Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Lieferung 8 Paralipomena Jeremiou: Band I: Historische und legendarische Erzählungen, Lieferung 8 9783641247928

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Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Lieferung 8 Paralipomena Jeremiou: Band I: Historische und legendarische Erzählungen, Lieferung 8
 9783641247928

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
II. Literatur
III. Übersetzung und Erläuterungen
IV. Stellenregister

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Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit

Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit

Herausgegeben von Hermann Lichtenberger in Zusammenarbeit mit Christian Habicht, Otto Kaiser (†), Werner Georg Kümmel (†), Otto Plöger (†) und Josef Schreiner (†)

Band I · Lieferung 8 Gütersloher Verlagshaus

Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Band I

Historische und legendarische Erzählungen Berndt Schaller Paralipomena Jeremiou

1998 Gütersloher Verlagshaus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Die Abkürzungsverzeichnisse befinden sich in der ersten Lieferung dieses Bandes.

Gerhard Delling * 10.5.1905 † 18.6.1986 Ruth Delling * 6.1.1903 † 24.9.1989 in dankbarer Erinnerung

Copyright © 1998 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Satz: MZ-Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen ISBN 978-3-641-24792-8 www.gtvh.de

Berndt SchaUer Paralipomena Jeremiou

Inhalt I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3· Literarische Gestaltung und Einheitlichkeit . 4· Quellen und traditionsgeschichtliche Bezüge 5. Sprache und Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7· Zeit und Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9· Glaubens- und Gedankenwelt . . . . . . . . . . ro. Adressaten und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . I 1. Textüberlieferung und Textgestaltung . . . . . I2. Nachleben und Forschungsgeschichte . . . . .

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66 I 66I 663 665 670 676 677 678 68 r 682 686 688 692

II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textausgaben und -Übersetzungen . . . . . . . 2. Moderne Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . 3· Spezielle Untersuchungen und Bemerkungen 4· Lexikon- und Übersichtsartikel . . . . . . . . . 5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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696 696 698 700 705 708

111. Übersetzung und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7I I

IV. Stellenregister

7 57

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.........................................

Einleitung Die Ereignisse der Einnahme Jerusalems, der Zerstörung des Tempels und der Verschleppung des jüdischen Volkes ins babylonische Exil unter Nebukadnezar im 6.Jh. v. sind im antiken Judentum- insbesondere unter dem Eindruck ähnlich katastrophaler Begebnisse und Erfahrungen unter syrischer und römischer Herrschaftin vielfältiger Weise Gegenstand frommer Betrachtungen und Erzählungen gewesen. Literarisch greifbar ist dies vor allem in einer Gruppe von Schriften, in deren Mittelpunkt teils der ProphetJeremia selbst, teils sein Vertrauter Baruch stehen. Das vorliegende Werk- in der wohl älteren textlichen Überlieferung >>Paraleipomena/ Hinterlassenschaft des (Propheten) Jeremia«, in einem anderen Überlieferungszweig »Rest der Worte des Baruch« betitelt 1 - gehört in diesen Kreis. Es ist eines der markantesten Beispiele für den Versuch jüdischer Gruppen in hellenistisch-römischer Zeit, die in der Geschichte und Verkündigung des Jeremia enthaltene Verheißung und Hoffnung nutzbar zu machen, um eigene Katastrophenerfahrung zu bewältigen.

1.

