Jesus als Davidssohn: Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung 9783666532184, 9783525532188

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Jesus als Davidssohn: Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung
 9783666532184, 9783525532188

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Christoph Burger · Jesus als Davidssohn

CHRISTOPH

BURGER

Jesus als Davidssohn Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung

G Ö T T I N G E N · VANDENHOECK & R U P R E C H T · 1970

Forschungen zur Religion und Literatur © e des Alten und N e u e n Testaments Herausgegeben von Γ5 Ο Ernst Käsemann und Ernst Wiirthwein 98. Heft der ganzen Reihe

© Vandenhoeck & R u p r e c h t , Göttingen 1970. — P r i n t e d in G e r m a n y . — O h n e ausdrückliche G e n e h m i g u n g des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder T e i l e daraus auf foto- oder akustomechanischem W e g e zu vervielfältigen. G e s a m t h e r s t e l l u n g : H u b e r t & Co., G ö t t i n g e n

VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1968 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Zu danken habe ich in erster Linie meinem verehrten Lehrer, Herrn Ephorus Professor Dr. Friedrich Lang. Der Weg durch den Botanischen Garten, auf dem ich als Assistent ihn während mehrerer Semester von der Universität zum Tübinger Stift begleitete, war zugleich der Weg, auf dem er das Entstehen dieser Untersuchung begleitete. Durch kritische Fragen mich von Abwegen zurückhaltend und gleichzeitig den von mir eingeschlagenen Umwegen im Garten folgend, hat er am Fortgang der Arbeit nicht nur ständig Anteil genommen, sondern ihn auch wesentlich gefordert. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner Herrn Professor D. Ernst Käsemann für die Aufnahme der Studie in die Reihe der „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments" und schließlich der Württembergischen Landeskirche für einen namhaften Zuschuß zu den Druckkosten. Tübingen, im Oktober 1969

Christoph Burger

INHALT Einleitung

9

Der jüdische Hintergrund

16

Der Davidide in christlichen Bekenntnisformeln

25

Der Davidssohn im Markusevangelium

42

Der Davidssohn bei Matthäus 1. Das Evangelium 2. Die Vorgeschichte

72 72 91

Der Davidssohn bei Lukas 1. Das Evangelium 2. Die Vorgeschichte 3. Die Apostelgeschichte

107 107 127 137

Der davidische Messias bei Johannes

153

Der davidische Messias in der Apokalypse

159

Jesus als Davidssohn. Genesis und Metamorphosen einer Überlieferung

165

Literaturverzeichnis

179

EINLEITUNG Unter den verschiedenen Bezeichnungen und Titeln, die im Neuen Testament für Jesus von Nazareth verwendet werden, nimmt das Prädikat des Davidssohnes eine Sonderstellung ein: Es behauptet einen Sachverhalt, der historischer Nachprüfung offensteht. Die Rede vom Menschensohn, Kyrios oder Gottessohn enthält kein Urteil, das sich historisch verifizieren ließe. Die Bezeichnung ,Sohn Davids' hat dagegen ein Doppelgesicht: Daß mit Jesus die alttestamentliche Verheißung für David ihre Erfüllung findet, daß er der Davidssohn ist, ist ein Satz des Glaubens. Er impliziert jedoch die Behauptung, daß Jesus ein Nachkomme Davids ist. Dieser genealogische Aspekt des Prädikates läßt grundsätzlich eine historische Prüfung zu. Ob sich der behauptete Sachverhalt beweisen oder widerlegen läßt, ist allein eine Frage der erhaltenen Dokumente und Überlieferungen. Die historisch-kritische Erforschung des Neuen Testamentes hat diese Untersuchung angestrengt und sich immer wieder der Frage angenommen: Wird Jesus zu Recht als ein Sohn Davids bezeichnet? oder zumindest: War in seiner Familie das Bewußtsein lebendig, dem alttestamentlichen Königshaus anzugehören? Einzelabhandlungen zu diesem Thema sind zwar selten, doch wird es unzählige Male in den Darstellungen des Lebens Jesu, den Lehrbüchern Neutestamentlicher Theologie und den Kommentaren zu den entsprechenden Schriften des Neuen Testamentes angeschnitten. Die spärlichen Quellen und die unterschiedliche Beurteilung ihres historischen Wertes 1 führten allerdings zu verschiedenen Antworten. Neben dem zuversichtlichen Ja steht das kritische Nein, und dazwischen schiebt sich das abwägende Urteil: Es ist nicht auszuschließen, daß Jesus wirklich aus dem Hause Davids stammte. Schon 1904 fragte deshalb William Wrede in seinem Vortrag „Jesus als Davidssohn": „Indessen verlohnt es sich, die Frage nochmals aufzuwerfen ? Nach allem, was darüber gesagt worden ist, wird es kaum möglich sein, wesentlich neue Gesichtspunkte geltend zu machen." 2 In der Tat sind die Antworten heute noch dieselben wie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Einige Beispiele, deren Zahl fast beliebig zu vermehren wäre, mögen dies belegen. 1 Vgl. dazu W. Wrede, Jesus als Davidssohn, S. 149-155 und J. Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu, S. 308-331. 2 W. Wrede, a.a.O. S. 148.

10

Einleitung

In der dritten Auflage der Enzyklopädie „ D i e Religion in Geschichte und Gegenwart" erklärt Hans Conzelmann 1959 zur Davids sohnschaft Jesu: „Das ist zunächst ein Theologumenon; später sucht man es durch Aufstellung von Stammbäumen historisch zu verifizieren." 3 Dem entspricht das Urteil Wilhelm Heitmüllers in der ersten Auflage des Werkes 1912. Er stellt fest, „daß die Herkunft aus dem hochberühmten Hause Davids ein ganz selbstverständliches Stück der Messiasdogmatik war. Mit der Erkenntnis, Jesus sei die Hoffnung Israels, war unwillkürlich und ohne weiteres die Überzeugung gegeben, daß er aus Davids Geschlecht stamme." 4 Die älteste Angabe, „daß Jesus Davidide gewesen sei Rom 1,3", rechnet Heitmüller zu den „Aussagen des Glaubens" und nicht zu den „geschichtlichen Notizen" 5. Dieselbe Meinung äußern 1905 und 1950 Rudolf Knopf und Maurice Goguel. In seiner Geschichte des „Nachapostolischen Zeitalters" schreibt Knopf: „Sehr alt ist sicher das in apologetischem Interesse aufgebrachte Dogma von der Davidssohnschaft." „Es ist aus Akkomodation an jüdische messianische Hoffnung entstanden." 6 In seinem Jesus-Buch bekennt Goguel: „ I I faut done, croyons-nous, voir dans l'apparition de cette id£e, malgre la parole de Jesus qui la niait, une consequence de l'influence exercee par la dogmatique messianique juive sur le developpement de la christologie chretienne." 7 Nicht verklungen, eher noch zahlreicher geworden sind daneben jene Stimmen, die es für wahrscheinlich oder sicher halten, daß Jesus aus dem Hause Davids stammte. Zu nennen sind hier vor allem Oscar Cullmann, Ferdinand Hahn, Joachim Jeremias, Wilhelm Michaelis und Ethelbert Stauffer. Kategorisch erklärt Hahn, „daß die davidische Herkunft Jesu nicht bestritten werden kann'' 8 . Vorsichtiger entscheidet sich Cullmann für die Annahme, „daß die Familie Jesu, wie wahrscheinlich auch andere Familien dieser Zeit, zwar vielleicht nicht gerade einen Stammbaum, wohl aber eine mündliche Überlieferung besaß, nach der sie zum Geschlecht Davids gehörte" 9 . Michaelis hält es für „vollendet unwahrscheinlich, daß die entsprechenden Aussagen des Neuen Testaments unbegründete Behauptungen sein sollten, hervorgegangen lediglich aus dem Wunsch, für den Nachweis der Messianität Jesu auch dieses Requisit beizubringen" 10 . Vergleichbar in der * H. Conzelmann, Jesus Christus, R G G ä I I I , Sp. 627. 4 W . Heitmüller, Jesus Christus, RGG 1 I I I , Sp. 364. 5 Ebd. Sp. 347. * R. Knopf, Das Nachapostolische Zeitalter, S. 363. ' M. Goguel, J£eus, S. 199; vgl. die deutsche Übersetzung der ersten Auflage „Das Leben Jesu", 1934, S. 156. 8 F. Hahn, Christologische Hoheitetitel, S. 250. " O. Cullmann, Die Christologie des Neuen Testamente, S. 131. 10 W . Michaelis, Die Davidssohnschaft Jesu als historisches und kerygmatieches Problem, S. 323.

Einleitung

11

älteren Literatur sind die Äußerungen von Bernhard Weiß und Willibald Beyschlag. Nach Weiß steht e9 „geschichtlich vollkommen fest, daß die Familie, in der Jesus aufwuchs, ihren Ursprung auf David zurückzuführen vermochte" u . Beyschlag dagegen meint im Blick auf die Stammbäume: „Auch ohne daß dieselben zweifellos auf Joseph herabführten, konnte die mündliche Überlieferung ,Wir stammen von David', mit vollkommener Sicherheit von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt, das Erbgut der Familie sein".12 Zu Differenzen in diesem Lager kommt es, wenn mit der positiv beantworteten historischen Frage die christologische aufgeworfen wird: Welche Bedeutung hatte die Davidssohnschaft für Jesus selbst und für die Theologie der frühen Gemeinde? Rundweg negativ beantwortet sie Ethelbert Stauffer: „Von einem dogmatischen Interesse des Neuen Testaments an der davidischen Herkunft kann keine Rede sein. Jesus selbst legt gar keinen Wert auf seine Davidsohnschaft, und weder Paulus noch Johannes ziehen irgendwelche theologischen Folgerungen aus der Herkunft Jesu (siehe R 1,3; J 7,41 f.). Wenn die Männer des Neuen Testamentes von der davidischen Abstammung sprechen, so meinen sie das im Sinne einer geschichtlichen Feststellung, die sie historisch verantworten können." 13 Stauffer nimmt damit die Position von Albert Schweitzer ein, welcher 1913 in seiner „Geschichte der Leben-JesuForschung" erklärte: „Das Überraschende ist eben, daß die Evangelisten diese Angabe in keiner Weise mit der für Jesus in Anspruch genommenen Würde zusammenbringen, sondern damit nur den ehrenvollen allgemeineren Familiennamen des Propheten von Nazareth ausgesprochen sein lassen." 14 Im Blick auf Jesus selbst gibt Schweitzer allerdings zu bedenken: „Nach der bisherigen Anschauung machte die urchristliche Gemeinde den Herrn zum Davidssohn, weil sie ihn für den Messias hielt. Es wäre an der Zeit, daß man ernsthaft erwöge, ob nicht umgekehrt Jesus sich für den Messias hielt, weil er ein Davidssohn war." 15 Seine Auffassung nähert sich hier der anderen, welche Jesu messianisches Auftreten gerade in seinem Wissen begründet sieht, Nachkomme Davids zu sein. Neuerdings hat Otto Betz „Die Frage nach dem messianischen Bewußtsein Jesu" wieder aufgerollt und die Eigenart von Jesu Auftreten mit der Nathanweissagung zusammengebracht. „Glaubte Jesus, er sei Davidide (woran Betz nicht zweifelt!), so liegt es nahe, daß seine B. Weiß, Das Leben Jesu I, S. 203. " W. Beyschlag, Das Leben Jesu, S. 161. " E. Stauffer, Jesus, S. 21. 14 A. Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, S. 394. 15 Ebd. S. 395. 11

12

Einleitung

Vollmacht im Messiasbewußtsein Ausdruck fand." "Ähnlich vermutete Friedrich Spitta 1907, daß Jesu Davidssohnschaft bei der Entwicklung seines Selbstbewußtseins „ihm die wichtigsten Führerdienste geleistet" habe. „Jesus hat sich nach den uns erreichbaren ältesten Quellen ohne jeden Vorbehalt als Sohn Davids hingestellt." 17 Theodor Zahn faßt seine zahlreichen Äußerungen zu der Frage in den Satz zusammen: „Eine unerläßliche Voraussetzung für den Messiasanspruch und das messianische Wirken Jesu war seine Herkunft aus dem Geschlechte Davids." 18 Wenn er fortfährt: „Diese war nicht sowohl ein Glaubensartikel für seine Verehrer (Mt 21,9; Rm 1,3; 2.Tim 2,8; ApkS,5), als vielmehr eine tatsächliche Voraussetzung ihres Glaubens an Jesus", mißt er zugleich der Davidssohnschaft für den Glauben der Gemeinde keine geringere Bedeutung zu als jene Forscher, die solche Angabe eben aus dem Glauben der Gemeinde erwachsen sehen. Zwischen den extremen Varianten des historisch positiven Urteils, die entweder nur die objektive Richtigkeit der genealogischen Aussage betonen und ihr jede christologische Bedeutung absprechen (Stauffer) oder umgekehrt nicht nur das Bekenntnis der Gemeinde, sondern sogar Jesu subjektives Messiasbewußtsein in der Davidssohnschaft begründet sehen (Zahn), bewegen sich die Auffassungen all derer, die Jesu Abstammung von David zwar nicht bestreiten, ihr christologisches Gewicht jedoch geringer veranschlagen. So ist nach Paul Feines „Theologie des Neuen Testaments" von 1910 „zu urteilen, daß die alttestamentliche Weissagung vom Messias als Davidssohn für Jesus zurücktritt vor der vom danielischen Menschensohn und vom leidenden Gottesknecht des Jesaja" 19 . Vincent Taylor deutet in seinem 1962 erschienenen Buch „The Names of Jesus" Jesu eigene Worte Mk 12,35-37 dahin: „Davidic descent is not repudiated in this question, but a different and more spiritual conception of Messiahship is implied." Er stellt ferner fest: „Interest in this designation quickly died out in primitive Christianity." „On Gentile soil the title was without interest or significance." 20 Daß dort, wo Jesu davidische Herkunft als historisch anerkannt wird, die Bedeutung dieser Tatsache für die Christologie unter Berufung auf verschiedene Stellen des Neuen Testaments höchst unterschiedlich beurteilt wird, ist bemerkenswert. Es kommt hier ungewollt ein Sachverhalt zum Ausdruck, der eigens untersucht zu werden verdient: Schon im Neuen Testament wird dem Gedanken der Davidssohnschaft Jesu verschiedenes Gewicht beigelegt. I m Streit um das 16 17 18 19 20

O. Betz, Die Frage nach dem meesianischen Bewußtsein Jesu, S. 43. F. Spitta, Streitfragen der Geschichte Jesu, S. 171 u. 172. Th. Zahn, Grundriß der Geschichte des Lebens Jesu, S. 18. P. Feine, Theologie des Neuen Testamente, S. 71. V. Taylor, The Names of Jesus, S. 24.

Einleitung

13

historische Recht des Prädikates wurde jedoch dem theologischen Sinn, den es in den neutestamentlichen Schriften hat, wenig Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl bereits Wrede programmatisch formulierte: „Ebenso interessant, wenn nicht interessanter, als das behandelte Problem, ob Jesus wirklich aus dem Geschlechte Davids war, ist jedenfalls die Geschichte der Davidssohnschaft Jesu in der ältesten Christenheit. Daß sie eine Geschichte gehabt hat, ist gewiß."21 Wrede selbst geht dann aber nur den ersten Schritt auf dem von ihm gewiesenen Weg. Er konstatiert eine Wandlung der Anschauimg bei Paulus: Durch seinen Begriff vom Sohne Gottes als einem präexistenten Wesen wird das Prädikat Davidssohn „depotenziert". Das Attribut gehört der Sphäre seiner Niedrigkeit an und bezeichnet „nur noch den Schatten einer Würde"22. Das eigentliche Thema von Wredes Abhandlung ist der Nachweis, daß es in der alten Kirche neben der problematischen Überlieferung von Jesu davidischer Herkunft auch eine Tradition gegeben habe, die jene anfocht und bekämpfte23. Als Belege nennt er die Dialoge des Origenisten Adamantius gegen die Marcioniten, die Clemenshomilien (18,3), als wichtigsten, weil deutlichsten, die Erörterung im Barnabasbrief (12,10f.), ferner eines der Mahlgebete der Didache (10,6), um schließlich zu erwägen, ob nicht auch Joh 7,41 ff. diesen Zeugen zuzurechnen sei. Vor allem aber exegesiert er unter diesem Gesichtspunkt die Streitverhandlung Mk 12,35-37 24 . Letztlich bleibt Wrede so im Bann der alten Fragestellung, und als Tenor seiner Studie wurde in der Folgezeit gehört, „daß die davidische Abstammung Jesu ein theologischer Gedanke, keine geschichtliche Tradition ist." 26 Unter keinem guten Stern stand die Diskussion während des Dritten Reiches in Deutschland. Unter Berufung auf reichlich obskure Überlieferungen meinte eine ideologisch bestimmte Kritik sagen zu dürfen: „Wir können . . . mit größter Wahrscheinlichkeit behaupten, daß Jesus kein Jude gewesen ist." 26 Die Abstammung von David war damit a limine ausgeschlossen. Erneut die traditionsgeschichtliche Betrachtung aufgegriffen hat dann Ernst Lohmeyer in seiner 1945 zum ersten Mal erschienenen Abhandlung „Gottesknecht und Davidsohn". Seine Meinung zum Davidssohn ist: „Der Name hat kaum etwas mit der jüdischen Hoffnung auf den Messiaskönig zu tun, er faßt auch nicht eine selbständige christologische Anschauung prägnant zusammen, sondern hebt ver21 22 23 24 25 28

W. Wrede, a.a.O. S. 166. Ebd. S. 177. Ebd. S. 166-177; vgl. das Vorwort von W. Bousset, S. 147. Siehe dazu unten S. 52 f. W. Wrede, a.a.O. S. 165. W. Grundmann, Jesus der Galiläer und das Judentum, S. 199f.

14

Einleitung

mittelnd ein Moment aus einem größeren Zusammenhange hervor, dem die Konzeptionen vom Gottesknecht und vom Menschensohn, eine jede auf die ihr eigentümliche und dennoch mit der anderen verwandte Weise dienen." 27 „Der Name Davidsohn (ist) der jüngere Sproß jener beiden älteren Anschauungen auf palästinensischem Boden gewesen." 23 Diese These hat wenig Zustimmung gefunden. Rudolf Bultmann tut die Bestimmung des Verhältnisses von Gottesknecht und Menschensohn als „phantastisch" ab 29 , und Oscar Cullmann handelt in seiner „Christologie des Neuen Testaments" über den Davidssohn weiterhin im Abschnitt „Jesus der Messias" 30 . Ein eigenes Kapitel hat ihm dagegen Ferdinand Hahn in seiner sorgfältigen und umfassenden Arbeit gewidmet: , .Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum". Zum ersten Mal ist hier die traditionsgeschichtliche Betrachtung konsequent durchgeführt, und vor dem Leser ersteht ein Bild jener „Geschichte der Davidssohnschaft Jesu in der älteren Christenheit", aufweiche Wrede hingewiesen hatte. Da sich die vorliegende Untersuchung damit auseinandersetzen wird, sei es zusammenhängend kurz skizziert. Hahn eröffnet seine Untersuchung mit der These: „Die Aussagen über Jesu Davidssohnschaft reichen in die frühe palästinische Gemeinde zurück."31 Unter der Überschrift „Die Davidssohnschaft Jesu in ältester Tradition" behandelt er die beiden Stammbäume Jesu (Mt 1,1-17; Lk 3,23-38), deren älterer Grundbestand ihm wichtig ist, ferner den ersten Teil des Benedictus Zachariae (Lk 1,68-75), aus der Marienverkündigung die Verse Lk 1,32 f. und dazu die einschlägigen Stellen der Offenbarung (Apk 5,5; 22,16b; 3,7). Als Ergebnis hält er fest, daß „die Verheißung der Wiedererrichtung der davidischen Herrschaft auf Jesu endzeitliches Werk übertragen worden ist". „Die Bezeichnung , Davidssohn' konnte bereits dem irdischen Jesus auf Grund seiner Abstammung gegeben werden, die Erfüllung der dem Davidssproß gegebenen Verheißungen wurde dagegen erst von der Zukunft erwartet. Diese Spannung kennzeichnet die gesamte urchristliche Überlieferung von Jesus als Davidssohn."32 Ihre charakteristischste Ausprägung habe die jüdische Anschauung unter hellenistischem Einfluß gewonnen. Hahns zweiter Abschnitt ist überschrieben: „Jesus als Davidssohn im hellenistischen Judenchristentum". Exegesiert werden das vorpaulinische Bekenntnis Rom l,3f., die Perikope der Davidssohnfrage (Mk 12,35-37a par), die 27 28 29 80 81 82

Ε. Lohmeyer, Gottesknecht und Davidsohn, S. 83. Ebd. S. 84. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, S. 33. O. Cullmann, Die Christologie des Neuen Testaments, S. 128-137. F. Hahn, Christologische Hoheitstitel, S. 242. Ebd. S. 250f.

15

Einleitung

Bartimäusgeschichte (Mk 10,46-52 par) und die Erzählung vom Einzug in Jerusalem (Mk 11,1-10 par). Als bezeichnend für diese Phase der Entwicklung gilt: Die in der frühesten Tradition beobachtete Spannung zwischen der Herkunft Jesu aus Davids Geschlecht und seiner eschatologischen Messianität „hat ihre theologische Bewältigung in der Zweistufenchristologie des hellenistischen Judenchristentums erfahren". An die Stelle der eschatologischen Messianität Jesu ist seine Erhöhung getreten und ,,die Davidssohnschaft Jesu im Sinne einer eigenen, vorläufigen Hoheitsstufe ausgebaut worden."33 ,Sohn Davids' kennzeichnet den irdischen Jesus, insbesondere als Helfer der Notleidenden. Der dritte und letzte Abschnitt ist der „Davidssohnschaft Jesu in den Vorgeschichten des Matthäus- und Lukasevangeliums'' gewidmet. Mit der Geburt in Bethlehem und der Jungfräulichkeit Marias erscheinen in den Davidssohnerzählungen der Vorgeschichten zwei neue Motive. „Die Bethlehemgeburt unterstreicht Jesu Stellung als Davidssohn und die in Erfüllung gehende Weissagung Gottes."34 Das Theologumenon von der Jungfrauengeburt „wurde zunächst mit Jesu Davidssohnschaft in der Weise ausgeglichen, daß die rechtliche Vaterschaft Josephs herausgestellt worden ist". Der Gedanke der wunderbaren Empfängnis führte jedoch bald darüber hinaus, da er Gottessohnschaft und Messianität bereits dem neugeborenen Kinde und damit dem irdischen Jesus zusprach. „Die eigenständige Konzeption der Davidssohnschaft Jesu im Sinne einer vorläufigen Hoheitsstufe wurde damit aufgelöst."36 Wieweit Ferdinand Hahn mit solcher Darstellung die Entwicklung richtig erfaßt hat, wird die folgende Untersuchung prüfen. Ihre Absicht ist nicht, von neuem das historische Problem der Abstammung Jesu von David aufzurollen, vielmehr als traditionsgeschichtliche Studie die Geschichte der Davidssohnschaft Jesu in der ältesten Christenheit nachzuzeichnen. »s Ebd. S. 267.

»« Ebd. S. 278.

" Ebd. S. 279.

Der jüdische Hintergrund Jüdische Texte aus der Zeit ante und post Christum natum bezeugen die Erwartung eines Messias aus dem Hause Davids. Wenn im Neuen Testament Jesus von Nazareth als Sohn Davids bezeichnet wird, liegt es deshalb nahe, darin nicht nur eine genealogische Angabe zu seiner Person zu sehen, vielmehr die Behauptung, daß mit ihm eine Hoffnung ihre Erfüllung gefunden habe, die im damaligen Judentum lebendig und weit verbreitet war. Sie gründete auf der Zusage, die David durch den Propheten Nathan gegeben worden war: „Wenn einst deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern legst, will ich deinen Samen nach dir aufrichten, der von deinem Leibe kommen soll, und will sein Königtum befestigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will den Thron seines Königtums auf ewig befestigen. Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein. . . Dein Haus und dein Königtum sollen immerdar vor mir bestehen; dein Thron soll in Ewigkeit Bestand haben" (2. Sam 7,12-16) 1 .

Im ersten Jahrhundert vor Christus, in der Zeit der ausgehenden Hasmonäerherrschaft gewann diese Verheißung neue Bedeutung 2 . Sie wurde zum Grund und Inhalt einer Erwartung, die in den politischen Wirren der Gegenwart nach dem Kommen eines Davididen Ausschau hielt, der Israel von aller Fremdherrschaft befreien und von Jerusalem aus in Gerechtigkeit und Heiligkeit regieren würde. Es läßt sich eine ganze Reihe von Gestalten nennen, mit deren Kommen die Frommen dieser Zeit den Anbruch des Heils der Endzeit erwarteten 3 . Setzten die einen ihre Hoffnung auf den Menschensohn, blickten andere nach einem Hohepriester aus oder erwarteten einen endzeitlichen Propheten. Auch die Erwartung des königlichen Messias konnte verschieden ausgestaltet werden und war nicht immer in derselben Weise an der Nathan Weissagung orientiert4. Von den vielfältigen 1 Vgl. Ps 132,10-18; Ps 89,4-5. 20-53; 2 . S a m 2 3 , 1 . 5 ; l.Chr 17,11-14. Der alttestamentliche Komplex ist untersucht von L. Rost, Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids, S. 47-74; S. Herrmann, Die Königsnovelle in Ägypten und in Israel; M. Noth, David und Israel in 2. Samuel 7; E. Kutsch, Die Dynastie von Gottes Gnaden; H. Gese, Der Davidsbund und die Ζ ionserwählung. 2 Vgl. E. Lohse, Der König aus Davids Geschlecht, S. 338f.; R.Meyer, Messias, RGG 3 IV, Sp. 904f.; W. Bousset-H. Gressmann, Die Religion des Judentums, S. 204. 3 Vgl. P. Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde, § 35, S. 186-203. 4 Vgl. Billerbeck I, S. 12f.

Der jüdische Hintergrand

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Hoffnungen, die in den verschiedenen Kreisen des Judentums gehegt wurden, ist jedoch die Erwartung des verheißenen Davididen schließlich die einzige, die die Katastrophe Jerusalems und deä palästinischen Judentums überdauert und fester Bestandteil der endzeitlichen Hoffnung einer weltweiten Diaspora wird. Am eindrucksvollsten wurde ihr — wahrscheinlich nach der Eroberung Jerusalems durch Pompeius — im 17. und 18. der Psalmen Salomos Ausdruck verliehen. Charakteristisch sind die Verse 17,4. 21-32: „ D u , Herr, hast David erkoren zum König über Israel, und du hast ihm geschworen über seinen Samen für alle Zeit, d a ß sein Königtum nicht aufhören solle vor dir." „Sieh' darein, ο Herr, und laß ihnen erstehen ihren König, den Sohn Davids, zu der Zeit, die du erkoren, Gott, d a ß er über deinen Knecht Israel regiere. U n d gürte ihn m i t K r a f t , daß er ungerechte Herrscher zerschmettere, Jerusalem reinige von den Heiden, die (es) kläglich zertreten! Weise (und) gerecht treibe er die Sünder weg vom Erbe, zerschlage des Sünders Übermut wie Töpfergefäße. Mit eisernem Stabe zerschmettere er all ihr Wesen, vernichte die gottlosen Heiden mit dem Worte seines Mundes, d a ß bei seinem Drohen die Heiden vor ihm fliehen, u n d er die Sünder zurechtweise ob ihres Herzens Gedanken. D a n n wird er ein heiliges Volk zusammenbringen, das er mit Gerechtigkeit regiert, und wird richten die Stämme des vom Herrn, seinem Grotte, geheiligten Volks. E r läßt nicht zu, daß ferner Unrecht in ihrer Mitte weile, u n d niemand darf bei ihnen wohnen, der u m Böses weiß; denn er kennt sie, daß sie alle Söhne ihres Gottes sind. U n d er verteilt sie nach ihren Stämmen über das Land, u n d weder Beisaese noch Fremder darf künftig unter ihnen wohnen. E r richtet die Völker und Stämme nach seiner gerechten Weisheit. U n d er hält die Heidenvölker unter seinem Joche, daß sie ihm dienen, u n d den H e r r n wird er verherrlichen offenkundig vor der ganzen Welt u n d wird Jerusalem rein und heilig machen, wie es zu Anfang war, so d a ß Völker vom Ende der Erde kommen, seine Herrlichkeit zu sehen, bringend als Geschenk ihre erschöpften Söhne, und u m zu schauen des Herrn Herrlichkeit, mit der sie Gott verherrlicht h a t . E r aber (herrscht als) gerechter König, von Gott unterwiesen, über sie, u n d in seinen Tagen geschieht kein Unrecht unter ihnen, weil sie alle heilig sind und ihr König der Gesalbte des Herrn ist." 5>*

In diesem Textstück begegnet zum ersten Mal im Zusammenhang der endzeitlichen Hoffnung des Judentums der Ausdruck ,Sohn Davids'. 5 Übersetzung nach R. Kittel, i n : E . Kautzsch, Apokryphen und Pseudepigraphen des AT, I I , S. 145ff. • H . Lietzmann meint zu diesem „nationalen Messiasideal weltlicher Prägung", es sei Jesus „höchstens einmal als teuflische Versuchung erschienen (Geschichte der Alten Kirche I, S. 49)!

2 Burger, Jeans

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Der jüdische Hintergrund

E r n s t Lohmeyer ist jedoch zuzustimmen: „Nicht ein Xame ist hier Davidsohn, sondern eine Herkunftsangabe über den erbetenen König." 7 I n der nachchristlichen jüdischen Literatur ist ΤΠ ]3 dann allgemein gebräuchliche Messiasbezeichnung 8 . F ü r diesen wie f ü r die anderen zeitgenössischen Texte, die vom ersehnten Davididen handeln, ist die starke Anlehnung an das Alte Testament, an bestimmte Stellen, Wendungen u n d Motive kennzeichnend. Der Vergleich zeigt eine fast stereotype Terminologie, die sich auf einen eng begrenzten K a n o n alttestamentlicher Stellen zurückf ü h r e n läßt. So steht im Hintergrund von PsSal 17,4 und 21 die N a t h a n Weissagung: Das griechische σπέρμα steht f ü r i n t (2.Sam 7,12), εις τον αιώνα gibt o b w - i v (2.Sam 7,13.16) wieder, nach der Deutung von Kittel ist βασιλέων Äquivalent f ü r HDbna (2.Sam 7,12.16) u n d άνίστημι V. 21 entspricht D^n (2.Sam7,12). Hereingewirkt haben auch die Psalmen 89 u n d 132 mit ihren Formulierungen der alten Verheißung: δμνυμι entspricht S3® in Ps 89,4.36.50 und Ts 132,11, hinter αίρετίζω könnte das hebräische 1Π3 aus Ps 89,5.20 s t e h e n 9 u n d βασί).ειον auch — wie Begrich mit Wellhausen meint 1 0 — das Diadem (Itt) bedeuten, von dem Ps 89,40 1 1 spricht. ΪΊΤ f ü r Davids Nachkommen erscheint Ps 89,5.30.37, damit verbunden D^iy-l» in Vers 5, D1Τ?!!?1? Vers 37. I n der breiten SchilΤ derung der Verse PsSal 17,22ff. klingen u . a . Ps 2,9 (ώς σκεύη κεραμέως, εν ράβδοι σιδηρά) u n d Jes 11,4 {/.άγος στόματος αντον) a n ; direkt zitiert wird J e s 11,4 in 17,35 und χριστός κυρίου als Übersetzung von ΠΊΡΏ ΠΊΓΓ in 17,32 (vgl. 18,1.5.7) 1 2 entspräche der Rede v o m Gesalbten Gottes P s 2,2; 132,10.17 u n d 89,39.52. Zusammen mit einigen weiteren bilden diese alttestamentlichen loci auch das R ü c k g r a t der messianischen Texte von Qumran, soweit sie dem davidischen Messias gelten. I n der E r w a r t u n g der Wüstengemeinde t r i t t zwar dem königlichen Messias aus Davids S t a m m der hohepriesterliche aus aaronitischem Geschlecht zur Seite; es scheint sogar, als komme dem endzeitlichen Hohepriester größere Bedeutung 7 E. Lohmeyer, Gottesknecht und Davidsohn, S. 68; als bereits festen Titel betrachten den Ausdruck B. van Iersel, Fils de David et Fils de Dieu, S. 116 und E. Lohse, υιός Δαυίδ, ThW VIII, S. 484. 8 Vgl. Billerbeck I, S. 525. 9 Vgl. l.Chr 28,4b und die griechische Wiedergabe P a r i 28,4b. 10 J. Begrich, Der Text der Psalmen Salomos, S. 141; vgl. 2. Sam 1,10 und die griechische Wiedergabe Regn II 1,10. 11 Ursprünglich wohl auch Vers 20! 12 Vgl. R. Kittel, a.a.O. S. 147 Anm. a; K. G. Kuhn, Die älteste Textgestalt der Psalmen Salomos, S. 73; E. Lohse, a.a.O. S. 484 Anm. 12.

Der jüdische Hintergrund

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als dem endzeitlichen König zu 13 , die Nathanweissagung bleibt jedoch in Geltung. 4Qflor 10f. wird 2.Sam 7,11 ff. angeführt und dazu erklärt: „Das ist der Sproß Davids, der mit dem Erforscher des Gesetzes auftreten wird, von dem gilt . . . in Zion am Ende der Tage, wie geschrieben steht: Und ich will die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten" (Arnos 9,11). Auffallend ist, daß 2. Sam 7,14 „Ich werde ihm Vater sein, und er wird mir Sohn sein" zwar mitzitiert, jedoch nicht kommentiert wird. Eine Messiasbezeichnung ist nicht daraus abgeleitet. Daß einige Zeilen später Ps 2,1-2 auf das Ende der Tage gedeutet werden, ändert nichts an dieser Feststellung, da Vers 7: „Du bist mein Sohn" nicht erscheint. Der erhaltene Text rechtfertigt somit nicht die Meinung van der Woudes, daß „dieses Dokument ein Beleg f ü r die Bezeichnung des Messias als Sohn Gottes" sei 14 . Bemerkenswert bei der Kommentierung von 2. Sam 7 ist der Ausdruck ,Sproß Davids' (ΎΤΤ Π»2), der hier die Stelle von νιος Δαυίδ in PsSal 17,21 einnimmt. Er scheint auf J e r 2 3 , 5 und 33,15 zurückzugehen. Die bildhafte Wendung läßt an das Bild vom Wurzelstock Isais denken, das Jes 11,1 begegnet, und erinnert zugleich an die Formulierung von Ps 132,17 1Π1? Γ?ϊϋ r r a s x " . In seinem Jeremia-Kommentar erklärt Paul Volz zu J e r 2 3 , 5 : „Im vorexilischen Psalm 132,17 heißt es, Jahwe lasse auf dem Sion David ein ,Horn' ( = Macht) erwachsen (rPöSN); in unserer Stelle ist (ähnlich wie Jes 11,1) der künftige König ein nas Davids genannt, und Sach 3,8; 6,12 ist nios dann geradezu = Messias. Das ist der literarische Weg, den wir verfolgen können" 1 6 . Verbum und Substantiv erscheinen im selben Sinne schließlich mehrmals in den Gebeten der Synagoge. Daß auch Jes 11,1 ff. in der Erwartung der Gemeinde von Qumran eine Rolle spielte, belegen das Fragment einer Kommentierung (4QIs a) und der Segensspruch l Q S b V . 4 Q I s a scheint die Weissagung des Propheten, die bis Jes 11,5 zitiert wird, auf den Davididen der Endzeit gedeutet zu haben. Der Name David ist erhalten. Allegro rekonstruiert: DVrn ηη]ΠΚ3 Τ01VΠ Τ Π [Π»Χ: „der Sproß Davids, der am Ende der Tage auftreten wird" 1 7 . 1 QSb V wird zwar David nicht erwähnt, doch zeigt sich eine enge Verwandtschaft mit 4Qflor. Miteinander werden der segnende Unterweiser und der Fürst der Ge13 Vgl. A. S. van der Woude, Die messianischen Vorstellungen der Gemeinde von Qumran, S. 185; K. G. Kuhn, Die beiden Messias Aarons und Israels, S. 170; K. Schubert, Die Messiaslehre in den Texten von Chirbet Qumran, S. 188. 11 A. S. van der Woude, a.a.O. S. 174. 15 Dasselbe Verbum Jer 33,15 und 2. Sam 23,5. 1β P. Volz, Jeremia, S. 234. 17 J. M. Allegro, Further Messianic References in Qumran Literature, S. 180.



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meinde genannt; letzterem ist die Erneuerung der Königsherrschaft f ü r ewige Zeiten aufgetragen, und als Schilderung seines Wirkens wird ausführlich aus Jes 11,2-5 zitiert. Es folgen Bilder aus Mi 4,13 und 7,10, und am Schluß des Fragmentes scheint auf den Patriarchensegen Gen 49,9 angespielt zu sein: „Du wirst sein wie ein L ö w e . . . " Eine messianische Deutung dieses Segens f ü r J u d a bietet auch das Bruchstück 4Qpatr, wobei David wiederum genannt ist: „Wenn Israel Herrschaft haben wird, wird David keiner fehlen, der auf dem Throne sitzt — denn der ,Herrscherstab' bedeutet den Bund der Königsherrschaft". 1 8 In der Fortsetzung: „bis daß kommt der Gesalbte der Gerechtigkeit, der Sproß Davids; denn ihm und seinem Samen ist der Bund der Königsherrschaft über sein Volk gegeben f ü r ewige Geschlechter", klingen sowohl Jer 23,5 und 33,15 ( p n s n a s bzw. nnx als auch die Nathanweissagung von 2. Sam 7 (5ΠΤ) an. Nicht auszuschließen ist, daß auch hier die kultische Neuformulierung von Ps 89 19 hereinspielt, in der ebenfalls von Davids Samen (snt V. 5. 30. 37) die Rede ist, außerdem vom Bund (ΓΡΊ3 V. 4), den Gott mit ihm geschlossen hat, von dessen Dauer f ü r ewige Geschlechter (ΊΠ1—nV V. 5), vom Gesalbten Gottes (ITtfö V. 39. 52) und schließlich wie 4Qpatr 5 vom Gesetz (ΓΠίη V. 31) als Auflage des Bundes. Eine Verknüpfung des Judasegens (Gen 49,9) mit der Davidsverheißung könnte außerhalb Qumrans in der Apokalypse Esras vorliegen, wo es 4.Esra 12,31 f. heißt: „Der Löwe . . . das ist der Christus, den der Höchste bewahrt f ü r das Ende der Tage, der aus dem Samen Davids erstehen und auftreten wird." 2 0 Mit der Erwählung Davids und der Erwartung des messianischen Königs bringen die Texte von Qumran schließlich noch die BileamWeissagung aus Num 24,17 zusammen. So rühmt 1QM X I die kriegerischen Taten Davids, preist Gottes Hilfe in seinem wie im Kampf der Gemeinde und fährt in Zeile 5 fort: „Wie du es uns verkündigt hast seit ehedem mit folgenden Worten: Es geht ein Stern auf aus Jakob, es erhebt sich ein Szepter aus Israel und zerschmettert die Schläfen Moabs und tritt nieder alle Söhne Seths." Stern und Szepter werden hier offenbar auf e i n e Person gedeutet. Aus dem Zusammenhang geht hervor, „daß im angeführten Zitat Num 24,17b-19 allein die Rede sein kann von einer Gestalt". „In Frage kommt nur der königliche Messias". 21 18

Übersetzung nach A. S. van der Woude, a.a.O. S. 170. CD VI, 7 wird der Stab (ρρΠΟ) aus Num 21,18 auf den Erforscher des Gesetzes gedeutet, i» Vgl. dazu H. J. Kraus, Psalmen II, S. 612 ff. 20 Übersetzung nach H. Gunkel, in: E. Kautzsch, Apokryphen und Pseudepigraphen des AT, II, S. 394. 21 A. S. van der Woude, a.a.O. S. 118.

