Jahresbericht des Historischen Vereins in Mittelfranken [20]

Table of contents :
Front Cover
Beilage I. ...
13) Gallienus Aug. Der Kopf mit der Strahlenfrone. ...
20) Gallienus Aug. Der Kopf mit der Strahlenkrone. ...
Kaiser sind der Vater Valerian und der Sohn Gallienus; ...
Zierde nicht; über die eherne Kopfbedeckung läuft eine eherne ...
9) Probus P. F. Aug. Der Kopf mit der ...
-- ...
welche unbestrittenermaßen stets von slavischer Eroberung, wenn auch nicht ...
und die obere Saalgegend in slavischen Händen war. Dagegen ...
In dem nämlichen Diplom wird unter den königlichen Kammergütern, ...
Nach diesem Auszuge fiele also die erste Ansässigmachung der Juden ...
Beilage VI. ...
ließen oder der Einbildungskraft ein zu weites Feld einräumten. ...
Es ließ sich von einem so tiefen Denker erwarten, ...
Ein erweiterter Wirkungskreis war dem verstorbenen Herrn Staatsrathe zugedacht, ...
Jest befand er sich an einem Plage, der seinem ...
zu entscheiden hat. In dem einen wie in dem ...
scholastische Spitfindigkeiten dem Kreise der echten Wissenschaft entfremdet hatte, ...
Das ebenerwähnte Georgensgemünd hat eine reiche Ablagerung von tertiären Resten ...
Den unvergeßlichen. Spieler Hummel kannte der Herr Staatsrath persönlich ...
Verzeichniß ...
Berichtigungen. ...
PERPETVO ...

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Zwanzigster

Jahresbericht

d es

historischen

Vereins

in

Mittelfranken

1

8

5

1.

Ansbach. Drud der Brügel'schen Officin. 1851.

S.

1.

Allgemeine Bemerkungen.

Die Anwälte des historischen Vereins in Mittelfranken überreichen

den verehrlichen Mits

gliedern den zwanzigsten Jahresbericht und seßen dieselben dadurch in Kenntniß von den Schicksalen, die er erfahren hat.

Leider müssen Todesfälle gemeldet werden , welche den Verein schwer betroffen,

da Männer gestorben sind , Verbindung

welche ihre Kräfte unausgeseßt dem Gedeihen dieser wiſſenſchaftlichen

geweiht und die Interessen

Pflicht der Anwälte,

derselben in mancherlei Fällen vertreten haben.

Es ist

das Andenken der Verstorbenen zu ehren und ihre Lebens- Verhältnisse genau

mitzutheilen , damit im engern oder weitern Kreise das Verdienst gehört , drückt werde.

die Anhänglichkeit ausges

Am 11. Mai starb Se. Excellenz der Herr Staatsrath Freiherr von Andrian Werburg, der seine lezten Jahre in Ansbach zuzubringen gedachte und Stüße für den Verein war.

durch Rath

und That

eine starke

In den Beilagen des Jahresberichtes ist ein Versuch gemacht ,

wichtigsten Momente aus dem Leben dieses verdienten Mannes aufzuzeichnen und dem

die

Danke für

sein ersprießliches Wirken Worte zu geben.

Ein

anderer Verlust

traf den Verein

durch den Tod des Herrn Regierungs- Direktors

von Hussell , der die Stelle eines Anwaltes bekleidete und durch unerwartet schnelles Hinscheiden am 25. November den Seinigen und seinem Wirkungskreise zu früh entrissen wurde.

Unser Mits

Anwalt, Herr Schulrath D. Bomhard , hat eine biographische Abhandlung den Beilagen der Allge meinen Zeitung übergeben und dadurch dem Wunsche der hinterlassenen Frau Wittwe genügt ; ( 1*)

dorts

IV

hin verweisen wir die verehrlichen Vereins - Mitglieder.

Nie wird das freundliche Andenken an sein

gründliches und geräuschloses Wirken in uns vergehen. Es haben sich im verflossenen Jahre folgende Herren bereit erklärt , dem historischen Verein beizutreten : Herr Wegert, t. Rentbeamte in Spalt, "/

Brater , k. Rentbeamte in Dinkelsbühl , Muſſinan , k. Oberkriegs - Kommiſſär in Rügland ,

"

D. Weiß , k. Rektor der Kreis- Gewerbsschule zu Ansbach , D. Reinhard, t. Civil - Adjunkt zu Mkt. Erlbach ,

"I

Meyer, Bürgermeister zu Herrieden ,

"

Zipfel , Stadtpfarrer zu Ellingen ,

"/

Lampel, k. Staats- Güter-Administrator in Triesdorf, Lang, k. Landrichter zu Feuchtwangen,

"

Eichthaler , Stadtpfarrer zu Eschenbach, Gutschneider, f. Regierungs- Direktor.

"

Eduard Freiherr von Andrian - Werburg , K. Kämmerer.

Herr Regierungs- Direktor Gutschneider hat sich bereit erklärt ,

die Stelle eines Anwaltes

zu übernehmen und auf diese Weise die Bitte erfüllt , welche von den Anwälten gestellt war. Herrn D. Adalbert Keller ,

ordentlichem Professor der altdeutschen Literatur zu Lübingen,

Präsident des literarischen Vereins in Stuttgart 2c. 2c. ist das Diplom als Ehren- Mitglied des Vereins übersendet worden. Der naturhistorische Verein in Augsburg hat den Wunsch ausgesprochen , mit dem historischen Verein von Mittelfranken in Verbindung zu treten.

Wir fühlen uns durch diesen Antrag geehrt und werden mit Vergnügen gegenseitige Mittheilungen zu befördern suchen. Zum Schlusse wird bemerkt , daß der Einlauf bis zum leßten Dezember angegeben ist.

S.

2.

Verzeichnisse der Büchergeschenke.

1) Herr Pfarrer Müller von Immeldorf übergibt : fundene Christus - Bild , die Rede ,

von D. Künzel 1847.

Ueber das zu Bingen am Rhein ges

In dieser Abhandlung ist zuerst von dem Funde

da auch eine Münze des Constantinus in der Nähe gefunden wurde ;

dann wird die

V

Frage aufgeworfen :

in welche Zeit gehört die Verfertigung des Bildes ;

welchen Ursprungs ift es ? ---

Der Schluß verſeßt das Bild in die Zeit zwischen Conſtantin und Julian. 2)

Der Magistrat in Weissenburg übersendet :

Baden gegen den Markgrafen

von

Baden

Reichsrathe in Wien vorgekommenen ihren Landesherrn ,

Abdruck der in der Klagsache der Stadt

wegen vermeintlicher Religions- Beschwerde

Schriften.

wodurch eine Umformung

bei dem

Es ist dies ein Prozeß der Unterthanen der ganzen Landes - Verfaſſung beabsichtigt

gegen wurde.

Der Grund zum Prozeß lag in einem Streite mehrerer Bürger zu Baden gegen einen Lehrer am dortigen Gymnaſium ; die Religionsfrage war im Spiel ; die klagenden Bürger fanden Unterſtüßung bei dem Bischofe von Spcher und veranlaßten den Prozeß , dessen Akten abgedruckt sind. Die badische Regierung wies die Beschuldigungen mit Gründen zurück. Labellen und gedruckter Fränk. Kr. Dekrete.

Convolut alter Rechnungs

Memorial ,

das Exercitium Religionis in der Kapel Drei gedruckte Verhandlen zu St. Elisabeth , vnd dem teutschen Hauß zu Nürnberg betreffend. lungen wegen der gegen die Reichsstadt Frankfurt erkannten kaiserl. Münzkommiſſion . d . a. 1760 . 1761 . - Wahrhafte Beschreibung aller fürnehmen und denkwürdigen Sachen d. a. 15911616. 3)

Herr Kunstmaler Jarwart übergibt :

hundert von Freiherrn von Stillfried.

Die Burggrafen von Nürnberg im XIII. Jahr.

Die Ableitung des Namens Zellern aus dem Lateinischen

,,collis , columna" oder von dem deutschen Worte ,,Zoll" ist trügerisch.

Es ist vielmehr Zoler oder

Zolera ein althochdeutscher Eigenname , den Freie und Unfreie führten.

Er kommt zuerst vor in

einer Urkunde v. J. 955 , Verbindung stände.

ohne daß der hier genannte Zolera mit den Grafen von Zollern in

Eine Abschrift der Urkunde steht

in dem

Temporale perpetuum Balduini.

Erembold, Vasall der Kirche zu Verdun (miles ecclesie virdunensis) tauscht vom Erzbischof Roths bart von Trier Güter ein , um sie lebenslänglich als Precarium zu besißen. kunden heißen die Grafen von Zollern fast immer comites de Zolra .

In den älteren Urs

Daß der Name Zolera in

genannter Urkunde für einen Dienstmann vorkommt , spricht nicht gegen die gleiche Benennung der Edlen.

Grimm in den Rechte alterthümern ,

S. 341 ,

fagt :

Im Alterthume hießen Knechte und

Mägde eben so wie die Männer und Frauen der Freien und Edeln ,

aus allen Urkunden des 7.,

8., 9. Jahrhunderts geht dies hervor und mancipia führen Namen , die ihrer Wortbedeutung nach ursprünglich nur Freien und Edeln gebühren konnten , z . B. Adalburg , Uadilburg , für Mägde. Geschlechts- oder Familien- Namen hundert vor.

kommen unter Freien und

Edlen erst im 9. und 10. Jahre

Der älteste Siß der Zollern ist Bertholdesbaar in Schwaben ,

um das Jahr 1000 gegründeten Stammveste.

mit der wahrscheinlich

Da nun die Erbauung der Zollernburg nicht vor

dem 11. Jahrhundert angeführt ist, so kann auch von einer Grafschaft Zellern nicht früber die Rede seyn. Augsburg. Zollern.

Der Name Graf von Zolre kommt zuerst vor 1031 (Monum . Boica XXII ,

4. )

in der Zellrolle der Lechbrücke bei

Mit Friedrich beginnt die Genealogie der

Er erscheint 1095, 1098 als comes.

Friedrich

war

durch Verheirathung

Grafen von mit Sophie

VI

Gräfin von Reß in den Besitz des Burggrafthums gekommen ; von Nürnberg

erscheint.

Seine Söhne

wurden von der Mutter

aber erst im dreizehnten Jahrhundert angefangen hat , junior zu unterscheiden , Friedrich ,

so ist nicht zu erkennen ,

der ältere gewesen.

daher er seit 1190

als Erben eingeseßt ;

den Vater vom

Sohne ,

welcher von den beiden Söhnen ,

da Abweichungen ,,ohne senior" vorkommen. Friedrich II. , Conrad II. , Friedrich III. , Johann I. , Friedrich IV. Der Nassauische

Alterthums - Verein

Rheingau von Hermann Bär ,

Grundriß,

übersendet :

herausgegeben von F. Habel.

Adelbert I. , Erzbischof zu Mainz , gestiftet ; Benediktinern ,

da man

den senior vom Conrad oder

Für Friedrich als ältern spricht ein Todtenschild zu Heilsbronn,

indeß nicht mit Sicherheit ,

4)

als Burggraf

Geschichte

Es folgen Conrad I.,

der

Abtei

Eberbach wurde i .

Eberbach im S. 1131

es war zuerst von regulirten Chorherren ,

endlich von Cisterziensern bewohnt.

Gefäße ,

Abzeichen bischöflicher Würde , Abtei wurde aufgehoben 1803 .

von

dann von

Die beigefügten lithographirten Tafeln stellen Bleitafel dar und sind schön gearbeitet.

Die

5) Erworben wurden : Europäische Annalen. - Beobachtungen über den weißen KornGeschichte Peters des Wurm. D. Mayer. 1843. Geschichte von Bayern , D. A. Buchner. Großen , Segür. Der Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde zu Cassel übersendet :

6)

Beschrei-

bung der wüsten Ortschaften , H. 3. 7) Herr Professor D. Adalbert Keller aus Tübingen übersendet : Kaiser und Eim Apt , herausgegeben von D. Keller. D. Keller.

Ein Spil von einem

1850. - Mittelniederländische Gedichte von

1851 .

8) Brunn 1728.

Herr Bau -Kondukteur Hauser Kaiser Karl IV.

übergibt :

Grundherr ,

de Castro Imperii forestali

hatte sich den Nürnbergern immer sehr gewogen gezeigt und ers

theilte ihnen bedeutende Privilegien.

Darunter befinden sich besonders solche ,

wodurch der Stand

der kaiserlichen Waldungen , welche die Gemeinde umgeben , unversehrt und blühend erhalten werden soll. Dies gilt auch von dem Castrum Brunn , das im Reichswalde liegt, zum Reich ges Die Urkunden sind ausgestellt von d. J. hörte und den Nürnberger Bürgern überlassen wurde. 1347 , 1349 , 1355.

9) Herr Hauptmann Herrmann übergibt : Der Könige in Frankreich Leben , Regierung und Absterben , fammt Bildnissen. 1658. Beigefügt ist eine Abhandlung über den Delphinus und die Lateinischen Sprüche , welche auf den Abbildungen einzelner Könige vorkommen. 10)

Herr Pfarr- Verweser Dienst übergibt :

Lebensgeschichte Jesu mit einer Würdigung

der verschiedenen Ansichten darüber , 1851 . 11 )

Herr D. Mooyer übersendet :

Schierns Uebersicht der Auswanderungen

der Nor-

VII

mannen aus der Normandie nach Italien und der ersten Eroberungen derselben in Neapel und Sicilien.

Der Herr Verfaſſer hat die Schrift aus dem Dänischen überseßt ,

Verbesserungen eingeschaltet , nicht zuließen. melt ,

die Irrthümer

aufklären ,

welche

bis

jezt

dabei aber mancherlet

eine richtige Auffassung

Ueber den Aufenthalt der Saracenen in den Alpengegenden sind Notizen gesam-

durch welche nachgewiesen wird ,

daß leßtere sich daselbst von 891-972 festgesezt hatten, -

dann aber vollständig daraus vertrieben wurden. 12) Herr Conservator Pfister aus London übersendet : 13)

Erworben wurden :

des Ludwig-Kanals . 14)

Marr.

Codex Inscript. Roman.

Numismatic Chronicle.

Steiner. 1851. -

Pittoreske Ansichten

13. H. — Malerische Wanderungen durch das Pegnißthal.

Der historische Verein für das Großherzogthum Hessen

Landes- und Orts - Geschichte des Großherzogthums Hessen.

D. Scriba.

1850.

Marr. -

übersendet :

Regesten der

Abthl. III.

Dieser Vand

enthält die Regesten der Provinz Rheinhessen ; sie beginnen mit dem Jahre 635 und reichen bis 1477. Große Erleichterung gewährt das beigefügte Ortsregister. 15) Brückner.

Der Henneberg. Verein

Landeskunde

übersendet :

Der Band zerfällt in 4 Abtheilungen :

des Herzogthums

Meiningen.

Geschichte des Landes , Land , Volk und des

Volkes Wirthschaft, Staat. Stillfried übersendet : Preußens Monarchen. ― Stammtafel der Nürnb. Brandenb. Hauſes. In diesem Prachtwerke sind die Regenten Preußens von

16) Zollern.

Freiherr

von

dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm an bis zu dem jezt regierenden Könige Friedrich Wil helm IV.

in Steinzeichnungen nach den besten Originalen dargestellt.

Hier hat die Lithographie

Ungewöhnliches geleistet und zum würdigen Gelingen des patriotischen Werkes die Hand geboten. Mit Recht ist im Terte

angegeben ,

sprunge sich zur jeßigen Höhe

wie der

edle Stamm der Zollern aus unbedeutendem Ur-

emporgeschwungen ,

wie glückliches Zusammentreffen politischer Ers

eignisse, kluge Benüßung dargebotener Vortheile, kräftiger Muth im Augenblick der Entscheidung Preußens Größe gegründet habe, und wie vom Ersten Friedrich an , äußeren Erscheinungen , Ein Grundgedanke sich erhält :

S.

unter den mannigfaltigsten

Erhebung des Preußischen , Namens . -

3.

Handschriften , Urkunden. Eingesendete Abhandlungen , Handſchriften

1) Ansbach ,

Herr Appellations - Gerichts- Canzellist Pedrazzi übergibt : Manual des Hofgerichts Ansbacher Zeit- und Historien -Kalender , 1730 , 1731 , 1732 , 1733 ,

1501.

VIII

1735.

-

Drei Rescripte der K. Preuß. Regierung ». J. 1796 , 1798 , und das Münzkabinet betreffend. 2)

die Ansbacher Bibliothek

Stadt Weissenburg übersendet : Fränkische Kreis- Akten , 1725 ; 1664 ; 1756. mit Valvations -= Tabellen. Münzschreiben, Frankfurt betreffend. 1761. Fränk. Kreis- Akten d . a. 1793. Cours - Erhöhung der K. K. Gold- und 3 Silber Münzen. Reichstags Communicata , Münzsachen betreffend. 1791. ― Fränk. KreisAkten 1654-1664 . 1709-1710 . - Münz-Probations - Receffe. - Anschreiben des Pasquillus an 1709

Der Magistrat der K.

1710 ;

den Landgrafen zu Heſſen , ,,Schmähschrift“

gewesen.

d. a.

1543.

Bis zum Jahre 1567

Gegensatz von der Schmähschrift gebraucht. wohl Beschimpfung . mit ihrer Zeit mehr

Der Ausdruck ,,Pasquill" ist nicht gleichbedeutend mit erscheint er

gar nicht und wird gleichsam als

Pasquillus bezeichnete mehr Satyre , Spott , nicht so-

Pasquite gehen aus der Ansicht der Zeitgenossen hervor , oder weniger

einverstanden erklärten ,

nach der sie sich

in ihren Richtungen

oder Interessen

gegenseitig sich bekämpftén oder mit der Geißel der Satyre alles angriffen , was der sittlichen Natur entfremdet war.

Kein Jahrhundert ist frei von dieser zum Bedürfniß gewordenen Neigung ;

ist der Ausdruck derselben

nach dem Werthe der Zeit- Ereignisse,

mächtiger oder schwächer.

nur Die

erste Hälfte des 16. Jahrhunderts war von der größten Wichtigkeit für die Gestaltung der neuesten Zeit , für die Eristenz der einzelnen Staaten. Grundlagen ;

Verfassung ,

Staat ,

Wissenschaft und Kirche

befestigten ihre

Denk- und Glaubens- Freiheit fagten sich los vom Zwang und starrer

Form und suchten für das Leben Gewinn zu verbreiten. Zeitgenossen nicht innerlich beruhigt :

Troß dieser schönen Aufgabe waren die

die Kirche um den frühern

Glanz

der Herrschaft gebracht ;

die weltliche Macht , bei aller Ausdehnung des Länder - Besizes , kraftlos , ja sogar aufgegeben ; Geist niedergedrückt und den Klagen der Zeitgenossen verfallen.

der

So entwickelte sich der Kampf der

Ansichten und die Waffen zum Streite fanden sich in der Wissenschaft und in den Resultaten des als Wahrheit Erkannten.

So lange mit den Waffen der Wissenschaft gekämpft wurde ,

die Volksbildung nicht gewinnen ,

konnte

da die Art der Mittheilungen von Gedanken und Wahrheiten

der Bildung des Volkes zu ferne stand und eine verständliche Sprache sich in Büchern und Schrif ten erst gestalten mußte.

Dies

geschah entweder in ungebundener Rede oder Liedern verschiedener

Art , wozu besonders Spottlieder und Pasquille gehörten. in allen Abstufungen der Geschichte des deutschen Volkes. liedern , digten.

Die historischen Volkslieder finden sich Tacitus spricht von historischen Schlacht-

welche die Krieger zum Kampfe ermunterten und den Ausgang desselben vorher verkün Karl der Große ließ alte Volkslieder sammeln.

Leider sind sie verloren gegangen , so wie

der größte Theil der historischen Lieder bis zum vierzehnten Jahrhundert.

Im sechszehnten Jahrs hundert endlich blühte das historische Lied und die Verbreitung desselben nahm mächtig überhand, ---Die scharfen Gegenfäße , welche sich daraus gebildet hatten , begünstigten aber auch das Pasquill und regten die Gemüther zu Spott , Hohn und Schmähung auf :

Es ist zwar dieses Lied nicht

schon im Zwölftafelgeseße ist das carmen quod infamiam faceret flagitiumve alteri , ver

IX

pönt und wenn auch diese Stelle kritisch angefochten ist , so bleibt doch immer die Strafe des Pasquills und zwar deportatio in insulam.

Die Römische Kaiſerzeit war dem Pasquill sehr un-

günstig ; man verfolgte diese Schmähgedichte mit aller Kraft. Karl der Große erließ ein förmliches Verbot. Warum aber schon im 13. Jahrhundert der Klerus Gegenstand der Satyre wurde , er klärt sich aus der sittlichen Entartung desselben so wie aus dem protestirenden Geiste ,

der sich bila

dete und den Sazungen , Dogmen und Gebräuchen der alten Kirche sich entgegenstellte. ginne der Reformations - Zeit mehren sich die Spottschriften , Buchdruckerkunst.

Im Be-

unterstüßt durch die Verbreitung der

Die Schriftgattung , die man Pasquille nennt , bildete sich zu Rom ums Jahr

Ein Schuhmacher , Pasquino ,

pflegte die Tages - Ereignisse in Rom ,

die Verderbtheit der

höhern Stände , die Fehler der Geistlichkeit mit beißendem Spotte zu verfolgen.

Dadurch gewann

er sich ein zahlreiches Publikum , welches seinen Namen dadurch ehrte , daß es eine Fechterſtatue, die in der Nähe der Werkstätte nach seinem Tode ausgegraben worden war , Pasquino nannte. Ihr gegenüber stand eine andere Statue ,

Marfario ( Martis forum ) ,

beide wurden dazu benüßt,

durch Zettel, die man an denselben befestigte , satyrische Fragen und Antworten zu erhalten , Pas. quille genannt. Schmähschriften ;

Die Erfindung der Buchdruckerkunst erleichterte die Verbreitung der Spott- und indeß wurden auch Münzen dazu benüßt. - In dem angegebenen Pasquillus

ist angegeben , was die Welt sey, welche Verfolgungen die Frauen zu erfahren haben ;

es sey un-

möglich den Fallstricken des Teufels zu entgehen , der die Höchsten am meisten angreife, wie der Wind die hohen Thürme ;

Bitte an Gott gerichtet um Hülfe

welche Pasquillus sich richtet , Geschichte vorkommt. -

ist der Landgraf Philipp

3) Herr Fettinger übergibt :

in der Roth.

von Hessen ,

Die Person,

der in der Reformations-

Abdruck einer Urkunde vom Kaiser Lothar III.

MCXXXI¡IJ,

4) Freiherr von Löffelholz , Domänen - Rath in Wallerstein übersendet : Seiz , Kaufbrief über ein Haus und Hofrait zu Bamberg, 1409. Pergament obne Siegel. Pessler,

Gseis , Erhard

Kausbrief über fünf Tagwerk Wiesen bei Nürnberg auf der ,,furreut" gelegen ,

Pergament mit wohlgehaltenem Barthol. Groland. Siegel.

an

1472.

Stephan Pesslers Kaufbrief

über

die nämlichen Wiesen , 1505. Pergament etwas beschädigt mit wohlerhaltenem Fabian Haller'ſchen Siegel. Karl Oertels Kausbrief über 5 fl. jährl. Eigenzins auf einem Haus beim neuen Thor zu Nürnberg ,

1529.

Pergament mit anbangend . woblerhaltenen Paul Grundberrischen, Hanns

Rieterischen und beschädigtem Joachim Haller'schen

Siegel.

über eine Behausung im Schießgraben zu Nürnberg , 1642. Siegeln. -- Bestätigungs - Brief des Garsias de Loayso ,

Kausbrief des

Sebald Stirulein

Pergament mit zwei wohlerbaltenen

Prediger- Ordens - General über Privilegien 2c. 2. des Katharinen - Kloſters za Nürnberg , 1518. Papier mit Siegel. 5) Herr Akademiker D. Mayer übersendet :

Einige Münzen des Kaisers Gallienus .

Einige Münzen des Kaisers Probus .

(2 )

die

X

6) Herr Pfarrverweser Jäckel übersendet :

Lebensgeschichte des Herrn Magister Bernhard

Jakob Degen an der Kirche zu St. Jakob in Nürnberg.

7)

Profeffor Fuchs

übergibt

1781 .

Revers - Beschreibung

Urkunden :

Eckhardt

Neydungs zu

Nürnberg und seines Sohnes über die Stiftung der Frühmeß zu Stadt Eschenbach , welche Pfründt Ihnen Ihr Leben lang zu verleihen , nach ihrem Tode aber dem hohen Orden und einem zeitlichen Commenthur zu Nürnberg zustehen solle , 1410. — Friederich Holzschuher ,

Kaufbrief über ein Gut zu Waizendorf,

fo

Spital - Meister, ` von Conrad Marschalkh zu Pappenheim um 160 Pf. Heller .. Anno 1380. - Bestätigung des B. zu Eichstätt über

in die Frühmeß zu Eschenbach erkauft hat. die von Eckhard Neydung , Nürnberg. kirch auf den 12. Potten - Altar ,

Inwohner gestiftete Frühmeß zu Obereschenbach in der Pfarr-

1410. -

Urtheilbrief und Confirmation über Eckhard Neydungs

von Nürnberg Fundation und Stiftung etlicher Güter in eine Frühmeß zu Ober - Eschenbach in der - Confirmation des B. Johannes zu EichPfarrkirch auf aller zwölf Boten Altar. Anno 1410. ― Kausbrief über zwei Gütlein zu Praiten Ueber die Frühmeß zu Eschenbach. ſtätt , 1390. bronn , die Herr Friedrich von Egloffstein , Commenthur von Ellingen , Herrn Friederich Holzschuher um 303 Pfd. zur Frühmeß zu Ober - Eschenbach verkauft. Anno 1384. - Kausbrief über einen Hof zu Stopfenheim und etliche Hofstätten , so Ulrich Denseckel zu Emezheim Herrn Friederichen Holzschuher um 480 Pfd. Heller in die Frühmeß zu Eschenbach verkauft. Anno 1381 . = nand Joseph Anton Freiherr von Andrian Werburg. Ein biographischer Versuch. | 8) Herr Juſtiz - Commiſſär Künßberg übergibt :

S.

Ferdis

Ueber die fränkischen Slaven.

4.

Alterthümer , Münzen , Zeichnungen und Landkarten , welche den Sammlungen des Vereins übergeben worden sind.

1) Herr Appellations - Gerichts- Canzlist Pedrazzi übergibt : -Büste des Geheimrathes D. von Glück. -

Büste des Medicinal-Präsidenten

D. von Schöpf.

2) Herr Landrichter Haas übersendet : Altes Beil, Sporen, Zügel, Hufeisen. 3) Herr Landrath Leuchs von Lichtenau übergibt : Hufeisen, Pulvermaß, gefunden bei Bors brunn. 4) Herr Pfarrverweser Jäckel übersendet : Hufeisen , gefunden bei Sulz. Altdeutsches Ges Zeichnung eines alt=" räthe von Erz, wahrscheinlich eine Lampe , gefunden bei Vogtsreichenbach: deutschen Schloſſes v . J. 1547 im Sommerkeller des Bierbrauers Herrn Hoffmann zu Ammerndorf.

XI

Das Schloß ist Shmiedearbeit und bestimmt vom Jahre . 1547.

Die Zahl

4. ist vor ungefähr 10

Jahren nach Versicherung des Besizers weggefallen , der aus Unbekanntschaft mit dem Werth des Schlosses die Reparatur deſſelben versäumte ; Zeichnung angegebene Niethhaft zu sehen.

nung sind kleine Mißverhältnisse zu gewahren , find.

an der Stelle der mangelnden Ziffer ist der auf der

Bei genauer Besichtigung des Schlosses , resp. der Zeich die jedoch kein Zeichnungsschler , sondern treu fopirt

Der Herr Einsender hat die Zeichnung selbst besorgt und mit der ihm eigenthümlichen

räciz

ſion ausgeführt. 5) Herr Magistratsrath Kleinod übergibt : Handzeichnungen von dem Dichter Uß, 1729 bis 1730. 6) Herr Conservator Pfister aus London übersendet : Keltischer Streitmeißel , gefunden in Irland. ―― Siegel der Stadt Poppard am Rhein, Bopardia, Liberum, Et. Speciale. Opidum. Romani. Imperii . - Siegel von Speier . - Sigillum. Edwardi. Regis. Angliae. Ad. Recognitionem. Debitorum. Apud . Cestriam ; Siegel vom Schuldthurm der Stadt Chester in England, zur Zeit Ed. ward I. , 1272-1307. — Siegel Roberts Filzwalters . XIII. Jahrhundert ; Sigillum Roberti Filii. Waltheri. 7) Herr Hauptmann Herrmann übergibt :

Compaß.

Epacta Julian. Anno 1597. Epacta

Gregor. Anno 1597 . 8) Herr Pfarrer Huscher übersendet : Sechs Stück Händelsheller , nebst Neustädter Wochens blatt und Beschreibung.

Im Schenkenwald bei Herrnneuses wurden am 15. Mai 1851 von dem

Dekonomen Herrn Konrad Schemm 2100 Händelsheller gefunden und von

dem Herrn Einsender

im Neustädter Wochenblatt mit folgenden Worten näher bezeichnet : ,,Dicht an den Gränzen unserer Flurmarkung ist ein Münzfund gemacht worden , dem diese Zeilen ein bleibendes Andenken in unsern städtischen Annalen sichern sollen.

Ein und zwanzig hundert Händelsbeller , die seit Jahrhunderten

,,im Moose des Schenkenwaldes bei Herrnneuses von ihren Wanderungen ruhten , wurden am 15. ,,d. M. durch eine glückliche Fügung wieder an's Licht gebracht , um einen höberen , d. h. antiquari ,,schen Wettlauf anzutreten und Zeugniß zu geben von jenen glücklichen Zeiten , wo die Heller noch ,,silbern und die Gulden noch golden waren und die Reinheit des Kornes dem nobeln Grünfpane ,,noch eine makellose Fläche darbot. Diese Händelsheller, diese Repräsentanten des filbernen Zeitalters, ,,kamen als Scheidemünzen im 13. Jahrhundert auf, zum Untergange neigte.

als der Stern der Hohenstaufen sich bereits

Sie wurden zuerst in Schwäbisch-Hall, ſeit 1385 auch in Augsburg, Nürn

,,berg und Ulm, später auch in andern Städten des heiligen Reiches geprägt. ,,diese Münzen eine aufgehobene Hand , welche des Kaisers Handschuh ,,Münzgerechtigkeit bedeutet, im Avers aber ein Kreuz mit 4 Punkten.

Im

Revers zeigen

oder die von ihm verliehene Von diesem Gepräg. wurden

,,fie Händelspfennige, Händleins- oder Händlingsheller, seit 1490 auch Kreuzheller genannt.

Im

,,16. Jahrhunderte kamen sie außer Cours, gelangten aber dadurch zu der Ehre der Hedepfennige . ,,Man mauerte sie in die Wohnungen ein oder trug sie bei sich, in der festen Ueberzeugung , daß

( 2 *)

XII

,,ſie Glück in's Haus brächten, und daß eine Laſche nie leer werde , so lange sie solch einen Hecker ,,hege.

Die im Schenkenwalde gefundenen reihen sich unstreitig den ältesten an , da auf ihnen noch

,,die seit 1385 üblichen Zeichen der verschiedenen Münzstätten fehlen .

Irgend ein banges Gemüth

mag unsere Händlinger etwa im Städte- oder Huſſiten- oder auch im Bauernkriege dem schweig„ samen Erdenschooße übergeben haben, wenn nicht die Furcht vor dem in nächster Nähe, nämlich auf ,,dem Königsteine ( jezt Schauenberg )

bei Emskirchen horstenden Eppelein von Gailingen

einen

,,,, fahrenden Nürnberger Pfeffersack" zu dieser leztwilligen Deposital - Verfügung bestimmte.

Lezt-

,,willig , sage ich , weil der Schaß ungehoben blieb ;

aber :

Exorietur aliquis !

war doch ein Ges

,,danke , mit dem auch unter dem Schwerte eines Eppelein , oder dem Morgensterne eines Hussiten, ,,oder unter der Sense eines ,,kriegführenden Bauern " sich sterben ließ. ,,und zwanzig Hunderte

erfolgte ,

als

man

einen 2 Schuh

Die Entdeckung der ein

großen Quader hob.

Unter ihm,

,,etwas seitwärts jedoch , zeigte sich ein irdener Liegel in noch jetzt üblicher Form den überraschten ,,Blicken ,

die lange Zeit so traulich bewahrte Silberfülle ergießend.

Dem Armen waren die Füße

abgebrochen , wahrscheinlich damit er nicht mit dem Schaße davonlaufe. ,,rund war ,

der ihn bergende Stein aber ein Quadrat bildete,

Da nun dieser Tiegel

so könnte wohl ein spekulativer

,,Kopf auf den Gedanken kommen , daß in dem Schenkenwalde mit den Händelshellern auch die ,,Quadratur des Zirkels entdeckt worden sey. ,,mußte sich freilich ein starkes Flimmern

Der glückliche Entdecker ,

ein wackerer Landmann,

vor den Augen gefallen lassen ,

,,der im Mondlicht verborgene Schäße umschweben soll.

Dieses bedeutsame Flimmern scheint in

,,dessen auch negativer Natur zu seyn und nicht immer Bereicherung ,,Schreiber dieser Zeilen flimmerte es vor den Augen , als

jenen Silberschimmer,

zu künden.

Denn auch dem

er jenes Gesez erblickte,

das so viele

,,wohlhergebrachte Händelspfennige aus den Lehensbüchern mit einem Federzuge tilgte und unwider,,bringlich in das Grab der Auflösung stürzte.

Uebrigens sollten in unserer steinreichen Zeit ,

die

,,so viel Geld braucht und doch so wenig händelspfennige hat , Männer vom Fache jenem positiven ,,Flimmern eine finanzielle Beachtung zuwenden.

Auch ihnen flimmert es ja vor den Augen, und

,,wie leicht könnte sich der Göthe'ſche Spruch verwirklichen ; Wo fehlts nicht irgendwo auf dieser Welt ? Dem dies , dem das , hier aber fehlt das Geld. Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen : Doch Weisheit weiß das Liefste herzuschaffen. In Bergesadern , Mauergründen

Ist Gold gemünzt und urgemünzt zu finden ; Und fragt ihr mich , wer es zu Tage schafft: Begabten Manns Natur und Geisteskraft.

XIII

,,Da dürfte mancher , ,,schmeichelhaften

der bisher für keinen Engel galt ,

Worten

anreden :

"/ Du

sich in herrlichen Flimmerstunden mit dem

ahnungsvoller

Engel,

du ! "

und

da

würden bald

,,jene schönen Zeiten wiederkehren , wo man Silber und Gold , nur um es los zu werden , in die ,,Erde vergrub oder in hohle Bäume versenkte.

Singt doch von dieser goldnen Flimmerzeit ein

,,Virgil :

quo ferrea primum Desinet ac tota surget gens aurea mundi , oder verdeutscht :

wo erst die eiserne Abart Endet und rings aufblüht ein goldnes Geschlecht durch das Weltall. ,,Glückliche Zeiten ,

wo es den Menschen vor den Augen flimmert und man ,

um einen Schaß zu

,,finden , nur die Quadratur des Zirkels zu entdecken braucht !" 9) Herr Verwalter Brendel übergibt Münzen : Ludovicus Magnus . Rex ; Ad. Nutum. Assurgent. Bâtiments du Roi. - Republica. Mexicana. 1833. - Christian . Ernest. D. G. Marg. Libertas. Conservanda. Modo. Non. Alio. -

Cir. Franc. Capita. Elect. A. 1673. d. 17. Apr.; Carl. Theodor. D.

G. Elect. Palatinus.

IrraDIat.

Montes.

CaroLI.

Praesentla.

Nostros. Et.

--VeLVt. EXOrlens. PhoebVs. Ab. AXe. Venlt ; Homag. Heideld . d. 30. Aug. — 10)

Herr. Mazoletti übergibt Münzen :

Carl. Wilh. Frid. D. G. M. B. D. P. Q. S.

B. N. Natus XII. May. MDCCXII. Desponsatus. XXX. May. MDCCXXIX. Denatus. III. Aug. Carl Philipp . C. P. R. S. R. J. Archip. XLV. Et. Et. D. G. 1727. 20. K. Chur. Pfalz. Cand. Münz . -

MDCCLVII. Anno. Regim. XXIIX. Aet.

11) Herr Gastwirth Weber übergibt Münzen : Xristus. - Niederländische Münze.

$.

Mittheilungen

Dis Jst Mein Lieber Sohn ,

Emanuel

5.

von inländischen historischen Vereinen

und

anderen

gelehrten

Gesellschaften.

1) Das K. Reichs- Archiv übersendet : 1422 d. 29. Decembr. 2)

Regesta Boica. Vol. XII. 1408 d. 1. Januar

Der historische Filial - Verein zu Neuburg übersendet :

Neuburg und seine nächste Umgebung , 1614-1623 .

Collectaneen , 1848 , 1849. Urkunden der Stadt Neuburg. Mono-

XIV

graphie von Bergen oder Baring , Bergheim , Beutmühle , Biding , Brugt, Bruckmühle , Brüderfeld, Bittenbrunn , Brunnhaus , Buchrain , Burgheim , Bürgerschwaige. — Vermählung des Herzogs Jacob Reihing. 1 Das rechte Wolfgang Wilhelm mit Magdalena, Herzogin von Bayern. Hochufer der Donau von Neuburg an bis zum Stätteberg einschlüffig mit seinen Römerstraßen und übrigen Alterthümern.

Deffentlicher Uebertritt des Herzogs Wolfgang Wilhelm zur katholischen

Kirche. 3) H. 1.

Der historische Verein für Oberbayern übersendet :

Jahresbericht XIII.

Archiv.

B. 11 , H. 3.

Regesten ungedruckter Urkunden zur bayerischen Orts ,

B. 12 ,

Familien- und

Landesgeschichte. Th. Wiedemann ; 1362-1790. Herenprozeß zu Schongau , 1589-1592 . -Rath Her. Das Schloß und die Hofmark Kaltenberg am Ursprunge der Paar ; Igling , Schloß und Hofmark im Landgericht Landsberg ;

Dellinger.

Ueber D. Wiguleus Hundts

Stammbuch; von Koch- Sternfeld. — Urkundliche Beiträge zur Geschichte Bayerns.

bayerisches Rath Her.

Züge aus dem Leben des K. Rathes Lipowsky z von J. Gerstner. 4)

Der historische Verein zu Bayreuth übersendet :

such über die Ptolomäiſche Stadt Mänesgade in Oberfranken. tung des Namens Kulmbach. Nachkommen. Stadelmann. Stadt

und Landgerichten ;

Archiv. B. V., H. 1. Neuer VerD. Neubig. Ueber die Bedeu

Einige Notizen über den Markgrafen Adalbert , seine Abkunft und Die Fürsprecher des Mittelalters bei den Bayreuthischen Hof-, die alte Linde zu Donndorf bei Bayreuth. v . Hagen. Diplomatum

ad terrae quondam Baruthinae superioris historiam spectantium summae , 1344-1355 . — 5)

Der historische Verein für Unterfranken und Aschaffenburg übersendet : Archiv. B. XI ., ―― Die Würzburger Handschrift der k. Univerſitäts-Bibliothek zu München. D. Ruland. -Bischofs Otto von Wolffskeel Seße und Gebote , von demselben. Die fränkische Eisterziensers Abtey Bildhausen. Rost. Gutachten einer von dem Fürstbischof Johann Philipp Franz ers

H. 2 , 3.

nannten Commiſſion über einige Gegenstände der landesherrlichen Adminiſtration. 6)

Der historische Verein

für

Oberpfalz

und Regensburg

übersendet :

B. 14.

D. Denzinger. Verhandlungen,

Der Maler und Bürger Michael Osterdorfer in Regensburg. Schuegraf. Pfarrgeschichte -von Gnadenberg ; Stadtpfarrer Fuchs in Spalt. Oberpfälzische Sagen und Legenden ; StadtAdelshausen in der Ober - Pfalz ; Pfarrer Erb zu Sinzing. pfarrer Müller in Schwandorf. 7)

Der naturhistorische Verein in Augsburg übersendet :

Bericht IV. -

XV

S.