Inhalt

Die Erzählung ist am biblischen Jeremiabuch orientiert\ geht aber darüber weit hinaus und bringt überwiegend dort nicht Erwähntes und Erzähltes zur Sprache. Das gilt für den äußeren Rahmen, der die EroberungJerusalems durch die Babylonier, die Verschleppung seiner Einwohner sowie deren spätere Rückkehr beschreibt, wie für die Handlung selbst. Diese hebt wesentlich auf Jeremia3, sein Auftreten und Geschick ab, daneben aber auch auf Baruch sowie den Jeremiadiener Abimelech4 • Das ganze besteht aus fünf aneinander gereihten Teilgeschichten. Den Anfang des r. Teils bilden die Ankündigung Gottes an J eremia, J erusalem wegen der Sünden seiner Einwohner in die Hände der Chaldäer zu geben, und die Aufforderung, zusammen mit Baruch die Stadt vorher zu verlassen. Jeremia gibt diese Nachricht an Baruch weiter. Beide gehen um Mitternacht auf die Mauern der Stadt. Sie sehen, wie Engel vom Himmel kommen und sich um die Stadt aufstellen, und erkennen daran, daß das angekündigte Gericht unabwendbar ist. Angesichts dessen bittetJeremia Gott um ein erneutes Gespräch. Er möchte wenigstens die Tempelgeräte retten und seinen Diener Abimelech vor dem Unheil bewahren. Beides gelingt. r. Vgl. S. 71 r Anm. a zum Titel.- Die Einordnung als Baruch-Schrift findet sich häufig auch noch in der neueren Literatur mit wechselnd verwirrender Nummerierung: 2. Baruch (Kohler, JQR 5, 1893, 407); 3· Baruch (Ewald, GGA r868, 183;James, Apocrypha Anecdota, 2nd series, TSt V,1, Cambridge 1899, LIII; Bousset\ 1926, 37; Plöger, RGG P, 1957, 902); 4· Baruch (CharlesAP li, 471; Robinson, OTP li, 1985, 413 ff.). 2. s. u. s. 670. 3· Vgl. Riaud, AOAT 212, 1981,373-385. 4· Vgl. Riaud, Dialoque d'Histoire Ancienne 7, 1981, 163-178.

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Auf Geheiß Gottes, das in beiden Fällen mit der Verheißung zukünftiger Rettung verbunden ist, übergibt er die Tempelgeräte der Erde und schickt Abimelech zu einem außerhalb der Stadt gelegenen Gut, um Feigen für die Kranken des Volkes zu holen. Am folgenden Morgen öffnen Engel die Tore der Stadt, so daß die Chaldäer eindringen können. Sie nehmen die Bevölkerung gefangen und verschleppen sie nach Babylon, mit ihnen auch Jeremia, der vorher aber noch die Schlüssel des Tempels retten konnte, indem er sie der Sonne übergibt. Als einziger bleibt neben dem bereits abwesenden Abimelech nur Baruch verschont. Er hat in einem Grab außerhalb der Stadt Zuflucht gefunden. Sein Klagelied schließt den 1. Teil der Erzählung ab. Der 2. Teil ist dem Ergehen des Abimelech gewidmet: Auf dem ihm vonJeremia aufgetragenen Weg übers Land ermüdet Abimelech in der Mittagshitze, er macht unter einem Baum Rast und gerät dabei in einen Tiefschlaf. Erst nach 66 Jahren wacht er wieder auf. Zunächst begreift er nicht, was ihm geschehen ist, zumal die von ihm besorgten Feigen ganz frisch im Korb liegen. Er kehrt nachJerusalem zurück, erkennt die Stadt aber nicht wieder und meint, sich verirrt zu haben. Erst die Begegnung mit einem alten Mann öffnet ihm die Augen über das inzwischen Geschehene. Ein Engel führt ihn zu Baruch. Dieser erkennt in den wunderbar frisch gebliebenen Feigen das Zeichen der göttlichen Bewahrung, preist Gott darüber in einem Danklied und überlegt, wie die Nachricht nach Babyion zu Jeremia gebracht werden könnte. Vorgang und Verlauf der Benachrichtigung des Jeremia werden im 3· Erzählgang geschildert. In ihm spielt die Gestalt des Baruch die entscheidende Rolle: Ihm wird wieder durch einen Engel- der Auftrag erteilt, einen Brief an J eremia zu schreiben, der den in Babyion lebenden Israeliten die Heimkehr verheißt und sie auffordert, sich von Babyion abzusondern. Baruch kommt diesem Auftrag nach. Der von ihm verfaßte Brief, in dem ausdrücklich auf den Bundesschluß mit den Vätern und die Befreiung aus Ägypten Bezug genommen ist, wird von einem durch den Engel bereits angekündigten Adler zusammen mit 1 5 Feigen aus dem Korb des Abimelech nach Babyion befördert. Der Adler, der in menschlicher Sprache redend auftritt, trifft dort außerhalb der Stadt auf Jeremia, der mit einigen anderen aus dem Volk herausgekommen ist, um einen Toten zu begraben; er übermittelt die Botschaft des Baruch und unterstreicht vor dem ganzen Volk seine göttliche Sendung durch die Wiederbelebung des Toten. Jeremia verkündet dem Volk die verheißene Heimführung und die Aufforderung zur Abkehr von den Babyloniern, verteilt die mitgebrachten Feigen an die Kranken des Volkes und schickt den Adler mit einem Brief an Baruch zurück. Im 4· Teil der Erzählung geht es um die Rückkehr des Volkes aus Babyion nachJerusalem: Gott selbst tritt erneut auf, redet mitJeremia und wiederholt die im Brief des Baruch enthaltene Botschaft, die Ankündigung der Rückkehr nach Jerusalem und die Aufforderung zur Abkehr von allen Bindungen an die Werke Babylons. Jeremia soll sich mit dem Volk zum Jordan aufmachen, vorher aber sollen alle, die babylonische Ehepartner haben, sich von diesen trennen. Die Hälfte des Volkes kommt die-