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Ebenso wird der Bileamspruch in 4Qtest 9-13 verwendet. Auf den Hohepriester kommen erst die Zeilen 14 ff. mit der Verheißung für Levi zu sprechen 22 . Anders dagegen hat die Damaskusschrift den Segen Bileams gedeutet. CD VII, 18ff. lösen den identischen Parallelismus membrorum von Num 24,17 auf und gewinnen eine Doppelweissagung: „Der Stern, das ist der Erforscher des Gesetzes, der nach Damaskus kommt, wie geschrieben steht: Es geht ein Stern auf aus Jakob, und ein Szepter hat sich erhoben aus Israel. Das Szepter, das ist der Fürst der ganzen Gemeinde; und wenn er auftritt, wird er niederwerfen alle Söhne Seths." Der Sache nach ist dies dieselbe Erwartung wie 4Qflor 10ff., nur daß dort der neben dem geistlichen stehende weltliche Herrscher ausdrücklich T H nas genannt wird. Daß die Zusage für David und sein Haus jedoch auch hinter der messianischen Deutung von Num 24,17 in CD VII steht, ergibt sich aus dem hier vorangehenden, in 4Qflor nachfolgenden Zitat von Arnos 9,11: „Ich will aufrichten die zerfallene Hütte Davids." CD VII, 15 interpretiert die Hütte als die Bücher des Gesetzes, das bei der Gemeinde in Geltung steht. Auf die Thora dürfte auch die Deutung 4Qflor 12f. gehen: „Das (ΠΙΓΠ) ist die zerfallene Hütte Davids, die stehen wird, um Israel zu retten." Unmittelbar vor dem Zitat aus Arnos wird der Erforscher des Gesetzes genannt; die Fortsetzung ist allerdings unklar 28 . Übereinstimmend mit der Damaskusschrift scheinen die nach dem Vorbild des Vätersegens (Gen 49) gestalteten Testamente der zwölf Patriarchen die Worte Bileams (Num 24,17) ausgelegt zu haben. In Test Juda 24 handeln nach der armenischen Version, die im Unterschied zur griechischen an dieser Stelle keine christlichen Interpolationen zeigt, die Verse 1-3 vom aufgehenden Stern und seinen Geboten. Deutlich davon abgesetzt fahren die Verse 4-6 fort: „Dann wird ein Sproß aus mir aufgehen und ein Szepter meines Königtums wird aufleuchten und aus eurer Wurzel ein Schößling aufstehen. Und durch ihn wird ein Herrscherstab der Gerechtigkeit den Völkern aufgehen, zu richten und zu retten alle, die den Herrn anrufen." 2 4 Die Terminologie ist bezeichnend: Vom Szepter ist sowohl Num 24,17 wie Gen 49,10 die Rede, der Schößling, der aus der Wurzel aufstehen wird, ist 22 23

Vgl. A. S. van der Woude, a.a.O. S. 184. Der König, der CD VII, 17 mit der Gemeinde identifiziert wird, hat nichts mit der Davidsverheißung zu tun. Z. 20 erwartet deutlich eine einzelne Gestalt als Fürsten der Gemeinde, welcher Ausdruck auch 1 QSb V, 20 den davidischen Herrscher der Endzeit meint (A. S. van der Woude S. 58). Zeile 17 dagegen greift zurück auf das Wort des Amos (5,26) von der Verbannung des „Könige" Sakkuth und sieht hier den Exodus der Gemeinde geweissagt. 24 Übersetzung nach A. S. van der Woude, a.a.O. S. 207f.; zu den Berührungen zwischen Test Juda 24,1-3 und Test Levi 18 siehe S. 208f.

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eine eindeutige Anspielung auf Jes 11,1, mit dem Sproß dürfte also wie Sach 3,8; 6,12 der T H ΠΒΧ gemeint sein, den Herrscherstab nennt wiederum der Judasegen Gen 49,10. Wie sehr sich in der Anlehnung an das Alte Testament allmählich die Rede verfestigt hat, mit der im Judentum die Hoffnung auf das Kommen des davidischen Messias ausgedrückt wurde, lehren schließlich die Gebete der Synagoge. Nach talmudischer Überlieferung (Berakh 28b Bar) 2 5 hat Simon der Flachshändler die 18 Benediktionen vor Rabban Gamliel in Jabne der Reihenfolge nach geordnet. Diese Angabe zur Redaktion des 18 Bittengebetes f ü h r t in die Zeit nach der Zerstörung des Tempels, welche auch im Gebet selbst vorausgesetzt ist. In der 14. Benediktion der palästinischen Fassung wird Gottes Erbarmen erfleht Tjpns n-tfa "ΓΤ1 rva rvoba bv2*. Vom ,Hause' Davids spricht bereits 2. Sam 7,16; die Erwähnung der nj?"TX des Messias erinnert an 4Qpatr 3 und Jer 23,5 ; 33,15. Breiteren Raum nimmt die Bitte in der babylonischen Rezension ein. Ihre 15. Benediktion lautet: „Den Sproß Davids laß eilends aufsprossen und sein Horn erhebe sich durch deine Hilfen. Gepriesen seist du, Jahve, der sprossen läßt das Horn der Hilfe." Fast jedes Wort dieser Bitte hat seine Parallelen in der Tradition. (TM) nax bei Jeremia (23,5; 33,15) und in den Texten von Qumran (4Qpatr 3f.; 4Qflor 11; 4QIsa 21), das Verbum nas in Ps 132,17 und Jer 33,15; vom Horn ist Ps 132,17 die Rede, inj? 0ΓΙΓΙ formuliert Ps 89,25 und Gottes Hilfe dabei ist Jer 23,6; 33,16 genannt. Ebenfalls der Tradition entspricht, daß diese Bitte laut wird, nachdem zuvor Jerusalems und des Tempels gedacht ist. Bereits 2. Sam 7,13 verknüpft die Verheißung f ü r das Haus Davids mit dem Tempelbau. Entsprechend handelt Ps 132,13ff. von Gottes Wohnen in Zion, um daran anzuschließen: „Dort will ich David ein Horn sprossen lassen." Auch in der Weissagung des Jeremia wird 33,16 Jerusalem genannt, Sach 6,12 erwartet vom nax die Wiedererrichtung des Tempels und nach 4Qflor werden die beiden Gesalbten in Zion auftreten. Aus demselben Strom der Überlieferung fester Motive und Wendungen schöpfen die späteren Gebete der Synagoge. Um den 1Π HOS bittet die jerusalemer Form des Habhinenu 2 7 , vom Aufsprossen (HOS) eines Horns f ü r David ("in1? l")j?) sprechen die babylonische Fassung 28 und das Musaphgebet f ü r Neujahr 2 9 , während im Abhinu malkenu vom Aufsprossen der Hilfe und der Aufrichtung des Horns 25

Billerbeek I, S. 406; siehe außerdem IV, S. 208ff. * W. Staerk, Altjüdische Liturgische Gebete, S. 13. 28 29 Ebd. S. 20. Ebd. S. 20. Ebd. S. 23.

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des Gesalbten die Rede ist30. Einen Rückgriff auf Ps 132,17 und Jes 11,1 bedeutet die Formulierung: „das Bereiten einer Leuchte für den Sohn Isais, deinen Gesalbten" im babylonischen Habhinenu und im Musaphgebet. Die Beobachtung, daß während der beiden Jahrhunderte vor und nach Christi Geburt in allen jüdischen Texten, die den erwarteten Messias eindeutig als Davididen kennzeichnen31, die Terminologie weithin konstant ist und immer wieder dieselben alttestamentlichen Stellen herangezogen werden, ist insofern von Bedeutung, als daraus gefolgert werden kann, daß auch die Vorstellung vom endzeitlichen Davidssproß in ihrem Kern sich gleich bleibt. Gewiß stellt ihm die Erwartung von Qumran den messianischen Hohepriester zur Seite. Das Bild des davidischen Königs und seines Auftretens stimmt jedoch mit jenem, das die Psalmen Salomos entwerfen, weithin überein. Wohl werden hier seine Taten breit und farbig geschildert, während in den Gebeten der Synagoge von Taten des Messias nicht die Rede ist und alles Tun von Gott erwartet wird. Vor allem die kriegerischen Züge im Bilde des Messias treten so zurück. Doch immer noch wird er als davidischer gerechter König in Jerusalem erwartet. Mit Recht stellt Lohse fest: „In der messianischen Erwartung der Synagoge ist stets der Name des Sprosses Davids genannt, doch eigentlich wird niemals ein weiteres Wort über seine Person hinzugefügt. Es genügt, auf das Vorbild des Königs David hingewiesen zu haben, um Weg und Auftrag des messianischen Herrschers hinreichend zu kennzeichnen."32 Das heißt aber, daß die jüdische Erwartung des endzeitlichen Davididen im neutestamentlichen Zeitalter keine wesentlichen Wandlungen erfährt. Als charakteristisch kann gelten, was Bousset für den Davidssohn der Psalmen Salomos feststellt: Er ist „eine durchaus menschliche Gestalt. Er ist vor allem Herrscher und König; und zwar ist er ganz und nur für das Volk Israel da. Mit den Heiden verbindet ihn kein innerliches Band." 33 Es verdient festgehalten zu werden, daß trotz der häufigen Berufung auf die Nathanweissagung und der Verwendung von Ps 2 der davidische Messias in keinem der behandelten Texte als der ,Sohn Gottes' tituliert wird. Weder die Verheißung von 2. Sam 7,14: „Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein", noch die Zusage von Ps 2,7: „Mein Sohn bist du; heute habe ich dich gezeugt" scheint für die 30

Ebd. S. 29. Die überlieferten rabbinischen Äußerungen zum Davidssohn gehören allesamt einer späteren Zeit an. Vgl. J. Klausner, Die messianischen Vorstellungen im Zeitalter der Tannaiten, S. 37ff. und G. Dalman, Die Worte Jesu, S. 260f. 32 E. Lohse, Der König axis Davids Geschlecht, S. 343. 33 W. Bousset-H. Gressmann, Die Religion des Judentums, S. 228. 31

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jüdische Erwartung des Sohnes Davids eine besondere Rolle gespielt zu haben 3 4 . Auch die Worte des 110. Psalms „Setze dich zu meiner Rechten" sind nirgends herangezogen. Kennzeichen des Davididen und seiner Herrschaft sind Gottes Hilfe und des Regenten Gerechtigkeit, seine Bindung an das Gesetz und die Heilige Stadt. Ein Zug, der sich — ausgehend von den alttestamentlichen Psalmen — im 17. Psalm Salomos, in den Texten von Qumran und in den Synagogengebeten durchhält, ist: Das Auftreten des Davidssprosses wird in Jerusalem erwartet! Nie wird auf die dunkle Weissagung Micha 5,1 Bezug genommen, wiewohl 1 QSb V Worte des Propheten Micha heranzieht. Eine messianische Deutung der Stelle erscheint erst im Targum 3 δ , wobei über den Namen des Messias in einer Weise spekuliert wird, die David ignoriert. Es ist deshalb kaum — wie Lohse meint — „die schlechthin herrschende Überzeugung gewesen, daß nur ein Nachkomme Davids das messianische Regiment führen könne und daher Bethlehem der Geburtsort des Messias sein müsse" 3 6 . Vielmehr ist Bousset zuzustimmen: „ D a ß die Geburtsstätte des Messias gerade Bethlehem sein sollte, scheint doch nur eine vereinzelte Überlieferung gewesen zu sein." 3 7 Es läßt sich nicht einmal behaupten, daß zu allen Zeiten und unter allen Umständen die davidische Herkunft eines Mannes für seine Anerkennung als Messias die unerläßliche Voraussetzung bildete. Bekannt ist, daß Rabbi Aqiba den aufständischen Bar Kokhba als Messias proklamierte, obwohl von einer davidischen Herkunft des Prätendenten nichts bekannt war 3 8 . „Aber die allgemeine jüdische Überzeugung hatte sich jedenfalls in Jesu Tagen schon längst dahin verdichtet, daß kein andrer als ein Davidide das messianische Zepter führen werde." 3 9 34 Vgl. G. Dalman, a.a.O. S. 223 und W. Bousset-H. Gressmann, a.a.O. S 227 f 35 ' Billerbeck I, S. 83. 36 E. Lohse, a.a.O. S. 341; ebenso ThW VIII, S. 485. 37 W. Bousset-H. Gressmann, a.a.O. S. 226. 38 Vgl. Billerbeck I, S. 13; weitere nichtdavidische Anwärter nennt R. Meyer, Messias, RGG 3 IV, Sp. 904 f. 39 Billerbeck I, S. 12.

Der Davidide in christlichen Bekenntnisformeln Der literarisch älteste Beleg für die Davidssohnschaft Jesu findet sich im Eingang des Römerbriefes. Nicht nur, daß der Brief des Apostels älter ist als die literarische Gestalt der Evangelien, es kommt hinzu, daß Paulus in seinem Präskript ein formuliertes Stück der Tradition aufnimmt. Die Tatsache, daß Paulus in Rom 1,3 u. 4 zitiert, ist heute weithin anerkannt 1 , umstritten sind dagegen der Umfang und die genauere Herkunft des Zitates. Rudolf Bultmann rekonstruiert als vorpaulinische Formel 2 : ('Ιησούς Χριστός) δ νιος τον ΰεσν, δ γενόμενος εκ σπέρματος Δανίδ, δ δρισΰείς νίός &εον έν δυνάμει έξ αναστάσεως νεκρών. Der Apostel habe hinzugesetzt κατά σάρκα und κατά πνεύμα άγιωσννης3. In seiner Untersuchung „Rom. 1,3f. und der Gegensatz von Fleisch und Geist vor und bei Paulus" hat Eduard Schweizer jedoch gezeigt, daß σάρξ und πνεύμα hier nicht in der theologischen Antithese des Paulus stehen, sondern zwei räumliche Sphären bezeichnen, und die Wendungen deshalb nicht als typisch paulinisch der vorpaulinischen Formel abgesprochen werden können. Die Verbindung πνεϋμα άγιωσννης begegnet bei Paulus sonst nie, ist dagegen belegt im Spätjudentum (Test Levi 18,11), und die räumliche Verwendung von σάρξ und πνεϋμα hat Parallelen in der christlichen Formelsprache von l.Tim 3,16 und l . P e t r 3 , 1 8 . Von Paulus stammt nach Schweizer lediglich die übergeordnete Eingangswendung περί τον υίον αντοϋ und „vielleicht auch" die „Zufügung von ,in Vollmacht', wodurch die Vorstellung einer Sohnschaft höheren Grades entstünde" 4 . Voneinander unabhängig haben neuerdings Klaus Wegenast 6 , Werner Kramer· und Ferdinand Hahn 7 dieser Analyse zugestimmt, wobei allerdings Hahn 1

Vgl. die Anmerkungen 2 bis 7; außerdem: O. Cullmann, Die ersten christlichen Glaubensbekenntnisse, S. 49f.; Ch. H. Dodd, To the Romans, S. 4f.; W. G. Kümmel, Kirchenbegriff und Geschiehtsbewußteein, S. 48 Anm. 38; O. Kuss, Der Römerbrief, S. 5ff.; O. Michel, „Erkennen dem Fleisch nach", S. 24 und Der Brief an die Römer, S. 38ff.; E. Schweizer, Erniedrig\mg und Erhöhung, S. 91 f. 2 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testamente, S. 52. 3 R. Bultmann, Neueste Paulusforschung, S. i 1; ebenso Ν. A. Dahl, Die Messianität Jesu bei Paulus, S. 90. 4 E. Schweizer, Röm. l,3f. und der Gegensatz von Fleisch und Geist, S. 180. 5 K. Wegenast, Das Verständnis der Tradition bei Paulus, S. 7Iff. •7 W. Kramer, Christos Kyrios Gottessohn, S. 105ff. F. Hahn, Christologische Hoheitstitel, S. 252ff.

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die zitierte Vermutung Schweizers nicht übernimmt . Schließt man sich diesem weitgehenden Consensus an, so besteht die vorpaulinische Formel aus den beiden Gliedern: γενόμενος έκ σπέρματος Δαυίδ κατά σάρκα, όρισΰεις νιος ϋεσν (εν δυνάμει) κατά πνεϋμα άγιωσννης

εξ

άναστάσεως νεκρών.

Von Paulus wurde sie allenfalls um das εν δυνάμει erweitert, jedenfalls aber in einen neuen Zusammenhang gebracht und dabei in den Genitiv umgesetzt. Was darüber hinaus durch die Einfügung in den neuen Rahmen geschehen ist, läßt sich erst bestimmen, wenn zuvor die Aussage des übernommenen Bekenntnisses festgestellt ist. Das Besondere dieser Bekenntnisformulierung ist ihre Zweigliedrigkeit und das Verhältnis der beiden Aussagen zueinander. In der ersten Zeile wird von Jesus bekannt: γενόμενος έκ σπέρματος Δαυίδ. Deutlich ist damit auf die alttestamentliche Verheißung f ü r David und seine Nachkommenschaft angespielt (2. Sam 7 u.ö.). Aus der jüdischen Auslegung der Nathan Weissagung erwuchs die Überzeugung: Der Messias kommt aus dem Hause Davids. Nimmt nun eine christliche Gemeinde in ihr Credo auf, daß Jesus aus dem Samen Davids geboren sei, kommt dies einem Messiasbekenntnis gleich. Stauffers Meinung, daß hier keinerlei theologisches Interesse mitschwinge und nur eine geschichtliche Feststellung getroffen werde 8 , verkennt den kerygmatischen Charakter dieser Sätze, den Dibelius im Blick hat, wenn er schreibt: „Dabei ist wohl weniger an einen Nachweis der Sippe gedacht als an einen üblichen Messiastitel." 9 Eine Hoheitsaussage macht auch die zweite Zeile des Bekenntnisses: όρισΰεις υιός ϋεοϋ . . . εξ άναστάσεως

νεκρών. J e s u s ist G o t t e s S o h n seit

der Auferstehung von den Toten. Es ist in der Forschung noch immer nicht geklärt, ob ,Sohn Gottes' im vorchristlichen Judentum eine Bezeichnung des erwarteten Messias war 10 . Die eschatologische Auslegung von Psalm 2 und 2. Sam 7 gibt zu dieser Vermutung Anlaß, doch stammt etwa die messianische Deutung von Ps 2,7 in b Sukka 52 a Bar 1 1 erst aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert, und den vorchristlichen Texten zum Davidssohn ist der Titel des Gottessohnes fremd. Doch selbst wenn es zur traditionellen Messiasvorstellung gehörte, diesen zwar nicht als Gottessohn zu titulieren, aber doch als einen Sohn Gottes zu betrachten, läßt das vorliegende Bekenntnis die jüdische Anschauung hinter sich. Auf der Linie der Nathanweissagung würde es liegen, daß der davidische Messias als solcher 8 9 10 11

E. Stauffer, Jesus, S. 21. M. Dibelius, Jesus, S. 35; vgl. E. Lohse, νιος Δανίδ, ThW VIII, S. 488. Vgl. F. Hahn, a.a.O. S. 280ff. Billerbeck III, S. 19.

Der Davidide in christlichen Bekenntnisformeln

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schon Sohn Gottes ist. Das christliche Bekenntnis vertritt eine andere Auffassung. Aus seiner zweiten Zeile geht hervor, daß die Gemeinde sich erst durch Ostern veranlaßt sieht, dieses Würdeprädikat auf Jesus anzuwenden. Mit der Auferstehung von den Toten ist er nach ihrer Auffassung von Gott in diese neue Stellung eingesetzt (όρισΰείς) 1 2 . D a ß mit diesem zweiten Satz die erste Aussage überboten wird und auf ihm der Ton des Bekenntnisses liegt, ist schon angesichts der Länge der zweiten Zeile nicht zu bestreiten. Hinzu kommt die ausdrückliche Qualifizierung κατά σάρκα und κατά πνεύμα άγιωσύνης. Es geht hier nicht um eine Gleichzeitigkeit analog der späteren Zweinaturenlehre. Die Erwähnung der Auferstehung im Zusammenhang der Einsetzung zum Gottessohn verbietet solche Interpretation. I m Wege steht ihr außerdem, daß die identische Präposition der beiden Bestimmungen nicht gut verschieden gedeutet werden kann. Richtig stellt Schweizer fest: „Κατά ist also sicher nicht instrumental zu übersetzen ,kraft des Heiligen Geistes', weil dies im ersten Glied unmöglich wäre. Man kann nur interpretieren ,in der Sphäre des Fleisches — in der Sphäre des heiligen Gottesgeistes'." 1 3 Sohn Davids zu sein, war dann die Würdestellung Jesu in der irdischen, Sohn Gottes ist er in der „himmlischen Existenz" 1 3 . Als lokale Präposition grenzt κατά den Geltungsbereich ab, der den Würdebezeichnungen jeweils zukommt. Zugleich ist damit eine zeitliche Differenz markiert 14 , wird doch „der Auferstandene und Erhöhte nach seiner vorausgehenden Menschlichkeit als Davidsohn charakterisiert" 16 . Die zweite, überbietende Aussage des Bekenntnisses stempelt die erste als ungenügend und degradiert sie gleichsam. Aber Wegenast geht doch einen Schritt zu weit, wenn er bei der Analyse der Formel erklärt: „Nach Ostern konnte Davidsohn kein legitimer Messiastitel mehr sein und wurde daher von der Gemeinde durch den Titel Sohn Gottes ersetzt, während Davidsohn zur Kennzeichnung der Niedrigkeit des irdischen Jesus verwendet wurde." 1 8 Schärfer sieht hier Schweizer: „Die jüdisch verstandene Messianität ist also deutlich als eine vorläufige, niedrigere Stufe aufgefaßt." 1 7 Von ihm stammt auch der Ausdruck „Zweistufenchristologie" 1S , der von Hahn übernommen wird 1 9 . K a u m endgültig zu beantworten ist die Frage, wo ein solches Bekenntnis formuliert wurde oder von wem es Paulus erhalten hat. 12 13 14 15

Vgl. M.-E. Boismard, Constitue Fils de Dieu (Rom., I, 4). E. Schweizer, a.a.O. S. 187; vgl. vor allem l.Tim 3,16. Vgl. F. Hahn, a.a.O. S. 257 Anm. 4. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, S. 85. " K. Wegenast, a.a.O. S. 74. 17 E.Schweizer, Erniedrigung und Erhöhung, S. 92; ebenso W. Kramer, a.a.O. S. 106. 18 E. Schweizer, Der Glaube an Jesus den .Herrn', S. 11. 19 F. Hahn, a.a.O. S. 252.

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Der Davidide in christlichen Bekenntnisformeln

Nicht zu übersehen ist das jüdische Kolorit der Sätze. Sowohl die einzelnen Vorstellungen als auch bestimmt« Formulierungen haben ihre nächsten Parallelen im Judentum. Ganz unbestreitbar gilt dies von der ersten Zeile. Die Rede vom ,Samen' als der Nachkommenschaft eines Mannes ist zwar griechisch wie hebräisch möglich. In der Verbindung mit dem Namen Davids entspricht sie aber genau der alttestamentlichen Verheißung und der traditionellen Sprache jüdischer Erwartung. Diese aufzugreifen und zu bekennen, daß die alte Hoffnung ihre Erfüllung gefunden, ist nur beim auserwählten Volk des Alten Testamentes sinnvoll. Nicht ganz so leicht gelingt die Einordnung der zweiten Zeile und ihrer charakteristischen Verbindung mit der ersten. Die Wendung πνεύμα άγιωσύνης ist ebenfalls im jüdischen Milieu belegt, und Schweizer hat auch die Verwendung von σάρξ und πνεύμα zur Bezeichnung zweier Sphären als jüdisch nachgewiesen. Die Entwicklung dieses räumlichen Denkens und der vertikalen Unterscheidung einer ,oberen' von der .unteren' Welt ist nach seiner Meinung allerdings „nicht ohne hellenistischen Einfluß vor sich gegangen" 20 . Schwierigkeiten bereitet vor allem der Titel νιος ·&εσΰ, da die Rede vom Gottessohn auch im religiösen Hellenismus 21 und dann vor allem in der hellenistischen Gemeinde verbreitet war. Doch ist im Hellenismus der Sohn Gottes ein solcher von Geburt und Natur, während der Gottessohn des Bekenntnisses seine Stellung offensichtlich erst durch einen Akt der Einsetzung erlangt 22 . Mit der Auferstehung wird er gleichsam zum Sohn Gottes adoptiert. Diese Anschauung erinnert an die Inthronisation des israelitischen Königs, welche zugleich seine Adoption zum Sohne Gottes war und als solche in Psalm 2 geschildert ist 23 . Jüdischer Hintergrund ist somit auch für die zweite Hälfte des Bekenntnisses kaum zu bestreiten. Auffallend gerade vor dem jüdischen Hintergrund ist allerdings das Verhältnis, in das die Formel die beiden Prädikate Sohn Davids und Sohn Gottes bringt. Während der davidische König Israels gleichzeitig Sohn Davids und Sohn Gottes war, verteilt das christliche Bekenntnis diese beiden Hoheitsbezeichnungen auf verschiedene Zeiten und verschiedene Sphären. Es entsteht dabei eine Rangfolge zugunsten des Gottessohnes, die ohne Zweifel hellenistischem Denken entgegenkommt. Dasselbe gilt von der Verwendung räumlicher Kategorien, welche dem ganzen Bekenntnis das Gepräge gibt. Andererseits ist der adoptianische Charakter des Gottessohnes im vorpaulinischen Be20

E.Schweizer, Rom. l , 3 f . und der Gegensatz von Fleisch und Geist, S. 186. Belege bei H. Braun, Der Sinn der neutestamentlichen Christologie, S. 353 ff. 22 Vgl. K. Wegenast, a.a.O. S. 74; W. Kramer, a.a.O. S. 106; F . H a h n , a.a.O. S. 254. 23 Vgl. H. J. Kraus, Psalmen I, S. 19. 21

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kenntnis so offenkundig, daß Werner Kramer zugestimmt werden kann: „Der jüdische Hintergrund ist, sowohl was das Sprachliche als auch was das Vorstellungsmäßige anbelangt, deutlich. Damit ist aber Herkunft aus der judenchristlichen Gemeinde anzunehmen." Kramer fährt dann aber fort: „Weil die Formel ein sehr altes Stadium der Bekenntnisbildung spiegelt, wo es erst um die Formulierung der Bedeutung Jesu, nicht um die Explikation des Heilssinnes für die Menschen ging, ist die Formel der Autorschaft der aramäisch-sprechenden Urgemeinde zuzuweisen."24 Gegen diese nähere Lokalisierung und ihre einzige Begründung melden sich gewichtige Einwände. Form und Inhalt des Bekenntnisses ebenso wie Ort und Absicht des Zitates sprechen gegen die Autorschaft der Urgemeinde. Oscar Cullmann hat in seiner Studie über „Die ersten christlichen Glaubensbekenntnisse" dargelegt, daß am Anfang der Bekenntnisbildung die einfachen, einzeiligen Formulierungen stehen. Er nennt als Beispiel Acta 8,37 und erinnert an κύριος 'Ιησούς Rom 10,9 und l.Kor 12,3 25 . Das Bekenntnis von Rom 1,3f. ist aber bereits zweigliedrig und gehört damit in ein späteres Stadium der kirchlichen Entwicklung. In dieselbe Richtimg weist auch das Besondere seines Inhaltes: Die beiden Zeilen bilden keinen synonymen Parallelismue membrorum, sondern zwei christologische Prädikate werden durch sie in ein Verhältnis gebracht, das dem ersten der beiden Abbruch tut. Nach seinem ursprünglichen Verständnis ist dieses aber vollgültige Bezeichnung des Messias. „Ein ganzes Stück urchristlicher Dogmengeschichte liegt also schon hinter dieser vorpaulinischen Formulierung."2® Daß eine soteriologische Zuspitzung fehlt, ist kein Gegenargument. Auch das Apostolikum schildert in seinem zweiten Artikel das Geschick Jesu Christi, ohne seine Heilsbedeutung verbis expressis darzutun. Nicht übersehen werden darf ferner, daß es der Apostel Paulus ist, dem wir die Überlieferung des Bekenntnisses verdanken, und seine Beziehungen zur Urgemeinde sind nach Ausweis des Galaterbriefes nicht eben die besten. Daß er von dort das Bekenntnis übernommen haben sollte, ist wenig wahrscheinlich. „Geschichtliche Voraussetzung für die paulinische Theologie ist nicht einfach das Kerygma der Urgemeinde, vielmehr das der hellenistischen Gemeinde, durch deren Vermittlung jenes erst an Paulus gelangte."27 Auch andernorts zitiert er Traditionen, die einem fortgeschrittenen Stadium der Überlieferung und theologischen Besinnimg entstammen und bereits Züge der 24 25 2 · 27

W. Kramer, a.a.O. S. 108. O. Cullmann, Die ersten christlichen Glaubensbekenntnisse, S. 14f. und 23f. E. Schweizer, Erniedrigung und Erhöhung, S. 92. R. Bultmann, a.a.O. S. 66.

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Hellenisierung zeigen. Unverkennbar ist dies sowohl bei seiner Abendmahlsparadosis 1. Kor 11,23 ff.28 als auch in der Bekenntnisformel l . K o r 15,3-5 2 9 . Schließlich ist zu beachten, daß Paulus das Bekenntnis im Brief an die Gemeinde von R o m a n f ü h r t , u n d seine Absicht ist dabei doch wohl die, das Gemeinsame ihres u n d seines Glaubens herauszustellen. E r m u ß demnach — ohne die Gemeinde zu kennen! — damit gerechnet haben, daß dieses Credo in R o m geläufig war. Xun ist der jüdische Anteil der römischen Gemeinde möglicherweise groß gewesen, er d ü r f t e sich aber zumeist aus griechisch sprechenden Diasporajuden rekrutiert haben. L ä ß t sich vermuten, daß ihnen das zweigliedrige Bekenntnis v e r t r a u t war, und steht fest, daß es der Diasporajude Paulus verwendet, so legt sich die A n n a h m e nahe, es könnte auch in Kreisen christlicher Diasporajuden formuliert sein. Immerhin ist es allein in griechischer Sprache erhalten, u n d seine sprachliche Form verlangt keineswegs die Rückübersetzung ins Aramäische. Die jüdischen Vorstellungen aber, die den Hintergrund der beiden Zeilen bilden, sind ebenso f ü r jenes J u d e n t u m anzunehmen, dem in der Diaspora die Septuaginta zur Heiligen Schrift geworden ist. Die höhere Bewertung des νίός ΰεοϋ ist in der hellenistischen Umgebung sogar wahrscheinlicher als in Jerusalem. Das eigenartige Doppelbekenntnis zum Davidssohn u n d Gottessohn t r ä g t so in besonderer Weise der geistigen Lage jener Christen Rechnung, die auf der Grenze zwischen J u d e n t u m und Hellenismus standen u n d beiden Seiten verhaftet waren. Zu Recht weist deshalb H a h n die vorpaulinische Formulierung von R o m l , 3 f . dem „hellenistischen J u d e n c h r i s t e n t u m " 3 0 zu und findet d a m i t auch die Zustimmung seines Kritikers Philipp Vielhauer 3 1 . S t a m m t das Bekenntnis aber aus der hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde, verliert eine Argumentation an Gewicht, die häufig u n d zuletzt von Wilhelm Michaelis vorgetragen wurde. E r betont das hohe Alter dieser Formel u n d erklärt, „daß es schwer denkbar erscheint, daß m a n in dieser Zeit die Davidssohnschaft Jesu b e h a u p t e t haben sollte, ohne sicher zu sein, daß es bei ihr sich u m eine geschichtliche Tatsache gehandelt h a t , die nicht in Gefahr stand, alsbald von zuständiger Stelle bestritten oder widerlegt zu werden" 3 2 . Zu bedenken ist jedoch nicht nur die Frage der Zeit, sondern auch das Problem der überlieferungsgeschichtlichen K o n t i n u i t ä t zwischen der Urgemeinde, 28 29

Vgl. J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, S. 160. Vgl. H. Conzelmann, Zur Analyse der Bekenntnisformel l.Kor. 15,3-5,

S. 5 f. 30

F. Hahn, a.a.O. S. 251. Ph. Vielhauer, Ein Weg zur neutestamentlichen Christologie?, S. 62f. 32 W. Michaelis, Die Davidssohnschaft Jesu, S. 322; ähnlich A. Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, S. 395. 31

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der die .zuständigen' Verwandten Jesu angehörten, und dem hellenistischen Judenchristentum. Übernimmt Paulus Rom 1,3 f. eine feste Formel und zeigt das gesamte Corpus seiner Briefe, daß ihm an der Davidssohnschaft Jesu wenig liegt33, läßt sich auch nicht argumentieren, „daß gerade er nun zu allerletzt etwa einer unbeglaubigten und unglaubwürdigen Nachricht zum Opfer gefallen sein kann"32. Paulus verbreitet nicht eine Nachricht, sondern zitiert ein Bekenntnis, und er benützt die Formulierung hellenistischer Judenchristen, um der verwandten römischen Christengemeinde sich und seine Verkündigung vorzustellen. Seine Wiedergabe verrät und verlangt freilich ein neues Verständnis der alten Formel. Der Kontext, in dem er die beiden Zeilen zitiert, läßt erkennen, wie er sie versteht und verstanden wissen will. Konsequenzen hat hier vor allem seine Einleitung des Zitates: Der „Knecht Jesu Christi und berufene Apostel" nennt als seinen Auftrag das längst verheißene Evangelium Gottes περί τοϋ νίοϋ αντοϋ und fährt fort mit der traditionellen Formulierung, die in den Genitiv zu stehen kommt: τοϋ γενομένου εκ σπέρματος Αανιδ κατά σάρκα, τον ορισθέντος νίοϋ ϋεοϋ (εν δυνάμει)

κατά πνεύμα άγιωσννης

έξ αναστάσεως

νεκρών.

Die Würdebezeichnung υιός ϋεον, die das Bekenntnis erst aufgrund der Auferstehung Jesus zuerkennt, setzt Paulus so bereits an den Anfang seiner Zusammenfassung des Evangeliums. Und er hat damit nicht etwa nur die Summe des Bekenntnisses vorweggenommen. Der Vergleich mit Gal 4,4; Rom 8,3 und Phil 2,5ff. lehrt, daß in der Theologie des Apostels diese Bezeichnung Christus von allem Anfang an zukommt. Er ist der präexistente Sohn Gottes. Durch die paulinische Eingangswendung wird das Gemeindebekenntnis um die Präexistenzaussage erweitert34, wobei nicht auszumachen ist, ob Paulus diese Korrektur bewußt vornimmt oder ob er die Formel, die vom Sohn Gottes sprach, einfach im Sinne seiner Präexistenzchristologie verstanden hat. In jedem Fall aber ist die „Zweistufenchristologie" der Formel mit dieser Erweiterung überholt und durch eine völlig andere christologische Konzeption ersetzt. Denn mit der vorgeschalteten Präexistenzaussage wird nicht einfach eine dritte christologische Phase zu den beiden traditionellen addiert, sondern zugleich der Sinn des zitierten Bekenntnisses entscheidend verändert. Ist Jesus schon vor allem Anfang Sohn Gottes, kann die zweite Zeile nicht mehr seine Einsetzung in diese Würde aussagen. Der Akzent wird auf das iv 33 Die einzige Stelle, an der die Verheißung für das Haus Davids von Paulus noch gestreift wird, ist das Zitat von Jes 11,10 in R o m 15,12. W i e bei den vorausgehenden vier Zitaten 15,9 ff. liegt der Ton jedoch auf dem gemeinsamen Stichwort ε&νη. Thema des Abschnittes ist nicht die Christologie, sondern die Ekklesiologie. 31 Ebenso K . Wegenast, a.a.O. S. 75.

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δυνάμει rücken: War Christus für Gott schon immer der Sohn, so nimmt er seit der Auferstehung von den Toten diese Stellung auch der Welt gegenüber wahr. Έν δυνάμει bringt dasselbe zum Ausdruck, was in Phil 2,11 die Akklamation der Mächte bedeutet. Wie die paulinische Fortsetzung Ίησον Χρίστου τον κυρίου ημών (Rom 1,4) erkennen läßt, bedeutet für Paulus die Inthronisation des Grottessohnes seine Einsetzung in die Stellung des Kyrios. Die Vermutung Schweizers, ,in Vollmacht' könnte vom Apostel eingefügt sein, wird damit sehr plausibel. Im ursprünglichen Bekenntnis ist die Wendung im Grunde überflüssig. Ohne sie tritt der parallele Aufbau der Zeilen wesentlich besser zutage. Erhält sie auch ihre Bedeutung erst in der Beziehung auf die Präexistenzaussage, so ist es wahrscheinlich, daß sie gleichzeitig mit dieser der Formel zugewachsen ist. Sie schafft den Ausgleich zwischen der paulinischen und vorpaulinischen Gottessohnchristologie. Anderen Sinn gewinnt in der Wiedergabe des Paulus auch die erste Zeile des Bekenntnisses. Vor dem Hintergrund der ewigen Gottessohnschaft verliert die Davidssohnschaft noch mehr an Bedeutung, als sie bereits in der Rangfolge der Zweistufenchristologie eingebüßt hat. Die vorläufige Hoheitsaussage des Bekenntnisses dient in der paulinischen Konzeption zur Kennzeichnung der Erniedrigung des Präexistenten. Γενόμενος εκ σπέρματος Δαυίδ rückt in Parallele zu Gal 4,4 γενόμενον εκ γυναικός und Phil 2,7 έν όμοιώματι ανθρώπων γενόμενος. Im selben Maße aber als der Davidssohn seinen messianischen Rang verliert, gewinnt κατά σάρκα eine andere Nuance. Um den Geltungsbereich des Hoheitsprädikats zu kennzeichnen, wird es überflüssig und folglich als Charakterisierung der Geburt des Erniedrigten verstanden werden. Die Präposition gewinnt modalen Sinn, und die Bestimmung gilt dem Partizip γενόμενος. Ferdinand Hahn scheint dieses Verständnis bereits für die vorpaulinische Formel anzunehmen. Aus der Struktur des Zweizeilers folgert er, „daß hinsichtlich der beiden christologischen ,Stufen' ein jeweils charakteristisches Ereignis genannt wird, in V. 3 die Geburt Jesu, in V. 4 seine himmlische Inthronisation". Mit dieser Feststellung sind nicht etwa nur die beiden Partizipien anvisiert, denn Hahn fährt fort: „Genügte in der ersten Zeile die präpositionale Bestimmung κατά σάρκα, so war in der zweiten Zeile neben dem κατά πνεύμα άγιωσύνης noch eine eindeutige zeitliche Fixierung notwendig." Er findet sie in der Erwähnung der Auferstehung. Nach seiner Meinung markiert die Auferstehung allein „den zeitlichen Wendepunkt zwischen Niedrigkeit und Hoheit Jesu", denn „es bestände . . . keine Notwendigkeit, die Auferstehung hier aus sachlichen Gründen zu erwähnen" 85. Bei dieser Deutung sind die präpositionalen Bestimmungen 35

F. Hahn, a.a.O. S. 257.

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auf die beiden Partizipien bezogen. Sie charakterisieren einerseits das Ereignis der Geburt, andererseits das Geschehen der Erhöhung und umschreiben nicht mehr den Geltungsbereich eines Würdeprädikats. Daß Hahn damit nicht mehr die vorpaulinische Formel auslegt, sondern bereits ihr paulinisches Verständnis im Blick hat, wird daran deutlich, daß er unversehens von der Niedrigkeit Jesu spricht, nachdem er zuerst Schweizers Ausdruck „vorläufige Hoheitsstufe" akzeptiert hatte 3e , und daß er jetzt durch die präpositionalen Bestimmungen Ereignisse charakterisiert sieht, nachdem zuvor κατά σάρκα und κατά πνεύμα „verschiedene Wirkungsbereiche" abgesteckt hatten37. In Wirklichkeit ist für die vorpaulinische Zweistufenchristologie nur ein Ereignis von entscheidender Bedeutung, eben jenes, das die Wende von der vorläufigen zur endgültigen Hoheitsstufe bringt und in der Formel deshalb ausdrücklich genannt wird: die Auferstehung von den Toten. Dabei markiert die άνάστασις nicht nur den zeitlichen Wendepunkt, sondern ist selbst als die Erhöhung und Voraussetzung der Einsetzimg zum Gottessohn verstanden. Daß sie eigens genannt wird, ist sachlich wohl begründet38. Erst in dem Augenblick, da die Präexistenzchristologie sich der alten Formel bemächtigt, zieht ein zweites Ereignis den Blick auf sich: die Wende vom Präexistenten zum Irdischen. Da gleichzeitig die vorläufige Würde des Davididen messianischen Rang einbüßt, kann nimmehr das κατά σάρκα, seiner ursprünglichen Aufgabe ledig, dem Ereignis der Geburt des Gottessohnes gelten und diese im paulinischen Verständnis theologisch qualifizieren: γενόμενος κατά σάρκα. Die Wendung hat jetzt ihre nächste Parallele in Rom 8,3 iv όμοιώματι σαρκός άμαρτίας. Dieses neue Verständnis von κατά σάρκα ändert nichts daran, daß εκ σπέρματος Δανίδ auch für den Apostel „selbstverständlich zuerst eine theologische, keine zuerst genealogische Feststellung ist"39. „Wie sich Paulus die davidische Abstammung Christi vermittelt denkt, sagt er nirgends, hat es auch schwerlich nachgerechnet: die Tatsache ist ihm auch ohne historische Forschungen sicher, weil er weiß, daß Christus der Messias ist, für den diese Herkunft jüdisches Postulat ist." 40 Die Überlieferung, die Paulus im Eingang des Römerbriefes aufgreift und, wie sich gezeigt hat, seiner eigenen Christologie dienstbar macht, begegnet bruchstückhaft noch an anderer Stelle im Neuen Testament. 2.Tim 2,8 heißt es: μνημόνευε Ίησσϋν Χριστον έγηγερμένον εκ νεκρών, εκ σπέρματος Δαυίδ, κατά το εναγγέλιόν Μ

μου.