6.

Mittheilungen von auswärtigen historischen Vereinen .

1)

Der historische Verein für Niedersachsen übersendet : Nachrichten XIII . 2)

Der Verein für Hamburgische Geschichte übersendet :

Doppelheft 2. 1848. -

Archiv ,

Zeitschrift , B. II. , H. I. -

3) Der Württembergische Alterthums - Verein übersendet :

Fünftes Jahres - Heft ,

1848,

1849.

-

H. 3.

4) Der historische Verein für das Großherzogthum Hessen übersendet : Arnsburger Urkunden , H. 3. Periodische Blätter , 17-23 . 1 5) Die Gesellschaft für vaterländische Alterthümer in Zürich

Archiv.

übersendet :

B.

6,

Mittheilungen

XV. 6) Die schweizerische geschichtsorschende Gesellschaft in Basel übersendet : Regesten der Archive der schweizerischen Eidgenoſſenſchaft. B. I. , §. 3 , 4. -- Beiträge zur vaterländischen Ges schichte. B. 4. 7) des Vereins. 8)

Der Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde in Kaſſel übersendet : B. V. , H. 4. B. VI. , H. 1. — Periodische Blätter , Nro. 22 .

Die Geschicht- und Alterthumsforschende Gesellschaft des Osterlandes übersendet :

theilungen , B. 3 , H. 2 ; Gesind

6-9.

oder Dienstboten Märkte. 9)

Zeitschrift

Mits

Bericht über den Verein zur Verbreitung guter Volksschriften. D. Beck.

Der historische Verein in Krain übersendet :

10)

Die Sinsheimer Gesellschaft übersendet :

11 )

Der Naſſauische Verein übersendet :

Mittheilungen.

Jahrgang 1850.

Jahresbericht XIII , -

Annalen , B. 2 , H. 2.

B. 4 , H. 1 ; Mittheis

lungen , Nro. 1 , 2. 12) 1850 ,

Der historische Verein für das Württembergische Franken übersendet : Zeitschrift. H. 4,

. V. 13)

Der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens übersendet :

Quellen - Sammlung

B. 3. 14)

Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur übersendet : Jahresbericht, 1850. --

Achtundzwanzigster

XVI

15) Die Oberlausißische Gesellschaft der Wissenschaften übersendet : Lusaticarum. - Neue Folge , B. 3, H. 1. 1850; B. 28 , H. 1 , 2 , 3. 16)

Der Hennebergisch- Alterthum - forschende Verein übersendet : ― resfeier , 1851 .

§.

Scriptores

rerum

Einladung zur 19. Jah,

7.

Erwerbungen für die naturhistorische Sammlung .

Freiherr von Volkamer , k. Forsteiförster zu Neuhof, übergibt das Fragment eines Zahnes, das auf einem Steinhaufen , der zur Ueberschüttung des Vicinal-Weges von Neuhof nach Wilhermsdorf bestimmt war , gefunden wurde.

Die Steine sind aus dem Orte Adelsdorf herbeigeschafft und

auf den Feldern einer Hochebene, zwischen Dippoldsberg und Altkatterbach gesammelt worden .

Wei-

ter südwestlich kommt auch versteinertes Holz vor. —

Die Anwälte schließen diesen Bericht ,

erstatten den verehrlichen Mitgliedern gebührenden

Dank für die Theilnahme , die sie dem Gedeihen des Vereins zuwenden und richten an dieselben die Bitte , auch für die Zukunft das Wohl des Vereins fördern zu helfen. sie wohlwollender Aufnahme.

Den Bericht selbst empfehlen

XVII

Rechnu

ng

über Einnahmen

Ausgaben

und

der

historischen

Vereins - Kaffe

pro 1851 ..

Vortrag.

Betrag

fr.

fl.

pf.

Einnahme.

2011

1 ) Aus dem Vorjahre :

25

An Aktivrest aus voriger Rechnung An Einnahms-Rückständen

19

44

1

652

2 ) An Jahresbeiträgen von 396 Mitgliedern à 2 fl. 3) An sonstigen Posten .

721

19

11

36

-

Einnahms Summe

Ausgabe. 1) Auf Schreibmaterialien



2 ) Auf Anschaffung und Unterhaltung von Geräthschaften 3 ) Auf Erwerbungen

104

-

4) Auf die Bibliothek

40

59

5) Auf Buchbinderlöhne •

21

10

6) Auf Druckkosten 7) Auf Schreibgebühren 8) Auf Honorare .

235

17

12

30 -

18

9) Auf Porto und Fracht 10 ) Auf Miethzins , Reinigung , Holz 2c. 11 ) Auf Remunerationen 12 ) Auf verschiedene Bedürfniſſe

Ausgabs Summe

(3)

12

59

63

40

171

48

4

23

696

22

2

XVIII

Abschluß :

Einnahme Ausgabe

721 , fl. 19 fr. 1 pf. 696 fl. 22 kr. 2 pf.

Auf das Jahr 1852 übergehender Aktivrest

24 fl. 56 fr. 3 pf.

Ansbach, den 12. Januar 1852 .

Spengler.

Beilage I.

Einige

des

Münzen

Kaifers

gesammelt

Gallienus ,

und

erklärt

bon

dem Herrn Akademiker

Dr.

Franz

Anton

Mayer.

Gallienus. 1 ) Imp. Gallienus Aug. Virtus Augg.

Der Kopf mit dem Lorbeerkranze.

Ein Frauenzimmer in kriegerischer Rüftung mit dem Helme auf dem Haupte,

mit der Hasta in der rechten und mit dem Schilde in der linken Hand.

Publius Licinius Gallienus ,

Erz. I. Größe.

ein Sohn des Valerianus , wurde von seinem Vater anfangs als

Cäsar und in der Folge auch als Mitregent ernannt.

Er erwarb sich, so lange sein Vater am

Ruder saß , durch seine schönen Anlagen und durch eine edle Handlungsart allgemeinen Beifall. war einſichtsvoll, wigig , unternehmend , Künste.

Er

ein guter Redner , ein guter Dichter , ein Beförderer aller Nachdem aber Valerian in die Gefangenschaft der Perser gerathen war , zeigte er sich in 1

2

einem ganz andern Lichte.

Er sah diesen Vorfall als Aufforderung an , seinen Leidenschaften , die er

bisher zurückgehalten hatte ,

den Zügel zu lassen.

Wollüftige Ausschweifungen ,

und Grausamkeiten waren jegt seine Lieblingsbeschäftigungen.

unmäßiger Trunk

Während seiner Regierung warfen sich

im Orient und Decident dreißig Tyrannen auf, die das Ruder des Staates an sich reißen wollten. Die schwachen Strahlen der Herrlichkeit , die diesem Staate noch übrig geblieben waren , fingen unter ununterbrochenen Verwirrungen an gänzlich zu erlöschen.

Zulegt zog er sich , nachdem er schon lange

verachtet gewesen war , den allgemeinen Haß zu und wurde bei Mailand von einigen Offizieren und Soldaten ermordet.

Er hatte 50 Jahre gelebt und 15 Jahre , nämlich 7 vor und 8 nach der Ges

fangennehmung seines Vaters regiert. Auf der Vorderseite der gegenwärtigen Münze liest man : und auf der Rückseite :

Virtus Augustorum.

Sprache Virtus nennt , gepriesen.

Imperator Gallienus Augustus,

Hier wird also der Heldenmuth , den die lateinische

Der Senat konnte leicht Anlaß finden den Gallienus als einer

Heldenmüthigen Herrscher zu bewundern .

Er ftürzte die Stolzen , die fich die Oberherrschaft anmaßten

und zum Theil von den Armeen schon als Oberherren anerkannt waren ;

er erfocht über die Heruler,

über die Scythen und Gothen nicht unbedeutende Vortheile und behielt das Ruder in seiner Hand, da sich Alles auf allen Seiten vereinigte , um es ihm zu entreißen.

Hätte er aber auch nicht ſelbſt

Heldenthaten vollbracht , so würde man doch Denkmäler seines Heldenmuthes gestiftet haben : denn da, wie Trebellius Pollio bezeugt , Odenatus , König von Palmyra , um die an Valerian verübten Graufamkeiten zu rächen, den Persern Krieg angekündigt und ihnen ansehnliche Städte abgenommen hatte , sah Gallienus die Thaten dieses Königes als seine Thaten an und triumphirte. Wer triumphirt , tritt als Held auf.

Wer als Held auftritt , kann als Held gepriesen werden .

Die Virtus erscheint auf den Münzen wie hier gewöhnlich als ein Frauenzimmer in kriegerischer Rüstung.

Oft aber erblicken wir auf den Münzen statt ihrer Person Stellvertreter.

Solche

Stellvertreter sind Mars und Herkules. Auf dieser Münze wird nicht blos der Heldenmuth des Gallienus , sondern der Heldenmuth noch eines andern Herrschers gepriesen ; Virtus Augustorum.

es steht auf ihrer Rückseite nicht Virtus Augusti , sondern

Dieser andere Herrscher war Odenatus, König von Palmyra.

Trebellius Pollio

ſchreibt , daß er wegen seiner gegen die Perſer ausgeführten Thaten von dem Gallienus der Oberherrschaft theilhaftig gemacht und als Augustus ernannt worden sey.

2)

Imp. C. P. Lic. Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Virtus Augg. Ein Frauenzimmer in kriegerischer Rüftung mit dem Helme auf dem Haupte,

mit der Hafta in der linken und mit dem Schilde in der rechten Hand .

Silber.

Auf der Vorderseite dieser Münze liest man : Imperator Caesar Publius Licinius Gallienus Augustus , und auf der Rückseite : Virtus Augustorum. der vorhergehenden überein.

In der Hauptsache kommt diese Münze mit

3

3)

Gallienus P. Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Ein Frauenzimmer in kriegerischer Rüstung mit dem Helme auf dem Haupte,

Virtus Aug.

mit der Hafta in der linken und mit dem Schilde in der rechten Hand. Auf der Vorderseite steht :

Gallienus Pius Augustus.

Erz. III. Größe.

Der Titel Pius wurde von dem

Senate dem Kaiser Antoninus wegen seiner sanften, milden Denkart und wegen seiner menschenfreundlichen Handlungen ertheilt. Die folgenden Kaiser behielten ihn wie von Rechts wegen bei ; segten aber gewöhnlich auch den Titel Felix hiezu, welcher von dem Senate dem Kaiſer Commodus ertheilt worden war, nachdem er den ihm gefährlichen Perennis, den Hauptmann der Leibwache, glücklich auf die Seite Gallienus begnügt sich hier mit dem Titel Pius.

geräumt hatte.

Wie wenig konnte er aber auf die-

sen schönen Titel Ansprüche machen , da er sich nicht als einen ſanften menschenfreundlichen Antoninus, sondern als einen grausamen Nero , als einen unmenschlichen Heliogabalus erprobt hat. Auf der Rückseite steht nicht wie auf den vorgehenden Münzen Virtus Augustorum , sondern Virtus Augusti.

Hier wird also der Heldenmuth des Gallienus ohne den Heldenmuth des Odenatus

gepriesen. 4)

Gallienus Aug. Jovi Ultori.

Buchstabe S.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Jupiter mit dem Blige in der Hand, den er schleudert.

Neben ihm steht der

Erz. IV. Größe.

Auf den Münzen des Gallienus find die Bildniſſe vieler Gottheiten oder der denselben gehei ligten Thiere sammt ihren Namen angebracht. Die Ursache solcher andächtigen Abbildungen entnehmen wir aus dem Trebellius Pollio. Nach dem Zeugnisse dieses Schriftstellers war das Römerreich unter dem Gallienus von den fürchterlichsten Unglücksfällen heimgesucht. Es raste ein Erdbeben, dergleichen man noch nicht erlebt hatte. Die Erde war mehrere Tage in Finsterniß eingehüllt ; man hörte in ihren Eingeweiden ein Gebrüll , das dem Donner glich.

Viele Gebäude ftürzten ein und begruben unter

ihrem Schutte ihre Bewohner ; viele starben vor Furcht. Verwüstungen in den Städten Asiens an .

Das Erdbeben richtete besonders traurige

Man bemerkte die Erschütterungen in Rom und in Libyen.

An vielen Orten spaltete sich der Boden und aus den Vertiefungen quoll bitteres Wasser hervor. Selbst das Meer gerieth in Empörung und verschlang viele Städte. Zur nämlichen Zeit wüthete eine Seuche , die manchmal in einem Tage fünf tausend Menschen hinraffte. In dieser traurigen Lage erholte man sich in den fibyllinischen Büchern Rath , und in dieſen fand man die Erklärung , daß man die Götter , besonders den Jupiter mit Opfern besänftigen müsse. Dies geschah. Man war aber mit den Opfern nicht zufrieden ; man weihete den Gottheiten auch Münzen. die ihnen geheiligten Thiere und ihre Namen auf sie.

Man sette ihre Bildnisse oder

Auf diese Weise wurde auf den Münzen des

Gallienus eine ordentliche Menagerie erzeugt.

Auf der gegenwärtigen Münze tritt Jupiter auf und zwar unter dem Titel Ultor. Er hatte Agrippa weihete ihm unter eben diesem Titel, wie Plinius

diesen Titel mit dem Mars gemein.

bezeugt, sein merkwürdiges Pantheon. Diese Münze ist wahrscheinlich ein Denkmal, daß unter Jupiters Beistand die an dem Kaiser Valerian verübten Grausamkeiten den Persern richtig vergolten worden sind.

4 Neben dem Jupiter steht der Buchstabe S.

Er gilt statt des Wortes Secunda und erinnert,

daß diese Münze in der zweiten Offizin oder mit dem zweiten Stempel,

Secunda in Officina oder

Secunda Matrice geprägt worden ist. 5)

Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone. Eine Ziege.

Jovi Cons. Aug.

In dem untern Segmente steht der Buchstabe S.

Erz.

M. Größe. Um dem Elende, das unter der Regierung des Gallienus den römiſchen Staat drückte ,

ein

Ende zu machen , ſuchte man die Götter nicht blos mit Opfern , sondern auch dadurch , daß man ihnen Münzen weihete , zu besänftigen.

Man segte aber auf die Weihemünzen nicht immer die Bildnisse der

Gottheiten , sondern häufig die ihnen geheiligten Thiere mit ihren Namen.

Dies geschieht auch hier.

Diese Münze ist laut der auf der Rückseite angebrachten Inschrift dem Jupiter geweihet.

Aber statt

bes Jupiter erblicken wir die Ziege Amalthea , mit deren Milch er als Kind ernährt worden ist ,

die

er sammt ihren zwei Jungen an den Sternenhimmel versezte , aus deren Horn er das bekannte Füllborn machte. Damit man den Gallienus überzeugte , blos um Abwendung des

daß man im furchtbaren Gedränge die Götter nicht

Elendes , sondern auch vorzüglich um Beschügung seiner Person anflehete,

nannte man auf den Münzen die Götter und Göttinnen Schüßer und Schügerinnen des Auguſtus. Darum lesen wir auch hier :

Jovi Conservatori Augusti.

Der im untern Segmente stehende Buchstabe S. gilt statt des Wortes Secunda.

Er bezeugt,

daß die Münze in der zweiten Offizin oder mit dem zweiten Stempel verfertigt worden ist. 6)

Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Jovi Cons. Aug.

Eine Ziege.

In dem untern Segmente

steht

der Buchstabe S.

Silber. Diese Münze kommt ganz mit der vorhergehenden überein. 7) Imp. C. P. Lic. Gallienus Aug. Apollini Conservat. der linken die Leyer.

Apollo nackt hält in der rechten Hand einen Lorbeerzweig und in

Erz . II. Größe.

Auf der Vorderseite steht : auf der Rückseite :

Der Kopf mit dem Lorbeerkranze.

Imperator

Caesar

Publius

Licinius

Gallienus

Augustus ;

Apollini Conservatori.

Zu dem mannigfaltigen Elende , das unter der Regierung des Gallienus den römischen Staat brückte , gehörte auch die Seuche , die manchmal in einem Tage fünf tausend Menschen hinraffte. Um derselben Einhalt zu thun, wandte man sich an Apollo, weil er der Gott war, der unter Nationen Seu chen hinbannte und sie von Seuchen entledigte. Man huldigte ihm mit Hekatomben und mit Weihemünzen , auf denen sein Name und sein Vild , manchmal aber statt seines Bildes eine stellvertretende Figur angebracht war.

Eine solche Weihemünze ist die gegenwärtige. der rechten Hand den Lorbeer. Dieser war ihm werth und heilig. Wir wissen in Apollo hält

5

den Grund , warum zwischen ihm und dem Lorbeerbaume ein enger Verband entstand. schöne Nymphe Daphne ; fand aber keine Gegenliebe. daß sie sich seinem Wunsche fügen sollte ,

flehete sie zu den Göttern ,

und sie in ihren Schooß aufnehmen möchte.

Ihr Gebet wurde erhört.

Erde ein , Baum.

Er liebte die

Da er einst mit aller Heftigkeit in sie drang, daß sich die Erde öffnen

Ihre Füße wurzelten in die

ihr Körper wurde ein Lorbeerbaum , und Apollo umarmte statt der schönen Nymphe diesen

Die Leyer ist dem Apollo als dem Gott der Musen und der Musik eigen.

Nach der Mytho-

logie war Hermes der Erfinder der Lyra und verhandelte sie an Apollo.

Gallienus Aug.

8)

Der Kopf mit der Strahlenkrone."

Appollini Cons. Aug.

Ein Centaur mit dem Bogen.

Auch diese Münze ist dem Apollo geweihet ; Conservatori Augusti.

Erz . IV. Größe.

denn wir lesen auf ihrer Rückseite :

Statt seiner tritt aber auf dieser Rückseite ein Centaur auf.

leicht errathen , woher die Verbindung dieſes Gottes und des Centaurs entstand. Sohn des Apollo und der Stilbe und der Stammvater der Centauren . Centauren im engsten Verbande ;

er war ihr Großstammvater.

Apollini

Es läßt sich

Centaurus war der

Apollo ftand also mit den

Daher konnte man füglich einen Cen-

tauren als Liebling , als Sprossen , als Repräsentanten des Apollo auf seine Münzen segen. Damit der Kaiser überzeugt wurde , daß man , während man den Apollo für die ganze Nation um Hülfe anflehete , besonders um Erhaltung seines theuren Lebens betete , nannte man den Apollo , wie auch die anderen Gottheiten Schüßer des Kaisers. 9)

Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Apollini Cons. Aug.

Ein Centaur mit dem Bogen.

Erz. IV. Größe.

Diese Münze kommt ganz mit der vorigen überein.

10)

Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Apolini Cons. Aug.

Ein Greif.

III. Größe.

Diese Münze ist wie die vorige dem Apollo geweihet.

Wenn auf der vorigen ein Centaur

der Repräsentant des Gottes ist , ist es auf der gegenwärtigen der Greif.

Dieses Wunderthier zeg

nach der alten Götterlehre den Wagen des Helios , der mit dem Apollo vertauscht wurde ; und so kam er mit diesem Gott in Verband. Greife find wie die Sphinre erdichtete Wunderthiere , welche den Leib , die Füße und die Krallen eines Löwen , Kopf und Flügel eines Adlers , Pferdeohren , statt der Mähnen einen Kamm von Fischflossen und einen befiederten Rücken haben.

Das Vaterland der Greife verlegte man bald

dahin , bald dorthin , gewöhnlich aber nach Indien ¹) Auffallend ist es , daß hier das Wort Apolini anders als gewöhnlich geschrieben steht. 11)

Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Marti Pacifero.

Mars in kriegerischer Rüstung hält in der rechten Hand den Delzweig

und in der linken die Lanze und den Schild.

Neben ihm steht der Buchstabe A.

1) Von dem Greife sehe man mein Dußend antiquarischer Rhapsodien.

Tuttlingen.

1844.

Erz . IV. Größe.

E. 70.

6 In dem Elende , das unter der Regierung des Gallienus in furchtbarer Schwere auf dem römischen Staate lastete, suchte man bei allen Gottheiten Rettung. Die gegenwärtige Münze bezeugt, daß man auch den Mars um Hülfe angeflehet habe ; Pacifero.

denn auf ihrer Rückseite lesen wir :

Unter den vielen Titeln , mit denen Mars prangt ,

steht auch der Titel Pacifer , weil er,

wenn seine Wuth und sein Blutdurft mit Zerstörungen und Erwürgungen gesättiget ist , einander kämpfenden Nationen den Frieden schenkt.

Marti

Man gab seinem Bildnisse ,

den gegen

wenn er als Pacifer

erscheint , den Delzweig , den sonst die Friedensgöttin trägt, in die Hand . Manchmal sehen wir ihn wie den Mars Gradivus in schnellem Laufe. Hier steht er stille. Der Buchstabe A. bezeichnet den Stempel oder die Münzofficin ; er gilt für die erste Ziffer. 12)

Gallienus Aug. Diana Felix.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Diana mit dem Jagdspieße in der rechten und dem Bogen in der linken

Hand und dem Jagdhunde bei ihren Füßen. Auf dieser Münze erscheint Diana. und Weihemünzen zu bewegen suchte,

Erz. III. Größe. Wir erkennen daraus, daß man auch sie mit Hekatomben

daß sie dem unter der Regierung des Gallienus verbreiteten

Elende ein Ende machen möchte. Diana wird Felix genannt , weil sie in allen Kämpfen , die sie zu bestehen hatte , glücklich war.

Sie tödtete den Jäger Orion aus Neid , weil sich Aurora in ihn verliebt hatte, die Töchter der

Niobe , weil sich diese über ihre Mutter Latona erhoben hatte , die Chione , weil sich diese für schöner als Diana hielt , die Koronis , Aeskulaps Mutter.

Nur der Zwist, der sich während des Trojaniſchen

Krieges zwischen ihr und der Juno entsponnen hatte , fiel für sie unglücklich aus.

Juno packte ſie, riß

ihr den Köcher von der Schulter und schlug sie damit so auf die beiden Wangen , daß sie sich im Kreise herumdrehte, und die Pfeile aus dem Köcher auf die Erde fielen.

Sie floh weinend ¹).

Diana war Göttin der Jagd ; für eine Jägerin ist der Aufzug , in welchem wir sie auf dieser Münze erblicken , sehr passend.

Ihr Kleid ist kurz , damit sie im Laufe nicht gehindert und nicht

im Gebüsche verwickelt werde ; mit dem scharfen Jagdspieße tödtet sie die starken wilden Thiere ;

mit

dem Bogen sendet sie dem fliehenden Wilde die Pfeile nach, der Hund sucht das Wild auf und holt es ein , wenn es verwundet ist. So gewiß es ist, daß Diana gewöhnlich in dem kurzen , nur bis an die Knie reichenden Kleide vorgestellt wird , so gewiß ist es , daß sie auf geschnittenen Steinen und in Marmor manchmal in unaufgeschürztem Kleide erscheint. ſer Göttin mit dem Gewande ,

In der Villa Mattei in Rom waren zwei Bildsäulen die-

das bis auf die Füße reichte.

dem Gärtchen des Palastes Borghese.

Eine andere ähnliche Diana war in

Die schönste von allen langgekleideten Dianen stand in der

Villa Pamfili. Nach Callimachus in dem Hymnus auf die Diana hat sich die Göttin das kurze Kleid von Jupiter ausgebeten um schnell das Wild verfolgen zu können.

1) Homers Iliade.

21. Gesang.

13)

Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenfrone.

Dianae Cons. Aug.

Ein Hirsch. Unten steht der griechische Buchstabe T. Erz. III. Größe.

Auf der Rückseite liest man :

Dianae Conservatrici Augusti.

Diana wird also um Ret

tung des Staates und um Schuß für den Kaiser angefleht. Sie erscheint nicht in eigener Persön, sondern statt ihrer ein Hirsch , der ihr als der Jagdgöttin geheiliget war. Der griechische Buchstabe gilt für die dritte Ziffer und bezeichnet den dritten Stempel oder die dritte Offizin. 14) Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Dianae Cons. Aug.

Eine Hirschkuh.

Unten steht : XII. Erz . III. Größe.

Diese Münze kommt mit der vorhergehenden überein ; aber statt des Hirſches vertritt die Hirschfuh die Stelle der Göttin.

Die untere Ziffer wird den Stempel oder die Offizin bezeichnen.

15) Gallienus Aug, Der Kopf mit der Strahlenkrone. Dianae Cons. Aug. Eine rückwärts stehende Hirschkuh .

Erz. III. Größe.

Diese Münze unterscheidet fich von der vorhergehenden dadurch , daß die Hirschkuh rückwärts fieht.

16) Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Libero. P. Cons. Aug.

Ein Panther.

Unten steht der Buchstabe : B.

Auf der Rückseite lesen wir : Libero Patri Conservatori Augusti.

Erz . III. Größe.

Diese Aufschrift über-

zeugt uns , daß man auch den Bacchus um Abwendung der hereinbrechenden Unglücksfälle und beson ders um Beschügung des Kaiſers angeflehet habe : denn der Gott Liber ist der Gott Bacchus. In der Angabe, warum man dem Bacchus diese Benennung beigelegt habe , kommen die alten Schriftsteller nicht überein.

Seneka leitet sie daher, weil der Wein , der unter der Herrschaft des Bacchus steht, die

Menschen von Sorgen frei macht. Liber ?

Plutarch wirft die Frage auf: „ Warum nennt man den Bacchus

Vielleicht , weil er Denen, die sich des Weines bedienen, ein gewiffes freies Wesen mittheilt ?

Ober weil er die Libazionen erfunden hat ?

Oder weil er für die Freiheit Bootiens gekämpft hat ?"

Diodor von Sicilien glaubt: der Gott habe diesen Namen erhalten,

weil er alle Städte in Böotien

als frei erklärt, und eine Stadt, die er Libera nannte, erbauet hat "). 1 Auf der Rückseite der Münze ist als Stellvertreter des Bacchus ein Pantherthier abgebildet, weil es dem Bacchus wie der Tiger geheiliget war.

Die Ursache, warum man ihm dieses Thier

weihete, glauben Viele darin zu finden, weil es den Wein sehr liebt und sich mit demselben, man ihn in Wäldern ausseßt , so berauscht, daß man es ohne große Beschwerde fangen kann .

wenn Einige

find der Meinung , man habe dem Bacchus solche grausame Thiere geheiliget , weil er durch die Einführung des Weines die Rohheit und Wildheit der Menschen gebändiget hat. Der unten angebrachte Buchstabe gilt für die zweite Ziffer und gibt die zweite Offizin oder den zweiten Stempel an .

1) In Rom feierte man zur Ehre des Bacchus Liber Feste, die Liberalien hießen.

8 17) Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Neptuno Cons. Aug.

Ein Seeungeheuer.

Unter demselben steht der Buchstabe N.

Erz ,

III. Größe. Die Inschrift auf der Rückseite heißt : Neptuno Conservatori Augusti. alle Götter mit Hekatomben und Weihemünzen bestürmte ,

Da man also fast

daß sie das Elend , welches zur Zeit des

Galliēnus das Römerreich betroffen hatte, endigen und in Mitte des Elendes den Kaiſer ſchüßen möchten, vergaß man auch den Neptun nicht. Neptun ist nicht persönlich abgebildet .

Statt seiner erblicken wir ein Seeungeheuer.

Meergott ist, sind ihm alle Seethiere unterthan und können seine Stelle vertreten.

Weil er

Dieses Ungeheuer

ist am Vordertheile Pferd und am Hintertheile Fisch. Der Buchstabe M. steht statt der zwölften Ziffer und deutet an , daß die Münze mit dem zwölften Stempel oder in der zwölften Offizin geprägt worden ist. 18) Gallienus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenfrone.

Neptuno Cons. Aug.

Ein Seeungeheuer.

Unter demselben steht der Buchstabe N.

Erz.

III. Größe. Diese Münze ist mit der vorhergehenden die nämliche. oder in einer andern Offizin geprägt worden. 19) Gallienus Aug.

Nur ist sie mit einem andern Stempel "

Der Buchstabe N. bezeichnet die dreizehnte Ziffer.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Soli Cons. Aug.

Der Pegasus.

Unten steht der Buchstabe A.

Erz . III. Größe.

Diese Münze ist dem Sonnengott, dem Gott Sol, dem Helios geweiht ; denn auf ihrer Rückseite lesen wir : Soli Conservatori Augusti. Helios , der sonst mit bestrahltem Haupte, mit einer Kugel auf der Hand oder mit einer Peitsche in der Hand oder auf einer Quadriga abgebildet ist, erscheint hier nicht in eigener Person.

Seine Stelle vertritt der Pegasus. Die Ursache , warum man das geflügelte Wunderpferd Pegasus zum Stellvertreter des Sonnengottes machte , läßt sich auffinden. Dieses Pferd soll von Neptun mit der Medusa gezeugt worden seyn , wiewohl es Andere aus den

Blutstropfen der Medusa entspringen lassen . Belerophon bediente sich desselben, um die fürchterliche Chimära zu erlegen. Nach dem Tode derselben kam Pegasus auf den Helikon, stampfte auf der Zinne des wasserleeren Berges mit dem Hufe und entlockte auf diese Weise der Erde den Quell Hippokrene. Diesen Quell begünstigten die Musen und der Musengott Apollo höchlich ; sie wohnten an seinen Gestaden ; sie bade= ten sich in ihm ; sie führten in seiner Nähe Tänze auf; sie erfüllten die Menschen , die sein Waſſer tranken, mit dem Dichtergeiste.

So wurde also Pegasus , der Schöpfer dieses Quells , Liebling der

Musen und Liebling des Musengottes Apollo.

Nun ist aber der Musengott Apollo der Sonnengott,

der Gott Sol, der Helios ; dazu hat ihn die spätere Mythe gemacht.

Pegasus konnte also füglich als

Stellvertreter des Sonnengottes auftreten ¹). Der untere Buchstabe A. , der für die erste Ziffer gilt , macht den Stempel oder die Münz-

offizin kenntlich.

1) Mein Dußend antiquarischer Rhapsodien.

Tuttlingen 1844. S. 85.

9

20) Gallienus Aug. Oriens Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Helios mit der Chlamys auf dem Rücken , mit beßtrahltem Haupte, in schnel-

lem Laufe, hebt die rechte Hand empor und hält in der linken eine Peitsche.

Daneben steht der Buch-

stabe S. Erz. III. Größe. Der auf der Rückseite abgebildete Gott Oriens ist der Sonnengott, der Gott Sol, der Helios, der auf den Münzen vieler Kaiser gewöhnlich unter dem Namen Sol Invictus oder Sol Invictus Comes erscheint.

Er wird Oriens genannt, weil die Sonne im Often emporsteigt , und Helios auf

seinem Wagen in Often aus dem Meere hervorfährt. Der Gott Oriens hat ein bestrahltes Haupt ,

weil die Sonne herrlich glänzt ; er hält eine

Peitsche, weil er derselben bedürftig ist, um die an seine Quadriga gespannten Pferde anzutreiben ;

er

läuft schnell, weil die Sonne am Himmel täglich eine weite Reise um die Erde zurücklegt. Der Buchstabe S. gilt für Secunda Matrix oder Secunda Officina. Der Kopf mit der Strahlenfrone . stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand den Delzweig und in Pax. Aug. Ein der linken Hand die Hafta. Daneben steht der Buchstabe S. Erz. III. Größe: 21) Gallienus Aug.

Unter der Regierung des Gallienus konnte sich der römische Staat des Friedens nicht freuen.

ers

Dreißig Tyrannen warfen sich als Oberherren auf ; auswärtige Nationen beunruhigten die

Gränzen ohne Unterlaß. Kaum war das Schwert in die Scheide gesteckt, so mußte es schon wieder gezogen werden.

Die Perioden des Friedens waren kurz .

den, den Gallienus seinem Volfe geschenkt hat.

Indessen preist diese Münze doch den Fries

Ein Volk ,

das von immerwährenden Unruhen um-

stürmt ist, sieht auch kurze Friedenszeiten als selige Perioden an. Dte Friedensgöttin wurde nicht immer so , wie sie auf dieser Münze auftritt , abgebildet. Manchmal hält sie statt des Delzweiges einen Caduzeus ; manchmal eine brennende Fackel, mit wel cher sie die neben sie hingeworfenen Waffen verbrennt.

Auf Münzen von Terina in Großgriechenland

und auf einer kleinen Silbermünze des Claudius hat sie wie die Viktoria große Flügel.

Auf einigen

Münzen steht sie neben einem Altare , auf welchem der Schenkel eines Opferthieres liegt. ftellung erinnert uns daran ,

Diese Vor

daß man in dem Tempel der Friedensgöttin kein Opferthier schlachtete.

Alle Opferthiere wurden außer demselben geschlachtet , damit ihr Altar nicht mit Blut befleckt wurde. Nur Schenkel wurden auf diesen Altar gelegt. Pura, das ist eine Hafta ohne Eisen.

Die Hasta , welche die Göttin hier trägt ,

ist Hasta

Sie ist Attribut allen Gottheiten mit Ausnahme des Mars .

Der neben der Göttin stehende Buchstabe ist Stempelzeichen oder Offizinzeichen .

22) Gallienus Aug. Pax Aug.

Der Kopf mit der Strählenkrone .

Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand den Delzweig und in Daneben steht die 3iff. V. Erz. III. Größe.

der linken Hand die Hafta.

Die Regierung des Gallienus war im eigentlichsten Sinne eine Regierung des Elendes und des Unglücks . Erdbeben, Seuchen, dreißig Tyrannen, welche die Oberherrschaft an sich reißen wollten, Kriege mit auswärtigen Nationen, Grausamkeiten , die dieser Kaiser, wie einst Nero und Heliogabalus verübte, Und doch wird auf dieser Münze die Fortuna Redux aufgestellt , als ob

verbreiteten überall Unheil.

2

10

unter der Regierung des Gallienus die entschwundenen glücklichen Zeiten in die Gefilde des Römerreiches zurückgekehrt wären . Die Göttin Fortuna seßt ein Ruder auf den Erdball , weil sie die Schicksale der Erdbewohner lenkt, wie das Ruder das Schiff lenkt.

Sie trägt das Füllhorn im Arme, weil von ihr Heil, Ge-

deihen, Segen, Ueberfluß kommt. 24) Gallienus Aug. Laetitia Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone. Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand einen Blumenkrang

und in der linken eine Sense.

Unten steht : VAC.

Auf der Rückseite liest man :

Erz . III. Größe.

Laetitia Aug.

Hier wird also behauptet, daß unter der Re-

gierung des Gallienus Freude über alle Stände verbreitet war. Lüge gab, so ist gewiß diese Behauptung eine Lüge dieser Art.

Wie konnte man sich freuen , da furcht-

bare Erdbeben und Seuchen Grauen und Verheerungen erzeugten , erschütterten ,

Wenn es jemals eine schändliche

da dreißig Tyrannen den Thron

da mächtige auswärtige Nationen die Gränzen auf allen Seiten beunruhigten ; da der

Kaiser Grausamkeiten schändete ?

an Grausamkeiten

reihte und durch den

niedrigsten Charakter seine Würde

Die Göttin der Freude trägt in einer Hand einen Blumenkranz , weil man sich in Rom bei freudigen Ereignissen und bei freudigen Festlichkeiten mit Blumen bekränzte.

Sie hält eine Sense, weil

das Landvolk freudig ist, wenn es die Sense ergreift und den Segen der Erde mähet. Unten mag vielleicht stehen : Quinta (in officina) Prima (matrice) Constantinopoli oder Cusa. 25) Gallienus Aug. Abundantia Aug. Gold´aus.

Der Kopf mit der Strahlenkrone. Ein stehendes Frauenzimmer schüttet

aus einem umgewandten Füllhorn

Daneben steht der Buchstabe B. Erz. III. Größe.

Wenn wir bedenken , daß unter der Regierung des Gallienus durch Erdbeben viele Häuser eingeſtürzt , durch das empörte Meer manche Stadt verschlungen, durch die furchtbaren Seuchen Handel und Wandel unterbrochen , durch die ununterbrochenen Kriege die Staatskaſſen vollends erschöpft wurs den , so werden wir wohl glauben, daß überall Mangel und Noth herrschten. Daher ist diese Münze Lügenheroldia, denn sie sagt , daß zur Zeit , da Gallienus auf dem Throne saß , Ueberfluß herrschte. Die Göttin des Ueberfluffes schüttet aus ihrem Füllhorne Gold aus. den Ueberfluß wahrlich nicht vorstellen können.

Sinnlicher hätte man

Der Buchstabe B. ist Stempelzeichen oder Offizinzeichen.

26. 27. 28) Imp. C. P. Cic. Gallienus P. F. Aug. Der Kopf mit der Strahlenfrone. Providentia Aug. Ein stehendes Frauenzimmer streckt mit der rechten Hand über eine darne-

ben liegende Kugel einen Stab aus und hält am linken Arme ein Füllhorn. Auf der Vorderseite dieser Münzen Pius Felix Augustus.

Silber.

steht : Imperator Caesar Publius Licinius Gallienus

Der Kaiser führt also hier alle Titel , welche die römischen Oberherren in den

früheren Zeiten zu führen pflegten¹) . Providentia Augustorum.

Auf der Nückseite liest man nicht Providentia Augusti, ſondern

Hier wird also die Fürsehung zweier Kaiser angerühmt ; und diese zwei

1) Von diesen Titeln sehe man meine Einleitung in die alte römische Numismatik. Zürich 1842 .

11

Kaiser sind der Vater Valerian und der Sohn Gallienus ; denn Valerian machte dieſen ſeinen Sohn anfangs zum Cäsar und in der Folge auch zum Mitregenten, also zum Augustus . So lange Valerian mit dem Gallienus regierte , konnte man ihn allerdings als einen für das Staatswohl sorgenden, als einen fürsichtigen Mann preisen. Als er aber allein das Ruder in der Hand hatte, handelte er so, daß man ihn als eine Pest des Staates verabscheuen mußte. Die Göttin Fürsehung streckt über eine Kugel , welche die Erde vorstellt , einen Stab aus, weil alles, was auf der Erde vorgeht , unter ihrer Leitung steht.

Sie trägt in ihrem Arme das Füll-

horn, weil sie Gedeihen und Segen ausspendet.

29) Imp. C. P. Lic . Gallienus Aug.

Der Kopf mit dem Lorbeerkranze.

Votis Decennalibus in einem Lorbeerkranze.

Erz. II. Größe.

Bei den Römern war die Gewohnheit eingeführt , daß man alle fünf , alle zehn , alle fünfzehn, alle zwanzig Jahre u. f. f. für die Kaiser feierliche Gelübde entrichtete. Vota Quinquennalia , Decennalia, Quindecennalia , Vicennalia.

Diese Gelübde hießen

Wenn man die Gelübde einer Pe=

riode entrichtete, wurden die Gelübde der folgenden Periode angelobt.

Dies drückte man so aus : Vo-

tis Quinquennalibus Multiplicatis oter Multis Decennalibus u . f. f., oder Sic Quinquennalia , Sic Decennalia u . f. f.

Auf der gegenwärtigen Münze werden die für den Gallienus entrichteten Vota

Decennalia verewiget.

Bei der Entrichtung der feierlichen Gelübde war man in der Berechnung der

festgesezten Perioden nicht ängstlich , man machte große Uebersprünge ; wenn ein Kaiser nur ein halb Jahr auf dem Throne saß, entrichtete man für ihn schon Vota Quinquennalia und Decennalia. Gallienus regierte fünfzehn Jahre , nämlich sieben mit seinem Vater und acht allein. mit Einhaltung der Perieden die Vota Decennalia entrichtet werden.

Für ihn konnten also

Da er nach dem Sturze seines

Vaters Tyrann und entarteter Wollüßtling geworden war, so kann man leicht denken, mit welchen Gefühlen für sein Wohl Gelübde errichtet worden sind.

30) Genius P. R.

Ein bestrahlter Kopf mit dem Modius.

Int . Urb. in einem Lorbeerkranze.

SC. Erz. I. Größe.

Diese Münze eignen Einige dem Auguftus zu .

