John Wesley und der frühe Methodismus: Dt. /Engl. 9783767570764, 3767570769, 1733173570

Dieses Standardwerk, das bereits in sechs Sprachen überSetzt wurde, führt in die Entstehung und Geschichte des Methodism

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German Pages 394 [396] Year 2006

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John Wesley und der frühe Methodismus: Dt. /Engl.
 9783767570764, 3767570769, 1733173570

Table of contents :
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Title
Copyright
Inhalt
Vorwort
1. Kapitel Der Methodismus und das christliche Erbe in England
2. Kapitel Das Aufkommen des Methodismus (1725–1739)
3. Kapitel Die Erweckung beginnt (1739–1744)
4. Kapitel Konsolidierung der Bewegung (1744–1758)
5. Kapitel Die Reifezeit des Methodismus (1758–1775)
6. Kapitel Spannungen und Veränderungen (1775–1791)
Epilog
Register

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Richard P. Heitzenrater John Wesley und der frühe Methodismus

Richard P. Heitzenrater John Wesley und der frühe Methodismus

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.

Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Wolfgang Günter Mit 68 Abbildungen. Für den Umschlag wurde ein weit verbreiteter zeitgenössischer Stich verwendet, der John Wesley – auf dem Grab seines Vaters stehend – bei einem Gottesdienst unter freiem Himmel zeigt. Weitere Bilder: falls keine näheren Angaben, © Abingdon Press; S. 191 Bridwell Library, Southern Methodist University/USA; Titelbild © Drew University/USA; S. 58, 75, 221, 228, 332 John Rylands Library, Manchester/GB. Veröffentlichungen der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Deutschland.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Originalausgabe: Wesley and the People Called Methodists © Abingdon Press – 1995 Veröffentlicht mit Genehmigung des United Methodist Publishing House, Nashville/USA © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 1716, 37007 Göttingen – 2007 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG.

Wissenschaftliche Beratung: Dr. Manfred Marquardt, Reutlingen Lektorat und Satz: Susanne Rosenkranz, Leverkusen Druck: buch bücher dd ag, Birkach Umschlaggestaltung: klartext GmbH, Göttingen ISBN-13: 978-3-7675-7076-4 ISBN-10: 3-7675-7076-9

Meiner Mutter und meinem Vater, die mit ihrem Leben und Glauben das Erbe Wesleys und der Menschen, die man Methodisten nennt, verkörpern. (Wörtliche Übersetzung des Originaltitels „Wesley und die Menschen, die man Methodisten nennt“)

Inhalt

Vorwort ..................................................................................................

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1. Der Methodismus und das christliche Erbe in England ........ Die englische Reformation: Von der Kirche in England zur Kirche von England ................................................................ Der Pietismus und die religiösen Gesellschaften ...................... Die Familie Wesley in Epworth ...................................................

17 19 36 45

2. Das Aufkommen des Methodismus (1725–1739) .................... 53 Das erste Aufkommen des Methodismus – Oxford .................. 53 Erste Organisationsstrukturen der Oxford Society ..................... 60 Der Oxford-Methodismus, 1733–1735 ......................................... 70 Das zweite Aufkommen des Methodismus – Georgia ............. 82 Das dritte Aufkommen des Methodismus – London ................ 97 Peter Böhler und die Suche nach dem Glauben ................................ 100 3. Die Erweckung beginnt (1739–1744) ......................................... Die Erweckung in Bristol .............................................................. Die Vereinigten Gesellschaften .................................................... Auseinandersetzung mit Calvinisten und Herrnhutern .......... Spaltungen und die Vereinigte Gesellschaft in London ................... Klassen und Leiter ............................................................................ Fortdauernde Dispute ....................................................................... Der Auftrag des Methodismus ..................................................... Verteidigung und Apologetik ........................................................... Der Pfarrbezirk wächst .................................................................. Das Netzwerk wächst ....................................................................... Eine Kontroverse und die Konferenz ................................................

121 123 128 131 135 144 146 152 157 164 169 172

4. Konsolidierung der Bewegung (1744–1758) ............................. 179 Ein Netzwerk (Connexio) entsteht ............................................... 182 Reisen und Predigen ......................................................................... 183

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Inhalt

Die wachsende Verlagsarbeit ............................................................ Weitere Kontroversen ....................................................................... Die Erweckung breitet sich aus ......................................................... Missions- und Aufbauarbeit ......................................................... Hilfe für Körper, Seele und Geist ...................................................... Fragen nach Einheit und Uniformität .............................................. Ausbildung der Prediger ................................................................... Regeln und Ordnungen der Connexio ........................................ Die Prüfung der Prediger ................................................................. Leitung und Einheit .......................................................................... Trennungsdruck ...............................................................................

187 191 196 200 200 207 213 219 220 226 229

5. Die Reifezeit des Methodismus (1758–1775) ........................... Maßstäbe für Lehre und Disziplin ............................................... Vielfalt und Debatte .......................................................................... Bemühungen um Einheit mit den anglikanischen Geistlichen ......... Probleme mit den Predigern ............................................................. Die Kontroverse um die Vollkommenheit ......................................... Maßstäbe für die Einheit.................................................................... Die methodistische Mission und die Kirche ...................................... Die Herausbildung einer eigenen Theologie............................... Lehre, Ordnung und die Konferenz ............................................ Expansion, Kontroverse und die Führungsfrage .......................

239 239 241 243 245 250 252 256 261 278 288

6. Spannungen und Veränderungen (1775–1791) ........................ Theologische und politische Polemik .......................................... Konferenz und Dienst .................................................................... Die Deklarations-Urkunde ................................................................ Eine neue Kirche in der Neuen Welt ................................................ Die Schlussphase ............................................................................ Die späten Jahre ................................................................................

309 309 332 333 336 345 354

Epilog ...................................................................................................... 365 Der Methnodismus nach Wesley ................................................. 367 Das wesleyanische Erbe ................................................................ 374 Register ................................................................................................... 383

Vorwort

Um die Anfänge einer Bewegung ranken sich stets Mythen und Legenden. Das Christentum soll von Josef von Arimathäa nach England gebracht worden sein. In Glastonbury steckte er einen Stab in die Erde und sagte: „Dies ist der Ort.“ Dieser Stab schlug der Legende nach aus und wuchs zu einem Baum heran. Der menschlichen Leichtgläubigkeit ist es geschuldet, wenn die Reiseführer in Glastonbury heute einen lebendigen Abkömmling dieses Baums mit derselben Sicherheit zeigen, mit der sie die genaue Lage von König Artus’ Grab angeben – beide angeblich innerhalb der Mauern der dortigen mittelalterlichen Klosterruine gelegen. Auch wenn John Wesley natürlich in eine viel spätere Zeit gehört als Josef von Arimatäa oder Artus, bleibt auch die Geschichte seines Einflusses auf das religiöse Leben in England nicht unberührt von Anekdoten, und durch wiederholtes Erzählen klingen sie immer wahrscheinlicher und plausibler. Wesley selbst legte großen Wert darauf, der Geschichtsschreiber seiner eigenen Bewegung zu sein – „Wer wäre für diese Aufgabe besser geeignet?“, fragte er seine Leser. Gewöhnlich verfolgte er dabei die Absicht, die Menschen, die man Methodisten nannte1, sowie ihre Rolle bei der Entstehung und Entwicklung ihrer Bewegung nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu verteidigen. Seine Kritiker waren eher daran interessiert, die methodistische Bewegung in düsteren Farben zu schildern, und man kann ihnen wahrlich nicht vorwerfen, sie hätten versucht, die Entstehung und Absichten der Metho1

Der im Buchtitel und an einigen Stellen des Originaltextes verwendete Ausdruck „the people called Methodists“ wurde im Anschluss an Wesleys eigene Ausdrucksweise gewählt, der die Bezeichnung „Methodisten“ nicht selbst ausgesucht hatte. Vielmehr haben – darauf hat er selbst wiederholt hingewiesen – andere Personen seine Anhänger so genannt und ihnen diese Bezeichnung gewissermaßen aufgezwungen. Im Folgenden wird der Ausdruck „Menschen, die man Methodisten nannte“ in der deutschen Übersetzung mit dem Einverständnis des Autors durch den bloßen Namen „Methodisten“ ersetzt. Das gilt nicht von anderen Fremdbezeichnungen, die den Methodisten beigelegt wurden; sie werden an den entsprechenden Stellen des Textes beibehalten.

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Vorwort

disten unvoreingenommen zu beschreiben. Wesleys Freunde stellten dagegen ohne rot zu werden die besten Seiten heraus, wenn sie den Methodismus und seine Führungspersönlichkeit schilderten. Wenn man die Fülle von Dokumenten sichtet, die von Wesley und seinen Zeitgenossen hinterlassen wurden, lassen sich Angriff von Verteidigung und Schmähschriften von echter Hingabe leicht unterscheiden. Andererseits ist es nicht immer so einfach, Propaganda und Polemik oder Tatsachen und Einbildung zu entwirren – auf beiden Seiten. Wesley war sich seiner eigenen geistlichen und theologischen Entwicklung sehr bewusst; gleichermaßen hatte er die religiöse und intellektuelle Entfaltung seiner Anhänger im Blick. Die Geschichte der Wesley-Bewegung im achtzehnten Jahrhundert ist mehr als die Schilderung einer sich ausbreitenden Organisation, einer sich entwickelnden Theologie und einer sich ausweitenden Missionsarbeit. Es ist die Geschichte von Menschen, für die und mit denen Wesley Zeit und Kraft aufwandte. Deshalb werden in diesem Überblick viele Einzelne mit ihren Namen erwähnt, die üblicherweise für nicht bedeutend genug erachtet wurden, um namentlich genannt zu werden. Unglücklicherweise ist in vielen Fällen nicht mehr als ihr Name bekannt. Trotzdem habe ich versucht, sie vor dem Schicksal zu bewahren, zu anonymen Figuren in der Geschichte des Methodismus zu werden. Dieses Buch also ist keine Wesley-Biografie; viele der klassischen Geschichten aus seinem Leben (vor allen Dingen aus den frühen Jahren) werden hier nicht erzählt: z.B. wie er in seiner Kindheit aus dem brennenden Pfarrhaus gerettet wurde, seine unter einem schlechten Stern stehende Romanze mit Sophy Hopkey und Ähnliches; sie sind in den Standardbiografien zu finden. Hier steht Wesleys Beziehung zu der Bewegung, die später als geistliche Erweckung unter den Methodisten charakterisiert werden sollte, im Mittelpunkt. Ein Teil der Aufgabe der Untersuchung der wesleyanischen Erweckung besteht darin, die Wurzeln wahrzunehmen, aus denen sich die Bewegung entwickelte und von denen sie im Lauf ihrer Entwicklung zehrte. Wesley betonte, als er später über Entstehung und Wachstum des Methodismus nachdachte, die Spontaneität seiner Anfänge und das offene Ende seiner Entwicklung (siehe seine Short History of Methodism). Seiner Meinung nach hatte Gott die Methodisten zu einer bestimmten und lohnenden Aufgabe berufen, aber auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt vorhersagbar oder vorherbestimmt war. Und Wesleys beste Absichten, die Kirche zu reformieren und schriftgemäße Heiligung zu predigen, hatten oft Folgen, die er weder begrüßte noch vorhergesehen hatte. Wesley neigte in seinen anekdotenhaften Erinnerungen über Entstehung und Entwicklung seiner Bewegung mitunter dazu, die Fakten zu

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sehr zu vereinfachen oder zu beschönigen (aus apologetischen oder didaktischen Gründen), doch Form und Inhalt dieser Geschichten haben, nachdem sie von Biografen und Historikern immer wieder erzählt wurden, einen Stammplatz im methodistischen Legendenschatz. Weil diese ständig erzählten Geschichten eine Aura der Wahrheit angenommen haben, ist es schwer, sie von historischen Fakten zu unterscheiden und noch schwerer, sie zu korrigieren, wenn einmal als Legenden identifiziert sind, und sich von diesen volkstümlichen Erzählungen zu lösen. Der heutige Historiker allerdings kann durch die Rückschau die geschichtlichen Entwicklungen in einer Weise analysieren, wie es für die an den damaligen Ereignissen Beteiligten nahezu unmöglich gewesen wäre (und auf eine Weise, die viele folgende Historiker aus dem konfessionellen Lager nicht interessierte). Das kulturelle Klima, die intellektuelle Atmosphäre, die subtilen Einflüsse und unvorhergesehenen Konsequenzen – all das wird bei Ereignissen vergangener Zeiten von einem Beobachter späterer Tage schärfer wahrgenommen. Eine sorgfältige Untersuchung der wesleyanischen Erweckung zeigt, dass der Methodismus zwar keine im Voraus geplante Form hatte, die Bewegung jedoch in eine festgelegte und ganz bestimmte Richtung voranschritt. Und es scheint, dass Wesley eher daran interessiert war, den Schwung der Bewegung in die richtige Richtung zu lenken, als festgelegte Formen zu schaffen oder zu bewahren. Der Erfolg des Methodismus erklärt sich also nicht aus einem sich entfaltenden „Plan“ Wesleys, sondern vielmehr aus der Dynamik der Bewegung und ihrer Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Wichtig ist dabei sowohl der historische Kontext – die Situation, die Menschen darin, ihre Probleme sowie die Möglichkeiten und Gaben, die ihnen zur Verfügung standen – als auch die einzelnen Menschen, die mit dieser Situation konfrontiert waren: ihre Erfahrungen und die Art und Weise, wie sie die Probleme auffassten, welche Mittel sie wählten, wie sie ihre Lösungsstrategie in einer konkreten Situation anwandten. In vielen Fällen war John Wesley zu einer intellektuellen Überzeugung gekommen, was richtig oder wahr sei, bevor er durch seine eigene Erfahrung verifizieren konnte, dass das wirklich der Fall war, und so Bestätigung und Gewissheit erhielt – die empirische Verifikation war wichtig, selbst wenn es um religiöse oder geistliche Wahrheiten ging. Glaube, der von Thesen ausging, und Glaube, der sich in Erfahrungen gründete, waren in mancher Hinsicht kongruent, in anderer Hinsicht konjunktiv, dass heißt, sie stießen an einem bestimmten Punkt aufeinander. Sein Aldersgate-Erlebnis war zum Beispiel in mancher Hinsicht die durch Erfahrung gewonnene Bestätigung der Wahrheit, die er sowohl verkündigte wie auch suchte: Man konnte

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Vorwort

Gewissheit erlangen, dass Gott einem vergab, und diese Gewissheit besaß eine lebensverändernde Kraft. Die Bedeutung dieses Ereignisses liegt vor allem darin, dass sein geistliches Selbstverständnis, sein zentrales Konzept auf den Punkt gebracht wird – das Ereignis selbst (Ort, Zeit, Handlung) hat keinen Eindruck von bleibender Wichtigkeit in Wesleys Gedächtnis hinterlassen; es war kein Erlebnis, dessen Jahrestag er zu feiern pflegte (er spricht viel öfter über seinen Geburtstag). Es war hingegen ein wesentlicher Schritt hin auf ein tieferes Verständnis dessen, wie man die Wahrheit des Evangeliums wissen und erfahren kann. Es ist diese Wahrheit, die er weiterhin feiert, erklärt, verkündigt, zusammen mit einer Reihe von anderen Wahrheiten, die er auf die eine oder andere Weise erfahren hatte. Daraus ergab sich ein Standpunkt zu Gott, zur Errettung und zum christlichen Leben, den er den Menschen seiner Zeit predigen musste, um ihnen seine Vision eines christlichen Lebens zu eröffnen; seine Erfahrung des Evangeliums in seinem Leben sollte im Leben Tausender von anderen Menschen bestätigt werden. Dieses Buch erzählt die Geschichte vom Aufkommen des Methodismus als Folge von sich entfaltenden Entwicklungssträngen, schildert die daraus folgenden Konsequenzen allerdings erst, wenn sie tatsächlich eintreten. Die Geschichte des frühen Methodismus lässt sich am besten verstehen, wenn man sie im Rahmen von neu hervortretenden und voneinander abhängigen theologischen, organisatorischen und missionarischen Entwicklungen versteht – jeder dieser drei Aspekte wurde über einen Zeitraum von vielen Jahren geprägt und lässt sich nicht ohne seine Abhängigkeit von den anderen begreifen. Wesleys eigene Pilgerfahrt des Glaubens ist natürlich in zentraler Weise unauflöslich mit der Entwicklung der Theologie, der Organisation und der Missionsarbeit des Methodismus im 18. Jahrhundert verflochten. Doch das ist weder die einzige noch die ganze Geschichte. Viele der Ideen, die er dem Methodismus einverleibte, stammten von anderen Menschen; viele der für die Bewegung charakteristischen Aktivitäten wurden von anderen ins Leben gerufen. Und obwohl Wesley die Bewegung immer streng unter Kontrolle behielt, reagierte nicht jeder positiv auf seine Richtungsanweisungen. Die Geschichte der wesleyanischen Bewegung im 18. Jahrhundert ist die Geschichte von Wesley und den Methodisten. Dieses Buch soll wissenschaftlich sein, aber dabei nicht pedantisch; die neuesten Forschungsergebnisse werden einfließen, ohne die neuen Entdeckungen, die die alten Stereotypen revidiert haben, unnötig zu zerreden. Die vorliegende Arbeit hat insbesondere von der jahrzehntelangen Forschungsarbeit vieler Wissenschaftler profitiert, die in

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die Bicentennial Edition of the Works of John Wesley eingeflossen ist, die, wo immer es möglich war, als Quelle für Wesleys Schriften zitiert wird. Andere Primärquellen werden nach modernen Sammelwerken zitiert, die dem heutigen Leser ohne weiteres zugänglich sind, wie etwa Band 4 von The History of The Methodist Church in Great Britain. Wichtige Begriffe (Namen, Orte, Veröffentlichungen, ideengeschichtliche Termini) werden beim ersten Vorkommen oder in einem wichtigen Kontext halbfett gedruckt. Abgekürzte Literaturangaben, die sich au f im Text angeführte Zitate beziehen, werden am Ende des ersten Kapitels, in dem sie auftauchen, sowie in der Bibliografie am Ende in der ausführlichen Fassung aufgeführt. Auf Quellenangaben, die aus dem Text unmittelbar ersichtlich sind (wie die Minutes für ein bestimmtes Jahr oder das Journal für ein bestimmtes Datum) wird verzichtet. Das vorliegende Werk wurde mit zahlreichen Holzschnitten aus der Wesley-Zeit und mit Reproduktionen zeitgenössischer Dokumente illustriert; die Copyright-Hinweise sind, soweit nötig, auf der entsprechenden Seite zusammengefasst. Ich möchte vielen Menschen meinen Dank aussprechen, die die ganze Arbeit oder Teile davon einer kritischen Durchsicht unterzogen haben, besonders Karen Heitzenrater, Wanda Smith, Frank Baker, John Vickers, Kenneth Rowe, Jean Miller Schmidt, Russell Richey, Rex Matthews, Frederick Maser, John Wells und verschiedenen Kursen von Theologiestudenten an der Southern Methodist University, Drew University, Iliff School of Theology und der Duke University. Dieses Buch ist meinen Eltern gewidmet, die mich ein halbes Jahrhundert lang zu hervorragenden akademischen Leistungen angespornt haben. Ich hoffe, dass sich diese Arbeit als nützliches Hilfsmittel für Menschen im kirchlichen und akademischen Bereich erweist, die versuchen, die Bedeutung des wesleyanischen Erbes für die heutige und auch für zukünftige Generationen zu erkennen. R. P. H. Durham, North Carolina 2. März 1994

St. Michael’s Church in Stanton Harcourt, im Vordergrund der zu Harcourt House gehörige Pope’s Tower.

1. Kapitel Der Methodismus und das christliche Erbe in England

John Wesley lief häufig die zwölf Kilometer von der Universität Oxford, an der er als Dozent lehrte, in das Dorf Stanton Harcourt, um dort für seinen Freund, den Pfarrer John Gambold, den Predigtdienst zu übernehmen. Er hätte nicht vorhersehen können, wie seine Predigten in dieser stillen ländlichen Idylle später als deutlich wahrnehmbares Zusammentreffen von Kräften verstanden werden würde, die in Wesley selbst und der methodistischen Bewegung, die er im zweiten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts ins Leben rief, zusammenkommen und ihren Ausdruck finden. Eine dieser Begebenheiten allerdings ist eine historische Randnotiz, die viel von dem Wesen und der Dynamik der wesleyanischen Erweckung einfängt. An einem Tag im Spätfrühling 1738, als Wesley in dieser kleinen Dorfkirche über „Errettung durch den Glauben“ predigte, flossen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der englischen Religiosität auf faszinierende Weise zusammen. Die weit in die Vergangenheit zurückreichende englische Kirchentradition traf auf die Kraft der persönlichen Glaubenserfahrung. Eine Institution, die von den und für die führenden Gesellschaftsschichten errichtet worden war, stieß auf die Sorge für Leib und Seele der Entrechteten. Auch wenn der Prediger und sein Gastgeber zu dieser Zeit bereits als Methodisten bekannt waren, konnte niemand aus der kleinen Schar der Gottesdienstbesucher an diesem Sonntag ahnen, dass Gambold, der gastgebende Prediger, schließlich ein Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine und Wesley, der Gastprediger, bald der führende Kopf einer vom Evangelium getragenen Erweckungsbewegung werden würde, die sich noch zu seinen Lebzeiten über viele Länder verbreiten und zu einer transatlantischen Bewegung heranwachsen würde. Die aus dem elften Jahrhundert stammende St.-Michael-Kirche in Stanton Harcourt liegt recht unberührt in der ländlichen Umgebung von Oxfordshire; sie strahlt in ihrer Bauweise die Tradition ihrer römisch-katholischen Stifter aus. Diese Abgelegenheit konnte weder den Glauben ihrer Mitglieder noch das Kirchengebäude selbst vor

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1. Kapitel

dem bilderstürmerischen Eifer der anglikanischen und puritanischen Reformatoren bewahren oder schützen. Die Holzschnitzereien, Stein und Messing litten weniger Schaden als die bunten Glasfenster oder der römische Glaube an die mittelalterlichen Heiligen. Der hölzerne Lettner befindet sich noch heute am angestammten Ort und stellt das älteste erhaltene Exemplar seiner Art in England dar, ein Relikt des mittelalterlichen Katholizismus aus dem dreizehnten Jahrhundert. Doch an den stark beschädigten Steinmetzarbeiten lässt sich deutlich der destruktive Eifer, der für die Reformatoren zur Zeit Heinrichs VIII. typisch war, ablesen. Viele der monumentalen Messingstatuen blieben intakt, doch etliche Einkerbungen im Stein mit vereinzelten Messingnieten erinnern nachdrücklich an die Eiferer unter Cromwell, die Messing eher für Gewehrkugeln als für Begräbnisse verwendeten. Die mittelalterlichen Glasfenster sind verschwunden. Sie sind einigen Generationen von Reformern des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts unwiederbringlich zum Opfer gefallen, die den typisch protestantischen Wechsel im geistlichen und ästhetischen Empfinden weg von repräsentativen oder mystischen Gegenständen verkörpern. Als Wesley am 11. Juni 1738 die Stufen zur Kanzel von St. Michael erklomm, hatte er diese sichtbaren Hinweise auf die Kirchengeschichte vor seinen Augen, Zeichen von Macht und Ruhm, von Stürmen und Schwierigkeiten, von Triumph und Versagen, die die Kirche von England in den vorangegangenen Jahrhunderten erlebt und an denen Wesley selbst im Lauf seiner Pilgerfahrt Anteil gehabt hatte. Feste Wurzeln in der frühchristlichen Tradition, eine meditative Spiritualität, typisch für die Gläubigen des Mittelalters, das unverzagte Festhalten an der anglikanischen Kirche, moralische Überzeugungen, die er aus dem puritanischen Ethos bezogen hatte – all das hatte seine Spuren in Wesleys Herz und Verstand wie auch im Gebäude der St. Michaels-Kirche hinterlassen. Die Ideen und Kräfte, die dem frühen Methodismus Gestalt und Richtung gaben, werden im Großen und Ganzen in den verschiedenen Umwälzungen des reformatorischen England im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sichtbar. Um die wesleyanische Bewegung zu verstehen, müssen man zunächst den Boden durchsieben, der ihr das Leben schenkte, die Samen suchen, denen sie entspross, und die Kräfte wahrnehmen, die sie am Leben erhielten und ihr Nahrung gaben.

Der Methodismus und das christliche Erbe in England

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Die englische Reformation: Von der Kirche in England zur Kirche von England England lernte das Christentum im sechsten Jahrhundert durch Augustin von Canterbury kennen, der die Strategie verfolgte, den angelsächsischen König Ethelbert, dessen Gemahlin Bertha Christin war, zu bekehren. Die englischen Monarchen haben seitdem eine wichtige Rolle im religiösen Leben der britischen Inseln gespielt. An den Berührungsflächen zwischen Religion und Politik ging es ganz gewiss nicht ohne Reibungen ab. Thomas Beckets Kontroversen mit Heinrich II., Anselms Kompromiss im Investiturstreit, John Balls Predigt gegen Richard II. und eine Vielzahl von weiteren Zwischenfällen bezeugen das anhaltend gespannte Verhältnis zwischen Kirche und Krone. Doch im Grunde schien diese Beziehung beiden Parteien während des größten Teils der englischen Geschichte notwendig und natürlich, wenn nicht sogar gottgegeben. Der Einfluss der Kirche von Rom, Augustins Vermächtnis an das mittelalterliche England, wurde in den Ländern nördlich des Ärmelkanals vielen Prüfungen ausgesetzt. In der Feudalzeit stellte die Monarchie das Vorrecht des Papstes, englische Bischöfe einzusetzen (die de facto Vasallen des Monarchen waren), in Frage; in der Frühzeit des Parlaments führten protektionistische (wenn nicht sogar fremdenfeindliche) Tendenzen zu einigen Gesetzen, die den Einfluss ausländischer Mächte wie des Papstes einschränkten oder es erschwerten, sie um Hilfe anzurufen; das aufkommende Nationalbewusstsein, das von Anfang an durch antifranzösische Ressentiments geprägt war, bewegte John Wycliff, die Bibel als Gegenautorität zum Papst zu verkünden, der (während eines großes Teils des vierzehnten Jahrhunderts) unter französischem Einfluss stand. Das Inseldenken durchdrang das Bewusstsein des sich entwickelnden englischen Nationalstaats. Es ist nicht überraschend, dass Thomas Morus die ideale Gesellschaft in seiner Schrift Utopia als Inselreich porträtierte. In England liegt die Küste von keinem Ort aus weiter als 130 km entfernt, was dem Nationalbewusstsein der Engländer natürliche Grenzen setzt. So ist es kein Wunder, dass sich hier eine herrschende religiöse Schicht herausbildete, die ungetrübt nationalistisch, gesetzlich in der Monarchie verankert und entschieden antipäpstlich eingestellt war. Die Monarchie ist bis mindestens zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts hindurch das zentrale Charakteristikum der englischen Geschichte. Dies tritt vielleicht während der englischen Reformation zur Zeit Heinrichs VIII., Eduards VI., Marias I. und Elizabeths I. zutage. Obwohl religiöse Reformatoren wegen ihrer Ideen und Programme zu

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1. Kapitel

Die Übersetzung der Bibel in die Umgangssprache wurde zu einem bedeutenden Kennzeichen der englischen Reformation. Henry VIII. unterstützte die Veröffentlichung der „Großen Bibel“ von 1539. Das Titelblatt zeigt ein Porträt, auf dem er durch Thomas Cranmer und Thomas Cromwell das Wort Gottes verbreitet.

Der Methodismus und das christliche Erbe in England

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einiger Berühmtheit gelangen, vor allen Dingen auf dem europäischen Festland, hing die Umsetzung ihrer Reformen weitgehend von den Wünschen und Launen der politischen Machthaber ab – in vielen Gebieten wie etwa Deutschland, Frankreich und England war das Schicksal der Reformbewegungen an die positive oder negative Einstellung einzelner Monarchen oder Prinzen gebunden. Die Reformation in England durchlief unterschiedliche Phasen, die zum großen Teil vom Standpunkt der Monarchen bestimmt und in gewissem Maß von den Ratschlägen von Höflingen geprägt wurden, auf alle Fälle aber durch vom Parlament verabschiedete und in Kraft getretene Gesetze. Heinrich VIII. machte den ersten großen Schritt, indem er die englische Kirche von Rom abkoppelte und sie unter die Oberherrschaft des Monarchen stellte. Persönliche und politische Probleme bewogen Heinrich, sich nicht länger als „Verteidiger des Glaubens“ zu verstehen, der das Papsttum gegen Luthers Schriften verteidigte (mit der Assertion of the Seven Sacraments, „Bekräftigung der sieben Sakramente“, 1521), um sich ein Jahrzehnt darauf als Oberhaupt der Kirche von England zu proklamieren. Das Reformationsparlament (1532–1535) führte eine erastianische Regierungsform ein; das bedeutet, sie erklärten (durch den Act of Supremacy) Henry VIII. zum Oberhaupt der englischen Kirche und des englischen Staates und machten die Kirche von England zur offiziellen Staatsreligion und zu einem unverzichtbaren Bestandteil der politischen Struktur. Dieses Vorgehen steckte für die Zukunft die Grenzen der Macht ab – alle Kirchenangelegenheiten, ob dogmatischer, struktureller oder politischer Natur, mussten vom Parlament gebilligt werden. Zusätzlich zu diesen Schritten, die die kirchliche Unabhängigkeit Englands bestätigten, gab das Parlament (von Heinrichs Ratgeber Thomas Cromwell ermuntert und begleitet) seiner papstfeindlichen Haltung Raum, indem es die Gesetzgebung früherer Parlamente gegen die Einmischung ausländischer Mächte, darunter offensichtlich auch des Heiligen Stuhls, in englische Angelegenheiten noch einmal bekräftigte. Theologisch war die von Heinrich gegründete Kirche nicht typisch protestantisch im lutherischen oder calvinistischem Sinn. Das erste offizielle Bekenntnis des englischen Glaubens, die Zehn Artikel der Religion (1536), war eine relativ kurze Darstellung der traditionellen Glaubenssätze. Die (für diese Zeit) typische protestantische Ablehnung der Transsubstantiation, des Zölibat des Klerus usw. kam nicht zur Sprache. Die zwei deutlichsten Änderungen auf dem Weg von der Kirche in England zur Kirche von England waren politischer und liturgischer Art – nun war der Monarch anstelle des Papstes Oberhaupt der Kirche, und der Gottesdienst sollte auf Englisch statt

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1. Kapitel

auf Latein abgehalten werden. Eine Revision dieser Darstellung der Lehrsätze von 1539, die Sechs Artikel, zeigt eine sogar noch konservativere Tendenz in Heinrichs Kirche auf, indem sie die Lehre der Transsubstantiation bestätigt und die Notwendigkeit zölibatär lebender Kleriker bekräftigt. Die soteriologischen Lehren wie Rechtfertigung, gute Werke, Gnade usw., wie sie im King’s Book (1543) veröffentlicht wurden, sind typisch für die eher irenischen Kompromisse, die die protestantischen und römisch-katholischen Verhandlungsführer bei den vermittelnden Religionsgesprächen auf dem europäischen Festland (z.B. das „Regensburger Buch“) erreicht hatten. Diese frühen Versuche, Glaubenssätze zu formulieren, wurden vom Erzbischof Thomas Cranmer, dem religiösen Berater, der Heinrich am nächsten stand, revidiert und ausgeweitet. Sein erster wichtiger Schritt bestand darin, eine Predigt- beziehungsweise Homiliensammlung zu veröffentlichen, die dem Klerus Muster für korrekte Bibelauslegungen an die Hand gab. Das erste Book of Homilies (1546) enthielt zwölf Predigten, die von der Kanzel gelesen werden konnten, um sicher zu stellen, dass die Menschen hin und wieder eine solide Interpretation rechtgläubiger Lehren zu hören bekamen, auch wenn der örtliche Priester oder Kurat homiletisch oder dogmatisch nicht auf der Höhe war. Während der Regierungszeit Eduards VI. wurde der Einfluss der kontinentaleuropäischen Reformatoren deutlicher spürbar, sowohl am Königshof wie auch auf dem Land. Auch an Cranmer selbst ging diese Entwicklung nicht spurlos vorüber. 1532 hatte er heimlich Margaret Osiander geheiratet, eine Nichte des lutherischen Reformators Andreas Osiander, und einige Reformatoren vom Festland nach England geholt, die meisten von ihnen Calvinisten mit deutlichen irenischen Tendenzen wie etwa Martin Bucer oder Petrus Martyr. Die nächste größere Veröffentlichung des Erzbischofs war das offizielle Gebetbuch für die Kirche – das Book of Common Prayer (1549, Revision von 1552). Durch ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz wurde es zur offiziellen Liturgie der Anglikanischen Kirche. Cranmer war außerdem bei der Überarbeitung des Glaubensbekenntnisses behilflich, den Forty-Two Articles („Zweiundvierzig Artikel“), die weitaus protestantischer ausgerichtet waren als jedes von offizieller Seite als rechtgläubig anerkanntes englische Dokument zuvor. Die calvinistische Tendenz dieser Artikel ist an ihrer Bekräftigung der supralapsarischen Prädestination (von Gott vor dem Sündenfall beschlossen) und der klaren Ablehnung guter Werke abgesehen von dem richtigen Glauben an Christus, zu erkennen. Diese Artikel wurden im Juni 1553 vom König gebilligt, weniger als einen Monat bevor Eduard VI. starb und seine Schwester Mary ihm auf den Thron folgte.

Der Methodismus und das christliche Erbe in England

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Infolge ihrer Geschichte und ihres Wesens sollte die Kirche weiterhin eine Position irgendwo zwischen dem eher radikalen Standpunkt des Protestantismus auf dem Festland und dem traditionellen Standpunkt des Katholizismus einnehmen. Marias Regierungszeit war im Grunde zu kurz, um in England eine dauerhafte Rückkehr zum Katholizismus zu bewirken. Der unter Eduards Regierung entstandene Protestantismus, der in zwanzig Jahren langsam drehender religiöser Winde in England einen Gipfelpunkt erreichte, schien das Land genügend durchdrungen zu haben, um Marias Programm der religiösen Neuorientierung und Umgestaltung – wie gewöhnlich durch vom Parlament verabschiedete Gesetze in die Tat umgesetzt – auf breiter Basis Widerstand zu leisten. Selbst die Tatsache, dass sie sich der Opposition entledigte – mit fester Hand und mit den überlieferten Methoden, die vorher von ihrem Vater und später von ihrer Schwester eingesetzt wurden –, wirkte sich für sie nachteilig aus. Die Menschen, die sie ihrer protestantischen Tendenzen wegen ins Exil gezwungen hatte, kehrten nach ihrem Tod mit einem Reformeifer nach England zurück, der selbst in Heinrichs Kirche die Notwendigkeit zu weiteren Reformen sah. Und die Hinrichtung derer, die in England geblieben waren, diente nicht nur dazu, noch zu Marias Lebzeiten die Solidarität innerhalb der Opposition zu stärken, sondern auch dazu, ihr ein höchst unglückseliges Vermächtnis mitzugeben – den Spitznamen „Bloody Mary“ (Blutige Maria). Insbesondere die Verbrennung dreier Bischöfe, Cranmer, Latimer und Ridley, entzündete dauerhaft die Flamme eines antirömischen Reformgeistes, einer Flamme, die durch die Schriften von John Fox, Thomas Cartwright und anderen noch angefacht wurde. Da Maria nach ihrem frühen Tod keine Erben hinterließ, folgte ihre Schwester Elisabeth ihr auf den Thron. Deren politisches Geschick und religiöse Ansichten (oder auch deren Fehlen) führten zum Elizabethan Settlement („Elisabethanische Übereinkunft“) – einer Reihe vom Parlament verabschiedeter Gesetze (1559), die wieder einmal das Wesen und die Beziehung zwischen der englischen Krone und Kirche definierten. Elizabeth sehnte sich danach, die Uhr zurückzudrehen, zurück in die Zeit ihres Vaters Heinrich VIII. Der Lauf der Zeit und die Ereignisse ließen das jedoch nicht zu. In den dazwischen liegenden Jahren war Calvin in Genf zu Bedeutung gelangt und der römisch-katholische Glaube in Trient neu definiert worden. Die Regentin stellte sich beiden Realitäten in ihrem eigenen Land – sie führte den römischen Glauben der Regierungszeit ihrer Schwester ebenso wieder ein wie den neu erstarkenden Calvinismus der zurückkehrenden Exilanten („Marian Exiles“). Letztere brachten zwei Bücher mit, die die englischsprachige Welt noch für Generationen beeinflussen

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1. Kapitel

sollten – Fox’ Book of Martyrs („Buch der Märtyrer“) und die Geneva Bible („Genfer Bibel“). Ersteres enthielt detaillierte Schilderungen vom Martyrium derjenigen, die unter Marias Herrschaft verfolgt worden waren, in der Tradition der Heiligen-Lebensbilder. Der scharf antikatholische Ton dieses Buchs wird am Schluss eines Berichts über eine schwangere Frau beispielhaft deutlich. Sie wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, als plötzlich ihr ungeborenes Kind in die Flammen stürzte, um zunächst gerettet, dann aber wieder in die Flammen zurückgeworfen zu werden, um, wie Fox sagt, „die Zahl der unzähligen Unschuldigen zu vermehren, die durch ihren tragischen Tod der ganzen Welt die herodianische Grausamkeit dieser gnadenlosen Generation von katholischen Folterern zeigen“. Fox’ weit verbreitetes und populäres Werk ist wohl zum großen Teil für heftige antikatholische Ressentiments im englischen Bewusstsein verantwortlich.

Zeitleiste 1 Englische Reformation, Bürgerkrieg und Restauration 1500

1550

1600

Heinrich VIII. Heinrich VII.

Maria

Eduard VI.

Luthers

Calvins

95 Thesen

Institutio

Reformationsparlament

1650 Jakob I.

Elisabeth I.

Marianische KonkorExilanten dienformel Verbrennung Cranmers Puritanischer Streit

Cromwell Karl I.

Synode von Dordrecht

Karl II.

Westfälischer Frieden

Englischer WiederherPilger- Bürgerstellung der väter in krieg Monarchie Amerika

10 Artikel Gründung 6 Artikel J. Knox Kolonie von Harvard Erasmus‘ 42 Artikel Spanische Jamestown * Collectanea 39 Artikel Armada

adagiorum

Coverdale

Great Bible

Geneva Bible

Book of Act of Common Supremacy Prayer

Bishop’s Bible

Act of Uniformity

Westminster „Authorized Confession Version“

Hookers

Laws

Miltons

Areopagitica

Der Methodismus und das christliche Erbe in England

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Die unter Maria ins Exil Geflüchteten verstanden ihre calvinistischen Bibeln auch als Handbuch zur Kirchenreform. Die Geneva Bible (auch „Hosenbibel“ genannt) – im Vergleich mit den Ausgaben der offiziellen Bischofsbibel kleinformatig, in klaren lateinischen Lettern statt in Fraktur gedruckt und zur besseren Orientierung mit einer Versnummerierung versehen – wurde nicht nur als Textgrundlage für Andacht und Studium sowie für die protestantische (antikatholische) theologische Auslegung verstanden, sondern auch in gut calvinistischem Sinn als ein praktischer Leitfaden zur Kirchenreform. Die heimkehrenden Exilanten hatten bereits im Exil entschieden, dass die Kirche von England, selbst mit der Prägung, die sie unter Heinrich und Eduard erhalten hatte, weitere Reformen brauche, um sie von römisch-katholischen Tendenzen zu befreien. So wurden die englischen Calvinisten unter der Bezeichnung „Puritaner“ bekannt, denn sie bemühten sich um Reformen, die die Kirche von nicht schriftgemäßen Entstellungen reinigen sollten. Sie sahen keine biblische Zustimmung für Dinge wie Priestergewänder in den Gottesdiensten oder Erzbischöfe (geschweige denn Monarchen) in der Leitung der Kirche. Die Aufgabe der religiösen Einigung unter Elisabeth bestand darin, eine ausgewogene Lösung zu finden, die die Staatskirche, die Heinrich „formiert“ (wenn auch nicht völlig „reformiert“) hatte, vor den traditionell „katholischen“ Ansprüchen Roms auf der einen Seite und den eher radikalen „Reform“-Tendenzen der Puritaner auf der anderen Seite bewahren würde – ein Standpunkt, der traditionell als via media („Mittelweg“) zwischen Rom und Genf bezeichnet wurde. Elisabeths Rolle in diesem Prozess wurde nicht so sehr von ihren eigenen religiösen Gefühlen geprägt, wenn sie denn überhaupt welche besaß, als vielmehr von ihrer politischen Wachheit; sie war in dieser Frage (wie in den meisten) durch und durch ein politisch denkender Mensch. Ihr war daran gelegen, ihre Herrschaft zu stärken, nachdem es in der Regierungszeit ihrer Schwester zu Tumulten gekommen war. Ein vereinigtes Land würde auch eine wohlgeordnete Kirche brauchen. Die Maßnahmen des Parlaments, die unter Elisabeth die religiöse Frage regelten, nutzten die Kirche Heinrichs als Modell und bildeten das grundlegende Gerüst, an dem sich die englische Kirche in den nächsten Generationen orientieren sollte. Ein neuer Act of Supremacy („Gesetz zur Vormachtstellung“, 1559) setzte Elisabeth als Staatsoberhaupt und „Supreme Governor“ („Oberste Regentin“) der Kirche ein. Diese Bezeichnung war mit Bedacht gewählt und deutete an, dass man (im Licht von Eph 5,23 und Kol 1,18) die Probleme zur Kenntnis genommen hatte, die Heinrich entstanden waren, als er sich selbst zum „Oberhaupt“ der Kirche ausgerufen hatte. Der Act of Uniformi-

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1. Kapitel

ty („Gesetz zur Vereinheitlichung“) setzte die Maßstäbe für Liturgie und Lehre fest. Es forderte die Gemeinden auf, das Book of Common Prayer (BCP) zu gebrauchen, verlangte vom Klerus und anderen offiziellen Würdenträgern, sich die Lehren in den Neununddreißig Artikeln zu eigen zu machen und lieferte die Standardauslegung von akzeptierten Lehren in einem erweiterten Homilienbuch, dem Book of Homilies, das im ganzen Reich regelmäßig von den Kanzeln gelesen werden sollte. Diese drei grundlegenden Quellen der theologischen Identität stammten hauptsächlich aus der Feder von Thomas Cranmer und waren ein Jahrzehnt alt; das BCP und die Artikel waren gegenüber dem edwardianischen Gebetbuch und Artikeln nur leicht revidiert worden; die Homilien waren gegenüber der 1546 gedruckten Erstausgabe auf das Doppelte erweitert worden.

Titelseite der Erstausgabe von Hookers Laws, in denen er Politik und Staatswesen der elisabethanischen Einigung ausführte.

Der Methodismus und das christliche Erbe in England

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Weder die Puritaner noch die Katholiken nahmen diese Entwicklung freundlich auf. Als die Anzahl der Puritaner (die vom Festland zurückkehrt waren und Bekehrte gewonnen hatten) stieg, protestierten sie gegen die politischen und theologischen Strukturen, die Elisabeth und ihre Berater eingeführt hatte, und ihr Temperament kochte in den Kontroversen der 1570er und 80er Jahre, in denen es um Liturgie, Leitungsfragen und Lehre (Thomas Cartwright, Walter Strickland, die Marprelate-Traktate usw.) ging, über. Papst Pius V. exkommunizierte Elisabeth im Jahr 1570 und rief ihre Untertanen auf, sie abzusetzen. Dies zwang die englischen Katholiken, sich zu entscheiden, ob sie loyal zur Königin stehen (womit sie die päpstliche Autorität verleugnet hätte) oder dem Papst Gehorsam leisten wollten (womit sie dem Verrat an England zugestimmt hätten). Im Angesicht dieser Spannungen unternahm es Richard Hooker, 1595 eine Darstellung der Kirchenpolitik und -lehre mit dem Titel Of the Laws of Ecclesiastical Polity vorzulegen, die zur definitiven Erklärung des Elizabethan Settlement wurde. In seiner Arbeit wirft Hooker zunächst die entscheidende Frage auf, welche Autoritäten für die Beantwortung grundlegender Fragen zu Struktur und Lehre der Kirche bestimmend seien. Er gab eine dreifache Antwort – eine Gratwanderung zwischen den bestimmenden Denkschulen seiner Zeit und so ein Muster für die vermittelnde Tradition der Kirche von England, der via media: (1) Die Schrift, (doch nicht im Sinne der Puritaner, liefert uns die Hauptquelle der Wahrheit und den Prüfstein der christlichen Wahrheitsfindung, sollte aber nicht auf die Art der Puritaner mit ihrem Verständnis von sola scriptura gebraucht werden – die Bibel war kein Handbuch, das detaillierte Antworten auf alle Fragen lieferte, die man buchstabengetreu befolgen musste: alle Dinge tun, die dort vorbuchstabiert wurden, und alles lassen, was dort nicht erwähnt wurde. Hooker regte an, dass die Bibel, die wichtigste Quelle der Wahrheit, als Ganzes betrachtet werden sollte, und wies darauf hin, dass sie Richtlinien für Denken und Handeln in vielen Bereichen liefern konnte. (2) Die Tradition, doch nicht im Sinne der Katholiken, zeigt, wie in den ersten Jahrhunderten des Christentums gelebt und gedacht wurde. Die ersten Christen stehen der Reinheit des apostolischen Zeugnisses am nächsten und stellen in ihrem Konsens am ehesten eine authentische Reflexion und Erklärung des biblischen Zeugnisses dar. Ganz gewiss darf man, wie das Konzil von Trient festgelegt hatte, die Tradition nicht so verehren wie die Bibel; auch muss man sie auf jeden Fall auf die ersten Jahrhunderte der Kirche begrenzen und die „Innovationen“ der mittelalterlichen Kirche ausschließen. Hooker sah den Wert der Tradition in der frühen und maßgeblichen Auslegung biblischer Wahrheiten. (3) Der Verstand (doch nicht im Sinn der Platoni-

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1. Kapitel

ker) liefert das Werkzeug, mit dem denkende Menschen Bibel und Tradition erforschen und verstehen können – die offenbarte Wahrheit übersteigt zwar manchmal den Verstand, doch wird ihm niemals widersprechen. Hooker war bereit, Beziehungen zwischen Offenbarung und Verstand als Quelle und Maßstab der Wahrheit anzunehmen, um daraus Lehren zu entwickeln, die schlüssig und glaubhaft waren. Hookers Kommentar zu Theologie und Staatswesen lieferte den folgenden Generationen die maßgebliche Darstellung und Verteidigung der via media des Elizabethan Settlement. Im achtzehnten Jahrhundert war Hooker zur maßgeblichen Autorität geworden. Samuel Wesleys Advice to a young clergyman („Rat an einen jungen Geistlichen“, 1735) geht davon aus, dass jeder aufstrebende Geistliche mit Hooker vertraut sei, und John Wesleys eigene Überlegungen dazu, was als Autorität gelten sollte und was nicht, schulden Hookers Blickwinkel, der zu seiner Zeit Allgemeingut geworden war, offensichtlich eine ganze Menge. Die Spannungen zwischen Calvinismus und Katholizismus, die Hooker angesprochen hatte, wurden bald von einem wachsenden Antagonismus zwischen Puritanern und Arminianern abgelöst – einem Streit, der zum ersten Mal um die Wende des siebzehnten Jahrhunderts als inner-calvinistische Auseinandersetzung ausgebrochen war. Ende des sechzehnten Jahrhunderts hatte Jacob Arminius (1560– 1609) die Richtung der calvinistischen Theologie kritisiert, die unter dem Einfluss von Theodor Beza und anderen den göttlichen Determinismus (Prädestination) betont hatte. Calvins Denken gründete sich in der Tat auf die Vorstellung von Gottes Souveränität, die Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart und andere Eigenschaften der totalen Macht und Kontrolle umfasste. Arminius befürchtete, dass eine Überbetonung der göttlichen Souveränität also das, was er als Wirklichkeit der menschlichen Wahlmöglichkeit verstand, zerstören würde – wie könnte man in einer vorherbestimmten Welt von menschlicher Verantwortlichkeit reden? Um den freien Willen des Menschen wieder ins Spiel zu bringen, ohne die göttliche Souveränität zu verleugnen, stellte Arminius die These auf, dass Menschen echte und freie Entscheidungen treffen und dass Gott solche Entscheidungen zwar nicht bewirke, doch im Voraus wisse, was geschehen werde. Dieses VorherWissen ersetzt so die göttliche Vorherbestimmung auf der Grundlage von Gottes souveräner Beziehung zur Schöpfung und Menschheit. Diese Auseinandersetzung scheint sich letzten Endes um sich widersprechende Auffassungen von Gott zu drehen, ob nämlich seine Souveränität notwendigerweise einschließt, dass er auch alle Dinge bewirkt; doch für traditionelle Calvinisten war die eigentliche Streitfrage, was solch eine Auffassung von Wesen und Rolle der Menschheit

Der Methodismus und das christliche Erbe in England

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für den Prozess der Errettung bedeute. Wenn man einen freien Willen postulierte und ihn mit der Frage der Errettung in Verbindung brachte, schien daraus zu folgen, dass ein Mensch mit seinem eigenen freien Willen etwas für seine Errettung tun könne. Der Schlachtruf der Reformatoren hatte sola gratia und sola fide gelautet – allein durch Gottes Gnade sind wir gerettet, und diese Errettung wird allein durch den Glauben bewirkt. Sowohl Luther als auch Calvin hatten sich die Prädestination als grundlegende Glaubensüberzeugung zu eigen gemacht: dass Gott die Menschen erwählt, denen er Errettung schenken will, und dass niemand irgendetwas dazu beitragen kann, sich dieses Geschenk zu verdienen. Die einzig mögliche Handlung, nämlich im Glauben zu antworten, ist denen vorbehalten, denen Errettung widerfahren wird (den „Erwählten“). Arminius zweifelte diese Sicht der Dinge an, aus der ja folgt, dass Christus nur für die Erwählten starb. Seine Sicht, die Universalversöhnung (Christus starb für alle) stellte bei dieser Frage den menschlichen Willen in den Mittelpunkt – jeder, der sich dazu entschloss, im Glauben zu antworten und Gottes Gnadengeschenk anzunehmen, würde gerettet werden. Extreme Calvinisten reagierten, indem sie das arminianische Zugeständnis eines freien Willens und der Möglichkeit des Menschen zu handeln als eine weitere Form semi-pelagianischer Werkgerechtigkeit anprangerten. Arminius behauptete selbstverständlich niemals, dass ein Mensch durch seine Entscheidungen, Werke oder irgendeine andere Handlung gerettet würde. Doch die Bedrohung der traditionellen calvinistischen Auffassung von Gott, Menschheit und Errettung, wie man sie in der sich verbreitenden Lehre des Arminius sah, genügte für die Einberufung der Synode von Dordrecht 1619 (Niederlande). Arminius selbst war bereits gestorben; seine Anhänger (die Remonstranten) unterlagen in jedem einzelnen Punkt. Die Synode definierte und bekräftigte das Menschenbild des „orthodoxen“ Calvinismus in fünf Artikeln: Völlige Verderbtheit, bedingungslose Erwählung, begrenzte Versöhnung, unwiderstehliche Gnade und Beharrlichkeit der Heiligen. Der erste Punkt, der auf der Lehre von der Erbsünde fußte, war für Arminianer nicht schwer zu akzeptieren, doch die anderen vier, welche die Prädestinationslehre stützen, sollten in den darauf folgenden Jahren von vielen bekämpft werden, die die „schrecklichen Dekrete“ der Prädestinationslehre nicht akzeptieren wollten. Diejenigen, die sich entschlossen, sich der Prädestinationslehre entgegenzustellen, die behaupteten, dass es einen freien Willen gebe, die von der Universalversöhnung überzeugt waren oder die Verantwortung des Menschen betonten, wurden von ihren calvinistischen Gegnern als „Arminianer“ bezeichnet – ob sie nun eine theologische Position vertraten, die mit der des Jacob Arminius völlig übereinstimmte, oder

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1. Kapitel

nicht. Die Begriffe „semi-pelagianisch“ und „Werkgerechtigkeit“ waren keine Selbstbezeichnung irgendeiner Partei. Schließlich beansprucht auch niemand den Titel „Ketzer“ für sich selbst, und ebenso verhielt es sich mit dem Begriff „Arminianer“. Auf der anderen Seite wurde Calvinisten und Lutheraner von ihren Gegner oft als „Solifidianer“ und „Antinomisten“ bezeichnet – Menschen, die es mit dem sola fide auf die Spitze trieben und die aufgrund ihrer radikalen Opposition gegen Gesetzlichkeit (sie betrachteten Gesetz und Gnade als streng dialektisch) der Laxheit in moralischen Fragen Vorschub leisteten. Es ist daher nicht schwer zu verstehen, dass jemand, der die Disziplin des christlichen Lebens, nämlich die Notwendigkeit einer geheiligten Lebensführung und die Wichtigkeit der Bekehrung betonte, Gefahr lief, insbesondere von den Calvinisten Arminianer genannt zu werden. In der Kirche von England war es deshalb zu erwarten, dass dieser Konflikt zwischen den Calvinisten (vor allem den Puritanern) und den Anhängern der hochkirchlichen Richtung ausbrechen würde. Sie schienen im Anglo-Katholizismus des siebzehnten Jahrhunderts dem Semi-Pelagianismus der mittelalterlichen römisch-katholischen Kirche dauerhaft Geltung verschafft zu haben und ihnen im Protestantismus eine Heimat und einen Namen, nämlich „Arminianismus“ gegeben zu haben. Zu Anfang des Jahrhunderts standen Jakob I. und Karl I. (und vor allen dessen Erzbischof William Laud) im Zentrum der puritanischen Angriffe. Jakob hatte gehofft, mit seinem Weggang aus Schottland den Fängen der Calvinisten (die in Schottland Presbyterianer hießen und gegen seine Mutter Maria Stuart und ihn selbst eine laute und lästige Oppositionsarbeit betrieben) zu entkommen, doch er fand in den englischen Puritanern eine neue Gruppe derselben Prägung. Jakob hätte sie gern unterdrückt, doch stattdessen versuchte er es mit einem theologischen Dialog (z.B. der Hampton Court Conference). Das greifbarste Ergebnis dieser Begegnungen war die Herausgabe einer neuen Bibelübersetzung, die von den Puritanern, die noch immer ihre Geneva Bible benutzten, schon lange gewünscht worden war. Die neue „Authorized (oder King James) Version“ trug dazu bei, die Calvinisten eine Zeit lang zu besänftigen. Doch als Jakob und sein Sohn Karl I. allmählich römisch-katholischer Frömmigkeit zuneigten, führte das zu einer zunehmend heftigen Opposition unter den radikalen Protestanten wie etwa den Puritanern. Karl I. wurde schließlich zum Hauptopfer der wachsenden politischen und religiösen Spannungen, die eine Zeit lang die empfindliche via media in Gefahr brachen, die Elisabeth eingeführt hatte. Die antiroyalistische Armee, die das puritanisch dominierte Parlament gegründet hatte, war militärisch erfolgreich und zwang die Monarchie und mit ihr

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die Kirche Englands zur Abdankung. Unter den großen Deckengemälden von Rubens, die die „Apotheose Jakobs I.“ darstellten, schritt Jakobs Sohn Karl I. zur Hinrichtungsstätte, wo er im Angesicht einer nach Rache dürstenden Menschenmenge dem Tod mit großer Würde und Gefasstheit ins Auge sah. Nach 10 Jahren ohne Monarchie und Staatskirche erkannten selbst die revolutionären Kräfte, aus denen sich das Parlament zusammensetzte, dass es England unter seinem alten Regierungssystem weitaus besser gehen würde. Es herrschten religiöse und politische Willkür und eine Instabilität, die Oliver Cromwell noch im Zaum zu halten versucht hatte, die sein Sohn und Nachfolger Richard aber nicht mehr unter Kontrolle zu halten vermochte. Die Glaubensfreiheit hatte nach Meinung einer wachsenden Anzahl von Menschen zum Anstieg des religiösen Fanatismus geführt – das Land wurde von allen erdenklichen Formen religiöser Gruppierungen zerrissen: von Presbyterianern, Baptisten, Kongregationalisten, Quäkern ... Ihnen allen war bei ihrer Tendenz, ihrem Glauben einen ganz eigenständigen Ausdruck zu verleihen, die vermittelnde Grundhaltung der inzwischen in Vergessenheit geratenen englischen Geisteshaltung sehr fremd geworden. Karl II. wurde vom Parlament selbst aufgefordert, wieder den Thron zu besteigen. Dies bedeutete auch die Wiederherstellung der anglikanischen Kirche. Die Stuart-Monarchie, die unter Hinweis auf das „Gottesgnadentum“ selbstbewusst Anspruch auf den Thron erhob, folgte dem traditionellen Ritual der Selbsternennung durch eine Reihe von Gesetzen, die vom Parlament verabschiedetet wurden, darunter der bekannte Act of Supremacy und Act of Uniformity. Dadurch erhielten Liturgie und Lehre der Kirche von England wieder ihren angestammten Platz: das Book of Common Prayer wurde, mit nur wenigen Revisionen, wieder autorisiert, die Neununddreißig Artikel angenommen, das Book of Homilies bestätigt. Der Monarch war wieder der Supreme Governor („Oberste Leiter“) der Kirche, und seine Bischöfe wurden wieder in ihr Amt eingesetzt. Der Hauptunterschied zwischen dem religiösen Ethos der Restaurationszeit und dem der früheren Stuart-Regierung lag darin, dass man in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in England Furcht vor allzu offen ausgelebter Religiosität hatte. Jede Bekundung geistlichen Eifers brachte man gedanklich mit religiösem Fanatismus in Verbindung, der im Rückblick leicht mit den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen verknüpft werden konnte, die allen noch frisch im Gedächtnis waren. Der allgemeine Tenor der geistlichen Lethargie und Laxheit in moralischen Fragen, zu dem dies in vielen Landesteilen führte, wird am ausschweifenden Lebensstil am Königshof und den zahlreichen Mätressen Karls II. beispielhaft deutlich. Nicht jeder natürlich folgte in dieser Hinsicht dem königlichen Beispiel. Tatsächlich kam es noch

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vor dem Ende der Regierungszeit Karls zu einer Gegenreaktion, die sich gegen den Zerfall von Moral und Religion in England richtete und zur Bildung von kleinen Gesellschaften führte, die Frömmigkeit und einen christlich-disziplinierten Lebensstil förderten.

Die Hinrichtung Karls I. im Jahr 1649, in späteren Gebetbüchern als „Martyrium des gesegneten Königs Karls des Ersten“ bezeichnet, dessen Würde und königliche Haltung bei dieser Gelegenheit später dazu beitrug, die Position derjenigen zu stärken, die die Stuarts als Monarchen von Gottes Gnaden betrachteten.

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Nicht jedes Kirchenmitglied stimmte der Wiedereinführung der traditionellen Richtlinien zu Staatswesen und kirchlicher Lehre zu. Das radikale protestantische Denken aus der Zeit des cromwellschen Interregnums hatte trotz seiner Tendenz zum „Fanatismus“ einen neuen Eifer für weitere Reformen im Leben und Denken der Kirche ausgelöst. Viele Geistliche vertraten eine radikalere Theologie, als die Neununddreißig Artikel es zuließen; diese Theologie war während des Abbaus der Staatskirche in der Mitte des Jahrhunderts zur Blüte gelangt, und nun wurden sie gezwungen, sich entweder anzupassen und mit der offiziellen Lehre konform zu gehen oder als Nonkonformisten (Dissenters) ihre Position aufzugeben und damit auf ihren Lebensunterhalt zu verzichten. Durch die große Anzahl von Menschen mit nonkonformistischem Hintergrund – von denen viele die Kanzeln und Kirchenbänke auch in den etablierten Kirchen besetzten – wurde das Ideal der „Uniformität“ auf eine harte Probe gestellt wie niemals zuvor. Ein Pastor, der Gilbert Ironside, dem Bischof von Bristol, vorgeführt wurde, um sich für seine nonkonformistische Haltung zu verteidigen, war John Westley (sic), Großvater väterlicherseits des Begründers des Methodismus. Diese Konfrontation ist in Edmund Calamys The Nonconformists Memorial festgehalten, einem Werk, das für die Nonkonformisten im achtzehnten Jahrhundert zum Nachfolger von Foxes Märtyrerbuch werden sollte. Mit Mitte Zwanzig warf man Wesley vor, seine Gottesdienste und Predigten wichen von der Norm ab und ihm fehle eine ordentliche Ordination. Er verteidigte sich mit dem biblischen Argument, dass er gesandt worden sei, um das Evangelium zu predigen (Röm 10). Wegen seiner Auffassungen wurde Wesley sein Lebensunterhalt entzogen, und er verbrachte die ihm verbleibenden Jahre auf verschiedenen Kanzeln und in Gefängnissen, wie es für viele Nonkonformisten typisch war. Die wachsende Neigung des Monarchen, seine Sympathie für die römisch-katholische Kirche öffentlich zur Schau zu stellen, verschärfte nicht nur die Spannungen zwischen der etablierten Kirche, deren Oberhaupt der Monarch war, und den Reformparteien, sondern führte dazu, dass sich selbst das Parlament unbehaglich fühlte. Mit der Thronbesteigung Jakobs II. verschlimmerte sich die Situation noch weiter. Jakob II. gab sich keine Mühe, seine römisch-katholischen Neigungen zu verbergen – er heiratete eine italienische Prinzessin, sein persönlicher Kaplan war ein katholischer Priester, und er machte kein Geheimnis aus seinen religiösen Präferenzen. Die zaghaften Versuche des Parlaments, das Gottesgnadentum der Stuarts anzuzweifeln und den König durch einen „genehmeren“ Monarchen abzulösen, wurden immer wieder hinaus geschoben, nicht zuletzt deswegen, weil der König keinen männlichen Nachkommen bekam. Die Bereitschaft des Parlaments, seine Regie-

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rungszeit einfach auszusitzen, fand ein jähes Ende durch das „Wunder“ einer königlichen Geburt, auch wenn manche glaubten, dass das Kind von außerhalb hereingebracht und dem Königspaar untergeschoben wurde – doch wie sollten sie es beweisen! Jedenfalls war ihnen die Situation klar: Entweder fanden sie sich mit der nun doch weiter regierenden Stuart-Linie von absoluten Monarchen ab, die sie immer näher an Rom heranführen würden, oder sie griffen zu drastischen Maßnahmen, bevor sich die Dinge weiter in diese Richtung entwickelten. Die Entscheidung des Parlaments, Jakobs evangelischer Tochter Maria den Thron anzubieten und ihren Ehemann Wilhelm von Oranien als König zu akzeptieren, stellte das Parlament vor ein Problem der politischen Logistik: Wie entlässt man einen König, der sich selbst als von Gott ernannt betrachtet und seiner Meinung nach über dem Gesetz und im Besonderen über den Gesetzen und Launen des Parlaments steht? Jakob beschloss, sich den Armeen von Wilhelm und Maria nicht zum Kampf zu stellen, als sie den Ärmelkanal überquerten, und ersparte den Engländern so großes Blutvergießen. Stattdessen floh er nach Frankreich, wo er und seine Abkömmlinge (sein Sohn Jakob, zu Wesleys Zeit als „The Old Pretender“ bekannt, und sein Enkel, „Bonnie Prince Charlie“) auf ihre Chance warteten, wieder auf ihren „rechtmäßigen“ Platz auf dem englischen Thron zurückzukehren. Obwohl diese unblutige Revolution von 1688, die später von den Whigs als Glorious Revolution („Glorreiche Revolution“) gefeiert wurde, einige Probleme löste, schaffte sie auch neue. Traditionell wurden vom Parlament nach einem Thronwechsel neue Gesetze beschlossen, und die Anhänger der Stuart-Linie wurden vor eine harte Entscheidung gestellt. Bischöfe und andere Kirchenführer, die Jakob unterstützten (und daher „Jakobiten“ genannt wurden), von denen der Act of Supremacy jedoch verlangte, einen Treueeid auf den neuen Monarchen abzulegen, mussten zwischen ihrem Gewissen und ihrem Lebensunterhalt wählen. Diejenigen, die sich außerstande sahen, die Unterschrift zu leisten, wurden Nonjurors genannt und verloren ihre Stellung in Kirche und Staat. Im Großen und Ganzen stellten die Nonjurors einen beträchtlichen Anteil an der Opposition gegen die Monarchie unter Wilhelm und Maria. Gleichzeitig warfen die weiterhin existierenden nonkonformistischen Stimmen im Land die Frage auf, wie die Kirche mit der Meinungsvielfalt in ihrer Mitte umgehen solle. Einige Führungspersönlichkeiten, die man als Latitudinarier bezeichnete, passten sich zwar der Kirche an, waren jedoch nicht der Meinung, dass die rechte Lehre oder eine einheitliche Liturgie eine allzu große Rolle spielen sollten. Eine Gruppe von einflussreichen Geistlichen, die als Cambridge Platonists bekannt wurden, glaubte, dass man den Verstand einsetzen kön-

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ne, um zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, und dass Toleranz innerhalb der Kirche wünschenswert sei. Zwei Grundrichtungen standen zur Debatte. Eine Nationalkirche, die ihrem Wesen nach umfassend war, könnte eine Reihe von theologischen Auffassungen unter einem Dach vereinigen. Auf diese Weise könnte man die existierende Vielfalt offiziell anerkennen, wenn auch unter Aufgabe der Einheitlichkeit. Die andere Möglichkeit bestand darin, eine Nationalkirche aufrecht zu erhalten, die in Lehre und Liturgie einheitlich war, und gleichzeitig anderen Gruppen auf die eine oder andere Weise das Recht auf Existenz zugestand. Viele Puritaner und hochkirchliche Anglikaner neigten dieser Möglichkeit zu, obwohl sie nicht immer darin übereinstimmten, welche Inhalte genau unter diese Einheitlichkeit fallen sollten. Schließlich setzte sich die zweite Verfahrensweise durch und trat nicht nur mittels des üblichen Act of Uniformity in Kraft, sondern auch durch den Act of Toleration („Duldungsgesetz“, 1689). Kraft dieses Gesetzes wurde allen, die die Neununddreißig Artikel nicht mittragen konnten, und sich deshalb entschieden, von der offiziellen Religion abzuweichen (Dissenters), unter gewissen vorgeschriebenen Bedingungen eine legale Existenz ermöglicht: (1) Ihre Treffpunkte mussten bei der Regierung registriert werden; (2) Prediger der Dissenters brauchten eine Lizenz; (3) Gottesdienste mussten an den registrierten Treffpunkten abgehalten werden, Privathäuser durften dafür nicht genutzt werden; (4) Römisch-katholische oder unitarische Gruppierungen wurden in diese Regelungen nicht eingeschlossen, d.h. es bot sich ihnen keine Möglichkeit einer legalen Existenz. Viele Privilegien des englischen Bürgerrechtes hingen also davon ab, ob sich jemand mit der offiziellen Lehre der Kirche einverstanden erklärte; die Annahme der Artikel wurde von allen verlangt, die sich in den Universitäten immatrikulieren wollten oder ein öffentliches Amt bekleideten, die als Offizier in den Streitkräften Dienst taten oder ihr Wahlrecht ausüben wollten. Während das Duldungsgesetz einer Reihe von Dissenter-Gruppierungen also tatsächlich gesetzlichen Schutz bot, wurden die Freiheit der theologischen Lehre und Staatsferne teuer erkauft. In vieler Hinsicht bedeutet die Ablehnung der Konformität Verzicht auf verschiedene Bürgerrechte. Schon aus diesem Grund ist es kein Wunder, dass Wesley sich immer wieder heftig gegen diejenigen Mitglieder seiner Bewegung aussprach, die einer Trennung von der Kirche von England den Vorzug gaben – ironischerweise beschnitt genau diese Duldung, die es den Dissenters unter dem Act of Toleration erlaubte, sich registrieren zu lassen, ihre politische und religiöse Freiheit in ernsthaftem Maß.

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Der Pietismus und die religiösen Gesellschaften Die Puritaner fügten oft eine typisch calvinistische Note hinzu, wenn sie für eine individuelle Frömmigkeit eintraten, die später typisch für viele Nonkonformisten wurde. Das theologische Fundament des puritanischen Interesses an Moral unterschied sich natürlich erheblich von dem gewöhnlichen „Moralismus“, der einfach die Notwendigkeit betonte, ein „guter Mensch“ zu sein, oder auch vom „Arminianismus“ der hochkirchlichen Fraktion, die die Notwendigkeit einer geheiligten Lebensführung betonte. Beiden wurde zum Vorwurf gemacht, sie würden sich auf „gute Werke“ verlassen, um gerettet zu werden. Die Calvinisten traten nicht für „gute Werke“ als solche ein, sondern wollten vielmehr, dass sich solche Menschen ihrer „Erwählung“ bewusst wurden und dies in ihrem Leben deutlich machten, um so eine menschliche Antwort auf die göttliche Gnade zu geben. Die Reihenfolge „Gottes Handeln – die Antwort des Menschen“ war wichtig, auch wenn sie im volkstümlichen Denken nicht immer eingehalten wurde – manchmal schienen die Puritaner ihre Errettung durch Werke „beweisen“, wenn nicht sogar verdienen, zu wollen. Auch die Arminianer leiteten von „guten Werken“ keinen Verdienst ab, betonten jedoch die Möglichkeit des Menschen, Gottes Gnade so zum Durchbruch zu verhelfen. Das Primat der Gnade war für ihre Position von entscheidender Bedeutung, doch die Ansicht, die unterschwellig vermittelt wurde, nämlich dass Mensch und Gott zusammenarbeiten würden (Synergie), veranlasste viele, die Arminianer zu kritisieren, weil sie das menschliche Handeln im Errettungsgeschehen betonten. Die Auseinandersetzungen, die sich gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts über dieser Streitfrage entwickelten, führten zu einigen interessanten „Beschimpfungen“, die für das Verständnis der Bezeichnung „Methodist“ wichtig sind. Bereits in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts begannen einige orthodoxe Calvinisten in den Niederlanden wie auch in England, wütende Artikel gegen die Arminianer und ihre „neue Methode“ des theologischen Arbeitens zu verfassen, besonders was ihre Haltung zu Rechtfertigung und Heiligung betraf. Zu denen, die nun als „Neue Methodisten“ bezeichnet wurden, die diese neue (d.h. falsche) Methode benutzten, gehörten Moses Amyraldus, Peter Baro, Richard Baxter und Daniel Williams. Die calvinistischen Kritiker (wie zum Beispiel Johannes Vlak, Theophilus Gale und Tobias Crisp) glaubten, dass die arminianische Auffassung vom freien Willen zuviel Gewicht auf die Notwendigkeit zum Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz lege, selbst unter dem Neuen Bund. Das führe zu einem „Neonomismus“ (neuer Gesetzlichkeit) und man verließe sich auf eine Werkgerechtigkeit, um errettet zu werden. Die Ar-

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minianer sahen allerdings die calvinistische Auffassung von Prädestination und Erwählung als Bruch mit den Forderungen des Gehorsams, der zu „Anti-Nomismus“ (Anti-Gesetzlichkeit) und damit zur Laxheit in moralischen Fragen führe. Diese Bezeichnungen und Namen wurden in der Regel von der gegnerischen Partei benutzt, um deutlich zu machen, was sie an der Position ihrer jeweiligen Gegner gefährlich fanden. Niemand würde ja ernstlich von sich selbst behaupten, er verließe sich auf Gesetzlichkeit oder sei ein Antinomist. Ebenso wurde der Begriff „Neuer Methodist“ (jemand, der diese neue, falsche Methode gebraucht) zu einer abfälligen Bezeichnung, die einigen Arminianern von ihren theologischen Gegnern angehängt wurde, in Schriften wie Theophilus Gales Court of the Gentiles („Vorhof der Heiden“, 1678) oder dem anonymen Pamphlet A War Among the Angels of the Churches; wherein is shewed the Princinples of the New Methodists in the Great Point of Justification („Ein Krieg unter der Engeln der Gemeinden, worin die Prinzipien der Neuen Methodisten in Bezug auf den wichtigen Punkt der Rechtfertigung gezeigt werden“, 1693), verfasst von einem „Presbyter auf dem Lande“. Die Kontroverse schlief um die Wende des 18. Jahrhunderts ein, lieferte jedoch die Terminologie für die abfälligen Beurteilungen über Wesleys Predigten in Oxford, die dem arminianischen „Neue Methodisten“-Muster recht genau entsprachen. Obwohl die Disputanten in dieser Kontroverse das Gefühl hatten, dass wesentliche Glaubensinhalte auf dem Spiel standen, kreisten ihre Streitgespräche oft um theologische Spitzfindigkeiten, und ihre Methodik konnte es in ihrer unnachgiebigen Starrheit mit den mittelalterlichen Scholastikern aufnehmen. Diese Tendenz stand völlig im Einklang mit dem wachsenden Rationalismus ihres Zeitalters, der sich in verschiedenen naturwissenschaftlichen, philosophischen und religiösen Denkmustern niederschlug. Debatten zwischen Empiristen und Intuitionisten fanden in vielen sich überschneidenden Kreisen statt: Die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Disziplinen waren noch nicht scharf gezogen. Das Aufkommen des Deismus, der eine auf dem Verstand fußende Sicht Gottes und der Schöpfung aufwies, wurde vom Aufstieg der modernen naturwissenschaftlichen Disziplinen begleitet. Deisten wie John Ray oder William Durham wurden zu Pionieren der Botanik und Astronomie. Sir Isaac Newton und John Locke sahen keinen Konflikt zwischen ihren naturwissenschaftlichen oder philosophischen Beobachtungen einerseits und ihren religiösen Hypothesen oder Schlussfolgerungen andererseits. Diese frühen Stadien des „aufgeklärten“ Denkens übten so viel Einfluss aus, dass sie gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts viele philosophische Themen (wie etwa die Epistemologie) durchdrangen und sie einige Gene-

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rationen lang die religiöse Diskussion bestimmten. Jeder seriöse Theologe musste sich mit diesen Fragen beschäftigen. So fürchteten immer mehr Menschen, dass die zunehmende Vorherrschaft der rationalen Spekulation gegenüber der getreuen Wiederholung in Fragen des Glaubens ursächlich mit der zu beobachtenden Abnahme moralischer Werte in der Gesellschaft in Verbindung stehe. Trotz gewisser theologischer Unterschiede bestand daher die Möglichkeit einer Allianz von Puritanern, Nonkonformisten und Arminianern, wenn es um die geistliche und moralische Verfassung der Gesellschaft ging. Die Reaktion auf die geistliche Lethargie und moralische Laxheit der Restaurationszeit sollte zu einer Neubelebung von Frömmigkeit und geheiligtem Leben unter kleinen Gruppen von Christen führen, die über die ländlichen Gebiete Englands verstreut lebten. In vieler Hinsicht zeigte diese Entwicklung eine parallele Entwicklung in Deutschland, die einer ganzen Bewegung den Namen gab – dem Pietismus. Der deutsche Pietismus war ein Versuch, die evangelisch-lutherische Kirche in Deutschland zu erneuern, indem einige der traditionellen Themen der Reformation wieder zur Sprache gebracht wurden. Philipp Jakob Spener gehörte zu den ersten, die ein Programm für diese Bewegung formulierten. Sein Buch, Pia Desideria (1675) umriss das „herzliche Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirchen“ in sechs Punkten. Zum ersten musste die Kirche, um sich auf die richtige Autorität zu gründen, das Bibelstudium neu beleben – dies griff das reformatorische Thema sola scriptura wieder auf: die Bibel als alleinige Autorität für das christliche Leben und Denken. Zweitens meinte Spener, dass die Erneuerung der Kirche der aktiven Mitarbeit der Laien bedurfte – und formulierte damit Luthers Thema „Das Priestertum aller Gläubigen“ um. Drittens sollte größeres Gewicht auf evangelistischen Eifer statt auf das Geschick zum Debattieren gelegt werden. Viertens sollte man sich ganz praktisch auf die christliche Lebensführung statt auf intellektuellen Scharfsinn konzentrieren. Fünftens sollten die Predigten auf die Errettung des Hörers abzielen, nicht einfach auf Unterweisung oder Korrektur. Und sechstens sollte die Ausbildung der Geistlichen die Entwicklung moralischer und geistlicher Qualitäten im Leben des Pastors betonen. Dieses Programm versuchte, allgemein gesprochen, den Mittelpunkt des religiösen Empfindens vom Verstand ins Herz zu verlagern. Die deutsche pietistische Theologie sollte später als „Herzenstheologie“ charakterisiert werden. Speners Erneuerungsplan wurde durch kleine, collegia pietatis („Kolleg der Frömmigkeit“) genannte, Gruppen in die Tat umgesetzt. Francke rief ähnliche Gruppen ins Leben, die man unter der Bezeich-

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nung collegia philobiblia („Kolleg von Bibelliebhabern“) kannte. Natürlich handelte es sich nicht um Kollegs im Sinn einer höheren Bildungsanstalt, sondern um kleine Gruppen von Laien, die sich zu Bibelstudium und Gebet in den Privathäusern trafen. Die Gemeinschaft, die sich hier entwickelte und in der man geistlich gefördert wurde, bildete die Grundlage, auf der diese Gruppen eine missionarischdiakonische Arbeit begannen – unter den Armen, den Ungebildeten, den Kranken, den Alten; ähnlich den Gruppen unter Gaston de Renty in Frankreich.

Zeitleiste 2 Die Entstehung der religiösen Gesellschaften 1675

1700

Karl II.

Wilhelm und Maria Jakob II. Die „Glorreiche Revolution“

Wesleys Großeltern Nonkonformisten

Georg I. Anne

Geburt von J. Wesley

Act of Toleration

Geburt von Gründung C. Wesley Heirat von der SPK Susanna und Samuel Wesley

Gründung von Hornecks

religious society Der große Brand von London

1725

Epworth Religious Society Newtons

Bangorian controversy

Walpole

St. Paul’s PremierCathedral minister vollendet

Principia

Gründung der SPG

Speners

Pia desideria

J. Wesley JW nach Oxford nach Charterhouse C. Wesley nach Oxford

Lockes

Reasonableness of Christianity

The Spectator Papers

W. Law‘s

Serious Call

Die englischen Gegenstücke zu den collegia waren die religious societies („religiöse Gesellschaften“). Sie entstanden in der Zeit nach der Restauration, als die englische Gesellschaft noch dabei war, die nicht lange zurückliegende Begegnung mit einem politisierten Puritanismus zu verarbeiten. Die Auswirkungen dieses landesweiten Aufatmens, das die Rückkehr der Stuart-Monarchie begleitete, schienen das Leben der ganzen Nation über die politische Ebene hinaus durch-

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drungen zu haben. Die Rückkehr zu den Prinzipien des Elizabethan Settlement brachte die entsprechende Abscheu vor dem moralischen und politischen Fanatismus des puritanischen Commonwealth mit sich. Zwei Jahrzehnte lang wurde der verheerende Einfluss dieses Lebensgefühls auf die moralische Verfassung der Nation von Anton Horneck und anderen englischen Pietisten mit Sorge betrachtet. Sie sahen in der wachsenden Unmoral und Irreligiosität eine Krise, der man durch eine Neubelebung des christlichen Lebens innerhalb der Kirche begegnen musste. Dass sich besorgte Engländer in religiösen Gesellschaften zusammenfanden, folgte den Grundmustern, die in gewissen pietistischen und mystischen Tendenzen zu dieser Zeit auf dem europäischen Festland deutlich wurden. Diese kontinentaleuropäischen Vorbilder wurden auf britischen Boden exportiert, allerdings auch an das Leben und Denken der Kirche von England angepasst. Von Anton Horneck in den Jahren nach 1670 ins Leben gerufen, waren diese religiösen Gesellschaften auch kleine Gruppen von Laien, bei denen sich Moralempfinden und Hingabe fast spontan miteinander verbanden. Sie legten großen Eifer für die „wahre Heiligung des Herzens und Lebens“ an den Tag. Diese Frucht des Pietismus stand in scharfem Gegensatz zum allgemeinen Lebensgefühl jenes Zeitalters. Die Gesellschaften und ihr Reformeifer standen im Allgemeinen unter der Kontrolle der etablierten Kirche, indem man jede örtliche Gruppe durch Regeln darauf verpflichtete, sich unter die Führung eines „frommen und gelehrten Geistlichen der Kirche“ zu stellen (Legg, 292). Innerhalb von zwanzig Jahren hatte sich diese Form der religiösen Organisation innerhalb der Strukturen der Kirche von England etabliert und war zu einer lebendigen Ausdrucksform christlicher Frömmigkeit und sozialen Engagements geworden. Um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts herum entstanden im Rahmen dieser Bewegung zentralisierte Organisationen wie etwa die Society for Promoting Christian Knowledge („Gesellschaft zur Verbreitung christlicher Erkenntnis“, SPCK), die wiederum örtlichen Gesellschaften im ganzen Königreich als Vorbild und Quelle der Ermutigung dienten. Samuel Wesley, Pfarrer der Kirche in Epworth, schloss sich dieser Bewegung an. Und dass sein Sohn John korrespondierendes Mitglied der SPCK wurde, ist für den Ursprung der Methodisten ebenfalls von einiger Bedeutung. Die religiösen Gesellschaften griffen das Problem der Unmoral auf einer persönlichen, individuellen Ebene auf. Sie hatten kein Sozialprogramm, mit dem sie England auf einen Schlag reformieren wollten; stattdessen hegten sie die Absicht, auf die Umgestaltung der Gesellschaft hinzuarbeiten, indem sie Einzelne veränderten. Zunächst arbeiteten sie mit solchen Menschen, bei denen Hoffnung bestand,

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dass sie sich moralisch zum Besseren wenden würden. Diese Methode stütze sich auf die Entwicklung persönlicher Frömmigkeit. Die Bewegung wurde nicht von evangelistischem Eifer geprägt, der den Gesellschaften möglichst viel Zulauf bringen sollte, ihr Ansatz orientierte sich eher an Qualität als an Quantität. Sie wollten Menschen weniger bekehren, als sie erziehen und fördern. In vieler Hinsicht ähnelte das Programm der religiösen Gesellschaften der Entwicklung der „Dritten Orden“ innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche. Das erklärte Ziel der Gesellschaften war es, „wahre Heiligung des Herzens und Lebens“ zu fördern. Um das zu erreichen, sollten die Treffen in erster Linie dem gegenseitigen Zuspruch bei der Herausbildung einer persönlichen Frömmigkeit auf der Grundlage von Bibelstudium und anderen geistlichen Übungen dienen und bei der Verbreitung eines heiligen und moralischen Lebensstils helfen. Die Satzung einer dieser Gesellschaften enthielt eine Reihe von Pflichten mit biblischen Belegen. Von den Mitgliedern erwartete man, dass sie sich „ernsthaft um die Erfüllung“ bemühen und sie als Richtschnur für ein heiliges Leben betrachten sollten. Dazu gehörten unter anderem folgende Regeln: 2. Viele Male am Tag zu beten, sich unserer ständigen Abhängigkeit von Gott zu erinnern, in geistlichen wie auch in zeitlichen Dingen. 1Thess 5,17. 3. Mindestens einmal im Monat am Abendmahl teilzunehmen, wenn man nicht durch einen vernünftigen Grund verhindert ist. 1Kor 11,26. Lk 22,19. 4. Von Herzen Sanftmut und Demut zu üben. Mt 11,29. 6. Danach zu streben, an allen Orten heilige Gedanken zu hegen. Ps 2 und 3. 10. Alle vorhersehbaren Quellen des Bösen zu meiden; wie schlechte Gesellschaft, bekannte Versuchungen etc. 1Thess 5,22. 12. Sich jeden Abend selbst zu prüfen, was man an diesem Tag Gutes oder Böses getan hat. 2Kor 13,5. 13. Einmal im Monat zu fasten (besonders vor dem Tisch des Herrn), wenn man über seine Mahlzeiten bestimmen kann; oder sich einer Mahlzeit zu enthalten, wenn es passend ist. Mt 6,16; Lk 5,35. 14. Das Fleisch mit all seinen Leidenschaften und Begierden kreuzigen. Gal 5,19.24. 16. Geistlichen Stolz und seine Auswirkungen zu meiden, wie Zorn, Gereiztheit und Ungeduld bei Widerspruch etc. 18. Oft geistliche Bücher zur Erbauung zu lesen. 19. Sich unaufhörlich der großen Verpflichtung unseres Auftrags bewusst zu sein und so zu handeln, dass niemand Anstoß nehme an dem, was er bei uns sieht, oder dadurch entmutigt werde, und niemandem Anlass gegeben werde, mit Tadel davon zu sprechen.

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Die Gemeinschaft innerhalb der Gesellschaft sorgte nicht nur für das geistliche Wachstum, sondern übte auch eine disziplinierende Funktion aus – wer bei einem „unordentlichen Lebenswandel“ ertappt wurde, wurde von ein oder zwei Mitgliedern im privaten Rahmen ermahnt oder, wenn notwendig, vor der gesamten Gesellschaft gerügt. Diese Neigung, Unmoral zu geißeln, erstreckte sich bisweilen auch über die Grenzen der kleinen Gesellschaft bis in den öffentlichen Raum hinein. Jedes Mitglied der Cripplegate Society sollte jederzeit bereit sein, angemessen zu handeln, wenn es um die „Bestrafung profanen Verhaltens in der Öffentlichkeit“ ging. Auf diesem recht exklusiven Fundament aufbauend, versuchten die Gesellschaften in kleinem Maßstab, ihren Einfluss in der englischen Gesellschaft geltend zu machen. Die Motivation, die ihren Bemühungen zu Grunde lag, war bescheiden und vorsichtig formuliert – niemals „des öffentlichen Beifalls wegen oder aus Missgunst gegen einen Menschen“, nein, ihre Aktivitäten sollten aus der „reinen Liebe zu Gott und der Liebe zu den Seelen der Menschen“ erwachsen (Legg, 312).

London, das Zentrum der religiösen Gesellschaften, war eine Stadt voller Kirchen, die hier in einem Holzschnitt des achtzehnten Jahrhunderts gezeigt werden, der im Impressum von The London Magazine erschien. Man sieht die kurz vorher fertig gestellte St. Paul’s Cathedral, die die Silhouette um die London Bridge beherrscht.

Die religiösen Gesellschaften riefen auch zu wohltätigen Taten auf, für die die Mitglieder regelmäßig spendeten, je nachdem, wie es ihre finanzielle Lage erlaubte. Es ging nicht um die Förderung allgemeiner Philanthropie im schlichten humanitären Wortsinn, sondern um die Verteilung von Mitteln, die den enger gefassten Zielen der Gesellschaften dienlich waren. Ihre Wohltätigkeit war eine natürliche Frucht

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der Fürsorge, die die Mitglieder sich gegenseitig angedeihen ließen, wie zum Beispiel der Besuch von kranken Mitgliedern. In einem sehr frühen Stadium ihrer Entwicklung begannen die Gesellschaften ein besonderes Interesse für die Bedürfnisse der Armen und Benachteiligten an den Tag zu legen, indem sie Nahrung und Geld an die Bedürftigen verteilten, die Kranken und Gefangenen besuchten und die Kinder dieser Unglücklichen unterrichteten. Mit dieser Arbeit unter den Armen beabsichtigten die religiösen Gesellschaften nicht so sehr, deren Lebensstandard im ökonomischen Sinn zu heben, sondern vielmehr, ihr Leben in geistlicher und moralischer Hinsicht zu verbessern. Analphabetismus und Armut in der rasch anwachsenden englischen Unterschicht wurden in dieser Zeit von vielen als der entscheidende Faktor für die zunehmende Unmoral und Lasterhaftigkeit gesehen. Als die religiösen Gesellschaften helfen wollten, diese Situation zu verbessern, hielten sie es für notwendig, eine Verteidigungshaltung einzunehmen, wenn sie Programme wie den Aufbau von Wohlfahrtsschulen unterstützten, und wiesen darauf hin, dass solche Schulen keine Brutstätte des Missmuts und der Revolution, sondern vielmehr darauf gerichtet seien, die Armen „sehr sorgfältig in den Pflichten eines Dieners und in der Unterordnung unter Höhergestellte zu unterweisen“. Arbeitshäuser, die in vielen Städten eingerichtet worden waren, um den Armen zu helfen, betonten Arbeit und Bildung gleichermaßen und zielten darauf ab, „die nächste Generation von Menschen, die nun in einem niedrigen Stand leben, zu bessern“. In dieser Umgebung würden die Kinder der Armen, „statt in Unglauben und Laster aufzuwachsen, um ein Vagabundenleben in Müßiggang und Bettelei zu führen, Gottesfurcht vor Augen haben, sich tugendhafte Gewohnheiten zu eigen machen, sich an Arbeit gewöhnen und so ihrem Land nützlich sein.“ Zusätzlich zu diesen Förder-, Wohlfahrts- und Bildungsprogrammen ermunterten die religiösen Gesellschaften auch zur Wachsamkeit, wenn es um die Förderung von privater und öffentlicher Moral ging. Letztere fand in der Gründung der Society for the Reformation of Manners („Gesellschaft für die Reform der Sitten“, SRM) im Jahr 1691 eine institutionalisierte Form. Sie sorgte sich um die öffentliche Moral und zielte darauf ab, den Friedensrichtern bei der Erfüllung ihrer Pflicht beizustehen, wenn es darum ging, Menschen, die sich moralisch vergangen hatten, besonders wenn es um „Profanität und Ausschweifung“ ging, die Härte des Gesetzes spüren zu lassen. Dieses Ziel wurde durch Mitglieder erreicht, die sich als Denunzianten zur Verfügung stellten und als Zeugen gegen die Übeltäter aussagten. Der im Allgemeinen negative Ansatz dieser Gesellschaft, besonders der Einsatz von Denunzianten, stieß in vielen Kreisen auf Kritik und trug zum abneh-

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menden Einfluss aller religiöser Gesellschaften in den ersten drei Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts bei. Das Programm der SPCK (1698) und ihrer Schwestergruppe, der Society for the Propagation of the Gospel („Gesellschaft zu Verkündigung des Evangeliums“, 1701), war spezifischer angelegt als das allgemeine Ziel der religiösen Gesellschaften, die unter ihren Mitglieder zu einem heiligen Leben aufriefen. Die SPCK versuchte das anzupacken, was sie für die Wurzel des Problems hielt, nämlich die Unwissenheit, indem sie Möglichkeiten entwickelte, die breite Öffentlichkeit nach christlichen Prinzipien zu bilden. Während die Stoßrichtung des Programms auch Wohltätigkeit, Tugend und Frömmigkeit nicht vernachlässigte, die die religiösen Gesellschaften im Allgemeinen beschrieben, forderte das Programm der SPCK hauptsächlich die Gründung von Wohlfahrtsschulen, in denen die Armen unterrichtet wurden, setzte sich für die Verbreitung von Leihbüchereien ein und schlug Gefängnisbesuche vor, um die Insassen zu unterweisen und ihnen Gottesdienste und Bücher anzubieten. Zu diesem Zweck begann die Gesellschaft eine ausgedehnte Verlagsarbeit. Die Verbreitung von „frommen Büchern und Katechismen“ in der Öffentlichkeit, besonders unter den Armen, wurde glühend befürwortet, weil sie „der Allgemeinheit der gewöhnlichen Menschen die wahre Erkenntnis Gottes vermittele, einen Sinn für die große Bedeutung der Religion und die ernsthafte Sorge um ihr ewiges Heil“. Innerhalb der ersten zwei oder drei Jahre des Bestehens der Gesellschaft schätzen ihre Leiter, dass sie nahezu eine Million Bücher mit unterschiedlichen Themen abgegeben hatten – Bibeln, anglikanische Gebetbücher, Katechismen, Abhandlungen über die Sakramente und eine Vielzahl von praktischen Schriften und Andachtsbüchern, darunter auch solche, die unter der Überschrift „Gegen das Papsttum“ geführt wurden. Für die Kosten dieses Programms kamen die „residierenden Mitglieder“, später „zahlende Mitglieder“ genannt, durch regelmäßige Beiträge auf, unterstützt von gelegentlichen Spenden anderer Freunde und einer Unmenge „korrespondierender Mitglieder“ auf dem Land. Zusätzlich zur Verlagsarbeit unterstützte die SPCK die immer wichtiger werdende Missionsarbeit jener Zeit. Die ersten Mitglieder der Gesellschaft spielten nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Eingliederung der SPG, sondern förderten auch unabhängig davon einzelne missionarische Projekte durch Geld, Bücher oder andere Formen der Unterstützung. Von Anfang an unterstützte die SPCK die Missionsarbeit auf den amerikanischen Plantagen. 1732 trug die Gesellschaft zur Rettung der verfolgten Salzburger Protestanten bei und unterstützte sie, indem sie beim der Transport der Flüchtlinge in die amerikanische Provinz Georgia half.

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Das Programm der SPCK erlebte weiterhin eine Blütezeit, und das trotz des allgemeinen Niedergangs der religiösen Gesellschaften im zweiten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts. Die SPCK war aus der Bewegung der religiösen Gesellschaften erwachsen, aber sie trug ihr Programm über die Grenzen der elitären privaten Gesellschaften hinaus. Ihr Interesse an der Verlagsarbeit und ihre erzieherischen Bemühungen in den Wohlfahrtsschulen sowie auf dem Missionsfeld legten den Grund für den Dienst an der allgemeinen Öffentlichkeit, der dazu führte, dass die Gesellschaft weiterhin unterstützt wurde und sich entwickeln konnte, sodass sie bis heute eine wichtige und dauerhafte Institution des öffentlichen Lebens in Großbritannien ist.

Die Familie Wesley in Epworth Auch wenn die Geschichte des Methodismus viel mehr als die Biografie von John Wesley enthält, war der Einfluss, den sein Elternhaus auf Wesley ausübte, sicherlich ein entscheidender Faktor bei der Entstehung der Bewegung, die später seinen Namen trug. Traditionell wird hauptsächlich Susanna Wesley Anerkennung für die Erziehung ihrer Söhne Charles und John gezollt. Dies hat zur Folge, dass die methodistische Bewegung wie eine natürliche Frucht des geistlichen Lebens und Denkens im Pfarrhaus von Epworth wirkt. Dabei übersieht man aber, dass Samuel und Susanna bei aller Unterschiedlichkeit sehr ähnliche Auffassungen in theologischen und politischen Fragen hatten und dass sie sich einig waren, was die Erziehung der Kinder anging. Susanna war für die frühkindliche Erziehung zuständig und hielt allwöchentlich eine Abendandacht mit den Kindern ab, die jeweils gerade im Haus waren. Doch zweifellos erwartete man auch von den Kindern, sich jede Woche die Predigt anzuhören, und diese Predigten hinterließen gewiss ihre Spuren im sich entwickelnden theologischen Denken der Kinder. Die erhaltenen Briefe von Susanna an ihre Kinder behandeln zum Großteil theologische Fragen, was in einem Zeitalter, in dem man von Frauen keine Bildung erwartete, zur Überraschung Anlass gibt. Doch die Wesleys waren nicht gerade das, was man in einer entlegenen ländlichen Pfarrei normalerweise erwarten würde. Samuel legte wissenschaftliche und literarische Neigungen an den Tag. Seinen Universitätsabschluss in Oxford erwarb er am Exeter College. Als er später in London lebte, trat er als Geistlicher einer städtischen Literaturgesellschaft bei und scheint für sie theologische Abhandlungen in der Athenian Gazette geschrieben zu haben. Er dichtete auch und

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verfasste unter anderem eine metrische Version des Lebens Christi (der Evangelien), die bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein einige Auflagen erlebte, und veröffentlichte als letztes Werk eine langatmige wissenschaftlich-linguistische Studie über das Buch Hiob. Susanna interessierte sich ebenfalls für Gelehrsamkeit und Bildung, obwohl sie natürlich selbst keine Universtitätsausbildung genossen hatte – Frauen konnten sich nicht an Universitäten immatrikulieren. Doch sie gab ihr ganzes Wissen an ihre Kinder weiter. In dieser Hinsicht blieb vielen ihr harter Kurs am besten im Gedächtnis: „Um den Geist der Kinder zu formen, muss man zunächst ihren Willen brechen und sie zu einem gehorsamen Temperament heranbilden.“ Was oft übersehen wird, ist, dass sie in einem bestimmten Bereich ihrer Zeit voraus war; Susanna trat entschieden dafür ein, Mädchen das Lesen ebenso wie Jungen beizubringen. Eine ihrer „Hausregeln“ lautete: „Kein Mädchen soll in der Arbeit unterwiesen werden, ehe sie sehr gut lesen kann, denn dass man Kinder nähen lehrt, bevor sie fehlerfrei vorlesen können, ist genau der Grund, warum so wenig Frauen so vorlesen können, dass man ihnen gern zuhört und sie versteht.“ Man darf nicht vergessen, dass John Wesley in Epworth bis zum Alter von vier Jahren als einziger Junge unter vier oder fünf Schwestern aufwuchs, bis sein Bruder Charles geboren wurde. Aus dieser Tatsache wird seine spätere Bereitschaft, die Führungsqualitäten von Frauen anzuerkennen, verständlich. Andererseits war er unfähig, eine dauerhafte intime Beziehung zu einer Frau aufzubauen. Samuel und Susanna stammten beide aus nonkonformistischen Familien. Samuels Vater John Westley war vom Bischof von Bristol im siebzehnten Jahrhundert die Stellung entzogen worden. Susanna war die Tochter von Samuel Annesley, einem Ende des siebzehnten Jahrhunderts bekannten nonkonformistischen Prediger in London. Sowohl Samuel als auch Susanna traten als junge Erwachsene zur anglikanischen Kirche über. Wie es oft der Fall ist, wurde dieser Umschwung von einem großen Eifer für ihre neue Position begleitet – sie wurden glühende Anhänger der etablierten Kirche und darüber hinaus überzeugte Tories – Nonkonformisten neigten im Allgemeinen eher den Whigs zu. Samuel und Susanna unterstützten sogar die Position der Bischöfe, die Nonjurors waren mitsamt ihrer jakobinischen Begeisterung für den Old Pretender König Jakob II. Eine der häuslichen Differenzen im Pfarrhaus von Epworth erwuchs aus Samuels uneindeutiger Position – er war bereit, der Monarchie loyal gegenüberzustehen, obwohl er anzweifelte, dass der augenblickliche Monarch rechtmäßig auf dem Thron saß. Dagegen war er nicht bereit, Susannas Weigerung zu akzeptieren, während der Familienandacht ein „Amen“ nach dem Gebet für den Monarchen zu

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sprechen. Der darauf folgende Streit („Wenn wir unterschiedliche Monarchen haben, werden wir in unterschiedlichen Betten schlafen“) veranlasste Samuel, Epworth zum Zweck eines ausgedehnten Londonbesuchs zu verlassen, angeblich, um eine Zusammenkunft von Geistlichen zu besuchen. Als er nach Hause zurückkehrte, um sich auf eine ihm angebotene Stelle als Marine-Kaplan vorzubereiten, fiel dies zeitlich mit der Thronbesteigung der neuen Königin Anne zusammen. Sie war für beide Ehepartner akzeptabel und veranlasste Samuel, die Marine zu vergessen und in Epworth zu bleiben. Innerhalb eines Jahres wurde John Wesley geboren, die „Frucht der Versöhnung“. Die Wesleys gehörten zu den vielen Menschen, die von der SPCK beeinflusst wurden. Johns Verbindungen zu dieser Gesellschaft werden an anderer Stelle behandelt. In vieler Hinsicht wurde seine direkte Verbindung zur SPCK allerdings von seinem Vater vorweggenommen, der sich für die Arbeit dieser Gesellschaft im Besonderen und für die Entwicklung der religiösen Gesellschaften im Allgemeinen interessierte. Im Jahr 1700 versuchte Samuel Wesley, eine kleine religiöse Gesellschaft in Epworth aufzubauen, die nach dem Vorbild der Gesellschaften in London aufgebaut war. Bücher und Traktate wurden bei der SPCK bestellt, in der Samuel korrespondierendes Mitglied war (SPCK, 87–88). Innerhalb von zwei Jahren hatte er eine kleine Gesellschaft aufgebaut, deren erste Mitglieder er aus „den vernünftigsten und wohlgesonnensten Menschen“ aus dem Chor seiner Pfarrei rekrutierte. Er gab der Gruppe eine Reihe von Regeln und Ordnungen, die sich im Wesentlichen nicht von denen der Londoner Gesellschaft unterschieden, eingeschlossen die von Amts wegen erwartete Leitung durch „einen frommen und gelehrten Geistlichen der Kirche“ (Legg, 292). In einem Brief berichtete er der in London ansässigen Gesellschaft, dass es in der Absicht dieses Freundeskreises lag, „erstens zu Gott zu beten, zweitens die Heilige Schrift zu lesen und sich zum Zweck der gegenseitigen Erbauung über geistliche Themen auszutauschen, und drittens über die Erbauung unseres Nächsten nachzudenken und sich dafür einzusetzen.“ Die Mitglieder der Gesellschaft in Epworth folgten dem allgemein anerkannten Muster und hatten es nicht eilig, neue Mitglieder zuzulassen, besonders solche, „von deren zuverlässiger Frömmigkeit sie noch nicht genügend überzeugt waren“. Zu diesem Zweck, und auch weil man sich davor schützen wollte, vom eigenen Gewicht erdrückt zu werden, wurde die Gruppenstärke auf zwölf Mitglieder beschränkt. Man einigte sich allerdings auf ein Verfahren, falls die Vorsehung Gottes noch mehr Menschen mit der starken Sehnsucht nach dieser Art der Erbauung bewegen sollte. In diesem Fall konnte eine

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neue Gesellschaft um zwei Mitglieder herum aufgebaut werden, die sich dann von der ersten Gesellschaft trennten. Auch diese zweite Gruppe sollte auf zwölf Mitglieder beschränkt werden, mit der Maßgabe, dass nach dem Vorbild der ersten Gruppe noch eine weitere daraus wachsen könnte. Dies nimmt das organisatorische Grundmuster vorweg, nach dem sich John Wesley mit seinen Freunden drei Jahrzehnte später in Oxford richten würde.

Die Kirche St. Andrews in Epworth

Im Rahmen dieser Organisationsstruktur in Epworth kam der „ersten Gesellschaft“ eine tragende Rolle bei grundsätzlichen Entscheidungen zu. So musste jede Debatte, die sich an irgendeiner Frage zur „Verbesserung oder Reformation“ der Kirche in Bezug auf „Sittsamkeit“ oder öffentlicher Moral entzündete, an die erste Gesellschaft verwiesen werden. Obwohl Samuel darauf pochte, dass die erste Gruppe keinerlei besondere Vormachtsstellung besaß, waren doch die Mitglieder anderer Gruppen verpflichtet, jede Angelegenheit, die sich mit der Erbauung der allgemeinen Öffentlichkeit beschäftigte, der ersten Gesellschaft vorzulegen. Aus Samuel Wesleys Kommentaren kann man, wenn man die obige Praxis im Gedächtnis behält, auch schließen, dass die Mitglieder der ersten Gesellschaft handverlesen waren und man nur zugelassen wurde, wenn man „in der Lage war, der Kirche durch Weisheit und guten Rat zu helfen“. All diese Maßnahmen verdeutlichen den Versuch, die Gesellschaft innerhalb der Grenzen von Kirchenlehre und geltender Gesetze zu halten. Dass Samuel darauf Acht gab, kann man daran sehen, wie er zu späterer Zeit reagierte, als Susanna 1711/12 Nachbarn zur Abendan-

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dacht in ihre Küche einlud. Eine solche Versammlung konnte auf manch einen Beobachter wie ein Gottesdienst in einem privaten Haushalt wirken, also wie ein „Konventikel“, der durch den Act of Toleration und in Folge verabschiedete Gesetze strengstens untersagt war; man sah so etwas als Bedrohung der etablierten Religion und Untergrundaktion der Dissenters, die damit die Registrierungsgesetze umgehen wollten. Auf die deutlichen Worte, die Samuel in einem Brief aus London an seine Frau richtete, antwortete Susanna ebenso deutlich, wie es ihrem starken Willen entsprach. Sie war der Meinung, dass sie die Nachbarn nicht in ihr Haus hätten bitten müssen, um ihnen geistliche Nahrung zu bieten, wenn Samuel die Gemeinde während seiner Abwesenheit nicht einem so unzulänglichen Hilfspastor anvertraut hätte. Sie schloss ihren Brief an Samuel mit den Worten: „Wenn du allerdings glaubst, diese Versammlung auflösen zu müssen, ... dann schick mir deinen ausdrücklichen Befehl, und zwar in so deutlichen und klaren Worten, die mich von aller Schuld und Strafe freisprechen, weil ich eine Gelegenheit versäumt habe, Gutes zu tun, wenn du und ich vor dem großen und schrecklichen Tribunal unseres Herrn Jesus Christus erscheinen.“ Samuels Antwort ist nicht erhalten geblieben, doch möglicherweise hätte sich Susanna ohnehin nicht danach gerichtet. Aufbau und Zielsetzung der Epworther Gesellschaft sind besonders im Hinblick auf die Art und Weise interessant, in der Samuel versuchte, die Außenwirkung der SPCK in seiner abgelegenen ländlichen Pfarrei nachzuahmen. Fünf der vierzehn Regeln der Satzung, die er für die Gesellschaft verfasste, beschäftigen sich mit den wohltätigen Aktivitäten, von denen er hoffte, dass sie durch die Mitgliedsbeiträge finanziert würden, und auch die erklärte Zielsetzung der Gesellschaft dreht sich darum: Ihre erste Sorge ist es, Schulen für die Armen einzurichten, in der Kinder (oder falls notwendig, auch Erwachsene) in den Grundlagen des christlichen Glaubens von Männern unterwiesen werden, deren Frömmigkeit allgemein anerkannt ist. Ihr zweites Ziel ist es, kleine Abhandlungen, die sich mit praktischen Glaubensfragen beschäftigen, aus Holland, England, Deutschland usw. zu beziehen, sie in die Volkssprache zu übersetzen, zu drucken und sie an Menschen abzugeben oder an sie zu verleihen, die sich um ihrer eigene Erbauung oder die anderer Menschen nicht allzu sehr kümmern. Drittens soll die Verbindung zu solchen Gesellschaften in England, Deutschland usw. aufgebaut werden, dass sie sich gegenseitig erbauen können. Das vierte Ziel ist es, sich um die Kranken und andere Arme zu kümmern und ihnen geistliche wie auch körperliche Hilfe zukommen zu lassen (M&M, 44).

In welchem Ausmaß diese ehrgeizigen Ziele in der Gesellschaft von Epworth verwirklicht wurden, ist auf der Grundlage der vorliegenden Aufzeichnungen schwer zu beurteilen. Allerdings gehörte diese Vision, die solche Verhaltensmaßregeln selbst für die recht entlegene

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1. Kapitel

Isle of Axholme festlegen wollte, zum Familienerbe der Wesleys. Samuel selbst war die Verlagswelt keineswegs fremd, und er korrespondierte mit vielen führenden Personen aus der englischen Kirche und Politik. Seine persönliche Anteilnahme an den wissenschaftlichen und literarischen Diskussionen seiner Tage wird unter anderem an seiner Verbindung zur Athenian Society in London exemplarisch deutlich. Ob er sie auch in seine Epworther Gruppe hinein tragen konnte oder nicht, sein Versuch, auch innerhalb der Gesellschaft zu solchen Aktivitäten zu ermuntern, beeinflusste zweifellos die Richtung, die seine Söhne drei Jahrzehnte später in Oxford einschlagen sollten. Die Absicht der religiösen Gesellschaften des frühen achtzehnten Jahrhunderts, „wahre Heiligung des Herzens und Lebens“ zu fördern, zeigt sich in einer hochkirchlichen Frömmigkeit, die sich auf intensives Bibelstudium und andere Formen praktischer Frömmigkeit stützte, persönliche Disziplin in moralischen Fragen forderte und sich in Wohltätigkeit gegenüber den Benachteiligten der Gesellschaft ausdrückte. Die Praxis dieser Gesellschaften, einmal wöchentlich zusammen zu kommen, um einander zu „gelebter Heiligung“ zu ermuntern, war ein Mosaikstein im Rahmen ihres Strebens, den Fallstricken „der Welt“ zu entkommen. In dieser Hinsicht gibt es mehr als nur eine flüchtige Ähnlichkeit mit den Zielen der mittelalterlichen Ordensgemeinschaften. Wie Samuel in seinem „Brief betreffend die religiösen Gesellschaften“ festhielt: Ich kenne nur wenige gute Männer, die sich nicht darüber beklagen, dass nach der Zerstörung der Klöster nicht an ihrer Stelle andere Gesellschaften gegründet wurden, die deren Fehler korrigierten und zum ursprünglichen Maßstab zurückkehrten. Niemand, der sich mit unserer eigenen Kirchengeschichte befasst, kann darüber hinweg sehen, welch entscheidende Rolle diese Männer spielten, als sie als erste unsere Vorfahren mit dem Evangelium bekannt machten und es verkündigten.

Solche Gedanken, kombiniert mit gewissen hochkirchlichen Tendenzen, ließen die Theorie aufkommen, einige Anhänger der religiösen Gesellschaften seien mit jakobinischem Gedankengut vergiftet worden. Die einhellige Meinung, dass neue Mitglieder sowohl Kirche wie auch Staat zugetan sein müssten, trug kaum dazu bei, ihren Verdacht zu zerstreuen. Jedoch störten sich Wesley und seine Familie, von denen ohnehin die meisten dieser Richtung zuneigten, auch nicht sonderlich an solchen Tendenzen innerhalb der Gesellschaften. Auch wenn es keine Beweise gibt, dass John oder Charles Wesley als Kinder direkten Kontakt mit der religiösen Gesellschaft von Epworth hatten, stand die elterliche Fürsorge für die Familie sicherlich im Einklang mit der Art, wie sie sich um die Gemeinde kümmerten. Alle Kinder erhielten guten Unterricht in Religion und anderen Fächern. Sie lernten die überlieferte Theologie, die Glauben und gute

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Werke so verband, dass sie Samuels und Susannas orthodoxe Haltung in Lehrfragen und ihre puritanische Ethik widerspiegelte. Nachdem sie bei ihrer Mutter auf dem Schoß und bei ihrem Vater in der Kirche gesessen hatten, wurden die Jungen mit etwa zehn Jahren nach London geschickt, um dort eine formale Ausbildung an ausgezeichneten Schulen zu erhalten: Der kleine Samuel und Charles in Westminster, John in Charterhouse. Alle drei traten später in die Fußstapfen ihres Vaters und gingen zum Studium nach Oxford. Die Universität von Oxford hatte im frühen achtzehnten Jahrhundert viele der Probleme, die für die englische Gesellschaft insgesamt charakteristisch waren. Während ein zeitgenössischer Beobachter meinte, in Oxford seien „gute Sitten wie auch Gelehrsamkeit“ zu Hause (wobei die Menschen „zivilisierter seien als in jedem anderen Ort Großbritanniens“), muss auch gesagt werden, dass man es sich an der Universität in geistlicher und akademischer Hinsicht bequem gemacht hatte und an einem Tiefpunkt in der Geschichte dieser Ausbildungsstätte angekommen war. Mit den Problemen, die England im Allgemeinen zu schaffen machten, wurde John Wesley auch in Oxford konfrontiert, sowohl in den Beziehungen, die er innerhalb der Universität pflegte, als auch in den Bedingungen, die er in der Stadt und ihrer Umgebung vorfand. Als er seinem Leben 1725 eine neue Richtung gab und sich bemühte, seine Frömmigkeit in seinem Leben Gestalt gewinnen zu lassen, ging er damit auf eine geistliche und intellektuelle Pilgerfahrt, die ihn in dem darauf folgenden Jahrzehnt durch Hunderte von Büchern führte, in Dutzende von Dorfkirchen und Stadtgefängnissen, zu einer Vielzahl von neuen Bekanntschaften und sogar an die Küste der Neuen Welt. Wesley merkte, dass er nicht nur die Ziele verfolgte, die die religiösen Gesellschaften auf ihrer Suche nach „wahrer Heiligung“ vorgegeben hatten, sondern auch einige ihrer Methoden übernahm. Dabei leiteten oder ermunterten ihn sogar möglicherweise die früheren Erfahrungen seines Vaters. Wesleys Suche nach einem sinnvollen Verständnis der Forderungen einer christlichen Lebensführung brachten ihn schließlich dahin, den Perfektionismus der Pietisten, den Moralismus der Puritaner und die Hingabe der Mystiker in einem pragmatischen Ansatz zu bündeln, von dem er glaubte, dass er ihn innerhalb der Strukturen und Lehren der Kirche von England anwenden könne. Viele der historischen Bewegungen, die ihre Spuren in so vielen von Englands Kirchen wie beispielsweise St. Michaels in Stanton Harcourt hinterlassen hatten, gehörten immer noch zur lebendigen Tradition der europäischen Christenheit, die Wesleys Entwicklung beeinflussen sollte und aus der sein eigenes Verständnis vom Wesen und Ziel christlichen Lebens und Denkens erwachsen sollte. Die Art, wie sich Wesley und

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1. Kapitel

sein Oxforder Freundeskreis auf diese Suche machten, und die Methoden, die sie in diesen frühen Jahren entwickelten, trugen entscheidend dazu bei, die spätere Form der wesleyanischen Bewegung zu prägen. Die Geschichte der Oxforder Methodisten wurde von Wesley selbst treffend als das „Aufkommen des Methodismus“ beschrieben.

Literaturangaben Legg, J. Wickham, English Church Life from Restoration to the Tractarian Movement, London 1914. M&M – Heitzenrater, Richard P., Mirror and Memory: Reflections on Early Methodism, Nashville 1989. SPCK – Allen, W.O.B. und Edmund McClure, Two Hundred Years: The History of the Society for Promoting Christian Knowledge, 1698–1898, London 1898

Das Aufkommen des Methodismus (1725–1739)

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2. Kapitel Das Aufkommen des Methodismus (1725–1739)

In den verschiedenen Überlegungen, die Wesley zur Entstehung und zum Wachstum des Methodismus anstellte, betonte er oft die Spontaneität seiner Anfänge und das offene Ende seiner Entwicklung. Seiner Meinung nach hatte Gott die Methodisten zu einer bestimmten und lohnenden Aufgabe berufen, aber auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt vorhersagbar oder vorherbestimmt war. Den genauen Zeitpunkt des Beginns einer Bewegung anzugeben, die spontan, ohne Plan oder Entwurf entstand, ist schwierig. Bereits 1765 notierte John Wesley: „Es ist nicht einfach, die unterschiedlichen Berichte zu beurteilen, die man über die Methodisten angefertigt hat“ (Short History of Methodism). Als er sich jedoch entschloss, im Rahmen seiner Ecclesiastical History („Kirchengeschichte“, 1781) eine Geschichte der Methodisten zu schreiben, gab er drei deutlich unterscheidbare Stationen an, die das Aufkommen des Methodismus vor 1739 markieren: Oxford, Georgia und London. Dieser ausdrückliche Hinweis auf die stufenweise Entwicklung in der Frühzeit gibt einen nützlichen Rahmen ab, in dem man die Ursprünge des Methodismus untersuchen kann.

Das erste Aufkommen des Methodismus – Oxford Die Geschichte der „Methodisten“ ist naturgemäß mit der persönlichen Geschichte von John und Charles Wesley verknüpft. John war, wie ihm seine Zeitgenossen bescheinigten, der „oberste Manager“ der Oxforder Methodisten (EMW, 2: 38). In jüngerer Zeit behaupteten einige, er sei der Gründer der Gruppe gewesen. Mindestens eine Chronik weist darauf hin, dass William Morgan mit einigem Recht den Titel „erster Methodist“ beanspruchen kann (M&M, 233). Die Suche nach dem ersten Methodisten ist nicht einfach; die Anfänge einer Bewegung sind selten leicht exakt zu bestimmen. Ein genaues Anfangsdatum beglückt einen Pädagogen, der Archivar träumt von einer Liste mit Gründungsmitglie-

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2. Kapitel

dern, und ein Hagiograph, der das Leben Heiliger beschreibt, benötigt einen eindeutig identifizierbaren Gründer. Doch der Historiker ist im Allgemeinen zufrieden, wenn er die Entwicklung so beschreiben kann, wie sie verlaufen ist, und dann aus der Situation in ihrer ganzen Komplexität sehen kann, welche Fragen angemessen zu beantworten sind. John Wesley war im Juni 1720 von der Charterhouse School in London, wo er sieben Jahre eine klassische Erziehung als Vorbereitung auf ein Universitätsstudium genossen hatte, nach Oxford gegangen. Sein College war Christ Church (man sagt niemals Christ Church College), das größte und, wie manche sagten, prestigeträchtigste der Colleges, die zusammen die Universität bilden. Die Mehrheit der Studenten in Oxford bereitete sich auf eine medizinische, juristische oder geistliche Laufbahn oder auf eine Position in der Regierung vor. Die Tutoren und Fellows der verschiedenen Colleges, die für die Umsetzung des Lehrplans verantwortlich waren, gehörten per Statut fast ausschließlich dem geistlichen Stand an. Daher überrascht es nicht, dass Wesley, als ihm 1724 der Grad eines Baccalaureus verliehen wurde und er die Hoffnung hegte, in Oxford als Fellow weiter zu arbeiten, darüber nachdachte, sich ordinieren zu lassen. Mit der zögerlichen Unterstützung seines Vaters, der ihn zu kritischem Nachdenken ermutigen wollte, und der Zustimmung seiner Mutter, die glaubte, dies könne ihn zum Studium praktischer, gelebter Frömmigkeit bewegen, begann er, sich auf die Ordinationsprüfung vorzubereiten (Letters, 25: 158–160).

Südwest-Ansicht von Oxford im achtzehnten Jahrhundert. Die Türme der All Saints‘ Church (11), St. Mary’s Church (12), Christ Church (16), Merton College (17), Christ Church Cathedral (ebenfalls 16) und Magdalen College (18) beherrschen das Stadtbild.

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Die Pastorenausbildung in der Kirche von England sah vor, dass man zunächst den akademischen Grad eines Bachelor of Arts erwarb und dann von einem Bischof geprüft wurde, bevor man zum Diakon ordiniert wurde. Nach zwei Jahren Probezeit in diesem Status, während derer man auf einen Magisterabschluss weiterstudierte und sich auf die nächste Prüfung vorbereitete, folgte dann eine weitere vom Bischof abgenommene Prüfung und schließlich die Ordination als Presbyter oder Priester. Die akademischen und kirchlichen Prozesse liefen zwar parallel, waren aber deutlich voneinander getrennt. Der Bachelor-Grad in Theologie wurde von Dorfpfarrern nicht erwartet – und schon gar nicht von ihnen verlangt. Doch für die meisten Fellows war er innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb des Magistergrads zwingend vorgeschrieben. Der theologische Doktorgrad wurde nur von denen angestrebt, die weiterhin an der Universität bleiben wollten. In der Fastenzeit 1725 begann Wesley mit Studien, die zu seiner Ordination als Diakon führten. An diesem Punkt begann die Phase, die er später als das dritte Stadium seiner theologischen Entwicklung beschreiben sollte. Zunächst war er in Epworth und Charterhouse in der theologischen Tradition der Kirche von England erzogen worden. Den vermittelnden Einfluss der via media kann man in seinem Kommentar nachlesen. Dort schreibt er, dass er „frühzeitig davor gewarnt wurde, zu viel Betonung, wie es die Papisten tun, auf äußere Werke oder [wie es die radikalen Protestanten tun] auf Glauben ohne Werke zu legen, da er weder wahre Hoffnung noch Nächstenliebe enthält und auch nicht dazu führen wird“ (J&D, 18: 212). Das Gleichgewicht zwischen Glauben und guten Werken, zwischen tugendhaftem Handeln und dem Gebrauch aller Gnadengaben, die Gott schenkt, würde dazu beitragen, „die Gesinnung zu haben, die in Christus war, und so zu wandeln, wie er wandelte“. Dann geriet Wesley irgendwann vor 1725 in eine schwere innere Auseinandersetzung mit „einige[n] lutherische[n] und calvinistische[n] Schriftsteller[n], deren konfuse und unverdaute Schriften den Glauben auf eine so erstaunliche Größe aufbliesen, dass er die restlichen Gebote verdeckte“. Im Rückblick war seine Verwirrung verständlich: „Dies war die natürliche Auswirkung ihrer übermäßigen Furcht vor dem Papsttum; der Ruf nach ,Verdienst und guten Werken‘ hatte ihnen so zugesetzt, dass sie sofort ins entgegengesetzte Extrem abglitten.“ Er schildert seine erbärmliche Lage: „In diesem Labyrinth war ich hoffnungslos verloren. Ich war weder in der Lage, den Fehler zu finden noch diese ungeschliffene Hypothese mit der Bibel oder dem gesunden Menschenverstand in Einklang zu bringen“ (J&D, 18: 212).

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Wesley trat nun also in das dritte Stadium seiner theologischen Entwicklung ein, in dem sich ein neuer Einfluss bemerkbar machte. 1725 konzentrierte sich seine Lektüre auf die Pietisten aus der Tradition eines heiligen Lebenswandels. Thomas von Kempen lieferte die Grundlage zu dieser Perspektive; Wesley begann, regelmäßig in De Imitatione Christi („Nachfolge Christi“) zu lesen. Aus dem typisch pietistischen Bücherschatz griff er sich Jeremy Taylors Rule and Exercise of Holy Living and Holy Dying („Regeln und Übungen zu einem heiligen Leben und heiligem Sterben“, 1650), Robert Nelsons The Practice of True Devotion („Die Praxis der wahren Hingabe“, 1708) und William Beveridges Private Thoughts Upon Religion („Private Gedanken zur Religion“, 1709?) heraus. Diese und ähnliche Schriften befreiten ihn von der Last der, wie er sagte, „wohlmeinenden, aber verbohrten Deutschen“. Jeremy Taylor lieferte ihm einen der entscheidendsten Vorschläge, die Wesley je in die Tat umsetzte: Die erste Regel eines heiligen Lebens lautet, auf seine Zeit achtzugeben. Die sichtbarste Konsequenz von Taylors Ratschlag war, dass Wesley anfing, Tagebuch zu führen, was der Bestandsaufnahme und dem Feststellen von Fortschritten in seinem geistlichen Leben diente. Die wichtigste theologische Konsequenz des pietistischen Einflusses war Wesleys Entdeckung, dass Heiligung eine innere Realität sei – „dass wahre Religion im Herzen saß und sich Gottes Gesetz auf all unsere Gedanken wie auch auf Worte und Taten erstreckt“. Wesley erinnerte sich später daran, dass seine Selbstprüfung an diesem Punkt trotzdem zu dem Ergebnis führte: „Ich zweifelte nicht daran, dass ich ein guter Christ war“ (J&D, 18: 244). Einige Historiker und Biografen meinen, dass dieser Stimmungswechsel bei Wesley, der mit der Vorbereitung auf die Ordination 1725 zusammenfiel, seine „Bekehrung“ markiert. Die Eintragungen in Wesleys Tagebuch deuten gewiss auf die Ernsthaftigkeit seiner Versuche hin, ein geheiligtes Leben zu führen, wie auch auf das alles durchdringende Streben nach der inneren Reinheit seiner Motive – alles in einem Verständnis der christlichen Tugend verankert, das im Wesentlichen biblisch war. Doch die Frage nach der „Bekehrung“ hängt an der Definition dessen, was einen „Christen“ ausmacht. Allerdings unterlag nicht nur Wesleys eigene Definition häufigen Modifikationen, sondern auch die Anwendung dieser Definition als persönlicher Maßstab veränderte sich mit den Wandlungen seines geistlichen Empfindens von Zeit zu Zeit. Zumindest wurden 1725 zum ersten Mal die äußerlichen Auswirkungen seiner Überzeugung sichtbar, dass ein heiliges Leben zum Wesen des wahren Christentums gehört. Schon an Wesleys ersten

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Versuchen, diese Erkenntnis in Leben und Denken umzusetzen, werden viele der charakteristischen Züge dessen deutlich, was man später „Methodismus“ nennen sollte. Die geistliche Suche nach Heiligung stellte den Brennpunkt von Wesleys Theologie dar. Wesley hatte zu dieser Zeit bereits einige der Überzeugungen gewonnen, die sein theologisches Gedankengebäude prägen und ihm sein ganzes Leben lang geistliche Impulse vermitteln sollten. Schon 1725 kam er zu der Einsicht, dass man sich der Vergebung Gottes gewiss sein könne; dies wurde zur Grundlage seines Interesses an einer spürbaren Heilsgewissheit (Letters, 25: 174–175). Genau so überzeugt war er davon, die Gewissheit der Vergebung garantiere nicht, dass die Sünde nicht wieder aufbegehre; das ist die Grundlage seiner ständigen Furcht vor dem Rückfall ins alte Leben und teilweise auch seiner Antipathie gegen die Prädestination. Er glaubte auch, dass man die Gnadenmittel regelmäßig in Anspruch nehmen solle; dies war die Grundlage seines lebenslangen Kampfes gegen den Antinomismus. An diesem Punkt begann Wesley sich mit Hilfe mehrerer Bücher und elterlicher Ratschläge durch diese Fragen hindurch zu arbeiten. Diese Themen beschäftigten ihn nur, soweit es sein persönliches Leben betraf, und hatten keine Auswirkungen auf seinen Lebenskreis außerhalb der Universität. Durch sein politisches und gesellschaftliches Geschick gelang es Wesley, sich am 17. März 1726 als Fellow ins Lincoln College wählen zu lassen. Der elterliche Stolz scheint in der Reaktion seines Vater auf diese Neuigkeit durch: „Wo immer ich auch stehe, mein Jacky ist Fellow im Lincoln College.“ John genoss nun auch materielle Sicherheit: ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Teller und Studenten unter seinen Fittichen – für einen Fellow war das alles umsonst, gekoppelt mit einem jährlichen Stipendium auf Lebenszeit, solange er unverheiratet blieb. Wesley fand weder unter seinen Kollegen noch unter seinen Studenten viel Sympathie für seine geistliche Pilgerfahrt. Selbst sein Bruder Charles, der sich im Juni 1726 als Stipendiat des Christ Church an der Universität immatrikulierte, war flatterhaft, gedankenlos und nicht geneigt, sich ernsthaft mit Religion zu beschäftigen. Das Gleiche galt für den besten Freund seines Bruders, Robert Kirkham, den Bruder von Wesleys engster weiblicher Bekanntschaft zu dieser Zeit, Sarah Kirkham aus Stanton (auch bekannt als „Varanese“). Der einzige Mensch in Oxford, der Wesleys Vision von christlicher Hingabe und geheiligtem Leben geteilt zu haben scheint, Robin Griffiths, starb in jenem Winter; John hielt die Trauerpredigt am 15. Januar 1727 (Sermons, 4: 236–243).

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John Wesleys persönliches Tagebuch enthielt viele in Kurz- oder Geheimschrift abgefasste Eintragungen. Auch Charles begann Tagebuch zu führen, in dem er festhielt, was er erlebt hatte, und das ihm als Grundlage zur Selbstprüfung diente.

Als ihm am 14. Februar 1727 der Magistergrad verliehen wurde, entschloss sich John, die Einladung seines Vaters für den folgenden Sommer anzunehmen, um als Hilfsgeistlicher in Epworth und Wroot zu wirken. Neben der Hilfe bei der Erledigung seiner pastoralen Pflichten konnte er seinem Vater auch bei der Abfassung von dessen wissenschaftlichen opus magnum assistieren, den Dissertationes in Librum Jobi. In den folgenden beiden Jahren reiste John nur noch einmal nach Oxford, und zwar um am 22. September 1728 als Presbyter (Priester) ordiniert zu werden. John erwähnte gegenüber Charles, dass ihm die neue Situation in einer Gemeinde zusage und er „für immer hier bleiben könne – mindestens aber viele Jahre.“ Charles Wesley, der noch am Christ Church geblieben war und seinen Bruder schmerzlich vermisste, berichtete John sehr bald, dass er „aus [seiner] Lethargie erwacht“ sei. Im späteren Verlauf des Jahres entschieden die Verantwortlichen der Universität, den Einfluss von Deismus und Gottlosigkeit offen zu bekämpfen und erklärten, dass die Tutoren darauf Wert legen würden, ihren Studenten die Religionsartikel zu erklären und ihnen die „häufige und sorgfältige Lektüre der Bibel“ zu empfehlen. Charles, der inzwischen bewusst versuchte, diesen Kurs

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einzuschlagen, musste seinem Bruder berichten, was der bereits drei Jahre vorher erlebt hatte, dass man am Christ Church „mit großer Wahrscheinlichkeit seiner Religion halber ausgelacht wird, sobald man davon zum ersten Mal erzählt“. Charles bat John um Hilfe und meinte: „Ich bin fest davon überzeugt, es wird durch dich geschehen, dass Gott das vollenden wird, was er in mir angefangen hat, und es gibt keinen Menschen, von dem ich lieber wollte, dass er für mich zum Werkzeug des Guten wird, als dich.“ Da er sich nun einmal in Bewegung gesetzt hatte, fragte Charles seinen Bruder in speziellen Fragen um Rat, insbesondere was das Führen eines geistlichen Logbuchs, eines Tagebuchs, betraf: Was sollte er festhalten? Sollte er über Gutes und Schlechtes schreiben? Auch über seine akademischen Fortschritte oder nur über Religion? Eine Geheimschrift benutzen? Welche Bücher sollte er lesen? Wenn John bereits ein Methodist im Geiste war (wenn auch nicht der Bezeichnung nach), war Charles nun sein bereitwilliger Gefährte: „Wenn du mich anleiten würdest, dasselbe zu tun oder mit einer Methode wie deiner, dann würde ich mit Freuden folgen.“ Als John im Mai 1729 erfuhr, dass Charles einen Kollegen überzeugt hatte, mit ihm zusammen ernsthaft die Bibel zu studieren und jede Woche zur Kirche zu gehen, machte er sich nach Oxford auf, wo er am 17. Juni, seinem Geburtstag, eintraf. In den nächsten beiden Monaten ermunterten sich John, Charles, dessen Freund William Morgan und manchmal auch ihr alter Freund Bob Kirkham gegenseitig in ihren akademischen und geistlichen Bemühungen. Sie trafen sich gelegentlich zum gemeinsamen Lernen und gingen jede Woche zur Kirche. Johns Tagebuch sagt nichts über regelmäßige Treffen der Freunde während seines zehnwöchigen Oxford-Aufenthalts im Sommer 1729; doch der Samen eines Organisationsmusters begann in dieser Zeit zu keimen. Ermutigt von Johns Anwesenheit, kam die kleine Gruppe von Freunden hin und wieder zum Studium, zum Gebet und zu geistlichen Gesprächen zusammen, sie nahmen regelmäßig das Sakrament und führten täglich Tagebuch. Diese recht unspektakulären Aktivitäten waren die ersten sichtbaren Anzeichen für das, was später einmal der Oxford-Methodismus werden sollte. Die Treffen fanden nicht regelmäßig statt, nicht jeder kam zu jedem Treffen, es gab noch keinen festen Tagesablauf, hin und wieder kam man auch zu leichter Unterhaltung zusammen, doch einige der Kennzeichen der wesleyanischen Bewegung waren in dieser Gruppe schon vorhanden. Am Ende des Sommers, als die Studenten auseinandergingen, um für die Ferien in der vorlesungsfreien Zeit nach Hause zu fahren, machten sich die Wesleys in Richtung Epworth auf. Dass John zehn Wochen später nach Oxford zurückkehrte, lag daran, dass ihn der Ruf des Dekans seines Colleges erreichte, der im Na-

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men der übrigen Fellows den Wunsch formulierte, auch John möge seinen Anteil an den Pflichten eines Tutors am College übernehmen. Der im Oktober abgeschickte Brief mit dieser Nachricht erreichte John in Yorkshire, wo er mit seinem Vater herumreiste und mit ihm Subskriptionen für Samuels Buch über Hiob sammelte. Die Aussicht, in Oxford zu sein und zahlende Studenten zu haben, muss John in dieser Situation aus mehreren Gründen attraktiv erschienen sein. Eine der hinteren Seiten seines Tagebuchs zeigt, dass er die Summe berechnete, die ihm sein Vater als Hilfspastorenstipendium hätte zahlen sollen – er war über ein Jahr im Rückstand, selbst wenn man ein Paar geschenkter Stiefel davon abzog. Innerhalb einiger Tage wanderten John und Charles nach Süden und nahmen einen Umweg von achtzig oder neunzig Kilometern in Kauf, um ihren Bruder Samuel in London zu besuchen. Die Wesleys machten in Oxford dort weiter, wo sie im Sommer aufgehört hatten. Es waren keine auffälligen Änderungen im Ablauf ihrer gelegentlichen Zusammenkünfte zu erkennen, bei denen sie zusammen lernten oder Andacht hielten. Das Datum ihrer Rückkehr nach Oxford (22. November) ist an sich von keiner besonderen Bedeutung, bis auf die Tatsache, dass John es später in seinen Erinnerungen an die Anfänge des Methodismus als den Tag erwähnt, an dem er sich wieder in Oxford niederließ. Einige Wochen lang machen John, Charles und William Morgan wie im Sommer weiter.