F. Hahn, a.a.O. S. 254 Anm. 2. »» Ebd. S. 253. 38 Zu Hahns Versuch, Auferstehung und Erhöhung auseinanderzuhalten, vergleiche: Ph. Vielhauer, a.a.O. S. 45-52. 38 40 O. Kuss, Der Römerbrief, S. 5. H. Lietzmann, An die Römer, S. 25. 3 Burger, Jesus

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Die Exegeten sind sich einig, daß der Verfasser des 2. Timotheusbriefes hier nicht frei formuliert. Nach Windisch bringt er einen ,,Merkspruch", ein „christologisches Kerygma"41. Dibelius spricht von einer ,,offenbar kerygmatischen Formulierung"42, Jeremias von einer „alten, zweigliedrigen Bekenntnisformel"43, und ähnlich lauten die Urteile von Koehler44, Cullmann45, Wegenast46 und anderen. Bei der traditionsgeschichtlichen Auswertung dieser kerygmatischen Formulierung ist allerdings Vorsicht geboten, da unklar bleibt, wieweit hier wirklich zitiert, wieweit nur auf Bekanntes angespielt wird, und ob die Erinnerung speziell dem Credo des Apostels Paulus gilt oder einem verbreiteten und als bekannt vorausgesetzten Bekenntnis oder gar beidem zugleich. An den Apostel erinnert der Kontext des christologischen Kerygmas: ausdrücklich mit der Schilderung der apostolischen Leiden in V. 10f., indirekt mit der Wendung κατά τό εναγγέλιόν μου, die an Rom 1,2 anklingt. Das christologische Kerygma selbst zeigt dagegen ebenso auffällige Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zur paulinischen Version in Rom 1,3 f. Gemeinsam ist den Formulierungen die Zweigliedrigkeit und die in neutestamentlichen Bekenntnissen sonst nirgends begegnende Erwähnung der davidischen Abkunft Jesu. Mit dem vorpaulinischen Bekenntnis verbindet diesen „Merkspruch" weiter, daß in seinem anderen Teil die Auferstehung von den Toten genannt wird. Doch führen gerade diese Feststellungen auch zur Beobachtung der Unterschiede. Die Erwähnung der Davidssohnschaft hat in 2. Tim 2,8 stärker formelhaften Charakter als in Rom 1,3; sie erfolgt ohne ein entsprechendes Verbum47. Und die Aussage über die Auferstehung ist derartig knapp, daß sie in nichts an eine Adoption mehr denken läßt. Zudem ist die Folge der beiden Aussagen umgekehrt: zuerst wird die wichtigere Auferstehung genannt, danach die davidische Abstammung. Unverkennbar tragen diese Unterschiede einem gewandelten Verständnis der Person Jesu Christi Rechnung. Ist man aber nicht geneigt, die Korrekturen dem Verfasser der Pastoralbriefe zuzutrauen, muß angenommen werden, daß auch unabhängig von Paulus in der christlichen Gemeinde ein Interesse an der vorpaulinischen Bekenntnisformulierung bestanden hat, das allmählich zu den genannten Änderungen führte. 2.Tim 2,8 wäre dann ein Beleg für die Verbreitung der alten juden41 12

H. Windisch, Zur Christologie der Pastoralbriefe, S. 214. M. Dibelius, Die Pastoralbriefe, S. 67. J. Jeremias, Die Pastoralbriefe, S. 38. F. Koehler, Die Pastoralbriefe, S. 439. 15 O. Cullmann, a.a.O. S. 52. 4 · K. Wegenast, a.a.O. S. 140. 17 Vgl. F. Hahn, a.a.O. S. 258 Anm. 4. 43 41

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christlichen Formel auch in späteren und anders zusammengesetzten Gemeinden. Selbst wenn hier der Verfasser der Pastoralen nur seinen großen Lehrer Paulus und dessen Bekenntnis anführen will, hat er sicher nicht eine Version gewählt, die seinen Lesern fremd war. Die Davidssohnschaft Jesu muß also auch in seinen Gemeinden zum Bestand des christlichen Bekenntnisses gehört haben. Der formelhafte Charakter der Aussage läßt allerdings nicht mehr erkennen, welche Gedanken damit verbunden wurden; das Erstarren der Wendung und ihre Hintansetzung erlauben höchstens die Vermutung, daß sie an theologischem Gewicht verloren hat. Anders ist dies bei Ignatius von Antiochien, der sich ebenfalls mit dem Bekenntnis zur Davidssohnschaft Jesu vertraut zeigt. In seinen Briefen kommt er insgesamt fünfmal darauf zu sprechen48, und über sein Verständnis dieser Tradition läßt er keinen Zweifel. Interessant ist zunächst Sm 1,1: Im Prooemium seines Briefes an die Gemeinde von Smyrna entfaltet der heidenchristliche Bischof von Antiochia das Bekenntnis είς τον κύριον ημών. Die ersten Sätze lauten: {άληΰώς) δντα εκ γένους Ααυιδ κατά σάρκα, νίόν ΰεον κατά ϋέλημα και δυναμιν ΰεοϋ, γεγεννημένον (άλη&ώς) εκ παρ&ένον, βεβαπτισμένον υπό *Ιωάννου. Ohne Zweifel von Ignatius stammt das zweimalige άληϋώς. Innerhalb weniger Verse erscheint es allein fünfmal und betont stets das antidoketische Anliegen des orthodoxen Schreibers4·. Sieht man davon ab, so bleiben vier klar abgesetzte Zeilen eines Bekenntnisses, das sich auch im folgenden noch fortsetzt, dann allerdings stärker auf das aktuelle Anliegen des Briefes ausgerichtet ist. Schon diese äußerliche Beobachtung legt nahe, daß Ignatius das von ihm entfaltete Bekenntnis nicht selbst formuliert hat 80 . Die Untersuchung der Theologie dieser kerygmatischen Formel wird die Annahme bestätigen. Das Bekenntnis wird von Ignatius offensichtlich rezitiert, um als Basis seiner anschließenden Ausführungen zu dienen. Da diese um das irdische Leiden Jesu kreisen, finden sich an der entsprechenden Stelle des Bekenntnisses auch die stärksten Erweiterungen, während sein Anfang nahezu unverändert wiedergegeben scheint. Die ersten beiden Zeilen erinnern an Rom 1,3 f. Genau wie dort werden ,Sohn Davids' und ,Sohn Gottes' einander zugeordnet und beide Bezeichnungen mittels κατά . . . näher bestimmt, κατά σάρκα in " Sm 1, i ; R o m 7,3; E p h 2 0 , 2 ; Trail 9,1; Eph 18,2. 49 Vgl. O. Cullmann, a. a.O. S. 25 zu Trail 9,1. 50 Vgl. W. Bauer, Die Briefe des Ignatius, S. 264, der auf paul. Rom 1,3.4 verweist. 3·

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der ersten Zeile hat dabei eine genaue Parallele im vorpaulinischen Bekenntnis, doch auch κατά ΰέλημα και δυναμιν ϋεσν findet dort seine Entsprechung. Es scheint sich dahinter das Motiv der Einsetzung zum Gottessohn zu verbergen, das die ganze zweite Zeile des alten Bekenntnisses bestimmt. Daß darüber hinaus in der Wahl des Wortes δνναμις das έν δυνάμει von Rom 1,4 nachklingt, ist hingegen wenig wahrscheinlich. Es müßte dann angenommen werden, daß die Formulierung, die Ignatius wiedergibt, von Paulus beeinflußt ist, nachdem sich έν δυνάμει in Rom 1,4 als paulinischer Zusatz hat erklären lassen. So gewiß aber mit paulinischem Erbe bei Ignatius selbst zu rechnen ist, so fraglich ist solcher Einfluß auf die von ihm übernommene Bekenntnisformulierung. Die Unterschiede gegenüber Rom 1,3 f. und vor allem die Fortsetzung in Zeile 3 und 4 lassen eher an eine Weiterbildung des judenchristlichen Bekenntnisses denken, die unabhängig vom Apostel erfolgt ist. Das Zitat hat εκ γένους Δαυίδ, eine Wendung, die von Eph20,2 und Trail 9,1 als geläufig bestätigt wird, obwohl Ignatius auch die andere εκ σπέρματος Δαυίδ vertraut ist (Rom 7,3), sogar samt der Antithese πνεύματος δέ άγιου (Eph 18,2). Im Unterschied zu Rom l,3f. nennt sodann die zweite Zeile weder den Heiligen Geist noch die Auferstehung von den Toten, statt ihrer aber δνναμις και ΰέλημα ϋεοϋ. Von Paulus unabhängig ist jedoch vor allem die anschließende Erwähnung der Jungfrauengeburt und der Johannestaufe. Beide spielen in der Theologie des Apostels keine Rolle. Helmut Köster hat die „Synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern" untersucht und kam zu dem Ergebnis, daß bei Ignatius nirgends literarische Abhängigkeit von einem der synoptischen Evangelien nachzuweisen ist. „Doch gibt es Stellen, die vollkommen sicher machen, daß Ign. wirklich synoptische Überlieferung kannte." „Die einzige Stelle, an der sich mit ziemlicher Sicherheit Redaktionsarbeit eines Evangelisten, nämlich des Mt., feststellen ließ (Sm 1,1), ist nicht von Ign. selbst aus Mt. entlehnt, sondern innerhalb einer kerygmatischen Formel von ihm übernommen."81 Kösters Feststellung gilt zwar der Notiz zur Johannestaufe Iva πληρωμή πάσα δικαιοσύνη ( = Mt 3,15), aber sie erlaubt für die zuvor genannte Jungfrauengeburt den Schluß, daß diese Bekenntnisaussage der Vorgeschichte des Matthäus nahesteht. Berührungen des Ignatius mit Matthäus stellt Köster mehrfach fest und erklärt: „Andere Evangelien kommen für eine Benutzung durch Ign. schon gar nicht in Frage (von Joh. ist hier abgesehen). Für Luk. sind die Berührungen viel zu schwach. Abhängigkeit des Ign. vom NE ist so gut wie ausgeschlossen."®2 61 52

H. Köster, Synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern, S.60. Ebd. S. 61 (NE = Nazoräerevangelium).

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Für das von Ignatius zitierte Kerygma ist nun bezeichnend: Das aus Rom 1,3 f. bekannte judenchristliche Bekenntnis zum Davidssohn und Gottessohn ist kombiniert mit der im Matthäusevangelium wiederbegegnenden Überlieferung von der Jungfrauengeburt. Ermöglicht hat diese Verbindung der in beiden Traditionen enthaltene Gedanke: Jesus ist der Sohn Gottes. Das Verständnis der Gottessohnschaft ist aber ursprünglich ein verschiedenes. Wird im vorpaulinischen Bekenntnis der Sohn Gottes durch einen Akt der Adoption in seine Stellung eingesetzt, so ist der Gedanke der Jungfrauengeburt, daß ihm solche Würde schon von Geburt an zukommt. Dieses Theologumenon entstammt einem Denken, das sich wesentliche Kategorien des Hellenismus zu eigen gemacht hat M , und in einer stark hellenisierten Gemeinde wird auch die Verbindung der beiden Überlieferungen zustande gekommen sein. Denn unverkennbar wird das alte judenchristliche Bekenntnis dem neuen Verständnis unterworfen. Seine zweite Zeile ist entsprechend abgeändert: Getilgt ist der Hinweis auf die Auferstehung als den Akt der Adoption. Für sich allein genommen könnte zwar die Wendung κατά θέλημα και δύναμιν Φεοϋ immer noch adoptianisch verstanden werden. Zusammen mit der Fortsetzung γεγεννημένσν έκ παρ&ένου verliert sie aber diesen Klang und charakterisiert die Jungfrauengeburt als Tat göttlichen Willens und göttlicher Macht. Nach Gottes Willen wird von einer Jungfrau der Gottessohn geboren. Zu beachten ist, daß dieses kombinierte Bekenntnis nichts über eine Präexistenz des Gottessohnes aussagt. Denn der Präexistenzgedanke ist in der Vorstellung der Jungfrauengeburt nicht etwa enthalten M, sondern überhaupt nur schwer mit ihr zu verbinden. In diesem Punkt ist das Bekenntnis von der paulinischen Theologie deutlich geschieden. Die christologische Besinnung hat noch nicht über das Datum der besonderen Geburt des Grottessohnes hinausgeführt. Doch hat schon diese weitere Ausführung der Christologie für die Davidssohnschaft ähnliche Konsequenzen wie der andere Rahmen, in den Paulus das von ihm vorgefundene Traditionsstück eingefügt hat: Die traditionelle Aussage verliert an Gewicht und das κατά σάρκα muß anders verstanden werden. Nachdem der σαρξ nicht mehr die Sphäre des Pneuma gegenübergestellt, stattdessen in der folgenden Zeile der Wille Grottes genannt ist, muß κατά σάρκα sich speziell auf die Geburt beziehen. Es läßt sich zwar nicht entscheiden, wieweit die Formel das έκ γένους Δαυίδ noch als eine Hoheitsaussage versteht, „vorläufig" kann diese jedoch nicht mehr sein, da für solche Vorläufigkeit keine Zeit mehr bleibt, wenn der Davidssolln schon von Geburt M

Vgl. M. Dibelius, Jungfrauensohn und Krippenkind, S. 18-52 und F.Hahn, a.a.O. S. 304 Anm. 4. " Vgl. F. Hahn, a.a.O. S. 314.

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an auch Sohn Gottes ist. Einem dialektischen Verständnis als Niedrigkeitsaussage steht zumindest nichts im Wege. Ebenso wenig ist zu erkennen, ob und wie die Formel das genealogische Problem reflektiert, das aus der Kombination der beiden Angaben ,aus Davids Geschlecht' und ,νοη der Jungfrau' entsteht. Sie fordert aber eine Lösung geradezu heraus, wie sie Ignatius dann vertritt. Sein Verständnis des Bekenntnisses und der beiden offengebliebenen Fragen ist aus seinen weiteren Anspielungen klar zu erheben. Am aufschlußreichsten ist hierfür Eph 18,2, doch liefert bereits der Kontext des Bekenntnisses in Sm 1,1 einen wichtigen Hinweis. Ignatius preist Ίησονν Χριστό ν τον ΰεόν. Dieses Prädikat kommt Jesus Christus aber nicht erst aufgrund der Auferstehung oder der Jungfrauengeburt zu, sondern er ist Gott und mit Gott vereinigt schon vor aller Zeit. Er ist „im Fleische erschienener Gott" (Eph 7,2), „der vor aller Zeit beim Vater war und am Ende erschienen ist" (Magn 6,1). Der Präexistenzgedanke ist ein wesentliches Stück der Christologie des antiochenischen Bischofs. Damit kommen die traditionellen Aussagen des Bekenntnisses Sm 1,1 bei ihm aber in einen ähnlichen Kontext zu stehen wie die vorpaulinische Formulierung beim Apostel. Für die Davidssohnschaft Jesu bedeutet dies, daß sie jetzt eindeutig als Erniedrigung des Präexistenten verstanden wird. Rom 7,3 bestätigt dies: Dort wo Ignatius wegen des kirchlichen Sakramentes an der σάρξ Jesu Christi interessiert ist, setzt er hinzu τον εκ σπέρματος Δανίδ. Die Wendung soll nichts anderes als die irdische Leiblichkeit des Herrn betonen. Ignatius greift die Überlieferung von der davidischen Abstammung Jesu auf, weil sie ihm in seiner Auseinandersetzung mit der doketischen Irrlehre zustatten kommt. Dem entspricht Eph 20,2: κατά σάρκα εκ γένους Δαυίδ wird hier interpretiert durch νιος άνϋρώπον. Und dieser Ausdruck meint bei Ignatius nicht den danielischen Menschensohn, denn zusammengestellt sind „Menschensohn und Gottessohn". Über Paulus hinausgehend nähert sich Ignatius der späteren kirchlichen Zweinaturenlehre. Sein Wissen von der Präexistenz des Christus und seiner ungewöhnlichen Geburt trägt hier Früchte. Für ihn ist der Erlöser in der Zeit seines Erdenwandels nicht einfach „von einem Weibe geboren" (Gal4,4), s o n d e r n σαρκικός

τε καΐ πνευματικός,

γεννητός

και άγέννητος

( E p h 7,2).

Doch auch die Überlieferung von der Jungfrauengeburt gewinnt im Rahmen dieser Christologie eine andere Bedeutung, als sie in der Tradition besaß. Dem Vorkämpfer der Orthodoxie gegen die doketische Irrlehre liegt weniger an der göttlichen als an der menschlichen Seite des Ereignisses. Gottessohn ist der Präexistente ohnehin; dagegen gilt es, seine wirkliche und nicht nur scheinbare Inkarnation hervorzuheben. Ignatius' Betonung der Menschlichkeit dieser Geburt kommt

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darin zum Ausdruck, daß er selbst von Maria spricht, wo er die Mutter Jesu nennt, und nicht von der Jungfrau wie das Bekenntnis. Eph 7,2 wird die angeführte Antithese γεννητός και άγέννητος noch einmal aufgenommen : έκ Μαρίας και έκ ΰεον. Die Erwähnung der Maria bringt so dasselbe zum Ausdruck, was nach Ignatius' Verständnis auch έκ σπέρματος Δαυίδ besagen soll: Christus ist vere homo. Trail 9,1 kann er deshalb beide Angaben hintereinander setzen τοϋ έκ γένους Δαυίδ, τοϋ έκ Μαρίας und fortfahren δς άληϋώς έγεννή&η, έφαγέν τ ε και επιεν. Daß beide Wendungen christologisch dasselbe sagen, macht ihre Fortsetzung über allen Zweifel klar. Daß sie sich auch genealogisch für Ignatius nicht widersprechen, zeigt Eph 18,2: ό γαρ ΰεός ημών Ίησοΰς 6 -Χριστός έκνοφορή&η νπό Μαρίας κατ οίκ ovoμίαν &εοϋ έκ σπέρματος μεν Δαυίδ, πνεύματος δέ άγιου. Abgesehen von seinem Schluß, der an Rom l,3f. anklingt, scheint der Satz von Ignatius selbst formuliert zu sein. Dafür spricht sowohl der Satzbau als auch die Wahl der einzelnen Ausdrücke. Während für die traditionellen Bekenntnisformeln Partizipialstil und Gliederung in einzelne Zeilen charakteristisch sind, wird hier das Subjekt von einem verbum finitum aufgenommen, das zudem so gewählt ist, daß es speziell diesem Subjekt theologisch Rechnung trägt und von ihm nicht zu trennen ist. Die Bezeichnung Jesu Christi als 6 ϋεός ημών ist Theologie des Ignatius, und der seltene Ausdruck έκυοφορή&η entspricht genau solchem Verständnis der Person Jesu. Walter Bauer übersetzt: „Denn unser Gott Jesus, der Christus, wurde von Maria im Leibe getragen nach dem Heilsplan Gottes, aus Davids Samen zwar, und doch aus heiligem Geist."66 Hat man vor Augen, daß Ignatius im selben Brief von Christus sagen kann γεννητός και άγέννητος (Eph 7,2), und ist es richtig, daß er mit dem Namen Maria die menschliche Seite der Geburt Christi hervorhebt, so erscheint es konsequent, daß er dort, wo er Christus ausdrücklich ο ι?εός ημών nennt, nicht wie im nächsten Satz dann έγεννή&η sagt oder gar έγεννη&η υπό Μαρίας, sondern eine Umschreibung wählt. Als Gott ist Christus άγέννητος, und Maria gerade nicht Θεοτόκος. Doch war sie dazu ausersehen, den Erlöser κατά σάρκα zur Welt zu bringen. Der Unterschied zur Formulierung des Bekenntnisses Sm 1,1 γεγεννημένον έκ παρθένου ist deutlich, und nachträglich tritt scharf heraus, wie die Einfügung von άληϋώς hinter γεγεννημένον von Ignatius gemeint ist. Es gilt wie Trail 9,1 dem Faktum der menschlichen und weniger der Besonderheit der jungfräulichen Geburt. Erweist sich so der Satz Eph 18,2 von der besonderen Theologie des Ignatius bestimmt, dürfte er auch von ihm geprägt sein. Mit der 55

W. Bauer, Die Briefe des Ignatius, S. 215.

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Wendung κατ' οίκονομίαν ϋεοϋ liefert er dann noch die Bestätigung einer zu Sm 1,1 aufgestellten Behauptung 6 e . I m dort zitierten Bekenntnis entspricht ihr κατά ΰέλημα και δΰναμιν &εσϋ. Hatte dieser Ausdruck für die Erinnerung an die vorpaulinische Formel noch adoptianischen Klang, so m u ß t e er mit seiner anderen Fortsetzung als Aussage über die Geburt Christi verstanden werden. U n d Ignatius hat ihn so aufgefaßt, wenn er E p h 18,2 genau zur ,Geburt' υπό Μαρίας feststellt κατ οίκονομίαν ΰεον, u m fortzufahren έκ σπέρματος A avid. Hinsichtlich der davidischen Abstammung J e s u kann dieser Satz aber k a u m anders verstanden werden, als daß Maria als Davididin nach Glottes Heilsplan den Gottessohn als Davidssohn zur Welt brachte. „ D a Joseph von Ign. niemals genannt wird, Jesus auch lediglich durch Maria (Eph 7 , 2 ; 19,1; Trail 9,1) mit d e m Menschengeschlecht verbunden ist, muß sie es sein, die seine Zugehörigkeit zu D a v i d vermittelt." 6 7 Die Ansicht, daß die Mutter Jesu aus dem Hause Davids stammte, ist — der lukanischen Erwähnung ihrer priesterlichen Verwandtschaft (Lk 1,36) ungeachtet — im zweiten Jahrhundert weit verbreitet. Sie begegnet im Protevangelium des Jakobus, bei Justin, Tatian, Irenäus, Tertullian und anderen 6 8 . Wenn sich auch nicht mehr ausmachen läßt, wer sie zuerst aufgebracht hat, so ist doch deutlich, wie es zu dieser Überzeugung gekommen ist, ja fast k o m m e n mußte. Wurde in der christlichen Gemeinde Jesus als Sohn Davids u n d Jungfrauensohn bekannt, so konnte strenggenommen nur die Mutter ihm das davidische Erbe vermittelt haben. Theodor Zahn bemerkt dazu: ,,Diese in Bezug auf die Rohheit der Voraussetzungen mit jener häretischen Ansicht (daß Jesus der leibliche Sohn Josephs gewesen) auf gleicher Linie stehende Fiktion wurde im zweiten Jahrhundert die herrschende, die katholische, und führte später konsequenterweise zu den unglücklichen Versuchen, in den Evangelien eine Genealogie der Davididin Maria zu suchen und zu finden."6® Die Theorie v o n der davidischen Abstammung Marias stellt den Ausgleich her zwischen zwei traditionellen Aussagen, deren Konkurrenz sich bis in die Vorgeschichten der Evangelien zurückverfolgen läßt. Sie zeigt zugleich, daß man sich auch mit dem genealogischen Aspekt des Prädikats befaßte, das für die Bekenntnisformel zunächst als Hoheitstitel v o n Bedeutung war. " Siehe oben S. 37. " W. Bauer, a.a.O. S. 215. 58 Vgl. W. Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, S. 13ff. und Die Briefe des Ignatius, S. 215 (Protev. Jac. 10,1; Justin, Dial. 43; 45; 100; 101; 120; Tatian, Diatessaron; Irenaeus III 21,5; 9,2; 16,2; Tertullian, adv. Marc. ΠΙ 17; 20; IV 1 u.ö.). 59 Th. Zahn, Forschungen I, S. 265.

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Zusammenfassung

Die Untersuchung der kerygmatischen Formeln, in denen der Name Davids begegnet, hat ergeben, daß das Bekenntnis zur Davidssohnschaft Jesu in der frühen christlichen Gemeinde weit verbreitet war. Es taucht auf in der hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde vor Paulus, wird vom Apostel übernommen und scheint in Rom bekannt zu sein. Es wird zitiert vom Verfasser der Pastoralbriefe, weitergegeben in stark hellenisierten Kreisen, mit denen Ignatius Verbindung hat, und vom heidenchristlichen Bischof von Antiochia aufgegriffen und interpretiert. Auffallend ist, daß — von dem Bruchstück in 2.Tim 2,8 abgesehen — der Sohn Davids immer in Begleitung des Gottessohnes auftritt. Von Anfang an erscheint dabei der Sohn Gottes als der führende, dem der Sohn Davids untergeordnet ist; und dieses Verhältnis verschiebt sich noch zusehends zugunsten des ersteren. J e stärker die Vorstellung vom Gottessohn entfaltet wird, um so mehr verliert das Bekenntnis zum Davidssohn an Bedeutung. J e weiter der Gedanke der Gottessohnschaft in das irdische Leben und gar in die Präexistenz Christi zurückgetragen wird, um so deutlicher wird die Überlieferung von Jesu Davidssohnschaft nicht mehr als Hoheitsaussage, sondern als biographische Angabe verstanden, bis sie schließlich einen neuen christologischen Sinn gewinnt und jetzt die irdische Niedrigkeit des ewigen Gottessohnes aussagt. Ignatius bedient sich ihrer, um gegen doketische Irrlehre die Wirklichkeit der Inkarnation zu unterstreichen. Zugleich wird erkennbar, daß sich die christliche Theologie nach Paulus auch mit der genealogischen Frage beschäftigt, der das Bekenntnis zum Davidssohn naturgemäß nicht eigens nachgeht.

Der Davidssohn im Markusevangelium Nachdem sich gezeigt hat, daß das Bekenntnis zu Jesus als Davidssohn in der frühen Gemeinde verbreitet ist, stellt sich von selbst die Frage, welche geschichtliche Überlieferung diesem Bekenntnis entspricht. Wußte die Gemeinde Genaueres über die Abstammung Jesu von Nazareth ? Hat etwa Jesus selbst auf Grund seiner Herkunft bestimmte Ansprüche erhoben ? Oder hat er sich's zum mindesten gefallen lassen, als Davidide angeredet und gefeiert zu werden? Die Antwort auf diese Fragen — sofern sie überhaupt möglich ist — muß die Untersuchung des ÜberlieferungsstofFes erbringen, der in den synoptischen Evangelien erhalten ist. Es ist das Nächstliegende, bei Markus als dem ältesten Evangelisten einzusetzen und danach die Tradition und Redaktion der Evangelisten Matthäus und Lukas zu untersuchen. Im Markusevangelium sind es drei Perikopen, die für die Frage der Davidssohnechaft Jesu von Belang sind: Die Heilung des Blinden von Jericho (10,46-52), der Einzug in Jerusalem ( I i , 1-11) und die „Davidssohnfrage" (12,35-37). Mk 10, 46-52 „In Μ χ 47 ruft der Blinde von Jericho: ,Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner.' Der Bericht ist historisch einwandfrei." 1 Hätte Ethelbert Stauffer mit diesem Urteil recht, wäre ein Teil der Fragen bereits beantwortet. „Jesus nimmt hier den Zuruf ,Sohn Davids' ohne Widerspruch hin. Warum? Wohl weil diese Anrede hier nur genealogisch, jedenfalls nicht messianologisch gemeint ist." 2 Schon diese weitere Ausführung Stauffers läßt indes Bedenken aufkommen. Ist es denn möglich, daß solcher Zuruf keinerlei messianischen Klang haben sollte 3 ? Und ein genaueres Betrachten des Abschnittes liefert noch manchen Einwand gegen diesen „historisch einwandfreien Bericht". 1 E . Stauffer, Messias oder Menschensohn?, S. 84. Ähnlich urteilen J . Weiß (-W. Bousset), Die drei älteren Evangelien, S. 175: „eine unverdächtige Mitteilung der alten Überlieferung", und E. Meyer, Ursprung und Anfänge des Christentums I, S. 114: „Die Scene, die höchst anschaulich erzählt wird, stammt offenbar aus bester Überlieferung und ist in allem Wesentlichen historisch." 2 E. Stauffer, a.a.O. S. 84. Vgl. A. Schweitzer, Geschichte der Leben-JesuForschung, S. 394. 3 E . Klostermann, Das Markusevangelium, S. 123, spricht von einem „Glaubensakt von Seiten dieses Nichtjüngers"; J . Weiß, a.a.O. S. 175, erklärt: „Mit den Worten ,Sohn Davids' bezeichnet er Jesus als Messias."

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Zunächst fällt auf, daß die Geschichte eine doppelte Einleitung hat. λ7. 46a heißt es: και έρχονται εις 'Ιεριχώ. Ohne daß ein Ereignis in der Stadt berichtet wäre, fährt 46b fort: και έκπορενομένου αντοϋ από Ιεριχώ. Schon Matthäus und Lukas haben sich an dieser unklaren Ortsangabe gestoßen und jeder die Sache auf seine Weise entschieden. Bei Matthäus ist die erste Angabe getilgt 4 , und der Vorfall ereignet sich beim Aufbruch von Jericho ; bei Lukas hingegen έν τω εγγίζειν αυτόν είς

'Ιεριχώ.

Umständlich wirkt bei Markus auch die nachgetragene Nennung der Zuschauer και των μα&ητών αντοϋ και δχλον ίκανοϋ. Matthäus hat

hier ebenfalls verbessert5. Er wählt den Plural και έκπορενομένων αυτών und läßt mit ήκολσύ&ησεν die Menge sich anschließen. Lukas auf der anderen Seite erwähnt die mitziehende Menge erst nach der Einführung des Blinden. Mit Matthäus und Lukas verglichen wirkt die Einleitung des Markus ebenso umständlich wie unklar und erweckt den Eindruck, daß hier Tradition und Redaktion miteinander im Streit liegen e. An der namentlichen Nennung des Blinden hat besonders Bultmann Anstoß genommen. „Die Geschichte verrät sich dadurch als sekundär, daß der Blinde mit Namen genannt ist; es ist der einzige Eigenname in einer synoptischen Wundergeschichte außer Mk 5,22." 7 Das meiste Gewicht hat aber die Beobachtung, daß Jesus innerhalb dieser Erzählung vom selben Bartimäus ganz verschieden angeredet wird. I n V. 47 und 48 als νίός Δαυίδ u n d V. 61 mit ραββοννί*.

Diese

Spannung deutet darauf hin, daß die Geschichte eine Überarbeitung erfahren hat, deren Ausmaß freilich schwer zu bestimmen ist. Bultmann urteilt: „Es ist kaum möglich, eine ursprüngliche, stilgemäß erzählte Wundergeschichte als Grundlage zu erkennen."· Doch verrät dieser Satz, wo er die älteren Elemente der Erzählung vermutet: im Bericht über das Wunder. Derselben Ansicht ist Ferdinand Hahn: „Die ursprüngliche Fassung der Erzählung läßt sich nicht mehr rekonstruieren, weil die Überarbeitung anderes verdeckt hat. Den altertümlichsten Eindruck macht V. 51. 52 a." 10 Diese Verse, in denen das Wunder berichtet wird und die Anrede ραββουνί fällt, stehen aber zu jener Partie der Erzählung, die vom Davidssohn handelt, über die Verschiedenheit der Anrede hinaus in mehrfacher Spannung. 4 5

Vgl. auch die Lesart B+ bei Markus. Desgleichen D (0) und it bei Markus. • Vgl. R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, S. 369; M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, S. 49f.; F. Hahn, Christologieche Hoheitstitel, S. 262 Anm. 1; E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus, S. 224; E. Schweizer, Das Evangelium nach Markus, S. 127. 7 R. Bultmann, a.a.O. S. 228. 8 Vgl. dazu Billerbeck II, S. 25. 9 R. Bultmann, a.a.O. S. 228. 10 F. Hahn, a.a.O. S. 262 Anm. 1.

Der Davidssohn im Markusevangelium Der eigentliche Wunderbericht der Verse 50-52 erzählt nur von Jesus und dem Blinden. Zwischen ihnen beiden spielt sich das Ganze ab, und Zuschauer treten nicht einmal im Hintergrund auf. In vielen anderen Wundergeschichten fällt ihnen die Aufgabe zu, abschließend das Erstaunliche des Geschehens zu betonen oder den Lobpreis Gottes anzustimmen 11 . Nichts davon hier! Es kann natürlich sein, daß der Abschluß stark von der Theologie des Markus geprägt ist 12 . In der Beschränkung auf die beiden Hauptpersonen weist er aber zurück auf den Eingang der Geschichte, wo zunächst ebenfalls nur die Einzelpersonen auftreten und die Jünger mit der Menge nachträglich eingeführt werden müssen. Das Mittelstück der Verse 47b-49 lebt dagegen ganz von der Anwesenheit und dem Eingreifen dieser Menge. Eine gewisse Spannung innerhalb der Geschichte zeigt sich auch darin, daß das Verhalten der Menge nicht recht verständlich wird. Weshalb soll der Blinde eigentlich zum Schweigen gebracht werden: Weil er das Messiasgeheimnis ausplaudert ? Oder weil Jesus nicht aufgehalten werden soll? Sogar William Wrede hat sich für die zweite Antwort entschieden 13 und zieht als Parallele Mk 10,13 heran: Jesus darf nicht belästigt werden 14 ! U m so überraschender ist, daß die Menge dann im nächsten Augenblick dem Blinden Mut macht: ΰάρσει, εγείρε, φωνεϊ σε. Als ob er es daran hätte fehlen lassen! Über dem ganzen Hin und Her wird die Szene merkwürdig verschwommen. Zeitweilig hat es den Anschein, als stünden die Menge um Jesus und der Blinde nahe beieinander, dann aber muß dieser noch sein Gewand abwerfen, herbeieilen und sich von Jesus fragen lassen, was er denn wolle. Auffallend ist weiter, daß Bartimäus auf die Mitteilung, ort Ίησονς ό Ναζαρηνός εστίν, mit dem Ruf υίέ Δαυίδ reagiert. Ist dies nur genealogisch gemeint, so zeigt sich der Blinde gut informiert über den Mann aus Nazareth 18 . Ist sein Anruf aber messianisch zu verstehen, erweist er sich als schlecht unterwiesener Jude. Denn es gehört nicht zum jüdischen Bild des Davidssohnes, daß er Heilungswunder tut 1 6 , auch begegnet ,Sohn Davids' in den jüdischen Texten nirgends als Anrede. V. 51 erscheint nicht zufällig die andere ραββοννί! Befremdlich ist außerdem die Bitte έλέησόν με. Ernst Lohmeyer bemerkt dazu: „Die 11 12 13 14

Vgl. Mk 1,27; 2,12; 4,41; Mt 9,8; Lk 7,16 u.ö. So U. Luz, Das Geheimnismotiv und die markinische Christologie, S. 25. W. Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien, S. 27 8 f. Ähnlich E. Lohmeyer, a.a.O. S. 224; W. Grundmann, Das Evangelium nach Markus, S. 222. 15 K. L. Schmidt, Der Rahmen der Geschichte Jesu, S. 301, erklärt: „Jesus scheint schon früher in dieser Gregend gewirkt zu haben." " E. Lohmeyer, a. a. O. S. 224, nennt „die Blindenheilung ein klares messianisches Zeichen", bringt aber keine Belege dafür.

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Bitte aber .erbarme dich' ist vor allem dem Psalter entlehnt (Ps 6,2; 9,13; 24,16 usw., auch Jes 33,2); sie ist das flehentliche Gebet, das ein Leidender in der Not an Gott richtet, und niemals ist im AT und NT ein Mensch so gebeten worden."17 Nimmt man schließlich hinzu, daß die Auseinandersetzung um den Anruf in der Geschichte ein starkes Eigengewicht besitzt — sie ist zwar auf das folgende Wunder ausgerichtet, läßt es aber stark in den Hintergrund treten —, so erscheint die Annahme begründet, daß vor allem in dieser Partie die Überarbeitung einer älteren Erzählung zu greifen ist. Läßt man den wiederholten Anruf des Blinden und das Eingreifen der Menge einmal beiseite 18 , so zeichnet sich eine Wundergeschichte ab, die in sich geschlossen und sinnvoll ist. Wie sich der Blinde bemerkbar gemacht hat, ist zwar nicht mehr zu erheben, spielt aber für die ursprüngliche Wundergeschichte auch keine wesentliche Rolle, da die eigentliche Bitte ja erst V. 51 an Jesus gerichtet wird: ραββοννί, Iva άναβλέψω. Die Helfer in V. 49 können entweder die Jünger gewesen sein, die auch in anderen Erzählungen als selbstverständliche Begleitung zunächst nicht eigens genannt werden18, oder Jesus selbst ermunterte: ϋάρσει, εγείρε20. Ihren Schwerpunkt hatte diese Erzählung im Bericht von der sofortigen Heilung. Jesus wird dabei als ραββοννί angesprochen. Lokalisiert ist das Geschehen bei Jericho; der Ortsname begegnet sowohl im traditionellen wie im redaktionellen Teil der Einleitung. Die Erzählung konzentrierte sich auf die beiden Hauptpersonen: Jesus und der Blinde. Daß der Bericht in seiner markinischen Gestalt historisch einwandfrei sei, läßt sich angesichts der zweifachen Anrede und der Spannungen zwischen dem Eingreifen der Menge und dem Handeln Jesu jedenfalls nicht halten. Ferdinand Hahn wird recht haben, wenn er annimmt, „daß diese Erzählung nachträglich in die Davidssohntradition hineingezogen wurde" 2 1 . Die Gemeinde hat „das schon in paläetinischer Tradition ausgeprägte Bild von seinem (sc. Jesu) Wirken als Wundertäter mit dem Motiv der Davidssohnschaft verknüpft" 8 2 . Mit dieser Feststellung ist zugleich die andere Frage entschieden, wie der Anruf vU Δαυίδ zu verstehen sei. Geht diese Anrede auf eine christliche Bearbeitung der ursprünglich schlichteren Wundergeschichte zurück, kann ihr der messianische Klang nicht abgesprochen 17 E. Lohmeyer, Gottesknecht und Davidsohn, S. 69. Auch Lk 16,24 bildet keine Ausnahme, denn es ist der in den Himmel aufgenommene Abraham, der hier gebeten wird: έλέησόν με. Als Bitte an irdische Herren findet sich die Wendung nur außerhalb des biblischen Sprachgebrauchs: Jos Ant 9,64; Epict Diss II 7,12. Vgl. R. Bultmann, Ιλεος κτλ, ThW II, S. 474-483. " Siehe dazu unten S. 59 ff. " Vgl. Mk 2,13ff.; 5,25ff. *> Vgl. Mk 10,14. 21 2i F. Hahn, a.a.O. S. 262. Ebd. 8. 263.

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werden. Nur unter der Voraussetzung, daß Jesus mit diesen Worten eine — ihm selbstverständlich gebührende — Würde zuerkannt wurde, war es für einen christlichen Bearbeiter der Mühe wert, sie in die alte Erzählung einzuarbeiten23. Daß es ihm bewußt nur um die Messiasprädikation aus dem Munde eines Juden, also um eine unzulängliche Erkenntnis Jesu ging, läßt sich angesichts des Ausgangs der Geschichte schlecht behaupten. Der blinde Rufer wird ja zum Anhänger Jesu und folgt ihm nach, ohne zuvor umgelernt zu haben. Zudem traut solche Deutung dem christlichen Bearbeiter ein historisches Interesse und Unterscheidungsvermögen zu, das dieser keineswegs bestätigt, wenn er den Würdenamen Davidssohn mit einer Wundergeschichte zusammenbringt. „In welchem Maße hier eine spezifisch christliche Ausprägung der Davidssohnvorstellung zum Ausdruck kommt, ergibt sich daraus, daß der messianische König im Judentum eben nicht als Wundertäter erwartet wurde."24 Die Anrede ,Sohn Davids' hat in Mk 10,47 und 48 also nicht nur messianologischen, sondern bereits christologischen Klang. Mk

11,1-11

In der Darstellung des Markusevangeliums ist der Einzug Jesu in Jerusalem eine wohl vorbereitete Demonstration, die ihren Höhepunkt im Ruf der Menge findet: ωσαννά· ευλογημένος ό ερχόμενος εν ονόματι κυρίου · ευλογημένη ή ερχόμενη βασιλεία τοϋ πατρός ημών ωσαννά εν τοις νφίστοις.

Δαυίδ'

Sowohl die Schilderung der Vorbereitung in den Versen 1-7 als auch der Ruf der Menge, wie ihn die Verse 9 und 10 wiedergeben, hat jedoch die Bedenken der Exegeten geweckt, ob sich die Sache wirklich so zugetragen haben möchte. Johannes Weiß erklärt: „Am meisten befremdend an unserem Markus-Bericht ist . . . der Umstand, daß Jesus selbst den Einzug sorgfältig vorbereitet haben soll."25 Für ihn ist das „ganz unvorstellbar"! Ähnlich urteilt Rudolf Bultmann: „In dieser Erzählung ist zunächst die Beschaffung des Reittieres ein deutlich legendarischer Zug." „Die Voraussetzungen, die man machen müßte, um den Bericht als geschichtlich anzusehen — daß Jesus die Erfüllung von Sach 9,9 in23 Vgl. E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus, S. 225: „Denn für den Erzähler ist Er der ,Sohn Davids', als den Ihn der Blinde alsbald anredet. Das ist natürlich nicht eine genealogische Benennung, sondern der eschatologische Würdename." 21 25 F. Hahn, a.a.O. S. 262. J. Weiß, a.a.O. S. 176.

