Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien: Band 19/20 [1 ed.] 9783205200703, 9783205200604

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Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien: Band 19/20 [1 ed.]
 9783205200703, 9783205200604

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Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien BAND 19/20

JAHRBUCH DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS WIEN BAND 19/20

JAHRBUCH DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS WIEN, BAND 19/20, 2017/2018 ENTSPRICHT BAND 111/112 DER GESAMTEN REIHE: VORMALS JAHRBUCH DER KUNSTHISTORISCHEN SAMMLUNGEN DES ALLERHÖCHSTEN KAISERHAUSES (AB 1883) UND JAHRBUCH DER KUNSTHISTORISCHEN SAMMLUNGEN IN WIEN (1926—1998)

JAHRBUCH DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS WIEN BAND 19/20

2017/2018 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

GEWIDMET SABINE HAAG GENERALDIREKTORIN DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS VON 2009 BIS 2019

HERAUSGEBER: KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN GENERALDIREKTORIN DR. SABINE HAAG REDAKTION: GABRIELE HELKE LEKTORAT: ANNETTE VAN DER VYVER, PIA PRASKA KREATIVDIREKTOR: STEFAN ZEISLER BILDBEARBEITUNG: SANELA ANTIC GEFÖRDERT VOM VEREIN DER FREUNDE DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar © 2019 KHM-Museumsverband ISBN 978-3-205-20070-3

Alle Rechte, insbesondere das Übersetzen in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Museums ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Satz: Bettina Waringer, Wien

Inhalt

BEITRÄGE

Gerhard Schmidt Die Gemma Claudia – eine Autopsie

11

Thomas Buchner Der Jupiter-Dolichenus-Fund von Mauer 1937. Zwischen Heimatmuseum und völkischer Wissenschaft

29

Lothar Sickel Der Wiener Traum nach Michelangelo. Ein frühes Werk von Giambattista Ponchini?

43

Thomas Kuster Die Vliesordensverleihung von 1585. Ein Staatsakt mit diplomatischen Verwicklungen

53

Konrad Schlegel Vom Walross und dem Erzherzog. Abundantia/Pomona von Leonhard Kern in der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms

77

Gernot Mayer und Gudrun Swoboda Gemälde aus den Sammlungen Albani, Braschi und des Vatikans. Die Wiener Galerie als Profiteur des napoleonischen Kunstraubs

93

Friedrich Simader „Libri provenienti da Roma“. Zu einem Bücherraub während der Napoleonischen Kriege

EIN INVENTAR DER WIENER KAISERLICHEN RÜSTKAMMER VON 1678

135

Stefan Krause Ein Inverntar der Wiener Kaiserlichen Rüstkammer von 1678 – Einleitung 149 Mario Döberl Einleitung zur Quellenedition

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Quellenedition 191 Glossar 224

ANHANG

Register 231 Abbildungsnachweis 243 

BEITRÄGE

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Gerhard Schmidt

Die Gemma Claudia – eine Autopsie* Die römisch-kaiserzeitlichen Prunkkameen gehören zu den bedeutendsten Meisterwerken der antiken Kunst. Die preziösen Schaustücke sind wohl in unmittelbarer Umgebung der römischen Kaiser beauftragt und aufbewahrt worden und nehmen damit sowohl aufgrund ihrer außergewöhnlichen handwerklichen Qualität als auch wegen ihrer politischen Aussagekraft eine Sonderstellung ein. Fast alle der heute erhaltenen Prunkkameen kamen auch in nachantiker Zeit nicht unter die Erde, sondern wurden als Schätze verwahrt, gehandelt, geraubt oder weitergegeben. Insbesondere dank der Ankäufe Rudolfs II. Ende des 16. Jahrhunderts beherbergt heute die Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien die wohl weltweit bedeutendste Sammlung dieser Kunstwerke. Die Gemma Claudia im Kunsthistorischen Museum Wien (Abb. 1a) darf zu den wichtigsten Stücken dieser Gattung gerechnet werden. Sie zeichnet sich durch ihre Größe sowie die außergewöhnlich hohe Qualität der Gravur aus. Sie ist ein aus kostbarem Lagenachat gefertigtes Objekt kaiserlicher Selbstdarstellung und kann als eines der bedeutendsten Kunstwerke der julisch-claudischen Dynastie und als ein Höhepunkt antiker Steinschneidekunst gewertet werden. Der große Kameo in Wien, der den Namen Gemma Claudia seit 1985 trägt,1 wurde erstmals im Nachlassinventar des Kaisers Matthias von 1619 unter der Nummer 949 erwähnt: „Ain grosser agata, mit vier Römischer kaisern bildnuss gahr schön und hoch weiss erhebt.“ Auf dem Kameo sind, herauswachsend aus Füllhörnern, je zwei in Form von capita iuguta gestaffelte Büsten von Paaren dargestellt. Weitgehend akzeptiert ist ihre Identifizierung: rechts Germanicus (15 v. Chr. – 19 n. Chr.) und seine Gattin Agrippina maior (14 v. Chr. – 33 n. Chr.), ihnen gegenüber sein Bruder Kaiser Claudius (10 v. Chr. – 54 n. Chr., reg. 41–54 n. Chr.) mit Agrippina minor (16–59 n. Chr.), seiner letzten Gattin und Nichte, einer Tochter von Germanicus und Agrippina maior.

*





Abb. 1a und b: Gemma Claudia, Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. IXa 63, und deren Nachschnitt durch Gerhard Schmidt. (© KHM-Museumsverband und Gerhard Schmidt.)

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Die antiken Prunkkameen wurden und werden in zahlreichen Publikationen in ihrer kunsthistorischen und historischen Dimension gewürdigt. Die handwerkliche Erfahrung und der Blick eines Künstlers und Gemmenschneiders kann aber noch zusätzlich wichtige Erkenntnisse bringen, da sich insbesondere aus Details oder Werkzeugspuren weitreichende Rückschlüsse auf die ursprüngliche Komposition und Umarbeitungen gewinnen lassen. Gerhard Schmidt, Steinschneider aus Idar-Oberstein, beschäftigt sich künstlerisch und wissenschaftlich seit vielen Jahren mit antiken Kameen und hat mit den Nachschnitten der Gemma Augustea, der Tazza Farnese und des Grand Camée de France in Ausstellungen – unter anderem in den Antikensammlungen in Wien und Berlin – und Veröffentlichungen bereits Bemerkenswertes zu diesem Thema beigetragen. Die hier vorgelegten Beobachtungen stützen sich auf eine sorgfältige Autopsie und insbesondere auf eine langjährige Erfahrung in der Steinschneidekunst und erbringen für die Gemma Claudia und weitere bedeutende antike Prunkkameen gewichtige Argumente und Diskussionsgrundlagen für eine Neubewertung und Interpretation dieser Meisterwerke. Die vorliegende Studie ist eine überarbeitete und um Anmerkungen erweiterte Fassung der auf der privat geführten Homepage von Gerhard Schmidt (www.gemmarius-sculptor.de) veröffentlichten Überlegungen zur Gemma Claudia. Georg Plattner, Direktor der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums. Wolfgang Oberleitner, Geschnittene Steine. Die Prunkkameen der Wiener Antikensammlung, Wien – Köln – Graz 1985, 55–57.

Abb. 2: Gemma Claudia, Abguss. (© Gerhard Schmidt.)

Vergleicht man die Porträts mit den entsprechenden Bildnissen auf Münzen, wirkt ihre Benennung schlüssig und die Gestaltung überzeugend aufeinander abgestimmt (Abb.  3 und 4). Die Möglichkeit eventueller Überarbeitung stand bislang nie im Zentrum der Diskussion, obwohl Susanna Künzl bereits 1994 auf Unregelmäßigkeiten an der Gemma Claudia hingewiesen und dabei einige überarbeitete Stellen hervorragend beschrieben hat.2 2004 akzeptierte Germaine Guillaume-Coirier zwar die von Künzl erkannten Überarbeitungsspuren,3 interpretierte den Kameo jedoch vollkommen neu, wobei sie in dem rechten Porträt Augustus zu erkennen meinte.4 Im Folgenden werde ich versuchen, anhand zweifelsfrei festgestellter Überarbeitungsspuren die Gemma Claudia ins rechte Licht zu rücken, und zeigen, dass dieses Meisterwerk nicht nur einem, sondern vielmehr zwei Kaisern als Ausdruck spektakulärer politischer Selbstversicherung gedient hatte. Der Kopf des Germanicus auf der rechten Seite ist hervorragend ausgearbeitet und von hoher Qualität, nur leichte Unregelmäßigkeiten lassen sich erkennen, wie die Unterschneidung der Ober- und Unterlippe, die leicht gestauchten Spitzen der Stirnhaare und die nachgeschnittenen Augenbrauen. Ansonsten weist der Kopf keine

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Vgl. Susanna Künzl, Gemma Claudia?, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 24, 1994, 289–297. Vgl. Germaine Guillaume-Coirier, Nouvelle approche de la Gemma Claudia. L’apport des couronnes, in: Journal des savants, 2004, 21–60. Erika Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen und ihr Nachleben, Berlin – New York 2007, 440 (zu Guillaume-Coirier: erweitert die Theorie von Künzl durch neue Hypothesen, u. a. die unhaltbare Deutung des rechten männlichen Porträts als Augustus).

Abb. 3: Aurei des Claudius: Claudius, 51–52 n. Chr., Inv.-Nr. RO 5321; Agrippina minor, 50–54 n. Chr., Inv.-Nr. RO 5439. Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 4: Sesterz des Caligula: Agrippina maior, 37–41 n. Chr., Inv.-Nr. RO 5449; As des Caligula: Germanicus, 39–40 n. Chr., Inv.-Nr. RO 5246. Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett. (© KHM-Museumsverband.)

DIE ÜBERARBEITUNGEN

Überarbeitungsspuren auf. Seine fein geschnittenen, sich überlappenden Haarsträhnen, die elegant geschwungenen Augenlider, eine bis in alle Winkel geglättete Oberfläche sowie die harmonische Farbverteilung zeigen, dass hier ein Gemmenschneider am Werk war, der seine Kunst virtuos beherrschte und zu den Besten seiner Zeit gehört haben musste. Betrachtet man hingegen den im Vergleich etwas kleineren Claudius-Kopf auf der linken Seite, so ist Folgendes festzustellen: • Das Gesicht ist im Bereich von Auge–Stirn–Stirnhaaren eingedellt. • Das Auge ist sehr klein und tiefliegend. • Die Nase ist klein, dazu passt das große Ohr nicht. • Die tiefliegenden Stirnhaare sind unsauber geschnitten. • Die Nackenhaare sind abgeschnitten. • Außerdem sind die Konturen von Hals, Nacken, Nase, Stirn und Mund so tief geschnitten, dass die braune Zwischenschicht zum Vorschein kommt. Angesichts dieser unübersehbaren Merkmale steht fest, dass dieser Kopf weder in stilistischer noch in technischer Hinsicht zu dem fein gravierten Kopf des Germanicus auf der anderen Seite passt und folglich das Ergebnis nachträglicher Umarbeitung sein muss.

Der Caligula/Claudius- und der Germanicus-Kopf Aller Wahrscheinlichkeit nach zeigte der Kameo anstelle des Porträts des Claudius ursprünglich das seines Vorgängers, des Kaisers Caligula (12–41 n. Chr., reg. 37–41 n. Chr.), mit seiner Schwester Drusilla (16–38 n. Chr.), der Tochter des Paares gegenüber: Germanicus und Agrippina maior. Die augenscheinlich unsauber verarbeiteten Stellen, die das Porträt von Kaiser Claudius – seiner Größe, körperlichen Präsenz sowie dem ihm zugewandten Adler zufolge die Hauptfigur des Kameos – übersäen, auf eventuelle „Schludrigkeit“ des hervorragenden Gemmenschneiders zurückzuführen (mit dem Hinweis darauf, solche Stellen kämen auf den besten Kameen vor), kann die großen Unterschiede kaum erklären.5 Der ursprünglich wohl vorhandene Caligulakopf ist jedoch nicht zur Gänze der Umgestaltung zum Opfer gefallen. Von ihm sind noch Reste erkennbar, die eine außerordentlich sorgfältige Gravur zeigen: das Haar auf dem erhaltenen Hinterkopf sowie die wunderbar ausgearbeitete Aegis mit feinsten Federschuppen und zart geriefelt umgeschlagenem Rand, auf dem sich drei Schlangen winden. Die Qualität dieser Aegis erinnert etwa an jene herausragend gearbeitete auf der Tazza Farnese. Spuren einer Überarbeitung stellen hingegen die unruhige Politur sowie die leichten Farbverschiebungen im Bereich von Hals, Kinn, Mund und Nase dar. Das Profil des Mannes ist von der Nase bis zum Kinnansatz um ca. zwei Millimeter nach links

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Vgl. Erika Zwierlein-Diehl, Magie der Steine. Die antiken Prunkkameen im Kunsthistorischen Museum, Wien 2008, 308–316 (Die Gemma Claudia).

Abb. 5: Gemma Claudia, Fotomontage. (© Gerhard Schmidt.) Abb. 6: Gemma Claudia, Fotomontage. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 7a und b: Gemma Claudia, links: das „verwaschene“ Profil des Claudius – die braune Zwischenschicht tritt hervor; rechts: das klare, präzise gravierte Profil des Germanicus. (© Gerhard Schmidt.)

verschoben worden. Bei schräger Beleuchtung kann man die Kontur des ursprünglichen Caligula-Kopfes noch schemenhaft erkennen. Wie der Kopf des Caligula zu jenem des Claudius mit dem für diesen charakteristischen fliehenden Kinn umgearbeitet worden ist, lässt sich anhand der Fotomontagen (Abb. 5 und 6) nachvollziehen. Die auf ihnen eingezeichneten Hilfslinien belegen den zuvor streng symmetrischen Aufbau der Gravur und lassen erkennen, dass die Köpfe vor der Umarbeitung annähernd die gleiche Größe besaßen. Eine horizontale Linie am Gipsabguss über den beiden Männerköpfen zeigt deutlich die durch die Abarbeitung entstandenen Höhenunterschiede ihrer Reliefs. Während das Gesicht des Germanicus vom Hals bis zu den Stirnhaaren eine leichte Bogenspannung mit geringen Höhenunterschieden aufweist, ist das Gesicht des Claudius an Hals, Auge, Stirn und den Stirnhaaren stark eingedellt (Abb. 8). Da bei der Überarbeitung unsauber vorgegangen wurde, ist es heute noch möglich, die einzelnen Schritte der sekundär erfolgten Eingriffe nachzuvollziehen. Die weiße Lage, aus der die beiden Männerköpfe graviert wurden, weist bei dem überaus sorgfältig gearbeiteten Germanicus-Kopf überall den gleichen Abstand zur braunfarbigen Zwischenschicht auf.6 Beim Claudius hingegen ist dies lediglich am noch original erhaltenen Hinterkopf seines Vorgängers Caligula der Fall. Hingegen berühren beim Claudius-Kopf die abgearbeiteten Bereiche, also Gesicht, Hals und Nacken, die braune Zwischenschicht. Unabdingbar für eine Beurteilung der Gravur ist es, Original und Abguss nebeneinander zu betrachten. Man sieht dann, dass beim Germanicus-Kopf die Kontur der Nackenhaare mit der Kontur der Unterschneidung übereinstimmt. Auch beim Claudius-Kopf ist an der Unterschneidung die ursprüngliche Kontur der Nackenhaare des Caligula noch deutlich zu erkennen, allerdings sind Teile von ihnen nicht mehr vorhanden (Abb. 10). Offenbar wurden die unteren Nackenhaare abgeschnitten und der Hals wurde geglättet. Dabei hat der Graveur zu viel Material am Hals entfernt, wodurch dieser flacher geworden ist, und teilweise, wie am Kehlkopf, die braune Zwischenschicht freigelegt. Allem Anschein nach besaß der Hals des Caligula im Bereich der Nackenhaare ursprünglich eine leichte Bogenspannung, die wie bei Germanicus wohl der Biegung der Nackenhaare entsprochen hat. Die Unterkante der Nackenhaare ist unsauber geschnitten, sie unterscheidet sich wesentlich von jener der elegant geschwungenen Nackenhaare des Germanicus (Abb. 11). Untrügliches Anzeichen für die Überarbeitung dieser Stelle ist außerdem der horizontale Schnitt, der in die Unterschneidung läuft und den unteren Teil der Nackenhaare eliminiert. Ein winziger Schnitt, sichtbar zwei Millimeter weiter unten, am

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Zur Färbung der Steine vgl. Luca Giuliani – Gerhard Schmidt, Ein Geschenk für den Kaiser. Das Geheimnis des Großen Kameo, München 2010, 86.

Abb. 8: Gemma Claudia, Abguss, Höhenunterschiede der Männerköpfe: Die roten Pfeile markieren die abgearbeiteten Partien am Kopf des Claudius. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 9: Gemma Claudia: (a) durch das Abtrennen der Nackenhaare am Kopf des Claudius verursachten Spuren auf dem polierten Hintergrund; (b) durch Überarbeitung entstandene raue Oberfläche. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 10: Gemma Claudia, Abguss: Die überarbeiteten Nackenhaare; die Punktlinie zeigt den ursprünglichen Verlauf der Haare. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 11: Gemma Claudia, Abguss: Die saubere Kontur der Nackenhaare am Kopf des Germanicus. (© Gerhard Schmidt.)

Ende der bogenförmigen Unterschneidung in diesem überarbeiteten Halsbereich, scheint zu den nicht mehr existenten, weggeschnittenen Haaren gehört zu haben (Abb. 10b). Beim Abtrennen der Nackenhaare wird das Gravierrädchen wohl den polierten Hintergrund berührt und Spuren hinterlassen haben, die dann nicht mehr überarbeitet worden sind (Abb. 9a). Dass bei der Überarbeitung nicht immer sorgfältig vorgegangen wurde, ist auch verschiedentlich an anderen Stellen des Kameos zu sehen: an Partien der Stirnhaare, an Mohnkapsel und Ähren (Abb. 12a) sowie an der Mauerkrone der Frau daneben und ihren Ringellöckchen. Die unsaubere Gravur und die von vielen unmotivierten Einschnitten überzogene Oberfläche bestätigen nicht nur, dass es eine Überarbeitung gegeben hat, sondern führen vor Augen, dass der dafür verantwortliche Graveur dem Schöpfer des ursprünglichen Kameos sowohl in technischer als auch künstlerischer Hinsicht weit unterlegen war. Die Gestaltung und Ausführung der Stirnhaare des Claudius unterscheiden sich wesentlich von den fein gegliederten Stirnhaaren des Germanicus. Seine überarbeiteten Haare sind grob geschnitten, kantig und ohne Liebe zum Detail (Abb. 13). Sie wurden nach unten hin verlängert, um die hohe Stirn des Caligula zu kaschieren, und als Lockenzange neu gestaltet.7 Um dies zu bewerkstelligen, musste der im Urzustand erheblich höhere Bereich von Auge–Nase–Stirn des Caligula-Kopfes abgearbeitet werden, wodurch auch hier stellenweise die braune Zwischenschicht freigelegt wurde. Die Vorderkante der Stirnhaare liegt jetzt tiefer als die Mohnkapsel rechts daneben, auf der noch Reste der Haare des Vorgängers Caligula zu sehen sind (Abb.  13c). Der Höhenunterschied zwischen der vorangegangenen und der neuen Frisur wird von einer roten Punktlinie markiert (Abb. 13).

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Auch bei dem Kameo mit Porträtbüste des Kaisers Claudius in Vorderansicht, der sich im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet (Inv.-Nr. IXa 23) – der Kameo stellte ursprünglich Caligula dar – wurden die Stirnhaare verlängert; Wolf-Rüdiger Megow, Kameen von Augustus bis Alexander Severus, Berlin 1987, 198: „Die links neben dem Kaiser zu ergänzende Person muss nach Ausweis der Parallelen (Kameo Rothschild, A 64 [Taf. 14,9]; A 65 [Taf. 14,10]) weiblich gewesen sein; für Caligula bietet sich am ehesten Drusilla an.“ Vgl. auch Zwierlein-Diehl 2008 (zit. Anm.  5), 304–308.

Abb. 12a und b: Gemma Claudia, Abguss: links die beschnittenen Ähren (rote Pfeile) und die verschnittene Mohnkapsel; vgl. rechts die nicht überarbeitete, elegant geschwungene Ähre und feinst ausgearbeitete Mohnkapsel auf dem Füllhorn. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 13: Gemma Claudia, Abguss: Die überarbeiteten Partien Stirn, Stirnhaare, Mohnkapsel, Ähren und Mauerkrone (innerhalb des roten Kreises). (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 14a und b: links: Profil des Claudius auf der Gemma Claudia; rechts: Profil des Claudius, Paris, Cabinet des Médailles, Camée 269. (© Gerhard Schmidt.)

Zwischen Mohnkapsel und Ähren wurde ein gerader Einschnitt, dessen Sinn sich mir nicht erschließt, angebracht und weiter nicht bearbeitet. Überarbeitet wurde die Mohnkapsel, die jetzt tiefer als die Ähren liegt. Wahrscheinlich wurde die obere Kante der oberen Ähre beim Entfernen von Caligulas Stirnhaaren versehentlich abgearbeitet oder aber bewusst der unteren Ähre angepasst, die beim Heraustrennen einzelner Partien der darunterliegenden Haarkappe der Frau beschnitten wurde. Die Vorderkante der Ähren ist bestoßen; ursprünglich müssen die Grannen der Ähre um einiges länger gewesen sein, worauf ein Vergleich mit den Ähren der Füllhörner hindeutet (Abb. 12b). Oberhalb der Mohnkapsel auf der Mauerkrone wurden einige Stirnhaare des Caligula mit der Stirnseite eines Gravierrädchens von ca. drei Millimetern Durchmesser entfernt. Die dabei entstandenen halbkreisförmigen Einschnitte sind noch zu erkennen (Abb. 13a). Unklar bleibt, warum diese Einschnitte nicht mehr geglättet wurden. Unterhalb der Mohnkapsel wurde das Profil von Caligulas Stirn um ca. 1,5 Millimeter nach links verschoben; auch dieser Einschnitt ist auf dem Gips gut erkennbar (Abb. 13d). Auf der Fotomontage (Abb. 5 und 6) wird ersichtlich, dass, um nunmehr Claudius darzustellen, Caligulas Profil vom Nasenloch abwärts abgearbeitet werden musste. Dementsprechend sind in diesem Bereich Spuren der Überarbeitung vorhanden. Von der Nasenspitze bis hinunter zum Hals ist die Unterschneidung unsauber, sodass das neu entstandene Profil einer scharf gezogenen Kontur entbehrt (Abb. 7a). Unterhalb der Lippen besteht es lediglich aus einem geraden, senkrechten Schnitt. Auch hier gibt es Unterschiede in der Reliefoberfläche: Die Lippen sind, im Vergleich zu Germanicus, zu hoch, das Auge liegt zu tief und ist verkleinert, um in das nunmehr kürzere Gesicht zu passen. Schwach ausgeprägt ist hingegen das Nasenloch, die Hinterkante des Nasenflügels ist jedoch zu tief eingeschnitten (was in keiner Weise der Nase des Germanicus entspricht), während die Unterkante der Nase sich von ihrem Hintergrund nicht klar abhebt. Unscharf geschnitten ist auch das Unterlid des kleinen Auges, in dem ein kreisrunder Pupillenpunkt hoch eingesetzt ist, der wohl mit der Stirnseite eines röhrenförmigen Werkzeugs geschnitten wurde. Die Augen der anderen Personen auf dem Kameo haben sichelförmige Pupillen, für die ein anders beschaffenes Werkzeug benutzt worden ist. Werden mehrere Personen dargestellt, so graviert man deren Pupillen üblicherweise erst im Zuge ihrer Fertigstellung, da diese, zumal wenn sie sich einander gegenüber befinden, aufeinander abgestimmt sein müssen. Selbstverständlich wurde dafür dann dasselbe Werkzeug benutzt. Unterschiedliche, mit einem anderen Instrument gestaltete Pupillen wie hier weisen demnach auf eine nachträgliche Bearbeitung hin (Abb. 7). Dies ist auch bei der Gegenüberstellung des Claudius-Kopfes der Gemma Claudia und dem Kopf des Claudius der Camée  269, die sich im Cabinet des Médailles in Paris befindet (Abb. 14a und b),8 ersichtlich. 8

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Marie-Louise Vollenweider – Mathilde Avisseau-Broustet, Camées et intailles, Bd.  2: Le Portraits

Abb. 15: Drusilla (Agrippina minor). 5,5 x 4,1 cm. Ihre Nasenspitze ist bestoßen und wurde überarbeitet. Paris, Cabinet des Médailles, Camée 280. (© Gerhard Schmidt.) Abb. 16: Claudius. Die Nasenspitze ist bestoßen. Paris, Cabinet des Médailles, Camée 269. (© Gerhard Schmidt.)

Der mit der Überarbeitung der Gemma Claudia beauftragte Graveur dürfte auch der Schöpfer des eben genannten dreilagigen Kameos in Paris mit dem Kopf des Claudius gewesen sein, der stilistisch und physiognomisch weitgehend dem auf der Gemma Claudia dargestellten entspricht (Abb.  16). Der Pariser Claudius hat die gleiche punktförmige hochsitzende Pupille, Stirn und Nase haben die gleiche Kontur, Mundwinkel und Nasenflügel sind gleich tief eingeschnitten wie bei der Darstellung des Kaisers in Wien (Abb. 14a und b). Ebenfalls von derselben Hand dürfte das kleine in Paris befindliche Porträt der Drusilla, der Lieblingsschwester von Caligula, stammen (Cabinet des Médailles, Camée 280; Abb. 15)9 sowie weitere Kameen des caliguläisch-claudischen Kaiserhauses.10

Abb. 17: Gemma Claudia, Abguss: Die Reste des abgeschnittenen Schleiertuchs mit Schulterlocke. (© Gerhard Schmidt.)

Der Agrippina minor/Drusilla-Kopf Wie der Kopf des Claudius ist auch der weibliche Kopf dahinter das Ergebnis einer Umarbeitung. Die jetzt als seine Gattin Agrippina minor identifizierte Frau wird vermutlich aus einer Caligula nahestehenden Person umgearbeitet worden sein, möglicherweise aus der Darstellung seiner Lieblingsschwester Drusilla. Am Kopf der nun Agrippina minor genannten Frau sticht zunächst die weißblaue Farbe der dicht an dicht gereihten, tief eingravierten Ringellöckchen ins Auge – ein koloristischer Gegensatz zur homogen durchgehend elfenbeinfarbenen Gesamtkomposition der Gemma Claudia. Das Weißblau der Frisur passt auch nicht zur Farbe einiger

Abb. 18: Gemma Claudia, Schleiertuch mit Schulterlocke. (© Gerhard Schmidt.)

r­ omains du Cabinet des médailles, Paris, 2003, 71, Nr. 101: „Claude orné de la corona civica est vu profil à gauche, le buste, revêtu de l’égide, de trois quarts face“; Megow 1987 (zit. Anm. 7), 194, A74. 9 Vollenweider – Avisseau-Broustet 2003 (zit. Anm. 8), 75, Nr. 112, „Buste drapé d’Agrippine II“; Megow 1987 (zit. Anm. 7), 302, D36: „Büste der Drusilla mit Lorbeerkranz im Profil nach rechts.“ 10 Z. B. die Pariser Kamee eines Frauenporträts mit Köcher, Vollenweider – Avisseau-Broustet 2003 (zit. Anm. 8), 75, Nr. 111: „Agrippine II laurée, vue de profil à droite“; Megow 1987 (zit. Anm. 7), 306, D45: „Büste einer kaiserlichen Frau (Drusilla?) als Diana mit Lorbeerkranz im Profil nach rechts.“ Übersehen wurde bis jetzt, dass die Frisur dieser Kamee überarbeitet wurde. Die ursprüngliche Frisur bestand wahrscheinlich aus Ringellöckchen, welche die Stirn umrahmten und in einer Ansammlung von kleinen Löckchen, einer Löckchentraube, vor dem Ohr endeten. Diese Löckchentraube wurde entfernt, der Köcher, der die Figur jetzt als Diana ausweist, wurde aus der abgeschnittenen Zopfschlaufe neu gestaltet und die Reste des Zopfes wurden zu einem Knoten geformt. Sicherlich war hier ursprünglich nicht Drusilla dargestellt, die sich durch ein kurzes Philtrum, den Abstand zwischen Amorbogen und Nasenunterkante, auszeichnet. Ein Vergleich mit der Gemma Claudia zeigt die physiognomischen Unterschiede. Das Philtrum der Drusilla ist kurz und jenes ihrer Mutter lang. Wer hier ursprünglich dargestellt war, lässt sich aufgrund der Überarbeitung nicht mehr feststellen.

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ihrer Einzelheiten, so der nur rudimentär vorhandenen braunen Schulterlocke, die aus derselben Zwischenschicht geschnitten ist wie die Reste eines auf derselben ­Höhe

Abb. 19: Gemma Claudia, Ringellöckchen der Agrippina minor, entstanden durch Über­ arbeitung; die ursprünglich aus der braunen Mittelschicht gefertigte Frisur liegt nach der Überarbeitung tiefer als der Brauenbogen; gut erkennbar die angeschnittene Ähre und die ­tiefer gelegte verschnittene Mohnkapsel. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 20: Gemma Claudia, Abguss: Die scharfkantigen Einschnitte, mittels derer ein Teil der Haarkappe der neugestalteten Agrippina minor herausgetrennt wurden; die rote Punktlinie zeigt den ursprünglichen Verlauf der Haarkappe. (© Gerhard Schmidt.)

liegenden Schleiertuchs. Befremdlicherweise ist der obere Teil dieser Schulterlocke nicht vorhanden, die Locke hängt nunmehr in der Luft und ist – ohne dass dahinter ein Sinn zu erkennen wäre – mit einem kleinen schrägen Einschnitt versehen (Abb. 17 und 18). Wahrscheinlich war die Schulterlocke, die sich üblicherweise bei den Frisuren caliguläischer Damen nicht findet,11 ursprünglich in dieser Form nicht vorhanden und wurde erst nachträglich aus dem Schleiertuch geschnitten.12 Allerdings würde sie farblich zu einer Frisur passen, die im Urzustand braun gewesen ist. Der vertikale bogenförmige Faltenwurf auf den noch existierenden Resten des Schleiertuchs ist unübersehbar und zeigt, dass das Tuch ursprünglich wohl über den Hinterkopf gezogen war. Der durchgehende Verlauf des Schleiertuchs – ursprünglich reichte es bis zum Kinn von Caligula hinauf – wurde durch die Änderung an seinem Profil unterbrochen und musste kaschiert werden. Es wurde dergestalt abgeschnitten, dass die obere Kante jetzt parallel zu demselben Tuch verläuft, das auch auf ihrer anderen Schulter zu sehen ist. Die scharfe Trennkante, entstanden durch diese Änderung, wurde dann nicht mehr abgerundet und lässt sich unschwer erkennen (Abb. 17, zwischen den Pfeilen b und c). Der parallel zum Hals verlaufende Einschnitt zeigt, dass der Männerhals etwas zurückgesetzt wurde. Reste des ursprünglichen Caligula-Profils sind noch zu sehen (Abb. 17a). Auch der halbkreisförmige Einschnitt am Zusammenstoß von Hals und Schleiertuch, von der Stirnseite eines Gravierrädchens mit ca. 1,6 Millimetern Durchmesser herrührend, ist eindeutig auf die Überarbeitung zurückzuführen; mit einem kleinen Rädchen wurde dieser Bereich geglättet (Abb. 17b). Rudimente der braunen Zwischenschicht treten auch noch an der Nasenwurzel, der Stirnkante und den Stirnfalten des Claudius zutage. Aus dieser braunen Schicht waren, wie erwähnt, ursprünglich auch die Haare des darunterliegenden Frauenkopfes sowie die der Agrippina maior gegenüber geschnitten. Um die Haare der nunmehr wiedergegebenen Agrippina minor farblich und in der Höhe der tiefergelegten Stirn und Nasenwurzel ihres Gatten Claudius abzusetzen und auch die Frisur der neuen Mode anzupassen, mussten die Haare der davor dargestellten Frau überarbeitet werden. Als Resultat liegen die Haarlöckchen der Agrippina minor tiefer als ihr Brauenbogen (Abb. 19). Auf jener Locke, die unmittelbar an der Mohnkapsel darüber und beinahe noch auf der ursprünglichen Höhe liegt, sind noch unschwer Reste der braunen Zwischenschicht zu erkennen. Diverse Unregelmäßigkeiten und Einschnitte an den dicht aneinandergereihten Locken, die auch winzige Reste der braunen Schicht aufweisen, lassen darauf schließen, dass die Frisur vor der Umarbeitung anders ausgesehen hat. Wahrscheinlich handelte es sich um die tief gebrannte Rippenfrisur, wie sie Drusilla trug.13 Die Umarbeitung der Frisur war mit geringem Aufwand zu bewerkstelligen: Einzelne Elemente innerhalb einer Rippe wurden übernommen, stärker voneinander abgesetzt und zu Löckchen gedreht; die dadurch entstandenen Zwischenräume wurden nicht mehr poliert – ein weiterer Hinweis, dass diese Frisur neu gestaltet worden ist. Um den neuen Frauenkopf dem nunmehr darüberliegenden, dank Umarbeitung verkleinerten Männerkopf anzupassen, mussten Teile der für Drusilla typischen Frisur, ihre hohe Haarkappe, entfernt werden. Unterhalb der Ähren wurde ein Stück in Dreiecksform herausgetrennt und die untere Ähre bei dieser Aktion stark beschnitten. Um dieses Stück herauszutrennen, wurden links und rechts geradlinige Einschnitte angebracht, die noch gut erkennbar sind (Abb. 19 und 20).

11 Vgl. Künzl 1994 (zit. Anm. 2), 297. 12 Alle nach 49 n. Chr. geprägten Münzen mit dem Bildnis der Agrippina minor zeigen sie mit Schulterlocke; die Locke ist ein wichtiger Bestandteil ihres Bildnisses, was auch bei der Überarbeitung berücksichtigt wurde. 13 Dietrich Boschung, Die Bildnistypen der julisch-claudischen Kaiserfamilie, in: Journal of Roman Archaeology 6, 1993, 62: „Der Typus wurde auch benutzt für die Agrippina-Darstellung auf dem Grand Camée und der Gemma Claudia.“

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Der Agrippina maior-Kopf Auch am Kopf der Agrippina maior gegenüber erfolgten Eingriffe. Gebrochen wur-

Abb. 21: Gemma Claudia, Abguss: Die elegant geschwungenen und sauber geschnittenen Stirnhaare des Germanicus und die durch rote Pfeile markierten Einschnitte zwischen Stirnschiene und Lorbeerkranz der Agrippina maior. (© Gerhard Schmidt.)

de die Vorderkante der Helmkalotte durch einen Einschnitt zwischen der Stirnschiene und dem Lorbeerkranz (Abb. 21, unterer roter Pfeil). Der horizontale Schnitt an ihrem Kopf, etwas weiter unten und ebenfalls zwischen Stirnschiene und Lorbeerkranz, diente wahrscheinlich dazu, den Kopf der Agrippina maior optisch dem jetzt erheblich kleineren Kopf der neuen Agrippina minor vis à vis anzupassen. Da dieser Einschnitt auf gleicher Höhe wie das herausgetrennte Dreieck am Drusilla-Kopf liegt und keine andere Funktion ersichtlich ist, kann dies eine mögliche Erklärung sein (Abb. 21, rote Pfeile). Auch die Frisur der Agrippina maior auf der anderen Seite, die ursprünglich dunkelbraun war, ist überarbeitet worden. Offenbar wurde versucht, sie mit geringem Aufwand der Frisur ihres neuen Gegenübers farblich anzugleichen. Die zum Verlauf der Locken nicht exakt passenden sowie die nicht mehr polierten Lockenbohrungen belegen dies eindeutig, desgleichen die schmalen, schräg verlaufenden Einschnitte als Überbleibsel des Vorzustandes, die den Verlauf der nunmehr neu gestalteten Locken unterbrechen. Agrippina maiors tiefer liegende Haare steigen zur Stirnkante des Germanicus hin an und sind an Resten in der ursprünglichen Höhe und der braunen Farbe der Frisur noch zu erkennen. Die parallelen, schräg verlaufenden Einschnitte in den Locken weisen meines Erachtens eindeutig auf eine Überarbeitung hin (Abb. 21 und 22). Diese umgearbeitete Frisur entspricht jenen Frisuren, die man von zahlreichen rundplastischen Por­ träts der Agrippina maior kennt: In der Mitte gescheiteltes Haar bildet über der Stirn flache weiche Wellen, an den Schläfen formen die Spitzen der Locken kleine Kringel. Auf caliguläischen Münzbildnissen der Agrippina maior findet sich dieser Typus ebenso wie auf dem Grand Camée de France.14

Abb. 22: Gemma Claudia, die überarbeiteten Haare der Agrippina maior. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 23: Gemma Claudia, Waffen und Attribute mit Überarbeitungsspuren neben dem Füllhorn des Claudius. (© Gerhard Schmidt.)

Die Attribute/Waffen Unter den beiden Füllhörnern sind jeweils aussagekräftige Gegenstände angehäuft, Waffen und Attribute von Göttern. Aegis, Blitz, Dreizack und Heroldstab – die Zeichen von Jupiter, Neptun und Merkur – waren Attribute, die Caligula gerne für sich beanspruchte, um seinen gottähnlichen Status hervorzuheben. Auf der Gemma links befinden sich Rundschild, Pelta und Helm sowie Beinschienen und ein Stab. Unter der Pelta neben dem Rundschild sieht man zwei Dreiecke, die, da überarbeitet, nicht identifizierbar sind und ursprünglich wohl anders ausgesehen haben (Abb.  23b). Desgleichen sind die groben Einschnitte zwischen Rundschild und Pelta der Überarbeitung geschuldet. Oberhalb der einen Beinschiene befinden sich Reste eines Stabes, der ursprünglich wohl auch hinter dem Helm, zwischen Helm und Rundschild und auch links vom Rundschild zu sehen gewesen war (Abb. 23). Der grobe Schnitt im Helm sowie die zwei Schnitte zwischen Helm und Rundschild wurden eindeutig gezielt gesetzt, wohl in der Absicht, den durchgängigen Verlauf des Stabes zu unterbrechen. Dieser Stab, vielleicht ursprünglich ein Dreizack des Caligula, war damit nicht mehr „lesbar“.

14 Ebenda, 61 f., Abb. 40; Dietrich Boschung, Gens Augusta: Untersuchungen zu Aufstellung, Wirkung und Bedeutung der Statuengruppen des julisch-claudischen Kaiserhauses (Monumenta artis Romanae 32), Mainz 2002, 141, Kat.-Nr. 72.7; Heinrich Bartels, Studien zum Frauenporträt der augusteischen Zeit. Fulvia, Octavia, Livia, Julia, München 1963, 93, Anm. 266.

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WEITERE KAMEEN MIT

Der Pariser Füllhorn-Kameo

UNGESICHERTER DATIERUNG

Auch das Pariser Kameo-Fragment eines Frauenporträts mit Füllhorn (Abb. 26) ist das Ergebnis massiver Überarbeitung und auch hier erfolgte diese augenscheinlich aufgrund einer Umbenennung der dargestellten Person. Bislang mit Messalina (Babelon, Jucker, Polaschek), Agrippina minor (Trillmich, Wood), Drusilla (Megow) oder Milonia Caesonia (Fuchs) identifiziert,15 handelt es sich jedoch meiner Ansicht nach um Drusilla. Ein ausschlaggebendes Argument bietet die Frisur: Es ist jene tiefgebrannte Rippenfrisur, wie sie auch von der auf der

Abb. 24: Drusilla mit Rippenfrisur. Marmor. München, Glyptothek, Inv.-Nr. 316. (© Staat­ liche Antikensammlungen und Glyptothek ­München, Foto: Renate Kühling.)

Abb. 25: Caligula mit Trauerbart, dahinter ­Drusilla mit Rippenfrisur. Glaspaste, 2,23 x 1,83 cm, nach verschollenem Kameo. Würzburg, Martin von Wagner Museum der Universität, Kr. 05. (© ebenda, Foto: Isolde Luckert.) Abb. 26: Füllhorn-Kameo. Links, rechts oben und rechts unten sind Emails in den rotbraunen Hintergrund gesetzt, was die Anbringung einer annähernd symmetrischen Fassung ermöglichte (rot gestrichelte Bereiche). Paris, Cabinet des Médailles, Camée 277. (© Gerhard Schmidt.)

15 Ernest Babelon, La Gravure en Pierres fines, Paris 1894, 149, Fig. 111; Michaela Fuchs, Die Frauen um Caligula und Claudius. Milonia Caesonia, Drusilla und Messalina, in: Archäologischer Anzeiger, 1990, 107–122; Susan E. Wood, Imperial Woman. A Study in Public Images, Leiden 1999, 305 f. (40 B.C. – A.D. 68, Mnemosyne); Karin Polaschek, Studien zu einem Frauenkopf im Landesmuseum Trier und zur Haartracht der julisch-claudischen Zeit, in: Trierer Zeitschrift für Geschichte und Kunst des Trierer Landes 35, 1972, 200–210; Walter Trillmich, Julia Agrippina als Schwester des Caligula und Mutter des Nero, in: Hefte des Archäologischen Seminars der Universität Bern 9, 1983, 21–37; Megow 1987 (zit. Anm. 7), 303 f.; Vollenweider – Avisseau-Broustet 2003 (zit. Anm. 8), 96 f.

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Wiener Gemme ursprünglich gravierten Frau, Drusilla, getragen worden sein muss. Das Haar ist in der Mitte gescheitelt und wird von dort aus in Wellen zu den Seiten geführt, hinter den entblößten Ohren eingerollt und dann zu einer Nackenschlaufe gebunden. Die Ringellöckchen, die die Stirn umrahmen, enden in einer Ansammlung kleiner Löckchen, in einer Löckchentraube, vor dem Ohr. Der Kranz wird von einer geknoteten Wollbinde16 zusammengehalten; Mund, Nase

Abb. 27: Füllhorn-Kameo, Rückseite: weißes Gegenemail über den drei eingesetzten Metall- und Emailteilchen. Paris, Cabinet des Médailles, Camée 277. (© Gerhard Schmidt.)

und das hochgezogene Kinn sind auf beiden Kameen ähnlich gestaltet. Deckungsgleich ist auch das Profil der Drusilla auf dem Pariser Fragment und das (unverändert beibehaltene) Profil der Drusilla auf der Gemma Claudia. Unverkennbar sind die physiognomischen Gemeinsamkeiten, besonders auffallend die Eigenart des überaus kurzen Philtrums. Den bemerkenswert kurzen Abstand zwischen Amorbogen und Nasenunterkante findet man auch auf anderen Bildnissen, die höchstwahrscheinlich Drusilla darstellen (Abb. 24 und 25).17 Bei dem Kameo in Paris handelt es sich um ein Fragment, den Rest eines etwa doppelt so großen Steins, der wohl mittig durchtrennt worden ist und ursprünglich wahrscheinlich Drusilla18 und Caligula als gegenübergestelltes Büstenpaar, als capita opposita, über Füllhörnern zeigte, die entlang des unteren Kameenrandes hochgezogen waren. Vorne, rechts unten und rechts oben sind Teile aus Email in den rotbraunen Hintergrund eingesetzt worden, um dem Fragment eine abgerundete, für eine Fassung erforderliche ästhetische Form zu verleihen. Ein Blick auf die Rückseite (Abb. 27) lässt deutlich erkennen, dass der – wie hier angenommen – ursprünglich doppelt so große Stein gezielt durchtrennt worden ist. Die Rückseite wurde komplett überschliffen, wie ein Cabochon abgerundet und hochglanzpoliert. In Anbetracht der ursprünglich wesentlich voluminöseren Gestaltung des Füllhorns – ein Drittel der (ursprünglichen) Masse wurde weggeschnitten – wird man sich für die einst doppelt so große Gravur ein querliegendes Oval oder Oblong vorstellen dürfen. Plausibel wäre, ähnlich der Gemma Claudia, eine antithetische Platzierung zweier Porträtköpfe mit Füllhörnern19 (Abb.  28). Es könnte sich auch jeweils um Doppelfüllhörner, Symbole der ptolemäischen Geschwisterehe, gehandelt haben. Darauf deuten die sekundären Einschnitte zwischen Füllhornkörper und Schulter der Drusilla hin (Abb. 31). Ein Doppelfüllhorn begegnet uns auch auf dem Wiener Kameo Caligula und Roma (Inv.-Nr. IXa 59) (Abb. 39), dessen Horn allerdings mit Trauben, Granatäpfeln und Spitzkuchen gefüllt ist.20 Lässt die Gestaltung des Pariser Kameos – um seine verlorene Hälfte ergänzt – an die Gemma Claudia als Vorbild denken, so tut dies auch ein weiteres Detail: die 16 Die geknüpfte Wollbinde, ein allgemeines Zeichen der pietas, findet sich häufig in Darstellungen der Frauen des julisch-claudischen Kaiserhauses. Die geflochtene Wollbinde ist nicht nur Abzeichen einer Priesterin, sondern wird auch von Göttinnen getragen. Ein passendes Attribut für diese Darstellung der Drusilla, die nach ihrem plötzlichen Tod im Jahre 38 n. Chr. sogleich zur Diva (Vergöttlichten) erhoben wurde. Zur Wollbinde vgl. Ausstellungskatalog Die Bildnisse des Augustus, München (Glyptothek) 1979, 98 f.; Annetta Alexandridis, Die Frauen des römischen Kaiserhauses, Mainz 2004, 49. 17 Rundplastisches Bildnis Typus Caere: München, Glyptothek, Inv.-Nr. 316; Füllhorn-Kameo: Vollenweider – Avisseau-Broustet 2003 (zit. Anm. 8), 75, Nr. 112; Caligula-Drusilla: Boston, Museum of Fine Arts, Inv.-Nr. 98.754; Caligula-Drusilla: Erika Zwierlein-Diehl, Glaspasten im Martin-von-WagnerMuseum der Universität Würzburg, München 1986, Taf. 2, Abb. 5. 18 Die Identifikation der Schwestern Drusilla und Agrippina minor auf den vorhandenen Bildnissen nur anhand der Frisuren ist problematisch. Gute glaubwürdige numismatische Porträts der Schwestern aus caliguläischer Zeit, die weiterhelfen könnten, gibt es auch nicht. Deshalb sollte die manchmal überzeugende Argumente anbietende Physiognomie miteinbezogen werden. So zeigen die Münzprägungen nach 49 n. Chr. Agrippina minor immer mit Löckchenfrisur und Schulterlocke und einem langen Philtrum, das sie von ihrer Mutter geerbt hat. An diesem Detail unterscheiden sich die Schwestern, denn das Philtrum der Drusilla ist kürzer und ähnelt dem ihres Vaters, wie auf der Gemma Claudia eindrucksvoll zu sehen ist. Auch der Münchener Porträtkopf 316, der Drusilla darstellt (Abb. 24), belegt diesen Sachverhalt. Ein weiteres Beispiel ist die kleine Kamee (4,8 x 4,3 cm) in Boston (Inv.-Nr. 98.754) mit der Darstellung der Drusilla mit tiefgebrannter Rippenfrisur neben ihrem Bruder Caligula, der ebenfalls in der Physiognomie ‒ kurzes Philtrum ‒ seinem Vater ähnlich ist. 19 Vorschlag dieser Form auch von Wood 1999 (zit. Anm. 15), 306: „[…] the portrait of Agrippina II might have faced another bust, possibly Claudius that rested on a similar cornucopiae facing in the opposite direction […].“ 20 Vgl. Zwierlein-Diehl 2008 (zit. Anm. 5), 144.

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Abb. 28: Caligula und Drusilla, Rekonstruktionszeichnung von G. Schmidt. (© Gerhard Schmidt.)

dünne, in hohem Relief auf dem Füllhorn geschnittene Ranke, die sich zu Blüten einrollt, auf gleiche Weise gearbeitet wie die Rosettenranken auf den Füllhörnern der Gemma Claudia. Daher liegt die Annahme nahe, dass auch der Füllhorn-­Kameo in der Regierungszeit des Caligula entstanden ist. Walter Trillmich datiert die Pariser Gravur in die Zeit nach 49 n. Chr. und deutet die Frau als Agrippina minor.21 Dieser Identifikationsversuch dürfte jedoch seiner Richtigkeit entbehren, da – wie oben erwähnt – Agrippina minor nach ihrer Heirat mit Claudius 49 n. Chr. immer mit Schulterlocke und Löckchenfrisur wiedergegeben wird, was ihre Abbildungen auf Münzen eindeutig belegen. Es mag Agrippina minor aus propagandistischen Gründen opportun erschienen sein, sich nach ihrem Aufstieg zur Kaiserin von der Ikonografie ihrer Schwestern und von ihrer Vorgängerin Messalina abzusetzen. Auf der Gemma Claudia, wie gezeigt, bestätigen die umgestaltete Frisur und die nachträglich eingefügte Schulterlocke diese Annahme. Dass die asymmetrisch unregelmäßige Form des Pariser Füllhorn-Kameo, hier erklärt mit der Halbierung einer zuvor größeren Gravur, nie ernsthaft hinterfragt worden ist, dürfte seinen Grund in einer weit zurückliegenden Beschreibung des Kameos haben, die Ernest Babelon 1894 verfasst hat. Für ihn zeigt der Kameo eine Frau mit ihren zwei Kindern: „Die Büste von Messalina zwischen zwei Füllhörnern, aus denen ihre Kinder herausschauen, eine entzückende Gruppe, deren perlmuttweißer Farbton sich von dem rötlichen Hintergrund abhebt.“22 Nach der Ermordung von Messalina im Herbst 48 n. Chr. wurde auf Senatsbeschluss die damnatio memoriae über sie verhängt.23 Folglich sind von ihr nur wenige Bildnisse erhalten. Einige in der östlichen Hälfte des Imperiums geprägte Münzen von Messalina sind zwar bekannt,24 allerdings ikonografisch unergiebig, da die Darstellungen deutlich voneinander abweichen. Die meisten ihrer Bildnisse sind umstritten. So hält Michaela Fuchs 1990 den Marmorkopf in München (Abb.  24) für Messalina, Dietrich Boschung 1993 hingegen für Drusilla.25 Bei der berühmten Statue im Louvre (Inv.-Nr. Ma 1224) dürfte es sich nach allgemeinem Konsens um Messalina handeln.26 Mit ihrer doppelten Reihe von Ringellöckchen und den Löckchen auf beiden Seiten ihres Scheitels zeigt sie bereits 21 Vgl. Trillmich 1983 (zit. Anm. 15), 32. 22 Babelon 1894 (zit. Anm. 15), 149, Fig. 111. 23 Tacitus, Annalen II, 37,1–38,3. 24 Z. B. Bronzemünze aus BITHYNIA, NICAEA. Vorderseite: ΜΕΣΣΑΛΕΙΝΑ ΣΕΒΑΣΤΗ ΝΕΑ ΗΡΑ; Rückseite: Γ ΚΑΔΙΟΣ ΡΟΨΦΟΣ ΑΝΘYΠΑΤΟΣ, ΝΕΙΚΑΙΕΩΝ. 25 Fuchs 1990 (zit. Anm. 15), 122; Boschung 1993 (zit. Anm. 13), 68 f.: „Für die Interpretation als Messalina gibt es daher keine Argumente, die überzeugen.“ 26 Kate de Kersauson, Catalogue des portraits romains, Bd. 1: Portraits de la République et d’époque Julio-Claudienne, Paris 1986, Nr. 94, 200 f.

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Ansätze claudischer Frisuren, während die tiefgebrannte Rippenfrisur des Münchener Marmorkopfes noch caliguläisch ist. Die Physiognomie der beiden Köpfe ist

Abb. 29: Füllhorn-Kameo, Detail des auf das Füllhorn gesetzten Kinderköpfchens. Paris, Cabinet des Médailles, Camée 277. (© Gerhard Schmidt.)

völlig unterschiedlich. Drusilla hat wie ihr Bruder Caligula ein kurzes Philtrum (vgl. Abb. 25), während Messalina auf der Statue im Louvre mit einem langen Philtrum dargestellt wird. Auch sind die Verläufe der Augenbrauen unterschiedlich. Im Profil deckungsgleich hingegen sind der marmorne Frauenkopf in München, der Kopf des Füllhorn-Kameos und jener der Gemma Claudia. Das Profil der Messalina im Louvre will jedoch nicht zu diesen passen. Auf das Füllhorn des Pariser Kameos ist der Kopf einer kleinen Figur gesetzt. Die Autopsie hat ergeben, dass er durch Überarbeitung entstanden ist. Der Bereich oberhalb des Füllhorns ist vollkommen verschnitten. Es ist deshalb nicht mehr möglich, zu bestimmen, ob die ursprüngliche Füllung des Horns wie üblich aus Trauben, Granatäpfeln und Spitzkuchen bestand oder aber bereits von Beginn an dort die Figurenbüste eines Kindes ausgearbeitet war. Offensichtlich ist das Köpfchen der kleinen Figur erst nachträglich hinzugekommen, ist es doch aus wesentlich dunklerem Material gefertigt als der Körper darunter; obendrein weisen Nase, Stirn und teilweise die Haare eine nicht zur Gravur passende hellbraune Farbe auf (Abb. 29). Lucas Vorstermans Stich nach einer Zeichnung von Rubens27 (Abb. 30) gibt den Kameo mit drei Personen, harmonisch ausbalanciert, in einem symmetrisch stehenden Oval wieder (und mag Ernest Babelons Beschreibung beeinflusst haben). Rubens hat mehrmals Zeichnungen von Kameen angefertigt, allerdings sind diese stets künstlerische Wiedergaben, teilweise geschönt und nach seiner Vorstellung ergänzt, sodass sie nur bedingt als Referenz taugen, wie es sich auch an seinen Zeichnungen der Gemma Augustea und des Grand Camée feststellen lässt. Das gelockte Mädchenköpfchen auf dem Füllhorn dürfte der Imagination des flämischen Malers zu verdanken sein und kann daher nicht als Beweis für sein ­ursprüngliches Vorhandensein herangezogen werden, wofür Fuchs28 und Susan E. Wood29 plädieren. Als der Maler den Kameo um 1620 zeichnete, war er bereits überarbeitet, Rubens hat ihn also nie im Originalzustand gesehen.30 Nicht zuletzt spricht, im Gegensatz zu Messalina, Drusillas Kinderlosigkeit gegen eine ursprüngliche Anbringung der beiden Figürchen auf den Füllhörnern.

Abb. 30: Lucas Vorsterman, FüllhornKameo, Stich nach einer Zeichnung von Peter Paul Rubens. (Gemeinfrei.)

Im Einzelnen sollen folgende Beobachtungen aufgezeigt werden, die allesamt eine Überarbeitung des Pariser Füllhorn-Kameos bezeugen (Abb. 31): a) Ein Drittel der ursprünglichen Masse des Füllhorns wurde abgeschnitten – siehe Schnittkante. b) Teile der Weintraube wurden abgetrennt, um sie nach der Überarbeitung des Füllhorns wieder mittig zu platzieren. c) Diese Ranke war ursprünglich nicht vorhanden. d) Die groben sekundären Einschnitte zwischen dem Füllhornkörper und Drusillas Schulter sind deutlich zu erkennen. Die Einschnitte reichen bis zur Kranzschleife, die teilweise abgetrennt wurde. Überarbeitet wurde die Wollbinde. e) Im schraffierten Bereich wurden Teile der Gravur entfernt. f) Da man das Gewand weder als Chiton noch als Mantel oder Stola, wie von Meyer vorgeschlagen,31 oder als Paludamentum, so Boschung,32 bezeichnen kann, wird man auch in dieser vagen Behandlung ein Indiz für Überarbeitung sehen.

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Lucas Vorsterman nach Peter Paul Rubens, Drie klassieke bustes in profiel, Varie Figueri de Agati Antique (Serientitel), 1622, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RPP-OB-33.053. Fuchs 1990 (zit. Anm. 15), 107–122. Wood 1999 (zit. Anm. 15), 305 f. Vgl. Vollenweider – Avisseau-Broustet 2003 (zit. Anm. 8), 96 f.; Marcia Pointon, The importance of Gems in the Work of Peter Paul Rubens 1577–1640, in: Ben van den Bercken – Vivian Baan (Hgg.), Engraved Gems from Antiquity to the Present, Leiden 2017, 99–113. Hugo Meyer, Prunkkameen und Staatsdenkmäler römischer Kaiser. Neue Perspektiven zur Kunst der frühen Prinzipatszeit, München 2000, 95. Vgl. Boschung 1993 (zit. Anm. 13), 72.

Zu diesen Feststellungen kommen als weitere hinzu (Abb. 32): a) Am Kopf der Drusilla befindet sich unter der weißen Lage die braune Zwischenschicht. b) Im Bereich der Mittelbüste ist dieselbe Schicht jedoch grau (Einschnitt am Hals) – ein eindeutiger Beleg für Überarbeitung an dieser Stelle. c) Der Helmbusch der kleinen Figur ist sekundär; ein Schild, wie von Rubens gezeichnet, ist nicht vorhanden. d) Hier wurde der Stein durchtrennt, die Schnittkante ist grau, weil in diesem Bereich, wegen der darüberliegenden weißen Lage, keine Farbe eindringen konnte. Der schraffierte Bereich im Hintergrund ist mit braunem Email gefüllt. e) In dem schraffierten Bereich wurden Teile der Gravur entfernt.

Der Marlborough-Kameo

Abb. 31: Füllhorn-Kameo, Detail. Paris, Cabinet des Médailles, Camée 277. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 32: Füllhorn-Kameo, Detail. Paris, Cabinet des Médailles, Camée 277. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 33: Marlborough-Kameo. CaligulaClaudius mit Lorbeerkranz und Panzer. H. 76 mm. Kunsthandel. (© Christie’s Images Limited 2009.)

Auch dieser Kameo, früher im Besitz des vierten Herzogs von Marlborough, ist sowohl ein Fragment als auch das Produkt einer Überarbeitung33 (Abb. 33). Der langgezogene, schmale Kopf mit ausgeprägt hoher Stirn, äußerst fein gearbeitetem Ohr, tief eingeschnittener Mundfalte und seltsam weit vom Kopf abstehender durchlöcherter Kranzschleife, zu der man kein Vergleichsbeispiel kennt, lassen erhebliche Zweifel an der vielfach ausgesprochenen Claudius-Zuweisung aufkommen.34 Die schräg angeschnittene rechte Schulter und Brust, der keilförmige Hals, die ungewöhnlich abgestuften Schultertaschen sowie die ursprünglich wohl kaum asymmetrische Form des Steins weisen auf ein Caligula-Porträt hin, das aus einem zuvor wesentlich größeren Stein herausgetrennt und dann überarbeitet worden ist. Die spezifische Form dieses Fragments und die Ausrichtung des Porträtierten legen die Ergänzung eines verlorenen Gegenübers nahe, eine antithetische Darstellung als capita opposita, wie oben für den Füllhorn-Kameo postuliert: zwei Köpfe vis à vis in einem querliegenden Oval oder Oblong. Abschließend sei die Vermutung geäußert, dass nach Caligulas Tod und der Verhängung der damnatio memoriae über ihn Doppelporträts, die den Kaiser und Drusilla zeigten, unter seinem Nachfolger gezielt durchschnitten und (oder) überarbeitet worden sind. So wurde auf dem Stein mit der Porträtbüste des Claudius in Frontal­ ansicht im Kunsthistorischen Museum in Wien35 (Abb. 38) – auch dieser ursprünglich ein Caligula – links vom Kaiser eine Figur entfernt. Als ein weiteres Beispiel sei Caligula und Roma (Abb. 39) angeführt, ein Stein, der zwar nicht überarbeitet, jedoch auf der rechten Seite beschnitten worden ist.36 Zuletzt sollen einige Beobachtungen im Hinblick auf die beiden prominentesten und vieldiskutierten Gemmen mit Doppelporträts, den Ptolemäerkameo (Abb. 40) und den Gonzagakameo (Abb. 41), vorgestellt werden.37 Auf diesen blieb die Iden33 A roman onyx cameo portrait of the emperor Claudius, 9 December 2004, New York, Rockefeller Center, Christies, Sale 1445, Lot 149; Boardman et al., The Marlborough Gems. Formerly at Blenheim Palace, Oxfordshire, Oxford 2009, 242, Nr. 553: „The laureate bust of Claudius (AD 4–54) in armor, Medusa head at chest. The head is narrow for Claudius and the original intention may have been to represent Caligula. Mid–1st century ad.“ 34 Nevil Story-Maskelyne, The Marlborough Gems, London 1870, Nr. 407; Cecil Harcourt Smith – Caroline Amy Hutton, Catalogue of the Antiquities (Greek, Etruscan and Roman) in the Collection of the Late Wyndham Francis Cook, London 1908, Nr. 288. 35 Zwierlein-Diehl 2008 (zit. Anm. 5), 304–308, Inv.-Nr. IXa 23. 36 Ebenda, 295–300, Inv.-Nr. IXa 59; Michael Pfrommer, Ptolemäerkameo, in: Ausstellungskatalog Ägypten – Griechenland – Rom: Abwehr und Berührung, Tübingen (Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie) 2005, 684 f. 37 Vgl. Dimitros Plantzos, Hellenistic Cameos: Problems of Classification and Chronology, in: Bulletin of the Institute of Classical Studies 41, 1996, 115–132, hier: 125: „The question posed is how the two Grand Cameos [Wiener Ptolemäerkameo und Gonzagakameo], objects of refined skill and impressive iconography, could possibly be cut in a period as early as the 3rd century BC. from which nothing ­similar seems to have survived“; AK Tübingen 2005 (zit. Anm.  36), 684: „Frühe Kaiserzeit, wohl

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Abb. 34: Drusus maior-Kameo in Windsor Castle. Drusus maior, der Vater von Claudius und Germanicus, war bisher als Claudius identifiziert. Royal Collection Trust, RCIN 65238. (© HM Queen Elizabeth II 2015.) Abb. 35: Drusus maior-Kameo in Windsor Castle, Detail. Royal Collection Trust, RCIN 65238. (© HM Queen Elizabeth II 2015.) Abb. 36: Gemma Claudia, Detail des Germanicus. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 37a und b: oben: Drusus maior-Kameo in Windsor Castle, Detail Wellenornament. Royal Collection Trust (Foto: Beazley Archive, Oxford); unten: Ptolemäerkameo, Detail Wellenornament. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. IXa 81. (© Gerhard Schmidt.)

tität der dargestellten Personen bislang ungeklärt und ihre Datierung ist nach wie vor kontrovers. Bemerkenswerterweise tritt bei diesen beiden Meisterwerken eine Reihe spezifischer Merkmale auf, die auch an den untersuchten julisch-claudischen Stücken festgestellt wurden und die sie eventuell in eine zeitliche Beziehung zueinander setzt. Vergleicht man zunächst den Ptolemäerkameo mit der Gemma Claudia, kommt man nicht umhin, gewisse Gemeinsamkeiten zur Kenntnis zu nehmen; diese betreffen Schnitttechnik und die Verwendung identischen Werkzeugs. So finden sich auf beiden die gleichen „weitgeöffneten Ptolemäeraugen“, die durchgehend julisch-claudische Gemmen charakterisieren. Gleich sind auch deren halbkreisförmige Pupillenbögen, die von identischen Gravierrädchen geschnitten worden sind (Abb. 42). Dass bei beiden Kameen gleiche Werkzeuge zum Einsatz kamen und dass mit der gleichen Technik graviert wurde, zeigt sich insbesondere an der Schuppung der Schlangen, der Modellierung der Gesichter, den Haaren sowie an der äußerst fein und vertieft gravierten Volutenranke auf der Stirnschiene, die exakt so geschnitten ist wie die Volutenranken auf den Waffen der Gemma Claudia (Abb.  44). Diese vertieft geschnittenen Ranken dürften ein beliebtes Motiv gewesen sein, da sie auch die Schulterlaschen des Wiener Kameofragments mit Caligula38 (Abb. 43) und den Panzer des Drusus maior-Kameo in Windsor Castle zieren (Abb. 34 und 35).39 Das qualitätsvolle Porträt in Windsor Castle zeigt nicht, wie bislang angenommen, Claudius, der auf allen Bildnissen immer mit eingefallenen Wangen dargestellt wird, sondern wahrscheinlich seinen mit straffen Gesichtszügen, kräftigem Nacken und weit nach unten reichenden Nackenhaaren ausgestatteten Vater Drusus maior. So erscheint dessen Bildnis auch auf diversen Münzprägungen. Übereinstimmungen gibt es auch mit der Panzerstatue40 in Rom (Musei Vaticani, Museo Gregoriano Profano, Inv.-

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augusteisch“; Zwierlein-Diehl 2008 (zit. Anm.  5), 238, Inv.-Nr. IXa 81; Jörn Lang, Mit Wissen geschmückt? Überlegungen zur bildlichen Rezeption griechischer Dichter und Denker in der römischen Lebenswelt am Beispiel kleinformatiger Bildwerke, phil. Diss. Universität Köln 2009, Anm.  1017: „Nicht überzeugen kann der Ansatz von Elizabeth Kosmetatou, On Large Gemstones, ZPE 146, 2004, 81–84, nach der die Produktion von Kameen bereits im 4. Jh. v. Chr. einsetzte, da in den angeführten Inventarlisten von der Athener Akropolis keine expliziten Hinweise auf Kameen vorliegen.“; Gerhard Schmidt, Nachschnitte zweier Augustus-Kameen. Der Augustus-Kameo am Lotharkreuz in Aachen und der Augustus-Kameo mit Strahlendiadem aus der Sammlung Marlborough in Köln, in: Jülicher Geschichtsblätter 82/83/84, 2014/2015/2016, 39–60. Zwierlein-Diehl 2008 (zit. Anm. 5), 149, 300, Inv.-Nr. IXa 61. Das große Porträt des Drusus maior in Windsor Castle, 21,3 x 16 cm, Schloss Windsor, Royal Collection Trust, RCIN 65238 (bis jetzt als Claudius identifiziert). Klaus Stemmer, Untersuchungen zur Typologie, Chronologie und Ikonographie der Panzerstatuen (Archäologische Forschungen, Bd. 4), Berlin 1978, 111 f., Nr. XI 1, Taf. 75,1.

Abb. 38: Porträtbüste Kaiser Claudius in Frontalansicht. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. IXa 23. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 39: Caligula und Roma. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. IXa 59. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 40: Ptolemäerkameo. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. IXa 81. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 41: Gonzagakameo. St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Inv.-Nr. GR-12678. (© ebenda, Foto: Francesco Bini.)

Nr. 9963). Sie zeigt Drusus maior41 mit der gleichen Frisur und der fast gleichen Bekleidung, die er auch auf dem Kameo trägt. Die Gesichtsprofile beider Kunstwerke sind deckungsgleich. Vergleichbar mit Stil und Schnitttechnik des Ptolemäerkameo und der Gemma Claudia ist auch der Divus-Augustus-Kameo in Köln, der nach 14 n. Chr. entstanden ist, mit dem postumen Porträt des Octavian/Augustus, der hier ein Strahlendiadem trägt.42 Hingegen ist der davor entstandene Kameo auf dem Lotharkreuz, eines der frühesten Kameenporträts Octavians (wahrscheinlich nach 20 v. Chr.) völlig anders graviert.43 Eigenheiten und Charakteristika julisch-claudischer Gemmen sind auch am Gonzagakameo auszunehmen. Plastizität und Technik rücken das herausragend gravierte 41 42

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Johann Jacob Bernoulli, Die Bildnisse der römischen Kaiser. I. Das julisch-claudische Kaiserhaus, Berlin – Stuttgart 1886, 214, Taf. XIII. Divus-Augustus-Kameo, Lagenachat mit drei Schichten, 6,6 x 4,9 cm, Köln, Römisch-Germanisches Museum, Inv.-Nr. 70,3; Adolf Furtwängler, Die antiken Gemmen. Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum, 3 Bde., Leipzig – Berlin 1900, Bd. 3, 317, Abb. 160, 321; Adolf Furtwängler, Der Augustus-Kameo des Aachener Lotharkreuzes, in: Bonner Jahrbücher 144, 1906, 294–297; Ulrich Hausmann, Zur Typologie und Ideologie des Augustusporträts, Berlin 1979; Erika Zwierlein-Diehl, Der Divus-Augustus-Kameo in Köln, in: Kölner Jahrbuch für Vor- und Frühgeschichte 17, 1980, 12– 53; Schmidt 2014/2015/2016 (zit. Anm. 37), 39–60. Augustus-Kameo, fünfschichtiger Lagenachat, 8,4 x 7,7 cm, Aachen, Domschatzkammer; Zwierlein-Diehl 2007 (zit. Anm. 4), 148, Abb. 608: „Das Attribut wird meist für das Adlerzepter des Triumphators gehalten; diesem fehlt jedoch der Quersteg, es handelt sich vielmehr um ein attributiv verkleinertes Feldzeichen, den Legionsadler (aquila) […]“.

Abb. 42a und b: links: Ptolemäerkameo, Detail Augen; rechts: Gemma Claudia, Detail Augen. (© Gerhard Schmidt.)

Abb. 43: Panzerbüste des Caligula (Kameofragment). Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. IXa 61. (© KHM-Museumsverband.)

SUMMARY

Abb. 44a und b: oben: Ptolemäerkameo, Detail Ranken; unten: Gemma Claudia, Detail Ranken. (© Gerhard Schmidt.)

Medusenhaupt44 (nicht hellenistisch, sondern römisch bzw. augusteisch) an den Gonzagakameo heran. Die Kombination von Zickzackfalten und herzförmiger bulla des Gonzagakameo entspricht dem oben besprochenen Pariser Füllhorn-Kameo. Das Motiv der Zickzackfalten findet sich auch auf dem Wiener Livia-AugustusKameo.45 Auffallende Ähnlichkeit besteht in der Frisur der Frauen des Gonzagakameo und der Gemma Claudia, in ihren geschlängelten Löckchen, die sich massiv von den lockig nach hinten gekämmten, im Hellenismus beliebten Knotenfrisuren unterscheiden. Inwieweit die dargelegten Übereinstimmungen in Ornamentik und Schnitttechnik46 sowie in der Verwendung gleicher Arbeitsinstrumente es erlauben, Schlüsse zur Datierung der beiden großen Kameen zu ziehen und für diese eine Entstehung zwischen 14 und 40 n. Chr. zu postulieren (für den Gonzagakameo womöglich eine in caliguläischer Zeit – der Vergleich mit der Glaspaste [Abb. 25],47 die Caligula mit Trauerbart neben Drusilla zeigt, unterstützt diese Theorie), sei zur Diskussion gestellt. Vieles muss Vermutung bleiben, insbesondere da es bis jetzt nicht gelungen ist, die Personen der beiden Kameen anhand ihrer Physiognomien eindeutig zu benennen.

The large cameo now in Vienna and today known as the Gemma Claudia is a highlight of ancient lapidary work. In was first listed (as no. 949) in the inventory of the estate of Emperor Matthias compiled in 1619: “Ain grosser agata, mit vier Römischer kaisern bildnuss gahr schön und hoch weiss erhebt” (“a large agate, with the portraits of four Roman emperors very handsome and raised in white”). The cameo depicts two staggered busts of married couples; on the right are Germanicus and his wife Agrippina the Elder, and facing them Emperor Claudius and his niece and last wife, Agrippina the Younger – the daughter of Germanicus and Agrippina the Elder. A comparison between the portraits on the cameo and on coins does not initially suggest the former were reworked because the magnificent cameo offers a plausible image. An autopsy, however, has revealed that the present constellation is the result of a rededication that took place in AD 49 and was probably instigated by Agrippina the Younger. Initially, the cameo featured portraits of Emperor Caligula and his sister Drusilla opposite their parents Germanicus and Agrippina the Elder.

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Furtwängler 1900 (zit. Anm. 42), Bd. 2, 248; Gertrud Platz-Horster, Erhabene Bilder. Die Kameen in der Antikensammlung Berlin, Wiesbaden 2012, 51, Taf. 1,1: „In Verbindung mit der hellenistischen Form des massiven Goldrings bietet sich eine Datierung in das späte 2. Jh. v. Chr. an.“ Zwierlein-Diehl 2008 (zit. Anm. 5), 283–288; Inv.-Nr. IXa 95. Vgl. Giuliani – Schmidt 2010 (zit. Anm. 6); Gerhard Schmidt, Die Technik der Steingravur, in: Edle Steine, lehrreiche Schätze einer Bürgerstadt, Leipzig 2017, 36–46; Gerhard Schmidt, Wie Edelsteine zu Kunstwerken werden, in: Antike Welt, Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte 5, 2017, 24–30; Schmidt 2014/2015/2016 (zit. Anm. 37), 39–60. Zwierlein-Diehl 1986 (zit. Anm. 17), Taf. 2, Abb. 5.

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Thomas Buchner

Der Jupiter-Dolichenus-Fund von Mauer 1937 Zwischen Heimatmuseum und völkischer Wissenschaft

Am 8. März 1937 nutzte der knapp 17-jährige Schuhmacherlehrling Johann Kornbüchler1 aus Mauer bei Amstetten die Mittagszeit, um sich die Vorbereitungsarbeiten zum Hausbau der Familie Geiger anzusehen.2 Die Ackererde am Bauplatz war bereits abgeräumt, da entdeckte Kornbüchler etwas aus der Erde herausragen: Es sollte sich als der Rand eines großen Bronzekessels erweisen, das erste Stück des später nur mehr „Jupiter-Dolichenus-Fund von Mauer an der Url“ genannten Depotfundes, der heute Teil der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien ist. Dass es sich dabei um Funde aus der Römerzeit handelte, musste Kornbüchler und den Geigers klar gewesen sein, da sich die Fundstelle nur etwa 40 Meter südlich der Südmauer des Kastells von Mauer befand, das bereits 1906–1910 im Rahmen von Ausgrabungen der Österreichischen Limeskommission erforscht worden war.3 Sofort begann man, weiter zu graben und zunächst einmal die größeren Gefäße zu bergen. Ab dem späten Nachmittag wurde die Fundgrube erweitert und eine zweiter, etwas weiter östlich gelegener Hort mit zahlreichen Tonscherben entdeckt. Innerhalb weniger Tage war klar, dass es sich um einen der bedeutendsten römerzeitlichen Depotfunde in Österreich handelte. Im Rahmen dieses Beitrags wird zunächst der Kult des Jupiter Dolichenus und die Bedeutung des Fundes von Mauer skizziert. In weiterer Folge wird dem Fund als Referenzpunkt für unterschiedliche Institutionen nachgegangen. Hierbei spielen insbesondere zwei Kontexte eine Rolle: Die Bedeutung des Fundes als Katalysator von Plänen zur Gründung eines Heimatmuseums in Amstetten sowie der Fund als Bezugspunkt für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Spätantike im Nationalsozialismus.

DER KULT DES JUPITER DOLICHENUS

Jupiter Dolichenus zählte im 2. und 3. nachchristlichen Jahrhundert zu den populärsten Göttern im Römischen Reich. Diese Gottheit, die häufig auf einem Stier stehend dargestellt wurde, hat ihren Ursprung im Bereich der antiken Stadt Doliche in der römischen Provinz Syria.4 Ab der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts mehren

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Abb. 1: Jupiter Dolichenus-Statuette aus dem Fund von Mauer an der Url. 1. Hälfte 3. Jahrhundert n. Chr. Bronze. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv.-Nr. M 1. (© KHM-Museumsverband.)

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In den Quellen wird der Name des Finders „Kornbüchler“ oder „Kornbichler“ geschrieben. Im Folgenden wird, der Schreibweise in der Meldekartei folgend, die Schreibweise „Kornbüchler“ verwendet. Für Hinweise danke ich Dr. Manuela Laubenberger und Gunther Hüttmeier. Dr. Reinhardt Harreither möchte ich für die Möglichkeit danken, den Nachlass Josef Schickers trotz umfassender Umbauarbeiten im Museum Lauriacum einsehen zu können. Kurt Genser, Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht (Der römische Limes in Österreich, H. 33), Wien 1986, 201 f. Engelbert Winter, Der Kult des Iupiter Dolichenus und seine Ursprünge. Das Heiligtum auf dem Dülük Baba Tepesi bei Doliche, in: Ders. (Hg.), Von Kummuh nach Telouch. Historische und archäologische Untersuchungen in Kommagene, Bonn 2011, 1–18.

sich die Hinweise auf eine Verehrung des Gottes außerhalb dieser Herkunftsregion. Archäologische Funde indizieren einen Höhepunkt der Verehrung in der zweiten Hälfte des 2. und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts.5 Der Grund für das darauf folgende Nachlassen der Attraktivität des Gottes ist bis heute nicht geklärt. Ein zentrales Kennzeichen für den Kult des Jupiter Dolichenus war seine Verehrung im gesamten Reichsgebiet, von Nordafrika bis England. Die weitreichende Beliebtheit dieser mit kämpferischen Attributen versehenen Gottheit hängt, allem Anschein nach, mit seiner Attraktivität für Soldaten zusammen, die als mobile Gruppe für eine Verbreitung des Kultes sorgten. Gleichwohl war die soziale Reichweite der Jupiter Dolichenus-Verehrung deutlich größer, seine gelegentlich anzutreffende Charakterisierung als „Soldatengott“ greift also zu kurz.6 Der Fund von Mauer stellt einen unter zahlreichen archäologischen Nachweisen dar; mittlerweile ist eine lange Reihe von Heiligtümern, Weiheinschriften und Darstellungen des Jupiter Dolichenus aus allen Teilen des Römischen Reichs bekannt.7 Die in Mauer gefundenen Objekte wurden im 3. Jahrhundert n. Chr. vergraben, allerdings bleiben die Gründe dafür unklar. Jüngere Forschungen zum Kastell Mauer legen einen Zusammenhang mit einem Brand nahe, der zur Mitte des 3. Jahrhunderts die kaiserzeitliche Siedlung zivilen Charakters zerstört hat.8 Daraufhin dürfte das dazugehörige Heiligtum aufgegeben worden sein. Was den Fund von Mauer so bedeutsam machte und macht, ist zum einen sein schierer Umfang. Das Inventar von Rudolf Noll weist 99 Nummern aus,9 die – wie jüngere Forschungen nahelegen – allesamt in kultischem Zusammenhang zu sehen sind.10 Zum anderen sind einzelne Artefakte hinsichtlich ihrer Qualität und ihres Erhaltungszustandes zweifellos von hervorragender Bedeutung.11 Insbesondere die Statuette des Jupiter Dolichenus (Abb. 1), eine der wenigen vollständig erhaltenen des Gottes überhaupt, ist in ihrer künstlerischen Qualität bislang einzigartig.12

DIE SICHERUNG DES FUNDES

Dass der Depotfund von Mauer weitgehend vollständig gesichert und der Fundkontext relativ gut dokumentiert werden konnte, liegt an mehreren Umständen. Zum Ersten dürfte Kornbüchler und vor allem Geiger das Auffinden antiker Artefakte nicht vollkommen überrascht haben. Wie bereits erwähnt, waren in Mauer bereits 1906–1910 Grabungen der Limeskommission im Bereich des ehemaligen Kastells durchgeführt worden. Josef Geiger hatte daran mitgearbeitet; archäologische Grabungsarbeiten waren ihm also vertraut.13 Darüber hinaus waren schon seit dem 18. Jahrhundert immer wieder Einzelfunde gemacht worden. Bei Bodenarbeiten in unmittelbarer Nähe des Kastells auf römische Objekte zu stoßen, konnte also für

Engelbert Winter, Der Gott auf dem Stier. Der Kult des Jupiter Dolichenus, in: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hg.), Imperium der Götter. Isis, Mithras, Christus. Kulte und Religionen im Römischen Reich, Karlsruhe – Darmstadt 2013, 267–275. 6 Vgl. Ebenda. 7 Joachim Pahl, Der Kult des Jupiter Dolichenus. Ausbreitung, Selbstverständnis Niedergang. Auf der Basis statistischer Erhebungen und mit einem ergänzenden Corpus, phil. Diss. Universität Münster 2010. 8 Stephan Groh, Castrum Ad Iuvense (?). Neue Forschungen zur norischen Binnenfestung von Mauer bei Amstetten. Die geophysikalischen Prospektionen 2014–15, in: Ephemeris Napocensis  27, 2017, 71–121, hier: 88. 9 Rudolf Noll, Das Inventar des Dolichenusheiligtums von Mauer an der Url (Noricum), 2 Bde., Wien 1980. 10 Helga Sedlmayer, Die Aufgabe eines Tempels im dritten Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. – kein singuläres Phänomen, in: Stefan Groh – Helga Sedlmayer (Hgg.), Forschungen im römischen Heiligtum am Burgstall bei St. Margarethen im Lavanttal (Noricum), Wien 2011, 149–155, hier: 150. 11 Vgl. Ekkehard Weber, Römische Inschriften in Niederösterreich, in: Ernst Lauermann – Willibald Rosner (Hgg.), Die Römer in Niederösterreich. Vierundzwanzigstes Symposion des NÖ Instituts für Landeskunde 5. bis 8. Juli 2004, St. Pölten 2008, 66–73, hier: 66; Peter Scherrer, Kulte und Heiligtümer im römischen Niederösterreich, in: ebenda, 123–146, hier: 142. 12 Noll 1980 (zit. Anm. 9), Bd. 1, 27 f. 13 Ebenda, 16. Vgl. dazu auch Erwin M. Ruprechtsberger, Zum Dolichenusfund von Mauer an der Url, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 126, 1981, 45–54. 5

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Abb. 2: Fundgegenstände, die der Volksschullehrer Karl Stiefelbauer 1937 vor Ort fotografiert hat. Der große Bronzekessel im Vordergrund ist vermisst. (Aus: Rudolf Noll, Das Inventar des Dolichenusheiligtums von Mauer an der Url (Noricum), 2 Bde., Wien 1980, Bd. 2, Beilage V.)

Bewohner aus Mauer keine große Überraschung sein. Jedenfalls wurde die Gendarmerie in Kenntnis gesetzt, ganz im Sinne des damals geltenden Denkmalschutzgesetzes von 1923.14 Grundsätzlich sah dieses Gesetz vor, dass bei Funden umgehend die jeweilige Gemeinde oder die Polizei bzw. Gendarmerie zu verständigen war, die wiederum das Bundesdenkmalamt zu benachrichtigen hatte. Diese verpflichtende Meldung wurde für Objekte festgelegt, bei denen die Vermutung bestand, dass sie von „geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung“15 waren, mithin ­eine recht weit gefasste Definition. Mit der Anerkennung als Denkmal ging eine Beschränkung der Verfügungsrechte des Finders bzw. Grundeigentümers einher, zugleich aber galten die Eigentumsregelungen, wie sie das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 für Schatzfunde vorsah: Finder und Eigentümer konnten, vorausgesetzt sie hatten der Meldepflicht Genüge getan, Anspruch auf jeweils die Hälfte des Fundes bzw. des Erlöses daraus erheben. Sich an das Gesetz zu halten, bot also für Finder bzw. Grundeigentümer durchaus Anreize. Für Niederösterreich wurden diese Bestimmungen 1926 noch ergänzt: Zufallsfunde waren unverzüglich auch der Direktion der Niederösterreichischen Landessammlungen zu melden; darüber hinaus wurden beispielsweise die Gendarmeriedienststellen mit Aufklärungsbroschüren ausgestattet, um einen einigermaßen sachgemäßen Umgang mit aufgefundenen Artefakten sicherzustellen.16 Zwischen dem Fund und dem Eingreifen von professionellen Archäologen und der Zentralstelle für Denkmalschutz vergingen sechs Tage. Nicht lange, aber dennoch eine lange Zeit für einen Fund dieser Größenordnung. Diese Zeitspanne bedeutete eine große Herausforderung hinsichtlich der fachgerechten Dokumentation des Fundkontextes, ganz abgesehen davon, dass die Vollständigkeit des Depotfundes in Gefahr war. Tatsächlich wurden in den Jahrzehnten nach dem Fund einzelne Stücke aus Privatbesitz dem Kunsthistorischen Museum zum Kauf angeboten. Und zumindest ein großer Bronzekessel (Abb. 2) gilt nach wie vor als verschollen.17 Dass es dennoch gelang, den größten Teil des Fundes – immerhin ist hier von rund 100 Metallobjekten unterschiedlichster Größe sowie mehreren Hundert Keramikscherben die Rede – sicherzustellen und zu dokumentieren, ist im Wesentlichen dem

Zum Gesetz und seiner Bedeutung vgl. Eva Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe. Österreichs Denkmalschutz und Denkmalpflege 1918–1945 im Prisma der Zeitgeschichte, Wien – Köln – Weimar 1997, 50–64. 15 So die Begriffsbestimmung in § 1(1) des Gesetzes; ebenda, 53. 16 Vgl. Marianne Pollak, Archäologische Denkmalpflege zur NS-Zeit in Österreich. Kommentierte Regesten für die „Ostmark“, Wien – Köln – Weimar 2015, 141. 17 Vgl. Noll 1980 (zit. Anm. 9), Bd. 2, Beilage V. 14

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Arzt Dr. Josef Schicker (1879–1949) zu verdanken (Abb. 3). Schicker war ab 1920 Primar in der Heilanstalt Mauer-Öhling.18 Er hatte sich über Jahrzehnte intensiv mit

Abb. 3: Parte Josef Schicker, 1949. Amstetten, Stadtarchiv, Partensammlung. (© Amstetten, Stadtarchiv.)

der Ennser Stadtgeschichte beschäftigt und hier vor allem mit dem Römerlager Lauriacum. Schicker war ab 1914 Leiter des Ennser Museumsvereins und unternahm immer wieder Grabungen in Lauriacum. Gerade sein archäologisches Interesse hatte ihn dazu veranlasst, sich 1907 von Ybbs nach Mauer versetzen zu lassen, um näher an Enns zu sein.19 Aber auch in Mauer selbst war er archäologisch tätig gewesen: 1929 bis 1936 hatte er mehrere Bestattungen im Gräberfeld Süd untersucht.20 Mit Schicker war also ein Fachmann vor Ort, der 1930 auf Grund seiner Verdienste um die Stadtgeschichte zum Ehrenbürger von Enns ernannt worden war und überdies zum fraglichen Zeitpunkt als Konservator für das Fundwesen in den Bezirken Amstetten, Scheibbs und Waidhofen/Ybbs fungierte.21 Die Rolle Schickers wird deutlich, sieht man sich die einschlägigen Unterlagen im Archiv der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums durch: Er vermaß den Fundort, dokumentierte die Fundumstände, rekonstruierte in mehreren Gesprächen mit Geiger und Kornbüchler die ursprüngliche Lage der Objekte, führte eine erste Katalogisierung der Gegenstände durch und erstellte Pläne. Wie er rückblickend feststellte, handelte es sich um einen Fund, „der in Forscherkreisen größtes Aufsehen erregte, der die kühnsten Träume eines Altertumsforschers übertraf“.22 Schicker war es auch zu verdanken, dass das Österreichische Archäologische Institut in Wien über die Bedeutung des Fundes in Kenntnis gesetzt wurde und die einschlägigen Stellen rasch handelten.23 Am 14.  März reiste eine Fachkommission – bestehend aus Fritz Eichler, Rudolf Egger, Josef Keil und Rudolf Noll – nach Mauer, um sich selbst ein Bild zu machen.24 Fritz Eichler (1887–1971) war Leiter der Antikensammlung im Kunsthistorischen Museum,25 Rudolf Egger (1882–1969) war Leiter des Österreichischen Archäologischen Instituts und Josef Keil (1878–1963) Professor für Griechische Geschichte, Epigrafik und Altertumskunde.26 Von besonderer Bedeutung für die wissenschaftliche Bearbeitung des Fundes war Rudolf Noll (1906– 1990), promovierter Archäologe und ab 1930 in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums tätig (Abb. 4).27 Auf Grundlage der Unterlagen von Schicker führte er die Untersuchungen fort und richtete im November 1938 eine dem Dolichenusfund gewidmete Sonderausstellung im Kunsthistorischen Museum aus. 1980

18 Zu Schickers Biografie, freilich unter Verschweigung zentraler Aspekte, vgl. Eduard Straßmayr, Primarius Dr. Josef Schicker. Zum Gedenken, in: Oberösterreichische Heimatblätter 3, 1949, 360–365. Der Nachlass Schickers im Museum Lauriacum/Enns ist in Bezug auf den Dolichenusfund wenig ergiebig. 19 Noch im April 1944 klagte er in einem Schreiben an den steirischen Historiker Hans Pirchegger, dass er in Gugging und nicht mehr in Mauer-Öhling Dienst tun müsse, was für seine Arbeiten zu Lauriacum erschwerend sei. Steiermärkisches Landesarchiv, Nachlass Hans Pirchegger K 16, H. 758, Schreiben vom 16.4.1944. 20 Marianne Pollak, Die römischen Gräberfelder von Mauer an der Url, VB Amstetten, Niederösterreich, in: Archaeologia Austriaca 72, 1988, 159–185, hier: 160. 21 Amts-Blatt der Bezirkshauptmannschaften Amstetten, Melk und Scheibbs, Nr. 22, 31.5.1934, 105. 22 Dr. Josef Schicker – Enns, Lorch, in: Der Heimatgau 2, 1940/41, 132–142, hier: 137. 23 Entsprechend bezeichnete Rudolf Noll Schicker als „Retter des Dolichenusfundes von Mauer an der Url“ und widmete ihm sein 1980 erschienenes Inventar des Fundes. Noll 1980 (zit. Anm. 9). 24 Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url), Zl. 4 ex 1937, Ansuchen um Bewilligung einer Dienstreise (11.3.1937) an das Bundesministerium für Unterricht, handschriftliche Ergänzung. 25 Gudrun Wlach, Klassische Archäologie in politischen Umbruchszeiten. Wien 1938–1945, in: Mitchell G. Ash et al. (Hgg.), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität ­Wien, Göttingen 2010, 343–370, hier: 347 f. 26 Martina Pesditschek, Wien war anders – Das Fach Alte Geschichte und Altertumskunde, in: Mitchell G. Ash et al. (Hgg.), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität ­Wien, Göttingen 2010, 287–316, hier: 287, 291 f., 309. 27 Zu Noll vgl. Monika Löscher – Susanne Hehenberger, Akteurinnen und Akteure im Kunsthistorischen Museum Wien. Personelle Kontinuitäten und Brüche 1933/34 – 1938–1945, in: Tanja Baensch et al. (Hgg.), Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik, Köln – Weimar – Wien 2016, 129– 146, hier: 131. Der Nachlass Nolls in der Akademie der Wissenschaften ist für das vorliegende Thema unergiebig.

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legte er schließlich das bis heute maßgebliche Inventar des Fundkomplexes vor.28 Zwischen dem damals 31-jährigen Archäologen Noll und dem 58-jährigen Psychia-

Abb. 4: Rudolf Noll in den 1930er Jahren. Wien, Kunsthistorisches Museum, Bildarchiv, Inv.-Nr. AR XV 195 a–b. (© KHM-Museumsverband.)

DER FUND ALS EREIGNIS

ter Schicker entwickelte sich in den Monaten nach dem Fund eine intensive Zusammenarbeit, wobei Noll den großen Anteil Schickers an dessen Sicherstellung nie verschwieg. Sein 1980 erschienenes zweibändiges Inventar widmete er dem 1949 verstorbenen Kollegen. Förderlich für die gedeihliche Zusammenarbeit der beiden war vermutlich auch der gemeinsame ideologische Hintergrund. Schicker und Noll waren beide illegale Mitglieder der NSDAP, und sie waren auch auf je unterschiedliche Weise an der nationalsozialistischen Realpolitik beteiligt: Noll, indem er an der Umgestaltung des Kunsthistorischen Museums im Sinne des Nationalsozialismus mitarbeitete, was die Rolle eines Informanten bei der politischen Überprüfung von Mitarbeitern einschloss,29 und Schicker durch seine Mitarbeit am Euthanasieprogramm in der Anstalt Gugging, wohin er im März 1938 versetzt worden war.30 Mit Schreiben vom 15. März, also eine Woche nach seiner Entdeckung, wurde der Fund von der Zentralstelle für Denkmalschutz unter Schutz gestellt.31 Dies bedeutete, dass der Fund nunmehr als einheitliches Ganzes angesehen wurde und einzelne Objekte ohne vorherige Zustimmung der Zentralstelle nicht veräußert werden durften. Am selben Tag begannen die bis 17. März dauernden Nachgrabungen durch Dr.  Erich Swoboda (1896–1964), die aber nur mehr wenig Substantielles zutage brachten. Swoboda hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Grabungen für das Österreichische Archäologische Institut durchgeführt und sollte 1938–1940 eines der prominentesten Grabungsprojekte im Dritten Reich leiten: die sogenannte „Führergrabung“ in Carnuntum. Auf Initiative von Gauleiter Hugo Jury und finanziert auf direkten Befehl Hitlers wurde Carnuntum „freigelegt“, wie es hieß, und sollte zu einer Touristenattraktion ersten Ranges ausgebaut werden.32

Dass dem Jupiter-Dolichenus-Fund von Mauer eine Bedeutung zukommt, die über die unmittelbare wissenschaftliche Beschäftigung hinausgeht, sieht man am großen medialen Interesse, das der Auffindung, mehr noch aber der 1938 organisierten Sonderausstellung des Kunsthistorischen Museums entgegengebracht wurde. Der Fund selbst wurde unter Verweis auf seine Bedeutung von mehreren österreichischen Zeitungen teils in Form längerer Artikel vermeldet.33 Sowohl das lokale Wochenblatt „Amstettner Anzeiger“ als auch die Wiener Illustrierte „Das interessante Blatt“ entsandten in den Tagen nach dem 8. März „Sonderberichterstatter“ nach Mauer. Die damals erschienenen Beiträge betonten insbesondere die Zahl der Fundstücke und deren potentielle Bedeutung für die Kulturgeschichte und die spätantike Religionsgeschichte. 28 Noll 1980 (zit. Anm. 9). 29 Löscher – Hehenberger 2016 (zit. Anm. 27), 131. Vgl. auch Herbert Haupt, Jahre der Gefährdung. Das kunsthistorische Museum 1938–1945, Wien 1995, 10. 30 Aus dieser Perspektive mutet ein Satz aus dem Nachruf Eduard Straßmayrs (Direktor des Oberösterreichischen Landesarchivs) für Josef Schicker mehr als euphemistisch an: „Als Irrenarzt mußte er so oft in die Tiefen menschlichen Leidens schauen; da bot ihm die Beschäftigung mit der Geschichte, das stille Sichversenken in das große historische Geschehen auf Ennser Boden, erwünschte Entspannung.“ Straßmayr 1949 (zit. Anm. 18), 360. Schicker war 1938 bis 1945 Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Gugging und ärztlicher Beisitzer des Erbgesundheitsobergerichts Wien, das über Zwangssterilisationen entschied. Vgl. Claudia Spring, Doppelte Täterschaft: Josef Schicker und die NS-Zwangssterilisationen, in: Gertrude Langer-Ostrawsky – Willibald Rosner (Hgg.), Psychiatrie ohne Menschlichkeit – Gugging 1938–1945, St. Pölten 2008, 101–136; Claudia Spring, Zwischen Krieg und Euthanasie. Zwangssterilisationen in Wien 1940–1945, Wien – Köln – Weimar 2009. Schicker wurde nach 1945 nicht angeklagt, seine Rolle im Rahmen der nationalsozialistischen Eugenik ist bis heute nur teilweise geklärt. 31 Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url), Zl. 8 ex 1937, Schreiben Zentralstelle für Denkmalschutz an Josef Geiger (15.3.1937). 32 Ernst Rudolf, Pompeji vor den Toren Wiens. Die ‚Führergrabung von Carnuntum‘ 1938/40, in: Hephaistos 13, 1995, 203–220. 33 P. Petrus Ortmayr, Ein bedeutender Depotfund aus der Römerzeit in Mauer bei Amstetten, in: Salzburger Chronik, 10.7.1937, 17; Das kleine Blatt, 5.5.1937, 8; Salzburger Volksblatt, 15.11.1937, 10; Bote von der Ybbs, 12.3.1937, 5.

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Die am 7. November 1938 eröffnete Ausstellung Der grosse Dolichenusfund von Mauer a. d. Url im Kunsthistorischen Museum Wien war von großer Resonanz in der Wissenschaft34 und einem gewaltigen Medienecho begleitet. Vom „Völkischen Beobachter“ bis zum „Pester Lloyd“ berichteten zahlreiche deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften teils ausführlich von dieser Schau, die, so der Tenor, einzigartige Einblicke in einen verbreiteten, aber bis dahin nur durch einzelne Funde dokumentierten Kult bot.35 Der Kurator der Ausstellung, Rudolf Noll, referierte anlässlich der Eröffnung in einer Sendung des Reichssenders Wien.36 Der von ihm verfasste Ausstellungsführer war derart erfolgreich, dass er 1941 in dritter Auflage erschien.37 Der Dolichenusfund von Mauer war aber nicht nur ein Ereignis für Fachkreise und Medien, sondern auch ein lokales Ereignis. Die lokalen Blätter sahen neben dem Nutzen für die Wissenschaft vor allem die Bedeutung für die Region. Die christlich-konservativen „Amstettner Nachrichten“ betonten, „das Ansehen des ehemaligen Römerortes Mauer“ werde durch den Fund „bedeutend gehoben“.38 Das Blatt entsandte noch am 8. März, also dem Tag des Fundes, einen „Sonderberichterstatter“ nach Mauer. Am selben Tag besichtigten auch Vizebürgermeister Kozak sowie eine Abordnung des im Entstehen begriffenen Amstettner Museumsvereins die Fundstelle.39 Ein Mitglied dieser Abordnung, die Historikerin Marianne Pelzl, referierte bereits im April 1937 im Rahmen einer Veranstaltung des Niederösterreichischen Landesmuseums über den Fund.40 In den folgenden Tagen, d. h. noch vor Eintreffen der Wiener Archäologen, wurde die Fundstelle zu einem Ziel regionaler Honoratioren: Aus Seitenstetten besichtigte der Stiftsarchivar Petrus Ortmayr den Fund und erhielt für das archäologische Kabinett des Stiftes41 ein silbernes Votivplättchen geschenkt.42 Ein Lehrer der Volksschule Mauer-Öhling, Karl Stiefelbauer, besuchte ebenfalls den Fundort und fertigte die ersten Fotos an (vgl. Abb.  2). Jahrzehnte später übergab er dem Kunsthistorischen Museum ein Silbervotivtäfelchen, das aus dem Fund stammte.43

LOKAL ODER NATIONAL?

Vom Zeitpunkt des Fundes bis in den Herbst 1938 entwickelte sich eine Auseinandersetzung zwischen den Bestrebungen, den Fund für ein geplantes Amstettner Heimatmuseum zu erwerben, und den Bemühungen des Kunsthistorischen Museums, ihn für die eigene Antikensammlung zu gewinnen. Versuche des Niederösterreichischen Landesmuseums, den Fund ebenfalls zu erwerben, scheiterten offensichtlich frühzeitig.44 Dabei ging es nicht nur darum, welcher Sammlung die Fundobjekte als „Paradestücke“, wie dies der „Amstettner Anzeiger“ formulierte,45 dienen würden,

34 Vgl. beispielsweise Alfred Merlin, Découverte concernant le culte de Jupiter Dolichenus (Mauer sur l’Url dans le Norique), in: Journal des savants, Jan./Feb. 1939, 31–35. 35 Vgl. hierzu die Presseausschnitte in Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url). 36 Rundfunkwoche Wien 34, 20.–26.11.1938, unpag. 37 Rudolf Noll, Führer durch die Sonderausstellung ‚Der grosse Dolichenusfund von Mauer a. d. Url‘, 3. Aufl. Wien 1941. 38 Amstettner Nachrichten, 14.3.1937, 1; gleichlautender Artikel in: Ybbstal-Zeitung, 13.3.1937, 13. 39 Amstettner Anzeiger, 11.3.1937, 10; Amstettner Anzeiger, 18.3.1937, 9. 40 Marianne Pelzl, Der Römerfund von Mauer-Öhling, in: Unsere Heimat N. F. X,1937, 191. Vgl. dazu Amstettner Anzeiger, 29.4.1937, 10. Im Rahmen dieser Veranstaltung kritisierte der Direktor des Niederösterreichischen Landesmuseums, Günther Schlesinger, dass der Fund nach Amstetten und nicht in ein zentrales Museum verbracht werden sollte. 41 Das archäologische Kabinett verwahrte zu dieser Zeit bereits mehrere aus Mauer stammende Objekte. Vgl. Petrus Ortmayr, Das archäologische Kabinett des Stiftes Seitenstetten, St. Pölten o. J. 42 Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url), Schreiben Dr. P. Aegid Decker an Dr. Fritz Eichler (3.8.1943); vgl. auch Salzburger Volksblatt, 15.11.1937, 10. 43 Mehrere Fundstücke blieben im Besitz der Kornbüchlers und wurden nach dem Krieg kleinweise veräußert; Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url), Zl. 17 ex 1951, Zl. 4 ex 1952. 44 Vgl. Amstettner Anzeiger, 29.4.1937, 10. 45 Amstettner Anzeiger, 18.3.1937, 9.

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Abb. 5: Das alte Bezirksgericht am Amstettner Hauptplatz in den 1930er Jahren. Amstetten, Stadtarchiv, Fotosammlung. (© Amstetten, Stadtarchiv.)

sondern auch darum, ob es sich dabei um Referenzobjekte für „Heimatgeschichte“ oder für römische Geschichte handelte. Nur wenige Wochen vor dem Fund von Mauer waren Planungen für die Errichtung eines Heimatmuseums in Amstetten konkret geworden. Im Feber 1937 hatte die Stadtgemeinde Räumlichkeiten im Alten Bezirksgericht am Hauptplatz der Stadt (Abb. 5) adaptiert und für das künftige Heimatmuseum zur Verfügung gestellt. Zugleich konstituierte sich ein Komitee aus Vertretern der Stadt, der Bezirkshauptmannschaft und lokalen Honoratioren (Stadtpfarrer Laurenz Dorrer, Hauptschuldirektor Heimerl, Marianne Pelzl etc.), das Satzungen des künftigen „Musealvereins für Amstetten und Umgebung“ erarbeiten sollte. Der „Amstettner Anzeiger“ umriss die Aufgaben des Heimatmuseums auf folgende Weise: Es solle „Zeugnis geben von der Entwicklung unserer Stadt […], es soll auch von den Stürmen und Nöten berichten, welche über unser Gebiet hinwegbrausten, es soll uns um Jahrhunderte zurückversetzen und aus dem Einst das Jetzt verstehen lernen“. Darüber hinaus solle es aber auch „eine lokale Sehenswürdigkeit werden, deren wir ohnedies nicht sehr viele besitzen“.46 In der Gründungsversammlung am 16. Feber führte Stadtpfarrer Dorrer aus, Amstetten als junge Stadt könne sich hinsichtlich „geschichtlicher, sehenswerter Baudenkmäler“ nicht mit anderen Städten messen. Daher sei es notwendig, „in einem kleinen Museum alles auf Geschichte, Kultur und Volkstum unserer engeren Heimat bezughabende zu sammeln und der Oeffentlichkeit zugänglich zu machen“.47 Angefügt war ein Sammlungsaufruf, in dem betont wurde: „Jeder volksbewußte Staatsbürger denkt an seine Kinder, an kommende Generationen und diesen kommenden Geschlechtern soll als Erbgut nicht nur das reale Sein sondern vor allen auch unsere Kultur und das Verständnis hiefür vermittelt werden.“48 Die Amstettner Pläne fügten sich in eine auf die Heimatschutzbewegung zurückgehende Gründungswelle von „Heimatmuseen“ ein, die durch das selektive Sammeln und Präsentieren von als heimattypisch erachteten Artefakten erst jene traditionelle Heimat „erfanden“, die als maßgeblich musealisiert und für die Tourismuswerbung genutzt werden sollte.49 Der Dolichenusfund von Mauer fiel demnach in eine Phase intensiver Vorbereitungsarbeiten für das Heimatmuseum. Wenig überraschend diente der Besuch der Amstettner Abordnung am 8. März vor allem dem Zweck, die Objekte als Prunkstücke für dieses Museum zu erwerben. Ihren Bemühungen wurden vor allem von der Stadt­ 46 Amstettner Anzeiger, 11.2.1937, 8. 47 Amstettner Anzeiger, 18.2.1937, 8. 48 Ebenda. 49 Vgl. Reinhard Johler, Zur Musealisierung eines Kulturkonzeptes: Die Heimatmuseen, in: Herbert Posch et al. (Hgg.), Politik der Präsentation. Museum und Ausstellung in Österreich 1918–1945, Wien 1996, 276–302; vgl. auch Achim Doppler, Kulturpolitik. Strukturen, Akteure, Gehalte und Instrumente, in: Oliver Kühschelm et al. (Hgg.), Niederösterreich im 20. Jahrhundert, Bd. 3: Kultur, Wien – Köln – Weimar 2008, 1–37, hier: 2–14.

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gemeinde Amstetten und hier nicht zuletzt von Bürgermeister Hans Höller unterstützt, der zu weitreichenden finanziellen Konzessionen bereit war, was auch innerhalb des Gemeindetages nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß.50 Als wenige Tage darauf Fritz Eichler vom Kunsthistorischen Museum nach Mauer reiste, legte er bereits ein konkretes finanzielles Angebot für den Kauf des Fundes vor: Er bot im mündlichen Gespräch 3.000  Schilling, einen Betrag, den er in schriftlicher Form zwei Tage später noch einmal geringfügig auf 3.100 Schilling erhöhte.51 Geiger und Kornbüchler verhandelten nach Einlangen des schriftlichen Angebotes mit Bürgermeister Höller.52 Dieser stellte gewissermaßen eine Blankoerklärung aus: Man überbiete jeden Betrag, der von einer auswärtigen Institution angeboten werde. Entsprechend süffisant bemerkte dazu „Das interessante Blatt“: Die „[…] Einwohner [von Mauer] sind irgendwie vom Glück begünstigt, denn sie brauchen nicht einmal die Erde im Schweiße ihres Angesichts zu bearbeiten, damit sie Früchte trägt: die Römer, die in früheren Jahrtausenden an dieser Stelle ein Kastell erbauten, haben schon dafür gesorgt, daß die späteren Bewohner durch Funde und Ausgrabungen einen schönen Nebenverdienst haben.“53 Der erkennbare Wille, den Dolichenusfund nach Amstetten zu verbringen, alarmierte das Kunsthistorische Museum und die Zentralstelle für Denkmalschutz. Bereits im Zuge der ersten Besichtigung der Funde durch die Wiener Archäologen kam es zu einer „Aussprache“ mit Marianne Pelzl als Vertreterin des Amstettner Musealvereins.54 Zwei Tage später, am 16. März, wandte sich Alfred Stix, Erster Direktor des Kunsthistorischen Museums, in einem Schreiben an den Amstettner Bürgermeister Hans Höller und versuchte, diesen mit dem Verweis auf den angeblich geringen kunsthistorischen Wert der Objekte von einem Erwerb abzubringen. „Dieser Fund“, schrieb Stix, „besitzt überwiegend wissenschaftliche und kulturgeschichtliche, dabei keineswegs mit der örtlichen Geschichte Amstettens zusammenhängende Bedeutung, während der künstlerische Rang verhältnissmässig [sic!] gering ist.“ Die kunsthistorische Bedeutung sei „etwa auf eine Stufe zu stellen mit den mehr oder weniger schlichten Weihegaben an Wallfahrtsorten des christlichen Kultes. Mit der Lokalgeschichte Amstettens hängt dieser Fund nicht weiter zusammen als eben durch die Auffindung an einem in der Nähe gelegenen Orte des Bezirkes.“ Stix verwies weiter auf die hohen Kosten, die mit Konservierung und Aufbewahrung einhergehen würden, und warnte davor, davon auszugehen, der Fund würde einen „Anziehungspunkt für Fremde“ darstellen.55 Dessen ungeachtet erwarb die Stadtgemeinde Amstetten den Dolichenusfund mit Kaufvertrag vom 21. März 1937 um 3.200 Schilling. Die Deckung der Anschaffungskosten waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt, erst Anfang April setzte man sich damit auseinander und plante, die Kosten durch freiwillige Spenden aus der Bevölkerung zu decken.56 Zugleich bemühte man sich, die Bedenken des Kunsthistorischen Museums zu zerstreuen: Die Anordnungen des Denkmalschutzamtes bzw. des Kunsthistorischen Museums würden „vollkommen berücksichtigt“, schrieb Bürgermeister Höller im April 1937.57 Ebenfalls noch im April wurde der gesamte Fund

50 Vgl. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr.  226 (Konvolut Mauer an der Url), Mappe Briefwechsel Schicker, Schreiben Dr. Josef Schicker an Dr. Rudolf Noll (31.5.1938). 51 Ebenda, Zl. 8 ex 1937, Schreiben Dr. Fritz Eichler an Josef Geiger (16.3.1937). 52 Ebenda, Zl. 8 ex 1937, Schreiben Josef Geiger an Dr. Fritz Eichler (18.3.1937). 53 Das interessante Blatt, Nr. 12, 25.3.1937, 26. Johann Kornbüchler konnte sich allerdings nicht lange an dem Geld erfreuen, denn er fiel im Zweiten Weltkrieg. Amstetten, Stadtarchiv, Meldekartei, Meldekarte Johann Kornbüchler. 54 Museum Lauriacum, Nachlass Josef Schicker, Korrespondenz, Postkarte Dr. Egon Braun (Österreichisches Archäologisches Institut) an Josef Schicker (12.3.1937). 55 Amstetten, Stadtarchiv, Konvolut Jupiter-Dolichenus, Schreiben Prof. Dr. Alfred Stix an Bürgermeister Hans Höller (16.3.1937). 56 Amstetten, Stadtarchiv, Ausschusssitzungen 6.3.1936–21.2.1938, Protokoll der Sitzung des Finanz- und Rechtsausschusses vom 2.4.1937. 57 Amstetten, Stadtarchiv, Konvolut Jupiter-Dolichenus, Schreiben Stadtgemeindeverwaltung Amstetten an Prof. Dr. Alfred Stix (13.4.1937).

