mit je 45,8%. 341 Selbst der Berliner Lokal-Anzeiger, der häufig als Inkarnation eines Generalanzeigers gilt, lag etwa in den Jahren 1 8 8 4 / 8 5 mit einem Anzeigenanteil von 31,6% deutlich unter dem der altehrwürdigen »Tante Voß«, wie die Vossische Zeitung im Volksmund ge-

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nannt wurde, mit 43,3%. 542 Zwar gelang es den erfolgreichen Generalanzeigern zum Teil tatsächlich, ihr Anzeigenvolumen auf deutlich über 60% auszubauen. Aber das Prinzip, daß ein Teil der Einnahmen, und zwar ein möglichst großer, aus dem Anzeigengeschäft kommen sollte, war alles andere als eine Erfindung der Generalanzeiger. Nach anfänglichem Zögern erkannte man auch bei der SPD, daß sich ihre Zeitungen ohne Anzeigen nicht finanzieren ließen, wenn der Preis nicht unerschwinglich sein sollte. Ob daher Generalanzeiger in höherem Maße von den Einnahmen aus Anzeigen abhängig waren als die traditionellen Zeitungen, erscheint äußerst fraglich. In einer Dissertation aus dem Jahr 1901 legte der Verfasser die Etats dreier Zeitungen vor, eines dreimal wöchendich erscheinenden Kreisblatts, einer Zeitung mittlerer Größe und eines großen Berliner Blattes. Bei dem Kreisblatt standen den Einnahmen von 3500 Mark durch die Abonnements 6240 Mark durch Anzeigen gegenüber, bei der Zeitung mittlerer Größe war dieses Verhältnis 60 000 Mark zu 96 000 Mark, und bei dem großen Berliner Blatt überstiegen die Einnahmen aus den Abonnements mit 320 000 Mark deutlich die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft, das 262 500 Mark einbrachte.343 Die Aufstellung läßt erkennen, daß der Anteil der Einnahmen aus Anzeigen umso größer wurde, je kleiner die Zeitung war. In dieses Bild paßt die Bilanz des im Girardet-Verlag erschienenen Generalanzeigers für Leipzig und Umgebung aus dem Jahr 1 8 8 9 / 9 0 . 200 987 Mark Einnahmen aus Anzeigen standen 197 553 Mark aus dem Verkauf gegenüber.344 Von einem vornehmlich durch Anzeigen finanzierten Blatt konnte hier keine Rede sein. Zwar bieten diese Zahlen nur grobe Anhaltspunkte, doch reichen sie aus, um sich auszumalen, daß Pressionen von seiten der Anzeigenkunden umso größere Aussichten auf Erfolg hatten, je kleiner die Zeitungen waren. Nicht zuletzt unter Journalisten setzte sich zunehmend die Einsicht durch, daß ein hoher Anzeigenanteil der Garant für die Unabhängigkeit einer Zeitung äußeren Einflüssen gegenüber war. In Zusammenhang mit der französischen Presse ist bereits Theodor Wolff mit dieser Ansicht zitiert worden.345 Aber auch andere Journalisten und nüchterne Beobachter des Pressewesens wie etwa die Chefredakteure der Kölnischen Zeitung Ernst Posse oder des Berliner Börsen-Couriers Albert Haas wußten, »daß der Anzeigenteil fiir das moderne Zeitungsunternehmen die unentbehrliche Grundlage bildet, ohne die es in der Luft schweben würde.«346 Die Kritik an dem hohen Anzeigenanteil in der deutschen Presse, wie sie insbesondere durch die Arbeiten Karl Büchers stark an Autorität gewonnen hat, geht somit an der Realität vorbei. Vor allem das Beispiel Frankreichs, wo in besonderem Maße die geringen Einnahmen aus Anzeigen durch die Öffnung des redaktionellen Teils für versteckte Reklame wettgemacht wurden, zeigt die Richtigkeit einer pragmatischen Haltung in der Anzeigenfrage.

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Das Kriterium des Anzeigenanteils ist damit für die Charakteristik der Generalanzeiger weitgehend untauglich. Es sind andere Kriterien zur Kennzeichnung der Gattung Generalanzeiger notwendig als der irreführende Hinweis auf das angebliche Prinzip der »Geschäftspresse«, den niedrigen Bezugspreis durch ein erhöhtes Anzeigenvolumen wettzumachen. Auch fur die immer wieder behauptete stärkere Abhängigkeit der Generalanzeiger von den Anzeigenkunden existieren keine Belege. Wie in Zusammenhang mit dem Wirtschaftsjournalismus gezeigt wurde, gab es durchaus andere und wirksamere Kanäle dafür, Zeitungen für die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen einzuspannen. Das Geschäftsprinzip der Verleger der klassischen Generalanzeiger bestand vor allem darin, in kurzer Zeit hohe Auflagen zu erzielen. Voraussetzung dafür war, daß der Preis möglichst niedrig gehalten wurde. Dabei ist uninteressant, ob die höheren Verkaufszahlen oder die aufgrund der Auflage erhöhten Tarife für Anzeigen den niedrigen Verkaufspreis ausglichen. Entscheidend ist, daß vor allem nach dem Wegfall wirtschaftlicher Beschränkungen durch das Reichspressegesetz von 1874 die Gründung von Zeitungen zunehmend zu einem lukrativen Geschäft zu werden versprach, sofern es gelang, den bestehenden, oftmals parteilich festgelegten Zeitungen Konkurrenz zu machen. Das Geschäftsprinzip traditioneller Zeitungen wie der Kölnischen, der Magdeburgischen, der Vossischen Zeitung, um einige der größeren Blätter zu nennen, aber auch das vieler Zeitungen in kleineren Städten wie des Donaueschinger, des Liegnitzer oder des Meißener Tageblatts bestand darin, sich an eine bestimmte Klientel, in erster Linie an das liberale Bürgertum zu wenden, so wie sich die neu entstehenden katholischen und sozialdemokratischen Zeitungen ebenfalls an ganz bestimmte Leserkreise richteten. Auch bei der katholischen Kölnischen Volkszeitung war, wie an den Briefen von Josef Bachem ablesbar, die Frage der politischen Linie der Zeitung - innerhalb des Katholizismus versteht sich - immer auch mit der Frage der Absatzchancen verbunden. Dabei herrschte vielfach das defensive Prinzip vor, möglichst keine Abonnenten zu verschrecken und zu verlieren. Dagegen sahen mehr und mehr Verleger ihre Chance darin, mit einer billigen »Zeitung für jedermann« in neue Leserschichten vorzudringen, um auf diese Weise Auflagen zu erreichen, die deutlich über denen der traditionellen Zeitungen lagen. Das war nur möglich, wenn die Zeitung nicht von vornherein auf eine bestimmte Partei und das entsprechende Milieu zugeschnitten wurde.

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4.2. Anspruch und Wirklichkeit der Unparteilichkeitsbehauptung Der Anspruch auf Unparteilichkeit und die Hinwendung zu einem primär an Nachrichten orientierten Journalismus: dies waren die Kennzeichen der amerikanischen Massenpresse in der Nachfolge Gordon Bennetts. Ansätze zu beidem gab es auch in der französischen Massenpresse, doch kamen sie aufgrund des durch die politischen Rahmenbedingungen begünstigten symbiotischen Verhältnisses von Journalismus und Politik weit weniger zur Entfaltung als in den USA. So ist es kein Zufall, daß auch in den Programmen der deutschen Generalanzeiger fast überall Unparteilichkeit und eine Konzentration auf die Übermittlung der neuesten Nachrichten anstelle langer Kommentierung versprochen wurden. Zudem knüpften die Zeitungen, wie bereits erwähnt, an die Tradition der reinen Nachrichtenblätter an, hinter denen jedoch noch kein wirkliches journalistisches Programm stand - ein wichtiger Unterschied zwischen der Nachrichtenpresse alter Prägung und den Generalanzeigern des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Programm, das der Generalanzeiger für Leipzig und Umgebung in seiner ersten Ausgabe vom 7. Oktober 1886 brachte, steht hier für viele andere: »Unter den in Leipzig täglich erscheinenden Blättern, ... befindet sich keines, das sich einer wirklich bedeutenden Auflage erfreuen kann und, gestützt auf eine solche, den Interessenten sowohl des lesenden als auch des inserierenden Publikums in vollem Maße zu dienen vermöchte. Es fehlt ein Abendblatt, welches in allen Schichten der Bevölkerung gleichmäßig verbreitet ist und von jedermann gelesen wird. ... Unsere Zeitung ist daher in fast jeder Familie in Leipzig und Umgebung anzutreffen. Sie wird von den Angehörigen aller Berufszweige und aller Gesellschaftsklassen gelesen. Sie ist ein Organ für alle. Mit Rücksicht hierauf wird sich der General-Anzeiger stets größter Objektivität und Unparteilichkeit befleißigen. Insbesondere wird der politische Standpunkt des Blattes ein streng neutraler und vom Einfluß der Partei-Doktrinen ganz unabhängiger sein. In dem Bestreben, unsere Leser über das Wichtigste und Interessanteste auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zu unterrichten, werden wir in kurzer Fassung stets die neuesten Nachrichten des Tages bringen. Die Unterlassung breiter Ausführung des Stoffes aber setzt uns in den Stand, auf Mannigfaltigkeit desselben zu halten. Den Gemeinde-Angelegenheiten und lokalen Vorkommnissen soll jederzeit die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden.«

Programme wie dieses erscheinen aus heutiger Sicht ebenso wie die journalistische Praxis, die solchen Programmen folgte, nicht als besonders spektakulär. Die Ablehnung, die den Generalanzeigern von vielen Seiten her entgegenschlug, wird nur verständlich vor dem Hintergrund eines Selbstund Fremdverständnisses der journalistischen Tätigkeit, nach dem die Funktion und die »Ehre« eines Journalisten darin bestand, gesinnungsfest 366

fur bestimmte Ideen zu kämpfen. Der Einfluß »des Kapitals« auf die Presse müsse zurückgedrängt werden, so die weitverbreitete Ansicht, damit der Journalismus wieder »Sache der Parteien und Vereine und der wissenschaftlichen, politischen und religiösen Propaganda« werde.347 Albert Schäffle, der dies angesichts der Ausbreitung der »Geschäftspresse« Ende des 19. Jahrhunderts schrieb, war, wie viele der Kritiker des Pressewesens, selbst Journalist gewesen.348 Die Kritik an den Zeitungen, deren Journalisten nun nicht mehr durch die Zensur, sondern durch die Einflüsse »des Kapitals« zur »Gesinnungslosigkeit« gezwungen wurden, erscheint damit nicht zuletzt als ein Kampf um das Image des Journalistenberufs. Das Bemühen der Journalisten, das Image des gesinnungslosen Schreiberlings abzulegen und sich der Öffentlichkeit als überzeugungstreue Propagandisten zu präsentieren, mußte durch eine vornehmlich von Geschäftsinteressen bestimmte Presse konterkariert werden. Noch stärker interessenbestimmt war die Kritik, die seitens der Verleger der traditionellen Zeitungen an den Generalanzeigern und ihrer »Unparteilichkeit« geübt wurde. Um Front gegen die ungeliebte »Geschäftspresse« zu machen, gründeten im Mai 1894 Verleger der traditionellen »Parteizeitungen« um Georg Hirth (Münchner Neueste Nachrichten), Max Jänecke (Hannoverscher Courier), Franz Xaver Bachem (Kölnische Volkszeitung), Alexander und Robert Faber (Magdeburgische Zeitung), Joseph Neven-DuMont (Kölnische Zeitung) und andere den »Verein deutscher Zeitungsverleger«.349 Der rasche Aufstieg von Zeitungen, die sich für »unparteilich« erklärten, mußte die Verleger alteingesessener »Parteizeitungen« alarmieren. Zwar sah sich der Verlegerverband schon 1901 gezwungen, auch Verleger von Generalanzeigern aufzunehmen. Das 1900 gegründete Verbandsorgan Der Zeitungs-Verlag wandte sich jedoch weiter gegen die »Geschäftspresse« und deren Anspruch auf Unparteilichkeit. In einem Artikel von 1901 (»Vom Scherlismus«) über neue Zeitungsgründungen des Verlegers des Berliner Lokal-Anzeigers August Scherl, der Galionsfigur der »Geschäftspresse«, schrieb der Verfasser in einer Art »ceterum censo«: »Zum Schluß möchte ich noch auf einen idealen und höheren Standpunkt hinweisen, von dem aus die sich selbst achtende, und ihrer kulturellen und vaterländischen Aufgaben sich bewußte Presse den Scherlismus nicht nur nicht fordern darf, sondern entschieden bekämpfen muß. Die Parteilosigkeit ist eine Eigentümlichkeit, deren sich auch der Scherlismus bemächtigt hat. Wir bekennen uns außer Stande, in jener Eigenschaft einen Vorzug zu erblicken. Eine der Unterhaltung und Belehrung gewidmete Zeitung braucht sich freilich nicht zu einer Partei zu bekennen, aber eine Tageszeitung, die der Politik regelmäßig großen Raum zuwenden muß, kann nicht parteilos sein ohne gesinnungslos zu sein.«350 367

Um die eigene Position gegenüber der bedrohlichen Konkurrenz der Generalanzeiger zu stärken, machten sich die Verleger der traditionellen Parteipresse ganz jenes journalistische Selbstverständnis zu eigen, das Parteilosigkeit mit Gesinnungslosigkeit gleichsetzte. Mindestens so sehr wie um die »geistige Gesundheit des deutschen Volkes« ging es ihnen dabei um die wirtschaftliche Gesundheit ihrer Zeitungen. Vorausschauende Verleger hatten daher auch schon längst auf die neue Konkurrenz reagiert und Zeitungen gegründet, die von der Konzeption her den Generalanzeigern zumindest nahekamen. Einer der wichtigsten Gründe des Erfolges der Generalanzeiger war, daß sie sich vor allem im Gegensatz zu größeren, traditionellen Zeitungen auf lokale Belange konzentrierten. In Blättern wie der Kölnischen Zeitung, dem Schwäbischen Merkur, der Schlesischen Zeitung, von der Augsburger Allgemeinen Zeitung ganz zu schweigen, hatte Lokalberichterstattung nie eine besondere Rolle gespielt, sofern sie überhaupt vorkam. Angaben über das Verhältnis der lokalen gegenüber der auswärtigen Leserschaft finden sich nur selten. Es ist jedoch symptomatisch, wenn bei der Schlesischen Zeitung bis zu dreimal mehr Exemplare außerhalb als innerhalb Breslaus abgesetzt wurden. 351 Für Zeitungen, die sich lokalen Angelegenheiten zuwendeten, zudem billig waren und sich aus der in den größeren Zeitungen gepflegten Parteipolemik weitgehend heraushielten, bot sich vor allem in größeren Städten ein enormer Markt. So reagierte man im Verlag der Kölnischen Zeitung schnell, als 1875 der Verleger Joseph La Ruelle den General-Anzeiger der Stadt Köln herausbrachte. Mit den üblichen Methoden der Generalanzeiger-Verleger - hohe Startauflage und Gratisverteilung - warf der Verlag DuMont-Schauberg gut ein Jahr später seinen Stadtanzeiger der Kölnischen Zeitung in zunächst 35 000 Exemplaren auf den Markt und zwang auf diese Weise La Ruelle innerhalb von nur drei Tagen zur Aufgabe.352 Selbst der »gesinnungslosen« Unparteilichkeit zollte das neue Blatt Tribut. Städtische Angelegenheiten werde man »in ruhiger und unparteiischer Weise ausführlich besprechen,« hieß es in der Probenummer vom 12. November 1876. »Um den Standpunkt strengster Unparteilichkeit zu wahren«, wurde ein sog. »Sprechsaal« eingerichtet, in dem die Leser ihre Ansichten zu städtischen Angelegenheiten äußern konnten. 353 Auch andere Zeitungen wie selbst die katholische Kölnische Volkszeitung gründeten lokale Ausgaben, um an dem lukrativen Markt, der sich hier abzeichnete, teilzuhaben.354 Es erscheint daher als der Sache wenig angemessen, den Kampf der Verleger traditioneller Parteizeitungen gegen die Generalanzeiger als Kampf gegen die »Aufgabe des ethischen Prinzips im Journalismus« zu verklären.355 Demgegenüber stellt sich die Frage, inwieweit die Generalanzeiger tatsächlich die »Amerikanisierung« der deutschen Presse vorangetrieben haben. Der Begriff soll hier jedoch nicht in dem 368

pejorativen Sinn des zeitgenössischen Verständnisses verwendet werden, wonach darunter alle Negativentwicklungen subsumiert wurden, die in Richtung eines immer stärker von den Geschäftsinteressen des Verlegers getriebenen Sensationsjournalismus gingen. Statt dessen wird neutraler gefragt, in welcher Weise sich journalistische Praktiken unter dem Einfluß der auf ein Massenpublikum ausgerichteten Presse wandelten und sich dabei tatsächlich dem amerikanischen Vor- bzw. Schreckbild annäherten. Sofern es überhaupt Anerkennung für den neuen Zeitungstyp gab, richtete sich diese auf den Informationsgehalt. Die Generalanzeiger hätten »zum Teil einen herrlichen Nachrichtendienst«, schrieb der österreichische Journalist und Schriftsteller Jacob Julius David in seiner 1906 erschienen Broschüre über »Die Zeitung«. Zudem konstatierte David selbst unter Gebildeten und Parteianhängern eine zunehmende Abneigung gegenüber dem häufig monotonen, stets aus dem Blickwinkel einer bestimmten Partei urteilenden Journalismus. Viele wollten die Zeitung »nur noch als Materialsammlung anerkennen und gelten lassen. ... Die Folgerungen daraus aber möchte jeder am liebsten selber ziehen.«356 In seinem abwägend-positiven Urteil über die Generalanzeiger erkannte David implizit ein gewisses Maß an Einlösung des Unparteilichkeitsanspruches an. Dies war keineswegs selbstverständlich. Die Kritik an den Generalanzeigern zielte nämlich nicht nur auf deren Konzept, sondern auch darauf, daß der Anspruch auf Unparteilichkeit real gar nicht eingelöst wurde. 357 So berechtigt der auch in der Literatur wiederholt erhobene Vorwurf ist, Anspruch und Wirklichkeit des Unparteilichkeitskonzeptes seien vielfach weit auseinandergeklafft, ist jedoch zunächst zu fragen, in welchem Maße es überhaupt Bemühungen um dessen Umsetzung gab und was auf der anderen Seite einer konsequenteren Umsetzung im Wege stand.358 Zunächst erforderte der Anspruch, keine Doktrinen, sondern Nachrichten zu bringen, zumindest einen gegenüber den traditionellen Parteizeitungen geänderten Ansatz im politischen Journalismus. Berichterstattung über andere politische Parteien bedeutete fur Parteizeitungen in erster Linie polemische Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Dieses Freund-Feind-Schema, durch das sich der politische Journalismus in den Parteizeitungen jeder Färbung auszeichnete, verbot sich, wenn der Unparteilichkeitsanspruch nicht gänzlich zu Makulatur werden sollte. Stärker als in allen anderen Zeitungen findet man so tatsächlich bei den Generalanzeigern das Bemühen, nicht zuletzt im Vorfeld von Wahlen, den unterschiedlichen Parteien gerecht zu werden. Seit Aufhebung des Sozialistengesetzes galt dies auch für die Sozialdemokraten. Wenn es etwa in einem Artikel vom 26.9.1901 in den Dresdner Neuesten Nachrichten über die SPD hieß, man gewinne »den Eindruck hoher Achtung vor der Frische und Kraft dieser ersichtlich im Aufstiege befindlichen großen politischen Par369

tei«, war dies fur ein bürgerliches Blatt eine erstaunlich offene Sympathieerklärung an die Adresse der Sozialdemokraten. Mindestens so wichtig wie eine weniger polemische, um Ausgewogenheit bemühte politische Kommentierung waren Ansätze fur eine veränderte Praxis in der politischen Berichterstattung. Wenn oben von dem guten Nachrichtendienst der Generalanzeiger die Rede war, so mußte dies zunächst nicht unbedingt viel mehr bedeuten, als daß sich die Zeitungen bemühten, aus möglichst reichhaltigen Quellen wie auswärtigen Zeitungen, gedruckten oder hektographierten Korrespondenzen der verschiedenen Nachrichtenagenturen möglichst vielfältiges Material zusammenzusuchen. Es gibt jedoch eine Reihe von Anzeichen dafür, daß der Unparteilichkeitsanspruch auch die politische Berichterstattungspraxis zu verändern begann. Während fur die meisten Generalanzeiger nur der Inhalt der Zeitungen selbst Vermutungen über die dahinterstehende Verlags- und Redaktionspolitik erlaubt, läßt das noch vorhandene Material des GirardetArchivs auch Blicke hinter die Kulissen zu. Dort zeigt sich, daß es der Verleger war, der nicht nur über die Einhaltung des Unparteilichkeitsanspruches wachte, sondern hieraus auch Konsequenzen fur die journalistische Praxis forderte. In einem aufschlußreichen Brief Wilhelm Girardets an den Chefredakteur des General-Anzeigers für Leipzig und Umgebung Richard Bühle schrieb er im Januar 1890 anläßlich eines Berichtes über eine Wahlversammlung der SPD: »Es ist unbedingte Notwendigkeit, daß, nachdem wir öffentlich mit großer Bestimmtheit unsere absolute Parteilosigkeit bekannt haben, wir aufs Peinlichste unsere Neutralität wahren. Wir würden unter allen Umständen einen Fehler begehen, wenn wir die Aufnahme der Berichte verweigern wollten, mit Recht würde man uns dann Parteilichkeit vorwerfen. Gerade so wenig aber liegt es in unserem Interesse, die uns seitens des sozialdemokratischen Comités zugehenden Berichte puro zu akzeptieren. Ein solches Vorgehen würde uns unbedingt den Stempel eines sozialdemokratischen Parteiorgans aufdrücken und unseren Ruhm, ein wirklich tendenzloses Blatt zu sein, auf den wir stolz sind, zunichte machen. Um uns nun aus diesem Labyrinth herauszulavieren, ohne unserer Überzeugung untreu zu werden, halte ich für das allein Richtige, dem Comité zuvorzukommen und demselben den Vorschlag zu machen, daß wir einen Berichterstatter in jede Wahlversammlung entsenden können, der einen sachlichen, wahrheitsgetreuen Bericht liefert, der allerdings in einem Ton gehalten sein muß, der der Stellung des General-Anzeigers entspricht. Berichte des Comités sind aus vorgesagten Gründen abzuweisen und werden auch wohl bei dem gemachten Vorschlage nicht verlangt werden. Es wird dann aber unsere Aufgabe sein, während der Wahl-Campagne, in der die Wogen dies Mal gewiß sehr hoch gehen werden, in gleich sachlicher Weise und gemäßigtem Ton die Berichte der sämdichen anderen politischen Richtungen zu bringen und zwar tunlichst alle nacheinander folgend, um es möglichst jedem Leser klar vor Augen zu fuhren, daß strenge Parteilosigkeit unsere Grundlage ist.«359 370

Daß die Berichterstattung aus erster Hand, soweit erkennbar, fast ausschließlich innerhalb des politischen Milieus stattfand, dem sich die Journalisten selbst zurechneten, findet hier seine indirekte Bestätigung. Für die Redaktion stellte sich offenbar nur die Alternative zwischen Ignorierung einer Wahlversammlung und einem von einem Parteimitglied verfaßten Bericht. Erst der Verleger kam auf die Idee, wie man denn wohl »aus diesem Labyrinth« herauskomme, nämlich durch distanzierte Berichterstattung. Die hinter solchen journalistischen »Anregungen« stehende Absicht war immer die einer Auflagensteigerung. Dies machte Girardet Bühles Nachfolger, einem Dr. Jerusalem, mehrmals unmißverständlich klar. Als Jerusalem trotz Einwänden von seiten Girardets die politische Übersicht in seiner alten, in der Tat häufig nichtssagenden und wenig interessanten Form beibehalten wollte, schrieb Girardet zunächst: er habe seine Ansicht zwar nicht geändert, überlasse es aber ihm, die politische Übersicht nach seinem Geschmack zu gestalten, »wenn Sie es dadurch erzielen, den General-Anzeiger immer mehr beim größeren Publikum beliebt zu machen, was sich ja durch stete Zunahme der Abonnenten zeigen wird.« So ließ Girardet seinen Redakteur zwar vorerst gewähren. Zwei Monate später fragte er anläßlich eines Leitartikel über den ungarischen Staatshaushalt in einem bereits deutlich schärferen Ton: »Glauben Sie allen Ernstes, daß diese Mitteilung auch nur einen Leser des General-Anzeigers interessiert?« Nur eine Woche später warf er Jerusalem erneut die Politiklastigkeit seiner Zeitung vor, die auf Kosten der aktuellen Berichterstattung über Musik und Theater gehe. Der General-Anzeiger habe zum Teil erst zwei Tage später als die Neuesten Nachrichten über die Uraufführung eines Lustspiels berichtet und sei auch sonst in der Berichterstattung gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen geraten. »Der General-Anzeiger war seither in allen Vorkommnissen das erstberichtende Blatt und verdankt wohl auch hauptsächlich diesem Umstände seinen großen Erfolg.« Der General-Anzeiger müsse »auf allen Gebieten das bestunterrichtetste und schnellstberichtendste Blatt Leipzigs« bleiben. Nach erneuter Kritik erfolgte schließlich kurze Zeit später die Kündigung mit der Begründung: »Sie sind zu sehr Politiker und Gelehrter und wissen das Richtige für den gemeinen Mann nicht zu treffen.« Die Entwicklung der Auflage zeige, daß er ungeeignet sei, einen Generalanzeiger zu redigieren.360 So war Jerusalem gerade ein halbes Jahr Redakteur der Zeitung, als ihm wieder gekündigt wurde. Die Briefe Girardets zeigen deutlich die Ambivalenz des Einflusses, den die Verleger der Generalanzeiger auf ihre Redakteure ausübten. Girardet und vermutlich andere mit ihm drängten die Journalisten zum Verlassen traditioneller und ausgetretener journalistischer Pfade, zur stärkeren Be371

achtung des Leserinteresses, zu schnellerem und insgesamt »professionellerem« Arbeiten. Ihre einzige Maxime dabei war unzweifelhaft die Auflage. Daß hier eine Entwicklung in Gang gesetzt wurde, die unter anderem den Sensationsjournalismus unserer Tage hervorbrachte, ist nicht zu bestreiten. So sehr die zeitgenössischen Kritiker auch von dem neuen Zeitungstyp als »Skandalanzeigern« sprechen mochten, verhinderte schon die nach wie vor rigide angewendete Presse- und Strafgesetzgebung Auswüchse in dieser Richtung. Bis zu einem gewissen Grade waren es im politischen Journalismus in der Tat »die Geschäftsinteressen des Verlegers«, die die Journalisten zwangen, »über Ereignisse zu berichten, zu denen sie nicht als gleichberechtigte Teilnehmer« gehörten, wie der Journalist Robert Brunhuber bemängelte.361 Durch die Vorgaben des »kapitalistischen Verlegers« wurde so ein Journalismus gefördert, der sich von dem Ziel der Propagierung politischer Interessen und Unterstützung der diese Interessen vertretenden Parteien zu lösen begann. Die Generalanzeiger oder ihnen ähnliche Zeitungen waren etwa im Vorfeld von Wahlen die einzigen Zeitungen, die sich um eine (annähernd) objektive Berichterstattung über die verschiedenen Parteien bemühten. Offenbar war jedoch eine solche Berichterstattung noch um die Jahrhundertwende keineswegs selbstverständlich. In Artikeln des Bremer Tageblatts hielt man es angesichts der »Parteilosigkeit« der Zeitung für angezeigt, sich zum Auftakt des Reichstagswahlkampfes von 1903 gegen den Vorwurf der »Färb- und Charakterlosigkeit« zu verwahren. Es sei eine berechtigte Forderung, »daß sich auch diejenigen, welche in allen politischen und unpolitischen Fragen mit Selbstbewußtsein das eigene Ich oder aber das Parteiprogramm hervorkehren, nicht als die einzigen hinstellen sollten, die Geltung beanspruchen dürfen. ... Wem der Kampf um seine Ideale oder um seine amateriellen Interessen Notwendigkeit oder Bedürfnis ist, der möge kämpfen, und niemand wird dem, der diesem Kampfe ein Opfer bringt, seine Bewunderung versagen. Aber mit und neben ihnen haben auch die einen Anspruch auf Achtung und Bewunderung, welche sich von den unvermeidlichen Einseitigkeiten dieses Kampfes fern halten und die ihre publizistische Aufgabe mehr darin erblicken zu orientieren, als zu oktroieren.« 362 Es ist auffällig, wie defensiv der Redakteur des Bremer Tageblatts hier die Politik seiner Zeitung vertritt. Als ein selbstbewußtes Plädoyer für eine Position journalistischer Unabhängigkeit kann der Artikel kaum gelten. Trotz des enormen Erfolgs der Generalanzeiger war gegen die alte Gleichsetzung von Partei- und Gesinnungslosigkeit einerseits sowie Gesinnungsfestigkeit und Ehrenhaftigkeit andererseits offenbar nur schwer anzukommen. So ist bezeichnend, daß es außerhalb von Zeitungen, die wie etwa das Bremer Tageblatt ihre eigene Position verteidigten, kaum Journali372

sten gab, die sich zu Wortführern eines stärker berichtenden als kommentierenden, unparteilichen Journalismus machten. Vor diesem Hintergrund kann es kaum erstaunen, daß es zu einem Ausbau einer Position journalistischer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht kam, im Gegenteil: Viele der mit einem Unparteilichkeitsanspruch angetretenen Zeitungen begannen nach und nach wieder stärker, mehr oder weniger explizit Partei zu ergreifen und sich einer politischen Richtung oder Partei zuzuordnen. So standen am Ende einer scheinbar um Objektivität bemühten Wahlkampfberichterstattung nicht selten doch mehr oder weniger deutliche Wahlempfehlungen. Bezeichnend hierfür ist ein Artikel des Dortmunder General-Anzeigers zur bevorstehenden Wahl des preußischen Landtages vom 17. September 1879. Zunächst verwies man noch einmal auf die Unparteilichkeit der Zeitung und das Prinzip der Gemeinnützigkeit, dem man sich verpflichtet fühle. Anschließend wurden die einzelnen Parteien der Kritik unterzogen, um am Ende zur Wiederwahl der freikonservativen und nationalliberalen Abgeordneten aufzurufen, da sie dem Redakteur am geeignetsten schienen, für das »Wohl des Volkes und des Staates« tätig zu sein.363 So verkam der Anspruch auf Unparteilichkeit vielfach immer mehr zu einem Lippenbekenntnis, hinter dem sich eine nationalistische und deutlich anti-sozialdemokratische und anti-liberale Politik verbarg.364 Nicht zuletzt mit Hinblick auf den Scherl-Verlag, der 1916 vom Hugenberg-Konzern übernommen und vom späteren Führer der DNVP zu einem mächtigen, rechtskonservativen Zeitungsimperium ausgebaut wurde, erscheint die hier zum Ausdruck kommende konservativ-nationalistische Gesinnung unter dem Signum der Unparteilichkeit für den gesamten Zeitungstyp des Generalanzeigers als charakteristisch. Das Beispiel Hugenbergs scheint exemplarisch die Verbindung der »kapitalistischen« und politischen Interessen der Verleger und damit den in der »Geschäftspresse« immer dominanter werdenden Einfluß der Verleger auf die Journalisten zu belegen. Die Entwicklung der Presse im allgemeinen und der Generalanzeiger im besonderen verlief jedoch wesentlich komplizierter, als daß sie auf diese einfache Formel zu bringen wäre. Hugenberg, der ursprünglich kein Verleger war, hat seine spätere Rolle nur aufgrund staatlicher Interventionen spielen können. Die Regierung Bethmann Hollweg verhinderte, daß der Verleger des linksliberalen Berliner Tageblatts Rudolf Mosse den ScherlVerlag übernahm, und fädelte andere Geschäftsverhandlungen ein, die schließlich Alfred Hugenberg an die Spitze des ehemaligen Scherl-Verlages gelangen ließen.365 Die Zeitungen des Scherl-Verlages, allen voran der Berliner Lokal-Anzeiger, hatten schon lange vor der Übernahme durch Hugenberg ihre »Unparteilichkeit« aufgegeben und eine gouvernemental-konservative Rich373

tung mit deutlich nationalistischem Einschlag angenommen. Im Zuge der Politisierung der Generalanzeigerpresse, die, von Zeitung zu Zeitung unterschiedlich, oft schon relativ bald nach der Gründung der Zeitungen einsetzte, nahm ein großer Teil dieser Zeitungen in der Tat eine sich vielfach als »national« bezeichnende, konservative Richtung an. Statt einer direkten Aufgabe des Un- oder Überparteilichkeitsanpruches bekam dieser unter dem Motto: »Dem Vaterlande, nicht der Partei« häufig eine ganz spezifische Wendung, wobei nun in der Tat die Unparteilichkeitsbehauptung nur noch zur Verbrämung einer nationalistisch-konservativen Richtung diente.366 Auf der anderen Seite zeigen nicht nur die großen, im Mosse- und Ullstein-Verlag erscheinenden Berliner Tageszeitungen, daß Massenauflagen durchaus mit liberaler oder linksliberaler Gesinnung zu vereinbaren waren. Zu einer offen linksliberalen Zeitung entwickelte sich etwa auch der General-Anzeiger für Hamburg-Altona, der binnen kurzer Zeit mit über 100 000 Abonnenten im Jahr 1903 zu den fünf auflagenstärksten deutschen Zeitungen gehörte. Unabhängig von der politischen Ausrichtung der einzelnen Zeitungen stellt sich die Frage, worauf zurückzufuhren ist, daß der Unparteilichkeitsanspruch bei den Generalanzeigern eher zurückgenommen als in Richtung eines journalistischen Unabhängigkeitsbewußtseins anglo-amerikanischer Provenienz ausgebaut wurde. Anders als es die häufig vertretene These von dem wachsenden Einfluß der Verleger der »Geschäftspresse« auf die Arbeit der Journalisten suggeriert, scheint es vielfach vor allem auf den Einfluß der Redakteure zurückzuführen zu sein, daß die Zeitungen den ursprünglich von den Verlegern gestellten Unparteilichkeitsanspruch aufgaben und zunehmend Partei ergriffen. Auch wenn es selbst bei einem günstigeren Stand der Forschung kaum möglich sein wird, an den einzelnen Zeitungen den jeweiligen Einfluß der Redakteure und Verleger gegeneinander abzuwägen, weisen sowohl grundsätzliche Überlegungen als auch verschiedene Beispiele in diese Richtung. Was die Seite der Verleger angeht, gab es in Deutschland anders als in Frankreich bis zum Ersten Weltkrieg keinen Verleger, der nur einigermaßen erfolgreich versucht hätte, mit Hilfe der Gründung, des Kaufs oder der Beteiligung an einer Massenzeitung seine persönliche politische Karriere zu befördern. Leopold Ullstein gehörte zwar der Fortschrittspartei an und saß von 1871 bis 1877 in der Berliner Stadtverordnetenversammlung, bemühte sich später jedoch nicht um eine erneute Kandidatur. Wenn Ullstein auch der politischste unter den Verlegern der Massenzeitungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts war, kann man persönliche politische Ambitionen mit seiner 1877 einsetzenden Verlegertätigkeit wohl ausschließen. Ähnliches gilt auch für die Söhne Ullsteins, die den Verlag nach Leopold Ullsteins Tod im Jahr 1899 übernahmen. Wenn

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die vom Ullstein-Verlag gegründete Berliner Morgenpost 1898 unter dem Motto: »Parteinehmer - nicht Parteigänger« antrat, geschah dies mindestens so sehr aus verlegerischem wie aus politischem Kalkül. Man reagierte damit auf die Kritik an den »farblosen« Generalanzeigern, von denen man sich mit neuer Programmatik abzusetzen versuchte, und war damit enorm erfolgreich. Auf die Richtung, in der die Zeitung »Partei nehmen« wollte, legte man sich daher auch nicht fest.367 Was die Journalisten betrifft, waren, wie oben gezeigt,368 an den Generalanzeigern in der Regel Redakteure tätig, die erstens, zumindest im politischen Ressort, wie ihre Kollegen der traditionellen »Parteizeitungen« die Universität besucht und nicht selten promoviert hatten und zweitens zuvor entweder als Mitarbeiter oder als Redakteure häufig an »Parteizeitungen« gearbeitet hatten. Nicht zufällig warf Wilhelm Girardet dem Redakteur Dr. Jerusalem vor, »zu sehr Politiker und Gelehrter« zu sein. Wenn richtig ist, daß es ein weit verbreitetes Verständnis von der Funktion des Journalisten war, daß er in erster Linie ein überzeugungstreuer Kämpfer für bestimmte politische Ideen sein sollte, so kann man annehmen, daß die Redakteure der Generalanzeiger davon nicht unbeeinflußt blieben. So läßt sich an einer Reihe von Zeitungen zeigen, daß es die dort tätigen Redakteure waren, die den seitens der Verleger ursprünglich erhobenen Unparteilichkeitsanspruch hinter eine offene politische Parteinahme zurückdrängten. Ein Beispiel hierfür liefert die 1881 gegründete und in Berlin erschienene Tägliche Rundschau. Als »Zeitung für Nichtpolitiker, zugleich Ergänzungsblatt zu den Organen jeder Partei« trat das Blatt mit der typischen Programmatik eines Generalanzeigers an: Man sei der Ansicht, hieß es im Programm, daß in allen Zeitungen der Politik zu großer Raum gewidmet werde und daß »100 000 von Zeitungslesern« mehr gedient sei, »wenn nur die wirklich wichtigen und interessanten politischen Ereignisse rechtzeitig zu ihrer Kenntnis gelangen und sie von dem unfruchtbaren Parteistreit verschont bleiben.« Die Zeitung sei bestrebt, »nur die tatsächlichen Vorgänge« zu berichten und dem Leser vor allem in innenpolitischen Fragen sein Urteil selbst zu überlassen.369 Verleger des Blattes war der Buchhändler Bernhard Brigl, der damit auch für die ursprüngliche Programmatik verantwortlich war, die aber schon bald verlassen wurde. Schon an der Änderung des Untertitels der Zeitung zeigt sich zunächst die Politisierung und dann auch die politische Richtung: Im September 1883 verstand sich das Blatt nicht mehr als »Zeitung für Nichtpolitiker«, sondern als »Zeitung für unparteiische Politik« und weitere zehn Jahre später als »unparteiische Zeitung fur nationale Politik«. Mit »Unparteilichkeit« hatte der Inhalt der Zeitung zu diesem Zeitpunkt schon lange nichts mehr zu tun. Bereits 1889, nur acht Jahre nach der Gründung der Zeitung, hatte Hermann

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Trescher, Redakteur der demokratischen Berliner Volkszeitung, in einem Überblick über die Berliner Presse über die Tägliche Rundschau geurteilt: Dem »warmen Drang des Herzens« nachgebend, habe das Blatt die unparteiische Linie bald aufgegeben und »plätschert« heute »wie nur eines lustig im Kielwasser des Kartells umher.«370 Von lustigem Plätschern konnte schon bald auch nicht mehr die Rede sein. 1890 übernahm Friedrich Lange von Eugen Siercke die Chefredaktion der Zeitung und machte aus dem national-konservativen Blatt, das es unter Sierckes Leitung gewesen war, ein antisemitisch-nationalistisches Kampfblatt. Inwieweit der Verleger, der immerhin die Chefredakteure ausgewählt hatte, die Politik mitgetragen oder befürwortet hat, ist schwer auszumachen. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß es die Journalisten waren, die der Zeitung ihren politischen Stempel aufdrückten. Immerhin behielt der Verleger die Bezeichnung »unparteiisch« im Untertitel bei. 1895, drei Jahre nachdem der Schwiegersohn des Zeitungsgründers den Verlag übernommen hatte, trennte sich dieser schließlich von seinem Chefredakteur. Die Entlassung Langes war eine Art »Befreiungsschlag«, da Lange, der soeben seinen rassistischen, präfaschistischen »Deutschbund« gegründet hatte«, die Zeitung immer unverblümter zum Organ seiner Ideologie machte.371 Einen Nachfolger gab es zunächst nicht. Im März 1896 wurde der erst 30-jährige Heinrich Rippler Chef der Redaktion, der er bereits seit 1892 angehörte. Auch Rippler kehrte nicht zur »Unparteilichkeit« zurück, schlug aber einen insgesamt moderateren Ton an.372 Friedrich Lange gründete nach seiner Entlassung die Deutsche Zeitung, in der er nun ohne jede verlegerische Beschränkung weiter agitieren konnte. Keiner der leitenden Redakteure der Täglichen Rundschau war je daran interessiert, das ursprüngliche Programm des Verlegers, ein »Organ jeder Partei« oder eine »Zeitung für unparteiische« Politik zu machen, umzusetzen. Da die Zeitung durchaus erfolgreich war, sah der Verleger offenbar keinen Grund zum Einschreiten. Erst als Friedrich Lange die Zeitung zu einem reinen politischen Kampfblatt machte, setzte der Verleger dessen Treiben ein Ende. Genauer läßt sich bei den im Girardet-Verlag erscheinenden Zeitungen das Maß des Einflusses des Verlegers einerseits und der Redakteure andererseits auf die politische Linie des Blattes bestimmen. Oben ist an einem Beispiel gezeigt worden, daß Girardet seinen Redakteur zur Einhaltung der »Unparteilichkeit« mahnte und Konsequenzen für die journalistische Praxis daraus forderte. Interventionen des Verlegers, die politische Richtung betreffend, finden sich ansonsten auffallend selten in seinen Briefen an die Redakteure. Aus den wenigen Fällen, in denen sich Girardet in dieser Hinsicht einmischte, geschah dies eher vorsichtig. Als etwa die nationalliberale Rheinisch-Westfälische Zeitung einen Artikel in dem Generalanzeiger 376

für Leipzig und Umgebung zum Anlaß nahm, Girardet und dessen Zeitungen sozialdemokratische Gesinnung zu unterstellen, schrieb Girardet an seinen Redakteur: »Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß der Artikel >Märtyrer der Arbeits s o gut derselbe im übrigen ist, bei der gegenwärtig herrschenden Erregung in den Arbeiterkreisen, eigentlich als verfrüht zu bezeichnen ist, so gibt derselbe doch nach meiner Ansicht keine Veranlassung dazu, denselben in gehässiger, persönlicher Weise auszubeuten, wie dies seitens der Rhein-West (!) geschieht.« Er wolle sich dazu nicht äußern, seinem Redakteur stehe es jedoch »frei, den versteckten Angriff, als sei unser Blatt ein socialdemokratisches Organ, in gebührender Weise zurückzuweisen«.373 In einem anderen Fall beschied er seinen Redakteur auf dessen Anfrage, »nur kurze, sachliche Nachrichten über die bevorstehenden Unruhen in Leipzigs Buchdruckerwelt« zu bringen und vor allem jede Parteinahme für die Arbeiter zu vermeiden. Hier ging es schließlich um seine eigenen Interessen. Wenn Girardet auf der einen Seite wenig daran gelegen war, zu sehr in die Nähe der Sozialdemokraten gerückt zu werden, gab er auf der anderen Seite einem seiner Redakteure unmißverständlich zu verstehen, daß er dessen Antisemitismus mißbilligte. »Es ist mir ... unangenehm, daß Sie in jüngster Zeit wiederholt Judenhetze, wenn auch in gelinder Form betrieben hatten.«374 Grundsätzliche Abweichungen von seinen eigenen politischen Überzeugungen, so läßt sich aus Girardets Interventionen entnehmen, duldete er offenbar nicht. Wo die Schwelle der Akzeptanz einer politischen Richtung im Verhältnis zur Höhe der Auflage gelegen hätte, ist schwer feststellbar. Sicher ist aber, daß für Girardet die Einlösung des Unparteilichkeitsanspruches nur unter dem Gesichtspunkt der Auflage interessant war. Das zeigen die Beispiele des General-Anzeigers ßr Elberfeld-Barnten und vor allem des General-Anzeigers für HamburgAltona ebenso deutlich, wie die Tatsache, daß es die Redakteure waren, die aus dem »unparteiischen« Blatt ein Organ der Hamburger Liberalen Volkspartei machten. Beide Zeitungen, der 1887 gegründete Elberfeld-Barmener Generalanzeiger wie der ein Jahr später entstandene Hamburger Generalanzeiger, waren mit dem üblichen Anspruch auf »Unparteilichkeit« angetreten.375 Erheblichen Einfluß auf die Politisierung beider Zeitungen hatte der 1866 geborene Journalist Bruno Wagener. Nach Studium und Promotion im Jahr 1890 wurde er Journalist. Nachdem er 1893 bereits für kurze Zeit Redakteur am General-Anzeiger ßr Hamburg-Altona gewesen war, wechselte er zunächst für einige Monate zur Ulmer Zeitung und anschließend, von Dezember 1893 bis Mai 1894, zum deutsch-freisinnigen Badischen Landboten in Karlsruhe. Von der »Parteizeitung« wechselte er dann zu dem bis dahin »farblosen« General-Anzeiger ßr Elberfeld-Barmen, den er relativ schnell in genau dem Sinne politisch zu prägen begann, in dem er zuvor in