Erste Organisationsstrukturen der Oxford Society Im Spätwinter 1729/30 begannen regelmäßige Aktivitäten, die John selbst als entscheidend erwähnt, als – sehr zu seiner Überraschung – Bob Kirkham seinen alten Freunden den Rücken kehrte und sich regelmäßig mit Morgan und den Wesleys zu treffen begann. Johns Tagebuch gibt Auskunft über den Rhythmus, der sich Anfang März 1730 entwickelte: am Dienstagabend Treffen in Charles’ Zimmer, donnerstags bei Kirkham, samstags bei John und sonntags bei Morgan. Abgesehen von dieser bemerkenswerten Regelmäßigkeit enthalten die Tagebucheinträge, die sich auf diese Treffen beziehen (z.B. „bei Charles, Tullius gelesen“), keinen Hinweis darauf, dass man sich hier zu einem anderen Zweck als dem gemeinsamen Lernen traf. Bei den Treffen unter der Woche studierten die vier Freunde Klassiker wie Horaz, Juvenal und Terenz. Am Sonntagabend lasen sie geistliche Schriftsteller wie Milton, de Renty und Prior. Oft hörten sie sonntags die Universitätspredigt und nahmen am Abendmahl teil, obwohl John selbst am Wochenende häufig in den Dorfkirchen von Oxfordshire predigte.

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Von gelegentlichen Spötteleien abgesehen, die sich gegen die vermeintlich „sakramentale“ Tendenz richteten, beachteten die Lehrer und Studenten der Universität diese kleine Studentengruppe, die aufrichtig versuchte, die Statuten der Universität zu befolgen, kaum. Obwohl sie keine typischen Oxfordstudenten am Anfang des achtzehnten Jahrhunderts waren, waren sie weder die erste noch die einzige Gruppe, die gewissenhaft den Verpflichtungen der akademischen Gemeinschaft nachkam; ähnliche Kreise hatten sich im vorhergehenden Jahrzehnt im Zimmer eines Tutors getroffen, um zusammen zu lernen und zu beten, und auch zu Wesleys Zeit, Anfang der 30er Jahre, kamen solche Gruppen in anderen Colleges zusammen (Ingham, 12). Obwohl Gelehrsamkeit wie auch Gebet und Bibellese typisch für Wesleys Kreis waren, wurde die Bewegung offensichtlich nicht nur von diesen Tätigkeiten geprägt. Diese einzigartige Mischung von praktischem Leben und Denken, die für Wesleys Ansatz in Oxford so typisch war, trat im Spätsommer 1730 noch deutlicher hervor. Im August schlug William Morgan John wiederholt vor, dass die Gruppe die im Castle Prison einsitzenden Schuldner und verurteilten Verbrecher besuchen sollte. Morgan hatte bereits eine ganze Weile in verschiedenen Bereichen wohltätige Arbeit geleistet: Waisenkinder unterrichtet, für die Alten und Armen gesorgt und Gefängnisse besucht. Die Wesleybrüder begleiteten Morgan am Nachmittag des 24. August in die alte Festung, und sie fanden die Begegnung mit den Gefangenen so erfüllend, dass sie beschlossen, wöchentlich mindestens einmal dorthin zu gehen. Die Gruppe, die allmählich auf fünf bis sechs Mitglieder angewachsen war, begann Dienstpläne für diese Besuche zu schreiben; John ging am Sonnabendnachmittag. Die Gruppe um Wesley nahm Morgans Anregung auf und integrierte weitere wohltätige Aktivitäten in ihr wachsendes Sozialprogramm. Eine Woche nach dem Besuch in der Festung besuchte John Mrs. Vesey, eine der vielen Alten und Kranken in Oxford, die sich in Bezug auf materielle und geistliche Unterstützung auf gelegentliche Hilfeleistungen ihrer Kirchengemeinde verlassen mussten. Diese Besuche waren für den Fellow des Lincoln College, der zwei Jahre als Hilfsgeistlicher in einer Dorfgemeinde gearbeitet hatte, keine neue Erfahrung. Doch scheint wiederum seinem Freund William Morgan die Anerkennung dafür zu gebühren, dass dieser regelmäßige Dienst als Möglichkeit im Rahmen der Aktivitäten einer akademischen Gemeinschaft, und im Besonderen der Methodisten in Oxford, begriffen wurde. Schon nach kurzer Zeit verbrachten die Methodisten einige Stunden pro Woche bei den Armen und Bedürftigen der Stadt. Im Dezember 1730 weitete die Gruppe ihre Arbeit auf die im Stadtgefängnis am Nordtor (Bocardo) Eingekerkerten aus. Wieder einmal hatte ihnen Morgan die Tür

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geöffnet. Der junge Ire, der einen großen Teil der Konzepte methodistischer Sozialarbeit entworfen hat, begann im Frühjahr 1731, möglicherweise auch schon früher, Kinder aus den armen Familien Oxfords um sich zu sammeln. Als er die Stadt verließ, um von einer Krankheit zu genesen, versuchten Wesley und seine Freunde, die Lücke zu füllen, die ihr irischer Freund hinterlassen hatte. John merkte sehr bald, dass die Situation nach einer dauerhafte Lösung verlangte, und Ende Juni 1731 stellte er Mrs. Plat an, um für die Kinder zu sorgen. Die Methodisten hörten damit allerdings nicht auf, sich für die Fortschritte der Kinder zu interessieren und sich aktiv um sie zu kümmern.

Bocardo, das Stadtgefängnis von Oxford, erstreckte sich über das Nordtor der Stadtmauer an der St. Michael’s Church (die in die Stadtmauer hinein gebaut war) hinaus. Die Häftlinge ließen manchmal Körbe von ihrem Fenster hinab (wie in diesem Holzschnitt gezeigt), damit ihnen die Passanten Geld oder etwas zu essen hineinlegten.

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Das Engagement dieser Gemeinschaft machte sie unter ihren Kommilitonen berühmt-berüchtigt. Kirkham war der erste, der den boshaften Spott seiner Kommilitonen am Merton College zu spüren bekam, weil er Mitglied des von ihnen abfällig genannten „Heiligen Clubs“ war. Dieser Spitzname wurde bald von einer Reihe anderer verächtlicher Bezeichnungen abgelöst, die auf ihre angestrebten Tugenden abzielten: Club der Gottesfürchtigen, Bibelmotten, Soll-Übererfüller. Wie es später oft der Fall sein sollte, übertrafen die Gerüchte über ihre Aktivitäten ihre tatsächlichen Bemühungen, mit dem Ergebnis, dass sie sich, wie John seinem Vater berichtete, den Ruf erwarben, dass sie „keine Freunde hatten außer solchen, die ebenso seltsam waren wie sie“. Wesley missfiel es, dass man sie einen „Club“ nannte, doch zögerte er auch, sie formell als „Gesellschaft“ zu bezeichnen, wenngleich er den Begriff manchmal selbst benutzte. Es sollte noch zwei Jahre dauern, bevor man die Bezeichnung „Methodisten“ auf sie anwandte, doch die kleine Studentengruppe begann, viele der charakteristischen Züge an den Tag zu legen, die die Bewegung für den Rest des Jahrhunderts prägen sollte. Wenn man die Dynamik des Oxford-Methodismus verstehen will, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die verschiedenen Aktivitäten, die das Bild in der Öffentlichkeit prägten, in den meisten Fällen nicht von Wesley angestoßen wurden, wie später festzustellen sein wird. Man darf nicht vergessen, dass Wesley sich auf der intensiven Suche nach dem „richtigen Zustand der Seele“ befand. Folglich war seine Methode kein starres, festes Schema, sondern vielmehr ein Ansatz, der wuchs, sich entwickelte und veränderte, weil Wesley verschiedene Krisen durchmachte, neue Einsichten gewann und neuen Freunden begegnete. Dass John innerhalb der Bewegung als Leiter anerkannt wurde, lässt sich darauf zurückführen, dass er in der Lage war, deren unterschiedliche Aktivitäten auf ein Ziel hin zu bündeln, was der Suche der Methodisten nach Errettung Richtung und geistliche Impulse gab. Das Wesentliche des Oxford-Methodismus zu begreifen, bedeutet, diese Impulse wie auch den sich daraus entwickelnden Lebensstil zu erkennen. In dem darauf folgenden Jahr konzentrierte sich John zunehmend auf das Geschehen in Oxford. Die für die vorhergehenden Jahre so typischen häufigen Predigtreisen in die Dorfgemeinden endeten abrupt; er verkaufte sogar das Pferd, das er sich eigens zu diesem Zweck ein Jahr zuvor angeschafft hatte. John engagierte sich für das Burggefängnis und predigte in den kommenden viereinhalb Jahren mindestens einmal pro Monat dort. In seinem Tagebuch von 1731 notierte er auf den ersten Seiten seinen wöchentlichen Besuchsplan: Montag, Bocardo; Dienstag, Burg; Mittwoch, Kinder; Donnerstag,

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Burg; Freitag, Bocardo; Sonnabend; Burg; Sonntag, Arme und Alte. Wesley war sich bewusst, wie leicht solche Geschäftigkeit zum Selbstzweck werden konnte, und vielleicht wollte er nicht nur seinen Vater, den alternden Seelsorger, sondern auch sich selbst daran erinnern, als er ihn darauf hinwies, dass der Hauptpunkt, auf den sie achten mussten, wenn sie unter der Last ihrer Tätigkeit nicht zusammenbrechen wollten, darin bestand, „immer lebhaft zu spüren, dass wir nur ein Werkzeug in Seiner Hand sind, der alle Dinge mit oder ohne ein Werkzeug tun kann“ (Letters, 25, 257–258). Wesleys Predigt vor der Universität im November 1729 erlaubt einen Einblick in die Gründe, die ihn bewogen, sich zunehmend um andere Menschen zu kümmern, sodass er über die Sehnsucht nach persönlicher Errettung hinaus zu blicken begann. Die Predigt über 1. Mose 1,27 schließt mit dem Kommentar: „Wer andere vor der Sünde und ihrem Diener, dem Tod, gerettet hat, wird ‚leuchten wie des Himmels Glanz‘, wer das Bild Gottes vielen Seelen aufgeprägt hat, wird scheinen wie die ‚Sterne immer und ewiglich‘ (Sermons, 4: 303). Johns Methoden und Aktivitäten, die man vielleicht am treffendsten als meditative Frömmigkeit bezeichnet, zielten alle darauf ab, „Heiligkeit des Herzens und Lebens“ zu fördern – diese Formulierung entspricht der in der typischen Terminologie der religiösen Gesellschaften. Seine geradezu verzweifelten Versuche, „keine Pflicht gegenüber Gott und den Menschen zu vergessen“, deuteten auf seine innere Suche nach einer Art von Gewissheit hin, der festen Überzeugung, dass er ein Kind Gottes war. 1730 hatte John begonnen, William Laws Serious Call to a Devout and Holy Life („Ernsthafter Ruf zu einem frommen und heiligen Leben“, 1729) zu lesen, das sein bisheriges Verständnis der „ausnehmend großen Höhe und Breite und Tiefe von Gottes Gesetz“ bekräftigte und erweiterte. Wieder drückte Wesley die Bedeutung dieses Einflusses in Worten aus, die auf eine drastische Veränderung in seinem Leben schließen lassen – „Das Licht schien so mächtig in meine Seele hinein, dass alles neu und anders aussah“ (J&D, 18: 244). Einige Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts deuten diesen Kommentar als Anzeichen, das Wesley an diesem Punkt eine drastische Neuorientierung seines geistlichen Lebens erfuhr – nach den meisten Definitionen dieses Begriffs eine wirkliche Bekehrung. Zu dieser Zeit entstand Wesleys Hoffnung auf die Errettung, sein aufrichtiges Verlangen, ein christliches Leben zu führen und auf Gottes Verheißungen zu vertrauen, so wie er beides verstand. Seine Heilsgewissheit beruhte auf dem, was er als „die Hoffnung unserer Berufung“ bezeichnete: „zu wissen, dass unsere Hoffnung aufrichtig, aber nicht vollkommen ist; dass wir unsere Arbeit nicht gut erledigen,

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aber unser Bestes geben“ (Letters, 15: 318). Diese Leitlinie, sein Bestes zu geben, bestimmte zu diesem Zeitpunkt Wesleys Bemühungen und gab ihm in gewissem Maß die Kraft, trotz Anfeindungen aus verschiedenen Richtungen und dem an ihm nagenden Bewusstsein seiner eigenen Unzulänglichkeit durchzuhalten. Es war allerdings kaum die Art von Hoffnung oder Gewissheit, die eine ehrliche und selbstkritische Seele beruhigen konnte, die wie Wesley überzeugt war, dass es keine ethisch neutralen Handlungen gebe – dass jede Tat einen moralischen Wert besaß, gut oder schlecht. Obwohl er den Perfektionismus, hier als perfekter Gehorsam verstanden, als Maßstab und Ziel des Lebens ablehnte, legte es ihm im Angesicht ständiger ethischer Entscheidungen eine weitere Bürde der Verantwortung auf, wenn er sich letzten Endes auf seine eigene Aufrichtigkeit verlassen musste. Diese Mischung unterschiedlicher Blickwinkel sollte bei Wesley eine Zeit lang für mehr Angst denn Gewissheit sorgen und zu einem zunehmend zwanghaften Tatendrang führen, dem augenscheinlich ein Plan, aber kein klares Ziel zugrunde lag. Seine erste Sorge galt der inneren Reinheit des Herzens, indem er über die Tugend nachsann. Doch ihm und seinen Freunden wurde oft nachgesagt, dass ihre eigentliche Sorge dem äußerlichen Sichtbarmachen dieser Tugenden galt, indem sie sich an gewisse Regeln und Methoden hielten. Meditative Frömmigkeit unter den Methodisten wurde von ihren Kollegen allmählich als gesetzliche Werkgerechtigkeit betrachtet. 1732 kam es in Verbindung mit drastischen personellen Veränderungen in der Oxforder Gesellschaft um Wesley zu einem einschneidenden Kurswechsel. Morgan, geschwächt von langer Krankheit, ging Anfang Juni nach Irland zurück. Kirkham und John Boyce verließen Oxford, und William Haward, ihr einziger Landsmann, löste sich allmählich von der Gruppe, sodass John und Charles Wesley die einzigen ursprünglichen Mitglieder waren, die noch an der Universität aktiv waren. Doch wie es in den folgenden Jahren noch häufig geschehen sollte, wurde diese entmutigende Tendenz von einer positiven Entwicklung aufgefangen. Während sich William Morgan anschickte, Oxford zu verlassen, lernte Wesley John Clayton kennen, dessen Verbindung mit den Methodisten der Bewegung einen bleibenden Stempel aufdrückte. Clayton, den viele derselben sozialen Fragen bewegten wie Morgan, hatte außerdem selbst eine kleine Gesellschaft am Brasenose College und öffnete Wesley die Tür zu einigen neuen Freundschaften und Verbindungen. Er machte Wesley mit dem Programm der Manchester nonjurors (Thomas Deacon, John Byrom u.a.) bekannt, die sich hauptsächlich für das Leben und Denken der frühen Christenheit interessierten. Als Sohn eines Buchhändlers aus Manchester half Clayton John, enge-

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re Beziehungen zu Verlagen und Buchhändlern in London und Oxford zu knüpfen. Er scheint John darüber hinaus in einen neuen Londoner Zirkel eingeführt zu haben, dem einflussreiche Persönlichkeiten angehörten, welche die Bewegung für religiöse Gesellschaften unterstützten. Sir John Phillips, eine der treibenden Kräfte der SPCK, trug Entscheidendes zur Sache der Oxforder Methodisten bei. Wesley wiederum kaufte viele Traktate, Bibeln und andere Bücher, die er unter seinen Freunden in Umlauf brachte, von der Bücherliste der SPCK. Wesleys Leben und Denken wurden von seiner Verbindung zur Gesellschaft beeinflusst, deren korrespondierendes Mitglied er 1732 wurde: Die Gesellschaft diente in gewissem Maß als Vorbild für seine eigene Gruppe und weckte auch sein Interesse an der Kolonie Georgia. Obwohl Clayton nicht einmal sechs Monate mit Wesley in Oxford zu tun hatte, brachte sein Einfluss einige wichtige Veränderungen mit sich. Anzeichen für erhöhte Disziplin werden in Wesleys Vorausplanung für Werke der Frömmigkeit und Barmherzigkeit sichtbar. Der wöchentliche Ablauf wurde geändert, sodass am Mittwoch und Freitag feste Fastenzeiten eingehalten wurden, die dem Vorbild der frühen Kirche folgten: An diesen Tagen gab es nichts zu essen, bis um drei Uhr nachmittags das Fasten gebrochen wurde. Mit dem Eifer des Neubekehrten hielt Wesley in den folgenden Monaten unbeirrbar an dieser Praxis fest, und diese hatte sich gegen Ende des Sommers so fest eingeschliffen, dass er anlässlich eines Besuchs bei seinen Eltern in Epworth jeweils am Mittwoch- und Freitagmorgen in seinem Tagebuch festhielt (möglicherweise mit einem Anflug von Stolz, wenn nicht sogar einer Spur Verachtung): „Sie haben gefrühstückt.“ Clayton ließ auch sein Interesse am Sammeln von Gebeten wieder aufleben, und Ende 1733 stieg Wesley mit der Collection of Forms of Prayer for Every Day in the Week („Sammlung von Gebeten für jeden Tag der Woche“) zum ersten Mal in das Verlagswesen ein. Und wie William Morgan es vor ihm getan hatte, eröffnete ihnen Clayton einige neue Bereiche der Sozialarbeit. Im August 1732 erhielt Clayton die Erlaubnis, zwei Mal pro Woche das St. Thomas-Arbeitshaus zu besuchen und begründete so ein neues Projekt, bei dem Wesley und seine Freunde den Armen helfen konnten. Solange Clayton sich in Oxford aufhielt, hatte Wesley einen Mitarbeiter, dem er die Leitung der Gruppe anvertrauen konnte, wenn er nicht in der Stadt war – und das will etwas heißen, wenn man die deutlich sichtbaren Nachwirkungen betrachtet, die Wesleys Abwesenheit manchmal auf die Bewegung hatte. Eine sehr wichtige organisatorische Auswirkung von Claytons Verbindung zu Wesley war die Gründung von Tochtergruppen, was

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in den Statuten vieler religiöser Gesellschaften vorgesehen war (siehe die Regeln der Epworth Society oben) und im Folgenden die Entwicklung der wesleyanischen Bewegung in Oxford und darüber hinaus prägen würde. Die wachsende Notwendigkeit von Struktur und Organisation, als die Bewegung an Größe und Komplexität zunahm, zeigt sich in Wesleys Tagebucheintrag, in dem er ein Treffen Ende Juni 1732 zusammenfasste: „Teilten Männer und Arbeit auf.“ Zunehmend zeigten sich im Leben und Denken der Oxforder Wesleyaner eine Theologie und Lebenspraxis, die praktisch einer arminianischen Methodologie gleichkam, die sich in einem komplexen Muster von Regeln und Erwartungshaltungen äußerte. Der wesleyanische Lebensstil gründete sich auf eine Spielart der arminianischen Theologie, die den andauernden Gehorsam gegenüber Gottes Willen einforderte, selbst innerhalb des vom Neuen Bund geschaffenen Rahmens. Einem aufmerksamen Beobachter der Wesleyaner wäre aufgefallen, dass der Begriff „Neuer Methodist“ sowohl auf John Wesleys Predigten wie auch auf das Schema der Aktivitäten seiner Gesellschaft passte (M&M, 27–31). Tatsächlich war es etwa zu dieser Zeit, dass der Magister John Bingham am Christ Church eine „neue Gruppe von Methodisten, die unter uns entstanden war“, bemerkte. Jedenfalls hatte John Wesley die Formulierung so im Gedächtnis behalten (hatte Bingham in Wirklichkeit „eine Gruppe von neuen Methodisten“ gesagt?). Wesley brachte die Bezeichnung „Methodisten“ niemals mit dem Fachvokabular der vorigen Generation theologischer Dispute in Verbindung, weil er mit dem etwas unklaren Gebrauch des Wortes nicht vertraut war, doch ließ er seine Fantasie so weit spielen, dass er eine Parallele zu einer antiken Medizinerschule des ersten Jahrhunderts zog, griechischen Ärzten, die man so bezeichnete und die sich für eine spezielle Ernährung und körperliche Bewegung aussprachen, um so etwas für die Gesundheit zu tun. Jedenfalls findet sich die erste zeitgenössische Erwähnung des Begriffs in einem Brief, den John Clayton aus Oxford an John Wesley schrieb, der im August 1732 London besuchte, und der darauf schließen lässt, dass der Begriff unmittelbar mit Wesley selbst verknüpft wurde: „Jetzt wo du weg bist, haben wir zum großen Teil die ehrenvolle Bezeichnung ‚Methodisten‘ verloren“ (JWJ, 8: 281). Doch nicht allen war der Name aus dem Gedächtnis geschwunden. Vielen schien es aus einer Reihe von Gründen die passende Bezeichnung für diese Gruppe von Wesleyanern zu sein, ob sie es nun abfällig meinten oder nicht. Innerhalb weniger Wochen nahmen viele Einwohner von Oxford die Bezeichnung dank sich schnell verbreitender Gerüchte in den Mund. Nachdem sie im Dezember in einem kritischen Leserbrief in einer Londoner Zeitung (Fog’s Weekly

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Journal) aufgetaucht war, wurde die Bezeichnung „Methodist“ bald allgemein für Wesleys Bewegung in Oxford gebraucht. Als Clayton im Herbst 1732 von der Universität abging, um eine Pfarrstelle in Salford bei Manchester anzutreten, befanden sich Wesley und die Methodisten gerade in ernsten Schwierigkeiten. In Oxford hatte man gehört, dass William Morgan gestorben war, und das Gerücht machte die Runde, die asketische Härte des methodistischen Lebensstils hätte ihn umgebracht. Man hörte jetzt öfter spöttische Bemerkungen oder bemerkte das höhnische Lächeln eines Kritikers auf dem Universitätsgelände, als das Leben und Wirken der Methodisten zunehmend sichtbare Dimensionen annahm. Viele nahmen beunruhigt die scheinbar fanatische Praxis, am Mittwoch und Freitag zu fasten, zur Kenntnis, ebenso die absonderliche Gewohnheit, um vier oder fünf Uhr morgens aufzustehen, und auch die Radikalität, mit der Wesley und seine Freunde ein einfaches und anspruchslosen Leben führten und verschiedene Methoden der Selbstverleugnung praktizierten.

In der St. Mary’s Church fand die Mehrzahl der offiziellen Universitätsgottesdienste statt, darunter die wöchentlichen Gottesdienste vor Aufnahme des Lehrbetriebs, das Abendmahl zur Semestereröffnung sowie besondere Festgottesdienste und weitere offizielle Zeremonien im Leben der Universität.

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In dieser Situation übernahm Wesley die Verantwortung, die Methodisten gegen üble Nachrede zu verteidigen. Er griff zu vielen verschiedenen Mitteln, doch die wichtigsten davon waren (1) ein Brief an Morgans Vater, in dem er die Entstehung und das Ziel der Bewegung erläuterte, und (2) eine Predigt, die er in St. Mary’s hielt und in der er ihre theologischen Grundlagen darstellte. Ersteres Dokument wurde von Wesley kopiert und ständig eingesetzt, wenn er Menschen aus dem Umkreis der Universität besuchte, um seine Position darzulegen und einen größeren Unterstützerkreis zu gewinnen. Dieser „MorganBrief“ stellte sich im Lauf des Herbstes und Winters als besonders nützliches Dokument heraus, als er fortfuhr, seine Sache unter Freunden wie Feinden zu verteidigen. Die Predigt, die er am 1. Januar 1733, dem Fest der Beschneidung Christi, in St. Mary’s hielt, war ein zentrales Dokument in der Geschichte der wesleyanischen Bewegung. Mitten in der Kontroverse niedergeschrieben, ist diese Predigt über den Tagestext („die Beschneidung des Herzens, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht“, Röm 2,29) eindeutig eine positive Erläuterung der Theologie, auf deren Grundlage Wesley versuchte, einen klaren christlichen Lebensstil zu entwickeln (Sermons, 1: 401–414). Im Gegensatz zu dem Eindruck, den viele seiner Zeitgenossen gewannen und spätere Kommentatoren noch festigten, wurde Wesleys Leben (und das der Oxford-Methodisten) keineswegs von Verboten eingeschränkt oder von Vorschriften in eine bestimmte Bahn gelenkt. Sie ließen sich in ihren Handlungen von verschiedenen Fragen leiten, die sie sich zur Selbstprüfung vorlegten und die nach den verschiedenen Tugenden für jeden Tag der Woche angeordnet waren: Liebe zu Gott, Nächstenliebe, Demut, Kasteiung und Selbstverleugnung, Ergebenheit und Milde sowie schließlich Dankbarkeit. Wirklich wichtig war, dass die Seele nach dem Bild Gottes erneuert wurde. Die Frömmigkeit der Oxford-Methodisten konzentrierte sich also auf den inneren Zustand der Seele, der sich in einem christlichen Lebensstil zeigen sollte und auch daran gemessen wurde. Die Predigt widerlegt nicht, wie man unter den gegebenen Umständen vermuten könnte, Punkt für Punkt die verschiedenen Vorwürfe, die man gegen Wesley und seine Freunde erhoben hatte, sondern stellt eine lebendige und positive Proklamation seines Verständnisses der „Unterscheidungsmerkmale eines wahren Nachfolgers Christi“ dar, der „zur Gewohnheit gewordenen Ausrichtung der Seele, die in der Heiligen Schrift Heiligung genannt wird.“ Die nach innen gerichtete Tendenz dieser Predigt war entwaffnend – sie konzentrierte sich auf die Tugenden, die man im Nachsinnen über das Wort Gottes kultivieren konnte, die in der Ausrichtung auf den Glauben sichtbar wurden, durch das Zeugnis des Geistes bestätigt und in der

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Selbstverleugnung in die Tat umgesetzt wurden. Den Höhepunkt stellt der Aufruf zur Liebe dar, „die Summe des vollkommenen Gesetzes [und] die wahre Beschneidung des Herzens“. Das bedeutet, alle Gefühle auf den Willen Gottes auszurichten und „die Gesinnung in uns zu tragen, die auch in Christus Jesus wohnte“. Diese Definition von Wesleys Heiligungslehre, christliche Vollkommenheit, sollte nicht nur zum prägenden Kennzeichen der methodistischen Theologie im achtzehnten Jahrhundert werden, sondern ihm auf seiner lebenslangen Pilgerfahrt auch als Kompass dienen. Die Predigt zog gemischte Reaktionen nach sich: Thomas Wilson hielt sie für „enthusiastisch“, während der Rektor des Lincoln College sie freundlich beurteilte. In den darauf folgenden Wochen musste sich die Predigt, was die öffentliche Aufmerksamkeit betraf, allerdings mit dem zweiten Platz hinter dem Morgan-Brief begnügen. Dass man den Brief heimlich abdruckte und an zentraler Stelle in dem anonym produzierten Pamphlet The Oxford Methodists (1733) platzierte, bereitete Wesley wegen einiger nicht gerade schmeichelhafter Kommentare, die der Beschreibung seiner Bewegung beigefügt waren, Kopfzerbrechen. Wesley entdeckte nie die Quelle, aus der sein Brief „durchgesickert“ war, und es gelang ihm auch nicht, die Terminologie, die sich durch dieses Pamphlet in den Köpfen der Allgemeinheit festgesetzt hatte, wieder abzuschütteln. Er und seine Freunde sollten von nun an Methodisten genannt werden. Diese Bezeichnung war zunächst als Spottname gedacht, doch Wesley wendete die Bedeutung ins Positive. Die Ereignisse von Herbst und Winter 1732/33 zeigen einen grundlegenden Charakterzug von John Wesley: seine Fähigkeit, in schwierigen Krisenzeiten aufzublühen; er nahm die Angriffe nicht persönlich, sondern sah solche Anlässe als Chance, das Evangelium angesichts solcher Herausforderungen noch nachdrücklicher zu verkündigen.

Der Oxford-Methodismus, 1733–1735 Wesley benutzte den Morgan-Brief, um die Entstehung des Methodismus in Oxford von Grund auf zu erklären. Da er den meisten Ausgaben von Wesley Journal vorangestellt wurde, galt er weiterhin als die maßgebliche Schilderung der Anfänge des Methodismus. Trotzdem kam es auch noch nach Abfassung des Briefs innerhalb der Bewegung in Oxford zu einigen wichtigen Veränderungen. Diese Entwicklungen werden deutlich, wenn man die Tagebücher von John Wesley und zwei weiteren Männern studiert, Benjamin Ingham und George Whitefield, die in der Zeit nach Claytons Weggang Methodisten wurden.

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Die offensichtlichste Veränderung betraf die Organisation. Clayton hatte nicht nur den Charakter der Gruppe verändert, als er Untergruppen einführte, sondern sich auch für einen Plan eingesetzt, wie man die Bewegung verbreiten könne. Wie er Wesley erzählte, hatte er seine Bekannten ermutigt, „all ihre Freunde anzusprechen, und ich hoffe zu Gott, dass wir durch dieses Vorgehen in jedem College der Stadt zumindest einen Fürsprecher gewinnen könne, wenn nicht sogar einen Bruder und Mitarbeiter“ (JWJ, 8: 281). Nachdem zunächst einige Mitglieder von Wesleys Gruppe abgesprungen waren, schien es Wesley, als stürzten „die Wände um sie herum ein“, „die reißende Strömung ... kam von allen Seiten auf mich zu“; dann wuchs die Gruppe bis Ende 1733 wieder auf die gewohnten fünf bis sechs Mitglieder an. Andere Gruppen, die auch unter Wesleys Fahne segelten, entstanden um Oxford herum. Einzelne Mitglieder aus Johns Gruppe folgten Claytons Anregung und dem Vorbild der religiösen Gesellschaften, indem sie weitere Zellgruppen gründeten, die an ernsthaftem Bibelstudium und heiligem Leben interessiert waren. Charles gründete mindestens eine Gruppe am Christ Church, zu der noch sein Kommilitone Henry Evans und ein Freund vom Queen’s College, Benjamin Ingham, gehörten. Noch vor Ende des darauffolgenden Jahres sollte es weitere Gruppen an der Universität geben, sodass alles in allem in den fünf Jahren, in denen die Wesleys der Universität verbunden waren, sich über vierzig Menschen dem Oxford-Methodismus zugehörig fühlten. Einige von ihnen waren um die zwanzig Jahre alt, viele jedoch deutlich jünger, einige erst vierzehn. Die Universitätsangehörigen gehörten acht Colleges an: Christ Church, Lincoln, Queen’s, Brasenose, Pembroke, Merton, Magdalen und Exeter. Darüber hinaus gab es Verbindungen zwischen den Methodisten und einer in der Stadt ansässigen Gruppe, die von einer Miss Potter geleitet wurde. Sie stimmte in manchen Lehrfragen nicht mit Wesley überein und zog einige seiner Anhänger an, die mit ihm nicht mehr zufrieden waren. Einige Gruppen teilten sich noch weiter. Ingham rief eine eigene Gruppe am Queen’s ins Leben, zu der über ein Dutzend Mitglieder, hauptsächlich aus seinem eigenen College, gehörten. Inghams Tagebuch zeigt, dass sie sich regelmäßig in wechselnder Zusammensetzung trafen, in einigen großen Gruppen mit sechs oder sieben TeilnehUmseitig: Der Stadtplan von David Loggan (1698) zeigt Oxford von Norden aus gesehen. Markante Punkte sind Christ Church oben im Bild (13), das Schloss zur Rechten, St. Mary’s Church (31), das Theater (28) und St. Michael’s am Nordtor (37). Methodisten waren an verschiedenen Colleges immatrikuliert, nämlich Lincoln (8), Brasenose (11), Queen’s (6), Merton (3), Pembroke (18) und Exeter (4) wie auch Magdalen (links vom Bildrand) und Christ Church.

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nehmern, aber auch zu zw eit oder dritt. Einige nahmen an zwei oder drei Gruppen pro Woche teil; Ingham selbst scheint an den meisten Gruppentreffen regelmäßig teilgenommen zu haben, zusätzlich zu den Treffen der Gruppe um Charles Wesley am Christ Church. Ingham nahm niemals an den Zusammenkünften der Kerngruppe um John Wesley teil, obwohl er in Oxford ein Jahr lang aktiver Methodist war. Über einen weiteren charakteristischen Zug des Oxford-Methodismus gibt Inghams Tagebuch Aufschluss. Die verschiedenen Regeln und Praktiken, von denen sich die Methodisten leiten ließen, stammten im Allgemeinen aus John Wesleys Gruppe, wenn auch, wie oben dargestellt, nicht unbedingt von John Wesley selbst. Nachdem man sie geprüft hatte, wurden sie an die anderen Gruppen weitergegeben. Ingham lernte von Charles verschiedene Methoden: ein Tagebuch zu führen, Vorsätze im Allgemeinen und im Besonderen für die Fastenzeit zu fassen, sich Fragelisten zur Selbstprüfung vorzulegen und eine Reihe von anderen Praktiken, die er dann an die Mitglieder seiner Gruppe am Queen’s weitergab. Der Eindruck, die methodistischen Gruppen im Umfeld der Universität seien alle gleichförmig gewesen, trifft allerdings nicht völlig zu. Auf der einen Seite waren Inghams Freunde nicht daran interessiert, alle der vorgeschlagenen Regeln zu befolgen. Fasten, frühes Aufstehen und die häufige Teilnahme am Abendmahl fiel manchen schwer, und einige Methodisten waren nicht daran interessiert, alle geistlichen Übungen des heiligen Lebens auszuprobieren. Auf der anderen Seite weiteten Ingham und seine Freunde Wesleys Ideen auf Bereiche außerhalb des College aus – Ingham und James Hervey begannen eine Arbeit im Gloucester Green-Arbeitshaus und versuchten, einen Dienst an den „Bartlemas’men“ (den Armen am St. Bartholomew’s Hospital) ins Leben zu rufen. Ingham verwandte mehr Zeit und Energie als irgendein anderer Methodist darauf, den Armen im Hamel zu helfen, einem Unterbezirk der Pfarrei St. Thomas. Er überzeugte auch zwei seiner Freunde, an den Samstagabenden bis Mitternacht mit ihm zu „wachen“, beten, meditieren und die Bibel zu studieren. Diese Praxis war Wesleys Meinung zufolge für manchen nützlich, doch nicht „für alle notwendig“; Wesley selbst folgte dieser Praxis zu dieser Zeit nicht. Während sich das methodistische Konzept zwischen 1733 und 1734 an der Universität verbreitete, verfolgte Wesley einen immer radikaleren Ansatz, um ein heiliges Leben zu führen. Diese Tendenz zeigt sich in seinem Tagebuch. Hier wechselt er im Januar 1734 zum „Exacter“-Format und hält für jede Stunde des Tages minutengenau fest, welche Vorsätze er durchgehalten oder gebrochen hat, bewertet seine Andachtshaltung auf einer Skala von 1 bis 9, sein Maß an

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„Schlichtheit“ und „Sammlung“ – und das zusätzlich zu dem gewohnten Bericht darüber, was er gelesen und geschrieben, wen er besucht, worüber er gesprochen hat, und über alle anderen Aktivitäten, wobei er oft seinen „Aufmerksamkeitsgrad“ bewertete. Dieses erhöhte Maß an Innenschau rührte zu einem Teil daher, dass er sich in die Schriften der Mystiker versenkt hatte, mit denen ihn William Law bekannt gemacht hatte, der ihm 1732 in der zweiten Jahreshälfte ein Exemplar der mittelalterlichen mystischen Abhandlung Theologia Deutsch gegeben hatte. Madame Guyon, Antoinette Bourignon, Kardinal Fénelon, der Marquis von Renty und andere Mystiker hatten einen Platz weit oben auf seiner Lektüreliste. Die Spiritualität dieser Schriftsteller brachte in Wesley etwas zum Klingen, und er war auch in der Lage, über das, was er als ihre theologischen Unzulänglichkeiten betrachtete, hinwegzusehen, weil er ihr Interesse an einem heiligen Leben teilte. Wesleys zunehmende Selbstbeobachtung führte dazu, dass er sich seinen geistlichen Puls in einem Maß fühlte, der uns obsessiv erscheint. Schließlich veranlasste der grundlegende Impetus der mystischen Me-

Eine Seite aus Wesleys Tagebuch von Anfang 1735, nachdem er begonnen hatte, das „Exacter“-Format zu benutzen. An diesem Tag warf er außerdem das Los, um seine Vorsätze, jeden Tag früh aufzustehen und freitags zu fasten, zu überprüfen. (Beides wurde durch das Los bestätigt.)

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thode Wesley dazu, seine verschiedenen Regeln und Methoden zu hinterfragen: Wenn er versuchte, immer heiliger zu werden, musste er das Böse dieser Welt hinter sich lassen. Seine vielen Regeln, verbunden mit der Überzeugung, dass keine Handlung moralisch neutral sei, zeigten gerade die entgegengesetzte Wirkung und fesselten Verstand und Aufmerksamkeit an die Dinge, über die er sich hinwegsetzen wollte. Als er merkte, dass diese Methode möglicherweise kontraproduktiv war, begann das seine ohnehin schwach ausgeprägte Gewissheit zu untergraben, dass er auf dem richtigen Weg sei – das wachsende Maß an Introspektion schärfte nur noch das Bewusstsein seiner eigenen Unzulänglichkeit und seines Versagens, statt ihm Hoffnung und Gewissheit zu schenken. Doch war er sich gleichermaßen der Gefahren der Laxheit und des Antinomismus bewusst – um ihn herum fand er dafür Beispiele in Hülle und Fülle. Sein Dilemma und die Antwort, an die er sich auch nach mindestens einem halben Jahrzehnt noch klammerte, findet sich gegen Ende 1734 auf den ersten Seiten seines Tagebuchs: „Wie kann ich einen Kurs zwischen übertriebener Selbstverleugnung in bestimmten Fällen und der Genusssucht steuern? Fac quod in te est, et Deus aderit bonae tuae voluntati“ („Tu das, was in deiner Macht liegt, und Gott wird deinem guten Willen nachhelfen“, so Wesleys eigene Übersetzung in The Christian’s Pattern, 1735). Er versuchte immer noch, in allen Dingen sein Bestes zu geben, und vertraute auf seine eigene Aufrichtigkeit, was die Grundlage seiner Gewissheit betraf. Doch er verstand die Mystiker so, dass die Religion Christi und der Apostel ihm „einen vollkommenen Dispens von allen Geboten Gottes“ gewährten (J&D, 18: 213). Diese Spannung zwischen Gesetz und Evangelium begann, ihren Tribut von Wesley von fordern, der sich einzusehen bemühte, wie das paulinische Konzept der christlichen Freiheit innerhalb der Forderungen aus der Tradition des heiligen Lebens umgesetzt werden könne (Letters, 25: 411–413). In seiner Verwirrung schwankte er zwischen Gehorsam und Ungehorsam hin und her. Sein Tagebuch lässt darauf schließen, dass seine Absicht, nach Regeln und Methoden zu leben, ihn allmählich nicht mehr so fest im Griff hatte. Er begann, die Notwendigkeit einiger seiner Regeln zu überprüfen, indem er das Los warf, und machte von dieser Praxis in bestimmten Fällen Gebrauch, wenn er herauszufinden versuchte, ob Gott wollte, dass er früh aufstand, das Frühstück an Fastentagen ausließ oder andere Aspekte der methodistischen Selbstverleugnungspraxis aufrecht erhalten solle. Für Wesley und andere stellte das Los eine unbedingte Autorität dar, weil sie glaubten, dass es von der göttlichen Vorsehung geleitet werde. Obwohl der Griff zum Los im Allgemeinen die Oberhand über seine gelegentliche Neigung, seine Regeln zu lockern, behielt, führte Wes-

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leys erster Gebrauch der Lose im Januar 1735 dazu, dass er an diesem Tag vierzig Minuten mehr Schlaf bekam, nachdem er die entsprechende Frage gestellt hatte. Und überraschenderweise veranlasste ihn diese neue Neigung, seine Praktiken einer Überprüfung zu unterziehen, Mitte Februar dazu, das gewohnte Fasten am Mittwoch als nicht verpflichtend zu betrachten. Die tatsächlichen Ergebnisse des Loswurfs standen aber nicht immer im Einklang mit seinen Erwartungen. Mitten in seiner fortdauernden Suche nach dem „noch ausgezeichneteren Weg“ wurde Wesley mit einer weiteren wichtigen Entscheidung konfrontiert. Samuel Wesley, alt geworden und nicht mehr bei guter Gesundheit, hatte gehofft, dass einer seiner Söhne seine Nachfolge in der Pfarrei von Epworth antreten würde. John hatte diesen Vorschlag bereits im Januar 1733 abgelehnt, doch Samuel hatte seinen ältesten Sohn, der ebenfalls seinen Namen trug, gebeten, John doch noch zu überzeugen. Der Druck, seinem Vater zu gefallen, indem er den Vorschlag annahm, erhöhte sich in den folgenden Monaten noch. Samuel jun. Stellte die Sache schlicht und einfach so dar, dass sie zur Erfüllung seiner Pflichten gehörte, die er bei der Ordination auf sich genommen hatte: „Es ist kein College, es ist keine Universität, es die Kirche, in deren Dienst du berufen wurdest.“ Im Dezember 1734 schrieb Samuel sen. einen sehr „drängenden Brief“ zu diesem Thema, auf den John eine anscheinend definitive Antwort gab. Als er versuchte, sich zwischen dem Leben am College und dem als verantwortlicher Pastor einer Gemeinde zu entscheiden, legte er seine Argumentationskette sehr deutlich dar: „Die Ehre Gottes und das unterschiedliche Maß, wie wir dazu beitragen können, soll allein unsere Gedanken bestimmen. ... Diejenige Lebensführung trägt am meisten zur Ehre Gottes bei, in der wir Heiligkeit in uns selbst und in anderen am meisten fördern.“ Im vorangegangenen Monat hatte er sich sehr klar zu seinen Zielen geäußert: „Die Frage ist nicht, ob ich hier oder dort anderen mehr Gutes tun könnte, sondern ob ich mir selbst mehr Gutes tun könnte; denn ich bin gewiss, dass ich dort, wo ich selbst am heiligsten sein kann, auch die Heiligung in anderen Menschen am besten fördern kann.“ In sechsundzwanzig nummerierten Abschnitten legte John nun seinem Vater die Gründe dar, warum er glaubte, dass Oxford „der beste Ort unter dem Himmel“ sei, um der eigenen Heiligung, und damit auch der anderer Menschen, förderlich zu sein. Und als er auf den Einwurf antwortet, er habe in Oxford viel Spott und Hohn über sich ergehen lassen müssen, wiederholt er unbeirrt ein Prinzip, das ihn auch in den folgenden Jahren trösten wird: „Bis er so verachtet wird, ist kein Mensch errettet.“

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Zeitleiste 3 Das erste Aufkommen des Methodismus 1725

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George I. JW wird Diakon

1735 Georg II.

Magisterabschluss

JW liest Taylors

JW Presbyter

JW in JW Wroot und wieder in Epworth Oxford

Gründungsurkunde der Kolonie Georgia JW tritt der SPCK bei

Holy Living JW beginnt Tagebuch zu Führen

Einfluss der englischen Pietisten

Streben nach Heiligung

CW erfährt geistliche Neuorientierung

Gruppe um Wesley kommt in Oxford zusammen

Samuel Wesley stirbt JW & CW gehen nach Georgia

JW predigt über die „Beschneidung des Herzens“ Interesse an der frühen Kirche

Einfluss der Mystiker

Clayton schließt Ausbreitung sich der der Gruppen Gruppe an Erste Besuche bei Kranken und „Methodisten“ Gefangenen in Pamphleten angegriffen

Sein Bruder bedrängte ihn in dieser Frage weiterhin, wobei er darauf hinwies, dass er sich mit seinem Ordinationsgelübde dazu verpflichtet hätte. Der fortdauernde Briefwechsel veranlasste John schließlich, Ende Februar 1735 in seinem Tagebuch festzuhalten: „Fast von meiner Pflicht überzeugt, nach Epworth zu gehen.“ Eine Beratung mit dem Bischof, der ihn ordiniert hatte, löste das Problem allerdings. John benachrichtigte seinen Bruder, dass Bischof Potter ihn belehrt habe, sein Gelübde würde ihn nicht dazu verpflichten, in einer Gemeinde Dienst zu tun, vorausgesetzt, er könne „als Geistlicher Gott und seiner Kirche besser in [seiner] gegenwärtigen oder irgendeiner anderen Stellung dienen“. Kein weiteres Wort war notwendig. John sandte seinem Bruder eine Abschrift der Worte des Bischofs mit der Bemerkung, er könne Gott und seiner Kirche natürlich „in meiner gegenwärtigen Stellung“ besser dienen. All diese logischen Argumente verloren im April ihre Kraft, als John Wesley seinen Vater am Sterbebett besuchte. Um seinem Vater zu ermöglichen, „seine Tage in Frieden zu beschließen“, erklärte John

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sich einverstanden, sich um die Nachfolge seines Vaters in Epworth zu bemühen. Er wollte sich Sir John Philipps Bekanntschaft mit dem Bischof von London zunutze machen, um dieses Ziel zu erreichen. Sir John weigerte sich allerdings, sich einzumischen, obwohl ihm James Oglethorpe gut zuredete, und Wesley begrub alle Hoffnung (oder Furcht, wie Charles bemerkte) auf Erfolg. In den zwei Monaten nach dem Tod seines Vaters am 25. April blieb John in Epworth, um während der Übergangszeit in Gemeinde und Familie auszuhelfen. In der Zwischenzeit hatten sich seine Oxforder Freunde zerstreut. George Whitefield war nach Gloucester gegangen, James Hervey nach Northamptonshire, Thomas Broughton nach London, Benjamin Ingham nach Matching. Zu Beginn des Sommers beendete Wesley sein Wirken in Epworth. In seiner Abschiedspredigt sprach er „mit äußerster Klarheit davon, ein Ziel, eine Sehnsucht, eine Liebe zu haben und dem einen Sinn unseres Lebens mit all unseren Worten und Taten hinterher zu jagen“, also die Erneuerung unserer gefallenen Natur „nach dem Bild Gottes“ anzustreben (Sermons, 4: 351–359). Mit dieser entschieden methodistischen Proklamation ließ er sie zurück und machte sich wieder auf den Weg nach Süden, um in Oxford das Leben, für das er sich entschieden hatte, wieder aufzunehmen. Wesley nahm seine Pflichten in Oxford zweifellos in der Erwartung wieder auf, er würde hier den Rest seiner Tage in dem Streben nach Heiligung verbringen, trotz der erschütternden Ereignisse der vorangegangen Monate. Innerhalb einer Woche nach seiner Ankunft in der Universität im Juli wurde er jedoch vom Verleger, der das Hiob-Buch seines Vaters herausbrachte, nach London gerufen. Und während er sich in London aufhielt, um Charles Rivington in der letzten Phase vor der Veröffentlichung zu assistieren, nahm John Burton Kontakt zu ihm auf. Es bestand die Möglichkeit, mit seinen Freunden nach Georgia zu gehen, der neuen Kolonie, von der Samuel Wesley im vorangegangenen Jahr Oglethorpe geschrieben hatte: „Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, würde ich mit Begeisterung mein restliches Leben und meine Arbeitskraft diesem Ort widmen“ (Memorials, 142). Hier also bot sich eine Alternative zur Stellung in Epworth, die Wesley trotzdem die Chance gab, den Traum seines Vaters zu erfüllen. Gleichzeitig eröffnete sich ihm damit die Möglichkeit, sich aus „der Welt“ zurückzuziehen, um seinen Plan, christliche Vollkommenheit anzustreben, in die Tat umzusetzen. Die Art, wie Wesley seine Entscheidung traf, ist bezeichnend, sowohl was ihre persönliche Bedeutung für ihn wie auch seine Methode, den Willen Gottes herauszufinden, betrifft. Wesley war der Meinung, dass „ein Mann keine andere Möglichkeit hat, den Willen Gottes zu erkennen, als seinen eigenen Verstand zu Rate zu ziehen und

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seine Freunde, und indem er sich nach der Vorsehung Gottes richtet“ (OM, 64). In dieser Angelegenheit holte Wesley den Rat der meisten seiner Freunde ein und reiste von London nach Oxford, Berkswell, Manchester und Epworth. Er erhielt Zuspruch von allen Seiten, doch die Reaktion seiner Mutter war vielleicht am überzeugendsten: „Hätte ich zwanzig Söhne, ich würde jubeln, wenn sie alle auf diese Weise beschäftigt wären, selbst wenn ich sie dann nie wieder zu Gesicht bekäme“ (Moore, 1: 234). Die Vorbereitungen für die Reise nach Georgia brachten es mit sich, dass er eine Gruppe von Freunden um sich sammelte, die ihn begleiten sollten, und die notwendigen Absprachen mit der SPCK und SPG traf. Was Ersteres betraf, so fand er in seinem Studenten Westley Hall einen bereitwilligen Gefährten, der inzwischen seine gleichzeitige Werbung um zwei Schwestern von Wesley beendet hatte, indem er eine von ihnen (Patty) geheiratet hatte und nun plante, sie mit nach Georgia zu nehmen. Charles Wesley war von der Aussicht, in der amerikanischen Wildnis zu leben, weniger begeistert. Doch John zerstreute seine Zweifel, was die Reise betraf, und drängte ihn, sich zusammen mit John Burton ordinieren zu lassen. Charles wurde am 21. September in Oxford zum Diakon und am 29. September in London zum Priester ordiniert. Zwei weitere Freunde, Matthew Salmon und Hall, wurden ebenfalls vor ihrer Missionsreise in die Kolonie ordiniert, und die Verwalter der Kolonie erwarteten, dass letzterer Samuel Quincys Nachfolge als Priester in Savannah antreten würde. Ingham, der von Wesley und seinen Freunden ermutigt wurde mitzugehen, meinte, dass er in dieser Angelegenheit noch auf den Ruf Gottes warten würde, weil er das Gefühl hatte, er solle nur gehen, falls Hall und Salmon einen Rückzieher machen würden. Die SPCK bot eine besondere Hilfeleistung an. Im September versorgte sie John mit „den Büchern, die er sich wünscht“, im Wert von dreizehn Pfund, da er nach Savannah ging. Charles wurde zu Oglethorpes Sekretär für indianische Angelegenheit ernannt und erhielt die Vollmacht, in der Kirche von Fredericia offiziell die Amtsgeschäfte zu übernehmen, bis man einen „ständigen Pastor“ gefunden habe. Anfang Oktober wurde Quincys priesterliche Vollmacht widerrufen, und man empfahl Hall als seinen Nachfolger. Doch gerade als der Plan in die Tat umgesetzt werden sollte, scheiterte er. Salmon entschloss sich, doch nicht zu fahren, und buchstäblich in letzter Minute gab auch Westley Hall seine Pläne auf, sodass die Wesley-Brüder nun von Ingham, der diese Entwicklung als das Zeichen betrachtete, auf das er gewartet hatte, und dessen Freund Charles Delamotte begleitet wurden; dieser hatte „sich entschlossen, der Welt zu entsagen und sich ganz Gott hinzugeben“ (OM, 68). Wäh-

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rend sich die Freunde flussabwärts auf den Weg machten, um ihr Schiff zu erreichen, gab die SPCK eine Pressemeldung an die Zeitungen, in der zu lesen war, dass die Schiffe, die die Siedler nach Georgia bringen sollten, auch „drei Geistliche, von denen zwei beabsichtigen (nach einem Aufenthalt in Savannah, um die indianische Sprache zu lernen), den indianischen Nationen, die an der Grenze jener Kolonie wohnen, das Evangelium unseres Erretters Jesus Christus zu verkündigen“. Die Notiz endet mit einem hoffnungsvollen Ton: „Sie scheinen für diese ehrenvolle Aufgabe außerordentlich qualifiziert zu sein, und es besteht guter Grund zu der Hoffnung, dass Gott die eifrigen Bemühungen dieser frommen Menschen auf besondere Weise unterstützen wird.“ John Wesley hatte sich als freiwilliger Missionar ohne Bezahlung oder besondere Ernennung auf den Weg nach Georgia gemacht. Angesichts Halls Rückzieher in letzter Minute, der augenscheinlich auf Druck seitens seiner Familie zurückzuführen war, schrieb Henry Newman, der Sekretär der SPCK, einen Brief an Quincy, der ihn ermuntern sollte, mit seiner Arbeit fortzufahren: „Die Methode, die Sie eingesetzt haben, um eine religiöse Gesellschaft zu gründen, wird, wie [wir] hoffen, von guten Erfolgen begleitet werden.“ Zu diesem Zweck stellte Newman die „freiwilligen Missionare“ vor, die bald eintreffen und „zweifellos immer bereit sein würden, Ihnen in Ihren Bemühungen beizustehen, unter den Europäern in Ihrer Siedlung und wenn möglich auch unter den Eingeborenen, die seit vielen Zeitaltern in äußerster Dunkelheit gelebt haben, einen Sinn für Religion zu kultivieren“. Zur selben Zeit schrieb Wesley einen Brief, mit dem er John Burton antwortete (Letters, 25: 239–241), der das Motiv dieser „frommen Unternehmung“ in dem „Verlangen“ gesehen hatte, „anderen Seelen Gutes zu tun und infolge dessen auch deiner eigenen“. Wesley drehte die Reihenfolge um, als er auf sein ständiges Ziel hinwies, das er nun von Oxford auf einen neuen Bereich verlagert hatte: „Mein Hauptmotiv ... ist es, meine eigene Seele zu retten.“ Jetzt hatte er eine Umgebung gefunden, in der er diesen Prozess auf fast vollkommene Weise vorantreiben konnte; sein untergeordnetes Motiv war also „die Hoffnung, in Amerika noch mehr Gutes tun zu können“. Wesley machte sich in der festen Überzeugung auf den Weg in die Neue Welt, dass Gott ihn nach Georgia gerufen hatte und dass dieser Weg ihn seinem großen Ziel näherbringen würde, das auch das eigentliche Motiv für seine methodistische Arbeit in Oxford gewesen war: „Ich bin gewiss, dass, wenn ich selbst einst (völlig) bekehrt bin, Er mich gebrauchen wird, um meine Brüder zu stärken und den Heiden Seinen Namen zu predigen, dass die Enden der Erde das Rettungswerk unseres Gottes

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erkennen.“ Dies war kein verzweifelter Versuch, sich die Errettung durch eigene Bemühungen zu erarbeiten. Selbst an diesem Punkt begriff er, dass letzten Endes Gottes Gnade die treibende Kraft hinter der gesamten Geschichte ist: „Nichts überzeugt uns von unserem eigenen Unvermögen mehr als der eifrige Versuch, unseren Nächsten zu bekehren; und erst wenn jemand alles für Gott getan hat, was in seiner Macht steht, wird er verstehen, dass er selbst nichts tun kann.“

Das zweite Aufkommen des Methodismus – Georgia Im achtzehnten Jahrhundert über den Atlantik in die Neue Welt zu segeln, war nichts für ängstliche Herzen. John Wesley war noch nie an Bord eines Schiffes gewesen; seit seiner Jugend hatte er das Meer verabscheut und gefürchtet (J&D, 18: 222). Die fast sichere Aussicht auf eine raue Überfahrt im Winter gehörte nicht zu den attraktiven Aspekten seines Rufs nach Georgia. Burton hatte angedeutet, dass sich Wesley die erste Möglichkeit, den Seelen anderer Menschen etwas Gutes zu tun, bereits an Bord des Schiffs bieten würde. „Wenn du sie privat oder auch in einer Predigt ansprichst, wird es auf sie sehr wahrscheinlich die günstigsten Auswirkungen haben, wenn sie die wunderbaren Werke des Herrn in der Tiefe sehen; so werden sie aufgrund dieser Eindrücke religiösen Gewohnheiten am ehesten geneigt sein.“ Tatsächlich war es Wesley selbst, der von den kräftigen Atlantikstürmen tief beeindruckt wurde. Die nackte Realität des Todes, der ihm ins Gesicht sah, entlarvte, dass sich Wesley seines Heils alles andere als gewiss war, und die Frage der Errettung gewann eine neue unmittelbare Dringlichkeit. Er hatte Angst zu sterben, er war nicht bereit zu sterben, und er schämte sich, das zuzugeben: „Oh wie reines Herzens muss jemand sein, der jubelt, wenn er weiß, dass er in wenigen Augenblick vor Gott treten muss!“ (J&D, 18: 141). Wesleys Furcht verschlimmerte sich noch durch die zunehmende Tendenz, seine Angst vor dem Tod als Anzeichen mangelnden Glaubens zu sehen. Der dritte und heftigste Sturm, nur eine Woche, bevor das Festland in Sicht kam, führte Wesley zur „Unterwerfung unter den weisen, heiligen, gnädigen Willen Gottes“, und er öffnete ihm die Augen für den tiefen Glauben der Herrnhuter Brüder an Bord. Während er, wie er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, an ihrem Abendgottesdienst teilnahm, brachen die Wellen über das Schiff herein, zerrissen das Großsegel und

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spülten in die Zwischendecks, „als ob die große Tiefe uns schon verschlungen hätte“. Die englischen Passagiere schrien vor Furcht; die deutschen fuhren „ohne Unterbrechung“ ruhig mit ihrem Psalmgesang fort. Wesley war von dem Glauben der Herrnhuter im Angesicht des Todes tief beeindruckt. Solch gelassene Gewissheit hatte er noch erlebt. Aus dieser Erfahrung heraus entdeckte er, dass er nun in der Lage war, „freimütig“ zu seinen Freunden zu sprechen und ihnen in der Stunde der Prüfung den Unterschied zwischen denen, die Gott fürchten, und jenen, die das nicht tun, zu erklären. Die Bedeutung dieses Traumas für Wesley wird an der Eintragung in seinem Tagebuch deutlich: „Dies war der herrlichste Tag, den ich bisher erlebt habe.“ Siegel der Society for the PropagaWesley betrat am 6. Februar 1736 tion of the Gospel in Foreign Parts den Boden von Georgia. Er wusste („Gesellschaft zu Verkündigung nicht, dass er nicht einmal zwei Jahre des Evangeliums ins ausländischen in der Kolonie bleiben würde. Doch Gebieten“), die die Wesley-Brüder als Missionare 1735 in die Kolonie diese Zeit war für Wesley wichtig Georgia ausgesandt hatte. genug, dass er sie später „das zweite Aufkommen des Methodismus“ nennen sollte. Diese Wortwahl bezieht sich in erster Linie auf die Gründung einer wesleyanischen Gruppe in Georgia, ähnlich der Gruppe in Oxford. Doch die Zeit in Georgia stellte auch eine wichtige Etappe auf Wesley geistlicher Pilgerfahrt dar und spielte so eine bedeutende Rolle für seine geistliche Entwicklung. Die Missionsarbeit der Wesleys in Georgia war zwar nur von mäßigem Erfolg gekrönt, bot ihm aber die Gelegenheit, einige spezielle Aspekte seines Konzepts, die Kirche in die Weltmission einzubinden, in die Tat umzusetzen. Eine der ersten Krisen in seiner Pfarrei mochte vielleicht auf die Schwierigkeiten hindeuten, die ihn noch erwarten sollten – als er am ersten Abend an Bord der Simmonds zurückkehrte, fand er alle betrunken vor. Als am nächsten Tag alle von Bord gingen, beobachtete er, wie die Rumfässer entsprechend den Gesetzen der Kolonie zertrümmert wurden: Weder Sklaverei noch Rum waren hier erlaubt, sehr zum Ärger mancher Kolonisten. Wesley selbst besaß weder die Neigung noch die Fähigkeit, auf die ganze Pfarrei, die sich über etwa dreihundert Kilometer erstreckte, wie ein Wachhund aufzupassen.

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Ein unmittelbares Ergebnis der Ereignisse, die ihn mitten auf dem Atlantik auf die Probe gestellt hatten, war, dass er sich der geistlichen Führung der deutschen Pietisten anvertraute, die den Glauben und die Heilsgewissheit hatten, die er sich so sehr für sich selbst wünschte. Eines der ersten Gespräche nach seiner Ankunft in Georgia führte er mit August Spangenberg. Dieser führende Kopf der Herrnhuter Brüder machte Wesley mit den Unterschieden zwischen den beiden deutschen pietistischen Gruppen, die sich in Georgia angesiedelt hatte, bekannt. Auf der einen Seite waren die Salzburger, die sich in New Ebenezer angesiedelt hatten und den Lehren von August Hermann Francke und Samuel Urlsperger folgten und in der Tradition von Philipp Jakob Spener und der Universität Halle standen. Auf der anderen Seite waren die Herrnhuter Brüder, die sich in Savannah niedergelassen hatten und den Lehren von Spangenberg und Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs folgten, der für die separatistische böhmische Gemeinschaft einen Schutzhafen im sächsischen Herrnhut errichtet hatte. Auch wenn die erste Gruppe möglicherweise nicht ganz so fest in der lutherischen Tradition mit ihrem „sola fide“ stand wie die zweite, scheinen die Spannungen zwischen den beiden Gruppierungen in erster Linie durch gewisse Differenzen in Organisation, Glaubenspraxis und Persönlichkeit verursacht worden zu sein. Wesley kam mit den Herrnhuter Brüdern, von denen er glaubte, dass sich in ihrem Glauben und ihrer Disziplin der frühen Christenheit entsprachen, häufiger in Kontakt. Spangenberg nahm Wesley auch in die Seelsorge, sprach mit ihm darüber, wie es mit seiner Errettung stehe, und legte ihm die drängende Frage vor, die den eigentlichen Kern von Wesleys Dilemma ausmachte: „Bezeugt Gottes Geist deinem Geist, dass du ein Kind Gottes bist?“ Wesley beantworte die verschiedenen Fragen so gut er konnte, und auch wenn er in seinem Tagebuch niedergeschlagen festhielt: „Ich fürchte, das waren leere Worte“, scheint er den Deutschen zufriedengestellt zu haben, denn Spangenberg notierte in seinem Tagebuch: „Ich beobachte, dass die Gnade wirklich in ihm wohnt und ihn regiert“ (Schmidt, 153). Wesley schreibt in seinem Tagebuch bedrückt, dass Spangenberg die apostolische Sukzession ablehne, doch die Beobachtung „er [sei] ein Mystiker“ scheint ihn an diesem Punkt nicht zu stören. Wesley hielt auch während seines restlichen GeorgiaAufenthalts engen Kontakt mit den Deutschen, vor allen Dingen in Savannah. Er wohnte nicht nur einige Wochen, bis der vorige Pastor Samuel Quincy das Pfarrhaus geräumt hatte, in ihrem Haus, sondern nahm auch regelmäßig an ihrem Abendgottesdienst teil, wo ihn besonders der Gesang bewegte.

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Wesleys Plan, unter den Indianern zu missionieren, entstand bereits im Lauf des Februars, noch bevor die Missionare endgültig von Bord gegangen waren. Sein erster Kontakt mit den Indianern von Geor-

Tomochichi, ein Mico oder Häuptling der Yamacraw (die zur Nation der Creek-Indianer gehörten), war dem Vernehmen nach 90 Jahre alt, als er Wesley 1734 auf einer Englandreise zum ersten Mal begegnete.

gia an Bord der Simmonds deckte bald die falschen Vorstellungen auf, auf denen die geplante Missionsarbeit unter den „edlen Wilden“ beruhte. Schnell verabschiedete er sich von der Vorstellung, dass sie keine parteiischen Interessen verfolgten und so willig wie kleine Kinder seien, bereit und fähig, „das Evangelium in seiner Schlichtheit aufzunehmen“. Tomochichi, ein Häuptling der Creek-Indianer, gab seiner Hoffnung Ausdruck, das „Große Wort“ zu hören, wenn es die weisen Männer seiner Nation erlauben würden. Jedoch warnte er die Wesleys und ihre Freunde, dass die französischen, spanischen und englischen Händler für große Verwirrung gesorgt und so viele seiner Stammesangehörigen dazu bewegt hätten, nicht mehr auf das Wort zu hören. Tomochichi stellte klar, dass sie nicht auf die spanische Art und Weise evangelisieren sollten; vielmehr wünschte er, dass sie zunächst unterweisen und dann taufen sollten. Der Häuptling hegte strenge Ansichten, was das Christentum betraf; sein eigener Vater

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war von den Spaniern umgebracht worden, weil er sich geweigert hatte, sich taufen zu lassen. Tomochichi und Sinauky, der König der Savannah-Nation, luden die Wesleys ein, sie in ihrem Dorf zu besuchen, doch fünf Tage später, nachdem John und Charles flussaufwärts gelaufen und Savannah passiert hatten, um sie zu besuchen, war keiner der Häuptlinge zu Hause. Wesleys zusammenfassender Tagebuchkommentar für diesen Tag spricht Bände: „Pass auf, Amerika – sei nicht wie England!“ Die Missionsarbeit unter den Indianern stand am Anfang auf wackeligen Füßen und sollte sich auch in den kommenden Monaten nicht merklich verbessern. Wesleys Dienst unter den Leuten von Savannah stand anfangs unter verheißungsvollen wie auch problematischen Vorzeichen. Unter den Personen, die er am 4. März, seinem ersten offiziellen Besuchstag, kennenlernte, war der Küster Robert Hows, der noch vor Ablauf des Jahres eine wichtige Rolle in Wesleys methodistischer Bewegung spielen sollte. Am folgenden Sonntag strömte eine riesige Gemeinde in das provisorische Versammlungshaus, um Wesley über die Tagesepistel, 1. Korinther 13, predigen zu hören. Er verknüpfte sie mit dem zweiten Tagestext, Lukas 18, um dann zu zeigen, dass die Forderungen der Liebe und Hingabe ein Gegengewicht in der göttlichen Verheißung des ewigen Lebens finden, für diejenigen, denen es genüge, nudi nudum Christum sequi – „nackt einem nacktem Christus zu folgen“. Wesley verlas daraufhin ein Papier, das, wie er später sagte, sie darauf aufmerksam machte, „dass Leute Anstoß nehmen würden“ (J&D, 18: 365); er warnte sie, dass er die Absicht hätte, sich in allen Dingen als treuer Diener der Kirche von England an die kirchlichen Regelungen zu halten. Niemand hätte also überrascht sein dürfen, dass sich Wesley entschlossen an diese Absichtserklärung hielt. Dieser Ansatz, an das Gemeindeleben heranzugehen, war für Wesleys deutsche Pietistenfreunde vielleicht eher geeignet als für seine weitgehend apathischen entkirchlichten englischen Gemeindeglieder. Trotzdem gab es eine kleine Gruppe in Savannah, die den Kern eines typisch methodistischen Programms der geistlichen Bereicherung bilden sollten. Eine kleine religiöse Gesellschaft war im vorangegangenen Sommer von Robert Hows in Savannah gegründet worden. Ingham entdeckte diese Gruppe Anfang April 1736, als sich John und Charles in Frederica aufhielten. Sie kamen am Mittwoch-, Freitag- und Sonntagabend zusammen, um miteinander die Bibel zu lesen, zu beten und Psalmen zu singen. Ingham ermutigte sie und versprach, gelegentlich zu ihnen zu stoßen, was er in jenem Frühjahr dann auch an den Sonntagabenden tat. Als Wesley Ende des Monats nach Savannah zurückkehrte, muss ihm Ingham die Arbeit dieser kleinen Gesellschaft geschildert haben.

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Wesleys Journal, das vier Jahre später veröffentlicht wurde, deutet darauf hin, dass er und Ingham übereinkamen, einen eben solchen Plan unter den „ernsthafteren“ Mitgliedern ihrer „kleinen Herde“ durchzusetzen, um sich gegenseitig „zu ermahnen, unterweisen und ermutigen“. Seiner Erinnerung nach riet er ihnen, „sich zu einer Art von kleiner Gesellschaft zusammenzuschließen“, obwohl es so aussieht, als hätte diese Gesellschaft bereits existiert. Wesleys zu späterer Zeit veröffentlichter Bericht sagt außerdem, dass er ausgewählten Mitgliedern dieser Gruppe dazu riet, sich regelmäßig am Sonntagnachmittag zu treffen, „um noch engere Gemeinschaft zu pflegen“. In Wesleys Tagebuch steht, dass er mit Ingham am 9. Mai in dieser Frage „übereinkam“, doch es findet sich kein Hinweis in seinem Tagebuch, seinen Briefen oder Manuskripten, dass er im Frühling oder Sommer 1736 in Savannah an solchen Treffen in einer der beiden Gruppen teilgenommen hätte. Tatsächlich verließ er Savannah Mitte Mai, um nach Frederica zu gehen, und war vor September nur knapp vier Wochen in seiner Heimatgemeinde anzutreffen – nämlich im Juli, als seine einzige regelmäßige abendliche Unternehmung darin bestand, den deutschen Gottesdienst zu besuchen. Allerdings versuchte Wesley diesen Plan in Frederica umzusetzen. Sein Journal schildert die Anfänge einer methodistischen Gesellschaft in klaren Worten: Donnerstag, 10. Juni. Wir begannen in Frederica das in die Tat umzusetzen, was wir für Savannah beschlossen hatten [Hervorhebung des Herausgebers]. Unser Plan war, am Sonntagnachmittag und an jedem Abend nach dem öffentlichen Gottesdienst, einige Zeit mit den ernsthaftesten Teilnehmern am Abendmahl mit Singen, Lesen und Gesprächen zu verbringen. An diesem Abend hatten wir nur Mark Hird. Doch am Sonntag wünschten Mr. Hird und noch zwei weitere zugelassen zu werden. Nach einem Psalm und kurzem Gespräch las ich aus Mr. Laws Christian Perfection („Christliche Vollkommenheit“) und schloss mit einem weiteren Psalm.

Das Tagebuch untermauert diese Schilderung in fast jeder Einzelheit; lediglich die Namen der neuen Teilnehmer an diesem Sonntag neben Mark Hird wurden hinzugefügt – Betty Hassel, Phoebe Hird und Mrs. Hird (nicht Mr. Hird wie im veröffentlichten Bericht). Mr. Hird schloss sich ihnen am folgenden Abend nach der Andacht an, und die Gruppe traf sich regelmäßig, bis Wesley nur etwa eine Woche später die Stadt wieder verließ. Nebenbei sollte erwähnt werden, dass Mark, Betty und Phoebe 21, 18 und 17 Jahre alt waren – die Methodisten waren im Großen und Ganzen junge Leute, wie es auch in Oxford der Fall gewesen war. Am 16. Juni kamen die Freunde, diesmal in anderer Zusammensetzung, überein, sich während der Fastentage, also mittwochs und freitags, mittags zu treffen, aber es gibt keinen Hinweis

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darauf, dass diese Gruppe ihre Zusammenkünfte nach der ersten Woche fortsetzte. Bei seinem nächstem Besuch in Frederica im August hält Wesley in seinem Tagebuch wieder die regelmäßigen Abendversammlungen fest, gewöhnlich in einer Variation des Musters, mit dem er in den Oxforder Terminkalendern begonnen hatte: „Mr. Hird, etc., gesungen, gebetet, gesungen, gelesen, geistliches Gespräch, gesungen.“ Von den neun oder zehn Leuten, die an den folgenden Treffen teilnahmen, kamen fünf oder sechs überein, sich auch nach Johns Abschied am Ende des Monats weiterhin zu treffen. Mr. Reed, ein Laienhelfer, versprach, die Abendandacht in seiner Abwesenheit zu leiten. Bevor er Frederica verließ, machte er in einem Exemplar der Psalms and Hymns noch Randnotizen, möglicherweise zum Gebrauch für Mr. Reed. In Savannah erscheinen im September wieder die gewohnten Tagebucheinträge, die auf Wesleys Teilnahme bei den Treffen einer religiösen Gesellschaft hinweisen – einmal am Sonntagnachmittag und zweimal am Mittwochabend. Zusätzlich scheint Wesley eine Gruppe von Kommunikanten ins Leben gerufen zu haben, die sich jeden Sonnabendabend traf. Nachdem Charles Wesley und Benjamin Ingham nach England zurückgekehrt waren, sticht Robert Hows Name am deutlichsten in Wesleys Kalendernotizen hervor, in denen er die Treffen in Savannah im Lauf der nächsten Monate festhielt; ab November begann man, sich regelmäßiger zu treffen. Im November 1736 scheint die Gruppe einen kritischen Punkt ihrer Entwicklung erreicht zu haben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Wesley immer den deutschen öffentlichen Gottesdienst besucht, nachdem er die Abendandacht selbst gehalten hatte; im November verschiebt sich dieses Muster so, dass er die Deutschen etwas früher besucht, danach die Abendandacht hält und sich dann entweder mit Einzelnen (wie zum Beispiel Sophy Hopkey oder Miss Bovey) oder der kleinen methodistischen Gesellschaft trifft. Dass Wesley sich nun beständiger um die Gesellschaft in Savannah kümmerte, schien zu ihrem Gedeihen beizutragen. Die Kommunikanten trafen sich in der Zeit, als er sich in Savannah aufhielt, von Mitte September 1736 bis zu einem Zeitpunkt ein Jahr später, als sein Tagebuch abbricht, regelmäßig jeden Sonnabendabend. Die Sonntagnachmittagsgruppe traf sich ab Mitte November 1736 regelmäßig, und Wesley Gruppentreffen unter der Woche mit Miss Bovey und Sophy Hopkey wurden im Dezember 1736 auf „Mr. Hows etc.“ ausgeweitet. Im Februar 1737 hatte die Gruppe zu einem regelmäßigen Rhythmus gefunden und traf sich mittwochs und sonnabends nach dem Abendgebet sowie am Sonntagnachmittag mit Wesley. Mr. Hows und Mrs. Gilbert scheinen zu den regelmäßigeren Teilnehmern gehört zu

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haben. Der Ablauf dieser Treffen wird aus den Tagebucheinträgen ersichtlich und wurde im Februar 1737 der SPCK übermittelt: Bald nach dem Abendgottesdienst [am Sonntagabend] treffen sich diejenigen meiner Gemeindemitglieder, die es wünschen, in meinem Haus (wie sie es gleichermaßen am Mittwochabend tun) und verbringen etwa eine Stunde mit Gebet, Singen, der Lektüre eines praktischen Buchs und gegenseitiger Ermahnung. Eine kleinere Anzahl (meistens diejenigen, die den Wunsch haben, am nächsten Tag das Abendmahl zu nehmen) versammeln sich hier am Sonnabendabend; und einige von ihnen kommen auch an den anderen Abenden zu mir und verbringen eine halbe Stunde mit derselben Beschäftigung (J&D, 18: 476).

Die Gesellschaft in Savannah schien zu gedeihen, solange sich Wesley in der Kolonie aufhielt, und der Gottesdienstbesuch stieg immer weiter. Der kleinen Gesellschaft in Frederica war jedoch nicht der gleiche Erfolg beschieden. Als John dort im Oktober 1736 eine Woche zu Gast war, sah er, dass keine öffentlichen Gebetsgottesdienste mehr stattfanden. Er versuchte, der Gruppe neues Leben einzuflößen, indem er regelmäßige Abendversammlungen abhielt, bei denen Ephrem Syrus gelesen wurde. Doch sein nächster und letzter Besuch im Januar 1737 zeugt von endgültiger Verzweiflung; sein Tagebuch enthält keinen Eintrag, der über ein Treffen der methodistischen Gruppe Auskunft gibt. Später erinnerte er sich in seinem Journal seiner Abreise: „Nachdem ich an diesem unglückseligen Ort zwanzig Tage „in die Luft geschlagen hatte“, nahm ich [mittags] endgültig Abschied von Frederica. Ich war ... daran verzweifelt, hier irgendetwas Gutes zu bewirken, und deshalb erfüllte mich der Gedanke, die Stadt niemals mehr zu sehen, mit Zufriedenheit.“ Wesley hatte gehofft, seine Kontakte mit den Indianern weiterführen zu können, vor allem mit den Choctaws, die ihm als „die am wenigsten zivilisierten, das heißt, als die unverdorbensten aller indianischen Stämme“ vorkamen. Dieser Plan zerschlug sich endgültig, weil Oglethorpe einwandte, Savannah müsse während Wesleys Abwesenheit ohne Pastor auskommen. Die wenigen Gespräche, die Wesley mit den Indianern führte, hinterließen bei ihm einen sehr ungünstigen Eindruck, und er schilderte sie in seinem Journal mit solch abfälligen Begriffen wie „Fresssäcke, Säufer, Diebe, Heuchler, Lügner“ und Schlimmerem. Der Kern seiner Kritik wird in seinen abschließenden Bemerkungen über die Creek-Indianer deutlich: „Sie zeigen keinerlei Neigung etwas zu lernen, am wenigsten das Christentum, sie sind von ihrem eigenen Land und ihrer Weisheit so eingenommen wie die heutigen Chinesen oder die alten Römer“ (J&D, 18: 204). Ingham dagegen verbrachte einen großen Teil seiner Zeit im Irene, einem auf einem Hügel erbauten Haus nicht weit von der Siedlung der CreekIndianer; er hatte nicht nur die Creek-Sprache gelernt, sondern auch

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begonnen, eine Schriftform dafür zu entwickeln, für die er griechische Buchstaben benutzte (Schmidt, 185). Patrick Tailfer berichtete, dass Wesley und seine Anhänger sich bald aus dem Haus Irene zurückzogen, weil „sie dieses Unternehmens bald überdrüssig geworden waren“. Wesley schien der Missionsarbeit unter den schwarzen Einwohnern Amerikas freundlicher gegenüberzustehen. John Burton hatte ihm erzählt, dass die „Bekehrung der Negersklaven“ zu den Zielen der SPG gehörte und in dieser Hinsicht eine Tür in Purrysburg offen stand. Seine Begegnung mit einigen Sklaven im August 1736 in einer Kirche von Charleston entmutigte ihn etwas, weil sie keine christliche Unterweisung genossen hatten und die Grundlagen des Glaubens nicht verstanden. Eine andere Erfahrung im darauf folgenden April in Ponpon führte dazu, dass er ein junges schwarzes Mädchen im christlichen Glauben unterwies, deren Aufmerksamkeit er als „unbeschreiblich“ schilderte. Das Mädchen war vor allem von Wesleys Bemerkung angetan, dass, wenn sie gut sei, ihre Seele nach dem Tod ihren Körper verlassen und bei Gott „über dem Himmel“ wohnen würde, wo sie niemand schlagen oder ihr wehtun könne. Am nächsten Tag konnte sie sich an alles erinnern und erzählte Wesley, dass sie Gott, ihren Schöpfer, bitten würde ihr zu zeige, „wie man gut sein könnte“ (J&D, 18: 180). Sein Erfolg in diesem Projekt verdoppelte sich noch, als er einem jungen Mann in Purrysburg begegnete, den er „sehr willig und fähig zur Unterweisung“ fand. Diese Erlebnisse veranlassten ihn, ein Programm zu Unterweisung der amerikanischen Neger an wechselnden Orten vorzuschlagen: Erstens, sich zu erkundigen, wer die ernsthaftesten Plantagenbesitzer sind und sie aufzusuchen. Dann, nachdem man sie gefragt hat, welche ihrer Sklaven am besten geeignet seien und Englisch verstünden, von Plantage zu Plantage zu gehen und dort jeweils so lange zu bleiben, wie es notwendig erscheint. (J&D, 18: 181).

Zwar erwähnte er die Bereitschaft einiger Männer in Carolina, dieses Ziel zu verfolgen, es gibt aber keinen Hinweis, dass dieser Plan jemals in die Tat umgesetzt wurde. Ständig wurde er an die Wahrheit einer Bemerkung erinnert, die er den Verwaltern der Kolonie Georgia gegenüber gemacht hatte: „Eine Pfarrei, die sich über mehr als dreihundert Kilometer erstreckt, lacht nur über die Arbeit eines einzelnen Mannes“ (Letters, 25: 474). Doch Wesley blieb weiterhin ein Gegner unmenschlicher Behandlung, und er äußerte sich auch, wenn ihm zu Gehör kam, dass, wie es häufig geschah, Weiße versklavt wurden, so auch in dem traurigen Fällen Rachel Uré und David Jones. Letzterer beging Selbstmord, nachdem er von Captain Williams, einem berüchtigten Plantagenbesitzer, misshandelt worden war (J&D, 18: 177, 445–446).

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Wesleys Interesse an der Erziehung junger Menschen, das sich in der Arbeit der Oxforder Methodisten gezeigt hatte, setzte sich in Georgia mit dem methodistischen Engagement an der Schule von Savannah fort. Charles Delamotte war dort Lehrer und wurde zum Teil von der SPG finanziert. Er lehrte die Kinder nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern gab ihnen auch katechetischen Unterricht, den jüngeren morgens vor der Schule, den älteren nach der Schule. Wesley katechisierte sie dann alle sonnabends und am Sonntagnachmittag vor der Abendandacht. Wesley selbst zeigte ein besonderes Interesse an der Unterweisung von Miss Hopkey und Miss Bovey, die er in Sprachen und Religion unterrichtete und für die er eine besondere Zuneigung entwickelte. Auch andere Einzelpersonen und Gruppen erfuhren von John Wesley in Georgia besondere Aufmerksamkeit. Er hatte Deutsch gelernt, um sich mit den Herrnhutern und Salzburgern unterhalten zu können. Um sich mit einigen spanischen Juden, wie Dr. Núñez und seiner Familie, in seinem Gemeindebezirk verständigen zu können, lernte er auch ihre Sprache. Im Mai 1737 bedauerte er, dass einige deutsche und französische Siedler, die kein Englisch sprachen, in beträchtlicher Entfernung von einem Geistlichen wohnten, der ihre Sprache beherrschte, und sie daher – bis sie Englisch gelernt hatten – gezwungen waren, ohne öffentliche Gottesdienste auszukommen und „im Grunde ohne Gott in der Welt zu sein“. Im Spätherbst 1737 begann er, für die Siedler in Hampstead und Highgate am Sonnabend öffentliche Abendgebete auf Deutsch und Französisch abzuhalten. Als einige der nicht englischsprachigen Siedler in Savannah davon hörten, baten sie ihn ebenfalls um Gottesdienste in ihrer eigenen Sprache, worauf Wesley bereits am folgenden Sonntag einging. Um neun Uhr morgens hielt er den Gebetsgottesdienst „vor ein paar Waldensern“ auf Italienisch und um eins auf Französisch, dazwischen englische Gottesdienste um fünf und halb elf morgens und um drei Uhr nachmittags (J&D, 18: 194). Dieser Dienst an den nicht-englischen Kolonisten war allerdings nur von kurzer Dauer, denn Wesleys Tage in Georgia waren gezählt. Seine Gemeinde in Savannah litt nicht unter Wesleys zusätzlichen Diensten. Die Gemeinde, die zum öffentlichen Gottesdienst zusammenkam, war seit seiner Ankunft stetig gewachsen. Der Gottesdienst am Sonntagnachmittag zog im Herbst 1737 regelmäßig zwischen sechzig und achtzig Menschen an; selbst die täglichen „Kurzgebete“ um fünf Uhr morgens wurden zu dieser Zeit von regelmäßig zwei oder drei Dutzend Menschen besucht. Öffentliche Kritik scheint dem Gemeindeleben nicht übermäßig geschadet zu haben. Wesley war mehr als einmal für seine Predigten kritisiert worden, weil sie „Sati-

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ren auf bestimmte Personen“ darstellten, und auch wenn einigen diese persönlichen Beschimpfungen nicht schmeckten, fühlten sich andere doch wohl von einer solchen Methode angezogen; selbst Patrick Tailfer, der Wesley oft kritisierte, äußerte sich positiv über seine Predigten. Ein attraktiver und einzigartiger Zug der Gottesdienste in Georgia bestand darin, dass Choräle gesungen wurden, was durch Wesleys Veröffentlichung des Liederbuchs A Collection of Psalms and Hymns („Eine Sammlung von Psalmen und Chorälen“) 1737 erleichtert wurde. Es handelt sich um das erste englische in Amerika veröffentlichte geistliche Liederbuch. Die Texte, von denen viele aus dem Deutschen übersetzt wurden, verleihen einer in der Schrift verankerten pietistischen Frömmigkeit Ausdruck und beleuchten die Themen, die für Wesleys geistliche Suche von zentraler Bedeutung waren – die völlige Abhängigkeit von der Gnade, die zentrale Stellung der Liebe und die Sehnsucht nach dem echten Feuer, das sein kaltes Herz in Brand setzen sollte (siehe Zinzendorfs Brautlied der Seele). Das Liederbuch selbst war so gegliedert, dass es in methodistischen Versammlungen leicht zu gebrauchen war: Abschnitt 2 enthält „Psalmen und Choräle für Mittwoch oder Freitag“ und Abschnitt 3 Lieder, die sonnabends gesungen wurden. Wesley hielt pedantisch Festhalten an den kirchlichen Ordnungen fest, wie in einer Tagebuchnotiz vom Februar 1737 zu sehen ist: „Jede Kleinigkeit in den liturgischen Anweisungen und Regeln beachten“. Für viele der Kolonisten stellte das anscheinend kein Problem dar, doch es sollte schließlich zu der schwierigsten Herausforderung beitragen, der er sich jemals stellen musste. Wesley war schon vorher an den Versuchen einiger Siedler verzweifelt, private Taufen abzuhalten oder Eheschließungen nicht mehr öffentlich anzukündigen, wie es

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Pflicht gewesen wäre, und hatte ausgerufen: „Oh Disziplin! Wo lässt du dich finden? Nicht in England, und (noch) nicht in Amerika“ (J&D, 18: 419). Als Sophy Hopkey Hals über Kopf William Williamson heiratete, war Wesley nicht nur persönlich am Boden zerstört, weil er um sie geworben hatte, sondern hielt die Eheschließung auch in seiner Eigenschaft als Gemeindepastor aus kirchlicher Sicht für anstößig. Als er hinterher entdeckte, dass sie im Geheimen ein Doppelspiel betrieben hatte und nichts bereute, veranlasste ihn das dazu, sie vom Abendmahl auszuschließen – ein öffentlicher Affront, der ihren Ehemann dazu brachte, eine Reihe von Klagen gegen ihn beim Geschworenengericht von Savannah einzureichen. Zusammen mit dem Riss, der wegen Wesleys unglücklicher Maßnahmen in Zusammenhang mit Sophy Hopkins durch die Gemeinde gegangen war, lieferte seine Amtsführung die Grundlage für die meisten Vorwürfe, die gegen ihn vorgebracht wurden. Der Oberste Magistrat (Sophys Vormund, Thomas Causton) manipulierte die Geschworenen so, dass sie in zehn Punkten Anklage gegen Wesley erhoben. Wesley behauptete, Causton habe Gerüchte verbreitet, er sei „ein gerissener Heuchler, ein Verführer, der das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht habe, ein ungeheuerlicher Lügner, der seine wahren Absichten verberge und versuche, verheiratete Frauen von ihren Ehemännern zu entfremden, ein Säufer und Bordellbesitzer, der Huren und Freier, Säufer, ja, sogar Mörder, die Blut vergossen haben, zum Tisch des Herrn zulasse, andere aber aus bloßer Bösartigkeit zurückweise, der Christen ein christliches Begräbnis verweigere, arme Kleinkinder umbringe, indem er sie in kaltes Wasser stoße, ein Papist, wenn nicht sogar ein Jesuit oder vielmehr jemand, der eine neue Religion eingeführt habe, von der noch niemand etwas gehört hat; ein stolzer Priester, der das Bischofsamt anstrebe, ein geistlicher Tyrann, der willkürlich und ungesetzlich Macht an sich gerissen habe; ein Irrlehrer, der anderen unter Androhung der Verdammnis verbiete, Dinge zu tun, die er selber tue, der sich Vorteile verschaffe; er leugne die Oberhoheit des Königs ab, sei ein Feind der Kolonie, säe Zwietracht, sei ein öffentliche Brandstifter, zerstöre den Familienfrieden, stifte zum Aufstand an und sei ein Rädelsführer der Meuterei“ – in einem Wort, solch ein Ungeheuer, dass „diese Menschen eher sterben würden als zulassen, dass er so weitermache“ (J&D, 18: 540–541).

Die Anklagepunkte, die dann den Geschworenen vorgelegt wurden, klangen etwas nüchterner, brachten aber viele eben dieser Vorwürfe in juristischer Sprache. Sie legten dar, wie Wesley in einer Weise „von den Prinzipien und Regeln der etablierten Kirche abgewichen [sei], die in vielen Einzelheiten nicht mit dem Glück und Wohlergehen der Kolonie zu vereinbaren“ sei, wie zum Beispiel die Einführung von nicht autorisierten Neuerungen in den öffentlichen und kirchlichen Gottesdiensten. So gewährte er das Abendmahl nur einer kleinen Anzahl von Menschen, die sich „schmerzhaften Bußübungen, Sündenbekenntnissen und Kasteiungen unterwerfen und ständig zu früher

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und später Stunde am Gebet teilnehmen“ und setzte Hausdiener und Spione ein, um sich in Familienangelegenheiten einzumischen. Einige der Vorwürfe wurden schließlich in zehn Anklagepunkten formuliert, die Wesley wie folgt zusammenfasste: 1. Indem ich Mrs. [Sophy] Williamson schrieb und mit ihr sprach, obwohl ihr Ehemann nicht sein Einverständnis erklärt hatte. 2. Indem ich sie vom Heiligen Abendmahl ausschloss. 3. Indem ich den Morgengottesdienst am Sonntag aufteilte. 4. Indem ich nicht meine Treue zur Kirche von England erklärte. 5. Indem ich mich weigerte, Mr. Parkers Kind durch Besprengung zu taufen, wenn die Eltern nicht bestätigten, dass es schwächlich sei. 6. Indem ich Mr. Gough vom Heiligen Abendmahl ausschloss. 7. Indem ich mich weigerte, die Trauerfeier für Nathanael Polhill, einen Anabaptisten, zu halten. 8. Indem ich mich als Bischof von Savannah bezeichnete. 9. Indem ich mich weigerte, William Aglionby als Paten zu akzeptieren, da er kein Kommunikant war. 10. Indem ich Jacob Matthews aus dem gleichen Grund zurückwies (J&D, 18: 561–562). Auf diesen Punkten wäre das Verfahren aufgebaut worden, hätte Wesley die Kolonie nicht fluchtartig verlassen, bevor die Angelegenheit vor Gericht kam. Obwohl ein Minderheitenvotum der Geschworenen darauf hin wies, dass mit keinem der vorliegenden Punkte „gegen irgendein bekanntes Gesetz verstoßen“ werde und somit die Anklagepunkte wenig stichhaltig waren), liefern sie ein recht genaues Bild der Verhaltensweisen, die unter den Mitgliedern von Wesleys erster und einziger anglikanischer Gemeinde zu Widerstand führten. Seine Gegner kamen allerdings niemals in den Genuss, seine Verurteilung mitzuerleben, da Wesley die Kaution verfallen ließ und der Kolonie im Dezember 1737 Hals über Kopf den Rücken kehrte, bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kommen konnte. Wesley war mit großen Erwartungen nach Georgia gekommen, er verließ es mit einem gewissen Maß an Verbitterung und Enttäuschung: „Ich schüttelte den Staub von meinen Füßen und verließ Georgia, nachdem ich dort das Evangelium gepredigt hatte ... nicht wie ich es hätte tun sollen, sondern so, wie ich es vermochte.“ Doch seine Selbsterkenntnis war in enormem Maße gewachsen. Nach einer langen Rückreise nach England, auf der er wieder in einen gefährlichen Sturm auf dem Meer geriet, war er in der Lage, seinem Dienst in Georgia auch positive Aspekte abzugewinnen, selbst wenn er seinen ursprünglicher Plan nicht hatte umsetzen können. Er spürte, dass

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Gott ihn gedemütigt, geprüft und ihm gezeigt hatte, was in seinem Herzen war (vgl. 5.Mose 8,2). Er hatte gelernt, vorsichtig zu sein; er hatte gelernt, Gottes Führung anzuerkennen; er hatte seine Angst vor dem Meer überwunden. Darüber hinaus hatte er viele Diener Gottes kennen gelernt, „besonders die aus der Kirche von Herrnhut“. Alle in Georgia hatten das Wort Gottes gehört, und einige hatten in Glauben und Liebe darauf geantwortet. Viele Kinder hatten gelernt, Gott zu dienen, und er hatte einige Schritte gemacht, „um den afrikanischen und amerikanischen Heiden die frohe Botschaft zu verkündigen“ (J&D, 18: 222).

Zeitleiste 4 Das zweite Aufkommen des Methodismus 1736

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Georg II. JWs und CWs Abfahrt nach Georgia

Ankunft CW reist in nach England Amerika zurück

JW begegnet auf dem Schiff Herrnhuter Brüdern

R. Hows leitet die Religiöse Gesellschaft von Savannah

Ingham reist nach England zurück

JW liest Beveridges

Synodicon

Gründung der methodistischen Gesellschaft von Frederica

JWs Begegnung mit Indianern

Ingham arbeitet unter Indianern

JW trifft mit Salzburgern zusammen

JW wieder in England

JW erstattet Liederbuch den Verwaltern in der Kolonie Charleston Georgia Bericht veröffentlicht

Sophy Hopkey heiratet Williamson

JW schließt Sophy vom Abendmahl aus Anklage gegen JW erhoben

Vielleicht am wichtigsten war, dass Wesley auf seiner geistlichen Pilgerfahrt ein gutes Stück weitergekommen war. Seine lange Suche nach Heilsgewissheit war von einer Reihe theologischer Einflüsse begleitet worden, die er in einem nachdenklichen Memorandum auf der Rückreise aus Georgia darstellte (J&D, 18: 212–213). Seine Wurzeln in einem Pfarrhaus der anglikanischen Kirche, wo er von seinem priesterlichen Vater unterwiesen und seiner pietistischen Mutter angeleitet worden war, prägten ihn in Richtung eines hochkirchlichen Anglikanismus mit einer deutlich spürbar puritanischen Praxisorientierung. Diese Position verhinderte auf der einen Seite die Überbetonung von

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äußerlichen Werke und auf der anderen Seite einen Glauben ohne Werke. In seiner frühen Schulzeit hatte Wesley lutherische und calvinistische Autoren kennen gelernt, deren Schriften, wie er jetzt sah, von einer „übergroßen Furcht vor dem Papsttum“ geprägt waren und den Glauben auf Kosten der Gebote unverhältnismäßig aufgebläht hatten. Die englischen Pietisten, Beveridge, Nelson, Taylor, Law, die Wesley Mitte bis Ende der 1720er Jahre zu lesen begonnen hatte, schienen mit Verstand und Bibel eher vereinbar zu sein, auch wenn ihre unterschiedliche Schriftauslegung zu einiger Verwirrung führte. 1732 hatten ihm Clayton und seine Freunde, die Manchester nonjurors, „einen sicheren Maßstab zur Bibelauslegung“ an die Hand gegeben, nämlich den Konsens der verschiedenen Epochen; die Urchristenheit wurde zu seinem Maßstab des Verständnisses der göttlichen Weissagungen und lieferte ihm das reine ursprüngliche Vorbild für christliches Denken und Handeln. Kaum hatte er zu begreifen begonnen, was dieser Ansatz eigentlich bedeutete, begegnete er Mitte 1732 William Law persönlich, der sich zu dieser Zeit stärker am Mystizismus orientierte. Law machte Wesley mit der mittelalterlichen mystischen Abhandlung Theologia Germanica bekannt. Auf diesen ersten Kontakt sollte ein weites Spektrum von katholisch-mystischen Schriften von Autoren des europäischen Festlands folgen. Die Spannung zwischen den beiden letztgenannten Einflüssen, von denen der eine das Vorbild für christliches Leben und Denken war, der andere glauben machen wollte, dass wahre Religion die Fesseln des Gehorsams hinter sich ließe, stellt die Abgrenzungen der Arena dar, in der sich Wesleys persönlicher geistlicher Kampf in Georgia abspielte. Die Spannung begann sich aufzulösen, als Wesleys nach der aufmerksamen Lektüre von Beveridges Pandectae im September 1732 allmählich begriff, dass die Regeln der frühen Kirche nicht so authentisch, universal oder maßgeblich waren, wie er einst gedacht hatte. Dann verabschiedete er sich innerhalb von zwei Monaten größtenteils auch von der Weltsicht der Mystiker, von denen er nun glaubte, dass sie alle Gnadenmittel gering schätzten, und deren Schriften, wie er seinem älteren Bruder mitteilte, „der Felsen waren, auf dem ich mit meinem Glauben fast Schiffbruch erlitten hätte“ (Letters, 25: 487). In beiden Fällen wandte er seinen Blick von ihrer theologischen Methodologie ab und ihrer Art zu, ein christliches Leben zu führen. Einer der Vorwürfe, der ihm von Kolonisten gemacht wurde, enthielt unter anderem die Bemerkung: „Er bemühte sich, das Leben der Urchristen nachzuahmen, die ihrerseits das Leben Christi streng nachahmten.“ Auf dem Schiff nach England verbrachte Wesley viel Zeit, eine gekürzte Fassung der Schrift The Holy Life of Monsr. de Renty („Das heilige Leben des Monsr. de Ronty“) fertig zu stellen, eines französischen

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Mystikers, dessen Leben voller Frömmigkeit und Glauben Wesley auf seiner Suche nach Gewissheit immer wieder inspirierte. Doch vor allem hatten die deutschen Pietisten nun eine zentrale Position bei seiner Suche nach einem sinnvollen Glauben eingenommen. Die zentralen Lehren und die Bildersprache der „Herzenstheologie“ der Herrnhuter Brüder wurden seinem Verstand und seinem Geist in Georgia deutlich erkennbar eingeprägt. Die Feuer-Metapher, die im Licht seines Kindheitserlebnisses, als er aus dem brennenden Pfarrhaus gerettet wurde, eine besondere Bedeutung angenommen hatte, bekam jetzt darüber hinaus einen geistlichen Sinn. Nicht nur, dass er bei mehr als einer Gelegenheit davor bewahrt wurde, im Hinblick auf Miss Sophy zu „verbrennen“, er sehnte sich auch zunehmend danach, die „fremden Feuer“ zu vermeiden, die der Psalmist mit irdischen Leidenschaften in Verbindung brachte. Die Botschaft der Mystiker, so begriff er, hatte sich am Höllenfeuer entzündet. Doch die Übersetzung eines ZinzendorfLieds in der Collection of Psalms and Hymns offenbart das positive Bild der Wärme, das er durch die Theologie der Brüdergemeine als ein Ziel seiner geistlichen Suche formuliert hatte: Liebe, deine Glut entzünde meine kaltgewordne Brust.

Das dritte Aufkommen des Methodismus – London Wesleys Schiff lief gerade im Hafen von Deal ein, als George Whitefield sich anschickte, nach Georgia zu segeln. John, der sich inzwischen schon lange daran gewöhnt hatte, seine Rolle als geistlicher Mentor seiner Freunde auszuüben, warf das Los in der Angelegenheit von Whitefields Reise. Es zeigte an, dass George nach London zurückkehren solle, statt in die Kolonie zu reisen, und Wesley sandte Whitefield eine entsprechende Anweisung, bevor er selbst nach London aufbrach. Whitefield allerdings hatte sich während Johns Abwesenheit bereits an seine Rolle als führender Kopf der Methodisten in England gewöhnt, wie sein Tagebuch zeigt. Er nahm Johns Anweisung zu Kenntnis, reagierte aber beleidigt und setzte die Reisevorbereitungen fort, um dem, was er als den „Ruf nach Georgia“ empfand, nachzukommen. In der Kolonie sollte George entdecken und mit der für ihn typischen Überschwänglichkeit in seinem Tagebuch festhalten, dass „das Gute, [das] Mr. John Wesley hier in Amerika unter Gott vollbracht hat, nicht auszudrücken ist“ (Whitefield, 157). Wesley sollte auf der anderen Seite feststellen, dass Whitefield, inzwischen ordinierter und zunehmend populärer Priester, nicht nur in Oxford und

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in seiner Heimat Gloucester, sondern auch in London rege mit den religiösen Gesellschaften gearbeitet hatte. Johns Rückkehr kam nicht nur unerwartet für diejenigen, die Wesley nach Georgia ausgesandt hatten, sondern überraschte auch seinen Bruder Charles. Johns eigene Absichten scheinen zu diesem Zeitpunkt nicht ganz eindeutig gewesen zu sein. Er war beispielsweise nicht bereit, seine Position als Pastor der Gemeinde in Savannah aufzugeben; ob er vorhatte, bald zurückzukehren, ist nicht ganz klar. In den ersten Wochen nach seiner Ankunft in England wurde er zwischen alten Wünschen und neuen Zielen hin- und hergerissen – auf der einen Seite erstattete er den Verwaltern der Kolonie Georgia Bericht und warb um Unterstützung, wie es Charles und Ingham vor ihm getan hatten, und fragte bei seinen alten Freunden nach, wie es in Oxford und London stand; auf der anderen Seite nahm er aktiv an neuen Gruppen teil und schloss neue Freundschaften, vor allem unter deutschen Herrnhutern, die gerade in London eingetroffen waren. Gerüchte über seine überstürzte Abreise eilten Wesley voraus und erreichten die Verwalter der Kolonie, die der Meinung waren, er hätte Georgia nicht ohne ihr Einverständnis verlassen dürfen. Drei Mal erstattete er ihnen im Lauf des Februars Bericht. Er lieferte eine niederschmetternde Schilderung von der Situation in der Kolonie und übergab ihnen, nachdem er sich über seine Behandlung in Georgia beklagt hatte, „einige Papiere und Dokumente zu seiner Rechtfertigung“ (Egmont, 2: 467). Sein Bericht über Causton „reichte aus, um alle [Verwalter] zum Schweigen zu bringen“, so der Earl of Egmont. Er war einer der Verwalter und glaubte, Wesley sei sicherlich der Unbesonnenheit zu bezichtigen, doch Causton trage wegen „groben Fehlverhaltens viel größere Schuld“. Als Wesley am 26. April schließlich seine Lizenz für Savannah zurückgab, bemerkte Egmont recht offen, dass Wesley eine „sehr seltsame Mischung sei: ein Enthusiast und gleichzeitig ein Heuchler“. Was die Methodisten in England betraf, sah Wesley, dass ihre Arbeit in Oxford sich nicht nur am Leben gehalten, sondern auch in andere Gegenden ausgebreitet hatte. In Oxford hatte Charles bei seiner Rückkehr 1737 versucht, einige Methodisten zu ermutigen, „all ihre Regeln des heiligen Lebens wieder aufzunehmen“ und sich wieder so zu treffen, wie es ihrer Gewohnheit entsprochen hatte (CWJ, 1: 115, 127). John stellte fest, dass seine früheren Bundesgenossen sich in alle Richtungen zerstreut hatten, doch er fand „drei Gentlemen, die in ihre Fußstapfen traten“. Bei seinen ersten Besuchen in Oxford nach seiner Rückkehr aus Amerika nahm Wesley seinen alten Rhythmus teilweise wieder auf, predigte wieder einmal in Carfax, in der Burg und der Kapelle des Lincoln College und nahm an den Treffen der religiösen Gesell-

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schaften in Oxford teil; besonders hervorzuheben ist der Besuch im Haus von Mr. Fox, einem ehemaligen Häftling im Bocardo-Gefängnis. Etwa ein Dutzend „Londoner und Oxforder Methodisten“ trafen sich in James Huttons Haus in London, um „laut Psalmen zu singen und so den Frieden und die Stille in der Nachbarschaft zu stören“. Ein Mitglied dieser Gruppe war George Whitefield, der in Wesleys Abwesenheit begonnen hatte, in den religiösen Gesellschaften und darüber hinaus voller Eifer das Evangelium zu predigen. Als James Hervey von Wesleys Rückkehr hörte, berichtete er ihm von Whitefields Aktivitäten: „Sie müssen vom Eifer und Erfolg unseres Freundes Whitefield gehört haben oder hören immer noch davon. Und Sie können nicht anders als darüber jubeln. Ganz London und das ganze Land klingen von den ‚wunderbaren Werken des Herrn‘ wieder, die er durch seinen Dienst getan hat.“ John war in London kaum mit Whitefield in Berührung gekommen, der zu ihnen gestoßen war, kurz bevor Wesley 1735 die Universität verließ. Whitefield hatte in dieser Zeit eine geistliche Erweckung erlebt und predigte das Evangelium in London und vielen Gegenden des Königreichs. Benjamin Ingham hatte nach seiner Rückkehr aus Georgia in vielen Gemeinden im Umkreis von Leeds (Grafschaft Yorkshire) zu predigen begonnen, und dank seines Kontaktes zu Familie Delamotte in Blendon (Grafschaft Kent) hatte er Charles Delamottes Bruder William in die Bewegung eingeführt. Will, Student in Cambridge, hatte an dieser Universität „eine Gruppe für Gott gegründet“, die Anfang 1738 bereits als Methodisten „stigmatisiert“ wurde (siehe Cambridge, 25138). In einem Brief an John nach dessen Abreise nach Georgia kündigte Charles Wesley überschwänglich an: „Wir sehen, wie es überall um uns herum gärt. Gewiss wird die Christenheit wieder ihren Kopf erheben“ (Letters, 25: 526). Doch auch diese Erweckung, die größere Gebiete erfasste, ging nicht direkt auf Wesley zurück. In ganz Großbritannien zündete der Funke der geistlichen Erweckung. Griffith Jones und Howell Harris hatten in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts Pionierarbeit bei der Gründung einer walisischen am Evangelium orientierten Bewegung geleistet, die sich durch Bildungsreformen und Wanderprediger auszeichnete. Jones, Harris, Whitefield und Ingham hatten bis 1737 alle in irgendeiner Form ein Bekehrungserlebnis gehabt und arbeiteten aktiv in der Kirche und den religiösen Gesellschaften mit, die immer noch von der SPCK gefördert wurden. Auch in den ländlichen Gebieten des ganzen Königsreichs setzten sie sich für die Erweckung ein. John Wesley, der in dieser immer noch andauernden Bewegung für geistliche Erneuerung schon früh Pionierarbeit geleistet hatte, wurde sich bewusst, dass er hinter der Vitalität und dem Eifer vieler alter und neuer Freunde hinterher hinkte.

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Die Ankunft einiger Herrnhuter Brüder aus Deutschland sorgte dafür, dass sie bei ihnen weiterhin geistlich in die Lehre gehen konnten, die sie es in Georgia begonnen hatten. James Hutton, Sohn eines Londoner Buchhändlers und ein wichtiges Glied in dieser Kette, war den Wesleys vorher bereits in Oxford begegnet und war in Westminster Samuels Nachbar gewesen. James und seine Schwester hatten nach John Wesleys ernster Predigt über das Thema „Das eine, was du brauchst“ eine „ernsthafte Erweckung“ erfahren, kurz bevor die Wesleys nach Georgia abreisten. Hutton besuchte daraufhin mehr als eine der alten religiösen Gesellschaften in London, darunter eine in der Aldersgate Street. Dann gründete eine neue im Haus seiner Eltern, wo er oft Wesleys Rundbriefe aus Georgia las, von denen er von der Herrnhutern Brüdergemeine erfuhr (Hutton, 181–182). Hutton hatte außerdem mit vielen der Oxforder Methodisten Freundschaft geschlossen und Predigtmöglichkeiten in London für sie ausfindig gemacht, vor allem dienstags im Tower und in St. Helen’s, Bishopsgate. Huttons Gesellschaft profitierte von Whitefields Predigten und denen anderer Studenten aus Oxford, die nicht nur „ernsthafter als üblich“ predigten, sondern auch mit ihrem „methodistischen Plan“ fortfuhren, indem sie die Kranken besuchten und viel beteten (Hutton, 183). John fügte sich in dieses Muster leicht wieder ein, er besuchte Huttons Gruppe häufig und hielt im Frühjahr 1738 mit einigem Erfolg drei oder vier Dienstagspredigten in St. Helen’s. Charles Wesleys Rückkehr aus der Kolonie, Huttons Engagement, Whitefields Predigten, John Wesleys Rundbriefe aus Georgia, nun auch seine Rückkehr von dort, sowie die Ankunft der neuen Herrnhuter aus Deutschland schenkten den neuen Gesellschaften Mut und hauchten einigen der alten Gesellschaften neues Leben ein. Wesley begann, seine eigene Suche nach geistlicher Gewissheit zu intensivieren, indem er diese neuen Freundschaften pflegte und sich an dem Dienst in den verschiedenen Londoner Gesellschaften beteiligte.

Peter Böhler und die Suche nach dem Glauben In der ersten Woche nach seiner Rückkehr nach England machte Wesley die Bekanntschaft mit Peter Böhler, einem lutherischen Pastor, der von Zinzendorf für den Dienst in der Brüdergemeine ordiniert worden war. Er war gerade aus Deutschland eingetroffen und auf dem Weg nach Amerika. Wesleys Kontakt zu Böhler sollte ihm im Lauf der folgenden vier Monate vor Augen führen, wie er seine persönliche geistliche Erneuerung und die organisatorische Entwicklung im Methodismus gestalten konnte.

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John machte sich immer noch Gedanken, dass ihm die Heilsgewissheit fehle, was auf seinen beiden Ozeanüberquerungen, bei denen er in Todesgefahr geschwebt hatte, überdeutlich geworden war. Angesichts der Vorstellung, inmitten eines Atlantiksturms zu ertrinken, begriff Wesley, dass er nicht bereit war, seinem Schöpfer zu begegnen. Seine erste Reaktion war, anzunehmen, dass es ihm an Glauben fehle, er nicht stark genug sei, solch eine Furcht zu überwinden. Er besann sich auf seine feingeschliffenen Oxforder Methoden und erneuerte seine alten Vorsätze. Anfang März hatte Peter Böhler ihn allerdings überzeugt, dass seine Unvollkommenheit nicht eine Sache der Abstufung sei – Wesleys Problem war nicht der schwache Glaube, sondern schlicht Unglaube. Böhler zufolge fehlte Wesley „der Glauben, durch den wir allein gerettet werden“, völlig. – Es gab keine „Abstufungen“ im Glauben; entweder hat man ihn oder man hat ihn nicht. Und wahrer Glauben wird immer von einem Gefühl der Gewissheit begleitet und wird sichtbar an der Abwesenheit von Sünde, Furcht und Zweifel, drei Früchten, die untrennbar mit dieser Gewissheit verknüpft sind und den richtigen Glauben attestieren. Jede Spur von Furcht oder Zweifel ist daher ein Zeichen des Unglaubens. Nachdem er so überzeugt worden war, überhaupt keinen Glauben zu besitzen, hielt Wesley es nicht für angemessen, mit seiner Predigttätigkeit fortzufahren. Böhlers Reaktion und Ratschlag ist denkwürdig: „Predigen Sie, bis Sie Glauben haben, und dann werden Sie, weil Sie Glauben haben, auch Glauben predigen“ (J & D, 18: 228). Am 6. Mai begann Wesley, diese neue Lehre von der Errettung allein durch den Glauben zu predigen, wobei er mit William Clifford, einem Häftling auf der Burg, begann, der wegen Überfalls, Einbruchs und Fahnenflucht von den Fußtruppen in der Todeszelle saß. Johns enthusiastische Predigten hatten bereits dazu geführt, dass man ihm die Kanzeln einiger Londoner Kirchen verwehrte. Durch solche Reaktionen ließ er sich nicht entmutigen; Anzeichen der Verfolgung bestätigten ihn immer in seiner Überzeugung, dass er auf dem richtigen Weg sei, und spornten ihn an, den kirchlichen Status Quo öffentlich in Frage zu stellen. Er bemerkte nun, dass Gottes besonderer Segen auf den Predigten ruhte, die auf den „heftigsten Widerstand stießen“ (J&D, 18: 226). Wesley bewegte sich mehr und mehr auf die Herrnhuter Sicht der Errettung zu und versuchte, sie im Rahmen seiner eigenen Tradition zu verstehen. Das Homilienbuch definierte Glauben als das „feste Vertrauen auf Gott“. Böhler betonte besonders den Aspekt der persönlichen Erfahrung im Rest der Definition: „dass durch das Verdienst Christi meine Sünden vergeben sind und ich mit Gott versöhnt bin. Am 23. April wurde er von fünf Herrnhutern, darunter auch Böh-

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ler, überzeugt, dass man sich durch den „Glauben sofort bekehrt“, und dass solch eine augenblickliche Bekehrung nicht nur in der Bibel verankert, sondern ihm auch sehr bald möglich sei (J&D, 18: 234, 576). Nicht alle Methodisten waren davon allerdings überzeugt. Als Charles Wesley und Thomas Broughton hörten, wie John „diesen neuen Glauben“ erläuterte, dass Sünder „von einem Moment auf den anderen glaubten“, nahmen sie „Anstoß an dieser noch weniger als unerbaulichen Rede“.

St. Andrew’s Church, Holburn, war nur eine der vielen Kirchen, die Wesley 1738 den Zugang zur Kanzel verwehrten, als er Peter Böhlers Ratschlag, „den Glauben zu predigen“, zu befolgen begann. Johns Vater war 1689 in dieser Kirche ordiniert worden.

Die Liste der Kanzeln, auf denen er nicht predigen durfte, wuchs immer rascher. Immer mehr seiner alten Oxforder Freunde, wie beispielsweise John Clayton, versuchten Wesley davon zu überzeugen, seinen Eifer im Zaum zu halten, keine improvisierte Predigten mehr zu halten, seine „vehemente Sprache“ zu zügeln und sogar, sich die Haare schneiden zu lassen. Doch trotz der Kritik seiner Freunde fand Wesley Ermutigung und Gesellschaft auf seiner Suche nach persönlicher Gewissheit. Er traf sich weiterhin mit Henry Washington und anderen Studenten der Universität von Oxford, von denen Böhler einige angeregt hatte, sich dreimal wöchentlich zu treffen. In der Stadt Oxford selbst nahm Wesley gelegentlich an den Zusammenkünften zweier oder dreier Gesellschaften teil, die insgesamt etwa hundert

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Menschen zählten. In London schloss Wesley sich Huttons Gruppe an, etwa siebzig Menschen, die zusammenkamen, um zu beten, zu singen und die Bibel zu lesen, die jedoch offensichtlich, wie Wesley Böhler mitteilte, kaum Organisation oder Leitung kannten (Böhler, 5, 8). Peter Böhler unternahm einige Schritte, um diese Situation am 1. Mai 1738 zu korrigieren. John Wesley war unerwartet nach London zurückgekehrt, um seinen kranken Bruder Charles bei Hutton zu besuchen. Böhler lud ihn und einige weitere Personen ein, die „eines Sinnes waren und engere Gemeinschaft miteinander pflegen wollten“, um sich zu einer Gruppe zusammenzuschließen. Sie kamen im Haus von John Hutton zusammen und beschlossen zwei Regeln, womit eine kleine Gesellschaft gegründet wurde: 1. 2.

Dass sie sich einmal in der Woche treffen werden, um einander ihre Verfehlungen zu bekennen und füreinander zu beten, dass sie geheilt werden mögen [vgl. Jak 5,16]]. Dass jeder andere, von dessen Aufrichtigkeit sie überzeugt sind, sich, wenn er es wünscht, zu diesem Zweck mit ihnen treffen darf (Watson, 197).

Diese einfachen Regeln stellten die ursprünglichen Rahmenbedingungen für die Gruppe dar, die bald als Fetter Lane Society bekannt werden und deren Gründung Wesley später als das „dritte Aufkommen des Methodismus“ bezeichnen sollte. Obwohl als einzige Bedingung die aufrichtige Absicht gestellt wurde, scheint sich die Gruppe aus Menschen zusammengesetzt zu haben, die den Auffassungen der Methodisten und der Herrnhuter Brüder wohlgesinnt waren. Niemand forderte die Lösung von Lehre und Mitgliedschaft in der Kirche von England, zu der sie alle gehörten. Ihr ausdrückliches Ziel aber war soteriologisch – das geistliche Wohl (salus) der Teilnehmer. Es scheint, dass zu diesem Zeitpunkt alle Mitglieder Männer waren, denn als neue Teilnehmer dazu stießen plante Böhler, dass sich die verheirateten und die ledigen Männer für die regelmäßigen Treffen in zwei Gruppen aufteilen und einmal pro Monat eine gemeinsame Zusammenkunft abhalten sollten. Drei Tage später verließ Peter Böhler London, um sich für die Neue Welt einzuschiffen, und so wurde John Wesley zum bestimmenden Leiter dieser kleinen Gesellschaft. Obwohl Böhler nicht mehr da war, war sein Einfluss immer noch zu spüren. Innerhalb weniger Tage ließen sich noch mehr Personen, darunter Charles Wesley und George Stonehouse, Vikar in Islington, sowie ein Oxford-Methodist, von der Auffassung der Herrnhuter Brüdergemeine überzeugen. Einige machten auch die Erfahrung der Heilsgewissheit. Zu ihnen gehörte auch Charles Wesley, der mitten in einer Periode geistlicher Kämpfe, während er krank im Bett lag, am Pfingstsonntag spürte, wie

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sein „Herz auf seltsame Weise ergriffen wurde“, er sagen konnte: „Ich glaube, ich glaube!“, und den Frieden mit Gott erfuhr (CWJ, 1: 146–147). Die „überraschende Neuigkeit“, dass sein Bruder diese Erfahrung gemacht hatte, versetzte John in den Zustand „andauernder Sorge“, sodass ihm das Herz schwer wurde. Die Pfingstzeit scheint seine Sehnsucht, das Zeugnis des Heiligen Geistes zu erfahren, nur noch verstärkt zu haben, doch seine eigene Suche nach dieser spürbaren Gewissheit hatte ihn, wie er einem Freund schrieb, lediglich zu der Erkenntnis gebracht, dass „Gott ein verzehrendes Feuer ist; ich bin ganz und gar ein Sünder und werde verzehrt werden“. Seine Sorge wurde durch das Zeugnis einer wachsenden Zahl von Freunden, die diese Gewissheit erfahren hatten, noch verstärkt. Selbst sein jüngerer Bruder konnte nun seine Bekehrung bezeugen und tat sich in Johns Anwesenheit mit anderen Freunden zusammen, um für ihn zu beten. Johns eigene Erfahrung der Heilsgewissheit folgte drei Tage auf die seines Bruders. Sein Bericht von den Ereignissen des 24. Mai zeigt seine Sicht der göttlichen Vorhersehung und Führung in dieser entscheidenden Entwicklung, von der Bibellese am Morgen über den Choral in St. Paul’s am Nachmittag bis zur Zusammenkunft der Gesellschaft später am Tag – nachdem die Kirchenglocken geläutet hatten, um die Geburt des königlichen Kindes zu verkünden, das später Georg III. werden sollte: Am Abend ging ich sehr unwillig zu einer Gesellschaft in der Aldersgate Street, wo jemand aus Luthers Vorrede zum Römerbrief vorlas. Etwa um viertel vor neun, während er die Veränderung schilderte, die Gott durch den Glauben an Christus im Herzen bewirkt, spürte ich, wie mir seltsam warm ums Herz wurde. Ich spürte, dass ich Christus vertraute, Christus allein, der mich errettet, und mir wurde die Gewissheit geschenkt, dass er meine Sünden hinweggenommen hatte, ja sogar meine, und mich von dem Gesetz der Sünde und des Todes gerettet hatte (J&D, 18: 249–250).

Wesley feierte den Überschwang dieses Augenblicks, indem er sofort ein Zeugnis vor den Anwesenden ablegte; später am Abend setzte sich die Feier in Charles’ Räumen mit dem Singen eines Chorals fort, wahrscheinlich „Where shall my wandering soul begin?“ („Wo soll meine wandernde Seele anfangen?“). Glauben als Vertrauen war kein lehrsatzhafte Wahrheit mehr, sondern erfahrene Wirklichkeit. Die Lehre seiner Herrnhuter Mentoren wurde jetzt zu einem Bekenntnis, das er für sich selbst in Anspruch nehmen konnte – Christus pro me. Wesley spürte, dass er jetzt wahrhaft ein Christ war. Jetzt konnte er im Einklang mit der Auffassung der Herrnhuter sagen, dass er vor dieser Erfahrung der Gewissheit kein Christ gewesen war. Die Nagelprobe der Echtheit dieser Erfahrung konnte man allerdings nicht darin finden, ob ihm „seltsam warm ums Herz“ geworden

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war oder nicht. Wie es die Herrnhuter ihn zu erwarten gelehrt hatten, war entscheidend, ob in ihm die erwarteten und notwendigen Früchte des Glaubens () sichtbar würden oder nicht: Freiheit von Sünde, Zweifel und Furcht sowie die Fülle des Friedens, der Liebe und der Freude im Heiligen Geist, auch „Heiligung und Freude“ genannt.

Nettleton Court, wo die Gesellschaft offenbar am 24. Mai 1738 zusammenkam, war die achte Ausfahrt Richtung Norden (links auf dieser Karte) an der Aldersgate Street, nicht weit vom Tor selbst entfernt (das zu dieser Zeit noch stand). Little Britain, wo Charles Heilsgewissheit erfuhr, liegt unmittelbar westlich vom Nettleton Court und ist am unteren Ende dieser Karte eingezeichnet.

Fast sofort drängten sich Fragen auf, die durch Wesleys fortdauernde Suche nach sichtbaren Anzeichen für die Früchte des Glaubens und der Gewissheit ausgelöst wurden. Der „Feind“ gab ihm zu verstehen, dass das, was er erlebt hatte, kein Glauben sein könne: „Denn wo bleibt die Freude?“ Zumindest tröstete er sich in dem Bewusstsein, dass er nun, obwohl die Versuchungen immer noch auf ihn einstürzten, „immer Sieger“ sei. Am folgenden Tag gewann sein Empirismus die Oberhand: „Wenn du glaubst, warum gibt es dann keine deutlicheren Veränderungen?“ Wieder fand er Trost in dem „Frieden mit Gott“. Das Problem der Furcht (die er, wie man es ihm beigebracht hatte, mit Unglauben

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gleichsetzte) wurde erst einmal durch einen paulinischen Text zur Seite geschoben: „von außen Streit, von innen Furcht“. Er entschloss sich, nach vorne zu schauen und die Furcht beiseite zu schieben. Dasselbe galt im Hinblick auf die „Niedergeschlagenheit wegen seiner vielfältigen Versuchungen“, denen er ausgesetzt war. Die Herrnhuter rieten ihm, nicht gegen sie anzukämpfen, sondern vor ihnen zu fliehen. Vier Tage nach dem Aldersgate-Erlebnis störte er sich immer noch daran, dass er „in Frieden, aber nicht in Freude“ wandelte. Im Lauf der folgenden Tage wurde er von einem Problem nach dem anderen beunruhigt. Dies hing mit seinen nur teilweise erfüllten Erwartungen zusammen. Das aber hielt ihn nicht davon ab, sein „neues Evangelium“ zu verkünden, auch wenn einige seiner Freunde seine Ansichten anzweifelten. Bei den Huttons wurde er als Enthusiast und Verführer „scharf angegriffen“, da er „neue Lehren“ verbreite. Mrs. Hutton jedenfalls nahm Anstoß an Johns neuen Behauptungen und schrieb seinem Bruder Samuel: Sperren Sie Mr. John ein oder bekehren Sie ihn, wenn er bei Ihnen ist. Denn nach seinem Verhalten am Sonntag, dem 28. Mai, werden Sie, wenn Sie davon hören, glauben, dass er nicht ganz richtig im Kopf ist ... John stand [in unserem Haus] auf und teilte den Menschen mit, dass er fünf Tage zuvor noch kein Christ gewesen sei ... [Beim Abendessen] hielt er dieselbe Rede noch einmal, worauf ich entgegnete: „Wenn Sie kein Christ sind, solange ich Sie kenne, waren Sie ein großer Heuchler, denn Sie haben uns alle glauben lassen, Sie seien einer gewesen“ (JWJ, 1: 480n).

John bedrängte weiterhin seine engen Freunde wie auch alle anderen Menschen, indem er ihnen darlegte, dass sie keinen Grund hätten, sich für Christen zu halten, wenn sie nicht allem außer dem Glauben entsagten und sich völlig auf Christus einließen. Er hielt auch weiterhin seine Predigt „Errettung durch den Glauben“, die er seit Anfang März als Kernstück seiner Kanzelverkündigung eingesetzt hatte. Im Privaten allerdings wurde Wesley immer noch von Zweifeln heimgesucht, insbesondere, was die „Abstufungen des Glaubens“ betraf. Obwohl seine Herrnhuter Freunde weiterhin betonten, dass „Zweifel mit auch nur dem geringsten Maß an wahrem Glauben nicht zu vereinbaren seien“, schien Wesleys eigene Erfahrung ihm zu bestätigen, dass er zwar nicht ständig Freude empfinde, an diesem Punkt aber trotzdem beständig Frieden und Freiheit von der Sünde und daher ein gewisses Maß an Glauben habe. Wesley entschloss sich, die Herrnhuter Gemeinschaft in Deutschland zu besuchen, um mit „jenen heiligen Männern“ zu sprechen, „die selbst ein lebendiges Zeugnis der vollen Kraft des Glaubens waren und doch die Schwachen zu tragen vermochten“. Er entdeckte allerdings, dass sie keineswegs bereit waren, Wesleys nicht ganz zur Vollkommenheit gereiftes Vertrauen und seine mangelnde Freude zu

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tolerieren. Einmal schlossen sie ihn von der Teilnahme am Abendmahl aus, weil er ihrer Meinung nach eindeutig ein homo perturbatus war, ein aufgewühlter Mensch, an dem die Anzeichen für völlige Heilsgewissheit noch nicht deutlich wurden. Seine Verwirrung in diesem Zusammenhang verstärkte sich noch durch die Entdeckung, dass sich die Ansichten der Herrnhuter in wesentlichen Punkten erheblich von denen Böhlers oder der englischen Herrnhuter unterschieden. Nikolaus von Zinzendorf, der Leiter der Gemeinschaft, behauptete, dass Heilsgewissheit und der Augenblick der Rechtfertigung zeitlich nicht unbedingt zusammentreffen müssten – man könne sich seiner Rechtfertigung erst lang danach gewiss werden. Diese Auffassung stand im Gegensatz zu Böhlers Argument, dass man keine Sündenvergebung erhalte, ohne es unmittelbar zu spüren. Zinzendorf legte darüber hinaus eine gemäßigtere Auffassung von anderen Anzeichen der Rechtfertigung an den Tag: Frieden kann zwar zu spüren sein, doch die Freude ist oft nicht da. Wesley schien diese Sicht der Errettung näher an seiner Erfahrung und seinem Bibelverständnis zu liegen: eine Sicht, die auch Abstufungen des Glaubens und Wachstum in der Frömmigkeit zuließ. Die deutschen Herrnhuter machte einige Unterschiede, die Wesley bald für entscheidend halten sollte: Sie unterschieden zwischen Rechtfertigung und Gewissheit (theologisch wie auch chronologisch), zwischen Glauben und Gewissheit sowie zwischen Anfang und Fülle der Errettung (siehe unten, S. 85, 87f.). Wesley nahm vor allem vier Predigten von Christian David zur Kenntnis, der wiederholt von jenen sprach, die „‚schwach im Glauben‘ sind“, die „gerechtfertigt sind, doch noch kein neues, reines Herz haben; die Vergebung empfangen haben, jedoch noch nicht den Heiligen Geist“. Seit seinen Unterredungen mit Böhler im Frühling hatte Wesley im Allgemeinen von der „Errettung durch den Glauben“ gesprochen, wie in der Predigt mit dem gleichnamigen Thema. An diesem Punkt beginnt Wesley sehr viel häufiger den präziseren Begriff „Rechtfertigung“ zu gebrauchen. Während seines Deutschlandaufenthaltes traf und befragte Wesley viele Menschen, die bezeugen konnten, dass bei ihnen Erfahrung und Lehre im Einklang waren. Wesley fertigte von diesen Unterredungen genaue Protokolle an und veröffentlichte sie später in seinem Journal als Beweis für die wahre Lehre der Herrnhuter, um sie von jeder Verleumdung reinzuwaschen, die sich aus der Lehre der englischen Brüder hätte ergeben können. Der Konflikt zwischen den Positionen der deutschen und der englischen Herrnhuter stellte für Wesley an diesem Punkt das eigentliche Problem dar. Die englischen Brüder hatten ihn die Notwendigkeit einer Erfahrung so gelehrt, wie Böhler sie schilderte, mit ihren absolu-

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ten Forderungen notwendiger Erkennungszeichen und dem Verbot jeglichen Zweifels und jeglicher Furcht. Wesleys Verwirrung bei dem Versuch, seine eigene Erfahrung im Licht dieser Erwartungen zu verstehen, wurde zum Teil durch die Schwierigkeiten verursacht, die in der Position der Herrnhuter selbst begründet lagen. Die englischen Herrnhuter hatten nach lutherischer Art die Heiligung auf die Rechtfertigung reduziert und nach pietistischer Art die Vergebung der Sünden (iustitia imputata) zur Freiheit von der Sünde (iustitia infusa) erweitert. Dieser Ansatz führte zur Erwartung sündloser Vollkommenheit (das volle Maß der Früchte des Heiligen Geistes eingeschlossen) als notwendigem Erkennungszeichen der Errettung (oder echter Bekehrung). Diese Tendenz, Glauben mit Gewissheit gleichzusetzen sowie Heiligung mit Rechtfertigung in Beziehung zu setzen, passte nicht zu Wesleys eigenem theologischen Hintergrund: Er versuchte eine lutherische Theologie im Kontext seiner eigenen anglikanischen und arminianischen Auffassungen zu verstehen (und zu erfahren). Die englischen Herrnhuter suchten nach Erkennungsmerkmalen der Errettung, die Wesley (im Rahmen seiner eigenen Tradition) naturgemäß als Beweis für ein geheiligtes Leben verstanden hätte. Sie standen für eine Auffassung, die die Bekehrung im Wesentlichen mit Perfektion gleichsetzte, ein Verständnis der Errettung als Heiligung, das sich Wesley niemals völlig zu Eigen machen konnte, nicht einmal im Licht seiner eigenen Erfahrungen unter der Mentorschaft der Herrnhuter. Wesley hatte die feineren Unterschiede zwischen Rechtfertigung und Heiligung noch nicht herausgearbeitet, geschweige denn die unterschiedlichen Nuancen seiner eigenen Lehre über Glauben und christliche Vollkommenheit. Fürs Erste blieb er mit den Herrnhutern in Verbindung und versuchte, seine geistliche Unsicherheit und seine theologischen Probleme in Gemeinschaft mit ihnen zu klären. Auch während seiner Reise durch Deutschland führte Wesley sein Tagebuch weiter; die Einträge lassen erkennen, wie sehr ihn Schulen, Kathedralen, Kirchen und Synagogen faszinierten. Er machte einen Abstecher nach Halle, der Heimat des bereits verstorbenen August Hermann Francke. Dessen Bücher hatte er gelesen und mit den Methodisten in Oxford studiert. Im Tagebuch hielt er sein besonderes Interesse am berühmten Waisenhaus fest, wo 650 Kinder beherbergt und 3000 unterrichtet wurden. Besonders interessierte er sich dafür, wie sich die Einrichtung – etwa durch die Druckerei, den Buchverkauf und die Apotheke – finanzierte.

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Herrnhut, 1722 gegründet von Nikolaus Graf von Zinzendorf und Heimat der Unitas Fratrum, war im Europa des 18. Jahrhunderts das Zentrum der Brüderunität.