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szenieren wollte, und daß die Menge den Esel sogleich als messianisches Reittier erkannte —, sind absurd." 2 6 Die Kritik Ernst Lohmeyers dagegen entzündet sich vor allem an dem Ruf, den die Begleiter anstimmen. „Hier erregt der Wortlaut Bedenken", und die Verse 9 und 10 werden von ihm eingehend untersucht 27 . Für die Frage, ob sich Jesus von Nazareth bei seinem Einzug in Jerusalem als Davidide feiern ließ, kommt diesen Versen die entscheidende Bedeutung zu. Sicher, der Esel ist das Reittier Davids. Aber allein das Reiten auf dem Grauschimmel macht und offenbart noch nicht den Davididen. Auch „das Bild des auf dem Esel reitenden Schriftgelehrten ist ein in Palästina vertrautes Bild." 28 Deutlich messianisches Licht fällt auf das Tier erst von seinem Reiter her und vom Zuruf der Menge, der dessen Bedeutung kundtut. Dieser Akklamation hat sich die Untersuchung folglich zuerst zuzuwenden. „Der Ruf, den die .Vorangehenden und Nachfolgenden' anstimmen, ist von Mk in einer Strophe gebracht, die mit Hosanna beginnt und endet und in ihrer Mitte zwei gleichgefügte Zeilen zeigt." 2 · 'Ωσαννά ist Wiedergabe des hebräischen KS HVEfin aus Ps 118,25, das nach seinem Wortsinn eine Bitte um Hilfe ist. In den Psalmen 12,2; 20,10; 28,9; 60,7; 108,7 und 118,25 wird Gott gebeten: nytfin Π17Γ, 2. Sam 14,4 und 2.Kön 6,26 ist die Bitte an den König gerichtet, und LXX übersetzt sie jedesmal mit σώσον. „Ein fester liturgischer Ort wurde dem Ruf von Ps. cxviii 25 erst im nachbiblischen Judentum zugewiesen, in dem die Hallelpsalmen (Ps. cxiii-cxviii) bei der Feier der hohen Festtage von Passa und Laubhütten gesungen wurden."30 Auf diese Verwendung bei den jährlichen Festen stützt sich die These von Joachim Jeremias, das Hosianna habe bereits im vorchristlichen palästinischen Judentum einen Bedeutungswandel vom Hilferuf zum Jubelruf durchgemacht. „Man muß sich klarmachen, daß das Hosianna (Ps 118,25) an den sieben Festtagen des Laubhüttenfestes beim feierlichen Umzug der Priester um den Brandopferaltar als Regen erflehende (!) Litanei in unaufhörlicher monotoner, ungeheuer einprägsamer Wiederholung erklang — so einprägsam, daß der 7. Tag, an dem der Altar siebenmal umschritten wurde, geradezu ,Hoscha'naTag', später ,Tag des großen Hoscha'na' hieß." 31 „Und es hat nichts Überraschendes an sich, wenn der Ruf an dem Wandel des Wallfahrts24 27 28 29 30 31

R. Bultmann, a.a.O. S. 281. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 231 f. W. Grundmann, a.a.O. S. 225; vgl. Billerbeck I, S. 842f. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 231. E. Lohse, Hosianna, S. 114f.; vgl. Billerbeck I, S. 845ff. J. Jeremias, Die Muttersprache des Evangelisten Matthäus, S. 273.

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festes vom Bittfest zum Freudenfest teilnahm und aus einem Hilferuf zum Jubelruf wurde."32 Allerdings muß Jeremias zugeben: „Wir haben zufällig (?) keinen direkten Beleg in der rabbinischen Literatur." 31 Dennoch schließt sich Eduard Lohse ihm an: „Dieser Wandel muß sich schon im vorchristlichen Judentum vollzogen haben"33, und er verknüpft diese These mit einer anderen von Eric Werner, obwohl dieser seinerseits deutlich erklärt: „In all Hebrew literature no passage in which Hosanna expresses exultation occurs."34Werner unternimmt den Versuch „to demonstrate conclusively that Hosanna —in Matthew and Mark—is employed in the strictly traditional sense as a messianic supplication"35. Lohse leistet auch ihm Gefolgschaft: „Da verschiedene Sätze des cxviii. Psalms von den Rabbinen im messianischen Sinne gedeutet worden sind, hat sicherlich auch in dem Hosiannaruf der Klang messianischer Hoffnung mitgeschwungen." 36 Die Belege, die Werner für den messianischen Sinn des Hosianna beibringt, sind allerdings großenteils christlicher Herkunft (Euseb!) und, soweit sie aus der jüdischen Literatur stammen, keineswegs eindeutig und zumeist aus nachchristlicher Zeit. Lohse zitiert davon nur den Midrasch zu Ps 118 § 22 (244a)37 und erklärt den kargen Befund im übrigen so: „In christlicher Zeit hat sich die Synagoge gegen den von den Christen übernommenen Gebrauch des XHJtfin abgrenzen müssen und daher dessen messianischen Charakter unterdrückt." Gerade dies bestätigt ihm aber, „daß in vorchristlicher Zeit mit dem Hosiannaruf der Ausdruck messianischer Erwartung verbunden gewesen ist: Der Jubelruf möchte auf den hinweisen, der im Namen des Herrn kommen soll und kommen wird."38 Davon einmal abgesehen, daß messianische Erwartung und gleichzeitiger Jubel sich schwer zueinander reimen, sind für beide Momente, die im Hosiannaruf gefunden werden, angesichts der fehlenden Belege die Argumente so wenig beweiskräftig und der Wortsinn des Rufes so eindeutig, daß man sich mit einer Charakterisierung des Hosianna, wie sie Ernst Lohmeyer gibt, wird zufrieden geben müssen: „Es ist ein Festruf, angestimmt in Form einer Bitte zu Gott, sein Volk zu segnen und seinen Gang zu schirmen"39. Charakterisiert ist damit der gängige jüdische Festesruf! Ob und wie ihn der griechische Erzähler der Einzugsgeschichte verstanden hat, ist eine andere Frage, die sich erst bei der Untersuchung von V. 10b beantworten läßt. 82

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83 Ebd. S. 274. E. Lohse, a.a.O. S. 115. E. Werner, 'Hosanna' in the Gospels, S. 99. Ebd. S. 112. E. Lohse, a.a.O. S. 115f. Billerbeck I, S. 850. E. Lohse, a.a.O. S. 116. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 231.

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Aus dem 118. Psalm stammen auch die anschließenden Worte der Akklamation: ευλογημένος ό ερχόμενος έν ονόματι κνρίον. Ohne seine Fortsetzung bei Markus kann dieser Ruf jeden Pilger meinen, der durch die Tore Jerusalems einzieht. Und wenn der Psalm bei den jährlichen Festen Verwendung fand, muß dieses Verständnis für das zeitgenössische Judentum als geläufig angenommen werden40. Jeremias glaubt allerdings schon für die Zeit Jesu das messianische Verständnis des Psalms behaupten zu können. Auch er stützt sich dabei insbesondere auf Midr Ps 118 §22. In der Tat wird hier in einem „bewegten und bewegenden Bild" geschildert, wie am Tage der endgültigen Erlösung die Bewohner von Jerusalem und die Leute Judäas sich die Verse des Psalms im Wechsel zurufen werden. Nur ist vom „messianischen König", den Jeremias „an der Spitze des judäischen Wallfahrtszuges" nahen sieht, überhaupt nicht die Rede, wenn man nicht mit Jeremias die Übertragung wählt: „Gesegnet sei im Namen Jahwes der Kommende" (V. 26a) 41 und außer acht läßt, daß die folgende Responsion von einer Mehrzahl, den Bewohnern Judäas, gesprochen wird: ,,Wir segnen euch vom Hause Jahves" (V. 26b). Billerbeck bleibt hier bei der durch den Psalm nahegelegten Übersetzung: „Gesegnet sei, der da kommt, im Namen Jahves" 42 . Dazuhin stellt dieser Midrasch die Behauptung in Frage, das Hosianna sei bereits in vorchristlicher Zeit zum Jubelruf geworden. Immerhin respondieren die Bewohner Judäas dem „Ach Jahve, hilf doch!" völlig richtig mit „Ach Jahve, gib doch Gelingen!" (V. 25). Im Unterschied zu Mk 11,9, wo diese zweite Hälfte des Psalmverses fehlt, ist der Ruf also noch deutlich als Bitte verstanden. Somit zeigt der Midrasch zwar, daß sich Psalm 118 gut als Wechselliturgie eignete, und es ist anzunehmen, daß er so auch verwendet wurde48. Ein speziell messianisches Verständnis für die Zeit Jesu ist durch den eschatologischen Midrasch aber um so weniger bewiesen, als dieser zeitlich nicht festzulegen ist. Letzteres weiß auch Jeremias: „Die eschatologische Exegese von Ps. 118,24-29, die wir im Midrasch zu den Psalmen lesen, ist nicht datiert. Doch zeigt das NT mit Sicherheit, daß sie bis in die Tage Jesu zurückgeht und daß sie Gemeingut des Volkes war. Denn wenn die Evangelien in der Geschichte vom Einzug in Jerusalem berichten, daß Jesus mit Ps 118,25f. gegrüßt wird, so ist damit nicht nur vorausgesetzt, daß man diese Stelle eschatologisch deutete, sondern es werden, wie im Midrasch, diese Verse als Zurufe, die den einziehen40 41 12 43

E. Klostermann, a.a.O. S. 128, spricht von „kollektivem Singular". J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, S. 248. Billerbeck I, S. 850. Vgl. J. Jeremias, a.a.O. S. 249 Anm. 1.

4 Burger, Jesus

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den Messias grüßen, verstanden." 4 4 Bei solchem Argumentieren übersieht Jeremias, daß die Historizität dieser Akklamation keineswegs gesichert ist und der messianische Charakter des Zurufes in Mk 11 mit jener Zeile steht und fällt, die gerade nicht Zitat aus Psalm 118 ist und ihre eigenen Schwierigkeiten birgt: ευλογημένη ή ερχόμενη βασι/.εία τοϋ πατρός ημών Δαυίδ. Lohmeyer stellt dazu fest: „Der Ausdruck: ,Königtum unseres Vaters David' (ist) merkwürdig. David heißt sonst nicht .unser Vater', die ,Erzväter' sind die Väter κατ εξοχήν." Sodann „ist auch die Verbindung ,das kommende Königtum Davids' bedenklich. Denn es ,kommt' nur das Königtum Gottes oder Seines Messias, das Königtum Davids kommt höchstens wieder oder, was ungleich häufiger ist, wird wieder aufgerichtet." Die Zeile „wird eine nachträgliche Bildung sein" 4 5 . Werner Georg Kümmel pflichtet ihm bei: „Da hier deutlich eine unjüdische Formulierung vorliegt, ist Mk 11,10a vermutlich eine sekundäre Bildung." 4 6 In anderer Hinsicht ist die Formulierung freilich sehr genau: Sie ist parallel zur vorhergehenden Zeile gebildet, ευλογημένη ή ερχόμενη ... nimmt ευλογημένος ό ερχόμενος . . . auf, und Klostermann erkennt: ,,ευλογημένη — Δανείδ (nur Mc) ist offenbar Kommentar zu dem Psalmwort in V. 9 . " 4 7 Dieser literarische Charakter der Zeile macht den Ruf im Munde der jüdischen Festpilger aber vollends unwahrscheinlich. Weder entspricht sein Inhalt den traditionellen Vorstellungen, noch trägt seine Form Zeichen der Spontaneität! Der Schluß der Akklamation in der Darstellung des Markus bringt die Wiederholung des H o s i a n n a : ώσαννά εν τοις ύψιστο ig. F ü r

die

Formulierung ist ein entsprechender hebräischer oder aramäischer Ausdruck nicht zu finden48. In der Verbindung mit εν τοις ύψίστοις hat das Hosianna seine ursprüngliche Bedeutung als Bittruf in der Tat verloren. Für den griechischen Erzähler war es ein Festruf, dessen Sinn ihm verschlossen blieb. Will man seine Formulierung nicht erweitern ώσαννά, ό εν τοϊς νψίστοις, um übersetzen zu können: „gib Heil, du, der du in der Höhe wohnst" 4 9 , wird man annehmen müssen, daß er den Ruf als Aufforderung zum Jubel mißverstanden hat; ein MißVerständnis, das sich in der christlichen Kirche durchgesetzt hat 5 0 . Im ganzen betrachtet lassen sich über den Zuruf der Menge nach Mk 10,9 u. 10 also folgende Feststellungen treffen: 41 45 46 47 48 49 50

J . Jeremias, a.a.O. S. 248f. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 231 f.; vgl. Billerbeck Π, S. 26. W. G. Kümmel, Verheißimg und Erfüllung, S. 109. E . Klostermann, a.a.O. S. 128. Vgl. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 232. E. Klostermann, a.a.O. S. 128. Vgl. G. Dalman, Die Worte Jesu, S. 180ff.

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Erstens: Der ganze Ruf gewinnt erst durch das Mittelstück, das an die Herrschaft Davids erinnert, messianischen Klang. In Verbindung mit dieser Zeile kann auch die vorhergehende nur dem einen gelten, der jetzt in Jerusalem einzieht und die Gedanken an das Reich Davids wach werden läßt. Zweitens: In seinem Aufbau mit Hosianna zu Beginn und Hosianna am Schluß, vor allem aber der parallelen Konstruktion der beiden Hauptzeilen, mutet der Ruf höchst literarisch an. Und drittens: Die Vorstellungen, die in dieser Akklamation ihren Ausdruck finden, sind „ausgesprochen unjüdisch"51. Damit ist freilich noch nichts darüber ausgemacht, ob beim Einzug Jesu in Jerusalem nicht tatsächlich messianische Zurufe laut wurden, die dann nur später vom Erzähler in die vorliegende unhistorische Form gebracht worden wären. Gegen solche Annahme sprechen jedoch weitere Beobachtungen: Wurde Jesus bei seinem Einzug in irgendeiner nicht mehr näher zu bestimmenden Weise als Messias und Davidide gefeiert, so muß verwundern, daß auf diesen spektakulären Vorfall weder von Seiten der Römer noch von den offiziellen Repräsentanten des Judentums irgendeine Reaktion erfolgt62. Auch im späteren Prozeß wird mit keiner Silbe das aufsehenerregende Ereignis erwähnt53, obwohl es zumindest der römischen Ordnungsmacht Anlaß zum Eingreifen gegeben hätte oder doch der jüdischen Seite Gelegenheit, Jesus des Aufruhrs zu bezichtigen. Nichts davon geschieht! Auch die Demonstration selbst endet merkwürdig sang- und klanglos. Mk 11,11 heißt es lediglich: „Und er ging hinein nach Jerusalem in den Tempel und sah sich alles an!" Die erwartungsvolle Menge ist unversehens verschwunden; ohne weiteres Aufsehen kann Jesus die Stadt mit den Zwölfen am Abend wieder verlassen (Mk 11,11b). Endlich ist zu notieren, daß auch die Schilderung des Verhaltens der Menge in V. 8 problematisch ist: „Und viele breiteten ihre Kleider auf den Weg, andere aber grüne Zweige, die sie auf den Feldern abgeschnitten hatten!" Lohmeyer kommt bei seiner Analyse zum Ergebnis: „Diese kleinen Züge scheinen einen königlichen Einzug improvisieren zu sollen, aber sie wollen nicht recht zu einander stimmen." Und: „Keinem dieser Züge haftet ein spezifisch messianischer Sinn an!" 64 Alle diese Beobachtungen unterstützen die Vermutung Bultmanns: „Der Bericht von Jesu Eintreffen in Jerusalem mit einer Schar von Festpilgern voll Jubel und Erwartung (des nunmehr kommenden Gottesreichs) könnte die geschichtliche Tatsache sein, die dann unter 51 52 53 54



F. Hahn, a.a.O. S. 264. Vgl. E. Klostermann, a.a.O. S. 126. Vgl. G. Dalman, a.a.O. S. 182; J. Weiß, a.a.O. S. 176. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 230f.

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dem Einfluß von Sach 9,9 zur Messiaslegende wurde."65 Mit Bestimmtheit erklärt Kümmel: „Die Tatsache, daß sich die christliche Tradition bemüht hat, den messianischen Charakter des Geschehnisses deutlich zu machen (vgl. schon bei Markus den legendarischen Zug von der Auffindung des Reittieres und dann ganz besonders die Umbildung von Mk 11,9 in Mt 21,9; Lk 19,38), beweist, daß ein auf den ersten Blick unmessianisches Ereignis aus dem Leben Jesu der heutigen Legende zugrunde liegt."5® Das Rätsel des sowenig jüdischen Rufes der jüdischen Menge wäre so gelöst: Der traditionelle Festruf jüdischer Pilger aus Ps 118 wurde von einem christlichen Erzähler zur messianischen Akklamation umgestaltet, indem er die Erinnerung an die Herrschaft Davids hinzufügte, ohne zu ahnen, daß er mit seiner Formulierung die messianischen Erwartungen des Volkes nur ungenau traf. Für die Frage der königlichen Abstammung Jesu und seines Auftretens als Davidide ist dann aus der Erzählung Mk 11,1-11 höchstens dies zu gewinnen, daß der christliche Glaube beides für gegeben hielt. Doch bleibt zu fragen, weshalb Jesus nicht deutlicher als Sohn Davids oder Davidssproß vorgestellt wird. Immerhin beanspruchen auch die Rufenden David als ihren ,Vater'. Daß mit Jesu Einzug das Kommen der Herrschaft Davids zu erwarten steht, ist nicht mehr als eine indirekte Erwähnung seiner Davidssohnschaft, die erst Matthäus in deutlichere Sprache übersetzt: ωσαννά τω νίώ Δαυίδ (Mt 21,9). Direkt ist an der dritten Stelle, die es im Markusevangelium zu untersuchen gilt, die Davidssohnschaft Gegenstand eines Streitgespräches : Mk

12,35-37

Als zu Anfang des Jahrhunderts William Wrede über „Jesus als Davidssohn" handelte, stellte er zu dieser Perikope fest: „Bis auf ganz vereinzelte und heute verklungene Stimmen ist die Exegese darin einig, daß hier die treue Überlieferung eines Jesuswortes vorliegt." 87 Das Bild hat sich seither erheblich gewandelt und die Meinung sich immer stärker durchgesetzt: der Abschnitt ist eine Bildung der Gemeinde. Johannes Weiß spricht von „Gemeinde-Theologie" 58 , Wilhelm Bousset findet hier die „Spuren beginnender Gemeindedogmatik" 8e , 65 R. Bultmann, a.a.O. S. 281; vgl. W. Wrede, Jesus als Davidssohn, S. 159; G. Dalman, a.a.O. S. 182; E. Klostermann, a.a.O. S. 126. *· W. G. Kümmel, a.a.O. S. 109. 57 W. Wrede, Jesus als Davidssohn, S. 167. " J. Weiß, a.a.O. S. 189. 69 W. Bousset, Kyrios Christos, S. 5.

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Rudolf Bultmann hält es für „das Wahrscheinlichste, daß Mk 12,35-37 eine Gemeindebildung ist"· 0 , und Erich Klostermann schließt sich ihm an81. Ethelbert Stauffer schreibt: „Wir haben hier vermutlich einen Niederschlag gemeindetheologischer Apologetik vor uns, nur notdürftig eingekleidet in die Form eines jesuanischen Streitgesprächs"92, nach Ferdinand Hahn liegt ,,der Niederschlag christologischer Reflexion vor"63, und Ernst Haenchen sieht „frühe christliche Schriftgelehrsamkeit" am Werk®4. Die Gründe, die für diese verbreitete Auffassung angeführt werden, sind im wesentlichen noch dieselben, die bereits Wrede der Reihe nach aufzählt 85 : „1. ist doch befremdlich, daß hier nichts darauf hindeutet, daß Jesus sich als den Messias weiß, obwohl die Erzähler das natürlich voraussetzen." „Die Sache wird abgehandelt wie ein einfacher Lehrsatz." „2. ist bemerkenswert, daß es ohne Seitenstück in den Evangelien ist, daß Jesus zum Volke sich in dieser Art über seine eigene Messianität äußert." „Wichtiger ist 3. aber die Art der Auslegung des Psalms selbst." „Sie macht durchaus den Eindruck jener Spitzfindigkeit und Buchstäbelei, wie sie der rabbinischen und ebenso vielfach der urchristlichen Exegese des Alten Testaments eignen." „4. ist es zum mindesten sehr ungewiß, ob die Juden zu Jesu Zeit den 110. Psalm überhaupt schon messianisch deuteten, und das wäre doch wohl die Vorbedingung dafür, daß Jesus ihn messianisch auffaßte." „Zu dem allen 5. noch eine Frage: wenn Jesus dem Messias so entschieden die Davidssohnschaft abspricht, wie kommt es, daß das gar keine Wirkung auf seine Jünger geübt hat?" Trotz dieser in der Zwischenzeit oft wiederholten und variierten Argumente wird freilich ebenso vertreten — etwa von Julius Schniewind, Ernst Lohmeyer, Walter Grundmann —, das Streitgespräch lasse sich auf Jesus selbst zurückführen®*. Doch ist die Frage der Authentie gar nicht die entscheidende. Entscheidend ist vielmehr, was als der Sinn dieses Gesprächs erfaßt wird. Und die Verteidiger seiner Historizität bringen R. Bultmann, a.a.O. S. 146. " E. Klostermann, a.a.O. S. 144. E. Stauffer, a.a.O. S. 87. «' F. Hahn, a.a.O. S. 114. M E. Haenchen, Der Weg Jesu, S. 416. « W. Wrede, a.a.O. S. 170f. M J. Schniewind, Das Evangelium nach Markus, S. 154f.; E. Lohmeyer, a.a.O. S. 263; W. Grundmann, a.a.O. S. 254.

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sich häufig dadurch in Mißkredit, daß für sie das nächstliegende Verständnis der Worte ausscheidet, selbst wenn sie es treffend beschreiben67. Sie verhindern so, daß das „authentische" Jesuswort für ihre christologische Theorie zum Danaergeschenk wird. Drei verschiedene Auslegungen des Abschnittes konkurrieren miteinander: Die eine versteht Mk 12,37 lediglich als eine Vexierfrage, mit der Jesus seine Gegner zum Schweigen bringt, ohne daß seine eigene Ansicht des verhandelten Problems dem Disput zu entnehmen wäre. Sehr entschieden hat diese Auslegung neuerdings Robert Paul Gagg vertreten. Um die Frage Jesu als Abwehr verständlich zu machen, rekonstruiert er als Einleitung des Gespräches eine Frage der Gegner, mit der sie ihren Angriff vortragen, und stellt dann fest: „Jesu Wort zum Davidssohn enthält keine betont lehrhafte Zuspitzung, sondern hat seinen Zweck in der Abwehr."68 „Unser Text liefert demnach keinen Beitrag zur Theologie des Neuen Testaments."®9 Solcher Verzicht wird aber dem Abschnitt, der eine der zentralen Fragen des Neuen Testaments anschneidet und mit Psalm 110 die meist zitierte Stelle des Alten Testaments aufbietet, kaum gerecht. „Das wäre dann fast ein Rabbinenwitz", meint Wrede. „Wer mag daran glauben?"' 0 Verbreiteter ist das zweite Verständnis der Perikope, das für die strittige Frage der Davidssohnschaft eine positive Antwort annimmt — und allenfalls gleichzeitig bestimmte Erwartungen korrigiert sieht. Klar ist der Fall für Jeremias: „Wir wissen heute, daß wir eine sogenannte Haggadahfrage vor uns haben. Eine Haggadahfrage besteht darin, daß ein Widerspruch in der Schrift aufgewiesen wird, wobei die Antwort regelmäßig lautet: beide Schriftstellen haben recht, beziehen sich nur auf Verschiedenes." „Die Bezeichnung ,Davids Sohn' bezieht sich auf die irdische Erscheinung des verborgenen Messias, Davids Herr ist er als der Inthronisierte, nämlich als der, von dem es im folgenden Verse heißt: , Jahve wird dein mächtiges Szepter ausstrecken vom Zion aus' (Ps 110,2)."71 Auch Otto Betz sieht hier keine Schwierigkeit: „Die Sache liegt einfacher. 2. Samuelis vii bietet den Schlüssel zur Lösung. Mit der kniffligen Frage wird nicht etwa die davidische Abstammung Jesu bestritten, auch ist nicht an den Menschensohn als Gegenbegriff gedacht. Vielmehr ist Jesus der Davidssohn, wie man im alten Bekennt"7 ·» ·» '»

So z.B. R. P. Gagg, Jesus und die Davidssohnfrage, S. 20. R. P. Gagg, a.a.O. S. 27. Ebd. S. 28. W. Wrede, a.a.O. S. 167. 71 J. Jeremias, Jesu Verheissung für die Völker, S. 45; ähnlich J. Fitzmyer, Die Davidssohn-Überlieferung und Mt 22,41-46 (und die Parallelstellen), S. 785; E. Lohse, νίός Δανίδ, ThW VIII, S. 488.

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nis Rom i 3f. und in den Evangelien immer wieder bezeugt. Aber als der endzeitliche, ewig regierende Davidide ist er gleichzeitig der Gottessohn, und darin besteht seine einzigartige, den Vater David überragende Würde."72 Stärker hört Oscar Cullmann ans der Frage einen Ton der Ablehnung heraus. Jesus lehne hier „das politische Messiasideal ab, das ja mit dem Anspruch, Nachkomme des Königs David zu sein, ganz besonders betont erscheinen muß". Die Stelle impliziere jedoch „nicht notwendig eine Leugnung der Tatsache der Davidssohnschaft durch Jesus"73. Ebenso versteht Walter Grundmann den Abschnitt: Nach übereinstimmendem Zeugnis des Neuen Testaments ist Jesus Davidide. Die an David orientierte Messiaserwartung wurde an ihn herangetragen und „Jesu kritische Frage wehrt die Erwartung ab, indem sie über sie hinausführt"74. Von Bedeutung ist, daß in Ps 110 königliche und hohepriesterliche Funktionen zusammen genannt sind. Für Julius Schniewind und Ernst Lohmeyer spiegeln sich in der Streitfrage die gegensätzlichen Auffassungen eines irdischen Messias und eines überirdischen Menschensohn-Weltrichters. Von Jesus aber gilt: „Er ist zugleich ein irdischer Mensch aus Davids Stamm und der kommende Weltrichter."76 Schniewind hält das nicht erst für die Ansicht der Gemeinde. Lohmeyer hingegen denkt an eine Entwicklung: „Jesus stellt sich auf den Boden der apokalyptischen MenschensohnErwartungen und findet in dem Worte Davids die schriftgemäße Begründung. Er spricht also nicht von Sich, sondern wie von einem Anderen." Doch „hat die urchristliche Gemeinde das Psalmwort eindeutig auf Christus bezogen"7S. Ganz der Gemeinde weist schließlich Ferdinand Hahn das Stück zu, versteht es aber ebenfalls im Sinne eines Sowohl-Als-auch. Er findet hier die Zweistufenchristologie des Bekenntnisses von Rom 1,3 f. wieder und betont den Unterschied zwischen der allgemeinen Fragepartikel πώς und der speziellen πό&εν. „Die Schlußfrage bedeutet dann: in welchem Sinn kann neben dieser Aussage Davids über Jesus als .seinen Herrn', als ,den Christos', auch noch von Jesus als dem ,Sohn Davids' gesprochen werden?" Die Antwort hat sich an der ausgezeichneten Parallele Rom 1,3f. zu orientieren. „Die Davidssohnschaft ist somit als Charakteristikum der irdischen Wirksamkeit Jesu 72 78

O. Betz, Die Frage nach dem messianischen Bewußteein Jesu, S. 28. O. Cullmann, Die Christologie des Neuen Testaments, S. 133; ähnlich B. van74 Iereel, Fils de David et Fils de Dieu, S. 128. W. Grundmann, a.a.O. S. 254. 75 J. Schniewind, a.a.O. S. 154. 78 E. Lohmeyer, a.a.O. S. 263.

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im Sinne einer vorläufigen Hoheitsstufe neben das Bekenntnis zur messianischen Macht des Erhöhten gerückt."77 Allen diesen Auslegungen, die aus der aufgeworfenen Frage grundsätzliche Einigkeit in Sachen Davidssohn und höchstens Ablehnung und Korrektur gewisser Erwartungen heraushören, ist eines gemeinsam: Sie gehen davon aus: Jesus war — und wußte sich als — Davidide! Weder er selbst noch die Gemeinde wird also diese genealogische Tatsache bestritten haben. Der Sinn der unbeantworteten Frage kann nur in der Überbietung bestimmter messianischer Vorstellungen liegen. Keine dieser Auslegungen vermag aber zu zeigen, daß der untersuchte Abschnitt selbst diese Voraussetzung macht. Es müssen dafür stets andere Zeugnisse des Neuen Testaments aufgeboten werden, sei es das Bekenntnis von Rom l,3f. oder die Stammbäume Jesu nach Matthäus und Lukas. Eine weitere Schwäche dieser Auslegung ist, daß der Perikope selbst nicht zu entnehmen ist, wieweit Zustimmung oder Ablehnung denn reichen und wohin die Überbietung zielt. Auch hier müssen andere Aussagen des NT herangezogen werden, je nach der Vorliebe des Exegeten solche über die Inthronisation des messianischen Königs (Jeremias) und Gottessohnes (Betz), über den Menschensohn (Schniewind, Lohmeyer), den Kyrios (Hahn) oder den messianischen Hohepriester (Grundmann). Nimmt man den Abschnitt Mk 12,35-37 aber einmal für sich — isoliert wie ihn der Evangelist überkommen hat — und liest ihn unvoreingenommen, so ergibt sich sein Sinn ganz von selbst. Wenn das Gespräch mit einer unbeantworteten Frage enden kann, muß ja wohl auch der Sinn auf der Hand liegen — falls nicht das Ganze auf ein unlösbares Rätsel hinausläuft. Die dritte Auslegung des Abschnittes schirmt das Überlieferungsstück gegen andere Aussagen des NT ab und versteht dann V. 37 als gewöhnliche rhetorische Frage, die eine negative Antwort verlangt. Bezeichnet David selbst den Messias als seinen Herrn, kann dieser nicht sein Sohn sein. Denn der Sohn ist nicht der Herr seines Vaters. „Wenn dies offenbar die Pointe des Ganzen ist — denn es folgt ja nichts weiter: so kann das wirklich nur bedeuten, was die liberale Auffassung darin findet: das Prädikat Davidssohn wird negiert."™ Mit Hilfe der Schrift wird die Auffassung widerlegt, der Messias müsse Davids Sohn sein. „Daß diese Erklärung die schlichteste und einfachste ist, wird kaum zu bestreiten sein", meint sogar einer ihrer Gegner79. Sich zu eigen gemacht haben sie Leo Baeck, Wilhelm Bousset, Maurice 77

F. Hahn, a.a.O. S. 261 f.; vgl. G.Bornkamm, Jesus von Nazareth, S.206; Η. Conzelmann, Jesus Christus, RGG 3 III, Sp. 630. 78 78 W. Wrede, a.a.O. S. 168. R. P. Gagg, a.a.O. S. 20.

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Goguel, Ernst Haenchen. Wilhelm Heitmüller, Emanuel Hirsch, Joseph Klausner, Eduard Meyer, Karl Ludwig Schmidt, Julius Wellhausen u.a.m. 80 . Ohne Schwierigkeiten ist damit die Annahme zu verbinden, daß die Streitfrage nicht von Jesus, sondern von der christlichen Gemeinde aufgeworfen wurde. Einleuchtend argumentiert Bultmann, daß „das Dogma der Davidsohnschaft Jesu schwerlich so früh in der Gemeinde zur Herrschaft gekommen wäre (schon Paulus setzt es voraus), wenn Jesus die Davidsohnschaft des Messias bestritten hätte" 81 . Notwendig wurde solche polemische Erörterung der Frage für eine Gemeinde aber dann, wenn sie nicht zu sagen wußte, Jesus sei Davidide gewesen, und der Auffassung sein mußte: Er war kein Nachkomme Davids. Um ihn dennoch als Messias behaupten zu können, mußte sie das jüdische Postulat der davidischen Abkunft des Messias bestreiten. Ps 110 bot ihr dazu die Handhabe. Eine überraschende Bestätigung erfährt diese radikale Deutung durch eine Parallele im Barnabasbrief. In Kapitel 12 heißt es dort von den Juden: ,,Da nun zu erwarten, daß sie sagen würden, der Christus sei ein Sohn Davids, so spricht David selbst, weil er den Irrtum der Sünder (d.h. der Juden) fürchtete und voraussah, weissagend: Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße gemacht habe. . . . Da siehst du also, daß wirklich David ihn seinen Herrn, nicht aber seinen Sohn nennt" 82 (12,10f.). Das Interesse, das Barnabas an dieser Widerlegung hat, entstammt zwar einer späteren theologischen Anschauung. Er vertritt genau jene einseitige Gottessohn-Christologie, gegen die Ignatius die Davidssohnschaft ins Feld führt. Die vorgetragene Argumentation ist jedoch wahrscheinlich traditionell und zeigt jedenfalls, wie christliche Leser den 110. Psalm als Aussage über Christus verstehen konnten. Barnabas ist offensichtlich nicht von einem der Evangelien abhängig, nach deren Bericht Jesus selbst die Auseinandersetzung führt. Andererseits ist die Verwandtschaft zur Überlieferung des Markus deutlich genug, und Helmut Köster dürfte recht haben: „Vermutlich handelt es sich hier um eine geformte 80 L. Baeck, Der Glaube des Paulus, S. 574; W. Bousset, Kyrios Christos, S. 5; M. Goguel, Das Leben Jesu, S. 155; E. Haenchen, Der Weg Jesu, S. 416; W. Heitmüller, Jesus Christus, RGG 1 III, Sp. 364f.; E. Hirsch, Frühgeschichte des Evangeliums I, S. 138; J. Klausner, Jesus von Nazareth, S. 440; E. Meyer, Ursprung und Anfänge des Christentums II, S. 446; K. L. Schmidt, Jesus Christus, RGG 2 III, Sp. 120; J. Wellhausen, Das Evangelium Marci, S. 104; weitere Vertreter dieser Deutung bei H. J. Holtzmann, Das messianische Bewußtsein Jesu, S. 27 Anm. 4! 81 R. Bultmann, a.a.O. S. 145f. 82 Übersetzung nach Η. Veil,in:E. Hennecke, Neu testamentliche Apokryphen, S. 514.

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Gemeindepolemik . . ., die mit einem festen Argument des AT ausgerüstet war und frei umlief."83 Der Exegese von Mk 12,35-37 leistet die Parallele des Barnabasbriefes dann einen doppelten Dienst. Sie bestätigt die Annahme, daß nicht Jesus von Nazareth diese Streitfrage erörtert hat, sondern die christliche Gemeinde. Und sie unterstützt jenes naheliegende Verständnis der Verse, das in ihnen eine Ablehnung des Prädikates findet. Damit ist freilich noch nicht entschieden, wie der Evangelist Markus seine Überlieferung aufgefaßt hat. Alfred Suhl meint zwar, „daß auch Markus die Perikope von der Davidssohnschaft notwendig nach ihrem klaren Wortsinn als Ablehnung verstanden haben muß"84. Aber es könnte ja sein, daß bereits der Evangelist voreingenommen war — wie manche der heutigen Exegeten. Auch er könnte von der Voraussetzung ausgegangen sein, Jesus war Davidide, und die Perikope entsprechend verstanden haben85. Doch ehe dieser weiteren Frage nachzugehen ist, kann als erstes Ergebnis der Untersuchung des Markusevangeliums festgehalten werden: Die Überlieferung, die Markus über Jesus als Davidssohn bietet, ist karg und durchweg problematisch: In Kapitel 10 eine Wundergeschichte, in der die Anrede Sohn Davids sekundär eingearbeitet ist. In Kapitel 11 der Zuruf der Menge in einer Form, die ihn für jüdische Festpilger unwahrscheinlich macht und Jesus nur indirekt als Davidssohn apostrophiert. In Kapitel 12 schließlich eine explizite Auseinandersetzung über das Prädikat Davidssohn, die auf seine Ablehnung hinausläuft. Daneben hat Markus in sein Evangelium Traditionen aufgenommen, denen der Gedanke der Davidssohnschaft Jesu offensichtlich fremd ist. Zu nennen sind hier vor allem die Rechtfertigung des Ährenraufens (2,23-27) und der ungläubige Protest der Hörer in Nazareth (6,1-3). Anläßlich des Ährenraufens wird auf David verwiesen, der nach 1. Sam 21 zur Verpflegung seiner Leute die Schaubrote an sich nahm. Diese Rechtfertigung operiert jedoch nicht damit, daß Jesus ja Davids Sohn sei, sondern beruft sich auf das Vorgehen Davids als generellen Präzedenzfall. Bei Jesu Auftreten in Nazareth fassen die Hörer ihre Opposition in die Frage: „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und Bruder von Jakobus und Joses und Judas und Simon? und sind nicht seine Schwestern hier bei uns?" (Mk 6,3). Davon, daß ihn seine 83

H. Köster, Synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern, S. 146. A. Suhl, Die Funktion der alttestamentlichen Zitate und Anspielungen im Markusevangelium, S. 93. 85 Vgl. E. Klostermann, a.a.O. S. 145: „Mc selbst hat kaum einen Zweifel an der davidischen Herkunft Jesu ausdrücken wollen." 81

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Herkunft für eine besondere Rolle prädestinierte, ist ihnen nichts bekannt. Im Gegenteil! Eben daß sie wissen, mit wem sie es zu tun haben und aus welcher Familie dieser Jesus kommt, bestimmt sie, ihm die Anerkennung zu verweigern. Diese Einzeltraditionen verstärken den Eindruck, daß die geschichtliche Überlieferung von Jesus keineswegs durchgehend von der Vorstellung geprägt ist: Er war Davidide. Es sind vielmehr nur wenige Stücke, die bei Markus in diese Richtung weisen. Um so mehr fällt auf, wie der Evangelist seinen Stoff angeordnet hat. Die spärliche Überlieferung zum Davidssohn ist nicht über das Evangelium verstreut, sondern auf drei zusammenhängende Kapitel konzentriert, die eine geographische und wohl auch theologische Einheit bilden. Es ist der Weg zur Passion, der in Jericho beginnt, nach Jerusalem führt und im Tempel den Zusammenstoß mit den Führern des Judentums bringt. Die Stücke, die vom Davidssohn handeln, ergeben sogar eine eigene Klimax: Zuerst ruft ein einzelner, dann die Menge, und schließlich nimmt Jesus selbst zur Frage der Davidssohnschaft Stellung. Die Einzeluntersuchung läßt zwar die Deutung zu, Mk 12 werde das Prädikat abgewiesen und in den Kapiteln 10 und 11 nur im Munde von Juden berichtet84. Angesichts der geschickten Anordnung des Stoffes in einem Teil des Evangeliums, den Markus noch weitgehend selbst gestaltet, ehe er sich dem Faden der älteren Passionsüberlieferung überläßt87, befriedigt solche Auskunft aber wenig, zumal sich gezeigt hat, daß der Zuruf Mk 11,10 jüdisch so nicht lauten würde und Mk 10 ein christlicher Bearbeiter am Werke war. An dieser letzten Stelle läßt sich nun die Untersuchung noch ein Stück weiter treiben. Mk 10,46-52

(II)

Die Analyse der Bartimäusgeschichte hat ergeben, daß die Anrede ,Sohn Davids' auf einen christlichen Bearbeiter zurückgeht. Weiter nachgeforscht wurde diesem indes noch nicht. Es läßt sich ohne weiteres annehmen, daß der Evangelist die Erzählung mitsamt der problematischen Anrede aus der anonymen Tradition übernommen hat. Ein gewisser Verdacht, an der Bearbeitung nicht unbeteiligt oder zumindest nicht uninteressiert gewesen zu sein, fällt allerdings auch auf Markus. Schon in seiner Redaktion der Einleitung bereitet er das Auftreten der Menge vor, indem er im Plural erzählt. „Und sie kommen nach Jericho — das ist der Überleitungssatz, den der Evangelist gebildet 84

So A. Suhl, a.a.O. S. 93 Anm. 118. " Vgl. J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, S. 88ff.