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Karlsruhe geschrieben hatte. Nach knapp zwei Jahren in Elberfeld, wo er sich bald ein Beleidigungsverfahren gegen den Elberfelder Bürgermeister einhandelte, wechselte Wagener innerhalb des Girardet-Verlages nach Hamburg und übernahm dort die Leitung des Generalanzeigers. Nachfolger Wageners am General-Anzeiger ßr Elberfeld-Barmen wurde ein Mann namens Heinrich Tölke, der die Politisierung des Blattes zurücknahm und eine wenig Anstoß erregende Heimatzeitung daraus machte.376 Wagener hingegen blieb auch in Hamburg bei seiner politisch-journalistischen Linie und machte die Zeitung bald zu einem offen linksliberalen Blatt, in dem von »Unparteilichkeit« nicht mehr viel zu spüren war, während sein Vorgänger Johannes Flach die »Parteilosigkeit« der Zeitung noch offensiv gegen die Angriffe der »Parteipresse« verteidigt hatte.377 Wenn hier argumentiert wurde, daß es vor allem die Redakteure waren, die die Politisierung der Generalanzeiger vorantrieben, so ist zweifellos dagegen zu halten, daß die Verleger zumindest die Chefredakteure auswählten. Spätestens als Girardet Bruno Wagener zum Chefredakteur des General-Anzeigers ßr Hamburg-Altona machte, kannte er dessen politische Haltung und die Art und Weise, in der Wagener sie journalistisch umsetzte, und billigte sie offenbar. Wie am Beispiel des Redakteurs des GeneralAnzeigers ßr Leipzig und Umgebung deutlich wurde, war die Steigerung der Auflage unabdingbare Voraussetzung für eine Weiterbeschäftigung des Redakteurs. Da die Auflage des Hamburger Generalanzeigers wie die nur ganz weniger Zeitungen geradezu emporschoß, bis sie 1 9 0 2 , 1 5 Jahre nach der Gründung mit über 100 000 Stück zu den fünf auflagenstärksten deutschen Zeitungen gehörte, gab es keinen Grund, Wägener zu bremsen oder auszuwechseln. Im Gegenteil: der Erfolg des Generalanzeigers regte Girardet und seinen Hamburger Teilhaber Eugen Aschaffenburg dazu an, eine zweite Zeitung zu gründen, die stärker auf eine gebildete, bürgerliche Leserschicht abzielte, ohne dabei das Ziel einer hohen Auflage aus dem Auge zu verlieren. Die Zeitung erschien seit 1896. Erster Redakteur wurde der bereits profilierte politische Journalist Paul Michaelis, der zuvor an der Weser- und an der Vossischen Zeitung tätig gewesen war.378 Das Blatt werde, hieß es in dem Programm, mit dem man sich der Öffentlichkeit präsentierte, »entschieden liberal« sein, »ohne sich an Parteischablonen und Parteiprogramme zu binden«. Der Erfolg des politisierten Generalanzeigers, verbunden mit der Kritik an der »farblosen« Presse, ließ es in einer Stadt wie Hamburg aussichtsreich erscheinen, eine »entschieden liberale«, aber undogmatische Zeitung herauszugeben. Die politische Richtung widersprach nicht der politischen Haltung der Verleger, doch an erster Stelle stand für sie der ökonomische Erfolg. So bestimmten sie die Rahmenbedingungen, die Politik aber machten die Redakteure. Als 1902 kurz hintereinander die beiden Chefredakteure der im Girar-

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det-Verlag erscheinenden Zeitungen wechselten, vermutete die SPD-Zeitung, das Hamburger Echo, bezeichnenderweise sogleich die finsteren Machenschaften des kapitalistischen Verlegers dahinter: »Die Blätter der Firma Girardet u. Komp., die >Neue Hamb. Ztg.< und der >GeneralAnzeigerNHZ< und der sozialpolitisches des >GA< nicht einverstanden und verlangte, daß die Blätter im Kielwasser der >verschämten< Scharfmacherpresse schwimmen sollten. Es scheint, als haben die Chefredaktöre diese Schwenkung nicht mitmachen wollen, deshalb hat man diese ohne die Herren vollzogen, um das Geschäft, welches bei dem entschiedenen Liberalismus< nicht gedeihen wollte, nun unter anderer Flagge besser zu gestalten.«379 Hier irrte das SPD-Organ. Die Geschäfte gingen gut, und Justus Hendel, der inzwischen Girardets Teilhaber in Hamburg geworden war, und der Chef des Verlages hüteten sich, die politische Richtung der Zeitungen zu verändern. Vielmehr trat unter der Leitung von Wageners Nachfolger Curt Platen, der bereits seit 1898 der Redaktion des General-Anzeigers angehörte, die linksliberale Tendenz der Zeitung noch offener zu Tage. Platen war aktives Mitglied der Freisinnigen Volkspartei und gehörte der Hamburger Bürgerschaft an. Die Kombination von Platens politischem Amt und seiner journalistischen Tätigkeit währte bis 1929, als er zum Senator ernannt wurde und infolgedessen die Chefredaktion der Zeitung abgab. Bruno Wagener, der angeblich den vermeintlichen Rechtsschwenk der Zeitung nicht mitmachen wollte, ging später als Redakteur zur nationalliberalen Straßburger Post. Wilhelm Girardet und seine Teilhaber waren Geschäftsleute. Ihr Hauptinteresse galt dem ökonomischen Erfolg der Zeitung. Wie gesehen, war es Girardet nicht gleichgültig, was in seinen Zeitungen stand, und man wird davon ausgehen können, daß er Journalisten auswählte, die seinen eigenen politischen Vorstellungen entsprachen. Persönliche politische Interessen verfolgten, soweit sich dies erkennen läßt, weder Girardet noch einer seiner Teilhaber. Der bei Gründung der verschiedenen Zeitungen erhobene Unparteilichkeitsanspruch entsprang daher weit mehr ökonomischen als politischen Überlegungen. Innerhalb des vom Verleger vorgegebenen Rahmens gab es fur die Redakteure jedoch Spielräume, die sie soweit ausschöpfen konnten, wie die Auflage nicht darunter litt. Bezeichnend für die Frage des Selbstverständnisses der Journalisten ist, daß die ambitionierteren unter ihnen wie Bruno Wagener oder Curt Platen diesen Spielraum vor allem für eine mehr oder weniger deutliche parteipolitische Fesüegung nutzten. Vieles von dem, was an den Zeitungen des Girardet-Verlages zu beob-

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achten ist, läßt sich auf die Generalanzeiger bzw. die generalanzeigerähnliche Presse im allgemeinen übertragen. Vor allem durch die Wahl des Chefredakteurs, über dessen politische Richtung die Verleger schon durch die Zeitungen, an denen sie vorher tätig gewesen waren, sicher Bescheid wußten, bestimmten die Verleger die politische Grundrichtung.380 Das Maß des Engagements fur eine politische Richtung oder Partei hing jedoch im wesentlichen von den Redakteuren ab. Eine Politisierung des Berliner Tageblatts setzte erst ein, als Arthur Levysohn politischer Redakteur der Zeitung wurde.381 Bei der Gründung war die Zeitung zwar nicht ausdrücklich als »unparteiisches« Organ angetreten, sondern als »im vollen und erschöpfenden Sinne des Wortes das Berliner Lokalblatt«. Rudolf Mosse hatte als einer der ersten die Idee, die von den Verlegern der Generalanzeiger aufgenommen wurde, eine speziell auf die lokalen Angelegenheiten einer Stadt ausgerichtete Zeitung zu machen. Äußerungen zur politischen Tendenz schienen sich von daher zu erübrigen. Erst unter der Leitung Levysohns entwickelte sich das Berliner Tageblatt zu einer großen politischen Zeitung, die sich zwar für politisch unabhängig erklärte, aber deudich der Fortschrittspartei zuneigte und zur Wahl dieser Partei aufrief.382 Levysohns Nachfolger an der Spitze der Redaktion, Theodor Wolff, kandidierte sogar fur den Reichstag, in dem er sich allerdings keiner Fraktion anschloß. Anders als bei dem General-Anzeiger für HamburgAltona kam es daher zu keiner direkten personellen Verbindung zwischen einer Partei und einer Zeitung. So blieb das Tageblatt das, was es zu sein behauptete, nämlich ein tatsächlich als unabhängig zu bezeichnendes linksliberales Blatt. In gewisser Weise verkörperte es die französische Variante von journalistischer Unabhängigkeit, in der die personelle Verbindung zur Politik bestehen blieb, die Zeitung und die dort tätigen Journalisten sich aber als Vertreter einer eigenen politischen Richtung verstanden. Über die internen Verhältnisse des Berliner Lokal-Anzeigers, der vor der Jahrhundertwende größten Berliner Zeitung, ist man leider nur sehr unzureichend informiert.383 Als August Scherl 1883 die Zeitung gründete, griff er in gewisser Weise das Programm auf, mit dem Mosses Berliner Tageblatt ursprünglich angetreten war, nämlich in erster Linie ein Berliner Lokalblatt sein zu wollen. Da sich das Tageblatt jedoch zunehmend auf die »große« Politik konzentrierte, stieß Scherl mit seiner Zeitung in die Lücke und entwarf das Programm eines eher unpolitischen, unterhaltenden Blattes mit starkem Lokalbezug. Nach allem, was man über August Scherl weiß, interessierte er sich für Politik so gut wie gar nicht. Mit Hugo von Kupffer bestimmte er auch keinen politisch profilierten Journalisten zum Chefredakteur, sondern jemanden, der zum einen fur Nachrichtenagenturen und zum anderen für Zeitungen in den USA gearbeitet hatte.384 Unter von Kupffers Leitung profilierte sich der Lokal-Anzeiger schnell als gut infor-

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miertes, parteiloses Blatt. Wenn sich die Zeitung um die Jahrhundertwende schließlich doch stärker politisierte und zunehmend eine gouvernementalkonservative Richtung verfolgte, so scheint es keineswegs plausibel, daß dies primär auf direktes Betreiben Scherls geschah, zumal die Zeitung mit dieser Wende vor allem im Vergleich zu Ullsteins Berliner Morgenpost deutlich an Boden verlor. Zwar waren vermutlich sowohl Scherl als auch Hugo von Kupffer eher regierungsfreundlich als -feindlich gesonnnen, was nicht ohne Auswirkungen auf die Auswahl der Redakteure blieb. Mehr als eine bewußte Änderung der erfolgreichen Konzeption seitens des Verlegers oder des Chefredakteurs, zu der kein Anlaß bestand, scheint es jedoch die politische Redaktion gewesen zu sein, die zunehmend in diese Richtung tendierte. Nicht zuletzt dürfte das alte System des Austausches von Informationen gegen Wohlverhalten eine Rolle gespielt haben, wenn die Zeitung mehr und mehr auf einen gouvernementalen Kurs einschwenkte. Die Tatsache, daß der angebliche »Gegner der jüdischen Presse« seinen Verlag an den finanzstarken Verleger des linksliberalen Berliner Tageblatts Rudolf Mosse zu verkaufen beabsichtigte, zeigt, daß Scherl Geschäftsmann und kein »Gesinnungstäter« war. Zusammenfassend ist zu der Frage des Unparteilichkeitskonzeptes der Generalanzeiger zunächst zweierlei festzuhalten. Zum einen ist es zweifellos wichtig, auf die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit hinzuweisen. Zum anderen ist jedoch unverkennbar, daß der Versuch der Einlösung dieses Anspruches keineswegs nur politische »Farblosigkeit«, also ein schlichtes Abdrucken unterschiedlicher Positionen bedeuten mußte, sondern sehr wohl Ansätze zu tiefergreifenden Veränderungen der journalistischen Praxis auch im Bereich des politischen Journalismus nach sich zog. Diese Ansätze sind vor allem jeweils in den ersten Lebensjahren neugegründeter »unparteiischer« Zeitungen zu erkennen, wo an vielen Stellen das Bemühen deutlich wird, das Freund-Feind-Schema im Bereich der Politik zu durchbrechen und auch etwa über die Politik der SPD oder des Zentrums verhältnismäßig objektiv zu berichten, bevor häufig im Sinne einer nationalliberal bis konservativen, aber, wie gesehen, in einigen herausragenden Fällen auch einer linksliberalen Politik Stellung bezogen wurde. Entgegen der These von dem übermäßigen Einfluß der Verleger der »Geschäftspresse« auf ihre Redakteure scheinen es vielfach mehr die politischen Redakteure als die Verleger gewesen zu sein, die die Politisierung der Zeitungen vorantrieben. Politische Karrieren finden sich, von dem späteren Sonderfall Alfred Hugenberg abgesehen, unter den Verlegern nicht, sehr wohl aber unter den Journalisten der Generalanzeiger. So kam es zumindest im Bereich der liberalen Presse insgesamt zu einer relativ schnellen Angleichung zwischen »Geschäft-« und »Gesinnungspresse«: Während die Generalanzeiger in der Regel ihre Position der Unparteilichkeit aufgaben 381

und, wenn auch in abgemilderter Form, Stellung bezogen, betonten die Redakteure der traditionellen »Parteizeitungen« ihrerseits zunehmend die »Unabhängigkeit« von den Parteien und versuchten, ihre Zeitungen interessanter und informativer zu gestalten.

4.3. Lokalberichterstattung als Quelle neuer journalistischer Praktiken? Die besondere Konzentration auf die Berichterstattung über lokale Ereignisse hatte wesentlichen Anteil an dem durchschlagenden Erfolg der Generalanzeiger. Auch vor deren Entstehung gab es zwar in den Zeitungen in der Regel eine Rubrik fur lokale Angelegenheiten. Ein Lokaljournalismus, der diesen Namen verdiente, existierte bis in die siebziger Jahre hinein in nur begrenztem Ausmaß. Ansätze dazu sind zu finden, doch setzten diese sich nicht durch oder blieben erfolglos. So stellten etwa Kleists Berliner Abendblätter von 1 8 1 0 / 1 1 eine Frühform einer Lokalzeitung dar, in der wohl erstmals ein Journalist versuchte, über die Polizei an interessante oder gar »sensationelle« Berichte über diverse Vorkommnisse - nicht zuletzt Verbrechen - zu kommen. Die Abendblätter gingen jedoch bald ein, und Kleist fand lange Zeit kaum Nachfolger mit seiner Art der Lokalberichterstattung.385 Ankündigungen, man werde auch über lokale Vorkommnisse berichten, finden sich in manchen Zeitungen zwar wiederholt, eingelöst wurden diese Versprechungen jedoch kaum. In der Breslauer Zeitung, die ihre Leser schon einmal aufgefordert hatte, zur Lokalberichterstattung beizutragen, hieß es in einer Art erneuertem Programm vom Mai 1834, es sei von Übel, »wenn eine provinzielle Zeitung ebenso gut von Monomopotapa als Breslau datiert erscheinen kann, ohne daß der Inhalt den näheren Bezug auf eine von beiden verriete.«386 Da man als Konsequenz daraus jedoch nicht eigene Bemühungen in dieser Richtung versprach, sondern erneut nur das Publikum zur Mitarbeit aufforderte, änderte sich nicht viel. Die größeren Zeitungen, bei denen schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hauptberufliche Journalisten arbeiteten, verstanden sich in aller Regel explizit als überregional. Abgesehen davon, daß das, was in aller Welt passierte, von den Redakteuren häufig als wichtiger angesehen wurde als lokale Angelegenheiten, hielt man sich hier auch schon deshalb zurück, um es mit den lokalen Autoritäten nicht zu verderben. Als etwa 1844 die Bremer Weserzeitung gegründet wurde, forderte der Senat ausdrücklich, auf eine Sparte »Lokalpolitik« zu verzichten.387 Das Argument war, daß die Zeitung auch außerhalb Bremens ein Publikum ansprechen sollte. Tatsächlich sollte die Politik der Stadt weitgehend der Kritik entzogen werden. 382

Kleinere Zeitungen erhoben zwar einen solchen überregionalen Anspruch nicht, aber ihnen fehlte der entsprechende professionelle Apparat, der einen nennenswerten Lokaljournalismus ermöglicht hätte. Die noch lange Zeit von den Verlegern oder nebenberuflichen Redakteuren zusammengestellten Blätter waren, ähnlich wie bei der Breslauer Zeitung in ihren Anfangsjahren, auf die Mitarbeit der Leser angewiesen. So folgte das, was über lokale Angelegenheiten in diesen Zeitungen zu lesen war, vielfach dem Zufallsprinzip. In dem Maße, in dem jedoch in den fünfziger und sechziger Jahren auch an kleineren Blättern, die keine überregionalen Ambitionen hatten, hauptberufliche Redakteure tätig wurden, begannen auch die lokalen Angelegenheiten in den Zeitungen eine größere Rolle zu spielen. Hier entstand der Typus des in verschiedenen lokalen Vereinigungen vertretenen Lokaljoumalisten, der in erster Linie über diese Vereinigungen schrieb. Bezeichnenderweise folgte damit der hier entstehende Lokaljournalismus den beschriebenen Praktiken des politischen Journalismus. Berichterstattung basierte nicht auf mehr oder weniger distanzierter Beobachtung, sondern auf Zugehörigkeit. Als der »Literarische Verein« Dresdens dem neuen Redakteur des Dresdner Anzeigers im Jahr 1864 die Aufnahme verweigerte, war ihm automatisch die Berichterstattung über den lokal wichtigen Verein verwehrt. Damit war er auch als Redakteur der Zeitung nicht mehr haltbar.388 Aus anderen Städten finden sich Beispiele von Journalisten, die wie etwa der langjährige Redakteur der Saarbriicker Zeitung, Conrad Hermann, in verschiedenen Vereinen vertreten waren und dort eine maßgebliche Rolle spielen konnten. Hermann war in den verschiedenen Vereinen jeweils für alles »Literarische« und damit nicht zuletzt für deren Außendarstellung zuständig. 1860 saß er zusammen mit den örtlichen Honoratioren in dem Festausschuß für die Eröffnung der Rhein-Nahe-Bahn, zu der der preußische Regent erscheinen sollte. Hier wird erneut deutlich, wie sehr die gesellschaftliche Stellung eines Journalisten an dessen persönlicher Fähigkeit hing, sich innerhalb von Vereinen, Parteien oder anderen Gruppierungen vor allem dadurch Akzeptanz zu verschaffen, daß er nach außen hin als deren Propagandist auftrat. Obwohl es somit schon lange Ansätze zu Lokaljournalismus gab, waren die Generalanzeiger jedoch die Zeitungen, die die Konzentration auf lokale Ereignisse nicht nur zum Programm erhoben, sondern es tatsächlich befolgten. Darin lag bereits ein gewisses Maß an Innovation, doch es fragt sich, inwieweit hiermit nur eine quantitative Ausweitung, sondern auch ein qualitativer Sprung in der journalistischen Praxis verbunden war. Dafür gibt es in der Tat Anzeichen. Von dem Anspruch des Berliner Tageblatts, nicht ein, sondern »das Berliner Lokalblatt« sein zu wollen, war bereits die Rede. Die 1872 gegründete Zeitung dürfte wohl eine der ersten im deutschsprachigen

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Raum gewesen sein, die im großen Stil und auf professionelle Art und Weise über die lokalen Angelegenheiten einer Stadt berichtete und sich dabei mit zum Teil sehr deutlicher Kritik nicht zurückhielt.389 Der Zustand der Berliner Gewässer, etwa der des Königsgrabens, einer »Pestbeule im Mittelpunkt der Stadt«, oder der des »Pestparks«, wie man den Tiergarten wegen seiner übelriechenden Gewässer nannte, wurde ebenso häufig angeprangert wie Übergriffe der Polizei, von denen man Kenntnis erhielt.390 Neu war das in zweierlei Hinsicht. Erstens begannen sich Journalisten hier weniger als Propagandisten bestimmter Ideen, sondern als Anwälte der Bewohner einer Stadt zu verstehen, ohne daß die soziale Differenzierung dabei eine erhebliche Rolle gespielt hätte. Die Leser wurden nicht als Angehörige einer bestimmten sozialen Schicht oder als Anhänger einer Partei, sondern als Bewohner einer Stadt angesprochen, so daß potentiell jeder Bewohner Berlins auch Käufer der Zeitung werden können sollte. Das Konzept der Unparteilichkeit und die Konzentration auf den Lokaljournalismus waren somit eng miteinander verknüpft. Folgerichtig erklärte auch etwa der Kölner Stadtanzeiger - 1876 als Ableger der nationalliberalen Kölnischen Zeitung gegründet - er werde »städtische Angelegenheiten in ruhiger und unparteiischer Weise ausfuhrlich besprechen«.391 Zweitens war neu, daß sich die Journalisten bei der Art von lokaler Berichterstattung, wie sie beim Berliner Tageblatt verstärkt gepflegt wurde, nicht mehr wie zuvor auf mehr oder weniger zufällig und ungeprüft einlaufende Informationen verlassen konnten. Eine gezielte Recherche, insbesondere der Redakteure selbst, scheint noch eher die Ausnahme gewesen zu sein. Da die Zeitung jedoch mit jedem Bericht über Polizeiwillkür einen Beleidigungsprozeß riskierte, mußten die Redakteure einigermaßen sicher sein können, daß das, was ihnen berichtet wurde, auch stimmte. Da die Redakteure selbst nach allem, was man weiß, ihren Schreibtisch nur selten verließen, begannen Zeitungen wie das Berliner Tageblatt vor allem fur lokale Angelegenheiten feste Berichterstatter zu engagieren, die nach anglo-amerikanischem Vorbild schon bald Reporter genannt wurden. Über deren Arbeit geben Quellen nur wenig Auskunft. Einige Beispiele, die zeigen, welche Wege auf der einen Seite von Reportern eingeschlagen wurden, um an Informationen zu kommen, und wie auf der anderen Seite versuchte wurde, dies zu verhindern, finden sich nicht zufällig aus dem Umfeld des Berliner Tageblatts. Einigen Wirbel, der sich in den Akten des Berliner Polizeipräsidenten niederschlug, löste das Berliner Tageblatt mit seiner Berichterstattung über das Verfahren gegen den Kaiser-Attentäter Karl Nobiling aus. In einem Artikel vom 7. Juli 1878 hatte das Tageblatt Informationen über den Fall geliefert, an die es nur auf inoffiziellem Weg herangekommen sein konnte. Das preußische Innenministerium wurde aktiv und fragte beim Berliner

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Polizeipräsidenten nach, woher das Tageblatt sein Wissen habe. Die Nachforschungen des Polizeipräsidenten ergaben jedoch lediglich, daß ein Reporter namens Bennemann die Informationen geliefert hatte. Über dessen Quellen konnte man hingegen auch nur spekulieren. Von einem Polizeibeamten, so hieß es in dem Bericht ans Innenministerium, könne Bennemann die Informationen nicht bezogen haben, da bei den Vernehmungen keiner anwesend gewesen sei. Man habe jedoch feststellen können, daß sich Bennemann ständig in den Räumen des Stadtgerichts aufhalte »und seine Neuigkeiten durch Ausfragen von Zeugen und Beamten des Stadtgerichts« zu erlangen suche. In den ersten Tagen nach dem Attentat »soll Herr Bennemann sogar ein Faß Bier täglich aufgelegt haben, um durch Gewährung freien Biergenusses von Zeugen und Beamten Nachrichten zu erhalten.« Auf diese Weise sei wohl auch der Artikel im Berliner Tageblatt entstanden.392 Im Innenministerium war man nicht sehr angetan von dem Bericht und mahnte in scharfer Form »Maßnahmen zur Unterbindung des geschilderten Reporterwesens in den Räumen des Stadtgerichts« an.393 Kurze Zeit später erschien erneut eine Meldung im Berliner Tageblatt, die den Argwohn der Behörden hervorrief. Am 4. August 1878 meldete das Tageblatt, man wisse aus sicherer Quelle, daß Nobiling versucht habe, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Aufgeschreckt durch die Mahnungen des Innenministeriums drohte der Polizeipräsident dem verantwortlichen Redakteur Behrendt unverzüglich weitere Schritte an, wenn dieser nicht »gefalligst schleunigst den Referenten namentlich« bezeichne.394 Eine Reaktion seitens der Zeitung ist nicht aktenkundig. Dafür informierte der Präsident des Stadtgerichts den Polizeipräsidenten über die von ihm eingeleiteten Maßnahmen. Die Beamten seien zu strengster Verschwiegenheit insbesondere gegenüber Reportern angewiesen worden; im übrigen sollten Reporter »fortan möglichst fern von den Orten und Stellen gehalten werden, in welchen sie Erkundigungen einziehen und die Beamten auszuforschende Gelegenheit haben«, und schließlich habe er veranlaßt, »daß der Kastellan Kröhl fortan eine Bierstube nicht mehr hält.«395 Die hatte man offenbar als Umschlagplatz für Informationen in besonderem Verdacht. Allen diesen Maßnahmen zum Trotz erschien am 24. September 1878 wieder ein Artikel im Tageblatt »Aus den Acten contra Nobiling«. Diesmal war man bei der Suche nach der undichten Stelle erfolgreicher: Nicht irgendeinem subalternen Beamten war unter Alkoholeinfluß eine Information entlockt worden, sondern es war der Oberstaatsanwalt selbst, der einem Reporter namens Auerbach Einblick in die Handakte gewährt hatte. 396 Die Affäre macht dreierlei deutlich. Erstens versuchten einzelne Reporter, insbesondere des zu diesem Zeitpunkt noch stark lokal orientierten

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Berliner Tageblatts, auch auf unkonventionelle Weise an Informationen zu kommen. Zweitens entwickelte sich angesichts dieser Versuche seitens der Behörden eine etwas hilflose Betriebsamkeit, bei der, ähnlich wie im Bereich des politischen Journalismus, die Vorstellungskraft nur dazu ausreichte, untergeordnete Beamte als undichte Stellen zu vermuten. Offensichtlich gab es jedoch - drittens - Reporter, die Kontakte zu Personen in höheren Stellungen unterhielten, von denen sie, wenn auch nur vereinzelt, Informationen bezogen. Noch ein weiteres Mal, allerdings viele Jahre später, wurde der Berliner Polizeipräsident aufgefordert, in der Frage des Reporterwesens Stellung zu nehmen. Ende Februar 1908 ging der Abgeordnete Kirsch vom Zentrum in einer Rede vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus auf die seiner Ansicht nach fragwürdigen Beziehungen zwischen Presse und Polizei ein. Anlaß war der Fund eines Waffenlagers in der Berliner Pankstraße, über den das Berliner Tageblatt und der Berliner Lokal-Anzeiger ausfuhrlich berichtet hatten. Ihre Informationen könnten die Zeitungen, so der Abgeordnete, nur von der Polizei bezogen haben. Sofern derartige Mitteilungen an die Presse der Verbrechensbekämpfung dienten, sei dagegen nichts zu sagen. In vielen Fällen gehe es aber nur darum, die Neugierde des Publikums und deren Lust an der Sensation zu befriedigen. In einem Fall, in dem es um die Beschlagnahme von Schmuck einer Dame aus der »Demimonde« gegangen sei, habe der Berichterstatter geschrieben, er habe das Büro des betreffenden Kriminalkommissars verschlossen vorgefunden. »Aus dieser Zeitungsnachricht geht doch hervor, daß der betreffende Reporter schon vorher diesen Kommissar interviewt hat, wie das bisher in der letzten Zeit von ausländischen Preßgelehrten gegenüber den Ministern geschehen ist.« Der Zentrumsabgeordnete Kirsch fand das empörend und forderte, hier müsse »der Polizeipräsident eingreifen und verbieten, daß Mitteilungen von der Polizei den Zeitungen gemacht werden, die nur der Sensationslust des Publikums frönen sollen und nicht den höheren Zweck verfolgen, die Spur der Verbrecher zu entdecken.« 397 Anders als im Fall Nobiling reagierte der Berliner Polizeipräsident gelassen. Er räumte zwar eine gewisse Berechtigung der Kritik ein, doch zum einen wies er grundsätzlich auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der Presse hin, und zum anderen gab er einen kurzen Einblick in die Verhältnisse, der seine Machtlosigkeit gegenüber dem Treiben der Reporter deutlich werden ließ. Verantwortlich für die von dem Abgeordneten beklagten Zustände sei auf der einen Seite »der allgemeine Tiefstand unserer hauptstädtischen Sensationspresse«. Eine solche Presse sende »naturgemäß ihre Reporter und Fühler in alle Korridore und Winkel der hiesigen Behörde, und es gehört schon ein besonderes Maß an Vorsicht dazu, um nicht - auch ohne Absicht und gegen den Willen - zum 386

intellektuellen Urheber irgendeiner halb gehörten und halb erfundenen Pressemitteilung zu werden.« Auf der anderen Seite wollten »die Polizeibeamten lieber gelobt als getadelt werden, und das hänge davon ab, ob sie Nachrichten gäben oder nicht. Manchmal würden gar der Name oder ein Bild gebracht, im anderen Fall würde die Polizei z.T. sogar verhöhnt und fur reformbedürftig gehalten.« Nur wer wohl- oder übelwollenden Äußerungen gegenüber völlig unabhängig sei, bleibe davon unberührt. Die Presse sei ein notwendiges Werkzeug in den Händen der Polizei, aber sie dürfe auch nicht mehr sein als ein Werkzeug.398 Bis zu einem gewissen Grade hatte man sich bei der Polizei mit den lästigen Fragen der Reporter abgefunden, obwohl es offenbar immer wieder Versuche gab, den Reportern ihre Arbeit möglichst schwer zu machen. Wie der Jubiläumsausgabe des Berliner Lokal-Anzeigers zu seinem 10-jährigen Bestehen im Jahr 1893 zu entnehmen ist, existierte eine Anweisung, die vorsah, daß bei Verbrechen oder anderen Vorkommnissen nur leitende Beamte Reportern Auskunft geben durften. 399 Die waren ihrerseits nur autorisiert, etwas zu sagen, sofern es in ihren Augen der Sache dienlich war. Mit der Sensationsberichterstattung heutiger Massenmedien im Hinterkopf, mag mancher durchaus Sympathie für die abwehrende Haltung der Polizei gegenüber den Fragen der Reporter empfinden. Insgesamt ging es jedoch um weit mehr als die Abwehr sensationshungriger Lokalberichterstatter. Die Ansicht, die Presse dürfe nur ein »Werkzeug« der Polizei sein, das Verbot, Reportern Auskunft zu geben, und vor allem die rechtlichen Bestimmungen und deren Auslegungen fugen sich zu einem Gesamtbild von einem Verständnis vom Umgang mit der Presse: In den Zeitungen sollte möglichst nur behördlich Genehmigtes stehen. Bei dem Kampf gegen die »Sensationspresse« ging es immer auch darum, die Möglichkeiten der Presse insgesamt zu beschränken. Dadurch daß sich Journalisten in einem lokalen Rahmen zu Anwälten der Interessen der gesamten Bewohnerschaft machen konnten, entstand gerade hier die Möglichkeit für die Presse, sich als kritische, von Parteieninteressen verhältnismäßig unabhängige Institution zu etablieren. Beispiele dafür gibt es. Von der lokalen Berichterstattung des Berliner Tageblatts war kurz die Rede. Wenn Hans-Wolfgang Wolter schreibt, der Redakteur des General-Anzeigers für Hamburg-Altona, Johannes Flach, habe die Schuld der Hamburger Behörden an der Cholera-Epidemie »aufgedeckt«, ist das sicher übertrieben. In der Tat hielt der General-Anzeiger jedoch früher und hartnäckiger als die anderen Hamburger Zeitungen den Behörden ihre Verantwortung für die Epidemie vor.400 Couragierte Berichterstattung dieser Art war dennoch die Ausnahme. Doch dadurch, daß, ausgehend von den Generalanzeigern, ein vom Anspruch her an den Interessen der Bewohner orientierter lokaler Journalismus entstand, wurde auf dieser Ebene 387

die Voraussetzung fur eine funktionierende kritische Öffentlichkeit geschaffen. Da Forschungen zu dieser Frage bislang nicht einmal in Ansätzen vorliegen, ist Vorsicht geboten, aus den genannten Beispielen weitgehende Schlüsse zu ziehen. Zu großer Optimismus, was die kritische Funktion des Lokaljournalismus betrifft, scheint nicht angebracht. Die personelle Verbindung von Lokaljournalismus und Lokalpolitik, die es, wie gezeigt, etwa beim General-Anzeiger für Hamburg-Altona, dem Kölner Stadtanzeiger und einer ganzen Reihe von anderen Zeitungen wie etwa auch dem Berliner Tageblatt gab, mußte diese kritische Funktion noch nicht unbedingt beeinträchtigen, auch wenn die Kritik dabei jeweils in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde. Entscheidend war vielmehr, daß ein über lokale Angelegenheiten berichtender Journalist bis zu einem gewissen Grade in das lokale Milieu integriert sein mußte. Nicht zuletzt hing die individuelle gesellschaftliche Stellung eines Journalisten unmittelbar mit dessen gesellschaftlicher Integration zusammen. Diese schlug sich insbesondere in Mitgliedschaften in wichtigen lokalen Vereinen und der darin gespielten Rolle nieder. Insofern erscheint weniger der unermüdlich recherchierende Reporter als der Lokalredakteur der Kölnischen Zeitung, Albert Bachem, als Prototyp eines Lokaljournalisten. Bachem gehörte dem Vorstand des nationalliberalen Vereins in Köln an, war von 1876 bis 1887 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, saß 30 Jahre lang der Kölner Lesegesellschaft vor, war Vorstandsmitglied des Lokal- und Bürgervereins sowie Mitglied im Turnverein und im stenographischen Verein und gehörte schließlich dem Kirchenvorstand der altkatholischen Gemeinde Kölns an. Sein mehr fur Unterhaltung zuständiger Kollege Peter Paul Faust vom Kölner Stadtanzeiger gab als Kölner Mundartdichter nebenher zwei lokalkolorierte humoristische Blättchen heraus und war Ehrenmitglied des Kölner Liederkranzes und des Vereins Alt-Köln.401 In dem Maße, wie auf der einen Seite das Interesse der Journalisten bestand, aus beruflichen wie aus privaten Gründen in den jeweiligen Lokalmilieus Fuß zu fassen, mehrten sich auf der anderen Seite mit der wachsenden Bedeutung des Lokaljournalismus die Versuche, von verschiedener Seite auf die Lokalredakteure Einfluß zu nehmen. Sei er die einen »Beschwerde- und Bittsteller« los, berichtet der Chefredakteur des Leipziger Tageblatts in einem Brief aus dem Jahr 1894 an einen Kollegen, »so kommt jemand vom Reichsgericht, vom Rath, vom Militär-Commando, von der Handelskammer oder von einer der Hunderten von Corporationen und Vereinigungen, die zu allen nur denkbaren Zwecken hier bestehen. Jeder will das >Tageblatt< und - weil ich es nicht dulde, daß unser für gewisse >Gründe< sehr zugänglicher Lokal-Redacteur sich für irgendetwas bindet - mich fur seine Meinung und seine Ansicht gewinnen - ... für eine 388

neue Ausstellungshalle, für ein neues Canal- oder Hafenprojekt, für die Errichtung eines Palmengartens, fur den Durchbruch einer Straße und Gott weiß nicht was; das >Tageblatt< ist in Leipzig eben eine Macht, ohne die nicht leicht etwas durchgesetzt werden kann, mag auch der Rath sich auf den Kopf stellen.«402 Selbst wenn Hermann Küchling, der Chefredakteur des Leipziger Tageblatts, hier seine Machtposition möglicherweise etwas übertrieben darstellte, dürfte kaum bestreitbar sein, daß die Bedeutung und damit auch der Einfluß der Zeitungen Ende des 19. Jahrhunderts im lokalen Bereich erheblich stieg. Gerade dadurch, daß sich die Zeitungen, Generalanzeiger oder andere, unabhängig von ihrer sonstigen politischen Fesdegung im lokalen Bereich vielfach ihrer »Unparteilichkeit« und »Objektivität« rühmten, stiegen die Begehrlichkeiten, einen scheinbar objektiven Beobachter, als der sich die Zeitung in lokalen Fragen vielfach ausgab, für sein Anliegen zu gewinnen. Küchling sah in gewisser Weise die darin liegende Gefahr und beschuldigte hier seinen Lokalredakteur indirekt der Bestechlichkeit. Die wird es wie in anderen Bereichen der Presse auch im Lokaljournalismus gegeben haben. Grundsätzlich gilt aber auch hier, daß die Einbindung der Journalisten in das Milieu der lokalen Entscheidungsträger weit wirksamer war als eine direkte Bestechung. So fällt die Antwort auf die anfangs gestellte Frage nach dem Innovationspotential des Lokaljournalismus ambivalent aus. Dadurch, daß lokale Angelegenheiten, ausgehend von den Generalanzeigern, verstärkt in den Zeitungen thematisiert wurden, entstand in gewisser Weise erst eine über die verschiedenen Vereinigungen hinausgehende, tendenziell die gesamte Einwohnerschaft einer Stadt einbeziehende lokale politische Öffentlichkeit. Im Zuge dieser Entwicklung mehrten sich die Bemühungen der Zeitungen, Neuigkeiten schneller und präziser als die Konkurrenz zu bringen. Hier öffnete sich das Arbeitsgebiet des Lokalreporters, der »vor Ort« sein mußte, um authentisch berichten zu können. Ähnlich wie am amerikanischen Beispiel beschrieben, entstanden hier sowohl die Grundlagen für einen kritischen, »investigativen« als auch für einen voyeuristischsensationellen Journalismus. Der Normalfall des Lokaljournalismus war dies jedoch vor allem außerhalb der Metropole Berlin und einiger anderer Großstädte nicht. Vielfach entwickelte der Lokaljournalismus zunächst vor allem seine Funktion als kommunikatives Bindeglied der Einwohnerschaft einer Stadt und als Sprachrohr der verschiedenen kommunalen Vereinigungen. 403 Inwieweit lokaler Journalismus auf der Basis der Unparteilichkeitsbehauptung eher zu einer sich um Objektivität bemühenden, tendenziell kritischen Berichterstattung führte oder aber zum Sprachrohr lokaler Interessengruppen wurde, ist pauschal kaum beantwortbar. Auch hier eröffnet sich noch ein breites Forschungsfeld. 389

Der Aufstieg der Generalanzeigerpresse seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts bedeutete ohne Zweifel einen Einschnitt in der Geschichte des Journalismus. Die pauschale Kritik an den Generalanzeigern von Seiten zeitgenössischer Kritiker und mancher Pressehistoriker übersieht jedoch zweierlei. Zum einen löste der »Kommerzialisierungsschub« wie in den Vergleichsländern auch in Deutschland ein Aufbrechen der alten Strukturen aus. Zumindest in der Anfangsphase ihres Bestehens ist bei einer Reihe von Blättern, die diesem neuartigen Zeitungstyp zuzuordnen sind, ein deutliches Bemühen erkennbar, den »Unparteilichkeitsanspruch«, mit dem sie antraten, auch einzulösen. Der Anspruch, den die Verleger der Generalanzeiger an ihre Redakteure stellten, lautete, die Zeitung weniger behäbig, weniger akademisch, weniger doktrinär, kurzum »interessanter« zu gestalten. Daß bedeutete auch, daß sich die Journalisten verstärkt selbst bemühen mußten, Neuigkeiten aufzuspüren. Vor allem die Berliner Zeitungen, insbesondere der Berliner Lokal-Anzeiger, trieben diese Entwicklung voran, indem sie zunehmend eigene Reporter anstellten, die die Neuigkeiten und »Sensationen« liefern sollten. Zum anderen wird übersehen, daß die Beharrungskräfte, insbesondere was die journalistische Praxis angeht, gegenüber den tatsächlichen Veränderungen bei weitem überwogen. Wenn Kritiker im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert bereits eine Amerikanisierung der deutschen Presse und eine »ungebührliche Vorherrschaft der Reportage« ausmachten und beklagten, ist dem - ähnlich wie in Frankreich, wo man die gleiche Besorgnis findet - mit Vorsicht zu begegnen. 404 Zeitgenossen, die über den nationalen Tellerrand hinausblickten, zeichneten ein anderes Bild als das von der »Amerikanisierung«. Ein abschließender Blick in die Autobiographie des Wiener Journalisten Max Reiner, der 1906 als Redakteur zu der 1899 gegründeten Berliner Morgenpost ging, läßt noch einmal nachhaltig deuüich werden, wie weit man von amerikanischen Praktiken im Journalismus entfernt war. Reiners Vorschlag, sich zur Überprüfung eines Gerüchtes doch am besten an die betreffende Person selbst zu wenden, quittierte man in der Redaktion mit unverhohlener Ironie: er solle es doch versuchen. Dies habe er getan, sei zu Professor Harnack gefahren, um dessen angebliche Ernennung zum Unterrichtsminister es ging, und habe den Inhalt der Unterhaltung, die er mit ihm gefuhrt habe, niedergeschrieben und sich bestätigen lassen. »Als ich am Abend mit dem Manuskript wiederkam, erregte ich Aufsehen, als hätte ich eine der Wundertaten des Herakles vollbracht. Ich lernte erst allmählich, daß es wirklich etwas Ungewöhnliches war, wenn ein Zeitungsreporter von einer Persönlichkeit im Range Harnacks empfangen wurde, und noch etwas Erstaunlicheres, wenn er ihm ein Interview gewährte.«405 Die Distanz zwischen Personen des öffentlichen Lebens und den Journalisten, die nicht »dazu gehörten«, blieb über 390

die Jahrhundertwende hinaus beträchtlich. Auch seitens der Redakteure der Genearalanzeiger gab es nur selten gezieltes Überspringen dieser Tabugrenze, so daß sich die journalistische Praxis - in positiver wie negativer Richtung - nur langsam wandelte.