Sie irren aber offenbar , denn das Gesicht, das wir auf der Vorderseite erblicken , ist augenscheinlich das Gesicht des Gallienus. Auf dieser Vorderseite lesen wir : Genius Populi Romani. Gallienus wird hier also als ein überirdisches Wesen, als ein Genius und zwar als Genius des römischen Volkes vorgestellt. Sein Haupt ist wie das Haupt des Helios mit Strahlen geschmückt , um ihn als ein himmlisches Wesen zu bezeichnen . Er trägt auf dem Haupte den Modius , weil ihn die Genien gewöhnlich tragen¹). Auf der Rückseite liest man : Introitus Urbis oder Introeunti Urbem.

Hier wird also der

feierliche Einzug, den Gallienus nach einer Schlacht und nach Besiegung einer feindlichen Nation oder nach Vertilgung eines Nebenbuhlers gehalten hat , verewigt.

Weil er als Sieger in Rom einzog,

brachte man die Inschrift in einem Lorbeerkranze an.

1) Von den Genien sehe man meine Abhandlung über verschiedene im Königreiche Bayern aufgefundene römiſche Alterthümer. München 1840. S. 13.

2 .

12

Die zwei Buchstaben SC. kommen auf den Bronzemünzen der früheren Kaiser immer vor. Sie heißen Senatus Consulto und beurkunden, daß das Recht, Bronzemünzen zu prägen , dem Senate geblieben ist , nachdem die Kaiser das Recht , Gold- und Silbermünzen zu prägen, als Eigenthum an fich gerissen haben¹).

In den späteren Zeiten verschwanden diese Buchstaben ; denn die Kaiser prägten

Münzen aus allen Stoffen allein. liche Erscheinung .

Sie find alſo hier auf der Münze des Gallienus eine außerordent-

Das Gepräge und die Inſchriftenbuchstaben auf den Münzen des Gallienus ſind größtentheils schlecht, und man entnimmt daraus ohne Mühe , daß zu seiner Zeit die Kunst ganz in Verfall gerathen ist.

Winkelmann führt aber doch einige zur Zeit dieses Kaiſers verfertigte Marmorarbeiten auf,

die einen vortheilhaften Begriff liefern²) .

Aber diese Marmorarbeiten beweisen nur, daß zur Zeit die-

ses Kaisers da und dort noch ein erträglicher Künstler gelebt hat. Wenn wir auf den Münzen anderer Kaiser gewöhnlich den Lorbeerkranz oder das Diadem als Kopfpug und nur selten die Strahlenkrone erblicken, so sehen wir den Kopf des Gallienus faſt_immer mit dieser Strahlenkrone geſchmückt.

Die Ursache dieser Wahl erklärt ſich aus Trebellius Pollio.

Dieser Biograph sagt : ,,Er wollte sich eine Statue , die größer als der Colossus wäre, errichten lassen.

Sie sollte ihn in der Gestalt der Sonne vorstellen ;

aber sie kam nicht zu Stande. "

Aus dieser

Erzählung sehen wir , daß der unsinnige Gallienus an einem Kopfe, der wie der Kopf des Sonnengottes glänzte, Freude hatte . Franz und nicht das Diadem.

Einem solchen Kopfe nahet sich die Strahlenkrone, aber nicht der Lorbeers

2) Meine Einleitung in die alte römische Numismatik. Zürich. 1842. S. 26. 1) Winkelmanu's Werke überseßt von Eiselein. Donaueschingen 1825. S. 328.

13

Beilage

Einige

II.

Münzen

Kaifers

des

gesammelt

und

Probus ,

erklärt

Hon

dem Herrn Akademiker

Dr.

Franz

Anton

Probu 1) Probus P. F. Aug. Victoria Germ.

Mayer.

s.

Die Büfte mit der Strahlenkrone.

Ein mit verschiedenem Waffengeräthe behängter Baumstock, neben welchem

zwei Gefangene mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen sigen. stehen die Buchstaben R. A.

In dem untern Segmente

Erz . III. Größe.

Mark Aurel Valerius Probus , aus Sirmium in Pannonien gebürtig , zeichnete sich als Unter der Regierung und als Kaiser durch edle Anlagen und edle Thaten aus.

Privatperson

des Kaisers Valerian ,

welcher ihm eine Offiziersstelle übertragen hatte ,

und errang gegen die Sarmaten glänzende Vortheile.

ging er über die Donau

Er rettete Valerians Vater aus den Händen

der Quaden und erwarb sich dadurch die Liebe der Soldaten in einem hohen Grade. besiegte er die Markomannen.

Er lieferte mehrere Treffen gegen die Bewohner von Palmyra und

machte Egypten und den größten Theil des Orients dem Aurelian unterthänig. vielen Ehren überhäuft.

Bald darauf

Darum wurde er mit

Er erhielt , wie Vopiskus erzählt , vier Haftä Purä , zwei Bollwerkskronen,

einen Bürgerkranz , vier Fahnen , zwei goldene Armillen, eine goldene Halskette und eine fünfrfündige

14

Opferschale.

Nachdem Tacitus ermordet war , wurde er als Kaiser ausgerufen und mit dem Purpur.

mantel , den man von der Statüe eines Tempels hinweggenommen hatte , bekleidet.

Er wollte diese

Würde nicht annehmen und rief den Soldaten , die ihn als Augustus begrüßten , zu : nicht für euch.

Ihr treffet keine gute Wahl ,

denn ich kann euch nicht schmeicheln."

auch der Senat die Obergewalt übertrug , nahm er sie an.

„ Ich tauge

Da ihm aber

Er bestrafte die Mörder des Aurelian

und des Tacitus , brachte Gallien sammt sechzig Städten, nachdem sie von den Deutſchen in Beſiß genommen worden waren , in die Gewalt der Römer zurück , überwand die Gothen , stellte im Orient die Ruhe wieder her ,

besiegte den Saturnin in mehreren Treffen und vernichtete die Macht des

Prokulus und des Bonosus , die sich die Oberherrschaft anmaßten.

Gallien und Deutschland sind ihm

auch darum viel Dank schuldig , weil er dort dem Weinbaue Plag gemacht hat. gegen die Perser unternahm , wurde er von den Soldaten ermordet ,

Da er den Zug

weil er sie immer beschäftigte

und nicht , wie sie es wünschten und gewohnt waren , müßig seyn ließ.

Diese schwarze That wurde

an ihm im 50. Jahre seines Alters und im 6. seiner Regierung verübt. Auf der Vorderseite der gegenwärtigen Münze lesen wir :

Probus Pius Felix Augustus.

Der Titel Pius wurde von dem römischen Senate dem Kaiser Antoninus wegen seiner sanften und milden Denkart und

wegen seiner schönen Menschenfreundlichkeit zuerst ertheilt.

erhielt der Kaiser Commodus ,

Den Titel Felix

nachdem er den ihm gefährlichen Perennis , den Hauptmann der Leib-

wache glücklich auf die Seite geräumt hatte.

Die Nachfolger dieser Kaiser behielten diese beiden Titel

bei ohne auf Charakter oder Thaten zu sehen.

In den späteren Epochen kommen sie nicht mehr so

häufig wie in den früheren vor. Der Kopf des Probus ist mit der Strahlenkrone , die bei den Römern Corona Radiata hieß , geschmückt.

Diese Krone war ein schmaler ,

entweder ohne Band aufliegender oder mit einem

Bande zusammengezogener Kopfring , aus welchem in gleichen Abſägen konische , und zwar über der Stirne und gegen den Nacken kürzere , aus Gold gearbeitet. krone.

aber in der Mitte längere Strahlen emporstiegen .

Er war

Bei den Römern erhielt Augustus nach seiner Apotheose am ersten die Strahlen-

Nach ihm wurde sie das Attribut aller vergötterten Kaiser.

Einige Kaiser , welche sich alles;

was Schmud heißt , beilegten , machten schon bei Lebzeiten von dieser Krone Gebrauch.

In den späte-

ren Perioden verdrängte sie beinahe ganz den Lorbeerkranz ; jeder Kaiser umwand mit ihr sein Haupt. Wenn Helios, oder Sol, oder Phöbus Apollo auf den Münzen unter dem Titel Sol Invictus, Sol Invictus Comes ,

Oriens auftritt , ist sein Haupt mit Strahlen umgeben.

aber mit der Corona Radiata nicht verwechselt werden ;

Diese Strahlenreihe darf

denn die Heliosstrahlen oder Sonnenstrahlen

oder Phöbusftrahlen steigen aus keinem Ringe empor ; sie schießen wie die Haare aus dem Kopfe selbst empor

.

Die Strahlenkrone des Probus ist auf dieser Münze am Hinterhaupte mit zwei Schnüren, an deren Enden große Perlen hängen , zusammengebunden. den Römern Lemnisci.

1) Meine Dußend antiquarischen Rhapsodien.

Tuttlingen.

1844.

Solche Schnüre oder Bänder hießen bei

S. 133.

15

Auf der Rückseite der gegenwärtigen Münze steht :

Victoria Germanica.

der Sieg , den Probus über die Deutschen erfochten hat , verewigt. öffentliche Denkmäler Anspruch machen.

Hier wird also

Dieser Sieg konnte allerdings auf

Vopiskus liefert folgenden Bericht davon :

" Probus zog mit

einer außerordentlich mächtigen Armee gegen Gallien , welches nach dem Tode des Postumius ganz in Verwirrung gerathen und nach dem Tode Aurelians ganz von den Deutschen in Besig genommen worden war.

Er lieferte dort zu seinem Vortheile so nachdrückliche Treffen , daß er den Barbaren

sechzig der vornehmsten Städte abnahm und darauf sich alle Beute eigen machte , auf welche sie nicht wenig stolz gewesen waren.

Weil sie schon in den römischen Antheil , ja in ganz Gallien ohne etwas

zu befürchten umherschwärmten , erlegte er beiläufig 400,000 , die von dem Römerlande Besig genommen hatten ; die übrigen jagte er über den Fluß Neckar und die Alba zurück. Beute ab, als sie vorher den Römern abgenommen hatten.

Er nahm ihnen so viele

Er erbauete im Lande der Barbaren römis

sche Städte und Lager und legte Soldaten darein u. f. f.“

Wenn diese Beschreibung des Historikers

pomphaft flingt, so klingt der Bericht, den Probus an den Senat schrieb, noch pomphafter. Er schreibt : ganz Deutschland , soweit es sich immer ausdehnt , sey unterjocht ; neun Könige lägen zu den Füßen des Senates ; die Barbaren pflügten und fäcten für die Römer und stritten unter den römischen Eoldaten gegen Roms Feinde ; vierzigtausend Feinde seyen erlegt und sechzehntausend mit ihren Waffen in römische Gewalt gebracht.

Er segt bei , er habe den Deutschen mehr Beute abgenommen ,

bisher den Römern entrissen hätten .

als fie

Um die Herrlichkeit des über die Deutschen errungenen Sieges

recht sichtbar zu machen , hielt er nach seiner Zurückkunft einen Triumph , der den glänzendsten beige. Wer kann sich also wundern , wenn der über die Deutschen erfochtene Sieg auch

zählt werden mußte.

auf Münzen verewiget wurde ? Der mit Waffen waren die Griechen.

behängte Baumstock ist eine Trophäe.

Die Erfinder solcher Trophäen

Sie sagten , Feindseligkeiten dürften nicht ewig dauern.

Darum waren sie zus

frieden nach erhaltenem Siege einen Baumstock mit Waffen zu behängen und auf dem Schlachtfelde aufzustellen.

Die Römer folgten ihrem Beiſpiele ; verfertigten aber dabei auch aus Stein und Metall

Trophäen, die sie auf die Triumphbogen ihrer Kaiser stellten.

Neben dem schönen Plage des Kapitols

in Nom sieht man noch zwei stattliche aus Stein gearbeitete Trophäen ,

die zur Ehre Trajans nach

dem Dacischen Kriege, und nicht , wie man früher glaubte , zur Ehre des Marius gesezt worden sind . An den neben der Trophäe auf der Erde sigenden Elenden müssen wir zwei brave Landsmänner bedauern.

Sie gelten als Repräsentanten der ganzen unglücklichen Nation.

Die im untern Segmente angebrachten zwei Buchstaben R. A. machen die Stadt kenntlich, in welcher die Münze geprägt worden ist.

Sie heißen :

ging also aus der ersten Münzofficin in Rom hervor.

Romae Prima (in officina).

Diese Münze

Wir dürfen nicht lesen Ravennae, weil auf

einer Münze des Probus in der nämlichen Form steht R. B. , also Romae Secunda. 2) Imp. Probus Aug. Victoria Germ.

Die Büste mit der Strahlenkrone.

Ein mit verschiedenem Waffengeräthe behängter Baumstock, neben welchem

zwei mit auf den Rücken gebundenen Händen sigen. R. A.

Erz. III. Größe.

In dem untern Segmente fliehen die Buchstaben

16

Diese Münze kommt mit der vorhergehenden vollends überein. Nur die Aufschrift um den Kopf des Kaisers weicht ab .

Er wird hier Imperator genannt.

der Republik jeder Feldherr ,

Diesen Titel führte in den ältesten Zeiten

dem das Kommando über die Armee übertragen worden war.

Epäter

erhielt ihn der Feldherr nur dann , wenn er einen wichtigen Sieg erfochten , und wie Appian glaubt, eine wenigstens 10,000 Mann ftarke feindliche Armee geschlagen hatte.

So oft er auf diese Art siegte,

so oft wurde er von der Armee und von dem Senate mit dem Imperators- Titel beehrt ; und so wurde er Imperator Secundum ,

Tertium u. f. f.

Die Kaiser nahmen dieſen Titel,

ohne auf Siege zu

merken, als Oberherren der Armee und des Staates an. Dabei ließen sie sich aber, wenn sie in eige ner Person oder durch ihre Generale wichtige Siege erfochten , Imperators - Titel ertheilen und wiederholen.

auch den aus Siegen hervorgehenden

Der aus der Kaisersmacht hervorgehende Imperators-

Titel steht auf Münzen und anderen Denkmälern am ersten Plage ,

der aus Siegen hervorgehende

unter den andern Titeln ¹) .

3) Imp. Probus Aug. Adventus Aug. nieder ;

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Der Kaiser zu Pferd

reitet einen auf der Erde sigenden Gefangenen

er hebt die rechte hand empor und trägt in der linken eine Lanze.

staben R. S.

Unten stehen die Buch-

Erz . III. Größe.

Diese Münze erinnert an den feierlichen Einzug ,

den Probus nach unzählbaren auf dem

Schlachtfelde überstandenen Gefahren und Beschwerden , und nach seinen glänzenden errungenen Siegen in Rom hielt; denn wir lesen auf ihrer Rückseite :

Adventus Augusti.

Die Vorstellung ist passend.

Der Kaiser reitet einen Gefangenen nieder zum Zeichen , daß er alle ihm bisher entgegenstehenden Feinde besiegt und unterwürfig gemacht hat.

Er trägt die Lanze , weil er aus dem Schlachtfelde und

aus dem heißen Kampfe in die Mitte seines Volkes zurückkommt.

Er streckt die Hand aus um sich

als den Gebieter kenntlich zu machen , der den Armeen Befehle ertheilte und jegt den Römern Geseze ertheilen wird. Die unteren Buchstaben heißen :

Romae Signata.

4) Imp . C. M. Aur. Probus P. Aug.

Die Büſte mit dem Helme auf dem Haupte, mit der

Lanze auf der rechten Schulter und mit dem Schilde an der linken Seite. Virtus Probi Aug.

Der Kaiser zu Pferd reitet einen auf der Erde sigenden Gefangenen

nieder ; er hebt die rechte Hand empor und trägt in der linken eine Lanze. R. O. , und unter dem Pferde der griechische Buchstabe Z. Auf der Vorderseite liest man : Augustus.

Erz .

Imperator Caesar

Unten steht :

XXI.

III. Größe .

Marcus Aurelius Probus Pius Felix

Das Bild ist volle Bezeichnung eines Kriegers ; der Helm , die Lanze , der Schild find

das Wappen eines Mannes , der kein wichtigeres Geschäft als die Besiegung der Feinde kannte. Die Helme der römischen Feldherren haben gewöhnlich einen aus verschiedenen gefärbten Federn oder aus Pferdehaaren verfertigten Auffag, der Crista hieß.

Der Helm des Probus hat diese

1) Meine Einleitung in die alte römiſche Numismatik, und mein Dußend antiquarischer Rhapsodien.

17 Zierde nicht ; über die eherne Kopfbedeckung läuft eine eherne halbzirkelförmige Erhöhung . wie Probus bekümmerte sich um Zieraten , an denen Andere Freude fanden , nicht. Was die lateinische Sprache Virtus nennt , nennt die deutsche Heldenmuth. muth des Probus wird auf der gegenwärtigen Münze gerühmt.

Ein Mann

Dieser Helden.

Der Heldenmüthige erscheint auf

ihrer Rückseite , wie auf der Rückseite der vorhergehenden Münze , àls Krieger , der gebot und siegte. Die Ziffer XXI. kommt auf den Münzen des Probus , abweichende Typen haben , häufig vor.

wenn sie auch von einander ganz

Weil also der nämliche Stempel nicht verschiedene Typen

liefert , kann diese Ziffer nicht den Stempel bezeichnen.

Sie bezeichnet die Münzoffizin .

die hier im untern Segmente stehenden Zeichen den Sinn :

Mithin haben

Vigesima Prima ( in officina ) Romae.

Der unter dem Pferde stehende griechische Buchstabe Z. gilt statt der siebenten Zahl und macht den Stempel, mit welchem diese Münze geprägt worden ist, kenntlich. 5) Imp. C. M. Aur. Probus P. F. Aug. frone umwunden ist ,

Die Büfte mit dem Helme, der mit der Etrahlen-

auf dem Haupte , mit der Lanze auf der rechten Schulter und mit

dem Schilde an der linken Seite. Virtus Probi Aug. welchem

zwei

mit

auf den

Ein Rücken

mit verschiedenem Waffengeräthe gebundenen Händen figen.

behängter Baumstock , neben

Unten

steht :

XXI. P.

Erz.

III. Größe. Auf der Vorderseite erscheint Probus als Held und als Kaiser.

Der Helm , die Lanze , der

Schild bezeichnen den Helden , die um den Helm geschlungene Strahlenkrone den Kaiser. Auf der Rückseite wird, wie auf den vorhergehenden Münzen, der Heldenmuth des Probus gerühmt ; wir lesen auch auf ihr : flock ist eine Trophäe.

Virtus Probi Augusti.

Der mit Waffengeräthe behängte Baum-

Er erinnert , daß der Held Probus auf jedem Schlachtfelde ,

kämpfte, solche Siegeszeichen errichtet hat.

auf dem er

Die neben der Trophäe sigenden Gefangenen sind Repräs

sentanten der von Probus unterjochten Nationen . Die unteren Zeichen werden heißen : 6) Virtus Probi Aug.

Vigesima Prima (in officina) Prima (Matrice) .

Die Büste mit der Strahlenkrone auf dem Haupte, mit der Lanze in

der rechten und mit dem Schilde in der linken Hand.

Virtus Aug.

Ein stehendes Frauenzimmer in kriegerischer Rüstung hält auf der rechten . Hand die Statue der Viktoria und in der linken den Schild und die Lanze. Unten steht : XX. T. Erz. III. Größe. Diese Münze erprobt , daß Probus seinen höchsten Ruhm in seinem Heldenmuthe suchte , und daß seine Zeitgenossen an ihm am meisten seinen Heldenmuth bewunderten : denn auf der Vorderseite und auf der Rückseite steht Virtus.

Der Heldenmuth wird gewöhnlich wie hier durch ein in Kriegesrüstung gekleidetes Frauen, zimmer vorgestellt.

Man gab ihm eine Siegesstatüe in die Hand , weil Siege der Lohn des Helden.

müthigen sind. Unten steht :

Vigesima (in officina) Tertia (matrice).

3

18

7)

Imp. C. M. Aur. Probus P. F. Aug.

Die Büfte mit der Strahlenkrone auf dem Haupte

hält in der rechten Hand einen Scepter mit einem Adler. Virtus Probi Aug. Hand ,

Mars mit dem Helme auf dem Haupte , mit der Lanze in der rechten

mit der Trophäe auf der linken Schulter

wandelt hastig .

Unten steht :

XXI.

Q.

Erz.

III. Größe. Auch diese Münze ist ein dem Heldenmuthe des Probus geweihtes Denkmal ; fteht :

Virtus Probi Augusti.

denn auf ihr

Auf der Vorderseite erscheint der Kaiser mit der Strahlenkrone auf

dem Haupte und mit dem Scepter in der Hand wirklich in kaiserlicher Majestät. Auf dem Scepter des Kaisers ist ein goldener Adler angebracht. Jupiter geheiligt.

Jupiter nahm im Olymp den ersten Plag ein.

Dieser Vogel war dem

So konnte denn der Kaiser , der

auf der Erde auch den ersten Plaz behauptete , diesen Adler auf seinen Scepter segen. Auf der Rückseite ist Mars selbst Symbol des Heldenmuthes.

Er sagt uns ,

daß Probus,

der Held , sein Liebling und ein zweiter Mars sey. Fast allen Gottheiten ist eine Hafta in die Hand gegeben.

Aber diese Hasta ist immer ohne

Eisenspige um die nachdruckſame , aber zugleich sanfte Regierungsart dieser Gottheiten zu bezeichnen . Eine solche Hasta hieß Hasta Pura.

Mars begnügt sich nicht mit der Hasta Pura.

Er ist wuth-

volle , tödtende Gottheit ; darum trägt er auch die mit der mordenden Eisenspige geschärfte Hasta.

Er

trägt auch die Trophäe , weil er Siege an Siege reihet und auf jedem Schlachtfelde , das er betritt, Siegeszeichen errichtet. Mars , der schnell wandelt, heißt Mars Gradivus.

Man gab ihm diese Vorstellung und Be-

nennung um sein unermüdetes Wirken und sein schnelles Siegen zu beurkunden. In dem untern Segmente liest man Vigesima Prima (in officina) Quinta (matrice). 8) Imp. C. M. Aurel. Probus Aug. Fides Milit.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand die Haſta und in der

linken ein geschränktes Feldzeichen .

Unten steht :

XXI. G.

Erz . III. Größe..

Hier wird die Treue , mit welcher die Soldaten dem Probus Treue war anfangs wirklich fest.

Am Ende verschwand fie .

anhingen , gepriesen.

Diese

Weil der gute Probus seine Soldaten

immer beschäftigte und nicht , wie sie wünschten und gewohnt waren , müßig seyn ließ , haßten und mordeten sie ihn.

Wenn wir also auf Münzen lesen Fides Militum , müssen wir an die lezte Kata-

ftrophe nicht denken. Die Treue wird gewöhnlich als ein Frauenzimmer mit einem oder mehreren Feldzeichen vorgestellt.

Indessen erscheint sie auch in anderen Formen ¹) . Wenn wir in dem untern Segmente den Buchstaben G. statt der siebenten Ziffer gelten lassen,

so können wir lesen :

Vigesima Prima (in officina) Septima (matrice).

1) Meine Einleitung in die alte römische Numismatik.

Zürich , 1842.

S. 82.

19

9) Probus P. F. Aug. Fides Militum .

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Ein stehendes Frauenzimmer hält in jeder Hand ein Feldzeichen.

Unten

fteht R. C. Erz. III. Größe. Diese Münze verewiget, wie die vorhergehende, die Treue der Soldaten gegen den Probus . Das auf der Nückselte abgebildete Frauenzimmer hält zwei Feldzeichen . Romae Cusa. 10)

Imp. Probus P. F. Aug. Concordia Aug.

Im untern Segmente liest man :

Der Kopf mit der Strahlenfrone.

Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand eine Opferschale

und im linken Arme zwei Füllhörner.

Unten steht XX. , und neben dem Frauenzimmer Q.

Erz.

Hier wird die Eintracht gepriesen, welche zwischen dem Kaiser und den Armeen blühte.

Die

III. Größe.

Göttin Concordia trägt eine Opferschale, weil sie Göttin ist und mit Opfern geehrt wird , und Füll hörner, weil sie Segen über Länder und Familien verbreitet. Sie hatte in Olympia

Die Göttin Concordia wurde von Griechen und Römern hochgeehrt. einen eigenen Altar und in Rom mehrere Tempel.

Von einem dieser Tempel ,

den der Diktator Cu-

rius Camillus , nachdem zwischen dem Volke und dem Senate der zerrissene Friede wieder hergestellt war , am Abhange des Kapitols an der Seite des Forums , des jezigen Campo Vaccino, erbauet hatte, sind noch majestätische Reste übrig.

Sie bestehen in acht ungeheuren Granitsäulen, die den Por-

tikus des Tempels gebildet haben , und in ihrem Gebälke , an welchem man herrliche Ornamente und die alte Inschrift ſieht. Die Münze ist in der zwanzigsten Offizin mit dem fünften Stempel geprägt worden : denn die Ziffern und der Buchstabe heißen : Vigesima (in officina) Quinta (matrice.) 11 ) Imp. C. M. Aurel, Probus Aug. Der Kopf mit der Strahlenkrone. Concordia Milit. Ein Frauenzimmer reicht dem Kaiser die Hand. Zwischen ihnen steht der Buchstabe P., unten die Ziffer XXI. Erz. III. Größe. Auch hier wird die Eintracht, die zwischen dem Kaiser und den Armeen: herrschte , gepriesen. Das Frauenzimmer, das dem Kaiser die Hand reicht , ist die Göttin Concordia. Die unten angebrachten Zeichen lauten auf die ein und zwanzigste Offizin und auf den ersten Stempel.

Sie heißen : Vigesima Prima (in officina) Prima ( matrice). 12) Imp. C. M. Aur. Probus Aug.

Die Bäste mit der Strahlenkrone auf dem Haupte

hält in der rechten Hand einen Scepter mit einem Adler. Concord. Milit.

Ein Frauenzimmer reicht dem Kaiser die Hand.

Unten steht : P. XX. T.

Erz. III. Größe . Diese Münze kommt in der Hauptsache mit der vorhergehenden überein. Was unten steht, mag gelesen werden : Percussa Vigesima (in officina) Tertia (matrice) ¹).

1) Von anderen Abbildungen der Eintracht sehe man meine Einleitung in die alte römische Numismatik S. 76. 3 *

20

13) Imp . Probus P. I. Aug.

Die Büste mit der Strahlenkrone auf dem Haupte hält in der

rechten Hand einen Scepter mit einem Adler. Pax Augusti. Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand den Delzweig und in Daneben steht die Ziffer V., unten die Ziffer XXI, Erz. III . Größe.

der linken die geschränkte Hasta.

Hier wird der Friede gepriesen, dessen sich der römische Staat erfreute , nachdem Probus die Feinde auf allen Seiten gebändiget hatte. Die Göttin des Friedens erscheint in ihrer gewöhnlichen Die beiden Ziffern heißen : Vigesima Prima (in officina) Quinta (matrice).

Form.

14) Imp. C. Probus P. F. Aug. Pax Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand den Delzweig und in

der linken die geschränkte Hasta. Größe.

Daneben steht die Ziffer VI. , unten die Ziffer XXI.

Erz . III.

Diese Münze kommt mit der vorhergehenden überein ; sie ist aber mit dem sechsten Stempel laut der neben der Friedensgöttin stehenden Ziffer geprägt worden. 15) Imp . C. Probus P. F. Aug. Pax Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Ein stehendes Frauenzimmer hält in der rechten Hand den Delzweig , in der

linken die geschränkte Hafta.

Daneben steht der Buchstabe S., unten die Ziffer XXI. Erz. III. Größe.

Diese Münze ist das leibhafte Ebenbild der vorhergehenden. besondere Deutung gegeben werden.

Nur muß dem Buchstaben S. eine

Er steht statt des Wortes Secunda und bezeichnet den zweiten

Stempel. 16) Imp. C. Probus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Securit. Perp .

Ein stehendes Frauenzimmer lehnt sich mit dem linken Arme auf eine Säule und legt die rechte Hand auf den Kopf. Unten steht : P. XXI. Erz . III. Größe. Auf der Rückseite liest man : Securitas Perpetua . Che Probus den Thron bestieg, sah Rom seine Besigungen von verschiedenen Feinden theils

angefallen , theils bedroht.

Da er aber an der

Spige seiner Armeen gegen sie zog und sie auf allen Seiten vernichtete oder zurückdrängte, verschwanden alle Bangigkeiten ; man hielt sich für sicher. wird auf dieser Münze gepriesen.

Diese durch den Probus herbeigeführte Sicherheit

Zum Zeichen , daß man diese Sicherheit für recht fest und unwan-

delbar hielt, schrieb man auf die Rückseite der Münze : Securitas Perpetua. Die Göttin der Sicherheit legt ihre Hand auf den Kopf, wie wir es machen , wenn wir uns zum Schlafe bereiten.

Sie lehnt sich auf eine Säule zum Beweise , daß sie sich nicht mehr vor Er-

schütterungen oder Störungen fürchtet. Unten steht Prima (matrice) Vigesima Prima (in officina . ) 17) Imp . C. M. Aurel. Probus Aug. Der Kopf mit der Strahlenkrone. Felicitas Aug. Ein stehendes Frauenzimmer hält mit der rechten Hand einen Caduzeus und

im linken Arme ein Füllhorn .

Daneben steht der griechische Buchstabe E und unten die Ziffer XXI.

Erz. III. Größe. Hier wird die Glückseligkeit oder der glückliche Zustand , in welchen Rom durch den Probus verseßt worden ist, gepriesen. Dies sagt die Aufschrift : Felicitas Augusti.

21

Die Göttin Felicitas erscheint auf den Münzen vieler Kaiser , und zwar gewöhnlich, wie hier, mit dem Caduzeus und dem Füllhorne.

Der Caduzeus ist Symbol der Götterregierung.

Sein Stab

erinnert an ihren Nachdruck, das Schlangenpaar an die Klugheit, das Flügelpaar an die Schnelligkeit in der Ausführung ihrer Anordnungen.

Weil also da ,

wo die Götter oder die Menschen wie die

Götter regieren , die Felicitas zu Hause ist, bildete man die Hasta in einen Caduzeus um.

Das Füll-

horn durfte dieser Göttin nicht fehlen , weil sie die Göttin des Segens und des Ueberflusses ist.

Auf

manchen Münzen ist ein bemanntes Schiff Symbol der Glückseligkeit , weil das Leben eines beglückten Menschen sanft wie ein auf ruhiger See hinschwebendes Schiff dahinfließt. Diese Münze ist in der einundzwanzigsten Offizin mit dem fünften Stempel geprägt worden. Dies sagt der griechische Buchstabe und die Ziffer. 18) Imp. Probus P. F. Aug. Der Kopf mit der Strahlenfrone. Jovi Cons. Prob. Aug.

und in der linken die Hasta.

Jupiter nackt , stehend , hält in der rechten Hand den Donnerkeil Unten steht R. A. Erz. III. Größe.

Die Römer sehten auf die Münzen der Kaiser häufig die Bildnisse der Götter und der Göttinnen und nannten sie Schüßer und Schüßerinnen der Herrscher, um sie, obwohl sie ihnen meist verhaßt waren , zu überzeugen , daß sie oft und herzlich für ihr Wohl die Gottheiten anflehten. Jupiter als Gott der Götter und Lenker der menschlichen Schicksale, ohne welchen die andern Gottheiten nicht zum ersehnten Ziele gelangen können, spielt eine besondere Rolle. er als dessen Schüßer auf.

Auch auf den Münzen des Probus tritt

Zu diesen Münzen gehört die gegenwärtige ;

denn auf ihrer Rückseite le-

fen wir : Jovi Conservatori Probi Augusti. Jupiter war der Wolkenversammler , der Donnerer , der Bligschleuderer. den Donnerteil.

Darum trägt er

Die Hasta Pura ist das Attribut aller Gottheiten mit Ausnahme des Mörders Mars ;

wie könnte sie also dem Gott der Götter entzogen werden ? Die im untern Segmente angebrachten Buchstaben R. A. heißen : Roma Prima (in officina). 19) Virtus Probi Invicti Aug. Die Büfte mit dem Helme auf dem Haupte, mit der Lanze auf der rechten Schulter und mit dem Schilde an der linken Seite. Marti Pacif.

Mars in kriegerischer Rüstung, schnellwandelnd , hält in der rechten Hand den

Delzweig und in der linken die Lanze und den Schild.

Neben ihm steht die Ziffer 1. und unten die

Ziffer XXI. Erz. III. Größe. Wer, wie Probus , stolze Nebenbuhler vertilgen , mächtige feindliche Nationen bändigen und auf jedem Schlachtfelde unsterblichen Ruhm ernten wollte , hatte den Schuß des Mars nöthig .

Ohne

diesen blieb er von dem Ziele entfernt. Die Römer prägten Münzen mit dem Vildnisse dieses Gottes, um den Probus zu überzeugen , daß sie wirklich diesen Schuß für ihn mit allem Drange suchten. Unter den vielen Titeln , mit denen Mars beehrt war , stand auch der Titel Pacifer,

weil

er nach heißen, blutigen Schlachten den Völkern den Frieden schenkte. Man gab seinem Bildnisse, wenn er als Pacifer auftrat, den Delzweig in die Hand , den sonst die Friedensgöttin trug , und ließ ihn ſchnell laufen , daß er eben so willig und thätig sey , Frieden zu stiften ,

als die Friedensstörer zu

bändigen.

Die zwei Ziffern heißen : Vigesima Prima (in officina) Prima (matrice) .

22

20) Imp. C. M. Aur. Probus P. F. Aug. Die Büfte mit der Strahlenkrone auf dem Haupte hält in der rechten Hand einen Scepter mit einem Adler. Soli Invicto.

Helios auf einem mit vier schnellen Pferden bespannten Wagen.

Unten stehen

die Ziffern XXI. V. Erz. III. Größe. Auf der Rückseite erscheint als besonderer Schüßer des Kaisers der Sonnengott , der Gott Sol, der Helios. Dieser Helios war ein Sohn des Hyperion und der Thia, also ein Sprosse der Titanen, wiewohl ihn Andere einen Sohn des Jupiter, oder des Vulkan , oder des Argantos , oder des Arates ſeyn laſſen.

Man glaubte , daß er täglich auf einer Quadriga am Himmel um die Erde fahre.

ginus nennt diese Pferde Eos , Aethiops, Sterope nnd Bronte. Namen Chronos , Aethon, Astrope und Bronte. chis, oder am Oftrande der Erde. er dahin zurück.

Helios hat seinen Palast im Weltmeere, oder in Kol-

Am Morgen fährt er aus seinem Palaste empor ; am Abende kehrt

In Griechenland hatte er mehrere Tempel , z . B.. in Korinth und Argos .

Hauptsiz war Rhodus, das ihm den berühmten Colossus geweiht hatte. geweihter Colossus. Wagen in's Meer.

Hy-

Von einigen Anderen erhalten sie die

Sein

Auch in Elis war ein ihm

Die Rhodier warfen jährlich als ein ihm geheiligtes Opfer einen vierspännigen In Syrien wurde er hoch verehrt.

In Rom hatte er einige Tempel.

Helioga.

balus erhob seine Verehrung bis zum Grade eines gränzenlosen Unsinnes . Helios wird gewöhnlich wie hier Invictus und oft Invictus Comes genannt.

Er heißt In-

victus, weil seine Fahrt um die Erde unaufhaltbar und stets unwandelbar ist , und weil sich kein Wagenlenker mit ihm vergleichen kann ,

Comes , weil er die Erdenbewohner bei ihrem Wirken begleitet.

Auf vielen Münzen heißt er auch Oriens , weil er im Osten auf seiner Quadriga emporfährt.

Die

spätere Mythe vertauschte ihn mit dem Apollo. 21) Imp. C. M. Aur. Probus P. F. Aug.

Die Büste mit der Strahlenkrone auf dem Haupte

hält in der rechten Hand einen Scepter mit einem Adler. Soli Invicto. Helios auf einem mit 4 schnellen Pferden bespannten Wagen. C. M. XI. P. Erz. III. Größe.

Unten steht :

Diese Münze unterscheidet sich von der vorhergehenden durch die Richtung der Pferde, die an die Quadriga gespannt sind. Auf der vorhergehenden Münze laufen sie nach der nämlichen Richtung, auf der gegenwärtigen nach einander entgegengesezten Seiten. Unten mag man , damit man doch etwas liest, lesen : Constantinopolitana Moneta Undecima (in officina) Percussa. 22) Virtus Probi Aug. Die Büfte mit dem Helme auf dem Haupte trägt auf der rechten Schulter die Lanze und auf der linken Seite den Schild.

Conservat. Aug.

Eine nackte ,

nur mit der Chlamys auf dem Rücken bedeckte männliche

Figur mit bestrahltem Haupte hebt die rechte Hand empor und trägt auf der linken eine Kugel.

Un-

ten steht: P. XX. T. Erz . III. Größe. Auf der Rückseite lesen wir : Conservatori Augusti. Hier wird also eine Gottheit als Schü. ßer des Kaisers aufgeführt , aber ihr Name nicht genannt. Gottheit hier die Rolle spielt.

Indeſſen ist es nicht zweifelhaft , welche

Sie ist der Sonnengott , der Gott Sol , Helios ;

denn wir treffen

auf unzählbaren Münzen die nämliche Figur an und leſen dabei Soli Invicto Comiti.

23 Man stellte den Sonnengott mit bestrahltem Haupte vor , um den Glanz der Sonne zu bezeichnen.

Man gab ihm eine Kugel in die Hand , weil er den ganzen Erdball mit Licht und Wärme

versorgt. Unten lesen wir : Percussa Vigesima (in officina) Tertia (matrice). 23) Imp. C. M. Aur. Probus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone. Ein stehendes Frauenzimmer hält in der linken Hand die Hasta und füttert mit der rechten aus einer Schale eine von einem Altare emporsteigende Schlange . Unten steht XXI.

Salus Aug.

4. Erz. III. Größe. Die Inschrift auf der Rückseite heißt : Salus Augusti.

Das dort stehende Frauenzimmer ist

die Hygeia oder Hygia, die Tochter oder Gemahlin des Aeskulap , hatte in Athen und in mehreren Orten Tempel und Altäre.

die Göttin der Gesundheit.

Sie

Auf Münzen und Gemmen erscheint sie

häufig und immer als ein mit der Fütterung einer Schlange beschäftigtes Frauenzimmer.

Der Ver-

band zwischen ihr und der Schlange stammt daher, weil die Schlange dem Aeskulap , ihrem Gatten oder Vater geheiliget war, und weil sich dieser selbst, da die römischen Abgeordneten in seinem Tempel zu Epidaurus Hilfe suchten , in eine Schlange verwandelt hat und in dieser Gestalt mit den Abge. ordneten nach Rom abgeschifft ist.

Man sezte das Bildniß der Hygeia unter dem Namen Salus auf

die Münzen der Kaiser, um sie zu überzeugen, daß man zu ihr oft und herzlich um blühende Gesundheit dieser Oberherren flehte. Unten steht : Vigesima Prima (in officina) Quarta (matrice). 24) Imp. C. Probus P. F. Aug. Salus

Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Ein sigendes Frauenzimmer lehnt

den linken Arm

auf den Seffet

und

füttert mit der rechten Hand aus einer Schale cine von einem Altare emporsteigende Schlange. Unten steht: XXI. T. Erg. III. Größe. Diese Münze kommt in der Hauptsache mit der vorhergehenden überein. Dort steht, hier figt die Göttin. Unten steht : Vigesima Prima (in officina) Tertia (matrice). 25) Imp. C. M. Aur. Probus Aug.

Der Kopf mit der Strahlenkrone.

Perpetuitae Aug. Ein neben einer Säule stehendes Frauenzimmer hebt mit der rechten Hand eine Kugel empor, und hält in der linken die geschränkte Haſta.

Unten steht : QTS. Erz . III. Größe. Auf der Rückseite steht deutlich Perpetuitae Aug. Hier wird also behauptet, daß die durch den Kaiser herbeigeführte Herrlichkeit Roms und sein eigener Ruhm ewig dauern werde. Neben der Perpetuitas ist eine Säule als Symbol der Festigkeit und unerschütterlichen Dauer angebracht. hebt eine Kugel empor.

An der Kugel läßt sich kein Anfang und kein Ende angeben.

bol alles Dessen, was ewig dauert. Der Ausdruck Perpetuitae anstatt Perpetuitati ift gewiß auffallend.

unten steht: Quinta (in officina ) Tertia (matrice ) Signata. 26) Imp. Probus Aug.