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h a t . " 8 8 Daß bereits hier nicht nur an die Jünger als Jesu übliche Begleitung gedacht ist, zeigt die wenig geschickte Zufügung: και των

μα&ητών αυτόν καΐ δχλον Ικανον, die ebenfalls von der H a n d des E v a n -

gelisten stammen dürfte 89 . Vor allem aber das Eingreifen der Menge ist mit Worten geschildert, die für Markus bezeichnend sind: „Und es bedrohten ihn viele, er solle schweigen; er aber schrie noch viel mehr" (V. 48). Dieses Schweigegebot hat seine nächsten Parallelen Mk 1,25: Mk 3,12:

„Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme . . .", „Und er bedrohte sie hart, daß sie ihn nicht offenbar machten", M k 8 , 3 0 : „Und er bedrohte sie, daß sie niemand von ihm sagen sollten", Mk 1,44f.: „Und er sprach zu ihm: Sieh zu, daß du niemand davon sagst ; . . . Er aber ging weg und begann viel davon zu erzählen und die Sache bekanntzumachen", Mk 7,36: „Und er gebot ihnen, daß sie es niemand sagen sollten. J e mehr er ihnen aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus." Zu vergleichen sind ferner Mk 1,34; 5,43; 7,24; 9 , 9 ; 9,30. In seiner berühmten Studie „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien" hat William Wrede alle diese Schweigegebote untersucht mit dem Ergebnis, daß sie durchweg ungeschichtlich sind. Sie haben ihr Motiv nicht in den einzelnen Begegnungen, denen sie anzugehören scheinen, sondern in einer theologischen Vorstellung des Markus und sind deshalb einheitlich zu interpretieren 90 . Seiner eigenen Forderung nach einheitlicher Erklärung wird Wrede aber untreu, wenn er in einem besonderen Anhang seines Buches „Zu Mr. 10 47 . 48 ." mit diesen Versen eine Ausnahme macht 9 1 . Er stellt dort fest: „Der erste Eindruck spricht gewiss dafür, dass hier eine Parallele zu den Verboten Jesu vorliegt. Auch der Ausdruck έπιτιμάν k e h r t wieder. U n d erinnert das δ δε πολλώ μάλλον εκραζεν

nicht an die vom Aussätzigen und Taubstummen berichteten Züge 14s, 7 3 6 )?" Dennoch kann er sich nicht bereit finden, die Stelle aus der Konzeption des Evangelisten zu erklären. Was ihn davon abhält, ist der Umstand, daß der Befehl nicht wie sonst von Jesus ausgeht und daß die Wissenden eine Vielheit sind, nämlich der δχλος, bei dem eine Kenntnis der Würde Jesu sonst am wenigsten vorausgesetzt wird. M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, S. 49f. Vgl. E. Klostermann, a.a.O. S. 123: „redaktioneller Nachtrag?", ao w . Wrede, Das Messiasgeheirrmis in den Evangelien, S. 36. 81 Ebd. S. 278f. 88

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YVrede sclireibt: „Aus diesen Gründen glaube ich doch, dass die Stelle mit dem Messiasgeheimnis nichts zu tun hat. Die nächste Parallele scheint vielmehr Mr. 10i3 zu sein. Da wehren die Jünger — der Ausdruck ist ebenfalls έπιτιμάν — denen, die die Kinder zu Jesus bringen, offenbar in dem Gedanken, dass er nicht belästigt werden darf."* 2 Aber sind Wredes Gründe wirklich stichhaltig ? Oder bedeuten sie nicht vielmehr einen Rückfall in die von ihm so scharf getadelte psychologische Erklärungsweise ? Auch die anderen Gebote sind ja nicht alle durchführbar! Wrede erwägt deshalb selbst die Möglichkeit, „dass Markus hier die Frage, von wem der Befehl zu schweigen ausgeht, nicht kümmert, und dass ihm die Vielheit der Wissenden keine Schwierigkeit bereitet. Dass der Befehl und damit die Vorstellung des Geheimnisses überhaupt zum Ausdruck kommt, würde ihm genug sein." 93 Leider läßt er diesen richtigen und für seine Betrachtungsweise konsequenten Gedanken sogleich wieder fallen. Es läßt sich nämlich zeigen, weshalb Markus in 10,48 anders verfahren kann als an den übrigen Stellen. Dieses Schweigegebot ist in der langen Reihe ähnlicher Befehle, die im Evangelium begegnen, das allerletzte. Danach wird das Motiv vom Evangelisten nicht mehr aufgegriffen. Daß dieses letzte Verbot aber der messianischen Anrede des Bartimäus gilt und nicht seinem lästigen Hilfsbegehren, wird schon dadurch wahrscheinlich, daß die Anrede wörtlich (nur das Ίησοΰ fällt weg) wiederholt wird, während das Begehren des Blinden dann ohne Proteste mit ραββουνί vorgetragen werden kann. Gilt das Verbot aber der Messiaeprädikation, so schützt es, was im folgenden nach der Darstellung des Markus ohnehin publik wird: Als der Erbe Davids zieht Jesus in Jerusalem ein! Das Schweigegebot erfüllt somit entgegen seinem Wortsinn gerade die Aufgabe, auf jene Würde Jesu hinzuweisen, die demnächst offenbar werden soll. In dieser Funktion reiht es sich den anderen Stellen an, wo Markus ebenfalls nicht sorgfältig überlegt, ob das Gebot in der jeweiligen Situation auch ausführbar ist, sondern dem Leser seines Evangeliums einen Hinweis gibt. Der einzige Unterschied zu den früheren Schweigegeboten ist der, daß jene Seite des Geheimnisses, die Mk 10,48 wahren soll, sofort mit dem Einzug in Jerusalem offenbar wird, während das ganze Geheimnis — nämlich die Gottessohnschaft Jesu — erst nach der Kreuzigung öffentlich kund wird. Mk 10,48 kann deshalb der Evangelist sein theologisches und schriftstellerisches Motiv unbekümmerter handhaben als andernorts. Ist aber das charakteristische Schweigegebot Redaktionsarbeit des Markus, so kann die Wiederholung des Rufes νίέ Αανίδ, έλέησόν με (V. 49) ebenfalls nur von " Ebd. S. 279.

"

Ebd. S. 278 f.

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ihm stammen, hängt sie doch mit dem Verbot direkt zusammen: „Er aber schrie noch viel mehr: ,Sohn Davids, erbarme dich meiner'." Daraus geht hervor, daß Markus an dieser Titulierung Jesu interessiert ist. Mehr noch, wenn sowohl die Wiederholung des Rufes als auch das Schweigegebot und ebenso die Einführung der Menge auf ihn zurückgeht, kann sogar geiragt werden, ob nicht er auch die erste messianische Anrede geschaffen und seine Tradition diese gar nicht geboten hat. Erst der Evangelist hätte dann das ganze Mittelstück gebildet, das die ursprüngliche Wundergeschichte nahezu sprengt und sich deutlich als Fremdkörper verrät. Unter dieser Voraussetzung verliert der Hilferuf ελέησόν με alles Befremdliche. Geht diese gegenüber Menschen sonst nicht gebrauchte Bitte auf das Konto des Markus, galt sie nie einem anderen als jenem Davidssohn, der zugleich der Sohn Gottes ist. Ihm gegenüber sind die großen Worte der Psalmen aber angebracht! Hahn spricht bei seiner Analyse von Mk 10,46ff. von „dem schon festgeprägten Ruf υίέ Δαυίδ, ελέησόν με", der in der urchristlichen Überlieferung eigentlich nur in den Wundererzählungen einen einigermaßen festen Platz gefunden habe 94 . Die Belege, die er dafür nennt (Mt 20,30f.; Lk 18,38f.; Mt 9,27; 15,22), lassen sich aber durchweg als von Markus abhängig erweisen 96 und bestätigen so eher die andere Annahme, daß die Formulierung vom ältesten Evangelisten bei seiner Bearbeitung der Blindenheilung geprägt und von anderen übernommen wurde. Betrachtet man das Ausmaß dieser Bearbeitung, so stellt sich die Frage, was den Evangelisten bewogen haben könnte, gerade die Erzählung vom blinden Bartimäus so energisch umzugestalten. Zum Grundbestand dieser Wundergeschichte gehört, daß sie von der Überlieferung genau lokalisiert wird. Markus hat diesen Zug sogar noch unterstrichen, indem er den Ortsnamen Jericho in seiner Überleitung wiederholt; er verrät damit sein Interesse an dieser Angabe. Wollte er Jesus als Davidssohn in Jerusalem einziehen lassen, so war eine Geschichte, die im letzten größeren Ort vor der Hauptstadt spielte, die gegebene, um diesen Einzug vorzubereiten. Wovon sie selber handelte, war gegenüber dem Ort der Handlung von geringerer Bedeutung. Es ist der Exegese seit langem aufgefallen, daß Markus alle Wunderheilungen Jesu im ersten Teil des Evangeliums bringt, der bis 8,26 reicht, — ausgenommen die Heilung des epileptischen Knaben (9,14-29) und eben die Bartimäusgeschichte (10,46-52). Daß die Heilung des Knaben ihren Platz nach dem Petrusbekenntnis findet, wird allgemein damit erklärt, daß sie der Jüngerbelehrung dient und " F. Hahn, a.a.O. S. 263.

95

Siehe unten S. 72ff. und 107ff.

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dahinter das Wunder zurücktrittββ. Der zweite Fall liegt ähnlich: Es ist nicht die Blindenheilung, sondern die Ortsangabe, welche Markus veranlaßt, den Vorfall an dieser Stelle seines Evangeliums zu berichten. „Die Geschichte steht hier, weil sie vor den Toren Jerusalems spielt." 9 ' Sie dient dem Evangelisten als Auftakt für den Einzug in Jerusalem, wozu er sie freilich umgestalten muß. Er tut dies, indem er die Anrede ,Sohn Davids' einarbeitet und so der indirekten Bezeichnung von 11,10 die direkte vorausschickt. Gleichzeitig wendet er ein letztes Mal seinen Kunstgriff des Schweigegebotes an, und für den aufmerksam gewordenen Leser des Evangeliums wird der blinde Rufer zum Vorläufer der Menge vor Jerusalem. Unterstrichen wird diese Rolle noch dadurch, daß der Geheilte mitzieht auf dem Weg — eben nach Jerusalem! Ernst Haenchen hat recht, wenn er zu der Perikope feststellt: ,,Es ist deutlich, daß sie zum Einzug in Jerusalem überleitet." 98 Mk 11,1-U

(II)

Von diesem Ergebnis fällt nun Licht auf den Einzugsbericht. Die Analyse ergab, daß die messianische Färbung erst nachträglich der Überlieferung aufgetragen wurde. Wieweit dies bereits vor Markus geschehen ist, wieweit er selbst daran beteiligt gewesen sein könnte, wurde dabei nicht näher untersucht und ein Problem noch ganz übergangen: „Der einleitende Satz ist mit Ortsangaben überladen."·9 Er lautet bei Markus: „Und als sie in die Nähe Jerusalems nach Bethphage und Bethanien am ölberg kamen, sandte er zwei seiner Jünger . . . " Grundmann stellt dazu fest: „Nun kann kein Ortskundiger die Ortschaften so zusammengestellt haben, denn man kommt von Jericho, wenn man Bethanien nicht überhaupt liegen läßt, erst nach Bethanien und dann nach Bethphage." 99 Matthäus hat hier bereits geändert. Seiner Korrektur fällt allerdings gerade der Ortsname zum Opfer, der in der Tradition verankert ist: Bethanien. Mk 11,11 wird berichtet, daß Jesus am Abend des Einzuges mit seinen Jüngern hinaus nach Bethanien ging, um von dort am nächsten Morgen erneut nach Jerusalem zu ziehen. Der Ort gilt ebenso Mk 14,3 als der Aufenthalt Jesu während der Festzeit, und nimmt man an, daß Bethanien auch das Dorf ist, in dem die Jünger das Reittier M Vgl. H. Riesenfeld, Tradition und Redaktion im Markusevangelium, S. 163; U. Luz, a.a.O. S. 25. " J. Weiß, a.a.O. S. 175; vgl. R. Bultmann, a.a.O. S. 228; H. Riesenfeld, a.a.O. S. 164. ββ Ε. Haenchen, a.a.O. S. 372; vgl. A.Kuby, Zur Konzeption des MarkusEvangeliums, S. 61. " W. Grundmann, a.a.O. S. 226.

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finden — Bethphage zählt ja bereits zur Stadt Jerusalem 100 —, so erklärt sich die geographische Schwierigkeit von Mk 11,1 als eine redaktionelle. Wohl erst der Evangelist verknüpfte die Tradition vom Einzug in Jerusalem mit der .Vorgeschichte' in Jericho. Er wählte d a f ü r d e n direkten W e g : και δτε έγγίζονσιν

είς 'Ιεροσόλυμα

εις

Βηϋφαγή.

So erreicht man von Jericho Jerusalem! Um jetzt aber auch den Anschluß an seine Tradition zu gewinnen, mußte der Redaktor Jesus und seine Begleiter noch an den Ort bringen, an dem die Überlieferung den Einzug beginnen ließ. Er setzt deshalb hinzu και Brföaviav, vermutlich ohne zu ahnen, daß er die Pilger damit von ihrem Ziel wieder entfernte. Bethanien liegt in der Tat προς τό δρος των έλαιών, genauer: am südöstlichen Abhang. Die Häufung der Ortsangaben erlaubt in jedem Fall den Schluß, daß nach der redaktionellen Verknüpfung Mk 11,1 mit Vers 2 wieder die Tradition zu Wort kommt. Das heißt aber: Bereits die vormarkinische Einzugsgeschichte ist legendarisch ausgestaltet. Sie enthält zumindest das Motiv der wunderbaren Beschaffung des Reittieres. Und da dieses „Füllen, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat",an das,Junge Füllen" aus Sach 9,9 erinnert, dürfte schon vor Markus der Einzug mit königlichen Farben geschildert worden sein. Wer dann in Anlehnung an Psalm 118 den so wenig jüdischen Ruf der jüdischen Festpilger gestaltet hat, ist kaum mehr zu entscheiden. Klar ist hingegen, wie Markus ihn verstanden wissen wollte. Indem er den Rufer von Jericho vorangehen läßt, gewinnt der unklare Ruf der Menge vor Jerusalem Eindeutigkeit. Die „Herrschaft unseres Vaters David" kommt in der Gestalt Jesu als des νιος Δαυίδ. Der Umstand, daß Markus dieses Verständnis durch seine .Vorgeschichte' sichert und 10,48 f. eine so viel deutlichere Sprache spricht als die Menge in 11,10, läßt daran denken, er könnte an der zweiten Stelle eine ältere Formulierung übernommen haben, die er nicht redigierte, sondern durch sein Praeludium lediglich interpretierte. Mk 12,35-37

(II)

Ist Markus aber daran gelegen, daß Jesus als Davidssohn in Jerusalem einzieht, und verrät sein Schweigegebot, daß er an dieser Akklamation nicht nur historisches, sondern theologisches Interesse hat, rückt auch die Streitfrage von 12,35ff. in ein anderes Licht. Für den Evangelisten kann der Sinn des Stückes nicht mehr in der Ablehnung des Prädikates, sondern nur noch in seiner Überbietung liegen. Im Gegensatz zu Alfred Suhl erkennt T. Alec Burkiii richtig: „Whatever may have been the exact nature of the situation in which the paradigm of 12,35-37 originated, St. Mark's inclusion of it in his work does not «ο BiUerbeck I, S. 839.

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imply that he rejects the doctrine of Jesus' Davidic descent."101 „ I n 12,35-37 he points out that the Messiah is much greater than David." 102 Markus ist demnach genauso voreingenommen wie eine große Zahl moderner Exegeten: Jesus ist für ihn Sohn Davids! Der Ort, den er diesem Disput in seinem Evangelium anweist, ist jedoch bezeichnend. Jesus lehrt im Tempel, kurz bevor jenes Geschehen seinen Anfang nimmt, das endgültig die überragende Bedeutung Jesu zutage bringen wird. In welcher Richtung Markus die Würde des Davidssohnes überboten sieht, macht aber nicht nur die folgende Passionsgeschichte, sondern das ganze Evangelium deutlich. Philipp Vielhauer hat neuerdings „Erwägungen zur Christologie des Markusevangeliums" angestellt und herausgearbeitet, daß die ,Sohn Gottes'-Titulatur „von Mk zum strukturierenden Grundelement seiner Komposition gemacht worden ist" 108 . Er weist auf, „daß bei Mk ,Sohn Gottes' in zweierlei Sinn auf Jesus angewendet wird: Im Sinne einer ΰεϊος awfe-Prädikation und im Sinne einer eschatologisch verstandenen Königstitulatur" 104 . Als ϋεϊος άνήρ gilt Jesus vor allem in den Wundergeschichten. Die andere Gottessohnvorstellung erscheint zu Anfang, Mitte und Ende des Buches immer bei Ereignissen von entscheidender Bedeutung, und zwar bei der Taufe (1,9-11), bei der Verklärung (9,2-8) und bei der Kreuzigung (15,39). An diesen Stellen ist ,Sohn Gottes' deutlich nicht als Wesensbestimmung verstanden, sondern als Würdetitel. Der wiederholt zitierte Psalm 2 und die Erwähnung des τινεϋμα lassen daran keinen Zweifel. Wenn der Evangelist diese Anschauung „kompositorisch derart hervorhebt, so zeigt er, daß für ihn die Vorstellung von Jesus als dem König der eschatologischen Heilszeit dominant ist" 104 . Beiläufig verweist Vielhauer auch auf Rom 1,4, wo er dieselbe Königstitulatur findet108. Nimmt man diesen Befund und das Ergebnis der bisherigen Untersuchung zusammen, entsteht unversehens ein vertrautes Bild: Markus zeichnet Jesus als Davidssohn. Als solcher wird er erkannt und von der Menge gefeiert, doch folgt sogleich aus Jesu eigenem Munde der Hinweis, daß damit seine eigentliche Würde noch nicht erfaßt sei. 101 Τ. A. Burkiii, Strain on the Secret: An Examination of Mark 11,1-13,37, S. 33 f. Anm. 8. 102 Ebd. S. 33; vgl. Ε. Klostermann, a.a.O. S. 145: „Mc selbst hat kaum einen Zweifel an der davidischen Herkunft Jesu ausdrücken wollen. Er wird verstanden haben: der Titel .Davids Sohn' gibt dem Messias noch zu wenig Ehre." Dasselbe Verständnis des Markus nehmen natürlich alle jene Exegeten an, die bereits das Einzelstück im Sinne dieser Überbietung deuten. los ph. Vielhauer, Erwägungen zur Christologie des Markusevangeliums, Anm. 46a (die Anmerkung findet sich nur in: Aufsätze zum Neuen Testament, S. 213!)· 101

Ebd. S. 165.

5 Burger, Jesus

104

Ebd. a.a.O. S. 163.

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Der Davidssohn im Markusevangelium

Jesus ist mehr als Davidssohn. E r ist der Sohn Gottes. A l s solcher wird er von seinem Vater durch den heiligen Geist in der T a u f e eingesetzt, in der Verklärung den Jüngern präsentiert, endgültig aber erst mit seinem T o d e offenbar. Setzt man daneben das Bekenntnis der hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde, das Paulus R o m 1,3 f. aufgreift, so ist die Verwandtschaft f r a p p a n t : γενόμενος εκ σπέρματος Δavid κατά σάρκα, όρισΰεις νιος ϋεον κατά πνεύμα άγιωσννης εξ αναστάσεως

νεκρών.

Beide Male ist die Würde des Davidssohnes eine vorläufige, die durch die andere des Gottessohnes überboten wird. Beide Male ist ,Sohn Gottes' nicht im Sinne des geborenen ϋείος άνήρ verstanden, sondern als Würdestellung kraft der Einsetzung durch Gottes Geist. Lediglich der Zeitpunkt dieser Einsetzung wird verschieden angegeben, und der Gedanke drängt sich auf, ob nicht — vielleicht in abgewandelter Gestalt — jenes Bekenntnis, das Paulus R o m l , 3 f . zitiert, bei der Abfassung des Markusevangeliums Pate gestanden haben könnte. Rudolf Bultmann nennt als die Absicht des Verfassers: ,,die Vereinigung des hellenistischen K e r y g m a v o n Christus, dessen wesentlicher Inhalt der Christusmythos ist, wie wir ihn aus Paulus kennen (bes. Phil 2 , 6 f f . ; R o m 3,24), mit der Tradition über die Geschichte Jesu" 1 0 e . I n seinen Bultmann zum 80. Geburtstag gewidmeten „ E r w ä g u n g e n " bemerkt Vielhauer zu dieser These: ,,Es ist zweifellos richtig, daß M k den Stoff der Geschichte Jesu f ü r hellenistisch-heidenchristliche Leser sammelt, komponiert und interpretiert. A b e r es f r a g t sich, ob das ihn bestimmende K e r y g m a mit den beiden genannten Stellen (die natürlich nur paradigmatisch stehen) zutreffend gekennzeichnet ist. Die V o r stellung v o m Sühnetod Jesu wurzelt doch wohl in palästinischurgemeindlicher Tradition und ist nicht konstitutiv f ü r die markinische Christologie." „Hinsichtlich des Christus-Mythos P h i l 2 , 6 f f . hat Bultmann selbst schon betont, daß M k den Präexistenzgedanken nicht aufgenommen h a t . " 1 0 7 Johannes Schreiber hat zwar im einzelnen nachzuweisen gesucht, daß der Evangelist in seiner Darstellung dem hellenistischen Christusmythos folge 1 0 S . Doch ist weder sein Nachweis der Präexistenzvorstellung bei Markus (anhand v o n M k 12,1-12) überzeugend, noch ist das Messiasgeheimnis im E v a n g e l i u m dasselbe wie die Verborgenheit des Herrn v o r den Archonten dieses Ä o n s ( l . K o r 2,8f.). Gerade die Dämonen sind es ja, die im Evangelium über die 10· 107 108

R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, S. 372. Ph. Vielhauer, a.a.O. S. 156 (vgl. R. Bultmann, a.a.O. S. 374). J. Schreiber, Die Christologie des Markusevangeliums.

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richtige Erkenntnis verfügen und zum Schweigen gebracht werden müssen. Vielhauer hat hier Schreiber zu Recht kritisiert 109 . Der Gedanke Bultmanns ist damit aber nicht abgetan, denn er läßt sich modifizieren. Der hellenistische Christusmythos nach Phil 2,6 ff. eignet sich in der Tat schlecht als Leitfaden für eine Darstellung des Lebens Jesu. Auf die irdischen Taten des Erlösers legt er keinerlei Gewicht 110 . Wesentlich ist das Daß des Gekommenseins des Erlösers, und bezeichnenderweise sieht Paulus sich genötigt, in Phil 2,8 den Hymnus zu erweitern 111 . Wie sich gezeigt hat, ist jedoch auch das Bekenntnis von Rom 1,3f. in hellenistischen Gemeinden verbreitet gewesen und sogar in Rom anzunehmen. Für das irdische Leben Jesu bietet es mit der Unterscheidung κατά σάρκα und κατά πνενμα άγιωσννης

wesentlich besser R a u m .

Könnte also nicht dieses hellenistisch-judenchristliche ευαγγέλιον (Rom 1,1) im Hintergrund gestanden haben, als es darum ging, die Geschichte Jesu mit dem Kerygma zu verbinden und als .Evangelium' darzubieten ? Unter solcher Voraussetzung würde jedenfalls das erstaunliche Verhalten des Evangelisten in Sachen Davidssohn verständlich. Was Markus hier an Überlieferung zu Gebote stand, ist ausgesprochen spärlich. Rechnet man die Bartimäusgeschichte als seinen eigenen Beitrag ab, so bleiben die Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem mit ihrer indirekten Erwähnung der Davidssohnschaft und die Streitfrage, die auf die Ablehnung des Prädikates zielt. Dennoch scheint Markus überzeugt: Jesus war Davids Sohn, und er gruppiert und unterstreicht seinen Stoff so geschickt, daß ein leidlich überzeugendes Bild entsteht. Man hat es ihm ohne Zweifel abgenommen und seit Matthäus das Evangelium so gelesen, wie Markus gelesen sein wollte. Sein Vorgehen wird verständlich, wenn es für ihn ein Satz des Bekenntnisses war: Jesus ist „geboren aus dem Samen Davids nach dem Fleisch". Doch auch das Ergebnis der Untersuchung Vielhauers läßt sich mit dieser Annahme verbinden. Durch die Komposition des Evangelisten wird die ϋεϊος άνήρ-Vorstellung des ÜberlieferungsstofFes von der des eschatologischen Königs, der als Gottessohn eingesetzt wird, überformt. Im Unterschied zu seinem Material vertritt Markus also genau die Grottessohn Vorstellung, die auch das Bekenntnis von Rom 1,3 f. Ph. Vielhauer, a.a.O. S. 156. Vgl. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, S. 133f. in Vgl. E. Lohmeyer, Der Brief an die Philipper, S. 96; E. Käsemann, Kritische Analyse von Phil. 2,5-11, S. 82; noch weiter gehend: G. Strecker, Redaktion und Tradition im Christushymnus Phil 2,6-11, S. 70f. 109 110



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bestimmt. Einzig der Zeitpunkt der Einsetzung zum Gottessohn wird verschieden angegeben. Im Bekenntnis wird dafür die Auferstehung genannt. Das Evangelium zerlegt diese Einsetzung in ihre verschiedenen Akte: Adoption, Proklamation und Akklamation. „Die Gottesstimme bei der Taufe spricht eine Adoptionsformel aus, die Jesus allein vernimmt. Die Verklärungsgeschichte zeigt Jesus in der Gemeinschaft mit himmlischen und irdischen Wesen, und die Wolkenstimme proklamiert diesem Gremium seine Würde. In der Kreuzigung vollendet sich der Weg des Gottessohnes; das bezeugen die begleitenden Wunder und der Akklamationsruf des heidnischen Centurio." 112 Das Geschehen wird also von Markus gleichsam gedehnt und in das irdische Leben Jesu vorverlegt, wodurch er die Möglichkeit gewinnt, das εναγγέλιον in der Form eines Lebens Jesu darzubieten. Diese Vorverlegung ist aber keineswegs überraschend, da sich bei der Untersuchung der verbreiteten Bekenntnisformel gezeigt hat, daß weder Paulus noch Ignatius, noch dessen Vorgänger sich an die Auferstehung als datum post quem für die Gottessohnwürde Jesu gebunden wissen. Markus ist also in bester Gesellschaft, wenn er diese Würde schon in das Leben Jesu vorträgt. Zudem ist er durch den Traditionsstoff, den er gesammelt hat und aufarbeiten will, dazu genötigt. Denn die Überlieferung, die er vorfindet, ist nicht — wie Wrede geglaubt hatte — unmessianisch, sondern — wie die formgeschichtliche Arbeit erwiesen hat — von den verschiedensten christologischen Vorstellungen geprägt. ,,Nicht der unmessianische Charakter von Überlieferungsstücken macht dem Evangelisten Mühe, sondern im Gegenteil der messianische." 113 Es ist seine Geheimnistheorie, die es ihm ermöglicht, diese Schwierigkeit zu meistern und trotz der genannten Vorverlegung dem Bekenntnis der hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde immer noch näher zu bleiben als Paulus oder Ignatius. Denn Jesu Würde fällt zunächst unter das GeheimnisU4. Von Mk 9,9 ausgehend gab Wrede als terminus ad quem des markinischen Geheimnisses die Auferstehung an 116 . Die Übereinstimmung mit der Bekenntnisformulierung wäre dann nahezu vollkommen. Indessen hat schon Wrede mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß die charakteristischen Schweigegebote sich nur in dem Teil des Evangeliums Ph. Vielhauer, a.a.O. S. 166f. H. Conzelmann, Gegenwart und Zukunft in der synoptischen Tradition S. 294. Ii« Wredes Ausdruck „Messiasgeheimnis" ist insofern mißverständlich, als — auch nach seiner eigenen Auffassung — nicht nur das Messiasprädikat unter das Geheimnis fällt, sondern die ganze hoheitliche Würde Jesu, die mit verschiedenen Prädikaten ausgedrückt werden kann. Vgl. dazu W. Wrede, a.a.O. S. 76f. und Ph. Vielhauer, a.a.O. S. 157. Man könnte umfassend von einem „Würdegeheimnis" bei Markus sprechen. ns W - wrede, a.a.O. S. 66f. 112 113

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finden, der das Wirken Jesu vor seinem Einzug in Jerusalem und vor der Passion zum Inhalt hat. Albert Schweitzer konnte ihm entgegenhalten : Das Messiasgeheimnis wird von Markus gar nicht konsequent durchgehalten; Jesus zieht als Messias in Jerusalem ein und wird als solcher angeklagt und hingerichtet. „Damit widerspricht sich die Geheimnistheorie selbst und handelt wie jemand, der mühsam eine photographische Platte entwickelt und, fast damit zu Ende, die Läden aufreißt."118 Dieselbe Schwierigkeit empfindet Τ. A. Burkiii, wenn er seine „Examination of Mark 11,1-13,37" überschreibt: „Strain on the Secret". Seine Untersuchung kommt zu dem Ergebnis: In diesem Abschnitt wird das Messiasgeheimnis nicht gewahrt. „St. Mark's fundamental belief, which is evidently pressing for explicit recognition in his narrative concerning the triumphal entry and the cleansing of the temple, here subjects his doctrine of the secret to a strain that it cannot withstand, the result being that there is a temporary disclosure of the fact of the Messiahship outside the circle of the initiated."117 An ihn ist einmal die Frage zu richten, ob es sich wirklich nur um „a temporary disclosure" handelt. Wird denn danach das Geheimnis wieder gehütet? Und zum andern: Ist es tatsächlich „St. Mark's fundamental belief", der hier zum Duchbruch kommt? Vom Leiden des Herrn, auf das die Jünger seit dem Bekenntnis des Petrus (8,27ff.) so nachdrücklich hingewiesen werden, ist in dem von Burkiii examinierten Abschnitt auffallenderweise nicht die Rede! — Jedenfalls aber muß Wredes Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem das Geheimnis offenbar werden soll, revidiert werden, so richtig es ist, daß das Geheimnis gewahrt bleiben soll, bis Jesu Hoheit endgültig und vor aller Augen kund wird. Wae die ,sarkische' Würde als Davidssohn betrifft, ist dies bereits mit dem Einzug in Jerusalem der Fall. Anders steht es mit der überragenden Hoheit als Gottessohn. Größeres Gewicht als dem Ereignis der Auferstehung, das Wrede im Blick hat, kommt im Entwurf des Markus der Kreuzigung zu. Nicht umsonst wurde die von ihm geschaffene Gattung des Evangeliums als „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung" charakterisiert118. Von den Erscheinungen des Auferstandenen oder vom Geschehen der Auferweckung ist bei ihm gar nicht mehr eigens die Rede, so gewiß er sich dazu bekennt (Mk 16,1-8). In seiner Darstellung der Kreuzigung, die er durch die Leidens- und Auferstehungs114 1,7

A. Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, S. 381. Τ. A. Burkiii, Strain on the Secret: An Examination of Mark 11,1-13,37, S. 41 f. a * M. Kahler, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche biblische Christus, S. 80 Anm. 1.

70

Der Davidssohn im Markuse vangel ium

Weissagungen von langer Hand vorbereitet, ist die Auferstelnmg gleichsam inkludiert. Der Tod am Kreuz bringt für ihn den letzten und entscheidenden Akt der Einsetzung Jesu in die Würde des Gottessohnes 119 . Noch unter dem Kreuz legt der heidnische Hauptmann öffentlich das Bekenntnis ab: άλη&ώς ούτος · Vgl. M. Dibelius, a.a.O. S. 62. F. Hahn, a.a.O. S. 272.

107

108

Siehe oben S. 104f.

138

Der Davidssohn bei Lukas

Nach der epochemachenden Abhandlung von Martin Dibelius „Die Reden der Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung", deren Ergebnis durch die Arbeiten von Ernst Haenchen, Eduard Schweizer und Ulrich Wilckens109 erhärtet wurde, kann davon ausgegangen werden: „Alle Reden aber — gleichviel ob sie .historischen' oder Predigtzwecken dienen — haben Lukas zum Verfasser."110 Selbst wenn der Autor „im einen oder anderen Fall Nachrichten oder Überlieferungsstücke verarbeitet haben sollte"111 — die Untersuchung wird dieser Frage nachgehen—, sind Auswahl, Anordnung und Akzentuierung des Stoffes in jedem Fall sein Werk und die Apostelreden „Summarien dieser seiner theologischen Konzeption"112. Sehr viel weniger als bei der Abfassung des Evangeliums war er dabei durch Vorgänger und Traditionen festgelegt. Aus den Reden der Apostelgeschichte ist deshalb zunächst zu erheben, welche Bedeutung für Lukas die Herkunft Jesu aus dem Hause Davids besaß und welche Vorstellungen er damit verband. — Daß ihm der Gedanke wichtig war, geht schon allein daraus hervor, daß es die entscheidenden Wendepunkte seiner „Kirchengeschichte" sind, an denen er die Verheißung für David und ihre Erfüllung in den Vordergrund stellt: Die Pfingstpredigt, die erste Missionsreise und die Rechtfertigung der Mission auf dem Apostelkonzil. Bezeichnend ist ferner, daß nach seiner Darstellung die Großen Männer der Kirche, Petrus, Paulus und Jakobus, in erstaunlicher Einmütigkeit diese Verheißung betonen. Acta

2,25-36

Thema des Abschnittes ist die Auferweckung Jesu von den Toten. Mit einer liturgisch klingenden Wendung in V. 24 angeschlagen113, wird es im folgenden mit Hilfe des Schriftbeweises entfaltet. Verwendet sind Ps 16,8-11, Ps 132,11 und Ps 110,1. Der Gedankengang der lukanischen Predigt ist klar: Nicht von sich selbst hat David die großen Worte des 16. Psalms gesprochen. „Du wirst meine Seele nicht im Totenreich lassen und nicht zugeben, daß dein Heiliger die Verwesung sieht", kann nicht ihm selber gelten. Denn bei aller Verehrung für den Patriarchen kann daran kein Zweifel sein: Er ist gestorben und begraben worden. Sein Grab ist vorhanden und kann gezeigt werden. Als Prophet, der er war114, hat David diesen 109 E. Haenchen, Die Apostelgeschichte; E. Schweizer, Zu den Reden der Apostelgeschichte; U. Wilckens, Die Missionsreden der Apostelgeschichte. 110 M. Dibelius, Die Reden der Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung, S. 157. 111 W. G. Kümmel (-P. Feine-J. Behm), Einleitung in das Neue Testament, S. 109. 112 U. Wilckens, a.a.O. S. 186. 113 111 Vgl. E. Haenchen, a.a.O. S. 143. Vgl. Acta 1,16; 4,25.

Die Apostelgeschichte

139

Psalm gesprochen, und zwar in Gedanken an den Schwur Gottes, einen Nachkommen aus der Frucht seines Leibes auf seinen Thron zu setzen (Ps 132,11). Wie er selbst diese Verheißung verstanden hat, geht einmal aus dem 16. Psalm hervor. Vorausschauend spricht David hier von der Auferweckung, die jetzt geschehen ist. Die Jünger sind ihre Zeugen. Gottes Absicht bei dieser Auferweckung hat ebenfalls schon David ausgesprochen: Die Erhöhung zur Rechten Gottes. Da nicht David in den Himmel aufgestiegen ist, muß Ps 110 wie Ps 16 als Weissagung auf den Messias gelesen werden. Von diesem ist die Rede, wenn es heißt: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten." Damit ist klar: Gott hat den gekreuzigten Jesus zum Kyrios und Christus gemacht (2,36). Ungeachtet einzelner traditioneller Stücke und Gedanken, die hier verwendet sein mögen, ist für die Theologie des Lukas der in sich geschlossene ganze Gedankengang in Anspruch zu nehmen. Entwickelt wird in dieser Rede jedenfalls auch sein Verständnis der Davidsverheißung und ihrer Erfüllung. Charakteristisch dafür ist: Diese Verheißung gilt Jesus von Nazareth, der aus dem Hause Davids stammt. In ihrem vollen Sinn erfüllt ist sie aber noch nicht mit Jesu irdischem Auftreten, sondern erst in seiner Auferweckung und Erhöhung zur Rechten Gottes. An Gottes Seite ist der verheißene Thron, von dem er herrschen soll. Nicht daß die Zeit seines irdischen Lebens damit unmessianisch verstanden wäre. Gemäß der synoptischen Tradition werden auch bei Lukas alle Hoheitstitel bereits dem Irdischen zuteil. Schon 19,38 kann er als βασιλεύς ausgerufen werden. Aber strenggenommen ist der Gebrauch des Titels ein proleptischer. Der Gefeierte ist Davidide; er ist von Gott gemäß Ps 2 zum Sohn gesalbt (Lk 3,22; 4,18) und proklamiert (9,35), noch nicht jedoch inthronisiert. Zuvor hat sich — auch das entspricht Ps 2 — der Widerstand der Gegner auszutoben. Dies geschieht in der Passion des Christus, der Auferweckung und Erhöhung folgen. In der Apostelgeschichte wird diese Sicht der Kreuzigung in 4,25ff., der Auferstehung in 13,33 expressis verbis dargelegt. An beiden Stellen wird Ps 2 zitiert und Acta 4,25 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er von David gesprochen sei. Haenchen bemerkt zu Acta 4: ,,V. 27f. legen die genau nach der LXX gebotene Psalmstelle als eine in der Leidensgeschichte Jesu erfüllte Weissagung aus: Jesus ist der Messias, von dem der Psalm spricht. Die ,Könige der Erde' vertritt Herodes Antipae, die .Herrscher' Pilatus; die römischen Soldaten sind die ε&νη, die λαοί die Stämme Israels."118 Als Fortsetzung der Auslegung des Psalms kann Acta 13,33 betrachtet werden. 115

E. Haenchen, a.a.O. S. 185.

140 Acta 13, 23.

Der Davidseohn bei Lukas 32-37

Wie Petrus in Jerusalem geht auch Paulus in Antiochien bei seiner Predigt auf die Verheißung für den Samen Davids ein. Ein Abriß der Geschichte Israels endet abrupt bei David, und es folgt der knappe Satz: „Aus seiner Nachkommenschaft hat Gott für Israel gemäß der Verheißung Jesus als Heiland hervorgehen lassen" (13,23). Erst im Zusammenhang der Auferstehungsbotschaft wird dann das Stichwort έπαγγελία in V. 32 wieder aufgenommen. Gott hat die Verheißung an die Väter erfüllt, indem er Jesus auferweckt hat 118 , wie dies im zweiten Psalm geschrieben steht: υιός μου εΐ συ, εγώ σήμερον γεγέντηχά σε. Das

.Heute' kann im Kontext nur die Auferweckung meinen117. Von dieser handelt auch die Fortsetzung V. 34. Auf eine Anspielung an Ps 16 folgt die Erinnerung an die prophetische Verheißung der δσια Δανιδ τά πιστά (Jes 55,3), interpretiert durch den entscheidenden V. 10 aus P s 16: ov δώσεις τον δσιόν σον Ιδεΐν διαφΰοράν.

Ä h n l i c h A c t a 2 , 2 9 wird

dazu ausgeführt, daß David zu seiner Zeit gestorben und auch begraben sei, er also der Verwesung nicht entgangen ist. Die Weissagung gilt dem, den Gott auferweckt hat, und das ist Jesus. Die Vorstellung, die diesem Teil der Pauluspredigt zugrunde liegt, ist dieselbe wie in der Pfingstrede des Petrus: Die Davidsverheißung erfüllt sich in der Auferweckung Jesu; sie spielt keine Rolle in den Versen 24iF., die von Jesu Leben und Sterben berichten. Auch die Verse 22 f. zeichnen kein „Bild von Jesu irdischem Wirken als Davidssohn", für das sie Hahn in Anspruch nehmen möchte118. Zu deutlich weist V. 23 auf jene Fortsetzung voraus, die in V. 32 den Gedanken wieder aufnimmt. An ein irdisches Wirken als Davidssohn ist gerade nicht gedacht, sowenig wie im dritten Evangelium. Lukas versteht die Davidssohnschaft Jesu anders als Matthäus! Gleichzeitig unterscheidet sein Verständnis sich auch von dem des Markus. Kennzeichnend dafür ist die Anführung des zweiten Psalms und der Davidsverheißung im selben Zusammenhang. Beide werden in der Auferweckung Jesu als erfüllt betrachtet. Bei Markus wird das Prädikat des Davidssohnes durch das des Gottessohnes überboten, so daß in Erinnerung an Rom 1,3 f. von einer „Zweistufenchristologie" gesprochen werden kann. Lukas ist solche Unterscheidung fremd. Er legt auch keinen W7ert auf den Gebrauch des Titels Davidssohn. Außer in den Stücken der synoptischen Tradition (Lk 18,35-43; 20,41-44) 116 Nach V. 30 kann άναστήσας in V. 33 nicht das Auftreten, sondern nur die Auferweckung Jesu meinen. So E. Haenchen, a.a.O. S. 353 Anm. 3; U. Wilckens, a.a.O. S. 139 Anm. 2; E. Lövestam, Son and Saviour, S. 9! 117 Vgl. e . Schweizer, The Concept of the Davidic ,Son of God' in Acts and its Old Testament Background, S. 190. 118 F. Hahn, a.a.O. S. 278 Anm. 2.