Wesley fertigte außerdem genaue Notizen zur Organisation der Brüderunität an. Die Aufteilung von Herrnhut in Gruppen, so genannte „Chöre“, lieferte die Grundlage für elf geografisch angeordnete „Klassen“. Zusätzlich gab es zehn nach Geschlecht und Alter zusammengesetzte Klassen; sie waren die Basis für das tägliche geistliche Leben und die regelmäßigen religiösen Zusammenkünfte. Kernstück dieses Programms, das für geistliche Nahrung sorgen sollte, waren neunzig „Banden“, die sich zwei oder drei Mal pro Woche trafen, um der Aufforderung von Jakobus 5,16 zu folgen (Bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet), dem Vorbild für Böhlers Regeln in der Londoner Fetter Lane Society. Obwohl Wesleys Aufzeichnungen nicht davon berichten, dass er mit seinen Herrnhuter Freunden das Abendmahl gefeiert hätte, nahm er doch an vielen Veranstaltungen ihres gemeinschaftlichen geistlichen Lebens teil, darunter Konferenzen und Liebesfeste. Als Wesley in Rotterdam auf ein verspätetes Schiff wartete, das ihn nach Hause bringen sollte, nutzte er die Zeit, um einige englische Reisende zu ermahnen, „nach der inneren Religion, der Erneuerung ihrer Seelen in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit zu streben“. Diese

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Begriffe sind Wesley seit langem vertraut, doch in den entscheidenden Monaten des Jahres 1738 gewinnen sie nach und nach eine neue Bedeutung. Wesley nahm vom europäischen Festland viele Eindrücke mit nach Hause zurück. Einige seiner neu gewonnenen Einsichten lieferten ihm Anregungen für seine immer noch andauernden Debatten mit den englischen Herrnhutern. Andere Beobachtungen lieferten ihm praktische Anregungen für die Strukturierung und das Funktionieren einer christlichen Gemeinschaft, um ihr geistliches Wachstum wirksam zu fördern. Doch nicht alle seine Reaktionen fielen positiv aus. In einigen Eintragungen aus dieser Zeit führte er einige Fehler ihrer Gemeinschaft auf: Sie vernachlässigen das Fasten, preisen ihre Kirche und ihre Leiter über alles, zeigten eine Tendenz zur Leichtlebigkeit und Geheimniskrämerei, gebrauchen Täuschung, Arglist und Verstellung, – und bleiben dadurch hinter dem apostolischen Christentum zurück, das Wesley in Herrnhut erwartet hatte. Nachdem Wesley im September 1738 nach England zurückgekehrt war, begann er sofort, einige Fragen für sich zu klären, in denen Verstand und Erfahrung auseinander klafften. In einigen Punkten korrigierte er seine Meinung und merkte, dass er mit den Herrnhutern immer weniger übereinstimmte. Wesley geriet dadurch in die Zwickmühle, dass die Herrnhuter die Plerophorie (Fülle) des Glaubens forderten, die im vollen Maß ihrer Früchte (Liebe, Frieden, Freude) sichtbar wurde, und dass sie dies unbedingt von einem wahren (d.h. einzig wirklichen) Christen erwarteten. Es ist interessant zu sehen, dass Wesley, während er in den folgenden Monaten an diesen Themen arbeitete (und dabei stärker in Konflikt mit den Herrnhutern geriet) und sich persönlich und im Stillen mit den Fragen von Abstufungen des Glaubens, der Existenz von Zweifeln und des Gebrauchs der Gnadenmittel beschäftigte, öffentlich im Großen und Ganzen weiterhin die Notwendigkeit der vollen Glaubensgewissheit und der tatsächlichen Freiheit von Sünde als die wahre Grundlage der Glückseligkeit eines Christen predigte. Während Wesley im Herbst 1738 noch damit beschäftigt war, diese Fragen für sich zu lösen, trugen zwei wichtige Entdeckungen dazu bei, neues Licht auf seine sich entwickelnden Vorstellungen zu werfen. Am 10. Oktober las er Jonathan Edwards’ „überraschenden“ Bericht von den Bekehrungen in Neuengland. In dieser Schrift konnte er den Einfluss des Heiligen Geistes bei der Erweckung in Neuengland deutlich wahrnehmen. Die Lektüre bestätigte ihm die Bedeutung geistlicher Dynamik in dem, was geschehen war, und die pneumatologische Dimension in der theologischen Deutung. Damit war die

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Voraussetzung für sein Verständnis dafür geschaffen, wie der Heilige Geist unter den Menschen wirkt. Einen Monat später, in der Woche um den 12. November herum, entdeckte Wesley neu, was das Buch der Homilien zu diesem „heiß umstrittenen Thema der Rechtfertigung durch den Glauben“ zu sagen hatte. In den Homilien zu den Themen Errettung, Glauben und gute Werke (Nummern 3, 4 und 5) entdeckte Wesley in den maßgeblichen Lehrsätzen seiner eigenen Tradition die Summe dessen, was er selbst zusammengestellt hatte, und die Antwort auf einige Fragen, die die Herrnhuter aufgeworfen hatten. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte, wie sehr er sich der Lehre der Kirche von England wieder annähern würde, begriff er augenblicklich, dass die Antworten auf die meisten seiner theologischen Probleme mit den englischen Herrnhutern in diesen Homilien enthalten waren, die er so schnell wie möglich in Auszügen veröffentlichte. In der Zwischenzeit ließ sich Wesley immer wieder in etwa einem Dutzend religiöser Gesellschaften in London und Oxford blicken. Während er und Ingham sich in Deutschland aufhielten, hatte Hutton weiter daran gearbeitet, die „neue Gesellschaft“ aufzubauen. Im Laufe des Sommers war sie auf über dreißig Personen angewachsen. Mitte Oktober umfasste die Gruppe, die Wesley auch als „unsere kleine Gesellschaft“ bezeichnete, acht „Männerbanden“ (56) und zwei „Frauenbanden“ (8) mit zusammen 64 Mitgliedern. Wesley predigte auch weiterhin in vielen Kirchen der Stadt, besonders in jenen Gebieten, wo er einen gewissen Einfluss in den Gesellschaften besaß. Wie man inzwischen erwarten konnte, kamen (wie er stolz in seinem Tagebuch festhielt) nun noch einige Kirchen dazu, in denen er zum letzten Mal predigte. Während er in den letzten Monaten des Jahres 1738 die Botschaft der Errettung durch den Glauben öffentlich so verkündigte, wie sie die Herrnhuter lehrten, erlebte er zugleich eine Zeit intensiver Selbstprüfung und des Fragens. Fragen entstanden durch seine eigene Erfahrung (und die Erfahrung anderer), durch die Tradition seiner Kirche und die Bibel. Diese Spannung lässt sich deutlich in einigen Memoranda der Selbstprüfung wahrnehmen, die Wesley zwischen Oktober 1738 und Januar 1739 abfasste. Das erste schrieb er kurz nach seiner Ankunft in Oxford nieder, als er seine geistliche Verfassung an den von Paulus vorgegebenen Leitlinien maß: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Wesley sah fünf Kriterien für diese Prüfung: Erstens ist sein Urteil neu: wie er sich selbst beurteilt, seine Freude, seine Heiligkeit. ... Zweitens sind seine Ziele neu. ... Drittens sind seine Wünsche und Anliegen neu. ... Viertens ist seine Art zu reden neu. ... Fünftens ist sein Verhalten neu (J&D, 19: 17).

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Auf der Grundlage dessen, was in seiner Erfahrung sichtbar wird, urteilt Wesley, dass er in der Tat eine neue Kreatur sei, was die ersten vier Kriterien betreffe. Doch das letzte Kriterium erfülle er nicht. Bei den „Früchten des Geistes“ fällt Wesleys Urteil entmutigend aus: Er sieht in sich ein gewisses Maß an Frieden, Langmut, Freundlichkeit, Sanftmut und Keuschheit; doch auf anderen Gebieten fehle es eindeutig an vielem, aber immer noch sei er voller Hoffnung und habe ein gewisses Vertrauen, dass er ein Kind Gottes ist: Ich kann in mir nicht die Liebe Gottes oder Christi finden. ... Ich habe nicht diese Freude im Heiligen Geist; keine fest gegründete, dauerhafte Freude. Und ich habe auch nicht den Frieden, der die Möglichkeit der Furcht oder des Zweifels ausschließt. ... Im Ganzen allerdings, obwohl ich nicht jene Freude im Heiligen Geist oder die volle Glaubensgewissheit habe und noch weniger im vollen Wortsinn „eine neue Kreatur in Christus“ bin, vertraue ich doch darauf, dass ich ein gewisses Maß an Glauben habe und dass er mich „begnadet hat in dem Geliebten“ (Eph 1,6); ich vertraue darauf, ... dass ich durch seinen Sohn „mit Gott versöhnt“ bin (J&D, 19: 18).

Allmählich löste Wesley sich gedanklich von den absoluten Forderungen der Herrnhuter. Er begann die Vorstellung zu akzeptieren, dass es Abstufungen im Glauben und der Gewissheit geben könne. Und er begann zu spüren, dass die volle Glaubensgewissheit (die er seinem Empfinden nach noch niemals erlebt hatte), für die Neugeburt nicht notwendig war, sondern dass „ein gewisses Maß an Glauben“ für die Versöhnung durch Christus ausreichte. Was die Gewissheit betraf, begann Wesley nun, zwischen Gewissheit und Glauben als zwei unterscheidbaren Realitäten zu trennen. Die Herrnhuter hatten sie so eng miteinander verknüpft, dass sie praktisch gleichgesetzt wurden. Was Wesley seit seinem Aldersgate-Erlebnis erfahren hatte, warf immer in immer neuen Variationen die Frage nach den Abstufungen des Glaubens auf, die er zum ersten Mal in Georgia in seinen Gesprächen mit Spangenberg erläutert hatte – ob man von einem schwachen und einem starken Glauben sprechen könne und ob Glaube jeden Zweifel und jede Furcht ausschließe. Solange Glauben mit völliger Gewissheit gleichgesetzt wurde (wie im Verständnis Böhlers oder der englischen Hernnhuter), wiesen Zweifel und Ängste eindeutig auf einen Mangel an Glauben hin, was bedeutete, dass der Betreffende überhaupt keinen wahren Glauben besaß, sondern sich der Sünde des Unglaubens schuldig machte. Doch der Glauben muss sicherlich in vielen Fällen mit Zweifel und Furcht leben. Wesley erkannte, dass „ein gewisses Maß an Glauben“ in seinem eigenen Leben zu „Frieden mit Gott und Vertrauen auf ihn durch Jesus Christus“ geführt hatte. Und er war darüber hinaus davon überzeugt, dass die Freiheit von der Sünde, die er seit dem 24. Mai für sich beansprucht hatte, gewiss als Freiheit von der Herrschaft der Sünde, nicht

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von ihren Überbleibseln verstanden werden müsse. Und obwohl er begriff, dass er noch nicht erfahren hatte, was viele andere schon empfangen hatten, nämlich die völlige Gewissheit durch das Zeugnis des Heiligen Geistes (die in der Frucht des Geistes sichtbar wurde), konnte er sich selbst (seit dem 24. Mai) und andere, die in seiner Lage waren, nun als Christen betrachten, wenn auch im „unvollkommenen Sinn“. Sein Bruder Samuel bestritt weiterhin scharf seine Behauptung, er sei vor dem 24. Mai kein Christ gewesen, und äußerte auch erhebliche Zweifel daran, dass John nun wirklich von der Herrschaft der Sünde frei sei.

Zeitleiste 5 Das dritte Erwachen des Methodismus 1738

1739

1740 Georg II.

JW wieder in England Kurze Besuche in Oxford JW lernt Böhler kennen

JW besucht die Brüdergemeine in Herrnhut

Mit Whitefield Wesley beginnt die darf nicht mehr Erweckung in anglikanischen in Bristol Kirchen predigen JW zweifelt seine Errettung an JW reist Molther JW bricht nach Bristol trifft in mit den Cw & JW JW liest London Herrnhutern machen die Edwards‘ ein Narrative Erfahrung der Heilgewissheit „Vereinigte Gesellschaften“ JW & Böhler gründen die New Room Foundery Fetter Lane Organisation in Bristol Society Society in „Banden“ errichtet London

JW predigt über die „Errettung durch den Glauben“

JW veröffentlicht einen Auszug aus den Homilien

JW beginnt mit Predigten unter freiem Himmel

Kingswood School in Bristol

Wesley beschäftigte sich weiterhin mit der Frage der Gewissheit und begann nun, zwischen Glaubensgewissheit und Heilsgewissheit zu unterscheiden. Erstere, die Überzeugung, dass man gegenwärtig in der Vergebung lebe, war seinem Empfinden nach wichtig und gehörte möglicherweise sogar zur normalen Erwartungshaltung eines Christen. Letztere jedoch, die mit der Erwartung, bis zum Ende auszuharren, und der Verheißung, schließlich errettet zu werden, verknüpft war, kam selten vor und durfte nicht unbedingt erwartet, geschweige

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denn gefordert werden. Die „Fülle des Glaubens“, so erläuterte er Arthur Bedford, „ist nicht mehr und nicht weniger als Hoffnung: eine Überzeugung, die der Heilige Geist in uns schafft, dass wir ein gewisses Maß des wahren Glaubens an Christus haben, und dass er, der uns ja schon zur Gerechtigkeit geworden ist, uns allmählich, wenn wir fortfahren zu wachen, zu streben und zu beten, ‚zur Heiligung hier und unserer völligen Errettung hernach werden wird‘“ (Letters, 25: 564; vgl. 1 Kor 1,30). Er legt weiterhin dar, dass „diese Gewissheit ... manchen in geringerem, manchen im größerem Maß gegeben wird.“ Gewissheit war für Wesley also eine Frage der Abstufung, die man nicht mit dem Beharren bis ans Ende verwechseln durfte; Gewissheit war die tägliche Zuversicht (in kleinerem oder größerem Maß), dass man ein Kind Gottes ist. Der Gedanke an die Gefahr, wieder von Gott abzufallen, ließ Wesley Zeit seines Lebens nicht los. Am 29. Oktober hielt Wesley fest, dass er wieder „hinsichtlich seines Standes im Zweifel“ sei, besonders was seinen Glauben betreffe. Etwas Erleichterung erfuhr er durch seine Methode der Bibelbefragung, die er nun immer öfter anwandte. Er öffnete seine Bibel an der Stelle, an der Jakobus Abraham beschreibt (2, 22): „Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden.“ Welchen Trost er sich durch diese Selbstprüfungen auch zusprechen mochte, er wurde von seinen Freunden auf die Probe gestellt, vor allen Dingen von jenen, die mit den Herrnhutern in Verbindung standen. Charles Delamotte, der ihn nach Georgia begleitet hatte, sich aber nun wieder in England aufhielt und unter dem Einfluss der Herrnhuter stand, meinte zu Wesley, dass er nun sehr viel besser dran sei als damals in Savannah, weil er nun einsehe, dass er in Georgia falsch gelegen habe. Aber, so Delamotte, weiter: „Noch stehen Sie nicht richtig; Sie wissen, dass Sie damals blind waren, aber Sie sehen immer noch nicht.“ Delamotte versuchte, Wesley zu überzeugen, dass dieser noch immer auf seine eigenen Werke vertraute und nicht an Christus glaubte; dass seine Freiheit von der Sünde nur einen zeitweiligen Aufschub bedeute, keine wirkliche Befreiung; und dass dieser Frieden kein wahrer Frieden sei – „wenn der Tod herannahen sollte, werden Sie merken, dass all Ihre Ängste wiederkehren“ (J&D, 19: 363). Unter dem Druck, sich auf seinem geistlichen Weg nicht zu verirren, schrieb Wesley von London aus vier Freunden in Oxford und erkundigte sich nach dem „Zustand ihrer Seele“. Seine andauernde Faszination, was diese Art geistlicher Autobiografie betraf, führte dazu, dass er zwei dieser Antworten bei der Veröffentlichung seines Journals mit einbezog (J&D, 19: 23–26).

Das Aufkommen des Methodismus (1725–1739)

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Im Dezember 1738 verfasste Wesley einige Notizen, die eine Fortsetzung des Memorandums vom 14. Oktober darstellen und in denen er sich an denselben Erkennungsmerkmalen misst wie zuvor. Was die Freude betrifft, sehne er sich immer noch nach dem Glück eines normalen Menschen. Dies erläutert er so, dass es an seine Empfindungen im Jahr 1726 erinnert: „Ich habe mehr Freude am Essen und Trinken und an der Gesellschaft derer, die ich liebe, als an Gott.“ Er schildert seinen Fortschritt mit einem bezeichnenden biblischen Ausdruck, der noch zur vertrauten Metapher werden wird: „Die Augen meines Verstandes sind noch nicht völlig geöffnet.“ Was den zweiten Punkt, das Ziel und den Sinn seines Lebens, betrifft, ist sein Auge noch nicht lauter. Und was den dritten Punkt angeht: Seine Wünsche und Anliegen sind nicht alle neu geworden; in seinen Neigungen sind Geistliches und Natürliches miteinander vermischt. Trotzdem, andere sahen weiterhin das Licht. Tausende versammelten sich, um Whitefield predigen zu hören; die Geistlichkeit reagierte, indem sie ihm die Kirchentüren verschloss. Whitefield predigte einfach weiter unter freiem Himmel. Von diesen Entwicklungen ermutigt, wuchs die „neue Gesellschaft“ so sehr, dass Huttons Haus zu klein wurde. Am 26. Dezember verlegten sie ihre Zusammenkünfte in einen Saal in der Fetter Lane, die der Gruppe nun ihren Namen gab. Jede Gesellschaft und jede Bande hatte ihre eigenen Regeln, die ständig auf den neuesten Stand gebracht wurden. Die religiöse Gesellschaft von Islington beispielsweise besaß eine eigene Satzung, bei deren Zusammenstellung Wesley geholfen hatte. Wesleys Tagebuch sagt uns, dass er in den ersten Wochen des Jahres 1739 mehrere Male „unsere Ordnungen formuliert“ und Abschriften sowie Revisionen für die Gesellschaften und Banden angefertigt habe, darunter auch die „Regeln für die Frauen“. Diese Regeln der Band Societies, die Wesley später auf den 25. Dezember 1738 datierte (tatsächlich 1739?), stellten eine revidierte Fassung der Ordnung der Fetter Lane Society dar, die ihrerseits seit dem Gründungstreffen zwei Mal überarbeitet worden war (Societies, 9: 79). Als man zur Jahreswende in einer Nachtwache das Liebesmahl feierte, kam die Kraft Gottes „mächtig“ über die Fetter Lane-Gruppe, „so dass viele in überschäumender Freude schrien und viele zu Boden fielen“. Diese Demonstration des Wirkens des Heiligen Geistes veranlasste Wesley über seine eigene Lage nachzudenken. Innerhalb von Tagen nahm er wieder die Gelegenheit wahr, einige Notizen zur Selbstreflexion anzufertigen. Dieses Memorandum enthüllt allerdings noch ernsthaftere selbstkritische Zweifel, was die Frage der Liebe, des Friedens und der Freude betrifft; er misst sich darin an der strengen Definition eines Christen, die keine Abstufungen der Vollkommenheit zulässt, wenn sie die sichtbaren Auswirkungen betrachtet:

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Meine Freunde bestätigen, dass ich verrückt bin, weil ich sagte, dass ich vor einem Jahr noch kein Christ war. Ich bekräftige, dass ich jetzt auch kein Christ bin. Tatsächlich weiß ich nicht, was ich hätte sein können, wäre ich der Gnade treu geblieben, die mir damals [am 24. Mai] gegeben worden war, als mir, da ich nichts weniger erwartete, das Gefühl der Vergebung meiner Sünden geschenkt wurde, wie ich es noch niemals erfahren hatte. Aber dass ich heute kein Christ bin, weiß ich so sicher wie die Tatsache, dass Jesus der Christus ist. Dann fährt er auf bestechend logische Art fort, die Kriterien zu erklären, an denen er an diesem Punkt einen wahren Christen erkennt: Denn ein Christ ist jemand, der die Früchte des Geistes Christi besitzt, welche (um nur diese zu erwähnen) Liebe, Frieden und Freude sind. Doch diese habe ich nicht. Ich habe keine Liebe zu Gott. ... In diesem Augenblick spüre ich nicht, dass ich Gott liebe; und das weiß ich deshalb, weil ich es spüre. ... Noch einmal: Ich habe auch nicht die Freude im Heiligen Geist. ... Und noch einmal: Ich habe auch nicht den „Frieden Gottes“. .. Daraus schließe ich ..., obwohl ich alle meine Güter gegeben habe und immer noch gebe, um die Armen zu speisen, dass ich kein Christ bin. Obwohl ich Schweres ertragen habe, obwohl ich mich in allen Dingen verleugnet und mein Kreuz auf mich genommen habe, bin ich kein Christ. ... Meine Werke sind ein Nichts, meine Leiden ein Nichts; ich habe nicht die Früchte des Geistes Christi. Obwohl ich zwanzig Jahre alle Gnadenmittel in Anspruch genommen habe, bin ich kein Christ (J&D, 19: 29–31).

Wesley scheint hier wieder die Notwendigkeit einer völligen Glaubensgewissheit anzunehmen, die nicht nur jeden Zweifel und jede Furcht ausschließt, was den gegenwärtigen Zustand der Errettung betrifft, sondern ebenso jede Sünde, was sich in der Anwesenheit vollkommenen Friedens, vollkommener Liebe und Freude als der Früchte des Geistes zeigt. Er sieht den Heiligen Geist nun in einer zentralen Rolle, als Quelle der Selbsterkenntnis (direkte innere Klarheit – Zeugnis des Geistes, die Basis für die Behauptung der Gewissheit) sowie als Quelle der Früchte (indirekte äußere Gewissheit – Früchte des Geistes, die Basis für die Bestätigung der Gewissheit). Der echte Christ ist der vollkommene Christ, und Wesley zögert zu dieser Zeit nicht, die Merkmale eines Methodisten (d.h. eines „echten Christen“) mit diesen Begriffen zu umreißen, nämlich als jemanden, bei dem „die Liebe Gottes ausgegossen ist in sein Herz durch den Heiligen Geist“ (Röm 5, 5). Obwohl Wesley beginnt, qualitative Unterschiede und Ebenen bei der Definition der Merkmale eines Christen zuzulassen, zielen seine Predigten doch im Allgemeinen darauf ab, dass der „Ganz-und-garChrist“ der „wahre“ Christ ist und der „Beinahe-Christ“ überhaupt kein richtiger Christ ist. Um es anders zu formulieren (in Begriffen, die er damals noch nicht gebrauchte): Die schwer zu beantwortende Frage lautet, ob der einzig „wahre“ Christ der völlig geheiligte Christ ist. Wesley hatte zu dieser Zeit weder die Folgerungen, die sich in die-

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ser Beziehung aus seinen Ideen ergaben, noch den sorgfältigen Gebrauch seiner Terminologie vollständig herausgearbeitet. Im Januar 1739 trifft er die wesentliche Unterscheidung zwischen der „Wiedergeburt im geringeren Sinn“ und „im vollen Sinn des Wortes“. Was er beschreibt – ohne diese Terminologie zu benutzen – ist der Unterschied zwischen Rechtfertigung und Heiligung: Vergebung der Sünden im Gegensatz zu einem grundlegenden, innerlichen Wandel durch die Liebe Gottes, die in unser Herz ausgegossen wird. Daraus lässt sich folgern, dass letzterer, der im höheren Sinn Wiedergeborene, der echte Christ ist. Doch es ist bedeutsam, dass Wesley nun allmählich Abstufungen zulässt („im geringeren Sinn“), statt einfach eine Entweder-oder-Position zu vertreten. Seine ausgereifte Theologie wird auf diesem „Sowohl – als auch“ der Rechtfertigung und der Heiligung ruhen, die er hier erst auszuloten und zu entwickeln beginnt. Wesley fuhr trotzdem fort, in den Gesellschaften von London und Oxford die zentrale Bedeutung des „Zeugnisses des Geistes“ zu predigen. In ihm wuchs sogar noch die Überzeugung, dass diese Lehre wahr sei, und zwar durch etwas, was er später „lebende Argumente“ nennen sollte. Die Lektüre von Edwards’ Bericht über Gottes Wirken in Neuengland hatte ihm die Möglichkeiten des göttlichen Handelns unter den Menschen gezeigt. . Nun wurde das Wirken des Geistes im Leben seiner eigenen Zuhörer deutlich. Er erwähnt besonders einige Frauen, die auf das Wirken des Geistes als Folge seiner Predigten in Oxford reagierten. Im Dezember 1738 erfuhr eine von ihnen im St. Thomas-Arbeitshaus Befreiung von ihren unkontrollierten Wutausbrüchen, und eine andere Frau in Mr. Fox‘ Gesellschaft „empfing das Zeugnis, dass sie Gottes Kind sei“. Im März 1739 ließ sich Mrs. Compton, die „sich über die Maßen über diesen neuen Weg aufregte und ihn mit Eifer bekämpfte“, von Wesleys Argumenten so sehr beeindrucken, dass sie noch zorniger wurde. Doch als er mit ihr zu beten begann, erfuhr sie bald das Zeugnis des Geistes und rief aus: „Jetzt weiß ich, dass mir um Christi Willen vergeben wurde.“ Geistliche Inspiration dieser Art rief allerdings auch Gegner auf den Plan. Wesley war im Einzelfall nicht leichtgläubig, sondern neigte dazu, nach dem biblischen Vorbild die „Geister zu prüfen“, um zu „sehen, ob sie von Gott sind“ (1 Joh 4,1). Im Januar 1739 besuchte er eine Zusammenkunft, die von einem der „französischen Propheten“ geleitet wurde. Doch nachdem er das Treffen ein oder zwei Stunden beobachtet hatte, hatte er nicht das Gefühl, zu einem eindeutigen Schluss kommen zu können. Er wies darauf hin, dass „jeder Mensch mit einem funktionierenden Verstand, der sich gut in der Bibel auskennt“, dasselbe gesagt haben könnte und dass die Körperbewegungen auch leicht als „hysterisch oder künstlich herbeigeführt“ zu deuten seien. Sein Ratschlag für

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solche Situationen lautete, dass man „über den Geist, durch den jemand spricht, nicht anhand von Äußerlichkeiten oder dem, was die Leute darüber erzählen, oder anhand seiner eigenen Gefühle urteilen darf ... sie alle waren als solche von zweifelhafter, fragwürdiger Natur ... und deshalb konnte man sich nicht einfach auf sie verlassen ... sondern musste sie noch weiter auf die Probe stellen und der einzigen sicheren Prüfung unterziehen – dem Gesetz und dem Zeugnis.“ Und Wesley schließt mit einem Zitat aus der Apostelgeschichte, das beispielhaft seine eigene Neigung deutlich macht, so zu handeln, als ob er tatsächlich in der apostolischen Zeit lebte: „Ich ließ die Sache auf sich beruhen, weil ich wusste: Ist es nicht von Gott, ‚so wird’s untergehen‘“ (Apg 5, 38). Dieser Ratschlag sollte für Wesley noch wichtiger werden, als er das Wirken des Heiligen Geistes im Leben der wahren Gläubigen immer mehr betonte. Gleichzeitig versuchte er aufzuspüren, ob die äußeren Kennzeichen authentisch waren, wie man die inneren Kennzeichen voneinander unterscheiden konnte und was diese beiden Arten von Kennzeichen überhaupt zu bedeuten hatten. Diese Fragen sollten bald noch viel wichtiger werden, als die methodistische Bewegung ihre Säle verließ und auf die Straßen und Felder zog. Whitefield, der in dieser Hinsicht beispielgebend war, ermutigte Wesley, wenn er auch übertrieb, wie es für ihn typisch war: „Ich juble aufrichtig über Ihren unermüdlichen Eifer und großen Erfolg bei der Verkündigung des Evangeliums unseres lieben Erlösers.“ Ende März sandte er weitere Lobesworte aus Bristol, denen eine Bitte angehängt war: „Ich juble über den Erfolg, den Gott Ihnen in Oxford und an anderen Orten geschenkt hat. ... Ich wünsche mir, dass Sie Ende der nächsten Woche hierher kommen.“ Um diesem Punkt Nachdruck zu verleihen, fügte er in einem Postskriptum hinzu: „Es wird in der Zeitung von heute angezeigt“ (Letters, 25: 604, 611–612). Als Wesley sich auf den Weg nach Bristol machte, hatte er keine Vorstellung, was ihn dort erwartete. Doch allmählich klärte sich für ihn seine Berufung und Rolle innerhalb der Kirche. Mit einem Brief, den er einem engen, aber kritischen Freund schrieb, wehrte er sich gegen den Vorwurf, er solle sich lieber in einem College oder einer Gemeinde niederlassen und aufhören, in die Gemeinden anderer Geistlicher einzudringen, indem er reihum die verschiedenen religiösen Gesellschaften von London und Oxford besuchte. Seine Antwort war so schlicht wie denkwürdig: „Ich betrachte die ganze Welt als meine Gemeinde; und damit meine ich, dass ich es, in welchem Teil von ihr ich mich auch befinde, für recht, billig und meine Pflicht erachte, jedem, der es hören will, die frohe Botschaft der Errettung zu verkündigen“ (Letters, 25: 616). In Bristol sollte dieses Prinzip auf die Probe gestellt werden.

Das Aufkommen des Methodismus (1725–1739)

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Whitefield hatte in England die Leitung von Wesley übernommen, als dieser nach Georgia ging. Das erste Erwachen des Methodismus in Oxford hatte die Welt mit einer Gruppe von pflichtbewussten Studenten bekannt gemacht, die Disziplin in ihrem Glaubensleben anstrebten und von einer meditativen Frömmigkeit geprägt waren, die zu innerer und äußerer Heiligkeit führen sollte. Sie folgten einer Theologie, in der sich die eklektischen Tendenzen der Tradition des heiligen Lebens manifestierten. Sie waren in einem System organisiert, das sich auf miteinander verbundene Kleingruppen stützte, die Regeln und Vorsätze gemeinsam hatten, mit denen sie die schriftgemäße Theologie in ihrem Alltagsleben verankern wollten. Diese Bewegung stand fest in der Tradition der religiösen Gesellschaften innerhalb der Kirche von England. Whitefield stieß recht spät zu dieser Gruppe und begleitete die Ausbreitung der Bewegung über Oxford hinaus. Whitefield hatte wiederum in Amerika die Leitung von Wesley übernommen, als John nach England zurückkehrte. Das zweite Erwachen des Methodismus in Georgia war in dieser Situation, die von politischen und persönlichen Spannungen geprägt wurde, nur begrenzt erfolgreich, auch wenn es von einigen interessanten Innovationen begleitet war. Der Versuch, eine Spielart hochkirchlicher meditativer Frömmigkeit in einer Kolonie anzusiedeln, die sich bemühte, grundlegende Errungenschaften der Zivilisation und eine gewisse Ordnung aufrechtzuerhalten, fand in der Bevölkerung, die kaum religiöse Neigungen hatte, keine große Anhängerschaft. Das Stigma lästiger Fanatiker, das Wesleys Gefolgsleuten in der Kolonie anhing, wurde durch Whitefield alles andere als beseitigt. Er schien sich mehr für sein persönliches Projekt, das Waisenhaus, zu interessieren als für die Entwicklung der Religionsgemeinschaft in der Kolonie. Whitefield scheint darüber hinaus die Zerstreuung der Methodisten aus der Kolonie Georgia beaufsichtigt und einige von ihnen mitgenommen zu haben, als er durch den Küstenstreifen über Virginia nach Pennsylvania zog, Auf der anderen Seite hatte Wesley in London einige Leitungsaufgaben von Whitefield übernommen, als dieser nach Amerika ging. Das dritte Erwachen des Methodismus, die Fetter Lane Society, war das Ergebnis einer Kombination von verschiedenen Einflüssen – anglikanischen, methodistischen und herrnhutischen. Der Geist der Erneuerung, der sich unter den Gesellschaften auszubreiten begann, wurde durch Whitefields Predigten begünstigt, und die Gesellschaften, die von Hutton, Böhler und Wesley ins Leben gerufen worden waren, profitierten von Whitefields Arbeit. Whitefield war ein feuriger Redner, und die öffentliche Reaktion auf seinen evangelistischen Eifer machte ihn zum Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Wenn die Bischöfe die Methodisten angriffen hatten sie zu diesem Zeitpunkt Whitefield im

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2. Kapitel

Auge. Wesley engagierte sich auf stillere Art in den Gesellschaften und stand deshalb nicht so sehr im Mittelpunkt der samkeit. Doch führten sein organisatorisches Interesse und Können zu konkreteren Ergebnissen. Wesley trug dazu bei, die Arbeit der Methodisten und der Herrnhuter im Rahmen der Strukturen der Kirche von England zu konsolidieren. Doch seine eigenen geistlichen Schwierigkeiten und Probleme ließen nicht zu, dass er so überschwänglich und voller Vertrauen war wie Whitefield. Still arbeitete Wesley seine Theologie weiter aus, und das im Kontext seines eigenen geistlichen Wegs und unterstützt von der gegenseitigen Ermutigung und Erbauung der kleinen Gruppen von Gläubigen. Jetzt wurde Wesley von Whitefield gebeten, sich einem weiteren Missionsfeld zuzuwenden – Bristol.

Kapitel 2 – Literaturangaben Cambridge, Walsh, John, „The Cambridge Methodists“, in Christian Spirituality, London 1975. CWJ – Wesley, Charles, The Journal of the Rev. Charles Wesley, herausgegeben von Thomas Jackson, 2 Bände., London 1849. Egmont – John Percival, Earl of Egmont, Diary, 3 Bände, London 1928. EMW – Heitzenrater, Richard P., The Elusive Mr. Wesley, 2 Bände, Nashville 1984. Hutton, James, „James Hutton’s Account of ‚The Beginning of the Lord’s Work in England to 1741‘“, WHS 15 (1926). Ingham – Ingham, Benjamin, Diary of an Oxford Methodist: Benjamin Ingham, 1733–1734, herausgegeben von Richard P. Heitzenrater, Durham 1985. J&D – Journal and Diaries, herausgegeben von W. Reginald Ward und Richard P. Heitzenrater, Nashville ab 1988; Bände 18–24 der Bicentennial Edition von The Works of John Wesley JWJ – Wesley, John, The Journal of the Rev. John Wesley, herausgegeben von Nehemia Curnock, 8 Bände, London 1909–1916 Letters – Wesley, John, Letters, herausgegeben von Frank Baker, Oxford/Nashville 1980ff, Bände 25–31 der Gesamtausgabe Works. Memorials – Stevenson, George J., Memorials of the Wesley Family, London, 1876. Moore, Henry, The Life of the Rev. John Wesley, 2 Bände, London 1824. OM – Tyerman, Luke, _The Oxford Methodists, New York 1873. Schmidt, Martin, John Wesley; a Theological Biography, 2 Bände, London 1963–1973 Sermons – Wesley, John, Sermons, herausgegeben von Albert C. Outler, Nashville 1984– 1987, Bände 1–4 der Gesamtausgabe Works. Watson, David L., The Early Methodist Class Meeting, Nashville 1985. Whitefield, George, George Whitefield’s Journals, London 1960.

3. Kapitel Die Erweckung beginnt (1739–1744)

Die Erweckung in England war Teil einer größeren weltweiten Bewegung, die durch die Besinnung auf den heiligen Geist angestoßen worden war. Der deutsche Pietismus des späten siebzehnten Jahrhunderts und die amerikanische Große Erweckung des frühen achtzehnten Jahrhunderts gehörten zu den Vorläufern der englischen Erweckung. Kennzeichen dieser Bewegungen waren gehaltvolle Predigten, Bekehrungen und eine Reihe von Manifestationen geistlicher Vitalität, die von vertiefter individueller Frömmigkeit bis zum enthusiastischen Gruppenrausch reichten. Auf den Britischen Inseln hatte man bereits vorher einige der charakteristischen Züge der wesleyanischen Erweckung erlebt. Seit den 1670er Jahren hatten die religiösen Gesellschaften einige ernsthafte Versuche unternommen, das religiöse Leben innerhalb der Kirche von England zu erneuern, indem sie örtliche und landesweite Programme zur christlichen Unterweisung sowie zur Verlags- und Missionsarbeit ins Leben gerufen hatten. Schon vor 1720 konnte man in Wales einen Wanderprediger unter freiem Himmel hören, Griffith Jones, dem Wesley das erste Mal während seiner Zeit in Oxford begegnet war und der ein enger Freund von Whitefield und den Wesleys wurde. Die eigentliche Erweckung in Wales begann um 1735 mit der Bekehrung von Howell Harris und Daniel Rowland. Und die Welle geistlicher Erweckungen erreichte Cornwall und Schottland, bevor Wesley dort eintraf. John Wesley selbst war natürlich nicht der erste Methodist, der ein Bekehrungserlebnis gehabt hatte. Whitefield, Ingham und selbst sein jüngerer Bruder Charles hatten bereits vor John ein typisches Bekehrungserlebnis gehabt. Und Whitefield ging ihm auch auf die „Felder“ voran, als er im Februar 1739 in der Nähe von Bristol unter freiem Himmel (vor den Bergleuten von Kingswood) predigte. Obwohl sich John Wesley zu dieser Zeit in verschiedenen religiösen Gesellschaften von London und Oxford engagierte und immer noch in vielen Kirchen in London und Umgebung predigte, war Whitefield der

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3. Kapitel

George Whitefield

Die Erweckung beginnt (1739–1744)

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temperamentvollere Prediger. Er zog deshalb mehr Aufmerksamkeit auf sich und wurde zur Zielscheibe anti-methodistischer Literatur. In der Zwischenzeit weitete Wesley seine Kontakte zu den religiösen Gesellschaften in Südengland aus. Darunter befanden sich auch neue Gruppen, wie etwa die in Reading, die von John Cennick gegründet worden war. Cennick war 1737 von den Methodisten in Oxford beeinflusst worden, als John Wesley sich noch in Georgia aufhielt. Zwischen Wesley und Whitefield war es bereits wegen unterschiedlicher Methoden und theologischer Auffassungen zu Spannungen gekommen, doch der allzeit überschwängliche Whitefield neigte dazu, Johns Kritik mit Dankes- und Lobesworten beiseite zu wischen. Ende März 1739 bat Whitefield (der nach Wales weiterreisen wollte) Wesley, nach Bristol zu kommen, um dort seinen Platz in den Gesellschaften einzunehmen, wobei er bemerkte, dass „viele reif für die Banden“ seien. Whitefield sah durchaus seine eigenen Grenzen im Bereich der Organisation, konnte aber auch auf subtile Art seinen eigenen Vorrang herausstellen: „Auch wenn Sie nach mir kommen, wünsche ich Ihnen von Herzen, dass Sie mir vorgezogen werden.“ (Letters, 25: 612)

Die Erweckung in Bristol John machte sich im März 1739 auf den Weg nach Bristol. Die kleine Stadt war das aufstrebende Handelszentrum im südwestlichen England; sie war dabei, zur führenden Provinzstadt des Königreichs und zur wichtigsten Hafenstadt für den Handel mit Nordamerika und den westindischen Inseln heranzuwachsen. Ihre Kaufleute importierten Tabak und Zucker, während sie Fertigerzeugnisse und afrikanische Sklaven exportierten. Die Stadt mit fast 50 000 Einwohnern, etwa ein Zehntel so groß wie London, hatte eine großartige Kathedrale und war von Kohlebergwerken umgeben, wichtig für die an Schwung gewinnende industrielle Revolution mit all ihren Problemen und Möglichkeiten. Wie sich herausstellte, kam es Wesley in Bristol weniger auf seine Vorrangstellung an als auf eine angemessene Methode. Als er erfuhr, dass Whitefield Gottesdienst unter freiem Himmel abgehalten hatte, konnte er sich „zunächst kaum mit dem Gedanken anfreunden, dass man auf so seltsame Weise auf den Feldern predigte“ (J&D, 18: 612). In seinem Journal vermerkte er, dass er sein ganzes Leben beharrlich an jedem Punkt, der mit Anstand und Ordnung zu tun hatte, festgehalten hatte, sodass er es fast für eine Sünde gehalten hätte, Seelen

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3. Kapitel

zu retten, wenn dies nicht in einer Kirche vonstatten gegangen wäre. Unter freiem Himmel zu predigen war in England zwar nicht verboten, doch äußerst ungewöhnlich. Man brachte dies mit den häretischen „Armenpriestern“ der vorreformatorischen Lollarden und Dissenters aus späterer Zeit in Verbindung. Wesleys Predigttext für Sonntag, den 1. April, aus der Bergpredigt lenkte seine Aufmerksamkeit auf „einen recht bemerkenswerten Präzedenzfall für Feldpredigten“. An diesem Nachmittag sah er Whitefield von einem „kleinen Hügel“ auf dem Rose Green vor etwa dreißigtausend Menschen predigen! Am folgenden Nachmittag ließ er sich selbst „zu dieser ‚Abscheulichkeit‘ hinab“, ebenfalls unter freiem Himmel zu predigen. Wesleys Tagebuch berichtet, dass „drei- bis viertausend“ Menschen seine Predigt im Freien, hörten – „im Glashaus“, das er ab der darauf folgenden Woche die „Ziegelei“ nannte. Im Lauf der nächsten Tage wiederholte sich die Szene in und um Bristol an verschiedenen Schauplätzen: Baptist Mills, Hanham Mount, dem Two Mile Hill in Kingswood, Rose Green, Bath und Pensford. Die Zuhörerzahl bewegte sich im April bei diesen Freiluftversammlungen zwischen ein- und siebentausend („durch Berechnung ermittelt“, wie Wesley notierte, auch wenn er uns die Formel nicht mitteilt). Zwischen diesen großen Versammlungen traf sich Wesley weiterhin mit den in Bristol ansässigen Gesellschaften in der Baldwin Street, Nicholas Street, Back Lane und der Weavers‘ Hall. Darüber hinaus predigte er in einigen Kirchengemeinden in der Umgebung wie auch in der Kapelle des NewgateGefängnisses und dem Armenhaus in der Lawford’s Gate. Die Predigten unter freiem Himmel wurden Feldpredigten genannt, auch wenn sie nicht unbedingt auf einem Feld gehalten wurden. Jeder Platz unter freiem Himmel genügte, solange sich Leute versammeln und den Prediger hören konnten. Auf diese Weise konnte den Menschen das Evangelium dorthin gebracht werden, wo sie sich aufhielten – Menschen, die zur festgesetzten Gottesdienstzeit keine Kirche besuchen konnten oder wollten. Wesley fand bald heraus, dass Friedhöfe ein geeigneter Ort waren, mit einem Grab als Podest und einer Kirche im Hintergrund, die als Resonanzfläche diente. Marktplätze, umgeben von Gebäuden und oft mit einem Marktkreuz versehen, gaben ein sogar noch besseres Amphitheater ab. Stand Wesley auf den Stufen des Marktkreuzes, konnte man ihn gut sehen und hören. Manche Bäume waren so geformt, dass sie den Schall unter ihren Ästen verstärkten, und Kohlegruben waren wie maßgeschneidert für die Aufnahme einer großen Zuhörerschaft. Einmal berichtet Charles, dass er von „Whitefields Kanzel, der Mauer“ gepredigt habe. In seinem Journal hält Wesley fest, dass er während seines ersten Monats in Bristol bei seinen Feldpredigten insgesamt 47 500 Zuhörer

Die Erweckung beginnt (1739–1744)

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gehabt habe, was (nach seiner Schätzung) einem Durchschnitt von 3 000 entsprach. Im folgenden Monat hörten sogar noch mehr Menschen die Predigten unter freiem Himmel – nur etwa ein Jahr nach Aldersgate predigte Wesley auf dem Rose Green vor zehntausend Menschen. Im darauf folgenden Monat, als er zwischen London und Bristol hin und her pendelte, predigte er in Blackheath und auf der Kennington Common vor fünfzehntausend Menschen. Whitefield zog sogar noch mehr Menschen an: Im Juli versammelten sich einmal siebzehntausend Menschen auf dem Rose Green, um Whitefield zu hören. Charles Wesley empfand einige Skepsis angesichts dieser Massenversammlungen, vor allem, was die ihm berichteten Zuhörerzahlen betraf. Dies änderte sich, als er am 24. Juni in Moorfield vor einer Menschenmenge predigte, die er auf 10 000 Zuhörer schätzte. Das trieb ihm alle Skrupel aus – solch eine Arbeit entsprach tatsächlich Gottes Willen (CWJ, 1: 155). Im September predigte Wesley in und um London herum vor riesigen Menschenmengen, die zwischen zwölfund zwanzigtausend Köpfe zählten. Das waren nicht so viele Zuhörer, wie zu Whitefields Predigten kamen (er sprach zu diesem Zeitpunkt oft vor dreißigtausend Menschen), doch immer noch eine bemerkenswerte Anzahl, wenn man bedenkt, dass Wesley als Prediger weder so bekannt war, noch so lebendig sprach wie Whitefield. Die Größe dieser Menschenmengen überrascht nicht so wie die relativ kleine Zahl von Menschen, die tatsächlich einer der religiösen Gesellschaften angehörten. In dieser Zeit organisierte und veranstaltete Wesley täglich „Banden-Treffen“ und besuchte abends reihum die Versammlungen der verschiedenen Gesellschaften. Auch wenn seine Schilderung einiger dieser Zusammenkünfte darauf hindeutet, dass die Häuser, in denen sie sich trafen, für die Teilnehmer zu klein wurden, umfasste die typische Gesellschaft höchstens einige Dutzend Mitglieder. In der für ihn charakteristischen Weise beeilte sich Wesley, an seinem dritten Tag in Bristol „Ordnungen“ für die Banden herauszugeben, wobei er wahrscheinlich auf Vorlagen zurückgriff, die er drei Monate zuvor für die Londoner Banden erarbeitet hatte. Anders als man manchmal den Eindruck hat, geschah es hauptsächlich in den Gruppentreffen und nicht bei den großen Predigtgottesdiensten unter freiem Himmel, dass Menschen Vergebung der Sünden empfingen oder „getröstet“ wurden. Wesley selbst berichtet von vielen Gelegenheiten, dass Menschen wie „vom Donner gerührt waren“, „vom Schwert des Geistes verwundet“, „von starken Schmerzen ergriffen“, „ins Herz“ getroffen wurden oder „zu Boden sanken“. Bald erzählte man sich, dass die Menschen bei den Zusammenkünften der Gesellschaften „eigenartige Anfälle bekämen“; dasselbe geschah gelegentlich auch bei den öffentlichen Gottesdiensten in Newgate und anders-

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wo. Wesley hörte, dass viele an diesen äußerlichen Manifestationen von Gottes Macht Anstoß nahmen, erklärte aber, dass die betroffenen Menschen durch Gebet Erleichterung erführen und zu Frieden und Freude geleitet würden. Charles neigte dazu, einen solchen Menschen mit dem vertrauten Ausdruck zu beschreiben: „ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist“ (CWJ, 1: 149, 157).

Kennington Common, eine südwestlich der London Bridge gelegene Wiese, war einer der Orte unter freiem Himmel, wo sich Zehntausende versammelten, um Whitefield und die Gebrüder Wesley predigen zu hören.

Die Geistlichen am Ort betrachteten diese Aktivitäten der geistlichen Besucher ganz natürlich als unwillkommene, wenn nicht sogar illegale Einmischung in das Gemeindeleben der Stadt. Josiah Tucker, Pfarrer der All Saints („Allerheiligen“)-Kirche in Bristol, gehörte zu den ersten, die Whitefield und Wesley in gedruckten Schriften angriffen. Er attackierte ihre Methoden wie auch ihre Theologie. Es war schwierig, beide mit derselben theologischen Klappe zu schlagen, da Wesley sich entschieden von Whitefields Calvinismus distanzierte. John glaubte an die universale Versöhnung und die christliche Vollkommenheit. Er hielt häufig (und veröffentlichte schließlich auch) eine Predigt über das Thema „Freie Gnade“ (über Röm. 8,32), an die sich Charles‘ Lied über „universale Erlösung“ anschloss. Wesleys Erwiderung, mit der er sich gegen Tucker und später auch Joseph Butler, den Bischof von Bristol, zur Wehr setzte, lehnte sich in der Argumentation

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an einen Brief an, den er einem gleichermaßen kritischen Freund geschrieben hatte: Gott hat mich berufen, das Evangelium zu predigen, und als Fellow eines Colleges bin ich nicht für eine bestimmte Pfarrgemeinde ordiniert worden, sondern für die ganze Kirche von England; daher beschränkt sich mein Dienst nicht auf die Grenzen eines Gemeindebezirks, sondern „ich betrachte die ganze Welt als meine Gemeinde“. Die Schlussfolgerung liegt klar auf der Hand. Wesley glaubte, seine Berufung und Ordination zwängen ihn, Pfarrgrenzen und dem normalen Gemeindeprotokoll keinerlei Beachtung zu schenken, wenn er versuchte, Gottes Auftrag zu erfüllen und das Evangelium zu verkünden. Dieser Gedankengang würde später auch dem methodistischen System der Wanderprediger zu Grunde liegen: Gott legt den Umfang der Predigt- und Missionstätigkeit fest. Zu dieser Zeit wandte man den Ausspruch „Ich betrachte die ganze Welt als meine Gemeinde“ auf eine ganz bestimmte Situation an, nämlich auf Pfarrgrenzen und Eigentumsansprüche. Doch eine solch schlagkräftige Terminologie sollte natürlich noch weitere Bedeutungen bekommen (EMW, 2: 107). Was seine Theologie betrifft, verteidigt Wesley nicht nur seinen Arminianismus und weist jede Verantwortung für das, was Whitefield predigt, zurück, sondern fährt auch einen Gegenangriff gegen Tucker. Er bezichtigt ihn vor dem Bischof der Verbreitung von Irrlehren, weil er, zwar nicht ausdrücklich, aber doch indirekt die Rechtfertigung durch gute Werke lehre (J&D, 19: 473). In seinem Journal hält Wesley fest, dass mit den Ereignissen in Bristol „eine neue Zeit“ in seinem Leben angebrochen sei, und so war es auch. Der gelehrte Dozent, der auf der Suche nach einem bedeutungsvollen Glauben einige Studenten um sich gesammelt hatte, um in Oxford eine meditative Frömmigkeit zu pflegen, der anglikanische Priester, der sich abmühte, den raubeinigen Kolonisten in einer abgelegenen Gemeinde in Georgia religiöse Disziplin einzutrichtern, der suchende Christ, der fast ein Jahr zuvor in der Aldersgate Street Glaubensgewissheit erfahren hatte, hatte die vorhergehenden Monate damit zugebracht, inmitten der nicht nachlassenden Zweifel geistliche Gewissheit zu finden. Während dieser Zeit besuchte und ermutigte er weiterhin kleine Gruppen von Freunden in den religiösen Gesellschaften von London und Oxford. Jetzt sah John Wesley in Bristol, dass der Geist so wirkte, wie er es bisher nur aus Jonathan Edwards’ Schilderung der Erweckung in Neuengland kannte. Als die Menschen auf seine Predigten antworteten, insbesondere auf seine Botschaft der Errettung durch Glauben, spürte er, wie sein Glaube und seine Hoffnung auf Gottes Gnade bekräftigt wurden. Sein Bruder Charles feierte den ersten Jahrestag seiner eigenen Bekehrung im Mai, indem er ein siebzehnstrophi-

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ges Gedicht verfasste, dessen siebte Strophe mit den Worten begann: „O for a thousand tongues to sing my dear redeemer’s praise“ (deutsche Fassung: „Mein Mund besinge tausendfach den Ruhm des Herrn der Welt“, GB-EmK 1). Charles fand auch poetische Worte für die öffentliche Reaktion auf ihre Predigttätigkeit: „Gott hat sein Siegel auf meinen Dienst gesetzt“ (CWJ, 1: 129). Unter den Tausenden von Zuhörern begann die Saat der methodistischen Erweckung auf eine Art und Weise aufzugehen, die Wesley weder erwartet noch vorher erlebt hatte. Die Wesley-Brüder machten auch weiterhin Phasen der Anfechtung und Verzweiflung durch, wie auch Charles anmerkt: „Gott wirkt immer noch durch mich, doch nicht in mir“ (CWJ, 1: 159). Doch auch wenn sie die gleiche Widerwilligkeit wie Hiob empfanden, schien das die Früchte ihrer Arbeit nicht zu verringern.

Die Vereinigten Gesellschaften Die Gesellschaften in Bristol wurden allmählich zu groß, um in den Häusern Platz zu finden, wo sie zusammenkamen. Im Mai erwarben die beiden größten Gesellschaften (Nicholas Street und Baldwin Street) ein Grundstück, um darauf ein Haus zu errichten, das groß genug war, um beide zu beherbergen. Wesley entschloss sich, sie dabei finanziell zu unterstützen, als die Mitgliedsbeiträge die Kosten bei weitem nicht deckten. Er unternahm auch einen entscheidenden Schritt, indem er den bisherigen Treuhändern die Geschäftsführung (und die finanzielle Verantwortung) aus der Hand nahm, weil er sich Whitefields Warnung zu Herzen genommen hatte, dass diese ihn andernfalls des Hauses verweisen könnten, wenn ihnen seine Predigten nicht mehr gefielen (J&D, 19: 56). Dieses Arrangement wurde akzeptiert, und das Gebäude, das John „unseren Saal“ nannte (später der New Room – „der neue Saal“) wurde in Horsefair am nordöstlichen Stadtrand errichtet. Die Gesellschaften in Bristol, London und Oxford bezeichneten sich zu dieser Zeit nicht als entschieden „methodistische“ Bewegung, selbst wenn sie mit so bekannten Methodisten wie Wesley oder Whitefield in Verbindung standen. Viele Gesellschaften, die Wesley damals leitete oder besuchte, trugen keine eindeutig „methodistischen“ Züge, sondern hatten mit den traditionellen religiösen Gesellschaften innerhalb der Kirche von England noch das meiste gemeinsam. „Methodist“ wurde bis jetzt weder von einer Gesellschaft oder einem Zusammenschluss von Gesellschaften als Selbst-Bezeichnung verwendet, sondern hauptsächlich von Gegnern gebraucht, um damit (herabsetzend) eine besondere Gattung von fanatischen Evangelikalen zu bezeichnen. Wenn eine

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bestimmte Gesellschaft lediglich mit den Wesleys oder Whitefield in Verbindung stand, wurde sie dadurch nicht automatisch „methodistisch“. Charles Wesley jedenfalls war nicht bereit, sich selbst so zu bezeichnen. Als man im Dezember 1738 den „Methodisten“ verbot, in der Londoner St. Antholin’s Church zu predigen, entgegnete Charles dem Geistlichen auf die Frage „Bezeichnen Sie sich selbst als Methodisten?“: „Nein; doch die Welt mag mich nennen, wie sie will.“ (CWJ, 1: 139). Er erhielt die Erlaubnis zu predigen. Die Banden gediehen mit dem Wachstum der Gesellschaften. Sie waren in diesem Kontext deutlicher an Wesley orientiert als die Gesellschaften insgesamt. Ähnlich wie bei den Kleingruppen der Oxford-Methodisten war bei ihnen auch der Einfluss der Herrnhuter spürbar. Es handelte sich um kleine Der New Room in Bristol wurde im Einklang Gruppen von fünf bis zehn mit den Vorschriften für VersammlungsräuPersonen, die sich freiwillig me der Dissenters in einiger Entfernung von zusammenschlossen, um der Straße errichtet, obwohl man ihn zunächst nicht als solchen registriert hatte. ein intensives geistliches Leben zu führen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie trafen sich, um einander die Sünden zu bekennen und miteinander zu beten; ihr Ziel war geistliches Wachstum. Jede Bande hatte nach herrnhutischem Muster eine homogene Mitgliedschaft: Es gab Frauenbanden, Männerbanden und sogar Kinderbanden in Bristol. Außer nach Geschlechtern wurden nach Familienstatus getrennt – ledige Männer, verheiratete Frauen usw. Hinter dieser genauen Aufteilung steckte die Absicht, innerhalb der Banden größtmögliche Offenheit und Vertrautheit zu ermöglichen. Die drei oder vier Gesellschaften, die in London, Oxford oder Bristol am engsten mit den Wesleys in Verbindung standen, zeichne-

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ten sich dadurch aus, dass sie sich auf die Entwicklung der Banden konzentrierten, die das Kernstück der Gesellschaften darstellten. Nicht jeder, der an den Zusammenkünften der Gesellschaften teilnahm, gehörte einer Bande an, doch jedes Bandenmitglied gehörte auch zur Gesellschaft. Wesleys Banden unterschieden sich leicht vom Vorbild der Herrnhuter, wo man voraussetzte, dass jedes Mitglied die Erfahrung der Gewissheit gemacht hatte und deshalb dauerhaft frei von Sünde, Furcht und Zweifeln war. Wesleys Theologie, die sich auf seine eigenen Erfahrungen wie auch auf biblische Lehren gründete, ließ auch unter den gerechtfertigten Zweifel und geistliche Durststrecken zu, in denen die Gläubigen Anfechtungen ausgesetzt waren. Wesley begann zu begreifen, dass die Rechtfertigung nicht einfach eine einmalige Formalität ist, bei der dem Gläubigen Christi Gerechtigkeit zugesprochen wird. Vielmehr verstand er jetzt, dass es für die meisten Menschen schwierig war, das Geschenk der Gerechtigkeit (Heiligkeit) festzuhalten und in sich Gestalt gewinnen zu lassen. Wesley arbeitete allmählich die Beziehung zwischen Rechtfertigung (was Gott für uns tut, die Vergebung der Sünden) und Heiligung (was Gott in uns tut, Heiligkeit der Lebensführung) heraus. Die grundlegende Veränderung, die sich daraus ergeben konnte, dass Christi Gerechtigkeit dem Gläubigen zugesprochen wurde, war keine einmalige Erfahrung, sondern eine Sache von täglicher Bedeutung und (hoffentlich) stetem Wachstum. Wesleys Banden waren daher nicht so sehr geistliche Elitegruppen, in denen der Leiter das Beharren der Heiligen in der Gnade überwachte, sondern vielmehr kollegiale Gruppen, die die gegenseitige Förderung betonten, indem sie einander Rechenschaft ablegten, Sünden bekannten und durch christliche Gemeinschaft in der Gnade wuchsen. Wesleys Regeln für diese Banden waren eine modifizierte Ordnung der Fetter Lane Society; sie stellten den Bandenmitgliedern detailliertere Fragen, wenn sie über ihren Stand, ihre Sünden und Versuchungen Auskunft geben sollten. Der springende Punkt war dabei, den Glauben, der durch die Liebe tätig wird, zu stärken, so dass die Liebe Gottes ihr Herz und ihr Leben erfüllen möge. Zu diesem Zweck trafen sich die Banden regelmäßig (mindestens einmal in der Woche) zu einem intensiven geistlichen Austausch. Wesley nahm ab Juni 1739 an den Zusammenkünften der Gesellschaften im noch unvollendeten neuen Saal am Horsefair teil. Etwa einen Monat später, so berichtet Whitefield, wurden die Baldwin Streetund die Nicholas Street-Gesellschaft vereinigt. Wesley allerdings nannte die Gruppe weiterhin „Baldwin Street“-Gesellschaft, bis er etwa drei Monate später, zuerst in einer Tagebuchnotiz vom 30. Okto-

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ber, auch den Begriff „Vereinigte Gesellschaft“ zu gebrauchen begann (demselben Tag, an dem er das Gebäude zum ersten Mal als „Neuen Saal“ bezeichnete). Im Juni unternahm Wesley einige Schritte, um einem anderen Notstand in Bristol abzuhelfen. In Wesleys Denken stellte Bildung eine wesentliche Entsprechung zu einer lebendigen Frömmigkeit dar. Und zu diesem Zeitpunkt hatte noch keine Schulbildung in den Kohlegruben von Kingswood Einzug gehalten. Daher setzte er einen Plan um, den sich ursprünglich Whitefield hatte einfallen lassen: Er errichtete eine Schule nicht weit vom Two-Mile Hill, mit einem großen Saal zum Predigen und Unterrichtsräumen für zwei Lehrer. Er lud Gebildeten aller Altersstufen ein, auch grauhaarige. Ihm lag besonders daran, dass arme Kinder nicht nur „Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, sondern insbesondere (mit Gottes Hilfe) ‚Gott erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat‘“. (J&D, 19: 124–125) Nicht nur, dass Wesleys Gemeindebezirk keine Grenzen hatte und seine Gemeindemitglieder keinen Stammbaum – auch das Konzept, das seinem Dienst zugrunde lag, kannte keine Grenzen, solange diese Aktivitäten in seine Vision schriftgemäßen Christentums passten, indem er einem Menschen half, die ganze Fülle dessen zu empfangen, was Gottes Rettungstat der Menschheit bringen konnte.

Auseinandersetzung mit Calvinisten und Herrnhutern Nicht jeder, der sich den Wesleys verbunden fühlte (schon gar nicht, wenn er zum größeren Kreis der Erweckungsbewegung zählte), war sich mit ihnen einig darüber, in welchem Ausmaß die Menschheit selbst in dieses Streben nach Heiligkeit eingebunden war. In London geriet die Fetter Lane Society, ermuntert von James Hutton, allmählich unter den unmittelbaren Einfluss der Herrnhuter. Als Wesley im Spätherbst 1739 von einer seiner häufigen Reisen nach London zurückkehrte, entdeckte er, dass Philipp Heinrich Molther, der vor Kurzem aus Deutschland eingetroffen war, viele Mitglieder der Gesellschaft überzeugt hatte, dass sie nicht den wahren Glauben besäßen und daher weder Gnadenmittel empfangen noch weitere Werke der Frömmigkeit tun sollten, sondern stattdessen „still“ vor dem Herrn sein sollten (siehe Ps 46, 11). Molther argumentierte, dass es abgesehen von Christus keine „Gnadenmittel“ gebe, und dass sich deshalb jeder dieser so genannten Gnadenmittel enthalten solle, vor allen Dingen des Abendmahls, bis er zum wahren Glauben an Christus gefunden habe.

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Die Folgerungen, die sich aus diesem Gedankengang ergaben (Wesley zufolge eine „törichte Theologie“), liefen allem zuwider, was Wesley seit langem geglaubt und praktiziert hatte, auch nach seinem Aldersgate-Erlebnis. Jetzt sah er seine grundlegenden theologischen Überzeugungen aus den Reihen genau der Gesellschaft bedroht, die er für seine geistliche Heimat gehalten hatte. Die Spannungen, die sich aus dieser Auseinandersetzung um die „Stille“ mit den Herrnhutern ergaben, trieben Wesley wieder einmal dazu, sein Verständnis des Wesens der wahren Religion zu erklären. Wesley drehte den Spieß um und verwendete die Lieblingsterminologie der Quietisten, darunter auch das Psalmwort „Harre des Herrn“, gegen sie selbst, indem er die Gesellschaften ermahnte, des Herrn zu harren „in allen seinen Satzungen, und dabei still zu sein und zuzulassen, dass Gott sein ganzes Werk in ihren Seelen vollbringt“. Wesley war immer noch überzeugt, dass vor allen Dingen der Glaube für die Errettung notwendig sei, konnte sich aber nicht mit einem sola fide anfreunden, das Werke der Frömmigkeit und Barmherzigkeit ausschloss, als ob es sich hier um Versuche handelte, sich die Errettung durch gute Werke zu verdienen. Für Wesley war eine solche Art von Anti-Legalismus beziehungsweise Antinomismus eine ebenso ernsthafte Herausforderung lebendigen Christentums wie die Prädestinationslehre, die außerdem noch den Glauben an die Beharrung der Heiligen („einmal gerettet, immer gerettet“) einschloss. Obwohl Wesley oft dazu neigte, die allgemein gängige Vorstellung anzugreifen, Religion bestünde darin, sich nichts zuschulden kommen zu lassen, Gutes zu tun und die Gnadenmittel zu empfangen (er wusste, dass man all dies tun und doch kein wahrer Christ sein konnte J&D, 19: 123), lernte er sehr bald den Wert dieser dreifachen Vorgabe als Korrektiv zum Antinomismus der Calvinisten und der Herrnhuter zu schätzen (Vertreter der Prädestination und des „Stilleseins“). Gleichzeitig stimmte Wesley mit seinen geistlichen Mitstreitern darin überein, dass das Kernstück der religiösen Erfahrung Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist sei. Der wahre „Methodist“, so sollte er später in The Character of a Methodist („Die Kennzeichen eines Methodisten“, 1741) schreiben, ist jemand, bei dem die „Liebe Gottes ausgegossen ist in sein Herz durch den heiligen Geist, der ihm gegeben ist“. Dieser Akzent war die Grundlage für Wesleys Lehre der christlichen Vollkommenheit: Gott von ganzem Herzen, mit seiner ganzen Seele und seinem ganzen Verstand zu lieben, und seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Wesleys theologischer Disput mit Whitefield drehte sich um zwei Punkte: die Lehren, die in Zusammenhang mit der Prädestination standen, und die Frage der zugesprochenen Gerechtigkeit. Whitefield

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vertrat die calvinistische Auffassung, dass jemand, der wahrhaft von Gott gerechtfertigt wurde, bis zum Ende im Glauben beharren würde – unter wahren Christen gebe es so etwas wie den Abfall vom Glauben nicht. Was die Rechtfertigung betraf, stand Whitefield hinter der calvinistischen Auffassung, dass uns bei der Errettung allein Christi Gerechtigkeit zugesprochen werde und wir keine andere Gerechtigkeit haben als die Gerechtigkeit Christi. Wesley kam allmählich zu der Überzeugung, dass Gottes Handeln in Christus, obwohl es die Ursache unserer Errettung ist, doch nur das halbe Bild zeige; Gottes Handeln in uns sei ebenso wichtig, sodass der Glaube, den wir durch Gottes Gnade in uns tragen („die feste Zuversicht eines Menschen, dass Christus ihn liebt und für ihn gestorben ist“), die erforderliche Bedingung unserer Errettung sei. Und dieser Glaube führe zu einer wirklichen Veränderung im Gläubigen, indem ihm durch die Gnade Gottes Christi Gerechtigkeit so vermittelt werde, dass er nicht nur als gerecht angesehen, sondern auch gerecht (geheiligt oder heilig) gemacht werde. Neben Whitefield stellten auch viele andere Geistliche Wesleys Auffassung in puncto Heiligung beziehungsweise christlicher Vollkommenheit in Frage. Höchst beunruhigt sahen sie, wie schon wieder eine Lehre, die „Vollkommenheit“ forderte, propagiert wurde. Obwohl sie sich nicht derselben Terminologie bedienten, rückte das ihrer Meinung nach Wesleys Sicht in die Nähe der Auffassung der Herrnhuter. Diese hatte Wesley 1738 versucht, sich zu eigen zu machen. Sie besagt, dass der Gerechtfertigte frei von Furcht, Zweifeln und Sünde sei. Und trotz seiner vielen Vorbehalte und Änderungen, die Wesley an diesem Konzept vornahm, konnten diejenigen, die „vollkommen“ tatsächlich als „perfekten Endzustand“ verstanden (der teils durch menschliche Willenskraft erreicht wurde), solch eine Lehre nicht tolerieren. Whitefield hielt sich von August 1739 bis März 1741 in Amerika auf, doch die beiden Protagonisten setzten ihren Disput brieflich fort, während sich die Kontroverse um Prädestination und Vollkommenheit in England zu einem Kampf mit Pamphleten ausweitete. Wesleys Disput mit den Herrnhutern umfasste mehr als nur das „Stillsein“. Es störte ihn, dass sich ein kleines Grüppchen von etwa zwölf Mitgliedern der Fetter Lane Society um Molther formiert hatte und Entscheidungen traf, „als wären sie der ganze Leib“. Dies stand im Gegensatz zu Wesleys ausdrücklichem Wunsch, Entscheidungsprozesse transparent zu gestalten („Christliche Offenheit und Schlichtheit der Rede“ J&D, 2: 139). Diese Konflikte teilten die Gesellschaft mitten entzwei. Wesley erkannte immer deutlicher, dass das herrnhutische Konzept der Banden (sorgfältig beaufsichtigte Gruppen innerhalb einer geschlossenen religiösen Gemeinschaft) den Bedürfnissen der engli-

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schen Arbeiterklasse nicht entgegenkam, die sich den Schwierigkeiten sozialen und ökonomischen Wandels in der Arbeitswelt ausgesetzt sah. Vor den Bergleuten von Kingswood zu predigen, war etwas völlig anderes als vor der Brüdergemeine in Herrnhut eine Predigt zu halten, denn erstere waren bekannt dafür, „weder Gott zu fürchten, noch Menschen zu respektieren“.

Die „Gießerei“ wurde Wesleys Hauptquartier in London. Das wieder aufgebaute Anwesen umfasste (A) Wesleys Wohnung, (B) sein Arbeitszimmer, (C) eine Glocke, die täglich um fünf Uhr für den Morgengottesdienst und um sechzehn Uhr für die Abendandacht geläutet wurde, (D) den Haupteingang, (E) den Eingang zum Predigtsaal, (F) Unterkünfte für Familie, Prediger usw., (G) Klassenzimmer, Bandenraum usw., (H) Stall, (I) Wagenschuppen und Garten.

John focht diese Kämpfe nicht nur mit seinen neuen deutschen Freunden und seinen alten Mitstreitern aus Oxford, sondern auch mit Familienangehörigen. Charles, der in vielen Bereichen Johns Linie folgte (und sogar einige seiner Predigten hielt), setzte in einigen Fragen weiterhin andere Akzente und stimmte mit ihm auch in der Methodenwahl nicht immer überein. Johns fortdauernde Kontroverse mit seinem Bruder Samuel in der Frage der Feldpredigten und der Glaubensgewissheit fand mit Samuels Tod im November 1739 ein jähes

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Ende. Dieses traurige Ereignis brachte für John allerdings eine weitere Bestätigung seiner theologischen Position mit sich, denn man teilte ihm mit, dass Gott Samuel einige Tage vor seinem Tod „stille und volle Gewissheit“ geschenkt habe. Johns Journal fleht den Leser förmlich an: „O möge doch jeder Gegner dieser Lehre sich so überzeugen lassen, dass sie von Gott stammt!“ Etwa um diese Zeit (12. November 1739) begann sich in Wesleys Organisationsmuster eine Art Netzwerk herauszubilden. Es fing mit einem zufälligen (oder von Gott geplanten) Treffen dreier Johns an – Wesley, John Gambold und John Robson, alle gehörten zu den Oxford-Methodisten (Letters, 25: 700). Sie kamen überein, sich jährlich am Vorabend des Himmelfahrtstages (gewöhnlich im April oder Mai) in London zu treffen. Darüber hinaus sollten so viele wie möglich vierteljährlich zusammenkommen, und zwar jeweils am zweiten Dienstag im Juli, Oktober und Januar. In der Zwischenzeit wollten sie monatlich reihum Bericht erstatten und allen mitteilen, was jeder an seinem jeweiligen Platz tue. Sie stellten auch eine Liste von möglichen weiteren Mitgliedern ihres Kreises auf, in der Mehrzahl ehemalige Oxford-Methodisten: Westley Hall, Benjamin Ingham, John Hutchings, Kinchin, Stonehouse, John Sympson, dazu auch Jacob Rogers, John Cennick, William Oxlee, John Browne und möglicherweise auch andere „geistliche Freunde, die bereit und willig“ waren, sich ihnen anzuschließen. Die Idee, jährliche und vierteljährliche Konferenzen abzuhalten, war nicht neu, doch sie enthüllt uns, in welche Richtung sich Wesleys Gedanken und Methoden bereits im ersten Jahre der Erweckung entwickelten.

Spaltungen und die Vereinigte Gesellschaft in London Am 22. November 1739 predigte John Wesley („vor sieben- bis achttausend“) auf dem Gelände einer ehemaligen königlichen Kanonengießerei (Letters, 25: 699). Dass ihn zwei Bekannte, die Herren Ball und Watkins, auf diese Örtlichkeit aufmerksam gemacht hatten, kam gerade zum rechten Zeitpunkt. Im Laufe des Winters, einer Zeit, in der sich die Spannungen mit den Herrnhutern verschärften, drängten ihn die beiden Herren, das Anwesen zu kaufen. Dass sie es ernst meinten, zeigten die beiden Freunde, indem sie ihm die notwendigen 115 Pfund Sterling liehen, die von Unterschreibern zurückgezahlt wurden. Diese zahlten jeweils vier bis zehn Schilling pro Jahr und setzten das Gebäude in Stand (200 Pfund im ersten Jahr, 140 Pfund danach). Der Wiederaufbau des von Wesley so genannten „riesigen unförmigen Schutthaufens“ kostete fast 700 Pfund (Appeals, 85). Nach ihrer Fertigstellung bot die Gießerei allerdings Platz für Bandentreffen, eine

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Schule, Wesleys Unterkunft, Gästezimmer (für seine Mutter und Gastprediger), einen Stall und einen Wagenschuppen. Silas Told beschrieb das Anwesen nicht gerade begeistert als „eine Ruine mit alten Dachpfannen, ein paar roh behauenen Brettern, aus denen man eine provisorische Kanzel gezimmert hatte, und noch ein paar verfaulten Balken, die schon das ganze Gebäude darstellen“ (People, 111). Das Wichtigste allerdings war ein großer Saal mit einfachen Bänken, der 1500 Menschen Platz bot (mit getrennten Emporen für Männer und Frauen) und die Gießerei so zur ersten wesleyanischen Predigtstätte in London machte. Den größten Teil des Winters hielt Wesley sich nicht in London auf, doch als er im Dezember zwei Wochen anwesend war, bereitete ihm der Streit in der Fetter Lane Society zunehmend Kummer. Nachdem er am Heiligabend an der Zusammenkunft der Gesellschaft teilgenommen hatte (und das „schlimmste Durcheinander“ erlebt hatte, „man biss und verschlang einander“; vgl. Gal 5, 15), nahm er noch an dem Treffen einer kleinen Gesellschaft teil, bei dem man Choräle und geistliche Lieder sang und sich gegenseitig ermahnte. Als er den gesamten Februar wieder in der Stadt verbrachte, nahm er noch immer an den Zusammenkünften der Fetter Lane-Gruppe teil. Am letzten Tag des Monats traf er sich mit „vielen, die beladen waren“ und Rat bei ihm suchten. Es scheint sich hier um eine Gruppe von Gleichgesinnten innerhalb der Fetter Lane Society gehandelt zu haben, die sich allmählich um Wesley sammelte, obwohl er in seinem Journal noch von keinen Zusammenkünften in der Gießerei berichtet. Im Januar hatte er noch Verhandlungen zum Erwerb des Gebäudes geführt, in dem ausgiebige Renovierungsmaßnahmen notwendig waren. Eine „Vereinigte Gesellschaft“ scheint bald nach Abschluss der Reparaturarbeiten in der Gießerei ins Leben gerufen worden zu sein (City Road, 22). Charles predigte hier bereits am Donnerstag, dem 3. April, und hielt in seinem Tagebuch fest: „Mein Herz wurde weit, als ich für diese junge Gesellschaft betete“ (CWJ, 1: 205). Mitte April gab sich die Foundery Society („Gießerei-Gesellschaft“) eine Organisationsstruktur, nachdem sie zwei Regeln akzeptiert hatte, die eine klare Trennungslinie zwischen ihr und der Fetter Lane Society markierten (obwohl es bei den Teilnehmern, wenn nicht sogar bei den Mitgliedern, Überschneidungen gab): „(1) Dass eine Regel nur dann in Kraft tritt, wenn der Pastor bei ihrer Beschlussfassung anwesend ist; (2) Dass jeder, der die Regeln nicht als verbindliche Vorschriften betrachtet, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll.“ Als John Wesley Ende April für zwei Wochen nach London zurückkehrte, nahm er zusammen mit Charles an einer Zusammenkunft „unserer Gesellschaft“ in der Fetter Lane teil. Charles bemerkte, dass die

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Gruppe so auseinander ging, wie sie zusammengekommen war, „mit wenig Gesang, noch weniger Gebet und völlig ohne Liebe“. Am folgenden Abend notierte John in seinem Kalender ein Treffen der „Vereinigten Gesellschaft“. Dies war das erste Mal, dass er den Termin für diese neue Gruppe schriftlich festhielt, die sich donnerstags in der Gießerei traf. Seine Predigt vor der Gesellschaft bekräftigte Charles in der Überzeugung, dass sie beide dasselbe Evangelium predigten. In der Gießerei wurden zweimal täglich Gottesdienste abgehalten, an den meisten Tagen um sechs oder sieben Uhr morgens und um sechs oder halb sieben Uhr abends. Charles und John scheinen den Predigtdienst am häufigsten übernommen zu haben. Charles hatte am Ostersonntag um sieben Uhr morgens vor einer riesigen Menschenmenge gepredigt. Die Predigtgottesdienste der Wesleys umfassten im Allgemeinen ein kurzes Gebet zu Beginn, einen Choral, eine halbstündige Predigt, einen weiteren Choral und ein Schlussgebet (Societies, 528). Silas Todd, ein ehemaliger Sklavenhändler, schilderte etwa um diese Zeit seine Teilnahme an dem frühmorgendlichen Gebetsgottesdienst in der Gießerei. Er gab seiner Überraschung Ausdruck, dass Wesley, als er um fünf Uhr morgens in seinem Talar den Saal betrat, den Gottesdienst begann, indem er einen Choral singen ließ, durch den der Besucher „fast in Verzückung“ geriet. Das frei gesprochene Gebet fand Silas allerdings „recht unangenehm“. Die Predigt über die Vergebung der Sünden veranlasste ihn zunächst zu dem Verdacht, dass Wesley ein Papist sei. Doch bald wurde er von einer leisen Stimme in seinem Herzen angesprochen, die ihm sagte: „Dies ist die Wahrheit“, woraufhin Silas spürte, dass ihm die Sünden vergeben wurden (People, 111–112). Diese Predigtgottesdienste waren keine Zusammenkünfte der Gesellschaft. Bei diesen Zusammenkünften wurde häufig auch eine Predigt gehalten, doch war dies nicht immer der Fall. Die Fetter Lane Society ist hier ein treffendes Beispiel: Ihre Auffassung von der „Stille“ veranlasste sie, über lange Zeiträume einfach dazusitzen und zu schweigen, anstatt über irgend etwas zu reden (Charles bezeichnete dies als „stumme Show“). Bevor John Wesley die Stadt wieder verließ, versuchte er öffentlich und im privaten Gespräch, Molther und seine Anhänger zu überzeugen, dass sie seiner Meinung nach Fehler machten – allerdings ohne Erfolg. Nach seiner Rückkehr im Juni verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Wesley und der Fetter Lane Society. Einige Fetter Lane-Mitglieder schlossen sich enger an die Wesleys an, die ihrerseits am Freitag, dem 9. Mai, eine große Gruppe um sich sammelten, um zwei ihrer Regeln zu erfüllen: Gebet und Fasten (CWJ, 1: 227). Charles machte sich Sorgen, dass die Fetter Lane-Mitglieder einen

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schlechten Einfluss auf die Foundery Society ausüben könnten. Er wies darauf hin, dass jeder, der der Foundery-Gruppe beitreten wolle, zu ihm kommen und ihm seine Absicht mitteilen müsse. Solch eine Regelung, so hoffte er, würde die schlimmsten Mitglieder dieser „streitsüchtigen Bruderschaft“ fernhalten. In der Zwischenzeit hatte John noch einmal seine Bedenken gegenüber der Fetter Lane Society vorgebracht und der „armen, verwirrten, zerschlagenen Gesellschaft“ deutlich gemacht, „wo sie vom Glauben abgeirrt“ war. Die Leiter der Fetter Lane Society zeigten sich unnachgiebig. Doch nachdem Wesley seine Seele erleichtert hatte, empfand er, dass das Blut dieser Männer nicht mehr über ihn kommen würde. Dennoch nahm er weiterhin an ihren Zusammenkünften teil, nannte sie immer noch „unsere Gesellschaft“ und tat immer noch (mit Inghams Hilfe) jeden Morgen in der Gießerei seine Meinung in der Predigt kund und mit spitzen Bemerkungen zu den strittigen Punkten. Die Entfremdung, die Charles bereits Anfang Mai als unvermeidlich vorausgesehen hatte und die inzwischen immer deutlicher geworden war, erreichte Anfang Juli einen Höhepunkt. James Hutton hatte für die Fetter Lane Society eine Kapelle erworben. Man sprach sich prompt dafür aus, Wesley dort nicht predigen zu lassen. Zwei Tage darauf (am Freitag, einem Fastentag) sammelte Wesley einige derjenigen, „die noch auf den alten Wegen standen“ (Jer 6, 16), um sich, feierte das Abendmahl (seine Mutter war ebenfalls anwesend) und traf mit ihnen eine einmütige Entscheidung darüber, welche Schritte angemessen seien. Am folgenden Sonntag verlas Wesley nach dem Liebesmahl in der Fetter Lane vor der ganzen Gruppe ein Papier, in dem er seine Position gegenüber ihrer Auffassung noch einmal bekräftigte, die nach seiner Auffassung „schlicht im Widerspruch zum Wort Gottes“ stand. Er schloss mit den Worten: „Ich habe lange mit euch Geduld gehabt und gehofft, dass ihr zurückkehren würdet. Doch nun, da ich sehe, dass sich der Irrtum immer mehr in euch festigt, bleibt mir nichts, als euch Gott anzubefehlen. Ihr, die ihr zu demselben Urteil gekommen seid, folgt mir.“ Darauf zog er sich zurück, gefolgt von achtzehn oder neunzehn Mitgliedern der Gesellschaft. Es war zum endgültigen Bruch gekommen. Für Wesley war Fetter Lane fortan nicht mehr „unsere Gesellschaft“. Die Gruppe von Dissidenten wuchs. Am folgenden Mittwoch (dem Tag vor dem regelmäßigen wöchentlichen Treffen der Vereinigten Gesellschaft) kam Wesley in der Gießerei mit dieser „kleinen Truppe“ von Fetter Lane-Anhängern zusammen, zu denen inzwischen ein Drittel der in Banden organisierten Männer (fünfundzwanzig Personen) und die meisten Frauen (achtundvierzig) gehörten. Charles hatte in der vorangegangenen Woche aus Bristol geschrieben und in

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seinem Brief darum gebeten, bis zu seiner Rückkehr keine neuen Mitglieder zuzulassen, da „wir sonst zu viele“ würden (Letters, 26: 20). Trotzdem wurden alle, die sich von der Fetter Lane-Gesellschaft getrennt hatten, sehr bald in die Vereinigte Gesellschaft integriert, die bereits mehr Mitglieder als die Fetter Lane-Gruppe zählte. Die Spaltung der Fetter Lane Society war ein augenfälliges Beispiel für den Riss, der aufgrund verschiedener Streitfragen durch die ganze methodistische Bewegung ging. Im April hatte Gambold an John geschrieben, um ihm mitzuteilen: „Ich bin keiner von Ihren Leuten“. Sympson, Oxlee und Stonehouse stellten sich gleichfalls auf die Seite der Herrnhuter, also gegen Wesley, was die Frage der verbindlichen Ordnung und der Abstufungen des Glaubens betraf. Die jährliche Konferenz, die die Oxford-Gruppe für Juni 1740 vorgeschlagen hatte, fand nie statt, da sich die Gruppe theologisch auseinander entwickelte. Auch die vierteljährlichen Konferenzen scheinen abgesagt worden zu sein. Ab Juli 1740 konzentrierte sich Wesley in London auf die Versammlungen der Vereinigten Gesellschaft in der Gießerei. Obwohl er auch noch an den Zusammenkünften anderer Gruppen teilnahm (Savoy, Bowes‘, Whitechapel, Islington, Long Lane, Wapping u.a.), erwähnt er nie wieder eine Zusammenkunft in der Fetter Lane. Die „junge Gesellschaft“, an deren Zusammenkunft in der Gießerei Charles im April teilgenommen hatte, war im Juni von zwölf auf dreihundert Mitglieder gewachsen (CWJ, 1: 241). Neben dem Treffen am Donnerstagabend kamen die Mitglieder häufig auch am Dienstag und Sonnabend zusammen. Obwohl Wesley die öffentlichen Predigtgottesdienste weiterführte, die jeden Tag frühmorgens (bevor die Menschen zur Arbeit gehen mussten) und abends gehalten wurden, merkte er, dass die eigentliche Arbeit in den Gesellschaften geleistet wurde. Diejenigen, die begonnen hatten, „Gott zu fürchten und nach Gerechtigkeit zu streben“, aber nicht an den Zusammenkünften der Gesellschaft teilnahmen, wurden schwach und fielen zurück. Dahingegen wuchsen diejenigen, die sich auch in den Gruppen zusammenfanden, weiterhin im Glauben (Societies, 257–258). Das Wachstum der Gesellschaften brachte andere Probleme und Möglichkeiten mit sich. Wie viele andere Aspekte des frühen Methodismus wurden Laienpredigten eher aus der Not geboren als bewusst eingesetzt. Die wachsenden Vereinigten Gesellschaften in London und Bristol und die ihnen angeschlossenen Gruppen in Kingswood und Oxford benötigten angesichts möglicher destruktiver Dispute im Inneren und Kritik von außen fast ständig jemanden, der sie anleitete und begleitete. Die Wesleys hatten gehofft, genügend Mitstreiter unter den Geistlichen zu finden, um die Gesellschaften zu leiten (wie es in der Bewegung der religiösen Gesellschaften in England auch tradi-

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tionell gehandhabt wurde). Doch die feste Gruppe von sechs oder acht Geistlichen, die sich Wesley 1738 angeschlossen hatten, hatte sich von den beiden Brüdern entfernt, als sich die Erweckungsbewegung in drei Flügel (Calvinisten, Herrnhuter und Wesleyaner) aufzuspalten begann. Viele der religiösen Gesellschaften blieben auf örtlicher Ebene weiterhin autonom und schlossen sich keinem Leiter auf regionaler oder landesweiter Ebene an. Trotzdem begannen John und Charles herumzureisen, um viele dieser Gesellschaften zu besuchen, sie zu ermutigen und ihnen die benötigte Führung anzubieten. In dem sich entwickelnden Bund dieser Gesellschaften vertrauten die WesleyBrüder auf örtliche Führungspersönlichkeiten in den Banden, die die Gesellschaften während ihrer Abwesenheit leiten sollten. Sie führten verschiedene Regeln ein, die im Hinblick auf Aktion und Organisation gewisse Maßstäbe gewährleisten sollten. Wenn die Wesley-Brüder auch Verbündete unter den Geistlichen verloren, so gewannen sie Laienhelfer dazu. Als die verstreuten und wachsenden, aber potenziell streitsüchtigen Gesellschaften verstärkt Aufmerksamkeit brauchten, begann John zuverlässigen Laien Verantwortung für die Gesellschaften zu übertragen. Einer der ersten war John Cennick, seiner Herkunft nach ein Quäker. Er war ein aufstrebender Lehrer aus Reading, der kurz nach seiner Bekehrung 1737 von den Methodisten (besonders von John Kinchin) beeinflusst worden war. Zu dieser Zeit hielt sich John noch in Georgia auf. John wurde auf Cennick aufmerksam, als er mitbekam, wie dieser Leitungsaufgaben in einer Gesellschaft von Reading wahrnahm. Er bat ihn, im Sommer 1739 nach Bristol und Kingswood zu gehen, um den Gesellschaften dort während seiner Abwesenheit zu helfen. Wesley erwartete, dass er Gebet und Bibelstudium leiten und womöglich gelegentlich ermahnen würde (was nicht dasselbe war wie eine Predigt oder Auslegung eines Bibeltextes, die die Wesley-Brüder den Geistlichen vorbehielten). Für Cennick war das eine aufregende Aussicht; er hatte schon früher von George Whitefields Plänen für die Schule in Kingswood gehört und gehofft, dort Schulmeister zu werden. Samuel Wathen, der Leiter einer Bande der Baldwin Street Society, half auch bei der Leitung der Kingswood Street mit, verspätete sich jedoch am 14. Juni. Eine der Frauen drängte Cennick, der sich unter den vielen Anwesenden befand, doch eine Predigt zu lesen oder ihnen das Wort auszulegen. Cennick ließ das Los entscheiden, um Gottes Willen in dieser Sache herauszufinden. Dann stellte er sich unter einen Maulbeerbaum und sprach zu den Versammelten „mit Kühnheit und besonderer Freiheit in meinem Herzen“. Weiterhin hielt er in seinem Tagebuch fest, dass seine Predigten gut aufgenommen wurden, nicht nur hier, sondern auch in Bristol und mehr als einem Dut-

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zend anderer Orte in der Gegend. In jedem Fall bemühte er sich, nicht „wie ein Pastor zu wirken“, besonders was seine Kleidung betraf. Ein weiterer Laienprediger der Frühzeit war Joseph Humphreys, ein Herrnhuter, der die Dissenters Academy in Deptford besuchte. Er rief im August 1739 eine Gesellschaft ins Leben, die sich an Menschen richtete, die von Whitefield bekehrt worden waren. Wesley besuchte diese neue Gesellschaft im ersten Monat nach der Gründung und bat Humphreys bald, ihm in der Gießerei zu helfen. Humphreys hatte im Juni 1738, vier Monate nach Gründung der Gesellschaft in Deptford, mit dem Predigen angefangen. Er wurde von der Akademie geworfen, weil er vor seiner Ordination gepredigt hatte. Im September 1740 hielt Humphreys seine erste Predigt in der Gießerei. Als sich John Cennick im späteren Verlauf des Herbstes für calvinistisches Gedankengut öffnete, bat Wesley Humphreys, nach Bristol zu fahren, um die Herde auf dem rechten Weg zu halten. Doch Humphreys’ lange Verbundenheit mit Whitefield machte es ihm schließlich unmöglich, gegen die Beharrung der Gläubigen oder für christliche Vollkommenheit (schon gar nicht „sündlose“ Vollkommenheit) zu predigen. Er kehrte den Wesley-Brüdern bald den Rücken (Letters, 26: 62). In der Zwischenzeit hatte Thomas Maxfield, der im April bei einer Predigt John Wesleys in Bristol ein einschneidendes religiöses Erlebnis gehabt hatte, zusammen mit Charles Wesley einige Gesellschaften besucht. Während eines Londonaufenthalts im Sommer 1739 schrieb Charles in einem Brief an John, die Herrnhuter betrachteten Bruder Maxfield als das einzige Hindernis, das Charles noch davon abhalte, sich zum „Stillsein“ zu bekehren. Diesem unerschütterlichen Bandenleiter übertrug man bei mancher Gelegenheit die Verantwortung für die Gießerei-Gesellschaft. Irgendwann, wahrscheinlich 1740, begann Maxfield in der Abwesenheit der Wesley-Brüder vor der Gesellschaft zu predigen und wurde von seinen ernsthaften Zuhörern „unvernünftigerweise bewegt, weiter zu gehen, als er zunächst beabsichtigt hatte“. Henry Moore erzählte später die Geschichte, wie John bei seiner Mutter Susanna Protest einlegte, nachdem er entdeckt hatte, dass Maxfield predigte: „Wie ich sehe, ist Thomas Maxfield unter die Prediger gegangen.“ Zwar befürwortete Susanna Laienpredigten nicht generell, doch ihre Antwort lautete: „Achte darauf, was du wegen dieses jungen Mannes unternimmst, denn er ist so gewiss von Gott zum Predigen berufen wie du. Prüfe die Früchte seiner Predigt und hör ihn dir auch selbst an.“ Moore berichtet, dass Wesley sich „der Macht der Wahrheit beugte und nur sagen konnte: ‚Es ist der Herr. Er tue, was ihm wohlgefällt‘“ (WHS, 27: 8; 1Sam 3, 18). Im Laufe des Sommers 1740 begannen außerdem Thomas Richards und Thomas Westall die Wesleys zu unterstützen. Sie erledig-

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ten Schreibarbeiten, fertigten Kopien ihrer Korrespondenz an und predigten möglicherweise auch gelegentlich. John nannte sie später seine ersten „Söhne im Evangelium“. Ein Begriff, mit dem er jene Laienprediger bezeichnete, die sich bereit erklärt hatten, vollzeitlich in Wesleys Auftrag zu arbeiten und zu jeder Zeit dorthin zu gehen, wohin er sie schickte (J&D, 19: 186). Obwohl Maxfield und Richards in dieser Zeit auch Charles Wesley unterstützten, konnte dieser nicht dieselbe Toleranz, geschweige denn Begeisterung, gegenüber Laienpredigern aufbringen wie John. Im Frühjahr 1739 hatte Charles in der Fetter Lane Society während einer Auseinandersetzung mit zwei Herrnhutern Partei für George Whitefield ergriffen. Die beiden, Shaw und Wolf, behaupteten, dass es kein christliches Priestertum als solches gebe und dass sie die Sakramente so gut wie jeder andere austeilen könnten. Charles stellte sich mit ganzer Kraft gegen Shaw, den er als „selbsternannten Priester“ bezeichnete. Als Shaw und seine Freunde erklärten, sie seien keine Mitglieder der Kirche von England mehr, reichte es ihm. Er ergriff Partei für Howell Harris und George Whitefield. Er sprach sich dafür aus, Shaw und Wolf aus der Fetter Lane Society auszuschließen. Charles fand eine derartige Bedrohung der Kirchenordnung noch gefährlicher als John. Wenn Laien pastorale Aufgaben wahrnahmen, stellte das für ihn eine Unregelmäßigkeit im kirchlichen Leben dar, die er nur schwer akzeptieren konnte. Im Fall von William Seward (den viele für einen Schwärmer hielten), musste Charles, nachdem er ihn gehört hatte, einräumen, dass er von der Berufung des Mannes zu predigen nicht überzeugt sei (CWJ, 1: 250). Einen Monat darauf prügelte ein wütender Mob Seward zu Tode. So wurde er zum ersten methodistischen Märtyrer. Charles selbst neigte dazu, sich gegen Laienpredigten und gegen die Prädestination auszusprechen und

Titelseite eines 1741von Wesley verfassten Pamphlets, mit dem er auf von Captain Williams wiederholt erhobene Vorwürfe antwortete. Wesley hatte bereits einen ausführlicheren „Auszug“ seines GeorgiaTagebuchs veröffentlicht.

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zu predigen. Er hoffte noch immer, dass sich die Erweckung auf eine Weise ausbreiten würde, die eher im Einklang mit William Laws Vorstellung stand, Geistliche mit methodistischen Auffassungen würden sich auf verschiedene Gemeinden verteilen und wie ein Sauerteig den ganzen Teig durchdringen (CWJ, 1: 159). Um die guten Beziehungen zur Kirche aufrecht zu erhalten, hielten es die Wesleys für nötig, sich gegen Exzesse zu wappnen. Charles zeigte sich in dieser Hinsicht noch bereitwilliger als John. Die geistlichen Übungen, die sich im Frühjahr 1739 in den Gesellschaften eingebürgert hatten, hatten ihnen eine Menge schlechter Publicity beschert. Im darauf folgenden Jahr beeilte sich John in Bristol deshalb festzuhalten, „auf welch andere Weise Gott heute wirkt als im letzten Jahr“. Mit möglicherweise nur leichter Übertreibung schilderte er den Unterschied: „Damals strömte er wie eine reißende Flut und überwältigte alles, was vor ihm stand; während heute ‚er seinen Einfluss heimlich herabsenkt, erfrischend wie der stille Tau’. Überzeugungen sinken tiefer. Liebe und Freude sind ruhiger, gleichmäßiger und beständiger.“ (J&D, 19: 140). Die Opposition verschwand allerdings nicht. Im Frühjahr desselben Jahres traf die Wesleys ein Angriff von einer neuen, wenngleich nicht unbekannten Seite, und zwar in Gestalt einer gedruckten Breitseite, die durch die Straßen von Bristol schoss (J&D, 18: 81). Robert Williams, ein Kapitän zur See, der im Winter aus Georgia zurückgekehrt war, veröffentlichte eine vor dem Bürgermeister beeidete Aussage, in der er Wesleys romantische Eskapaden und die sich daraus ergebenden juristischen Probleme in Georgia darlegte. Wesley entschloss sich darauf zu antworten, indem er selbst eine Schilderung seiner Aktivitäten in Georgia veröffentlichte. Schon seit einiger Zeit hatten die Wesleys handschriftliche Tagebuchauszüge in Umlauf gebracht, die in den Gesellschaften und Banden verlesen werden sollten, um ihre Aktivitäten zu erklären und zu verteidigen. John entschloss sich sogar, seine autobiografischen Erinnerungen zu veröffentlichen und damit sein Publikum zu vergrößern. Auch Whitefield hatte bereits im vorangegangen Jahr begonnen, seine Tagebücher zu veröffentlichen. Der erste „Auszug“ aus John Wesleys Tagebuch, im Mai oder Juni 1740 gedruckt, behandelte die Zeit in Georgia. Hierfür stellte er unterschiedliches Material (Abschnitte aus handschriftlichen Tagebuchnotizen, Briefen und Memoranden) zusammen, das er bereits verfasst hatte, Erinnerungen, die sich auf Kalendernotizen stützten, und redaktionelle Überleitungen, die die erzählerischen Abschnitte miteinander verbanden und ihnen Richtung gaben. Das Ergebnis war eine faszinierende Mischung von abenteuerlichen Berichten vom Missions-

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feld, theologischen Auslegungen, Verteidigungen der kirchlichen Lehre und Reiseeindrücken aus den Kolonien. Diese Verteidigung des Methodismus nahm die Gestalt einer historischen Erzählung an, wie es auch vorher in Oxford geschehen war. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Wesley sich in letzter Minute entschloss, seinen „Brief an Mr. Morgan“ (sein apologetisches Schreiben aus Oxford vom Oktober 1732) im Vorwort des veröffentlichten Journals einzufügen. Auf den ersten Auszug folgte fünf Monate später ein zweiter, der die Geschichte fast bis Ende 1739 weiterführte. Allmählich wurde die Richtung klar. Das Material enthielt eine Art von wesleyanischer, vielleicht sogar methodistischer Propaganda. Zwar entschloss sich Charles, sein eigenes Tagebuch nicht zu veröffentlichen. Johns jedoch wurde zum festen Bestandteil der Literatur, die in der Bewegung eingesetzt wurde. Sie wurde nicht allein von den Mitgliedern gelesen, sondern auch in der Öffentlichkeit verteilt.

Klassen und Leiter Mit der Errichtung des New Room in Bristol und der Renovierung der Londoner Gießerei hatte Wesley zwei „vereinigte Gesellschaften“, die abwechselnd unter seiner direkten Kontrolle standen, mit einem eigenen Haus versorgt. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Organisation hauptsächlich aus kleinen Banden mit fünf bis zehn Mitgliedern, die auch den Kern der größeren Gesellschaften bildeten. Die Probleme, die Wesley in Bezug auf Lehre und geistliche Disziplin mit den Herrnhutern gehabt hatte, griffen auch auf ein anderes Gebiet über: Wesley war nicht zufrieden, wie die Banden innerhalb der Gesellschaft operierten. Er führte deshalb (wie in seinem Tagebucheintrag vom 21. Mai 1741 festgehalten) ausgewählte Banden für diejenigen ein, die die Vergebung der Sünden empfangen hatten und ein beispielhaftes Leben führten. Doch die Struktur der Gesellschaften wies eine Lücke auf. Personen, die nicht zu einer Bande gehörten, hatten keine Kleingruppe, in der sie Ermutigung und Korrektur erfuhren. Dieses Problem wurde nach kurzer Zeit durch eine unwahrscheinlich anmutende Konstellation gelöst. Wesley hatte sich für die Gebäude in Bristol und London hoch verschuldet. Er erhielt von seinen Anhängern immer noch ein jährliches Einkommen, im Allgemeinen zwischen 25 und 35 Pfund Sterling (das, wie er sagte, „mich mit allem versorgt, was ich brauche“). Doch es erlaubte ihm nicht in angemessener Weise, die Darlehen für die Gebäude zurückzuzahlen. Darüber hinaus war der Versuch, einzelne Personen um Spenden zu bitten, nicht sehr erfolgreich. Im Februar 1742 traf er sich mit einigen verantwortlichen Leitern der Gesellschaft in Bristol, um zu beraten, wie man die Schulden für

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den New Room zurückzahlen könne. Captain Foy schlug vor, dass jedes Mitglied der Gesellschaft einen Penny pro Woche beisteuern solle – eine vertraute Methode der Beitragszahlung, die in den religiösen Gesellschaften angewendet wurde. Von ihr machte man auch in der Gießerei-Gesellschaft Gebrauch, um die Armen zu unterstützen. Doch jemand wandte ein, dass viele Mitglieder der Gesellschaft sehr arm seien und einen solchen Betrag nicht aufbringen könnten, da ein Schilling (= 12 Pence) dem Preis einer Tüte Zucker oder dreier Bleistifte entsprach. Foys innovative Lösung war einfach: Man sollte die Gesellschaft in Zwölfergruppen aufteilen und jeder einen Leiter geben, der dafür verantwortlich wäre, jede Woche zwölf Pence abzuliefern. Falls diese Summe nicht zusammenkäme, würde er, Foy, den Betrag aus seiner eigenen Tasche ergänzen. Er bot außerdem an, die elf ärmsten Mitglieder der Gesellschaft in einer Gruppe zu übernehmen. Sein Vorschlag wurde angenommen. Die ganze Gesellschaft wurde also in Klassen (vom lateinischen classis, „Abteilung“, abgeleitet) eingeteilt, Untergruppen von etwa zwölf Personen gebildet, die nahe beieinander wohnten, und jeder Klasse ein Leiter zugeteilt. Als die Leiter mit ihren wöchentlichen Hausbesuchen begannen und mit jedem Mitglied der Gesellschaft Kontakt aufnahmen, entdeckten sie bald Probleme: häusliche Streitereien, Trunksucht und andere Verhaltensweisen, die nicht gerade für das Streben nach Heiligkeit sprachen. Wesley sah die seelsorgliche Chance, die die Struktur der Klassen eröffnete: Die Klassenleiter (Wesley ernannte diejenigen, denen er am meisten vertrauen konnte) übernahmen die geistliche Aufsicht über die Gruppen. Wesley traf sich wöchentlich mit den Leitern, wenn es ihm möglich war. Die Londoner Gesellschaft besaß zu diesem Zeitpunkt über eintausend Mitglieder. Doch diese Methode half Wesley, die Schwierigkeit zu überwinden, jeden Einzelnen in den rasch wachsenden Gesellschaften kennen zu lernen, und erweiterte auch seinen Spielraum, pastorale Betreuung und Aufsicht in persönlichen Kontakten wahrzunehmen. Aus einer Reihe von Gründen erwies es sich als vorteilhaft, die Mitglieder jeder Klasse an einem Ort zusammenzubringen, statt jedes zu Hause zu besuchen. So konnte man, wie Wesley sagte, „das Verhalten jedes Menschen gründlicher erfragen... je nach Bedarf einen Rat oder Verweis erteilen, Streitigkeiten beilegen oder Missverständnisse ausräumen; nachdem man ein bis zwei Stunden mit dieser Liebesmüh verbracht hatte, schloss man mit Gebet und Danksagung“ (Societies, 262). Die Klassen unterschieden sich in mancher Hinsicht von den Banden: Sie waren im Allgemeinen etwas größer und wurden – statt nach Alter, Geschlecht oder Familienstand – nach dem Wohnort ihrer Mitglieder eingeteilt. Zu ihnen gehörten alle Mitglieder der Gesellschaft,

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nicht nur diejenigen, die sich freiwillig zusammenfanden. Sie ermöglichten eine Einübung christlichen Lebens in der ganzen Gesellschaft, während die meisten Banden lediglich den geistlich Reiferen vorbehalten waren. In beiden Fällen waren die Gruppen jedoch klein, und ihre Leiter waren von Wesley handverlesene Laien. Neben den Bandenleitern und den Klassenleitern machte diese Entwicklung auch eine weitere von Laien besetzte Führungsposition notwendig. Die Beitragszahlungen, mit denen Wiederaufbau und Unterhalt der Gießerei finanziert wurden, gab man in die Hand eines Gesellschaftsmitglieds, der das Geld in Empfang nahm und entsprechend auszahlte. Dies war der erste Verwalter bei den Methodisten. Ihm folgten bald weitere, die die finanziellen Transaktionen und die Kontoführung der einzelnen Gesellschaften in die Hand nahmen. Als Wesley mit besonderen Geldsammlungen zur Unterstützung der Armen begann, war die Organisation in der Lage, die Zuwendungen zu verwalten (J&D, 19: 193–194). Auf diese Weise gingen eingesammeltes Geld oder Naturalien nicht durch die Hände der Wesleys, gegen die allmählich Vorwürfe laut wurden, sie würden sich auf Kosten der Armen bereichern.

Fortdauernde Dispute In einigen der neu entstandenen Gruppen, die sich um Erneuerung innerhalb der Kirche bemühten, erkannte man, dass Dispute kontraproduktiv waren. Die religiösen Gesellschaften hatten Regelungen gegen „Dispute über irgendeinen umstrittenen theologischen Punkt“ erlassen (Watson, 188). Spener hatte die deutschen pietistischen Prediger dringend ermahnt, zu bekehren statt zu überzeugen, zu erbauen statt zu disputieren. Wesley hatte sich gegen Disputationen unter den Methodisten in Oxford ausgesprochen. Obwohl viele Evangelikale im England des achtzehnten Jahrhunderts gemeinsame Ziele hatten, führten die theologischen Meinungsverschiedenheiten zu wackligen Allianzen. In dieser unbefriedigenden Situation war Wesley bereit, über manche Differenzen hinwegzusehen, solange der betreffende Abweichler keine Schwierigkeiten verursachte. Die Herrnhuter hatten mit ihrer Neigung, sich zu streiten und zu spalten Wesleys Zorn ebenso sehr auf sich gezogen wie mit ihren Auffassungen. Als John Acourt der Vereinigten Gesellschaft in London beitreten wollte, lehnte man ihn anscheinend wegen seiner prädestinatianischen Auffassungen ab, die freilich auch einige der Gesellschaftsmitglieder vertraten. Nachdem Wesley im vorangegangenen Jahr von George Whitefield getadelt worden war, weil er diese Angelegenheit nicht mit „ökumenischer Gesinnung“ behandelt hatte,

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machte Wesley nun deutlich, dass er nicht im Einzelnen nach den Auffassungen der Mitgliedskandidaten fragte, sondern nur wünschte, dass sie „keinen Wirbel unter den anderen verursachen, indem sie darüber disputieren“. Man erwartete eindeutig, dass kein Mitglied mit einem anderen über „Meinungen streite“ (Röm 14,1), sondern einfach nach „Heiligkeit strebe und nach dem, was zum Frieden beiträgt“ (Röm 14, 9). Die treibende Kraft hinter der Erweckung und das Band, das die Gesellschaften vereinte, war die Suche nach Erlösung. Die Aufrichtigkeit dieser Suche zu bekunden und in seinem Leben sichtbar werden zu lassen, wurde zu der Leitlinie, nach der man neue Mitglieder aufnahm und alten die Fortsetzung der Mitgliedschaft gewährte. Es gab keine Aufnahmeprüfung in Glaubensfragen, obwohl die Erfahrungen mit den Herrnhutern gezeigt hatten, dass es sinnvoll war, gewisse Maßstäbe zu setzen, was das Verständnis biblischer Wahrheiten betraf. Im Gegensatz zum Fall Acourt, der bei jeder Gelegenheit seine Sicht der Dinge zur Sprache bringen wollte, war Joseph Humphreys in der Lage, Wesley unter diesen Bedingungen als Laienprediger zu unterstützen. In einigen Bereichen vertrat er völlig andere Auffassungen, war jedoch eine Zeitlang geneigt, sie nicht öffentlich kundzutun. In dem fortdauernd gespannten Verhältnis zwischen den Wesleys und John Cennick ging es unter anderem um die Frage, ob er sich öffentlich gegen die Lehre der allgemeinen Erlösung stellen würde, wie sie die Wesleys lehrten. Eine Zeitlang zügelte er sich. Und selbst Charles und John fühlten sich gedrängt, sich in ihrer Korrespondenz gegenseitig in vielen Punkten in Frage zu stellen, doch im Allgemeinen trugen sie ihre Dispute privat aus. Whitefield war ein ganz anderer Fall. Als führender calvinistischer Vertreter unter den Erweckungspredigern zögerte er nicht, gegen die Wesleys anzutreten. Wesley hatte seine Predigt über die „freie Gnade“ im April 1739 zu Beginn der Erweckung in Bristol gehalten (Sermons, 3: 544–563). Sie zielte direkt auf den grundlegenden Unterschied zwischen ihm und George Whitefield, die Lehre der unwiderstehlich wirkenden Gnade und die Aussagen im Zusammenhang mit der Prädestinationslehre: begrenzte Versöhnung, bedingungslose Erwählung, die vorherbestimmte Verdammung (der „schreckliche“ Ratschluss) und die Beharrung der Heiligen. Bald danach veröffentlichte er die Predigt und fügte noch Charles Wesleys Gedicht über die allgemeine Versöhnung an. Whitefield bekannte, dass ihn diese Veröffentlichung schockiere, denn er begriff, dass dies eine offene Kontroverse bedeutete und es besser wäre, wenn beide Seiten schwiegen (Letters, 25: 662). Ein unsicherer Frieden folgte, während sich Whitefield von November 1739

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bis März 1741 in Amerika aufhielt. In dieser Zeit gab er eine Ausgabe von Wesleys Hymns and Sacred Poems heraus und verkaufte sie, um Geld für sein Waisenhaus in Georgia zu beschaffen. Wesley sprach sich in seinen Predigten, Veröffentlichungen und seiner Korrespondenz mit seinem jungen Kollegen in den Kolonien weiterhin sehr entschieden gegen die Prädestinationslehre aus. Die wirkliche Gefahr lag in Wesleys Augen nicht so sehr in der Lehre als in den praktischen Auswirkungen, nämlich der darin verborgenen Gefahr des Antinomismus. Unmittelbar bevor Whitefield nach England zurückkehrte – er sagte, er sei nun „zehntausend Mal mehr“ von der Erwählung und der Beharrung der Gläubigen überzeugt – schrieb er Wesley einen kämpferischen Brief, in dem er ihn wegen seiner Auffassung angriff, dass sündlose Vollkommenheit in diesem Leben möglich sei: „Welch törichte Einbildung, die Vollkommenheit zu fordern und trotzdem die Lehre von der Beharrung der Heiligen anzuprangern!“ (Letters, 26: 32). Darüber hinaus kritisierte er, was Wesley über die Sünde lehrte, und machte sich über seine Praxis des Loswerfens lustig. Im Verlauf des Winters 1742 wurde Whitefields Brief in England veröffentlicht. Am 1. Februar wurde er heimlich vor der Tür der Gießerei verteilt. Als Wesley dies entdeckte, sicherte er sich ein Exemplar, teilte der Gemeinde mit, was er davon hielt, zerriss die großformatige Schrift vor ihren Augen und forderte die anderen auf, es ihm gleichzutun. Nach Wesleys Aussage folgten sie seiner Aufforderung, sodass „nicht ein einziges Exemplar übrig blieb“ (J&D, 19: 180). Die Schlacht hatte begonnen. Die Krieg führenden Parteien hatten in aller Öffentlichkeit ihren Kurs angezeigt. Obwohl Whitefield gesagt hatte, dass er nicht gegen Wesley predigen würde, tat er im Eifer des Gefechts genau das. Darüber hinaus veröffentlichte er eine weitere Erwiderung auf Wesley in Form eines großformatigen Briefs. Wesley antwortete darauf, indem er zwei oder drei Traktate in großer Auflage (zusammen vielleicht 6 000 Exemplare) gegen die Prädestinationslehre drucken ließ. Neben anderen unschönen Vorfällen ließ diese Auseinandersetzung Edmund Gibbon, den Bischof von London, offenbar aufhorchen. Mehrmals rief er Whitefield und die Wesleys zu sich, damit sie ihm erklärten, was sie in dieser Sache dachten und unternommen hatten. Im Hinblick auf die Frage der Vollkommenheit meinte John, dass er „ohne Hintergedanken und Verstellung“ dazu stehe. Der Bischof antwortete: „Mr. Wesley, wenn das alles ist, was Sie damit sagen wollen, veröffentlichen Sie es in aller Welt.“ Wesley tat dies in seiner Predigt über Christliche Vollkommenheit, in der er darlegte, was er mit diesem Begriff meinte und was nicht. Wesleys Auffassung lautete schlicht

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und einfach: „Ein Christ ist insoweit vollkommen, als er keine Sünde begeht.“ Whitefields Entgegnung war vorherzusehen: „Ich kann dem nicht zustimmen, dass die innewohnende Sünde in diesem Leben vernichtet wird“ (Letters, 26: 66). Genau wie Wesley sich gegen die Ansicht der Herrnhuter in seinen Predigten für das „wahre Stillsein“ ausgesprochen hatte („Harre des Herrn in allen seinen Satzungen“), predigte er auch „den großen Ratschluss“ und bezog damit Position gegen die Calvinisten: „Wer glaubt, wird gerettet werden, wer nicht glaubt, soll verdammt werden“ (J&D, 19: 196; Mk 16, 16).

Mitgliedskarten wurden in den Klassen an alle ausgeteilt, bei denen in der vierteljährlichen Prüfung „ihr aufrichtiges Verlangen nach Errettung sichtbar“ wurde. Frühe Beispiele enthalten typischerweise einen Bibelvers, außerdem das Datum (und später den Buchstaben) des Quartals, für das die Karte gilt.

Mit dieser Episode fand die Kontroverse der beiden natürlich noch kein Ende. Sie sollte noch dreißig Jahre nach Whitefields Tod weiter geführt werden. Whitefield hoffte immer noch auf eine Vereinigung der beiden Flügel und sagte, dass er im Wesentlichen die gleiche Methode anwende wie die Wesleys – „jedem Einzelnen Jesus freigiebig anzubieten“ (Letters, 26: 66). Doch die Ereignisse vom Frühjahr 1741 wiesen eindeutig darauf hin, dass sich die Erweckung in England in einen calvinistischen und einen arminianischen Flügel spalten und Whitefield die calvinistisch-methodistische Gruppe unter der Schirmherrschaft von Lady Huntingdon anführen würde. Johns Kommentar sei nem Bruder Charles gegenüber schien eine positive wie auch negative Bedeutung zu haben: „Ich muss herumgehen und hinter George Whitefield Nachlese halten“ (Letters, 26: 55). Mit dieser klaren Teilung der Bewegung verlor Wesley zwei Laienprediger an Whitefield. John Cennick hatte sich schon seit einiger

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Zeit nicht gut mit Wesley verstanden. Im Winter 1740/41 brachte er die Kingswood Society fast dazu, sich zu spalten, als er sich in seinen Predigten gegen die Lehre der Wesleys richtete. John Wesley versuchte Joseph Humphreys, einen anderen Laienhelfer, nach Kingswood zu schicken, damit dieser die Lage unter seine Kontrolle brächte. Humphreys allerdings war Cennicks Theologie durchaus gewogen und in zunehmendem Maß betrübt, dass die Wesleys dazu tendierten, gegen die Prädestinationslehre zu predigen (trotz ihrer Beteuerung, Kontroversen und Dispute abzulehnen). Nachdem Whitefields Brief zerrissen und Cennick öffentlich gemaßregelt worden war, schloss sich Humphreys letzterem an und verließ damit die wesleyanische Herde. Gemeinsam verbrannten sie öffentlich ein Exemplar von John Wesleys Schrift „Treatise on Predestination“ („Abhandlung über die Prädestination“), die die Wesleys unter Whitefields Anhängern und in der Gießerei verteilt hatten. Die Kluft zwischen den beiden Teilen der Bewegung wurde immer größer. Im Frühjahr 1741 fühlte John Wesley sich mit seiner theologischen Position zunehmend allein. Er hatte nacheinander mit den Herrnhutern und den Calvinisten gebrochen, obwohl er weiterhin mit beiden Seiten Dispute führte. Aus dem kleiner werdenden Kreis seiner Freunde und Helfer hatten viele schon früh Partei für die Herrnhuter ergriffen. Sogar auf seinen Bruder Charles schienen viele ihrer Lehren abgefärbt zu haben. Im April 1741 schrieb er ihm: „Vor einigen Monaten standen fünf von uns fest zusammen, doch nun sind zwei nach rechts abgedriftet (der arme Humphreys und Cennick), und zwei nach links (Mr. Hall und du).“ Beide Wesley-Brüder wurden von den Herrnhutern noch in der Hoffnung aufgesucht, sie zu bekehren und die Gießerei-Gesellschaft wieder in die Hände zu bekommen. John fühlte sich in mancher Hinsicht noch von ihnen angezogen – nicht ohne Grund gebraucht er das Bild des Herzens, wenn er seine Gefühle schildert: „Kaum jemals sehe ich einen von ihnen, ohne dass mein Herz in mir brennt. Ich sehne mich danach, bei ihnen zu sein, und doch hält mich etwas von ihnen fern“ (J&D, 19: 190). Am 1. Mai 1741 nahm John sogar an einem Liebesmahl teil, das Peter Böhler für die zehn Gründungsmitglieder der Fetter Lane Society vorbereitet hatte, die genau drei Jahre zuvor gegründet worden war. In der darauf folgenden Woche kamen die Banden der Vereinigten Gesellschaft zusammen, um über die Wiedervereinigung mit Fetter Lane nachzudenken: Doch man entschied, dass die Zeit noch nicht reif dafür sei. Es sah nicht danach aus, als würde die Zeit jemals reif werden. Während Wesley sich noch mit Cennick in Bristol auseinandersetzen musste, begann er die Mitgliedsbedingungen in den Gesellschaften zu verschärfen. Im Februar 1741 begann er Mitgliedskarten aus-

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zugeben, „entschlossen, dass niemand mit einem unordentlichen Wandel“ in der Gesellschaft verbleiben solle. Durch eine genaue Prüfung vor den Banden stellte Wesley fest, gegen welche Personen „irgendein vernünftiger Einwand“ vorlag oder wer von einem zuverlässigen Menschen, „auf dessen Wahrhaftigkeit ich mich verlassen konnte“, abgelehnt wurde. Nachdem er die Bandenmitglieder geprüft hatte, gab Wesley Mitgliedskarten an alle aus, die empfohlen worden waren; die anderen mussten sich ihren Anklägern stellen – die Unschuldigen und Reuigen wurden dann in die Gesellschaft aufgenommen und empfingen ihre Mitgliedskarte. Diese Karten waren kleine Zettel aus Papier oder Pappe, am Anfang vermutlich handgeschrieben, mit einem Bibelvers und dem Namen der betreffenden Person. Wer keine Karte bekam, wurde Mitglied auf Probe (wie es oft beim Eintritt gehandhabt wurde), es sei denn, er „zog es vor, der Gesellschaft fern zu bleiben,“, wie es bei dieser ersten Gelegenheit vierzig Personen taten (J&D, 19: 183–184). Im März richtete John für einige Frauen aus Bristol, „die nachlässig geworden waren“, eigene Banden ein. Diese Gruppen wurden unter der Bezeichnung Bande der Reuigen (penitential bands) bekannt und umfassten rückfällig gewordene Bandenmitglieder. So wurden die vierteljährliche Prüfung, die Gewährung oder Verweigerung von Mitgliedskarten und die Struktur der Gruppen zu einem wichtigen Instrument der geistlichen Erziehung und der Stärkung des Glaubens innerhalb der Gemeinschaften. Die Bande der Reuigen stellte die organisatorische Gestalt von Wesleys Theologie, der Charles zu dieser Zeit in einem Brief an John nachdrücklich Ausdruck verleiht: Nehmen wir an, ein gerechtfertigter Mensch ließe sich wieder in seinem Sumpf nieder [versänke im Bodensatz]; ... er ist nun in einem viel schlimmeren Zustand, als wenn er niemals von der Gnade Gottes gekostet hätte, von der er abgefallen ist. ... Er kann erst genesen, wenn er wieder wie beim ersten Mal zu Christus kommt als ein armer verdammter, nicht gerechtfertigter Sünder, aller Dinge entkleidet! Doch solange er in seiner alten Bequemlichkeit ruht, ist er schlimmer als ein Zöllner, schlimmer sogar als ein halsstarriger Pharisäer, insofern er nun auf subtile Art ein innerlich-geistlicher Pharisäer geworden ist, der dem Missbrauch der Gnade vertraut (Brief vom 24.10.1743).

Wenn jemand Zweifel an den ernsten Folgen hegte, die der Abfall vom Glauben nach sich zog, dann gewiss nicht Charles. Die Wesleys führten nun auch neue Praktiken in den Gesellschaften ein, um ihre geistlichen Ziele zu fördern. Etwa zu dieser Zeit begannen einige Mitglieder der Kingswood Society Sonnabendnacht zusammenzukommen, um zu beten, Gott zu loben, zu danken und so der Aufforderung an die Apostel nachzukommen, „zu wachen und zu beten“. Ein Jahrzehnt zuvor hatten Benjamin Ingham und einige der Oxforder Methodisten (mit John Wesleys zögerlich erteilter Zu-

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stimmung) sich mittels dieser Methode auf den Sonntag vorbereitet (Ingham, 205). Auch Charles Wesley „wachte“ im Mai 1741 mit John in Kingswood und notierte in seinem Tagebuch: „Ich wünschte, all unsere Brüder würden sich diesen alten Brauch zu eigen machen“ (CWJ, 1: 278). John Wesleys befürwortete diese Praxis in den Gesellschaften. Seiner Meinung nach konnte diese „Neuerung“, also die Neubelebung dieses alten Brauchs, ein wirksames Mittel sein, um eine Seele vor dem Tod zu retten oder „jenen Brandscheit aus dem Feuer zu retten“. Nicht nur, dass die ersten Christen einen Präzedenzfall für diese „mitternächtlichen Zusammenkünfte“ lieferten, die sich bis nach Mitternacht erstreckten, nein, sie waren auch im Einklang mit den „Vigilien“ der Kirche von England (Societies, 264, 305). Diese WachnachtGottesdienste, die im Allgemeinen drei oder vier Stunden dauerten, wurden am 9. April 1742 in London eingeführt. Dass Wesley hier praktisch dachte, wird daran deutlich, dass er den Freitag, der dem Vollmond am nächsten lag, als regelmäßigen monatlichen Termin für diese „feierlichen Gottesdienste“ festsetzte, damit diejenigen, die etwas weiter entfernt wohnten, nach Mitternacht ihren Heimweg im Mondlicht antreten konnten (J&D, 19: 258).

Der Auftrag des Methodismus In den Jahren nach 1730 hatten die Oxforder Methodisten, fast alle Angehörige der Universität, einen Großteil ihrer Zeit, ihres Geldes und ihrer Kraft für Werke der Barmherzigkeit gegenüber den Armen aufgewendet – sie ließen den Kindern in den Arbeitshäusern Bildung angedeihen, brachten den Bedürftigen etwas zu essen, stellten Wolle und andere Materialien zur Verfügung, aus denen die Menschen sich Kleidung anfertigen oder andere Waren herstellen konnten, um sie zu tragen oder zu verkaufen. Diese besondere Betonung der Nächstenliebe und der Nachahmung des Beispiels Christi („der ist umhergezogen und hat Gutes getan“, Apg 10,38) charakterisierte den Methodismus auch weiterhin, als die Erweckung einsetzte. Charles und John setzten ihre ausgedehnte Gefängnisarbeit fort, vor allen Dingen in den Londoner Gefängnissen Newgate und Marshalsea, dem Castle in Oxford und dem Newgate in Bristol. Sie sahen ihre vorrangige Aufgabe darin, das Evangelium zu predigen, vor allen denjenigen, denen die Hinrichtung bevorstand. Charles widerstrebte dieses Vorgehen zu diesem Zeitpunkt, weil er ein Vorurteil gegen Bekehrungen auf dem Totenbett hegte.

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Die Gefängnisdirektoren hießen diese Besucher nicht immer willkommen – Charles erzählt, dass seine Genehmigung einmal widerrufen wurde, ihm jedoch zum Erstaunen des Direktors vom Grafschaftsvogt eine neue ausgestellt wurde. Einmal befand er es für notwendig, dem seelsorglichen Ratschlag Thomas Broughtons (eines ehemaligen Oxforder Methodisten) zu widersprechen, der den Häftlingen gesagt hatte, man könne nicht erwarten, wirklich zu wissen, ob einem die Sünden vergeben worden seien (CWJ, 1: 305). Er und John begleiteten die Todeskandidaten bis zum Galgen in Tyburn, und manchmal stiegen sie sogar zu den verurteilten Gefangenen in den Karren, um mit ihnen zu singen und zu beten. John nahm auch mindestens einmal die Gelegenheit wahr, vor dem Mob zu predigen, der sich versammelt hatte, um sich die Hinrichtungen in Tyburn anzusehen (J&D, 19: 362). Die Erfahrungen, die sie mit Gefangenen gemacht hatten, gaben den Wesleys Möglichkeiten an die Hand, ihre Zuhörer und Leser zu ermahnen. Dies war zum Beispiel der Fall, als John versuchte, den zum Tod verurteilten Robert Ramsey zu besuchen, eine Geschichte, die er in seinem Journal erzählte. Ramsey, mittellos und bis zum Hals in Schwierigkeiten, war von der Vereinigten Gesellschaft in Bristol aufgenommen worden. Er und ein Komplize gerieten bald in den Verdacht, Geld aus dem Schulfonds für Kingston entwendet zu haben. Trotzdem konnte ihnen weder etwas nachgewiesen werden, noch bekannten sie sich irgendeines Vergehens für schuldig. Wie Wesley sagte, konnten sie allerdings „weder Gott täuschen noch sich seiner Hand entziehen“. Bei ihrer Rückkehr nach London wurden sie wegen eines Raubüberfalls verhaftet und zum Tod verurteilt. Der Komplize gestand Wesley am Tag vor seiner Hinrichtung den Überfall. Ramsey erbat daraufhin Wesleys Besuch, dem jedoch vom Gefängnisdirektor der Zutritt verweigert wurde. John fasst die Geschichte nach homiletischer Manier zusammen: „So dass er, der das Wort Gottes vorher nicht aus meinem Mund hören wollte, jetzt nach etwas verlangte, was er nicht bekommen konnte. Und am Mittwoch fiel er der Gerechtigkeit eines Gottes zum Opfer, gegen den er lange gesündigt hatte. O bedenkt dies, die ihr jetzt Gott vergesst und nicht wisst, an welchem Tag er euch heimsuchen wird!“ (J&D, 19: 245). Die Wesleys hofften, dass eine solide christliche Erziehung die Jugend veranlassen würde, sich von einem solchen Leben abzukehren, und sie „die Dinge, die ihnen zum Frieden dienen, kennen lernen“ würden (J&D, 27.11.1739). Die Räumlichkeiten, die sie in Bristol und Kingswood errichtet hatten, boten Platz für Lehrer und Lehrerinnen sowie für Klassenräume, in denen Schüler aller Altersklassen unterrichtet werden konnten. Dies entsprach teilweise Whitefields ur-

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sprünglichen Plänen, dessen Interessen sich allerdings in der Zwischenzeit auf sein Waisenhaus in Georgia verlagert hatten. Wesley stellte fest, dass die Kosten eines solchen Unternehmens die ursprünglich veranschlagten überstiegen und man deshalb Einsparungen vornehmen müsse. Obwohl die Lehrkräfte unbezahlte Freiwillige waren, stand nicht genug Geld zur Verfügung, um so viele Lehrer wie zunächst geplant einzustellen (Letters, 25: 702). Whitefield beklagte sich einmal, dass die Gebäude zu sehr „herausgeputzt“ seien und dass die Kinder nicht nur unterrichtet, sondern auch eingekleidet würden. 1741, als das Verhältnis zu den Wesleys gespannt war, versuchte Whitefield das Kingswood-Projekt für sich zu vereinnahmen, doch Wesley wies darauf hin, dass er doppelt so viel in die Schule investiert habe wie Whitefield. Wesley hatte trotzdem ein Testament aufgesetzt, in dem er George zusammen mit seinem Bruder Charles als Nachfolger einsetzte (Letters, 26: 59).

Dieser Druck von William Hogarth zeigt einen Methodistenprediger, der aus Wesleys Predigten vorliest, während er einen Verurteilten, der in Tyburn nicht weit vom Marble Arch gehängt werden soll, im Karren begleitet.

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Eine Möglichkeit, Geld aufzutreiben, bestand darin, Wohltätigkeitspredigten zu halten. Das bekannteste Beispiel ist wahrscheinlich die alljährliche Predigt im Namen der SPCK zugunsten der Wohlfahrtsschulen. Whitefield war ein Meister darin, eine große Zuhörerschaft zu erweichen; mit Leichtigkeit konnte er fast jede Gruppe dazu bewegen, in einer Sonderkollekte für einen bestimmten Zweck großzügige Spenden zu geben. Das hatte er für Kingston getan; und jetzt tat er es für sein Waisenhaus in Georgia. Auch die Wesleys setzten diese Methode nutzbringend ein, wobei sie außerdem auch in den Gesellschaften sammelten und manchmal sogar in den Klassen zu Sonderspenden aufriefen. Die Menschen, unter denen die Methodisten arbeiteten, litten manche Not, und man versuchte jede denkbare Quelle anzuzapfen, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Selbst das wachsende Verlagsprogramm der Wesleys war teilweise dazu gedacht, Geld zu beschaffen, das den Gesellschaften zur Verfügung stehen sollte. Einige Kritiker schätzten, dass sich diese Summe, von der sie annahmen, dass sie Wesley gehöre, auf 1300 Pfund Sterling beliefe, ein Betrag, der in etwa einem Bischofsgehalt entsprach. Wesley räumte ein, dass er genug zu essen habe, Kleidung und ein Dach über dem Kopf, wies aber auch darauf hin, dass der Großteil des Geldes in den Händen der Verwalter der Gesellschaft sei und dass sie ihn einen „Dieb und Räuber“ nennen dürften, wenn er bei seinem Tod mehr als zehn Pfund Privatvermögen hätte (Appeals, 83–88). Seine private Buchführung bestätigt, dass er den größten Teil des Geldes, das durch seine Hände ging, weitergab. In den Jahren ihres Bestehens hatten die religiösen Gesellschaften, die sich zum größten Teil aus wohlhabenden Mitgliedern zusammensetzten, die Unterstützung der Armen als Teil ihres Auftrags begriffen. In den Jahren nach 1730 hatten die Oxforder Methodisten (meistens Angehörige der Universität) Geld und Sachspenden für die Armen der Stadt gesammelt. Als die methodistische Erweckung um 1740 auch die armen Vororte der englischen Großstädte erreichte, strömten auch Bergleute, Bedienstete und andere Angehörige der Arbeiterklasse, die an der Armutsgrenze, wenn nicht sogar unter katastrophalen Umständen ihr Leben fristeten, in die neuen methodistischen Gesellschaften. Im Januar 1740 stürzte ein scharfer Frosteinbruch im Gebiet um Bristol viele Menschen in eine schwere Notlage. Wesley führte einige Sondersammlungen für die Armen durch, die weder Arbeit hatten noch von ihrer Pfarrgemeinde unterstützt wurden und so äußerste Not litten. Auf diese Weise konnten einhundertfünfzig Menschen täglich verköstigt werden („diejenigen, die es unserer Einschätzung nach am nötigsten hatten“, J&D, 19: 135–136).

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1741 fiel Wesley auf, dass es in der Vereinigten Gesellschaft von London gleichermaßen eine große Anzahl von Menschen gab, denen das Nötigste zum Leben fehlte. Im Mai rief er die Gesellschaft auf, wenn es ihnen möglich sei, pro Kopf wöchentlich (etwa) einen Penny einem Fonds beizusteuern, den man für die Unterstützung der Armen und Kranken eingerichtet hatte, und auch Kleidung zu spenden, die sie erübrigen konnten und die von den Verwaltern unter den Bedürftigen verteilt werden sollte. Er stellte außerdem eine kleine Heimindustrie auf die Beine, sodass arbeitswillige Frauen mit Strickarbeiten etwas Geld verdienen konnten, und ersann ein System von Krankenbesuchen. Zwölf Mitarbeiter wurden zu Krankenbesuchern für ihre Wohngegend ernannt. Man bat sie, jeden Dienstag zusammenzukommen, um sich mit Wesley zu beraten. Während zweier Monate des Jahres 1744 sammelte er Spenden in Höhe von 196 Pfund Sterling in der Vereinigten Gesellschaft von London (die damals etwa zweitausend Mitglieder zählte), genug, um etwa 360 Arme mit der „benötigten Kleidung“ zu versorgen (Curnock, 3: 125). So begann die Gesellschaft, ihren Auftrag im direkten Umfeld zu erfüllen, indem sie sich um ihre eigenen Leute kümmerte („diejenigen, von denen ich wusste, dass sie fleißig und doch in Not waren“) (Curnock, 3: 117). Die Mitglieder entdeckten, dass der Nächste, den sie lieben sollten, oft direkt neben ihnen auf der Bank in der Gießerei saß. Die weit verbreitete Armut bedeutete auch, dass der Tod alltägliche Realität war. Die Kunst des Sterbens (ars moriendi) war für den Pietisten ein Zeugnis für die Kunst des christlichen Lebens. Das Totenbett war für die Gläubigen die letzte Möglichkeit, vor den versammelten Freunden ihren Glauben zu bezeugen. Diese wiederum konnten den Übergang vom irdischen zum ewigen Leben beobachten. Eines der frühesten geistlichen Bücher, die in Wesleys OxfordTagebuch erwähnt werden, ist Jeremy Taylors Holy Living and Holy Dying („Heiliges Leben und heiliges Sterben“). Es überrascht nicht, dass Schilderungen von Sterbenden einen Stammplatz in der methodistischen Literatur erhielten und oft bei den Zusammenkünften der Gesellschaften gelesen wurden. Die Tagebücher Wesleys über diesen Zeitraum enthalten eine Reihe solcher Berichte, darunter den beispielhaften Tod von Jane Muncy (eine der ersten Frauen in der Fetter Lane Society), den vertrauensvollen Heimgang von Sarah Whiskins (einer jungen Frau aus Cambridge) sowie einen langen Bericht über den Tod John Wooleys (eines dreizehnjährigen reuigen Delinquenten). Wesleys Schilderung des Todes seiner Mutter im Juli 1742 wirkt erstaunlich zurückhaltend, doch zollte er ihrer Rolle als „Predigerin der Gerechtigkeit“ durchaus die ihr gebührende Anerkennung.