Die Büste mit der Strahlenkrone auf dem Haupte.

Sie

Sie ist Sym-

24

Romae Aeter.

Ein mit sechs Säulen gezierter Tempel, in welchem die Statue der Göttin

Rom sigend vorgestellt ist.

Unten steht R. B. Erz . III. Größe.

Auf der Rückseite liest man : Romae Aeternae.

Man sezte Roms Bildniß auf die Münzen

der Kaiser, um anzuzeigen , wie herzlich die Römer diesen ihren Oberherrn für die ihnen verschaffte Herrlichkeit, Sicherheit und Glückseligkeit dankten , und wie innig sie an dieselben angeschlossen waren. Rom war als Göttin betrachtet , hatte Tempel und Altäre und wurde mit Opfern geehrt. blicken wir auch hier Roms Statue in der Tempelhalle.

Darum ers

Die Statue erscheint in kriegerischer Rüstung

mit dem Helme auf dem Haupte , mit der Hasta in der linken und mit der Viktoria auf der rechten Hand.

Diese Vorstellung erinnert an den kriegerischen Muth und

an die Siege der Römer und an

die göttliche Würde Roms¹ ) . Rom wird Roma Aeterna genannt , weil man fest überzeugt war , daß sich seine Herrlichkeit und seine Macht niemals endigen werden. Wenn Jupiter bei Virgil von der künftigen Erhabenheit Roms weissagt, spricht er: Romulus excipiet gentem, et Mavortia condet Moenia , Romanosque suo de nomine dicet.

His ego nec metas rerum, nec tempora pono ; Imperium sine fine dedi. Die in dem untern Segmente angebrachten Buchstaben heißen : Romae Secunda ( in officina) . Die meisten bisher beschriebenen Münzen des Probus sind in Silber ausgefotten. dieser Art heißen Numi tincti ,

also übertünchte Münzen.

Münzen

Einige glauben , daß sie nicht in Silber

ausgefotten , sondern bei der Prägung mit äußerst feinen Silberblättchen oder Zinnblättchen bedeckt wurden und auf diese Weise die Silberfarbe erhalten haben. wahrscheinlicher.

Der Augenschein macht das Aussieden

Mir ist Probus ein verchrungswürdiger Mann und jede seiner Münzen ,

auch blos in Silber ausgefotten ist ,

kostbarer als Goldmünzen ,

wenn ste

weil er die unter dem Namen der

Teufelsmauer bekannte römische Landmarkung, nachdem sie in Verfall gerathen war, wieder hergestellt hat.

Diese Landmarkung ist gewiß das wichtigste Monument, das den deutschen Boden schmückt.

Ich

habe sie, nachdem sie vorher durch elende, lügenhafte Beschreibungen entweihet worden war, von ihrem Anfangspunkte bis an die Gränze des Königreichs Würtemberg Schritt für Schritt beschrieben.

Die

F. Akademie der Wiſſenſchaften nahm meine in vier Hefte vertheilte Beschreibung in ihre Denfſchriften auf.

Manche schrieben meine Abhandlungen beinahe wörtlich ab

Resultate ihrer Untersuchungen aus.

und gaben ihre Abschreibungen als

Dies ist gewiß nicht sehr erbaulich.

1) Der Tempel der Göttin Nom stand nach Viktors Angabe in der vierten Region der Stadt neben der Via Sacra.

25

Beilage

III.

Ueber die

fränkischen

Slaven.

Von dem

Herrn Advocaten Künßberg.

Sollte die vorstehende Ueberschrift manchem Leser ein Zeichen der Verwunderung entlocken, Es kann Einer alle Schriften des römiſchen und griechischen Alterder Sarmaten gedenken , er fann die ganze historische und poetioder Germanen der , welche thums

so wäre dieß begreiflich genug .

sche mittelalterliche Literatur und alle neueren Werke , welche den Titel führen : Deutsche Reichs— es kann Jemand all' geschichte , Geschichte der Deutschen , Geschichte des deutschen Volks u. dergl. --diese Werke auf das Gründlichste studirt und doch vielleicht noch kein Wort von Slaven im Frankenlande gelesen oder vernommen haben. Und gleichwohl taucht das Dagewesensein einer slavischen Vevölkerung fast in allen Gegenden dieſes weiten Landftrichs auf, nur etwa mit Abrechnung der südöftlichsten. In sehr vielen Ortsnamen nicht nur , sondern auch in Urfunden treten uns die fränkischen Slaven wie eine Schaar neckender Kobolde entgegen , deren Erscheinen und Verschwinden eben so Jene , die Namen , zeigen eine Menge Ortschaften von der

räthselhaft ist wie ihr ganzes Wesen.

böhmischen Grenze an bis an die furhessische und über die württembergische Grenze als ehedem von Slaven bewohnt an. Und um diejenige Art von Geschichtsfreunden zu beruhigen , die im Voraus zu jeder sprachlichen Untersuchung von Eigennamen den Kopf zu schütteln pflegen , sind unverwerfliche Urkunden zur Hand , welche theilweise noch Stärkeres aussagen .

So gibt ein Diplom des Königs

Arnulf vom 22. November 889 , abgedruckt bei Edart de reb. Franc. Oriental. (II. 894) den Sinn gewisser Verordnungen Karls des Großen , Ludwigs des Frommen und Ludwigs des Deutschen in der Art wieder, als sei darin von einem Slavenlande (terra Slavorum) die Rede , gelegen zwischen den Flüssen Main und Redniß und bewohnt von einem neuerdings zum Christenthum bekehrten Volke von

26 Slaven ,

welche die Mainwinden und die Rednigwinden (Moinwinida et Radanzwinida) genannt

würden und ftünden.

unter besonderen

Grafen

Eine Urkunde v. 3. 824 ,

( Comitibus ,

qui super eosdem Slavos constituti erant)

abgedruckt bei Schannat (Tradit. Fuld. p. 145) bezeichnet den

Bezirk , worin damals der Ort Dörfleins (am Main unterhalb Bamberg) gelegen war , mit den Worten :

in der Slavengegend " (in regione Slavorum).

In einem Diplom des Königs Konrad I.

v. J. 911 (bei Edart II. , 899) wird über die königlichen Befizungen zu Vieret am Main verfügt ,,nebst den übrigen slavischen Ortschaften (cum ceteris Sclavienis oppidis ) welche rechtmäßig dazu gehören."

Ein Diplom Arnulfs vom 1. Dezember 889 ( bei Edart a. a. D. 895) endlich spricht von'

Anordnungen Pipins , Karlmanns und Ludwigs des Frommen, wodurch diese Herrscher der bischöflichen Kirche zu Würzburg den zehnten Theil einer Steuer abgetreten hätten , welcher von dem Bezirke der Oftfranken und von den Slaven (de partibus orientalium Francorum vel de Slavis) an den föniglichen Fistus entrichtet worden fei.

Noch andere urkundliche Nachweise für das Dasein von Slaven

werden nachher berührt werden . Aber diese Slaven , wo fommen sie her ? was ist mit ihnen ? -

Seitdem sie aus der Wirks

lichkeit verschwunden waren , dauerte es sehr lange bis man diese Fragen nur aufwarf.

Und als man

es endlich that , faßte man zunächst immer nur beſtimmte fränkische Bezirke oder wohl gar die Interessen bestimmter Landesherrschaften in's Auge , so daß ein grundhaltendes Urtheil über das Sachverhältniß kaum möglich war.

Eine kurze Darstellung der nach und nach von fränkischen Schriftstellern geäußerten Ansichten wird die über die fragliche Materie herrschende Zerfahrenheit und zugleich die

Nothwendigkeit einer nochmaligen Untersuchung am Besten darlegen. Die über das Bisthum Würzburg schrieben , beachteten vorzugsweise die den dortigen Bischöfen von den Kaisern und deutschen Königen ausgestellten Immunitätsbriefe. Unter diesen drückt fich am Ausführlichsten ein Diplom Otto's III. v. 3. 996 aus , sofern darin versichert wird , die Kais ser und Könige Karl , Ludwig , Arnulf, Konrad , Heinrich , Otto I. und Otto II. hätten der Kirche zu Würzburg Immunitätsrechte

ertheilt über

„ ejusdem ecclesie servos vel sclavos sive parochos,

quos bargildon dicunt , seu Saxones, qui northalbinga dicuntur , sive ceteros accolas pro liberis hominibus in ejusdem ecclesie prediis manentes ,

qui se vel sua novalia ex viridi silva facta

in jus et in ditionem predicte ecclesie traderent vel adhuc tradere vellent. "

Frieß, in seiner Hi-

ftorie der Bischöfe zu Würzburg , warf all die Bezeichnungen von bischöflichen Unterthanen , welche hier zwischen ,,servos" und ,,ceteros accolas" stehen , so zu sagen , in Einen Topf. Er erinnerte sich an die von Karl dem Großen veranstalteten Uebersiedelungen oder vielmehr Deportationen von Sachsen, deren viele in das öftliche Franken gebracht waren. auch mit den Slaven oder Winden geschehen seyn , land unterwarf.

Er meinte :

das Nämliche werde

die jener Herrscher sich gleichfalls in Norddeutſch-

Die solchergestalt nach Franken geschafften Winden waren ihm die Mainwinden und

die Rednigwinden,,,Parochi ," sagt er ,,,das ist Pfarrleut , auf fächsische Zungen Pargulden , auf unsere Pfarrgulten. "

So verfehlt auch diese Worterklärung ist ¹) , so wurde sie doch von Eckart in

feinem berühmten Werke ,,de rebus Franciae Orientalis" adoptirt.

Allein über das Hereinkommen

der Slaven nach Franken stellte v. Eckart eine von der Frießischen gänzlich abweichende Theorie auf.

27

-Ein Schreiben des Pabstes Zacharias an den heil. Bonifacius

wir werden darauf zurückkommen

flößte ihm die Vermuthung ein , es sei schon dem heiligen Burkhart , dem ersten Bischofe von Würz , burg , das Recht verliehen worden , zur Bebauung öder oder waldiger Gründe Slaven in das Land aufzunehmen , die dann als „ parochi" der Geistlichkeit zu einem Tribut verpflichtet und übrigens als freie Leute behandelt worden seien.

Auf ähnliche Weise legt sich v. Eckart die Thatsache der Bes

segung des Landes zwischen Elbe und Saale durch den Slavenstamm der Sorben zurecht.

Er suppo

nirt nämlich , der auftrafische König Sigebert III. habe das schwachbevölkerte Land freiwillig den Sor ben als getreuen Bundesgenossen zur Bewohnung überlassen. -- In weit minder friedlicher Art stellt fich das Eintreffen der Slaven in Franken nach derjenigen Schilderung dar, welche der Ansbachische Geheimerath Sinold, genannt v. Schüß, in seinem Corpus historiae Brandenburgicae diplomaticum gibt.

Diesem Schriftsteller , der, wie es scheint , nicht übel Luft hatte, die Anfänge der Nürnberger

Burggrafschaft den alten Markgrafſchaften zu aſſimiliren , sind die Slaven gefährliche Feinde , welche die Thüringer aus dem Nordgau vertrieben, das übrige Franken oftmals mit Verwüstung heimgesucht haben und von denen zwar die ,,um die Redniz herum und dann zwischen diesem und dem Main. fluß" wohnenden schon unter den Karolingischen Königen gebändigt , die übrigen aber , welche sich in den Gebirgen des Bayreuther Oberlandes und der obern Pfalz aufhielten , Kaisern ,,vollkommen zahm gemacht und zur Raison gebracht" worden sind.

erst unter den sächsischen Etwa dreißig Jahre

nach Schüß und sechzig Jahre nach Eckart schrieb Henge , Archivſekretär in Bayreuth , eine Broschüre: ,,Versuch über die ältere Geschichte des fränkischen Kreises , insbesondere des Fürstenthums Bayreuth.“ Derselbe gehörte gerade jenem Theile von Franken an , wo die Slaven am Längsten ihr nationales Dasein bewahrt hatten.

Ihm war es nicht zweifelhaft ,

daß dort eben so wie im benachbarten Churs

ſachſen und Böhmen der Grundstamm der Bevölkerung slavischer Abkunft sei , da von einer Vertreis bung der Slaven nicht das Mindeste berichtet wird.

Henge ergriff Partei für die Slaven.

Eifright

sammelte er die Beweise für dieses Volkes große Ausbreitung in Franken, wobei er auch auf die topos graphischen Namen Rücksicht nahm, deren manche er aber, aus Unbekanntschaft mit ihrer ältern Form, sehr mit Unrecht der slavischen Zunge vindicirte ) . des Slavenvolkes..

Mit Vorliebe schilderte er die guten Eigenſchaften

Immer wahrscheinlicher“ wurde es ihm,,, daß die Hermunduren zur ſarmatiſchen

Nation gehört hätten, " wonach also die Rolle der Ureinwohner des Landes den Slaven , die der Eindringlinge aber den Deutschen zufiele. -- Man sieht , daß die Ansichten Derer, die vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts über den Gegenstand geschrieben , weit genug auseinandergehn.

Sollte man es

aber glauben , daß keiner dieser Schriftsteller auch nur ein Wort sagt , um seine Vorgänger zu widerLegen ?

Eckart citirt Frieß , Schüß und Henge berufen sich auf Eckart, gleich als ob sie mit dem citir.

ten Schriftsteller in vollkommenfter Harmonie stünden.

Sie alle scheinen sich nur an diejenige träge

Masse des Publikums gewendet zu haben , welche überhaupt keine Notiz nehmen wollte von Slaven des Frankenlandes.

Dieser Mangel an Polemik hat nicht nur im laufenden Jahrhundert fortgedauert,

es ist auch nicht einmal der Versuch aufgetaucht , der Sache eine neue Ansicht abzugewinnen oder eine der früher aufgestellten Theorien mit neuen Gründen zu fügen.

Denn was N. Haas in seiner

i. J. 1819 erschienenen Schrift : ,,Geschichte des Slavenlandes an der Aisch und dem Ebrachflüßchen" oder vielmehr auf den ersten 25 Seiten derselben anführt (denn im ferneren Verlauf ist von Slaven 4*

28

gar nicht mehr die Rede) läßt sich kaum als etwas Mehreres denn als eine Compilation aus Edart und Henge betrachten ; und lediglich eine barocke - und doch fast ganz ernstlich gemeinte -- Ueber treibung

der Henge'schen Ansicht enthält der Aufsaß des Ritters v. Lang , betitelt „ Blicke vom

Standpunkte der slavischen Sprache auf die älteste Geschichte und Topographie von Franken", im zweiten Jahresberichte des historischen Vereins für den Rezatkreis. - In Zeuß's trefflicher Schrift „ Die Deutschen und die Nachbarstämme " ist das Thema von den fränkischen Slaven leider zu kurz behandelt , als daß unser Wiſſen hiervon einen erheblichen Vorschub dadurch erlangt hätte. Ob noch urkundliche Aufschlüsse von Wichtigkeit über dieses Thema zu gewärtigen seien , steht dahin. find.

Aber schon jegt läßt sich sagen , daß die Ortsnamen bisher zu unvollständig benügt worden Vor Henge achtete man auf dieſes Mittel, über Frankens Slavenbevölkerung in's Reine zu kom-

men, beinahe gar nicht ; Henze selbst aber und mit ihm Haas und v . Lang waren zufrieden , solche Ortsnamen zu finden , die das ehemalige Dasein jener Bevölkerung kund geben.

Namen wie Zwernig,

Pörbitsch, Motschiedel, Tschirn und Töpen , und Namen wie Windischenlaibach , Herzogenwind , Bernhardswinden, scheinen in diesem Sinne Eines und Dasselbe auszusagen. führten Namen etwas näher, so zeigt sich eine Verschiedenheit, deutung gewinnt. ihren Inhalt.

Aber besieht man die ange-

die auch für unsere Frage große Be-

Die einen jener Namen legen ihr Zeugniß durch ihre Form ab , die andern durch

Bei den ersteren kann es uns in der Regel genügen , zu wissen , daß die Namen von

slavischer Zunge gebildet sind , bei denen zweiter Kategorie gibt den Ausschlag die appellative Bedeutung.

Mit andern Worten : die erwähnten Namen find theils slavisch redende , theils in deutscher

Sprache von Slaven redende.

Und eben dadurch sagen sie etwas Verſchiedenes aus, theils mehr, mit-

unter auch weniger, als man bisher aus ihnen gefolgert. Beispiele, aus andern Regionen, besonders aus jüngeren Zeiten entnommen, werden das ſo eben Geſagte deutlich machen. Es dürften uns alle direkten Nachrichten verloren gegangen sein von den Eroberungen, welche die Römer am Rhein und diesseits der Tyroler Alpen gemacht haben : die ältesten Formen der Stadınamen Cöln und Augsburg würden schon durch die Sprache , aus welcher sie herstammen , hierüber unverwerfliches Zeugniß geben.

Der Name der Stadt

Batavia auf der Insel Java verräth zwar holländischen Ursprung dieser Niederlassung : allein nicht er, wohl aber der wirklich holländische Name der nahe daran gelegenen Stadt Weltevreden (wel tevreden, wohlzufrieden) kann künftigen Geschlechtern als Beweis gelten, daß einst die Holländer dort herrschten . Aus dem Namen der Stadt Germantown (german town , deutsche Stadt) in Pennsilvanien läßt sich zweierlei entnehmen , erstens das Dasein

oder vielmehr Dagewesensein einer deutschen Einwohners

ſchaft in der Stadt und zweitens die dortige Unterordnung des deutschen Elementes in der Bevölkerung des Landes unter das englische.

Im Allgemeinen muß als Negel anerkannt werden, daß die Sprache,

in welcher ein Ortsname entstanden ist, die Nationalität anzeige , welche zur Zeit seiner Entstehung in der treffenden Gegend überwog , wenn auch nicht der Volkszahl , doch dem politischen Gewichte nach. Abgesehen von Ausnahmsfällen , welche meistens in Uebertragung von Ortsnamen aus einer Gegend in eine andere oder in sonstigen Spielen individueller Willkühr beruhen ,

bietet diese Regel besonders

dann einen sicheren Anhaltspunkt für die Induktion dar, wenn nicht blos ein oder zwei, ſondern viele Ortsnamen eines bestimmten Sprachkreises in einer und derselben Provinz oder Gegend zusammentreffen.

29

Bezüglich eines Theiles von Franken kann das Vorkommen einer Menge slavischer Ortsnamen nicht bezweifelt werden.

Je weiter wir die Ortsnamen der oberfränkischen Main , Saal, und Eger,

gegenden in das Mittelalter zurückverfolgen, bei um so mehreren derselben verschwindet der Schein ihrer Deutschheit. Aber die westliche Gränze solcher Namen reicht, was die jezt zum Königreich Bayern gehörigen Theile von Franken betrifft, nicht völlig bis zum Rednißthal. Scheßlig im Norden und Dormiş im Süden find wohl hier die äußersten Punkte ihres Bereichs. Was von dieſer Gränze an öftlich liegt, hatte einst- dieß dürfen wir unbedenklich aus obiger Regel schließen - eine slavische Sprache zur herrschenden Volkssprache ; eine weitere Ausdehnung der Slavenherrschaft gegen Westen zu beweisen , dazu genügen die Ortsnamen nicht. Außer den Eigennamen der Wohnsige kommen noch besonders die der fließenden Gewässer und ihrer natürlichen Rinnſale in Betracht.

Ihrer natürlichen Rinnſale : denn nur bei dieſen, zum

Unterschiede von künstlichen Wasserleitungen und Kanälen , ausgeschlossen.

ist die Willkühr von der Namengebung

Besonders in Ländern , welche nicht (wie die meisten amerikanischen und australischen)

durch Entdeckungsreisen in das Bereich einer fremden Civilisation gezogen worden sind , quellen die Namen der Flüsse und Bäche frisch aus dem Volfsleben heraus , wie die Gewässer selber , diese gebildet werden , aus dem Schoße der Erde.

wodurch

Aber nur die Namen der größeren Flüsse ahmen

die Dauerhaftigkeit ihrer Objekte nach ; die der kleinen Flüsse und der Bäche sind meistens so vorübergehend, ja noch weit hinfälliger, als die Nationen, die an den Gewäſſern hauſen. Während der Rhein, der Main, der Neckar , die Donau, der Lech, die Altmühl , die Isar c. noch jezt - mit nur oberflächlicher Veränderung dieselben Namen tragen, womit sie genannt wurden, bevor irgend ein deuts scher Fuß Deutschlands Boden betrat , führen, mit sehr wenigen Ausnahmen , die Bäche in Deutschland nur entweder deutsche oder nachdeutsche, d. i. slavische Benennungen , haben sogar Hunderte derselben ihre deutschen Namen dergestalt eingebüßt , daß sie jezt namenlos sind und daß der ehemalige Bachname nur noch als Name des Wohnortes, welchem er mitgetheilt worden war , fortlebt. Es versteht sich gewissermassen von selbst , daß in Franken slavische Bachnamen nur da existiren, wo es auch slavische Ortsnamen gibt. diese.

Aber jene sind in einen weit engern Kreis gebannt als

Nur der östlichste und nordöstlichste Winkel von Oberfranken , nur das Gebiet der Saale und

der Eger und der östlichere Theil der Gegenden am weißen und rothen Main benennen Bäche mit slavischen Worten.

Namensformen wie Delsnig und Regnig , deren jeder hier dreimal vorkommt ,

ferner wie Loquiz , Trebgast , Leugast , Zegast , Schorgaft, wie Pörsnig , Pulsnig , Lamig , Kulmig, Köffein, Selb, Selbig u. dergl. zeigen deutlich an , daß in jenen Gegenden einst das slavische Element der Bevölkerung das deutsche völlig verdrängt hatte und daß es weniger durch einen Wechsel der Stammbevölkerung als durch allmähliche Germanisirung der Slaven wieder beseitigt worden ist.

Schon obers

halb des Zusammenfluffes der beiden Maine hört, was das Maingebiet anbetrifft, die so eben bezeich nete Region auf. Im Westen von ihr haben alle Bäche , fie mögen nun in die Rodach oder in die Pegnig oder unmittelbar in den Main oder die Redniß einmünden , sammt ihren Zuflüssen blos deutsche Namen ; wenigstens ist kein zureichender Grund gegeben , auch nur Einen derselben für das Slaventhum zu vindiciren.

Sollte sich daraus nicht schließen lassen,

daß in Franken mit Ausnahme jener

nordöstlichen Ecke eine deutsche Bevölkerung selbst während der Slavenherrschaft verblieken war , und

30 zwar zahlreich genug, um die deutschen Bachnamen conserviren zu können ? - Doch - wir greifen damit Folgerungen vor, die wir erst dann ziehen können , wenn wir auch die deutschen Ortsnamen, welche von Slaven sprechen , befragt und ihre Aussagen mit dem Inhalte der Urkunden verglichen haben werden. An dergleichen Ortsnamen oder doch an solchen, die dafür gehalten werden können , hat kein deutsches Land einen solchen Reichthum als Franken. All' diesen Namen gemein ist die Sylbe „ wind“; Winden und noch früher Winida war ja der Name, womit das Gesammtvolk der Slaven von den Deutschen bezeichnet wurde.

Aber der Name ,,Windheim " , den einzelne Ortschaften in den Gerichts-

bezirken Teuschnig, Burgebrach, Gerolzhofen , Münnerstadt, Hammelburg und Rothenfels führen , darf denn doch nicht so ohne Weiteres und unbedingt auf das Windenvolk zurückbezogen werden.

Könnte

die erste Sylbe nicht dasselbe , was das Appellativwort „ Wind ", also Windheim nicht so viel wie habitatio ventosa bedeuten ?

Könnte nicht das inlautende d unorganisch eingeschoben seyn , wie dieß

zwischen der Liquida n und einem darauffolgenden (nicht stummen ) Consonanten in Eigennamen ziem lich häufig geschehen ist * ), so daß sich also die erste Sylbe in ,,Windsheim ",,,Windsbach" und „ Windsfeld" auch aus dem althochdeutschen winne (pastus) oder wini (amicus) erklären ließe ?

Den Aus-

schlag gäbe freilich die vor dem zwölften Jahrhundert üblich gewesene Schreibung der fraglichen Ortsnamen.

Aber diese ist bei den wenigsten der legteren für eine so alte Zeit nachweisbar und selbst die

Belege, worauf man sich hin und wieder berufen mag , gewähren keine rechte Sicherheit ,

da die eine

fchlägigen Original- Urkunden durchgängig verloren gegangen , die früheren Abschreiber und Chroniſten aber bezüglich der Schreibung localer Eigennamen bekanntlich nichts weniger als diplomatisch-genau und verläſſig find .

Indeſſen wird der Fälle , wo der erste Bestandtheil fränkischer Ortsnamen in der

Form Winid erscheint, weiter unten besonders gedacht werden. Klarer für uns als das einfache „ wind-“ oder „ winds-“, ſoferne solche? den ersten Namensbestandtheil bildet, ist das präfigirte Adjektiv ,,windisch " ; denn dieses läßt eine andere Ableitung als aus dem Volksnamen der Winden gar nicht zu . In der Regel -nur etwa für Windischhausen im Landgerichte Heidenheim möchte eine Ausnahme zuzugeben seyn - dient dasselbe zur Unterscheidung von einem andern ähnlich benannten Wohnorte ; so Windischenlaibach (Landgerichts Weidenberg) , Windischengehaig (Ldg. Culmbach), Windischletten ( Ldg . Scheßlig) , Windischgailenreuth ( Ldg. Ebermannſtadt), Windischenschneidbach (Ldg. Herrieden)

zur Unterscheidung von Kirchenlaibach , Grafengehaig,

Kirchschletten , Burggailenreuth und Weiherschneidbach .

All' jene Ortsnamen mit ,,windisch" beweisen

das Dasein einer slavischen Bevölkerung in den betreffenden Orten für eine Zeit , wo in den ähnlich benannten Ortschaften , die das Prädikat nicht haben, eine solche Bevölkerung nicht oder in verhältnißmäßig geringerer Masse vorhanden war . Aber nicht blos . als erster, ſondern auch als legter oder einziger Bestandtheil von Ortsnamen ist in Franken der Windenname sehr häufig.

Vorzügliche Wichtigkeit für uns hat diese Kategorie von

Ortsnamen um deßwillen, weil als deren ursprünglicher Gegenstand das Windenvolk selbst oder vielmehr eine kleine Fraction desselben erscheint, somit die ersten Namenshälften nur Qualifikationen der an einem bestimmten Ort angesiedelten Winden ausdrücken.

Denn obwohl die lehte Hälfte der fraglichen Namen,

so weit die benannten Ortschaften im Norden der Zenn liegen , jezt gewöhnlich ,, - wind " und nur im

31 Süden dieses Flüßchens durchgängig ,, - winden " geschrieben wird , so ist doch der Unterschied blos ein mundartlicher. Vom eilften bis zum fünfzehnten Jahrhundert finden wir alle diese Namen (sofern wir fie überhaupt in Schriften aus jener Zeit finden) auf - winden auslautend.

Bei Schannat (Trad.

Fuld . p . 222. ) fommt in einem nach einer Abschrift abgedruckten Diplom des Königs Ludwig IV., ausgestellt zu Vorchheim im Jahre 905, der Name Adalharteswineden und kommen in einem von einem Mönch Ebirhardus verfertigten Auszug aus alten Uebergabsbriefen des Stiftes zu Fulda die Namen Ernesteswiniden und Regenharteswineden vor. Die älteste Form aber, in welcher uns der fragliche Namensbestandtheil begegnet , zeigt sich in einem Diplom des so eben genannten Königs Ludwig vom Jahr 908 , nach dem Original abgedruckt bei Eckart (de reb. Eranc. Oriental. II. 898. ) , worin von Walahrameswinida im Gau Grabfeld die Rede.

einem locus

Dieses Walahrameswinida stimmt

ganz mit den Volksnamen Moinwinida und Radanzwinida der Urkunde vom 22. November 889 (s. p. S. 26. und mit dem Nabawinida einer Urkunde v. 3. 863 (Mon. boic. XI. , 121 ) überein, wäh rend jenes Ernesteswiniden, Adalharteswineden und Regenharteswineden schon die schwache Flerionsform des Volksnamens geben , welche im Mittelhochdeutschen herrschend geworden und seitdem es Schwerlich war diese Form schon in dem Originale des Diploms vom Jahr 905 ents

geblieben ist. halten.

— Die Gegenden, worin die Ortsnamen auf ,,winden " zu Hause, find

wenigstens in Fran-

ken und wohl auch in dem übrigen Deutschland - ausschließlich solche, welche slavische Namensformen. für die Flüsse und Bäche nicht haben.

Die ganze Gestalt fener Ortsnamen und deren Vertheilung

auf das fränkische Areal gibt nachstehendes Verzeichniß zu erkennen , dem an Vollständigkeit nur Weniges abgehen wird.

Die in mittelalterlichen Urkunden aufgefundenen Formen der Namen find mit la-

teinischer Schrift ausgezeichnet. I. In Oberfranken bis zur Redniß und Iß und in den angränzenden herzoglich sächsischen Bezirken :

a) Landgericht Stadtſteinach : Eisenwind , Weißmain : Nothwind,

b) c)

"

Pottenstein : Herzogenwind , Gräfenberg : Ittlaswind (wahrscheinlich Adalharteswineden) ,

a) " e) Meiningisches Oberland : Almers wind. II. In Ober- und Unterfranken nördlich vom Main und westlich von der Is , dann im Ko burgischen und in dem zum Gau Grabfeld gehörigen Theile des Flußgebiets der Werra. a) Landgericht Hilders : Meerswinden , b)

" 1

Fladungen: Nüdenschwinden ,

c)

"

Hofheim : Bisch wind , Dietkereswinden (jegt Ditters wind) ;

d) e)

"1

Haßfurt : Regenhardeswineden (jezt Reinhardswind) ;

Ebern : Bisch wind , Gerhardiswiniden "1 Bockenwind ;

(jegt Geroldswind) ,

f) Amt Eisfeld : Oberwind , Poppenwind , Herbarts wind , g) Herzogthum Coburg : Dttowind.

3 32

III. In dem übrigen Unterfranken, dann in den ober- und mittelfränkischen Bezirken zwischen dem Main, der Redniß und der Zenn : a) Landgericht Gerolzhofen : Bischwind , Abts wind , Burgebrach: Koppenwind , Waleswinden " b)

(jezt Waldswind ) ,

Höchstadt : Fortschwind , Poppenwind , Dietgerswinden (jegt

c)

Wind), Mechelwind , Reumanns wind,

d)

"

e)

"

Mft. Bibart : Geiselwind.

Mkt. Erlbach: Neidhardswind , Walburgs wind.

IV. In dem übrigen Mittelfranken und in den angränzenden fränkischen Bezirken des Königreichs Würtemberg : a) Landgericht Ansbach :

Wolfartswinden ,

Razenwinden ,

Gozbertswinden,

(jegt Bróds winden) , Bernoltswinden (jegt BernhardswinDautenwinden , Egloffs = den ) Meinhardswinden , winden ,

b)

Leutershausen : Winden , Moralzwinden , Reinswinden ,

c)

"1

Rothenburg : Schweigertswinden , Herrenwinden ,

d)

"

Feuchtwangen : Gräbenwinden , Grimschwinden , Teikelwinden.Lober

e)

"

Wassertrüdingen : Ehrenschwinden , Dinkelsbühl : Bernhardswinden,

f)

[winden

g) würtemb. Oberamt Gerabronn : Oberwinden , Niederwinden. Auch außerhalb Frankens fommen hin und wieder ähnliche Ortsnamen zum Vorschein.

So

im Norden ein Nahewinden im Schwarzburgischen Amt Rudolstadt , ein Brengewind im Schwarzburs gischen Amt Arnstadt. zirks Ansbach das richt Ottobeuern.

Im Often und Süden

erinnern an ein paar Ortsnamen des Landgerichtsbe

Tautenwinden " im Landgericht Hilpoltstein und

Wolfertschwenden" im Landge

Ortschaften mit dem einfachen Namen Winden liegen in den altbayerischen Landge

richtsbezirken Riedenburg, Grafenau , Laufen, Wasserburg, Rain , Pfaffenhofen, ren zwei hat.

wovon der legtere de-

Ein Name im Landgerichte Landshut wird ,,Windten" geschrieben.

Da sogar der pfäl-

zische Canton Candel mit einem Ort Namens Winden versehen ist , so wird es der Topographie auch anderer Theile des westlichen Deutschlands an ähnlichen Benennungen nicht fehlen. Zu leugnen ist die Möglichkeit nicht , daß einzelne der aufgeführten Ortsnamen ihr oder

winden

wind aus einem ganz andern Laute als aus dem altdeutschen Pluralis Winida empfangen haben.

Denn nur von den wenigsten derselben konnten wir die mittelalterliche Schreibung ermitteln.

Das

,,Sinzwinden" im Landgericht Hilders wurde blos deßhalb in das Verzeichniß nicht aufgenommen, weil Eisenmann in seinem topographischen Lerikon versichert , dem Namen Sigiwantes vorkomme. sein.

Sie

daß dieser Ort im Jahre 1150 unter

Dergleichen Fälle können aber begreiflichermaßen nur wenige

vermögen den aus unseren topographischen Untersuchungen gewonnenen Sag nicht umzu=

• stoßen, daß einst Slaven neue Ortschaften angelegt haben in einem großen Theile von Ostfranken, ja felbft in altbayrischen und schwäbischen Bezirken bis zu den Alpen ,

also zum Theil in Gegenden

33 welche unbestrittenermaßen stets von slavischer Eroberung, wenn auch nicht immer von slavischen Raubund Verheerungszügen frei waren . Allein wenn die Slaven nicht als Eroberer oder als übermächtige Besizergreifer in solchen Landstrichen sich angesiedelt haben :

in welcher Eigenschaft thaten sie es denn sonst ?

Auch hierüber

geben uns die Ortsnamen Aufschluß , wenn auch nicht für alle einzelnen Fälle doch im Allgemeinen . Da wo das - winden mit einem vorausgehenden Worte zusammengesezt ist , zeigt sich in der Regel ein deutscher persönlicher Eigenname oder ein geistlicher oder weltlicher Amtstitel.

Ersteres ist der Fall in

allen Ortsnamen auf -winden , die uns in so alter Gestalt aufbewahrt sind , daß sich darin der Vokal zwischen dem n und dem d noch vorfindet , nämlich in Walahrameswinida, Ernesteswiniden , Regenharteswineden , Adalharteswineden.

Andere Ortsnamen haben deutlich die althochdeutschen Manns-

namen Dietker (II. , c. und III . c.) , Gerhart (II. e.) , Poppo ( II . , f. und III. c.) , Heriwart (II. f. ), Otto (II. g.) ,

Walo (III. b. ) ,

Egilolf ( IV. a .) ,

Nidhart (III . e. ) , Wolfhart,

Swîkhart (IV.

und Waltpure ( III . e. ).

Gozberaht ,

Reinsw. ,

Meginhart,

c.) , Bernhart (IV. f. ) , oder Frauennamen wie Focca (II. e. )

Mechelwind , früher

auch Mechtelwind

Mahthilt enthalten und Moralzw. den Namen Marolt oder Merolt. auch dem " Meerswinden

Bernolt ,

geschrieben ,

dürfte den Namen

Ein ähnlicher Name liegt wohl

zu Grunde und in Almersw . , Eisenw. , Rüdenschw. , Geiselw. , Dautenw.,

Grimschw. und Ehrenschw. (früher Ernschw. ) stecken sicherlich die Worte alt oder alah,

îsan, hruod, gîsal, deot, regin, grim, aro ( oder Ernest ?) als übrig gebliebene Theile altdeutscher Perſonennamen. Reumannsw. birgt vielleicht den Mannsnamen Reginmar und sollte Koppenw. nach einem Kerboto genannt seyn , so wäre die Entstellung nicht größer als in dem heutigen ,,Brodswinden“ (IV., a.) . — Amtstitel zeigen sich unentstellt in den Ortsnamen Herzogenw. und Abtswind. wind" ( II. , c. e. und III. , a. )

den Bischofstitel zu erkennen ,

In den drei ,, Biſch-

dazu berechtigt schon die Analogie

des Ortsnamens Bischberg ( früher Bischofsb. ). Bei ,,Herren-winden " soll die erste Worthälfte neuerer Zusag sein. Einige der aufgezählten Namen, worunter Rothw. (von rod, novale) beziehen sich lediglich auf die Localität.

Merkwürdiger aber ist „ Razenwinden“ (IV. , a. ) ,

da es die windi-

schen Ansiedler in nicht sehr schmeichelnder Weise die „, râzen " (rapaces , feroces) nennt. - Nach dieser (freilich nicht ganz vollständigen) Musterung der Ortsnamen auf

winden fann über die Stel-

lung , worin sich die ersten Bewohner der treffenden Ortschaften , wenigstens der meisten derselben , befanden , kein Zweifel mehr bestehen.

Die Winden des Walahram, des Regenhart, des Ernest u. s. w.,

die Winden der Fokka und der Waltpurg , die des Herzogs , des Bischofs und des Abts, die Winden, welche sich das Scheltwort râz sogar in öffentlichen Urkunden anhängen laſſen mußten, all' dieſe ſlavischen Ansiedler waren das , was das Wort Sklave noch heutzutage ausdrückt : Leibeigene.

„ Servi

vel Sclavi" ist eine jener tautologischen Rechtsformeln, welche bei den Deutschen so beliebt waren und uns in Urkunden vom neunten bis zum zwölften Jahrhundert ziemlich häufig begegnen.

So oft auch

Namen deutscher Völker zu Ortsnamen verwendet worden sind : feinem dieser Volksnamen , nicht einmal dem der deportirten Sachsen , von denen noch aus Karls des Großen Zeiten her eine Menge süddeutscher Ansiedelungen herrühren, ist eine ähnliche topographische Behandlung widerfahren , wie dem Windennamen. 5

34

Aus Ortsbenennungen haben wir bisher zwei Klaſſen von slavischen Niederlaſſungen in Franfen erkannt, eine, wobei die slavische Nationalität in der Gegend die Oberhand hatte und eine andere, wobei die Slaven als zur Ansiedelung bestimmte Leibeigene deutscher Herren erscheinen.

Soferne die

eine Art mit der andern in einer und derselben Gegend zusammentrifft , kann sie nicht wohl mit ihr zu gleicher Zeit Statt gefunden haben.

Wir sind weder befugt noch verpflichtet , das , was für ein-

zelne slavische Ansiedelungen als wahr angenommen werden muß , auf die Gesammtheit der slavischen Bevölkerung Frankens zu beziehen.

Mit dieser Erkenntniß ausgerüstet dürfen wir den Versuch wagen,

die Aussagen der Ortsnamen mit denen der Urkunden und jene wie diese mit sonst bekannten geschichtlichen Thatsachen in Einklang zu bringen. Vom fünften Jahrhundert bis in die Mitte des achten war - wo nicht die Macht, doch -das Gebiet slavischer Stämme in Deutschland beinahe ununterbrochen im Wachsen begriffen. deutscher Gau nach dem andern gerieth unter die Herrschaft der „ Winida."

Ein

Von der Weichsel rückten

diese vor über die Oder und Elbe bis zur Weser im Norden und bis zu den Tyroler Alpen im Süden. Jm mittleren Deutschland bemächtigten ſich die Sorben des Landes zwischen der Elbe und der Saale, Sezten die Czechen sich in Böhmen fest , scheinen ,

der früheren Heimath der Bayern.

als ob Deutschland bestimmt sei ,

Fast konnte es damals

das nämliche Schicksal von den Slaven zu erleiden , wel-

ches den Ländern des westlichen Römerreichs von den Germanen widerfahren war. Hergang beinahe all

dieser Gebietserwerbungen der Slaven liegt dichtes Dunkel.

Und über dem Den Bewohnern

romanischer Länder wie den Byzantinern waren die Gegenden , worin solche Statt fanden , viel zu entlegen und unbekannt , habt hätten.

als daß sie etwas Genaues hierüber erfahren oder zu erfahren nur Luft ge-

Und andere europäische Geschichtschreiber aus jener Zeit , deren Werke auf uns gekom.

men wären , gibt es nicht.