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ser Forderung nicht nach, überschreitet aber ungeachtet des Verbots den Jordan und wird erst vor den TorenJerusalems am Eintreten in die Stadt gehindert. Die so Zurückgewiesenen versuchen, wieder nach Babyion zurückzukehren, stoßen indes auch dort auf Widerstand und sind genötigt, an einem öden Ort fern von J erusalem eine eigene Stadt zu gründen, der sie den Namen Samaria geben.- Die bei Jeremia gebliebenen Rückkehrerindes veranstalten inJerusalem ein großes Dank- und Versöhnungsfest, bei dem Jeremia als Priester auftritt. Der abschließende, 5· Teil enthält einen höchst verwickelten (und literarisch sicherlich nicht einheitlichen5) Bericht über den Tod des Jeremia: Er beginnt damit, daß Jeremia während des Opfers plötzlich seine Seele aufgibt. Baruch und Abimelech und das ganze Volk verfallen darüber in große Trauer. Als sie sich aber daran machen, den Toten zu begraben, weist eine Himmelsstimme sie zurück und verheißt die Rückkehr der Seele in den toten Leib. Nach dreitägigem Warten wird Jeremia wiederbelebt. Er tritt vor das Volk, fordert zum Lobpreis Gottes und des Sohnes Gottes, »der uns auferweckt, Jesus Christus«, und kündet den Anbruch der Heilszeit in 47l Jahren an: der Christus Gottes wird auf dem Ölberg in die Welt kommen, die I 2 Apostel unter die Völker schicken und die hungernden Seelen sättigen. Gegen diese Weissagung wendet sich das Volk. Es ist empört über die blasphemische Rede vom Sohn Gottes und macht sich daran, Jeremia zu steinigen. Zunächst wird aber nicht Jeremia getroffen, sondern ein Stein, der seine Gestalt angenommen hat. Erst als er alle geoffenbarten Geheimnisse an Baruch und Abimelech weitergegeben hat, wird auchJeremia selbst getötet. Die beiden Vertrauten bestatten ihn und setzen auf sein Grab einen Stein mit der Inschrift: »Dies ist der Stein, der Jeremias Hilfe war.«

2.

Gliederung

I.

Das Gericht Gottes an]erusalem und seinen Einwohnern

!,I-IV, I I

I. I

Ankündigung des Gerichts und der Widerspruch des J eremia

I, I- I I

1.2

Klage und Einsicht des Jeremia zusammen mit Baruch

Il,I-IO

1.3

Beginn des Gerichts und der Einspruch des Jeremia zur Rettung der Tempelgeräte und Bewahrung des Abimelech

III,I-I6

1.4

Vollzug des Gerichts: EinnahmeJerusalems und Verschleppung seiner Einwohner durch die Chaldäer nach Babyion

IV,r-5

1. 5

Klagelied des Baruch

IV,6- I I

5· S.u. S.665. 6. Die Zahl variiert in der Überlieferung, s. zu 9,14a.

2.