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Verteidigung und Apologetik Die theologischen Dispute, auf die sich Wesley in den ersten Jahren der Erweckung einließ, behandelten die großen Themen – Erwählung oder universale Versöhnung, Stillsein oder gute Werke, zugesprochene Gerechtigkeit oder christliche Vollkommenheit. Dies waren grundlegende Fragen, die die Gestalt der ganzen Bewegung prägten. Im Lauf des vorangegangenen Jahrhunderts hatten sich in der Kirche von England latitudinarische Tendenzen herausgebildet, die es erlaubten, dass viele verschiedene Auffassungen unter dem Dach der Kirche koexistieren konnten. Das Durcheinander, das die Revolution mit sich gebracht hatte, die Spannungen und das Chaos, die aus dem Versuch folgten, verschiedenen Spielarten puritanischer Orthodoxie Geltung zu verschaffen, das Aufatmen in der Restaurationszeit und mit ihrem recht ausgeprägten Sinn für Toleranz oder gar Verständnis – all das hielt die Geistlichen und ihre Gemeinden davon ab, sich wegen theologischer Fragen zu echauffieren. Tatsächlich konnte Wesley mit einigem Recht behaupten, dass er einfach den „alten Glauben“ der Kirche von England predige, der für die meisten Menschen (die Geistlichen eingeschlossen) unter dem Müllhaufen der Restauration verschwunden war. In seiner Schrift The Character of a Methodist („Die Kennzeichen eines Methodisten“) argumentierte Wesley, das entscheidende Merkmal eines Methodisten sei nicht eine besondere Religionsauffassung oder eine Reihe von speziellen Auffassungen. Er wies ganz richtig darauf hin, dass man die meisten methodistischen Glaubenssätze und Praktiken mit großen Teilen der Christenheit gemeinsam habe. Das Unterscheidungsmerkmal eines Methodisten sei schlicht und einfach die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten (Societies, 9: 35). Auf den Einwurf, dass dies ja die grundlegenden Prinzipien der Christenheit seien, entgegnet Wesley: „Du sagst es. Und so meine ich es.“ Er wollte, dass sich die Methodisten von der ungläubigen Welt unterschieden, nicht jedoch von den „wahren Christen“. Dies ist nicht so sehr ein apologetisches Argument für den Methodismus als vielmehr ein Zeichen dafür, dass Methodisten an Einheit interessiert sind. In einer kirchlichen Welt, in der theologische Debatten nur Spaltungen hervorrufen können, sagt Wesley, dass sich die Methodisten nur für eine grundlegende Frage interessieren: „Liebst du Gott und dienst ihm?“ Das ist die Basis von Wesleys praktischer Theologie. Doch Wesley zögerte ebenso wenig, seine Theologie in Einzelheiten darzulegen; in den folgenden Monaten veröffentlichte er zwei Abhandlungen, die sich mit spezielleren Fragen beschäftigten. Seine Erwiderung auf Josiah Tuckers Brief History of the Principles of

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Methodism („Kurze Geschichte der Prinzipien des Methodismus“) war eine gekürzte Fassung der Schrift The Principles of a Methodist („Die Prinzipien eines Methodisten“, 1742). In ihr spricht sich Wesley für eine „gesunde Theologie“ aus, die mit der Bibel und der Erfahrung vereinbar und in sich stimmig ist (Societies, 9: 64). Er weist Tuckers Behauptung zurück, die Methodisten hätten sich in ihren Auffassungen auf William Law und die Herrnhuter gestützt. Im Lauf seiner Ausführungen argumentiert Wesley, er glaube nicht an sündlose Vollkommenheit (in einem gewissen Sinn), wohl aber an die „Rechtfertigung allein durch den Glauben (in einem gewissen Sinn). Um Tucker in einigen Aussagen zu korrigieren, zitiert Wesley aus seinem eigenen Journal, zu einigen theologischen Fragen nimmt er Stellung, indem er seine Glaubensüberzeugungen darlegt (zu Gewissheit, Bedingungen und Auswirkungen der Rechtfertigung). Weil er viel Arbeit und wenig Zeit hat, verfasst er vorerst keine Erwiderung auf Tuckers Ansicht, dass „Heiligkeit im Sinn des Evangeliums eine notwendige Bedingung ist, die der Rechtfertigung vorausgeht“. Er notiert sich vorerst, dass diese Idee „dem Evangelium Christi direkt widerspricht“. In all diesen Fragen, so sagt er, sei A Collection of Tunes („Eine Sammlung von Weisen“, 1742) lieferte die er ein Herz „und eine Seele“ mit Melodien zu vielen von Wesley geseinem Bruder Charles. dichteten Liedern, die in der GießeWesley hatte behauptet, dass rei gesungen und mit Band- und er weder Zeit noch Lust habe, mit Seitenangaben versehen wurden, die auf die Hymns and Sacred Poems jemandem eine Kontroverse auszu(1740) verweisen. tragen (J&D, 19: 90). Doch 1743 entschloss er sich, seinen Kritikern entgegen zu treten. In der Hoffnung, er könne Gerüchte zum Schweigen bringen, die teilweise hinter den öffentlich geführten – literari-

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schen wie physischen – Angriffen gegen den Methodismus standen, veröffentlichte er An Earnest Appeal to Men of Reason and Religion („Ein ernster Appell an Menschen von Verstand und Religion“), einen „schlichten Bericht“ über die Prinzipien und die Arbeit des Methodismus. Wesley bewegt sich auf vertrautem Terrain, wenn er in einem vorangestellten „groben Entwurf“ noch einmal seine Lehre wiederholt: Der Methodismus will von einer leblosen, formellen Religion zu einer Religion führen, die Gottes würdig ist, und das ist Liebe – Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten, die man im Herzen trägt und deren Früchte in Tugend und Glück sichtbar werden. Der Argumentationsgang dieser Abhandlung richtet sich an jeden vernünftig denkenden Menschen. Unter anderem macht ihre Stärke aus, dass sie durchgängig auf den Leser eingeht. Dem Nichtchristen sagt Wesley: „Was haben wir dir Böses angetan, dass du in das allgemeine Gebrüll gegen uns einstimmst?“ Dann greift er ein im Zeitalter der Aufklärung populäres Thema auf: „Du wenigstens wirst dich nicht dafür aussprechen, uns dessen zu berauben, was du selbst für dich beanspruchst: Damit meine ich das unveräußerliche Recht eines persönlichen Urteils, das jedem vernünftigen Geschöpf zusteht. ... Auf der Grundlage deiner eigenen Prinzipien musst du uns deshalb mindestens Unschuld zugestehen.“ Nach der einleitenden Darlegung allgemeiner Prinzipien beginnt Wesley mit einem Tutorium des Glaubens. In diesem Kontext ist es für ihn das Natürlichste, seine religiöse Erkenntnislehre zu entfalten und die Beziehung zwischen Glauben und Verstand zu erläutern. Nach empirischer Manier weist er darauf hin, dass wahre Aussagen über die Natur auf der Wahrnehmung der „natürlichen Sinne“ basieren. Ebenso wird die Wahrnehmung geistlicher Dinge durch die „geistlichen Sinne“ ermöglicht, ein „Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebr 11,1). Erst wenn dieser innere Sinn durch die „neue Geburt“ zum Leben erweckt wird, kann man Botschaften von Gott wahrnehmen. Wesley spricht dann diejenigen an, die sich selbst als Christen betrachten, und stellt eindringlich die Frage nach dem heiligen Leben. Den Menschen mit einem unmoralischen Lebensstil sagt er: „Entweder bekenne, dass du ein Ungläubiger bist, oder sei ein Christ.“ Den Menschen mit moralischen Grundsätzen (die Böses meiden, Gutes tun und die Gnadenmittel in Anspruch nehmen), sagt er: „Du kannst das alles tun und doch überhaupt keine Religion in dir haben – nicht solch eine Religion, die dir vor Gott etwas nützt ... Du hast nicht den Glauben, der in der Liebe tätig wird.“ Im Folgenden beschreibt Wesley diese innere Religion, stellt Lehren wie die der christlichen Vollkommenheit dar und fragt: „Ist es irgendjemandem, der der Bibel glaubt,

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möglich, auch nur ein i-Tüpfelchen davon zu leugnen?“ In der Annahme, er habe den christlichen Leser überzeugt, dass jede lebendige Religion diese gemeinsame Basis habe, sagt er weiter: „Kein Unterschied zwischen uns (wenn du ein Kind Gottes bist) kann so groß sein wie unsere Übereinstimmung. ...Wie ist es also möglich, dass du dich veranlasst siehst, schlecht von uns zu denken oder zu reden?“ Wesley verteidigt seine Bewegung auch gegen den Vorwurf, die Methodisten würden die Kirche untergraben und spalten. Kirchenrecht und kirchliche Regelungen, behauptet er, beachte er mit „skrupulöserer Genauigkeit“ als die meisten seiner Pfarramtskollegen. Um diesen Punkt zu untermauern, zitiert Wesley aus beiden Lagern und stellt den Leser vor die Frage, wer von ihnen sich enger an die Regelungen halte. Und wie können wir die Kirche spalten, so fragt er, wenn niemand, der in ihr für Entzweiung sorgt oder ihr den Rücken kehrt, Platz bei den Methodisten findet? Wesleys abschließende Empfehlung an die vernünftig denkenden „Menschen der Welt“ ist der Ratschlag Gamaliels, den dieser in der Apostelgeschichte erteilt: „Lasst ab von diesen Menschen und lasst sie gehen! Ist dies Vorhaben oder dies Werk von Menschen, so wird's untergehen; ist es aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten – damit ihr nicht dasteht als solche, die gegen Gott streiten wollen.“ Nicht jeder war überzeugt, dass die wesleyanische Bewegung das Werk Gottes war. Thomas Herring (Erzbischof von York) gab seinem Erstaunen Ausdruck, dass Wesley „enthusiastische Leidenschaft“ als „das wahre und einzige Christentum“ bezeichnen konnte. Auch der Verfasser der Observations Upon the Conduct and Behaviour of a Certain Sect usually Distinguished by the Name of Methodists („Beobachtungen zur Lebensführung und zum Verhalten einer gewissen Gruppierung, die gewöhnlich mit der Bezeichnung Methodisten belegt wird“), wahrscheinlich Edmund Gibson, Bischof von London, legte dar, inwiefern die Methodisten seiner Meinung nach das Gemeindeleben empfindlich störten. Unter anderem widersprach der Bischof dem Ratschlag, den er Charles und John Wesley früher einmal erteilt hatte, und behauptete nun, dass das, was mit abendlichen Zusammenkünften in privaten Wohnhäusern begonnen hatte, jetzt zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden sei. Diese Treffen seien unter dem Act of Toleration nun als illegale Zusammenkünfte zu werten, da sich die Teilnehmer nicht als Dissenters hätten registrieren lassen. Auf diese Weise versuchte er eine Unterscheidung zwischen Methodisten und den religiösen Gesellschaften zu treffen, die weiterhin geistliche Gemeinschaft in einem privaten, unauffälligen Rahmen pflegten. Manche unternahmen auch weitergehende Schritte, um dem Methodismus entgegen zu treten. In einem Land, in dem Ausschreitun-

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gen nicht unüblich waren, fiel es nicht schwer, den Mob anzustacheln, aus jedem beliebigen Anlass den öffentlichen Frieden zu stören. Charles hatte 1740 versucht, die Bergleute in Kingswood davon abzuhalten, sich einem Aufstand gegen die hohen Getreidepreise anzuschließen (CWJ, 1: 249). Drei Jahre später wurde er in Sheffield selbst zur Zielscheibe von Aufständischen, die ihn nicht nur mit Steinen bewarfen, sondern auch (vermutlich vom anglikanischen Priester angestachelt und ganz sicherlich vom diensthabenden Polizisten ermutigt) das Haus der Gesellschaft buchstäblich niederrissen und das Haus von John Bennet, in dem sich Charles aufhielt, fast zerstörten. Charles hielt den Aufständischen eine Predigt und verlas danach tatsächlich den Riot Act („Aufruhr-Gesetz“) (CWJ, 1: 309–310). Auch John war in Bristol mit dem Mob konfrontiert worden und hatte gewalttätige Aufstände in London miterlebt (einmal wurde beispielsweise am Charles Square ein Ochse durch die unter freiem Himmel versammelte Gemeinde getrieben). Doch diese Vorfälle hatten ihn nicht auf die Brutalität vorbereitet, die ihm vonseiten seiner Gegner entgegen schlug. Diese waren von dem ihm einst freundlich gesonnenen Pfarrer von Wednesbury aufgehetzt worden, als Wesley dort im

Dieser alte Druck stellt Wesley dar, wie er vom Mob angegriffen wird. Dass anscheinend keine Gewalt angewendet wird, steht im Einklang mit seiner Behauptung, er werde von einem Schutzengel bewahrt.

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Oktober 1743 eintraf. Die Geschichte dieses Aufruhrs, die in allen Einzelheiten in Wesleys Journal erzählt wird, wurde zum Inbegriff von Gottes schützender Hand angesichts brutaler Gegner (J&D, 19: 344– 349). Sie zerrten den Oxford-Gelehrten (selbst an den Haaren) mitten in der Nacht im starken Regen durch Feld und Flur. Bald trafen sie auf eine rivalisierende Truppe aus dem Nachbardorf. Die Frage, wer Wesley in Gewahrsam nehmen durfte, diente beiden Gruppen als Vorwand für die folgende handfeste Auseinandersetzung. Die ganze Zeit, so beobachtete Wesley, hegten viele die Absicht, ihm Schaden zuzufügen, doch niemand konnte es in die Tat umsetzen. Die beiden Schläge, die er einstecken musste, verursachten ihm keinerlei Schmerzen. Am nächsten Tag berichtete er die Geschichte seinem Bruder Charles mit der Bemerkung, er verstünde nun, wie die ersten christlichen Märtyrer die Flammen erdulden konnten, ohne Schmerzen zu spüren. Zudem sei er die ganze Zeit von seinem Schutzengel bewacht worden. Sein jüngerer Bruders sah die Sache eher praktisch als theologisch: „Vielen Schlägen entging er durch seine kleine Statur“ (CWJ, 1: 338). John schloss seinen Bericht über diesen Vorfall, indem er eine eigenartige Erklärung wiedergab, die von den Friedensrichtern des Bezirks verbreitet wurde: Einige aufrührerische Personen, die sich als Methodistenprediger aufspielen, gehen umher, um Aufruhr und Ausschreitungen anzuzetteln, zum großen Schaden der Vasallen seiner Majestät und gegen den Frieden unseres souveränen Herren, des Königs: [Wir befehlen euch] gründlich nach besagten Methodistenpredigern zu suchen und ihn oder sie vor einige von uns zu bringen ... damit sie wegen ihrer ungesetzlichen Machenschaften verhört werden. Es kam nicht überraschend, dass sich vier Monate später Hunderte von Aufrührern in diesem Gebiet zusammenrotteten, um „alle Methodisten in Wednesbury zu plündern“. Vier oder fünf Tage lang zerstörten und plünderten umherziehende Horden viele Häuser, in denen dem Vernehmen nach Methodisten wohnten. Die Opposition gegen die Methodisten wurde zusätzlich noch durch eine in der London Evening Post erschienene Zeitungsnotiz angefacht, in der zu lesen war, die Ausschreitungen richteten sich nicht gegen die Menschen, die man Methodisten nannte, sondern seien von ihnen angezettelt worden. Diese Möglichkeit war nicht völlig aus der Luft gegriffen – immerhin hatte diejenigen Arbeiter aus den Zinnbergwerken, die auf Wesleys Seite standen, in Cornwall verlauten lassen: „Wenn irgendjemand etwas gegen uns sagt, verdient er, gesteinigt zu werden“ (CWJ, 1: 326). Immer neue Anschuldigungen wurden gegen die Methodisten vorgetragen. Zu dem alten Vorwurf, sie seien Separatisten, kam jetzt der noch verwerflichere hinzu, sie seien Papisten. In dieser Anschuldi-

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Wesleys Reisen durch das Königreich führten ihn über zahlreiche Straßen, von denen viele in zeitgenössischen Reiseführern aufgelistet waren. Einige Straßenverzeichnisse enthielten streifenförmige Landkarten wie zum Beispiel diesen Ausschnitt aus der „London road“ von Marlborough nach Bristol.

gung schwangen politische Untertöne mit, wenn man in Betracht zog, dass Bonnie von Schottland eine Bedrohung darstellte, weil er als Stuart Anspruch auf den Thron erhob, sich mit dem katholischen Frankreich verbündet hatte und, wie man glaubte, vorhatte, in England einzufallen. Im März 1744 schrieb Wesley König Georg II. daraufhin einen Brief mit dem Titel „Das demütige Schreiben der Gesellschaften in England und Wales, verächtlich auch Methodisten genannt“. In ihm erklärt Wesley, dass sie treue Mitglieder der Kirche seien („wie unbedeutend auch immer“) und dass sie „die grundlegenden Lehren der Kirche von Rom verachten und verabscheuen und Eurer Majestät königlicher Familie und illustrem Hause treu ergeben sind ... bereit, Euer Majestät bis zum Äußersten in allen Dingen zu gehorchen, die unserer Erkenntnis nach mit dem Wort Gottes vereinbar sind“ (Letters, 26: 105). Sein Bruder Charles wandte sich dagegen, den Brief im Namen der Methodisten abzuschicken, weil man daraus schließen könnte, sie hielten sich für eine separate Gruppe. Wesley hielt den Brief zunächst zurück. Als im folgenden Monat Frankreich der Krieg erklärt wurde, ergaben sich viele weitere Gelegenheiten, in denen er seine Treue zur Krone erklären konnte.

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Der Pfarrbezirk wächst Wesley hatte Bischof Butler mitgeteilt, er habe den „unbegrenzten Auftrag“, Gottes Wort im ganzen Land zu verkündigen (J&D, 19: 472). Die tatsächlichen Grenzen dieses an sich grenzenlosen Pfarrbezirks weiteten sich noch über die Achse London-Bristol hinaus aus, als er dem „beharrlichen Drängen“ Howell Harris‘ nachgab und im Oktober 1739 nach Wales fuhr. Auf seiner fünftägigen Reise predigte er dreimal täglich. Er wählte jedes Mal einen anderen Text, doch sein Ziel blieb dasselbe – den Weg der Errettung aufzuzeigen. Sein Blickwinkel wird in seinem Journal deutlich, in dem er sagt, dass er „einfach die schlichte alte Religion der Kirche von England beschrieb, gegen die man jetzt überall unter dem neuen Namen Methodismus schimpft“ (J&D, 19: 106). Weiter sagt er, dass er die Menschen „reif für das Evangelium“ vorgefunden habe. „Sie waren völlig unwissend so wie ein Creek- oder Cherokee-Indianer“. Dann stellt er den Leser vor die Frage, ob „diese armen Geschöpfe aus Mangel an Wissen dem Verderben anheim gegeben“ statt gerettet werden sollten, selbst wenn diese Errettung nur durch das mahnende Wort eines Wanderpredigers geschähe. Im Juni 1741 führten seine Reisen John weiter nach Norden. Er folgte einer Einladung der Gräfin von Huntingdon in die Midlands. Ihr Anwesen in Donington Park wurde allmählich zum Mittelpunkt vieler Gesellschaften, die von Ingham, David Taylor und anderen in der Gegend gegründet worden waren. Kennen gelernt hatte er die Gräfin durch ihre Verbindung zur Fetter Lane Society. Einige der Leiter der Gesellschaften in dieser Gegend waren mit den Wesleys persönlich bekannt. Auch die Herrnhuter Brüder hatten die Region vor einiger Zeit besucht, und Wesley entdeckte, dass ihre Schriften und ihr Einfluss in viele dieser Gesellschaften eingedrungen waren (J&D, 19: 271). Dessen ungeachtet predigte John, wie er es gewohnt war, an den verschiedensten Orten (in Kirchen und Häusern, auf Marktplätzen und unter Bäumen) über die üblichen Themen: Buße, Rechtfertigung, Glauben und Abfall vom Glauben. Er machte außerdem ein interessantes Experiment, indem er mit niemandem über Religion sprach, wenn er sich nicht „frei“ im Herzen fühlte. Das führte zu dem Ergebnis, dass er die einhundertdreißig Kilometer zwischen London und Leicester mit niemandem redete (nicht einmal mit seinem Reisegefährten in der Kutsche) und man ihm als einem „höflichen, freundlichen Gentleman“ Respekt zollte. Diese Reaktion („für Fleisch und Blut erfreulich“) bekräftigte ihn schließlich eher in seiner gewohnten Vorgehensweise des persönlichen Evangelisierens, statt ihn davon abzuhalten (J&D, 19: 197–198).

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Auf der Rückreise nach London las Wesleys Luthers Kommentar zum Galaterbrief, und er fand ihn schwammig, oberflächlich, konfus und mit Mystizismus getränkt, woraufhin er eine anscheinend recht nahe liegende Verbindung herstellte: Die Brüdergemeine folgt Luthers Spuren! Und das ist, wie er sagt, „die eigentliche Ursache“ ihres großen Irrtums (J&D, 19: 201). Es ist nicht überraschend, dass die Wesleys der für ihre Zeit typisch anglikanischen Einschätzung folgen, indem sie behaupten, dass die Wurzel des Problems, das die Brüdergemeine hat, bis auf Luther zurück reicht. Dieser habe (ihrer Meinung nach) fortwährend gute Werke, das Gesetz und Gottes Gebote schlechtgemacht und die Vernunft angeprangert (die, so Wesley, nur die Fähigkeit sei, zu verstehen, zu beurteilen und zu argumentieren; Sermons, 2: 590). An diesem Punkt mag es vielen so vorgekommen sein, als habe sich die Bewegung der Erweckung abgekühlt und sei zersplittert. Manche der verantwortlichen Leiter zeigten immer noch Interesse an Einheit, doch die Differenzen warfen einen großen Schatten über diese Hoffnung. John Gambold teilte Wesley mit, dass er „sich seiner Gesellschaft schäme“ (J&D, 19: 203). Diese Spannungen führten in manchen Gesellschaften zu katastrophalen Folgen. Im Sommer 1741 mussten die Wesleys entdecken, dass die Gesellschaft in Oxford in Scherben lag – „auseinander gerissen und überallhin verstreut“, wie John es beschrieb. Von den fünfundzwanzig bis dreißig Mitgliedern nahmen nur zwei wöchentlich das Abendmahl, und kein einziger nahm an den täglichen Gebeten in der Kirche teil. Zwei Jahre zuvor hatte Charles erwogen, sich in Oxford niederzulassen und eine Pfarrstelle in Cowley anzunehmen. Die Gebrüder Wesley hatten sich daraufhin außerdem bei der Universität nach den Anforderungen für den Bachelor of Divinity-Grad erkundigt, der gewöhnlich von Fellows am College erworben wurde, die an einer Beförderung innerhalb der Kirche oder einer leitenden Position an der Universität interessiert waren. Im Sommer 1741 begann John tatsächlich, die erforderlichen Leistungen für diesen akademischen Grad zu erbringen. Er verfasste die vorgeschriebenen Entstehungsgeschichten (über die Prädestination, die Gnadenmittel und die Rechtfertigung) sowie eine lateinische Predigt, die vor der Universität gehalten werden sollte (Sermons, 4: 408–419). Der zugrunde liegende Text – „Wie geht das zu, dass die treue Stadt zur Hure geworden ist?“ (Jes 1, 21) war offensichtlich nicht ausgewählt worden, um die Würdenträger der Universität zu besänftigen, wenn man in Betracht zieht, dass er sein Thema am Beispiel der Heuchelei und Abtrünnigkeit in Oxford entfaltete. Offenbar brachte man ihn davon ab, diese Predigt zu halten. Einen Monat später brachte er vor der Universität eine Predigt über den „Beinahe-Christen“ vor. Entweder schaffte er es nicht, den Anforderungen zu genügen, oder

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Wesley bei seiner ersten Predigt in Newcastle-upon-Tyne in den Straßen von Sandgate. Dieses Porträt zeigt eine recht überschaubare Menschenmenge, sodass seine Stimme kräftig genug ist, um von allen verstanden zu werden.

aber er selber gab den Versuch, den gewünschten akademischen Grad zu erlangen, auf. Wie auch immer, dieses kurze Zwischenspiel, das er zum großen Teil in der Bodleian–Bibliothek verbrachte, gab ihm die Möglichkeit, gelehrte Argumente zusammenzutragen, die die von ihm favorisierten theologischen Ideen stützten. Letztendlich hielt diese Episode ihn auch nicht davon ab, sich weiterhin um die Vereinigten Gesellschaften zu kümmern. Im darauf folgenden Jahr führten seine Reisen Wesley noch über Wales und die Midlands hinaus. Lady Huntingdon, die mit der Arbeit der Methodisten in Kingswood vertraut war, schlug den Wesleys vor, die Bergleute im Norden zu besuchen. Auch John Nelson hatte ihn wiederholt eingeladen, nach Birstall zu kommen. Nelson, ein junger Steinmetz, der Wesley in London begegnet war, hatte „wie eine Eule in der Wüste“ (Ps 102,7) zu predigen begonnen und setzte trotz verschiedener Verwarnungen seine Bemühungen fort, weil „einige von der Hand Gottes verwundet wurden ... und die Lehre der bewussten Vergebung angenommen hatten“ (People, 32). John fuhr daher im Frühjahr 1742 nach Yorkshire und besuchte reihum die Gesellschaften, die es dort in der Gegend gab. Viele von ihnen wurden von Freunden und Bekannten geleitet. Am 30. Mai begann er seinen Dienst in Newcastle, und zwar in Sandgate, „dem ärmsten und verachtungswürdigsten Stadtteil“. Mit John Taylor stellte er sich an

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Das Waisenhaus in Newcastle war das erste wesleyanische Gebäude in Nordengland.

einem Ende der Straße auf und begann die Doxologie zu singen, woraufhin drei oder vier Neugierige heraustraten, um nachzusehen, was da vor sich ging. Bald waren es vier- oder fünfhundert. Bald darauf predigte Wesley vor zwölf- bis fünfzehnhundert Menschen über den Text: „Er ist um unsrer Missetat willen verwundet.“ Er teilte ihnen mit, wer er sei, und kündigte an, dass er am Abend dort wieder predigen würde. Daraufhin strömten mehr Menschen zusammen, als er jemals in Moorfields oder Kennington gesehen hatte – so viele, dass er wusste – so hielt er es in seinem Tagebuch fest –, dass mehr als die Hälfte von ihnen seine Predigt über den Abfall vom Glauben nicht verstehen konnte, „obwohl meine Stimme laut und klar klang“ (J&D, 19: 269). Noch vor Jahresende hatte Wesley den Grundstein für eine Predigtstätte in Newcastle gelegt, die größte von vieren, die nun unter seiner Kontrolle standen. Wieder einmal hatte er etwas im Glauben gewagt und den Bau begonnen, als er nur ein Pfund und sechs Schilling in der Tasche hatte. Er warb um Spenden, rief in Predigten zur Kollekte auf, nahm Gaben an (wie zum Beispiel einhundert Pfund von einem Quäker, der geträumt hatte, dass Wesley die Summe gut gebrauchen könne), und vertraute überhaupt darauf, dass das Geld schon hereinkommen würde. Er folgte damit der Methode, die August Hermann Francke mit seinem Waisenhaus in Halle eingesetzt

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hatte. Nach dem Beispiel Franckes und Whitefields nannte Wesley sein Gebäude in Newcastle ebenfalls Waisenhaus und nutzte es außer als Predigtstätte auch für verschiedene andere Zwecke, unter anderem als Schule und Krankenhaus. Nach einer Kurzreise in den südlichen Landesteil, die unter anderem auch dazu diente, Spenden zu sammeln, kehrte er im Februar 1743 nach Newcastle zurück und musste feststellen, dass die Disziplin in der Gesellschaft sehr nachgelassen hatte. Drei Monate zuvor hatte er einigen derjenigen auf den Zahn gefühlt, die in der Versammlung „aufgeschrien“ hatten (Charles hatte sich zum Experten entwickelt, was das Aufdecken von „Täuschungen“ dieser Art betraf). In diesem Fall allerdings befand Wesley es nach der Überprüfung seiner Mitglieder für nötig, „über fünfzig Personen auszuschließen“, die „nicht nach dem Evangelium wandelten“. Noch bevor er fertig war, wurden vierundsechzig Personen ausgeschlossen. Die Liste ihrer Verfehlungen ist erhellend: 2 wegen Fluchens und Lästerns 2 wegen gewohnheitsmäßigen Sabbatbruchs 17 wegen Trunkenheit 2 wegen Verkaufs alkoholischer Getränke 3 wegen Streitereien und Rangeleien 1 weil er seine Frau geschlagen hat 3 wegen gewohnheitsmäßigen vorsätzlichen Lügens 4 wegen Schimpfens und übler Nachrede 1 wegen Müßiggangs und Faulheit und 29 wegen Leichtlebigkeit und Nachlässigkeit (vgl. J&D, 19: 318). Zwei Tage später kodifizierte Wesley diesen Prüfungsprozess, indem er The Nature, Design, and General Rules of the United Societies („Wesen, Ziel und Allgemeine Regeln der Vereinigten Gesellschaften“) niederschrieb. Er umriss kurz Geschichte und Gegenwart der Gesellschaften und stellte dann die für die Mitglieder gültigen Regeln auf. Um der Gesellschaft beizutreten, musste man nur eines deutlich machen: „das Verlangen, vor dem kommenden Zorn zu fliehen, um aus seinen Sünden errettet zu werden.“ Von denjenigen, die in der Gesellschaft verbleiben wollten, erwartete man allerdings, dass „ihre Sehnsucht nach Errettung nach außen deutlich wird, indem sie erstens nichts Böses tun, ....zweitens, Gutes tun, ... drittens alle Satzungen Gottes befolgen.“ Diese drei Regeln, einfach genug in ihrer Grundaussage, erklärte Wesley dann anhand von praktischen Beispielen (Societies, 70–73, 79). Verständlicherweise weist die Liste der schlechten Taten, die man vermeiden soll, eine auffallende Ähnlichkeit mit der Liste der Gründe auf, wegen derer man Mitglieder aus der Gesellschaft ausgeschlossen hatte. Und die Liste der Satzungen ist die präzise Aufzählung der Gnadenmittel, von denen die quietistischen Herrnhuter die Menschen abhalten wollten.

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Obwohl Wesley oft herausgestellt hatte, dass diese drei Bedingungen nicht die ganze wahre Religion ausmachten, stellten sie nun die Minimalerwartung dar, an der die Aufrichtigkeit eines Menschen mit seiner Sehnsucht nach Errettung gemessen wurde. Sie waren die Antithese zum Antinomismus, zu diesem Zeitpunkt eine der größten Bedrohungen von Wesleys Programm. Die Allgemeinen Regeln wurden nun zur Grundlage für die Verlängerung der Mitgliedskarten in den Gesellschaften. Obwohl sechsundsiebzig Personen der Gesellschaft freiwillig den Rücken gekehrt hatten, blieben nach den „Säuberungen“ vom Februar noch etwa achthundert Mitglieder der Gesellschaft von Newcastle mit gutem Ruf erhalten. Trotzdem hielt Wesley ihnen in der folgenden Woche noch einmal die Regeln vor, „die alle unsere Mitglieder beachten müssen“. Er war sich im Klaren darüber, dass diese Erwartungshaltung viele von ihnen aufrütteln würde. Sicherheitshalber unterzog er die Klassen in der darauf folgenden Woche noch einmal einer Kontrolle. Charles scheint ein noch härterer Prüfer als John gewesen zu sein; er spürte – zumindest in einigen Fällen – „Heuchler und Nachlässige“ noch unter denen auf, die Johns prüfendem Blick standgehalten hatten (CWJ, 1: 305). Einige Methodisten sprachen mit den Wesleys ziemlich offen über ihr Unvermögen, all die verschiedenen Regeln einzuhalten. Thomas Willis schrieb John im November 1744 einen langen Brief, in dem er zu jeder einzelnen Regel für die Bandenleiter darlegte, ob er sie einhielt oder nicht. Wesley hatte diesen Leitern besondere Richtlinien auferlegt, die den Allgemeinen Regeln entnommen waren. Willis räumte Wesley gegenüber freimütig ein, dass er die Goldene Regel des Erlösers „fast zur Vollkommenheit“ halte, Wesleys Richtlinien für die Bandenleiter jedoch „nicht in dem strengen Sinn, wie sie formuliert sind“, befolgen könne. Besondere Probleme hatte er mit dem Verbot, am Sonntag etwas zu kaufen oder zu verkaufen, und wies auf den Milchhandel hin, um seine Schwierigkeiten zu illustrieren: Kühe müssen gemolken werden; Kinder müssen gefüttert werden, die Milch hält sich nicht von Sonntagmorgen bis Montag. Wesley bemerkte dazu schlicht: „Ganz recht“ (Letters, 26: 116–118).

Das Netzwerk wächst Im Lauf seiner Predigtreisen in den Westen und Norden kam John Wesley mit vielen Menschen in Kontakt, die verschiedene christliche Aktivitäten organisiert hatten und der wesleyanischen Bewegung freundlich gesinnt waren: frühere Mitarbeiter (wie Benjamin Ingham in der Gegend von Leeds), Verbündete unter den Geistlichen (wie John Hodges im walisischen Wenvoe), Freunde, die er in London ken-

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nen gelernt und mit denen er in Verbindung geblieben war (wie John Nelson in Birstall) und neuen Bekanntschaften (wie John Bennet in Derbyshire, der später Gesellschaften gründen und ein „Sohn im Evangelium“ werden sollte). Er nahm jede Gelegenheit wahr, vor ihren Gesellschaften zu sprechen. Gelegentlich predigte er auch in den Kirchen am Ort oder auf dem Land. Natürlich wurde ihm nicht in jeder Kirche die Erlaubnis erteilt. Im vorangegangenen Jahr hatte ihm sogar John Romley, Kurator in seiner Heimatstadt Epworth, verboten, in der St. Andrew’s-Kirche zu predigen, und so wich er auf den angrenzenden Friedhof aus und nutzte den Grabstein seines Vaters als Kanzel.

Die Kapelle in der West Street bot den Wesleys einen Ort, wo sie den Londoner Methodisten das Abendmahl reichen konnten.

Es war in großem Maße Wesleys Reisetätigkeit zu verdanken, dass sich die Bewegung ausbreitete und das Netzwerk von Bekanntschaften sich zu einer „Verbindung“ von Gesellschaften verfestigte, die über das Land verstreut lagen (siehe Rack, 214–237). John Wesley wurde damit zum Bindeglied all dieser örtlichen Gesellschaften; er versuchte darüber hinaus, sie davon zu überzeugen, treu zur Kirche von England zu stehen und mit ihr verbunden zu bleiben. Die Methodisten wurden ermuntert, so oft wie möglich den Gottesdienst ihrer Pfarrkirche zu besuchen, um dort das Abendmahl zu nehmen. Weil John und Charles einsahen, dass dies nicht immer möglich war, legten sie die kirchlichen Regelungen etwas großzügiger aus, um ihren Anhängern das Sakrament austeilen zu können. Als die armen Bergleute von Kingswood von den Geistlichen in Bristol vom Tisch des Herrn ausgeschlossen wurden, machte sich Charles (trotz

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seiner kirchlichen Orientierung) daran, ihnen das Abendmahl in der sehr unkirchlichen Atmosphäre von Kingswood zu reichen (CWJ, 1: 267). Jahrelang hatte John die Austeilung des Sakraments an die Kranken auch auf viele methodistische Freunde ausgeweitet und behauptet, dies sei nicht mit der „privaten Austeilung des Abendmahls“ gleichzusetzen, die von der Kirche verboten worden war. 1743 ergab sich die Möglichkeit, den Bedürfnissen derjenigen Methodisten in London entgegenzukommen, die ihre eigene Pfarrgemeinde nicht besuchen konnten oder wollten, um dort das Abendmahl zu nehmen. Im Mai mietete John eine unbenutzte Hugenottenkapelle in der West Street. Dort hatte er im August 1741 gepredigt und an fünf Sonntagen den Mitgliedern das Abendmahl gereicht (wobei jedes Mal einige hundert methodistische Besucher anwesend waren). Weil es sich um ein geweihtes Gebäude handelte, hatte er keinerlei Bedenken, es speziell für die Austeilung des Sakraments an Methodisten in London und Umgebung anzumieten. Wegen der großen Zahl an Kommunikanten, die 1743 zu den ersten Abendmahlsfeiern in der Kapelle in der West Street erschien (die Vereinigten Gesellschaften in London hatten über zweitausend Mitglieder), zogen sich die Gottesdienste über fünf oder sechs Stunden hin. Daraufhin teilte Wesley die Besucher in drei Gruppen auf, sodass nicht mehr als sechshundert Menschen gleichzeitig kamen (J&D, 19: 326). Obwohl sich der Pfarrer von St. James bei den zuständigen Stellen darüber beschwerte, dass sich die Methodisten in Angelegenheiten seines Pfarrbezirks einmischten, hatte Wesley sein Vorgehen bereits mit John Potter abgeklärt, seines Zeichens einst Bischof von Oxford, als Wesley dort ansässig gewesen war, nun Erzbischof von Canterbury. Und doch machte dieses Mittel, das Wesley eingesetzt hatte, um die Kirche durch die methodistische Bewegung neu zu beleben, ihn für Angriffe verwundbar, er habe eine neue Sekte gegründet, die sich durchaus bewusst sei, dass sie eine eigene, von der Kirche getrennte, Identität pflege. Die große Mitgliederzahl der Gesellschaft von London machte es notwendig, mehr Predigtstätten zu finden. Im August 1743 wurde Wesley „eine passende Kapelle“ in Snowsfield am Südufer der Themse angeboten. Es war keine angenehme Gegend: Wie einmal jemand bemerkt hatte, „gibt es in der ganzen Stadt so eine Gegend nicht noch einmal; die Leute hier sind keine Menschen, sondern Teufel“ (J&D, 19: 330). Charles hatte dort 1740 gepredigt, und die Anzahl der Methodisten in diesem Stadtteil wuchs. Die Kapelle von Snowsfield ist das dritte Gebäude, das von den Wesleys in London genutzt wurde (WHS, 43: 59–61). Als die Erweckung auch andere Landesteile erreichte, entstand, zum Beispiel in Newcastle, ein ähnlicher Bedarf. Eine

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Reihe von örtlichen Gesellschaften, die sich den Wesleys anschlossen, besaßen aber bereits Häuser, in denen sie sich trafen.

Eine Kontroverse und die Konferenz Wesleys arminianische Theologie und Loyalität zur Kirche hoben die methodistische Erweckung von den vielen örtlich begrenzten Erweckungen ab, die man überall im Land beobachten konnte. Die calvinistische Tendenz des puritanischen Erbes spürte man bei vielen evangelikal ausgerichteten Predigern, und weil sie mit den Dissenters zumindest sympathisierten, scheuten sie sich weniger davor, mit der Kirche von England zu brechen. Auch Wesleys Lehre der Vollkommenheit unterschied ihn von vielen evangelikal ausgerichteten Geistlichen innerhalb der Kirche, die seine Anschauung für eine Spielart des Enthusiasmus hielten. Da Whitefield einen Großteil seiner Zeit in Amerika zubrachte, konnte Wesley seine führende Rolle innerhalb der Erweckungsbewegung nun wieder erneuern und festigen. Ein Versuch, diese Leitungsfunktion auszuüben, wird in Johns Bestreben sichtbar, im August 1743 eine Konferenz in London abzuhalten, „um sich mit den Leitern der Herrnhuter und der Vertreter der Prädestinationslehre zu beraten“. Die führenden Köpfe der Erweckungsbewegung hatten niemals den Kontakt zueinander verloren und waren seit 1739 mehr als einmal zusammengekommen. Wesley hatte, wie oben gezeigt, 1740 an einer in London geschlossenen Übereinkunft mitgewirkt, jährlich eine Konferenz abzuhalten. Dieser Plan hatte sich mit der zunehmenden Zersplitterung der Erweckungsbewegung zerschlagen. 1743 entschloss sich John, eine Zusammenkunft aller verantwortlichen Leiter einzuberufen, um die Spannungen zu überwinden, die die Erweckungsbewegung zu spalten drohten. Charles wurde, wie er sagte, aus Land’s End „herbeizitiert“; John Nelson reiste aus Derbyshire an. Als John Wesley aus Newcastle eintraf, sah er, dass weder die Herrnhuter noch die Anhänger der Prädestinationslehre anwesend waren. Spangenberg hatte versichert, er würde als Vertreter der Herrnhuter anwesend sein, doch hatte er das Land verlassen. James Hutton zufolge hätten ihm die Herrnhuter Brüder jedoch nicht erlaubt, zu kommen. Auch Whitefield erschien nicht. Auch wenn der ursprüngliche Plan nicht völlig aufging; eine Bemerkung von Charles vom 12. August lässt darauf schließen, dass die drei Personen, die schließlich doch auftauchten, sich in der Gießerei „mit gutem Ergebnis“ berieten. Eine große Einheit stiftende Konferenz hatte es also nicht gegeben, doch auch schon dieses Zusammenkommen übte einen merklichen Einfluss auf die Richtung aus, in die sich die Bewegung weiterentwi-

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ckeln sollte. Offenbar hatte Wesley für die Konferenz die ihm wichtigen Themen gründlich ausgearbeitet. In der darauf folgenden Woche, vor seiner Abreise nach Cornwall, gab er einigen, ihn von Whitefield trennenden Punkten schriftlichen Ausdruck. Er umriss seine Position in drei Streitfragen: bedingungslose Erwählung, unwiderstehliche Gnade und Beharrung bis ans Ende. In diesem Memorandum geht er so viele Kompromisse wie möglich ein, um die Diskussion auf ein Minimum zu begrenzen. Auch lässt er durchblicken, er strebe immer noch nach Einheit mit Whitefield. Allerdings werden seine vorangehenden Zugeständnisse in den ersten beiden Fragen dadurch relativiert, dass er die vorherbestimmte Verdammnis entschieden ablehnt und den freien Willen nachdrücklich bekräftigt. Seine Zugeständnisse in der dritten Frage werden in eine Art Geheimsprache der Heiligung gekleidet, die eine Reihe von unterschiedlichen Interpretationen erlaubt. Wenn er damit auch den Anhängern der Prädestinationslehre wie Whitefield oder Lady Huntingdon entgegenkommen wollte, zieht er doch mit diesem Credo in Wirklichkeit eine endgültige Trennungslinie (J&D, 19: 332–333). Im darauf folgenden Jahr entschloss sich Wesley aufs Neue, eine Konferenz abzuhalten. Wieder wurden Personen eingeladen, die dem Gedankengut der böhmisch-mährischen Brüder oder der Prädestinationslehre nahe standen. Es handelte sich dabei nicht um die führenden Persönlichkeiten dieser Gruppierungen, sondern um Menschen, die Wesleys Führungsanspruch anerkannten, wie zum Beispiel Richard Viney, einen Laien aus den Reihen der Brüdergemeine in Oxford, der Fragen zur christlichen Vollkommenheit hatte, und Thomas Meriton, einen Geistlichen von der Isle of Man, der „den Händen Calvins“ zu entkommen suchte (CWJ, 1: 365). Nicht alle Geistlichen und Laienprediger, die sich den Wesleys angeschlossen hatten, wurden zu dieser Konferenz im Juni 1744 eingeladen oder kamen auch tatsächlich (Polity, 231). Viney zum Beispiel ließ sich nicht blicken, dagegen aber vier Laienprediger: Thomas Richards, Thomas Maxfield, John Bennet und John Downes. Auch vier Geistliche nahmen an dieser Konferenz teil: Meriton, Samuel Taylor (aus Quinton bei Evesham), Henry Piers (aus Bexley in Kent) und John Hodges (aus dem walisischen Wenvoe). Damit waren Vertreter aus den meisten Gegenden anwesend, die die Wesleys selbst bereist hatten. Auch dieses Mal bereitete sich Wesley auf die Konferenz vor, indem er einige theologische Probleme durchdachte; jetzt hatte er dabei besonders die Herrnhuter im Blick. Am Vorabend der Zusammenkunft verfasste er einen Brief an die Brüdergemeine in England. Wie schon in seinem Memorandum zur Prädestinationslehre vom vorangegangen Jahr umreißt er in diesem Schreiben die Punkte, in denen er

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Zeitleiste 6 Frühe Phase der Erweckung 1740

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Georg II. Richardsons Pamela Susanna Wesley Stirbt

Bonnie von CW JW Johnsons Schottland fällt heiratet heiratet Dictionary in England ein Thomas Händels Wesleys Francis Coke wird Messias Dictionary Disput Earnest Asbury wird geboren Anmerkungen mit Appeal geboren Christliche zum N.T. Whitefield Erster Bibliothek Predigtband „Einfache „Sollten Bruch mit Erste Klassen Heilkunde“ wir uns Herrnhutern in Bristol Erste Konfetrennen“ eingerichtet renzen, hg. Einrichtung Erste „Söhne der Minutes von PrediktKonferenz Streit im Evan„Allgemeine bezirken in Irland um die gelium“ Regeln“ Apotheke Schule in Trennung Kingswood wieder eröffnet Predigtplan JW in JWs erster JWs erster für Newcastle Besuch in Besuch in London Irland Schottland

sich mit seinen Gegnern einig ist, und nennt auch die Eigenschaften, für die er sie bewundert. Dann schreibt er: „Einige von euch werden sagen: ‚Wenn du all das zugestehst, was kannst du dir noch mehr wünschen?‘“ An dieser Stelle kommt er jedoch nicht auf die Differenzen zu sprechen, hatte er doch diesen Brief als Vorwort zu einer Auswahl seines Journals entworfen, das gerade gedruckt wurde: „Der folgende Auszug [aus meinen Tagebuchnotizen] wird alle Fragen ausführlich beantworten.“ Im Schlussteil dieser Tagebuchauswahl umriss Wesley dann seine Probleme mit der Brüdergemeine, vor allem in drei Kategorien: Universale Errettung, Antinomismus und Quietismus. Er schloss hier mit der Aufforderung an sie, sich in drei Bereichen zu verändern: Lehre, Ordnung und Glaubenspraxis (J&D, 19: 220–224). So war Wesley mit der Brüdergemeine in gleicher Weise verfahren wie im Jahr zuvor mit Whitefield und hatte damit die endgültige Grenze zu den beiden anderen großen Flügeln der Erweckungsbewegung gezogen, mit denen er verbunden gewesen war. Alles war so auf den Weg gebracht, dass die Konferenz von 1744 zu einem wichtigen Meilenstein für die Entwicklung wesleyanischer Lehre und Ordnung werden konnte. Wesley hatte die Grenzlinie ge-

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zogen. Die größten Anstrengungen, die Spaltungen zu überwinden, lagen hinter ihm. Er konnte sich nun mit ganzer Kraft seinen eigentlichen Aufgaben widmen. Der erste Tagesordnungspunkt der einberufenen Konferenz sah die Entscheidung der Geistlichen vor, die Laienprediger an den Beratungen teilhaben zu lassen oder sie auszuschließen. Im Licht der Vorurteile, die man Laienpredigten entgegenbrachte, war dies keine abwegige Frage. Die sechs anwesenden Pfarrer konnten zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst haben, wie viele Geistliche sich tatsächlich vom wesleyanischen Flügel der Erweckungsbewegung angezogen fühlten. Die Entscheidung, die Laienprediger mit einzubeziehen, mag in Anbetracht von Johns grundsätzlicher Haltung im Vorhinein festgestanden haben; sie war dessen ungeachtet eine bedeutende Maßgabe für die Gestaltung zukünftiger Konferenzen und die Prägung des Methodismus überhaupt. Die Ziele dieser Konferenz wurden im Fortgang in einigen grundlegenden Zügen umrissen: „Was sollen wir lehren; wie sollen wir lehren; was sollen wir tun.“ Wesley hatte eine entsprechende dreiteilige Tagesordnung entworfen, in der spezielle Fragen zu Lehre, Ordnung und Gemeindepraxis zur Sprache kamen. Von Beginn an wurde deutlich gemacht, dass jeder frei heraus sprechen dürfe und jede Frage ausführlich diskutiert werden könne. Das Ziel sei, einen Konsens zu erreichen, dem alle folgen konnten, „ohne ihrem Gewissen Gewalt anzutun“. Aus den im Protokoll festgehaltenen Antworten wird allerdings deutlich, dass John Wesley nicht nur selbst die Fragen niedergeschrieben hatte, sondern sein Blickwinkel auch die Diskussion beherrschte. Ein Meinungsaustausch über Lehrfragen bestimmte die ersten beiden Tage der Gespräche. Vor allem die Laienprediger besaßen kaum gründliche Kenntnis theologischer Gedankengänge. Für Wesley bedeutete Predigen im Grunde Auslegung von biblischen Texten, also mehr, als nur von seinen geistlichen Erfahrungen Zeugnis abzulegen. Letzteres wiederum war jedoch die Grundlage der von den Laienpredigern vermittelten geistlichen Ermahnung, die bei den Zusammenkünften der methodistischen Klassen vorherrschte. Im Lauf der wenigen vorangegangenen Jahre war es Wesley völlig klar geworden, dass der Versuch, Erfahrung und Bibel miteinander in Einklang zu bringen, einiger grundsätzlicher Entscheidungen in Auslegungsfragen bedürfe. Nur weil Whitefield sagte, dass er jedem Menschen anbiete, mit Christus zu leben, bedeutete das noch nicht, dass seine Theologie sich nicht grundsätzlich von Wesleys Arminianismus unterschied. Für Wesley waren die Konsequenzen und die Entscheidungen, die sich aus diesen Unterschieden ergaben, von wesentlicher Bedeutung für den eigentlichen Kernpunkt, das heilige Leben.

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Wesley war bereit, einige Lehrfragen, mit denen er sich in den vorangegangenen Monaten beschäftigt hatte, zu erläutern. Die Protokolle dieses Treffens zeigen, dass die Rechtfertigung durch den Glauben nachdrücklich bekräftigt wurde, jedoch auch Buße und rechtschaffene Werke der Buße (in Anlehnung an die Allgemeinen Regeln formuliert), die dem Akt des Glaubens vorangehen, angenommen wurden. Man bekräftigte, dass alle wahren Christen Gewissheit empfingen, doch auch Abstufungen des Glaubens (mit Zweifeln und Furcht) wurden als normale Erfahrungen, die bald auf die „erste Freude“ folgten, akzeptiert. Der Antinomismus wurde scharf kritisiert, und man definierte, was Heiligung bedeutete. Was die Ordnung betraf, über die man am dritten und vierten Tag diskutierte, war es das wichtigste Anliegen, das Wesen der Kirche von England zu charakterisieren und die Rolle der Methodisten als Mitglieder dieser Kirche zu definieren. Nachdrücklich wurde bekräftigt, man hege nicht die Absicht, ihr den Rücken zu kehren; Ziel sei es, den ganzen Teig zu durchsäuern und dabei bis an die Grenzen des Erlaubten zu gehen. Sie redeten über die Logistik der Erweckung und entschieden, sich, ausgehend von den bereits existierenden Gesellschaften, nach und nach auszubreiten, sodass „ein wenig Sauerteig sich wirkungsvoller und weniger geräuschvoll ausbreiten“ könne und immer Hilfe zur Stelle sei. Sie überprüften die Struktur der Vereinigten Gesellschaften, beschrieben sie mit all ihren Zweigen und verlasen die Regeln für jeden einzelnen. Die Gesellschaften setzten sich aus erweckten Menschen zusammen; aus dieser großen Gruppe wurden diejenigen, die „anscheinend die Vergebung der Sünden erfahren“ hatten, in Banden zusammengefasst; diejenigen, die „anscheinend im Licht Gottes wandelten“, kamen in besonderen Gruppen zusammen; diejenigen, „die mit ihrem Glauben Schiffbruch erlitten hatten“, trafen sich in eigens für sie eingerichteten „Büßerbanden“. Dann kamen die verschiedenen Aufgaben und Ämter in der Gesellschaft in den Blick, jeweils mit dazugehöriger Ordnung: Helfer, Verwalter, Banden- und Klassenleiter, Schulmeister und Mitarbeiter, die die Kranken besuchten oder sich um das Haus kümmerten. Feldpredigten wurden zwar gestattet, doch nur dann, wenn keine Kirche oder ein anderer Saal zur Verfügung stand. Laienhelfer wurden nur zugelassen, „wenn sich die Notwendigkeit ergab“. Die optimale Predigt wurde folgendermaßen umrissen: einladen, überzeugen, ein Leben mit Christus anbieten, aufbauen. Am letzten Tag diskutierte man über die Frage einer Vereinigung mit den Herrnhutern und Whitefield. Ersteres gab man als hoffnungslosen Fall auf, Whitefield wollte man durchaus zulassen, falls er entsprechende Signale gäbe. Außerdem wurde entschieden, Wesley solle

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einen offenen Brief an die Geistlichkeit verfassen (die ihre Predigten nicht hörten), einen „Weiteren Appell“ sowie, neben anderen nützlichen Abhandlungen, sechzehn Predigten und Zusammenfassungen veröffentlichen. Die zehn Methodisten kam darüber hinaus überein, vierteljährliche Treffen in den drei Zentren der methodistischen Reisetätigkeit abzuhalten, zu der alle eingeladen waren, die kommen konnten: im November in Newcastle, im Februar in Bristol und im Mai in London (vgl. Letters, 25: 700). Im vierten Quartal sollte am 1. August die jährliche Konferenz stattfinden. In der Zwischenzeit wurde ein Plan für besondere monatliche Zusammenkünfte im ersten Quartal entworfen: Wachnächte, Liebesfeste und die so genannten Brieftage, die man von den Herrnhutern kannte. Hier wurden vor der Gesellschaft Briefe oder Berichte verlesen, die von Glaubenserfahrungen erzählen (Cambridge, 271). Bevor die Teilnehmer auseinander gingen, entschieden sie, „festzulegen, welchen Platz jeder Arbeiter einnehmen sollte“, und Wesley kam zweifellos hierbei die führende Rolle zu. Die Protokolle dieser Tagung wurden nach dem Muster von Wesleys Notizen seiner Oxford-Tagebücher angefertigt: kurze Fragen mit kryptischen Antworten, oft sorgfältig in nummerierte Abschnitte untergliedert. Seine Vorliebe für Logik und die Gewandtheit, die er bei der Abfassung von Entstehungsgeschichten erworben hatte, wurden hier trefflich genutzt. Die Dauer dieser Konferenz, die Ernsthaftigkeit und Tiefe ihrer Diskussionen und das breite Spektrum ihrer Teilnehmer deutet darauf hin, dass es sich nicht einfach um eine Zusammenkunft von Freunden handelte. Diese Konferenz bedeutete für Wesley und die Methodisten einen organisatorischen Höhepunkt – hier zogen sie ihre Kräfte zusammen, rekapitulierten ihre Vorstellungen, untersuchten ihre Strukturen und Methoden und entwickelten einen Wachstumsplan. Die methodistische Bewegung war volljährig geworden, und die Wesleys hatten sie, was die zukünftige Entwicklung betraf, fest im Griff.

Kapitel 3 – Literaturangaben Appeals – Cragg, Gerald, R. (Hg.), The Appeals to Men of Reason and Religion (Nashville 1976), Band 11 der „Bicentennial Edition“ der Works of John Wesley. City Road – Stevenson, George J., City Road Chapel, London, and its Associations, Historical, Biographical, and Memorial (London 1872). People – Church, Leslie F., The Early Methodist People (London 1948).

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3. Kapitel

Polity – Baker, Frank, „The People Called Methodists: Polity“ in A History of the Methodist Church in Great Britain, Rupert Davies und Gordon Rupp (Hg.) (London, 1965), 1: 213–255. Rack, Henry, Reasonable Enthusiast: John Wesley and the Rise of Methodism, (Nashville 19922). Walsh, John, „The Cambridge Methodists“, in Christian Spirituality, Peter Brooks (Hg.) (London 1975), S. 251–283. WHS – Proceedings of the Wesley Historical Society (Burnley and Chester, 1898).

4. Kapitel Konsolidierung der Bewegung (1744–1758)

Auf der Konferenz von 1744 hatte Wesley begonnen, Lehre, Ordnung und Praxis derjenigen Prediger, die mit ihm „in Verbindung“ standen, genauer zu definieren. Während sie mit anderen Erweckungspredigern wie Howell Harris, Benjamin Ingham und George Whitefield zusammenarbeiteten, hatten die Wesleys gleichzeitig eine Bewegung aufgebaut, die zunehmend ganz eigene Züge annahm, die sie von anderen Flügeln der Erweckung wie auch in gewisser Hinsicht von der Kirche selbst abhob. Johns dreiteilige Tagesordnung für die Konferenz von 1744 („Was sollen wir lehren? Wie sollen wir lehren? Was sollen wir tun?“) zeigt, welche Punkte ihm am meisten am Herzen lagen, ihm, der sich immer deutlicher als Leiter dieser Bewegung profilierte und versuchte, die Verbindungen, die er aufgebaut hatte, zu konsolidieren und zu einigen. Die Protokolle dieser Konferenz demonstrieren die spezifische Natur dieser Fragen wie auch Wesleys Methode, die sich allmählich herauszukristallisieren begann. Die Entstehung der Vereinigten Gesellschaften war, wie gezeigt, nicht nur das Ergebnis der evangelistischen Arbeit der Wesleys. Die Ausbreitung der Bewegung über London und Bristol hinaus brachte es mit sich, dass über das ganze Land verstreute Gesellschaften, die oft von örtlichen Leitern, Geistlichen wie Laien, gegründet worden waren, nun durch ein Netzwerk verbunden wurden (Rack, 214–218). Viele dieser Gruppen wurden von Personen geleitet, die in der Vergangenheit einmal mit den Wesleys zu tun gehabt hatten, wie zum Beispiel John Nelson in Birstall. Andere Gruppen, wie zum Beispiel die von William Darney geleitete Gesellschaft in Todmorden oder die John Bennets in Derbyshire, waren aus unabhängigen, örtlich begrenzten Erweckungen entstanden, die beispielsweise auf die Arbeit von Lady Huntingdon oder David Taylor zurückgingen. Als dieses Netzwerk der wesleyanischen Gesellschaften wuchs, zum Teil dadurch, dass örtliche Leiter mit ihren Gruppen in ihr aufgingen, machte sich in der methodistischen Bewegung ein Spektrum von miteinander nicht zu vereinbarenden theologischen Positionen und organisatorischen Mustern bemerkbar, was zu gewissen Spannungen un-

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4. Kapitel

ter Geistlichen und Laien führte. Einige Calvinisten waren zwischen ihrer Loyalität zu Whitefield und zu den Wesleys als rivalisierenden Führungspersönlichkeiten hin- und hergerissen; einige Herrnhuter fühlten sich mit den Wesleys in manchen Positionen verbunden, waren aber in anderen Fragen anderer Meinung. Baptisten und Quäker, die ihre eigene Identität in Bezug auf Gemeindeorganisation in die Erweckungsbewegung einbrachten, gingen regelmäßig in die methodistischen Gesellschaften hinein und wieder heraus (siehe J&D, 20: 41–42).

Ein Detailausschnitt aus „Credulity, Superstition, and Fanaticism“ („Leichtgläubigkeit, Aberglaube und Fanatismus“) von William Hogarth (1762), einer Satire auf einen methodistischen Gottesdienst. Trotz der Kombination von geistlichen und sexuellen Emotionen, die hier zur Schau gestellt werden, zeigt das religiöse Thermometer nur „lauwarm“ an.

Konsolidierung der Bewegung (1744–1758)

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Dass die Wesleys darauf bestanden, die Methodisten sollten der Kirche von England treu bleiben und an ihren Maßstäben festhalten, trug wenig zur Lösung spezifischer Probleme bei. Weder für Wesley noch für die Kirche existierten Präzedenzfälle, nach denen man sich in jeder nur denkbaren Situation hätte richten können. Die Kirche hatte lange Zeit gewisse Ausdrucksformen des Glaubens im Rahmen ihrer allgemeinen Grundsätze zu Organisation und Lehre toleriert. Die Puritaner hatten bereits seit langem einen Hang zu calvinistischer Reform innerhalb der Kirche an den Tag gelegt, und die englischen Herrnhuter ließen als Teil des Luthertums durchaus eine Doppelmitgliedschaft in der Kirche von England zu. Über ein halbes Jahrhundert lang hatten die religiösen Gesellschaften als organisierte Erneuerungsbewegung innerhalb der Kirche eine Blütezeit erlebt. Trotz all der verschiedenen Versuche im Laufe der vorangegangenen zwei Jahrhunderte, das religiöse Leben zu regeln, bestand immer noch eine gewisse Schwierigkeit, die genaue Trennungslinie zwischen akzeptablen und inakzeptablen Auffassungen innerhalb der etablierten Kirche zu ziehen. Der Act of Toleration (1689) hatte die Linie zwischen etablierter Kirche und Dissentern zwar klar definiert, doch waren die Folgerungen für die praktische Umsetzung hinsichtlich ihrer Anerkennung, Interpretation und Durchsetzung recht unbestimmt. Viele Kirchenmänner waren trotzdem der Auffassung, dass die Methodisten mit ihrer eindeutig evangelikalen Ausrichtung eine Art Enthusiasmus und Fanatismus an den Tag legten, die sie als Dissenter kennzeichnete, obwohl das Lehrgebäude der Wesleys nach eigenem Bekunden rechtgläubig war. Darüber hinaus hatten sich Auftrag und Organisation der Bewegung über das normale Muster der religiösen Gesellschaften hinaus entwickelt, und zwar so, dass man annehmen konnte, sie bildeten eine selbstständige kirchliche Identität aus. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ließ sich die wesleyanische Bewegung in kein geläufiges Konformitätsmodell mehr einfügen. Die Gebrüder Wesley standen aus diesen Gründen vor der Aufgabe, noch detailliertere Richtlinien für die Vereinigten Gesellschaften der Methodisten zu erlassen, und zwar im recht weiten Rahmen der kirchlichen „Einheitlichkeit“ und evangelischer Vielfalt. Von besonderer Bedeutung waren dabei Akzentsetzungen in der Lehre, die die kirchliche Position überdehnten, sowie Fragen der Organisationsstruktur, die Innovationen weit über das hinaus erforderte, was in den traditionellen religiösen Gesellschaften innerhalb der Kirche üblich war.

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4. Kapitel

Ein Netzwerk (Connexio) entsteht Mit der Konferenz von 1744 hatte Wesley begonnen, die Grundlagen in Fragen der Lehre und Ordnung für diejenigen zu legen, die mit ihm in Verbindung standen. Nun begann er, die Schlussfolgerungen aus den verschiedenen Entscheidungen zu ziehen, die er in den Protokollen festgehalten hatte. Offenbar beabsichtigte er, die Verbreitung des Methodismus auf eine maßvolle Geschwindigkeit abzubremsen, sodass er die Zügel in der Hand behalten und unangemessene Kritik abwenden konnte. Hier wurde kein Buschfeuer entfacht. Wesley warnte sogar vor dem exzessiven Einsatz von Feldpredigten: „Um zu vermeiden, dass wir unnötig Anstoß erregen, wollen wir niemals unter freiem Himmel predigen, wenn wir ebenso gut in einem Gebäude predigen können.“ Er beabsichtigte, die Bewegung langsam wachsen zu lassen, von den etablierten Gesellschaften aus Schritt für Schritt nach außen zu dringen, „sodass ein wenig Sauerteig sich wirkungsvoller und mit weniger Geräusch ausbreiten“ könne und immer „Hilfe zur Hand“ sei (Minutes, 23). Am St. Bartholomäustag (dem 24. August), nicht lange nach der Konferenz, war John Wesley an der Reihe, in der St. Mary’s Church in Oxford zu predigen, und griff die Heuchelei an der Universität in seiner Predigt über „Schriftgemäßes Christentum“ mit beißender Schärfe an. Nachdem er Wesen und Ausbreitung des wahren, schriftgemäßen Christentums in den für ihn typischen Begriffen der inneren und äußeren Heiligkeit geschildert hatte, kam er auf den St. Mary’s-Kirche, Oxford. für ihn springenden Punkt zu

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sprechen: „Wo existiert dieses Christentum heute? ... Ist diese Stadt eine christliche Stadt?“ An diesem Punkt der Predigt lautete die Antwort natürlich eindeutig „Nein“, und Wesley verschwendete keine überflüssige Barmherzigkeit darauf, die Verfehlungen der Universität in allen Einzelheiten zu beschreiben. Keinen einzigen wahren Christen fand er unter den verantwortlichen Leitern der Colleges, seiner Auffassung nach rangierte der Charakter der Fellows im Allgemeinen zwischen „Nörglertum“ und „sprichwörtlicher Nutzlosigkeit“. Die jüngeren Studenten waren, wie er fand, zum größten Teil „eine Generation, die sich mit Belanglosigkeiten abgibt“. Einige seiner Zuhörer hatten erwartet, dass Wesley, der infolge Whitefields häufiger Amerikareisen zusehends als der Methodist in England galt, eine enthusiastische Predigt halten würde. Doch niemand hatte vorausgesehen, was Benjamin Kennicott später die „flammende heilige Kritik“ (Sermons, 1: 112) nennen sollte, mit der Wesley sogar die „hellen Lichter“ der Universität überzog. Diese Predigt eines ehemaligen Absolventen war keine, die man sich gerne anhörte. Auch Wesley war klar, dass er hier vielleicht zum letzten Mal gepredigt hatte. Er hielt seine Empfindungen in seinem Journal fest: „Sei es drum. Das Blut dieser Männer wird nicht mehr über mich kommen. Ich habe meine Seele ganz und gar dahingegeben.“ Obwohl er noch ein Fellow war (mit Stipendium und Vergünstigungen), hatte er seine Universitätskarriere damit praktisch begraben und konzentrierte sich nun voll und ganz auf die Erweckung. So wie mit der Einführung der Feldpredigten in Bristol eine „neue Zeit“ für ihn angebrochen war, signalisierte diese Predigt in Oxford einen neuen Geist der Unabhängigkeit und des intensiven Engagements in seiner Berufung als Erweckungsprediger.

Reisen und Predigen Durch ihre andauernde Reise- und Predigttätigkeit trieben John und Charles Wesley nicht nur die Ausbreitung der methodistischen Bewegung voran, sondern sorgten auch dafür, dass Verbindungen der Methodisten untereinander entstanden. Im folgenden Jahr bereiste John fast jedes Gebiet in Großbritannien, in dem es methodistische Gesellschaften gab, darunter Wales, Cornwall, die Midlands und Nordengland, das er im Februar in Sturm, Hagel, Regen, Eis, Schnee, Graupelschauern und beißender Kälte besuchte (siehe Karte S. 218). Die Arbeit war nicht nur anstrengend, sondern stellte ihn auch vor besondere Herausforderungen; der „Krieg gegen die Methodisten“ wurde noch auf allen Fronten geführt (J&D, 20: 40). John berichtet, dass man bei mehreren Gelegenheiten versuchte, seine Predigten zu stören –

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durch Geschrei, Glockengeläut, Orgelspiel oder in einem besonders denkwürdigen Fall durch einen Müller, der die Schleuse des nahe gelegen Teichs öffnete, um das Wasser „unter großem Getöse“ abfließen zu lassen, während Wesley sprach. Wesley erzählt auch von vielen körperlichen Angriffen gegen ihn. Meistens handelte es sich um Leute, die ihn mit Eiern, Tomaten, Steinen oder Dreckklumpen bewarfen (z. B. J&D, 20: 22). Ein besonders unangenehmes Problem ergab sich durch die angebliche Verbindung Wesleys zu dem Thron-Prätendenten aus dem Haus Stuart, „Bonnie Prinz Charlie“. Zu diesem Zeitpunkt erwartete man, dass er in England einfallen und versuchen würde, die englische Krone wieder an sich zu reißen. Die Anhänger der Stuart-Dynastie hofften, Prinz Charles würde vor Ort ansässige Verbündete vorfinden, wenn er von Schottland aus englischen Boden betrat. Weil Wesley in Oxford im Ruf gestanden hatte, ein Jakobit zu sein (ob nun zu Recht oder nicht) und außerdem im nördlichen Landesteil immer mehr Anhänger zählte, glaubten einige, er stelle eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. So fand sich Wesley in einer unangenehmen Lage wieder. In Cornwall hatten hartnäckige Gerüchte John mit dem Prätendenten in Frankreich in Verbindung gebracht (J&D, 20: 22). Etwa zur gleichen Zeit wurde gegen Charles Wesley in Yorkshire der Vorwurf laut, er habe „von Verrat gesprochen oder dazu aufgerufen, indem er für die Verbannten oder für den Prätendenten gebetet“ habe. Der Zeuge, der Charles beschuldigt hatte, musste vor dem Friedensrichter letztendlich einräumen, dass er lediglich gehört habe, wie Charles betete, „der Herr möge seine Verbannten nach Hause rufen“. Dies sei geschehen, noch bevor man die ersten Nachrichten von der drohenden Invasion gehört habe, und diese Worte könnten sich gewiss auch in einem biblischen Sinn auf geistliche Pilger beziehen, die bei ihrem Herrn sein wollten. Der Richter sprach Charles also frei, der die Gelegenheit wahrnahm, die Loyalität aller Methodisten zur Krone zu bekräftigen (CWJ, 1: 358–361). Angesichts dieser Umstände und des drohenden Kriegs mit Frankreich hielt es John Wesley für das Beste, im Namen der Methodisten dem König seine Loyalität zuzusichern, und zwar gegen Charles‘ Einwand, solch ein Vorgehen ließe sie wie eine eigenständige Gruppierung aussehen, die sich von der Kirche getrennt hätte (J&D, 20: 16, CWJ, 1: 354). Doch nicht nur Probleme von außen machten dem Methodismus zu schaffen. Die Wesleys mussten sich bei dem Versuch, eine geschlossene Anhängerschaft zu schaffen, immer wieder mit Fragen der Leitungsstruktur und Lehre auseinandersetzen. Im Spätsommer 1745 berief Wesley eine weitere Predigerkonferenz ein, dieses Mal in Bristol. Dem Protokoll der vorangegangenen Konferenz zu Folge hatte

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Wesley die Absicht gehegt, alle drei Monate eine Regionalkonferenz abzuhalten, und zwar nacheinander in den drei Brennpunkten seiner landesweiten Tätigkeiten, um auch Ereignisse des laufenden Jahres im Blick behalten zu können. Dieser vierteljährliche Rhythmus war bereits 1739 vorgeschlagen, jedoch nie in die Tat umgesetzt worden (siehe S. 108–109 oben), und kaum etwas lässt annehmen, dass es 1744/45 besser lief. Charles hielt sich an den vorgeschlagenen Zeitpunkten im November und Mai in Newcastle beziehungsweise London auf; und John war im Februar in Bristol, doch keiner von ihnen erwähnt in seinem Tagebuch oder seinen Briefen eine Konferenz. Die Zusammenkunft im August 1745 stellte jedoch ein einschneidendes Ereignis dar. Mit ihr wurde immerhin die Praxis der jährlichen Konferenzen eingeführt, die Wesley die Möglichkeit gab, sich regelmäßig mit seinen Predigern über Fragen der Leitungsstruktur und Lehre zu beraten. Die drei Geistlichen und sechs Laienprediger (von insgesamt zwölf möglichen Teilnehmern), die in Bristol zusammenkamen, verbrachten einen Großteil ihrer Zeit mit der Diskussion darüber, was man predigen solle. Auf der vorangegangen Konferenz hatte man angeregt, dass Laienprediger („Helfer“ oder „Assistenten“) nur zugelassen werden sollten, „wenn sich die Notwendigkeit ergab“. Diese Notwendigkeit schien jetzt allgemein spürbar und man verfeinerte die Methoden wie auch die Inhalte der methodistischen Predigt. Die Konferenzteilnehmer verwandten viel Zeit auf die Diskussion der grundlegenden Lehren, die ihren Auftrag bestimmten. Einige der Prediger gaben ihrer Sorge Ausdruck, man sei von dem ursprünglichen Ziel abgekommen und hätte möglicherweise auch manche Lehren verändert. Wesley wies darauf hin, dass sie zunächst fast nur vor Ungläubigen gepredigt und deshalb die Rechtfertigung betont hatten. Jetzt bestand eher die Dringlichkeit, diejenigen Mitglieder der Gesellschaften zu ermahnen, „bei denen schon der Grund dafür gelegt war“, zur Vollkommenheit fortzuschreiten. Diese Notwendigkeit sei von den früheren Methodisten „zunächst noch nicht so deutlich erkannt“ worden. Trotzdem warnte Wesley, man solle die Rechtfertigung nicht herabsetzen, um dafür den „Zustand der völligen Heiligung hochzuhalten“. Gleichzeitig dürfe eine Betonung des sola fide nicht ausschließen, dass man zur Buße sowie zu „rechtschaffenen Werken der Buße“ aufrufe, die der Rechtfertigung vorausgehen. Die Diskussion drehte sich auch um solche Fragen, mit denen John Wesley und die Prediger ständig zu tun hatten. Wieder einmal kam die Frage nach der Notwendigkeit der Gewissheit auf, wieder einmal wagten sie es nicht, mögliche „Ausnahmefälle“ auszuschließen. Man sprach des weiteren über eine Reihe weiterer Anliegen: den Verlust des Glaubens, die Existenz von Visionen, das Problem der

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Verfolgung, die Beziehung zwischen Glauben einerseits und Zweifel und Furcht andererseits, und auch darüber, wie weit die Wahrheit des Evangeliums vom Calvinismus und Antinomismus entfernt sei („um Haaresbreite“). Auch Fragen der Leitungsstruktur, theoretischer wie praktischer Natur, wurden der Konferenz vorgelegt. Eine recht langwierige Diskussion über das Wesen von Kirchenleitung offenbarte, dass Wesleys Flexibilität in dieser Angelegenheit gewachsen war. Vielleicht hatte ihn die Lektüre von Edward Stillingfleets Irenicum beeinflusst, in der der Verfasser argumentiert, es gebe keine bestimmte Form der Leitung, die ganz richtig oder ganz falsch sei, und man solle den Blick nicht in erster Linie auf die Leitungsform, sondern auf die Frucht des Geistes richten (Church, 145). Auch der Besuch der Gesellschaften durch Nichtmitglieder wurde unter die Lupe genommen. Wesley riet, dass man nicht jeder „ernsthaften Person“ die Anwesenheit gestatten solle, und schon gar nicht allzu häufig ein und derselben Person. Andererseits drängte sich die Frage auf, wie man mit denjenigen umgehen solle, die die Gesellschaft verlassen hatten. Um Verbitterung und Groll zu vermeiden, so die Antwort, solle man versuchen, mit ihnen zu reden, und wenn das nicht fruchtete, „sie als tot betrachten“. Dies waren, wenn man den strengen Maßstab der Allgemeinen Regeln für die Methodisten in Betracht zieht, keine vorübergehenden Probleme: die allgemeine Fluktuation zwischen den verschiedenen Teilen der Erweckungsbewegung und die Probleme der Proselytenmacherei und des „SchäfchenStehlens“ in manchen Gegenden. Der Mangel an Mitarbeitern und die Vielzahl an Möglichkeiten missionarisch tätig zu werden, zwangen Wesley, ein für die Methodisten untypisches Experiment für Wales und Cornwall vorzuschlagen – nämlich zu predigen, ohne Gesellschaften zu gründen. Aus Wesleys Blickwinkel bedeutete das, beim Predigen auch mehr Gewicht auf die Rechtfertigung zu legen, die man, wie er befürchtete, vernachlässigt hatte. Da Wesley gerade dabei war, den ersten Band seiner gesammelten Predigten für den Druck vorzubereiten, ist es vielleicht auch kein Zufall, dass sich viele der für diesen Band ausgewählten Predigten um Rechtfertigung und Gewissheit drehten, was trefflich mit der neuerlichen Betonung der Feldpredigten zusammenpasste. In den Protokollen dieser Konferenz wird ausdrücklich auch die Sorge festgehalten, dass die Laienprediger vielleicht „zu viel vom Zorn und zu wenig von der Liebe Gottes“ predigten. Ein Vorhaben, das damit zusammenhing, die Gründung eines „Seminars für Arbeiter“, wurde zurückgestellt, bis der „Herr einen geeigneten Tutor zur Verfügung stellen“ würde. Dagegen wurde den „Regeln für Helfer“

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ein Zusatz beigefügt, der ihren Status als vollzeitliche Mitarbeiter und die Erwartungen an sie ausdrücklich bekräftigte: „Ihr habt nichts anderes zu tun als Seelen zu retten. Deshalb geht an diese Arbeit, auch wenn sie euch verzehrt. Und geht nicht nur zu denen, die euch brauchen, sondern zu denen, die euch am meisten brauchen.“ Weil er wusste, dass die Menschen nicht nur geistliche Bedürfnisse hatten, forderte Wesley die Prediger auf, in den Predigtstätten von London, Bristol und Newcastle „einen kleinen Vorrat an Medikamenten“ bereitzuhalten, um dort die Arzneien auszugeben, die Wesley in seinem kurz vorher veröffentlichtem Buch Collection of Receipts („Rezeptsammlung“) beschrieben hatte. Wesley war es außerdem ein Anliegen, dass die Prediger genügend geistige Nahrung erhielten. Daher hielten die Predigthäuser auch einen Grundstock an Literatur bereit. Die Liste der Bücher, mit denen London, Newcastle und Bristol (hier vor allem für Wesleys Eigenbedarf) ausgestattet werden sollten, umfasste nicht nur einen soliden Kernbestand an systematischer und praktischer Theologie, sondern ein weitaus längeres Verzeichnis an Werken der Medizin, Naturphilosophie, Astronomie, Geschichte, Dichtung, lateinischer und griechischer Prosa und Poesie sowie hebräische Werke (Minutes, 29). Der unscheinbare Punkt „Unsere Traktate“ (mit dem alle Schriften der Wesleys gemeint waren) wird zweifellos die verschiedenen Gedicht-, Psalm- und Liederbücher umfasst haben, die sie bereits veröffentlicht hatten, wie auch den Band A Collection of Tunes set to Music, as They are Commonly Sung at the Foundery („Eine Sammlung von Melodien zu Musik gesetzt, wie sie gewöhnlich in der Foundery gesungen werden“, 1742). Inzwischen hatten die Wesleys über sieben Dutzend Werke für das methodistische Publikum bei einer Hand voll Verlegern veröffentlicht, denen sie vertrauten – vor allem in London, Bristol und Newcastle. Die Verlagsarbeit wurde zu einem der Hauptmerkmale des Methodismus.

Die wachsende Verlagsarbeit Auf jener Konferenz von 1745 wurde Wesley gefragt, ob er „weniger reisen“ könne, um „mehr zu schreiben“. Die Antwort lautete: „Im Augenblick scheint es nicht ratsam.“ Trotzdem führt das Protokoll einige spezielle Themen auf, derer sich Wesley annehmen sollte, und er fand tatsächlich weiterhin Zeit, über ein Dutzend Schriften pro Jahr zu veröffentlichen. Im vorangegangenen Jahr hatten ihn die Prediger gebeten, einen „weiteren Appell“ zu verfassen, wobei sie sich auf seine Schrift von 1743 bezogen. Tatsächlich verwendete er diesen Ausdruck für seinen Titel und fügte A Farther Appeal to Men of Reason and Religion („Ein weiterer Appell an alle Menschen von Verstand und Re-

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ligion“) der älteren apologetischen Schrift für den Methodismus als „Postskriptum“ an. In dieser Fortsetzung entgegnete er auf kurz vorher veröffentlichte Angriffe gegen den Methodismus und schloss mit dem Versprechen, weiterhin Vorwürfe zu widerlegen, sobald sie durch Publikation öffentlich gemacht würden. Kurz darauf legte er die Schrift An Answer to the Rev. Mr. Church’s Remarks on the Rev. Wesley’s Last Journal („Eine Antwort auf die Bemerkungen des Reverend Mr. Church zu Reverend Mr. Wesleys letztem Journal“) vor, in der er auf Churchs Vorwurf antwortete, er habe mit vielen derselben Probleme zu kämpfen, die er den Herrnhutern in seinem Journal vorgehalten hatte, wie zum Beispiel den Wert der guten Werke zu leugnen. Obwohl sich John drei oder vier Jahre vorher von den Herrnhutern getrennt hatte und obwohl ihr Antinomismus die Gesellschaften immer noch infizierte, konnte er die tiefe Frömmigkeit, die viele der Brüder auszeichnete, nur bewundern. Während ihn die möglichen Gefahren ihres Einflusses zwar bewogen, die Schriften A Short View of the Difference between the Moravian Brethren ... and the Reverend Mr. John and Charles Wesley („Eine kurze Darstellung des Unterschieds zwischen den Herrnhuter Brüdern ... und den Pfarrern John und Charles Wesley) und A Dialogue between an Antinomian and his Friend („Ein Gespräch zwischen einem Antinomisten und seinem Freund“, gefolgt von einer Fortsetzung mit dem gleichen Titel) vorzulegen, hatte ihn ihre starke Frömmigkeit gleichermaßen veranlasst, eine Ausgabe von Zinzendorfs „Sechzehn Berliner Reden“ („Sixteen Discourses“) in gekürzter Fassung drucken zu lassen. Diese hölzerne Druckerpresse, einst von Benjamin FrankIm Rahmen der für lin gebraucht, ist ein typisches Exemplar, wie es auch bei ihn typischen Arden englischen Druckern des achtzehnten Jahrhunderts beitsweise, „Buchim Einsatz war.

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auszüge“ anzufertigen, reinigte Wesley Zinzendorfs Schriften von den „drei großen Irrtümern“, die er darin fand: Universale Errettung, Antinomismus und Quietismus. Es gelang ihm, den größten Teil des anstößigen Materials zu entfernen, doch ausgerechnet einer der Abschnitte, den er eigens ausgewählt hatte, um ihn in seinem Journal kritisch zu betrachten, entging seinem Korrekturstift (vgl. 19: 222–223). Wesley achtete darauf, seine Prediger und Anhänger mit einer nicht abreißenden Flut nützlicher Abhandlungen zu versorgen und kürzte und veröffentlichte in dieser arbeitsreichen Periode eine Reihe von anderen Traktaten, darunter Schriften von Jonathan Edwards, William Law, Henry Scougal, Daniel Brevint, Abbé Fleury und Richard Baxter. Auch fügte er noch A Word to a Sabbath Breaker („Ein Wort an den Sabbatbrecher“) und A Word to a Swearer („Ein Wort an den Fluchenden“) einer Serie von kleinen Traktaten hinzu, die er schon früher begonnen hatte, wobei die Zielgruppe gewöhnlich im Titel Erwähnung findet. Im Lauf der nächsten Jahre kamen noch weitere Schriften hinzu, wie zum Beispiel Ein Wort an den Trunkenbold, Ein Wort an die Straßendirne, Ein Wort an den verurteilten Missetäter und Ein Wort an den Schmuggler. Kurz und preiswert, waren diese kleinen Traktate direkte und kraftvolle Aufrufe zu Buße und Heiligkeit. Die Rhetorik, die in dem Appell an den Häftling in der Todeszelle sichtbar wird, ist zweifellos charakteristisch für die Botschaft, die die Wesleys in die Gefängnisse trugen: In was für einer Lage bist du! Die Strafe ist verkündet; man hat dich zum Tod verurteilt, und dies Urteil wird in Kürze vollstreckt werden! Du hast keine Möglichkeit zu entkommen; diese Ketten, diese Mauern, diese Tore und Gitter, diese Wärter machen alle Hoffnung darauf zunichte. Daher: Sterben musst du. Doch musst du wie ein Tier sterben, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet zu sterben? ... Aber, oh, wie wirst du vor Gott stehen? Hat er nicht selbst gesagt: „Ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen“? ... Wie also kannst du der Verdammnis der Hölle entgehen – dem feurigen Pfuhl, der mit Schwefel brennt, „wo der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht“? Du kannst deine eigene Seele niemals erlösen; du kannst keine Versöhnung für Sünden der Vergangenheit erlangen. ... Eins tut Not: „Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du selig!“ ... Vertrau allein auf ihn, bis er zu dir sagen wird (wie zu dem Missetäter aus lang vergangener Zeit): „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Die Wesleys gaben außerdem kleinere Liedersammlungen heraus, darunter auch eine bedeutende Zusammenstellung von Abendmahlsliedern (Hymns on the Lord’s Supper) mit einer Abhandlung über das Sakrament von Daniel Brevint im Anhang. Sie veröffentlichten noch weiteres katechetisches und Andachtsmaterial wie zum Beispiel A Collection of Prayers for Families and Lessons for Children („Eine Sammlung

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von Familiengebeten und Kinderlektionen“), die erste in einer Reihe von vier Schriften. Die Konferenzteilnehmer von 1745 baten darum, den Farther Appeal fertig zu stellen und einen „Ratschlag an die Methodisten“ (Advice to the People Called Methodists) zu richten. Außerdem wiederholten sie ihren Wunsch, Wesley möge seine gesammelten Predigten veröffentlichen. Vor der nächsten Konferenz erschien eine weitere von Thomas Church verfasste kritische Schrift im Druck, die Wesley Unregelmäßigkeiten vorwarf, die so gedeutet wurden, dass er sich von der Kirche getrennt habe, und man ihn deshalb aufforderte, sein Pfarramt aufzugeben. Wesley erwiderte mit seiner Schrift The Principles of a Methodist Farther Explained („Die Prinzipien eines Methodisten noch weitergehend erklärt“) und legte sein grundsätzliches Verständnis dessen dar, was die Trennung von der Kirche eigentlich bedeute, wie er in seinem abschließenden Kommentar zusammenfasste: „Nichts kann beweisen, dass ich kein Mitglied der Kirche bin, bis ich entweder exkommuniziert werde oder die Kommunion zurückweise“ (Societies, 195). Dieses Prinzip stellte die Grundlage für die von Wesley wiederholt vorgebrachte Aussage dar, die Methodisten hätten sich nicht von der Kirche abgespalten und hätten dies auch nicht vor. Diese Publikation enthält darüber hinaus Wesleys Kurzfassung der wichtigsten methodistischen Lehren, die seiner Meinung zufolge alle weiteren Lehren beinhalteten und die er als grundlegend für das Christentum ansah: Buße, Glaube und Heiligung. „Die erste betrachten wir gewissermaßen als Vorhalle, die nächste als die Tür, die dritte als die eigentliche Religion“ (Societies, 227). 1746 erklärten die Wesleys das Erscheinen einer Sammlung von „Traktaten, veröffentlicht von den Pfarrern John und Charles Wesley“ (Tracts Published by the Rev. Mr. John and Charles Wesley). Die fünfzehn Bände enthielten dreiundsechzig Schriften, die bereits einzeln veröffentlicht und jetzt thematisch geordnet worden waren (Biografien, Kontroversen, Andachten, Lieder, Tagebücher etc.). Jeder Band erschien mit einer neuen Titelseite. Dies war im Grunde die erste Ausgabe von „Werken“ der Wesleys. Diese Publikationen gaben ihnen nicht nur die Möglichkeit, die Bewegung gegen Angriffe zu verteidigen, sondern stellten auch eine Ausweitung des Dienstes und der Mission der Methodisten dar. Das weite Spektrum ihrer eigenen Traktate wie auch der von ihnen zusammengestellten Bibliotheken ist ein deutliches Anzeichen für den weiten Horizont ihres Wirkens; es zeigt, wie wichtig ihnen nämlich Geist, Körper und Seele der Menschen waren. Dies war allerdings nur eine Facette eines sich herausbildenden Netzwerks, das denjenigen, die mit den Wesleys in Verbindung standen, geistliche Nahrung, medizinische Hilfe, Kurse für Leiter und andere Arten von Unterstützung bot.

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Titelseiten von zwei der dreiundsechzig Schriften, die im fünfzehnbändigen Sammelwerk Tracts der Wesleys enthalten waren, links ein vierseitiges Heftchen, rechts eine 141-seitige Liedersammlung.

Weitere Kontroversen Die Struktur des methodistischen Netzwerks verfeinerte sich von Jahr zu Jahr in Reaktion auf aktuelle Bedürfnisse. Das Spektrum der Entwicklungen in den Jahren 1745–1746 liefert uns ein Beispiel für den Prozess der Konferenzen, Reisetätigkeit, Korrespondenz und Verlagsarbeit, der sich das ganze Jahrhundert hindurch fortsetzen sollte. Die herausragendsten Dispute erschienen im Druck, die deutlichsten Entwicklungen wurden in den Protokollen der jährlichen Konferenzen festgehalten. Doch ein bedeutender Teil jenes Prozesses fand in dem alltäglichen Kontakt zwischen den Wesleys und den Predigern, den Mitgliedern, den Kritikern und der etablierten Kirche statt. Manche Gespräche, die sich als die einflussreichsten erweisen sollten, wurden nicht veröffentlicht, wie zum Beispiel die Korrespondenz von 1745– 1748 zwischen John Wesley und „John Smith“, einem Geistlichen, der unter Pseudonym schrieb.

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Smith behauptete, Wesleys Anliegen zu teilen, der ganzen Welt eine „verlässliche, innerliche, lebendige Religion“ zu verkündigen. Doch er zweifelte Wesleys Behauptung an, die er in den Appeals aufgestellt hatte, dass die methodistischen Auffassungen im Einklang mit der Bibel und der Kirche von England stünden. Als sich die Briefe zwischen den beiden mehrten, kristallisierten sich Wesleys Glaubensverständnis und seine Betonung des „Zeugnisses des Geistes“, besonders in Bezug auf die Gewissheit, als die wichtigsten Streitpunkte heraus. Die meisten Themen drehten sich um die Lehre, obwohl die unterschiedlichen Auffassungen sich recht häufig auf Missverständnisse in Wortwahl und Ausdruck zurückführen ließen. Smith hatte seine Schwierigkeiten mit manchen Vorstellungen, die er bei Wesley angesiedelt sah: dass Glauben eine „übernatürliche Eingebung vom Himmel“ sei, „ein unmittelbares Geschenk Gottes“; dass man spüren und wahrnehmen könne, dass Gott einem vergeben habe; dass jemand, dem Errettung geschenkt worden sei, vollkommen gemacht werde, und zwar mit einer „Vollkommenheit, die Abstufungen zulässt, jedoch so, dass der Betreffende nicht mehr sündigen kann“. Smith bekräftigte nachdrücklich seinen eigenen Glauben, sah jedoch wenig Gemeinsames zwischen seiner Erfahrung und dem wesleyanischen Weg der Errettung. Im Lauf der Korrespondenz, bei der mindestens zwölf recht lange Briefe ausgetauscht wurden, hielt Smith Wesley hartnäckig die von ihm so genannten Lehren der „spontanen Eingebung“, „spürbaren Inspiration“ und „sündlosen Vollkommenheit“ vor. Er wies außerdem darauf hin, dass Wesley sich in mancher Argumentation selbst widerspreche. Zum Beispiel habe Wesley nach 1738 einmal behauptet, die „Errettung durch Glauben“ sei sein einziges Predigtthema, ein anderes Mal jedoch gesagt, dass er am liebsten über „die Liebe zu Gott und den Menschen“ spreche, zehn Mal öfter als über jedes andere Thema. Die für Wesley inzwischen charakteristischen Erwiderungen auf kritische Bemerkungen zu seiner Lehre konnten den gelehrten Inquisitor nicht befriedigen. Etwas als „schlagartig“ oder „plötzlich“ zu bezeichnen, wie es Wesley tat, weil es in einem bestimmten Augenblick beginne und dann allmählich wachse, hieße den Begriff falsch zu gebrauchen, so Smith. Zudem ließ die Forderung der Gewissheit als Vorbedingung der Errettung bei Smith einige Fragen aufkommen, nicht zuletzt, ob die Wesleys in die Hölle gekommen wären, wenn sie während ihrer Zeit in Oxford gestorben wären, und ob ihren Vater Samuel dasselbe Schicksal ereilt hätte oder nicht. John stützte sich in seiner Erwiderung auf ältere Publikationen, die Wiederholung früherer Argumente, die rationale Auflösung

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„scheinbarer Widersprüche“ und einige intellektuelle Stepptänze. Am häufigsten begegnete er Smith mit dem Satz: „Denn dafür stehe ich nachdrücklich ein, und genau das tun auch diejenigen, die man Methodistenprediger nennt.“ Und nachdem er noch einmal betont hatte, ohne Gewissheit sei „niemand ein wahrer Christ“, erklärte Wesley, dass der heilige Geist, falls sie in Oxford dem Tod ins Auge geblickt hätten, sicherlich zunächst „in unseren Herzen die heilige Liebe gewirkt hätte, ohne die niemand in die Herrlichkeit treten kann“. Auch sei dies, so Wesley später zu Smith, bei seinem Vater der Fall gewesen, der während seiner letzten Krankheit „deutlich gespürt [habe], dass Gott ihn angenommen [habe]“ und John mehr als einmal gesagt habe: „Das innere Zeugnis, mein Sohn, das innere Zeugnis; das ist der Beweis, der stärkste Beweis für das Christentum“ (Letters, 26: 289). Bei seiner Definition von Glauben stützte sich Wesley auf den Hebräerbrief und die Homilien, die er nun immer wieder zitierte: „Rechtfertigender Glaube bedeutet nicht nur die von Gott geschenkte Überzeugung, dass ‚Gott in Christus war und die Welt mit sich versöhnte’, sondern das feste Vertrauen, dass Christus für meine Sünden starb, dass er mich liebte und sich für mich hingab“ (Sermons, 1: 194). Noch größere Schwierigkeiten hatte Smith damit, Wesleys Haltung zum Abfall vom Glauben mit dem Erlebnis der Gewissheit in Beziehung zu setzen: Wie konnte jemand deutlich Heilsgewissheit erfahren und hinterher in Furcht und Zweifel stürzen? Wenn das Erlebnis der Heilsgewissheit lediglich der Einbildung entsprungen war, so Smith, dann könnte die Argumentation Bestand haben; doch wenn man die Gewissheit als Tatsache begriff, dann wird das, „was gestern eine Tatsache war, auch bis in alle Ewigkeit eine Tatsache bleiben“ (Letters, 26: 210). Obwohl Wesley hier auf einen ihm in Logik und Theologie ebenbürtigen Gegenspieler gestoßen war, rückte er kaum von seiner Position gegenüber Smith ab. Doch in den Protokollen der Konferenzen, die zu dieser Zeit stattfanden, wird Smiths Einfluss auf Wesley deutlich erkennbar. Einige Themen tauchen, mit kleinen Abweichungen, immer wieder auf. 1746 wird im Protokoll eine Bemerkung Wesleys zum „Wesen des Glaubens selbst“ festgehalten, „das das Bewusstsein der Vergebung“ [d.h. Gewissheit] umfasst. Im Juli 1747 fragte John seinen Bruder Charles: „Ist der rechtfertigende Glaube das Bewusstsein der Vergebung?“ Die Antwort lautete eindeutig Nein – es gebe eine solche ausdrückliche Gewissheit, die das allgemeine Privileg wahrer Christen sei, so Wesley, „doch ich kann nicht einräumen, dass der rechtfertigende Glaube selbst solch eine Gewissheit ist oder notwendigerweise damit in Zusammenhang steht“. Und doch bieten die

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Protokolle desselben Jahres wieder ein konfuses Bild, wenn es um die Frage geht: „Zeigt nicht die tatsächliche Erfahrung, dass der rechtfertigende Glaube nicht notwendigerweise zur Gewissheit führt?“ Wesley hat ganz bestimmte Menschen im Sinn, wenn er versucht ist, „Ausnahmefälle“ einzuräumen (wie er es bereits auf der Konferenz von 1745 getan hatte), schließlich jedoch sagt: „Aber dies wissen wir, wenn Christus sich nicht in ihnen offenbart, glauben sie noch nicht an Christus“. Die Probleme, auf die John Smith hingewiesen hatte und die auch aus den unentschlossen wirkenden Protokollen hervorgehen, begannen in Wesleys Denken bald deutlicher Gestalt anzunehmen, wie er einen Monat nach der Konferenz seinem Bruder in einem Brief schrieb: „Es ist schlicht und einfach absurd. Wie kann die Empfindung, ich hätte die Vergebung der Sünden empfangen, die Vorbedingung dafür sein, dass ich sie empfange?“ Die Schwierigkeiten, die dieses Thema aufwarf, veranlasste John in diesem Brief an Charles zu der Bemerkung, dass sie beide „eine genesis problematica (Problemgeschichte) des rechtfertigenden Glaubens“ entwerfen müssten (Letters, 26: 254–255). Inmitten der Erweckung und an einem Punkt, der für die Verkündigung der evangelischen Botschaft von entscheidender Bedeutung war, griffen die Wesleys auf ihre Oxforder scholastische Methodik zurück und machten sich daran, die Frage nach der Rechtfertigung akademisch anzugehen. Dass John immer noch pädagogisch dachte, wird auch an seinem Rat deutlich, die Assistenten sollten sich als „junge Universitätsstudenten“ betrachten, die eine „Methode zum Studieren“ brauchen. Der organisierte Tagesablauf, die strenge Disziplin und die weit gefasste Lektüre erinnern stark an seine eigene Oxforder Methode (Minutes, 32). Und an diesem Punkt, einige Jahre nach seiner Aldersgate-Erfahrung, war er sogar bereit, einige Zugeständnisse an den Wert der „Ernsthaftigkeit“ zu machen, die ähnlich klingen wie seine damalige Haltung in Oxford: Fac quod in te est („Tu, was du kannst“). Ernsthaftigkeit, so sagt er, ist vor der Rechtfertigung wichtig, um „rechtschaffene Werke der Buße“ hervorzubringen, und nach der Rechtfertigung, um „gute Werke“ hervorzubringen. Doch Wesley beeilt sich auch, darauf hinzuweisen, dass Ernsthaftigkeit zwar eine „Voraussetzung“ sei, um von Gott angenommen zu werden, jedoch niemals den Glauben ersetzen könne, der die unmittelbare Bedingung für die Errettung darstelle (Minutes, 12–13). Eine Schwierigkeit bestand zu dieser Zeit für Wesley darin, für die Prediger zu bestimmten Themen verbindliche Richtlinien zu erlassen, während er selber noch dabei war, seine eigenen Auffassungen zu entwickeln. In der Frage der Rechtfertigung allerdings gewann er zunehmend Klarheit: Obwohl der Glaube die einzige notwendige

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Bedingung für die Errettung war, wurden auch „rechtschaffene Werke der Buße“ vor der Rechtfertigung erwartet, und „Gewissheit“ war normalerweise nach der Rechtfertigung zu erwarten (wobei in beiden Fällen Ausnahmen nicht ausgeschlossen wurden). In der Öffentlichkeit hatte sich Wesley außerdem gegen Angriffe auf Theologie und Methoden der Methodisten (und ihrer führenden Köpfe) zu wehren, so wie er auch bereits den vorangegangenen Angriff von Edmund Gibson, dem Bischof von London, in dessen anonym publizierter Schrift Observations (1744) pariert hatte. Als Gibson weitere Vorwürfe veröffentlichte, antwortete ihm Wesley in einem offenen Brief (Letter to the Right Reverend the Lord Bishop of London, 1747), in dem er Punkt für Punkt auf die Kritik des Bischofs an sechs „Lehren, die einen zersetzenden Einfluss auf die Praxis des Glaubens ausüben“, eingeht. Er widerstand der Versuchung, es Gibson, der „die enthusiastischen Lehrer“ mit ihren „wilden unverdauten Gefühlsausbrüchen“ persönlich angegriffen hatte, mit gleicher Münze heimzuzahlen, und erwiderte ihm in einem Ton, der Freimut mit Höflichkeit verband. Dieser Brief zeigt Wesley als Verfasser kontroverser Schriften von seiner besten Seite (Appeals, 330). Politische Themen machten Wesley zu dieser Zeit in mancher Hinsicht ebenso sehr zu schaffen wie theologische. Die undurchsichtige Situation im Norden brachte den Methodisten weiterhin Schwierigkeiten. Als Prinz Charles, der Junge Prätendent, im September 1745 in Schottland einfiel, reiste Wesley nach Newcastle, wo ängstliche Erregung in der Luft lag, um seinen Leuten beizustehen. Sofort nahm er Verbindung zum Bürgermeister auf und versicherte ihm seine loyale Unterstützung. In deutlichen Worten erklärte er: „Ich fordere alle, die mich hören, auf, das Gleiche zu tun und sich in ihrem jeweiligen Stand als loyale Untertanen zu erweisen, die, solange sie Gott fürchten, nicht anders können, als dem König Ehre zu erweisen“ (Letters, 26: 152). Hätte jemand geargwöhnt, Wesley würde aus welchen Gründen auch immer versuchen, die rastlose Arbeiterschicht zur Unterstützung der Rebellion aufzurufen, hätte diese nachdrückliche Loyalitätsbekundung diesen Verdacht dauerhaft widerlegt. Wesley war der Meinung, dass sogar die Verfolgung der Methodisten durch den von den herrschenden Schichten angefeuerten Mob kein Grund war, sich der Krone gegenüber illoyal zu verhalten. Nachdem häufig falscher Alarm geschlagen worden war, fiel Prinz Charles im November 1745 tatsächlich in England ein, wurde aber nach Westen abgedrängt und betrat Newcastle nicht einmal. Wie die restliche Bevölkerung hatte Wesley das Vorrücken Prinz Charles’ und seiner Verbündeten aus den schottischen Clans in südlicher Richtung bis Derby mit Sorge verfolgt, bevor diese im Dezember zurück-

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gedrängt werden konnten. Die Gefahr war vorüber, als Prinz Charles im April 1746 in Culloden bei Inverness geschlagen wurde und fünf Monate später aus dem Land floh. Charles Wesley dichtete zu diesem Anlass eine Reihe von Liedern für die öffentlichen Dankgottesdienste, mit denen man im Herbst dieses Ereignis feierte.

Die Erweckung breitet sich aus Inmitten dieser theologischen und politischen Entwicklungen schritt die Missionsarbeit der Methodisten zügig voran. Charles predigte oft unter freiem Himmel, nachdem diese Methode auf der Konferenz von 1746 nachdrücklich empfohlen und dieses im darauf folgendem Jahr noch einmal hervorgehoben wurde: „Haben wir die Feldpredigten nicht allzu sehr eingeschränkt? ... Wir können von denjenigen, die sich von Gott abgewendet haben, nicht erwarten, dass sie uns suchen. Es ist unsere Aufgabe, uns aufzumachen und sie zu suchen“ (Minutes, 37). John Wesley gab John Smith gegenüber seiner Überzeugung Ausdruck, dass er den Gemeindemitgliedern in Epworth „weitaus mehr Gutes tat, indem er drei Tage lang auf dem Grab seines Vaters predigte, als er es in drei Jahren auf seiner Kanzel geschafft hatte“ (Letters, 26: 237). Um dieses breit angelegte Feldpredigt-Programm zu koordinieren, richtete Wesley sieben Bezirke ein, regionale „Predigtrunden“, vergleichbar mit den losen Zusammenschlüssen von Gesellschaften, die einige der unabhängigen Erweckungsprediger ins Leben gerufen Charles Edward Stuart, „Bonnie von Schottland“ hatten. Diese methodisti-

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schen Kreise wurden in den Konferenzprotokollen von 1746 festgehalten: London, Bristol, Cornwall, Evesham, Yorkshire und Wales. Ihnen wurden Prediger zugeteilt, meistens in Zweier- oder Dreiergruppen, die jeweils in einem dieser sieben Bezirke herumreisen und im darauf folgenden Monat in einen anderen Kreis versetzt werden sollten. Auch Charles ließ sich von dieser neuen Begeisterung für Feldpredigten anstecken. Als er sich einmal in Redruth aufhielt, ging er zur Kirche und „zog die Gemeinde hinter mir her, bis ich auf einem Feld angelangt war“ (CWJ, 1: 421). Bei einem Besuch in Plymouth im Sommer 1746 hatte sich Charles „vorgenommen, nur auf den Straßen oder Feldern zu predigen“. Diese Methode brachte ihre eigenen Gefahren mit sich. Auch wenn der Landadel „gelegentlich genau wie die Armen zuhörte“, zogen die Feldpredigten oft „wilde Tiere“ an, wie Charles sie nannte. Selbst wenn er wie in Shoreham in einer Kirche predigte, „begannen die wilden Tiere herumzubrüllen, mit den Füßen zu stampfen, Gott zu lästern, die Glocken zu läuten und die Kirche in eine Bärenhöhle zu verwandeln“, wie er notierte. Hier habe er eine halbe Stunde lang gepredigt, „obwohl ihn nur die unmittelbar vor ihm Sitzenden hören konnten“, (CWJ, 1: 428). Misstrauen und Verfolgung brauchten jedoch weder das Wachstum noch die Kraft der Erweckungsbewegung zu bremsen. Charles Wesley bemerkte, dass oft das Gegenteil der Fall war: „Für einen Prediger, der ihnen genommen wird, kommen zwanzig andere dazu. Weder Überredungen noch Drohungen, weder Schmeichelei noch Gewalt, weder Kerker noch Leiden irgendwelcher Art können sie überwinden. Viele Wasser können diesen kleinen Funken nicht auslöschen, den der Herr entzündet hat, noch werden die Ströme der Verfolgung es ertränken“ (CWJ, 1: 423; vgl. Hoheslied 8,7). Einer von Charles Lieblingspredigttexten zu dieser Zeit war Sacharja 13,9: „Ich will den dritten Teil durchs Feuer gehen lassen“. Dass in dieser Zeit eher auf eine breit angelegte Predigttätigkeit Wert gelegt wurde als auf die Gründung von Gesellschaften, mag zum Teil erklären, warum sich der Methodismus im Lauf des Jahres 1747 nach Irland ausbreitete. Die Protokolle von 1746 hatten die notwendigen Kriterien für einen „Ruf der Vorsehung“ an neue Orte wie etwa Dublin oder Edinburgh festgelegt: „1. Eine Einladung eines ... ernsten, gottesfürchtigen Mannes, der ein Haus besitzt, in dem er uns aufnehmen kann. 2. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mehr Gutes tun können, indem wir dort hingehen, statt zu bleiben, wo wir sind.“ Die Arbeit in Dublin wurde offenbar vor dem Sommer 1747 aufgenommen, als zwei altgediente Prediger, Jonathan Reeves und John Trembath, beauftragt wurden, ihren Reisedienst in Irland aufzunehmen. An der methodistischen Pionierarbeit dort waren führende Mit-

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arbeiter beteiligt, die nicht direkt mit den Wesleys in Verbindung standen. Benjamin LaTrobe, ein Baptist, der zu den Herrnhutern übergetreten war, hatte im vorangegangenen Jahr eine Gesellschaft „nach dem Muster der Methodisten“ gegründet. Diese Gesellschaft, die in einem Haus in der Marlborough Street zusammenkam, lud bald danach John Cennick, einen Methodistenprediger aus der Frühzeit der Bewegung ein, der aufgrund seiner Freundschaft mit Whitefield noch als Methodist bekannt war, obwohl er sich bereits über zehn Jahre zuvor von den Wesleys getrennt hatte. Nun sympathisierte er mit den Herrnhutern. Wegen seiner Predigten über Christus, „das Kind, in Windeln [englisch: „swaddling clothes“] gewickelt“, erhielten die Methodisten in Irland den Spitznamen „Swaddlers“. Im Sommer 1747 scheint in Dublin eine neue methodistische Gesellschaft gegründet worden zu sein, und zwar von Thomas Williams, den die Wesleys drei Jahre zuvor aus der Londoner Gesellschaft ausgeschlossen hatten. Offenbar konnte er jedoch diesen Konflikt mit den Wesleys bald danach auflösen, denn es war Williams, der die Wesleys in einem Brief um Hilfe bat. Der Ruf der Vorsehung wurde offensichtlich gehört, und die Wesleys reagierten. Die Konferenz hatte im Juni stattgefunden; einige Wochen später machte sich John Wesley mit Trembath auf den Weg nach Irland. Als sie in Dublin eintrafen, fanden sie eine Gesellschaft mit nahezu dreihundert Mitgliedern vor, die meisten von ihnen recht „lernwillig“, und einige von ihnen hatten „Frieden mit Gott gefunden“. Gleichzeitig merkte Wesley, dass die Geistlichen vor Ort die typischen Vorurteile gegen Laienprediger und Feldpredigten hegten. Ein Erzbischof „fasste den Entschluss, keine solchen Unregelmäßigkeiten in seiner Diözese zu dulden“. In der für ihn charakteristischen Weise stürzte sich Wesley in die Auseinandersetzung, traf sich mit dem Erzbischof zu einem zwei- oder dreistündigen Gespräch, in dessen Verlauf er, wie er sagte, „eine Unmenge von Einwänden beantwortete“ (J&D, 20: 188–190). Nach vierzehn Tagen in Dublin kehrte John über Wales wieder nach Hause zurück. Seine und Charles‘ Wege kreuzten sich, denn nun war dieser auf dem Weg nach Irland. Charles hielt sich etwa vier Monate in Dublin und Umgebung auf. Er hielt Prüfungen in den Klassen ab, führte Verhandlungen, um Grund und Boden zu erwerben, warb um Spenden für ein neues Gebäude (wobei er still und heimlich das Angebot ausschlug, Mr. Cennicks Predigtstätte zur Miete zu übernehmen) und wurde von Zeit zu Zeit mit dem aufsässigen Mob konfrontiert. Selbst in dieser ersten Phase der Erweckung in Irland zögerte Charles, allzu schnell Gesellschaften zu gründen oder zu vergrößern. In einem Fall nahm er zwar neue Mitglieder auf, wies jedoch andere ab, „die von unseren Helfern

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allzu schnell aufgenommen worden waren“ (CWJ, 1: 463). Seine Unterredungen mit den Geistlichen am Ort waren insofern erfolgreich, als er sie überzeugen konnte, der Methodismus stelle „kein Schisma oder eine neue Religion dar, sondern sei der Glauben, der den Heiligen von einst gegeben worden war“ (CWJ, 1: 465). Predigtordnung von 1747 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Achte darauf, genau zur angesetzten Zeit anzufangen und zu schließen. Lass keine Lieder singen, die du selbst komponiert hast. Strebe danach, in deinem ganzen Verhalten vor der Gemeinde ernsthaft, gewichtig und feierlich zu sein. Wähle möglichst die einfachsten Texte. Gibt Acht, dass du nicht vom Text abweichst, sondern halte dich eng an ihn und sei dir im Klaren darüber, was du unternimmst. Pass dein Thema immer deinen Zuhörern an. Nimm dich in Acht, dass du nicht allzu sehr allegorisierst oder spiritualisierst. Pass auf, dass du in Gestik und Aussprache weder eigenartig noch affektiert wirkst. Teilt es einander mit, wenn ihr Fehler dieser Art beobachtet. (Minutes [1747], 38)

So scheint die Verbreitung des Methodismus in Irland dem typischen Muster der Erweckungsbewegung gefolgt zu sein. Örtliche Erweckungsbewegungen und die daraus entstehenden Gesellschaften wurden von Personen angestoßen, die entweder mit den Wesleys in Verbindung gestanden hatten oder sich nach einem Grundmuster richteten, das dem der Wesleys ähnlich war. Diese Gruppen wurden dann in das Netzwerk integriert, mit wesleyanischen Predigern versorgt und dadurch offiziell eingegliedert, dass Wesley sie in seine eigenen Reisedienst und seine Korrespondenz einbezog. Dieses Vorgehen forderte manchmal von den Wesleys, den Predigern durch das ganze Land nachzureisen, um das Netzwerk unter Kontrolle zu behalten. Dies war auch der Fall, als Charles 1748 entdecken musste, dass die Prediger einige der Gesellschaften westlich von Dublin im Stich gelassen hatten und ins etwa zweihundertfünfzig Kilometer südlich gelegene Cork gefahren waren, wo „die Türen am weitesten offen standen“. Innerhalb weniger Tage war er am Ort des Geschehens eingetroffen und versuchte, eine gewisse Ordnung in die methodistischen Aktivitäten zu bringen. Zweihundert Menschen hatten sich für die Gründung einer Gesellschaft eingetragen, doch es kam eine so große Menschenmenge zusammen, dass das sich daraus ergebende Chaos Charles zu dem Schluss brachte, die Gründung einer

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„regulären Gesellschaft“ sei nicht durchzuführen. Gleichwohl begann er zwei Tage später, die Kandidaten zu prüfen, und in der darauf folgenden Woche nahm er erstmals an Zusammenkünften der jungen Gesellschaft teil. Eine Woche später fand Charles auch in Bandon, einige Kilometer weiter südwestlich gelegen, Hunderte von Menschen vor, die „ungeduldig darauf warteten, eine Gesellschaft zu haben und mit Gewalt in das Reich Gottes zu drängen“ (CWJ, 2: 18–29).

Missions- und Aufbauarbeit Eine von Wesleys Predigtregeln, die an der Konferenz von 1747 aufgezählt worden war, lautete: „Pass dein Thema immer deinen Zuhörern an“. Feldpredigten, die sich an ein „großes, gemischtes und noch nicht erwecktes Publikum“ richteten, betonten vor allem Buße, Glauben, Rechtfertigung und Gewissheit. Dass die Wesleys selbst Probleme hatten, die Rechtfertigungslehre mit all den sich daraus ergebenden Folgerungen auszuloten, wie man aus der Korrespondenz mit Smith und den Konferenzprotokollen ersehen kann, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass man sich auf der Konferenz von 1748 wieder auf die Gründung von Gesellschaften konzentrierte. Jedenfalls war allen deutlich geworden, dass man etwas verändern müsse. Man hatte gut zwei Jahre lang versucht, zunächst im Westen, dann im Norden zu predigen, ohne Gesellschaften zu gründen. Das Ergebnis war katastrophal ausgefallen, wie Wesley in den Konferenzprotokollen festhielt: „Fast die gesamte Saat ist auf den Weg gefallen; kaum eine Frucht ist geblieben.“ Dem jeweiligen Prediger bot sich kaum die Möglichkeit zur Unterweisung, die erweckten Seelen konnten „nicht in Liebe übereinander wachen“, und die Gläubigen konnten „einander nicht erbauen und einer des anderen Last tragen“. Das Experiment hatte die Fäden des Netzwerks ausgefranst.

Hilfe für Körper, Seele und Geist Das erneuerte Interesse an der Gründung und Förderung von Gesellschaften veranlasste die Konferenzteilnehmer, die Methoden zu überdenken, wie die Gesellschaften „fester und enger miteinander verbunden werden könnten“. Zu diesem Zweck begann Wesley am Weihnachtstag 1747 von einer Bundeserneuerung zu sprechen, die seine Anhänger bewegen sollte, sich miteinander um ein ernsthafteres Christsein zu bemühen; diese Form hatte er in Oxford in den Ratschlägen eines Landpfarrers (The Country Parson’s Advice) kennen gelernt.

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Um auch die Zukunft der örtlichen Gesellschaften zu sichern, wurden die Kinder in so genannte Kleine Gesellschaften (Little Societies) eingeteilt, um sie dort zu unterweisen und zu ermahnen. Wesley hatte gerade den dritten Band der jährlich erscheinenden Lessons for Children (Lektionen für Kinder) veröffentlicht, die in Lektionsform die „einfachsten und nützlichsten Abschnitte der Schrift“ (Altes Testament), manchmal mit erklärenden Hinweisen, vorstellten. Das Verbinden der Gesellschaften untereinander stellte jedoch immer noch ein Problem dar. Obwohl seit 1747 die Dienstzuweisung der Prediger auf einen Bezirk auf zwei Monate ausgedehnt worden war, reichte auch das nicht aus, unter den methodistischen Gesellschaften größere Einheit und engeren Zusammenhalt zu stiften. Deshalb begannen einige Methodisten im Oktober 1748 mit vierteljährlichen Bezirkstreffen, bei denen die Verwalter und andere Leiter der örtlichen Gesellschaften zusammenkamen, um über Rechenschaftsberichte, Aktivitäten und geistliche Leitung zu sprechen (Polity, 239). Mit dem Wachstum der Bewegung wurde die Arbeit der einzelnen Gesellschaften wie die Koordination der Gesamtarbeit komplizierter. Wesley hatte bereits früher versucht, eine Wirtschaftsreform durchzuführen, was ihn 1744 veranlasst hatte, in die Satzung der ausgewählten Gesellschaften die Forderung einzufügen, jedes Mitglied möge, „bis wir alles gemeinsam haben“, wöchentlich „bona fide alles, was es erübrigen kann, in eine gemeinsame Kasse einzahlen“ (Minutes, 23; siehe auch Walsh, 40–50). 1746 versuchte er mit einer anderen Methode, die finanzielle Unterstützung zu gewährleisten. Er hielt in London eine Sammlung ab, die einer besonderen Leihkasse zugute kam, aus der dann Darlehen ausgezahlt werden konnten. Die fünfzig Pfund, die bei dieser Spendensammlung unter seinen Freunden zusammenkamen, wurden den beiden Verwaltern der Gesellschaft übergeben. Diese kamen daraufhin jeden Dienstagmorgen in die Gießerei, um Darlehen bis zu zwanzig Schilling (einem Pfund) an diejenigen auszuzahlen, die „augenblicklich Geld brauchten“, um zum Beispiel „ihr Geschäft weiterzuführen“. Die Schuldner, deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse auf dem Schuldschein vermerkt wurde, verpflichteten sich (zusammen mit dem Mitunterzeichner), die Summe innerhalb von drei Monaten zurückzuzahlen. Mit diesen kurzfristigen Darlehen für kleine Geschäftsleute wurden im ersten Jahr zweihundertfünfzig Personen unterstützt (WHS, 2: 197). Im selben Zeitabschnitt erweiterte Wesley auch sein medizinisches Hilfsprogramm. Seit seiner Zeit in Oxford hatten ihn Krankheiten und Therapien fasziniert, und seit langem hatten ihn „unzählige Beweise“ überzeugt, dass „die regulären Ärzte außerordentlich wenig

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Gutes bewirken“ (Letters, 26: 235). Etwa ein Jahr lang hatte er Medikamente an den drei großen Predigtstätten am Lager gehalten und eine kleine Sammlung von Rezepten für Medikamente veröffentlicht. Nun stellte er „als eine Art verzweifelter Notlösung“ einen Arzt und einen Apotheker ein, die ihn bei der regelmäßigen Medikamentenausgabe unterstützen sollten. Im Dezember 1746 kündigte Wesley vor der Londoner Gesellschaft seine Absicht an, freitags „den Armen medizinische Hilfe zukommen“ zu lassen, wodurch die Gießerei zur Apotheke wurde. Etwa dreißig Personen fanden sich am nächsten Tag ein; dem folgte ein ständiger Strom von etwa hundert Personen im Monat, was nicht einmal zehn Pfund pro Monat kostete (J&D, 20: 177). Um „nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren“, betonte Wesley, er wolle die Hilfe im Wesentlichen auf chronisch Kranke beschränken und akut Erkrankte sowie alle schwierigen und komplizierten Fälle an die Ärzte verweisen. Schon einer seiner ersten Fälle sollte seine Methode gründlich auf die Probe stellen: der einundsiebzigjährige William Kirkman, ein Weber, der unter „einem hartnäckigen Husten gelitten hatte“, seit er elf war. Wesleys Befürchtung, ein mögliches Versagen in diesem Fall könnte andere davon abhalten, hier Hilfe zu suchen, war nur von kurzer Dauer. Der verschriebene Absud kurierte den Husten in zwei oder drei Tagen. Wesley achtete sehr darauf, das Verdienst nicht für sich selbst in Anspruch zu nehmen, sondern alles der Macht Gottes zuzuschreiben (Societies, 276). Wesley beschränkte diesen Dienst nicht nur auf Mitglieder der Foundery Society. Unter den fünf- bis sechshundert Menschen, die in den ersten fünf Monaten bei ihm Hilfe fanden, waren „einige“ Fremde. Außerdem weitete er diesen medizinischen Dienst auf die Predigtstätten in Bristol und Newcastle aus. Letztere war zunächst erfolgreich, doch der Mangel an benötigten Medikamenten und die Konkurrenz durch die Gratisabgabe von Arzneimitteln im Stadtkrankenhaus von Bristol führten zum Misserfolg dieses methodistischen Unternehmens. Für diejenigen, die außerhalb der Reichweite der methodistischen Apotheken wohnten, veröffentlichte Wesley eine erweiterte Fassung seiner Sammlung von Arzneirezepten unter dem neuen Titel Primitive Physick („Einfache Heilkunst“, 1747). Ein weiteres Experiment christlicher Nächstenliebe, das „Armenhaus“, bestand aus zwei kleinen angemieteten Häusern nicht weit von der Gießerei. In ihnen wurde „schwachen bejahrten Witwen“ von Wesley eine warme, saubere Unterkunft geboten. Etwa ein Dutzend Mieter lebten dort, darunter auch eine blinde Frau und zwei arme Kinder. Hin und wieder besuchten die Wesleys sie und aßen mit ihnen (Societies, 277).

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Wesley begann sich in der Gießerei auch um viele andere Kinder zu kümmern, die „wie wilde Eselfüllen durch die Straßen“ stromerten, weil ihre mittellosen Eltern sie nicht in die Schule schicken konnten. Er stellte zwei Schulmeister ein, um ihnen Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Auch hier deckten freiwillige Spenden die Kosten. Zwei Verwalter der Gesellschaft leiteten und organisierten dieses Projekt. Jeden Mittwoch wurde eine Zusammenkunft mit den Eltern abgehalten, denn am Tag vorher wurden die Schüler stets geprüft, ob sie die Regeln einhielten. Ende 1748 gingen sechzig Kinder in diese Schule. In der Zwischenzeit hatte Wesley außerhalb von Bristol eine neue Kingswood School Titelseite des Bandes Primitive Physick mit einer überarbeiteten Sat- (1747), Wesleys Sammlung von Rezepten zung errichtet. Bevor die Schu- der Volksmedizin. le am 24. Juni 1748 wieder eröffnet wurde, verbrachten die Konferenzteilnehmer drei Wochen lang viel Zeit damit, Satzung und Lehrplan der Schule zu beraten und zu verabschieden, die die Kinder „in jedem nützlichen Wissenszweig“ unterweisen sollte. Die Fächerliste ist beeindruckend: Lesen, Schreiben, Rechnen, Französisch, Latein, Griechisch, Hebräisch, Rhetorik, Geografie, Chronologie, Geschichte, Logik, Ethik, Physik, Geometrie, Algebra, Musik. Für die Englischklassen und die vier anderen Sprachen schrieb und veröffentlichte Wesley Grammatikbücher. Bereits in der ersten Klasse, wo die Schüler sechs bis zehn Jahre alt waren, wurden Sprachen unterrichtet, und die Schüler übersetzten in beide Richtungen, zum Beispiel Werke wie Instructions for Children und Praelectiones Pueriles. In der dritten Klasse wurden Augustinus‘ Bekenntnisse gelesen, in der vierten Cäsar. Die siebte Klasse war die höchste, und hier erwartete man von den Schülern, dass sie Homers Ilias aus dem Kopf zitieren, griechische Verse dichten und die hebräische Bibel lesen konnten. Wesley war überzeugt, dass jeder Schüler, der das Pensum von Kingswood geschafft hat-

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Die Kingswood School in der Nähe von Bristol, ursprünglich von Whitefield und Wesley eingerichtet, wurde 1748 mit einer neuen Satzung und einem neuen Lehrplan ausgestattet.

te, sich als besserer Gelehrter erweisen würde als neunzig Prozent der Oxford- und Cambridgeabsolventen. Der strenge Tagesablauf passte zur ernsthaften wissenschaftlichen Ausbildung. Wie ursprünglich vorgeschlagen, begann der Tag um vier Uhr morgens mit persönlichem Gebet und Gesang, dann kamen verschiedene Unterrichtsfächer an die Reihe, Andachten und Mahlzeiten; um acht Uhr abends war Schlafenszeit. Die Arbeitszeiten am Morgen und Nachmittag wurden mit je einer kurzen Pause abgeschlossen, in der man „spazieren gehen oder arbeiten“ („walk or work“) konnte. Dass jegliche Zeit zum Spielen fehlte, wurde einfach so erklärt: „Wer spielt, wenn er ein Kind ist, wird auch spielen, wenn er ein Erwachsener ist“ (Documents, 4: 104–106). Der Speiseplan der Schule wurde von Wesley in den Konferenzprotokollen von 1748 ausführlich beschrieben. Darunter findet sich auch die Bemerkung, dass am Freitag alle, die „bei guter Gesundheit“ waren, bis drei Uhr nachmittags fasten sollten. Wesleys Analyse, was den Ertrag dieses Programms betraf, lautete nach einigen Monaten, dass „einige der wildesten Kinder von einer tiefen Überzeugung erfasst wurden; sie alle schienen von einer guten Sehnsucht erfüllt, und zwei oder drei begannen Gottes Liebe zu schmecken.“ Allerdings führten die durch zunehmend laxe Disziplin und schlechte Charaktereigenschaften einiger Jungen notwendig gewordenen Schulverweise auch zu einem allmählichen Verlust von Schülern, sodass bald nur noch achtzehn und zum Schluss noch elf Schützlinge übrig waren (J&D, 20: 393–394).

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Dass die Konferenz auch die Verwaltung der Kingswood School übernahm, war in dieser Periode ein weiterer wichtiger Baustein, um Ordnung in das Netzwerk zu bringen. Die Bewegung, in der bisher vieles formlos und ungezwungen gehandhabt wurde, erachtete es in zunehmendem Maß für notwendig, eine Reihe von Regeln und Maßstäben einzuführen und die rechtlichen Konsequenzen anzuerkennen, die die Verwaltung des Eigentums mit sich brachte. Dass man der Entwicklung der Gesellschaften wieder mehr Beachtung schenkte, führte dazu, dass man Predigtstätten anmieten oder kaufen musste. Als die Methodisten 1739 zum ersten Mal ein eigenes Gebäude errichteten, hatte sich Wesley Whitefields Ratschlag zu Herzen genommen, Schwierigkeiten von Seiten der Treuhänder von vornherein aus dem Weg zu gehen, indem er die Gebäude selbst finanzierte. Als sich die Bewegung ausbreitete, fand es Wesley allerdings immer schwieriger, die wachsende Anzahl von weit verstreuten Immobilien zu finanzieren und zu verwalten. Im Mai 1746 unternahm er daher die notwendigen rechtlichen Schritte, um die Predigtstätten in Bristol, Kingswood und Newcastle sieben sorgfältig ausgewählten Treuhändern zu übergeben. Im darauf folgenden Jahr wurde diesen dann schließlich die Verwaltung und Aufsicht über den Grundbesitz anvertraut (Polity, 229). In den Dokumenten, die die Überschreibung der Häuser regelten, wurde ihnen zur Auflage gemacht, John Wesley „und einer anderen Person oder anderen Personen, die er zu diesem Zweck ernennt“, zu gestatten, „das Haus und besagte Grundstücke zu nutzen ... um darin zu predigen und Gottes heiliges Wort auszulegen.“ Nach Johns Tod sollte Charles mit diesen Befugnissen ausgestattet werden (Documents, 4: 148–149). Auch wenn diese Auflagen minimal wirken, gaben sie doch den Wesleys die Zügel fest in die Hand. Und die Leitlinien für die Predigttätigkeit erinnern, auch wenn sie sehr allgemein formuliert sind, an die Sprache der evangelischen Reformation (wie etwa der Ausdruck „das Wort predigen“), die bestimmte unausgesprochene Erwartungen enthielt. 1748 wurde der New Room in Bristol neu gestaltet. Als Charles dort im Juli predigte, befand er sich noch im Bau, doch als John im September eintraf, hatte man ihn bereits fertig gestellt. Trotz Wesleys nachdrücklicher Behauptung in seinem Farther Appeal (1745), dass die Methodisten keine Dissenter seien und den Act of Toleration daher weder bräuchten noch ihn sich zunutze machen könnten (Appeals, 1783), veranlasste die Neugestaltung des New Room einen der Treuhänder, die Immobilie unter dem Schutz dieses Gesetzes als Treffpunkt für Dissenter zu registrieren. Auf der Rückseite dieses Dokuments wurde später von unbekannter Hand eine Bemerkung gekritzelt, die zweifellos Johns eigene Empfindungen in dieser Sache wi-

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derspiegelte: „Unnötig, nutzlos und unsinnig“ (Perkins, 15). Die Gefahr, die den Methodisten drohte, war aber nicht nur theoretischer Natur, wie die späteren Verfolgungen immer wieder bewiesen. Edward Chandler, der Bischof von Durham, hatte im vorherigen Jahr bemerkt, dass die Methodisten, „diese Gesellschaft von minderjährigen Eiferern und reinen Laien“, möglicherweise „eine Gefahr darstellen könnten“. Zunächst regte er an, dass sie vom Friedensrichter unter Berufung auf das Law of Uniformity bestraft werden sollten, schlug dann später jedoch vor, sie nach den Bestimmungen des Riot Act zu zerstreuen (WHS, 28: 47). Die Opposition in Irland wuchs während Johns zweitem Besuch 1748 beträchtlich. In Dublin stieß er auf Menschen, die „buhten und ihn beschimpften“. In Birr brach ein kleiner Aufstand los, während er auf der Straße vor einer „dumpfen, rohen, stumpfsinnigen Menschenmenge“ predigte und ein Karmelitermönch brüllte: „Du lügst! Du lügst!“ Einige übereifrige Protestanten schlugen ihn daraufhin zu Boden und jagten ihn fort (J&D, 20: 223).

Innenansicht des New Room, der 1748 neu gestaltet und registriert wurde, mit seiner dreistufigen Kanzel, dem achteckigen Oberlicht und der an der linken Empore angebrachten Uhr.