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Schluß und Ausblick: Der deutsche Journalistenberuf im ausgehenden 19. Jahrhundert Eine Zusammenfassung in vergleichender Perspektive

Pressefreiheit, so ist zu Beginn der Arbeit betont worden, war keineswegs der einzige Faktor, der die unterschiedlichen Entwicklungen der Journalismen in den einzelnen Ländern beeinflußte. Was jedoch den deutschen Fall angeht, ist die Bedeutung der restriktiven presserechtlich-politischen Rahmenbedingungen kaum zu überschätzen. Die Karlsbader Beschlüsse, die nahezu alles Gedruckte unter die Aufsicht des Staates stellten, retardierten die Presseentwicklung nicht nur nachhaltig, sondern begründeten die Tradition, nach der Presse und Journalismus als ein Bereich angesehen wurde, der grundsätzlich der Kontrolle durch den Staat zu obliegen hatte. Ein ähnlich etatistisches Verständnis von der Presse, das sich in den vielfältigen Versuchen, den Journalismus unter Kuratel zu halten, bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder manifestierte, gab es in keinem der Vergleichsländer. Der Bedeutungswandel, den das Attribut »unparteilich« als Qualität von Zeitungen zwischen dem frühen 18. und frühen 20. Jahrhundert nahm, spiegelt in vielem die Geschichte des deutschen Journalismus in dieser Epoche wieder. Diente der im 18. Jahrhundert zunächst noch positiv verwendete Begriff vor allem als Rechtfertigung fur die kaum als »journalistisch« zu beschreibende Praxis, die auf den verschiedensten Wegen einlaufenden, sich zum Teil widersprechenden Nachrichten ohne weitere Prüfung und ohne Gewähr fur deren Richtigkeit abzudrucken, geriet das Konzept während der »Entstehung der Öffentlichkeit« zunehmend in die Defensive. Mehr als jemals zuvor zeigte sich in der Amerikanischen und der Französischen Revolution das mächtige, gesellschaftsverändernde Potential, das in der öffentlichen Rede - sei es in gesprochener oder in gedruckter Form - lag. Zwar brach in den deutschen Staaten keine Revolution aus, doch nutzten auch hier Journalisten und politische Schriftsteller im ausgehenden 18. Jahrhundert Zeitungen und Zeitschriften zunehmend zur Verbreitung ihrer politischen Ansichten. Wer wie Wekhrlin oder Forster, Rebmann oder Archenholz, Schirach oder Posselt in dieser Zeit ein Journal 393

gründete, tat dies nicht unter dem Signum der Unparteilichkeit. Die Tageszeitungen, deren Verleger in erster Linie daran interessiert waren, die Existenz ihrer Blätter nicht aufs Spiel zu setzen, blieben vorsichtiger. Sie hielten vielfach mehr oder weniger explizit an ihrer »Unparteilichkeit« fest - der Hamburgische Unparteiische Correspondent durchaus mit großem Erfolg. Als Cotta 1798 die Neueste Weltkunde - die spätere Allgemeine Zeitung - gründete, füllte er das Konzept sogar mit neuem Inhalt. Mehr als jeder andere Verleger vor ihm versuchte Johann Friedrich Cotta dem Unparteilichkeitsanspruch dadurch gerecht zu werden, daß er ein fur diese Zeit enorm verzweigtes Korrespondentennetz knüpfte und auf diese Weise eine umfassend informierte und informierende Zeitung machte. Die überlebensnotwendige - Anpassung an die von der Zensur geprägten Verhältnisse ließ die Unparteilichkeitsbehauptung jedoch immer mehr in Mißkredit geraten. »Unparteilichkeit« wurde so zu einer Variante der »Gesinnungslosigkeit«, wohingegen »unabhängig« vor allem regierungsunabhängig bedeutete und damit fast zu einem Synonym von liberal wurde. Mit der journalistischen Konzeption der Presse als eines unabhängigen »Fourth Estate« hatte somit im deutschen Vormärz weder der Anspruch auf »Unabhängigkeit« noch der von der Allgemeinen Zeitung zum Programm erhobene Anspruch auf »Unparteilichkeit« viel zu tun. Anders als in der amerikanischen und der englischen Presse, in der dieser von den Zeitungen erhobene Anspruch von den Journalisten angenommen und zur Grundlage eines spezifischen journalistischen Selbstverständnisses erhoben wurde, fand die verlegerische Konzeption der Allgemeinen Zeitung bei den eigenen Redakteuren kaum Resonanz. Vor allem nachdem sich seit Ende der fünfziger Jahre der Spielraum der Presse erweitert hatte, empfanden die Redakteure den verlegerischen Unparteilichkeitsanspruch als Einengung ihrer journalistischen Freiheit, die in ihren Augen darin bestand, endlich die eigenen Anschauungen nicht mehr zurückhalten zu müssen, sondern Partei ergreifen zu können. So war es fur viele liberale Journalisten selbstverständlich, den Nationalverein und die in den einzelnen Staaten entstehenden liberalen Parteien publizistisch zu unterstützen. Anders aber als in Frankreich spielten die Zeitungen bei der Gründung liberaler Organisationen auf nationaler oder staatlicher Ebene keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Auf regionaler Ebene nahm eine Reihe von liberalen Zeitungen zwar durchaus jene Funktion politischer Kristallisationspunkte ein, die bei den französischen Zeitungen besonders ausgeprägt war. Diese Rolle war jedoch nie so weit entwickelt, daß deutschen Zeitungen - welcher politischen Couleur auch immer - eine Art Parteiersatzfunktion zufiel, wie dies in Frankreich zum Teil der Fall war. Vielmehr stabilisierten sich die deutschen Parteien organisatorisch schnell, so daß die 394

Zeitungen ihre originäre politische Funktion auch auf lokaler Ebene bald verloren und verstärkt in die Rolle von Sprachrohren der Parteien gerieten. Da die Zeitungen jedoch, abgesehen von den sozialdemokratischen, selten direkt in Parteibesitz waren, sondern sich jeweils selbst als Organe einer bestimmten Partei definierten, konnten die Journalisten ihren Anspruch auf Überzeugungstreue mit dem Anspruch auf Unabhängigkeit zu jenem Selbstverständnis einer »unabhängigen Parteilichkeit« verbinden, das insbesondere fur die liberalen Journalisten charakteristisch war. Der Umstand, daß in Deutschland den Zeitungen im Vergleich zu Frankreich eine weniger zentrale Rolle bei der Herausbildung der politischen Parteien zukam, hätte es möglicherweise fur die Journalisten naheliegend erscheinen lassen können, dieses »Defizit« - so empfanden es deutsche Journalisten mit Blick auf Frankreich - dadurch zu kompensieren, daß man sich stärker am angelsächsischen Modell orientiert und im Informationsbereich zu profilieren versucht hätte. Was den reinen Nachrichtenanteil in deutschen Zeitungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts anging, war dieser hinsichtlich des Umfanges und der Vielfalt in den allermeisten deutschen Zeitungen tatsächlich wesentlich besser ausgebaut als in den französischen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß es infolge des föderalen Systems keine vergleichbare Konzentration auf ein NachrichtenZentrum gab wie in Frankreich. Insgesamt war die deutsche Presselandschaft wesentlich dezentraler. Schon von daher verfugte die deutsche Presse über ein weiter gespanntes und engermaschiges Nachrichtennetz. Zum anderen wirkte sich über das Ende des 19. Jahrhunderts hinaus die zu Zeiten der Zensur entstandene Tradition aus, daß eine Zeitung über Ereignisse in anderen Staaten ungehinderter berichten konnte als über die Vorkommnisse im eigenen Staat. Wenn daraus dennoch keine Tradition erwuchs, die recherchierte Informationen zur Grundlage von Kritik machte, so lag dies ganz wesentlich an dem bereits konstatierten etatistischen Verständnis von Journalismus und der daraus resultierenden restriktiven Informationspolitik, die sich ausgehend vom politischen Bereich in allen anderen Sparten bemerkbar machte. Die amtliche Bekanntmachung blieb in Deutschland der wichtigste Weg, auf dem eine Nachricht an die Öffentlichkeit kam. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Möglichkeit des Zeugniszwanges, taten das ihre dazu, die Möglichkeiten zu einer informellen Informationsbeschafïung tatsächlich stark zu begrenzen. Zudem gab es auch seitens der Journalisten nur wenig erkennbares Bemühen, Mittel und Wege zu finden, die Informationssperren zu überwinden. Voraussetzung dafür, daß ein Journalist überhaupt mit Informationen bedacht wurde, war, daß er von dem betreffenden Personenkreis als Gleichgesinnter akzeptiert wurde. Eine Weitergabe von Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit be395

stimmt waren - und das waren die wenigsten - , hätte unmittelbar zum Verlust der Vertrauensstellung gefuhrt. Die Praxis der stark an einzelne Personen und Zeitungen gebundenen Weitergabe von Informationen trug mit dazu bei, daß sich die jeweiligen Journalisten einem bestimmten politischen Milieu zugehörig fühlten und engen Kontakt zu den Mandatsträgern »ihrer« Partei suchten. Eine kritische Haltung den Informationen gegenüber, die man von dieser Seite erhielt, förderte das nicht gerade. Das galt nicht nur für die Politik. Vielmehr wurde in allen Bereichen - vielfach erfolgreich - versucht, Journalisten durch gesellschaftliche Einbindung oder gar Hofierung sowie durch gezielt weitergegebene »Informationen« zu Propagandisten zu machen. Dieses Ergebnis ist nicht nur für die journalistische Praxis erhellend, sondern trägt auch wesentlich zur Präzisierung der Frage bei, welche gesellschaftliche Stellung die Journalisten einnahmen. Die kollektivbiographische Untersuchung hatte in diesem Punkt ergeben, daß das Ansehen des Berufs insgesamt und die gesellschaftliche Stellung des einzelnen Journalisten häufig erheblich differierten. Wovon diese jedoch, abgesehen etwa von der Zeitung, für die er arbeitete, abhängig war und wieso das Image und die Attraktivität des Berufs so weit auseinanderklafften, konnte noch nicht ganz geklärt werden. Die Ergebnisse zur Frage des Selbstverständnisses und der Arbeitspraxis fuhren hier einen wichtigen Schritt weiter. Ein Journalist konnte sich einer umso höheren individuellen gesellschaftlichen Position erfreuen, je mehr er in den Kreisen, aus denen er Informationen erhielt und über deren Aktivitäten er berichtete, akzeptiert war. Das aber war nur durch eine weitestgehende Identifizierung mit den Zielen und Methoden derer möglich, die die jeweiligen Journalisten informierten beziehungsweise über die Weitergabe von Informationen entschieden. Die herausragendsten Vertreter dieser Art, sich gesellschaftlich zu bewegen und zu berichten, waren der Berliner Korrespondent der Kölnischen Zeitung, Franz Fischer, und der Chefredakteur der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, Emil Pindter, die sich durch die Art und Weise ihrer Berufsausübung den »höchsten Kreisen« zugehörig fühlen durften. Auf niedrigerem Niveau, aber in ähnlicher Weise galt dies auch auf lokaler Basis: »Loyalität« eröffnete den Journalisten hier die Möglichkeit, Zugang zu Kreisen der lokalen Parteigrößen zu finden. Für die anderen journalistischen Bereiche galt Vergleichbares. Das Paradoxe an der gesellschaftlichen Stellung der Journalisten liegt darin, daß genau die Art von Berufsausübung, die dem einzelnen eine individuell komfortable gesellschaftliche Position einbrachte, die Journalisten gleichzeitig sowohl in den Augen der Berufsgenossen als auch in den Augen einer breiteren Öffentlichkeit als willfährige oder gar korrupte Schreiberlinge erscheinen ließ. Die Frage, ob ein Journalist durch die 396

publizistische Unterstützung, die er einer bestimmten Politik oder einer Person gewährte, ein Beispiel an »Gesinnungsfestigkeit« oder an Willfährigkeit lieferte, war häufig eine Frage des Standpunktes. Der Vorwurf der Käuflichkeit wurde mit Vorliebe von Journalisten selbst gegen politisch anders gesinnte »Kollegen« erhoben. Sie wußten am besten, daß sie damit in besonderer Weise die »Ehre« desjenigen trafen, der sich selbst als gesinnungsfest und überzeugungstreu präsentierte. Der Käuflichkeitsvorwurf war der komplementäre Gegenpol zum Selbstverständnis der »Gesinnungsfestigkeit«. Das schlechte Image des Journalistenberufs und eine individuell angesehene Position einzelner Vertreter des Berufs waren daher weniger ein Widerspruch als die Konsequenz aus den beschriebenen Verhältnissen. Angesichts eines journalistischen Selbstverständnisses, dessen Kern die »Überzeugungstreue« war, mußte der Unparteilichkeitsanspruch der Generalanzeiger als suspekt erscheinen. Wurden hier nicht wieder Journalisten gezwungen, ihre Überzeugung zu verleugnen und bezahlte Handlangerarbeit zu machen? Eine Einlösung des von den Generalanzeigern erhobenen Anspruches hätte eine deutliche Änderung des Selbstverständnisses und der Praxis der Journalisten nach sich ziehen müssen. Doch gerade der Reporter, der im amerikanischen und englischen Journalismus eine zentrale Rolle einnahm, blieb in Deutschland eine Randfigur. Es lasse sich nun einmal nicht leugnen, »daß unser modernes Reporterwesen in erster Linie an der geringen sozialen Wertschätzimg des Journalistenstandes Schuld trägt«, hieß es denn auch in einem Aufsatz aus dem Jahr 1902 über »Die soziale Stellung der Journalisten« in der Fachzeitschrift Der Zeitungs-Verlag. Der »eigenartige Dienst eines Reporters« bringe es mit sich, »daß zum Recherchieren von gewissen Tatsachen die sogen, hochanständigen Charaktere nicht immer zu gebrauchen sind.«1 Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt der Reporter allenfalls als »eine notwendige Begleiterscheinung der modernen Tagespresse«, nicht aber als möglicher Träger eines neuen journalistischen Selbstverständnisses. Das war auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiterhin davon geprägt, daß Journalisten »gewissermaßen Lieferanten von Ansichten« waren, wie es in einem Artikel der Fachzeitschrift Die Redaktion aus dem Jahr 1902 hieß. Auch wenn die Dominanz der Akademiker unter den Journalisten Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr so ausgeprägt war wie noch in den sechziger Jahren, waren promovierte Akademiker unter den politischen Redakteuren größerer Zeitungen, den Chefredakteuren zumal, noch deutlich in der Überzahl. Daß ein Journalist seine Laufbahn als Reporter begann, galt in Deutschland zu dieser Zeit, ganz im Gegensatz zu England und den USA, noch als eine seltene Ausnahme.2 Dessen Tätigkeit war eine einfache Zuträgerarbeit, in der man keineswegs ein unabdingbares Rüstzeug fur den Journalistenberuf

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sah. Wie in Frankreich spielte die Information für deutsche Journalisten bei weitem nicht die Rolle wie fur ihre amerikanischen Kollegen. War es in Frankreich jedoch vor allem die brillant geschriebene Polemik, die von einem schriftstellerischen Verständnis des Berufs her als Glanzstück des Journalismus galt, bildete in Deutschland der umfassende Bildung ausstrahlende Leitartikel den Maßstab journalistischer Qualität. Die Sozialgeschichte des Journalistenberufs, dessen besondere akademische Prägung einerseits wie das Verhältnis zu den Reportern andererseits, verschränkt sich hier mit der Entwicklung des journalistischen Selbstverständnisses und der journalistischen Praxis in besonderer Weise. Dies gilt nicht zuletzt auch für die zu Anfang aufgeworfene Frage nach einem etwaigen informellen Professionalisierungprozeß des Journalistenberufs. Die kollektivbiographische Untersuchung hatte ergeben, daß die Entwicklung der journalistischen Tätigkeit zu einem vollwertigen Lebensberuf in weiten Teilen ein marktbedingter, von der Expansion und der Ausdifferenzierung des Zeitungswesens abhängiger Prozeß war. Als Ansätze zu einer informellen Professionalisierung sind der Einfluß, den die Journalisten trotz allem auf die Rekrutierung des Nachwuchses hatten, sowie das vor allem in den Journalistenvereinen und auf den Journalistentagen erkennbare Bemühen, den Beruf als einen bürgerlichen zu präsentieren, interpretiert worden. Als vielleicht wichtigster Aspekt des sich abzeichnenden informellen Professionalisierungsprozesses läßt sich nun die Herausbildung eines spezifischen journalistischen Selbstverständnisses und der damit verbundenen Normen und der Praxis der Berufsausübung verstehen. Denn angesichts der starken Segmentierung des Journalistenberufs, die es häufig schwer macht, den Beruf überhaupt als eine Einheit zu betrachten, erweist sich das Selbstverständnis als ein erstaunlich homogener Faktor. Vor allem vom liberalen politischen Journalismus geprägt, wurde das Selbstverständnis einer überzeugungstreuen, aber »unabhängigen« Parteilichkeit, eines stark akademischen, vom Schreibtisch aus betriebenen Journalismus nicht nur von den politischen Journalisten jeder Couleur - wenn auch mit Einschränkung in der sozialdemokratischen Presse - geteilt, sondern es beeinflußte die Praxis des Journalismus in nahezu allen Bereichen. Obwohl die Spezialisierung zunahm, waren Journalisten zum einen relativ selten ausschließlich in einem Ressort tätig, so daß sich die einzelnen Bereiche schon von daher nicht unabhängig voneinander entwickelten. Zum anderen hatten Journalisten aus allen Sparten, wenn auch in verschiedenem Ausmaß, mit den gleichen Rahmenbedingungen zu kämpfen - den rechtlichen Restriktionen auf der einen so wie der allgemein geringen Neigung, Journalisten mit Informationen zu versorgen, auf der anderen Seite. Die Tätigkeit eines Theaterkritikers und die eines politischen Journalisten wiesen damit zwar immer noch große Unterschiede auf. Wie gesehen, spielte 398

jedoch die Frage der Harmonisierung von »Unabhängigkeit« und »Überzeugungstreue« in allen Bereichen eine Rolle. Ohne daß auf Journalistentagen oder in Journalistenvereinen eine bestimmte Berufsethik diskutiert, geschweige denn in irgendeiner Weise festgelegt worden wäre, entwickelte sich ein den Verhältnissen angepaßtes Selbstverständnis, das dem Beruf vor allem in der Außendarstellung eine spezifische, anerkannte Funktion verleihen sollte. Teil der informellen professionellen »Strategie« war es, sich auf der einen Seite »nach unten« von den Reportern abzugrenzen, auf der anderen Seite die Grenze zum Schriftstellerberuf möglichst zu verwischen, indem man sich vielfach weiterhin selbst als Schriftsteller definierte. Auf diese Weise wurde jedoch gerade der journalistische Tätigkeitsbereich marginalisiert, der in England und den USA das Profil des Berufes wesentlich prägte und die Stärke der Presse ausmachte. In Frankreich galt dies zwar in ähnlicher Weise, doch wurde die relative Schwäche der Presse als Institution dort dadurch aufgewogen, daß die Zeitungen über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg Forum fur politisch tätige Journalisten beziehungsweise journalistisch tätige Politiker blieben und so an den politischen Veränderungen stets direkt beteiligt waren. Obwohl den deutschen Zeitungen und Journalisten eine ähnliche Rolle weitgehend verwehrt blieb, verwarf man in Deutschland das angelsächsische Modell und orientierte sich statt dessen eher an dem angeblichen »Dorado der Journalistik« in Frankreich. Durch das Festhalten an dem Ethos der Überzeugungstreue, das, allen Unabhängigkeitsbehauptungen zum Trotz, vielfach nicht mehr als die uneingeschränkte Unterstützung einer politischen Richtung bedeutete, trugen die deutschen Journalisten selbst dazu bei, daß der Beruf seine subsidiäre Funktion behielt. Auch wenn hier insgesamt eher davor gewarnt wurde, den Einfiuß der Generalanzeiger auf die journalistische Praxis zu überschätzen, bleibt die Tatsache, daß ihr Entstehen alte Strukturen aufbrach und auch nicht ohne Wirkung auf das Selbstverständnis blieb. In einem 1922 erschienenen Erinnerungsbändchen an den Verleger des Berliner Tageblatts, Rudolf Mosse, hieß es, der Unterschied zwischen der bürgerlichen und der sozialdemokratischen Presse bestehe darin, daß letztere zwar auch gesinnungsfest, aber eben auch nicht unabhängig sei.3 Hier deutet sich eine Verschiebung der Hierarchie der Wertigkeiten im journalistischen Selbstverständnis an. Der Strukturwandel, dem der Journalismus im 19. Jahrhundert unterlag, ist zu Anfang als Ausdifferenzierungsprozeß gekennzeichnet worden: War das Schreiben in Zeitungen in der Entstehungsphase der Öffentlichkeit an sich schon ein Politikum und das Verfassen politischer Artikel integraler Bestandteil von Politik, nahm Journalismus - in den verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Geschwindigkeit, Intensität und Ausprägung zunehmend autonome Züge an. Begleitet und vorangetrieben wurde 399

dieser Prozeß von der Herausbildung eines Journalistenberufs, der im Laufe des 19. Jahrhunderts immer schärfere Konturen annahm, bestimmte Formen eines Berufsethos entwickelte und von Nachbartätigkeiten wie denen von Politikern und Schriftstellern immer deutlicher zu unterscheiden war. Obwohl freilich die Verbindungen sowohl in den verschiedenen Ländern als auch in den unterschiedlichen Bereichen des Journalismus innerhalb eines Landes unterschiedlich stark ausgeprägt blieben, kristallisierte sich innerhalb des weiten journalistischen und publizistischen Feldes ein Berufskern heraus, der zunehmend professionell, mit eigenen Methoden und nach eigenen Maßstäben arbeitete. In den USA war dieser Prozeß am weitesten vorangeschritten. Hier trug der Journalistenberuf seine markantesten Züge. So erscheint der amerikanische Journalismus in verschiedener Hinsicht als der »modernste«. Dennoch lassen sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern nicht allein mit der Kategorie von Vorreitern und Nachzüglern in positiver wie negativer Sicht erfassen. Das bedeutet auch, daß die Entwicklung des Journalismus nicht an einem vermeintlichen »Verfallsgrad« der bürgerlichen Öffentlichkeit zu messen ist. Statt dessen sind die länderübergreifenden Veränderungen, die sich auf lange Frist als Ausdifferenzierungsprozeß fassen lassen, von den jeweils landesspezifischen Wandlungsprozessen zu unterscheiden. Diese Wandlungsprozesse sind dabei gegenüber einem etwaigen Zerfallsprozeß der bürgerlichen Öffentlichkeit wesentlich stärker zu betonen. Mit dem Journalismus entwickelte sich auch die Struktur der Öffentlichkeit in den jeweiligen Ländern in sehr unterschiedlicher Weise und brachte in den einzelnen Ländern veränderte Typen von modernen Öffendichkeitsformen hervor. Die naheliegende Frage, in welchem der behandelten Länder die Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt »am besten« funktioniert hat, ist jedoch alles andere als einfach. Die grundsätzlichen Stärken und Schwächen der jeweiligen Journalismen und Pressesysteme sind wesentlich einfacher zu benennen als im Vergleich zu den jeweils anderen Ländern zu gewichten. Nimmt man die Struktur der bürgerlichen Öffentlichkeit, die sich im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert durch ein hohes Maß an Überlagerung von politischem Journalismus und Politik und damit durch einen vergleichsweise großen direkten Einfluß der Publizistik auf den gesellschaftlichen und politischen Wandel auszeichnete, blieb der französische Fall diesem Modell am stärksten verbunden. Die französischen Zeitungen behielten mindestens bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert eine unmittelbare, zentrale Rolle in der politischen Auseinandersetzung, politische Karrieren blieben eng mit publizistischer Tätigkeit verwoben. Da die Parteiorganisationen in Frankreich eine weit geringere Rolle spielten als in Deutschland gehörte das Publizieren in Frankreich in ungleich höherem 400

Maße zum politischen Alltagsgeschäft. Gerd Krumeich hat zu Recht betont, daß in Frankreich infolge der offensichtlich mangelnden Integrationsfähigkeit der bürgerlichen Parteien das Parlament seine Position als »Kristallisationspunkt des >esprit public'« vollgültig habe erhalten können. 4 Das bedeutete aber auch, daß der außerparlamentarischen Öffentlichkeit, insbesondere der Presse weiterhin eine zentrale Rolle bei der Formulierung von Positionen im Vorfeld der parlamentarischen Auseinandersetzungen zukam. Und wenn der renommierte republikanische Journalist Edmond About 1880 schrieb: »Le Petit Journal du bonhomme Millaud, arraché par M. de Girardin à son indifférence systématique a peut-être conquis un million d'électeurs à la cause républicaine et ce sera sa gloire impérissable«,5 so belegt dies zumindest den Glauben an die Macht der Zeitungen. Und in der Tat spricht einiges dafür, daß dieser Glaube in einer Zeit, in der das politische Spektrum noch alles andere als gefestigt war und den Zeitungen eine wichtige Funktion in der Auseinandersetzung um die politische Verfaßtheit der französischen Gesellschaft zukam, nicht ganz einer realen Grundlage entbehrte. Die von außerordentlicher Intensität und Schärfe geprägte öffentliche Auseinandersetzung um die Dreyfus-Affare und der mit enormem Engagement geführte Protest der »dreyfusards« kann geradezu als klassisches Beispiel fxir das kritische Potential der bürgerlichen Öffentlichkeit in Frankreich dienen. Die »Geburt der Intellektuellen« und die wichtige Rolle, die ihnen in der öffentlichen Diskussion bis heute zukommt, ist im wesentlichen das Ergebnis der Verflechtung von Politik, Presse und Schriftstellertum, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat. 6 Zu einem »Intellektuellen«, wie Christophe Charle ihn versteht, wird ein Schriftsteller oder Professor erst durch ein weiterreichendes öffentliches Engagement, also insbesondere durch publizistische Tätigkeit.7 Die im Vergleich zu Frankreich geringere Neigung deutscher Professoren und Schriftsteller, sich in der Öffentlichkeit zu Wort zu melden, ihre stärkere publizistische Zurückhaltung, ihr weitgehender Rückzug auf ihren akademischen beziehungsweise belletristischen Bereich, ließ den »kritischen Intellektuellen«, wie er sich in Frankreich infolge der Dreyfus-Affäre herausgebildet hatte und der seitdem jenseits des Rheins wenig von seiner Aura eingebüßt hat, in Deutschland als Sozialtyp weit weniger einflußreich werden. 8 Wenn also das Modell der französischen Öffentlichkeit von der Intensität der Auseinandersetzung und der dem Grad des Zusammenwirkens von Publizistik und Politik her dem von Habermas fiir das Ideal der bürgerlichen Öffentlichkeit als grundlegend angesehenen Potential zur gesellschaftlichen Selbstorganisation im Vergleich der hier behandelten Länder vielleicht am nächsten kam, fällt es dennoch schwer, die französische Öffentlichkeit als die »funktionsfähigste« zu beschreiben. Die Schwächen 401

des französischen Journalismus, dessen Korrumpierbarkeit einerseits und dessen Defizit im Bereich eines intensiv nachforschenden Recherchejournalismus andererseits, hingen mit dessen Stärken unmittelbar zusammen. Die enge Verbindung des Journalismus zu den zentralen gesellschaftlichen Bereichen, die Tatsache, daß Politik, Wirtschaft und die verschiedenen kulturellen Sphären jeweils von innen heraus besprochen, und weniger von außen betrachtet wurden, verhinderte die Herausbildung jenes journalistischen Unabhängigkeitsbewußtseins, das in England in Form der Stilisierung der Presse zur sogenannten »Vierten Gewalt« seinen besonderen Ausdruck fand. Die Vermietung des Wirtschaftsteils an Banken sowie die Erfolge der journalistischen Vereinigungen, ihren Mitgliedern, d.h. der journalistischen Elite unabhängig von ihrer politischen Couleur, am Ende des 19. Jahrhunderts eine, wenn auch eher symbolische Staatsrente zu sichern und ihnen andere wirtschaftliche Vergünstigungen zu verschaffen, zeugt weniger von moralischer »Verkommenheit« als von einem Berufsverständnis, das statt auf Distanz auf Teilhabe an den gesellschaftlichen Bereichen setzte, über die beziehungsweise aus denen heraus berichtet wurde. Das weitgehende Fehlen einer »professionellen Distanz«, das sich im französischen Journalismus zeigt, verweist damit auch auf eine Schwäche des Modells einer durch »schriftstellernde Privatleute« geprägten bürgerlichen Öffendichkeit: ein Journalistenberw/, der von seiner Funktion her auf eben diese Distanz bedacht ist oder es sein sollte, hat hier keinen Platz. Wie zentral das - seinerseits selbstverständlich von den Rahmenbedingungen geprägte - Selbstverständnis und die daraus resultierende Praxis des Journalistenberufs fìir die unterschiedlichen Öffendichkeitsstrukturen ist, zeigt der Vergleich Frankreichs mit den USA. Wenn Einflußnahme der Zeitungen nicht mehr, wie 1908 der deutsche Amerikareisende Georg von Skal treffend beobachtete, durch »in Leitartikeln ausgedrückte Ermahnungen und Belehrungen«, sondern nur noch durch das massive Liefern von Informationen - oder auch Pseudoinformationen - zu erreichen war,9 konnten sich Journalisten nicht mehr allein auf die offiziellen und die ihnen durch bestimmte Milieuzugehörigkeiten zugänglichen Informationen verlassen. Den Journalisten kam hier im Idealfall die wichtige Funktion zu, mit Hilfe intensiver Recherche in jene gesellschaftlichen Bereiche vorzudringen, die in aller Regel dem Einblick von außen entzogen waren. Dieses unterschiedliche Verständnis des Berufs und die damit verbundene stark differierende journalistische Praxis bedeutete jedoch weit mehr als eine mehr oder weniger ausgefeilte journalistische Technik. Vielmehr entwickelte sich daraus ein für das ausgehende 19. und frühe 20. Jahrhundert ganz und gar anderes und im internationalen Vergleich neuartiges Modell der politischen Öffendichkeit. Die »muckraker« waren eben nicht nur findige Journalisten, die den Zeitungen hohe Auflagen sicherten, sondern sie 402

gaben wichtige reformerische Anstöße. Diese Art des Journalismus begründete in hohem Maße das professionelle journalistische Selbstverständnis. Die Kehrseite des Journalismus, der sich von der Kommentierung der Ereignisse ganz auf Informationsbeschaffung verlagert hatte, ist sattsam bekannt: aggressives Schnüffeln im Privadeben öffendicher Personen, die ständige Suche nach Sensationen, das Aufbauschen von Details zu vermeindich skandalträchtigen Fakten und anderes mehr. So ist es kein Zufall, daß die französische Presse - trotz frühzeitiger Kommerzialisierung - mit diesen Schattenseiten des Journalismus weniger zu kämpfen hatte. Überhaupt ist noch einmal hervorzuheben, daß der Unterschied der amerikanischen zur französischen Presse nicht auf einen höheren Grad von Kommerzialisierung zurückzufuhren ist. Aus kommerziellen Gründen gab es für französische Zeitungen keinen Grund, sich an amerikanischen Vorbildern zu orientieren; die weltweit höchste Auflage hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine französische, und nicht eine amerikanische Zeitung. 10 Erst langfristig scheint sich das amerikanische Modell des nachrichtenorientierten Journalismus als das erfolgreichere durchgesetzt zu haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ahnten manche zeitgenössischen Beobachter zwar bereits, daß bestimmte Standards des amerikanischen Journalismus insbesondere im Bereich der Nachrichtenübermittlung - auch im kontinentaleuropäischen Bereich übernommen werden würden. An grundsätzlichen Änderungen der journalistischen Praxis hatte in Frankreich solange niemand ein Interesse, wie die Auflagen stiegen und zudem der Journalismus weiterhin als nützliches Karrieresprungbrett diente. Kehrt man noch einmal zum deutschen Fall zurück und versucht hier eine Art bilanzierender Zustandsbeschreibung der publizistischen Öffentlichkeit am Ende des Untersuchungszeitraums, sollte die Betonung der restriktiven politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen nicht dazu verleiten, die Bedeutung der Presse für die Zeit des Kaiserreichs zu verkennen. Das Spektrum der in den Zeitungen und Zeitschriften bezogenen Stellungen war enorm breit, der Meinungspluralismus trotz der relativ engen Anlehnung vieler wichtiger Tageszeitungen an ihre jeweiligen Parteien beachtlich. Anders als es das Modell vom Zerfall der bürgerlichen Öffentlichkeit suggeriert, nahm der Pluralismus in der Presse im ausgehenden 19. Jahrhundert - nicht nur nach und infolge der Aufhebung des Sozialistengesetzes - deutlich zu. Ein wichtiges auslösendes Moment hierfür war das Reichspressegesetz von 1874, das durch die Abschaffung der Kautionspflicht und der Stempelsteuer das ökonomische Risiko für die Neugründung von Zeitungen und Zeitschriften wesendich verringerte. Im Bereich der Tagespresse ist schlechterdings imbestreitbar, daß von der Gründungswelle der Generalanzeiger ein beträchtlicher Innovationsschub ausging. Unabhängig davon, daß der Anspruch auf Unparteilichkeit bei den soge403

nannten Generalanzeigern häufig nach kurzer Zeit, wenn überhaupt, nur noch auf dem Papier bestand und zudem ein großer Teil dieses Zeitungstyps - wenn auch keineswegs notwendigerweise, wie eine Reihe wichtiger Gegenbeispiele zeigt, - in ein konservativ-nationalistisches Fahrwasser geriet, brachen die von der Verkrustung bedrohten Strukturen des Pressewesens auf. Die Konkurrenz des neuen Zeitungstyps brachte nun auch die alteingesessenen Blätter langsam dazu, von einer Konzeption Abstand zu nehmen, die die Zeitung in erster Linie als ein Kommunikationsmittel innerhalb des jeweils eigenen politischen und sozialen Milieus sah. Unbestreitbar ist aber auch, daß mit der Entstehung der Zeitungskonzerne die Basis für eine spätere Zeitungskonzentration und die damit verbundene Uniformierung eines erheblichen Teils der Presse gelegt wurde. Der Hugenberg-Konzern bietet hierfür das warnende Beispiel. Doch bis ins beginnende 20. Jahrhundert hinein überwog die Tendenz zu mehr Pluralität noch die zur Uniformier ung. Einen erheblichen Anteil an dem Meinungspluralismus hatten die inzwischen eindeutiger von den Tageszeitungen zu trennenden Zeitschriften, die hier nicht im Zentrum der Untersuchung standen. Nach der Blütezeit der Journalliteratur im Vormärz und relativ wenig Bewegung in diesem Bereich in den zwei Jahrzehnten nach der 48er Revolution setzte erst in den siebziger Jahren langsam wieder eine Welle wichtiger Neugründungen von Zeitschriften ein. Kulturzeitschriften erlebten um die Jahrhundertwende eine regelrechte Blüte, neue politische Zeitschriften wie Carl Muths Hochland, die von Joseph Bloch herausgegebenen Sozialistischen Monatshefte oder Friedrich Naumanns Hilfe dienten abweichenden Anschauungen innerhalb der großen politischen Lager als Foren und Kristallisationspunkte. Die bei weitem einflußreichste und eine der interessantesten deutschen Zeitschrift des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Maximilian Hardens Zukunft, ist mit ihren zum Teil brillanten, häufig in gleichem Maße polemischen wie kenntnisreichen Beiträgen gewiß ein Beleg für das kritische Potential, das nach wie vor in den Federn der Journalisten steckte. Gerade Harden, der vielleicht der »französischste« unter den deutschen Journalisten war - nicht zufällig diente ihm Henri Rocheforts Lanterne als Vorbild - , verweist jedoch auch noch einmal auf eine spezifisch deutsche Prägung des Journalismus. Bei aller parteipolitischen Unabhängigkeit suchte sich Harden in den neunziger Jahren mit der Berufung auf Bismarck einen Standpunkt, der seiner Kritik die Legitimation gab und ihn vor dem Vorwurf der »Gesinnungslosigkeit« schützte. Er begab sich damit freiwillig, wenn auch nicht gerade in eine subsidiäre Position, so doch in eine Art indirekter Abhängigkeit von Bismarck. Die zeigte sich nicht zuletzt darin, daß Harden nach dessen Tod und der Abnutzung einer imaginären »Bismarckschen« Position selbst zunehmend an Einfluß verlor. Als dieser Maß404

stab schließlich in der Weimarer Republik völlig an Bedeutung verlor, kam Harden die Basis seines Journalismus abhanden. Er fand keine neue und verlor damit ganz und gar seinen Einfluß. Daß Meinungsfreiheit jedoch nicht mit Informationsfreiheit zu verwechseln ist - häufig wird hier gar nicht unterschieden - , läßt das deutsche Beispiel nachdrücklich deutlich werden. Mehr als im Bereich der Meinungsfreiheit machte sich die restriktive deutsche Tradition der Pressepolitik im Bereich der Informationen bemerkbar. Beispiele fiir einen intensiv recherchierenden Journalismus nach amerikanischem Vorbild gibt es von daher auch nur in ganz seltenen Fällen. Paul Göhres aufsehenerregende Sozialreportage »Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche« könnte zwar auf den ersten Blick als Beispiel einer Rollenreportage amerikanischen Vorbilds gelten.11 Doch bei genauerer Betrachtung erhält gerade auch dieses Beispiel eine fiir den deutschen Journalismus typische Prägung. Göhre war protestantischer Pfarrer und gleichzeitig Redakteur der Christlichen Welt. Dort erschien die Reportage, fiir die Göhre drei Monate lang als Fabrikarbeiter arbeitete, zwar auch zuerst, doch sie entstand anders als vergleichbare amerikanische Reportagen nicht aus der Dynamik der Presse. Es war Göhres persönliches sozialpolitisches Engagement, das ihn auf diese fiir deutsche Verhältnisse ungewöhnliche und in der Zeit einmalige Idee kommen ließ. Anders als es vermutlich ein amerikanischer Journalist getan hätte, ließ er sich seine Aktion zudem von dem Fabrikbesitzer genehmigen. Vorläufer hatte er zumindest im deutschen Bereich nicht, direkte Nachahmer fand er ebensowenig. Auch er selbst beließ es bei dieser einmaligen Reportage, da es offenbar nicht in seiner Absicht lag, den Anstoß fur neue und ungewöhnliche journalistische Praktiken zu geben. Statt dessen erwuchs aus seinen während der Fabrikarbeit gemachten Erfahrungen ein parteipolitisches Engagement fiir die SPD. So ist es auch bezeichnend, daß der deutschsprachige Reporter schlechthin, Egon Erwin Kisch, seine journalistischen Erfahrungen ebenfalls in ein parteipolitisches Engagement münden ließ, ohne daß er seinen Reporterinstinkt allerdings je verloren hätte. Den Parteien wurde in Deutschland, so scheint es, auch von Journalisten das entscheidende Potential an gesellschaftlichen Kritik- und Einflußmöglichkeiten zugemessen. Die direkte oder »unabhängige« Unterstützung einer Partei lag deutschen Journalisten bis in die Weimarer Republik hinein vielfach näher als die Stärkung der Presse als einer eigenständigen Institution, einer »Vierten Gewalt«. Blickt man weiter ins 20. Jahrhundert, scheinen langfristig diejenigen recht behalten zu haben, die eine »Amerikanisierung« der Presse wie der Medienlandschaft insgesamt voraussagten. Der gesellschaftliche Ausdifferenzierungsprozeß, innerhalb dessen auch die Presse mehr zu einem nach eigenständigen, nach eigenen Gesetzen funktionierenden gesellschaft405

lichen »System« wurde, war um die Jahrhundertwende unzweifelhaft in den USA am weitesten vorangeschritten, so daß vieles von dem, was die amerikanische Presse auszeichnete, auch in den europäischen Journalismus Eingang fand. Dieser Prozeß verlief jedoch nie so eindimensional, daß insbesondere die Presse, aber auch die Medien insgesamt alle die Funktionen, die sie zuvor ausgezeichnet haben - Forum fur breite gesellschaftliche Diskussionen und weiterhin auch Kristallisationspunkte sich neu formierender Parteien zu sein - eingebüßt hätten. Die Entstehung der »Grünen« Ende der siebziger Jahre, als der einzigen dauerhaft erfolgreichen Parteineugründung seit Bestehen der Bundesrepublik, zeigt geradezu beispielhaft, wie die Herausbildung der Bewegung von der Entstehung unterstützender alternativer Zeitungen begleitet war und dadurch wesentlich stabilisiert wurde. Bezeichnenderweise nahmen die verschiedenen alternativen Blätter, an deren Spitze die Berliner tageszeitung steht, in relativ kurzer Zeit eine ganz ähnliche Entwicklung wie sie die »Parteizeitungen« des 19. Jahrhunderts in einem langen Prozeß nahmen: Von mehr oder weniger explizit selbstdefinierten »Parteizeitungen«, die zunächst vor allem die Kommunikation innerhalb des Milieus herstellten und dadurch wesendich zum Erfolg der »Grünen« beitrugen, entwickelten sie sich zu Zeitungen, die sich zwar immer noch in derselben Tradition wie die Partei sehen, aber zunehmend auf journalistische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Wert legen. Die vergangen Auseinandersetzungen um den Kurs der tageszeitung spiegelten genau diesen Prozeß wider. Was die Entwicklung der Medien insgesamt angeht, gilt allerdings vielfach bis heute, daß man sich nur die aktuellen Tendenzen des amerikanischen Fernsehens ansehen müsse, wenn man in die Zukunft der deutschen oder französischen Medienlandschaft blicken wolle. Trotz aller Angleichungsprozesse - so ist dazu jedoch abschließend anzumerken - lassen sich bestimmte Charakteristika, die sich im 19. Jahrhundert innerhalb der jeweiligen Pressesysteme herausbildeten, noch lange Zeit in ihrer Prägung auf die jeweiligen nationalen Öffentlichkeitsstrukturen verfolgen. Die Qualitäten wie auch die Probleme sind in mehrfacher Hinsicht gleich geblieben. Den Blüten, die vor allem das amerikanische Fernsehen infolge des kommerziellen Drucks treibt, steht in Frankreich das Problem gegenüber, daß es sich inzwischen bei sämtlichen großen politischen Zeitungen von der Humanité bis zum Figaro um staadich subventionierte Unternehmen handelt. Die traditionelle Politiknähe des französischen Journalismus kommt hier ebenso sehr zum Ausdruck wie in der ungebrochenen schriftstellerischen und journalistischen Neigung der französischen Politiker. Wohl nirgendwo sonst dürfen intellektuelle Debatten auf derart breite Beteiligung und Resonanz hoffen wie in Frankreich, wie auf der anderen Seite jener investigative Eifer, der den amerikanischen Journalismus bis 406

heute auszeichnet, in Frankreich kaum anzutreffen ist. Die Tendenz, an die alten Traditionen einer möglichst weitgehenden Kontrolle der Presse und vor allem einer restriktiven Informationspolitik anzuknüpfen, ist dagegen in Deutschland zumindest bis in die Adenauer-Ära unverkennbar. Die Spiegel-Affàie bedeutete hier ohne Zweifel eine wichtige Zäsur. Ebenso ist der große Einfluß, den sich die Parteien beim Aufbau der Rundfunk- und Fernsehanstalten in der Bundesrepublik sicherten, in eben jener Tradition zu sehen, die die Öffentlichkeit in erster Linie als eine Öffentlichkeit der Parteien und anderer gesellschaftlicher Organisationen und weniger als eine eigenständige, unabhängige »Gewalt« verstand. So unverkennbar die übergreifenden Tendenzen sind, die infolge der Kommerzialisierung des Fernsehens - ausgehend von den USA - immer stärker an Einfluß gewinnen, ist auch die Entwicklung der Medien kein über uns hereinbrechendes »Naturereignis«, sondern ein gesellschaftlich eingebetteter und damit auch beeinflußbarer Prozeß.

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Abkürzungen

Ab ABF ADAV ADB AGB AZ CSSH DBA DBA NF FZ GG GWU HZ Ma Mb NDB Nek NL KöZ KStA KZfSS RH SDAP S.G.A. TPSJ VSWG WTB ZGS ZV

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Abendblatt Archive Biographique Française Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein Allgemeine Deutsche Biographie Archiv fiir Geschichte des Buchwesen Allgemeine Zeitung Comparative Studies in Society and History Deutsches biographisches Archiv Deutsches biographisches Archiv, Neue Folge Frankfurter Zeitung Geschichte und Gesellschaft Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historische Zeitschrift Mittagsausgabe Morgenblatt Neue Deutsche Biographie Nekrolog Nachlaß Kölnische Zeitung Kölner Stadtanzeiger Kölner Zeitschrift fiir Soziologie und Sozialpsychologie Revue Historique Sozialdemokratische Arbeiterpartei Société Générale des Annonces Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus Vierteljahrschrift fiir Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Wölfisches Telegraphenbüro Zeitschrift fiir die gesamte Staatswissenschaft Der Zeitungs-Verlag

Anmerkungen

Einleitung 1 Nr. 1 7 1 , 1 1 . 2 . 1 9 8 8 . 2 Freytag, Journalisten, S. 48. 3 Treitschke, Politik, S. 178. 4 Engelsing, Massenpublikum, S. 39. 5 Weber, Geschäftsbericht, S. 43. 6 Zu Webers Konzept, einem »Vorbericht« und einer »Redakteurs-Umfrage«, die als Teil der Zeitungs-Enquête geplant war, vgl. Kutsch. Zu den Gründen des Scheiterns des Projekts: Marianne Weber, S. 465ff. 7 Weber, Geschäftsbericht, S. 44. Es sei hier angemerkt, daß sich Weber in der Art, in der er auf die Differenz in diesem Punkt zwischen deutschem und amerikanischem Journalismus hinwies, wohltuend von vielen anderen zeitgenössischen Kritikern unterschied, fur die die amerikanische Presse das Schreckbild der Presse schlechthin war. 8 Weber, Geschäftsbericht, S. 49. 9 O'Boyle, S. 316. 10 Elliott, S. 189. 11 Martin, Gens de lettres, S. 26. 12 Retallack, S. 176. 13 Als Auswahl aus den wichtigsten Arbeiten: Ben-David; Rüschemeyer; Daheim; Dingwall u. Lewis; Siegrist, Bürgerliche Berufe; McClelland, Professionalisierung; Burrage u. Torstendahl. 14 Retallack, S. 210. 15 Nipperdey, 1 8 6 6 - 1 9 1 8 . Bd. 1, S. 805; ebenso Hübinger, »Journalist«, S. 101. 16 Saxer, S. 282f. 17 Vgl. hierzu Siegrist, Bürgerliche Berufe, S. 23f. 18 Ramsey, S. 231. 19 Siegrist, Advokat. 2 0 Vgl. das Vorwort zur Neuauflage von Habermas, in dem er auf Kritikpunkte eingeht, sein Konzept noch einmal verteidigt und verschiedene Revisionen vornimmt, Habermas, S. 27f. 21 Habermas stützt sich unter anderem auf Karl Bücher, der als Pressekritiker sicherlich unverdächtig ist. Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß die Kritik an dem modernen Pressewesen, die über alle politischen Grenzen hinweg von Konservativen bis zu Sozialdemokraten immer wieder geübt wurde, sich aus einem sehr diffusen Gemisch aus Antimodernismus, Antikapitalismus und Antisemitismus speiste. 22 Der Einfluß Girardins wird, wie später noch zu zeigen ist, überschätzt. Mit der Entstehung der sog. »Petite Presse« in den sechziger Jahren gab es einen weiteren Kommerzialisierungs-Schub, der mindestens so wichtig war wie Girardins Zeitungsgründung. 23 Vgl. u.a. hangenbucher. 2 4 Lersch, S. 462.