Spätere mittelalterliche Schriftsteller schweigen entweder von jenen Vor-

gången, oder ihre Nachrichten hierüber find entweder höchst dürftig oder mährchenhaft oder dürftig und unzuverlässig zugleich. Historische Conjunctur muß uns also meistens den Mangel an direkten Nachrichten ersehen. Bisher war man geneigt, die Sorben für diejenigen Slaven zu halten, welche einft einen Theil des östlichen Frankens im Besig hatten.

Es gründet sich diese Ansicht auf eine Bemer

kung Einhard's, daß die Saale die Grenze zwischen den Sorben und den Thüringern bilde. zweierlei hat man hierbei außer Acht gelassen.

Aber

Einhard sagt nicht , daß die Sorbengrenze gegen Sü

den bis an den Frankenwald oder gar bis an die Quelle der Saale reiche , und selbst wenn er dieß hätte sagen wollen, so würde damit nur ein ganz kleiner Theil des ehemals slavischen Oberlandes von Franken für forbisches Gebiet erklärt sein.

Dafür , daß nicht die Sorben , sondern vielmehr die be-

nachbarten Czechen es waren , die sich einst des fränkischen Oberlandes bis an die Rednig bemächtigt, spricht nicht nur der Umstand ,

daß auch ein großer Theil der Oberpfalz , namentlich die nörtlichen

und öftlichen Bezirke derselben längs der (heutigen)

Grenze von Böhmen sich ,

Zeuge vieler Orts-

namen, unter slavischer Herrschaft befanden ; es fehlt auch nicht an andern geschichtlichen Fingerzeigen. So oft die Geschichtschreiber und Chronisten des neunten Jahrhunderts von Kriegen der deutschen Könige gegen die Sorben in der Art sprechen , daß sich aus ihnen eine deutliche Nachricht über die Lage des Kriegsschauplages entnehmen läßt, eben so oft nennen ſie Gegenden in der Nähe der Elbe oder der untern Saale , nie das heutige Franken , obgleich von Legterem damals gewiß noch das Fichtelgebirg

35

und die obere Saalgegend in slavischen Händen war. Metens, ad ann. 805 ,

Dagegen ergibt ſich deutlich aus den Annal.

daß um diese Zeit Oftfranken mit dem böhmischen Gebiete zuſammengrenzte,

in welches unmittelbar von dort aus ein fränkisches Kriegsheer einen Einfall machte. Ueber die Zeit , in welcher slavische Herrschaft in Franken begann , läßt sich so wenig etwas Genaues bestimmen, daß sogar das Jahrhundert zweifelhaft bleiben möchte .

Vielleicht ist sie nicht viel

später anzusehen , als nachdem die Czechen ihre jezige Heimath erworben.

Wäre freilich dargethan,

daß zum thüringischen Reiche noch in der legten Zeit seines Bestehens Theile der jegigen Oberpfalz, besonders die Gegenden an der Nab gehörten , so würde der Einzug der Slaven in das Land am obern Main und an der untern Redniß nicht vor dem zweiten Viertheil des sechsten Jahrhunderts anzunehmen seyn.

Aber jene Vorausseßung ist weder erwiesen noch glaublich, da der bayrische Volks-

ftamm, von welchem die Oberpfalz und das Nürnbergische noch heutzutage bewohnt wird ,

nicht wohl

erst dann in diese Gegenden eingewandert sein kann , nachdem legtere der fränkischen Herrschaft unterworfen worden waren.

Die vielfachen Bedrängnisse des thüringiſchen Reichs , welches den Angriffen

der Franken im Westen , der Sachsen von Norden und der Obotriten, Wilzen und Sorben von Often her ausgesezt war, mögen Czechen wie Bayern Gelegenheit gegeben haben, ihre Beſigungen auf Kosten der Thüringer zu erweitern.

Der bayerische Nordgau ist wohl nichts Anderes, als ein Avulſum von

Thüringen. Auch nach dem Untergange des thüringischen Königthumes traten Verhältnisse ein , das Vordringen der Slaven in den obern Maingegenden erleichterten.

welche

Diese größtentheils mit Wald

bedeckten Landstriche hatten eine so ungünſtige Lage für die Machtentwicklung des außtraſiſchen Reichs, daß sie von legterem weder geschüßt noch in Gehorsam erhalten werden konnten.

Radulf, ein tüchtiger

Krieger, der um das Jahr 630 zum Herzog über die fränkische Provinz Thüringen ernannt worden war, wurde bald darauf ein Rebell gegen den König Dagobert L.; er besiegte dessen Sohn Sigebert III. an der Unſtrut und erhielt von ihm eine so gut wie vollständige Unabhängigkeit zugestanden, welche sich auf seine Nachkommen bis in die vierte Generation vererbte.

Schon bevor Radulf sich in Kampf

mit der fränkischen Macht einließ , hatte er , um den Rücken frei zu haben , sich mit den benachbarten Slaven gütlich vertragen.

Leicht ist es möglich , daß er Leßteren hiebei Conceſſionen zu Ländererwerb

machte , sey es nun mit oder ohne Vorbehalt einer gewiſſen Oberherrlichkeit.

Auf diese Weise möchte

es sich auch erklären , daß von einem feindseligen Verhältnisse zwischen Frankens slavischer und deuts scher Bevölkerung nirgends eine Spur kennbar wird. Als nach dem Ausfierben des thüringischen Herzogsgeschlechts das Land wieder unmittelbar unter fränkische Herrschaft kam , deren Zügel nun bald in den kräftigen Händen Karl Martells , ſeines Sohnes Pipin und seines Enkels Karl des Großen ruhten,

war eine ganz neue Periode im Werden.

Die zwei damaligen Großmächte des Abendlandes bahnten sich gegenseitig die Wege , Staat und die römische Kirche.

der fränkiſche

Beide Mächte schickten ihre Sendboten aus in das Innere Deutsch-

lands und die Siege einer jeden kamen einer jeden zu Statten.

Die Errichtung des Bisthums Würz-

burg war ihr gemeinschaftliches Werk in dem südlichen Thüringen , das fortan Neufranken (Francia nova, Franconia) hieß.

Deutsche und Slaven gaben ihre alten Götter auf und mit mit ihnen ein

großes Stück von ihrer bürgerlichen Verfassung.

Aber auch schon vor ihrer völligen Bekehrung zum 5 *

36 Christenthum und noch in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts müssen die fränkischen Slaven im Westen des Fichtelgebirges und des Frankenwaldes sich ohne allen Widerstand der fränkischen Monarchie unterworfen haben. Als Gegner dieser Lesteren wären sie auf einem verlorenen Posten gewesen, ohne Aussicht auf wirksame Hülfe ihrer Stammgenossen, die jenseits der Berge hausten. Ueberdieß trat die fränkische Herrschaft in diesen ― kurz vorher durch sächsische und slavische Einfälle arg verheerten Gegenden sehr mild auf. Selbst der Zustand der Leibeigenschaft scheint hier ziemlich erträglich gewesen zu seyn . Indem der gemeine Slave seinen slavischen Gebieter mit einem fränkischen Grafen vertauschte, mag er leicht seine Lage verbessert gefunden haben. Denjenigen Slaven aber , die ſich nicht in die neue Ordnung der Dinge fügen wollten , blieb vor der Hand nichts übrig als den Wanderstab zu ergreifen. Das Slavenland (terra Slavorum, regio Slavorum) ,

welches solchergestalt unter fränkische

Herrschaft gekommen war, wurde in Gauen eingetheilt, wobei wahrscheinlich die frühere politische Landeseintheilung der Slaven zur Grundlage diente. lich den Redniggau betrachten.

Als den östlichen Slavengau können wir unbedenk-

Derselbe begriff so ziemlich den ganzen zum jezt bayerischen Franken

gehörigen Distrikt in sich , worin slavische Ortsnamen vorkommen, aber die Bachnamen durchaus deutsch find.

Ueberdieß erstreckte er sich auf das untere Rednigthal ,

wenigstens auf die öftliche Seite deſſel=

ben, dann auf einen Landstrich im Westen der Rednig an der unteren Aisch und der reichen Ebrach, den der Urkundenextract des Fulder Mönchs Ebirhard zur ,,regiò Slavorum" rechnet ).

Da , wo die

Rednig ſchiffbar zu werden anfängt, entſtand nun bald das königliche Kammergut (Curtis) Lorchheim. Es war dieß einer derjenigen in der Nähe der Slavengränze gelegenen Pläge , welche Karl der Große die einft von den Römern gegen die Deutschen befolgte Politik oder vielmehr Polizei 7) wieder aufnehmend, zum Handelsverkehr mit den auswärtigen Slaven und den Avaren bestimmte , um solchen Fremdlingen das Reisen in das Innere seines Reichs zu verwehren. der Rednigwinden , befand sich der Sig der Mainwinden.

Neben dem Rednisgau, dem Sig

Als besonders benannter Gau kann derselbe

kein anderer gewesen sein , als das Volkfeld ( Folc felt), da der Name Maingau bereits an einen viel weiter westlich am Maine gelegenen Landstrich vergeben war. Zum Volkfelde gehörte die wie wir oben gesehen haben noch im eilsten Jahrhundert mit Slaven bevölkerte Bamberger Gegend ; zu ihm gehörten Vieret (Fihuriod cum ceteris Sclavienis oppidis) und Dörfleins ( Thurpfilun in regione Slavorum) ; innerhalb seiner Gränzen waren die beiden Windheim erbaut , von denen wenigs ſtens das eine, das jezige Frankenwinheim, durch die früheste Schreibung Winideheim³) als ursprünglicher Windenort nachgewiesen ist.

Daß aber der Redniggau und das Volkfeld wirklich die beiden

Slavengaue gewesen und mehr als Zubehörungen denn als eigentliche Bestandtheile von Franken betrachtet worden sind , ergibt sich aus dem obenerwähnten Diplom des Königs Arnulf vom 1. Dezember 889 , worin gerade fie in dem Verzeichnisse der zum Bisthum Würzburg gehörigen Frankengaue fehlen , so daß sie nur unter dem Ausdrucke „, de Slavis" begriffen seyn können ) .

Selbst die Namen

des Volkfelds und des Vaches Volkach, der im westlichen Theile des Gaues dessen südliche Gränze bildete, scheinen sich auf den Umstand zu beziehen, daß der Landstrich von einem fremden Volke in Besig genommen war ; das Wort Volk dürfte hiebei nicht völlig frei von verächtlichem Nebenbegriffe gebraucht sein.

37

Oben: ftellten wir die Vermuthung auf, es seyen die Ezechen und nicht die Sorben gewesen, welche in und über das Fichtelgebirge und

an das Rednißthal vordrangen.

Dafür spricht sogar die

Swerbiz, jegt SchwürThatsache, daß ein Dorf im Landgericht Lichtenfels einen slavischen Namen big - führt , der es geradezu als einen Sorbenort bezeichnet 1 °) ; denn wäre der herrschende Slavenftamm in der dortigen Gegend das Sorbenvolk selber gewesen , wäre nicht Swerbiz ausnahmsweise als forbische Colonie unter befreundeten Czechen angelegt worden , so würde die slavische Zunge wohl schwerlich Veranlassung gehabt haben ,

einen solchen Ortsnamen zu schaffen.

Es fehlt indessen nicht

gänzlich an Spuren , welche viel ausgedehntere Ansiedelungen der Sorben im Frankenlande vermuthen lassen.

Eine bei Schannat abgedruckte Urkunde v. 3. 795 führt nämlich drei Drte , von denen wenig-

stens zwei, Trostnestet (jegt Troſtadt) und Paringe (jezt Bährungen), als unweit Themar und Römhild im östlichen Grabfelde gelegen bekannt sind , in der Art auf, daß dabei , anstatt der den übrigen Ortsnamen in der nämlichen Urkunde beigefügten Angabe des treffenden Gaues, der Ausdruck : „ in Slavis" gebraucht ist " ).

Unterstügt wird diese Bezeichnung durch den Namen des in derselben Ge-

gend vorkommenden Ortes Milizza oder Milize (jegt Milz) , wo schon um das Jahr 780 ein Frauenkloster gegründet wurde.

Dieser Name stellt sich als ein ächt slavischer dar.

Ein gleichnamiger im

thüringer Walde gelegener Ort (jezt Mehlis bei Blasenzelle im Schwarzburgischen) scheint gleichsam die Richtung anzuzeigen, aus welcher jene ,,Slavi“ in das Land zwischen der Rhön, und der Ih hereingekommen sind, die fonach für Sorben zu halten sein dürften.

Jedenfalls wäre es unwahrscheinlich,

daß die Slaven ihre Occupationen in einem so schmalen Landstrich , als der nachmalige Gau Volkfeld ist , so weit gegen Westen vorgeschoben hätten , hätte sich nicht auch jene nordöstlichere Gegend oder doch ein Theil derselben in ihrem Besige befunden.

Selbst die unnatürliche Gestalt des Gaues Grab-

feld, dessen östliche Hälfte mit der westlichen beinahe gar nicht zusammenhängt, deutet auf besondere pos litische Vorgänge hin , welche die weite Ausdehnung des Gaues gegen Osten bedingten. Und für keis nen derartigen Vorgang haben wir so deutliche Fingerzeige, als für eine vielleicht schon zur Zeit Radulfinger erfolgte Einverleibung eines Theils der regio Slavorum. Aller Wahrscheinlichkeit der aber widerstreitet es , daß die Slavenherrschaft sich auch auf den untern Theil der fränkischen Saale verbreitet habe.

Selbst der schon in einer Urkunde v . 3. 791 vorkommende Ortsname Winidohoheim

(jest Windheim bei Hammelburg )

berechtigt nicht zu einer solchen Voraussetzung .

haben sich nämlich schon in früherer Zeit auch außerhalb des

Einzelne Slaven

Bereichs ihres Stammes auf deutſchem

Grund und Boden angesiedelt, indem sie hie und da eigenmächtig in einer Waldgegend einen „ bifanc“ machten , d. i. ein Stück Landes für sich in Beschlag nahmen , darauf Bäume fällten, sich Hütten erbauten und den Boden beadkerten.

Sie thaten genau dasselbe , was unter ähnlichen Verhältnissen in

Nordamerika's Urwäldern die sogenannten Squatterer thun.

Auch wo solche Ansiedelungen zur Kennt

niß der deutschen Obrigkeiten oder Grundeigenthümer kamen — was mitunter wohl ziemlich spät ge= 、 schehen sein mag --- fiel es diesen nicht ein , solche nügliche und ungefährliche Fremdlinge aus dem allzu waldreichen und allzu menschenarmen Lande zu vertreiben. tung von Abgaben anzuhalten .

Sie begnügten sich , diese zur Entrichs

Ob solches Verfahren für zulässig zu halten sei, darüber war der heis

lige Bonifacius nicht ohne Zweifel.

Aber auf seine schriftliche Anfrage gab ihm der Papst Zacharias

zur Antwort : Zins dürfe und müſſe allerdings von den Slaven gefordert werden , welche auf Lände-

38

reien der Christen wohnen ; denn blieben jene abgabenfrei figen , so würden sie sich am Ende als Eigenthümer des Grundes und Bodens betrachten ; gäben sie aber Zins , so wüßten sie auch , daß das Land einen Herrn habe. - Sollte Windsheim an der Aisch ursprünglich Winidesheim benannt gewesen sein , so könnte es diesen Namen (dessen erster Bestandtheil dann den Genitiv Singularis von Winid enthielte) wohl lediglich der Ansiedelung eines windischen Equatterers verdanken. Daß in den eigentlichen Slavengegenden an der Rednig und im Westen dieses Fluſſes von wirklich slavischen Ortsnamen keine Spur auftaucht , hiezu kann Verschiedenes mitgewirkt haben , woüber sich jest nicht einmal eine Vermuthung aufstellen läßt.

Wahrscheinlich wurden diese Landstriche

weit später von den Slaven besegt , als die in der Nähe des Fichtelgebirges , des Frankenwaldes und des Thüringerwaldes gelegenen , so daß in ihnen das Slaventhum tiefe Wurzeln zu treiben keine Zeit . hatte.

Dort , wo das Klima, im Ganzen genommen, milder ist als am obern Main, müſſen die Sla-

ven mehr deutsche Ansiedelungen vorgefunden haben, in oder bei denen auch sie sich niederließen . Gebrauch der bisherigen Namen dieser Orte vermochten sie der deutschen Bevölkerung

Den

eben so wenig

abzugewöhnen, als die Franzosen in dem ſeit zwei Jahrhunderten unter ihrer Herrschaft stehenden Elsaß.

Selbst die wenigen neuen Ortschaften, welche die Winden in den westlichsten Theilen ihres Ge

bietes anlegten, wie z . B. die beiden Windheim (Burgwinheim und Frankenwinheim) , vielleicht auch Windeck , Ober- und Unterwinterbach im Volkfeld , erhielten

von den benachbarten Deutschen appella-

tive Bezeichnungen in deutscher Sprache, die mit der Zeit die slavischen Eigennamen völlig verdrängt und sich ihnen in allen öffentlichen Urkunden ſubſtituirt haben. Ein Jahrhundert und drüber nach Beendigung der Slavenherrschaft in Franken - nur den - mag verflossen gewesen sein, als eine neue Art windischer öftlichsten Theil dieſes Landes abgerechnet Ansiedelungen begann , - die von eingeführten Leibeigenen. Die Deportationen von Sachsen, welche Karl der Große aus politiſchen Rücksichten veranstaltet hatte , vielleicht auch die windischen Squatterers-Ansiedelungen auf fränkischem Gebiete, dürften die ersten Gedanken an dieses Mittel hervorgerufen haben, dem Mangel an Arbeitskräften abzuhelfen . So wie mehr als sechs Jahrhunderte später der Gebrauch auffam, afrikanische Neger als Eclaven in die amerikanischen Colonien europäischer Völker zu verpflanzen , eben so pflegte man seit den legten Jahrzehnten des neunten Jahrhunderts wirkliche Sclaven, d. i. Slaven, als nügliche ökonomische Werkzeuge einzuführen zur Ürbarmachung des Bos Nicht nur die weltlichen und geistlichen

dens, zur Lichtung eines Theils der ungeheuren Waldstrecken.

Herren, denen die Wälder gehörten, sondern auch andere Freie , die sich von Jenen die Erlaubniß verſchafften, einen „ bifanc“ darin zu machen ¹²), erwarben slavische Leibeigene, an Zufuhr oder vielmehr Zuführung aus den Ostmarken nicht fehlte. sich niederzulassen hatten, bildete sodann die Ortsmarkung.

eine Waare , woran es

Der bifanc, worin dieſe Winida

In ihrer örtlichen Collektivbezeichnung, die

in den meisten Fällen zum Ortsnamen selbst wurde , trugen die angesiedelten Slaven , wie manche Hausthiere an ihrem Halsbande, den Namen oder Titel ihres Leibherrn mit sich herum ; der Eventua lität , wovor der Pabst Zacharias gewarnt hatte , war damit um so beſſer vorgebeugt.

Als die lezte

Zeit, wo solche Windencolonien angelegt wurden, dürfte diejenige anzunehmen sein , wo der Gebrauch aufhörte, in Uebergabsbriefen die abgetretenen Leibeigenen namentlich aufzuführen und nicht blos in

39 -Bausch und Bøgen als Zubehör eines unbeweglichen . Beſißthums ,

für Franken also die zweite

Hälfte des eilften Jahrhunderts. Die Nachkommen aller der Slaven , von denen bisher die Rede war , sowohl derer, die sich als Glieder eines herrschenden Volksſtammes oder als Squatterer niederließen , wie die der eingeführten Leibeigenen, find allmählich mit dem fränkischen Bauernstande verſchmolzen .

Aus der beinahe gänz

lichen Abwesenheit flavischer Personennamen in den Urkunden 13) dürfen wir schließen, daß die fränkis schen Slaven schon bei ihrer Laufe mit deutschen Namen versehen zu werden pflegten.

Aber noch zu

Anfang des eilften Jahrhunderts ſcheint in den Gegenden der untern Rednig, alſo im Lande der Mainund Rednigwinden noch slavisch gesprochen worden zu sein.

Denn damals schrieb der Bischof Hein-

rich von Würzburg : jene Gegend sei beinahe lauter Wald ; es wohnten Slaven da ; er ſei selten oder nie in diese entlegenen Orte gekommen.

Anmerkungen.

¹)

Durch den Beiſaß „ quos bargildon dicunt“ find die parochi deutlich als barliuti ,

d. i. als

homines censitici , tributarii , aliquantulae libertatis (s. 3. Grimm's Rechtsalterthümer S. 310 ) bezeichnet.

Das Verbum naдέɣɛw (praebere) , woraus parochus gebildet, ist finn-

verwandt mit goth. gildan , althochd. geltan (reddere , retribuere , solvere) .

Parochi gibt

also hier nur das deutsche bargildon in griechischer Sprache wieder und drückt eben so wenig, wie dieses , ein besonderes Verhältniß zu den Pfarrern aus.

Vielleicht hat dasselbe seinen Gebrauch - einem Landsin der fraglichen Urkunde einem in der kaiserlichen Kanzlei angestellten Griechen zu danken. Um sich zu über= manne der Kaiſerin - Mutter und Reichsverweserin Theophania

zeugen, daß das sive , seu , wie solches mehrmals in der angeführten Stelle des Diploms vorkommt , kein explicatives , ſondern ein disjunctives sey , darf man die verneinende Beschaffenheit des ganzen Sages (,,ut nullus comes vel publicus judex ejusdem ecclesie servos etc. ad causas audiendum etc. ullo unquam tempore presumat") nicht unberücksichtigt laſſen. Eine Steigerung, die von den ,,servi vel sclavi" bis zu den ,, ceteri liberi homines" fortschreitet , ist hier nicht zu verkennen. 2)

So z. B. erklärt Henze den Flußnamen Rezat (früher Ratenza , Reht-ratenza ) aus einem slavischen rzeka , der Bach, Colmberg , von ihm Culmberg , aber im Mittelalter Kolbenberg geschrieben, aus einem slav. chlum , der Hügel.

Den Namen des Bachs , wovon der der Stadt

Onolzbach oder Ansbach herrührt , auf ein slav. olsza , die Erle , zurückzuführen , dazu ist er durch eine Mystification verleitet worden , die sich Fischer in seiner " Geschichte und Beschreibung der u. s. w. Stadt Ansbach" ( 1786) erlaubt hatte. liche Erklärung :

Leßterer nämlich , dem weder die gewöhn-

Onolzbach = an- Holzbach, noch die Oetterſche Deutung des Bach- und Stadt=

namens aus einem Mannsnamen Onold zusagte, hatte sich einen alten Bachnamen Olz imaginirt,

40

jedoch dieſe ſeine Hypotheſe durch folgende geradezu wahrheitswidrige oder wenigstens jedes Scheins von Erweisbarkeit ermangelnde Behauptung ausgedrückt:

Inzwischen ist dieses gewiß , daß der Bach, von welchem bisher der Name dieser Stadt hergeleitet wurde, schon in ganz alten Zeiten die Olz genannt und geschrieben wurde und auch noch jezt eben so geschrieben wird." Lang , in dem oben im Terte bemerkten Auffahe ( v. J. 1831 ) , adoptirte nicht nur Henze's Deutungen topographischer Namen aus dem Slavischen , sondern er fügte auch noch viele neue hinzu , wie z. B. die von Neuſeß , Eib , Kaltenkreuth , Katterbach (früher Katerbach), Brodswinden (früher Gozbertswinden) , obgleich Niemanden besser als dem Herausgeber der bayrischen Regesten die älteren Formen dieser Namen hekannt sein konnten.

drückte er sich also aus :

In Bezug auf den Namen Ansbachs aber

Onolzbach (izt gewöhnlicher Ansbach) von Olſſe (Olsche) die Erle,

Olſſowy , von Erlen , Olſſowj , der Erlenwald , Locativus Pluralis Olfſowich (verdorben Olſſowach) am Erlwald." Dem Bache , den er zu dieser seiner Etymologie von ,,Onolzbach" nicht mehr nöthig zu haben glaubte, svrach er dann - die Kühnheit Fischer's beinahe überbietend schlechthin die Eristenz ab ;

ihn , den er beinahe täglich vor Augen hatte und dessen Waſſer vor

der Vereinigung mit der Rezat nicht weniger als vier Mühlen treibt , erklärte v. Lang für einen ,,Sumpf." - Diese Abwege , auf welche die Einsicht von der Unhaltbarkeit der gewöhnlichen Etymologie des Stadtnamens Onolzbach geführt hat, hätten in meinem sich mit dem nämlichen Gegenstande beschäftigenden Auffage vom vorigen Jahre (Beil. III. zum neunzehnten Jahresbericht) nicht unerwähnt bleiben sollen. 3) Lang's slavische Grille , wie sie sich in diesem Aufſage kund gibt , erinnert lebhaft an die von ihm selber ( S. 291 der ,,Memoiren") so launig geschilderte pelasgische seines ehemaligen Archivcollegen Seidel zu Culmbach. *

Ein Beispiel liefert nicht nur der bekannte Name Hundsrück, sondern auch das (S. 32 bei II. , b.) erwähnte ,,Waldswind" (früher Waleswinden) in ſeiner ersten Hälfte.

5 )

Nach Liudger's Lebensbeschreibung des heil. Gregorius sand Bonifacius die dortige Bevölkerung in solcher Noth , ut vix ibi ullus haberet , unde viveret , nisi de longinquo parum quid colligeret , ut ad modicum tempus sustentaret penuriam suam. confinio paganorum vastata."

rebellium posita

illo tempore

incensa

erat

Nam tota regio in et

hostili

manu

Ezzilo Comes tradidit Sancto Bonifacio in loco Hohenstat , qui situs est juxta ripam fluminls Cisga (foll heißen Eisga ) et juxta Medabah, quidquid proprietatis habuit , maxime autem mancipia XXX. ad censum annuatim solvendum. Idem Comes tradidit in eadem Slavorum regione villas has : Tutenstete , Lonrestat , Wachenrode , Sambach.

Simul cum inhabitantibus Slavis ,

bent Fuldensi monasterio."

qui singulis annis censum reddere de-

Schannat , Tradit. Fuld. p. 284.

7)

Tacit.

*

Schannat Trad. Fuld. p. 281 )

Germ. 41 .

41 In dem nämlichen Diplom wird unter den königlichen Kammergütern , von denen der Würzburger Kirche der Zehent zu verabreichen sei , auch eines in Folcfeldon" und eines im Ratanzgowe erwähnt. 1 ) Bereits Zeuß hat auf den Zusammenhang dieses Ortsnamens mit dem Volksnamen der Sorben Swurben ) aufmerksam gemacht. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß diese Deutung , fie mag nun richtig seyn oder nicht , den Gegenstand unserer Untersuchung wesentlich nicht afficirt.

( Swirben ,

11)

Daß in dem Abdruck dieſer Urkunde bei Schannat ( Nro. 105 pag. 52 ) eine unrichtige Interpunktion den wahren Sinn des Beisages ,,in Slavis" verdunkle, hat schon Henze bemerkt.

12 )

Dergleichen Vorgänge werden gewissermaßen zur Anschauung gebracht durch einen etwa eine Meile langen Strich Landes , der von dem Regatthale bei Ansbach durch die Waldung Feuchtlach ge= trennt wird. Hier liegen außer Nazenwinden und Windischen = Schneidbach die nach fünf verschiedenen Herren benannten Slavencolonien Wolfartswinden , Gozbertsw. , Meinhardsw . , Bernoltsw. und Dautenw. auf einem Raume beisammen, der früher mit der Feuchtlach einen und denselben Domänenwald gebildet haben muß.

Auch die dabei gelegenen Ortschaften Desmannsdorf

(früher Denswinsdorf) und Elpersdorf (früher Elewinsdorf) dürften Winden zu ihren ersten Ansiedlern gehabt und dieß nur um deßwillen nicht durch ihre Namen offenbart haben ,

weil

Kakophonien wie Denswineswinida , Elcwineswinida vermieden wurden. 13 )

Von den vielen Eigennamen in Schannats Trad. Fuld. scheinen nur Musgo und Wottizo (pag. 155 in einer Urkunde vom Jahr 826 vorkommend) aus einer slavischen Sprache erklärt werden zu müssen.

Der Volksname Winid, Wenido oder Winit ist in der Urkundenſammlung

(pag. 85 , 135 , 189 , 221 ) als Personenname bald von Zeugen bald von abgetretenen Leibeigenen gebraucht.

6

42

Beilage IV.

Die

Anfäßigmachung

der

Juden

in

Burgbernheim.

Nachtrag

zum

IX.

Jahresberichte.

G.

73.

Das Leichenbuch von MDCCXVII theilt mit : ,,Annae Magdalenae, weil. Johann Michael Feilners, Schuhmachers Wittib, den 27. April. ,,nachts um 11 Uhr Verkehrt und tod zur Welt gebrachtes unehliches Kind , wurde den Im Gefängnus hat dieses laster- und Boßhafte ,,29. leg(ente) Diac(ono) begraben. "/ Weibsbild nicht einmahl Bekennen wollen, daß sie schwanger , geschweige wer deß Kindes ,,Vatter sey , und hat man sie auch wieder los gelassen. Kurz Vor der Geburt aber hat „ sie Leonhart Thürauffen, bey dem sie Zur Herberg gewesen, erst entdecket, daß es Michael ,,Bauer, ein Ziegler von Rothenburg sey , welcher Weib und Kinder daselbst hat und voriges Jahr in hiesiger Ziegelhütte gearbeitet, wiewohl Verlauthet , daß sie auch mit andern ,,eingehalten.

Diese ist die noch hier gebliebene Tochter deß Schuhmacher Dillene, welcher

,,derjenige gewesen, so vor 9 Jahren , wieder die Klaren Privilegia deß hiesigen Flecken, ,ungeachtet aller Warnung und deß ihm Vorbehaltenen darauff gesezten Fluchs , die ers ften Juden in seine Behausung eingenommen, darauff aber Verarmet und ,,weil er nicht mehr fortkommen Können ,

nebst dieser seiner Tochter alles gar Verkauffen

" ,müßen und sambt der übrigen Von seiner familia sich aus dem Flecken wegbegeben. ,,Leg. Diao,"

43 Nach diesem Auszuge fiele also die erste Ansässigmachung der Juden in Burgbernheim in bas Jahr 1708, hiemit stimmt auf das Genaueste überein ein fernerer Auszug aus dem Leichenbuche von MDCCXIX , wo es heißt : ,,Johann Georg Dill , alter Burger und Schuhmacher allhier , so vor 11 Jahren der ,,erste geweßen , so wieder deß Fleckens viel hundertjährige Keyserl. Königl. und Hoch,,fürstl. Privilegia , daß sich hier kein Jud auffhalten solle, ungeachtet aller Warnung und ,,Androhung des Fluchs so darauff stehet Von dem damahligen Beambten 2 Juden erfil. ,,in seine Behausung zur Herberge auffzunehmen bereden laßen , bald ,,aber darauff sambt den Seinigen gar Verdorben , Haus und Bütter verkauffen und ohne ,,gewießen Uffenthalt herum ziehen auch leßlich hier Betteln und als es zum Lager kom ,,men sich blos vom Allmoßen erhalten müßen , endete sein Leben endlich in solchem ,,miserablen Zustand bey Thoma Lechner einem Taglöhner , nächſt an seinem Hauſe aetat. ,,69 Jahre , 6 Wochen.

Wiewohl er nicht nur meinen priesterl. Verwarnungen nicht ge=

„folget , sondern sich auch zu meiner erfolgten Verfolgung gebrauchen laßen (der damalige 17. Junius 1727 lebte mit dem Rathe und der Bür ,,Pfarrer Johann Georg Grüner ,,gerschaft in unaufhörlichen Streitigkeiten) und Armuth wegen ohne Klang und Gesang ,,begraben werden sollen, so habe ich doch ihn mit Procession begraben laßen und darauff ,,eine Lection gratis Verrichtet , so geschehen den 19. Aug." Vermöge dieses Auszuges fällt die erste Ansässigmachung der Juden in Burgbernheim gleichfalls in das Jahr 1708 ; auch erfahren wir, daß der benannte alte Burger und Schuhmacher Joh. Georg Dill zu diesem so scharf getadelten Schritt durch den damaligen Beamten (sein Name wird aus dem folgenden Auszuge hervorgehen) beredet worden sey.

Dieser Auszug ist vom Jahre 1769, wo es

Ziffer 32 heißt : ,,Barbara Thielin , des weil. Johann Georg Thiel hiesigen Burgers und Schusters , hin!! ,,terlassene Tochter wurden 24. Novembr. zu früh in der verwittweten Rieterischen Zehend,,verwalter , Schlezin , Stall tod gefunden.

Sie war ein unverträgliches zänkisches Mensch

,,und s. v. voller Läuse, weswegen sie auch niemand mehr ins Haus ließ. ,,dem hiesigen Bettelhaufen und gieng völlig krumm. ,,und

Sie war unter

Ihr Vater war ein reicher Mann,

war derjenige , so mit Hülfe des damaligen hiesigen Beamten,

,,Göz, (deffen Tochter ebenfalls von Läufen gefressen worden und das Bettelbrod hier hat ,,eſſen müſſen) die ersten Juden in den hiesigen Ort brachte , weswegen der Und weil dieses Mensch schon in Fluch diese Leute drückte , daß fie völlig verarmten. ,,vielen Jahren nicht zum h. Abendmahl gieng : so

ließ ich sie an diesem 24. Nov. durch

,,den Bettelvogt und Todengräber ohne Klang und Gesang in der Stille begraben. Sie ,,war 77 Jahre und 9 Monath alt. So beweiset sich die Gerechtigkeit Gottes an den ,,Verächtern !" 6*

44

Ohne die theologischen Ansichten des damaligen 1. Pfarrers, Superintendenten Johann Ulrich Sponsel, sich aneignen zu wollen, läßt sich doch daraus folgern : 1 ) daß die Ansäßigmachung der Judenfamilien in Burgbernheim erst im Jahre 1708 , und zwar nicht ohne großen Widerwillen der Gemeinde , so wie der Geistlichkeit erfolgte. 2 ) daß der Beamte Göz dieses Werk vornehmlich förderte. 3) daß die Ansäßigmachung der gegenwärtigen Judenfamilien nicht die Folge der Austreibung der Juden aus größeren Städten , z . B. Nürnberg , gewesen sey ; woher übrigens jene Fremdlinge, resp. Eindringliche, damals gekommen seyen , wird sich heute schwer mehr ausmitteln laffen , zumal da den gegenwärtigen Judenfamilien nicht einmal die mündliche Ueberlieferung zu statten kommt. Wenn aus der natürlichen Beschaffenheit der Keller in den Christenhäusern , welche eine Aehn lichkeit mit den bei den Juden üblichen Kellerbädern hat , geschlossen wird : ,,daß die Familienzahl der Juden in Burgbernheim in früherer Zeit größer gewesen seyn ,,müſſe," so möchte gegen diesen Schluß einzuwenden seyn , daß die meisten Keller in Burgbernheim Waſſer haben , zu dessen Sammlung in den Kellern ausgemauerte Gruben angelegt wurden , um den Boden selbst trocken zu erhalten. vorkommt.

Eine Erscheinung , die auch an andern Drten , 3. B. Kalchreuth,

45

Beilage

V.

Bemerkungen über die

ſonntäglichen

evangeliſchen

Terte

von dem

Herrn

Pfarrer

Nopitsch.

Einen Beitrag zur Charakteristik vergangener Zeiten liefern alte Anordnungen im Staate und in der Kirche.

Zu diesen

rechne

ich

auch

die Auswahl

der sonntäglichen

welche in unsern Kalendern bis auf den heutigen Tag noch besteht.

Es

evangelischen Texte,

ist zwar , meines Wis-

sens , der Name des Mannes unbekannt , welcher diese Auswahl getroffen hat ; aber so viel ist gewiß, daß sie bis in die Zeit Karl des Großen zurück reicht

und höchstwahrscheinlich durch dieſen rüftigen

Geist selbst veranlasset worden ist. Es fällt sogleich in die Augen , daß diese Auswahl in der erstern Hälfte

des Jahres die

Geschichte Jesu zu Grunde legt , und daß in der zweiten Hälfte des Jahres dogmatische und mora, lische Gegenstände dargelegt werden .

Es befinden sich aber sehr viele Terte darunter, deren Aufnahme

sich aus dieser Wahrnehmung nicht erklären läßt.

Man hat daher schon oft gefragt, wie solche Texte,

auf solche Tage bestimmt , in die Reihe der erstgenannten gekommen seyn mögen ? Dem Grundsage folgend , daß ein

altes Denkmal sich selbst erklären

muß , glaube ich,

den Sammler dieser Texte habe eine zweifache Rücksicht geleitet ; die erste will ich die chriftliche , und die zweite die ökonomische nennen.

Indem ich meine Ansicht hier darlege ,

bemerke ich

noch , daß ich die in der protestantischen Kirche übliche Rezension dieser Texte zu Grunde lege ,

nuc

welche

von der in der katholischen Kirche eingeführten Rezension in der Hauptsache nicht abweicht. 1) Die Terte vom 1. Advent bis zum Weihnachtsfeste , welche in der katholischen Rezension besser gewählt scheinen, folgen zwar der chriftlichen Rücksicht, als Vorbereitung auf das Weihnachts. fest ; aber der Text am 2 ,

nach der katholischen Rezension am 1. Adventsonntag , scheint

46

der ökonomischen Rücksicht anzugehören und für das Winterfest in solchen Jahren bes stimmt zu seyn, in welchen der 25. Sonntag post trin, nicht vorkommt. 2) Die Terte von Weihnachten bis 1. post Epiph. legen die Jugendgeschichte Jesu dar. Aber nun wird von der Lebensgeschichte Jesu , abgegangen , obgleich zu weiteren Terten reicher Stoff hiezu vorhanden gewesen wäre. nomische Rücksicht ein , nemlich : Epiph. 2. "

3.

"

4.

Warum geschieht solches ?

Hier schlägt die öko-

Der junge Landwirth tritt in den Ehestand.

Der Landwirth dinget sein Gesinde. Er vertrauet bei den Frühlingsstürmen der Allmacht.

Septuagesima.

Er rückt mit der Hack in das Feld, macht öde Stellen urbar, pflanzt Bäume , hackt Hopfen c.

Sexagesima.

3)

Er pflügt den Acker und säet.

Die folgenden Terte faffen die Leidensgeschichte Jesu in das Auge ; nur zwei anderer Art sind eingeschoben worden .

Estomihi, Jesus fündiget seinen nahen Tod an. Invocavit ist der Altägigen Fasten wegen eingeschoben. Reminiscere , Jesus fliehend vor seinen Feinden in das Ausland. Oculi , Jesus von seinen Widersachern verläßtert. Lätare ist aus der ökonomischen Rücksicht eingeschoben. viel Gras an den Drt 2c.

Es ist nahe das Osterfest,

Es soll das Frühlingsfest seyn.

Judica , Jesus geschimpft und thätlich gemißhandelt. Palmarum bis Quasimodogeniti bedürfen keiner Erläuterung. 4)

Die Terte von Jubilate bis zum Pfingstfeste , mit Ausnahme des für Mis. Dom. find alle aus der Abschiedsrede Jesu genommen und folgen der christlichen Rücksicht.

Der Text an

Miser. Domini aber, welcher in diese Reihe gar nicht paſſet, sondern sich besser in die Passionszeit geeignet hätte , folgt der ökonomischen Rücksicht.

5)

Nun läßt man

das Vich auf die Weide gehen . Von den folgenden Texten führe ich nur diejenigen an , bei welchen die ökonomische Rücksicht

vorherrscht. post Trin.

3.

"

5.

"

7.

Man scheeret die Schaafe. Man beginnt mit Negen und Garnen zu fischen. Die Vorräthe an Getraid gehen zu Ende, doch die - der Reife nahen Feldfrüchten werden

dem

Mangel

abhelfen.

Es

ist das Som-

merfest. 9.

Die gutsherrlichen Verwalter werden visitirt ;

Alte Ausstände wer-

den liquidirt.

"

11.

Man erhebt den Zehnten.

,,

15.

Die Erndtezeit ist fast verflossen ; die Wahl dieses schönen Tertes zum Herbst- oder Erndtefest.

47

post Trin. 22 . " 23.

Die alten Rückstände werden eingetrieben . Der Grund- und Zehenthold liefert an seinen Grund- oder Zeheatherrn.