Die wundersame Bewahrung des Abimelech

V,I-J4

2.1

Schlaf und Erwachen

V,1-16

2.2

Erkenntnis des Wunders

V,I7-JI

2.3

Lob Gottes und Segenswunsch

V,p-34



Die Beauftragung des Baruch zur Verkündigung der Heimkehr des Volkes

VI,r- VI1,32

3. I

Aufklärung durch Abimelech

VI,1-2a

3·2

Dankgebet und Bittgebet

VI,2b-7.8- 10

3·3

Brief nach Babyion an J eremia

Vl,II-23

H

Übermittlung des Briefes durch einen Adler

VII,I-22

3·5

Antwort des Jeremia

Vll,23-31

3·6

Vorbereitung des Volkes zur Rückkehr durch J eremia

VII,p



Die Heimkehr nach ]erusalem

VIII,r-IX,r

4·1

Die Anordnung Gottes

VIII,1-3

4·2

Das Geschick der Ungehorsamen

VIII,4-9

4·3

Das Sühnopfer der Zurückgekehrten

IX, I



Das Ende des ]eremia

IX,2-37

5-I

Jeremias Opfer und Gebet

IX,2-6

5·2

Jeremias Tod, die Klage des Baruch und Abimelech

IX,7-9

5-3

Ankündigung der Wiederbelebung durch den Engel

IX,I0-12

5-4

Jeremias Wiederbelebung und seine Predigt an das Volk

IX,IJ-18

5·5

Die Empörung des Volkes und die Steinigung des Jeremia

IX,I9-31

5·6

Das Begräbnis des Jeremia durch Baruch und Abimelech

IX,32

3. Literarische Gestaltung und Einheitlichkeit Die ParJer bieten sich als dramatisierte Erzählung dar. Einfacher Bericht wechselt mit dialogisch aufgebauten Szenen (I,I-IIj 2,2-9; 3,42; 5,I7-34; 7,I-12) und Monologpartien (4,3-4; 5,2- I6; 7,I 8; 9,I 3- I 8). Darin eingestreut finden sich gebetsartige Passagen (4,6-8: Klage; 5,8.13.32: Lobpreis; 6,2-7: Hymnus; 3,4.9; 6,9-Io, 9>36: Bitte; 1,5-6: Fürbitte) und briefartige Texte (6,I7-23; 7,23-30), ferner vereinzelt literarische Kleinformen wie Makarismus (4,9), Weheruf (9,8) und Gleichnis (7,24). Literarische Feinheiten fehlen. Die Darstellung ist durchgehend in schlichter Prosa gehalten und trägt vielfach Züge volkstümlicher Erzählweise. In der Art der Ausführung zeichnen sich zwei gegenläufige Befunde ab. Die Handlungsabläufe sind auf der einen Seite inhaltlich wie formal in vielfacher Weise aufeinander abgestellt7, daneben gibt es in kompositorischer und sachlicher Hinsicht aber auch mancherlei Ungereimtheiten, Lücken und Doppelungen, Spannungen und Widersprüche. 8 Daß die ParJer, so wie sie vorliegen, von einem Verfasser in einem Zug geschrieben sind, erscheint angesichts dessen fraglich. Genaueres darüber auszumachen, wie der Text zustande gekommen ist, erweist sich allerdings als höchst schwierig und nur begrenzt durchführbar. Züge sekundärer Gestaltung lassen sich eindeutig im Schlußteil der ParJer nachweisen. Die Erzählung über den Märtyrertod des J eremia (9, I 3-3 7) hebt sich vom übrigen Textcorpus mehrfach ab. Es gibt stilistische und sprachliche Eigenheiten.9 Vor allem aber ist das verwendete Motivmaterial überwiegend christlich geprägt. Io Es liegt auf der Hand, daß darin eine nachträgliche, im Rahmen der christlichen Überlieferungsgeschichtei I vorgenommene Bearbeitung zum Vorschein