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Anmerkungen zu S. 22-36 25 Als zusammenfassende Überblicke über die Kommunikationstheorien vgl. u.a.: Burkart sowie Kunczik. 26 Rühl, S. 322f. u. S. 371. 27 Luhmann, S. 28. 28 Habermas, S. 122ff. 29 Zur Konzeption der Presse als »Fourth Estate« vgl. den sehr guten Aufsatz von Boyce, Fourth Estate. 30 Martin, Journalistes parisiens. 31 Der enorme quantitative Unterschied hinsichdich der allgemeinen Anzahl von Eintragungen in biographischen Lexika wird bei einem Vergleich der auf Mikrofiche gedruckten Bestände aller wichtigen biographischen Lexika, des Deutschen Biographischen Archivs mit dem Archive biographique française, deudich. Der Umfang des deutschen Bestandes übertrifft den des französischen um das Zwei- bis Dreifache. 32 Albert, Presse politique, S. 55. 33 Koszyk, Deutsche Presse; Fischer, Deutsche Publizisten; ders., Deutsche Zeitungen; ders., Deutsche Presseverleger; Wolter, Generalanzeiger. 34 Das Fehlen einer Sozialgeschichte des Journalistenberufs ist bereits wiederholt beklagt worden; vgl. insbes. Homberg, Kärrner. 35 Brunöhler; Engelsing, Massenpublikum; vgl. auch ders., Zeitung sowie ders., Der literarische Arbeiter. 36 Enke, Die Presse Berlins; vgl. auch ders., Massenzeitungen. 37 Engelsing, Massenpublikum, S. 39. 38 Das Cotta-Archiv ist Bestandteil des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar (DLAM). 39 Die Kopierbücher mit den Briefen des jeweiligen Verlagschefs an die Redaktion sind alldings nur noch teilweise erhalten.

Teil A: USA, England und Frankreich: Unterschiedliche Vergleichspersektiven I. Die Vorreiterländer der Presseentwicklung: USA und England 1 Dovifat, Amerikanischer Journalismus, S. 9; das folgende Zitat ebd. 2 Diese eigentümlich ambivalente Wahrnehmung schlug sich auch in einer Reihe von USA-Reiseberichten des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts nieder. Vgl. u.a. Skal, S. 248ff.; Lettenbaur, S. 128ff.; Holitscher, S. 402ff. Ich danke Alexander Schmidt für diese Hinweise. 3 So Dovifat, Amerikanischer Journalismus, S. 26 im Anschluß an Payne, S. 103. Die grundlegende Darstellung zur amerikanischen Pressegeschichte ist immer noch Mott, an der ich mich für das folgende im wesendichen orientiere. Vgl. daneben auch Kobre sowie Emery. 4 Vgl. Ford, Bd. 1, S. 231. 5 Beide Zitate nach Sloan, S. 18f. 6 Niles' Register, 19.2.1825 (Bd. 2 7 , S. 286), zit. nach Mott, S. 168.

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Anmerkungen zu S. 38-50 7 Zit. nach Kobre, S. 233. 8 Crouthamel, S. X. Die Hervorhebung in »newspaper« stammt von Crouthamel. Zu Bennett vgl. daneben Seitz. 9 Vgl. Stoddard; Cooper. 10 North American Review, Bd. 102, April 1866, S. 375f.; zit. nach Mott, S. 385. 11 Vgl. den Widerspruch zu dem Artikel in: Nations, Bd. 2, 8.5.1866, S. 584ff. 12 Neben den Standardwerken zur amerikanischen Pressegeschichte vgl. zur allgemeinen Entwicklung der Reportage in den USA Leonard. Einen sehr guten deutschsprachigen Überblick über die verschiedenen Facetten der Reportage und deren Entwicklung gibt Lindner, insbes. S. 17-49. Der folgende Abschnitt lehnt sich eng an Lindners Darstellung an. 13 Vgl. Riis, The Last, S. 119-121. Zu Riis vgl. Lane-, zur Bedeutung der Reportage für die entstehende moderne Stadtkultur: Barth, S. 58-109. 14 Riis, Other half; vgl. auch Henry. 15 Vgl. Ross, S. 48-59 u.ö. 16 Der Begriff »muckraker« geht auf Theodore Roosevelt zurück, der ihn 1906 in einer Rede zur Bezeichnung von Journalisten verwendete, die seiner Ansicht nach nur noch über Korruption und Skandale schrieben und kein gutes Haar mehr an ihrem Land ließen. Die Angaben zum Ende der »muckraking-era« variieren zwischen 1912 und 1917. Aus der breiten Literatur zu den muckrakers vgl. insbes. Filler; Harrison u. Stein; Miraldi. 17 Die Reportage erschien kurze Zeit später auch als Buch. Zu Ida Tarbell vgl. Tompkins sowie Brady. 18 Lindner, S. 42. 19 Vgl. dazu u.a. Williams. 20 Zur Konzeption der Presse als »Fourth Estate« vgl. vor allem den schon genannten Aufsatz von Boyce, Fourth Estate. 21 Zur Entwicklung der britischen Presse im 18. Jahrhundert insbes. Black. Für das 19. und 20. Jahrhundert vgl. v.a.: Koss; darüber hinaus: Brown sowie Lee. 22 Habermas, S. 126. 23 Morley, S. 13. Ähnlich auch Boyce, Fourth Estate, S. 20, und Asquith, S. 107. Zur Geschichte der Times vgl. : The History of the Times. 24 The Times, 22. Juni 1836. 25 Koss, Bd. 1, S. 46. 26 The Periodical Press, in: Edinburgh Review, 38, 1823, S. 364; zit. nach Koss, Bd. 1, S. 46. 27 The Times, 6 / 7 . Feb. 1852. 28 Correspondence of C. Greville and H. Reeve. B.L. Add. Ms. 41, 185, f. 108, Greville to Reeve, 22. Jan., 1847, zit. nach Morley, S. 14. 29 Reeve, S. 249f. 30 Vgl. Watson, zit. nach Boyce, Fourth Estate, S. 27. 31 Vgl. Weiner sowie Francke, S. 63ff. 32 Stead, S. 669f. 33 Ebd., S. 656. 34 Boyce, Fourth Estate, S. 26f. Ganz ähnlich Koss, Bd. 1, S. 70ff. 35 Vgl. dazu Boyce, Fourth Estate, S. 28ff. 36 Zur Entwicklung des englischen Parteiensystems vgl. u.a. Bulmer-Thomas; als kurzen deutschsprachigen Überblick vgl. Birke. 37 Cockburn, S. 121.

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Anmerkungen zu S. 51-56

II. Frankreich: Journalismus zwischen Engagement und Kumpanei 1 Die umfang- und materialreiche Gesamtdarstellung der französischen Pressegeschichte, die Historie générale de la presse française legt in speziellen Kapiteln die wesentlichen Rahmendaten zur Pressegesetzgebung dar. Da die einzelnen Abschnitte der Historie générale de la presse auch sonst praktisch für alle Perioden der französischen Pressegeschichte die maßgeblichen Überblicksdarstellungen bieten, wird das Werk in der Regel in dem folgenden Abriß nicht mehr eigens zitiert. Als monographische Darstellung zur Pressegesetzgebung zwischen dem Ende des ersten Kaiserreichs und der Aufhebung der die Pressefreiheit einschränkenden Maßnahmen im Jahr 1881 vgl. Collins, Newspaper Press. 2 Aus der breiten Literatur zur revolutionären und vorrevolutionären Presse vgl. insbes.: Popkin, Journals; ders., News; Rétat, Forme; ders., Revolution; Bertraud. 3 Brissotde Waroille, S. 10. 4 Zit. nach Gough, S. 107. 5 Révolutions de France et de Brabant, Nr.17, zit. nach Bonnet, S. 180. 6 Eigene Auszählung. 7 Zum Wechselverhältnis zwischen Parteien- und Presseentwicklung in der Französischen Revolution vgl. insbes. Cunow. 8 Vgl. Kulstein sowie Tucoo-Chala, insbes. S. 1 9 1 - 2 5 1 u. S. 425^*95. 9 Vgl. ebd., S. 317. Der Moniteur wurde vom Wohlfahrtsausschuß mit jährlich 50 000 Francs subventioniert. 10 Zur Presseentwicklung unter Napoleon vgl. Cabanis. 11 Eine informative Übersicht der Verordnungen und Gesetze sowie ihrer wichtigsten Inhalte findet sich bei Ledré, S. 236ff. 12 »La presse a fait deux gouvernements: celui de 1830 et celui de 1848«, schrieb bereits ein zeitgenössischer Beobachter im Jahr 1853; vgl. Castille, Hommes, S. 122. Zur Rolle der Journalisten in der Julirevolution vgl. insbes.: Rader. 13 Zur Pressegesetzgebung und Pressepolitik während der Julimonarchie vgl. Collins, The Government and the Press, S. 2 6 2 - 2 8 2 . 14 Auf die Bedeutung Girardins und Dutaqs innerhalb der Geschichte des französischen Journalismus wird im folgenden Kapitel ausfuhrlich eingegangen werden. 15 Die drei Berliner Zeitungen waren die Vossische Zeitung, die Berliner Nachrichten (die sog. Spenersche Zeitung) und die Preußische Staatszeitung. Die Auflage der Vossischen Zeitung schnellte zwischen 1845 und 1847 von 7000 auf knapp 2 0 000 Exemplare empor, während die Berliner Nachrichten kaum 10 000 Exemplare erreichten. Die Auflage der Preußische Staatszeitung schwankte in den vierziger Jahren zwischen 2 0 0 0 und 4 0 0 0 Exemplaren. Vgl. Heenemann, S. 36; Struckmann, S. 99. 16 Eine Übersicht über die Auflagenentwicklung der wichtigsten Pariser Zeitungen während der Julimonarchie findet sich bei Ledré, S. 2 4 2 - 2 4 5 . 17 Der Parteienbegriff ist bezogen auf das Frankreich des 19. Jahrhunderts etwas problematisch. Der Begriff »parti« ist im Französischen weiter gefaßt als der deutsche Parteienbegriff, da Parteien mit festen Organisationen im deutschen oder englischen Sinne nicht existierten. So meint »parti« häufig einen eher losen Zusammenschluß politisch Gleichgesinnter. Gerade weil eine organisatorische Bindung der »Parteien« zumeist nur rudimentär ausgeprägt war, spielten Zeitungen als Kristallisationspunkte der verschiedenen politischen Gruppen oft eine maßgebliche Rolle. Vgl. dazu Albertini.

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Anmerkungen zu S. 56-63 18 Tudesq, Journal. 19 Livre du centenaire du Journal des Débats, S. XI. 20 Zur Presse in der Provinz liegen bislang nur wenige gute Untersuchungen vor. Die wichtige Rolle der Zeitungen bei der Formierung der politischen Gruppierungen in den Provinzstädten zur Zeit der Julimonarchie betont und belegt vor allem André Tudesq in seiner großen Studie über die Notablen: Tudesq, Notables; vgl. auch den von Tudesq verfaßten Abschnitt zur Provinzpresse in der Histoire générale de la presse, Bd. 2, S. 1 4 9 - 2 0 3 . Für die spätere Zeit vgl. an monographischen Untersuchungen insbes. Roth sowie Kintz. 21 Vgl. Tudesq, Journal, S. 269f. 22 Albert, Presse politique, S. 112ff. u. S. 182. 23 Castille, Portraits S. 24. 2 4 Vgl. etwa Gabriel-Robinet, S. 155: »Inventeur du journal moderne, ce fut sans conteste Emile de Girardin.« 25 So Reclus im Schlußwort seiner Biographie Girardins. 2 6 Zit. nach Reclus S. 85. 27 Vgl. ebd., S. 119 u. S. 122; Collins, Newspaper Press, S. 88f.; dies., The Government and the Press, S. 267ff.; zur Entwicklung des Anzeigengeschäfts vgl. Martin, Publicité; Vergne; Vathelet. 28 Zum Anzeigenanteil der Vossischen Zeitung vgl. Buchholtz, S. 284. 29 Als erste kritische Untersuchung zum Feuilletonroman vgl. Nettement. Als neuere Darstellung vgl. vor allem das erste Kapitel von Neuschäfer. 30 Vgl. Atkinson sowie Maurois. 31 Nettement, Bd. 1, insbes. S. 3 u. S. 6. 32 Die Auflage von Le Siècle schnellte zwischen 1837 und 1841 von 11 000 auf 37 500 Exemplare in die Höhe und pendelte sich bis zum Ende der Julimonarchie bei 35 000 Exemplaren ein. Die Auflage von La Presse ging dagegen 1838 von 13 500 auf knapp 12 000 Exemplare zurück und kletterte dann bis Mitte der vierziger Jahre auf rund 22 500 Exemplare an. Vgl. Histoire générale de la presse, Bd. 2, S. 119, u. Ledré, S. 244. 33 Vgl. Brisson u. Ribeyre, S. 2. Lamartine übernahm aber letzdich auch nicht die Redaktion des Siècle. 34 Soweit ich sehe, gibt es weder zur Person Dutaqs noch zu seiner Zeitung eigenständige Untersuchungen, wenn man absieht von der kurzen Schrift von Sirven, Le Siècle; vgl. daneben noch den Abschnitt zu Le Siècle, in: Brisson u. Ribeyre. 35 Prospectus du Siècle, Paris 1836, zit. nach Brisson u. Ribeyre, S. 3f. 36 Bei Gründung des Siècle wurde das Kapital der Aktiengesellschaft in 500 Anteile à 2 0 0 Francs aufgeteilt. Die Generalversammlung der Aktionäre stand denen offen, die im Besitz von mindestens 10 Aktien waren. Vgl. dazu kurz Tudesq, Notables, S. 473. Die Akten des Siècle befinden sich in den Archives nationales, F 18, 417. 37 Trotz der Bedeutung, die Girardin allenthalben zugemessen wird, gibt es allerdings nur sehr wenige brauchbare Untersuchungen zu seiner Person und zu seinen publizistischen und politischen Aktivitäten. Problematisch ist vor allem, daß in den meisten der Arbeiten Quellenangaben, wenn überhaupt, nur sehr sporadisch gemacht werden. Ohnehin scheinen ungedruckte Quellen vor allem privater Art, zum Leben und Wirken Girardins kaum zu existieren, so daß neben Girardins Publizistik in erster Linie Urteile und biographische Skizzen von Zeitgenossen die Grundlage fur die Arbeiten zu Girardin bilden. Vieles bleibt dadurch im Unklaren. Die informativste zeitgenössische Arbeit zu Girardin stammte von Sainte-Beuve; vgl. daneben: Morienval; Thuillier; Pellissier; an deutscher Literatur vgl. Schauseil; dort findet sich auch eine Zusammenstellung aller bis dahin erschienen Arbeiten von und über Girardin.

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Anmerkungen zu S. 63-69 38 Der Roman trug den beziehungsreichen Namen »Emile«. 39 Das Mindestalter fur einen Sitz im Parlament betrug 30 Jahre. Girardin machte sich seine ungeklärten Herkunftsverhältnisse zu Nutze und ließ sein Geburtsdatum mit Hilfe dubioser Zeugen auf »la fin de 1802« fesdegen. 40 Zu der Stilisierung vgl. Morienval, S. 65. Zu dem Duell vgl. neben den bereits zitierten Arbeiten zu Girardin auch Fiaux. Eine abweichende Version der Vorgeschichte des Duells bei Nobécourt, S. 2 8 4 - 2 9 6 . 41 Prospectus de La Presse, Paris 1836; zit. nach: Sirven, La Presse, S. 15ff. 4 2 Im besonderen schreibt Morienval La Presse den Charakter eines »journal d'information« zu, vgl. etwa S. 51 u. S. 58f. In der »Histoire générale de la presse« heißt es, die beiden Neugründungen aus dem Jahre 1836 hätten den Übergang vom »journal d'opinion« zum »journal d'information« vorbereitet, vgl. S. 114. 4 3 Morienval, S. 58f. Soweit ich zu sehen vermag, hat Girardin in keiner seiner programmatischen oder werbenden Stellungnahmen zu seiner Zeitung jemals besonders betont, daß er hier einen Schwerpunkt setzen wollte. Man kann sicher sein, daß Girardin, wenn er sich in diesem Punkte durch ein vergrößertes Korrespondentennetz oder den Versuch, die Nachrichtenübermittlung aus anderen Teilen des Landes oder aus dem Ausland zu beschleunigen, besonders engagiert hätte, dies nicht für sich behalten hätte. Eine grobe Durchsicht von Zeitungen aus den dreißiger und vierziger Jahren weist ebensowenig auf einen Informationsvorsprung von Girardins wie von Dutaqs Zeitung hin. Vor allem in der Auslandsberichterstattung waren andere Zeitungen durchaus überlegen. 4 4 La Presse, 27.3.1844. Der Preis spielte fur den Absatz keine Rolle mehr, da inzwischen auch die anderen Tageszeitungen ihre Preise gesenkt hatten. 45 Vgl. Albertini. 4 6 La Presse, 1.7.1836. 47 Vgl. ebd. 48 Martin, Journalistes parisiens, S. 65. 4 9 La Presse, 27. 12. 1836. 50 24. Oktober 1848 schrieb Girardin hellsichtig zu den bevorstehenden Wahlen vom 10. Dezember : »M. Louis-Napoléon, c'est l'avenir«, als dieser noch als krasser Außenseiter galt. Am 23. Mai 1849 sagte er in der Nationalversammlung dessen Kaiserkrönung voraus. Vgl. Schauseil, S. 69. 51 La Presse, 27.3.1853; Vgl. Schauseil, S. 80. 52 Girardin, S. 4. 53 Vgl. Schauseil, S. 80ff. 54 »M. de Girardin a traversé tous les partis et cependant on peut dire qu'il n'a jamais été que de son propre parti«, schrieb 1850 der Journalist Edmond Texier über Girardin, vgl. Texier, S. 105. Von Girardins weiterem politisch-journalistischen Werdegang wird noch die Rede sein. 55 Die Quellen- und Literaturlage zur Geschichte des Temps ist sehr spärlich. Die meisten Informationen finden sich in den Arbeiten von Pierre Albert, vgl. insbes. Albert, Presse politique, Bd. 2, S. 1 1 6 3 - 1 1 9 9 sowie die von Albert verfaßten entsprechenden Abschnitte in der Histoire générale de la presse, Bd. 3. Zur Gründungsphase vgl. daneben die Biographie Nefftzers von R. Martin. Zu den wichtigen Redakteuren und Mitarbeitern vgl. Goerdorp. Sehr anekdotenhaft und wenig informativ: Pariset. 56 Der Prospectus findet sich abgedruckt in R. Martin, S. 137f. 57 La Presse, 7.1.1861. 58 Vgl. Texier, S. 116.

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Anmerkungen zu S. 70-77 59 Vgl. R. Martin, S. 137. 60 Vgl. ebd., S. 154ff. 61 La Presse, 16.5.1857. 62 Mit dem Begriff »directeur«, der hier eingedeutscht wurde, bezeichnete man die außer dem Chefredakteur wichtigste Person bei einer Zeitung. Im einzelnen konnten damit unterschiedliche Funktionen gemeint sein. Der directeur konnte erstens der Alleinbesitzer oder Gründer der Zeitung sein. Zweitens konnte mit dem directeur ein Politiker gemeint sein, der mit oder ohne direkte Beteiligung die politische Richtung maßgeblich bestimmte. In diesem Fall wurde zum Teil auch vom directeur politique gesprochen. Drittens schließlich sprach man von dem directeur als dem formellen oder informellen Vorsitzenden des Verwaltungsrates einer Zeitung. In Einzelfallen waren der Chefredakteur und der direkteur ein und dieselbe Person. Vgl. dazu Dubief, S. 87f. Der directeur einer französischen Zeitung war somit nicht dasselbe wie der Verleger einer deutschen Zeitung, aber dennoch - jedenfalls in den Fällen eins und drei - bis zu einem gewissen Grade dessen Pendant. 63 Vgl. dazu sehr knapp Plessis, S. 190; ausfuhrlicher: Gorce, Bd. 2, S. 194ff.; speziell auf die Person Nefftzers bezogen, vgl. R. Martin, S. 160ff. Zu den genannten Journalisten vgl. neben den Eintragungen in den einschlägigen biographischen Lexika von Vapereau, Curinier, Cougny etc. die bereits zitierten Arbeiten von Texier und Brisson/ Ribeyre. 64 Zit. nach R. Martin, S. 163. 65 Mit Laboulaye war unter den Kandidaten, die sich am 21. Juni zur Wahl stellten, auch ein Redakteur des Journal des Débats. Vgl. Gorce, Bd. 2, S. 196. 66 La Presse, 13.6.1857. 67 Am 11.4.1859 zeichnete Nefftzer zum ersten Mal wieder das »Bulletin du jour«. 68 Albert, Presse politique, Bd. 2, S. 1173. 69 La Presse, 7.1.1861. 70 Vapereau, 1865 3 ,S. 1320f. 71 Vgl. Albert, Presse politique, S. 1183ff. 72 Nefftzer an Dolfus 7.6.1862, zit. nach R. Martin, S. 146. 73 Dieses und die folgenden Zitate, vgl. Le Temps, 26.3.1863. 74 La France, 30.3.1863; in ähnlichem Sinne: Journal des Débats, 2.4.1863 75 Le Temps, 2.4.1863. Am darauffolgenden Tag antwortete Nefftzer auf einen Artikel des Journal des Débats vom 2.4.1863. 76 La Presse, 14.5.1863. 77 Texier, S. 234. 78 Vgl. Albert, Presse politique, S. 1165f. 79 Die Ausführungen René Martins zu diesem Punkt klären die Sache nicht; vgl. R. Martin, S. 333. 80 Le Temps, 8.12.1876. Pierre Albert ist bei der Zitierung dieses Absatzes ein kleiner, allerdings stark sinnentstellender Fehler unterlaufen, indem er anstelle von »dernier rôle« »premier rôle« schreibt; vgl. Albert, Presse politique, S. 1186. Der Artikel der République Française stammte vom Vortage. 81 Le Temps, 28. Mai 1877. Artikel in ähnlichem Tenor finden sich in dem Temps vom 12. April und 7. Juni 1877. 82 Vgl. Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 354f. Besonders engen Kontakt zum Außenministerium pflegte André Tardieu, der ursprünglich selbst die diplomatische Karriere eingeschlagen hatte und von 1905 bis 1914 das »bulletin de l'étranger« des Temps verfaßte. Der Berliner Korrespondent des Temps, Alexandre de Guillerville, stammte ebenfalls aus dem diplomatischen Dienst; vgl. GStA Merseburg Mdl, Rep 77 Tit.54a Nr.19 Bd.4, B1.262.

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Anmerkungen zu S. 77-81 83 Zu der Sonderrolle des Temps vgl. Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 356. 84 Zur Fraktionsbildung im französischen Parlament zu Beginn der Dritten Republik vgl. Hudemann. Hudemann belegt zwar, daß es durchaus zu relativ fest organisierten Fraktionsbildungen gekommen sei. Der Raum für unabhängige Positionen blieb dennoch vergleichsweise groß. 85 Palmer, Petits Journaux. Leider begründet Palmer nicht, wieso er nicht 1836, das Gründungsjahr von Girardins Presse, als »Geburtsjahr« des »modernen« Journalismus ansieht, wie dies, wie oben gesehen, häufig geschieht. Für die Betonung des angelsächsischen Beispiels vgl. daneben: ders., Information. 86 Dubief, S. 296. 87 Tavernier, S. 300ff., Zit.: S. 300 u. S. 309. Ähnlich bei Dubief, S. 267ff. Vgl. auch Giffard, S. 323ff. 88 Weber, Geschäftsbericht, S. 49. 89 Zu Millaud vgl. Morienval. Das Petit Journal gehört, zumindest was die beiden ersten Jahrzehnte seines Bestehens angeht, inzwischen zu den vergleichsweise gut erforschten französischen Tageszeitungen; vgl. neben den entsprechenden Abschnitten bei Albert, Presse politique, insbes. Bd. 1, S. 121ff. und S. 1323-1354, Palmer, Le Petit Journal; Martin, Réussite. 90 Kurz nach dem Zusammenbruch des Regimes gefundene Dokumente zeigen, daß es eine gewisse Zusammenarbeit zwischen Regierungsstellen und dem Petit Journal gegeben hatte, die das Blatt für kurze Zeit zu kompromittieren drohte. Vgl. Martin, Réussite, S. 24. 91 Petit Journal, numéro spécimen, 1. 1. 1863; vgl. v.a. den »Avant-Propos«. 92 Vgl. ebd. 93 Seitens der Regierung hatte man geglaubt, wenn man nicht nur das Konzept des Petit Journal, sondern auch noch dessen Leitartikler übernehme, könne man eine ebenso erfolgreiche Populär-Ausgabe der Regierungszeitung kreieren. Der Plan scheiterte jedoch gründlich: mit Timothée Trimm wechselte kaum ein Leser zum Petit Moniteur; vgl. Histoire générale de la presse, Bd. 2, S. 328. 94 Vgl. Palmer, Petits Journaux, S. 23ff. 95 Trimm, in: Petit Journal, 8.6.1866 ; T. Grimm, in: ebd., 25.6.1872. 96 Vgl. Palmer, Petits journaux, S. 29ff. Palmer bewertet m. E. die Berichterstattung über die Affare Troppmann, die die Auflage der Zeitung kurzfristig von rund 350 000 bis auf knapp 600 000 Exemplare am Tage der Hinrichtung Troppmann emporschnellen ließ, wesentlich zu hoch, wenn er darin einen wichtigen Markstein für die Ausbreitung der Reportage im französischen Journalismus sieht. 97 So Voyenne, S. 121. 98 Ferenczi, S. 35. 99 Stichwort »chroniqueur«, in: Larousse, Bd. 4, S. 251. 100 Zu dem Charakter und der Entwicklung der chronique vgl. Ferenczi, S. 77-103. 101 Petit Journal, 13.9.1871. 102 Zit. nach Martin, Réussite, S. 25. 103 1872 hatte die Zeitung eine Betrugsaffäre zu überstehen gehabt, in die Alphonse Millaud, der Bruder des Gründers Moïse, Mit- und seit 1871 nach dem Tode seines Bruders alleiniger Besitzer des Petit Journal, die Zeitung verwickelt hatte und dabei fast ruiniert hätte. 104 Das Geschäftskapital von 300 000 Francs wurde in 60 Aktien unter sieben Aktionären aufgeteilt. Girardin besaß alleine zwar nur ein Sechstel der Aktien, war aber eindeutig die dominierende Figur. Zusammen mit Charles Jenty und Eugène Gibiat, die ebenfalls je 10 Aktien hielten, war Girardin darüber hinaus an verschiedenen anderen Zeitungen, insbe-

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Anmerkungen zu S. 81-85 sondere La France und La Semaine financière beteiligt. Vgl. Albert, Presse politique, Bd. 2, S. 1331f. 105 Le Petit XIXe Siècle, 11.11.1880, zit. nach Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 597. 106 Zur Auflagenentwicklung vgl. Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 1324ff. 107 Petit Journal, 23.2.1876. 108 Vgl. Albert, Presse politique, Bd. 2, S. 1348. 109 Vgl. auch Palmer, Le Petit Journal, S. 5. 110 Vgl. Albert, Presse politique, Bd. 2, S. 1351. 111 Petit Journal, numéro spécimen, 1. 1. 1863. Auf das Anzeigenproblem wird in anderem Zusammenhang noch zurückzukommen sein. 112 Dieses Verfahren ist in etwa vergleichbar mit der von einigen alteingesessenen deutschen Zeitungen verwendeten Taktik, der bedrohlichen Konkurrenz durch die zumeist stark lokal orientierten Generalanzeiger damit zu begegnen, daß man eigene Lokalausgaben gründete. Der gewissermaßen als Ableger der Kölnischen Zeitung gegründete Kölner Stadtanzeiger ist ein - zudem erfolgreiches - Beispiel dieser Methode. 113 Zu den einzelnen Zeitungen vgl. die Histoire générale de la presse, Bd. 3 (siehe Register). In gewisser Weise war zumindest in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre La France das seriöse Mutterblatt des Petit Journal. In beiden Zeitungen übte Girardin den maßgeblichen Einfluß aus, und einige Artikel von ihm erschienen in beiden Zeitungen. 114 Vgl. etwa Palmer, Petits Journaux, S. 38. 115 Über die Geschichte des Petit Journal seit den frühen achtziger Jahren ist nur wenig bekannt. Auch über die Person Ernest Judets weiß man nur relativ wenig. Zu den wichtigsten Informationen vgl. Histoire générale de la presse française, Bd. 3, S. 300ff.; vgl. auch die kurze Charakteristik Judets bei Ferenczi, S. 166ff. 116 Ponty stuft die Haltung des Petit Journal Dreyfus gegenüber als »haineux sans antisémitisme« ein. Auch nach Wiederaufnahme des Verfahrens blieb die Zeitung »antidreyfusard«, während die drei anderen Massenblätter, Le Petit Parisien, Le Journal und Le Matin ihre von Anfang an moderat-antidreyfusardische Haltung revidierten; vgl. Ponty, S. 198. 117 Judet war gleichzeitig Chefredakteur des Eclair, einer Zeitung, die 1888 mit dem Programm politischer Unabhängigkeit gegründet worden war, vgl. L'Eclair, 2.12.1888. Judet machte die Zeitung zu seinem persönlichen nationalistisch-antisemitischen Organ und veröffentlichte hier die Artikel, die er im Petit Journal mit Rücksicht auf die Leserschaft nicht bringen konnte. 118 Ein Vergleich der Entwicklung der Bruttoeinnahmen des Petit Journal und des Petit Parisien läßt dies besonders deutlich werden. Vgl. Histoire générale de la presse française, Bd. 3, S. 301. 119 Ebd., S. 298 u. S. 278. 120 Zum Matin vgl. neben den entsprechenden Abschnitten in der Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 309ff. u.ö., Palmer, Petits journaux, S. 96ff., S. 113ff., S. 185ff. 121 Zum Ausbau des Informationsnetzes desMatinvgl. Palmer, Petits Journaux, insbes. S. 113ff. Bei der Beschreibung der Fortschritte auf diesem Gebiet bewertet Palmer die Hinwendung zum Informationsjournalismus eindeutig zu hoch und verwischt die weiterhin großen Unterschiede zum angelsächsischen Journalismus. 122 Zur Politik des Matin vgl. die Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 312f. Auch im wirtschaftlichen Teil fiel der Matin durch alles andere als durch Unabhängigkeit auf. 1908 veröffentlichte ein ehemaliger Redakteur des Matin ein Buch über die zwielichtigen Affären, in die Bunau-Varilla die Zeitung verwickelte, Mouthon-, vgl. auch die Histoire générale de la presse, S. 313.

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Anmerkungen zu S. 85-91 123 Mit der Untersuchung von Amaury liegt die bei weitem umfangreichste und detaillierteste Arbeit zur Geschichte einer französischen Zeitung vor; vgl. daneben Dupuy, Un Homme; dies., Petit Parisien. 124 Zu der 1892 von Ferdinand Xau gegründeten Zeitung gibt es nur spärliche Informationen; diese finden sich wie in anderen Fällen auch am besten in der Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 314f. dargestellt. 125 Maupassant, S. 383. 126 Maupassant kannte sich im journalistischen Milieu sehr wohl aus. Er war ständiger Mitarbeiter des 1879 gegründeten Gil Blas, einer Art literarischer Boulevardzeitung, die ihm in manchem den Stoff fur seinen Roman geliefert haben soll. Er veröffentlichte dort keineswegs nur Erzählungen und Kritiken, sondern auch politische Artikel, Chroniken etc. Im politischen Bereich polemisierte er vor allem gegen die Kolonialpolitik der »Opportunisten«, ohne sich seinerseits politisch festzulegen: »Par égoïsme, méchanceté ou éclectisme, je veux n'être lié à aucun parti politique, quel qu'il soit, à aucune religion, à aucune secte, à aucune école.« (zit. nach J.-L. Bory, Préface, zu: Maupassant, S. 23) Maupassant formulierte hier gewissermaßen die französische Variante der journalistischen Unabhängigkeit, die weniger auf unabhängiger Recherche denn auf einer unabhängigen Meinung beruhte. 127 Zur Frage der sozialen Herkunft kann auch Martin in seiner Untersuchung über die Elite der Pariser Journalisten zwischen 1830 und 1870 genauere Angaben nicht machen, da das »Dictionnaire des contemporains«, auf das er sich stützt, diesbezüglich nur relativ wenige und zudem häufig ungenaue Angaben macht; vgl. Martin, Journalistes parisiens, S. 36f. Angesichts dieser Tatsache scheint die von André Tudesq anhand weniger Fälle - insbesondere dem des katholischen Journalisten Louis Veuillot und dem des Anarchisten Pierre Joseph Proudhon - aufgestellte Behauptung, der Journalismus sei ein Mittel des Aufstiegs aus unterbürgerlichen Schichten, etwas gewagt; vgl. Tudesq, Journal, S. 265f. 128 Vgl. etwa Délord, S. 80ff.; Dubief, S. 101. 129 Wogan, S. 259f. 130 Frossard, S. 19. 131 Vgl. Andrew, S. 7. Delcassé ( 1 8 5 2 - 1 8 2 3 ) hatte Lettres studiert und war zunächst als Lehrer, insbesondere als Privatlehrer bei einem Beamten des Außenministeriums tätig, bevor er sich seiner journalistisch-politischen Karriere widmete. 132 Gambetta an Santallier, 2.11.1871, zit. nach Albert, Presse politique, Bd. 2, S. 1375. 133 F rey einet, Bd. 1, S. 289f. 134 Zu den genannten Personen vgl. die Eintragungen in den einschlägigen biographischen Lexika. 135 Martin, Journalistes parisiens. Auf die Problematik der Quelle und der Methodik wird später noch eingegangen werden. 136 Die Prozentangaben habe ich auf der Basis der von Martin erstellten Tabellen errechnet. Vgl. ebd., S. 35 u. S. 64. 137 Vgl. Histoire générale de la presse fançaise, Bd. 3, S. 253; der entsprechende Abschnitt stammt von Albert; Martin, Sociabilité, S. 505. Martin legt die Kriterien, die er bei der Auswertung zugrunde gelegt hat, hier leider nicht offen. 138 Dogan, insbes. S. 472 u. S. 482f. 139 Palmer, Petits Journaux, S. 148. 140 Tardieu, S. 113f. André Tardieu ( 1 8 7 6 - 1 9 4 5 ) verkörperte selbst eine Variante der engen Verbindung von Politik und Journalismus: Tardieu war von 1897 bis 1902 im diplomatischen Dienst, bevor er 1904 Redakteur des Temps wurde. 1908 ging er als Professor

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Anmerkungen zu S. 91-96 fur französische Literatur nach Harvard und kehrte anschließend als Professor fur Diplomatiegeschichte nach Paris zurück. Vgl. ABF, 9 7 8 , 9 8 - 1 0 0 . 141 Vgl. neben der Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 2 5 3 , Estèbe, S. 122f. 142 Genaue Angaben über die Zahl von Journalisten sind grundsätzlich schwer zu machen. Auf der Basis des Personenindex des Annuaire de la presse nennt Martin folgende Zahlen für die Pariser Journalisten: 1885: etwa 1150; 1890: etwa 1900; 1900: etwa 3000; 1910: etwa 3300. Die Gesamtzahl der französischen Journalisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts schätzt er auf 5000 bis 8000, je nachdem, wie eng oder wie weit man die Definition des Journalisten fasse. Vgl. Martin, Sociabilité, S. 497f. 143 Ferenczi geht in seiner jüngst erschienenen Arbeit zum französischen Journalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebenfalls davon aus, daß es zu einer langsamen Entzerrung von Politik und Journalismus kam. Sein Versuch, dies am Beispiel von Personen wie Ernest Vaughan, Bernard Lazare, Octave Mirbeau, Gustave Geffroy oder Arthur Rane zu belegen, ist jedoch wenig überzeugend. Die Genannten waren alle, sei es als Abgeordnete, sei es auf andere Weise zutiefst mit dem politischen Milieu verbunden, so daß sie mit weit größerer Berechtigung als Beispiele für jene Symbiose von Presse und Politik, die auch Ferenczi konstatiert, angeführt werden könnten, als daß sie für einen »autonomen« Journalismus gestanden hätten. Vgl. Ferenczi, S. 183ff. 144 Vgl. Martin, S. 507 sowie ders., La Grande Famille, insbes., S. 133. Martin ist, soweit ich sehe, bislang der einzige, der sich intensiver mit den journalistischen Vereinigungen beschäftigt hat. Neben den noch vorhandenen Statuten und gedruckten Rechenschaftsberichten, die auch von Martin bereits umfassend ausgewertet wurden, bilden die detaillierten Untersuchungen von Martin im wesendichen die Basis der folgenden Ausführungen. 145 Martin, Sociabilité, S. 507. Sprachlich ist nicht klar, inwieweit Martin mit dem französischen Wort »profession« tatsächlich den stärker theoretisch aufgeladenen Begriff der »Profession« meint. Indem er auf das Erreichen eines gewissen Grades an Autonomie abhebt, meint er mit der Fomulierung vom Abschluß der Konstituierung des Journalismus »comme profession« jedoch offenbar mehr als nur der Abschluß des Verberuflichungsprozesses. 146 Vgl. ebd., S. 498f. 147 Inwieweit Lebey überhaupt je journalistisch tätig war, ist fraglich. Sein Vater war Gründer einer Anzeigenagentur, die mit der Agence Havas fusioniert hatte. Lebey stieg dort ein und scheint dort in erster Linie oder sogar ausschließlich mit der geschäftlichen Seite befaßt gewesen zu sein. Von 1873 bis 1900 war er Direktor der Agence Havas. Vgl. Lamathière, (ABF 6 1 8 , 1 7 4 - 1 7 6 ) . 148 Le Figaro, 11.5.1885, zit. nach Martin, La Grande Famille, S. 131. 149 Vgl. Martin, La Grande Famille, S. 131. 150 Ebd., S. 133. 151 Die Mitgliederzahlen vgl. ebd., S. 134 und S. 138; die Altersstruktur vgl. S. 135. 152 Vgl. Martin, Grande famille, S. 151; ders., Sociabilité, S. 503, S. 506. 153 Vgl. Martin, Sociabilité, S. 503 u.S. 506. 154 Vgl. ebd., S. 502. 155 Vgl. dazu Martin, Publicité. 156 Vgl. dazu ders., Sociabilité, S. 504. 157 Auch zum folgenden stammt die maßgebliche Untersuchung von M. Martin: Martin, Retraités. 158 Association professionnelle de la presse monarchique et catholique des départements, Assemblée générale du 10. mai 1903, Laon, S. 29fif. 159 Zu dem etwas komplizierten Verfahren der Lotterien vgl. Martin, Retraités, S. 183ff.

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Anmerkungen zu S. 97-102 Martín bezieht sich hier auf das Bulletin de l'Association syndicale professionnelle des journalistes républicains français, 1887, S. 2 3 - 2 7 und 1888, S. 2 7 - 3 9 , wo das Verfahren detailliert erläutert wird. 160 Die Association des journalistes parisiens zahlte jährlich 6 0 0 Francs, andere, weniger bedeutende Vereinigungen lediglich zwischen 120 und 4 0 0 Francs; vgl. Martin, Retraités, S. 178. 161 Die Chefredakteure größerer Pariser Zeitungen verdienten zwischen 12 000 und 50 000 Francs im Jahr. Bekannte Publizisten lagen ebenfalls in diesem Bereich. Gehaltsangaben vgl. Dubief, S. 190f. sowie Martin, Journalistes parisiens, S. 64. Bei den Genannten läßt sich davon ausgehen, daß sich die meisten eher im oberen Bereich dieser Spanne bewegten. Martin nennt einen einzigen Fall, in dem jemand auf seine Pension verzichtete: Gaston Calmette, den Direktor des Figaro; vgl. Martin, Retraités, S. 179. 162 Vgl. Schienther, S. 29. Kürschners Literaturkalender, hg. J. Kürschner, 3 7 , 1 9 1 5 , S. 66. Zu den Pensionszahlungen der deutschen Verein vgl. Teil B, Kapitel I I / 4 . 2 . 163 So der Titel des entsprechenden, bereits zitierten Aufsatzes; vgl. speziell Martin, Retraités, S. 195f. 164 Vgl. Zeldin, Bd. 3. 165 Vgl. Raffalovitch. 166 Vgl. Hammer. 167 Vgl. Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 283; weitere Angaben finden sich ebd., S. 264ff. 168 Vgl. Noussanne. 169 Lollié, S. 757. Die Revue bleue hatte ursprünglich Arthur Levysohn, den Chefredakteur des Berliner Tageblatts, um eine Stellungnahme gebeten. Dieser hatte jedoch die Aufgabe an Theodor Wolff mit der Begründung weitergegeben, Wolff kenne sich als Pariser Korrespondent weit besser in den dortigen Verhältnissen aus. Levysohn selbst wäre durchaus nicht inkompetent gewesen, da er sich vor und während des deutsch-französischen Krieges als Journalist in Paris aufgehalten hatte und in seinen veröffentlichten Erinnerungen aus dieser Zeit der Beschreibung der Presse breiten Raum widmet. Vieles von dem, was die ausländischen Beobachter 1902 in der Revue bleue über die französische Presse schrieben, findet sich, wenn auch in stärker anekdotischer Form, bereits in Levysohns Erinnerungen, vgl. Levysohn. 170 Zur Einordnung des Begriffes »Korruption« im Bereich der Presse vgl. Albert, Corruption. 171 Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 266. »A bon vin pas d'enseigne« lautete die zitierte Spruchweisheit im Original. 172 Nicht besonders ergiebig ist die bislang einzige Monographie zur Geschichte der Agence Havas: Frédérix sowie Palmer, Petits Journaux. Vgl. daher vor allem die entsprechenden Abschnitte in der Histoire générale de la presse sowie Albert, Presse politique, S. 230ff.; eine gute und knappe Zusammenfassung des beschriebenen Verfahrens bei Zeldin, Bd. 3, S. 190ff. 173 Martin, Publicité. Die Akten in den Archives Nationales 48 AQ. 174 Vgl. ebd., S. 347. 175 Ebd., S. 350. 176 Vgl. ebd., S. 352. 177 Brief an das Journal du Credit Public, 20.12.1857, AN 48 AQ 3744; zit. nach Martin, Publicité, S. 353. 178 Vgl. dazu neben Martin, Publicité, S. 354ff.: Gille. 179 Vgl. Martin, Publicité, S. 367.