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Fragen der Einheit und Uniformität Trotz andauernder Angriffe verschiedenster Art hatten die methodistischen United Societies bis 1748 Gesellschaften an über siebzig Orten eingerichtet. Diese waren in neun Bezirke eingeteilt (wobei Staffordshire und Cheshire nun dieser Struktur eingegliedert wurden, die sich zwei Jahre zuvor zu bilden begonnen hatte). Der sehnliche Wunsch, die Arbeit der Gesellschaften „in geistlichen wie auch zeitlichen Dingen“ zu einen, auf den hin auch die vierteljährlichen Bezirkstreffen entstanden waren, hatte auch noch weiter reichende Auswirkungen. Wesley bemühte sich weiterhin, eine Einigung der verschiedenen Zweige der Erweckungsbewegung im Blick zu behalten. 1747 hatte er eine Konferenz des walisischen Verbandes besucht, die von Howell Harris geleitet wurde. Harris unterstützte nicht nur „einige Regelungen, die auf eine Vereinigung zielten“, sondern beHowell Harris suchte im Lauf der nächsten drei Jahre auch wesleyanische Konferenzen. Die Gebrüder Wesley hofften außerdem auch auf eine enge Zusammenarbeit mit George Whitefield, den Selina, die Gräfin von Huntingdon, 1748 zu einem ihrer Kapläne ernannt hatte. Die Wesleys, Harris und Whitefield hielten dann im August 1748 eine außerordentliche Konferenz ab, die eben auch hauptsächlich von der Frage bestimmt wurde: „Wie weit können wir uns vereinigen?“ Sie taten dann jedoch nur einige kleine Schritte in Richtung Einheit, auch wenn ihre Absichten edel waren. Zumindest kamen sie überein, nicht schlecht übereinander zu sprechen. Darüber hinaus fanden sie in den Fragen der Rechtfertigung, Prädestination und christlicher Vollkommenheit in gewissem Maß zu seinem gemeinsamen Verständnis und einigten sich, über Erwählung, unwiderstehliche Gnade, Beharrlichkeit der Gläubigen und Vollkommenheit nicht „kontrovers predigen“ und weder dafür noch dagegen Stellung beziehen zu wollen. Sie wollten so viel wie möglich biblische Sprache gebrauchen,

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Begriffe wie „sündlos“ vermeiden und sogar zu einem gewissen Maß die Ausdrücke der jeweils anderen benutzen. Alles kam auf den Tisch, auch ihre Bedenken: Harris fürchtete sich vor einer engeren Zusammenarbeit, weil Wesley sich in diesem Fall als „Kopf“ des Ganzen betrachten könnte; Whitefield wehrte sich dagegen, dass Wesley „die Bezeichnung Methodist für sich allein in Anspruch nahm“ (Beynon, 230). Schließlich, so scheint es, litt der angestrebte Geist der Einheit unter diesen Spannungen – Charles Wesley fand, dass die Konferenz „nichts gebracht“ habe, und Johns Abschrift des Protokolls ziert die Bemerkung: „Die sinnlose Übereinkunft“. Des ungeachtet gab man Whitefield freie Hand, durch die wesleyanischen Gesellschaften zu ziehen, und so konnte Charles sich, seinen Bruder und Whitefield zwei Monate später schon als „dreifache Schnur“ bezeichnen, die „niemals mehr entzwei gerissen werden wird“. Im Frühjahr 1749 brach John Wesley wieder einmal nach Irland auf. Charles begleitete ihn durch Wales, bis sie Garth erreichten. Hier traute John am 8. April seinen Bruder Charles und Sarah Gwynne. Er hatte dieser Verbindung nur widerwillig zugestimmt, weil er befürchtete, Charles würde sein Glück nicht mehr in erster Linie bei Gott suchen. Auch der Brautmutter widerstrebte es, ihre Tochter mit einem Wanderprediger zu verheiraten, der offenbar über keinerlei Einkünfte verfügte, obwohl Vincent Perronet, ein Pfarrer und alter Freund der Wesleys, sie überzeugte, dass ihr Verlag, der möglicherweise doppelt so viel wert war wie die geschätzten 2500 Pfund, für die Eheleute ein jährliches Einkommen von 100 Pfund mehr als garantieren würde (CWJ, 2: 50–55). John brach zwei Tage nach der Hochzeit nach Irland auf; Charles wartete noch zwei Wochen, bevor er allein wieder auf die Reise ging. John fand die Gesellschaft in Dublin in einem blühenden Zustand vor. Seit dem vorangegangenen Jahr war sie um zehn Prozent gewachsen, obwohl die Herrnhuter Brüder dort einige Probleme verursacht hatten. John predigte unter freiem Himmel sowie in den Kirchen in der Umgegend und nahm sich auch die Zeit, die Klassen zu prüfen und neue Gesellschaften zu gründen. Gesellschaften von beträchtlicher Größe kamen nun in Mountmellick und Cork zusammen, und das trotz umlaufender Gerüchte, die Methodisten (die man für Leute hielt, deren „ganze Religion darin bestand, lange Schnurrbärte zu tragen“) seien von der irischen Regierung ausgerottet worden, stürben in England aus und seien im Grunde Jesuiten! (J&D, 20: 179). Diese Verwirrung war keineswegs ungewöhnlich. Als Charles im vorhergehenden Jahr Cork besuchte, hatte er entdeckt, dass ihn die Menschen für einen Anhänger „jeder Konfession“ hielten: „Die Presbyterianer sagen, dass ich ein Presbyterianer bin, die Kirchgänger,

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dass ich ein Pastor ihrer Kirche bin, und die Katholiken sind sicher, dass ich im tiefsten Herzen ein guter Katholik bin“ (CWJ, 2: 31). Obwohl Johns veröffentlichtes Journal, das diesen Zeitraum behandelt, keinen Hinweis auf irgendeinen Gefährten gibt, wurde er während dieses halben Jahres (die Irlandreise eingeschlossen) von Grace Murray begleitet, einer Witwe, die zuvor als Wirtschafterin in seinem „Waisenhaus“ in Newcastle gedient hatte und mit der er sich nun (in Dublin) verlobte. Er betrachtete sie als eine „Mitarbeiterin im Evangelium“, die ein unvergleichliches Maß an „Gnade und Gaben und Frucht“ an den Tag legte. Als er daran dachte, wie sie unter den Frauen arbeitete und sich auch um ihn persönlich kümmerte, war er bereit, alle seine bisherigen Einwände gegen eine Heirat über Bord zu werfen, obwohl einige seiner Prediger (darunter auch sein Bruder Charles) empfanden, dass diese Verbindung mit einer Hausangestellten nicht nur ein Skandal sei, sondern auch seiner Autorität unter den Predigern schaden und die Gesellschaften auseinander brechen lassen würde (Letters, 26: 381–387). Noch vor Jahresende brachte es Charles fertig, die Beziehung zu beenden, indem er die Glut zwischen Grace und John Bennet (einem anderen Freier) anheizte und die beiden in Johns Abwesenheit traute (JWJ, 3: 435–439). Obwohl John Wesley 1749 befürchtete, der Dubliner Mob würde ihm bei der Jubiläumsfeier anlässlich der Schlacht von Aughrim (1691) Probleme bereiten, belästigte man ihn überhaupt nicht. Ein oder zwei Monate zuvor hatte das noch anders ausgesehen. Nicholas Butler („ein nichtswürdiger Balladensänger“) hatte in Cork jeden Tag den Mob aufgehetzt, um die Methodisten in ihren Predigtstätten und Wohnhäusern, auf der Straße und bei der Arbeit anzugreifen, sie als „ketzerische Hundesöhne“ zu beschimpfen und sie mit Knüppeln, Schwertern, Steinen und Dreckklumpen zu attackieren (J&D, 20: 285–287). Wesley hatte vorgehabt, nach Cork zu reisen, wo Charles zuvor den Mitarbeitern trotz der heftigen Opposition durch ihm feindlich gesinnte Geistliche wie Rev. John Baily Mut zugesprochen hatte. Doch als er sich der Stadt näherte (die er noch niemals zuvor besucht hatte), riet ihm einer seiner Prediger, sich dort nicht sehen zu lassen, geschweige denn zu predigen, wenn er sein Leben nicht „unmittelbar gefährden“ wolle; die Stadt sei voller Aufrührer (Letters, 26: 365). Wesley ging einer Herausforderung niemals völlig aus dem Weg , so reiste er nach Bandon weiter, wobei ihn sein Weg tatsächlich direkt durch Cork führte, wo der Mob allerdings keine Zeit hatte, sich zu organisieren, bevor er die Stadtgrenzen schon wieder verlassen hatte. Als Wesley im Juli nach Dublin zurückkehrte, verfasste und veröffentlichte er A Short Address to the Inhabitants of Ireland Occasioned by some late Occurences („Eine kurze Rede an die Einwohner Irlands veranlasst durch einige Vorkommnisse der letzten

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Zeit“), wobei besagte Ereignisse noch im Schwange waren. In dieser Publikation legte er Wesen und Ziel des Methodismus dar und rief jeden auf, der „Gott, die Menschheit und sein Land liebt“, denjenigen gegenüber toleranter zu sein, die Tugend, Heiligkeit, Liebe, Nüchternheit und Patriotismus förderten, also gegenüber den Methodisten. In den folgenden Monaten schrieb und veröffentlichte er einen offenen „Brief an einen römischen Katholiken“ (Letter to a Roman Catholic) sowie seine Predigt „Catholic Spirit“ („Ökumenische Gesinnung“), die beide die Notwendigkeit hervorhoben, die wesentlichen Züge des christlichen Evangeliums zu betonen (wie es bereits früher in seiner Predigt The Way to the Kingdom, „Der Weg ins Reich Gottes“, zum Ausdruck gekommen war) und in Ansichtsfragen mehr Toleranz an den Tag zu legen (wobei Toleranz am häufigsten Anliegen und Forderung der Verfolgten war). Wahre Religion, so Wesley, bestehe nicht darin, in der Frage nach der richtigen Gottesdienst- oder Taufform eine „orthodoxe Haltung“ einzunehmen. Vielmehr finde man wahre Religion, das „rechte Herz“, in einem Menschen, der an Gott glaubt, der „Christus, den Gekreuzigten“, kennt, dessen Glaube von der „Kraft der Liebe“ erfüllt ist – der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten, wie sie in Werken der Frömmigkeit und Barmherzigkeit sichtbar wird. Das ist der Glauben, der Konfessionsgrenzen überwindet, die allumfassende Liebe („Catholic Love“), die in einem Gedicht Charles Wesleys ihren Ausdruck findet: Weary of all this wordy strife These notions, forms and modes, and names, To Thee, the Way, the Truth, the Life, Whose love my simple heart inflames Divinely taught, at last I fly, With Thee, and Thine, to live, and die. Der Wortklaubereien müde, Begriffe, Formen, Arten, Namen, flieh ich, von dir gelehrt, zu dir dem Weg, der Wahrheit und dem Leben, dessen Liebe mein schlichtes Herz entflammt, um mit dir und den Deinen zu leben und zu sterben.

Nachdem die Pläne für eine Zusammenarbeit der verschiedenen Zweige der Erweckungsbewegung in England und Wales nach dem Versuch einer Allianz 1747 erst einmal gescheitert waren, entschloss sich Wesley, die Einheit unter seinen eigenen Gesellschaften voranzutreiben. Auf der Predigerkonferenz von 1749, die im November in London abgehalten wurde, war das vorrangige Diskussionsthema, wie man eine „umfassende Vereinigung unserer Gesellschaften in ganz England“ erreichen könne, „fest miteinander verbunden in einem Geist der Liebe und himmlischer Gesinnung“. Mit einem für ihn untypischen Abstecher in

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die Terminologie der Amtskirche schlug er vor, dass man die Londoner Gesellschaft als „Mutterkirche“ dieser Vereinigung betrachten solle (Minutes, 44). Alles würde von der Londoner Gesellschaft aus koordiniert werden. Die Informationen, die man im vorangegangenen Jahr auf den verschiedenen vierteljährlichen Bezirkskonferenzen zu sammeln begonnen hatte, sollten nun nach London übermittelt werden. Diese Daten schlossen Mitgliederlisten ein, die jedes Jahr zu Ostern aufgestellt wurden (und im Allgemeinen vier Kategorien umfassten: Erweckte, Suchende, Gerechtfertigte, Geheiligte), sowie Berichte von „jeder bemerkenswerten Bekehrung“ und „von jedem, der im Triumph des Glaubens stirbt“. Dieses Material sollte vom „Assistenten“ gesammelt werden. Dieser Begriff hatte früher jeden von Wesleys Predigern bezeichnet, wurde nun aber in seiner Bedeutung auf den Leiter eines Bezirks eingeschränkt, der für die Gesellschaften und die Prediger seines Bezirks die Verantwortung trug. Die „Regeln für die Assistenten“ wurden folglich geändert und beinhalteten nun die Pflicht, „vierteljährliche Konferenzen abzuhalten und auf ihnen die geistliche und zeitliche Situation jeder Gesellschaft sorgfältig zu erforschen“. Wichtig im Rahmen dieser zentralisierten Einheit war die erweiterte Rolle, die den Verwaltern der Londoner Gesellschaft zukam, von denen man jetzt erwartete, dass sie die weltlichen Angelegenheiten aller Gesellschaften, die dieser Verbindung angehörten, koordinierten und regelten. Auf den verschiedenen vierteljährlichen Bezirkstreffen würde man über die Schulden auf örtlicher Ebene sprechen, den Londoner Verwaltern darüber einen Bericht übermitteln und ihnen (wenn möglich) einen Beitrag zur Tilgung der gemeinsamen Schulden zukommen lassen. Dahinter stand die Hoffnung, dass nach der Tilgung der örtlichen Schulden ein kleiner überörtlicher Fonds übrig bleiben würde, „aus dem man eine Gesellschaft, die Verfolgung leidet oder sich in einer wahrhaft schwierigen Situation befindet, ... schnell unterstützen kann“ (Minutes, 708). Die Konferenz von 1749 war darüber hinaus die erste, bei der gedruckte Protokolle der vorangegangenen Konferenzen erhältlich waren. Wie zwei kleine Traktate, die ebenfalls im früheren Verlauf des Jahres unter praktisch demselben Titel veröffentlicht worden waren, enthielten die Minutes of Some Late Conversations between the Rev. Mr. Wesleys and Others („Protokolle einiger kürzlich geführter Gespräche zwischen den [beiden] Rev. Mr. Wesley und anderen“) die Protokolle zu Lehrfragen zwischen 1744 und 1747 sowie die Protokolle zu Gemeindeordnung zwischen 1744 und 1748. Zusammen ergaben sie ein Bändchen von zweiundsechzig Seiten. Dass diese grundlegenden Leitlinien nun erhältlich waren, förderte die Herausbildung von mehr „Form und Feierlichkeit“ bei der Aufnahme von neuen Predigern („Helfern“) in die

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Verbindung. Diesem Wunsch hatte man bereits 1746 Ausdruck verliehen, seine Realisierung jedoch der Vorsehung in der Hoffnung überlassen, dass sich schon allmählich die Möglichkeit dazu ergeben werde. Auf dieser Konferenz wurde nun ein neuer fünfstufiger Prozess eingeführt: (1) Der Kandidat muss vom Assistenten empfohlen werden, und muss (2) die Aussagen zu Lehre und Ordnung in den vorausgegangen Protokollen gelesen und ihnen zugestimmt haben. (3) Wenn ein Helfer zur Probezeit zugelassen wird, erhält er ein Exemplar der Protokolle, in das man die Bemerkung eingetragen hatte: „Du glaubst, es sei deine Pflicht, Sünder zur Buße zu rufen. Erbringe einen vollständigen Erweis, dass Gott dich hierzu berufen hat, dann werden wir gern mit dir zusammenarbeiten.“ (4) Nach einjähriger Probezeit sollte der Helfer dann ein neues Exemplar der Protokolle mit der von John Wesley unterschriebenen Widmung bekommen: „Solange du dich aus freien Stücken bereit erklärst und dich ernsthaft darum bemühst, im Einklang mit den folgenden Regeln zu leben, freuen wir uns, Hand in Hand mit dir unseren Weg zu gehen.“ (5) Die volle Zulassung musste jährlich erneuert werden. Die Protokolle dieser Konferenz deuten darauf hin, dass den neun Bezirken dieser Verbindung außer den Wesleys noch einundzwanzig Prediger (acht Assistenten und dreizehn Helfer) sowie fünfzehn Kandidaten auf Probe angehörten. Predigerprüfung von 1746 1.

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Wissen sie, an wen sie glauben? Haben sie die Liebe Gottes in ihrem Herzen? Verlangen und suchen sie nichts weiter als Gott? Und sind sie heilig in jeder Form des Umgangs mit anderen? Besitzen sie die Gaben (wie auch die Gnade) für die Arbeit? Haben sie (in annehmbarem Maß) ein klares, gesundes Verständnis? Können sie göttliche Dinge richtig beurteilen? Haben sie die richtige Vorstellung von der Errettung durch den Glauben? Und hat Gott ihnen überhaupt die Gabe zum Reden gegeben? Sagen sie das Richtige, sagen sie es bereitwillig und deutlich? Haben sie Erfolg? Sprechen sie immer so, dass sie ihre Zuhörer im Allgemeinen überzeugen oder berühren? Hat irgendjemand durch ihre Predigt die Vergebung seiner Sünden erfahren? Das deutliche und anhaltende Gefühl der Liebe zu Gott? Solange diese drei Kennzeichen bei jemandem unzweifelhaft festzustellen sind, erkennen wir an, dass er von Gott zum Predigen berufen wurde. Dies nehmen wir als ausreichenden und vernünftigen Beweis, dass er vom Heiligen Geist dazu getrieben wurde. (Minutes [1746], 30–31)

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Die anfängliche und dann jährlich wiederholte Prüfung der Helfer war innerhalb der methodistischen Gemeinschaft keine neue Prozedur. Bereits 1746 hatte man begonnen, Prediger zu examinieren, um diejenigen zu „prüfen, die glauben, dass sie zum Predigen berufen sind.“ Den Kandidaten wurden eine Reihe von Fragen nach ihrem religiösen Leben und ihrer religiösen Erfahrung gestellt, und man prüfte, ob „sie die Gaben (wie auch die Gnade) für die Arbeit“ besäßen – ob sie „die richtige Vorstellung von der Errettung durch Glauben“ besäßen sowie ein „klares, gesundes Verständnis“ und ob sie „göttliche Dinge richtig beurteilen“ könnten. Solch eine Prüfung konnte man mit Jonathan Reeves‘ Befragung in diesem Jahr auf der Konferenz selbst erleben. Dabei fragte man ihn, wie er das Überführtsein von der Sünde, Glauben und Gewissheit verstünde und wie es sich in seiner eigenen Erfahrung widerspiegele. Die Wesleys und ein Assistent hörten auch jedem Helfer beim Predigen zu; danach hatte jeder Kandidat die Gründe aufzuschreiben, warum ihn Gott seiner Meinung nach zum Predigen berufen hatte. Von den Predigern, die man als „junge Studenten an der Universität“ betrachtete, forderte man, dass sie sich einem strengen Studienplan unterwarfen und „Tagebuch über jede einzelne Stunde“ führten, nach dem ausdrücklichen Vorbild, das die Wesleys in Oxford gegeben hatten (Minutes, 31–32). 1748 weitete Wesley diese Prüfungsprozedur auf die Klassenleiter aus, um „ihre Gnade, ihre Begabungen und die Art, wie sie ihre verschiedenen Klassen führen“, zu untersuchen. Disziplin wurde zum Kennzeichen der methodistischen Bewegung, auf der man auf jeder Ebene Rechenschaft ablegen musste: Vierteljährlich wurden die Einlasskarten jedes Mitglieds erneuert, und alle Prediger und Leiter wurden jährlich geprüft. Charles Wesley wurde zum Hauptprüfer bestellt; eine Aufgabe, der er mit einer gewissen Härte und einer besonderen Aufmerksamkeit, was die Frage der „Gaben“ anging, nachkam.

Ausbildung der Prediger Den Predigern, denen im Allgemeinen formale Bildung fehlte, wurde in ihrer Ausbildung eine Fülle von Material zur Verfügung gestellt. Die frühen Konferenzprotokolle hatten Publikationen aufgelistet, die Wesley eigens verfasst hatte, um ihnen Leitlinien in Lehrfragen an die Hand zu geben. 1746 hatte er den ersten Band einer auf drei Bände angelegten Serie herausgegeben, die Sermons on Several Occasions („Predigten zu verschiedenen Gelegenheiten“). Das Vorwort weist deutlich auf Wesleys Absicht hin: Der Leser wird sehen, „welches die Lehren sind, die ich für richtig halte und als das Wesentliche der wahren Religion lehre“ (Sermons, 1: 103). Seine Hoffnung war, „den größ-

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ten Teil der Menschheit“ zu erreichen, „die schlichte Wahrheit für schlichte Menschen“ darzustellen, ein homo unius libri zu sein – ein Mensch eines einzigen Buchs, der Bibel, in der man den Weg zum Himmel finden konnte. Der Tonfall des Vorworts und der Inhalt des ersten Bandes standen völlig im Einklang mit seinem 1746 und 1747 entwickelten Plan, die Predigten unter freiem Himmel wieder umfassender zu betonen. Der Schwerpunkt dieser ersten Gruppe von Predigten liegt hauptsächlich auf Glaube, Rechtfertigung und Gewissheit – den Hauptthemen der Predigten, die sich an ein „gemischtes“ Publikum wandten, unter dem sich eine große Anzahl von Ungläubigen befand. Es handelt sich allerdings nicht um schriftliche Fassungen von Predigten, die Wesley vor solch riesigen Versammlungen gehalten hatte. Die ersten vier sind Predigten, die er und Charles vor der Universität von Oxford vorgetragen hatten und so gleich zu Beginn dieser Sammlung beredt Zeugnis davon ableTitelseite des ersten Bandes von Wesgen, dass sie jede Verbindung zu leys gesammelten Predigten (1746). ihrer Alma mater gekappt hatten, die nach Johns Aussage zu einer Hure geworden war (Sermons, 4: 393). Von den acht restlichen Predigten geht es lediglich in dreien um Texte, die Wesley seinen Aufzeichnungen zufolge mehr als fünfmal einer Predigt zugrunde gelegt hatte. Die veröffentlichten Predigten waren trotzdem schriftliche Zusammenfassungen der Vorstellungen, die für seine Predigten von zentraler Bedeutung waren. Sorgfältig buchstabierte er sie seinen Lesern vor, damit sie verstünden und sie als Leitlinie für ihre eigene Predigttätigkeit nutzen könnten. Wesley hatte ohne Zweifel die Funktion des Homilienbuchs im Kopf, als er diese Bände plante – homiletisches Material, das eine solide Lehrbasis bot und die Grenzen für homiletische Proklamationen ungebildeter Prediger absteckte. 1748 brachte Wesley einen zweiten Predigtband heraus, der einen deutlich anderen Ton anschlug als der erste. In diesem Jahr nahm die

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Konferenz die recht einseitige Betonung der Predigten unter freiem Himmel zurück und betonte wieder stärker die Gründung von Gesellschaften, in denen das christliche Leben gefördert wurde. Dazu passt, dass die Predigten des zweiten Bandes um Erneuerung und Heiligung kreisen, Themen, die die Anliegen der Gesellschaften zur Sprache brachten. Wesley veröffentlichte diese homiletischen Abhandlungen als theologische Richtlinien für seine Prediger zur selben Zeit, da er versuchte, seine eigene theologische Position zu verschiedenen Fragen zu klären. Diese doppelte Funktion wird dem Leser im ersten Beitrag des Bandes deutlich, Johns frühester Predigt zur christlichen Vollkommenheit, „Beschneidung des Herzens“ (1733), die er hier noch einmal revidierte, indem er einen Abschnitt einfügte, der seine aktuellen Ansichten zu Glaube und Gewissheit bekräftigte. Den größten Teil dieses Bandes macht eine Reihe von dreizehn Aufsätzen „Über die Bergpredigt unseres Herrn“ aus, einem der Texte, anhand derer evangelische Ethik traditionell verdeutlicht wird. Wesley schloss die Reihe zur Bergpredigt 1750 in seinem dritten Predigtband ab, die außerdem drei Predigten zum Verhältnis von „Gesetz“ und „Glauben“ enthält, seine bekannte Predigt über „Christliche Vollkommenheit“ und ein interessantes Trio von Predigten, die zum Teil seinen Erlebnissen in Irland entsprungen waren: „Das Wesen der Schwärmerei“, „Eine Warnung vor religiöser Engstirnigkeit“ und „Ökumenische Gesinnung“. In diesem dreibändigen Werk brachte Wesley also die grundsätzlichen geistlichen Themen zur Sprache, die ihn in seinem eigenen Leben und Denken bewegten. Im Mittelpunkt stand der „Weg des Heils“ (via salutis), der seinen eigenen geistlichen Weg widerspiegelt: zuvorkommende Gnade, Überführtsein von der Sünde, Buße, Rechtfertigung, Gewissheit, Erneuerung, Heiligung, christliche Vollkommenheit und die endgültige Errettung. Jeder Schritt entlang des Wegs wurde durch das Geschenk von Gottes Gnade ermöglicht, die der Gläubige durch den Glauben annimmt und die sich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten erweist. In diesen homiletischen Abhandlungen also legte Wesley sein eigenes Verständnis der wesentlichen Schwerpunkte beim Predigen dar, so wie es sich in verschiedenen Phasen entwickelt hatte. Er hatte nicht das Empfinden, dass es sich hier um etwas völlig Neues handelte; sie waren nicht nur vollkommen schriftgemäß, sondern standen auch im Einklang mit der Lehre der Kirche von England (den Neununddreißig Artikeln, den Homilien und dem Gebetbuch Book of Common Prayer). Dass Wesley diese sechsunddreißig Predigten eigens für dieses Projekt entwarf, wird an den Predigttexten deutlich, die er aussuchte – mehr als die Hälfte der Predigten basieren auf Texten, die er in seinen Tagebüchern oder seinen Predigtlisten niemals als Predigt-

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texte erwähnt hat. Tatsächlich erscheint von seinen sechsunddreißig Lieblingspredigttexten nur einer in diesen drei Bänden: Markus 1,15 („Der Weg ins Reich Gottes“). Die drei Predigtbände stellten zu diesem Zeitpunkt nur einen Teil von Wesleys Bildungsbemühungen für seine Prediger und Anhänger dar. Im März 1749 packte er sein größtes Verlagsprojekt an, A Christian Library („Eine christliche Bibliothek“), wie das Titelblatt vermerkt, „Auszüge aus und gekürzte Fassungen von den allerbesten Schriften, die sich mit dem praktischen Glaubensleben befassen und in englischer Sprache veröffentlicht worden sind.“ Der ehrgeizige Plan sah fünfzig Bände vor, darunter nicht nur Material, das er in den alten Oxforder Tagen gekürzt („gesammelt“) hatte, sondern auch viel von dem, das er in jüngerer Zeit bearbeitet hatte. Sein Interesse an einem solchen Kompendium von Literatur für Prediger ging möglicherweise auf die Schrift seines Vaters „Advice to a Young Clergyman“ („Rat an einen jungen Geistlichen“) zurück und wurde auch später daran deutlich, dass er Philip Doddridge, einen Doktor der Theologie, um Rat bei der Erstellung einer solchen Sammlung bat (Letters, 26: 190). Wesley beabsichtigte, den Lesern zu helfen, die umfangreiche Literatur der wichtigsten Autoren zu sichten und, wann immer er es für notwendig hielt, etwas einzufügen, „um den Sinn zu verdeutlichen oder ihre Fehler zu korrigieren“. Doch insbesondere hoffte er, die Spreu vom Weizen zu trennen, Wahrheit aus Lüge zu extrapolieren, kontroverse und unverständliche Passagen zu vermeiden und alles wegzulassen, was entweder zu oberflächlich oder zu mystisch war. Er ordnete den Inhalt chronologisch, begann mit der Alten Kirche und fuhr bis zu seiner eigenen Zeit fort, damit die Leser die Einheitlichkeit der „echten Religion Jesu Christi“ sehen und Nachfolger das Projekt aufgreifen könnten, sollte Wesley nicht lange genug leben, um es selbst zu vollenden. Wesley war immer der Meinung, dass die Gegenwart, wie auch die Zukunft, in Gottes Hand liege. Und als er auf die Entwicklung des Methodismus zurückblickte, interpretierte er gewisse Aspekte seiner Geschichte (und seine Rolle in ihr) als Gottes Eingreifen und Vorsehung, ob es sich nun um seine Entscheidung handelte, nach Georgia zu gehen, um den Prozess, eine Arbeit in Irland aufzubauen oder um die Entwicklung einer Prozedur zur Zulassung neuer Helfer innerhalb der methodistischen Gemeinschaft. Charles legt oft dieselbe Sicht an den Tag, wenn er zum Beispiel bemerkt: „Schnell sah ich Gottes Plan“ (CWJ, 2: 17). Als die Mitte des Jahrhunderts herannahte, schrieb John Wesley seinem Freund Vincent Perronet, dem Pfarrer von Shoreham, in einem Brief von der Geschichte und „Ökonomie“ der „Menschen, die

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man gemeinhin Methodisten nennt“. Die alles überspannende historische Hermeneutik ist vorhersehbar: „Sie hatten kein vorgefasstes Ziel oder einen Plan; alles entstand so, wie es die Gelegenheit ergab.“ Doch ganz gewiss wollte er damit nicht sagen, dass hier das Schicksal, ein Zufall der Geschichte oder schlichter Utilitarismus am Werk war. Er legt seine Position gleich zu Beginn ganz klar dar: „Wir wussten, dass Gott durch jeden Menschen wirken konnte, wie es ihm gefiel.“ Als dieser Brief in London als zweiunddreißigseitiges Pamphlet unter dem Titel A Plain Account of the People Called Methodists („Ein schlichter Bericht über die so genannten Methodisten“) gedruckt (und innerhalb weniger Monate auch in drei anderen Städten nachgedruckt) wurde, nahm damit ein in lebhaften Farben gezeichnetes Bild der Entwicklung von Wesleys Gemeinschaft seinen Weg nach England, Wales und Irland. Die Predigten unter freiem Himmel wurden dort geschildert, die Botschaft des Glaubens und der Vergebung, das Wachstum der Gesellschaften, die Entwicklung von christlicher Gemeinschaft in Banden und Klassen, das Bestreben, „das Evangelium zu leben“, die Notwendigkeit, „Gott zu fürchten und rechtschaffen zu leben“. Der Brief dokumentierte die Einführung der Nachtwachen, Liebesmähler und Eintrittskarten für die Klassen, den Entwurf von Regeln und Satzungen für die verschiedenen Leiter (etwa Assistenten, Verwalter, Besucher, Schulmeister) und die Einrichtung von Schulen, Armenhäusern, Krankenhäusern und der Darlehensgesellschaft. Er stellte die Geschichte der Methodisten dar, wie sie gegen das Böse kämpften, dem Guten nacheiferten und die Gnadenmittel in Anspruch nahmen, alles in dem Bestreben, das „wahre Christentum“ zu verbreiten. Das Thema von Wesleys Darstellung ist nicht einfach die Entstehung einer Organisation mit bestimmten Strukturen, leitenden Persönlichkeiten und Satzungen; es ist nicht nur die Realisierung einer zunehmend komplexen Sozialarbeit in einer Not leidenden Gesellschaft; es ist nicht allein die Darstellung einer sich entfaltenden Theologie, die aus der Bibel herausgepresst wird, im Altertum bezeugt, in theologischen Debatten geprägt und von der menschlichen Erfahrung bestätigt. Dieser Teppich ist aus einem Stück gewebt, und die Fäden zeigen, wie Theologie, Organisation und Auftrag sich aus dem gemeinsamen Bestreben entwickelten, die Kirche zu erneuern und neu zu beleben, und zwar durch ein neues Verständnis und eine neue Erfahrung der vergebenden und befähigenden Liebe Gottes im Leben der Gläubigen. Besonders ironisch ist dabei die Tatsache, dass fast jede Methode, die von den Wesleys in der wachsenden Erweckungsbewegung eingesetzt wurde – einer Bewegung, die ausdrücklich die Absicht hatte, die Kirche von innen wiederzubeleben –, als ein Schritt in Richtung einer

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eigenen Identität der Vereinigten Gesellschaften gesehen werden konnte, einer eigenständigen Organisation mit einem starken, wenn auch nicht beabsichtigten, Potenzial für die Trennung von der Kirche. Bis 1750 hatten die Methodisten in Lehrfragen eine eigenständige Identität entwickelt, wie sie in den Konferenzprotokollen (Minutes) und Predigtsammlungen (Sermons) zum Ausdruck kam; ein in Bezirke untergliedertes landesweites Netzwerk von Gesellschaften (mit Mitgliedsausweisen), die in einem gewissen Maß zentral finanziert und von eigenen Predigern geleitet wurden, die jährlich zu einer Konferenz zusammenkamen; und schließlich ein charakteristisches Arbeitsprogramm, das sich aus wohltätigen Institutionen und Aktivitäten zusammensetzte. Es waren nicht nur die Gegner des Methodismus, die dieses inhärente Problem der ausdrücklichen oder stillschweigenden Trennung von der Kirche wahrnahmen – Charles Wesley war der erste, der seinen Bruder John immer wieder vor dieser andauernden Gefahr warnte.

Methodistische Bezirke 1749–1750 in England und Irland

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Regeln und Ordnungen der Connexio Um 1750 hatte die methodistische Erweckung unter den Wesleys eine deutlich wahrnehmbare Gestalt in der britischen Landschaft gewonnen. Selbst Whitefield räumte zähneknirschend ein, dass „Methodist“ zu einem Begriff geworden war, der am häufigsten mit den Wesleys in Verbindung gebracht wurde. Die Bewegung hatte nun ihren zentralen Sitz in London, und die Gesellschaften in diesem Gebiet zählten über 2.000 Mitglieder. Trotz dieser beträchtlichen Mitgliedszahlen stellten sie damit nur ein halbes Prozent der Bevölkerung in der wachsenden Metropole. Landesweit betrachtet waren die Methodisten nur eine Gruppe von etwa 10.000 Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 10 Millionen. Sie konzentrierten sich auf bestimmte Gebiete (siehe Karte). Knapp drei Dutzend Prediger in England, Wales und Irland arbeiteten in neun Bezirken mit fast einhundert Gesellschaften. Entlang der Kanalküste, in East Anglia, den East Midlands und Schottland sowie im größten Teil von Wales, Yorkshire und Irland gab es keine Gesellschaften. Doch drei große Bezirke im Süden, in denen fast die Hälfte aller Methodisten ansässig waren, bildeten, ausgehend vom Themsegebiet, nach Westen hin über die Region beiderseits des Bristolkanals bis hin nach St. Ives einen fast ununterbrochenen Bogen. Zwei Bezirke in den nördlichen Midlands bildeten einen Gürtel von Methodisten von Grimsy über Leeds bis nach Cheshire. Und in Nordengland schloss der Bezirk um Newcastle nun auch eine Gesellschaft in Berwick-upon-Tweed ein, das unmittelbar an der schottischen Grenze lag. Darüber hinaus entstanden zwei Bezirke in Irland um Dublin und Cork herum. Immer noch sahen sich die Methodisten gelegentlicher Verfolgung ausgesetzt. Viele betrachteten sie als Fanatiker, und die meisten Menschen im Land verstanden ihr Anliegen nicht allzu gut. Man hatte ihre Theologie in der Öffentlichkeit wie auch im Privaten genauestens unter die Lupe genommen. Sie hatte einigen kritischen Anfragen mehr oder minder standgehalten. Lediglich kleine Korrekturen mussten angebracht werden. Der Auftrag der Methodisten war vielfältiger geworden und hatte sich ausgeweitet. Im Einklang mit seiner Vision christlichen Lebens und christlicher Verantwortung hatte er das geistliche und leibliche Wohl der Kinder Gottes in den Blick genommen. Die wesleyanische Organisation hatte sich zu einem verschlungenen Netzwerk von Klassen, Gesellschaften und Bezirken entwickelt, sämtlich von Leitern koordiniert, die bei den jährlichen Konferenzen ihre Weisungen von Wesley erhielten. In jedem dieser Bereiche – Theologie, Mission und Organisation – war John Wesley jederzeit bereit, Wesen, Ziele und Aktivitäten der

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Bewegung zu verteidigen, auch wenn er angesichts neu entstehender Bedürfnisse immer offen für Verfeinerungen war. Das Regelwerk innerhalb der Vereinigten Gesellschaften der so genannten Methodisten war ein kompliziertes System von Maßstäben und Vorschriften. Das diente dazu sicherzustellen, dass alle Aufgaben von der wachsenden Zahl von Laien, die auf jeder Ebene der Bewegung Leitungsfunktionen wahrnahmen, auf die gleiche Art ausgeführt wurden. Als die Bewegung weiter wuchs, konnte man nicht mehr so leicht davon ausgehen, dass sich jeder Leiter diesen Vorschriften unterwerfen würde. Von Anfang an wurde Wesley hin und wieder mit dem Problem konfrontiert, dass er sich mit aufsässigen Helfern beschäftigen musste. Nun sahen sich die Wesleys mehr denn je der Herausforderung gegenüber, ihre Leitungsaufgabe so auszuüben, dass sie geistliches Leben, gesunde Lehre und missionarische Aktivität förderte. Gleichzeitig verließen sie sich immer mehr auf Laien ohne theologische Ausbildung oder praktische Kenntnisse in religiösen Leitungsfunktionen.

Die Prüfung der Prediger Nachdem er achtzehn Monate zuvor den Plan in die Tat umgesetzt hatte, die Prediger zu prüfen, berief Wesley 1751 die erste größere Konferenz ein. John mag ein wenig sensibler als gewöhnlich gewesen sein, was Fleiß und Sorgfalt seiner Prediger betraf, nachdem er das Missfallen seines Bruders wegen seiner Hochzeit im vorangegangen Monat zu spüren bekommen hatte. Nun ließ John seine frisch Angetraute Molly, geborene Vazeille, zu Hause in London, während er zu einem Gespräch mit den Predigern nach Bristol reiste. Er brachte sein Anliegen zum Ausdruck, dass die Prediger an der „Wahrheit, wie sie in Jesus ist“, festhalten mögen, und erwartete viele Einwände, was ihre „ersten Lehren“ betraf. Doch lief bei dieser Gelegenheit alles reibungslos. Er kehrte nach Hause zu seiner Braut zurück, um eine Woche mit ihr zu verbringen, bevor er sich zu seiner jährlichen Rundreise auf den Weg nach Nordengland machte. In seinem Journal notierte er: „Ich kann nicht verstehen, wie ein Methodistenprediger es vor Gott verantworten kann, auch nur eine Predigt weniger zu halten oder einen Tag weniger herumzureisen, wenn er nicht mehr ledig, sondern verheiratet ist“ (J&D, 20: 380). Im Laufe der nächsten sechs Monate prüften die Wesleys weiterhin Prediger, einzeln und in Gruppen. John vertraute Charles in diesem Bereich offenbar die Hauptverantwortung an; sein Bruder war in dieser Hinsicht eindeutig strenger als John. John riet ihm, „die jungen Prediger nicht ohne zwingende Notwendigkeit zu überprüfen“. Er befürchtete,

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nicht genügend Prediger zur Verfügung zu haben, und machte Charles deutlich, dass er im Entscheidungsfall „Gnade der Begabung“ vorziehe. John ordnete die Entlassung aller Prediger mit unordentlichem Lebenswandel (Weichlinge, betriebsame Wichtigtuer und Herumtrödler) an, machte Charles jedoch darauf aufmerksam, dass sie vierzig Prediger bräuchten oder einige ihrer Gesellschaften unversorgt lassen müssten. Charles machte sich allerdings große Sorgen wegen des Problems der ungenügenden Begabung, das er bei Predigern in Irland beobachtet hatte (Letters, 26: 472– 473). Und natürlich war unmoralischer Lebenswandel automatisch ein Grund für die Suspendierung, wie im Fall von James Wheatley, „jenes erstaunlichen SelbstWilliam Grimshaw betrügers und Heuchlers“. Quelle: The John Rylands University Library Die „starrsinnige Nieder- of Manchester tracht“ in seinem Verhalten sieben Frauen gegenüber – von ihm als „kleine Ausrutscher“ verteidigt – sahen die Wesleys als Skandal für das Evangelium und den Methodismus an (J&D, 20: 394). John und Charles trafen 1751 bei drei weiteren Konferenzen mit Predigergruppen zusammen: zweimal in Leeds und einmal in Newcastle. Ausdrückliches Ziel war, sie bezüglich ihrer „Gnade, Gaben und Frucht“ zu prüfen. Bei diesen Gelegenheiten wurden zwei weitere Prediger zugelassen und zwei auf der Stelle entlassen. Ein besonderes Problem stellte William Darney dar, dessen Gesellschaften in Todmorden und Umgebung auf Empfehlung von William Grimshaw, dem Inhaber der Pfarrstelle von Haworth, in das methodistische Netzwerk integriert worden waren. Grimshaw war um 1750 zum designierten Nachfolger Wesleys als Leiter der Bewegung bestimmt worden. Im September in Leeds war Charles entschlossen, Darney „zu biegen oder zu

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brechen“, der in seiner „Hartnäckigkeit“ auf der vorangegangenen Konferenz von seinem „geduldigen (zu geduldigen!) Bruder“ John bereits geprüft und weiter geduldet worden war. In Leeds nahm er ihm das Versprechen ab, dass er keine Lehren verkündigen würde, die im Gegensatz zu dem standen, was die Wesleys glaubten und predigten. Darney erhielt die Möglichkeit, ein halbes Jahr weiterzuarbeiten, wenn er darüber hinaus darauf verzichten würde, „zu zetern, betteln [und] noch irgendetwas von seinem Unsinn zu drucken“, ohne dass die Wesleys ihr Imprimatur gegeben hätten. (Letzteres bezog sich auf eigene holprige Gedichte, die, wie er behauptete, göttlich inspiriert waren.) Charles erklärte sich einverstanden, ihm unter diesen Bedingungen noch eine Bewährungsfrist einzuräumen, erlaubte ihm aber nicht, an der Konferenz teilzunehmen, um deutlich zu machen, dass er nicht in voller Verbindung mit ihnen stand. Gegen Jahresende kamen John und Charles in Vincent Perronets Haus in Shoreham zusammen, um die Situation zu beurteilen. Sie kamen überein, sich von neun Predigern, darunter auch Darney, zu trennen. Darüber hinaus einigten sie sich darauf, örtliche Prediger, die „Gnade und Begabung“ an den Tag legten, zuzulassen; sie sollten allerdings nicht ihren bisherigen Beruf aufgeben. Charles begann sich in Bezug auf die Predigerprüfung darüber zu ärgern, dass John die Kontrolle nicht aus der Hand gab. Daher drängte er darauf, dass niemand lediglich von einem der Brüder Wesley allein als Reiseprediger zugelassen werden oder entlassen werden dürfe, sondern nur von beiden gemeinsam, indem ihm zusammen eine Bestätigung überreicht würde. Meinungsverschiedenheiten sollten geklärt werden, indem man Mr. Perronet als Schlichter anrief (Documents, 4: 109). In einem Fall hatte Charles Robert Gillespie als „unwürdig, das Evangelium zu predigen“ beurteilt, obwohl sein Bruder John ihn akzeptierte. Deshalb schickte er Gillespie in seinen alten Beruf zurück und schrieb John Bennet einen kurzen Brief, in dem er die Situation darlegte: „Ein Freund von uns machte (ohne Gott zu befragen) einen Prediger aus einem Schneider; ich werde mit Gottes Hilfe wieder einen Schneider aus ihm machen.“ Charles wollte die Nachricht verbreiten, dass er sowohl die Arbeit des Herrn verrichte als auch seinem „wichtigsten Anliegen“ nachkomme: „Die Kirche zu reinigen und mit ihren Arbeitern anzufangen“ (CW, 86). Charles hatte außerdem auch Michael Fenwick, einem der entlassenen Prediger, geholfen, wieder in seinem alten Beruf als Barbier Fuß zu fassen. Seine Motive waren in dieser Hinsicht allerdings nicht völlig altruistisch. In gewissem Maß teilte Charles die Ansicht des Predigers, der sich beklagte, dass John „mit eiserner Rute“ regiere. Daher stand hinter seinem Verhalten gegenüber Fenwick eine eigene Logik, die er in einem

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Brief an Lady Huntingdon verriet: Wenn die Prediger für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkämen und „für ihr Brot“ nicht mehr von John abhängig wären, dann würde das „seine Macht brechen und ... seine Autorität auf das ihm zukommende Maß beschränken“. Charles fügte hinzu, dass eine solche finanzielle Unabhängigkeit auch dazu dienen würde, „ihn vor voreiligen Entscheidungen und Leichtgläubigkeit zu bewahren, die mich viele Jahre lang in ständiger Furcht gefesselt hielten.“ Unglücklicherweise wurde dieser Brief abgefangen und an John Wesley weitergeleitet. Der antwortete Charles mit einem garstigen Schreiben, in dem er seinerseits die Frage aufwarf, ob Charles aus dem vierteljährlich ausgezahlten Bezirks-Fonds, der für die Auslagen der Prediger vorgesehen war, eine zusätzliche Summe entnehmen dürfe, wenn er doch bereits fünfzig Pfund neben einer erheblichen jährlichen Ausschüttung von einhundert Pfund aus dem Erlös der Buchverkäufe bezöge, um seine Frau so zu unterhalten, wie sie es gewohnt sei. John schlug wieder Mr. Perronet als den Schlichter im Falle von Differenzen über diese Fragen vor (Letters, 26: 479–480). Dabei hatte er gewiss an das Prinzip gedacht, das in den Konferenzprotokollen von 1744 festhalten worden war: „Gebt niemanden Anlass zu behaupten, dass wir durch das Evangelium bereichern“ – obwohl diese Regel inzwischen für die Helfer fallengelassen worden war. Die Spannung zwischen den Brüdern wuchs mit jedem Tag. In dieser Zeit schrieb John – zum Teil auch, um die Prüfung und den Ausschluss von nicht geeigneten Predigern zu erklären – seine Gedanken zu einem seit langer Zeit diskutierten Problem nieder: was es nämlich bedeute, „Christus zu predigen“ (Letters, 26: 482–489). Das Problem mit etwa der Hälfte der ausgestoßenen Prediger war, so glaubte er, dass sie in diesem Punkt versagt hätten. Die Betreffenden waren von James Wheatley beeinflusst worden, dessen „zusammenhanglose Rhapsodie von bedeutungslosen Worten“ vor allem in Irland zu einem beliebten Predigtstil geworden war, der die methodistische Connexio zu infizieren drohte. Diese so genannten „Evangeliumspredigten“, so Wesley, seien nur eine „neue“ Methode, um einen verdrehten Antinomismus zu verbreiten, der ihren Predigten alle Lehre und geistliche Nahrung entziehe. Die „alte“ (richtige) Art zu predigen war Wesley zufolge die Verkündigung von Gesetz und Evangelium – „das ist die schriftgemäße Art, die methodistische Art, die wahre Art.“ Dieses Thema zog sich wie ein roter Faden durch sein Wirken, von den ersten Predigten unter freiem Himmel in Bristol bis zu seinem jüngsten Predigtband, den er im Jahr zuvor veröffentlicht hatte und der eben diesen Punkt noch einmal unterstrich. Die Wesleys waren sich ungeachtet der Gefühle, die sie füreinander hegten, nur allzu deutlich der schrecklichen Konsequenzen be-

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wusst, die derartige Spaltungen innerhalb und außerhalb der methodistischen Connexio nach sich ziehen konnten. Ein in einem Bezirk fest verwurzelter Prediger, behauptete John, könne nicht den Schaden verhüten, den drei solcher „Evangeliumsprediger“ anrichteten, die er während seiner Reise nach Newcastle und Umgebung entdeckt hatte. In dieser Gegend hatten die meisten Gesellschaften im Laufe des vorangegangen Jahres ein Drittel ihrer Mitglieder verloren (Letters, 26: 488). Aufgrund der Probleme mit den Predigern entschlossen sich die Wesleys im Januar 1752, einen Bund mit den treu geblieben Predigern zu schließen, um ihre Loyalität noch zu festigen. Elf Prediger, die sich damit verpflichteten, nichts Schlechtes übereinander zu reden oder voneinander zu glauben, unterzeichneten das Dokument zusammen mit John und Charles. Nachträglich kam ihnen noch der Gedanke, jeden Montagmorgen zu einer Konferenz zusammenzukommen, wann immer es praktikabel war (Letters, 26: 490). Auch bei dieser Gelegenheit gingen sich John und Charles so weit wie möglich aus dem Weg. Charles verlieh seinem wichtigsten Anliegen in einem ähnlichen Bund Ausdruck, den er im März jenes Jahres schloss. Er wurde von den Brüdern Wesley und vier anderen unterzeichnet, die damit gelobten, nicht nur „in der engsten Verbindung miteinander zu bleiben“, sondern auch (außer im Fall eines gemeinsamen Entschlusses) niemals „die Gemeinschaft der Kirche von England zu verlassen“ (Letters, 26: 491). Charles war sich schmerzlich bewusst, dass viele Entscheidungen seines Bruders die Gefahr der Trennung von der Kirche wachsen ließen. Probleme in Lehr- und Disziplinfragen waren nicht nur auf die englischen Methodisten beschränkt. Mitte August 1752 traf John im irischen Limerick zwei Tage lang mit neun der irischen Prediger zusammen. Die Protokolle dieser ersten irischen Konferenz zeigen, dass auch hier die Organisation nach dem für die Methodisten typischen Muster erfolgte: Sechs neue Bezirke wurden eingerichtet, vierteljährliche Konferenzen festgelegt, Prediger auf neue Stelle versetzt oder neu berufen. Doch die Protokolle dieser Konferenz deuten auch auf die Entschlossenheit hin, innerhalb der methodistischen Connexio Schritte zu unternehmen, um in Lehr- und Disziplinfragen die Zügel wieder straffer in die Hand zu nehmen, nachdem man in den vorangegangenen Monaten Verfallserscheinungen hatte beobachten können (Crookshank, 1: 91–93; Documents, 4: 113–114). Nach seiner Rückkehr nach England Anfang 1753 entschloss sich Wesley, Ordnung in einen weiteren wichtigen Zweig des methodistischen Systems zu bringen. Inzwischen hatten die Wesleys über einhundert einzelne Werke veröffentlicht, darunter die monumentale

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Christian Library in fünfzig Bänden, ihre fünfzehn Bände gesammelte Tracts und auch Einzelbände wie The Complete English Dictionary („Das vollständige englische Wörterbuch“), das, wie John behauptete, nicht nur das „kürzeste und billigste“ Wörterbuch sei, sondern auch das „korrekteste, das es zur Zeit gibt“ (JWW, 14: 234). Im April verkündete John daher seinen Entschluss, Thomas Butts und William Briggs, zwei ehrliche und fähige Geschäftsleute, zu Sonderverwaltern der Londoner Gesellschaft zu ernennen – sie wurden Buchverwalter, verantwortlich für den Druck, Vertrieb und Verkauf der vielen methodistischen Publikationen. Der (von Butts und Briggs unterzeichnete) Rundbrief, in dem dieses Vorgehen bekannt gemacht wurde, wies auch darauf hin, dass die Gesellschaften in der Provinz sorgfältig Buch zu führen und jedes Vierteljahr pünktlich ihre Beiträge zu entrichten hätten. Ferner dürften sie die Erlöse aus dem Bücherverkauf nicht selbst ausgeben, das Geld niemals einem Prediger direkt ausbezahlen, sowie Bücher nur von den Buchverwaltern in London bestellen. In einem zunehmend komplex organisierten Netzwerk mit einer Unzahl von potenziellen Schwierigkeiten war ein weiterer Zweig unter dem wachsamen Auge der Wesleys zentralisiert worden. Die jährliche Predigerkonferenz im Mai 1752 in Leeds statt bot die Möglichkeit, auch einige andere Probleme zu regeln. Lehrfragen spielten dabei die wichtigste Rolle, vor allem die andauernden Spannungen, die durch die „verderbte Lehre der Deutschen“ (d.h. der Herrnhuter), und den „Makel“ von Prädestination und Antinomismus (d.h. der Anhänger Whitefields), entstanden sind. Auf der einen Seite informierte Wesley die Konferenz darüber, dass eine Vereinigung mit Benjamin Ingham, dessen Gesellschaften eng mit den Herrnhutern verbunden waren, zustande kommen könnte, „wenn er zu den alten methodistischen Lehren zurückkehrt“. Auf der anderen Seite hatte John im Laufe der letzten sechs Monate Serious Thoughts upon the Perseverance of the Saints („Ernste Gedanken zur Beharrung der Heiligen“) und Predestination Calmly Considered („Prädestination ruhig betrachtet“) veröffentlicht, um diesen beiden Vorstellungen entgegenzuwirken. Er und Charles hatten eine Zeitlang die Möglichkeit der bedingungslosen Erwählung einiger Menschen gleichzeitig mit der bedingten Erwählung aller eingeräumt; jetzt jedoch ließen sie diese Auffassung fallen, weil sie die Vorstellung von der „Beharrung“ zu stützen schien, die ihrerseits zum Antinomismus führte (Letters, 26: 499). John hatte deutlicher denn je erkannt, dass der Rückfall in die Sünde eine ständige Gefahr darstelle, und man nie endgültig Gewissheit erlangen könne. Bezüglich des Problems, dass die „Evangeliumsprediger“ Christus nur in einer verwässerten Weise verkündeten, bekräftigte Wesley noch einmal, was er „praktische Religion“ und

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„praktisches Predigen“ nannte: Die Methodisten seien angewiesen, Christus „in all seinen Ämtern“ zu predigen und „sein Gesetz wie auch das Evangelium Gläubigen und Ungläubigen zu verkündigen“ (Minutes, 718). Was die Disziplin betraf, so wurden auch Leben und Lehre der Reiseprediger einer Prüfung unterzogen. Ein Name nach dem anderen wurde vor der Konferenz aufgerufen. Etwa dreißig Prediger wirkten in England, weitere neun oder zehn in Irland. Trotz des Reinigungsprozesses unter den Predigern hatte es John geschafft, die etwa vierzig zu behalten, die er seiner Aussage nach brauchte, um die Connexio intakt zu halten.

Leitung und Einheit Noch vor Jahresende allerdings tauchte zum ersten Mal eine weitere Bedrohung auf, die der methodistischen Vereinigung schaden konnte. Johns Wesleys Gesundheit verschlechterte sich im November 1753 dramatisch und veranlasste ihn, sich einige Wochen aufs Land zurückzuziehen, um seine „Schwindsucht“ zu behandeln. In dieser Zeit setzte er seine eigene Grabinschrift auf: „Hier liegt der Körper von John Wesley, ein Scheit, das nicht nur einmal aus dem Feuer gerettet wurde; er starb im einundfünfzigsten Lebensjahr an der Schwindsucht und hinterließ (nachdem seine Schulden bezahlt waren) keine zehn Pfund, mit dem Gebet – Gott sei mir, einem unnützen Diener; gnädig“ (CWJ, 2: 26). Dieser Text ist (so wie ihn Charles festgehalten hat) nicht nur wegen der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der „Scheit“-Metapher bemerkenswert, die in dieser Zeit oft auf Neubekehrte angewendet wurde, sondern auch wegen der Wiederholung von Johns Standpunkt, fast ein Jahrzehnt früher im Earnest Appeal formuliert, dass man ihn als Dieb und Räuber betrachten solle, wenn er mit mehr als zehn Pfund in der Tasche sterbe (Appeals, 83–88, siehe oben S. 130). Nach dem Neujahrsfest besuchte er Hot Well („Heiße Quelle“) bei Bristol, um dort Mineralwasser zu trinken und so seine Genesung zu fördern. Nicht in der Lage zu reisen oder zu predigen, doch kräftig genug, um zu lesen und zu schreiben, nahm John ein Projekt in Angriff, das ihn schon lange beschäftigt hatte – einen Kommentar zur Bibel. Das Vorwort zu den Explanatory Notes Upon the New Testament („Erklärende Anmerkungen zum Neuen Testament“) schrieb er am 4. Januar 1754. Dort weist er, bevor er sich an diese große Aufgabe macht, darauf hin, dass sich dieses Werk nicht an Gelehrte wende, sondern hauptsächlich an „einfache, unbelesene“ Leute, die nur Englisch sprechen. Der Bibeltext (oben auf jeder Seite) war im Wesentlichen der Text der Authorized

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(„King James“) Version, an einigen Stellen von den Wesleys geändert, um ihn dem „Original näher zu bringen“. Charles unterstützte John Ende Februar bei dieser Arbeit. Die Anmerkungen sollten kurz sein; die Absicht war, kritische Nachfragen, gelehrte Fremdwörter und polemische Argumente zu vermeiden. Tatsächlich waren die Anmerkungen größtenteils gesammeltes Material aus John Heylyns Theological Lectures („Theologische Vorlesungen“), John Guyses Practical Expositor („Der praktische Ausleger“), Philipp Doddridges Family Expositor („Der Familienausleger“) und Johann Bengels Gnomon [„Fingerzeig“] Novi Testamenti. Letzteres Werk stellt eins der ersten Beispiele moderner kritischer Bibelforschung dar, und Wesley machte sich viele von Bengels Prinzipien der Textkritik zu eigen. Obwohl der größte Anteil des in den Anmerkungen enthaltenen Materials aus diesen Quellen stammt, wob Wesley sie als Redakteur solchermaßen zusammen, dass er die Urheberschaft dieser Zusammenstellung beanspruchen durfte. Nachdem Wesley im Vorwort seine Dankesschuld gegenüber diesen Autoren zum Ausdruck gebracht hatte, entschloss er sich, auf einzelne Quellenangaben zu verzichten, um nicht „den Geist des Lesers von den Punkten abzulenken, die er gerade im Blick hat“ (JWW, 14: 235–239). Mit Johns schwerer Krankheit war die Frage, wer seine Nachfolge als Leiter der methodistischen Bewegung antreten sollte, nicht mehr theoretischer, sondern praktischer Natur. Offensichtlich bot sich Charles als Nachfolger von John an, aber Charles wies diesen Vorschlag schnell zurück. Im Dezember sagte er vor der Londoner Gesellschaft, dass er die Stellung seines Bruders (wenn Gott ihn zu sich rufe) weder einnehmen könne noch wolle, denn er sei weder körperlich noch geistig dafür geeignet und habe weder Gnade noch Begabung dafür. Der nächste geeignete Kandidat wäre William Grimshaw gewesen, der Pfarrer von Haworth, der in einigen der frühen methodistischen Grundbücher als dritter in der Rangfolge nach den Wesleys erwähnt wurde. Doch John erholte sich zu Anfang des Frühjahrs wieder, die Nachfolgefrage verlor an Wichtigkeit und wurde zu einem kleinen Wölkchen am Horizont. Das Problem der Einheit innerhalb der Connexio blieb allerdings nach wie vor ein großes Anliegen. Der Bundesschluss von 1752, in dem die Unterzeichner sich gegenseitiges Vertrauen sowie Treue zur Kirche und zueinander zugesichert hatten, wurde jedes Jahr neu bekräftigt. Solch eine Übereinkunft wurde auch Anfang Mai 1754 von den Wesleys und einem Dutzend weiterer Prediger unterzeichnet. Auf der Konferenz im weiteren Verlauf des Monats bekräftigten sie ihre Absicht, nicht unabhängig voneinander zu handeln. Dass die methodistische Bewegung ein bunt zusammengewürfeltes Gemisch aus verschiedenen Gruppierungen war, ließ die Bedeutung dieses Doku-

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ments, mit dem die Einheit und Disziplin gefördert werden sollte, noch wachsen. In diesem Sinne zog die Konferenz auch einen endgültigen Schlussstrich unter die Beziehung zu William Darney und seinen Gesellschaften. Darney hatte versprochen, keine Lehren zu verkünden, die im Widerspruch zu dem standen, was die Methodisten predigten und glaubten. Er hatte jedoch im calvinistischen Sinne auf die Betonung der endgültigen Beharrung der Gläubigen bestanden – dass nämlich ein gläubiger Mensch mit seinem Glauben niemals Schiffbruch erleiden und zu Fall kommen könne. Daher wurde er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Ein weiterer Prediger, John Green, trennte sich von den Wesleys, nachdem man ihn unter Druck gesetzt hatte; er verließ buchstäblich den Raum, als man ihn dafür getadelt hatte, gegen die Wesleys zu predigen (JWJ, 20: 468). Von den etwa zwei Dutzend Predigern, die an der Konferenz von 1754 teilnahmen, wurden vierzehn beauftragt, von Ende April bis in den Frühsommer hinein in und um London zu predigen. Wesley selbst entwarf einen Plan (den ersten Bezirkspredigtplan), in dem aufgeführt

Wesleys erster handschriftlicher Bezirkspredigtplan, der die Predigstätten und Prediger für den 15.–21. April 1754 aufführt. Zwei dieser Prediger verließen die Gemeinschaft noch vor der Konferenz im Mai.

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wurde, wer wann in welcher der sieben Predigtstätten des Bezirks predigen sollte – es gab Spalten für die Gießerei, Spitalfields, Snowsfield, Wapping, Wells, die West Street Chapel und Westminster. In den Zeilen wurden für jeden Tag der Woche die Initialen der Prediger für die Morgen- und Abendgottesdienste eingetragen. Die Liste erstreckte sich schließlich über achtzehn Seiten in Wesleys Notizbüchern. Auf diese Weise wurde die Rotation der Reiseprediger unter den örtlichen Predigern der Gesellschaften von Mitte Mai bis Mitte August ordnungsgemäß organisiert. Von den fünfundvierzig Predigern, die auf diesem Plan aufgeführt wurden, blieben lediglich vier oder fünf über die Konferenz hinaus gemeinsam mit den Wesleys im Londoner Bezirk. Trotz der strengen Disziplin unter den Leitern wie auch unter den Mitgliedern wuchsen und verbreiteten sich die Gesellschaften allmählich. Als sich der Methodismus auch in East Anglia ausbreitete, legte Charles Wesley, was das Wachstum betraf, dieselbe Vorsicht wie in Irland an den Tag. Nachdem er im Juli in der Nähe von Norwich gepredigt hatte, bemerkte er, dass ihm einige Menschen in das Haus seines Gastgebers folgten; dort verlangten sie Aufnahme in eine Gesellschaft am Ort. Charles reagierte umsichtig: „Ich wies sie an (wie vorher auch andere), uns zunächst einige Male zu besuchen und zu sehen, wie es ihnen gefällt ... Ich habe es nicht eilig mit den Gesellschaften. Lasst uns erst einmal sehen, was die Kandidaten für ein Leben führen“ (CWJ [MS], 27.07.1754). Ein Opfer des Erfolgs wurde in gewissem Sinn das methodistische Krankenhaus in London. Wesley hatte Ende 1746 damit begonnen, medizinische Dienstleistungen gratis anzubieten. Der Klinik im New Room in Bristol war nur ein kurzes Leben beschieden gewesen. Doch im Krankenhaus in der Londoner Gießerei wurden von Anfang an über zwei Dutzend Patienten pro Woche behandelt. Diese Anzahl stieg einige Jahre lang immer weiter an. Doch als Wesley 1754 seinen siebten Tagebuchauszug herausgab, hatte der immer umfangreicher gewordene medizinische Dienst die Ausgaben extrem hochgetrieben. Die Gesellschaft, die die ihr zugehörigen Armen versorgte, konnte die finanzielle Last nicht mehr tragen (J&D, 151). Das Armenhaus-Projekt hatte das gleiche Schicksal erlitten (Societies, 277n).

Trennungsdruck Als sich die wachsende methodistische Bewegung konsolidierte und die Predigtstätten zum geometrischen Punkt der methodistischen Identität wurden, wuchs von Seiten der Prediger und Mitglieder der Wunsch, das Sakrament aus methodistischen Händen zu empfangen. Thomas Walsh, vom irischen Katholizismus konvertiert, hatte Wesley

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die Argumente vorgelegt: Die Menschen brauchen die Einsetzungen Christi, wollen aber wegen der gottlosen Pfarrer nicht zur Kirche gehen; sie würden jedoch „mit Freuden das Abendmahl mit denen halten, von denen sie zu Gott geführt wurden“ (Church, 132). Diese Tatsache wurde beispielsweise deutlich, als Whitefield 1753 Grimshaw bei der Austeilung des Abendmahls in Haworth half – viermal so viele Menschen, wie die Kirche fasste, waren dort zusammengekommen und „nippten fünfunddreißig Flaschen Wein in wenigen Augenblicken leer“ (Grimshaw, 183). Für einige Methodisten war es schwierig, eine Gelegenheit zu finden, das Abendmahl zu empfangen. Der Pfarrer von Devlin hatte 1751 seinem Bischof die Beschwerde der Methodisten vorgetragen und erklärte, dass beim vorausgegangenen Weihnachtsfest fünfzig Menschen, die er kaum jemals zuvor gesehen hatte, zum Abendmahl erschienen waren. Einer von ihnen erzählte ihm, dass „es der Gesellschaft große Schwierigkeiten macht, dass sie nicht öfter die Gelegenheiten haben, das Abendmahl zu empfangen ... An diesem Morgen waren einige fast zehn Meilen zu Fuß gelaufen, obwohl das Wetter sehr schlecht gewesen war“. Der Pfarrer fügte hinzu, dass in einigen Nachbargemeinden volle neunzig Prozent der Abendmahlsteilnehmer Methodisten gewesen seien (People, 5). Wesley gab jedoch deutlich zu verstehen, dass nicht-ordinierte Prediger das Abendmahl nicht austeilen sollten. Eine Alternative wäre natürlich gewesen, die Prediger zu ordinieren. Wesley war 1745 durch Lord Peter Kings Schrift Enquiry into the Constitution, Discipline, Unity, and Worship of the Primitive Church („Untersuchung zu Verfassung, Disziplin, Einheit und Gottesdienst der Urgemeinde“) zu dem Schluss gekommen, dass Bischöfe und Presbyter von Anfang an zum selben Ordo gehörten und das Bischofsamt nur funktional etwas anderes sei. Obwohl er an der Vorstellung festhielt, dass Diakone predigen, jedoch nicht das Sakrament austeilen dürften, kam er allmählich zu dem Schluss, dass die Presbyter eine priesterliche Funktion ausübten, die, wenn es notwendig war, auch die Funktion einschließen konnte, andere zu ordinieren. Er war allerdings noch nicht bereit, diesen Schritt auch tatsächlich zu gehen. Selbst die Frage der Laienpredigten war ein Punkt, an dem es immer wieder zu Spannungen kam, nicht nur zwischen den Brüdern Wesley, sondern auch innerhalb der Kirche von England. Der Act of Toleration forderte von den Predigern eine Lizenz, die die meisten Methodisten nicht besaßen. John wollte nicht zulassen, dass sie Dissenter wurden. Die Frage nach Dissent und/oder Trennung von der Kirche wurde im Juni 1754 noch dringlicher, als Thomas Sherlock, der Bischof von London, einen gewissen Mr. Gardiner exkommunizierte, weil er ohne Li-

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zenz gepredigt hatte. Wesleys Reaktion fiel kurz und bündig aus: „Es ist wahrscheinlich, dass dieser Punkt, der die Kirche betrifft, schnell entschieden werden wird. Denn wenn wir entweder zu Dissentern werden oder schweigen müssen, actum est“ („[dann] ist es getan“; Letters, 26: 563). Als Charles sich im Herbst 1754 bei John beschwerte, dass zwei ihrer Prediger, Charles Perronet und Thomas Walsh, das Abendmahl ausgeteilt hatten, entgegnete John: „Wir haben sie bereits ordiniert“, indem wir sie nämlich zum Predigtdienst ausgewählt haben. Offenbar hatte John den Predigern, wenn sie sich hingekniet hatten, um ausgesandt zu werden, hin und wieder ein Neues Testament mit den Worten in die Hand gegeben: „Empfange die Autorität, das Evangelium zu predigen“ (EMP, 2: 7). Charles geriet über diese offensichtliche Nachahmung und Missachtung der Ordnung der Kirche (von England) in Zorn; vor allem über Johns Neigung, den Predigern „die Hände aufzulegen und sie das Abendmahl austeilen zu lassen“ (Church, 162–163). John schwankte zu diesem Zeitpunkt zwischen verschiedenen Auffassungen. Charles jedoch sah in Johns Handeln eine direkte Bedrohung der guten Beziehungen zwischen Methodisten und Kirche und begann, die Opposition zu mobilisieren. Charles versuchte, befreundete Geistliche (wie etwa William Grimshaw, Walter Sellon und Samuel Walker) dazu zu bewegen, John zu schreiben und ihn zu überzeugen, dass er weder Prediger ordinieren noch sich von der Kirche trennen solle. Einige der ehrgeizigeren methodistischen Prediger, jene Möchtegern-Pfarrer, die Charles „Melchisedekianer“ (siehe Hebr 7,15) nannte, versuchten, John weiter in Richtung Opposition zur Kirche zu drängen. Charles jedoch war überzeugt: „Ordination ist Trennung“, und in dieser Auffassung wurde er von Lord Chief Justice Mansfield bestärkt, einem alten Schulkameraden aus Charles‘ Westminster-Zeit. Grimshaw ließ John auch wissen, dass er sich aus dem Methodismus verabschieden und in die Kirche zurückkehren würde, sollte John noch weitere Schritte unternehmen, um Prediger zu Priestern zu machen. Charles wollte als Examinator der Prediger dem letzten Artikel des Bundes der Prediger Nachdruck verleihen und diejenigen ausschließen, die in ihrem Wunsch nach Trennung „nicht mehr umzustimmen“ waren und niemanden mehr akzeptieren, der einer solchen Auffassung zuneigte. Doch zu dieser Zeit war Charles bereits aus dem innersten Kreis um seinen Bruder, dem „Kabinettsrat“, ausgeschlossen worden. Trotzdem schienen die Briefe seiner Freunde Wirkung zu zeigen. Im Dezember bekräftigte John noch einmal seine Absicht, niemals die Kirche zu verlassen, wobei Charles fürchtete, dass diese Entscheidung eher der Zweckdienlichkeit entsprang als seiner Überzeugung oder der Einsicht in die Rechtmäßigkeit der Lage.

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Auf der Konferenz in Leeds, die im Mai 1755 stattfand, stellte John Wesley den dort versammelten Predigern eine Abhandlung mit dem Titel „Sollten wir uns von der Kirche von England trennen?“ vor. Die Argumente für eine Trennung wurden, eins nach dem anderen, entkräftet: Sie würden die Lehre der Kirche nicht ablehnen, sich nicht ihrer öffentlichen Gottesdienste enthalten und erst recht nicht versäumen, sich den Leitern und den Gesetzen der Kirche zu beugen – solches zu tun, wäre weder legal noch zweckmäßig. John wandte sich insbesondere gegen das Argument, dass die Methodisten, die ausgewählt worden seien, um zu predigen, damit auch die Berechtigung erhalten hätten, das Sakrament zu verwalten: Eine Predigterlaubnis für die Connexio wurde ohne Ordination erteilt, wenn die Wesleys überzeugt waren, dass Gott jemanden als „außerordentlichen Prediger der Buße“ berufen hätte. Mit Hilfe biblischer Präzedenzfälle machte Wesley darauf aufmerksam, dass im Judentum zwar „außerordentliche Propheten“, jedoch keine „außerordentlichen Priester“ existiert haben. In der frühen Christenheit predigten Evangelisten, Diakone und sogar Frauen, „wenn sie außerordentlich inspiriert“ waren, doch teilte keine der Frauen das Abendmahl aus. Ohne solche Differenzierung würden die verschiedenen Ordnungen der christlichen Amtsträger auf eine einzige reduziert, was John als „Widerspruch zum Neuen Testament und dem gesamten Altertum“ empfand (Societies, 569–573). Der traditionelle Standpunkt, den Wesley hier einnahm, unterschied sich leicht von dem, den er sieben Jahre zuvor vertreten hatte. Damals wandte er sich gegen die Praxis der Quäker, Frauen zum Predigtdienst zuzulassen, indem er vorbrachte, dass biblische Erwähnungen von „Prophetinnen“ nicht als „Predigerinnen“ verstanden werden sollten (JWL, 2: 119–120). Charles, dem die „Begabung“ der Prediger immer ein Anliegen war, war entsetzt über das, was auf der Konferenz vor sich gegangen war, und befürchtete, dass sie nun kurz davor standen, alles aufzugeben. Er verließ die Konferenz vorzeitig und gelobte: „Ich habe mit Konferenzen ein für allemal abgeschlossen.“ John, dem typischerweise die „Gnade“ der Prediger ein Anliegen war, hielt ihnen, bevor sie aus Leeds abreisten, eine weitere Vorlesung (wobei er möglicherweise auf das Lied seines Bruders Are we yet alive? [„Sind wir noch lebendig?“] anspielte): Es ist bestätigt worden, dass keiner unserer Reiseprediger so lebendig ist, wie er es vor sieben Jahren war. Ich befürchte, dass das für viele gilt. Doch wenn das so ist, sind sie unfähig für diese Arbeit, die sehr viel Lebendigkeit erfordert: Andernfalls wird dir deine Arbeit mühselig werden, und anderen kaum von Nutzen sein. Mühselig, weil du Christus und den Menschen nicht mehr bereitwillig und fröhlich dienst; kaum von Nutzen, weil du ihnen nicht mehr fleißig dienst und es aus nur eigener Kraft tust.

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Dann legte er ihnen einzelne Fragen vor: Wer von euch hat eine so beispielhaft lebendige Beziehung zu Gott, dass er das Feuer bei sich trägt, wohin er auch immer geht? Wer von euch ist ein Muster an Selbstverleugnung, auch in kleinen Dingen? Wer von euch trinkt Wasser? Warum nicht? Wer steht um vier Uhr auf? Warum nicht? Wer fastet am Freitag? Warum nicht? So fuhr er fort: Er stellte noch weitere zweiundzwanzig Fragen. Die Botschaft war klar: Eine strengere Disziplin stand auf der Tagesordnung. Fünfzehn Personen wurden im Konferenzprotokoll als die hauptsächlichen „sesshafte Prediger“, zwölf andere als „halb-reisend“ aufgeführt, was bedeutete, dass sie auf die eine oder andere Weise nur eine halbe Stelle hatten (ein Status, der 1753 zum ersten Mal erwähnt wird). William Shent etwa, der auch als Barbier in Leeds arbeitete, reiste nur ein halbes Jahr; Matthew Lowes besserte sein Predigerstipendium auf, indem er Tiermedizin verkaufte. Dennoch wurde von den methodistischen Predigern erwartet, dass sie ganz für den Reisedienst zur Verfügung standen. Lange hatte es ein großes Bedürfnis nach Menschen gegeben, die „diejenigen trösten, ermutigen und unterweisen, die nach Gott dürsteten,“. Doch die Not war so groß und die Anzahl der Qualifizierten so klein, dass die meisten Prediger gezwungen waren, innerhalb der Bezirke „ständig von Ort zu Ort zu reisen“. Es gab auch noch einen weiteren Grund, weshalb die Prediger nahezu jedes Jahr den Bezirk wechselten. John erklärte das folgendermaßen: Müsste ich selbst ein ganzes Jahr an einem Ort predigen, dann weiß ich, dass ich mich selbst und den größten Teil meiner Versammlung in den Schlaf predigen würde ... Am besten ist es, die Prediger häufig auszuwechseln. Dieser Prediger hat eine Gabe, jener eine andere. Niemand, den ich je kennen gelernt habe, besitzt alle Gaben, die notwendig sind, um die Arbeit der Gnade in einer Versammlung zu beginnen, fortzuführen und zu vollenden (JWL, 3: 195).

John Wesley hatte in einem Brief an Samuel Walker schon zuvor die Überzeugung bekräftigt, dass eine Trennung von der Kirche die bewusste Zurückweisung der kirchlichen Lehren und die Weigerung einschlösse, an ihren Gottesdiensten teilzunehmen. Es gab jedoch vier Punkte im methodistischen Programm, bei denen er sich eher von der Kirche trennen würde als sie aufzugeben: Laienpredigten, Feldpredigten, Stegreifpredigten und die Gründung von Gesellschaften (Letters, 26: 595). Keiner dieser Punkte war, wie wir an dieser Stelle bemerken sollten, vom Standpunkt der Kirche aus illegal oder ein wahrscheinlicher Grund zur Exkommunikation. In der Zwischenzeit allerdings befürchtete Charles das Schlimmste. Er predigte immer noch häufig über den Text: „Ich will den dritten Teil durchs Feuer gehen lassen“, doch das Bild, das er früher benutzt hatte – „viele Wasser können“ den Funken, der zur Erweckungsbe-

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wegung wurde, „nicht auslöschen“ – bekam nun eine neue Wendung. Er schrieb seinem Bruder John: „Der kurze Rest meines Lebens ist eben dieser Sache gewidmet, unseren Söhnen mit Eimern voller Wasser zu folgen (wie C[harles] P[erronet] sagte, sollten wir genau das mit dir tun), um die Flamme des Zwistes und der Spaltung zu löschen, welche sie entzündet haben oder noch entzünden werden“ (CWJ, 2: 131). Charles nahm Anstoß insbesondere an den Predigern, die über die Kirche spotteten und lachten. Er schlug John vor, dass sie „sehr viel größere Gründlichkeit und Sorgfalt bei der Zulassung von Predigern“ walten lassen sollten; sie sollten sichergehen, dass die Prediger in der Lehre und Disziplin der Methodisten sowie in der Gemeinschaft der Kirche gegründet waren. Charles warnte Grimshaw in einem Brief, den er in der „zerschlagenen Gesellschaft“ in Manchester schrieb: „Allein die Gnade kann unsere Kinder, wenn wir gegangen sind, davon abhalten, in tausend Sekten und tausend Irrtümer hinein zu laufen.“ Den Methodisten in Leeds schrieb er: „Fahrt weiter in dem alten Schiff. Jesus erweist unserer Kirche Gunst und auf wunderbare Weise besucht und belebt er sein Werk in ihr“ (CWJ, 2: 135– 136). Der Gesellschaft in Rotherham, die am Rand der Spaltung stand, hatte Charles verkündet, „dass es ‚kein Heil außerhalb der Kirche gibt‘“. Dann bemerkte er, dass sie diese Ermahnung nicht nur „geduldet“, sondern sich sogar gefreut hatten, als er ihnen sagte: „Lasst uns in das Haus des Herrn gehen“ (CWJ, 2: 116). Im Rahmen der Kampagne, mit der er versuchte, seinen Bruder zu beeinflussen, veröffentlichte Charles ein Gedicht: An Epistle to the Reverend Mr. John Wesley („Eine Epistel an den Reverend Mr. John Wesley“). Aus dem Gedicht stammt folgende Strophe: When first sent forth to minister the word, Say, did we preach ourselves, or Christ the Lord? Was it our aim disciples to collect, To raise a party, or to found a sect? Als wir am Anfang ausgeschickt wurden, das Wort zu verkündigen, Sag, predigten wir uns selbst oder Christus unsern Herrn? War es unser Ziel, Jünger zu sammeln, eine Partei zu bilden oder eine Sekte zu gründen?

Der Druck, den Charles auf John ausübte, begann Wirkung zu zeigen. Zum Abschluss der Konferenz von 1756 konnte Charles sagen: „Mein Bruder und ich haben diese Konferenz mit der nachdrücklichen Erklärung unserer Entscheidung abgeschlossen, in Gemeinschaft mit der Kirche von England zu leben und zu sterben. Wir alle kamen einmütig zu dem Schluss, dass es zwar erlaubt und möglich ist, in ihr zu bleiben, uns aber nicht erlaubt ist, sie zu verlassen.“ Die Einmütigkeit der Prediger in dieser Frage wurde dadurch bekräftigt, dass sie am

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30. August 1756 einen weiteren Bund der Einheit unterzeichneten, der auf dem Vorbild von 1752 basierte. Um die Probleme, die Ordination und Sakrament betrafen, zu verringern, versuchte Charles „gesunde“ Prediger zu rekrutieren, die auch die Qualifikation für eine kirchliche Ordination besaßen. Schon lange hatte er sich über das „große Übel“ beklagt, das „ungesunde“ Prediger unter den Methodisten verursachten. Zu ihnen gehörte etwa John Tooker, der mehr Schaden als Nutzen angerichtet hatte, „indem er in seiner geistreichen Art gegen Kirche und Geistlichkeit angeredet hatte“. Roger Ball, ein infamer selbsternannter Antinomist, erhob weiterhin seine Stimme gegen die methodistischen Gesellschaften und sammelte dabei „die Menschen und ihr Geld“, während er sein Evangelium vom Geschenk der Gnade und Liebe predigte. Und immer noch „stahl“ man sich untereinander die Schafe. Manchmal waren es ehemalige Methodistenprediger, wie John Edwards in Leeds, der nun zu den Unabhängigen zählte und die Methodisten ihrer „Kinder beraubte“. Manchmal waren es Baptisten, die immer auf eine Gelegenheit lauerten, einige Methodisten abzuwerben „und so tot zu machen, wie sie selber waren“. Charles bemerkte, dass die Gesellschaft in Manchester schwer getroffen worden war: das Hören auf „die neuen Lehrer, die ihren Ohren schmeichelten“(2 Tim 4,3), hatte ihre Anzahl um die Hälfte reduziert. Einige baptistische Versammlungen in der Umgegend bestanden nur aus ehemaligen Methodisten (CWJ, 2: 128–130). Dass die methodistische Erweckungsbewegung eine Verbindung aus verschiedenen Elementen war und Prediger wie Whitefield und Edwards eifrig in den wesleyanischen Gesellschaften predigten, stellte die Brüder Wesley vor unzählige Probleme. Doch diese Wanderer zwischen den Welten bewirkten auch viel Gutes. Whitefield etwa war ein gewaltiger Prediger. Nachdem Charles bei einer Gelegenheit festgestellt hatte, dass „Bruder George ... mit einer Stimme sprach, die Tote auferweckte“, merkte er anerkennend an, dass Whitefield „viel Gutes“ in den Gesellschaften bewirkt hatte und sogar die Notwendigkeit der Heiligung nach der Rechtfertigung predigte (CWJ, 2: 133). Charles glaubte allerdings, dass niemand weggelockt werden würde, wenn man fähige und taktvolle Prediger an den richtigen Platz stellte. Dann würden viele, die die Gesellschaften verlassen hatten, gerne zurückkommen. Das wachsende Netzwerk der Gesellschaften und Leiter, das die methodistische Connexio bildete, war im Laufe der 1740er und 50er Jahre organisierter und disziplinierter geworden. Wesley versuchte, offen zu sein für das Wirken des Heiligen Geistes in der Erweckung. Doch sein Festhalten an einem Modell des „schriftgemäßen Christentums“ und seine traditionelle Bindung an die Kirche von England führ-

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ten dazu, dass er bestimmte Richtlinien und Grenzen festschrieb, innerhalb derer sich seiner Meinung nach die Vielfalt der Bewegung entwickeln könne und solle. Die verschiedenen Satzungen (der Gesellschaft, der Banden, der verschiedenen Leiter, der Kingswood School und anderer) wurden auf den jährlichen Konferenzen überprüft und, wie es 1756 geschah, gewöhnlich mit nur kleinen Änderungen bestätigt. Die wachsende gegenseitige Abhängigkeit der Gesellschaften wurde 1749 durch die Einrichtung eines gemeinsamen Fonds noch gefördert. Man unternahm auch gemeinsame Anstrengungen, um die Kingswood School zu unterstützen, entweder durch

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Subskription oder durch jährliche Sammlungen in jeder Gesellschaft (J&D, 21: 77). Die Schule von Kingswood sollte in erster Linie Predigerkinder ausbilden. Die Wesleys hatten durchaus im Blick, dass hier die für die Zukunft der Bewegung benötigten Führungskräfte herangebildet werden konnten. Wesleys Bildungsprogramm umfasste auch die ständige Weiterbildung seiner Leiter durch einen nicht abreißenden Strom von Veröffentlichungen. Die Christian Library („Christliche Bibliothek“) wurde 1755 abgeschlossen. Dieses Projekt kostete Wesley mehrere hundert Pfund, die er aus eigener Tasche bezahlte und niemals wieder herausbekam. Die 759 Seiten starken Explanatory Notes („Erläuternde Anmerkungen zum Neuen Testament“) erschienen schließlich gegen Ende desselben Jahres. Einer von Johns Freunden beschwerte sich, dass die Kommentare ein wenig zu spärlich ausgefallen seien. Die Bücherliste, die den wesleyanischen Veröffentlichungen 1757 beigefügt wurde, umfasste einhundertdreiundfünfzig Artikel. Auf den Vorwurf, er „bereichere sich am Evangelium“, reagierte er mit einem Eintrag in sein Tagebuch vom September 1756. Er wies darauf hin, dass er im Laufe der letzten achtzehn Jahre „durch Buchdruck und Predigen zusammen insgesamt Schulden in Höhe von zwölfhundertsechsunddreißig Pfund angesammelt“ habe (J&D, 21: 77). Trotz dieser Kosten fühlte sich Wesley verpflichtet, seine Leute mit diesem Material zu versorgen, selbst wenn es ihre Fähigkeiten oft überfordert haben mag. In manchen Fällen brachte er den wesentlichen Inhalt bestimmter Bücher in eine andere Form. Im August 1755 arbeitete er Teile von Richard Alleines Vindiciae Pietatis (in der Christian Library enthalten) in einen Gottesdienst zur Erneuerung des Bundes für seine Anhänger in Spitalfields um und erweiterte so eine Praxis, zu der er acht Jahre zuvor ermutigt hatte. Als Wesley die Worte des Bundesschlusses zitierte: „Ich will nicht länger mein eigen sein, sondern gebe mich dir hin in allen Dingen“, standen eintausendachthundert Methodisten zustimmend auf. Wesley war sicher, dass er hier auf ein weiteres nützliches Werkzeug der Gnade Gottes gestoßen war: „Solch einen Abend habe ich kaum jemals zuvor erlebt. Sicherlich werden die Früchte für immer Bestand haben“ (J&D, 21: 23).

Kapitel 4 – Empfohlene weiterführende Literatur Beynon, Tom, Howell Harris, Reformer and Soldier (Caenarvon: Calvinist Methodist Bookroom, 1958). CW – Baker, Frank, Charles Wesley as Revealed by his Letters (London: Epworth Press, 1948).

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Church – Baker, Frank, John Wesley and the Church of England (Nashville: Abingdon, 1970). Crookshank, C.H., History of Methodism in Ireland, 3 Bde. (Belfast, Allen, 1885). Documents – Vickers, John A., „Documents and Source Material“, Teil 1 von Band 4, A History of the Methodist Church in Great Britain, hg. von Rupert Davies, A. Raymond George und Gordon Rupp, 4 Bde. (London: Epworth Press, 1988). EMP – Jackson, Thomas (Hg.), Lives of the Early Methodist Preachers, 6 Bde. (London: Wesleyan Conference Office, 1872). Grimshaw – Baker , Frank, William Grimshaw, 1708–1763 (London: Epworth Press, 1963). JWL – Telford, John, The Letters of John Wesley, 8 Bde. (London: Epworth Press, 1931). JWW – Wesley, John, The Works of John Wesley, hg. von Thomas Jackson, 14 Bde. (Grand Rapids, Zondervan, 1959–1962). Minutes – Minutes of the Methodist Conferences, from the first, held in London, Bd. 1 (London: Mason, 1862). Perkins, E. Benson, Methodist Preaching Houses and the Law; The Story of the Model Deed (London: Epworth Press, 1952).

5. Kapitel Die Reifezeit des Methodismus (1758–1775)

In den 1750er Jahren stand die methodistische Bewegung offenbar mehr als einmal kurz vor der Auflösung. Streitereien über Laienpredigten und Sakramente, Prediger, die Fahnenflucht begingen, und der Verlust von Mitgliedern an Proselytenmacher führten zu einer Auslese unter den Predigern und zu der Aufforderung an diejenigen, die geblieben waren, noch einmal Einheit und Loyalität zu geloben. Diese Phase der Unruhe unter den Methodisten verschärfte sich durch die wachsende Spannung unter den Brüdern Wesley. Die meisten strittigen Punkte schienen mit der Frage nach der Trennung von der Kirche von England zu tun zu haben. Charles, der „Kirchenmethodist“, setzte sich weiterhin für eine stärkere Bindung an die Kirche von England und ihre Geistlichen ein. Seine Prioritäten waren klar: Gott, Kirche und Methodismus. John zeigte keine so klare Haltung. Nachdem er sich von der Vorstellung verabschiedet hatte, die Prediger zu ordinieren und ihnen zu gestatten, die Sakramente auszuteilen, stand er jetzt allerdings unter dem Druck, die Einheit innerhalb des Methodismus wie auch mit der Kirche aufrecht zu erhalten.

Maßstäbe für Lehre und Disziplin Auf der Konferenz in Irland 1758, die im Sommer in Limerick abgehalten wurde, erhob man gegen einen der Prediger, Mark Davis, der vor kurzem Methodist geworden war, den Vorwurf, er sei in Lehrfragen nicht orthodox. Thomas Walsh, der von den Katholiken übergetreten war, verteidigte seinen Kameraden, indem er vorbrachte, dass „diese Einwände gegen seine Wortwahl bald vom Tisch sein würden, wenn er mit den Schriften der Methodisten erst vertrauter sei“. Und tatsächlich hatten die Wesleys eine Menge von Veröffentlichungen genau zu diesem Zweck herausgebracht.

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In jenem Frühjahr (1758) hatte John A Preservative Against Unsettled Notions in Religion („Bewahrung vor ungeregelten Begriffen in religiösen Dingen“) veröffentlicht, eine Sammlung von Abhandlungen, die zu vielen Reibungspunkten innerhalb der Bewegung Stellung bezog. Das Buch enthielt Material, das sich mit Deisten, Katholiken, Quäkern, Anhängern der Prädestinationslehre und Herrnhutern beschäftigte. Einige Artikel richteten sich gegen Einzelne: William Law (Mystizismus), Micaiah Towgood (Dissenters) und James Hervey (Antinomismus); andere beschäftigten sich mit Themen wie Taufe, der Göttlichkeit Jesu Christi oder Taufpaten und -patinnen. Die meisten dieser Abhandlungen waren vorher schon einmal veröffentlicht worden. Die Sammlung enthielt außerdem Wesleys Schrift „Reasons against a Separation from the Church of England“ („Gründe gegen eine Trennung von der Kirche von England“), die aus der zweiten Hälfte seines Konferenzpapiers „Ought we to separate“ („Sollten wir uns trennen“) bestand, in dem zwölf Gründe aufgezählt worden waren, aus denen es für die Methodisten nicht zweckmäßig sei, der Kirche den Rücken zu kehren. Daher überrascht es kaum, wenn die Ansicht, die Wesley in der Tauffrage vertrat, im Wesentlichen mit dem Standpunkt der Kirche in Einklang stand. Johns „Treatise on Baptism“ („Abhandlung über die Taufe“) war in Wirklichkeit die gekürzte Fassung einer Schrift, die sein Vater Samuel als Anhang zu The Pious Communicant („Der fromme Kommunikant“, 1700) verfasst hatte. John zögerte nicht, die orthodox-anglikanischen Ansichten seines Vaters in Bezug auf die Taufe zu wiederholen; er zitiert sogar aus der Gottesdienstordnung, dass der Täufling „vom Heiligen Geist gewaschen und geheiligt wird und, von Gottes Zorn erlöst, die Vergebung der Sünden erlangt und die immerwährende Segnung dieser himmlischen Waschung erfährt“. Er erklärt, dass man durch die Taufe nicht nur in den Leib Christi eingegliedert und zu einem Mitglied der Kirche gemacht, sondern auch mit der Gnade erfüllt werde, durch die aus einem Kind des Zorns durch Adoption ein Kind Gottes werde. Er führt nicht nur noch einmal die traditionellen Argumente für die Kindertaufe an, sondern antwortet auch auf viele der typischen Kritikpunkte. Selbst auf das traditionelle evangelikale Argument gegen die Lehre von der Taufwiedergeburt, dass Buße und Glauben der Rechtfertigung und Wiedergeburt notwendigerweise vorausgehen müssten, erwidert er, indem er eine Parallele zwischen Taufe und Beschneidung (die ähnliche Voraussetzungen hatte) zieht. Damit zeigt er, dass sie auf Gottes Weisung hin am achten Tag nach der Geburt des Kindes zu geschehen habe (JWW, 10: 188–201). Die meisten Engländer waren natürlich als Kinder getauft worden, doch hin und wieder fanden auch Erwachsenentaufen

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statt. So wie im Dezember 1738, als Wesley zwei afrikanische Diener von Nathaniel Gilbert taufte, einem Mann aus Antigua, der sich vor kurzem bekehrt hatte und bald wieder nach Westindien zurückkehren sollte, um dort methodistische Pionierarbeit zu leisten (J&D, 21: 172). Dennoch: diese Abhandlung zur Taufe, zusammen mit anderen Schriften der gleichen Sammlung, stützt Wesleys lebenslang aufrecht erhaltene Behauptung, er sei ein treuer Sohn der Kirche.

Vielfalt und Debatte Solche Behauptungen Wesleys stellten natürlich die Menschen innerund außerhalb der Erweckungsbewegung, von denen sich seine Ansicht unterschied, nicht immer zufrieden. Er bezog weiterhin im Rahmen seiner privaten Korrespondenz zu solchen Kontroversen Stellung. Beispielsweise wurde der Sturm der Opposition anlässlich seiner früheren Haltung zur Gewissheit, über die er mit „John Smith“ im vorangegangenen Jahrzehnt lange Briefe ausgetauscht hatte, von anderen mit Leichtigkeit wieder entfesselt. Sowohl Richard Tompson als auch Samuel Walker befanden es für notwendig, seine Sicht der Dinge in den 1750er Jahren in Frage zu stellen. In Anbetracht der vielen Veröffentlichungen im Laufe von drei Jahrzehnten und der Tatsache, dass Wesley einige seiner Ansichten in der Zwischenzeit revidiert hatte, war es Kritikern ein Leichtes, Wesley gegen sich selbst zu zitieren. Tompson etwa weist auf Wesleys Behauptung hin, jemand könne auf der einen Seite ein gläubiger Mensch sein, ohne Gewissheit zu haben, auf der anderen Seite aber könne niemand gerechtfertigt sein, ohne zu wissen, dass es sich wirklich so verhalte (d.h. ohne Gewissheit; Sermons 1: 154). Wesley hatte bereits viele dieser Fragen durchdacht, insbesondere die Frage nach der Gewissheit, und konnte Tompson so kurz und bündig antworten: „Ich weiß, dass ich angenommen bin; und doch wird dieses Wissen durch Zweifel oder Furcht manchmal erschüttert, wenn auch nicht zerstört, ... Ich stimme mit Ihnen überein, dass der rechtfertigende Glaube nicht aus der Überzeugung bestehen kann, dass ich gerechtfertigt bin“ (Letters, 26: 575). Samuel Walker gegenüber zeigte Wesley seine Neigung, die Aufmerksamkeit vom Strittigen auf das Wesentliche zu lenken: „Gewissheit ist ein Wort, das ich nicht benutze, weil es nicht biblisch ist. Doch bin ich der Meinung, dass die von Gott geschenkte Überzeugung, dass Christus mich geliebt hat und sich für mich hingab, wesentlich für den Glauben, vielleicht sogar das eigentliche Wesen des rechtfertigenden Glaubens ist“ (JWL, 3: 222). Doch selbst ein ständiger Strom solch nicht sehr gehaltvoller Ablenkungsmanöver hätte Wesley nicht helfen können, allen Kontroversen auszuweichen, die immer wieder aufbrachen.

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Die sich immer wieder verschiebenden Grenzen zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Erweckungsbewegung hatten einige Probleme verursacht, denen sich die Wesleys stellen mussten. Dissenter verschiedener Prägung (Quäker, Baptisten, Katholiken und kirchlich nicht Gebundene) gingen in den Gesellschaften aus und ein. Benjamin Ingham hatte 1755 erneut versucht, sich mit den Methodisten zusammenzuschließen. Doch die Wesleys hatten sich wegen seiner separatistischen Tendenzen erneut geweigert, ihren alten Freund in die Gemeinschaft der Methodisten aufzunehmen. Ein Jahr später umfasste Inghams Netzwerk bereits eintausend Menschen, die in einem Vierhundert-Meilen-Bezirk lebten und von Ingham sowie sechs weiteren Predigern versorgt wurden, von denen er zwei gerade ordiniert hatte (CWJ, 2: 122; Church, 250). 1756 weigerte sich Charles, die Petitionen von John Edwards aus Leeds anzuhören, einem Prediger, der sie im vorangegangenen Jahr im Stich gelassen, viele Male jedoch seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hatte, in den wesleyanischen Gesellschaften zu predigen. Mit Whitefield, Harris und anderen standen die Wesleys jedoch weiterhin auf gutem Fuß, getreu der Regel: „Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden“ (Röm 12,18; siehe CWJ, 2: 121). In einigen Fällen pflegten die Wesleys eine recht enge Arbeitsbeziehung mit anderen. James Wheatly, ein ausgestoßener Prediger, hatte Buße getan und sich mit Whitefield und William Cudworth angefreundet. Er hatte in Norwich eine starke Anhängerschaft um sich gesammelt und ein stattliches Gebäude errichtet, das Tabernakel, in das er den zögernden Wesley einlud. Doch schließlich nahm John die Einladung an. Als Wesley einige Zeit darauf, im Frühjahr 1759, die Gesellschaft von Norwich in Klassen aufteilte, bemerkte er, dass man keinerlei Unterschied machte, ob jemand zur Gießerei oder zu den Tabernakel-Gesellschaften (von Wesley beziehungsweise Whitefield geprägten Gesellschaften) gehört hatte. Wenn allerdings jemand einer methodistischen Gesellschaft beitreten wollte – etwa zwanzig Prozent der 570 Mitglieder in Norwich hatten noch niemals einer Gesellschaft angehört –, erwartete man von ihm, sich nach ihren Regeln und Maßstäben zu richten sowie sich ihrer Disziplin zu unterwerfen. Wesley ließ sie ihre Klassenkarten vorzeigen, verlangte, dass Männer und Frauen getrennt saßen, und ließ beim Abendmahl keine Zuschauer zu. Als er Norwich fünf Monate später besuchte fand er dort Unordnung und Chaos vor. Er erklärte wie er später sagte, in deutlichen Worten, dass sie die unwissendste, eingebildetste, starrköpfigste, wankelmütigste, widerspenstigste, unordentlichste, zerrissenste Gesellschaft seien, die er in den drei Königreichen kennen gelernt habe. In seinem Tagebuch hielt er fest, dass aus dieser Züchtigung „viele

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Nutzen zogen“ und nicht einer Anstoß nahm. Tatsächlich brachte er viele verhärtete Herzen zum Schmelzen (J&D, 21: 181, 227). Die Opposition bestand vielfach weiterhin, darunter auch der wohlbekannte Mob von Zwischenrufern und Steinewerfern. Hin und wieder zeigten die Kirchentreuen ihr Missfallen auch auf andere Weise. Zum Beispiel heuerten die Küster in Pocklington Männer an, die die Kirchenglocken läuteten, während Wesley auf einer nahegelegenen Straße predigte. Immer noch kamen viele Publikationen auf den Markt, die die Methodisten angriffen, wie etwa Methodism Examined and Exposed („Methodismus – geprüft und enthüllt“) oder The Clergy’s Duty of Guarding their Flocks against False Teachers („Die Pflicht der Geistlichen, ihre Herden vor Irrlehrern zu bewahren“) von John Downes, einem Londoner Pfarrer. In einer besonders heftigen Attacke bezeichnete er die Methodisten als „schlimme Wölfe“, die der treuen Herde verdrehte Lehren verkündigen. Wesley antwortete, indem er auf jeden einzelnen Punkt einging (Societies, 351–366). In einer langen, an den Earl of Dartmouth gerichteten apologia erläuterte Wesley, dass die Methodisten nicht subversiv seien und die althergebrachte Verfassung keineswegs ablehnten: „Mitnichten; ihre fundamentalen Prinzipien sind genau die Prinzipien der etablierten Kirche.“ Wesley räumte allerdings ein, dass ihre Praxis im Wesentlichen der der Kirche gleiche, bis auf einige wenige Punkte, wo sie gezwungen seien abzuweichen. Jede Abweichung war natürlich nur eine „um Haaresbreite“. Wieder einmal benutzt Wesley das Bild von Feuer und Wasser und gibt ihm eine neue Wendung: „Ein Feuer wird in der Kirche entzündet, dem Haus des lebendigen Gottes: das Feuer der Liebe zur Welt, Ehrgeiz, Habsucht, Neid, Zorn, Bosheit, bitterem Eifer – in einem Wort, zu Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit! Oh, wer wird kommen und helfen, es zu löschen?“ (JWL, 4: 149–151).

Bemühungen um Einheit mit den anglikanischen Geistlichen Methodistischen Freunden gegenüber beeilte sich Wesley, auf die „unaussprechlichen Vorteile“ hinzuweisen, die ihre eigenen Gottesdienste im Vergleich zu denen der Kirche hätten: Die methodistischen Gottesdienste wurden nicht „von den heruntergeleierten Gebeten der Geistlichen unterbrochen; dem Brüllen der Jungen, die herausschreien, was sie weder empfinden noch verstehen, oder der unpassenden und bedeutungslosen Impertinenz eines Orgelsolos“ (JWL, 3: 227). Die Wesleys versuchten allerdings, ihre guten Beziehungen zur Kirche aufrecht zu erhalten, und hofften, dass die evangelikal ausgerichteten Geistlichen eine Allianz mit ihnen eingehen würden. John hatte 1756 eine „Rede an die Geistlichen“ (Address to the Clergy) veröffentlicht, in

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der er die besonderen „Gaben und Gnade“ beschrieb, die er als notwendig für einen wirksamen Dienst ansah. Damit hatte er den Lehrplan eines gründlich gebildeten Geistes auf eine Weise vorbuchstabiert, die der Schrift seines Vaters Advice to a Young Clergyman („Rat an einen jungen Geistlichen“), die John 1735 posthum veröffentlicht hatte, nicht unähnlich war. Trotzdem machte John auch deutlich, dass der Gnade Gottes der Vorrang zukam, im Vergleich zu der „alle intellektuellen Fähigkeiten im Nichts verschwinden“ (JWW, 10: 493). Wie er es Samuel Furley gegenüber ausdrückte, war, soweit es die Qualifikation eines Predigers des Evangeliums betraf, „Gnade notwendig, Gelehrsamkeit zweckmäßig“ (JWL, 3: 175). An diesem Punkt standen die Wesleys in Kontakt mit einigen Evangelikalen, von denen manche in dieser Zeit dem Methodismus verbunden waren: Vincent Perronet (Shoreham), James Nervey (Northampton), Samuel Walker (Truro), John Baddiley (Hayfield), John Berridge (Everton) und William Grimshaw (Haworth). In einem Brief an Walker wies Wesley darauf hin, dass er bei der Konferenz von 1757 gefragt hatte: „Was kann getan werden, um eine engere Verbindung zu den Geistlichen zu schaffen, die die Wahrheit predigen?“ Walker selbst hatte schon vor langer Zeit in Cornwall einen „Pfarrerclub“ für sympathisierende Geistliche ins Leben gerufen. John Fletcher, Wesleys Assistent, der bald Pfarrer in Madeley werden sollte, wird später ebenfalls für Worcestershire eine „Gesellschaft der Prediger des Evangeliums in der Kirche von England“ gründen (Church, 183). Wesley allerdings dachte mehr an eine landesweite Vereinigung von evangelikal ausgerichteten Geistlichen. John Wesley wünschte sich von den Geistlichen, dass sie „die drei großen biblischen Lehren“ predigten – „Erbsünde, Rechtfertigung durch den Glauben und als deren Folge die Heiligkeit“ (JWL, 4: 146). Diese Schwerpunkte stimmten mit den früher formulierten drei Hauptlehren der Methodisten überein (siehe oben, S. 156). Gegen Ende des Jahrzehnts hatten die Wesleys Kontakt zu einer wachsenden Anzahl von Geistlichen, von denen sie einigen im Londoner Haus von Selina, der Gräfin von Huntingdon, begegneten. Die Gräfin war auch „von einem mächtigen Drang ergriffen worden, mit der Seele der Nation zu ringen“ (Church, 185) und suchte nach kirchlicher Unterstützung für diese Aufgabe. John wusste ihre Hilfe zu schätzen, teilte ihr jedoch seine Enttäuschung über die vielen ihm freundlich gesinnten Geistlichen mit, von denen sich die meisten einfach auf „Rechtfertigung und die anderen ersten Prinzipien der Lehre von Christus“ konzentrierten. Wesley hielt es für angemessen, nach weiterführenden Dingen zu dürsten – wirklicher Heiligkeit, einer Erkenntnis Gottes, die dazu führen sollte, „zum vollen Maß der Fülle Christi“ zu kommen (JWL, 4: 57–58). Mitten

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in dieser Situation schrieb Charles seiner Frau voller Zuversicht: „Die Anzahl der bekehrten Geistlichen wird sich vervielfacht haben, wenn mein Bruder und ich unseren Dienst beenden.“

William Hogarth, „Die schlafende Gemeinde“ („The Sleeping Congregation“, Ausgabe von 1762), eine Satire auf die Kirche von England.

Probleme mit den Predigern Dass die Wesleys die Heiligkeit, besonders im Hinblick auf christliche Vollkommenheit, so betonten, gehörte zu den Dingen, die herzliche Beziehungen zu den anglikanischen Geistlichen verhinderten. Das Thema „Vollkommenheit“ führte auch zu Schwierigkeiten anderer Art mit einigen methodistischen Predigern. Im August 1758 wurde

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diese Frage auf der Konferenz in Bristol ausführlich diskutiert. Wesley riet gerade denjenigen, die „glaubten, sie hätten sie erreicht“, zu besonderer Vorsicht, sodass sie von ihrer Erfahrung nur „mit tiefster Demut und Selbsterniedrigung vor Gott“ sprächen. Niemand, so wurde dargelegt, ist vor Fehlern gefeit, und selbst die Vollkommenen sind ständig auf die Verdienste Christi angewiesen. Im Konferenzprotokoll definiert Wesley noch einmal christliche Vollkommenheit: „Gott von ganzem Herzen zu lieben, sodass jedes schlechte Temperament zerstört wird und jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat der reinen Liebe zu Gott und zum Nächsten entspringt und zu diesem Zweck durchgeführt wird“ (Minutes, 713). Ein Jahr später wurde ein großer Teil der Zeit darauf verwandt „zu prüfen, ob Geist und Leben unserer Prediger ihrem Beruf angemessen sind“. Im Besonderen bestand die Gefahr einer „Vielfalt von Anschauungen“ unter den Predigern in Bezug auf die christliche Vollkommenheit. Sie wurden hier wieder einer Prüfung unterzogen. Wesley konnte es sich nicht leisten, dass die Prediger eine solche Vielfalt von Meinungen zu dieser wesentlichen Lehre zu einer Zeit zum Besten gaben, da er versuchte, Einheit unter den Geistlichen der Kirche zu stiften, von denen viele die Vorstellung von Vollkommenheit überhaupt anzweifelten. Zur Prüfung der Prediger auf der Konferenz gehörte auch die Frage nach ihren Lesegewohnheiten. Insbesondere verpflichteten sich die Prediger, die 1758 zusammenkamen, „unsere Werke“ (das heißt, die gesammelten fünfzehn Bände der Tracts) durchzulesen und ihre Anmerkungen dazu mitzuteilen. Als man fragte, wer das bereits getan hatte, sprach die Antwort Bände: „Noch keiner. Wir werden ohne weitere Verzögerung damit beginnen und unsere Anmerkungen zur nächsten Konferenz mitbringen“ (Minutes, 712). Ihrer Frustration machten die Wesleys mit ihrer nächsten Frage Luft: „Fehlt es nicht vielen von uns immer noch an Ernsthaftigkeit!“ Gegen Ende 1759 war John mit der Vorbereitung eines weiteren Bandes der Sermons on Several Occasions („Predigten zu verschiedenen Anlässen“, veröffentlicht 1760) beschäftigt, der sieben Predigten und vier Abhandlungen enthielt. In einer der Abhandlungen, Thoughts on Christian Perfection („Gedanken zur christlichen Vollkommenheit“) fasste er noch einmal zusammen, was er bereits auf der Konferenz gesagt hatte: Was diese Lehre nun bedeutete und was nicht. Obwohl dieser Band bereits seine vierte Veröffentlichung mit gesammelten Predigten war, trug er keine entsprechende Nummer auf dem Titelblatt.. Nachfolgende Ausgaben der vorhergehenden Bände wurden weiterhin als dreibändige Einheit veröffentlicht. Trotzdem waren die Predigten in diesem Band vom selben Typus und demselben Gewicht wie diejenigen der vorangegangenen Bände.

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Zwei dieser Predigten fassten soteriologische Schlüssellehren zusammen, Erbsünde und Wiedergeburt. Letztere gab Wesley die Möglichkeit, eine interessante Ergänzung zu seiner älteren Abhandlung über die Taufe zu liefern. Er hatte über diesen Text (Johannes 3,7, „Ihr müsst von neuem geboren werden“) in den vorangegangen fünf Jahren mindestens fünfzig Mal gepredigt. In dieser veröffentlichten Fassung erkennt er noch einmal die Position der Kirche an, dass die Wiedergeburt mit der Taufe in Zusammenhang steht. Doch hier weist er darauf hin, dass diese Neugeburt das Sakrament nicht immer begleitet – ein Mensch mag aus Wasser geboren sein, doch nicht aus dem Geist. Wesley legt weiter dar, dass trotz der Neugeburt durch die Taufe die meisten Erwachsenen die Gnade, die sie durch die Taufe empfingen, durch die Sünde verscherzt haben und noch einmal geboren werden müssen. Äußere Heiligkeit genügt nicht: Gutes zu tun, Böses zu meiden und die Sakramente zu empfangen kann die Notwendigkeit innerer Heiligkeit, die aus dieser Neugeburt folgt, nicht ersetzen. Ohne die Position der Kirche zur Tauffrage zurückzuweisen, stellt Wesley in diesen beiden Predigten zu Erbsünde und Wiedergeburt die Grundlage für die charakteristische Sicht der Bekehrung in der Erweckungsbewegung dar. Als John Wesley im Januar 1760 in der umgestalteten West Street Chapel predigte, erinnerte er sich: „Als ich dieses [Gebäude] vor achtzehn Jahren übernahm, hätte ich kaum geglaubt, dass die Welt uns bis heute ertragen würde.“ Natürlich hatte er auch eine Erklärung dafür: „Die rechte Hand des Herrn hat die Macht behalten.“ Innerhalb von wenigen Monaten allerdings drohten Kontroversen bezüglich der Sakramente und der Vollkommenheit die Bewegung zu entzweien. Norwich stand wieder einmal im Mittelpunkt der Streitigkeiten. Im Februar entdeckten die Wesleys, dass drei der Prediger dort begonnen hatten, das Abendmahl auszuteilen. Mitunter hatte John darüber hinweggesehen, wenn Prediger als „Protestanten“ registriert wurden, so lange es klar war, dass sie das Sakrament nicht ohne ordentliche Ordination austeilen würden. Charles hatte seinen Widerstand gegen die Praxis der Lizenzierung deutlich zum Ausdruck gebracht; John Nelson schrieb er: „Statt dich als Pastor der Dissenter zu sehen, würde ich dich lieber in einem Sarg lächeln sehen“ (Church, 134). Einige der Prediger hörten nicht auf, das Argument vorzubringen, ihre pastorale Rolle in den Gesellschaften würde wichtiger, wenn sie das Sakrament austeilen könnten. Obwohl Wesley betonte, dass die Menschen regelmäßig das Abendmahl nehmen sollten, wollten viele Methodisten aus dem einen oder anderen Grund nicht in ihre Pfarrkirche gehen und versäumten so den Nutzen eines der wichtigsten Gnadenmittel. Die Gesellschaft in Norwich, die regen Kontakt mit Dissentern der Tabernakel-Gesellschaft pflegte, hatte ihre Prediger of-

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fenbar gedrängt, ihnen das Abendmahl auszuteilen, so wie es William Cudworth, ein registrierter Dissenter-Prediger (während der üblichen Gottesdienstzeit am Sonntagmorgen) im Tabernakel tat. Charles standen die Haare zu Berge, als er das hörte, vor allem, weil er entdeckte, dass John die Angelegenheit bis zur nächsten Konferenz aufgeschoben hatte, die erst in fünf Monaten stattfinden sollte.

Die West Street Chapel, 1743 angemietet, in den 1750er Jahren von den Methodisten renoviert.

Charles begann wieder einmal nach Unterstützern zu suchen, um die seiner Auffassung nach sichere Trennung von der Kirche zu vermeiden. Er legte die Schrift seines Bruders Reasons Against a Separation neu auf und fügte einen Abschnitt aus eigener Feder hinzu. Dieser sollte zusammen mit sieben Liedern jeden Verdacht zerstreuen, dass die Methodisten „ irgendeine Absicht hegten, sich jemals von der Kirche zu trennen“ (Societies, 341–349): And ne’er from England’s Church will move, Till torn away – to that above. Von Englands Kirche woll’n wir niemals weichen, bis wir die Kirche droben dann erreichen.

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William Grimshaw, der Charles wieder einmal zu Hilfe eilte, schrieb in einem Brief, dass es ihm nun reiche: „Zu deinen Zelten, o Israel! Es ist für mich an der Zeit, wegzugehen – jede Verbindung zu den Methodisten zu leugnen“ (Grimshaw, 256). Als Charles Grimshaws Brief vor der Londoner Gesellschaft verlas, „waren sie Feuer und Flamme“, was genau die Wirkung war, die er beabsichtigt hatte. Sie sprachen sich leidenschaftlich gegen lizenzierte Prediger aus und sagten, dass sie alle in der Kirche leben und sterben wollten. Auf der Konferenz von 1760, die in Bristol stattfand, wiederholte John die Position, die er zum ersten Mal in der Schrift „Ought We to Separate“ („Sollten wir uns trennen“, 1755) dargelegt hatte, dass nämlich die Austeilung der Sakramente Aufgabe des Pfarrers sei, im Unterschied zum Predigen, Weissagen und Evangelisieren. Als einige Prediger dann darauf drangen, sie zu ordinieren, bekräftigte er den Standpunkt, den Charles schon seit Jahren eingenommen hatte, dass nämlich dieses Vorgehen die Ablehnung der Kirche und ihrer Bischöfe bedeute und somit zur Trennung führen werde. Einige Prediger ließen nicht davon ab und behaupteten, dass sie de facto bereits Dissenter seien und ihnen dieser Schritt deswegen helfen würde, anderen Dissentern zu dienen. Die Wesleys jedoch hielten mit Howell Harris‘ Hilfe (der auf Charles‘ Einladung an der Konferenz teilnahm) an ihrem Widerstand gegen die Ordination und an ihrer Haltung fest, dass die Austeilung der Sakramente durch Laien unrechtmäßig sei. Obwohl John in der Auseinandersetzung mit den aufsässigen Predigern anfangs der Zurückhaltendere gewesen war, fand er zum Schluss kräftige Worte, wie Harris am nächsten Tag berichtete: „John ... sagte, er würde nicht ordinieren, und er sagte, dass wenn er nicht ordiniert wäre, er es einem Mord gleichsetzen würde, die Sakramente auszuteilen. Er brachte die Kritiker zum Schweigen, indem er sagte, er würde sich innerhalb einer Viertelstunde von ihnen lossagen, und dass sie die törichtsten und unwissendsten Teilnehmer der ganzen Konferenz seien“ (Beynon, 7983). Dieser entschiedene Standpunkt machte der offenen Forderung nach Ordination der Methodistenprediger ein Ende. Obwohl einige Prediger und Predigtstätten (unter Charles‘ Protest) weiterhin unter dem Act of Toleration registriert blieben, teilten die Prediger nicht die Sakramente aus. Und Grimshaw kehrte den Methodisten nicht den Rücken. Um ein interessantes ähnliches Problem ging es, als sechzehn Methodisten in Rolvenden in der Grafschaft Kent vorgeworfen wurde, im Bauernhaus von Thomas Osborne eine verbotene Zusammenkunft abgehalten zu haben. Ihnen wurde eine Geldstrafe von insgesamt dreiundvierzig Pfund auferlegt, darunter je zwanzig für den Hausei-

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gentümer und den Prediger John Morley. Bei den vierteljährlich stattfindenden Landgerichtstagen legten sie erfolglos Berufung ein, doch vor dem königlichen Gericht wurde das Urteil für nichtig erklärt (People, 47). John Wesley machte die Bedeutung dieser Entscheidung deutlich: „Wenn wir uns nicht anstrengen, könnte uns das in ein schlimmes Dilemma bringen – das Predigen zu lassen oder die Kirche zu verlassen. Wir haben Grund, Gott zu danken, dass es noch nicht soweit gekommen ist. Vielleicht wird es auch nie geschehen“ (JWL, 4: 99).

Die Kontroverse um die Vollkommenheit Wenn Wesley sich 1759 Sorgen machte, dass „sich eine Vielfalt von Meinungen einschleichen könnte“, dann hatte er ein, zwei Jahre darauf noch weitaus mehr Grund dazu. Die Streitigkeiten bezüglich der Legitimation, die Sakramente auszuteilen, dauerten an. Seinem Bruder Charles, der in dieser Zeit nicht sehr regelmäßig an den Konferenzen teilnahm, berichtete er von der Konferenz 1761: „Ich habe dir schon mitgeteilt, im Hinblick auf Norwich, dixi [ich habe gesprochen]. Auf der letzten Konferenz habe ich alles getan, was ich tun konnte oder zu tun wagte. Steh mir Gewissenfreiheit zu, wie ich auch dir.“ Auch die Frage nach der christlichen Vollkommenheit sorgte weiter für Unruhe. Sie wurde auf den jährlichen Konferenzen zu einem ständigen Thema. Einer der Prediger, Peter Jaco, schickte Charles ebenfalls einen Bericht von der Londoner Konferenz vom September 1761. Er berichtet über eine dort gefällte Entscheidung: „Es steht fest, dass die Bibel keinen Text enthält, der die Auffassung von augenblicklicher Vollkommenheit absolut stützt; dass es keinen Stand in der Welt gibt, der den darin befindlichen Menschen absolut von der Sünde ausnimmt, und dass sie deswegen Vorsicht walten lassen müssen etc.“ Die Notwendigkeit solcher Richtlinien ergab sich aus der wachsenden Anzahl von Methodisten, die um 1760 zu behaupten begonnen hatte, sie hätten die Gabe der christlichen Vollkommenheit empfangen. Wesley war von diesen geistlichen Behauptungen fasziniert, die seine seit langem vertretene Lehre zu bestätigen schienen, dass man von aller Sünde gereinigt werden (obwohl gewisse „Schwachheiten“ zurückbleiben konnten) und vor dem Tod die reine Liebe erfahren könne (J&D, 21: 240–241). Dieses „wunderbare Werk der Heiligung“ verbreitete sich in der gesamten methodistischen Gemeinschaft und hatte laut Wesleys Zeugnis eine kraftvolle Wirkung: „Wo immer das Werk der Heiligung zunahm, nahm auch das gesamte Wirken Gottes in allen seinen Zweigen zu. Viele wurden von Sünde über-

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führt, viele gerechtfertigt, viele, die in die Sünde zurückgefallen waren, geheilt.“ Die Londoner Gesellschaft selbst wuchs innerhalb von zwei Jahren von 2300 auf 2500 Mitglieder. Gottesdienste wie die jährliche Erneuerung des Bundes mit Gott am Neujahrstag in Spitalfields wurden 1762 nach Wesleys Zählung von fast zweitausend Mitgliedern der Gesellschaft besucht. Die Probleme begannen jedoch, als gewisse Prediger übertriebene Behauptungen aufstellten und extreme Lehren verbreiteten. Einige hatten behauptet, dass ein Mensch, bis er die Vollkommenheit erreicht hatte, unter Gottes Fluch und Verdammungsurteil stünde (JWL, 4: 10). Thomas Maxfield, einer von Wesleys ersten Laienpredigern, und George Bell, ein Soldat der königlichen Leibgarde, verursachten einige der ernsteren Probleme. Beide hatten die Lehre bis an ihre äußersten Grenzen vorangetrieben und behaupteten, dass der vollkommene Christ ohne Sünde sei und, einmal vollkommen, in diesem engelsgleichen Zustand verharren würde. Ihre Ansicht führte zu einer gefährlichen Kombination von rechthaberischer Unfehlbarkeit und einem extremen Antinomismus; die Menschen begannen zu glauben, dass diese beiden nicht sterben würden oder gegen jegliche Versuchung immun seien. Einige, darunter auch Bell, begannen Glaubensheilungen zu praktizieren und in Zungen zu sprechen. Als Wesley George Bell in einer Weise sprechen hörte, „als ob es von Gott sei“, er aber wusste, dass es nicht von Gott war, bat er ihn damit aufzuhören. Wesley begriff, dass er trotz der derzeitigen vielen guten Entwicklungen mehr „Sorge und Ärger“ in diesen wenigen Monaten erlebt hatte als in den vorangegangenen Jahren. Wesleys Brief an Maxfield vom November 1762 war wenig subtil formuliert, wenn überhaupt. Die Aussage war eindeutig: 1. 2.

3.

Mir gefällt Ihre Lehre von der Vollkommenheit oder reinen Liebe ... doch mir missfällt Ihre Annahme, der Mensch könne so vollkommen wie ein Engel sein. Was Ihren Geist betrifft, so gefällt mir Ihr Vertrauen auf Gott und Ihr Eifer, mit dem Sie sich um die Rettung von Seelen bemühen. Doch mir missfällt etwas, das den Anschein des Hochmuts hat, dass Sie sich überschätzen und andere unterschätzen, vor allem die Prediger... Was das äußere Verhalten angeht, gefällt mir die allgemeine Ausrichtung Ihres Lebens, dass Sie sich Gott hingegeben haben und Gutes tun. Doch mir missfällt, dass Sie manche Banden- oder Gesellschaftsregeln missachten, mögen es auch die unwichtigsten sein, und dass Sie manches tun, was andere davon abhalten könnte, sich genau nach ihnen zu richten.

Maxfield und seine Freunde ließen sich von Wesleys Kommentaren nicht beeindrucken und schlitterten noch weiter in den Fanatismus hinein. Im Januar 1763 verkündete George Bell, das Ende der Welt würde im folgenden Monat, am 28. Februar, kommen. Wesleys Ver-

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such, Bell von seinen Fehlern zu überzeugen, scheiterte – er war so „unbewegt wie ein Felsbrocken“. Maxfield reagierte, indem er dafür betete, Wesleys Herz „möge zur vollen Freiheit finden“, dass er die Dinge in einem neuen Licht sehe (vermutlich im gleichen Licht wie Maxfield). Die Krise spitzte sich am 25. Januar zu, als ein weibliches Mitglied der Gießerei-Gesellschaft Wesley ihre Klassenkarte sowie die Karten ihrer Familienangehörigen vor die Füße warf und verkündete, dass sie sich nicht länger zwei verschiedene Lehren anhören wollten. Wesley schrieb Maxfield und legte ihm die Trennung nahe, weil er dem widersprochen hatte, was die Wesleys von Anfang an über die Vollkommenheit gelehrt hatten, vor allen Dingen die Notwendigkeit des ständigen Wachstums in der Gnade. Innerhalb von wenigen Tagen begann Maxfield, sich mit seinen Anhängern ohne die Wesleys zu treffen. Diese unruhige Zeit lieferte auch den Anlass zu einem der eher subtilen Versuche John Wesleys, einen Scherz zu machen. Fenwick, der in den 1750er Jahren mit den Wesleys umhergereist war, beschwerte sich oft, dass er niemals in den veröffentlichten Tagebuchauszügen der Wesleys erwähnt werde, die alle drei bis vier Jahre erschienen. Nun ergab es sich so, dass Fenwick im Februar 1760 aus der Gießerei-Gesellschaft ausgeschlossen wurde. Im darauf folgenden Jahr veröffentlichte Wesley die Tagebuchauszüge für die Jahre 1755 bis 1758 und erwähnte Fenwick hier zum ersten Mal: „[25. Juli 1757] Ich verließ Epworth sehr zufrieden und predigte um etwa ein Uhr in Clayworth. Ich glaube, dass niemand unbewegt blieb, bis auf Michael Fenwick, der unter einem angrenzenden Heuhaufen in einen festen Schlaf fiel.“ Nicht gerade die Art von Beachtung, die sich der junge Mann so sehr gewünscht hatte!

Maßstäbe für die Einheit Der Aufruhr in der Frage nach der christlichen Vollkommenheit und das vor sich hin gärende Problem, dass durch Maxfields Auszug verursacht worden war, garantierten, dass 1763 eine lebhafte und wichtige Konferenz bevorstand. Obwohl keine offiziellen Protokolle erhalten blieben, sind wir durch Berichte von zwei oder drei Teilnehmern zumindest teilweise im Bilde. Am ersten Tag predigte Wesley, der niemals vor einer Herausforderung zurückschreckte, über christliche Vollkommenheit (wie man es wohl erwarten konnte). Einige Prediger litten offenbar immer noch unter seinem strengen Regiment. Howell Harris, der der Konferenz beiwohnte, trat der ausbrechenden Unzufriedenheit entgegen, indem er öffentlich den Kommentar abgab: „Wenn Mr. Wesley irgendwann seine Macht missbrauchen sollte, wer

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wird für ihn weinen, wenn es seine eigenen Kinder nicht tun!“ Nach John Pawsons Darstellung, der bei dieser Gelegenheit anwesend war, zeitigten diese einfachen Worte eine erstaunliche Wirkung auf die Prediger, die „alle in Tränen ausbrachen, auf jeder Seite, und diese Angelegenheit ganz fallen ließen.“ In einer wichtigen Frage behielten die Prediger die Oberhand über Wesley mit seinen natürlichen Vorurteilen gegen Pensionen. Zu dieser Zeit wurden aus einigen Sonder-Fonds auf Bezirks- und Landesebene die Schule von Kingswood unterstützt, Notmaßnahmen für bedürftige Gesellschaften finanziert, Baumaßnahmen bezahlt und die Reisespesen für die Prediger getragen. 1761 wurde eine jährliche Sammlung ins Leben gerufen, „zu der jeder Methodist in England etwas beitragen sollte“ (wobei man sich die zwei Scherflein der Witwe ins Gedächtnis rief). Dieser allgemeine Fonds wurde in erster Linie benutzt, um Schulden zu begleichen, die man beim Bau von Predigtstätten gemacht hatte und die sich auf etwa 4.000 Pfund beliefen. Zwei Jahre später wurde auf der Konferenz ein neuer Fonds, der sogenannte Prediger-Fonds, eingerichtet, um Pensionen für „erschöpfte“ Prediger, ihre Witwen und Kinder bezahlen zu können. Pawson bemerkte, dass Wesley es für „weltliche und nicht christliche Vorsicht hielt, für einen Regentag vorzusorgen, und doch stimmte er zu.“ Trotz des Chaos im Vorfeld dieser Konferenz ging das Treffen in „Liebe und Schlichtheit“ voran, um Howell Harris‘ Worte zu gebrauchen. Wesley selbst bemerkte, es sei „ein großer Segen, dass wir Frieden untereinander hatten, während sich so viele zur Schlacht bereit machten“ (J&D, 21: 421). Wesley scheint außerdem entschieden zu haben, dass es der richtige Zeitpunkt wäre, eine weitere, revidierte Fassung der bereits veröffentlichten Minutes herauszubringen. Die erste Ausgabe von 1749, die in zwei Heften erschien, die beide den Titel Minutes of Some Late Conversations („Protokolle einiger kürzlich geführter Gespräche“) trugen, enthielt Material zu Lehr- und Ordnungsfragen der frühen Konferenzen. Diese wurden um 1753 revidiert und zu einer sechzehnseitigen Broschüre verbunden, die den Titel Minutes of Several Conversations („Protokolle einiger Gespräche“) trug und eine aktualisierte Auswahl einiger Hauptpunkte in Lehr- und Leitungsfragen für die gesamte methodistische Gemeinschaft enthielt. 1763 nun revidierte und erweiterte Wesley dieses Dokument noch einmal und fügte viele der Themen ein, die auf den Konferenzen der vorangegangenen zehn Jahre diskutiert worden waren (die Protokolle dieser jährlichen Konferenzen waren noch nicht veröffentlicht worden). Dieses neue Handbuch, von dem die Prediger nach erfolgreich bestandener Prüfung bei der Konferenz ein Exemplar mit Widmung erhielten, wurde unter der Bezeichnung „Large Minutes“ („Große Protokolle“)

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bekannt, da es die wichtigeren Protokolle „mehrerer Gespräche“ (d.h. Konferenzen) enthielt. Dass diese Veröffentlichung zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Entwicklung der Bewegung erschien, geschah wie vieles Andere in Wesleys Methodismus nicht zufällig. Die Frage nach der Einheit in Lehrfragen zu zentralen Themen hatte in den nahezu fünfundzwanzig Jahren der Erweckungsbewegung fast immer eine Rolle gespielt. Die Wesleys hatten versucht, durch persönlichen Kontakt und öffentliche Streitgespräche mit Kritikern, Diskussionen auf den alljährlichen Konferenzen und die jährliche Predigerexamination auf eine Einheit in Lehrfragen hinzuarbeiten. John hatte Tutorien und Veröffentlichungen beigesteuert, gelobt und getadelt. Es war gerade das Wesen der Erweckungsbewegung mit ihrer recht toleranten Interaktion zwischen unterschiedlichen Menschen und Vorstellungen, das zu komplizierten Spannungen geführt hatte. Darunter muss den Kontroversen bezüglich der Lehre große Bedeutung beigemessen werden. Die Situation hatte zu Examinierungen und Sichtungen der Predigerschaft geführt. Einigen Predigern war nun der Zutritt zu den methodistischen Gesellschaften verwehrt, weil sie Lehren verbreiteten, die im Widerspruch zu den Wesleyanischen Lehren standen. Die andauernden Streitigkeiten um Sakrament und Vollkommenheit veranlassten Wesley nun, besondere Maßnahmen zu erwägen, um die methodistischen Predigtstätten davor zu bewahren, von Menschen benutzt zu werden, die seiner Lehre widersprachen. Im Laufe der vorangegangenen zehn Jahre hatte John gehofft, dass die Veröffentlichung seines Bibelkommentars Erklärende Anmerkungen zum Neuen Testament seinen Predigern Hilfestellung in Lehrfragen geben würde. Die erste Auflage war 1755 schneller vorbereitet worden, als die Wesleys gehofft hatten. Die zweite Auflage im folgenden Jahr war im Wesentlichen ein Nachdruck, nur dass man die Korrekturen der Errata nun in den Text übernommen hatte. 1760 jedoch nahmen er und Charles eine tiefere Revision des Textes in Angriff, arbeiteten am Bibeltext und erweiterten die Anmerkungen. Sie vollendeten die Neuausgabe 1762, und zusammen mit dem Predigtsammelband Sermons on Several Occasions, den John veröffentlicht hatte (vier Bände bis 1760), gaben sie den Predigern grundlegende Richtlinien in Lehrfragen an die Hand. Im Spätsommer 1763 hatte Wesley diese beiden Werke als Maßstab richtiger methodistischer Lehre fest verankert. Ein Mittel auf dem Weg zu diesem Ziel bestand in einem Vertragsformular, das sie zur Regelung der Eigentumsrechte an den Predigtstätten benutzten, eine „Model Deed“ (Modell-Urkunde). Die „großen“ Protokolle dieses Jahres enthalten das vorgeschriebene Vertragsformular, das von den Ge-

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sellschaften zu benutzen war (Datum, Name der örtlichen Verwalter usw., je nach örtlichen Gegebenheiten auszufüllen). Eine entscheidende Bestimmung unter den Vertragsartikeln sah vor, dass die Treuhänder John Wesley „und solchen anderen Personen, die er von Zeit zu Zeit bestimmen wird, und jederzeit während seines natürlichen Lebens, und keinen anderen Personen, gestatten sollen, besagte Immobilie kostenfrei zu nutzen“, damit sie „darin Gottes heiliges Wort predigen und auslegen“. Dies gewährte nur den Predigern Zugang zur Kanzel, die Wesley bestätigt hatte. Eine besondere Klausel setzte die Grenzen ihrer Predigttätigkeit fest: „Immer vorausgesetzt, dass besagte Personen keine andere Lehre predigen als die, die in Mr. Wesleys Anmerkungen zum Neuen Testament und den vier gesammelten Predigtbänden enthalten ist.“ Durch diesen Vorbehalt wurden die gesammelten Predigten und die Anmerkungen die „Doctrinal Standards“ (Maßstab der Lehre) für die methodistischen Prediger. Verständlicherweise entschloss sich Wesley, die homiletischen Grenzen für seine (weder ausgebildeten noch ordinierten) Laienprediger in etwa so zu ziehen, wie die Kirche von England die Aufgabe der weder ausgebildeten noch ordinierten Kuraten darauf beschränkte, aus dem Homilienbuch vorzulesen (ohne Ausschmückungen oder Auslassungen). Diese Methode diente dazu, die Menschen vor nicht orthodoxen Lehren zu bewahren. Der Maßstab in Lehrfragen für die Kirche von England waren die neununddreißig Artikel („Articles of Religion“), die die Grundlage für die Predigten der ausgebildeten, ordinierten Pfarrer darstellten, denen es erlaubt war, ihre eigenen Predigten zu verfassen. Von den Pfarrern erwartete man natürlich, dass sie keine Lehren verkündeten, die im Widerspruch zu den neununddreißig Artikeln standen, aber sie konnten (im Gegensatz zu den Kuraten) das Homilienbuch einfach als Vorlage für ihre eigenen Predigten betrachten, nicht als Grenze. Wesley beharrte darauf, dass die Methodisten nur das lehrten, was in den neununddreißig Artikeln, den Homilien und dem Book of Common Prayer stand und dass er nur „widerwillig davon abweichen“ würde. Doch diese Dokumente ließen immer noch einen großen Spielraum für verschiedene Schwerpunktsetzungen und Interpretationen. Was seine eigene Bewegung betraf, so entschied sich Wesley, seinen Predigern durch die Lehren Grenzen zu setzen, die in einem vorgegebenen Materialfundus (den Predigtbänden und den Anmerkungen) enthalten waren. Dieser sollte den Predigern helfen, die richtigen Schwerpunkte zu setzen, und eine entschieden methodistische Perspektive sicherstellen.

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Die methodistische Mission und die Kirche Eine der frühesten Fragen in den „Großen“ Konferenzprotokollen fasste Wesleys Sicht vom Auftrag der Methodisten zusammen: „Frage: Was ist einer vernünftigen Einschätzung zufolge Gottes Plan, wenn er die Prediger, die man Methodisten nennt, beruft? Antwort: Das ganze Land und im Besonderen die Kirche zu reformieren; schriftgemäße Heiligkeit im ganzen Land zu verbreiten.“ Und eine der letzten Fragen gab Wesley die Möglichkeit, in knapper Form einen Ratschlag zu formulieren, wie man gute Beziehungen zur Kirche von England aufrechterhalten könne, die er zu reformieren versuchte: (1) Alle unsere Prediger sollen zur Kirche gehen. (2) Alle unsere Leute sollen regelmäßig gehen. (3) Das Sakrament bei jeder Gelegenheit empfangen. (4) Vor aller kleinlichen Kritik beim Hören warnen, einem großen und vorherrschenden Übel. (5) Sie gleichermaßen davor warnen, die Gebete der Kirche zu verachten. (6) Und davor, unsere Gesellschaft eine Kirche oder die Kirche zu nennen. (7) Davor, unsere Prediger Pfarrer zu nennen, unsere Häuser Versammlungshäuser zu nennen (man soll sie einfach Predigthäuser nennen). (9) Sie nicht als solche zu lizenzieren.