" 25. Die Flucht im Winter weiset auf das Winterfest. Die Herbstfaat für die Winterfrucht , welche in dem jegigen Systera des Ackerbaues vorzüg liche Bedeutung hat , wird in dem vorliegenden christlich-ökonomischen Jahreskalender nicht bedacht ; weil sie erst in späterer Zeit durch das gewerbsfleißige Volk der Wenden in Deutschland bekannt gewor den ist. Salvo meliori etc.

48

Beilage

Ferdinand

Joseph

VI.

Anton

Freiherr

von

Andrian- Werburg.

Die Darstellung der Erlebnisse und Erfahrungen eines im engern oder weitern Kreise geschäg. ten Mannes ist keine leichte Aufgabe, wenn man annehmen muß, daß die Erscheinungen, die den Grund der Darstellung bilden sollen , durch Anschauung zum Bewußtseyn gelangt sind .

Gegenwart und Ver-

gangenheit, Bekanntes und Unbekanntes bewegt sich dabei in der ihm angewiesenen Sphäre und beginnt oft den schweren Kampf : als Ursache , als Wirkung zu gelten.

Wo die ewigen Geseze der Na-

tur und ihrer Thätigkeit der Darstellung zugewiesen sind, wo eine tausendjährige Beobachtung der Erscheinungen einen unbegreiflichen , der Forschung immer offenen Zusammenhang darlegt , da reichen sich Beobachtung und Beschreibung die Hand zum offenherzigen Geständniß : ein ganzes, nach Bildung und Wahrheit strebendes Leben reiche nicht mehr aus , nur Eine Quelle zu ergründen , die der Menschheit ihre reichen Erfahrungen, ihr unbegrenztes Wissen zuführt.

Und doch fließt eine Menge solcher Quel-

len und ermuntert immer wieder das Ringen nach Erkenntniß, den regen Kampf gegen das Reich der Finsterniß, des Aberglaubens und des Zweifels, den die Wahrheit zu kämpfen nie aufgehört hat , zu kämpfen nie aufhören wird. Hier stügte sich also der durch die Beobachtung erzeugte sinnliche Eindruck auf ein Streben, das mit seinen belebenden Strahlen den Nebel durchdringt , der die Freiheit des Ges dankens umdüſtert und zu jeglicher Zeit, in Wiſſenſchaft und Kunst, in Glaube und Ueberzeugung eine vorurtheilsfreie Unbefangenheit unterdrückt hat.

Andere Zeichen und Merkmale treten im gewöhnlichen Leben entgegen und weisen eine Verſchie, denheit nach, die sich zwar durch die Mannigfaltigkeit der menschlichen Verhältnisse erklären läßt, aber gerade dadurch der Beobachtung die Unzulänglichkeit ihrer Reſultate vorhält.

Im Leben soll sich die

Charakteristik in's Einzelne auflösen ; dem Darstellenden war jedoch nur eine Vorstellung des Ganzen geboten , an welche der finnliche Eindruck Ansprüche machte , welche die Wahrheit nicht auffommen

49

ließen oder der Einbildungskraft ein zu weites Feld einräumten. Somit wäre die deutliche Vorstellung von dem zu bearbeitenden Gegenstande dunkel und verworren geblieben und schwer zu entscheiden gewesen, in wie ferne der Verstand über die Einbildungskraft Herr geworden oder wie beide ihre Kraft zur Verfolgung eigenthümlicher Zwecke in Thätigkeit gesetzt hätten.

An diesem Punkte angelangt,

spricht sich das Bedürfniß nach bestimmter Form der Darstellung aus und es wird mit Recht gefragt, wie dadurch die Zwecke des Wiſſens gefördert und durch genaue Beobachtung so wie durch folgerechte Eintheilung ein vollendetes Bild geschaffen worden sey. Es haben sich mancherlei Stimmen erhoben darüber, was folgerechte Eintheilung der Beschreibung heiße und auf welche Weise die logische und mathematische Genauigkeit den gebührenden Antheil an der Darstellung zu nehmen habe.

Man hat den formellen Werth der Logik , als praktiſche Rich-

tung für den Verstand und als Propädeutik für die übrigen Wissenschaften , neben die sirenge Beweiskraft der Mathematik hingestellt , dabei jedoch weniger berücksichtigt , daß die Logik nur die abstrakte Form der Erkenntniß bestimmt , die Mathematik hingegen in ihren Beweisen nicht nur mit dem Verftande sondern auch mit der Anwendung des Gedachten abschließt , mithin die Denkfraft an sich nicht zu schaffen, wohl aber zu schärfen vermag .

Wie im Schaffen des Geistes durchaus Besonderung zur .

Vermittlung, Vermittlung zur Einheit des Seyns und Wesens führt , so treten die beiden genannten Darstellungsweisen in Wechselwirkung und ſuchen die Vollständigkeit zu erreichen , welche den Charak ter bezeichnet, deſſen Schilderung die gestellte Aufgabe bildet. -Der Mann, dessen Name an der Spize dieses biographischen Versuches steht, ist vor Allen werth, daß sich in der Darlegung seines Werthes logische und mathematiſche Darstellungsweise verei nigen. Der schwierigen Aufgabe sich bewußt, bittet der Verfaſſer dieser Zeilen um wohlwollende Nachficht. Man darf annehmen , daß der Biograph nur solche Charaktere wählt , die durch die Resultate ihres Handelns die Thatkraft. weckten und den sittlichen Willen hoben.

Stehen Verdienste, Rang-

verhältnisse, besondere Einwirkungen des Geschickes dienend zur Seite, so gewinnt die Darstellung noch mehr an Theilnahme und Einfluß. Wer aber glaubt , es ergäben sich die Gründe zum Handeln, die Durchführung überlegter Maßregeln , die zuweilen auftauchenden Mängel und Schwächen im Verlaufe der Erzählungen von selbst, ohne Entwicklung und scharfe Nachweise, dem ist das Leben der Bewegung fremd und kaum erhebt sich sein Urtheil über das Gewöhnliche. Es wird aber auch der zu keinem ends lichen Resultate gelangen, der in der Biographie eine Vereinigung poetischer Bilder sieht , die gehörig aufgepugt das Wohlgefallen des Lesers erregen , ohne ihn zu befriedigen oder ihm zu großen Spielraum gewähren, die in Umrissen vorhandene Zeichnung nach eigenem Gutdünken auszufüllen. Dieß zu verhindern, gibt es nur Ein Mittel : näherer Umgang oder selbst entworfene Notizen. Je höher der Werth des Individuums im Staats- und bürgerlichen Leben war , desto wichtiger sind jene Notizen, weil Wahrheit und Aufrichtigkeit in der Mittheilung des Erlebten , offenes Gestehen menschlicher Schwächen den selbstbewußten Mann eben so sehr bezeichnen als sie die freiere Bewegung desselben von seinem erhabenen Standpunkte aus begünſtigen. Ueber die Lebensverhältnisse des ausgezeichneten Mannes, dem diese Zeilen gelten, kann Man

ches gesagt werden, das von ihm selbst aufgezeichnet und durch gütige Mittheilung der öffentlichen Bes 7

50

kanntmachung übergeben worden ist.

Ein (folches Vermächtniß bedarf gewissenhafter Pflege und darf

in keinem Punkte angegriffen werden.

Dieß würde jedoch geschehen , wenn nach Belieben oder nach

augenblicklichem Bedürfniß Einzelnes herausgenommen , Einzelnes unbeachtet gelassen würde.

Nein,

es foll vielmehr dadurch der Leser in den Stand geſegt werden , das Gauze prüfend zu verfolgen und aus den selbstgezeichneten Umriſſen den Charakter zu erkennen. Der kgl. Kämmerer und Staatsrath , Ferdinand Joseph Anton Freiherr von Andrian-Werburg ist geboren zu Görz am 16. Juli 1776 und war der jüngste Sohn des Obersten, Ferdinand Freiherrn von Andrian-Werburg .

Churpfalzbayerischen

Seine Jugendbildung erhielt er im älterlichen

Hause, theils zu Schmidtmühlen in der Oberpfalz, theils zu München , wo sein Vater von Zeit zu Zeit sich aufhielt.

Seine erste Anstellung erhielt er den 1. Oktober 1792 als Lieutenant im Grenadier-

Leibregiment, dem feßigen Infanterie-Regiment König.

Im Jahre 1796 nahm er seine Entlassung aus

dem Militärverbande und bezog die Universität Ingolstadt ,

um sich dem Studium der Rechtswiſſen-

schaft zu widmen. Nach Vollendung der Universitäts- Studien wurde er 1800 zum Landrichter in Wemding ernannt , 1803 erfolgte seine Beförderung als Landrichter und Landkommiſſär nach Mindelheim in Schwaben und 1806 wurde er als Polizeidirektor nach Augsburg berufen.

Als im Jahre 1814

der k. Hofkommiſſär Freiherr von Lerchenfeld den Auftrag erhielt, die Beſig.Ergreifung und Verwaltung des Großherzogthums Würzburg zu übernehmen ,

wurde demselben Freiherr von Andrian als Rath

beigegeben und 3 Jahre später 1817 als Direktor bei der damaligen Regierung des Unterdonaukreises zu Passau ernannt.

Von dort erfolgte 1832 feine Berufung als General- Commiſſär

und Präsident

der Regierung des Rheinkreises und im nämlichen Jahre die Verſeßung in gleicher Eigenschaft an die Regierung des Obermainkreises nach Bayreuth.

Das Jahr 1837 führte ihn als Präsidenten

der Re-

gierung des Unter-Main-Kreises nach Würzburg und noch im nämlichen Jahre finden wir ihn in gleis cher Eigenschaft nach Oberfranken zurückversezt.

Vom Jahre 1840-1847 stand er an der Spige der

Provinz Mittelfranken und zog diesen Wirkungskreis dem Rufe an die Regierung von Oberbayern vor, indem er diese Versegung sich verbat.

Indeß konnte er einen legten , ehrenvollen Antrag , durch wel-

chen er zum Staatsrathe im ordentlichen Dienste ernannt wurde, nicht ausschlagen und schon im November 1847 trat er in den neuen Wirkungskreis ein.

Dort wirkte er bis zum 1. April 1848.

Ein

halbes Jahrhundert hindurch hatte bereits der thätige Staatsmann mit dem Aufwande körperlicher und geistiger Kraft dem Berufe gelebt.

Er sehnte sich nach Ruhe.

Sie ward ihm auf sein Verlangen un-

ter Bezeugung der allerhöchsten Zufriedenheit mit ſeinen vieljährigen , treuen und ersprießlichen DienFen und mit der Ernennung zum Staatsrathe im außerordentlichen Dienste.

Als Anerkennung seiner

Verdienste erhielt er 1817 das Ritterkreuz des Civil-Verdienft-Ordens der bayerischen Krone , 1838 das Commenthurkreuz des Verdienstordens vom heiligen Michael , 1844 das Commenthurkreuz des CiSo folgen vil-Verdienst-Ordens der bayerischen Krone, 1847 das Ritterkreuz des Ludwigs-Ordens. sich die äußeren Verhältnisse eines viel bewegten Lebens , dem es gestattet war, an einem allgemeinen Umschwunge des Bestehenden Theil zu nehmen , wohl auch mit prüfendem Scharfsinne das Wohlthätige festzuhalten und in seinem Wirkungskreise zu verbreiten , das Schädliche mit reifer Erfahrung zu bekämpfen und mit der Ruhe des Geistes , wo nur immer möglich , in die gebührenden Schranken zurückzuweisen.

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Es ließ sich von einem so tiefen Denker erwarten , daß er sich selbst seiner Aufgabe bewußt war und daß er in der Fülle der Kraft, die seine hohe Stellung ihm bot, den Mann von gründlicher Bildung nicht vergaß, der mit strenger Beobachtung unerwartete Ereignisse prüft und, wie ein denken. der Arzt, den Grund des Uebels zu heilen sucht , dann seine Wurzel.

geleitet von der Ueberzeugung , das Uebel verliere

Daher sind biographische Notizen von eigener Hand der wichtigste Beleg für die

Beurtheilung und es kann nur mit Dank anerkannt werden , daß der Verewigte in den legten Wochen seines thätigen Lebens veranlaßt wurde , einen kurzen Rückblick auf seine Erfahrungen zu werfen und dieselben niederzuschreiben. Wohlwollende Güte hat den Verfasser dieser Zeilen in den Stand gesezt, jene Abrisse zu benügen ; in der Mittheilung derselben erkennt er die Erfüllung einer Pflicht : ,,Die Stufenleiter meiner öffentlichen Laufbahn ist aus beiliegendem Entwurfe einer Bittschrift um ,,Verleihung des Ludwigs -Ordens ersichtlich. ,,der Geschichte Bayerns .

Sie umfaßt eine der merkwürdigsten Perioden- in Lebendiger Zeuge aller Phasen , welche das Vaterland während eines

,,halben Jahrhunderts durchlebt, sah ich , wie die alte Zeit mit ihrem lezten Repräsentanteu zu ,,Grabe getragen wurde , wie aus diesem Grabe Bayerns Genius emporstieg und mit glänzen„ dem Panier die bayerischen Gauen durcheilte, alte Formen unerbittlich zerbrechend und neue ſchaf„fend ; ich sah das mit åußerem Glanze umgebene Bayern in tiefer Erniedrigung unter dem Drucke ,,der Fremdherrschaft seufzen , bis Deutschlands einträchtiges Zusammenwirken die schmählichen „ Feſſeln zerbrach ; ich theilte endlich die allgemeine Begeisterung, als der Tag herangekommen ,,war , an welchem die Magna Charta Bayerns dem freudetrunkenen Volke verkündet wurde. ,,Unter dem mächtigen Einflusse dieser an wichtigen Ereignissen überreichen Zeitabſchnitte bin „ich in den Staatsdienst getreten , stieg in demselben von Stufe zu Stufe bis zu meiner gegen,,wärtigen Stellung , stets die früheren Erfahrungen und gesammelten Kenntnisse sorgfältig in ,,den erweiterten Rahmen fügend und mit neuen bereichernd.

Was ein Mann, den seine dienst-

,,liche Stellung dem Volksleben so nahe gebracht , im Laufe eines halben Jahrhunderts einzeln ,,geleistet hat, -wer möchte dieß aufzählen ? —

Es genügt anzuführen , daß ich auf jeder

,,Stufe den redlichen Willen hatte , meinen vielseitigen Pflichten zu genügen , daß ich nie hinter ,,den Anforderungen des Dienstes zurückblieb, ja ſie vielfältig überbot. ,,Nur das was bleibenden Werth hat, verdient hervorgehoben zu werden, und dahin rechne ,,ich meine beharrliche Sorgfalt für Beförderung des Jugend-Unterrichtes , die in zwei Kreiſen ,,schöne Früchte trug, - meine persönliche Vertretung der Stadt Bamberg bei der Schifffahrts„ kommiſſion in Cöln, in deren Folge die Main- und Rhein- Schifffahrt zum Vortheil dieser Stadt - die Erwirkung einer bedeutenden Summe , welche S. M. der

,,dauernd geregelt worden ,

,,König für die Rectificirung des Mainstromes im Jahre 1836 großmüthig zu bewilligen geruhte, ,,

die mit dem besten Erfolge gekrönten Einleitungen zur Errichtung einer Dampfschifffahrt auf ,,diesem Strome, - endlich das, was mir im Gebiete wissenschaftlicher Forschungen anzuregen ,,und zu begründen gelang. ,,Der Sorgen viele begleiteten mich auf meiner Laufbahn und beinahe übermenschliche Auftrens

„gung drohte in drangvollen Momenten oft meine phyſiſchen und geistigen Kräfte vor der Zeit ,,aufzuzehren : aber ich liebte meinen Beruf und in dieser Liebe fand ich immer eine feste 7 *

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,,Stüge in den Stunden anwandelnder Muthlosigkeit.

Viel Beruhigung gewährte mir in solcher

,,peinlichen Stimmung das Bewußtseyn : stets das Rechte gewollt, wenn auch nicht immer erreicht zu haben. „ Ich bin zu Ende und freue mich dessen ; denn nur mit Widerstreben ging ich an die Er,,füllung eines Versprechens, das meiner persönlichen Neigung so wenig zusagt.“ Die Offenheit, mit welcher diese Bemerkungen mitgetheilt sind , flügen sich auf historischen Grund und bilden in so ferne eine Basis für die richtige Beurtheilung des Charakters.

Denn wenn

ein´greiser Mann, der eine wichtige Zeit durchlebt und an der Bewegung derselben unmittelbar Theil genommen hat, Selbſtgeſtändniſſe ablegt , die den erfahrnen Staatsmann in eben dem Grade bezeichnen, als sie den mit Herz und Gefühl ausgestatteten Menschen der Beobachtung darstellen, so möchte das Gegebene leicht hinreichen , eine biographische Uebersicht abzuschließen. Was dann noch übrig bliebe, gehörte gleichsam einer Exposition an , die das Verständniß erleichtern und vollständiger machen könnte. Ueber die Jugendbildung, welche der verstorbene Herr Staatsrath genossen , hat er sich selbst im freundlichen Gespräche gar gerne ausgesprochen.

Da der Aufenthalt im älterlichen Hause sich nicht

an eine bleibende Stätte band und mit diesem Wechsel auch Aenderung im Unterrichtssystem eingetreten zu seyn scheint, so war wohl das Talent in den meisten Fällen auf sich selbst angewiesen , um so mehr, da das legte Viertel des vorigen Jahrhunderts im beständigen Schaffen einer verbesserten Schulordnung begriffen war, ohne zu einem Reſultate zu gelangen.

Man suchte ängstlich zu erhalten, was

auf unsicherem Boden stand und versäumte dadurch das Brauchbare sich zu bewahren , das später vom Oberflächlichen nur schwer zu trennen war.

Der Kampf galt der Unterrichtsmethode , welche aus der

durch die Reformation bewirkten Verbeſſerung der Volksschule konfessionelle Unterschiede nicht mehr achten zu wollen schien, sondern eine gleichmäßigere Belehrung der Jugend zu erreichen strebte.

Der Un-

terricht nach einem bestimmten Plane, der dem 16. Jahrhundert angehört, hatte nicht nur in den gröBern Städten wohlthätige Folgen und erleichterte durch das Vorhandenſeyn großartiger Mittel die Verbreitung gründlicher Bildung , sondern er theilte sich gar bald jenen kleinen Gemeinden mit , die entweder aus früheren geistlichen Stiftungen hervorgegangen waren oder ihr Entstehen der persönlichen Neigung kleiner Fürſten zu verdanken hatten,

die aber später durch örtliche oder politische Verhältnisse

gehindert, den größeren bürgerlichen Vereinen nicht folgen konnten , sondern mit dem bescheidenen Namen der Landstädte sich begnügten.

Man würde sehr unrecht urtheilen, wollte man diese Beschränkung

des materiellen Verkehrs auf ihre geistigen Bedürfnisse ausdehnen.

Nein , der Unterricht und mit ihm

die Bildung gewann dort bald festen Fuß ; es trat eine innige Verbindung der Bedürfniſſe der Volksschule mit den wissenschaftlichen Ansprüchen ein und man war wahrscheinlich nirgends näher daran, den gedoppelten Zweck auf befriedigende Weise zu erreichen , als gerade hier.

Daß es nicht geschah

oder nur auf einzelne Versuche sich beschränkte , lag theils in der überhand nehmenden Streitſucht über Materien , welche der kräftigen Bildung jugendlichen Strebens fremd waren , theils in den traurigen Folgen des dreißigjährigen Krieges, der einen großen Theil der Bildungsanstalten auflöste, ihre Hülfsquellen zerstörte, den sittlichen Werth vieler Lehrer herabwürdigte und durch eine Methode , die Geist und Gemüth gleichmäßig unterdrückte , eine zweckmäßige Bildung nicht aufkommen ließ.

Es fehlte zu

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keiner Zeit an tüchtigen Männern , welche dem Verderben entgegenzutreten versuchten und Deutschland blieb andern Ländern gegenüber nicht zurück ;

dafür bürgt der deutsche Charakter und des Deutschen

gründliches Streben ; indeß brachte erst, wie oben bemerkt, das achtzehnte Jahrhundert eine wesentliche Veränderung der Unterrichtsmethode.

Was früher auf Gedächtniß und Verstand berechnet war ,

das

follte jegt der Bildung des Herzens und der Willenskraft zugewiesen werden und dadurch der VolksUnterricht ins Leben übergehen.

Hiemit war zugleich ausgesprochen , daß dieser Zweig des Unterrich-

tes einer besondern Beachtung werth sey und daß man den Plan, nach welchem die Volksschule eingerichtet werden müsse, schon deßhalb einer genauen Prüfung zu unterwerfen habe , weil es sich hier um die Erziehung für das´ Leben handele , um die Bestimmungen im Verkehr der Geſellſchaft.

Es konnte

nicht fehlen, daß diese mehr praktische Tendenz viele Anhänger fand und sich besonders in den Ständen Eingang zu verschaffen wußte, welche in ihren unabhängigen Verhältnissen entweder die mühevollere Bildung in der Gelehrtenschule dadurch zu umgehen suchten oder sich mit der Erlernung der dargebotenen, gemeinnügigen Kenntniſſe befriedigten und so für das bürgerliche Leben genug gethan zu haben glaubten.

Obgleich nun die Gelehrtenschule gegen solche Neuerungen anstrebte und allerdings

an dem Hergebrachten, so wie an der Gründlichkeit des grammatischen Studiums treue Kampfgenossen hatte, so sah sie sich doch im eigenen Interesse genöthigt, in ihre Lehre Disziplinen aufzunehmen, die bisher entweder ganz vernachlässigt oder doch nur höchst unvollkommen behandelt worden waren. Dadurch hatte sich das Volksschulwesen gesteigert, die Gelehrtenschule aber, die sich mit Recht als Grund betrachtete, ihre Ansprüche nicht aufgegeben, sondern durch die Reſultate nachgewiesen , daß das Wifsen ein seichtes blieb, wo jener Grund fehlte. Freilich war es nicht möglich , gleichmäßig fortzubewegen.

in den verschiedenen Ländern in Verbesserung der Schulen sich

Die verschiedenartigen Hinderniſſe aufzuführen , gehört nicht zur Aufgabe,

wohl aber , Männer nicht mit Stillschweigen zu übergehen , die den Hindernissen entſchloſſen in den Weg traten und einer ersprießlichen Bildung der Jugend ihre Kraft weihten. - Diesen wohlverdiens ten Männern muß der verstorbene Herr Staatsrath beigezählt werden.

Das Beispiel , welches Joseph

II. in Desterreich gegeben und das troß mancher Gegenwirkung doch bleibend fortwirkte, mußte auf die Nachbarstaaten einen mächtigen Einfluß äußern.

In einzelnen Theilen seiner großen Monarchie war

die Umänderung mit geringerer Schwierigkeit verbunden , da frühere Einrichtungen die Sehnsucht nach

• zeitgemäßer Bildung rege erhielten.

Wenn der schaffende Geiſt des edlen Habsburgers die Schranken

einer nicht paſſenden Jugendbildung durchbrach und seinen eigenen Weg verfolgte , so ist es nicht zu verwundern, daß er jeglichen Zwang , der seine einmal festgewurzelte Ansicht durchkreuzte, zu entfernen und sich frei zu bewegen suchte.

Auf dieses geistige Bedürfniß ftüßen sich die von ihm getroffenen An-

ordnungen zur Verbesserung des Unterrichtes und der geistigen Pflege der Jugend.

Der Feuereifer,

mit welchem er seinen Plan verfolgte , segte ihn allerdings in Widerspruch mit dem philanthropiſchen Treiben damaliger Pädagogen und die militärische Strenge, welcher die Schulzucht unterworfen wurde, ließ sich nur mit der Nothwendigkeit entschuldigen.

Wo aber sein Wirken bleibendere Früchte trug,

nämlich in der Umbildung der Gymnasien , da zeigte sich's offenbar , daß der Unterricht in den klassis schen Sprachen nicht mehr auf Kosten anderer , wichtiger Lehrgegenstände betrieben werden dürfe. Es kann nicht auffallen, wenn Männer, deren Jugendbildung in diese Periode fällt, sich unter

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klassischen Studien etwas anders dachten , als unausgefegtes Lernen grammatischer Regeln oder Lesen bestimmt vorgeschriebener Werke, die nach dem Geſchmack der Zeit eingerichtet waren und erklärt wurden.

Ohne Freiheit in Schrift uud Wort konnte kein Resultat gewonnen werden ; legteres blieb jedoch

immer Eigenthum tenkender Köpfe, deren Schaffen um so schwieriger war , je hartnäckiger die tiefgewurzelten Vorurtheile widerstrebten, je unbedeutender die Vorarbeiten waren, die der neuen Schöpfung zu Grunde gelegt werden sollten . Ein günstiges Geschick fügte es , daß der verstorbene Herr Staatsrath ſchon bald und in den schönsten Lebensjahren seine Entlassung aus dem Militärverbande nahm und sich auf der Universität Ingolstadt dem Studium der Rechtswissenschaft widmete. Die Regierungs- Periode des Kurfürsten Karl Theodor ist für Bayern ein eigenthümliches Gemische von Hoffnungen, Sorgen, Täuschungen. Er selbst wird mit Recht klug und besonnen genannt, ein eifriger Beförderer der Künste , Wissenschaften und Gewerbe , und doch kam ihm das Vertrauen der Regierten nicht entgegen ; man glaubte in Verträgen , mit Desterreich geschlossen , die Integrität des Kurfürstenthums gefährdet , ja man fürchtete, er sey damit umgegangen , sein ganzes Land an Des sterreich abzutreten und den bekannten Albertinischen Lehenbrief vom Jahre 1426 anzuerkennen .

Das

einmal festsigende Mißtrauen erhebt gewöhnlich schwachbegründete Sagen zu Fakten und wühlt sich tief ein in das Herz der Menschen, die lieber hören als prüfen. Kein Wunder, wenn in solchem Falle auch die Absicht verkannt wird und ohne Haltung das Urtheil umherschweift.

Es fällt aber diese Stimmung

um so mehr auf, wenn man annimmt, daß die geistige Richtung des Kurfürften durchaus liberal war und daß der Druck, welcher auf geistiger Entwicklung lastete und gegen den Ausbruch der Revolution zu sich immer höher steigerte,

aus Verordnungen hervorging , deren Erscheinen er gestattete.

In der

damaligen Lage hätte Bayern einer starken bewaffneten Macht bedurft , um sich fremden Gelüsten mit Kraft entgegenzustellen ; aber das Heer war nicht zahlreich genug und bei aller Tapferkeit nicht im Stande, die nothwendige Geltung sich zu verschaffen.

Unter solchen Umständen erklärt es sich, wie der

Bayer im eigenen Land fremd war und auswärtiger Einfluß über die Mittel des Landes verfügte und fie aufzehrte. Des Kurfürsten Tod rief Bayern in ein höheres Leben zurück.

Die Unglücksfälle der legten

Kriegsjahre, die Anstrengungen, die zur Selbſterhaltung gemacht worden waren, die unfruchtbaren Vor-fehrungen, die man getroffen, um dem aus Westen sich nahenden Strome einen Damm entgegenzusehen, hatten Bayerns Zukunft in eine trübe Wolke gehüllt.

Das Land selbst war von feindlichen Truppen

besegt und kaum war es dem Kurfürsten Marimilian Joseph gelungen, einen Theil seines Heeres von der Reichsarmee zu trennen, in der Oberpfalz eine vortheilhafte Stellung einzunehmen und sich dadurch selbständig zu erhalten.

Der bald erfolgte Friede fand den Kurfürsten vorbereitet und sicherte dem

Lande eine vortheilhafte politische Grenze.

Was aber Bayern ſtark machen sollte, war der tiefgedachte

Plan des Kurfürsten und seiner Näthe : aus der bisher getrennten, in verschiedene Theile zerſplitterten Verwaltung Ein Ganzes zu bilden.

Zur Durchführung solch großartiger Entwürfe gehörten Männer

von Kopf und Herz, und daß man aus der gegebenen Zahl hervorstechende Talente zu gewinnen wußte, beweist die Wahl des verstorbenen Herrn Staatsrathes zum Landrichter in Wemding. Kaum 24 Jahre alt, war er dazu beſtimmt, die neuen Einrichtungen in diesem Bezirke einzuführen ; er gefiel sich wohl

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in seiner Stellung an einem Orte, der nicht unbedeutende geschichtliche Erinnerungen weckt und deshalb einer kurzen Erläuterung werth seyn möchte. Kaiser Karl schenkte im Jahre 798. dem h. Emmeram in Regensburg den Ort Wemdingen. Bulla Papae Leonis III. Christianissimus Imperator dedit ad illum locum

Wimitingin. 3wens

tebold, ein natürlicher Sohn des Kaisers Arnulph, und seine Mutter Wimburg waren vom Kaiser mit der Reichsdomäne Nördlingen begabt, welche vorzüglich zur Abfindung der Mutter dienen follte. Diese trat nun im Jahre 898. Nördlingen gegen Wemdingen an den Bischof von Regensburg ab , in der Art, daß fie Zeit Lebens im Nießgebrauch von Nördlingen noch verbleiben , dann aber beides , Nörd. lingen und Wemdingen , an den h. Emmeram in Regensburg fallen sollte.

Nördlingen wurde 1215

vom Kaiser Friedrich wieder zum Reich eingetauscht, Wemdingen aber erhielten die Grafen von Hirsch, berg als Regensburgisches Lehen in Besit. Nach Absterben dieser Grafen von Hirschberg 1305 empfingen den Antheil von Wemdingen , welchen die Hirschberge bisher besaßen , die Grafen von Dettingen 1306 zum neuen Lehen, jedoch gegen Bezahlung einer Summe von 700 Pfund Heller. Es war aber im Orte Wemdingen noch eine besondere Hofmark der adeligen Herren von Wemdingen , welche 1343 Reinbot und Seyfried von Wemdingen um 3134 Pfund ebenfalls an Dettingen verkauft hatten. Die Grafen von Dettingen umgaben hierauf 1318 den Ort mit einer Mauer , und legten 1385 eine Münze an, in der man die Mark Silber zu E Loth ausprägte.

Im Jahre 1467 aber verkaufte Graf

Ulrich dieses Wemdingen nebst den Gütern zu Fünfftett und der Vogtei über Laub und Mezau an den Herzog Ludwig von Bayern um 16000 fl. , wogegen zwar später die Dettingischen Agnaten Einwen. dungen machten, 1512 aber vom Schwäbischen Bunde dahin beschieden wurden, daß ihnen lediglich ihr Interesse einzuklagen zugestanden sey, die Stadt selbst aber fernerhin bei Bayern verbleiben solle. Dieser in der Geschichte öfter bemerkte Ort erhielt die Thätigkeit des jugendlichen Landrichters in ungeschwächter Spannung und die wenigen Stunden, welche dem immer weiterstrebenden Manne vom Berufsgeschäfte übrig blieben ,

wurden der Prüfung natürlicher Eigenthümlichkeiten gewidmet und

dadurch der Grund gelegt zu dem umfassenden naturhistorischen Wissen , das den verstorbenen Herrn Staatsrath auszeichnete und selbst in den legten Tagen seines Lebens mit gleicher Theilnahme beschäftigte. Wenn die Dauer seines Aufenthaltes in Wemdingen nur kurz war, so blieben die Einrichtungen, die während seiner Verwaltung getroffen wurden und sich besonders auch auf Verbesserung der Schülen bezogen, länger dauernd und trugen zur Erreichung der wohlwollenden Absicht :

die Bildung des

Volkes zeitgemäß zu heben, mächtig bei . Die Uebernahme der Stelle als Landrichter und Landkommiſſär in Mindelheim eröffnete einen weitern Wirkungskreis. In der Mitte des zwölften Jahrhunderts kommen Edle von Mildenberg vor, die in einiger Ents fernung von der jegigen Stadt Mindelheim wohnten und von dort aus ihre Herrschaft über den unter. gebenen Distrikt ausübten.

Martin Crusius bemerkt in seiner schwäbischen Chronik :

Im Jahre 1324

wurde das Schloß Mindelberg und die Stadt Mindelheim, vermuthlich, da König Ludwig und Leopold von Desterreich miteinander Krieg führten , geplündert und verbrannt. berg war im Jahre 1335 das Schloß Schwabeck verbunden.

Mit dem Besiß von Mindel-

In den beständigen Unruhen des 13.

56

Jahrhunderts fielen diese Befizungen an die Herzoge von Schwaben zurück, deren Lehen sie waren . Konrad IV. verpfändete sie mit andern Herrschaften und Gütern an den Herzog von Bayern und Konradin verkaufte sie an den Herzog Ludwig den Strengen 1266.

In dem Kriege mit den ſchwäbi-

schen Reichsstädten wurde Schwabed zerstört und längere Zeit ist von diesem Schlosse keine Rede mehr oder nur in so ferne ,

als es die Besizer wechselt, unter welchen die Rechberg wiederholt und längere

Zeit erscheinen , ferner die Zollern , von da wieder an Bayern. Unter dem Schuße der Rechberg erwarb Mindelheim Privilegien ;

auch hatte diese Familie durch

Hebung des St. Georgen - Bundes dem schwäbischen Adel ein großes Uebergewicht über den StädteBund verschafft. Wildbanne.

Um solche Verdienste zu belohnen ,

erfolgte die Belehnung mit den Forsten und dem

Indeß blieb die Herrschaft Mindelheim nicht im ungetheilten Besige der Rechberg , son-

dern ging auf die Herren von Freundsberg über , welche durch Heirath sich mit dem Hause Rechberg verbanden .

Berühmte Namen führt das Geschlecht der Freundsberg an , besonders Georg , der in der

Schlacht bei Pavia kommandirte.

Nach dem Aussterben

der männlichen Linie ging die Herrschaft

Mindelheim auf die Herren von Marelrain und Fugger über , von da auf Maximilian 1. von Bayern. Die Ereignisse des dreißigjährigen Krieges trafen Mindelheim schwer , brachten es auf kurze Zeit in den Besiz des schwedischen Kanzlers Grafen von Orenßtierna und dann wieder unter die Herzoge von Bayern. Der spanische Erbfolgekrieg wies die Herrschaft dem englischen Führer Herzog von Marlborough zu , der folgende Friede gab es Bayern zurück.

Streitigkeiten mit Desterreich trübten den Besig bis

1780.

Der Friede zu Lüneville brachte den bayerischen Landen Ruhe und die Früchte der neuen Einrichtungen. ― Der verstorbene Herr Staatsrath war , wie oben bemerkt , dazu ausersehen, als Landkommiſſär die verwickelten Verhältniſſe dieser Provinz zu ordnen.

Es brach jedoch im Jahre 1805 jener verhees

rende Krieg aus , der das schwache Band , welches Deutschland noch zusammengehalten hatte, vollends störte und den Rheinbund in's Leben rief.

Schwaben war zum Kriegsschauplag auserſehen und der

Unterhalt großer Heere forderte eine ungewöhnliche Thätigkeit des Kommissärs , und Gefahren eigener Art zu bekämpfen hatte.

der Schwierigkeiten

Es gelang zwar , eine Uebereinkunft zu Stande zu

bringen , durch welche die österreichische Regierung sich verbindlich machte , die Verpflegung ihrer Truppen zu übernehmen oder Kosten -Ersag zu leisten.

Bayern wollte damals neutral ſich verhalten , ein

Verlangen, das Desterreich nicht gewährte und dadurch Bayern zur Verbindung mit Frankreich zwang. Der Friede von Preßburg erweiterte den Umfang von Bayern , das jezt als Königreich in der Reihe der Staaten des Rhein - Bundes steht und dessen vollständige Souveränität ausgesprochen war.

Die

Erweiterungen der Besizungen in Schwaben durch Augsburg , Burgau , Lindau mit den südöstlichen Bezirken brachte in die dortigen Organiſations - Plane größere Einheit , durch die frühere Zerstücklung

des erworbenen Gebietes .

erschwerte aber das Geschäft

Die Auflösung

der uralten Landschafts-

Verhältnisse war ein Hauptgeschäfte des königlichen Landkommissärs und rechtfertigte die Wahl des mit dieser Umgestaltung betrauten Mannes. Stifter und Klöster.

Daran schloß sich das allgemeine Aufheben der geiftlichen

Die damaligen Verhältnisse forderten ein schnelles Verfahren ;

wollte man die Rückkehr des Mönchthums zur Unmöglichkeit machen.

wahrscheinlich

Die Strenge der allgemein an-

geordneten Grundsäge hat sich jedoch durch den Erfolg keineswegs gerechtfertigt,

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Ein erweiterter Wirkungskreis war dem verstorbenen Herrn Staatsrathe zugedacht, und zwar im Jahre 1806 die Stelle eines Polizei- Direktors der Stadt Augsburg.

Augsburg war, wie oben bemerkt, in

Folge des Friedens von Presburg mit Bayern vereinigt worden und hatte im genannten Jahre eine Organisation seiner staatlichen Angelegenheiten erfahren.

Diese uralte ,

ehrwürdige Stadt ,

die durch

ihre günstige Lage eine frühe Gründung nachweist , hatte sich durch Glück und Unglück hindurch zur deutschen Stadt erhoben und erscheint wenigstens seit 832 unter deutſchem Namen.

Die Kaiser aus

dem Sächsischen und Fränkischen Hause begünstigten sie als Anhaltspunkt gegen feindliche Nachbaren. Es brachte diese Gunft der Stadt manchen Nachtheil, so wie an Herzog Welf von Bayern einen uns versöhnlichen Gegner.

Die Kaiser aus dem Schwäbischen Hauſe waren zu ſehr überzeugt von der

Wichtigkeit dieser Stadt, als daß sie die Freiheiten derselben nicht erweitert und geſchüßt hätten.

Und

doch wäre die Selbständigkeit der Stadt in der kaiserlosen Zeit bald zu Grunde gegangen ,

wäre

nicht Rudolph als Netter erschienen , noch mehr als Begründer des Bürgerthums .

Dadurch war die

Verbindung der Bürger inniger geworden und wurde fest gehalten durch die Kraft und den Glanz der bevorzugten Geschlechter , welche die Größe der Stadt hoben und ihren Ruhm als erste Handelsstadt im südlichen Deutschland begründeten. ftigte Augsburgs wachsende Größe , eigniſſe erholen konnte.

Ludwig der Bayer ,

Patron aller Reichsstädte , begüns

an deſſen Gesinnung und Reichthum er sich im Drange der Er.

In der Folge trat durch äußere Einwirkung eine Aenderung in die bürgerlichen

Verhältnisse. Die Erhöhung der Gewerbsthätigkeit,

das materielle Uebergewicht einzelner Gewerbe war der

Einführung des Zunftregimentes günstig , aus demselben entwickelte sich die gemeinschaftliche Theilnahme an der Vertheidigung der Stadt und das Recht , die Waffe zu führen , unmittelbar daran schloß sich die Theilnahme an der städtischen Verfassung.

Dieß sind die Hebel, welche das Streben der Städte

zur Erringung der Unabhängigkeit hoben und die einzelnen Klaffen der Bevölkerung Jahrhunderte lang in erfolgreicher Thätigkeit erhielten.

Man darf nicht übersehen ,

telalters ein edles Selbstgefühl zu Grunde liegt, der Masse gemeinsames Interesse erzeugte.

daß dem Zunstwesen des Mits

das unter Gleichgestellten erhöhte Thätigkeit ,

unter

Als Augsburg in diesem Sinne die Verfassung änderte,

verloren die bevorzugten Geschlechter nicht allen Theil an der Regierung und dieser durch mancherlei Kriege und Unruhen getrübte Uebergang glich sich mit dem Bedürfniß der Zeit so vollkommen aus, daß innerer Wohlstand und wohlberechnete Handels-Unternehmungen , besonders nach Italien , Schäge in Augsburg häuften,

die einzelnen Familien zu hohem Glanze verhalfen.

Aber der Werth solcher

Neichsstädte bestand nicht allein im Aufhäufen von Schäßen ; die gesteigerte Gewerbsthätigkeit, die Verbindung mit dem Süden förderte den Sinn für Kunst und Wissenschaft , welche sich in Augsburg so wie in andern Reichsstädten ein eigenes Feld schuf und , wenn auch von Außen aufgemuntert und in Thätigkeit erhalten ,

doch den eigenthümlichen deutschen Charakter annahm und bewahrte.