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Anmerkungen zu S. 102-109 180 Vgl. ebd., S. 378. 181 Die Zahlen ermittelte Albert, vgl. Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 416. 182 Für die weiter zunehmende Verschränkung des Finanzmilieus mit der Presse in der beginnenden Dritten Republik vgl. ebd., S. 407-^475. Für das folgende vgl. S. 432ff. 183 Zit. nach ebd., S. 4 3 3 . 184 Lajeune-Vilar, S. 53. 185 Zu den personellen Verzahnungen vgl. Martin, Publicité, S. 376f. 186 Vgl. Albert, Presse politique, S. 448f. 187 Ebd., S. 471. 188 Zu den Vorgängen um den Skandal, in den große Teile der republikanischen Elite verwickelt waren, vgl. Bouvier sowie Mollier, Scandale. 189 Angaben bei Bouvier, S. 102 u. S. 116; Histoire générale de la presse, Bd. 3, S. 268. Ob das Geld den Zeitungen zugute kam oder ob es in die Privatschatullen der Betroffenen flöß, war nicht zu klären. 190 Neben dem schon zitierten Buch von Lajeune-Vilar über die im Journalismus herrschenden Sitten vgl. u.a.: Marsillac; Cassagnac; Brisson. 191 Nach der »catastrophe de Panama« bekomme eine Zeitung, der die Verpachtung des Finanzbulletins früher 120 000 Francs gebracht habe, nur noch 4 0 000 bis 50 000 Francs, stellte ein zeitgenössischer Pressekritiker fest; Vgl. Lajeune-Vilar, S. 14. 192 Eben dieses tut etwa Pierre Guiral in dem von ihm verfaßten Abschnitt in der Histoire générale de la presse über die Presseentwicklung zwischen 1848 und 1871: »Cette vénalité ne doit pas étonner: si l'on envisage les enquêtes menées sur les fondateurs de journaux, on trouve, à côté d'hommes de moralité certaine (on pense une fois de plus à Nefftzer), bien des médiocres au passé chargé.« Vgl. ebd., Bd. 2 , S. 381. 193 Vgl. Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 450; Martin, Publicité, S. 379. 194 Fast alle Wirtschaftsjournalisten, deren Karriere man verfolgen könne, stammten, so Martin, aus der Provinz. Vgl. ebd. 195 Vgl. Mollier, Naissance, S. 160 u. S. 304f. 196 Vgl. Martin, Gens de lettres S. 5f.; Ferenczi, S. 52ff. 197 Vgl. Lollié, S. 717f. Bezeichnenderweise wurde in Frankreich die Frage, ob Interviews gefuhrt werden sollten, nicht zuletzt unter ästhetischen Gesichtspunkten geführt; vgl. Barrés, Beautés u. ders., L'Esthétique. 198 ¡amati, S. 48. 199 Vielfaltige Belege fur diese Symbiose finden sich in der Arbeit von Ferenczi. 200 Vgl. ebd., S. 88ff. 201 Le Figaro, 22.9.1881. 202 Vgl. Thiesse, S. 105. 203 Vgl. Martin, Gens de lettres, S. 22. Wie oben erwähnt, hatte bereits Alexandre Dumas eine Art Schreibfabrik eingerichtet, in der die Texte nach von ihm skizzierten Handlungsentwürfen gefertigt wurden. 2 0 4 Vgl. Martin, Gens de lettres, S. 17f. Auf die Problematik der Quelle wird an anderer Stelle noch genauer eingegangen werden. 205 Gifïàrd, 1853 geboren, wurde bald nach dem Krieg von 1 8 7 0 / 7 1 , an dem er bereits teilgenommen hatte, Journalist. Er arbeitete vor allem für den Figaro und den Gaulois, unternahm eine Reihe von Reisen, von denen er für verschiedene Pariser Zeitungen berichtete, und wurde schließlich 1887 Chef des Informationsdienstes beim Petit Journal. Zu Gifïàrd vgl. neben den Eintragungen in den einschlägigen biographischen Lexika: La Presse internationale, 1, 1898, S. 1 6 7 - 1 6 9 (Les maîtres du journalisme).

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Anmerkungen zu S. 109-116 206 Giffard, S. 330. 207 Vgl. Ferenczi, S. 47ff. 208 Zu Lermina, Mille und Leroux vgl. die Eintragungen in den einschlägigen biographischen Lexika. Zu den beiden Letztgenannten vgl. zudem Ferenczi, S. 66ff. 209 Vgl. Huret, Enquête. 210 So Octave Mirbeau im Vorwort zu Huret, Tout Yeux. 211 Vgl. Bailby-, Bailby war unter anderem Redakteur bei La Presse und beim In transigean t. 212 Jamati, S. 51. 213 Wogan, S. 122. 2 1 4 Michail Katkoff ( 1 8 1 8 - 1 8 8 7 ) war seit 1851 Chefredakteur der Moskauer Zeitung Moskowskoj Wedomosti. 215 Daudet, Bréviaire du journalisme, Paris 1936, S. 79f. u. S. 123. Daudet ( 1 8 6 7 - 1 9 4 2 ) war von 1908 an Chefredakteur und später Mitherausgeber der antisemitisch-natinalistischen Action française. 216 Wogan, S. 159. 217 Bevor Frédéric Lolié 1902 in der Revue bleue die bereits zitierte Umfrage unter europäischen Journalisten über ihre Meinung zur französischen Presse veranstaltete, hatte die gleiche Zeitschrift bereits 1 8 9 7 / 9 8 eine ähnliche Umfrage unter aktiven und ehemaligen französischen Journalisten - Jaurès, Poincaré, Clemenceau und Zola gehörten zu denen, die um Stellungnahmen gebeten worden waren - veröffendicht; vgl. Béranger, S. 12; (der zitierte Beitrag stammt von Edmond Frank). 218 Dubief,S. 77. Über die Autoren zeitgenössischer Arbeiten zum Journalismus ist in den einschlägigen biographischen Nachschlagewerken in der Regel nichts oder nur wenig zu erfahren. Zur Identität Dubiefs findet sich bei Tavernier, S. 301 eine kurze Anmerkung. 219 Bereits 1867 zitierte Fernand Gireaudau in einer Pressegeschichte seit der Französischen Revolution eine ganze Reihe von verschiedenen französischen Stellungnahmen zur englischen Presse, vgl. Gireaudau, S. 279ff. Gireaudau plädierte seinerseits ebenfalls fur Unabhängigkeit der Presse nach englischem Vorbild. 220 Vgl. Prévost-Paradol. Prévost-Paradol stützt sich in dem Aufsatz auf ein im Jahr zuvor erschienenes Buch zur Geschichte der englischen und der amerikanischen Presse, das sich allerdings des Vergleiches mit Frankreich weitestgehend enthält, vgl. Cucheval-Clarigny. Prévost-Paradol ( 1 8 2 9 - 1 8 7 0 ) war von 1856 an für eine Reihe von Jahren Redakteur des Journal des Débats und kandidierte 1863 erfolglos für das Parlament. 221 Prévost-Paradol, S. 188f. 222 Ebd., S. 191. 223 Ebd., S. 200f. 224 Pierre Albert äußerte im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage der Korruption im französischen Journalismus die Ansicht, daß es nicht abwegig sei anzunehmen, daß das mangelnde ökonomische Verständnis der Franzosen, das immer wieder konstatiert werde, weniger mit Problemen des Bildungssystems als mit der korruptionsbedingten systematischen Unterinformation auf diesem Gebiet durch die Zeitungen zu tun habe; vgl. Albert, Corruption, S. 60. 225 Lobi, S. 178ff. 226 Martin, Gens de lettres, S. 26.

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Anmerkungen zu S. 118-123

Teil Β: Deutschland: Vom Zeitungsschreiber zum Journalisten. Die Entwicklung des »freien« Berufes unter staatlicher Vormundschaft I. Das Zusammenwachsen von Nachrichtenübermitdung und Nachrichten bewertung zu einem neuen Beruf 1 Vgl. Baumert. 2 Die ältere Zeitungswissenschaft hat verschiedene, auch von der Erscheinungshäufigkeit unabhängige Definitionsversuche unternommen, um Zeitung und Zeitschrift klar voneinander zu trennen, die aber alle wenig tragfähig sind. Eine Zusammenfassung dieser Versuche bei Homberg, Zeitgeist, S. 71ff. 3 Zu dem Beispiel Wielands und dem frühen Verlagswesen vgl. Ungern-Sternberg, Wieland. 4 Vgl. Salomon, Bd. 3, S. 190ff. Oken hatte die Zeitschrift 1816 gegründet und mußte bereits nach dem Wartburgfest, an dem er teilgenommen und darüber berichtet hatte, eine sechswöchige Festungshaftstrafe absitzen. 1819 stellte man ihn vor die Alternative, die Zeitschrift aufzugeben oder die Professur niederzulegen. Da Oken sich nicht beugte, wurde er endassen, sein Blatt wurde aber dennoch verboten. Zu Okens Lebenslauf vgl. ADB, Bd. 24, S. 216ff. 5 Zur Bedeutung der Zeitungen im ausgehenden 18. Jahrhundert vgl. Welke. Welke verwendet allerdings ohne weitere Erläuterung die Begriffe Zeitung und Zeitschrift, so daß nicht nachprüfbar ist, welche Kriterien seiner Abgrenzung zugrunde liegen. Man wird jedoch davon ausgehen können, daß unter »Zeitung« in der Regel der Publikationstyp verstanden wurde, der hier als »Verlegerzeitung« bezeichnet wurde. 6 Bücher, Anfange, S. 257. 7 Vgl. Moritz. Moritz ist insbesondere als Verfasser des autobiographischen Romans »Anton Reiser« bekannt geworden. 8 Ebd., S. 8. Zu den moralischen Wochenschriften vgl. Martens, Botschaft. 9 Moritz, S. 3. 10 Ebd., S. lOff. 11 Schwarzkopf, S. 84. Schwarzkopf, dessen Schrift manchmal als erste »zeitungswissenschaftliche« Arbeit bezeichnet wird, war braunschweigischer Beamter und als Student unter anderem Schüler von Schlözer gewesen; vgl. dazu Groth, Geschichte, S. 68; (jetzt auch als Einleitung des Neudrucks der Schrift von Schwarzkopf, S.7*). 12 Ebd., S. 89f. 13 Zum Begriff des »Informationserwartungsraums« vgl. Schenda, S. 58. 14 So der Oldenburger Schriftsteller Gerhard Anton von Halem, der im Oktober 1790 nach Paris reiste, um Zeuge der Ereignisse zu werden; vgl. Richter, S. 15. Zu den Parisreisenden vgl. A. Stern, S. 17-Ì2. 15 Archenholtz an Campe, 11.8.1791, abgedr., in: Leyser, Bd. 2, S. 168f. Zu Archenholtz vgl. u.a. Ruof. 16 Vgl. Heyck, S. 2. 17 Neueste Weltkunde, Nr. 1, 1.1.1798 und Fortsetzung in Nr. 2, 2.1.1798 (Hervorhebung im Original). 18 Neuer Teutscher Merkur, Bd. 5, 1799, S. Iff. 19 Hoffmann von Fallersleben, Bd. 1 , S . 117.

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Anmerkungen zu S. 125-129

II. Zur Sozialgeschichte des Journalistenberufs 1 Vgl. Haferkorn·, Kiesel u. Münch; Engelsing, Der literarische Arbeiter, Bd. 1; UngernSternberg, Schriftsteller; Martens, Geburt. 2 Vgl. ADB, Bd. 31, S. 597. 3 Sondermann, S. 106. 4 Glossy, Bd. 1, S. 64. 5 Zit. nach Friesen, S. 1548. 6 Zu den Vergleichszahlen s. Teil Β Kap. II.3.3.a. 7 Als Überblick über die Entwicklung des Zeitungs- und Zeitschriftenmarktes und die Situation der Schriftsteller und Journalisten vgl. vor allem Wehler, Bd. 2, S. 526-540; Nipperdey, 1800-1866, S. 587-594; O'Boyle, insbes. S. 302ff. 8 Vgl. Möller, S. 252. 9 Haferkorn, S. 625f.; Wehler, Bd. 1, S. 314. 10 Einen Überblick über die Vielzahl dieser Blätter und die Namen der Herausgeber bietet Salomon. 11 Laube, Bd. 40, S. 129. 12 Vgl. hierzu auch O'Boyle, S. 302fF. 13 Laube, Bd. 40, S. 243. 14 Neben Heyck vgl. als kurzen Überblick über die Geschichte der Zeitung: Padrutt. 15 Zu Stöver vgl. DBA, 1232, 310-314; Brunöhler, S. 35. 16 Vgl. Baasch, Zeitungswesen, S. 7. In die Literatur hat sich mitderweile die Auflagenzahl von 50 000 Exemplaren für das Jahr 1803 eingeschlichen. Diese Zahl, für die es als Quelle nur die Jubiläumsausgabe von 1880 gibt, scheint, wie auch Baasch anmerkt, zu hoch gegriffen. Zum hamburgischen Zeitungswesen im ausgehenden 18. Jahrhundert vgl. als neuere Arbeit Engeleit. 17 Für die Zeit nach 1800 liegen nur noch vereinzelte Auflagenzahlen vor, so daß sich über die genaue Entwicklung kein Bild gewinnen läßt; vgl. H.F. Meyer, Zeitungspreise S. 538. 18 Vgl. Baasch, Zeitungswesen, S. 19. Stövers Nachfoger war K.F.A. Hartmann. Nach dem Studium, verschiedenen Reisen und anderen Tätigkeiten redigierte er von 1815 bis 1818 die Börsenhalle, bis er 1818 bis zu seinem Tod 1828 Gymnasialprofessor in Hamburg wurde. Seit 1822 war er gleichzeitig Redakteur des Correspondenten. Vgl. DBA, 479, 168-172; Brunöhler, S. 28. 19 Vgl. H.-F Meyer, Zeitungspreise, S. 537. 20 Vgl. ebd. S. 537ff. 21 Nachdem Ludwig Posselt, dem ersten Redakteur der Neuesten Weltkunde, von Cotta die Leitung der Europäischen Annalen übertragen worden war, übernahm zunächst Ludwig Ferdinand Huber und anschließend Karl Josef Stegemann bis zu seinem Tod 1837 die redaktionelle Leitung der Zeitung. Assistiert wurde ihm dabei zumeist von einer zweiten redaktionellen Kraft. 1826 trat der Burschenschaftler Gustav Kolb zunächst als »Korrektor und Übersetzungsgesell und gelehrter Aushelfer« in die Redaktion ein, übernahm aber bald die faktische Leitung. Nach Stegemanns Tod bildete Kolb zusammen mit K.A. Mebold und A.J. Altenhöfer die Stammredaktion, während auf der vierten Stelle eine hohe Fluktuation herrschte. Die Zusammensetzung der Redaktion ergibt sich aus der Arbeit von Heyck sowie verschiedenen Einzelhinweisen aus dem Deutschen Litraturarchiv, Marbach (DLAM), Cotta, Hss. Slg. Vgl. auch Geiger, insbes. S. 365f.

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Anmerkungen zu S. 129-132 22 Zur Kölnischen Zeitung vgl. Nahmer; Buchheim, Bd. 2; Weinhold. Die Angaben zur Redaktionsgröße ergeben sich in erster Linie aus der Arbeit von Buchheim. 23 So z.B. bei der Vossischen Zeitung, vgl. Buchholtz, insbes. S. 57 u. S. 72ff.; zur Schlesischen Zeitung vgl. /essen, insbes. S. 213ff.; zur Breslauer Zeitung: Öhlke, insbes. S. 140; zur Königsberger Hartungschen Zeitung vor allemHagetoeidesowie Forstreuter; zur Augsburger Postzeitung: Hart, S. 21. 24 Zur Vossischen Zeitung und deren erste Berufsjournalisten L. Rellstab und Friedenberg vgl. Buchholtz, insbes. S. 9 0 u. S. 95ff.; zur Breslauer Zeitung und deren ersten Beruftjournalisten G. Weis: Öhlke, insbes. S. 73 u. S. 83; zur Spenerschen Zeitung: Widdecke; zu deren ersten hauptberuflichen Redakteur A. Wohlbrück vgl. ADB, Bd. 4 3 , S. 709ff. Zur Schlesischen Zeitung und deren erstem Berufsjournalisten M.M. Runkel: Jessen, insbes. S. 262ff. Zur Königsberger Hartungschen Zeitung vgl. Hagelweide. 25 Vgl. Mönckmeyer, S. 24. 2 6 Zu den einzelnen Zeitungen vgl. Neefe; Klutentreter; Engelsing, Zeitung, Sp. 896ff. 27 Öhlke, S. 260. 28 Der Mann hieß Karl Gustav Laue; vgl. DBA 743, 210. 29 Kürschner, S. 193 (Nr. 1528). 30 Vgl. Jacobi, Journalist, S. 150. 31 Der Dritte Deutsche Journalistentag in Berlin, S, 38. Es ging hier um das Problem der Einrichtung einer speziellen Pensionskasse für Journalisten und um die Frage, ob Versicherungsanstalten den Journalisten Sonderkonditionen einräumen würden. Dazu aber müsse klar sein, wer ein Journalist sei und damit in den Genuß von Sondervergünstigungen kommen könne. Ein solches Kriterium aber sei nicht zu finden. 32 Der Umstand, daß »Journalist« bis heute keine geschützte Berufsbezeichnung ist, hat zur Folge, daß auch die Ansichten darüber, wer als solcher zu bezeichnen ist, variieren. Vgl. in diesem Zusammenhang eine Bemerkung des Historikers Walter Homberg zu einem 1980 von H. J. Schultz herausgegebenen Porträtband mit dem Titel »Journalisten über Journalisten«, in dem etwa Walter Jens über Lessing, Marcel Reich-Ranicki über Börne, Helmut Heißenbüttel über Heine oder Harry Pross über von Ossietzky schreibt: »Ein schönes Buch mit biographischen Porträts, das nur leider den Nachteil hat, daß weder einer der Porträtzeichner, noch einer der Porträtierten als Journalist im engeren Sinne gelten kann,« so Homberg zu dem Band. Die Kritik, die darauf abzielte, daß man sich bei der Forschung über Journalisten immer noch auf Ausnahmeerscheinungen, nicht aber auf den Beruf als solchen konzentriert, ist hier sicher bewußt überspitzt. Theodor Wolff oder Egon Erwin Kisch, zwei der Porträtierten, waren zweifellos Journalisten. Genauso können unter den Autoren Fritz J. Raddatz und Joachim Fest sicher als Journalisten »im engeren Sinn« gelten. Die Bemerkung von W. Homberg in: Homberg, Kärrner S. 623. 33 Schwarzkopf, S. 78f. 34 Riehl, Bürgerliche Gesellschaft, S. 333; ¡fers., Charakterköpfe, S. 103-132. 35 Erst im frühen 20. Jahrhundert stößt man wieder häufiger auf die Bezeichnung »Literat«. In einem 1911 gehaltenen Vortrag »Der Literatenstand und die Presse« griff Theodor Curtí das Wort wieder auf, das, wie er selbst sagte, zwar im Gegensatz zu früher nicht mehr sehr gebräuchlich sei, aber »ohne Zwang und ganz passend unter diesem Sammelnamen mehrere Berufsklassen der Gegenwart« zusammenfasse; vgl. Curtí, S. 3. In deudich pejorativem Sinn verwendete dagegen Max Weber die Bezeichnung »Literat«. Im Gegensatz zu den, von Weber positiv konnotierten »Jouranlisten«, faßte er unter die »Literaten«, wie Gangolf Hübinger schreibt, alle diejenigen, die die »spezifische intellektuelle Verantwortungsethik in ihrem politischen Urteil vermissen ließen.« Vgl. Hübinger, »Journalist«, S. 100.

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Anmerkungen zu S. 133-137 36 mede, Handbuch, S. 3f. 37 Um den »Braven ... aus der schwarzen Herde« der Journalisten hervorzuheben, werde dieser »nicht mehr Journalist, sondern Literat und Publizist, Schriftsteller und Redakteur« genannt, schrieb ein Journalist 1912 in einem Artikel; vgl. Fred, S. 312. 38 Jacobi, Journalist, S. lOOf. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts findet der »Publizist« Eingang in den Sprachgebrauch und wurde dann vor allem durch die Zeitungswissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts in wenig erhellender Weise verwendet. Unter Publizist verstehe der gewöhnliche Sprachgebrauch einen Menschen, der mit Leidenschaft seine Meinung vertrete, daneben spreche man vom Journalisten als berufsmäßigem Mann der Feder. »Das journalistische Gehirn reagiert mit Reflexbewegungen auf das Geschehen des Tages, der Publizist denkt sich außerdem noch etwas dabei«, heißt es bei Spael, S. 13 u. S. 15. Ähnlich Otto Groth: Publizist und Journalist stellten »ihrem Wesen nach ... Gegensätze« dar: Groth, Kulturmacht, Bd. 4, S. 203. 39 Martin, Journalistes parisiens, S. 33. Mindestens zweijährige Mitarbeit an zwei Pariser Tageszeitungen oder einer Tageszeitung und zwei Zeitschriften oder an vier Zeitschriften legte Martin als untere Grenze fur denjenigen fest, der als Journalist gelten sollte. 4 0 Ein Problem stellen die seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunächst vor allem in Berlin auftauchenden Reporter dar. Weder die sonst so ergiebigen Jubiläumsschriften noch biographische Lexika, noch Polizeiberichte geben, von Einzelfällen abgesehen, detailliertere Auskünfte über deren Biographien. So bestehen kaum systematische Möglichkeiten, in dieser Beziehung weiterzukommen. 41 1848 wurde als Ende des Zeitraums gewählt, um zu überprüfen, ob sich nach der 48er Revolution die journalistischen Karrieremuster verändert haben. Bei den politischen Tageszeitungen löste die Revolution jedoch keine tiefgreifenden Veränderungen aus, so daß auch 1850 als Ende dieses Zeitraums hätte gewählt werden können. 42 Vgl. Sperlich. 43 GStAM, Mdl, Rep77 Tit54a Nr. 19 Bd. 4 u. 5. Diese Bestände wurden bereits von Thomas Enke in seiner Arbeit über die Berliner Presse ausgewertet. 4 4 BrLHAP, Pr. Br. Rep 30 Berlin C Tit 94. 45 Durch das leicht handhabbare Deutsche Biographische Archiv (DBA), in dem auf Mikrofiche alle in den wichtigsten biographischen Nachschlagewerken verzeichneten Angaben in einem Zugriff verfügbar sind, ist das Verfahren mit vertretbarem Aufwand durchführbar. Da das DBA leichter zugänglich ist als die Vielzahl der einzelnen Nachschlagewerke, wird in der Regel auch danach zitiert. Zudem gestaltet sich auf diese Weise der Anmerkungsapparat weniger umfangreich. 4 6 Groth gab unter Bezugnahme auf eine Berufszählung aus dem Jahr 1904 die Zahl der »zur Presse gehörigen Redakteure und Schriftsteller« mit 3560 an. Dazu wurden noch 1002 Berichterstatter und sonstige Journalisten gezählt, so daß dies eine Gesamtzahl von 4 5 6 2 Journalisten ergab. Da Groth weder eine Quellenangabe dazu macht noch sonst zu ermitteln war, auf was für eine Berufszählung er sich bezog, so daß auch nicht feststellbar ist, wie sich diese Zahl zusammensetzt, ist damit relativ wenig anzufangen. Vgl. Groth, Zeitung, Bd. 4, S. 64; Offenbar ist dies auch die Zahl, auf die sich Nipperdey bezieht, wenn er die Zahl der Journalisten für 1904 mit 4 6 0 0 angibt, vgl. Nipperdey, 1 8 6 6 - 1 9 1 8 , Bd. 1, S. 805. 47 Kürschner. Die Angaben beruhen auf einer Auszählung von 10% der angegebenen Zeitungen. Im Ausland erscheinende deutschsprachige Zeitungen wurden nicht berücksichtigt. W. Kronsbein gibt in seiner 1901 erschienenen Dissertation unter Berufung auf eine nicht veröffentlichte Untersuchung des Vereins deutscher Zeitungsverleger rund 1300 mindestens 6 mal wöchentlich erscheinende Zeitungen an. Vgl. Kronsbein, S. 12 Ohnehin variieren

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Anmerkungen zu S. 137-144 sämtliche Angaben über die Gesamtzahl von Zeitungen relativ stark, vgl. Groth, Zeitung, Bd. 1 , S . 202ff. 48 An Zeitungen, die 3 - 4 mal wöchentlich erschienen, verzeichnet Kürschner zu über 75% den Verleger bzw. Drucker als Redakteur, an zwei- oder einmal wöchentlich erscheinenden politischen Blättern zu über 90%. Es kann davon ausgegangen werden, daß, selbst wenn Verleger und Redakteur nicht identisch waren, der verantwortlich zeichnende Redakteur nur in den seltensten Fällen ein Berufsjournalist war. 49 Vgl. W. Jentsch. 50 Oben war angegeben worden, daß von dem Sample 209 Redakteure zwischen 1890 und der Jahrhundertwende ihren Beruf aufnahmen. Die mit 320 wesentlich höhere Zahl der 1899 tätigen Redakteure kommt dadurch zustande, daß 1899 noch eine große Zahl derer tätig waren, die bereits vor 1890 Journalist geworden waren. 51 Wuttke,S.220. 52 Die Prozentangaben wurden auf halbe Prozentpunkte gerundet. 53 Zu Max Bäckler vgl. NDB, Bd. 1, S. 334 u. DBA NF 5 6 , 1 9 - 2 6 . 54 Vgl. dazu bes. Baumeister sowie Mooser. 55 Vgl. Schmolte, Schlechte Presse, insbes. S. 181f. 56 Es gibt vermutlich kaum ein antisemitisches Pamphlet, in dem nicht auch die sog. »Verjudung der Presse« thematisiert wird. In allen Variationen ausgebreitet finden sich sämtliche Clichés über die angeblich von Juden beherrschte Presse bei Bauer; vgl. daneben Fritsch, S. 3 3 3 - 3 5 0 sowie Malbeck und nicht zuletzt: Treitschke, Bemerkungen; an neuerer Literatur zur Rolle der Juden im Pressewesen vgl. Koszyk, Beitrag. 57 Ente, Die Presse Berlin (II), S. 41. 58 Eine Zusammenstellung solcher Urteile findet sich bei Oebsger-Röder, S. 12ff. und S. 34ff. Vgl. auch Engelsing, Massenpublikum, S. 156f. 59 Weiß, S. 1. Über den Autor war nichts weiter zu erfahren. In jedem Fall ist er nicht identisch mit Guido Weiß, dem Herausgeber von Zeitschriften wie Die Zukunft und Die Wage und zeitweiligen Redakteur der Frankfurter Zeitung. 60 Ebd., S. 18f. 61 Vgl. Jacobi, Journalist, S. 150ff. 62 Nicht zuletzt Pfarrer wären hier noch zu nennen. 63 Die Prozentangaben wurden auf halbe Prozentpunkte gerundet. 64 Die Kategorie der »abgebrochenen Studenten« ist etwas vage, da häufig aus den biographischen Angaben nicht genau hervorgeht, ob das Studium abgeschlossen wurde oder nicht. Bei Formulierungen wie etwa: »hat mehrere Semester Philosophie studiert« wurde davon ausgegangen, daß das Studium nicht abgeschlossen wurde. 65 Auf die einzelnen Zeitabschnitte verteilen sich die Fälle folgendermaßen: 1800-1848:140 1849-1869:145 1870-1889:269 1890-1900:214 Anders als bei den Angaben zur sozialen Herkunft hält die Anzahl der bezüglich ihrer Vorbildung erfaßten Journalisten mit der Expansion des Berufe numerisch in etwa stand. 66 Vgl. Nipperdey, 1 8 6 6 - 1 9 1 8 , Bd. 1, S. 805. 67 Engelsing, Massenpublikum, S. 57. So sah Engelsing in dem Journalisten August Lammers, der 1852 einundzwanzigjährig Redakteur der Bremer Weser-Zeitung bereits die Verkörperung eines »neuen Typ des politischen Journalisten«, des Studenten ohne Examen. Vgl. ebd., S. 208f. Zu Lammers vgl. außerdem Emminghaus sowie ADB, Bd. 51, S. 536ff.

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Anmerkungen zu S. 145-148 68 Breitschwert, S. 97. Zu Breitschwert vgl. im übrigen: Müller-Palm, S. 45 und DBA 142, 103. 69 Vgl. Mauthner, S. 9: »So wie Höfliche auch heutzutage noch in Gegenwart von Juden gern das Wort >Israelite< gebrauchen, während sie unter sich sogar vor dem Ausdruck >Hebräer< nicht zurückschrecken, so wird der Litterat ins Gesicht ein >SchriftstellerZeitungsschreiber< genannt. Die Anrede >Herr Doktor< deckt sich mit allen diesen Bezeichnungen.« Vgl. auch ebd., S. 13. Mauthner war von 1895 bis 1905 Feuilletonredakteur des Berliner Tageblatts und zuvor Hg. und Redakteur verschiedener Zeitschriften; vgl. DBA 8 1 5 , 4 4 5 - 5 5 7 u. Klippel, S. 128f. 70 Zu Francke vgl. BrLHA Pr.Br. Rep. 30 Berlin C Tit. 9 4 Lit.F Nr.533 u. Holz. Zu Kayssler: DBA 633, 2 8 6 - 8 9 u. BrLHA Pr.Br. Rep 30 Berlin C Tit. 9 4 Lit.K Nr.820. Zu Kohut: DBA 688, 3 3 9 - 3 4 4 ; 50 fahre Ullstein, S. 12; DBA NF 739, 8 6 - 1 0 1 . 71 Zu Lenz vgl. Baasch, Zeitungswesen, S. 82-,DBA 7 5 4 , 2 5 9 - 2 6 1 ; ADS, Bd. 51, S. 645f. Zu Kronsbein: BrLHA Pr.Br. Rep 30 Berlin C Tit. 9 4 Lit.K Nr. 1114. Zu Contzen: DBANF 235, 357-358. 72 Zu G. Berhard vgl. DBANF 108, 2 7 4 - 9 6 und NDB, Bd. 2, S. 117. 73 Zu Menck vgl. A. Herrmann, S. 107fF. Das Fremdenblatt wurde 1828 als Beobachter an der Alster gegründet. Als kurzen Abriß zur Geschichte des Fremdenblatts vgl. Fromme. 74 Vgl. Engelsing, Massenpublikum, S. 228. 75 Zwar läßt sich im einzelen nie exakt feststellen, wieviele Redakteure tatsächlich über die gesamte Zeitspanne des Bestehens der Zeitungen im 19. Jahrhundert dort jeweils tätig waren. Die Genauigkeit der Jubiläumsschriften bzw. des vorhandenen Archivmaterials läßt jedoch den Schluß zu, daß von folgenden Zeitungen jeweils zwischen 60% und über 80% der Redakteure erfaßt werden konnten. Durch das Netz sind in erster Linie sehr kurzfristig beschäftigte Redakteure gefallen. Die Prozentangaben wurden auf ganze Prozentpunkte gerundet. 76 Die geringe Zahl von Journalisten, die beim Schwäbischen Merkur tätig waren, erklärt sich durch die enorme Stabilität der Redaktion. Nur vier der Redakteure waren unter 2 0 Jahre, sechs hingegen über 30, teilweise sogar über 4 0 Jahre dort beschäftigt. Vgl. O. Elben, Geschichte sowie ders., Lebenserinnerungen; unergiebig dagegen: A. Elben. 77 Von den Berliner Redakteuren des Jahres 1899 waren nur 20% dort geboren oder in früher Kindheit dorthin gezogen. Vgl. Erike, Die Presse Berlins (II), S. 41. 78 Es handelte sich dabei um Wolff von Vetterodt zu Schaffenberg, ehemals preußischer Leutnant. Über ihn schrieb Bachem an Frau von Leonrod: »Seit Anfang des Monats ist der letzte, fünfte Platz wieder bestezt mit einem Convertiten, Graf Wolff von Vettenroth zu Schaffenberg aus der Lausitz, von seinem Vater verstoßen, früher preußischer Leutnant. Bisher war er an der »Germania« und mir von dort gut empfohlen. Aber welch Täuschung! Er versteht kein Französisch, kein Latein, kein Englisch, kurz, so kenntnislos, unbedeutend und zugleich unfleißig ist von meinen zahlreichen Proberedakteuren noch keiner gewesen.« J. Bachem an Frau von Leonrod, 5.12.1875, HAStK, Best.1006,480, B1.331, sowie J. Bachem an Schaffenberg, 6.12.1875, ebd., B1.319, und J. Bachem an Schaffenberg 30.11.1875, ebd., Bl. 327. 79 Die Sparten, in denen die Journalisten tätig waren, sind nur teilweise überliefert. Die Angabe von 44% bezieht sich auf eine Gesamtzahl von 77 Fällen. 80 Häufig arbeiteten Journalisten im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit aber auch an einer Zeitung in mehreren Sparten mit. Aus Gründen der Vereinfachung wurden hier die Redakteure nur in jeweils der Sparte verzeichnet, in der sie hauptsächlich tätig waren. 81 Hierunter sind auch diejenigen zu finden, die keiner Sparte eindeutig zuzuordnen

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Anmerkungen zu S. 148-152 waren, u.a. Redakteure kleiner Zeitungen, die praktisch alle Sparten bearbeiteten, ohne allerdings für alle Texte zu verfassen. 82 In dieser Kategorie befinden sich auch diejenigen, die sich direkt im Anschluß an die Schule schriftstellerisch oder journalistisch betätigt haben. 83 Enke, Die Presse Berlins (II), S. 41, zählt in seiner Auswertung der Listen der Berliner Zeitungsredakteure (GStAM, Mdl, Rep77 Tit.54a Nr.19 Bd. 4 Bl. 257-273 u. Bd. 5 Bl. 1-35) insgesamt 114 Nicht-Akademiker im Jahr 1899 in Berlin. Die Zahl von 144 NichtAkademikern, die hier, verteilt auf das gesamte 19. Jahrhundert ermittelt wurde, erscheint damit zu gering. Enkes Angabe beruht jedoch auf einer anderen, sehr schematischen Zählung. Erstens berücksichtigt Enke die sog. Inseratenredakteure, die allesamt als Kaufleute verzeichnet sind. Dies waren jedoch keine Journalisten, sondern Angestellte für die Anzeigenakquisition. Zweitens zählt Enke die Herausgeber von Zeitungskorrespondenzen, häufig Buchhändler, mit, die hier aus erläuterten methodischen Gründen nicht berücksichtigt wurden. Zum dritten fuhrt die Liste teilweise auch nebenberufliche enge Mitarbeiter der Zeitungen auf, die Enke ebenfalls mitzählt. Schließlich blieben bei dem von mir erstellten Sample SPD-Zeitungen, d. h. in Berlin der Vorwärts, unberücksichtigt. Am Vorwärts waren 1899 im übrigen mindestens 6 der 15 Redakteure Akademiker. Demgegenüber standen mindestens fünf Redakteure, die aus der Arbeiterschaft zum Journalisten aufgestiegen waren (namentlich ein Töpfer, ein Maler, ein Tischler, ein Kellner und ein Zigarrenarbeiter). Über die restlichen vier Redakteure konnte nichts ermittelt werden. 84 Auf die Entstehung des Lokaljournalismus, über den es bislang kaum Literatur gibt, wird in anderem Zusammenhang noch ausführlicher eingegangen werden. 85 Zu Walter vgl. L. Ullstein, S. 207 u. Oehlke, S. 260ff. 86 Zu diesen Ausnahmen gehörte Johann Friedrich Niebour, der von 1805 bis 1840 die Hamburger Börsenhalle leitete, eine der ersten mehrmals wöchentlich erscheinenden Zeitungen mit dezidiert auf Wirtschaftsfragen konzentriertem Inhalt. Die Börsenhalle war 1805 gegründet worden, erschien nach zeitweiliger Unterdrückung durch die Franzosen von 1814 an 4 mal und seit 1819 6 mal wöchentlich. Vgl. Baasch, Zeitungswesen, S. 14 u.S. 46. Zu Niebour vgl. ebd. und DBA 899, 12-13. 87 Wie zur Lokalberichterstattung gibt es auch zur wirtschaftlichen Berichterstattung in der Presse kaum Literatur. Als eine der ganz wenigen Arbeiten zu dem Thema vgl. Schölten. 88 Die Anzeige ist dem Vertrag beigelegt worden. Vertrag Reinhold Kapff, 5.4.1877, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 89 Als man beispielsweise 1871 bei der Allgemeinen Zeitung einen Nachfolger für Adolf Bacmeister suchte, kam eine Empfehlung von einem Prof. Schreiber; bezüglich eines anderen Kandidaten empfahl der Chefredakteur Otto Braun der Verlagsbuchhandlung, sich bei einem Prof. Hoffman zu erkundigen. Braun an Cotta 15.3.1871 u. 4.4.1871, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 90 Zu den Vorgängen um die Neugründung und die Redakteure vgl. den Nachlaß Wehrenpfennig, GStAM, Rep 92 Abt. C I V Spenersche Zeitung. Zu Wehrenpfennig daneben: DBA 1340, 130. 91 Zur Geschichte der Saarbriicker Zeitung vgl. Bruch sowie Schilly. 92 Zu Dittrich vgl. Schilly, S. 92 sowie Dittrich an Wehrenpfennig, undat. (1874), GStAM, Nachlaß Wehrenpfennig, Rep Abt. C IV 3. 93 Hollenberg, S. 45f. 94 Wie oben bereits zitiert, vgl. Jacobi, Journalist, S. 150. 95 Hollenberg, S. 46. 96 Zu Zühlke vgl. Schilly, S. 105.

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Anmerkungen zu S. 153-160 97 Auf den Arbeitsmarkt fur Journalisten wird unten noch genauer einzugehen sein. 98 Zu Finger vgl. Besse!, S. 236. 99 Vgl. Lerg, S. 33. 100 Die Schwierigkeiten hängen zum Teil damit zusammen, dal? es weder brauchbare Jubiläumsschriften noch eine größere Anzahl von Monographien zu den Generalanzeigern gibt. Zu nennen wären hier von den älteren Arbeiten vor allem Arntz; HJ. Hofmann; Tenbergen; eine der ganz wenigen empirischen Arbeiten zur Generalanzeiger-Presse aus der Zeit nach 1945 ist Wolter, Generalanzeiger. 101 Die Zeitungswissenschaft hat häufig betont, daß ein Kriterium, das einen Generalanzeiger in jedem Einzelfall als solchen kennzeichnet, nicht existiert. Nicht jede Zeitung, die den Generalanzeigern ähnelte, führte diese Bezeichnung auch im Titel. 102 Über den Berliner Lokal-Anzeiger gibt es sehr wenig Quellen und Literatur. Als neueste Arbeit vgl. den Aufsatz von Stöber über den Lokal-Anzeiger und seinen Chefredakteur Hugo von Kupffer; aufgrund der Quellenarmut ist Stöber allerdings weitgehend auf bekanntes Material angewiesen und kann insofern den Kenntnistand nicht wesentlich vertiefen. Vgl. weiter die 12-seitige Jubiläumsausgabe von 1893: Berliner Lokal-Anzeiger 1883-1893; außerdem: Mendelssohn, insbs. S. 114—128; die Scherl-Biographie von Erman krankt ebenfalls an dem Problem der Quellenarmut und ist daher nur von begrenztem Nutzen. 103 Walther, S. 19; Jacobi, Journalist, S. 129. 104 Duboc, Politische Tagespresse, S. 47; in etwas veränderter Form bildet der Aufsatz auch die Einleitung zu: ders., Englische Presse. Zu Duboc vgl. DBA 2 5 4 , 3 9 8 - 3 9 9 . 105 Von den insgesamt 122 redaktionell angestellten sozialdemokratischen Abgeordneten zählte Waltraut Sperlich insgesamt 27 Akademiker, vier Studienabbrecher, vier Volksschullehrer, sieben, die eine kaufmännische Lehre absolviert hatten, sowie 75 Handwerker und Arbeiter. Vgl. Sperlich, S. 53. 106 Vgl. Kahmann, S. 113. Die Ergebnisse der Umfrage der Akademischen Auskunftsstelle finden sich zitiert, bei: Oebsger-Röder, S. 57ff. 107 Vgl. Stoklossa, S. 297. 108 Vgl. dazu mit weiterer Literatur Jarausch. 109 Verhandlungen über die Fragen des höheren Unterrichts, Berlin 4. bis 17.12.1890, Berlin 1891, S. 74. 110 Laube, Bd. 4 0 , S. 49. 111 Zur Entwicklung der Buchproduktion vgl. Rarisch, S. 2 1 - 2 4 , sowie Tabellenanhang, S. 9 8 - 1 0 1 u. S. 104. Zum Zusammenhang zwischen Akademikerschwemme und Ansteigen der literarischen Produktion vgl. O'Boyle, S. 303ff. 112 Gutzkow an Menzel, 11.10.1833, zit. nach Bürgel, S. 142. 113 Vgl. GStAM, Lit. Büro, 2.3.35, Nr. 228. Als Überblick über die Geschichte der Düsseldorfer Zeitung vgl. Stöcker, insbes., S. 39ff. 114 GStAM, Lit. Büro 2.3.35, Nr. 228, Bl. 96. 115 Bachem an Virnich 8.10.1867, HAStK, Best. 1 0 0 6 , 4 7 3 , B1.146; Bachem an Virnich 21.10.1867, ebd., B1.152; Zitat: Bachem an Virnich 11.1.1868, ebd., Bl. 231. 116 Bachem an von Leonrod-Schätzler, 22.1.1870, HAStK, Best. 1 0 0 6 , 4 7 9 , Bl. 222f. 117 Majunke war lediglich von Februar bis September 1870 bei der Volkszeitung beschäftigt. Vgl. Bachem an Majunke, 25.8.1870 HAStK, Best. 1006, 4 7 9 , Bl. 31 Iff.; Bachem an Majunke, 24.9.1870, ebd., B1.323; Bachem an Dieringer, 25.9.1870, ebd., Bl. 324f. Zu Majunke vgl. im übrigen: NDB, Bd. 15, S. 719f. 118 Zu Cardauns und Bachem vgl. Cardauns, Kölnische Volkszeitung, S. 27ff., sowie ders., Leben. Zu Bachem zudem: NDB, Bd. 1, S. 493.