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Abb. 6: Ausstellungsgelände der Niederöster­ reichischen Landesausstellung, Amstetten, 18.–26.9.1937. Amstetten, Stadtarchiv, Fotosammlung. (© Amstetten, Stadtarchiv.)

Abb. 7: Schloss Edla in den 1930er Jahren. Amstetten, Stadtarchiv, Postkartensammlung. (© Amstetten, Stadtarchiv.)

zur Konservierung und wissenschaftlichen Bearbeitung ins Kunsthistorische Museum verbracht.58 In den darauffolgenden knapp eineinhalb Jahren entspann sich ein zähes Ringen um den Dolichenusfund. Die Stadtgemeinde Amstetten urgierte in regelmäßigen Abständen dessen Herausgabe, während das Kunsthistorische Museum mit dem Verweis auf die Arbeitsintensität der Konservierungsmaßnahmen offenbar Zeit gewinnen wollte. Gerade an der fachgemäßen Aufbewahrung der Gegenstände in Amstetten wurden Zweifel laut. Die Alarmglocken des Kunsthistorischen Museums schrillten, als Höller im Spätsommer 1937 die Ausfolgung der Hauptstücke des Fundes forderte, um sie bei der im September stattfindenden Landesausstellung in Amstetten (Abb. 6) zeigen zu können. Als besonders alarmierend wurde bewertet, dass Höller nicht nur die Objekte, sondern auch eine Vitrine forderte, um diese überhaupt ausstellen zu können.59 Letztlich untersagte die Zentralstelle für Denkmalschutz die Herausgabe der Stücke. 58 Hierfür wurde der Stadtgemeinde 1.000 Schilling in Rechnung gestellt. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr.  226 (Konvolut Mauer an der Url), Zl.  23 ex 1937, Schreiben Dr. Fritz Eichler an Bürgermeister Höller (4.12.1937). 59 Ebenda, Zl. 20 ex 1937, Schreiben Dr. Fritz Eichler an die Zentralstelle für Denkmalschutz im Bundesministerium für Unterricht (8.9.1937).

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Virulent wurde die Frage erneut nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Im Mai 1938 erzwang der neue Bürgermeister Wolfgang Mitterdorfer von Richard Warton, dem Kommandanten der örtlichen Frontmiliz und seit 1935 Mitglied des Gemeindetages von Amstetten, den Verkauf von Schloss Edla (Abb. 7). Unter anderem sollte das Schloss neben der Stadtbücherei auch das geplante Museum beherbergen, womit die Frage des Verbleibs des Dolichenusfundes wieder aktuell wurde. Bürgermeister Mitterdorfer konsultierte Schicker hinsichtlich seiner Meinung über Edla als neuen Standort des Heimatmuseums. Dieser äußerte sich skeptisch. Die Errichtung eines Museums im Schloss wäre mit zu hohen Kosten verbunden und

Abb. 8: Gustav Pöschl, 1919. Amstetten, Stadtarchiv, Nachlass Franziska Pöschl. (© Amstetten, Stadtarchiv.)

dieses liege überdies nicht zentral genug. „Das Museum würde dort einen Dorn­ röschen-Schlaf schlafen“, resümierte er in einem Schreiben an Rudolf Noll.60 Nichtsdestotrotz wurde zügig an der Umsetzung der Museumspläne gearbeitet. Ein Arbeitsausschuss unter der Leitung des Fürsorgebeamten an der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Gustav Pöschl (1900–1977; Abb. 8),61 wurde eingerichtet, der es von nun an übernahm, die Herausgabe des Dolichenusfundes zu urgieren.62 Während das Kunsthistorische Museum gegenüber den Amstettner Bemühungen auf Zeit spielte, unternahm man nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten einen neuerlichen Anlauf, um den Dolichenusfund der Antikensammlung einverleiben zu können. Am 18. März 1938 wandte sich Fritz Eichler erneut an die Zentralstelle für Denkmalschutz im Unterrichtsministerium. Er betonte, dass es nach wie vor unumgänglich sei, die Fundstücke aus konservatorischen Gründen und hinsichtlich der wissenschaftlichen Bearbeitung weiterhin in der Antikensammlung zu belassen. Darüber hinaus argumentierte er, dass das Kunsthistorische Museum durch die Inanspruchnahme der Ressourcen der Antikensammlung „ein Anrecht auf den Besitz dieses übrigens zweifellos an eine Zentralstelle gehörigen Fundes erworben habe“.63 Er beantragte demnach, der Stadtgemeinde Amstetten den Dolichenusfund gegen Kostenersatz (4.100 Schilling) abzulösen. Tatsächlich wurde per Bescheid der Landeshauptmannschaft von Niederdonau vom 7. September 1938 verordnet, dass der Dolichenusfund in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums zu verbleiben habe. Begründet wurde dies damit, dass eine Aufbewahrung dieses Fundes in Amstetten „für diesen mit grössten Gefahren verbunden“ sei. Im geplanten Museum seien „keinesfalls die nötigen Sicherheiten für die klaglose Konservierung und Aufbewahrung gegeben“.64 Spätestens damit musste den Verantwortlichen in Amstetten klar geworden sein, dass an eine tatsächliche Einverleibung des Fundes in ein Heimatmuseum nicht mehr zu denken war. Zwar hatte der genannte Bescheid nichts am Eigentum der Stadt am Fund geändert, aber das eigentliche Ziel – die Funde in Schloss Edla präsentieren zu können – war damit vereitelt. Vermutlich liefen zu dem Zeitpunkt, an dem dieser Bescheid erlassen worden war, bereits die Verhandlungen über die endgültige Übernahme des Fundes durch das Kunsthistorische Museum. Wie erwähnt, hatte Fritz Eichler bereits im März angeregt, der Stadtgemeinde 4.100 Schilling anzubieten. Nach der Einführung der Reichsmark wäre dieser Kostenersatz nach dem 1938 geltenden Kurs mit 2.733 Reichsmark zu Buche geschlagen. Am 22. Oktober 1938 hingegen bestätigte der Amstettner Bürgermeister Mitterdorfer den Eingang von 5.333 Reichsmark als Kaufpreis für den Dolichenusfund, mithin etwa das Doppelte!65 Darüber hinaus wurde vereinbart, dass das Kunsthistorische Museum auf 60 Ebenda, Mappe Briefwechsel Schicker, Schreiben Dr. Josef Schicker an Dr. Rudolf Noll (31.5.1938). 61 Amstettner Anzeiger, 29.11.1977, 5. 62 Amstetten, Stadtarchiv, Konvolut Jupiter Dolichenus, Schreiben Gustav Pöschl an das Kunsthistorische Museum Wien, 10.6.1938. 63 Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url), Zl. 4 ex 1938, Schreiben Dr. Fritz Eichler an die Zentralstelle für Denkmalschutz (18.3.1938). 64 Amstetten, Stadtarchiv, Konvolut Jupiter Dolichenus, Bescheid Landeshauptmannschaft Niederdonau L.A.I/5-3469-V-1938 (7.9.1938). 65 Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url),

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eigene Kosten Kopien von zehn Stücken des Fundes zu liefern hatte. Diese Reproduktionen bildeten fortan den – wie der „Amstettner Anzeiger“ es formulierte – „Stammschatz des hiesigen Heimatmuseums“,66 gingen aber später, vermutlich im Zusammenhang mit der sowjetische Besetzung des Gebäudes nach Kriegsende 1945, zum Teil verloren.67 Die restlichen Repliken, allen voran jene des Jupiter Dolichenus selbst, sind heute Teil der Archäologischen Sammlung der Stadt Amstetten.

INDIKATOR FÜR DEN NIEDERGANG

Die Jahre nach dem Fund in Mauer waren nicht nur von einer Auseinandersetzung um die Besitzverhältnisse des Fundes geprägt, sondern er wurde zum Referenzpunkt der wissenschaftlichen Diskussion, die für die Zeit des Nationalsozialismus kurz skizziert werden soll. Die Figur des Jupiter Dolichenus spielte, als Ausdruck der Ausbreitung sogenannter „orientalischer Kulte“ im spätantiken Römischen Reich, eine wichtige Rolle für die generelle Bewertung der Spätphase dieses Imperiums. Aus wissenschaftlicher Sicht war demnach auch die Statuette dieses Gottes aus Mauer zum Zeitpunkt ihrer Bergung kein unbeschriebenes Blatt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung um den Niedergang des Römischen Reichs bildet eines der traditionellsten Themen historischer Forschung. Neben Wirtschaft, Politik und Kultur ist die Transformation der römischen Religion bei der Bewertung dieser Frage von Bedeutung.68 Innerhalb dieses Forschungszweiges wurde zum einen die Ausbreitung des Christentums diskutiert, zum anderen der Bedeutungs­ gewinn von sogenannten „orientalischen Kulten“. Verkürzt gesagt, ging es dabei um die Frage, wie die – u. a. anhand archäologischen Materials belegte – Bedeutungszunahme von Kulten bzw. Gottheiten aus dem östlichen Mittelmeerraum im gesamten Römischen Reich zu bewerten sei. In der Zeit des Nationalsozialismus übernahmen die historischen Wissenschaften dabei eine Anschauung, bei der die „orientalischen Kulte“ sowohl als Indikator als auch als verstärkendes Element eines umfassend verstandenen Niedergangs römischer Zivilisation verstanden wurden. Es gewann eine „völkische“ Perspektive an Bedeutung, deren historische Subjekte nicht Individuen, Klassen oder Staaten waren, sondern vielmehr Völker. Diese radikale, völkische Geschichtsforschung griff nun Kulte wie jene des Mithras oder des Jupiter Dolichenus auf. Die Ausbreitung dieser Kulte wurde als Teil und Indikator des intellektuellen und moralischen Niedergangs verstanden. So deutete etwa Eduard Beninger, Leiter der prähistorischen Abteilung im Naturhistorischen Museum in Wien, in seinem 1939 erschienenen Buch Germanischer Grenzkampf in der Ostmark dieses Phänomen als „geistige Zersetzung“.69 Ausführlicher ging der Historiker Fritz Kaphahn in seinem 1944 erschienenen Buch Zwischen Antike und Mittelalter auf diesen Prozess ein. Aus seiner Sicht begann sich ab dem 3. Jahrhundert die „seelisch-geistige Struktur des antiken Menschen“ zu ändern.70 Es verlagerte sich „der Bewußtseinsschwerpunkt endgültig vom Tag und dem Hellen zum Dunklen und der Nacht. Das mutige Wirken auf dieser Erde wich einer untätigen Scheu vor

Zl. 22 ex 1938, Schreiben Stadtgemeinde Amstetten an das Kunsthistorische Museum (22.10.1938). Gelegentlich taucht die Behauptung auf, der Dolichenusfund sei 1938 vom Kunsthistorischen Museum beschlagnahmt worden, wie beispielsweise auch in der vom Kulturamtsdirektor Alois Schabes vorgelegten Geschichte der Stadt Amstetten, Amstetten 1964, 75. Rudolf Noll sah sich noch 1980 genötigt, dieser Behauptung „entschieden“ zu widersprechen. Noll 1980 (zit. Anm. 9), 21 (Anm. 46). 66 Amstettner Anzeiger, 7.4.1939, 2. 67 Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr. 226 (Konvolut Mauer an der Url), Zl. 7 ex 1959, Ansuchen des Kulturamtes der Stadt Amstetten. 68 Jaan Lahe, Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte, in: Zeitschrift für Religionsgeschichte 20, 2012, 151–195. 69 Eduard Beninger, Germanischer Grenzkampf in der Ostmark, Wien 1939, 62. Zu Beninger vgl. Robert Obermair, Kurt Willvonseder. Vom SS-Ahnenerbe zum Salzburger Museum Carolino Augusteum, Salzburg – Wien 2016, Kap. 3.4. 70 Fritz Kaphahn, Zwischen Antike und Mittelalter. Das Donau-Alpen-Land in der Völkerwanderungszeit, München – Brünn – Wien 1944, 29.

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der Welt. Das klare Denken wurde verdrängt von den dunklen Mächten der Magie und des Aberglaubens.“71 Pestwellen hätten sich ausgebreitet, die Geldwirtschaft sei durch die Naturalwirtschaft abgelöst worden. All dies habe die Ausbreitung „orientalischer Kulte“ gefördert: „[A]n Stelle des ragenden Heiligtums der Antike suchten die Menschen jetzt den an der Erde kriechenden oder in sie versenkten Kultraum.“72 Kaphahn interpretierte diese Ausbreitung „orientalischer Kulte“ aber nicht primär als Übernahme von Glaubensinhalten und Gottheiten, sondern als rassischen Prozess: Hintergrund ihrer Verbreitung sei „ein gewaltiger Einstrom rassisch verschiedenster Elemente als Händler und Abenteurer, als Handwerker und Kolonisten […] eine biologische Auffüllung des Westens durch den Osten“.73 Ist hier vom Osten die Rede, war damit 1944 eindeutig rassische Minderwertigkeit und Gefährdung verknüpft. Dieser Perspektive folgend, sprach Kaphahn in seinem Buch, das 1947 in zweiter Auflage erschien, von einer „Semitisierung des Römischen Reiches“.74 Breiten Raum nahm diese Frage in der ebenfalls 1944 erschienenen Monografie Indogermanen und Orient des damals an der Universität Graz tätigen Althistorikers Fritz Schachermeyr ein.75 Der Aufstieg Roms, so seine These, habe den notwendigen „Rassenschutz“ negiert, indem es dem Zuzug vornehmlich semitischer Zuwanderer aus dem Mittelmeerraum, zumal seit dem dritten Jahrhundert, nicht gesteuert habe. Es sei gleichsam „Schauplatz der rassischen Auseinandersetzung“ geworden, und letztlich daran zugrunde gegangen.76 Das Schicksal des Römischen Reichs diente hier gleichsam als Warnung für Deutschland. Schachermeyr ordnete sich damit in eine in der NS-Wissenschaft breit vertretene Perspektive ein, die den Niedergang Roms nicht zuletzt als rassischen Niedergang infolge der „Entnordung“ des Imperiums verstand.77 Diese Anschauung war durchaus nicht auf die Wissenschaft beschränkt. Sie fand vielmehr Eingang in den Schulunterricht,78 wurde aber auch von Spitzen des Re­ gimes wie Arthur Rosenberg nachhaltig vertreten. Im Vorwort zum Katalog der Ausstellung Europas Schicksalskampf im Osten, die anlässlich des Reichsparteitags 1938 in Nürnberg gezeigt wurde, schrieb Rosenberg: „Es ist tatsächlich ein geschichtliches Schicksal, daß Europa sich immer wieder gegen die durch die Völkerpforte im Südosten seines Kontinents einbrechenden Mächte zu schirmen gehabt hat. Aus frühgeschichtlicher Zeit über die großen Mongoleneinfälle ist dieser Kampf um Europa entfacht, aber auch Europa selbst hat oft weit vorgestoßen und sich ein großes Vorfeld seiner politischen Kräfte und schöpferischen Möglichkeiten erstritten.“79 Im historischen Teil der Ausstellung wurde der Antike breiter Raum gewidmet, wobei als fünfte Abteilung der „Einbruch des Orients“ thematisiert wurde. Im Begleittext wurde die „fortschreitende Durchsetzung mit orientalischem Blut“ nach der Ausdehnung des römischen Bürgerrechts auf alle Provinzialen (212 n. Chr.) betont.80 Zu dieser „Durchsetzung“ wurde auch „der Einbruch des Judentums nach Europa“ gezählt. Kennzeichnend für die Juden sei es gewesen, sich nicht in andere Gemeinschaften einzufügen. „Auf jeden Feind europäischer Ordnung und Kultur setzen sie ihre Hoffnung: in Spanien auf die Mauren, im gesamten Abendland auf die Türken, im heutigen Europa auf den Bolschewismus. Jedesmal, wenn das Schicksal die Völker zur Besinnung auf ihre europäische Aufgabe zwingt, weisen die Wirtsvölker die

71 Ebenda. 72 Ebenda, 41. 73 Ebenda, 31. 74 Ebenda. 75 Fritz Schachermeyr, Indogermanen und Orient. Ihre kulturelle und machtpolitische Auseinandersetzung im Altertum, Stuttgart 1944. 76 Ebenda, Zitate 458 f. 77 Vgl. Johann Chapoutot, Der Nationalsozialismus und die Antike, Darmstadt 2014, 345–349. 78 Ebenda, 348 f. 79 Ausstellungskatalog Europas Schicksalskampf im Osten. Ausstellung zum Reichsparteitag 1938, Berlin 1938. 80 Ebenda, 45.

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ewig ruhelosen Fremdlinge in ihre Schranken.“81 Die orientalischen Kulte seien mittlerweile vergessen, „die Durchsetzung europäischer Völker mit jüdischem Geist und Blut hat sich im Laufe der Jahrhunderte als der wirkungsvollste und gefährlichste Einbruch des Orients erwiesen“.82 Die Ausbreitung des „Orientalischen“ in der Spätantike wurde also, analog zu Kap­ hahn und Schachermeyr, als ein rassenbasiertes Phänomen interpretiert, das im Kern letztlich zu einer Ausbreitung des Judentums und damit zur Schwächung Europas geführt habe. Unter den in dieser Abteilung gezeigten Objekten, die die „orientalische Durchdringung“ belegen und visualisieren sollten, wird auch „Der dolichenische Gott. Bronzestatuette. Wien, Hofmuseum“83 genannt. Es handelte sich dabei um die Statuette des Jupiter Dolichenus von Mauer.84

CONCLUSIO

Der Jupiter-Dolichenus-Fund von Mauer stellt einen der bedeutendsten römerzeitlichen Depotfunde im heutigen Österreich dar. Im Rahmen dieses Beitrags wurden der Fundkontext und der teils konfliktbeladene Weg der Artefakte in das Kunsthistorische Museum beleuchtet. Hintergrund für das anhaltende Bemühen regionaler Honoratioren, den Fund – trotz der auch für Zeitgenossen erkennbaren Schwierigkeiten einer adäquaten Lagerung und Präsentation – für die Bezirkshauptstadt Amstetten zu erwerben, war der Wunsch, die Figur des Jupiter Dolichenus in lokale Konstruktionen von „Heimat“ zu integrieren. Bemerkenswert ist dabei zum einen, dass dieses Bemühen sowohl in der Spätphase der autoritären Kanzlerdiktatur (März 1937 – März 1938) als auch in der Frühphase des NS-Regimes (März 1938 – Oktober 1938) erkennbar ist, somit also unbeschadet ideologischer Systembrüche Kontinuitäten in dieser lokalen „Heimaterzählung“ festzustellen sind. Zum anderen konnte dargelegt werden, wie der Jupiter-Dolichenus-Fund zu einem überregionalen Referenzpunkt für Wissenschaft und Ideologie wurde: Gerade während der NS-Zeit dient er als „Beleg“ für die „orientalische Durchdringung“ und zunehmende „Entnordung“ in der Spätphase römischer Herrschaft und somit geradezu als Symbol der rassischen Bedrohung von (nordisch-germanisch verstandener) „Heimat“.

SUMMARY

In 1937, one of the most important Roman finds in Austria was discovered at Mauer near Amstetten (Lower Austria): today, the so-called Jupiter Dolichenus find from Mauer/Url is in the Kunsthistorisches Museum Vienna’s Collection of Greek and Roman Antiquities. After an account of the discovery and the subsequent owner­ ship dispute, the paper examines the importance of the find in different contexts: as a catalyst for plans to found a museum of local history, and as a focal point in the interpretation of Late Antiquity during the Nazi era. Jupiter Dolichenus’ seminal role in two somewhat contradictory narratives is also examined: as evidence for the local construction of the idea of “Heimat” (homeland), and as a point of reference for the postulated “oriental penetration” of the Roman Empire in its final phase.

81 82 83 84

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Ebenda, 46. Ebenda, 47. Ebenda, 48. Im Archiv des Kunsthistorischen Museums findet sich ein vom 5.8.1938 datiertes Schriftstück, in dem der kommissarische Leiter des Hauses, Fritz Dworschak, an Fritz Eichler den Wunsch der NSDAPReichsleitung nach Beistellung der „Bronzestatuette des Dolichenischen Gottes für eine Parteitagsoffizielle Ausstellung in Nürnberg (5. bis 20. September)“ anspricht. „Dagegen wird sich wohl kaum etwas einwenden lassen“, betont der Schreiber. Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Archiv Nr.  226 (Konvolut Mauer an der Url), Schreiben Dr.  Fritz Dworschak an Dr.  Fritz Eichler (5.8.1938). Es muss sich dabei tatsächlich um die Statuette aus dem Fund in Mauer gehandelt haben, da das Kunsthistorische Museum 1938 über keine weitere Bronzestatuette des Jupiter Dolichenus verfügte. Vgl. auch Haupt 1995 (zit. Anm. 29).

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Lothar Sickel

Der Wiener Traum nach Michelangelo Ein frühes Werk von Giambattista Ponchini?

Die als Traum bekannte Zeichnung Michelangelos in London (Abb. 2) gehört wie der Raub des Ganymed oder der Sturz des Phaeton zu einer Reihe hochvollendeter Geschenkblätter und wird wie diese in die Jahre um 1533 datiert.1 Ob die allegorische Darstellung zusammen mit den mythologischen Szenen ebenfalls Tommaso de’ Cavalieri, dem jugendlichen Freund Michelangelos, zugedacht war und zu dessen Sammlung gehörte, ist bislang allerdings nicht sicher belegt.2 Der Bericht des Giorgio Vasari lässt dies lediglich vermuten.3 Die Allegorie, eine Verbildlichung der Sieben Todsünden, setzt konzeptionell einen stärker moralisierenden Akzent. Die rätselhafte Komposition mit dem auf einem Kasten voller Masken sitzenden Jüngling hat entsprechend viele Deutungen gefunden.4 Überdies hat der Traum, wie alle Zeichnungen Michelangelos aus der erwähnten Gruppe, schon früh eine mannigfaltige Rezeption in unterschiedlichen Bildgattungen angeregt, sei es in Zeichnungen, Druckgrafiken oder Gemälden.5 Eine der interessantesten Nachbildungen ist ein auf Schiefer ausgeführtes Gemälde im Kunsthistorischen Museum in Wien (Abb. 1).6

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Abb. 1: Giambattista Ponchini (hier zugeschrieben), Kopie mit Variationen nach Michelangelos Traum. Um 1540. Öl auf Schiefer. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 186. (© KHM-Museumsverband.)

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London, The Courtauld Gallery, Seilern Collection, Inv.-Nr. D.1978.PG.424, H. 398 mm, B. 280 mm. Zur Zeichnung siehe Charles de Tolnay, Corpus dei disegni di Michelangelo, 4 Bde., 1975–1980, Bd. II, 102 f., Nr. 333r; Ausstellungskatalog Stephanie Buck (Hg.), Michelangelo’s Dream, London (The Courtauld Gallery) 2010, 100–109, Kat.-Nr.  1 (Stephanie Buck); Alexander Perrig, Das Vermächtnis des Don Giulio Clovio (1498–1578) und die wundersame Vermehrung der Zeichnungen Michelangelos, Würzburg 2014, 199–202; Ausstellungskatalog Carmen C. Bambach (Hg.), Michelangelo: divine draftsman & designer, New York (The Metropolitan Museum of Art) 2017, 153 f. und 303, Kat.-Nr. 131 (Carmen C. Bambach). Die bei anderen Zeichnungen oftmals kontrovers diskutierte Frage der Zuschreibung gilt im vorliegenden Fall als unstrittig. Zu den Geschenkzeichnungen siehe Lothar Sickel, Die Zeichnungssammlung des Tommaso de’ Cavalieri und die Provenienz der Zeichnungen Michelangelos. Mit einem Exkurs über Filippo Cicciaporci, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 37, 2006, 161–221; AK London 2010 (zit. Anm. 1), 110–135. Vasari erwähnt den Traum (sogno) erst in der zweiten Ausgabe der Künstlerbiografien von 1568 im Zusammenhang der von Marcantonio Raimondi in Druckgrafiken reproduzierten Blätter und somit in einer Reihe mit dem Raub des Ganymed, dem Sturz des Phaeton und dem Tityos. Auf ein etwaiges Besitzverhältnis kann daraus aber kaum geschlossen werden, zumal Vasari im Fall der drei anderen Blätter ausdrücklich angibt, Michelangelo habe sie für Tommaso de’ Cavalieri geschaffen; siehe Giorgio Vasari, Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori ed architettori, hg. von Gaetano Milanesi, 9 Bde., Florenz 1878–1885, Bd. V, 431 (Raimondi), Bd. VII, 271 (Cavalieri). Dass Cavalieri vermutlich auch die berühmte Darstellung der Bogenschützen besaß (Windsor, Royal Library), ist bislang ebenfalls nur indirekt aus der Nachzeichnung zu folgern, die Bernardino Cesari sehr wahrscheinlich im Haus von Tommasos Sohn und Erben Emilio angefertigt hat; siehe Sickel 2006 (zit. Anm. 2), 195. Eingehende Deutungen stammen von Erwin Panofsky, The Neoplatonic Movement and Michelangelo, in ders., Studies in Iconology, New York 1939, 171–130, und Matthias Winner, Michelangelo’s Il Sogno as an Example of an Artist’s Reflection in His Drawings, in: Craig Hugh Smyth (Hg.), Michelangelo Drawings, Hanover 1992, 226–242. Siehe auch Eckhard Leuschner, Persona, Larva, Maske. Ikonologische Studien zum 16. bis frühen 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1997, 201–203. Zu den diversen Kopien siehe Marianne Zehnpfennig, Traum und Vision in Darstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Hannover 1979, 123–126; AK London 2010 (zit. Anm. 1), 48–65; Ausstellungskatalog Alessia Alberti et al. (Hgg.), D’Après Michelangelo, Mailand (Castello Sforzesco) 2015, 189–204. Der Traum, nach Michelangelo, Schiefertafel, H. 59 cm, B. 47 cm, Inv-Nr. 186. Die Rückseite der Tafel zeigt keine Notizen, die Aufschluss über die Entstehung oder die frühe Herkunft des Gemäldes geben könnten. Für entsprechende Auskünfte danke ich Francesca Del Torre Scheuch.

Von den meisten anderen Kopien unterscheidet es sich nicht allein durch den ungewöhnlichen Bildträger, sondern mehr noch durch die Einfügung verschiedener

Abb. 2: Michelangelo, Der Traum. Um 1533. Zeichnung. London, The Courtauld Gallery, Inv.-Nr. D.1978.PG.424. (© London, The Courtauld Gallery, The Samuel Courtauld Trust.)

Bildmotive, die in Michelangelos Zeichnung nicht vorhanden sind. Dazu gehören mehrere Figuren wie die Frau mit dem Mörser oder der Mann am Kochtopf, die über der zentralen Gestalt des Jünglings in der wolkenartigen Vision auftauchen. Während der Ring der verschiedenen Personengruppen bei Michelangelo noch eher den Hintergrund der Komposition bildete, ist er in dem Gemälde nun in die Höhe gerückt. In einer Öffnung im Wolkengebilde erscheint der von oben herabschwebende Engel kleiner und in einigem Abstand vom Haupt des Jünglings. In der Originalzeichnung scheint er dieses mit seinem als Posaune oder Trichter gedeuteten Blasinstrument bereits zu berühren.7 Die Wolkenbank selbst ist materiell aufgefasst. Am unteren Rand geht der Blick auf antike Ruinen, die an das Kolosseum erinnern, und im Zentrum in eine ferne, mit nicht identifizierbaren Bauwerken besetzte Landschaft. Der Künstler hat sich also einige Freiheiten gegenüber dem Vorbild genommen. Ganz ungewöhnlich ist dies zumal bei gemalten Nachbildungen zwar nicht – auch andere Imitatoren haben die bei Michelangelo nicht klar bestimmte Sphärenkugel, auf die sich der Jüngling stützt, als Erdglobus aufgefasst8 –, Modifikationen entstanden vereinzelt aber auch durch Missverständnisse oder aus Schamempfinden gegenüber den von Michelangelo noch sehr deutlich ins Bild gesetzten sexuellen Handlungen. Im Fall des Wiener Tafelbildes kannte der Künstler das Vorbild aber offenbar sehr genau und empfand wenig Hemmungen; das Motiv des Phallus wird sogar um eine sitzende männliche Gestalt links daneben sozusagen kommentierend ergänzt. Die Identität des Malers war bislang allerdings ganz unklar. Das Gemälde schien kaum Anhaltspunkte zu bieten, um eine genauere stilistische Einordnung in eine Schule vornehmen zu können. Man erkannte Einflüsse niederländischer Künstler, und eher hypothetisch wurde vermutet, es könnte sich um eine relativ späte Interpretation der Vorbildes handeln.9 Angenommen wurde eine Entstehung in Italien in den Jahren um 1565.10 Zu diesem Zeitpunkt hatte das Original Michelangelos aber bereits eine hohe Bekanntheit erreicht und war durch Reproduktionen, vor allem in der Druckgrafik, genau dokumentiert.11 Potentielle Käufer hätten die erwähnten Abweichungen also leicht feststellen und beanstanden können. Eine genauere Betrachtung der Darstellung legt in der Tat die Annahme nahe, dass das Wiener Gemälde deutlich früher entstanden sein muss, als bisher angenommen wurde, wahrscheinlich sogar bevor die Komposition einem breiteren Publikum bekannt war. Einen wichtigen Hinweis auf den ungefähren Entstehungszeitraum des Gemäldes gibt ein unscheinbares Detail in der Darstellung des Globus (Abb. 3). Dieser ist so 7 8

Siehe Winner 1992 (zit. Anm. 4). So zeigt auch die um 1572 von Alessandro Allori auf der Rückseite eines Bildnisses der Bianca Cappello auf Kupfer geschaffene Darstellung (Florenz, Uffizien, H. 37 cm, B. 27 cm) im Hintergrund eine Landschaft mit Rundtempel; siehe AK London 2010 (zit. Anm. 1), 57 f., Abb. 44, sowie Ausstellungskatalog Georg Satzinger – Sebastian Schütze (Hgg.), Der Göttliche. Hommage an Michelangelo, Bonn (Bundeskunsthalle) 2015, 245, Kat.-Nr. 193 (Sebastian Schütze). 9 Verbindungen zur Malerei niederländischer Künstler in Rom erkannte Eckhard Leuschner in: Ausstellungskatalog Sylvia Ferino-Padgen (Hg.), Wir sind Maske, Wien (Kunsthistorisches Museum im Museum für Völkerkunde) 2009, 337–339, Kat.-Nr. VI.5. 10 Siehe Wolfgang Prohaska in: Ausstellungskatalog Sylvia Ferino-Padgen (Hg.), Vittoria Colonna. Dichterin und Muse Michelangelos, Wien (Kunsthistorisches Museum) 1997, 331–334, Kat.-Nr. IV.10. 11 Als die frühesten Reproduktionen in der Druckgrafik gelten großformatige Stiche, die Nicolas Beatrizet und Michele Lucchese zugeschrieben werden. Letzterer (H. 442 mm, B. 299 mm) entstand sicher vor 1545, aber wohl nach 1540; siehe AK Mailand 2015 (zit. Anm. 5), 197–201, Kat.-Nr. 49 (Alessia Alberti). Zuvor galt Lucchese nur als Verleger des Blattes; siehe AK London 2010 (zit. Anm. 1), 167– 170, Kat.-Nr. 14 (Michael Bury). Die Zuschreibung des anderen, ähnlich großen Stiches an Beatrizet ist strittig. Befürwortet wird sie von Silvia Bianchi, Catalogo dell’opera incisa di Nicola Beatrizet (II parte), in: Grafica d’arte 14, Nr. 55, 2003, 3–12, hier: 7, Kat.-Nr. 36; bezweifelt von Michael Bury in: AK London 2010 (zit. Anm. 1), 167 f. Beatrizets Stich nach Michelangelos Raub des Ganymed datiert von 1542; siehe Bianchi 2003 (s. o.), 6 f., Kat.-Nr. 35. Die Reproduktion des Traums dürfte kaum früher entstanden sein.

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Abb. 3: Der Erdglobus in der Kopie nach Michelangelos Traum, Ausschnitt aus Abb. 1. Abb. 4: Martin Waldseemüller, Admiral’s Map, Detail mit dem Nordatlantik und der Darstellung Neufundlands als Insel. 1513. Holzschnitt. New York, Kunsthandel. (© New York, Martayan Lan.)

ausgerichtet, dass der Atlantik die Mittelachse einnimmt. In der rechten Hälfte ist Afrika leicht auszumachen; das Mittelmeer und Europa darüber sind von der linken Hand des Jünglings teilweise verdeckt. In der linken unteren Hälfte erscheint schemenhaft, da leicht verschattet, die Küstenlinie und Landmasse Südamerikas. Zu erkennen sind auch die beiden großen Karibikinseln Kuba und Haiti. In ihrer eher flüchtigen Manier erweckt die Darstellung zwar nicht den Eindruck, dem Maler sei es um geografische Präzision gegangen, dennoch ist sie recht genau an einem bestimmten kartografischen Kenntnisstand orientiert. In dieser Hinsicht ist auffällig, dass der nordamerikanische Kontinent nicht einmal angedeutet ist. Die dunkle Fläche oberhalb Kubas ist der Schatten des rechten Unterarms des Jünglings. Man könnte meinen, Nordamerika sei verdeckt oder wäre auf der abgelegenen Seite vorzustellen. Tatsächlich aber reproduzierte der Maler ein Bild jenes Erdteils, in dem Nordamerika noch gar nicht erfasst war. Den entscheidenden Hinweis gibt die kleine Inselformation im Nordatlantik, auf die der Daumen der linken Hand hinzudeuten scheint. Sie ist wie die Silhouette eines Halbmondes gebildet. Jene Formation ist überaus prägnant und lässt sich leicht identifizieren. Dargestellt ist ein Ausläufer Nordamerikas, nämlich Neufundland. Jenes Gebiet war der erste Teil Nordamerikas, der um 1500 von portugiesischen Seefahrern aus der Familie Corte-Real entdeckt und erkundet wurde.12 Deshalb wurde es auch Terra Corterealis genannt. Die Verbindung zum Kontinent und dessen Küstenlinie bis hinunter nach Florida war zunächst unbekannt. In der Kartografie des frühen 16. Jahrhunderts erscheint Neufundland deshalb als Insel inmitten eines weiten Ozeans, ebenso wie es das Wiener Gemälde zeigt. Sehr anschaulich wird dies in der vor 1501 gezeichneten Carta del Cantino in Modena oder in der sogenannten Admiral’s Map von Martin Waldseemüller aus dem Jahr 1513 (Abb. 4).13 Grundlegend zum Thema bleibt die Studie von Henry Harrisse, Découverte et évolution cartographique de Terre-Nouve et des pays circonvoissins 1497-1501-1769, Paris 1900 [Reprint Amsterdam 1968]. Das meiste Kartenmaterial diskutierte indes bereits Sophus Ruge, Die Entwicklung der Kartographie von Amerika bis 1570, Gotha 1892 [Nachdruck Hildesheim 1962]. 13 Waldseemüllers Admiral’s Map hat die Maße: H. 439 mm, B. 573 mm. Die große Karte (H. 105 cm, B. 220 cm) in der Biblioteca Estense in Modena entstand in Portugal und wurde im Juni 1501 von Alberto Cantino an den Herzog von Ferrara, Ercole d’Este, geschickt; siehe Ernesto Milano, La Carta del Cantino e la rappresentazione della Terra nei codici e nei libri a stampa della Biblioteca Estense e Universitaria, Modena 1991, 87–156. 12

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Die Erkundung Nordamerikas machte in jenen Jahren jedoch rapide Fortschritte.14 Dass Neufundland eine einsame Insel im offenen Meer sei, ist eigentlich letztmalig im Erdglobus des Johann Schöner von 1520 wiedergegeben.15 Spätere Karten und Globen zeigen bereits die enge Anbindung an Nordamerika. Maler oder deren Auftraggeber waren in der Regel bemüht, in ihren Werken den aktuellen Kenntnisstand abzubilden. So zeigt beispielsweise der Erdglobus in Hans Holbeins berühmtem Londoner Doppelbildnis der Gesandten aus dem Jahr 1533 eine bereits genauere Darstellung Nordamerikas, in der Neufundland nicht mehr als Insel erscheint.16 Die Ansicht des Nordatlantik im Wiener Gemälde basiert folglich auf einem geooder kartografischen Wissen, das eigentlich schon überholt war, als Michelangelo um 1533 seine Darstellung des Traums schuf. Auch wenn die exakte Wiedergabe der Erde, wie erwähnt, nicht das Thema der Wiener Nachbildung war, so ist doch schwer vorstellbar, dass ein Maler noch um 1565 Kartenmaterial vom Anfang des Cinquecento benutzt und sich damit auch unter diesem Aspekt der Kritik des Auftraggebers oder potentieller Käufer ausgesetzt haben sollte. Das Bild dürfte folglich deutlich früher, relativ kurze Zeit nach der Vorlage, entstanden sein, als die neuen Erkenntnisse über die Geografie Nordamerikas noch nicht Allgemeingut waren. Bezüglich der Frage nach dem Urheber des Gemäldes ist diese Feststellung vorerst aber nur bedingt hilfreich. Der Malstil erscheint, wie erwähnt, zu wenig charakteristisch, als dass aus ihm auf eine bestimmte Künstlerpersönlichkeit geschlossen werden könnte. Zwar sind manche Eigentümlichkeiten wie etwa die wulstigen Lippen des Jünglings zu bemerken, um aber eine präzisere Zuschreibung vorschlagen zu können, bedarf es eines externen Impulses, einer Zusatzinformation, die gezielte Vergleiche erst möglich macht. In den bislang bekannten Angaben über die Geschichte des Bildes sind diese nicht zu finden. Bekannt ist lediglich, dass es 1659 zur Sammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm gehörte. Wie es in dessen Besitz gelangte, ist vorerst unklar.17 In Anbetracht der Vielzahl an Kopien wird man frühere Beschreibungen von Gemäldefassungen des Traums also nicht ohne Weiteres auf die Schiefertafel in Wien beziehen können. Wenn jedoch verschiedene Aspekte übereinstimmen, ist eine solche Assoziation durchaus berechtigt und wird hier folglich versucht. Bei jener Erwähnung handelt es sich um einen knappen Eintrag im Inventar der Besitztümer des Bischofs von Como, Bernardino della Croce, das dieser kurz vor

14 Waldseemüllers Carta marina navigatoria von 1516 zeigt bereits Florida in richtiger Position zu Kuba und eine Andeutung des Golfs von Mexiko. Neufundland ist aber weiterhin isoliert. In den Weltkarten des Portugiesen Diogo Ribeiro von 1529 ist die Terra Corte Realis bereits mit dem Festland verbunden, Labrador ist bereits eine eigene Formation. Gut zu sehen ist der neue Kenntnisstand auch in einer Portulankarte Ribeiros von ca. 1532 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB, Cod. Guelf. 104 A Aug. 2°); siehe Ingrid Baumgärtner, Der Portulan-Atlas des Battista Agnese. Das Kasseler Pracht­ exemplar von 1542, Darmstadt 2017, 43. In der Orbis imago des Gerhard Mercator von 1538 ist Neufundland auch bereits Teil des nordamerikanischen Kontinents, und ebenso in der vom Erdglobus des Gemma Frisius von 1540 abgeleiteten Charta cosmographica des Peter Apian, die 1544 publiziert wurde. Die nordamerikanische Landmasse ist dort insgesamt als „baccalearum“ (Stockfischland) bezeichnet. Mercator nutzte seinen Plan von 1538 dann 1541 für seinen Erdglobus, den er Kardinal Perrenot de Granvelle widmete; siehe Thomas Horst, Die Welt als Buch. Gerhard Mercator (1512–1594) und der erste Weltatlas, Gütersloh 2012, 54–70 und 84–89. 15 Ein Exemplar des für Hans Seiler 1520 geschaffene Erdglobus (Dm. ca. 88 cm) befindet sich im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg; siehe Thomas Eser, Der Nürnberger Schöner-Globus von 1520, in: Frank Berger (Hg.), Der Erdglobus des Johannes Schöner von 1515, Frankfurt a. M. 2013, 74–79. 16 Siehe John North, The Ambassador’s Secret. Holbein and the World of the Renaissance, London – New York 2002, 116; Jerry Brotton, Die Geschichte der Welt in zwölf Karten, München 2014, 320 f. Ob Holbeins Darstellung tatsächlich einen Erdglobus Johann Schöners zeigt, ist gleichwohl nicht abschließend gesichert. Eine wichtige Datierungshilfe gibt ein Erdglobus auch im Fall der Darstellung eines Salvator Mundi von einem Rheinischen Meister im Deutschen Historischen Museum in Berlin (Inv.-Nr. Gm 93/24). Der darin reproduzierte Globus war ein Werk von Caspar Vopelius aus dem Jahr 1537; siehe Ausstellungskatalog Petra Kruse et al. (Hgg.), Hochrenaissance im Vatikan, 1503–1534, Bonn (Bundeskunsthalle) 1998, 473, Kat.-Nr. 133 (Dieter Vorsteher). 17 Anfangs wurde das Bild als Original Michelangelos erfasst. 1809 kam es nach Paris und 1815 zurück nach Wien. Siehe Eduard R. von Engerth, Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Gemälde. Beschreibendes Verzeichnis, Bd. 1: Italienische, spanische und französische Schulen, Wien 1882, 213 f., Nr. 305.

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seinem Tod im August 1568 in Rom selbst verfasst hat.18 Der 1502 in Riva San ­Vitale am Luganer See geborene Della Croce war ein enger Vertrauter von Papst Paul III. gewesen und auch nach dessen Tod im November 1549 der Familie Farnese verbunden geblieben. Es gibt bislang keinen Anhaltspunkt, dass er Michelangelo persönlich gekannt hat. Eine besondere Wertschätzung für dessen Werk zu hegen, war im Haus Farnese gleichwohl selbstverständlich. Della Croces Kunstsammlung war indes eher klein und umfasste nur wenige Gemälde, zumeist Bildnisse des verehrten Paul III. oder Andachtsbilder. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildete ein Gemälde, das im Inventar von 1568 folgendermaßen beschrieben wird: „Un’altro ritratto d’un sogno di Michele Angelo Bonarotti in pietra fatto da Zabacco“.19 Die Angabe zum Bildträger ist leider etwas unspezifisch, aber eine exakte Klassifikation ist bei Dokumenten aus der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht zu erwarten.20 Tatsächlich meinte der Oberbegriff pietra damals in erster Linie Schiefer, denn Gemälde auf anderen Materialien, Marmor oder Alabaster, waren noch selten.21 Wichtig ist der Hinweis auf den Urheber des Gemäldes: „Zabacco“ ist einer von mehreren Beinamen des venezianischen Malers Giambattista Ponchini. Etwas geläufiger ist die Variante „Bazzacco“, die der Künstler selbst verwendete. Die 1568 genutzte Namensform „Zabacco“ ist aber auch aus anderen Quellen bekannt.22 Jener Giambattista Ponchini hat kein sehr großes Werk hinterlassen. Ebenso ist seine Biografie nur lückenhaft dokumentiert. Vor allem über den frühen Werdegang des Künstlers ist nur wenig bekannt.23 Um 1505 in Castelfranco geboren, ist Ponchini erstmals in den Jahren um 1536 dokumentiert, als er zusammen mit Battista Franco in Rom in den Diensten des aus Venedig stammenden Kardinals Francesco Cornaro stand. Obwohl er schon 1536 Mitglied der römischen Malerschaft war, sind bislang keine Werke aus jener Zeit mit Sicherheit nachweisbar.24 Es gilt indes als 18 Für eine ausführlichere Darstellung der Person des Bernardino della Croce und seines Kunstbesitzes siehe Lothar Sickel, Identitätssuche im Homer. Alessandro Farnese, später Papst Paul III., Pinturicchio und der Nachlass des Bernardino della Croce, in: Julia Dellith et al. (Hgg.), Künstlerwerkstatt und Götterhimmel. Perspektiven auf die Kunst der italienischen Renaissance, Leipzig 2018, 148–182. 19 Rom, Staatsarchiv, Notare des Kammerauditors, Bd. 6208, fol. 273v. 20 Die präzise Angabe für Schiefer wäre „lavagna“ gewesen. Sicherlich auf Holz ausgeführt war eine gemalte Kopie in der Sammlung Barberini. Das Bild ist 1642 in der Erstausgabe der Aedes Barberinae des Girolamo Tezi und im Inventar der Sammlung von 1644 erwähnt; siehe Hieronymus Tetius, Aedes Barberinae ad Quirinalem descriptae, hg. von Lucia Faedo und Thomas Frangenberg, Pisa 2005, 444– 447, zum Inventareintrag von 1644 dort 445, Anm. 130. Tezis Beschreibung lieferte die Grundlage für die Deutung Panofskys (siehe Anm. 4). Auf Holz ausgeführt ist eine der künstlerisch besten Kopien in den Uffizien (H. 91 cm, B. 61,5 cm). Die Zuschreibung an Marcello Venusti, wie bei AK London 2010 (zit. Anm. 1), 59 f., wird nicht immer geteilt; siehe AK Mailand 2015 (zit. Anm. 5), 193–195, Kat.-Nr. 48 (Elena Alberio). 21 Von den gut zwanzig gemalten Kopien, die im 16. Jahrhundert nach Michelangelos Madonna del Silenzio oder bereits nach Reproduktionen jener Zeichnung angefertigt wurden, ist nur eine auf Schiefer gemalt, nämlich eine Tafel im Ashmolean Museum in Oxford (Inv.-Nr. A67, H. 52,5 cm, B. 41,2 cm). Die gelegentlich vertretene Zuschreibung an den 1557 verstorbenen Francesco Ubertini, genannt il Bacchiacca, ist ungesichert; siehe Antonio Vannugli, Imitating Michelangelo. A methodical philological survey of the angraved and painted versions of the Madonna of Silence, Rom 2015, 76 und 80 f. Vannugli datiert das Gemälde 1540/57. 22 In einem Brief von Cosimo Bartoli an Vasari vom Juni 1569 wird Ponchini als „messer Giambattista Zabacco“ bezeichnet; siehe Anm.  28. Überdies begegnen die Namesformen „Bozzacco“ und „Bozzato“. 23 Zur Biografie Ponchinis siehe Domenico Maria Federici, Memorie Trevigiane sulle opere di disegno, 2  Bde., Venedig 1803, Bd.  II, 47  f.; Donata Battilotti – Lionello Puppi, Prime approssimazioni su Giambattista Ponchino, in: Ricerche di storia dell’arte 19, 1983, 77–83; Francesco Trentini in: Dizionario biografico degli Italiani, Bd. 84, 2015, 720–722; Vincenzo Mancini, Il pittore Giovanni Batista Ponchini “dal secolo alla chiesa”, in: Studi veneziani 74, 2016, 309–320. Ein Porträt im Museo Civico in Treviso gilt als Selbstbildnis Ponchinis; siehe Lucio Puttin et al. (Hgg.), Dipinti e sculture del Museo di Treviso, Rom 1980, Taf. XXXV (Mauro Lucco), dort noch mit Zuschreibung an Domenico Brusasorci und ohne Hinweis auf Ponchini. Die Identifizierung erfolgte auf der Basis einer Nachzeichnung von Nadal Melchiori (Hamburg, Kunsthalle, Inv.-Nr. 57008); siehe Battilotti – Puppi 1983 (s. o.), 78 und 81, sowie David Klemm, Italienische Zeichnungen 1450–1800, 3  Bde., Köln 2009, Bd.  II, 236, Nr. 326. Auch wenn es Ponchini darstellen mag, stammt das Bildnis in Treviso möglicherweise von anderer Hand. 24 Zu Ponchinis Anstellung bei Cornaro siehe Michel Hochmann, Tra Venezia e Roma: il cardinale Francesco Corner, in: Saggi memorie di storia dell’arte 18, 1992, 97–110 und 203–206, hier: 105; ders., Il

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Abb. 5: Giambattista Ponchini, Christus in der Vorhölle und die befreiten Gerechten. 1551. Öl auf Leinwand. Castelfranco Veneto, Dom San Liberale. (© Diocesi di Treviso, Ufficio Diocesano per l’Arte Sacra e i Beni Culturali.) Abb. 6: Die Gruppe der Gerechten in Ponchinis Christus in der Vorhölle, Ausschnitt aus Abb. 5.

gesichert, dass Ponchini mit jenem Maler identisch ist, der unmittelbar nach der Enthüllung von Michelangelos Jüngsten Gericht, Ende Oktober 1541, im Auftrag Cornaros eine Kopie des monumentalen Freskos anfertigte.25 Zur Vorbereitung jenes nicht erhaltenen Bildes hatte Ponchini Nachzeichnungen angefertigt, die er in Druckgrafiken reproduzieren wollte. Nach diesen Zeichnungen erkundigte sich Pietro Aretino im Januar 1546 bei Enea Vico.26 Damals war Ponchini wahrscheinlich bereits nach Castelfranco zurückgekehrt.27 Er verfolgte das Editionsprojekt noch

mecenatismo dei cardinali Corner nel XVI secolo, in: Caterina Furlan – Patrizia Tosini (Hgg.), I cardinali della Serenissima, Cinisello Balsamo 2014, 75–103, hier: 82. Im Register der Malerkorperation firmierte er 1536 als „Io. Battista alias Bazzaco pittore del cardinal Cornaro quale stava a Santo Pietro“; zit. nach Hochmann 1992 (s. o.), 105, Anm. 47; siehe auch Isabella Salvagni, Da Universitas ad Academia. La corporazione dei Pittori nella chiesa di San Luca a Roma, Rom 2012, 113. Zu Battista Franco siehe Antonella Sacconi in: Dizionario biografico degli Italiani, Bd. 50, 1998, 176–180; Anne Varick Lauder, Battista Franco. Sa vie et son oeuvre, in: dies., Battista Franco (Paris, Musée du Louvre, Inventaire général des dessins, Bd. VIII), Paris 2009, 17–55. Die Angabe bei Federici 1803 (zit. Anm. 23), Ponchini sei ein Schüler Tizians gewesen, ist bislang unbestätigt. 25 Die Kopiertätigkeit für Cornaro wird in einem Brief von Nicola Servini an Kardinal Ercole Gonzaga vom 19. November 1541 erwähnt; siehe Michel Hochmann, Venise et Rome, 1500–1600, Genf 2004, 299. Der Name des Kopisten bleibt indes ungenannt. 26 Siehe Pietro Aretino, Lettere, in: Paolo Procaccioli (Hg.), Edizione nazionale delle opere di Pietro Aretino, Bd. 4.3, Rom 1999, 479 f., Nr. 638. Nach Ridolfi handelte es sich um „alcuni gran disegni di lapis nero con numero di ben’intese e diligenti figure alla simiglianza del giuditio di Michel’Angelo“; zit. nach Carlo Ridolfi, Le maraviglie dell’arte, 2 Bde., Venedig 1648, Bd. II, 80. 27 Im Oktober 1546 hielt sich Ponchini in seiner Heimatstadt Castelfranco auf; siehe Trentini 2015 (zit. Anm. 23). Im Mai 1548 war er in der Villa Barbaro in Maser tätig. Der 1532 geborene Girolamo Muziano war dort vermutlich sein Schüler und Mitarbeiter; siehe Battilotti – Puppi 1983 (zit. Anm. 23), 79; Patrizia Tosini, Girolamo Muziano, Rom 2008, 27 f. Sollte Ponchini damals, zusammen mit Girolamo Mazzoni, in der Villa Malereien ausgeführt haben, so sind diese nicht erhalten; siehe Deborah Howard, Venice disputed. Marc’Antonio Barbaro and Venetian Architecture, 1550–1600, New Haven 2011, 18. Im August 1554 bezeugte Ponchini erneut eine Prokura des Daniele Barbaro; Hochmann 2004 (zit. Anm. 25), 310, Anm. 36. Die Annahme, Ponchini sei 1556 längerfristig nach Rom zurückgekehrt, ist nicht stichhaltig begründet. Vom Sommer 1558 datiert zwar eine einzelne Zahlungsanweisung von 6 scudi „per colori, tela“ für ein Gemälde, das Papst Paul IV. bestellt hatte – siehe Battilotti – Puppi 1983 (zit. Anm. 23), 81; Hochmann 2004 (zit. Anm. 25), 302 –, andererseits war Ponchini seit 1553 Rektor der Kirche San Pietro in Creola bei Padua. Gegen eine Aufforderung zum Verzicht auf das Amt konnte er sich im August 1555 erfolgreich behaupten; siehe Mancini 2016 (zit. Anm.  23), 313–315. Wenn er überhaupt stattfand, dürfte der Aufenthalt in Rom, auch nach Ansicht von Trentini 2015 (zit. Anm.  23), eher von kurzer Dauer gewesen sein. Nach Melchiori und Federici 1803 (zit. Anm. 23) schuf Ponchini in Venedig und Castelfranco mehrere Fassadendekorationen. Dafür gibt es bislang keine Bestätigung, allerdings scheint es sinnvoll, die traditionelle Attribution der nur sehr fragmentarisch erhaltenen Fresken von der Fassade der Ca’ Soranzo an Tintoretto zu überdenken; siehe Michelangelo Muraro, Affreschi di Jacopo Tintoretto a Ca’ Soranzo, in: Filippa Maria Alberti Gaudioso – Valentino Martinelli (Hgg.), Scritti di storia dell’arte in onore di Mario Salmi, 3 Bde., Rom 1963, Bd. III, 103–116; Rodolfo Pallucchini – Paola Rossi, Tintoretto. Le opere sacre e profane, 2 Bde., Mailand 1982, Bd. I, 134, Nrn. 17–20.

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1569 an seinem damaligen Wohnsitz bei Padua.28 Doch obwohl Ponchini seine Kopie nach dem Jüngsten Gericht in hohen Ehren hielt, blieb das Vorhaben bis zu seinem Tod um 1574 unverwirklicht.29 Während seines mehrjährigen Aufenthalts in Rom hatte Ponchini sicherlich ein großes Interesse und wohl auch bereits um 1537 die Gelegenheit, Michelangelos Zeichnung des Traums zu studieren und zu kopieren. Für seinen Landsmann und Kompagnon Battista Franco ist dies belegt.30 Zum damaligen Zeitpunkt wäre das Kartenmaterial, das für die Darstellung des Globus benutzt wurde, zwar nicht mehr ganz aktuell gewesen, aber auch noch nicht völlig veraltet. Reproduktionen des Traums gab es vermutlich erst wenige. Die Ausführung des Wiener Gemäldes auf Schiefer hätte ohnehin auf einen Künstler venezianischer Schulung hingedeutet, da jene Technik bekanntlich zuerst im Umkreis des Sebastiano del Piombo in Rom geübt wurde.31 Aus diesen eher historischen Erwägungen allein ist freilich noch nicht zu folgern, dass es sich bei der 1568 im Besitz des Bischofs Della Croce erwähnten Kopie um das gleiche Bild handelte, das neunzig Jahre später Erzherzog Leopold Wilhelm gehörte. Ponchini könnte mehrere Versionen der gleichen Darstellung, vielleicht mit Varianten, auf Schiefer ausgeführt haben. Auch andere, bislang anonyme Künstler könnten Kopien auf Stein geschaffen haben. Eine Tafel in der National Gallery in London ist dem Wiener Bild im Stil eng verwandt.32 Noch nicht identifiziert ist eine auf Schiefer gemalte Kopie des Traums, die sich 1627 im Nachlass des Kardinals Francesco Maria del Monte in Rom befand. Eine Herkunft dieses Bildes aus dem Besitz Della Croces ist ebenso ungesichert wie der spätere Verbleib.33 Die Notiz im Inventar von 1568 gibt deshalb zunächst nur einen Anhaltspunkt, um anhand von stilistischen Vergleichen zu überprüfen, ob das Gemälde in Wien tatsächlich von Ponchini stammen kann. Das Vorhaben stößt jedoch auf die erwähnte Schwierigkeit, dass bislang nur sehr wenige Gemälde Ponchinis bekannt geworden sind. Überdies datieren sie aus einer

28 Das Vorhaben erwähnt Cosimo Bartoli in einem Brief vom 12. Juni 1569 an Vasari; siehe Karl Frey, Der literarische Nachlass Giorgio Vasaris, 3 Bde., München 1930, Bd. II, 433 f., Nr. DCLXVIII. In diesem Brief wird überdies eine Kopie nach einer von Michelangelos Darstellungen des Phaeton-Sturzes erwähnt sowie ein Karton „nel quale [Ponchini] ha finto il principio del mondo, quando li angeli reprobi furon cacciati di cielo, tanto bello, tanto vario, con tanto disegnio, che io ardisco dir’ non haver visto mai la piu bella cosa.“ Es ist nicht geklärt, ob es sich bei der letztgenannten Zeichnung um eine, vielleicht missverständlich beschriebene, Imitation nach Michelangelo oder um eine eigene Invention Ponchinis handelte. 29 Das genaue Todesdatum Ponchins ist bislang unbekannt. Sicherlich war er vor dem 13. Februar 1576 verstorben. In dem zitierten Brief vom Juni 1569 (siehe Anm. 28) bezeichnet ihn der im Dezember 1503 geborenen Cosimo Bartoli als gleichaltrig. 30 Bekanntlich zitiert Battista Franco die Hauptgestalt des Jünglings sowie eine weitere Nebenfigur in seiner 1537 in Florenz entstandenen Darstellung der Schlacht von Montemurlo im Palazzo Pitti in Florenz; siehe Varick Lauder 2009 (zit. Anm. 24), 21; AK London 2010 (zit. Anm. 1), 52 f. 31 Beim Tod Sebastianos im Jahr 1547 hatte die Technik schon einige Verbreitung gefunden; siehe Fabio Fernetti, Verso un censimento dei dipinti cinquecenteschi su pietra o lavagna, in: Santiago Aroyo Esteban et al. (Hgg.), Sebastiano del Piombo e la cappella Borgherini nel contesto della pittura rinascimentale, Florenz 2010, 54–57; Johanna Beate Lohff, Malerei auf Stein. Antonio Tempestas Bilder auf Stein im Kontext der Kunst- und Naturtheorie seiner Zeit, München 2015, 17 f. 32 London, National Gallery, Inv.-Nr. 8, Schiefer, H. 65,4 cm, B. 55,9 cm; 1831 aus dem Besitz von William Holwell Carr. Eine Zuschreibung an Battista Franco erwog Cecil Gould in: National Gallery Catalogues, Sixteenth-Century Italian Schools, London 1962, 100 (ebenso in der Edition von 1975, 153 f.). Übernommen wurde sie von Fabrizio Biferali – Massimo Firpo, Battista Franco “pittore veneziano” nella cultura artistica e nella vita religiosa del Cinquecento, Pisa 2007, 67 f.; abgelehnt hingegen von Christopher Baker – Tom Henry, The National Gallery. Complete illustrated Catalogue, London 2001, 454. Anders als das Gemälde in Wien zeigt der Erdglobus im Londoner Bild in der Hauptansicht Europa, den Mittelmeerraum und Nordafrika. Eine Zuschreibung an Ponchini wurde bislang nicht erwogen. 33 Im Inventar der Besitztümer des Kardinals Del Monte wird das Thema des auf Schiefer gemalten Bildes nicht angezeigt. Dass es sich um eine Kopie nach Michelangelos Traum handelte, klärt erst der Eintrag im Nachlassinventar des Bischofs Alessandro del Monte vom August 1628: „Un quadro in pietra del sogno di Michelangelo“; siehe Zygmunt Wazbinski, Il cardinale Francesco Maria del Monte, 1549–1626, 2 Bde., Florenz 1994, Bd. II, 577 und 592. Die 1627 noch genaue Bezeichnung des Bildträgers, lavagna, wurde 1628 also durch den Oberbegriff pietra ersetzt.

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Abb. 7: Detail des linken Beines des Jünglings aus der Kopie nach Michelangelos Traum, Ausschnitt aus Abb. 1. Abb. 8: Detail eines Beines (seitenverkehrt) aus der Gruppe der Gerechten im Vordergrund von Ponchinis Christus in der Vorhölle, Ausschnitt aus Abb. 5.

Zeit, als er Rom längst verlassen hatte. Wie sehr Ponchini dem Werk Michelangelos auch in späteren Jahren verpflichtet war, zeigt sein großes Altarbild mit Christus in der Vorhölle und die befreiten Gerechten im Dom von Castelfranco Veneto (Abb. 5).34 Interessanterweise provozierte die ab Juli 1551 entstandene Darstellung im Jahr 1554 eine ähnlich kritische Reaktion kirchlicher Autoritäten wegen angeblich anstößiger Nacktheiten, wie sie zuvor schon Michelangelos Jüngstes Gericht ausgelöst hatte.35 Zumal im Kolorit ist Ponchinis Gemälde aber auch schon vom Einfluss des deutlich jüngeren Paolo Veronese geprägt. Nicht von ungefähr galt das Altarbild lange als dessen Werk.36 Schon wegen des zeitlichen Abstands ist es schwierig, aus dem Gemälde in Castelfranco genauere Rückschlüsse auf Ponchinis malerisches Werk in den Jahren um 1537 zu ziehen. Angesichts der Gestaltung von Gesichtern und Händen, etwa bei der Figur des jungen Mannes im Zentrum der Hauptgruppe im Vordergrund (Abb. 6), scheint es gleichwohl möglich, eine stilistische Entwicklungslinie zu erkennen, die Der Vertrag vom 21. Juli 1551 ist publiziert in Nadal Melchiori, Notizie di pittori e altri scritti, hg. von Giampaolo Bordignon Favero, Venedig – Rom 1968, 63 f. Mit der ungewöhnlichen Ikonografie befasst sich Francesco Trentini, Ponchini à l’enfer: Saggio sulla differenza iconografica, in: Venezia Cinquecento 20, 2010, 72–109. 35 Siehe Jaynie Anderson, An Early Restoration of Giambattista Ponchini’s Castelfranco Altarpiece, in: Arte veneta  28, 1974, 239–241. Obwohl Ponchini nach dem Tod seiner Ehefrau in den geistlichen Stand übergetreten war, sah er sich auch anderen Anschuldigungen ausgesetzt; siehe Renzo Fontana, Un nuovo paragrafo per la storia dell’arte et dell’eresia a Venezia nel Cinquecento. Giovan Battista Ponchino denunciato „cercha la resia et cercha la sodomia“, in: Venezia arti 17/18, 2003/04, 31–40. Da Ponchini im Juni 1550 ein Kanonikat an Santa Maria de’ Bigliollis in Orzinuovi bei Brescia erhielt, müsste seine Frau bereits verstorben gewesen sein. Seine Tochter Samaritana heiratete jedenfalls um 1570 den Maler Dario Varotari (1542–1596). Ponchini ist daher Großvater des im April 1588 geborenen Alessandro Varotari, genannt Padovanino; siehe Luciani Rognini, Dario Varotari pittore e architetto del Cinquecento, in: Studi storici veronesi Luigi Simeoni 24/25, 1974/75, 74–99, hier: 80 und 92. 36 Deutlich ist die Anpassung an das venezianische Stilempfinden auch in Ponchinis Beitrag zur Ausstattung der Decke in der Sala del Consiglio dei Dieci des Palazzo Ducale in Venedig, für die er ab 1553 die Darstellung des Neptun sowie Merkur mit der Allegorie des Friedens schuf. Den Auftrag erhielt er auf Empfehlung der Grimani, weshalb ihn Vasari in diesem Zusammenhang als „creato di casa Grimani“ bezeichnet und übrigens eine weitere Namensvariante „Brazacco“ einführt; siehe Vasari 1878– 1885 (zit. Anm. 3), Bd. VI, 594 f. An der Ausstattung der Decke waren auch Veronese und Battista Zelotti beteiligt. Die einzelnen Gestalten, insbesondere die des Merkur, erscheinen noch voluminöser als im Altarbild in Castelfranco. Im Vergleich plausibel erscheint daher die Zuschreibung einer Allegorie der Fortuna im Museo Correr in Venedig (Inv.-Nr. I 0591; H. 92,6 cm, B. 87,7 cm); siehe Mancini 2016 (zit. Anm. 23), 318 f. 34

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von der auf Schiefer gemalten Kopie des Traums zum großen Altarbild in C ­ astelfranco führt. Dies gilt auch für andere anatomische Details, etwa die Darstellung der Beine (Abb. 7 und 8). Der Zusammenhang ist vielleicht sogar leichter nachvoll­ziehbar als bei anderen Künstlern, deren Frühwerk sich deutlich von Arbeiten ihrer s­ päteren Schaffensperiode unterscheidet.37 Überhaupt sind neue Zuschreibungen bei weitgehend unbekannten Künstlern zumeist das Resultat von Dokumentenfunden.38 Für Ponchini ist nun unzweifelhaft belegt, dass er eine wohl auf Schiefer gemalte Kopie nach Michelangelos Traum geschaffen hat. Offenbar hat er das Bild vor seiner Abreise, also vor 1546, in Rom zurückgelassen, was die These der Frühdatierung erhärten würde. Der Inventarvermerk von 1568 kann aber nicht selbstverständlich mit dem Gemälde in Wien assoziiert werden. Zweifel bleiben notwendigerweise bestehen. Der Vorschlag hat tentativen Charakter, und doch bezeichnen solche Versuche den einzigen Weg, um das ansonsten fast undokumentierte Frühwerk eines nur sporadisch greifbaren Malers annäherungsweise bestimmen zu können. Davon unabhängig ist es rezeptionsgeschichtlich von Interesse, eine frühe Entstehung des Wiener Gemäldes nicht lange nach dem Original Michelangelos und mithin weitgehend unabhängig von anderen Nachbildungen annehmen zu können.

SUMMARY

The article reconsiders the Viennese copy after Michelangelo’s Dream, painted on slate, on basis of new observations and new documentary findings. It will be shown that the representation of the globe on which the youth is reclining, reflects the cartographic knowledge of America of the early sixteenth century. The painting, therefor, most likely was executed not much later than 1540, probably even before printed copies after Michelangelo’s drawing were published. The painting is, furthermore, seen in relation to the description of a similar picture, owned by bishop Bernardino della Croce in Rome in 1568. According to the inventory of Della Croce’s possessions, this copy of Michelangelo’s Dream was made by the Venetian painter Giambattista Ponchini who around 1540 had worked in Rome. Ponchini is indeed known as a copyist of works by Michelangelo. In fact, the painting in Vienna shows considerable stylistic similarities with his works. It is therefore suggested that the copy was painted by Ponchini during his stay in Rome.

37 Bei Orazio Gentileschi etwa wäre man wohl kaum jemals auf den Gedanken gekommen, er sei der Urheber eines 1593 vollendeten und stilistisch kaum bestimmbaren Freskos in Santa Maria Maggiore, wäre dieser Sachverhalt nicht durch frühe Schriftzeugnisse belegt; siehe Lothar Sickel, Eine Bewährungsprobe für Orazio Gentileschi. Zur Entstehung der mariologischen Fresken im Langhaus von Santa Maria Maggiore, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 42, 2015/2016, 203–222. 38 Bezogen auf Ponchini bemerkte dies bereits Federici 1803 (zit. Anm. 23), 47.

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Thomas Kuster

Die Vlies­ordens­verleihung von 1585 Ein Staatsakt mit diplomatischen Verwicklungen

Pracht- und würdevoll, dem hohen Anlass angemessen, verlief die Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies im Sommer 1585 in Prag und in Landshut. Niemand Geringerer als der römisch-deutsche Kaiser Rudolf II., dessen Onkel Erzherzog Karl II. von Innerösterreich sowie des Kaisers jüngerer Bruder Erzherzog Ernst erhielten den legendären Hausorden der Habsburger (Abb. 1).1 In den gleichen Genuss kamen der bayerische Herzog Wilhelm V., Leonhard IV. von Harrach und Wilhelm von Rosenberg. Für die Nachwelt wurde die Zeremonie bildlich und im Buchdruck medienwirksam festgehalten.2 Glaubt man diesen Überlieferungen, so erfolgte die Aufnahme – in der Sprache der heutigen Klatschpresse – harmonisch und pannenfrei. Dass dieses Bild jedoch täuscht, zeigen jüngst im Zuge von Recherchen zur Jubiläumsausstellung Ferdinand II. – 450 Jahre Tiroler Landesfürst auf Schloss Ambras Innsbruck neu ausgewertete Quellen im Tiroler Landesarchiv. Diese belegen, dass die Ordensverleihung beinahe eine diplomatische Krise auf allerhöchster Ebene hervorgerufen hätte.

VORGESCHICHTE

Der Tiroler Landesfürst Erzherzog Ferdinand II. erhielt am 22. Dezember 1583 ein in französischer Sprache verfasstes Schreiben seines „bon“ Cousins, König Philipps II. von Spanien, in welchem dieser – als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies (Abb.  2) – ihm seine Entscheidung mitteilte, seine beiden Neffen, den römisch-deutschen Kaiser Rudolf II. und Erzherzog Ernst, sowie seinen Cousin Erzherzog Karl in den altwürdigen Orden aufzunehmen.3 Philipps Wahl war, wie neuere Studien zeigen, keine spontane, sondern eine von langer Hand geplante Aktion. Schon 1581 hatte sich der spanische König entschlossen, den Verwandten des österreichischen Zweiges der Habsburger den Familienorden zu verleihen.4 Ab März 1581 gab es über Vermittlung des kaiserlichen Gesandten am Hof zu Madrid, Hans Khevenhüller, einen stetigen Briefwechsel zwischen Spanien, Österreich und Bayern über das Vorgehen in dieser Angelegenheit. Auch der von Khevenhüller 1

Abb. 1: Collane des Ordens vom Goldenen Vlies. Burgundisch-niederländisch, 2./3. Drittel 15. Jahrhundert. Gold, Maleremail. Wien, Kunsthistorisches Museum, Weltliche Schatzkammer, Inv.-Nr. XIV 263. (© KHM-Museumsverband.)

Grundlegender Überblick zur Literatur über den Vliesorden: Sonja Dünnebeil – Corinna Pichler (Hgg.), Bibliographie zur Geschichte des Ordens vom Goldenen Vlies, Wien 2016 (www.oeaw.ac.at/fileadmin/ Institute/imafo/pdf/Online_Ressourcen/orden_vom_goldenen_vlies.pdf; letzter Zugriff: 15.6.2018). 2 Sogenannte Vliesrolle, Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348, und Paul Zehendtner von Zehendtgrueb, Ordenliche Beschreibung mit was stattlichen Ceremonien vnd Zierlichheiten die Röm. Kay. May.[…] den Orden deß Gulin Flüß in diesem 85. Jahr zu Prag vnd Landshut empfangen […], Dilingen 1587. 3 Die Korrespondenz wickelte der königliche Sekretär und Staatssekretär der Spanischen Niederlande, Alfonso de La Loo, ab. Im Archivbestand des Tiroler Landesfürsten sind sowohl die auf Französisch verfassten Originale als auch deutsche Übersetzungen der (Tiroler?) Kanzlei erhalten. 4 Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hausarchiv [fortan HHStA, HA], Familienakten, Karton 107, Nrn. 1–4, hier: Nr. 1, fol. 35r–39r.

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Abb. 2: König Philipp II. als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies, in: Livre du Thoison d’or. Institue et funde par le bon duc Philippe de Bourgoingne. Niederlande, Ende 16. Jahrhundert (nach 1580). Kolorierte Federzeichnung. München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. Hss Cod.icon. 285, fol. 61v. (© Bayerische Staatsbibliothek.) Abb. 3: Erzherzog Ferdinand II., Landesfürst von Tirol. Deutsch, 3. Viertel 16. Jahrhundert. Öl auf Leinwand. Wien, Kunsthistorisches ­Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 4388. (© KHM-Museumsverband.)

als spezieller Kurier für den Innsbrucker Hof engagierte Gregor Gerlin war in den folgenden Monaten und Jahren ein wichtiger Mittelsmann. Konkret wurde Gerlin am 7. November 1581 mit „königs gescheften zue erzherzogen Ferdinand expediert“.5 Ob es sich in diesem Zusammenhang bereits um Belange des Ordens handelte, geht aus den Quellen jedoch nicht hervor. Der vom Burgunderherzog Philipp dem Guten 1430 zur Verteidigung des Christentums gegründete Ritterorden war durch die Heirat der Maria von Burgund mit Maximilian von Österreich an die Habsburger gekommen. In der Folge waren Kaiser Maximilian I., dessen Sohn Philipp der Schöne und schließlich dessen Ältester, Kaiser Karl V., Ordenssouveräne. Nach der Teilung der Habsburgerdynastie in einen spanischen und einen österreichischen Zweig verblieb die Ordenssouveränität bei der spanischen Linie. Nach dem Aussterben dieser Linie 1700 und dem daraus resultierenden Spanischen Erbfolgekrieg ließ der österreichische Zweig unter Kaiser Karl  VI. die Ordenstraditionen ihrerseits wieder aufleben und beanspruchte das Goldene Vlies als Familienerbe. Aber auch das nunmehr bourbonische Spanien unter König Philipp V. hielt an der Vliesordenstradition fest, wodurch nun zwei souveräne Ordensstränge etabliert wurden. Diese bestehen mit Karl Habsburg-Lothringen und König Felipe VI. von Spanien bis heute.6 Aufgrund der geografischen Entfernung und da Philipp II. damals keinen Besuch in deutschen Landen beabsichtigte, wurde nun dem Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II. die Ehre zuteil, als Speciale Procurate in Vertretung des spanischen Monarchen und Ordenssouveräns die Verleihung vorzunehmen (Abb. 3). Ferdinand wurde vor allem aufgrund seiner Stellung innerhalb der Familienhierarchie auserkoren, war er doch mit seinen 56 Jahren der älteste Vertreter des Hauses Österreich. Zudem wurde argumentiert, „die Presentation ermelts Flüsß […] nit khan beschehen, durch ainen desselben ordens Ritter, so besser hieheer qualificiert, und tauglich […] als wie Ir seit“.7

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Zit. nach Georg Khevenhüller-Metsch – Günther Probszt-Ohstorff (Hgg.), Hans Khevenhüller. Kaiserlicher Botschafter bei Philipp II. Geheimes Tagebuch. 1548–1605, Graz 1971, 115. Allgemein zum Vliesorden: Hermann Fillitz, Der Orden vom Goldenen Vlies, in: Ausstellungskatalog Sabine Haag – Franz Kirchweger – Katja Schmitz-von Ledebur (Hgg.), Schätze burgundischer Hofkunst in Wien, Wien (Kunsthistorisches Museum) 2009, 38–51. Zit. nach Innsbruck, Tiroler Landesarchiv [fortan TLA], Sammelakten, Reihe A, Abt. 1, Lage 1, Nr. 2, Schreiben aus Madrid, 22. Dezember 1583.

Abb. 4: Päpstliche Bulle. Antonio Buccapadulio, Rom, 27. Oktober 1584. Tinte auf Pergament. Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Kunst­s achen II, Nr. 537, o. fol. (© Tiroler Landesarchiv.) Abb. 5: Martino Rota, Kaiser Rudolf II. Nach 1580. Öl auf Leinwand. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2587. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 6: Erzherzog Karl II. von Innerösterreich. Österreichisch, nach 1585. Öl auf Leinwand. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 3171. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 7: Martino Rota, Erzherzog Ernst. Um 1580. Öl auf Leinwand. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2588. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 8: Herzog Wilhelm V. von Bayern. ­Österreich (Tirol?), nach 1580. Öl auf Papier auf ­Karton. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 4842. (© KHM-Museumsverband.)

Unter König Philipp II. wurden seit 1577 zur Bestellung neuer Mitglieder keine Ordenskapitel mehr einberufen, wie dies die Statuten eigentlich vorsahen. Zudem erfolgte die Ernennung neuer Kandidaten bereits seit 1556 ohne Rücksprache mit dem Kapitel. Da es sich beim Vliesorden um einen christlichen Ritterorden handelte, wurde aber für die Ernennung eine päpstliche Dispens eingeholt, die es Stellvertretern erlaubte, die Verleihung vorzunehmen.8 Für Ferdinand II. wurde der erforderliche Freibrief durch Papst Gregor XIII. im Oktober 1584 als breve aplicum ausgestellt (Abb. 4).9 Philipps Schreiben nach Innsbruck beinhaltete konkrete Instruktionen, um der „grossen Ehr, des alten Loblichen Ursprungs und Herkhomens“10 des Ordens gerecht zu werden. Die Wahl des Ortes wie auch des Zeitpunkts überließ der König seinem Cousin, allerdings mit der Einschränkung, dass die Zeremonie an einem hohen Festtag und einem „fürnemen und ansehenlichen ort“11 zu erfolgen habe. Betont wurde auch, dass die Bevölkerung Anteil nehmen solle, „damit demselben Actu desto mer ansehen und Zier gegeben werde“.12 Philipp erbat sich nach Abschluss der Verleihung einen Endbericht mit einer detaillierten Beschreibung der Ereignisse.13 Wie es die Ordensregeln vorsahen, war nun Ferdinands erste Aufgabe, die Kandidaten – den Kaiser, die beiden Erzherzöge und den bayerischen Herzog (Abb. 5–8) – schriftlich über deren beabsichtigte Aufnahme in Kenntnis zu setzen. In der Folge hatte er den feierlichen Akt der Verleihung zu planen.14 8 9

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Charles de Terlinden, Der Orden vom Goldenen Vlies (Die Kronen des Hauses Österreich, Bd. 6), ­Wien 1970, 19. Die Schreiben wurden vom päpstlichen Sekretär und Juristen Antonio Buccapadulio im Palazzo San Marco in Rom am 27. Oktober 1584 für Kaiser Rudolf II. und die Erzherzöge Karl II. und Ernst ausgestellt. Siehe TLA, Kunstsachen [fortan KS] II, Nr. 537, o. fol. Zit. nach TLA, Sammelakten, Reihe A, Abt. 1, Lage 1, Nr. 2, Schreiben aus Madrid, 22. Dezember 1583. Zit. nach ebenda. Zit. nach ebenda. Die in deutscher Sprache verfassten Schreiben sind mehrfach erhalten: HHStA, HA, Familienakten, Karton 107, Nrn. 1–4, hier: Nr. 3, fol. 42r–44r; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 123r–126r; TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. Sonja Dünnebeil, Die Entwicklung des Ordens unter den Burgunderherzögen (1430–1477), in: Das

ORGANISATION

Erzherzog Ferdinand II. informierte seine beiden Neffen Rudolf und Ernst sowie seinen Bruder Karl im Sommer 1584 über die Absichten des spanischen Königs. Vom Hof des Kaisers in Prag kam postwendend die Antwort, dass ein Termin nicht allzu bald festzulegen sei, da man „sovil zuthuen hetten“.15 Zudem wurde auf die notwendige Vorlaufzeit für den Bau neuer Kutschen und die Suche nach geeigneten Pferden verwiesen. Ein angedachter Termin am 30.  November, dem Festtag des hl. Andreas – Schutzpatron des Vliesordens – erschien allen Beteiligten dann aber doch wieder zu spät. So setzte der Tiroler Landesfürst die Verleihung für den 11. November 1584, den Festtag des hl. Martin, in Prag an. Gleichlautende Einladungen dazu ergingen an Erzherzog Karl II. nach Graz, an Erzherzog Ernst nach Wien und an Kaiser Rudolf II. nach Prag. Da nun der Termin feststand, wendete man sich den heiklen Fragen des Protokolls zu. Um Ehrverletzungen und diplomatischen Verstimmungen vorzubeugen – immerhin sollten nicht nur die Erzherzöge, sondern auch der römisch-deutsche Kaiser selbst in den Vliesorden aufgenommen werden –, waren zeremonielle Befindlichkeiten zu erörtern. Zur Entschärfung des „diplomatischen Minenfelds“ wurde vom Madrider, Innsbrucker und Prager Hof jeweils ein Fragenkatalog ausgearbeitet.16 Zu klären galt es u. a., ob der Kaiser alleine oder mit seinen Verwandten zusammen investiert werden solle. Falls ein gemeinsamer Akt vorgesehen wäre, musste die Reihenfolge festgelegt werden. Ebenso bedeutend war die Tageszeit für die Zeremonie; so wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Termin nach Mittag angemessen wäre. Zahllose Fragen der Etikette wurden behandelt, etwa die Anwesenheit von Herolden, denn das Auftreten des spanischen Herolds bedingte auch das Erscheinen der kaiserlichen Herolde. Des Weiteren wurde eruiert, ob Rudolf II. mit den kaiserlichen Insignien auftreten solle und ob die Anwesenden während der Vlies-Verleihung an den Kaiser sitzen oder stehen sollten. Praktisch hingegen erschien die Frage nach der Sprache, in der man seine Majestät zu adressieren hatte; hier bot sich neben Deutsch, Spanisch und Italienisch auch Latein an. Zuletzt galt es zu klären, in welcher Reihenfolge der Auszug aus der Kirche vor sich gehen solle. Spanien signalisierte Zustimmung zu einem allfälligen Wunsch des Kaisers, nach der Verleihung keine Messe abhalten zu wollen. Ebenso zeigte man sich flexibel, dass sich Rudolf, so ihm die Zeremonie zu lange dauern sollte, zurückziehen könne. Madrid bestand allerdings darauf, dass der Eid des Investierten vom Schatzmeister persönlich abzunehmen sei; dieser und auch der spanische Herold hätten zudem dem Kaiser und beiden Erzherzögen die Hände zu küssen und sie zu umarmen. Betont wurde besonders, dass der eigentliche Akt der Ordensverleihung ausschließlich durch Erzherzog Ferdinand II. zu erfolgen hätte; danach sollte ein Dank an den spanischen König ausgerufen werden. Wie jüngste Recherchen ergaben, orientierte sich Erzherzog Ferdinand II. im Großen und Ganzen am zeremoniellen Ablauf seiner eigenen, Jahre zurückliegenden offiziellen Aufnahme in den Vliesorden am 28. März 1557 in Prag.17 Er war zunächst im Ordenskapitel von Antwerpen, das vom 20. bis 23. Jänner 1555 abgehalten wurde, nominell in den Orden aufgenommen worden,18 die feierliche Überreichung der

Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies. Beiträge zum wissenschaftlichen Symposium am 30. November und 1. Dezember 2006 in Stift Heiligenkreuz, hg. von der Ordenskanzlei, Graz – Stuttgart 2007, 13–35, hier: 19. 15 Zit. nach TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. 16 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Borreador toccante’lass ceremonias del auto de la orde del Tuson para el Emperador, 19-seitiges Gutachten. 17 Bezeichnenderweise ist dem Aktenkonvolut des Tiroler Landesarchivs zur Ordensverleihung von 1585 eine für Ferdinand  II. erstellte Zusammenfassung des Aktes von 1557 beigelegt. Siehe TLA, KS  II, Nr. 537, o. fol., Prag, 28. März 1557. 18 Allgemein zu diesem Ordenskapitel siehe René Aquilina, Les sept chapitres de l’ordres de la Toison d’Or sous les souverains espagnols de 1505 à 1559, in: Carlos Alvar et al. (Hgg.), Studia in honorem prof. M.  de Riquer, Bd.  1, Barcelona 1986, 587–653, hier: 639; Claudine Lemaire, L’arbre d’or du 22e chapitre de la Toison d’Or en Janvier 1556 à Anvers, in: Jaques Paviot (Hg.), Liber Amicorum Raphael de Snedt, Bd. 3, Löwen 2001, 247–258.

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Abb. 9: Christophe d’Assonleville. Flämisch, um 1591. Kupferstich. London, The British Museum, Sign. 863,1114.771. (© Trustees of the British Museum.) Abb. 10: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Spanischer Herold (Claude Marion), Detail aus Der Gang von Kirchen, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 11: Ägidius Sadeler, Guillén de San Clemente. 1604/08. Kupferstich. Prag, National­ galerie, Inv.-Nr. R-78.000/R-155.119). (© Národní galerie v Praze.)

Collane hatte dann jedoch erst 1557 stattgefunden.19 Der Ordenssouverän Philipp II. hatte sich damals von seinem Onkel, Kaiser Ferdinand I., vertreten lassen.20 Ferdinand II. kündigte an, dass er – um die Vorbereitungen im Vorfeld zu überwachen – ein bis drei Tage früher in Prag eintreffen wolle und daher Innsbruck voraussichtlich am 27. Oktober verlassen werde. Die als durchaus strapaziös einzustufende Reise wurde mit kaiserlichen Beamten in Prag, dem Obersthofmarschall Paul Trautson und dem Kämmerer und Stallmeister Ottavio Spinola, koordiniert.21 Mit der praktischen Abwicklung und Organisation vor Ort – etwa der Auswahl von Poststationen, passenden Quartieren und Ersatzpferden sowie der Versorgung des Hofstaates – beauftragte Ferdinand II. seinen Fourier Sebastian Hofer, der am 21. Oktober von Innsbruck Richtung Böhmen aufbrach. Um der Reise des Innsbrucker Hofes den entsprechend repräsentativen Charakter zu geben, berief Ferdinand am 7. Oktober Vertreter des Tiroler Adels, wie die Familien Welsberg, Zollern, Thurn, Madrutsch und Wolkenstein, ihren Landesfürsten zu begleiten. Der spanische König betraute als seinen Sondergesandten Christophe d’Assonleville, Mitglied des Staatsrates der Spanischen Niederlande sowie Schatzmeister (trésorier) des Vliesordens, mit seiner Vertretung.22 Assonleville reiste in Begleitung des Ordensherolds Claude Marion (Abb.  9, 10 und  20).23 Mit der Entsendung dieser beiden Herren entsprach man den Ordensstatuten, oblagen doch dem Schatzmeister und dem Herold, zwei der vier herausragenden Amtsträger, wichtige zeremoni-

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Da Ferdinands nominelle Ordensaufnahme bereits 1555 erfolgte, ist die bislang tradierte Behauptung, der spätere Tiroler Landesfürst habe das Goldene Vlies für seine Verdienste um die Verteidigung des Abendlandes im Kampf gegen die Osmanen bei der Belagerung von Sziget 1556 erhalten, widerlegt. Vgl. Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Werke für die Ewigkeit. Kaiser Maximilian I. und Erzherzog Ferdinand II., Innsbruck (Schloss Ambras) 2002, 69 f. 20 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Prag, 28. März 1557. 21 Heinz Noflatscher, Rudolf II. (1576–1612), in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch (Residenzenforschung, Bd. 15), Ostfildern 2003, 388–397, hier: 389. 22 Christophe d’Assonleville (1528–1607) war Jurist, spanischer Botschafter am Hofe Königin Elisabeths I. von England und Mitglied des Staatsrates der Spanischen Niederlande unter Minister Antoine Perrenot de Granvelle; ab 1574 war er Schatzmeister des Ordens vom Goldenen Vlies. Siehe Alberdingk Thijm, Christoph von Assonville, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 1, 1875, 625 f. 23 In den Korrespondenzen wird der Ordensherold auch als „Bourgogne L’ennoy“, „Borgognone“, „el Rey de’armas Borgogna“ und „Burgund“ betitelt. Zehendtner führt den Herold als „Edoard à Cornu“ [sic] an; als „Udard Corun“ wird er im Hofzahlamtsregister 1585 bezeichnet. Siehe Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 35; siehe auch Wendelin Boeheim (Hg.), Urkunden und Regesten aus der K. K. Hofbibliothek, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses 7, 1888, CCXIX, Reg. 5453.

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elle Aufgaben.24 Beide Würdenträger gaben traditionellerweise dem Kandidaten das Ehrengeleit, nahmen den Eid ab, hielten das Schwurkreuz und händigten die Ordenskette aus.25 Zu Assonlevilles ersten Aufgaben zählte es, Ferdinand  II. die aus Spanien mitgebrachten Collanen („Hallsbändtern“), die Statutenbücher und die Ernennungsschreiben der Kandidaten zu übergeben. Die Weisung Philipps II. implizierte ausdrücklich, dass Assonleville den Erzherzog aufzusuchen hätte, wo immer sich der Landesfürst auch aufhalten möge. Der königliche Befehl sah des Weiteren vor, dass der spanische Gesandte am kaiserlichen Hof, Guillén de San Clemente, beim Akt der Ordensverleihung anwesend sein müsse (Abb. 11).26 27

„UNORDNUNG“ 27

Die Reise und die Ordensverleihung standen unter keinem guten Stern. Nachdem Ferdinand  II. am 26.  Oktober aus Innsbruck abgereist war, erhielt er vom spanischen Gesandten in Prag die Nachricht, dass Assonleville nicht – wie ursprünglich mit Philipp II. vereinbart – zuerst Ferdinand aufsuchen werde, um ihm alle nötigen Unterlagen, Instruktionen und vor allem – das Wichtigste – die Ordensketten zu übergeben, da er entgegen seiner Anweisungen bereits direkt an den kaiserlichen Hof nach Prag gereist sei. Dies führte zu großer Aufregung und Erzherzog Ferdi­ nand II. unterbrach seine Anreise am 27. Oktober in Rosenheim, wo sich der bayerische Herzog Wilhelm  V. zur Begrüßung seines Onkels eingefunden hatte. Der Landesfürst war erzürnt und aufgebracht über die fehlende Ehrerbietung des Sondergesandten. Dessen diplomatischer Fauxpax brachte ihn dermaßen in Rage, dass sich seine Umgebung zu sorgen begann: „Ir Frh. Dt. Dieselben nach am Herz verklopffen vast Übl auf befunden, schier nichts geschlafen gehabt […].“28 Ferdinand ließ über den kaiserlichen Diener Wolfgang Streitberger ausrichten, dass er auf ein unmittelbares Zusammentreffen mit Assonleville in Linz bestehe und eine Entschuldigung erwarte, denn das Verhalten des Diplomaten sei die Ursache der „Unordnung […] daz Sy nit was vertrewlichers mit Irer Dt. gehandlet […] entsprungen […] welliches aber also aus unwissenhait nit beschehen  […].“29 Sodann fuhr er weiter bis Altötting, wo er am 29.  Oktober ankam und die Reise erneut unterbrechen ließ, nachdem ein Fußbote die Meldung des Landeshauptmanns Ferdinand Helfenreich von Merkau überbracht hatte, dass im Umkreis von Freistadt und Leonfelden die Infection (Pest) ausgebrochen sei und „an allen den besagten orten Sterben […] Regiern soll“,30 weshalb an eine Weiterfahrt nicht mehr zu denken war. Erzherzog Ferdinand II. beendete daraufhin die Reise endgültig und kehrte nach Innsbruck zurück, ohne sich über sein weiteres Vorgehen mit Prag abzusprechen. Die Rückreise führte den Landesfürsten über Kraiburg, Wasserburg und Rosenheim, wo er erneut mit dem bayerischen Herzog zusammentraf, dann nach Flintsbach, 24 1585 bekleidete Jean Fonck das Amt des Ordenskanzlers, François le Vasseur war Greffier (Sekretär), Assonleville war seit 21. April 1581 Schatzmeister und Marion seit 28. April 1581 Herold (rey de armas/roi d’armes). Siehe Fortuné Koller, Au service de la Toison d’or (les officiers), Dison 1971, 33 f., 87–90, 126 f., 150 f. 25 Astrid Wielach, Die Ordensfeste der Ritter vom Goldenen Vlies im Spiegel der Wiener Zeremonialprotokolle (1665–1790), in: Irmgard Pangerl – Martin Scheutz – Thomas Winkelbauer (Hgg.), Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652–1800). Eine Annäherung, Wien 2007, 287–297, hier: 292 f. 26 San Clemente war seit 1578 als Botschafter des spanischen Königs am kaiserlichen Hof in Prag tätig. Zur Biografie und Tätigkeit siehe Ausstellungskatalog Jürgen Schultze – Hermann Fillitz (Hgg.), Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs  II., Wien (Kunsthistorisches Museum) – Essen (Kulturstiftung Ruhr, Villa Hügel) 1988, Bd. 1, 123 f., Kat.-Nr. 42. 27 Die folgenden Ereignisse wurden bislang nur als Randnotiz erwähnt. Besonders aufschlussreich ist ein diesbezügliches „Gedechtnisprotokoll“ von einem Schreiber der Tiroler Kanzlei: Prothocol und verzaichnuß alles dessen, was sich vor und nach der Frh. Dht. Ertzherzogen Ferdinanden […] deß guldin Fließ etc. halber vorgehabter Raiß […] zugetragen [hat]. Siehe: TLA, Ferdinandea 44/a, Gulden Flies, Schreiben vom 29. November 1584. 28 Zit. nach ebenda. 29 Zit. nach ebenda. 30 Zit. nach ebenda.

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Kufstein, Kundl mit Station im Jagdschloss Rotholz und über Mils bis nach Innsbruck, wo er am Abend des 5. November eintraf.31 Ein Handschreiben Ferdinands, das Karl Schurff von Schönwarth Kaiser Rudolf II. überbrachte, setzte diesen nur knapp über die Änderungen in Kenntnis. Ferdinand rechtfertigte sein Handeln zu-

Abb. 12: Leonhard IV. von Harrach. Deutsch (Domenicus Custos?), um 1600. Kupferstich. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv, Sign. PORT_00114303_01. (© Österreichische Nationalbibliothek.)

nächst mit dem Verweis auf die Pest und implizierte zugleich ein Versagen der Nachrichtenkette des kaiserlichen Hofes, da man die Reisenden nicht früh genug über diesen Umstand informiert hätte. Weiters argumentierte er, dass die Fahrt ohnehin wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit und der zu erwartenden Kälte insgesamt schwierig geworden wäre. Tatsächlich war die Reise für den 56-jährigen Landesfürsten wenig zuträglich und mit „aller hannd ungelegenhaiten […] schwärlich und unbequemblich“32 verbunden gewesen. Explizit wurde auf den erzherzoglichen Gesundheitszustand verwiesen. Er habe sich „nit nach dem besten befunden […]“, es wurde von einer „erweckhung berüerter khrankhait“ berichtet und betont, dass er „schon ob dem weeg [Anreise] angefangen Ybl auf und schwach“ gewesen sei. Mit einer als kühn zu bezeichnenden Selbstverständlichkeit ließ Ferdinand in Prag ausrichten, dass man mit der Verleihung „[…] grosse Eyl damit nit haben, sonder Villeicht noch ain Monat funf sechs, alls bis auf khunfftig Frueling“33 warten könne. Als neuer Termin wurde die wärmere Jahreszeit mit „rainen Lüften“, wohl nach Ostern des Jahres 1585, in Aussicht gestellt.34 Der 33-jährige Rudolf  II. war, wie zu erwarten, äußerst verstimmt. Der Monarch drückte seine große Enttäuschung aus, da doch bereits alles für den festlichen Akt aufwendig vorbereitet und schon publik gemacht worden sei. Er gab auch zu verstehen, dass er die ad hoc-Entscheidung seines Onkels nicht billige, allerdings räumte er ein, dass die Planänderungen wegen der Seuche nachvollziehbar wären. Der Kaiser drängte schließlich darauf, die leidige Angelegenheit der Ordensverleihung rasch zu erledigen. Der in Linz mit den Collanen und Unterlagen wartende Assonleville erhielt am 31. Oktober vom Stadthauptmann Nachricht von der unerwarteten Änderung und kehrte nach Prag zurück. Interessanterweise agierte der Sondergesandte wieder eigenmächtig – Assonleville griff dem Tiroler Landesfürsten vor, als er Wilhelm von Bayern schriftlich über die „Programmänderung“ informierte und darüber hinaus die anstehende Ordensverleihung für das Frühjahr des kommenden Jahres, als voraussichtlich in München stattfindend, ankündigte.35 Ein Schreiben Erzherzog Ferdinands II. an Philipp II. über die Konfusion ist nicht erhalten, dürfte aber wohl ausgefertigt worden sein. Der spanische König nutzte den Aufschub, um zwei weitere Kandidaten – Leonhard IV. von Harrach und Wilhelm von Rosenberg36 – in den Vliesorden aufzunehmen (Abb.  12 und  13). Über seine Absichten, „den orden […] zu erweitern, und die stell der abgestorbnen Ritter mit andern hierzue würdig zuersezen“, setzte Philipp den Tiroler Landesfürsten am 20. November in Kenntnis.37 Der spanische König begründete seine Entscheidung, Harrach und Rosenberg ausgewählt zu haben, mit deren „[…] gueter geschickhlichait und loblichen wolhaltens […] Recommendation so von deren Tugenden“.38 Beide Adelige fanden zudem in Maria von Spanien, der Mutter Rudolfs II. und Schwester Philipps II., eine gewichtige Fürsprecherin.39 Harrach wurde vom Madrider Hof bewusst ausgewählt. Er galt als einflussreiche Person aus dem engsten Umfeld des Kaisers, allerdings nahmen er und Rosenberg in Glaubensfragen eine für den Geschmack

31 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 46 f. 32 Zit. nach TLA, Ferdinandea 44/a, Gulden Flies, Schreiben vom 29. November 1584. 33 Zit. nach ebenda. 34 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Schreiben vom 29. November 1584. 35 Ebenda. 36 Harrach (1514–1590) war kaiserlicher Geheimer Rat und Erbstallmeister, Rosenberg (1535–1592) bekleidete das Amt des Obersten Burggrafen Böhmens. 37 Zit nach TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Aus des Khünigs Credenz schreiben. 38 Zit. nach ebenda. 39 Schreiben Assonlevilles an Ferdinand II. Siehe TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Prag, 12. April 1585; siehe auch Khevenhüller-Metsch – Probszt-Ohstorff 1971 (zit. Anm. 5), 135.

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Abb. 13: Werkstatt Hans von Aachen, Wilhelm von Rosenberg. Um 1600. Öl auf Leinwand. The Lobkowicz Collections, Inv.-Nr. LR4837. (© The Lobkowicz Collections, Tschechische Republik.) Abb. 14: „Gedechtnisprotokol“. Tiroler Kanzlei, nach November 1584. Tinte auf Papier. Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Kunstsachen II, Nr. 537, o. fol. (© Tiroler Landesarchiv.)

des spanischen Hofes zu liberale und ambivalente Haltung ein. So wollte der spanische Hof ein gegenreformatorisches Exempel statuieren und demonstrieren, dass auch der Prager Kaiserhof ein Bollwerk des rechten Glaubens sei. Als man Harrach die mögliche Aufnahme in den Vliesorden in Aussicht stellte, wurde dies an ein öffentliches und klares Bekenntnis zum (wahren) katholischen Glauben geknüpft, das er nach kurzer Bedenkzeit auch ablegte.40 In seinem „geheimen Tagebuch“ vermerkte Khevenhüller selbstzufrieden, dass es seiner Intervention beim spanischen König zu verdanken sei, dass der „alten herrn von Harach“, ein „alter treuer diener“, zu seiner Ehre kam.41 Ein unmittelbar nach der Rückkehr Ferdinands in Innsbruck verfasstes „Gedechtnisprotokoll“ beweist dessen tatsächliche Beweggründe für den Abbruch seiner Reise: Die Kränkung, die Ehrverletzung und das Ignorieren seiner erzherzoglichen ­Autorität, als Senior des Hauses Österreich, insbesondere durch das Verhalten des Sondergesandten Assonleville, welcher sogar den königlichen Befehl missachtet hatte, sich beim Tiroler Landesfürsten vor Beginn der Verleihung einzufinden, waren dafür ausschlaggebend (Abb. 14). Im Verhalten Ferdinands II. spiegelt sich das angespannte Verhältnis zwischen ihm und Rudolf II. wider. Charakterlich sehr verschieden und jeweils auf ihr Vorrecht pochend, waren Spannungen zwischen dem römisch-deutschen Kaiser und dem Tiroler Landesfürsten, dem ältesten Vertreter der Dynastie, vorprogrammiert.42

40 Michael Haberer, Ohnmacht und Chance. Leonhard von Harrach (1514–1590) und die erbländische Machtelite, Wien – München 2011, 177–184. 41 Zit. nach Khevenhüller-Metsch – Probszt-Ohstorff 1971 (zit. Anm. 5), 112. 42 R. J. W. Evans, Rudolf II and his world. A study in intellectual history. 1576–1612, Oxford 1973, 59; Heinz Moser – Heinz Tursky, Corpus Nummorum Tirolensium. Die Münzen Kaiser Rudolfs II. aus der Münzstätte Hall in Tirol. 1602–1612, Innsbruck 1986, 14.

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ZWEITER ANLAUF

Nun lag es an Ferdinand II., einen neuen Termin zur Ordensverleihung vorzuschlagen. Die diesbezügliche Korrespondenz wurde einerseits mit dem Sondergesandten Assonleville und dem spanischen Botschafter in Prag, San Clemente, andererseits mit dem kaiserlichen Hof geführt. Immer wieder musste der schon fast verzweifelte Assonleville den Tiroler Landesfürsten hinhalten, da sich der Kaiser auf keinen konkreten Termin festlegen wollte.43 Ferdinand schlug zunächst Sonntag cantate, den 19. Mai 1585, vor. Für diesen Termin ließ sich Erzherzog Karl II. sogleich entschuldigen, da er sich einer aus gesundheitlichen Gründen schon länger geplanten Trinkund Badekur im niederösterreichischen Thermalbad Mannersdorf unterziehen werde.44 Schließlich konnte man sich auf den Sonntag exaudi, den 2. Juni 1585, für den Akt der Verleihung an den Kaiser und die beiden Erzherzöge einigen. Am darauffolgenden Tag, den 3. Juni, sollte dann die Verleihung an Harrach und Rosenberg stattfinden.45 Ferdinand II. verließ seine Residenzstadt am 14. Mai und reiste zu Wasser und zu Lande von Hall über Rosenheim, Wasserburg, Altötting, Halmsee und Passau nach Linz.46 In seiner Geburtsstadt wurde er feierlich von seinen Neffen Matthias und Maximilian III., der eigens aus Wien angereist war, begrüßt. Aus Anlass des hohen Besuches wurden ein Freischießen im Hof des Linzer Schlosses und ein Tanz abgehalten.47 Die Fahrt führte weiter nach „Hohenfurdt“ (Hohenfurth) [Vyšší Brod], „Krumaw“ (Krumau) [Český Krumlov], „Budwais“ (Budweis) [České Budějovice], „Schebetin“ (Schieslau) [Soběslav], „Mültschin“ [Miličín], „Beneschaw“ (Beneschau) [Benešov], „Nießbekh“ (Nössbeck) [Nespeky], Styrzin [sic] bis nach Prag.48 Der Tiroler Landesfürst traf dort am Abend des 29. Mai ein – mit ca. 50 Kutschen und einem wahrlich fürstlichen Gefolge von rund 230  Personen, darunter seine schwangere zweite Frau Anna Caterina Gonzaga und sein Sohn aus erster Ehe, Karl von Burgau, samt deren Hofstaat.49 Das Zeremoniell verlangte, dass der Erzherzog vor der böhmischen Hauptstadt offiziell begrüßt und dann von einem Ehrengeleit „eingeholt“ wurde.50 Dementsprechend wurde Ferdinand vor den Stadtmauern vom böhmischen Landhofmeister Georg Popel von Lobkowitz, von Paul Trautson, den beiden schlesischen Adeligen Karl II. von Münsterberg und Joachim Friedrich von Liegnitz-Brieg, von Erzherzog Ernst sowie Kaiser Rudolf II. erwartet.51 Große Ehre wurde Ferdinand und Anna Caterina zuteil, als der Kaiser sie persönlich bis zu ihren Zimmern auf der Prager Burg geleitete. Erzherzog Karl II. von Innerösterreich traf am 31. Mai in Begleitung seiner Frau Maria von Bayern und seiner Tochter Anna, nachmalig Königin von Polen, mit großem Gefolge in Prag ein. Auch er wurde, wie es seinem Stand gebührte, vom kaiserlichen Hof „eingeholt“ (Abb. 15). Nicht dokumentiert ist die Übergabe der Collanen, der königlichen Ernennungsschreiben und der Statutenbücher an den Tiroler Landesfürsten. Wie Zehendtner 43 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Schreiben aus Prag, 18. April 1585. 44 TLA, Sammelakten, Reihe A, Abt. 1, Lage 1, Nr. 2, o. fol., Schreiben aus Graz, 2. April 1585. 45 Die Abreise Ferdinands wurde in einem Schreiben aus Innsbruck am 20. April 1585 bekannt gegeben. Siehe TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. 46 Einen Tag vor der Abreise ließ der Landesfürst ein Dekret veröffentlichen, dass von Seiten der Untertanen und Institutionen dem Hoffuttermeister Caspar Graf zur reibungslosen Abwicklung der Hofreise jegliche Unterstützung betreffend Pferde, Quartiere, Versorgung und Verpflegung zu gewähren ist. Siehe TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Schreiben vom 13. Mai 1585. 47 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 70–72. 48 Ebenda, 66–68. 49 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Novellae Fuggerianae (Fuggerzeitung), Deutsch, 16. Jahrhundert, Sign. Cod. 8958, hier: Jg. 1585, fol. 242r–253r. Der Zeitungseintrag variiert in der Personen- und Kutschenanzahl des Gefolges von Ferdinand  II., welche in einer tabellarischen Auflistung im Tiroler Landesarchiv angeführt ist. Auch die Personenverzeichnisse der Erzherzöge Karl und Ernst sind im Landesarchiv erhalten. 50 Václav Bůžek, Symboly rituálu. Slavnost Řádu zlatého rouna v Praze a Landshutu roku 1585, in: Jiří Mikulec – Miroslav Polívka (Hgg.), Per secula ad tempora nostra (Práce Historického ústavu AV ČR. Řada C. Miscellanea, Bd. 18/1), Prag 2007, 296–302, hier: 299. Für den Hinweis zu diesem Artikel danke ich Jaroslava Hausenblasová (Prag). Siehe allgemein Peter Johanek – Angelika Lampen (Hgg.), Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln – Weimar – Wien 2009. 51 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 73 f.; Erzherzog Ernst war bereits am 24. Mai in Prag eingetroffen.

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Abb. 15: Ansicht von Prag gegen Nordwesten. Deutsch, 2. Hälfte 17. Jahrhundert. Kupferstich. Privatbesitz. (© KHM-Museumsverband.)

berichtet, wünschte Erzherzog Ferdinand II. am Tag nach seiner Ankunft Assonleville zu sprechen.52 Man kann davon ausgehen, dass hierbei die bedeutsamen Stücke übergeben wurden und eine „Lagebesprechung“ stattgefunden hat.

ZEREMONIE 53

Über einzelne zeremonielle Schritte des Verleihungsritus war man bisher nur in groben Zügen durch die Statutenbücher und in späterer Zeit durch die Zeremonialprotokolle des Wiener Hofes unterrichtet.54 Die aktuelle Quellenauswertung ermöglicht nun, einige der während des Aktes gesprochenen Verse und Formeln auszumachen, welche – wohl zur Wahrung der Exklusivität des Ordens nur mündlich tradiert – nicht im Einzelnen bekannt waren. Die Zeremonie auf der Prager Burg begann am Sonntag, den 2. Juni zwischen sieben und acht Uhr morgens. Als erster Teil des Ritus erfolgte der Ritterschlag der Erzherzöge Karl und Ernst, den Ferdinand II. „im Namen Gott Vatters, Sohns, und [des] Heiligen Geists“55 in einer „vor Cammer“ seiner Räumlichkeiten erteilte. Die Erzherzöge nahmen diesen kniend auf roten Samtkissen entgegen (Abb. 16).56 Das Schwert hierfür wurde Ferdinand von seinem Kämmerer Georg Freiherr von Königsegg gereicht. Es folgte nach dargebotener „Reverentz“ ein Handschlag und Glückwünsche.57 Daraufhin legte Erzherzog Ferdinand II. seine Ordenscollane an58 und begab sich mit den Erzherzögen zum Kaiser. Zu dieser Gesellschaft stießen

52 Ebenda, 76 f. 53 Vgl. hierzu HHStA, HA, Familienakten, Karton 107, Nrn. 1–4, hier: Nr. 3, fol. 42r–44r; Fuggerzeitung 1585 (zit. Anm. 49), fol. 242r–253r; Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 96–114; Vliesrolle (zit. Anm. 2). 54 Wielach 2007 (zit. Anm. 25), 287. 55 Zit. nach TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Schreiben aus Madrid, 22. Dezember 1583. 56 Im zeitgenössischen, wohl von einem kaiserlichen Höfling verfassten Bericht über die Zeremonie erfolgt der Ritterschlag in „der kirchen antecamera“. Zit. nach Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 123r–126r, hier: 124r. 57 Die Fuggerzeitung erwähnt den Ritterschlag als letzten Akt; Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 97 f. 58 Laut Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596 wurde seine Collane („Der Frh. Drh. guldins Flüß sambt dem anhanngenden Lampl“) in Schloss Ruhelust in einer Schreibtischschublade der erzherzoglichen Schreibstube verwahrt. Ein seitlicher Inventarvermerk informiert jedoch, dass Erzherzog Matthias die Kette unmittelbar nach dem Tode Ferdinands an sich genommen hat. Er übergab diese Karl von Trapp mit der Order, sie an den spanischen Hof zurückzugeben. In Madrid überreichte Trapp die Collane am 21. Februar 1597 dem österreichischen Botschafter Hans Khevenhüller. Siehe Inventarj Weyland der Frh: Drt: Erzherzog Ferdinannden Zu Ossterreich 1596 (Nachlassinventar), unpubliziert, Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 6652, fol. 5r. Siehe auch Khevenhüller-Metsch – Probszt-Ohstorff 1971 (zit. Anm. 5), 235.