Kein

Mittel wurde unversucht gelassen , um die geistige Mittheilung zu erleichtern und man darf sich nicht wundern , wenn die Buchdruckerkunft dort am meisten begünstigt wurde , wo man den materiellen Verkehr nicht beschränken fonnte und der geistige als nothwendiger Ausfluß sich ergab. zur Aufgabe , die Namen der Männer aufzuführen ,

Es gehört nicht

welche in Wissenschaft und Kunst Augsburg ver-

herrlicht hatten : sie gehören der Geschichte an und sind dort gewürdigt.

Die Reformation fand bald 8

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Anhänger in Augsburg und die Folgen derselben wirkten auf die inneren Verhältnisse der Stadt eben fo störend ein als die Entdeckung

eines neuen Handelsweges auf den Verkehr nach Außen.

die Aufhebung des Zunftregimentes veränderte sich die Verfassung nicht zu ihrem Vortheile.

Durch Die ans

dauernden Zerwürfniſſe zwischen den Religions-Parteien lenkten die Gemüther ab von der ruhigen Beschauung des zu verfolgenden Zieles und der besonders nach dem dreißigjährigen Kriege merklicher hervortretende Verfall der Gewerbe brachte Augsburg um seinen Glanz. ruhige Zeiten einige Erholung gewährten.

Es half nicht viel ,

daß

Störungen blieben nicht fern und die Unbilden des spanis

schen Successions-Krieges glichen sich nur langsam aus.

Nach der Befignahme durch Bayern erfolgten

verſchiedene Aenderungen in der politischen Eintheilung , bis 1810 ein eigenes Lokal - Commiſſariat_er, richtet wurde ;

die polizeilichen Verhältnisse sollte eine eigene Direktion orduen , an deren Spige der

damalige Landkommiſſär zu Mindelheim , Freiherr von Andrian , sich gestellt sah. Dieses Amt war in Augsburg mit eben so mühevoller Anstrengung verbunden , als in andern Reichsstädten , die an die Krone Bayern übergegangen waren.

Man würde Unrecht thun, wollte man

den Gemeinden in jenen Städten jeglichen Sinn für polizeiliche Ordnung absprechen : im Gegentheil, er lag tief begründet in ihren Verfassungen.

Aber er stügte sich auf eine gewiffe Gegenseitigkeit der

Regierungs- Gewalten, welche das Herbe der Verordnung milderte, da der Einzelne am Regimente Theil zu nehmen glaubte.

Diese Ausgleichung forderte Talent und wiſſenſchaftliche Bildung und was durch

den ernannten Direktor in's Werk gesezt worden , ist in Augsburg nicht vergessen , sondern von prüfenden Männern dankbar erkannt worden.

Auch hier zeigte sich wieder die Sorge für geordneten

Schul- Unterricht , wozu es weder an Mitteln noch an Sinn gebrach.

Es gehörte jedoch fester Wille

zur Durchführung von Maßregeln, die nach allgemeinen Grundsägen entworfen und durch das Bedürfniß erzeugt worden waren , das sich seit dem Anfange des Jahrhunderts immer deutlicher fund gab. Die Vorliebe des verstorbenen Herrn Staatsrathes für naturhistorische Studien fand neue Nahrung in der Errichtung von Real - Jnstituten und er wirkte besonders darauf hin ,

einen nähern Zusammen-

hang mit den Schulen herzustellen , die den Real- Studien einen sichern Grund darbieten müssen , wenn die Bildung mit Erfolg gefördert werden soll.

Von dieser Ansicht war der scharfsinnige Denker durch-

drungen , so sehr er sich auch den Real- Studien zuneigte.

Ueberhaupt aber legte er ſchon damals die-

fen Anstalten den höhern Werth der Kunstfertigkeit bei und wollte mit besonderer Liebe und Ausdauer das Studium der Mechanik , Physik und Chemie betrieben sehen.

Kein Wunder , wenn er eine gründ-

liche Vorbildung forderte, die man ,,allgemeine“ zu nennen pflegt , und wenn er den Uebergang zur Anschauung und Darstellung nur auf sehr solide Elementar - Kenntniß baute.

Auf diese Weise glaubte

er Kunst und Gewerbe auf gleichmäßige Weise vertreten und das Treiben im Vaterlande, dem gewerbreichen Auslande gegenüber ,

vertreten oder doch wenigstens einigermaßen geschüßt.

er das fortdauernde Experimentiren ,

Mit Schmerz sah

das Jahre lang den genannten Anstalten ihre Selbſtändigkeit --

raubte und erst in den lezten Jahren zum sicheren Bestehen derselben sich hinneigte. Nach vierjährigem Aufenthalte wurde er 1814 nach Würzburg berufen als Rath zur Beſizergrei= fung und Verwaltung des Großherzogthums Würzburg.

Diese Provinz war in Folge des Wiener

Congresses an Bayern gefallen und von einer Hof Commission übernommen worden. Hier beginnt ein neuer Abſchnitt in der Lebensgeschichte des verstorbenen Herrn Staatsrathes.

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Jest befand er sich an einem Plage, der seinem lebendigen Streben nach geistiger Bildung Stoff und Befriedigung darbot. Die im Jahre 1582 durch Julius Echter von Mespelbrunn gegründete Hochschule vereinigte das von dem nämlichen Fürftbischofe gestiftete Hospital mit derselben zum Zwecke des medizinischen Studiums. Die reiche Dotation gestattete großen Aufwand und die mediziniſche Fakultät erhob ſich dadurch zu großer Berühmtheit.

Es lag im Sinne des edlen Stifters das Studium der naturhistorischen

Disciplinen als Grund der medizinischen zu erweitern und die dazu erforderlichen Sammlungen der Aufsicht tüchtiger Männer anzuvertrauen . Schon früher hatte der verstorbene Herr Staatsrath seine Studien nach der Erforschung der Natur- Geheimniſſe geregelt und in der Unergründlichkeit dieſes Studiums immer wieder ein neues Feld für die Befriedigung seiner Wißbegierde gefunden . die der Hochschule Glanz verliehen .

Daher die freundliche Annäherung an Gelehrte,

Besonders fühlte er sich hingezogen zu dem genialen Wagner,

dessen vielseitige Bildung so wie unabhängige Bewegung in einem durchaus nicht glänzend ausgestattes ten Leben die innige Theilnahme des Herrn Staatsrathes anſprach. Wagner ist oft verkannt worden , oft angegriffen von Gegnern , die den Reichthum seines Gei ftes nicht zu würdigen verstanden oder nach Recensenten-Weise die stereotypen Ausdrücke der Verurthei lung in Anwendung brachten. Der nähere Umgang mit J. J. Wagner , der sich damals in Würzburg aufhielt, einen großen Einfluß auf den Studiengang des Herrn Staatsrathes.

behauptete

Die Vorliebe , mit welcher er

sich der Geschichte und ihrer Hülfs - Wiſſenſchaften hingab , mußte natürlicher Weise durch die Vorträge eines Mannes gewinnen , der mit gründlicher grammatischer Vorbildung die neuere Philosophie zum Gegenstande seiner Forschungen machte und die Bahn betrat, welche die beiden großen Geister , Schel ling und Hegel , eben erst eröffnet hatten. - Wagner war bestimmt , Theologie zu ftudiren , weil er dadurch in den Stand gesezt wurde, auf Unterstügung Anspruch zu machen.

Allein in diesem Charak

ter hatte sich schon von Jugend auf eine ungewöhnliche Kraft gebildet , die zum Selbstvertrauen ge= steigert, ihn durch mannigfache Erfahrungen des bewegten Lebens trug.

Unabhängig wollte er sich

bewegen in den wissenschaftlichen Bestrebungen ; wo aber konnte er höhere Befriedigung finden als in philosophischer Forschung. -

Daher zeigte sich ihm bei der Jurisprudenz , die er zum Fachstudium ges

wählt hatte , eben so sehr das Bedürfniß philoſophiſcher Bildung , Zweige der Fall gewesen wäre.

bereitungs - Wissenschaften dürfen keinem Manne fehlen , sich selbst zur vollen Geltung. Versuche bezeichnet ,

als es bei irgend einem andern

Schon als Student brachte er Hegels Ausspruch : philosophische Vorder auf Bildung Anspruch machen will ,

an

So mußte fich ein gewisses Schwanken , das seine früheren literarischen

dem Eifer fügen , mit dem er die einzige Stüge in der Philosophie fand.

Man

hat die Erfahrung gemacht , daß Männer , welche das Bedürfniß fühlen , die Zerklüftung des empiris schen Bewußtseyns durch ein eigenes Selbstbewußtseyn zu verbinden,

den äußeren Einwirkungen sich

entzogen und im Ringen nach Wahrheit , fern von dem Treiben der Welt, nur von der eigenen Kraft die befriedigende Lösung der Aufgabe gefordert haben, welche der innere Drang diftirt hatte.

Damals

lebte der durch mythologische und etymologische Untersuchungen bekannte tiefe Denker Kanne, der , zu rückgekehrt aus dem Sturme des Lebens , der eigenen religiösen Ansicht eine Richtung gab , welcher 8.

60

Wagner nicht folgen konnte.

Indeß dauerte ihr geistiger Verkehr fort, obgleich die oben bemerkte Ab-

weichung der Ansichten ernste Mittheilung zwischen beiden hervorrief.

Es war dieß die Folge der

idealen Ansicht Wagners , mit welcher er den erfaßten Gegenstand in ſich aufnahm und mit sich gleichsam vergeistigte. Wer aber durch Wort und Schrift den entschiedensten Einfluß auf Wagners Studien übte , war Fichte, der den geistreichen jungen Mann erfaßte , seinem Berufe zu philosophischen Forschungen eine dauernde Richtung gab und durch Bande inniger Freundschaft ihn an sich zu ziehen suchte. Wagners Wirken in Nürnberg hängt damit zuſammen ;

aber auch das Bedürfniß , in die Naturwiſſenſchaft und

Mit welchem Erfolge er sich hierin bewegte , mit welcher AusWissens in einem Ganzen abzuschließen , bewiesen seine Vorardes Gebiet , das war bemüht er dauer

ihre Anwendung tiefer einzudringen .

beiten für das später erschienene Organon .

Der Aufenthalt in Nürnberg konnte ohne Gefahr für seine

Gesundheit nicht fortgesezt werden ; er fühlte seine literarische Unabhängigkeit gefährdet , die körperliche Kraft schien der geistigen Anforderung erliegen zu wollen und er brauchte Stärkung , die ihm Salzburgs herrliche Natur bieten sollte. Dort gewann er in Kurzem die geistige Frische wieder ; davon zeugen größere und kleinere Abhandlungen und Werke , die das Gepräge eines tiefen Studiums, so wie einer lebendigen Darstellung an sich tragen. Bisher bildeten Wagners Ansichten über Naturphilosophie gleichsam einen Ausfluß aus Schellings und Hegels Schriften.

Indeß begann er bald diese Abhängigkeit abzustreifen und sich von dem Wege

zu entfernen, der seit Schelling eingeschlagen worden war. Er suchte nämlich in dem gewiß sehr scharffinnigen Werke :

Mathematische Philosophie , die Mathematik als Wissenschaft der organischen Form

darzustellen und das Prinzip durchzuführen , welches er in einigen Schriften , schienen waren , ganz offen dargelegt hatte.

die nach und nach er-

Nach Würzburg berufen trennte er sich bald in Wort und

Schrift von Schelling und eröffnete im Jahre 1804 seine Vorlesungen mit der seine Ansicht klar aussprechenden Abhandlung :

Das Wesen der Philosophie.

Je tiefer er eindrang in die Geisterwelt , die

er sich geschaffen, desto einflußreicher wirkte er auf seine Zuhörer , denen er über Wissenschaft , Kunst, Staat , Philosophie , Medizin , Mythologie umfassende Aufschlüsse ertheilte. Mit der politischen Veränderung ,

die Würzburg an den Großherzog von Toscana wies , war

Wagners Wirken in dieser Stadt abgeschnitten. Er ging nach Heidelberg, hielt Vorlesungen , in denen sein unwandelbares Etreben sich offenbarte , mit dem er nach immer festerer Begründung der mathematiſchen Philoſophie rang. Einem theilnehmenden Kreiſe von Zuhörern, die sich zahlreich eingefunden, suchte er seine Ansichten in der Construktion des Staates darzulegen. Er ging dabei von dem Grundgedanken aus :

Nichts in der Welt stehe wahrhaft einzeln da , sondern alles lebe im Ganzen und sey

selbst wieder ein Ganzes für sich ;

ohne diese Ueberzeugung bilden sich nur einzelne Wahrnehmungen, die als Erklärungs - Gründe für eine Reihe oder geschlossene Vielheit anderer Dinge gesezt zu werden. pflegen. Die Folgen des Wiener - Congresses brachten Würzburg wieder an Bayern . Wagner trat in

die früheren Verhältnisse ein , nicht ohne Schwierigkeiten, die ihm von der Universität gemacht wurden . Die Staats- Regierung beseitigte dieselben und schüßte ihn in seinem Wirken. Neben den größeren Abhandlungen über Religion , Wissenschaft , Kunst , Staat , Unterricht , bes

schäftigte ihn das früher begonnene , größere Werk :

Organon der menschlichen Erkenntniß.

Es ist in

61

diesem Werke der Abschluß der Forschungen ,

die Wagner seit dem Jahre 1804 eifrig verfolgte , ents

halten und nachgewiesen, daß dem Seyn und der Erkenntniß eine gleiche Entwicklungsform zu Grunde liege ,

daß aber hierin das Gefeß für den Welt Organismus zu suchen sey und daß die Darstellung

eine Wiſſenſchaft der organischen Form ergebe, und zwar als Grund für den Zweig des Wissens so wie für die ganze Wissenschaft.

Durch die Mathematik glaubte er dieses Weltgeset beweisen und im rein-

ften Ausdrucke darstellen zu können.

Indeß hing dieser Beweis- Methode immer noch Körperliches an.

Wagner fühlte dieß , sezte seine Forschungen fort und gelangte zu der Erkenntniß , daß ein System von Kategorien sich bilde , das noch höher als der mathematische Ausdruck stehe , daß nämlich die Momente, durch welche jegliche Entwicklung vom Eins zum Ganzen ſich durchbildet, durch das Wort ſelbſt reiner aufgefaßt werden können . In der Sammlung seiner kleineren Schriften finden sich mehrere Abschnitte ,

die ganz besonders

darauf berechnet sind , die im Organon ausgesprochenen Ansichten zur Veranschaulichung zu bringen . Mit besonderm Interesse verweilt der denkende Leser bei dem System der Privat - Dekonomie , der er aus dem Begriffe des Nationallebens ihre große Bedeutung zuweist. Im Jahre 1834 wurde er quiescirt , aber nicht gebeugt : er hatte gelernt , in sich selbst Genugthuung zu finden , ja er betrachtete diese Ruhe als einen Gewinn für die Mühen des Lebens .

Einige Jahre verweilte er noch in Würzburg,

dann kaufte er sich ein Gütchen in Neu-Ulm , wo er im Genusse ländlichen Friedens lebte und im Jahre 1841 starb. Dieser gelehrte , so oft mißkannte Mann war in ein genaues Verhältniß zu dem verstorbenen Herrn Staatsrathe getreten , der , wie oben bemerkt, als Rath bei der in Würzburg errichteten HofCommission sich befand.

Lezterer bildete sich in diesem Umgange ein System für seine Denk

und

Handlungs - Weise ,

das in den verschiedenen Stadien des Lebens das nämliche geblieben ist und den Beweis liefert , wie sehr er von der , einmal geprüften und erfaßten Ansicht durchdrungen war. Sein Standpunkt als hoher Staatsbeamter brachte in die philosophische Ansicht vom Staate mancherlei poli

tische Uebertragungen , die sich aus den gewaltigen Veränderungen des Jahrhunderts ergeben mußten. Dem eigenen Geſtändnisse nach war er Zeuge dieser Ereignisse und seine Stellung gestattete ihm , einzugreifen in die Bewegung , zu beruhigen oder abzuleiten . aus der neuen Weltanschauung ergab , als eine einfache : Nicht-Intervention , nach Innen ,

Ihm erschien die Politik, so wie sie sich

nach Außen , Festhalten an dem Prinzip der

eine volksthümliche Gesezgebung und Verwaltung.

Der Eindruck,

welchen die Theilung von Polen hinterließ, war so tief eingedrungen, daß nach mehr als einem halben Jahrhundert die öffentliche Meinung nicht aufhört zu protestiren. Neben diesem Eindrude ist die Ueber. zeugung fest gewurzelt , daß England seinen Einfluß geltend zu machen pflegt , revolutionäre Bewegungen in Europa zu begünſtigen und die aus denselben hervorgegangenen Regierungen anzuerkennen, während es in einem andern Erdtheile nach ganz andern Grundsägen verfährt. Die natürliche Folge ist herrschendes Mißtrauen unter den europäischen Mächten und Eifersucht , mit der sie sich gegenseitig bewachen.

An und für sich liegt in dem Prinzip der Nicht - Intervention nicht mehr Verstand ,

als

wollte man dem Eigenthümer eines Hauses das Recht einräumen , dasselbe anzuzünden auf die Gefahr hin , daß nicht nur die benachbarten Häuser , sondern vielleicht der ganze Ort ein Raub der Flammen . werde.

Wollte man die Vernunft zu Rathe ziehen , so würde sich wahrscheinlich ein ganz anderes

62

Resultat ergeben , -

ein Bündniß nämlich , durch welches jeter Thron unter die Garantie aller übris

gen europäischen Mächte gestellt würde. Statt dessen hat man die geseglose Gewalt zur legitimen Macht erhoben und das Recht der Stärke in das europäische Völkerrecht eingeführt : nicht das unwandelbare Recht , sondern der zufällige Erfolg entscheidet. Ist aber von einem Bündnisse die Rede ,

daß die einzelnen Throne ftügt , so darf dieß keines-

wegs in dem beschränkten wörtlichen Sinne verstanden werden.

Nein ,

auch die Rechte der Völker,

ihren Herrschern gegenüber , müſſen einer gleichen Gewährſchaft sich zu erfreuen haben ;

dadurch ift

despotische Willkür eben so unmöglich gemacht als gewaltsame Veränderung des bestehenden Rechtszus Standes durch die Völker. Diese Erwägungen führen unmittelbar auf die Idee eines europäischen Areopagos.

Jedoch wird

Keiner gerne mit diesem Gedanken hervortreten , der seine Zeit versteht. Europa wird noch manche trübe Erfahrung durchzumachen haben , durch manche Verirrung und Thorheit sich selbst beflecken , bis fich die Ueberzeugung von der innern Unhaltbarkeit des Nicht-Interventions- Princips unter den Trümmern eingestürzter Throne Bahn bricht.

Dann erst wird man das Bedürfniß recht lebhaft fühlen, Re-

genten und Völker von den Fesseln habgieriger Proletarier zu emanzipiren und die friedliche Lösung entstehender Rechtscollisionen den aus dem Mittelalter noch übriggebliebenen Resten des Fauftrechtes vorzuziehen. Bis diese Zeit gekommen seyn wird , müssen wir gleichwohl behalten , was uns die Zeit gebracht hat.

Wir müssen den Monarchen wie den Völkern zurufen :

Aide toi , et Dieu t'aidera , und den

Erfolg ruhig hinnehmen , wie er sich eben darbietet. Für Deutschland ist es ein Glück und ein unschägbarer Vorzug , daß wenigstens innerhalb seiner Grenzen das von uns mit Recht zurückgewiesene Prinzip keine Wirkung äußert, daß vielmehr kein deutscher Thron wanken kann, ohne daß ganz Deutschland zur Handhabung des Rechtes und der Ordnung sich erhebt , daß endlich der deutsche Areopagos kein Hirngespinnst mehr ist , sondern eine Wirks lichkeit. Allerdings aber muß eine volksthümliche Regierungs-Weise herathen und zur Sprache gebracht werden, d. h. man muß die öffentliche Meinung hören. Dieß kann nur durch Kammern geschehen. Es dauerte dieser Austausch bis auf die neuere Zeit fort , hat sich aber durch Bourgeoisie , Studententhum und Proletariat ftarke Eingriffe müſſen gefallen lassen.

Diese Elemente nahmen durch ein sich

selbst ertheiltes Mandat die Zügel der Regierung in die Hände und bildeten das Orakel , durch wel. ches die Aussprüche der öffentlichen Meinung sich kund gaben.

Hoffentlich wird dieses eigenthümliche

Kleeblatt sein Mandat an die Kammern , wenn sie versammelt seyn werden , zurückgeben. Frage seyn ,

ob dieß bedingt oder unbedingt geschieht.

Es wird die

Werden die Regierungen die einmal gemachten

Zugeständnisse zurücknehmen oder durch Interpretationen entkräftigen? Dieß ist nicht wahrscheinlich, da der Rest des Vertrauens , der aus dem Schiffbruche gerettet worden , verloren ginge und die Folgen nicht zu berechnen wären. Eine aufrichtige, offene und redliche Verwaltung ist für ihre Eriſtenz zur Natur-Nothwendigkeit geworden. Noch weniger ist bei den Kammern eine widerstrebende Tendenz vorauszusehen.

Trügen nicht alle Anzeichen , so werden diese vielmehr alle in volksthümlichem Sinne

an fie gelangenden Propofitionen der Regierung freudig begrüßen und zu deren Verwirklichung aufs richtig mitwirken,

Sollte aber , was Gott verhüten wolle , der Terrorismus der Maſſen abermal ſein

63

Haupt erheben und die Freiheit der Berathung zu stören wagen , dann wäre es um die öffentliche Ordnung und Sicherheit geschehen und Anarchie träte an ihre Stelle. Bisher fanden die Bewegungen, welche die Wünsche des Volkes unterstüßten , einigermaßen Entschuldigung in dem Umstande , daß die Regierungen die durch die Kammern an sie gebrachten gutgemeinten Anträge größtentheils unberücks fichtigt ließen , so daß dem Volke nur die Alternative übrig blieb , Weg gewaltsamer Agitation einzuschlagen

die Sache aufzugeben oder den

ferner in dem erschütternden Eindruck , den das revolu=

tionäre Treiben in Frankreich auf Deutschland machte , endlich in dem Umstande , daß in den meisten Ländern die Kammern in der für die Volkssache so günftigen Zeit nicht versammelt waren ,

daß es

also keine Zeit war, mit der Agitation zu beginnen, sollte anders die Sache des Volles nicht verloren gehen. Alle diese Entschuldigungsgründe sind nun angebracht in den deutschen Ländern , in welchen den Wünschen der Volksmänner die gewichtigsten und tiefeingreifendsten Concessionen gemacht worden sind. Daher wäre eine rohe Gewalt , zur Einschüchterung der Kammern angewendet , rohesten Muthwillens , der strafbarſten Böswilligkeit.

die Ausgeburt des

Haben nun die Regierungen noch so viele Kraft

übrig behalten, solchen anarchischen Bewegungen , welche sich auch dem platten Lande mitgetheilt haben, einen festen Damm entgegen zu sehen ?

Werden sie darauf rechnen können , daß die große Mehrheit

der guten Bürger sich um sie schaaren und nicht nur mit Versicherungen in öffentlichen Blättern , sondern, wenn es Noth thut, mit Gefahr ihrer eigenen Eriſtenz den Angriffen der Masse muthig die Stirne bieten werde ?

Wir lassen diese inhaltsreichen Fragen vor der Hand unbeantwortet , hoffen ,

vertrauen , ohne jedoch eine Gewährschaft zu übernehmen.

glauben,

So viel ist indeß richtig , daß ein seltener

Grad von Aufopferung aller Sonder - Interessen dazu gehört , um den bisher nur in Worten ausgedrückten Gemeinsinn zur thatkräftigen Wahrheit zu stempeln.

Wir sind wie durch einen Zauberschlag

in einen Zustand gerathen , der jeder Classe der Gesellschaft schwere Opfer auferlegt , vom Monarchen herab bis zum Proletarier.

Der Monarch muß der Selbstregierung entsagen und die konstitutionelle

Gewalt gewähren laſſen , er muß sogar nach Außen mancher Beschränkung der Souveränität ſich unters werfen ; die bevorzugten Classen sind in dem Falle, ihr historisches Vorrecht theils mit, theils ohne Ent schädigung auf den Altar des Vaterlandes niederzulegen ; der Mittelstand überhaupt wird große Opfer bringen müssen um die Pöbelherrschaft leidlich im Zaume zu halten ; die Proletarier endlich werden. gut daran thun , ihre überspannten, mäßigen.

an Communismus und Sozialismus ftreifenden Ansprüche zu

Alle Sonder- Interessen find demnach ernstlich bedroht.

Werden fie freiwillig aufgegeben,

so hat das dargebrachte Opfer doch einen vernünftigen Zweck und ein entscheidendes Resultat : nämlich die Einheit Deutschlands und mit derselben Vermehrung der Kraft nach Innen und Außen : erst dann kann Deutschland ein Gewicht in die Wagschale Europa's legen .

Läßt man es aber darauf ankoms

men, daß die Sonder - Interessen gewaltsam nivellirt werden , dann spaltet sich Deutschland in zwei Parteien , Bedrückte und Vedrücker ;

das edle Wort ,, Gemeinfinn“ hat dann keine andere Bedeutung

mehr als die Uebereinstimmung der Sieger in dem Bestreben , die gewonnene Beute unter sich zu thei, len , während auf der andern Seite die unterdrückte Partei alle ihre immer noch zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden suchen wird , um dem ihr abgedrungenen Zustande ein Ende zu machen.

Von

einer wahren Einheit Deutschlands , von einer aufrichtigen , patriotischen Gesinnung ist keine Rede

64

mehr; der kraſſeſte Egoismus, der sich nicht leicht befriedigen läßt, ist Herr geworden und erzeugt einen . so unertäglichen Zustand , eine so gewaltige Sehnsucht nach Befreiung von dem Joche , daß auch der stärkste Despotismus nicht Kraft genug besigt , einer solchen Regierung Dauer zu verschaffen. Im Angesicht dieser, die Existenz der Regierungen wie der Völker bedrohenden Gefahren besteht nun die Hauptaufgabe darin , das Vertrauen der Regierten durch entscheidende Schritte wieder zu gewinnen.

Dieß ist aber nicht so leicht , als man bei oberflächlicher Betrachtung der zu Tage liegenden

Erscheinungen glauben möchte. Man lasse sich durch die momentanen ,,Visat" nicht irre leiten ; sie können sich nach 24 Stunden in donnernde

Pereat“ verwandeln ; sie gelten überhaupt mehr dem errunge-

nen Siege als der Persönlichkeit des Besiegten.

Soll das durch mancherlei Fehler unleugbar hervors

gerufene und durch den Mißbrauch der Presse großgezogene Mißtrauen der Völker mit der Wurzel ausgerottet werden , so darf nicht der mindeste Zweifel in die Aufrichtigkeit der volksthümlichen Gesinnungen der Monarchen und ihrer Räthe übrig bleiben.

Kaum aber wird dieses schöne Ziel anders er=

reicht werden, als wenn das Motto : ,,der König regiert, das verantwortliche Ministerium aber verwaltet" zum höchsten Princip der Staatsorganiſation erhoben wird.

Zu den Regentenpflichten des Monarchen

gehört die Ernennung eines volksthümlichen Ministeriums, d . h. eines Miniſteriums , welches das entschiedene Vertrauen der Kammern und der öffentlichen Meinung besigt.

Damit steht in nächster Ver-

bindung die weitere, eben so mächtige Obliegenheit , dem auf diese Weise gewählten Ministerium einen feiner Würde und Verantwortlichkeit angemessenen Wirkungskreis anzuweisen. bilde daher ein formirtes Collegium ,

Das Staatsministerium

in welchem jeder Minister ein entscheidendes Votum zu führen

hat ; die Stimmenmehrheit gebe den Ausschlag ; die Beschlüsse des Ministerrathes haben vollziehende Kraft in allen Gegenständen , wo es sich um Verwaltungsmaßregeln handelt, und bedürfen keiner besonderen Bestätigung des Monarchen : er wird sie vollziehen lassen oder das Ministerium entlassen ; er möge jedoch nur im äußersten Falle von diesem Rechte Gebrauch machen, damit folgenreiche Collisionen mit den Ständen und mit der öffentlichen Meinung vermieden werden. Die Beschlüſſe in eigentlichen Regierungs-Angelegenheiten sind nur dann vollziehbar , wenn sie von dem einschlägigen Minister kontrafignirt sind.

Dort wo das Miniſterium als selbständige oberste Verwaltungsstelle auftritt , wer-

den seine Beschlüsse unter der Firma des einschlägigen Ministeriums und nicht mehr „ Auf Befehl des Königs" ausgefertiget ; unter gleicher Firma wird auch von den untergeordneten Behörden an die Ministerien berichtet. Die Benennung ,,Minister-Verweser" verschwinde aus unserer Geschäfts - Terminologie .

Der

Beruf eines Ministers sey ferner ein selbständiger und kein bloßes Anhängsel der Stelle eines Staatsrathes , unbeschadet jedoch der Befugniß, Siz und Stimme im Staatsrathe zu haben. Was endlich die so oft angeregte, aber niemals klar definirte Verantwortlichkeit der Miniſter betrifft, so scheue man sich nicht auszusprechen , daß leztere nicht nur dem Könige , sondern auch den Kammern gegenüber bestehe und räume der ersten Kammer das Recht der Entscheidung auf die Anklage der zweiten Kammer unbedenklich ein oder wenn dieser in mehreren europäischen Staaten bereits eingeführte Proceßgang nicht beliebt werden wollte, so bestimme man im Voraus oder für allemal ein combinirtes Specialgericht, welches über die Anklage beider Kammern ausschließend und ohne Appellation

65 zu entscheiden hat.

In dem einen wie in dem andern Falle sind die Reate der Minister sowie der

Strafen durch ein besonderes Gesez zu bestimmen. Die Verantwortlichkeit des Ministerrathes endlich ſey eine ſolidarische , ohne Rücksicht auf die abgegebenen Special-Vota : den Mitgliedern bliebe nur die Alternative übrig, dem Beschlusse beizustimmen oder die Entlassung zu nehmen. Ist nun auf vorstehende Weise dem erwähnten obersten Princip einer geſunden Staatsorganisation sein Recht widerfahren und hat sich der Monarch dadurch auf die Höhe gehoben , auf welcher der verfassungsmäßige Grundsag :

die Person des Königs ist unverlegbar , erst zur Wahrheit wird,

dann kann er alles Uebrige getrost seinen Ministern und den Ständen überlassen . Diese Ansichten, die schon lange vorher ausgesprochen waren, ehe noch die Fragen selbst zur öffentlichen Berathung gelangten, gestatten eine tiefe Einsicht in die Weisheit, mit welcher der verstorbene Herr Staatsrath die deutschen Verhältnisse prüfte und mit welcher Gewissenhaftigkeit er in der Vertheilung der verschiedenen Machtansprüche zu Werke ging . Er hatte die Verfassung des eigenen Vaterlandes im Auge und mochte auch in derselben Anflänge für seine Ideer finden . Indeß sollte er sich des in Würzburg gepflogenen gelehrten Umganges nicht lange zu erfreuen haben.

Schon im April 1817 wurde er als Regierungsdirektor zur Regierung des Unterdonau-

kreiſes zu Paſſau berufen und blieb dort 15 Jahre , die von Amtsgeschäften freie Zeit der wiſſenſchaftlichen Fortbildung widmend.

Auch hier war sein Augenmerk auf Verbesserung des Volksunterrichtes

gerichtet, namentlich aber auf zweckmäßige Organisation der Vorbereitungs- Anstalten für künftige Lehrer. Darüber hat sich der verstorbene Herr Staatsrath bei jeder Gelegenheit , besonders im engen Kreise, sehr entschieden ausgesprochen und von der zweckmäßigen Einrichtung der Seminarien das Gea deihen der Volksschule abhängig gemacht.

Mit der innern Einrichtung der meisten Anstalten der Art

zeigte er sich im Allgemeinen nicht sehr zufrieden. So wie er überall durch Vergleichung ein Resultat zu erzielen strebte, so war ihm dieſes Verfahren von der größten Wichtigkeit bei den Untersuchungen über die Mittel zur Bildung des Volkes . Daher verglich er als gründlicher Forscher historischer Quellen die Erziehungs - Grundsäge alter und neuerer Völker und ſezte sie in Verbindung mit den Bedürfnisſſen, die ihm die eigene Erfahrung an die Hand gab.

Und hier war es immer wieder die Natur , der er folgen zu müssen glaubte ohne den

Widersprüchen, die sich erheben mochten,

einen höheren Werth beizulegen ,

als sie verdienten.

Sobald

der Natur das gebührende Recht zuerkannt und die Bildung auf die Entwicklung derselben angewiesen war , mußte neben dem Allgemeinen das Besondere berücksichtigt werden , d. h . nicht nur als Geschaffe= nes verlangte der Mensch Ausbildung der natürlichen Kraft, sondern auch besondere Würdigung der Individualität, des Talentes, Verstandes und Herzens, mit Einem Worte : des ganzen Menschen. Zeis ten und Verhältnisse haben in dem Erziehungswesen verschiedene Mittel vorbereitet und zur Ausführung gebracht,

aber den Grundfag der Bildung des ganzen Menschen haben sie nicht erschüttert.

Wenn im heroischen Zeitalter die körperliche Ausbildung ein Uebergewicht über die geistige zu behaupten scheint , so führt die nothwendige Stärkung der Sinne , die dem Helden gleichsam das

Maß

der Thatkraft vorschrieb, zur Annahme einer geistigen Bildung , die in vielen Fällen durch Anwendung der Musik auf dem Gefühls -Wege versucht wurde.

Wenn der Lacedämonische Jüngling in seiner Er

ziehung als Staatsgut betrachtet und nach militärischer Disziplin gebildet wurde , so war die Idee des

9

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Vaterlandes, die ihn zu unsterblichen Thaten begeisterte, zugleich die fittliche Vervollkommnung , die je den Spartiaten durchdrang und uns Tugenden vorführt , die auf die körperliche Bildung entschiedenen Einfluß haben.

Und wer die Blüthenzeit des Athenäischen Staates verfolgt und die übereinstimmende

Ausbildung der körperlichen und geistigen Kräfte prüft ,

der findet jene Annäherung an ein System,

das sich im Verlauf der Geschichte sein Ziel gesteckt hat, obgleich nicht immer ohne Störung oder hemmende Einwirkung. Indeß fehlte der Erziehung, selbst im Athenäischen Volksleben , das gemüthliche Band , das im patriarchaliſchen Leben seinen Grund ſucht und sich um das Familienleben schlingt :

es fehlte den

Griechen, bei aller Erhabenheit der Wissenschaft und Kunst, der Einfluß der häuslichen Erziehung , die Gleichstellung der Rechte, die den Gliedern der Familie zukommen .

Wenn daher die Bildung, welche

in Athen als Syſtem galt , nicht einseitig genannt werden darf, so fehlte ihr doch die Weihe des Fa= milienlebens. Die Römische Erziehung ging von einem andern Standpunkte aus.

Wenn auch der Vater

unbedingt über die Familie gebot, so blieb doch der Einfluß der Mutter auf die Kinder fühlbar , weil sie die ersten Jahre in ihrer Nähe verlebten.

Der Geist des Vaters theilte sich den Kindern mit und

wie ſich jener im öffentlichen Leben bewegte ,

an der Erweiterung und Beschügung des Vaterlandes

unmittelbar selbst thätig wirkte, so lag eben hierin die Erreichung des gedoppelten Zweckes : den Körper zu stärken und durch die Anwendung dieser Kraft dem Gefühle für das Vaterland erneuerten Impuls zu geben.

Hier aber gebrach es an den Mitteln zur Befriedigung der gedoppelten Erziehungs-

aufgabe, und dem Streben nach dem Schönen in der Darstellung durch Gymnastik, nach der Läuterung des Gefühls durch Musik, blieb der Römer abhold , selbst dann, als griechiſche Bildung sich über Ita= lien verbreitete. Betrachtet man die Erziehung bei den Juden , so reichte denselben der religiöse Standpunkt, auf welchem sie sich befanden, Mittel an die Hand , die den übrigen Völkern der alten Geschichte feh. len.

Die theofrätische Einrichtung ihrer staatlichen Verhältnisse stellte das religiöse Element an die

Spige jeglicher Entwicklung .

So sprach sich in Staat, Kirche und Wissenschaft ausschließlich die reli-

giöse Idee aus und schrieb die Methode vor, sollte.

welche in der Erziehung der Jugend angewendet werden

Allein gerade hierin lag die Einseitigkeit der Bildung und der Mangel an wiſſenſchaftlichem

Fortschreiten, das sich durch Formen niedergedrückt sah und zur geistigen Freiheit nie gelangen konnte. Das Christenthum nahm die an den früheren Völkern gemachten Erfahrungen in sich auf und verlich ihnen Leben durch den Geist der Liebe, der dasselbe durchdringt.

Was bisher durch nationales

Leben getrennt war , sollte in jenem Geiste verbunden und die ertheilten Vorschriften durch Klarheit und Einfachheit der Darstellung zum Bewußtseyn gebracht werden.

Dadurch aber ist zugleich der Weg für

die wissenschaftliche Forschung gebahnt, die das wahre Christenthum nur heben kann. Eine so gewaltige Erschütterung nationaler Interessen von Völkern, die sich nur als Nationen wollten gelten lassen, konnte nicht ohne Kampf durchgeführt werden und erst nach Jahrhunderten konnte das System der Christlichen Erziehung dahin gelangen, daß es den ganzen Menschen durchdrang : freilich bis zum 14. Jahrhundert in sehr untergeordneter Stellung ; denn was die Völkerwanderung zerstört , Karl der Große gehoben, das Nitterthum in körperlicher und ästhetischer Erziehung darzustellen versucht , die Geistlichkeit durch

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scholastische Spitfindigkeiten dem Kreise der echten Wissenschaft entfremdet hatte, das fonnte erst gegen das Ende des 14. Jahrhunderts sich sammeln und eine Uebereinstimmung zwischen Körper und Geist hervorbringen. Das Verdienst der Errichtung solcher Erziehungsanstalten gebührt den Städten Mans tua, Padua, Venedig.

Vor Allem aber wirkte die Reformation ein auf die Verwirklichung der Idee,

daß die körperliche und geistige Bildung des Menschen in Einklang zu bringen sey und vom Elementar-Unterrichte an eine bildende Methode, welche die Ausbildung des Herzens nach vernünftigen Grundfäßen zu fördern habe, ihre Aufgabe lösen müsse. der Heranbildung der Lehrer ,

welche nach

Hier zeigte sich aber bald eine Schwierigkeit in

verbesserten Grundfäßen den Unterricht der Jugend be-

forgen sollten. Es mag allerdings keine geringe Aufgabe seyn, die natürlichen Anlagen und Fähigkeiten in's Auge zu fassen und beim Unterrichte nur den Menschen im Auge zu behalten ; es wäre dann erst die Aufgabe gelöst , wenn ein vernünftiger Gebrauch der dargebotenen Bildungsmittel im Zöglinge Alles zu heben vermöchte, was den Menschen in geistiger und sittlicher Hinsicht bilden kann.

Man braucht

für die Durchführung der Methode gewisse Normen , welche in Seminarien theoretisch und praktisch erlernt und erläutert werden müssen , wenn nicht ein buntes Gemisch von Methoden in die Bildung und Erziehung des Volkes sich eindrängen soll. Der verstorbene Herr Staatsrath hatte zur Durchführung einer möglichst gleichmäßigen Unterrichtsmethode freilich Anstalten im Auge, welche sich mit dem Quantum der einzupfropfenden Kenntnisse und Fertigkeiten nicht auf den beschränkten Zeitraum von 2 oder 3 Jahren angewieſen ſehen. Hohen Werth legte er auf die Bildung der Präparanden und wollte dabei mit der größten Umsicht verfahren wissen.

Ihm war Erziehung eine Leitung der Jugend , die überall die Bestimmung der

Menschheit im Auge hat, daher in jedem Kinde sein Ideal ſieht , dabei aber zugleich die menschliche Natur, im Allgemeinen und Besondern, so tief als möglich zu ergründen fucht.