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Anmerkungen zu S. 160-162 119 Es handelte sich dabei um Heinrich Schmidt, dem Bachem 1875 allerdings kündigte, als durch einen Scheidungsprozeß herauskam, daß er eine Beziehung mit einer verheirateten Frau hatte. Vgl. Bachem an Schmidt, 28.3.1874, HAStK, Best. 1006, 4 8 0 , Bl. 196. Zu Schmidt vgl. daneben: Cardauns, Kölnische Volkszeitung, S. 21. 120 Cotta-Verlag an Karl v. Cotta. 27.3.1875, DLAM Cotta Hss. Slg., A Z I B7, Briefe an Karl v. Cotta. Im Verlag war man der Meinung, daß zumindest eine der Bewerbungen brauchbar gewesen wäre. 121 Zit. nach Jessen, S. 332f. 122 Wintzer,S. 103. 123 Dies ergibt sich sowohl aus zeitgenössischen Stellungnahmen zu der Frage, wie man aus der großen Anzahl an Bewerbern die richtigen heraussuchen solle, (vgl. insbes. Wintzer) sowie aus den Materialien der Archive. Unter Bewerbungen, die sich dort finden, ist immer ein hoher Anteil an Akademikern, so etwa 1872 unter den Bewerbungen für die Neugründung der Spenerschen Zeitung, vgl. GStAM, Nachlaß Wehrenpfennig, Rep 9 2 , C IV 3. Das gleiche gilt fur eine Anfang 1892 ausgeschriebene Stelle an der Allgemeinen Zeitung, vgl. DLAM Cotta Hss. Slg., AZ 3, 2, Redakteure und Mitarbeiter. 124 Oehlke, S. 280. 125 Vgl. Posse, 38 Jahre. Mit Ernst Posse, der die Stelle bekam, tat man einen guten Griff. Er blieb zeitlebens Redakteur der Kölnischen Zeitung, die er seit 1901 als Chefredakteur leitete. Die Forderung, daß der Bewerber fur einen Redakteursposten noch keine journalistische Erfahrung haben sollte, war anscheinend so exotisch nicht. 1867 schrieb Joseph Bachem an einen Bewerber: »Unter den vielen Bewerbungen habe ich diejenigen in die erste Reihe treten lassen, welche ... bis jetzt noch keine anderweiten Stellungen bekleidet haben, daher von Hofmann und mir am leichtesten das annehmen, was bei uns eine langjährige Erfahrung herausgebildet hat.« Vgl. Bachem an Virnich, 8.10.1867, HAStK, Best. 1006, 4 7 3 , Bl. 146. 126 Wintzer, S. 104. 127 Zu den zyklisch auftretenden »Überproduktionskrisen« in den einzelnen akademischen Berufen vgl. neben Jarausch insbes. auch Titze. 128 Ein gewisses Problem bei der Erstellung der Tabelle waren die Fächerkombinationen. Um die Tabelle einerseits nicht zu unübersichtlich zu gestalten und andererseits nicht zu sehr zu vereinfachen, wurde dabei folgender Weg eingeschlagen. Bei den Fächern Theologie und Nationalökonomie (bzw. Staatswissenschaften), die zu einem großen Teil oder sogar fast ausschließlich in Kombination mit anderen Fächern studiert worden sind, wurde die Gesamtzahl derer, die dies Fach studiert haben in Klammern gesetzt. Ansonsten wurden überall dort, wo ein Hauptfach nicht eindeutig erkennbar war, beide Fächer aufgenommen. Auf diese Weise kommt eine Gesamtprozentzahl von leicht über 100 heraus. Die Prozentangaben wurden auf ganze Prozentpunkte gerundet. 129 Hier wurden sämtliche Fächer der Philosophischen Fakultät mit Ausnahme von Mathematik zusammengefaßt. Da diese Fächer erstens ohnehin häufig untereinander kombiniert studiert wurden und zweitens die Angabe von »Philosophie« als Studienfach als eine Art Sammelbegriff für die Fächer der Philosophischen Fakultät genommen wurde, wäre eine weitere Aufschlüsselung wenig sinnvoll gewesen. In der schon mehrfach zitierten Liste der Berliner Redakteure aus dem Jahr 1899 (GStAM, Mdl, Rep 77 Tit 54a Nr.19 Bd.4 B l . 2 5 7 - 2 7 3 u. Bd. 5 Bl. 1 - 3 5 ) ist ganz deutlich, daß mit der Angabe »hat Philosophie studiert« sämtliche Fächer der Philosophischen Fakultät gemeint sind. Enke verkennt das in seiner Auswertung und kommt so zu dem irrigen Ergebnis, nur drei der Redakteure hätten

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Anmerkungen zu S. 162-167 Geschichte, acht Philologie, aber 95 Philosophie studiert. Vgl. Enke, Die Presse Berlins (II), S. 41. 130 Der Anteil der Mediziner beträgt mit Schwankungen insgesamt gut die Hälfte. Daneben finden sich sieben Ingenieure und jeweils einige wenige Mathematiker, Chemiker und Physiker. 131 Für die einzelnen Zeitabschnitte ergeben sich dabei folgende Zahlen 1 8 0 0 - 1 8 4 8 : 87; 1 8 4 9 - 6 9 : 87; 1870-89: 136; 1 8 9 0 - 1 9 0 0 : 123. 132 Titze, S. 108. 133 Ebd., S. 103; Jarausch, S. 126f. 134 Das Berliner Tageblatt scheint eine der ersten Zeitungen gewesen zu sein, die spezielle Redakteure für diesen Bereich eingestellt hat. In den siebziger Jahren redigierte der Chemiker Emil Jacobsen die Sparte »Hauswirtschaft und Gewerbe«, in der u.a. technische Neuerungen und ähnliches vorgestellt wurden. Seit Ende der siebziger Jahre war Julius Stinde, ebenfalls Chemiker, fur die Techniksparte (»Technologische Plaudereien«) zuständig. Vgl. Klippel, S. 73 u. S. 134f. Literatur zu diesem Bereich gibt es praktisch nicht. 135 Wintzer,S. 103. 136 Die Prozentangaben wurden auf ganze Prozentpunkte gerundet. 137 Es handelte sich dabei um Fritz von Briesen, Max Dengler, Julius Elbau, Heinrich Rippler und Wilhelm Wedekind. Zu Briesen: BrLHAP, Pr. Br. Rep 30 Berlin C Tit 9 4 Lit Β Nr. 1386 sowie DBANF 1 7 8 , 3 5 0 ; zu Dengler: Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 1026; Zu Elbau: Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 1027 sowie zu seinerweiteren Karriere: W. Becker, S. 284f.; zu Rippler: Adam, S. 38, sowie DBA NF 1079, 3 2 9 - 3 3 2 ; zu Wedekind: BrLHAP, Pr. Br. Rep 30 Berlin C Tit 9 4 Lit W Nr.691 sowie DBA 1338, 301. 138 Darüber, wann Redaktionen spezielle Volontärstellen einrichteten, ließ sich nur wenig ermitteln. Alfred Oelhke, Chefredakteur der Breslauer Zeitung seit 1896, schrieb, die ständig an ihn gerichteten Gesuche »junger Leute, die sich dem Journalismus widmen und zu diesem Behufe als Redakteure gründlich ausgebildet werden wollten, veranlaßten mich, in der Redaktion eine Volontärstelle einzurichten.« Oehlke nennt keine genaue Jahreszahl, es muß aber etwa 1898 gewesen sein. Vgl. Oehlke, S. 280. Hinweise auf »Volontäre« in den Redaktionen finden sich seit den späten siebziger Jahren. 139 Ruppel, S. 10. 140 Die Berechnung beruht auf 106 Angaben fur die Zeit zwischen 1800 und 1848 und auf 79 Angaben für die Zeit zwischen 1890 und 1900. 141 Trefz, Lage, S. 126. Trefz war seit 1900 Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, vgl. Holz, S. 197. 142 Streißler, S. 4. 143 Zur Geschichte der Rheinischen Zeitung vgl. Klutentreter; zu Marx' Tätigkeit insbes. S. 63-71. 144 Zu Andree, Hermes und Brüggemann: Buchheim, Bd. 2, S. 2 5 1 - 2 7 2 . Daneben zu Andree: ADB, Bd. 46, S. 12ff.; zu Hermes: ADB, Bd. 12, S. 199f.; zu Brüggemann: ADB, Bd. 3, S. 4 0 5 u. KöZ, Nr.183, 4.7.1887 (Nek.); zu seinem erzwungenen Rücktritt von der Chefredaktion der Kölnischen Zeitung vgl. seine eigene Schrift: Brüggemann. 145 Lang, S. 102. 146 Zu Kolb vgl. neben Lang und Heyck die neue Biographie von Duczek. 147 »Bedingungen, unter welchen dem Buchhändler Gustav Bernhard Schünemann die Concession zur Herausgabe einer in Bremen erscheinenden, vorzugsweise der Mitteilung von Handels- und Schiffahrts-Nachrichten gewidmeten politischen Zeitung erteilt ist.« Zit. nach D. Meyer, S. 37f.

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Anmerkungen zu S. 168-172 148 Jessen, S. 263f. In den Presseakten des preußischen Innenministeriums sowie den Presseakten des Berliner Polizeipräsidenten waren dererlei Bestimmungen nicht zufinden,was einerseits mit dem Umfang dieser Aktenbestände zusammenhängen mag, auf der anderen Seite darauf zurückzufuhren sein kann, daß Bestimmungen dieser Art eher informeller Art waren. 149 Zur Entwicklung der Kölnischen Zeitung im Vormärz vgl. Buchheim, Bd. 2. 150 Zu Becker vgl. Hackenberg sowie ADB, Bd. 46, S. 315f. 151 ADB, Bd. 47, S. 316ff. 152 Zur staadichen Kontrolle der Presse in den fünfziger Jahren vgl. Siemann, Kontrolle, insbes. S. 294; der Aufsatz ist weitgehend textgleich mit dem Abschnitt über »Staat, Presse und Buchmarkt in den fünfziger Jahren« in: ders., Gesellschaft. 153 Zu Michaelis vgl. Friehe, S. 21 Of. 154 Dresdner Nachrichten, Nr. 327, 1858; zit. nach: Fiedler, S. 27. Nach verschiedenen journalistischen Fehlversuchen gründete Schanz ein Anzeigenbüro, ein Vermittlungsinstitut fur Dienstmädchen und ein Antiquitätengeschäft, alles mit wenig Erfolg. 1864 ging er schließlich nach Italien, wo er durch Beiträge zur Dantefeier Professor in Como und später in Rom wurde. Zu Schanz vgl. Zeißig, S. 231ff; DBA 1089,100-104. 155 Zu Steinitz vgl. Wrede, Berlin, S. 607f.; die kürzlich erschienene Dissertation von Frölich bringt zu den Redakteuren nichts Neues. 156 Hoeber, S. 39. 157 Im Stadtarchiv Wuppertal lagern in den Beständen des Giradet-Archivs verschiedene unveröffendichte Manuskriptteile von Karl Wülfrath, darunter ein Aufsatz mit dem Titel: »Hamburgs Linksliberalismus 1888 bis 1932« sowie ein Kapitel eines geplanten Buches. Das Kapitel ist überschrieben mit »Die Zeitungen von 1893 bis 1902«. Zu Flach vgl. Wülfrath, Linksliberalismus. S. 5; ders., Zeitungen, S. 8.58 (darin abgedruckt sein Nachruf aus dem GA für Hamburg-Altona, 18.8.1895); daneben: DBA 326, 21-23. 158 Vgl. Richarz, Bd. 2, S. 32f. Nipperdey, 1866-1918, Bd. 1, S. 396ff. 159 Zu Stern vgl. Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 151 u.S. 1018f.; Nekrolog in: FZ, 16.12.1902 Ab.; das Heftchen von Nassauer, bringt wenig Informationen, dafür aber ein paar nette Anekdoten. 160 DBA 1085, 406; Baasch, Zeitimgswesen, S. 47 u. S. 49; Schaedder blieb nur zwei Jahre an der Neuen Hamburger Zeitung, war aber offenbar weiter journalistisch tätig, da er um 1847 wieder als Redakteur der Börsenhalle auftaucht. 161 Stapel, S. 139ff.(Bayr. HStA München M Inn Nr.251081, Schreiben vom 26.1.1836.) 162 GStAM, Lit. Büro 2.3.35, Nr.43, Bl.1-2. Erich, der 1819 geboren war, blieb mindestens bis Anfang der neunziger Jahre Redakteur des Staats-Anzeigers bzw. mit anderen Tätigkeiten im Literarischen Büro befaßt. Er starb 1894. 163 Max Kübel an Kruse 10.2.1896, HHID, NL Heinrich Kruse. 164 Mensi von Klarbach an Cotta, 3.1.1891, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br.; Mensi hatte vom Verlag die Kündigung bekommen und wehrte sich mit dem Argument dagegen, man entlasse ihn »so ziemlich vis-à-vis de rien«. 165 Bei den letzteren handelte es sich um Albert von Versen, der Ende des Jahrhunderts Redakteur der Berliner Neuesten Nachrichten war, und um Heinrich Blankenburg, seit 1872 Redakteur und von 1876 bis 1890 Chefredakteur der Schlesischen Zeitung. Zu von Versen vgl. GStAM, Mdl, Rep 77 Tit 54a Nr.19 Bd.5 B1.33. Blankenburg saß von 1870 bis 1873 fur die Freikonservativen im Reichstag und wurde 1885 geadelt, vgl. Jessen, S. 322f.; DBA 106,248; Schles. Ztg., 6.1.1897 (Nek.). 166 Vgl. KöZ, 25.11.1913 (Nek.); FZ, 26.11.1913 (Nek.).

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Anmerkungen zu S. 173-182 167 Biedermann, Leben, S. 126. 168 J. Bachem, S. 31. Vgl. daneben zu Bachem: Cardauns, Kölnische Volkszeitung, S. 27 u.ö.; NDB, Bd. 1, S. 493. 169 Julius v. Gosen an Cotta, 30 6.1869, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. sowie v. Gosen an Cotta 23.8.1869, ebd.; Vertrag v. Gosen, 25.11.1869, ebd., Vertr. 3. 170 Rudolf Schreiber an Cotta, 2.7.1878, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 171 Jolly starb bereits ein Jahr später, am 20.2.1898. Heyck, S. 340; DBA 610, 2 0 7 - 1 4 ; Im DLAM befinden sich lediglich zwei Briefe von Jolly. 172 Bücher, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 215. Zu Bücher vgl. daneben: Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 154 u. S. 416; NDB, Bd. 2, S. 718f. 173 Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 638. 174 Perfall, S. 4f. 175 Robert Kohlrausch hatte am Polytechnikum in Hannover studiert und war anschließend Regierungs-Baufiihrer. Nebenher schrieb er Theaterkritiken und wurde 1878 im Alter von 28 Jahren Feuilletonredakteur des Hannoverschen Courier. Seit 1895 lebte er als freier Schriftsteller in München. Vgl. Kuntzemüller, S. 60f. sowie DBA NF 738, 2 8 0 - 2 8 1 . Genauso war Friedrich von Gutbier, in den neunziger Jahren Feuilletonredakteur der Deutschen Warte, ursprünglich Ingenieur gewesen. GStAM, Mdl, Rep 77 Tit 54a Nr. 19 Bd. 5 Bl. 24; DBA 4 4 0 , 327. 176 Bei der Germania waren seit der Gründung bis zur Jahrhundertwende mindestens drei Priester tätig, von denen wiederum mindestens zwei, Paul Majunke und Adolf Franz ihr Priesteramt wieder aufnahmen. Zu Majunke vgl. NDB, Bd. 15, S. 719. Zu Adolf Franz: DBA 340, 124; Kosch, Sp. 817. Bei der Kölnischen Volkszeitung war außer Majunke, der 1870 hier kurz Redakteur war, mit Philipp Huppert zumindest ein weiterer Priester hauptberuflich tätig, und zwar von 1891 bis 1906. Vgl. K. Bachem, Bd. 3, S. 108. 177 Vgl. Zöllers Autobiographie sowie: DBA NF 1452, 2 7 - 4 5 . 178 Engelsing, Massenpublikum, S. 57. 179 Die Prozentangaben wurden auf halbe Prozentpunkte gerundet. 180 Fontanes journalistischer Tätigkeit wird in seinen Biographien meist nur wenig Beachtung geschenkt. Relativ ausfuhrlich dazu Reuter; vgl. daneben Fontanes autobiographischen Werke, insbes. Fontane, Zwischen zwanzig und dreißig. 181 Zu Schücking vgl. ADB, Bd. 32, S. 643, daneben seine Memoiren: Schücking; zu Lindau: DBA 7 6 6 , 4 4 9 - 4 5 6 sowie seine Autobiographie: Lindau. 182 Zu E. Walter vgl. Oehlke, S. 260ff.; zu Oehlke vgl. ebd. sowie DBANF962, 328-331; DBA NF 962, 3 2 8 - 3 3 1 . 183 Zu Hirth vgl. Endres, sowie DBA 543, 4 1 7 - 4 1 9 . 184 Oehlke, S. 280. 185 Zu Cohn vgl. Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 151 u. S. 153. 186 Heyck, S. 155f.; ADB, Bd. 25, S. 416; DBA 942, 2 3 4 - 2 3 5 . 187 Riehl an Cotta, 16.12.1853, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. Zu Riehl vgl. ADB, Bd. 53, S. 362; DBA 1 8 8 - 2 1 4 ; Geramb, insbes. S. 172ff. 188 DBA 1 0 8 7 , 4 2 - 1 8 . 189 Zöller, S. 221. Zöller hatte wohl darauf gehofft, Nachfolger von Robert Nachtigal als Generalkonsul von Tunis zu werden, dessen Karriere ihm auch als Vorbild diente. Nachtigal war als Arzt nach Afrika gegangen, wo er sich bald als Afrikaforscher betätigte und dadurch zum Propagandisten deutscher Kolonialpolitik wurde. 1882 machte ihn Bismarck zum Generalkonsul von Tunis. Vgl. ADB, Bd. 23, S. 1 9 3 - 1 9 9 .

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Anmerkungen zu S. 183-189 190 Zu Müllers Zeitungsprojekt vgl. Baxa, S. 125. Daneben ADB, Bd. 2 2 , S. 5 0 1 - 1 1 , Zitat, S. 505. 191 Vgl. Bahrs sowie NDB, Bd. 2, S. 701f. 192 ADB, Bd. 12, S. 200. 193 ADB, Bd. 4 5 , S. 331-334. Die Preußische Staatszeitung wurde 1843 in Allgemeine Preußische Zeitung und 1884 in Preußischer Staatsanzeiger umbenannt. 194 Zu Hahns Tätigkeit an der Schlesischen Zeitung vgl. Jessen, S. 274f.; daneben ADB, Bd. 13, S. 793 u. Bd. 4 9 , S. 709; DBA 4 6 0 , 3 1 5 - 3 1 6 . Hahn hatte Theologie studiert und war von 1 8 4 2 - 4 8 als Erzieher in Paris tätig gewesen. 195 Heyck, S. 161. 196 Vor allem in den ersten Jahren seiner Redakteurstätigkeit in Augsburg schrieb Orges immer wieder seitenlange Briefe an Cotta mit Programmentwürfen fur die Allgemeine Zeitung, die alle auf eine stärkere Anbindung der Zeitung an Österreich hinausliefen. Auf die Auseinandersetzungen wird in anderem Zusammenhang noch ausfuhrlich zurückzukommen sein. Vgl. Orges an Cotta 1 8 5 1 - 1 8 6 3 , DLAM Cotta Hss. Slg., Br. Zu Orges vgl. daneben Heyck, S. 1 5 8 - 1 6 2 ; ADB, Bd. 55, S. 5 6 5 - 5 7 6 . 197 Zu Michaelis vgl. Friehe, S. 210f.; zu Eckart vgl. seine Memoiren, J. v. Eckart sowie DBA 2 6 5 , 2 9 - 3 0 . 198 Zu Mancke vgl. BrLHAP Pr.Br., Rep 30 Berlin C Tit 9 4 Lit M Nr.909; DBA NF 850, 39. Zu Wendlandt: GStAM, Mdl, Rep. 77 Tit. 54a Nr.19 Bd. 5 Bl. 28; Mann, S. 2458. 199 Die Kölnische Zeitung sowie der Kölner Stadtanzeiger widmete Steller aus Anlaß runder Geburtstage und anläßlich seines Todes im Jahr 1931 wiederholt Artikel: KöZ, 17.3.1920; KöZ, 15.3.1930; KöZ, 29.8.1931, (Nek.); KStA, 29.8.1931 (Nek.). 2 0 0 Zu Schönfeld vgl. DBA NF 1177, 6 3 - 6 6 . 201 Zu Heinrich Laube vgl. neben seinen Erinnerungen ADB, Bd. 51, S. 7 5 1 - 7 9 0 ; zu Titus Ullrich: DBA 1 2 9 4 , 1 5 2 - 1 5 5 , ADB, Bd. 39, S. 2 0 1 - 2 0 3 . Blumenthal war von 1876 bis 1887 Feuilletonredakteur des Berliner Tageblatt, und leitete das Lessing-Theater bis 1898. Vgl. Klippel, S. 123f.; DBA 110, 4 1 1 - 1 1 8 . 202 Feodor Wehl war in den sechziger Jahren Redakteur der in Hamburg erscheinenden Reform und der Dresdener Constitutionellen Zeitung, vgl. DBA 1 3 3 9 , 4 5 5 - 4 6 4 ; ADB, Bd. 4 4 , S. 448f. 203 Die Zahlenangaben beruhen wiederum auf einer Auszählung der fur das Jahr 1899 vom Reichsinnenministerium erstellten Liste der Berliner Redakteure. GStAM Rep77 Tit 54a Nr.19 Bd. 4 u. 5. 2 0 4 Theoretisch wäre es möglich, auf der Basis des Sample zu errechnen, an wieviel verschiedenen Zeitungen in wieviel verschiedenen Städten fur wie lange Zeit die Journalisten durchschnittlich tätig waren. Doch da gerade in diesem Bereich die biographischen Angaben am wenigsten vollständig sind, wären die quantitativen Angaben nur mit so großen Einschränkungen interpretierbar, daß eine vorwiegend qualitative Auswertung des Sample von vornherein sinnvoller erscheint. 205 Beurmann u. Dingelstedt, S. 249. 2 0 6 DBA 1061, 3 7 9 - 3 8 4 ; Buchheim, Bd. 2, S. 47; vgl. daneben auch die Spitzelberichte über Rousseau in: Glossy, S. 42 u.ö. 207 Vgl. Steuer, S. 63 u. S. 68. 1828 erschienen allein in München 18 Zeitungen und Zeitschriften; drei Jahre zuvor waren es noch 10 gewesen. Cotta hatte sogar überlegt, als Folge der Zensurfreiheit die Allgemeine Zeitung nach München zu verlegen. 208 Adler, Bd. 1, S. 183. Vgl. außerdem zu dem Fall: H. Müller, S. 81.

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Anmerkungen zu S. 189-206 209 Bucheim, Bd. 3, S. 101. Nach seiner Ausweisung aus Mainz war Bölsche zunächst als Redakteur in Wiesbaden tätig gewesen. 210 Zu Kohut und seiner Ausweisung vgl. BrLHA Pr.Br. Rep 30 Berlin C Tit 95 Lit Κ Nr.858; daneben: DBA 688, 3 3 9 - 3 4 4 ; DBA NF 739, 8 6 - 1 0 1 . 211 Zu Oehlke wie Anm. 182 dieses Kapitels. 212 Zur Geschichte des Zeitschriftenwesens vgl. v.a. Kirchner. 213 Chezy, S. 16. 214 Die Deutsche Rundschau wurde 1874 von Julius Rodenberg gegründet und bis 1914 geleitet. Vgl. Haacke sowie Wolter, Deutsche Rundschau. Zu Hardens Zukunft, die 1892 von ihm gegründet wurde und bis 1922 unter seiner Leitung bestand, vgl.: Young; Weiler, Harden; ders., Zukunft. 215 Trotz reichhaltiger Literatur zu den verschiedensten Aspekten der Gartenlaube gibt es nur äußerst spärliche Informationen über die Geschichte der Zeitschrift selbst, vor allem außerhalb des Wirkungsbereichs Ernst Keils. Vgl. am ehesten: Prölß sowie Feißkohl. 216 Ignaz Kuranda hatte Die Grenzboten 1841 in Brüssel gegründet, siedelte aber mit der Zeitschrift bald nach Leipzig über, wo sie durch Friedrich Wilhelm Grunow verlegt wurde. Kuranda leitete Die Grenzboten bis 1848. Vgl. Naujoks, Grenzboten. 217 Zum Kladderadatsch vgl. R. Hofman; Schulz; Heinrich-Jost. 218 Auch zu diesen beiden Zeitschriften gibt es praktisch keine Literatur. Die meisten Informationen sind zu finden bei de Mendelssohn. 219 Vgl. Anm 214. 2 2 0 Einen Einblick in diesen Bereich des Journalismus erhält man aus einer aus dem Jahr 1940 stammenden, sehr detailliert aus den Quellen gearbeiteten Studie über die Müncher Press e: Harrer. 221 ADB, Bd. 48, S. 700. 222 Harrer, S. 147. 223 K. Jentsch, Bd. 2, S. 133. 224 Ebd., S. 135f.; das folgende Zitate, ebd. 225 Ebd., S. 152. 226 Ebd., S. 153. 227 Ebd., S. 172. 228 Vgl. ebd., S. 172f. 229 BrLHAP, Pr. Br. Rep 30 Berlin C Tit 9 4 Lit. U Nr.128; zu Leckert vgl. Bl. 50f. 230 Ebd., Lit S Nr.l943; aus der Akte geht nicht hervor, aus welchem Grund sie angelegt wurde. 231 Zu Wienecke: ebd., Lit. W Nr.812; zu Bloch: ebd., Lit Β Nr.l271. 232 Ebd., L i t S N r . 1 8 8 1 . 233 Vgl. Dovifat, Zeitungen, S. 36ff.; Groth, Bd. 4, S. lòffi; Koszyk, Presse, S. 226ff. Nipperdey greift die These insoweit auf, als er meint, die großen Zeitungen, wie die Frankfurter Zeitung, die Kölnische Zeitung oder das Berliner Tageblatt hätten »Redaktionen von großer Unabhängigkeit gegenüber den Verlagen« gehabt. Weitergehender Spekulationen enthält er sich jedoch. Vgl. Nipperdey, 1 8 6 6 - 1 9 1 8 , Bd. 1, S. 807. 234 Dovifat, Zeitungen, S. 38. 235 Bücher, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 217. 236 Ebd., S. 216. 237 Quarck, insbes. S. 5f. Zu Quarck vgl. Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 416; Sperlich, S. 206f. 238 Zu den internen Auseinandersetzungen vgl. insbes. Mergel, S. 203ff.

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Anmerkungen zu S. 206-213 239 J. Bachem an J. Bumüller, 7.10.1870, HAStK, Best. 1006, 479, Bl. 326. 240 Joseph Bachem an Julius Bachem 14.6.1874, HAStK Best. 1006,480, Bl. 211f. 241 Spielhagen, S. 386. 242 Vgl. Cardarne, Kölnische Volkszeitung, S. 21 u. S. 35. 243 Vgl. Bucheim, Bd. 4, S. 60. 244 Heinrich Korn an Christian Petzet, 16.5.1868, BStBM, Petzetiana IX. Petzet verließ 1876 die Schlesische Zeitung wegen Auseinandersetzungen mit seinem Kollegen Heinrich Blankenburg, der die politische Leitung der Zeitung zunehmend für sich beanspruchte. Petzet ging anschließend zur Allgemeinen Zeitung nach Augsburg, blieb aber mit Korn in soweit in Kontakt, als man Höflichkeitsbriefe zu Geburtstagen etc. austauschte. Zum Streit mit Blankenburg vgl. Jessen, S. 322ff. 245 Otto Braun an Cotta, 10.11.1862, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br.; Braun bringt einige Beispiele für Altenhöfers penible Korrekturen an seinen Artikeln. Altenhöfer war bereits seit 1833 Redakteur der Allgemeinen Zeitung und wurde nach dem Tod Gustav Kolbs 1865 auch nominell Chefredakteur, nachdem er diese Position faktisch schon seit Jahren innegehabt hatte, da sich Kolb aus Krankheitsgründen immer mehr zurückzog. Zu Altenhöfer vgl. Heyck, S. 147f.; ADB, Bd. 55, S. 431-34. 246 Otto Braun an Cotta, 23.2.1870, DLAM Cotta Hss. Slg., Br. 247 Zu den Besitzverhältnissen bei den deutschen Zeitungen vgl. Rietschel. 248 Straßburger Post, 8.12.1890, Nr.340. Die Straßburger Post war ein Ableger der Kölnischen Zeitung. 249 Streißler, S. 74. Streißler trennt nicht eindeutig zwischen Schriftstellern und Journalisten und verwendet teilweise die Bezeichnung »Schriftsteller« als Oberbegriff. 250 Jacobi, S. 173. 251 Vgl. ebd., S. 174f. 252 Koszyk, Presse, S. 227. Auch Nipperdey schreibt, die ökonomische Lage der Journalisten sei »unterschiedlich und kaum glänzend« gewesesen. Nipperdey, 1866-1918, Bd. 1, S. 805. 253 Zu den Gehältern preußischer Beamter vgl. Siile, S. 109f. 254 Wuttke, S. 25. 255 Weiß, S. 24; USbl, S. 191. 256 Als 1837 durch den Zollverein die Währungsfragen geklärt wurden, entsprachen 24V4 Gulden 14 Talern, d.h., daß ein Gulden 0,57 Talern entsprach. 257 Johann Friedrich Cotta hatte 1822 ein repräsentatives Verlagshaus mit Wohnungen für die Redakteure gekauft. Vgl. Heyck, S. 87. Auch bei anderen Zeitungen bekamen die Redakteure teilweise die Wohnung gestellt. 258 Schillers Vertrag mit Cotta ist abgedruckt in: Vollmer, S. 9; eine Aufstellung von Posselts Honorar vgl. ebd., S. 694. Zu Kolbs Honorar von 1838 vgl. Duczek, S. 345; die Honorare der Redaktion von 1845 vgl. DLAM, Cotta Hss. Slg., Verzeichnis sämtlicher Correspondenten der Allgemeinen Zeitung nach Ländern geordnet im Oktober 1845; Zu den Zeitschriftenhonoraren vgl. Steuer, S. 34 u. S. 75. 259 Zu den Gehältern bei der Leipziger Zeitung vgl. Witzleben, S. 129 u. S. 135f. Weitere Angaben vgl. Groth, Zeitung, Bd. 4, S. 86ff.; Stöpel, S. 89; Buchheim, Bd. 2, S. 52; Engelsing, Zeitung, Sp. 918f. u. Sp. 928f. 260 Zu den Gehältern von Gymnasiallehrern und Professoren vgl. zusammenfassend Wehler, Bd. 2, S. 515ff. 261 Schäffle, Aus meinem Leben, Bd. 1, S. 39.

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Anmerkungen zu S. 214r-217 262 Zum Bayrischen Landboten vgl. Steuer, S. 62. Die Gehaltsangaben der Freiburger Zeitung bei Groth, Zeitung, Bd. 4 , S. 87. 263 Vgl. Buchheim, Bd. 3, S. 98 u. S. 103, Bd. 4 , S. 2 0 , S. 23 u. S. 121. 2 6 4 1 Taler = 3 Mark. 265 Vgl. Siile, S. 109f.; folgender Auszug aus der von Siile erstellten Tabelle zu den Bruttogehältern der preußischen Beamten soll den Vergleich erleichtern (alle Angaben in Mark): Jahr Rp Rr Rs/B Kb 1850 9000 3600 2250 1425 1860 10800 3900 2400 1650 1870 10800 4500 2400 1650 1880 13500 5670 3216 2316 1890 13500 5670 3216 2316 1900 14100 6280 3366 2541 Rp=Regierungspräsident; Rr=Regierungsrat; Rs/B=Regierungssekretär/ Buchhalter; Kb=Kanzleibeamte. 266 Die meisten Gehaltsangaben sind den Honorarbüchern der Allgemeinen Zeitung zu entnehmen; vgl. DLAM, Cotta Hss. Slg., Honorarbücher IV ( 1 8 5 4 - 6 8 ) , V ( 1 8 6 9 - 7 6 ) , VI ( 1 8 7 7 - 8 4 ) ; die übrigen Angaben sind der Korrespondenz der Redakteure mit dem Verlag entnommen, vgl. im einzelnen: Cotta Hss. Slg., Br., Otto Ballerstedt an Cotta, 1.4.1885, 7.1.1886, 26.5.1889, 26.8.1892; Hugo Jacobi an Cotta, 15.5.1889, 23.3.1889, 25.3.1892, 26.4.1892; Cotta an Richard Otto, 18.10.1892; Franz Günzel an Cotta, 30.1.1892, 22.9.1892; Hermann Diez an Cotta, 24.10.1892. Am 1. 1.1882 schrieb Otto Ballerstedt an den Verlag, er sei der einzige Redakteur, dem keine freie Dienstwohnung zur Verfügung gestellt würde. Nachdem durch den Umzug nach München im Oktober 1882 keine Wohnungen mehr fur die Redakteure zur Verfugung standen, zahlte der Verlag zusätzlich zum Gehalt Mietzuschüsse. 267 Otto Ballerstedt an Cotta, 16.3.1880, Cotta an Ballerstedt, 30.3.1880; Ballerstedt an Cotta, 1.1.1882, 1.4.1885, 7.1.1886, 26.5.1889, 24.6.1889, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. Vgl. auch Robert Landmann an Cotta, 20.4.1873, ebd. 268 So ging Richard Landmann 1872 zur Süddeutschen Presse, als die ihm ein höheres Angebot als die 2 5 0 0 Mark bot, die Cotta zahlte; Gadermann an Cotta, 28.10.1872; Gadermann an Otto Braun, 24.11.1872, ebd. 269 Jessen, S. 327f. u. S. 334. 270 GStAM, Nachlaß Wehrenpfennig, Rep 9 2 , C IV 4. 271 Feistle, S. 41. Die Angabe bezieht sich auf 1856. 272 GStAM, Literarisches Büro 2.2.35, Nr. 38, Bl. 6; ebd., Nr. 4 1 , Bl. 1. Beide Angaben beziehen sich auf 1858. 273 Ebd., Nr. 75, Bl. 64 u. Bl. 67. 274 Breitschwert, S. 97. Die Angabe bezieht sich auf 1858. 275 Schmidt, S. 21f. u. S. 88. Bis in die sechziger Jahre erhielten die beiden Redakteure der Zeitung dasselbe Gehalt. 1862 wurde dies zunächst auf 3600, 1864 auf 3900 und 1865 auf 4 2 0 0 Mark erhöht. Zumindest seit den siebziger Jahren wurden Originalartikel zusätzlich bezahlt. 2 7 6 Emminghaus, S. 116. 277 Baasch, Zeitungswesen, S. 106; Die Angabe bezieht sich auf 1878. 278 Hermann Grieben an Petzet, 1.6.1876, BStBM, Petzetiana IX, Die Angabe bezieht sich auf 1876.

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Anmerkungen zu S. 217-222 279 GStAM Lit 2.3.35, Nr.32, B1.46; Die Angabe bezieht sich auf 1871. 280 Die Angaben zu den Gehältern der Kölnischen Volkszeitung finden sich sehr verstreut in den Redaktionskopierbüchern der Zeitung. HAStK, Best. 1006. 281 Der Leipziger Generalanzeiger und der Generalanzeiger für Hamburg-Altona erschienen beide im Giradet-Verlag. Die Reste des Verlagsarchivs befinden sich im Stadtarchiv Wuppertal; Wilhelm Giradet an Richard Bühle, 13.7.1886, StAW, G 278, B1.46; Giradet an Lauer, 28.12.1888, ebd., B1.270. Bühle war zunächst der alleinige Redakteur des Leipziger Generalanzeiger, bevor Anfang der neunziger Jahre Georg Saski als Lokalredakteur eingestellt wurde. Zum Generalanzeiger für Hamburg-Altona vgl. ebd., Kopierbuch Essen 1894-1904, Bl. 30, Giradet an Eugen Aschaffenburg, 13.10.1894. 282 Engelsing, Massenpublikum, S. 245. Die Angabe bezieht sich auf 1882. 283 Max Kübel an Kruse 10.2.1896, H H I D , NL Heinrich Kruse. Die Angabe bezieht sich auf 1896. 284 Zu den Einkommen der Rechtsanwälte vgl. Siegrist, Advokat, S. 216ff. u. S. 519. 285 Engelsing, Massenpublikum, S. 246. Es ist bezeichnend, daß auch Engelsing, ohne einen Vergleich heranzuziehen, dieses Einkommen nur fur »mäßig« hielt. 286 David, S. 40. 287 Zu den Einkommensverhältnissen von Hugo von Kupffer vgl. BrLHA Potsdam, Pr. Br. Berlin C Tit 94 Lit. Κ N r . l 0 1 8 ; zu Presber: ebd., Lit. Ρ Nr.717; zu Schweitzer: ebd., Lit. S Nr.1895; zu Eckardt vgl. F.v. Eckardt, S. 15. 288 Der Dritte Deutsche Journalisten tag, S. 37ff. 289 Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 165. 290 Vgl. 50 Jahre Münchner Journalisten- und Schriftsteller-Verein, S. l l f f . 291 Satzungen der Pensionsanstalt deutscher Journalisten und Schriftsteller, München 1893; Jahresbericht der Anstalt für 1897. Die Angaben zu der Höhe der Auszahlungen sind einem Artikel der Allgemeinen Zeitung entnommen, die mehrere Beiträge zum Problem der Pensionskassen veröffendichte, vgl. AZ, N r . l l l , 1896. Vgl. auch Die Feder, Jg. 1, 1898, S. 3; Jg. 2, 1899, S. 85f., S. 95f., S. 104. 292 Anfang der neunziger Jahre zahlte der Verein immerhin an 50 bis 60 Mitglieder Invaliden- bzw. Ruhegehälter von durchschnittlich 600 Gulden aus; Vgl. Allgemeiner deutscher Journalisten- und Schriftstellertag München 1893, Protokoll des Leipziger Deligiertentages vom 15. bis 16. April 1893, S. 14. 293 Die Angaben in Kürschners Literaturkalender; Jg. 14,1892, S. 55; Jg. 16,1894, S. 27; Jg. 37, 1915, S. 66. 294 Schienther, S. 29. 295 Zu Blankenburg vgl. Jessen, S. 335. Zu Altenhofen DLAM, Cotta Hss. Slg., Honorarbuch V, 1869-76; wie aus einem Brief des Chefredakteurs Otto Braun an Cotta vom 28.11.1869 hervorgeht, hatte Altenhöfer allerdings mindestens 1200 Gulden erwartet. Zu den Pensionen von Frau Mebold und Frau Widemann vgl. Contractbuch II, 1849-67, Bl. 174f. Zur Kölnischen Zeitung vgl. Dumont-Schauberg, S. 30. 296 Joseph Bachem an Witwe D.Brückmann 7.8.1875, HAStK, Best. 1006,480, Bl. 303. 297 Jacobi, Journalist, S. 175. 298 Die gliederungstechnische Einordnung der Untersuchung der journalistischen Vereinigungen stellt ein Problem dar. Formal gehört sie zu dem Fragenkomplex nach der - im engeren Sinne verstandenen - Sozialgeschichte des Journalistenberufs. Inhaldich verweist die Darstellung in vielem bereits auf die später ausfuhrlich zu behandelnde Frage nach dem Selbstverständnis der Journalisten. So stellte das Kapitel eine Art von Scharnier dar, das zu beiden Teilen gehört und sie verbindet.

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Anmerkungen zu S. 222-229 299 Berliner Tageblatt, 25.7.1874. 300 Freund, S. 65. 301 Vgl. etwa Koszyk, Presse, S. 222. 302 Biedermann, Journalistentag, S. 1. Die relative Bedeutungslosigkeit der Journalistentage wird schon daran deutlich, daß es - abgesehen von dem Bericht Biedermanns über den ersten Journalistentag - sehr problematisch ist, die Verhandlungsprotokolle aufzutreiben. Viele der gedruckten Berichte sind nur durch Zufall - in Nachlässen oder Akten - oder gar nicht mehr aufzufinden. Sofern die genauen Daten bekannt sind, kann man jedoch auf Zeitungsberichte zurückgreifen. 303 Ebd., S. 11. 304 Am Vorbereitungstreffen hatten zudem teilgenommen: Actionär, Berliner BörsenZeitung, Chemnitzer Zeitung, Deutsche Jahrbücher, Deutsche Industriezeitung, Donauzeitung, Dorfzeitung, L'Europe, Frankfurter Reform, Grenzboten, Hannoversche Tagespost, Hessische Landeszeitung, Kemptener Zeitung, Kölnische Zeitung, Münchner Neueste Nachrichten, Pfälzer Courier, Rhein- und Ruhrzeitung, Ulmer Schnellpost, Wetterauer Bote, Zeitung für Norddeutschland und Meyer's Verlagsbuchhandlung. Auf dem ersten Deutschen Journalistentag waren zusätzlich vertreten: Allgemeine Auswandererzeitung, Allgemeine deutsche Arbeiterzeitung, Deutsche Wehrzeitung, Deutschland, Dresdner Journal, Elberfelder Zeitung, Erzgebirgische Arbeiterzeitung, Frankfurter Börse, Freiburger Zeitung, Gothaisches Tageblatt, Halberstädter Zeitung, Hildesheimer allgemeine Zeitung, Magazin ßr die Literatur des Auslandes, Nürnberger Korrespondent, Oder Zeitung, Politik, Preußisch-Litauische Zeitung, Schwäbischer Merkur, Thüringische Zeitung, Verkehrszeitung, Weimarische Zeitung; vgl. Biedermann, Journalistentag, S. 5 u. S. 7. 305 J.v. Eckardt, S. 42f. Was die Teilnahme der Kölnischen Zeitung angeht, so war sie zumindest auf dem ersten als auch auf dem dritten, wie auch auf späteren Journalistentagen durch ihren Chefredakteur Heinrich Kruse vertreten. 306 Vgl. dazu: Der Dritte Deutsche Journalistentag, S. 8. 307 Das projektierte Telegraphische Büro der deutschen Presse. Bericht für den 8. Deutschen Journalistentag zu Hamburg, Posen 1873. Der Bericht findet sich im Nachlaß Petzet in der BStBM, Petzetiana, VII, 12. Zum 9. Journalistentag in Baden-Baden vgl. die Berichte in der FZ, 28.7.1874, 1. Bl. u. 29.7.1874, 1.B1. 308 Der Dritte Deutsche Journalistentag, S. 34f. Zusammenfassend zu den Ergebnissen des Journalistentages vgl. die Vossische Zeitung, 19.5.1868. 309 Zu der Diskussion um das Reichspressegesetz auf den Journalistentagen in Breslau, München und Hamburg vgl. Naujoks, Entstehung, S. 56ff., S. 8 3 f f , S. 134. 310 Fr. v. Stauffenberg an H. Marquardsen o. D. (März 1873), in: Wentzcke u. Heyderhoff, Bd. 2, S. 81. 311 Retallack, S. 205. 312 So ein Redner auf dem 15. Deutschen Journalistentag 1881 in Frankfurt. Vgl. FZ, 7.6.1881, Mb. 313 Der Zeitungsausschnitt fand sich im Nachlaß Petzet und stammt vermutlich aus der Bayrischen Landeszeitung vom 26.6.1872, BStBM, Petztiana, VII, 12. 314 Vgl. den Bericht zum 15. Journalistentag von 1881 in: FZ, 7.6.1881 Mb. 315 Vgl. Groth, Zeitung, Bd. 4, S. 296. 316 Eugen Siercke an Christian Petzet, 24.5.1894, BStBM, Petzetiana, IX. 317 Programm des 4. deutschen Journalisten- und Schriftstellertages in 1895 Heidelberg; Exemplar im Nachlaß Petzet, BStBM, Petzetiana, VII. 318 Diez, S. 110. 319 Vgl. Die Redaktion, Jg. 3, 1904, S. 200.

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Anmerkungen zu S. 229-234 320 Zu dem Leipziger Literatenverein vgl. J. Hofmann sowie Stegers; die Petition findet sich dort abgedruckt, vgl. S. 356. 321 Zit. nach ebd., S. 35. 322 Zu dem Verein vgl. Eppe/. 323 Manche der Vereine brachten später Festschriften anläßlich von Jubiläen heraus, die allerdings von sehr unterschiedlichem Wert sind. Vgl. insbes. Schienther; Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Frankfurter Journalisten- und Schriftstellervereins·, 50 Jahre Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein; mit einer kurzen Darstellung des Vereins Leipziger Presse und dem Verzeichnis der Mitglieder vgl. Das Litterarische Leipzig; wenig brauchbar: 40 Jahre Verein Wuppertaler Presse; 20 Jahre Verein Niedersächische Press; PressevereinßrMünster und das Münsterland. Pressefest Münster 1925, Münster 1925. 324 Vgl. Schienther, S. 4f. 325 Die konservative Presse, S. 38. 326 Mehring, Fall, S. 40. 327 Die chronologisch geordnete Mitgliederliste vgl. bei Schienther, S. 50ff. 328 Vgl. zur Mitgliedschaft sozialdemokratischer Redakteure in bürgerlichen Journalistenvereinen Sperlich, S. 104ff. 329 Vgl. Schienther, S. 32ff. Auf die Rechtsfragen wird später noch ausfuhrlich eingegangen werden. 330 Vgl. ebd., S. 12. Die Aufnahme eines neuen Mitglieds erfolgte dadurch, daß es, nachdem es vorgeschlagen und als Gast erschienen war, eine Zweidrittelmehrheit erreichen mußte. Die Wahl Levysohns wurde wiederholt. Obwohl er die erforderliche Stimmenzahl bekam, trat er anschließend, gemeinsam mit weiteren Redaktionskollegen sofort wieder aus. Im Anschluß an die Affare wurde das Aufhahmeverfahren dahingehend geändert, daß ein Ausschuß darüber entschied. Levysohn und eine Reihe seiner Kollegen vom Berliner Tageblatt kehrten später wieder in den Verein zurück. 331 Schienther, S. 12. 332 Mehring war zum Zeitpunkt der Affäre noch Redakteur der Berliner Volkszeitung und verfaßte gleich zwei Schriften, Der Fall Lindau, und Kapital und Presse, über den Fall. Das Zitat vgl. Mehring, Kapital, S. 3; zu dem Ehrengericht vgl. ders., Fall, S. 40ff. 333 50 Jahre Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein, S. 13. 334 Der junge Diplomat Philipp Eulenburg hatte Bismarck 1874 in einem privaten Gespräch einmal vorgeschlagen, den Journalistenberuf mit Hilfe einer geregelten Ausbildung unter staadiche Kontrolle zu bekommen. Bismarck hielt dies zu dem Zeitpunkt fiir ausgeschlossen, »nach einem siegreichen Krieg vielleicht« aber fur möglich; vgl. Haller, S. 69. 335 Die Redaktion, Jg. 3, 1904, S. 248. Über die weitere Entwicklung der Schule ist lediglich bekannt, daß sie nur wenige Jahre existierte; vgl. Groth, Zeitung, Bd. 4 , S. 239. Groth zählt hier auch alle weiteren Ansätze zu einer Art von universitärer »Journalistenausbildung« auf. Dabei handelte es sich überwiegend jedoch weniger um eine tatsächlich praktisch orientierte Ausbildung als um Vorlesungen theoretischer Art. Sie gehören daher eher zur Vorgeschichte der Etablierung der Zeitungswissenschaft, als daß sie unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Journalistenausbildung zu behandeln wären. Vgl. dazu auch Groth, Zeitungswissenschaft. 336 Kürschners Literaturkalender, Jg. 2 7 , 1 9 0 5 , S. 19; Jg. 3 2 , 1 9 1 0 , S. 19. Auskunft über die Aktivitäten Wredes und seines Vereins gibt die von ihm selbst gegründete und redigierte Vereinszeitung Die Redaktion. 337 Vgl. 50 Jahre Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein, S. 19. Vgl. u.a. Bücher,

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Anmerkungen zu S. 235-245 Anonymität; ähnlicher Tenor bei Lobi, S. 182ff. sowie bei Brunhuber, S. 8 Iff. Eine Zusammenfassung der nicht sehr fruchtbaren Diskussion bei Groth, Bd. 4, S. 1 7 9 - 2 0 8 . 338 Die genauen Mitgliederzahlen finden sich in Kürschners Literaturkalender . 1890 hatte der Verein Berliner Presse 2 1 4 Mitglieder, 1895 230 und 10 Jahre später 324 Mitglieder, vgl. Kürschners Literaturkalender, Jg. 1 2 , 1 8 9 0 , S. 39; Jg. 1 7 , 1 8 9 5 , S. 27; Jg. 2 7 , 1 9 0 5 , S. 22. 50 Jahre Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein, S. 11; Koszyk, Presse, S. 223. 339 Für die katholische Presse interpretiert Michael Schmolke den Augustinusverein als Zeichen einer Professionalisierung der katholischen Journalisten; vgl. Schmolke, Professionalisierung. 340 Zum Augustinus-Verein vgl. Kisky. 341 Sperlich, S. 105ff. 342 Weber, Politik, S. 29. 343 Lobi, S. 182ff. 344 Vgl. Kocka, S. 36. 345 Engelsing, Massenpublikum, S. 4 3 u. S. 160f. 346 Börne, Bd. 5, S. 47; Lobi, S. 184. Zum Image der französischen, deutschen und englischen Journalisten für die Zeit des Vormärz vgl. auch O'Boyle; anders als der Titel suggeriert, geht es allerdings stärker um den Journalismus in den genannten Ländern als um die Personen der Journalisten und deren Image. 347 Harden, S. 382. 348 Zum Image der Journalisten in England vgl. Lee, S. 104ff.; zu Frankreich: Martin, Journalistes parisiens, S. 5Off. 349 »Ich wußte«, schrieb Hellmuth von Gerlach in seinen Memoiren, »daß meine Familie todunglücklich sein würde, wenn ich die >ehrenvolle< Beamtenlaufbahn gegen die >anrüchige< journalistische Eintauschen würde. Sollte ich den Traum meiner Mutter, ihren Sohn einmal >Exzellenz< nennen zu hören, so rasch zerstören?«, Gerlach, S. 74. 350 Vgl. hierzu Budde, S. 219f.