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Abb. 16: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Detail aus Ritterschlag, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

auch Assonleville als Schatzmeister des Ordens und der spanische Herold. Gemeinsam sollte es dann weiter zum feierlichen Akt im Veitsdom (haubt kürchen) gehen.59 Bei Rudolf wurde wegen des „Keyserlichen Ampts und höchster Reputation“ auf einen vorherigen Ritterschlag verzichtet.60 Bereits um sieben Uhr früh hatten sich die Tiroler Landesfürstin Anna Caterina und ihre Schwägerin Maria von Bayern samt beider weiblichem Gefolge in der Kirche eingefunden und mit dem hohen ­K lerus im Oratorium Platz genommen.61 Die Prozession mit Rudolf  II. zog – wie ausdrücklich erwähnt wird – „mit entblösten Häuptern“62 durch das Haupttor ein: das Hofgesinde, von Münsterberg und von Liegnitz-Brieg, Karl von Burgau, der Herold in seinem „Ehrnholden Claid“, der Schatzmeister – die beide letzteren trugen auf Samtkissen die Collanen für die Erzherzöge Ferdinand II., Karl II. und Ernst sowie für den Kaiser. Dem Zug schlossen sich der venezianische Gesandte Matteo Zane, der toskanische Botschafter, der päpstliche Abgesandte Germanico Malaspina, Bischof von San Severo, der spanische Botschafter Guillén de San Clemente, der Oberstkämmerer Rudolfs, Wolf Rumpff, jene der beiden Erzherzöge, Wolf von Stubenberg und Nikolaus von Arch, sowie der Oberstkämmerer Ferdinands II., Georg von Königsegg, an (Abb. 17).63 Im Chorraum des Domes war eine Empore errichtet und die Wände waren mit „guldinen Tapezereyen“ ausgestattet worden. Den Einzug begleiteten kaiserliche Paukenund Trompetenspieler.64 Am Hochaltar lagen, wie es die Statuten verlangten, bereits das Schwurkreuz65 (Abb. 18), rechts davon das Missale, links vom Kreuz das Statutenbuch und auf einem Samtkissen die Ordenskette für den Kaiser.66 ­Inkognito („verclaidet“)67 wohnten weitere hohe Würdenträger den Prager Feierlichkeiten bei, wie 59 TLA, KS II, Nr. 537, Schließlicher [ver]zaichnuß welcher gstallt und massen der Actus deß guld[en] flüß gehalten […], o. fol., 2. Juni 1585. 60 Zit. nach Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 96 f. 61 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 124v. 62 Zit. nach ebenda, fol. 124v. 63 Noflatscher 2003 (zit. Anm. 21), 394; vgl. TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Personenverzeichnisse der Erzherzöge Karl II. und Ernst; das Gefolge Karls umfasste 153 Personen, Ernst wurde von 88 Personen begleitet. 64 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 100 f. 65 Das auf der Vliesrolle (zit. Anm. 2) abgebildete Schwurkreuz mit Korpus entspricht nicht jenem, welches bis heute bei den Zeremonien des Ordens verwendet und als Dauerleihgabe in der Weltlichen Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums verwahrt wird (Inv.-Nr. Dep Prot 1). Siehe Hauptwerke der Weltlichen Schatzkammer (Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, hg. von Wilfried Seipel, Bd. 2), Wien 2005, 96 f., Nr. 29. 66 TLA, KS II, Nr. 537, Schließlicher [ver]zaichnus […], o. fol. 67 Um ein aufwendiges Zeremoniell, das ein großes Gefolge, kostspielige Kleidung und Gastgeschenke

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Abb. 17: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Detail aus Der Gang von Kirchen, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

etwa der kurz zuvor ernannte Kurfürst von Köln, Ernst von Bayern, Kurfürst August von Sachsen sowie Otto Heinrich von Braun­schweig-Lüneburg-Harburg.68 Der kirchliche Akt begann mit einem stillen Gebet des Kaisers vor dem Altar, links von ihm Ferdinand II. und dahinter die beiden Erzherzöge. Alle knieten auf Kissen, die zuvor von Dienern bereitgelegt worden waren. Danach folgten die „gebräuchlichen Ceremonien“ des Ordens. Der Herold erklärte im Namen König Philipps II. die Gründe für die Auswahl der Kandidaten. Diese erwiderten, den Orden dankend anzunehmen. Es folgte der Eid, der vom Schatzmeister vorgetragen und von Ru-

Abb. 18: Schwurkreuz des Ordens vom Goldenen Vlies. Kreuz: französisch, um 1400; Ständer: niederländisch, 1453/67. Gold, Perlen, Edelsteine. Wien, Kunsthistorisches Museum, Weltliche Schatzkammer, Inv.-Nr. Dep. Prot. 1. (© KHM-Museumsverband.)

dolf II., vor dem Tiroler Landesfürsten kniend, wiederholt wurde.69 Dabei lag Rudolfs Rechte am Evangelium, das vom Prager Erzbischof Martin Medek von Müglitz gehalten wurde.70 Bei diesem Akt handelte es sich um eine ungewöhnliche Situa­ tion: Rudolf kniete als Reichsoberhaupt und Souverän vor Erzherzog Ferdinand, einem ihm eigentlich untergebenen Fürsten. Dieses unerwartete Gebaren folgte ­einer Anordnung König Philipps II. Der Ordenssouverän hatte nämlich im Vorfeld, um die delikaten und komplizierten Fragen der Etikette zu entschärfen, die Anweisung gegeben, man möge den Kaiser während der Verleihung des Vlieses nicht als Reichsoberhaupt, sondern lediglich als Kandidaten und künftigen Ordensritter behandeln.71 Nun folgte der große Auftritt Erzherzog Ferdinands II.: Wie es die Zeremonie verlangte, wurde ihm vom Schatzmeister das Kissen mit der für Rudolf bestimmten Collane gereicht.72 Er legte dem Kaiser die Ordenskette um den Hals und überreichte ihm ein Exemplar des Statutenbuches (Abb. 19 und 20).73 Währenddessen sprach er eine Art Schwurformel, wie zuvor vereinbart in deutscher Sprache: „[…]  Die Künigliche Mayestätt aus Hispanien alls Unser obriter dises ordens hat bedacht die hohen und vilfeltigen tugenden Ewer Röm. Kay. Mt. und zu erzaigung der nahenden auch ewigen freundschafft se zusehen Ewer Röm. Mt. und seine Khü. Mt. sein soll hat Ir Mt. nit underlassen wellen […] in disen seinen Ehrliche gesellschaft zunemen

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inkludierte, zu vermeiden, besuchte man fremde Fürstenhöfe häufig anonym bzw. unter dem „Deckmantel“ einer rangniedrigeren Würde. Siehe allgemein Volker Barth, Inkognito. Geschichte eines Zeremoniells, München 2013. HHStA, HA, Familienakten, Karton 107, Nrn. 1–4, hier: Nr. 3, fol. 42v. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 124v. TLA, KS II, Nr. 537, Schließlicher [ver]zaichnuß […], o. fol. Ebenda, o.fol., Schreiben Philipps II. aus Guadalajara, 29. Jänner 1585. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 125r. Erzherzog Ferdinand II. verwahrte, gemäß dem Nachlassinventar von 1596, im sogenannten Kaisergewölbe der Innsbrucker Burg ein Statutenbuch „Mer die Ordnung des guldin Flüß, in Französischer Sprach“. Eine weitere Ausgabe „Sazung des Edln, fürtrefflichen Orden des Gulden Flüß“ befand sich in der Bibliothek von Schloss Ambras. Beim ersten Statutenbuch könnte es sich um jenes handeln, das Ferdinand II. bei seiner eigenen Aufnahme in den Vliesorden 1557 überreicht wurde. Vgl. Nachlassinventar 1596 (zit. Anm. 58), fol. 190r, 680r.

Abb. 19: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Detail aus Die Überantwortung des Fließ, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunst­ historisches Museum, Kunstkammer, Inv.Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 20: Kaiser Rudolf II. Prag, nach 1585. Wachsbossierung, Glas, Holz. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 9896. (© KHM-Museumsverband.)

[…]. Nach anwweisung der Sazung des Buechs des ordens so E. Röm. Mt. angeloben und schweren alle artiggl zuhalten […] So Ich durch khüniglicher gwalt mit E. Röm. Kay. Mt. zu dispensieren hab. […] Die Khü. Mt. aus Hispanien nimbt E. Kay. Mt. in sein Briederliche und freundliche gesellschafft auf, und Zuvolziehung desselben uberantworte Ew. Kay. Mt. Ich die Ketten des guldin Flüß. Got der herr welle verleit damit Sy E. Kay. Mt. Gott zu Ehr, und Zu aufnembung des Christlichen Glaubens, und zu Ehr des gewelten Ordens […] Im Namen Gott des Vatters Sons und Heylig Geists.“74 Ein allgemeiner Ausruf „will glück und hail dem Orden und der Christlichen Katholischen Kirche“75 folgte. Der Tiroler Landesfürst umarmte und küsste („abbraciert und gehalst“) den Kaiser, der daraufhin seinen Dank für die hohe Gnade aussprach.76 Rudolf trat beiseite und unter dem Klang von Pauken und Trompeten war die Reihe an Karl und Ernst. Beider Collanen waren inzwischen auf dem Altar deponiert worden. Die Erzherzöge legten, wie zuvor der Kaiser, den Eid ab und Ferdinand II. überreichte seinem Bruder und seinem Neffen die Collanen. „Unndt so offt einem ein fluß angeheckht worden, ist von den Trommetern auffgeblasen […] worden“.77 Daraufhin zogen sich der Kaiser und alle Erzherzöge nach oben in das Königliche Oratorium des Veitsdoms zurück. Es wurde ein Te Deum Laudamus gesungen, eine Festmesse zelebriert (mit „dreyfacher Cantarey“) und die Kommunion genommen.78

74 Zit. nach TLA, KS II., Nr. 537, o. fol. 75 Zit nach ebenda, o. fol., Borrador […]. 76 Laut spanischem Gutachten sollte Rudolf wie folgt antworten: „In nomine Patris et Fily et Spirito Sanctis. Amen. Dios me de gracia que assi sea como yo spero.“ Zit. nach ebenda. 77 Zit. nach Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 125v. 78 TLA, KS II, Nr. 537, Schließlicher [ver]zaichnuß […], o. fol.

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Abb. 21: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Detail aus Das Kayserlich Panqüet, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Schließlich zog sich die Festgesellschaft in die Privatgemächer Rudolfs II. zurück, die sich im zweiten Stock des Südwestflügels der Prager Burg, mit Blick auf die Stadt, befanden.79 In der „tafelstuben“ wurde das Mittagsmahl eingenommen, welches „uber ein stundt gewehret“.80 Die Tafel wurde dem Anlass entsprechend als Schauessen in Anwesenheit zahlreicher Höflinge und der Ehrenwache inszeniert.81 Im Raum wurde ein mehrstufiges Schaubuffet mit prächtigen Tafelaufsätzen aufgebaut. An diesem Bankett nahmen neben dem Kaiser Erzherzog Ferdinand II., seine Frau Anna Caterina, Erzherzog Karl  II., dessen Frau Maria sowie Tochter Anna,

Abb. 22: Karl von Burgau. Tirol (?), 3. Viertel 16. Jahrhundert. Öl auf Papier auf Karton. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 4719. (© KHM-Museumsverband.)

Erzherzog Ernst, Karl von Burgau, der Schatzmeister Christophe d’Assonleville sowie der spanische Gesandte San Clemente teil. Die Bedienung übernahmen Höflinge in ihren Ehren­ämtern als Mundschenk und Vorschneider unter der Regie des Stabelmeisters (Abb.  21).82 Der musikalische Rahmen wurde von der Hofkapelle unter der Leitung des Hofkapellmeisters Philippe de Monte geboten.83 Nach den Strapazen der Feierlichkeiten zog sich die Gesellschaft in ihre Privaträume zur Erholung zurück. Zum Ausklang der Feierlichkeiten wurde am Abend ein Ringelrennen im großen Burghof veranstaltet, aus welchem Karl von Burgau (Abb.  22) als Sieger hervorging.84 Die Vliesverleihung an Leonhard IV. von Harrach und Wilhelm von Rosenberg erfolgte am Tag darauf, dem 3.  Juni.85 Die Ordensinsignien für die beiden Adeligen waren am 4.  Dezember aus Madrid durch einen Sonderboten, einen Diener des Herrn von Molar, in die Niederlande gebracht und dort dem Sondergesandten Assonleville übergeben worden. Nachdem Harrach von seiner Nominierung erfahren hatte, schrieb er am 8. Mai aus Wien an Erzherzog Ferdinand II., dass er die Auf-

79 Noflatscher 2003 (zit. Anm. 21), 392. 80 Zit. nach Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 125v, 126r. Der zeitgenössische Prager Bericht spricht von der „Taffelstuben im schlos deß Alten stockhs“, welche bereits unter Kaiser Ferdinand I. verwendet wurde. Zehendtner lokalisiert das Schauessen in den Räumen, die Erzherzog Ferdinand II. zugewiesen waren. Siehe Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 114; siehe auch Bůžek 2007 (zit. Anm. 50), 298. 81 Zur bildlichen Darstellung siehe den neunten Abschnitt Das Kayserlich Banquet in der Vliesrolle (zit. Anm. 2) und bei Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 114. Zur höfischen Tafel der Renaissance siehe allgemein Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), Fürstlich Tafeln, Innsbruck (Schloss Ambras) 2015; aktuell zur Tischkultur und Tischwäsche beim Ordensbankett siehe Mario Döberl, Die Tafelwäsche des Ordens vom Goldenen Vlies, Riggisberg 2018 (in Druck); für diesen Hinweis danke ich Mario Döberl (Kaiserliche Wagenburg Wien). 82 Siehe hierzu Jaroslava Hausenblasová, Der Hof Kaiser Rudolfs II. Eine Edition der Hofstaatsverzeichnisse. 1576–1612 (Fontes Historiae Artium, Bd. IX), Prag 2002, 225–256. 83 Zur Zusammensetzung der Hofkapelle in Prag siehe ebenda, 379–393; allgemein siehe Robert Lindell, Das Musikleben am Hof Rudolfs II., in: AK Wien – Essen 1988 (zit. Anm. 26), Bd. 1, 75–84. 84 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 126r. 85 Die Ordensinsignien für Harrach und Rosenberg verließen Madrid mit einem Sonderboten am 4. Dezember 1584. Siehe Khevenhüller-Metsch – Probszt-Ohstorff 1971 (zit. Anm. 5), 140.

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Abb. 23: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Ertzherzog Ferdinands Schiessen, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 24: Zielscheibe in Form eines Reiters, Detail aus Abb. 23.

nahme als „grosse und unverdiente gnad“ empfinde.86 Der feierliche Akt wurde in einem Nebenraum des Königliche Oratoriums des Veitsdoms, den man mit Wandteppichen geschmückt hatte, abgehalten. Zehendtner lokalisiert den Ort in seiner Beschreibung „in einer Capellen der Schlosskirchen“.87 Im Unterschied zur Zeremonie tags zuvor kam statt des Altars ein bedeckter Tisch zum Einsatz. Der Akt selbst unterschied sich insofern, als Harrach und Rosenberg vor dem Kaiser niederknieten, während Ferdinand II. den Ritterschlag erteilte. Den Eid, der von beiden Kandidaten wiederholt wurde, trug der Schatzmeister vor. Das Evangelium hielt der kaiserliche Hofkaplan Jakob Chimarchaeus.88 Die anschließende Messe wurde in einer der Seitenkapellen des Veitsdoms zelebriert. Danach begab sich die Gesellschaft wieder zur Burg, wo ein Empfang im (Wenzels?-) Saal „lustig, herrlich und anmutig“ stattfand.89 Zum ewigen Andenken an die ihm zuteilgewordene Ehre gab Harrach bei Antonio Abondio eine Gedenkmedaille anlässlich seiner Ordensaufnahme in Auftrag.90 Wie es der Tradition der Ordensverleihung entsprach, fanden nach dem feierlichen Akt Festbankette statt, abends wurden „schöne tänz gehalten“.91 Am 4. Juni wurden ab 13 Uhr ein Freirennen mit Spieß und ein Fußkampf mit Schwert im großen Burg­ hof ausgetragen. Die Turnierpreise („Dänck“) wurden abends im „grossen Küniglichen Saal“ an die Gewinner Wolf von Stubenberg, Ludovico Coloredo, Karl Markgraf von Burgau, Sebastian Schanowitz und Sigmund von Dietrichstein verteilt.92 Den Höhepunkt der Unterhaltungen bildete das am Donnerstag, den 6. Juni abgehaltene „Cräntzelschiessen“.93 Auf Anregung des Tiroler Landesfürsten wurde hierfür eine figurale Zielscheibe aus Holz in Form eines komplett ausgerüsteten Reiters mit Lanze gefertigt. Diesen Reiter, der mittels Seilzug quer über den Turnierplatz bewegt wurde, galt es aus 130 Schritt Entfernung zu treffen (Abb. 23 und 24). Als Sieger gingen Karl von Burgau, der den „zierlich Küriss“ erhielt, der Kaiser, welcher das Rapier und den Dolch für sich beanspruchte, und Ferdinands Sekretär Paul Zehendtner, der sich über das Paar Turnierhandschuhe der Attrappe freute, hervor.94 Die Feierlichkeiten mit fürstlichen Tafeln und privaten Zusammenkünften der engsten kaiserlichen Familie zogen sich bis nach Pfingsten hin. Geplante Jagdausflüge und ein Aufenthalt im Lustschloss Stern wurden, wohl aus Gründen der Anstren-

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Zit. nach TLA, Ferdinandea 44/a, Gulden Flies, o. fol., Schreiben aus Wien, 8. Mai 1585. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 7249, fol. 126r. Hausenblasová 2002 (zit. Anm. 82), 374 f. Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 122. Eine Ausgabe der Gedenkmedaille verwahrt u.  a. das Prager Nationalmuseum, Inv.-Nr.  H5-51 148. Siehe Ausstellungskatalog Eliška Fučíková et al. (Hgg.), Rudolf II. and Prague. The court and the city, Prag (Burg) 1997, 564, Kat.-Nr. III.106. Wielach 2007 (zit. Anm. 25), 295 f. Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 122–129. Fuggerzeitung 1585 (zit. Anm. 49), fol. 242r–243r. Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 130–132.

gung, nicht absolviert.95 Am 7. Juni richtete Rosenberg noch ein Bankett aus und ließ auf seine Kosten ein Feuerwerk abbrennen.96 Der höfischen Sitte entsprechend, erhielten die Gäste vor ihrer Abreise noch Ehrengeschenke. Die Tiroler Landesfürstin Anna Caterina wurde von Rudolf II. mit drei Schmuckstücken „in forma ainer rossen, mit diamanten verseczt […] aines mit armis und auch diamanten […] ferner ein Kleinod, gleichfalls in Form einer Rose“97 bedacht. Sowohl der weibliche Hofstaat Anna Caterinas als auch jener der Maria von Innerösterreich erhielten goldene Ringe. Die Dankesbezeugungen des Kaisers an den Schatzmeister und den spanischen Herold des Vliesordens bestanden in zwei Goldketten, die beim Kammergoldschmied Zacharias Glockner bestellt worden waren.98 Für öffentliche Auftritte, bei denen seine Mitgliedschaft im altehrwürdigen Vliesorden propagandistisch demonstriert werden sollte, gab Rudolf II. im Juli beim Prager Schneider und Perlhefter Elias Pfeffer zwei Mäntel für Reichsehrenholde in Auftrag. Die Bekleidung wurde hierzu demonstrativ mit den Emblemen des Vliesordens – Feuereisen und Feuerstein – bestickt.99

LANDSHUT

Die Mission des Tiroler Landesfürsten war damit aber noch nicht beendet. Ferdinand hatte noch eine dritte Ordensverleihung, jene an seinen Neffen Wilhelm V., Herzog von Bayern, vorzunehmen. Die Reisegesellschaft begab sich dafür von Prag über Pilsen, Taus, Cham nach Wörth.100 Hier wurde sie bereits von Wilhelm, seiner Frau Renata von Lothringen und Herzog Ferdinand, Wilhelms Bruder, erwartet.101 Gemeinsam ging es dann weiter über Straubing nach Landshut,102 wo man am Abend des 19. Juni eintraf und Quartier auf der Burg Trausnitz bezog.103 Warum man nicht die Residenzstadt München für die Verleihung wählte, ist nicht bekannt. Landshut wurde wahrscheinlich aufgrund seiner Nähe zu Prag gewählt. Wilhelm hatte hier zudem die Gelegenheit, dem kunstsinnigen Onkel die prächtig ausgebaute Burg Trausnitz und die im modernen Renaissancestil errichtete Stadtresidenz („Ordinari Fr.  Pallast“)104 zu zeigen. Für den Ablauf der bayerischen Ordensverleihung nahm man sich die 1545 in U ­ trecht erfolgte Aufnahme von Wilhelms Vater, Herzog Albrechts V., in den Vlies­orden zum Vorbild.105 Für die Durchführung in Landshut war der bayerische Rat und Privat­ sekretär Herzog Wilhelms, Anselm Stöckl, verantwortlich.106 Elena Venturini (Hg.), Le collezioni Gonzaga. Il carteggio tra la corte cesarea e Mantova (1559–1636), Mailand 2002, 289, hier: Schreiben des mantuanischen Abgesandten Agnello Lepido an Guglielmo Gonzaga aus Prag, 11. Juni 1585. 96 Jaroslava Hausenblasová – Michal Šroněk, Urbs Aurea. Das Rudolfinische Prag, Prag 1997, 142. 97 Zit. nach Boeheim 1888 (zit. Anm. 23), CCXI, Reg. 5454. Die Schmuckstücke kosteten 3.266 Gulden und 40 Kreuzer, zwei Stück wurden in Augsburg bei Simon Peuerl und eines beim Niederländer Rollandt von Hollandt erworben. 98 Die Kette für Assonleville wird nach ihrem Gewicht mit 1.002  Kronen und jene von Marion mit 400 Kronen angeführt. Ebenda, CCXI, Reg. 5453. 99 Ebenda, CCXX, Reg. 5464. 100 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Schreiben aus Prag, 14. Juni 1585; Ferdinand wünschte ein erstes Zusammentreffen in Wörth. 101 Im Staatsarchiv Landshut hat sich unter dem Bestand Akt Regierung Straubing (Sign. A 961) ein „Akt Zu Reis des Erzherzog Ferdinands von Prag nach Landshut […] de Anno 1585“ (fol. 147r–156v) erhalten. Hierin werden vor allem zeremonielle Fragen zum Empfang des Sondergesandten Assonleville behandelt, ebenso wie die nötige Begrüßung des Erzherzogs am Grenzübergang vom Königreich Böhmen zum Herzogtum Bayern. 102 Bůžek 2007 (zit. Anm. 50), 299. 103 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 137. 104 Zit. nach ebenda, 143; allgemein zur Stadtresidenz siehe Hilda Lietzmann, Die Landshuter Stadtresidenz unter den Herzögen Albrecht V. und Wilhelm V. (1550–1597), in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern, 1996/1997, 139–173. 105 Albrecht wurde am 21. Ordenskapitel in Utrecht als Ordensritter Nr. 192 aufgenommen. Siehe hierzu München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. Hss. Cod.icon. 285, Livre du Thoison d’or. Institue et funde par le bon duc Philippe de Bourgoingne, Niederlande, Ende 16. Jahrhundert (nach 1580), fol. 57, 59. 106 Wie es den Satzungen des Vliesordens entsprach, musste beim Tod eines Mitgliedes die Collane und das Statutenbuch an den Orden retourniert werden. Kaiser Rudolf  II. ließ 1577 die Collane seines ­Vaters Maximilian II. durch Juan de Castiglia nach Madrid bringen und der kaiserliche Botschafter 95

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Abb. 25: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Der Bayrisch Khirchen Ornat, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Der feierliche Akt begann am 20. Juni zwischen 8 und 9 Uhr vormittags in den Privaträumen der Stadtresidenz des Herzogs mit dem Ritterschlag („Dreyer Achsel Streich“),107 der dem knienden Wittelsbacher von Ferdinand erteilt wurde. Hierauf kamen der Schatzmeister und der Herold des Vliesordens dazu, letzterer wieder ausdrücklich in seinem „Ehrnheldclaid“. Assonleville trug die Botschaft des spanischen Königs vor und der Herzog bekundete die Annahme. Daraufhin begab sich die Gesellschaft in einem zuvor festgelegten Zug zur Stadtpfarrkirche St. Martin: Herzog Ferdinand von Bayern, Karl von Burgau, der Herold mit der Collane am Samtkissen, der Schatzmeister, Ferdinand  II. – wieder mit der Ordenscollane – und Herzog Wilhelm mit seinen Kammerherren.108 Wie von König Philipp II. von Spanien gewünscht, sollte die Ordensverleihung für das Haus Österreich und die ­Katholische Kirche propagandistisch als öffentliches Fest unter reger Anteilnahme des Volkes inszeniert werden. Der Andrang von Schaulustigen in Landshut war aber dann so unerwartet groß, dass eine Ehrenwache unter Mithilfe von Marquard von Königsegg109 und Johann Baptist Guidebon Calachino,

Khevenhüller überreichte diese König Philipp II. Stöckl wurde im Juli 1580 vom bayerischen Hof nach Spanien gesandt, um die Collane des verstorbenen Herzogs Albrecht V. von Bayern zurückzugeben. Siehe TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. Siehe auch Sebastian Andreas Stumpf, Kurze Notizen von baierischen Staatsmännern und Gelehrten: Anselm Stöckl, in: Zeitschrift für Baiern und die angränzenden Länder 2, H. 5, 1817, 256. 107 Bůžek nimmt als Raum den „Schönen Saal“ der Stadtresidenz an; gemeint ist wohl der heute als „Italienischer Saal“ bezeichnete Raum, welcher mit Fresken von Hans Bocksberger d. Ä. geschmückt ist. Zehendter hingegen führt nur ein „Zimmer“ an. Vgl. Bůžek 2007 (zit. Anm. 50), 300; Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 144; TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. 108 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. 109 Gest. 1626; bayerischer Rat und Gouverneur von Ingolstadt. Siehe Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 12, 1864, 228.

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Freiherr von Lichtenberg,110 dem Tross sicheres Geleit vom Palast zur Kirche bieten musste. In der Kirche wartete bereits der weibliche Hofstaat mit Herzogin Renata und Erzherzogin Anna Caterina samt ihren Damen.111 Den Einzug in die Kirche begleiteten Paukenschläge und Trompetenklänge. Am Hochaltar, der Chor war mit Tapisserien ausgeschlagen, waren bereits das Schwurkreuz und das Missale platziert worden, die Collane wurde vom Herold zur Linken des Kreuzes abgelegt. Wilhelm und Ferdinand II. begaben sich in den Altarraum zum stillen Gebet (Abb. 25). Hierauf erfolgte der Eid, den der Schatzmeister vortrug und der Herzog wiederholte. Wilhelms Rechte lag dabei auf dem Evangelium, das der Administrator des Bistums Regensburg, Zbynko Berka von Duba,112 assistiert von den Äbten Tegernsees und Benediktbeuern, hielt. Als Höhepunkt der Zeremonie überreichte Ferdinand seinem Neffen die Ordenskette, daraufhin umarmte und küsste er ihn. Als äußeres Zeichen der neuen Würde des Herzogs wurden in der Kirche zahlreiche Fahnen und Wappentücher mit dem von der Vliescollane gerahmten herzoglich-bayerischen Wappen aufgesteckt.113 Die Gesellschaft wohnte der Messe bei und zog sich dann nach dem feierlichen Auszug zum Mittagessen in die Stadtresidenz zurück.114 Zehendtner erwähnt in diesem Zusammenhang die „trefflich außerlesener Music“,115 die wohl der Hofkapellmeister Orlando di Lasso arrangiert hat. Die Feierlichkeiten erreichten am darauffolgenden Abend, nach dem Nachtmahl, mit dem Abbrennen eines prächtigen Feuerwerkes am Platz bei der Stadtresidenz ihren Höhepunkt. Weitere Raketen wurden vom Stadtturm abgefeuert. Vier (Chor-) Knaben in Engelskleidung trugen lateinische Verse zur Huldigung König Philipps II., des Vliesordens sowie der Ordensritter vor, Sänger und Musik untermalten das Schauspiel (Abb. 26).116 Auf weitere Festlichkeiten, wie etwa Turniere, wurde dann verzichtet, wohl auch mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Tiroler Landesfürsten angesichts der Strapazen der vorangegangenen Tage. Dennoch nahm Ferdinand II. am 22. Juni in Freising an einer Hirschjagd teil und fuhr dann mit den bayerischen Verwandten bis München, wo er nun auch mit seiner Schwester Anna, der Herzoginwitwe, zusammentraf. Der venezianische Gesandte Zane konnte nach Venedig berichten, dass die Feierlichkeiten mit aller Pracht ausgerichtet wurden. Dies teilte er mit Verwunderung mit, war doch das Herzogtum Bayern seit 1583 in den sogenannten Kölner Krieg (auch Truchsess’sche Wirren; 1583–1588) verwickelt. Bayern versuchte in diesem Konflikt den Wechsel von Kurköln zum reformierten Glauben zu verhindern und erreichte, trotz Widerstand, dass Herzog Ernst – ein Bruder Wilhelms V. – zum Kölner Kurfürsten und damit zum Wahrer des katholischen Glaubens wurde.117 Am 28. Juni trat Ferdinand II. schließlich über Hochkirchen, Rosenheim, Flintsbach, Kufstein, Kundl, Rotholz und Mils die Rückreise nach Innsbruck an, wo er am Abend des 2. Juli eintraf.118

110 Gest. 1603; bayerischer Rat und Obersthofmeister von Herzogin Renata von Bayern; kam mit dieser aus Lothringen nach München. Siehe Hans-Michael Körner (Hg.), Großes Bayerisch Biographische Enzykolpädie, Bd. 1, 2005, 715. 111 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 144. 112 1551–1606; ab 1582 Administrator für den unmündigen Regensburger Bischof Philipp Wilhelm von Bayern; ab 1592 Erzbischof von Prag. Siehe Joachim Bahlcke, Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619), München 1994, 108. 113 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 147. 114 TLA, KS II, Nr. 537, o. fol. 115 Zit. nach Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 148. 116 Siehe hierzu Margot Rauch, Bankett, Tanz und Feuerwerk, in: Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Wir sind Helden. Habsburgische Feste der Renaissance, Innsbruck (Schloss Ambras) 2005, 134– 138, hier: 138. 117 HHStA, Venedig, Dispacci di Germania, Bd.  12, fol.  86v. Für diesen Hinweis danke ich Mario Döberl. 118 Zehendtner 1587 (zit. Anm. 2), 149–152.

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Abb. 26: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Detail aus Das Bayrisch Feürwerckh, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

DOKUMENTATION

In der Absicht, die ungewöhnliche Zeremonie der Vliesordensverleihung für die Nachwelt zu dokumentieren und gleichzeitig auch seine eigene herausragende Rolle in diesem Zusammenhang hervorzuheben und festzuhalten, nahm Erzherzog Ferdinand II. seinen Hofsekretär Paul Zehendtner von Zehendtgrueb und den Hofmaler („conterfeter“) Anthonis Boys mit auf die Reise.119 Durch deren Schaffen sind wir sowohl in schriftlicher als auch in bildlicher Form bestens über die staatstragenden Ereignisse im Frühsommer 1585 in Prag und Landshut unterrichtet. Zur wichtigsten Dokumentation zählt zweifellos die sogenannte Vliesrolle, eine imposante, ca. sechs Meter lange Bilderrolle (siehe Abb. 29).120 Das Prachtwerk schildert den Akt der Ordensverleihung detailliert in 13 von Überschriften benannten Szenen – Das Ritterschlagen, Der Kirchen Gang, Das Gebet, Der Fürtrag, Das Jürament, Die Überantwortung des Flüsz, Das Opffer, Das Kayserlich Banqüet, Der Gang von Kirchen, Ertzherzogs Ferdinands Schiessen, Der Bayrisch Kirchengang, Der Bayrische Khirchen Ornat, Das Bayrisch Feürwerckh  –, die jeweils von allegorischen Darstellungen wie den Elemente, Tugenden oder Planeten umrahmt sind (Abb. 27a und b).121 Die auf die Rolle aufgeklebten rechteckigen Stiche wurden von Sigmund 119 Unterschiedliche Schreibweisen: Boys, Bays, Waiss. Siehe Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 13, 1996, 476. 120 Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. 121 Siehe allgemein Joseph Bergmann, Erzherzog Ferdinand von Tyrol ertheilt […] den Orden des goldenen Vließes, in: Wiener Jahrbücher der Literatur 5, 1830, 2–15; siehe hierzu Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Alle Wunder dieser Welt. Die kostbarsten Kunstwerke aus der Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (1529–1595), Innsbruck (Schloss Ambras) 2001, 78, 82; AK Innsbruck 2002 (zit. Anm. 19), 70, 72; Ausstellungskatalog Wilfried Seipel (Hg.), Wir sind Helden. Habsburgische Feste in der Renais-

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Abb. 27a und b: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Allegorische Darstellungen aus der Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunst­ historisches Museum, Kunstkammer, Inv.Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 28: Künstlersignatur Sigmund Elsässers, Detail aus Das Kayserlich Panqüet, Vliesrolle. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Elsässer, Hofmaler Ferdinands II., gefertigt (Abb. 28) und wahrscheinlich von Boys koloriert.122 Im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek haben sich 13  Einzelblätter derselben in der Rolle wiedergegebenen Szenen erhalten. Im Vergleich zur Vliesrolle ist deren künstlerische Ausführung jedoch einfacher und die Kolorierungen flächiger. Die Forschung geht davon aus, dass es sich bei diesem Pseudomanuskript ursprünglich ebenfalls um eine bildliche Aneinanderreihung der Szenen in Form einer Bildrolle gehandelt hatte, die zu einem heute nicht mehr nachvollziehbarem Zeitpunkt zerteilt worden sind.123 Für die Annahme, dass Boys und Elsässer die ausführenden Künstler der Vliesrolle waren, sprechen Zahlungsanweisungen der Tiroler Kammer, die sich zeitlich mit der Entstehung der Vliesrolle decken würden. Leider sind aber in den Raitbüchern keine Hinweise auf die konkrete Arbeit der beiden Künstler ausgewiesen. So wurden am 14. März 1586 an Elsässer, der als Hofmaler bezeichnet wird, 88 Gulden und an Boys 17 Gulden ausbezahlt. Elsässer erhielt zudem am 2. Mai 1586 nochmals 138 Gulden. Einen Bericht zu den Abläufen der Vliesordensverleihung in Druckform erstellte der Sekretär Erzherzog Ferdinands II., Paul Zehendtner. Darin wurden die erwähnten Stiche als Illustrationen aufgenommen.124 Zehendtner erhielt am 20. Oktober 1586 vom Tiroler Landesfürsten das Privileg, „die beschreibung der Jüngst durch Ir Dt. guldin Wellriß [Vlies] ubeantwortung nachzedruckhen“.125 Die Dokumentation dieses neuzeitlichen Staatsereignisses in Buchform („gulden velleris Exemplar“) schickte er dann mit großer Freude und Stolz als Geschenke an Herzog Wilhelm V., dessen Frau Renata von Lothringen sowie an die bayerische Herzogin-Witwe Anna von Österreich. Hierfür wurde dem erzherzoglichen Sekretär ein „herrlich und furstlich Present“ zuteil, wofür sich Zehendtner überschwänglich beim bayerischen Herzog bedankte.126 Eine literarische Beschreibung der Vliesordensverleihung schuf der Dichter Jacobus Vivarius. Diese wurde unter dem Titel Descriptio Avrei Velleris ad Sacratissimvm […] Rodolphvm II. […] noch im Jahre 1585 beim Prager Buchdrucker Georg Nigrinus verlegt. Vivarius’ Arbeit stand ganz im Zeichen gegenreformatorischer Propa­

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sance, Innsbruck (Schloss Ambras) 2005, 20–22; AK Innsbruck 2015 (zit. Anm. 81), 86 f.; zuletzt Ausstellungskatalog Sabine Haag – Gudrun Swoboda (Hgg.), Feste feiern. 125 Jahre – Jubiläumsausstellung, Wien (Kunsthistorisches Museum) 2016, 95. TLA, Geschäfte von Hof, 1586, fol. 388r–v; siehe auch David von Schönherr (Hg.), Statthalterei-Archiv Innsbruck, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 14, 1893, Reg. 11143 und 11148. Zur Frage der Künstlerschaft siehe Květa Křížová, Anthoni Bays und sein Werk in Böhmen, in: Umění 29, 1981, 358 f. Für Elsässers Autorenschaft spricht die schlecht erhaltene Signatur „E Illuminavit“ am rechten Tischbein der Kredenz in der Szene Kayserlich Banqüet (Abb. 27). Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Sign. Cod. 7906. Siehe hierzu auch Thomas DaCosta Kaufmann, Hand-colored prints and „pseudo-manuscripts“. The curious case of codex 7906 of the Österreichische Nationalbibliothek Wien, in: Codices manuscripti 2, H. 1, 1976, 26–31. Adam Hochreitter, Kammerdiener Erzherzog Ferdinands II., vermerkte dies in seinem Tagebuch: „ain gedruckhts büchl, vom Secretary Zehendtner ausganngen […] der beschreibt als ordenlich, wie es [in Prag und Landshut] zuganngen ist“. Zit. nach Hern Adam Hochreitters Schiffart unnd Rayss […], nach 1588, fol. 130v; Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Sign. MS I b 42. TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Privileg impressioni [sic]. München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern, Äußeres Archiv, Nr. 4292, fol. 479r, Schreiben aus Innsbruck, 31. Juli 1587.

ganda unter jesuitischem Einfluss.127 Eine weitere Schilderung in Form panegyrischer Dichtung mit lateinischen Versen, herausgegeben von Georg Barthold Pontanus von Breitenberg, wurde 1593 publiziert.128 Breitenbergs Schrift steht zur Gänze im Zeichen kirchenpolitischer Propaganda. Der römisch-deutsche Kaiser, nun Angehöriger des ehrwürdigen Ordens seines Hauses – dessen Gründung bekanntlich symbolisch für die Verteidigung des katholischen Glaubens stand –, wird darin als Gallionsfigur der Gegenreformation gefeiert.129

RESÜMEE

Als Besonderheit der Vliesordensverleihung von 1585 kann die Tatsache gelten, dass mit Rudolf  II. das gewählte und gekrönte Reichsoberhaupt und somit der neben dem Papst höchste Würdenträger Europas in den Orden aufgenommen wurde. Ein Blick auf Ordensgeschichte zeigt, dass ein vergleichbarer Fall lediglich einmal eingetreten war, 1491, mit der Aufnahme Kaiser Friedrichs III., der allerdings noch in keiner familiären Verbindung zu dem erst durch Maximilians Burgunderheirat habsburgisch gewordenen Orden gestanden war. Zieht man die Vliesrolle als Bildreportage heran, so fällt auf, dass die Hauptakteure zeitgenössische Festgewänder aus schwarzem Stoff mit aufwendigen Goldstickereien im Stile der spanischen Hoftracht tragen.130 Dies erstaunt insofern, als in der Bilddokumentation von Ordenskapiteln des 15. Jahrhunderts die speziellen dunkelroten Ordensornate – Robe samt Kopfbedeckung – in Miniaturmalereien belegt sind.131 Auch in den schriftlichen Quellen zu 1585 bleibt das Tragen eigener Roben unerwähnt. Der Verdacht, dass diese Roben für die Zeremonie nicht essentiell waren, verhärtet sich u. a. durch die Dokumentation der Promotion des Grafen Wilhelm Slavata und des Fürsten Wenzel Lobkowitz 1644 in der Wiener Augustinerkirche: Wie der Miniatur Wilhelm Frommers zu dieser Zeremonie, bei der Kaiser Ferdinand III. als Stellvertreter Philipps IV. von Spanien fungierte, zu entnehmen ist, trugen auch dort alle Beteiligten die schwarze „spanische“ Hofkleidung.132 Die von Spanien in die Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies gelegten Hoffnungen, ein deutlich sichtbares Zeichen der Gegenreformation zu setzen, erfüllten sich nicht in dem erwarteten Ausmaß. Und dies, obwohl die Prager Jesuiten das Ereignis medienwirksam durch ein Flugblatt mit koloriertem Holzschnitt und Gedicht, in dem Rudolf als Schutzherr der katholischen Kirche gefeiert wurde, zu inszenieren versuchten.133 Der spanische König beäugte mit Argwohn den, aus seiner Sicht, zu toleranten und liberalen religiösen Umgang am Prager Hof. Philipp missfiel überhaupt die zögernde und zaudernde Haltung Rudolfs in kirchenpolitischen Belangen, woraus eine Erstarkung der reformatorischen Bewegung im Reich resultierte. Die enge Allianz zwischen Madrid und dem Reich der ersten Regierungsjahre des jungen Rudolf  II. begann zu bröckeln. Das Verhältnis zwischen Philipp  II. und dem 127 Václav Bůžek, Ferdinand von Tirol. Zwischen Prag und Innsbruck. Der Adel aus den böhmischen Ländern auf dem Weg zu den Höfen der ersten Habsburger, Wien – Köln – Weimar 2009, 298. Eine Ausgabe von Vivarius’ Descriptio befand sich in der Ambraser Bibliothek Erzherzog Ferdinands II. Das Exemplar wird heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol unter Sign. 214.661 verwahrt. 128 Panegyrica Romanorum imperatorum Rudolpho II, Frankfurt 1593. 129 Karl Vocelka, Die politische Propaganda Kaiser Rudolfs II. (1576–1612) (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs, Bd. 9), Wien 1981, 144. 130 Es besteht auch die Theorie, dass die Ordensgesellschaft je nach Anlass Kleidung in roter, weißer und schwarzer Farbe trug. Siehe Weltliche und Geistliche Schatzkammer. Bildführer, hg. vom Kunsthistorisches Museum Wien, Wien 1987, 202 f. 131 Vgl. Livre de toison d’or, um 1470 (Den Haag, Königliche Bibliothek, Sign.  Ms 76  E  10); vgl. auch Guillaume Fillastre d. J., Histoire de la toison d’or, 1468 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Sign. Cod. 1541); siehe auch Ausstellungskatalog Susan Marti – Till-Holger Borchert, – Gabriele Keck (Hgg.), Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur, Bern (Historisches Museum) – Brügge (Bruggemuseum & Groeningsmuseum) 2008/09, 192 f.; vgl. auch Abb. 2. 132 Miniatur, nach 1644, Wien, Albertina, Inv.-Nr. 14530. Heute werden in der Weltlichen Schatzkammer und im Monturdepot des Kunsthistorischen Museums die prächtigen originalen Ordensornate aus dem 18. Jahrhundert verwahrt. Siehe hierzu Best.-Kat. Wien 2005 (zit. Anm. 65), 104 f., Nr. 33. 133 Vocelka 1981 (zit. Anm. 129), 145.

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Abb. 29: Sigmund Elsässer und Anthonis Boys, Vliesrolle, Gesamtansicht. Innsbruck, nach 1585. Kupferstich und Federzeichnung, koloriert, 29,5 x 581,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5348. (© KHM-Museumsverband.)

Kaiser wurde zudem nachhaltig gestört, als letzterer die angedachte Eheschließung mit Philipps Tochter Isabella Clara Eugenia immer wieder aufschob.134 Die gute Quellenlage liefert wichtige Hinweise zur höfischen Etikette und den zeremoniellen Abläufen an einem der führenden Fürstenhöfe Europas und ermöglicht dabei Einblicke in die höfische Festkultur der Spätrenaissance. Zeremonielle Fragen, die bei einem Staatsbesuch der heutigen Tage auftreten, beschäftigten schon die höfische Gesellschaft im 16. Jahrhundert. Es wurde diskutiert, wie die Anwesenden zu positionieren, zu stellen und zu setzen waren. Essentiell war dabei, wer vor und/oder hinter wem ging und ob Gruppen nebeneinander schritten. Wie sich zeigte, wurde ein Mittelweg gesucht und gefunden, um einerseits den Status des Kaisers, andererseits auch jenen Ferdinands als Speciale Procurate zu würdigen.135 Ein besonderer Diskussionspunkt im Vorfeld galt der Frage von Ferdinands Umgang mit Rudolf bei dieser Gelegenheit. Aus Madrid wies man den Erzherzog strikt an, Rudolf während der Ordensverleihung „nit alls ain Rom. Kaiser sonder alls ain angeheender Ordens mann des Thosons“136 zu behandeln. So war Ferdinand II. als dem Hauptakteur der Zeremonie die noble rechte Seite vorbehalten. Bis zur Überreichung der Collane schritt der Tiroler Landesfürst auch immer vor dem Kaiser. Erst nach dem Abschluss der Verleihung nahm er dann wieder den ihm zustehenden Rang hinter Rudolf II. ein. Konsequent war man jedoch nicht, denn beim kaiserlichen Festbankett wurde Ferdinand II. nicht zur Rechten Rudolfs platziert, wie man es erwarten würde, sondern auf diesen Platz wurde der spanische Gesandte gesetzt. Dadurch erwies man – für alle anwesenden Höflinge deutlich sichtbar – dem eigentlichen Ordenssouverän, dem nicht anwesenden spanischen König, die verdiente Ehrerbietung. Auch auf die innerfamiliären Beziehungen der Habsburger lässt die Ordensverleihung in gewissem Maße rückschließen. Folgt man den bildlichen Darstellungen, war es eine spannungsfreie Feierlichkeit. Die schriftlichen Quellen hingegen zeigen stellenweise doch das als problematisch und angespannt zu bezeichnende Verhältnis zwischen Onkel und Neffen – Ferdinand II. und Rudolf II. – auf.137 Die Vliesordensverleihungen in Prag und Landshut gehören sicherlich zu den bedeutendsten staatstragenden höfischen Festen, die im Umfeld Erzherzog Ferdi­ nands II. zelebriert wurden. Mit seinen prächtigen Aufzügen, Banketten und dem Rahmenprogramm von Feuerwerken und Turnieren zählen sie auch zu den wenigen großartigen Hoffesten in der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. Die große Bedeutung des Ereignisses lässt sich auch an der Anwesenheit internationaler „Zaungäste“ aus den regierenden Häusern der Wittelsbacher, Wettiner und Welfen erkennen. Das 134 Robert John Weston Evans, Rudolf  II. Prag und Europa um 1600, in: AK Wien – Essen 1988 (zit. Anm. 26), Bd. 1, 27–37, hier: 29–31; Herbert Haupt, Kaiser Rudolf II. in Prag. Persönlichkeit und imperialer Anspruch, in: ebenda, 45–55, hier: 49–52. 135 TLA, Sammelakten, Reihe A, Abt. 1, Lage 1, Nr. 2, o. fol., Schreiben aus Madrid, 28. November 1583. 136 Zit. nach TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Schreiben Philipps II. aus Guadalajara, 29. Jänner 1585; TLA, KS II, Nr. 537, o. fol., Boreador […]. 137 Nur noch einmal sollten Ferdinand und Rudolf vor dem Tode des Tiroler Landesherren persönlich aufeinandertreffen. 1588 wurde in Prag ein „Familienrat“ abgehalten, um sich bezüglich des Vorgehens im Falle Erzherzog Maximilians III., des späteren Deutschmeisters, zu beraten. Dieser hatte sich um die polnische Krone beworben und wurde im Zuge politischer Zwistigkeiten und Wirren in Krakau kurzzeitig inhaftiert. Siehe Hochreitters Schiffart unnd Rayss (zit. Anm. 124), fol. 131r; allgemein siehe Heinz Noflatscher, Glaube, Reich und Dynastie. Maximilian der Deutschmeister (1558–1618), Marburg 1987.

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Ordensfest vom Goldenen Vlies im Jahre 1585 ist durch seine schriftlichen und bildlichen Überlieferungen ausgezeichnet dokumentiert. Besonders aufschlussreich sind dabei Beschreibungen jener sonst „geheim“ gehaltenen Zeremonien wie Schwur, Ordensverleihung und Messe, zu denen nur die Ordensritter selbst zugelassen waren.

SUMMARY

The investiture of new knights of the Order of the Golden Fleece held in 1585 at Prague and Landshut was suitably splendid and dignified. The knights invested with the legendary order of the Habsburg dynasty included Emperor Rudolf II, the Archdukes Ernest and Charles II of Inner-Austria, and Duke William V of Bavaria, as well as Leonhard IV of Harrach and William of Rosenburg. A remarkable fact was that the list included Rudolf II, the ruler of the Empire and Europe’s second-highest dignitary after the Pope. The honour of investing the new knights in the name of King Philip II of Spain, the order’s sovereign, fell to the senior member of the House of Austria, Archduke Ferdinand II, the ruler of the Tyrol. Spanish hopes that this investiture would function as a clear signal of the Counter-Reformation were only partially fulfilled. We can also draw inferences about relations within the Habsburg family. Pictorial records suggest that they were amicable, however written sources throw light on a “problematic” relationship between uncle and nephew, between Ferdinand II and Rudolf II. All in all, the investiture was an ill-fated event – marred by, for example, scheduling problems, abandoned journeys, offended and injured princely pride, and diplomatic carelessness. Numerous written and pictorial sources document the investiture of 1585, which reflect courtly etiquette and elaborate ceremonials at one of Europe’s leading courts. The investiture was undoubtedly one of the most important courtly festivities attended by Archduke Ferdinand II. Its sumptuous parades, banquets and entertainments including firework displays and jousts are also among the few grand court festivities celebrated during the reign of Emperor Rudolf II.

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Konrad Schlegel

Vom Walross und dem Erzherzog Abundantia/Pomona von Leonhard Kern in der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms

Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662) war wohl der bedeutendste habsburgische Sammler von Gemälden. Seine immense, hauptsächlich während seiner Statthalterschaft in den Spanischen Niederlanden zwischen 1647 und 1656 zusammengetragene Bilder-Sammlung stellt ein Fundament der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums dar. Die herausragende Rolle dieses Erzherzogs als Gemäldesammler ist heute durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten erschlossen; weitaus weniger geläufig hingegen ist sein ebenfalls manifestes Interesse für Skulptur oder Plastik und Kunstkammerobjekte.1 Dieser bislang wenig beachtete Aspekt seiner Sammlertätigkeit soll im vorliegenden Beitrag anhand einer ungewöhnlichen Skulptur aus seinem Kunstbesitz näher beleuchtet werden. Es handelt sich um eine kleine nackte Frauenfigur, eine Fruchtbarkeitsgöttin mit Füllhorn, die sich – traditioneller körpersprachlicher Ausdruck weiblicher Fertilität – mit der linken Hand an die Brust greift. Sie ist aus dem spitz zulaufenden Endstück eines Walrosszahns geschnitzt (am Körper der Figur ist die für Walrosszahn typische „körnige“ Struktur der Oberfläche deutlich zu erkennen). Der Zahn wurde aber seltsamerweise nicht zur Gänze abgearbeitet, sondern – und dies macht die kuriose Besonderheit des Objekts aus – sein unbearbeiteter, breiter Teil steckt noch in seinem „rohen“ Kieferknochen. Auf der Rückseite dieses Knochens sind sogar noch die Ansätze dreier weiterer kleinerer Zähne sichtbar stehen gelassen. Kieferknochen und Zahn geben den integralen Sockel der Statuette ab, womit klar wird, dass alles zusammen ein untrennbares Ganzes bildet und einem künstlerischen Konzept Ausdruck verleiht, dem eine spannungsreiche Gegensätzlichkeit zu eigen ist: Feine Schnitzkunst aus und auf kruder Naturalie, nackte Frauenschönheit versus unansehnliches, animalisches Relikt; Anziehung und Abstoßung treffen aufeinander, Fruchtbarkeit und Abgestorbenes, letztlich Tod und Leben (Abb. 1). Pure Naturalien, möglichst exotischer Herkunft, und reine Artefakte gehörten an sich zum Inhalt frühneuzeitlicher Sammlungen. Doch dieses Objekt veranschaulicht das für die Welt der Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts besonders bezeichnende Spannungsverhältnis, Neben- oder Miteinander von menschlicher Kunstfertigkeit und unbehandelter Natur. Aus diesem Grund gilt das merkwürdige Werk zu Recht als Inbegriff eines Kunstkammerstücks.2 Es wird dem deutschen Barockbildhauer Leonhard Kern (Forchtenberg 1588–1662 Schwäbisch Hall) zugeschrieben und befindet sich heute in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums (Inv.Nr. KK 4547). Abb. 1a und b: Leonhard Kern, Abundantia/ Pomona, Vorder- und Rückenansicht. Um 1635/45. Walrosszahn. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 4547. (KHM-Museumsverband.)

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Siehe hierzu die verschiedenen Beiträge in: Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), Sammellust. Die Galerie Erzherzog Leopold Wilhelms. Intermezzo 06, Wien (Kunsthistorisches Museum) 2014. Siehe Sabine Haag, Meisterwerke der Elfenbeinkunst (Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, hg. von Wilfried Seipel, Bd. 8), Wien 2007, Nr. 21. Ich danke Gabriele Helke für zahlreiche Hinweise und Anregungen.

Im Folgenden soll nach kurzem Referieren der Provenienzgeschichte und des derzeitigen Forschungsstands versucht werden, die materialikonologischen,3 ikonogra-

Abb. 2: Leonhard Kern, Abundantia/Pomona, Zustand während einer Restaurierung 1988/89. (© KHM-Museumsverband.)

fischen und formalen Besonderheiten des bizarren Objekts zu umreißen, seine daraus folgende Stellung innerhalb der Sammlung Leopold Wilhelms zu deuten und spezielle Facetten der Interessen des Erzherzogs als Sammler abzuleiten. Als Erzherzog Leopold Wilhelm 1647 Wien Richtung Brüssel verließ, um seine Statt­ halterschaft in den Spanischen Niederlanden anzutreten, wurde inventarisiert, was er bis dahin in Wien an Kunstobjekten zusammengetragen hatte.4 Dieses Inventar dokumentiert also den Kunstbesitz des Erzherzogs vor seiner Brüsseler Zeit, ehe er zum versierten und bedeutenden Gemäldesammler wurde. Überblickt man die hier verzeichneten 470 Objekte (die ebenfalls zahlreichen Bücher nicht miteinbezogen), so fällt auf, dass es sich bei einem großen Teil um kostbar gefasste Reliquiare und andere sacralia, also religiöse Gegenstände wie wertvolle Kruzifixe, Hausaltärchen etc., handelt.5 Der deutlich ablesbare geistliche Schwerpunkt der Sammlung leitet sich wohl aus der streng religiösen Erziehung des Erzherzogs und seiner Stellung als Träger mehrfacher kirchlicher Würden und Ämter ab.6 Im Übrigen weist die Sammlung aber durchaus den Charakter einer kleinen enzyklopädischen Kunstkammer auf, wie zahlreiche artificialia, aber auch scientifica, memorabilia und sogar einige wenige exotica beweisen. Insofern folgte Leopold Wilhelm in seiner frühen Sammeltätigkeit im kleinen Maßstab dem Vorbild großer Habsburger Kunstfreunde wie Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) und Kaiser Rudolf II. (1552–1612), die mit ihren berühmten Kunstkammern in Schloss Ambras und in Prag die enzyklopädischen Ansprüche herrschaftlicher Sammlungen beispielhaft vorgeführt hatten.7 Zu dieser Zeit war Leopold Wilhelms Kunstbesitz in der Amalienburg untergebracht, jenem Teil der Wiener Hofburg, den der Erzherzog auch bewohnt hatte. Dem Inventar zufolge waren die Objekte auf vier zweistöckig untergliederte Kästen aufgeteilt – es ist jeweils von einem „obern Cassten“ und einem „untern Cassten“ die Rede.8 Im sogenannten „andern untern Cassten“ – das heißt dem zweiten unteren – ist neben einem „Spiegel von feyer glaß“, mehreren sogenannten „perspectiven“, also Fernrohren, damals eine noch relativ neue Erfindung, einem mit Leder überzogenen „trühel“, worin ein „guldener st. Sebastian pfeill“ aufbewahrt wurde, einem „haaßen gestehm oder horn“, den „effigies b. P. Dominici Carmelitae inn wax possiert“ und verschiedenen kostbaren Textilien unter anderem folgendes Objekt beschrieben: „Ein meer ross zant, darauß ein Venus bildt geschnitten, unndt unnten an den füessen zerbrochen“.9 3

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Die Frage nach der Ikonologie der Materialien besteht nach Thomas Raff, Die Sprache der Materialien. Anleitung zu einer Ikonologie der Werkstoffe, München 1994, darin, ob und wie die Materialien, aus denen Kunstwerke bestehen, einen Beitrag zur inhaltlichen Aussage dieser Werke leisten können (ebenda, 10). Bei Leonhard Kerns Abundantia/Pomona und ihrem ostentativ sichtbar belassenen Material, dem Walrosszahn, scheint dies, wie zu zeigen sein wird, paradigmatisch der Fall zu sein. „Inventarium aller und jeder ihrer hochfürstlichen durchleucht herrn, herrn Leopoldt Wilhelm erzherzog zu Össterreich etc. zu Wien noch vorhandenen khleinodien, goldt= unndt silbergeschmaidt, nebens der bibliothec unndt anderen mobilien […]“, siehe Gottfried Mraz – Herbert Haupt (Hgg.), Das Inventar der Kunstkammer und Bibliothek des Erzherzogs Leopold Wilhelm aus dem Jahre 1647, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 77, 1981, 225–228, I–LIX. Siehe Konrad Schlegel, Amator artis pictoriae – what else? Der Sammler Erzherzog Leopold Wilhelm aus Sicht der Kunstkammer, in: AK Wien 2014 (zit. Anm. 1), 63–71, hier: 63–67. Der nachgeborene Erzherzog, jüngster Sohn des späteren Kaisers Ferdinand II. (1578–1637), wurde früh für eine geistliche Laufbahn bestimmt und von Jesuiten erzogen. Bereits mit fünf Jahren erhielt er die Tonsur. Mit elf Jahren wurde er zum Bischof von Passau ernannt. Später übernahm er weitere sieben Bistümer und drei Abteien. Er war außerdem Hochmeister des Deutschen Ordens. Er erhielt aber nie geistliche Weihen, da dies eine Rückversetzung in den Laienstand erschwert hätte, falls er bei einem möglichen vorzeitigen Tod seines älteren Bruders, Ferdinand III. (1608–1657), heiraten und für den Fortbestand der Erbfolge hätte sorgen müssen. Die kirchlichen Ämter, die er auf diese Weise bekleidete, dienten vor allem seiner finanziellen Ausstattung. Siehe Renate Schreiber, Eine Galeria nach meinem Humor. Erzherzog Leopold Wilhelm (Schriften des Kunsthistorischen Museums, hg. von Wilfried Seipel, Bd. 8), Wien 2004, 23–27. Siehe Schlegel 2014 (zit. Anm. 5), 67. Mraz – Haupt 1981 (zit. Anm. 4), VII–XXXII. Ebenda, XXIV, fol. 37‘, (251) Nr. 20.

Abb. 3: Das Schwarze Kabinett in der Stallburg. Gouache aus: Ferdinand Storffer, Neu eingerichtes Inventarium der Kayl. Bilder Gallerie in der Stallburg […], Bd. 2, 1730, fol. 2–11 (Bildtafeln). Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie. (© KHM-Museumsverband.)

Auch wenn der Verfasser des Inventars die nackte Frau als Venus interpretierte, besteht dennoch kein Zweifel, dass es sich hier um Leonhard Kerns Abundantia oder Pomona handelt. Denn der markante Charakter des Gebildes als Kunstwerk und gleichzeitig unverhüllt zur Schau gestellte Naturalie Walrosszahn klingen im Inventareintrag eindeutig an; auch ist die beschriebene Beschädigung an den Füßen tatsächlich vorhanden, wie eine Abbildung von einer restauratorischen Bearbeitung der Skulptur 1988/89 erkennen lässt. Die Figur ist knapp oberhalb der Fußgelenke und der Spitze des Füllhorns gebrochen (Abb. 2). Das Objekt befand sich demnach schon in der frühen Wiener Sammlung des Erzherzogs. Auf welche Weise es Leopold Wilhelm in seinen Besitz gebracht hatte, als Geschenk, als Ankauf vom freien Markt10 oder ob es sich gar seinem persönlichen Auftrag verdankte, liegt völlig im Dunkeln. Die Beschreibung im Inventar seiner Sammlung von 1647 ist der früheste bislang bekannte dokumentarische Nachweis des Stücks. Es fehlt allerdings in den beiden späteren Inventaren von Leopold Wilhelms Kunstkammer aus dem Jahr 1659 und seiner Schatzkammer von 1660.11 Doch war es nachweislich auch nach dem Tod des Erzherzogs innerhalb der habsburgischen Sammlungen verblieben. Leopold Wilhelms Neffe Kaiser Leopold I. (1640–

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Von Leonhard Kern ist bekannt, dass er zwar auch auf Bestellung arbeitete, aber hauptsächlich Kleinskulpturen ohne Auftrag schuf und auf dem freien Markt verkaufte – siehe Johannes Zahlten, Bemerkungen zu Kunstproduktion und Sammlungswesen im 17. Jahrhundert, angeregt durch die Kleinplastiken Leonhard Kerns, in: Ausstellungskatalog Harald Siebenmorgen (Hg.), Leonhard Kern (1588– 1662). Meisterwerke der Bildhauerei für die Kunstkammern Europas, Sigmaringen (Hällisch-Fränkisches Museum Schwäbisch Hall) 1988, 35–50, hier: 42. Zur Aufteilung der Sammlung Leopold Wilhelms in eine Kunst- und in eine Schatzkammer nach Beendigung seiner Statthalterschaft in Brüssel und seiner Rückkehr nach Wien 1657 siehe Schlegel 2014 (zit. Anm. 5), 67. Im Inventar der Kunstkammer von 1659 sind im „Verzeichnus der stainenen, metallenen Statuen, anderer Antiquitäten und Figuren“ immerhin 156 Objektnummern nur summarisch und ohne Benennung oder Beschreibung aufgeführt, wobei auf ein früheres, bislang nicht aufgefundenes Inventar verwiesen wird. Möglicherweise befindet sich die Abundantia/Pomona hierunter. Siehe Adolf von Berger (Hg.), Inventarium aller vnndt jeder Ihrer hochfürstlichen Durchleücht Herrn Herrn Leopoldt Wilhelmen Ertzherzogen zue Österrich, Burgundt etc. zu Wienn vorhandenen Malhereyen, Zaichnungen, Handtrüesz, item der stainenen vnndt metallenen und anderen Figuren […]. Inventar der Kunstsammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich. Nach der Originalhandschrift im fürstlich Schwarzenberg’schen Centralarchive, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 1, Teil II, 1883, LXXIX–CLXXVII, hier: CLXXIV, fol. 463‘, No. 293 bisz 448 inclusiue.

Abb. 4: Das Schwarze Kabinett in der Stallburg, Detail unten halbrechts: Leonhard Kerns Abundantia/Pomona in Futteral. Gouache aus: Ferdinand Storffer, Neu eingerichtes Inventarium der Kayl. Bilder Gallerie in der Stallburg […], Bd. 2, 1730, fol. 2–11 (Bildtafeln). Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie. (© KHM-Museumsverband.)

1705), erbte den Großteil der Kunstschätze des Erzherzogs, worauf diese mit der kaiserlichen Sammlung vereint wurden. Es existieren zwei spätere Bildquellen, die die Präsenz des Objekts in der Sammlung Kaiser Karls VI. (1685–1740) belegen. Noch in dessen Regierungszeit waren in der Wiener Stallburg, wo große Teile der Sammlung Leopold Wilhelms nach seiner Rückkehr aus Brüssel untergebracht wurden, noch immer Skulpturen und Plastiken aus eben dieser Sammlung aufbewahrt. Sie befanden sich in einem kleinen Raum mit spätbarocker, schwarzer Wandvertäfelung, dem sogenannten „Schwarzen Kabinett“. Dort waren oben in der Wandverkleidung Gemälde eingelassen, darunter befanden sich Wandvitrinen. Diese waren bekrönt von größerformatigen Skulpturen und Büsten, im Inneren standen die kleinformatigen skulpturalen Objekte. Dieser Raum ist bildlich im zweiten Band von Ferdinand Storffers (um 1694 –1771) gemaltem Inventar der Sammlung Karls VI. in der Stallburg von 1730 dokumentiert. Die Abundantia/Pomona ist eindeutig auszumachen: Sie steht links unten in der äußerst rechten Vitrine in der Wand links der Fenster, wohl in einem dazugehörigen geöffneten Futteral, das heute nicht mehr erhalten ist (Abb. 3 und 4).12 Darüber hinaus scheint sie auch 1735 im Prodromus zum Theatrum Artis Pictoriae auf, dem gestochenen Bildinventar der kaiserlichen Sammlung in der Stallburg.13 Hier ist Abundantia/Pomona auf Tafel 30, links unten seitenverkehrt, aber zweifelsfrei erkennbar dargestellt. Das geöffnete Futteral ist hier noch deutlicher zu erkennen (Abb. 5). In weiterer Folge wanderte das Objekt nach Schloss Ambras bei Innsbruck. 1772 begann der neue Schlosshauptmann von Ambras, der bürgerliche Gelehrte Johann Baptist Primisser (1739–1815), im Auftrag Kaiserin Maria Theresias (1717–1780) eine Neuordnung und Wiederbelebung der infolge des Spanischen Erbfolgekrieges zu Beginn des 18. Jahrhunderts verwahrlosten ehemaligen Sammlungen Erzherzog 12

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Ferdinand Storffer, Neu eingerichtes Inventarium der Kayl. Bilder Gallerie in der Stallburg […], Bd. 2, 1730, fol. 2–11 (Bildtafeln), Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie. Ich danke Paulus Rainer für den aufmerksamen Hinweis. Francisco de Stampart – Antonio de Prenner, Prodromus oder Vor-Licht […] deren an dem kasierl. Hof in der Haupt- und Residenzstadt Wienn sich befindlichen Kunstschätze, Wien 1735.

Abb. 5: Francisco de Stampart – Antonio de Prenner, Prodromus oder Vor-Licht […] deren an dem kaiserl. Hof in der Haupt- und Residenzstadt Wienn sich befindlichen Kunstschätzen, 1735, fol. 30. Links unten Kerns Abundantia/Pomona im Futteral. Wien, Kunsthistorisches Museum, Bibliothek, Inv.-Nr. 14.522. (© KHM-Museumsverband.)

Ferdinands II.14 Zur Aufwertung der dortigen Bestände und ihrer Neuaufstellung wurden Werke aus der kaiserlichen Sammlung in Wien nach Ambras verbracht – darunter allem voran, zumindest in Teilen, der skulpturale Inhalt des besprochenen Schwarzen Kabinetts in der Stallburg.15 Im selben Jahr 1772 wurde auch in Wien ein neuer Direktor der kaiserlichen Galerie bestellt: der Maler Joseph Rosa (1726– 1805). Er machte sich an eine Neuordnung der Galerie in der Stallburg und verfolgte dabei das Ziel, eine Galerie ausschließlich aus Gemälden zu präsentieren – für

14 Im Juni 1703 hatten französische und bayerische Truppen unter Kurfürst Max Emanuel (1662–1726) Tirol besetzt. Teile der wertvollen Sammlungen Erzherzog Ferdinands II., inzwischen kaiserlicher Besitz, konnten kurz vorher von Ambras über den Brenner nach Südtirol in Sicherheit gebracht werden. Der größere, im Schloss verbliebene Rest wurde von den Besatzern in Kisten verpackt und sollte auf Schiffen Inn-abwärts Richtung Bayern gebracht werden, was aber von der aufsässigen Bevölkerung verhindert wurde. Schon im Monat darauf mussten die Invasoren Tirol wieder aufgeben und die versprengte Sammlung konnte zurückgebracht werden. Die feinsinnige Ordnung Erzherzog Ferdinands II. war aber wohl verloren gegangen. Siehe Alfons Lhotsky, Festschrift des Kunsthistorischen Museums zur Feier des fünfzigjährigen Bestandes. Zweiter Teil. Die Geschichte der Sammlungen. Erste Hälfte. Von den Anfängen bis zum Tode Kaiser Karls VI. 1740, Wien 1941–1945, 389. 15 Siehe Johann Primisser, Kurze Nachricht von dem k. k. Rarietätenkabinet zu Ambras in Tyrol, Innsbruck 1777, 5; ferner: Joseph Bergmann, Die fünf Gelehrten Primisser, in: Berichte und Mitteilungen des Alterthums-Vereins zu Wien V, 1861, 178–244, hier: 212. Über Primissers und Bergmanns jeweils kurze Erwähnungen hinaus scheint die Verbringung dieser Bestände von Wien nach Ambras in der Forschung bislang völlig unbeachtet geblieben zu sein. Nicht einmal Lhotsky berichtet in seiner ausführlichen Sammlungsgeschichte davon; siehe Lhotsky 1941–1945 (zit. Anm. 14).

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die Skulpturen im Schwarzen Kabinett war nun offensichtlich kein Platz mehr.16 Deren Übertragung von Wien nach Schloss Ambras muss wohl auch eine Art von Ausgleich dafür gewesen sein, dass Rosa Gemälde von Ambras für seine Neuhängung in Wien abziehen ließ, darunter zum Beispiel Raffaels Madonna im Grünen (Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 175).17 In Innsbruck gab Johann Primisser der Abundantia/Pomona einen prominenten Platz. Im von ihm selbst 1788 verfassten Ambraser Sammlungsinventar ist sie dokumentiert: Demnach stand die Skulptur zuoberst auf dem „zehnten Kasten“, der mit Gegenständen aus Elfenbein und Horn angefüllt war. Primisser beschrieb das Objekt als „ein Stück Zahnbein dessen spitziger Theil in eine nackende Weibsfigur verarbeitet ist“ – ebenso finden das Füllhorn, der Griff an die Brust und der Kieferknochen Erwähnung.18 Nach der Verbringung der Ambraser Bestände in napoleonischer Zeit nach Wien und ihrer Neuaufstellung im Unteren Belvedere deutete Alois Primisser (1796–1827), Johann Primissers Sohn, Mitarbeiter und Nachfolger als Kustos der Ambraser Sammlung, in dem von ihm verfassten Sammlungsinventar von 1821 das Material fälschlich als „Hippopotamuszahn“, also Zahn eines Flusspferds. Er war dabei aber ikonografisch prägnanter und bezeichnete die Figur erstmals als „Pomona mit dem Füllhorn“.19 Pomona ist die römische Göttin der Obstgärten und Baumfrüchte. Da das Füllhorn unserer Figur von ebensolcher Ernte überquillt, war die Benennung naheliegend. Auch im sogenannten „Theil-Inventar“ der Ambraser Sammlung von 1875 ist der „Hippopotamuszahn, aus dessen oberem Theil eine Pomona mit Füllhorn geschnitten ist“20 beschrieben. Die Zuschreibung an einen Künstler erfolgte erstmals 1910 durch Julius von Schlosser. Er beschrieb das Objekt als „Walroßzahn, dessen Spitze zu einer Pomona verschnitten ist“, verglich diese mit der Leonhard Kern zugeordneten Elfenbeinskulptur der Hebe/Temperantia in Berlin21 und schrieb sie einem „L. Kern nahestehenden Meister“ zu.22 Leo Planiscig und Ernst Kris gaben in ihrem Katalog der Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe 1935 die Pomona ohne Einschränkung an Leonhard Kern.23 Elisabeth Grünenwald schloss sich 1969 in ihrer Monografie über Leonhard Kern an und listete das Objekt unter den von ihr als eigenhändig erachteten Werken des Meisters auf. Auch sie verwies unter anderem auf die stilistische Ähnlichkeit zur Berliner Hebe/Temperantia. Die bislang nur als Pomona bezeichnete Figur benannte sie hier erstmals auch als Abundantia, womit sie den allegorischen Charakter des Objekts hervorhob.24 Christian Theuerkauff äußerte 1986 Bedenken gegen die Zuschreibung an Leonhard Kern: Abundantia/Pomona wirke „schwer-

16 Siehe Nora Fischer, Kunst nach Ordnung, Auswahl und System. Transformationen der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien im späten 18. Jahrhundert, in: Gudrun Swoboda (Hg.), Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums, Bd. 1: Die kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Wien – Köln – Weimar 2013, 22–89, hier: 35. 17 Ebenda, 36 f. 18 Johann Baptist Primisser, Inventarium der k. k. Ambraser Sammlung vom Jahre 1788, Bd. 2: Die Schatzkammer, Archiv der Kunstkammer Wien, Inv.-Nr. KK 6661, 162, Nr. 1: „Oben auf dem Kasten steht ein Stück Zahnbein, dessen spitziger Theil in eine nackende Weibsfigur verarbeitet ist, die eine Kopfzierde von langen Laubblättern, und neben sich ein Füllhorn hat, von welchem sie mit rechter Hand auf eine Frucht greift, die linke hält sie an die Brust. Die Figur allein ist 6 Zoll hoch, das ganze Stück bei 14 ½ Zoll; wird aber 5 Zoll tief in sein eigenes Kieferbein, auf die Wurzel des Zahns eingelassen.“ 19 Alois Primisser, Inventar der k. k. Ambraser Sammlung von 1821, Archiv der Kunstkammer Wien, Inv.-Nr. KK 6675, 376, Nr. 1: „Ein Hippopotamuszahn dessen spitzer Theil zu einer Pomona mit dem Füllhorn bearbeitet ist. Der Zahn steckt in seinem Kieferbein. 14 ½ Zoll Hoh. Die Figur hat 6 Zoll.“ 20 Theil-Inventar über die zum beweglichen Fideicommiss-Vermögens des a. d. Erzhauses gehörige von dem k. k. Oberstkämmererstabe verwahrte k. k. Ambraser-Sammlung, Archiv der Kunstkammer Wien, 213, Nr. 7. 21 Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung, Inv.-Nr. 716. 22 Julius von Schlosser, Werke der Kleinplastik in der Skulpturensammlung des A.  H. Kaiserhauses, Bd. 2: Bildwerke in Holz, Wachs und Elfenbein, Wien 1910, 15, Taf. XLV. 23 Leo Planiscig – Ernst Kris, Katalog der Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe, Wien (Kunsthistorisches Museum) 1935, 129, Kat.-Nr. 9. 24 Elisabeth Grünenwald, Leonhard Kern. Ein Bildhauer des Barock, Schwäbisch Hall 1969, 46, Nr. 102.

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blütiger und massiger“ als die Hebe/Temperantia.25 Im Katalog der Leonhard Kern-Ausstellung in Schwäbisch Hall 1988/89 hielt Grünenwald aber an der Zuschreibung an Kern fest.26 Sie verwies dabei vor allem auf die Leonhard Kern zugeschriebene, ebenfalls untersetzt proportionierte Bogenspannende Diana in Berlin.27 Sabine Haag bestätigte die Zuschreibung 2007 und lieferte erstmals eine genauere Datierung: um 1635/45 – Haag zufolge vollziehe sich in der mittleren Schaffensphase Leonhard Kerns, ab 1635, seine Abwendung von der sakralen Gewandfigur hin zur profanen Aktfigur.28 Was das Wissen um die Provenienz der Figur betrifft, so galt in der Forschung lange die Darstellung des Objekts im Prodromus von 1735 als früheste Quelle. Auf die Eintragung im Inventar Leopold Wilhelms von 1647 machte als Erste Gudrun Swoboda 2008 aufmerksam.29 Zurück zum Erzherzog und seiner frühen Kunstkammer. Der Walrosszahn mit Kieferknochen und eingeschnitzter Figur fügt sich auf seine Weise perfekt in den Charakter dieser Sammlung ein, und dies nicht nur bezüglich der eingangs beschriebenen, beispielhaften Eigenschaften eines Kunstkammerstücks. Die Deutbarkeit dieses Kunstwerks und seine davon abhängende inhaltliche Eingliederung in die Sammlung des jungen geistlichen Erzherzogs gehen noch um einiges tiefer. Denn dem Objekt scheint auch der Charakter eines sacraliums in Form einer humanistisch verbrämten, frommen Allegorie eigen zu sein. Dies erschließt sich aus der Antwort auf eine an sich naheliegende Frage an das Werk, die allerdings bislang noch nie gestellt wurde: Warum schnitzte der Künstler eine Fruchtbarkeitsgöttin ausgerechnet in ­einen Walrosszahn? Oder umgekehrt: Warum wählte er einen Walrosszahn als Werkstoff gerade für die Darstellung einer Fruchtbarkeitsgöttin und ließ obendrein die Materialität derart schonungslos für den Betrachter erfassbar? Zufall oder Konzept? Künstlerische Willkür oder kausaler Zusammenhang? Besteht etwa eine ideelle Beziehung zwischen Walross und der Vorstellung von Fruchtbarkeit? Letzteres lässt sich tatsächlich nachweisen: Im Physiologus, der frühchristlichen Naturlehre, vermutlich im 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden, einer Sammlung von ursprünglich altgriechischen Texten über Tiere, Pflanzen, Steine und Fabelwesen, worin deren beschriebene Eigenschaften unter erstaunlichen Verrenkungen zu Allegorien des christlichen Heilsgeschehens gedeutet werden, wird das Walross erwähnt. Das Tier wird als „König der Fische“ beschrieben, der maßgeblich für die Fruchtbarkeit der Fische verantwortlich sei: „Vom Walross. Das Walross hat von der Mitte und nach oben die Gestalt eines Pferdes, von der Mitte abwärts die Gestalt eines Walfisches. Dieses Walross aber wandert im Orient im Meer und ist Anführer aller Fische, sitzt gern auf einer Klippe […] und es sieht wie eitel Gold aus. […] Und wenn die Fische des Meeres brünstig werden, schwimmen sie zum Walross […] und dieses zieht als Anführer aller Fische nach Osten […] und mit ihm schwimmen alle weiblichen Fische […]. Wenn sie nämlich nicht zum Walross kommen, es umschmeicheln und als König der Fische verehren, werden sie nicht trächtig. Wenn sie aber zum Walross wandern, ziehen die weiblichen Fische vorweg und die männlichen kommen nach. Also spannen die Fischer ihre Netze auf ihrem Weg aus; die weiblichen Fische aber, die voller Brunst sind, geraten leicht in die Netze und werden zur Beute der Fischer. So werden auch die Menschen, die trunken sind von den Freuden des Lebens, zur Beute der feindlichen

Christian Theuerkauff, Die Bildwerke in Elfenbein des 16.–19. Jahrhunderts, Bd. 2: Die Bildwerke der Skulpturengalerie, Berlin (Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz) 1986, 164–167. 26 Elisabeth Grünenwald, Katalog der Werke Leonhard Kerns und seines Umkreises, in: Ausstellungskatalog Harald Siebenmorgen (Hg.), Leonhard Kern (1588–1662). Meisterwerke der Bildhauerei für die Kunstkammern Europas, Schwäbisch Hall (Hällisch-Fränkisches Museum) 1988/89, 198, Kat.-Nr. 92. 27 Kaiser-Friedrich-Museumsverein, Inv.-Nr. M152a, Dauerleihgabe an die Staatlichen Museen zu Berlin, Skulpturensammlung, Berlin. 28 Haag 2007 (zit. Anm. 2), 78, Nr. 21. 29 Gudrun Swoboda, Die Wege der Bilder. Eine Geschichte der kaiserlichen Gemäldesammlungen von 1600 bis 1800, Wien 2008, 42 f. 25

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Mächte. Wenn die Fische vom Walross zurückkehren, schwimmen die männlichen Tiere voraus und die weiblichen kommen nach. Die Männchen nun stoßen den Laich aus, die Weibchen aber folgen ihnen und nehmen den Samen durch den Mund auf und werden sogleich trächtig […] und gebären innerhalb von sieben Tagen […]; dann trennen sie sich voneinander und werden nicht mehr gefangen.“30 Das Walross also bringt den Fischen Fertilität und bewahrt sie davor, zur leichten Beute der Fischer zu werden. Worin aber besteht der Sinn dieser merkwürdigen Abhandlung über Fortpflanzungsverhalten und „Schwangerschaft“ von Fischen? Der Vergleich der brünstigen Fischweibchen mit lasterhaften Menschen, die dem Verderben anheimfallen, deutet es bereits an, und der Schluss des Kapitels, seine christlich moralische Pointe, macht es vollends klar: „Auch du also, Christenmensch, schwimme nach Osten, will sagen, zur Kirche, und verehre das Walross, das meint den Herrgott, und werde schwanger mit dem ­Heiligen Geist und trenne dich von Sünde und Unreinheit, und du wirst nicht mehr zur Beute der feindlichen Mächte. Schön hat der Physiologus vom Walross gesprochen.“31 Ob Leonhard Kern die spätantike Schrift persönlich gelesen hat, ist ungewiss. Gänzlich auszuschließen ist dies immerhin nicht. Bekanntlich hatte er als Jugendlicher, da eine Tätigkeit als Bildhauer ursprünglich nicht vorgesehen war, das hohenlohische Landesgymnasium in Öhringen besucht; er war also auf einer Lateinschule humanistisch erzogen worden.32 Sein Horizont war weit – er verfügte auch über eine für seine Zeit ungewöhnlich ausgedehnte Reiseerfahrung. Als einer von ­wenigen deutschen Künstlern des 17. Jahrhunderts hatte er eine längere Auslandsreise unternommen. Über Italien war er sogar bis nach Nordafrika gelangt und mit orientalisch-islamischer Kultur in Berührung gekommen. Der Heimweg von Italien ­führte ihn über Slowenien.33 In Italien war er insgesamt vier Jahre lang tätig gewesen und hatte in Rom eine Akademie besucht.34 Der Physiologus gehörte

30 Physiologus, Griechisch/Deutsch, übersetzt und hg. von Otto Schönberger, Stuttgart 2001, 95–97. 31 Ebenda, 97. Der altgriechische Text des Physiologus spricht allerdings von „Hydrippos“ (wörtlich übersetzt: „Wasserpferd“). Die Bezeichnung „Walross“, die die hier zitierte neueste deutsche Übersetzung von Otto Schönberger 2001 wählte, wie auch bereits die Übersetzung von Otto Seel 1960, ist nicht unumstritten: Horst Schneider bemerkte in seiner Rezension der Übersetzung von Schönberger, dies sei irreführend. Das Walross (Odobenus rosmarus) sei zwar in Norwegen, Finnland und Grönland bekannt gewesen, aber im übrigen Europa blieben die Vorstellungen über dieses Tier bis ins 17. Jahrhundert „nebulös und phantastisch“. Der Physiologus hätte auch eine andere Robbenart als das heute so bezeichnete Walross gemeint haben können (siehe Horst Schneider, Physiologus, Griechisch/Deutsch, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart 2001 (Reclam), in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 5, 2002, 1019–1034). Es darf aber wohl angenommen werden, dass dem Physiologus überhaupt keine reale Robbenart vorschwebte – bereits Otto Seel wies darauf hin, dass der Erzählung vom Hydrippos vermutlich ein fernöstliches Märchen zugrunde liegt (Otto Seel, Der Physiologus. Tiere und ihre Symbolik, Zürich 1995, 121). Die vom Physiologus beschriebene Gestalt des Hydrippos als Mischung aus Pferd und Wal gleicht denn auch eher einem hippokampenartigen Fabelwesen, wie es noch im 17. Jahrhundert von Ulisse Aldovrandi als „equus marinus monstrosus“ überliefert wurde (Vlyssis Aldrovandi Patricii Bononiensis Monstrorvm Historia. Cvm Paralipomenis Historiæ Omnivm Animalivm […], Bononiae 1642, 365). Jenes als „Rosmarus“ bezeichnete Tier, das sowohl der schwedische Geograf und Bischof von Uppsala Olaus Magnus (1490–1597) beschrieb (Historiae de gentibus septentrionalibus, Romae 1555, Cap. XXVIII, 757) als auch der Schweizer Naturforscher und Arzt Conrad Gessner (1516–1565; Historia animalium lib. IV qui est de piscium et aquatalium natura, 1558, 210) trägt ebenfalls stark fabulöse Züge, ähnelt aber schon eher dem, was uns heute als Walross bekannt ist. Vor allem sind hier die Stoßzähne beschrieben. Wenn im Inventar Leopold Wilhelms von „meer ross“ die Rede ist (siehe oben), so muss damit wohl dieser „Rosmarus“ gemeint sein. Die Begriffe ähneln sich alle und natürlich kann man für das 17. Jahrhundert keine zoologisch wissenschaftliche Präzision im heutigen Sinn voraussetzen. Festzuhalten ist aber, dass es eine vage Vorstellung von einem pferdähnlichen Tier im Meer gab, auf das der poetische Physiologus-Text projiziert werden konnte. 32 Siehe Herta Beutter, „Ein kunstlicher geschwinder Bildhauer, alles Lobs und Ehren wert“. Biografische Notizen zu Leonhard und Amalia Kern, in: Ausstellungskatalog Harald Siebenmorgen (Hg.), Leonhard Kern (1588–1662). Meisterwerke der Bildhauerei für die Kunstkammern Europas, Schwäbisch Hall (Hällisch-Fränkisches Museum) 1988, 15–30, hier: 15. 33 Ebenda, 16. 34 Der Studienaufenthalt ist im 1662 abgefassten Nekrolog auf Leonhard Kern im Kirchenbuch der Pfarrkirche St. Michael in Schwäbisch Hall beschrieben. Ob es sich bei der hier genannten „Academi“ in Rom um die Accademia di San Luca handelte oder eher um ein Studium in einer privaten Meisterwerkstatt, lässt sich nicht belegen. Siehe Eike D. Schmidt, Das Elfenbein der Medici, München 2012,

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nicht nur im Mittelalter, sondern auch noch in Renaissance und Barockzeit zum Bildungskanon.35 Vor dem Hintergrund des Walross-Kapitels erscheint Leonhard Kerns Kompositionsidee, seine Entscheidung zur Darstellung einer Fruchtbarkeitsgöttin in einem Walrosszahn, und vor allem die herausfordernde Zurschaustellung der Naturalie, also der materialikonologische Zusammenhang zwischen Abundantia/Pomona und Walrosszahn, als geradezu zwingend. Als wollte der Künstler den Passus des Physiologus illustrieren, schnitzte er seine Abundantia/Pomona gleich einem Attribut für die sinnbildliche frucht- bzw. heilbringende Wirkung des Tieres in dessen identifizierbar gebliebenes Relikt. Zieht man die christliche Interpretation des Tieres im Physiologus in Betracht – das Walross als Bild für Gottvater, der den Gläubigen vor dem Bösen beschützt – so drängt sich zudem ein Zusammenhang zum geistlichen Stand des Eigentümers und auch zum historischen Kontext der Entstehungszeit auf. Im Zeitalter von Glaubensspaltung und Dreißigjährigem Krieg bzw. dessen Überwindung konnte der katholische Erzherzog Leopold Wilhelm als mehrfacher Bischof, Hoch- und Deutschmeister und zweimaliger Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armeen36 das anspielungsreiche Objekt nicht nur als Allegorie des Glaubens, sondern womöglich sogar als Sinnbild der umstrittenen Rechtgläubigkeit verstehen. Der protestantische Bildhauer Leonhard Kern mag dabei vielleicht in die gleiche, wenn auch konfessionell entgegengesetzte Richtung gedacht haben. Abundantia/Pomona im Walrosszahn erscheint mit ikonologischem Hintergrundwissen in jedem Fall als Mahnung zum Glauben.37 Der Gegensatz zwischen der Darstellung einer nackten heidnischen Göttin einerseits und christlich spirituellen Gedanken andererseits wird durch die Wahl des Materials und dem damit verbundenen Bezug zur altehrwürdigen christlichen Naturdeutung entschärft. Sicher wusste Leonhard Kerns mehrdeutiges Objekt durch

79–80; ferner: Maaike van Rijn, Kern Leonhard, in: De Gruyter Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 80, Berlin – Boston 2014, 101 f. 35 Ohne hier ikonografische Fallstudien zu betreiben, die an dieser Stelle zu weit vom Thema wegführen würden, seien nur drei hinlänglich bekannte Themen aus der Welt des Physiologus beispielhaft genannt, die sich aufgrund ihrer christlich-allegorischen Auslegungen bereits im mittelalterlichen und noch immer im frühneuzeitlichen Kunstschaffen niederschlugen. Bekanntheitsgrad und Verbreitung des Texts werden hier deutlich: Die Vorstellung von der Fürsorglichkeit des Pelikans, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt, geht vor allem auf den Physiologus zurück. Ebenso die Sage vom Einhorn, das für den Jäger unerreichbar bleibt, aber einer Jungfrau den Kopf zahm in den Schoß legt und sich nur von ihr fangen lässt. Die Deutung der Stärke des Diamanten auf Christus hin – Adamas, der Unbezwingbare, der härteste Stein, überwindet alles und wird selbst durch nichts bezwungen, so wie Christus alle richtet, selbst aber von niemandem gerichtet werden kann – geht ebenfalls auf den Physiologus zurück. Der altgriechische Text ist in vier verschiedenen sogenannten Redaktionen überliefert. Deren zeitliche Entstehung überspannt fast ein Jahrtausend. Sie wurden in Latein und in die verschiedensten Volkssprachen wie Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, aber auch Flämisch, Isländisch, Provenzalisch, Rumänisch, Russisch, Bulgarisch, Serbisch, Syrisch, Armenisch, Koptisch, Arabisch etc. übersetzt (siehe Peter Gerlach, Physiologus, in: Lexikon der christlichen Ikonografie, Bd. 3, Rom – Freiburg – Basel – Wien 1994, 432–436). Die vier verschiedenen Redaktionen, die nebeneinander bestehen und bestanden, unterscheiden sich in den besprochenen Themen und Tieren. Das Kapitel über das Walross ist in der sogenannten Zweiten byzantinischen Redaktion überliefert (siehe Stavros Lazaris, Le Physiologus grec, Bd. 1: La réécriture de l’histoire naturelle antique, Florenz 2016, 50). Deren Entstehung wird für das 5./6. oder 11./12. Jahrhundert angenommen (siehe Schneider 2002, zit. Anm. 31, 1023). Sie wurde im altgriechischen Originaltext bis ins 17. Jahrhundert in 31 verschiedenen Ausgaben überliefert. Vierzehn davon datieren aus dem 16. Jahrhundert, vier aus dem 17. Jahrhundert (siehe Lazaris 2016, zit. oben, 73–75). Das Walross-Kapitel fehlt allerdings in zwei zu Lebzeiten Leonhard Kerns erschienen lateinischen Übersetzungen: Sancti Patris Nostri Epiphanii, Episcopi Constantiae Cypri, ad Physiologum, Antverpiae 1588, sowie Sancti Epiphanii Episcopi Constantiae Cypri, Opera Quae Extant Omnia : Hac postrema editione partim auctiora Physiologo & Homiliis aliquot (etc.), Coloniae 1617. Auf welchem Weg Kern Kenntnis vom Physiologus und der Interpretation des Walrosses bekommen konnte, kann hier nicht nachgewiesen werden. 36 Zur Rolle Erzherzog Leopold Wilhelms als kaiserlicher Oberbefehlshaber im Dreißigjährigen Krieg siehe Stefan Krause, Inuito alla guerra – Einladung zum Krieg. Erzherzog Leopold Wilhelm als Heerführer, in: AK Wien 2014 (zit. Anm. 1), 21–26. 37 Der religiöse Charakter des Objekts scheint auch in der Sammlung Karls VI. noch nicht ganz vergessen gewesen zu sein, stand doch die Abundantia/Pomona in ihrem Kompartiment in der Vitrine im Schwarzen Kabinett neben zwei weiteren anscheinend aus Elfenbein geschnitzten Objekten sakralen Inhalts: einem Kruzifixus und einem Christus an der Geißelsäule (siehe Abb. 4).

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­ ereinnahme antiker Inhalte in ein religiöses Konzept die geistigen Interessen eines H humanistisch gebildeten geistlichen Sammlers anzuregen. Religiosität und Profanität gehen am Objekt ineinander über. Dies fügt sich in die eingangs beschriebene duale Struktur des Werks, und auch Sabine Haags Datierung findet Bestätigung – scheint sich doch der festgestellte inhaltliche Wandel innerhalb von Leonhard Kerns Gesamtœuvre genau hier zu vollziehen. Abundantia/Pomona markiert exemplarisch und konkret die Verschiebung der Interessen des Künstlers. Der Platz des Objekts in der frühen, enzyklopädischen, aber mit geistlichem Schwerpunkt ausgerichteten Sammlung des jungen Erzherzogs erscheint demnach plausibel. Dies mit einer Konsequenz, die annehmen lassen könnte, Leonhard Kern habe das Objekt nicht für den freien Markt, sondern möglicherweise gezielt für – oder gar im Auftrag von – Leopold Wilhelm geschaffen. Denn nicht nur inhaltlich, auch in formaler Hinsicht mag der kunstsinnige Erzherzog an dem Stück Gefallen gefunden haben, nimmt es doch unübersehbar auf den von Leopold Wilhelm hochgeschätzten Albrecht Dürer und dessen Kunst Bezug: „Dann warhafftig steckt die kunst inn der natur / wer sie herauß kann reyssen der hat sie“.38 Dürers berühmter Satz aus dem Ästhetischen Exkurs im dritten Buch seiner Vier Bücher von menschlicher Proportion wird nicht zuletzt ausschlaggebend für Kerns ungewöhnliche Kreation gewesen sein. Mag Dürers Auffassung generell für so manches Kunst und Natur verschränkende Objekt von Bedeutung gewesen sein, so scheint Kern jedoch Dürers Sentenz hier wörtlich umzusetzen und nachgerade zu illustrieren. Das Figürchen der Pomona, nicht etwa hinzugefügt und nachträglich oben auf den Zahn gesetzt, sondern vielmehr aus diesem selbst herausgearbeitet, erweckt fast den Eindruck, dass es, ursprünglich im Zahninneren verborgen, erst durch Kerns Fertigkeit freigelegt und sichtbar geworden ist. Kerns perfekte Ausarbeitung der kleinen Göttin soll wohl vor Augen führen, dass auch er es „kann“, der Natur eine Figur zu entreißen und dass auch er, getreu der Formulierung Dürers, die Kunst somit „hat“. So schlüssig sich Kerns Werk als eine bildlich konkretisierte Umsetzung von Dürers Diktum verstehen lässt, so mag doch auch Michelangelo und sein Konzept der Formbefreiung aus amorpher Materie per forza di levare zu bedenken sein, das an mehrfach überlieferten Werken wohl auch für den italienerfahrenen Kern zu sehen war. Anders als der Florentiner Meister bearbeitete Kern jedoch keinen kristallinen Marmorblock, sondern eine organische Substanz, die nicht amorph, sondern von der Natur vorgeformt war und deren spitz zulaufende Biegung Pomonas Haltung bestimmt. Materialbedingt von zierlicher Größe und überaus fein ausgeführt, unterscheidet sie sich essenziell von Michelangelos gewaltigen non finiti, die pathetisch den qualvollen Prozess künstlerischen Ringens um Gestaltung vergegenwärtigen. Niedlich und mitnichten kolossal, keine heroisch-männliche, sondern eine liebreizend weibliche Figur, posiert die Fruchtbarkeitsgöttin anmutig auf – hier toter – Natur, aus der sie herausgewachsen bzw. der sie dank Kerns Kunst „entrissen“ worden ist.39 Schon Wilhelm Waetzold und nach ihm Fedja Anzelewsky wiesen darauf hin, dass Dürer im Zusammenhang mit seiner Proportionslehre im oben zitierten Satz das Wort „Kunst“ wohl als „Gesetzmäßigkeit“ verstand – der Künstler müsse die Gesetzmäßigkeit der Natur bei der Bildung des menschlichen Körpers, also die richtigen Proportionen und ihre von Dürer angenommenen mathematischen Prinzipien, erkennen, verstehen und wiedergeben.40 Auch dies scheint Leonhard Kern bewusst 38 Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion, Nürnberg 1528, zit. nach: Fedja Anzelewsky, Dürer. Werk und Wirkung, Erlangen 1988, 250; siehe auch Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion (1528). Mit einem Katalog der Holzschnitte, hg., kommentiert und in heutiges Deutsch übertragen von Bertold Hinz, Berlin 2011, 229 f., 310. 39 Nicht nur, dass die Figur der Fruchtbarkeitsgöttin im Kern einer Naturalie steckt – Naturalien bilden freilich auch das ureigene Element dieser Göttin, gewissermaßen ihren Kern. Leonhard Kern ringt nicht qualvoll mit der Materie, er spielt geistvoll mit ihr. Ob er gar ein sinniges Wortspiel mit seinem Namen betrieben hat? 40 Wilhelm Waetzold, Dürer und seine Zeit, Wien 1935, 275; Anzelewsky 1988 (zit. Anm. 38), 250.

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gewesen zu sein, wie er überhaupt mit Dürers Proportionslehre offensichtlich vertraut war. Denn die untersetzten Formen seiner weiblichen Gestalten, von Grünenwald und Theuerkauff kontrovers diskutiert, entsprechen genau den Proportionen einer der weiblichen Idealfiguren, die Dürer in seiner Schrift detailliert beschreibt und abbildet (Abb. 6). Die stämmigen kurzen Beine, die ausladenden Hüften, der auffällige Knick von dort zur schmalen Taille, die eher flachen Brüste und die gerundeten Schultern finden ihr Vorbild im von Dürer beschriebenen Schema. Interessanterweise ähnelt Kerns Fruchtbarkeitsgöttin gerade jener von Dürer als A1 bezeichneten Frauenfigur, die er im erläuternden Text als „starkes, dickes, bäurisches

Abb. 6: Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion, Nürnberg 1528, Buch 1, fol. B II r, weibliche Proportionsfigur A I. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 4° Dürer-Ct 152/5. (© Germanisches Nationalmuseum.)

Weib“ beschreibt.41 Welcher Typ würde sich für eine Göttin des Gartenbaus und der Früchte besser eignen? Wobei Leonhard Kern mit dieser derben, rustikalen Auffassung der Fruchtbarkeitsgöttin gerade im süddeutschen Raum nicht alleinstand. Bereits um 1540 entwarf der sogenannte „Meister der Budapester Abundantia“ die Bronzestatuette einer Allegorie des Überflusses, die in mehreren unterschiedlichen Abgüssen und Varianten überliefert ist.42 Sie ist als Brunnenfigur mit Wasser spritzenden Brüsten und Mund erhalten, aber auch in Versionen ohne die Funktion als Wasserspeier; die verschiedenen Abgüsse zeigen das Füllhorn (das nicht an allen Exemplaren vorhanden ist) in der rechten Hand, den Griff der linken an die Brust und eben auch jene stämmigen, untersetzten Körperformen (Abb. 7). Wie anders hingegen, zum Beispiel in den Proportionen gelängter, in der Erscheinung eleganter, wirkt eine in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien entstandene Pomona, die dem Venezianer Alessandro Vittoria (1525–1608) zugeschrieben wird (Abb. 8).43 Der Vergleich mit dieser Auffassung der Fruchtbarkeitsgöttin macht deutlich, um wieviel näher die süddeutschen Künstler bei Dürer liegen. Was allerdings das ikonografische Motiv des Griffs einer weiblichen Figur an die Brust betrifft, so wies bereits Lothar Freund in seinem Artikel zu „Abundantia“ im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte auf Cesare Ripas Iconologia hin.44 In der 1603 in Rom erschienen Ausgabe seines ikonografischen Nachschlagewerks stellte Ripa die Abondanza zwar mit Füllhorn in der rechten Hand dar, in die Linke gab er ihr allerdings ein Ährenbündel (Abb. 9).45 Eine weibliche Figur mit Füllhorn in der Rechten, die Linke aber an die Brust gelegt, gab Ripa sehr wohl auch wieder – allerdings bei einem anderen Thema: der Pietà (Abb. 10).46 In seinem Text erläutert Ripa die Pietà folgendermaßen: „[…] si tenga la man sinistra sopra il cuore, e con lo destra versi un Cornucopia, pieno di diversi cose utili alla vita humana.“ Und weiter: „La pietà è amor di dio, della patria, de figliuoli, & di padre, & madre“.47 In Hinblick auf Leonhard Kerns Abundantia/Pomona erscheint dies als signifikant. Die Geste der linken Hand kann als Fruchtbarkeitsgestus und Anspielung auf die milchspendende, nährende Brust gedeutet werden oder im Ripa’schen Sinn als Griff ans Herz und körpersprachlicher Ausdruck der Liebe zu Gott, die auch der Physiologus im Walross-Kapitel einfordert. Hier berühren sich bei Leonhard Kerns Werk die Ikonografie der Figur und die Ikonologie des Materials. Der Charakter des Objekts als religiöse Allegorie scheint demnach von zwei Seiten Erklärung zu finden.

41 Dürer 1528 (zit. Anm. 38), 31. 42 Nach der Statuette im Museum für bildende Kunst in Budapest (Inv.-Nr. 5311) erhielt der ansonsten unbekannte, wohl in Nürnberg oder Augsburg tätige Künstler seinen Notnamen. Weitere Exemplare dieser Abundantia finden sich im Cleveland Museum (Inv.-Nr. 71.104), im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg (Inv.-Nr. Pl. O. 561), im Bayerischen Nationalmuseum, München (Inv.-Nr. R 3289), im Victoria and Albert Museum, London (Inv.-Nr. 1334–1872), in Privatbesitz in Rom, in der Stiftsammlung Klosterneuburg (Inv.-Nr. KG 48) und in der Kunstkammer Wien (Inv.-Nr. KK 10081). Letztere soll hier als Abbildung genügen (siehe Abb. 7). 43 Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5720. 44 Lothar Freund, Abundantia, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1937, 106 f. 45 Cesare Ripa, Iconologia Overo Descrittione Di Diverse Imagini cauate dall’antichità, & di propria inuentione, Rom 1603, 1. 46 Ebenda, 401. 47 Ebenda, 402.

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Abb. 7: Meister der Budapester Abundantia, Brunnenfigur Abundantia. Um 1540. Bronze. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 10081. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 8: Alessandro Vittoria zugeschrieben, ­Pomona. 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Bronze. ­Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5720. ­ (© KHM-Museumsverband.)

Die hier vorgebrachte Deutung führt wieder zurück zu Erzherzog Leopold Wilhelm und seinen speziell gelagerten Interessen. Kerns Abundantia/Pomona erweist sich mit dem Bezug zu Dürers Proportionslehre von 1528 als ein Paradebeispiel für ein Kunstkammerobjekt im Zeichen der Dürerrenaissance im 17. Jahrhundert. Die Bewunderung für die Kunst des Nürnberger Meisters war auch rund hundert Jahre nach seinem Tod ungebrochen. Doch Originale von seiner Hand waren rar auf dem Markt. Kaiser Rudolf II. und Kurfürst Maximilian von Bayern (1573–1651) war es im Wettstreit gelungen, die bedeutendsten Gemälde Dürers zu erwerben. Andere Sammler mussten sich mit den kleinen und oft nicht authentischen Gemälden begnügen. So bestand eine Nachfrage nach und eine entsprechende Produktion von Werken, die dem Stil Dürers entsprachen und oftmals sogar als Originale von der Hand des Meisters selbst galten. Dies betraf auch das Medium der Skulptur, da man lange überzeugt war, Dürer hätte auch als Bildhauer gearbeitet.48 Wie Gustav Glück aufzeigte, scheint Erzherzog Leopold Wilhelm, als „vielleicht der erfolgreichste und vielseitigste Sammler, der je gelebt hat“,49 hierfür besonders anfällig gewesen zu sein. Glück zählt an die dreißig verschiedene Werke auf, Gemälde, Zeichnungen und skulpturale Objekte, die bei Leopold Wilhelm fälschlich als Dürer-Originale oder aber Kopien und Nachahmungen von Dürer-Werken galten.50 Zum Beispiel besaß

Sandrart schrieb in der Vorrede der Teutschen Academie, Dürer habe „auch absonderlich der Bildhauerey sich beflissen“. Siehe Joachim von Sandrart, L’Academia Todesca della Architectura, Scultura & Pittura oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste, Bd. 1.1, Nürnberg 1675– 1679, 5; siehe auch Ausstellungskatalog Herbert Beck – Bernhard Decker (Hgg.), Dürers Verwandlung in der Skulptur zwischen Renaissance und Barock, Frankfurt a. M. (Liebighaus Museum alter Plastik) 1981, 468–482. 49 Gustav Glück, Fälschungen auf Dürers Namen aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses  28, 1909/1910, 1–25, hier: 3. 50 Ebenda. 48

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Abb. 9: Abondanza. Aus: Cesare Ripa, Iconologia Overo Descrittione Di Diverse Imagini cauate dall’ antichità, & di propria inuentione, Rom 1603. Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 5456 A RES, S. 1. (© Universitätsbibliothek Heidelberg.) Abb. 10: Pietà. Aus: Cesare Ripa, Iconologia Overo Descrittione Di Diverse Imagini cauate dall’ antichità, & di propria inuentione, Rom 1603. Heidelberg, Universitätsbibliothek, C 5456 A RES, S. 401. (© Universitätsbibliothek Heidelberg.)

der Erzherzog die beiden sogenannten Dosenköpfe, runde Relieftafeln aus Holz mit den Porträts des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen und seiner Konkubine Anna, beide mit mythologisch geschmückten Deckeln, von einem unbekannten, wohl Nürnberger Bildschnitzer, dem sogenannten „Meister der Dosenköpfe“.51 Die beiden Tondi sind im Inventar der Kunstkammer Leopold Wilhelms von 1659 beschrieben und dort als Originale von Dürer bezeichnet.52 Das Porträt der Anna ist auf der Rückseite sogar mit dem legierten Dürer-Monogramm beschriftet. Auch andere Werke Leonhard Kerns können im Zeichen der Dürerrenaissance gesehen werden. Manfred Leithe-Jasper verwies in diesem Zusammenhang auf den Christus in der Rast (Abb. 11), der nicht nur den Torso vom Belvedere rezipiert, sondern auch Albrecht Dürers Sitzenden Schmerzensmann vom Titelblatt seiner 1511 geschaffenen Kleinen Passion (Abb. 12).53 Diese Alabasterskulptur war ebenfalls im Besitz von Leopold Wilhelm. Sie ist im Inventar seiner Sammlung von 1659 beschrieben.54 Auch der große Kruzifixus aus Holz von Leonhard Kern in der Geistlichen Schatzkammer in Wien ist an dieser Stelle anzuführen (Abb. 13).55 Das Werk befand sich jedoch nicht in der Sammlung des Erzherzogs, sondern in der Schatz-

51 Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, die Porträts Inv.-Nrn. KK 3879 und KK 3893; die Deckel Inv.-Nrn. KK 3879 und KK 3894. 52 „Zwey rondte Contrafait in Holcz geschnitten, in rondten Deckhen, auch auszgeschnitten. Von Albrecht Dürer.“ – Berger 1883 (zit. Anm. 11), CLXXIII, Nr. 260; siehe auch Glück 1909/1910 (zit. Anm. 49), 22. 53 Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 4429; siehe Ausstellungskatalog Karl Schütz (Hg.), Albrecht Dürer im Kunsthistorischen Museum, Wien (Kunsthistorisches Museum) 1994, 162, Kat.-Nr. 57 (Manfred Leithe Jasper). 54 „Ein Christus siczet in der Passion mit der Cron auf dem Haupt von Alabstr. Moderno. 1 Span 2 Finger hoch.“ – Berger 1883 (zit. Anm. 11), CLXX, Nr. 138. 55 Wien, Kunsthistorisches Museum, Geistliche Schatzkammer, Inv.-Nr. E 109.