Trotz Wesleys Versuchen, die Geistlichen in seine Bewegung einzubinden, scheint die Debatte über christliche Vollkommenheit einige, die der Bewegung nahegestanden hatten, eher abgeschreckt zu haben, wie etwa Martin Madan, Thomas Haweis und John Berridge. Diese Auseinandersetzung trieb auch einen Keil zwischen Whitefield und Wesley. Whitefields Neigung, die Notwendigkeit der Heiligung und des geistlichen Wachstums herunterzuspielen, provozierte Wesley zu kaum verschleierten Angriffen in seinem Journal, wie zum Beispiel der Bemerkung vom August 1763 zu den Zuständen in Pembrokeshire, einem Gebiet, für das Whitefield zuständig war: „Wie viele Predigten wurden in den letzten zwanzig Jahren in ganz Pembrokeshire gehalten! Doch wurden keine ordentlichen Gesellschaften gegründet, keine Disziplin, keine Ordnung eingehalten und keine Verbindungen zu den anderen Methodisten unterhalten; die Folge davon ist, dass neun von zehn ehemals Erweckten nun tiefer schlafen als jemals zuvor.“ Wesley hielt an seiner Vision eines Methodismus fest, der mit den Geistlichen Hand in Hand zusammenarbeitete, um die Kirche neu zu beleben. 1762 hatte er einige Geistliche eingeladen, an der jährlichen Konferenz in Leeds teilzunehmen. Drei oder vier nahmen die Einladung an. Am letzten Tag der Konferenz von 1763 stimmten die Wesleys einem Treffen mit einigen Geistlichen und zwei Herrnhuter Bischöfen zu, um dafür zu werben, ihre Bestrebungen zu bündeln (Howell Harris hatte die Herrnhuter zu diesem Treffen gedrängt). Es gibt keine Unterlagen, die uns verraten, ob sie Erfolg hatten. Im März 1764

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traf er sich erneut mit einigen „ernsthaften“ Geistlichen und versuchte wieder, für eine Vereinigung aller derer zu werben, die „jene grundlegenden Wahrheiten [predigen], Erbsünde und Rechtfertigung durch den Glauben, die innere und äußere Heiligkeit hervorbringt“. Schon früher hatte er diese drei „großen biblischen Wahrheiten“ als die Hauptlehren des Methodismus bezeichnet; sie stellten für ihn weiterhin den Rahmen für seinen ökumenischen Ruf nach Neubelebung dar. Im April 1764 verfasste er einen Rundbrief an etwa drei Dutzend evangelikal gesinnte Geistliche der anglikanischen Kirche, von denen er glaubte, dass sie einer Union auf der Grundlage dieser drei wesentlichen Lehren zustimmen könnten. Sein Vorschlag brachte nur ein vielsagendes Schweigen hervor. Nur drei von ihnen antworten, und ihre Briefe waren in einem skeptischen, wenn nicht sogar feindseligen Ton gehalten. Wesley schätzte die Situation genau so ein wie im vorangegangenen Monat: „Gottes Zeit ist noch nicht ganz gekommen“ (J&D, 21: 444). Als Georg III. 1760 den Thron bestieg, hatten manche Veränderungen im religiösen Leben erwartet, die sich positiv auf die evangelikal Gesinnten in der anglikanischen Kirche auswirken könnten; doch es schien sich nichts dergleichen anzubahnen. Davon unbeeindruckt lud Wesley wieder evangelikale Geistliche zu seiner Konferenz im August 1764 ein: Ein Versuch, ein „gutes Einvernehmen mit unseren Brüdern unter den Geistlichen [zu erreichen], die sich von Herzen dafür einsetzen, eine lebendige Religion zu verkünden“ (J&D, 21: 485). Zwölf Geistliche nahmen teil. Die lebhaft diskutierte Frage, die aufkam, war, ob methodistische Prediger aus den Gemeinden der evangelikal gesinnten Geistlichen abgezogen werden sollten oder nicht. Die Konferenz hatte 1760 beschlossen, dass die Methodisten ihre Bemühungen darauf konzentrieren sollten, dort Gesellschaften aufzubauen, wo es keinen „Dienst am Evangelium“ gab. Huddersfield wurde zum Testfall für die unvermeidlichen Komplikationen, als 1761 der evangelikal gesinnte anglikanische Priester Henry Venn dort seinen Dienst antrat. Wesley wies seine Prediger an, die Gesellschaft in diesem Gemeindebezirk nur noch einmal monatlich aufzusuchen, und zog sie 1762 völlig ab. Jetzt, im Jahr 1764, unterstützte Charles Wesley die Geistlichen in ihrer Forderung, dass die Methodisten an solchen Orten überhaupt nicht predigen sollten. John Pawson, der sehr wie der junge Wesley klang, sagte, dass er mit gleichem Recht dort predigen und niemanden um Erlaubnis bitten würde. John Fletcher meinte, dass ihn Methodistenprediger in seinem Gemeindebezirk nicht beunruhigen würden. John Wesley schlug sich mehr oder weniger auf diese Seite, weil er keine Gesellschaft aufgeben wollte, die in einem Gemeindebezirk gegründet worden war, wo eines Tages ein ihnen freundlich gesinnter Geistlicher seinen Dienst

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aufnehmen würde. Trotzdem machte er eine einzige Ausnahme und verlängerte das Verbot für Huddersfield für ein weiteres Jahr. Eine Schwierigkeit, wenn man das Verhältnis zwischen Kirche und Erweckungsbewegung beschreiben will, liegt darin, dass der Begriff „Methodist“ für sehr unterschiedliche Personen und Gruppierungen verwendet wurde. Manche der sympathisierenden Geistlichen wurden hin und wieder als Methodisten bezeichnet; Whitefield und seine Anhänger waren Methodisten; einige Dissenter, die ähnliche Anliegen hatten, wurden Methodisten genannt. 1765 veröffentlichte Wesley eine Kurze Geschichte der Methodisten (Short History of the Methodists) in dem Bestreben, „die verschiedenen Berichte zusammenzustellen“, die von den „so genannten Methodisten“ in Umlauf waren. Er wies darauf hin, dass einige dieser Berichte weit hergeholt waren, so wie das unter den Iren kolportierte Gerücht, die Methodisten seien „die Leute, die ihre ganze Religion darin zum Ausdruck bringen, dass sie lange Bärte tragen“. Nach einer kurzen Schilderung der methodistischen Ursprünge in Oxford und Georgia beschreibt Wesley, wie sich Whitefield wegen der unterschiedlichen Auffassung zur Prädestination „völlig von ihnen trennte“. Dann wiederum trennten sich Cudworth und James Relly als Vertreter des Antinomismus von Whitefield. Bald traten andere Geistliche in der Kirche von England auf, die die „Errettung durch den Glauben“ predigten. Doch einige Prediger

Das Predigthaus in Heptonstall, ein achteckiges Gebäude, das von Wesley als Vorbild hingestellt wurde.

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wie zum Beispiel Bell oder Maxfield trennten sich wegen der Frage nach der Vollkommenheit von den Wesleys. Das Bild, das Wesley in diesem Geschichtsabriss malt, ist eindeutig: Nicht alle, die sich Methodisten nennen oder Methodisten genannt werden, stehen mit Wesley in Verbindung. Zu dieser Zeit, so erklärt er, sind die meisten, die an seiner Seite geblieben sind, „Männer der Kirche von England“, die „ihre Artikel, ihre Homilien, ihre Liturgie und ihre Disziplin lieben“. Sie predigen die Errettung durch den Glauben und „streben danach, so zu leben, wie sie es predigen, und schlichte Bibelchristen zu sein.“ Nachdem fast zwei Drittel des Jahrhunderts verstrichen waren, stellte sich der Methodismus als völlig anderes Phänomen dar als noch zwei Jahrzehnte zuvor. Es gab nun über dreißig Bezirke in England, Wales, Irland und Schottland. Die Reiseprediger, von denen es fast einhundert gab, waren durch das Feuer der öffentlichen Proteste durch den Mob gegangen und hatten die jährliche Prüfung durch die Wesleys überlebt. Die Gesellschaften hatten über zwanzigtausend Mitglieder, immer noch eine relativ kleine Zahl (kaum 0,2 % der Gesamtbevölkerung), doch ihre Anzahl wuchs um etwa eintausend Mitglieder pro Jahr. Sie unterschieden sich in vielen Fällen deutlich von ihren frühen Vorläufern. Die Disziplin, mit der sie danach strebten, ein christliches Leben zu führen, hatte in vielen der methodistischen Predigthäuser eine sauberere, gebildetere Versammlung von sozialen Aufsteigern entstehen lassen. Wesley fand sich in der misslichen Lage wieder, dass die Methodisten Wohlstand anhäuften und teure Kleidung trugen. Selbst die Predigthäuser begannen auf ein besseres Publikum hinzudeuten, wie das Steingebäude, das 1764 in Heptonstall errichtet wurde und dessen achteckiger Grundriss ein ungewöhnliches architektonisches Vorbild abgab. Zwei seiner Abhandlungen in der 1760 veröffentlichten Predigtsammlung hatten die beiden Probleme angesprochen, die mit dieser Entwicklung verknüpft waren: Wohlstand und Prahlerei. In seiner Predigt „Über den Gebrauch des Geldes“ stellte Wesley die Grundlage seines privaten Finanzgebarens als allgemeines christliches Wirtschaftsprinzip vor. Er hatte schon seit langem gegen die übermäßige Anhäufung von Wohlstand gepredigt. Doch hier erklärte er die gesamte Formel: Verdiene, soviel du kannst, spare, soviel du kannst, und (am wichtigsten) gib, soviel du kannst, das heißt, gib Gott alles, was du hast. Während dieses Prinzip erlaubte, angemessen für die notwendigen Dinge des Lebens zu sorgen, sollte alles andere dafür aufgewendet werden, um dem Nächsten zu helfen. Wesleys Abhandlung „Advice to the People Called Methodists with Regard to Dress“ („Ratschlag an die so genannten Methodisten im Hinblick auf Kleidung“) erwuchs ganz natürlich aus demselben

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Anliegen (JWW, 11: 466–477). Er legt dar, dass er bereits in seiner Zeit in Georgia davon abgeraten hatte, den „Leib zu schmücken“. Er rät zu Sauberkeit, Schlichtheit und Bescheidenheit in der äußeren Erscheinung. Seine Vorstellung ähnelt der der Quäker. Daraus ergab sich unter anderem, dass selbst die Armen versuchen sollten, sich möglichst sauber zu halten, denn „Sauberkeit ist ein wichtiger Aspekt der Genügsamkeit“. Schließlich, so sagt er, sei es besser, kostbare Kleidung zu verbrennen oder wegzuwerfen, als sie zu tragen und damit die Seele in Gefahr zu bringen. Doch diejenigen, die treue Verwalter sein wollten, würden sie eher verkaufen und das Geld denen geben, die Not litten. Die Schlussgedanken sind typisch wesleyanisch: Wenn du diejenigen, die in deinem eigenen Haus leben, mit allem versorgt hast, was sie zum Leben und zur Gottesfurcht brauchen, dann kleide den Nackten, hilf dem Kranken, dem Gefangenen, dem Fremden mit allem, was du hast. Dann wird Gott dich in Gegenwart von Engeln und Menschen mit Ruhm und Ehre kleiden.

Wie wir gesehen haben, gingen Wachstum und Entwicklung des Methodismus nicht ohne Spannungen und Probleme ab. Als Wesley 1763 die Gesellschaft in Norwich besuchte, befand er es für notwendig, ihrer Praxis, am Sonntagmorgen zur Gottesdienstzeit der anglikanischen Kirche eine Versammlung abzuhalten, sofort Einhalt zu gebieten. Wieder einmal bekamen sie einen schroffen Kommentar zu hören: „Viele Jahre habe ich mit dieser Gesellschaft mehr Ärger gehabt als mit der Hälfte aller Gesellschaften in England zusammengenommen. Mit Gottes Hilfe will ich es noch ein Jahr mit euch versuchen und hoffe, dass ihr bessere Frucht hervorbringt“ (J&D, 21: 434). Fast immer war er bereit, seinen Leuten noch eine Chance zu geben. John war nun Anfang Sechzig und damit in einem Alter, in dem viele seiner früheren Gefährten bereits gestorben waren. Er dagegen gab einer lebendigen und bunten Gruppe enthusiastischer Christen Gestalt, Richtung und Disziplin. Er hatte ihnen eine Botschaft der Hoffnung, geistliches Wachstum in der Gemeinschaft und ein Vorbild für geistliche Disziplin geschenkt. Um sein Programm in die Tat umzusetzen, hatte er praktische Richtlinien in Form von Regeln, Maßstäben und Strukturen entwickelt. Viele Methodisten legten mehr oder weniger denselben Geist an den Tag, ohne immer das Wesen und die Grenzen seines Engagements für eine Mission zu würdigen, die das „ganze Land, insbesondere die Kirche“ reformieren sollte. John selbst konnte entweder nicht erkennen oder weigerte sich zuzugeben, was vielen anderen, darunter auch Charles, völlig klar war: Die charakteristischen Züge des Methodismus, in denen sich seine Reformmethoden verkörperten, waren genau die Züge, die den so genannten Methodisten eine unverwechselbare Identität schenkten und sehr wahrscheinlich den Druck für eine Trennung von der Kirche

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John Wesley (1765), Portrait von Nathaniel Hone.

verstärken würden. In dieser Phase, in der sich viele der genannten charakteristischen Züge ausprägten, sahen sich die Wesleys in der Trennungsfrage einem immensen Druck ausgesetzt. Auch wenn sie viele solcher Krisen erfolgreich bewältigt hatten, wussten sie, dass die Zukunft ähnliche Herausforderungen mit sich bringen würde.

Die Herausbildung einer eigenen Theologie Mit Mitte Sechzig reflektierte Wesleys noch einmal die Prioritäten, die er in seinem Leben gesetzt hatte, und bemerkte: „Ich war immer der Meinung, dass etwas Verehrungswürdiges in Menschen steckt, die vom Alter ausgezehrt sind, besonders wenn sie noch bei klarem Verstand sind und auf Gottes Wegen wandeln“ (J&D, 22: 157). Selbst als

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seine Oxforder Zeit schon lange hinter ihm lag, konnte er seine Gelehrtenrobe nie völlig abwerfen. Immer noch hegte er die Liebe zum Lernen und betonte gleichzeitig die Notwendigkeit der Heiligkeit. Diese doppelte Schwerpunktsetzung kommt vielleicht am besten in den Wortes des Kinderliedes „At the Opening of a School in Kingswood“ („Bei der Eröffnung einer Schule in Kingswood“) zum Ausdruck, das Charles Wesley nicht lange zuvor veröffentlicht hatte: „Vereint das Paar, so lang getrennt, / Wissen und lebendige Frömmigkeit“ (Collections, 644). Wie John diese wesentliche Verbindung in seiner persönlichen Art formuliert und Charles sie poetisch ausgedrückt hatte, stand sie in großen Buchstaben über der gesamten Verbindung, was die Verflechtung von Lehre und Disziplin anging. Wie einfach die Methodisten auch waren, wie ungelehrt ihre Prediger – die Wesleys fanden immer einen Weg, ihnen die Glaubenslehre zu vermitteln und zugleich ihre Frömmigkeit zu fördern. Auf der Konferenz von 1765 fügte John Wesley eine knapp gefasste Geschichte der Methodisten in das Protokoll ein, die die Kurze Geschichte, die er im selben Jahr veröffentlicht hatte, zusammenfasste. Der Abriss beginnt mit einer Szene, in der John und Charles 1729 die Bibel lesen. Sie „sahen darin innere und äußere Heiligkeit, folgten ihr nach und steckten andere an, es ebenfalls zu tun“. Doch die Geschichte der anfänglichen Verbreitung des Methodismus geht weiter mit den Herausforderungen des Calvinismus, des Antinomismus und der Verweltlichung, die wiederum zur groben Vernachlässigung von Pflichten führt, insbesondere in der Kindererziehung. Er fährt fort: „Dies wird von den Predigern nicht kuriert. Entweder haben sie nicht genug Licht oder nicht genug Gewicht. Doch dem Mangel daran mag in gewissem Maß durch die öffentliche Verlesung der Predigten an jedem Ort abgeholfen werden, besonders derer des vierten Bandes, der ihnen die Arznei liefert, die zu der Krankheit passt“ (Minutes, 51– 52). Diese Bekräftigung der Bedeutung der Predigten in Lehrfragen, die in der Modellurkunde festgeschrieben wurde, betont darüber hinaus in recht ungewöhnlicher Weise die Abhandlungen zu Bildung und Erziehung im vierten Band. Gleichzeitig verfasste Wesley neue Predigten, die einige der Probleme anschnitten, die von seinen Anhängern und Gegnern aufgeworfen worden waren. Einer der Meilensteine in Wesleys Predigtrepertoire wurde 1765 veröffentlicht. „Der schriftgemäße Weg zum Heil“ („The Scripture Way to Salvation“) signalisiert den Beginn der Reifezeit seiner Theologie, die er sich in den Jahren der Spannung und Kontroversen erarbeitet hatte. Sie stellt die vielleicht beste einzelne homiletische Zusammenfassung seiner Soteriologie oder Lehre von der Errettung dar (Sermons, 2: 153–169). Er hatte über diesen Text,

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Epheser 2,8, bereits über vierzig Mal gepredigt und bereits eine frühe Predigt, „Heil durch den Glauben“ (Salvation by Faith), veröffentlicht. Doch in den vorangegangenen zehn Jahren hatte man die außergewöhnlich verunsichernden Kontroversen miterlebt, die von Maxfield, Bell und anderen Calvinisten sowie Antinomisten angezettelt worden waren, die Wesleys Auffassung von Rechtfertigung und Heiligung in Frage stellten. Nun, da er den Glauben und den „Weg des Heils“ noch einmal durchdenkt, wiederholt Wesley kurz und prägnant seine Betonung der Gnade – zuvorkommend, überführend, rechtfertigend, heiligend – und unterstreicht nachdrücklich den damit zusammenhängenden Akzent auf der Notwendigkeit guter Werke. Die einzelnen Punkte dieser veröffentlichten Predigt liefern praktisch ein Profil von Wesleys wichtigsten Predigtthemen, und zwar im Rahmen seiner Auffassung, dass Heil nicht bedeutet, ewige Glückseligkeit zu erlangen oder „in den Himmel zu kommen“, sondern das umfassende Wirken Gottes im einzelnen Menschen, „vom ersten Dämmern der Gnade in der Seele, bis sie in der Herrlichkeit vollendet wird“. Die zuvorkommende Gnade führt dazu, dass man von der Sünde überführt wird, und das wiederum führt zur rechtschaffenen Frucht der Buße. Glaube ist die einzige Bedingung, die für Gottes Vergebung oder Rechtfertigung unmittelbar notwendig ist. Rechtfertigung ist das Werk Christi, das zu einer relativen Veränderung des Einzelnen führt, die ihm dann „als Gerechtigkeit angerechnet wird“. Gleichzeitig findet eine Neugeburt statt. Mit ihr nimmt die Heiligung ihren Anfang, das Wirken des Heiligen Geistes, der eine wirkliche Veränderung im Einzelnen herbeiführt, der damit den Prozess beginnt, in dessen Verlauf er tatsächlich gerecht oder heilig wird. Wenn der Gläubige nun „von Gnade zu Gnade“ wandelt, ist die völlige Heiligung das Ziel – „vollständige Errettung von all unseren Sünden“. Diese christliche Vollkommenheit oder vollkommene Liebe „erfüllt den ganzen Raum unserer Seele“ und schließt darum jede Sünde aus: „Denn solange Liebe unser ganzes Herz erfüllt, welchen Raum hat dann noch die Sünde darin?“ Dieses Ziel, vollkommen in der Liebe zu werden, ist noch genau dasselbe, das fünfunddreißig Jahre zuvor in der meditativen Frömmigkeit der Oxford-Methodisten zum Ausdruck kam (M&M, 100–104). Nur in Einzelheiten wurden einige Änderungen vorgenommen. Als John diese via salutis darlegt, sein Verständnis des geistlichen Wegs, kommt er wieder auf einige der in den vorangegangenen dreißig Jahren kontrovers diskutierten Punkte zu sprechen, indem er seine Schlussfolgerungen wiederholt. Er wendet sich gegen die allzu schlichte Auffassung eines „Glaubens durch Zugehörigkeit“ zur Kirche, wie sie von vielen Anglikanern vertreten wurde. Er behauptet,

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dass Glauben notwendigerweise die Gewissheit oder Überzeugung beinhaltet, dass „Christus mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“. Der Heilige Geist bezeugt dem Geist des/der Gläubigen, dass er/sie ein Kind Gottes ist. Wesley stellt die Auffassung in Frage, bußfertiger Glaube allein reiche für die Rechtfertigung aus, indem er zeigt, dass „die rechtschaffene Frucht der Buße im gewissen Sinn notwendig für die Rechtfertigung ist“ – nicht im selben Sinn und im selben Maß wie der Glaube, doch nichtsdestoweniger notwendig, wenn der Gläubige Zeit und Gelegenheit hat. Glaube ist die einzige und unmittelbare Bedingung; gute Werke jedoch sind eine bedingte und nachgeordnete Notwendigkeit. Wesley hat wiederum die Calvinisten im Blick, wenn er nicht nur feststellt, dass allen Gerechtfertigten aufgetragen ist, „eifrig gute Werke“ der Barmherzigkeit und Frömmigkeit zu tun, sondern auch, dass Buße nach der Rechtfertigung ebenso notwendig ist wie vorher – hier gilt nicht der Satz „Einmal gerettet, immer gerettet“! Das Überführtsein von irgendeiner Sünde, die noch in einem Herzen sitzt, das „zum Rückfall in die Sünde neigt“ oder sich in den Worten und Taten eines Gläubigen festsetzt, bringt es mit sich, dass man sich täglich neu auf Gottes Gnade verlässt. Die Befreiung von der Sünde kann allmählich geschehen oder auch in einem Augenblick, wie es Gott gefällt. Dieses Thema führt naturgemäß zum Höhepunkt dieser bedeutenden Predigt über Errettung, einem eindrücklichen Appell an den Leser (recht ungewöhnlich für seine veröffentlichten Predigten): „Halte also jeden Tag danach Ausschau, jede Stunde, jede Minute. Warum nicht in dieser Stunde, in diesem Augenblick? Gewiss darfst du jetzt danach Ausschau halten, wenn du glaubst, dass es durch den Glauben geschieht.“ Eine weitere wichtige Predigt Wesleys, „Der Herr unsere Gerechtigkeit“ („The Lord Our Righteousness“) macht Wesleys Auffassung von Rechtfertigung und Heiligung noch deutlicher, was die „zugesprochene“ und die „zugeeignete“ Gerechtigkeit betrifft. Wesleys Disput mit den Calvinisten über diesen Punkt reicht mindestens bis zu seinem Konflikt mit Whitefield 1739 zurück. Der unmittelbare Anlass dieser Predigt war jedoch ein seit langem geführter Disput mit James Hervey, einem früheren Oxford-Methodisten, der zum Calvinisten geworden war. Herveys in Briefform verfasste Entgegnungen auf Wesleys Kritik waren in den 1750er Jahren entstanden (auch wenn er die Briefe nie abgeschickt hatte). Nach seinem Tod 1758 wurden sie von William Cudworth veröffentlicht. Wesley entgegnete darauf, indem er einen längeren Auszug aus Goodwins Werk A Treatise on Justification („Eine Abhandlung über die Rechtfertigung“, 1765) herausbrachte. Dann hielt er im November 1765 diese Predigt in der Londoner West Street Chapel als eine zusammenfassende homiletische Erwiderung.

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Das Thema, um das es hier geht, nämlich die von Christus zugesprochene und zugeeignete Gerechtigkeit, lässt sich anscheinend auf eine rein technische Frage reduzieren: Ist Christi Versöhnungstod nur die „formale“ Ursache oder die „verdienstliche“ Ursache der Rechtfertigung? Wesleys Betonung der Heiligkeit, dass also die Gerechtigkeit Christi in das Herz des Gläubigen eingegossen wird, veranlasste viele zu der Behauptung, er halte nicht an der traditionellen Lehre der „zugesprochenen“ Gerechtigkeit fest. Wesley allerdings sah genauer hin und entdeckte eine scheinbar untergeordnete Frage als den springenden Punkt dieser Problematik. Daher stellt er die Auffassung derjenigen in Frage, die versuchen, den passiven und den aktiven Gehorsam (Gerechtigkeit) Christi voneinander zu trennen und dadurch ersteren (Christi passiven Gehorsam oder Gerechtigkeit im Leiden und Tod) als formale Ursache der Rechtfertigung zu sehen. Die Calvinisten und andere, die solch eine Position vertraten, waren so gezwungen, die Prädestination und die unwiderstehliche Gnade zu akzeptieren, wie sie das Verständnis einer formalen Ursache implizit mit sich brachte. Wesley hielt ein Verständnis von Christi passivem und aktivem Gehorsam (als dem eines Mannes, der „umherging und Gutes tat“) als verdienstliche Ursache der Rechtfertigung für angemessener, die zudem für die zuvorkommende Gnade, den freien Willen und die universale Versöhnung Raum ließ. Wesley wollte die aktive und die passive Gerechtigkeit nicht voneinander trennen („was Christus für uns getan und erlitten hat“) und behauptete daher, Jesus werde im Hinblick auf diese beiden miteinander als „der Herr, unsere Gerechtigkeit“ bezeichnet. Dieser Ansatz entzog, wenn man ihn sich zu eigen machte, den calvinistischen Argumenten den Boden. Wesley wusste, dass die Calvinisten behaupten würden, er gebrauche zwar den Begriff „zugesprochene Gerechtigkeit“, fülle ihn aber mit einer neuen Bedeutung; und daher bitte er um Toleranz in der Frage der Ausdrucksweise. Wesley argumentiert, dass er schon immer die Lehre der zugesprochenen Gerechtigkeit (richtig verstanden) vertreten habe, jedoch wisse, dass es noch mehr gebe: „Gott pflanzt seine Gerechtigkeit jedem ein, dem er sie zugesprochen hat.“ Wesley fährt mit einer Erklärung der zugesprochenen und zugeteilten Gerechtigkeit fort, und zwar auf eine Weise, die die notwendige, aber untergeordnete Rolle der ersteren und die notwendige Priorität der Heiligkeit von Herz und Verstand als Wesen wahrer Religion betont. Wahre Gläubige sollten niemals die ihnen von Christus zugesprochene Gerechtigkeit missbrauchen, um ihre eigene Ungerechtigkeit damit zu decken (eine Konsequenz, die sich aus einem „falschen“ Verständnis der zugesprochenen Gerechtigkeit ergeben könnte). Wesley weist darüber hinaus dar-

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auf hin, dass man in Bezug auf die rechte Lehre der zugesprochenen Gerechtigkeit in Unwissenheit leben kann, aber doch ein Herz hat, das auf Gott ausgerichtet ist, und man daher „praktisch den ‚Herrn unsere Gerechtigkeit‘ kennt“. Diese Position stellt eine Variante einer anderen grundlegenden Auffassung Wesleys dar – falsche Meinungen mögen zwar zerstörerisch für die wahre Religion sein, doch richtige Meinungen garantieren sie nicht. Diese Predigt umreißt nicht nur Wesleys Position zu einer entscheidenden theologischen Frage, sondern illustriert auch eine der von Wesley entwickelten Methoden, mit kontroversen theologischen Fragen umzugehen. Die zugrunde liegende Annahme besteht hier darin, dass theologische Dispute sich oft um Meinungen (also keine wesentlichen Inhalte) drehen oder sich einfach daraus ergeben, dass man diese Meinungen auf unterschiedliche Art ausdrückt. Wesley deutet an, dass es oft gar keinen Disput gäbe, wenn die streitenden Parteien sich wirklich verstünden: „Unterschiedliche Personen mögen unterschiedliche Ausdrücke gebrauchen und doch dasselbe meinen.“ Dann fährt er fort und erklärt, wie die Wahrheit – etwa in der Frage der zugesprochenen Gerechtigkeit Christi – aussieht und was die beiden gegnerischen Parteien wirklich sagen wollen. Oberflächlich betrachtet wirkt diese Methode wie ein vermittelnder Ansatz; tatsächlich betrachteten seine Gegner sie als eigennützigen, wenn nicht gar abwegigen Versuch, um unter dem Deckmantel einer „ökumenischen Gesinnung“ für seine eigene Position zu werben. Diese beiden Predigten zeigen Wesleys Theologie in ihrem ausgereiften Stadium. Er selbst erkannte ihre Bedeutung Eine zeitgenössische antiund verlangte ausdrückmethodistische Karikatur stellt George Whitefield von lich, dass die Assistenten einem Dämon inspiriert dar sie unter den Leuten bekannt machen sollten (Mi-

Eine zeitgenössische antimethodistische Karikatur stellt George Whitefield von einem Dämon inspiriert dar

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nutes, 58). Er wurde selbstsicherer, was die Einzelheiten seiner theologischen Ansichten betraf. Gleichzeitig legte er seine Position immer bereitwilliger eindeutig dar und sorgte sich nicht mehr so sehr um die Reaktion der Geistlichen, die möglicherweise nicht seiner Meinung waren. Nach den fruchtlosen Bemühungen von 1764, die Kräfte zu bündeln, scheint er praktisch jeden Gedanken an eine Zusammenarbeit mit den evangelikal ausgerichteten Geistlichen der anglikanischen Kirche für eine gewisse Zeit aufgegeben zu haben. Er war bereit, die unterschiedliche Schwerpunktsetzung seiner (also der methodistischen) Theologie in gewissen Schlüsselfragen ausdrücklich hervorzuheben, auch wenn er noch immer behauptete, dass seine Anschauungen in Wirklichkeit die der Kirche seien. Wesley hatte die Idee der Einheit noch nicht völlig aufgegeben, doch als er begriff, dass die Geistlichen der Kirche einem „Seil aus Sand“ glichen, konzentrierte er sich darauf, seine Beziehungen innerhalb der „methodistischen“ Familie der Erweckungsbewegung zu pflegen – mit denjenigen, die mit ihm einer Meinung waren, dass die Betonung der Heiligkeit einen Schlüssel in ihrem gemeinsamen Bestreben darstelle. Im Februar 1766 hatte Wesley an John Fletcher geschrieben: „Einheit und Heiligkeit sind die beiden Dinge, die ich mir unter den Methodisten wünsche“ (JWL, 5: 4). Im August gab Charles unter Benutzung derselben Metapher wie 1748 der Hoffnung Ausdruck, die beiden Wesleys könnten mit Whitefield weiter zusammenarbeiten: „Die dreifache Schnur, darauf vertrauen wir, wird nie mehr reißen“ (JWJ, 5: 182n). Die theologischen Erklärungen, die John Wesley in der Öffentlichkeit abgab, mögen bestimmter und sicherer geklungen haben, doch sein eigener geistlicher Weg führte ihn durch einige Tiefen. Ein Brief an seinen Bruder vom Winter 1766 deutet ein Winterdunkel seiner Seele an. Ein Absatz, in einigen Passagen in Kurzschrift verfasst, um seinen persönlichen Schmerz vor unerwünschten Lesern zu verbergen, offenbart den inneren Aufruhr (die griechischen Begriffe sind in Klammern übersetzt): In einem meiner letzen Briefe sagte ich, ich könne nicht spüren, dass Gottes Zorn immer noch auf mir lastet; und ich kann auch nicht glauben, dass es so ist. Und doch (dies ist das Geheimnis) liebe ich Gott nicht. Ich habe es nie getan. Daher habe ich auch niemals geglaubt, im christlichen Sinn des Wortes. Daher bin ich nur ein aufrichtiger Heide, ein Proselyt des Tempels, einer der [Gottesfürchtigen]. Und doch, von Gott so gebraucht zu werden! Und so eingekeilt zu sein, dass ich mich weder vorwärts noch rückwärts bewegen kann! Sicherlich hat es solch einen Fall noch niemals gegeben seit dem Anfang der Welt! Wenn ich jemals jenen Glauben gehabt hätte, wäre es nicht so seltsam. Doch ich hatte noch niemals irgendeinen anderen [Beweis] für die ewige oder unsichtbare Welt als den, den ich jetzt habe; und das ist überhaupt keiner, abgesehen von dem schwachen Schein des schim-

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mernden Strahls des Verstandes. Ich habe kein unmittelbares Zeugnis (ich sage nicht, ich sei ein Kind Gottes, sondern) von irgendetwas Unsichtbarem oder Ewigem.

Es ist ungewöhnlich, dass er das Innerste seiner Seele so vor seinem Bruder entblößt. In der Öffentlichkeit hielten ihn manche für einen wilden Enthusiasten, andere für eine autokratische Führungspersönlichkeit, einen geistlichen Giganten oder einen überzeugten Verkündiger des sola fide. Doch hier sehen wir ihn in einem Moment ehrlicher Introspektion, wie er an seinem eigenen Unglauben verzweifelt, die Einsamkeit seiner heiklen Lage spürt und sich auf den dürftigen Trost des Verstands verlässt. Manchmal hatten auch andere einen Blick auf diese Seite Wesleys erhascht. 1739 hatte Charles Delamotte (der als überzeugter Anhänger der Herrnhuter sprach) John gegenüber geäußert: „Sie glauben nicht an oder bauen nicht auf den Felsen Christus. Ihr Frieden ist kein wahrer Frieden. Wenn der Tod herannahen würde, würden Sie merken, dass alle Ihre Ängste zurückkehren“ (J&D, 19: 363). Und William Briggs hatte ihm 1750 geschrieben: „Ich glaube, Sie wissen alles, was Sie erfahren haben, aber sie haben nicht alles erfahren, was Sie wissen“ (Letters, 26: 415). Wesley scheint immer die Fähigkeit besessen zu haben, über die Grenzen seines eigenen Glaubens hinaus zu predigen. Dieser herzerweichende Brief von 1766 an seinen jüngeren Bruder mag allerdings Johns Erfahrungsversion der „dunklen Nacht der Seele“ darstellen, wie sie die Mystiker kannten, nicht so sehr einen Augenblick der spirituellen Verzweiflung wie einen Durchgang zu höheren Ebenen der spirituellen Erfahrung erkennen lassen. Der darauf folgende Abschnitt untermauert dies: Und doch wage ich nicht anders zu predigen, als ich es tue, was Glauben, Liebe, Rechtfertigung oder Vollkommenheit betrifft. Und doch entdecke ich eher einen verstärkten als einen verminderten Eifer für das ganze Werk Gottes und jeden Teil davon. Ich werde [davongetragen], ich weiß nicht wie, dass ich nicht stillstehen kann. Ich will, dass die ganze Welt zu dem kommt [was ich nicht weiß] (JWL, 5: 16).

Im Licht dieser Empfindungen ist es nicht überraschend, dass in den Monaten vor und nach diesem Brief kein Nachlassen seines Arbeitspensums und seiner Begeisterung festzustellen ist. Seit den Tagen seiner ersten Feldpredigten war John Wesleys Gefühl der Gewissheit immer wieder durch Reaktionen auf das Wirken des Heiligen Geistes bei denen bestärkt worden, denen er das Evangelium predigte. Er betrachtete die sichtbaren Anzeichen für Gottes Wirken in anderen Menschen als ein wichtiges Mittel, um selbst Gottes Vorsehung wahrzunehmen und seinen Willen zu erkennen. Und er wurde sich in zunehmendem Maß bewusst, dass Gottes Gegenwart in seinem Leben nicht immer davon abhing, ob er sie spürte.

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Immer noch stellten die jährlichen Gespräche mit vielen seiner Prediger auf der Konferenz einen zentralen Aspekt seiner Tätigkeit und eine Quelle der Kraft dar. Die Konferenz von 1765, die im August in Manchester abgehalten wurde, war insofern bemerkenswert, als sie die ersten Jahresprotokolle hervorbrachte. Sie trugen den Titel Minutes of Some Late Conversations between the Rev. Mr. Wesleys and Others („Protokolle einiger kürzlich geführter Gespräche zwischen den [beiden] Rev. Mr. Wesley und anderen“), wurden jedoch manchmal als „Penny-Protokolle“ bezeichnet, weil sie für einen Penny verkauft wurden. In der Form unterschieden sich die Jahresprotokolle mit ihren Fragen und Antworten nicht von den zwanzig Jahre älteren Konferenzprotokollen, die ihrerseits den Grundstock für die „großen“ Protokolle von 1753 und 1763 (mit dem Titel Protokolle einiger Gespräche...) bildeten, Zusammenstellungen ausgewählter Themen und Regeln zu Lehre und Disziplin der vergangenen Jahreskonferenzen. Doch der Inhalt der Jahresprotokolle wurde erweitert und umfasste nun zunehmend auch dringende Geschäftsangelegenheiten. Die ersten Fragen befassten sich mit den Predigern, die zunächst nach Kategorie (zugelassene Prediger, Prediger in der Probezeit, Assistenten, Reiseprediger) und dann nach Dienstort aufgeführt wurden (neununddreißig Bezirke mit zweiundneunzig Predigern). Diese alljährliche Liste war notwendig, weil die Prediger normalerweise für ein, im Höchstfall zwei Jahre, ernannt wurden. Darauf folgten die finanziellen Angelegenheiten: Bilanzen und Regelungen für verschiedene Fonds (Sammlung für Kingswood, Prediger-Fonds, jährliche Mitgliedsbeiträge) sowie Fragen, die mit den hohen Schulden zusammenhingen, die sich aus dem Bauprogramm der Gemeinschaft ergaben. Die darauf folgenden Fragen behandelten Themen, die denen der frühen Konferenzen ähnlich waren: Gebäude, Disziplin, Gottesdienste, Verlagsarbeit und Abstinenz. Auch Auszüge aus der irischen Konferenz wurden eingefügt, in denen zum Beispiel erwähnt wird, welche Regeln die Prediger nicht einhielten und wie die Leiter mit solchen Mitgliedern umgehen sollten, die Tabak schnupften oder Alkohol tranken. Einige der Antworten in diesen Protokollen liefern ein interessantes Bild des frühen Methodismus. Was etwa die Predigthäuser betrifft (die niemals „Kirche“ genannt werden durften): „1) Alle Fenster sollen Schiebefenster sein und sich nach unten öffnen lassen. 2) Es soll keine (großen) Bottich-Kanzeln geben; und 3) keine Rückenlehnen an den Sitzen.“ Männer und Frauen sollen getrennt sitzen. Die Abendpredigt soll nicht nach sieben Uhr beginnen. Jeder soll nach dem Liebesmahl um neun Uhr zu Hause sein. Und die Prediger sollen mit ih-

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ren Pferden barmherzig umgehen und dafür sorgen, dass sie gestriegelt, gefüttert und nicht zu hart geritten wurden, sowie frisches Stroh für ihr Lager bekamen (Minutes, 48–53).

Charles Wesley zu Pferd. Ihm gingen ständig Gedichtzeilen durch den Kopf, und er war bekannt dafür, dass er vom Pferd abstieg, in ein Haus ging und um einen Federhalter bat, um einen Vers niederzuschreiben.

Kein Thema war zu unbedeutend, um ihm Aufmerksamkeit zu schenken – vier Regeln wurden aufgestellt, um das gemeinsame Singen zu verbessern. Kein Thema war zu kontrovers, um es zu erörtern – Frauen wurden ermutigt, bei den Bandentreffen zu sprechen, wenn auch nicht öffentlich in den Versammlungen zu lehren. Kein Thema war zu persönlich, um erwähnt zu werden – Leute, die zu viel redeten und zu wenig lasen, sollten öffentlich und privat getadelt werden, um diese Tendenz ins Gegenteil zu kehren. Kein Thema entging Wesleys Aufmerksamkeit – Prediger durften nichts ohne Wesleys Erlaubnis drucken; die Strafe hieß Ausschluss aus der Gemeinschaft. Einige Prediger ärgerten sich, dass Wesley die Bewegung so straff führte und die Konferenz vollständig unter seiner Kontrolle hatte.

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Wesley entgegnete auf diesen Vorwurf mit einem für ihn typischen geschichtlichen Abriss: Auf der Konferenz von 1765 erzählte er noch einmal die Geschichte der Bewegung und ging bis zu seiner Zeit mit seinem Bruder in Oxford zurück. Auf der nächsten Konferenz antwortete er auf die Frage: „Doch welche Macht ist es, die du über alle Methodisten in Großbritannien und Irland ausübst?“. Er antwortete mit einem weiteren politisch-historischen Abriss, der im November 1738 begann und Charles praktisch nicht erwähnt. Er macht ganz deutlich, dass er niemals nach Macht strebte: Die Menschen kamen zu ihm, um Führung zu suchen – „Es war lediglich im Gehorsam der Vorsehung Gottes gegenüber und zum Guten der Menschen, dass ich diese Macht akzeptiert habe, die ich niemals gesucht habe, die ich sogar einhundert Mal abzuschütteln versucht habe.“ Es war auch Wesley, der die Konferenz ins Leben rief (die ihn beraten, ihm aber keine Anweisungen erteilen sollte), und die Prediger kamen von Anfang an darin überein, ihm „als Söhne im Evangelium“ zu dienen. „Sie tun mir keinen Gefallen, wenn sie sich von mir leiten lassen“, erklärte er, „im Augenblick habe ich damit nur Kummer und Sorgen, und oft eine Last, von der ich nicht weiß, wie ich sie tragen soll.“ Doch die Prediger sollten nicht das Empfinden haben, dass sie mit Ketten gefesselt seien, selbst wenn sie auf der Konferenz keine Stimme hatten, zumindest nicht, „so lange ich lebe“. Schließlich, so sagt er, „[darf mich] jeder Prediger und jedes Mitglied ... verlassen, wenn es ihm gefällt“ (Minutes, 60–62). Wesley nutzte auch diese Gelegenheit, eine kurze Rede über den Zustand des Methodismus zu halten und in Form einer Abschiedsbotschaft einige Vorschläge zu seiner Zukunft zu unterbreiten, in der Annahme, dass er sich mit 63 Jahren nicht darauf verlassen könnte, noch eine weitere Konferenz zu erleben. Es ist ein kraftvoller Appell an die Prediger, die Zügel anzuziehen und sich stärker darum zu bemühen, der Arbeit treu zu bleiben. Eine der nachfolgenden Eintragungen im Protokoll illustriert, wie sehr ihm manche Fragen Sorgen machten. Auf die Frage „Warum sind wir nicht wissender?“ antwortet er im Grunde, es liege daran, dass wir nicht hart genug arbeiten. Um diesem Übel abzuhelfen, schreibt er zunächst vor, die Prediger sollten die nützlicheren Bücher lesen – den ganzen Morgen hindurch, oder zumindest fünf Stunden am Tag. Die Reaktion der Prediger (die sich Wesleys Prinzip des homo unius libri zu eigen gemacht hatten) und Wesleys Entgegnung offenbaren, dass Wesley nicht zögert, auch Sarkasmus einzusetzen, um den springenden Punkt deutlich zu machen: „Aber ich lese nur die Bibel.“ Dann solltest du auch andere lehren, nur die Bibel zu lesen und folgerichtig auch nur die Bibel zu hören. Doch in diesem Fall brauchst

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du auch nicht mehr zu predigen. Genauso hat es auch George Bell gesagt. Und was ist die Frucht? Jetzt jedenfalls liest er weder die Bibel noch irgendetwas anderes. Dies ist wilder Enthusiasmus. Wenn du außer der Bibel kein anderes Buch brauchst, stellst du dich damit über Paulus. Er wollte auch andere Bücher lesen. „Die Bücher, besonders die Pergamente, bringe mit, wenn du kommst!“, sagt er. (s. 2 Tim 4,13) „Aber unterschiedliche Leute haben unterschiedliche Geschmäcker.“ Deshalb mögen manche weniger lesen als andere; doch niemand sollte weniger lesen als dies. „Aber ich habe keine Bücher.“ Ich will jedem von euch so schnell, wie ihr sie lesen werdet, Bücher im Wert von fünf Pfund geben.

Und falls jemand in Zweifel ziehen sollte, dass es Wesley mit der Haltung der Prediger in diesem Punkt ernst war, so entgegnet er auf die Bemerkung „Aber ich habe keinen Geschmack am Lesen“: „Dann finde daran Geschmack oder kehre in deinen alten Beruf zurück“ (Minutes, 68). Wesley verschwendete keine Zeit mit denjenigen, die seine Prinzipien zu ihren Gunsten strapazierten oder verdrehten, egal ob es sich um christliche Vollkommenheit oder das sola scriptura drehte. In der Zwischenzeit versorgte Wesley seine Anhänger mit weiteren Veröffentlichungen. Im Laufe der vorangegangenen zehn Jahre hatte er im Schnitt etwa sechs Bücher pro Jahr herausgebracht; nach 1765 steigerte sich der Ausstoß. Unter den wichtigen Werken dieser Periode finden sich die Zusammenfassung der Lehren, die für ihn am typischsten war, in A Plain Account of Christian Perfection („Eine einfache Darstellung der christlichen Vollkommenheit“) sowie zwei predigtartige Abhandlungen von 1767, „The Witness of the Spirit, II“ („Das Zeugnis des Geistes, II“) und „The Repentance of the Believers“ („Die Buße der Gläubigen“). Letztere sind beide wichtige Überarbeitungen von früheren Predigten über diese Themen. Die Abhandlung über das Zeugnis des Geistes ist mehr als eine Wiederholung seiner früheren Predigt zum selben Thema. In den dazwischen liegenden zwanzig Jahren hatte er gesehen, dass manche Methodisten seine Bemühungen völlig missachteten, einen subjektiven „Enthusiasmus“ bezüglich der Lehre von der Gewissheit zu vermeiden, indem er einem solch individuellen „Gefühl“ den objektiven Grund einer solchen Erfahrung in dem vorangehenden und direkten Zeugnis des Heiligen Geistes ein Gegengewicht entgegenstellte (Sermons, 1: 269–284). In dieser zweiten Abhandlungen zum Thema nimmt er den Beweis in Angriff (aus der Bibel und seiner eigenen Erfahrung heraus), dass es tatsächlich ein direktes Zeugnis des Geistes gibt – von der eigenen Wahrnehmung der Frucht des Geistes zu unterscheiden –, dass man ein Kind Gottes ist. Er wendet darüber hinaus ein theologisches Prinzip an, das er bereits erstmals regelmäßig ge-

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braucht hatte, als er über die Frage der Geistesgaben nachdachte (wie zum Beispiel Zungenreden oder Glaubensheilung): Jede angebliche Geistesgabe, darunter auch die Gewissheit, soll danach beurteilt werden, ob sie Früchte des Geistes hervorbringt oder nicht – Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte. Ohne sie, so sagt er, „kann das Zeugnis nicht weiterbestehen“. Beide Arten von Zeugnis sind daher notwendig: das direkte Zeugnis des Geistes Gottes und das Zeugnis unseres eigenen Geistes, das „Bewusstsein, dass wir in aller Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit wandeln“ (Sermons, 285–298). Die Abhandlung über die Buße ist eine Fortsetzung seiner Predigt „Die Sünde in Gläubigen“ („On Sin in Believers“, 1763). Nachdem Wesley bereits darauf hingewiesen hat, dass die Macht der Sünde im Gläubigen nach der Rechtfertigung zwar gebrochen, doch nicht vollständig ausgerottet ist, erklärt er nun ausführlicher die Sünde, die nach der Rechtfertigung „bleibt, doch nicht mehr regiert“ sowie das Wesen und Konsequenzen von Buße und Glauben in diesem Licht. Er stellt sowohl die reformatorische Sicht des simul iustus et peccator (dass die Überbleibsel der Sünde niemals völlig ausgelöscht werden können, die in der Folge vom Gläubigen bereuten Sünden jedoch von der zugesprochenen Gerechtigkeit Christi bedeckt und daher nicht angerechnet werden) in Frage wie auch die Haltung der Herrnhuter (die auch von einigen Methodisten wie Maxfield oder Bell vertreten wurde), dass die Rechtfertigung zu völliger Freiheit von Sünde und Schuld führe. Wesley betont drei Punkte nachdrücklich: 1) Unsere Herzen werden durch die Rechtfertigung weder völlig geheiligt, noch von der Sünde vollkommen gereinigt; 2) wir müssen von unseren Schwächen nach der Rechtfertigung überzeugt sein, um die Versöhnung vollständig anzunehmen; und 3) die tiefe Überzeugung unserer äußersten Hilflosigkeit lehrt uns, „wahrhaft im Glauben an Christus zu leben“ (Sermons, 1: 335–352). Wesleys weiterhin aufrecht erhaltene Definition der Sünde als bewusste und gewollte Abweichung vom bekannten Willen Gottes, wie sie bereits 1738 in seiner Predigt „Das Heil durch Glauben“ zum Ausdruck kam, ist sowohl für diese Argumentationskette wie auch sein Verständnis christlicher Vollkommenheit von entscheidender Bedeutung (Sermons, 1: 124, 315; vgl. 3: 79). Dass Wesley an seinen Predigten aus den 1760er Jahren Revisionen vornahm, straft seine häufig geäußerte Behauptung Lügen, er sei im Laufe der Jahre seiner Lehre treu geblieben. Diese Feststellung wird oft in Werken wie A Plain Account of Christian Perfection wiederholt, wo er Auszüge seiner Schriften aus den Jahren 1725 bis 1765 bringt und dazu bemerkt: „Das war die Auffassung von Religion, die ich damals hatte ... Das ist die Auffassung, die ich heute habe, ohne wesentliche Hinzufügungen oder Weglassungen. Das ist genau die-

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selbe Lehre, die ich heute vertrete und weitergebe, kein einziger Punkt wurde hinzugefügt.“ Jeder, der das Material genau gelesen hatte, konnte leicht Änderungen ausmachen, wie zum Beispiel jener Geistliche, der ein scharfes Auge für feine theologische Unterschiede besaß – Thomas Rutherford, Regius Professor der Theologie in Cambridge. 1768 entgegnete Wesley auf den öffentlich vorgebrachten Vorwurf des Professors, er habe sich in Widersprüche verstrickt. In einem Moment seltener Freimütigkeit räumte Wesley ein, er habe im zweiten Abschnitt der Phase zwischen 1725 und 1768 in der Tat einige seiner früheren Ansichten verworfen, in manchen Dingen möglicherweise sogar seine Haltung geändert, „ohne dies zu merken“, und er würde gewiss nicht alle Äußerungen verteidigen, die er in dieser Zeit gemacht habe. Er räumt sogar ein, er habe viele Jahre zuvor die Vorstellung aufgegeben, Gewissheit gehöre zum rechtfertigenden Glauben wesentlich dazu. Auf den Vorwurf des Professors entgegnete er zweierlei: 1) Scheinbare Widersprüche müssen auftreten, wenn er so vielen verschiedenen Kritikern gleichzeitig antwortet, von denen der eine „in diese Richtung drängt, der andere in jene“; 2) trotzdem wird man „wenn überhaupt, nur wenige echte Widersprüche“ in seinen Veröffentlichungen der letzten dreißig Jahre ausmachen können (Societies, 9: 375–376). Wesley erklärt dann auf die für ihn typische Weise, dass man, wenn man seine Vorstellungen wirklich verstehe, sie als stimmig, schriftgemäß und im Einklang mit der Lehre der Kirche betrachten würde. Eine der interessanten Veränderungen in Wesleys Ansichten kann man in seiner sich im Laufe der Jahre wandelnden Ansicht bezüglich der Namenschristen (im Unterschied zu wirklichen Christen) erkennen. Wesley benutzt häufig einen von drei Ausdrücken, um diese „Beinahe-Christen“ zu beschreiben: 1) diejenigen, die „Gott fürchten und recht tun“, 2) diejenigen, die glauben, Religion bestehe darin, „Gutes zu tun, Sünde zu vermeiden, ihre Gebete zu sprechen und zur Kirche zu gehen“, (dem Tenor der General Rules auffallend ähnlich) und 3) diejenigen, „die nach außen Gottesfurcht an den Tag legen, aber deren Kraft leugnen“. In den 1720ern und frühen 1730er Jahren spricht Wesley kritisch von den „Halbchristen“, bezeichnet aber die wahren Christen (sich selbst eingeschlossen) mit den ersten beiden Umschreibungen, die er als Mittel sieht, um innere wie äußere Heiligkeit hervorzubringen. Ende der 1730er und Anfang der 1740er Jahre beginnt er jedoch dem Beispiel der Herrnhuter zu folgen, indem er eine radikale Unterscheidung zwischen „Beinahe-Christen“ und „Ganz-Christen“ trifft (der springende Punkt seiner Predigt von 1741 zu diesem Thema), wobei ersterer kein Stück besser ist als der ehrliche Heide. Charles betonte

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dies noch nachdrücklicher, als er die zweite Gruppe als „Selbstbetrüger“ beschrieb, die „ein Gräuel in den Augen Gottes“ seien, und jeder, der noch keine Gewissheit empfangen habe, sei „noch kein Christ“ (Sermons, 1: 144,149). 1744 beschrieb John allerdings die Methodisten als diejenigen Menschen, die „der äußeren Form nach Gottesfurcht haben und ihre Kraft suchen“ (Societies, 9: 69). 1749 sagt er, dass die Ausgabe der Klassenkarten an Mitglieder eine ebenso gute Empfehlung sei, als ob er auf jede geschrieben hätte: „Ich glaube, dass der Besitzer dieser Karte jemand ist, der Gott fürchtet und recht tut“ (Societies, 9: 265). Und 1768 teilt er Dr. Rutherford mit, dass seiner Meinung nach Gewissheit „das gewöhnliche Privileg von Christen“ sei, die „Gott fürchten und recht tun“ (Societies, 9: 376). Dass Wesley dem vormals verachteten Namenschristen wieder einen Platz in seinem Denkschema zuweist (wenn auch in der zweiten Reihe), ist eine der Revisionen, die wichtige Folgen für die Evangelisationsarbeit in der wesleyanischen Bewegung hatten. Während er selbst in theologischer Hinsicht immer tiefgründiger wurde, begann er zu begreifen, dass das Ziel der Bewegung, „die Nation zu reformieren ... und schriftgemäße Heiligkeit im ganzen Land zu verbreiten“ nicht davon abhing, ob die Menschen theologische Fachbegriffe akzeptierten oder verstanden. Im Dezember 1767 war Wesley zu dem Schluss gekommen, dass auch ein Mensch gerettet werden könne, der kein klares Verständnis der zugesprochenen Gerechtigkeit oder der Rechtfertigung durch den Glauben besaß oder dies sogar bestritt. Daraus schloss er, dass es für die methodistischen Prediger höchste Zeit war, auf bombastische und „klangvolle Worte, die keine fest umrissene Bedeutung haben“, zu verzichten und zu „dem schlichten Wort zurückzukehren: ‚Wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm‘“ (Apostelgeschichte 10,35; J&D, 22: 114–114). Und die Gemeinschaft innerhalb der Gesellschaften, in der man geistlich wachsen konnte, war eher als die lauten Feldpredigten der Ort, wo dieses Wort den Gläubigen gesagt werden konnte. Um den Menschen methodistische Lehre in Verstand und Gedächtnis einzuprägen, hatten die Wesleys bereits seit vielen Jahren das Liedersingen im Gottesdienst verankert und Dutzende von Liederbüchern und –heften veröffentlicht. Zu Beginn des Jahrzehnts hatten sie ein wichtiges Buch herausgebracht, Select Hymns with Tunes Annext („Ausgewählte Lieder mit Melodien“), das nicht nur den Text von 133 Liedern enthielt, sondern auch (in verschiedenen Kombinationen) Sacred Melody (mit vielen Melodien) sowie The Gamut, or Scale of Music zusammen mit The Grounds of Vocal Music und Directions for Singing. Bis zur Mitte dieses Jahrzehnts hatten sie eine zweite Ausgabe dieses

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Werks veröffentlicht sowie Charles‘ Short Hymns on Select Passages of the Holy Scriptures und seine Hymns for Children. Darauf folgten 1767 Hymns for the Use of Families und Hymns on the Trinity, wobei diese beiden zusammen mehr als dreihundert Lieder enthielten. Der Gesang gab den Gläubigen auch die Möglichkeit, ihre gemeinsamen geistlichen Erfahrungen zu bezeugen: „Was wir gespürt und gesehen haben/das sagen wir zuversichtlich weiter“ („What we have felt and seen/With confidence we tell, Collection, 62). Wesley warnte vor „Formalität“ im Gesang – komplizierte Melodien, die man unmöglich mit Andacht singen könne, das „lange trillernde Halleluja“, das manchen Melodien angefügt wurde, die Wiederholung von Wörtern, die dem gesunden Menschenverstand widerstrebten und „nicht mehr Religion in sich haben als ein Dudelsack aus Lancashire“. In seinen „Anweisungen“ umriss Wesley recht ausführlich seine Erwartungen an methodistisches Singen: Singt die Lieder genau so, wie sie gedruckt sind, ohne sie in irgendeiner Weise zu verändern oder zu verbessern. ... Singt alle mit. Seht zu, dass ihr so oft wie möglich in den Gemeindegesang einstimmt.... Singt freudig und guten Mutes. Gebt Acht, dass ihr nicht singt, als ob ihr halbtot oder halb eingeschlafen wärt, sondern erhebt eure Stimme mit Macht. Habt keine größere Angst vor eurer Stimme ... als damals, da ihr noch die Lieder des Satans gesungen habt. ... Singt zurückhaltend. Dröhnt nicht herum, sodass man euch aus der Gemeinde deutlich heraushört. ... Singt im richtigen Tempo: ... Lauft nicht davon oder hängt zurück, sondern achtet auf die führenden Stimmen und folgt ihnen, so genau ihr könnt. ... Über allem aber singt geistlich. Blickt mit jedem Wort, das ihr singt, auf Gott. Strebt danach, ihm mehr zu gefallen als euch selbst oder einem anderen Geschöpf. (Collection, 765)

Wesley hegte eine besondere Vorliebe für die „bewundernswerten“ klaren Stimmen von Kindern, schon seit er mit ihnen in Oxford gearbeitet hatte. Im Laufe der Jahre bemerkte er häufig, welche große Freude es ihm bereite, sie singen zu hören. John Wesley machte sich zunehmend Gedanken über die methodistische Arbeit mit Kindern und ermunterte oft die Prediger, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Sobald es in einer Gesellschaft zehn Kinder gab, sollten die Prediger seiner Meinung nach eine Bande gründen und sich mit ihnen zweimal in der Woche treffen. Wieder einmal spiegeln die Protokolle die zögernde Haltung der Prediger in diesem Punkt wider: „Doch ich besitze keine Begabung dafür.“ Wesley entgegnet sehr bestimmt: „Begabung oder keine Begabung, du bist dazu verpflichtet, andernfalls bist du nicht dazu berufen, ein methodistischer Prediger zu sein“ (Minutes, 69). Wesley war sich bestimmt

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der Herausforderung bewusst, die diese Aufgabe darstellte. Seine eigenen Schwierigkeiten in dieser Hinsicht spiegeln sich in einer Bemerkung vom August 1768 in St. Ives wider: „Ich traf mit den Kindern zusammen, eine Aufgabe, die das ganze Talent der fähigsten Prediger in England in Anspruch nehmen wird“ (J&D, 22: 156). Diese Sorge um die Kinder war eins von mehreren Themen, das der Gruppe von Fragen eingegliedert wurde, die man den Predigern stellte, bevor man sie endgültig in der Connexio zuließ. Diese Fragen, wie sie William Ellis zum ersten Mal gestellt wurden, führte man im Konferenzprotokoll von 1766 auf (siehe Kasten auf S. 280). Die Predigerprüfung war viele Jahre lang Charles‘ Aufgabe gewesen. Doch als er keine so bedeutende Rolle mehr in der Führungsriege der Bewegung spielte, übernahm John mehr Verantwortung. Charles hatte in den 1760er Jahren praktisch aufgehört, die Gesellschaften im ganzen Land zu besuchen, war nicht mehr so regelmäßig zur jährlichen Konferenz erschienen und hatte erwogen, von Bristol nach London umzuziehen (CW, 107). Es war offensichtlich, dass die Bewegung unter Johns Kontrolle stand, doch sogar er empfand, dass sie als Brüder eine gemeinsame Front bilden sollten. Die Spannungen zwischen den beiden konzentrierten sich weiterhin auf Fragen, die möglicherweise zu einer Trennung führen konnten, wie etwa die Lizenzierung der Prediger, die Registrierung der Häuser und das Abhalten von Gottesdiensten zur Kirchzeit. Charles regte sich vor allem über etwa ein Dutzend Methodisten auf, die 1764 von „Bischof“ Erasmus die Ordination empfangen hatten, einem angeblichen orthodoxen Hierarchen, der auch Johns Assistent John Jones ordiniert hatte. Sechs der solchermaßen Ordinierten waren örtliche Prediger, die fünf Guineen für das Privileg bezahlt hatten, in einer Sprache ordiniert zu werden, die sie nicht verstanden. John hatte sie aus der Gesellschaft hinausgeworfen und weigerte sich, ihre Bitte um Wiedereinsetzung auch nur anzuhören. Charles bereiteten allerdings viele solcher Themen Unbehagen, denn er wusste, dass selbst manche Geistliche, die dem Methodismus freundlich gesonnen waren, John durch politischen Druck kaum unter Kontrolle halten konnten. Charles war sehr daran gelegen, die Trennung von der Kirche um fast jeden Preis zu vermeiden; John dagegen machte sich über dieses Thema weniger Gedanken. Oder, um Charles‘ Analyse im Hinblick auf John zu zitieren: „Er hatte zuerst die Methodisten und dann die Kirche im Blick; ich zuerst die Kirche und dann die Methodisten“ (Church, 208). 1768 wurden auf der Konferenz (an der auch Charles teilnahm), zwölf Vorschläge unterbreitet, wie man die Arbeit neu beleben und ausweiten könne. Der letzte lautete, sich „zur Kirche zu halten“: „Wer die Kirche verlässt, verlässt auch die Methodisten“ (Minutes, 82).

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Es gab noch weitere Streitpunkte zwischen den Brüdern, wie sie beide zugaben. John wies Charles einmal auf Folgendes hin: „Bei zusammenhängenden Texten schlage ich dich; doch in kräftigen, pointierten Sätzen schlägst du mich. Mach weiter, auf deine Weise, mit dem, wozu Gott dich besonders berufen hat. Strebe nach dem augenblicklich gewährten Segen; dann habe ich mehr Zeit für meine besondere Berufung und fördere die schrittweise Arbeit“ (JWL, 5: 16). Doch John glaubte außerdem, dass Charles die „Vollkommenheit so hoch angesetzt“ habe, dass er ihr „praktisch entsage“. Charles selbst konnte niemanden benennen, der jemals eine solche Vollkommenheit erreicht habe. Und John nahm an einigen Ausdrücken in Charles’ Liedern Anstoß, vor allem in solchen, in denen der erotische Überschwang der Herrnhuter nachklang oder die den Antinomisten Trost zusprachen. Zuweilen beunruhigte John das Verhalten seines Bruders sehr, der zwischen Opposition und Unterstützung zu schwanken schien. Einmal beklagte er sich bei Charles darüber, dass sie zwar bei ihrer letzten Unterhaltung einer Meinung gewesen seien, „nun aber hast du dich völlig verändert! – außer du redest nur so, weil du gerade in Widerspruchslaune bist; und wenn das der Fall ist, dann kann ich genau so gut gegen den Wind pusten wie mich mit dir zu unterhalten.“ Trotzdem bat er Charles ernsthaft, an der Konferenz im folgenden Monat teilzunehmen und erklärte: „Ich werde dir auf der Konferenz nicht widersprechen, denn ich werde nicht disputieren“ (JWL, 5: 18).

Lehre, Ordnung und die Konferenz Die Konferenz war Ende der 1760er Jahre zu einer offeneren Versammlung geworden. Die Teilnahme, die einige Jahre lang nur auf Einladung möglich gewesen war, wurde 1767 allen Predigern erlaubt. Von einigen verlangte man, dass sie kämen. Von allen Assistenten beziehungsweise Bezirksleitern erwartete man, dass sie da waren, und wenn möglich auch von einem weiteren Prediger jedes Bezirks (Polity, 244). Die Organisation der Bezirke wurde mit dem Wachsen der Mitgliederzahlen komplizierter – 1768 hatte fast die Hälfte der vierunddreißig Bezirke mehr als achthundert Mitglieder. Die Anzahl wurde der Konferenz jedes Jahr vom Assistenten mitgeteilt und im Protokoll festgehalten. 1769 wurde in der Mitgliederübersicht zum ersten Mal ein Sternchen neben jedem Bezirk eingefügt, dessen Mitgliederzahl abgenommen hatte (drei in jenem Jahr). Ein allgemeiner Verwalter wurde ernannt, um in jedem Bezirk die Finanzen zu führen: Er sammelte auf den vierteljährlichen Be-

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zirkstreffen von den Verwaltern der einzelnen Gesellschaften die Mitgliedsbeiträge ein und erstattete den Predigern ihre Auslagen (Polity, 240). 1767 lag das gesamte jährliche Beitragsaufkommen bei über 804 Pfund Sterling, von denen 134 Pfund für gesetzlich vorgeschriebene Zahlungen, 148 Pfund für die Auslagen der Prediger und 30 Pfund für „unvorhergesehene Sonderausgaben“ ausgegeben wurden. Die verbleibenden 492 Pfund wurden unter den siebzig Gesellschaften verteilt, die um finanzielle Hilfe gebeten hatten (Minutes, 72). Zu diesem Zeitpunkt zahlten die Prediger eine Gesamtsumme von etwa 50 Pfund jährlich in den Prediger-Fonds ein, darunter eine Guinee bei der Aufnahme und eine halbe Guinee für jedes weitere Jahr. Nach Einzahlung von zwei Guineen war ein Prediger, wenn er „erschöpft“ war oder offiziell pensioniert wurde, zum Erhalt von 10 Pfund jährlich berechtigt; nach seinem Tod erhielten Witwe und Kinder die Zahlungen weiter. Aus diesem Fonds wurde kein Prediger unterstützt, der den Dienst aufgegeben hatte, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen worden war oder vier Jahre keine Zahlungen geleistet hatte (Minutes, 50,63). Auch die sogenannten „überzähligen“ Prediger (die aus persönlichen, zum Beispiel gesundheitlichen, Gründen zeitweise beurlaubt waren), konnten diesen Fonds nicht in Anspruch nehmen. Reiseprediger im aktiven Dienst erhielten jährlich 12 Pfund, um ihren Lebensunterhalt und ihre Auslagen zu bestreiten. Man erwartete von ihnen, dass sie „in Vollzeit“ für die Gemeinschaft arbeiteten. 1767 hatte Wesley die Konferenz mit den Worten geschlossen: „Wir wollen alle Männer sein, die sich nur mit einer Aufgabe beschäftigen. Wir leben allein dafür – unsere Seelen zu retten und die Seele derer, die uns hören.“ Auf der folgenden Konferenz gab Wesley den Predigern, die noch einen anderen Beruf ausübten (einige von ihnen wurden als „halb-reisend“ geführt), noch ein weiteres Jahr Zeit, um diese Arbeit aufzugeben. Er erinnerte sie daran, dass „jeder Reiseprediger ernstlich bekennt, dass er nichts anderes zu tun hat, und dass er seine kleine Entschädigung genau zu dem Zweck bekommt, dass er nichts anderes zu tun braucht.“ Insbesondere erwähnte er diejenigen, die Heiltropfen verkauften, und sagte, dass es vielleicht für Frauen in Ordnung gehe, so etwas zu tun, es jedoch der „Würde ihrer Berufung“ nicht entspreche, mit solchen Arzneien „zu hausieren“ (Minutes, 75, 78–79). Damit war dieses Problem allerdings nicht aus der Welt geschafft. Auf der Konferenz von 1770 wiederholte Wesley die Forderung an die Prediger, dass sie jeden anderen Beruf aufgeben müssten oder aus dem Reisedienst ausgeschlossen würden. Er kündigte an, dass im folgenden Jahr alle Prediger befragt werden würden, ob sie ihren alten Beruf aufgegeben hätten oder nicht. Diejenigen,

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die an ihrem Beruf festhielten, konnten als Lokalprediger an einem festen Ort arbeiten (nicht mehr in voller Gemeinschaft mit dem Verband), und genau das taten dann auch viele. Zwischen 1741 und 1765 hatten nur einundachtzig Prediger bis zu ihrem Tod in voller Gemeinschaft mit dem methodistischen Netzwerk gestanden; sechs wurden entlassen, etwa zwanzig wurden Geistliche in der anglikanischen Kirche, und fast die Hälfte wurde oder blieb Lokalprediger (Polity, 236). Die Predigerprüfung von 1766 Glaubst du an Christus? Strebst du nach Vollkommenheit? Erwartest du, in diesem Leben vollkommen in der Liebe zu werden? Seufzt du danach? Bist du entschlossen, dich ganz Gott und der Arbeit für ihn zu widmen? Kennst du die methodistische Lehre? Hast du die Predigten gelesen? Die Anmerkungen zum Neuen Testament? Kennst du Plan und Ziel der Methodisten? Hast du den „Plain Account“ gelesen? Die „Appeals“? Kennst du die Regeln der Gesellschaften? Der Banden? Hältst du sie ein? Nimmst du keinen Schnupftabak? Tabak? Harte Getränke? Gehst du regelmäßig zur Kirche und empfängst das Sakrament? Hast du über die Zwölf Regeln für einen Helfer nachgedacht; besonders über die erste, zehnte und zwölfte? Willst du sie um deines Gewissens willen einhalten? Bist du entschlossen, deine ganze Zeit der Arbeit für den Herrn zu widmen? Wirst du jeden Morgen und jeden Abend predigen? Dich bemühen, nicht zu lang oder zu laut zu sprechen? Nicht auf den Ellenbogen herumlümmeln? Hast du die „Regeln für Tat und Wort“ („Rules of Action and Utterance“) gelesen? Wirst du dich mit der Gesellschaft, den Banden, der Auserwählten Gesellschaft und den Leitern (der Banden und Klassen) an jedem Ort treffen? Wirst du die Kinder sorgfältig und ernstlich unterweisen und sie zu Hause besuchen? Wirst du durch Anordnung und dein eigenes Beispiel das Fasten empfehlen? (Minutes, 1: 54; vgl. 1992 Book of Discipline, Abschnitt 425.)

Allerdings waren keine Frauen unter den Lokal- oder Reisepredigern, auch wenn einige Frauen predigten, und das manchmal nicht nur im Rahmen ihrer eigenen Gesellschaft am Ort. Eine kleine Gruppe von Frauen, angeführt von Sarah Crosby, Sarah Ryan und Mary Bosanquet, hatte 1763 eine Schule und ein Waisenhaus in Leytonstone, Essex, eingerichtet, bevor sie fünf Jahre später ihre Arbeit nach Cross Hall, Yorkshire, verlagerten. Ihr Heim stellte einen Mittelpunkt methodistischer Aktivität dar. Unter anderem wurden auch Gebetsgot-

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tesdienste abgehalten, bei denen sich die Frauen berufen fühlten zu sprechen. Sarah Crosby, eine ehemalige Klassenleiterin in der Gießerei, hatte zu predigen begonnen, als die von ihr organisierte Klasse auf über zweihundert Personen angewachsen und kein Prediger in Sicht war. Sie sah den Bedarf und begann einen Gottesdienst abzuhalten, auch wenn sie nicht sicher war, ob sie sich so verhalten dürfe: „Doch schien es mir nicht praktikabel, all diesen Leuten zu begegnen, indem ich jeden von ihnen persönlich ansprach. Daher sagte ich ein Lied an und betete, erzählte ihnen etwas von dem, was der Herr an mir getan hatte und überzeugte sie, vor aller Sünde zu fliehen“ (People, 34). Die Predigt ähnelte zweifellos dem, was viele methodistische Prediger sagten. Schwester Crosbys Überzeugungen in dieser Hinsicht lagen klar zutage: „Ich glaube nicht, dass es für Frauen falsch ist, in der Öffentlichkeit zu sprechen, vorausgesetzt, sie sprechen im Geist Gottes“ (Chilcote, 128). Doch Wesleys zögernde Haltung in dieser Angelegenheit lässt sich aus dem Ratschlag ersehen, den er ihr 1769 erteilte (und in dem ein ähnlicher Rat an Grace Walton von 1761 anklingt): (1) Beten Sie im Stillen oder in der Öffentlichkeit, so viel Sie können. (2) Selbst in der Öffentlichkeit dürfen Sie, ohne Anstoß zu erregen, kurze Ermahnungen mit Gebeten abwechseln. Aber halten Sie sich so weit wie möglich fern von dem, was man Predigen nennt. Nehmen Sie daher nie einen Text; sprechen Sie niemals in ununterbrochener Rede, ohne eine Pause von vier oder fünf Minuten zu machen. Sagen Sie den Menschen: „Wir werden ein weiteres Gebetstreffen zu der und der Zeit an dem und dem Ort abhalten.“ Wenn Hannah Harrison diese wenigen Anweisungen beherzigt hätte, wäre sie heute vielleicht noch so nützlich wie damals. (JWL, 5: 130; vgl. Chilcote, 297–298).

Wesley hatte diese Unterscheidung zwischen Predigt und Ermahnung bereits früher getroffen, als er versuchte, seine ersten Laienassistenten vom Predigen abzuhalten. Obwohl Wesley Sarah Crosby 1761 ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass „die Methodisten es nicht zulassen, dass Frauen predigen“, hatte er ihr die Erlaubnis erteilt, in der Öffentlichkeit Abschnitte aus den Anmerkungen oder den Predigten zu lesen oder über ihre Erfahrungen als Christin zu sprechen (JWL, 4: 133). Den Nutzen dieser Praxis hatte er Elizabeth Bennis bereits 1766 erläutert: „Ein Grund, warum diejenigen, die von der Sünde befreit sind, dies den Gläubigen freimütig bekennen sollten, liegt darin, dass nichts einen stärkeren Ansporn darstellt, nach denselben Segnungen zu streben“ (JWL, 5: 6). Gebet, Zeugnis und Ermahnung waren für Frauen absolut im Rahmen des Erlaubten. Wesley war sich allerdings sehr wohl bewusst, dass das religiöse Establishment wie auch die meisten Dissenter der Meinung waren, die Predigttätigkeit von Frauen sprenge die gesellschaftlichen und religiösen Konventionen (Chilcote, 8, 102). Dass die Quäker diese Praxis verteidigten, konnte ihn kaum trösten, da er ja deutlich erkennbar versuchte, die Methodisten

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innerhalb der Kirche zu halten. Obwohl Wesley Frauenbildung befürwortete, Frauen wichtige Leitungsaufgaben im Methodismus gab und ihnen sogar ein Vorgehen erlaubte, das einer Predigt sehr nahekam, ging er doch nicht den letzten Schritt und erkannte ihre Rolle offiziell an. Zu dieser Haltung scheint ihn die Furcht vor einer Trennung von der Kirche bewogen zu haben, die sich teils daraus ergab, dass er die althergebrachten Vorurteile der Kirche wahrnahm und auch die Spannungen mit seinem Bruder Charles im Hinblick auf Laienpredigten im Allgemeinen nicht verschärfen wollte. Wesley machte sich Gedanken um die Prediger und hielt sie unter seiner Kontrolle, und zwar durch seine jährliche Reise während der Sommermonate und das ganze Jahr über durch eine ausgedehnte Korrespondenz. Er schrieb jedem Prediger mindestens einmal im Jahr, um ihn anzuspornen, zu ermutigen, zu kritisieren und anzufeuern, seiner Berufung noch besser nachzukommen. Während eines Irlandbesuchs 1769 schrieb er Richard Steel einen sehr bestimmten Brief mit dreizehn nummerierten Vorschlägen zu Themen wie Predigt, Hausbesuchen, Gesundheit, Verhalten und „einigen (vergleichsweise) kleinen Dingen“, die er seinen Leuten einschärfen sollte. Er machte sich Gedanken um Gesundheit und Sauberkeit im Einklang mit den Regeln, die auf der Konferenz von 1765 verbreitet worden waren. Er verbot Tabak und Schnupftabak (wenn es nicht von einem Arzt verordnet wurde), den einen als „unreinlichen ungesunden Luxus“, den anderen als „lächerliche, widerliche, schmutzige Gewohnheit“. Er fügte hinzu: „Rührt keine scharfen Getränke an. Es ist flüssiges Feuer. Es ist ein sicheres, wenn auch langsames Gift.“ Seine Empfehlungen zur Reinlichkeit waren sehr detailliert, wie zum Beispiel: „Vermeide allen Schmutz, Dreck und Ungepflegtheit an deiner Person, an deiner Kleidung und in deinem Haus und allem, was dich umgibt. ... Reinige dich von Läusen. ... Heile dich und deine Familie von der Krätze.“ Er sah eine Verbindung zwischen äußerem und inneren Wohlbefinden: „Flick deine Kleidung und bring sie in Ordnung, oder ich werde nie von dir erwarten, dass du dein Leben in Ordnung bringst. Niemand soll je einen zerlumpten Methodisten sehen“ (JWL, 5: 132–134). Wesley fasste diese Empfehlungen im „Großen“ Protokoll von 1770 in einem denkwürdigen Aphorismus zusammen: „Sagt ihnen, Reinlichkeit kommt gleich nach Gottseligkeit [Cleanliness is next to godliness]“ (Minutes, 538). Wesleys Sorge um die Lebensumstände seiner Prediger und Anhänger, wie sie aus seinen persönlichen Kontakten und Bemerkungen ersichtlich war, wurde innerhalb der methodistischen Bewegung zunehmend institutionalisiert. Die alljährliche Verteilung aus dem Prediger-Fonds stellte nur einen Teil dessen dar, was zu einem ausge-

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dehnten Hilfsprogramm innerhalb der Gemeinschaft heranwachsen sollte. Die Sammlung für die Schule in Kingswood erbrachte Ende der 1760er Jahre fast 200 Pfund pro Jahr. Nach Wesleys eindringlichem Appell an die Spender im Januar hatte sich die Kapitaleinlage des Darlehens-Fonds auf mehr als 120 Pfund verdoppelt. Die größte Sorge galt jedoch dem wachsenden Schuldenberg für die Gebäude, der 1766 fast 12 000 Pfund erreicht hatte. Der jährliche Mitgliedsbeitrag half, diesen Verpflichtungen nachzukommen, ebenso wie die zunehmenden Einschränkungen beim Bau neuer Predigtstätten. Dies gipfelte 1770 in einen einjährigen Baustopp. Vorschläge zur Finanzierung von Renovierungen oder zur Bezahlung der Schulden auf der Ebene der örtlichen Gesellschaften zogen Wesleys Warnung nach sich, dass solche örtlichen Initiativen nicht die Verminderung des Jahresbeitrags für den Gesamtverband bedeuten dürften: „Lasst die Substanz nicht fallen, indem ihr nach einem Schatten greift.“ Wesleys zentrale Leitungsposition in Verbindung mit seinem zunehmenden Alter und gelegentlichen Gichtanfällen warf die Frage auf, was nach seinem Tod geschehen würde. Viele erwarteten, dass sich die Gemeinschaft spalten würde, andere befürchteten einen Machtkampf. Auf der Konferenz im August 1769 in Leeds verlas Wesley ein kurzes Papier (das er Charles drei Monate zuvor geschickt hatte, um seine Meinung zu hören), mit dem er seiner Hoffnung Ausdruck gab, die Einheit der Gemeinschaft zu bewahren. Er sah, dass er derzeit „für die reisenden wie die ortsansässigen Prediger das Zentrum der Einheit“ darstellte, hatte jedoch bereits die Situation nach seinem Tod im Blick. Er sah auch, dass nicht alle ihr Ziel erreichen würden, indem sie in der Connexio blieben, und erwartete, dass etwa ein Viertel der Prediger Geistliche werden würde („sich eine vorteilhafte Stellung in der Kirche sichern würde“) und andere „Independente werden und sich eine eigene Gemeinde suchen“ würden. Doch denjenigen, die bleiben wollten, schlug er vor, sich in London zu treffen, um ein Komitee von drei, fünf oder sieben Mitgliedern zu wählen (von denen jedes abwechselnd den Vorsitz übernehmen sollte), um die Gemeinschaft zu führen. Dieses Komitee würde dann die Methoden übernehmen, die Wesley gebraucht hatte, um „Prediger für die Probezeit, die Aufnahme oder den Ausschluss vorzuschlagen, ihren Dienstort für das folgende Jahr und den Zeitpunkt für die nächste Konferenz zu bestimmen.“ Dieser Vorschlag ist eine Modifikation des Konzeptes, das Wesley 1760 vorgelegt hatte. Es geht sehr viel mehr in die Einzelheiten als die „Modell-Urkunde“ (nach 1763), die vorsah, dass nach Wesleys Tod die Kontrolle der Connexio an die „jährliche Konferenz der so genannten Methodisten“ übertragen werden sollte. An diesem Punkt hielt Wesley es für wichtig, dass die an der Konferenz von Leeds teil-

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nehmenden Prediger, die dazu bereit waren, einige „Artikel der Übereinkunft“ („Articles of Agreement“) unterschrieben. Er hatte einen Entwurf vorbereitet, der drei Entschließungen umfasste: 1. 2. 3.

Uns völlig Gott zu widmen; uns selbst zu verleugnen und täglich unser Kreuz auf uns zu nehmen; ständig auf ein Ziel hinzuarbeiten, nämlich unsere Seelen zu retten und die Seelen derer, die uns hören. Die alten methodistischen Lehren zu predigen, und keine anderen, als die in den Konferenzprotokollen enthaltenen. Die ganze methodistische Ordnung einzuhalten und einzufordern, wie sie in besagten Protokollen niedergelegt ist.

Trotzdem wünschten die Prediger, dass Wesley einen Bericht dieser Vorgänge auf der Konferenz allen Predigern übermittelte, die „man ernsthaft in Erwägung zog“. Es ist nicht klar, inwieweit dieser Bund mit den Predigern akzeptiert wurde und für sie bindend war. Die besondere Herausstellung der Protokolle als Maß für Konformität in Lehrfragen wirkt möglicherweise etwas überraschend, vor allem im Hinblick auf die Muster-Urkunde, die Wesleys Predigten und Anmerkungen erwähnt. Gewiss war es nicht einfach das Ergebnis seiner Beobachtung, dass viele Menschen „gegen Predigten immun“ waren (J&D, 22: 189). Jedenfalls stand die „alte methodistische Lehre“ an diesem Punkt unter Wesleys Kontrolle; er konnte ganz gewiss entscheiden, ob ein Prediger in Lehrfragen den Anforderungen genügte, ohne sich dabei auf bestimmte Dokumente zu beziehen. Und die Protokolle lieferten einen Maßstab für angemessenes Predigen. Auch wenn die Protokolle eine sehr praxisorientierte Form angenommen hatten (mehr Ordnungs- als Lehrfragen), enthielten die „Großen“ Protokolle doch ein gewisses Maß an Diskussion über Lehrfragen aus den verschiedenen Konferenzen und spiegelten daher die grundlegende Gestalt der „alten methodistischen Lehre“ wider. Tatsächlich brachte Wesley 1770 eine Neuausgabe der „Großen“ Protokolle heraus. Von den 79 Fragen und Antworten waren gegenüber der letzten Ausgabe von 1763 annähernd drei Dutzend neu (aus den dazwischen liegenden Konferenzen) oder korrigiert. Unter den neu hinzugekommenen Punkten fanden sich eine kurze Geschichte des Methodismus, die Vorkehrungen für erholungsbedürftige Prediger, Anweisungen zur Pferdepflege (1765), zum Verbot von Schnupftabak und alkoholischen Getränken (1765), zu Hausbesuchen (1766), zur Arbeit mit Kindern (1766), zur Ausrottung von Schmuggel und Bestechung (1767), zu Predigern, die ihren alten Beruf aufgeben (1768), zur Abtragung alter Schulden und dem Bund der Einheit (1769) sowie zum persönlichen Konkurs Einzelner und der Begrenzung der Bautätigkeit (1770).

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Diese Neuausgabe der „Großen“ Protokolle brachte die Leitlinien zu Lehre und Ordnung auf den neuesten Stand der Konferenz von 1770, eingeschlossen die grundlegende Tagesordnung der Konferenz selbst, die dreizehn Fragen vorgab, die jedes Jahr gestellt werden sollten. Einige Punkte aus den vorhergehenden Ausgaben wurden ausgelassen, wie zum Beispiel Bandenzusammenkünfte an jedem Morgen oder Empfehlungen, wie man mit Verfolgung umgehen solle; denn Banden und Verfolgung verloren für die Methodisten zunehmend an Bedeutung. Der Text der Modell-Urkunde wurde ebenfalls insofern korrigiert, als William Grimshaws Name als Nachfolger der Wesleys gestrichen wurde; er war kurz vor der Veröffentlichung der vorhergehenden Ausgabe gestorben. Ein Punkt, den das „Große“ Protokoll im Unterschied zum PennyProtokoll von 1770 nicht enthielt, war der Schlussabschnitt zu Lehrfragen, dessen Formulierung für gravierende Kontroversen mit Wesleys calvinistischen Kritikern sorgte. Der Disput war im Laufe der letzten beiden Jahre immer schärfer geworden, seit nämlich der Ausschluss einiger calvinistischer Methodisten aus der St. Edmund’s Hall in Oxford zu einem mit Schmähschriften ausgetragenen Krieg geführt hatte, der die arminianischen und calvinistischen Lager innerhalb der methodistischen Bewegung noch weiter polarisiert hatte. Richard Hill (Pietas Oxoniensis) und Augustus Toplady (Church of England Vindicated) führten die calvinistischen Schriftsteller in die Auseinandersetzung. Weil die Methodisten an der Universität Oxford nicht gerade willkommen waren, stampfte Wesley an der Schule von Kingswood einen „akademischen“ Kurs aus dem Boden. Zur gleichen Zeit im Jahr 1768 gründete Lady Huntingdon das Trevecca College, um bei der Ausbildung calvinistisch-methodistischer Prediger behilflich zu sein. Sie wählte bald darauf zwei von Wesleys engen Weggefährten für die Leitung der Schule aus: John Fletcher als Präsident und Joseph Benson (ehemals in Kingswood) als Rektor. Benson und Fletcher waren von Trevecca bald enttäuscht. Wesley teilte ihre Ernüchterung und bestärkte sie darin. Sarkastisch warnte er Benson davor, in der Gegenwart der Gräfin über christliche Vollkommenheit auch nur etwas zu murmeln – „Ketzerei der Ketzereien“ (JWL, 5: 166). Wesley selbst waren calvinistische Evangelikale ein Dorn im Auge, wie etwa Toplady, dessen Predigt vom April 1770, „Ein Wort der Warnung vor ungesunder Lehre“ („A Caveat against Unsound Doctrine“) sich unmittelbar gegen ihn richtete. Die Konferenz von 1770 gab Wesley die Möglichkeit, sich an diesem Disput zu beteiligen, und zwar im letzen Punkt der Antwort auf die abschließende Frage: „Was kann man tun, um das Werk Gottes neu zu beleben, wo es zum Stillstand gekommen ist?“: „Gebt Acht auf eure

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5. Kapitel

Die Gemeinschaft von Howell Harris, 1752 im walisischen Trevecca errichtet. Lady Huntingdon gründete 1769 in der Nähe ein College zur Ausbildung der Prediger ihrer Gemeinschaft.

Lehre.“ Die Erläuterung dieses Punktes führte Wesley sechsundzwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück, als er der ersten Konferenz die Frage vorgelegt hatte: „Haben wir uns nicht unbewusst zu sehr dem Calvinismus ... [und] Antinomismus zugewandt?“ Im folgenden Jahr (1745) hatte er eingeräumt, dass die „Wahrheit des Evangeliums“ nur „um Haaresbreite“ von Calvinismus und Antinomismus entfernt liege (Minutes, 3,9). Nun betrachtete er diese „Haaresbreite“ genauer, als wäre sie unter dem Mikroskop vergrößert, und gebraucht dabei in zusammengefasster Form Ideen, die er in seinen Predigten der 1760er Jahre betont hatte. Er erwähnt, dass Gott denjenigen Gunst erweist, die „sich vom Bösen abwenden und Gutes zu tun lernen“; er stellt der Notwendigkeit der Buße die „rechtschaffenen Werke der Buße“ zur Seite; er spricht davon, dass Gott den Menschen annimmt, der „Gott fürchtet und recht tut“; er behauptet, dass gute Werke eine notwendige Bedingung für die Errettung seien. Schließlich stellt er die Frage: „Worüber haben wir uns dann dreißig Jahre lang gestritten?“ Seine Antwort: „Ich fürchte, über Worte.“ Wesley rang wieder einmal vor allem mit der calvinistischen Abneigung gegen alles, was ihrer Auffassung nach an Werkgerechtigkeit grenzte. Er war überzeugt, dass die calvinistische Betonung des vorbestimmten Wirkens Gottes im Moment der Rechtfertigung (mit der

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sich daraus ergebenden Maxime der Beharrlichkeit, „einmal gerettet, immer gerettet“) im Regelfall zu geistlichem Hochmut und moralischer Laxheit führen würde – in einem Wort, zum Antinomismus. Im Protokoll vom 1770 versuchte Wesley daher, diesem Standpunkt entgegenzutreten, vor allem in seiner Schlussbemerkung: „In jeder Stunde und jedem Augenblick gefallen oder missfallen wir Gott; je nach unseren Werken, je nach unserer inneren Einstellung und unserem äußeren Verhalten“ (Minutes, 96). Diese Botschaft steht im Einklang mit seiner Bemerkung, die er vorher auf der Konferenz gemacht hatte und die seine lebenslange Perspektive widerspiegelt: „Müßiggang kann niemals mit Wachstum in der Gnade einhergehen. Nein, wer sich nicht anstrengt, die Zeit zu nutzen, kann unmöglich selbst das Leben erhalten, das er in der Rechtfertigung bekommen hat“ (Minutes, 95). Das Wesentliche dessen, was Wesley den Konferenzteilnehmern von 1770 gesagt hatte, klingt an das an, was er fast dreißig Jahre lang beständig gepredigt hatte, und die Einzelheiten waren genau diejenigen, die er ein Jahrzehnt lang eindringlich betont hatte. Doch Form, Tonfall und Kontext dieses speziellen Protokollauszugs garantierten, dass die Calvinisten gereizt reagieren würden. Für Wesley ergab sich jedoch innerhalb weniger Wochen die Möglichkeit, die Kritiker zu besänftigen. Er wurde gebeten, die Trauerpredigt für seinen alten calvinistischen Freund und Gegenspieler George Whitefield zu halten, der in Amerika gestorben war. Wesley mobilisierte all seine diplomatischen Fähigkeiten, zog sich aufs Land zurück, um die Predigt zu schreiben, und streckte am 18. November der Gemeinde im brechend vollen Tabernakel Whitefields in Moorfields den beabsichtigten Ölzweig entgegen. Die Predigt fasste Whitefields Leben, Charakter und Lehre zusammen. Obwohl Wesley mit einem kraftvollen Aufruf schloss, dem „ökumenischen Geist“, den Whitefield verkörperte, nachzueifern, hatte er sich in dem Teil seiner Predigt, der sich mit seiner Lehre beschäftigte, verrechnet. Er porträtierte Whitefield als einen Mann, der von seinen Anfängen als Methodist in Oxford an im Wesentlichen dieselben „großen Lehren“ wie Wesley selbst verkündet hatte, hier zusammengefasst als „die Neugeburt und Rechtfertigung durch den Glauben“. Als er den Punkt herausarbeitete, dass sich die Menschheit auf Gottes Gnade verlässt, um errettet zu werden, wiederholte er jedoch die Auffassung, dass Christi Gerechtigkeit, wie man sie in seinem Leidensweg sieht, die einzige verdienstvolle Ursache für die Rechtfertigung sei (Sermons, 2: 342). Dieser Punkt stellte den Kern der Kontroverse des vorangegangen Jahrzehnts dar und war ein Teil genau der Streitfrage, die die ursprüngliche Kontroverse 1739 zwischen den beiden ausgelöst hatte.

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5. Kapitel

Dass man Wesley gebeten hatte, die Trauerpredigt zu halten, empfanden einige Calvinisten wie etwa William Romaine als Beleidigung, denn sie ärgerten sich immer noch über Wesleys bestimmten und selbstbewussten Arminianismus der vorangegangenen zehn Jahre. Und viele von Whitefields Freunden nahmen Anstoß am Inhalt dieses speziellen Nachrufs, vor allem, weil Wesley an keiner Stelle Whitefields Bundestheologie mit ihrer Betonung der absoluten Prädestination erwähnt hatte. Doch Wesley war überzeugt, dass seine Position zu Rechtfertigung und Heiligung von entscheidender Bedeutung für sein Ziel war, schriftgemäße Heiligkeit zu verbreiten. Seine Predigten und Organisation hatten im Laufe der Jahre eine ganz andere Form als die Whitefields angenommen, nicht zuletzt deswegen, weil die Evangelisation eine ganz andere Form annimmt, wenn das Ziel Heiligkeit heißt. Die sich daraus ergebenden Spannungen, sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Bewegung, hatten Wesley veranlasst, auf der Konferenz von 1769 zu sagen: „Ich frage, ein für alle Mal: Sollen wir diese Position verteidigen oder sie aufgeben?“ Die Prediger kamen überein, sie zu verteidigen. Die Möglichkeit, durch die Gnade Vollkommenheit in der Liebe zu erreichen, war das entscheidende und maßgebliche Kennzeichen von Wesleys Erweckungsbewegung, und schon ihre Organisation als Netzwerk von disziplinierten kleinen Gruppen zielte darauf ab, diese Hoffnung auf Vollkommenheit im Leben der Gläubigen zu fördern. Dass viele Calvinisten und Evangelikale innerhalb und außerhalb der Kirche von England mit dieser Lehre nicht übereinstimmen konnten, schreckte Wesley nicht von seiner zielstrebigen Vision ab, das Land zu reformieren. So entschloss er sich, trotz ihrer oder auch ohne sie weiterzumachen, um sein Ziel zu erreichen.

Expansion, Kontroverse und die Führungsfrage John Wesleys Selbsteinschätzung zu seinem achtundsechzigsten Geburtstag ist typisch: „Ich staune immer noch über mich selbst. Meine Stimme und meine Kraft sind immer noch dieselbe wie mit neunundzwanzig“ (J&D, 22,282). Im Jahr zuvor hatte er ebenfalls verblüfft festgehalten: „[Ich] bin nun gesünder als vor vierzig Jahren.“ Ein kurzer Blick in seine frühen Tagebücher enthüllt, dass ein Jahresüberblick an seinem neunundzwanzigsten Geburtstag einige gesundheitliche Probleme im vorangegangen Jahr zur Sprache bringt, darunter zweimal „sehr lahm“, „Blut gespuckt“ und „mein Auge krank“. Trotzdem waren diese späteren Beobachtungen nicht dazu gedacht, verglei-

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chende Untersuchungen über Kraft oder Gesundheit anzustellen. Er versuchte nur unter anderem herauszufinden, ob er die beschwerliche Reise nach Amerika noch einmal auf sich nehmen solle. Man hatte ihn eingeladen, und er verstand, dass das Feld reif zur Ernte war.

Die ersten Methodisten in New York kamen in diesem kleinen Dachgeschoss zusammen, bevor sie eine Kapelle in der John Street bauten.

Whitefield hatte bei Wesley Anfang 1767 angefragt, ob man Prediger entbehren könne, um sie nach Amerika zu schicken und ihn zu unterstützen. Wesleys Antwort fiel eindeutig aus: Wir haben nicht einmal genug Prediger, um den Bedarf zu Hause zu stillen. Doch wies er darauf hin, dass die Lokalprediger den Reisepredigern in „Gnade und Gaben“ oft gleichkämen, und deutete an, dass sie in einen „größeren Wirkungsbereich“ versetzt werden könnten (JWL, 5: 45). Auf Whitefields Bitte folgte ein Jahr später (4. April 1768) ein Brief von Thomas Taylor, einem Methodisten in New York, der Whitefields Arbeit in der Neuen Welt schilderte: „Seine Worte waren wirklich wie ein Hammer und ein Feuer“ und belebten die Kirchen. In diese Situation hinein waren Philipp Embury, ein irischer Klassenleiter und Lokalprediger, der nach New York emigriert war, und Barbara Heck gekommen, seine Cousine. Sie waren Wesleys Beispiel gefolgt und hatten eine kleine Gesellschaft gegründet (W-A, 42–43). Darüber hinaus hatten sie ein kleines Dachgeschoss angemietet, in dem sie zusammenkamen. Doch in seinem Brief bittet Taylor Wesley um juristische Auskünfte und finanzielle Unterstützung, um in der John Street das „erste Predigthaus nach dem ursprünglichen methodistischen Vorbild in ganz Ameri-

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5. Kapitel Francis Asbury

ka (ausgenommen Mr. Whitefields Waisenhaus in Georgia)“ zu bauen. Taylor bat Wesley außerdem darum, einen erfahrenen Prediger zu senden – „einen Mann mit Weisheit und gesundem Glauben und jemand, der Ordnung halten kann“, und fügte hinzu, dass die Methodisten in New York bereit seien, ihre Mäntel und Hemden zu verkaufen, um die Überfahrt zu bezahlen (W-A, 79–80). Wesley legte diese Anliegen der Konferenz von 1768 vor, gemeinsam mit einem ähnlich dringenden Hilferuf aus Maryland, wo man unter der Predigttätigkeit von Robert Strawbridge eine Erweckung erlebt hatte, einem weiteren irischen Methodisten, der um 1760 auf eigene Faust nach Amerika gegangen war. Doch man konnte nichts tun. Immer noch herrschte eine Predigerknappheit, wie Wesley in seinem Journal vermerkte: „O, was können wir für mehr Arbeiter tun?“ (J&D, 22, 153). In der Zwischenzeit druckte Wesley Taylors Brief, um ihn unter den Assistenten zu verteilen. Er schlug sogar einigen seiner Reiseprediger wie zum Beispiel Christopher Hopper und Joseph Cownley vor, dass er nicht „nein sagen würde“, wenn sie willens seien, „sich nach New York zu begeben“. Sie gingen nicht. Er gab auch anderen, Robert Willliams und John King, die Erlaubnis; und sie gingen auf eigene Faust (W-A, 81). Auch auf der nächsten Konferenz brachte Wesley das Thema zur Sprache: „Wer ist bereit zu gehen?“ Nach zwei Tagen (und wahrschein-

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Captain Thomas Webb

lich sanftem Druck seitens Wesleys) erklärten sich Richard Boardman und Joseph Pilmore (vielleicht sogar völlig freiwillig) bereit aufzubrechen – Pilmore nach Philadelphia und Boardman nach New York. Auf der Konferenz wurden etwa fünfzig Pfund als Beitrag zur Tilgung der Schulden für die John Street (400 Pfund) gesammelt und etwa zwanzig Pfund für die Überfahrt der Prediger (Minutes 86). In den Protokollen wird (als Antwort auf die direkt darauf folgende Frage) festgehalten, dass sich die Restschulden der Gemeinschaft noch auf eine Summe zwischen fünf- und sechstausend Pfund beliefen. Noch vor Jahresende erwog Wesley, selbst nach Amerika zu gehen (JWL, 5: 167). Anfang 1770 erwähnte er einigen Korrespondenten gegenüber diese Möglichkeit und sagte, dass Freunde aus Philadelphia und New York ihm dies nahe gelegt hätten. Er fügte hinzu, dass sein „Alter überhaupt nicht dagegen spricht; denn ich preise Gott, dass meine Gesundheit nicht nur so gut, sondern in mancher Hinsicht unvergleichlich viel besser ist als mit fünfundzwanzig“ (JWL, 5: 183). Als sich das Jahr dem Ende zuneigte, hatte er diese Möglichkeit noch nicht aufgegeben, doch im Lauf des Jahres 1771 rückte die Wahrscheinlichkeit für eine solche Reise immer weiter in die Ferne. Wesley hatte Anfang 1770 gehofft, Whitefield würde in der Lage sein, in Amerika an seine Stelle zu treten und sich so der jungen Prediger, die er hinüberschickte, anzunehmen und zu ermutigen. Doch

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5. Kapitel

Whitefield starb innerhalb eines halben Jahrs, und die relativ unerfahrenen Prediger hatten niemanden mehr, der sie anleitete. Gleichwohl gelang es Pilmore in weniger als einem Jahr, eine Gesellschaft von nahezu zweihundert Mitgliedern um sich zu sammeln. Er behauptete, mit mehr Predigern würden „die amerikanischen Methodisten die europäischen einholen, wenn nicht sogar überholen“ (Pilmore, 40). Er ließ Wesley einen dringenden Hilferuf zukommen und sagte, dass es zu dieser Zeit an jedem Ort Arbeit genug für zwei Prediger gebe. Gleichzeitig bekannte Pilmore auch einem Freund in England, die Hauptschwierigkeit sei der Mangel an ordinierten Predigern, und fügte hinzu: „Ich glaube, dass wir gezwungen sein werden, dem auf die eine oder andere Weise abzuhelfen“ (W-A, 90). Es gab natürlich noch weitere Methodistenprediger in Amerika, darunter Williams und King, die eigenmächtig gegangen waren. Captain Thomas Webb, der sich vorzeitig aus dem militärischen Dienst mit einer Verletzung verabschiedet hatte, die das Tragen einer Augenklappe notwendig machte, hatte in der Frühzeit das Wachstum der New Yorker Gesellschaft mit seinen kraftvollen Predigten (in voller Uniform mit dem Schwert auf der Kanzel!) angefacht. Doch Wesley versuchte, auf Pilmores Hilferuf einzugehen. Er wollte regulär ernannte Reiseprediger für diese Aufgabe gewinnen. Dass er keinen einzigen fand, der bereit war zu gehen, stärkte eine Zeit lang seine eigene Neigung, den Atlantik zu überqueren. Sein Zögern erklärte er damit, dass er noch Gottes Führung suche. Auf der Konferenz von 1771 erklärten sich dann doch fünf Freiwillige bereit. Er wählte zwei von ihnen aus: Richard Wright und Francis Asbury, beide Mitte Zwanzig und jeweils ein beziehungsweise vier Jahre im Dienst. Das Protokoll führt also vier Prediger auf, die nach Amerika ausgesandt wurden (darunter die beiden, die 1769 geschickt worden waren), sowie eine Mitgliederzahl von fünfhundert. Doch nicht nur Amerika beschäftigte Wesley zu diesem Zeitpunkt. Die Calvinisten setzten ihn weiter unter Druck. Im Besonderen hatte ihre Gönnerin Lady Huntingdon Wesley ihre Kanzeln verboten und beschwerte sich, das infame Protokoll von 1770 widerspreche all seinen anderen Schriften. Wesley bestritt diesen Vorwurf zu Recht; doch er strapazierte seine Glaubwürdigkeit, als er ihr zu erklären versuchte, dass die fraglichen „zehn Zeilen“ sich nicht darauf bezögen, wie man „Gottes Wohlgefallen erwerbe, sondern wie man es behalte“ (JWL, 5: 259). Wesley wurde auch in Walter Shirleys Narrative („Erzählung“, 1771) angegriffen, in der die Hauptpunkte dieser Auseinandersetzung noch einmal aufgeführt wurden. Shirley, ein evangelikal ausgerichteter anglikanischer Geistlicher, hatte eine Zeit lang zu den Verbündeten der Wesleys gezählt. Anfang

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1770 jedoch erhielt er eine Rüge von Wesley, der ihn davor warnte, ihm zu widersprechen, wenn er in wesleyanischen Predigtstätten predigte. Nach der Konferenz vom August desselben Jahres wechselte Shirley in die gegnerischen Reihen. Als ein Jahr später die nächste Konferenz bevorstand, schickte Wesley einen Rundbrief, in dem das berühmte Protokoll Zeile für Zeile nachgedruckt und verteidigt wurde. Walter Shirley brachte ebenso einen Rundbrief in Umlauf und rief viele calvinistische Freunde zu einem Treffen in Bristol auf, das zeitlich mit Wesleys Konferenz zusammentraf. Die unvermeidliche Konfrontation führte zu einem erklärenden Dokument, von Wesley und dreiundfünfzig Predigern unterzeichnet, in dem die Methodisten scheinbar ihre Position aufgaben, gute Werke seien für die Rechtfertigung notwendig. Shirley und seine neun oder zehn Freunde akzeptierten diesen Ölzweig als ausreichendes Versöhnungsangebot. Er erwiderte es, indem er öffentlich erklärte, dass ihm bei seiner Auslegung des Protokolls Fehler unterlaufen seien. Tatsächlich aber stand das von Wesley und den Predigern unterzeichnete Papier, in dem erklärt wurde, dass „wir die Lehre der Rechtfertigung durch Werke als eine höchst gefährliche und verabscheuungswürdige Lehre missbilligen“ völlig in Einklang mit den von Wesley bereits seit langer Zeit gehegten Auffassungen und machte keinerlei neue Zugeständnisse. Trotzdem schien der sorgfältig formulierte Schlussabsatz die Kritiker zunächst einmal zufrieden zu stellen: Und obwohl niemand ein wirklich gläubiger Christ ist (und daher nicht gerettet werden kann), der keine guten Werke tut, wenn es Zeit und Gelegenheit dazu gibt, haben doch unsere Werke keinen Anteil daran, unsere Rechtfertigung zu verdienen oder zu erkaufen, vom ersten bis zum letzten, weder zur Gänze noch zu einem Teil (JWJ, 5: 427).

Thomas Olivers, Wesleys Assistent in Derbyshire, mischte sich ebenfalls in die Auseinandersetzung ein, indem er eine Schrift verfasste, in der er Wesley gegen Augustus Toplady verteidigte (1771). Doch die Hauptarbeit bei Wesleys Verteidigung leistete John Fletcher, der sein Amt als Präsident von Lady Huntingdons College in Trevecca im früheren Verlauf des Jahres niedergelegt hatte und dessen Vindication of the Rev. Mr. Wesley’s Last Minutes („Verteidigung des letzten Protokolls von Rev. Mr. Wesley“), von Wesley unmittelbar nach der Konferenz von 1771 veröffentlicht, den Auftakt zu einer langen Serie von Salven auf die Calvinisten darstellten. Die Hauptgefahr der calvinistischen Auffassung war in den Augen der Wesleyaner der Antinomismus, beziehungsweise die Vernachlässigung des moralischen Gesetzes. Fletchers Schriften konzentrierten sich auf diese Frage. Er begann mit einer Serie von fünf Briefen an Walter Shirley, die als die ersten

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seiner Checks to Antinomianism („Barrikaden gegen den Antinomismus“, Documents, 4: 166). In seiner Verteidigung der wesleyanischen Position ging Fletcher in einigen Punkten weiter als Wesley selbst: Er behauptete, eine „zweite Rechtfertigung“ durch Werke sei notwendig für die endgültige Errettung, definierte vier Grade der Rechtfertigung, bezeichnete die Vollkommenheit als „zweite Segnung“ (obwohl auch Wesley in dieser Zeit den Begriff einige Male verwendet; JWL, 6: 116). Fletchers Schriften brachten die Calvinisten zu der ÜberMary Bosanquet zeugung, dass Wesleys Sicht der Errettung in gefährlicher Weise von einer synergistischen Auffassung (sie geht von einem Zusammenwirken zwischen Mensch und Gott bei der Erlösung aus) getrübt worden sei, die sowohl römisch-katholisch wie pelagianisch sei. Olivers Versuch, Wesley zu verteidigen, trug tatsächlich dazu bei, den Eindruck der Calvinisten zu bestärken, dass Wesleys Auffassungen vom Verdienst mit dem spätmittelalterlich-nominalistischen Konzept des meritum de congruo (Rack, 458) gleiche. Die Opposition stellte sich der Herausforderung mit anonymen Veröffentlichungen wie The Jesuit Detected; or, The Church of Rome Discover’d in the Disguise of a Protestant („Der entlarvte Jesuit; oder Die Kirche von Rom in der Verkleidung eines Protestanten entdeckt“, 1773). Diese Kontroverse lieferte den Hintergrund für zwei andere wichtige Entwicklungen. Die erste war Wesleys Sinneswandel in Bezug auf Predigerinnen, in dem er durch Mary Bosanquets Argumente bestärkt wurde. Seit ihrem Umzug nach Yorkshire hatten sie und Sarah Crosby immer wieder Gebetstreffen abgehalten und auf Versammlungen in ihrer Gegend gesprochen, wenn sie mit John Oliver und anderen methodistischen Predigern zusammenarbeiteten. Doch gelegentlich wurden die Versammlungen, auf denen sie sprachen, in Predigthäusern abgehalten, und ihre Worte wirkten daher wie eine Pre-

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digt. Im Frühjahr 1771 erhob einer der Prediger dagegen Einspruch. Es sei nicht schriftgemäß, wenn eine Frau in der Kirche spreche. Bald stimmten auch andere ein und zitierten die paulinische Anordnung, dass Frauen weder predigen noch lehren sollten. Mary schrieb daher einen Brief an Wesley, skizzierte die verschiedenen Einwände gegen ihre Arbeit und ihre Antworten darauf. Der Brief ist eine meisterhafte Kombination von biblischer Exegese und geistlichem Mandat. Er verfolgte den grundlegenden Ansatz, nicht die Vorurteile gegen Fähigkeiten oder Verständnis von Frauen in Frage zu stellen, sondern vielmehr darum zu bitten, dass man ihnen dieselbe Möglichkeit einräumt, ihrer Berufung unter ähnlichen Regeln und Einschränkungen zu folgen. Sie hatte das Empfinden, dass ihre Berufung außergewöhnlich sei: „Ich glaube nicht, dass jede Frau dazu berufen ist, in der Öffentlichkeit zu sprechen, ebenso wenig wie jeder Mann dazu berufen ist, ein Methodistenprediger zu sein, und doch haben einige eine außergewöhnliche Berufung erfahren, und wehe ihnen, wenn sie ihr nicht gehorchen“ (Documents, 4: 171). Wesley akzeptierte das Argument der „außergewöhnlichen Berufung“, denn er hatte erkannt, dass nicht nur die methodistischen Laienpredigten, sondern „das ganze Werk Gottes, das man Methodismus nennt“, eine „außergewöhnliche Beauftragung“ der Vorsehung Gottes sei. Daher war Wesley wie Paulus bereit, Ausnahmen von den üblichen Regeln der Ordnung zuzulassen (JWL, 5: 257; vgl. 1 Kor 9, 17). Dass Wesley die Predigttätigkeit bestimmter Frauen akzeptierte, war nur ein privates Arrangement und änderte nichts an den normalen Regeln innerhalb der Connexio, wie sie in den Protokollen festgesetzt worden waren. Durch die sorgfältig ausgeübte Kontrolle in dieser Frage schien er die Vorurteile, die sich in der öffentlichen Meinung hielten, aufweichen zu wollen, um den Nutzen zu maximieren, der sich aus der Gnade und der Begabung ergab, die im Dienst dieser Frauen sichtbar wurden (Chilcote, 171). Eine weitere wichtige Entwicklung in dieser Periode der Kontroverse war die Realisierung eines großen Verlagsprojekts, über das Wesley bereits einige Jahre nachgedacht hatte – eine Ausgabe seiner gesammelten Werke (Works). Das Vorwort, auf den März 1771 datiert, legt seine Absicht dar, seine Schriften „unter geeigneten Oberbegriffen ... methodisch zu ordnen“, so dass sie einander illustrieren. Er wollte sie darüber hinaus korrigieren, und zwar nicht nur die Druckfehler (ein Problem, das der Drucker William Pine unglücklicherweise noch verschlimmert hatte), sondern auch Denk- und Ausdrucksfehler. Er wünschte zudem „den Sinn“ zu korrigieren, um dem „ernsthaften und aufrichtigen“ Publikum „meine letzten und reifsten Gedanken mitzugeben, die, wie ich hoffe, mit der Bibel, dem Verstand und der frühen Christenheit zu vereinbaren sind“.

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Die ersten vier Bände der Works enthielten eine Neuausgabe seiner Predigten, die den dreiundvierzig, die in den vorangegangenen vier Bänden veröffentlicht worden waren, noch neun weitere hinzufügte, die er in den 1760er Jahren gehalten hatte. Entsprechend seiner erklärten Absicht, das Material „methodisch zu ordnen“, stellte er diese neueren Predigten den früheren so gegenüber, dass dadurch deutlich wurde, wie er seine Position in vielen entscheidenden Punkten revidiert und klarer herausgearbeitet hatte, vor allem diejenigen, die zu Konflikten mit den Calvinisten geführt hatten. Als Schlusspunkt in dieser Hinsicht diente die letzte Predigt dieser neuen Sammlung, die Beerdigungspredigt „Zum Tode von George Whitefield“. Diese vier Bände erschienen alle vor Ende 1771. Weitere achtundzwanzig Bände wurden im Lauf der nächsten drei Jahre publiziert. Den Abschluss machte der neueste Auszug aus seinem Tagebuch (bis zum September 1770, abgesehen von einem Auszug, der versehentlich ausgelassen wurde). Eine Innovation („etwas außerhalb des Üblichen“, wie Wesley sagte), die diese zweiunddreißig Bände besonders interessant macht, besteht darin, dass er die Abschnitte, die nach seiner „Meinung der Aufmerksamkeit der Leser am meisten wert“ waren, mit einem Sternchen markierte. Es ist bemerkenswert, dass Wesley sich entschloss, die vertraute Schilderung seines AldersgateErlebnisses nicht so zu markieren. Manch anderer Prediger zögerte hingegen nicht, sein eigenes Bekehrungserlebnis hervorzukehren, und das manchmal auch in einer Sprache, die der Wesleys ähnelte. John Walsh hatte einen Bericht über die Erweckung von 1759 in Everton hinausgeschickt, in dem er anmerkte, wie er bei einer Gelegenheit die Geschichte erzählt hatte, „wie Gott mich wie ein Brandscheit aus dem Feuer heraus gerettet“ hatte. Walsh bemerkte dazu: „Ich habe oft entdeckt, dass nichts, was ich sagen kann, solch einen Eindruck auf mich selbst oder andere macht, wie die Geschichte meiner Bekehrung noch einmal zu erzählen“ (J&D, 21: 220). Die methodistische Erweckung als Ganze hing weiterhin von der Folge örtlicher Erweckungen ab, wie etwa der 1772 in Weardale. Ein immer wichtigerer Zug dieser Ausbrüche geistlichen Eifers war die wichtige Rolle der örtlichen Führungspersonen, die den Impuls der Erweckung aufrecht erhielten, während die Reiseprediger weiter zogen. Wesley war von den Geschehnissen in Weardale beeindruckt; in seinem Tagebuch schätzte er sie sogar höher ein als das, was in Everton mehr als zehn Jahre vorher passiert war. Er führte die Ähnlichkeiten an (den unerwarteten Ausbruch, den schnellen Fortschritt, die große Zahl von Bekehrungen, begleitet von heftigen Gefühlsausbrüchen sowie einfache Menschen, die die Bewegung anführten), doch auch die Unterschiede: Diese Erweckung war kein Anfang, sondern aus der Arbeit erwachsen;

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die Menschen wurden nun in viel kürzerer Zeit erweckt und gerechtfertigt; eine weitaus größere Anzahl wurde bekehrt; die Zahl von Visionen und Offenbarungen, die „vom Teufel nachgeahmt wurden“, lag weitaus niedriger; und unter den führenden Köpfen befanden sich drei Reiseprediger, die „in der Liebe erneuert“ wurden, sowie einige ortsansässige Leiter, die das „Wirken Gottes in seiner Tiefe erfuhren“. Wesley schloss nicht nur eine Schilderung der dreißig Kinder ein, die von der Erweckung mitgerissen wurden (und die an ein ähnliches Ereignis in Kingswood 1768 erinnerte, als Joseph Benson dort Rektor war), sondern wies auch darauf hin, dass die Kinder in Weardale die größere Tiefe der Erweckung an diesem Ort deutlich machten: Sie hatten „beständigere Gemeinschaft mit Gott als der älteste Mann oder die älteste Frau in Everton“ (J&D, 22: 335–337). Nicht jedermann war von den methodistischen Gebetstreffen beeindruckt, die das Herzstück vieler solcher Erweckungen ausmachten. James Lackington schilderte den Ablauf (nachdem er praktisch gesagt hatte, dass man es miterleben müsse, um es zu glauben): „Der erste beschwatzt und überredet das göttliche Wesen, wenn er zu ihm spricht; ein anderer ist lüstern und sinnlich; und ein dritter so grob und herrisch, dass er Gott mitteilt, er müsse ein Lügner sein, wenn er nicht alles gewähre, worum sie ihn bitten.“ Dann, so sagt er, nachdem sie gegenseitig ihre Fantasie bis zum Zustand der geistlichen Trunkenheit „aufgeladen“ haben, erklären sie einander, dass ihre Sünden vergeben, sie wiedergeboren oder geheiligt seien (Memoirs, 65). Andere übten Kritik, gerade weil sie dem Wirken der Methodisten freundlicher gesinnt waren. Elizabeth Marriott, die Frau eines methodistischen Londoner Geschäftsmanns, deutete Wesley an, dass nicht alle Prediger „für Gott leben“ (vgl. Röm 6, 11) und sich „von Herzen für die Arbeit einsetzen“. Sie hoffte, dass er dieses Ziel fördern würde, indem er sich das ganze Jahr über mit den Predigern in kleinen Gruppen von drei oder vier Teilnehmern träfe wie in einem Bandmeeting. Durch strengen Tadel und klare Anweisungen könne Wesley seinen Einfluss zum Guten vervielfachen: Eine mit den Predigern verbrachte Stunde könne mehr Gutes bewirken, als eine ganze Woche zu schreiben oder zu predigen. Sie wies Wesley eindringlich auf seine Verantwortung in dieser Angelegenheit hin: „Sie sind wirklich der Vater dieser Menschen; doch die Prediger sind in einem ganz eigentümlichen Sinn Ihre Söhne im Evangelium. Daher beanspruchen sie Ihre Hauptaufmerksamkeit.“ Und indem er einen Prediger ansporne, könne er ein Instrument für die Bekehrung von Hunderten werden (Documents, 4: 174–175). Wesley machte sich tatsächlich Gedanken über die Mitgliederzahl der Vereinigten Gesellschaften. Die Berichte von 1772 und 1773 zeig-

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ten die kleinsten Zuwächse, die bisher in den Protokollen festgehalten worden waren – 462 beziehungsweise 790 (ohne Amerika). Viele Bezirke zeigten einen Mitgliederschwund und wurden mit einem Sternchen markiert, davon fünf zwei Jahre hintereinander (Dublin hatte 114 und damit fast ein Viertel seiner Mitglieder eingebüßt). Er hatte das Problem 1771 in Dublin als „allgemeine Schwäche“ geschildert, die sich der Gesellschaften bemächtigt hatte. Dafür machte er die Leiter verantwortlich und traf sich einige Male mit ihnen. Bei einer Gelegenheit sprach er sie ausdrücklich auf ihre unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihre Autorität in einer Struktur an, die auch die hierarchische Gesamtstruktur beschrieb, innerhalb derer die Gesellschaft funktionieren sollte. In der methodistischen Ordnung laufen die Räder normalerweise so: der Assistent, die Prediger, die Verwalter, die Leiter, die einfachen Mitglieder. Doch hier haben die Leiter, die das vorletzte Rad darstellen, ihren Platz völlig verlassen. Sie haben sich an die Spitze gestellt, über die Verwalter, die Prediger, ja über den Assistenten selbst. Darauf führe ich hauptsächlich den allmählichen Verfall von Gottes Werk in Dublin zurück (J&D, 22: 268–269).

Die Kontroversen scheinen ihren Tribut gefordert zu haben. Doch Wesleys Begeisterung für seine arminianische Botschaft nahm nicht ab. Seinem Freund Charles Perronet vertraute er Ende 1774 an: „Wenn wir einmal all unsere Reise- und Lokalprediger dazu bringen können, einmütig und beständig auf diesen beiden Punkten zu bestehen: ‚Christus, der für uns stirbt‘ und ‚Christus, der in uns regiert‘, dann sollten wir die Pforten der Hölle einnehmen“ (JWL, 6: 134). Diese beiden Lehren, Rechtfertigung und Heiligung, stellten immer noch die zweifache Spitze der methodistischen Botschaft dar, und Wesley schöpfte daraus Mut, dass die meisten Prediger in dieser Frage immer klarer dachten, besonders nachdem sie Fletchers Checks gelesen hatten (von denen zu dieser Zeit vier Bände erschienen waren).

Schuldschein über einen zinslosen Kredit aus dem Darlehensfonds der Gießerei, der Methodisten im Geschäftsleben unterstützen sollte.

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Durch das Durchdenken und Lösen all dieser Fragen schritt die methodistische Arbeit zügig voran. Dass es Wesley fünf Jahre zuvor gelungen war, mehr Kapital für den Darlehensfonds zu beschaffen, erlaubte es ihm, die Darlehen von einem Pfund pro Person auf fünf Pfund anzuheben. Diese Erhöhung war nicht einfach eine Reaktion auf die Inflation, sondern weist darauf hin, dass jene Methodisten, die für ihr Kleinunternehmen eine zeitlich begrenzte Unterstützung in Anspruch nahmen, jetzt im größeren Stil Geschäfte betrieben. Einer der Nutznießer des Darlehensfonds war James Lackington, der sich 1774 mit sechsundzwanzig Jahren entschloss, mit drei oder vier Dutzend seiner eigenen Bücher, die meisten davon theologische Werke und auf einen Gesamtwert von fünf Pfund geschätzt, als Buchhändler tätig zu werden. Da er ein Methodist war (er hatte sich als Schusterlehrling „mit der Krankheit angesteckt“) und in der Nähe der Gießerei wohnte, bemühte er sich um eins der Fünf-Pfund-Darlehen, die, wie er sagte, von Mr. Wesleys Leuten „denjenigen Mitgliedern der Gesellschaft“ gewährt wurden, die „einen guten Charakter hatten und zeitweiliger Unterstützung bedurften“. Lackington wurde zu einer Erfolgsgeschichte, soweit es sein Geschäft betraf, denn er konnte nach einem halben Jahr seinen Lagerbestand verfünffachen (und machte schon bald ein Vermögen), doch innerhalb von zwei Jahren nach dem Erhalt des Darlehens verließ er die Methodisten (Memoirs, 129–130, 151). Lackington empfand deutlich, dass es Wesley „mit der Nächstenliebe auf die Spitze trieb“ und oft Menschen, die es nicht verdienten, Geld gab. Er bemerkte, seines Wissens versage Wesley einem Armen, der ihn darum bitte, niemals Unterstützung, und er wusste auch genau, dass Wesley einige Male in Not geratenen Geschäftsleuten zehn oder zwanzig Pfund in die Hand gegeben hatte (Memoirs, 176). Der größte Anteil der Armen, denen Wesley half, fand sich in den methodistischen Gesellschaften. Lackington selbst sah mit Erstaunen, dass Wesley die wenigen Meter von seinem Arbeitszimmer bis zur Kanzel nicht zurücklegen konnte, ohne „den armen alten Menschen seiner Gesellschaft“ Münzen zuzustecken (Memoirs, 176). Viele Mitglieder der Gesellschaft, die sich an der Arbeit beteiligten, waren arm, wie es Charles in seinem Gedicht zu Ausdruck brachte: „Gib gern vom Wenigem / Du, selber arm, unterstütze den Armen“ (Poetical Works, 9: 177). Und John drängte seine wohlhabenderen Anhänger dazu, denselben persönlichen Kontakt mit den Armen zu pflegen. Methodistische Nächstenliebe war weitgehend persönliche Philanthropie. Wie er Miss March gegenüber äußerte: „Gehen Sie und besuchen Sie die Armen und Kranken in ihren armseligen Hütten. Nehmen Sie Ihr Kreuz auf sich, Frau! Erinnern Sie sich Ihres Glaubens! Jesus ging vor Ihnen, und er wird mit Ihnen gehen!“ (JWL, 6: 153). Ein halbes Jahr später drängte er sie immer noch, diesen

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Aspekt der Imitatio Christi zu beachten: „Kriechen Sie zu ihnen herein, trotz des Drecks und einhundert widerwärtiger Umstände und legen Sie so die Edelfrau ab.“ Das war eine harte Lektion, und er wusste, dass die meisten diesen Weg nicht wählen würden, nicht einmal er selbst: „Beschränken Sie sich nicht auf den Umgang mit edlen und eleganten Menschen. Ich selbst würde das ebenso gern tun wie Sie; doch ich kann im Leben unseres Herrn oder irgendeines seiner Apostel kein Vorbild dafür entdecken“ (JWL, 6: 207). In einem nachfolgenden Brief erklärte er Miss March, dass er sie nicht darum bäte, Freundschaft oder Bekanntschaft mit „armen, uneleganten, ungebildeten Menschen“ zu schließen, sondern vielmehr die Armen zu besuchen, die Witwe, den Kranken, die Vaterlosen in ihrer Not; und das, obwohl sie weiter keine Empfehlung haben als die, dass sie mit dem Blut Christi erkauft worden sind. Es ist wahr, dass dies Fleisch und Blut kein Gefallen bereitet. Es gibt tausend Begleitumstände, die die Empfindlichkeit unseres Wesens oder vielmehr unserer Erziehung schockieren. Doch der Segen, der sich aus dieser Liebesmüh ergibt, wiegt das Kreuz bei weitem auf (JWL, 6: 208–209).

Im vorhergehenden Jahr hatte Wesley für sich selbst einen Besuchsplan eingeführt, wobei er an einem Ende der Stadt begann und jedes Mitglied der Gesellschaft von Haus zu Haus aufsuchte. Er bemerkte dazu in seinem Tagebuch: „Ich kenne keinen anderen Zweig des pastoralen Dienstes, der von größerer Bedeutung ist als dieser.“ Doch er sah auch ein, dass es „für Fleisch und Blut [so] schmerzlich“ sei, dass er nur wenige dazu bewegen konnte, diese Aufgabe zu übernehmen, nicht einmal die Prediger (J&D, 22: 396). Wesley gehörte nicht zu denjenigen, die den Armen selbst die Schuld an ihrer Situation gaben. In seinen „Thoughts on the Present Scarcity of Provisions“ (Gedanken zur gegenwärtigen Knappheit an Vorräten“, 1773) sieht er die Schuld für den Mangel an Lebensmitteln und Wohnraum nicht im Müßiggang der Habenichtse, sondern in einem Kreislauf der Gier unter den Besitzenden. Die Ursache des Problems, so stellt er ausdrücklich fest, kann auf „Destillation, Steuern und Luxus“ reduziert werden. Das Heilmittel bestünde darin, persönliche und juristische Grenzen festzusetzen, um Tausende von Menschen vor dem Hungertod zu bewahren (JWW, 11: 57–59). Die Methodisten trugen ihren Teil dazu bei, um bei der Linderung dieses Problems zu helfen. Das in den Gesellschaften gesammelte Geld wurde teils für wohltätige Zwecke am Ort ausgegeben – die Verwalter der Londoner Gesellschaft verteilten jede Woche sieben oder acht Pfund unter den Armen. Und die Armen in der Gesellschaft wurden von den verschiedenen Beiträgen, dem internen Einnahmesystem der Methodisten, befreit. 1771 führte Wesley ein connexionales Beitragssystem als „neue Methode“ ein, um die laufenden Schulden

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abzutragen: Jeder Methodist sollte ein Jahr lang einen Penny pro Woche geben (oder mehr, wenn er gewillt war). Er forderte allerdings auch: „Lasst diejenigen, die in einer Gesellschaft nicht arm sind, für die geben, die es sind“ (Minutes, 105). Das Ergebnis erreichte nicht die vorhergesehenen 6 500 Pfund, stellte jedoch gegenüber dem vorangegangenen Jahr eine Verdoppelung der Beiträge auf über 3 000 Pfund dar. Im folgenden Jahr versuchte er es mit einer noch anderen Methode und führte eine jährliche Sammlung im Herbst statt des wöchentlichen Beitrags von einem Penny ein, mit dem Versprechen, dass jedes Predigthaus, auf dem Schulden lagen, zumindest den Betrag zurückerhalten würde, der dort eingesammelt worden war (Minutes, 105). Diese Methode funktionierte nicht annähernd so gut, und die Angelegenheit wurde zunächst einmal stillschweigend fallen gelassen. Im selben Zeitraum begann sich die Aufmerksamkeit der Prediger wieder der Frage zuzuwenden, wie die Gemeinschaft in Zukunft organisiert werden solle. 1772 gibt es an Wesleys Geburtstag keinen Tagebucheintrag mit Kommentaren zu seinem bemerkenswerten Gesundheitszustand. Stattdessen findet sich eine Notiz, dass er an der Lektüre einer „hervorragenden Abhandlung über Wasserbruch“ sitze. Er hatte mehr als nur vorübergehendes Interesse an diesem Thema, weil er zu dieser Zeit selbst an dieser „unangenehmen Störung“ litt, wie er sie nannte (einem Ödem am Hodensack). Das Problem rührte von einem Unfall im vorangegangenen Jahr her, als ihn sein strauchelndes Pferd gegen den Sattelknopf geworfen hatte. Die sich daraus ergebende chronische Schwäche unterstrich noch, dass Wesley älter war, als sein ausgefüllter Zeitplan vermuten ließ. Nach diesem Vorfall hatten einige Freunde versucht, ihn vom Reiten abzuhalten und für eine Kutsche gesammelt (JWL, 5: 310). Wesley und seine Prediger waren sich des seidenen Fadens bewusst, an dem das Leben hing, und die Frage der Nachfolge drohte wieder wichtiger zu werden. Wesley glaubte, dass ungeachtet der offiziellen Pläne, die man für die Organisation der Laienprediger nach seinem Tod entworfen hatte, ein oder zwei Geistliche an der Spitze der Bewegung stehen sollten (Church, 208). Seine Wahl fiel an diesem Punkt auf den neuen Vorkämpfer für die methodistische Sache, John Fletcher, bei dem sich Gelehrsamkeit und lebendige Frömmigkeit in einer Person verbanden und der daher in das Modell passte, das Wesley im Kopf hatte. Wesley schrieb Fletcher im Januar 1773: „Wie erstaunlich hat Gott im vereinigten Königreich in weniger als vierzig Jahren gewirkt.“ Doch natürlich lautete die eigentliche Frage: Was würde geschehen, wenn „Mr. Wesley ausfällt“? Wer war gut genug, um die Arbeit zu leiten? Wesley lieferte eine ausführliche Beschreibung eines vollkommenen Leiters und fragte dann, ob Gott einen Menschen, der so qualifiziert

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war, zur Verfügung gestellt hätte: „Wer ist er? Sie sind der Mann!“ (vgl. 2 Sam 12, 7; JWL, 6: 10–11). Wesley wollte, dass Fletcher sich sofort in diese Aufgabe einarbeitete, und Charles hatte Grund zur Hoffnung, dass dies auch geschehen würde. Er ermutigte sogar Mark Davis, einen ehemaligen Reiseprediger, der die Gemeinschaft verlassen hatte, um sich in der anglikanischen Kirche ordinieren zu lassen, im Sommer 1772 zurückzukehren, in der Hoffnung, dass er in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle spielen würde. Fletcher war jedoch nicht bereit, seine Gemeinde in Madeley zu verlassen. Und die Spannungen zwischen den Laienpredigern und den Geistlichen verschärften sich. Die Geistlichen, wie etwa Davis, bezogen eine sehr viel höhere Zuwendung als die Prediger, was für einigen Missmut sorgte. Außerdem brachte es Irritationen mit sich, dass einige Prediger in voller Verbindung (sc. mit der Connexio) standen, ihren Bezirk jedoch nicht mehr bereisten, sondern Teil einer erblühenden Kurie in London waren, wie zum Beispiel Thomas Olivers, dessen Aufgabe im Protokoll so umrissen wird: „Reist mit Mr. Wesley“. Auf der Konferenz von 1773 appellierte Wesley wieder einmal an die Prediger (oder zumindest an neunundvierzig unter den Anwesenden), die Artikel der Übereinkunft zu unterschreiben, die 1769 formuliert worden waren, und sich so zu verpflichten, einander nicht im Stich zu lassen und der alten methodistischen Lehre und Ordnung anzuhängen. Im darauf folgenden Jahr unterzeichneten zweiundsiebzig Prediger, und ein Jahr später einundachtzig. An Wesleys autoritärem Führungsstil störten sich weiterhin einige. Nach der Konferenz von 1774 bemerkte einer der Prediger, dass „Mr. Wesley alles selbst in die Hand zu nehmen schien“ (JWJ, 6: 35n). Es war eine wohlbekannte Tatsache, dass Wesley kein Freund der Demokratie war. In seinen „Thoughts concerning the Origin of Power“ („Gedanken zum Ursprung der Macht“) zerstörte er den vorherrschenden Mythos, dass die Macht in den Händen „des Volkes“ liege. Er legte in seinen „Thoughts upon Liberty“ („Gedanken zur Freiheit“, 1772) weiter dar, dass die gute Ordnung mit König und Parlament wahre Freiheit gewiss mehr schütze als das Brüllen des „patriotischen Mobs“, der John Wilkes nachfolgte (der die althergebrachte Autorität des Staats bekämpfte) oder die aus der Feathers‘ Tavern stammenden Petitionen (die sich für die Befreiung von der Verpflichtung auf die Artikel einsetzten). Libertiner und die meisten Reformer stießen ihn ab, und der Schrei nach Freiheit machte ihn misstrauisch. Jeder, der „für mehr religiöse Freiheit schreit“, so Wesley, „muss des Schamgefühls völlig entbehren und kann keine Entschuldigung vorbringen außer Mangel an Verstand“ (JWW, 11: 34–53).