Die Apostelgeschichte

141

ist bei ihm von Davids Haus, von seinem Thron, von seinen Nachkommen die Rede. Was ihnen zugesagt war, ist nach Lukas in der Auferweckung des Davididen Jesus Wirklichkeit geworden. Der Sinn dieses Geschehens ist die Einsetzimg zum Sohne Gottes (Acta 13,33), zum Kyrios und Christus, der zur Rechten Gottes thront (2,32-36). Die Untersuchimg der lukanischen Vorstellung von Jesus als dem Sohn und Erben Davids bestätigt so die Feststellung von Conzelmann und Wilckens: Die verschiedenen Hoheitsprädikate haben bei Lukas ihre ursprünglichen Besonderheiten eingebüßt. ,,Er hat sie aus der Tradition übernommen und versteht sie im Sinne seiner eigenen Vorstellung."119 Der Ton liegt „nicht auf der Titulatur, sondern ganz auf dem eschatologischen Geschehen als solchem und seiner heilsgeschichtlichen Bestimmtheit, und man hat den Eindruck, daß die verschiedenen Titel, die im Zusammenhang der Predigten verwendet werden, in diesen heilsgeschichtlichen Duktus mit hereingenommen werden, ohne jeweils etwas christologisch Spezifisches zum Ausdruck zu bringen"120. — Auch die Rede des Jakobus macht hier keine Ausnahme. Acta

15,16-18

Sinn dieser Rede ist es, die von Paulus und Barnabas betriebene Heidenmission zu rechtfertigen. Sie erreicht dies durch den Hinweis auf die Weissagung des Arnos, Gott werde die zerfallene Hütte Davids wiederaufrichten. Schlüssig ist die Argumentation aber nur, da die Fortsetzung Amos 9,12 in der griechischen Fassung angeführt wird. Der hebräische Text spricht nicht vom „Suchen der übrigen Menschen", sondern von der „Eroberung des Restes von Edom". Mit Haenchen muß daraus geschlossen werden: „nicht Jakobus, sondern Lukas spricht hier", und der Interpretation seiner Rede ist zuzustimmen: „Er versteht unter der Wiederaufrichtung der zerfallenen Hütte Davids nicht die Wiederherstellung des davidischen Königtums, faßt jene Aufrichtung auch nicht als Bild für das wahre Israel, sondern sieht darin die in der Auferstehung gipfelnde Jesusgeschichte angekündigt (in der sich die dem David gegebene Verheißung erfüllt hat), jenes Jesusgeschehen, das die Heiden dazu veranlassen soll, den Herrn zu suchen."121 Die Situation des Apostelkonzils läßt eine andere Deutung des Wortes von der Hütte Davids nicht zu. Die alttestamentliche Weissagung findet ihre Erfüllung nicht in einer politischen oder religiösen Restauration, sondern darin, daß im Namen des Auferstandenen, der aus dem Hause Davids stammt, den Heiden gepredigt wird. "· H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit, S. 158. 120 141 U. Wilckens, a.a.O. S. 156. E. Haenchen, a.a.O. S. 389.

142

Der Davidssohn bei Lukas

Petrus, Paulus und Jakobus vertreten somit ein einheitliches und konsequentes Verständnis der Davidssohnschaft Jesu, das Lukas als dem Autor ihrer Reden eigen ist. Offen geblieben ist bisher die Frage, wieweit seine Konzeption und ihre Entfaltung auf Traditionen der Gemeinde fußt. Das Rückgrat der lukanischen Ausführungen bildet der alttestamentliche Schriftbeweis. Zu fragen ist deshalb nach der Herkunft der Zitate und ihrer charakteristischen Kombination. Wieweit hat Lukas hier auf den überlieferten Schriftbeweis der Gemeinde zurückgegriffen ? Ps

16,8-11

Zwei Feststellungen sind unbestreitbar: Im ganzen Neuen Testament begegnet Ps 16 nur im Schriftbeweis der Actareden (2,25ff.; 13,34f.). Brauchbar ist dafür nicht die hebräische, sondern allein die griechische Version des Psalms (LXX Ps 15). Das Zitat Acta 2,25-28 entspricht mit großer Genauigkeit der LXX. Die einzigen Differenzen sind: V. 26 liest μου ή καρδία statt ή καρδία μου in LXX; V. 25 ist τον κνριον von Ν D syP fälschlich auf Jesus gedeutet 122 , sie bieten deshalb ein zusätzliches μου. Beweisend für den Gedankengang der Petruspredigt ist der Schriftbeleg nur in seiner LXX-Fassung. Die Wiedergabe von nntf mit διαφθορά und nD2b mit έπ έλπίδι ist dafür die Voraussetzung. Der alttestamentliche Psalm handelte von der Bewahrung des Beters vor dem Tode. In der Rede des Petrus wie in der des Paulus dienen seine Worte als Weissagung der Auferweckung aus dem Tode, und zwar speziell des Davididen. Zu erklären ist demnach die doppelte Frage: einmal ob die Verknüpfung des Psalms mit der im folgenden zitierten Davidsverheißung (Ps 132,11 bzw. Jes 55,3) schon vorlukanisch ist, zum andern ob seine Deutung auf Jesu Auferweckung Lukas schon vorgegeben war. In seiner Untersuchung der Substruktur neutestamentlicher Theologie „According to the Scriptures" spricht Charles Harold Dodd im Blick auf Ps 132,11; P s 2 , 7 ; Ps 16,8-11; Jes 55,3 und Amos 9,1 If. von einer „combination of selected extracts from passages of scriptures" 123 . Alle zu untersuchenden Zitate sind hier zusammengefaßt mit Ausnahme von Ps 110. Der Gedanke, Lukas könnte diese „Kombination" in Gestalt einer Zitatensammlung 124 schon vorgefunden haben, führt jedoch vor nicht geringe Schwierigkeiten. Nicht nur der Umfang der Zitate, auch ihre Textgestalt ist unterschiedlich. Während 122 Vgl. H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte, S. 29. 123 Ch. H. Dodd, According to the Scriptures. The Sub-Structure of New Testament Theology, S. 106. 121 Vgl. U. Wilckens, a.a.O. S. 141 Anm. 2.

Die Apostelgeschichte

143

Ps 2,7, Ps 16,8-11 und das Bruchstück aus Jes 55,3 wie der nicht hinzugerechnete Ps 110 im Wortlaut der LXX geboten werden, weichen Ps 132,11 und Arnos 9,11—(12) davon ab. Eine Sonderstellung innerhalb der Reihe hat außerdem Ps 2. Alle anderen Stücke dieser „Sammlung" werden nur in den Actareden verwendet. Zum Zug gekommen wäre sie demnach erst im Werk des Lukas, und was ihr Leitmotiv — „the davidic descent" — betrifft, kann Dodd sogar erklären: „it does not appear, that it played any great part in the shaping of christian theology"125. Ps 2 kann nicht unter dieses Urteil subsumiert werden! So wenig er die Davidsabkunft des Messias nennt, so sicher kommt ihm für die Entfaltung der christlichen Theologie entscheidende Bedeutung zu. Daß er auch im Evangelium des Lukas eine Rolle spielt, rückt ihn an die Seite von Ps 110 und macht es unwahrscheinlich, daß Lukas den Schriftbeleg in Acta 13,33 einer Anthologie verdankt. Doch auch das bereits identifizierte Zitat Ps 16,8-11, mit dem der dritte LXX-Beleg Jes 55,3 zusammenhängt m , ist als Bestandteil einer solchen Sammlung problematisch. Zu fragen ist, wie hier der Psalm gelesen wurde: als Weissagung der Auferweckung oder — dem ursprünglichen Sinn der Verse näher — als Zusage der Errettung aus Todesgefahr? Im ersten Fall könnte die Kombination von Ps 132 mit Ps 16 nicht anders verstanden werden, als daß bereits in der Anthologie die Erfüllung der Davidsverheißung nicht im irdischen Auftreten des davidischen Messias, sondern in seiner Auferweckung von den Toten gesehen wurde. Diese Auffassung widerspricht indes nicht nur der jüdischen Tradition, sondern ebenso den Vorstellungen, die Markus, Matthäus und das vorpaulinische Bekenntnis Rom l,3f. mit dem Stichwort έχ σπέρματος Δαυίδ bzw. 'Davidssohn' verbinden. Die Testimoniensammlung müßte auf christlichem Boden und hier abseits der kerygmatischen und synoptischen Überlieferung entstanden sein. Ihre Auffassung sich zu eigen gemacht hätte allein Lukas, indem er das Florilegium aufteilte und die verschiedenen Stücke in seine Reden einarbeitete. Doch sprechen gerade jene beiden Reden, die Ps 16 verwenden, gegen diese Möglichkeit. Konnte die Vorlage des Lukas denn ohne Kommentar voraussetzen, was Lukas ausführlich erklären muß ? Das Verständnis des Psalms als Weissagung der Auferweckung des davidischen Messias scheint ihm so wenig selbstverständlich, daß er Acta 2,29ff. und nochmals 13,36 eigens darlegt, weshalb hier nicht von David, vielmehr von seinem Erben die Rede ist. Kann man diese Hinweise auf Davids Tod aber nicht ebenfalls zur Vorlage rechnen, 125

Ch. H. Dodd, a.a.O. S. 106.

"· Siehe unten S. 149 f.

144

Der Davidesohn bei Lukas

da sie den Rahmen einer Testimoniensammlung sprengen, ist es der Autor Lukas, der mit ihrer Hilfe ein Verständnis des Psalms ermöglicht, das seine Zitatenquelle nicht hergab. Für sie kommt also nur der ursprüngliche Sinn des Psalms in Frage: die Bewahrung in Gefahr. Bei diesem gewöhnlichen Verständnis des Psalms wird jedoch seine Zugehörigkeit zu einer Kombination davidischer Testimonien nicht minder zum Problem. Sehr viel eindrucksvoller formuliert etwa Ps 18 denselben Gedanken, und 2. Sam 22 ist dieses Gebet sogar zu einem Teil der Davidsgeschichte geworden. Weshalb hätte die Anthologie gerade Ps 16 gewählt und weshalb in seiner griechischen Gestalt, wenn er nicht als Weissagung der Auferweckung gelesen wurde? Die Tatsache, daß das Zitat genau wie Ps 110,1 und Ps 2,7 im Wortlaut der L X X geboten wird und wie diese Belege die lukanische Sicht der Auferweckung entwickeln hilft, läßt daran zweifeln, daß P s 16 mit den andersartigen Zitaten Ps 132,11 und Arnos 9 , 1 1 - 1 2 einen älteren Zusammenhang bildete, dem es nicht u m die Auferweckung des Davididen ging. B o t die Zitatenkombination in keinem Fall die Auffassung des Lukas, macht es keinen Unterschied, dem Autor der Reden nur das ungewöhnliche Verständnis des vorgegebenen Psalms oder auch die Verknüpfung des für ihn wichtigen Beleges mit Ps 132 zuzuschreiben. D a ß die Davidsverheißung in der Auferweckung Jesu ihre Erfüllung findet, ist seine Konzeption. D a es ohne Zweifel Lukas ist, der in Acta 2,34 zur Explikation dieser Auffassung Ps 110,1 anschließt, liegt es nahe, auch die erste Verbindung alttestamentlicher Belege als sein Werk zu betrachten. Geht Acta 2 , 2 5 - 3 6 die Kombination aller drei Zitate auf Lukas zurück, muß andererseits die Möglichkeit bedacht werden, daß ihm — wie dies mutatis mutandis bei Ps 110 der Fall ist — das Verständnis v o n P s 16 als Schriftbeleg allein der Auferstehung ohne die Beziehung zur davidischen Verheißung schon vorgegeben war. Während Conzelmann erklärt: „ein vorlukanischer Sinn ist nicht zu erschließen" 127 , rechnet Haenchen mit der Möglichkeit, daß die griechisch sprechende Gemeinde schon vor Lukas hier die Auferweckung Jesu ausgesagt fand. Das vorlukanische Verständnis, dem er nachspürt, ist freilich fragwürdig. Haenchen meint: „Wahrscheinlich ist V. 25f. auf das Erdenleben Jesu überhaupt bezogen, umfaßt aber die Todesstunde a m Kreuz mit, so daß Jesus nach dieser Auslegung des Psalms keine Gottverlaesenheit empfand." Έκ δεξιών μον έστιν wäre sonach eine Umschreibung der bleibenden Verbundenheit mit Gott. Schlecht dazu paßt die These, daß in der Fortsetzung „die frühen Christen wohl 127

H. Conzelmann, a.a.O. S. 29.

Die Apostelgeschichte

145

εις άδην = έν qdrj verstanden hatten — Jesu Seele kommt in den Hades, aber sie bleibt nicht dort"128. Der Hades ist der Ort der Gottverlassenheit (Jes 38,18f.), und auch Haenchen lehnt den Gedanken einer Anwesenheit Gottes im Hades ab. In der Konsequenz der Deutung von V. 25 (Ps 16,8) auf die ständige Gottesnähe liegt es dann aber, V. 27 (Ps 16,10) so zu nehmen, wie er dasteht: ουκ εγκαταλείψεις τήν ψυχήν μου είς ξ,δην. Es bleibt unerfindlich, weshalb gerade die frühen Christen mit ihrer Auslegung von Ps 16,8 im folgenden gegen den Wortlaut des Textes εις ξ,δην — έν ξδη verstanden haben sollten. Freilich ist solche Umdeutung notwendig, wenn anders der Psalm noch von der Auferweckung handeln soll. Dies bedeutet aber nicht, daß sie einfach behauptet werden darf, sondern umgekehrt, daß die skizzierte Deutung von Ps 16,8 einem Verständnis der Fortsetzung als Auferstehungstext im Wege steht. Wie aber konnte eine christliche Gemeinde jene Worte des isolierten Psalmes anders deuten? Eine neue Möglichkeit besteht dagegen wohl für Lukas, der den Text mit Ps 110 zusammenbringt. In diesem Zusammenhang hat er „natürlich die Wendung aus dem Zitat Ps 16 δτι έκ δεξιών μου έστιν in Acta 2,25 ebenfalls im Sinne der Erhöhungsaussage von Ps 110,1 verstanden"12·. Nimmt man hinzu, daß er nach Ausweis von 2,31 im Psalm und insbesondere den Begriffen σάρξ und διαφύορά genau seine „frühkatholische"180 Auffassung der Auferstehung finden konnte und Ps 16 im Neuen Testament sonst nie zitiert wird, muß Wilckens beigepflichtet werden, der damit rechnet, ,,daß Lukas dieses Zitat selbst als Auferstehungsbeleg gefunden und verwertet hat"181. Ps

132,11

Anders als das Zitat Acta 2,25-28 wird der in V. 30 angeführte Schwur an David nicht in seiner LXX-Fassung wiedergegeben. LXX P s 131,11 lautet er : Έκ καρποϋ της κοιλίας σου &ήσομαι έπι τον ϋρόνον

σον. In indirekter Rede heißt es Acta 2,30: Έκ καρποϋ της όσφύος αντοϋ καΜσαι έπι τον ϋρόνον αντοϋ. Haenchen h a t einleuchtend dar-

gelegt, daß dieser B-Text als ursprünglich zu betrachten ist132. Lukas hat dann an dieser Stelle nicht auf die LXX zurückgegriffen, sondern entweder aus dem Gedächtnis zitiert oder den Schwur in einer Form aufgenommen, die seiner Zeit geläufig war. Der Umstand, daß er seinen eigenen Beleg, Ps 16, wörtlich genau zitiert, macht es wahr128 12> 130 131 132

E. Haenchen, a.a.O. S. 144. U. Wilckens, a.a.O. S. 152 Αηχη. 3. Η. Braun, Zur Terminologie der Acta von der Auferstehung Jesu, Sp. 536. U. Wilckens, a.a.O. S. 141 f. E. Haenchen, Schriftzitate und Textüberlieferung in der Apostelgeschichte, S. 164 f. 10 Barger, Jesus

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Der Davidssohn bei Lukas

scheinlich, daß er im Falle von Ps 132,11 einer Tradition verpflichtet ist. Nicht auszumachen ist jedoch, ob diese in christlichen oder jüdischen Kreisen beheimatet war. So gut wie einer christlichen kann das Zitat auch einer jüdischen Testimoniensammlung zum Thema „davidischer Messias" entnommen sein, wie sie das Florilegium aus Qumran belegt (4Qflor). Daß der Psalm auch f ü r die jüdische Eschatologie des ersten nachchristlichen Jahrhunderts von Bedeutung war, lehren die Anspielungen in den Synagogengebeten. Aus dem Zusammenhang gelöst ist das Zitat Zeugnis einer Auffassung, die sich in nichts von jüdischen Erwartungen unterscheidet. Die Deutung, die es im Kontext der Apostelgeschichte erfährt, stammt zweifellos von Lukas: Mit Hilfe von Ps 16 und Ps 110 wird von Petrus die zugesagte Thronbesteigung des Davididen auf Jesu Auferweckung und Inthronisation zur Rechten Gottes gedeutet 1 3 3 . Der verheißene Thron gerät dadurch in bedeutungsvolles Zwielicht. Ist in Ps 132 ursprünglich an den irdischen Thron eines davidischen Herrschers gedacht, so wird im lukanischen Zusammenhang daraus der Sitz zur Rechten Gottes. Dennoch kann dieser Thron und Ort ewiger Herrschaft von Lukas als der verheißene Davidsthron verstanden und Lk 1,32 auch so bezeichnet werden, da David selbst von ihm gesprochen hat, wie Ps 110 belegt (Acta 2,34). Das Zitat aus Ps 132 kann als traditionelles dictum probans davidischer Hoffnung betrachtet werden, die Konzeption, die es in der Apostelgeschichte entwickeln hilft, ist die lukanische und eine andere christliche Deutung nicht zu erkennen. Ps 110,1 Die erste Zeile des 110. Psalms zählt zu den Hauptstücken des christlichen Schriftbeweises 134 . Längst vor Lukas ist sie zum locus classicus f ü r die Erhöhung Christi geworden, und mit Lk 22,69 steht auch der dritte Evangelist in dieser Tradition. In der Ausführlichkeit von Acta 2,34f. wird Ps 110,1 allerdings nur noch in der Perikope von der Davidssohnfrage Mk 12,35-37 par. zitiert. In seiner Wiedergabe dieses Stückes 135 hat Lukas den Psalmt e x t nach der L X X verbessert, und genauso bietet er Acta 2,34f. den Vers im Wortlaut der griechischen Bibel. Angesichts von Lk 20,42f. 133 Der Westliche Text hat das Zitat um eine Wendung aus 2. Sam 7,12 erweitert (άναστήσαι) und den Gedanken der Auferstehung bereits in diesen Schriftbeleg hereingezogen. Allerdings wird Gottes Handeln damit klarer als durch das unmerklich überleitende οΰν in V. 33 auf zwei Akte verteilt. Es ist deutlich, „daß der .westliche' Text nicht mehr gemerkt hat, daß Auferstehung und Erhöhung ins unzerstörbare himmlische Leben als eine innere Einheit vorausgesetzt waren" (E. Haenchen, a.a.O. S. 165). 134 Vgl. l.Kor 15,25ff.; Rom 8,34; Hebr 1,3 u.ö. 135 Siehe oben S. 114 ff.

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ist klar, daß er auch den ausführlichen Schriftbeleg nicht selbst gefunden, sondern übernommen hat. Anders als Ps 132,11 hat er ihn jedoch an der LXX nachgeprüft. Neu ist auch nicht — dies geht ebenfalls aus der synoptischen Perikope hervor —, daß dieser Vers des Alten Testaments als Weissagung der sessio ad dexteram zur ebenfalls alttestamentlichen Verheißung des davidischen Messias in Beziehung gesetzt wird. Ungewöhnlich ist dagegen die Art, wie dies in Acta 2 geschieht. Nicht nur, daß sich im Neuen Testament dafür keine Parallele findet. Soweit die vorlukanische Tradition noch greifbar ist, hat sie die Beziehung anders, ursprünglich sogar gerade umgekehrt hergestellt. In dieser Hinsicht hat die Auswertung des Psalms eine erstaunliche Geschichte durchgemacht. Die Absicht des Traditionsstückes, das Markus in sein Evangelium aufgenommen hat, scheint es gewesen zu sein, die Weissagung des Psalms gegen die Vorstellung vom davidischen Messias auszuspielen. In der Deutung, die Markus — und Matthäus leistet ihm Gefolgschaft — seiner Überlieferung gab, wurde daraus ein Sowohl-Als-auch: Jesus ist Davidssohn, aber er ist mehr als das: Gott hat ihn zum Sohn und als Kyrios eingesetzt. Widerspruch und Differenz der Anschauungen sind in der lukanischen Petrusrede schließlich ganz verschwunden. Die Davidsverheißung nach Ps 132 und die Weissagung des Davidspsalms 110 interpretieren sich gegenseitig. Die eine erfüllt sich mit der andern in der Auf erweckung und Erhöhung Jesu. Daß diese Konzeption von Lukas stammt, ist zwar noch nicht durch die Feststellung bewiesen, daß der verbindende Text, der das Verständnis der Zitate klarstellt, aus seiner Feder rührt. Entscheidend ist dagegen, daß er die beiden Zitate verschiedenen Quellen verdankt: Ps 110 der synoptischen Überlieferung und der LXX, nicht so Ps 132. Die Zusammenstellung der Belege muß als sein Werk betrachtet werden, und mit ihr steht und fällt die ganze Konzeption. Ps 2,7 Mittels Ps 2,7, Jes 55,3, Ps 16,10 und am Rande l.Kön 2,10 entfalten Acta 13,32-37 denselben Gedanken wie Acta 2,25-36: Die Zusage Gottes an David ist in der Auferweckung Christi eingelöst. Wilckens kommt bei seiner Untersuchung dieser Rede zu dem Urteil : „Traditionell ist in Act 13 lediglich das Zitat Ps 2,7, welche Stelle im Urchristentum öfter als Schriftbeleg zur Auferweckung bzw. Erhöhung, aber auch sekundär zur Taufe Jesu gebraucht worden ist."13® Das Problem des Zitates in Acta 13,33 ist damit aber nur zum Teil gelöst. Es ist unbestreitbar, daß Lukas die christologische Deutung des Verses » · U. Wilckens, a.a.O. S. 142. 10·

148

Der Davidesohn bei Lukas

schon vorgefunden hat. Sowohl Lk3,22 wie 9,35 hat er sie übernommen. Im Vergleich mit diesen Stellen zeigt die Verwendung von Ps 2,7 in Acta 13 jedoch zwei Besonderheiten: 1. Im Evangelium ist der traditionelle Schriftbeleg „sekundär" gebraucht, Acta 13,33 dagegen dient er als Weissagung der Auferweckung, wie sowohl aus dem vorangehenden wie dem folgenden Vers klar hervorgeht. 2. Lukas hat in der Tauferzählung die Anspielung auf Ps 2 genau nach Markus wiedergegeben, bei der Verklärung allein das vorgegebene αγαπητός durch έχλελεγμένος ersetzt, Acta 13 hingegen zitiert er offenkundig nach der LXX und läßt sich hier die Fortsetzung nicht entgehen: εγώ σήμερον γεγέννηκά σε. Nach dem Zusammenhang kann damit nur die Auferweckung gemeint sein, und Haenclien ist zuzustimmen: „Weil die Auferstehung als eine Erzeugung zum ewigen Leben gefaßt wird, kann sie mit Ps2,7 belegt werden."137 Solchen Gebrauch des Beleges bot die kontrollierbare Tradition des Lukas aber gerade nicht, und der Umstand, daß er dafür den Wortlaut der LXX benützt, läßt darauf schließen, daß er unabhängig von irgendwelchen Vorlagen zu Werke geht. Ohne es zu beabsichtigen, hat er dem traditionellen Schriftbeleg seinen „primären" Sinn zurückgegeben. Freilich mit einem neuen Akzent: Conzelmann hat nicht unrecht, wenn er erklärt: „Der Hinweis auf Ps 2,7 meint im Sinn des Lukas nicht, Jesus sei erst mit der Auferstehung Sohn geworden, vgl. Lc 3,22" 13e . Nur ist mit dem Verweis auf die Tauferzählung nicht aus der Welt geschafft, daß Acta 13,33 das Zitat des Psalms doch in aller Deutlichkeit der Auferstehung gilt. Die Erklärung dieses Sachverhalts ist in der Fortsetzung V. 34 zu finden. Diese erinnert an die prophetische Verheißung für David (Jes55,3), und Conzelmann stellt dazu selber fest: „Die Verheißung an David ist in der Auferstehung Christi erfüllt."138 Im Zusammenhang der Rede muß dann aber bereits das Zitat aus Ps 2, das von dieser Auferstehung handelt, mit der Davidsverheißung zusammengesehen werden. 'Εγώ σήμερον γεγέννηκά σε hat zugleich die Erfüllung der davidischen Verheißung im Blick und geht insofern über die Taufanrede hinaus. Die Auferweckung ist nicht nur als eine Erzeugung zum ewigen Leben, sondern gleichzeitig als Einsetzung in die Herrschaft gefaßt. Wohl kann Jesus auch im Sinn des Lukas schon seit der Taufe als der Sohn gelten, wie er dank seiner Abstammung auch Sohn Davids ist. Seine eigentliche Rolle als Gottessohn und Davidserbe übernimmt er jedoch erst mit seiner Auferweckung und Erhöhung, welche als die verheißene Inthronisation eines Nachkommen Davids zum Sohne Gottes aufgefaßt sind. 137 138

E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, S. 353. H. Conzelmann, a.a.O. S. 77.

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Im Rückblick wird so bedeutungsvoll, daß Lukas anders als Matthäus die Ahnentafel Jesu auf die Taufgeschichte folgen läßt und damit der göttlichen Adoption die davidische Abstammung an die Seite stellt. Verständlich wird auch die Korrektur in der Verklärungsgeschichte : έκλελεγμένος hat vorausweisenden Charakter und zielt auf Ostern als den machtvollen Schlußakt dieser Adoption, der die Einsetzung in die Herrschaft bringt. Die Acta 13 hergestellte Verbindung mit der Davidsverheißung bedeutet gegenüber der sonst zu beobachtenden christlichen Verwendung von Ps 2,7 — sei es für die Taufe, sei es für die Erhöhung — ein Novum. Wie schon bei Ps 110 kommt Lukas dem ursprünglichen Sinn des alttestamentlichen Königspsalms überraschend nahe. Das judäische Königsritual13*, das sich in beiden Psalmen spiegelt, feierte die Thronbesteigung der Davididen als ihre Adoption zum Gottessohn und Einsetzung zur Rechten Gottes. Allerdings war dabei an den Thron zu Jerusalem und seine Besteigung durch den jeweils nächsten Davidssproß gedacht, während Lukas die mythologischen Aussagen der Königspsalmen zur Interpretation der Auferweckung des einen Davididen Jesus verwendet und den Sitz zur Rechten Gottes nicht mehr in Jerusalem lokalisiert. Jes

55,3

Der Ausdruck τά δσια Δαυίδ τά πιστά (Acta 13,34) stammt aus Jes 55,3 LXX. Für sich allein betrachtet gibt er keinen klaren Sinn. In seinem jetzigen Zusammenhang wird er durch V. 35 interpretiert 14°, und auch die Einleitung V. 34 a hat schon Ps 16 im Auge, der dann in V. 35 zitiert wird. Deutlich ist dabei δώσω aus V. 34 durch δώσεις in V. 35, ebenso τά δσια mit τον δσιον aufgenommen, und ,,τά πιστά wird

als .unvergänglich' aufgefaßt."138 Daß der Ausdruck aus Jes 55,3 erst in dieser Interpretation durch Ps 16 recht verständlich wird, ist ein Indiz für die enge Zusammengehörigkeit der zwei Belege. Haenchen meint deshalb: „Vermutlich waren beide Zitate schon in der von Lukas verwendeten Tradition (gab es damals bereite so etwas wie ein Teetimonienbuch?) vereint, denn die verkürzte Wiedergabe von Jes 55,3 wäre für sich allein unverständlich."141 Wenn es aber richtig ist, daß Ps 16 erst von Lukas als Beleg der Auferweckung Jesu entdeckt und verwertet wurde, muß aus der schwer zu lösenden Verknüpfung der Zitate gefolgert werden, daß auch Jes 55,3 erst vom Autor der Apostelgeschichte als Stütze seiner Konzeption herangezogen wurde. is» Vgl. dazu G. v. Rad, Das judäische Königsritual. 140 So mit K. Lake-Η. J. Cadbury, The Beginnings of Christianity, vol. IV, S. 155 gegen J. Dupont, Τ Α ΌΣΙΑ ΔΑΥΙΔ ΤΑ ΠΙΣΤΑ. ι " Ε. Haenchen, a.a.O. S. 354.

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Der Davidssohn bei Lukas

Beide Zitate stimmen mit der L X X überein. Die Verheißung der δσια Αανίό τα πιστά sah Lukas in der Auferweckung Jesu erfüllt. Arnos 9,11-12 Anders scheinen die Dinge bei der Rede des Jakobus Acta 15,16f. zu liegen. Für die Absicht des Redners, durch die Erinnerung an die Weissagung des Propheten Arnos die Völkermission zu rechtfertigen, ist zwar wiederum allein der griechische Text von Arnos 9,12 brauchbar. Die Weissagung wird ferner nur in dieser Rede der Apostelgeschichte angeführt und hat im ganzen Neuen Testament sonst keine Spuren hinterlassen. Gegen den naheliegenden Gedanken, auch dieser Schriftbeleg könnte dem LXX-Studium des Lukas zu verdanken sein, melden sich bei einer genaueren Betrachtung des Zitats jedoch Bedenken. Ohne Zweifel geht es in V. 17 auf die Übersetzung der L X X zurück. I m hebräischen Text lautet Arnos 9,12 0ΠΚ rrnittf-nx HPT' jsab •^iän'Vsi (damit sie — die Israeliten — den Überrest Edoms und alle Völker erobern). Nach der Mehrzahl der Zeugen ist in der griechischen Übersetzung daraus geworden: όπως έκζητήσωσιν oi κατάλοιποι των άν&ρώπων και πάντα τά ε&νη. ΟΗΝ wurde für DIN ( = άνθρωπος) genommen, und das ursprüngliche Akkusativobjekt avancierte zum Subjekt. Die LXX-Variante Α hat wie das Zitat Acta 15,17 — neben dem zusätzlichen äv — ein neues Akkusativobjekt: τον κνριον. Die Verheißung für die Menschheit gewinnt damit einen prägnanten Sinn. Der Kyrios ist, nach der Fortsetzung, Gott als der Auetor des Geschehens (ο ποιών ταντα). Ihn werden auch die Völker suchen. Daß A hier nach der Apostelgeschichte korrigiert wurde, muß als unwahrscheinlich gelten, da solche Korrektur sehr unvollkommen durchgeführt wäre. Den Anfang der Weissagung liest auch der Α-Text anders; die Fortsetzung dagegen scheint auf ihn zurückzugehen. Die eigentliche Schwierigkeit der Stelle ist, daß sowohl der Anfang (μετά ταντα αναστρέψω) wie der Schluß des Schriftbelegs (γνωστά άπ' αιώνος) in keinem Text von Arnos 9 zu finden ist. Die beiden Wendungen dürften aus Jer 12,15 und Jes 45,21 stammen142. Hinzu kommt, daß Acta 15,16 der Amostext (9,11) recht frei geboten wird. ,,Da die Apostelgeschichte, wie wir gesehen haben, an anderer Stelle die LXX-Lesart mit außerordentlicher Genauigkeit wiedergibt, liegt es hier näher, mit Cerfaux die Benützung einer mit der L X X frei umgehenden Tradition anzunehmen, in der die drei Stücke aufeinander 142 So E. Haenchen, Schriftzitate und Textüberlieferung in der Apostelgeschichte. S. 164; H. ConzeLmann, a.a.O. S. 84.

Die Apostelgeschichte

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folgten."143 Die Frage, die sich damit stellt, ist eine doppelte: In welcher Form kam diese Überlieferung auf Lukas, und wer waren die Tradenten ? Für die vielfach und auch von Conzelmann geäußerte Vermutung, „diese Kombination könnte in einer Testimoniensammlung gestanden haben"144, läßt sich die Einführung des Mischzitates ins Feld führen: κα&ώς γέγραπται deutet auf eine schriftliche Vorlage; τούτω συμφωνονσιν oi ?.όγοι των προφητών läßt an eine Mehrzahl von Worten wie von Propheten denken, und Lukas will oder kann — anders als bei Ps 2 (Acta 13,33) — die Fundstelle nicht näher bezeichnen. Wo aber ist die Entstehung dieser durchaus möglichen Sammlung prophetischer Worte anzunehmen? Tatsache ist, daß Arnos 9,11 sowohl im qumranischen Florilegium 4Qflor (Z. 12) als auch in der Damaskusschrift (VII, 16) begegnet und an beiden Orten mit weiteren Weissagungen verknüpft ist. Allerdings handelt es sich hier wie dort nicht um eine bloße Sammlung von Testimonien. Die Weissagungen sind kommentiert, und die Wiederaufrichtung der zerfallenen Hütte wird auf die Erneuerung des Gesetzes gedeutet146. Acta 15 dagegen dient das Prophetenwort als messianische Weissagung für das Haus Davids und verkündet mit seiner Fortsetzung (Arnos 9,12) den Kairos der Heiden. Daß hier der LXXText benützt ist, nötigt außerdem, an hellenistische Leser des Alten Testaments zu denken. Ob sie christlichen oder jüdischen Glaubens waren, ist damit freilich nicht entschieden. Christen wie Juden, den einen, weil sie die Erfüllung schon im Grange wußten, den andern, weil sie darauf warteten, konnte die Verheißung wichtig sein und in beider Augen es verdienen, mit anderen entsprechenden Weissagungen zusammengestellt zu werden. Aus dem Mischzitat allein kann weder seine christliche Deutung bewiesen noch deshalb bestritten werden, daß es schon vor Lukas von der Gemeinde in ihrem Sinn gedeutet wurde. Handelte es sich bei der Vorlage des Lukas jedoch lediglich um eine Zusammenstellung von Testimonien — und einen dazugehörigen Kommentar zu vermuten, gibt Acta 15 keinen Anlaß—, war für den Autor der Apostelgeschichte die Frage bedeutungslos, ob Juden oder Christen die alttestamentlichen Worte zusammengetragen hatten. Die unausgesprochenen Gedanken seiner Gewährsmänner brauchte und konnte er nicht berücksichtigen. Übernahm er das kombinierte Zitat aus christlicher Hand, war ihm sein Verständnis der Erfüllung dieser Weissagung sowenig vorgeschrieben wie im Falle der Benützung einer jüdischen Testimoniensammlung. Das Verständ143

E. Haenchen, a.a.O. S. 164 (L. Cerfaux, Citations scripturaires et tradition textuelle dans le Livre des Actes, S. 48f.). 144 145 H. Conzelmann, a.a.O. S. 84. Siehe oben S. 21.

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Der Davidssohn bei Lukas

nis des Zitates, das sich aus dem Zusammenhang der Apostelgeschichte ergibt, ist in jedem Fall sein eigenes. Die Beobachtung, daß nirgends sonst im Neuen Testament auf das Wort des Amos auch nur angespielt wird, macht es allerdings fraglich, ob es Bestandteil einer christlichen Sammlung von Belegen war. So gut wie bei der Stephanusrede 148 kann Lukas auch hier aus einer hellenistisch-jüdischen Quelle geschöpft haben. Für ihn, der die davidische Verheißung mit Ps 110 interpretierte, bestand dabei die Möglichkeit, τον κνριον in Amos 9,12 (A) genau im Sinne seiner Konzeption zu deuten. Jakobus als sein Sprecher verwendet das Zitat zur Legitimierung der christlichen Mission. Dieser Kontext legt es nahe, im Kyrios, „den die übrigen Menschen suchen sollen", den Kyrios Christos genannt zu sehen. Lukas hätte dann — anders als seine hellenistisch-jüdischen Tradenten — zwischen dem κύριος ποιών ταύτα (Acta 15,17c) und τον κνριον (V. 17a) unterschieden nach dem Vorbild von Ps 110,1: είπεν κύριος τω κνρίω μον. Zusammenfassung Alle drei Reden der Apostelgeschichte (Acta 2; 13; 15), in denen Lukas die großen Kirchenmänner der Frühzeit, Petrus, Paulus und Jakobus, auf die Davidsverheißung zu sprechen kommen läßt, zeigen ein klares und einheitliches Verständnis ihrer Erfüllung. Jesu Auferweckung und Erhöhung sind als die verheißene Inthronisation eines Davididen zum Gottessohn und Kyrios aufgefaßt. Die Untersuchung des Materials, mit dessen Hilfe solche Sicht entwickelt wird, führt zum Ergebnis: Lukas hat sich sowohl des traditionellen christlichen Schriftbeweises bedient (Ps 110,1; Ps2,7) als auch Belege jüdischer Erwartung aufgenommen (Ps 132,11; Amos 9,11-12) und schließlich selbst Zitate aus der LXX beigebracht (Ps 16,8-11; Jes 55,3). Die charakteristische Kombination dieser Schriftbelege ist sein Werk. Die Konzeption der Davidssohnschaft Jesu, die sich daraus ergibt und in den verbindenden Partien eigens dargelegt wird, muß folglich als originaler Teil seines theologischen Entwurfs gewertet werden. Nirgends tritt hinter den lukanischen Reden ein älteres und anderes Verständnis der davidischen Würde Jesu zutage. "· Vgl. E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, S. 139 f.

Der davidische Messias bei Johannes Eine breite Skala von Hoheitstiteln wird im vierten Evangelium für Jesus von Nazareth aufgeboten: Er ist der Sohn und Gottessohn, er gilt als Menschensohn und Heiland, er heißt Kyrios und Christus. Nie jedoch — auch nicht beim Einzug in Jerusalem — wird er in irgendeiner Weise als Davidide vorgestellt. Die negative Feststellung gewinnt noch an Gewicht durch die Beobachtung, daß auch Johannes weiß, nach jüdischer Lehre muß der Messias aus dem Hause Davids kommen. In einem Streitgespräch wird dieses Postulat bei ihm erwähnt. Die Frage, wie er sich dazu stellt und ob auch er das christliche Bekenntnis zur Davidssohnschaft Jesu teilt, kann — wenn überhaupt — nur durch die Exegese dieser Stelle eine Antwort finden. Joh 7,40-44 Die Reden Jesu lassen in der Menge seiner Hörer den Gedanken laut werden: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. Andere erklären: Dieser ist der Christus. Von dritten wird darauf entgegnet: Kommt etwa der Christus aus Galiläa? Ονχ ή γραφή είπεν ort έκ τοϋ σπέρματος Δαυίδ, και όσιο Βηϋλέεμ της κώμης δπου ήν Δαυίδ, ερχεται ό χριστός; Der Einwand bleibt ohne Antwort, und die Menge spaltet sich: Einige wollten ihn verhaften, aber niemand legte Hand an ihn. Der äußerst knapp gehaltene Bericht ist schwer zu deuten. Schwierigkeiten bereitet vor allem das Fehlen einer Antwort auf den bibelkundigen Einwand, sodann der Einwand selbst. Voraussetzung der kritischen Erwiderung auf das Bekenntnis aus der Menge ist: Den Kritikern ist nicht bekannt, daß Jesus, der aus Galiläa kommt, Davidide und Bethlehemit wäre. Sie folgern: Also kann er nicht der Christus sein. Seltsamerweise wird darauf nichts entgegnet und die Voraussetzimg des Einwands nicht korrigiert. Wie ist das zu verstehen? Heißt dies: Johannes kann und will nicht behaupten, daß Jesus Davidide und in Bethlehem geboren ist? Oder: Es scheint ihm nur nicht nötig, den Irrtum der Ungläubigen eigens aufzudecken ? Die Meinung der Exegeten ist hier ebenso gespalten wie die Menge bei Johannes. Für die zweite Deutung sei der Kommentar von Charles K. Barrett angeführt: ,,We may feel confident that John was aware of the tradi-

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Der davidische Messias bei Johannes

tion that Jesus was born at Bethlehem; he writes here in his customary ironical style. The critics of Jesus ignorantly suppose that because he was brought up in Galilee he was also born there." 1 Ebenso urteilt der katholische Exeget Fritz Tillmann: „Hier so wenig als 1,45; 6,42 hat der Evangelist Anlaß, seine Leser, die längst gläubige Christen sind und aus der Darstellung der älteren E w Jesu wahre Herkunft kennen, über die irrige Voraussetzung der Gegner aufzuklären" 2 . Diese Auslegung geht von der doppelten Annahme aus, daß sowohl dem Evangelisten wie seinen Lesern die Kindheitsüberlieferungen der Synoptiker vertraut waren, und folgert daraus, daß von beiden der Einwand der Gregner als Irrtum angesehen mir de. Das vierte Evangelium — für sich allein betrachtet — bestätigt diese Annahme indes so wenig, wie es die Folgerung verlangt, den gegnerischen Einwand müsse Johannes als irrig angesehen haben. Im vierten Evangelium gilt Jesus durchweg als der Mann aus Nazareth in Galiläa. Seine Herkunft aus Davids Haus und Bethlehem wird nirgends auch nur angedeutet. Er ist der Sohn des Joseph, worauf sich offensichtlich keine Sonderstellung gründen läßt (6,42), und Nazareth ist seine Heimat, wie allgemein bekannt ist. Die Kenntnis dieser Abstammung und Herkunft wird sogar mehrfach zum Einwand gegen Jesu Auftreten und Anspruch ausgemünzt. Bereits 1,46 erklärt Nathanael:,, Was kann aus Nazareth Gutes kommen ?" 6,42 fragen Jesu Hörer: ,,Ist dieser nicht Jesus, der Sohn des Joseph, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er sagen . . . ?" 3 . 7,27 melden sich zum dritten Mal solche Bedenken: „Von diesem wissen wir, woher er ist; wenn aber der Christus kommt, weiß niemand, woher er ist." Und 7,52 wird Nikodemus als Jesu Verteidiger gefragt: „Bist auch du aus Galiläa? Forsche, und du wirst sehen, daß aus Galiläa kein Prophet ersteht." Allen diesen kurzen Dialogen ist es eigentümlich, daß der Einwand der Kritiker nicht widerlegt wird. Mit keiner Silbe wird bestritten, daß sie richtig informiert sind. Vor allem 6,42 und 7,27 kann dies nur bedeuten: Sie haben äußerlich gesehen völlig recht! „Die Juden, die Jesu Herkunft und seine Eltern kennen (7,27f.; 6,42), irren sich nicht im Tatsächlichen, sondern darin, daß sie den Anspruch dieses Jesus von Nazareth bestreiten, der Offenbarer Gottes zu sein; sie irren sich nicht in der Materie ihres Urteils, sondern darin, daß sie überhaupt ein Urteil κατά σάρκα fällen." 4 Wer statt der Kindheitsgeschichten der Synoptiker diese Partien aus Johannes als Kontext zu Joh 7,40-44 liest, kann kaum umhin, Ch. K. Barrett, The Gospel according to St John, S. 273. F. Tillmann, Das Johannesevangelium, S. 168; ähnlich E. Hoskyns, The Fourth Gospel, S. 324. 3 Vgl. Mk 6,3. 4 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, S. 393. 1

2

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das Fehlen einer Antwort auf den Einwand der Juden anders zu deuten als Barrett oder Tillmann. Bultmann erklärt in seinem Kommentar: „Die Juden irren sich natürlich ebensowenig wie 642 727. Von der Bethlehemgeburt Jesu weiß also der Evglist nichts, oder will er nichts wissen."5 Bultmann läßt hier die Frage offen, die vor ihm Wrede und Heitmüller genau entgegengesetzt beantwortet haben. Kann oder will Johannes nicht behaupten, daß Jesus Davidide und in Bethlehem geboren ist] Wrede argumentiert: „Beides, muß man vermuten, wurde in den christlichen Kreisen, denen der Verfasser angehört, von Jesus nicht behauptet. Sonst hätte der Verfasser die Meinung der jüdischen Frager schwerlich unkorrigiert gelassen, hätte überhaupt auch kaum Anlaß gehabt, diesen Einwand den Juden in den Mund zu legen."' Heitmüllere Meinung ist dagegen: „Da der Evangelist zu diesen Bedenken keine berichtigende Bemerkung macht, müssen wir doch wohl annehmen, daß er die Angaben der Geburts-Geschichten des Matthäus und Lukas nicht anerkennt."7 Argumente in dieser Kontroverse kann nur die Untersuchung von Joh 7,42 liefern, da nirgends sonst im Evangelium da« Thema angeschnitten wird. Jesus wird hier gemessen an einem zweifachen Postulat: Der Messias muß aus Davids Samen und aus Bethlehem kommen. Beides lehre die Schrift. Auffallend ist an dieser Forderung der Juden, daß ihr zweiter Punkt zusätzlich noch erläutert wird: aus Bethlehem, dem Ort, wo David war. Dem zweiten Desiderium scheint nicht die gleiche Selbstverständlichkeit zu eignen wie dem ersten. Genügt für dieses der Hinweis auf die Schrift, wird jenes noch begründet, indem es zum ersten in Beziehung gesetzt und davon gleichsam abgeleitet wird. Dem entspricht, daß die dahinterstehende Verheißimg für Bethlehem (Micha 5,1) im Unterschied zur Verheißung an David (2. Sam 7; Ps 89; Ps 132 u.ö.) in der jüdischen Messianologie nur eine geringe Rolle spielt. Bousset stellte fest: „Daß die Geburtsstätte des Messias gerade Bethlehem sein sollte, scheint doch nur eine vereinzelte Überlieferung gewesen zu sein."® Für die wenigen messianischen Auslegungen der Stelle, die Billerbeck beibringt9, ist charakteristisch, daß sie allesamt spät anzusetzen sind und ferner keine anläßlich Bethlehems an David und seinen Samen erinnert, wiewohl über den Namen des Erlösers mancherlei Erwägungen angestellt werden. Aus der ersten Feststellung 5 R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes, S. 231 Anm. 2; ebenso O. Holtzmann, Leben Jesu, S. 64; M. Goguel, Das Leben Jesu, S. 154. • W. Wrede, Charakter und Tendenz des Johannesevangeliums, S. 214. 7 W. Heitmüller, Das Johannes-Evangelium, S. 112. 8 W. Bousset-H. Gressmann, Die Religion des Judentums, S. 226. 9 Billerbeck I, S. 82 f.; vgl. oben S. 24.