kommt. An welcher Stelle der von christlicher Hand gestaltete Text genau beginnt und vor allem in welchem Umfang in ihm Teile einer älteren Textfassung aufgenommen sind, läßt sich freilich nur mutmaßen. Eine Reihe formaler und inhaltlicher Verklammerungen mit den vorhergehenden Erzählstücken 12 legt es nahe, daß die Darstellung vom Opfer des J eremia (9, I -6) sowie auch die unmittelbar daran anschließendeN otiz über seinen plötzlichen Tod (9,7-9) noch zu einem älteren Grundbestand der ParJer gehören. I 3 Wie weit das auch für die weiteren Szenen gilt, bleibt unklar. Bei 7· S.u. S.667f. 8. s. u. s. 666. 9· Stil: gehäufter Gebrauch von JtOLELV mit A.c.l.: 9,14b5; Vokabular: s. zu 9,1od.13d.qa. 10. Vgl. die Hinweise im Kommentar zu ParJer 9,13.1 7-20. 11. Dazu s. u. 692. 12. 9,1: EIJ.fLVOV ohou 'IEQEr..ttOU xa(Qov-tEUn ecrit juif remanie par des redacteurs chretiens7), 2) die Erwähnung eines >>Marktes der Heiden>in den Jahren kurz nach dem Bar-Kochba-Krieg (um 1351I36 n.) anzusetzen«"', ist durch nichts gedeckt. Die dafür geltend gemachten »Berührungspunkte zu Traditionen johanneischer Provenienz«' 12 sind zu unspezifisch ''3 und reichen für eine derartige historische Festlegung kaum aus. Wann im Verlauf der Überlieferungsgeschichte des Textes das Schlußkapitel christlich ergänzt bzw. überarbeitet worden ist, muß offen bleiben. Günstiger ist der Befund im Blick auf die Frage nach dem Bereich des antiken Judentums, in dem die ParJer beheimatet sind. Es spricht vieles dafür, sie nicht nur zeitlich mit den Folgen des von den Römern niedergeschlagenen r. jüdischen Aufstands in Palästina in Zusammenhang zu bringen, sondern sie auch räumlich im palästinischenJudentum anzusiedeln. Dafür lassen sich neben der thematischen Ausrichtung als Trost- und Mahnschrift auf das Geschick der Heiligen Stadt und seiner Einwohner'' 4 vor allem die Art und Weise geltend machen, in der der Erzähler von J erusalem und seiner Umgebung zu berichten weiß" 5. Letzteres scheint auf genauere Lokalkenntnisse zu weisen.'' 6 Auch sonst spricht einiges für die Vermutung, daß der Verfasser der ParJer im jüdischen Kernland beheimatet ist. Dazu paßt das besondere Interesse am Schicksal der samaritanischen Gemeinde' ' 7 , ferner der Sprachstil des Buches mit seinem semitisierenden, bisweilen fehlerhaften Griechisch '' 8 sowie ferner die zahlreichen motivliehen Gemeinsamkeiten mit JeremiaDarstellungen in zeitgenössisch apokalyptischen und späteren rabbinischen Quellen' '9. Ein weiterer spezifischer Hinweis in diese Richtung könnte im übrigen auch in den biblischen, auf eine LXX -Grundlage weisenden Zitaten und Anspielungen enthalten sein. In ihnen findet sich ein Reflex »rehebraisierenderHellenization< of Judea in the First Century after Christ, London I989, 21. I22. Daß in ParJer Mann und Frau eherechdich gleichgestellt sind, muß nicht dagegen sprechen; s. Kommentar zu 8,2g. III.