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John Fletcher, Pfarrer von Madeley

In der Zwischenzeit litt Wesley weiter an gesundheitlichen Problemen. Er hatte sich Anfang 1774 einer Operation unterzogen, um seine Hydrozele drainieren zu lassen, doch Monate später bereitete sie ihm immer noch solche Beschwerden, dass er sie alle neun bis zehn Wochen behandeln lassen musste (anstelle der eher „radikalen Kur“; J&D, 22: 395; JWL, 6: 81). Im Juni 1775 erkrankte Wesley auf seiner gewohnten zweijährlichen Irlandreise an Fieber, und ein Arzt riet ihm zur Ruhe. Obwohl er gerade seinem Bruder Charles den Rat gegeben hatte: „Predige so viel du kannst, aber nicht mehr, als du kannst“, teilte John seinem Arzt mit, dass er selbst so lange predigen müsse, solange er noch sprechen könne (JWL, 152). Daher quälte er sich noch einige Tage die geplante Reiseroute entlang und gebrauchte einiger seiner „schlichten Arzneien“, um seine Beschwerden zu lindern, bis seine Kraft immer mehr nachließ und er schließlich ein oder zwei Tage das Bett hüten musste, „mehr tot als lebendig“ (seiner eigenen Einschätzung zufolge). In dieser Zeit leitete der Methodistenprediger Thomas Payne eine kleine Gruppe im Gebet und bat Gott, seinem Knecht wie Hiskia noch fünfzehn Jahre Lebenszeit zu schenken. Obwohl eine englische Zeitung zu diesem Zeitpunkt bereits die Todesnachricht brachte, schlug eine Arznei, die ihm von seinem Gefährten Joseph Bradford verabreicht wurde, bei Wesley an, und er reiste innerhalb von einer Woche weiter. Dass

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sein Haar ausfiel und die Hand zitterte, waren nur zeitlich begrenzte Unannehmlichkeiten (JWJ, 6: 66–71). In diesem Kontext schlug Joseph Benson, der Wesleys Gesundheitszustand ebenso aufmerksam zur Kenntnis nahm wie seine Ansichten zur Trennung von der Kirche, sich jedoch über die mangelnde Eignung vieler Prediger und die Zukunft der Gemeinschaft Gedanken machte, einen Plan vor, im Methodismus eine Ordnung in Anlehnung an kirchliche Richtlinien zu schaffen. Bensons Plan, den er im Sommer 1775 entwickelte, sah vor, dass alle Prediger geprüft werden sollten. Daraufhin sollten diejenigen, die sich für diesen Dienst eigneten, behalten und diejenigen ausgesondert werden, denen es an Gnade und Begabung fehlte. Die Grenzfälle, die ein gewisses Potenzial aufwiesen, könnten zur weiteren Ausbildung zur Kingswood School geschickt werden. John Fletcher wies in einer Reaktion auf Bensons Plan zur „Säuberung und Ordinierung“ auf die positiven Folgen hin („es würde unsere Gemeinschaft festigen ... uns fester zu unserer Berufung stehen lassen ... uns eine Berufung von außen geben, zu predigen und die Sakramente auszuteilen“) wie auch auf die negativen („es würde uns in hohem Grad von den Nationalkirchen von England und Schottland abschneiden, die wir berufen sind zu durchsäuern“). Er brachte seine Skepsis darüber zum Ausdruck, ob die Prediger in Kingswood wirklich tauglicher gemacht werden könnten, und regte an, dass die Wesleys in Anbetracht ihrer wiederholten Erklärungen, zur Kirche zu stehen, die Bischöfe um Hilfe bitten könnten, bevor „sie selbst zu Bischöfen“ würden. Trotzdem wurde die Zeit knapp, wie er bemerkte: „Gott hat kürzlich Mr. Wesley über dem Grab geschüttelt“ (JWJ, 8: 328–330). Fletcher brachte Wesley die Angelegenheit zu Gehör, der sich bereit erklärte, den Vorschlag auf der Konferenz zwei Wochen darauf anzuhören. In der Zwischenzeit entwarf Fletcher seinen eigenen Vorschlag, dem er einige Ideen Bensons einfügte, jedoch noch weiter ging, indem er die Organisation einer „Tochterkirche unserer heiligen Mutter“ vorschlug. Er appellierte an Wesleys Rolle als die eines „außergewöhnlichen Botschafters Gottes“, wobei er mit Wesleys Auffassung vom Methodismus als dem sich entfaltenden Wirken Gottes spielte. John schrieb zu dieser Zeit an seiner Concise History of England („Kurze Geschichte Englands“) und hatte seinem Bruder mitgeteilt, dass er damit das Werk Oliver Goldsmiths und Nathaniel Hookes verbessern wolle, weil, wie er sagte, es „mein Ziel bei der Geschichtsschreibung (wie auch beim Verfassen von philosophischen Büchern) [ist], Gott hineinzubringen“ (JWL, 6: 67). Fletcher konnte das auch.

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Der Plan, den Fletcher Wesley am Eröffnungstag der Konferenz 1775 übersandte, schlug eine Alternative zur Herangehensweise der Feathers‘ Tavern vor, eine, die die Kirche reformieren würde, „ohne sie zu pervertieren“. Fletcher regte an, dass die „allgemeine Gesellschaft“ der Methodisten („die methodistische Kirche von England“) von der Kirche nur in manchen „augenfälligen Fehlern in Lehre, Ordnung und unevangelischer Hierarchie abweichen“ solle, ihre Ordination jedoch anerkennen, an den Sakramenten teilhaben und an ihren Gottesdiensten zu jeder passenden Gelegenheit teilnehmen solle. Diese Reform würde die Veröffentlichung einer revidierten Fassung der neununddreißig Artikel mit sich bringen, „berichtigt entsprechend der Reinheit des Evangeliums“, gemeinsam mit einigen „nötigen Änderungen in der Liturgie [Book of Common Prayer] und den Homilien“. Die berichtigten Artikel, der rein geistliche Teil des Gebetbuchs und die Protokolle würden dann (nach der Bibel) das vade mecum oder Handbuch der methodistischen Prediger darstellen, für die die Schule in Kingswood ein Zentrum für Bildung, Erneuerung und Lebensabend sein würde. Diese Verfahrensweise wollte man nicht als Schisma betrachten, sondern vielmehr als eine Rückkehr zu „der Reinheit des Evangeliums, der Strenge der alten Ordnung und dem ursprünglichen Ziel der Kirche von England“. Die Bischöfe würde man bitten, gewisse Prediger zu ordinieren, die von den „Messrs. Wesley und einigen anderen Predigern“ ein Zertifikat erhalten hatten, und wenn dieser Bitte nicht entsprochen würde, würden die Wesleys gezwungen sein, den „regelwidrigen (nicht unevangelischen) Schritt“ zu gehen, jene Prediger selbst zu ordinieren, die dann als Assistenten in den Bezirken Dienst tun würden (verdiente Helfer würden als Diakone ordiniert werden). Die Konfirmation würde von Wesley vollzogen werden oder von drei oder fünf so genannten Moderatoren, die man nach Wesleys Tod zu seinen Nachfolgern ernennen würde. Dieses gesamte Vorhaben wurde ausgearbeitet, um den „großen Plan“ für die Prediger in Kraft zu setzen: „Die Lehre der Gnade gegen die Sozinianer zu predigen, die Lehre der Gerechtigkeit gegen die Calvinisten und die Lehre der Heiligkeit gegen die ganze Welt“ (JWJ, 8: 331–334). Fletchers Brief erreichte Wesley offenbar nicht auf der Konferenz in Leeds. Benson dagegen trug seinen Plan der Konferenz vor, und ein Predigerkomitee prüfte alle und sonderte einige aus („Ich fürchte, nicht alle, die es verdient hätten“, beschwerte sich Benson). Zwei Wochen später schrieb Wesley an Fletcher: „Wir sind Ihrem Rat gefolgt und sind bei der Prüfung der Prediger auf Gnade und Begabung gründlicher verfahren als je zuvor“ (JWL, 6: 174). Doch weder im Konferenzprotokoll noch in der Korrespondenz wird Fletchers Vorschlag erwähnt, den Wesley fürs erste augenscheinlich in

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der Schublade behielt. Die Sitzung endete damit, dass einundachtzig Prediger die Artikel der Übereinkunft unterschrieben.

Zeitleiste 7 Die Reifezeit des Methodismus 1760

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George I.

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Georg III.

Siebenjähriger Stamp Whitefield Beginn der Krieg Act stirbt amerikanischen Voltaires „Große“ Watts JWs Revolution Candide Protokolle Jährliche Dampfmaschine Works Predigten, Protokolle Asbury geht Kapelle in Mozarts Band 4 Modellnach Amerika d. City Road Geburt Urkunde „Der schriftgemäße Calm Select Hymns Weg zum Heil“ Calvinistische Address with Tunes Kontroverse Kontroverse um die Vollkommenheit Britische Frauen im Prediger nach Erste Prediger Predigtdienst Schlichter Bericht Amerika amerikanische verlassen über die entsandt Konferenz Amerika ErbSünde

Predigerfonds

„Über den Gebrauch des Geldes“

so genannten Methodisten Oktagon in Heptonstall errichtet

„Artikel der Übereinstimmung“

Benson/ Fletcher-Plan

Methodistische Sonntagsschule

Das Organisationsproblem, das in der Zwischenzeit Wesleys Aufmerksamkeit erregt hatte, drehte sich um die Organisation in Amerika. Im April 1773 hatte Wesley Thomas Rankin als seinen Generalassistenten in die Kolonien ausgesandt, um dort Schwierigkeiten zu beheben, die durch Boardmans und Pilmores Unvermögen verursacht worden waren, als „echte Methodisten in Lehre und Ordnung“ weiterzuarbeiten (JWL, 6: 57). Kurz nach seiner Ankunft hielt Rankin die erste methodistische Predigerkonferenz in Amerika ab. Die Tagesordnung war kurz und bündig, das Protokoll war knapp (zwei Seiten): drei Fragen an die Prediger, sechs Regeln sowie die Predigerlisten und Mitgliedszahlen der Gesellschaft. Die Eröffnungsfragen banden die Prediger an Wesleys Autorität und legten fest, dass ihre Regeln zu Lehre und Ordnung die in den Protokollen festgehaltenen sein sollten. Die sechs speziellen Regeln zielten auf bestimme Probleme, Personen und Orte, darunter eine Ermahnung, das Sakrament nicht auszuteilen (vor allem in Maryland and Virginia), sowie ein

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Verbot, irgendeins von Wesleys Büchern ohne dessen Zustimmung nachzudrucken (wie es Robert Williams getan hatte). Es war eine Zusammenkunft im kleinen Kreis, die an ähnliche Treffen dreißig Jahre zuvor erinnerte. In Amerika organisierten sie nun eine Konferenz mit zehn Predigern, die 1.160 Mitglieder in fünf Bezirken versorgten. Die politischen Unruhen in den amerikanischen Kolonien im Verlauf des vorangegangen Jahrzehnts nach den militärischen Aktionen gegen die Franzosen eskalierte weiter, von den Protesten gegen den Stamp Act [Gesetz der englischen Regierung, das juristische Dokumente, Lizenzen, Verträge, Zeitungen und Spielkarten in den amerikanischen Kolonien besteuerte] 1765 bis zur Boston Tea Party 1773. Im März 1775 hatte Wesley den Predigern geraten, „Friedensstifter zu sein, liebevoll und freundlich mit allen Menschen umzugehen, sich aber keiner Partei anzuschließen“ (JWL, 6: 142). Er teilte seinem Bruder Charles mit, dass sich seine Sicht der Situation nicht geändert habe: „Wenn losgeschlagen wird, gebe ich Amerika verloren, und vielleicht England dazu“ (JWL, 6: 152). Doch innerhalb weniger Tage traf die Nachricht in England ein, dass sich die Aufstände zu einem regelrechten Krieg ausgeweitet hatten: Die Gewehrschüsse in Concord und Lexington hatte man jenseits des Atlantiks gehört, und das entschlossene Ausharren der Kolonisten auf dem Bunker Hill [Hügel nördlich von Boston, Ort des ersten großen Gefechts im Unabhängigkeitskrieg] sollte noch ein Signal Richtung Parlament aussenden. Mitte Juni, kurz vor seiner Krankheit in Irland, schrieb Wesley dem Earl of Dartmouth (Minister für die Kolonien) einen Brief und schickte eine Kopie an Lord North (Premierminister und Schatzkanzler). Seine Haltung ist klar. Ich beabsichtige nicht, mich mit der Frage zu befassen, ob die Amerikaner im Recht sind oder nicht. Zunächst einmal bin ich gegen die Amerikaner voreingenommen; denn ich bin ein Mann der Hochkirche, der Sohn eines Geistlichen der Hochkirche, von Kindesbeinen an in der edelsten Auffassung von passivem Gehorsam und Widerstandslosigkeit erzogen. Und dennoch kann ich trotz dieser tief verwurzelten Vorurteilen nicht anders als zu denken, wenn ich denn überhaupt darüber nachdenke, dass diese, ein unterdrücktes Volk, um nichts mehr gebeten haben als ihre legalen Rechte, und das in der bescheidensten und unanstößigsten Weise, die das Wesen der Sache überhaupt erlaubt (JWL, 6: 161). Wesley, bei dem hier leise die Auffassung der oppositionellen Politiker Edmund Burke und William Pitt anklingt, sprach sich also für Versöhnung aus und wandte sich dagegen, in den amerikanischen Kolonien militärisch einzugreifen. Weiterhin führte er aus, dass die wirklichen Feinde im eigenen Land zu finden seien und große Teile

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der Bevölkerung aufwiegelten (darunter die Massen, die nichts zu essen und zu tun hatten), die „wirksam von aller Liebe und Verehrung für den König geheilt worden waren“ und nur auf einen Anführer warteten, um eine Revolution anzuzetteln (JWL, 6: 161–163). Die Methodisten in Amerika hatte man so in eine unangenehme Situation gebracht. Sie gehörten einer britischen Bewegung an, die von einem standhaften und loyalen Tory angeführt wurde, sie waren von ihrem Leiter gebeten worden, Friedensstifter zu sein, was viele Kolonisten (ebenso wie Pazifismus) als Loyalität zu Großbritannien und Verrat an der amerikanischen Sache betrachteten. Wesleys tatsächliche Position, wie er sie Dartmouth und North gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, war in den Kolonien nicht bekannt, und die Kommunikation über den Ozean ging sehr langsam vonstatten. Wesley hatte Rankin im Vorfrühling 1775 vorgeschlagen, dass Francis Asbury nach England zurückgeschickt werden solle. Auf der Konferenz im August erfuhr er, dass Asbury ein weiteres Jahr in Amerika bleiben würde. Wesley schrieb Rankin, dass es ihm nicht darum Leid tat: „In dieser Zeit wird man sehen, was Gott mit Nordamerika tun wird, und Sie werden leicht beurteilen können, ob unsere Prediger berufen sind, dort noch länger zu bleiben“ (JWL, 6: 173).

Kapitel 5 – Empfohlene weiterführende Literatur Chilcote, Paul, John Wesley and the Women Preachers of Early Methodism (Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1991). Church, Leslie, The Early Methodist People (London: Epworth Press, 1948). HAM – Bucke, Emory Stevens (Hg.), The History of American Methodism, 3 Bde. (Nashville: Abingdon Press, 1964). Lyles, Albert M., Methodism Mocked; The Satiric Reaction to Methodism in the Eighteenth Century (London: Epworth Press, 1960). Maser, Frederick E., Robert Strawbridge, First American Circuit Rider (Rutland, VT: Academy Books, 1983). Memoirs – Lackington, James, Memoirs of James Lackington, in Forty-Seven Letters to a Friend (London, 1794). Poetical Works – John Wesley and Charles Wesley, The Poetical Works of John and Charles Wesley, hg. von George Osborn, 13 Bde. (London: Wesleyan Methodist Conference Office, 1868–1871). Pilmore, Joseph, The Journal of Joseph Pilmore, hg. von Frederick E. Maser und Howard T. Maag (Philadelphia: Historical Society, 1969). W-A – Baker, Frank, From Wesley to Asbury; Studies in Early American Methodism (Durham, NC: Duke University Press, 1976).

6. Kapitel Spannungen und Veränderungen (1775–1791)

John Wesley brüstete sich damit, dass er sich ein Leben lang treu geblieben sei. Als er älter wurde, fanden sich in seinen Schriften immer wieder verstreute Bemerkungen wie etwa „genau wie ich es vor dreißig oder vierzig Jahren gemacht habe“. Als sich das Jahrhundert seinem Ende zuneigte, wurde seine Langlebigkeit zu einer echten Herausforderung an seine Beständigkeit. Das Tempo des sozialen, industriellen und politischen Wandels begann sich zu beschleunigen. Revolutionäre Ideen in der Heimat und im Ausland erhöhten noch die Geschwindigkeit, mit der man wichtige Fragen überdenken musste. Obwohl Wesley sich nicht leicht auf Veränderungen einließ, war er immer offen für neue Wahrheiten und manchmal gezwungen, viele seiner eigenen Standpunkte in entscheidenden Fragen zu überdenken, wenn sich die Situation änderte und sein eigenes Verständnis reifte. Manchmal gingen seine Revisionen im Lauf der Jahre langsam und subtil vonstatten, bei anderen Gelegenheiten schnell und tief greifend.

Theologische und politische Polemik In Wesleys theologischem Reifungsprozess spiegelte sich das Fortschreiten auf seinem geistlichen Pilgerweg. Sein langer Kampf mit Fragen des Glaubens und der Gewissheit führte zu einigen Modifikationen seiner früheren, von den Herrnhutern beeinflussten Positionen. Obwohl er viele Jahre lang im Licht seiner persönlichen Erfahrungen mit diesen Anschauungen rang, war er nicht geneigt, diese Fragen ausdrücklich in den nacheinander veröffentlichten Auszügen aus seinem Tagebuch zu diskutieren, das eher einer Chronik der Ereignisse ähnelt als einer reflektierenden Autobiografie. Trotzdem fand das Tagebuch im Lauf der Jahre viele Leser, sodass Wesley die frühen Auszüge weiterhin neu auflegte.

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1775, als die beiden ersten Auszüge in der fünften Auflage erschienen, fühlte er sich gezwungen zu bemerken, dass seine früheren Berichte aus der Zeit um sein Aldersgate-Erlebnis von seinem späteren Standpunkt aus gesehen nicht ganz genau gewesen waren. Selbst an diesem Punkt sah er sich allerdings nicht genötigt, den früheren Text zu revidieren. Stattdessen entschloss er sich einfach, ein Beiblatt mit Errata einzufügen, das einige seiner früheren Eintragungen, die er 1740 veröffentlicht hatte, unter einen bedeutsamen Vorbehalt stellte: „Ich, der nach Amerika ging, um andere zu bekehren, war selbst nicht zu Gott bekehrt“ (1775 – „Ich bin mir dessen nicht sicher“); [Mir fehlt] der Glaube an Christus“ (1775 – „Selbst damals hatte ich den Glauben eines Knechts; wenn auch nicht den eines Sohns“); „Ich bin ein Kind des Zorns“ (1775 – „Ich glaube nicht“); „Ich war überzeugt, dass ... ich selbst damals [1728–29] in einem Stand der Errettung war“ (1775 – „Und ich glaube das tatsächlich“); „Diese ganze Zeit hatte ich auf Sand gebaut“ (1775 – „Nein: Es war ein Schritt in die richtige Richtung“). Obwohl Wesley Mrs. Hutton 1738 mitgeteilt hatte, dass er vor seiner Aldersgate-Erfahrung kein Christ gewesen sei, war er nun fast vierzig Jahre später bereit einzuräumen, dass diejenigen, die den „Glauben eines Knechts“ hatten (sowie auch viele Gläubige, die noch keine Gewissheit erfahren hatten), als Christen betrachtet werden sollten, die von Gott angenommen worden waren (Apg 10,35). Diese Korrekturen stellen den Gipfelpunkt einer Reihe von Perspektivwechseln dar, und obwohl sie in der Hinsicht Dieses Siegel mit Wesleys Iniungewöhnlich sind, dass Wesley sie öftialen, das er in der Zeit von 1774–1785 benutzte, war nur fentlich einräumte, stehen sie doch völlig eins von über vierzig, von demit seiner lebenslangen Gewohnheit in nen er im Lauf seines Lebens Einklang, sich selbst zu prüfen und über Gebrauch machte. seine geistliche Situation zu reflektieren. Auf der anderen Seite änderte Wesley seine Meinung zur politischen Situation in Amerika fast über Nacht. Ende September, nachdem er Samuel Johnsons Taxation no Tyranny („Besteuerung keine Tyrannei“) gelesen hatte, kam er zu der Entscheidung, dass die Argumente der Kolonisten wie etwa „Keine Besteuerung ohne Repräsentation [im Parlament]“ keinerlei moralisches oder juristisches Gewicht hätten und ihr Schrei nach Freiheit ebenso unverantwortlich sei wie der von Wilkes und anderen in Eng-

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land selbst. Er veröffentlichte zügig einen Auszug und eine Paraphrase von Johnsons Werk unter dem Titel A Calm Address to Our American Colonies („Eine besonnene Rede an unsere amerikanischen Kolonien“). Dieser „provozierende“ Traktat verkaufte sich gut – über 40 000 Exemplare in drei Wochen (JWL, 6: 182). Obwohl Dr. Johnson sich augenscheinlich von dieser Anleihe geschmeichelt fühlte, auch wenn sein Name nicht genannt wurde, warfen die Kritiker Wesley geistigen Diebstahl sowie seine Hundertachtziggrad-Wende in dieser Frage vor. Der Calvinist Augustus Toplady kostete die Gelegenheit aus, seinen arminianischen Gegenspieler am Boden zu zerstören. Als entschiedener Unterstützer der Amerikaner veröffentlichte Toplady An Old Fox Tarr’d and Feather’d („Ein alter Fuchs geteert und gefedert“, 1775), eine phantasievolle und satirische Schrift, in der er versuchte, Wesleys Motive und Taktik bloßzustellen und ihn als „eine niedrige, unbedeutende Kaulquappe in der Theologie“ zu präsentieren, die „hochmütig danach strebt, einem hohen und mächtigen Wal in der Politik den Bauch aufzuschlitzen“ (EMW, 117). Auf diesen Angriff folgte eine ähnliche literarische Attacke von Caleb Evans in Form eines an Wesley gerichteten Briefs. Doch wieder einmal stand John Fletcher Wesley zur Seite, dieses Mal in der amerikanischen Frage, und schoss mit seiner Schrift A Vindication of the Rev. Mr. Wesleys „Calm Address to Our American Colonies“ („Eine Rechtfertigung von Rev. Mr. Wesleys ‚Besonnener Rede an unsere amerikanischen Kolonien‘“, 1776). Fletcher stimmte mit Wesley darin überein, dass die eigentliche Bedrohung im eigenen Land zu finden war, in der „Flamme der Bösartigkeit und des Zorns gegen den König und nahezu alle, die Autorität besitzen“, verbreitet durch die aufrührerischen Worte der Libertiner. Die Reaktion, die Fletchers Angriff bei Toplady hervorrief, überraschte nicht, weder im Tonfall noch im Inhalt: „Der Schweizer Berg hat endlich seine Mäuslein geboren, die dort auf Mr. John Wesleys dringende Notwendigkeit hin gezeugt wurden. Doch, um diesen kleinen Quiekern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – sie gleichen ihren Erzeugern bis aufs Haar“ (Documents, 4: 186). Wesley jedoch legte seinen Stift nicht nieder und konterte bald darauf mit einer weiteren kurzen Abhandlung, Some Observations on Liberty („Einige Bemerkungen zur Freiheit“, 1776), in der er argumentierte, dass die Amerikaner schon seit jeher in den Genuss der Freiheit gekommen seien; worum sie nun bäten, sei Unabhängigkeit, die auf einem Konzept einer volksnahen Demokratie beruhe, das nicht wirklich demokratisch sei (z.B. Frauen, Kinder, Arme von der Macht ausschließe), und dass dies nichts als Anarchie und Verwirrung stiften werde. Wesley kommt immer und immer wieder auf das gleiche Prin-

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zip zu sprechen: „Es gibt keine Macht außer von Gott“ (JWW, 11: 98– 105). Als Fortsetzung seines früheren Essays veröffentlichte Wesley A Calm Address to the Inhabitants of England („Eine besonnene Rede an die Einwohner Englands“, 1777); hier legte er den Stand der Dinge in Amerika dar, von der Zeit, als sein Bruder Charles die Einwohner von Boston nach Unabhängigkeit vom „englischen Joch“ schreien hörte, bis zu der gegenwärtigen militärischen Auseinandersetzung, in der die Amerikaner „brüllen wie ein wilder Stier im Netz“. Sein Standpunkt ist einfach – solch eine Position bietet keine Aussicht auf wirkliche Freiheit: „Seht ihr nicht, dass, wo immer diese Leute herrschen, die für die Freiheit grölen, die schändlichste Sklaverei herrscht?“ Darüber hinaus ermutigt er besonders die Leute, die man „gemeinhin Methodisten nennt“ (die, wie er Freund und Feind darlegt, weder Gott noch König lästern, wenn sie beabsichtigen, mit ihm in Verbindung zu bleiben), die einzigartige bürgerliche und religiöse Freiheit zu schätzen, die sie als britische Untertanen genießen. Er greift einige Punkte wieder auf, die er einem Brief an Lord Dartmouth angeführt hatte, in dem er die Regierung vor Selbstzufriedenheit in Angelegenheiten des Handels und der Beschäftigung warnt. Wesley sagt, dass er bei seinen Reisen kreuz und quer durchs Land Tausende von Arbeitslosen gefunden habe, die zu Grunde gehen und „umherkriechen wie wandelnde Schatten“, nur an Mord und Rebellion denken und den König von Herzen verachten. Darüber hinaus behauptet Wesley, zu einer Minderheit zu gehören (einer oder zwei von zwanzig), die sich überhaupt verpflichtet fühle, den König zu verteidigen (JWL, 6: 176). In diesem Zusammenhang war Wesley tatsächlich aktiv, indem er dazu beitrug, den Geist der Revolte unter den potenziell rebellischen Schichten der britischen Gesellschaft zu besänftigen. Mitten in diesem politischen Streit wurde Wesley gebeten, in der St. Matthew’s Church in Bethnal Green eine Wohltätigkeitspredigt zugunsten der Witwen und Kinder von Kriegsopfern zu halten. Dort erweiterte er seine Schuldzuweisungen noch ein wenig: Die Briten, so sagte er, litten als Folge der Sünde des ganzen Volks unter der Not des Krieges in der gegenwärtigen Katastrophe. Die Forderungen in seiner Botschaft lagen auf der Hand: Tut Buße, fürchtet Gott und ehrt den König. In der Vorahnung, dass an seinen Worten „viele Anstoß nehmen würden“, schrieb er die Predigt im Voraus sorgsam auf (Nr. 111, „National Sins and Miseries“, Sermons, 3: 564–576). Doch die negativen Reaktionen schreckten ihn nicht von seiner Kampagne ab. Wesley griff dieses Thema bald in einem Pamphlet mit einem für das achtzehnte Jahrhundert typischen Titel auf: A Seasonable Address to the more Serious Part of the Inhabitants of Great Britain, respecting

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Die methodistische Bewegung auf den britischen Inseln wies im Lauf der Jahre ein relativ langsames, doch beständiges Wachstum auf; in Amerika begann die Bewegung später, wuchs jedoch schneller.

the Unhappy Contest between Us and our American Brethren: with an Occasional Word interspersed to Those of a Different Complexion. By a Lover of Peace („Eine zeitgemäße Rede an den ernsthafteren Teil der Bewohner von Großbritannien, in Bezug auf den unglückseligen Wettstreit zwischen uns und unseren amerikanischen Brüdern: mit einem hier und da eingestreuten Wort an diejenigen mit einer anderen Ausrichtung. Von einem Liebhaber des Friedens“, 1776). Sein springender Punkt war schlicht und einfach: Niemand konnte von diesem Tadel ausgenommen werden, denn die „überall verbreitete Gottlosigkeit“ der Menschen war der „erste und wichtigste Grund unseres Unglücks und unserer Not im Allgemeinen und der gegenwärtigen Notlage im Besonderen“ (JWW, 11: 127–128). Wesleys explizit antiamerikanische Haltung erschwerte die ohnehin anfällige politische Lage seiner methodistischen Anhänger in Amerika noch weiter. Viele von ihnen gerieten in der Folge in den Verdacht, dass sie ebenfalls loyal zur Krone standen. Alle diejenigen methodistischen Prediger, die von Wesley in die amerikanischen Kolonien ausgesandt worden waren, kehrten daher spätestens 1777 nach England zurück – bis auf Francis Asbury, dessen Sympathien den Amerikanern galten. Allerdings hegte er (im Einklang mit Wesleys ausdrücklichen Kommentaren in seiner Abhandlung zur Erbsünde, Original Sin) pazifistische Auffassungen und wurde daher von vielen der eher fanatischen „Patrioten“ insofern missverstanden, als sie ihn nicht für einen Unterstützer, vielleicht sogar für einen Verräter der

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amerikanischen Revolution hielten. Sowohl Wesleys als auch Asburys politische Ansichten schienen den methodistischen Gesellschaften in den im Norden gelegenen Bezirken der amerikanischen Gesellschaften zu schaden, die in der Zeit von 1775 bis 1777 fast die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Doch die Auffassungen ihrer führenden Männer verhinderten nicht, dass sich der Geist der Erweckung 1776 unter den Methodisten im Süden ausbreitete, wo die Mitgliedszahlen um über zweitausend anstiegen. In England setzten die methodistischen Gesellschaften ihr stetiges, doch ungleichmäßiges Wachstum von etwa sechzehnhundert Mitgliedern pro Jahr fort. Etwa ein Viertel der Bezirke wies Jahr für Jahr eine Verminderung auf (und wurden folglich mit einem Sternchen gekennzeichnet), doch viele andere zeigten beträchtliche Zuwächse. 1775 wurde Leeds nach London zum zweiten Bezirk mit über zweitausend Mitgliedern, nachdem sich seine Größe im Lauf der vorangegangenen zehn Jahre verdoppelt hatte, während London bei 2 500 Mitgliedern stagnierte, ebenso viele wie zwanzig Jahre zuvor. Innerhalb der Gesellschaften wurden Klassen, die auf mehr als dreißig Personen angewachsen waren, aufgefordert, sich zu teilen (Minutes, 120). Wesley war nun in den Siebzigern und immer noch eine aktive und vitale Führungspersönlichkeit. In seiner Selbsteinschätzung zu seinem Geburtstag 1776 merkte er an, dass er besser predigen könne als mit dreiundzwanzig, weil ihm die ständigen Reisen Bewegung und frische Luft verschafften, er gut und regelmäßig schlafen könne und ein ausgeglichenes Temperament habe. Wie er sagte: „Ich fühle und trauere, doch durch die Gnade Gottes mache ich mir über nichts Sorgen“ (JWJ, 6: 113–114). Er pflegte noch immer ein lebhaftes Interesse an Medizin und Gesundheit. Primitive Physick, sein Buch mit Hausmitteln, war bis 1776 mindestens siebzehn Mal aufgelegt worden (wobei jede Auflage erweitert und einige in Amerika nachgedruckt worden waren; siehe EMW, 1: 134–144). Dann wurde es von einem jungen Londoner Arzt, William Hawes, angegriffen, der gerade dabei war zu zeigen, was in ihm steckte, indem er seine Bemühungen, erfolgreiche Methoden zur Behandlung von Atemstillstand zu entwickeln, mit einigem Geschick publizierte. Hawes’ oft schwerfällige Attacke porträtierte Wesley als Quacksalber, der nicht nur nichts bewirke, sondern eindeutig eine Bedrohung der Allgemeinheit darstelle. Hawes hatte dabei in gewissem Maß das Recht auf seiner Seite. Aufgrund eines lange Zeit nicht korrigierten Druckfehlers hatte Wesley aus Versehen „ein oder zwei Dram (ca. 3,5 g) destillierten Grünspans“ (genug, um damit vierzig Menschen umzubringen) statt „ein oder zwei Gran (ca. 0,13 g)“ angegeben – ein Fehler, den er in der Ausgabe von 1776 umgehend korrigierte (siehe EMW, 2: 136–137). Wesleys Be-

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geisterung für die Elektrisierung, für die sich Hawes ebenfalls besonders interessierte, entging seiner Kritik. Hawes ignorierte außerdem Wesleys Vorschlag, bei Atemstillstand oder Ertrinken eine Mund-zuMund-Beatmung durchzuführen, obwohl er selbst zwei Jahre vorher die Society for the Recovery of Persons Apparently Dead by Drowning („Gesellschaft zur Belebung von Personen, die scheinbar den Tod durch Ertrinken erlitten haben“) gegründet hatte, die Geldpreise für funktionierende Methoden der Wiederbelebung aussetzte. Wesley selbst war allerdings mehr daran interessiert, Seelen wiederzubeleben, statt ertrinkende Körper zu retten. Eines unter mehreren Hindernissen, das der Erweckungsarbeit im Weg stand und ihm besondere Sorgen bereitete, war das Vorhandensein unqualifizierter Prediger. Auf der Konferenz von 1776 wurde die Predigerprüfung verschärft, und zwar aufgrund des allgemein anerkannten Einwands, „dass einige äußerst unqualifiziert für diese Arbeit sind und dass andere sie nachlässig tun, als ob sie sich einbildeten, sie hätten nichts weiter zu tun, als ein- oder zweimal am Tag zu predigen“. Wesley reagierte auf diese Beschwerde, indem er diejenigen besonders sorgfältig prüfte, an denen es irgendeinen Zweifel gab. Die Ergebnisse wurden im Protokoll festgehalten: „Einer wurde wegen Unzulänglichkeit ausgeschlossen, zwei wegen fehlerhaften Verhaltens. Und wir sind äußerst befriedigt darüber, dass die Übrigen sowohl Gnade wie Begabung für diese ihre Arbeit haben. Ich hoffe daher, dass wir nie wieder einen solchen Einspruch hören werden.“ Im folgenden Jahr führte dieselbe die Prediger betreffende Frage zu dem weiteren allgemeinen Einwand, dass „die meisten von ihnen nicht von Gott zum Predigen berufen sind“ oder zumindest „ihre Berufung verwirkt haben“. John wusste, dass die Prediger von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Erweckung waren. Aus Bristol, wo die Konferenz abgehalten wurde, schrieb er einen Brief an Alexander Mather, einen seiner Assistenten, und legte seine Haltung deutlich dar: „Geben Sie mir einhundert Prediger, die nichts weiter fürchten als die Sünde und nach nichts weiter verlangen als Gott, und mir ist es völlig egal, ob sie Geistliche sind oder Laien, denn nur solche werden die Pforten der Hölle erschüttern und das Himmelreich auf Erden aufrichten“ (JWL, 6: 272; vgl. 6: 124). Möglicherweise jedoch hatte die Situation in Amerika Wesley gegen die Arbeit in Übersee eingenommen, denn als sein neuer Assistent Thomas Coke, der vor kurzem aus Irland zurückgekehrt war, eine methodistische Missionsarbeit in Afrika vorschlug, entschied Wesley, dass „der Ruf zweifelhaft“ scheine. Thomas Taylor, der diese Entscheidung in seinem Tagebuch festhielt, berichtete auch, dass, obwohl die Konferenz diese Angelegenheit anderthalb Stunden diskutierte, es

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„auch in fünf Minuten hätte erledigt werden können“. Er fuhr fort: „Wir sind zum großen Teil langweilig und haben viele lange Reden, die wenig zur Sache tun“ (JWJ, 6: 206n). Auf derselben Konferenz von 1766 gedachte Wesley zum ersten Mal der Prediger, die im Lauf des vorangegangenen Jahres im Dienst verstorben waren. Das Protokoll listet sie mit kurzen Kommentaren auf (von denen einige kaum Anerkennung ausdrückten), die als Nachruf genügten: „John Slocomb in Clones: ein alter Arbeiter, der sich im Dienst erschöpfte. John Harrison bei Lisburn: ein viel versprechender junger Mann, ernsthaft, bescheiden und gottergeben. William Lumley in Hexham: ein gesegneter junger Mann, ein glücklicher Zeuge der vollen Freiheit der Kinder Gottes. Und William Minethorpe bei Dunbar: ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch war“ (Minutes, 127). Neben den unqualifizierten Predigern sah Wesley die fortwährende Präsenz calvinistischen Gedankenguts unter den Methodisten als Hindernis für die Arbeit. Als Wesley diese Bedrohung auf der Konferenz von 1776 ansprach, hatte er bemerkt, dass viele die calvinistische Linie bereitwillig übernahmen, weil sie „für Fleisch und Blut so gefällig“ war, vor allem die Lehre von der Perseveranz der Heiligen. Um ihren Vormarsch aufzuhalten, schlug Wesley vor, die Prediger sollten Fletchers Schriften genau lesen, ausdrücklich die allgemeine Erlösung predigen und die Leute fleißig besuchen, auf keinen Fall jedoch die Calvinisten selber imitieren, indem sie „herumschrien, allegorisierten und sich selbst als ordiniert bezeichneten“ oder einer Reihe von weiteren Versuchungen nachgaben. Zum Schluss regte er an, man solle darum beten, dass „Gott diese Pest [des Calvinismus] aufhalten“ möge, die er bald als das „genaue Gegenmittel zum Methodismus“ zu erkennen begann (Minutes, 126–127, 667). Unter häufiger Benutzung von The Spiritual Magazine und The Gospel Magazine als Giftspritzen setzten die Calvinisten ihre konzertierten Angriffe auf Wesley fort. „The Serpent and the Fox“ („Die Schlange und der Fuchs“), 1777 anonym im zweitgenannten Magazin publiziert, verdeutlicht beispielhaft die Skurrilität, die unter dem Deckmantel vergnüglicher Kritik daherkam. In einer fiktiven Unterhaltung zwischen Old Nick, dem Teufel, und Old John, dem Priester, porträtiert der Autor die beiden, wie sie Pläne schmieden, die Calvinisten auszulöschen, die für sie beide eine Bedrohung darstellen (EMW, 2: 122– 125). Die veröffentlichten Angriffe nahmen auch noch eine Reihe von anderen Formen an. Ein anonymer Autor wählte die Reaktion auf Wesleys Calm Address als Ausgangspunkt, um eine Serie von sechs Pamphleten zu veröffentlichen; jedes enthielt ein längeres satirisches Gedicht, das den enthusiastischen Mob von Fanatikern, die man Methodisten nannte, sowie ihren Anführer verspottete. Die sich daraus

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ergebende Karikatur Wesleys und seiner Anhänger ist zuweilen hochgradig obszön, wie auch die Titelblätter, die die Texte jeweils illustrieren (EMW, 2: 103–115). Die Methodisten mögen die Kritik durch ihr geheimnisvolles (wenn nicht sogar subversives) Erscheinungsbild geradezu herausgefordert haben, weil sie zu ihren Versammlungen nur Mitglieder mit Eintrittskarten zuließen (JWL, 6: 265). Doch selbst die leichtgläubige Öffentlichkeit hätte möglicherweise das Porträt des Kritikers in Fanatical Conversion („Fanatische Bekehrung“) nicht ernst genommen, wo das methodistische Liebesmahl als Orgie dargestellt wird, wo „Jungfrauen in heiligen Träumen verführt“ werden. Das satirische Bild der Methodisten baut typischerweise auf einer falschen Auslegung ihrer Begriffe und Praktiken auf: To Reynard’s Tabernacle lent at last, Infecting converts with its pois’nous blast; Whose strong effluviae young and old confound, And stretch the passive virgin on the ground; Chiefly on Watch-Nights, or Love’s annual Feast, When victims fall before lewd Murcia’s priest, Celestial impregnation to receive, And share those gifts which all who feel believe. Zu Reynolds Tabernakel kommt man auch Und steckt Bekehrte an mit gift’gem Hauch. Die strengen Dünste Jung und Alt umwallen, Die Jungfrau lässt es willig sich gefallen, Bei Nachtwachen, beim Liebesfest einmal im Jahr, Bietet man sich Murcias lüsternem Priester dar, Vom Himmel ein Kind zu empfangen,’ und die Gaben zu teilen und zu erlangen. (EMW, 2: 108–109)

Der Autor plante noch weitere Gedichte, doch er schien den Markt mit dem ersten halben Dutzend gesättigt zu haben, und den Methodisten blieb weiterer Spott erspart. Im November 1777 beschloss Wesley, sich der calvinistischen Herausforderung durch die Herausgabe eines eigenen Monatsmagazins frontal zu stellen. Seine einleitenden Bemerkungen für den Leser des Arminian Magazine („Arminianisches Magazin“) zielen unmittelbar auf die Wettbewerber, die beiden calvinistischen Magazine. Er legt dar, dass die Verfasser dieser Zeitschriften nicht nur für die Lehre eintreten, dass „Christus nicht für alle gestorben war, sondern für einen von zehn, nur für die Erwählten“, sondern auch ihre „liebgewonnenen Dekrete mit Argumenten wie in Bedlam und mit einer Sprache wie in Billingsgate“ verteidigten (das berüchtigte Irrenhaus und der verrufene Fischmarkt). Wesley Monatsmagazin sollte aus vier Teilen

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bestehen: 1) Schriften, die die allgemeine Erlösung verteidigten; 2) Biografien von Menschen, die ein heiliges Leben geführt hatten; 3) Briefe und Berichte aus dem Erfahrungsschatz frommer lebender Personen; und 4) Poesie, die die wesentlichen Lehren erklärte und bestätigte. Das Ganze sollte als Leitfaden für ein heiliges Leben und heiliges Sterben dienen, ein Handbuch für den geistlichen Weg. Die erste Ausgabe begann mit einem Lebensbild des großen Verteidigers der allgemeinen Erlösung, Arminius, das den Ton für die ganze Serie angab und auch den Titel lieferte. Wesley war sich bewusst, dass einige an diesem Titel Anstoß nehmen würden, doch er war zuversichtlich, dass neunundneunzig von hundert Menschen in England die absolute Prädestination ablehnten und sich so an seiner Wahl nicht stören würden (JWW, 14: 278–281). Die steigenden Anforderungen durch Wesleys Veröffentlichungen machten einen vollzeitlichen Lektor notwendig. Thomas Oliver war 1776 „Korrektor der Druckerzeugnisse“ für die Connexio geworden und wurde Wesley in London zur Seite gestellt. Er war nicht der einzige Prediger, der zu einer aufblühenden methodistischen Verwaltung gehörte: Joseph Bradford hatte die Aufgabe, mit Mr. Wesley zu reisen, John Atlay führte seine Bücher und sollte bald zum „Verwalter der Buchführung“ ernannt werden. In der Zwischenzeit machte man sich mit dem Gedanken vertraut, dass die Gießerei, das Londoner Hauptquartier der Bewegung und Ort für alles, vom Predigen bis zum Buchdruck (und seit 1774 für die Sakramentsausteilung), ihrem Abriss entgegen sah. Die Planungen für ein neues Gebäude hatten im März 1776 begonnen, und im späteren Verlauf des Jahres hatte Wesley an die gesamte Connexio appelliert, der Gesellschaft in London zu helfen. Im April 1777 legte er den Grundstein für eine neue methodistische Kapelle in der City Road, gegenüber den Bunhill Fields, der Begräbnisstätte der Dissenter. Er benutzte diese Gelegenheit auch, um eine Predigt zu halten, die die methodistische Geschichte (mit einigen passenden Revisionen) umriss und sie als „Entstehung und Fortschritt“ des „außerordentlichen Wirkens Gottes“ darstellte. Sein Hauptpunkt bestand darin, dass der Methodismus keine neue Religion sei, sondern schlicht die „alte“ Religion der Bibel, des Urchristentums und tatsächlich auch der Kirche von England (Sermons, 3: 577–592). Er betonte vor allem, dass die Methodisten niemals die Absicht gehegt hätten, sich von der Kirche zu trennen. Doch schon die Architektur der neuen Kapelle strafte dieses Argument Lügen. Trotz des Vorschlags im Protokoll von 1776, die Predigthäuser entweder im achteckigen Stil wie in Yarm oder nach dem quadratischen Modell in Scarborough zu erbauen, errichtete Wesley die Kapelle in der City Road nach dem traditionellen Basilika-

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Bauplan, der für eine eher traditionelle, um nicht zu sagen sakrale Kirchenarchitektur stand. Das Gelände mit Wesleys neuem Haus direkt daneben wurde zu einem Zentrum der Predigttätigkeit, Gemeinschaft und Sozialarbeit wie auch von Gottesdiensten und erfüllte so mit einem hohen Grad an Autarkie die Funktionen einer Pfarrkirche (sogar mit einem Friedhof auf dem Gelände). Es war allerdings nicht geweiht und stand völlig außerhalb der bischöflichen Aufsicht der Kirche (Church, 213–214). Die Treuhänder, die die Kontrolle über den Besitz ausübten, waren eine interessante Mischung von fünfundzwanzig Männern, darunter fünf Weber, ein Seidenhändler, drei Kaufleute, ein Angehöriger des Landadels und ein Bankkaufmann, und sie kamen aus über einem Dutzend verschiedener Pfarrgemeinden (People, 83). Die Kanzel in der City Road allerdings stand praktisch nur methodistischen Predigern offen, die auch ordinierte Geistliche waren. Diese Einschränkung bereitete Probleme, denn es gab nur wenige, die so qualifiziert waren. Charles Wesley scheint die Kanzel in der City Road sehr schnell für sich in Beschlag genommen zu haben, sehr zum Verdruss einiger altgedienter Reiseprediger wie John Pawson und Tho-

Wesley beschrieb die New Chapel in der City Road als „vollkommen schön und zweckmäßig, aber nicht prunkvoll“. Im November 1778 eröffnet, bot sie so vielen Besuchern Platz wie Whitefields Tabernakel und ersetzte die kleinere Gießerei als Wesley Hauptquartier in London.

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mas Rankin, die weder Charles‘ „trockene und leblose“ Predigten mochten noch sein Misstrauen gegenüber Reisepredigern. Andere Prediger wie etwa John Whitehead begannen darauf zu drängen, dass am Sonntagmorgen zur Gottesdienstzeit das Sakrament in der City Road ausgeteilt werde, doch John Wesley brachte es immer noch fertig, diesem Zug zu widerstehen. Die Spannungen zwischen Geistlichen und Laienpredigern innerhalb des Methodismus stellten Wesleys Entschlossenheit, in der Kirche zu bleiben, auf eine harte Probe. Edward Smyth, ein irischer Geistlicher, hatte wegen seiner methodistischen Praktiken seine Stelle als Hilfsgeistlicher verloren und auf der irischen Konferenz von 1778 öffentlich den Wunsch geäußert, sich von der „verderbten“ Kirche zu trennen. Wesley schaffte es hier, die anderen Prediger in ihrem Entschluss zu bestärken, in der Kirche zu bleiben. Als Smyth mit seiner Familie nach Bath umzog, bat ihn Wesley, im dortigen methodistischen Predigthaus zu sprechen, sehr zum Verdruss mancher LaienReiseprediger wie Alexander McNab, dem Assistenten, dem man die Aufsicht über den Bezirk übertragen hatte. Es erhob sich die Frage, ob Wesley persönlich das Recht habe, Prediger zu ernennen, oder ob dieses Recht der Konferenz zustehe, wie McNab zu behaupten begann. Im November 1779 versuchte Wesley, dieses Problem im Gebiet um Bristol und Bath zu lösen. Bei einem Besuch der Gesellschaft von Bath verlas er ein Papier, das er nahezu zwanzig Jahre zuvor verfasst hatte (möglicherweise für die Gesellschaft in Norwich; siehe oben, S. 247ff.), und wies darauf hin, dass „die Regeln für unsere Prediger von mir festgelegt wurden, bevor es überhaupt eine Konferenz gab“ und stellte im Besonderen die zwölfte Regel heraus: „Vor allem sollt ihr predigen, wann und wo ich euch dazu auffordere.“ Wesley entband McNab daraufhin von seinen Predigtaufgaben, „bis er seine Meinung geändert habe“ (JWJ, 6: 262–263). Charles betrachtete die Ereignisse um McNab als Teil einer größeren Konspiration unter den Laienpredigern, die von einem „Geist des Hochmuts und der Selbstsucht“ infiziert waren. Indem sie John Wesley stürzten, würden sie die Trennung von der Kirche beschleunigen und damit die Chancen auf ihre eigene Ordination vergrößern. John Pawson, der Charles‘ Interpretation der Ereignisse in Frage stellte, behauptete, die Angelegenheit sei lediglich eine örtliche Kabbelei in Bath. Charles sah Pawson als einen der Rädelsführer und warnte seinen Bruder John. John bestärkte Charles noch in seinen Sorgen, als er McNab innerhalb von drei Monaten wieder einsetzte und die Warnung, dass dies den Tag von Ordination und Bruch mit der Kirche schneller herbeiführen würde, im Wesentlichen ignorierte. Charles jedoch, der nicht geneigt war, „dabeizustehen und zuzusehen, wie un-

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sere Sache ruiniert wird“ (Church, 216), hatte in kräftigen Worten ein Gedicht gegen die Laienprediger verfasst, aus dem hier einige Zeilen zitiert werden: They now preeminence affect Eager to form the rising Sect, Some better thing to gain: Like hireling priests, they serve for hire, And thro‘ ambition blind, aspire Without cross to reign. Sie geben vor, bedeutend zu sein, Eifrig bemüht um die Sekte Und wollen doch Bess‘res gewinnen: Mietlinge sind’s, sie dienen um Lohn, Blind vor Ehrgeiz hoffen sie Ohne das Kreuz zu herrschen. (Documents, 4: 190)

Diese zunehmende Spannung zwischen den Predigern und folglich auch zwischen den Brüdern Wesley verstärkte die wachsende Tendenz unter den gegnerischen Gruppierungen, historische Reflektionen einzusetzen, um ihre Position zu untermauern. John Wesley erzählte nun die Geschichte von der Entstehung des Methodismus als die Geschichte seiner eigenen und einzigartigen Suche nach Heiligkeit in Oxford, wie er sie in seiner Predigt in der City Road 1777 geschildert hatte. Wie er bei dieser Gelegenheit sagte (und dabei in der dritten Person von sich selbst sprach): „Einige Jahre [nach 1725] war er gezwungen, seinen Weg allein zu gehen, da er keinen Menschen hatte, der ihm helfen oder ihn hätte leiten können. Doch im Jahr 1729 fand er einen, der dasselbe Verlangen zeigte“ (Sermons, 3: 581). In einem Brief an Thomas Taylor von 1779 führt er diesen Teil der Geschichte noch weiter aus: „Es gefiel Gott, durch mich zunächst meinen Bruder, dann noch einige andere zu erwecken; die mich unabhängig voneinander um den Gefallen baten, sie in allen Dingen anzuleiten.“ Der Rest von Johns Geschichte wird auf ähnliche Weise entfaltet, mit verschiedenen anderen „Söhnen im Evangelium“, die ihn darum bitten, ihnen Führung zu geben, sowie den verschiedenen Strukturen des Methodismus, die sich aus seinen Bemühungen ergaben. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: „Wer daher die Bedingungen verletzt, vor allem jene, sich von mir in seiner Arbeit leiten zu lassen, trennt sich ipso facto von mir“ (JWL, 6: 375). In Wesleys Gedankenwelt konnte eine Vorrangstellung in der Vergangenheit leicht auf eine Vorrangsstellung in der Gegenwart übertragen werden. Charles allerdings übertrug diese Ereignisse auf entgegengesetzte Weise. Sein Bericht von den Anfängen begann, sich von demjenigen

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Johns erheblich zu unterscheiden, vor allem in Bezug auf diese Dispute. Charles schrieb Dr. Thomas Chandler, einem amerikanischen Geistlichen, einen Brief, in dem er recht subtil versuchte, seine eigene Machtposition in den 1770er Jahren anzudeuten, indem er darlegte, dass er selbst den Methodismus in Oxford angestoßen hatte. Charles ordnete den Ablauf der Ereignisse in seiner Geschichte so, dass seiner Darstellung nach John die Szene in Oxford erst betrat, nachdem die Bewegung schon lange in Gang gekommen war (Documents, 4: 204). Weder Charles noch seine Fassung vom Ursprung des Methodismus setzten sich schließlich durch, möglicherweise auch deswegen, weil seine Geschichte nicht mit Aufzeichnungen jener frühen Ereignisse übereinstimmte. Darüber hinaus war sein politischer Einfluss innerhalb des Methodismus dem seines Bruders nicht gewachsen. Trotz all dieser Spannungen zeigt John auf verschiedene Weise seine Sorge für die Prediger – nicht zuletzt dadurch, dass er ihnen gesundheitliche Ratschläge gab. Auf der Konferenz von 1778 stellte John die Frage: „Warum erkranken so viele unserer Prediger an nervösen Störungen?“ Die Antwort: „Weil sie Dr. Cadogans Regeln nicht in hinreichendem Maß befolgen: Trägheit und Maßlosigkeit zu vermeiden.“ Um ihre Gesundheit durch körperliche Betätigung und Mäßigkeit zu fördern, gab ihnen Wesley sechs Ratschläge, die zweifellos seine eigene Praxis widerspiegelten: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Rühre keinen Alkohol, Tee, Tabak oder Schnupftabak an. Nimm nur ein leichtes Abendessen zu dir, wenn überhaupt. Dein Frühstück soll aus Nessel- oder Orangenschalentee bestehen. Geh vor zehn Uhr schlafen; steh vor sechs Uhr auf. Bewege dich jeden Tag so viel du kannst; oder Bring dich selbst Zoll für Zoll um.

In vielen dieser Fragen versuchte sich Wesley so weit wie möglich auf dem Laufenden zu halten, indem er zum Beispiel die neuesten medizinischen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen las. Im April 1779 wanderte er, nachdem er in Shrewsbury gepredigt hatte, nach Coalbrookdale, um sich die Baustelle für eine neue Brücke über den Severn anzuschauen. Sie war die erste gusseiserne Brücke der Welt und bestand aus einem dreißig Meter langen Bogen, gut fünfzehn Meter hoch und zehn Meter breit, und wog 378 Tonnen. Wesley war entsprechend beeindruckt: „Ich bezweifle, dass der Koloss von Rhodos viel mehr gewogen hat“ (JWJ, 6: 226). Viele seiner Interessen standen natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Wirken unter den Methodisten. So war sein Artikel „Thoughts upon the Power of Music“ („Gedanken zur Macht der Musik“) nicht einfach Theorie, sondern fand auch praktische Anwendung. Dass er eine kräftige Melodieführung bevorzugte, um die

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Leidenschaft im menschlichen Geist zu wecken, wird auch aus der negativen Formulierung ganz deutlich: „Was hat der Kontrapunkt mit den Leidenschaften zu tun?“ Man solle die Natur in ihrer melodischen Schlichtheit nachahmen (Collection, 767). Dieses Werk leitete die Herausgabe eines neuen Liederbuchs ein, der Collection of Hymns von 1780, die umfangreichste der von Wesley veröffentlichten Liedersammlungen. Die 525 Lieder waren nicht nach dem Kirchenjahr geordnet wie bei den Anglikanern üblich, sondern vielmehr „sorgfältig unter passenden Überschriften nach der Erfahrung wahrer Christen gegliedert“. Das Buch war im Grunde (um Wesleys Worte zu gebrauchen), „eine kleine Zusammenstellung praktischer und erfahrungsbezogener Theologie“, die die via salutis (Weg des Heils) aufzeigte. Es enthielt außerdem „keine holprigen Verse, keinen Pfusch, ... weder Schwülstiges oder Bombastisches auf der einen Seite noch Niedriges oder Kriecherisches auf der anderen.“ Man finde keine „hohlen Phrasen“ darin, sondern vielmehr „die Reinheit, Kraft und Eleganz der englischen Sprache“. Tatsächlich hatte John aus eben diesen Gründen einige wenige von Charles‘ Liedern (wie zum Beispiel „Jesu, Lover of my Soul“) nicht in die Sammlung aufgenommen. Wesley glaubte, dass er und Charles eine unvergleichliche Sammlung hervorgebracht hätten, die den wahren Geist der Poesie atme und doch den ihr angemessenen Platz als „Magd der Frömmigkeit“ behalte (Collection, 46, 74–75). Die Collection of Hymns hatte keine Noten, doch Wesley brachte Sacred Harmony („Geistliche Harmonie“) fast gleichzeitig heraus. Diese Notenausgabe war im Wesentlichen eine Neuauflage der Melodien aus Sacred Harmony (1761), doch mit Musik „für zwei oder drei Stimmen, Cembalo und Orgel“ (Collection, 25). Häufig waren natürlich Cembalo oder Orgel nicht verfügbar; dann trug der Vorsänger eine Zeile nach der anderen vor. Von Wesley weiß man, dass er sich gelegentlich eines Oboenspielers bediente, um die Gemeinde beim Singen der Melodie zu unterstützen. Zu dieser Zeit ließ sich Wesley in eine andere politische Auseinandersetzung hineinziehen, dieses Mal aufgrund seiner Opposition zum Catholic Relief Act („Gesetz zur Entlastung der Katholiken“) von 1778. Seine eigene Abhandlung, Popery Calmly Considered („Das Papsttum ruhig betrachtet“) spiegelte die traditionellen Vorurteile englischer Protestanten wider. Er wiederholte seine Auffassung in einem deutlich formulierten Brief an den Redakteur von The Public Advertiser („Der öffentliche Anzeiger“) vom Januar 1780, in dem er die Arbeit der neu gegründeten Protestant Association („Protestantischer Verband“) unterstützte, die von Lord George Gordon geleitet wurde. Während er nicht bereit war, irgendjemanden seiner religiösen Prin-

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zipien wegen zu verfolgen, betonte er doch gleich, dass „keine [nichtkatholische] Regierung Männer mit römisch-katholischer Überzeugung tolerieren“ solle. Der Grund war einfach – ein Katholik konnte weder Loyalität noch friedliches Verhalten garantieren, weil er sich an die Maxime hielt: „Ketzern gegenüber muss man kein Versprechen halten“, und weil der Papst die Macht hatte, ihn von jedem Versprechen, jedem Eid, jedem Gelöbnis zu entbinden (JWJ, 6L: 370–373). Viele waren über diesen Brief „bestürzt und traurig“; andere, darunter auch seine alten calvinistischen Gegenspieler im Gospel Magazine pflichteten ihm von ganzem Herzen bei und brachten das Schreiben als Pamphlet in Umlauf. Wesley hielt sich im Juni 1780 nicht in London auf, als Lord Gordon zwanzigtausend Unterstützer in einem Marsch vor das Parlament führte, in der Hand eine Petition, den Catholic Relief Act zurückzunehmen. Als das Unterhaus die Angelegenheit vertagte, anstatt sich damit zu befassen, brachen Unruhen aus. Vier Tage lang wurde in London geplündert und Feuer gelegt. Lord Gordon wurde in das Tower-Gefängnis geworfen, wo ihn Wesley im Dezember besuchte, mit ihm über das Papsttum sprach und bemerkte, dass diese Haft sich zweifellos „als ein dauernder Segen für ihn erweisen“ werde (JWJ, 6: 301). Eine andere Art von Kontroverse braute sich unter den Methodisten in Amerika zusammen. Der Ausbruch des militärischen Konfliktes, aufgrund dessen Wesleys Prediger nach England zurückgeschickt worden waren, verminderte auch die Anzahl der Priester der Kirche von England in den amerikanischen Kolonien. Ihr Weggang führte dazu, dass nicht nur die Anglikaner, sondern auch die Methodisten nicht mehr das Sakrament empfangen konnten. 1777 erhob sich die Frage nach der Austeilung des Sakraments durch Methodisten, wurde aber vertragt. 1779, nachdem man die Angelegenheit ein weiteres Jahr aufgeschoben hatte, entschieden sich die methodistischen Prediger, die zur Konferenz in Fluvanna, Virginia, zusammengekommen waren, mit 19 zu 10 Stimmen dafür, ein Presbyterium von vier Personen zu schaffen, die sich erst gegenseitig und dann den Rest ordinieren sollten, damit so Geistliche verfügbar wären, die das Sakrament reichen konnten. Diese Vorgehensweise ergab sich teils aus zwei wesleyanischen Prinzipien: der Notwendigkeit der ständigen Kommunion und der zwingend vorausgesetzten Ordination für die Austeilung des Sakraments. Wesley selbst hätte gegen diese Entscheidung heftig protestiert, denn sie stellte einen eklatanten Bruch mit Ordnung und Struktur der Kirche und einen konkreten Schritt in Richtung Trennung dar. Francis Asbury, der politisch abgeschieden in Delaware lebte und nicht in der Lage war, die südliche Konferenz zu besuchen, wandte sich ebenfalls entschieden gegen diese Vorgehensweise. Sei-

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ner Meinung nach bewirkte der Vorgang nur „eine schwache Trennung von der Episkopalkirche, die etwa ein Jahr andauern wird“ (Asbury, 1: 304). Im folgenden Jahr stimmten die Prediger aus den nördlichen Bezirken unter Asburys Führung dafür, „nach dem ursprünglichen Plan als Methodisten zur Konferenz zusammenzukommen“. Asbury schlug vor, die südliche Konferenz zu besuchen mit der Bitte, die Austeilung des Sakraments noch ein weiteres Jahr auszusetzen und in dieser Zeit Mr. Wesley zu konsultieren. Um seine Argumentation zu stützen, verlas Asbury darauf vor der Gruppe Mr. Wesleys Gedanken gegen eine Trennung von der Kirche wie auch Wesleys Privatbriefe an ihn, in denen er ihm in seiner Eigenschaft als Generalassistent Anweisungen erteilte (die Prediger der nördlichen Bezirke nannten ihn Generalsuperintendent). Nach anfänglichem Widerstand stimmte die Konferenz diesen Bedingungen zu und bat Asbury, durch die Bezirke zu reiten und so die Einheit stärken zu helfen. Mit diesen Maßnahmen erkannten die Amerikaner Wesleys Autorität über den Gesamtverband an und stärkten gleichzeitig Asburys Führungsposition in Amerika. Asbury betonte in den folgenden sechs Monaten in seinen Briefen an Wesley, dass die Menschen einen großen Nachtteil hinnehmen müssten, weil ihnen niemand das Sakrament reichen konnte. Unter diesen Umständen meinte er, dass der „Mangel an Gelegenheit die zwingende Pflicht aufhebt, das Abendmahl zu nehmen“ (Asbury, 3: 25). In dieser Situation war Asbury bereit, eine vorschriftsmäßige Ordination als ein wichtigeres Prinzip zu betrachten als beständige Kommunion. Gleichzeitig drängte er Wesley jedoch, etwas in der Frage der Ordination zu unternehmen. Wesley versuchte tatsächlich recht offensiv, die Ordination für seine Prediger auf dem vorgeschriebenen Weg zu erreichen. Brian Bury Collins wurde die Ordination vom Bischof von Chester verwehrt, weil, wie ihm der Bischof erklärte, „Sie mir gegenüber kein einziges Mal zum Ausdruck gebracht haben, ... dass Sie sich wegen Ihres unsteten Lebens und Predigens Gedanken machen“ (Church, 261). Und einem anderen methodistischen Prediger, John Hoskins, der nach Amerika zu gehen beabsichtigte, wurde die Ordination wegen seiner mangelnden Bildung von Robert Lowth, dem Bischof von London, verweigert. Wesley schrieb einen flammenden Brief an Bischof Lowth und wies auf den großen Notstand in Amerika hin. Besonders ungehalten war er wegen der vom Bischof gesetzten Prioritäten: „Eure Lordschaft haben es für gut befunden, andere Personen zu ordinieren und nach Amerika auszusenden, die etwas Griechisch und Latein konnten, die jedoch von der Seelenrettung so wenig verstehen wie vom Walfang“ (JWL, 7: 31; vgl. JWJ, 21: 248).

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Während dieses Briefwechsels kam die Konferenz 1780 in Bristol zusammen. Sie war ganz von der Aufgabe in Anspruch genommen, das „Große“ Protokoll neu zusammenzustellen und zu revidieren, ein größeres Unterfangen, das es mit sich brachte, die normale Konferenzdauer auf mehr als eine Woche auszudehnen. In das neue erweiterte Dokument, die erste Revision nach acht Jahren, wurden verschiedene zusätzliche Fragen aus den Entschließungen der letzten vier oder fünf Konferenzen eingefügt; außerdem enthielt es einige Revisionen und Zusätze zu bereits vorhandenen Punkten. Unter den neuen Punkten fanden sich detaillierte Vorschläge zum Fasten (Frage 35), Gründe gegen eine Trennung von der Kirche (Frage 47) und der Ratschlag, in den Predigthäusern vor und nach dem Gottesdienst nicht zu reden (Frage 68). Unter den Addenda zu den älteren Punkten findet sich der feste Entschluss, die Morgenpredigt um fünf Uhr niemals auszulassen, wenn es praktikabel ist, wie auch die Ermahnung, nur zu predigen, wenn zwanzig Hörer anwesend sind; andernfalls solle man einfach singen und beten (Frage 25). Wesley fügte einige detaillierte Vorschläge hinzu, wie die Predigerfrauen nicht nur ein „Muster an Ordnung und Sauberkeit“, sondern auch ein „Muster an Fleiß“ sein könnten, um die Predigthäuser davor zu bewahren, von „Schlampen“ (d. h. Frauen mit liederlichem Lebenswandel; Frage 69) ruiniert zu werden. Die verheirateten Prediger (zu diesem Zeitpunkt mindestens fünfundzwanzig Prozent) waren 1779 ermahnt worden, nach der Predigt nicht sofort nach Hause zu eilen, um bei ihrer Frau zu sein; sie mussten zunächst ein Treffen mit der Gesellschaft abhalten (Minutes, 141). Dieses Problem betraf Wesley nicht persönlich; denn er lebte bereits seit einigen Jahren getrennt von seiner Frau Molly. Trotzdem führten die Probleme, die sich aus der Sorge für mehr als vierzig Ehefrauen ergaben, zu der Entscheidung, keine weiteren verheirateten Prediger mehr zuzulassen, „es sei denn, dass es an ledigen Predigern mangle“ (Minutes, 151). Wesley entschloss sich außerdem, seine früher erteilte „Erlaubnis“ zurückzuziehen, jedermann den Besuch der Konferenz zu gestatten. Charles Wesley nahm an dieser Konferenz teil, was zum Teil erklärt, warum das Prinzip „Niemand, der die Kirche verlässt, soll bei uns bleiben“ so eindringlich wiederholt wurde (JWL, 7: 29). Auch andere strukturelle Innovationen wurden deutlich, wie zum Beispiel die Tatsache, dass Christopher Hopper, sein Assistent in Colne, zum Vorsitzenden einiger Sitzungen gewählt wurde, wie auch ein Kabinett von sechs Personen, darunter Coke und Fletcher, die ernannt wurden, um Wesley zu unterstützen (Church, 220). Bald nach der Konferenz machte Wesley allerdings sehr deutlich, wer die Kontrolle in der Hand hielt. Einem seiner Prediger, Zachariah Yewdall, schrieb er (noch im-

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mer ärgerlich über den Streit um McNab): „Ich bin es, nicht die Konferenz (entsprechend der zwölften Regel), der den Dienstort der Prediger bestimmt; doch ich tue dies anlässlich der Konferenz, damit ich meine Brüder zu Rate ziehen kann“ (JWL, 7: 40). Es steht fest, dass Wesley mit der fertigen Liste in der Hand und auch mit einer größtenteils feststehenden Tagesordnung am Konferenzort eintraf, auch wenn er bereit war, an Ort und Stelle Änderungen vorzunehmen (Polity, 251n). Er war jedoch nicht bereit, unautorisiertes Predigen in der Connexio zu dulden, vor allem nicht von Frauen. Im März 1780 hatte er John Peacock, den Assistenten in Grimsby, schriftlich angewiesen, in seinem Bezirk „dem Predigen von Frauen ein für alle Mal ein Ende zu setzen“. „Wenn man dies duldete“, fügte Wesley hinzu, „würde es anwachsen, und wir wissen nicht, wo das hinführen würde“ (JWL, 7: 8–9). Trotz andauernder Spannungen und Probleme in der Connexio schafften es die methodistischen Gesellschaften, sich auszubreiten und zu wachsen. Die für 1781 angegebene Mitgliederzahl von 44 461 stellte einen Zuwachs von 631 Personen gegenüber dem Vorjahr dar. Es gab 178 Prediger, einen für jeweils 250 Mitglieder, ein recht konstantes Verhältnis seit 1767. Die Anzahl der Bezirke betrug dreiundsechzig und hatte sich damit nahezu verdoppelt, doch nur etwa ein Dutzend von ihnen hatte mehr als eintausend Mitglieder. Die Sternchen im Protokoll, mit denen man bis dahin die Bezirke mit Mitgliederschwund markiert hatte, kennzeichneten nun die dreiunddreißig wachsenden Bezirke, vielleicht um eine schwierige Situation in ein möglichst positives Licht zu rücken. Mehr als doppelt so viele Bezirke wie in dem bis dahin schlechtesten Jahr hatten Mitglieder verloren. Obwohl sechs Bezirke jeweils um mehr als einhundert Mitglieder gewachsen waren, hatten weitere sechs jeweils mehr als einhundert verloren. Wachstum am Ort brachte jedoch die Notwendigkeit mit sich, eine neue oder geräumigere Versammlungsstätte zu finden. Jahrelang hatten die Methodisten unterschiedliche Gebäudetypen übernommen, in denen eine größere Menschenmenge Platz fand – Theater, Schmieden, Scheunen. Ein altes Schlachthaus in Belfast war 1764 der Ort methodistischer Versammlungen gewesen, während derer ein Teenager Gottes Liebe an diesem „heiligen Ort“ gespürt hatte. Als sich seine Gefährten über ihn lustig machten und daran erinnerten, dass dies ja nur ein Schlachthaus sei, entgegnete er: „Vielleicht, aber für mich war es das Haus Gottes“ (People, 42). Um 1780 musste John Sutcliffe, der zehn Jahre zuvor, nachdem er Wesley predigen gehört hatte, einer Klasse in Ewood beigetreten war, eine geräumigere Unterkunft für die Gebetsversammlungen finden, die er später organisierte, weil sein

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Heim in Pilling nicht mehr genug Platz bot. Schon bald fand er eine solide, aber unbenutzte Scheune in Luddenden, die sieben mal zwölf Yards (etwa 6,30 m x 11 m) maß, und obwohl sie fünfzehn Kilometer entfernt lag, zog er dorthin, kaufte die Scheune, unterkellerte sie, um dort Wohnraum zu schaffen, und begann das Gebäude für methodistische Versammlungen zu nutzen (People, 36–37). Einer der wachsenden Bezirke war Epworth, wo eine Erweckung stattgefunden hatte, vor allem unter den Kindern. Die Industrialisierung dieser Region hatte vier Spinnereien und Webereien entstehen lassen, und in diesen Fabriken wurden Jungen und Mädchen in großer Zahl beschäftigt. Einige von ihnen, die „in eine Gebetsversammlung gestolpert waren“, wurden „ins Herz getroffen“. Als sie sich um ihre Gefährten bemühten, veränderte das die Situation in drei dieser Fabriken, wie Wesley es schilderte: „Keine Anzüglichkeiten, keine Lästerworte hörte man mehr, denn Gott hatte ein neues Lied in ihr Herz gelegt, und Gotteslästerungen wandelten sich zu Lobpreis“ (JWJ, 6: 352–653). Wie Wesley bald hier und anderenorts entdeckte, „entzündete sich das Feuer und lief von Herz zu Herz“, und nachdem es einmal begonnen hatte, „sprang die Flamme auf jene in reiferen Jahren über“ (JWJ, 6: 514–515). Gelegentlich entdeckte er jedoch etwas, das er „verheerendes Feuer“ nannte, das sich mit dem echten Feuer vermischte; jede örtliche Erweckung musste nach ihrem Wesen beurteilt werden. Einer der Bezirke, die eine zeitweilige Abnahme zeigten, war Birstall, wo das Predigthaus der Stadt mit einem „ungünstigen Kaufvertrag“ erworben worden war, der es den Treuhändern erlaubte, die Prediger „ein- und abzusetzen“, eine Praxis, die Wesleys Absicht zuwiderlief. Als die Gesellschaft beschloss, ein größeres Gebäude zu errichten, um an ihr früheres Wachstum anzuknüpfen, versuchte Wesley, sie dazu zu bewegen, die im „Großen“ Protokoll abgedruckte Modell-Urkunde zu benutzen. Das hätte die Immobilie an die methodistische Connexio gebunden, und die Kanzel hätte nur von Wesley ernannten Predigern offen gestanden. Doch die Leute von Birstall behaupteten, sie könnten am Vertrag juristisch nichts ändern. Folglich bestand Wesley auf der Konferenz von 1782 darauf, dass alle neuen Predigthäuser, „ohne Anwälte einzuschalten“, nach der ModellUrkunde erworben werden sollten. Er legte außerdem fest, dass er, sollten sich die Treuhänder in Birstall weigern, nach dem „methodistischen Plan“ zu verfahren, in ganz England Geld sammeln würde, „um ein Grundstück zu erwerben und ein weiteres Predigthaus so nahe am gegenwärtigen zu erwerben, wie es irgend geht“ (Minutes, 157). Wesley glaubte, dass solch entschlossenes Handeln notwendig war, um das System der Reiseprediger am Leben zu erhalten. Wenn

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Treuhänder das Recht haben, Prediger ein- und abzusetzen, so legte er dar, dann „gibt es keine Reisepredigertätigkeit mehr“: Die Rotation der Prediger käme zum Erliegen, und solange sie bleiben dürften, müssten sie ihre Zunge im Zaum halten. Den Kritikern, die diese Verfahrensweise als die Machtspielchen eines alternden Patriarchen betrachteten, entgegnete er, dass diese Bedingungen einfach dazu dienen sollten, die Freiheit nachfolgender Generationen von Reisepredigern zu schützen, sie davor zu bewahren, aus einer Laune der Treuhänder heraus, denen ihre Predigt nicht gefiel, der Kanzel verwiesen zu werden, ein Recht, das nicht einmal den adeligen Schutzherren der Kirche zustand (Societies, 507–509). Wesley war natürlich nicht bereit, alle möglichen Predigten auf methodistischen Kanzeln zu unterstützen. Die Modell-Urkunde machte es zur Auflage, dass seine Predigten und Anmerkungen der Maßstab in Lehrfragen sein sollten, nach dem sich wirklich methodistische Predigten ausrichten müssten. Anfang 1782, kurz nach Ausbruch der Gordon-Unruhen, hatte er eine kurze Denkschrift mit dem Titel verfasst: „How Far is it the Duty of a Christian Minister to Preach Politics?“ („Inwieweit ist es die Pflicht eines christlichen Predigers, über Politik zu reden?“) Wesley glaubte, es sei zwar in der Hauptsache ihre Aufgabe, „Jesus Christus, den Gekreuzigten, zu predigen“, die Prediger sollten jedoch gewiss auch den König und seine Berater gegen ungerechtfertigte Kritik seitens des Volks verteidigen, auch wenn viele dann aufschreien würden: „O, er predigt über Politik!“ (JWW, 11: 155). Nicht alle Methodisten stimmten mit Wesley in politischen Fragen überein. 1775 hatte Wesley sich in Plymouth Dock mit deutlichen Worten an einige von ihnen gewandt, die „dem König und allen seinen Ministern gegenüber zutiefst voreingenommen waren“. Er schätzte ihre Reaktion auf seine Argumentation so ein, dass „Gott es ihnen aufs Herz gelegt hatte“ und dass „es nicht einen von ihnen gibt, der die Dinge jetzt nicht in einem anderen Licht sieht“ (JWJ, 6: 78). 1779 hatte er den Rückgang in einigen Bezirken „teils [auf] Voreingenommenheit gegenüber dem König und Schlechtmachen von Würdenträgern“ zurückgeführt und eine Lösung vorgeschrieben: „Lasst niemanden, der schlecht von denen spricht, die Autorität ausüben, oder die der Nation Schlimmes prophezeien, bei uns predigen“ (Minutes, 140). Die Prediger unter Kontrolle zu haben, war der Schlüssel zur Einheit in der Connexio. Die Konferenz war lange Zeit das Instrument gewesen, die verschiedenen Regelungen zu verkünden und durchzusetzen. In dieser Zeit bestätigte Wesley (in der Konferenz) das Verbot für Prediger, irgendetwas auf eigene Faust zu veröffentlichen, selbst

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komponierte Choräle singen zu lassen, ihr Haar zu pudern oder künstliche Locken zu tragen (Minutes, 151, 157–159). Gleichzeitig sollten sie nicht mehr als Reiseprediger betrachtet werden, wenn sie nicht zweimal am Tag, morgens und abends predigten (sie konnten jedoch als zusätzliche Prediger in der Liste geführt werden). Von den Assistenten erwartete man auch, dass sie vierteljährlich „Bezirkspläne“ einreichten, auf denen die verschiedenen Gesellschaften jeweils mit Spalten für die Mitglieder aufgeführt waren (woraus neue Mitglieder, Abgefallene und Bandenmitglieder ersichtlich waren), sowie Bekehrungen, Todesfälle, Heiraten und „Streichungen“, mit einer Gesamtsumme für jede Spalte (JWL, 6: 3 74; Minutes, 140). Diese Tabellen waren jedoch nicht vergleichbar mit den vierteljährlichen Predigtplänen, die nach dem Muster von Wesleys Tabelle von 1754 aufgebaut waren, gerade zu dieser Zeit eine weitere Verbreitung erfuhren und bald als „Bezirkspläne“ bekannt wurden. Manche Regelungen betrafen auch unmittelbar die methodistischen Mitglieder. Männer und Frauen sollten in den Gottesdiensten getrennt sitzen; sie durften am Sonntag nicht zum Friseur gehen; und sie durften am Tag des Herrn keinen Militärübungen zuschauen, geschweige denn an ihnen teilnehmen (Minutes, 157–159). 1782 begann Wesley die alten Regeln, die den Kirchenbesuch betrafen, zu lockern. Während er zwar Thomas Brisco lobte, weil er die Anfangszeit für den methodistischen Gottesdienst geändert hatte, äußerte er auch, er würde „alle Menschen ermutigen, so oft zur Kirche zu gehen, wie sie irgend können“ (JWL, 7: 115). Das erinnerte kaum an den Ton seiner früheren Anordnungen zum Kirchenbesuch. Diese neue und nachsichtigere Haltung begann sich auch in seiner eigenen Praxis widerzuspiegeln, die offenbar zu eigenen Lösungen vor Ort ermutigte: Jetzt war es wahrscheinlicher geworden, dass er einen methodistischen Gottesdienst besuchte, der sich bis in die Gottesdienstzeit der Kirche hinein erstreckte, vor allem in London oder Bristol (Church, 291–292). Um diese Zeit herum veröffentlichte Wesley eine seiner längsten Beschreibungen der Geschichte seiner Bewegung, „A Short History of the People Called Methodists“ („Eine kurze Geschichte der so genannten Methodisten“, 1781). Tatsächlich handelte es sich um ein Addendum zu seiner Ausgabe von „A Concise Ecclesiastical History“ („Eine kurzgefasste Kirchengeschichte“). Sie bildete den letzten Abschnitt seiner vierbändigen Kurzfassung von J. L. von Mosheims Werk. Er beginnt seine Darstellung mit einer vereinfachten Schilderung der „drei Anfänge des Methodismus“: Oxford, Georgia und London (Societies, 430). Der Rest der Geschichte, 132 nummerierte Absätze, ist größtenteils seinem Tagebuch entnommen. Erzählungen von zahllosen Methodisten lassen den zentralen Punkt erkennen: sie alle zielen darauf hin, die

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wahre Religion in den drei Königreichen zu verbreiten. Diese „wahrhaft vernünftige Religion“, die sich auf die Bibel gründet, beschreibt Wesley als „die Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten, die das Herz mit Demut, Milde und Zufriedenheit erfüllt“ (Societies, 502). Wie das Tagebuch selbst, das zu dieser Zeit in siebzehn Teillieferungen oder „Auszügen“ (bis 1775) erschienen war, stellte dieser geschichtliche Abriss eine kurzgefasste apologetische Schrift dar, die der wesleyanischen Bewegung als nützliche Propaganda diente. Die Menschen in den methodistischen Gesellschaften, die Wesley beschrieb, begannen zu dieser Zeit, Merkmale wachsenden Wohlstands aufzuweisen. Während diese Entwicklung zwar Anlass zur Freude hätte geben können, stellte sie in Wesleys Denken auch ein theologisches Problem dar. Denn Wesley hatte in seiner Analyse der abnehmenden Mitgliedszahlen in einigen Gesellschaften auch ein „Zunehmen der weltlichen Gesinnung und Anpassung an die Welt“ als Hauptgrund herausgestellt (Minutes, 140). Und alles, was dem überflüssigen Anhäufen von Wohlstand nahe kam, geißelte Wesley sofort bei jedem Methodisten. Jahrelang hatte er die Methodisten beständig bedrängt, alles außer dem „Notwendigen und Zweckmäßigen“ wegzugeben. Diese Frage beschäftigte ihn so stark, dass er im Januar 1781 in seinem Arminian Magazine etwas Neues einführte und von ihm selbst verfasste Originalpredigten brachte, jede in zwei monatlichen Raten. Die erste, die in der Zeitschrift veröffentlicht wurde, war eine Predigt über 1. Timotheus 6,9: „Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung“ (Sermons, 3: 228–246). Er definiert den Begriff „reich“ neu und meint damit alle Menschen, die mehr als ausreichend Nahrung zu essen, Kleidung zu tragen und ein Dach über dem Kopf haben. Diese Predigt, die später die Überschrift „Die Gefahren des Reichtums“ bekam, gab ihm die Möglichkeit, sein dreifaches Prinzip zu wiederholen, das er schon früher in „The Use of Money“ („Über den Gebrauch des Geldes“, 1760) formuliert hatte: „Verdiene, soviel du kannst, spare, soviel du kannst, und (vor allem) gib, soviel du kannst.“ Er appelliert an die Methodisten, vor allem anderen auf dieses Wort des Herrn zu hören. Und wie es oft der Fall war, fand das Prinzip, sobald es erst einmal formuliert war, als Aphorismus seinen Weg in das Konferenzprotokoll: „Jeder ist habgierig, dessen Wohltätigkeit nicht in gleichem Verhältnis wächst wie sein Vermögen“ (Minutes, 158). Obwohl Wesley immer noch in der Lage war, die meisten Dinge recht gut im Blick zu behalten, trugen das wachsende Tempo der gesellschaftlichen Veränderung sowie die Größe und Ausbreitung der methodistischen Bewegung dazu bei, die Verwaltung der Bewegung durch einen einzigen Menschen noch weiter zu erschweren.

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Thomas Coke, „Apostel des Methodismus“

Konferenz und Dienst Thomas Coke, ein ordinierter anglikanischer Geistlicher, geboren in Wales, war 1777 nach London gekommen, um Wesley zu unterstützen. Zu dieser Zeit war die neue Kapelle in der City Road im Bau. Coke löste sehr bald John Fletcher, dessen Gesundheit schlechter wurde, als Wesleys rechte Hand ab. Im Gegensatz zu Fletcher war Coke nicht in eine Pfarrgemeinde eingebunden. Man hatte ihn als Hilfsgeistlichen von South Petheron entlassen, weil er diese Pfarrei praktisch in einen methodistischen Bezirk umgewandelt hatte. Coke übernahm die Leitung in einigen wichtigen Vorhaben. Er leitete die Traktatgesellschaft, die Wesley im Januar 1782 ins Leben gerufen hatte, um Gratisliteratur zu drucken und zu verteilen. Die Unterstützer dieses Projekts erwarben die von Wesley verfassten Traktate, die einen Penny oder noch weniger kosteten, und verteilten sie unter den Armen. Ein Penny bedeutete für einen Reichen nur den Gegenwert eines Uhrenschlüssels, für einen Armen jedoch den einer Tüte Zucker oder eines Laibs Brot. Innerhalb von zwei Jahren wurden Sonderdrucke von dreißig Traktaten Wesleys ver-

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teilt, die auf dem Titelblatt alle den Vermerk trugen: „Nicht zum Verkauf, sondern zum Verschenken“. Coke war auch die treibende Kraft hinter den ersten Versuchen, methodistische Projekte für die Außenmission ins Leben zu rufen, nachdem er 1777 erfolglos eine Missionsarbeit in Afrika vorgeschlagen hatte. Sechs Jahre später regte er die Gründung der Society for the Establishment of Missions among the Heathens („Gesellschaft für die Einrichtung von Missionsstationen unter den Heiden“) an, eine überkonfessionelle Gruppe, und versuchte die Methodisten zu ermuntern, Missionare auf die westindischen Inseln auszusenden. Wesley unterdrückte die Idee, weil es „bisher noch keinen Ruf dorthin“ gebe, „keine Einladung, keine Möglichkeit, die uns durch Gottes Führung eröffnet wurde“ (JWJ, 6: 476). Grundsätzlich befürwortete Wesley die Missionsarbeit in jedem Winkel der Erde, wie er in seiner Predigt „The General Spread of the Gospel“ („Die allgemeine Verbreitung des Evangeliums“, 1783; Sermons, 2: 493) darlegte, doch zu diesem speziellen Zeitpunkt banden ihn dringendere Probleme näher an seiner Heimat. Nicht das kleinste von diesen war die Notwendigkeit, Ordnung und Kontinuität innerhalb der Connexio über seinen Tod hinaus sicherzustellen. Der Fall Birstall hatte die mögliche Spaltung und das Chaos, das auf seinen Tod folgen könnte, bereits vorausahnen lassen. Die Treuhänder des New Room in Bristol sträubten sich dagegen, ihr Gebäude nach den Richtlinien der Modell-Urkunde umschreiben zu lassen. Coke, der an der Universität Oxford einen Doktortitel in bürgerlichem Recht erworben hatte, diente Wesley in diesen heiklen Verhandlungen wie auch in anderen als dessen Stellvertreter. Es gab inzwischen nahezu vierhundert methodistische Predigthäuser, und jedes Jahr wurden etwa zwei Dutzend neuer Anträge auf neue Gebäude gestellt (Church, 293). Auf der Konferenz von 1783 schlug Wesley vor, dass die „unnötige Vervielfachung von Predigthäusern“ ein großes Übel gewesen sei und Coke ganz England mit dem Ziel bereisen solle, alle „auf den Konferenzplan zu setzen“ (Minutes, 165).

Die Deklarations-Urkunde Coke hatte begriffen, dass es im Methodismus über Wesley hinaus keine Autorität im juristischen Sinn gab, die Eigentums- oder Leitungsfragen regeln konnte. So wandte er sich gemeinsam mit William Clulow, einem jungen Anwalt und Methodisten, an John Maddock, einen Rechtsanwalt aus Lincoln’s Inn, um sich von ihm juristisch beraten zu lassen. Er klärte sie auf, dass die Konferenz, wie sie zurzeit existierte, weder Wesleys Befugnisse noch sein Eigentum auf juristischem Weg übernehmen könne. Es waren keinerlei Vorkehrungen ge-

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troffen worden, um nach Wesleys Tod einen Einheit stiftenden Mittelpunkt für die Methodisten zu schaffen. Maddock schlug vor, Wesley solle eine Erklärung aufsetzen, um diese Angelegenheiten juristisch zu klären. Alle notwendigen Einzelheiten der Organisation sollten in ihr vollständig aufgeführt und die Erklärung dann im Gericht des Lordkanzlers hinterlegt werden. Die Konferenz von 1783 stimmte diesem Vorschlag zu. Mit Cokes Hilfe setzte Wesley Anfang 1784 die Deed of Declaration (Deklarationsurkunde) auf, eine einseitige Rechtserklärung mit der Überschrift „Des Rev. John Wesley Erklärung und Ernennung der Konferenz der so genannten Methodisten.“ Der Schlüsselsatz in diesem achtseitigen Dokument lautet in typischer Juristensprache: John Wesley erklärt hiermit, dass die Konferenz der so genannten Methodisten in London, Bristol oder Leeds, seitdem es eine jährliche Konferenz besagter so genannter Methodisten an jedem der besagten Orte gibt, sich seit jeher aus den Predigern und Auslegern von Gottes heiligem Wort zusammensetzt, gemeinhin Methodistenprediger genannt, in Verbindung stehend mit und unter der Obhut von besagtem John Wesley, der es für angebracht hielt, sie Jahr für Jahr zusammenzurufen und mit ihm zusammenzutreffen, an dem einem oder anderen der besagten Orte London, Bristol oder Leeds, sich mit ihnen über die Verbreitung des Evangeliums Christi zu beraten, um besagten Personen, die so zusammengerufen wurden, die Erlaubnis zu erteilen, wie auch den anderen Predigern und Auslegern von Gottes heiligem Wort, ebenfalls mit ihm in Verbindung stehend und unter der Obhut des besagten John Wesley, die nicht zur besagten jährlichen Konferenz einbestellt wurden, besagte Kapellen und Gebäude zu nutzen, die so übergeben wurden ... und unwürdige Personen auszuschließen und neue Personen unter seiner Obhut in seine Gemeinschaft aufzunehmen. (JWJ, 8: 335–36)

Die praktische Funktion dieses Dokuments bestand darin, einhundert Prediger aufzuführen (die „Gesetzlichen Hundert“), die „mit ihren Nachfolgern, die ausgewählt werden sollen wie nachfolgend beschrieben, die Konferenz der so genannten Methodisten darstellen, als solche anerkannt werden sollen, sind und immer sein werden“ (JWJ, 8: 338). Die konstitutionelle Bedeutung dieser Erklärung, die am 28. Februar 1784 am Gericht des Lordkanzlers hinterlegt wurde, besteht darin, dass sie fünfzehn Verfahrensregeln für die Konferenz aufzählte. Dazu zählen jährliche Zusammenkünfte mit mindestens vierzig Anwesenden als notwendiges Quorum, Präsident und Sekretär als offizielle Amtsträger, auf drei Jahre befristete Ernennungen und weitere Verfahrensweisen wie zum Beispiel Methoden für Zulassung und Ausschluss von Predigern. Das offizielle Konferenzprotokoll sollte als Tagebuch geführt werden (auf dessen Grundlage die Protokolle veröffentlicht wurden). Die letzte Klausel allerdings legte fest, nichts zu formulieren, um „den Grundbesitz auf Lebenszeit der besagten John Wesley und Charles Wesley zu vergrößern, zu vernich-

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ten, zu vermindern oder zu verringern“, und zwar in keiner der Kapellen, wo sie „gegenwärtig oder zukünftig Grundbesitz oder berechtigtes Interesse, Befugnisse oder Macht irgendeiner Art haben“ (JWJ, 8: 341). Mit anderen Worten, das Dokument würde erst nach dem Tod beider Brüder Wesley zur Gänze in Kraft treten. Die Erklärung enthielt jedoch offensichtliche Folgerungen für die Zukunft der Connexio. Die auf drei Jahre befristeten Ernennungen bedeuteten eine Verlängerung der von Wesley bisher praktizierten ein oder zwei Jahre, und viele begrüßten diese Veränderung. Die juristisch maßgebliche Konferenz wurde nun auf eine Körperschaft von namentlich benannten Predigern begrenzt und war nicht mehr ein von Wesley willkürlich zusammengestelltes Gremium, das jährlich eine Einladung bekam, obwohl Wesley zunächst mit den persönlichen Einladungen fortfuhr. Coke hatte sich dagegen ausgesprochen, die Konferenz auf die „Gesetzlichen Hundert“ zu beschränken, und meinte, dass alle Prediger, die Vollmitglieder waren, zu ihr gehören sollten, wie es vor 1780 über ein Dutzend Jahre lang der Fall gewesen war. Als Coke dem Assistenten in Sarum, John Moon, eine Abschrift der Erklärung schickte, wies er alle Verantwortung von sich und sagte deutlich: „Ich habe keinen Anteil daran gehabt, irgendeinen meiner Brüder zu nominieren oder auszulassen.“ Weil es in der Connexio fast zweihundert Reiseprediger gab, stand fast die Hälfte von ihnen nicht auf der Liste, darunter auch vierzehn der älteren Assistenten. Obwohl es schwierig ist, Wesleys Kriterien für die Auswahl der Einhundert zu ermitteln, liegt es doch auf der Hand, dass das Dienstalter kaum, wenn überhaupt eine Rolle spielte. Denjenigen, die glaubten, dass andere geeigneter für die Nominierung gewesen wären, entgegnete er: „Das stimmt, wenn ich von ihnen so gut gedacht hätte wie sie von sich selbst“ (JWW, 13: 249). Dass er einige der eher streitlustigen Prediger überging, trug selbstverständlich nicht dazu bei, sie in ihrer Unzufriedenheit zu besänftigen. Diese Erklärung erwähnt an keiner Stelle Lehrfragen, für die noch immer die Modell-Urkunde im „Großen“ Protokoll maßgeblich war. Und obwohl Wesley weiterhin die methodistischen Gebäude als „Predigthäuser“ bezeichnete, wurde in der Erklärung der Begriff „Kapellen“ verwandt, ein subtiler Hinweis auf das immer mehr ins Bewusstsein dringende kirchliche Selbstverständnis. Das Verhältnis zur Kirche von England kommt überhaupt nicht zur Sprache. Wesley machte jedoch bald deutlich, dass sich sein Standpunkt nicht gewandelt hatte. Im darauf folgenden Monat wies er John Murlin, den Assistenten in Manchester, brieflich an, jedem Laienprediger, der sich öffentlich oder privat gegen die Kirche oder ihre Geistlichen aussprach, Kirchengebete verlas oder Kinder taufte, das Versprechen abzunehmen, dies zu

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unterlassen: „Wenn sie dies nicht versprechen, sollen sie nicht mehr predigen. Und wenn sie ihr Versprechen brechen, sollen sie [aus] der Gesellschaft ausgeschlossen werden.“ Eine weitere Botschaft an Zachariah Yewdall in Liverpool brachte es noch knapper auf den Punkt: „Sie müssen diesen Lokal-Prediger entweder bessern oder sich von ihm trennen“ (JWL, 7: 213, 215). John Hampson, einer der streitlustigeren unter den verstimmten Predigern, veröffentlichte einen an die Wesleys gerichteten „Appell“, der sich mit den „ausgeschlossenen Einundneunzig“ beschäftigte. Er versuchte, diese Prediger dazu zu bewegen, zur Konferenz zu kommen, um die Erklärung zu kippen und die alte Ordnung wieder herzustellen. Die meisten Prediger, darunter auch der im Sterben liegende Fletcher, standen zu Wesley und seinem neuen Plan. Eine Handvoll, darunter Hampson und Pilmore, quittierte den Dienst. Um gewisse Befürchtungen zu zerstreuen, versprach Wesley, ein Dokument aufzusetzen, das allen Predigern den gleichen Rang garantierte (diesen Brief vertraute er Joseph Benson an, um ihn auf der ersten Konferenz nach seinem Tod zu verlesen). Die Bemerkung, mit der Wesley seinen Tagebucheintrag abschließt, lässt sich auf mehr als eine Art verstehen: „Unsere Konferenz schloss in großer Liebe, zur großen Enttäuschung aller“ (JWJ, 7: 7). Mit dieser Erklärung hatte Wesley einen bedeutenden Schritt gemacht, um die Zukunft der methodistischen Bewegung in Großbritannien zu ordnen, selbst wenn das Dokument nicht alle Fragen des Tagesgeschäfts beantwortete, die von Jahr zu Jahr Spannungen auslösten. Und obwohl dieser spezielle Schritt an sich nichts dazu beitrug, dem wachsenden Druck seitens der amerikanischen Methodisten zu begegnen (deren Mitgliedszahl sich seit der Konferenz von Fluvanna fast verdoppelt hatte und nun fünfzehntausend betrug), erlaubte er Wesley, den Problemen in Übersee mehr Aufmerksamkeit schenken zu können.

Eine neue Kirche in der Neuen Welt Anfang der 1780er Jahre war Francis Asbury der einzige von Wesley ernannte Prediger, der noch in Amerika geblieben war. Nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen hatte Wesley Edward Dromgoole in Virginia geschrieben und sein Vertrauen in den jungen Asbury zum Ausdruck gebracht: „Ich bin überzeugt, dass Bruder Asbury dazu erweckt wurde, um die Ordnung unter euch zu bewahren und genau das zu tun, was ich tun würde, wenn es Gott gefiele, mich nach Amerika zu bringen.“ Im September 1783, nachdem der Unabhängigkeitskrieg mit dem Frieden von Paris auch politisch ein Ende

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gefunden hatte, bestimmte Wesley Asbury zu seinem Assistenten in Amerika. Der Ernennungsbrief enthielt auch einen Appell: „Seid alle entschlossen, in der methodistischen Lehre und Ordnung zu bleiben, wie sie in den vier Predigtbänden und den Anmerkungen zum Neuen Testament zusammen mit dem Großen Protokoll der Konferenz veröffentlicht wurden“ (W-A, 128). Die Amerikaner brachten auf der Konferenz im April 1784 pflichtschuldig ihre Zustimmung zu diesen Bedingungen zum Ausdruck und fügten noch einige Auflagen hinzu, dass die Prediger „in den Bezirken, die ihnen zugeteilt wurden, bleiben, den Anweisungen der Londoner und amerikanischen Protokolle folgen und Francis Asbury als dem Generalassistenten untertan sein sollen, solange er von Mr. Wesley und der Konferenz bestätigt ist.“ Diese Versuche Wesleys, seinen persönlichen Einfluss auch über den Atlantik hinweg auszudehnen, wurden den Erwartungen der amerikanischen Methodisten insoweit nicht gerecht, als in der Ordinationsfrage noch immer keine Lösung in Sicht war. Asbury berichtete Wesley, Tausende von Kindern in Amerika blieben ungetauft und einige Mitglieder der methodistischen Gesellschaften hätten „viele Jahre kein Abendmahl empfangen“ (Coke und Moore, 468). Ihre Landsleute, die der Kirche von England angehörten, waren ebenfalls enttäuscht, dass es Samuel Seabury, einer ihrer eigenen Führungspersönlichkeiten, nicht gelungen war, 1783 in England in den Bischofsstand erhoben zu werden. Die Stimmungslage der amerikanischen Methodisten klang in Seaburys in England geäußerter Klage an: „Niemand hier will etwas um der Kirche willen riskieren“ (Church, 274). Lady Huntingsdons Connexio stand im März 1783 offenbar an der Grenze zum Dissent, nachdem dort einige Laienprediger ordiniert worden waren. Ihre Kapelle in Spa Fields war im vorangegangenen Jahr bereits als Dissenterkapelle registriert worden. Man hatte Peter Kings Argumentation in seiner Schrift Enquiry als Begründung dafür benutzt. Wesley war einige Zeit überzeugt gewesen, aufgrund derselben Argumente von King und Edward Stillingfleet, dass auch er das Recht zur Ordination besaß, doch seinem Empfinden nach war es nicht zweckmäßig, mit der traditionellen Ordnung der Kirche von England zu brechen. Wesley glaubte, es könne zwar außerordentliche Propheten geben, doch keine außerordentlichen Priester. 1783 jedoch hatte sich die Situation verändert und dramatisch zugespitzt. Und niemand, der traditionell die Bevollmächtigung zur Ordination besaß, wollte von ihr Gebrauch machen, um den Methodisten zu helfen, die dringend jemanden brauchten, der ihnen die Sakramente reichen konnte. In Amerika ging es nun nicht mehr darum, was zweckmäßig, sondern was notwendig war (JWL, 7: 262).

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Spa Fields Chapel in Clarkenwell, London, ein ehemaliges Theater, wurde von Lady Huntingdons Connexio 1777 erworben.

Im Lauf des Herbstes und des Winters 1783/84 diskutierte Wesley das amerikanische Problem mit Coke und sprach mit ihm auch über seinen Plan, selbst Bischöfe zu ordinieren, die die methodistische Arbeit in Amerika beaufsichtigen sollten. Zu diesem Zeitpunkt scheint Wesley schneller bereit gewesen zu sein, etwas zu unternehmen, als Coke, der die Situation in Amerika zunächst beobachten und dann Wesley Bericht erstatten wollte. Coke gab schließlich nach und stimmte Wesleys Plan zu, der unter anderem seine eigene Ordination vor seiner Amerikareise vorsah. Auf der Konferenz im 1784 in Leeds suchte Wesley nach Freiwilligen, die Coke nach Amerika begleiten würden, und wählte zwei derjenigen aus, die sich gemeldet hatten, Thomas Vasey und Richard Whatcoat. Wesley diskutierte die Möglichkeit von Ordinationen lediglich mit seinen erfahrensten Beratern, dem „Kabinett“. John Pawson, einem der Berater, nach zu urteilen, riet ihm die Gruppe von dieser Idee ab, sah aber, dass Wesleys Entschluss bereits feststand. Wesley fragte auch Fletcher um Rat, der dagegen war; eine Gruppe von Geistlichen in Leeds, die dagegen waren;

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James Creighton, einen neuen Hilfsgeistlichen aus Irland, der dagegen war. Charles Wesley wurde überhaupt nicht um Rat gefragt. Trotz all dieser Opposition und im Wissen um potenzielle Kritik fuhr Wesley unbeirrt mit seinem Plan fort. Auch wenn Coke bereits ein ordinierter Pfarrer der Kirche von England war, erklärte er nach der Konferenz zustimmend, es sei angebracht, dass Wesley ihm die Hände auflege und er dadurch so etwas durch ihn empfange, dass einer Bischofsordination gleichkomme, nämlich die „Befugnis, andere zu ordinieren“. Coke stimmte mit ihm überein, dass dieses Vorgehen im Einklang mit der Bibel und der Urgemeinde stehe. Was eine eher praktische Frage betraf, so war Coke zu Ohren gekommen, dass Asbury nicht bereit war, seine Aufgabe als Superintendent für die Arbeit in Amerika, mit jemanden zu teilen, und dass daher die „Autorität, die er offiziell [von Wesley] empfangen“ hatte, Coke erlauben würde, jegliche unvorhergesehene Opposition zu überwinden (Documents, 4: 198–199). Die beiden kamen darüber hinaus überein, dass Wesley Whatcoat und Vasey ordinieren solle. Am 1. September weihte Wesley daher in Bristol, unterstützt von Coke und Creighton (der alles andere als begeistert war) die beiden Prediger zu Diakonen. Am Donnerstag wurden sie zu Presbytern (Ältesten, Pfarrern) ordiniert, und Coke wurde als „Superintendent“ berufen (Wesley Tagebuch sagt „ordiniert“). Dieser Titel war eine lateinische Übersetzung des griechischen Wortes episkopos. Man hätte geltend machen können, dass Coke solch eine Ordination nicht benötigte, da er bereits, wie auch Wesley, ein Presbyter (Pfarrer) war und daher vermutlich mit dem gleichen Recht wie Wesley als Bischof im biblischen Sinn notfalls andere ordinieren konnte. Doch es ist deutlich, dass Coke durch diesen Akt mehr als nur eine herkömmliche Ordination von Wesley empfing; sie diente als formelle Anerkennung seiner Autorität durch Wesley, die für Coke notwendig war, wenn er in Amerika Leitungsaufgaben übernehmen wollte. Charles war über die gesamte Entwicklung nicht ins Bild gesetzt worden. Obwohl er sich Anfang September in Bristol aufgehalten hatte, wusste er nichts von den Ordinationen. Seine Reaktion, als er von diesen drastischen Maßnahmen hörte, war abzusehen. Er wies seinen Bruder und Coke in einem veröffentlichten Gedicht mit dem Titel „Epigramm“ zurecht, das eine gut zitierfähige Satire auf John enthält:

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So easily are Bishops made By man’s or woman’s whim? W[esley] his hands on C[oke] hath laid, But who laid hands on him? So einfach kann man einen Bischof machen, durch die Laune eines Mannes, einer Frau? W[esley] legte C[oke] die Hände auf, doch wer legte Wesley die Hände auf?

Charles rügte auch Asburys Ordination durch Coke: A Roman emperor, ‘tis said, His favourite horse a consul made; But Coke brings other things to pass, he makes a bishop of an ass. Ein römischer Kaiser, wie man sagt, seine Lieblingspferd zum Konsul machte, Doch Coke bringt noch was anderes fertig, er macht aus einem Esel einen Bischof. (Rep. Verse, 367–368).

Charles zum Trotz waren die Würfel nun gefallen. Wesley setzte mit diesen drei Geistlichen seinen Plan um, in Amerika eine methodistische Kirche aufzubauen, die von der Kirche von England getrennt war. Die neue Organisation würde alle wesentlichen ekklesiologischen Kennzeichen einer „kirchlichen“ Denomination aufweisen: ordinierte Geistliche, um die Sakramente zu spenden, ein offizielles Gottesdienstbuch mit der Liturgie und Lehrnormen in der Form von Glaubensartikeln. Der „Entwurf“, den Wesley schickte, ähnelte dem Benson/Fletcher-Plan für eine von der anglikanischen Kirche getrennte „Methodistische Kirche von England“ aus den 1770er Jahren sehr, der (wenn notwendig) von den Brüdern Wesley ordinierte Geistliche vorsah, ein Gebetbuch „mit notwendigen Änderungen“ sowie Glaubensartikel, „entsprechend der Reinheit des Evangeliums berichtigt“ (JWJ, 8: 332–333). Das neue Gebetbuch, The Sunday Service for Methodists in North America („Der Sonntagsgottesdienst für Methodisten in Nordamerika“) war die von Wesley gekürzte Fassung des Book of Common Prayer. Seit er in seiner Oxforder Zeit mit Thomas Deacon und den Manchester Nonjurors in Verbindung gestanden hatte und sie gemeinsam versucht hatten, Liturgie und Gottesdienst nach dem Muster der frühen Kirche auszurichten, hegte er den Wunsch, dieses Gebetbuch zu verbessern. Wesleys Tagebuch deutet darauf hin, dass er auch während seines Georgia-Aufenthalts mit der Gottesdienstordnung experimentierte. Und wenn er aus den Psalmen zitierte, gebrauchte er fast

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immer die Worte des Gebetbuch-Psalters, der auf den frühen Coverdale-Text zurückging, statt den der Authorized Version (King James). Seine Hochachtung vor dem traditionellen Gebetbuch wird in der Art und Weise deutlich, wie er den Ton und einen Großteil des Textes im Sunday Service bewahrte. Wesley folgte mit der Revision seiner gewohnten Praxis, eine Kurzfassung durch Streichungen herzustellen, die Coke dann mit einigen „kleinen Änderungen“ verfeinerte. Im Vorwort zu dieser überarbeiteten Ausgabe für die amerikanischen Methodisten erklärte Wesley, dass er viele kirchliche Feiertage ausgelassen habe (sie dienten keinem „wertvollem Zweck“), den Sonntagsgottesdienst gekürzt (vormals Morgengebet genannt, „über dessen Länge man sich oft beschwert hat“), einige Psalmen ausgelassen und Teile von anderen (als „höchst ungeeignet für den Mund einer christlichen Versammlung“) gestrichen, sowie hier und da einige Sätze ausgelassen habe (Documents, 4: 201). Tatsächlich ließ er auch den liturgischen Kalender, den Katechismus, den Konfirmationsgottesdienst, das athanasianische Glaubensbekenntnis, die Liturgie für Krankenbesuche und einige andere Teile des Book of Common Prayer aus. Er entschloss sich, den Begriff „Ältester“ statt „Priester“ oder „Presbyter“ zu gebrauchen, und sprach in den Ordinationsgottesdiensten von „Superintendent“ statt von „Bischof“. Im Taufgottesdienst wurde das Besprengen als Alternative zum Untertauchen zugelassen, der erste bekannte Fall einer solchen Praxis des Taufritus. Eine Veränderung in letzter Minute, in deren Folge einige Seiten ersetzt werden mussten, verschaffte der liturgischen Anweisung des Gebetbuchs wieder Geltung, dass der taufende Prediger auf die Stirn des Säuglings das Zeichen des Kreuzes machen musste. Ein Beispiel für andere subtile, doch bedeutende Änderungen ist die weniger strenge Redeweise von der Wiedergeburt, indem der Passus „damit er als Wiedergeborener“ in „damit er wiedergeboren werden mag“ umformuliert wurde. Bis zu diesem Punkt war der Methodismus in Amerika ein Teil des britischen Verbands gewesen, der – darauf beharrte Wesley – keine Lehre vertrat, die nicht im Book of Common Prayer, den Homilien oder den Neununddreißig Artikeln enthalten war. Diese Artikel stellten die Lehrnormen für die Kirche dar, jene offiziellen Lehren, an denen sich andere Glaubensaussagen auf ihre Orthodoxie hin messen lassen mussten. Methodistenprediger, die einen Teil einer Gruppe innerhalb der Kirche von England stellten, wurden an einer noch enger gezogenen Linie innerhalb dieser Grenzen gemessen: Methodisten durften keine Lehre verkünden, die nicht in Wesleys Predigten und Anmerkungen stand. Diese Beschränkung folgte ebenfalls dem anglikanischen Beispiel, nicht

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ordinierte und ungebildete Hilfsgeistliche (ohne Magisterabschluss) lediglich Predigten aus dem Homilienbuch verlesen zu lassen. Nun, da die Methodisten in Amerika eine eigene Denomination mit ordinierten Geistlichen bilden sollten, entschloss sich Wesley, sie mit Lehrnormen in einer eher traditionellen kirchlichen Form zu versehen. Der Sunday Service enthielt daher Wesleys Revision der Neununddreißig Religionsartikel, „berichtigt“ und auf eine Anzahl von vierundzwanzig reduziert. Unter den fünfzehn ausgelassenen waren sechs auf der Konferenz von 1744, weil möglicherweise nicht mit der Bibel vereinbar, in Frage gestellt worden (Von den drei Glaubensbekenntnissen, Von Werken vor der Rechtfertigung, Von Christus allein ohne Sünde, Von Prädestination und Erwählung, Von der Autorität der Allgemeinen Konzile, Vom Dienst in der Gemeinde). Wesley revidierte und kürzte noch einige andere und änderte zwei Überschriften. Das Ganze wurde dadurch auf die Hälfte des ursprünglichen Umfangs reduziert. Traditionell wurde das Book of Common Prayer mit einer Psalmenausgabe wie etwa dem Sternhold oder Hopkins-Psalter zu einem Buch zusammengebunden. Es überrascht daher nicht, dass Wesley auch die Amerikaner mit einer Neufassung von A Collection of Psalms and Hymns for the Lord’s Day versah. Dieses Buch stellte eine Auswahl aus vorangegangenen Werken dar, insbesondere der beliebten Sammlung von 1743. Mit knapp über einhundert Seiten betrug sein Umfang gerade ein Fünftel der Collection of Hymns von 1780, die Wesley kurz zuvor herausgebracht hatte. Wesley hatte den amerikanischen Methodisten die grundlegenden Dokumente zur Verfügung gestellt, die sie seiner Meinung nach benötigten, um eine Kirche zu gründen. Als Coke, Vasey und Whatcoat sich am 18. September in Bristol nach Amerika einschifften, nahmen sie dieses Material mit. Sie hatten auch einen Brief von Wesley mit der Adressangabe „An Dr. Coke, Mr. Asbury und unsere Brüder in Nordamerika“, datiert auf den 10. September 1874, eine Woche nach der Ordination und einen Tag, nachdem er das Vorwort zum Sunday Service verfasst hatte. In sechs nummerierten Abschnitten erklärte Wesley hier die Gründe für seine Vorgehensweise. Die neue politische Situation in Amerika, verursacht durch „eine sehr ungewöhnliche Kette von Vorhersehungen“, habe dazu geführt, dass die amerikanischen Methodisten sich „vom Staat wie auch von der englischen Hierarchie völlig unabhängig gemacht“ hätten. Unter diesen Umständen hatte Wesley einige in diesem Brief erklärte Maßnahmen als schrift- und vernunftgemäßes Mittel ergriffen, um „jene armen Schafe in der Wildnis zu füttern und zu leiten“. Dann verkündete er ihre Emanzipation: „Ihnen steht nun die völlige Freiheit zu, schlicht der Bibel und der Urgemeinde zu folgen.“ Dem fügte er einen Segen hinzu und

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verkündete, dass „sie fest in dieser Freiheit stehen sollten, zu der Gott sie auf so seltsame Art befreit hat“ (vgl. Gal 5,1; JWL, 7: 238–239). Die „volle Freiheit“, von der Wesley sprach, war natürlich nur eine begrenzte Freiheit, nicht nur eingeschränkt durch die beiden erwähnten Autoritäten, sondern auch durch Wesleys weiter bestehenden Einfluss. Ende Oktober schrieb Wesley einen für ihn sehr typischen Brief mit einigen detaillierten Anweisungen. Er warnte auch vor möglichen Gefahren, die vor ihnen liegen könnten, dass etwa die Prediger entweder „zu den Unabhängigen wechseln und jeder für sich eine Gemeinde um sich sammeln könnte; oder dass sie sich regulär ordinieren lassen und eine Pfarrgemeinde übernehmen könnten“. Beide Möglichkeiten, darauf wies er hin, würden das Ende der methodistischen Reisepredigertätigkeit bedeuten, doch Wesley vertraute darauf, dass Coke und Asbury in der Lage sein würden, dies durch die Bildung einer „regulären Connexio“ zu verhindern (HAM, 1: 211). Als Coke mit Asbury am 14. November 1784 in der Barratt’s Chapel, Delaware, zusammentraf, sprachen sie über Wesleys Pläne für die neue Kirche in Amerika. Was weder Coke noch Wesley vorhergese-

Die „Weihnachtskonferenz“ kam in der Lovely Lane Chapel in Baltimore zusammen, wo Coke und Asbury zu Superintendenten (Bischöfen) gewählt wurden und Asbury an drei aufeinander folgenden Tagen zum Diakon, Presbyter und Superintendenten ordiniert wurde.

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hen hatten, war Asburys Reaktion. Der Empfehlung eines Predigerrats folgend, der vor diesem Treffen zusammengetreten war, und eingedenk der Entschließung der Prediger der Südbezirke von 1779, autonom zu sein, schlug Asbury vor, Wesleys Plan solle von einer Konferenz aller methodistischen Prediger in Amerika gebilligt werden. Er selbst würde sich der Ordination unterziehen, wenn die Prediger damit einverstanden seien; und er und Coke sollten nur dann als Superintendenten dienen, wenn sie von einer amerikanischen Konferenz gewählt würden. Coke erklärte sich schließlich mit der Einberufung einer Konferenz einverstanden, die am Heiligen Abend in der Lovely Lane Chapel in Baltimore beginnen sollte. In der Zwischenzeit machte Asbury Coke mit seinem neuen Bezirk bekannt, indem er ihn auf eine knapp anderthalbtausend Kilometer lange Reise zu Pferd schickte, damit er den amerikanischen Methodismus kennen lernte (HAM, 1: 208). Auch Whatcoat und Vasey gingen bis zum Beginn der Konferenz in Maryland auf Predigtreise. Die „Weihnachtskonferenz“ trat wie geplant am Heiligen Abend zusammen und tagte fast zwei Wochen, um über Wesleys Plan nachzudenken und die neueste Fassung des „Großen“ Protokolls (1780) an die amerikanischen Gegebenheiten anzupassen. Asburys Haltung in dieser Frage war „Einheit, aber keine Unterordnung; Gemeinschaft, aber keine Unterwerfung“ (Asbury, 3: 63). Er schrieb an George Shadford, der einige Zeit in Amerika verbracht hatte, nun aber nach England zurückgekehrt war: „Mr. Wesley und ich sind wie Cäsar und Pompeius: Er kann keinen Gleichberechtigten neben sich ertragen, und ich niemanden über mir“ (Asbury, 3: 75). Doch als die Konferenz das britische Protokoll revidierte, um die erste amerikanische Form der Ordnung zu schaffen, erkannten sie im „verbindlichen Protokoll“ (Frage 2) an, dass sie, solange Wesley lebte, „seine Söhne im Evangelium“ seien, „bereit, seinen Befehlen zu gehorchen, die die Leitung der Kirche betreffen“. Wesley konnte nicht vorausgeahnt haben, dass eine solch ausdrückliche Übereinkunft nötig war; es gehörte nicht zu seinem Plan, dass die amerikanische Konferenz eine so große Kontrolle auf ihre Connexio ausübte. Tatsächlich aber erkannten die amerikanischen Methodisten Wesleys Führungsanspruch an, manchmal deutlicher, manchmal subtiler. Im Lauf der Konferenz waren Coke und Asbury mit Vertretern der gerade im Entstehen begriffenen ProtestantischEpiskopalen Kirche zusammengetroffen, die anerkannten, dass die Methodisten dieselbe Liturgie, dieselben Artikel und dieselbe Ordnung besaßen wie sie, und sie glaubten, dass man auf die eine oder andere Weise einen Zusammenschluss oder eine fruchtbare Zusammenarbeit herbeiführen könne. Schließlich erklärte John Andrews, ein

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Vertreter der Episkopalen die Verhandlungen für gescheitert, weil die Methodisten entschlossen dafür eintraten, dass „Mr. Wesley das erste Glied der Kette sei, an dem ihre Kirche hängt“ (Vickers, 90–91). Inzwischen war Samuel Seabury im November in Schottland zum episkopalen Bischof geweiht worden. Dies wirkte sich allerdings kaum auf die Entwicklung der amerikanischen Methodisten aus, da er erst im darauf folgenden Sommer nach Amerika zurückkehrte. Mit ihrem Vorgehen hatte die Weihnachtskonferenz eine neue und eigene Denomination geschaffen, die Methodist Episcopal Church (Bischöflich-methodistische Kirche). Doch auch wenn sie alle Voraussetzungen einer Kirche aufwies, wie eine Kirche aussah und wie eine Kirche handelte, war sie ihrem Wesen nach doch wesleyanisch, insofern sie sich als Gesellschaft betrachtete. Sie stützte sich auf das Vorbild der britischen Wesleyaner und brachte höflichen Respekt gegenüber Wesley zum Ausdruck. Trotzdem trug der amerikanische Methodismus auf seinem Fundament die unauslöschbaren Kennzeichen des amerikanischen Freiheitsgeistes, den Wesley niemals völlig verstehen konnte.

Die Schlussphase Wesley schloss seinen Brief an Asbury vom Oktober 1784, indem er ihm Anweisungen erteilte und einige Neuigkeiten aus der Heimat mitteilte: „Diejenigen, die auf eine Spaltung unter den Methodisten hier hofften, sind bitter enttäuscht“ (HAM, 1: 212). Diese optimistische Übertreibung überging jedoch die fortdauernden Reaktionen auf die Deklarationsurkunde und die Ordinationen. Die Vorwürfe gegen Wesley reichten von Selbstgefälligkeit bis zur De facto-Trennung von der Kirche. Obwohl die Mitgliedszahlen auf den Britischen Inseln nun schneller stiegen, verschärften sich die alten Spannungen unter den Predigern, und die Connexio stand wieder einmal in der Gefahr, auseinander zu brechen. Anfang 1784 fühlte sich John durch die Erweckung, die unter den Methodisten in England ausgebrochen war, ermutigt: „Wen hat Gott sich in Großbritannien, Irland und Amerika so zu eigen gemacht wie sie? ... Wahrlich sind dies die Zeichen unserer Mission, der Beweis, dass Gott uns gesandt hat. Sechzigtausend Menschen, die zum Himmel aufblicken, und viele darunter, die über Gott ihren Retter jubeln“ (JWL, 7: 206). Er verglich das Wirken des Heiligen Geistes unter den Methodisten mit den Erweckungen in Neuengland unter John Edwards und der, die John Gillies in Virginia geschildert hatte. Doch viele Menschen, darunter auch Charles Wesley, sahen den Methodismus in eine dunkle Zeit von Sturm und Belastungen gehen.

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Im April 1785 schrieb Charles einen aufschlussreichen Brief an Thomas Chandler, einen Geistlichen, der gerade nach Amerika aufbrach. Darin berichtete er über sich selbst und seinen Bruder John, der, wie er sagte, „immer einen beherrschenden Einfluss auf mich hatte“. Charles, der die verschiedenen Entwicklungen im Methodismus aufzählte, mit besonderem Augenmerk auf der Frage nach der Trennung von der Kirche, merkte an, dass „wir über fünfzig Jahre die Schafe im Pferch gehalten haben“. Dann seien Johns Ordinationen gekommen, die Charles‘ Empfinden nach einer Trennung von der Kirche gleichkamen. Das habe auch eine enorme Belastung ihres persönlichen Verhältnisses zur Folge gehabt: „So löste sich unsere Partnerschaft auf, nicht jedoch unsere Freundschaft“ (Documents, 4: 204–205). Von Johns Standpunkt aus gesehen hatte sich nichts Wesentliches verändert. Trotz Charles’ wütender Proteste hatte John wahrscheinlich mit seiner Behauptung Recht, dass die Ordinationen in Amerika kaum eine Wirkung auf die Frage hatten, ob sich die britischen Methodisten von der Kirche von England trennen würden. Zur Konferenz von 1784 lud er siebzig Prediger ein, von denen einige nicht zu den „Gesetzlichen Hundert“ gehörten. Sein Einladungsschreiben an Thomas Wride geht ausführlicher darauf ein: „Solange ich lebe, besteht eine Konferenz aus den ‚Predigern, die ich einlade, sich mit mir zu besprechen‘ ... Streitsüchtige Menschen sollen in Zukunft an keiner Konferenz mehr teilnehmen. Sie können anderswo disputieren, wenn es ihnen gefällt“ (JWL, 7: 279). Die zwei am meisten umstrittenen Punkte kamen wiederum auf der Konferenz zur Sprache. Was den ersten betraf, so verkündete Wesley noch einmal, dass er mit dem Inkrafttreten der Deklarationsurkunde keinerlei Befugnisse abgegeben habe. Unter den Anwesenden brachte er neununddreißig (von denen zwanzig Prozent in der Erklärung nicht erwähnt wurden) dazu, ein Papier zu unterschreiben, das Inhalt und Absicht dieses Dokuments bekräftigte. Diese Liste wurde später noch um dreißig Unterschriften von Abwesenden verlängert, von denen vierzig nicht zu den Gesetzlichen Hundert gehörten (Minutes, 181–182). In der zweiten Angelegenheit, der Ordination, verfuhr er so, dass er drei Prediger für die Arbeit in Schottland ordinierte, John Pawson, Thomas Hanby und Joseph Taylor. Er begründete sein Vorgehen damit, dass Schottland nicht der Kirche von England unterstehe (woraus sich andernfalls zwingend die Trennung ergeben hätte). Aufgrund dieses Prinzips weigerte er sich, irgendjemanden für England zu ordinieren, nicht einmal für einen „abgeschiedenen Ort“ in Yorkshire. Und denjenigen, die sich darüber beklagten, seine ganze sorgfältig ausgearbeitete Argumentation würde nach seinem Tod nichts mehr gelten, entgegnete er: „Ich wage nicht, das Gute, das ich

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zu meinen Lebzeiten tun kann, zu unterlassen, aus Angst, nach meinem Tod könnte Böses folgen“ (Minutes, 193). Trotz Johns gegenteiliger Behauptung begann seine Macht zu schwinden. Wieder erlaubte er Christopher Hopper, den Vorsitz einiger Sitzungen auf der Konferenz zu übernehmen. Er war zudem weniger geneigt, sich einer Mehrheit der Prediger auf der Konferenz entgegenzustellen: „Ich will auf der Konferenz nicht mit dem Kopf durch die Wand und gegen die Prediger anstürmen, indem ich jede Entscheidung umkehre, die sie getroffen haben“ (JWL, 7: 286). Und sein Terminkalender für jene Woche erwähnt einige Male Beratungen mit seinem „Kabinett“ (JWJ, 7: 100). Es ist schwierig zu beurteilen, ob John allmählich seinen festen Griff lockerte oder unausweichlich die Kontrolle verlor. Jedenfalls hegte er ganz gewiss die Absicht, Spaltungen und Trennung zu seinen Lebzeiten nach Möglichkeit zu vermeiden. Charles Wesley nahm weder an der Konferenz teil, noch unterzeichnete er das Dokument, in dem die Deklarationsurkunde bekräftigt wurde. Stattdessen sandte er seinem Bruder einen kurzen Brief, in dem er ihm vorschlug, die von John selbst verfassten „Gründe gegen eine Trennung“ (1758) noch einmal nachzulesen. John erwiderte recht ausführlich, dass er immer noch nichts getan habe, um eine Trennung von der Kirche zu bewirken. Er wies außerdem darauf hin, dass niemand, den er ordiniert hatte, die ihm durch die Ordination erteilten Befugnisse während seines Aufenthaltes in England ausüben dürfe (und zwar weder vor noch nach dem Aufenthalt in Schottland, womit Wesley eine merkwürdige Erwartungshaltung an den Tag legte). Dann fügte er noch einen pointierten Appell an Charles an: „Wenn du mit mir Hand in Hand gehen willst, dann tu das. Doch leg mir keine Steine in den Weg, wenn du mir nicht helfen willst. Wenn du dich dichter an mir gehalten hättest, hätte ich vielleicht Besseres zustande gebracht. Aber wie auch immer, mit dir oder ohne dich, ich krieche weiter“ (JWL, 7: 285). Im folgenden Monat machten Gerüchte die Runde, Wesley beabsichtige, sich von der Kirche zu lösen; er aber verkündete vor der Gesellschaft in Bristol: „Ich denke heute ebenso wenig wie vor vierzig Jahren daran, mich von der Kirche zu trennen“ (JWJ, 7: 112). Noch im selben Monat stellte er eine Predigt fertig, die später den Titel „Von der Kirche“ erhielt. Obwohl er behauptet, mit Artikel XIX der Kirche übereinzustimmen, folgen die Annahmen in dieser Predigt eher jenen in seinen Briefen an Charles, die eine gewisse Nähe zu einer eher radikalen Definition der Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen aufweist (Sermons, 3: 46). Doch Wesley war nicht völlig von Fragen der Kirchenpolitik in Anspruch genommen. Mit einer Predigt über Philipper 2,12 („Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern“), die im selben Mo-

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nat im Arminian Magazine veröffentlicht wurde, legte Wesley einen seiner umfassendsten und reifsten Abrisse der via salutis vor, das Ergebnis von mindestens vierzig Jahren intensiven Nachdenkens. In dieser Schilderung der Interaktion von Gott und Mensch macht Wesley eindeutig klar, dass dieser Synergismus sich nicht auf menschliche Bemühungen gründet, sondern auf Gottes Gnade, die „zuvorkommt, begleitet und nachfolgt“ (Sermons, 3: 209). In einer weiteren wichtigen Predigt über den Text „Siehe, ich mache alles neu“ (Off 21,5; später mit der Überschrift „Die neue Schöpfung“ versehen) wiederholt er seine Auffassung von der Wiederherstellung der gesamten Schöpfung durch Gottes grenzenlose Liebe. Er erwägt sogar das Wesen der Veränderungen, die Luft, Feuer, Wasser und Erde in dieser neuen Schöpfung betreffen könnten. Doch sein Augenmerk liegt auf der belebten Natur, und er zeichnet ein Porträt des Friedensreichs. Aber natürlich wird die herrlichste Veränderung in der Menschheit selbst stattfinden, „die im ungetrübten Zustand der Heiligkeit und Freude erstehen wird, dem weit überlegen, was Adam im Paradies genoss“ (Sermons, 2: 510). Wesleys Eschatologie, auch wenn sie nur selten zur Sprache kam, war im Allgemeinen optimistisch. Obwohl Wesley viele seiner Predigten nun in erster Linie für sein Magazin verfasste, predigte er weiterhin regelmäßig. In einigen Fällen waren die gehaltenen Predigten identisch mit den veröffentlichten, wie etwa die über „Die Nächstenliebe“ (Sermons, 4: 515). Er war niemals ein außergewöhnlicher Prediger gewesen, doch viele Menschen kamen nun zu seinen Predigten, nur um den ehrwürdigen Patriarchen zu sehen, der inzwischen zu einer fast legendären Erscheinung geworden war. Horace Walpole, der ihn einige Jahre zuvor gehört hatte, war nicht sonderlich beeindruckt: „Er hielt seine Predigt, doch so schnell und ohne Betonung, dass ich sicher bin, dass er sie oft gehalten hat, denn sie klang wie eine Vorlesung“ (Documents, 4: 159– 160). Ein Beobachter merkte 1788 in Lincolnshire an, dass Wesley kaum Gesten einsetzte, so dass er, „wenn er nicht hin und wieder seine rechte Hand gehoben hätte, eine sprechende Statue hätte sein können“. Doch Mary Bosanquet, die nun mit John Fletcher verheiratet war, hörte Wesley im gleichen Jahr und meinte, dass „jede Predigt wirklich Geist und Leben“ war (M&M, 163–164). Im Frühjahr 1786 gab Wesley die Predigt „On Schism“ (Über Kirchenspaltung) heraus, in der er wiederum seine Unschuld beteuerte: „Ich hege weder den Wunsch noch die Absicht, mich [von der Kirche] zu trennen, bis meine Seele von meinem Körper getrennt wird“. Er rief außerdem alle wahren Christen auf, in ihrem Bemühen, Friedensstifter zu sein, nicht nachzulassen, und griff damit einen aus seinen Oxforder Tagen vertrauten Satz auf: „Fac quod in te est; e Deus aderit

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bonae tuae voluntati“ – „Tu das, was in deiner Macht liegt, und Gott wird da sein und deinem guten Willen gute Wirkung schenken“ (Sermons, 3: 69). Dieses ständige Thema kam auch auf der Konferenz von 1786 zur Sprache, als Wesley darauf beharrte, dass die Methodisten ihre Gottesdienste nicht in der Zeit des Kirchgangs abhalten sollten, damit Methodisten auch ihre Pfarrgemeinde besuchen könnten. Er war jedoch bereit, einige Zugeständnisse zu machen, vor allem wenn der anglikanische Pfarrer schlecht war oder eine „schädliche Lehre“ wie den Arianismus predigte und wenn es im Umkreis von zwei oder drei Meilen nicht genügend Kirchen gab (Minutes, 193). Sein Widerstand gegen manche Tendenzen in den Predigten seiner Zeit, die vom Diesmus beeinflusst waren, bekräftigten seine Vorurteile in Fragen übernatürlicher Phänomene. Hier war er nicht bereit nachzugeben. Thomas Tattershall gegenüber äußerte er: „Solange ich lebe, werde ich öffentlich von der Realität von Zauberei Zeugnis ablegen. Ihre Verleugnung geht ursprünglich auf die Deisten zurück, und einfache Christen lecken ihren Speichel auf“ (vgl. JWL, 7: 300). Diese Aussage greift eine Bemerkung auf, die er zehn Jahre zuvor gemacht hatte: „Ich kann die Existenz der Zauberei vor allen Deisten in Großbritannien erst abstreiten, wenn ich auch die Glaubwürdigkeit geistlicher wie weltlicher Geschichtsschreibung abstreite. Und zurzeit habe ich von Ohren- und Augenzeugen nicht nur stichhaltige Beweise dafür, sondern sogar noch stichhaltigere als für Mord; so dass ich vernünftigerweise nicht das eine mehr als das andere in Zweifel ziehen könnte“ (JWJ, 6: 109). Was die Notwendigkeit des wöchentlichen Gottesdienstbesuchs in der Pfarrkirche betraf, trugen Johns eigene Erfahrungen beim Hören von Predigten anglikanischer Geistlicher dazu bei, seine Position aufzuweichen, wie er seinem Bruder Charles gegenüber im früheren Verlauf des Jahres zum Ausdruck gebracht hatte: „Als ich zuletzt in Scarborough war, habe ich unsere Leute ernstlich ermahnt, zur Kirche zu gehen, und bin auch selbst gegangen. Doch der unglückselige Pastor hielt ihnen eine solche Predigt, dass ich ihnen nicht guten Gewissens empfehlen konnte, ihn noch weiter anzuhören“ (JWL, 7: 326). Einen Monat später stellte er den springenden Punkt noch deutlicher heraus: „Man kann eine Kirche verlassen (wozu ich einigen Fällen raten würde), ohne die Kirche zu verlassen“ (JWL, 7: 327). Im Protokoll jener Konferenz veröffentlichte er seine neuesten Gedanken dazu, „Of Separation from the Church“ („Über die Trennung von der Kirche“), und fügte seine Gründe für die Ordination der in Schottland tätigen Prediger an, die einer ähnlichen Argumentation folgen wie diejenige für die Prediger in Amerika. An ihre Adresse richtete er auch weit reichende Ratschläge für die Prediger (siehe Kasten, S. 351).