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Der davidieche Messias bei Johannes

schließt Barrett: „The use of this passage seems to be Christian; it is not quoted in rabbinic literature for the origin of the Messiah until late, and though it is used in Justin, Trypho 78, it is found on the lips of Justin, not his Jewish opponent." 1 0 Mit der zweiten Beobachtung stimmt überein, daß auch Matthäus in der Geburtsgeschichte von Bethlehem erzählen und die Weissagung des Micha zitieren kann, ohne dabei auf David hinzuweisen und so zwischen der Stätte der Geburt und der Davidsverheißung eine Beziehung herzustellen n . Lukas stellt die Verbindung her, indem er Bethlehem irrtümlich die Stadt Davids nennt 1 2 . Die jüdische Erwartung scheint dagegen die Davidssohnschaft des Messias nicht mit der Herkunft aus Bethlehem verknüpft zu haben. Verständlich ist dies vor allem dann, wenn Micha 5,1 noch gar nicht als Messiasweissagung gelesen wurde und erst später, vielleicht aufgrund der christlichen Verwendung, so gedeutet wurde. Diese Beobachtungen lassen den Einspruch, den Joh 7,42 die Juden gegen Jesus von Nazareth erheben, problematisch werden. In einem Atem wird hier die Abstammung von David zusammen mit der Herkunft aus Bethlehem genannt und diese mit jener noch verknüpft. Die vage Formulierung ,,der Ort, wo David war" hat dieselbe Funktion wie die Bezeichnung Bethlehems als πόλις Δαυίδ bei Lukas. Die Bemerkung bei Johannes ist zwar nicht in derselben Weise anfechtbar wie die Angabe des Lukas, doch ist auch sie nicht wirklich durch die Überlieferung des Alten Testaments gedeckt. Bethlehem ist nur die Stätte von Davids Jugend (l.Sam 16 und 17), und nirgends wird erzählt, daß auch der König dort sich aufgehalten habe. Bethlehem gilt nicht als bevorzugter Ort des Aufenthaltes Davids. Joh 7,42 jedoch argumentieren Jesu Gegner mit dem zweifachen Postulat der Davidsabstammung und Bethlehemgeburt und versäumen nicht, auch die Zusammengehörigkeit von beidem darzutun. Da weder diese Koppelung noch ihre ausdrückliche Begründung in der jüdischen Literatur belegt ist, dagegen aufs beste der christlichen Anschauung entspricht, ist der Verdacht schwer von der Hand zu weisen: der Einspruch der Juden referiert nicht jüdische Lehre, er setzt vielmehr christliche Überlieferung voraus. Daß mit der Nennung Bethlehems ein Nachhall der christlichen Anschauung sich ausgerechnet im Munde der Gegner Jesu finden soll, mutet zwar seltsam an. Das unerwartete Auftauchen solcher Reminiszenz an die Kindheitsüberlieferung muß jedoch keineswegs als unerklärlich gelten und deshalb ausgeschlossen werden. Sogar zwei Möglichkeiten der Erklärung bieten sich an. 10 Ch. K. Barrett, a.a.O. S. 273; vgl. Ch. H. Dodd, The Interpretation of the Fourth Gospel, S. 90f.; A. Wikenhauser, Dae Evangelium nach Johannes, S. 163. 11 12 Siehe oben S. 104f. Siehe oben S. 136.

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Der Einwand der Gregner bei Johannes könnte ursprünglich nur gelautet haben: Sagt nicht die Schrift, daß aus dem Samen Davids der Christus kommt ? Er würde so genau die Erwartung des Barnabas bestätigen: μέλλονσιν λέγειν δτι ό Χριστός υιός έστιν Δαυίδ (12,10). Die Fortsetzung V. 42 b και από Βηϋλέεμ της κώμης δπον ήν Δαυίδ wäre

dann als Glosse anzusehen, eingefügt von einem christlichen Leser, der in Erinnerung an die Kindheitslegenden Jesu den Hinweis auf die davidische Abstammung noch präzisieren wollte, ohne zu beachten, daß im johanneischen Streitgespräch die Davidsabkunft nur gegen Jesus ausgespielt, nicht aber auch für ihn beansprucht wird. Gebannt von der Kindheitsüberlieferung hätte dieser Leser die Eigentümlichkeit der Perikope so wenig wahr- und ernstgenommen wie eine große Zahl heutiger Exegeten. Für die Möglichkeit, V. 42 b als Glosse anzusehen, läßt sich nicht nur der für einen Schriftbeleg befremdliche argumentierende Charakter der Stelle anführen, sondern auch die Tatsache, daß in der Fortsetzung V. 42 c die Reihenfolge der Worte verschieden überliefert ist. Hier könnte ein späteres Bemühen sichtbar werden, den durch die Glosse aufgefüllten Satz zu glätten. Andererseits zeigt sich eine enge Beziehung zwischen der Nennung Bethlehems und dem Anfang des jüdischen Einspruchs. Rhetorisch wird in V. 41b gefragt: Kommt denn der Christus aus Galiläa? Wird dieser Frage im folgenden nur das genealogische Postulat der Davidsabkunft gegenübergestellt und nicht auch das geographische der Bethlehemgeburt, ist sie strenggenommen nicht verneint. Herkunft aus Galiläa und Abstammung von David brauchen sich nicht auszuschließen. Gehören aber Bethlehem und Galiläa als contradictio zusammen, kann V. 42 b nicht gut als Glosse ausgeschieden werden. Die Bemerkung bildet einen integrierenden Bestandteil des Streitgesprächs. Das Doppelpostulat indes scheint nicht die Auffassung des Judentums zu referieren, vielmehr christliche Anschauung vorauszusetzen. Wie ist dies zu erklären, wenn der Weg der Literarkritik nicht gangbar ist, und was ergibt sich daraus für die Ansicht des Johannes? Ernst Käsemann hat für die Auslegung der Streitgespräche im vierten Evangelium neuerdings gefordert: „Man wird zum mindesten sorgfältiger als bisher zu erwägen haben, wieweit auch innerkirchliche Auseinandersetzung sich in dieser Diskussion mit den Juden spiegelt und verbirgt." „Johannes könnte sich durchaus gegen eine kirchliche Entwicklung wenden, welche nach seiner Ansicht der Christologie nicht genügend oder nur inadäquat Rechnung trägt." 18 Der Gedanke läßt Joh 7,42 in neuem Licht erscheinen und eröffnet die zweite Möglichkeit der Deutung: Dem 4. Evangelisten ist zu Ohren gekommen, daß in 19

E. Käsemann, Jesu letzter Wille nach Johannes 17, S. 49.

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Der davidische Messias bei Johannes

anderen Kreisen der Christenheit erzählt wird, Jesus sei als Davidide in Bethlehem geboren. Nach seiner Kenntnis der Dinge aber kommt Jesus aus Nazareth und stammt aus einer galiläischen Familie, die sich durch nichts vor anderen auszeichnet. So wenig wie die alte Überlieferung von Mk 12,35-37 beansprucht Johannes für Jesus die Würde eines Davididen. Der Kunde von der Bethlehemgeburt und Davidsabkunft Jesu schenkt er keinen Glauben und gibt in seinem Evangelium ihr keinen Raum. Doch damit nicht genug: Indem er diese Anschauung als Postulat der Juden, das Jesus offensichtlich nicht erfüllt, den Gegnern Jesu in den Mund legt, polemisiert er gegen sie. Die Lehre mag zwar schriftgemäß sein, dem Christus wird sie nicht gerecht. Wer sie vertritt, schließt sich vom Glauben aus. Zusammenfassung I m ganzen 4. Evangelium gilt Jesus nicht als Davidide. Johannes teilt das Bekenntnis zur Davidssohnschaft Christi nicht. Es kann jedoch nicht mit Sicherheit behauptet werden, daß ihn die Kunde davon nicht erreicht habe. Die Formulierung von Joh 7,42 läßt es als möglich erscheinen, daß er von dieser Lehre weiß, sie aber ablehnt.

Der davidische Messias in der Apokalypse In der Apokalypse des Sehers Johannes kommt die Zugehörigkeit Jesu Christi zum Hause Davids in bildhaften Wendungen zur Sprache. Es ist dies insgesamt dreimal der Fall: Im Sendschreiben an die Gemeinde von Philadelphia (3,7), in der Vision vom Lamme (5,5) und in den letzten Worten Christi (22,16). Zu untersuchen sind Herkunft, Sinn und Funktion der verwendeten Bilder. Apk3,7 Die Einleitung des 6. Sendschreibens bezeichnet den Herrn der Gemeinde als δ έχων την κλεΐν Δαυίδ, ό άνοίγων και ουδείς κλείσει, και κλείων και ουδείς ανοίγει. Bousset erklärt dazu: „Der Ausdruck ist entstanden in Anlehnung an 1,18, aber zeigt deutlichen Anklang an Jes 22,22." 1 Zieht man die beiden Stellen zum Vergleich heran, ergibt sich als Befund: Apk 1,18 ist von den κλεΐς τον θανάτου και τοΰ φδου die Rede, nicht aber von David. Jes 22,22 dagegen handelt von den Schlüsseln des Hauses Davids, jedoch im Zusammenhang der Berufung eines neuen Palastvorstehers. Von ihm soll gelten: „Wenn er auftut, so wird niemand schließen, und wenn er schließt, so wird niemand auftun." Unter der Bürde dieses Amtes wird sein Träger Eljakim schließlich zusammenbrechen (Jes 22,25). Gedacht ist an geschichtliche Ereignisse in naher Zukunft. „Die messianische Deutung der Stelle ist dem Judentum unbekannt." 2 So deutlich Jes 22,22 in Apk 3,7 anklingt und so groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß also auch der Ausdruck .Schlüssel Davids' auf die dort genannten .Schlüssel des Hauses Davids' zurückgeht, der Sinn der Wendung im apokalyptischen Zusammenhang ist damit nicht geklärt. Da der Ausdruck sonst nicht belegt ist, kann seine Aussage nur aus dem Kontext der Apokalypse erhoben werden. Zweifellos hat der Schlüssel Davids hier eschatologische Bedeutung. Es ist der Heilige und Wahrhaftige (3,7a), der selbst auf seine Vollmacht hinweist, unwiderruflich zu öffnen und zu schließen. Ein Zusammenbrechen dieses Trägers der Schlüsselgewalt ist ausgeschlossen. Aus der anders und begrenzter gemeinten Ankündigung des Jesaja 1

W. Bousset, Die Offenbarung Johannis, S. 226. J.Jeremias, κλείς, ThW III, S. 748; vgl. Billerbeck I, S. 736; T. Holtz, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, S. 86 Anm. 2. 2

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sind allein die positiven Worte aufgenommen, um die Befugnis des Sprechers darzutun, in dessen Namen der Gemeinde zu Philadelphia geschrieben werden soll. Lohse konstatiert zur Arbeitsweise des Apokalyptikers: „An den biblischen Wendungen hält er selbst dann fest, wenn sie sich nicht mehr genau in den Zusammenhang einfügen, in den er sie nun rücken möchte." 3 Solches ist hier den ,Schüsseln des Hauses Davids' widerfahren. Nur leicht variiert und die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks ignorierend, verwendet ihn Johannes im Zusammenhang eschatologischer Aussagen. Das eigentümliche Bild messianischer Vollmacht dürfte erst entstanden sein, als der Autor des Sendschreibens, ohne den prophetischen Kontext zu beachten, Jes 22,22 für seine Zwecke verwendete. Es ist dann aber nicht gerechtfertigt, unter Berufung auf Jes 22 und geläufige Vorstellungen jüdischer Erwartung zu erklären, mit dem Schlüssel Davids sei nicht die 1,18 genannte Schlüsselgewalt über Tod und Hades gemeint 4 , „sondern die in der ,Stadt Davids', dem neuen Jerusalem" 8 oder „der Schlüssel zum endzeitlichen Palaste Gottes" 8 . Aus Apk3,7 ist nicht mehr zu entnehmen, als daß die κλεϊς Δαυίδ als Schlüssel zur eschatologischen Herrlichkeit verstanden ist. Daß der Apokalyptiker nach 1,18 in 3,7 aber an eine andere Schlüsselgewalt gedacht haben sollte, ist unwahrscheinlich, zumal mit Lohmeyer festzuhalten wäre: „diese setzt jene voraus" 6 . Apk

5,5

In seiner Betrübnis, daß niemand das Buch mit den sieben Siegeln zu öffnen vermag, wird der Seher getröstet: ιδού ένίκησεν δ λέων δ εκ της φυλής 'Ιούδα, ή ρίζα Δαυίδ. Gemeint ist d a m i t — wie a u s der Fort-

setzung hervorgeht — das geschlachtete Lamm vor Gottes Thron, welches würdig ist, die sieben Siegel zu lösen. Hinter beiden Bezeichnungen stehen alttestamentliche Aussagen, die auch vom Judentum eschatologisch gedeutet wurden 7 . „Der Name ,Löwe aus dem Stamm Juda' ist abgeleitet aus Gen 49,9." 8 Ή ρίζα Δαυίδ erinnert an Jes 11,1.10! tflft als das hebräische Äquivalent für ρίζα bezeichnet nicht nur die Wurzel, sondern auch den Wurzeltrieb. Daß diese Bedeutung sich auch an das griechische ρίζα heften konnte, zeigt Sir 47,22 und bestätigt Paulus mit seinem Zitat axis Jes 11 in 3 4 5

E. Lohse, Die alttestamentliche Sprache des Sehers Johannes, S. 123. F. Hahn, Christologische Hoheitetitel, S. 249 f. E. Lohmeyer, Die Offenbarung des Johannes, S. 35. • J. Jeremias, a.a.O. S. 748. 7 Vgl. Billerbeck III, S. 801; außerdem 4.Esra 12,31f. und Test Juda 24 (siehe oben S. 20f.). 8 T.Holtz, a.a.O. S. 161.

Der davidische Messias in der Apokalypse

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Rom 15,12. Ή ρίζα Δανίδ meint dementsprechend nicht den Vorfahren, sondern den Nachkommen Davids. „David ist der Ursprung, aus dem das Reis hervorgeht."β Die Wendung steht also dem Ausdruck TT1 ΠΟΧ nahe, welcher in Qumran und im 18-Bittengebet als stehende Bezeichnung des erwarteten davidischen Messias begegnet10. Beide in Apk 5,5 verwandten Prädikate sind demnach Erbgut der jüdischen Eschatologie, welche sogar ihre Verbindung kennt, wie 4.Esra 12,31 f. belegt: ,,Der Löwe, . . . das ist der Christus, . . . der aus dem Samen Davids erstehen wird." Der Kontert, in den die christliche Apokalypse diese Messiasbezeichnungen stellt, läßt freilich die jüdischen Erwartungen hinter sich. Es ist das geschlachtete Lamm, dem die Prädikate gelten, und sein Sieg, von dem gesprochen wird, ist von besonderer Art. Mit Bousset ist davon auszugehen: „Das ένίκησεν steht absolut, nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem folgenden Infinitiv." 11 Der Sieg ist nicht das Öffnen des Buches, sondern bildet die Voraussetzung dafür. Aus V. 9 geht dieses Verständnis klar hervor. „In ένίχησεν (absolut gebraucht wie immer in L X X und NT) faßt sich wie 3,21 das ganze Werk Christi zusammen."12 Der Sieg des Davidssprosses und Löwen aus Juda ist der Sieg des geschlachteten Lammes. Er ist noch nicht der endzeitliche Triumph; dieser steht nach der Apokalypse erst bevor! Hieran wird deutlich, daß sich die traditionellen Bezeichnungen nicht nur aus dem Vorstellungshorizont davidisch-königlicher Messianologie, sondern ebenso von den apokalyptischen Vorstellungen des 4. Esra weitgehend gelöst haben. Ungeachtet ihres ursprünglichen Sinnes werden sie als Namen des Gekreuzigten und Auferstandenen gebraucht. Apk

22,16

Die Visionen der Apokalypse finden ihren Abschluß in einer Selbstvorstellungjesu, die an die Eingangsvision erinnert und so zum Anfang des Buches zurücklenkt. Der erhöhte Jesus legitimiert den apokalyptischen άγγελος als seinen Boten und erklärt von sich: έγώ είμι ή ρίζα και τό γένος Δανίδ. Das erste der Prädikate — ή ρίζα {Δαυίδ) — nimmt Apk 5,5 wieder auf, schwer zu deuten ist jedoch die ungewöhnliche Kombination ή ρίζα και το γένος Δανίδ. Strenggenommen greift το γένος weiter als εκ γένους13: Christus steht für das ganze davidische Geschlecht. Versteht man außerdem ή ρίζα nicht als Wurzelschoß, sondern als die Wurzel auch für David, ergibt sich eine Präexistenzaussage, die Lohmeyer so wiedergibt: „Christus umspannt in Vergangenheit, » F.Hahn, a.a.O. S. 248. 4Qpatr 3f.; 4Qflor 11; Schemone Esre 15. E. Lohmeyer, a.a.O. S. 63.

10 12

11 Burger, Jeetu

W. Bousset, a.a.O. S. 256. " So Ign Sm 1,1.

11

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Der davidische Messias in der Apokalypse

Gegenwart und Zukunft alles, was von David je gewußt oder gehofft war." 1 4 Es fragt sich aber, ob die Plerophorie des Ausdrucks mit dieser Deutung nicht gepreßt wird 15 . Weder im J u d e n t u m noch im Neuen Testament wird der Präexistenzgedanke aus der Zugehörigkeit des Messias zum Hause Davids entwickelt. Eine speziell davidische Präexistenzvorstellung ist nirgends belegt. Aus der Davidssohnfrage Mk 12,35-37 geht vielmehr klar hervor, daß die davidische Würde des Messias nichts anderes als seine Abstammung von David meint. Kur so kann dazu eine Aussage (Ps 110,1) in Widerspruch geraten, durch welche Christus dem David vorgeordnet wird. Eine Präexistenz des Davididen ist hier ausgeschlossen, und es besteht auch keine Nötigung, diesen Gedanken in den davidischen Prädikaten von Apk 22,16 ausgedrückt zu finden. Ή ρίζα Δαυίδ läßt sich mit ,Sprößling Davids' übersetzen und bringt so lediglich die Abstammung von David im Bilde von Jes 11 zur Sprache. Der Doppelausdruck ή ρίζα και τό γένος stellt eine Art Parallelismus membrorum dar. Die Aussage des ersten Gliedes wird durch das zweite variierend wiederholt, wobei die •weiter ausholende Formulierung τό γένος Δαυίδ noch klarer zu verstehen gibt, daß Jesus nicht nur einer unter vielen Davididen ist, vielmehr das ganze Geschlecht Davids repräsentiert, indem er die Erfüllung der dem Hause Davids anhaftenden Verheißung ist. Alle drei Stellen der Apokalypse rechnet Hahn zur ältesten Tradition über die Davidssohnschaft Jesu, denn er findet hier die Davidssohnvorstellung „eindeutig auf das endzeitliche Wirken Jesu bezogen" 1β . Nach seiner Meinung ist es Kennzeichen ältester Überlieferung, daß „die Verheißung der Wiedererrichtung der davidischen Herrschaft auf Jesu endzeitliches Werk übertragen" 1 7 ist. Von Jesus erhoffte man die eschatologische Verwirklichung der davidischen Königsherrschaft. Von allen übrigen Belegen, die solche Anschauung vertreten sollen, einmal abgesehen — die Stellen der Apokalypse fügen sich schlecht in den so skizzierten Rahmen, und ihre Zugehörigkeit zur ältesten Überlieferung läßt sich auf diesem Wege nicht erweisen. Gewiß sind es apokalyptische Zusammenhänge, in denen die Anspielungen auf David begegnen. Charakterisiert wird damit aber der Erhöhte und nicht das „Werk", das von ihm noch erwartet wird. Apk 3,7 ist es der Absender des Sendschreibens, 5,5 das geschlachtete Lamm vor Gottes Thron, 22,16 der Geber der gesamten Offenbarung, dessen Würde mit dem Hinweis auf die davidische Verheißung unter14

E. Lohmeyer, a.a.O. S. 181. Vgl. F. Büchsei, γίνομαι, ThW I, S. 684. 17 " F. Hahn, a.a.O. S. 248. Ebd. S. 250. 15

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strichen wird. Der bereits errungene Sieg des Löwen aus Juda ist zudem weder königlich im davidischen noch endzeitlich im apokalyptischen Sinn. Es ist der Tod Christi am Kreuz, der die Stellung des Erhöhten vor Gottes Thron begründet. Das Geschehen andererseits, das der Seher für die Zukunft schaut und schildert, geht über die Wiedererrichtung der davidischen Herrschaft weit hinaus. Es hat kosmische Ausmaße. Die an David erinnernden Stellen der Apokalypse sind darum anders zu verstehen, als Hahn sie deuten will. Die Bilder und Wendungen sind ohne Zweifel traditionsbedingt. Deutlich ist aber ebenso, daß sie aus ihrem ursprünglichen Vorstellungszusammenhang herausgerissen wurden. Der Schlüssel des Palastvorstehers Eljakim wird zum Symbol eschatologischer Vollmacht, der Löwe aus Juda ist ein geschlachtetes Lamm und der Sieg des Davididen wurde am Kreuz erkämpft. Jüdische Messiasprädikate dienen als Epitheta des Christus, ohne die Christologie des Apokalyptikere wirklich zu beeinflussen. Lohmeyer sieht richtig: „Er beschwört heilige losgelöste Worte der Vergangenheit, um sie mit dem eschatologischen Gehalt der Gegenwart und Zukunft zu füllen."18 Christologie und Eschatologie der Apokalypse sind längst über die Erwartungen hinausgewachsen, die sich an David und sein Haus geknüpft haben. Gleichwohl verwendet Johannes Formeln, die in diesem Gedankenkreis ihren Ursprung haben. Er bekennt sich damit zur alttestamentlichen Verheißung eines davidischen Messias, die er in Jesus Christus erfüllt sieht, ohne die Vorstellungen zu beachten, die diesen Wendungen ursprünglich zugehören. Die einzelnen Formulierungen scheinen unmittelbar dem Alten Testament und der jüdischen Eschatologie entlehnt zu sein. Nichts deutet darauf hin, daß der Apokalyptiker die Bilder christlicher Überlieferung verdankt. Sie für die Gestalt Jesu Christi zu gebrauchen, war ihm allerdings durch die Überzeugung der Gemeinde nahegelegt, daß Jesus der Sohn Davids war. Hinsichtlich dieses allgemeinen Bekenntnisses steht auch Johannes sicherlich im Traditionsstrom christlicher Theologie. Die besonderen davidischen Prädikate hingegen dürfte er selbständig der jüdischen Überlieferung entnommen haben. Der Ort, den er in seiner christologischen Konzeption ihnen zuweist, ist die Darstellung der Würde des Erhöhten. Insofern ist das Vorgehen des Apokalyptikers mit dem des Lukas zu vergleichen. Der Unterschied ist freilich nicht zu übersehen: Bei Lukas dienen die Vorstellungen aus dem Umkreis der davidischen Verheißung dazu, die Stellung und Würde des Auferstandenen zu deuten. Er ist als Davidide entsprechend der Verheißung zur Rechten Gottes eingesetzt. Ihres futurischen Charakters sind die alttestamentlichen 18

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E. Lohmeyer, Gottesknecht und Davidsohn, S. 66.

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Anleihen dabei weitgehend entkleidet. Die Verheißung ist erfüllt, ihr Inhalt Gegenwart geworden. Bei Johannes dagegen steht das Bekenntnis zur davidischen Verheißung im grellen Licht apokalyptischer Erwartung. Der Blick des Sehers ist in die Zukunft gerichtet, die der Erhöhte bringen wird. Die Ereignisse dieser Zukunft werden zwar nicht in die Formeln davidisch-königlicher Hoffnung eingefangen, sofern sie aber Taten des Davididen vor dem Throne Gottes sind, fällt auf die Prädikate, die ihm gelten, im Reflex das Licht der nahen Endzeit. Der Kontext dieser Prädikate handelt von der Zukunft. Im Blick auf das gesamte Buch läßt sich die Feststellung von Hahn, die Davidssohn Vorstellung sei auf das endzeitliche Wirken Jesu bezogen, natürlich nicht bestreiten. Nur ist die Zukunftsschau nicht die von Hahn als ursprünglich behauptete Erwartung, der wiederkommende Jesus werde die Königsherrschaft Davids wiederaufrichten. Der futurische Aspekt der davidischen Prädikate in der Apokalypse ist nicht jener, der ihnen von ihrem Ursprung in der jüdischen Eschatologie her eignet. Es ist ein andersartiger und weltumfassender, der ihnen aus der Konzeption des Apokalyptikers zugewachsen ist. In neuer Weise haben sie die Dimension der Zukunft zurückgewonnen, nachdem ihre ursprüngliche Ausrichtung auf die Zukunft in der Verwendung als Namen des Erhöhten und Gekreuzigten auch bei Johannes verlorengegangen ist. Diese Entwicklung verbietet es, die davidischen Anspielungen der Apokalypse zur ältesten Tradition über die Davidssohnschaft Jesu zu rechnen.

Zusammenfassung

Der Apokalyptiker Johannes teilt mit den synoptischen Evangelisten die Überzeugung von der davidischen Abkunft Jesu. Zum Ausdruck bringt er sie in bildhaften Wendungen, die teils der jüdischen Eschatologie entlehnt (Apk 5,5; 22,16), teils von ihm selbst in Anlehnung an das Alte Testament geprägt sind (3,7) und nirgends an christliche Tradenten denken lassen. Charakteristisch für sein Bekenntnis zur Davidssohnschaft Jesu ist: Die Vorstellungen, die im Judentum zur Erwartung des davidischen Messias hinzugehören, sind weitgehend abgestreift. Weder die davidische Herrschaft zu Jerusalem noch überhaupt ein irdisches Auftreten des Davididen ist ins Auge gefaßt. Die traditionellen Prädikate unterstreichen die Würde des gekreuzigten und erhöhten Herrn der Zukunft. Nicht der davidische Messiasgedanke gibt der Christologie der Apokalypse das Gepräge, sondern der apokalyptische Entwurf den überlieferten Wendungen einen neuen Sinn.

Jesus als Davidssohn Genesis und Metamorphosen einer Überlieferung Die Analyse der neutestamentlichen Texte, nach denen Jesus von Nazareth die Würde des Davididen und Erben der alttestamentlichen Davidsverheißung zukommt, läßt das Wachsen und die Wandlungen dieser Überlieferung erkennen. Es entsteht ein Bild der Traditionsgeschichte, das zum Schluß zusammenfassend skizziert werden soll. Von Gewicht ist die Beobachtung, daß sich im gesamten Stoff der Evangelien keine Überlieferung zum Thema Davidssohn findet, die mit einiger Sicherheit auf Jesus selbst zurückgeführt werden könnte. Es muß deshalb bezweifelt werden, daß ihn das Wissen, Nachkomme Davids zu sein, bei seinem Auftreten bestimmt hat, zumal nicht mehr auszumachen ist, ob seine Familie wirklich der Meinung war, dem Hause Davids anzugehören. Die neutestamentlichen Stammbäume Jesu fußen in den entscheidenden Partien jedenfalls nicht auf palästini scher Familienüberlieferung. Vergleicht man außerdem Jesu Wirken in Galiläa, seine Wanderungen, Taten und Reden, mit dem Auftreten des Sohnes Davids, wie es im 17. Psalm Salomos geschildert ist, tut sich eine weite Kluft auf. Auch die älteste Sammlung von Worten Jesu, die Logienquelle, weiß weder von einem Anspruch, den er auf Grund seiner davidischen Abkunft erhoben hätte, noch davon, daß er als Davidssohn angesprochen oder an ihn die Frage nach seiner Herkunft herangetragen worden wäre. Zu ihrem Bestand zählen Worte über den Menschensohn, vom Davidssohn ist nie die Rede. Ebensowenig tritt im Sondergut, das später Matthäus und Lukas in ihre Evangelien aufnehmen, Jesus als Davidide auf, und es ist bemerkenswert, daß auch die Lehre der judaistischen Ebioniten, deren Wurzeln in die Jerusalemer Urgemeinde zurückreichen dürften1, seine Herkunft aus dem Hause Davids ignoriert2. Selbst wenn sie historisch gegeben war, spielt sie doch theologisch in der frühesten Zeit des Christentums keine erkennbare Rolle. Die Auseinandersetzung mit dem Postulat jüdischer Messiaslehre blieb im Fortgang der christologi1 Vgl. H. J. Schoepe, Theologie und Geschichte des Judenchristentums, S. 63-70; ferner die Besprechung des Werkes durch G. Bornkamm, ZKG 64 (1952/53), S. 198. 2 Vgl. H. J. Schoeps, a.a.O. S. 246.

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sehen Explikation einer späteren Gemeinde überlassen. Daß es von Jesus selbst zu der Frage keine Stellungnahme gab, spiegelt sich darin, daß sie an verschiedenen Orten und von verschiedenen Voraussetzungen aus entgegengesetzt beantwortet wurde. Bei Markus hat sich eine Tradition erhalten (12,35-37), deren Sinn ursprünglich war, die jüdische Auffassung v o n der Davidssohnschaft des Messias zu widerlegen. I n typisch schriftgelehrter Argumentation werden dagegen die W o r t e des 110. Psalms ins F e l d geführt. Daß es sich hierbei nicht um eine vereinzelte Stimme der K r i t i k handelt, geht daraus hervor, daß zu Beginn des zweiten Jahrhunderts im Barnabasbrief (12,10f.) — ohne daß eine Abhängigkeit v o n den synoptischen Evangelien bestünde — in genau derselben Weise die davidische H e r k u n f t Christi als jüdische Erfindung abgetan wird. Das Argumentieren mit Psalm 110 scheint demnach fester T o p o s einer Gemeindepolemik gegen die jüdische Lehre gewesen zu sein. Der älteste Beleg f ü r die entgegengesetzte Auffassung, daß Jesus Davidide war, ist ein Bekenntnis, das Paulus i m Präskript des Römerbriefs ( R o m 1,3f.) zitiert. Die traditionelle jüdische Terminologie in Sachen Davidssohn ist aufgenommen, wenn v o n Christus erklärt w i r d : γενόμενος εκ σπέρματος Δανίδ. Zugleich aber ist in der K o n f r o n t a t i o n der beiden Sphären σαρξ und πνεύμα der Einfluß hellenistischen Denkens spürbar, weshalb die Formulierung einer Gemeinde hellenistischer Judenchristen zugeschrieben werden muß. Bezeichnend f ü r die zweigliedrige Formel ist, daß die Christologie, der sie Ausdruck verleiht, längst über die jüdische Vorstellung v o m endzeitlichen Davidssproß hinausgewachsen ist. Die zweite Zeile des christlichen Bekenntnisses spricht v o n der Einsetzung zum Sohne Gottes und w a g t damit eine Aussage, die in den entsprechenden jüdischen T e x t e n vermieden ist, wiewohl die Nathanweissagung den Gedanken nahelegte. Doch hat das christliche K e r y g m a nicht einfach eine Vorstellung aufgenommen, die in der alttestamentlichen Davidsverheißung schon angelegt war. A u f der Linie der Nathan Weissagung würde es liegen, den irdischen Sproß D a v i d s als Gottes Sohn zu titulieren. Durch die Unterscheidung der beiden Sphären κατά σάρκα und κατά πνεύμα werden die Aussagen der beiden Zeilen des Bekenntnisses jedoch deutlich gegeneinander abgesetzt. Das Ergebnis ist eine A b s t u f u n g : N i c h t der irdische Sohn Davids ist eo ipso Gottes Sohn, wie es der N a t h a n Weissagung entsprechen würde. Erst in der Auferweckung v o n den T o t e n wird er zum Sohne Gottes eingesetzt und besitzt diese höhere W ü r d e in der himmlischen Sphäre des Pneuma. Solche Auffassung liegt der jüdischen Erwartung fern, sie erlaubt indes der christlichen Gemeinde, darauf zu verzichten, das irdische Wirken ihres Herrn m i t dem andersartigen B i l d des ersehnten Davididen zu vergleichen. I h r Interesse gilt nicht

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so sehr der Wirksamkeit κατά σάρκα als vielmehr der Stellung Christi κατά πνενμα. Die alttestamentliche Davidsverheißung, auf die man sich beruft, hat mit der himmlischen Einsetzung zum Sohn Gottes ihre überbietende Erfüllung gefunden. Das heißt aber: Im christlichen Bekenntnis wird der jüdische Gedanke vom verheißenen Davidssohn zu einem Zeitpunkt aufgenommen, da er theologisch bereits überholt ist, und in einer Weise, die ihn aller ursprünglich damit verknüpften Anschauung entkleidet. Der Davidide hat seine traditionellen, vor allem politischen Funktionen eingebüßt. Das Bekenntnis zu Jesus als Davidssohn bringt zudem nicht das Ganze christlichen Glaubens zum Ausdruck, es ist nur untergeordnetes Teilstück des hellenistischjudenchristlichen Credo: Jesus stammt gemäß der Verheißung aus dem Samen Davids nach dem Fleisch; wichtiger ist: Er wurde mit der Auferstehung von den Toten zum Sohne Gottes eingesetzt im Bereich des Heiligen Geistes. Die Rede von Jesu davidischer Abkunft bringt so in das Bekenntnis zum Auferstandenen ein Moment der Rückschau auf den Irdischen. In der erzählenden Überlieferung von Jesu Leben findet sich die erste Anspielung auf seine davidische Würde im legendenhaft ausgestalteten Bericht vom Einzug in Jerusalem (Mk 11,1-10). Ein Fingerzeig kann schon in der Beschreibung des Reittieres und seiner wunderbaren Auffindung gesehen werden. Unmißverständlich wird der Hinweis im Jubelruf der Menge: „Gepriesen sei die kommende Herrschaft unseres Vaters David". Der jüdischen Erwartung entspricht, daß dieser Gedanke beim Einzug in Jerusalem laut wird, denn es ist die Hoffnung des Volkes, daß dort, in der Stadt Davids, Gott den Sproß Davids aufstehen und regieren lassen werde. Auch daß in der Erinnerung an David vom Königtum gesprochen wird, ist der Anschauung des Judentums gemäß. Andererseits überrascht, daß Jesus nicht deutlicher als der verheißene Nachkomme Davids ausgerufen wird, wofür die zeitgenössische Erwartung eine feste Terminologie geboten hätte. Die ganze Akklamation trägt außerdem — vor allem in der Formulierung „Hosianna in der Höhe" — so wenig jüdisches Gepräge, daß sie nicht als historisch gelten kann und ein Verfasser angenommen werden muß, der in der Sprache, dem Brauchtum und den messianischen Erwartungen des palästinischen Judentums nicht wirklich zu Hause war. Daß er gleichwohl über Kenntnisse verfügt, läßt auf einen Christen aus der jüdischen Diaspora schließen, der, so gut es ihm möglich war, Jesu Einzug in Jerusalem als Einholung des davidischen Messias geschildert hat. Die Anfänge des Bekenntnisses wie der Erzählung von Jesus als Davidssohn weisen so in die hellenistisch-judenchristliche Gemeinde als Ursprungsort der Anschauung. Unter Christen, die einerseits jüdischer Tradition verpflichtet, andererseits vom hellenistischen Denken ge-

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prägt waren, erfährt sie auch ihre weiteste Verbreitung und mannigfache Umgestaltung. Vom Apostel Paulus wird die zweistufige Bekenntnisformel in den Rahmen seiner Präexistenzchristologie gespannt. Jesu Hoheit als Davidide, bereits im Bekenntnis der anderen als Gottessohn untergeordnet, wird dadurch weiter geschmälert. Für den präexistenten Gottessohn bedeutet die Geburt aus Davids Samen das Eingehen in die menschliche Existenz. Das ursprüngliche Hoheitsprädikat ist auf dem Wege, zur Kennzeichnung des Status der Erniedrigung zu werden. Neben dem hellenistischen Gottessohn verliert der jüdische Davidssohn zusehends an Bedeutung. Eine andere Richtung nimmt die Entwicklung beim ältesten Evangelisten. Markus ist der Präexistenzgedanke fremd; er vertritt die Anschauimg vom Gottessohn kraft Adoption. Das Evangelium wird von ihm als Leben Jesu von seinem Auftreten in Galiläa bis zur Kreuzigung in Jerusalem dargeboten. Dabei versäumt er nicht, Jesus als Davididen vorzustellen, obwohl ihm seine Überlieferung dazu wenig Anhalt bot. Was er an Traditionen zur Verfügung hat, ist einmal die Erzählung vom Einzug in Jerusalem mit ihrer ungenauen Kennzeichnung des Davidssohns (Mk 11,1-10), zum andern die bibelkundige Auseinandersetzimg über den Messias (Mk 12,35-37), deren Sinn die Widerlegung seiner Abstammung von David ist. Daß er diese Intention der Perikope ignoriert und sich bei seiner Darstellung bemüht, der anderen Auffassung, die den Bericht vom Einzug prägt, zum Zuge zu verhelfen, macht es wahrscheinlich, daß auch für ihn ein Satz des Credo war: Jesus stammt aus dem Samen Davids. Der Kunstgriff, den er wählt, um diese Aussage des Bekenntnisses in seinem Evangelium anschaulich zu machen, ist ebenso geschickt wie folgenreich. Der Ort, den die an David erinnernde Akklamation in seinem Werk erhalten mußte, war festgelegt: Der Einzug in Jerusalem. Um ihre Bedeutung klarzustellen, erweitert der Evangelist eine auf dem Weg nach Jerusalem lokalisierte Wundergeschichte um den unmißverständlichen Anruf: „Sohn Davids, Jesus, erbarme dich meiner!" (Mk 10,46-52). Wie in zahlreichen anderen Geschichten fügt er unterstreichend ein Schweigegebot hinzu und läßt als Reaktion den Ruf ein zweites Mal laut werden: „Sohn Davids, erbarme dich meiner!" Der Einzug in Jerusalem erhält so ein Vorspiel, das den späteren Zuruf der Menge interpretiert. Der Sinn dieser Akklamation ist gesichert und ihre christologische Bedeutung hervorgehoben: Der Einziehende ist Davids Sohn! Danach eingeordnet mußte die überlieferte .Davidssohnfrage' ihre polemische Schärfe weitgehend einbüßen. Stand fest, daß Jesus der Sohn Davids war, konnte seine Argumentation mit Psalm 110 nicht mehr dahin zielen, solche