Natur und Beſtim-

mung ist ihr ein Ausfluß der höheren Leitung, welche dem ganzen Menschengeschlechte sowie dem Einzelnen die Erde angewiesen hat,

um sich zu bilden und sittlicher Vervollkommnung sich zu nähern.

In diesem Streben bedingen sich nothwendig Natur und Bestimmung gegenseitig .

Wer als Lehrer

von diesem Grundsaße durchdrungen ist , der wird das Ziel sicher erreichen und die von ihm anges wendete Erziehungsmethode wird durch den Blick auf die Verhältnisse des Lebens eben so richtig geleitet, als durch das Eindringen in das innere Leben eine unwiderstehliche Kraft auf die Bildung der Zöglinge ausüben. Aus einzelnen Grundzügen, welche der verstorbene Herr Staatsrath entwarf, scheint hervor zugehen, daß ihm der bisher benüßte Präparanden -Unterricht nicht genügte.

Er wies den Präpas

randen ihren Aufenthalt in der Anstalt an , ohne sie den Reihen der Seminaristen beizuzählen. Aufnahme sollte erst geschehen ,

Die

wenn über die Befähigung des Präparanden kein Zweifel mehr ob-

waltete ; daher sie bei Dem früher, bei Jenem später erfolgen könnte. In der geringern oder größern Befähigung läge dann zugleich die künftige Anwendung des Seminaristen zu einem kleinen Schul dienſte oder zum Unterrichte einer zahlreichen Schuljugend.

Der Unterricht für die Präparanden er-

9*

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strecke sich auf Religions -Unterricht , angemessen ihren Fähigkeiten, auf Kopfrechnen , Lesen , Deklamations-Uebungen, welche zugleich den Verstand üben sollen.

Kalligraphie und Orthographie sind auf

deutliche Handschrift, sowie auf einfache Grundsäge der Grammatik zurückzuführen , damit künstliche Malerei und gelehrte Sprachverwirrung nicht Plaß greife.

Häufige Uebungen in

schriftlichen Vorträgen müſſen die nothwendige Gewandtheit erzeugen ,

die dem Elementarlehrer Be-

dürfniß ist und Hand in hand geht mit der Fertigkeit des Elementar-Rechnens, Nußen seyn kann , wenn eine Masse von Beispielen gegeben wird.

mündlichen und

das nur dann von

Die musikalische Bildung kann

natürlicher Weise nur als Fortsetzung des begonnenen Unterrichtes betrachtet werden , da der Tonfinn in früheren Jahren erkannt werden muß ; mancher ganz tüchtige Lehrer aber gerade im Orgelspiel und Gesang Mittelmäßiges leistet.

Alle diese Vorübungen haben nur dann Werth,

wenn sie

schon bald durch praktische Versuche an Schülern lebendig gemacht werden, d. h. wenn in der Schule, die mit dem Seminarium verbunden ist , täglicher, ertheilt wird.

nach verschiedenen Stufen bemessener Unterricht

Der Schullehrer muß sich in das Kind hineindenken , mit ihm leben ; nur so bleibt er

einfach und entfernt sich nicht von dem Bildungsbedürfniß der Jugend , noch überschäßt er sein eigenes Vermögen.

Da die Basis der Schule auf christlichem Elemente steht, so muß der Lehrer mit

dem Inhalte und Geiste der biblischen Bücher genau bekannt seyn.

Wahl und Ordnung der in der

Schule zu behandelnden Stücke ist sehr nothwendig , besonders aber muß bei der Erklärung gelehrter Schein vermieden werden oder ,

was noch schlimmer in den Folgen ist ,

den Unterbau bildenden Grundsäße.

jene stolze Verwerfung de

Es wäre daher sehr paſſend , wenn der Vorstand der Anſtalt

wiederholte Vorträge und Katechisationen mit den heranzubildenden Lehrern veranstaltete ,

um sie im

rechten Geleise zu erhalten und es ihnen möglich zu machen, den Religions-Unterricht mit Erfolg wieder zu geben.

Da aber derselbe schwer zu ertheilen ist und neben einer geregelten Kenntniß der

Wahrheiten eine ziemliche Gewandtheit in Anwendung von Beispielen erfordert,

so ist es wohl zu

rathen, daß sich der Seminarist ein System schriftlich entwerfe , das vom Direktor geprüft und beim Unterricht benügt werde.

Die dadurch erleichterte Wiederholung stärkt den Seminaristen besonders

für Uebungen, die sich im Lehrfache sehr oft ohne Vorbereitung ergeben. Worauf aber die Bildungs-Anstalt genaue Rücksicht zu nehmen hat , ist die moralische Bildung der Seminaristen :

allerdings eine schwierige Aufgabe, bei dem späten Eintreten der Seminaristen

und ihrem kurzen Aufenthalte in der Anstalt , bei der ungleichen Vorbildung und der Verſchiedenheit des Alters.

Tritt die persönliche Beschränkung zu grell hervor , so wird die Gefahr für die Zukunft

in vielen Fällen größer ; nehmen,

ist die Nachsicht zu vorherrschend , so bemächtigt sich leicht ein rohes Be-

eine äußere Unförmlichkeit des jungen Mannes ,

und ihr Gefühl für das Schöne wecken soll.

der Kindern sittlichen Anstand verkünden

Die meisten tüchtigen Pädagogen schließen die Semi-

naristen vom Umgange mit andern Menschen nicht ab und glauben , jene Charakterfestigkeit , welche jegliche Bildung bedingt. scheinen ,

es ergäbe sich aus demselben

Und dieß möchte um so nothwendiger er-

da die meisten Lehrer an Landschulen angestellt werden und ohne frühere Begründung

eines edlen Selbstgefühles sich nur mit Mühe ihrer Aufgabe würdig zeigen können. Freilich fordert die Durchführung

dieser Grundzüge einen tüchtigen Mann an der Spize :

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Viel vermag hier die Persönlichkeit ,

die es mit einem Alter zu thun hat ,

das rasch zur That ist,

jedoch eine gerechte Rüge des Versehens aus dem Munde eines geachteten Mannes mit guten Vors Unter solcher Leitung bleibt die Anstalt sicher vor Mißgriffen und schädlichen Bil-

fäßen hinnimmt.

dungs-Versuchen. Tritt nun der Seminarist in das äußere Leben über , so ist allerdings seine Lage oft nicht zu beneiden.

Entweder sieht er sich in seinen Bestrebungen gehemmt,

oder er stört selbst sein erstes

Wirken durch Ueberschäßung, oder er sieht sich einer Inspektion übergeben ,

welcher die ideale und

reale Auffassung fehlt und zu den Verbesserungen des Schulunterrichtes nicht mitwirken kann. durch wird der Lehrer in eine Isolirung verseßt,

Das

die gewöhnlich seine Bildung unterbricht und

den ersten aller Grundsäße nicht zur Geltung kommen läßt :

der Schulmeister muß eine gründliche

und richtige Erkenntniß der Dinge haben, die er den Kindern beibringen soll.

Hält er fest an dem-

felben, so wird er genau auszuſcheiden wissen, was er von der Maſſe, oft unnöthiger Verbesserungen für seine eigene Bildung, in der Schule anzubringen hat. Was der verstorbene Herr Staatsrath besonders im Auge hatte, war eine durchgreifende Reform der Besoldungs- Verhältnisse der Schullehrer. ein wichtiger, zugleich aber schwieriger sey ;

Jedermann erkennt an,

daß des Lehrers Beruf

daß der Aufwand von Zeit und Kraft ein Einkommen

bedinge , das mit demselben einigermaßen im Verhältniß stehe ;

daß Schulordnung nicht mit Ernst

gehandhabt werden könne , so lange der Lehrer mit Nahrungssorgen zu kämpfen habe oder zur nothwendigen Subsistenz ein Nebengewerbe treiben müsse ; daß endlich gute Köpfe sich einem Stande nicht zuwenden würden , der in den Mühen und Anstrengungen keinen Lohn biete , ja oft einer gewöhnlichen Behandlung sich ausgesezt sehe.

Mit Schrecken muß man sich die Zeit zurückrufen , in der

dem Lehrer auf dem Lande die Kost von den einzelnen Hausbesizern gereicht wurde, wo er in Wohnungen verwiesen war , die weder zur körperlichen noch geistigen Erholung einladen konnten , die es ihm unmöglich machten , für sein Fach sich fortzubilden. Mit Freuden begrüßte der Herr Staatsrath die während seiner langen Dienstzeit eingetretenen Verbesserungen der Lehrer- Gehalte, und half wo es ihm möglich war. Ueberzeugung stehen :

Indeß blieb er fest bei seiner

der Unterricht in der Volksschule müsse einfach bleiben und der Lehrer durch-

drungen seyn von dem, was er der Jugend vorzutragen habe.

Jeder Uebergriff sey in die gehörigen

Schranken zurückzuweisen , dabei aber mit Belehrung eine weise Mäßigung zu verbinden. Der Aufenthalt im Rheinkreis ,

wohin der verstorbene Herr Staatsrath als Präsident gesandt

worden war , dauerte nur kurze Zeit und wechselte bis zum September 1840 mit gleichem DienstVerhältnisse in Würzburg und Bayreuth ab.

Sein ernster Wille ,

die Bewegung der Gemüther zu

beschwichtigen und auf dem Wege der Verordnung Ruhe herzustellen , wünschten Erfolg ;

hatte nicht immer den ers

er sah sich in seinem Wirken gehemmt , und die Hof-Kommission , welche in den

Rheinkreis beordert wurde,

suchte mit bewaffneter Macht den Frieden zu erhalten ,

Theil Aufgeregter gestört hatte.

den ein kleiner

Ob leßtere dadurch für das Intereſſe ihres Landes gearbeitet oder -idealen , oft selbstsüchtigen Plänen gehuldiget haben , hat die Folge nachgewiesen.

70

Der oberfränkische Kreis bot dem Herrn Staatsrathe neben der Thätigkeit im Geſchäftsleben eine reiche Ausbeute für die Befriedigung des wissenschaftlichen Strebens dar. Das Fichtelgebirge , welches dieser Provinz angehört , liegt beinahe in Deutschlands Mitte und gilt als ein Hauptknoten der europäischen Hauptwaſſerſcheide , zuſammengränzen.

so

daß 3 Flußgebiete in demselben

Das ganze Gebirge bildet ein Hochland mit Bergkronen ; Wald- und Moorstrecken

überdecken das Gebirge ; insbesondere aber scheint das ganze innere Plateau in einer frühern Periode ein lang aufgestauter ,

großer See gewesen zu seyn.

Die nähere Untersuchung dieser Gebirge , so

wie der in denselben befindlichen Ueberreste thierischer und vegetabilischer Versteinerungen hat seit Jahren dem Studium der Naturgeschichte neuen Reiz

verliehen und wichtige Resultate zu Tage ge-

fördert. Der verstorbene Herr Staatsrath betrieb diese Forschungen mit Eifer und ungewöhnlichen Vorkenntnissen.

Es war ihm das Glück zu Theil geworden , in der Nähe des Grafen Münster zu les

ben , welcher die Petrefakten - Kunde zum Hauptstudium sich gewählt und durch Untersuchungen die bereits vorhandenen Thierklassen vermehrt hatte.

Das Verhältniß zwischen Beiden erhielt sich forts

während als ein rein wiſſenſchaftliches und wurde durch die Bestimmung als Präsident zur Regierung von Mittelfranken nicht gestört , im Gegentheil , der Austausch erhielt sich lebhafter. In Ansbach sammelten sich bald um den wohlwollenden, berathenden Mann Freunde der Natur und der Geschichte.

Sie beschränkten sich nicht nur auf gegenseitigen Austausch im geselligen Zirkel,

sondern sie suchten auch zu erhalten, was etwa der Betrachtung sich darböte oder Beweise lieferte für aufgestellte Grundsäße.

Und hierin lag die Erweiterung des historischen Vereins

dem er dadurch eine erhöhte Thätigkeit anwies ,

in Mittelfranken,

daß er sich nicht allein auf das Reinhistorische be-

schränkte , sondern der Entstehung und allmäligen Bildung des Lebens angestrengte Aufmerksamkeit widmete und die Erhaltung geschichtlicher Ueberreste nicht nur in der Aufbewahrung alterthümlicher Dokumente und verschiedenartiger Geräthe suchte , sondern seinen Blick auf die Erforschung des Uranfänglichen richtete. Herr Präsidial-Sekretär Spengler , dem wir die Mittheilung folgender Notizen verdanken , war ein treuer Gehülfe in der Anlegung eines Kabinetes, das durch Reichhaltigkeit neben andern Sammlungen der Art wohl bestehen kann , ja in einzelnen Exemplaren Viele übertreffen möchte. Der alte Grundsah : deutung.

„ wer sein Land nicht kennt , kennt sein Volk nicht“ hat noch tiefere Be-

Auf dem Muschelkalk, auf den Formationen vulkanischer Bildung, auf Sumpf und_Moor-

Landschaft, auf dem thonigkalten Boden der Keuperformation bewegt sich ein durch Sinnesart, Denkund Handlungsweise vielseitig geschiedenes Geschlecht.

Um diese Untersuchungen mit den geſchicht-

lichen zu verbinden , fand der Vorschlag des Herrn Staatsrathes : den , Anklang und willfährige Unterstüßung. versteinerter ,

ein zweifaches Cabinet zu grün-

Das Eine war dazu bestimmt , die organischen Reste

dem Reiche der Fauna angehörigen Körper aufzunehmen und dadurch die Lösung der

Frage zu versuchen :

was war früher vorhanden als die alterthümlichen Ueberreste ?

Es sollten

feruer in anschaulicher Weise die Erscheinungen und Stufen nachgewiesen werden, in welchen sich der Erdkörper in unberechenbaren gewaltigen Umwälzungs- Epochen Bahn gebrochen hat bis auf die Erd-

71

bildung der Gegenwart.

Diese leßtere Abtheilung (geologische) ist zwar für Mittelfranken nicht bis

zur vollständigen Repräsentation der einzelnen Abstufungen gekommen ; weise , die es enthält ,

es gewähren aber die Nach-

ein ziemlich getreues Bild der im Großen vorherrschenden Formationen der

mittelfränkischen Landschaft. Das andere Cabinet oder die paläozoontologische Sammlung wurde mit geringen Mitteln im Jahre 1841 begonnen und schließt in seinem Fortbaue mit dem Tode des Verblichenen und mit den schweren Ereignissen der Zeit ab. Daſſelbe bewahrt für die Provinz Mittelfranken einen reichen Schaß von Resten einer untergegangenen animalischen und vegetabilischen Welt.

Alle Versteinerungen aus

der Triasgruppe (bunter Sandstein, Muschelkalk, Keuper,) aus dem untern (Lyas), mittlern (Dalith, ) und obern (Coralrag) Jura und aus den tertiären Strecken, welche in den Bezirken von Solenhofen, Mörnsheim , Eichstätt , Beilngries , Kipfenberg , Pappenheim , Altdorf, Hersbruck , Gunzenhausen, Pleinfeld , Georgens - Gmünd , Rotenburg zu Tage kommen , finden in dieser Abtheilung nach Gattung und Art ihre zahlreichen ,

zum Theil prachtvoll erhaltenen Repräsentanten.

Die systematische

Ordnung der Fauna ist nach Dr. Giebel durchgeführt und wird in dieser Ordnung erhalten. Die 3 Typen der ersten Periode (Waſſerleben) kommen in Mittelfranken nicht vor und sind daher nur schwach vertreten ; Nucula ,

Mytilus ,

Myacites ,

sie haben nur einige Gattungen und Arten von Conchinen : Cardium ,

Conocardium ,

Sanguinolaria ,

Myophoria ,

Aricula,

sehr schöne

Brachiopoden , zahlreichere Arten von Polythalamien : Orthozeralithen , Gonialiten , Clymenien , Trilobiten etc. aus dem Uebergangskalk und Kupferschiefer aufzuweisen ,

welche alle ursprünglich den

oberfränkischen Formationen angehören und hier nur einigermaßen als Repräsentanten der ganzen Periode erscheinen.

Desto reicher ist der 1. Typus , Gastrozoa ,

aus der 2. Periode ( Durchgang,

Wasser- und Land- Leben) repräsentirt durch die verschiedenen Arten der dieser Periode angehörigen Gattungen :

Manon , Scyhia , Tragos , Achilleum , Cnemidium , Ceriopora , Lithodendron , Fungia,

Encrinites , Eugeniacrinites , Penta crinites , Apiocrinites , Comotula , Decaenemos , Cidarites, Echinus , Galeritis , Ostrea , Gryphea , Pecten , Lima , Inoceramus , Astarte , Lutraria , Pholadomya etc.

Die Gattungen der Conchiferen sind bezüglich ihrer beiden Unterabtheilungen Bivalvia

und Univalvia zahlreich vertreten ;

am reichsten die Brachiopoden und von den Polythalamien die

artenreichen Ammoniten , Belemniten , Nautiliten , Exemplare von gigantischer Größe ; ferner ist in vielfachen Eremplaren der noch nicht enträthselte Aptychus und der hinsichtlich seines animaliſchen Baues noch nicht entschleierte Acanthoteuthis vorhanden. Der 2. Typus, Arthrozoa , ist durch zahlreiche Serpuliten und Lumbricarien, und bezüglich der Krebse aus dem Muschelkalk und Jura, durch seltene und gut erhaltene Eremplare der in Mittelfranken vorkommenden Gattungen repräsentirt : pos , Glyphea , Blaculla , Kölga etc. find unstreitig :

Limulus , Cancrinos , Eryon , Megachirus , Antrim-

Die schönsten und werthvollsten Versteinerungen dieses Typus

Pygolampis gigantea , die Acschern ( Libellen ) ,

vorzüglich die Ueberreste aus der

Insekten-Welt , zu denen sich ein in Bernstein eingeſchloſſenes Insekt geſellt , das der 3. Periode angehört.

Viele derselben können bei den geringen vorhandenen Hülfsmitteln ,

welche das Studium

72

derselben auch dem erfahrensten Paläojoontologen gewähren würde, nicht einmal nach Gattung und Art bezeichnet werden. Der 3. Typus dieser Periode, Wirbelthiere, ist nach Gattungen und Arten zahlreich vertreten. Zahlreiche, große, gut erhaltene Exemplare von Fischen aus dem Jurakalk sind vorhanden. Das große und vortrefflich erhaltene Eremplar des Sauropsis longimanus erscheint als Unicum für Mittelfranken und auch wohl für Deutſchland ,

da ein zweites seltenes, auch bei Solenhofen gefundenes ,

das Britiſche

Muſeum besißen soll. Die Amphibien sind durch viele Exemplare von Sauriern aus dem Keuper, Muschelkalk und Lyas repräsentirt :

Mastodonsaurus Andriani , Plateosaurus , Nothosaurus , Mystriosaurus, Ptero-

dactylus, Ichthyosaurus communis, tenuirostris etc.

Das imponirendste Inventarstück des Cabinetes

ist der seltene Ichthyosaurus trigonodon , der hier aufbewahrt wird .

Ein Seitenstück zu demselben

findet sich in der Sammlung zu Banz , welches durch seine Beschreibung in den Beilagen zur Allgemeinen Zeitung vor einigen Jahren das lebhafteste Interesse der Paläontologen erregt hat, aber hinsichtlich der Regelmäßigkeit seiner Gestaltung hinter dem Mittelfränkischen Exemplare zurückbleibt. Das Kopfskelet des Ichthyosaurus trigonodon, das sich im mittelfränkischen Kabinete befindet, stellt sich in gerader Linie dar, ist nur an der ersten Seite der Stirn etwas platt gedrückt , sonst aber wohl und deutlich erhalten, Augenhöhlen , Stirnbein und Nasenlöcher find klar zu erkennen , die scharfkantigent Zähne des furchtbaren Thieres haben noch den unversehrten Schmelz. Das Kopf-Eremplar des Banzer Cabinetes ist nicht in naturgemäßer Lage zu Tage gekom , men, es ist stark verworfen und auffallend verdreht , so daß ein Theil desselben unterhalb des Nafenbeins da zu liegen kommt, wo die untere Seite der Kehle liegen sollte und so umgekehrt. Der wohlerhaltene, in naturgemäßer Lage sich darstellende Kopf dieses Monstrums der Ur, schöpfung , welches das hiesige Cabinet erworben hat , mißt wohlgemessen sieben bayerische Fuß ; in seinem Rachen fände ein erwachsener Mann unseres Zeitalters bequemen Raum ; nach den vorhande nen Wirbeln und Rippenstücken, von denen aber eine bedeutende Anzahl nebst den beiden Hinterflof= senfüßen, dem einen vordern Bruſtſtück und der Brustfußflosse fehlen über 21 bayerische Fuß. fahrne Paläozoontologen weisen diesem Thiere im Leben eine mehr als doppelte Größe zu.

Er-

Als ein

höchst interessanter Theil dieses bei Altdorf im Lyas aufgefundenen Saurierskeletes stellt sich der so ziemlich vollständige linke Brustkasten-Apparat dar, mit der vorderen, zum Theil fragmentären Ruderfloſſe deſſelben , wodurch die auf Cuviers und anderer, englischer und deutscher Paläozoontologen ges gründeten Annahmen, ferner aus der Zusammenstellung der aufgefundenen Reste, zur Klarheit werden. Die 3. Periode (Land-

und Luftleben der jüngsten Erdformation) bietet für Mittelfranken,

obgleich die Landstriche an der Regniz und Pegniz und vor allen die Umgebungen von Nürnberg und Erlangen 2c. den Charakter dieser Formation an sich tragen, da sie , mit Ausnahme der selbst vom Auslande ausgebeuteten Gegend von Georgensgemünd, bisher noch keine zur Anschauung gelangten zoontologiſchen Nachweise geliefert haben, fast eben so spärliche Belege für diese Periode als dies in Bezug auf Mittelfranken für die erste Periode der Fall ist.

73

Das ebenerwähnte Georgensgemünd hat eine reiche Ablagerung von tertiären Resten an das hiesige Cabinet abgegeben ,

und zwar sehr gut erhaltene, mit ihrem glänzenden Schmelze versehcne

Zähne des Mastodon , ganze Kiefer mit wohl erhaltenen Zahnreihen des Palaeotherium ,

Knochen-

fragmente vom Rhinoceros incisivus und Schleiermacheri ; ferner Reste vom Hyotherium und dem gazellenartigen Palaeomerix, vom Elephas primigenius. Die übrigen tertiären Gebilde Mittelfrankens in petrefaktologischer Hinsicht sind auf den klar zu Lag liegenden Jurabildungen bei Eichstätt gefunden worden. Wie getheilt aber auch die Fundorte petrefakter Nachweise aus der 3. Periode für Mittelfranken sich darstellen , der verewigte Gründer des hiesigen Cabinetes wußte dennoch

die zahlreichen

Repräsentanten der 2. Periode und die fehlenden Reste der dritten dem Beschauer zur Prüfung zu verschaffen.

Der Name des Herrn Staatsrathes ist von dem rühmlichst bekannten Naturforscher

Hermann von Meyer zu Frankfurt durch den Mastodonsaurus Andriani der paläozoontologiſchen Forscherwelt für immer erhalten worden und D. Klippstein hat in ſeinem gelehrten Werke : Mittheilungen aus dem Gebiete der Geologie und Paläontologie, bei Gelegenheit des bei Solenhofen aufs gefundenen Sauropsis longimanus, feiner freundlich gedacht.

Durch ausgebreitete Verbindungen, welche

der Herr Staatsrath im Auslande unterhielt , war er im Stande, die Lücken auszufüllen, welche fich für die dritte Periode ergaben.

Dieser Geltung

im weiteren wissenschaftlichen Kreise verdankt das

Cabinet werthvolle Knochenfragmente aus dem Becken von Bordeaur (dem Gastrozoon-Typus anges hörig , oft von der feinsten Struktur ,) von Paris, Regensburg, Wien, Dalmatien, Sardinien, aus der Molasse der Nördlinger Ebene und aus den tertiären Schichten der Donau-Umgebungen ; aus den reichen Orten Oberfrankens ( die schönsten Pflanzen- Exemplare) aus dem Pläner

und Quaders

Sandstein Sachsens, aus der Kreide Helgolands, Wangeroogs und aus Sternbergs Fundgruben mikroscopischer Thierkörper der Noachitischen Fluthzeit. dem Pläner

Guterhaltene Versteinerungen aus der Eifel, aus

und Quadersandstein Sachſens und aus andern in dieser Beziehung merkwürdigen Ges

genden zieren die mittelfränkische Sammlung ; Fußspuren des noch nicht völlig enträthselten Chirotherium, der Thüringischen Landschaft bisher eigenthümlich , wurden in der Gegend von Veitlahm auf dem Petersberge bei Kulmbach aufgefunden und dem hiesigen Cabinete erworben.

Eben daher find

die schön erhaltenen und zahlreichen Ueberreste aus dem Naturreiche der Flora.

Leider sind diese

Pflanzenreste aus dem älteren Sandstein, dem Keuper und Jura bisher noch unbestimmbar.

Besonderes Verdienst hat sich aber der verstorbenene Herr Staatsrath dadurch um das Cas binet erworben, daß er den berühmten Petrafaktologen, Grafen von Münster vermochte, an Ort und Stelle gemeinschaftlich die schwere Mühe der Classificirung und wiſſenſchaftlich techniſcher Bezeichnung zu besorgen.

Dennoch ist bis zur Stunde nicht Alles nach Gattungen und Arten bestimmt worden, ein Umstand, der gewiß für den Umfang und Reichthum der Sammlung spricht und fortdauernde

Thätigkeit in Anspruch nimmt.

Wenn man erwägt , daß dem gelehrten Gründer des Cabinetes nur

die Stunden , welche die Last der Berufsgeschäfte der gelehrten Muse überließ , der Erwerbung und Einrichtung zu Gebote standen ; wenn man bedenkt , wie oft körperliche Leiden nur mit Anstrengung 10

74

dem griftigen Uebergewichte sich fügten ; wenn man endlich die Theilnahme sich in's Gedächtniß zu rückruft, welche der Herr Staatsrath einer günstigen Lösung der immer näher kommenden politischen Wirren widmete und sich dadurch in ungewöhnlicher Spannung erhielt, so stellt sich ein ziemlich deutliches Bild unausgefeßten Strebens nach geistiger Befriedigung dar , aber auch jene erhabene Ruhe tritt in den Vordergrund , die mit sich selbst abgerechnet hat und das Resultat der Erfahrung nach Außen vertheilt.

Dieselbe Vertheilung geschah, was das Wissenschaftliche betrifft ,

an einen engen

Kreis von Männern, die der Herr Staatsrath öfter bei sich sah und mit denen er sich über die vers schiedensten Zweige menschlicher Erkenntniß besprach.

Es trugen diese geselligen Zusammenkünfte das

Gepräge freimüthiger, wiſſenſchaftlicher Unterhaltung an sich , jeder lästige Zwang war entfernt , und wenn auch die Ansichten zuweilen getheilt blieben , so zeugte dieß nur von der gegenseitigen Begründung der aufgestellten Säße. Der Verfaſſer dieſer Schilderung hatte namentlich Gelegenheit , die ungewöhnlichen Ansichten des Herrn Staatsrathes über muſikaliſche Bildung kennen zu lernen.

Ihm

war die Musik ,

die er

in früheren Jahren selbst praktisch geübt hatte, die Kunst , das Gemüth durch den Ton zu bewegen ; dadurch stellte er sich auf den Standpunkt der Harmonie, der er, wie billig, Melodie und Rhythmus unterordnete.

Er suchte ihren Ursprung in der Natur und wollte Gefühl und Gehör in unmittelbare

Verbindung bringen ;

daher wies er jeglichem Eindruck auf das Gemüth die ihm gebührenden Löne

zu und bestimmte nach der Kraft, welche das Gehör auf das Gefühl ausübt , das Maß des Tones. Dieſe allgemeinen Grundsäße würdigend , ging er zur Bewegung über , Stimme und Gehör fand und konstruirte sich nach und nach Lakt , ttages.

in der er Erleichterung für

Stärke und Schwäche des Vor-

So gelangte er allerdings zur Vollendung eines mit Lakt und Rhythmus Geschaffenen , das

er jedoch auf das Gefühl zurückgeführt wissen wollte.

Denn gerade so, wie der Mensch seine Gefühle

durch den Ton ausstößt und sich derselben gleichsam entledigt ,

gewährt ihm die geregelte Verbin-

dung der Löne Beruhigung im Schmerz und Ermunterung zur Chat. Der verstorbene Herr Staatsrath wollte durchaus der Composition nicht das Recht einränmen, Gedanken und Vorstellungen auszudrücken und dadurch das Gefühl gleichsam zu meistern. sollte nicht zum Verstande sprechen , damit sie im vollen Besiße der mystischen Kraft bliebe , fie das Gemüth beherrscht. der Wirkung.

Sie

mit der

Der sonst so klare Denker begünstigte in der Musik das Unerklärliche

Daher huldigte er nicht den Fortschritten , welche der Tonsaß seit dem Anfange des

19. Jahrhunderts gemacht hat.

Es ist dies um so leichter zu erklären , da die Masse der Amtsge-

schäfte, sowie die bewegte Zeit , in welche sein erstes Auftreten fällt , eine ruhige Betrachtung oben genannter Fortschritte unmöglich machte.

Durchdrungen von der ästhetischen Ansicht neigte sich die

Beurtheilung doch mehr zum mathematischen Standpunkte hin und er gefiel sich in der geometrischprogressiven Darstellung der Löne.

Dadurch gelangte er zur regelmäßigen Bewegung der Musik in

Raum und Zeit , schlug aber das eigene Urtheil in Fesseln und verkannte die Möglichkeit einer psychischen Einwirkung.

75%

Den unvergeßlichen . Spieler Hummel kannte der Herr Staatsrath persönlich und fühlte sich noch in den lezten Jahren mächtig zu ihm hingezogen.

Besonders

achtete er ihn als musikalischen

Improvisator und bewunderte den Reichthum harmonischer Gedanken so wie den gebildeten Vortrag des großen Meisters. dem Gefagten. wird.

Warum aber Beethoven geringerer Theilnahme sich erfreute , ergibt sich aus

Es ist durchaus nicht immer - Mangel an Tonsinn , wenn dieser Heros lau beurtheilt

Eben deswegen, weil er das Leben des freien: Geiſtes in der Natur schildert, wirst er unbarma

herzig alle Schranken nieder und zieht Verstand oder . Gefühl mächtig mit sich fort auf der neuen Bahn, die er sich gebrochen. So ausgestattet stellt sich dem Blicke der Mann dar, den diese Zeilen feinen zahlreichen Verz ehrern, vorführen wollen.

Viel fehlt: dieser Beschreibung , die, wenn auch unvollkommen in der Dars

stellung, doch Anspruch auf Wahrheit macht.

Nie wird das Andenken an die Erfahrung und Milde

des Staatsmannes , an die Liebe und Sorge des Familienhauptes , an die Bildung und Bescheidenheit des Gelehrten , an die zuvorkommende Bereitwilligkeit des mit Rath und That Helfendey untergehen.

Und aus diesem edlen Streben, vielseitigen Pflichten zu genügen, erwuchs der kräftige Baum

feiner unveränderlichen Liebe zum Könige, zum Vaterlande ,

für dessen Dienste er seine Kräfte auf-

opferte , für dessen Wohl ein warmes Herz in der Brust ihm schlug. den Früchten ,

Herrlichen Lohn fand er in

die der nächste Kreis seiner Umgebung pflückte und erweiterter Benüßung übergab.

Denn es kann nicht geleugnet werden, daß Jeder, der Belchrung aus dem reichen Vorrathe des Herrn Staatsrathes schöpfte, diese Erwerbung nicht vergrub, sondern mit Ernst strebte, an sich oder andern die Anwendung zu versuchen.

Und gewöhnlich glückte der Versuch , weil die ertheilte Anweisung auf

Erfahrung sich stüßte, obgleich derselben nicht immer fröhliche Erlebnisse zu Grunde lagen. Der höhere Staatsbeamte bedarf zur Erfüllung seines schwierigen Berufes einer ungewöhnlichen Klarheit des Bes griffes ; sie erhält ihn auf dem Wege der richtigen Anschauung und entfernt ihn von der störenden Prüfung des Kleinlichen. Wenn körperliche Leiden in den lezten Jahren die schaffende Thätigkeit des Herrn Staats, rathes momentan unterbrachen, so konnte die Standhaftigkeit, mit der er sie ertrug und die Sorgfalt, mit der er sie den theilnehmenden Blicken seiner Angehörigen zu entziehen suchte, das Bild eines Mannes vollenden, der mit sich selbst abgeschloffen hat und der Kraft seiner Ueberzeugung die Herrs schaft über die natürlichen Einflüsse menschlicher Schwäche überläßt.

Daher war es ihm möglich, bis

zu den lezten Momenten sich selbst anzugehören und den Tröstungen, die aus religiöser Ansicht hers vorgingen , sowie der treuen Anhänglichkeit ſeiner Familie , ſchenken, welche ihm die leßten Stunden erleichtern sollte.

die ihn umgab , die Aufmerksamkeit zu Er lebte im glücklichen Eheverhältniß und

war zweimal verheirathet. Den Bund der ersten Ehe schloß er 1802 mit Fräulein Charlotte von Grauvogl ; nach dem frühzeitigen Lode derselben vermählte er sich 1817 mit Fräulein Amalie von Hailbronner, der noch lebenden Frau Wittwe des Herrn Staatsrathes . Glücklich fühlte er sich im Kreise seiner Enkel, die ihn liebten und keine Gelegenheit vorübergehen ließen , durch Beweise kindlicher Aufrichtigkeit das Herz zu feffeln und die Nähe des Scheidens weiter hinauszurücken.

10 *

76

Allen jedoch brachte er Trost durch die Ruhe und Heiterkeit, mit der er dem leßten Augenblick entgegensah.

Er hatte für ihn nichts Fürchterliches , denn seinem Blicke schwand, bei der ewigen

Belebtheit der Natur, das Wort Lod.

Was sich als Organiſches auflöst und dadurch die Form än-

dert, tritt in einen größern Organismus über und ist daher nur als Einzelnes zerfallen. Alter, welches der Herr Staatsrath erreicht hatte,

Das hohe

die mancherlei körperlichen Leiden , die er zu er

tragen wußte, führten ihn zur genauen Betrachtung der allmälig sich vorbereitenden Auflösung.

Wenn

fich dieselbe in Gefühl und Bewegung zuerst kund gibt , so war ihm wenigstens das Glück zu Theil geworden, diese Veränderungen bis zu den leßten Stunden zu unterscheiden und sich im Zustande klaren Bewußtseyns zu erhalten.

Daher schied er gleichsam aus freundlichen Kreisen am

11. Mai

1851 und hinterließ dauernde Anhänglichkeit an seine Person und unvergängliche Erinnerung an seis nen Werth.

Friede seiner Asche.

I. M. Fuchs, Professor.

77

Verzeichniß

der

Bücher

des

historischen

XI.

Abtheilung.

1676. Ansbacher zeit- und historischer Kalender,

Fortseßungen : Kosmos von A. von Humboldt.

Ch. 3.

Das Leben des Ministers Freiherrn von Stein, von Perz.

Th. 3.

Rb. 3.

Historisches Laschenbuch von Raumer, dritte

des Großherzogthums Hessen ,

von Scriba.

Haupt.

deutsches Alterthum

von

Th. 7.

Band 2.

1683. Codex

Inscriptionum Roman. Danubii Steiner.

1684. Cours - Erhöhung d. K. K. Gold- und Mscrpt. 1793.

1685. Commentatio de satira Lucilii. sperger.

Monumenta Germaniae historica. Tom. XI.

D. El-

1851 .

1686. Die Burggrafen von Nürnberg im XIII. Jahrh. v. Stillfried.

T. XII.

den weißen Korns

Mayer.

Silber-Münzen.

Geschichte der Abtei Eberbach von Bär,

Regesta Boica,

wurm.

über

1782. Beschreibung der Residenz - Stadt Alten-

et Rheni.

Dritte Abtheilung.

Zeitschrift für

1680 Beiträge zur Geschichte von Basel.

burg , 1841 .

Jahrg. 1 , 2.

Regesten

1679. Bericht des naturhistorischen Vereins in

1681. Beobachtungen

Geschichte Europas von Raumer. Th. 9.

Folge.

1677. Analytische Rechnungs-Labellen.

Augsburg.

Correspondenz des Kaisers Carl V. von Tang.

1730-1733. 1735 .

1678. Antiquarius , Rheinischer.

Th. 3 , 4.

Geschichte der Eidgenössischen Bünde von Kopp.

Vereins.

1844.

1687. Das Leben des Ministers Freiherrn von Stein.

Perz.

1850.

78

1688. Die freie Reichsstadt Speyer. D. Zeuß. 1843. 1689. Diplomatische Geschichte des Stifts St. Philipp zu Zell.

Lehmann.

1845.

1690. Die Regiments - Verfassung

der

freien

gierung und Absterben, mit Bildnissen, 1658. 1692. Europäische Annalen, 1815, 1816. 5 Bde. 1693. Ein Spiel von Einem Kaiser und Eim

1694. Fränkische

1850.

Crayß - Akten ,

1654-1664.

Mfcrpt. Crayß- Akten ,

1709-1710.

Mscrpt. 1696. Geschichte der deutschen Sprache von J.

II, B.

1848. 1846.

1698. Gesinde oder Dienstboten-Märkte. D. Bad, 1699. Geschichte der Abtei Eberbach im Rhein-

H. Bär.

1700. Geschichte

1711. Münz - Probations- Receſſe betr.

Mscrpt.

1851.

1713. Neue Beiträge zur Geschichte Philipps des Großmüthigen. 1714. Natur

Duller.

Wissenschaftliche

Abhandlungen.

Streffleur. 1715. Numismatic Chroniclc.

Rußlands

und

Peters

des

Großen von Segür.

1851.

1703, Geschichte des Bauernkrieges. 1704. Grundherr , de Castro Brunn.

1832.

Dechsle. 1728.

1705. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft 1850.

1706. Klee , Urzustand der Erde, 1707. Lebensgeschichte Jeſu.

1851 .

1709. Malerische Wanderungen durch das Pegs 1844.

1591 .

Eidgenossenschaft. 1721.

Reichstags - Communicata.

betr.

1791.

Ministerium

Münzsachen

Mscrpt. das K.

für Annahme

1723. Streitschriften

B. Staatsder

deutschen

D. Rohmer.

1849.

der Stadt Baden

den Marggraven von Baden. 1724. Sohr , Hand-Atlas.

gegen

1780.

1851.

1725. Schierns Uebersicht der Auswanderungen der Normannen aus der Normandie nach Italien.

1847.

1708, Landeskunde des Herzogthums Meiningen. Brückner. 1851.

Marr.

1543.

Reichs -Verfassung.

1702. Geschichte des Doms zu Speyer.

für vaterl. Cultur.

1717. Pasquillus.

1718. Pegnißthal. Mayer. 1719. Relationes historicae.

1722. Sendschreiben an

1701. Geschichte von Bayern von A. Buchner.

nißthal.

inn der Capellen zu St. Elisabeth vnd dem

1720. Regesten der Archive der schweizerischen

1697. Geschichte der Stadt Grünberg.

gau.

Religionis

1716. Pittoreske Ansichten des Ludwig - Canals.

1695. Fränkische

Erimm,

Exercitium

1712. Mittelniederländische Gedichte. D. Keller.

1691. Der Könige von Frankreich Leben , Re-

D. Keller.

das

teutschen Hauß zu Nürnberg betreffend.

Reichsstadt Speyer, von Rau.

Apt.

1710. Memorial ,

D. Mooyer.

1851.

1726. Ueber das zu Bingen am Rhein gefundene Christusbild.

Künzel,

1847.

1727. Uebersicht der kurhessischen Flora .

1844.

1728. Valvations-Tabellen. Mscrpt.

1756.

Nürnberg.

Berichtigungen.

6. 29, Beile 13 v. u. für: 16 " "1 " "/ 34 , " 36 , " 14 " "! 13 und 12 v. " "

" 40,

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jeder I. jede. Conjunktur I. Conjektur. Folc felt 1. Folcfelt. u. sind die beiden Gedankenstriche nebst Zwischensatz zu

streichen. 15 s. u. für II. I. III.

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