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Ob man einen unzulänglichen Prediger anhören solle, war allerdings eine ganz andere Frage als die, ob man aus seinen Händen die Sakramente empfangen solle. In der Predigt „On Attending the Church Service“ („Zum Besuch des Gottesdienstes in der Kirche“, 1787) wiederholte Wesley seine Ansicht, die er schon vor über dreißig Jahren gehabt hatte, dass man nämlich nicht zögern sollte, das Sakrament zu empfangen, selbst wenn es von einem schlechten Pfarrer ausgeteilt wurde. Er wies darauf hin, dass vom praktischen Standpunkt aus gesehen viele (wenn nicht sogar die meisten) anglikanischen Geistlichen aus seinem Bekanntenkreis in den voraus gegangenen fünfzig Jahren grundlegende Kriterien nicht erfüllt hätten; sie „ragten weder in Gelehrsamkeit noch Frömmigkeit hervor“ (Sermons, 3: 471). Doch das in dieser Frage bestimmende Prinzip wird deutlich: „Die Unwürdigkeit des Pfarrers verhindert nicht die Wirksamkeit von Gottes Verordnung. Der Grund ist einfach: Die Wirksamkeit leitet sich nicht von dem her, der austeilt, sondern von dem, der es verordnet“ (Sermons, 3: 475). Diese Aussage stand nicht nur im Einklang mit Artikel XXVI seiner eigenen Kirche, sondern war auch in der westlichen Christenheit verankert, seit Augustin seine Entgegnung auf die Donatisten vorgebracht hatte. Weil es ihn immer noch schmerzte, dass sich kein Bischof bereit erklärt hatte, einen seiner Prediger in der Connexio zu ordinieren, ergriff Wesley die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass sie, obwohl sie von vielen Seiten als „eine Gruppe armseliger, dummer Analphabeten“ betrachtet wurden, die „kaum ihre rechte Hand von ihrer linken unterscheiden könnten“, doch eine bessere Kenntnis der Bibel, ihrer selbst, Gottes und der göttlichen Dinge aufweisen könnten als neun von zehn Geistlichen (Sermons, 3: 471). Wesleys Versuche, in der ganzen Gemeinschaft Kontrolle über Lehre und Ordnung wie auch über die Qualität der Predigten in den örtlichen Gesellschaften auszuüben, lassen sich aus dem Protokoll der Konferenz von 1787 ersehen. Wer – abgesehen von den regulären Methodistenpredigern – in irgendeiner methodistischen Kapelle oder einem Predigthaus predigen wollte, musste „ein Schreiben von Mr. Wesley oder dem Assistenten des Bezirks, aus dem er stammt, [vorweisen,] das jährlich erneuert werden muss“ (Minutes, 203). Im Rahmen dieser Regelung erhielt Sarah Mallett solch eine Bewilligung von Joseph Harper, dem Assistenten für Norwich, die ihr erlaubte, so lange in der Region zu predigen, „wie sie methodistische Lehren verkündigt und sich an unsere Ordnung hält“ (Chilcote, S. 195). Einige Reiseprediger wandten sich weiterhin gegen ihre Arbeit und folgten darin möglicherweise Wesleys generellen Vorbehalten (siehe oben, S. 326. Doch in diesem Fall versuchte Wesley dieser weit verbreiteten Voreingenommenheit die Schärfe zu nehmen, indem er sie oft ermu-

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tigte. Gleichzeitig schlug er ihr vor, nirgendwohin zu gehen, wenn ihr nicht der Assistent des betreffenden Gebiets dazu geraten hatte. Und er half ihr mit zielgerichteten Ratschlägen, indem er seine der Konferenz von 1786 gegebenen Ratschläge noch weiter ausführte: „Brüllen Sie niemals ... es ist für die Hörer abscheulich ... und für Sie selbst zerstörerisch. Es bedeutet, dass man Gott Mord als Opfer anbietet“ (JWL, 98: 190). Sie mag keine im Protokoll aufgeführte reguläre Predigerin gewesen sein, doch Wesley machte deutlich, dass sie sich in der Connexio immer noch unter seiner Kontrolle befand. Ratschläge an die Prediger, 1. August 1786 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Immer den Gottesdienst nach etwa einer Stunde beenden. Niemals brüllen. Lehn dich niemals auf die Bibel oder schlage sie. Wo immer du predigst, triff dich mit der Gesellschaft. Geh niemals nachts heim, wenn es nicht absolut notwendig ist. Ergreife niemals Partei gegen den Assistenten. Halte niemals eine Trauerpredigt außer für einen außergewöhnlich heiligen Menschen; und auch dann nur, wenn du dich mit dem Assistenten beraten hast. Nimm niemals Geld dafür. Nimm dich vor Lobreden in Acht, besonders in London. 8. Halte an noch mehr Orten Liebesmähler ab. 9. Führe keine neuen Melodien ein. Achte darauf, dass niemand zu langsam singt und die Frauen ihren Part singen. Ermuntere alle, mitzusingen und beim Singen aufzustehen wie auch beim Beten zu knien. 10. Lass niemanden die letzte Zeile wiederholen, es sei denn, der Prediger tue es. 11. Informiere die Leiter, dass jeder Assistent Verwalter und Leiter auswechseln soll, wenn er es für gut hält. Und dass kein Leiter die Befugnis hat, jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen oder von ihr auszuschließen.

(Minutes, 193–194).

Wesley weitete die Arbeit auch weiterhin auf andere Gebiete aus. Dass er Prediger für die Arbeit in Schottland ordinierte, war Teil einer größeren Vision für die Missionsarbeit, für die Thomas Coke zu dieser Zeit warb. Cokes frühere Initiativen waren an Wesleys mangelnder Unterstützung gescheitert. Nun, im Jahr 1786, umging er dieses Problem, indem er Wesleys Empfehlung einholte, bevor er einen entsprechenden Vorschlag machte (Documents, 4: 209). Er entschloss sich, Wesleys Ratschlag zu folgen, zunächst einmal auf das Wagnis einer Missionsarbeit in Asien zu verzichten und sich den Tätigkeitsfeldern zuzuwenden, die näher vor der eigenen Haustür lagen. Cokes Address ... Proposing an Annual Subscription for the Support of the Missionaries („Rede ... mit dem Vorschlag eines jährlichen Mitgliedsbeitrags zur Unterstützung der Missionare“, 1786) umriss die Möglichkeiten, die sich in den Highlands und

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den angrenzenden schottischen Inseln, den Kanalinseln, Neufundland, Neuschottland, Quebec und den Westindischen Inseln ergaben. In all diesen Gebieten hatte man bereits mit der Arbeit begonnen und wartete nur auf Ermutigung und Unterstützung. Der Vorschlag, Beiträge dafür zu erheben, war insofern ein die gesamte Connexio umfassender Plan, als Coke die Assistenten als Verantwortliche dafür vorsah, jedes Jahr das Geld einzusammeln und zur Konferenz mitzubringen. Es war außerdem ein Instrument zur Rekrutierung, bei dem er die Prediger ermutigte, für diese Sache „Geld auszugeben und sich selbst zu geben“. Coke hoffte diese Mittel „bis zum Äußersten“ auszuteilen, damit „die ganze Menschheit durchsäuert werde“ (Documents, 4: 211–212). Wesleys konzentrierte sich in seiner Missionsarbeit auf noch näher gelegene Gebiete. Ende 1785 hatte er John Gardner, einen der Gründer der Strangers’ Friend Society („Gesellschaft der Freunde der Fremden“) in seiner Arbeit mit den Armen ermutigt, die weder eine Pfarrgemeinde noch Freunde hatten, die ihnen helfen konnten. Der Plan geriet ins Wanken, weil Gardners Klassenleiter Widerstand leistete, doch Wesley billigte diese Idee und zahlte zunächst eine Guinee, dann regelmäßig drei Pence pro Woche ein (JWL, 7: 308). Im darauf folgenden Jahr wurde eine Gruppe gleichen Namens mit Unterstützung der Methodisten in Bristol gegründet (More, 194–195). Während einer Hollandreise 1786 zeigte Wesley besonderes Interesse daran, wie die Diakonissen von Amsterdam jede Woche die Not von zwei- bis dreihundert Armen linderten. Er hielt in seinem Tagebuch fest, dass „das Ganze in äußerster Stille und Schicklichkeit abgewickelt wurde“ (JWJ, 7: 197). Die Methodisten mussten nicht nach Fremden Ausschau halten, um Arme zu finden. Wesleys eigene unaufhörliche Arbeit unter armen Methodisten wird beispielhaft daran deutlich, dass er im Januar 1787 persönlich Gelder für einen Fonds sammelte, um etwa zweihundert Mitglieder der Londoner Gesellschaft (fast zehn Prozent) zu unterstützen, die „äußersten Mangel litten, jedoch nicht über ein wöchentliches Einkommen verfügten“. Er ging fünf Tage lang unter den wohlhabenderen Mitgliedern „betteln“, war jedoch enttäuscht, nur sechs oder sieben zu finden, die die große Summe von zehn Pfund gaben. Die Gesamtsumme von zweihundert Pfund, die er zusammenbrachte, reichte zwar nicht aus, um den Gesamtplan umzusetzen, machte aber (wie er sagte) „viele traurige Herzen fröhlich“ (JWJ, 7: 235–236; siehe auch 6: 451). Was die Philanthropie im persönlichen Rahmen betraf, folgte Charles nicht Johns Beispiel, Straßenbettlern in der Öffentlichkeit Geld zu geben, weil er fürchtete, dass ihn jemand beobachten und für prahlerisch halten könnte (Documents; 4: 222). Die unablässige Arbeit der methodistischen Gemeinschaft kostete eine beträchtliche Summe. Das Konferenzprotokoll von 1787 beziffert

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die Kingswood-Sammlung auf 740 Pfund; Beiträge für den Predigerfonds beliefen sich auf über 458 Pfund. Der allgemeine Fonds enthielt 1 035 Pfund, was aber nicht ausreichte, um die jährlichen Kosten zu decken. Wesley kündigte an, dass die englischen Bezirke nur die Anzahl an Predigern erhalten würden, die sie finanziell auch unterhalten konnten. Und 1788 appellierte er an die Gesellschaften, die Predigerwitwen zu unterstützen, nachdem er bemerkt hatte, dass viele Gesellschaften (die arm zu sein behaupteten) nichts zur Witwenversorgung beigetragen hatten und er, Coke sowie der Fonds für Sonderausgaben für die Restsumme aufkommen mussten. Der Appell schließt mit der Beobachtung, dass im Lauf der vorangegangen fünfzig Jahre „das Vermögen der Methodisten im Verhältnis zu ihrer Anzahl gewachsen ist“ und es daher viele geben sollte, die mit fröhlichem Herzen diejenigen unterstützten, „die ihre gesamte Zeit, Kraft und Arbeit dem Dienst für euch widmen“ (Minutes, 216). Wesley hatte kurz vorher seine Auffassung vom verantwortlichen Umgang mit Geld in seiner Predigt „On Riches“ („Vom Reichtum“, 1788) dargelegt, die die grundlegende Annahme seiner früheren Predigten zu diesem Thema bestätigte, dass nämlich alles, was über die notwendigen und zweckmäßigen Dinge, die man zum Leben brauchte, hinausging, als Reichtum (oder „Überfluss“) betrachtet werden sollte. In dieser Predigt ging er noch weiter und wies auf die vielen Fallstricke hin, die diejenigen erwarten, die sich an ihre Reichtümer klammern, und schloss mit einem Ratschlag: „Löse dich von allen Dingen hier unten, als ob du ein armer Bettler wärst“ (Sermons, 3: 528). Mit fünfundachtzig war sich John Wesley bewusst, wie wenig die Menschen etwas festhalten konnten, und das galt auch für das Leben selbst. Charles Wesley brachte die Empfindungen seines Bruders auf den Punkt, als seine eigene Lebenskraft im Spätwinter 1788 nachließ. Nicht mehr in der Lage, noch eine Feder zu halten, diktierte Charles seiner Frau Sally einige seiner letzten Verse: In age and feebleness extreme, Who shall a helpless worm redeem? Jesus, my only hope thou art, Strength of my failing flesh and heart; O could I catch a smile from Thee, and drop into eternity! In äußerstem Alter und äußerster Schwäche, Wer soll einen hilflosen Wurm erlösen? Jesus, meine einzige Hoffnung bist du, Stärke meines versagenden Fleisches und Herzens; O könnte ich ein Lächeln von dir erhaschen und mich in die Ewigkeit fallen lassen!

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Charles starb am 29. März 1788. Samuel Bradburns Brief, in dem er John informierte, der in den Midlands unterwegs war, wurde an die falsche Adresse geschickt, und John erhielt ihn erst am Tag vor Charles‘ Beerdigung am 5. April. John schrieb an Sally, um den Grund für seine Abwesenheit zu erklären, setzte aber seine Predigtreise fort. Doch zwei Wochen später, als er in einem Gottesdienst in Bolton den Choral seines Bruders „Come, O thou Traveller Unknown“ („Komm, du unbekannter Reisender“ aus: „Wrestling Jacob“ – „Der kämpfende Jakob“) Zeile für Zeile vorsang, kam er über die Worte „Meine Gefährten sind gegangen / Nun bin ich allein mit dir“ nicht hinaus. Er brach in Tränen aus und setzte sich, das Gesicht in den Händen vergraben, in der Kanzel hin (JWJ, 7: 376–377). Der Gesang wurde unterbrochen, doch John war schließlich in der Lage weiterzumachen. Die Kraft dieses Chorals wird im Nachruf auf Charles bestätigt, der auf der Konferenz dieses Jahres verlesen wurde: „Dr. [Isaac] Watts schämte sich nicht zu sagen, dass dieses eine Gedicht, Der kämpfende Jakob, alle Verse aufwog, die er selber geschrieben hatte“ (Minutes, 205).

Die späten Jahre John Wesley begann, sich nun noch ernstlicher auf seinen eigenen Abgang von der methodistischen Szene vorzubereiten. Zum Abschluss der Konferenz von 1788, auf der er sechs Prediger für den Dienst im Ausland ordinierte, ordinierte er auch Alexander Mather, vermutlich um die Kontinuität ordinierter Methodistenprediger in England nach seinem Tod zu gewährleisten (JWJ, 7: 422). Zwei Monate später ernannte er ein Komitee, das die Aufsicht über den Book Room übernehmen und seine Bücher führen sollte. Vier Monate später setzte er ein überarbeitetes Testament auf. Dass er nun in die Jahre gekommen war, verminderte allerdings nicht die Energie, die er in die mit der Zeit immer anspruchsvoller werdende Arbeit steckte. Die Gemeinschaft hatte gut sechzigtausend Mitglieder in Großbritannien mit über zweihundert Predigern. Die amerikanischen Methodisten, inzwischen unabhängig, stellten ihn vor Probleme, die er nicht vorhergesehen hatte. Asbury und Coke hatten statt der von ihm bevorzugten Bezeichnung „Superintendent“ den Titel „Bischof“ angenommen, und diese Veränderung bewog ihn, seinem „lieben Franky“ 1788 zu schreiben: „Menschen mögen mich einen Schurken oder Narren nennen, einen Lumpen, einen Halunken, und ich bin es zufrieden; doch sie sollen mich niemals mit meiner Zustimmung einen Bischof nennen! Um meinetwillen, um Gottes willen, um Christi willen, macht damit ein für alle Mal ein Ende!“ (JWL, 8: 91). Wesley verglich sich mit Coke und Asbury: „Ich krieche, ihr stol-

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ziert voran. Ich gründe eine Schule; ihr ein College!“ Die Vorstellung, dass sie ihre eigenen Namen in das Cokesbury College eingearbeitet hatten, ließ Wesley schaudern. Die Amerikaner aber gingen weiter, als Wesley ertragen konnten. Als er sie anwies, 1787 eine Konferenz in Baltimore abzuhalten, um Richard Whatcoat zum Superintendenten zu machen, reagierten sie nicht einmal mit höflicher Missachtung auf seine Wünsche. Nicht nur, dass sie Wesleys Anweisungen ignorierten, sie hoben auch das „bindende Protokoll“ auf, um sich selbst nicht in Widersprüche zu verwickeln, als sie Wesley die vorher zugesicherte Loyalität aufkündigten. Asbury brachte den Standpunkt der Amerikaner zum Ausdruck: „Dass unser alter Daddy Konferenzen einberief, wann und wo er wollte, und einen weiteren Superintendenten neben mir ernannte, war ein Ausdruck seines Machtbewusstseins, den wir nicht verstanden haben“ (Asbury, 3: 63). Als Wesley hörte, dass die amerikanische Konferenz Whatcoat als Superintendenten abgelehnt hatte, auf der von Asbury formulierten Annahme fußend, dass niemand von England aus die Amerikaner führen könne, ohne „allmächtig, allwissend und allgegenwärtig“ zu sein, war er wie gelähmt. Wesley wand sich auch, als ihm Asburys Kommentar zu Ohren kam: „Mr. Wesley und ich sind wie Cäsar und Pompeius: Er kann keinen Gleichberechtigten neben sich ertragen, und ich niemanden über mir.“ Als Asbury zuließ, dass Wesleys Name per Abstimmung aus dem amerikanischen Protokoll gestrichen wurde, hatte er damit die entscheidende Grenze überschritten, und Wesley reagierte mit der Bemerkung: „Dies hat die Angelegenheit abgeschlossen und gezeigt, dass er mit mir keine Gemeinschaft mehr hat“ (JWL, 8: 183). Wesley selbst hatte genügend Schwierigkeiten, allein die Geschäfte der britischen Methodisten zu führen. Der Bedarf an neuen Predigthäusern war bis Mitte der 1780er Jahre auf zwanzig pro Jahr angestiegen, was zu einer Flut an Sonderkollekten geführt hatte. 1788 beschränkte Wesley diese Sammlungen auf die Bezirke, in denen die Häuser gebaut werden sollten. Innerhalb eines Jahres übertrat er diese selbst auferlegte Regel. Im Protokoll erinnerte er im Anschluss an die gegebenen Anweisungen daran, dass alle Predigthäuser nach „dem Konferenzplan“ erworben werden müssten, und dahinter wurde der Text der Modell-Urkunde noch einmal abgedruckt. Diese Information richtete sich unmittelbar an die Treuhänder der Gesellschaft von Dewsbury, die sich (ebenso wie die Treuhänder von Birstall) weigerten, ihr neues Predigthaus nach den von Wesley gebilligten Regeln eintragen zu lassen. Daher folgte Wesley dem mit Birstall geschaffenen Präzedenzfall und kündigte an, einfach ein weiteres Gebäude in Dewsbury zu errichten, um es ordnungsgemäß eintragen zu lassen,

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wobei eine gemeinschaftsweite Sammlung zu den Kosten beitragen sollte. Das Protokoll führt 115 Prediger auf, die übereinkamen, dass man sich mit allen Predigthäusern nach dem „methodistischen Plan“ richten solle, gefolgt von einer Liste mit 124 Personen, die bereits zwischen 50 Schilling und 50 Pfund für das neue Haus in Dewsbury gespendet hatten. Aber es gab nicht nur geschäftliche Angelegenheiten. Wesley gab immer noch Predigten heraus, sowohl für das Arminian Magazine wie auch für eine neue Sammlung der Sermons on Several Occasions („Predigten zu verschiedenen Gelegenheiten“, 1787–1788) in acht Bänden, die die ersten vier Bände und die im Lauf der letzten zehn Jahre im Magazin veröffentlichten Predigten umfassten. Unter denen, die 1787 herausgebracht wurden, fanden sich eine Revision seiner OxfordPredigt, „The Duty of Constant Communion“ („Die Pflicht der beständigen Kommunion“, 1732) und eine neue Predigt, „The More Excellent Way“ („Der ausgezeichnetere Weg“). Die erste drückte aus, wie er sein Leben lang betont hatte, dass man das Sakrament so oft wie möglich nehmen solle, obwohl manches darauf hindeutete, dass es zu dieser Zeit in vielen englischen Landesteilen eine unrealistische Erwartung gewesen wäre, selbst nur einmal im Monat einen Abendmahlsgottesdienst erleben zu können. Die zweite Predigt stellt einen deutlichen Kontrast zu seiner früheren Predigt „The Almost Christian“ („Der Beinahe-Christ“, 1744) dar, die Namenschristen scharf kritisierte. Nun, etwa vierundvierzig Jahre später, stellte Wesley zwar immer noch das Leben des wahren Christen heraus, der den oberen Weg nimmt, verwirft aber nicht vollends die Hoffnung für die „untere Ordnung von Christen“. Teils liegt es in seiner Absicht, diejenigen zu ermutigen, die „Gott in geringem Maße dienen“ (Sermon, 3: 266). In einer weiteren Predigt, „On the Discoveries of Faith“ („Von den Entdeckungen des Glaubens“, 1788) ordnet er diesen beiden Wegen die beiden Typen des Glaubens zu, den eines „Knechts“ und den eines „Sohns“. Der erste reiche aus, um von Gott angenommen und in die methodistischen Gesellschaften aufgenommen zu werden als jemand, „der Gott fürchtet und recht tut“. Doch von diesen Menschen werde erwartet, dass sie weiterkommen, sodass sie Gott aus Liebe statt aus Furcht gehorchen (Sermons, 4: 35). Dieses spätere ausdrückliche Zugeständnis an die beiden Ordnungen von Christen, jede mit ihrer eigenen Hoffnung auf Errettung, passt zu dem Zugeständnis, das er nach Abwendung von der Brüderunität gemacht hatte, dass er nämlich dem suchenden Glauben eines „Knechts“ wie auch dem gewissen Glauben eines „Sohns“ oder Gotteskinds Wert beimaß. 1788 konnte er in seiner Predigt „On Faith“

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(„Über den Glauben“) den Fehler seiner früheren Herangehensweise einräumen: „Vor fast fünfzig Jahren, als die so genannten Methodistenprediger jene große biblische Lehre verkündigten, die Errettung durch den Glauben, verstanden sie den Unterschied zwischen einem Knecht und einem Kind Gottes nicht gut genug. Sie begriffen nicht deutlich, dass selbst jemand, der ‚Gott fürchtet und recht tut, ihm angenehm ist‘“ (Sermons, 3: 497). Zu diesem späteren Zeitpunkt war Wesley besonders stolz darauf, dass sich die Methodisten durch ihre Bereitschaft auszeichneten, jeden in die Gesellschaft aufzunehmen, der diesen suchenden Glauben eines Knechts hatte (Societies, 536–537). Die Zeit begann jedoch ihren Tribut von Wesley zu fordern. Auf der Rückreise von Holland hatte der alte Wesley einen Mitreisenden mit seiner guten Sehkraft beeindruckt, als er ein kleingedrucktes Buch las. Sophie von la Roche machte eine passende Bemerkung, die im späteren Verlauf des Jahres in Sophie in London veröffentlicht wurde: „Wenn die Prinzipien der Methodisten ihre Augen bis zum Alter von dreiundachtzig Jahren so scharf erhalten, dann wünsche ich, ich wäre in dieser Sekte erzogen worden.“ Allerdings liegt eine gewisse Ironie in der Wahl des Zeitpunktes, an dem sie diesen Kommentar abgab. Etwa um die Zeit, als er veröffentlicht wurde, bemerkte Wesley, dass er Schwierigkeiten beim Lesen hatte – er konnte sein eigenes großes Liederbuch nur beim Schein einer hellen Kerze lesen. Innerhalb eines weiteren Jahres konnte er schon keine Briefe mehr lesen, wenn sie in kleiner oder in schlechter Handschrift verfasst waren (JWJ, 7: 456). Im Licht seines alten Optimismus klingt sein Kommentar zum Geburtstag 1789 erschütternd: „Ich merke, dass ich alt werde.“ Sein Augenlicht ließ nach; seine Kraft ließ nach; sein Gedächtnis ließ nach. Am Neujahrstag 1790 gestand er wieder einmal: „Ich bin nun ein alter Mann, von Kopf bis Fuß schwach geworden“, fügte jedoch hinzu: „Trotzdem, gepriesen sei der Herr, ich lasse nicht in meiner Arbeit nach. Ich kann immer noch predigen und schreiben.“ Und Wesley arbeitete weiterhin an seinen Lieblingsthemen, wenn auch manchmal mit anderen Akzentsetzungen. In einer Revision des „Großen“ Protokolls (1789) stellte er dem wohlbekannten Satz, der die Absicht des Methodismus erklärte, „schriftgemäße Heiligkeit zu verbreiten“ den neuen Ausdruck voran: „keine neue Sekte zu gründen“. In einer Predigt desselben Jahres über das prophetische und priesterliche Amt charakterisierte er die Methodisten ganz ähnlich, wie er es fast fünfzig Jahre zuvor in The Character of a Methodist getan hatte; dieses Mal beschrieb er sie als eine „Gruppe von Menschen, die, während sie keiner Sekte oder Gruppierung zugehören, allen Gruppen ein Freund sind und sich bemühen, alle Menschen in der Herzensreligion sowie im Wissen von Gott und in der Liebe zu ihm und den Menschen weiterzu-

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bringen“. In dieser Predigt richtete er sich auch an einige Methodistenprediger, die immer noch ehrgeizig nach pfarramtlichen Befugnissen strebten, und appellierte an sie: „O haltet euch an eure Grenzen, gebt euch zufrieden damit, das Evangelium zu predigen.“ Er wies darauf hin, dass fünfzig Jahre zuvor Methodistenprediger als „außerordentliche Boten Gottes“ betrachtet wurden, die Gott hinausgeschickt hatte, „nicht um an die Stelle der ordentlichen Boten zu treten, sondern sie ‚zur Eifersucht zu reizen‘“ (5 Mose 32, 16). Dann fügte er noch hinzu: „In Gottes Namen, bleibt hier stehen!“ (Sermons, 4: 82). Er hatte auch kurz vorher in seiner Predigt „On a Single Eye“ („Das lautere Auge“, 1789) die vielen weltlich gesinnten Pfarrer in der Kirche als „verderbte, infame Lumpen“ gebrandmarkt und sagte mit Luther (wenn nicht sogar Chrysostomus): „Der Weg zur Hölle ist mit den Seelen christlicher Priester gepflastert“ (Sermons, 4: 129). Wesleys öffentlich bekundete Loyalität zur Kirche war immer noch unerschütterlich, wie er Henry Moore schrieb: „Ich bin ein Mann der Kirche von England; und was ich vor fünfzig Jahren sagte, sage ich immer noch, dass ich in der Kirche leben und sterben werde“ (JWL, 8: 58). Loyalität war ein grundlegender Charakterzug, der Wesley bestimmte, wie er zuvor Walter Churchey mitgeteilt hatte: „Loyalität ist für mich ein wesentlicher Zweig der Religion, und es täte mir Leid, wenn ein Methodist dies jemals vergessen sollte. Es besteht daher die engste Verbindung zwischen meiner Religion und meinem politischen Verhalten, und es ist dieselbe Autorität, die mich ermahnt, ‚Gott zu fürchten‘ und ‚den König zu ehren‘“ (JWL, 6: 267). Ihm war es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass sich seine politischen Ansichten, die er mit den Tories teilte, auf die Vorstellung gründeten, dass Gott und nicht das Volk die Quelle aller Macht, auch der politischen, sei (JWL, 7: 305). 1756 hatte er sich bereiterklärt, aus zweihundert Gläubigen eine methodistische Miliz zu bilden, um England vor einer Invasion durch die Franzosen zu schützen (JWL, 3: 165). Wesley lehnte auch die Prinzipien des revolutionären Eifers ab, die Frankreich zu zerreißen begannen. Einem Prediger in Amerika schrieb er, dass die „erstaunlichen Revolutionen“ in Europa Vorläufer einer Zeit sein könnten, „da die Erkenntnis und die Herrlichkeit des Herrn das Land erfüllen“, obwohl die „armen Ungläubigen, es ist wahr, die nichts von Gott wissen, von keinen solchen Absichten oder Gedanken bewegt werden“ (JWL, 8: 199–200). Wesley wollte keine Zeit mit dem Schrei nach „Freiheit“ verschwenden, religiös oder politisch. Mit den Methodisten, die immer noch ihre eigenen Leiter wählen wollten, hatte er keine Geduld: Wir haben keinen solchen Brauch und haben ihn niemals gehabt. Wir sind keine Republikaner und beabsichtigen, es auch niemals zu sein. Es wäre besser für die-

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jenigen, die so gesinnt sind, still wegzugehen. Ich habe mich in diesen fünfzig Jahren in Lehre und Ordnung nicht verändert, und es ist etwas spät für mich, jetzt, da ich grauhaarig bin, einen neuen Weg einzuschlagen (JWL, 8: 196–197).

Obwohl er gewiss der Meinung war, dass er immer den angemessenen Weg gegangen war, sah Wesley sich nicht gezwungen, all seine Praktiken aufrecht zu erhalten. Im Juli 1790 entschloss er sich, seine persönliche Buchhaltung, in der er Quittungen und Ausgaben seit 1725 aufgeführt hatte, aufzugeben. Auf die letzte Eintragung folgt eine Bemerkung, die einen seit langer Zeit vertretenen Punkt deutlich macht, auch wenn die Zeitangabe etwas übertrieben ist: „Sechsundachtzig Jahre habe ich genau Buch geführt. Ich will es nicht länger versuchen und gebe mich mit der ständigen Überzeugung zufrieden, dass ich soviel spare, wie ich kann, und soviel gebe, wie ich kann, das heißt, alles, was ich habe“ (JWJ, 8: 80). Darüber hinaus machte Wesley zunehmend mehr Zugeständnisse. 1788 riet sein Anwalt Mr. Clulow, alle Predigthäuser und Reiseprediger unter dem Conventicle Act („Gesetz zur Zusammenkunft“) lizenzieren zu lassen, und zwar nicht als Dissenter, sondern als „Prediger des Evangeliums“. Diese Entscheidung hielt man zwar für taktisch notwendig, doch juristisch war sie im Licht der fortdauernden Beteuerungen, man stehe loyal zur Kirche, schwierig, und daher wurden Lizenzen als Dissenter oft nicht erteilt. Wesley legte bei Dr. Tomlin, dem Bischof von Lincoln, wegen eines solchen verwirrenden Falles im darauf folgenden Jahr Protest ein: „Die Methodisten ... wünschen eine Lizenz, um Gott so anzubeten, wie es ihnen ihr Gewissen gebietet. Eure Lordschaft verweigert dies und bestraft sie dann, weil sie keine Lizenz besitzen!“ (JWL, 8: 224). Ferner machte Wesley zunehmend mehr Zugeständnisse, was die Erlaubnis zur Abhaltung von Gottesdiensten in der Zeit des Kirchgangs betraf. Seine Erlaubnis von 1789, in Dublin so zu verfahren, führte zu einer Kontroverse in anderen Teilen der Gemeinschaft, die ebenfalls diese Erlaubnis eingefordert hatten. Einigen schien es, er bereite den Weg für eine Trennung von der Kirche nach seinem Tod. Doch in einer weiteren Abhandlung, „Farther Thoughts on Separation from the Church“ („Weitere Gedanken zu einer Trennung von der Kirche“, 1789), stritt er jede solche Absicht ab und bekannte seine Überzeugung: „Ich glaube nicht, dass es die Methodisten im Allgemeinen beabsichtigen, wenn ich nicht mehr bin“ (Societies, 540). Die Konferenz von 1790 stellte diese Überzeugung hart auf die Probe. Wesley besaß nicht mehr die beherrschende Präsenz seiner früheren Jahre. John Pawson bemerkte, dass Wesley nun „fast kraftlos war, und seine Fähigkeiten, besonders das Gedächtnis, sehr nachgelassen hatten“ (EMP, 4: 58). Obwohl Wesley bei den Sitzungen nicht

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den Vorsitz führte, räumt Sutcliffe ein, „sanktionierte seine Gegenwart das Ganze“. Sutcliffe schilderte das „Kabinett“: Ein langer Tisch mitten in der Kapelle, ohne Bankreihen, Mr. Wesley saß auf einem Stuhl am Kopf des Tisches, und etwa zwanzig ehrwürdige Männer um den Tisch herum, zehn auf jeder Seite, ihr Rang an den buschigen ‚Blumenkohl‘Perücken abzulesen, bejahrte Männer, die hitzige Kämpfe bestanden und Lasten getragen hatten. Mr. Mather in seiner Eigenschaft als eine Art Erzdiakon ... führte die gesamten Geschäfte der Konferenz. Mr. Valton war der Sekretär mit seinem Notizbuch im Quartformat (Documents, 4: 233–234).

Darauf schilderte er die Methode, wie die Prediger ihrem Standort zugewiesen wurden: „Mr. Wesley steckte dann die Hand in die Tasche und zog die handschriftliche Liste mit den Predigtstationen heraus, von der man glaubte, niemand habe sie gesehen, seit er sie in Newcastle auf dem Weg zur Konferenz ins Reine geschrieben hatte.“ Während die Liste verlesen wurde, nahm man Änderungen vor, um „Prediger wie auch Mitglieder“ zufrieden zu stellen. „Alles ging väterlich und gerecht zu“, so Sutcliffes Bericht. Der junge Prediger schilderte auch die Prüfung, nach der die Prediger am Ende der Konferenz „in volle Verbindung aufgenommen“ wurden; dabei wird deutlich, dass Coke eine wichtige Rolle spielte. „Die zwölf jungen Männer ... auf einer der Bänke sprachen kurz von ihrer Erfahrung, ihrer Berufung zum Predigen, und bekannten ihren Glauben. Danach trat Dr. Coke mit dem Großen Protokoll im linken Arm zur vordersten Bank heran, gab jedem ein Exemplar, und legte jedem von uns seine rechte Hand auf den Kopf“ (Documents, 4: 233). Sutcliffes Exemplar des „Großen“ Protokolls enthält dieselbe Inschrift, die seit vierzig Jahren in Gebrauch ist: „Solange du entsprechend diesen Regeln wandelst, werden wir dich freudig als Mitarbeiter anerkennen. John Wesley“ (Documents, 4: 231–232; vgl. Minutes, 570). Wesley mochte hinfällig geworden sein, doch er erwartete immer noch vollen Einsatz von seinen Predigern, deren Anzahl allein in Großbritannien nun nahezu dreihundert betrug (zur Betreuung von 71 463 Mitgliedern). Jasper Winston, einem Prediger auf der Isle of Wight, hatte er im früheren Verlauf des Jahres anvertraut: „Ich wünschte, wir hätten keinen Bezirk mit weniger als drei Predigern darin oder weniger als vierhundert Meilen in vier Wochen zu Pferd zu bewältigen.“ Jasper sah, dass Wesley die Prediger auf den Pferderücken zurückwünschte, was zu ihrer körperlichen und geistlichen Gesundheit beitragen sollte. Wesleys eigener Kommentar dazu klang so: „Wenn wir nicht aufpassen, werden wir alle zu Weichlingen degenerieren“ (JWL, 8: 206). Starke Worte für einen Mann, dem sein siebenundachtzigster Geburtstag bevorstand.

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Doch das Alter bewog Wesley nicht, seine Worte zu mildern. Er verkündigte auch weiterhin das Evangelium. Er glaubte, „On the Wedding Garment“ („Das hochzeitliche Kleid“, Matth 22,12; März 1790) könnte seine letzte niedergeschriebene Predigt sein: „Mein Augenlicht schwindet, meine natürlichen Kräfte lassen nach. Doch solange ich noch kann, will ich ein Weniges für Gott tun, bevor ich in den Staub sinke“ (JWJ, 8: 54). Diese Predigt gab ihm die Möglichkeit, noch etwas über das Verhältnis zwischen der Gerechtigkeit Christi, die dem Gläubigen einen „Anspruch“ auf den Himmel verleiht, und der Heiligkeit zu sagen, die dem Gläubigen die „Eignung“ für den Himmel schenkt. Heiligkeit ist also das eigentliche Hochzeitskleid, das Wesley mit denselben Worten beschreibt, die er sechzig Jahr zuvor in Oxford benutzt hatte: die „Gesinnung zu haben, die auch in Christus war“ und zu „wandeln, wie er wandelte“. Er verwirft die Vorstellung, dass Heiligkeit durch den Glauben abgelöst wird: „Die Vorstellung, dass der Glaube die Heiligkeit verdrängt, ist der Kern des Antinomismus.“ Die Predigt bekräftigt also seine Betonung des „Glaubens, der durch die Liebe wirkt“, seine ausgereifte Alternative zum „Glauben allein“ der Herrnhuter und der Calvinisten (Sermons, 4: 1 47–148). Tatsächlich verfasste Wesley noch fünf weitere Predigten, in denen er viele seiner bevorzugten Themen beleuchtete. In „On Living without God“ („Leben ohne Gott“) bringt er noch einmal seine Überzeugung zum Ausdruck, dass heiliges Leben wichtiger sei als orthodoxe Ansichten (Sermons, 4: 175). In „The Danger of Increasing Riches“ Das von Wesley in den („Die Gefahr wachsenden Reichtums“) 1780er Jahren benutzte brandmarkt er noch ein weiteres Mal Siegel, weitergegeben an Elizabeth Richie. Gier und die Anhäufung von überflüssigen Gütern und bemerkt gleichzeitig verzweifelt, dass er diese Botschaft über ein halbes Jahrhundert lang gepredigt und doch keine fünfzig Geizhälse ihrer Habsucht überführt habe (Sermons, 4: 181–182). Und in „Our Faith“ („Unser Glaube“), die sich Mitte Januar 1791 als seine letzte Predigt erweisen sollte, schließt er mit zwei Strophen aus Charles‘ Gedicht „The Life of Faith“ („Das Leben im Glauben“, 1740):

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The things unknown to feeble sense, Unseen by reason’s glimmering ray, With strong, commanding evidence Their heav’nly origin display. Faith lends its realizing light: The clouds disperse, the shadows fly; Th’Invisible appears in sight, And God is seen by mortal eye! Dinge, den stumpfen Sinnen unbekannt, Vom schwachen Licht des Verstands nicht erhellt, Zeigen eindeutig und zwingend Ihren himmlischen Ursprung. Der Glaube leiht sein klares Licht: Die Wolken lösen sich auf, die Schatten fliehen; Das Unsichtbare wird nun sichtbar, Und Gott zeigt sich dem sterblichen Auge!

Johns Kalender lässt auf noch fünf Wochen verhältnismäßig normaler Aktivität schließen, in denen er recht regelmäßig predigte. Mitte Februar zog er sich eine Erkältung zu, und am Sonntag, dem 20., war er nicht in der Lage zu predigen. Er erholte sich soweit, dass er am folgenden Mittwoch predigen konnte, dem Tag seines letzten Kalendereintrags. An jenem Tag beendete er auch seine Lektüre des Werks Gustavus Vasa, der Lebensbeschreibung eines ehemaligen Sklaven auf Barbados, Olaudah Equiano. Dieses Buch bewegte Wesley, am folgenden Tag dem Parlamentsabgeordneten William Wilberforce zu schreiben, um ihn beim Kampf gegen den Sklavenhandel zu ermutigen: „Machen Sie weiter, im Namen Gottes und in der Kraft seiner Macht, bis selbst die amerikanische Sklaverei (die verderbteste, die je das Licht der Sonne sah) vor ihr verschwindet“ (JWL, 8: 265). Am nächsten Tag bekam er Fieber, und sein Zustand verschlechterte sich rasch. Seine Haushälterin und Gefährtin Elizabeth Richie blieb in der folgenden Woche an seiner Seite und hielt die Ereignisse recht ausführlich fest. Der Bericht zeigt die Tradition der ars moriendi von ihrer besten Seite. Hier personifizieren sich die Prinzipien, die Jeremy Taylor in seinen Rules and Exercises for Holy Dying („Regeln und Übungen für heiliges Sterben“) niedergelegt hatte. Am 1. März sammelte der geschwächte Wesley seine gesamte Kraft und begann Isaac Watts‘ Choral „I’ll praise my Maker while I’ve breath“ („Ich preise meinen Schöpfer, so lange ich Atem habe“) zu singen, was die Anwesenden erstaunte. Weitere Versuche, zu singen oder zu sprechen, blieben ohne Erfolg; „jene Lippen, die viele zu speisen pflegten, waren nicht mehr in der Lage, ihre gewohnten Klänge hervorzubringen“. Er schaffte es, seine Kräfte zu einer seiner letzten Äußerungen zu sam-

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meln: „Das Beste von allem ist, Gott ist mit uns.“ Am darauf folgenden Morgen, dem 2. März 1791, sprach er zum letzten Mal: „Lebt wohl“ (JWJ, 8: 134–144). Wesleys Suche nach Gewissheit, der treibenden Kraft seines geistlichen Weges, war vorüber. Auf seiner Suche nach Frieden hatte er die Verzweiflung der Furcht ebenso kennen gelernt wie auch die Hoffnung des Glaubens. In seinem Herzen hatte er die Gewissheit von Gottes liebender Vergebung ebenso erfahren wie den fortdauernden Kampf mit dem Zweifel. Sein rastloses Herz, das zu einem vertrauensvollen Glauben gefunden hatte, doch bei mancher Gelegenheit auch wankelmütig wurde, hatte nun Ruhe bei Gott gefunden. Wesley hatte lange in der Gegenwart seines Schöpfers gelebt, in der Furcht vor dem Gericht und doch im Vertrauen auf die Gerechtigkeit Gottes, in Ehrfurcht vor Gottes Majestät und doch in der Zuversicht auf seine gnädige Liebe, in der Erwartung ständiger Überraschungen durch den Geist Gottes und doch immer in der Hoffnung auf Führung und Trost. Bei seinem Tod wusste er daher, wovon er sprach, als er aus tiefstem Herzen, das lange nach Frieden gesucht hatte, ein letztes Mal von seinem Glauben Zeugnis ablegte: „Das Beste von allem ist, Gott ist mit uns.“

6. Kapitel – Empfohlene weiterführende Literatur Asbury – Asbury, Francis, The Journal and Letters of Francis Asbury, Hgg. Elmar T. Clerk, J. Manning Potts und Jacob S. Payton, 3 Bde. (Nashville: Abingdon Press, 19589. Coke, Thomas und Henry Moore, The Life of John Wesley (London: Paramore, 1792 [Faksimileausgabe, Nashville: Abingdon Press, 1992]). George, A. Raymond. „Ordination“ in Bd. 2 der History of The Methodist Church in Great Britain, Hgg. Rupert Davies, A. Raymond George, Gordon Rupp (London: Epworth Press, 1978). More – Church, Leslie, More about the Early Methodist People (London: Epworth Press, 1949). Rep. Verse – Wesley, Charles, Representative Verse of Charles Wesley, Hg. Frank Baker (London: Epworth Press, 1962). Vickers, John A., Thomas Cooke, Apostle of Methodism (Nashville: Abingdon Press, 1969).

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Wesleys Tod verschob die Grenzen von Macht und Eigentum im Blick auf das Handeln der Methodisten und die Bemerkungen, die man über sie machte. Jeder, Wesley eingeschlossen, hatte erwartet, dass die Spannungen innerhalb der Bewegung, die zu seinen Lebzeiten bestanden, nach seinem Tod eskalieren und zum Bruch führen würden. Wesley hatte bereits 1769 angemerkt, was er schon längere Zeit begriffen hatte, dass er nämlich das „Zentrum der Einheit“ sei und sich nach seinem Tod viele Prediger aus der Gemeinschaft lösen würden, entweder indem sie sich in der Kirche ordinieren lassen oder unabhängige Gemeinden übernehmen würden. Auf diese Vorhersage hin waren natürlich eine Reihe von Plänen entworfen worden, um solch einen Bruch abzuwenden, und viele Appelle ausgegangen, die zur Einheit aufriefen. Noch einen Monat vor seinem Tod schrieb Wesley an Ezekiel Cooper in Philadelphia: „Lassen Sie keine Gelegenheit aus, allen Menschen zu verkünden, dass die Methodisten in aller Welt ein Volk sind; und dass sie fest entschlossen sind, es zu bleiben“ (JWL, 8: 260). Diese Worte hatten für die Ohren der amerikanischen Methodisten einen hohlen Klang. Die Bischöflich-methodistische Kirche der Vereinigten Staaten hatte seit langem ihre Unabhängigkeit von Wesley und den Briten gezeigt, wenn nicht gar ausdrücklich erklärt. Dass sie in ihrer ersten Form of Discipline 1785 vom britischen Muster abgewichen waren, das bindende Protokoll kurz danach abgelehnt und, neben einer Reihe von anderen bewusst getroffenen Maßnahmen, eigene Begriffe für das Amt der Aufsicht gewählt hatten, zeigte, dass ihre neue Denomination nicht mehr unter britischer Kontrolle stand. Asburys Neigung, Wesley wenig respektvoll „unseren Alten Daddy“ zu nennen, signalisierte den zukünftigen Standpunkt der amerikanischen Methodisten – die zwar von einer familiären Zuneigung zu Wesleys persönlichem Erbe bewegt, doch nicht mehr abhängig waren von der Führung und Leitung des britischen Patriarchen. Die amerikanischen Prediger mögen gern wesleyanische Lehren verkündigt

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haben, doch sie waren auch froh, nicht mehr unter seiner strategischen Kontrolle zu stehen. Und Asbury war ganz gewiss bereit, die Erfüllung von Wesleys Anweisung, „die volle Freiheit zu haben, der Bibel und der Urgemeinde zu folgen“, zu unterstützen. Darüber hinaus setzte sich jedoch der Ablösungsprozess, der bereits Ende der 1780er Jahre begonnen hatte, nach Wesleys Tod fort, wie an der Verabschiedung einer neuen Gottesdienstordnung, durch die der Sunday Service, den Wesley geschickt hatte, praktisch für ungültig erklärt wurde, auf der amerikanischen Konferenz von 1792 beispielhaft deutlich wurde.

John Wesleys Begräbnis, das um 5 Uhr morgens hinter der New Chapel in der City Road stattfand, wohnten nur einige wenige enge Freunde bei.

Die Situation in Großbritannien war in mehrfacher Hinsicht noch viel komplizierter. In einer früheren Periode, als Wesley 1753 zum ersten Mal seine eigene Grabschrift verfasste, hatte natürlich niemand vorhersagen können, dass man fast vierzig Jahre später bei seinem Tod dem verstorbenen Oberhaupt der Methodisten von nahezu allen Seiten Tribut zollen und Beifall spenden würde. Wie es die Todesanzeige im Gentleman’s Magazine formulierte, war er „einer der wenigen Menschen, der Feindschaft und Vorurteil überlebte und dem in seinen späteren Jahren jeder erdenkliche Respekt von jeder Denomination zuteil wurde“ (EMW, 2: 154).

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Eifersüchteleien und Animositäten im Innern vergaß man für einen Augenblick, als die methodistische Familie ihrem Vater in Gott ihren Respekt zollte, der im Tod mehr verehrt wurde als im Leben. Eine Woche nach seinem Tod ahnten seine Freunde, dass es bei seinem Begräbnis, das für den 9. März angesetzt war, alles anderes als ruhig zugehen würde. Am Tag zuvor trafen riesige Menschenmengen in der Gegend ein, was die führenden Köpfe veranlasste, Maßnahmen zu treffen, um das Begräbnis am nächsten Morgen um fünf Uhr hinter der Kapelle in der City Road im kleinen Rahmen abzuhalten. Etwa zwanzig enge Freunde kannten den Plan und waren am Grab anwesend. Wesleys Testament folgte einer alten Tradition und bestimmte sechs Arme zu Sargträgern, die jeweils ein Pfund erhalten sollten. Wesley hatte auch um eine einfache Trauerfeier gebeten, „ohne Pomp, außer den Tränen derjenigen, die mich liebten und mir in Abrahams Schoß folgen“ (JWJ, 8: 343). Dem öffentlichen Gottesdienst in der Kapelle um zehn Uhr morgens wohnten Menschenmassen vor dem Portal bei, Trauernde wie auch Neugierige, die sich jedoch ruhig verhielten, was zum Teil einer „großen Anzahl von Polizisten“ zu verdanken war (Death, 15). Dr. John Whitehead, Wesleys Leibarzt und Lokalprediger in London, hielt die Trauerpredigt. Er betonte den ausgleichenden Einfluss, den der Methodismus auf die Bevölkerung ausgeübt hatte, einen Punkt, der von Biografen und Historikern im folgenden Jahrhundert wieder entdeckt und daraufhin als Aphorismus in Umlauf gebracht wurde. Er verlas auch Auszüge aus Elizabeth Richies Schilderung von Wesleys letzten Lebenstagen. Die Predigt und dieser Bericht wurden innerhalb von wenigen Stunden gedruckt und in den nächsten Tagen von methodistischen Kanzeln überall auf den Britischen Inseln verlesen. Aus den schwarzen Stoffen, mit denen man die Kapelle drapiert hatte, nähte man Kleider und verteilte sie unter armen Frauen (Rack, 533).

Der Methodismus nach Wesley Ein anderes Dokument jedoch, das noch vor Ende des Monats unter den Methodisten kursierte, war von noch größerer Bedeutung für die Zukunft der Bewegung. Ein Rundbrief, der am 30. März von neun führenden Reisepredigern in Halifax aufgesetzt worden war, versuchte den ihrer Meinung nach richtigen Kurs für die nächste Konferenz festzulegen. Trotz Wesleys sorgfältiger Planung waren viele Verfahrensweisen nicht eindeutig geregelt. In den Monaten nach seinem Tod hörte man die unterschiedlichsten Vorschläge, wie die angemessene

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„wesleyanische“ Methode unter diesen Umständen aussehen könnte. Der „Halifax-Rundbrief“ schlug einen Weg vor, der auf dem von Wesley 1769 angeregtem Vorgehen fußte. Er unterstützte das in der Deklarationsurkunde vorgestellte Konzept des Konferenzplans, jedoch mit wichtigen Korrekturen in der Umsetzung, wie zum Beispiel dem Vorschlag, dass die Organisation der Distrikte und die Bestimmung von Nachrückern für die Gesetzlichen Hundert nach dem Dienstalter der Prediger erfolgen solle. Im Grunde wurde in diesem Dokument eine Reihe von zeitlich begrenzten Bestimmungen vorgeschlagen, die darauf abzielten, die zentrale Kontrolle über die Bewegung durch die Konferenz zu sichern, auch um die „Reisepredigertätigkeit unter den Methodisten“ aufrecht zu erhalten (Documents, 4: 241–242). Andere Pläne, wie etwa der in Redruth, Cornwall, entworfene und von einundfünfzig „Delegierten“ der Gesellschaften in der Grafschaft Cornwall unterzeichnete, machten sich das immer populärer werdende demokratische Gedankengut zunutze, um die methodistische Ordnung zu verändern und die Stellung der örtlichen Gesellschaften zu stärken (Documents, 4: 243–244). Auf der Konferenz von 1791, die im Juli in Manchester zusammenkam, verlas Samuel Bradburn einen Brief, den Wesley 1785 geschrieben hatte und dessen Absicht darin bestand, den Predigern zu versichern, die Deklarationsurkunde habe nicht zum Ziel, irgendeinem Prediger zu erlauben, sich über die anderen zu erheben. Die Konferenz reagierte mit dem festen Entschluss, sich zu bemühen, dem Beispiel ihres „geschätzten Vaters und Freunde s“ zu folgen und ihn in Leben, Lehre und Ordnung nachzuahmen (Minutes, 243). Danach sprachen sie sich dafür aus, die meisten Vorschläge im Halifax-Rundbrief anzunehmen. Von den neun Personen, die das Dokument unterzeichnet hatten, wurden später einige Präsidenten der Konferenz, darunter auch der Erstunterzeichner William Thompson, der (zur Überraschung von Thomas Coke, Alexander Mather, Henry Moore und einigen anderen Favoriten) gleich in jenem Jahr zum Präsidenten der Konferenz gewählt wurde. Die Konferenz beschloss auch, die drei Königreiche (England, Schottland, Irland) in siebenundzwanzig Distrikte zu gliedern und „den Plan, den uns Mr. Wesley bei seinem Tod hinterlassen hat, streng zu befolgen“. Dieser Beschluss löste allerdings nicht alle Probleme, denn Wesley hatte weder in der Deklarationsurkunde noch anderswo Vorkehrungen dafür getroffen, wie wichtige Angelegenheiten, – etwa die Einberufung und Durchführung der Konferenzen in Schottland und Irland, geschweige denn der Umgang mit der Forderung nach Trennung von der Kirche, die sich wachsender Zustimmung erfreute – zu regeln seien. Der „methodistische Plan, wie ihn uns Mr. Wesley hinterlassen hat“, umfasste eine beträchtliche Anzahl sich widersprechender Prak-

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tiken an verschiedenen Orten. Die sich daraus ergebende Uneindeutigkeit, was allgemeine Prinzipien betraf, war das Ergebnis einer langen Periode von Anpassungen an örtliche Gegebenheiten. Über einen Zeitraum von über sechzig Jahren hatte Wesley Methoden und Vorgehensweisen entwickelt, mit denen er zwar beabsichtigte, die Kirche von England zu „reformieren“, die aber tatsächlich den Methodisten eine eigenständige Identität verliehen, die sie deutlich von der Kirche abhob. Hatte Charles stets die negativen Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Beziehung der Methodisten zur Kirche hervorgehoben, so hatte John in erster Linie versucht, die positiven Resultate im Leben der davon betroffenen Methodisten zu sehen. An den vielen unterschiedlichen Praktiken, die aus dieser Spannung erwachsen waren und bei Wesleys Tod auch in der Gemeinschaft sichtbar wurden, störten sich nicht alle. Einige Prediger, wie William Thompson, wollten alles so lassen, wie es war: wo man während der kirchlichen Gottesdienstzeit predigte und wo man es nicht tat – man sollte weiter so verfahren; wo man taufte und die Toten begrub – man sollte weiter so verfahren, und anderenorts eben nicht; wo man das anglikanische Gebetbuch benutzte und wo man „ohne Buch“ betete – man sollte ebenfalls weiter so verfahren (Documents, 4: 247). In dieser konservativen Atmosphäre kehrten sich einige Entwicklungen, die unter Wesley begonnen hatten, um. Die Konferenz von 1792 schränkte (nachdem man Lose gezogen hatte) die Austeilung der Sakramente unter den Methodisten (außer in London und einigen anderen Orten) stark ein und schaffte die Ordination zunächst einmal praktisch ab. Im darauf folgenden Jahr beschlossen sie, die Benutzung des Titels „Reverend“ zu untersagen und die Unterscheidung zwischen ordinierten und nicht ordinierten Predigern fallen zu lassen. Die Frauen im Predigtdienst, die ohnehin nur eine inoffizielle und niemals sehr bedeutende Rolle eingenommen hatten, verschwanden zunächst einmal völlig. Zur selben Zeit hatten einige Methodisten wieder Ideen in Umlauf gebracht, die die Brüder Wesley fast vierzig Jahre lang unterdrückt hatten – Vorschläge, die den Methodismus radikal verändert und aus ihm deutlicher erkennbar eine Dissenter-Gruppe mit eigenen Geistlichen und Sakramenten gemacht hätten. Die meisten dieser Vorschläge wurden von den traditionellen „Kirchenmethodisten“ abgelehnt, die seit langem Charles Wesleys Anliegen teilten, eine enge Verbindung mit der Kirche von England aufrecht zu erhalten. Viele von ihnen widersetzten sich allerdings einem anderen wesleyanischen Prinzip, nämlich der zentralen Kontrolle, die die Konferenz ausübte, während viele (aber nicht alle), die dem Dissentertum zuneigten, die Konferenz unterstützten.

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Zeitleiste 8 Spannungen und Übergänge 1780

1785

1790

1795

Georg III. Konferenz von Fluvanna

Frieden von Paris

1. Ausgabe des Arminian

CW stirbt

Wordsworth und Kontroverse Coleridge Französische von Bristol Lyrical Revolution Ballads

„WeihnachtsTraktatkonferenz“ Magazine gesellschaft Deklarations- Predigten Collection urkunde in 8 Bänden of Hymns Ordinationen Coke Streit um für Amerika tritt den das Haus Gesellschaft Methoin Birstall Sonntags- der Freunde disten bei gottesdienst- der Fremden

Ordnung Smiths Erweckung „Reichtum in der Nationen“ Epworth

Ordinationen für Schottland

JW stirbt

HalifaxRundbrief

Befriedungsplan

BiografieKontroverse Portland ChapelDisput

Coke auf die Westindischen Inseln

Kilhams

Progress of Liberty Methodistische Neue Connexio

Dieser Wirrwarr der verschiedenen Parteiungen wurde in einer Kontroverse deutlich, die sich 1792 an der Eröffnung der Portland Chapel in Bristol entzündete. Samuel Bradburn trug bei seiner Eröffnungspredigt am 26. August 1792 einen Talar, obwohl er nicht ordiniert war. Die Treuhänder zweier anderer Predigthäuser in Bristol, Guinea Street und New Room, kritisierten Bradburn, weil er als Pfarrer auftrat und damit die Beziehungen zur Kirche aufs Spiel setzte, und zitierten Wesley, um ihre Position zu untermauern. Bradbury verteidigte seine Handlungsweise und den Standpunkt der „Konferenzmethodisten“ in der Schrift „The Question, Are The Methodists Dissenters?“ („Die Frage: Sind die Methodisten Dissenter?“), in der er argumentierte, dass Wesley sich in der Frage nach der Trennung nicht eindeutig geäußert habe. Bradburn unterzeichnete auch einen Rundbrief, in dem die Vorgänge in der Portland Chapel verteidigt und die Treuhänder der beiden anderen Kapellen kritisiert wurden, von denen einige wohlhabende Männer waren, Freunde besaßen, die Mitglieder der Kirche waren und ihren Standpunkt von ihrem gesellschaftlichen Blickwinkel bestimmen ließen. Der Rundbrief wurde von einunddreißig weiteren Predigern, Treuhändern und Männern in leitenden Positionen unterzeichnet, mit der Bemerkung: „Wir hielten es nicht für

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notwendig, die weiblichen Leitungskräfte damit zu belästigen“ (Death, 64). Eine weitere Kontroverse, bei der Prediger gegen Prediger standen, drehte sich um den Versuch, eine offizielle Wesley-Biografie herauszubringen. Um dem Einfluss einer dreibändigen Biografie entgegenzuwirken, die im Juni 1791 von John Hampson, einem verstimmten Prediger, veröffentlicht worden war, beauftragte das Buchkomitee Dr. Whitehead mit der Abfassung einer Biografie für die Gemeinschaft. Whitehead gehörte gemeinsam mit Coke und Moore einem Dreierkomitee an, dem Wesley in seinem Testament den Auftrag erteilt hatte, sich seiner Manuskripte anzunehmen. Nachdem man Whitehead die Manuskripte ausgehändigt hatte, begann er Honorar- und Gebührenforderungen zu stellen, die nicht im Einklang mit der Tradition der Gemeinschaft standen, alle Einkünfte aus der Verlagsarbeit in den Predigerfonds einzuzahlen. Als sich Whitehead weigerte, die Manuskripte zurückzugeben oder jemanden einen Blick in das angefangene Buch werfen zu lassen, enthob ihn das Buchkomitee seiner Dienste, und Thomas Coke verbannte ihn von den Londoner Kanzeln. Coke und Moore machten sich daran, eine Konkurrenzbiografie zu verfassen, die ihren Stoff größtenteils aus Wesleys Tagebüchern und ihren eigenen Erinnerungen bezog. Letzteres Werk wurde innerhalb von sechs Monaten fertig gestellt und im April 1792 veröffentlicht. Die erste Auflage mit 10 000 Exemplaren war bereits vor der Konferenz im Juli ausverkauft (fast ein Jahr, bevor Whiteheads erster Band erschien). In der Biografie-Kontroverse ging es jedoch nicht nur um Manuskripte, Honorare und Urheberrechte. Whitehead war ein Lokalprediger, der die „schwarzgewandeten Jungen“ (seine Bezeichnung für die Reiseprediger wie Coke und Moore) nicht mochte, die ihre Macht durch die Konferenz ausübten. Er sah die Deklarationsurkunde als die Ursache für „die Verderbtheit und endgültige Auflösung“ der Methodisten und griff die Ordinationen von 1784 als einen Vorwand Cokes an, mit dem er „Einfluss und Macht gewinnen“ wollte (Death, 26– 28). Wenn man Allianzen einfach zuordnen könnte, müsste ihn dieser Standpunkt gegen die Konferenz und gegen ordinierte Prediger zu einem Freund der „Kirchenmethodisten“ gemacht haben, doch das war er nicht. In seinem Vorwort schilderte Whitehead auch die „grausame“ Behandlung, die ihm von einigen Predigern aufgrund seiner Biografie zuteil geworden war. Viele Laien und Lokalprediger ergriffen für Whitehead Partei und gründeten sogar ein Komitee, um seiner Sache dienlich zu sein. Die meisten Londoner Prediger waren gegen ihn eingestellt. Henry Moore verfasste später „A Plain Account of the Conduct of Dr. Whitehead Respecting Mr. Wesleys Manuscripts“

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(„Eine einfache Darstellung von Dr. Whiteheads Verhalten in Bezug auf Mr. Wesleys Manuskripte“), worin er Whiteheads Schilderung der Ereignisse widersprach, sich jedoch entschloss, die Schrift nicht zu veröffentlichen (Death, 83–125). Henry Moore wurde 1794 in eine weitere Kontroverse verwickelt, als er das Abendmahl in der Portland Chapel in Bristol austeilte, wie es ihm die Konferenz gestattet hatte. Gegen dieses Verhalten wandten sich die Treuhänder zweier anderer Methodistenkapellen in Bristol, obwohl Moore 1787 von Wesley ordiniert worden war. Die Treuhänder deuteten an, dass ein solches Vorgehen gegen den „Alten Plan“ des Methodismus verstieß und zur Trennung von der Kirche führen musste. Sie versuchten, Moore von ihren Kanzeln fernzuhalten, und verboten ihm tatsächlich im August jenes Jahres, im New Room zu predigen. Daraufhin zog sich Moore einfach wieder in die Portland Chapel zurück, um seinem Dienst weiter nachzugehen, und zog den größten Teil der Gemeinde mit sich. Die Auseinandersetzung darüber, ob nun die Konferenz oder die örtlichen Versammlungen die Kontrolle ausüben sollten, verwischte die Grenze zwischen den Gruppierungen, die der Kirche beziehungsweise den Dissentern zuneigten. Es gab Kirchenmethodisten, die hofften, eine starke Konferenz würde Dissenter-Tendenzen unterdrücken, doch es gab auch andere (wie in Bristol), die der Meinung waren, dass man die guten Beziehungen zur Kirche am besten pflegen könne, wenn man den örtlichen Versammlungen die Kontrolle in die Hand gebe. Einige Dissenter-Methodisten vertrauten darauf, dass sich die Konferenz in ihre Richtung bewegen würde, doch andere meinten, dass die Entscheidungsbefugnis auf örtlicher Ebene wesentlich zu ihren demokratischen Bestrebungen beitragen würde. Eine neue Redeweise wurde in der methodistischen Landschaft hörbar, die von der „natürlichen Ordnung der Gesellschaft“ sprach, dem Wunsch nach „begründeten und natürlichen Rechten“ und „jenen Privilegien, die unsere unveräußerlichen Rechte sind“. Kräftiger als alle anderen meldete sich in der Frage nach Dissent, Demokratie bzw. örtlichen Befugnissen Alexander Kilham zu Wort, der innerhalb der methodistischen Bewegung schon einige Jahre lang der Vorkämpfer für Freiheit gewesen war. Seiner Meinung nach sollten sich die Methodisten völlig von der Kirche von England trennen, eigene Ordinationen durchführen und regelmäßig das Sakrament reichen. Seinem Empfinden nach wurde die Konferenz von reichen Predigern durchgeführt, die sich verschworen hatten, ihre eigene Macht durchzusetzen. In seiner Schrift An Earnest Address to the Preachers assembled at the Conference („Ein ernstes Wort an die in der Konferenz versammelten Prediger“, 1795) sprach er sich für eine Rückkehr zu

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dem bei Wesleys Tod herrschenden Status quo aus, den die Konferenz von 1791 bestätigt hatte, dem seiner Meinung nach jedoch die darauf folgenden Konferenzen abgeschworen hatten. Kilhams Auffassung wurde von der Mehrheit der Konferenz von 1795 nicht geteilt. Sie versuchte, die schon seit langem andauernden Spannungen durch die Verabschiedung eines Kompromissdokuments zu lösen, die „Articles of Agreement for General Pacification“ („Artikel der Übereinkunft zur allgemeinen Befriedung“). Dieser Befriedungsplan, wie er später genannt wurde, schenkte den Methodisten einen unsicheren Frieden. Unter anderem sah er vor, dass das Sakrament in den Kapellen gereicht werden dürfe, wo eine Mehrheit der Treuhänder sich gemeinsam mit der Mehrheit der Verwalter (die die Stimmungslage der Mitglieder repräsentierten) für einen solchen Schritt aussprach. Die Konferenz musste ein solches Arrangement in jedem Einzelfall billigen. Das Papier bekräftigte außerdem die Anweisungen der Deklarationsurkunde, darunter auch das alleinige Recht der Konferenz, Prediger zu ernennen. Inhaltlich bedeutete dieser Plan einen Sieg für die Konferenz, die die Kontrolle über die methodistischen Versammlungen in der Hand hatte (Documents, 4: 264–267). Praktisch stellte der Plan das Eingeständnis des britischen Methodismus dar, dass er sich endgültig von der Kirche von England gelöst hatte. Falls diese Lösung irgendjemanden zufrieden stellte, dann sicherlich nicht Alexander Kilham, der darauf mit einer Abhandlung reagierte, The Progress of Liberty Among the People Called Methodists („Der Fortschritt der Freiheit unter den so genannten Methodisten“), in der er den „Abriss einer Verfassung“ für die wesleyanische Bewegung vorschlug, die sich auf sein Verständnis demokratischer Prinzipien gründete. Nachdem er 1796 von der Konferenz ausgeschlossen worden war, bildeten diese Vorschläge die Basis zur Gründung der Neuen Methodistischen Connexio (Methodist New Connexion), einer neuen Denomination, in die ihm zwei weitere methodistische Prediger und fünftausend Mitglieder folgten. Diejenigen, die am lautesten nach separatistischen Aktionen in Dissentermanier gerufen hatten, um die ihrer Auffassung nach lebendige wesleyanische Tradition zu bewahren, befanden es nun für notwendig, sich abseits von der Konferenz zu organisieren, die Wesley selbst eingerichtet hatte. Dieser Ableger stellte nur den Beginn eines Prozesses dar, der sich im folgenden Jahrhundert fortsetzte, als sich verschiedene Gruppierungen selbstständig machten, um das eine oder andere fundamentale Prinzip zu bewahren, das ihrer Meinung nach wesentlich zum Methodismus oder zum wesleyanischen Erbe gehörte.

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Das wesleyanische Erbe Diese Erschütterungen innerhalb des Methodismus in den Monaten und Jahren nach Wesleys Tod illustrieren einige der politischen Schwierigkeiten, auf die seine Anhänger beim Versuch stießen, das weiterzuführen, was ihrem Verständnis nach die wesleyanische Tradition war. Nahezu jeder begriff, dass die Authentizität der Bewegung in der Zukunft irgendwie von einer gewissen Kontinuität mit der Vergangenheit abhing. Und genau wie man Wesley zu seinen Lebzeiten als das „Zentrum der Einheit“ unter den Methodisten wahrgenommen hatte, legte die Erinnerung an sein Leben und Denken den Grund für die wesleyanische Tradition und das wesleyanische Erbe, die seit Wesleys Tod das Herzstück des Methodismus bilden. Um das methodistische Erbe zu verstehen, ist es notwendig, den Geist Wesleys zu begreifen, den Mann und seine Botschaft. Trotz der offiziellen Ablehnung durch die Methodisten schildert Hampson in seiner Wesley-Biografie ihre führende Persönlichkeit aus erster Hand, und mehrere Schriftstellergenerationen haben aus ihr zitiert: Sein Gesicht war für einen alten Mann eines der edelsten, die wir je gesehen haben. Eine klare, glatte Stirn, eine Adlernase, die klarsten und durchdringendsten Augen, die man sich vorstellen kann; und eine frische Gesichtsfarbe, die man kaum je in einem Mann seines Alters findet, dazu eine vollkommene Gesundheit – das alles wirkt zusammen, um ihn zu einer ehrwürdigen und interessanten Figur zu machen. Wenige haben ihn erblickt, ohne von seiner Erscheinung beeindruckt worden zu sein, und von vielen, die Vorurteile gegen ihn hegten, weiß man, dass sie ihre Meinung in dem Augenblick geändert haben, in dem sie ihm vorgestellt wurden ... Was die Kleidung betrifft, so war er ein Muster an Sauberkeit und Einfachheit. Ein schmales gefaltetes Halstuch, einen Rock mit kleinem Stehkragen; keine Schnallen an den Knien; weder Samt noch Seide in irgendeinem Teil seiner Kleidung, und ein Haupt, so weiß wie Schnee, erinnerten an Urgemeinde und Apostel; während die Atmosphäre von Schlichtheit und Sauberkeit seine ganze Person durchdrang (EMW, 2: 84).

Obwohl klein von Statur, besaß Wesley eine alles beherrschende Präsenz und stand im Ruf einer nahezu legendären Schaffenskraft. Sein Fleiß rief oft Faszination hervor. Er hatte Hunderte von Büchern veröffentlicht, Zehntausende von Predigten gehalten, war Hunderttausende Meilen gereist. Seine Todesanzeige im Gentleman’s Magazine ist ein aufschlussreicher Tribut, selbst wenn man die höfliche Übertreibung berücksichtigt: „Sein persönlicher Einfluss war vielleicht größer als der irgendeines anderen Privatmannes in irgendeinem Land ... Als der Gründer der zahlenmäßig größten Religionsgemeinschaft im Königreich, als Mann und als Schriftsteller muss man ihn als einen der

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außergewöhnlichsten Menschen betrachten, die dieses oder irgendein anderes Zeitalter hervorgebracht hat“ (EMW, 2: 154–156). Selbst „ausgeschlossene Prediger“, die Grund hatten, ihm feindlich gesinnt zu sein, weil sie nicht zu den Gesetzlichen Hundert zählten, wie etwa John Pawsons, räumten bei seinem Tod ein, dass „ihm nun die ganze Welt Ehre erwies, und Menschen unterschiedlichster Art und Stellung gut von ihm sprachen“ (WHS, 49: 16). Wesley war bedeutend als der Mensch, der er war, doch auch deswegen, was er dachte und tat. Er war auch insofern ein Genie, als Beobachter niemals vollkommen verstanden, wer er war und was er dachte. Seine Verbindungen liefen quer zu den üblichen Parteigrenzen, und seine Ideen überbrückten viele verfeindete Positionen. Es lassen sich jedoch wichtige Züge seines Lebens und Denkens ausmachen, die wertvolle Hinweise zu einem tieferen Verständnis des Erbes liefern, das seinen Namen trägt. Seit seiner Zeit in Oxford war sich Wesley bewusst, in der Gegenwart Gottes zu leben, mit aller Bequemlichkeit und Unbequemlichkeit, die das mit sich bringen konnte. Er war sich außerdem bewusst, dass der Einzelne diese Gegenwart Gottes bewusst spüren konnte; und er kam zu der Überzeugung, dass dieser „geistliche Sinn“ genau so verlässlich und lebendig sein konnte wie empirische Sinneswahrnehmung. Der typisch anglikanischen Dreiheit der Autorität (Bibel, Tradition, Verstand) fügte er die unmittelbare menschliche Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit hinzu, die für ihn ein wichtiges Kriterium religiöser Wahrheit darstellte. Er begriff später allerdings auch, dass die Realität von Gottes Gegenwart nicht von der menschlichen Wahrnehmung abhing. Es überrascht daher nicht, dass Wesleys Verständnis des christlichen Lebens auf seinem eigenen geistlichen Weg recht selbstbewusst Gestalt gewann und er sein Augenmerk vor allem auf den Weg des Heils richtete – das Drama der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Wesley selbst bevorzugte den Ausdruck „der biblische Weg des Heils“, weil seine Wahrnehmung der Wahrheit auf einer Sicht der Realität fußte, die in einer biblischen Perspektive verwurzelt war. Seine Worte und Taten atmen die Lehren, die Bildersprache, ja den Wortschatz der Bibel. Doch es war nicht sein Ziel, das erste nachchristliche Jahrhundert im England des achtzehnten Jahrhunderts zu reproduzieren, sondern vielmehr in seiner eigenen Zeit ein Leben zu führen, in dem er der Liebe, die Gott in Jesus Christus der Menschheit erwiesen hatte, treu blieb. Doch er betrachtete auch Gottes Wirken im Leben anderer Menschen als ein wichtiges Instrument, um Gottes Willen und Vorsehung zu verstehen. In mancher Hinsicht wurde sein Verständnis des Evangeliums durch das Leben anderer Menschen ebenso bestätigt wie

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durch sein eigenes. In einem Zeitalter, da der größte Teil der Bevölkerung auf religiösen Fanatismus misstrauisch reagierte, zögerte Wesley nicht, radikale Manifestationen des Wirkens des heiligen Geistes als solche zu akzeptieren, war jedoch auch vorsichtig genug, solche Erfahrungen an biblischen Normen zu messen, um ihre Autorität zu prüfen. Auch wenn er außergewöhnliche Geistesgaben anerkannte, neigte er doch dazu, die gewöhnlichen Gaben zu betonen – Liebe, Frieden, Freude. Obwohl es sein Ziel war, die Kirche zu reformieren und zu erneuern, wurden die Grenzen seiner Hochachtung vor kirchlichen Autoritäten und der kirchlichen Ordnung von seinem Verständnis der frühen Kirche wie auch der Regeln der Kirche von England festgelegt. Insoweit letztere Auftrag und Tradition der ersteren bewahrte, trat er nachdrücklich für die Loyalität zur althergebrachten Ordnung ein. Wenn aktuelle Formen und Regeln mit seiner Berufung, denen zu dienen, die geistliche und körperliche Not litten, in Konflikt gerieten, war er jedoch bereit, gewisse Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, von den Grenzen des normalen Anstands abzuweichen, sie innovativ zu deuten oder auf andere Weise zu dehnen. Viele Spannungen innerhalb der methodistischen Gemeinschaft wurden durch Wesleys besondere Prioritäten in diesen Fragen verursacht. Zum Beispiel war er davon überzeugt, dass Christen das Sakrament häufig („ständig“) empfangen sollten, doch nicht um den Preis der Austeilung durch Laien oder einer nicht rechtmäßigen Ordination. Viele seiner Entscheidungen wurden von der „Notwendigkeit“ im Einzelfall bestimmt, und die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Handhabung erweckten den Anschein, er bleibe sich in seinen Prinzipien oder Prioritäten nicht treu. Diese Schwierigkeit ließ sich teils auf Wesleys Versuch zurückführen, im Lauf seines Lebens Fragen nach Organisation und Auftrag aus einer theologischen Perspektive zu betrachten, die ihrerseits offen für Entwicklung und Veränderung war. Die enge Verflechtung dieser drei Bereiche lieferte das Grundmuster für die Bewegung der Methodisten. Gottes Liebe steht im Mittelpunkt der wesleyanischen Tradition. Sie ist das Fundament ihrer Theologie, der Anstoß für ihren Auftrag und der Grund für ihre Organisation. Von Gottes Liebe zu sprechen heißt, von Gnade zu sprechen; von Gnade zu sprechen heißt, von Gottes liebevoller Beziehung zur Menschheit zu sprechen. Wesleys eigene Auffassung dieser Synergie innerhalb der Beziehung von Gott und Mensch gründete auf einem „festen Vertrauen und der Zuversicht“ auf Gottes Vergebung und das Erlösungshandeln durch Jesus Christus wie auch darauf, dass er durch den heiligen Geist Menschen stärkt und befähigt. Für Wesley waren Rechtfertigung und Heiligung notwendige Bestandteile des täglichen Dramas der Errettung. Und einen „Glauben,

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der durch die Liebe tätig wird“, zu leben, bedeutete nicht, nur Gott zu lieben, sondern auch seinen Nächsten sowie Werke der Frömmigkeit und der Barmherzigkeit zu tun. Und genau wie Wesley die Calvinisten darauf hinwies, dass der Glaube selbst durch die Gnade ermöglicht wird, so betonte er, dass auch diese Werke durch die Gnade ermöglicht werden. Wesleys Theologie ist durch und durch eine Theologie der Gnade. Wenn Wesley zwischen Rechtfertigung und Heiligung unterschied, bedeutete das, dass Vergebung nicht unbedingt mit Vollkommenheit gleichzusetzen war. Die Erfahrung eines Christen umfasst mehr als Glaube und Vergebung. Die Neugeburt, die aus Gottes Vergebung folgt, stellt nur die Schwelle zur Heiligkeit dar, die einen Prozess nach sich zieht, in dem man sich Gottes Gnade öffnet und in einer Gemeinschaft von Gläubigen Liebe übt, die ein Umfeld bietet, in dem man in der Gnade und im Dienst an der Welt wachsen kann. Wesleys Theologie gründete sich auf die Bibel, erwuchs jedoch aus seiner Erfahrung; sie versuchte, das Leben in der Gegenwart Gottes zu erklären. Wesleys Organisation erstand aus der Notwendigkeit, die Saat des Glaubens, die neues Leben schenkt, jeden Tag zu hegen und zu pflegen. Der wesleyanische Auftrag entwickelte sich, um die Liebe zu Gott auch dem Nächsten zu erweisen, das heißt, jedem, der irgendeine Not litt (obwohl vor allem denjenigen in der Familie des Glaubens, die die größte Not litten). Und Wesley sah diese gesamte Entwicklung, seine leitende Rolle eingeschlossen, als Teil von Gottes Wirken in dieser Welt. Die Methodisten waren natürlich nicht immer einer Meinung mit Wesley, von seiner Zeit in Oxford angefangen bis zu seinem Todestag. Viele von ihnen hörten nur das, was sie hören wollten, oder hörten seine Botschaft so, wie sie sie hören wollten. Einige verstanden vielleicht seine Botschaft nicht vollständig oder teilten seine Vision nicht zur Gänze. Sein Horizont umfasste viele scheinbar gegensätzliche Dinge, die ihm wichtig waren, aber normalerweise nicht zusammengehörten: Gelehrsamkeit und lebendige Frömmigkeit, Sakramentalismus und Evangelisation, Rechtfertigung und Heiligung, Glaube und gute Werke, sola fide und sola gratia, Frömmigkeit und Barmherzigkeit, Heiligkeit im persönlichen und im gesellschaftlichen Bereich. Manche, die seine umfassende Perspektive nicht teilten, hielten Wesley für eine verwirrende, schwer fassbare Figur. Es ist überhaupt nicht schwierig, ihn als einen „vernünftigen Enthusiasten“ oder „radikalen Konservativen“ zu porträtieren, wie Henry Rack oder Frank Baker es getan haben. Der Brennpunkt, in dem all diese Anliegen zusammen laufen, war für Wesley die Ausbreitung schriftgemäßer Heiligkeit. Diese Betonung „praktischer Theologie“ war ein zentraler Zug der Tradition des

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„heiligen Leben“, die Jahrhunderte lang viele der traditionellen Gräben innerhalb der Christenheit überbrückt hatte. Wesley konnte sich daher vielen französischen katholischen Mystikern eng verbunden fühlen, wie auch den deutschen Lutheranern, den englischen Calvinisten, den amerikanischen Anhängern der Erweckungsbewegung und den schottischen Evangelikalen, die alle das Erbe der Heiligkeit verband, dass man über Ignatius von Loyola und Thomas a Kempis bis zu den führenden Köpfen der frühen Kirche zurückverfolgen konnte. Ein roter Faden, der sich durch diesen Stammbaum zieht, ist die ganzheitliche Sorge um Gottes Geschöpfe – Geist, Körper und Seele. Das methodistische Programm mit seinen Kliniken und zinslosen Darlehen, Waisenhäusern und Schulen, Wohnraum für Witwen und Armenspeisungen gehörten zu Wesleys Verständnis der Nächstenliebe untrennbar dazu. Die Ironie in Wesleys Versuch, die Kirche durch die Verbreitung schriftgemäßer Heiligkeit zu reformieren, lag darin, dass die meisten seiner gut gemeinten Schritte auf dieses Ziel hin zu einer zunehmend selbstbewussten Identität der Methodisten selbst führten und damit den Druck verstärkten, sich von der Kirche zu trennen. Charles neigte dazu, sich wegen dieser Entwicklung Sorgen zu machen, und befürchtete, die Trennung könne negative Konsequenzen nach sich ziehen. Trotz dieses Risikos hoffte John weiterhin auf die beabsichtigten Ergebnisse und freut sich über jedes positive Signal der Erneuerung. Dieses zweiseitige Bestreben zog sich durch mehrere Generationen von Methodisten hindurch, die Schwierigkeiten hatten, sich selbst als ganz eigenständige Kirche wahrzunehmen. Dieses Gemisch, das der Methodismus darstellte, war im achtzehnten Jahrhundert niemals eine völlig einheitliche Bewegung, so sehr Wesley auch versuchte, die unterschiedlichen Elemente zusammenzuhalten. Prediger und Mitglieder gingen oft eigene Wege, auch wenn Wesley andere Überzeugungen vertrat und die Zügel in der Hand hielt. Die Spannungen rührten oft daher, dass die Menschen nur einen Teil dessen hörten, was Wesley sagte, oder nicht verstehen konnten, wie er unterschiedliche Akzente zusammenhielt. Obwohl Wesley im Allgemeinen ein guter Zuhörer war, hörte er doch zuweilen nicht richtig, was die Leute sagten, oder unterschätzte ihre Schwächen. Der Methodismus hatte zu Wesleys Zeiten – teilweise wegen der strengen Disziplin, die gefordert wurde, um vierteljährlich die Klassenkarte erneuern zu lassen – niemals eine zahlenmäßig große Mitgliedschaft. Doch dass diese Bewegung überhaupt überlebte, schon gar über seinen Tod hinaus, zeigt, dass seine Bemühungen, Menschen in die Erfahrung dessen zu führen, worin er eine wahre Gestalt christlichen Lebens sah, dauerhafte Wirkung besaßen.

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Das wesleyanische Erbe bezieht seine Lebensenergie aus der dynamischen Bildersprache einer Pilgerfahrt. Es ist die Geschichte von Menschen, die sich darum mühen, Gott und sich selbst zu verstehen, während sie ihren Weg von der Geburt bis zum Tod gehen, von der Neugeburt zum ewigen Leben, von der Furcht zur Freude, vom Zweifel zur Zuversicht. Wesley selbst ging diesen Pilgerweg, und während dessen gewann er oft eine neue Perspektive, die ihm das Ganze seines Weges – wo er war und wohin er ging – klarer zu erkennen half. Er war bereit, Dogmen zu überprüfen, Traditionen zu hinterfragen, die Bibel neu auszulegen und sich dem heiligen Geist zu öffnen. Seine Theologie ist daher eine interessante Kombination von Polemik und Apologetik, die sich eher an Einzelfällen orientiert als an einer durchgängigen Systematik. Jedoch sollte man Wesleys Denken aus diesen Gründen nicht als unzusammenhängend oder jeden Denkmusters entbehrend abtun. Die Aufgabe, seine Theologie zu beurteilen, liegt allerdings nicht in erster Linie darin, die Prinzipien seines Denkens und Tuns herauszuarbeiten. Vielmehr kommt es darauf an, die Impulse für seinen geistlichen Weg und dessen Richtung wahrzunehmen, den er als ein reifender Mensch in Gesellschaft einiger Reisegefährten ging, die versuchten, die Imitatio Christi zu leben, um die Welt zu verändern und dabei selbst Veränderung zu erfahren. Wesley war an spekulativer Theologie nicht allzu sehr interessiert; sein Augenmerk galt der „practical divinity“, wie er sie nannte – der Praxis christlicher Jüngerschaft, „den Geist Christi zu haben und zu wandeln, wie er wandelte“. Eine Reihe von Regeln zu befolgen oder eine Reihe von Glaubenssätzen zu akzeptieren, war nicht so wichtig, wie einem Muster göttlicher Tugenden zu entsprechen und in den Fußtapfen Christi zu gehen. Obwohl Wesley eine starke Führungspersönlichkeit war, galt seine Sorge nicht der Herausbildung einer treuen Anhängerschaft von „Wesleyanern“, sondern von treuen Christen. Dass er „echtes Christentum“ mit dem Methodismus gleichsetzen konnte, sollte man nicht in dem sektiererischen Sinn verstehen, dass allein die Methodisten das Geheimnis wahrer Religion bewahrt hätten. Vielmehr war es das Kennzeichen der Methodisten, dass sie Gott und ihren Nächsten liebten, und das war schlicht und einfach das Kennzeichen eines wahren Christen, der den Glauben eines „Gotteskinds“ besaß. Die wesleyanische Ethik der Liebe war ebenso eine Ethik der Tugend wie auch eine Ethik der Verpflichtung. Was die Methodisten taten, war eine Reaktion auf das, was Gott durch Christus an ihnen und durch den heiligen Geist durch sie getan hatte: Was sie taten, wurde dadurch hervorgerufen, wer sie waren. Die verschiedenen Listen mit Regeln waren einfach ein Instrument, an dem man die Aufrichtigkeit

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ihres Glaubens und die Tiefe ihrer Jüngerschaft als Nachfolger Christi maß. Die vielen Taten der Nächstenliebe und Barmherzigkeit ahmten die Liebe Christi nach, der „umherging und Gutes tat“. Der Begriff „Methodist“ hatte eine Geschichte, die sowohl auf die arminianische Denkweise wie auch auf einen methodischen Lebensstil verwies. Wesleys Betonung des „durch die Liebe tätigen Glaubens“ zog notwendigerweise eine Synthese von Glauben und Tun nach sich. Er wird oft als pragmatische Führungspersönlichkeit gesehen, die Nöte wahrnahm und auf sie einging. Er sah sich selbst als Person, der sich der Führung Gottes bewusst war. Vielleicht gibt es keinen Widerspruch zwischen diesen beiden Sichtweisen. Wesleys Selbstverständnis hinsichtlich seiner Berufung war selten von Bescheidenheit geschwächt, vielmehr seinem langen und energiegeladenen Leben deutlich sichtbar aufgeprägt. Es spiegelt sich auch in der Inschrift wider, die man auf seinem Grabstein hinter der City Road Chapel lesen kann: Dieses große Licht erschien durch die einzigartige Vorsehung Gottes, um die Nationen zu erleuchten und die reine apostolische Lehre und die Glaubenspraxis der Urgemeinde wiederzubeleben, zu bekräftigen und zu verteidigen, die er ein halbes Jahrhundert durch seine Arbeit und seine Schriften fortwährend verteidigte; und der zu seiner unaussprechlichen Freude nicht nur sah, wie sie an Einfluss gewann und ihre Wirksamkeit im Herzen und Leben Tausender Menschen bezeugt wurde, weit im Westen wie auch in diesem Königreich, sondern auch über alles menschliche Verstehen und unsere Erwartungen hinaus erlebte, wie durch die einzigartige Gnade Gottes für ihr Weiterwirken und ihren Fortbestand Sorge getragen wurde, zur Freude künftiger Generationen. Leser, wenn du dich befangen fühlst, das Werkzeug zu loben, dann gibt Gott die Ehre.

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Epilog – Empfohlene weiterführende Literatur Death – Heitzenrater, Richard P. „Faithful Unto Death“: Last Years and Legacy of John Wesley (Dallas: Bridwell Library, 1991). Field, Clive. „Bibliography“, Teil 2 von Band 4, A History of The Methodist Church in Great Britain, Hg. Rupert Davies, A. Raymond George, Gordon Rupp (London, Epworth Press, 1988). Hempton, David. Methodism and Politics in British Society, 1750–1850 (London: Hutchinson, 1984). Jarboe, Betty M. John and Charles Wesley: A Bibliography (Metuchen, New Jersey: Scarecrow Press, 1987). Walsh, John. „Methodism at the End of the Eighteenth Century“, in Bd. 1 von A History of The Methodist Church in Great Britain, Hg. Rupert Davies und Gordon Rupp (London, Epworth Press, 1965).

Register Kursive Seitenzahlen weisen auf Illustrationen hin, halbfett gedruckte auf Definitionen oder wichtige Textstellen.

A Abendmahl/Eucharistie/Kommunion 41, 87, 93, 107, 109, 131, 190, 230ff., 247f., 325, 337, 372 Abfall vom Glauben 57, 133, 151, 165, 168, 193, 225, 264 Arcourt, John 146, 147 Act of Supremacy („Gesetz zur Vormachtstellung“) 21, 25, 31, 34 Act of Toleration (1689, „Duldungsgesetz“) 35, 45, 160, 181, 359; Registrierung als Dissenter unter dem D. 205, 231, 249; nach dem D. illegale Zusammenkunft 181 Act of Uniformity 25, 31, 35, 206 Aldersgate Society 100, 104 Alleine, Richard 238 Allgemeine Regeln („General Rules“) 169, 176, 186, 274 Alte Kirche; siehe Urchristentum Amsterdam 352 Andrews, John 290 Anne, Königin 47 Antigua 241 Antinomismus/Antinomisten 30, 37, 57, 76, 132, 148, 169, 175f., 186, 188f., 223, 225, 240, 251, 258, 262f., 278, 286f., 293f., 362 Apostolische Sukzession 84 Architektur 259, 269, 318 Arianismus 349 Arme, Arbeit unter den A. 43ff., 66, 74, 131, 145, 152, 155f., 299ff., 333, 352, 367, 378 Armenhaus (London) f202, 230 Arminianer 28ff., 36ff., 67, 108, 127, 149, 172, 176, 285, 288, 298, 311, 318, 380 Arminian Magazine („Arminianisches Magazin“) 317, 331, 348, 356

Arminius, Jakob 28, 318 Articles of Agreement („Artikel der Übereinkunft“) 284, 302, 306, 373 Articles of Religion, („Artikel“), zweiundvierzig 22; sechs 22; zehn 21; neununddreißig 26; 31, 33, 35, 215, 255, 269, 305, 341f., 346; vierundzwanzig (fünfundzwanzig) 342 Artikel (der Religion); siehe Articles of Religion Artikel der Übereinkunft; siehe Articles of Agreement Apotheke/Arzneien/medizinische Versorgung 187, 202, 230, 314f. Asbury, Francis 290, 292, 308, 313f., 325, 336f., 339f., 342ff., 354f., 365f., 366 Assistenten 185, 194, 211f., 217, 267, 269, 278, 281, 290, 298, 306, 315, 320, 327, 330, 337f., 350ff. Atlay, John 308 Aufrichtigkeit 65, 76, 103, 147, 169, 380 Augustin von Canterbury 19 Augustin von Hippo 203, 350 Ausschreitungen/Aufstände/Unruhen 161, 206, 324, 329; siehe auch Mob B Baddiley, James 244 Bailey, John 209 Ball, Roger 236 Bandon 200, 209 Banden 109, 111, 115, 217, 237, 251, 270, 280, 285, 330 Büßerbanden, Banden der Reuigen 151, 177, ausgewählte Banden 144 Baptisten 31, 180, 237, 242 Barratt’s Chapel (Delaware) 344 Befriedungsplan 373

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Register

Beharrlichkeit der Heiligen 29, 114, 130, 132, 141, 147f., 173, 207, 225, 287 Bekehrung 108, 121, 247, 296f., 310, 330; augenblickliche B. 101 Belfast 327 Bell, George 251f., 259, 263, 272f. Bengel, Johannes 227 Bennet, John 161, 170, 174, 179, 209, 222 Bennis, Elizabeth 281 Benson, Joseph 285, 297, 304, 306, 336, 340 Berridge, John 244, 256 Besuche 43, 100; Besuchsplan 300 Beveridge, William 56, 96 Bevölkerungszahlen 219 Beza, Theodor 28 Bezirke 196, 207, 218, 224, 259, 279, 327, 361 Bezirkspredigtpläne 229 Bezirkstreffen, vierteljährliche 201, 207, 211, 224, 279 Bibel 58, 96, 107, 272; Authorized Version („King James“) 30, 227, 341; Bischofsbibel 25; Geneva („Hosenbibel“); „Große“ 20; als maßgebliche Autorität 27, 101, 117, 158, 176, 295, 375; sola scriptura 27, 38, 272 Bibelbefragung 114; siehe auch Vorsehung Bildung 262, 325; siehe auch Kingswood Bingham, John 67 Birstall 167, 170, 179, 328f., 333, 356 Bischöflich-methodistische Kirche; siehe Methodist Episcopal Church Boardman, Richard 291, 306 Böhler, Peter 100-103, 107-109, 112, 119 Book of Common Prayer 22, 26, 31, 215, 255, 305, 340-342; Vorschläge zur Revision 305, 342 Book of Homilies („Homilienbuch“) 22, 26, 101, 111, 214f., 255, 259, 305, 341f. Book Room 354 Bosanquet (Fletcher), Mary 280, 294, 348 Bourignon, Antoinette 75 Bovey, Margaret 88, 91 Boyce, John 65 Bradburn, Samuel 354, 368, 370 Bradford, Joseph 304, 318 Brevint, Daniel 189f. Brieftage 177 Briggs, William 225, 266 Bristol 122; Newgate-Gefängnis 124, 152 Broughton, Thomas 10, 79, 153

Buchdruck 270, 307, 318; Druckerpresse 188; Gewinne 238, 371 Bund mit den Predigern 224, 227, 232, 238; siehe auch Articles of Agreement Bundeserneuerung 200, 238, 251 Burke, Edmund 307 Burton, John 79ff., 90 Buße 164, 176, 185, 189f., 194, 200, 212, 215, 233, 240, 242, 263f., 272, 286, 312 Butler, Joseph, Bischof von Bristol 126, 164 Butler, Nicholas 209 Butts, Thomas 225 Byrom, John 65 C Cadogan, Dr. 322 Calvin, Jean 23, 29, 173 Calvinist(en) 29f., 36f., 55, 95, 126, 131ff., 141, 147, 149f., 172, 180f., 186, 228, 262f., 285ff., 292ff., 296, 306, 311, 316f., 324, 362, 377f. Cambridge Methodists 99 Cambridge Platonists 34 Catholic Relief Act („Gesetz zur Entlastung der Katholiken“) 323f. Causton, Thomas 93, 98 Cennick, John 123, 135, 140f., 147, 149f., 198 Chandler, Edward, Bischof von Durham 206 Chandler, Thomas 322, 346 Charles Edward Stuart („Bonnie Prince Charlie“) 34, 163, 184, 196 Charleston (South Carolina) 90 Christus; Nachfolge u. Nachahmung Christi 56, 96, 300, 379 Christus, Rechtfertigung durch (zugesprochene und zugeeignete) 132, 157, 264ff., 273, 275 Christ, Definition eines Ch.en (Namensch., „Beinahe-Ch.“, „GanzCh.“) 56, 104, 106, 110, 115f., 157, 159f., 192, 274, 356 Churchey, Walter 358 City Road, Kapelle in der 318ff., 319, 380, Ansicht 319 Clayton, John 65ff., 70f., 96, 102 Clifford, William 101 Clulow, William 334, 360 Coalbrookdale 322 Coke, Thomas 315, 327, 332, 332ff., 337ff., 351ff., 354f., 361, 368, 371

Register Collection of Psalms and Hymns 88, 92, 97 collegia philobiblia 39 collegia pietatis 38f. Collins, Brian Bury 325 Compton, Mrs. 117 Connexio 135, 182, 223f., 226f., 232, 237, 277, 283, 295, 300, 302, 318, 327f., 330, 333, 337, 343f., 351, 373 Conventicle Act („Gesetz zur Zusammenkunft“) 360 Cooper, Ezekiel 365 Cork 199, 209, 219 Cornwall 121, 163, 183f., 186, 193, 244, 368 The Country Parson’s Advice („Ratschläge eines Landpfarrers“) 200 Cownley 290 Cranmer, Thomas 20, 22f., 26 Cromwell, Oliver 31 Cromwell, Thomas 21 Crosby, Sarah 280f., 291 Cross Hall (Yorkshire) 280 Cudworth, William 242, 248, 258, 264 D Darney, William 179, 221f., 228 Dartmouth, Earl of 243, 307f., 312 Davis, Mark 239, 302 De Renty, Gaston 39, 60, 96 Deacon, Thomas 65 Deisten/Deismus 37, 58, 240, 349 Deklarationsurkunde 334, 346f., 368, 371, 373 Delamotte, Charles 80, 91, 99, 114, 266 Devlin 231 Dewsbury, Gesellschaft von 356, Predigthaus 356 Disziplin/Ordnung 41f., 92, 96, 168f., 176, 213, 219, 230, 235, 240, 242, 262, 284, 295, 300, 337, 350 Dissenter; siehe Nonkonformisten Downes, John 174, 243 Dromgoole 337f. Dublin 197ff., 206, 208f., 219, 298, 360 Duldungsgesetz; siehe Act of Toleration E Eduard VI. 22f. Edwards, John 235, 237, 242, 345 Edwards, Jonathan 110, 127, 189 Egmont, Viscount Percival, Earl of 98 Elizabeth I. 15; Elizabethan Settlement („Elisabethanische Übereinkunft“) 23, 28f., 40

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Embury, Philipp 289 Enthusiasmus 70, 160, 172, 181, 195, 266, 272, 317 Ephrem Syrus 89 Epworth, religiöse Gesellschaft von 47ff., 66, Erweckung dort 328 Epworth, St. Andrew’s Church 48, 170 Equiano, Olaudah 365 Erasmus, „Bischof“ 277 erastianische Regierungsform 21 Erfahrung (als maßgebliche Autorität) 159, 375, 377 Erkenntnislehre, religiöse 159, 375 Erneuerung 215; siehe auch Neugeburt Erweckungen, örtlich begrenzte 179, 296, 328; in Amerika 314; in England 345f. Eschatologie 348, 361 Evangelisation 165, 275 Evans, Caleb 311 Everton 296f. F Fanatical Conversion („Fanatische Bekehrung“) 317 Fasten 110, 137, 326 Fastenzeiten, feste 66, 68, 77 Feathers’ Tavern 302, 305 Fénelon, Kardinal 75 Fenwick, Michael 222, 252 Fetter Lane Society 103, 109, 115, 119, 130f., 133, 136ff., 142, 150, 156, 164 Feldpredigten; siehe Predigten Fletcher, John 244, 267, 285, 293f., 301ff., 303, 311, 316, 327, 332, 336, 339f., 348; Checks to Antinomism 294, 298 Fond, allgemeiner 211, 237, 253, 353; Kingswood 237, 353; Prediger-F. 253, 279, 353, 371; jährlicher Mitgliedsbeitrag 279, 283, 301; ein Penny pro Woche 145, 156, 301, F. für Sonderausgaben 353 Foundery; siehe Gießerei Fox, Mr. 98, 117 Foxe, John Märtyrerbuch 23, 33 Foy, Captain 145 Francke, August Hermann 38, 84, 108, 168 Franklin, Benjamin, Druckerpresse 188 Französische Propheten 117 Frauen 269, 326, 371; im Predigtdienst 233, 280f., 295, 327, 351, 369 Frühes Aufstehen 68, 77 Furcht 82, 100f., 105f., 112, 186, 241, 266

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Register

Frederica 86ff. Freier Wille 28, 173, 363 Freiheit 302, 310, 343, 345, 359 Frieden von Paris 337 Furley, Samuel 244 G Gale, Theophilus 36f. Gambold, John 17, 135, 139, 165 Gardner, John 352 Gebetstreffen 281, 294, 297 Geister, die G. prüfen 117 gemeinsame Kasse (Gütergemeinschaft) 201 Gentleman’s Magazine 367, 375 Georg II. 163 Georg III. 104, 257 Gesang 270, 275f., 323 Gesetz zur Entlastung der Katholiken; siehe Catholic Relief Act Gesetz zur Vereinheitlichung; siehe Act of Uniformity Gesetz zur Vormachtstellung; siehe Act of Supremacy Gesetz zur Zusammenkunft; siehe Conventicle Act Gewissheit 11, 57, 64f., 76, 83f., 96, 100ff., 107f., 110, 112ff., 116, 127, 130, 134f., 158, 176, 185f., 192ff., 200, 213ff., 225, 241, 264, 266, 272ff., 310, 365, Ausnahmefälle 185, 194 Abstufungen 113f. Gibson, Edmund, Bischof 160, 195, 88 Gillespie, Robert 222 Gießerei („Foundery“) 173, 201ff., 229f., 281, 299, 318 Gießerei-Gesellschaft 136, 141, 145, 150, 252 Glauben 51, 55, 95, 104, 107f., 112, 132, 186, 189, 193f., 214f., 241, 263f.; sola fide 29f., 84, 132, 185, 266, 377; Abstufungen im G. 101, 106, 110, 112, 130, 176; als von Gott geschenkte Überzeugung 193; Früchte des G. (Liebe, Freude, Friede) 104ff., 108, 111f.; 116; G. eines Knechts/Sohns 310, 357; als feste Zuversicht und Vertrauen 193, 377; durch die Liebe tätig 160, 362, 377, 380 Glaubensartikel; siehe Articles of Religion Glaubensgewissheit; siehe Gewissheit Glaubenslehre, methodistische 159, 174ff., 182, 218, 222, 225, 235, 253ff.,

261f., 284f., 337, 350f.; zentrale Lehren 190, 244, 257, 287; Lehrnormen 255, 284, 329, 337; Lehrnormen in Amerika 341f.; siehe auch besondere Lehren Doddridge, Philip 216, 227 Gnade 36, 84, 92, 215, 244, 247, 263, 287, 306, 348, 377; zuvorkommende G. 215, 263; Gnadenmittel 57, 96, 110, 116, 131f., 166, 169, 217, 247; G. und Gaben 209, 213, 221, 233, 244, 289, 295, 304, 315; sola gratia 29, 377 Goldsmith, Oliver 304 Goodwin, John 264 Gordon, George, Lord 324 Gospel Magazine 316, 324 Green, John 229 Griffiths, Robin 57 Grimsby 327 Grimshaw, William 221, 227, 230, 232, 235, 244, 249, 285 Guinea Street Chapel (Bristol) 370 Guyon, Mme. 75 Guyse, John 227 H Häftling(e) 44, 189; siehe auch Oxford, Bocardo und Burg; London, Newgate und Marshalsea; Bristol, Newgate Halifax-Rundbrief 368 Hall, Westley 80, 135, 150 Halle, Waisenhaus 108, 168; Universität 84 Hampson, John 336, 371, 374 Hanby, Thomas 347 Harper, Joseph 351 Harris, Howell 99, 121, 142, 164, 179, 207, 249, 252f., 256, 286 Harrison, Hannah 281 Harrison, John 316 Hassel, Betty 87 Haward, William 65 Haweis, Thomas 256 Hawes, William 314f. Haworth 221, 227, 230, 244 Heck, Barbara 289 Heil, kein H. außerhalb der Kirche 235; Weg zum H. 262f., 375; siehe auch via salutis Heil/Errettung durch den Glauben 101, 111, 192, 258; siehe auch Glauben, sola fide Heiliges Leben 56, 74ff., 98, 119, 160, 176, 378

Register Heiligkeit 50f., 56f., 69, 74, 77, 79, 110, 132, 245, 363f., 306, 362f. Heiligkeit, des Herzens und Lebens 40, 64; und Freude 105, 111, 348; innere und äußere 257, 262; als notwendige Bedingung 158; schriftgemäße 256, 275, 288, 358, 378 Heiliger Geist 116; Wirken des H.G. 110, 115ff., 127, 377, 379; Frucht des G. 113, 116, 272; Gaben des G. 153, 272, 178; Zeugnis des G. 84, 104, 113, 116f., 192, 264, 272 Heiligung 10, 36, 40f., 50f., 56f., 69f., 77, 79, 105, 108, 114, 117, 130, 133, 173, 176, 185, 189f., 215, 237, 250, 256, 263, 288, 298, 377; relative/wirkliche Veränderung 263; „zweite Segnung“ 294 Heilsgewissheit; siehe Gewissheit Heinrich VIII. 18, 21ff., 25 Helfer 211f., 306; siehe auch Laienprediger Heptonstall, achteckiges Predigthaus, 258f. Herring, Thomas, Erzbischof 160 Herrnhut 84, 94, 109f., 134 Herrnhuter (Personen) 84ff., 91, 99ff., 103ff., 111, 119, 158, 172ff., 180, 225, 240, 273, 309, 362; Kontroversen mit den H. 108, 133f., 147, 150, 164f., 172f.; H. und Luther 165; englische H. 108, 110, 112, 181; Herzenstheologie 38, 96; Quietismus („Stille“) 132f., 137, 141, 175, 189 Herrnhuter Brüdergemeine (Organisation) 106, 109, 129, 133f., 144, 274 Hervey, James 74, 79, 99, 240, 264 Heylyn, John 227 Hill, Richard 285 Hird, Grace 87 Hird, Mark 87 Hird, Phoebe 87 Hird, Thomas 87 Hodges, John 170, 174 Hogarth, William 154; „Leichtgläubigkeit, Aberglaube und Fanatismus“ 180; „Die schlafende Gemeinde“ 245 Holburn, St. Andrews Church 102 Homer 203 Hooke, Nathaniel 304 Hooker, Richard 27f.; Laws of Ecclesiastical Polity 26 Homilienbuch; siehe Book of Homilies Hopkey (Williamson), Sophy 10, 88, 91f.

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Hopper, Christopher 290, 327, 347 Horneck, Anton 40 Hoskins, John 325 Hows, Robert 86, 88 Huddersfield 257f. Humphreys, Joseph 141, 147, 150 Huntington, Selina 149, 164, 167, 173, 179, 207, 222, 244, 285, 292f., 337 Hutton, James 99ff., 103, 106, 111, 115, 131, 138, 173 Hutton, Mrs. 106, 310 I Ignatius von Loyola 378 Indianer 84ff., 89; (Cherokee) 164; (Choctaw) 89; (Creek) 85, 89 Ingham, Benjamin 70, 71, 74, 79f., 86ff., 98f., 111, 121, 135, 138, 151f., 164, 170, 179, 225, 242 Irland 26, 197, 206ff., J Jaco, Peter 250 Jakobiten 34, 46, 50 Jakob I. 30 Jakob II. 33, 46 James Stuart („The Old Pretender“) 34, 46 Johnson, Samuel 310f. Jones, David 90 Jones, Griffith 99, 121 Jones, John 277 K Kabinettsrat 232, 327, 339, 347 Karl I. 30ff. Karl II. 31 Karte: London Road 163 Katholiken, Römisch-Katholische Kirche 17f., 22ff., 27f., 30, 33, 35, 96, 209f., 240, 242, 294, 323f., 378 Kilham, Alexander 372f. Kinder, Arbeit mit K. 131, 155, 203, 262, 277, 297; „Kleine Gesellschaften“ 201; Erweckungen 328; siehe auch Kingswood School King, John 291 King, Peter 221, 337 King’s Book, The 22 Kingswood 121, 139, 161, 171; Gesellschaft 150f. Kingswood School 131, 153, 203ff., 204, 237f., 285, 304f.; Ansicht 204

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Register

Kirche von England 51, 218, 243f., 256, 358, 376; Gottesdienstbesuch 330, 349f.; Trennung von der K., 103, 160, 171f., 176, 190, 218, 224, 230ff., 248f., 260f., 277f., 282, 346ff., 360, 370, 378 Kirche von England, Lehre der 111, Richtschnur in Lehrfragen 254, 341; siehe auch Articles of Religion Kirkham, Robert 57, 60f., 63, 65 Kirkham, Sarah („Varanese“) 57 Kirkman, William 202 Klassen 145f.; Klassenleiter 145f.; Prüfung 213; Mitgliedskarten 149, 151, 169, 213, 242, 379 Konferenz, Struktur 135, 177, 278, 284, 326f., 334ff., 346f., 368; die „Gesetzlichen Hundert“ 334f., 346, 368, 375 Schilderungen 315f., 360f.; Tagesordnung 285; siehe auch Deklarationsurkunde Konferenzen, jährliche 172ff., 185, 220, 225, 232, 269, 271; irische 224, 239, 269, 320; amerikanische 306; Fluvanna 324; „Weihnachts-K.“ 344f. Konferenzprotokolle 177, 211f., „Große“ Protokolle 253f., 269f., 285, 305, 326, 337, 344, 358, 361; jährliche („Penny“) Protokolle 269, 285; Nachrufe in den K. 316 Konferenzprotokolle, amerikanische 292, 344 Kongregationalisten 31 Krankenbesuch 156, 341 L Lackington, James 297, 299 Latitudinarier 34 La Roche, Sophie von 357 LaTrobe, Benjamin 198 Law, William 75, 96, 143, 158, 189, 240; Serious Call 64 Legale Hundert; siehe Konferenz Lesen 270ff.; Lesemethoden 194 Leihkasse/Darlehensfond 201, 283, 299; Schuldschein 298 Liebe 86; Gottes/zu Gott 42, 112, 116, 186, 376f.; zu Gott und dem Nächsten 69, 132, 157, 192, 331, 358, 377, 380 Liebesmahl 115, 138, 150, 217, 270, 317, 351 Lieder/Choräle 92, 275f.; siehe auch Singen Locke, John 37

London, Kennington Common 125f.; Little Britain 105; Marshalsea (Gefängnis) 152; Nettleton Court 105; Newgate (Gefängnis) 152; St. Andrew’s, Holborn 102; St. Helen’s, Bishopsgate 100; St. James‘ 171; Tyburn 153f.; Ansicht 42 London, Gesellschaft und Bezirk 144ff., 219, 229, 250f., 314, 352 Los; siehe Vorhersehung Lovely Lane Chapel (Baltimore) 244 Lowes, Matthew 234 Lowth, Robert, Bischof von London 325 Lumley, William 316 Luther, Martin 21, 164, 358 Lutheraner/lutherisch 22, 95, 181, 378 M McNab, Alexander 320, 327 Madan, Martin 256 Madocks, John 333f. Mallett, Sarah 350 Manchester, Gesellschaft in 235 March, Miss 299f. Marianische Exilanten 23 Marriott, Elizabeth 297 Maria I. 22 Maria II. 34 Mather, Alexander 315, 354, 360, 368 Maxfield, Thomas 141f., 173, 251f., 259, 263, 273 meditative Frömmigkeit 64, 69f., 127, 263 Mitgliederzahl 219, 278, 298, 314, 327; in Amerika 292, 336; Grafik 313 Meriton, Thomas 173f. Methodist Episcopal Church 345, 365 Methodist New Connection (Neue Methodistische Connexio) 373 Methodisten, Begriff 63, 67, 70, 128f., 132, 183, 208, 219, 258 Methodisten, Neue 36, 63 Methodisten, als Papisten 163, 294; als Kirche 211, 340; Dissentermethodisten 372; „Kirchenmethodisten“ 369; „Konferenzmethodisten“ 370 Methodisten, irische („Swaddlers“) 198 Miliz, methodistische 359 Minethorp, William 316 Missionsarbeit 352; in Afrika 315, 333; in Asien 352; Missionsgesellschaft 333 Mob 142, 153, 161, 195, 198, 209, 243, 302, 317; siehe auch Unruhen

Register Modell-Urkunde 254, 262, 283, 285, 328f., 329, 333, 256 Molther, Philip Henry 131, 133, 137 Monarchie 19, 163f., 358f.; Wiederherstellung der M. 31 Moon, John 337 Moore, Henry 141, 358, 371f. Morus, Thomas 19 Morgan, Richard, Brief an 69f., 144 Morgan, William 53, 59ff., 65f., 68 Morley, John 250 Murray, Grace 209 Mystik(er) 51, 75f., 84, 96f., 266, 378 N Nächstenliebe 55, 69, 152, 202, 299, 378, 380; Predigt über N. 348 Nachtwache 74, 115, 151f., 217, 317 Nelson, John 167, 170, 173, 180, 247 Nelson, Robert 56 Neonomismus 36 Netzwerk; siehe Connexio Neugeburt/Wiedergeburt 112, 117, 247, 263, 287 New Room (Bristol) 105, 128, 144f., 230, 333, 370, 372; (Außenansicht) 129; (Innenansicht) 206 Newcastle 195; Bezirk 224; Sandgate 166f.; Waisenhaus 167f., 209 Newman, Henry 81 Newton, Isaac 37 New York, Dachgeschoss 289, Kapelle John Street 290f. Nonkonformisten (Dissenter) 33, 36, 38, 46, 180f., 205, 230, 249, 337 Nonjurors 34, 46, 65, 96 North, Lord 307f. Norwich, Gesellschaft 230, 242, 247, 250, 260, 320, 351 Núñez, Dr. Samuel 91 O Oglethorpe, James 79f. Ökumenische Gesinnung 210, 215 Oliver, John 294 Olivers, Thomas 293f., 302 Ordination 231f., 235f., 247, 249, 277, 305, 324f., 354, 369, 376; für Amerika 337ff., 346, 371; für Schottland 346f., 350; für England 354 Ordnung, amerikanische Form der 344, 365 Osborne, Thomas 249

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Oxford 98, 102,139; Ansicht 54; Stadtplan 72f.; Bocardo (Gefängnis) 61ff., 98; Carfax (St. Michael’s) 98; Burg (Gefängnis, „Castle Prison“) 61, 63, 98, 101; Gloucester GreenArbeitshaus 74; Bartholomew’s Hospital 74; St. Mary’s 68, 182; St. Thomas-Arbeitshaus 66, 117; Hamel 74 Oxford, Universität 51; Christ Church 54, 57, 59, 67, 71, 74; St. Edmund’s Hall 285 Oxford-Methodisten 50f., 53-74, 100, 103, 129, 152f., 287, 321; meditative Frömmigkeit der O. 64f., 119, 127, 263; Methoden der O. 76; „sakramentale“ Tendenzen 6; als Heiliger Club, Club der Gottesfürchtigen, Bibelmotten, Soll-Übererfüller 63 Oxford Methodists, The (1733) 70 Oxford, Gesellschaft in 60, 165; siehe auch Mr. Fox P Parlament 19, 21ff., 25, 31, 33f. Pastoren, unzureichende 349 Pawson, John 253, 257, 320, 339, 347, 360, 375 Payne, Thomas 303 Peacock, John 327 Perronet, Charles 231, 244, 298 Perronet, Vincent 208, 216, 222f. Pferd(e) 63, 270, 284, 344, 361 Phillips, Sir John 66, 79 Piers, Henry 174 Pietismus/Pietisten 51, 92, 146; deutscher P. 38, 96, 121 Pilmore, Joseph 291f., 306, 336 Pine, William 295 Plat, Mrs. 62 Plymouth 197, 329 Pocklington 243 Portland Chapel, Bristol 370, 372 Potter, John (Bischof) 78, 171 Prädestination 22, 28f., 37, 57, 132f., 142, 146ff., 150, 166, 172ff., 207, 225, 240, 258, 363, 288, 318, 342 Prediger, Laienp. /Reisep. („Söhne im Evangelium“, Helfer) 141, 142, 170, 175, 185, 211f., 222, 271, 279, 297, 315, 321, 344; Ratschläge an die Prediger 295, jährliche Prüfung 213, Predigerprüfung 121f., 220ff., 232ff.,

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Register

245f., 278ff., 306, 361; Zuweisung der Dienstorte 177, 327, 360; Gesundheit der P. 322, 361; erschöpfte/überzählige (zusätzliche) Prediger 279, 330; unzulängliche P. 315; unautorisierte P.tätigkeit 327; verheiratete P. 326f.; Ehefrauen 220, 326, 353; Frauen 233, 280f., 294f., 327, 351, 369; örtliche/Lokalp. 222, 277, 280, 289, 367, 371f.; siehe auch Bund mit den P. Predigen 38, 220, 325, 329f.; Ratschläge zum P. 351; unter freiem Himmel („Feldpredigten“) 121, 123ff., 177, 182ff., 186, 196f., 200, 208, 214, 217, 223, 234, 275; Laienpredigten 139, 142, 186, 231, 234; „Evangeliumspredigten“ 223ff.; aus dem Stegreif 102, 234 Predigthäuser/-stätten 168, 230, 258f., 269f., 283f., 328, 356; als Kapellen 337 Predigtplan/Bezirkspredigtplan 229f. Presbyterianer 30f., 208 Probezeit 212 Protokoll, verbindliches 344, 355, 366 Puritaner 18, 25, 27f., 30, 35f., 38ff., 50f., 92, 157, 172, 181 Q Quäker 31, 140, 168, 180, 233, 240, 242, 260, 281 Quietismus; siehe Herrnhuter, Quietismus Quincy, Samuel 80f., 84 R Ramsey, Robert 153 Rankin, Thomas 306, 308, 320 Rationalismus 37 Ratschläge eines Landpfarrers; siehe Country Parson’s Advice, The Rechtfertigung durch den Glauben (Vergebung) 106f., 110, 114, 116, 130, 132f., 158, 164, 166, 185, 193ff., 207, 214, 244, 263ff., 273f., 287, 298, 377; relative Veränderung 263; zweite R. 294 Redruth 197; R.-Plan 368 Reed, Mr. 88 Reeves, Jonathan 197, 213 Reformation in England 18-27 Regeln und Ordnungen 74f., 176f., 186, 223, 237, 251, 269, 282, 330, 380; für

Assistenten 211; für Gesellschaften und Banden 115; für Prediger (1747) 199 Reinlichkeit 260, 282 Reiseprediger 127, 164, 171, 222, 226, 233f., 280, 329f., 343f., 368 „religiöse Gesellschaften“ (religious societies) 39ff., 47ff., 102, 111, 118, 121, 181; Cripplegate 42; Islington 115; Nicholas Street, Baldwin Street (Bristol) 124, 128, 130; Savannah 86; Regeln und Ordnungen 41, 115 Relly, James 258 Restauration 31, 38f., 157 Revolution, amerikanische 307f., 336f.; französische 359; „Glorreiche“ (Glorious Revolution) 34 Richards, Thomas 141f., 174 Riot Act 161, 206 Ritchie, Elizabeth 362, 365, 367 Rivington, Charles 79 Robson, John 135 Rolvenden 249 Romaine, William 288 Romley, John 170 Rotherham, Gesellschaft in 235 Rowland, Daniel 121 Rutherforth, Thomas 274f. Ryan, Sarah 280 S Sakramente 21, 44, 59, 61, 142, 171, 190, 230f., 233, 235, 239, 247, 249f., 254, 256, 280, 304ff., 318, 320, 324f., 338, 340, 350, 356, 369, 373, 376 Salmon, Matthew 80 Salzburger 45, 84, 91 St. Ives 219, 277 Savannah 85ff.; Schule in S. 90f. Scarborough 349; Predigthaus in S. 319 Schottland 30, 121, 163, 184, 195, 219, 259, 304, 345, 346ff., 369 Schutzengel 161f. Seabury, Samuel 337, 345 Selbstverleugnung 68f., 76, 233 Selbstprüfung 56, 69, 74, 111, 114, 310 Sellon, Walter 232 Seward, William 142 Shadford, George 344 Shaw, Mr. 142 Shent, William 234 Sherlock, Bischof Thomas 231 Shirley, Walter 292f.

Register Shoreham 197, 216, 222, 244 Sinauky 85 Sklaven/Sklaverei 83, 90, 123, 137, 312, 365 Slocomb, John 316 Smith, John (Pseudonym) 191, 194, 196, 241 Smyth, Edward 320 Snowsfield, Kapelle 172 Society for Promoting Christian Knowledge („Gesellschaft zur Verbreitung christlicher Erkenntnis“) 40, 44f., 47, 49, 66, 80f., 88, 99, 155 Society for the Propagation of the Gospel („Gesellschaft zur Verkündigung des Evangeliums“) 44, 80, 90f.; Siegel 83 Society for the Reformation of Manners („Gesellschaft für die Reform der Sitten“) 43 Solifidianer 30 Sozinianer 306 Spa Fields, Kapelle 337f. Spangenberg, August 84, 112, 173 Spener, Philipp Jakob 38, 84, 146; Pia Desideria 38 Spitalfields 229, 238, 251 spürbare Gegenwart Gottes 192, 375 Sünde 273; Vergebung der S. 106, 125; siehe auch Rechtfertigung; Freiheit von der S. 102, 106, 108, 112, 114, 273; simul iustus et peccator 273 Stanton Harcourt 17, 51; St. Michael’s Church 16 Steel, Richard 282 Stillingfleet, Edward 186, 337 Stille, Stillsein; siehe Herrnhuter Quietismus Stonehouse, George 103 Strangers’ Friend Society („Gesellschaft der Freunde der Fremden“) 352 Strawbridge, Robert 290 Sutcliffe, John 328, 360f. Synergie 36, 377 Synode von Dordrecht 29 T Tailfer, Patrick 89, 92 Tattershall, Thomas 349 Taufe 240f., 247, 341, Taylor, David 164, 179 Taylor, John 167 Taylor, Jeremy 56, 165, 365

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Taylor, Joseph 347 Taylor, Samuel 174 Taylor, Thomas (New York) 289 Taylor, Thomas 315, 321 Theologia Germanica 75, 96 Theologie, praktische 187, 216, 378f. Thomas von Kempen 56, 76, 378 Tod 156, 365 Told, Silas 135 Tomline, Pretyman, Bischof von Lincoln 360 Tomochichi 85 Tooker, John 236 Tompson, Richard 241 Toplady, Augustus 285, 293, 311 Towgood, Micaiah 240 Tradition (als maßgebliche Autorität) 27, 375, 379 Traktatgesellschaft (Tract Society) 332 Trembath, John 197f. Treuhänder 205, 255, 319, 328f., 333, 356, 370ff. Trevecca College 285f., 293 Trient, Konzil von 23, 27 Tucker, Josiah 126f., 157f. Tugend(en) 24 , 56, 63, 65, 69, 159, 210, 379f. U universale Versöhnung 29, 126, 157, 175, 189, 363 Urchristentum 84, 96, 216, 295, 340f., 343, 376 Uré, Rachel 90 Urlsperger, Samuel 84 V Valton, John 360 Vasey, Thomas 339, 342, 344 Venn, Henry 257 Vereinigte Gesellschaften (United Societies) 128, 131, 135ff., 181, 207, 218, 220 Verfolgung 197; siehe auch Mob, Unruhen Versöhnung 189, 363; universale 29, 126, 157, 363 Verstand (als maßgebliche Autorität) 27f., 159, 165, 266, 295, 375 Verwalter 146, 155f., 177, 201, 203, 211, 217, 279, 298, 300, 351, 373; allgemeiner V. 279; Buchv. 225, 318 Verwalter der Kolonie Georgia 90, 98 Vesey, Mrs. 61 via media 25, 27f., 30, 55

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Register

via salutis 215, 263, 323, 348 Viney, Richard 173 Vollkommenheit, christliche 65, 70, 108, 185, 207, 248, 250ff., 263, 273, 285, 288 Vollkommenheit, sündlose 108, 116, 148f., 158, 208 Vorher-Wissen, göttliches 28 Vorsehung 80, 104, 197f., 212, 216, 266, 271, 295, 376, 380 W Wales 121, 164, 183, 186, 197, 208, 210, 219, 259, 332 Walker, Samuel 232, 234, 241, 244 Walpole, Horace 348 Walsh, John 296 Walsh, Thomas 230f., 239 Walton, Grace 281 Wanderprediger; siehe Reiseprediger War Among the Angels of the Churches, A („Ein Krieg unter den Engeln der Gemeinden“, 1638) 37 Washington, Henry 102 Wathen, Samuel 140 Watts, Isaac 354, 365 Weardale 296f. Webb, Thomas 291, 292 Wednesbury 162 Werke, gute 36, 55, 116, 165, 176, 185, 263f., 287, 293 Werkgerechtigkeit 29f., 36, 65, 286 Wesley, Charles 98, 101f., 124, 128, 169, 205, 236; über den Abfall vom Glauben 151; und die Armen 353; Bekehrung 103f., 105, 122; in Epworth 45, 50; Feldpredigten 196; Heirat 208; in Irland 198; als Katholik 208f.; und Laienprediger 142f., 247, 320; Meinungsverschiedenheiten mit John 134, 150, 164, 222, 233, 239, 248, 277, 321, 369; als Johns Nachfolger 227; Ordinationen 80; über die Ordination 235f., 277, 339; in Oxford 57, 71, 74; zu Pferd 270; als Prüfer der Laienprediger 213, 220ff., 232, 235, 277; Aufgabe der Reisetätigkeit 277; Tagebuch 59, 74, 98; Tod und Nachruf 354; Vorwurf des Verrats 184 Wesley, Charles, Dichtung 270, 354; „Jesu, Lover of my Soul“ 323; „Epigramm“ 339; „Universale Erlösung“ 126, 147; „Catholic Love“ 210; „Life of Faith“ 362, „Wrestling Jacob“

354; zur Eröffnung von Kingswood 262; gegen Laienprediger 321 Wesley, Charles, Schriften: Epistle to John Wesley 235; Hymns for Children 276; Hymns für the Use of Families 276; Hymns on the Trinity 276; Short Hymns of Scripture 276 Wesley, Charles, Mrs. (Sarah Gwynne) 208, 245, 354 Wesley, John 261, 270; und Aldersgate 11, 106, 112, 132, 296, 310; über die amerikanische Revolution 310f.; Anklage in Georgia 93; und die Armen 353; Beerdigung 367; Buchhaltung 359; in Epworth 45ff., 50f., 77ff.; Grabinschrift 226, 366, 380; Grad eines Bachelor of Divinity 165; Beschreibung seiner Person 374; als Fellow 57; als Führungspersönlichkeit 64, 172, 252, 271, 282f., 297, 320, 327, 345; Gesundheit 226, 283, 288f., 291, 301ff., 314f., 357f., 360, 365; Ratschläge zur Gesundheit 322; erfährt Heilsgewissheit 104; als homo perturbatus 107; als homo unius libri 214, 271; Kontroverse mit Whitefield 147ff., 173; Magistergrad 58; Tagebuch 56ff., 359; Ordination als Diakon 55, zum Priester 58; Porträt 261; Predigen 348; Rückkehr nach Oxford 59, 166; Siegel 310, 362; und SPCK 40, 66; Stegreifpredigten 102; Tagebuch im „Exacter-Format“ 74f.; Testament 355, 367; Tod 365; Todesanzeige und Nachruf 366f.; Unterschrift 361; Vorwurf von Widersprüchen 274 Wesley, John, Predigten: „On attending Church“ 350; „Catholic Spirit“ 210, 215; „Christian Perfection“ 248, 272f.; „Danger of Increasing Riches“ 362; „Discoveries of Faith“ 357; „Duty of Constant Communion“ 356; „On Faith“ (1788) 357; „On Faith“ (1791) 305; „General Spread of the Gospel“ 333; „Living without God“ 362; „Lord our Righteousness“ 264, „The More Excellent Way“ 356; „Original Sin“ 313; „Repentance of Believers“ 272; „On Riches“ 353; „On Schism“ 349; „Sin in Believers“ 273; „On a Single Eye“ 358; „Scripture Way“ 262, „Use of Money“ 259, 331; „Wedding Gar-

Register ment“ 361; „Witness of Spirit“ 272; über Wiedergeburt 247; über die „Neue Schöpfung“ 348; über Phil 2,12 348 Wesley, John, gehaltene Predigten: „Almost Christian“ 166, 356; „Beschneidung des Herzens“ 215, 243; über „Freie Gnade“ 126, 147; Nächstenliebe 348; „National Sins“ 312; „Schriftgemäßes Christentum“ 182; über Gen 1,27 64; über Jes 1,21 166, 214; über die Bergpredigt 142, 215; über 1. Kor 13 86; über die Errettung durch den Glauben 17, 101, 106, 263, 273; zur Geschichte des Methodismus 318; Trauerpredigt zu Whitefields Beerdigung 287, 296 Wesley, John, Schriften: Address to the Clergy 244; Advice ... on Dress 259; Answer to Mr. Church’s Remarks 188; Calm Address to our American Colonies 311, 316; Calm Address to the Inhabitants of England 312; Character of a Methodist 132, 157, 358; Christian Library 216, 225, 238; The Christian’s Pattern 76; Collection of Forms of Prayer 66; Collection of Hymns 323; Collection of Prayers 190; Collection of Psalms and Hymns (1737) 92, 97, (1784) 342; Collection of Receipts (Primitive Physick) (1744, 1747) 187, 202, 203, 314; Collection of Tunes (1742) 158, 187; Complete English Dictionary 225; Concise Ecclesiastical History 53, 331; Concise History of England 304; Dialogue between an Antinomian and his Friend 188; Directions for Singing 275f.; „Duty to preach Politics“ 329; Earnest Appeal 159, 226; Explanatory Notes Upon the New Testament 226, 228, 238, 255, 280, 337; Farther Appeal 188, 190, 205; „Farther Thoughts on Separation“ 360; The Gamut, or Scale of Music 275; The Grounds of Vocal Music 275; Hymns and Sacred Poems (1739) 148; Hymns on the Lord’s Supper 190; Journal (Tagebuch) 70, 143, 252, 296, 309f., 331; Lessons for Children 190, 201; Letter to the Bishop of London 195; Letter to a Roman Catholic 210; Nature, Design, and General Rules 169f.; Some Observations on Liberty 311; Original Sin 313; „Ought we to Separate?“ 2 40, 249;

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Plain Account of Christian Perfection 272f.; Plain Account of the People called Methodists 217; Popery Calmly Considered 323; Predestination Calmly Considered 225; Preservative against Unsettled Notions 240; Principles of a Methodist/Farther Explained 158, 190; Reasons against Separation 240, 248, 347; Sacred Harmony 323; Sacred Melody 275; Seasonable Address 312; Select Hymns with Tunes Annext 275; Serious Thoughts upon Perseverance 225; Sermons on Several Occasions (Predigtsammelbände) 213, 224, 248, 254, 262, 284, 295, (17771778) 356; Short Address to the Inhabitants of Ireland 209; Short History of Methodism 10, 53, 284; Short History of Methodists 330; Short View of the Differences between the Moravian Brethren and Wesley 188; Sunday Service 340ff., 366; Thoughts on Christian Perfection 248; „Thoughts upon Liberty“ 302; „Thoughts upon the Power of Music“ 323; „Thoughts concerning the Origin of Power“ 302; „Thoughts on the Present Scarcity“ 300; Traktate 187, 189f., 191; „Treatise on Baptism“ 240; „Treatise on Predestination“ 150; Werke (Works, „Traktate“) 187, 248, 296 Wesley, John, Mrs. (Mary Vazeille, „Molly“) 220, 326 Wesley, Patty 80 Wesley, Samuel, jun. 51, 60, 77f., 106, 113, (Tod) 134 Wesley, Samuel, sen. 40, 45ff., 77ff., 95, 240; religiöse Gesellschaft 47f.; Advice to a Young Clergyman (1735) 28, 216, 244; Hiob 46, 60, 79 Wesley, Susanna 45ff., 49, 51, 95, 141; als Erzieherin 45f., (Tod) 156f. West Street Chapel, London 170f., 229, 247, 248, 363 Westall, Thomas 141 Westley, John 33, 46 Whatcoat, Richard 339, 342, 344, 355 Wheatley, James 221, 223 Whitefield, George 70, 79, 97ff., 115, 118ff., 122, 128, 130, 140ff., 148ff., 173, 179, 207f., 230, 237, 242, 256, 264, 267; Beerdigung 287f., Karikatur 266; und die Kingswood School 131, 154; und Prädestination 127, 147f., 258f.; als

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Register

Prediger 237; Tod 291f.; Waisenhaus in Georgia 148, 154f., 290 Whitehead, John 320, 367, 371f. Wilberforce, William 365 Wilkes, John, 302, 310 Wilhelm II. 34 Williams, Captain 90, 142f. Williams, Robert 291, 307 Williams, Thomas 198 Williamson, William 92 Willis, Thomas 169 Winscom, Jasper 361 Wissen 262, 266 Wohlstand/Reichtum 259, 331 Wolf, Mr. 142 Wride, Thomas 346 Wright, Richard 292

Wycliffe, John 19 Y Yarm, Predigthaus 318 Yewdall, Zachariah 327, 336 Yorkshire 167 Z Zauberei 349 Zeitleisten 24, 39, 78, 95, 113, 174, 305, 370 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 84, 92, 97, 100, 107; Sechzehn Berliner Reden 189 Zweifel 100f., 105, 107, 110, 112, 114, 116, 128, 186, 241, 267f.

Dieses Standardwerk, das bereits in sechs Sprachen übersetzt wurde, führt in die Entstehung und Geschichte des Methodismus in England und Nordamerika ein und gibt einen lebendig geschriebenen Überblick über die daran beteiligten Personen. Der Autor beleuchtet den Beitrag der Bewegung zur Geschichte der Frühen Neuzeit, außerdem die vielfältigen und internationalen Kontakte der Brüder John Wesley und Charles Wesley – z.B. den prägenden Einfluss des Gedankenguts von August Hermann Francke und der Herrnhuter, aber auch die Abgrenzung der methodistischen Bewegung davon. This survey of the Wesleyan movement in the eighteenth century is the story of many people whose lives and thoughts are woven together in the developing theology, organization, and mission of Methodism. Dr. Richard P. Heitzenrater ist Professor für Kirchengeschichte und Wesleystudien an der Duke University in Durham / USA.

ISBN 13: 978-3-7675-7076-4 ISBN 10: 3-7675-7076-9