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zu den wenigen noch erhaltenen literarischen Zeugnissen der griechisch-sprachigen Judenheit des jüdischen Mutterlandes.

8. Gattung Über die gattungsmäßig spezifische Einordnung bestehen höchst unterschiedliche Ansichten. Die Schrift wird teils als Apokalypse 12 3, teils als Heiligenlegende 124 sowie ferner unter dem Stichwort Haggadah I 2 5 eingestuft. I 26 Verfehlt ist in jedem Fall die Klassifizierung als >>Apokalypse«. Die ParJer enthalten zwar apokalyptische Stoffe, formgeschichtlich fehlen jedoch, wie namentlich der Vergleich mit der im Erzählmaterial vielfach parallelen ApcBar(syr) verdeutlicht, die für das apokalyptische Genre bezeichnenden Merkmale. I 2 7 Auch die Kennzeichnung als Heiligenlegende bleibt problematisch. Sie legt sich höchstens im Blick auf den christlichen Schlußteil nahe, dem Textganzen wird sie nicht gerecht. In ihm spielen weder der Prophet Jeremia noch sein Begleiter Baruch oder gar sein Diener Abimelech eine eigenständige Rolle. Was von ihnen erzählt wird, ist eingebunden in die übergeordnete Erzählung vom Geschick der Gottesstadt und des Gottesvolkes, namentlich seiner Vertreibung und seiner Rückkehr, und taugt nur begrenzt, um einen von ihnen als besonders verehrungswürdige Gestalt erscheinen zu lassen, auch Jeremia nicht. Am ehesten zutreffend scheint die Zuordnung in den Bereich der sogenannten Haggadah. Allerdings ist auch dies nur ein Behelf, da es eine klar abgegrenzte Gattung Haggadah nicht gibt, sondern der Begriff weitläufig verwendet wird bezogen auf verschiedene Textsorten, in denen biblische Geschichten auslegend, nacherzählend, ausgestaltend aufgenommen sind. 128 Die ParJer gehören, insofern sie an der biblischen Jeremiageschichte orientiert sind, in diesen Umkreis, gattungsgeschichtlich sind sie damit aber noch nicht hinreichend bestimmt. Auch der Vorschlag von Riaud, sie in Anlehnung an die Klassifizierung der haggadischen Literatur durch R. Le Deauti 2 9 als >>historische Haggadah>historische Haggadah>Paralipomenonergänzendennaiver>großer NameAllherrscherauserwähltes bzw. wahres Licht>Erzählung über die Einnahme Jerusalems und die Klage des Propheten Jeremia und die Entrückung des Abimelech.>Es geschah in den Tagen, als die Kinder Israels den Herrn zum Zorn reizten und in die Gefangenschaft geführt wurden und ihre Stadt zerstört wurde>Gutes verkündigenDir, Sonne, sage ich: nimm die Schlüssel des Tempels Gottes und bewahre sie bis zu dem Tag, an dem der Herr dich nach ihnen fragen wird. 4Ü) Denn wir wurden nicht für würdig befunden, sie zu bewahren, weil wir uns als trügerische Verwaltera erwiesen haben.« 5(6) aNoch während Jeremia das Volk beweinte, wurden sie nach Babyion verschleppta. e) i]vE> ro(1 1) Danach ging er hinaus und sprach weinend: >>In Trauer um dich,Jerusalem, gehe ich von dir.« r r(12) Und er ließ sich in einem Grab nieder• und blieb dort. Während dessen kamen die Engel und berichteten ihm alles, bwas der Herr ihm durch sie mitteilen wollteb. V

r(I) Abimelech aber machte sich auf in der Mittagshitze die Feigen• zu

Sasse, Hermann: XOO!!O~, ThWNT III, 1938, 888. Zum Sprachgebrauch >>diese Welt>Kreiszieher«: »Es sagte R. Judan Giria: Dies ist (die Geschichte) von Choni dem Kreiszieher, dem Enkel Chonis des Kreisziehers: Es war kurz vor der Zerstörung des Heiligtums, da ging er hinaus auf einen Berg zu seinen Arbeitern. Bevor er dort war, kam ein Regenguß herab. Er ging in eine Höhle. Da er sich gesetzt hatte, wurde er müde und schlief ein und er blieb versunken im Schlaf 70 Jahre, bis das Heiligtum zerstört wurde und zum zweiten Mal wiedererbaut ward. Am Ende der 70 Jahre wachte er auf von seinem Schlaf. Er verließ die Höhle und sah die Welt völlig verändert. Ein Stück Land, auf dem Weinstöcke standen, brachte Oliven, ein Stück Land, auf dem Oliven(bäume) standen, brachte Getreide. Er frug die Leute der Gegend: Was gibt es an Neuigkeiten in der Welt? Und sie sagten zu ihm: Weißst du nicht, was es an Neuigkeiten in der Welt gibt? Und er sagte zu ihnen: Nein. Und sie sprachen zu ihm: Wer bist du? Er sprach zu ihnen: Choni, der Kreiszieher. Sie sagten zu ihm: Wir haben gehört, daß, wenn er in den (inneren) Hof (des Heiligtums) hinaufging, (dies)er erleuchtet wurde. Er ging hinein und wurde erleuchtet und sprach für sich: •Wenn der HERR die Verbannten Zions zurückbringen wird, werden wir sein wie die Träumenden< (Ps I 26, I).« -Eine textlich abweichende Fassung bieten b. Talmud Taanit 2p; Midrasch zu Ps n6,r.- Ähnliche Geschichten begegnen aber auch im außerjüdischen Bereich: z. B. in der Legende vom Schlaf des Epimenides Laertios (bei Plinius, NatHist VII, 53 [I75]; Diagenes Laertios I,ro9f.) sowie vor allem in der christlichen, ursprünglich bei Ephesos lokalisierten Legende vom Schlaf der sieben Jünglinge zur Zeit der Christenverfolgung des Decius, in der wie in ParJer das Wunder der Bewahrung zum Beweis für den Glauben an die leibliche Auferweckung dient (vgl. Lechner, M.- Squarr, C.: Siebenschläfer (Sieben Kinder) von Ephesos, LCI 8, I976, 344). Zu Weiterbildungen in der muslimischen Welt (u.a. Koran, Sure 2,259[I62]; I8,8-25) s.