III. Die Rolle der Journalisten im Prozeß der öffentlichen Kommunikation 1 Koszyk, Presse, S. 123. 2 Als Überblick über das deutsche Presserecht bis zum Reichspressegesetz vgl. immer noch Berner; kurzer historischer Abriß bei M. Löjfler. 3 Vgl. Berliner Volkszeitung, 1.1.1927 (Jubiläumsnummer), 2. Beiblatt. Holdheim ( 1 8 2 5 - 1 9 0 1 ) war von 1849 bis weit in die neunziger Jahre hinein Redakteur der als Urwählerzeitung gegründeten Volkszeitung·, vgl. Dohms, S. 41f. 4 »Soldat und Bürger«, Generalanzeiger für Hamburg-Altona, 16.9.1898, Nr. 216. 5 Einige Journalisten entzogen sich den Haftstrafen daher auch durch Flucht. Vgl. Wetzel, S. 170ff. 6 So Friedrich Gentz in einem Brief an Adam Müller; vgl. Briefwechsel zwischen Friedrich Gentz und Adam Müller, S. 301, Brief Nr. 182. 7 Siemann, Ideenschmuggel, S. 85. Aus der reichhaltigen Literatur zur Frage von Pressefreiheit und Zensur vor und vor allem nach den Karlsbader Beschlüssen vgl. daneben u.a. F. Schneider, Pressefreiheit; ders., Art. Presse; Fischer, Kommunikationskontrolle; Wilke; als Übersicht über die Zensurforschung vgl. Kanzog.

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Anmerkungen zu S. 246-253 8 1824 schrieb Metternich, die Karlsbader Beschlüsse hätten »die gedeihlichsten, alle Erwartungen weit übersteigenden Folgen gehabt«. Schneider, Pressefreiheit, S. 265. 9 Klutentreter, S. 134. Zum ungeliebten Amt des Zensors vgl. auch Siemann, Ideenschmuggel. 10 Vgl. Deuchert sowie H. Müller. 11 Chezy, S. 16. Auf Grund des vergleichsweise liberalen Klimas in Bayern entschloß sich Cotta dazu, in München mehrere Zeitschriften zu gründen, vgl. Steuer. 12 Zur Rheinischen Zeitung vgl. Klutentreter, zu den Besitzverhältnissen insbes. S. 45ff. 13 Zum folgenden vgl. Hagelweide. 14 Buchholtz, S. 113. 15 Schücking, Bd. 2, S. 129. Zu Kolb vgl. die Biographie von Duczek. 16 Zu den Auswirkungen der 48er Revolution auf die Presse zusammenfassend: Koszyk, Presse, S. 1 0 5 - 1 1 9 ; Siemann, Revolution S. 1 1 4 - 1 2 4 ; als Spezialuntersuchung fur Baden vgl. Tauschwitz. 17 Die quantitativen Angaben, die fur diese Zeit existieren, geben nur sehr grobe Anhaltspunkte und reflektieren vor allem kaum die Dynamik der Entwicklung, die fast täglich neue Blätter hervorbrachte und wieder verschlang. Wenn die Zahl der in der Preisliste des Berliner Zeitungsamtes verzeichneten politischen Blätter zwischen 1847 und 1850 von 118 auf 184 kletterte, während sie von 1824 bis 1847 lediglich von 96 auf 118 gestiegen war, so wird zumindest die Tendenz deutlich. Siemann, Revolution, S. 116f.; weitere Angaben bei Reden. 18 Zum Vergleich des preußischen Pressegesetz vom 12. Mai 1851 mit dem Décret organique sur la presse vom 17. Februar 1852 vgl. Naujoks, Entstehung, S. 21ff. 19 Vgl. Siemann, Kontrolle bzw. ders., Gesellschaft, S. 65ff. 2 0 Vgl. etwa den Artikel zur Pressefreiheit im Rotteck-Welckerschen Staatslexikon. Dort heißt es, Pressefreiheit sei dann verwirklicht, »wenn der Staat unter Beobachtung bestimmter Vorschriften und auf die Gefahr hin, daß bei allenfalls eintretender Strafbarkeit das gesetzliche gerichtliche Verfahren eingerichtet werde, jedem erlaube, ohne vorherige spezielle Genehmigung alles drucken zu lassen, was er wolle.« Jaup, S. 7. 21 Vgl. Siemann, Kontrolle, S. 307. 22 Zit. nach ebd., S. 294. 23 Vgl. Sietnann, Ideenschmuggel, S. 106. 24 Bundespreßgesetz vom 20. September 1819, abgedr. bei Huber, S. 103. 25 Vgl. Behnen, S. 23; Naujoks, Entstehung, S. 24f. 26 Zur Zeitungsbesteuerung in Preußen vgl Elkan; Koszyk, Presse, S. 134f. 27 Vgl. Siemann, Gesellschaft, S. 71f. 28 Vgl. Behnen, S. 19; Naujoks, Entstehung, S. 22. 29 Zu seinen ständigen Auseinandersetzungen mit der preußischen Regierung bis zu seiner Absetzung vom Posten des Chefredakteurs vgl. Brüggemann; zu den näheren Umständen der Affäre vgl. Neu. 30 Vgl. Buchheim, Bd. 3, S. 235f. 31 Weitere Beispiele, unter anderem aus Württemberg, vgl. bei Siemann, Gesellschaft, S. 71. 32 Vgl. Behnen, S. 44. 33 Vgl. Buchheim, Bd. 3, S. 212 u. S. 222. 34 Vgl. Friehe, S. 96. 35 Vgl. Naujoks, Entstehung, S. 84; Kuppelmayr, S. 1147. 36 Vgl. Buchheim, Bd. 3, S. 218.

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Anmerkungen zu S. 253-258 37 Vgl. Buchholtz, S. 165. 38 Eine Zusammenstellung der wichtigsten, die Pressefreiheit einschränkenden rechtlichen Möglichkeiten vgl. bei Siemann, Gesellschaft, S. 67ff., sowie ders., Kontrolle, S. 298ff.; vgl. daneben auch Naujoks, Entstehung, S. 18ff., sowie speziell für Preußen: Wappler sowie Behnen, S. 18ff.; als detaillierte Studie über eine Region außerhalb Preußens vgl. Ziegler. 39 Zu der Presseordonnanz vgl. insbes. Loeber. 40 In Berlin veröffentlichten die Redaktionen der National-, der Spenerschen, der Vossischen, der Volks-, der Berliner Allgemeinen Zeitung sowie der Berliner Reform Anfang Juni eine gemeinsame Protesterklärung. Der daraufhin angestrengte Beleidigungsprozeß endete mit Freispruch für die beteiligten Redakteure. Vgl. dazu den veröffentlichten Prozeßbericht: Der Preßprozeß vom 18. September 1863, Stenographischer Bericht über die Gerichtsverhandlungen gegen die sieben Berliner Zeitungs-Redakteure wegen deren Erklärung über die PreßVerordnung vom 1. Juni 1863, Berlin 1863. 41 Wochenschrift des Nationalvereins, Nr.166 von 1863, zit. nach Loeber, S. 34. Vgl. zur der Ordonnanz und der Reaktion darauf auch den Aufsatz von H.v. Treitschke, Das Schweigen der Presse in Preußen, in: Die Grenzboten, 22, 1863, S. 11 Iff. 42 Zu den langwierigen Verhandlungen um das Reichspressegesetz vgl. Naujoks, Entstehung. 43 Vgl. E. Richter, Im alten Reichstag, Bd. 1, Berlin 1894, S. 94. 44 Neben Berner vgl. hierzu die ausfuhrliche Darstellung von Wetzel. 45 Aus dem Umfang der Akten des preußischen Innenministerium zu den Beschlagnahmungen geht bereits hervor, daß deren Bedeutung nach 1874 stark zurückging. Während die ersten sechs Bände die Zeit bis 1874 betrafen, umfaßt der siebente Band die Zeit zwischen 1874 und 1922. GStA Merseburg, Rep 77 tit 380 Nr.3. Am 13.9.1895 brachte die Vossische Zeitung einen Artikel über Versuche, die Praxis der Beschlagnahmungen wieder zu verschärfen. Wenn es diese Versuche gegeben hat, so blieben sie jedoch ohne erkennbare Auswirkungen. Der Artikel findet sich auch in der genannten Akte, Bd. 7, Bl. 155. 46 Die strittige Rechtslage führte zu zahlreichen juristischen Abhandlungen über das Zeugniszwangproblem. Als rechtsgeschichdiche Darstellung, die ursprünglich das Ziel verfolgt hatte, sämtliche Zeugniszwangfalle zu dokumentieren, vgl. Giesen. Giesen war Redakteur der Frankfurter Zeitung und als solcher selbst in Zeugniszwangfälle verwickelt. Ziel seiner Darstellung war die in seinen Augen willkürliche und unrechtmäßige Anwendung des Zeugniszwangs. Als Verteidigung des Zeugniszwangs vgl. Dochow. Daneben: Badewitz sowie Thiesing, Der Zeugniszwang gegen die Presse, in: Annalen des Deutschen Reichs fur Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 40, 1907, S. 717ff.; als konzisen rechtsgeschichtlichen Überblick vgl. Klug, S. 28ff. 47 Vgl. zu dem Fall: Baasch, Zeitungswesen, S. 28 (dort auch die Zitate). 48 Vgl. Giesen, S. 24. 49 Vgl. ebd., S. 36f. 50 Zit. nach Buchheim, Bd. 4, S. 62f. 51 FZ, 25.5.1875, Mb. Zu dem Fall vgl. Der Zeugniszwang und die Frankfurter Zeitung, Frankfurt a.M. 1875; Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 396ff.; Wetzel, S. 150ff. 52 KöZ, 6.8.1875, 2. Mb. Zum Presseecho vgl. auch Wetzel, S. 151 u. S. 154. 53 Zu den verschiedenen Versuchen, doch noch ein Zeugnisverweigerungsrecht für Verleger und Redakteure herbeizufuhren, vgl. Klug, S. 36ff. 54 Vgl. Giesen, S. 79 u. S. 80f. 55 Vgl. ebd., S. 88.

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Anmerkungen zu S. 259-267 56 Vgl. Müller-Palm, S. 59. Müller-Palm, seit 1874 Chefredakteur der Zeitung, war in dem Fall selbst der Angeklagte. 57 Schreiben des Reichskanzlers an die Bundesregierungen betr. Zeugniszwang vom 9.12.1907, GStA Merseburg, Rep 77 tit 380 Nr.37, Bd. 1. 58 Vgl. Wetzel, S. 303. Die Prozentangaben beruhen auf 3287 Presseprozessen in den Jahren 1874 bis 1890. Da in Prozessen zum Teil mehrere Artikel verhandelt wurden und in einem Artikel wiederum mehrere Verstöße gegen das Strafgesetzbuch enthalten sein konnten, kommt Wetzel auf eine Gesamtzahl von 5975 Pressedelikten.· Wetzel, S. 299. 59 Eine genaue Aufschlüsselung der verschiedenen Beleidigungsdelikte und der damit fur die Presse verbundenen Rechtsprobleme vgl. bei Oberholtzer. 60 Ebd., S. 50. 61 Vgl. hierzu Ulrich. 62 Vgl. zu dem Fall die ausfuhrliche Erörterung in der Schrift: Das Steglitzer Eisenbahnunglück vor den Geschworenen in München, München 1884; Wetzel, S. 73. 63 Reichsgericht vom 16.12.1881, Entsch. 5, S. 2 3 9 , Zit. nach Ulrich, S. 34. Vgl. dazu auch Oberholtzer, S. 52ff. 64 Vgl. ebd., S. 52; weitere Beispiele bei Wetzel, S. 84f. 65 Vgl. Oberholtzer, S. 53. 66 Vgl. Wetzel, S. 73f. 67 Wetzel ermittelte, daß zwischen 1874 und 1890 0,65% der von Journalisten begangenen Delikte Verstöße gegen § 360 StGB darstellten. Vgl. S. 302. In den neunziger Jahren scheinen jedoch die Versuche, Journalisten aufgrund dieses Paragraphen anzuklagen, zugenommen zu haben. 68 Oberholtzer, S. 94. 69 Wie die meisten presserechtlichen Probleme im Anschluß an das Reichspressegesetz war auch der »Grobe-Unfiigs«-Paragraph ein dankbares Dissertationsthema. Vgl. im einzelnen Sarau-, Zimmerle; Lorey; Oelze. 70 BrLHA Potsdam, Berlin C Tit 9 5 , Sekt 2, Nr.52, Bl. 20ff. 71 Ebd., Bl. 35ff. 72 Berliner Volksblatt, 22.2.1889. Der Artikel befindet sich mit in der Akte zum »Groben Unfug« des Berliner Polizeipräsidenten, ebd., Bl. 110. 73 Zirkularschreiben des Justizministers Schönstedt vom 9.1.1897, GStAB Rep 84a 3986, Bl. 122. 74 Vgl. hierzu Guener. 75 Historisches Journal, Jg. 2, 1799, S. 3 2 3 - 3 4 1 , ND: Nendeln 1972. 76 Ebd., S. 336 u S. 334. Die Diskussion um die Parteilichkeit bzw. Unparteilichkeit der Zeitungen reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück; vgl. dazu, wenn auch aus etwas verzerrender Perspektive, den Aufsatz von Berns. 77 Der Prospekt der Neuesten Weltkunde findet sich vollständig abgedruckt bei Heyck, S. 15ff.; Zit. ebd., S. 16. 78 Vgl. Buchholtz, S. 69. 79 Vgl. Heyck, S. 61 f. Als Zeichen des Neuanfangs änderte Cotta den Titel der Neuesten Weitkunde in Allgemeine Zeitung um. 8 0 Zu Mathy vgl. neben den Eintragungen in den einschlägigen biographischen Lexika die Biographie von Gustav Freytag·, zur Gründung der Deutschen Zeitung\%\. insbes. H. Müller, S. 229ff. 81 Die Zahl 20, die in der Regel genannt wird, geht auf die Auszählung von W. Tormin zurück: Das Parlament in der Paulskirche, in: Schwarz. Eine neue Zahl, und zwar 66

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Anmerkungen zu S. 267-272 »Publizisten« nennt Best, S. 86. Best definiert die Bezeichnung »Publizist« jedoch nicht und erläutert auch nicht das Zustandekommen seiner Zahl. Zwar waren in der Tat einige von den Abgeordneten, ftir die in Schwarz' Biographischem Handbuch keine Berufsangabe verzeichnet ist, als Schriftsteller oder Journalisten tätig. Von einem großen Teil der Abgeordneten ohne nähere Berufsangabe sind jedoch zumindest über sämtliche im Deutschen Biographischen Archiv erfaßten biographischen Nachschlagewerke keine weiteren Angaben zu finden, so daß eine exakte Zahlenangabe kaum möglich ist; die Zahl von 66 Abgeordneten, die nach Best hauptberuflich »Publizist« gewesen sein sollen, ist aber wohl zu hoch. 82 Eine Ausnahme in dieser Hinsicht war Gustav Höfken, der Anfang der vierziger Jahre Redakteur der Allgemeinen Zeitung war; vgl. Heyck, S. 151f.; H. Müller, S. 230ff.; DBA 547, 165-173. 83 Anonym, Deutschlands politische Zeitungen, S. 8. 84 Ebd., S. 23ff. 85 Die 1843 verfaßten Bedingungen für die Konzessionserteilung sowie die Instruktionen für die Redaktion sind vollständig abgedruckt bei D. Meyer, S. 37fF., Zit., S. 39. 86 Weserzeitung, 9.1.1845, Nr. 316, zit. nach D. Meyer, S. 131. Der Bezug auf die englische und französische Presse, die lange Zeit häufig in einem Atemzug genannt wurden, beruhte nicht immer auf einem wirklichen Urteil, sondern diente oft eher zur Untermauerung eines Arguments. So konnte die englische und französische Presse in dieser Zeit ebensosehr als Beispiel für Unparteilichkeit wie für die Einnahme von Parteistandpunkten gelten. 87 Vgl. Spies, S. 718. 88 Die von der Zeitungswissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts geprägten Begriffe »Gesinnungs-« und »Geschäftspresse« sind problematisch, da sie im allgemeinen weniger analytisch als wertend verwendet werden. Ganz im Sinne der seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert weithin geübten Kritik an der Generalanzeigerpresse galt der Zeitungswissenschaft die Partei- oder Gesinnungspresse als gute, die in den Generalanzeigern verkörperte »Geschäftspresse« hingegen als zumindest anrüchige, wenn nicht sogar als rundherum verdammungswürdige Presse. Abgesehen von dieser Wertung suggeriert die Gegenüberstellung der Begriffe einen Gegensatz, der so nie bestand: Die Gesinnungszeitungen waren immer auch Geschäftsunternehmen, und die Generalanzeiger transportierten immer auch Gesinnung. Ist man sich dieser Problematik bewußt, eignen sich die Begriffe hier dennoch als Gliederungsprinzip. So wichtig letztlich für jeden Verleger die Frage des geschäftlichen Erfolges seiner Zeitung war, so unbestreitbar ist jedoch, daß die Verleger der Generalanzeigerpresse hier neue Wege gingen. Der für die Journalisten zentrale Wert der »Gesinnungsfestigkeit« trat zumindest für die Verleger eindeutig hinter den geschäftlichen Erfolg der Zeitung zurück. 89 J. Amter an Wilhelm Wehrenpfennig, undat. (1872), GStAM, NL Wehrenpfennig, C IV 3 (ungez. Blätter). 90 »Im Anfang war die Tat«, in: Die Redaktion, Jg. 1, 1902, 15.10.1902. 91 Zit. nach Heyck, S. 98. Das Zitat stammt laut Heyck aus einem mit »Gutachten« überschriebenen Schriftstück ohne Namen und ohne Datum. Heyck datiert es auf die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Schriftstück war im Bestand der Cotta Hss. Slg. des DLAM nicht auffindbar. Die wichtigste Arbeit zur Allgemeinen Zeitung ist die zum hundertjährigen Jubiläum der Zeitung erschienene Schrift von Eduard Heyck, auch wenn sie in erster Linie die Zeit bis 1848 behandelt. Der Artikel von Padrutt basiert fast ausschließlich auf der Arbeit von Heyck. Zur Geschichte des Cotta-Verlages: Lohrer. Als Quellensammlung mit einer Reihe von Briefen der Redakteure und Mitarbeiter der Allgemeinen Zeitung vgl. Briefe an Cotta.

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Anmerkungen zu S. 272-281 92 Johann Friedrich Cotta an von Merk, 29.10.1803, DLAM, Cotta Hss. Slg., AZ I A 1. Ein längerer Auszug aus dem Brief bei Heyck, S. 80f. 93 Ebd. 94 Zu den ersten Korrespondenten des Blattes vgl. ebd., S. 130ff. 95 Vgl. Teil A 1 / 2 dieser Arbeit. 96 Vgl. Heyck, S. 238f. 97 Armbruster an Joh. Fried. Cotta, 10.1.1805, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 98 Vgl. Georg v. Cotta an Herrmann Orges, 8.10.1856, DLAM, Cotta Hss. Slg., AZ I A 2. 99 Schücking, Bd. 1, S. 223f. 100 Verzeichnis sämtlicher Correspondenten der Allgemeinen Zeitung nach Ländern geordnet im Oktober 1845, DLAM, Cotta Hss. Slg. (o. Sig.). 101 Joh. Fried, v. Cotta an v. Bray, 24.12.1828, ebd., AZ I A 3 (Hervorhebung im Original). 102 Vgl. ebd. 103 Josef Stegemann (1867-1837), der 1804 die Leitung der Zeitung übernommen hatte, war nominell bis zu seinem Tod Chefredakteur. Faktisch ging jedoch Anfang der dreißiger Jahre die Leitung mehr und mehr in die Hände von Gustav Kolb über. Zu Stegemann: Heyck, insbes. S. 89f., ADB, Bd. 35, S. 564f. Zu Gustav Kolb (1798-1865) vgl. vor allem die neuere Biographie von Duzcek, die allerdings nur die Zeit bis 1848 behandelt; weiterhin: Lang; Heyck, S. 11 Iff. 104 Vgl. Duczek, S. 304f. 105 Dies geht sowohl aus der Honorarliste als auch aus dem Register des Redaktionsexemplares der Allgemeinen Zeitung im DLAM hervor. 106 Gentz, Bd. 5, S. 207ff. 107 Dies geht aus einem Brief Kolbs an Cotta vom 24.4.1832 hervor, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 108 Kolb an Joh. Fried, v. Cotta 27.8.1832, ebd. (Hervorhebung im Original). Cottas Brief ist nicht mehr vorhanden. 109 Kolb an Heinrich Heine, 16.4.1844, abgedr. in: Woesler, S. 125. 110 So Kolb in einem Brief an G. v. Cotta vom 23.10.1842, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 111 Mebold, S. V. 112 Zedlitz an G. v. Cotta, 2.4.1847, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. Zu Zedlitz und seiner Korrespondententätigkeit fur die Allgemeine Zeitung vgl. Hanousek. 113 G. v. Cotta an Zedlitz, 9.4.1847, Entw. des Briefes bei Zedlitz an Cotta, 2.4.1847, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br.; Cotta tat sich offenbar schwer mit einer Antwort auf dieses Ansinnen, denn er schickte statt dessen am 14.4. einen Brief mit moderaterem Ton, aber gleicher Aussage ab. 114 Schücking, Bd. 1, S. 223. 115 Heinrich Heine nahm die Allgemeine Zeitung gegen derartige Schmähungen von »bramarbasierenden Maulhelden« in Schutz; vgl. Heine, S. 362. 116 Heyck, S. 42. 117 Kolb an G.v. Cotta, 18.2.1848, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. (Hervorhebung im Original). 118 Hermann Orges (1821-1874) hatte bereits einen abenteuerlichen Lebenslauf hinter sich, als er Redakteur der Allgemeinen Zeitung wurde. 1848 hatte er, so sein Biograph in der ADB, ein Entlassungsgesuch einreichen müssen, als er, nicht im Dienst, aber in Uniform, Soldaten aufgefordert hatte, nicht auf das Volk zu schießen. Im Herbst dieses Jahres hatte er

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Anmerkungen zu S. 281-291 bei der Handelsmarine angeheuert. Von den Fahrten, die ihn um die halbe Welt führten, schickte er Reiseberichte an Cotta, der ihn daraufhin als Korrespondenten zunächst nach Paris und anschließend zum Krimkrieg schickte, bis er 1854 fester Redakteur der Zeitung wurde. Vgl. ADB, Bd. 55, S. 565-576; Heyck, S. 158f. 119 Oskar Peschel (1826-1875) war von 1848 bis 1854 Redakteur der Zeitung, bis Cotta ihm die Leitung des Ausland übertrug. 1871 wurde er zum Professor fiir Geographie in Leipzig ernannt; ADB, Bd. 25, S. 416, Heyck, S. 155f., DAB 9 4 2 , 2 3 4 - 2 3 5 . August Mebold (1798-1854) gehörte von 1837 (nicht 1842, wie Heyck schreibt) bis zu seinem Tod der Redaktion an; ADB, Bd. 21, S. 151-152; Heyck, S. 150f. Josef Altenhöfer (1804-1876) war seit 1833 Redakteur der Zeitung; ADB, Bd. 55, S. 431-134, Heyck, S. 147ff. u.ö. 120 Das von Orges entwickelte Programm ist nur noch aus der Arbeit von Heyck, S. 324f. bekannt. Der Brief vom 6.10.1856, in dem es enthalten gewesen sein muß, ist unter Orges Briefen im DLAM nicht mehr vorhanden. 121 Cotta an Orges, 8.10.1856, DLAM, Cotta, Hss. Slg., AZ I, A 2. (Hervorhebung im Original); Cotta bezieht sich direkt auf den nicht mehr vorhandenen Brief vom 6. des Monats. 122 Altenhöfer an G.v. Cotta, 3.8.1861, DLAM, Cotta, Hss. Slg., Br. 123 G.v. Cotta an Altenhöfer, 12.8.1861, DLAM, Cotta, Hss. Slg., (Redaktions-) Kopierbuch, 1851-62 (ohne Seitenzahlen). 124 Zu dem Prozeß vgl. Vogt. 125 Nachdem die Allgemeine Zeitung 1848 einen Auflagenhöchststand von über 11 000 Exemplaren erreicht hatte, bröckelte die Auflage in den fünfziger Jahren auf7-8000 Exemplare und sank Ende der sechziger Jahre sogar unter 6000 Exemplare ab. Eine grobe Auflagenentwicklung bei H.-F. Meyer, Zeitungspreise, S. 537. 126 Nominell war Gustav Kolb noch bis zu seinem Tode 1865 Chefredakteur, doch hatte er sich, wie bereits erwähnt, krankheitshalber schon zuvor weitgehend von der redaktionellen Arbeit zurückgezogen. Nachfolger wurde zunächst der bereits sechzigjährige JosefAltenhöfer, bis er 1869 von Otto Braun abgelöst wurde. 127 Braun an K.v. Cotta, 10.11.1869, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. Koch war von 1869-71 Handelsredakteur der Zeitung. Darüberhinaus war über ihn nichts in Erfahrung zu bringen. 128 Braun an K.v. Cotta, 21.11.1869, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 129 Für den Januar 1870 gab Braun in einem Brief an Cotta die Zahl von 5442 Abonnenten an, Braun an K.v. Cotta, 16.1.1870, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 130 Julius v. Gosen an Karl v. Cotta, 27.3.1871, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. Gosen war von 1869 bis zu seinem Tod 1874 politischer Redakteur der Allgemeinen Zeitung. 131 Georg Hirth an Kv. Cotta, 6.4.1871, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. Die Weisung des Verlages zur politischen Enthaltsamkeit der Redakteure wird von Hirth in diesem Brief zitiert. 132 Hirth an Kv. Cotta, 18.5.1871, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 133 Braun an Kv. Cotta, 1.12.1874, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. 134 Eine genaue Liste der Abonnentenzahlen seit Mitte der siebziger Jahre findet sich im DLAM, Cotta Hss. Slg., AZ 6, A 3. 135 So Jacobi an Adolf Kröner, 20.2.1889, DLAM, Cotta Hss. Slg., Br. (In dem Briefekatalog des DLAM werden auch die Briefe an die Gebrüder Kröner weiter unter »Briefe an Cotta« gefuhrt.) 136 Johannes Prölß an Adolf Kröner 26.9.1892, DLAM, Cotta Hss. Slg., AZ 6, A8. 137 Otto Neumann-Hofer an Adolf Kröner, 28.9.1892, DLAM, Cotta Hss. Slg., AZ 6, A8. 138 Bergsträsser, S. 17. Auch in den anderen wichtigen Untersuchungen zur Entstehung

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Anmerkungen zu S. 291-300 der Parteien werden die Zeitungen fast durchweg nur als Sprachrohre der Parteien angesehen; vgl. Nipperdey, Organisation; Langewiesche, Anfange. 139 Vgl. dazu Anm. 81 dieses Kapitels. 140 Die Angaben beruhen auf einer eigenen Auszählung. Das hier angelegte Kriterium ist damit deudich weiter als dasjenige, das bei der Erstellung des Sample der Berufsjournalisten zugrunde gelegt wurde. Nach Sperlich waren 122 der 215 SPD-Abgeordneten zumindest zeitweise nachweisbar fest redaktionell angestellt. 13 weitere arbeiteten ausschließlich als freie Mitarbeiter, Sperlich, S. 53. Vgl. auch Kremer, insbes. S. 79f.; nach Kremers Zählung schwankte der Anteil der »Schriftsteller« unter den Abgeordneten des Reichstages zwischen 2,2% und 8,1%. Allerdings zählte der darunter nur diejenigen, die »akademisch vorgebildet« waren, so daß auch diese Zahlen interpretationsbedürftig sind (vgl. S. 78). Ein erheblicher Teil der SPD-Journalisten ist damit nicht erfaßt. 141 Poschinger, Bd. 1, S. lOf. 142 Kalkoff, S. XI; vgl. auch Langewiesche, Liberalismus, S. 310. 143 Vgl. Dogan, S. 483. 144 Von der Parteiengeschichtsschreibung werden die »Parteizeitungen« in aller Regel nur als Träger der jeweiligen Ideologien betrachtet, so etwa in dem Standardwerk von Nipperdey, Organisation. Die Rolle der Zeitungen bei der Entstehung der lokalen Parteiorganisationen ist bislang, soweit ich sehe, noch für keine Partei näher untersucht worden, auch nicht fur die Sozialdemokratie, fur die es an Organisationsgeschichten wahrlich nicht mangelt. 145 Stichwort: Parteipresse, in: Koszyk u. Pruys, Wörterbuch, S. 272. 146 Vgl. etwa ebd., Stichwort: Liberalismus, S. 222. 147 Jacobi, Geschichte. 148 Zum Freisinnigen vgl. H. Müller, S. 43f.; zur Deutschen Zeitung ebd., S. 229ff. 149 Als sich Anfang der fünfziger Jahre die Zahl der Abonnenten in kurzer Zeit von 10 000 auf 5000 halbierte und damit der Wert der Aktien zurückging, kaufte der Geschäftsführer der Aktiengesellschaft Bernhard Wolff, der durch die erfolgreiche Gründung seines Nachrichtenbüros über das entsprechende Kapital verfugte, nach und nach die Aktienanteile auf, bis er wenige Jahre später alleiniger Besitzer der Zeitung war. Vgl. Friehe, S. 17 u. S. 198; Kahl,S. 181. 150 Rutenberg (1808-1869) war 1842 als junghegelianischer Schriftsteller und Journalist kurze Zeit Redakteur der Rheinischen Zeitung gewesen, bis er auf Druck der Regierung entlassen wurde. Später arbeitete er als Redakteur für verschiedene preußische Regierungszeitungen; vgl. Brunöhler, S. 33, DBA 1070, 104; zu seiner Redakteurstätigkeit für die Regierung: Overesch, S. 31. Zu Zabel (1802-1875) vgl. Friehe, S. 200ff. 151 Vgl. Lützen. 152 Zu den divergierenden Positionen von Nationalzeitung und Berliner Volkszeitung vgl. Winkler, S. 50ff., S. 76ff. u. S. 84ff. 153 Kahl, S. 180; vgl. dazu auch Friehe, S. 200ff. 154 Vgl. Teil Β Kapitel II/3.2. 155 Zu der Diskussion um ein Organ des Nationalvereins vgl. P. Herrmann, insbes. S. 102fF. u. S. l l l f f . 156 Hannoverscher Courier 6.9.1854, zit. nach Kuntzemüller, S. 27. 157 Zeitung fur Norddeutschland, 27.11.1852, zit. nach ebd., S. 26. 158 Zeitung für Norddeutschland, 25.2.1867, zit. nach Kuntzemüller, S. 51. 159 Spielhagen, S. 386ff. 160 Vgl. Kuntzemüller, S. 21 u. S. 24. Eichenholtz (1807-1877) war von 1851 an Redakteur der Zeitung für Norddeutschland.

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Anmerkungen zu S. 300-307 161 Kuntzemüller,S.64. 162 Jacobi, Geschichte, S. 456. 163 Vgl. Kalkoff, Die nationalliberale Presse 1 8 8 9 - 1 9 1 4 , in: Nationalliberale Blätter, 10.5.1914, 26. Jg., S. 457; Wuttke, S. 220. 164 Berliner Börsen-Zeitung, 1.1.1865, Nr.304, zit. nach Bertkau, S. 25. 165 Berliner Börsen-Zeitung, 22.3.1887, Nr.136, zit. nach Bertkau, S. 33. 166 Petzet ( 1 8 3 2 - 1 9 0 5 ) ging anschließend nach Augsburg zur Allgemeinen Zeitung,-wo er später Chefredakteur wurde. Zu seiner Biographie: Jessen, S. 322ff.; Heyck, S. 339, DBA NF 9 9 8 , 7 2 - 9 0 . Zur Geschichte der Schlesichen Zeitung neben der Arbeit von Jessen: Weigelt sowie Conrads. 167 Die Rolle des Verlegers Heinrich Korn in der Geschichte ist unklar. Offenbar wünschte er einen konservativeren Einschlag der Zeitung, ohne daß er sich von Petzet, dem er auch persönlich verbunden war, trennen wollte. Zu Blankenburg (1820-1897): Jessen, S. 322ff.; DBA 106, 248. 168 Der Verein hatte auch auf lokaler Basis sein Ziel, die Spaltung der Liberalen zu verhindern, nicht erreichen können. 1877 trat Stein wieder in den Wahlverein der Fortschrittspartei ein. Aus der Partei selbst war er nie ausgetreten; vgl. Oehlke, S. 213; zu den genannten Journalisten ebd., S. 73, S. 83, S. 1 3 8 - 1 4 2 u. S. 260ff. 169 Zu Elben ( 1 8 2 3 - 1 8 9 9 ) vgl. seine Autobiographie sowie die ADB, Bd. 4 8 , S. 329ff.; DBA 276, 2 5 2 - 2 5 5 . 170 Zu Gildemeister ( 1 8 2 3 - 1 9 0 2 ) und seiner journalistischen Tätigkeit vgl. insbes. Engelsing, Massenpublikum, S. 189ff.; DBANF 4 4 9 , 1 - 2 3 . 171 Marquardsen gehörte von 1868 bis 1898 durchgehend der Nationalliberalen Fraktion des Reichstages an. 172 Franz Fischer an August Neven-DuMont, 6.4.1886, AKöZ, Fischer-Briefe (o.Sig.); die Briefe liegen in vermudich von Karl Buchheim angefertigter Abschrift vor. 173 Daß Fischer Kandidat der Reichstagswahlen von 1885 in Nordhausen war, geht aus einem Brief von ihm an Kruse hervor, in dem er schreibt, er sei nun einmal als Kandidat vorgeschlagen, doch habe er kaum Chancen, das Mandat zu erringen. Franz Fischer an Heinrich Kruse, 25.10.1884, H H I D , NL Kruse. 174 H. Küchling an G.C. Petzet, 8.2.1894, BStBM, Petzetiana IX. 175 Auflagenentwicklung bei H.-F. Meyer, Zeitungspreise, S. 531. Mangels besserer Darstellungen vgl. zur Geschichte der Zeitung va. Holz; daneben die Festschrift: 75 Jahre Münchner Neueste Nachrichten', München 1922, sowie Harrer, S. 81ff. 176 Als Vecchioni ( 1 8 2 6 - 1 9 0 8 ) 1865 Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten wurde, hatte er bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Von seinem Vater, selbst Kaufmann, in eine kaufmännische Lehre gesteckt, brach er die Lehre ab, um weiter aufs Gymnasium zu gehen. 1848 war er Student in München, gründete dort verschiedene kurzlebige revolutionäre Blätter, wurde verhaftet und trotz Freispruchs für drei Jahre von der Universität ausgeschlossen. 1852 wanderte er mit seiner Familie nach Amerika aus, war dort als Journalist tätig, kehrte aber schon drei Jahre später nach Bayern zurück. Dort schlug er sich zunächst mit Sprachunterricht und Schreibarbeiten durch, bis er wieder als Journalist Fuß faßte. Die Angaben darüber, ob Vecchioni schon 1862 oder erst 1865 Redakteur der Neuesten Nachrichtenwurde, gehen auseinander. Vgl. DBANF 1 3 3 5 , 1 0 5 - 1 0 9 (insbes. Biogr. Jb., Jg. 1 3 , 1 9 1 0 ) ; Harrer, S. 193. 177 Vecchioni an J. Knorr, 5.5.1868, BAP, 9 0 Kn 1, Nr.16. 178 Vgl. u.a. Hirth an Cotta, 6.4.1871 sowie 18.5.1871, DLAM Cotta Hss. Slg., Br. 179 Zit. nach Harrer, S. 84. An anderer Stelle schrieb Hirth, »jede unabhängige Zeitung«

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Anmerkungen zu S. 307-310 sei »ein Panzerturm zum Schutze der Rechtsgleichheit, Gewissensfreiheit und der nationalen Ideale.« »Unabhängig« erscheint hier geradezu als synonym von »liberal«. Vgl. Endres, S. 54 (leider ohne Quellenangabe). 180 Zu den Auflagenzahlen: H.-F. Meyer, Zeitungspreise, S. 529ff. 181 Vgl. Koszyk, Presse, Bd. 2, S. 153. 182 Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 637 (Hervorhebung im Original). 183 Jacobi, Geschichte S. 455f. Wenn es auch direkte Parteisubventionen wohl nicht gab, so wurden dennoch manchmal Wege gefunden, ein »Parteiblatt« vor dem Ruin zu bewahren. So schickte der bayrische Landtagsabgeordnete Carl Craemer Ende der sechziger Jahre 50 Anteilsscheine der vom Eingehen bedrohten Fürther Neuesten Nachrichten an Julius Knorr mit der Bitte, »dieselben bei den Gesinnungsgenossen in München unterzubringen«, um auf diese Weise das Blatt zu retten. Craemer an J. Knorr, 18.8.1869, BAP, 90 Kn 1, Nr.2. 184 Ebd., S. 456. 185 Zur Geschichte der katholischen Presse vgl. insbes. Schmolke, Schlechte Presse; daneben: K. Löffler, Geschichte; als knapper Überblick: Roegele. 186 Die katholische Presse Deutschlands, in: Historisch-politische Blätter, Jg. 48,1861, S. 85. 187 Die Darstellung dieser Diskussion findet sich ausfuhrlich bei Schmolte. 188 Cardauns, Kölnische Volkszeitung, S. 41. Zur Tätigkeit des Augustinusvereins vgl. Kisky. 189 Dasbach (1846-1907) war der Gründer des Paulinus-Verlags sowie verschiedener katholischer Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem der Trierischen Landeszeitung. Zu Dasbachs publizistischer Tätigkeit vgl. Fohrmann. 190 Keiter, Katholische Presse, S. 473. In der Tat suchte in den siebziger Jahren eine Reihe von Geisdichen, denen durch das »Brotkorbgesetz« das Gehalt gesperrt worden war, Unterschlupf bei den Zeitungen - nicht immer zur Freude der Verleger. So klagte Josef Bachem, der versuchsweise zwei solcher Geisdichen beschäftigt hatte, von dem einen habe er »schließlich gar Grobheiten für mein gutes Geld eingetauscht. Für 1 Thaler p. Tag von mir und noch 1 Thaler Meßstipendien p. Tag fleißig Probe zu arbeiten war ihm zuviel zugemutet.« J. Bachem an Baronin von Leonrod-Schätzler, 25.7.1875, HAStK, Best. 1006,480, Bl. 301f. 191 K. Löffler, Zeitungswesen, S. 498. 192 Zu Majunke (1842-1899) vgl. NDB, Bd. 15, S. 719f. 193 Zudem Vergleich zwischen Kanzel und Zeitung (der »zweiten Kanzel«) vgl. Schmolte, Schlechte Presse, S. 310ff. 194 J. Bachem an Paul Majunke, 25.8.1870, HAStK, Best. 1006, 479, Bl. 342. 195 Von allen katholischen Zeitungen ist die Geschichte der Kölnischen Volkszeitung bei weitem am besten dokumentiert: Cardauns, Kölnische Volkszeitung; ders., Leben; K. Bachem-, Hölscher, Hundert Jahre; Hoeber. Die Memoiren von Julius Bachem, der mit Cardauns die Zeitung seit den siebziger Jahren bis weit über die Jahrhundertwende leitete, beziehen sich in erster Linie auf seine politische Tätigkeit. Darüberhinaus existiert noch der umfangreiche Nachlaß der Familie Bachem im Kölner Stadtarchiv (HAStK, Best. 1006). 196 Zu dem Verein vgl. Schmolte, Schlechte Presse, S. 327f. 197 J. Bachem an Geh.Rätin TenBrink, 29.10.1869, HAStK, Best. 1006, 479, Bl. 169 (Hervorhebung im Original). 198 J. Bachem an Emilie Brentano, 14.4.1869, ebd., Bl. 137f. Die »Extreme«, zwischen denen er eine »gesunde Mitte« einnehmen wollte, waren für ihn »die demokratische resp. zu liberale Richtung links« und die »Ultra-Römer und Jesuiten-Nachbeter rechts.«

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Anmerkungen zu S. 311-318 199 J. Bachem an Geh.Ratin TenBrink, 29.10.1869, ebd., Bl. 169 (Hervorhebung im Original). 200 Vgl. Mergel, S. 199. 201 J. Bachem an Paul Majunke, 25.8.1870, HAStK, Best. 1006, 479, Bl. 31 lf. 202 Kölnische Volkszeitung, 1.4.1885 (Hervorhebung im Original). 203 Cardauns, Kölnische Volkszeitung, S. 28. 204 Ebd., S. 75f. 205 Vgl. Schmolte, Schlechte Presse, S. 301. 206 Der Redakteur des Stuttgarter Deutschen Volksblattes Johannes Fritzenschaf verfaßte 1901 ein journalistisches Handbuch, das sich vom Titel her nicht mehr ausdrücklich nur an katholische Journalisten wandte: J. Fritzenschaf, Die Praxis des Journalisten. Ein Lehr- und Handbuch für Journalisten, Redakteure und Schriftsteller, Leipzig o.J. ( 1901 ); als differenzierende Kritik der »farblosen« Presse: ders., Wahrheit; daneben auch: Eberle. 207 Leopold v. Gerlach an E.W. Hengstenberg, 18.11.1842, StabiPrKB, Nachlaß Hengstenberg. (zit. n. Retallack, S. 198.) 208 Zu Bayern und den verschiedenen weitgehend erfolglosen Regierungszeitungen vgl. Rupp sowie Rau; knapp auch Harrer, S. 61ff.; zu Preußen vgl. Overesch. 209 GStAM, Lit. Büro 2.3.35, Nr. 1, Bl. 48. 210 Ebd., Bl. 46ff. 211 Nachklänge vom Journalistentage, in: FZ, 8.7.1870, 1 .Bl. 212 R. Schwarz, S. 10. Was der Autor unter »sauberem Journalismus« versteht, erläutert er leider nicht. Fritz Stern dürfte mit seiner Einschätzung Pindters richtiger gelegen haben, wenn er ihn für ein gefügiges Werkzeug Bismarcks hielt, hauptsächlich an Orden und Titeln interessiert; vgl. F. Stern, S. 346. 213 Zum Wochenblatt, dessen Programm und den Auseinandersetzungen mit den Behörden vgl. die Arbeit von Behnen. 214 Ein Antwortschreiben der Kreuzzeitungsredaktion auf eine Beschwerde aus dem Literarischen Büro, einen von dort eingesandten Artikel nicht abgedruckt zu haben, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis der Zeitung zu den offiziellen Stellen: »Wir können in unserer so beachteten und kritisierten Zeitung nicht Artikel von Bedeutung aufnehmen, deren Ursprung bzw. Vertreter uns unbekannt sind. ... Eine gewisse Freiheit müssen wir uns immerhin vorbehalten, zumal uns die Verantwortung verbleibt, wenn wir ... gegnerische Erwiderungen nicht zu beantworten im Stande sind.« Damit, daß der Spielraum der redaktionellen Freiheit eingeschränkt war, hatte man sich abgefunden. Aber die Redaktion wollte zumindest nicht ständig den Kopf für Artikel hinhalten müssen, über deren Hintergründe sie im einzelnen nicht informiert war. Kreuzzeitung an das Literarische Büro 3.7.1866, BrLHAP Rep 30 Berlin C Tit 94 Lit L Nr. 502, Bl. 32 (Hervorhebung im Original). 215 Zur Geschichte der Kreuzzeitung vgl. als Überblick vor allem: Rohleder u. Treude: daneben: Anonym, An der Wiege der Kreuzzeitung, Berlin 1908; P. Merboch, Die Kreuzzeitung 1848-1923. Ein geschichtlicher Rückblick, in: Beilage zur Neuen Preußischen Zeitung, 16.6.1923;Danneberg;Heffter. 216 Vgl. auch Saile, S. 21. 217 Zu Hammerstein vgl. v.a. Leuss. 218 Zu Kropatschek vgl. BrLHAP Rep 30 Berlin C Tit 94 Lit Κ Nr. 1085. 219 Zu Kayssler vgl. BrLHAP Rep 30 Berlin C Tit 94 Lit Κ Nr. 820 sowie DBA 633, 286-289. Zur Geschichte der Post ist nur wenig in Erfahrung zu bringen. Die wichtigsten Angaben bei Dahms, S. 51ff. 220 Vgl. Pacyana; Dahms, S. 85ff. u S. 82ff.