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Abb. 11: Leonhard Kern, Christus in der Rast. Um 1625/35. Alabaster. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 4429. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 12: Albrecht Dürer, Der Schmerzensmann (Kleine Passion, Titelblatt). Um 1511. Holzschnitt, Typendruck. Wien, Albertina, Inv.-Nr. DG 1934/235. (© Wien, Albertina.)

kammer von Leopold Wilhelms kaiserlichem Bruder, Ferdinand III. Der Kruzifixus zählte im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert offenbar zu den besonderen Sehenswürdigkeiten der kaiserlichen Schatzkammer, denn er wurde in verschiedenen Reiseberichten als Werk Albrecht Dürers und Geschenk der Stadt Bremen an Ferdinand III. beschrieben.56 Ob man ihn aber auch am Hof des Kaisers selbst für ein Werk Dürers hielt, bleibt dabei unklar. Leopold Wilhelm hielt weder seinen Christus in der Rast noch die Abundantia/Pomona für Werke Dürers. So wird der Alabasterchristus im Inventar von 1659 als „Moderno“ bezeichnet, womit freilich die zeitgenössische Entstehung hervorgehoben wurde. Im Fall der Abundantia/Pomona darf man wohl annehmen, dass im Inventar von 1647 vermerkt wäre – ähnlich wie bei den Dosenköpfen im Inventar von 1659 –, wenn das „Venus bildt“ im „meer ross zant“ als Werk Dürers gegolten hätte. Leopold Wilhelm dürfte über die Urheberschaft dieser seiner beiden Skulpturen gut Bescheid gewusst haben, was vielleicht darauf schließen lassen könnte, dass er sie direkt von Leonhard Kern erworben hatte. Der Geschmack des Sammlers, eine gewisse Vorliebe für die Rezeption Dürers, letztlich also für die Kunst der Renaissance, wird an beiden Objekten dennoch deutlich. Bei der Abundantia/Pomona ist dies von besonderer Bedeutung, da sie, aufgrund ihrer Existenz in der Sammlung des Erzherzogs noch vor seiner Brüsseler Zeit, einen frühen Beleg für die künstlerischen Interessen Leopold Wilhelms darstellt. Sie gibt einen Hinweis, in welche Richtung sein Sammlerprofil sich tatsächlich weiterentwickeln sollte. Die umfangreiche Sammeltätigkeit des Erzherzogs während seiner Statthalterschaft in den Spanischen Niederlanden zielte einerseits auf zeitgenössische Barockmalerei, andererseits aber besonders auf Gemälde der Renaissance 56 Christian Theuerkauff, Addenda und Anmerkungen zum Katalog der Ausstellung „Leonhard Kern (1588–1662), 22.X.1988–15.I.1989 in Schwäbisch Hall, in: Harald Siebenmorgen (Hg.), Leonhard Kern (1588–1662). Neue Forschungsbeiträge, Schwäbisch Hall (Hällisch-Fränkisches Museum) 1990, 38–74, hier: 49–51.

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Abb. 13: Leonhard Kern, Kruzifix. Um 1625/30. Holz. Wien, Kunsthistorisches Museum, Geistliche Schatzkammer, Inv.-Nr. E 109. (© KHM-Museumsverband.)

ab.57 Hier wird ein weiterer bedeutsamer Aspekt der Abundantia/Pomona erkennbar. Sie vereint in sich die künstlerischen Vorlieben des Sammlers. Einerseits von einem zeitgenössischen Meister geschaffen, ist sie doch eng mit vorangegangener Kunst verbunden. Daneben steht sie sowohl für die humanistischen als auch geistlichen Interessen ihres Besitzers. Ihre so unterschiedlichen, reizvollen Facetten lassen sie als ein Paradigma von Leopold Wilhelms Kunstverständnis und seiner Sammellust verstehen.

SUMMARY

The small goddess of fertility, clutching a cornucopia, is carved out of the tip of a walrus-tusk, while the larger part of the tusk is unworked and even remains visibly stuck in its jawbone. For the first time this well-known curious artefact Abundantia/Pomona by Leonhard Kern (1588–1662) now in the Kunstkammer of the Kunsthistorisches Museum Vienna, is interpreted in terms of a Christian allegory and also as reflecting some of Albrecht Dürer’s art-theoretical ideas. Both references seem to come surprisingly close to the taste and preferences of the object’s very early (original?) owner, the archduke Leopold Wilhelm (1614–1662). Two literary sources are suggested to have been seminal for this unusual work, the didactic early-Christian text of the Physiologus and Dürer’s Four books on Human Proportion.

57 Siehe Francesca del Torre Scheuch, Leopold Wilhelm und die italienische Malerei, in: AK Wien 2014 (zit. Anm.  1), 81–91; Gerlinde Gruber, L’abondance et la diversité: Die Galerie Erzherzog Leopold Wilhelms. Niederländische Schulen, in: ebenda, 93–101.

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Gernot Mayer und Gudrun Swoboda

Gemälde aus den Sammlungen Albani, Braschi und des Vatikans Die Wiener Galerie als Profiteur des Napoleonischen Kunstraubs∗

CAUSA ALBANI

Als sich Fürst Carlo Albani (1749–1817)1 im September 1801 dazu entschloss, die kaiserliche Galerie im Oberen Belvedere zu besichtigen, galt sein Interesse insbesondere Neuerwerbungen der Sammlung. Doch als er die Galerieräume des Schlosses betrat, konnte er seinen Augen kaum glauben: An den Wänden sah der Fürst Gemälde, die ihm bestens vertraut waren, stammten sie doch aus seinem eigenen Besitz – Porträts von Familienmitgliedern, Szenen aus dem Leben seines berühmten Ahnen Papst Clemens XI. oder Bilder, die noch vor Kurzem als Sopraporten seinen römischen Palast geziert hatten. Auf das Staunen muss wohl Irritation, wenn nicht Ärger oder gar Wut gefolgt sein, doch davon schwieg Carlo Albani nobel, als er sein Erlebnis über zehn Jahre später Giuseppe Acerbi2 erzählte, der davon seinerseits wie folgt berichtet: „Ich nahm einen Fiaker und machte Fürst Albani einen Besuch, mit dem wir eine Stunde angenehm verbrachten. Wir sprachen von Politik und Gemälden. Unter anderem erzählte er uns, dass er, als er [einmal] in die Galerie im Belvedere ging, um sich viele Neuerwerbungen anzusehen, dort mehr als 60 Gemälde aus seinem Palast in Rom vorfand. Der Kaiser erfuhr davon und ließ ihm sagen, dass man ihm die Bilder, die er als die seinen wiedererkenne, nach Hause bringen solle. Der Fürst sagte, dass er sie Seiner Majestät überlasse. Der Kaiser wollte sie bezahlen und nach langem Hin und Her vermittelte schließlich Direktor Füger, schätzte die Bilder und der Kaiser ließ dem Fürsten die Summe zukommen.“3 Ob man dieser Erzählung Glauben schenken darf? Tatsächlich weisen einige Inventareinträge der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums auf eine Albani-Provenienz hin, wobei stets unterschiedliche Erwerbungsjahre – 1800, 1801 oder 1802 – verzeichnet sind. Die genauen Umstände, unter denen diese Gemälde einst nach Wien kamen, lagen bisher weitgehend im Dunkeln. Zwar erwähnte bereits Eduard von Engerth den Erwerb dieser Bilder, doch blieben seine Anmerkungen von der *

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Abb. 1: Gaspar Andriaensz van Wittel, gen. Vanvitelli, Ansicht des Petersplatzes in Rom. Um 1703/10. Leinwand, 44,5 x 84,2 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1663. (© KHM-Museumsverband.)

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Die Autoren danken Brigitte Kuhn und Fabrizio Massimo für ihre Hilfe in den römischen Sammlungen, Mario Döberl, Eva Götz und insbesondere Matteo Borchia, der freundlicherweise Einblick in ein zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichtes Inventar der Sammlung Albani (vgl. Anm. 10) gewährte. Zur Person Carlo Albani siehe weiter unten. Der italienische Gelehrte Giuseppe Acerbi (1773–1846) ist vor allem für seine Reiseberichte und als Herausgeber der Biblioteca Italiana bekannt. „Preso un fiacchero e fatta una visita al principe Albani, col quale ci trattenemmo un’ora piacevolmente. Abbiamo parlato di politica e di quadri. Tra l’altre cose ci disse che, andando a vedere nella galleria del Belvedere molti acquisti fatti, vi trovò da 60 e più quadri del suo palazzo a Roma. L’imperatore lo seppe e gli fece dire che tutti i quadri che riconosceva per suoi dovesse farli portare a casa sua. Il principe disse che li lasciava a S. M. L’imperatore volle pagarli e, dopo molte cerimonie, il diret[tore] Füger fu il mediatore, li stimò e l’imperatore fece pervenire il valore al principe.“ Zit. nach Manlio Gabrieli (Hg.), Il giornale di Vienna di Giuseppe Acerbi (settembre-dicembre 1814), Mailand 1972, 93.

späteren Forschung weitgehend unbeachtet.4 Das geringe Interesse an diesen Gemälden mag auch auf das negative Urteil Theodor von Frimmels zurückzuführen sein, demzufolge es sich bei den Albani-Bildern um durchwegs schwache Werke geringer Qualität gehandelt habe, die in der Galerie „bleibende böse Spuren“ hinterließen.5 Verdeutlichten bereits frühere Recherchen, dass Frimmel in diesem Punkt irrte und 1800 besonders hochrangige Gemälde in die kaiserliche Galerie integriert wurden,6 lassen nun neue Quellenfunde diesen Aspekt der Sammlungsgeschichte des Kunsthistorischen Museums in neuem Licht erscheinen. Durch die Auswertung der betreffenden Dokumente konnten neue Erkenntnisse zur Gemäldesammlung Albani gewonnen werden – einer Sammlung, die im Unterschied zu den berühmten Antiken,7 den Zeichnungen8 und den Büchern wie Manuskripten9 dieser Familie bislang wenig erforscht war.10 Im Zuge der Recherchen stellte sich jedoch heraus, dass zusammen mit den Albani-Bildern auch Werke mit anderer römischer Provenienz nach Wien gelangten, was zu einer Erweiterung der Forschungsperspektive führte und eine bislang unbekannte Facette der Wiener Galeriegeschichte ans Licht brachte: die österreichische Teilhabe am französischen Kunstraub.11

Eduard von Engerth, Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Gemälde. Beschreibendes Verzeichniss, Bd. 1: Italienische, spanische und französische Schulen, Wien 1882, LXX– LXXI. Engerth verweist auch bei einigen Katalogeinträgen – etwa S.  149 (Nr.  211) oder S.  207  f. (Nrn. 293, 295–297) – auf deren Herkunft aus der Sammlung Albani. 5 Theodor von Frimmel, Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen, Bd. 1: Die kaiserliche Gemälde­ sammlung, Leipzig 1898, 264. Gudrun Swoboda, Die Wege der Bilder. Eine Geschichte der kaiserlichen Gemäldesammlungen von 6 1600 bis 1800, Wien 2008, 128 f. 7 Die Antikensammlung Albani gilt neben der päpstlichen als die prominenteste Sammlung dieser Art im 18.  Jahrhundert und ist ein dementsprechend beforschter historischer Gegenstand. Ein Großteil der Antikensammlung war von Kardinal Alessandro Albani zusammengetragen worden, der zugleich auch der römische Protektor und Mäzen Johann Joachim Winckelmanns war. Zu Alessandro Albani siehe etwa: Steffi Röttgen, Alessandro Albani, in: Herbert Beck – Peter C. Bol (Hgg.), Forschungen zur Villa Albani. Antike Kunst und die Epoche der Aufklärung, Berlin 1982, 123–153; Gianni Sofri – Lesley Lewis, Lemma Alessandro Albani, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. I, 1960, 595–598 (mit weiterführender Lit.). Diese Sammlung war ursprünglich im Familienpalast an der Piazza delle Quattro Fontane angesiedelt, nach der Jahrhundertmitte im Neubau der Villa Albani an der Via Salaria. 8 Simonetta Prosperi Valenti Rodinò, I disegni di casa Albani, in: Elisa Debenedetti (Hg.), Alessandro Albani patrono delle arti, Rom 1993, 15–48. 9 Zu den Resten der Albani-Bibliothek in Montpellier siehe Ada Alessandrini, Cimeli Lincei a Montpellier, Rom 1978. Zum Schicksal der von Daunou 1798 „ausgesuchten“ Bücher und Manuskripte, die nach Paris gelangten, siehe Marie-Pierre Laffitte, La Bibliothèque nationale et les „conquête artistiques“ de la Révolution et de l’Empire: les manuscrits d’Italie (1796–1815), in: Bulletin du Bibliophilie 2, 1989, 273–323; dies., Quelques manuscrits de la bibliothèque Albani, in: Bulletin du Bibliophilie 1, 1985, 35–60, bes. 40. 10 Hervorzuheben sind die beiden rezent entstandenen Studien: Matteo Borchia, Dipinti e opere d’arte in Casa Albani. L’allestimento delle collezioni di familia in un inventario del 1724, in: Elisa Debenedetti (Hg.), Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) nel duplice anniversario (Studi sul Settecento Romano, Bd. 34), Rom 2018, 227–290; Maria Gabriella Matarazzo, „Si compiace della pittura“: i rapporti di Gianfrancesco Albani con Cristina di Svezia, Bellori e Maratti, in: Ausstellungskatalog Lucia Simonato (Hg.), Il Cardinale Gianfrancesco Albani tra Roma e Urbino, Urbino 2017, 55–79. Siehe auch Arturo Jahn Rusconi, Les collections particulières d’Italie. Rome. Les collections Colonna et Albani, in: Revue de l’art CIII, 1905, 281–290; Italo Faldi, Tre dipinti del Settecento provenienti da Palazzo Albani, in: Notizie da Palazzo Albani, 1975, 34–37; Elisa Debenedetti, I Della Rovere e due dipinti della quadreria Albani, in: Sergio Rossi – Stefano Valeri (Hgg.), Le due Rome del Quattrocento. Melozzo, Antoniazzo e la cultura artistica del ’400 romano, Rom 1997, 254–272; dies., Alcune anticipazioni sulla quadreria Albani, in: Antonio Cadei et  al. (Hgg.), Arte d’Occidente. Temi e metodi. Studi in onore di Angiola Maria Romanini, Rom 1999, Bd. 3, 1199–1206; dies., La dispersione delle collezioni romane alla fine del XVIII e all’inizio del XIX secolo, in: Olivier Bonfait – Philippe Costa­ magna – Monica Preti Hamard (Hgg.), Le goût pour la peinture italienne autour de 1800 prédécesseur, modèles et concurrents du cardinal Fesch, Ajaccio 2006, 197–199. Siehe zudem das Gemälde-­Inventar ante 1712 in: Elisa Debenedetti et al. (Hgg.), Il Cardinale Alessandro Albani e la sua villa: documenti (Quaderni sul Neoclassico, Bd. 5), Rom 1980, 23–96. 11 Im Folgenden verwenden wir den in der Forschung etablierten Begriff „Kunstraub“, obgleich sich erst in dem hier behandelten Zeitraum ein Bewusstsein für die Rechtswidrigkeit von Plünderungen sowie für eine Rückgabepflicht zu entwickeln begann. Weber schlägt im Zusammenhang mit dem völkerrechtlich nie aufgehobenen Vertrag von Tolentino (1797) den neutralen Begriff der „Verbringung“ vor, siehe Peter Johannes Weber, Die Verbringung der Kulturgüter aus dem Kirchenstaat und ihre Rückholung am Ende der Napoleonischen Ära, in: Römische Quartalsschrift 94, 1999, 275–310, hier: 279. 4

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ROM – FERRARA – WIEN

Anders als bislang angenommen und wie bereits aus den einleitenden Passagen deutlich wurde, war es nicht etwa Fürst Carlo Albani selbst, der die „namhafte Bildersendung nach Wien geleitet“ hatte, um sie hier „der kaiserlichen Galerie zum Kaufe“12 anzubieten. Vielmehr handelte es sich bei den genannten Gemälden um doppeltes Raubgut: Zunächst von den französischen Besatzern in Rom geplündert, wurden sie 1799 von österreichischen Truppen beschlagnahmt und als Kriegsbeute nach Wien transportiert. Innerhalb nur weniger Monate wechselten diese Bilder mehrfach ihren Besitzer. Einige – keineswegs alle – wurden 1801 an Albani restituiert, andere befinden sich nach wie vor in Wien. Den historischen Hintergrund dieser Ereignisse bildete der Zweite Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich. Nach der Kriegserklärung vom 12. März 1799 war es österreichischen und russischen Truppen in kurzer Zeit gelungen, große Teile des französisch besetzten Norditaliens zu erobern. Nach dem Piemont und der Lombardei wurden auch ehemalige Gebiete des Kirchenstaats, darunter Ferrara und Bologna, eingenommen. Doch bereits ein Jahr darauf sollte Napoleon – inzwischen von seinem Ägyptenfeldzug zurückgekehrt und als Erster Konsul an die Staatsspitze geputscht – die Alpen überqueren und durch den Sieg bei Marengo (14.6.1800) die französische Vorherrschaft in Norditalien wiederherstellen (Abb. 2). Konnten sich die österreichischen Truppen folglich nur für einen sehr kurzen Zeitraum in Norditalien behaupten, nutzten sie gerade diesen Moment für die Beschlagnahme von Raubkunst. Jahre bevor Österreich selbst Opfer des Napoleonischen Kunstraubs werden sollte und die kaiserlichen Kunstsammlungen 1809 geplündert wurden,13 folgte man mit der Konfiszierung von Kriegsbeute dem Vorbild der Franzosen und profitierte von deren Plünderungspraxis.

Abb. 2: Jacques-Louis David, Napoleon am St. Bernhard. 1802/03. Leinwand, 246 x 231 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2342. (© KHM-Museumsverband.)

Über die problematische Herkunft der von österreichischen Truppen beschlagnahmten Werke bestand jedenfalls kein Zweifel. So schrieb der Außenminister Baron Thugut im Juni 1799: „Es wird von mehreren Orten versichert, die Franzosen sollen in Bologna einen grossen Theil der Seltenheiten und Kunstwerke, – als da sind: Antiken, Statuen, Gemälde und Naturalien, welche sie in Rom und dem unteren Italien aus öffentlichen und Privat-Galerien, aus Kunst-, Naturalien- und Münz-Cabinetten geraubt oder erpresst haben – derzeit noch aufbewahren“, und ordnete an, dass diese Kunstwerke „in Beschlag und sicherer Verwahrung bis zur Transportirung nach Wien genommen“ werden sollen.14 Obwohl also bekannt war, dass die genannten Objekte aus geplündertem Privat­ eigentum stammten, wurde der Frage nach deren konkreten und legitimen Besitzern offenbar nicht nachgegangen. Die Bilder aus der Sammlung Albani werden folglich in sämtlichen Dokumenten schlicht als „Quadri provenienti da Roma“ geführt; ihre exakte Provenienz dürfte tatsächlich erst durch einen Zufall – den eingangs geschilderten Besuch des Fürsten Carlo im Belvedere – erkannt worden sein. In seinen Lettres à Miranda kritisierte Quatremère de Quincy bereits 1796 die Plünderungen in Italien als unmoralisch, ja überhaupt die französische Eroberungspolitik, da sie die Umkehrung der Freiheit bewirke (siehe Antoine Quatremère de Quincy, Letters to Miranda and Canova on the abduction of antiquities from Rome and Athens, mit einer Einleitung von Dominique Poulot, Los Angeles 2012). Doch waren diese Ansichten in Frankreich alles andere als konsensfähig, Quatremère de Quincy wurde kurzfristig gar zum Tode verurteilt. „Ich gestehe,“ – so ein zeitgenössischer Kritiker Quatremères – „nicht glauben zu können, daß jemand, der eine gesetzmäßige und von allen Völkern praktizierte Handlung als eine ‚Plünderung‘ bezeichnet, ein Franzose ist.“ Zit. nach Édouard Pommier, Die Revolution in Frankreich und das Schicksal der antiken Kunstwerke, in: Quatrèmere de Quincy, Ueber den nachtheiligen Einfluß der Versetzung der Monumente aus Italien auf Künste und Wissenschaften (1796) (Schriften der Winckelmann-Gesellschaft, Bd. 16), Stendal 1998, 41–99, hier: 47. 12 Frimmel 1898 (zit. Anm. 5), 264. 13 Siehe dazu Sabine Pénot, Der napoleonische Kunstraub im Belvedere (1809) und seine Folgen, in: Ausstellungskatalog Matthias Pfaffenbichler (Hg.), Napoleon. Feldherr, Kaiser und Genie, Schallaburg 2009, 111–119; Bénédicte Savoy, Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Wien – Köln – Weimar 2011, 119–148. 14 Thugut an Melas und Kray, Wien, 28.6.1799; zit. nach Alfred Vivenot (Hg.), Vertrauliche Briefe des Freiherrn von Thugut, Bd. 2, Wien 1872, 173 f. Bologna wurde kurz darauf, am 30. Juni 1799, eingenommen; siehe Hermann Hüffer, Der Krieg des Jahres 1799 und die zweite Koalition, Bd. 1, Gotha 1904, 298.

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Abb. 3: Alberto Mucchiati, „Ferrara Liste“ von 1799: Invenatrio de Quadri provenienti da Roma, sequestrati in questa pubb.a Dogana d’Ordine della C.R. Reggenza […]. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse, fol. 1. (© ebenda.)

Diese Gemälde waren 1799 im Zollamt von Ferrara aufgefunden, sichergestellt und anschließend von dem Maler Alberto Mucchiati (1744–1828) inventarisiert worden. Obgleich dessen 176 Kunstwerke umfassendes Verzeichnis, das Ende desselben Jahres an die Wiener Staatskanzlei gesandt wurde, einige Mängel aufweist, handelt es sich um eine äußerst aufschlussreiche Quelle (Abb.  3).15 Neben fragwürdigen Zuschreibungen und zumeist abschätzigen Bewertungen16 verfügt dieses Verzeichnis nämlich über Maßangaben und führt Beschriftungen der Bilder an (Abb. 4 und 5), durch die einige Werke heute exakt identifiziert werden können (siehe Anhang, Dok. 1). Mucchiati war es auch, der – nachdem im Jänner 1800 die entsprechenden Anordnungen Baron Thuguts erfolgt waren17 – die Gemälde mit einer neuen Num-

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Wien, Österreichisches Staatsarchiv (OeStA), Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA), Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse […], fol. 107–112. Möglicherweise versuchte Mucchiati, die Bilder besonders wertlos erscheinen zu lassen, um deren Transport nach Wien zu verhindern. „Sapendosi, che in codesta Dogana si sono rinvenuti alcuni quadri e vari libri […] si compiacerà V. S. Illma di far trasmettere gli uni e gli altri a Vienna col rispettivo loro inventario“; Baron Thugut (?) an

Abb: 4 und 5: Rückseite der Gemälde GG 217 und GG 362. Die Nummern in Schwarz beziehen sich auf die „Ferrara-Liste“ (vgl. Dok. 1 im Anhang), die auf weißen Zettelchen angebrachten Zahlen korrespondieren mit der von Baron Thugut in Auftrag gegebenen Liste nach dem Jänner 1800. (© KHM-Museumsverband.)

merierung versah, abermals verzeichnete und für deren Verfrachtung in sechs Kisten verpackte.18 Es sollten mehrere Monate vergehen, ehe dem Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie, Joseph Rosa (1726–1805), die genannten Kisten von der Staatskanzlei am 14. Juli 1800 überstellt wurden.19 Rosa wählte hierauf aus den 176 – teils beschädigten20 – Werken 104 für die kaiserliche Galerie aus.21 Gemeinsam mit anderen Neuerwerbungen wurden diese Bilder in den Sala Terrena-Räumen des Oberen Belvedere aufgestellt.22 Nachdem Fürst Albani im Belvedere auf seine Bilder aufmerksam geworden war, dürfte er sich an den für die Gemäldegalerie zuständigen Oberstkämmerer, Graf Franz de Paula von Colloredo (1736–1806), gewandt haben. Colloredo, zugleich Kabinettsminister und seit Thuguts Rücktritt auch für die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich, war mit den Konfiszierungen von Kunstwerken in Italien bestens vertraut, ja er hatte deren Überstellungen an die kaiserliche Galerie selbst geleitet. Offenbar hat er Carlo Albani um detaillierte Angaben zu den geraubten Kunstwerken gebeten, denn mit einem Antwortschreiben vom 19. September 1801 sandte ihm der Fürst ein Verzeichnis all jener Werke, die er im Belvedere wiedererkannt hatte (siehe Anhang, Dok. 2).23 Bei Erstellung dieser etwa 100 Gemälde umfassenden Liste dürfte ihm Joseph

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Giuseppe Pellegrini, Wien, 15.1.1800, OeStA, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse […], fol. 122. Siehe das entsprechende Verzeichnis ebenda, fol. 130–135. Die neuen Nummern finden sich vereinzelt auch auf kleinen weißen Zettelchen auf der Rückseite mancher Gemälde des Kunsthistorischen Museums (vgl. Abb. 4 und 5). Siehe Empfangsbestätigung von Joseph Rosa (14.7.1800) ebenda, fol. 137. Rosa bat im November 1800 um finanzielle Kompensation für die notwendige Restaurierung der aus Italien nach Wien gelangten Bilder, die „zum theil sehr beschädigt sind, und einer baldigen Reperation unterliegen“; siehe Rosas Schreiben an das Obersthofmeisteramt vom 12.11.1800, OeStA, HHStA, Oberstkämmereramt (OKäA), SR, Karton 38a. Siehe Scielta dei Quadri arrivati dalla publica Dogana di Ferrara per la imperial. Galleria di Vienna 1800, OeStA, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse […], fol. 138 f. In diesen war bereits zuvor im Auftrag des Kaisers Platz geschaffen worden: Skulpturen und Büsten waren dem Münzkabinett übergeben worden, andere Plastiken sind in die Schatzkammer und die Habsburgerstatuen nach Laxenburg verbracht worden. Siehe OeStA, HHStA, OKäA, B, Karton  25, Z 77/1800, Joseph Rosa, 31.3.1800. Siehe Nota de’ quadri esistenti al Belvedere riconosciuti dal Pcpe Albani come appartenuti alla sua Galleria in Roma all’occasione dello Spoglio fattone da’ francesi l’anno 1798, OeStA, HHStA, OKäA, B, Karton 227, Z 2011/1826.

Abb. 6a und b: Joseph Rosa, Nota dei quadri essistenti nella imp:ereal Galleria di Belvedere, riconosciuti aver appartenuto a quella del Principe Albani, 20. November 1801. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Oberstkämmereramt, SR, 38a, recto und verso. (© ebenda.)

Rosa assistiert haben, folgen Bezeichnungen und Zuschreibungen doch bereits einem älteren Verzeichnis des Galeriedirektors. In dem genannten Brief beteuert Carlo Albani, keine Ansprüche auf diese Kunstwerke zu erheben; nur jene Bilder, die es nicht wert seien, in der kaiserlichen Galerie präsentiert zu werden – merkt er bescheiden an  –, würde er zurücknehmen. Die übrigen Bilder würde er dem Kaiser überlassen, wobei er durchaus eine finanzielle Entschädigung nach Schätzung eines Experten erwartete.24 Rosa suchte in der Folge 31  Bilder für die Galerie aus (Abb.  6) und ließ weitere 80 Gemälde an Fürst Albani zurückstellen (siehe Anhang, Dok. 3).25 Als Abschlags-

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„Suivant ce que j’ai eu l’honneur de marquer à Votre Excellence dans ma derniere lettre, j’ai été a la Gallerie de Belvedere pour examiner avec plus de précision les tableaux en question, et j’ai reconnu comme ayant incontestablement appartenu à ma Gallerie de Rome lors de la dispersion de tous mes Biens, ceux dont j’ai redigé la liste que je prens la liberté de rémettre ci-jointe à Votre Excellence. […] Si S. M. peut à tous les titres disposer de ma personne, Elle le peut encore plus de tout ce qui m’appartient; Elle peut donc garder indistinctement tous ces tableaux; Elle peut me rendre ceux qu’on ne jugerá pas dignes d’etre placer dans Sa Gallerie; Pour ceux qu’Elle voudrá garder, puisque VE m’a parlé de les faire evaluer, je me remets au jugement de la personne qui en será chargée de la part de S. M.; Peut etre le Directeur Rosa qui en fairá le choix sera, será a porté plus que tout autre de prononcer un sentiment convenable, et assurement j’ai la plus grande opinion de sa probité et de ses conaissances en fait de peinture. Mais je rapporte mon opinion entierement à la volonté de VE […]“; Carlo Albani an Graf Colloredo, 29.9.1801, OeStA, HHStA, OKäA, B, Karton 227, Z 2011/1826. Die Behauptung von Engerth, wonach Rosa später noch mehr Bilder aus der Sammlung Albani für die Galerie ausgewählt habe, konnte nicht nachvollzogen werden und dürfte auf einem Irrtum basieren. Siehe Engerth 1882 (zit. Anm. 4), LXX.

zahlung für die 31 Werke empfahl Rosa 2.000 Dukaten (9.000 Gulden),26 eine durchaus bescheidene Summe, bedenkt man, dass etwa zeitgleich ein einziges Gemälde um 7.000 Gulden für die Galerie erworben wurde.27

Abb. 7: Angelo Caroselli, Singender Mann. Um 1615/25. Holz, 53 x 43 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1583. (© KHM-Museumsverband.)

CARLO ALBANI

Unter den an Albani restituierten Werken befanden sich viele, die Rosa bereits 1800 als untauglich für die Galerie ausgemustert hatte, etwa fünf Zeichnungen oder Kopien nach Raffael und Correggio, zudem aber auch Bilder, die eng mit der Familie Albani verknüpft waren und deren Wert sich Rosa offensichtlich nicht erschloss: ehemalige Sopraporten aus dem römischen Familienpalast, Ansichten der Besitztümer der Albani von Gaspar van Wittel oder etwa das Gemälde Papst Clemens XI. reicht seiner Nichte Olimpia Albani den Nonnenschleier von Francesco Solimena.28 Dem Fürsten wurden jedoch nicht alle entwendeten Werke zurückerstattet oder abgegolten. Von den 176  Bildern aus Ferrara sind offenbar nur 111 als Werke der Sammlung Albani erkannt worden: 31, die man für die Galerie erwarb, und 80, die an Carlo Albani restituiert wurden. Wie viele der übrigen 65 Gemälde ebenfalls aus dem Besitz dieser Familie stammen, ist unklar. Auffallend ist jedenfalls, dass unter den von Carlo Albani identifizierten Werken etwa Angelo Carosellis Mann mit Notenblatt (Abb. 7) fehlt, obgleich dieses Bild bereits im frühen 18.  Jahrhundert im Besitz der Familie Albani aufscheint.29

Fürst Carlo Francesco (1749–1817) gehört zu den weniger bekannten Mitgliedern der Familie Albani, die mehrere Kardinäle und mit Clemens XI. auch einen Papst hervorbrachte. Er fungierte viele Jahre als Obersthofmeister von Erzherzog Ferdi­ nand Karl, der als Statthalter der Österreichischen Lombardei in Mailand residierte und dessen Gattin, Maria Beatrice d’Este, zugleich Carlos Cousine war.30 Bis zu seinem Tod blieb er der Familie Habsburg-Este eng verbunden. Mit dieser floh er 1796 vor den nahenden französischen Truppen aus Mailand; zunächst nach Wiener Neustadt, dann nach Wien, wo er in unmittelbarer Nähe der Habsburg-Este wohnte.31 Als mit dem Wiener Kongress der älteste Sohn von Erzherzog Ferdinand und Maria Beatrice d’Este zum Herzog von Modena ernannt wurde, begleitete Carlo Albani den nunmehrigen Francesco IV. als Obersthofmeister nach Italien. Kaum zwei Jahre später, am 19.1.1817, starb Fürst Albani in Modena. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in seinem Wiener Palais kaum noch Gemälde,32 denn Carlo Albani dürfte 26 Siehe Joseph Rosa, 28.11.1801, OeStA, HHStA, OKäA, SR, Karton 38a. 27 Diese Summe wurde 1801 für eine Ruhe auf der Flucht (wahrscheinlich das Gemälde von Filippo Lauri, GG 1651) dem Grafen Franz von Thurn gezahlt; siehe OeStA, HHStA, OKäA, SR, Karton 38a; vgl. Eduard von Engerth, Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Gemälde. Beschreibendes Verzeichniss, Bd. 3: Deutsche Schulen, Wien 1886, 297. 28 Dieses Gemälde befindet sich heute in den Uffizien, Florenz (Inv.-Nr. 10000). Einige der an Carlo Albani restituierten Bilder gelangten in die römische Villa Albani (siehe etwa: Stefano Antonio Morcelli – Carlo Fèa – Ennio Quirino Visconti, La Villa Albani descritta, Rom 1869, Veduten Vanvitellis [6, 34], Honthorsts Enthauptung des hl. Johannes [50] oder Hl. Filippo Neri [43]). Andere Gemälde (etwa von Vanvitelli, Barocci oder Ghezzi) lassen sich im frühen 20. Jahrhundert im Palazzo Albani in Urbino nachweisen (vgl. Luigi Nardini, Palazzo dei principi Albani. Catalogo della Galleria e della biblioteca, in: Urbinum V, 1931, Nr. 1, 1–11; Nr. 2, 15–19; Nr. 5, 1–9). Zur Zerstreuung der Sammlung Albani siehe Borchia 2018 (zit. Anm. 10). 29 Siehe Albani Inventar ante 1712 (vgl. Anm. 10), 40 (7). Dieses (ehemals ovale) Bild Carosellis verfügte ursprünglich über ein Pendant: Eine junge Frau am Cembalo spielend (siehe dazu: Francesca Curti, Il ritratto di Ferdinando Brandani. Carriera e interessi artistici di un banchiere amico di Diego Velázquez e di Juan de Córdoba, in: Boletín del Museo del Prado 29, 2011, 54–67, hier: 61 f.). Dieses zweite Gemälde gelangte ebenfalls nach Wien, dürfte Carlo Albani aber restituiert worden sein. 30 Zu Maria Beatrice d’Este siehe Gernot Mayer, Maria Beatrice d’Este (1750–1829) als Auftraggeberin zwischen Italien und Österreich, phil. Dipl. (unpubl.) Univ. Wien 2012. Hier zu Carlo Albani etwa S. 60–62. 31 Er wohnte direkt hinter dem Palais Ulfeld-Dietrichstein am Minoritenplatz, wo die Familie Habsburg-Este residierte. Zum Erwerb des sogenannten „Ogilvischen Freihauses“ (Löwelstraße 6, heute als Palais Montenuovo bekannt) siehe auch: Archivio di Stato di Roma, Miscellanea Famiglie, Albani, Karton 6, Fasz. 8. 32 Hier befanden sich die Gemälde: Maria, Jesus und Johannes (Raffael Schule), Magdalena in Betrachtung des Leidens Christi (Guercino Schule), Sybilla (Caravaggio Schule), Abrahams Reise mit vielen

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den Großteil der an ihn 1801 restituierten Bilder sogleich nach Rom verbracht haben. Aus Briefen des Fürsten erfahren wir, dass er selbst 1802/03 nach Rom gereist war, um hier die Wiederherstellungsarbeiten in dem 1798 geplünderten Familienpalast, dem Palazzo alle Quattro Fontane, sowie in der Villa Albani zu beaufsichtigen.33 Konnten damals bereits einige Gemälde an ihrem ursprünglichen Platz aufgestellt werden, fehlten nach wie vor die geraubte Bibliothek34 sowie zahlreiche der berühmten Antiken, die vor allem sein Großonkel Alessandro Albani erworben hatte. Diese waren zum Teil nach Paris verschleppt worden, zum Teil aber – ähnlich wie im Fall der in Ferrara konfiszierten Gemälde – von neapolitanischen Truppen bei ihrem Einmarsch in Rom beschlagnahmt worden. Unterstützt von Antonio Canova, sollte Carlo Albani nach dem Wiener Kongress um die Rückstellung dieser Kunstwerke aus Neapel35 und Paris kämpfen. Er erreichte zwar einiges, doch zwangen ihn seine finanzielle Lage und die zu erwartenden hohen Kosten des Rücktransports zum Verkauf vieler Antiken.36

DIE GEMÄLDESAMMLUNG ALBANI

Anders als über die berühmte Antikensammlung ist über die Gemäldesammlung, die Gianfrancesco Albani (1649–1721, seit 1700 Papst Clemens XI.) bereits in seiner Heimatstadt Urbino angelegt und dann nach Rom transferiert hatte, wenig ­bekannt.37 Noch zu Lebzeiten von Clemens XI. erwarb sein Neffe, Principe Carlo Albani (1687–1724), 1719 den Palazzo alle Quattro Fontane, wo die bedeutende Gemäldesammlung hierauf untergebracht wurde.38

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Figuren (Landschaft von Gaspard Poussin), Kopf eines Ritters, Ein liegender Knabe mit einem Kreuze, Der Tod Mariae mit vielen Nebenfiguren und Der Heerzug der Kinder Israels aus Egypten (Luca ­Giordano); siehe das Nachlassinventar von 1817, in: OeStA, HHStA, OMaA, Karton 43, Fasz. Fürst Karl Albani. Carlo Albani hinterließ nur seine Gattin Teresa Casati (1770–1824) und eine Enkelin, seine beiden Töchter waren kurz zuvor verstorben. So schrieb Carlo Albani am 12.12.1802 an Maria Beatrice d’Este aus Rom: „Si lavora a molte cose, e frà le altre alla Villa, la quale per chi non la conosce come io tornerà qual era, ed ha già l’applauso di Roma.“ Oder er berichtete am 5.2.1802: „Alla Villa si lavora indefessamente, e tutti i monumenti sono collocati in modo che non vi rimane vuoto ne vestigio delle enormi rapine per che non conosceva da prima i monumenti che si sono perduti. Anche alla fontana di mezzo si è supplito non magnificamente ma decentemente. I forestieri concorrono a folla, e non sanno darsi pace che siasi fatto tanto in si poco tempo, ed io poi aggiungo quello che essi non sanno e non credono, con si poca spesa.“ Siehe OeStA, HHStA, Habsburg-Estensisches Hausarchiv, Karton 32, Fasz. Albani, fol. 6–9 und fol. 38–43. Zu Carlos Bemühungen, die umfangreiche Bibliothek zurückzuerlangen, siehe Alessandrini 1978 (zit. Anm. 9), 34 f. Bemerkenswerterweise verwies Albani in einem seiner Bittschreiben an den König von Neapel gerade auf die clemenza des österreichischen Kaisers, dem er die Rückgabe von 130 Gemälden – tatsächlich waren es wesentlich weniger – verdanke: „[…] S. M. l’Imperatore d’Austria, il quale per essendosi le sue armate impadronite nel Ferrarese di un trasporto che i Francesi facevano di 130. quadri apparteneti al Principe Albani, ebbe la clemenza di volerli immediatamente immessi alle di lui mani.“ Schreiben an König Ferdinand IV. von Neapel (1815?), in: Archivio di Stato di Roma, Miscellanea Famiglie, Albani, Karton 2, Fasz. 7. Profitieren konnte etwa Kronprinz Ludwig von Bayern, der einige bedeutende Skulpturen der Sammlung Albani erwerben konnte, die sich noch heute in der Münchner Glyptothek befinden. Zu den Verhandlungen um die Rückgabe der Skulpturen bzw. deren Verkauf haben sich zahlreiche Quellen im Archivio di Stato di Roma (Miscellanea Famiglie, Albani, Karton 2) erhalten; siehe dazu: La dispersione della collezione plastica, in: Debenedetti et al. 1980 (zit. Anm. 10), 271–389; Carlo Gaspari, Die Skulpturen der Sammlung Albani in der Zeit Napoleons und der Restauration, in: Herbert Beck – Peter C. Bol (Hgg.), Forschungen zur Villa Albani. Antike Kunst und die Epoche der Aufklärung, Berlin 1982, 381–436. Vgl. Anm. 7 und 10. Zur Kunstpatronage von Papst Clemens XI. siehe Christopher M. S. Johns, Papal Art and Cultural Politics. Rome in the Age of Clement XI, Cambridge 1993; Ausstellungskatalog ­Giuseppe Cucco (Hg.), Papa Albani e le arti a Urbino e a Roma. 1700–1721, Urbino – Rom 2001–2002. Cecconi führt 1725 im Innenhof antike Büsten, im Piano Nobile, in den Appartements von Carlo und Annibale Albani, Gemälde sowie im zweiten Obergeschoß, dem Appartement von Kardinal Alessandro, abermals Gemälde und eine kostbare Bibliothek von über 30.000 Bänden an (Giovanni Francesco Cecconi, Roma Sacra, e Moderna […], Rom 1725, 160 f.). G. Delfini Filippi, Il Palazzo Albani alle „Quattro Fontane“: La residenza romana, in: AK Urbino – Rom 2001–2002 (zit. Anm. 37), 124–126.

Gianfrancesco Albani pflegte seit seinen Jugendjahren in den Marken enge freundschaftliche Beziehungen mit Giovanni Maria Crescimbeni (dem späteren Gründer

Abb. 8: Francesco Trevisani, Leichnam Christi, von Engeln getragen. Um 1705/10. Leinwand, 139 x 124 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1564. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 9: Guido Reni, Christus mit der Dornenkrone. 1. Hälfte 17. Jh. Kupfer, oval: 50 x 41 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 252. (© KHM-Museumsverband.)

der Accademia dell’Arcadia), mit den Künstlern Carlo Maratta und Giuseppe Ghezzi (Sekretär der Accademia di San Luca) sowie mit Kardinal Azzolini, der ihm später den Zugang zu den Kreisen um Christina von Schweden erleichtern sollte. Maratta, der schon vor der Papstwahl Albanis im Jahr 1700 zum Kustos der Vatikanischen Gemäldesammlung bestellt worden war, zählte zu Gianfrancescos bevorzugten Künstlern. Als Zimelien der Sammlung galten die Gemälde der italienischen Renaissance von Raffael, Michelangelo und Leonardo, in ihrer Wertschätzung gefolgt vom Meister aus Urbino, Federico Barocci, und den seicentesken Klassizisten Guido Reni und Andrea Sacchi. Albanis Gemäldesammlung enthielt aber auch Werke zeitgenössischer Maler, die an der künstlerischen renovatio Roms zu Beginn des 18. Jahrhunderts beteiligt gewesen waren, darunter Werke der Maratta-Schüler Francesco Trevisani, Giuseppe Passeri, Pietro de Pietri oder Giuseppe Chiari. Vom Papst selbst, aber auch von anderen Mitgliedern der Familie wurden darüber hinaus zahlreiche Veduten und Landschaften in Auftrag gegeben, etwa bei Giovanni Paolo Panini und Gaspare Vanvitelli. Führer des späten 18. Jahrhunderts beschreiben den Palazzo Albani in den höchsten Tönen39 und erwähnen neben den genannten auch Werke von Annibale Carracci, Nicolas Poussin, Claude Lorrain, Paolo de’ Matteis und Giovanni Odazzi.40 Mithilfe zweier Inventare aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts lässt sich die Gemäldesammlung Albani in Ansätzen rekonstruieren.41 Die detaillierten Angaben des älteren, vor 1712 entstandenen Verzeichnisses erlauben zudem interessante Rückschlüsse darauf, wie die Gemälde in den Besitz der Papstfamilie gelangten – oftmals waren es Geschenke, etwa der Kardinäle Pallavicini, Sacchetti, Paracciani, Mattei, Rubini und Ottoboni, aber auch von weltlichen Fürsten. Durch die Auffindung und Interpretation der Bilderlisten im Österreichischen Staatsarchiv lassen sich in der Zusammenschau mit diesen beiden Inventaren momentan ca. 50 Gemälde des Kunsthistorischen Museums identifizieren, die nachweislich im Besitz der Albani-Familie waren, darunter über ein Dutzend bereits zu Lebzeiten Clemens XI. (vgl. Anhang, Dok. 1). Einige exemplarische Fälle werden im Folgenden kurz vorgestellt. Ein Hauptwerk der Wiener Gemäldegalerie, Francesco Trevisanis Leichnam Christi, von Engeln getragen (Abb. 8) gelangte beispielsweise als Geschenk von Kardinal Pietro Ottoboni an Clemens XI. Der Kardinal offerierte dem Papst jedoch nicht nur das Werk eines von ihm besonders protegierten Malers, sondern auch Guido Renis Christus mit Dornenkrone (Abb. 9). Der Wert dieser kleinen Kupfertafel war um 1712 auf nicht weniger als 500 scudi geschätzt worden (100 scudi im Vergleich dazu das Bild Trevisanis), was durch den hohen Stellenwert des Künstlers und den Bekanntheitsgrad gerade dieser Bilderfindung erklärt werden kann. Als Beispiel eines Bildergeschenkes von weltlichen Fürsten an den Albani-Papst sei hier nur Principe Savellis Madonna mit Kind (GG 127) von Carlo Maratta genannt. Wie erwähnt, zählte der ebenfalls aus den Marken stammende Maratta zu den von Papst Clemens  XI. am meisten geschätzten Malern, und so mag es nicht weiter erstaunen, dass mindestens noch drei weitere Werke, die aus dem Umfeld dieses Künstlers stammen, unter den nach Wien gelangten Bildern vertreten sind: Eine dem Maratta-Umkreis zugeschriebene Maria Immaculata (GG 152), die insofern mit den ­Albani 39 Etwa Pietro Rossigni, Il Mercurio errante delle grandezze di Roma, tanto antiche, che moderne […], Rom 1789, 161: „[…] una serie numerosissima di quadri insigni, con la Galleria dipinta da Paolo di Piacenza [Panini oder Pannini], ed in oltre una copiosissima Libreria di 25. mila volumi in circa di molta stima; e le volte del nobile appartamento furono dipinte da Niccolò degli Abecci. Vi si vedono parimente negli Appartamenti bellissime statue di molto valore.“ 40 Nuova descrizione di Roma antica, e moderna e di tutti li più nobili monumenti sagri, e profani che sono in essa, e nelle sue vicinanze […]. Edizione 3a nella quale si è aggiunta la descrizzione di tutte le nuove fabbriche sino al presente giorno […], Rom 1793, 173 f. 41 Inventar ante 1712 und Inventar 1724 (siehe Anm. 10).

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verbunden ist, als erst Clemens XI. das Fest der Unbefleckten Empfängnis zu einem allgemeinen Feiertag erhob;42 ein heute seiner Werkstatt zugeordneter Bambino Ge-

Abb. 10: Carlo Maratta, Maria mit Kind und ­­­Johannesknaben, im Hintergrund das Kardinalswappen Ottoboni. 1704. Kupfer, 70,5 x 56,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1618. (© KHM-Museumsverband.)

sù (GG 140) und Maria mit Kind und Johannesknaben (Abb. 10), das im Hintergrund das Kardinalswappen Ottoboni zeigt und folglich von Pietro Ottoboni vielleicht schon als Bildgeschenk bei Carlo Maratta beauftragt worden war. Möglicherweise gelangte auch das bislang als Hl.  Aloysius von Gonzaga bei den Pestkranken bezeichnete und Aureliano Milani zugeschriebene Gemälde (Abb. 11) als Geschenk in den Besitz der Albani und mit der ferraresischen Sendung nach Wien. Obgleich es nicht unter den von Fürst Carlo wiedererkannten Werken aufscheint, dürfte es mit dem im Albani-Inventar von 1724 genannten Bild „S. Carlo, che communica in tempo della Peste“43 zu identifizieren sein. Dargestellt ist jedoch weder der heilige Aloysius noch Karl Borromäus, sondern – wie aus den markanten Gesichtszügen geschlossen werden kann – der Jesuit Jean-François Régis, der unter Clemens XI. 1716 seliggesprochen wurde. Offenbar handelt es sich bei dem Wiener Gemälde folglich um ein Bildgeschenk, mit dem der Jesuitenorden dem Albani-Papst für den positiven Ausgang des Beatifikationsverfahrens dankte.44 Vor diesem Hintergrund stellt sich nun auch die Zuschreibungsfrage des Gemäldes neu. Zur Diskussion steht etwa Domenico Maria Muratori, der 1716 für die ephemere malerische Ausstattung von St. Peter anlässlich der Seligsprechung verantwortlich war45 und zumindest ein weiteres Gemälde mit Jean-François Régis und den Pestkranken schuf.46 Doch nicht nur der Papst erhielt Geschenke – auch seinen Familienmitgliedern wurden Kunstwerke verehrt. So erhielt etwa Carlo Albani (1687–1724) eine Maria Magdalena in der Wüste (GG 225) von Marcantonio Franceschini. Auch zu diesem Bologneser Künstler pflegte Clemens XI. Beziehungen – er hatte ihn 1711 zur Ausstattung von St. Peter nach Rom gerufen. Zwei weitere hochrangige Werke des frühen 17. Jahrhunderts gelangten ebenfalls als Geschenke an die Papstnepoten: Mitglieder des Magistrats von Ferrara schenkten 1709 Carlo und Alessandro Albani zwei wertvolle Gemälde von Carlo Bononi (Maria mit dem Kind und den Heiligen Maurelius und Georg, GG 349, und den Heiligen Ludwig, der um die Abwendung von der Pest bittet, GG  2171), die zuvor im Palazzo Ducale von Ferrara, in der Residenz der Consoli alle vettovaglia, hingen. Einige der heute in Wien verwahrten Gemälde tragen ihren Bezug zur Familie Albani offen zur Schau, so etwa eines der vier von dem neapolitanischen Künstler Gasparo Lopez (genannt Lopez dei Fiori) auf Kupfer gemalten Blumenstillleben, in das das Wappen von Clemens  XI. (Abb.  12) integriert ist (GG  1658, 1660, 1662, 1664). Besonders eng mit der Familie Albani und insbesondere Papst Clemens XI. ist auch die Ansicht des Petersplatzes in Rom von Gaspar Andriaensz van Wittel, genannt Vanvitelli (Abb. 1), verbunden. Vanvitelli wählte dieses Sujet – offenbar aufgrund

Abb. 11: Domenico Maria Muratori (zugeschrieben), Jean-François Régis bei den Pestkranken. 1. Viertel 18. Jahrhundert. Leinwand, ­­ 174 x 125 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1624. (© KHM-Museumsverband.)

42 Siehe Ludwig Pastor, Geschichte der Päpste, Bd. 15, Freiburg – Rom 1930, 248; Peter Björn Kerber, Lances, clouds, salvific action: Maratti’s artistic grandchildren and the Immaculate Conception, in: Sybille Ebert-Schifferer – Simonetta Prosperi Valenti Rodinò (Hgg.), Maratti e la sua fortuna, Rom 2016, 53–74. 43 „S. Carlo, che communica in tempo della Peste alto p.mi sette, e largo p.mi quattro con cornice dorata, si crede della schola Bolognese“; zit. nach Borchia 2018 (zit. Anm. 10). 44 Zu diesem Bildtypus siehe Andreas Schalhorn, Historienmalerei und Heiligsprechung. Pierre Subleyras (1699–1749) und das Bild für den Papst im 17. und 18. Jahrhundert, München 2000, hier: v. a. 69–77. In den Albani-Inventaren ante 1712 und 1724 (siehe Anm. 10) finden sich weitere Gemälde – etwa Darstellungen von Pius V. oder Felix von Cantalice, die beide durch Papst Clemens XI. heiliggesprochen wurden –, die als derartige Bildgeschenke zu werten sind. 45 Vittorio Casale, Addobbi per beatificazioni e canonizzazioni. La rappresentazione della santità, in: Marcello Fagiolo (Hg.), La festa a Roma dal Rinascimento al 1870, Bd. II, Turin 1997, 56–65, hier: 56. 46 Rom, Galleria Nazionale d’Arte Antica, Palazzo Corsini. Dieses Bild entstand im Zusammenhang mit der 1737 erfolgten Heiligsprechung von Jean-François Régis für Clemens XII., siehe Schalhorn 2000 (zit. Anm. 44), 224–227; zu Muratori siehe u. a. Diane H. Bodart, Domenico Muratori’s Last Painting, in: Burlington Magazine 142, Nr. 1163, 2000, 108–111.

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Abb. 12: Gaspare Lopez, gen. Lopez dei Fiori, Blumenstillleben, mit dem Wappen von Papst Clemens XI. (Albani). Um 1720. Kupfer, 26,2 x 45,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1660. (© KHM-Museumsverband.)

der großen Nachfrage – mehrfach, wobei vor allem die Staffage-Figuren in immer wechselnden Varianten den Raum verlebendigten und derart neue Bilderzählungen generierten.47 Im Falle der Vedute des Kunsthistorischen Museums ist im Vordergrund eine Ehrengarde zu sehen, die sich gerade zu formieren scheint – einige Gardisten eilen erst hinzu – um eine hochrangige Person mit Gewehrsalven zu beehren. Die bislang aus stilistischen Gründen erfolgte Datierung des Gemäldes in die ersten beiden Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts48 wird durch Eckdaten der Baugeschichte des Petersplatzes bestätigt.49 Die Vedute entstand also während des Pontifikats von Clemens XI. (1700–1721), als die letzten Attikaskulpturen der Kolonnaden fertiggestellt wurden und die Vollendung des Platzes nach den ursprünglichen Plänen Gian Lorenzo Berninis erneut zur Diskussion stand.50 Von den ungefähr 20 Gemälden, die Vanvitelli im Auftrag der Albani schuf, gelangten 1800 einige vorübergehend in die kaiserliche Galerie – Veduten des Castel S. Angelo in Rom, des Palazzo Albani in Soriano nel Cimino sowie Venedigs –,51  doch nur die Petersplatz-Ansicht sollte auf Dauer in Wien verbleiben. Dienten die Gemälde Vanvitellis manchem Romreisenden als Souvenir, so handelt es sich bei unserer Vedute um ein Andenken besonderer Art: Da sie neben dem Dom auch den Vatikanischen Palast – die Wirkungsstätte des Papstes – verewigt, erinnerte sie wohl die ehemaligen Besitzer an den Höhepunkt ihrer Macht.

47 Diese zwischen 1684 und 1721 entstandenen Gemälde unterscheiden sich zwar in Format und Ausschnitt, basieren aber im Wesentlichen auf derselben Grundlage: einer Zeichnung, die Vanvitelli jeweils nur in geringem Maß abänderte. Siehe Ausstellungskatalog Margherita Breccia Fratadocchi – Paola Puglisi (Hgg.), Gaspar van Wittel. I disegni. La collezione della Biblioteca Nazionale di Roma, Rom 2013, 132 f. (L. Laureati). 48 Giuliano Briganti, Gaspar van Wittel, Mailand 1996, 171. 49 So sind auf der Vedute – im Unterschied zu früheren, motivgleichen Gemälden Vanvitellis – bereits Statuen auf den an den Kirchenbau anschließenden Kolonnadenabschnitten zu sehen. Da diese Plastiken erst 1702–1703 entstanden sind, zugleich Vanvitelli den Platz noch vor dessen Pflasterung 1724– 1730 zeigt, muss auch die Datierung der Ansicht innerhalb dieses Zeitfensters erfolgen. Zu den Baudaten siehe Gerhard Wiedmann, La Basilica di S. Pietro, la piazza e il colonnato, in: Martine Boiteux (Hg.), Vaticano barocco: arte, architettura e cerimoniale, Mailand 2014, 29–215, hier: 207. 50 Siehe dazu Christopher M. S. Johns, Papal Art and Cultural Politics. Rome in the Age of Clement XI, Cambridge 1993, 57. 51 Siehe Briganti 1996 (zit. Anm. 48), Kat.-Nr. 95, 168 (Engelsburg), Kat.-Nr. 239, 217 (Soriano), Kat.-Nr. 294, 243, und Kat.-Nr. 308, 246 (Venedig). Zur Verbindung von Vanvitelli zu den Albani siehe etwa auch Silvia Maddalo, „Exemplar verae virtutis“ gli Albani, van Wittel e Urbino, in: Committenze della famiglia Albani (Studi sul Settecento Romano, Bd. 1/2), Rom 1985, 147–153.

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DIE RÖMISCHE BEUTE IN DER WIENER GALERIE

Stammten viele der in Ferrara beschlagnahmten Gemälde mit Sicherheit aus dem Besitz der Familie Albani, finden sich unter diesen auch Bilder anderer Provenienz. Als wohl prominentestes Beispiel ist eine monumentale Holztafel von Giorgio Vasari zu nennen, die zwar mit den Albani-Bildern nach Wien gelangte, aber aus e­ inem gänzlich anderen Kontext stammt, nämlich aus der Petrus Martyr-Kapelle im Vatikanischen Palast. Wie wir aus den Erinnerungen Vasaris wissen, war der Künstler 1571 nach Rom gekommen, um für Papst Pius V. 1571 diese und zwei weitere Kapellen im Vatikan auszustatten.52 Gemeinsam mit seinem Schüler Jacopo Zucchi schuf er aufwendige Stuck- und Freskendekorationen, in deren inhaltlichem und kompositorischem Zentrum bis 1798 das Altarbild Tod des hl. Petrus Martyr (Abb. 13) stand.53 Die aus ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang gerissene Tafel Vasaris54 verdeutlicht, dass die bislang behandelten Bilder aus der Sammlung Albani nur ein Teil eines umfassenderen Problemkomplexes sind. Ähnlich wie der Tod des hl. Petrus Martyr könnten auch weitere Gemälde des Ferrara-Verzeichnisses aus dem Vatikanischen Palast oder anderen päpstlichen Residenzen in Rom stammen. Zudem beschlagnahmten die österreichischen Truppen 1799 in Ferrara, Bologna55 und Mailand auch noch weitere Gemälde56 als die bislang behandelten und ebenso Bücher57 (siehe dazu den Beitrag Simader in diesem Band). Gemeinsam war diesen Objekten ihre Herkunft aus Rom, wo sie offenbar zuvor aus verschiedenen Palästen, möglicherweise auch aus Kirchen und Konventen, geplündert worden waren.58

Abb. 13: Giorgio Vasari, Tod des hl. Petrus Martyr. 1571. Pappelholz, 235 x 161 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 219. (© KHM-Museumsverband.)

52 Vasari hält für 1570 fest: „arivò a Roma al servitio dj P(apa) Pio Quinto: et si diede principio a tre capelle nel palazzo papale una dj San Pier Martire con storie et tavola et altre figure aproposito della vita et fatti dj quel santo et nella tavola era la morte sua“; zit. nach Alessandro Del Vita (Hg.), Il libro delle ricordanze di Giorgio Vasari, Rom 1938, 102. 53 Giovanni Pietro Chattard, Nuova descrizione del Vaticano o sia Della Sacrosanta Basilica di S. Pietro […], Bd. 2, 1761, 92: „Nel quadro di detta Cappella si rappresenta il Martirio di S. Pietro Martire Domenicano dipinto a olio in tavola da Giorgio Vasari, ove si vede il detto Santo caduto quasi in ginocchioni in atto di scrivere in terra il simbolo di nostra Fede col proprio sangue scaturito dalla ferita per mezzo di un colpo datogli in testa dal Carnefice, ed in distanza vi è il di lui Compagno in atto di fuggire, ma sopraggiunto da un altro manigoldo è in atto di esser ferito venendo rappresentato tal fatto entro di un bosco. Questo quadro ornato resta da stucchi bianchi, e dorati con cornice, e frontespizio sopra.“ 54 Das Gemälde findet sich auch in einer Aufstellung der aus dem Vatikan geraubten Kunstwerke als „Il Martirio di S. Pietro martire che scrive col dito intinto nel proprio sangue, di Giorgio Vasari“, siehe Domingo Martinez de la Peña y Gonzalez, Importante colección de cuadros del Vaticano, sacados en la invasión francesa y trasladados a Madrid, in: Arte Español XXV, 3, 1963–67, 171–177, hier: 177. 55 Zu den weiteren Bildern sowie Büchern, die in Ferrara und Malalbergo bei Bologna aufgefunden wurden, siehe den Bericht von Giuseppe Pellegrini an Baron Thugut vom 8.3.1800, in: OeStA, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, K.8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse, fol. 129–136. Zusätzlich gelangten 1799 auch fünf Gemälde aus Italien nach Wien, deren Provenienz unbekannt ist und die nur sehr vage bezeichnet werden als „Bataillen Stücke, der Unglaube des heil. Thomas, die Einsiedeley, eine Landgegend, der verlorene Sohn, welches Stück aber sehr beschädiget ist, und zwey Früchten-Stücke“; siehe Graf Tige (stellv. Hofkriegsratspräsident) an Graf Colloredo, 12.12.1799, in: OeStA, HHStA, OKäA, B, Karton 25. Alleine „der Unglaube des heil. Thomas“ scheint mit einem Gemälde des Kunsthistorischen Museums identifizierbar zu sein, und zwar mit einem erstmals 1804 in Wien nachweisbaren Bild, das Paolo Domenico Finoglio zugeschrieben wird (GG 3510). 56 Zu den Bildern aus Mailand haben sich besonders viele Dokumente erhalten, da sie später von einem gewissen Michoud, der sie in Rom 1798 erworben hatte, zurückverlangt wurden. Die 20 Gemälde – offenbar aus römischem Besitz geplündert – wurden, nachdem sie in Mailand beschlagnahmt worden waren, von den Malern Giuliano Traballesi und Martin Knoller geschätzt und anschließend nach Wien versendet. Als der Franzose Michoud 1802 die Rückgabe dieser Bilder forderte, konnte keines der Werke in der Wiener Galerie aufgefunden werden. Heute wird scheinbar nur noch ein einziges Bild dieser Mailänder Sendung, nämlich Simone Cantarinis Madonna mit Kind und dem hl. Karl Borromäus (GG  262), im Kunsthistorischen Museum aufbewahrt. Zum Fall Michoud siehe OeStA, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, K. 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse, fol. 123– 128 und fol. 145–168. 57 Siehe Inventario dei Libri provenienti da Roma […], in: OeStA, HHStA, Staatskanzlei, Kriegsakten, K. 461. 58 Schon in dem Bericht von Pellegrini (siehe Anm. 55) wird bei den Bildern aus Malalbergo und Ferrara dieselbe Provenienz vermutet: „[…] che altri Colli di Quadri, e Libri di egual provenienza dei primi trovansi depositati a Malalbergo nella giuridizione di Bologna, luogo poco distante dal confine del Ferrarese […].“

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EXKURS: DER ANDERE KUNSTRAUB

Schon ab 1794 waren aus den durch die Revolutionsarmee eroberten Österreichischen Niederlanden (Belgien) und dem Rheingebiet zahlreiche Kulturgüter nach Frankreich verbracht worden.59 Während des Italienfeldzugs unter dem Oberbefehl Napoleons (1796/97) wurde diese Praxis fortgeführt und teils über Verträge legitimiert: So verpflichtete sich der Kirchenstaat sowohl mit dem Abkommen von Bologna 1796 als auch dem Vertrag von Tolentino 1797 nicht allein zur Abtretung großer Gebiete und hoher Geldzahlungen an Frankreich, sondern ebenso zur Abgabe von Handschriften, Gemälden und Antiken. Die Eroberungen in Norditalien führten zu zahlreichen Akquisitionen von Kulturgütern etwa aus Mailand, Parma, Modena oder Venedig. Die Auswahl dieser Objekte oblag Experten, deren Aufmerksamkeit zunächst allein den „Meisterwerken“ galt. Auch unmittelbar nach der französischen Invasion Roms im Jänner 1798 begannen Kommissäre mit der Requirierung von Kunstwerken. Viele der nun nach Frankreich verbrachten Güter – darunter die Bronzepferde von S. Marco in Venedig, Raffaels Transfiguration oder die Laokoongruppe aus dem Vatikan – wurden noch im Juli desselben Jahres gleichsam als Trophäen in einer triumphalen Prozession in Paris feierlich empfangen. Obwohl der sogenannte „Napoleonische Kunstraub“ die kunsthistorische Forschung seit langem fasziniert,60 blieb eine Facette dieses Phänomens bislang kaum erforscht: die umfassende Plünderungswelle in Rom, die den sonst geordneten Beutezug begleitete.61 Denn neben dem offiziellen, zentral gesteuerten und teils auch vertragskonformen „Kunstraub nach Katalog“62 kam es in dieser Zeit auch zu Plünderungen eines anderen Charakters, von denen nicht nur die mit Bedacht ausgewählten chefs-d’œuvres betroffen waren, sondern alle beweglichen und verkäuflichen Güter. Zahlreiche Beutestücke waren offenbar nicht für den Pariser Musée central des arts (ab 1802 Musée Napoleon) vorgesehen, sondern schlicht für den Verkauf.63 Vieles wurde bereits in Rom versteigert, manches geriet direkt in den privaten Besitz der französischen Kommissäre oder anderer Nutznießer. Während der planmäßige Kunst-Beutezug in den Archiven deutliche Spuren hinterließ,64 sind zu den genannten Plünderungen und Veräußerungen kaum Quellen bekannt. Infolgedessen waren ab 1816 zwar erhebliche Anteile des zentral gesteuerten Napoleonischen Kunstraubs nachvollziehbar und daher auch reversibel – etwa die Hälfte der 506 aus Italien ent-

59 „Die militärische Aneignung von Kunstschätzen außerhalb der französischen Staatsgrenze gestaltete sich ab Sommer 1794 wie eine natürliche Ausweitung der im Innern praktizierten Verstaatlichung, und zwar im Namen universeller Werte und enzyklopädischer Ideale, unter Missachtung der nationalen Herkunft der begehrten Objekte.“ Savoy 2011 (zit. Anm. 13), 33. Zu den Requirierungen in Belgien siehe ferner Paul Wescher, Kunstraub unter Napoleon, Berlin 1976, 38–54. 60 Zum Napoleonischen Kunstraub siehe etwa: Ausstellungskatalog Valter Curzi – Carolina Brook – Claudio Parisi Presicce (Hgg.), Il Museo Universale. Dal sogno di Napoleone a Canova, Rom 2016; Savoy 2011 (zit. Anm. 13); Robert W. Scheller, The Age of confusion, in: Ellinoor Bergvelt – Debora J. Meijers et  al. (Hgg.), Napoleon’s Legacy. The Rise of National Museums in Europe 1794–1830, Berlin 2009, 17–28; Daniela Camurri, L’arte perduta. Le requisizioni di opere d’arte a Bologna in età napoleonica (1796–1815), Bologna 2003; Weber 1999 (zit. Anm. 11); Ferdinand Boyer, Le monde des arts en Italie et la France de la Révolution et de l’Empire. Études et recherches, Turin 1970. 61 Diese Plünderungen wurden vor allem von Racioppi (mit Hauptaugenmerk auf kirchliche Güter) analysiert: Pier Paolo Racioppi, Arte e Rivoluzione a Roma. Città e patrimonio artistico nella Repubblica Romana (1798–99), Rom 2014. Grundlegend (wenngleich nicht unparteiisch) zudem: Ernst Steinmann, Der Kunstraub Napoleons, hg. von Yvonne Dohna, Rom 2007. 62 Wescher 1976 (zit. Anm. 59), 55. 63 Zu den römischen Versteigerungen siehe ausführlich Racioppi 2014 (zit. Anm. 61), 89–102. Verkäufe fanden nicht nur in Rom, sondern auch in Livorno, einem besonders wichtigen Umschlagplatz, sowie in anderen italienischen Städten statt. Giovanni Antonio Armano berichtet 1798 etwa in einem Brief von dem Verkauf geplünderter Kunstwerke aus der Sammlung Albani in Florenz: „Altra notizia è che in Firenze in Via della Ferma si sia fatta da altri comissari francesi una vendita di pitture. Forse saran cose della villa Albani, e Galleria della medesima.“ Zit. nach Gianluca Tormen (Hg.), L’epistolario Gio­vanni Antonio Armano – Giovanni Maria Sasso, in: Lettere artistiche del Settecento veneziano, Bd. 3, Venedig 2009, 469. 64 Siehe etwa die Verzeichnisse bei Marie-Louise Blumer, Catalogue des peintures transportées d’Italie en France de 1796 à 1814, in: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’Art Français 2, 1936, 244–348; Sylvie Béguin, Tableaux provenant de Naples et de Rome en 1802 restés en France, in: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’Art Français, 1959, 177–198; Sergio Guarino, Sul carro del vincitore: pitture da Roma a Parigi, dopo Tolentino, in: AK Rom 2016 (zit. Anm. 60), 47–53.

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wendeten Gemälde kehrte wieder zurück–,65 im Fall der anderweitig aus Palästen, Klöstern und Kirchen entwendeten Kunstgegenstände blieben Restitutionen aber zumeist aus.66 Vieles spricht dafür, dass die von den österreichischen Truppen konfiszierten Kunstgegenstände – darunter auch die bislang behandelten Werke aus der Sammlung Albani – eben diesem anderen Kunstraub zuzurechnen sind. So erfahren wir aus zeitgenössischen Darstellungen, dass es direkt nach der Besetzung Roms 1798 zur Plünderung der Villa Albani und des Palazzo Albani alle Quattro Fontane kam, wobei sich – wie Carl Ludwig Fernow kurz darauf berichtete – die einst im Stadtpalast befindliche Gemäldesammlung „größtentheils unter den Händen der Kommissairs verlohren“67 habe. Eine zentrale Rolle als Kommissar bei der Beschlagnahme und Veräußerung der Kunstschätze der Albani spielte der Maler Jean-Baptiste Wicar (1762–1834),68 auch der agent général des finances Henri Reboul (1763–1839)69 wird häufig genannt. Sowohl Wicar als auch Reboul waren zugleich selbst Kunstsammler.70 Obgleich zeitgenössische Darstellungen – vor allem die antifranzösische Propagandaliteratur – ein Zerrbild wahlloser Zerstörungswut zeichnen,71 folgten auch diese Plünderungen durchaus einem System. Im Fall der Albani etwa war die Beschlagnahme kein willkürlicher Akt, sondern eine gezielte Strafmaßnahme: Der Onkel von Carlo Albani, Kardinal Giovanni Francesco (1720–1803), wurde für die anti­französische Politik des Kirchenstaats mitverantwortlich gemacht;72 Giuseppe Andrea Albani (1750–1834), Bruder des Fürsten Carlo, konnte wiederum vorgeworfen werden, seit 1796 am Wiener Hof als päpstlicher Gesandter für ein Bündnis gegen das revolutionäre Frankreich zu werben.73 Während Kardinal Giovanni Francesco im Februar 1798 die Flucht aus Rom gelang, wurde der Sekretär der Familie 65 Blumer 1936 (zit. Anm. 64), 347 f. 66 Im Mailänder Staatsarchiv haben sich Dokumente zu einem seltenen Fall von Restitution aus Privatbesitz erhalten: Ein gewisser Advokat Camillo Torti hatte nach den Plünderungen in Rom ein Gemälde erworben, eine Mater Dolorosa von Guido Reni – ehemals ein Pendant zu dem Christus mit Dornenkrone des Kunsthistorischen Museums (GG 252) –, das durch eine rückseitige Beschriftung eindeutig als Werk aus der Sammlung Albani bestimmt werden konnte und das 1800 an Fürst Carlo restituiert wurde. Siehe Archivio di Stato di Milano, Studi, p.a., K. 201. 67 Carl Ludwig Fernow, Ueber den gegenwärtigen Zustand der Kunst in Rom (1.10.1798), in: Der Neue Teutsche Merkur 3, 1798, 279–289, hier: 284. 68 Vgl. Steinmann 2007 (zit. Anm. 61), 128; Racioppi 2014 (zit. Anm. 61), 93. 69 Reboul soll auch große Teile der Bibliothek Albani nach Frankreich verbracht haben, die 1804 nach Montpellier verkauft wurden; siehe Alessandrini 1978 (zit. Anm. 9), 39 f. 70 Siehe Giulio R. Ansaldi, Documenti inediti per una Biografia di G. B. Wicar, in: Atti della Reale Accademia Nazionale dei Lincei V, 1933, 369–509, hier: 374 f. und 464–474 (Inventar); sowie Gianmarco Raffaelli, La constitution des collections du Muséum par l’appropriation du rassemblement du mobilier de la Couronne dans la Grande Galerie aux saisies en Europe, à travers les actions d’Henri Reboul (1763–1839), in: Les Cahiers de l’École du Louvre 11, 2017, URL: http://journals.openedition.org/cel/695 [letzter Zugriff: 4.4.2018]. 71 Immer wieder wird die Plünderung Roms als chaotisch und willkürlich beschrieben, etwa bei Francesco Valentinelli, Memorie storiche sulle principali cagioni e circostanze della rivoluzione di Roma e di Napoli, 1800, 211 f. Als einen der Hauptverantwortlichen für Brutalität, Raffgier und Zerstörungswut nennt die zeitgenössische (Propaganda-)Literatur stets Rudolf Emanuel von Haller (1747–1833). Steinmann, dessen Forschungen zum Kunstraub oft auf eindeutig antifranzösischen Texten basierten, sprach etwa von „ungestüme[n] Raubgelüste[n]“ Hallers, siehe Steinmann 2007 (zit. Anm. 61), 113. Zu deutschen Kritikern der Plünderungen in Rom siehe Savoy 2011 (zit. Anm. 13), 200–216. 72 Kardinal Giovanni Francesco Albani wurde vorgeworfen, für die Ermordung von Nicolas-Jean Hugou de Bassville (1793) und Léonard Mathurin Duphot (1797) mitverantwortlich gewesen zu sein; ein Argument, das als Legitimation der Verfolgung und Enteignung seiner Familie diente, wie etwa ein Schreiben des Künstlers und Kunstkommissars Jacques-Pierre Tinet vom 12.2.1798 aus Rom verdeutlicht: „[…] il n’y a aucune raison pour que la villa Albani ne tombe au pouvoir des François. Le propriétaire de cette villa est celui qui a organisé et conduit les massacres de Basseville et du général d’Huffot [sic]. La villa Albani renferme plusieurs chefs-d’œuvres de sculpture du premier ordre: elle est encore remplie de vases, basreliefs, bustes, vasques, statues égyptiennes de pierre, de touche et de granite; tous ces objets manquent au Museum des Arts complèteront le trophe immortel de l’armée d’Italie, déjà arrivé en France.“ Zit. nach Anatole de Montaiglon – Jules Guiffrey (Hgg.), Correspondance des directeurs de l’Académie de France à Rome avec les Surintendants des Bâtiments, Bd. XVII, 1797–1804, Paris 1908, 126. 73 Zu dieser Mission siehe Lajos Pásztor, Un capitolo della storia della diplomazia pontificia. La mis­ sione di Giuseppe Albani a Vienna prima del Trattato di Tolentino, in: Archivum Historiae Pontifi­ ciae 1, 1963, 295–383.

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gefangen genommen, erpresst und mit der Erschießung bedroht, bis er den Franzosen den Weg zu versteckten Kunstwerken der Albani zeigte.74 Doch nicht nur die Albani waren von Enteignung und Plünderung betroffen. Der von den Franzosen gefangen gehaltene Papst Pius  VI. und andere Mitglieder der Familie Braschi verloren ihr Eigentum. Zur Disposition standen auch der kirchenstaatliche Besitz – und damit auch der Palazzo Vaticano – sowie Bestände aus profanierten Kirchen und Klöstern. Geplündert wurde ferner bei englischen Sammlern in Rom – konkret genannt werden in zeitgenössischen Berichten Frederick Augustus Hervey, 4. Earl of Bristol, Henry Benedict Stuart, Kardinal von York, oder der Maler und Bankier Thomas Jenkins.75 Wie Pier Paolo Racioppi zuletzt nachweisen konnte, wurden die in unterschiedlichen Kontexten geplünderten Bestände in mehreren Sammelstellen gelagert, wobei der Palazzo Mignanelli als Depot und zugleich Umschlagplatz für die Gemälde aus dem Besitz der Albani, Braschi und aus dem Vatikanischen Palast diente.76 Eben aus diesem Reservoir dürften auch viele jener später nach Wien gelangten Bilder stammen: Sie waren möglicherweise dafür bestimmt, – wohl über Livorno77 – nach Frankreich transportiert und dort weiterverkauft zu werden. Bevor sie ihr Ziel erreichten, wurden sie jedoch abermals zur Kriegsbeute.

„ALTRI COLLI DI QUADRI, E LIBRI DI EGUAL PROVENIENZA“

Neben der Bilder-Sendung aus Ferrara langten 1800 144 weitere Gemälde in Wien ein, möglicherweise jene Kunstwerke, die zuvor von österreichischen Truppen in Malalbergo bei Bologna beschlagnahmt worden waren. Leider verfügen wir nur über ein äußerst kursorisches, von Galeriedirektor Rosa erstelltes Verzeichnis dieser Bilder (siehe Anhang, Dok.  4).78 Viele Gemälde werden darin als „beschädigt“ oder „sehr beschädigt“ bezeichnet, möglicherweise wurden daher einige nie in den Galeriebestand aufgenommen. Die vagen Angaben zu den einzelnen Bildern – viele sind bloß als „Portrait“ angeführt – erlauben in nur wenigen Fällen eine Identifikation mit Werken des Kunsthistorischen Museums. Eindeutig zu identifizieren ist etwa die Familie des Künstlers von Juan Bautista Martínez del Mazo (1611/12–1667, Abb. 14). Lange Zeit – wie auch Rosas Verzeichniseintrag „238. Familia di Diego de Velasquetz“ zeigt – galt das Gemälde als ein bedeutendes Werk von Velázquez, erst 1883 wurde es mit seinem Schwiegersohn Mazo in Zusammenhang gebracht. Das Familienbildnis befand sich bis mindestens 1744 im Besitz von Mazos Nachfahren in Madrid und danach gelangte es in den Besitz des italienischen Kastratensängers Carlo Broschi (1705–1782), besser bekannt als Farinelli, der es nach seiner Karriere am Madrider Hof mit nach Bologna nahm. Bei Auflösung seiner 330 Gemälde umfassenden Sammlung erhielt „Die Familie des Veláz-

Abb. 14: Juan Bautista Martínez del Mazo, Familie des Künstlers. Um 1664/65. Leinwand, 149,5 x 174,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 320. (© KHM-Museumsverband.)

74 Das notierte zumindest (der durchwegs antifranzösisch gesinnte) Giuseppe Antonio Sala in seinem Tagebuch: „Fu messo in arresto il Segretario della Famiglia Albani, e gli fu intimato per parte de’ Francesi o di rivelare il sito dov’era nascosta la robba preziosa spettante a detta Famiglia, o di disporsi ad una fucilatura. Il Segretario per amor della pelle disse, che avrebbe svelato il tutto, ma che sarebbe stata inutile la sua confessione, quando non si fosse recato sulla faccia del luogo ad additare il nascondiglio. Vi fu dunque condotto, e dietro la di Lui scorta fu smurato un uscio, e si entrò in un Camerino pieno di quadri di celebri Autori, di argentarie e di altre cose preziose.“ 2.4.1798, in: Giuseppe Antonio Sala, Diario di Roma degli anni 1798–99, Bd. 1, hg. von Giuseppe Cugnoni, Rom 1882, 134. 75 Konfisziert wurde zudem auch der Besitz von Kardinal Jean-Siffrein Maury und Kardinal Ignazio Busca, siehe Renzo de Felice, La vendita dei beni nazionali nella Repubblica Romana del 1798–99, Rom 1960, 44. 76 Racioppi 2014 (zit. Anm. 61), 98. Im Unterschied dazu wurden die Antiken aus der Villa Albani in einem Magazin am Porto di Ripa Grande gelagert. Andere Gemälde, die für den Transport nach Frankreich bestimmt waren, wurden in der französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi zwischendeponiert; siehe Béguin 1959 (zit. Anm. 64), 178. 77 Zu Livorno als Umschlagplatz siehe Fabrizio Dal Canto, Opere d’arte vendute dai francesi a Livorno nel 1799 e le vicende dei dipinti del Vasari della cappella di San Michele in Vaticano, in: Nuovi Studi Livornesi IV, 1996, 99–122. 78 Verzeichnis der Bilder, die Joseph Rosa vom Hofkriegsrat übernommen hat: OeStA, HHStA, OKäA, D, 112.

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Abb. 15: Giovanni Francesco Romanelli, Jephta erblickt seine Tochter. 1. Hälfte 17. Jahrhundert. Leinwand, 205 x 216 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1562. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 16: Giovanni Francesco Castiglione, Einzug der Tiere in die Arche Noah. Vor 1710. Leinwand, 200 x 217,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1633. (© KHM-Museumsverband.)

Abbildungen auf S. 109: Abb. 17: Nach Carlo Maratta, Christus fällt ­unter dem Kreuz. Nach 1650. Leinwand, ­ 170 x 155 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 178. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 18: Nach Carlo Maratta, Geißelung Christi. Nach 1650. Leinwand, 171 x 148 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2389. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 19: Nach Carlo Maratta (zugeschrieben), Kreuzigung Christi. Nach 1650. Leinwand, 191 x 135 cm. Wien, Kunsthistorisches ­Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2192. (© KHM-Museumsverband.)

quez“ die teuerste Bewertung der Gutachter.79 Identifizierbar sind zudem zwei großformatige Leinwandgemälde, über deren Provenienz bislang fast nichts bekannt war: einerseits die dramatische alttestamentarische Szene Jephta erblickt seine Tochter von Giovanni Francesco Romanelli (1610/11–1662, Abb. 15), einem äußerst erfolgreichen Maler im Umkreis der Barberini-Familie in Rom und später in Frankreich, andererseits der Einzug der Tiere in die Arche Noah von dem Genuesen ­Giovanni Francesco Castiglione (1641–1710, Abb. 16). Diese drei Gemälde Mazos, Romanellis und Castigliones waren bereits kurze Zeit, nachdem sie in Wien ein­gelangt waren, im Oberen Belvedere ausgestellt, finden sie sich doch bereits in Joseph Rosas 1804 erschienenem Nachtrag zum Kataloge der k. k. Bildergalerie verzeichnet.80 Generell speiste sich ein großer Teil der damals in den Sala Terrena-Räumen des Belvedere präsentierten Gemälde offenbar aus den in Ferrara und bei Bologna konfiszierten Beständen. Ähnliche Nummerierungen auf der Rückseite mancher Bilder sprechen dafür, dass die Bilder beider Sendungen ursprünglich aus derselben Plünderungsmasse stammen, mutmaßlich jener, die im römischen Palazzo Mignanelli deponiert gewesen war.81 Ein weiteres Indiz für eine vorübergehende Schicksalsgemeinschaft der Bilder stellt ein nach Wien gelangtes Konvolut von fünf Gemälden dar, vier davon in annähernd gleichem Format, von denen eines in der Ferrara-Liste (Anhang, Dok. 1) verzeichnet ist, die übrigen vier aber auf der Hofkriegsrats-Liste (Anhang, Dok. 4) aufscheinen. Es handelt sich um Kopien nach der von Carlo Maratta in den 1650er Jahren ausgeführten Kapellenausstattung der irischen Nationalkirche Sant’Isidoro in Rom, die G. P. Bellori im Detail beschrieben hat.82 Nach den 79 Francesca Boris – Giampiero Cammarota, La collezione di Carlo Broschi detto Farinelli, in: Accademia Clementina Atti e Memorie  27, 1990, 183–237, hier: 210, Nr.  42. Zum Gemälde siehe Gudrun Swoboda, Juan Bautista Martínez del Mazos Familie des Künstlers – die erste Variation auf Velázquez’ Las Meninas/Juan Bautista Martínez del Mazos The Artist’s Family – the first variation on Velázquez’ Las Meninas, in: Ausstellungskatalog Sabine Haag (Hg.), Velázquez, Wien (Kunsthistorisches Museum) 2014, 88–105 bzw. 277–283. 80 Joseph Rosa, Nachtrag zum Kataloge der k. k. Bildergalerie, Wien 1804: Mazo: S. 76, Nr. 27, Romanelli: S. 28, Nr. 40, Castiglione: S. 17, Nr. 20. 81 Es ist zu vermuten, dass die Bilder zum Zeitpunkt ihrer Deponierung im Palazzo Mignanelli rückseitig nummeriert und verzeichnet wurden. Die großen, teils sehr nachlässig geschriebenen Ziffern sprechen jedenfalls für eine hastige Durchführung. 82 Giovan Pietro Bellori, Le vite de’ pittori, scultori e archietti moderni, hg. von Evelina Borea (1976), 2. Aufl. Turin 2009, Bd. 2, 581: „Dipinse nel quadro di mezzo il Crocefisso con la faccia elevata spirante e seguitando i misterii della Passione, in uno de’ muri laterali, colorì su tela ad olio la Flagellazione del Redentore istesso caduto sotto il peso della croce reggendosi con una mano a terra, mentre un crocefissore si stende col braccio avanti e scaccia Veronica inclinata col velo.“

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Originalen in der Heiligenkreuz- oder Ludovisi-Kapelle entstanden die Szenen Christus fällt unter dem Kreuz (Abb. 17), die Geißelung Christi (Abb. 18) sowie die Kreuzigung Christi (Abb.  19)83, nach der gegenüberliegenden Josephs- oder Alaleona-­ Kapelle die Szenen Flucht nach Ägypten (GG 143) sowie der Tod des hl. Josephs (GG 161). Alle fünf Szenen waren, aufgrund ihres prominenten Standortes und der Freundschaften zwischen ihren Auftraggebern, dem Maler Maratta und dem Historiografen Bellori, äußerst bekannt und wurden oft kopiert.84 Obgleich auf keiner der uns bekannten Listen eindeutig nachweisbar, gelangte mit großer Wahrscheinlichkeit auch das einzige außerhalb von Rom erhaltene Altarbild aus St. Peter im Zusammenhang mit dem Napoleonischen Kunstraub nach Wien: der Heilige Wenzel von Angelo Caroselli (1585–1652). Schon im spätantiken Vorgängerbau von St. Peter war dem böhmischen „Nationalheiligen“ ein Altarbild gewidmet gewesen.85 Nachdem das von Caroselli, einem Protegé der Barberini-Papstfamilie, um 1630 neu geschaffene Altarblatt im 18. Jahrhundert durch eine Mosaikkopie ersetzt worden war, wurde es vermutlich in der Gran Galleria oder Gallerione des Vatikanischen Palastes aufbewahrt. Dort befand es sich wohl bis Ende des 18. Jahrhunderts zusammen mit zwei großformatigen Gemälden, die heute ebenfalls in Wien verwahrt werden: die Heilige Dreifaltigkeit von Pietro de Pietri (1663–1716, Abb.  20a) und die Darbringung im Tempel von Andrea Procaccini (1671–1734, Abb. 21a).86 Beide Bilder waren von Papst Clemens XI. in Auftrag gegeben worden, um zwischen 1711 und 1717 in der Manufaktur von San Michele als arazzo im gleichen Format ausgeführt zu werden.87 Die von Jean Simonet ausgeführten Tapisserien befinden sich, anders als ihre gemalten Vorlagen, nach wie vor in den Vatikanischen Sammlungen (Abb. 20b und 21b). Vgl. die druckgrafische Wiedergabe von Carlo Marattas Kreuzigung Christi in Sant’Isidoro von Robert van Audenaerde (verlegt von François Collignon), etwa das Exemplar im Metropolitan Museum, URL: https://www.metmuseum.org/art/collection/search/400689 [letzter Zugriff: 4.4.2018]. Die Autoren schlagen hier erstmals vor, die der Druckgrafik entsprechende Kreuzigung Christi (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2192) als Kopie nach dem verschollenen Original Marattas aus Sant’Isidoro zu identifizieren. Die Bildmaße entsprechen in etwa dem heute leeren Bilderrahmen in Sant’Isidoro. Bislang galt die Kreuzigung Christi in den Wiener Katalogen aufgrund ihrer offensichtlichen Abhängigkeit von Guido Renis Bilderfindung desselben Themas in der römischen Kirche San Lorenzo in Lucina als Kopie nach Reni. 84 Keines der Originale von Maratta ist in den Kapellen heute noch vor Ort – die Literatur hält fest, dass sie während der napoleonischen Besatzung (1798 oder 1810) geraubt wurden. Die Geißelung Christi befindet sich in Boston, Museum of Fine Arts, Inv.-Nr. 1983.387; Christus fällt unter dem Kreuz in Salamanca, Neue Kathedrale. Eine Version (?) des zentralen Altarbildes der Alaleona-Kapelle, die Vermählung Mariae, befand sich 2009 bei Porro & C. (136 x 96,5 cm, lot 25, 13.5.2009). Siehe zuletzt Stefan Albl, La cappella Alaleona in Sant’Isidoro. Maratti, Bellori e l’inizio di „un virtuoso legame di amicizia“, in: Sybille Ebert-Schifferer – Simonetta Prosperi Valenti Rodinò (Hgg.), Maratti e la sua fortuna, Rom 2016, 27–52 (mit Lit.). Zur Veräußerung der Bilder 1798 siehe Racioppi 2014 (zit. Anm. 61), 98 f. 85 Wolfgang Prohaska in: Wolfgang Prohaska – Gudrun Swoboda, Caravaggio und der internationale Caravaggismus (Sammlungskataloge des Kunsthistorischen Museums, Bd. 6, Sammlungskatalog der Gemäldegalerie: Rom I), Wien 2010, 160–167. 86 Giovanni Pietro Chattard, Nuova descrizione del Vaticano o sia Della Sacrosanta Basilica di S. Pietro […], Bd. 2, 1762, 173: „Sopra i detti parati appesi rimiransi nelle quattro respettive sue facciate otto quadri di diverse misure con sue cornici dorate rappresentanti, uno la Cena di Nostro Signore, opera dell’Albertucci da Urbino, Scolare del Barocci, il secondo la Natività di Maria Vergine dipinto da Pier Francesco Mola, e scolare del famoso Gian Francesco Albani, il terzo la Santissima Trinità, lavoro di Pietro de Pietri; il quarto la venuta dello Spirito Santo di Giuseppe Chiari; il quinto Gesù Cristo che dice a S. Pietro che pascoli il suo Gregge di Giuseppe Passeri, il sesto la presentazione al Tempio di Gesù, di Andrea Procaccini tutti quattro Scolari di Carlo Marati; il settimo il San Francesco di Sales del Cavaliere Odazzij, e l’ottavo il S. Vvincislao di Autore incerto [Caroselli?].“ 87 Diese „Arazzeria“ wurde von Clemens XI. 1710 im Ospizio di San Michele a Ripa gegründet, um den diversen Wünschen des päpstlichen Hofes wie der römischen Nobiltà nachzukommen. Unter der Leitung des aus Paris stammenden Jean Simonet dienten die Tapisserien unter anderem und in diesem speziellen Fall dazu, den Altar der Cappella Pontifica zu feierlichen Anlässen zu schmücken. Siehe Anna Maria de Strobel, Le Arazzerie Romane dal XVII al XIX secolo, Città di Castello 1989, 51–74, hier: 56–58. Die Autoren danken Alessandra Rodolfo für den Hinweis auf die aktuellen Standorte der Tapisserien in den Vatikanischen Museen (Inv.-Nrn. 43719 und 43754) sowie Christoph Orth, der uns bei der Lokalisierung unterstützte und auf eine Zeichnung von de Pietri hinwies, die in diesem Zusammenhang entstanden sein dürfte (Windsor, Royal Collection, RCIN 904433 und RCIN 905656). Diese Blätter zählten vermutlich zu jenem Teil der Sammlung von Kardinal Alessandro Albani, den George III. 1762 erwarb. 83

109

Abb. 20a: Pietro de Pietri, Heilige Dreifaltigkeit. Vor 1717. Leinwand, 328 x 210 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 123. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 20b: Jean Simonet nach Pietro de Pietri, Heilige Dreifaltigkeit. Gewoben zwischen 1711/17. Tapisserie. Vatikan, Musei Vaticani, Arazzi e Tessuti, Inv.Nr. 43719. (© ebenda.)

Abb. 21a: Andrea Procaccini, Darbringung im Tempel. Vor 1717. Leinwand, 317 x 210 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1623. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 21b: Jean Simonet nach Andrea Procaccini, Darbringung im Tempel. Gewoben zwischen 1711/17. Tapisserie. Vatikan, Musei Vaticani, Arazzi e Tessuti, Inv.-Nr. 43754. (© ebenda.)

110

FAZIT

Die Recherchen zu den wenigen bislang bekannten Gemälden aus der Sammlung Albani in Wien resultierten in durchaus unerwarteten Ergebnissen. Insgesamt beschlagnahmten die österreichischen Truppen 1799/1800 – nach unserem Wissensstand – annähernd 350  Gemälde römischer Provenienz in Ferrara, Bologna und Mailand.88 Wie viele von diesen nach Wien transportiert und in die kaiserliche Galerie aufgenommen wurden und wie viele noch heute im Kunsthistorischen Museum verwahrt werden, ist schwer zu ermessen. Gleichwohl konnten zahlreiche Bilder in diesem Beitrag identifiziert und mit ihrem ursprünglichen Aufstellungsort in Verbindung gebracht werden. Überblickt man die Gemälde in ihrer Gesamtheit, fällt auf, dass viele von ihnen nicht in das „Beute-Schema“ des auf Meisterwerke fokussierten Napoleonischen Kunstraubs passen. Diese Beobachtung bestärkt die Vermutung, dass die nach Wien gelangten Bilder nicht für das Pariser Zentralmuseum gedacht, sondern eher für den Verkauf bestimmt waren. Sie scheinen im Zuge jener französischen Plünderungs-Kampagne erbeutet worden zu sein, während der 1798 zahlreiche Kunstwerke aus diversen römischen Privatpalästen, päpstlichen Residenzen und kirchlichen Institutionen entwendet wurden. Der Mangel an Grundlagenforschung zu einigen der nachweislich geplünderten Sammlungen erschwert es oftmals, die konkrete Provenienz der nach Wien gelangten Objekte zu eruieren. So ist zu den Verlusten aus dem Vatikanischen Palast leider wenig bekannt.89 Möglicherweise stammen neben den hier vorgestellten Werken – etwa von Giorgio Vasari, Pietro de Pietri, Andrea Procaccini oder Angelo Caroselli – folglich noch weitere Bilder des Kunsthistorischen Museums aus diesem Kontext. Ebenso fehlen Studien zum geplünderten Kunstbesitz der Papstfamilie Braschi. Zu diesem zählte bis 1798 auch eine umfangreiche Gemäldesammlung,90 aus der einige

Abb. 22a und b: Pietro da Cortona-Umkreis, Kardinalswappen mit einer weiblichen Figur der Barmherzigkeit oder Caritas und Detail. 17. Jahrhundert. Leinwand, 83 x 83 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2004. (© KHM-Museumsverband.)

Werke mit den beschlagnahmten Bildern nach Wien gelangt sein könnten. Ein primäres Indiz für diese Vermutung stellt ein Rundgemälde aus dem Cortona-Umkreis im Bestand des Kunsthistorischen Museums dar (Abb. 22). Dargestellt sind mehrere Bittsteller, die sich vor einem Kardinalswappen einer weiblichen Figur der Barmherzigkeit oder Caritas nähern und ihre niedergeschriebenen Gesuche überreichen. Das Bild dürfte mit dem Eintrag der Hofkriegsratsliste (siehe Anhang, Dok.  4): „134. Eine allegorische Vorstellung, sehr beschädigt“ identisch sein.91 Bei der originalen Fassung des 17. Jahrhunderts handelte es sich um ein Wappen der BarberiniKardinäle, wie die drei Bienen eindeutig belegen – vermutlich von Francesco oder von seinem Bruder Antonio oder deren Neffen Carlo. Im 18. Jahrhundert wurde es offensichtlich „aktualisiert“ und mit den für das Papstwappen Pius  VI. Braschi 88

89

90

Abb. 23: Scudo 1795, Bologna. Avers: PIVS * VI * - PONT * MAX * / 1795. Papstwappen Pius VI. (Familienwappen, darüber gekreuzte Schlüsseln und Tiara) im Zentrum. Gew. 26,36 g, Dm. 39,6 mm, Stempelstellung: 12h. Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, Inv.-Nr. 6385bα. (© KHM-Museumsverband.)

91

111

Diese Zahl ergibt sich aus 176 Bildern aus Ferrara, 144 aus Bologna, 20 aus Mailand und weiteren 5 aus Italien (vgl. Anm. 55). Im Vergleich dazu wurden nach Blumer im Rahmen des offiziellen Napoleonischen Kunstraubs zwischen 1796 und 1816 nur 53 Bilder aus Rom nach Frankreich verbracht. Siehe Blumer 1936 (zit. Anm. 64), 347 f. Alleine in diesem Palast galten 1816 69 Bilder als vermisst; siehe Camurri 2003 (zit. Anm. 60), 144. Schon damals fehlten jedoch exakte Verzeichnisse, um die Verluste zu rekonstruieren. Als man im frühen 19. Jahrhundert in Spanien einige Gemälde aus dem Vatikanischen Palast fand – auch sie Teil der Plünderungen von 1798 – wurde nur eine sehr ungenaue Aufstellung vermisster Werke angefertigt, siehe Dokument 3 in: Martinez de la Peña y Gonzalez 1963–67 (zit. Anm. 54), 171–177. Eine Vorstellung vom großen Umfang der Gemäldesammlung Braschi gewinnt man aus der Beschreibung des Palazzo di Campo Marzio in: Mariano Vasi, Itinerario istruttivo di Roma o sia descrizione generale delle opere più insigni […], Bd. II, Rom 1791, 390–395. Auf Vasi basiert auch der knappe Überblick in: Carlo Pietrangeli, Palazzo Braschi, Rom 1958, 49 f. Gründliche Forschungen zu diesem Gemäldebestand fehlen jedoch: vgl. Massimiliano Papini, Palazzo Braschi. La collezione di sculture antiche, Rom 2000, 15, Anm. 47. Zur französischen Beschlagnahme der Antiken siehe Ferdinand Boyer, Propositions de vente du Duc Braschi, in: ders., Le monde des arts en Italie et la France de la Révolution et de l’Empire. Études et recherches, Turin 1970, 219–223. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 2004. Auf die Rückseite der Doublierleinwand wurde bei einer alten, wohl in den 1970ern begonnenen, jedoch nicht abgeschlossenen Restaurierung die Nummer „134“ übertragen. Für das Bildthema vgl. das von Alexander VII. bei Pietro da Cortona in Auftrag gegebene Altarbild für Sant’Ivo alla Sapienza in Rom (bei Cortonas Tod 1669 unvollendet und von G. Ventura Borghesi fertiggestellt, aufgestellt 1683, heute in Città di Castello, Pinacoteca Comunale), wo ebenfalls Frauen, Kinder und alte Männer, also „die Schwachen und Hilfebedürftigen“, dem Protagonisten Petitionen bringen.

(­ Abb. 22b und 23) charakteristischen Elementen, dem aus vollen Backen blasenden Windgott und der Lilie, übermalt. Die im Anhang abgedruckten Dokumente sollen als Grundlage für weitere Identifikationen dienen. Zehn Jahre nach den Ereignissen von 1799 sollte das mittlerweile neu gegründete Kaisertum Österreich selbst Opfer eines groß angelegten Napoleonischen Kunstraubs werden: Die kaiserlichen Kunstsammlungen wurden im Jahr 1809 unter der Leitung von Dominique-Vivant Denon systematisch geplündert (Abb. 25). Zum betreffenden Raubgut gehörten ca. 400 Gemälde,92 und die Ironie des Schicksals wollte es, dass einige davon schon einmal von französischen Truppen geraubt worden waren, nämlich aus Rom, und zu einem großen Teil aus der Sammlung Albani. Erwähnt seien nur Erminia bei den Hirten von Paolo de’ Matteis (GG 1659), die Mystische Vermählung der hl. Katharina von Giovanni Gioseffo dal Sole (GG 291), die Kreuztragung Christi von Orazio Gentileschi (GG 1553), die oben besprochene Szene mit Jephta und seiner Tochter von Romanelli (GG 1562) oder Mattia Pretis Einsiedler hl. Paulus und hl. Antonius Abbas (Abb. 24). Letzteres kehrte – im Unterschied zu den zuvor genannten – nicht mehr nach Wien zurück und wird heute in Orléans aufbewahrt.93 Abb. 24: Mattia Preti, Einsiedler hl. Paulus und hl. Antonius Abbas. 17. Jahrhundert. Leinwand, 179 x 125 cm. Orléans, Musée des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 1171. (© ebenda.)

Abb. 25: Benjamin Zix und Constant Bourgeois, Das Verladen von Gemälden auf der Terrasse des Belvédère, Juni 1809. Datiert 1810. Federzeichnung laviert, 242 x 611 mm. (Aus: Ausstellungskatalog 1810. La politique de l’amour. Napoléon Ier et Marie-Louise à Compiègne, Compiègne [Musée national du Palais impérial de Compiègne] 2010, 25, Abb. 18, Kat.-Nr. 7.)

92 Vgl. Procès-verbal des tableaux et autres objets d’art, choisis par Mr. Denon dans la Gallerie du Belvédère, à Vienne, 18 juin 1809, in: Savoy 2011 (zit. Anm. 13), 137, Anhang, 481–490. 93 Musée des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 1171, Leinwand, 179 x 125 cm.

112

SUMMARY

We have known for some time that a number of paintings in the Kunsthistorisches Museum – e.g. significant works by Carlo Maratta, Guido Reni and Francesco Trevisani – were once in the collection assembled by the Albani family. But until now little was known about how these artworks (c. 35 pieces) had come to Vienna. Recently discovered sources, an examination of inventories, and markings on the paintings themselves closely link their history to Napoleon’s looting of art; removed from the Palazzo Albani in 1798 during the French occupation of Rome, they were on their way to France when seized by Austrian troops at Ferrara in 1799. Regarded as booty, the paintings were subsequently sent to Vienna. Some of them were later returned to Prince Carlo Albani while others were acquired from him. The authors show, however, that paintings from the Albani Collection were not the only works to find their way to Vienna; they were joined by other major works from the Vatican, among them Giorgio Vasari’s altarpiece from the Chapel of St Peter Martyr and pictures from the collection of Pope Pius VI (Braschi). Circa 350 paintings with a Roman provenance were confiscated at Ferrara, Bologna and Milan in 1799–1800, many of which can now for the first time be identified in the holdings of the Kunst­ historisches Museum Vienna. This re-evaluation leads also to several new attributions.

113

DOKUMENT 1

Ferrara-Liste von Alberto Mucchiati, 1799 [OeStA, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse […], fol. 107–112]

N: dietro 495 422 414 116 411 386

N: in Fronte 81 38 29 116 25 103

Rappresentanza del Quadro

Autore

Altezza

Larghezza

La Pietà – copia tolta dal Paesaggio Veduta con figure copia tolta dal La dolorata – patita – copia La B: Vergine col Bambino Copia La B: Verg: e il Bambino, e S: Giovanni

Bassano incerto Panini incerta Rafael Scuola Rom:

1:11 1:3 1:3 1:7 1:11 1:11

1:7 1:8 1:7 1:4 1:6 1:7

Römisch, Maria mit Kind, ­Johannes und Anna, 16. Jh. GG 5820.1 VS: 103

377

86

Lo Sposalizio di S: Catterina – di merito

Simile

2:1

1:6

G. G. dal Sole, Mystische Verlobung der hl. Katharina, um 1716. GG 291

39

-

Ecce Omo

Tizianesco

2:-

1:7

Venezianisch, Ecce Homo, um 1580/90. GG 1827

290

-

Andromeda sul Scoglio – in Legno

Giulio Rom:

1:10

3:2

P. di Cosimo, Perseus befreit Andromeda, um 1500. GG 1892

474

102

Frutta, e Fiori – di poco preggio

324 307 307 297 410

39 19 24

La Pietà – antico sul Legno S: Paolo – moderno S. Pietro – moderno S. Girolamo – mezza figura andante La B:a V:e, e diversi Santi – sul Legno antico

114

Scuola di Modena Pietro Costa Sc: Romano Sile: incerto incerto

2:7

3:7

1:11 1:11 1:11 1:11 4:3

1:7 1:6 1:6 1:8 3:11

309 311 314 317 315 315 3I0

24 27 -

Presepio – mano antico – sufficiente Apollo Presepio sulla tavola – antico S. Bruno – moderno – sufficiente due Seraffini in tela senza telaro

-

La Testa del Salvadore di merito

incerto Sc: Roman: incerto incerto Maniera del Baroccio incerto

-:8 6:-:7 -:10 --

-:6 -:10 -:6 -:7 --

ovado in Rame

G. Reni, Christus mit der Dornenkrone, 1. Hälfte 17. Jh. GG 2523

419 472

107 99

433

49

415

30

420 420 472

37 35 98

439

57

Paesaggio di poco merito incerto Fragmenti d’architetura di poco merito nascita della B:V: con cornice dorata, e lastra – disegno La B:V:, il Bambino, e S: Giovanni; con cornice dorata – derivante da Veduta – sufficiente Simile Framenti d’archittetura di poco preggio S: M:a Madallena – mezza figura

incerto incerto

-:11 1:3

1:2 1:-

incerto

-

-

Buona-mano

1:1

-:8

Sc: Veneta Simile incerto

1:1:1:2

1:4 1:4 1:-

Cignali

2:1

1:4

C. Cignani, Büßende Maria ­Magdalena, um 1700. GG 24054

471 418

97 33

Veduta di poco pregio S: Sebastiano – Copia derivante dal

incerto Guerzino

1:1:8

1:10 1:4

G. F. Barbieri, gen. Il Guercino, Hl. Sebastian, 17. Jh. GG 35265

383 438 319

97 56 -

448 303

68 15

424

40

una Sibila – Copia S: Giovanni mezza figura – copia Il Presepio Arazzo mentito sulla tela di qualche pregio un Baccanale Copia di poco merito S: Carlo Boromeo mezza figura di qualche merito una Battaglia Disegno in Carta

115

Tizianesca Sc. di Bolo: incerto

1:9 1:8 1:6

1:6 1:3 1:3

incerto incerto

1:9 1:9

1:6 1:4

maniera di Polidoro

-:9

-:11

412

26

Porto di mare di buona apparenza

incerto

1:3

1:8

A. Manglard, Seehafen, nach 1715. GG 1779 oder 2826

494 357 366

136 -

Archittetura buona una Sibilla patita Simile – mezza figura

Genovese -

1:3 Ovado Ovado

1:8

A. Caroselli, Singender Mann, um 1615/25. GG 15836

390 493 322

4 37

Il Salvatore mezza figura S: Francesco – mezza figura – tolta il Bambino Gesù, con S: Giovanni patito sul Legno tarlato, e patito

Gesi dal Guidoreni di buona mano

Ovado 1:2 -

1:1 -

C. Maratta-Werkstatt, Das schlafende Jesuskind, 2. Hälfte 17./ 1. Viertel 18. Jh. GG 1407

295

7

La B:V: col Bambino – opera di merito

incerto

-:10

-:11

Bolognesisch, Maria mit Kind, um 1640/50. GG 228

405 438

19 36

413

28

Palade – di merito incerto Crocefisso S: Giovanni, Maria, e la Palma Madalena Veduta di S: Piero in Roma – Scola di Panino

Ovado 1:7

1:2

1:1

2:1

G. A. van Wittel, gen. Vanvitelli, Ansicht des Petersplatzes in Rom, um 1703/10. GG 1663

323

38

-

44

Bambozzato ad uso Fiamengo – della del Tenier maniera quattro Lastre di Rame con fiori diincerto pinti di un qualche merito

1:2

1:8

-:8

1:2

G. Lopez, gen. Lopez dei Fiori, Blumenstillleben, um 1720. GG 1658, 1660, 1662, 1664

446 426

66 -

Un Paesaggio sul Legno – sufficiente Due mezze figure – disegno in Carta colata sul Legno – buone – originale del

116

incerto Cav: d’Arpino

-:7 1:3

1:3 -:11

446 483

361 -

387 440

62 58

Paesaggio – cattivo La B:a V:e che porge il Bambino a S: Franc:o Un vecchio mezza figura – arazzo Arminia sul Legno

incerto Beretin da Cortona incerto Sc: Romana

-:7 1:1

1:3 -:10

1:6 1:3

1:3 1:6

P. de’ Matteis, Erminia bei den Hirten, 1715. GG 16598

370 384

77 98

S: Giuseppe mezza figura di merito Diruppo con Bestiami

incerto Avelino

1:8 1:9

1:4 1:3

S. Rosa-Nachfolger, Landschaft mit Ruinen und Hirten, 18. Jh. GG 154

467 329

44

Paesaggio di poco merito B:a V:e col Bambino di merito

incerto Sc: Romana

1:3 1:7

1:2 1:4

C. Maratta, Maria mit Kind, um 1660. GG 127.9 RS: #329

341

25

La Pietà – di buona mano

incerto

1:8

1:3

T. Dovini, Heilige Dreifaltigkeit, 1625. GG 217. RS: #341

413 352

27 44

437

55

417 316 208

32 29 208

Veduta Romana La B: V: col Bambino d.a la Cingarella Copia del una Testa della B: V: di qualche merito S: Anna, e la B: V:e – sufficiente Ritratto – della maniera del Ritratto – Scuola

Sc: del Perini Coregio

1:1 1:3

2:1 -:11

incerto

-:7

-:6

Sc: Romana Giorgione Bolognese

-:9 1:1 -:11

-:7 -:9 -:9

D. Calvaert, Männliches Bildnis, um 1600. GG 1584

117

427

-

343 304 334 345

28 16 52

27 302

14

Tre figure ignude disegno in carta colata sul Legno La B:e V:e – buona – tolta dal S: Teresa la sola testa il Presepio in tavola patito La Madona, il Bambino, e S: Giuseppe – buono La Pietà – in Legno - antico La B: V: col Bambino, e S: Gio: in rame

Cav: d’Arpino

1:3

-:11

Guarzino incerto mano antica incerto

1:3 1:1:3 1:4

1:8:-:11 1:-

Sc: di Firenze del Masuzzi

1:6 1:9

1:1 1:5

C. Maratta, Maria mit Kind und Johannesknaben, 1704. GG 1618

54

-

416 326

31 41

S: Rocco – sul legno, patito, e ritocato S: Girolamo di buon autore i Santi Remagi sul Legno antichissimo

Benvenuto da Garofalo incerto incerto

2:5

2:4

1:1 1:10

-:11 1:7

Niederländisch, Anbetung der ­Könige, um 1500. GG 967 (abgegeben)

446

362

7 348

37

374

-

Picolo Paesetto senza telaro di poco considerazione La B: V: col Bambino, e S: Giuseppe Gesù predica alle Turbe – antico patito Paesaggio – rovinato – di buona mano

-

-

del Zucari Sc: veneta

Circolare 2:4 3:11

incerto

2:10

3:6

J. F. van Bloemen, gen. Orizzonte, Italienische Landschaft, spätes 17./Mitte 18. Jh. GG 444 oder 442

367 368

75

344 356 327

312 350 -

Architetura veduta – molto patito Prospettiva – molto patita con figure di Veduta – buona un Pontefice La Madonna immacolata – molto patita

Mirandolesi Mirandolesi Vit:o Bigher incerto Gaet: Scipio del Marati

2:6 2:6

2:3 2:3

1:8 3:3:-

3:5 2:4 2:5

C. Maratta-Umkreis, Immaculata, 1. Hälfte 18. Jh. GG 15210

118

385

5

Gesù in Casa della Madalena – patita Bassano Copia

2:6

3:4

Nach Bassano, Christus bei Martha und Maria, 16. Jh. GG 572211

354 344 308 303

49 30 -

372 374

-

S: Giovanni nel Deserto – di merito Veduta di Venezia – maniera del un Crocefisso – copiato da un Crocefisso in Carta incolata sul Legno La Carità Romana – buona di Paesaggio con figure di merito – patito

Sc: Romana Canaletto Guido Reni Sile:

3:9 1:1 3:5 1:11

2:8 1:10 2:5 1:5

Cagnazzi incerto

3:4 2:9

2:5 3:6

J. F. van Bloemen, gen. Orizzonte, Italienische Landschaft, spätes 17./1. Hälfte 18. Jh. GG 444 oder 442

393 296

-

Sile: La Pietà con diversi Angeli – di merito

Sile: Trevisani

3:3:9

3:3 3:1

F. Trevisani, Leichnam Christi, von Engeln getragen, um 1705/10. GG 156412

306 346

18 33

S: Girolamo – Gigantesco – buono Rappnza: Bestiami dell

Caracesco Abb. Regiani

5:3 3:7

3:1 5:6

401

-

Rubes.