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Auffassung rundweg abzuweisen. Sie war anders zu verstehen: Christus ist nicht nur Davids Sohn, er ist mehr, er ist der Grottessohn. Daß es diese Überbietung ist, die Markus bei seiner Rezeption des Stücks im Sinne hat, lehrt sein ganzes Evangelium. In der Taufe wird Jesus mit den Worten des zweiten Psalms zum Sohne Gottes eingesetzt, in der Verklärung den Jüngern als solcher präsentiert, unter dem Kreuz erkennt der heidnische Hauptmann: „Wahrhaftig dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!" Indem bei Markus das Streitgespräch über den Davidssohn an das Ende von Jesu öffentlicher Aktivität in Jerusalem zu stehen kommt, und somit vor die Passion, die seine Würde als Gottessohn endgültig zutage bringt, markiert es gleichsam den Wendepunkt zwischen einer vorläufigen Hoheitsstufe als Davidssohn und der endgültigen als Gottessohn. Der Gedanke liegt deshalb nahe, daß Markus bei seiner Redaktion von einer ähnlichen Bekenntnisformulierung geleitet war, wie sie Paulus im Römerbrief verwendet und noch Ignatius bestätigt. In seiner Darstellung Jesu als Davidssohn hat sich indes die Anschauung erheblich gewandelt und von der jüdischen Vorstellung entfernt. Durch die Bearbeitung der Blindenheilung von Jericho wird der Sohn Davids zum Wundertäter. Der davidische Messias zieht eine Funktion des hellenistischen ΰεϊος άνήρ an sich, die ihm in der jüdischen Erwartung nicht zukommt. Indem Markus außerdem die Bezeichnung Sohn Davids als Anrede gebrauchen läßt, gewinnt sie eindeutig den Charakter eines Titels, der ihr im vorchristlichen 17. Psalm Salomos noch nicht eignete. Neu ist schließlich, daß statt des Gegensatzes zwischen der Vorstellung vom Davididen und der Weissagung des Psalms 110 sich eine Verbindung anbahnt, die ebenfalls in den jüdischen Texten der neutestamentlichen Epoche keine Parallele hat. Dank seiner Überlieferung vom Einzug in Jerusalem bleibt der Evangelist insofern auf der Linie der Tradition, als er in den Kapiteln 10, 11 und 12 des Evangeliums seine drei Szenen um Jerusalem gruppiert. Aufs Ganze gesehen entsteht ein eindrucksvolles Bild von Jesus als Davidssohn, das die weitere Überlieferungsgeschichte stark beeinflußt hat. Interessant ist, daß von diesem Triptychon nicht das der Tradition verbundene Mittelstück — die Akklamation vor Jerusalem — die stärkste Wirkung ausübt, vielmehr einerseits das von Markus neu geschaffene Seitenstück der Heilung, andererseits das durch ihn herangezogene und neu interpretierte Streitgespräch. Sehr viel breiteren Raum nimmt die Schilderung von Jesu Auftreten als Davidssohn im Evangelium des Matthäus ein. Nicht weniger als sieben Szenen sind ihm gewidmet, doch beruht die Darstellung ausschließlich auf der Vorlage des Markusevangeliums. Matthäus verrät seine mangelnde Kenntnis der jüdischen Vorstellung vom

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davidischen Messias, indem er seinem Gewährsmann fast bedingungslos folgt und arglos gerade jene Züge weiter entfaltet, um die erst Markus die Überlieferung bereichert hatte. Lediglich und ausgerechnet bei der traditionsverbundenen Erzählung v o m Einzug in Jerusalem macht er Abstriche und retuschiert die verbliebene Anspielung auf Davids Königtum. Für ihn ist Davids Sohn der Wunderheiland! Elemente der markinischen Blindenheilung werden von Matthäus in andere Zusammenhänge eingearbeitet, und die Vorstellung vom heilenden Davidssohn durchzieht sein ganzes Evangelium. Bereits im großen Wunderzyklus der Kapitel 8 und 9 wird Jesus angerufen: έλέησον ημάς, υιός Δαυίδ (Mt 9,27). Noch deutlicher als bei Markus ist aus der jüdischen Charakterisierung des Messias ein christologischer Titel geworden. Die Anrede begegnet mehrfach und immer in derselben Form. Auch das kanaanäische Weib fleht Jesus an: „Herr, erbarme dich meiner, Sohn Davids" (15,22), und wiederholt bitten die Blinden von Jericho: „Herr, erbarme dich unser, Sohn Davids" (20,30. 31). Vor Jerusalem lautet der Zuruf der Begleiter ωσαννά τω νίώ Δαυίδ (21,9), und die Kinder, die Zeugen der Heilungen im Tempel werden, nehmen ihn auf: „Hosianna dem Sohne Davids" (21,15)! Daß es die Aufgabe dos Sohnes Davids ist, Kranke zu heilen, gilt dem Evangelisten als gängige Auffassung der Juden. Auf die Heilung eines Besessenen reagiert die Menge der Zuschauer (12,23) mit der Frage: „Sollte dieser der Sohn Davids sein?", und die Pharisäer kritisieren nicht etwa die Messiasvorstellung, die sich darin ausspricht, sondern polemisieren gegen das Wunder und die Macht, die hier am Werke ist. Unter der Hand flicht die lebendige Ausgestaltung des Bildes vom davidischen Wunderheiland noch Züge ein, die der markinischen Vorlage fremd sind. An Jesu Taten als Davidssohn entzündet sich der Widerstand der Pharisäer. Gerade sie, deren Hoffnung nach den Psalmen Salomos das Kommen des Sohnes Davids ist, werden so zu seinen Gegnern. Erscheint ferner bei Markus Jesu Auftreten als Davidide noch mit Jerusalem verknüpft, ist bei Matthäus dieser Zusammenhang gelöst. Wohl bedeuten die Tage von Jerusalem hierfür einen Höhepunkt, den der Evangelist bewußt herausarbeitet, doch ergeht die Rede vom Davidssohn bereits in Galiläa und darüber hinaus in der Gegend von Tyrus und Sidon. Indem der Davidide sogar der Bitte der Heidin endlich willfährt, ist die Beschränktheit der jüdischen Erwartung augenfällig abgestreift. Anders als in den Psalmen Salomos hilft dieser Davidssohn auch den Heiden und Fremdstämmigen ! Wie die Anschauung v o m davidischen Wundertäter hat Matthäus von Markus auch das Verständnis der überlieferten Davidssohnfrage übernommen. Seine Wiedergabe (Mt 22,41-45) läßt daran keinen

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Zweifel, daß der Skopus des Gespräches nicht die Ablehnung des Prädikates ist, sondern seine Überbietung. Worin er diese sieht, unterscheidet ihn jedoch von Markus. Eine gewichtige Rolle spielt in der Theologie des Matthäus der Christustitel Kyrios. In der Argumentation mit Psalm 110 kann so der Wortlaut von Vers 1: εΐπεν κύριος τω κνρίω μου den Ausschlag geben. Sinn dieser Auseinandersetzung ist dann klarzustellen : Jesus ist nicht nur Davidssohn, er ist mehr, er ist der Kyrios, als den ihn die Gemeinde verehrt. Das Prädikat des Davidssohns dient eindeutig zur Charakterisierung der Hoheit des Irdischen und gehört in den Zusammenhang der historisierenden Tendenzen im Matthäusevangelium. Über Markus hinausgehend weist Matthäus sogar mittels einer Genealogie die Abstammung Jesu von David ,historisch' nach. Er verwendet dazu das Werk eines christlichen LXX-Lesers, dessen eigentliche Absicht ein Abriß der Heilsgeschichte von Abraham bis Jesus war. Matthäus eröffnet damit sein Evangelium und verknüpft diese ,Geschichte Israels in Gestalt einer Ahnentafel' mit der legendenhaften Überlieferung von Jesu Geburt. Durch diese Verflechtung (Mt 1,20) und einen Hinweis in der Einleitung (1,1) tritt das davidisch-genealogische Moment der .Ahnentafel' in den Vordergrund. Gleichzeitig jedoch ergeben sich zwischen den verschiedenen Traditionen der Vorgeschichte Berührungen, die Matthäus noch nicht hinreichend klärt. Nach der Kindheitserzählung (Mt 2) ist Jesus in Bethlehem geboren, wo er durch die Flucht seiner Eltern nach Ägypten nur knapp dem Kindermord entrinnt. In der Vorgeschichte des Matthäus stehen damit die Bethlehemgeburt und Jesu Davidsabkunft nahe beieinander, eine wirkliche Verknüpfung ist indes nicht hergestellt. Daß Bethlehem im Leben Davids eine Rolle spielte, wird seltsamerweise nicht gesagt. Der Hinweis bleibt einem anderen Erzähler überlassen. Auffallender ist: Nach der Geburtslegende ist Jesus ohne Zutun Josephs vom Heiligen Geist empfangen. Der Stammbaum dagegen führt auf Joseph. Natürlich kann der Mann Marias rechtlich als der Vater Jesu gelten. Für ein heilsgeschichtliches Denken ist diese Auskunft aber unbefriedigend, wie der spätere Ausgleich des Widerspruches lehrt. Ein vergleichbares Stadium der Entwicklung repräsentiert das Bekenntnis, das Ignatius Sm 1,1 zitiert. In korrespondierenden Zeilen ist zuerst die Herkunft aus dem Geschlechte Davids genannt, danach die Geburt von der Jungfrau. Dieselben Traditionen wie bei Matthäus, beide den Rang Jesu unterstreichend, sind hier zusammengestoßen, ohne daß sie gegenseitig ausgeglichen wären. Ein originelles Verständnis der Davidsverheißung und ihrer Erfüllung hat Lukas in seinem Doppelwerk entwickelt. Hinsichtlich Jesu Auftretens als Davidssohn ist auch er ganz auf die Überlieferung

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bei Markus angewiesen. Verglichen mit Matthäus macht er davon aber nur zurückhaltend Gebrauch und greift statt dessen auf die Weissagung des Alten Testaments zurück. Übernommen hat er die markinische Szene der Blindenheilung, durch die andere Einordnung des Stückes seine Bedeutung freilich verringert. Anruf und Heilung des Blinden werden zu einer Episode des Reiseberichts (Lk 18,35-43) und bereiten nicht mehr den Einzug in Jerusalem vor. Hier (19,28-40(48)) ist jede Anspielung auf David vermieden, wodurch Lukas noch konsequenter als Matthäus die Anschauung von Jesus als Davidssohn gegen ein politisches MißVerständnis sichert. Zum Angelpunkt seiner Auffassung wird das von Markus inaugurierte Verständnis der traditionellen Davidssohnfrage. Die Verbindung zwischen der Erwartung eines Davididen und der Weissagung von Psalm 110, welche Markus anbahnte, bestimmt die lukanische Konzeption durchgehend. Die Worte des Psalmisten David: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten" sieht Lukas in der Auferweckung Christi von den Toten erfüllt (Acta 2,25-36). Indem er gleichzeitig daran festhält und auch belegt, daß dieser Christus aus dem Hause Davids stammt, kann er seine Auferstehung als die verheißene Inthronisierung eines Davididen zur Rechten Gottes interpretieren. Bei dieser Sicht konzentriert sich das Interesse nicht wie bei Markus und Matthäus auf das Handeln und Auftreten Jesu als Davidssohn, vielmehr auf seine Geburt und Auferweckung. Dementsprechend findet sich Lukas' eigener Beitrag zur Sache nicht im Evangelium, sondern einerseits in dessen Vorgeschichte, andererseits in den Predigten der Apostelgeschichte. Sondergut zur Davidssohnschaft Jesu hat der Evangelist nur in Gestalt des Stammbaums verwertet, den er im Unterschied zu Matthäus nicht innerhalb der Kindheitsgeschichte, sondern im Anschluß an die Taufe durch Johannes bringt. Die Genealogie, welche bis zu Gott hinaufreicht, dürfte Lukas aus der griechisch sprechenden Gemeinde zugekommen sein. Die Benutzung der LXX ist offenkundig. Aber auch jener Teil, der Jesu Abstammung von David vorführt, erweist sich als eine Konstruktion, die den entscheidenden Punkt nicht mit Familienüberlieferung zu belegen vermag und kaum ursprünglich in semitischer Sprache abgefaßt war. Der Versuch, die Davidssohnschaft Jesu auch genealogisch nachzuweisen, entstammt offenbar denselben Kreisen des frühen Christentums, in denen das entsprechende Bekenntnis beheimatet war. Sowenig wie die Formulierung von Rom 1,3f. oder der Wortlaut der Akklamation von Mk l l , 9 f . läßt sich der von Lukas verwendete Stammbaum auf die Urgemeinde von Jerusalem zurückführen. Kontrastierend zu seiner Schilderung von Jesu Auftreten, hat Lukas in der Vorgeschichte dem Gedanken der sich er-

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füllenden Davidsverheißung breiten Raum gewährt. Zustatten kommt ihm dabei ein eschatologischer jüdischer Hymnus (Lk 1,68-75), der auf dem Umweg über Täuferkreise als Teil des Benedictus (1,68-79) an ihn gelangte. In der konventionellen Terminologie des Judentums war hier vom ,Horn' des Heils im ,Hause Davids' die Rede. Auf den Lobgesang des Zacharias anspielend und gleichzeitig Wendungen der Nathanweissagung aufnehmend, gestaltet Lukas selbst die Ankündigung der Geburt des Davididen an Maria (1,26-38). Beide Male — bei der Annuntiation durch die Wahl seines Ausdrucks, bei der Wiedergabe des Hymnus durch einen Einschub — sucht er alle irdischpolitischen Assoziationen auszuschließen. Nach seiner Auffassung erfüllt sich die alttestamentliche Verheißung nicht mit dem irdischen Wirken des davidischen Messias. Wie in der Vorgeschichte des Matthäus konkurrieren auch bei Lukas der Gedanke der Davidsabkunft via Joseph und die Vorstellung vom Jungfrauensohn. Die Überlieferung von der Geburt in Bethlehem dagegen hat er mit der davidischen Herkunft in einen sachlichen Zusammenhang gebracht, indem er Bethlehem kurzerhand und gegen die jüdische Tradition zur ,Stadt Davids' erklärt (2,4.11). Welches Gewicht Lukas der Herkunft Jesu aus dem Hause Davids zumißt und welche Vorstellung ihn dabei leitet, geht vor allem aus den Reden der Apostelgeschichte hervor. Bei bedeutungsvollen Anlässen greifen die führenden Männer der Kirche das Thema auf: Petrus in der Pfingstrede, Paulus auf der ersten Missionsreise und Jakobus beim Apostelkonzil. Ungeachtet der verschiedenen Sprecher und Situationen entfalten alle drei Reden dieselbe lukanische Anschauung: Jesu Auferweckung ist die verheißene Inthronisation eines Davididen zum Gottessohn und Kyrios. Den in der Taufe Gesalbten hat Gott zu seiner Rechten erhöht. Auch die Heiden sind aufgerufen, ihn zu verehren. Entwickelt wird diese Vorstellung mit Hilfe des alttestamentlichen Schriftbeweises. Während die Nathanweissagung nach 2. Sam 7 und Ps 132 die Verheißung für David belegt und Arnos 9,12 ( L X X ) ihre weltweite Bedeutung, dienen des Königs eigene Worte in Ps 16 zum Beweis der Auferstehung des Davidssohnes von den Toten und die Psalmen 2 und 110 als dicta probantia seiner Einsetzung zum Gottessohn und Kyrios. Möglich geworden ist diese Verschmelzung verschiedener Anschauungen durch die fortschreitende christologische Reflexion, welche in der synoptischen Tradition Prädikate verschiedener Herkunft je länger je mehr zu gleichsinnigen Christustiteln werden ließ. Bemerkenswert ist dabei der Weg, den Ps 110,1 in der christlichen Auslegung durchlaufen hat. Die Verheißung der sessio ad dexteram begegnet im zeitgenössischen Judentum nicht im Umkreis der davidischen Erwartung. In der frühen Gemeinde wird sie gegen die Vor-

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Stellung v o m davidischen Messias ausgespielt, Markus vermag sie mit dieser leidlich zu verbinden, bei Matthäus unterstreicht sie Jesu größere Hoheit als Davidssohn und Kyrios, und in der Konzeption des Lukas schließlich wird sie zum eigentlichen Inhalt der Zusage an David. Einbezogen in diese Sicht ist Psalm 2, der im 17. Psalm Salomos wie in Qumran zwar auf die kommende Zeit des Davididen gedeutet wird, jedoch ohne daß Vers 7: „Mein Sohn bist du; heute habe ich dich gezeugt" eine besondere Bedeutung zukäme wie in der christlichen Auslegung. Indem sich bei Lukas die alttestamentlichen Aussagen gegenseitig interpretieren, verschwindet ein Moment, das sowohl für das Bekenntnis R o m 1,3 f. wie für die Darstellung der Evangelisten Markus und Matthäus charakteristisch ist. Die Vorstellung der Davidssohnschaft Jesu dient nicht mehr allein dazu, seine Würde κατά σάρκα auszusagen oder den Rang und das Auftreten des Irdischen zu kennzeichnen. Lukas beruft sich auf die Davidsverheißung, um die Stellung des Erhöhten darzutun. Seine nachweisbare Abkunft von David prädestiniert ihn für den Thron an Gottes Seite und wird zur heilsgeschichtlichen Bedingung seiner Einsetzung als Gottessohn. Auf neue Weise gewinnt der Davidide unüberbietbares ,königliches' Ansehen. Von einer vorläufigen Hoheitsaussage kann nicht mehr die Rede sein. Die lukanische Interpretation ist damit jener genau entgegengesetzt, die sich bei Paulus und nach ihm bei Ignatius beobachten läßt. Ausgehend von der Zweistufenchristologie des überlieferten Bekenntnisses, betonen sie die Differenz zwischen ,Davidssohn' und ,Gottessohn'. I m Rahmen der Präexistenzchristologie wird die Überlieferung der Herkunft Jesu aus dem Samen Davids zur Aussage über seine Inkarnation. Während Lukas den Davidssohn auf die Höhe des Gottessohnes hebt, wird er in der paulinischen Theologie zu dem, der sich selbst erniedrigt hat. Dem lukanischen Verständnis steht der Schriftbeweis des Hebräerbriefes nahe. Hebr 1 zitiert im Anschluß an ein Traditionsstück (V. 3), das die sessio ad dexteram nennt, Ps 2,7: ,,Mein Sohn bist du; heute habe ich dich gezeugt", und dazu aus der Nathan Weissagung 2. Sam 7,14: ,,Ich werde ihm Vater sein, und er wird mir Sohn sein" (Hebr 1,5). Allerdings kennzeichnet der Verfasser des Hebräerbriefes Christus nirgends als Davidssohn, weshalb seine Auslegung des Nathanwortes in dieser Untersuchung nur am Rande zu berühren ist. Wiewohl feststeht, „daß unser Herr aus Juda hervorgegangen ist" (Hebr 7,14), gilt Christus als der ewige Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks, wofür der vierte Vers von Psalm 110 als Beleg herangezogen wird. Das Interesse an der Nathan Weissagung konzentriert sich ausschließlich auf die Zusage, Gott werde dem Sohn ein Vater sein. Verglichen

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mit der Auslegung in Qumran hat sich die Lage umgekehrt. Fällt dort auf 2.Sam7,14 kein besonderer Akzent und richtet sich der Blick allein auf die Verheißung eines davidischen Herrschers, ist für den Schriftbeweis des Hebräerbriefes das zugesagte Vater-Sohn -Verhältnis der Kern der Weissagung, die zudem nicht für einen Herrscher, sondern für den erhöhten Hohepriester in Anspruch genommen wird. Der lukanischen ist diese Auslegung darin verwandt, daß sie die Nathanweissagung auf den Erhöhten bezieht. Mit derselben Blickrichtung benützt auch der Seher Johannes Formulierungen, die an David und sein Geschlecht erinnern. Sie sind teils der jüdischen Tradition entlehnt, teils vom Apokalyptiker selbst geprägt und charakterisieren die Stellung des Erhöhten. Er, in dessen Namen der Gemeinde von Philadelphia geschrieben wird, hat den „Schlüssel Davids" (Apk3,7). Als dem geschlachteten Lamm vor Gottes Thron gebühren ihm die Ehrentitel „der Löwe aus dem Stamme Juda, der Wurzelsproß Davids" (5,5). Der Geber der Offenbarung bezeichnet sich selbst als den „Wurzelsproß und das Geschlecht Davids" (22,16). Während Lukas für seine Konzeption auf das Alte Testament zurückgreift, bedient sich Johannes daneben der Formel- und Bildersprache, welche die jüdische Erwartung des endzeitlichen Davididen ausgebildet hatte. Sein apokalyptischer Entwurf bringt es ferner mit sich, daß an den von Gott erhöhten Davididen sich aufs neue die Hoffnung einer nahen großen Zukunft heftet. Die .Wurzel Davids' der Apokalypse rückt dadurch in die Nähe des , Davidssprosses' der Texte von Qumran und des ,Sohnes Davids' im 17. Psalm Salomos. Art und Ausmaß des Geschehens, das der Seher schaut, lassen aber die konventionellen Erwartungen weit hinter sich und sind allenfalls mit der Vision des davidischen ,Löwen' im 4. Esra zu vergleichen. Die christliche Interpretation der geborgten Bilder ist vor allem daran zu erkennen, daß sie für den Gekreuzigten und Erhöhten verwendet werden. Nationalismus und Partikularismus der jüdischen Hoffnung sind ebenso abgestreift wie in der Sicht des Lukas und der Darstellung des Matthäusevangeliums. Beachtung verdient, daß dieser fortschreitenden Annexion und Interpretation zum Trotz sich in anderen christlichen Kreisen Ablehnung und Kritik der Vorstellung vom Davidssohn erhalten haben. Im ganzen vierten Evangelium gilt Jesus nicht als Davidide. In einem Streitgespräch mit den Juden (Joh 7,40-44) wird die Frage angeschnitten, das jüdische Postulat aber überlegen abgetan. Der Gedanke der Davidssohnschaft ist der Christologie des Johannesevangeliums nicht adäquat. Jüdische Schemata vermögen das Wesen Christi nicht zu erfassen. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß sich die Ablehnung des Evangelisten nicht nur gegen die Lehre der Juden richtet, die als

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Sprecher auftreten, sondern zugleich gegen die aufkommende christliche Anschauung von Jesu Geburt als Davidssproß in Bethlehem. Der Christus des Johannes kommt aus Nazareth, und seine Familie gilt — ähnlich der Überlieferung Mk 6,1-3 — als unbedeutend (Joh 6,42). Mit Sicherheit setzt die Kritik des Barnabas das Dogma von Jesu davidischer Herkunft voraus. Es wird als jüdische Erfindung ausgegeben, und mit Hilfe desselben alttestamentlichen Argumentes, das die vormarkinische Überlieferung gegen das jüdische Postulat ins Feld führt, kann Barnabas (12, lOf.) die davidische Abstammung Christi als Irrlehre brandmarken. Eine scharfe Polemik, die neutestamentlich fundiert ist, findet sich endlich in den Pseudoclementinen (18,3). Petrus erklärt hier, das Wort „Niemand kennt den Vater als allein der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will" (Mt 11,27) beziehe sich auf die Juden, welche glaubten, David sei der Vater des Christus; in Wirklichkeit sei Gott der Vater Christi. Gegen die jüdische und mittlerweile auch christliche Behauptung der Davidssohnschaft wird die Gottessohnschaft Christi ausgespielt. Beide Vorstellungen vereint und den Gedanken der Davidssohnschaft dabei eigentümlich fortentwickelt hat der heidenchristliche Bischof von Antiochia. Von Ignatius wird die Überlieferung von Jesu Herkunft aus dem Geschlechte Davids ebenso wie die Tradition der Jungfrauengeburt seinem antidoketischen Anliegen dienstbar gemacht. Zu beiden Angaben des Bekenntnisses setzt er Sm 1,1 sein άληϋώς hinzu. Trail 9,1 erwähnt in einem Atem das Geschlecht Davids und Maria als die Mutter Christi, um damit auszusagen άλη&ώς έγεννι'βη. Die ursprüngliche Intention der überlieferten Daten, den besonderen Rang und die Ausnahmestellung des irdischen Jesus zu betonen, tritt bei dieser Auslegung völlig zurück. Für Ignatius besagen beide gleichermaßen: er ist als wahrer Mensch geboren. Die genealogische Frage bedeutet kein Problem. Ignatius' Formulierung in Eph 18,2 läßt vermuten, daß er Maria als Davididin betrachtete, wie dies im zweiten Jahrhundert — bei Justin, Tatian, Irenaus, Tertullian und schon im Protevangelium des Jakobus — üblich wird. Der göttliche Herr der Gemeinde,

von

dem

gilt:

σαρκικός τε και πνευματικός, γεννητός και

άγέννητος (Eph 7,2), wurde von Maria zur Welt gebracht, womit die Verheißung für das Geschlecht Davids nach Gottes Heilsplan ihre Erfüllung fand. In krassem Gegensatz zur Auffassung des Lukas wie de3 apokalyptischen Sehers dient so die Überlieferung der Davidssohnschaft Christi zur Kennzeichnung seiner zurückliegenden menschlichen Niedrigkeit.

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überblickt man die Entwicklung im ganzen, lassen sich folgende abschließende Feststellungen treffen: In der ältesten Jesus-Überlieferung nicht bezeugt, in der Auseinandersetzung der frühen Gemeinde mit dem Judentum sogar abgewehrt, gewinnt die Vorstellung vom Davidssohn im Bekenntnis hellenistisch-judenchristlicher Kreise christologische Bedeutung. Der Rede von Jesus als Davidssohn eignet jedoch nirgends das Gewicht einer selbständigen christologischen Konzeption. Die eigentümlichen Wandlungen, denen sie unterworfen ist, und die Verbindungen, die sie eingeht, rechtfertigen gleichwohl eine gesonderte Darstellung dieser Tradition. Daß die Davidssohnschaft Jesu in der Christologie des Neuen Testaments eine Rolle spielt, muß — auch wenn sie historisch gegeben war — als eine Konsequenz des Christus(= Messias)-Bekenntnisses betrachtet werden. Die jüdische Messiashoffnung und die christliche Behauptung ihrer Erfüllung bilden den Kontext, in dem die Angabe solcher Herkunft theologisch sinnvoll war. Für die Messiasproklamation war nach jüdischen Zeugnissen die nachweisbare Davidsabkunft zwar nicht unabdingbare Voraussetzung. Doch ungeachtet der nationalen Hoffnungen, die gerade mit dem Namen Davids eng verbunden waren, hat die christliche Gemeinde diesen genealogischen Aspekt der Christuswürde in ihrer Verkündigung aufgegriffen. Allerdings ist der älteste Beleg ein Bekenntnis hellenistischer Judenchrieten, in dem die Vorstellung vom Davidseohn bereits im Gefolge der übergeordneten vom Gottessohn erscheint. Einerseits diese Verbindung, andererseits der Rückgriff auf das Alte Testament und die Sprache des Judentums bestimmen die weitere Entwicklung und führen zu höchst verschiedenen Ausprägungen des Gedankens der Davidssohnschaft Jesu. Im Unterschied zu den Umdeutungen anderer und älterer Christusprädikate vollziehen sich diese Wandlungen vorwiegend nicht im Dunkel der anonymen Tradition, sondern unter den Händen ihrer Redaktoren. Die traditionsgeschichtliche Untersuchung wird deshalb weithin zur redaktionsgeechichtlichen. Im Sog der Präexistenzchristologie bei Paulus und Ignatius schwindet der hoheitliche Charakter des Messiasprädikates, bis es schließlich die Erniedrigung des Gottessohnes aussagt. In verschiedener Weise kommen bei den Synoptikern historisierende Tendenzen zum Zug, die schon im vorpaulinischen Bekenntnis angelegt sind. Bei Markus und Matthäus ist mit Hilfe der Vorstellung vom Davidssohn die offenkundige und vorläufige Hoheit des Irdischen erfaßt; ,Sohn Davids' wird zu einem Titel, mit dem der Wundertäter angesprochen wird. Lukas dagegen historisiert und mythologisiert: Der nachweisliche Davidide ist als Gottessohn und Kyrios zur Rechten Gottes eingesetzt. Die jüdische Erwartung aktualisierend, erhofft der Apokalyptiker das 12 Burger, Jesus

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baldige Eingreifen des erhöhten Davididen im Kampf um Gottes Herrschaft in der Welt, während der Evangelist Johannes den Gedanken der Davidssohnschaft als Christi Wesen nicht erfassend ablehnt. Die Vorstellung vom Davidssohn findet somit ungewöhnlich mannigfaltige Verwendung. Sie dient der Aussage der Inkarnation wie der Erhöhung Christi, sie charakterisiert die Hoheit des Irdischen wie des Kommenden und wird nicht zuletzt dem johanneischen Christusbild entgegengesetzt. Mehrfach spielt sich in der christlichen Rede vom Davidssohn jener Vorgang ab, den Gerhard Ebeling als „die Grundstruktur der Verwendung aller christologischen Titel und kerygmatischen Interpretationsschemata" bezeichnet: Daß sie „in bezug auf ihr mitgebrachtes Verständnis sich korrigieren oder gar zerbrechen lassen". 3 Der Umstand, daß am Anfang dieser wechselvollen Geschichte nicht die Erzählung, sondern das Bekenntnis steht und die Kritik daran nie ganz verstummt, könnte sogar dahin gedeutet werden, daß Jesus nicht durch seine Geburt, sondern durch Ostern und das Glaubensbekenntnis der Gemeinde zum Davididen wurde. 3

G. Ebeling, Der Grund christlicher Theologie, S. 236.

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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Verzeichnis alter Titel auf Anfrage Herausgegeben von H . GUNKEL (Heft 1 — Neue Folge, H e f t 29) u n d W . B O U S S E T (Heft 1 — Neue Folge, H e f t 1 1 ) , a b H e f t 1 4 bis Neue Folge, H e f t 2 1 hrsg. in Verbindung mit H . R A N K E und A . U N G N A D . „Neue Folge" (Heft 19—79 der Gesamtreihe) herausgegeben von

RUDOLF BULTMANN :

4. (21.) H e f t . W . BOUSSET: Kyrios Christos. Geschichte d. Christusglaubens von den Anfängen bis Irenaus. 6. A. 1967. Neudruck der 2., umgearb. A. 1921. Mit einem Geleitwort von Rudolf Bultmann. 418 S. Ln. 28,— DM. — 9. (26.) H e f t . G. P . WETTER: „Der Sohn Gottes". Untersuchung über den Charakter u n d die Tendenz des Joh.-Evangeliums. 1916. 206 S., broach. 12,— DM. — 10. (27.) H e f t . H.KOCH: Die altchristliche Bilderfrage nach den literarischen Quellen. 1917. 112 S., broach. 9 —DM. — 12. (29.) H e f t . R . B U L T M A N N : Geschichte der synoptischen Tradition. 7. A. 1967. 416 S., Leinen 25,— DM, E r g ä n z u n g s h e f t einzeln: kart. 4,80DM. — 21. (38.) H e f t . H . W I L L B I C H : Urkundenfälschung in der hellenistisch-jüdischen Literatur. 1924. 106 S., broach. 8,— DM. — 22. (39.) H e f t . K . KUNDSIN: Topologische Überlieferungsstoffe im Joh.Evangelium. 1925. 84 S., broach. 7,20 DM. — 23. (40.) H e f t . E . W I S S M A N N : D a s Verhältnis von Pistis u n d Christusfrömmigkeit bei Paulus. 1926. 128 S., broach. 11,90 DM. — 25. (42.) H e f t . J . BEGBICH: Der Psalm des Hiskia. 1926. 72S., broach. 9,— DM. — 29. ( 4 6 . ) H e f t . R . A S T I N G : Die Heiligkeit im Urchristent u m . 1930. 346 S., broach. 35,— DM Ln. 40,— DM — 33. (51.) H e f t . H . J O N A S : Gnosis u n d spätantiker Geist. Teil 1: Die mythologische Gnosis. 3., verb. Α. 1964. 472 S., broach. 28,— DM, Ln. 32,— DM. — 38. (45.) H e f t . E . SCHWEIZER: Ego eimi. Die religionsgeschichtliche H e r k u n f t u n d theologische B e d e u t u n g der johanneischen Bildreden. Zugleich ein Beitrag zur Quellenfrage des vierten Evangeliums. 2. A. 1965, mit einem Anhang. 188 S., broech. 14,80 DM. — 42. (60.) H e f t . M . D I B E L I U S : Aufsätze zur Apostelgeschichte. 5 . , durchges. A. 1968. 193 S., broach. 12,80 DM. — 43. (61.) H e f t . E . LOHMEYER: Gottesknecht u n d Davidssohn. 2.A. 1953.159S., broach. 15,60 DM. — 44. (62.) H e f t . R . RENDTOBFF: Die Gesetze in der Priesterschrift. 2. A. 1963. 80S., broach. 8,—DM. — 45. (63.)Heft. H . JONAS : Gnosis u n d spätantiker Geist. Teil 2,1. H ä l f t e : Von der Mythologie zur mystischen Philosophie. 2.,durchgea.Aufi. 1966. 239S., broach. 18,—DM.Teil 2,2. H ä l f t e : Plotin. In Vorbereüg. — 46. (64.) H e f t . E . LOHSE: Märtyrer u n d Gottesknecht. 2.A. 1964. 230S., broach. 16,50 DM. — 49. (67.) H e f t . W . MARXSEN:Der Evangelist Markus. 2., durchgea. A. 1959. 151 S., broach. 10,80 DM. — 51. (69.) H e f t . E . J A N S S E N : J u d a in der Exilszeit. 1956.124S., broech. 12,40 DM. — 52. (70.) H e f t . O. K A I S E B : Der königliche K n e c h t . Eine traditionsgeschichtlich-exegetische Studie über die Ebed-Jahwe-Lieder bei Deuterojesaja. 2. A. 1962. 148 S., br. 12,80DM. — 53. (71.)Heft. K . K O C H : Die Priesterschrift von E x o d u s 25 bis Leviticus 16. Eine überlieferungsgeschichtl. u n d literarkritische Untersuchung. 1959. 108 S., broach. 10,80 DM. — 54. (72.) H e f t . W . BEYERLIN: Die K u l t t r a d i t i o n e n Israels in der Verkündigung des P r o p h e t e n Micha. 1959. 128 S., broech. 10,80 DM. — 55. (73.) H e f t . A. GÜNKEWEQ: Mündliche u n d schriftliche Tradition der vorexilischen Prophetenbücher als Problem der neueren Prophetenforschung. 1959. 128 S., broach. 11,80 DM. — 56. (74.) H e f t . K . RUDOLPH: Die Mandäer. Teil I : Prolegomena: Das Mandäerproblem. 1960. 307 S., broech. 29,50 DM. FortteUung umtätig

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen und Zürich

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments — 57. (75.) H e f t . Ders.: Die Mandäer. Teil I I : Der K u l t . 1961. 498 S., broach. 53 — DM. Heft 56 und 57 (Teil I und I I ) zua. 71,20 DM. — 61. (79.) Heft. W . SCHMITHALS: Das kirchliche Apostelamt. Eine historische Untersuchung. 1961. 273 S., broach. 26 — DM. Ab H e f t 80 der Gesamtreihe herausgegeben von

ERNST KÄSEMANN

und

ERNST WÜRTHWEIN :

8 0 . H e f t . H . G R A F R E V E N T L O W : Das A m t des Propheten bei Arnos. 1962. 120 S. broach. 12,80 DM. — 81. H e f t . A. WEISER: Samuel. Seine geschichtliche Aufgabe u n d religiöse Bedeutung. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu 1. Samuel 7—12. 1962. 94 S„ broach. 9,80 DM. — 82. H e f t . G. STRECKER: Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchung zur Theologie des Matthäus. 2., durchgea., um einen Nachtrag erweit. A. 1966, 238 S., broach. 26,50 DM, Ln. 30,— DM — 83. Heft. F . H A H N : Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum. 3. Aufl. 1966. 442 S., hart. 28,— DM, Ln. 32,— DM. — 84. H e f t . R . S M E N D : Jahwekrieg u n d Stämmebund. Erwägungen zur ältesten Geschichte Israels. 2., durchgea. und ergänzte Aufl. 1966.101 S., hart. 9,80 DM. — 85. H e f t . W . SCHMITH A L S : Paulus u n d Jakobus. 1963.103 S., hart. 12,80DM. — 86. H e f t . C. M Ü L L E R : Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. Eine Untersuchung zu R ö m e r 9—11. 1964.116 S., kart. 11,80DM. — 87. H e f t . P. STUHLMACHER: Gerechtigkeit Gottes bei Paulus. 2. Aufl. 1966. 276 S., kart. 19,80 DM, Leinen 24,— DM — 88. H e f t . K . RUDOLPH: Theogonie, Kosmogonie und Anthropogonie in den mandäischen Schriften. Eine literarkritische und traditionsgeschichtliche Untersuchung. 1965. 393 S., kart. 48,— DM. — 89. H e f t . Α. H . J . GUNNEWEG: Leviten u n d Priester. Hauptlinien der Traditionsbildung u n d Geschichte des israelitischjüdischen Kultpersonals. 1965. 225 S., kart. 24,— DM. - - 90. H e f t . E . G Ü T T G E MANNS : Der leidende Apostel u n d sein Herr. Studien zur paulinischen Christologie 1966. 419 S., broach. 46,— DM, Ln. 48,— DM. — 91. H e f t . R. WALKER: Die Heilsgeschichte im ersten Evangelium. 1967.161S. kart. 13,80 DM, Ln. 17,80 DM. — 92. H e f t . M. WEIPPERT: Die Landnahme der israelitischen S t ä m m e in der neueren wissenschaftlichen Diskussion. 1967. 164 S., mit 2 Karten, kart. 16,80 DM, Ln. 19,80 DM.— 9 3 . H e f t . J . D E B U S : Die Sünde Jerobeams. Studien zur Darstellung Jerobeams u n d der Geschichte des Nordreichs in der deuteronomistischen Geschichtsschreibung. 1967.130 S., kart. 15,80 DM, Ln. 19,80 DM. — 94. H e f t . H . WEIDMANN: Die Patriarchen und ihre Religion im Lichte der Forschung seit Julius Wcllhausen. 1968. 186 S., kart. 24,— DM, Ln. 28,—DM. — 95. H e f t . P . STUHLMACHER: Das paulinische Evangelium. I. Vorgeschichte. 1968. 313 S., kart. 28,— DM, Ln. 32,— DM — 96. H e f t . W . THYEN: Studien zur Sündenvergebung im Neuen Testament und seinen alttestamentlichen u n d jüdischen Voraussetzungen. 1969. Etwa 236 S., kart. etwa 26,— DM. Ln. etwa 30,— DM — 97. H e f t . W . H A R N I S C H : Verhängnis und Verheißung der Geschichte. 1969. 362 S„ kart. 44,— DM, Ln. 48,— DM. — 98. H e f t . CH. BURGER: Jesus als Davidssohn. Eine traditionsgeschichtliche U n t e r suchung. Vorliegende Veröffentlichung. — 99. H e f t . W . B E Y E R L I N : Die R e t t u n g der Bedrängten in den Feindpsalmen der Einzelnen auf institutionelle tZusammenhänge untersucht. 1969. Etwa 180 S., kart. etwa 26,— DM, \Ln. etwa 33,— DM. — 1 0 0 . H e f t . W . K L A T T : H e r m a n n Gunkel. Zu seiner Theologie d e r Religionsgeschichte und zur E n t s t e h u n g der formgeschichtlichen Methode. 1969. 2 8 0 S . , kart. 34,—DM, Ln. 38 —DM. — 101. W. RICHTER: Die sogenannten vorprophetischen Berufungsberichte. Eine literaturwissenschaftliche Studie z u 1. Sam. 9,1—10,16; Ex. 3f. u n d Ri. 6, IIb—17. In Vorbereitung.

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