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Anmerkungen zu S. 319-327 221 Zur Geschichte der Zeitung vgl. Fiedler. 222 Zit. nach ebd., S. 56. 223 Die Auflagenzahlen vgl. ebd., S. 38 u. S. 92. Die Kölnische Zeitung hatte 1870 eine Auflage von rund 40 000 Exemplaren; vgl. Heenemann, S. 54. 224 Zit. nach Fiedler, S. 104. 225 Vgl. hierzu auch: Die konservative Presse. 226 Als neueste Arbeit zur sozialdemokratischen Presse vgl. die Untersuchung von Waltraut Sperlich; daneben: Held; Hirsch; Auerbach; Kantorowicz; Koszyk, Anfange; ders. u. Eisfeld. 227 Vgl. Loreck, S. 166f u. S. 188f. 228 Karl Grillberger an Karl Oertel, 28.6.1891, Briefsammlung Oertel 2, Archiv der Sozialen Demokratie Bonn, zit. nach Sperlich, S. 101. Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf die Arbeit von Sperlich über die sozialdemokratischen Journalisten. 229 Sperlich S. 53. 230 Das Zitat stammt von Wilhelm Bracke und bezog sich auf die Funktion des Volksstaats, Protokoll des Vereinstages der SDAP 1873 in Eisenach, S. 36. Ähnliche Formulierungen finden sich immer wieder. 231 Vgl. Kantorowicz, S. 50f. 232 Bebel, Aus meinem Leben, Bd. 3, S. 44. Most (1846-1906) schwenkte mit seinem Blatt zum Anarchismus über und wurde 1880 aus der Partei ausgeschlossen; seine Kurzbiographie vgl. bei Sperlich, S. 202. 233 Liebknechts Äußerungen auf dem Parteitag der SPD 1896 in Gotha, Protokoll der Verhandlungen, S. 116. Zu den Auseinandersetzungen mit Bebel, vgl. Bebel, Briefwechsel, S. 434ff., S. 467, S. 477, S. 730, S. 767, S. 782; zum sog. Vorwärtskonflikt vgl. u.a. Elm. 234 Bebel, Briefwechsel, S. 466. 235 Engels an Bebel, 19.11.1892, Bebel, Briefwechsel, S. 617. 236 Zu den Preßkommissionen vgl. Sperlich, S. 39ff. u. S. 103ff. 237 Calwer wandte sich in mehreren Artikeln gegen die Bevormundung der Parteipresse: Calwer, Die sozialdemokratische Presse; ders., Disziplin. Schoenlanks Tagebucheintragung vom 13.4.1897 ist abgedruckt bei P. Mayer, S. 121. 238 Die Kurzbiographien zu den Genannten mit weiterführender Literatur bei Sperlich, S. 150ff. 239 Whitman, S. 229. 240 Die Kölnische Zeitung hatte den Inhabern von Depeschenbüros angeblich Geld gezahlt, damit sie Nachrichten an die Kölnische Volkszeitung gar nicht oder langsamer weiterreichten. Vgl. dazu u.a. J.P. Bachem an Reusch, 7.4.1865, HAStK, Best. 1006,478, Bl. 79. 241 Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 637f. 242 Stein (1851-1920) leitete von 1883 bis zu seinem Tod das Berliner Büro der Frankfurter Zeitung. Vgl. zu ihm die Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 417; FZ, 13.10.1920, 1. und 2. Mb. (Nek.). 243 Dies gilt auch für Josef Anton von Pilat, der zwar den halboffiziellen Österreichischen Beobachter redigierte, dies aber als Regierungsbeamter und nicht als Journalist tat. 244 Zu grundsätzlichen Fragen und Problemen der Pressepolitikforschung vgl. Naujoks, Pressepolitik, der jedoch vornehmlich auch die einflußnehmende Seite im Auge hat und dabei die Perspektive der Zeitungen weitgehend außer acht läßt. Speziell zur verhältnismäßig gut untersuchten Bismarkschen Pressepolitik: Loeber; Fischer-Frauendienst; Naujoks, Bismarck. 245 Die maßgebliche Arbeit zum Weifenfonds ist nach wie vor: Philippi; ergänzend zu

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Anmerkungen zu S. 327-335 diesem Aufsatz: Brosius; weitgehend unbrauchbar hingegen, da ohne nähere Quellenangaben: R. Noll v. der Nahmer, Bismarcks Reptilienfonds, Mainz 1968. 246 Koszyk, Presse, S. 239. 247 Am 25. Juni 1886 veröffentlichte die Freisinnige Zeitung eine Liste von 118 preußischen Blättern, die ihre Leitartikel regelmäßig vom Berliner Preßbüro erhielten. Die Leitartikel seien alle gleichlautend, und man betrachte sie daher als »Reptilienfabrikate«. Es handelte sich bei den aufgeführten Zeitungen durchweg um kleine Kreisblätter, die teilweise nur einbis dreimal wöchendich erschienen und aller Wahrscheinlichkeit nach nur selten einen hauptberuflichen Redakteur beschäftigten. Bei dieser Kategorie von Zeitungen liegt zumindest die Vermutung nahe, daß auch finanzielle Zuwendungen nicht unwillkommen waren. 248 Buchheim, Bd. 2, S. 29. 249 GStAM Lit Büro 2.3.35 Nr.227; siehe auch Buchheim, Bd. 3, S. 81f. 250 Der Kontaktmann im Auswärtigen Amt war der »Geheime Expedierende Sekretär« Otto Metzler; vgl. dazu ebd., S. 44fF. 251 KöZ, 23.3.1859. 252 Frensdorff ( 1 8 1 8 - 1 9 0 9 ) war nach seiner Promotion 1843 Journalist geworden und hatte schon zwischen 1848 und 1851 für die Kölnische Zeitung aus Berlin berichtet. Nachdem er 1851/52 die Constitutionelle Zeitung geleitet hatte, arbeitete er von 1855 bis in die neunziger Jahre durchgehend als Korrespondent der Kölnischen Zeitung und später auch des Schwäbischen Merkur; vgl. DBA 342, 349. 253 Der Nachlaß Heinrich Kruses (im H H I D ) zeigt ein enorm weit gespanntes Netz von einigen hundert Korrespondenzpartnern. 254 Sehr knapp zur Einrichtung des Pressedezemats und Ägidis Tätigkeit vgl. Morsey. 255 Ludwig Ägidi an Heinrich Kruse, 18.7.1871, NL Kruse, HHID. 256 So Ägidi an Kruse, 12.4.1872, NL Kruse, HHID. 257 Die Formulierung stammt aus einem nicht genau datierten Brief von Ägidi an Kruse vom Nov. 1874, NL Kruse, HHID. 258 Kruse an (unleserlich), 9.3.1863, sowie 21.4.1863, NL Kruse, HHID. 259 Bismarck fügte seinem Schreiben an den Bundesrat vom 30.4.1880 die Auszüge aus dem eingeleiteten Disziplinarverfahren mit der Aussage Gumbinners bei; vgl. Drucksachen zu den Verhandlungen des Bundesraths des Deutschen Reichs, Berlin 1880, Bd. 2, Nr. 91. 260 Vgl. Buchheim, Bd. 4, S. 48. 261 Nachdem zwischen 1861 und 1880 der frühere Prokurist der Firma Ferdinand Schultze den Verlag geleitet hatte, wurde 1880 der Schwiegersohn August Neven-DuMont neuer Verlagschef. 262 Franz Fischer an August Neven-DuMont, 6.4.1886, AKöZ, Fischer-Briefe (o.Sig.). 263 Fischer an Josef Neven-DuMont, 21.3.1886, ebd. Die Verlagsleitung ging in dieser Zeit offenbar von August an seinen Sohn Josef Neven-DuMont über, ohne daß sich sein Vater schon ganz zurückgezogen hätte. Die meisten von Fischers Briefen sind an Josef NevenDuMont gerichtet. 264 Fischer an Josef Neven-DuMont, 6.4.1886, ebd. 265 Fischer an Josef Neven-DuMont, 24.9.1886, ebd. 2 6 6 Fischer an Josef Neven-DuMont, 3.2.1887, ebd. (im Original steht als Jahr 1886, der Brief stammt aber nach Ansicht von Karl Buchheim, der die Abschriften anfertigte, von 1887). 267 Josef Neven DuMont an F. Fischer, 21.12.1886, AKöZ, Fischer-Briefe (o.Sig.). Mit »Herrn von Schwbg.« war vermudich Victor von Schweinburg, Herausgeber der offiziösen Neuen Reichskorrespondenz, gemeint. 268 Fischer an Josef Neven-DuMont, 24.9.1886, ebd.

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Anmerkungen zu S. 336-348 269 Josef DuMont an F. Fischer, 13.9.1888, zit. nach Weinhold, S. 200; (der Brief ist im AKöZ nicht mehr vorhanden.) 270 Fischer an Josef Neven-DuMont, 14.1.1890, ebd. 271 FZ, 26.11.1913, 3.Mb. Zu v. Huhn ( 1 8 5 1 - 1 9 1 3 ) vgl. daneben den Nekrolog in der KöZ, 25.11.1913, Ma. Zur Politik der Kölnischen Zeitung während v. Huhns Korrespondententätigkeit: Lehmann sowie Daun. 272 Hammann, S. 129. 273 Der Titel des Bändchens von A. Stein, Es war alles ganz anders, verspricht weit mehr, als er hält. Es handelt sich hier lediglich um eine Sammlung einiger Zeitungsartikel von Stein. 2 7 4 M. Reiner, My Life in Germany. Before and After January 3 0 , 1 9 3 3 , S. 8ff., Houghton Library, Harvard University, Manuscprit Collection, bMS Ger 91(182). (Zitiert mit Genehmigung der Houghton Library.) 275 Brunhuber, S. 81. 2 7 6 In den personenbezogenen Akten des Berliner Polizeipräsidenten (BrLHAP, Pr. Br. Rep 30 Berlin C Tit 94) findet sich eine ganze Reihe von Akten, in denen es um die »Ordenswürdigkeit« von Journalisten geht. Häufig läßt sich hieraus auch der Grund fur die Ordensverleihung entnehmen. 277 Zit. nach Engelsing, Sp. 924. 278 Sombart, S. 412ff. Wirtschaftsjournalismus ist bislang noch so gut wie gar nicht untersucht. Zur frühen Entwicklung vgl. Bode. 279 Baasch, Handel, insbes. S. 138f. 280 Zit. nach Klutentreter, S. 23. 281 Vgl. insbes. Glagau-, R. Meyer; Perrot. 282 Vgl. Teil Β Kapitel I I / 2 . 5 . 283 Franz Fischer an Josef Neven-DuMont, 9.1.1888, AKöZ, Fischer-Briefe (o.Sig.). 2 8 4 August Neven-DuMont an F. Fischer, 10.1.1888, ebd. 285 Josef Neven-DuMont an F. Fischer, 10.1.1888, ebd. 286 Zit. nach Mehring, Kapital, S. 92. Die wichtigste Passage des Briefes wird auch von der Frankfurter Zeitung in einer Erklärung vom 13. Juni 1876 und in der Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 364 zitiert. Mehring und die Frankfurter Zeitung liefern an diesen Stellen die Darstellung der Angelegenheit aus ihrer jeweiligen Perspektive. 287 Zit. nach der Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 363. 288 Vgl. den stenographischen Bericht in der Frankfurter Zeitung vom 15.12.1876 Ab.; 16.12.1876 Mb. u. Ab.; 17.12.1876 Mb. 289 Zu Bernhard Doctor ( 1 8 0 7 - 1 8 8 1 ) vgl. die Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 44. 290 Zit. nach der Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 367. 291 G. Mayer, S. 98f. 292 Pluto, S. 429. 293 Vgl. Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 990f. 294 Habermas, S. 88 u. S. 116ff. 295 Die erste feuilletonartige Rubrik soll 1712 imHollsteinischen unparteiischen Correspondenten unter dem Titel »Das Neueste in Kunst, Natur, und gelehrten Sachen« erschienen sein. (Vgl. Lindemann, S. 144.) Unter diesem oder ähnlichem Namen entstanden in den größeren Zeitungen des 18. Jahrhunderts nach und nach Sparten, die neben Buchbesprechungen und diversen anderen Meldungen bald auch Theaterkritiken brachten. 296 Vgl. hierzu insbes. Hohendahl, Literaturkritik, insbes. S. 7 - 4 9 sowie Berghahn. 297 Vgl. Hohendahl, Talent; daneben auch ders., Literaturkritik, S. 1 0 2 - 1 2 7 , sowie Steinecke sowie Marcuse insbes., S. 236ff.

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Anmerkungen zu S. 348-359 298 »Ächte Kritik ist ja nichts Anderes als Vermittlung der Produktion an die Masse,« schrieb Georg Herwegh 1839 in dem Aufsatz »Die neue Literatur«. Zit. nach Hohendahl, Literarische Kultur, S. 136. 299 Zur Wende der Literaturkritik nach 1848 vgl. ebd., insbes. S. 133ff. 300 R. Gottschall, Karl Gutzkow's »Zauberer von Rom«, in: Blätter fur literarische Unterhaltung, 16.12.1858, S. 925-933, S. 928, zit. nach Hohendahl, Literarische Kultur, S. 157. 301 Zum »Feuilletonismus« vgl. Bermati, S. 21 Off. 302 Zu Janin vgl. Casteux. Paul Lindau, der in den sechziger Jahren als Kritiker in Paris verbracht hatte, schrieb über sein Vorbild: »Er schrieb nieder, was ihm gerade einfiel - und es fiel ihm immer etwas ein - , wenn es auch mit dem Gegenstande, über den man etwas von ihm hören wollte, herzlich wenig oder gar nichts zu schaffen hatte. Er nahm seinen Leser gemütlich unter den Arm und ging mit ihm spazieren. Auf der breiten Straße blieb er nicht lange. Er schlug bald einen Seitenweg ein, in den ein neuer Abweg mündete.... Aufs Plaudern verstand er sich wie kaum ein zweiter.« Lindau, Bd. 1, S. 101. 303 Vgl. vor allem Berman, S. 21 Iff. 304 Kritische Waffengänge, 1. Jg., 1882, Nr. 2, S. 15f., zit. nach Berman, S. 218. 305 Kritische Waffengänge, 1. Jg., 1882, Nr. 1, S. 7, zit. nach ebd., S. 219. 306 Brahm, S. 317ff. 307 Merkel, S. 133f. Zu Merkel vgl. auch ADB, Bd. 21, S. 433ff. 308 Vgl. Buchholtz, S. 65. 309 Laube, S. 237. 310 Josef Bachem an den Theaterdirektor Ernst, 29.11.1867, HAStK, Best. 1006, 473, Bl. 218. 311 Zu diesem und ähnlich gelagerten Fällen, die vor dem Verein Berliner Presse verhandelt wurden, vgl. Schienther, S. 39f. 312 Oehlke,S. 259. 313 Berliner Tageblatt, 12.6.1912 Ab. 314 Zu Blumenthal vgl. Klippel, S. 124ff. Gegen Blumenthal und seine Nachahmer vgl. Sudermann. Als Blumenthal seit Ende der siebziger Jahre eigene Stücke schrieb, verfuhr man mit ihm allerdings ebenso gnadenlos, wie er es seinen Kritikerkollegen vorgemacht hatte. 315 Riehl, Bürgerliche Gesellschaft, S. 338. Zu dem Thema Bestechlichkeit von Kritikern und Rezensenten aus zeitgenössischer Sicht vgl. auch Wuttke, S. 31ff. 316 Zu dem Prozeß vgl. FZ, 22.6.1897, 2. Mb und FZ, 23.12.1897, 2. u. 3. Mb. 317 Irene Abendroth an Alfred Mensi von Harbach, 25.11.1892, BStBM, Mensiana, B. 318 Oehlke, S. 77f. 319 Mehring, Fall, S. 23. 320 Stichworte zur geistigen Korruption der Zeit. Der Kritiker als Zirkulationsagent oder: Wie korrupt ist der Kulturjournalismus, in: Die Zeit, 7.10.1988, S. 61f. 321 Hammer, S. 5. 322 Koszyk, Presse, S. 273. 323 Zu nennen sind hier: Arntz; Tenbergen; H.J. Hofmann. 324 Lerg, S. 31. 325 Auch Wolter hebt zu Recht hervor, »daß kulturkritische Beurteilungen ... von Anfang an eine sachliche Auseinandersetzung mit der Generalanzeigerpresse in ihrer phänomenologischen Entwicklung« erschwert hätten; Wolter, S. 317. Die Bestände des Girardet-Archivs sind inzwischen als wohl einziges Archiv eines Generalanzeigers im Stadtarchiv Wuppertal öffentlich zugänglich.

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Anmerkungen zu S. 360-369 326 Vgl. dazu Wolter, S. 22 ff. 327 Vgl. Tenbergen, S. 27f. 328 Das Kriterium der Anzeigenfinanzierung ist, wie anschließend gezeigt werden soll, kaum tauglich zur Charakterisierung des neuen Zeitungstyps. 329 Die Berliner Zeitung war im engeren Sinne keine Neugründung des Verlegers Leopold Ullstein, sondern die Zeitung ging am 1.1.1878 in seinen Besitz über. Mit einem neuen Konzept begann die Zeitung erst jetzt zu prosperieren. 330 Durch den pejorativen Beigeschmack, den der Begriff »Generalanzeiger« auch in der Forschung weithin hat, heißt es in der Literatur zum Berliner Tageblatt gewissermaßen zur Ehrenrettung der Zeitung, sie sei »weder ein reiner Generalanzeiger noch ein reines Gesinnungsblatt gewesen«. Vgl. Klippel, S. 34; G. Schwarz, S. 317. Läßt man die mitschwingenden Wertungen beiseite, so gehörte das Blatt unzweifelhaft zu einer frühen Form eines neuen Typus von Zeitungen, für den sich später der Begriff »Generalanzeiger« durchgesetzt hat. 331 Vgl. H.J. Hofmann, S. 14f. Zu dem Huckschen Verlag vgl. außerdem den Beitrag von Weller zu August Hucks Sohn Wolfgang Huck: Weller, Huck. 332 Neben der Arbeit von Wolter vgl. zu dem Girardetschen Verlag den Beitrag Nowak. 333 Lassalle, S. 177. 334 Vgl. Klippel, S. 139. 335 Hammer, S. 6f. 336 Bücher, Aufsätze, S. 21. 337 Koszyk, Presse, S. 228. 338 Zu Mosers publizistischer Tätigkeit vgl. u.a. Hollmann; als neuere Arbeit zu den insgesamt noch wenig untersuchten Intelligenzblättern vgl. Huneke; als Überblick: Lindemann, S. 248ff.; Petrat. 339 Breitschwert, S. 112. 340 Geschichte der Frankfurter Zeitung, S. 163. 341 Vgl. Klippel, S. 83. 342 Vgl. Dovifat, Art.: Generalanzeiger, in: Heide, Sp.1217-1232, Sp. 1224. 343 Kronsbein, S. 49ff. 344 Vgl. Wolter, S. 345. 345 Vgl. Wolffs Stellungnahme in: Loffie, S. 757. 346 Posse, Zeitung, S. 89; ähnlich: Haas, S. 22f. 347 Schäffle, Bau, Bd. 3, S. 521. 348 Albert Schäffle (1831-1903) war von 1850-59 Redakteur des Schwäbischen Merkur, bevor er 1860 Professor für Nationalökonomie in Tübingen wurde; vgl. DBA 1087,42-48. 349 Zu dem Verein vgl. Hornung, S. 209ff.; Laupenmühlen. 350 ZV, 2, 1901, Nr. 8, 23.2.1901, S. 66 (Hervorhebung im Original). 351 Eine Aufstellung der Verteilung der Stadt- und der Postexemplare fiir die Jahre 1853 bis 1870 vgl. bei Jessen, S. 312f. 352 Vgl. Lerg, S. 15f. 353 Vgl. Böhm, zur Programmatik vgl. insbes S. 25. 354 Der Kölner Lokalanzeiger als Lokalausgabe der Kölnischen Volkszeitung wurde 1887 gegründet und übertraf am Vorabend des ersten Weltkrieges mit einer Auflage von 55 000 das Stammblatt um fast das Doppelte; vgl. Keiter, Handbuch, S. 12. 355 Koszyk tendiert in diese Richtung; vgl. Koszyk, Presse, S. 224. 356 David, S. 81 u. S. 6. 357 Vgl. Hammer, S. 34ff. Anders als viele Pressekritiker dieser Zeit hob Hammer den Wert unparteiischer und unabhängiger Zeitungen sehr wohl hervor. Er sah den Anspruch bei

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Anmerkungen zu S. 369-377 den Generalanzeigern jedoch nicht erfüllt und erhob somit auch den üblichen Vorwurf der »Charakterlosigkeit«. 358 Es ist methodisch zumindest problematisch, über eine ganze Gattung von Zeitungen zu sprechen, zu denen im einzelnen Blätter zählen, die sich nach Größe, professioneller Machart, politischer Ausrichtung und anderem mehr wesentlich unterschieden. Jeder, der mit Zeitungen als Quelle arbeitet, weiß zudem, wie zeitaufwendig die Zeitungslektüre ist, so daß der Versuch, sich einen Überblick zu verschaffen, immer nur in Ansätzen gelingen kann. Die bereits zitierten eingehenden Untersuchungen zu einzelnen Zeitungen spielten hierbei eine wichtige Rolle für die Überprüfung eigener Lektüreergebnisse. 359 Wilhelm Girardet an Richard Bühle, 17.1.1890, StAW, Redaktionskopierbuch III, Bl. 290f. 360 Wilhelm Girardet an Dr. Jerusalem, 5.8.1892, 4.10.1892, 12.10.1892, 26.10.1892, 31.10.1892, StAW Redaktionskopirbuch III, Bl. 668ff, Bl. 696f., Bl. 700f., Bl. 712, Bl. 715. 361 Brunhuber, S. 81. 362 Bremer Tageblatt und General-Anzeiger, 2.4.1903. (»Parteilosigkeit«) 363 Dortmunder Generalanzeiger, 17.9.1879. 364 Zur Politik der Zeitung vgl. auch Tenbergen, S. 116ff. Dessen Bewertung, die Zeitung habe »peinlich jede Stellungnahme« vermieden (S. 116), steht allerdings in einem krassen Gegensatz zu den von ihm selbst angeführten Zitaten aus dem General-Anzeiger. 365 Vgl. Heidorn, S. 52f.; Guratzsch, S. 271ff.; Bernhard. 366 So z.B. in einem Artikel der Tägliche Rundschau vom 20.7.1900. 367 Berliner Morgenpost, 20.9.1898. Zum Ullstein-Verlag und den dort erscheinenden Zeitungen, insbesondere der Berliner Zeitung und der Berliner Morgenpost vgl. 50 Jahre Ullstein; weniger ergiebig dagegen die Jubliäumsschrift zum 100-jährigen Bestehen des Verlags: 100 Jahre Ullstein 1877-1977; daneben: H. Ullstein; E. Fischer; de Mendelssohn, S. 80ff u. S. 129ff. 368 Vgl. Teil Β Kapitel I I / 2 . 3 . 369 Das gesamte Programm ist abgedruckt bei Adam, S. 7f. Zur Geschichte der Zeitung vgl. auch Pohls sowie Henske. Wenn Henske schreibt, im Gegensatz zum Berliner LokalAnzeiger habe bei dem Unparteilichkeitsanspruch der Täglichen Rundschau »nicht die heimliche Spekulation eines neuen Geschäftsprinzips« im Hintergrund gestanden, so ist dies ziemlicher Unsinn und zeigt einmal mehr, mit welchem Odium die »Geschäftspresse« belegt war. 370 Achajus (d.i. H. Trescher), S. 42. Die Behauptung von Lotte Adam (S. 46), dieTägliche Rundschau sei bis 1890 ein »reines Unterhaltungsblatt«, das gegen den Willen des ersten Chefredakteurs Eugen Siercke politisiert worden sei, entbehrt jeder Grundlage. 371 Der 1894 gegründete »Deutschbund« gilt als »die älteste, fest auf dem Boden der völkischen Weltanschauung stehende Vereinigung«, vgl. P.E. Becker, S. 574. Friedrich Lange ( 1 8 5 2 - 1 9 1 7 ) war nach seinem Studium zunächst Gymnasiallehrer. 1876 wechselte er in den Journalismus. Bevor er 1881 zur Täglichen Rundschau ging, war er Redakeur des Braunschweiger Tageblatts. Vgl. Adam, S. 25f.; DBA NF 786, 5 1 - 6 1 ; NDB, Bd. 13, S. 554. 372 Heinrich Rippler ( 1 8 6 6 - 1 9 3 4 ) blieb bis 1921 Redakteur derTäglichen Rundschau. Er war Mitglied des »Evangelischen Bundes« und wurde 1921 Abgeordneter der DVP im Reichstag. Vgl. DBA NF 1079, 3 2 9 - 3 3 2 . 373 W. Girardet an Κ Bühle, 9.4.1890, StAW, Redaktionskopierbuch III, B1.313f. 374 W. Girardet an Hans Rohrbach, 26.7.1892, StAW, Kopierbuch III, Bl. 72. 375 Zum folgenden vgl. die unveröffendichten und unvollendeten Arbeiten von Karl Wülfrath, die im Bestand des Girardet-Archivs im Stadtarchiv Wuppertal liegen: Wülfrath,

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Anmerkungen zu S. 378-387 Linksliberalismus sowie Fragmente zu einer umfangreicheren Arbeit zum Girardet-Verlag (1970). 376 Zu Wagener ( 1 8 6 6 - 1 9 1 1 ) und Tölke, der den Elberfelder Generalanzeiger 38 Jahre lang leitete, vgl. Wülfrath, Linksliberalismus S. 7f. Vgl. auch W. Müller. 377 Unter dem Titel »Die Generalanzeiger-Hetze« verteidigte Johannes Flach ( 1 8 4 5 1895) die parteilose Presse gegen die Angriffe der Parteipresse, vgl. Generalanzeiger fur Hamburg-Altona, 22.10.1893, abgedr. in: Wolter, S. 348ff. 378 Paul Michaelis ( 1 8 6 3 - 1 9 3 5 ) hatte evangelische Theologie studiert und war nach seiner Promotion Journalist geworden. Die Hamburger Neue Zeitung leitete er bis 1902, kehrte dann nach Berlin zunächst zur Vossischen Zeitung zurück und ging anschließend zum Berliner Tageblatt. Vgl. Wülfrath, Linksliberalismus, S. 13f.; DBA NF 895, 3 1 5 - 3 1 6 . 379 Hamburger Echo, 5.7.1902. 380 In einem Artikel des Zeitungs-Verlags vom 16.11.1901, Nr.46, S. 3f. findet sich ein Artikel, der Stellenausschreibungen für Zeitungen anprangert, ohne daß deren politische Tendenz angegeben wäre. Dennoch ist kaum zu erwarten, daß die Verleger bei der Verpflichtung eines politischen Journalisten nicht nach dessen politischer Gesinnung fragten. 381 Zu Levysohn vgl. Klippel, S. 99; DBA NF 808, 3 2 0 - 3 2 1 . 382 Zu Theodor Wolff vgl. DBA NF 1427, 2 0 4 - 2 1 4 ; sowie die Biographie von Köhler. 383 D a Berliner Lokal-Anzeiger ist die wohl am schlechtesten untersuchte unter den größeren deutschen Zeitungen. Die Scherl-Biographie von Erman ist aufgrund der Quellenarmut und des daraus resultierenden anekdotischen Charakters nur wenig hilfreich; vgl. daneben de Mendelssohn, S. 114ff.; Koszyk, Presse, S. 290ff. 384 Auch Hugo v. Kupffers Biographie ist nur sehr unzureichend dokumentiert; neben dem jüngst erschienenen Aufsatz von Stöber vgl. DBA NF 775, 11-12; daneben auch seine Akte beim Berliner Polizeipräsidenten: BrLHA Pr.Br. Rep 30 Berlin C Tit 9 4 Lit Κ Nr. 1018. 385 Vgl. Sembdner, insbes. S. If., S. 8f., S. 19, S. 317f. 386 Breslauer Zeitung, 1.5.1834, zit. nach Oehlke, S. 78. 387 Vgl. D. Meyer, S. 81ff. 388 Zeißig, S. 235. 389 Über die Lokalberichterstattung im Berliner Tageblatt vgl. Klippel, S. 6 0 - 6 6 . 390 Einige Beispiele vgl. ebd., S. 61ff. 391 Kölner Stadtanzeiger, Probeblatt vom 12.11.1876, zit. nach Böhm, S. 25. 392 Der Berliner Polizeipräsident an den preuß. Innenminster, 11,7.1878, BrLHAP, Pr.Br. Rep. 30 Berlin C Tit.94 Lit. R Nr. 544, Bl. 23. 393 Der Preuß. Innenminister an den Berliner Polizeipräsidenten, 25.7.1878, ebd., Bl. 31. 394 Der Berliner Polizeipräsident an Ludwig Behrendt, 5.8.1878, ebd., Bl. 26. 395 Der Präsident des Stadtgerichts an den Berliner Polizeipräsidenten, 4.9.1878, ebd., Bl. 39. 396 Der Präsident des Stadtgerichts an den Berliner Polizeipräsidenten, 2.10.1878, ebd., Bl. 42. 397 Abg. Kirsch, 29.2.1908, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 20. Legislaturperiode, 4. Session, Sp. 2991f. 398 GStAM, Mdl, Rep. 77 Tit. 54a Nr. 19 Bd. 6, Bl. 32f. 399 Berliner Lokal-Anzeiger 1883-1893. 4 0 0 Vgl. Wolter, S. 234f.; ImGeneral-AnzeigerßrHamburg-Altona vgl. insbes. den Artikel vom 29.8.1892, und, rückblickend zu der gesamten Affäre, den Artikel vom 26.3.1893; zu der Cholera-Epidemie ausführlich: E vans; Evans geht auch wiederholt auf die Berichterstattung in den verschiedenen Zeitungen ein.

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Anmerkungen zu S. 388-405 401 Zu Albert Bachem, über dessen Verwandtschaftsverhältnisse zur Familie des Verlegers der katholischen Kölnischen Volkszeitung sich nichts Näheres ermitteln ließ, vgl. den Nekrolog in der KöZ vom 1.6.1908 sowie den Nekrolog in einer Todesanzeige im Archiv der KöZ, Köln; zu Faust: Kölner Stadtanzeiger, 13.9.1912 sowie Böhm, S. 76. 402 H. Küchling an G.C. Petzet, 8.2.1894, BStBM, Petzetiana IX. 403 Zum Problem der Vereinsberichterstattung vgl. Binder sowie Kellen. 404 Vgl. etwa Lobi, S. 182. 405 M. Reiner, My Life in Germany. Before and After January 30,1933, S. 8ff., Houghton Library, Harvard University, Manuscprit Collection, bMS Ger 91(182). (Zitiert mit Genehmigung der Houghton Library.)

Schluß und Ausblick 1 ZV, 5 , 1 9 0 2 , Sp. 514. 2 Vgl. Jacobi, Journalist, S. 129; dort auch das Zitat. 3 Engel, S. 40f. 4 Krumeich, S. 357. 5 Le Petit XIXe Siècle, 11.11.1880, zit. nach Albert, Presse politique, Bd. 1, S. 597. 6 Zur »Geburt der Intellektuellen« in der Dreyfüs-Affare vgl. vor allem Charle. 7 Charle unterscheidet den »einfachen« Intellektuellen vom »Intellektuellen« mit Anführungszeichen, eben jenem Typ des öffentlich engagierten Intellektuellen, dessen »Geburt« er in der Dreyfus-AfFáre ansetzt. 8 Zur Rolle der Intellektuellen im Kaiserreich vgl. jetzt vor allem Hübinger u. Mommsen, darin insbes. die Aufsätze von Lenger und von Hübinger. 9 Skal, S. 250. 10 Die Zeitung mit der weltweit höchsten Auflage um die Jahrhundertwende war der Petit Parisien. 1902 erreichte er erstmals eine Auflage von einer Million, im ersten Weltkrieg sogar von zwei Millionen. 11 Vgl. Göhre.

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Quellen und Literatur

1. Ungedruckte Quellen DLAM - Deutsches Literaturarchiv Marbach a.N. Bestand: Cotta-Archiv (Cotta Hss. Slg.): Contract-Bücher, 3 Bde ( 1 8 3 4 - 1 8 8 0 ) (Redaktions-) Copierbücher; (noch vorhandene Bde: 1833/34; 1 8 5 1 - 6 2 ; 1 8 7 8 - 8 6 ) Honorarbücher AZ I, A 2 Orges, Hermann: o.T. Bericht über das Verbot der Allg. Ztg. in Preußen AZ I, Β 5 Verträge mit Korrespondenten AZ I, Β 7 Briefe an Carl v. Cotta AZ 2, II, 1 - 3 Allgemeine Zeitung AZ 3, A 2 Redakteure und Mitarbeiter AZ 6, A 6 Verkaufsverhandlungen AZ 6, A 8 Diverses Vertr. 3 Cotta Hss. Slg., Br., Briefe Ludwig Aegidi Josef Altenhöfer Adolf Bacmeister Otto Ballerstedt Otto Braun Adolf Bock Joseph Bucher Alfred Dove Richard Gadermann Karl v. Gerstenberg Philipp Geyer

Cotta von: Julius v. Gosen Franz Günzel Waldemar Hayduk Georg Hirth Hugo Jacobi Julius Jolly Reinhold Kapff Albrecht Koch Gustav Kolb Robert v. Landmann Alfred Mensi v. Klarbach

Hermann Orges Richard Otto Christian Petzet Wilhelm Heinrich Riehl Konrad Reichard Friedrich Ruhe Rudolf Schreiber Josef Stegemann Hans Tournier Hans Zeder Joseph v. Zedlitz

BrLHA- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam Pr.Br. Rep 30 Berlin C Tit 9 4 Lit Β Nr.267: Überwachung des Chefredakteurs der »Kölnischen Zeitung« und die Zensur dieser Zeitung ( 1 8 4 1 - 1 8 5 9 ) Lit Β Nr. 1271: Überwachung des Kaufmanns und Redakteurs Hugo Bloch Lit Β Nr.1342: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Paul Bötticher ( 1 9 0 0 - 1 9 1 0 ) Lit Β Nr.l363: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Wilhlem Bornemann (1901)

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Lit Β Nr. 1386: Auskunftserteilung über den Schriftsteller und Redakteur Fritz von Bliesen (1902-1914) Lit D Nr.516: Ordensverleihung an den Schriftsteller und Redakteur Gustav Dahms, Schriftführer des Vereins Berliner Presse (1898/99) Lit F Nr.533: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Ernst Francke (1898-1918) Lit G Nr.l67: Überwachung des Literaten Dr. Rudolf Gottschall aus Breslau (1844-1862) Lit G Nr.493: Ordensverleihung an den Schriftsteller Dr. Moritz Gumbinner (1874-1889) Lit G Nr.751: Überwachung des ehemaligen Redakteurs des »Berliner Tageblatts« und Schriftstellers Max Gingold, genannt Stärk, eines angeblichen Polizeispitzels (1895-1904) Lit H Nr.811: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Leo Horn (1884-1915) Lit H Nr.842: Auskunftserteilung über den Reporter Dr. Salo Hamburger (1886, 1901) Lit Κ Nr.820: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Leopold Kayssler (1870-1898) Lit KNr.858: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Adolf Kohut (1884-1892) Lit Κ Nr.885: Der Redakteur Max Albert Klausner (1886-1906) Lit KNr.1018: Auskunftserteilung über den Redakteur Hugo v. Kupffer (1888-1912) Lit L Nr.502: Das literarische Büro im Polizeipräsidium Lit L Nr.502, adh: Die Korrespondenz des literarischen Büros mit den Zeitungsredaktionen (1866/67) Lit Ρ Nr.616: Der Zustand der Presse, Bd. 1: 1850-1888; Bd. 2: 1888-1910 Lit Ρ: Auskunftserteilung über den Schriftsteller und Redakteur der »Vossischen Zeitung« Adolf Ludwig Pietsch (1886-1911) Lit Ρ Nr.717: Überwachung des Redakteurs Dr. Rudolf Presber (1886-1911) Lit R Nr.496: Der katholische Priester und Redakteur des »Deutschen Volksblattes« Dr. Florian Riess (1857/58) Lit RNr.544: Das Reporterwesen 1878-1883 Lit R Nr.802: Auskunftserteilung über den Chefredakteur Dr. Hugo Russak (1896-1918) Lit S Nr.571 Überwachung des demokratischen Literaten und Tabakhändlers Karl Adolf Streckfiiß (1849-1895) Lit S Nr.l823: Auskunftserteilung über den Redakteur Karl Schlesinger (1896/97) Lit S Nr. 1848: Auskunftserteilung über den Redakteur und Apotheker Dr. Arthur Strecker (1898-1901) Lit S Nr.l881: Auskunftserteilung über den Journalisten Julius Schlochauer (1899-1907) Lit S Nr. 1895: Auskunftserteilung über den Redakteur Julius Georg Schweitzer (1900-1914) Lit S Nr.l943: Auskunftserteilung über den Journalisten Karl Schelsky (1901/2) Lit Τ Nr.336: Auskunftserteilung über den Redakteur Dr. Friedrich Carl Theiß (1896) Lit U Nr.128: Untersuchung gegen die Journalisten Heinrich Leckert, Carl v. Lützow u. Genossen wegen Beleidigung und verleumderischer Beleidigung (1896/97) Lit W Nr.468: Überwachung des Mitgliedes der Deutschen Volkspartei und Redakteurs Dr. Guido Weiß aus Neumarkt (1849-1885) Lit W Nr.812: Auskunftserteilung über den Journalisten Max Wienecke (1900-1906)

Pr.Br. Rep 30 Berlin C Tit 95 Sekt 2 Nr. 52: Die Verübung groben Unfugs durch die Presse 1878-97 Sekt 2 Nr. 74: Das Einschreiten gegen Redakteure von Preßerzeugnissen wegen Veröffentlichung von Gerichtsbeschlüssen 1892/93

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GStAM - Geheimes Staatsarchiv Merseburg Lit. Büro 2.3.35 Nr.l: Die Organisation des Literarischen Cabinetts im Königlichen Staatsministerium und dessen Wirksamkeit Nr.32: Literarische Beschäftigung des Leutnants a.D. Albert Burow in Berlin, bei der Zentralstelle für Preßangelegenheiten (1854-82) Nr.43: Beschäftigung des Dr. Erich bei der Redaktion der Preußischen Staatszeitung beziehungsweise beim Literarischen Büro (1865-94) Nr.52: Dr. Hermann Grieben in Stettin 1855-56 Nr.64: Beschäftigung des Dr. Hermes im Interesse der gouvernementalen Presse (1852-1858) Nr.75: Literarische Beschäftigung des Dr. Koffka zu Karlsruhe im Interesse des preußischen Gouvernements (1851-71) Nr. 101: Beschäftigung des Dr. Martin Runkel im Interesse der gouvernementalen Presse (1853-73) Nr. 227: Der mit dem Verleger der »Kölnischen Zeitung« J. DuMont zu Köln abgeschlossene Vertrag sowie die Haltung dieser Zeitung (1851-56) Nr. 228: Der mit dem Inhaber der »Düsseldorfer Zeitung« Lorenz Stahl abgeschlossene Vertrag sowie die Haltung und Unterstützung dieser Zeitung (1851-54) Rep 77 Ministerium des Innern tit 54a Nr.19: Die Geschäftsverwaltung in den Preß- und Zeitungs-Angelegenheiten bei dem Polizeipräsidenten in Berlin und die dabei angestellten Beamten tit 381 Nr.26: Die Veröffentlichung und Besprechung verschiedener Vorfalle durch die Presse sowie das Verhältnis der Polizei zur Presse (1897-1913) Rep 92 Nachlaß Wehrenpfennig C IV Spenersche Zeitung

GStAB - Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem Rep 84a 3983-86 Pressegesetz für das Deutsche Reich 1871-1903

BAP - Bundesarchiv Potsdam 90 Kn 1: Nachlaß Knorr

BStBM - Bayrische Staatsbibliothek München Petzetiana: Nachlaß Petzet Mensiana: Nachlaß Mensi von Klarbach

H H I D - Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf Nachlaß Heinrich Kruse

463

S t A W - Stadtarchiv Wuppertal Archiv des Girardetverlags, Redaktionskopierbücher Wülfrath, K., Wilhlem Girardet, »Die Zeitungen von 1893 bis 1902« (unveröffentl. Ms.) ders., Hamburgs Linksliberalismus 1888 bis 1932 (unveröffentl. Ms.) H A S t K - Historisches Archiv der Stadt Köln Best. 1006: Nachlaß Bachem, Redaktionskopierbücher A K ö Z - Archiv der Kölnischen Z e i t u n g (Kölner Stadtanzeiger) Fischer-Briefe (o.Sig.) Nekrologsammlung (o.Sig.) A N - Archives Nationales Paris 1 AR ( 1 - 3 ) Le Matin H o u g h t o n Library, H a r v a r d University Manuscript Collection, bMS Ger 91(182), M. Reiner, My Life in Germany. Before and After January 30, 1933

2.

Periodika

(Die benutzten Tageszeitungen werden hier nicht eigens aufgeführt.) Deutsche Presse. Organ des Deutschen Schriftstellerverbandes Deutsche Schriftstellerzeitung. Organ des Deutschen Schriftstellerbundes Die Feder. Organ fiir alle deutschen Schriftsteller und Journalisten Kürschners Deutscher Literaturkalender Die Litterarische Praxis La Presse internationale Das Recht der Feder. Halbmonatsschrift fiir die Berufsinteressen der deutschen Schriftsteller und Journalisten Die Redaktion. Fachzeitschrift für Redakteure, Schriftsteller und Verleger. Offizielles Organ des Vereins Deutscher Redakteure Der Zeitungs-Verlag. Fachblatt für das gesamte Zeitungswesen

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