5:-

3:2

394

8

Sc: Rom:

3:9

2:6

287 481 299

51 114 318

un Imperator – buono – della maniera La B:a V:e che presenta il Bambino ad un Capucino un Guerriero Abbozzo – buono Sile: Paesaggio di merito

incerto incerto

4:2 2:11

1:11 4:-

P. P. Rosa da Tivoli, Schafe, vor 1706. GG 262313 [abgegeben]

A. Locatelli, Landschaft mit Herde, 1. Hälfte 18. Jh. GG 1650 oder 1648. RS: #299

299

319

Simile

-

-

-

A. Locatelli, Landschaft mit ­Fischern, 1. Hälfte 18. Jh. GG 1648 oder 1650

119

375

83

Veduta d’Architetura buona con figure di

Mirandolesi Vit: Bigher

3:5

4:8

P. Paltronieri/V. M. Bigari, Architekturstück, 1. Hälfte 18. Jh. GG 2387

455

75

Pestilenza Castigo di Davide

Bononi

3:6

4:7

C. Bonone, Hl. Ludwig bittet um Abwendung der Pest, 1632. GG 217114

396 408 399 398 400 397 409 452 375

10 22 13 12 14 11 72 119

Andromeda allo Scoglio Paesaggio simile Simile Paesaggio Paesaggio Paesaggio Paesaggio Lot colle sue Figlie Veduta d’Architetura buona con figure buone di

Man: Veneta Sile: Sile: Man: Veneta Simile Simile Simile incerto Mirandolesi Vit: Bigher

3:8 3:8 3:7 3:4

4:5 4:5 3:9 4:7

P. Paltronieri/V. M. Bigari, Architekturstück, 1. Hälfte 18. Jh. GG 2388

369 298

76 401

il Rato delle Sabine Scu: Veneta Lo Sposalizio di S: Catterina – Scola- Beretino ro di

2:6 Ovato

3:-

C. Ferri, Mystische Vermählung der hl. Katharina, um 1686. GG 157915

349

38

Paesaggio

incerto

Ovato

J. F. van Bloemen, gen. Orizzonte, Italienische Landschaft, um 1726 (?). GG 443

487 487 449 495

69 22

Framenti d’Architetura – patiti Simile Veduta di Venezia un Baccanale – della maniera del

120

incerto avelino incerto Cav: Liberi

2:2:1:11 3:7

3:6 3:6 3:3 3:2

350

42

La B: Verg:e S: Giorgio, e S: Maurelio

Bastarolo

4:1

2:10

C. Bonone, Maria mit dem Kind und den hl. Maurelius und Georg, um 1604. GG 34916

72

-

S: Cicilia – buona

incerto

3:1

2:5

A. della Gramatica, Hl. Cäcilia, um 1611/05. GG 1639

6 379 342

6 27

495 496

321 -

381 332

49 381

La Pietà in Tavola buono Paesaggio Mezze figure Gigantesche a merenda buono Bacanale – patito – maniera del Decolaz:e di S: Gio: Batt:a patito antico Crocefissione – tolta dal Davide, e Saule buono

incerto incerto incerto

2:6 2:5 2:10

3:2 3:4 3:2

Liberi incerto

3:7 3:2

3:4 3:10

Bassano incerto

2:6 4:4

3:9 3:5

P. M. Vecchia, gen. (della) Vecchia, Saul und David mit dem Haupt des Goliath, Mitte 17. Jh. GG 362.17 RS: #332

497 498

905 46

una Venere distesa – buona due Anacoretti – patiti buoni

incerto Duca d’Olanda

3:1 3:1

4:7 4:6

M. Preti, Einsiedler hl. Paulus und hl. Antonius Abbas, 17. Jh. Ehemals kaiserliche Sammlungen,18 heute: Orléans, Musée des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 1171

121

445

145

Transito di S: Giuseppe – patito

Maratta

4:4

4:2

Nach C. Maratta, Tod des hl. ­Joseph, 18. Jh. GG 161

-

19

S: Pietro Martire in Tavola buono patito

Cromer

5:10

4:2

G. Vasari, Tod des hl. Petrus ­Martyr, 1571. GG 219

457 490 394

79 -

La Sacra Famiglia – buona una veduta Maritima una veduta con Giustizia Militare

incerto incerto incerto

2:4 1:8 1:10

1:9 2:5 2:6

P. van Bloemen, gen. Standart, Landschaft, 3. Drittel 17./ 1. ­Viertel 18. Jh. GG 3519

484

72

Paesaggio patito di poco valore

incerto

1:10

2:7

P. van Bloemen, gen. Standart, Italienische Landschaft mit ­Pferden und Hirten, 3. Drittel 17./1. Viertel 18. Jh. GG 1735 oder 1737?

343 300

52 12

S: Giuseppe da Copertino di merito La Stragge degli innocenti – buona

Scu: Romana incerto

2:6 1:11

1:11 2:8

L. Giordano, Bethlehemitischer Kindermord, 70er Jahre 17. Jh. GG 156919

288

73

Veduta Maritima con figure, buono

incerto

1:2

3:-

A. Manglard, Seehafen, nach 1715. GG 1774

288

73

Veduta Simile

-

-

-

A. Manglard, Seestück, nach 1715. GG 1775

122

394

352

Bestiami

Scu: Veneta

1:10

2:6

P. van Bloemen, gen. Standart, Italienische Landschaft mit ­Ruinen, 3. Drittel 17./1. Viertel 18. Jh. GG 1737 oder 1735?

289 469

93

480 481

112 -

492

-

Veduta S: M:a Madalena mezza figura – patita Paride con le tre Grazie – sufficiente varie Figure, e Paesaggio – buon abbordo S: Maria Madalena – di merito

Simile incerto

2:-

2:8

incerto incerto

2:4 2:3

3:3 3:3

Scu: Roman

3:1

2:6

M. Franceschini, Büßende Maria Magdalena, um 1700/05. GG 22520

387 454 465

1 74 89

S: Franc:o patito di poco merito Paesaggio – molto patito Architetura, e Porto di mare

incerto incerto Cangi

3:1 2:5 2:5

2:7 3:5 3:5

Niederländisch, Ansicht eines ­Hafens, um 1700. GG 6513

477 488 391 466 395

108 158 5 90 9

Veduta d’una Porta di Città Prospettiva d’archittetura Cupido – cattivo Concistoro per una monaca buono una pestilenza buono

Sile: Sile: incerto incerto incerto

2:7 4:3

3:2 3:1

D. M. Muratori (zugeschrieben), Jean-François Régis bei den ­Pestkranken, 1. Viertel 18. Jh. GG 162421

365

67

351

43

La Madona, il Bambino, S: Gius:e – sufficiente S: Francesco – di nessun merito

incerto

1:8

2:5

incerto

2:1

1:7

Oberitalienisch, Hl. Franziskus, Ende 17. Jh. GG 1909. RS: #351

123

440 358

21 55

229 473 394 462 380

5 101 357 85 91

S: Filippo Neri patito – copia dall’ Veduta d’una Certosa – di buona mano Un mercato – patito di buona mano un Santo Appostolo – rovinato un mercato patito – di buona mano Bestiami di nessun valore Veduta di mare, con figure di merito

Albertino incerto

1:10 1:6

2:5 2:6

incerto incerto incerto incerto incerto

1:8 2:5 1:11 1:11 2:2

2:7 1:11 2:7 2:9 2:6

A. Manglard, Seestück, nach 1715. GG 453. RS 380

378 464 388 450 291

8 88 2 70 392

La caduta di Simon Mago di merito Paesaggio di poco merito Paesaggio simile Una caduta d’acqua di poco merito Gesù che porta la croce – sufficiente

Scu: Veneta incerto incerto incerto incerto

2:2 2:2 2:2 1:10 3:5

2:8 3:3:3:2 4.6

O. L. Gentileschi, Kreuztragung Christi, um 1605/07. GG 155322

280

-

S: Antonio Abbate mezza figura di merito

incerto

3:8

3:-

P. Mignard, gen. le Romain (zugeschrieben), Hl. Antonius, Mitte 17. Jh. GG 800

453

73

347

35

Li tre Angeli in Casa di Giacobe Copia La Carità che scherza con tre Putini sulla Tavola, roto in due pezzi

Rafaeli

3:8

4:-

Rafaelesca

2:6

1:11

* Fett gedruckt sind jene 31 Bilder, die Joseph Rosa am 20. November 1801 aus der Fürst Albanischen Sammlung für die kaiserliche Galerie erworben hat. Zu diesem Ankauf zählten auch zwei Gemälde, die in dieser Liste nicht eindeutig identifiziert werden können: Una Donna con il turbante in testa („Incognito„) und Una testa della Santiss. Vergine („Sasso Ferrato“).

1

2

3

4

5

Die in dieser Liste verwendete Maßeinheit entspricht ca. 40 cm bzw. 3,333 cm.

Ev. Albani-Inv. 1724: „Un quadruccio di Tela di mezzo p.mo della Madonna con il Bambino in braccio, S. Gio: Batta, e S. Anna“ (Borchia 2018, zit. Anm. 10, Nr. 278). Albani-Inv. 1724: „Altro rappresenta la favola di Persio, et Andromata [sic] alto p.mi tre, largo p.mi cinque in Tavola con cornice dorata dipinto dal Caroselli vecchio“ (ebenda, Nr. 684). Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in rame ovato di altezza palmi 2 ½ in circa, e largo a proporzione rappresentante la testa di un Salvatore coronato di spine con cornice quadra coll’Angeli riportati con intagli e dorata di mano di Guido Reni donata a Sua Santità dal Cardinale Ottoboni….scudi 500“ [S. 26]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in tela di tre palmi scarsi rappresentante S. Maria Madalena mezza figura al naturale colle mani giunte sopra la testa di morto di mano del Sementa con cornice liscia dorata comprato da Sua Santità mentre era Cardinale….scudi 100“ [S. 34]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in tela di tre palmi rappresentante S. Sebastiano colle frezze mezza figura di mano del Guercini con cornice liscia

124

dorata lasciato a Sua Santità dalla bona memoria del Signor Cardinal Petrucci.…scudi 400“ [S. 33]. 6 Albani-Inv. Ante 1712: „Un quadro in tavola di palmi 2 ½, e larghezza 1 ½ ovato rappresentante uno che canta, e fa la battuta con una Carta di Musica in mano con un Berettone con una Medaglia in cima di mano del Caroselli Vecchio con Cornice intagliata, e dorata comprato da me Orazio Albani in Roma da Federico Amici….scudi 50“ [S. 40]. 7 Albani-Inv. ante 1712: „Un quadretto ovato di altezza palmi 1 ½, e di larghezza palmi 2 in circa rappresentante il Bambino, che dorme con S. Giovanni Battista, che gli bacia la mano, di mano del Cavaliere Carlo Maratti con Cornice quadra dorata parte liscia, e parte intagliata comprato da Sua Santità…. scudi 15“ [S. 54]. 8 Albani-Inv. 1724: „Due quadrucci uno rappresenta Ermida con Rinaldo, e l’altro Erminia con il Pastore alti p.mi due, larghi p.mi due, e mezzo con cornici intagliate, e dorate, Pittura di Paolo de Matteis“ (Borchia 2018, zit. Anm. 10, Nrn. 921–922).

9

10

11

12

13

14

15

Albani-Inv. ante 1712: „Un Quadro in tela di tre palmi scarsi rappresentante la Beata Vergine mezza figura che sostiene con tutte due le braccia il Bambino di mano del Signor Cavaliere Carlo Maratti con Cornice larga intagliata, e dorata donato a Sua Santità da Cardinale dal Signor Principe Savelli….scudi 100“ [S. 28]. Ev. Albani-Inv. 1724: „Altro di una Concettione con il Bambino in braccio, e molti Angioli à torno alto p.mi quattro, e mezzo, largo p.mi tre e mezzo in circa con cornice, et intagli dorati, dipinto da Carlo Maratta“ (Borchia 2018, zit. Anm. 10, Nr. 589). Albani-Inv. 1724: „Altro la Madalena à piedi di Christo con S. Marta, che rassembra una Tavola apparecchiata, e molte altre figure alta p.mi cinque, larga p.mi sei in circa con cornice intagliata, e dorata, dipinto dal Bassano“ (ebenda, Nr. 593). Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in tela di altezza palmi 2 e larghezza 5 ½ rappresentante il Savatore morto, e deposto di Croce con alcuni Angeli piccoli, e grandi piangenti, che lo sostengono, Figure al naturale di mano del Trevisani donato a Sua Santità dal Cardinale Ottoboni con cornice parte ­liscia, e parte intagliata a fogliami minuti, e dorata....scudi 100“ [S. 35 f.]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in tela di palmi 10, e 6 per traverso rappresentante varie sorti di Animali con alcuni Pastori e Paesi di mano di Monsu’ Filippo Rosa con cornice parte liscia, e parte intagliata dorata comprata da me Orazio Albani….scudi 80“ [S. 37]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro di palmi 7 di larghezza, e palmi 5 ½ d’altezza con cornice liscia dorata rappresentante Re David in ginocchioni con un Angelo, che ha in mano una testa di morte, et una spada con molti Cavaderi [sic], e languenti di mano di Dossi di Ferrara donato dal Pubblico della Medesima Città a Carlo, ed Alessandro Albani miei Figli, quando furono a Ferrara….scudi 300“ [S. 52]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in tela di altezza palmi 5 ½ in circa, e largo a proporzione ovato rappresentante la Beata Vergine a sedere sotto un albero con il Bambino in braccio, che dà l’anello a S. Catarina di mano di Ciro Ferri con cornice quadra parte liscia, e parte intagliata tutta dorata con le ri-

16

17

18

19

20

21

22

quadrature di fogliami dorati lasciato a Sua Santità per Testamento dal Signor Cardinal Rubini….scudi 80“ [S. 34]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro di palma 7 circa di altezza, e 4 ½ di larghezza rappresentante la Madonna Santissima con il Bambino in braccio da un lato S. Giorgio in piedi, ed all’altro un Santo Vescovo in ginocchioni di mano di Scarsellini con cornice liscia dorata donato alli suddetti miei Figli dal Pubblico di Ferrara….scudi 300“ [S. 52]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro di palmi 8, e 4 rappresentante Davide colla fionda in mano, e un Soldato colla spada, che tiene la testa del Gigante Golia mano del Giorgine con Cornice di legno dorata, e intagliata donato a Sua Santità dal Signor Antonio Velli….scudi 200“ [S. 51]. Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro in tela di palmi 8 e 5 rappresentante S. Paolo Primo Eremita, e S. Antonio Abbate nel Deserto Figure intiere al naturale con il Corvo, che gli porta il pane di mano del Cavaliere Baioni con cornice liscia dorata lasciata a Sua Santità mentre era Cardinale dal Signor Pier Carlo Cappelletti….scudi 80“ [S. 34 f.]. Albani-Inv. 1724: „Altro una Strage d’Innocenti in Tela di quattro p.mi per traverso con sua cornice dorata, si crede di Luca Giordano“ (Borchia 2018, zit. Anm. 10, Nr. 590). Albani-Inv. ante 1712: „Un quadro di palmi 5 ½ di altezza, e palmi 4 di larghezza rappresentante S. Maria Madalena nel Deserto con un Angeletto in aria con una corona di spine di mano del Franceschini di Bologna donato a Carlo Albani mio Figlio dal Signor Matteo Conti con Cornice dorata parte liscia, e parte intagliata….scudi 100“ [S. 52]. Albani-Inv. 1724: „Altro rappresenta S. Carlo, che communica in tempo della Peste alto p.mi sette, e largo p.mi quattro con cornice dorata, si crede della schola Bolognese“ (Borchia 2018, zit. Anm. 10, Nr. 833). Ev. Albani-Inv. 1724: „Altro rappresenta un Christo con la Croce su le spalle quando fù condotto al Calvario alto p.mi sette largo p.mi cinque in c.a con cornice intagliata, e dorata, dipinto da Michel Angelo di Caravaggio“ (ebenda, Nr. 626).

DOKUMENT 2

Verzeichnis der Bilder, die Carlo Albani wiedererkannt hat [OeStA, HHStA, OKäA, B, 227] Nota de’ quadri esistenti al Belvedere riconosciuti dal Pcpe: Albani come apparentati alla Sua Galleria in Roma all’occasione dello Spoglio fattone da’ francesi l’anno 1798. Quattro quadri di fiori, in uno de’ quali è dipinta l’arma di Casa Albani. – Del cosi detto Ciccio de’ Fiori Quadro rappresentante Clemente XI che da il velo di Religiosa Carmelitana a D.a Olimpia Albani sua Nipote – Di Solimene Veduta di Soriano Feudo del Principe Albani – di Gasparo Wanvitel, detto Gaspar degli Occhiali Due di Venezia – del sud:o Una di Tivoli – Del sud:o Una della Piazza di S. Pietro – Del sud:o Una di Ponte S. Angelo – Del sud:o Una di Caprarola – Del sud:o La Carità Romana – Di Michelangelo di Caravaggio Un santo Vescovo con la B.V. – di Federico Barocci Madonna con Bambino sulle braccia – di Carlo Maratta Sacra Famiglia – Una delle ultime opere del Suddetto SSma Concezione con Angeli – Del Sud:o Due tele con due mezze figure de’ SS.i Apostoli Pietro e Paolo – Del Sud:o Bambino Gesù con angeli in piccolo ovale – Del Sud:o Ritratto di S. Pio V. – Di Scipione Gaetano

125

Di S. Carlo Borromeo Del Card: Bellarmino Del Rè Guglielmo d’Inghilterra Quadro Grande di Bestiami – Di Filippo Rosa S. Sebastiano mezza figura – Di Guercini Sacra famiglia in tela ovale – Die Pietro da Cortona SSma: Trinità – Del Sud:o Due quadri rappresentanti uno S.a Maddalena, l’altra S. Gio: Battista – del Franceschino da Bologna S. Girolama figura intera – Die Scuola Bolognese Davide con la testa del Gigante seduto con un soldato – Di Guercino Mezza figura di Dama con turbante in testa S. Felice da Cantalice – Di Pietro Leone Ghezzi Maddalena mezza figura – Di Simone da Pesaro Gesù Cristo che porta la Croce – Del Tiarini S. Francesco sostenuto da un’Angelo – Di Paolo Veronese Cristo morto nelle braccia d.a Ssma Vergine – Scuola Fiorentina Soldato armato di ferro voltato in Schiena – Del Cav.r d’Arpino Due marine – Di Manglar Perseo che uccide il Drago – Di Pietro di Cosimo Crocifissione – Del Tintoretto Cristo morto sostenuto da Angeli – Del Trevisani Più quadri grandi di Paesi con figure i quali servivano di soprapporti nel Palazzo Albani in Roma – Di Alessio de’ Marchi Quadro grande di Paese con prospettiva di fabrica Antica Madonna con Bambino ed angeli – Di Giacomo Sementi Cristo morto. In piccola tela. Di uno de’ Bassani Veduta di Bagni di nocera Dieci piccole tele con vedute di paesi. Sono sigillati con le armi di Casa Albani Tavola grande di altare e riparti. Di scuola antica italiana Quadro rappresent.te i cinque sentimenti del corpo espressi nella vista, tatto, gusto per di un melone – Di Ludovico Caracci Tela rappresen.te Davide con l’angelo annuncia la peste – Di Guercino Giudizio di Paride Due tele grandi rappresent.ti Baccanali Figura di Donna sedente che sostiene tré puttini Ratto delle Sabine Due paesi in tela oblonghi Gesù morto con Angeli che lo sostengono Testa della Beata Michelina – Di Federico Barocci Deposizione dalla Croce. In tavola di scuola antica Italiana Piccola testa con collare al collo alla Spagnola Testa di S. Giovanni. In tela ovale Due altre teste. In tela ovali Madonna col Bambino in tela. Copia da Raffaelle Piccolo presepio. In tavola di scuola antica Italiana S. Giuseppe da Copertino in estasi con alcune monache spettatrici Figura di Donna supina che si tiene le ginocchia con le mani Presepio di grandezza circa di un braccio Salvatore in atto di benedire – Del Baciccio Due Testine d’angeli – Di Federico Barocci Madonna con bambino detta la Zingarella – Copia dal Correggio Tela per traverso rapp.te la madonna col Bambino, e S. Giuseppe di scuola Romana moderna Cristo morto nelle braccia d.a B.V. a piedi d.a Croce – di Michelangelo Buonarrotti 126

S. Filippo neri in mezzo agli Angeli S. Antonio con altro Santo Eremita, e il corvo che gli porta il pane – Del Cav.e Calabrese Decollazione di S. Giovanni – Creduta di Gherardo della notte Testa d.a SSma Vergine – Di Sassoferrato S. Anna che insegna a leggere alla B.V. Bambina Quadro rapp.te soggetto favoloso – di Paolo de Matteis Disegno di un Presepio ad aquarello – con cornice dorata Altro a Lapis rosso e nero rapp.te tre Giganti Altro rapp.te un SSmo Crocifisso – Di Federico Barocci Altro rapp.te due teste della madonna, e S.a Anna

DOKUMENT 3

Verzeichnis der Bilder, die Carlo Albani zurückgegeben wurden [OeStA, HHStA, OKäA, SR, 38a] Avendo il Sig.e Direttore Rosa desiderato di sbarazzarsi de’ seguenti quadri, onde essere libero a poter ordinare l’ultima Stanza del pian Terreno di Belvedere, ed avendomi pregato di ricever li in una delle Stanze del piccolo Belvedere, dichiaro io sottoscritto di averli ricevuti in deposito questo giorni 11. novembre per ritenerli a Sua disposizione, finché S.E. il Sig. Conte di Colloredo non si compiaccia di aggiudicarmeli come miei a norma delle istanze che gli ne ho fatte

S. Pietro mezze figure di Carlo Maratti S. Paolo Donna supina di Gherardo d.e notte Cristo morto con angeli che lo sostengono – Di Scuola Fiorentina Ritratto del Card. Bellarmino Di S. Carlo Borromeo Di S. Pio V. – di Scipione Gaetano Monacazione fatta da Clem: XI. – di Solimene Crocifissione – Di Tintoretto S. Gio: Batta – Franceschino da Bologna S. Giuseppe da Copertino – Scuola Romana moderna 2. Viste grandi di Venezia – Di Gaspero Wanvitelli Gara delle tré Dee, o giudizio di Paride S. Anna con la madonna bambina che stà leggendo un paese grande in tela Soldato in schiena – Del Cav: d’Arpino Discesa della Croce, quadro antico in tavola 2. Tele grandi di Baccanali Tela grande rappresentante Ruderi antichi S. Felice da Cantalice – Scuola Romana moderna. Ratto delle Sabine Piccola tela rapp.te Satiri Veduta della Cortina di Castel S. Angelo – Gaspar Wanvitelli Di Soriano Di Tivoli Del Suddetto Quattro figure che esaminano un melone – Scuola Bolognese Carità Romana – Di Michelangelo di Caravaggio

127

2. Paesi in tela oblonghi Ritratto del Rè Guglielmo d’Inghilterra – Di Benedetto Gennari 8. Paesi in piccole tele 7. Grandi tele rappresentanti Paesi – Di Alessio de’ Marchi S. Girolamo in gran tela – Di Scuola Bolognese Decollazione di S. Giovanni – Di Gherardo della notte Piccola tela rappresent.te un paese non intelarato – Di Poussin Due piccole tele non intelarate rapp.ti testine d’angeli – Del Barocci Salvatore in atto di benedire – Del Baciccio Copia della Zingarella del Coreggio Copia della madonna di Raffaello che era alla Galleria Orleans 5. Disegni, uno de’ quali in Cornice dorata Testa della Beata Michelina – Di Barocci Pietà in tavole – Di Michelangelo Buonarrotti Presepio in tavola – di Benvenuto da Garofalo Altro presepio – Della scuola di Pietro Perugino Altro presepio – Di Scuola Veneziana S. Girolamo mezza figura – Di Guido Cagnacci Deposizione della Croce in piccola tela – Di uno de’ Bassani Carità con trè puttini. Tavola antica S. Filippo Neri con una gloria d’angeli – Di Pietro da Cortona Veduta de’ Bagni di Nocera Testa ovale di un Giovane, in tavola. Altra ovale di una Giovane, in tela Piccola tavola rappresent.te la testa di una madonna – Scuola di Raffaelle Testa di S. Giovanni Evangelista in tela – Scuola Romana Madonna con Bambino, e S. Gio: in tela alta due palmi circa Madonna col Bambino, e S. Fnco; Piccola tela Madonna col Bambino, e S. Gius:e – Tela per traverso larga B.a 1. ½ Veduta del Palazzo di Caprarola – Di Gasparo Wanvitelli 2. Teste di ritratti, una di un vecchio, l’altro di un Giovane Carlo Prpe Albani Alle diese obstehenden gemählde habe, wie angezeigt dem fürsten zurückstellen lassen, da sie zur k. k. Bilder Gallerie nicht dienlich seyend Joseph Rosa k. k. Gallerie Director Belvedere. 20 9bre 1801

128

DOKUMENT 4

Verzeichnis der Bilder, die Joseph Rosa vom Hofkriegsrat übernommen hat [OeStA, HHStA, OKäA, D, 112]

Verzeichnüß Der von der kk Expedits Direction des Hofkriegsraths an die kais. königl. Hof Gallerie abgegebenen verschiedenen Bilder. Nro 104.

Ein Altarblatt.

83.

Josephs Traum Auslegung etwas beschädigt.

106.

Eine spanische Geschichte.

Ev. zu identifizieren mit: Florentinisch, ­Rebekkas Aufnahme in Abrahams Haus, um 1630/35. GG 1632 (?)

270.

Die Pontinische Sümpfe, etwas beschädigt.

253

Entrevue des Pabstes mit dem König von Schweden

445.

Petri Fischfang, sehr beschädigt.

451.

Eine römische Geschichte.

65.

Maria Opferung sehr beschädigt

76.

Noes Ausgang aus der Arche. etwas beschädigt

G. F. Castiglione, Einzug der Tiere in die Arche Noah, vor 1710. GG 1633

136.

Die Tochter Jephte. etwas beschädigt.

G. F. Romanelli, Jephta erblickt seine Tochter, 1. Hälfte 17. Jh. GG 1562

23.

Maria auf dem Trohn von Fr. Bartholoma [Anm. mit Bleistift: „Francia“]

Ev. zu identifizieren mit: M. di Bigio di ­Bindo Albertinelli, Maria mit Kind und diverse Heilige, 1510. GG 220 (?)

128.

Antonius in der Wüste

G. Courtois, gen. Cortese, Die Einsiedler Paulus und Antonius mit dem Raben, 17. Jh. GG 1638. RS: #128

129

238.

Familia di Diego de Velazquez etwas beschädigt.

J. B. Martínez del Mazo, Familie des ­Künstlers, um 1664/65. GG 320

210.

Carl der erste von England.

3.

der englische Gruß auf Holz sehr beschädigt

4.

Geburt Christi d[etto]

26.

Eine heilige Famille auf Holz

29.

famille Christi auf Holz.

17.

Ein Portrait auf Holz sehr beschädigt.

255.

Eine Landschaft auf Holz d[etto]

276.

Maria im Tempel auf Holz beschädigt

22.

Eine Evangelische Geschichte auf Holz beschädigt

199

Ein Portrait auf Holz

288.

d[etto] d[etto] sehr beschädigt

494

d[etto] d[etto]

1.

d[etto] d[etto]

250.

d[etto] d[etto]

252.

Ein Portrait auf Holz.

240.

d[etto] d[etto]

234.

d[etto] d[etto] beschädigt

1.

Maria mit dem Kind ein rundes Bild beschädigt auf Holz

250.

Ein Frauenkopf auf Holz

Italienisch, Frau in Witwentracht, 17. Jh. GG 1972. RS: #250

171.

Ein Portrait sehr beschädigt.

204.

Ein Portrait auf Holz beschädigt.

46

d[etto] d[etto]

Italienisch, Porträt eines Mädchens, 16. Jh. GG 2970. RS: #46

212.

d[etto] d[etto]

204

d[etto] d[etto]

100.

d[etto] d[etto] sehr beschädigt

234.

d[etto] d[etto]

174.

d[etto] d[etto] beschädigt

8.

Hieronymus d[etto] sehr beschädigt.

286.

Ein Portrait d[etto]

130

168.

d[etto] d[etto]

224.

d[etto] d[etto] beschädigt

167.

d[etto] d[etto]

173

Ein Frauen Portrait auf Holz

247.

Ein Portrait d[etto]

169.

Ein Frauen Portrait d[etto]

166.

d[etto] d[etto]

234.

Ein Pabst Portrait d[etto]

219.

Zwei Stück Mansköpf auf Stein

211

Portrait de Jacque Arminus auf Holz

Nach M. J. van Mierevelt, Arminius, 17. Jh. GG 399. RS: #211

234

Portrait auf Leinwand.

184

d[etto] d[etto]

191.

d[etto] d[etto]

109

d[etto] d[etto]

199.

d[etto] d[etto]

236.

d[etto] d[etto]

250.

Ein Papst d[etto]

221.

Ein Portrait d[etto]

194.

d[etto] d[etto]

201.

d[etto] d[etto]

235.

d[etto] d[etto]

250.

d[etto] d[etto]

172

Ein Papst auf Leinwand

194

Ein Portrait d[etto]

186

d[etto] d[etto]

229

Ein Frauen Portrait d[etto] sehr beschädigt

243

Ein Cardinal auf Leinwand beschädigt

218.

Ein Familien Stück auf Leinwand

179

Ein Portrait d[etto]

226

d[etto] d[etto]

175

d[etto] d[etto] sehr beschädigt

-

Ein Manns Kopf ohne Numero

177.

Pabst Syxtus auf Leinwand

193.

Tinttoretto

199.

Ein Portrait d[etto]

234.

d[etto] d[etto]

-

Ein Mannsportrait ohne Nummer sehr beschädigt

176.

Ein Frauen Portrait

170.

Ein Portrait eines Kardinals

250.

d[etto] d[etto]

234.

d[etto]

231.

d[etto]

234.

Ein Papst auf Leinwand

131

199

Ein Frauen Portrait

180.

Ein Cadinal d[etto]

182.

Ein Portrait d[etto]

244.

d[etto] d[etto]

231.

d[etto] d[etto]

231.

d[etto] d[etto]

231.

d[etto] d[etto]

199

d[etto] d[etto] sehr beschädigt

185

Doge von Tintoretto

234.

Ein Portrait d[etto]

234.

d[etto] d[etto]

220

d[etto] sehr beschädigt

35.

Ein Frauen Portrait d[etto] d[etto]

233.

Ein Knab auf Leinwand

245.

Ein Kardinal d[etto]

199.

Ein Portrait d[etto] d[etto]

34.

Judith d[etto]

188.

Ein Portrait d[etto]

129.

Termutis d[etto]

160.

Abendmal d[etto]

61.

Sterbende Christus d[etto]

148.

ein Cruzifix d[etto] sehr beschädigt

Nach C. Maratta, Kreuzigung Christi, nach 1650. GG 2192

285.

Verspottung Christi d[etto]

78.

Verläugnung Petri d[etto]

Caravaggio-Nachfolger, Verleugnung Petri, um 1620/25. GG 1631 (?)

85.

Josephs Traum d[etto]

115.

Heiliger Laurenti d[etto]

45

Herodias d[etto]

67.

Magdalena d[etto]

F. Torri, Büßende Maria Magdalena, um 1650/60. GG 1620. RS: #67

146.

Christus an der Säule d[etto]

Nach C. Maratta, Geißelung Christi, nach 1650. GG 2389

132

139.

Petrus d[etto]

52.

von Pasano d[etto]

149.

Geburt Christi von Pasano.

66.

Maria mit dem Kind rund d[etto]

475.

von Dam Vieh Stück. d[etto]

36.

Ein Frauen Portrait d[etto]

118.

Ein Heiliger d[etto]

84.

Hieronymus d[etto]

94.

Heil. Barbara d[etto]

112.

Maria Empfängnüß d[etto] beschädigt

100.

Heil Petrus d[etto] d[etto]

120.

Ein Sbiri d[etto]

194.

Magdalena d[etto]

421.

Eine Skitze d[etto]

103.

Magdalena d[etto]

261.

Ein Prospect. d[etto] beschädigt

146.

Christi Kreutz Tragung d[etto] sehr beschädigt

Nach C. Maratta, Christus fällt unter dem Kreuz, nach 1650. GG 178

421.

Eine Skitze auf Leinwand

134.

Eine allegorische Vorstellung d[etto] sehr beschädigt

P. da Cortona-Umkreis, Kardinalswappen mit einer weiblichen Figur der Barmherzigkeit oder Caritas, 17. Jh. GG 2004. RS: #134

145.

Flucht in Egypten d[etto] d[etto]

Nach C. Maratta, Flucht nach Ägypten, nach 1650. GG 143

-

Hieronymus ohne Nummer d[etto] d[etto]

271

Ein Mondschein d[etto] d[etto] sehr beschädigt

259.

Eine Landschaft von Claudius Stella

486.

d[etto] sehr beschädigt

486.

d[etto] d[etto]

260.

d[etto] beschädigt

260.

d[etto] d[etto]

258

d[etto] von Asselin

161.

Ein Portrait

256.

Eine große Landschaft.

Joseph Rosa.Gallerie Director 133

134

Friedrich Simader

„Libri provenienti da Roma“ Zu einem Bücherraub während der Napoleonischen Kriege

Zahlreiche Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek besitzen an Beginn und Schluss des Buchblocks einen gut sichtbar angebrachten roten Rundstempel mit einem gekrönten Adler in der Mitte und der Aufschrift Bibliothèque Impériale. Er erinnert daran, dass im Jahr 1809 im Zuge der Besatzung Wiens durch französische Truppen insgesamt 832 Bände der damaligen Hofbibliothek nach Paris verbracht worden sind. Diese in der Literatur detailliert dargestellte Episode endete glimpflich, denn nach dem Sieg über Napoleon kamen fast alle Bücher wieder zurück nach ­Wien.1 Nicht bekannt ist hingegen, dass die Hofbibliothek einige Jahre zuvor selbst von den Raubzügen französischer Truppen profitiert und dabei eine stattliche Zahl von Büchern erhalten hat. Wie im vorhergehenden Beitrag von Gernot Mayer und Gudrun Swoboda2 ausführlich besprochen, wurden 1798 beim Einmarsch der Truppen Napoleons in Rom zahlreiche Sammlungen geplündert. Ein Teil der Beute wurde aber nicht sofort nach Frankreich geschafft, sondern verblieb in französisch besetzten Städten wie Bologna und Ferrara und fiel dort 1799 österreichischen Truppen in die Hände, die, bevor sich das Kriegsglück wieder wendete, mit russischer Unterstützung weite Gebiete Oberitaliens einnehmen konnten. Bei der Suche nach damit zusammenhängenden Akten hat Gernot Mayer im Österreichischen Staatsarchiv unter anderem auch ein Bücherverzeichnis entdeckt, das als Inventario dei Libri provenienti da Roma, e sequestrati d’ordine della C. R. P. Reggenza di Ferrara3 betitelt ist (Abb. 1). Laut der zugehörigen, ebenfalls von Mayer ermittelten Korrespondenz handelt es sich um einen Katalog von Büchern, die im Zollamt von Ferrara aufgefunden worden sind; das Verzeichnis selbst wurde demnach im Dezember 1799 auf Anordnung des österreichischen Außenministers Baron Franz von Thugut erstellt.4 Am 15. Jänner 1800 erfolgte dann dessen Befehl, die Bücher zusammen mit ebenfalls vorgefundenen Gemälden und den entsprechenden Inventaren nach Wien transportieren zu lassen: „Sapendosi, che in codeste dogane si sono rinvenuti alcuni quadri e vari libri, già di spettanzo dè Francesi, si compiacerà V. S. Illma. di far trasmettere gli uni e gli altri a Vienna col rispettivo loro inventario“.5

1

2

3 4

Abb. 1: Verzeichnis von Büchern aus Rom. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei, Kriegs­ akten, K. 461 (Nr. 26). (© Österreichisches Staatsarchiv.)

5

135

Siehe Robert Rehberger – Geralt Ustrnul, Die Bibliothek im Napoleonischen Zeitalter und im Vormärz (1803–1845), in: Josef Stummvoll (Hg.), Die Hofbibliothek (1368–1922) (Geschichte der österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 1), Wien 1968, 344–350, mit weiteren Literaturhinweisen. Ich danke Gudrun Swoboda (Kunsthistorisches Museum) und Gernot Mayer (Kunsthistorisches Institut der Universität Wien) sowohl für den Hinweis auf das Inventar als auch für das großzügige Überlassen von Transkriptionen der zugehörigen Korrespondenz im Staatsarchiv. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA), Staatskanzlei, Kriegsakten, K. 461 (Nr. 26). Wien, Österreichisches Staatsarchiv, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse […], fol. 106, Camillo Bevilacqua und Luigi Ricci an Franz von Thugut, Ferrara, 18. Dezember 1799: „Si travaglia presentemente nella formazione del Catalogo dei Libri pure arrestati in quest’Uffizio di Finanze, giunto che sarà al suo termine verrà anch’egli trasmesso a V. Eccza“. Ebenda, fol. 122, Thugut an Giuseppe Pellegrini, Wien.

Der weitere Weg der Bücher lässt sich anhand von Unterlagen im Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek rekonstruieren. In der Geschichte der Wiener Hofbibliothek findet sich bereits der Hinweis, dass dem Präfekten Gottfried van Swieten Ende des Jahres 1802 oder Anfang des Folgejahres offenbar ein Verzeichnis von aus Italien stammenden Büchern übermittelt worden ist, das einige hundert vorwiegend theologische Werke enthielt.6 Um diese Bücher hatte sich der Präfekt schon früher bemüht. „Ich habe lezthin die Ehre gehabt Eurer Excellenz mündlich den Wunsch zu äußeren, daß der K. K. Hofbibliothek über einige Kisten mit Büchern, die während des Kriegs in Italien von verschiedenen Orten her zur Italiänischen Hofkanzley gelangt sind und allda aufbewahrt werden, einige Nachricht zukommen möchte um vorerst zu wissen, was darin enthalten ist, und dann zu sehen, ob darunter etwas für die Hofbibliothek dienlich seyn dürfte“,7 heißt es in einem Brief vom 3. September 1802 an den italienischen Hofkanzler Graf Josef von Mailáth. Dieser teilt am 27. des Monats mit, dass er einen genauen Katalog verfassen lassen werde, damit van Swieten beurteilen könne, ob sich darunter Brauchbares für die Hofbibliothek findet.8 Das war der Fall, wie aus dem Brief des Präfekten an den Hof- und Staatsvizekanzler Graf Philipp von Cobenzl hervorgeht: „Ich habe die Ehre Eurer Excellenz für die Mittheilung eines hier wieder beygefügten Verzeichnisses über eine aus Italien nach Wien gelangten Bücher-Sammlung ergebenst zu danken […]“, schreibt van Swieten am 21. Februar 1803 und erklärt, „[…] daß die Bibliothek die ganze Sammlung ihren Absichten vollkommen angemessen finde, und sie demnach für sich zu erhalten eifrigst wünsche“.9 Bei dem zurückgesandten Inventar scheint es sich aber nicht um das von Graf Mailáth in Aussicht gestellte, sondern um jenes im Staatsarchiv gehandelt zu haben. Dem Schreiben des Präfekten liegen nämlich ein Gutachten sowie zwei Bücherlisten bei. Der anonyme, vermutlich mit dem Skriptor Paul Strattmann zu identifizierende Verfasser10 erstellte zunächst eine nur 21 Einträge umfassende Liste zu 201 Bänden. Sie beginnt mit einer Handschrift zum Konzil von Trient, die man im Inventario ebenfalls am Anfang findet, und endet mit einem Sammeleintrag zu 156 Bänden mit teils handschriftlichen, teils gedruckten Akten des französischen Klerus, die sich auf den letzten Blättern des Verzeichnisses finden. Für den zweiten Auszug nahm er sich dann deutlich mehr Zeit, denn dieser umfasst Titeleinträge für 707 Bände. Hier stimmt die Abfolge der Titel ebenso vollkommen überein, was wohl kaum der Fall wäre, wenn man die Bücher den Kisten entnommen und neu katalogisiert hätte. Auch inhaltlich bieten die Exzerpte keine Angaben, die die Verwendung einer anderen Vorlage vermuten ließen. Strattmann korrigiert zwar vereinzelte Versehen bei Autorennamen oder Worten des Titels, die wohl entstanden sind, weil dem italienischen Schreiber von einem Landsmann diktiert worden ist,11 folgt aber ansonsten dem Inventar, von dem er nur die Beschreibungen der Einbände weglässt. Einzig bei der Gesamtzahl der Bücher gibt es eine kleine Unstimmigkeit, denn im Gutachten ist von 1.515 Bänden die Rede, während im Inventar 1.520 angeführt sind. Laut Gutachten setzt sich die Sammlung aus rund 500 oft mehrbändigen Werken zusammen, zu deren Inhalt der Verfasser folgenden Überblick gibt: „[…] die nähere Untersuchung zeigt, dass die Grundlage davon eigentlich in das Gebieth der Theologie gehört, in welcher die kirchlichen Alterthümer von Frankreich, die Bedürfnisse des

Walter G. Wieser, Die Hofbibliothek in der Epoche der beiden van Swieten, in: Josef Stummvoll (Hg.), Die Hofbibliothek (1368–1922) (Geschichte der österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 1), Wien 1968, 282 f., mit dem Hinweis auf Wien, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB)-Archiv, HB 772/1803. 7 Wien, ÖNB-Archiv, HB 762/1802. 8 Wien, ÖNB-Archiv, HB 764/1802. 9 Wien, ÖNB-Archiv, HB 772/1803. 10 Wieser 1968 (zit. Anm. 6), 283. 11 Das Verzeichnis ist nicht foliiert, enthält aber am Ende jeder Seite eine Zwischensumme der beschriebenen Bände, die hier anstelle einer Seitenangabe verwendet wird. Verballhornungen, die nicht durch Abschreibfehler entstanden sein können, sind z. B. „Ziegillaver“ (300) statt „Ziegelbauer“, „Novum Instrumentum“ (688) statt „Novum Testamentum“ oder „Senexenberg“ (981) statt „Senckenberg“. 6

136

französischen Clerus und die französischen Schriftsteller überhaupt, zu denen sich der Folge einige Römische in ähnlicher Hinsicht gesellen, den grössten Raum einnehmen, zu welchen sich hie und da Werke aus verschiedenen anderen Wissenschaften und Fächern gleichsam verirrt haben. Was den inneren Gehalt dieser Sammlung betrifft, so muss man bekennen, dass wenn der Werth davon gegenwärtig bey Weiten nicht mehr derselbe ist, der er vor fünfzig Jahren gewesen wäre, die Schuld davon in dem Wechsel der Zeiten, keineswegs aber in der Wahl der Werke zu suchen sey, die beynahe alle in ihrer Art gut, und ausgesucht sind, und daher auch selbst itzt noch einen verhältnissmässigen Platz behaupten.“12 Seiner Einschätzung nach sind in der Hofbibliothek zwar nur wenige der Bücher nicht vorhanden, so vor allem jene römischer Schriftsteller aus den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts und die Akten des französischen Klerus, dennoch empfiehlt er den Erwerb aller Bücher. Zum einen erwartet er aufgrund der entsprechenden Angaben im Inventar, die die Einbände mit zeittypischen, meist abgekürzten Begriffen als Legato alla Francese, Legato all’Olandese, Legato in vitello oder Legato in Damaschino beschreiben, „[…] dass die Bücher dieser Sammlung gut gebunden seyn dürften, indess die meisten theologischen Werke der Hofbibliothek ein schlechtes Aussehen haben […]“.13 Zum anderen hegt er die Hoffnung, dass Duplikate zum Tausch gegen neue Werke und zum Abtragen der Schulden bei dem Wiener Buchhändler Joseph Vinzenz Degen verwendet werden können. Nachdem damit schon klargestellt war, dass von den Drucken nur noch ein Teil im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek nachzuweisen sein würde, begann die Suche nach Hinweisen auf die Herkunft der Sammlung mit den Handschriften. Das Ergebnis war zunächst jedoch mehr als dürftig. Zwar konnte die bereits erwähnte Handschrift zum Konzil von Trient, vermerkt als Declamationes in concil: Trident: Mss. (61)14 mit Cod. 6084 identifiziert werden, der quer auf dem Rücken die Aufschrift Declarationes in Concilium Tridentinum trägt, doch weitere Funde blieben aus. Gleich am Beginn des Inventars findet sich der Eintrag Roberti Anglici in Prima Philosophia ms. 142 4. Leg: Fr: (17), aber es lässt sich dazu kein passender Codex beibringen. Gleiches gilt für Lodi della Signora Giovanna d’Austria Mss in 8 (61) und die vierbändige Sammlung von Werken Bernhards von Clairvaux, die als S. Bernardi opuscula varia. Vol: 4 in 16. Mss. in pergamena (328) beschrieben ist. Hier ist überhaupt mehr als fraglich, dass es sich tatsächlich um Handschriften gehandelt hat, und wohl deshalb wurde dieser Eintrag in den Exzerpten der Hofbibliothek genauso wenig berücksichtigt wie die vorhergehenden. Leicht zu ermitteln waren hingegen die schon angesprochenen handschriftlichen Akten des französischen Klerus. In 45 Bänden ist im Vorderdeckel ein gedrucktes Wappenexlibris eingeklebt, das im gekrönten Schild als einziges Motiv ein Andreaskreuz mit geschweiften Enden zeigt; darüber halten zwei weibliche Genien einen Bischofshut mit insgesamt 20 Quasten. Ansonsten gibt es zwar keinen Hinweis auf den Besitzer, doch da sich der Kupferstecher N. Oudoux verewigt hat, ließ sich der Auftraggeber des Exlibris anhand eines Verzeichnisses finden.15 Es gehörte Charles de Broglie, genannt l’Abbé de Broglie, seit 1766 Fürstbischof von Noyon, verstorben im Jahr 1777. Er bekleidete von 1760 bis1765 das Amt eines Agent général du clergé de France und publizierte 1768 Akten der außerordentlichen Hauptversammlung vom Jahr 176216 sowie fünf Jahre später Berichte zu den wichtigsten Angelegenhei-

12 Wien, ÖNB-Archiv, HB 772/1803, Beilage. 13 Ebenda. 14 Zur Zählung in Klammern siehe Anm. 11. 15 Siehe Collection A. de R. (Hg.), Ex-libris français héraldiques des XVIIe et XVIIIe siècles, Bd. 5, Paris 1912, 27, Nr. 1965, allerdings ohne Abbildung. Das Exlibris gibt es danach in den Formaten Sedez und Oktav. Das Wappen ist publiziert bei Jean Baptiste C. M. de Beauvais, Oraison funebre [...] du monseigneur Charles de Broglie, évêque-comte de Noyon, pair de france […], Noyon 1778, 3 und Titelblatt. 16 Charles de Broglie (Hg.), Procès-Verbal De L’Assemblée-Générale Extraordinaire Du Clergé De France, Tenue A Paris […] En L’Année Mil Sept Cent Soixante-Deux, Paris 1768; URL: http://data.onb. ac.at/ABO/%2BZ178369808.html [letzter Zugriff: 1.5.2018].

137

ten der französischen Geistlichkeit, die sich in seiner Amtszeit zugetragen haben.17 21 dieser Handschriften sind am Textbeginn mit dem Vermerk De Montmorin Epi. Lingonen. gekennzeichnet und waren zuvor im Besitz von Gilbert de Montmorin de Saint-Hérem, der im Jahr 1770 als Bischof von Langres verstorben ist.18 Aus in-

Abb. 2: Signaturen der Privatbibliothek von Papst Pius VI. in Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek. (© Österreichische Nationalbibliothek.)

haltlichen Gründen und aufgrund der meist gleichartigen Einbände sind 18 weitere Codices trotz des fehlenden Exlibris anzuschließen, sodass der Sammlung des Charles de Broglie insgesamt 65 Handschriften zugeordnet werden können. Sie bilden ­heute als Cod. 7475–7538 eine geschlossene Signaturengruppe, mit Ausnahme von Cod. 14859, der erst 1865 aus der Druckschriftensammlung abgegeben worden ist. Dazu kommen rund 90 Drucke zum gleichen Thema, die im Detail noch zu ermitteln sind. Das Gros befindet sich im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek im Signaturenbereich 47.Kk.1 bis 47.Kk.44 und 7.O.2 bis 7.O.5, wo man immer wieder auf das Exlibris des Bischofs trifft. Seine Sammlung wurde dann nach seinem Tod im Jahr 1777 nicht nur in Noyon verwahrt, sondern erweitert, wie sich anhand der verwendeten Supralibros zeigen lässt. So weisen die zehn zur Signatur 7.O.2 gehörigen Bände alle am Einband das Wappen Broglies auf, obwohl der letzte drei Jahre nach seinem Tod gedruckt worden ist. Unter den 15 Teilen der als 80.Bb.32 einsignierten Aktensammlung, von denen acht ein Exlibris besitzen, findet sich ein Supralibros auch noch auf dem erst 1788 publizierten 15. Band. Verantwortlich dafür war offenbar das Diözesanarchiv, denn Band 12 trägt ein Supralibros mit der Beschriftung Archive du clergé du diocese. Wann und unter welchen Umständen dieser Bestand dann nach Rom gelangt ist, kann nur vermutet werden. Im Jahr 1790 erließ die französische Nationalversammlung die Zivilverfassung für den Klerus, wodurch die Geistlichen zu vom Volk gewählten und vom Staat bezahlten Beamten wurden.19 Das führte zu einer Fluchtbewegung romtreuer Kleriker in den Kirchenstaat,20 und möglicherweise wurde so auch die Sammlung außer Landes geschafft. Jedenfalls gelangte sie in den Besitz eines prominenten Büchersammlers, auf dessen Spur aber erst nach und nach die im Inventario verzeichneten Drucke führten. Bei den Versuchen, die entsprechenden Exemplare zu identifizieren, fielen immer wieder barocke Signaturen auf, die bereits von den Handschriften und Drucken der Sammlung des Charles de Broglie bekannt waren. Sie sind entweder links oben am Spiegel des Vorderdeckels oder an der gleichen Position auf der Versoseite des ersten, seltener auch des zweiten Vorsatzblattes angebracht, wenn der Spiegel mit kräftig koloriertem Bunt- oder Marmorpapier beklebt ist. Jedem Eintrag geht der Buchstabe C, was wohl für Camera oder Cassa steht, voraus, dann folgt die eigentliche dreiteilige Signatur, bestehend aus einer römischen Ziffer, einem oder zwei Buchstaben sowie einer arabischen Zahl (Abb. 2). Zunächst hatte es den Anschein, als würde damit die Rekonstruktion der gänzlich unbekannten Bibliothek des Abbé de Broglie möglich sein, doch dann fanden sich außen auf den Einbänden immer wieder Varianten eines Wappensupralibros,21 das in eine andere Richtung wies (Abb. 3 und 4). Kernmotiv sind drei nebeneinander angeordnete Sterne, darunter befinden sich Lilien, die sich im 17

18

19 20

21

138

Charles de Broglie (Hg.), Rapport de l’Agence, contenant les principales affaires du Clergé, qui se sont passes depuis l’Année 1760 jusqu’en l’année 1765, Paris 1773; URL: http://data.onb.ac.at/ ABO/%2BZ186018000.html [letzter Zugriff: 1.5.2018]. In einem Zettelkatalog zu Vorbesitzern von Handschriften (Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 19421) ist der Vermerk schon entsprechend aufgelöst, allerdings werden ihm irrtümlich auch die gedruckten Exlibris zugeordnet. Martin Papenheim, Zivilkonstitution, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10, Freiburg 2001, Sp. 1478 f. Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus von der Wahl Benedikts XIV. bis zum Tode Pius’ VI. (1740–1799), Bd. 16, Dritte Abteilung: Pius VI. (1775–1799), Freiburg im Breisgau 1933, 537–545. Beispiele von Werken im Prunksaal der ÖNB, deren Digitalisate über den Katalog aufgerufen werden können, sind: 6.M.9, 21.Bb.12, 21.Cc.173, 25.H.25, 40.E.4, 40.E.5, 40.E.6, 44.S.1, 45.Q.7, 46.P.2, *46.R.1, *46.R.2, 47.Dd.8, 52.H.20, 80.N.9, BE.1.M.35, BE.1.M.36, BE.1.V.50, BE.1.V.51, BE.1.V.54, BE.3.Y.8. Unter den Inkunabeln tragen folgende Bände das Supralibros: Ink. 10.H.10, 13.G.11, 15.G.20, 15.H.30, 19.E.11, 22.C.11, 23.B.12, 23.C.14, 23.F.18, 24.E.23, 26.C.28, 26.C.29, 5.H.43 und 7.G.19.

Abb. 3: Supralibros von Papst Pius VI. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 6.M.9. (© Österreichische Nationalbibliothek.) Abb. 4: Supralibros von Papst Pius VI. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 40.E.4, Bd. 1. (© Österreichische Nationalbibliothek.)

Wind, links durch eine entsprechende Personifikation dargestellt, neigen (Abb. 5). Dieses Wappen gehörte dem Grafen Giovanni Angelo Braschi, besser bekannt als Papst Pius VI. (reg. 1775–1799).22 Seiner Biografie ist zu entnehmen, dass er schon seinen Zeitgenossen als ausgesprochener Bücherfreund galt und daher regelmäßig von Gesandten mit Büchergeschenken bedacht wurde. Er stand mit einer Reihe von Gelehrten in Kontakt und erhielt so abseits von theologischem Schrifttum auch geografische, antiquarische, historische, kanonistische und musikgeschichtliche Werke.23 Zur Vergrößerung seiner Sammlung griff er auch auf die Bestände der Vatikanischen Bibliothek zurück, aus der er sich im Jahr 1779 rund 1300 Dubletten seltener Drucke beschaffte.24 Sein besonderes Interesse galt darüber hinaus Inkunabeln; hier nutzte er beispielsweise seine Stellung als Kommendatarabt des Benediktiner­ klosters Subiaco, um an seltene Ausgaben der einst dort tätigen Drucker Sweynheym und Pannartz zu gelangen.25 Nach seinem Tod sollte seine Sammlung eigentlich seiner Geburtsstadt Cesena zufallen, doch weder der geplante Bibliotheksbau noch die Schenkung kamen zur Ausführung.26 Der Papst trat der ersten Koalition gegen Napoleon bei und musste schon nach deren Niederlage im Frieden von Tolentino 1797 nicht nur Territorien wie unter anderem Bologna und Ferrara, sondern auch zahlreiche der dort befindlichen Bücher und Kunstschätze abtreten.27 Als der 22 Siehe dazu z. B. den Kupferstich Wien, ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, PORT_00031567_01; URL: http://data.onb.ac.at/rec/baa4133995.html [letzter Zugriff: 1.5.2018]. 23 Details dazu ebenda, 34–44. 24 Siehe dazu Jeanne Bignami Odier, La Bibliothèque vaticane de Sixte IV à Pie XI. Recherches sur l’histoire des collections de manuscrits, in: Studi e testi 272, 1973, 194 f., Anm. 31. 25 Pastor 1933 (zit. Anm. 20), 34. 26 Zu diesem Projekt siehe Amilcare Zavatti, Storia di una biblioteca papale, Cesena 1933. Auf den Seiten 18–20 finden sich Zeugnisse von Zeitgenossen zur Privatbibliothek des Papstes. 27 Pastor 1933 (zit. Anm. 20), 557–581. Eine nach Orten geordnete Zusammenstellung der erbeuteten

139

Abb. 5: Wappen von Papst Pius VI. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 6292*, fol. 1r (Detail). (© Österreichische Nationalbibliothek.) Abb. 6: Zierrahmen. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 5705, fol. 1r (Detail). (© Österreichische Nationalbibliothek.)

französische General Duphot in Rom bei einer Auseinandersetzung mit päpstlichen Soldaten ums Leben kam, entsandte das Direktorium in Paris am 7. Februar 1798 Kommissare nach Rom,28 darunter Pierre-Claude François Daunou, Leiter der Bibliothek des Panthéons,29 und der Gelehrte Gaspard Monge, Mitbegründer der 1794 errichteten École polytechnique.30 Die französische Armee besetzte die Stadt und den Kirchenstaat und rief am 15. Februar die römische Republik aus. Pius wurde in Schutzhaft genommen und dann gezwungen, Rom zu verlassen; er starb ein Jahr später im französischen Valence.31 Seine Privatbibliothek wurde von Emmanuel de Haller, Finanzdirektor für Italien, beschlagnahmt und sollte verkauft werden, doch Daunou erwirkte vom Direktorium die Genehmigung, aus der Sammlung eine Auswahl für verschiedene Pariser Bibliotheken treffen zu dürfen.32 Am 20. März berichtet er nach Paris: „La bibliothèque nationale aura une grande partie des livres q ­ u’elle demande; elle aura, de plus, un assez grand nombre de manuscrits qui nous sem­ blent précieux. Le pape avait une bibliothèque particulière très-riche en éditions du XVe siècle; nous en expédierons plusieurs, soit pour la bibliothèque nationale, soit pour les autres bibliothèques publiques de Paris […]“,33 und zwei Wochen später heißt es: „Nous avons mis également en réserve, soit pour la bibliothèque natio­nale, soit pour celle du Panthéon et de l’École polytechnique, plusieurs articles précieux provenant de la très riche bibliothèque personnelle du pape.“34 Am 22. Mai erklärt er das Zusammentragen von Kunstdenkmälern für beendet: „Nous avons terminé les opérations relatives aux objets d’art. Nous aurons de quatre cent cinquante à cinq cents caisses et nous vous enverrons des états de ce qu’elles contiennent en livres, manuscrits, médailles, antiques, tableaux, marbres, statues, gravures, poinçons et caractères.“35 Zumindest ein Teil der rund 450 bis 500 Kisten, darunter auch eine mit den für die Bibliothek des Panthéons bestimmten Büchern, war am 11. Juli versandfertig. Ein Vorschlag, ihren Transport vollständig am Landweg über die Alpen durchzuführen, um so auch die dafür notwendigen Ochsen und andere Tiere behalten zu können, wurde vom Direktorium in Paris abgelehnt. Es sicherte dafür den

28 29 30 31 32 33 34 35

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Handschriften in der Bibliothèque nationale bietet Marie Pierre Laffite, La Bibliothèque nationale et les „conquetes artistiques“ de la Révolution et de l’Empire: les manuscrits d’Italie (1796–1815), in: Bulletin du bibliophile 2, 1989, 273–323. Alphonse-Honoré Taillandier, Documents biographiques sur P. C. F. Daunou, Paris 1847, 122 f. Siehe Pierre-Claude-François Daunou, Catalogue des incunables de la Bibliothèque Sainte-Gene­viève. Rédigé par Daunou, publié par M. Pellechet. Introduction de H. Lavoix, Paris 1892, IX. Zu Monge und seiner Gründung siehe Emmanuel Grison, L’Ecole de Monge et les Arts et Métiers, in: Bulletin de la SABIX 21, 1999, 1–20. Pastor 1933 (zit. Anm. 20), 587–629. Taillandier 1847 (zit. Anm. 28), 124. Ebenda, 128. Ebenda, 132. Ebenda, 147.

Einsatz der Flotte zu, und so führte die Route stattdessen über Lucca die Küste entlang nach Genua und dann auf dem Seeweg nach Marseille.36 Der Rest der beschlagnahmten Bibliothek, circa 6.000 Bände, darunter rund 80 Inkunabeln und 146 Handschriften, wurde den römischen Buchhändlern Mariano De Romanis und Filippo Barbiellini für 11.000 Scudi verkauft. Sie publizierten 1805 einen Verkaufskatalog,37 der noch einen Überblick über den Großteil des Bestandes ermöglicht,38 bevor er dann in alle Himmelsrichtungen verstreut wurde. Heute werden in der Bibliothèque nationale in Paris 44 griechische, lateinische und italienische Handschriften aus dem Besitz des Papstes aufbewahrt.39 Die Bibliothèque Sainte Geneviève, in der später die Bibliothek des Panthéons aufgegangen ist, besitzt einen als bemerkenswert bezeichneten, allerdings zahlenmäßig nicht genauer umrissenen Bestand von Drucken des Papstes, darunter 214 Inkunabeln, deren ältester Katalog von Daunou selbst verfasst ist.40 Rund hundert Bände aus den Sammlungen des Papstes und des Kardinals Giovanni Francesco Albani befinden sich in der École poly­ technique,41 wobei jene des Papstes vorwiegend aus reich illustrierten Werken zu Architektur, Archäologie und Reiseberichten bestehen.42 Dazu kommen nun auch die bislang unbekannten 1.520 Bände des Inventars im Staatsarchiv, die aufgrund der eingangs geschilderten Umstände nicht den Weg nach Paris gefunden haben. Man kann wohl davon ausgehen, dass die vermutlich im Palazzo Braschi auf dem Marsfeld verwahrte Bibliothek43 des Papstes ursprünglich sicher mehr als 8.000 Bände umfasst hat. Wie viele Bücher aus der päpstlichen Sammlung sich jetzt noch im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek befinden, wäre nicht ohne größeren Aufwand zu ermitteln. Wichtigstes Kennzeichen für eine sichere Zuweisung an ihren ehemaligen Besitzer sind neben dem Wappen Pius’ VI. die Signaturen der Bibliothek, doch bei vielen Digitalisaten von Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek fehlen Bilder des Einbands, sind Vorsatzblätter nicht oder nicht vollständig erfasst oder die Stellen, an denen sich die Signatur befinden könnte, durch Befestigungsklammern verdeckt.44 Es lässt sich auch beobachten, dass die Signaturen in der Hofbibliothek manchmal herausgeschnitten oder, wie man aufgrund des Abdrucks auf der gegenüberliegenden Seite erkennen kann, mit Signaturschildern der Hofbibliothek überklebt wurden. All das findet sich auch bei den Inkunabeln, denen etwas genauer nachgegangen wurde. Bei Ink. 21.G.2 und Ink. 21.G.7, deren Einbände zum Beispiel jenen von Ink. 21.H.3–21.H.7 entsprechen, scheint die Signatur vom Schild der Hofbibliothek verdeckt zu sein, während die drei ebenfalls alla Francese gebundenen Bände von Ink. 22.D.5 alle beschnittene Vorsatzblätter aufweisen. Unter Wiegendrucken, die durch das Supralibros ohnehin als päpstlicher Besitz ausgewiesen sind, ist die Signatur ebenso überklebt oder herausgeschnitten.45 An anderen Exemplaren versuchte man auch bei den aufgeklebten Spiegelblättern die Partien mit der Signatur durch Herausreißen zu entfernen und nahm dafür sogar kleine Beschädigungen in Kauf.46 Etwas eleganter ging man bei Ink. 19.E.11 zu Werke, indem man die alten Zeichen mit einem Messer ausrasierte. Insgesamt lassen sich von den 82 Einträgen des Inventars, die sich auf Inkunabeln beziehen, derzeit ohne Anspruch auf Vollständigkeit die folgenden 33 bestimmen:47 36 Daunou 1892 (zit. Anm. 29), XIV. 37 Zavatti 1933 (zit. Anm. 26), 23 f.; Massimo Ceresa, Una biblioteca nella Rivoluzione: i resti della biblioteca di Pio VI, in: Paola Errani (Hg.), Due papi per Cesena. Pio VI e Pio VII nei documenti della Piancastelli e della Malatestiana, Bologna 1999, 214 f. 38 Einen solchen bietet Ceresa 1999 (zit. Anm. 37), 215–221. 39 Aufgelistet bei Laffite 1989 (zit. Anm. 27), 309–313. 40 Ceresa 1999 (zit. Anm. 37), 214; zum Katalog siehe Anm. 29. 41 Albert de Rochas, L’origine des grandes bibliothèques scientifiques de Paris, in: La Nature 976, 1892, 162. 42 Ceresa 1999 (zit. Anm. 37), 214. 43 Jeffrey Collins, Papacy and politics in eighteenth-century Rome. Pius VI and the arts, Cambridge 2004, 70. 44 Siehe z. B. die Bände 1–4 von BE.1.V.53 oder die drei Bände von BE.1.V.54, die alle das Supralibros der Bibliothek tragen. 45 Siehe Ink. 13.G.11 und Ink. 23.B.12 bzw. Ink. 22.C.11 und Ink. 23.C.14. 46 Ink. 5.H.43 und Ink. 10.H.10. 47 Für die Hilfe bei den immer unter Zeitdruck durchgeführten Sichtungen im Inkunabeldepot danke ich

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(17) Biblia aurea veteris Testamenti. in 4. 1495. Legato alla Francese Ink. 5.H.4348 (35) (61) (93) (133) (206)

Piccolomini Silvii Epistolae in 4. sine anno Leg. in vitello. B. Bonaventurae Meditationes in 8. Ven: 1497. Reginaldetti Speculum finalis retrib: in 8. Ven. 1498 B. Lorenzo della Vita Monastica in 4. 1494. Leg: Fr: Angeli da Clave Angelica in 4. Ven: 1487. Leg. Fr. Martialis epig: cum Calderino in fol. Ven: 1482. Leg: Franc: De Busti Bernard: in 4. Ven: 1493. L. F. Guidonii de Monte Boschetto opera in 8. Romae 1490. Jo: Versorii op: Saec. XV. in 4 Formula procuratorii in 4. Romae 1481. L. Franc: Nic. de Lira in psalterium Saec. XV. in fol: Ephemerides in 4. Ven: 1499. Leg: Fr: Regii Tabulae Astronomicae in 4. Ven: 1490 L. Fr: S. Augustini Meditationes. Ven: 1483. L. F. Ugon In Can: Avicenae in fol: Ferrariae 1491. L. F. Offredi Appolinarii in Libros de Anima Ven: D. Thomae Silva in fol: Ven: 1477. Leg: Ol: Vocabularium Jurii in fol: Ven: 1491. Leg: Ol: Gerardi Cremonensii op: med: in 4. Ven: 1490. Leg: Fr: Varillon vade mecum. Pad: Saec: XV. in 4. Oland: Spiera Quadragesimale in 4. Ven: 1488. Ol. Summa Alexandrina. Papiae 1489. vol: 4. in 4. Leg: Fr:

Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink. Ink.



Astesan Summa de Casibus. Ven: 1478 vol: 2 fo. Spiera Quadragesimale fol: Ven: 1481. Leg: Fr: Paul Florentini quadrages: Mediolani 1479. Leg: Fr: in fo. pice. S. Thomas contra gentes. Ven: 1480. fol. L. F. Alexander Imol. Com: Super infortiat. 1485 in fo. S. Hieronymi Epistolae in fol: Romae in domo Maximi 1468 Bartoli Lect: in primam et Sec: part: Digest: Ven: 1480. fol: Vol: 2. L. Fr. D. Antonini Summa. Nuremberg 1491. vol: 2. in fol: D. Ambrogi Epistolae fol: Mediolani 1491. Jo. de Imola in Clementinas Ven: 1492. fol: Leg: Fr:

Ink. 23.C.14 Ink. 24.E.23

(232) (253) (328) (349)

23.F.15 15.H.30 15.H.26 21.G.2 21.G.7 22.C.1149 21.G.3 21.G.1 21.G.5 21.H.3 1.B.2 21.H.7 10.H.10 21.H.4 23.C.1 20.F.12 26.C.28 26.C.29 23.F.1850 15.G.20 13.G.11 21.H.5

Ink. 21.F.20 Ink. 19.E.11 Ink. 24.C.10 Ink. 20.B.10 Ink. Ink. Ink. Ink.

23.B.12 22.D.5 1.B.1951 19.A.21

Laut dieser Übersicht wurden also mehr als die Hälfte der erworbenen Wiegendrucke wieder abgegeben, was ja, wie aus dem Gutachten hervorgeht, beabsichtigt war. Nicht ins Bild passt jedoch, dass sich im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek Inkunabeln aus dem Besitz des Papstes befinden, die man im Verzeichnis vergeblich sucht: Ink. 7.G.19 mit Supralibros und rasierter Signatur52, Ink. 7.F.33 mit der Signatur C.II.Y.3 sowie Ink. 15.H.25 und Ink. 21.H.6, die beide die Signatur C.I.O.6 der päpstlichen Sammlung aufweisen. Gleiches lässt sich auch bei den Handschriften feststellen. Bislang war hauptsächlich von den handschriftlichen Akten des französischen

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meinem Kollegen Rene Rainer. Da die Katalogisierung der Wiegendrucke der ÖNB noch lange andauern wird, ist durchaus mit weiteren Identifizierungen zu rechnen. Otto Mazal – Konstanze Mittendorfer, Österreichische Nationalbibliothek. Inkunabelkatalog. ÖNBInk, Bd. 1: A–B, Wiesbaden 2004, B-443. Hermann J. Hermann, Die Handschriften und Inkunabeln der italienischen Renaissance, Bd. 2: Ober­ italien: Venetien (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich; Bd. 6: Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Nationalbibliothek in Wien), Leipzig 1931, 159, Nr. 114. Mazal 2004 (zit. Anm. 48), A-651. Die Signatur lautet richtig C.II.S.6. Ebenda, A-265. ÖNB-Katalog Quicksearch URL: http://data.onb.ac.at/rec/AC08482260.

Klerus die Rede, weil fast alle sonst als Handschrift ausgewiesenen Bücher nicht ermittelt werden konnten. Eine Kontrolle jener Einträge, die weder Jahreszahl noch Druckort besitzen, führte dann aber doch zu weiteren Funden. Mit dem Repertorium generale Alfab: vol. 2. in 4. (206) sind mit Cod. 1116 und 1117 zwei Handschriften des 15. Jahrhunderts gemeint, und Fraggiani Consulti de Regni di Napoli Sicilia vol: 25. fol: Leg: Damasch: (604) bezieht sich auf Cod. 6268–6292* aus dem 18. Jahrhundert.53 Darüber hinaus lassen sich gegenwärtig folgende Codices der Sammlung des Papstes zuordnen, die in der Bücherliste nicht enthalten sind:54 Cod. 5705, eine Abschrift der Stellungnahme des Fürstbischofs August von Speyer zur sogenannten Emser Punktuation von 1786, besitzt am Beginn einen gemalten Zierrahmen, in den alle Elemente des päpstlichen Wappens eingearbeitet sind (Abb. 6). Cod. 5837 mit einer Biografie von Pius V. trägt am Einband das Supralibros, ebenso Cod. 5872–5873 mit einer Abhandlung zum Sacco di Roma von Patricio de Rossi. Dem Papst gewidmet sind Anekdoten aus Schriften der Kirchenväter und früher Kirchenschriftsteller, zusammengestellt in Cod. 6238, während Cod. 6244, ein Werk über die Abtei Subiaco, wieder das Wappen am Einband aufweist. In Cod. 8558 ist ein im Juli 1789 abgeschlossener Vorschlag zur Trockenlegung der pontinischen Sümpfe – ein Projekt, das Pius seit 1777 verfolgte55 – enthalten, der auf fol. IIr den Vermerk Dédicace au Souverain Pontife trägt. Gleichfalls mit Widmungen versehen sind eine Abhandlung über den Gebrauch von Uhren in Kirchen von Antonio Balboni in Cod. 9600 und 9601, die vom selben Autor stammende Elegie in Cod. 9892 und die Sammlung von un­ edierten Dramen und Gedichten des Ludovico Bandini in Cod. 10174. In Cod. 10235, der die Commentariorum de consolatione ecclesiae libri sex von Agostino Valerio enthält, befindet sich auf fol. 1r der Vermerk: „Opus M.S. satis celebre nunquam Editum Sed edendum propter argumentum his temporibus Gloriossimi Pontificatus S ­ S. D. D. Nri PII PP. Sexti accommodatissimum“. Dass diese Handschrift dann nicht nur die Grundlage für den 1795 in Rom erschienenen Druck war, sondern auch aus der Sammlung des Papstes stammte, geht aus dem Titelblatt hervor, wo man liest: „[...] auspice sanctissimo domino nostro Pio Papa Sexto. Ex ejusdem privatae Bibliothecae Apographo nunc primum edidit [...] Hyacinthus Ponzetti [...].“56 Aufgrund des Supralibros gesichert ist schließlich die vierbändige Abhandlung gegen die Lehren Isaac Newtons in Cod. 10393–10396. Vermutlich gehörte auch der Traktat über die Höhe des Kaukasus von Scipio de Chiaramonti in Cod. 10552 zur Sammlung des Papstes; der 1599 dem Kardinal Cinzio Aldobrandini zugeeigneten Handschrift ist ein Blatt des 18. Jahrhunderts eingeklebt, auf dem es am Schluss zur Geschichte des Bandes heißt: „[…] degno perciò d’aver Luogo tra’ Manoscritti Sceltissima Libreria domestica della Santità di Nostro Signore“, weshalb in einem Katalog der Hofbibliothek Pius VI. als Vorbesitzer angegeben wird.57 Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die nicht im Inventar genannten Inkunabeln und Handschriften erst später über den Buchhandel erworben worden sind. Als Erklärung bietet sich vielmehr an, dass letztendlich zusätzlich zu den in Ferrara katalogisierten Büchern weitere Bände an die Hofbibliothek übertragen wurden. Den wohl entscheidenden Wink gibt ein Brief von Giuseppe Pellegrini aus Ferrara. Am 8. März 1800, also rund zwei Monate nach Fertigstellung des Inventars, wendet er sich an Außenminister Thugut, um von der Auffindung weiterer Kisten mit Gemälden und Büchern zu berichten, die gleichfalls den Franzosen zugeordnet wurden.

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Zu diesen 25 Bänden gehört auch Cod. 6292* mit einem alphabetischen Index. Das einst in einen Umschlag aus Goldpapier geheftete Bändchen trägt auf fol. 1r das Wappen des Papstes in Federzeichnung und war offenbar in eine der Handschriften eingelegt. 54 Im Katalog der ÖNB wird bei folgenden Handschriften bereits Pius VI. als Vorbesitzer genannt: Cod. 5872–5873, Cod. 6238, Cod. 6244, Cod. 6268–6292, Cod. 9600–9601, Cod. 9892 und Cod. 10174. 55 Pastor 1933 (zit. Anm. 20), 29–31. 56 Siehe das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek in München, URL: http://www.mdz-nbn-­resolving. de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10005826-8 [letzter Zugriff: 1.5.2018]. 57 Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 2157, fol. 28r: „Ms. Quantum e schedula adjecta concludere licet originale, opusculi a Naudaeo Parisiis 1649 in 4° editi, quondam domestica Pii VI Bibliotheca oblatum“.

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Eine unbestimmte Zahl wurde in der Gemeinde Malalbergo zwischen Bologna und Ferrara entdeckt, vier Kisten in Venedig: „Mi avanzo poi a significare all Ecc.a V.ra, che essendo stato avvisato che altri Colli di Quadri, e Libri di egual provenienza dei primi trovansi depositati a Malalbergo nella giuridizione di Bologna [...] Devo altresi notificare all’Ecc.a V.ra, ache altri quattro Colli di Quadri e Libri, che credonsi di una provenienza medesima di tutti gli altri, e diretti ad un certo Valentinelli celebre Giacobino furono caricati nello scorso mese per il Porto d’Ancona quantunque fossero in questa Dogana di transito per Venezia, per dove non erano stati mai inoltrati.“58 Dazu passt der Brief des Präfekten der Hofbibliothek, der später ebenfalls von Kisten schreibt, die „[…] von verschiedenen Orten her zur Italiänischen Hofkanzley gelangt sind […]“.59 Aufgrund der Streuung der Fundorte ist nicht auszuschließen, dass sich in diesen Kisten neben Drucken und Handschriften aus der Bibliothek von Pius VI. auch Bücher aus anderen beraubten Sammlungen befunden haben, doch gibt es dazu derzeit keine genaueren Anhaltspunkte. Allein schon das Auffinden zusätzlicher Handschriften des Pontifex wird aber schwierig genug sein, denn es fehlt jenes wichtige Kennzeichen, das die Drucke meist noch aufweisen – die Signatur der Sammlung. Sie wurde nur deshalb in die handschriftlichen Akten des französischen Klerus eingetragen, weil diese aus inhaltlichen Gründen bei den thematisch zugehörigen Drucken standen. Die eigentliche Handschriftensammlung des Papstes muss separat aufgestellt gewesen sein, und es konnte kein gemeinsames äußeres Merkmal ermittelt werden, das alle Bände miteinander verbindet.60 Daher lässt sich hier auch nur der Bereich umreißen, in dem die Suche ansetzen könnte. Alle ermittelten Handschriften wurden, als man sie in der Hof­ bibliothek erstmals katalogisierte, zwei Signaturengruppen zugeordnet: den Novi bzw. Novi sine numero (Nov. bzw. Nov. S. n.), also den teilweise nicht nummerierten Neuerwerbungen, und den Codices Rangoni sine numero (C. R. s. n.). Die Vergabe dieser sprechenden Signatur ist merkwürdig, denn aus Katalogen der Hofbibliothek weiß man, dass die 1810 der Hofbibliothek geschenkten Codices des Marquese Rangone aus 51 Bänden bestanden, die auch Signaturen mit den entsprechenden Zahlen erhielten.61 Ob es sich einfach um ein Versehen handelte oder doch um den Versuch, damit die Herkunft einzelner Codices zu verschleiern, kann nicht geklärt werden. Auf jeden Fall stammen von 35 Bänden mit der heutigen Vorsignatur C. R. s. n. 26 aus der päpstlichen Sammlung, und bei weiteren62 gibt es zumindest inhaltliche Verdachtsmomente: Cod. 6307 enthält eine Geschichte des römischen Adels und der Senatoren im Mittelalter, Cod. 6350 einen Bericht über eine Frankreichreise von Kardinal Pietro Aldobrandini, Cod. 6351 Erinnerungen an das Pontifikat Pauls IV., Cod. 6365 ein Tagebuch der Sommerfrische von Clemens XI. in Castel Gandolfo, Cod. 6378 nach Rom gesandte Berichte des 17. Jahrhunderts und Cod. 6459 Viten von Päpsten. Unter den Novi kommen vor allem jene Bände in Betracht, zu denen schon ein Katalog der Hofbibliothek angibt, dass sie aus der italienischen Hofkanzlei übernommen worden sind.63 Hier begegnet man laut Einträgen des 18. Jahrhunderts in Cod. 5868 und 5871 dem päpstlichen Zeremonienmeister Giovanni Battista Lizzani als Vorbesitzer, und vom Inhalt her weisen folgende Bände nach Rom: Cod. 5774, 58 Wien, Österreichisches Staatsarchiv, HHStA, Staatskanzlei, Wissenschaft, Kunst und Literatur, Karton 8, Fasz. Bologna: Verzeichnisse […], fol. 129–130. 59 Wien, ÖNB-Archiv, HB 762/1802. 60 Auch die Durchsicht von digitalisierten Handschriften in der Bibliothèque nationale in Paris anhand der bei Laffite 1989 (zit. Anm. 27), 310–313 publizierten Liste brachte kein Ergebnis. Siehe dazu den Online-Katalog, URL: https://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ [letzter Zugriff: 1.5.2018]. 61 Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 2165 und Cod. Ser. n. 2238. 62 Zusätzlich zu den genannten Handschriften wurden auch Cod. 5666, Cod. 6369, Cod. 6378 und Cod.  6528 dieser Signaturengruppe zugeordnet. 63 Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 2157. Außer den oben genannten Bänden werden hier folgende genannt: Cod. 5701, Cod. 5724, Cod. 5836, Cod. 5838, Cod. 5846, Cod. 5847, Cod. 5874, Cod. 5875–5877, Cod.  5910, Cod. 5938, Cod. 5976, Cod. 5977, Cod. 5978, Cod. 6090, Cod. 6364, Cod. 6415, Cod. 6540, Cod. 6751, Cod. 9957, Cod. 10189, Cod. 10192, Cod. 10495 und Cod. 10643.

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ein Kommentar zur Bulle Gregors XII. über die Papstwahl, Cod. 5795–5796 mit der Geschichte des Pontifikats von Clemens XI., Cod. 5853–5859 mit einer Abhandlung zu päpstlichen Unternehmungen in den Jahren 1484–1521, Cod. 5870 mit einer Beschreibung des Zeremoniells der Kardinäle im Jahr 1712, Cod. 5949 mit Texten zur Geschichte Roms und Genealogien römischer Adelsfamilien und Cod. 6022 mit Lobsprüchen über Päpste. Dann gibt es noch äußerliche, auf eine gemeinsame Herkunft weisende Gemeinsamkeiten, die auch Handschriften aus den zwei Vorsignaturengruppen miteinander verbinden. Bei Cod. 5871 und 6365 ist jeweils im zweiten Feld des Rückens der Titel handschriftlich eingetragen, im Feld darunter folgt eine gezeichnete Vignette, und die Verwandtschaft ist so groß, dass es sich um den gleichen italienischen Schreiber handeln muss; ähnlich gestaltet sind die Einbandrücken von Cod. 5845 und 6350. Drei Handschriften gehören durch ihre frühestens aus der Mitte des 18. Jahrhunderts64 stammenden Einbände zusammen, da für den Golddruck am Rücken teilweise dieselben Stempel verwendet worden sind: Bei Cod. 5875 und 10192 stimmen das Blattwerkmotiv in der Mitte eines jeden Feldes und der waagrechte Blütenfries überein, bei Cod. 10192 und 5836 die von der Seite in das jeweilige Feld nach oben und unten ausgreifenden Rankenblätter. Alle diese Vermutungen und Beobachtungen können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine sichere Zuschreibung ausbleiben muss. Abhilfe kann hier nur die Auffindung von weiteren Quellen schaffen, idealerweise eines vollständigen Katalogs der Privatbibliothek von Pius VI. oder zumindest zusätzlicher einschlägiger Inventare.

SUMMARY

The paper continues where that presented by Gernot Meyer and Gudrun Swoboda ended and looks at books acquired in 1803 for the imperial library (Hofbibliothek) in Vienna. Until now, all we knew was that a large number of books had found their way to Vienna. Now, however, records in the archive of the Austrian National Library and an inventory of the library discovered by Gernot Meyer in the Staats­archiv document that this consignment comprised c. 1,500 volumes from the private collection of Pope Pius VI, which had been confiscated in 1798 by French commissars during the occupation of the Papal States. En route to libraries in Paris, in 1799 these books fell into the hands of Austrian troops advancing through Upper Italy. Following a short examination of the conglomerate’s content, the paper lists characteristics that make it possible to identify related volumes. The author also offers an overview of the manuscripts and incunabula in the holdings of the Austrian National Library that have been identified with the help of the inventory. Finally, the author includes a compilation of codices not listed in the inventory but that presumably also had once been in the papal library.

64 Cod. 10192 enthält Sermones, von denen der jüngste auf fol. 121v auf den 12. Juli 1747 datiert ist.

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Ein Inventar der Wiener kaiserlichen Rüstkammer von 1678 Stefan Krause und Mario Döberl

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Stefan Krause

Ein Inventar der Wiener kaiserlichen Rüstkammer von 1678 – Einleitung Die Wiener kaiserliche Rüstkammer ist neben Schloss Ambras bei Innsbruck die bedeutendste Quelle für den reichen Objektbestand der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien. Doch im Gegensatz zu der sehr gut dokumentierten Geschichte der Ambraser Sammlung sind wir im Fall der Wiener Rüstkammer mit empfindlichen Wissenslücken zur Provenienz konfrontiert; die bisher älteste bekannte Beschreibung dieses Bestandes stammt aus dem Jahr 1846.1 Ein vor Kurzem entdecktes, bisher völlig unbekanntes Inventar der kaiserlichen Rüstkammer aus dem Jahr 1678,2 der Regierungszeit Kaiser Leopolds I. (1640–1705) (Abb. 1), bietet aber nun die Gelegenheit, unseren Wissensstand zum habsburgischen Besitz an Repräsentationswaffen und Turnierausrüstung im 17.  Jahrhundert signifikant zu erweitern.3 Dieser bedeutende Archivfund soll im vorliegenden Beitrag – vollständig transkribiert und einleitend kommentiert – der Forschung zugänglich gemacht werden.4 Das hier besprochene Inventarium über der röm[isch] kay. May. […] allerley rüstungen vom 1. Jänner 1678 (Abb. 23) wurde von Caspar Aman, dem Hofkontrollor Leopolds I., in Beisein von Johann Khreinitz, dem kaiserlichen Hoffuttermeister, verfasst. Den unmittelbaren Befehl zur Erstellung dieses Dokuments hatten Johann Maximilian Graf Lamberg (1608–1682) (Abb. 2), Geheimer Rat und Oberster Hofmeister des Kaisers, und Ferdinand Bonaventura Graf Harrach (1636–1706) (Abb. 3), Oberster Stallmeister Leopolds I., gegeben. Der Grund für die Anfertigung dieses Verzeichnisses war die Übernahme der Amtsgeschäfte des Oberststallmeisters durch Graf Harrach im Jahr 1677.5 Dem nun wiederaufgefundenen Inventar zufolge enthielt die Wiener kaiserliche Rüst­ kammer im Jahr 1678 einen älteren, noch aus der Mitte bis zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammenden Kernbestand, der im 17. Jahrhundert offenbar laufend ergänzt wurde. Im Jahr der Inventarisierung durch die beiden genannten Hofbeamten Aman und Khreinitz präsentierte sich die Rüstkammer als heterogene, historisch gewachsene und museal aufgestellte Sammlung. Ein großer Teil der hier verwahrten Harni1 2 3

Abb. 1: Benjamin von Block, Porträt Kaiser Leopolds I. Um 1672. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 6745. (© KHM-Museumsverband.)

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Fr[iedrich] von Leber, Wien’s kaiserliches Zeughaus zum ersten Male aus historisch-kritischem Gesichtspunkte betrachtet, für Alterthumsfreunde und Waffenkenner beschrieben, Leipzig 1846. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Hs. 314, fol. 154r–214v; zu diesem Manuskript vgl. unten den Beitrag von Mario Döberl. Folgende Arbeiten sind von grundlegender Bedeutung für das Studium der Geschichte der Wiener kaiserlichen Rüstkammer: Leber 1846 (zit. Anm. 1); Bruno Thomas, Die Wiener kaiserlichen Rüstkammern, in: Revue Internationale d’Histoire Militaire  6, Nr. 21, 1960, 12–27 (mit Quellenübersicht) [= Bruno Thomas, Gesammelte Schriften zur Historischen Waffenkunde, Wien 1977, Bd.  1, 78–95]; Bruno Thomas, Das Wiener kaiserliche Zeughaus in der Renngasse, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 71, 1963, 175–193 [= Thomas 1977 (zit. Anm. 3), 99–121]; Bruno Thomas – Ortwin Gamber, Kunsthistorisches Museum, Wien. Waffensammlung. Katalog der Leib­rüstkammer I. Teil: Der Zeitraum von 500 bis 1530, Wien 1976, 9–21 (mit Quellenübersicht und Bibliografie). Aus archivalischen Quellen lässt sich schließen, dass im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Inventare zu den Wiener kaiserlichen Rüstkammern angelegt wurden, die jedoch bisher nicht auffindbar sind. Vgl. den Beitrag von Mario Döberl, Abschnitt „Inhalt des Inventarbandes“. Vgl. unten den Beitrag von Mario Döberl.

Abb. 2: Françoys van Beusecom, Porträt Johann Maximilian Graf Lamberg. Kupferstich, 1648/65. Wien, Österreichische National­ bibliothek, Sign. PORT_00105231_01. (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek.) Abb. 3: Porträt Ferdinand Bonaventura Graf Harrach. Kupferstich. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Sign. PORT_00114431_01. (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek.)

sche lässt sich einer Verwendung im Turnier zuordnen, wobei Varianten dieser Sportart von der Regierungszeit Kaiser Maximilians II. (1527–1576) bis zu jener Kaiser Leopolds I. festzustellen sind. Hinzu kommen Feldharnische des späteren 16. und früheren 17. Jahrhunderts, dynastische Erinnerungsstücke sowie Kriegstrophäen (vor allem Fahnen), die schon unter Kaiser Rudolf II. (1552–1612) und Kaiser Matthias (1557–1619) oder in der Frühzeit des Dreißigjährigen Krieges errungen wurden. Darüber hinaus nennt das Inventar eine Reihe von Schwertern, Feuerwaffen, Hellebarden, Trommeln, einzelne Gemälde, einige Tragsessel, einen Schlitten und unter anderem „drey stächel […] mit den armbrusten, zum frösch schießen“ [334]. Das Inventar von 1678 stellt aufgrund der vielfach detailgenauen Objektbeschreibungen eine sammlungsgeschichtlich hochbedeutende Archivquelle dar. Doch so reich an Informationen dieses Dokument einerseits ist, so viel verschweigt es andererseits, was für die moderne Forschung von Bedeutung wäre. Aman und Khreinitz erwähnen etwa mit keinem Wort den Ort, an dem diese Sammlung untergebracht war; nur indirekt, über ergänzende, noch zu besprechende historische Quellen kann auf die Stallburg als Aufstellungsort der beschriebenen Rüstkammer geschlossen werden. Weiters notieren die Verfasser des Inventars zwar fein säuberlich alle vorhandenen Werke und bei den Harnischen auch deren Bestandteile (Helm, Kragen, Brust etc.), aber nur selten bieten sie Details zu ehemaligen Besitzern, zur Herkunft der Objekte und ihrer Dekoration, was den wünschenswerten Abgleich mit erhaltenen Werken erschwert. Trotz des Fehlens von so manchem aus heutiger Sicht wichtigen Detail lassen sich im Inventar von 1678 einige bedeutende, noch heute erhaltene Werke identifizieren. Zu nennen sind hier unter anderem der Kempfküriss der sogenannten Königsgarnitur Kaiser Maximilians  II. von 1549/50 (Abb.  15) [40], der Turnierharnisch Erzherzog Karls  II. von Innerösterreich von 1571 (Abb.  9) [44] und der Rossharnisch Kaiser Friedrichs III. von 1477 (Abb. 21) [198]. Von besonderer Bedeutung ist der Eintrag Nr. [95], der die zwei sogenannten Laternenschilde des Kunsthistorischen Museums in Wien (Abb. 19) bzw. des Musée Porte de Hal in Brüssel (Abb. 20) beschreibt, denn er enthält ausnahmsweise eine bisher nicht bekannte Provenienz­ angabe: „so erzherzog Ernst auß Hispanien mit gebracht“. Erzherzog Ernst (1553– 1595) war 1571 mit seinem älteren Bruder, dem späteren Kaiser Rudolf  II., nach Jahren am Hof König Philipps II. (1527–1598) aus Spanien nach Wien zurückgekehrt. Wie wir nun wissen, hatte er dabei die zwei heute in Wien bzw. Brüssel verwahrten Schilde mit im Gepäck.6 6

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Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [95].

DIE WIENER KAISERLICHEN LEIBRÜSTKAMMERN DES 16. UND 17. JAHRHUNDERTS

Der im vorliegenden Inventar von 1678 beschriebene Objektbestand lässt sich aufgrund des Titels dieser Liste („der röm[isch] kay. May. […] allerley rüstungen“) sowie aufgrund der darin beschriebenen Werke als kaiserliche Rüstkammer ansehen. Die habsburgischen Rüstkammern in Wien stellen einen der am längsten belegten Bereiche der kaiserlichen Kunstsammlungen dar, denn die Orte ihrer Unterbringung lassen sich bis in das frühere 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Von 1313 bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts befand sich an der heutigen Ecke Augustinerstraße 12/ Dorotheergasse  19 ein landesfürstliches Harnischhaus.7 Spätestens 1464 richtete Kaiser Friedrich III. (1415–1493) im sogenannten Cillierhof, dem ehemaligen Palast der Grafen von Cilli nordwestlich der Burg (an der Stelle der heutigen Amalienburg), ein Zeughaus ein.8 Ein weiteres, als „neu“ beschriebenes Zeughaus, ebenso in unmittelbarer Nähe zur Burg, wird ab 1519 in der sogenannten „Öden Kirche“ erwähnt, einem nur im Rohbau fertiggestellten Kirchenbau der 1480er Jahre, der in den 1560er Jahren für die Errichtung der Stallburg abgerissen wurde.9 Für diese Harnisch- und Zeughäuser, die die Habsburger im späten Mittelalter im unmittelbaren Umfeld ihrer Wiener Burg eingerichtet hatten, ist jedoch fast ausschließlich die Lagerung von Kriegsausrüstung belegt. Im Fall des Harnischhauses in der Augustinerstraße existiert eine einzige Quelle, aus der sich dezidiert eine höfische Nutzung erahnen lässt (die Unterbringung eines Stechzeugs Friedrichs  III. im Jahr 1440).10 Im Cillierhof sticht in einer Bestandsliste von 1519 neben den verzeichneten Pulverfässern und Hackenbüchsen nur ein einziges Objekt als kunsthistorisch relevant hervor – ein „vergulter schlitten, so Kaiser Fridrichen Hochloblicher gedechtnus zuegehort hat“.11 Im Zeughaus in der Öden Kirche wiederum gab es zumindest in den 1540er Jahren auch eine Harnischkammer; doch ist über deren Inhalt – inwieweit sich dort ausschließlich Kriegsware oder auch Leibharnische der Habsburger befanden – nichts Näheres bekannt.12 Erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts lassen sich im weitläufigen Gebäudekomplex der Wiener Hofburg habsburgische Rüstkammern nachweisen: in der alten Burg, im Augustinerkloster und – für das vorliegende Inventar bedeutend – in der Stallburg. Diesen Wiener habsburgischen Rüstkammern der Renaissance und des frühen Barock kommt in kunsthistorischer Hinsicht besondere Bedeutung zu, da sie als Leibrüstkammern anzusehen sind. Solche enthalten die persönlichen Harnische und Waffen des Herrschers und seiner Familie für Turnier und Repräsentation sowie diplomatische Geschenke, Kriegstrophäen und dynastische Erinnerungstücke. Dies unterscheidet eine Leibrüstkammer grundsätzlich von einem Zeughaus, das vorrangig (aber nicht nur) einer praktisch-militärischen Verwendung diente, etwa der Lagerung von Kanonen, Gewehren und Schießpulver. Die Wiener kaiserlichen Rüstkammern der Renaissance können somit neben der Schatzkammer, der Kunstkammer und der Bibliothek als eine der Wurzeln des späteren musealen Kunstbesitzes des Kaiserhauses und in weiterer Folge des Kunsthistorischen Museums in Wien angesehen werden.

Vgl. J[ohann] E[vangelist] Schlager, Wiener-Skizzen aus dem Mittelalter, Wien 1835–1846, N. F. Bd. 2 (1842), 355–358; Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, 5 Bde., Wien 1992–1997, Bd. 3 (1994), 60. Vgl. Mario Schwarz (Hg.), Die Wiener Hofburg im Mittelalter. Von der Kastellburg bis zu den Anfän8 gen der Kaiserresidenz (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, hg. von Artur Rosenauer, Bd. 1), Wien 2015, 372 f. (Günther Buchinger, Doris Schön); vgl. auch Harry Kühnel, Forschungsergebnisse zur Geschichte der Wiener Hofburg im 16. Jahrhundert, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Anzeiger  93, 1956, 255–271, hier: 262. 9 Zu dieser Kirche vgl. Schwarz 2015 (zit. Anm. 8), 474 f. (Paul Mitchell, Günther Buchinger); vgl. auch Harry Kühnel, Forschungsergebnisse zur Geschichte der Wiener Hofburg V: Die Stallburg (Mitteilungen der Kommission für Burgenforschung Nr. 12), in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Anzeiger 98, 1961, 210–230, hier: 210–212. 10 Vgl. Schlager 1835–1846 (zit. Anm. 7), N. F. Bd. 2 (1842), 355–358. 11 Zit. nach A[lbert] v[on] Camesina, Inventar der kaiserlichen Zeughäuser zu Wien nach dem Tode Kaiser Max I. Original im k. k. Reichs-Finanzarchiv, in: Mitteilungen der K. K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, N. F. 5, 1879, C („Auf der wagner werchstatt“). 12 Vgl. Thomas 1960 (zit. Anm. 3), 16; Kühnel 1961 (zit. Anm. 9), 212. 7

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In der alten Burg (dem heutigen Schweizertrakt) ist vor der Mitte des 16. Jahrhunderts nur sehr wenig zu Harnischkammern überliefert. In einer Beschreibung von 1519 wird „in der Purgkh“ lediglich Kriegsgerät erwähnt.13 Im Jahr 1530 rühmt sich der Kustos der Burgkapelle, Jacob Purckhart, er habe die (nicht näher beschriebene) Rüstkammer in der Burg vor der Plünderung durch Landsknechte bewahrt.14 Erst in den 1540er Jahren, unter König Ferdinand I. (1503–1564),15 lässt sich in der Burg die Einrichtung einer Harnischkammer nachweisen, die explizit als Leibrüstkammer einzustufen ist und die möglicherweise sogar musealen Charakter besaß. Sie wurde ab 1545 im südwestlichen Trakt der Burg (d.  h. im heute dem Heldenplatz zugewendeten Flügel) im dritten Obergeschoß eingerichtet und als „ku/ Mt etc. Harnisch Camer ob dem grossen Saal Jn der Burgkh zu Wienn“ beschrieben.16 Wie aktuelle Baubefunde ergeben haben, bestand diese Rüstkammer zum Teil aus hölzernen Räumen oder Nischen. 1548 sind im Rahmen der Arbeiten Ausgaben für Zimmermeister belegt, die unter anderem „schrägn, Zu den Roß harnasch“ (wohl Trägerfiguren für Rossharnische) angefertigt hatten.17 Aussehen und Inhalt dieser Harnischkammer in der Burg sind zwar nicht überliefert, doch sind wir zumindest über ihr weiteres Schicksal informiert. Dreieinhalb Jahrzehnte später, im April 1583, meldete der Burggraf Jacob von Haag schwerwiegende bauliche Schäden an der Burg und nicht zuletzt an der Harnischkammer: „So sej auch vil harnisch vnd andere Khriegsrüsstung in dem andern Thurn [Südturm], so alles erfault vnd Rosstig“; der Dachboden in diesem Teil der Burg sei „so sehr erfault das des einfallens Zubesorgen“ sei. Kaiser Rudolf II. befahl daher im Mai 1583, dass, „die Jn vnnserer Kayserlichen Purckh Alhie in Ainem Thuern [Südturm], verhandtne Altuätterische Kriegsrüstung hinweckh genumen, vnnd in vnnserm Zeughaus Alhie, zu Andern dergleichen sachen vndtergebracht“ werde; das betreffende Inventar (!) sei aufzubewahren18 (dieses Inventar ist leider nicht überliefert). In einer Beschreibung der Burg von 1590 wird eine Harnischkammer nicht mehr erwähnt19 – sie scheint daher 1583 dauerhaft aufgelassen worden zu sein. Eine weitere habsburgische Leibrüstkammer lässt sich etwa zeitgleich (in der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) im südöstlich an die Burg angrenzenden Augustinerkloster nachweisen. Die ersten Quellen dazu stammen aus den frühen 1540er Jahren; bis zum Beginn der 1560er Jahre dürfte diese Rüstkammer in regelmäßiger Benützung gewesen sein – 1595/96 wird sie noch vereinzelt erwähnt. Die genaue Lage dieser Harnischkammer innerhalb des Klostergebäudes der Augustiner und deren Inhalt sind nicht bekannt. Doch im Jahr 1556 wird von „der Kü: Wierde Zu Beheim etc. Khunig Maximilian Harnisch Chamer bey den Augustinern“ gesprochen, d. h. diese Rüstkammer wurde von König (Kaiser) Maximilian II. benutzt oder zumindest mitbenutzt.20 Die Unterbringung einer kaiserlichen Rüstkammer in einem Kloster mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Doch dies erklärt sich im Fall der Wiener Augustiner angesichts deren enger Einbindung in das Leben des Kaiserhofes. Die Augustinerkirche hatte im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts schrittweise die Funk13 Zum Inventar von 1519 vgl. Camesina 1879 (zit. Anm. 11), XCLX. 14 Vgl. Kühnel 1956 (zit. Anm. 8), 258. Zur Nutzung der Hofburg im früheren 16. Jahrhundert vgl. Schwarz 2015 (zit. Anm. 8), 435–446 (Paul Mitchell). 15 Harry Kühnel meint, dass diese Rüstkammer für Maximilian II. eingerichtet worden sei, schränkt aber ein, es könnte sich hierbei auch um die Harnischkammer König Ferdinands I. gehandelt haben; vgl. Kühnel 1961 (zit. Anm. 9), 212 f. 16 Zit. nach Herbert Karner (Hg.), Die Wiener Hofburg 1521–1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, hg. von Artur Rosenauer, Bd. 2), Wien 2014, 95, Anm. 125 (Renate Holzschuh-Hofer, Herbert Karner). Zur Lokalisierung vgl. den Grundriss des zweiten Obergeschoßes in: ebenda, 93, Abb. IV.10; die Harnischkammer befand sich über dem Großen Saal (Nr. 1). 17 Vgl. ebenda, 95. 18 Zit. nach ebenda, 133. 19 Vgl. ebenda, 135. 20 Vgl. ebenda, 255, Anm. 1273 (Renate Holzschuh-Hofer, Markus Jeitler); vgl. auch Kühnel 1961 (zit. Anm. 9), 212 f.

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Abb. 4: Ansicht der Stallburg, nördlicher und östlicher Flügel (entlang der Habsburgergasse bzw. Stallburggasse). (© KHM-Museumsverband.)

tion einer Hofkirche übernommen. Seit den 1550er Jahren war das Kloster durch den sogenannten Augustinergang (errichtet 1550–1554) auch baulich mit der Burg verbunden und damit unmittelbar der alltäglichen höfischen Nutzung eingegliedert. 1551 wurde hier eine Falkenkammer eingerichtet, 1554 eine Münzprägestätte; in anderen Teilen des Klosters waren Hofbedienstete sowie für den Hof arbeitende Künstler einquartiert.21 Bei den Augustinern waren für lange Zeit auch Hofwagen eingestellt, die wie die Rüstkammer dem Oberststallmeister unterstanden.22 Eine dritte Rüstkammer, die für die vorliegenden Ausführungen von entscheidender Relevanz ist, kann ab 1578 in der Stallburg (Abb. 4) nachgewiesen werden. Es handelt sich hierbei um eben jene Rüstkammer, deren Bestand ein Jahrhundert später in dem hier vorgestellten Inventar beschrieben wird. In jenem früheren Jahr heißt es, dass die „ristung“ Kaiser Maximilians II. „sambt derselbigen zuegeherungen […] in ier maj. neien stall, da si zuvor gebest“, verwahrt werde.23 Diese Harnischkammer dürfte somit bereits im 16. Jahrhundert zum ursprünglichen Nutzungskonzept Maximilians  II. für die von ihm in den 1560er Jahren errichtete Stallburg gehört haben und könnte damals als Ersatz für jene bei den Augustinern untergebrachte gedacht gewesen sein. Auch die Rüstkammer in der Stallburg war zunächst als Leibrüstkammer, nämlich jene Maximilians II., eingerichtet worden. Doch im Gegensatz zu den zwei anderen erwähnten Harnischkammern in der Burg und im Augustinerkloster wandelte sich jene in der Stallburg im weiteren Verlauf zu einem dauerhaften Sammlungsraum des habsburgischen Hofes. Erst 1750, fast zwei Jahrhunderte nach ihrer Einrichtung, wurde die Rüstkammer der Stallburg endgültig aufgelöst. Sie musste damals, unter Maria Theresia (1717–1780), neuen Hofquartieren und Kanzleien Platz machen;24 im späteren 18. Jahrhundert scheinen am Dachboden der Stallburg – hier war zuvor die Rüstkammer eingerichtet gewesen (vgl. unten) – auch Gemälde der kaiserlichen Galerie aufbewahrt worden zu sein.25 Der Inhalt der Rüstkammer kam 1750 aus der

21 Vgl. Karner 2014 (zit. Anm. 16), 249–252 (Renate Holzschuh-Hofer, Markus Jeitler). 22 Vgl. Mario Döberl, Der Fuhrpark Kaiser Leopolds I. Teiledition der Wiener Hofmarstallinventare von 1678, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 12, 2010, 277–309, hier: 290 f. 23 Zit. nach Karner 2014 (zit. Anm. 16), 304 (Renate Holzschuh-Hofer, Sibylle Grün). 24 Vgl. Hellmut Lorenz – Anna Mader-Kratky (Hgg.), Die Wiener Hofburg 1705–1835. Die kaiserliche Residenz vom Barock bis zum Klassizismus (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, hg. von Artur Rosenauer, Bd. 3), Wien 2016, 515 (Anna Mader-Kratky). Vgl. auch Friedrich Wilhelm Weiskern, Beschreibung der k. k. Haupt und Residenstadt Wien, als der dritte Theil zur österreichischen Topographie, Wien 1770, 99. 25 Vgl. Anna Mader-Kratky, Versteigern oder verschenken? Zur Geschichte der Gallerieausstattung im

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Stallburg in das kaiserliche Zeughaus in der Renngasse und blieb in wichtigen Teilen (wenn auch mit großen Verlusten) bis in heutige Zeit erhalten.26 Die Rüstkammer der Stallburg spielte somit eine Schlüsselrolle in der Bewahrung der einzigartigen habsburgischen Turnierausrüstung des 16. und 17. Jahrhunderts, die heute zu den Kernbeständen der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien zählt.