holen. Und als er einen Baum erreichteb, setzte er sich in dessen Schatten, um ein wenig auszuruhenc. (2) Und er legte seinen Kopf auf den Feigenkorb und schlummerte ein. Und er schlief 66d Jahre und erwachte nicht von seinem Schlafe. 2(J) Danach (erst) wachte er von seinem Schlaf aufa und sprach: ,,bJch habe süße geschlafen, aber (zu) wenig. Und mein Kopf ist schwer, dennb ich habe nicht genug Schlaf gehabt.« 3(4) Dann deckte er den Korb mit den Feigen auf und fand sie tropfend von Milcha. 4(5) Und er sprach: »Ich möchte am liebsten (noch) ein wenig schlafen, denn mein Kopf ist schwer. 5 Aber ich fürchte, daß ich (ver)schlafe und zu spät aufwache und mein Vatera Jeremia ärgerlich wird. Denn wenn es nicht so eilig wäre, Schützinger, ZRGG 25, 1979, 1-19; Kandler, Hermann: Die Bedeutung der Siebenschläfer (Ashb al Kahf) im Islam. Untersuchungen zu Legende und Kult in Schrifttum, Religion und Volksglauben unter besonderer Berücksichtigung der Siebenschläfer-Wallfahrt, Bochum 1994. b) xm:aA.aßoov öEvögov; zum Sprachgebrauch vgl. Preisigke, Friedrich: Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden I, Berlin 1925. 75 3 f.; LampePGL, 710a. Kahler (JQR 5, 1893, 409) schlägt für öEvögov als Konjektur av1:gov (•Höhlelediglich die Zeit, in der Abimelech schlief«, angegeben werden soll und nicht die gesamte 7ojährige Dauer des Exils. Herzer, TSAJ 43, I994, 95 Anm. 273 verweist als Parallele auf die Altersangabe »ungefähr 66« für einen Hohenpriester bei PsHekataios (Josephus, c Ap I, I 87), vermerkt aber zurecht: »Eine endgültige Erklärung des Problems scheint ... offen bleiben zu müssen.« e) E;u:rcv(08T] EX mil 'Ü:rcvou (s. 2a.p6); vgl. (ljB Jdc I6,I4.2o; (lj 3 Reg 3,15; ferner TestNapht 1,3.- Philonenko, RHPR 64, 1984, 145 postuliert als »origine scripturaire« ~Jer 3 8( 31 ),26; schwerlich zurecht, s. Schall er, Originaltext. 2 a) EYEQ8E~ (C E;u:rcvL08E( Ru I,2of.); s. Bogaert, SC I44, 1969, 2o8f.). Diese in jüdischen Quellen sonst nur noch bei Philo (Mut Nom 27.46; Leg All I,44; Cher 46) belegte Bezeichnung ist sachlich in der philosophischen Religiosität der hellenistischen Welt mit ihrer Vorstellung von der Autarkie Gottes verankert, vgl. dazu Norden, Eduard: Agnostos Theos, Leipzig 1913 = Darmstadt 19 56, 13 f. - Zum ganzen s. Rengstorf, Kar! Heinrich: lxav6c;, ThWNT III, 1938, 294; Bertram, Georg: IKANO~ in den griechischen Übersetzungen des Alten Testaments als Wiedergabe von schaddaj, ZAW 70, 19 58, 20-3 r. k-k) Gespaltene Textüberlieferung: 1) C UQEL OE f.v 1:zur Diaspora der Heiden I-22 = NAWG I995/4, I I r-rp. c) Vgl. Neh 13,24. d) xataAEUtEtV (wie oben V.2), kein gängiger Scheidungsterminus, doch s. Räucherwerk aus lebendigen Bäumen« (gen. subj.). c) 1:0