DIE KAISERLICHE RÜSTKAMMER IN

Das Inventar von 1678 erwähnt mit keinem Wort den Ort der Unterbringung der

DER STALLBURG

beschriebenen kaiserlichen Rüstkammer. Auch finden sich darin keinerlei ergänzende Informationen, die bei der Lokalisierung dieses Raumes hilfreich wären, wie etwa Angaben zur Nutzung angrenzender Gebäudeteile, zum Stockwerk o. ä. Einzig die Beschreibung der frei aufgestellten Harnische bietet einen kleinen Hinweis: Sie beginnt „beym eingang der thür“ (fol. 195v), woraus jedoch nur auf den Zugang zur Rüstkammer durch eine einzelne Türe geschlossen werden kann. Weiterführende Details wären hier aber insofern von essentieller Bedeutung, da im Prinzip zwei Wiener Gebäude für die erwähnte Rüstkammer infrage kommen – nicht nur die Stallburg, sondern auch das kaiserliche Zeughaus in der Renngasse. Das Zeughaus in der Renngasse war unter Kaiser Rudolf II. ab 1584 anstelle des mittelalterlichen Salzburgerhofes errichtet worden; seit dem früheren 16. Jahrhundert hatte der Salzburgerhof den Habsburgern als Lagerplatz für militärische Ausrüstung gedient.27 Rudolf II. dürfte eben dieses Zeughaus gemeint haben, als er, wie bereits erwähnt, 1583 die „altuätterische Kriegsrüstung“ aus der baufälligen Harnischkammer in der alten Burg „in vnnserm Zeughaus Alhie, zu Andern dergleichen sachen“28 verbringen ließ. Dies belegt, dass sich an diesem Ort in der Renngasse bereits vor 1600 ebenso eine Rüstkammer befunden haben muss, in der Harnische und Waffen des Hofes als Erinnerungsstücke verwahrt wurden. Doch das 1678 verfasste Inventar beschreibt nicht diesen Raum im Zeughaus, sondern jenen in der Stallburg, wie sich aus den folgenden Indizien erschließt. So sah der Weimarer Historiker und Kanzlist Johann Sebastian Müller (1634–1708) im Jahr 1660, weniger als zwei Jahrzehnte vor der Entstehung des hier besprochenen Inventars, im Rahmen eines Besuches am kaiserlichen Hof auch das Zeughaus in der Renngasse. Er notierte dazu unter anderem: „Ob diesem Gange war die Rüst-Cammer darinnen aufgestelte Harnische und Cuirace, in zweyen Reihen unzehlbare Musqueten oben Piquen in den Fenstern derer zu beeden Seiten 58. waren in ieden 4. Bündel Partisanen gestellet iedes von 12. Partisanen zusammen 2784.“29 Das hier besprochene Inventar von 1678 erwähnt jedoch nur vereinzelte Feuerwaffen sowie keine mehrreihige Aufstellung von Musketen und Piken, wie sie Müller wenige Jahre zuvor gesehen hatte. Zum anderen berichtet Friedrich Wilhelm Weiskern (1711–1768) in seiner Beschreibung der k. k. Haupt und Residenzstadt Wien von 1770, dass im Jahr 1750 „die Harnische der röm. Kaiser von Rudolph dem I. bis auf Ferdinanden III. […] aus

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späten 18. Jahrhundert, in: Ausstellungskatalog Sabine Haag und Gudrun Swoboda (Hgg.), Die Galerie Kaiser Karls VI. in Wien. Solimenas Widmungsbild und Storffers Inventar (1720–1733), nach einer Idee von Elke Oberthaler und Robert Wald, Wien (Kunsthistorisches Museum) 2010, 33–37, hier: 33. Zur weiteren Geschichte der Wiener Rüstkammerbestände vgl. Thomas – Gamber 1976 (zit. Anm. 3), 10–13. Vgl. Czeike 1992–1997 (zit. Anm. 7), Bd. 5 (1997), 36 (Salzburgerhof) und 701 f. (Zeughaus). Vgl. Anm. 18. Zit. nach Katrin Keller – Martin Scheutz – Harald Tersch (Hgg.), Einmal Weimar – Wien und retour. Johann Sebastian Müller und sein Wienbericht aus dem Jahr 1660 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 42), Wien – München 2005, 95. Übereinstimmend hatte wenige Jahre zuvor (1649) Martin Zeiller (1589–1661) in der Topographia Provinciarum Austriaca­ rum festgehalten, im Zeughaus in der Renngasse sei „uber dem Geschütz […] ein langer Gang wie ein Saal mit etlichen Kammern hängt vberall voll Kriegsrüstungen Wehren Waffen Büchsen vnd Doppelhacken“; zit. nach Matthäus Merian d. Ä. (Kupferstiche) – Martin Zeiller (Text), Topographia Germaniae, Bd. 10: Topographia Provinciarum Austriacarum […], Frankfurt a. M. 1649, 45.

der k. k. Stallburg hieher [sic] [in das Zeughaus in der Renngasse] abgegeben“ worden seien.30 Noch Friedrich von Leber beschreibt 1846 im Zeughaus diese Reihe kaiserlicher Harnische mit (völlig fiktiven und willkürlichen) Zuschreibungen an die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches von Rudolf I. (1218–1291) bis Ferdinand III. (1608–1657).31 Zumindest zwei der Harnische aus dieser Kaiserreihe, der Kempfküriss der Königsgarnitur Kaiser Maximilians II. (Abb. 15) und der ebenso für Maximilian II. gefertigte sogenannte Herkulesharnisch (Abb. 5), lassen sich im Inventar von 1678 identifizieren.32 Dank dieses Nachweises lässt sich eine eindeutige Verbindung zwischen der Rüstkammer der Stallburg und dem Inventar von 1678 herstellen. Die unter Maximilian  II. etablierte und unter seinen Nachfolgern weiterbenützte Leibrüstkammer der Stallburg war im Dachgeschoß untergebracht. Dies erschließt sich aus einem Schreiben Rudolfs II. an die Wiener Hofkammer vom 21. März 1598. Darin verlangt der Kaiser, dass mit einer bereits länger nötigen Renovierung des Dachstuhls der Stallburg ehestmöglich begonnen werde, da das Regenwasser in die Zimmer darunter eindringe – „insonderhait aber unserer Harnisch Camer daselbst schaden zuefuege“.33 Sechs Jahrzehnte später, im Jahr 1656, scheint es zu einer umfassenden Renovierung oder Neueinrichtung der Rüstkammer unter dem Dach der Stallburg gekommen zu sein; in den Hofkammerakten ist am 29. Dezember 1656 die „Verferttigung ainer newen RistCamer in der Ertzhertzoglichen Burgg oder Newen Stahlung“ angeführt.34 In einer weiteren zeitgleichen Quelle wird auch der Ort dieser zu renovierenden Rüstkammer erwähnt – es ist von der „Rüst Camer in der Erzh. burgg auff dem boden alda“35 die Rede. Einen möglichen, jedoch nicht eindeutigen Hinweis auf die genauere Lage im Dachgeschoß der vierflügeligen Stallburg könnte ein Eintrag in den Hofbauamtsquellen des Jahres 1704 bieten. Am 14. Februar 1704 wurden „zu Neü machung 14 fenster flügeln in der Kay: rüst Camer“ 84 Gulden veranschlagt, d. h. die Rüstkammer war mit zumindest sieben Fenstern (mit je zwei Flügeln) ausgestattet.36 Das Dachgeschoß der Stallburg zählt heute im nördlichen Flügel (entlang der Bräunerstraße) sechs Fenster; der westliche Flügel (entlang der Habsburgergasse) weist ebenso sechs Fenster auf sowie zusätzlich zwei kleinere Fenster (Abb. 4). Am abgeschrägten nordwestlichen Gebäudeeck (Ecke Bräunerstraße/Habsburgerstraße) findet sich ein weiteres, einzelnes Fenster. Darüber hinaus lässt schon das Inventar von 1678 einen Raum von beträchtlicher Größe erahnen, der für nicht weniger als 62 große Schaukästen und eine Vielzahl weiterer, frei aufgestellter Objekte Platz bot. Die Rüstkammer der Stallburg dürfte daher wohl den gesamten nördlichen oder westlichen Flügel der Stallburg inklusive des abgeschrägten nordwestlichen Eckes eingenommen haben

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Zit. nach Weiskern 1770 (zit. Anm. 24), 99. Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 92–98, Nrn. 187–191; 110–122, Nrn. 200–204. Vgl. unter Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nrn. [40] und [112]. „[…] unns khumbt für, waßmassen das Dach draußen in unserm newen Stall zu Wienn nun von ainer guetten Zeit hero so schadhafft und Pauföllig worden sein solle, das damit zeitliche ehiste fürsehung beschiecht, daßelb von dem Regenwetter gar eingehen und den Zimern, Insonderhait aber unserer Harnisch Camer daselbst schaden zuefuegen mechten.“ Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Finanzund Hofkammerarchiv, Alte Hofkammer, Gedenkbuch Österreich, Bd. 159, fol. 111r; zit. nach Kühnel 1961 (zit. Anm. 9), 220. 34 Zit. nach Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Finanz- und Hofkammerarchiv, Alte Hofkammer, Niederösterreichische Kammer ER 1656 (R 322), fol. 300r; 1656 Dezember 29: „[Vicedom alhier, HoffBauAmbt] Geschäfftl an Hiesiges Vicedomambt, Per Eruolglassung dem Khay: HoffBawmaistern in abschlag des Zu Verferttigung ainer newen RistCamer in der Ertzhertzoglichen Burgg oder Newen Stahlung, erforderenden Vnkostens, anietzo 204 fl 50 Kr:“ Vgl. auch ebenda, ER 1656 (E 320), fol. 375r; 1656 Dezember 29: „[Ertzhertzog. oder Neüe burgg] Hoffbauschreibers überschlag hiebey disen anbringen 409 fl 40 k Zuuerschlagung einer Rüst Camer in der Erzh. burgg auff dem boden alda.“ 35 Zit. nach ebenda, ER 1656 (E 320), fol. 375r; 1656 Dezember 29. 36 Zit. nach ebenda, ER 1704 (E 513), fol. 38v; 1704 Februar 14: „[Hoffbauambt] Kay: hoffbau Ambts Bericht die Verschaffung deren VnKosten Per 84 fl Zu Neü machung 14 fenster flügeln in der Kay: rüst Camer Betr. Das Kay: N: Ö: Vicedom ambt solle hierauff dem Kay: Hoffbauambt Zu reparirung Jnvermelter 14  fenster in der Kay: rüst Camer die Erforderliche 84  fl gegen Bescheinung abfolgen Lassen.“

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und war, wie bereits erwähnt, durch eine einzelne Türe zugänglich (fol. 195v: „beym Eingang der thür“). Die kaiserliche Rüstkammer war in der Stallburg in ein multifunktionales höfisches Nutzungskonzept eingebunden. Im Erdgeschoß befanden sich die namensgebenden Pferdestallungen.37 Im ersten Stock waren Appartements eingerichtet, die der Unterbringung von Gästen und Mitgliedern der kaiserlichen Familie dienten. Hier hatte nach dem Tod Kaiser Ferdinands II. im Jahr 1637 dessen Witwe Eleonora (1598– 1655) gelebt, später zeitweise auch der junge Erzherzog Leopold Wilhelm (1614– 1662) und 1573 für kurze Zeit Mitglieder des Hofstaates der früh verstorbenen ersten Ehefrau Kaiser Leopolds  I., Margarita Teresa (1651–1673).38 Im zweiten Obergeschoß wurde in den Jahren nach 1656 die Kunstsammlung Erzherzog Leopold Wilhelms aufgestellt, die in den 1720er Jahren, unter Kaiser Karl VI. (1685–1740), zu der berühmten repräsentativen kaiserlichen Gemäldegalerie, die sich über das gesamte Stockwerk erstreckte, ausgebaut wurde.39 Im Dachgeschoß darüber dürfte neben der Rüstkammer auch eine Sattelkammer untergebracht gewesen sein, wie aus einem Schriftverkehr über die Besetzung von Nachtwächterstellen (d. h. die Limitierung ihrer Anzahl) aus dem Jahr 1700 hervorgeht: „Wan aber die hochlöbl: Kay: hoffCammer der Stalburgg, alwo die Kunst Cammer, Sattel: Vnd Rist Cammer, ia alle Kay: officier Taffelstüben begriffen, mit Zweyen Nachtwachtern gnädige Vorsehung thuen Wolle, Wäre es Wohl ein heiliges Werckh.“40 Eine ähnlich vielfältige Nutzung, wie sie für die Wiener Stallburg belegt ist – insbesondere die Unterbringung von Stallungen, Rüstkammer und Kunstkammer unter einem Dach –, lässt sich im späteren 16. und im 17. Jahrhundert für mehrere europäische Schlossbauten nachweisen, etwa für Madrid (1565/66)41 und München (1563/67)42. In Dresden bot der Neue Stall (1586/88) neben den Stallungen sowie Rüst-, Schlitten- und Büchsenkammer auch Platz für die Gemächer Kurfürst Christians I. (1560–1591).43 Eine besonders vielfältige Nutzung wies der Marstall in Kassel (1591/93) auf. In diesem Gebäude befanden sich im Jahr 1612 neben den Stallungen, den Räumen des Stallmeisters und der Rüstkammer auch eine Kunstkammer, eine Inventionskammer (mit den Requisiten für die höfischen Aufzüge und Turniere), eine Bibliothek, eine Schneiderei, eine Buchdruckerei, eine Münzstätte, ein Laboratorium und eine Kleiderkammer.44 Noch im 18. Jahrhundert wurde in Kassel über den Marstall gewitzelt, hier seien „Musis und Mulis“ [Muse und Pferde] vereint45 – ein Ausspruch, der sich auch auf die Wiener Stallburg anwenden ließe. Im Fall der kaiserlichen Rüstkammer in Wien ist bemerkenswert, dass sie in Reiseberichten von Besuchern der Residenzstadt während des 17. und 18. Jahrunderts mit keinem Wort erwähnt wird. Dies verwundert umso mehr, da sich in ihrer unmittelbaren Nähe, im Stockwerk darunter, mit der Gemäldegalerie Erzherzog Leo37

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In der Spätrenaissance lassen sich in der Stallburg auch eine Küche, eine Wagenremise, eine Werkstatt für Tapisserien und die Wohnung des Rüstmeisters nachweisen; vgl. Karner 2014 (zit. Anm. 16), 302 f. (Renate Holzschuh-Hofer, Sibylle Grün). Vgl. Karner 2014 (zit. Anm. 16), 129 (Renate Holzschuh-Hofer, Herbert Karner), 305 und 309 f. (Herbert Karner) mit Anm. 1649. Vgl. Lorenz – Mader-Kratky 2016 (zit. Anm. 24), 488 (Anna Mader-Kratky) und 496–503 (Petra Kalousek); AK Wien 2010 (zit. Anm. 25), v. a. Taf. I–XI und S. 92–95. Zit. nach Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Finanz- und Hofkammerarchiv, Alte Hofkammer, Niederösterreichische Kammer, Fasz. 532; 1700 September 6. Vgl. Ausstellungskatalog Álvaro Soler del Campo, The Art of Power. Royal Armor and Portraits from Imperial Spain, Washington D.C. (National Gallery of Art) 2009, 41 f. mit Abb. 6 und 7 (Álvaro Soler del Campo). Vgl. Lorenz Seelig, Die Münchner Kunstkammer, in: Willibald Sauerländer, Die Münchner Kunstkammer (Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Abhandlungen, N. F. 129), München 2008, Bd. 3, 1–114, bes. 1. Vgl. Jutta Bäumel, Rüstkammer. Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Führer durch die ständige Ausstellung im Semperbau, Dresden – Berlin 2004, 11–15. Vgl. A[lois] Holtmeyer, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. VI: Kreis Cassel-Stadt, Kassel 1923, Bd. 1, 303 f. Vgl. Fritz Seelig, Geschichtsbilder aus der Casseler Vergangenheit, 2. rev. Ausg., Kassel 1891, 29; Holtmeyer 1923 (zit. Anm. 44), Bd. 1, 304.

pold Wilhelms eine der großen, viel besuchten und viel beschriebenen Attraktionen der Hofburg befand. Charles Le Maistre lobte 1664 den einfachen Zutritt zu dieser Galerie.46 John Burbury zählte sie 1671 zu „the things of curiosity, that deserve to be seen in the City“.47 Johann Georg Keyßler (1689–1743) gab 1740 Wien-Reisenden folgenden Ratschlag, um das zu jener Zeit hohe Eintrittsgeld für die Gemäldegalerie von 12 Gulden zu umgehen: „Es können aber 6. bis 7. Personen zusammen in eine Gesellschaft treten, und auf diese Arth die Unkosten einander erleichtern.“48 In das Geschoß darüber, in die Rüstkammer des Kaisers, scheint keiner der Gäste gelangt zu sein, zumindest nicht jene, von denen Reiseberichte überliefert sind.49 Und dies, obwohl das Inventar von 1678 für die Rüstkammer eigentlich eine repräsentative (wenn auch veraltete) museale Aufstellung der Harnische und Waffen erahnen lassen würde (vgl. unten). Der Grund dafür könnte in der gewandelten bzw. verengten Nutzung dieses Sammlungsraumes unter Kaiser Leopold  I. zu suchen sein. Bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts hatten die Kaiser in der Rüstkammer der Stallburg neben persönlichen Ausstattungsstücken für das Turnier auch Kriegstrophäen hinterlegt. Der Raum diente in jener Zeit gleichermaßen als militärische Ruhmeshalle wie auch als Turnierkammer. Unter Leopold  I. jedoch scheint die Rüstkammer nur mehr als Aufbewahrungsort für Turnierausrüstung genutzt worden zu sein, nicht jedoch als Ort, an dem rezente militärische Erfolge der Habsburger gefeiert wurden. Im Inventar von 1678 finden sich zwar Trophäen vom Ungarnaufstand von 1604/06 [307] und aus dem böhmischen Krieg von 1618/21 [352, 381]. Doch der durchschossene Lederkoller König Gustav Adolfs von Schweden (1594– 1632) aus der Schlacht bei Lützen (1632)50 und die türkischen Waffen aus der Schlacht bei St. Gotthard/Mogersdorf 166451 waren zu Leopolds Zeit in der Schatzkammer in der alten Burg und nicht in der Rüstkammer in der Stallburg ausgestellt. Die Rüs­­t­kammer hatte, wie es scheint, im Laufe des mittleren 17. Jahrhunderts einen Teil ihres Nutzungskonzeptes, jenen eines militärischen Ehrenraumes, eingebüßt und dadurch an Bedeutung für die Repräsentation des kaiserlichen Hofes verloren. Das Besuchsprogramm innerhalb der Burg, insbesondere jenes von Gesandten und anderen meinungsbildenden Persönlichkeiten, war für den Wiener Hof während des 17. und 18. Jahrhunderts ein wichtiges Mittel der Propaganda. Die Wege der Gäste wurden bewusst gelenkt und die gezeigten Sehenswürdigkeiten gezielt ausgewählt.52 Man öffnete für die Besucher die Tore der Gemäldegalerie und auch jene der Bibliothek, wo der Direktor, Peter Lambeck (1628–1680), laut Beat Holzhalb mitunter 46 Vgl. Patricia Ranum – Orest Ranum (Hgg.), Charles Le Maistre. Voyage en Allemagne, Hongrie et Italie 1664–1665, Paris 2003, 124; Harald Tersch, Vom Tagebuch zum Reisebericht. Johann Sebastian Müller und der Wien-Bericht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Katrin Keller – Martin Scheutz – Harald Tersch (Hgg.), Einmal Weimar – Wien und retour. Johann Sebastian Müller und sein Wienbericht aus dem Jahr 1660 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 42), Wien – München 2005, 192–210, hier: 209. 47 Zit. nach John Burbury, A relation of a journey of the Right Honourable My Lord Henry Howard, from London to Vienna, and thence to Constantinople […], London 1671, 48 f. 48 Zit. nach Johann Georg Keyßler, Neüeste Reise durch Teütschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen, worin der Zustand und das merckwürdigste dieser Länder […] erläutert wird, Hannover 1740, 956. 49 Zu Beschreibungen der Stadt Wien durch Reisende vgl. Tersch 2005 (zit. Anm. 46). 50 „Des Königs in Schweden Gustavi Adolphi Goller, darinnen er in der Schlacht von Liczen geblieben ist  […]“; zit. nach Arnold Luschin von Ebengreuth, Die ältesten Beschreibungen der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 20, 1899, CXCV, Reg. 18307 (fol. 12). Der Lederkoller Gustav Adolphs befand sich bis 1920 im Kunsthistorischen Museum in Wien (Waffensammlung, Inv.-Nr. A 1842). Er wurde im Jahr 1920 aus Dank für die Hilfe des schwedischen Roten Kreuzes für Österreich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als Geschenk an Schweden übergeben. Der Koller befindet sich heute in den Livrustkammaren in Stockholm (Inv.-Nr. 31123); vgl. Livrustkammaren. Journal of the Royal Armoury, 2007–2008, 185 f., Nr. 1.38 (Sofia Nestor); 50 und 66 (Sofia Nestor). 51 „Auf der untersten [Stelle] die türkischen Säbel, Pußikanen und andere unterschiedliche, so in der letzten Schlacht bei St. Gotthard erobert worden“; zit. nach Luschin von Ebengreuth 1899 (zit. Anm. 50), CXCIV (fol. 7v). 52 Vgl. Tersch 2005 (zit. Anm. 46), 208–210.

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„des Wenceslai geschribne schöne Bibel und Auream Bullam“ – die Wenzelsbibel (Prag, 1390/1400; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2759–2764) und die sogenannte Goldene Bulle König Wenzels I. (Prag, 1400; ebenda, Cod. 338) – aus den Regalen hervorzog.53 Vor allem aber führte man die Gäste in die Räume der Schatzkammer, zu den Kronen, Juwelen und Reliquien, die die Macht und die historische Legitimation der Habsburger sinnbildlich vor Augen führen sollten.54 Die Rüstkammer (Turnierkammer) in der Stallburg hingegen zählte nicht zu dieser Reihe der vom Hof zugänglich gemachten Sehenswürdigkeiten. Leopold I. thematiserte seine militärischen Erfolge nicht in diesem abgelegenen Raum, hoch oben unter dem Dach der Stallburg. Diesem Zweck dienten andere Orte in Wien, das Zeughaus und das daneben gelegene Arsenal, aber auch, wie bereits erwähnt, die Schatzkammer.55 Die Öffnung der Rüstkammer in der Stallburg hätte dem Kaiserhof keinen Mehrwert gebracht, weshalb sie – wohl nicht zuletzt aus diesem Grund – Besuchern generell nicht zugänglich gewesen sein dürfte.

DIE AUFSTELLUNG DER KAISERLICHEN RÜSTKAMMER IN DER STALLBURG IM JAHR 1678

Die Wiener kaiserliche Rüstkammer präsentierte sich 1678, im Jahr ihrer Inventarisierung durch Caspar Aman und Johann Khreinitz, folgendermaßen: Der Großteil der Werke war in insgesamt 62 durchnummerierten Kästen verwahrt. Über die Verteilung dieser Kästen im Raum sowie über die Gruppierung der darin enthaltenen Objekte bietet das Inventar keinerlei Informationen. Die Kästen müssen aber ihrem Inhalt zufolge von unterschiedlicher und zum Teil erheblicher Größe gewesen sein. So enthielten die Kästen 1 bis 8 jeweils nur einen einzelnen Harnisch mit einigen wenigen ergänzenden Gegenständen, zumeist Schwerter oder Wechselstücke zu Harnischen. Kasten 25 hingegen bot Platz für Folgendes: 6 Harnische, 24 Trabharnische, 24 Sturmhauben, 22 Paar lange Handschuhe, 18 Paar Achseln, 43 Paar Ärmel, 1 Panzerhemd, 14 Panzerschürze, 19 Reiterschwerter, 19 Pistolen mit Hulfter und Pulverflasche, 4 lange Büchsen, 2 schwarze und 1 weiße Sturmhaube, 1 Paar Brechscheiben, 2 Harnischachseln, 1 Harnischbart sowie einige weitere vereinzelte Wechselstücke zu Harnischen [126–146]. Neben dem Inhalt dieser Kästen beschreibt das Inventar auch jenen von elf Schubladen [282–320]. Wo diese untergebracht waren – etwa in den erwähnten Kästen oder aber in einem eigenen Ladenkasten – wird nicht erwähnt. Sie enthielten überwiegend textile Objekte, wie etwa Fahnen [294–304 etc.] und „khüriß schürzl“, d. h. Röcke, die zu Harnischen getragen wurden [282–287]. Es finden sich darin aber auch lederne Ringkrägen [305], Futterale, Hulffter [315–317] und eine „schachtl [mit] unterschiedlich vergulte nögl und schrauffen“ [320]. Des Weiteren verzeichnet das Inventar von 1678 eine Vielzahl von Objekten, die „ausser der kästen“ (fol. 195v), d. h. frei im Raum stehend aufbewahrt wurden. Dazu zählen unter anderem 23 durchnummerierte Harnische [252–274], ein Geschütz [329] und ein „ganz vergulter schlitten“ [385]. Wie sich diese Objekte im Raum verteilten, ob sie etwa zwischen den Kästen oder in der Mitte des Raumes standen, wird nicht weiter ausgeführt. Weitere, summarisch erfasste Objektgruppen befanden sich unter anderem auf den Kästen Nr. 25 [255] und Nr. 60 [232–233]. Dazu zählten 118 Sturmhauben [275], 42 Turnierschwerter [276] sowie 19 „türckh[ische] geschnittene hilzerne köpf“ [333], hölzerne Köpfe, die im sogenannten Quintan- bzw. Kopfrennen benützt wurden (Abb. 11).

Zit. nach Dietrich W. H. Schwarz (Hg.), Beat Holzhalb. Wiener Reise 1677 (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 48, H. 2), Zürich 1977, 34 (Dienstag, 22. Mai 1677). 54 Vgl. Friedrich Polleroß, „Pro decore Majestatis“. Zur Repräsentation Kaiser Leopolds I. in Architektur, Bildender und Angewandter Kunst, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien  4/5, 2002/2003,191–295, hier: 236–254, bes. 253 f. 55 Vgl. etwa die Beschreibung von Johann Sebastian Müller im Jahr 1660; vgl. Keller – Scheutz – Tersch 2005 (zit. Anm. 29), 95 f., 105. 53

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Abb. 5: Herkulesharnisch Kaiser Maximilians II. Paris, um 1555/60. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1400. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 6: Halbharnisch. Mailand, um 1560. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1408. (© KHM-Museumsverband.)

Die zahlreichen Fahnen der Rüstkammer waren zum einen in den Schubladen Nrn. 2, 3 und 4 verwahrt, zum anderen dürften sie an der Wand aufgespannt bzw. frei im Raum hängend zu sehen gewesen sein. Dies erschließt sich aus der unterschiedlichen Beschreibung der Fahnen in den Laden und jener, die „sich in der rüstcammer befünden“ (fol. 208r). Während von jenen in den Laden jeweils nur eine Seite beschrieben wird, erwähnt das Inventar bei manchen der anderen Fahnen beide Seiten: „Ein reutter fahn […] darauff unsser lieben frauen bildtnuß auff einer seithen und auff der anderen seithen daß kay. wappen […]“ [354]. Der Kernbestand der Stallburg-Rüstkammer Kaiser Leopolds I. dürfte auf die Zeit Kaiser Maximilians  II., des Erbauers der Stallburg und Begründers dieses Sammlungsraumes, zurückzuführen sein. Einige für Maximilian II. geschaffene Harnische lassen sich im Inventar von 1678 eindeutig nachweisen, etwa der Kempfküriss von 1549/50 [40] (Abb. 15) und der Herkulesharnisch von 1555/60 [112] (Abb. 5).56 Es ist jedoch anzunehmen, dass sich hinter den meist kursorischen Objektbeschreibungen des Inventars ein Großteil der heute im Kunsthistorischen Museum in Wien erhaltenen habsburgischen Turnierharnische der 1550er bis 1570er Jahre verbirgt, etwa die Rosenblatt-, die Trophäen- und die Lerchengarnitur.57 Zutreffen muss dies zumindest auf jene Harnische, die nachweislich 1750 als „Harnische der röm. ­Kaiser

56 Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nrn. [40] und [112]; vgl. auch Nr. [44]. 57 So könnte das als „vergulter weiser khempf khüriß“ bezeichnete Objekt [7] als der Fußkampfharnisch der Rosenblatt-Garnitur (Landshut, 1571; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 474) anzusehen sein. Die „tarscheta mit vergulten englen“, die dem Harnisch Nr. [53] beigegeben war, könnte mit der Gittertartsche der Lerchengarnitur (Augsburg, wohl 1563; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. B 42) gleichzusetzen sein.

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von Rudolph dem I. bis auf Ferdinanden III.“ aus der Stallburg in das kaiserliche Zeughaus in der Renngasse überführt wurden58 und dank der detailgenauen Be-

Abb. 7: Matthäus Küsel, Porträt Franz August Graf Waldstein. Kupferstich. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Sign. PORT_00097555. (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek.)

schreibung durch Friedrich von Leber aus dem Jahr 184659 heute im Bestand des Museums identifiziert werden können. Dazu zählen auch die beiden erwähnten Harnische (Kempfküriss [40], Herkulesharnisch [112]), wodurch sich in diesen zwei Fällen eine direkte sammlungsgeschichtliche Linie von der Stallburg der späten Renaissance über das Zeughaus des Barock bis zum Kunsthistorischen Museum ziehen lässt. Darüber hinaus ist zu überlegen, ob die erwähnte Kaiserreihe des Zeughauses (eigentlich eine Ahnen- und Heldenreihe) bereits in der Stallburg als solche oder in einer ähnlichen Form eingerichtet war. Eindeutige Hinweise fehlen, doch erwähnt das Inventar von 1678 insgesamt 20 Kästen mit jeweils ein bis drei Harnischen, die mit Löwen- oder Tigerfellen ausgestattet waren und somit innerhalb der Rüstkammer eine in sich geschlossene und vom Rest der Objekte abgegrenzte Gruppe bildeten.60 Zu diesen mit Raubkatzenfellen gezierten Harnischen zählten auch die beiden eben erwähnten (Kempfküriss [40], Herkulesharnisch [112]), die später im Zeughaus Teil der Kaiserreihe waren. Auch der im Zeughaus mit Georg Kastriota, gen. Skanderbeg (1405–1468) in Verbindung gebrachte mailändische Halbharnisch von 1560/65 (Abb. 6)61 war zuvor in der Stallburg in einem mit einer „tigerhaut“ [26] geschmückten Kasten aufgestellt. Nicht zuletzt wird einer der mit Raubkatzenfellen ausgestatteten Harnische der Stallburg-Rüstkammer als „des königs Leslio gewest“ [3] umschrieben,62 womit Ladislaus Postumus (1440–1457), Sohn des römisch-deutschen Königs Albrecht II. (1397–1439) und König von Ungarn und Böhmen, gemeint gewesen sein dürfte. Somit wäre zumindest in diesem einen Fall für die Rüstkammer Kaiser Leopolds I. ein Harnisch mit einer (fiktiven) Zuschreibung an einen Vorfahren der Familie Habsburg aus einer weit vor der Gründung der Rüstkammer liegenden Zeit nachgewiesen, was ein Indiz für die Aufstellung einer Ahnenreihe wäre.63 Der Kernbestand der Rüstkammer Kaiser Maximilians II. wurde in der folgenden Zeit vor allem durch Kriegsrüstungen und Kriegstrophäen ergänzt. So finden sich im Inventar zahlreiche als „schwarz“ beschriebene Harnische, die sich stilistisch dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert zuweisen lassen, sowie Fahnen, die vom Ungarnaufstand von 1604/06 bzw. aus der Frühzeit des Dreißigjährigen Krieges stammen.64 Darüber hinaus gelangten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter anderem ein Turnierharnisch von Kaiser Matthias [62], ein Feldküriss Erzherzog Leopold Wilhelms [66] und eine schwarze „feldt rüstung“ Kaiser Ferdinands  III. [126] in die Stallburg. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, insbesondere aber unter Kaiser Leopold I. scheint sich die Rüstkammer der Stallburg zu einer reinen Turnierkammer gewandelt zu haben. Darauf weist das Fehlen weiterer Kriegstrophäen sowie vor allem die hohe Zahl ephemerer Ausstattungsstücke für Turniere und Feste des 17. Jahrhunderts hin. Zu nennen sind hier die geschnitzten Figuren „zum kopf rennen“ (fol.  207v), die 1669 hier hinterlegt wurden [339–342], der rot-weiße Federschmuck vom Einzug der Infantin Margarita Teresa in Wien 1666 [75] und die „oberwöhren“ (hier: Stangenwaffen) vom Wiener Rossballett von 1667 [278]. Des Weiteren lieferte Franz August Graf Waldstein († 1684) (Abb. 7) im Jahr 1668 insgesamt 18  Fußturnierharnische in die Rüstkammer, die „auff kay. befelch auß Thüroll

58 Zit. nach Weiskern 1770 (zit. Anm. 24), 99. 59 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 92 f., Nr. 187 etc. 60 Vgl. die Kästen Nrn. 1–17, 19, 22, 23. Die Kästen 20 und 21 stechen durch ihren umfangreichen und heterogenen Inhalt aus dieser Reihe heraus. Kasten 18 würde sich der Reihe einfügen, ist jedoch ohne Fell beschrieben. 61 Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [24]. 62 Vgl. die Beschreibung im kaiserlichen Zeughaus 1846: „Dieser ganze, angeblich von Ladislaus Postumus herrührende Turnierharnisch […]“; zit. nach Leber 1846 (zit. Anm. 1), 143, Nr. 243. 63 Vgl. dazu auch unter Kapitel „Inhalt der kaiserlichen Rüstkammer […]/Erinnerungsstücke“. 64 Vgl. unter Kapitel „Inhalt der kaiserlichen Rüstkammer […]/Fahnen“.

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­ b­erschickhet“ [214–231] worden waren. Kaiser Leopold hatte nach dem Erlöschen u der Tiroler Linie der Habsburger im Jahr 1665 zahlreiche Kunstwerke, insbesondere Bücher und Handschriften,65 und anscheinend auch Harnische aus Innsbruck nach Wien verbringen lassen. Belegt ist auch die Überführung von Objekten aus anderen Marstallbereichen des Innsbrucker Hofes nach Wien, etwa von drei Schlitten samt Zubehör und zwei aus französischen Werkstätten stammenden zweispannigen Pferdegeschirren.66 Die Aufstellung der Rüstkammer scheint im Jahr ihrer Inventarisierung (1678) bereits seit längerer Zeit in der damals dokumentierten Form bestanden zu haben. Darauf deutet die zum Teil gealterte Dekoration der in den Kästen aufbewahrten Harnische hin. Die beigegebenen Tiger- und Löwenfelle werden vielfach als „alt“ [8], „haarlos“ [36] oder „von schaben zerfressen“ [20] beschrieben; in den zwei Harnischtruhen lagen „versehrt und zerfressene harnisch sackhlein“ [326]. Als möglicher terminus post quem für die 1678 beschriebene Aufstellung der kaiserlichen Rüstkammer könnte die bereits erwähnte, 1656 belegte „Verferttigung ainer newen RistCamer in der Ertzhertzoglichen Burgg oder Newen Stahlung“67 dienen. Der Dachstuhl der Stallburg datiert einer aktuellen dendrochronologischen Untersuchung zufolge zeitlich passend (mit Ausnahme des jüngeren Westteils entlang der Reitschulgasse) in die Jahre um 1640.68

INHALT DER KAISERLICHEN ­RÜSTKAMMER IN DER WIENER ­STALLBURG IM JAHR 1678

Das Inventar der kaiserlichen Rüstkammer von 1678 umfasst insgesamt 388 Einträge. Diese beschreiben zum Teil Einzelobjekte, vielfach aber auch größere Objektgruppen wie etwa „118 sturmhauben“ [275]. Darüber hinaus sind bei den meisten der beschriebenen Harnische auch Wechsel- und Ergänzungsstücke wie Helme, Rossstirnen und Handschuhe aufgelistet. Somit liegt die Gesamtzahl der im Jahr 1678 in der kaiserlichen Rüstkammer verwahrten Objekte letztlich im weit vierstelligen Bereich. Der Sammlungsbestand gliederte sich folgendermaßen: + 62 nummerierte Kästen mit Harnischen und Harnischteilen sowie anderen Objekten (Schilde, Sturmhauben, osmanische Waffen etc.) – Einträge [1] bis [251] + 23 nummerierte, frei im Raum aufgestellte Harnische/Harnischteile – Einträge [252] bis [274] + größere Objektgruppen außerhalb der bzw. auf den Kästen: Sturmhauben, Schwerter, Stangenwaffen – Einträge [275] bis [281] + 11 Schubladen mit textilem Turnierzubehör, Fahnen, Futteralen etc. – Einträge [282] bis [320] + weitere Objekte, frei im Raum aufgestellt bzw. in Truhen verwahrt: Fahnen, Trommeln, Schuhe, Gemälde, Tragsessel, ephemere Turnierausstattung etc. – Einträge [321] bis [388] Nach diesem einführenden Teil sollen im Folgenden die im Inventar genannten Objekte nach thematischen Gruppen geordnet besprochen werden.

65 Vgl. Eva Irblich, Die Ambraser Handschriften in Wien. Wege in den Jahren 1665, 1806 und 1936, in: Ausstellungskatalog Alfred Auer – Eva Irblich, Natur und Kunst. Handschriften und Alben aus der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (1529–1595), Innsbruck (Schloss Ambras) 1995, 20–23; Döberl 2010 (zit. Anm. 22), 285, 288, 292, 301. 66 Vgl. Döberl 2010 (zit. Anm. 22), 285 mit S. 301, Nrn. [117–126]; 288 mit S. 302 f., Nrn. [139, 140]. 67 Vgl. Anm. 34. 68 Vgl. Günther Buchinger – Michael Grabner, Dendrochronologische Untersuchung der Dachstühle der Wiener Hofburg, unveröffentlichtes Manuskript, Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen (IKM), Abteilung Kunstgeschichte, Wien 2006– 2009, o. S. Die drei Trakte (Nord, Ost, Süd) stammen aus der Zeit um 1640 und enthalten spoliertes Material aus dem späten 16.  und frühen 17.  Jahrhundert sowie Ausbesserungen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der Dachstuhl des Stallburgtraktes entlang der Reitschulgasse (Westtrakt) wurde im Zuge des Umbaus der Redoutensäle der Hofburg durch Nikolaus Pacassi (1716–1790) in den Jahren 1769 bis 1772 erneuert.

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Harnische Der überwiegende Teil der 1678 in der Wiener kaiserlichen Rüstkammer dokumentierten Objekte waren Harnische sowie Wechsel- oder Verstärkungsstücke für Harnische. Im Inventar werden die Harnische als „khüriß“ [1], „harnisch“ [3] und „rüs-

Abb. 8: Cornelius Sustermans, Porträt Erz­ herzog Karl Joseph im Alter von vier bis fünf Jahren. Um 1653/54. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 3188. (© KHM-Museumsverband.)

tung“ [24] bezeichnet oder in genauerer Klassifizierung als „feldt khüriß“ [66], „trabharnisch“ [129] etc. Der Großteil der Harnische der Rüstkammer war für das Turnier vorgesehen, wie etwa für das Plankengestech („zum ballia rennen“ [21]) oder das Freirennen („zum frey thurniern“ [178]). Weiters lassen sich einzelne sogenannte Kempfkürisse nachweisen – Harnische für das Fußturnier aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die durch ihren charakteristischen „khempfschurz“, d. h. die zum Rock geweiteten stählernen Bauch- und Gesäßreifen, im Inventar eindeutig zu identifizieren sind [7, 40] (Abb. 15).69 In der Rüstkammer wurde aber auch eine größere Zahl an Halbharnischen für die in der späteren Renaissance bis ins 17. Jahrhundert modische Variante des Fußturniers verwahrt. Diese wurde nicht frei am Feld ausgetragen, sondern über eine den Turnierplatz teilende Planken hinweg. Die Teilnehmer trugen dazu halbe, nur den Oberkörper schützende Harnische, da der Unterkörper durch diese Holzbarriere verdeckt war [62, 65, 148 etc.]. Andere Harnische der Rüstkammer sind ihrer Form und Farbe zufolge als Feldharnische des späteren 16. bis mittleren 17. Jahrhunderts anzusehen. Sie werden als „schwarz“ beschrieben, was der Mode jener Zeit entsprach; und sie waren, ebenso typisch für diese Epoche, mit nur knielangem (d.  h. nicht vollem) Beinzeug bzw. längeren oder kürzeren Beintaschen ausgestattet (Abb. 1).70 Hierzu zählt etwa der Harnisch, der als Nr. 17 frei in der Rüstkammer aufgestellt war und wohl ein Kriegsrelikt oder eine Kriegstrophäe gewesen sein muss; er wird als „schwarze, auff der brust durch schossene veldtrüstung […] [mit] ein par lange pein taschen“ [268] umschrieben. Verwiesen sei auch auf die größere Gruppe von Teilen schwarzer Trabharnische, die in Kasten 25 aufbewahrt wurden: 24 „schwarze trabharnisch, alß bey ieden ruckhen, brust und ringkhragen“ [129], 24 „solche sturmbhauben darzue“ [130] sowie 22 „par lange handtschuech von solcher arbeith“ [131].71 Darüber hinaus nennt das Inventar vier Rossharnische [198, 207, 273, 274], unter denen vor allem der „ganze roßbarschen von feiglfarben goltstuckh“ in Kasten 55 von besonderer Bedeutung ist. An diesem war an den Hinterflanken „beederseits der kay. adler schw[arz], hoch erhebt gestückhet“ [198] zu sehen. Hierbei handelt es sich um den Rossharnisch Kaiser Friedrichs III. von Lorenz Helmschmid (Augsburg, 1477) (Abb. 21), eines der großen Meisterwerke spätmittelalterlicher deutscher Plattnerkunst.72 Bemerkenswert ist die relativ große Gruppe an Knabenharnischen (neun Stück) in Kasten 62 der Rüstkammer. Diese waren zum Gedächtnis an den jung verstorbenen Erzherzog Karl Joseph (1649–1664) (Abb. 8), einen Halbbruder Kaiser Leopolds I., am „10. Jully 1664 in die rüstcammer gegeben worden“ (fol. 194v). Dazu zählte „ein klein weiß ballierte rüstung“ mit „zwey lange schoss“ [247], d. h. ein kleiner Halbharnisch, sowie sechs weitere gleich beschriebene [248] und „zwey khleine weiß blöchene küriß“ [249], alle ohne Beinzeug. Ergänzt wurde diese Gruppe durch zwei „weiß pallierte [polierte] vorther- und hintertheill“, eines davon vergoldet, das andere mit weißen Nieten [250], sowie zuletzt „ein verrostes casquet“ [= Helm, v. a. ohne Visier/Sturmhaube] [251].

69 Vgl. Anm. 57. 70 Vgl. Claude Blair, European Armour circa 1066 to circa 1700, London 1958, 143 f. 71 Die beschriebenen Teile zu Trabharnischen dürften im Kunsthistorischen Museum, Schloss Ambras, ohne Nummer erhalten sein. 72 Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 69; vgl. Thomas – Gamber 1976 (zit. Anm. 3), 104 f. Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [198].

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Das Inventar von 1678 enthält folgende mit Mitgliedern des habsburgischen Herrscherhauses in Verbindung gebrachte Harnische: einen Küriss zum Palliarennen für

Abb. 9: Turnierharnisch Erzherzog Karls von Innerösterreich. Anton Peffenhauser, Augsburg, datiert 1571. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 885. (© KHM-Museumsverband.)

Erzherzog Karl II. von Innerösterreich (1540–1590) [44] (Abb. 9),73 einen Fußturnierharnisch, den Kaiser Matthias bei den Festlichkeiten anlässlich seiner Hochzeit 1611 mit Anna (1585–1618), der jüngsten Tochter Erzherzog Ferdinands  II. von Tirol (1529–1595), in Wien getragen hatte [62], einen Feldküriss, in dem Erzherzog Leopold Wilhelm „zu einem ritter geschlagen worden“ [66],74 sowie eine „schwarze feldt rüstung ihrer kay. May. Ferdinandi 3tij“ [126]. Ergänzend sei auf die zwei bereits erwähnten Rundschilde verwiesen, die Erzherzog Ernst „auß Hispanien mit gebracht“ [95]75 hatte (Abb. 19 und 20). Unter Nr. 15 der frei in der Rüstkammer aufgestellten Harnische sind Teile einer als „schwarz“ umschriebenen Rüstung verzeichnet, deren Helm, Rücken und Brust dem Inventar zufolge „a[nn]o [1]657 den 18. Juny […] dem khönig in Pohlen vermög anschaffung oder bescheinung durch deren abgesandten uberschickhet“ [266] worden seien. König Johann II. Kasimir (1609–1672) von Polen war über seine Mutter Constanze (1588–1631), eine Tochter Erzherzog Karls II. von Innerösterreich, mit den Habsburgern verwandt. In der zweiten Hälfte der 1650er Jahre befand sich Polen mitten in jahrelangen, für das Land katastrophalen kriegerischen Auseinandersetzungen insbesondere mit Schweden und Russland (Zweiter Nordischer Krieg, Russisch-Polnischer Krieg).76 Die genauen Umstände der Übersendung dieser Harnischteile an den polnischen König im Juni 1657 sind nicht bekannt, doch fällt sie wohl nicht zufällig mit dem Eintritt Österreichs in die militärischen Auseinandersetzungen in Polen zusammen. Die Habsburger waren am 27. Mai 1657, etwa drei Wochen vor der im Inventar erwähnten Übersendung der Harnischteile an Johann II. Kasimir, in die Reihe der in Polen kriegsführenden Mächte eingetreten.77 Fraglich ist die Zuschreibung des Harnischs Nr. [59] in Kasten Nr. 19 an Erzherzog Albrecht VII. (1559–1621), den Statthalter der Niederlande. Dieser Harnisch wird als „weisse rüstung mit vergulten strichen und schwarz geäzt“ beschrieben, was nicht mit dem im 19. Jahrhundert zunächst in Laxenburg,78 später in der kaiserlichen Waffensammlung in Wien verwahrten und 1922 an Belgien abgetretenen Harnisch Albrechts VII. übereinstimmt; dieser ist geschwärzt und flächendeckend mit punziertem, vergoldetem Ornament überzogen.79 Die Angaben des Inventars zur Dekoration der Harnische gehen zumeist wenig ins Detail. Es finden sich Beschreibungen wie „eingetruckht und streimbweiß vergult“ [3], „mit vergulden strüchen“ [5], „weiss“ [23], „blanckh“ [49], „blau palliert“ [254] etc. Der Küriss Nr. [42] wird als mit blauen, gold eingeschmelzten Zügen und Bildern umschrieben, d. h. er war gebläut und mit feuervergoldeten figürlichen Szenerien verziert. In einzelnen Fällen enthält das Inventar etwas nähere Angaben zur Verzierung, die aber trotzdem keine eindeutige Identifizierung erlauben: „mit ver-

73 Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [44]. 74 Gemeint ist entweder die Aufnahme in den Deutschen Orden (Wien, Augustinerkirche, 22.  August 1639) oder die Einsetzung als Hoch- und Deutschmeister (Wien, Augustinerkirche, 4. Mai 1642); vgl. Renate Schreiber, „ein Galeria nach meinem Humor“. Erzherzog Leopold Wilhelm (Schriften des Kunsthistorischen Museums, hg. von Wilfried Seipel, Bd.  8), Wien 2004, 26. Eine Verwendung am 22. August 1639 ist als wahrscheinlich anzunehmen. 75 Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [95]. 76 Vgl. Robert I. Frost, The Northern Wars. War, State and Society in Northern Europe, 1558–1721, Harlow et al. 2000, 164–191. 77 Vgl. Eckhardt Opitz, Österreich und Brandenburg im Schwedisch-Polnischen Krieg 1655–1660. Vorbereitung und Durchführung der Feldzüge nach Dänemark und Pommern (Militärgeschichtliche Studien, Bd. 10), Boppard am Rhein 1969, 6–16. 78 Vgl. Adolf Schmidl, Wien’s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise. Nach eigenen Wanderungen geschildert, Wien 1835–1839, Bd. 2 (1838), 152; vgl. auch Leber 1846 (zit. Anm. 1), 359, Anm. 240. 79 Ehemals Wien, Kunsthistorisches Museum, Waffensammlung (heute Hofjagd- und Rüstkammer), Inv.Nr. A 1383, heute Brüssel, Musées royaux d’Art et d’Histoire, Porte de Hal, Inv.-Nr. 13931; vgl. Wendelin Boeheim, Album hervorragender Gegenstände aus der Waffensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 1894–1898, Bd. 1 (1894), 18, Taf. XXXIV, Nr. 2; Piet De Gryse et al., Musée Royal de l’Armée et d’Histoire Militaire. Armes et Armures. Salle “Les Provinces Réunies”, Brüssel 1987, 2 und Cover.

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gulten strichen und guldenen vellus“ [33], „mit kriegß-rüstungen der zier nach vergult“ [37], „mit blauen blumben gemußiert“ [261] etc.

Abb. 10: Halbharnisch für König Heinrich III. von Frankreich. Französisch (Paris?), um 1570. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagdund Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1697. (© KHM-Museumsverband.)

Besonders hervorzuheben sind die drei Plattnerarbeiten, die als „von getrübener [getriebener] arbeith mit bildern“ umschrieben werden“ [56, auch 67, 112]. Sie lassen sich als manieristische Werke aus Oberitalien bzw. aus dem nordfranzösisch-flämischen Raum klassifizieren. Darüber hinaus können alle drei mit Werken im Kunsthistorischen Museums in Wien in Verbindung gebracht werden: mit dem Harnisch König Heinrichs III. von Frankreich (französisch/Paris?, um 1570) (Abb. 10), mit dem Herkulesharnisch Kaiser Maximilians II. (Paris, um 1555/60) (Abb. 5) und mit der mailändischen all’antica-Garnitur, bestehend aus Sturmhaube und Rundschild, von ca. 1560/65 (Abb. 18a und b).80 In einigen wenigen Fällen enthält das Inventar Angaben zu den Herstellungsorten der Harnische. Zwei werden als aus Mailand stammend beschrieben, so etwa „ein Meyländische schwarze rüstung mit bluemb- und gefliglwerch“ [24] (Abb. 6),81 vgl. auch [62]. Relativ groß ist die Zahl der aus Frankreich stammenden Harnische [56, 61, 112, 199], wobei es bei einem explizit heißt, er sei „zu Paris gemacht“ [112] worden; es handelt sich hierbei um den Herkulesharnisch Kaiser Maximilians II. von ca. 1555/60 (Abb. 5).82 Des Weiteren finden sich im Inventar Verweise auf die Herkunft von Harnischen aus Mantua [65] und aus den Niederlanden [136]. Einzelne Werke werden als ungarisch oder tartarisch bezeichnet [170, 176, 121, 330]. Zwei Gruppen von Sturmhauben waren dem Inventar zufolge „moscovitisch“ [74, 108], d. h. sie stammten aus dem russischen Zarenreich.

Turnier- und Festausstattung Das Inventar von 1678 enthält eine Reihe von Einträgen zu ergänzenden Ausstattungsstücken für Turniere und andere höfische Feste. So fanden sich in Lade 1 sowie in mehreren Kästen der Rüstkammer sogenannte „khüriß schürzl“ [282–287], Röcke, die zum Harnisch getragen wurden. Die beschriebenen Röcke waren unter anderem „von zitron farben samet und roth atlaßen blumbwerch“ [282] oder „von leibfarben atleß, mit silbern und guldenen schnierlen“ [284].83 In den Laden lagen darüber hinaus „weiß sametene thurnier wohrbeheng“ [289, vgl. auch 291], d.  h. textile Behänge (hier wohl für Stangenwaffen), und „riemen für die trumel schlöger, alles von weissen löder“ [313] etc.; in Kasten 21 sind „acht par pallet stiffel“ [101] angeführt. In Kasten 20 wurden rot-weiße Federbuschen verwahrt, „welche ein k ­ hnab bey der kayßerin Margaritha einzug 1666 auff dem helmb gehabt und getragen“ [75] hatte;84 unter Leopold I. ist der kaiserliche Federschmucker Andreas Bach archivalisch belegt, dessen Familie bis ins späte 18. Jahrhundert den Wiener Hof mit Federschmuck belieferte.85

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Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nrn. [56], [67] und [112]. Vgl. ebenda, Nr. [24]. Vgl. ebenda, Nr. [112]. Vgl. auch Kasten 10: „khüriß schürzl“ [28], Kasten 20: „thurnier schürzl“ [68], Kasten 25 „zwölff panzer schürzen“ [138] sowie in Lade 5: „darzue [zu „vier mascaraty wameßer“] gehörige schürz von zendl und gemahlen“ [308]. 84 Der Brauteinzug fand am 5. Dezember 1666 in Wien statt. Über die Festlichkeiten zur Hochzeit von Kaiser Leopold I. und der Infantin Margarita Teresa im Jahr 1666/67 berichten mehrere Quellen, etwa Francesco Sbarra, La contesa dell’aria e dell’acqua, Wien 1667; vgl. dazu Polleroß 2002–2003 (zit. Anm. 54), 266. 85 Vgl. Herbert Haupt (Hg.), Archivalien zur Kulturgeschichte des Wiener Hofes. III. Teil: Kaiser Leopold I.: Die Jahre 1661–1670, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 79, 1983, XVII. Nähere Informationen zu den kaiserlichen Federschmuckern Andreas Franz Bach und Anton Franz Bach im späten 17. Jahrhundert finden sich in: Herbert Haupt, Das Hof- und hofbefreite Handwerk im barocken Wien 1620 bis 1770. Ein Handbuch (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 46), Innsbruck – Wien – Bozen 2007, 203.

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Abb. 11: Antoine de Pluvinel, L’instruction du roy en l’exercice de monter à cheval, Amsterdam 1666, Taf. 47. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Sign. 259154. (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek.)

Bemerkenswert sind auch die im Inventar erwähnten geschnitzten Skulpturen, die als Zielfiguren beim Quintan- bzw. Kopfrennen (Abb. 11) dienten.86 1669 hinterlegte „der spanische stall ubergeher Nidermayr […] zum kopf rennen gehörig[e] und von holz geschnittene stattuen“ (fol. 207v) in der Rüstkammer. Unter diesen Figuren befanden sich unter anderem zwei Delphine [340], zwei Kentauren [341] und „vier sarteri ohne köpf, darunter zween mit drey leibern“ [339]. Mit Blick auf die wenige Jahre nach der Inventarisierung erfolgte zweite Belagerung Wiens durch Truppen des Osmanischen Reiches (1683) sind die folgenden Objekte für das Quintanrennen aufschlussreich: „19 türckh[ische] geschnittene hilzerne köpf“ [333] und ein „mohr auff einem roß, von holz geschnizt, daran man die lanzen zerbricht“ [336] (Abb. 11).87 Zu erwähnen sind nicht zuletzt zwei Schlitten: „ein unaußgemachter schlitten mit einem bild von holz“ [323] und „ein ganz vergulter schlitten mit einem gelb sameten süz“ [385].88 Schlittenfahrten waren im Barock das winterliche Pendant zum Rossballett des Sommers und scheinen am kaiserlichen Hof mit besonderem Aufwand veranstaltet worden zu sein. Hanns Jacob Wagner von Wagenfels meint in seinem Ehren=Ruff Teutschlands (Wien 1691), dass in Frankreich „zu Fastnachts= Zeiten keine so lustige […] Schlittenfahrten / als wie hier zu Land“ erlebt werden

86 Vgl. im vorliegenden Inventar auch den Eintrag [319]: „In einer menge groß und kleine wurff eyßlen zum quintan“. Vgl. Claudia Schnitzer, Zwischen Kampf und Spiel. Orientrezeption im höfischen Fest, in: Ausstellungskatalog Im Lichte des Halbmondes. Das Abendland und der türkische Orient, Dresden (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum) – Bonn (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland) 1995, 227–234, hier: 233; sowie ebenda, 256, Kat.-Nr. 315 (Jutta Bäumel): Türkenkopf (Pappmaché, sächsisch, Anfang 18. Jahrhundert), Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer, Inv.-Nr. P 351. 87 Ein sogenanntes Türkenkopfrennen ist etwa für August 1682 in der Wiener Favorita belegt. Im Diarium des hessisch-darmstädtischen Gesandten Justus Eberhard Passer heißt es dazu: „Nach gegebenen Trommetenschall ritte Erstlich der Hr. Graf Rekheim, tournierte mit der Lantz, Pistohle, Degen Vnd anderm, Vff türkische Papierne Köppe“; zit. nach Ludwig Baur, Berichte des Hessen-darmstädtischen Gesandten Justus Eberh. Passer an die Landgräfin Elisabeth Dorothea über die Vorgänge am kaiserlichen Hofe und in Wien von 1680 bis 1683, in: Archiv für österreichische Geschichte 37, 1867, 271– 409, hier: 352. 88 Vgl. auch „ein vergultes schlitten beschläg“ [112].

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könnten. Die Franzosen würden, so Wagner von Wagenfels, „nicht einmahl wissen / was ein Renn=Schlitten für ein Thier sey“.89 Schlittenfahrten sind in Wien unter Leopold I. anlässlich der ersten und der dritten Eheschließung des Kaisers (1667, 1677) sowie mehrfach in den 1690er Jahren belegt.90

Fahnen Die Wiener kaiserliche Rüstkammer in der Stallburg enthielt während der Regierungszeit Kaiser Leopolds I. einen reichen Bestand an Fahnen, der heute (fast) vollständig verloren ist. Diese Fahnen wurden im Inventar von 1678 als „standärth fändl“ [294], „freyfandl“ [298], „reutter fahn“ [354], „schifffahn“ [368] etc. bezeichnet. Sie lagen in den Schubladen Nrn. 2 bis 4 oder waren, wie bereits erwähnt, frei hängend bzw. an der Wand befestigt zu sehen.91 Die Gesamtzahl der im Inventar erwähnten Fahnen beläuft sich auf etwa 470, wobei der Großteil davon summarisch zusammengefasst war: „314 türckh[ische] fahnen und cappien, von allerhandt farben“ [378]. Der überwiegende Teil der 1678 dokumentierten Fahnen lässt sich in die Jahre um 1600 bis 1620 datieren. Manche von ihnen trugen Jahreszahlen, andere können durch beschreibende Details (Vorbesitzer, Schlacht etc.) mit einem bestimmten historischen Ereignis dieser Zeit in Verbindung gebracht werden. Die zwei ältesten Fahnen stammten aus dem Jahr 1578 [294] (Abb. 23) und entstanden während der kurzen Statthalterschaft von Erzherzog (Kaiser) Matthias in den Niederlanden (1578–1581).92 Die jüngste Fahne [353] wurde 1624 bei der Festung Neuhäusel/Nové Zámky (vgl. unten) erbeutet. Auf den übrigen Fahnen werden folgende Jahreszahlen erwähnt: 1595 [354], 1598 [360], 1599 [361], 1601 [355], 1602 [363], 1608 [357], 1614 [300]. Auf den Fahnen der Rüstkammer fanden sich vielfach christliche Darstellungen: ein Bildnis der Mutter Gottes [354, 355, 356, 360, 361, 366, 367, 370], ein Kruzifix [300, 355, 359, 360, 361, 362, 367, 368, 370],93 der Erzengel Michael [347], der hl. Johannes [367, 370] und der hl. Leopold [357]. Ebenso zahlreich sind habsburgische Herrschaftssymbole: der Doppeladler [359, 360, 361, 362, 369, 370, 372], das österreichische Wappen [355, 356, 357, 358, 365, 366], das ungarische Wappen [373], die Krone Böhmens [304] sowie die kaiserliche Krone [365] und das kaiserliche Wappen [354]. Hinzu kommen „khaysers Matthiae nahmen“ [304, 350] und Symbole des Ordens vom Goldenen Vlies [298, 304, 346, 365]. Als Inschriften werden erwähnt: „Pro Libertate“ [345] und „o Muerto“ mit Lorbeerkranz [351]. Des Weiteren ist auf den Fahnen aber auch zu sehen: „ein jungfrau an ein felssen geschmidet“ [294] (Abb. 23), „ein geharnischter armb mit einem bluetigen schwerth“ [301], „ein armb mit der 89 Zit. nach Hanns Jacob Wagner von Wagenfels, Ehren=Ruff Teutschlands/Der Teutschen/Und Ihres Reichs, Wien 1691, 76. 90 Vgl. Rouven Pons, „Wo der gekrönte Löw hat seinen Kayser-Sitz“. Herrschaftsrepräsentation am Wiener Kaiserhof zur Zeit Leopolds I., Diss. Universität Heidelberg 2000 (Deutsche Hochschulschriften, Nr. 1195), Egelsbach et al. 2001, 223, auch 130 f.; Stefan Seitschek, Karusell und Schlittenfahrt im Spiegel der Zeremonialprotokolle – Nicht mehr als höfische Belustigung?, in: Irmgard Pangerl et al. (Hgg.), Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652–1800). Eine Annäherung (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 47; Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich, Bd. 31), Innsbruck et al. 2007, 357–434, hier: 429. Zu den 1678 am Kaiserhof existierenden Schlitten vgl. Döberl 2010 (zit. Anm. 22), 284 f., 290, 300 f. und 305. Zu den Schlittenfahrten am Hof Kaiser Leopolds I. vgl. auch Polleroß 2002–2003 (zit. Anm. 54), 196, sowie Ausstellungskatalog Lena Rangström (Hg.), Riddarlek och Tornerspel/Tournaments and the Dream of Chivalry, Stockholm (Livrustkammaren) 1992, 419, Kat.-Nrn. 253, 254. 91 Vgl. dazu das Kapitel „Die Aufstellung der kaiserlichen Rüstkammer in der Stallburg im Jahr 1678“. 92 Vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [294] 93 Bei Nrn. [360] und [368] könnte es sich um folgende Fahnen handeln: Fragment einer Fahne mit einer Darstellung des kaiserlichen Doppeladlers sowie des gekreuzigten Christus, rote Seide, ca. 160 x 160 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1335; und Fahne, auf beiden Seiten der kaiserliche Doppeladler mit dem gekreuzigten Christus und dem österreichisch-spanischen Wappen, rote Seide, ca. 224 x 445 cm, ebenda, Inv.-Nr. A 1519.

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sackhpfeiffen“ [344], „ein kranich […] sambt dem crändl“ [348], „ein drey köpfiger man mit einer cron“ [363], „ein schwarzer adler auff einer kugl“ [349] oder ein „greif-

Abb. 12: Porträt Seyfried von Kollonitsch, in: Hieronymus Oertel, Chronologia, Nürnberg 1615, Taf. nach S. 570. München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. 12068814 Hbks/ F 70 t-1/4. (© München, Bayerische Staatsbibliothek.)

fen, mit vergulten laubwerch“ [358]. Die kaiserliche Rüstkammer enthielt 1678 einige Fahnen, die im Inventar explizit als Kriegstrophäen gekennzeichnet sind. Diese Fahnen erinnerten an militärische Erfolge der Habsburger im früheren 17. Jahrhundert, vor allem an den Ungarnaufstand von 1604/06 sowie an die Kriege in Böhmen zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. So lag in Schublade Nr. 4 eine Fahne, „daran ein zetl mit der jahrzahl 1604, welchen her Strein von den rebellen bey Neuheüßl bekomben“ [307]. Neuhäusel/ Nové Zámky im Südwesten der heutigen Slowakei war eine im 16. Jahrhundert zum Schutz gegen osmanische Einfälle errichtete Festung. Johann (bzw. Hanns) Reinhard Streun von Schwarzenau94 war Oberster Leutnant dieser Festung während des Ungarnaufstandes der Jahre 1604 bis 1606.95 Die im Inventareintrag erwähnten „Rebellen“ sind als Truppen jener oberungarischen und siebenbürgischen Adeligen anzusehen, die sich 1604 gegen die gegenreformatorischen und zentralistischen Bestrebungen der Habsburger im Königreich Ungarn erhoben hatten.96 Hieronymus Oertel berichtet in seiner Chronologia (Nürnberg 1613), dass Hanns Reinhard Streun am 27. Juni 1605 einen Ausfall gegen die ungarischen Rebellen, die die Festung Neuhäusel belagerten, befohlen hatte. Bei dieser Attacke seien die Belagerer, so Oertel, „nidergehauen vnd nidergeschossen“ worden und Streuns Truppen hätten dabei „einen Fahnen bekommen“.97 Wohl ebenso dem Ungarnaufstand von 1604/06 zuzurechnen sind die „zwey blau damaßkhene standarth mit dem Zeredinischen wappen“ [299]. Dieses dürfte auf die Stadt Sered’ im Westen der heutigen Slowakei (ung. Szered, dt. Sereth) verweisen; möglich wäre auch die oberungarische, westlich von Tokaj gelegene Festung Szerencs (dt. Serentsch, alt auch Serentschin bzw. Serentium),98 wo Stephan Bocskay am 20. April 1605 einen Landtag der siebenbürgischen und ungarischen Stände abhielt und dabei zum Fürsten von Ungarn gewählt wurde.99 Ebenso den ungarischen Kriegen des früheren 17. Jahrhunderts zuordnen lassen sich die „acht hungar[ischen] coppia fahnen von damaßkh […] so herr Seyfridt von Gollonitsch machen lassen“ [302]. Seyfried Freiherr von Kollonitsch von Kollógrad (1572–1624) (Abb. 12) war ab 1601 kaiserlicher Generalfeldwachtmeister, 1603 Oberst der bergstädtischen Grenzen und ab 1621 Feldmarschall.100 Hieronymus Oertel erwähnt in seinem Bericht der Belagerung der Festung Neuhäusel von 1605 mehrfach „Herrn Sigfried Collonitsch“, den „Craiß-Obersten zu Preßburg“.101 Eine weitere in Schublade Nr. 4 verwahrte Fahne wird im Inventar als „zu Schambeckh bekomben“ [296] beschrieben und dürfte als Trophäe aus den habsburgischen Kriegen gegen die Osmanen anzusehen sein. Zsámbék (dt.  Schambeck, alt auch Schambock), westlich von Budapest, stand von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1686 unter türkischer Herrschaft und war mehrfach Schauplatz von Scharmützeln.

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Hans Reinhard Strein auf Schwarzenau und Hirschbach, Hauptmann in Neuhäusel/Nové Zámky (Slowakei); vgl. Hieronymus Oertel, Chronologia oder historische Beschreibung aller Kriegsempörungen unnd Belägerungen der Stätt und Vestungen […] so in Ober und Under Ungern, auch Sibenbürgen, mit dem Türcken von Ao. 1395 biß auff gegenwertige Zeit […], Bd. 4, Nürnberg 1613, 120. Vgl. ebenda, 118; vgl. auch Georg Krekwitz, Totius Regni Hungariae superioris & inferioris accurata Descriptio. Das ist Richtige Beschreibung Deß gantzen Königreichs Hungarn […], Frankfurt – Nürnberg 1685, 436. Zum Ungarnaufstand von 1604–1606 vgl. István György Tóth, Geschichte Ungarns, Budapest 2005, 258–264. Zit. nach Oertel 1613 (zit. Anm. 94), 120; vgl. auch Krekwitz 1685 (zit. Anm. 95), 437. Das „Zeredinische Wappen“ könnte auch auf das kroatisch-ungarische Adelsgeschlecht der Zrinski (dt. auch Serin, Zerin) verweisen. Jacobus Francus erwähnt 1598 eine Niederlage von „Ober-Hauptmann Georg Seretschin“ gegen die Türken bei Bobotsch (Babócsa) an der ungarisch-kroatischen Grenze; vgl. Jacobus Francus, Historicae relationis continvatio, Wallstatt 1598, 46. Vgl. Tóth 2005 (zit. Anm. 96), 258–264. Vgl. Antonio Schmidt-Brentano, Kaiserliche und k. k. Generale (1618–1815) (Archivbehelf des Österreichischen Staatsarchivs), o. O. 2006, 51. Zit. nach Oertel 1613 (zit. Anm. 94), 122, vgl. auch 125 f. etc.

So hatten im Jahr 1596, wie Georg Krekwitz 1685 beschreibt, „die Kriegs-Leute von Erlau“ die türkischen Festungstruppen von Schambeck bei einem Auszug überwältigt und „derselben meiste theile niedergehauen [und] viel hart verwundet“.102 1599

Abb. 13: (Peter) Ernst II. Graf von Mansfeld. Radierung. Wien, Österreichische National­ bibliothek, Sign. PORT_00096093_01. (© Wien, Österreichische Nationalbibliothek.)

„zog der Herr von Schwartzenberg“, ebenso nach Krekwitz’ Beschreibung von 1685, „vor das Castell Schambock / und überfiele dasselbe unversehens […]; es gelang seinen Truppen in die Festung vorzudringen und diese in Brand zu stecken.“103 Andere 1678 in der kaiserlichen Rüstkammer verwahrte Fahnen sind der Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieges, dem Krieg in Böhmen von 1618 bis 1620/21, zuzuordnen.104 Dazu zählen etwa die „39 von allerhandt farben fueßvolckh fahnen“, unter denen „zwölff Manßfeltische, welche in der schlacht vor Prag auff dem Weissenberg bekomben worden“ seien [352], hervorstechen. Die Schlacht am Weißen Berg (Bílá hora) bei Prag fand am 8. November 1620 statt und endete mit einem Sieg der kaiserlichen Armee und der Katholischen Liga über die protestantischen böhmischen Stände unter ihrem 1619 gekrönten, kurzzeitigen König Friedrich V. (1596–1632). Der Heerführer (Peter) Ernst  II. Graf von Mansfeld (1580–1626) (Abb. 13) stand während des böhmischen Krieges in den Diensten der böhmischen Stände bzw. König Friedrichs  V., zunächst als General der böhmischen Stände (1618–1620), dann als General-Feldmarschall (1621).105 An der Schlacht am Weißen Berg hatte Mansfeld aus taktischen Gründen nicht persönlich teilgenommen; er war in Pilsen geblieben, das er 1618 eingenommen hatte. Er schickte jedoch 400 Reiter und ein Regiment an Fußknechten, von denen letztlich jedoch nur die Reiter, nicht aber die Fußknechte in der Schlacht zum Einsatz kamen.106 Möglich erscheint daher, dass die in der Rüstkammer erwähnten mansfeldischen „fueßvolckh fahnen“ aus einer anderen böhmischen Schlacht der Zeit um 1620 stammten. Mansfeld war den Habsburgern mehrfach persönlich am Schlachtfeld gegenübergestanden, etwa in der Schlacht an der Dessauer Elbbrücke im April 1626, wo er vom kaiserlichen Herr unter Albrecht Graf Wallenstein (1583– 1634) geschlagen wurde.107

Türkische Objekte Relativ gering ist die Zahl der türkischen und orientalisierenden Objekte, die 1678 in der kaiserlichen Harnischkammer verwahrt wurden. Es handelt sich hierbei um nur knapp zwei Dutzend Einträge des Inventars (von insgesamt fast 400). Dieser Bestand an islamischen Werken am Hof Kaiser Leopolds I. in den späten 1670er Jahren ist jedoch von besonderem Interesse, da er wenige Jahre vor der zweiten Belagerung Wiens durch Truppen des Osmanischen Reiches (1683) dokumentiert wurde.108 In der kaiserlichen Rüstkammer fanden sich 1678 unter anderem „ein Türckh[ischer] rundätschen [Rundtartsche] mit rother seiden, und guldenen franßen“ [70], eine „doppelte janitscharnhackhen mit einen mößingen spießl“ [104] und mehrere Janitscharenhüte [106, 107]. Darüber hinaus erwähnt das Inventar türkische Sturmhau-

102 Zit. nach Krekwitz 1685 (zit. Anm. 95), 717. 103 Zit. nach ebenda, 717. 104 Vgl. auch „Ain par horpauckhen von kupfer, ohne fahnen, welche von denen Boheimben und Mähren a[nn]o 1619 bekhomben worden“ [381]. 105 Vgl. Walter Krüssmann, Ernst von Mansfeld (1580–1626). Grafensohn, Söldnerführer, Kriegsunternehmer gegen Habsburg im Dreißigjährigen Krieg (Historische Forschungen, Bd.  94), Berlin 2010, 125–237. 106 Vgl. ebenda, 209–212, bes. 212 mit Anm. 542. 107 Vgl. ebenda, 592–595. 108 Zu den türkischen Objekten in der ebenfalls vom Oberststallmeister verwalteten kaiserlichen Zeltkammer siehe Mario Döberl, Ferne Welten im Spiegel von Zelten. Die Kaiserliche Zeltkammer im Jahr 1678, in: Waffen- und Kostümkunde 53/1, 2011, 43–62. Zu den türkischen Objekten in der Schatzkammer zur Zeit Leopolds I. vgl. u. a. Luschin von Ebengreuth 1899 (zit. Anm. 50), CXCIII f. Zur Propaganda Kaiser Leopolds I. als Bezwinger der Osmanen vgl. Polleroß 2002–2003 (zit. Anm. 54), 201 f.

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ben [108], Buzogane (i.  e. Kommandostäbe/Streitkolben) [98, 99], Feldtrommeln [379], Hörpuckel [380] und Sporen [103] sowie Futterale für türkische Sturmhauben [316]. Im Kasten 21 lag darüber hinaus „ein türckh[ische] eyserne ketten, darmit Sie die gefangene christen zusamen bändlen“ [105]. Der überwiegende Teil der türkischen Objekte konzentrierte sich auf die Kästen 20 und 21. Der Inhalt dieser beiden Kästen war jedoch überaus heterogen; es fanden sich darin auch Harnische, Schwerter und Feuerwaffen europäischer Herkunft. Die türkischen Trommeln und Hörpuckel wiederum sind unter jenen Objekten aufgelistet, „so sich in der rüstcammer befünden“ (fol. 208r), d. h. sie scheinen frei im Raum abgelegt oder aufgestellt gewesen zu sein. Der Großteil der als türkisch beschriebenen Fahnen ist im Inventar pauschal als Gruppe angeführt: „314 türckh[ische] fahnen und cappien, von allerhandt farben […]“ [378]. In Schublade Nr. 2 lag darüber hinaus „ein grosser doppeldaffeter türckhischer haubtfahnen von zendl“ [295]. Verwiesen sei auch auf die „acht türckh[ischen] ständärth ohne fahnen“ [343], die nach Farben geordnet im Detail beschrieben werden.

Schwerter Bei den im Inventar der kaiserlichen Rüstkammer von 1678 erwähnten Schwertern handelt es sich zum überwiegenden Teil um einfach ausgeführte Blankwaffen für das Turnier. Diese Turnierschwerter wurden vielfach außerhalb der Schaukästen verwahrt; so lagen auf Kasten 60 insgesamt 28 Stück [232, 233]. 30 weitere Turnierschwerter stammten von einem „a[nn]o 1671 […] vorgehabten und brobierten fueß thurnier“ [332].109 Eine große Zahl an Schwerten, die ebenso für die Verwendung im Turnier bestimmt waren, lagen in Kasten 55; dazu zählten unter anderem 36 Stück „mit verzünten gefässen“ [201] und 59 Stück in schwarz und „ohne schaiden“ [202, vgl. auch 203, 204]. Neben diesen Gruppen von Gebrauchswaffen beschreibt das Inventar auch einige wohl kostbare Einzelstücke.110 Hier sind vor allem zwei Rapier-Dolch-Garnituren in Kasten 21 zu erwähnen: „ein spanisch rapier und dolch, mit golt und silber glat geäzt“ [83] und „ein spanisch rapier und dolch, mit schönen geäzten und silberen bildern, sambt schwarz sameten schaiden“ [88]. Die Klinge dieses letzten Rapiers war jedoch zerbrochen („ist aber die kling am rapier zu drey stückhen zerbrochen“).

Feuerwaffen Feuerwaffen sind im Inventar der kaiserlichen Rüstkammer von 1678 nur in relativ geringer Zahl angeführt. Gewehre und Pistolen für die Jagd sowie für eine militärische Nutzung wurden am kaiserlichen Hof in eigens dafür vorgesehenen Räumen bzw. Gebäuden, in der Gewehrkammer und im Zeughaus, verwahrt.111 In Kasten 21 der Stallburg-Rüstkammer fand sich 1678 dennoch etwa ein Dutzend Feuerwaffen sowie in Kasten 25 eine Gruppe von „19 par alte puffer, sambt den hülfftern und 109 Vgl. den fragmentarisch erhaltenen (Helm, Kragen, Brust und Rücken) Fußturnierharnisch Kaiser Leo­ polds  I. (um 1675), Wien, Kunsthistorisches Musem, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn.  B  154, A 1865, A 2266. Im Jahr 2017 konnten die zugehörigen Handschuhe mit Unterstützung des Vereins der Freunde des Kunsthistorischen Museums erworben werden (Inv.-Nr. A 2456). 110 Aus dem Wiener kaiserlichen Zeughaus stammen unter anderem die reich verzierten Blankwaffen des mittleren bis späten 16. Jahrhunderts, Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn. A 586, A 789, A 573, sowie die Degen-Dolch-Garnitur A 794/A 795; vgl. Ortwin Gamber – Christian Beaufort, unter Mitarbeit von Matthias Pfaffenbichler, Kunsthistorisches Museum, Wien, Hofjagd- und Rüstkammer (ehem. Waffensammlung), Katalog der Leibrüstkammer II. Teil: Der Zeitraum von 1530–1560 (Führer durch das Kunsthistorische Museum, Nr. 39), Busto Arsizio 1990, 121 f., 177 f., 197. 111 Zwei bisher unbekannte Inventare der kaiserlichen Gewehrkammer von 1661 bzw. 1678 werden derzeit für eine Publikation vorbereitet.

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pulffer flaschen“ [141]. Hinzu kommen einige wenige einzeln beschriebene Pulverflaschen [77, 78, 81] und eine Kombinationswaffe (Verbindung von Blank- und Feuerwaffe), in diesem Fall ein Spieß mit zwei Pistolenschlössern [93]112. Zu den wenigen etwas näher beschriebenen Feuerwaffen des Inventars zählen unter anderem: „zwey röhr, iedes mit drey feurschloß, so mit bain eingelegt und zu roß gebraucht“ [79]113 und „ein pixenschloß mit zwey feürhannen“ [80]114, vgl. auch [78, 76].

Stangenwaffen

Abb. 14: Hellebarde der Trabanten-Leibgarde Kaiser Leopolds I. Datiert 1666. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1891. (© KHM-Museumsverband.)

Noch geringer ist die Zahl der Stangenwaffen, die das Inventar der kaiserlichen Rüstkammer von 1678 verzeichnet, sowie der Informationsgehalt zu diesen Objekten. Unter den Objekten „ausser und oben auff den kästen“ finden sich „50 eyßerne trabanthen oberwöhren“ [278], „43 hartschiern cußien“ [279], „44 kay. Ferdinandi [wohl I. oder III.] hartschiern spieß“ [280] und „23 sperreütter spieß“ [281]. In Kasten 21 wurde neben der erwähnten Kombinationswaffe (vgl. das Kapitel „Feuerwaffen“, Nr. [93]) auch „ein schwein spieß mit einen hilzern fuederall“ [92] verwahrt. Bemerkenswert sind die erwähnten „50 eyßerne trabanthen oberwöhren“ [278], da das Inventar für sie eine Provenienzangabe enthält: „welche a[nn]o 1667 bey dem dazumahlen gehaltenen roßpallet beym auffzug neben ihrer May. dem khayser hergegangener die trabanthen gebraucht“ haben. Der Begriff „Oberwehr“ (Obergewehr) bezeichnet eine Vielzahl unterschiedlicher Feuer- und Stangenwaffen, die hoch getragen werden, d.  h. auf der Schulter ruhend (im Gegensatz zum Nieder-, Unterbzw. Seitengewehr). Zu den Oberwehren zählen unter anderem Karabiner, Flinten, Musketen, Partisanen sowie Stangenwaffen wie Kusen und Hellebarden.115 Im vorliegenden Fall müssen damit Hellebarden gemeint sein, wie sich aus den im Folgenden erwähnten Informationen ergibt; darüber hinaus sind sie in Verbindung mit den im Inventar unmittelbar darauffolgend beschriebenen „hartschiern cußien“ [279] zu sehen, die denselben Verwendungszweck gehabt haben dürften. Für Herbst 1666, d. h. knapp vor dem erwähnten Wiener Rossballett von 1667, ist ein Auftrag des kaiserlichen Hofes an die Waffenschmiede Johann Stegern und Johan Georg Carl für „hartschier und trabanten kuschi [Kusen] und helleparten“ (bzw. „hartschier cusi und oberwehren“) überliefert;116 von diesen Kusen und Hellebarden der Hartschier- bzw. Trabantenleibgarde Kaiser Leopolds I. mit der Datierung 1666 haben sich mehrere Exemplare erhalten (Abb. 14).117 Zum Einsatz gekommen sind diese Stangenwaffen bei dem genannten Rossballett von 1667, so etwa beim Abzug Leopolds I. am Ende des Festes, bei dem „die Kayserlichen Edlknaben, Leibwacht, vnd Laggeyen in bestern Ordnung sich widerumben […] in die Beraitschafft begäben, Ihre Maiestät bey dem erfolgenden Abzug zubedienen“.118

112 Das Kunsthistorische Museum verwahrt u. a. einen Pistolen-Jagdspieß aus dem Besitz Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1189); vgl. Gamber – Beaufort 1990 (zit. Anm. 110), 162. 113 Vgl. u. a. die Reiterpistolen mit jeweils drei Schlössern (3. Viertel 16. Jahrhundert), Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn. A 760, A 763, A 1013. 114 Vgl. u. a die Feuerwaffen mit zwei Schlössern (Mitte bzw. späteres 16. Jahrhundert), Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn. A 917, D 84. 115 Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13, Leipzig 1889, Nachdruck München 1991, Sp. 1087. 116 Zit. nach Haupt 1983 (zit. Anm. 85), LXXXIV, Nrn. 2436 und 2432, vgl. auch Nrn. 2409, 2440. 117 Vgl. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn. A 1718, A 1720, A 1881 (Kusen) sowie A 1879, A 1891 (Hellebarden). 118 Zit. nach Antonio Bertali – Francesco Sbarra, Sieg-Streit Deß Lufft und Wassers Freuden-Fest zu Pferd, Wien 1667, o. S.

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Erinnerungsstücke Mehrere Objekte im Inventar der kaiserlichen Rüstkammer von 1678 sind als Erinnerungsstücke zu klassifizieren, d. h. als Werke, die mit bestimmten Familienmitgliedern, mitunter sogar mit speziellen Begebenheiten in deren Leben in Verbindung gebracht wurden. So findet sich in dem Inventar eine Gruppe von neun Knabenrüstungen, die im Jahr 1664 im Andenken („gedächtnuß“) an den in jugendlichem Alter verstorbenen Erzherzog Karl Joseph (Abb. 8), einen Halbbruder Kaiser Leopolds, in der Rüstkammer hinterlegt worden waren [247–251].119 Des Weiteren erwähnt das Inventar einen Fußturnierharnisch, den Kaiser Matthias 1611 zu seiner Hochzeit getragen hatte [62]120 und einen Feldküriss, in dem Erzherzog Leopold Wilhelm „zu einem ritter geschlagen worden“ sei [66]121. Darüber hinaus werden zwei Schilde von Erzherzog Ernst [95] (Abb. 19 und 20) genannt sowie Harnische aus dem Besitz der Erzherzöge Karl II. von Innerösterreich [44] (Abb. 9) und Albrecht VII. [59] sowie Kaiser Ferdinands III. [126]. Bemerkenswert ist der bereits erwähnte in Kasten 2 aufgestellte Harnisch, der als „des königs Leslio gewest“ [3] umschrieben wird. Damit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Ladislaus Postumus, der jung verstorbenen Sohn König Albrechts  II., gemeint.122 Diese Zuschreibung muss zwar als fiktiv angesehen werden, da der Harnisch seiner beschriebenen Form und Bestandteile zufolge wohl aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammte,123 doch die damals angenommene Zugehörigkeit zu ­einem Habsburger des Mittelalters legt nahe, dass in der Rüstkammer Leopolds I. eine Ahnengalerie eingerichtet gewesen war, auf die dann jene Ahnen- und Heldengalerie aufbaute, die in der Mitte des 18.  Jahrhunderts im kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse installiert wurde und die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte.124

Textilien, Leder Die kaiserliche Rüstkammer enthielt im Jahr 1678 eine nicht unerhebliche Zahl an Kleidungsstücken. Dazu zählen Kopfbedeckungen wie „zwey roth sametene hüett“ [72, vgl. auch 25] und „ein gelb sametenes paretl“ [293]. Des Weiteren erwähnt das Inventar Wämser [308], Schuhe [321, 322] und Krägen [288, 305].125 Erwähnenswert ist darüber hinaus die textile Ausstattung vieler der beschriebenen Harnische, Sättel, Stangenwaffen etc. Schriftliche Belege wie diese sind von besonderer Bedeutung, da aus organischen Materialien geschaffene Bestandteile historischer Bewaffnung zum allergrößten Teil verloren sind und sich der einstige Farben- und Materialreichtum dieser Werke heute fast nur über Beschreibungen dieser Art erschließen lässt. Das Inventar von 1678 nennt unter anderem Fußturnierharnische, die „mit weißen leder und bometln vorgeschossen“ [152] waren, eine Sturmhaube „mit schwarzen samet überzogen“ [17] und einen türkischen Rundschild „mit rother seiden, und guldenen franßen“ [70]. Auch die manchen Harnischen beigegebenen Tiger- und Löwenfelle waren „mit rother leinbath“ [10] oder „mit blauen daffet“ [52] gefüttert. 119 120 121 122

Vgl. unter Kapitel „Inhalt der kaiserlichen Rüstkammer […]/Harnische“. Zu Kaiser Matthias vgl. auch unter Kapitel „Inhalt der kaiserlichen Rüstkammer […]/Fahnen“. Vgl. Anm. 74. Ladislaus Postumus, Herzog von Österreich und König von Ungarn und Böhmen. Bei „Leslio“ dürfte es sich um eine (möglicherweise italienisch beeinflusste) Schreibweise des ungarischen Namens ­László (Ladislaus) handeln; ich danke Tamás Forgács (Universität Szeged) für die Diskussion dieser Frage. 123 Der im kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse damals unter dem Namen von Ladislaus Postumus gezeigte Harnisch ist Teil der sogenannten Trophäengarnitur Erzherzog Maximilians III. (Anton Peffenhauser, Augsburg, wohl um 1571), Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 880; vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 143, Nr. 243. 124 Vgl. dazu das Kapitel „Die Aufstellung der kaiserlichen Rüstkammer […]“. 125 Vgl. auch die „khüriß schürzl“ unter Kapitel „Inhalt der kaiserlichen Rüstkammer […]/Turnier- und Festausstattung“.

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Weitere Objekte Zuguterletzt verzeichnet das Inventar von 1678 vereinzelt Gegenstände, die inhaltlich nicht zwangsläufig einer Rüstkammer zuzuordnen wären, wie Gemälde, Möbel, Goldschmiedearbeiten und Schlitten – so etwa „drey grosse thafflen, auff iedem ein spanisch roß gemahlen“ [328] und „ein kleiner lew [Löwe] mit silberstuckh und drätl silber überzogen, auff dem haubt ein vergulte cron“ [71]. Im Inventar finden sich auch eine „handtmühle“ [335], „vier lange thafflen, darunter drey mit griennen t­ uech uberzogen“ [327] und „drey stächel und drey andere stängl mit den armbrusten, zum frösch schießen“ [334]. Darüber hinaus deuten einzelne Einträge auf eine ergänzende Nutzung der Rüstkammer als Lagerraum, zum einen für Ersatzmaterial (für die Reparatur von Harnischen oder Ausstattungsmaterial für Turniere), zum anderen auch für nicht mehr benötigtes Mobiliar des kaiserlichen Hofes. In Lade Nr. 11 lag „in einer menge groß und kleine wurff eyßlen zum quintan“ (Kopfrennen) (Abb. 11) [319] sowie „in einer schachtl unterschiedlich vergulte nögl und schrauffen“ [320], des Weiteren in zwei Harnischtruhen „versehrt und zerfressene harnisch sackhlein, roth, gelb und grien, von fuedter werch“ [326]. Dem freistehenden Rossharnisch Nr. 23 waren „drey grosse und ein kleines harnisch blöch noch unaußgearbeither“ Art [274] beigegeben. Als abschließenden Posten beschreibt das Inventar drei Tragsessel [383, 384], zwei Wagenkästen [386, 387] und einen „alten sessel von gelben sammet mit roth seidenen franßen“ [388],126 die wohl ausrangiert in der Rüstkammer abgestellt worden waren. Wie es in einer zeitgenössischen Quelle heißt, wurden eben diese Objekte (mit Ausnahme des Schlittens [385]) noch während der Amtszeit von Oberststallmeister Harrach, d. h. bis spätestens 1699, „verschenckht und außgemusstert“.127

IDENTIFIZIERBARE OBJEKTE

Im Folgenden seien jene überwiegend im Kunsthistorischen Museum in Wien erhaltenen Objekte besprochen, die im Inventar der Wiener kaiserlichen Rüstkammer von 1678 eindeutig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit identifiziert werden können. [24] Mehr ein Meyländische schwarze rüstung mit bluemb- und gefliglwerch, an der zier verguldt, ein sturmbhauben, hinter- und vordertheill, ein par achsel, ein par armbzeug, ein par peintaschen und ein par händtschuech, ein rundeln umb und umb mit blau seiden und goldt vermengten fransen. Halbharnisch mit Rundschild, Mailand, um 1560; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn. A 1408 und A 1408a (Abb. 6)128 Der Mailänder Halbharnisch mit Rundschild von ca. 1560 wurde im kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse zumindest seit dem frühen 19.  Jahrhundert mit dem heute in Albanien als Nationalheld verehrten Feldherrn Georg Kastriota, gen. Skanderbeg in Verbindung gebracht.129 Schon Friedrich von Leber bezweifelte 1846 diese fantastische, frei erfundene Zuschreibung und datierte den Harnisch in das späte 16. Jahrhundert.130 Für wen diese meisterhafte Plattnerarbeit geschaffen wurde und wer der ausführende Künstler war, ist nicht bekannt und erschließt sich auch nicht aus dem Eintrag im Inventar von 1678. Bemerkenswert ist der dem Harnisch beigegebene Kragen. Er zeigt denselben Dekor wie der Rest des Harnischs, doch ist im Inventar von 1678 kein Kragen erwähnt.

126 Zu den Objekten Nrn. [383–388] vgl. auch Döberl 2010 (zit. Anm. 22), 305, Nrn. [180–185]. 127 Zit. nach Döberl 2010 (zit. Anm. 22), 290 mit Anm. 93. 128 Vgl. Ausstellungskatalog José-A. Godoy – Silvio Leydi, Parures Triomphales. Les maniérisme dans l’art de l’armure italienne, Genf (Musée Rath) 2003, 430 f., Kat.-Nr. 23. 129 Vgl. die Darstellung in dem Aquarell von Paul Löbhart und Matthäus Waniek von 1817/19, Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. 1896_16_BI811_825. 130 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 104–106, Nr. 194.

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Wie sich im stilistischen Detailvergleich mit den übrigen Teilen des Harnischs ergibt, handelt es sich bei dem Kragen um eine künstlerisch hochwertige, aber wesentlich jüngere, wohl im frühen 19.  Jahrhundert (vor 1846) entstandene Ergänzung. Friedrich von Leber meinte 1846, „der geschobene Hals, der von der Brust aufsteigt, ist (da der echte fehlt) einfach ergänzt worden.“131 Der Inventareintrag erwähnt darüber hinaus, dass der Rundschild „umb und umb mit blau seiden und goldt vermengten fransen“ verziert gewesen sei. Friedrich von Leber nennt 1846 im Zeughaus in der Renngasse ein Futter des Schildes, das ebenso aus „himmelblauem Sammt […] mit goldenen Börtlein“ gemacht war, doch wird das Futter des Schildes im Inventar der kaiserlichen Waffensammlung von 1896 als spätere Zugabe beschrieben.132 Die heute vorhandene ebenso blaue Bespannung der Innenseite des Schildes ist jedoch modern. [40] Ein weißer khüriß mit vergulten strichen und einen khempfschurz, ein ganz helmblin mit ein gätterten vißier, auff welchen ein guppen, ruckhen, brust undt ringkhragen, mehr ein uberbrust, ein par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen mit schuechen, ein par achsel, ein par überschifftung auff die achsel, ein par armbzeüg, ein kurz par handtschuech, ein ganze roßstiern mit mit hungarischen und böhaimbischen wappen. Kempfküriss der Königsgarnitur Kaiser Maximilians II., Matthäus Frauenpreiss d. Ä., Augsburg, 1549/50; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. B 73 (Abb. 15)133 Rossstirn zur Königsgarnitur Kaiser Maximilians II., Matthäus Frauenpreiss d. Ä., Augsburg, 1549/50; New York, Privatsammlung (Abb. 16)134 Abb. 15: Kempfküriss der Königsgarnitur Kaiser Maximilians II. Matthäus Frauenpreiss d. Ä., Augsburg, 1549/50. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.Nr. B 73. (© KHM-Museumsverband.)

Abb. 16: Rossstirn mit ungarisch-böhmischem Wappen zur Königsgarnitur Kaiser Maximilians II. Matthäus Frauenpreiss d. Ä., Augsburg, 1549/50. New York, Privatsammlung. (© ebenda.)

Die Königsgarnitur für den späteren Kaiser Maximilian II. von 1549/50 ist ein Werk des Augsburger Plattners Matthäus Frauenpreiss d.  Ä. (um  1505–1549) und des Harnischätzers Jörg Sorg d. J. (um 1522–1603). Der im Inventar von 1678 beschriebene Kempfküriss dieser Garnitur ist in Jörg Sorgs Musterbuch (fol. 4v) in Stuttgart mit der Datierung 1549 abgebildet.135 Ebenso illustriert ist der Kempfküriss im Turnierbuch des Jeremias Schemel (Augsburg, um 1570).136 Im kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse (Kaisersaal) wurde der Kempfküriss Maximilians II. mit der falschen Zuschreibung an Kaiser Ferdinand II. (1578–1637) gezeigt (Abb. 17), die bereits Leber 1846 kritisch sah137 und die von Boeheim 1891 revidiert werden konnte138. Das Inventar von 1678 erwähnt bei dem besprochenen Kempfküriss auch eine sogenannte Gupfe, ein Verstärkungsstück für den Scheitel, das im Freiturnier benötigt wurde: „ein ganz helmblin […] auff welchen ein guppen“. Ursprünglich waren dem Harnisch zwei Gupfen beigegeben, wie sich aus der Illustration im Musterbuch des

131 Zit. nach Leber 1846 (zit. Anm. 1), 104; vgl. AK Genf 2003 (zit. Anm. 128), 430 f., Kat.-Nr. 23. 132 Vgl. Inventar der Waffensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses nach dem Stande vom 31. October 1896, Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Archiv, o. Nr., S. 201, A 1408. 133 Vgl. Gamber – Beaufort 1990 (zit. Anm. 110), 98–100. 134 Vgl. Auktionskatalog Works of Art from the Collection of the Barons Nathaniel and Albert von Rothschild, London, Christie’s, 8.  Juli 1999 (Lot.  6179), 88–91, Nr.  78; Ausstellungskatalog The Ronald S. Lauder Collection. Selections from the 3rd century BC to the 20th century. Germany, Austria, France, Vorwort von Ronald S. Lauder, Einleitung von Renée Price und Beiträge von Alessandra Comini et al., New York (Neue Galerie) 2011–2012, 524, Kat.-Nr. 54 mit Abb. S. 190. 135 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Milit. 2° 24, fol. 4v; vgl. Charlotte Becher – Ortwin Gamber – Walter Irtenkauf, Das Stuttgarter Harnisch-Musterbuch 1548–1563, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 76 (N. F. XL), 1980 (auch Sonderdruck Wien 1980), 50 f. 136 Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5247, fol. 81v–83r; vgl. auch die Version in Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Sign.  Cod. Guelf.  1.6.3 Aug.  2° (Heinemann-Nr.  1598), fol. 85v–87r. 137 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 120 f.; vgl. auch die Darstellung in dem Aquarell von Paul Löbhart und Matthäus Waniek von 1817/19, Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. 1896_16_BI811_829. 138 Vgl. Wendelin Boeheim, Augsburger Waffenschmiede, ihre Werke und ihre Beziehungen zum kaiserlichen und zu anderen Höfen, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 12, 1891, 165–227, hier: 220–222.

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Jörg Sorg von 1549 erschließt.139 Die einzelne, 1678 noch vorhandene Gupfe dürfte im 19. Jahrhundert, wohl während der Napoleonischen Kriege, für die kaiserliche Sammlung verloren gegangen sein; sie befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York.140 Die im Inventar erwähnte Rossstirn zur Königsgarnitur (Abb.  16) mit dem ungarisch-böhmischen Wappen kann ebenso als Verlust des früheren 19. Jahrhunderts angesehen werden. Sie war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Teil der Sammlung von Alphonse von Rothschild (1878–1942) in Wien. 1938, während der nationalsozialistischen Herrschaft, wurde sie enteignet und gelangte über das Zentraldepot beschlagnahmter Kunstwerke in die Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums (Inv.-Nr. A 2236).141 Nach 1945 gehörte die Rossstirn zu jenen Objekten, die der Familie Rothschild durch die Republik Österreich als Gegenleistung für Ausfuhrgenehmigungen abgepresst wurden, und verblieb als „Widmung 1948 von Clarice de Rothschild“ im Kunsthistorischen Museum.142 Im Jahr 1999 wurde die Rossstirn gemeinsam mit den anderen 1948 „gewidmeten“ Kunstwerken an die Erben und Erbinnen nach Alphonse von Rothschild restituiert143 und 1999 in London versteigert; die Rossstirn befindet sich seitdem in Privatbesitz.144 [44] Ein weiß pallierter khüriß mit vergulten strichen, zum ballia rennen, ein helmblin mit einen parth, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par kurze beintaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein par achsel mit ihren auff­ würff, ein par armbzeug und ein par händtschuech mit rothen samet vorgeschossen, welcher von herzog Carl von Gratz. Plankengestechharnisch für Erzherzog Karl II. von Innerösterreich, Anton Peffenhauser, Augsburg, datiert 1571; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 885 (Abb. 9)145 Bei dem hier beschriebenen Harnisch handelt es sich wohl um den sogenannten Hochzeitsharnisch Erzherzog Karls  II. von Innerösterreich. Dieser trug den Harnisch zu den Turnieren, die 1571 anlässlich seiner Hochzeit mit Maria von Bayern (1551–1608) in Wien veranstaltet wurden.146 Im kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse war in „Colloredo’s Waffenhalle“ ein „ganzer Turnierharnisch zum Freiturnier“ von Erzherzog Karl II. zu sehen, dessen Beschreibung durch Friedrich von Leber (1846) jedoch nicht in allen Details mit dem im Kunsthistorischen Museum erhaltenen Harnisch übereinstimmt.147 139 Vgl. Anm. 135. 140 New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr.  04.3.218; vgl. Charles Alexander Cosson, Le Cabinet d’armes de Maurice de Talleyrand-Périgord, Duc de Dino, Paris 1901, 39, Nr.  C.1, Taf.  9; Stephen V. Grancsay, Historical Armor. A Picture Book, 4. Aufl. New York 1957, Taf. 19. 141 Vgl. Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (Bibliothek des Raubes, Bd. VIII), Wien 2003, 1036 (Abschrift des Inventars der Sammlung A. R. [=Alphonse Roth­ schild], die in das Zentraldepot beschlagnahmter Kunstgegenstände in der Neuen Burg verbracht wurde, 1939), Nr. 993: „Ganze Roßstirne, mit geätzten und vergoldeten Streifen, an den Rändern verziert, 16. Jhdt.“. Vgl. auch: Nachtrag zum Teilinventar der Waffensammlung aus den Jahren 1906 bis 1938, Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Archiv, o.  Nr., S.  77 (Zuwachs 1940, A 2236): „Am 27. März 1941 vom Führer aus den Beständen des Zentraldepots der beschlagnahmten Kunstwerke ehemals jüdischen Besitzes zugewiesen./Das Stück trug im Zentraldepot die Nr. A R 993“. 142 Vgl. Gamber – Beaufort 1990 (zit. Anm. 110), 99. 143 Die Restituierung erfolgte nach dem Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Bundesmuseen und öffentlichen Sammlungen (BGBI. I Nr. 181/1998). Vgl. die Beiratsempfehlung vom 11.  Februar 1999: http://www.provenienzforschung.gv.at/wp-content/uploads/2006/04/Rothschild_ Clarice_u_Louis_1999-02-11_1.pdf (letzter Zugriff: 18.4.2018) und den Restitutionsbericht 1998/99, S. 2: http://www.provenienzforschung.gv.at/wp-content/uploads/2014/03/Restitutionsbericht_19981999.pdf (letzter Zugriff: 18.4.2018). 144 Vgl. Anm. 134. 145 Vgl. Karl Vocelka, Das Wiener Turnier von 1571. Ritterspiele anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Karl und Maria von Bayern, in: Stefan Krause – Matthias Pfaffenbichler (Hgg.), Turnier. 1000 Jahre Ritterspiele, Wien – München 2017, 171–179, hier: 172, Abb. 2. 146 Vgl. ebenda, 171–179. 147 So werden die Beinschienen als „ohne Knöchelreifen“ beschrieben; vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 356– 358, Nr. 606.

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Abb. 17: Paul Löbhart und Matthäus Waniek, Ansicht des Kaisersaals im Wiener kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse (3. v. li.: „Ferdi­ nand II.“). Aquarell, um 1817/19. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. 1896_16_ BI811_829. (© Wien, Heeresgeschichtliches Museum.)

Im späteren 19. Jahrhundert und bis in die 1960er Jahre wurde der Turnierharnisch Erzherzog Karls mit Erzherzog Ernst in Verbindung gebracht. Die Darstellungen am Helm – jeweils eine weibliche mythologische Figur (Nereide), die ein Herz in einer Feuerschale hält – seien „mit der Absicht der Verheirathung des Prinzen [Ernst]“ in Beziehung zu setzen, so Wendelin Boeheim 1894/98.148 Im Inventar der Waffensammlung von 1896 wird der Harnisch ohne Zuschreibung an einen bestimmten Besitzer verzeichnet,149 aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert weiterhin Erzherzog Ernst zugeschrieben.150 Erst 1964 gelang es Bruno Thomas und Ortwin Gamber, die Datierung des Harnischs („1571“) auf die Hochzeit Erzherzog Karls von Innerösterreich mit Maria von Bayern in eben diesem Jahr zu beziehen und so den Harnisch Erzherzog Karl (statt Erzherzog Ernst, der trotz mehrerer Heiratspläne ledig geblieben war) zuzuschreiben.151 [56] Ein ganz vergulter franzöß[ischer] khüriß von getrübener arbeith mit bildern grien und roth gemahlen, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par schünen an schuech, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein hinterschurz, ein par kurze handtschuech. Halbharnisch für König Heinrich III. von Frankreich (1551–1589), französisch (Paris?), um 1570; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.Nr. A 1697 (Abb. 10)152 Das Objekt, im Inventar von 1678 beschrieben als „ganz vergulter franzöß[ischer] khüriß von getrübener arbeith mit bildern“ [56], lässt sich mit dem Halbharnisch König Heinrichs  III. von Frankreich von ca.  1570 im Kunsthistorisches Museum gleichsetzen. Dieser war im 19.  Jahrhundert im kaiserlichen Zeughaus mit der

148 Vgl. Boeheim 1894–1898 (zit. Anm. 79), Bd. 1 (1894), 14, Taf. XXV, Nr. 1; vgl. auch Ausstellungskatalog Berthold Sutter, Graz als Residenz. Innerösterreich 1564–1619, Graz (Burg) 1964, 128, Kat.-Nr. 323 (Bruno Thomas und Ortwin Gamber) (mit Zuschreibung an Erzherzog Karl). 149 Inventar der Waffensammlung 1896 (zit. Anm. 132), 129, A 885. 150 August Grosz – Bruno Thomas, Katalog der Waffensammlung in der Neuen Burg. Schausammlung, Wien 1936, 118, Nr. V/18; Bruno Thomas, Harnische, Wien 1947, 28, Nr. 41 (Abb.). 151 Vgl. AK Graz 1964 (zit. Anm. 148), 128, Kat.-Nr. 323 (Bruno Thomas und Ortwin Gamber). 152 Vgl. Ausstellungskatalog Olivier Renaudeau – Jean-Pierre Reverseau – Jean-Paul Sage-Frénay, Sous l’égide de Mars. Armures des princes d’Europe, Paris (Musée de l’Armée) 2011, 312 f., Kat.-Nr. 74 (Olivier Renaudeau).

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­ uschreibung an Rudolf I. von Habsburg ausgestellt153 und gehörte somit zu jener Z Reihe von Harnischen, die 1750 nachweislich aus der Rüstkammer der Stallburg ins

Abb. 18a und b: Sturmhaube und Rundschild. Mailand, um 1560/65. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.Nrn. A 1015 und A 1015a. (© KHM-Museumsverband.)

Zeughaus gelangt waren154. Die Beschreibung des Harnischs im Inventar von 1678 enthält einige Informationen, die in Bezug auf dessen heutigen Erhaltungszustand bemerkenswert sind. So dürfte der Harnisch Heinrichs III. von Frankreich im Kunsthistorischen Museum ehemals kein halber, sondern ein voller, den Körper von Kopf bis Fuß umhüllender Harnisch gewesen sein. Dem Inventar zufolge hatte er im späten 17. Jahrhundert noch ein volles Beinzeug, bestehend aus Diechlingen, Beinschienen und Schuhen. Der Verlust dieser Teile muss spätestens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (während der Napoleonischen Kriege?) erfolgt sein, denn 1846 war er im Wiener Zeughaus mit notdürftigen Ergänzungen ausgestellt. Friedrich von Leber erwähnt in diesem Jahr, dass die Schuhe des Harnischs fehlten und „unpassend durch vergoldetes Holz ersetzt“ worden seien. Die damals vorhandenen Beintaschen seien „die weit minder gelungene Arbeit einer jüngeren Zeit“ und „nur der Ergänzung wegen dem Harnische angehängt“.155 Die heute dem Harnisch Heinrichs III. beigegebenen Beintaschen sind meisterhafte zeitgleiche Arbeiten, die jedoch ihrer Dekoration zufolge wohl nicht zum Harnisch gehören.156 Darüber hinaus war der goldene Harnisch des Inventars von 1678 „mit bildern g­ rien und roth gemahlen“ ausgestattet. Bei dieser Bemalung in Grün und Rot (wohl jene der heute blanken, silbernen Figuren) dürfte es sich um bunten Schellack (bzw. Email o. ä.) gehandelt haben, wie es für die Pariser Plattnerkunst der Jahre um 1570 mehrfach nachgewiesen ist. So war der dem Wiener Harnisch Heinrichs III. stilistisch eng verwandte goldene Dresdner Halbharnisch M62 (französisch, vor 1588) ehemals farbig verziert.157 Die berühmteste Platterarbeit des französischen Manierismus mit buntem Emaildekor ist die Garnitur aus Schild und Sturmhaube von ca. 1572 für König Karl IX. von Frankreich (1550–1574) im Musée du Louvre in Paris; beide Stücke sind reich in Rot, Blau, Grün, Schwarz und Weiß emailliert.158 [67] Ein rundätschen und offene darzue gehörige sturmbhauben von getribener arbeit, mit vergolt- und versilberten bildern […]. Sturmhaube und Rundschild, Mailand, um 1560/65; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nrn. A 1015 und A 1015a159 (Abb. 18a und b) Diese Sturmhaube und der Rundschild bilden die einzige all’antica-Garnitur dieser Art im Kunsthistorischen Museum Wien, für die eine Wiener Provenienz nachge153 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 92 f., Kat.-Nr. 187. Beigegeben war diesem Harnisch Rudolfs I. im Zeughaus der erwähnte Rundschild A 1015a (vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [67]); vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 92 f. 154 Vgl. Weiskern 1770 (zit. Anm. 24), 99. 155 Zit. nach Leber 1846 (zit. Anm. 1), 92. 156 Mehrfach wurde vermerkt, dass sich die zu diesem Harnisch passenden Beintaschen als Teil eines vergleichbaren Harnischs zumindest seit 1588 (Geschenk Carlo Emanueles I. von Savoyen an Kurfürst Christian I. von Sachsen) in Dresden befinden würden (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer, Inv.-Nr. M62); vgl. AK Paris 2011 (zit. Anm. 152), 314–317, Kat.-Nr. 75 (Holger Schuckelt). Die Zugehörigkeit der Dresdner Beintaschen zum Wiener Harnisch Heinrichs  III. ist jedoch nicht letztgültig geklärt. 157 Im Inventar der Dresdner Ballienkammer von 1615/16, Nachtrag, S. 82 wird der Harnisch folgendermaßen beschrieben: „Ein schöner vorguldter Küris von getriebener arbeit mit allerhandt schönen erhobenen farbichten bildern und früchten“. Im Inventar von 1836 heißt es: „[…] ganz vergoldet und bunt eingelassen […]“. Noch 1973 sollen „Spuren der ursprünglichen farbigen Emaillierung erkennbar“ gewesen sein; zit. nach Johannes Schöbe, Prunkwaffen. Waffen und Rüstungen aus dem Historischen Museum Dresden, Aufnahmen von Jürgen Karpinski, Wien – Düsseldorf 1973, 31, Nr.  17. Jedoch schreibt bereits Haenel (1923), dass der Harnisch „früher bunt emailliert“ gewesen sei; vgl. Erich ­Haenel, Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer, Leipzig 1923, 22. Zu diesem Harnisch vgl. aktuell auch AK Paris 2011 (zit. Anm. 152), 316. 158 Paris, Musée du Louvre, Inv.-Nrn. MR 426 und MR 427; vgl. AK Paris 2011 (zit. Anm. 152), 214 f., Kat.-Nr. 41 (Jean-Pierre Reverseau). 159 Vgl. Gamber – Beaufort 1990 (zit. Anm. 110), 190 f.; AK Genf 2003 (zit. Anm. 128), 450 f., Kat.-Nr. 41. Vgl. auch Boeheim 1894–1898 (zit. Anm.  79), Bd.  1 (1894), 15, Taf.  XXVI, Nr.  2 (Sturmhaube und Schild); Bd. 2 (1898), 11, Taf. XXVIII, Nr. 1 (Sturmhaube).

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Abb. 19: Sogenannter Laternenschild. Vor 1571. Wien, Kunsthistorisches Museum, ­Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 384. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 20: Rundschild. Vor 1571. Brüssel, Musées royaux d’Art et d’Histoire, Porte de Hal, Inv.-Nr. 13931. (© Brüssel, Musées royaux d’Art et d’Histoire.)

wiesen werden kann, d.  h. eine Herkunft aus dem kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse. Die übrigen vergleichbaren Garnituren der Wiener Sammlung stammen aus dem Besitz Erzherzog Ferdinands II. auf Schloss Ambras bei Innsbruck und kamen erst 1806 nach Wien.160 Der Rundschild der hier besprochenen all’antica-Garnitur mit Wiener Provenienz war im Kaisersaal des Wiener Zeughauses in der Renngasse dem damals König Rudolf I. zugeordneten Harnisch König Heinrichs III. von Frankreich (vgl. oben Nr. [56]) beigegeben.161 Die Sturmhaube wiederum war im Zeughaus an anderer Stelle, in „Kaiser Josef’s Waffenhalle“, an der Spitze einer aus Schwertklingen gebildeten Pyramide zu sehen.162 Schon Friedrich von Leber erkannte 1846 die Zugehörigkeit der Sturmhaube zum Rundschild, sah sie jedoch fälschlicherweise als Wechselstücke zu dem erwähnten Harnisch König Heinrichs III. von Frankreich an. [95] Ein schwarz eyserne zipflete rundeln, sambt einen daran gefügten eysernen handtschuech, wie auch einer latern und einer wehr klingen, mit rothen samet gefüedert, sambt einer dergleichen schwarzen rundätschen von eysen, an einem spieß, auch mit rothen samet gefüedert, so erzherzog Ernst auß Hispanien mit gebracht. Sogenannter Laternenschild von Erzherzog Ernst, vor 1571; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 384 (Abb. 19)163 Rundschild mit Handschuh von Erzherzog Ernst, vor 1571; Brüssel, Musées royaux d’Art et d’Histoire, Porte de Hal, Inv.-Nr. 13931 (Abb. 20)164 Der sogenannte Laternenschild des Kunsthistorischen Museums wurde bisher als deutsche Arbeit des frühen 17.  Jahrhunderts eingestuft.165 Der Schild des Musée Porte de Hal in Brüssel galt als wahrscheinlich deutsche Arbeit der Mitte des 16. Jahrhunderts.166 Mit der Beschreibung im kaiserlichen Inventar von 1678 lassen sich

160 Aus Ambras stammen die Garnituren Inv.-Nrn. A 802/A 802a (Mailand, um 1560), A 1348/A 1348a (Mantua, um 1545/50) und A 1153/A 1153a-b (Mailand, um 1576–1580); vgl. Gamber – Beaufort 1990 (zit. Anm. 110), 188 f., 47 f.; Beaufort-Spontin – Pfaffenbichler 2013 (zit. Anm. 69), 186 f., Nr. 66. 161 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 92 f., Nr. 187. Zum Harnisch König Heinrichs III. von Frankreich vgl. das Kapitel „Identifizierbare Objekte“, Nr. [56]. 162 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 289, Nr. 481. 163 Vgl. Beaufort-Spontin – Pfaffenbichler 2013 (zit. Anm. 69), 198 f., Nr. 72. 164 Georges Macoir – Victor Tourneur, Guide a l’exposition des objets restitués par l’Autriche a la Belgique organisée au Musée de la Porte de Hal, Brüssel 1922, 13, Nr. 5. 165 Vgl. Ausstellungskatalog Ortwin Gamber – Christian Beaufort-Spontin, Curiositäten und Inventionen aus Kunst- und Rüstkammer, Wien (Kunsthistorisches Museum, Neue Burg) 1978, 51 f., Abb.; Ausstellungskatalog Werner Hofmann, Zauber der Medusa. Europäische Manierismen, hg. von den Wiener Festwochen, Wien (Künstlerhaus) 1987, 217, Kat.-Nr. 37 (Matthias Pfaffenbichler); Beaufort-Spontin – Pfaffenbichler 2013 (zit. Anm. 69), 198 f., Nr. 72. Wendelin Boeheim (1890) sah darin eine italienische Arbeit der ersten Hälfte des 16.  Jahrhunderts; vgl. Wendelin Boeheim, Handbuch der Waffenkunde. Das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1890, 188 f., Abb. 201a/b. 166 Vgl. De Gryse 1987 (zit. Anm. 79), 16.

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diese beiden Werke nun mit Erzherzog Ernst (1593–1595) in Verbindung bringen und in die Zeit vor 1571 datieren. Die Aussage des Inventars „auß Hispanien mit gebracht“ erlaubt jedoch keine Zuschreibung der beiden Schilde an eine spanische Werkstatt. Arbeiten dieser Art können ebenso aus italienischen oder deutschen Plattnerzentren nach Spanien importiert worden sein. Erzherzog Ernst, der zweitgeborene Sohn Kaiser Maximilians II., war in seiner Jugend, von 1563 bis 1571, gemeinsam mit seinem älteren Bruder, dem späteren Kaiser Rudolf II., am Hof König Philipps II. von Spanien erzogen worden. Gemeinsam waren Rudolf und Ernst im Jahr 1571, anlässlich der Hochzeit ihres Onkels, Erzherzog Karls von Innerösterreich mit Maria von Bayern an den Hof ihres Vaters, Kaiser Maximilians II., nach Wien zurückgekehrt.167 Der Schild des Kunsthistorischen Museums war zumindest ab 1855,168 wahrscheinlich aber schon seit den 1810er Jahren169 in der Gewehrkammer der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere zu sehen. Er kam mit der Ambraser Sammlung 1888/89 in die Waffensammlung des neu gegründeten Kunsthistorischen Museums. Der heute in Brüssel verwahrte Schild war im frühen 19. Jahrhundert aus Wien in die Rüstkammer der unter Kaiser Franz II./I. (1768–1835) erbauten romantischen Franzensburg in Laxenburg gelangt.170 Adolph Schmidl erwähnt ihn 1838 ebendort mit einer von ihm bereits angezweifelten Zuschreibung an Kaiser Karl V. („und dessen (?) Schild, der sogenannte Laternenschild“).171 Spätestens in den 1860er Jahren war der Schild wieder aus Laxenburg nach Wien zurückgebracht worden, diesmal in das k. k. Artillerie-Arsenal-Museum, das heutige Heeresgeschichtliche Museum.172 Von hier gelangte er 1888/89 in das neu erbaute Kunsthistorische Museum (Inv.Nr.  A  331), wo er mit dem anderen hier besprochenen Rundschild wiedervereint wurde. Im Jahr 1922 gehörte der Schild zu jenen fünf Objekten der ehemaligen ­kaiserlichen Waffensammlung, die Österreich nach dem Ersten Weltkrieg den ­Paragrafen 195 und 196 des Vertrages von St.  Germain-en-Laye entsprechend an Belgien abzutreten hatte. Das Interesse Belgiens an diesem Schild begründete sich auf der erwähnten falschen Zuschreibung an Kaiser Karl  V. aus dem frühen 19. Jahrhundert.173 Der im Inventar von 1678 unter der nachfolgenden Nr. [96] beschriebene „schwarz eiserne handtschuech, daran ein wehrkhling“ dürfte wahrscheinlich mit dem bewehrten Eisenhandschuh Inv.-Nr. A 441 des Kunsthistorischen Museums gleichzusetzen sein. Dieser ist wohl seit den 1810er Jahren, sicher aber 1855 in der Gewehr167 Der Harnisch, den Erzherzog Karl zu diesem Anlass trug, lässt sich ebenso im Inventar von 1678 nachweisen; vgl. Eintrag Nr. [44]. 168 Vgl. Eduard von Sacken, Die K. K. Ambraser-Sammlung, Wien 1855, 281; Eduard von Sacken – Andreas Groll, Die vorzüglichsten Rüstungen und Waffen der K. K. Ambraser-Sammlung in Original-Photographien, Wien 1859–1862, Bd. 2 (1862), Taf. LV. 169 Vgl. Alois Primisser, Die kaiserlich-königliche Ambraser Sammlung, Wien 1819, 77  f.: „Besonders überraschend ist die mannigfaltige Form, welche der erfindsame Geist jener Zeit den Hau- und Stichwaffen zu geben wusste; man verfertigte […] eiserne Handschuhe mit vielen Spitzen und Sägen, die man auf der Bärenjagd zu tragen pflegte, u. a. m.“ 170 Vgl. Anna Bürgler et al., Die Franzensburg. Ein Führer durch Geschichte und Gegenwart, Laxenburg 1998, 89–91 (Matthias Pfaffenbichler). 171 Vgl. Schmidl 1835–1839 (zit. Anm. 78), Bd. 2 (1838), 152; Leber 1846 (zit. Anm. 1), 114, Nr. 18: „Der sogenannte Laternenschild (?) schon von Schmidl […] bezweifelt“. Schmidl und (auf ihn aufbauend) Leber scheinen den Schild in Laxenburg mit dem anderen Schild aus dem kaiserlichen Zeughaus zu verwechseln, der damals wohl schon in der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere zu sehen war. 172 Vgl. Quirin Leitner, Die Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses im k. k. Artillerie-Arsenal-­ Museum in Wien, Wien 1866–1870, Taf.  XLVI mit Tafeltext auf S.  30 (Provenienzangabe: „aus der Waffensammlung im k. k. Lustschloss zu Laxenburg“). 173 Vgl. die Liste der fünf von Belgien beanspruchten Objekte der Waffensammlung in Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Archiv, Z. 27/1922 (eigentlich 7/1922): „Le Gouvernement Autrichien, reconnaissant l’intérest historique et géographique que la Belgique attache à la possession des documents et objects ci-après remettre au Goûvernement Belge […] E.- Bouclier à la lanterne sourde de l’Empereur Charles  V.-“ Zum Vertrag von St.  Germaine-en-Laye vgl. auch Herbert Haupt, Das Kunsthistorische Museum. Die Geschichte des Hauses am Ring. Hundert Jahre im Spiegel historischer Ereignisse, Wien 1991, 68, 234 f. In Brüssel wurde der Schild zunächst im Musée Porte de Hal verwahrt, in weiterer Folge im Musée royal de l’Armée et d’Histoire militaire; erst in jüngerer Vergangenheit kam der Schild zurück in das Musée Porte de Hal.

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kammer der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere in Wien nachweisbar.174 Nicht zu beantworten ist die Frage, ob auch dieser im Inventar von 1678 erwähnte Handschuh mit Wehrklinge aus dem Besitz Erzherzog Ernsts stammte und 1571 aus Spanien nach Wien kam; dazu enthält das Inventar keine Informationen. [112] Ein getribener schwarzer khyriß, welcher zu Paris gemacht worden, vergolt, mit bildern, ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par taschen, mit khnie büegen, ein par schünnen und schuech, ein par handtschuech, ein halbe roßstiern mit mahler golt vergult, und ein vergultes schlitten beschläg, mit neuen stuckh, und ein vergultes par sporen. Herkulesharnisch für den späteren Kaiser Maximilian II., Paris, um 1555/60; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 1400175 (Abb. 5) Der Herkulesharnisch für den jungen späteren Kaiser Maximilian  II. war im kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Harnisch Kaiser Rudolfs II. ausgestellt.176 Er gehörte damit zu jener Reihe der „Harnische der röm. Kaiser von Rudolph dem I. bis auf Ferdinanden III.“, die 1750 aus der Stallburg in das Zeughaus verbracht worden waren.177 Nach der Auflösung des Zeughauses in der Renngasse gelangte der Harnisch dann in das k. k. Artillerie-Arsenal-Museum (das spätere Heeresgeschichtliche Museum) in Wien, wo er weiterhin als Harnisch Rudolfs II. und als „das werthvollste Stück des K. K. Hof-­ Waffen-Museums“ präsentiert wurde.178 In den Jahren 1888/89 kam er letztlich in das heutige Kunsthistorische Museum in Wien.179 Erst Bruno Thomas konnte in den 1940er Jahren mit einer Neudatierung den Harnisch Kaiser Maximilian  II. zuordnen.180 Bemerkenswert an dem besprochenen Eintrag im Inventar von 1678 ist der Hinweis, der Harnisch sei „zu Paris gemacht worden“. Bis in die 1930er Jahre hatte der Harnisch vielfach als deutsche (Münchner) Arbeit gegolten. Diese Zuschreibung beruhte auf der falschen Zuordnung eines Konvoluts französischer Harnischskizzen des Manierismus in der Graphischen Sammlung München an lokale, d. h. Münchner Künstler wie Hans Mielich (1516–1573) und Christoph Schwarz (um 1545–1592).181 Bruno Thomas verwies in den 1940er Jahren auf die stilistische Nähe des Herkulesharnischs zu Arbeiten des Antwerpener Goldschmieds und Plattners Eliseus Libaerts (vor 1530 – nach 1572).182 Erst in den letzten Jahren konnte durch stilistische Vergleiche die Zuordnung des Harnischs an eine Pariser Werkstatt der Zeit um 1555/60 nachgewiesen werden.183 Der Eintrag im Inventar von 1678 verstärkt nun diese Zuschreibung an einen in Paris tätigen manieristischen

174 Vgl. Primisser 1819 (zit. Anm. 169), 77: „eiserne Handschuhe mit vielen Spitzen und Sägen, die man auf der Bärenjagd zu tragen pflegte“; sowie Sacken 1855 (zit. Anm. 168), 281: „Langer, linker Handschuh, wahrscheinlich zur Bärenhetze […]“. 175 Vgl. Gamber – Beaufort 1990 (zit. Anm. 110), 204 f.; AK Paris 2011 (zit. Anm. 152), 284–287, Kat.Nr. 63 (Olivier Renaudeau). 176 Vgl. Leber 1846 (zit. Anm. 1), 98–100, Nr. 191. Vgl. auch die Darstellung in dem Aquarell von Paul Löbhart und Matthäus Waniek von 1817/19, Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. 1896_16_BI811_826. 177 Zit. nach Weiskern 1770 (zit. Anm. 24), 99. 178 Vgl. Leitner 1866–1870 (zit. Anm. 172), 30 f., Taf. XLIX, L, LI. 179 Vgl. Boeheim 1894–1898 (zit. Anm.  79), Bd.  1 (1894), 18, Taf.  XXXIII; Bd.  2 (1898), 13, Taf. XXXV–XXXVII. 180 Vgl. Bruno Thomas, Neues zum Werk des Eliseus Libaerts, in: Livrustkammaren 4, H. 11/12, 1948, 315–323 [= Thomas 1977 (zit. Anm. 3), Bd. 1, 719–727]. 181 Vgl. J[akob] H[einrich] v[on] Hefner-Alteneck, Original-Entwürfe deutscher Meister für Prachtrüstungen französischer Könige, München [1865], 6–8 sowie Taf. XIII und XVIII; Grosz – Thomas 1936 (zit. Anm. 150), 123, Nr. V/30. Zu den Münchner Harnischvorzeichnungen vgl. aktuell Olivier Renaudeau, Les Dessins de Munich. Un Grand Atelier Francais, in: Ausstellungskatalog Olivier Renaudeau – Jean-Pierre Reverseau – Jean-Paul Sage-Frénay, Sous l’égide de Mars. Armures des princes d’Europe, Paris (Musée de l’Armée) 2011, 176 f. 182 Vgl. Anm. 180. 183 Vgl. AK Paris 2011 (zit. Anm. 152), 284–287, Kat.-Nr. 63 (Olivier Renaudeau).

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Plattner; nähere Informationen zur Identität und Herkunft des Künstlers fehlen jedoch. Der „getribene Schwarze Khyriß“ war in Kasten 22 der kaiserlichen Rüstkammer aufgestellt. Beigegeben waren ihm eine halbe Rossstirn („mit mahler golt vergult“) sowie ein vergoldeter Schlittenbeschlag und ein Paar vergoldeter Sporen, die alle heute nicht mehr nachweisbar sind. Kasten Nr. 22 war darüber hinaus einer jener Schaukästen, die durch ein Raubkatzenfell („Ein tügerhaut mit gelben daffet gefuedert“ [113]) hervorgehoben waren.184 [198] Ein ganze roßbarschen von feiglfarben goltstuckh, ein vorbug, ein hindertheil, beederseits der kay. adler schw[arz], hoch erhebt gestückhet, ein par seitenbröder, ein khamp, ein ganz vergulte roßstiern, zwey zügl mit seidenen quasten und golt eingemengt, ein satl von solchen goltstuckh und mit vergulten satl beschlög, ein par vergulte stegreiff, ein zaum ohne biß und buggele, am haubt ain foderbuschen mit gelb und schw[arzen] födern. Fragment eines Rossharnischs für Kaiser Friedrich III., Lorenz Helmschmid, Augsburg, 1477; Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.Nr. A 69185 (Abb. 21) Der vorliegende Eintrag zum Rossharnisch Kaiser Friedrichs III. ist ein anschauliches Beispiel für die bisher wenig beachtete Vermengung der kaiserlichen Waffenbestände aus Wien und Ambras während des früheren 19. Jahrhunderts, d. h. schon vor ihrer Zusammenführung im Kunsthistorischen Museum in den Jahren 1888/89.186 Die Einbeziehung von Werken aus der Wiener kaiserlichen Rüstkammer in die Aufstellung der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere anlässlich des Wiener Kongresses 1814/15 ließ sich bisher nur schwer ergründen, da sie vor der bis dato frühesten bekannten Beschreibung der Wiener Rüstkammer (Leber 1846) stattgefunden hatte. Dies führte im 20.  Jahrhundert zum Teil zu Verwirrungen und Missverständnissen bezüglich der Provenienz einzelner Werke der Hofjagd- und Rüstkammer, nicht zuletzt jener des hier zu besprechenden Rossharnischs Friedrichs III.187 Der Rossharnisch Kaiser Friedrichs III. aus dem Wiener Zeughaus lässt sich seit den 1810er Jahren in der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere in Wien nachweisen. Er war hier mit dem 1806 aus Ambras nach Wien verbrachten Küriss Kaiser Maximilians I. von 1511 zu einer Reiterfigur zusammengestellt worden.188 Vor 1855 wurde dieser Mann-Ross-Garnitur zusätzlich der Rundschild Kaiser Maximilians I. von ca. 1505 beigegeben;189 dieser stammte ebenso aus der Ambraser Sammlung, ist aber zumindest in den frühen 1820er Jahren zeitweise in der Rüstkammer der Franzensburg in Laxenburg nachweisbar.190 Der Maler Carl Goebel (1824–1899) hielt im Jahr 1875 diese Zusammenstellung von Objekten aus Ambras (Küriss,

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Vgl. dazu unter Kapitel „Die Aufstellung der kaiserlichen Rüstkammer […]“. Vgl. Thomas – Gamber 1976 (zit. Anm. 3), 104 f. Vgl. auch die Diskussion des sogenannten Laternenschildes von Erzherzog Ernst, Eintrag [95]. Vgl. Bruno Thomas, Der Rossharnisch Kaiser Friedrichs III., mit einem heraldischen Beitrag von Alphons Lhotsky, in: Belvedere 13, H. 3–8, 1938/43, 191–203, hier: 193 [= Thomas 1977 (zit. Anm. 3), Bd. 2, 1103]. 188 Vgl. Primisser 1819 (zit. Anm. 169), 50, Nr. 5. Der bereits im 16. Jahrhundert aus zum Teil älteren Teilen zusammengesetzte Harnisch Kaiser Maximilians I. (Augsburg, Innsbruck, niederländisch, um 1495 bis 1511), heute in Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 110; vgl. Thomas – Gamber 1976 (zit. Anm. 3), 179–182. 189 Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.-Nr. A 163; vgl. Sacken 1855 (zit. Anm. 168), 102–104; Thomas – Gamber 1976 (zit. Anm. 3), 116 f.; Stefan Krause, Ein Rundschild aus dem Besitz des späteren Kaisers Maximilian I., in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums ­Wien 13/14, 2011/2012, 39–51. 190 Vgl. Johann Rupp, Einblick in den Waffensaal in der Franzensburg, um 1823, signiert unten rechts „Lith. v. Johan Rupp k. k./Hofbauplatz Controlor“, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Inv.-Nr. 449826B (vgl. den Schild in der Mitte der Wand).

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Abb. 21: Rossharnisch Kaiser Friedrichs III. ­Lorenz Helmschmid, Augsburg, 1477. Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und ­Rüstkammer, Inv.-Nr. A 69. (© KHM-Museumsverband.) Abb. 22: Carl Goebel, Die Rüstkammer I der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere in Wien. Datiert 1875. Wien, Österreichische ­Galerie Belvedere, Inv.-Nr. 2801. (© Wien, ­Österreichische Galerie Belvedere.)

Rundschild) und aus Wien (Rossharnisch) in einem seiner Aquarelle der Ambraser Sammlung fest (Abb. 22).191 [294] Zwey roth damaßkhene cornet oder standärth fändl ohne stangen, eines gemahlen, daß andere aber mit perlhaffter arbeith, mit gold, silber und seiden reichlichen gestickhet, an dem gemahlenen umb und umb weiß, schwarze undt roth seidene fransen, und an den gestickhten silber, roth und schwa[rze] seidene fransen und in dessen mitten ein jungfrau an ein felssen geschmidet. Standarte von Erzherzog Matthias als Gouverneur der Niederlande, datiert 1578; Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. 1930/22/254 (Abb. 23a und b) Besprochen sei hier nur eine der zwei 1678 beschriebenen „roth[en] damaßkhene[n] cornet oder standärth fändl“, nämlich die bestickte Fahne („mit perlhaffter arbeith, mit gold, silber und seiden reichlichen gestickhet“). Auf dieser Fahne fand sich die Darstellung einer „jungfrau an ein felssen geschmidet“, die sich mit dem jungen, spätereren Kaiser Matthias und einer im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien erhaltenen Fahne in Verbindung bringen lässt. Die Standarte des Heeresgeschichtlichen Museums zeigt auf der einen Seite das erzherzogliche Wappen mit den Emblemen des Ordens vom Goldenen Vlies (Andreaskreuz und Feuereisen). Auf der anderen Seite ist in einem hochovalen Bildfeld die im Inventar beschriebene Szene zu sehen – die an einen Felsen gekettete Andromeda mit dem Ungeheuer. In der Rahmung findet sich die Inschrift: „AMAT VICTORIA CVRAM 1578“.192 Die mythologische Szene der Errettung von Andromeda durch Perseus ist mit der kurzen Episode der kostspieligen und blamablen Statthalterschaft von Erzherzog (später Kaiser) Matthias in den Niederlanden von 1578 bis 1581 in Beziehung zu setzen. Matthias hatte in den späten 1570er Jahren im Alter von etwa 20  Jahren ­erfolglos versucht, sich gegen den Willen König Philipps  II. von Spanien in den ­Niederlanden als Vermittler im Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten zu

191 Zur Herkunft des Harnischs A 110 und des Rundschildes A 163 aus der Sammlung Erzherzog Ferdinands II. auf Schloss Ambras vgl. Laurin Luchner, Denkmal eines Renaissancefürsten. Versuch einer Rekonstruktion des Ambraser Museums von 1583, Wien 1958, 56. 192 „Amat Victoria Curam“ (Der Sieg liebt die Vorbereitung), Catull, Gedicht 62, Zeile 16; vgl. Peter Green, The poems of Catullus. A bilingual edition, Berkley et al. 2005, 124 f., Nr. 62, Zeile 16.

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Abb. 23a und b: Standarte von Erzherzog Matthias als Statthalter der Niederlande. Datiert 1578. Wien, Heeresgeschichtliches Museum, Inv.-Nr. 1930/22/254. (© Wien, Heeresgeschichtliches Museum.)

positionieren und so eine eigene Machtbasis aufzubauen.193 Die Darstellung der Errettung Andromedas vor dem Seeungeheuer Keto durch Perseus verwendete Matthias in jenen Jahren mehrfach als Verweis auf die von ihm angestrebte Rolle eines Befreiers der von Spanien unterdrückten Niederlande. Sie ziert etwa den Schild in Matthias’ Porträt als Publius Cornelius Scipio Africanus maior von Lucas van Valckenborch (datiert 1580).194 Desgleichen zeigt die goldene Medaille von Jacques Jonghelinck auf Erzherzog Matthias von 1581 auf der Rückseite ebenso diese Szene mit der Beischrift „AMAT VICTORIA CVRAM“ (Abb. 24b).195 Im Inventar von 1678 wird die Andromeda-Fahne in der zweiten Schublade liegend beschrieben. Aus diesem Grund ist die verdeckte Gegenseite, auf der das Wappen zu vermuten ist, nicht erwähnt. Ob es sich bei der Fahne im Heeresgeschichtlichen Museum um jene der kaiserlichen Rüstkammer handelt oder aber um ein anderes, nicht aus dem kaiserlichen Zeughaus stammendes Exemplar, ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Die Fahne im Heeresgeschichtlichen Museum kam erst 1930 dorthin, ist also nicht als Teil der kaiserlichen Sammlungen belegt, was allerdings auch nicht auszuschließen ist.196

193 Vgl. Walter Hummelberger, Erzherzog Matthias in den Niederlanden (1577–1581), in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 61 (N. F. XXV), 1965; Bern Rill, Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf, Graz – Wien – Köln 1999, 32–44. 194 Lucas van Valckenborch, Porträt Erzherzog (Kaiser) Matthias als Publius Cornelius Scipio Africanus maior, datiert 1580, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1022; vgl. Alexander Wied, Lucas und Marten van Valckenborch (1535–1597 und 1534–1612). Das Gesamtwerk mit kritischem Œuvrekatalog, Freren 1990, 149 f., Nr. 39. 195 Avers: Porträt Erzherzog Matthias mit Umschrift: „·MATTHIAS·D·G·ARCHI·AVST·D·BVRG·CO·TY·/·ANNO·1581·“, Gold, Dm. 31,4  mm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, Inv.Nr. 886bβ; vgl. Karl Domanig, Porträtmedaillen des Erzhauses Österreich von Kaiser Friedrich III. bis Kaiser Franz II. aus der Medaillensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 1896, Nr. 126 (das Wiener Exemplar, nur die Vorderseite abgebildet); Luc Smolderen, Jacques Jonghelinck, Sculpteur, médailleur et graveur de sceaux (1530–1606) (Université catholique de Louvain, Département d’archéologie et d’histoire de l’art, Numismatica Lovaniensia 15 = Publications d’histoire de l’art et d’archéologie de l’Université Catholique de Louvain XC), Louvain-la-Neuve 1996, 398, Nr. E 10, vgl. auch 396–398, Nrn. E 7–E 9 (1579–1580). 196 Vgl. Joh[ann] Christoph Allmayer-Beck, Das Heeresgeschichtliche Museum Wien. Saal I: Von den Anfängen des stehenden Heeres bis zum Ende des 17. Jahrhunderts (Führer durch das Museum, Bd. 2), Salzburg 1982, 58 f., Nr. 21. In den Akten des Heeresgeschichtlichen Museums gibt es keine näheren Angaben zur Herkunft der 1930 an das Museum gelangten Standarte.

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Abb. 24a und b: Medaille auf Erzherzog Matthias. Goldguss, 1581. Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, Inv.-Nr. 000886bβ. (© KHM-Museumsverband.)

SUMMARY

The two main sources of the rich holdings of the Kunsthistorisches Museum’s Imperial Armoury in Vienna are Ambras Castle near Innsbruck and the former imperial armoury in Vienna. Until now, there was but a meagre body of source material for the holdings in Vienna. However, a previously unknown inventory of Emperor Leopold I’s armoury at Stallburg Palace in Vienna from 1678 was recently discovered. This considerably expands our knowledge of seventeenth-century Habsburg holdings of parade arms and tournament armour. The paper makes this seminal archival find – transcribed in its entirety and with an introduction – available for further scholary research. The inventory informs us that in the late seventeenth century the imperial armoury in Vienna still comprised core holdings dating from the second half of the sixteenth century; housed in the attic of Stallburg Palace, they were continually enriched by the edition of further dynastic mementos, tournament armour and war trophies. The inventory also suggests that parts of the armoury of Leopold I were already installed as an ancestral gallery, which eventually was to provide the basis for the “gallery of ancestors and heroes” installed at the imperial Arsenal in Vienna’s Renngasse in the middle of the eighteenth century. One of the seminal findings on still extant objects listed in this inventory is the attribution of the so-called Laternenschild, a mannerist fencing shield with an oil lamp now in the Kunsthistorisches Museum to Archduke Ernest (1553–1595); the inventory records that in 1571 Ernest brought this shield back from Spain when he returned to Vienna with his brother Rudolf (II) (1552–1612) after the end of their sojourn at the court of King Philip II (1527–1598).

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Mario Döberl

Einleitung zur Quellenedition ENTSTEHUNGSHINTERGRUND DES INVENTARS DER KAISERLICHEN RÜSTKAMMER

Die Entstehung und Überlieferung des mit 1.  Jänner 1678 datierten kaiserlichen Rüstkammerinventars steht in engem Zusammenhang mit der wenige Wochen zuvor erfolgten Übernahme des Oberststallmeisteramts durch Ferdinand Bonaventura Graf Harrach. Aus diesem Grund scheint es angezeigt, zunächst einen kurzen Blick auf seine Biografie zu werfen und einige frühe Stationen seiner Ämterlaufbahn zu skizzieren. Ferdinand Bonaventura Graf Harrach (1636–1706)1 gehörte derselben Generation wie Kaiser Leopold I. (1640–1705) an und zählte bereits frühzeitig zu dessen engsten Vertrauten. Seine Karriere am Kaiserhof setzte sich schon bald nach der 1657 erfolgten Herrschaftsübernahme des Monarchen in Gang. Er wurde Anfang 1658 zum Kämmerer ernannt und nahm einige Monate später an der Reise zur Wahl und Kaiserkrönung in Frankfurt teil. Nach der Rückkehr von einem Spanienaufenthalt, während dem Harrach 1661 in Madrid Johanna Theresia von Lamberg geheiratet hatte und in den erlauchten Kreis der Vliesordensritter aufgenommen worden war, trat er 1663 in Wien dem Reichshofratsgremium bei. In den darauffolgenden Jahren kam Harrach mehrmals für ehrenvolle diplomatische Missionen zum Einsatz. So reiste er 1665 nach Madrid, wo er der kaiserlichen Braut Margarita Teresa im Namen Leopolds I. Kleinodien überreichte. Im Jahr 1669 wurde er gleich zweimal ins Ausland entsendet. Er vertrat damals sowohl den Kaiser in Paris bei der Taufe des zweitgeborenen Sohns Ludwigs XIV. als Pate, als auch den spanischen König bei der Aufnahme des polnischen Monarchen in den Orden vom Goldenen Vlies. In Wien verwaltete Harrach ab 1671 für wenige Jahre interimistisch das Amt des kaiserlichen Obersthofmarschalls. Als ihn Leopold I. im Jahr 1673 mit dem politisch einflussreichen Botschafterposten in Spanien betraute, bedeutete dies einen vorläufigen Höhepunkt seines höfischen Werdegangs. Nachdem Harrachs rund vierjährige diplomatische Mission in Madrid 1677 zu Ende gegangen war, traf er nach mühseliger, etwas mehr als sechs Wochen dauernder Rückreise von Spanien am 17. November des Jahres in den frühen Morgenstunden in Wien ein.2 Trotz seiner langen Abwesenheit vom kaiserlichen Machtzentrum musste Harrach sich damals nicht um eine standesgemäße Reintegration in das Machtgefüge der Residenzstadt zu sorgen, hatte doch Leopold I. selbst rechtzeitig die Weichen für den 1

Abb. 25: Inventarium über der röm[isch] kay. May. […] allerley rüstungen, 1. Jänner 1678. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Abt. All­ gemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Hs. 314, fol. 156v–157r. (© Wien, ­Österreichisches Staatsarchiv.)

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Zu Ferdinand Bonanventura Graf Harrach siehe u. a. A[rnold] Gaedeke, Das Tagebuch des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach während seines Aufenthaltes am spanischen Hofe in den Jahren 1697 und 1698. Nebst zwei geheimen Instructionen, in: Archiv für österreichische Geschichte 48, 1872, 163–302, bes. 167–169; Ferdinand Menčik, Ferdinand Bonaventura Graf Harrach: Tagebuch über den Aufenthalt in Spanien in den Jahren 1673–1674, Wien 1913, bes. II–IV; Hermann Kellenbenz, Harrach, Ferdinand Bonaventura, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 7, Berlin 1966, 698 f.; Stefan Sienell, Die Geheime Konferenz unter Kaiser Leopold I. Personelle Strukturen und Methoden zur politischen Entscheidungsfindung am Wiener Hof (Beiträge zur Neueren Geschichte Österreichs, Bd. 17), Frankfurt a. M. 2001, 191 f.; Zdislava Röhsner, Die Reise des Ferdinand Bonaventura von Harrach nach Madrid 1665, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 53, 2009, 9–26; Veronika Hyden-Hanscho, Ego-Netzwerke zwischen Paris und Wien. Kunstvermittlung im 17. Jahrhundert am Fall Bergeret, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 23, 2012, 72–98; Veronika Hyden-Hanscho, Reisende, Migranten, Kulturmanager. Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730 (Vierteljahresschriften für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte, Bd. 221), Stuttgart 2013. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Hs. 6/2, fol. 414r–415r.

nächsten Karriereschritt gestellt: Am 22. November, also nur wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Spanien, konnte Harrach bereits den Eid als „lengst resolvirter“ kaiserlicher Oberststallmeister ablegen,3 ein Amt, das er schließlich mehr als zwei Jahrzehnte lang bekleiden sollte. Die Ernennung zum Oberststallmeister bedeutete für Harrach, dass er fortan einem der vier mächtigsten Ämter des kaiserlichen Hofstaates vorstand, dem zum damaligen Zeitpunkt 286  Hofdiener zugeordnet waren.4 Als Oberststallmeister war er nicht nur für die Erziehung der Edelknaben – der zukünftigen politischen Elite des Landes – zuständig, sondern verantwortete auch das Funktionieren des Hofmarstalls mit seinen zahlreichen Abteilungen, zu denen unter anderem die vielen Reitund Zugpferde, die Hofgestüte, die Reitschule, unterschiedlichste Transportmittel wie Kutschen, Karossen, Sänften, Tragsessel, Schlitten und Leibschiffe, weiters die Sattel-, Gewehr- und Zeltkammer und nicht zuletzt die Rüstkammer gehörten.5 Nach mehrjähriger Absenz musste Harrach zunächst seinen eigenen Wiener Haushalt und sein Leben am Kaiserhof neu organisieren, alte Kontakte pflegen und neue Verbindungen knüpfen. Wenn es seine vielfältigen Verpflichtungen zuließen, versuchte er in den Wochen nach seinem Amtsantritt jedoch auch Schritt für Schritt die unterschiedlichen Abteilungen seines neu übernommenen Aufgabenbereichs kennenzulernen. Dies lässt sich – zumindest punktuell – seinen Tagebucheintragungen entnehmen. Darin hielt er beispielsweise unter dem 24. November 1677 einen Besuch in der kaiserlichen Reitschule fest, wo ihm der Oberbereiter mit mehreren Schulpferden verschiedene Übungen vorführte. Unmittelbar danach ging Harrach in den Spanischen Stall, um sich ein persönliches Bild von den 90 dort eingestellten Pferden zu machen.6 Nur zwei Tage später begutachtete er die für den exklusiven Gebrauch des Kaisers bestimmten Zugpferde.7 Die sogenannte „Gestickte Sattelkammer“, in der unter anderem reich bestickte Pferdedecken, kostbare Sättel, Reit- und Zuggschirre sowie Tragsessel aufbewahrt wurden, inspizierte er am 13. Dezember,8 und tags darauf stattete er dem kaiserlichen Stallgebäude in der Teinfaltstraße einen Besuch ab.9 Zwar erwähnt Harrach in seinem Tagebuch keinen Besuch der kaiserlichen Rüstkammer, es scheint aber dennoch wahrscheinlich, dass er in den ersten Wochen nach seinem Amtsantritt auch die Objekte dieser ihm nun unterstehenden Einrichtung in Augenschein nahm. Offenbar um einen umfassenden Überblick über die ihm überantworteten Gegenstände zu erhalten, ließ Harrach schon bald, nachdem ihm der Hofmarstall anvertraut worden war, Inventuren in den unterschiedlichsten Marstallbereichen durchführen. Davon zeugt eine größere Zahl von erhaltenen Inventaren aus unterschiedlichen Stallabteilungen, die allesamt mit 1.  Jänner 1678 datiert sind. Von diesen Objektverzeichnissen wurden für den Amtsgebrauch jeweils drei Originale ausgefertigt, von denen das Hofkontrolloramt und das Hoffuttermeisteramt je ein Stück ausgehändigt bekamen. Das dritte Exemplar aber wurde an den jeweiligen Aufbewahrungsorten selbst bzw. bei den direkt für die Objektgruppen zuständigen Hofdienern deponiert, also beispielsweise das Inventar der Rüstkammer dortselbst oder das Sänfteninventar beim Sänftenmeister. Für den Oberststallmeister waren keine Originalausfertigungen der Inventare vorgesehen. Allem Anschein nach wurden je3 4 5

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Ebenda, fol. 417r–418r; Sienell 2001 (zit. Anm. 1), 192. Verzeichnis des kaiserlichen Hofstaats von 1678, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Cod. 12388, fol. 24r–25r. Zu den Aufgaben des Oberststallmeisters und zur Geschichte der kaiserlichen Hofstallungen in der Frühen Neuzeit siehe zuletzt Mario Döberl, The royal and imperial stables of the Austrian Habsburgs during the early modern period: a general survey with specific reference to the Spanish influence, in: Juan Aranda Doncel – José Martínez Millán (Hgg.), Las Caballerizas Reales y el mundo del caballo, Córdoba 2016, 197–232. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Hs. 6/2, fol. 418r–v. Ebenda, fol. 419v. Ebenda, fol. 423v. Ebenda, fol. 424r.

doch sowohl für ihn als auch für den Obersthofmeister routinemäßig Abschriften der Inventare zum persönlichen Gebrauch hergestellt.10 Diese Abschriften bildeten wohl auch den Grundstock des Inventarbands, in dem sich das Rüstkammerinventar von 1678 befindet.

AUFBEWAHRUNG

Der Inventarband ist Teil des Familienarchivs Harrach. Dieses wird als Depositum im Österreichischen Staatsarchiv in Wien aufbewahrt. Der genaue Quellenstandort lautet: Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Handschrift 314.

BESCHREIBUNG DES INVENTARBANDES

Einband: Rotes Papier über Karton; der Buchrücken ist mit Pergament überzogen und verstärkt. Das Format der beiden Deckel beträgt ca. 31 x 21 cm (H. x B.). Die maximale Dicke des Bandes beläuft sich auf rund 4,5 cm. Signaturen, Vermerke und Beschriftungen: Der Rücken des Einbandes trägt im oberen Bereich die durchgestrichene ältere Signatur „No 71.“ sowie die ebenfalls durchgestrichene Jahreszahl „1657.“. Darunter befindet sich die die Signatur „No 28.“ Der in großen Buchstaben quer über den Einbandrücken geschriebene Bandtitel lautet „Hof-Inventaria.“ Ein Klebeetikett mit der derzeit gültigen Signatur „FA HARRACH HANDSCHRIFTEN NR. 314“ ist darunter angebracht. Auf der Innenseite des Vorderdeckels ist in die linke obere Ecke ein älteres Etikett eingeklebt, worauf die Zahl „226“ vermerkt ist, die durchgestrichen und durch die darüber gesetzte Zahl „314“ ersetzt wurde. Nahe des unteren Deckelrandes wurde mit blauem, stumpfem Stift eine kaum zu entziffernde Zahl („22“?) festgehalten. Auf fol. 2r ist im oberen Bereich das Ex-Libris „EX BIBLIOTHECA PRUGGENSI“ gestempelt, das auf den früheren Aufbewahrungsort der Handschrift, die Bibliothek von Schloss Prugg in Bruck an der Leitha (Niederösterreich) verweist.11 Direkt über dem Stempel ist handschriftlich die alte Signatur „Nro 210“ hinzugefügt. In die rechte obere Ecke dieser Seite wurde mit roter Tinte die Zahl „211.“ gesetzt. Knapp darunter befindet sich die mit Bleistift beigefügte Signatur „Hs. 314“. Fol. 3v weist den Vermerk „E — 4“ auf, wobei sich über dem langen Bindestrich die Zahl „71.“ findet. Blattnummerierung: Der Band wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt auf den Rectoseiten rechts oben unvollständig foliiert. Im Jahr 2009 erfolgte eine von dieser älteren Foliierung abweichende, durchgehende Neufoliierung am rechten unteren Rand der Blattvorderseiten, wobei auch die beiden Deckel des Codex in die Zählung miteinbezogen wurden. Allein diese 218 Blatt umfassende Neufoliierung ist für die vorliegende Quellenedition von Relevanz. Bindungsfehler: Durch ein bei der Bindung unterlaufenes Missgeschick wurden einige Blätter des hier im Zentrum des Interesses stehenden Rüstkammerinventars irrtümlich falsch gereiht. Dank der im Inventar verwendeten laufenden Nummern lässt sich dieser Fehler aber eindeutig ausmachen. Für eine korrekte Lektüre des Inventars folgen im Anschluss an fol. 203 die Blätter 206, 205 und 204. Im Anschluss daran setzt der Text schließlich mit fol. 207 fort. Um den Lesefluss nicht zu stören, wurde in der Quellenedition der Bindungsfehler stillschweigend richtiggestellt.

INHALT DES INVENTARBANDES

Der Band beinhaltet folgende neun chronologisch geordnete Inventare aus dem Amtsbereich des kaiserlichen Oberststallmeisters: Inventar der „Gestickten“ Sattelkammer vom 1.  Jänner 1657 (fol.  4r–21r); Inventar der Hofmarstalls-Notdurften, 10 Vgl. die Instruktion für den kaiserlichen Hoffuttermeister aus den Jahren 1663/65. Jakob Wührer – Martin Scheutz, Zu Diensten Ihrer Majestät. Hofordnungen und Instruktionsbücher am frühneuzeitlichen Wiener Hof (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd.  6), Wien – München 2011, 598. 11 Das Schloss befindet sich bis heute im Besitz der Familie Harrach.

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worunter einfachere Sättel, Zäume und ähnliches subsummiert wurden, vom 1. April 1661 (fol. 22r–24r); Inventar der Büchsenkammer vom 1. April 1661 (fol. 25r–44v);12 Inventar der Zeltkammer vom 1. Jänner 1678 (fol. 50r–56v);13 Inventar der kaiserlichen „Gestickten“ Sattelkammer vom 1. Jänner 1678 (fol. 58r–98r);14 Inventar der Büchsenkammer vom 1. Jänner 1678 (fol. 100r–131r);15 Inventar der Sänften vom 1. Jänner 1678 (fol. 134r–144r);16 Inventar der Hofmarstalls-Notdurften vom 1. Jänner 1678 (fol. 146r–153r); und schließlich das Inventar der kaiserlichen Rüstkammer vom 1. Jänner 1678 (fol. 154r–214v)17 (Abb. 25). Die Inventare wurden in drei Etappen während eines Zeitraums von insgesamt 19 Jahren angelegt. Eines der Inventare datiert vom 1. Jänner 1657, zwei Inventare vom 1. April 1661 und sechs Inventare vom 1. Jänner 1678. Bei all diesen Bestandsverzeichnissen handelt es sich um Abschriften der Originalinventare. Auch wenn die Handschriften der einzelnen Inventare einander zum Teil – dies gilt vor allem für jene des Jahres 1678 – stark ähneln, scheinen sie doch von neun unterschiedlichen Schreibern verfertigt worden zu sein. Die sechs von 1678 datierenden Inventare stammen allesamt vom Beginn der Amtszeit des Oberststallmeisters Ferdinand Bonaventura Graf Harrach. Warum dem Band auch noch drei ältere Inventare beigebunden sind und weshalb gerade diese, ist unklar. Das Inventar vom 1. Jänner 1657 stammt noch aus der Regierungszeit Kaiser Ferdinands III. und wurde unter dem damaligen Oberststallmeister Franz Albrecht Graf Harrach angelegt, einem Onkel von Ferdinand Bonaventura. Franz Albrecht war nach dem frühen, 1639 erfolgten Tod von Ferdinand Bonaventuras Vater Otto Graf Harrach für die Erziehung seines Neffen teilverantwortlich18 und möglicherweise ist die Tatsache, dass sich im Band auch ein Inventar aus seiner Amtszeit befindet, diesem Naheverhältnis zu Ferdinand Bonaventura geschuldet. Die beiden Inventare von 1661 entstanden hingegen in den Jahren, in denen Gundaker Graf Dietrichstein dem Marstall vorstand (1658–1675). Es ist anzunehmen, dass die Abschriften der verschiedenen Inventare gleichzeitig mit der Erstellung der jeweiligen Originalausfertigungen angefertigt wurden. Darauf deuten drei Randvermerke19 in einem der am 1. Jänner 1678 angelegten Inventare des Bandes hin, denn diese Vermerke sind jeweils mit 9. Jänner 1679 datiert und wurden bereits von anderer Hand als der Rest des Inventars verfasst.

EXKURS: WIE HÄUFIG WURDEN RÜSTKAMMERINVENTARE ANGELEGT?

Aus der Auflistung der im Band vorhandenen Inventare wird ersichtlich, dass von den Inventaren der „Gestickten“ Sattelkammer, der Hofmarstall-Notdurften und der Büchsenkammer jeweils zwei Ausfertigungen aus unterschiedlichen Jahren vertreten sind. Zwischen den jeweiligen Versionen liegen 21 bzw. rund 16 Jahre. Möglicherweise wurden in der Zwischenzeit aber auch noch weitere Inventare der jeweiligen Stallabteilungen angelegt, denn die Marstallinventare – und so auch die

12 Eine Edition dieses Inventars ist in Vorbereitung und soll in einem der nächsten Bände des Jahrbuchs des Kunsthistorischen Museums Wien erscheinen. 13 Von diesem Inventar liegt bereits eine Edition vor: Mario Döberl, Ferne Welten im Spiegel von Zelten. Die Kaiserliche Zeltkammer im Jahr 1678, in: Waffen- und Kostümkunde 53/1, 2011, 43–62. 14 Auszüge daraus wurden publiziert in Mario Döberl, Der Fuhrpark Kaiser Leopolds I. Teiledition der Wiener Hofmarstallinventare von 1678, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 12, 2010, 276–309, hier: 302 f. 15 Auch dieses Inventar soll in der oben erwähnten, in Vorbereitung befindlichen Edition des Büchsenkammerinventars von 1661 Berücksichtigung finden. 16 Eine vollständige Edition dieses Inventars findet sich in Döberl 2010 (zit. Anm. 14), 303–305. 17 Von diesem Inventar wurde bislang nur ein kurzer Auszug ediert, in dem Tragsessel, Schlitten und Wagen erwähnt sind: Döberl 2010 (zit. Anm. 14), 305. Ein weiteres am 1. Jänner 1678 erstelltes Inventar, nämlich jenes der Untersattelkammer, das unter anderem die kaiserlichen Wagen und Schlitten beinhaltet, findet sich in einem anderen Inventarband des Familienarchivs Harrach. Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Hs. 223. Dieser Inventarband wurde bereits auszugsweise publiziert in Döberl 2010 (zit. Anm. 14), 295–302. 18 Röhsner 2009 (zit. Anm. 1), 9. 19 Fol. 66r, 68r und 79r.

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Inventare der Rüstkammer – sollten ordnungsgemäß gegen Ende jedes Jahres neu verfasst oder wenigstens auf ihre Richtigkeit überprüft und entsprechend aktualisiert werden.20 Ob dies auch tatsächlich wie vorgeschrieben geschehen ist, bleibt höchst fraglich.21 Fest steht aber, dass zumindest für die Rüstkammer, die hier im Zentrum des Interesses steht, relativ viele Inventare in verhältnismäßig kurzen Abständen angelegt wurden und auch noch Jahrzehnte nach ihrer Erstellung existierten. So befanden sich beispielsweise im Nachlass des 1767 verstorbenen Hoffuttermeisters Franz Carl Anton von Dullac unter anderem „7 stk. rüst cammer inventaria von a[nn]o 1690 bis 1744“ sowie „1 orig. übergabs inventarium der rüst cammer an das k. k. zeig haus in Wienn de a[nn]o 1749“.22 Leider müssen diese zahlreichen Inventare derzeit aber als verschollen oder verloren gegangen betrachtet werden. Es liegt auf der Hand, dass die Einträge zu den einzelnen Objekten nicht jedes Mal neu formuliert, sondern dass bei der Erstellung neuer Inventare entsprechende Passagen wohl aus älteren Inventaren wörtlich übernommen wurden. Dafür finden sich auch Hinweise im Rüstkammerinventar von 1678, beispielsweise in mehreren Einträgen [44, 59, 62, 95, 296, 302, 352 und 381], die aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bzw. den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts stammende Informationen enthalten, welche bis 1678 wohl in Vergessenheit geraten wären, hätten sie sich nicht bereits in Vorgängerinventaren befunden. Daraus folgt jedoch auch, dass im Inventar von 1678 zu findende Formulierungen, die sich auf das Alter oder den Erhaltungszustand der Objekte beziehen, nicht zwangsläufig den aktuellen Status reflektieren müssen, sondern fallweise auch einen früheren Zustand beschreiben können.

EDITIONSREGELN

Die Editionsregeln folgen im Wesentlichen jenen, die auch bei anderen Quelleneditionen23 des Jahrbuchs zur Anwendung kamen: Die Textwiedergabe erfolgt buchstabengetreu. Als Ausnahme von dieser Regel werden die Buchstaben i, j, u, v und w ihrem Lautwert entsprechend wiedergegeben. Mit Ausnahme von Satzanfängen, Eigennamen, Monatsnamen, Worten wie Majestät u. ä. gilt der Grundsatz der Kleinschreibung. Zusammengesetzte Wörter sind in der originalen Schreibweise belassen. Worttrennungen werden nur vorgenommen, wenn dadurch das Verständnis des Textes erleichtert wird. Die originale Interpunktion wird, wenn möglich, beibehalten. Wo es zum besseren Verständnis notwendig ist, wird die Interpunktion den heute geltenden Regeln angepasst. Abkürzungen, die als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können (kay., May., durch. etc.), bleiben erhalten. Ihre Auflösung ist dem der Edition nachgestellten Abkürzungsverzeichnis zu entnehmen. Im Original ausgeschriebene Zahlen über zwölf werden mit arabischen Ziffern wiedergegeben. Eckige, kursiv gesetzte Klammern bezeichnen Einfügungen des Bearbeiters, in runden Klammern stehende Textpassagen entsprechen der Einschaltung im Originaltext. Erläuterungen zum Originaltext sind prinzipiell kursiv wiedergegeben. Eindeutig unbeabsichtigte Irrtümer im Originaltext (Wortwiederholungen, Buchstabenaus­ lassung, Verschreibungen) werden im Text korrigiert, in seltenen Fällen mit [sic] 20 Vgl. z. B. entsprechende Passagen in den Instruktionen für den kaiserlichen Oberststallmeister von 1625, in jener für den kaiserlichen Hofkontrollor von 1643 und in jener für den kaiserlichen Hoffuttermeister von 1663/65 und 1673. Wührer – Scheutz 2011 (zit. Anm. 10), 486, 539, 598; Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Karton 797, Konvolut „Instruktion für den Hoffuttermeister 1673“, unfol. 21 Ein Beispiel aus späterer Zeit lässt Zweifel daran aufkommen, dass in den Hofstallungen tatsächlich stets nach Vorschrift in Jahresabständen Inventare angelegt oder zumindest à jour gehalten wurden. Oberststallmeister Trauttmansdorff schrieb etwa 1816, dass für seinen Amtsbereich seit zwanzig Jahren ordentliche Inventare fehlten. Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz II./I., Wien 1816 September 1; Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Oberststallmeisteramt, B, Karton 25, Zl. 1298/ex 1816, fol. 375r–v, 386r–v. 22 Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Oberststallmeisteramt, SR, Karton 100, Fasz. 11, unfol. 23 Vgl. Herbert Haupt, Kaiser Rudolf II. Kunst, Kultur und Wissenschaft im Spiegel der Hoffinanz. Teil II: Die Jahre 1596 bis 1612, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 10, 2008, 227–399, hier: 229.

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g­ ekennzeichnet. Überschriften werden fett gedruckt. Seitenwechsel im Originaltext werden durch das Einfügen der entsprechenden Folio-Angabe in fetter, kursiver Schrift in eckiger Klammer angemerkt. Um Zitierungen zu erleichtern, wird den Einzelobjekten bzw. Objektgruppen eine im Original nicht vorhandene laufende Nummer vorangestellt.

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Quellenedition Transkribiert und erläutert von Mario Döberl

Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familien­ archiv Harrach, Hs. 314, fol. 154r–214v. [fol. 154r] Inventarium über der röm[isch] kay. May.1 unßers allergnädigsten herrns etc. allerley rüstungen sambt deroselben zuegehörigen notturfften, welche auff gnädigen befelch höchsternennt ihrer kay. May. gehaimben rath und obristen hoffmaistern, herrn herrn Johann Maximilian graffen von Lamberg etc.2 wie auch dero obristen stallmaistern, herrn herrn Ferdinandt Bonaventurae graffen von Harrach etc.3 durch den kay. hoff contralorn Casparn Aman4, in beysein deß kay. hoff fuettermaisters Johann Khreinitz5 ordentlichen beschriben und dero rüstmaistern Davidt Ignatio Möltzer6 widerumben auf weittere verantwortung anverthraut worden, den ersten January anno 1678. [fol. 155r] Volgt erstlichen, waß sich in denen numerierten kästen befündet. Kasten. No 1. [1] Ein khüriß mit einem vergulten fluß und blech, ein helmblin mit dem mandtl, ruckhen, brust und ringkhragen an einander, ein par tiegling, ein par schienen, und mit den schuechen, ein par achseln, ein par armbzeug, ein par handtschuech, ein par scheibl, ein rundeln, ein übriges par achseln, ein halbe roßstiern, ein beschlög auff einen satl, zwo sturmbhauben, alles der zier nach vergult, auff dem helmblin ein gelber federbuschen. [2] Ein alte lewenhaut. [fol. 155v] No 2. [3] Ein weisser harnisch, eingetruckht und streimbweiß vergult, ein gättertes helmblin, ringkhragen, ruckhen und brust, ein par achseln, mit ihren auffwürff, ein par armbzeug, ein kurz par handtschuech, ein kurz par achseln, ein par tiegling, ein ganz par schienen und schuech, ein guldenes gerüst, darbey zwey beschlächt auff einen satl, ist des königs Leslio7 gewest. 1 2 3 4

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Kaiser Leopold I. (1640–1705). Johann Maximilian Graf Lamberg (1608–1682), kaiserlicher Obersthofmeister 1675–1682. Ferdinand Bonaventura Graf Harrach (1636–1706), kaiserlicher Oberststallmeister 1677–1699. Caspar Aman (um 1614–1699), kaiserlicher Hofkontrollor um 1660–1696. Digitale Datenbanken des Forschungsprojekts Die Wiener Hofgesellschaft während der Regierungszeit Kaiser Leopolds I. (1657– 1705) (http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx; letzter Zugriff: 18.7.2017; fortan: „Digitale Datenbanken Hofgesellschaft Leopolds I.“). Johann Khreinitz (um 1631–1691), kaiserlicher Futtermeister um 1674–1687. Digitale Datenbanken Hofgesellschaft Leopolds I. (zit. Anm. 4). David Ignatio Möltzer (um 1641–1689), kaiserlicher Rüstmeister (nachweisbar bis 1685) und Bereiter. Digitale Datenbanken Hofgesellschaft Leopolds I. (zit. Anm. 4). Wahrscheinlich Ladislaus „Postumus“ (1440–1457), Herzog von Österreich und König von Ungarn und Böhmen.

[4] Ein weiß krazter harnisch mit vergulten strichen, ein helmblin, ruckhen und brust und rüngkhragen, ein par achseln, ein par armbzeug, ein par kleine täschl, ein par tiegling, ein par halbe schienen, und ein par handtschuech. [5] Item ein weiß krazter harnisch mit vergulden strüchen, sambt hinter- [fol. 156r] und vorder theil, ein helmblin, ein par achseln, ein par armbzeug, ein par lange peintaschen, zwey scheibl, ein gerist. [6] Ein tigerhaut. No 3. [7] Ein vergulter weiser khempf khüriß, ein helmblin mit spizen, ein ringkhragen, ruckhen und brust hinten und vorn, ein kempfschurz, ein par tiegling, schünn und schuech aneinander, ein par achsel, mit ihren auffwurff, ein par armbzeüg, ein par händtschuech, ein rundeln, ein beschlög auff einen satl, auff dem helmblin ein gelbe föderen, funff degen, ein rapier sambt denen schaiden und versilberten kreüzen, undt einen schrauffspanner. [fol. 156v] [8] Ein alte tigerhaut mit gelben dopeldaffet gefüedert. No 4. [9] Ein khüriß vergult über die balla [sic], ein helmblin, ruckhen und brust mit seiner tarschetta, ein schifftung, brust, ein par armbzeüg, ein par achsel, ein stechhandtschuech, ein gefüngerter handtschuech, ein par stechtäschl, ein par tiegling, ain par schünn und schuech, ain achselstuckh, ain schifftung buckhl, ain halbe roßstiern, ein beschlög auff einem satl, und auff dem helmblin ein gelber föderbuschen. [10] Ein tigerhaut mit rother leinbath gefüedert. No 5. [11] Ein zug weiß vergulter khüriß, über die ballia, erstlichen ein ganz [fol. 157r] helmblin sambt ruckhen und brust, ein sturmbhauben, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par schünnen und schuech, zwey kleine achseln, ein par armbzeug, ein par stechhändtschuech, undt ain gefüngerter handtschuech, ein schifftung buckhl, ain vergultes gerüst, und ein schrauffspanner. [12] Item befinden sich annoch in disem kasten ubrige stuckh, welche zu den khüriß so a[nn]o [15]94 den 24. Appril gehn Prag geschickhet worden8 gehörig, alß ein pärtl zu einem helmblin, ein durchsichtige guppen uber einen helmb, ein satl beschlög, zwo brechscheiben mit vergulten strichen, ein lang und ein kurz regiment von gemainen holz, an den langen zwey quasten von blauer seiden und golt vermengt. [fol. 157v] [13] Ein tigerhaut mit rothen atleß gefüedert.

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Kurze Zeit später brach Kaiser Rudolf II. von Prag zum Reichstag nach Regensburg auf. Dort hielt er am 18. Mai 1594 seinen feierlichen Einzug.

No 6. [14] Ein zugweiß vergulter khüriß, alß ein helmblin, rinckhkhragen, ruckhen und brust, zwo achseln, zwen armzeüg, zwey kurze handtschuech, zwey kleine täschl, ein par tiegling, zwey halbe schünnen, ain achsel stuckh, ein schifftung buckhels, ein vergultes gerüst, ein r[e]g[imen]t von indianischen holz, mit einer silbern und seidenen schnuer, dan ein vergultes par sporen und ein khüriß spaner. Ubrige stuckh so in disem kasten sich befinden. [15] Ein helmblin, ain pärtl, ein brechscheiben, ein satl beschlög, ein par achseln, sambt denen armbzeügen [fol. 158r] mit ihren auff würffen, ein schifftung achsel, ein handtschuech, ein par schuech meüller, zwey scheibeln, ein halbe schünnen, ein halbe roß stiern, darauff ein gelber föderbuschen. [16] Ein alte tigerhaut mit blauer leinbath gefüedert. No 7. [17] Ein vergulter khüriß über die ballia, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein par händtschuech, ein par khurze taschen, ein par tiegling, ein par schünnen und schuech, ein schifftung brust mit den taschen, ein tarschetta, ein stechparth, ein achsel schildt, ein schifftung buggele, ein stechhandtschuech, ein sturmbhauben mit schwarzen samet überzogen, ein regiment von gemainen [fol. 158v] holz mit einer silbern und seiden schnuer. [18] 14 thurnier schwerdter ohne scheiden und [19] zwey degen mit den scheiden. [20] Ein von schaben zerfressene tigerhaut. No 8. [21] Ein khüriß zum ballia rennen vergoldt, von allerley zügen undt bluembwerch, ein helmblin, ruckhen und brust, ein par achsel, ain par armbzeüg, ein par khurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein achsel stuckh, ein schifftung puckhel, ein stechhandtschuech, zwey andere handtschuech, ein kleines stickhel über ain achsel, ein halbe roß stiern, zwey gerüst und zwey [fol. 159r] brechscheiben, zwey satl beschlög, ein degen und ein dolch vergult, in einer schwarz sameten schaiden, ein regiment von indianischen holz, mit einer silber und goldenen schnuer, ein scherfflin von gemainen holz, mit blau seiden- und goldt vermengten quasten. [22] Ein von schaben zerfressene tügerhaut mit blauer leinbath gefüedert. No 9. [23] Ein weisse fueß thurnier rüstung mit vergulten strichen, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achsel, ein par armbzeüg und ein par händtschuech. [24] Mehr ein Meyländische9 schwarze rüstung mit bluemb- und gefliglwerch, an der zier verguldt, ein sturmbhauben, hinter- und [fol. 159v] vordertheill, ein par achsel, 9

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Aus Mailand stammend.

ein par armbzeug, ein par peintaschen und ein par händtschuech, ein rundeln umb und umb mit blau seiden und goldt vermengten fransen. [25] Item ein zugweiß vergulte rüstung, ein vißierhauben mit einen pärtl, ruckhen, brust und ringkhragen, die brust mit einem gerüst, ein par kurze täschl, ein par achsel, ein dopelts stuckh auff die linkhe achsel, ein schifftung buggele, ein vergultes par sporen, ein übrig ganz vergulter hälmblin, mit ein gätterten vißier, mehr ein ubriges gättertes vißier, ein ubriges partl, alles vergult, ein schwarz sametener huett mit goldenen schnierlen brämbt, mit schwarz und gelben födern. [26] Ein alte tigerhaut. [fol. 160r] No 10. [27] Ein fueß thurnier rüstung zugweiß vergult, ein helmblin mit einen mandl, ruckh­ en, brust, und ringkhragen, ein par achseln, ein par armbzeug, ein übrige vißier, ein sturmhauben und ein par handtschuech. [28] Mehr von obgemelter arbeith zwey beschlög zu einem satl, ein rothsametes khüriß schürzl, uber und uber mit klein goldenen fränßlein brämbt. [29] Ein blaues scherfflin mit zwey seithen quasten, mit blauer seiden und golt eingetragen. [30] Ein schlechtes regiment von holz. [31] Sechs degen mit denen schaiden und versilberten gefässen. [fol. 160v] [32] Ein tügerhaut mit weißer leinbath gefüedert. No 11. [33] Ein weiß pallierter khüriß mit vergulten strichen und guldenen vellus zu ballia rennen, ein helmblin mit einen gelben föder buschen, ruckhen, brust und ringkhragen, ein gerüst, ein par khurze täschl, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par tiegling, ein par schünen und schuech, ein handtschuech. [34] Item ein ubriges par achseln mit vergulten strichen, ein par armbzeüg, ein sturmb­hauben, ein halbe roßstiern, zwey vergulte helmblin, sambt den mantl, ein part, ein gerüst, zwey weiß pallierte schuech meiller, ein schlechtes schwert sambt der schaiden. [fol. 161r] [35] Ein regiment von indianischen holz, mit einer seiden und golt, auch silber eingetragenen schnuer. [36] Ein harlosse lewenhaut. [37] Mehr ein khüriß mit der ballia zum frey rennen, mit kriegß-rüstungen der zier nach vergult, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par schünnen und schuech, ein par achseln, die recht mit ihren doppelten stickhel, ein par armbzeug, ein par handtschuech, ein stechpart, ein schifftung brust, ein achsel stickhel, ein schifftung buggele, ein kleines buggele, ein tar194

scheta, ein stechhandtschuech, zwey helmblin zum fueß thurniern, ein vißierhauben mit ihren barth, [fol. 161v], drey ubrige achseln, ein halbe roßstiern, zwo brechscheiben, mehr ein anderes par taschen und vergultes par sporn. [38] Ein schlechtes regiment von holz. [39] Ein alte lewenhaut. No 12. [40] Ein weißer khüriß mit vergulten strichen und einen khempfschurz, ein ganz helmblin mit ein gätterten vißier, auff welchen ein guppen, ruckhen, brust undt ringkhragen, mehr ein uberbrust, ein par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen mit schuechen, ein par achsel, ein par überschifftung auff die achsel, ein par armbzeüg, ein kurz par handtschuech, ein ganze roßstiern mit [fol. 162r] mit hungarischen und böhaimbischen wappen. [41] Ein kleine lewenhaut und ein zerfreßne bißemkaz heütl. No 13. [42] Ein khüriß mit blauen und vergoldt eingeschmelzten zügen und bildern, ein helmblin mit dem mantl, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par kurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein par achseln, noch ein achsel, ein gerüst, ein par armbzeüg, ein par kurze händtschuech, ein brechscheiben, ein halbe roßstiern, ein sturmbhauben, des Michael Weidthag10 gehörig. [43] Ein alte tügerhaut mit rother leinbath gefüedert. [fol. 162v] No 14. [44] Ein weiß pallierter khüriß mit vergulten strichen, zum ballia rennen, ein helmblin mit einen parth, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par kurze beintaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein par achsel mit ihren auffwürff, ein par armbzeug und ein par händtschuech mit rothen samet vorgeschossen, welcher von herzog Carl von Gratz11. [45] Ein lewenhaut. No 15. [46] Ein vergulte rüstung mit villrley thieren in den vergulten strüchen, ein helmblin, darauff ein guppen mit seinen pärtl, ein par achsel sambt einen uberwurff, ein ringkhragen, ruckhen und brust, ein par ganze schünen [fol. 163r] und schuech, ein par armbzeug, drey handtschuech und ein stechhandtschuech, ein ganze roßstiern, zwo brechscheiben, zwey geschabene achselstuckh, ein halbe guppen, ein ubriges buggele. [47] Item ein helmblin mit einen durchbrochenen gespüzten vissier mit den mandl und vergolten strüchen, dan noch vier ubrige helmblin mit ihren manteln und vergulten strichen, zwey übrige parth mit ihren manteln, auch vergulten strichen.

10 Identität unklar. 11 Erzherzog Karl II. von Innerösterreich (1540–1590).

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[48] Eine von schaben zerfressene tügerhaut. No 16. [49] Ein blanckhen khüriß mit vergulten strüchen und volgenten stuckhen: Ein stechhelmb, ruckhen, brust [fol. 163v] und ringkhragen, ein par achsel und armbzeug, ein khurz par taschen, ein par tiegling, ein par schünnen und schuech, ein schifftung brust, ein stechblat, ein tarschetta, ein achsel stuckh, ein schifftung buggel, ein pärtl für ein hauben, ein anderes pärtl, ein ubriger stechparth, ein par händtschuech, ein ubriges par achsel, zwey kleine schifftung buggele, ein stech handtschuech. [50] Mehr ein vißier hauben, ein halbe rossstiern, ein par geschiebte handtschuech mit panzer, drey brechscheiben, ein par schuechmeuller. [51] Dan ein weiß pallierte fueß thurnier rüstung, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein groß- und ein kleine achsel, [fol. 164r] ein par armbzeug, und ein par händschuech. [52] Ein tügerhaut mit blauen daffet gefüedert. No 17. [53] Ein weiß pallierte rüstung zum ballia rennen, mit vergulten kriegsrüstungen, ein helmlin, ruckhen, brust und ringkragen, ein tarscheta mit vergulten englen, ein stechpart, ein par kleine achsel, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein par armbzeüg, ein par kurze handtschuech, ein stech handtschuech, ein vergultes gerüst, mehr zwey helmblin, daß eine mit den mantl, drey übrige achseln, zwey achselschildt, ein schifftung buggel, ein par täschl, drey brechscheiben, ein [fol. 164v] sturmbhauben, ein halbe roßstiern. [54] Mehr ein weiß pallierte fueßthurnier rüstung, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein groß- und ein kleine achsel, ein par armbzeug und ein par handtschuech. [55] Ein tigerhaut mit blauer leinbath gefüedert. No 18. [56] Ein ganz vergulter franzöß[ischer] khüriß von getrübener arbeith mit bildern grien und roth gemahlen, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par schünen an schuech, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein hinterschurz, ein par kurze handtschuech. [57] Item ein weiß versilberter khüriß [fol. 165r] zum fueß thurnier, ein helmblin, brust, ruckhen und ringkragen, ein groß- und ein kleine achsel, ein par armbzeüg und ein par handtschuech. No 19. [58] Ein weisse rüstung mit vergulten strichen, ein sturmhauben, ruckhen, brust und ringkragen, ein kurz par taschen, ein par handschuech, einwendig mit panzer, zwey ganze achseln und zwey rundscheibl. [59] Mehr ein weisse rüstung mit vergulten strichen und schwarz geäzt, ein helmb196

lin, auff der vissier ein pärtl, ringkragen, ruckhen und brust, ein par täschl, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein par achsel sambt ihren auffwurff, [fol. 165v] ein par armbzeug, ein khurz par händtschuech, ein halbe roßstiern, ein achselstuckh, zwey par schuechmeüllr, so dem erzherzog Albrecht12 zugehört. [60] Ein tügerhaut mit roth leinbath gefüedert. No 20. [61] Ein franzöß[ischer] rüstung, so im 1612. jahr von Prag gebracht und auß Franckh­ reich komben, weiß mit vergulten und gemußierten strichen, mit rother farb eingelassen, ein helmblin, ringkhragen, ruckhen und brust, zwey achseln, zwey armbzeüg, zwey handtschuech, zwey lange taschen sambt den khniebüegen, ein halbes hinterschürzl, ein ganze roßstiern, ein ganz satl beschlächt, mit rothen samet vor­­geschossen. [fol. 166r] [62] Mehr ein rüstung zum fueß thurniern, weiß mit vergulten strichen, gemacht zu Mey[land]13 auff ihr röm[isch] kay. May.14 leib zur hochzeit a[nn]o 161115, worbey ein helmblin, ringkragen, ruckhen und brust, zwey achsel, zwey armbzeüg, zwey händschuech, ein weiß undt gelben föderbuschen. [63] Widerumben ein weiß und zugweiß vergulter khüriß zum fueß thurniern, ein helmblin, sambt den mandl, ruckhen, brust und ringkhragen, ein kleines achsele, ein grosse achsel, zwey armbzeug, zwey kurze handtschuech. [64] Mehr ein weisser khüriß, strüchweiß vergult, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, zwey ganze achseln, zwen armzeüg, zwen kurze handtschuech. [fol. 166v] [65] Dan ein Mantuanischer rockh khüriß zum fueß thurniern, schwartz mit vergulten bildern, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein groß und ein kleine achsel ein par armbzeug und ein par handtschuech. [66] Item ein feldt khüriß von allerley kriegsrüstungen und vergult, völlige stückh beysammen mit roth samet vorgeschossen, darinen ihro durch. herzog Leopoldt Wilhelmb16 zu einem ritter geschlagen worden.17 [67] Ein rundätschen und offene darzue gehörige sturmbhauben von getribener arbeit, mit vergolt- und versilberten bildern, item ein par brechscheiben mit vergolten strüchen, zwo halbe roßstiern mit vergulten zügen [fol.  167r] und zweyen sturmbhauben.

12 Erzherzog Albrecht VII. (1559–1621). 13 Mailand. 14 Kaiser Matthias (1557–1619). 15 Die erwähnte Eheschließung zwischen dem späteren Kaiser Matthias und Erzherzogin Anna von Tirol fand am 4. Dezember 1611 in Wien statt. 16 Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662). 17 Leopold Wilhelm wurde am 22. August 1639 in der Wiener Hofkirche bei den Augustinern in den Deutschen Orden aufgenommen und als Ordensritter eingekleidet. Erst Jahre später, am 4. Mai 1642, erfolgte in derselben Kirche schließlich seine Inthronisation als Hoch- und Deutschmeister. Bernhard Demel, Hochund Deutschmeister Leopold Wilhelm von Österreich (1641–1662), in: Jozef Mertens (Hg.), Miscellanea Baliviae de Juncis II (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 6), Bilzen 2000, 223–264, hier: 227 f.; Renate Schreiber, „eine galeria nach meinem humor“. Erzherzog Leopold Wilhelm (Schriften des Kunsthistorischen Museums, hg. von Wilfried Seipel, Bd. 8), Wien 2004, 26 f. Den im Inventar erwähnten „feldt khüriß“ trug Erzherzog Leopold Wilhelm wohl am 22. August 1639.

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[68] Ein rothsametes thurnier schürzl mit gelben blumben und guldenen schnierlen verbrämbt. [69] Drey vergulte thurnier schwerter, eines mit einer golden stickhenen schaiden und behängt, daß andere mit einer blau atlessenen schaidt und behängt, daß drite mit ainer roth daffeten schaidt und behanget. [70] Ein Türckh[ischer] rundätschen mit rother seiden, und guldenen franßen. [71] Ein kleiner lew mit silberstuckh und drätl silber überzogen, auff dem haubt ein vergulte cron. [72] Zwey roth sametene hüett, mit [fol. 167v] goldenen schnieren brämbt, mit ­grien, roth und weissen födern. [73] Ein scherfflin, obenher mit gelben samet und mit zwey seidenen quasten, mit silber und goldt vermengt. [74] Ein vergulte Moßkowitsche18 sturmhauben, mit falschen stainen versezt. [75] Ein roth und weisser federbuschen, welche ein khnab bey der kayßerin Margaritha19 einzug 166620 auff dem helmb gehabt und getragen. No 21. [76] Fünff zühll röhr, alle schön verbrämbt, sambt denen darzue gehörigen hulfftern mit schwarzen leder überzogen. [77] Zwey eyserne puffer, in ihren schwarz sameten hulfftern, sambt [fol. 168r] einer klein darzue gehörigen pulffer flaschen von bein. [78] Zwen eyserne, mit goldt geäzte carbiner, der eine etwas kürzer, bey ieden ein schwarz sametens hulffter, mit vergulten posamanen verbrämbt, sambt zwey dergleichen mit goldt geäzten pulffer flaschen und einen solchen spaner. [79] Zwey röhr, iedes mit drey feurschloß, so mit bain eingelegt und zu roß gebraucht werden, darbey ein schwarz sametene hulffter. [80] Ein pixenschloß mit zwey feürhannen, sambt einen griff, dreyen schrauffen, einen spaner, zweyen kuglneglen, zweyen wischern, sambt einer ladung. [81] Ein hirschhorne außgegrabene bulfferflaschen. [fol. 168v] [82] Ein kurz haidnisch vergultes pröxel mit einer schwarz lidern schaidt. [83] Ein spanisch rapier und dolch, mit golt und silber glat geäzt. [84] Ein mußqueten mit dopelten rohr. [85] Ein vergultes schwerdt mit einer schwarz sameten schaidt.

18 Aus dem russischen Zarenreich stammend. 19 Kaiserin Margarita Teresa von Spanien (1651–1673). 20 Der Brauteinzug fand am 5. Dezember 1666 in Wien statt.

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[86] Ein stecher, mit silber beschlagen und vergult, sambt einer schwarz sameten schaiden. [87] Ein rappier und dolch, mit erhöbter arbeith, sambt einer schwarz sameten schaiden. [88] Ein spanisch rapier und dolch, mit schönen geäzten und silberen bildern, sambt schwarz [fol. 169r] sameten schaiden, ist aber die kling am rapier zu drey stückhen zerbrochen. [89] Wiederumben ein rapier und dolch, vergolt und glat geäzt, sambt denen schwarz sameten schaiden. [90] Ein vergultes rapier mit einen abbrochenen stangl, sambt einer schwarz sameten schaid. [91] Ein ungar[ischer] pallasch, dessen schaidt auff beeden seithen mit bain eingelegt. [92] Ein schwein spieß mit einen hilzern fuederall. [93] Ein mit goldt geäzter spieß mit zweyn feur schlössern. [fol. 169v] [94] Zwey par weiß seidene mit golt überzogene quasten, auff einen scherffling gehörig. [95] Ein schwarz eyserne zipflete rundeln, sambt einen daran gefügten eysernen handtschuech, wie auch einer latern und einer wehr klingen, mit rothen samet gefüedert, sambt einer dergleichen schwarzen rundätschen von eysen, an einem spieß, auch mit rothen samet gefüedert, so erzherzog Ernst21 auß Hispanien22 mit gebracht. [96] Ein schwarz eiserner handtschuech, daran ein wehrkhling. [97] Ein pixenwöhr in einen schafft mit rothen samet uberzogen. [98] Drey eyserne pußikanen, zwey mit zipfen und einer glat. [fol. 170r] [99] Ein turckh[ischer] rund pußikan. [100] Ein alte schwarze schüeßladen, darinen etliche kugl und mödl. [101] Acht par pallet stiffel. [102] Ein weiß pallierter fueß thurnier khüriß, ruckhen, brust und ringkhragen, ein helmblin mit einen pärtl, ein groß und ein kleine achsel, ein par armbzeug und ein par kurze handtschuech. [103] Zwey grosse türckh[ische] sporen von eysen und ein eisserne handt.

21 Erzherzog Ernst (1553–1595). 22 Spanien.

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[104] Ein doppelte janitscharnhackhen mit einen mößingen spießl, drey still, oben und unten mit silber beschlagen. [105] Ein türckh[ische] eyserne ketten, darmit Sie die gefangene christen zusamen bändlen. [fol. 170v] [106] Ein janitscharn huet mit einen grossen silbern föderstill, mit türckhiß und falschen stainen versezt. [107] Mehr zwey janitscharn hüett, ieder mit einen gemußierten silbern foderstill. [108] 15 türckh[ische] und Moscovitische23 sturmbhauben, alle vergolt, darunter eine mit falschen stainen versezt. [109] Zwey thurnier schwerter mit versilberten creüzen. [110] Siben auffzüg schildt gemahlen und von papwerch. [111] Zwey blecherne außgeschnittene und geflamte stern. [fol. 171r] No 22. [112] Ein getribener schwarzer khyriß, welcher zu Paris gemacht worden, vergolt, mit bildern, ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par taschen, mit khnie büegen, ein par schünnen und schuech, ein par handtschuech, ein halbe roßstiern mit mahler golt vergult, und ein vergultes schlitten beschläg, mit neuen stuckh, und ein vergultes par sporen. [113] Ein tügerhaut mit gelben daffet gefuedert. No 23. [114] Ein thurnier khüriß, schwarz, mit guldenen bliemlein, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein gerüst, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein par tiegling, ein par täschl, ein par ganze [fol. 171v] schünen und schuech und ein par händtschuech. [115] Ein tügerhaut mit blauer leinbath gefüedert. No 24. [116] Ein weiß mit geflüglwerch geäzter khüriß, ein helmblin mit einen mantl, ruckh­ en, brust und ringkragen, ein par lange taschen, ein par halbe schünnen, zwey außgeschnittene achsel, ein par armbzeüg, ein par kurze handtschuech. [117] Mehr ein weiß pallierter khüriß zur ballia, ein helmblin sambt einen mantl, ruckhen, brust, und ringkhragen, ein stechparth, zwey kurze taschen, ein par tiegling, ein ganz par schünnen und schuech, zwey kurze handtschuech, zwey kleine axel, ein gerüst, ein achsel- [fol. 172r] stuckh, ein schifftung buggele, ein brechscheiben und ein rossstiern. [118] Item ein weiß mit laubwerch geziert und zerlegter khüriß, warzue volgente 23 Aus dem russischen Zarenreich stammend.

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stuckh gehören, alß ein helmlin mit dem mantl, ein bruststuckh, ein stechparth, zwey par kurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen, zwey axele, ein brechscheiben, ein klein buggele, zwey schifftung buggele und ein sturmbhauben, item 2 achsele stuckh, ein weiß durchbrochene guppen, ein armbzeug, zwey übrige achseln, ein ubriges pärtl, zwey schuechmeüler, ein stechhandtschuech. [119] Wiederumben ein weiß pallierter khüriß mit laubwerch, ein helmlin mit dem mantl, ruckhen, brust und ringkhragen, ein [fol.  172v] stechparth, zwey kurze taschen, zwey kurze handtschuech, zwey kleine achsel, ein gerüst, ein tarschetta, ein schifftung, ein par ganze schünnen und schuech, ein brechscheiben, ein sturmbhauben, ein stechhandtschuech und ein roßstiern. [120] Item ein weiß pallierter khüriß mit vergulten strüchen, ein helmlin mit dem mantl, ruckhen, brust und ringkragen, ein guppen, ein par taschen, ein par tiegling, ein par abgehauene schünnen, ein ubrige achsel, ein khurzen handtschuech. [121] Dan ein weiß pallierter hungar[ischer] khüriß, ein helmblin sambt den mantl, ruckh­ en, brust und ringkhragen, ein par lange schloß [sic], zwo außgeschnittene achsel, ein par armbzeug, ein sturmhauben, [fol. 173r] ein par scheibl und ein halbe roßstiern. Ubrige stuckh, welche sich in disen kasten befünden. [122] Ein weiß palliertes hinter- und vordertheil zu einem khüriß, ein par kurze taschen, zwey kurze achßlen, ein stechpart, ein schifftung buggele und ein par kurze handtschuech. [123] Mehr ainschichtig, alß ein übrige brust mit zwey kurzen taschen, ein helmblin, zwey halbe roßstiern, zwey lange schoß, ein par tiegling, ein par ganze schünnen, zwey achselstuckh, daß eine mit einen uberwurff, ein stechhandtschuech, ein stechparth, ein durchbrochene guppen, ein schifftung buggele, ein kleines [fol. 173v] buggele, ein kleine achsel, ein blech auff einen satl, zwey kurze handtschuech, zwey ganze undt zwey halbe schünnen. [124] 24 schwarze und 17 weisse sturmbhauben. [125] Ein weiß pallierter satl mit vergulten strichen und mit schwa[rzem] sameth gefüedert. No 25. [126] Ein schwarze feldt rüstung ihrer kay. May. Ferdinandi 3tij24, darbey ein sturmb­ hauben sambt einen pärtl, ruckhen und brust, ein par kurze taschen, ein par tiegling, ein par halbe schünnen, ein langs par landtsknecht axel, ein par lange handtschuech, ein par kurze handtschuech, ein halbe roßstiern, ein ubriges helmblin [fol.  174r] sambt dem pärtl, ein sturmbhauben, zwey panzer ermblin in einem lidern säckhl. [127] Item ein schwarze feldtrüstung, alß helmblin, brust, ruckhen und ringkhragen, ein par ganze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, zwey armbzeüg, zwey kleine buggele, zwey par brechscheiben und ein halbe roßstiern. [128] Mehr ein weisser khüriß, helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par halbe schünnen, ein ganz und ein außgeschnittene achsel zu dem spieß, ein gerüst, ein par armbzeüg mit langen spüzen. 24 Kaiser Ferdinand III. (1608–1657).

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[129] 24 schwarze trab- [fol.  174v] harnisch, alß bey ieden ruckhen, brust und ringkhragen. [130] 24 solche sturmbhauben darzue. [131] 22 par lange handtschuech von solcher arbeith. [132] 18 par achseln. [133] 43 par panzer ermblin. [134] Ein ganz panzer hemet sambt den ermblen. [135] Ein panzer schurz mit einen laz und mit rothen atlaß ein gefast. [136] Ein mößinger niderländ[ischer] panzer schurz mit zweyen halben erblin. [fol. 175r] [137] Mehr fünff übrige kleine stückhl panzer. [138] Zwölff panzer schürzen. [139] 19 reith schwerter mit ihren schwarz lödern schaiden. [140] Vier lange pixen. [141] 19 par alte puffer, sambt den hülfftern und pulffer flaschen. [142] Ein schwarze feldt rüstung, alß ruckhen und brust, mit einen gehengten ringkragen, ein kleines par achsel, ein par taschen und ein sturmbhauben. [143] Ein andere schwarze rüstung, darbey ein helmblin, ruckhen und brust, ohne ringkragen, ein ganze achsel, ein außgeschnittene achsel und ein gerüst. [fol. 175v] [144] Mehr ein schwarze feldt rüstung, alß ruckhen und brust. [145] Item zwey schwarze sturmbhauben und zwey solche übrige bruststuckh. [146] Dan ein weisse sturmbhauben, ein par brechscheiben, ein schifftung puggele, ein kleines puggele, ein pärtl und zwey ubrige achsel. No 26. [147] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath pallierth, ein stechhauben, ruckh­ en und brust, zwey stech taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein tarschetta, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey gefüngerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein puggele, ein schifftung buggele, ein gerüst, zwey [fol. 176r] halbe roßstiern und ein brechscheiben. [148] Ein weisser harnisch zum fueß thurniern, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey händtschuech, alles mit rothen atlas vorgeschossen.

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No 27. [149] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein tarschetta, ein par achsel, ein par armbzeüg, gefüngerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein buggele, ein schifftung buggele, ein achsel schildt, ein gerüst, ein halbe roßstiern, ein brechscheiben. [fol. 176v] [150] Ein weisser harnisch zum fueßthurniern, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey handtschuech. No 28. [151] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein tarschetta, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey gefingerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein puggele, ein schifftung buggele, ein achsel schildt, ein gerüst, ein brechscheiben, ein halbe roßstiern. [152] Ein weisser harnisch zum fueß thurniern, helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein [fol. 177r] par achseln, ein par armbzeüg, zwey handtschuech, alles mit weißen leder und bometln vorgeschossen. No 29. [153] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ain par ganze schünnen, ein tarschetta, ein par achseln, ein par armbzeüg, zwey gefüngerte handtschuech, ein stech handtschuech, ein buggele, ein schifftung buggele, ein gerüst, ein achsel schildt, ein brechscheiben, ein halbe roßstiern. [154] Ein weisser harnisch zum fueß thurniern, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey händtschuech, alles mit [fol. 177v] rothen samet und atlas vorgeschossen. No 30. [155] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein tarschätta, ein par achseln, ein par armbzeüg, zween gefingerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein buggele und ein schifftung buggele, ein axel schildt, ein gerüst, ein brechscheiben und ein halbe roßstiern. [156] Ein weisser harnisch zum fueßthurniern, ruckhen, brust und ringkragen, ein par achsel, ein par armbzeug und ein handtschuech. [fol. 178r] No 31. [157] Ein harnisch über die ballia, weiß und glat palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein tarschetta, ein par achseln, ein par armbzeüg, zwey gefingerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein buggele, ein schifftung buggele, ein achselschildt, ein gerüst, ein brechscheiben, ein halbe roßstiern. 203

[158] Ein weisser harnisch zum fueßthurniern, helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein par axeln, ein par armzeüg, zwey handtschuech. No 32. [159] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, [fol. 178v] zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünen und schuech, ein tarschetta, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey gefüngerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein buggele, ein schifftung buggele, ein axel schildt, ein gerüst und ein brechscheiben, auch ein halbe roßstiern. [160] Ein weisser harnisch zum fueß thurniern, ein helmblin mit den ringkragen, ruckhen und brust, ein par axel, ein par armbzeüg, und zwey handschuech, alles mit rothen samet vorgeschossen. No 33. [161] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, eine stechhauben, ruckh­ en und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein [fol. 179r] par ganze schünnen und schuech, ein tarschetta, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey gefüngerte handtschuech, ein stechhandschuech, ein buggele, ein schifftung buggele, ein achsel schildt, ein gerüst, ein brechscheiben und ein halbe roßstiern. [162] Item ein weißer harnisch zum fueß thurniern, helmblin, ruckhen, brust und zwey ringkhrägen, ein par achsel, ein par armzeüg, ein handtschuech, ruckhen, brust und ringkragen, mit maller golt zugweiß gemahlen. No 34. [163] Ein harnisch uber die ballia, weiß und glat palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiechling, ein par ganze [fol. 179v] schünen und schuech, ein tarscheta, ein par achsel, ein par armbzeug, zween gefüngerte handtschuech, ein stechhandtschuech, ein buggele, ein schifftung buggele, ein achsel schildt, ein gerüst, ein halbe roßstiern und ein brechscheiben. [164] Ein weisser harnisch zum fueß thurniern, helmblin, ruckhen und brust, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey handtschuech, alles mit rothen samet vorgeschossen. No 35. [165] Ein harnisch uber die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par abgehauene schünnen, ein tarschetta, ein par achsel, [fol.  180r] [ein] par armbzeüg, zwey gefüngerte handtschuech, ein schifftung buggele, ein achsel schildt, ein gerüst mit brechscheiben und ein halbe roßstiern. [166] Ein weisser harnisch zum fueßthurniern, helmblin mit dem mantl, ruckhen und brust, ein achsel, ein par armbzeüg und zwey händtschuech. No 36. [167] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen undt schuech, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey gefüngerte handtschuech, ein stechhandt204

schuech, ein puggele, ein schifftung buggele, ein axel [fol. 180v] schilt, ein gerüst, ein brechscheiben, ein halbe roßstiern. [168] Ein weißer harnisch zum fueß thurniern, ein helmblin mit dem mantl, ruckh­ en und brust, ein par achsel, ein par armbzeüg und ein handtschuech. No 37. [169] Ein harnisch über die ballia, weiß und glath palliert, ein stechhauben, ruckhen und brust, zwey stechtaschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein tarschetta, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwen gefüngerte handtschuech, ein buggele, ein schifftung buggelle, ein stech handtschuech, ein achsel schildt, ein gerüst, ein brechscheiben und ein halbe roßstiern. [fol. 181r] [170] Ein schwarz geschabener ungar[ischer] khüriß mit vergulten straiffen, ruckhen und brust und ein par beintaschen, zwey schlag achseln, ein hungar[ische] hauben, mit rothen samet vorgeschossen. No 38. [171] Ein weisser harnisch zum ballia rennen, ein helmblin, ruckhen und brust, ein par achseln, die recht mit seinen stückhl und auff wurff, ein par kurze taschen, ein par tiechling, ein par ganze schünnen und schuech, zwey achsel stuckh, zwey schifftung buggel, ein par brechscheiben, ein stechhandschuech, ein anderer handtschuech, ein gerüst. [172] Item ein kleine sturmbhauben mit den lörffen, und mit [fol. 181v] rothen atlaß vorgeschossen, ein halbs pärtl, ein halbe achsel, ein achsel schildt. [173] Ein brechscheiben, ein halbe roßstiern, ein gerüst, ein groß und ein kleine schifftung buggel, ein achsel schifftung, ein partl, so alles geäzt. [174] Mehr ein glater stechhandtschuech, ein stechpart, zwey gerüst, ein rundtscheibl, ein par schuech meüllr, ein kleines satl blöch. [175] Ein vißier, ein halbs par schünnen, ein halbe roßstiern. [176] Ein tartarischer harnisch, alß ruckhen und brust, aneinandter gepanzert. [fol. 182r] No 39. [177] Ein weisser feldtkhüriß mit schwarzen spizl geäzt, ein helmblin mit den mantl, ruckhen, brust und ringkhragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, zwey ganze achßlen sambt dem überwurff, ein par armb­ zeug, zwey kurze handtschuech, ein sturmbhauben und ein gerüst. No 40. [178] Zwey harnisch zum frey thurniern, weiß und glath, ieder mit volgenden stuckhen, alß ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par taschen, ein par tiechling, ein halb par schünnen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par handtschuech, ein halbe roßstiern und ein brechscheiben.

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[fol. 182v] No 41. [179] Mehr zwey dergleichen harnisch zum frey thurniern, weiß und glath, bey ieden ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par taschen, ein par tiegling, ein halb par schünnen, einer aber mit ganz schünnen und den schuechen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par hand schuech, ein halbe roßstiern, ein brechscheiben. No 42. [180] Item zwey solche harnisch zum frey thurniern, weiß und glath, bey ieden ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkragen, ein par taschen, ein par tiegling, ein halb par schünnen, ein par achsel, ein par armbzeug, ein par handtschuech, ein halbe roßstiern und ein brechscheiben. [fol. 183r] No 43. [181] Widerumben zwey dergleichen, wie die vorstehenten, mit solchen stuckhen. No 44. [182] Mehrmahlen zwey gleichförmbige harnisch zum frey thurniern, weiß und glath, bey ieden ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par taschen, ein par tiegling, ein halb par schünnen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par handtschuech, ein halbe roßstiern und ein brechscheiben. No 45. [183] Item zwey dergleichen harnisch zum frey thurniern, weiß und glath, bey ieden ein vißier hauben, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par taschen, ein par tiegling, ein halb par schünnen, ein par achsel, ein [fol. 183v] par armzeüg, ein par handtschuech, ein halbe roßstiern und ein brechscheiben. No 46. [184] Ein weiß geäzter harnisch über die ballia, hat volgente stuckh: ein helmblin, ruckhen, brust und ringhragen, ein gerüst, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par tiegling, ein ganz par schünnen und schuech, ein stechparth, ein schifftung, brust, ein tarschetta, ein achsel stuckh, ein schifftung buggele, ein kleines schifftung buggele, ein stechhandtschuech, zwey par taschen, zwey brechscheiben, ein guppen uber ein helmblin, ein par scheibl, noch ein ubriges achsel, ein ganze roß stiern und noch ein handschuech, ein übriges helmlin. [fol. 184r] No 47. [185] Ein weißer khüriß, geäzt, zum ballia rennen, mit volgenden stuckhen: ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein gerüst, ein par kurze taschen, ein stechparth, ein tarschetta, ein stechhandtschuech, ein par andere händtschuech, ein schifftung buckhel, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par tiegling, ein par ganze schünnen undt schuech, ein achselstuckh, ein par brechscheiben und ein halbe roßstiern, ein übriges glates par armbzeüg.

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No 48. [186] Mehr ain dergleichen khüriß, auch geäzt, zum ballia rennen, mit volgenten stuckhen: ein helmblin, ein stechpart, ruckhen, brust und ringkragen, ein gerüst, ein tarschetta, ein [fol. 184v] par kurze taschen, ein par axel, ein par armbzeüg, ein par tiegling, ein par schünen undt schuech, ein schifftung buggele, ein achsel stuckh, ein stechhandtschuech, ein par andere handtschuech, ein par brechscheiben und ein halbe roßstiern. No 49. [187] Ein ganz weiß pallierter khüriß über die ballia, ein helmblin, ruckhen, brust sambt den ringkragen, ein par kurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, zwey kleine achsel, ein par armbzeüg mit langen spizen, ein stechparth, ein schifftung buggele, ein stechhandschuech, zwey andere handschuech, ein gerüst, ein tarschetta, zwey schuechmeüllr, ein ganze roß- [fol. 185r] stiern, zwey brechscheiben, ein ganz satl beschlächt, ein buggele, ein achselstuckh, noch ein helmblin mit seinem parth und noch ein ubrigen parth. No 50. [188] Ein weiß ballierte rüstung zum frey rennen, mit geäzter arbeith, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein stechparth, ein gerüst, ein achsel schildt, ein grosse und ein kleine achsel, ein par armbzeüg, ein kurz par täschl, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein schifftung buggele, ein kleine achsel schifftung, ein stech handtschuech, ein anderes par handtschuech. [189] Dan absonderlich ein brust mit kleinen täschlen, ein helmblin, ein stöchparth, ein grosse und [fol. 185v] ein kleine achsel, ein brechscheiben, ein roßstiern. [190] Item ein weiß pallierter ruckhen und brust, sambt den ringkragen und zwey rundscheiben. No 51. [191] Ein weiß mit blumbwerch undt schwarzen spüzl geäzte rüstung über die ballia, ein helmblin, ruckhen und brust, sambt dem ringkragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, zwey kleine achsel, ein par ambzeug, ein tarschetta, ein stechparth, ein stechhandtschuech, ein klein händtschuech, ein par brechscheiben, ein bloch auff den satl, ein ubrigs helmbl sambt dem pärtl, ein kleines buggele, ein achselstuckh. [fol. 186r] Mehr zu disem gehörig ein brust stuckh mit den taschen, noch ein handtschuech und ein brechscheiben, ein halbe roßstiern, ein sturmbhauben, ein helmblin mit den mantl, zwey ubrige achsel, ein schifftung buggele. No 52. [192] Ein weiß geäzter khüriß uber die ballia, ein helmblin, stechparth, brust sambt den gerüst, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein stechhändtschuech, ein par kurze handtschuech, ein schifftung buggele, ein kleines buggele, ein tarschetta mit ge­mußierter arbeith, mehr ein kleine achsel, ein halbe roßstiern undt ein brechscheiben.

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[fol. 186v] [193] Mehr ein weiß geäzter khüriß zum frey rennen, helmblin, pärtl, ruckhen und brust, auch ringkhragen, ein par lange taschen, ein par halbe schünnen, zwo außgeschnittene achseln, ein par armbzeug, zwey kurze handtschuech, ein gerüst, zwey scheibl und ein ubriger grosser parth. No 53. [194] Ein mit kriegs rüstung geäzter khüriß, helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein gerüst, ein kurz par täschl, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein par kleine achsel, ein par armbzeug, ein kurz par handtschuech, ein stechhandtschuech, ein stechbarth, ein tarscheta, ein kleines buggele, ein achsel stückhl. [fol. 187r] [195] Mehr ein vordertheill mit den taschen, ein außgeschnittens achsel, ein brechscheiben, ein achselstuckh, ein schifftung buckhel und ein sturmbhauben. No 54. [196] Ein weiß geäzter khüriß mit kriegsrüstungen zum frey rennen, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par kurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein ganze achsel, ein achsel zum spieß außschlingen, ein par armbzeüg, zwen kurze handtschuech. [197] Mehr ein helmblin sambt den mantl, ein halbe roßstiern, ein blöch auff den satl, zwey brechscheiben undt ein bärtl. [fol. 187v] No 55. [198] Ein ganze roßbarschen von feiglfarben goltstuckh, ein vorbug, ein hindertheil, beederseits der kay. adler schw[arz], hoch erhebt gestückhet, ein par seitenbröder, ein khamp, ein ganz vergulte roßstiern, zwey zügl mit seidenen quasten und golt eingemengt, ein satl von solchen goltstuckh und mit vergulten satl beschlög, ein par vergulte stegreiff, ein zaum ohne biß und buggele, am haubt ain foderbuschen mit gelb und schw[arzen] födern. [199] Item ein glate, ganz vergulte franzöß[ische] rüstung mit rothsamet fürgeschossen und mit guldenen gallonen außgemacht, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, zwey ganze achßl sambt den armbzeügen, ein par lange schoß und ein par kurze handt schuech. [fol. 188r] [200] Zwey roßmascaraten von tockh und falschen goltstuckh. [201] 36 thurnier schwerter mit verzünten gefässen. [202] 59 schwarze thuernier schwerter ohne schaiden. [203] 162 thurnier schwert schaiden von löder. [204] 88 thurnier schwert klingen und fünff schwarze thurniercreüz.

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No 56. [205] Ein weissen khüriß zum ballia rennen, ein helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein par kurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, zwey kleine achseln, ein [fol. 188v] par armbzeüg, ein par kurze handtschuech, ein stechhandtschuech, ein stechparth, ein achßlstuckh, ein schifftung buggele, ein kleines buggele, zwo brechscheiben, ein tarschetta, ein heübl von schwarzen blöch. [206] Item ein vorder theill mit seinem taschen, ein halbe roßstiern und ein satl beschlög. No 57. [207] Ein zum theill vergulte roßbarschen von blatner arbeith mit deren zubehörungen, alß ein vorbug, ein hintertheil, zwey seiten brotter, ein khampf, ein ganze roßstiern, zwey zügl, ein alt weiß sameter satl mit denen beschlächt und vergulten strichen, ein vergultes par stegraiff, an haubt ein föderbuschen mit weißen födern. [fol. 189r] [208] Item ein alt weiß geäzter khüriß zum frey rennen, ein helmblin, ein stechparth, ruckhen, brust und ringkhragen, ein schifftung brust mit seinen gerüst, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein par stechtaschen, ein par tiegling, ein ganz par schünnen und schuech, ein tarschetta, ein achselstuckh, ein schifftung buggel, ein schifftung über ein handtschuech, ein stechhandtschuech, ein anderes par handtschuech, ein par andere taschen, ein übrige achsel, ein vißierhauben mit ihren partl, ein glate brochscheiben, ein halbe roßstiern, ein anderes gerüst und zwey rundscheibl. [209] Dan zwey alte schwarze harnisch, alß hinter- und vorder theil, ieder mit zwey täschlen, [fol. 189v] darbey ein achsel und zwey sturmbhauben. No 58. [210] Widerumben ein weiß geäzter khüriß zum ballia rennen, ein helmblin, ruckh­ en, brust und ringkhragen, ein kurz par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, zwo kleine achsel, ein armbzeüg, ein stechhandtschuech, zwey andere handtschuech, ein stechparth, ein tarschetta und ein gerüst. [211] Item ein halbe roßstiern, ein brechscheiben, ein sturmbhauben, ein schifftung buggele, ein axel stuckh. No 59. [212] Ein weiß geäzter harnisch zum [fol. 190r] frey rennen, ein vißierhauben, ein pärtl, ein sturmbhauben, ruckhen, brust und ringkragen, ein vergultes gerüst, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par lange taschen, ein halbs par schünnen, ein brechscheiben, ein schifftung handtschuech, ein halbe roßstiern, ein par schuech­ meüllr und ein übriges par schünnen mit tiegling, sambt noch ein par schünnen mit den schuechen. [213] Mehr ein weisse rüstung mit geäzten strichen zum frey rennen, ein helmblin mit dem mantl, ruckhen, brust, undt ringkragen, ein ganze achsel, mehr ein achsel zum spieß, ein kleine achsel, ein par armbzeüg, ein par kurze taschen, ein par tiegling, ein par ganze [fol. 190v] schünnen mit schuechen, zwey kurze handtschuech, ein gerüst, ein halbe roßstiern, ein brechscheiben, zwey ubrige stückhl von tiegling und in einen grienen tiechenen säckhl vier kleine stückhl panzer. 209

No 60. In diesen kasten befinden sich hernach volgente rüstungen mit deren zubehörungen, welche a[nn]o 1668 auff kay. befelch auß Thüroll25 uberschickhet und durch herrn Franz Augustin graff von Waldstein26 in die rüst camer eingeliffert worden, als benenntlichen: [214] Ein weiß pallierter khüriß, ein casquet, vorder- und hinter theill, zwey armbzeüg, ein par handt schuech, und ein rundtaschen. [fol. 191r] [215] Ein solcher weiß pallierter khüriß, ein casquet, vorder- und hintertheil, zwey armbzeüg, ein par handtschuech und ein rundtäschen. [216] Ein solch weiß pallierter khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par handt schuech, und ein rundtätschen. [217] Ein weiß deto pallierter khüriß, ein casquet, vorder- und hintertheill, zwey armbzeug, ein par handtschuech und ein rundätschen. [218] Ein deto weiß pallierter khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par handtschuech und ein rundtätschen. [219] Item ein weiß pallierter khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheil, zwey armb­ zeüg, [fol. 191v] ein par handtschuech undt eine rundt tätschen. [220] Ein deto gleicher khüriß, ein casquet, hinter- und vorder theil, zwey armb­zeüg, ein par händtschuech und ein rundtätschen. [221] Ingleichen ein solch gleicher khüriß, ein casquet, vorder- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par handtschuech und ein rundätschen. [222] Insimili ein gleichformbiger khüriß, ein casquet, vorder- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par handtschuech und ein rundtätschen. [223] Abermahlen ein solcher khüriß, ein casquet, vorder- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par handtschuech und ein rundtätschen. [fol. 192r] [224] Mehr ein solcher khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par händschuech und eine rundätschen. [225] Ein solch gleicher khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armb­zeüg und ein rundtätschen. [226] Ein deto khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par händtschueh und eine rundätschen.

25 Tirol. 26 Franz Augustin Graf Waldstein (um 1632–1684), Kämmerer, Trabantenhauptmann, Hartschierenhauptmann, Geheimer Rat und 1683–1684 Obersthofmarschall. Digitale Datenbanken Hofgesellschaft Leo­ polds  I. (zit. Anm.  4); Zdislava Röhsner (Hg.), Wallenstein und noch viel mehr. 850  Jahre Familie Waldstein, Wien 2009, 214 f., Stammtafel 22, Taf. 10.

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[227] Mehr ein solcher gleicher khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armbzeüg, ein par handtschuech und ein rund tätschen. [228] Ein deto khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey [fol. 192v] armbzeug und ein par händtschuech. [229] Ein solcher khüriß, ein casquet, vorther- und hintertheill, zwey armbzeüg und ein par handtschueh. [230] Abermahlen ein deto khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armb­ zeüg und ein par handtschuech. [231] Eben ein solcher khüriß, worbey ein casquet, vorter- und hinter theill und zwey armbzeüg. Oben auff diesen kasten ligen. [232] Neun thurnier schwerter mit schwarzen creüzen und schaiden. [233] 19 thurnier schwerter mit weissen creüzen und schaiden. [fol. 193r] No 61. Die in diesem kasten sich befindente rüstungen und deren zugehör seind auch a[nn]o 1668 auß Thüroll27 komben und in die rüstcammer geliffert worden. [234] Ein blauer khüriß, worbey ein casquet, vorter- und hintertheill, zwey armbzeug und ein par händtschuech. [235] Ein solcher khüriß, ein casquet, hinter- und vortertheill, zwey armbzeüg und ein par händtschuech. [236] Mehr ein solcher khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, ein par armbzeüg und ein par handtschuech. [237] Aber ein dergleichen khüriß mit dem casquet, hinter- und [fol. 193v] vorter theill, ein par armbzeüg und ein par händtschuech. [238] Ein deto khüriß, ein casquet, vorder- und hintertheill, ein par armbzeüg und ein par händtschuech. [239] Mehr ein dergleichen khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, ein par armb­zeüg und ein par händtschuech. [240] Ein solcher blauer khüriß, sambt dem casquet, vorder- und hintertheill, ein par armbzeüg und ein par handtschuech. [241] Insimili ein solcher khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, ein par armzeüg und ein par händtschuech.

27 Tirol.

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[fol. 194r] [242] Ein deto khüriß, ein casquet, vorter- und hintertheill, ein par armbzeüg und ein par händtschuech. [243] Dan ein gleichformiger khüriß ohne kaßgeth, mit dem vorder- und hintertheill, zwey armbzeug und ein handtschuech. [244] Item zwey armbzeüg von solcher arbeith extra. [245] 14 rundätschen, wie ein herz formiert und weiss palliert. No 62. [246] Ein kleiner weiß pallierter khüriß, mit rothen samet vorgeschossen, ein sturmb­ hauben, brust, ruckhen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par taschen, [fol. 194v] ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech und ein par handtschuech. Volgente in diesem kasten sich befindente rüstungen seind nach zeitlichen hintritt ihrer erzfürst[lichen] durch. Carl Josephs28, erzherzogen zu Österreich se[eligen] gedächtnuß durch derselben gewesten obristen hoffmeistern, herrn graffen Rabatha29, den 10. Jully 1664 in die rüstcammer gegeben worden. [247] Ein klein weiß ballierte rüstung mit vergulten strichen, alß helmblin, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, zwey lange schoss und ein par handtschuech. [248] Sechs weiß pallierte gleiche khüriß, bey iedem volgente stuckh, alß [fol. 195r] helmblin, ruckhen, brust undt ringkhragen, ein par achsel, ein par armzeüg und ein par handtschuech. [249] Zwey khleine weiß blöchene küriß, bey iedem helmblin, ruckhen und brust, ein par achsel, ein par armbzeüg und ein par händschuech. [250] Zwey weiß pallierte vorther- und hintertheill, eines mit vergulten und daß andere mit weissen nöglen. [251] Ein verrostes casquet. [fol. 195v] Hierauf volgen die jenige rüstungen und deren zubehör, welche in der rüstcammer ausser der kästen stehen, und ieder mit seinem numero gezaichnet, alß erstlichen beym eingang der thür unter No 1. [252] Ein schwarze feldt rüstung, warbey ein helmblin, zwey sturmbhauben, ruckh­ en und brust, sambt einem vergulten gerüst, zwey achseln, zwey armbzeüg, ein axel

28 Erzherzog Karl Joseph (1649–1664). 29 Joseph Graf Rabatta (1620–1683), Malteserritter, kaiserlicher Kämmerer, Obersthofmeister Erzherzog Karl Josephs, zuletzt Bischof zu Laibach (Ljubljana) und Erblandstallmeister in Görz. Herbert Haupt, Von der Leidenschaft zum Schönen. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein (1611–1684). Quellenband (Quellen und Studien zur Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein, Bd. II/2), Wien – Köln – Weimar 1998, 67.

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stuckh, zwey schifftung buggele, ein tarschetta mit vergulten thiern, ein par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen, sambt den schuechen, ein stechhandtschueh, ein par andere handtschuech, zwey roßstiern, zwey brechscheiben, auff dem helmblin ein schwarz und gelber föderbuschen. [fol. 196r] No 2. [253] Ein schwarzer veldtkhüriß mit schwarzen samet und guldenen gallonen verbrämbt und vergulten nöglen, alß worbey ein helmblin, ein hungar[ische] sturmbhauben, ruckhen, brust und ringkragen, ein par axeln, ein par armbzeüg, ein par lange schoß, ein hinterschurz und ein par handtschuech. No 3. [254] Ein blau pallierter khüriß mit vergulten blumbwerch, alß helmblin, ruckhen, brust und ringkragen, ein gerüst, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par taschen, ein par tiegling, ein par ganze schünnen und schuech, ein kurz par handtschuech, weithers gehört darzue an übrigen stuckhen: ein helmblin sambt dem barth, ein grosser [fol. 196v] stechparth, ein brust, ein schifftung buggele, ein achsel stückhel, zwey achseln, ein guppen uber daß helmblin, ein ganz und ein halbe roßstiern, ein stech- und ein thurnier händtschuech. No 4. [255] An der wandt und ausser des casten No 25 hangen volgente stuckh mit schwarz und weissen strichen geäzt: ein sturmbhauben, ein brust sambt einem par taschen, ein par axel, ein par armzeüg, ein par stechhandtschuech, ein anderer handtschuech, ein tarschetta, ein stechparth, ein schifftung axel, ein groß und ein kleiner schifftung buggele, ein stechscheiben, ein halbe roßstiern und zwey schuechmeullr. No 5. [256] Ein schwarze rüstung mit schwarz [fol. 197r] sameth vorgeschossen, ein helmb­ lin mit dem stechbarth, ruckhen, brust und ringkhragen, ein gerüst, ein tarschetta, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein par taschen mit denen khniebüegen und ein par handtschuech. Item übrige stuckh, ein langes und ein kurzes täschl, ein stechhandtschuech, zwey stechscheiben und ein halbe roßstiern. No 6. [257] Ein schwarze rüstung, worbey ein casquet, ruckhen, brust und rüngkragen, ein par achseln und ein pahr armbzeug. No 7. [258] Mehr ein schwarze rüstung mit einem casquet, ein ringkragen, ein pahr axeln, ein par armbzeüg, ein par taschen, ein par [fol. 197v] tiegling sambt den khniebiegen und ein par handtschuech. No 8. [259] Ein ganz weisser harnisch, ein casquet, ruckhen, brust und ringkragen, ein ge-

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rüst, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein par taschen, ein par tiegling, ein ganz par schünnen sambt den schuechen und sporn, drey handtschuech. No 9. [260] Ein schwarzer harnisch mit einer sturmbhauben, ruckhen, brust und ringkragen, ein gerüst, ein pahr auffgeworffene achsel, ein par armbzeüg, ein par lange taschen mit dem khniebiegen, ein par halbe schünnen und ein ubrige achsel. [fol. 198r] No 10. [261] Ein weisser mit blauen blumben gemußierter khüriß, ein casquet, ringkragen, ruckhen und brust, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein langs par taschen. No 11. [262] Item ein schwarzer, über die ballia, weiß geäzter harnisch mit einen casquet, ruckhen, brust und ringkragen, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par tiegling, ein par schünnen und ein handtschuech. No 12. [263] Abermahlen ein schwarze rüstung mit einem casquet, ein hinter- und vorder­ theill, ein tarschetta, ein weiß und zum theil vergolten spanischen schurz und ein handtschuech. [fol. 198v] No 13. [264] Ein schwarzer khüriß mit ein casquet, ein stechbarth, ringkragen, ruckhen und brust, ein par achseln, ein par taschen, ein ganze roßstiern. No 14. [265] Ein schwarze rüstung, darbey ein casquet, ruckhen, brust und ringkhragen, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein par taschen, ein par tiegling, ein par halbe schünnen, ein par handtschuech, item ein übriger ruckhen und brust. No 15. [266] Ein schwarze rüstung (warvon aber a[nn]o [1]657 den 18. Juny, daß casquet, ruckhen und brust, dem khönig in Pohlen30 vermög anschaffung oder bescheinung durch deren abgesandten uberschickhet [fol. 199r] worden), und seind von solchem annoch folgende stuckh verhanden, alß ein rüngkhragen, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein kleiner hinterschurz, ein pahr taschen, ein par tiegling, ein handtschuech. No 16. [267] Mehr ein sturmbhauben, ruckhen und brust und ringkhragen, alles schwarz.

30 König Johann II. Kasimir von Polen (1609–1672).

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No 17. [268] Ein schwarze, auff der brust durch schossene veldtrüstung, ruckhen und brust, mit dem ringkragen sambt einer uberschifftung, brust, ein par achsel, ein par armb­ zeüg, ein hinterschurz, ein par lange pein taschen. [fol. 199v] No 18. [269] Ein schwarz hinter- und vordertheill, ein sturmbhauben und drey axeln. No 19. [270] Ein schwarze veldt rüstung mit dem casquet, ruckhen, brust und ringkragen, ein par axel, ein par armbzeüg, ein par handtschuech, ein par taschen, ein par tiegling, ein ganz par schünen sambt den schuechen. No 20. [271] Ein schwarze rüstung mit vergulten rayffen, ruckhen, brust und ringkhragen, mit einem hinterschurz, ein par taschl, ein par achsel, ein par armbzeüg, ein par tiegling und ein par handtschuech, mit rothen sameth vorgeschossen. No 21. [272] Ein schwarzer khüriß, welcher von [fol. 200r] der härtschiern quardia, anstatt eines ihnen auß der rüstcammer auff kay. befelch von denen weissen thürollischen31 khürissen gegeben worden, herkomben, worbey ein casquet, ruckhen undt brust, ein par achseln, ein par armbzeüg, ein hinterschurz, ein par lange schoss. No 22. [273] Ein ganz alter stech harnisch von gemußierter arbeith, ein sturmbhauben, ruckhen und brust, ein par lange schoß, ein brechscheiben, ein tarschetta sambt einer roß blaten, ein vordertheill, ein zerschnidenes schwaiffstuckh, zwey seithen brötter, ein kampp und ein rossstiern. No 23. [274] Mehr ein dergleichen ganz alter [fol. 200v] stechharnisch von gemußierter arbeith, mit einer sturmbhauben, ruckhen und brust, ein par lange und ein par kurze schoß, ein brechscheiben, ein tarscheta, worbey auch ein roßblatern mit vorder- und hintertheil, zwey kleine seithenbröder, ein kamp und ein roßstiern. Drey grosse und ein kleines harnisch blöch noch unaußgearbeither. Ausser und oben auff den kästen stehenter befinden sich auch [275] 118 sturmhauben und 24 darzue gehörige mändl. [276] 42 thurnier schwerter, schwarz und weiß, ohne schaiden. [277] Fünff alt schwa[rze] trabanten oberwöhren.

31 Aus Tirol kommend.

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[fol. 201r] [278] Mehr 50 eyßerne trabanthen oberwöhren, welche a[nn]o 1667 bey dem dazumahlen gehaltenen roßpallet beym auffzug neben ihrer May. dem khayser32 hergegangener die trabanthen gebraucht, und hernacher in die rüstcammer geliffert worden, alle mit mahler faimb golt und silber uberstrichen. [279] 43 hartschiern cußien. [280] 44 kay. Ferdinandi33 hartschiern spieß. [281] 23 sperreütter spieß mit schwarzen sameth, auch roth und weiß seidene fransen obenher. [fol. 201v] Volgt auch waß sich in dennen schubladten befündet, alß nemblichen in der schubladen No 1. [282] Ein khüriß schürzl von zitron farben samet und roth atlaßen blumbwerch, mit roth und guldenen schnierlen brämbt und mit weiß daffet gefüedert. [283] Ein khüriß schürzl von schlecht guldenen toggill. [284] Ein khüriß schürzl von leibfarben atleß, mit silbern und guldenen schnierlen brämbt. [285] Ein solches khüriß schürzl von leibfarben goltstuckh, mit silbern schnierlen brämbt. [286] Widerumben ein kleines khüriß [fol. 202r] schürzl, mit falschen golt undt silbern schlingen verbrämbt. [287] Abermahlen ein roth atlassenes khüriß schürzl, mit roth sammeten schnieren verbrämbt. [288] Zwey roth atlessene kragen unter die rüstung. [289] Zwey weiß sametene thurnier wohrbeheng. [290] Mehr ein thurnier wöhrbehäng von leibfarben goltstuckh, darauff ein bramb von aschenfarben seidenen schnieren. [291] Mehr ein thurnier wohrbehäng von gemußierten silberstuckh, mit weissen pertlen gebrämbt. [292] Ein gelb sametener capezämb [fol. 202v] umb und umb mit silbern schnieren gestickhet, daran 6 gelb seiden und mit silber vermengte quasten. [293] Ein gelb sametenes paretl.

32 Kaiser Leopold I. (1640–1705). 33 Kaiser Ferdinand I. (1503–1564) oder Kaiser Ferdinand III. (1608–1657).

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No 2. [294] Zwey roth damaßkhene cornet oder standärth fändl ohne stangen, eines gemahlen, daß andere aber mit perlhaffter arbeith, mit gold, silber und seiden reichlichen gestickhet, an dem gemahlenen umb und umb weiß, schwarze undt roth seidene fransen, und an den gestickhten silber, roth und schwa[rze] seidene fransen und in dessen mitten ein jungfrau an ein felssen geschmidet. [295] Ein grosser doppeldaffeter türckhischer haubtfahnen von zendl. [fol. 203r] [296] Mehr zwey fändl, roth und gelb, von zendl, welche zu Schambeckh34 bekomb­ en worden. No 3. [297] Ein gelb daffetener grosser fahnen, in der mitten drey grien zentlene spüz und obenher mit allerhandt farben seiden blumbwerch gestückhet. [298] Zwey weiß und gelb taffetene freyfandl mit dem burgund[ischen] creüz. [299] Zwey blau damaßkhene standarth mit dem Zeredinischen35 wappen. [300] Siben gelb daffetene coppiafahnen mit silbern flammen, in iedem ein gemahlenes crucifix mit der jahrzahl a[nn]o 1614. [301] Fünff gelb zentlene coppia fahnen [fol. 203v], mit rothen flammen, in iedem dessen mitte ein geharnischter armb mit einem bluetigen schwerth. [302] Mehr acht hungar[ische] coppia fahnen von damaßkh, alß zwen carmeßin rothe, zwen griene, zwen gelbe, ein feiglfarber, und ein aurora farber, mit golden und silbern flanckhen, so herr Seyfridt von Gollonitsch36 machen lassen. [303] Mehr ain roth und ein weisser taffetener coppiafahnen, nicht völlig außgemacht. [304] Ein grosser fueß volckh fahnen von zentl, roth, weiß, gelb und grien, in der mitten des khaysers Matthiae37 nahmen mit dem gulden vellus und oben auff eine cron, welchen er zu erhollung der böhaimbischen cron gebraucht.38 [fol. 206r] No 4. [305] Ein gelb atlassener und drey löderne ringkhrägen, wie auch ein braun rundes nädäzl und die ringkragen. [306] 33 ganz schlechte coppia fahnen von allerley farben, leinbath und zendl.

34 Schambeck/Zsámbék (Ungarn). 35 Vermutlich Sered’ (Slowakei, ung. Szered, dt. Sereth). 36 Seyfried Kollonics von Kollógrad (1572–1624), 1601 Generalfeldwachtmeister, 1603 Oberst der bergstädtischen Grenzen, 1621 Feldmarschall (?). Antonio Schmidt-Brentano, Kaiserliche und k. k. Generale (1618–1815) (Archivbehelf des Österreichischen Staatsarchivs), o. O. 2006, 51. 37 Kaiser Matthias (1557–1619). 38 Matthias wurde am 23. Mai 1611 zum böhmischen König gekrönt.

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[307] Ein dergleichen alter fahnen, roth, weiß und gelb, von zendl, daran ein zetl mit der jahrzahl 1604, welchen her Strein39 von den rebellen bey Neuheüßl40 bekomben. No 5. [308] Vier mascaraty wameßer, sambt dem ermblen, von gulden tockhill und gemahlen, mit gelber leinbath gefüedert, dan die darzue gehörige schürz von zendl und gemahlen, auch [fol.  206v] mit rother leinbath gefüedert, item acht flügl mit toggill. [309] Vier lange mascaraty röckh von rothen zendl, gemahlen mit silber, sambt den achseln, mit rother leinbath gefüedert. No 6. [310] Vier stückh von blauen daffet, mit dreyzechen schueppen geschnitten, mit blauer leinbath gefüedert, darauff von pappwerch vergulte schidl. [311] Zwey weiß sametene und siben roth atlassene sperreutter spieß, hossen, sambt 35 stückhl darzue gehörige roth und weissen seidene fransen. [312] Mehr sechs roth und schwarze und zwey blaue seidene stickhl [fol. 205r] und fransen, oben an die spieß. No 7. [313] Zwölff wehrgeheng und gürtl, wie auch neun riemen für die trumel schlöger, alles von weissen löder. No 8. [314] Vier fuetterall von schwarzen löder zu denen rundeln, darunter eine mit gelben samet gefüedert. [315] 18 par schwarz löderne hulfftern über die khnöblspieß. [316] Vier roth löderne fuetterall über die türckh[ischen] sturmbhauben. [317] Neun pahr groß und kleine löderne hulfftern über die spießfahnen. [fol. 205v] No 9 und 10. [318] Alte grosse und kleine eyßerne ring von denen wägen.

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Hans Reinhard Strein auf Schwarzenau und Hirschbach, Hauptmann in Neuhäusel/Nové Zámky (Slowakei). Hieronymus Oertel, Chronologia oder historische Beschreibung aller Kriegsempörungen unnd Belägerungen der Stätt und Vestungen, auch Scharmützeln und Schlachten, so in Ober und Under Ungern, auch Sibenbürgen, mit dem Türcken von Ao. 1395 biß auff gegenwertige Zeit denckhwürtig geschehen, Bd. 4: Viertter Thail deß hungerischen unnd sibenbürgischen Kriegswesens, was sich seidhero Anno 1604 biß auff Ao. 1607 inn der außgestandnen Rebellion mit dem Türcken, Rebellen und […] zugetragen […], Nürnberg 1613, 120. 40 Neuhäusel/Nové Zámky (Slowakei).

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No 11. [319] In einer menge groß und kleine wurff eyßlen zum quintan. [320] Item in einer schachtl unterschiedlich vergulte nögl und schrauffen, sambt 12 par hungar[ische] sporen. Weitters befündet sich außer der kästen. [321] Zwey schwarze und ein rothsametener schuech zum corneth fähnlein führen. [322] 13 löderne schuech zum cornet fändlein füehren. [fol. 204r] In einer viereckheten truchen oder küsten. [323] Ein unaußgemachter schlitten mit einem bild von holz. [324] 17 stuckh groß und kleine laubwerch von mössing. [325] Darinen auch allerley geschnittenes riemwerch von löder. [326] Zwey harnisch truchen mit schwa[rzem] löder überzogen, mit eysen beschlagen, darinen versehrt und zerfressene harnisch sackhlein, roth, gelb und grien, von fuedter werch. [327] Vier lange thafflen, darunter drey mit griennen tuech uberzogen. [fol. 204v] [328] Drey grosse thafflen, auff iedem ein spanisch roß gemahlen. [329] Ein eysernes stückhl mit einem feür schloß, 4 spannen lang, auff denen laffeten und zweyen röderen stehent. [330] Ein tartarisch cornet von roßhar. [331] Sechs von eysen gemahlene blöch oder auffzüg schildt, an denen hilzern s­ eillen hangent. Mehr in einer neu nußfarb angestrichenen truchen L. A. befünden sich [332] 30 neue thurnier schwerter mit groß weiß schweizerischen creüzen, mit schwarzen schaiden, bey iedem ein schwarzes gürtl behäng von löder mit schwarzen [fol. 207r] beschlächt, welche a[nn]o 1671 in die rüst cammer gegeben und zu dem dazumahlen vorgehabten und brobierten fueß thurnier gebraucht worden. [333] Mehr befünden sich 19 türckh[ische] geschnittene hilzerne köpf, auff denen kasten stehent. [334] Item drey stächel und drey andere stängl mit den armbrusten, zum frösch schießen und stöchen. [335] Ein handtmühlen.

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[336] Ein mohr auff einem roß, von holz geschnizt, daran man die lanzen zerbricht. [337] Drey auff holz gemahlene spännische wappen. [fol. 207v] [338] Fünff schildt auff holz, jedes absonderlich gemahlen. Item befünden sich, so der spanische stall ubergeher Nidermayr41 a[nn]o 1669 in die rüstcammer gegeben, zum kopf rennen gehörig und von holz geschnittene stattuen, alß [339] Vier sarteri ohne köpf, darunter zween mit drey leibern. [340] Zwey delfin. [341] Zwen centauri und [342] Zwey cerbori mit denen postamenten. [fol. 208r] Hierauf volgen die ständart, fahnen, hörpauckhen und trumblen, auch anderes, so sich in der rüstcammer befünden, alß nemblichen. [343] Acht türckh[ische] ständärth ohne fahnen, erstes obenher mit schwarzen sameth und guldenen porthen umbwunden, sambt zweyen schwarz seiden, mit goldt eingetragenen quasten, andertes obenher auch mit schwarzen samet und guldenen porthen umbwunden, sambt zweyen von weiß, gelb, und schwa[rz] seiden, mit golt eingetragenen quasten, drittes mit zweyen von rother seiden und golt eingetragenen quasten, viertes mit einem roth seidenen quasten und uberzogenen guldenen nötzl, fünfftes, sechstes und sibendes oben her mit schwar[rzem] sameth umbwunden, ohne quasten, und daß [fol.  208v] achte und lezte obenher mit schwa[rzem] sameth umbwunden und mit zwey schwarz seidenen quasten. [344] Ein altes ständärth mit den fahnen, in dessen mitte ein armb mit der sackhpfeiffen. [345] Ein weiß damaßkener ständart mit perlhöffter arbeith, von goldt gestickhet, mit guldenen franßlen eingefast, in dessen mitte mit buchstaben gestickhet Pro Libertate, ohne quasten. [346] Ein ständarth von rothen damaßckh, in dessen mitte ein engl mit dem vellus, von goldt gestickhet, auch mit goldenen fränßlen eingefast, mit einem vergulten crändl und vier von rother seiden und goldt eingetragenen quasten. [fol. 209r] [347] Mehr ein roth damaßkener ständärth, in dessen mitte der erzengel Michael gestickhet, mit guldenen fransen eingefast, ohne crändl und vier von rother seiden und mit goldt vermengte quasten. [348] Widerumben ein roth damaßkener standärth, mit guldenen fransen eingefast, 41 Johann Nidermayr (um 1610–1688), Übergeher im Spanischen Stall (um 1662 – um 1688). Digitale Datenbanken Hofgesellschaft Leopolds I. (zit. Anm. 4).

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in dessen mitte ein kranich gemahlen, sambt dem crändl und vier von rother seiden mit golt eingetragenen quasten. [349] Item ein roth damaßkhener standärth, mit roth seiden und guldenen fränßlen eingefast, in dessen mitte ein schwarzer adler auff einer kugl gemahlen, mit vier ­roth seiden und golt vermengten quasten. [350] Widerumben ein roth damaß- [fol.  209v] khener standärth, mit dem crändl, mit guldenen flamben, in dessen mitte einer seits des khäysers Mathiae42 nahmen, anderen seits aber kriegs rüstung gemahlet, ohne quasten. [351] Ein alter standarth von schwarzen damaßkh, mit abgebrochener lanzen, ohne crändl, mit blau seiden und silbern franßl eingefast, in dessen mitte ein lorbercranz eingemahlet, und mit unterstehenter schrifft O Muerto. [352] 39 von allerhandt farben fueßvolckh fahnen, darunter zwölff Manßfeltische43, welche in der schlacht vor Prag auff dem Weissenberg44 bekomben worden. [353] Drey fueßvolckh fahnen, zwen roth [fol. 210r] und weiß und einer grien und gelb, darbey ein zetl mit der auff schrifft, Esterhässische45 Fähn, welche a[nn]o 1624 zue Neuheüßl46 bekomben worden. [354] Ein reutter fahn von gelben damaßkh, darauff unsser lieben frauen bildtnuß auff einer seithen und auff der anderen seithen daß kay. wappen, mit schwa[rz] und weiß seiden, auch golt vermengten fransen verbrämbt, mit der jahrzahl a[nn]o 1595. [355] Ein roth damaßkhener reütterfahn, auff einer seithen unsser lieben frauen bildnus, auff der anderen daß österreich[ische] wapen und ein crucifix, mit klein ­roth seidenen und goldt vermengten fränßlen verbrämbt und mit der jahrzahl­ a[nn]o 1601. [fol. 210v] [356] Ein reütter fahnen, am schafft abgebrochen, von schwarz und weissen da­ maßkh, mit unsser lieben fr[au]en bildtnuß und dem österreich[ischen] wapen, mit gultenen fränßlen verbrämbt. [357] Ein roth damaßkhener reütterfahn mit st. Leopoldi bildnuß, und österreich[ischem] wappen, mit guldenen fränßlen verbrämbt und jahrzahl a[nn]o 1608. [358] Item ein reütterfahn von rothen daffet, mit österreich[ischem] wappen und einem greiffen, mit vergulten laubwerch, mit seiden fransen besezt. [359] Mehr ein reütter fahn von rothen daffet, mit doppelten adler einerseits, ander seiths aber ein crucifix mit seiden [fol. 211r] fränßlen verbrämbt. [360] Ein roth damaßkhener reütterfahn, einer seits unsser lieben frauen bildnuß, ander seiths aber ein crucifix und doppelter adler, mit guldenen fränßlen verbrämbt und jahrzahl 1598.

42 Kaiser Matthias (1557–1619). 43 Graf Ernst von Mansfeld (1580–1626), Söldner- und Heerführer, Gegner der kaiserlichen Partei im Dreißigjährigen Krieg. 44 Schlacht am Weißen Berg/Bílá hora (Tschechien), 8. November 1620. 45 Esterházy. 46 Neuhäusel/Nové Zámky (Slowakei).

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[361] Mehr ein solcher gleichformbiger fahn mit der jahrzahl 1599. [362] Abermahlen ein roth daffetener reütterfahn mit einem crucifix und doppelten adler, mit seiden franßlen besezt und der jahrzahl a[nn]o 1602. [363] Ein weiß damaßkhener reütterfahn, in der mitten ein drey köpfiger man mit einer cron gemahlen, mit weiß und roth seidenen fränßlen verbrämbt. [fol. 211v] [364] Ein solcher reütterfahn, auff einer seithen ein stuckh und auff der anderen seiten ein felssen gemahlen. [365] Abermahlen zwen gleiche fähn von rothen damaßkh, mit goldt gemahlten flamben, in ieden dessen mitte beederseits daß österreich[ische] wappen, gulden vellus und khay. cron gemahlet, mit roth seiden und guldenen franßlen besezt. [366] Ein grosser schiff fahn von carmeßin rothen daffet, in dessen mitte unsser lieben frauen bildnuß, umb dieses alle dem hauß Österreich zueständige wappen gemahlen, mit roth seidenen fränßlen verbrambt. [367] Mehr ein grosser schiff fahn von perlfarben daffet, in dessen mitte daß crucifix und unsser lieben [fol. 212r] frauen st. Joannis bildnuß gemahlt, mit seiden fränßlein eingefast. [368] Mehr ein grosser schifffahn von rothen carmeßin taffet, in dessen mitte beederseits daß crucifix und der kay. adler gemahlen, mit carmeßin seiden und golt vermengten fränßlen verbrämbt. [369] Ein ganz alt zerrißner undt mit mahler goldt überstrichener, schwarz daffetener schiff fahn, mit den kay. adler. [370] Abermahlen ein carmeßin roth taffetener schiff fahn, in mitten dessen daß crucifix mit der bildtnuß unsser lieben frauen und st. Joannis, mit seidenen franßlen verbrämbt. [fol. 212v] [371] Insimili ein roth daffetener schifffahn, in dessen mitten ein weiß daffetener strich und mit einem rothen creüz und goldt gemahlten flamben, mit rothen und weiß seiden franßlen brämbt. [372] Ein alter schiff fahn von gelben daffet, mit dem kay. adler, und mit schwarz seiden und goldt eingetragenen fränßlen verbrämbt. [373] Widerumben ein roth daffetener schiff fahn, in dessen mitte daß hungar[ische] wappen, und unterschiedlich mit golt gemahlen. [374] Zwey weiß und blau daffetene frey fändl mit blauen stänglen, zu einem auffzug. [375] Mehr acht fahn von allerley farben, darunter ein grosser fahn [fol. 213r] von rothen taffet, und kleines renfändl. [376] Zwey spiesseln, an ieder ein schwarzer puschen födern, oben auff in fransen formb.

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[377] Sechs türckh[ische] corneth spießle. Dan befinden sich in allem. [378] 314 türckh[ische] fahnen und cappien, von allerhandt farben, darunter zöchen fahnen mit mössingen und vergulten khnöpfen. [379] 19 türckh[ische] veldt trumblen. [380] Siben pahr kleine türckh[ische] hörpuckheln. [381] Ain par horpauckhen von kupfer, [fol. 213v] ohne fahnen, welche von denen Boheimben und Mähren a[nn]o 1619 bekhomben worden. [382] 24 lanzeta durch einander, darunter eine vergoldt. Item befünden sich. [383] Zwey rotsametene tragseßl mit goldenen porthen brämbt, mit grien überzogen. [384] Ein tragsessl von schwarz tuech. [385] Ein ganz vergulter schlitten mit einem gelb sameten süz. [386] Ein kasten auff einem wagen, aussenher von schwarzen samet, einwendig aber mit rothen atlaß. [fol. 214r] [387] Ein alter wagen kasten, mit vergulten leder überzogen. [388] Ein alter sessel von gelben sammet mit roth seidenen franßen. [fol. 214v] Zue uhrkhundt dessen seindt diesser inventarien drey gleichlauttente auffgericht worden, deren eines in dem hoffcontralor-, daß andere in dem hoff fuetterambt, und daß dritte bey der rüstcammer verbliben, actum Wienn den ersten January anno 1678.

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Glossar Zusammengestellt von Stefan Krause und Mario Döberl ACHSELN: Rüstungsteile zum Schutz der Schultern ACHSELSCHILDT (AXEL SCHILDT): Harnischteil; Rundscheibe zum ergänzenden Schutz für die → ACHSELN ARMBZEUG: Armzeug; Rüstungsteile zum Schutz der Arme ASCHENFARBEN: hellgrauer Farbton ATLAS (ATLASS, ATLESS): glatter, glänzender Seidenstoff AURORA: goldroter, an das Morgenrot erinnernder Farbton BALLA: siehe → BALLIA BALLIA, BALLA RENNEN: Plankenstechen, von ital. pallia: Holzplanke, welche die Reiter beim Turnier voneinander trennte BARTH: Kinnstück mit angearbeitetem Halskragen BEINTASCHEN (PEINTASCHEN): zwei an den Bauchreifen hängende, meist bewegliche Platten zum Schutz der Oberschenkel BESCHLÄCHT: Beschläge BISS: Gebiss, Trense BISSEMKAZ: Bisamkatze (Zibetkatze) BLATEN: siehe → ROSS BLATEN BLATNER: Plattner: Handwerker, der aus Stahlplatten bestehende Harnischteile schmiedete und durch Nietung zusammensetzte BLUMBWERCH: Dekor in Blumenform BOMETLN: Bommel, Quaste BRECHSCHEIBEN: Brechscheibe; trichterförmig gebogene Stahlplatte, zum Schutz der Hand auf die Reiterlanze aufgeschoben BRUST: Bruststück; Rüstungsteil zum Schutz der Brust BUCKHL (BUGGELE): hier gewölbte Rüstungsteile, etwa zum Schutz der Knie oder Ellbogen CAPEZÄMB: Kappzaum; gebissloser Halfter zum Führen des Pferdes, bes. bei der Dressur CAPPIEN: siehe → COPPIAFAHNEN CARBINER: Karabiner; kurzes leichtes Gewehr, das zunächst nur von der berittenen Truppe verwendet wurde und am Karabinerriemen befestigt war CARMESSIN: karmesin; kräftiger, leuchtend roter Farbton, scharlachrot CASQUET: von franz. casquette: Mütze bzw. casque: Helm CENTAURI: Zentauren CERBORI: Zerberusse COPPIAFAHNEN: womöglich „Stände“- bzw. Stadtgemeinschaftsfahnen CORNET (CORNETH): Truppenfahne CRÄNDL: kleine Krone; hier wohl Kronen, die am Stangenende der Standarte angebracht sind CUSSIEN: Kuse, Stangenwaffe mit messerförmiger Klinge DAFFET: siehe → TAFFET DAMASSKHENE: Damast; großgemustertes Gewebe DOLCH: hier im Sinn von Parierdolch, einer kurzen Blankwaffe, meist in der linken Hand geführt, um die Waffe des Gegners zu parieren DOPPELDAFFETER: Doppeltaft; dichter, glatter, meist einfärbiger Glanzstoff aus gekochter Seide ERBLIN (ERMBLIN): Ärmel FÄNDL (FÄNDLEIN): kleine Fahne(n) FEIGLFARBEN: veilchenfarben

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FELDTRÜSTUNG (FELDT RÜSTUNG): Harnisch für den Einsatz im Feld, d. h. in der Schlacht FEÜRHANNEN: siehe → FEURSCHLOSS FEURSCHLOSS: Zündmechanismus bei Feuerwaffen (Vorderlader), der mit einem Feuerstein zündet FLUSS: siehe → VELLUS FÖDERSTILL: Federstiel; hier Hutfeder FREY THURNIER: Freiturnier; Gruppenkampf zu Pferd in verstärkter Feldausrüstung mit Lanzen und Schwertern FREYFANDL: Fahnen, womöglich für eine Abteilung von zu Fuß kämpfenden Haramien (Freischar, d. h. unbesoldete Verbände) FUEDTER WERCH: Futterstoff (hier v. a. von Harnischen) FUESSTHURNIER (FUESS THURNIER): Fußturnier; Zweikampf zu Fuß in einem abgeschrankten Feld, von duellartig ernstem oder sportlichem Charakter GALLONEN: Galonen; Zierborten aus Gold, Silber, Seide oder Wolle GEÄZT: geätzt; Dekorationsart, bei der das Motiv mittels Säure in die Metalloberfläche eingebracht wird GEFÄSSEN: Gefäß; umfasst Griff, Knauf und Handschutzelemente bei Blankwaffen GEMUSSIERT: musiert; musivisch verziert, bunt eingelegt oder gefärbt GERIST (GERÜST): Rüsthaken; hornartiges Auflager an der rechten Brustseite für den Spieß, zum Feldgebrauch umklappbar, für das Gestech stärker und starr; der Rüst­ haken ist das eindeutige Kennzeichen eines schweren Reiterharnisches GESCHABEN: siehe → GESCHIEBTE GESCHIEBTE: Geschübe; Rüstungsteil aus beweglich zusammengenieteten („geschobenen“) Reifen GESTÜCKHET: gestickt GOLTSTUCKH: Goldstück; schwerer, weicher Stoff, dessen glänzender Grund aus reichem Goldgespinst oder Goldlahn besteht, auch drap d’or GREIFFEN: Greif; zumeist geflügeltes, aus Körperteilen verschiedener Tiere zusammengesetztes Mischwesen GUPPEN: sog. Gupfe; Verstärkungsstück für den Scheitel, Teil des Harnisches für das Freiturnier HÄRTSCHIERN QUARDIA: Hartschiere; kaiserliche Leibgarde, abgeleitet vom ital. arciere (Bogenschütze) HANDTMÜHLEN: Handmühle; mit der Kurbel von Hand betriebene kleine Mühle zum Zerkleinern von Kaffeebohnen, Pfeffer, Senf etc. HARNISCH: Synonym für alle Arten der Plattenrüstung HELMBLIN (HELMLIN, HELM): Helm; meist aus Eisen bestehender Kopfschutz HEÜBL: Diminutiv von Haube HINTERSCHURZ: Gesäßschurz (Harnischteil) HÖRPAUCKHEN (HORPAUCKHEN): Kesseltrommeln, die meist in Kombination mit Trompeten sowohl im militärischen Bereich als auch bei höfischen Aufzügen Verwendung fanden HÖRPUCKHELN: kleinere Form von → HÖRPAUCKHEN HOSSEN: Stangenüberzug; vgl. Fahnenhose: der mit Stoff oder Leder überzogene untere Teil der Fahnenstange HULFFTER: Futteral INDIANISCHES HOLZ: im Sinne von exotisches, fremdländisches Holz JANITSCHARN: Janitscharen; Elitetruppe der osmanischen Armee KASSGETH: siehe → CASQUET KEMPFSCHURZ (KHEMPFSCHURZ): zum Tonnenrock erweiterter Schutz für Hüften und Oberschenkel, Teil des Kempfküriss (Harnisch für den sportlichen Zweikampf zu Fuß) 225

KHAMP (KAMP, KAMPP, KHAMPF): Kamm/Kranz; Rüstungsteil, der den oberen Halsrand des Pferdes schützt KHNIEBIEGEN: Kniebuckel, Knieschutz (Harnischteil) KHNÖBLSPIESS: Knebelspieß; Spieß mit einem Quereisen am unteren Ende des Spießeisens KHÜRISS (KÜRISS, KHYRISS): Küriss; Reiterharnisch, mindestens bis zu den Knien, meist aber bis zu den Füßen reichend; gekennzeichnet durch ein Auflager an der rechten Brustseite (Rüsthaken) für den Reiterspieß KHÜRISS SPANER: Bedeutung unklar; möglicherweise Synonyme für → SCHRAUFFSPANNER, zum Festziehen von Schrauben am Harnisch KOPF RENNEN: Ritterspiel zu Pferd, bei dem mit einer Lanze, einem Wurfpfeil, einem Säbel oder einer anderen Waffe nach einer hölzernen Skulptur oder einer anderen Attrappe gezielt wird KUGLNEGLEN: Bedeutung unklar, möglicherweise mit Nägel befüllte Projektile LANDTSKNECHT AXEL: Achselkragen, Kombination aus Kragen und Achseln LANZEN: Lanze; mehrere Meter lange, schwere, aus einem Holzschaft gebildete Stichwaffe mit einer Spitze aus Eisen oder Stahl LANZETA: kleine Lanze, siehe → LANZEN LEIBFARBEN: zartrosa LEINBATH: Leinwand LÖRFFEN: hier Bestandteil einer → STURMHAUBE; genaue Bedeutung unklar MAHLER GOLT (MALLER GOLT, MAHLER FAIMB GOLT etc.): Goldfarbe, gewonnen aus geriebenem, mit Bindemittel vermengtem Blattgold MANDL (MANTL, MÄNDL): Hals- und Nackenreifen für Visierhelme MASCARATY: Verkleidung für Aufzüge, Ballettvorführungen etc. MÖDL: Model, Musterform MUSSQUETEN: Muskete; schweres, langes Vorderladegewehr mit glattem (zuglosem) Lauf NÄDÄZL: von Tatzel; Manschetten, hier textiler Art NÖGLEN: Nägel NÖTZL: feinmaschiges Netz OBERWÖHREN: Oberwehr/Obergewehr; hoch (auf der Schulter) getragene Waffe, zumeist Feuer- bzw. Stangenwaffe PÄRTL (PARTH): Bart; Kinnstück mit angearbeitetem Halskragen, Verstärkungsstück des Visierhelms; in diesem Fall meist aus nach unten zu klappenden Reifen zusammengesetzt PALLASCH: Hieb- und Stichwaffe mit gerader, zweischneidiger Klinge PALLET: Ballett PALLIERT (PALLIERTH): poliert PANZER: Schutzkleidung aus ineinander verflochtenen kleinen Metallringen PANZER HEMET: siehe → PANZER PANZER SCHURZ: siehe → PANZER PARETL: Barett (nach dem mlat. barretum); flache, runde bzw. eckige Kopfbedeckung ohne Schirm oder Krempe PERLHAFFTER ARBEITH (PERLHÖFFTER ARBEITH): Kunststickerarbeit, verziert mit Glasperlen PERTLEN: Borten PIXEN: Büchse; Gewehr mit gezogenem Lauf PIXENSCHLOSS: Zündmechanismus der Büchse (siehe → PIXEN) POSAMANEN: Posamente; Borten, Bänder, Schnüre, Zierknöpfe, Fransen und Quasten aus gesponnenem Gold und Silber, aus Seide und Baumwolle, mit denen verschiedene Textilien besetzt wurden PRÖXEL: langes, breites Messer (auch Praxe, Prachse); diente bei der Jagd zum Zerteilen und Vorlegen PUGGELE: siehe → BUCKHL 226

PUFFER: Radschloss-Pistole, deren Griff gegenüber dem Lauf stark abgewinkelt ist und in Kugelform endet PUSSIKAN: Buzogan; Streitkolben QUINTAN: Quintanrennen; Pferdeturnier, bei dem der Reiter mit einem Spieß nach einer Figur, einem Schild o. ä. sticht RAPIER (RAPPIER): Rapier; Degen mit sehr schmaler, kantiger Stechklinge RAYFFEN: Reifen; hier die länglichen eisernen Bestandteile des Harnisches, etwa des Kragens, des Schurzes etc. REGIMENT: hier Kommandostab, Insignie der Befehlsgewalt RENFÄNDL: Renn- oder Sturmfahne RENNEN: Zweikampf zu Pferd in Spezialausrüstung mit schweren, scharfen Lanzen RINGKHRAGEN (KRAGEN): Kragen; Schutz des Halses aus Eisen oder Stahl RÖHR: Rohr; Lauf einer Feuerwaffe ROSS BLATEN (ROSSBLATERN): stählerner Plattenharnisch für das Pferd ROSSBARSCHE: Rossharnisch ROSSMASCARATEN: dekorative Pferdedecken bzw. -verkleidung ROSSPALLET: Rossbalett ROSSSTIERN: Rossstirn; Rüstungsteil, der den Vorderteil des Pferdekopfes schützt RUCKHEN: Rückenstück; Harnischteil, der den Rücken des Trägers schützt RUNDÄTSCHEN (RUNDTÄTSCHEN, RUNDTASCHEN etc.): Rundtartsche, siehe → TARSCHETTA RUNDELN: Rundschild RUNDTSCHEIBL (RUNDSCHEIBL): Rundscheibe; Schutz für die Achsel (Harnischteil) SARTERI: Satyrn SCHEIBL (SCHEIBELN): siehe → RUNDSCHEIBL SCHERFFLIN (SCHERFFLING): Bedeutung unklar; es scheinen hier weder Pantoffel („Scherfling“) noch ein oberer, rund zulaufender Helmteil („Scherflier“) gemeint zu sein SCHIDL: Schindel, Brettchen/Plättchen SCHIFF FAHN: Schiffsfahne SCHIFFTUNG: Schiftung; gemäß der alten Bedeutung des Wortes Verstärkung, Verdoppelung SCHLOSS: Zündmechanismus SCHOSS (SCHOSS): Schöße; an das Bruststück einer Rüstung angeschlossener Schenkelschutz aus beweglichen Reifen SCHRAUFFSPANNER: Schraubspanner SCHUECH MEÜLLER (MEILLER, MEÜLLR): flache, vorne verbreiterte Fußbekleidung, in Form sog. Kuhmaulschuhe SCHÜESSLADEN: Behältnis, hier für Kugeln für Feuerwaffen SCHÜNE (SCHÜNNEN): Schienen/Beinschienen SCHWAIFFSTUCKH: Teil des Rossharnisches, Öffnung für den Schweif des Pferdes SEITENBRÖDER (SEITEN BROTTER, SEITHEN BRÖTTER): Seitenbretter; Seitenteile des Rossharnisches SILBERSTUCKH: Silberstück; schwerer, weicher Stoff, dessen glänzender Grund aus reichem Silbergespinst oder Silberlahn besteht, auch drap d’argent SPERREÜTTER (SPERREUTTER): mit einem Speer ausgerüsteter Reiter SPIESS: Stichwaffe des Fußkämpfers mit schlanker Spitze und langem Holzschaft SPIESSFAHNEN: Fahnen, die für Pikeniere gedacht waren SPIZEN: Spitzen, hier zugespitzter Aufsatz SPÜZL: hier Spitzenmuster STANDÄRTH FÄNDL: meist rechteckige Fahne mit darauf dargestelltem Wappen

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STECHHANDTSCHUECH, STECHPARTH, STECHTÄSCHL, STECH TASCHEN etc.: Ausrüstungsteile für das Gestech; Zweikampf zu Pferd in Spezialausrüstung mit schweren, stumpfen Lanzen STEGREIFF: Stegreif; Steigbügel STRAIFFEN: Streifen STREIMBWEISS: streifenweise STRICH (STRICHE, STRÜCHE): Striche; Bezeichnung für jedwede Art von Streifen, Borte, Besatz STRÜCHWEISS: strichweise STÜCKHL: verschiedene Bedeutung; zumeist Teil/Bestandteil, vereinzelt aber auch Gefechtstück/Geschütz STUCKH: siehe → STÜCKHL STURMBHAUBEN: Sturmhaube; vorne offener Helm TAFFET: Taft; leinwandartiges, leichtes, stark glänzendes Gewebe aus gekochter Seide TARSCHETTA (TARSCHETA): Tartsche; mittelalterliche Bezeichnung für einen Schild, abgeleitet vom maurischen Wort adarga TASCHEN (TASCHL): siehe → BEINTASCHEN THURNIERCREÜZ: hier vermutlich Handschutz eines Turnierschwerts TIEGLING (TIECHLING): Diechlinge; Platten zum Schutz der Oberschenkel TOCKH: Dock; Geflecht von schmalen Streifen aus dünnem, mit Seidenfäden durchzogenem Gold- oder Silberblatt TOGGILL (TOCKHILL): vermutlich Form bzw. Ableitung von → TOCKH TRABANTHEN: Trabanten; kaiserliche Leibgarde TRABHARNISCH: Harnisch der leichten Reiterei, mit Sturmhaube, halbem oder kurzem Beinzeug bzw. Beintaschen TÜRCKHISS: Türkis; ein Schmuckstein VELLUS: Zeichen der Vliesordensritter; Ordenskollane bzw. deren Widder­fellanhänger VERROST: verrostet VERZÜNT: verzinnt VISSIERHAUBEN: Helm mit Visier oder Visiersturmhaube; ein vorne offener Helm, jedoch mit Gesichtsgitter und meist auch mit beweglichem Visier VORBUG: Fürbug; Brustteil des Rossharnisches VORGESCHOSSEN: Vorstoß; an den Rändern von Rüstungsteilen befestigte Stoffteile, die das Aneinanderscheuern einzelner Rüstungsteile verhindern sollen WEHR KLINGEN (WEHRKHLING): Klinge zum Parieren/Abwehren WISCHER: Reinigungsgerät zum Säubern von Geschützrohren; auf einer langen Holzstange befestigte Bürste WOHRBEHENG (WÖHRBEHENG, WEHRGEHENG): textile Behänge für Waffen, zumeist Feuer- bzw. Stangenwaffen ZENDL (ZENTLEN): Zendel; leichter Seidenstoff ZIER: Verzierung ZÜHLL RÖHR: Büchse zum Scheibenschießen ZUG (ZÜGE): Zugwerk; Linienzierat ZUGWEISS (ZUG WEISS): zugweise; siehe → ZUG ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

etc. et cetera durch. Durchlaucht kay. kaiserlich May. Majestät st. Sankt

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ANHANG

Register Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf eine Nennung in den Anmerkungen, fette Seitenzahlen beziehen sich auf Abbildungen.

A Aachen, Domschatz, Augustus-Kameo auf dem Lotharkreuz 26, 26 Aachen, Hans von 60 Abecci, Niccolò degli 101 Abondio, Antonio 67 Acerbi, Giuseppe 93, 93 Agrippina II siehe Agrippina minor Agrippina maior 11, 13, 13, 18 f., 27 Agrippina minor (Agrippina II) 11, 13, 17–20, 17 f., 17, 21, 22, 27 Ägypten 95 Albani, Alessandro, Kardinal 94, 100, 100, 102, 109, 125 Albani, Annibale 100 Albani, Carlo 93, 93, 95, 97–100, 98–100, 102, 106, 106, 113, 125, 125, 127 f. Albani, Carlo, Neffe Papst Clemens’ XI. 100 Albani, Carlo Francesco 99 Albani, Familie 99, 101–104, 106 f., 107, 113, 125 f. Albani, Gianfrancesco (Giovanni Francesco) siehe Clemens  XI., Papst Albani, Giovanni Francesco, Kardinal 106, 106, 141 Albani, Giuseppe Andrea 106 Albani, Olimpia 99, 125 Albani, Orazio 124 f. Albani, Sammlung 93–95, 98, 99–101, 100, 104, 105 f., 106, 111– 113, 124; Antikensammlung 94; Bibliothek 106 Albanien 172 Albertinelli, Mariotto di Bigio di Bindo 129 Albertucci da Urbino 109 Albrecht II., König 160, 171 Albrecht V., Herzog von Bayern 68, 68 f. Albrecht VII., Erzherzog 163, 171, 197, 197 Aldobrandini, Cinzio, Kardinal 143 Aldobrandini, Pietro, Kardinal 144 Aldovrandi, Ulisse 84 Alexander VII., Papst 111 Allori, Alessandro 44 Alpen 140 Altötting 58, 61 Aman, Caspar 149 f., 158, 191, 191 Ambras siehe Innsbruck, Schloss Ambras Amerika 51 Amici, Federico 124 Amsterdam, Rijksmuseum, Lucas Vorsterman nach Peter Paul Rubens, Drei klassische Büsten im Profil 23, 23 Amstetten 29, 32, 34–38, 34, 41 – Archäologische Sammlung, Repliken des Dolichenusfundes 39 – Ausstellungsgelände NÖ Landesausstellung 1937 37 – Bezirksgericht 35 – Schloss Edla 37, 38 Ancona 144 Anna von Österreich, Erzherzogin, Herzogin von Bayern 70, 72 Anna von Österreich, Erzherzogin, Königin von Polen 61, 66 Anna von Tirol, Erzherzogin, Kaiserin 163, 197

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Antwerpen 56, 179 Anzelewsky, Fedja 86 Apian, Peter 46 Arch, Nikolaus von 63 Aretino, Pietro 48 Armano, Giovanni Antonio 105 Arminus, Jacque 131 Arpino, Cavalier d’ 116, 118, 126 f. Assonleville, Christophe d’ 57–63, 57–59, 57, 66, 68, 69 Athen, Akropolis 25 Audenaerde, Robert van 109 Augsburg 68, 87, 159, 162, 163, 171, 173 f., 173, 180, 180, 181 August von Sachsen, Kurfürst 64 Augustus (Octavian), röm. Kaiser 12, 12, 26 Avelino 117, 120 Azzolini, Decio d. J., Kardinal 101 B Babelon, Ernest 20, 22 f. Babócsa siehe Bobotsch Bacchiacca siehe Ubertini, Francesco Bach, Andreas Franz 164, 164 Bach, Anton Franz 164 Baciccio siehe Gaulli, Giovanni Battista Bagni di Nocera 126, 128 Baioni, Cavaliere 125 Balboni, Antonio 143 Bandini, Ludovico 143 Barbaro, Daniele 48 Barberini, Antonio 111 Barberini, Carlo 111 Barberini, Familie 108 f., 111 Barberini, Francesco 111 Barberini, Sammlung 47 Barbiellini, Filippo 141 Barbieri, Giovanni Francesco siehe Guercino Barocci, Federico 99, 101, 109, 115, 125–128 Bartoli, Cosimo 47, 49 Bassano 114, 119, 121, 125, 126, 128, 133 Bastarolo 121 Bayern 53, 68, 70, 81 Bays siehe Boys, Anthonis Bazzacco siehe Ponchini, Giambattista Beatrizet, Nicolas 44 Belgien 105, 163, 178, 178 Bellarmino, Kardinal 126 f. Bellori, Giovanni Pietro 108 f. Benediktbeuern 70 Beneschau (Benešov) 61 Benešov siehe Beneschau Beninger, Eduard 39 Beretino 120 Bergmann, Joseph 81

Berka von Duba, Zbynko 70 Berlin – Deutsches Historisches Museum, Rheinischer Meister, Salvator Mundi 46 – Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung 11; Skulpturensammlung, Leonhard Kern (zugeschr.), Diana 83; Hebe/Temperantia 82 f. Bernini, Gian Lorenzo 103 Berretini, Pietro siehe Cortona, Pietro da Beusecom, Françoys van 150 Bevilacqua, Camillo 135 Bigari, Vittorio Maria 120 Bílá hora siehe Weißer Berg Block, Benjamin von 148 Bloemen, Jan Frans van, gen. Orizzonte 118–120 Bloemen, Peeter van, gen. Standart 122 f. Bobotsch (Babócsa) 167 Bocksberger, Hans d. Ä. 69 Bocskay, Stephan 167 Boeheim, Wendelin 173, 175 Böhmen 57, 68, 160, 166–168, 171 Bologna 95, 104 f., 104, 107 f., 111, 111, 113, 125, 135, 139, 144 Bonaparte, Napoleon siehe Napoleon Bonaparte Bonone, Carlo 120 f. Bononi, Carlo 102 Borghesi, Giovan Ventura 111 Borromäus, Karl (Carlo) 102, 126 f. Borromeo, Carlo siehe Borromäus, Karl Boschung, Dietrich 22 f. Boston, Museum of Fine Arts, Carlo Maratta, Geißelung Christi 109 Bourgeois, Constant 112 Boys (Bays, Waiss), Anthonis 57, 63–67, 69, 71 f., 71, 71 f., 74 f. Bozzacco siehe Ponchini, Giambattista Bozzato siehe Ponchini, Giambattista Braschi, Familie 107, 111 Braschi, Giovanni Angelo siehe Pius VI., Papst Braschi, Sammlung 111 Braunschweig-Lüneburg-Harburg, Otto Heinrich von 64 Brazacco siehe Ponchini, Giambattista Bremen 90 Brenner 81 Broglie, Abbé de siehe Broglie, Charles de Broglie, Charles de, gen. l’Abbé de Broglie 137 f. Broschi, Carlo siehe Farinelli Bruck an der Leitha, Schloss Prugg 187 Brusasorci, Domenico 47 Brüssel 78, 79, 80, 90 – Musée royal de l’Armée et d’Histoire militaire 178 – Musées royaux d’Art et d’Histoire, Musée Porte de Hal 178; Harnisch Albrechts VII. 163; Laternenschild 150, 163, 171, 177 f., 177, 178 Buccapadulio, Antonio 55, 55 Budapest 167 – Museum für bildende Kunst, Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 Budweis (České Budějovice) 61 Buonarroti, Michelangelo siehe Michelangelo Buonarroti Burbury, John 157 Burgau, Karl von 61, 63, 66 f., 66, 69 Busca, Ignazio, Kardinal 107

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C Cagnacci, Guido 128 Cagnazzi 119 Caligula, röm. Kaiser 13–19, 13, 15, 20, 21–25, 21, 24, 26 f., 27 Calvaert, Denijs 117 Canaletto 119 Cangi 123 Canova, Antonio 100 Cantalice, Felix von 102 Cantarini, Simone 104 Cantino, Alberto 45 Cappelletti, Pier Carlo 125 Cappello, Bianca 44 Caprarola 125 Caravaggio, Michelangelo Merisi gen. 125, 125, 127, 132 Caravaggio, Schule 99 Carl, Johan Georg 170 Carlo Emanuele I. von Savoyen 176 Carnuntum 33 Caroselli, Angelo 99, 99, 99, 109, 109, 111, 116, 124 Carr, William Holwell 49 Carracci, Annibale 101 Carracci, Ludovico 126 Casati, Teresa 100 Castel Gandolfo 144 Castelfranco Veneto 47 f., 48, 50 – Dom, Giambattista Ponchini, Christus in der Vorhölle und die befreiten Gerechten 48, 50 f., 50 Castiglia, Juan de 68 Castiglione, Giovanni Francesco 108, 108, 129 Cavaliere Calabrese siehe Preti, Mattia Cavalieri, Emilio de’ 43 Cavalieri, Tommaso de’ 43, 43 Cecconi, Giovanni Francesco 100 Cesari, Bernardino 43 Cesena 139 České Budějovice siehe Budweis Český Krumlov siehe Krumau Cham 68 Chiaramonti, Scipio de 143 Chiari, Giuseppe 101, 109 Chimarchaeus, Jakob 67 Christian I., Kurfürst von Sachsen 156, 176 Christina, Königin von Schweden 101 Ciccio de’ Fiori siehe Lopez, Gasparo Cignani, Carlo 115 Cilli, Grafen von 151 Città di Castello, Pinacoteca Comunale, Pietro da Cortona und Giovan Ventura Borghesi, Altarbild 111 Clairvaux, Bernhard von 137 Claude siehe Claudius Claudius (Claude), röm. Kaiser 11, 13–18, 13 f., 15, 16 f., 17, 21, 22, 24 f., 24 f., 26, 27 Clemens XI. (Clemente XI), Papst (Gianfrancesco Albani) 93, 99– 103, 102, 103, 109, 109, 125, 127, 144 f. Clemente XI siehe Clemens XI. Clemens XII., Papst 102 Cleveland, The Cleveland Museum of Art, Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 Cobenzl, Philipp von 136 Collignon, François 109

Colloredo, Franz de Paula von 97, 98, 104, 127 Coloredo, Ludovico 67 Como 46 Constanze von Österreich, Königin von Polen 163 Conti, Matteo 125 Cornaro, Francesco, Kardinal 47 f., 47 f. Correggio 99, 117, 126, 128 Corte-Real, Familie 45 Cortese, Guglielmo siehe Courtois, Guillaume Cortona, Beretin da siehe Cortona, Pietro da Cortona, Pietro (Beretin) da (Pietro Berretini) 111, 111, 111, 117, 126, 128, 133 Cosimo, Piero di 114, 126 Costa, Pietro 114 Courtois, Guillaume, gen. Cortese 129 Creola (bei Padua), San Pietro 48 Crescimbeni, Giovanni Maria 101 Croce, Bernardino della, Bischof 46 f., 49, 51 Cromer 122 D Daunou, Pierre-Claude François 94, 140 f. David, Jacques-Louis 95 Degen, Joseph Vinzenz 137 Del Torre Scheuch, Francesca 43 Den Haag, Königliche Bibliothek, Livre de toison d’or 73 Denon, Dominique-Vivant 112 Dessau 168 Deutschland 40 Dietrichstein, Gundaker von 188 Dietrichstein, Sigmund von 67 Doliche 29 Dorrer, Laurenz 35 Dossi, Dosso 125 Dovini, Tommaso 117 Dresden – Staatliche Kunstsammlungen, Rüstkammer, Beintaschen 176; Goldener Halbharnisch 176 – Stallhof 156 Drusilla 13, 15, 17–24, 17, 17, 20, 21, 27 Drusus maior 25 f., 25, 34 Dullac, Franz Carl Anton von 149, 189 Duphot, Léonard Mathurin 106, 140 Dürer, Albrecht 86–91, 87, 88 f., 90 Dworschak, Fritz 41 E Egger, Rudolf 32 Eichler, Fritz 32, 36, 38, 41 Eleonora, Kaiserin 156 Elisabeth I., Königin von England 57 Elsässer, Sigmund 57, 63–67, 69, 71 f., 72, 72, 74 f. Ems 143 Engerth, Eduard von 93, 98 England 30 Enns 32, 33 – Museum Lauriacum 29, 32 Erlau 168 Ernst, Erzherzog 53, 55, 55, 56, 61–63, 61, 63, 65 f., 75, 150, 163, 171, 175, 177–179, 180, 183, 199, 199 Ernst, Herzog von Bayern 70

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Ernst von Bayern, Kurfürst von Köln 64 Este, Ercole d’, Herzog von Ferrara 45 Este, Maria Beatrice d’ 99, 100 Esterházy 221, 221 Europa 40 f., 73–75, 84 F Farinelli (Carlo Brioschi) 107 Farnese, Familie 47 Felipe VI., König von Spanien 54 Ferdinand I., Kaiser 57, 66, 152, 152, 216, 216 Ferdinand II., Kaiser 78, 156, 170, 173 Ferdinand II. von Tirol, Erzherzog 53–72, 54, 56–59, 61 f., 64, 66, 68, 72, 74 f., 74, 78, 81, 81, 163, 170, 177, 181 Ferdinand III., Kaiser 73, 78, 90, 154 f., 160, 163, 170 f., 179, 188, 201, 201, 216, 216 Ferdinand IV., König von Neapel 100 Ferdinand, Herzog von Bayern 68 f. Ferdinand Karl, Erzherzog 99 Fernow, Carl Ludwig 106 Ferrara 95 f., 99 f., 102, 104, 104, 107 f., 111, 111, 113, 125, 135, 139, 143 f. – Palazzo Ducale 102 Ferri, Ciro 120, 125 Fillastre, Guillaume d. J. 73 Finnland 84 Finoglio, Paolo Domenico 104 Firenze siehe Florenz Flintsbach 58, 70 Florenz (Firenze) 49, 105, 105 – Palazzo Pitti, Battista Franco, Schlacht von Montemurlo 49 – Uffizien, Alessandro Allori, Bildnis der Bianca Capella 44; Francesco Solimena, Papst Clemens XI. reicht seiner Nichte Olimpia Albani den Nonnenschleier 99, 125, 127 Florida 45, 46 Fonck, Jean 58 Forchtenberg 77 France siehe Frankreich Franceschini, Marcantonio 102, 123, 125, 126 f. Francesco IV., Herzog von Modena 99 Franco, Battista 47, 49, 49 Francus, Jacobus 167 Frankfurt 185 Frankreich (France) 95, 95, 105–108, 106 f., 111, 113, 135 f., 164 Franz II./I., Kaiser 178, 189 Frauenpreiss, Matthäus d. Ä. 173, 173 Freising 70 Freistadt 58 Freund, Lothar 87 Friedrich III., Kaiser 73, 150 f., 180, 181 Friedrich III., gen. der Weise, Kurfürst von Sachsen 89 Friedrich V., Pfalzgraf, König von Böhmen 168 Frimmel, Theodor von 94 Frisius, Gemma 46 Frommer, Wilhelm 73 Fuchs, Michaela 20, 22 f. Füger, Heinrich Friedrich 93, 93 G Gaetano, Scipione siehe Pulzone, Scipione Gamber, Ortwin 175

Garofalo, Benvenuto da 118, 128 Gaulli, Giovanni Battista, gen. Baciccio 126, 128 Geiger, Familie 29 Geiger, Josef 30, 32, 36 Gennari, Benedetto 128 Gentileschi, Orazio Lomi 51, 112, 124 Genua 141 George III., König von England 109 Gerlin, Gregor 54 Germanicus 11–16, 14, 19, 27 Gessner, Conrad 84 Gherardo della Notte siehe Honthorst, Gerrit van Ghezzi, Giuseppe 99, 101 Ghezzi, Pietro Leone 126 Giordano, Luca 100, 122, 125 Giorgione 117, 125 Giovanna d’Austria siehe Johanna von Österreich Glück, Gustav 88 Goebel, Carl 180, 181 Gonzaga, Aloysius von 102 Gonzaga, Anna Caterina 61, 63, 66, 68, 70 Gonzaga, Ercole, Kardinal 48 Gonzaga, Guglielmo 68 Görz 212 Graf, Caspar 61 Gramatica, Antiveduto della 121 Graz 56 – Universität 40 Gregor XII., Papst 145 Gregor XIII., Papst 55 Grimani, Familie 50 Grönland 84 Grünenwald, Elisabeth 82 f., 87 Guadalajara 64, 74 Guarzino 118 Guercino, Giovanni Francesco Barbieri gen. 115, 124, 126 Guercino, Schule 99 Gugging 32 f., 33 Guglielmo d’Inghilterra siehe Wilhelm III. Guidebon Calachino, Johann Baptist, Freiherr von Lichtenberg 69 Guillaume-Coirier, Germaine 12 Gustav Adolf, König von Schweden 157, 157 H Haag, Jacob von 152 Haag, Sabine 83, 86 Habsburg (Habsburger), Familie 53 f., 74 f., 151, 154, 157 f., 160 f., 163, 167 f., 171 Habsburg, Haus 75 Habsburg-Este, Familie 99, 99 Habsburg-Lothringen, Karl 54 Haiti 45 Hall in Tirol 61 Haller, Emmanuel de 140 Haller, Rudolf Emanuel von 106 Halmsee 61 Hamburg, Kunsthalle, Nadal Melchiori, Nachzeichnung von Ponchinis Selbstbildnis 47 Harrach, Familie 187, 187 Harrach, Ferdinand Bonaventura von 149, 150, 172, 185  f., 188, 191, 191

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Harrach, Franz Albrecht von 188 Harrach, Leonhard IV. von 53, 59–61, 59, 59, 66 f., 66, 75 Harrach, Otto von 188 Harreither, Reinhardt 29 Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cesare Ripa, Iconologia 89 Heimerl, Hauptschuldirektor 35 Heinrich III., König von Frankreich 164, 164, 175–177, 176 Helfenreich von Merkau, Ferdinand 58 Helmschmid, Lorenz 162, 180, 181 Hervey, Frederick Augustus, 4. Earl of Bristol 107 Hispanien siehe Spanien Hitler, Adolf 33 Hochkirchen 70 Hochreitter, Adam 72 Hofer, Sebastian 57 Hohenfurth (Vyšší Brod) 61 Holbein, Hans d. J. 46, 46 Hollandt, Rollandt von 68 Höller, Hans 36 f. Holzhalb, Beat 157 Honthorst, Gerrit van, gen. Gherardo della Notte 99, 127 f. Hugou de Bassville, Nicolas-Jean 106 Hüttmeier, Gunther 29 I Idar-Oberstein 11 Ingolstadt 69 Innsbruck 54–59, 61, 70, 161, 180 – Burg, Kaisergewölbe 64 – Schloss Ambras 53, 78, 80–82, 81, 149, 177, 180, 183; Bibliothek 64; Sammlung 82, 149, 178–181, 178, 181; Trabharnisch-Teile 162 – Tiroler Landesarchiv 53; Gedächtnisprotokoll 60; Päpstliche Bulle 55 Isabella Clara Eugenia von Spanien 74 Italien 84, 95, 97, 97, 99, 104, 105, 111, 136, 140 J Jenkins, Thomas 107 Johann II. Kasimir, König von Polen 163, 214 Johanna von Österreich (Giovanna d’Austria) 137 Jonghelinck, Jacques 182 Jucker, Hans 20 Jury, Hugo 33 K Kaphahn, Fritz 39–41 Karl I., König von England 130 Karl II. von Innerösterreich, Erzherzog 53, 55, 55, 56, 61–63, 61, 63, 65 f., 75, 150, 163, 163, 171, 174 f., 178, 178, 195, 195 Karl IX., König von Frankreich 176 Karl Joseph, Erzherzog 162, 162, 171, 212, 212 Karl V., Kaiser 54, 178 Karl VI., Kaiser 54, 80, 85, 156 Kassel, Marstall 156 Kastriota, Georg, gen. Skanderbeg 160, 172 Kaukasus 143 Keil, Josef 32 Kern, Leonhard 76, 77, 78, 78, 79, 79, 82–91, 84–86, 90 f. Keyßler, Johann Georg 157 Khevenhüller, Hans 53, 60, 62, 69

Khreinitz, Johann 149 f., 158, 191, 191 Kirchenstaat 95, 105 f., 138, 140, 145 Klosterneuburg, Stiftsammlung, Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 Knoller, Martin 104 Kollonics von Kollógrad siehe Kollonitsch von Kollógrad Kollonitsch (Kollonics) von Kollógrad, Seyfried von 167, 167, 217, 217 Köln, Römisch-Germanisches Museum, Divus-Augustus-Kameo 26, 26 Königsegg, Georg von 62 f. Königsegg, Marquard von 69 Kornbichler siehe Kornbüchler, Johann Kornbüchler (Kornbichler), Johann 29 f., 29, 32, 34, 36, 36 Kozak, Vizebürgermeister 34 Kraiburg 58 Krakau 74 Krekwitz, Georg 168 Kris, Ernst 82 Krumau (Český Krumlov) 61 Kuba 45, 46 Kufstein 59, 70 Kühnel, Harry 152 Kundl 70 – Jagdschloss Rotholz 59 Künzl, Susanna 12 Kurköln 70 Küsel, Matthäus 160 L La Loo, Alfonso de 53 Labrador 46 Ladislaus Postumus, König von Ungarn und Böhmen 160, 160, 171, 171, 191, 191 Laibach (Ljubljana) 212 Lambeck, Peter 157 Lamberg, Johann Maximilian von 149, 150, 191, 191 Lamberg, Johanna Theresia von, verh. Harrach 185 Landshut 53, 68 f., 68, 71, 72, 74 f., 159 – Burg Trausnitz 68 – St. Martin 69 – Stadtresidenz 68–70; Italienischer Saal 69 – Stadtturm 70 Langres 138 Lasso, Orlando di 70 Laubenberger, Manuela 29 Lauri, Filippo 99 Lauriacum 32, 32 Laxenburg 97, 163, 178, 178 – Franzensburg 178, 180, 180 Le Maistre, Charles 157 Leber, Friedrich von 155, 160, 172–174, 176 f., 178, 180 Leithe-Jasper, Manfred 89 Leonardo da Vinci 101 Leonfelden 58 Leopold I., Kaiser 79, 148, 149 f., 156–162, 164, 164, 166, 168, 169, 170 f., 170, 183, 185, 191, 216 Leopold Wilhelm, Erzherzog 46, 49, 77–80, 78 f., 83, 84, 85 f., 88– 91, 156 f., 160, 163, 171, 197, 197 Lepido, Agnello 68 Libaerts, Eliseus 179

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Liberi 121 Liberi, Cavaliere 120 Liegnitz-Brieg, Joachim Friedrich von 61, 63 Linz 58 f., 61 – Schloss 61 Livorno 105, 107 Lizzani, Giovanni Battista 144 Ljubljana siehe Laibach Lobkowitz, Wenzel Eusebius von 73 Löbhart, Paul 172 f., 175, 179 Locatelli, Andrea 119 Lombardei 95, 99 London 174 – National Gallery, Anonym, Kopie von Michelangelos Traum 49, 49; Hans Holbein d. J., Gesandten 46 – The British Museum, Flämisch, Christophe d’Assonleville 57 – The Courtauld Gallery, Michelangelo, Traum 43, 43, 44, 46, 49, 51 – Victoria and Albert Museum, Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 Lopez dei Fiori siehe Lopez, Gasparo Lopez, Gasparo, gen. Lopez dei Fiori (Ciccio de’ Fiori) 102, 103, 116, 125 Lorrain, Claude 101 Lothringen 70 Lucca 141 Lucchese, Michele 44 Ludwig XIV., König von Frankreich 185 Ludwig von Bayern, Kronprinz 100 Luganer See 47 Lützen 157, 157 M Madrid 53, 56, 59, 62, 66, 66, 68, 73 f., 107, 156, 185 Madrutsch, Familie 57 Mailand 99, 104 f., 104, 111, 111, 113, 159, 164, 172, 176, 176, 193, 197, 197 – Staatsarchiv 106 Mailáth, Josef von 136 Malalbergo 104, 107, 144 Malaspina, Germanico, Bischof 63 Manglard, Adrien 116, 122, 124, 126 Mannersdorf 61 Mansfeld, (Peter) Ernst II. von 168, 168, 221, 221 Mantua 164 Maratta, Carlo 101 f., 102, 108 f., 109, 109, 113, 117 f., 122, 124 f., 125, 127, 132 f.; Umkreis 118; Werkstatt 116 Marchi, Alessio de’ 126, 128 Marengo 95 Margarita Teresa von Spanien, Kaiserin 156, 160, 164, 164, 185, 198, 198 Maria Anna von Bayern 61, 63, 66, 68 Maria Theresia, Kaiserin 80, 153 Maria von Bayern 174 f., 178 Maria von Burgund 54 Maria von Spanien 59 Marion, Claude 57, 57, 58, 68 Marken 101 Marlborough, 4. Herzog von 24; Marlborough-Kameo (Kunsthandel) 24 Marseille 141

Martínez del Mazo, Juan Bautista 107 f., 107, 130 Maser, Villa Barbaro 48 Masuzzi 118 Mattei, Kardinal 101 Mattei, Paolo de’ 101, 112, 117, 124, 127 Matthias, Kaiser 11, 27, 61, 62, 150, 160, 163, 166, 171, 181 f., 182, 182 f., 197, 217, 217, 221, 221 Mauer an der Url 29–36, 34, 39, 41, 41 – Kastell 29 f. Mauer-Öhling 32, 32, 34 Maury, Jean-Siffrein, Kardinal 107 Maximilian I., Kaiser 54, 73, 180 Maximilian I., Herzog von Bayern, Kurfürst 88 Maximilian  II., Kaiser 68, 150, 152  f., 152, 155, 159  f., 164, 173, 173, 178 f. Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Bayern 81 Maximilian III., Erzherzog, gen. der Deutschmeister 61, 74, 171 Mayer, Gernot 135, 135 Mazzoni, Girolamo 48 Medek von Müglitz, Martin, Erzbischof von Prag 64 Megow, Wolf-Rüdiger 20 Meister der Budapester Abundantia 87, 87, 88 Meister der Dosenköpfe 89 Melchiori, Nadal 47 Mercator, Gerhard 46 Merisi, Michelangelo siehe Caravaggio Messalina, röm. Kaiserin 20, 22 f., 22 Mexiko, Golf von 46 Meyer, Gernot 145 Meyer, Hugo 23 Michelangelo Buonarroti 43 f., 43, 44, 46–51, 46  f., 49, 101, 126, 128 Michoud, Franzose 104 Mielich, Hans 179 Mierevelt, Michiel Jansz van 131 Mignard, Pierre, gen. le Romain 124 Milani, Aureliano 102 Miličín 61 Milonia Caesonia 20 Mils 59, 70 Mirandolesi 118, 120 Mitterdorfer, Wolfgang 38 Modena 99, 105 – Biblioteca Estense, Carta del Cantino 45; Martin Waldseemüller, Admiral’s Map 45, 45, 45 Mogersdorf 157 Mola, Pier Francesco 109 Molar, Herr von 66 Möltzer, David Ignatio 191, 191 Monge, Gaspard 140 Monte, Francesco Maria del, Kardinal 49, 49 Monte, Philippe de 66 Montmorin de Saint-Hérem, Gilbert de 138 Montpellier 106 – Albani-Bibliothek 94 Mucchiati, Alberto 96, 96, 96, 114 Müller, Johann Sebastian 154 München 59, 68, 70, 70, 156, 179 – Bayerische Staatsbibliothek, Livre du Thoison d’or 54; Hieronymus Oertel, Chronologia 167 – Bayerisches Nationalmuseum, Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 236

– Glyptothek 100; Marmorkopf der Drusilla 20, 22 f. – Staatliche Graphische Sammlung, Konvolut französischer Harnischskizzen 179 Münsterberg, Karl II. von 61, 63 Muratori, Domenico Maria 102, 102, 123 Muttoni Vecchia, Pietro, gen. (della) Vecchia 121 Muziano, Girolamo 48 N Napoleon Bonaparte 95, 95, 105, 113, 135, 139 Neapel 100 – Museo archeologico nazionale di Napoli, Tazza Farnese 11, 13 Nespeky siehe Nössbeck Neufundland 45 f., 46 Neuhäusel (Nové Zámky) 166 f., 167, 218, 218, 221, 221 New York – Privatsammlung, Königsgarnitur Kaiser Maximilians II., Rossstirn 173 f. – The Metropolitan Museum, Robert van Audenaerde (Druck), Kreuzigung Christi in Sant’Isidoro von Carlo Maratta 109; Königsgarnitur Kaiser Maximilians II., Gupfe 174 Newton, Isaac 143 Nidermayr, Johann 165, 220, 220 Niederlande 66, 163 f., 166, 181 f., 182 Nigrinus, Georg 72 Noll, Rudolf 30, 32–34, 32, 33, 38, 39 Nordafrika 30, 84 Nordamerika 45 f. Nordatlantik 45 f. Norditalien 95, 105 Norwegen 84 Nössbeck (Nespeky) 61 Nové Zámky siehe Neuhäusel Noyon 137 f. Nürnberg 40, 41, 87, 89, 167 – Germanischen Nationalmuseum, Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion 87; Erdglobus 46; Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 O Oberitalien 135, 145 Oberungarn 167 Octavian siehe Augustus Odazzi, Giovanni 101, 109 Oertel, Hieronymus 167, 167 Öhringen 84 Olaus Magnus, Bischof 84 Orizzonte siehe Bloemen, Jan Frans van Orléans 128 – Musée des Beaux-Arts, Mattia Preti, Einsiedler hl.  Paulus und hl. Antonius Abbas 112, 127 Ortmayr, Petrus 34 Orzinuovi, Santa Maria de’ Bigliollis 50 Osmanen 57, 167 Osmanisches Reich 165, 168 Österreich 41, 53, 95, 112, 157, 163, 171, 174, 178 Österreich, Haus 54, 60, 69, 75 Österreichische Niederlande 105 Ottoboni, Pietro, Kardinal 101 f., 124 f. Oudoux, N. 137 Oxford, Ashmolean Museum 47

P Pacassi, Nikolaus 161 Padovanino siehe Varotari, Alessandro Padua 49 Pallavicini, Kardinal 101 Palma 116 Paltronieri, Pietro 120 Panini (Pannini, Paolo di Piacenza), Giovanni Paolo 101, 101, 114 Pannartz, Arnold 139 Pannini, Govanni Paolo siehe Panini, Giovanni Paolo Paolo di Piacenza siehe Panini, Giovanni Paolo Paracciani, Kardinal 101 Paris 94, 100, 105, 109, 111, 135, 140 f., 145, 159, 164, 164, 175 f., 179, 185 – Bibliothèque nationale 141, 144; Grand Camée de France 11, 18, 19, 23 – Bibliothèque Sainte Geneviève 141 – Cabinet des Médailles, Drusilla-Kameo 17, 17, 22, 27; FüllhornKameo 20–24, 20 f., 23 f.; Kopf des Claudius 16 f., 16 f. – École polytechnique 140 f. – Musée central des arts (ab 1802 Musée Napoleon) 105 – Musée du Louvre, Schild und Sturmhaube für Karl IX. 176; Statue der Messalina 22 f. – Musée Napoleon (vormals Musée central des arts) 105 – Panthéon, Bibliothek 140 f. Parma 105 Passau 61, 78 Passer, Justus Eberhard 165 Passeri, Giuseppe 101, 109 Paul III., Papst 47 Paul IV., Papst 48, 144 Peffenhauser, Anton 171, 174 Pellegrini, Giuseppe 97, 104, 135, 143 Pelzl, Marianne 34–36 Perini 117 Perrenot de Granvelle, Antoine, Kardinal 46, 57 Perugino, Pietro 128 Pesaro, Simone da 126 Petrucci, Kardinal 124 Peuerl, Simon 68 Pfeffenhauser, Anton 163 Pfeffer, Elias 68 Philipp I., gen. der Schöne, König von Kastilien und León 54 Philipp II., König von Spanien 53–55, 54, 57–59, 64, 64, 69 f., 69, 73–75, 74, 150, 178, 181, 183 Philipp IV., König von Spanien 73 Philipp V., König von Spanien 54 Philipp der Gute, Herzog von Burgund 54 Philipp Wilhelm von Bayern, Bischof von Regensburg 70 Piemont 95 Pietri, Pietro de 101, 109, 109, 111 Pilsen 68, 168 Pio V siehe Pius V. Piombo, Sebastiano del 49, 49 Pirchegger, Hans 32 Pius V. (Pio V), Papst 102, 104, 104, 125, 127, 143 Pius VI., Papst (Giovanni Angelo Braschi) 107, 111, 111, 113, 138– 140, 139–141, 143–145, 143 Planiscig, Leo 82 Plattner, Georg 11 Pluvinel, Antoine de 165

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Polaschek, Karin 20 Polen 163, 214 Polidoro 115 Ponchini, Giambattista (Bazzacco, Bozzacco, Bozzato, Brazacco, Zabacco) 42, 45, 47–51, 47–50, 48, 50 Ponchini, Samaritana 50 Pontanus von Breitenberg, Georg Barthold 73 Pontinische Sümpfe 143 Ponzetti, Hyacinthus 143 Popel von Lobkowitz, Georg 61 Portugal 45 Pöschl, Gustav 38, 38 Poussin, Gaspard 100 Poussin, Nicolas 101, 128 Prag 53, 56–61, 58, 61, 62, 63, 66, 68, 68, 70, 71–75, 72, 74, 78, 158, 168, 192, 192 – Burg 61 f., 66 f. – Nationalgalerie, Ägidius Sadeler, Guillén de San Clemente 57 – Nationalmuseum, Antonio Abondio, Gedenkmedaille 67 – Schloss Stern 67 – Veitsdom 63, 65, 67 Prenner, Antonio de 81 Pressburg 167 Preti, Mattia (Cavaliere Calabrese) 112, 112, 121, 127 Primisser, Alois 82 Primisser, Johann Baptist 80, 81, 82 Procaccini, Andrea 109, 109, 110, 111 Pulzone, Scipione, gen. Gaetano 118, 125, 127 Purckhart, Jacob 152 Q Quatremère de Quincy, Antoine Chrysostôme 95 R Rabatta, Joseph 212, 212 Racioppi, Pier Paolo 107 Raffael (Raffaello Santi, Raffaello Sanzio) 82, 99, 101, 105, 114, 126, 128; Schule 99 Raffaello Santi siehe Raffael Raffaello Sanzio siehe Raffael Raimondi, Marcantonio 43 Rainer, Rene 142 Rangone, Marquese 144 Reboul, Henri 106, 106 Regensburg 70, 192 Régis, Jean-François 102, 102 Rekheim, Graf 165 Renata von Lothringen, Herzogin von Bayern 68, 70, 70, 72 Reni, Guido 101, 101, 106, 109, 113, 115, 116, 119, 124 Rheingebiet 105 Ribeiro, Diogo 46 Ricci, Luigi 135 Ripa, Cesare 87, 89 Riva San Vitale (Luganer See) 47 Rom (Roma) 40, 47, 48, 49–51, 84, 87, 95, 98, 100–102, 100, 104– 108, 104–106, 111, 112 f., 124, 125, 135, 138, 140, 143–145 – Accademia dell’Arcadia 101 – Accademia di San Luca 84, 101 – Castel S. Angelo 103, 127 – Galleria Nazionale d’Arte Antica, Palazzo Corsini, Domenico Maria Muratori, Jean-François Régis und die Pestkranken 102, 102

– Kolosseum 44 – Marsfeld 141 – Musei Vaticani (Vatikanische Museen), Gemäldesammlung 101; Laokoongruppe 105; Raffael, Transfiguration 105; Jean Simonet, Tapisserie mit Darbringung im Tempel nach Andrea Procaccini 109, 109; Jean Simonet, Tapisserie mit Heiliger Dreifaltigkeit nach Pietro de Pietri 109, 109, 110 – Musei Vaticani, Museo Gregoriano Profano, Panzerstatue des Drusus maior 25 – Palazzo Albani siehe Palazzo alle Quattro Fontane – Palazzo alle Quattro Fontane (Palazzo Albani) 94, 100, 100, 106, 113, 126 – Palazzo Braschi (Palazzo di Campo Marzio) 111, 141 – Palazzo di Campo Marzio siehe Palazzo Braschi – Palazzo Mignanelli 107 f., 108 – Palazzo San Marco 55 – Palazzo Vaticano siehe Vatikanischer Palast – Petersplatz siehe Piazza di S. Pietro – Piazza delle Quattro Fontane 94 – Piazza di S. Pietro (Petersplatz) 92, 103, 125 – Ponte S. Angelo 125 – Porto di Ripa Grande 107 – Privatbesitz, Meister der Budapester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87 – San Lorenzo in Lucina, Guido Reni, Kreuzigung Christi 109 – San Luigi dei Francesi 107 – San Michele 109, 109 – San Pietro (St. Peter) 102, 109 – Santa Maria Maggiore 51 – Sant’Isidoro 108, 109 – Sant’Ivo alla Sapienza 111 – Sixtinische Kapelle, Michelangelo, Jüngstes Gericht 48, 50 – St. Peter siehe San Pietro – Vatikan 104, 113 – Vatikanische Bibliothek 139 – Vatikanische Museen siehe Musei Vaticani – Vatikanischer Palast (Palazzo Vaticano) 103  f., 107, 109, 111, 111; Petrus Martyr-Kapelle 104, 104 – Via Salaria 94 – Villa Albani 93, 93 f., 99, 100 f., 105–107, 106 Roma siehe Rom Romanelli, Giovanni Francesco 108, 108, 112, 129 Romanis, Mariano De 141 Romano, Giulio 114 Römisches Reich 29 f., 39 f. Roos, Philipp Peter (Filippo), gen. Rosa da Tivoli 119, 125, 126 Rosa da Tivoli siehe Roos, Philipp Peter Rosa Filippo siehe Roos, Philipp Peter Rosa, Joseph 81 f., 97–99, 97 f., 98, 107 f., 107, 124, 127–129, 133 Rosa, Salvator, Nachfolger 117 Rosenberg, Arthur 40 Rosenberg, Wilhelm von 53, 59, 59, 60, 61, 66–68, 66 Rosenburg, Wilhelm von 75 Rosenheim 58, 61, 70 Rossi, Patricio de 143 Rota, Martino 55 Rotholz 70 Rothschild, Alphonse von 174, 174 Rothschild, Clarice de 174 Rothschild, Familie 174 Rothschild, Sammlung 174

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Rubens, Peter Paul 23 f., 23, 119 Rubini, Kardinal 101, 125 Rudolf I., König 154 f., 160, 176 f., 176, 179 Rudolf II., Kaiser 11, 53, 55, 55, 56, 59–61, 63–66, 65, 65, 68, 68, 72–75, 74, 78, 88, 150, 152, 154 f., 178 f., 183, 192 Ruhelust, Schloss 62 Rumpff, Wolf 63 Rupp, Johann 180 Russland 163 S Sacchetti, Kardinal 101 Sacchi, Andrea 101 Sadeler, Ägidius 57 Sala, Giuseppe Antonio 107 Salamanca, Neue Kathedrale, Carlo Maratta, Christus fällt unter dem Kreuz 109 San Clemente, Guillén de 57, 58, 58, 61, 63, 66 Sandrart, Joachim von 88 San Severo 63 Sassoferrato 127 Savelli, Principe 101, 125 Sbarra, Francesco 164 Scarsellini 125 Schabes, Alois 39 Schachermeyr, Fritz 40 f. Schambeck siehe Zsámbék Schambock siehe Zsámbék Schanowitz, Sebastian 67 Scheibbs 32 Schemel, Jeremias 173 Schicker, Josef 29, 32 f., 32 f., 32, 38 Schieslau (Soběslav) 61 Schlesinger, Günther 34 Schlosser, Julius von 82 Schmidl, Adolph 178, 178 Schmidt, Gerhard 11 Schneider, Horst 84 Schönberger, Otto 84 Schöner, Johann 46, 46 Schurff von Schönwarth, Karl 59 Schwäbisch Hall 77, 83 – St. Michael 84 Schwartzenberg, Herr von 168 Schwarz, Christoph 179 Schweden 157, 163 Seel, Otto 84 Seiler, Hans 46 Seitenstetten, Stift, Archäologisches Kabinett 34, 34 Sementi, Giacomo 126 Sereď (Sereth, Szered) 167, 217, 217 Serentium siehe Szerencs Serentsch siehe Szerencs Serentschin siehe Szerencs Sereth siehe Sereď Seretschin, Georg 167 Serin siehe Zrinski Servini, Nicola 48 Siebenbürgen 167 Simonet, Jean 109, 109, 110 Sixtus, Papst 131

Skanderbeg siehe Kastriota, Georg Slavata von Chlum und Koschumburg, Wilhelm 73 Slowakei 167 Slowenien 84 Soběslav siehe Schieslau Sole, Giovanni Gioseffo dal 112, 114 Solimena, Francesco 99, 125, 127 Sorg, Jörg d. J. 173 f. Soriano nel Cimino, Palazzo Albani 103, 125, 127 Spanien (Hispanien) 40, 53 f., 56, 58, 64 f., 69, 73, 111, 150, 163, 178 f., 182 f., 185 f., 199, 199 Spanische Niederlande 53, 57, 57, 77 f., 90 Speyer, August von, Fürstbischof 143 Spinola, Ottavio 57 St. Germain-en-Laye 178 St. Gotthard 157, 157 St. Petersburg, Staatliche Eremitage, Gonzaga­kameo 24, 24, 26 f., 26 Stampart, Francisco de 81 Standart siehe Bloemen, Peeter van Stegern, Johann 170 Steinmann, Ernst 106 Stiefelbauer, Karl 34 Stix, Alfred 36 Stockholm, Livrustkammaren, Lederkoller Gustav Adolphs von Schweden 157, 157 Stöckl, Anselm 68, 69 Storffer, Ferdinand 79 f., 80 Straßmayr, Eduard 33 Strattmann, Paul 136 Straubing 68 Strein auf Schwarzenau und Hirschbach, Hans Reinhard siehe Streun von Schwarzenau, Johann Reinhard Streitberger, Wolfgang 58 Streun von Schwarzenau (Strein auf Schwar­zenau und Hirschbach), Johann (Hanns) Reinhard 167, 167, 218, 218 Stuart, Henry Benedict, Kardinal von York 107 Stubenberg, Wolf von 63, 67 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Musterbuch des Jörg Sorg 173 f. Styrzin 61 Subiaco, Benediktinerkloster 139, 143 Südamerika 45 Süditalien 95 Südtirol 81 Sustermans, Cornelius 162 Sweynheym, Conrad 139 Swieten, Gottfried van 136 Swoboda, Erich 33 Swoboda, Gudrun 83, 135, 135, 145 Syria, röm. Provinz 29 Szered siehe Sereď Szerencs (Serentium, Serentsch, Serentschin) 167 Sziget 57 T Taus 68 Tegernsee 70 Teniers, David 116 Terra Corterealis 45 Tezi, Girolamo 47 Theuerkauff, Christian 82, 87 239

Thomas, Bruno 175, 179 Thugut, Franz von 95–97, 96, 97, 104, 135, 135, 143 Thurn, Familie 57 Thurn, Franz von 99 Tiarini, Alessandro 126 Tige, Graf 104 Tinet, Jacques-Pierre 106 Tintoretto 48, 126 f., 131 f. Tirol 57, 75, 81, 160, 210 f., 210 f., 215 Tivoli 125, 127 Tizian 48 Tokaj 167 Tolentino 94, 105, 139 Torri, Flaminio 132 Torti, Camillo 106 Traballesi, Giuliano 104 Trapp, Karl von 62 Trautson, Paul 57, 61 Trauttmansdorff, Johann Joseph Robert von 189 Trevisani, Francesco 101, 101, 113, 119, 125, 126 Treviso, Museo Civico, Giambattista Ponchini (?), Selbstbildnis 47 Trient 136 f. Trillmich, Walter 20, 22 Tschechische Republik, The Lobkowicz Collections, Werkstatt Hans von Aachen, Wilhelm von Rosenberg 60 U Ubertini, Francesco, gen. Bacchiacca 47 Ungarn 160, 166 f., 171 Uppsala 84 Urbino 100 f. – Palazzo Albani 99 Utrecht 68, 68 V Valckenborch, Lucas van 182, 182 Valence 140 Valentinelli 144 Valentinelli, Francesco 106 Valerio, Agostino 143 Vanvitelli (Wanvitel, Wanvitelli), Gaspare (Gasparo, Gaspero), eigentl. Gaspar Andriaensz van Wittel 93, 99, 99, 101–103, 103, 116, 125, 127 f. Varotari, Alessandro, gen. Padovanino 50 Varotari, Dario 50 Vasari, Giorgio 43, 43, 47, 49 f., 104, 104, 104, 111, 113, 122 Vasseur, François le 58 Vatikan 104 Vecchia, (della) siehe Muttoni Vecchia, Pietro Velázquez, Diego 107, 130 Velli, Antonio 125 Venedig (Venezia) 47, 48, 70, 103, 105, 125, 127, 144 – Ca’ Soranzo 48 – Museo Correr, Giambattista Ponchini, Allegorie der Fortuna 50 – Palazzo Ducale, Sala del Consiglio dei Dieci, Deckenausstattung 50 – San Marco, Bronzepferde 105 Venezia siehe Venedig Venusti, Marcello 47 Veronese, Paolo 50, 50, 126 Vico, Enea 48 Vienna siehe Wien

Vittoria, Alessandro 87, 88 Vivarius, Jacobus 72 Vopelius, Caspar 46 Vorsterman, Lucas 23, 23 Vyšší Brod siehe Hohenfurth

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W Waetzold, Wilhelm 86 Wagner von Wagenfels, Hanns Jacob 165 f. Waidhofen/Ybbs 32 Waiss siehe Boys, Anthonis Waldseemüller, Martin 45, 45 f., 45 Waldstein, Franz August von 160, 160, 210, 210 Wallenstein, Albrecht von 168 Waniek, Matthäus 172 f., 175, 179 Wanvitel, Gasparo siehe Vanvitelli, Gaspare Wanvitelli, Gaspero siehe Vanvitelli, Gaspare Warton, Richard 38 Wasserburg 58, 61 Weber, Peter Johannes 94 Weidthag, Michael 195 Weimar 154 Weiskern, Friedrich Wilhelm 154 Weißer Berg (Bílá hora) 221, 221 Welfen, Haus 74 Weller, Anna 89 Welsberg, Familie 57 Wenzel I., König von Böhmen 158 Wettiner, Haus 74 Wicar, Jean-Baptiste 106 Wien (Vienna) 56, 61 f., 66, 78 f., 78 f., 81 f., 81, 93–95, 96 f., 99, 99, 101–104, 104, 106–109, 111–113, 135 f., 145, 150 f., 156, 157, 160 f., 163, 164, 165 f., 168, 174, 177–181, 183, 185, 197 f. – Albertina, Albrecht Dürer, Schmerzensmann 89, 90 – Amalienburg 78, 151 – Augustinerkirche 73, 152, 163, 197 – Augustinerkloster 151–153 – Belvedere 112; Oberes Belvedere 93, 93, 95, 97, 98, 108, 125, 127 f.; Unteres Belvedere 82, 178–180, 181, 178 – Burgkapelle 152 – Cillierhof 151 – Favorita 165 – Heeresgeschichtliches Museum (k.  k. Artillerie-Arsenal-Museum) 178 f.; Paul Löbhart und Matthäus Waniek, Kaisersaal im Wiener kaiserlichen Zeughaus in der Renngasse 172 f., 175, 179; Standarte Erzherzog Matthias’ als Statthalter der Niederlande 166, 181 f., 182, 182, 217 – Heldenplatz 152 – Hofbibliothek 135–137, 141, 143–145 – Hofburg 78, 151–153, 152, 157; Neuen Burg 174; Redoutensäle 161; Schweizertrakt 151 f., 154, 157 – K. k. Artillerie-Arsenal-Museum siehe Wien, Heeresgeschichtliches Museum – Kaiserliche Rüstkammern 149 – Kaiserliches Zeughaus 189 – Kunsthistorisches Museum 32–34, 36–38, 39, 41, 94, 101, 107, 111, 113, 151, 159 f., 164, 172, 174, 178–180 – Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung 11, 11, 32, 34, 38; Archiv 32; Depotfund von Mauer an der Url 29 f., 31, 32, 33, 36–38, 39, 41, 41; Gemma Augustea 11, 23; Gemma Claudia 10, 11 f., 11, 14–19, 16 f., 17 f., 21–23, 21, 25–27, 25, 27; Jupiter Do-

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lichenus-Statuette 29, 30, 41, 41; Kameo Caligula und Roma 21, 24, 26; Kameofragment Panzerbüste Caligula 25, 27; Kameo Porträtbüste Kaiser Claudius 15, 24, 26; Livia-Augustuskameo 27; Ptolemäerkameo 24–26, 24, 26 f. Kunsthistorisches Museum, Archiv 41 Kunsthistorisches Museum, Bibliothek, Francisco de Stampart – Antonio de Prenner, Prodromus 81 Kunsthistorisches Museum, Geistliche Schatzkammer, Leonhard Kern, Kruzifix 89, 91 Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie 77, 93; nach Bassano, Christus bei Martha und Maria 119; Mariotto di Bigio di Bindo Albertinelli, Maria mit Kind und diverse Heilige 129; Benjamin von Block, Porträt Kaiser Leopolds  I. 148; Jan Frans van Bloemen, gen. Orizzonte, Italienische Landschaft 118–120; Peeter van Bloemen, gen. Standart, Italienische Landschaft mit Pferden und Hirten 122; Peeter van Bloemen, gen. Standart, Italienische Landschaft mit Ruinen 123; Peeter van Bloemen, gen. Standart, Landschaft 122; Bolognesisch, Maria mit Kind 116; Carlo Bonone, Hl. Ludwig bittet um Abwendung der Pest 102, 120; Carlo Bonone, Maria mit dem Kind und den Heiligen Maurelius und Georg 102, 121; Denijs Calvaert, Männliches Bildnis 117; Simone Cantarini, Madonna mit Kind und dem hl. Karl Borromäus 104; Caravaggio-Nachfolger, Verleugnung Petri 132; Angelo Caroselli, Hl. Wenzel 109; Angelo Caroselli, Mann mit Notenblatt 99; Angelo Caroselli, Singender Mann 99, 116; Giovanni Francesco Castiglione, Einzug der Tiere in die Arche Noah 108, 108, 129; Carlo Cignani, Büßende Maria Magdalena 115; Pietro da Cortona-Umkreis, Kardinalswappen mit einer weiblichen Figur der Barmherzigkeit oder Caritas 111, 111, 111, 133; Piero di Cosimo, Perseus befreit Andromeda 114, 126; Guillaume Courtois, gen. Cortese, Die Einsiedler Paulus und Antonius mit dem Raben 129; Jacques-Louis David, Napoleon am St. Bernhard 95; Deutsch, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol 54; Tommaso Dovini, Heilige Dreifaltigkeit 117; Ciro Ferri, Mystische Vermählung der hl. Katharina 120; Paolo Domenico Finoglio (zugeschr.), Ungläubiger Thomas 104; Florentinisch, Rebekkas Aufnahme in Abrahams Haus 129; Marcantonio Franceschini, Büßende Maria Magdalena 102, 123, 126; Orazio Gentileschi, Kreuztragung Christi 112, 124; Luca Giordano, Bethlehemitischer Kindermord 122; Antiveduto della Gramatica, Hl. Cäcilia 121; Guercino, Hl. Sebastian 115, 126; Italienisch, Frau in Witwentracht 130; Italienisch, Porträt eines Mädchens 130; Filippo Lauri, Ruhe auf der Flucht 99; Andrea Locatelli, Landschaft mit Fischern 119; Andrea Locatelli, Landschaft mit Herde 119; Gasparo Lopez, Blumenstillleben 102, 103, 116, 125; Adrien Manglard, Seehafen 116, 122, 126; Adrien Manglard, Seestück 122, 124, 126; Carlo Maratta, Madonna mit Kind 101, 117, 125; Carlo Maratta, Maria mit Kind und Johannesknaben 102, 102, 118; nach Carlo Maratta, Christus fällt unter dem Kreuz 109, 109, 133; nach Carlo Maratta, Flucht nach Ägypten 109, 133; nach Carlo Maratta, Geißelung Christi 109, 109, 132; nach Carlo Maratta, Kreuzigung Christi 109, 109, 109, 132; nach Carlo Maratta, Tod des hl. Josephs 109, 122; Carlo Maratta-Umkreis, Immaculata 101, 118, 125; Carlo Maratta-Werkstatt, Schlafende Jesuskind (Bambino Gesù) 102, 116, 125; Juan Bautista Martínez del Mazo, Familie des Künstlers 107, 107, 130; Paolo de’ Matteis, Erminia bei den Hirten 112, 117, 127; Michiel Jansz van Mierevelt, Arminius 131; Pierre Mignard, gen. le  Romain (zugeschr.), Hl.  Antonius 124; Aureliano Milani (zugeschr.), Hl. Aloysius von Gonzaga bei den Pestkranken 102; Domenico Maria Muratori (zugeschr.), JeanFrançois Régis bei den Pestkranken 102, 123; Pietro Muttoni

Vecchia, gen. (della) Vecchia, Saul und David mit dem Haupt des Goliath 121; Niederländisch, Anbetung der Könige 118; Niederländisch, Ansicht eines Hafens 123; Oberitalienisch, Hl. Franziskus 123; Österreichisch, Erzherzog Karl II. von Innerösterreich 55; Österreichisch (Tirol?), Herzog Wilhelm V. von Bayern 55; Pietro Paltronieri/Vittorio Maria Bigari, Architekturstück 120; Pietro de Pietri, Heilige Dreifaltigkeit 109, 110; Giambattista Ponchini (zugeschr.), Kopie nach Michelangelos Traum 42, 43, 43, 45, 46, 50, 51; Mattia Preti, Einsiedler hl. Paulus und hl. Antonius Abbas 112, 121; Andrea Procaccini, Darbringung im Tempel 109, 110; Raffael, Madonna im Grünen 82; Guido Reni, Christus mit Dornenkrone 101, 101, 106, 115; Giovanni Francesco Romanelli, Jephta erblickt seine Tochter 108, 108, 112, 129; Römisch, Maria mit Kind, Johannes und Anna 114; Philipp Peter Roos, gen. Rosa da Tivoli, Schafe 119, 126; Salvator Rosa-Nachfolger, Landschaft mit Ruinen und Hirten 117; Martino Rota, Erzherzog Ernst 55; Martino Rota, Kaiser Rudolf II. 55; Giovanni Gioseffo dal Sole, Mystische Verlobung der hl. Katharina 112, 114; Ferdinand Storffer, Inventar, Schwarzes Kabinett der Stallburg 79 f.; Cornelius Sustermans, Erzherzog Karl Joseph als Kind 162; Tirol (?), Karl von Burgau 66; Flaminio Torri, Büßende Maria Magdalena 132; Francesco Trevisani, Leichnam Christi, von Engeln getragen 101, 101, 119, 126; Lucas van Valckenborch, Erzherzog (Kaiser) Matthias als Publius Cornelius Scipio Africanus major 182, 182; Gaspare Vanvitelli, Ansicht des Petersplatzes in Rom 93, 102 f., 116, 125; Giorgio Vasari, Tod des hl. Petrus Martyr 104, 104, 104, 122; Venezianisch, Ecce Homo 114 – Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer 149, 154, 157, 180, 183; All’antica-Garnitur (Sturmhaube und Rundschild) 164, 176  f., 176, 176, 197; Degen-Dolch-Garnitur 169; Eisenhandschuh mit Wehrklinge 178; Fahne mit Doppeladler, gekreuzigtem Christus und österreichisch-spanischem Wappen 166; Fahnenfragment mit Doppeladler und gekreuzigtem Christus 166; Feuerwaffen mit zwei Schlössern 170; Fußturnierharnisch Leopolds I. 169; Halbharnisch Heinrichs III. von Frankreich 164, 164, 175–177, 176, 196; Halbharnisch mit Rundschild 160, 164, 172, 193 f.; Harnisch Maximilians I. 180, 180 f.; Hellebarde der Trabanten-Leibarde Leopolds I. 170; Hellebarden 170; Herkulesharnisch Maximilians II. 155, 159 f., 159, 164, 179, 200; Königsgarnitur Maximilians II., Kempfküriss 150, 155, 159 f., 173, 173, 195; Kusen 170; Laternenschild 150, 163, 171, 177 f., 177, 178, 180, 183, 199; Lerchengarnitur 159, 159; Mailändischer Halbharnisch 159, 160; Pistolen-Jagdspieß Ferdinands II. 170; Reiterpistolen mit drei Schlössern 170; Rosenblattgarnitur 159, 159; Rossharnisch Friedrichs III. 150, 162, 180, 181, 208; Rundschild Maximilians I. 180, 181; Trophäengarnitur 159, 171; Turnierharnisch Karls  II. von Innerösterreich 150, 163, 163, 171, 174, 195; Verzierte Blankwaffen 169 – Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Leonhard Kern, ­Abundantia/Pomona 76, 77, 78 f., 78, 79 f., 82, 85–88, 85, 90 f.; Leonhard Kern, Christus in der Rast 89 f., 90; Meister der Buda­ pester Abundantia, Allegorie des Überflusses 87, 88; Meister der Dosenköpfe, Dosenköpfe 89 f.; Turnierbuch des Jeremias Schemel 173; Alessandro Vittoria, Pomona 87, 88; Vliesrolle 53, 57, 63, 63–67, 66, 69, 71–73, 71 f., 74 f.; Wachsbossierung mit Kaiser Rudolf II. 65 – Kunsthistorisches Museum, Monturdepot 73 – Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, As des Caligula 13; Aurei des Claudius 13; Medaille auf Erzherzog Matthias 182, 182, 183; Scudo mit dem Papstwappen Pius’ VI. 111; Sesterz des Caligula 13

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– Kunsthistorisches Museum, Sammlungen Schloss Ambras siehe Innsbruck, Schloss Ambras – Kunsthistorisches Museum, Waffensammlung siehe Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer – Kunsthistorisches Museum, Weltliche Schatzkammer 73; Collane des Ordens vom Goldenen Vlies 52; Schwurkreuz des Ordens vom Goldenen Vlies 63, 64 – Minoritenplatz 99 – Naturhistorisches Museum 39 – Niederösterreichisches Landesmuseum 34, 34 – Österreichische Galerie Belvedere, Carl Coebel, Rüstkammer  I der Ambraser Sammlung im Unteren Belvedere in Wien 181 – Österreichische Nationalbibliothek 135–137, 141  f., 142, 145; Françoys van Beusecom, Porträt Johann Maximilian Graf Lamberg 150; Declarationes in Concilium Tridentinum 137; Guillaume Fillastre d.  J., Histoire de la toison d’or 73; Goldene Bulle Wenzels I. 158; Matthäus Küsel, Porträt Franz August von Waldstein 160; Antoine de Pluvinel, L’instruction du roy en l’exercice de monter à cheval 165; Porträt Ferdinand Bonaventura von Harrach 150; Porträt Leonhard IV. von Harrach 59; Porträt (Peter) Ernst  II. von Mansfeld 168; Prunksaal 138, 138; Pseudo­ manuskript Cod.  7906 72; Johann Rupp, Einblick in den Waffensaal der Franzensburg 180; Wenzelsbibel 158 – Österreichisches Archäologisches Institut 32 – Österreichisches Staatsarchiv, 101, 135 f., 141, 145, 187 – Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Inventar der Wiener kaiserlichen Rüstkammer von 1678 149–151, 153–155, 157–179, 181 f., 184, 185–189, transkribiert 191–223 – Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Ferrara-Liste 96  f., 114; Joseph Rosa, Liste von Bildern der Albani-Sammlung für das Belvedere 98; Rückgabeliste der Albani-Bilder 127; Verzeichnis Albani-Bilder 125; Verzeichnis der vom Hofkriegsrat in die kaiserl. Gallerie übernommenen Bilder 129; Verzeichnis von Büchern aus Rom 134 – Palais Montenuovo 99 – Palais Ulfeld-Dietrichstein 99 – Staatskanzlei 96 f. – Stallburg 80 f., 150 f., 153–161, 153, 155 f., 161, 166, 169, 176, 179, 183; Schwarzes Kabinett 79 f. – Zeughaus, kaiserliches (Renngasse) 149, 154  f., 154, 158, 160, 160, 169, 169, 171–177, 171, 175, 176, 178, 179 f., 182 f. Wiener Neustadt 99 Wilhelm III. (Guglielmo d’Inghilterra), König von England 126, 128 Wilhelm V., Herzog von Bayern 53, 55, 58 f., 68 f., 70, 72, 75 Winckelmann, Johann Joachim 94 Windsor Castle, Royal Collection Trust, Drusus maior-Kameo 25, 25, 25; Pietro de Pietri, Zeichnung für Heiliger Dreifaltigkeit 109; Royal Library, Michelangelo, Bogenschütze 43 Wittel, Gaspar Andriaensz van siehe Vanvitelli, Gaspare Wittelsbacher, Haus 74 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Diogo Ribeiro, Portulankarte 46 Wolkenstein, Familie 57 Wood, Susan E. 20, 23 Wörth 68, 68 Würzburg, Martin von Wagner Museum der Universität, Glaspaste Caligula und Drusilla 20, 27 Y Ybbs 32

Z Zabacco siehe Ponchini, Giambattista Zane, Matteo 63, 70 Zehendtner von Zehendtgrueb, Paul 61, 66, 67, 70–72, 72 Zeiller, Martin 154 Zelotti, Battista 50 Zerin siehe Zrinski

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Zix, Benjamin 112 Zollern, Familie 57 Zrinski (Serin, Zerin), Familie 167 Zsámbék (Schambeck, Schambock) 167 f., 217, 217 Zuccari, Federico 118 Zucchi, Jacopo 104

Abildungsnachweis Abbildung auf dem Cover: Gaspar Andriaensz van Wittel, gen. Vanvitelli, Ansicht des Petersplatzes in Rom. Um 1703/10. Leinwand, 44,5 x 84,2 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 1663. (© KHM-Museumsverband.) Gerhard Schmidt: Archiv des Autors: Abb. 1b, 2, 5–23, 26–29, 31, 32, 36, 37, 42, 44; Christie’s Images Limited 2009: Abb.  33; HM Queen Elizabeth  II 2015: Abb.  34, 35; München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek: Abb. 24 (Renate Kühling); St. Petersburg, Staatliche Eremitage: Abb.  41 (Francesco Bini); Wien, KHM-Museumsverband: Abb. 1a, 3, 4, 38–40, 43; Würzburg, Martin von Wagner Museum der Universität: Abb.  25 (Isolde Luckert). ­Thomas Buchner: Amstetten, Stadtarchiv: Abb.  3, 5–8; Wien, KHM-Museumsverband: Abb.  1, 4. Lothar Sickel: London, The Courtauld Gallery, The Samuel Courtauld Trust: Abb. 2; New York, Martayan Lan: Abb. 4; Treviso, Ufficio Diocesano per l’Arte Sacra e i Beni Culturali: Abb. 5, 6, 8; Wien, KHM-Museumsverband: Abb. 1, 3, 7. Thomas Kuster: Innsbruck, Tiroler Landesarchiv: Abb. 4, 14; London, Trustees of the British Museum: Abb. 9; München, Bayerische Staatsbibliothek: Abb. 2; Prag, Národní galerie v Praze: Abb. 11;

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Tschechische Republik, The Lobkowicz Collections: Abb. 13; Wien, KHM-Museumsverband: Abb. 1, 3, 5–8, 10, 15–28; Wien, Österreichische Nationalbibliothek: Abb. 12. Konrad Schlegel: Heidelberg, Universitätsbibliothek: Abb. 9, 10; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum: Abb. 6; Wien, Albertina: Abb. 12; Wien, KHM-Museumsverband: Abb.  1–5, 7, 8, 11, 13. Gudrun Swoboda: Orléans, Musée des Beaux-Arts: Abb. Tabelle S. 121, re. u.; Vatikan, Musei Vaticani: Abb. 20b, 21b; Wien, KHM-Museumsverband: Abb. 1, 2, 4, 5, 7–19, 20a, 21a, 22, 23, Abb. Tabellen S. 114–133; Wien, Österreichisches Staatsarchiv: Abb. 3, 6. Friedrich Simader: Wien, Österreichische Nationalbibliothek: Abb. 2–6; Wien, Österreichisches Staatsarchiv: Abb. 1. Stefan Krause und Mario Döberl: Brüssel, Musées royaux d’Art et d’Histoire: Abb.  20; München, Bayerische Staatsbibliothek: Abb. 12; New York, Privatsammlung: Abb. 16; ­Wien, Heeresgeschichtliches Museum: Abb. 17, 23; Wien, KHM-Museumsverband: Abb. 1, 4–6, 8–10, 14, 15, 18, 19, 21, 24; Wien, Österreichische Galerie Belvedere: Abb.  22; Wien, Österreichische Nationalbibliothek: Abb.  2, 3, 7, 11, 13; Wien, Österreichisches Staats­ archiv: Abb. 25.