Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Januar bis März 1897 [102]

Table of contents :
Front Cover
Heft 1 Januar
Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796
Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung
Unsere Flotte
Armee- und Marine-Nachrichten aus Russland
Bücher
28
102
Heft 2 Februar
Philippe de Gentils marquis de Langalerie, französischer General-
Das russische Projekt eines europäisch-transkaspischen Wasser-
Ein russisches Urteil über die eingeborene englisch-indische Armee
Die Wirkung der Handfeuerwaffen
Militärische Nachrichten aus Rumänien
233
Heft 3 März
Deutschland und Italien (Fortsetzung)
Major a D
Pensions-Gesetzes

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Jahrbücher

für die

deutsche Armee

und

Marine.

Verantwortlich geleitet

von

E. Schnackenburg Oberstlieutenant a. D.

102. Band. Januar bis März 1897.

BERLIN W.8. Verlag von

A.

Bath.

Mohren-Strasse 19.

1897 .

Printed in Germany

>

Inhalts - Verzeichnifs.

No. 304.

Heft 1.

Januar.

Seite

1. Zu des „grofsen Königs" Andenken II. Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796 in Deutschland und Italien

1

11

III. Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung und des Feuers der schweren Belagerungs -Artillerie bei dem 28 Angriff auf Festungen, mithin in der Festungs-Schlacht 39 IV. Unsere Flotte 59 V. Geist und Stoff im Kriege 82 VI. Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres 97 VII. Armee- und Marine-Nachrichten aus Russland • 102 VIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen IX. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften · • 107 115 II. Bücher 132 III. Seewesen IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher 134 No. 305.

Heft 2.

Februar.

X. Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796 in Deutschland und Italien (Fortsetzung) . 137 XI. Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung und des Feuers der schweren Belagerungs -Artillerie bei dem Angriff auf Festungen, mithin in der Festungsschlacht (Forts.) . 158 XII. Philippe de Gentils marquis de Langalerie, französischer Generallieutenant, österreichischer General der Kavallerie u. s . w. , angeblich Kaiser von Madagaskar (1661-1717) . Ein Lebensbild. Von Hermann Freih. v. Roten han , Oberst XIII . Ein österreichisch -ungarischer Fortifikator. Von H. Frobenius , Oberstlieutenant a. D.

206

XIV . Das russische Projekt eines europäisch -transkaspischen Wasserweges vom Finnischen Meerbusen nach Mittelasien

218

XV. XVI. XVII. XVIII.

Ein russisches Urteil über die eingeborene englisch-indische Armee Die Wirkung der Handfeuerwaffen Militärische Nachrichten aus Rumänien • Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

P

CA

(RE

)

496302

179

225 233 241 244

Seite XIX . Umschau I. II. III. IV. No. 306.

in der Militär-Litteratur : Ausländische Zeitschriften Bücher Seewesen

246 254 • 271

Verzeichniss der zur Besprechung eingegangenen Bücher

275

Heft 3. März.

XX. Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897. Von Paul v. Schmidt , • Generalmajor z. D.. • XXI. Bleistiftnotizen Moltke's über 1866. Von Otto Herrmann XXII. Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796 in Deutschland und Italien. (Fortsetzung) . XXIII . Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie bei dem Angriff auf Festungen, mithin in der Festungs-Schlacht. (Forts .) XXIV. Von Gastein bis Langensalza. Nach der Darstellung des Oberst v. Lettow- Vorbeck XXV. Die russische „,freiwillige Flotte" XXVI. Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland XXVII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen XXVIII . Umschau auf militärtechnischem Gebiet. Von Joseph Schott , Major a. D. • XXIX . Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften · II. Bücher III. Seewesen IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher XXX. Mitteilung, betreffend eine Änderung des Offiziers - WittwenPensions-Gesetzes .

279 305 311

324 338 355 359 363

367 383 390 407 411

414

I.

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken.

Hic cineres, nomen ubique ! Königlichen

Giganten

ein

Mit dieser Grabschrift

französischer

Zeitgenosse ;

ehrte den

und

seinen Ausspruch bestätigte ein Leipziger Geschichtsprofessor, welcher aus Selbsterlebtem erzählt : Während die Trauerkunde von Friedrichs Ableben Europa durcheilte, da hörte man die Klage : „ Der König ist todt" so allgemein, als gäbe es keinen anderen König¹ ). Fragen wir nach dem „ Ursprung" der Feldherrngröfse Friedrichs II. , so gewahren wir denselben im Verkehr mit „ Prinz Eugen" während des Feldzuges

1734 ;

denn von diesem lorbeerreichen Generalissimus

ward ihm empfohlen , den Verlauf früherer Kriege zu durchdenken, um sich genau in die Lage des Oberbefehlshabers zu versetzen und sich selbst zu befähigen für die richtigen Anordnungen in gefährlichen - Dem zufolge dieses sublimen Raths in Rheinsberg emsigen

Lagen.

Bayardordens-Ritterbunde gebührt eine richtige Würdigung. Weiterhin fufste des dritten Preufsenkönigs Kriegsmeisterschaft auf einem Heroencultus, den Friedrich ausprägte als Dichter sowohl wie als philosophischer Geschichtsschreiber zur Verherrlichung seines Musterahnen, des ,,grofsen Kurfürsten “ 2) . Die Erwägung dieser Grundlagen des militärischen Theils der Gröfse König Friedrichs II .

leitet uns hin in die Tage, welche den preufsischen Nähr- und Lehrstand bewogen, seinen König als den ,,grofsen" freudigst und in ehrfurchtsvoller Dankbarbeit zu begrüſsen. Im Jahre 1745 geschah Solches zuerst in Potsdam den 4. November 3) und dann in Berlin am 28. Dezember. Wiltsch, Rofsbach (1858) ¹) Grimm et Diderot corresp. P. III ; T. IV, 61. S. 261. Ein Dorfschulze in Bayern liefs , nachdem er des Königs Tod erfahren, alsbald für sein baares Geld eine Messe Ihm lesen. (Polit. Journal 1786, Thl. II, 1073.) 2) Vgl. Oeuvres X, 247 u . f., sowie Tome I, 93 u. 94. Le grand électeur formait ses projets et les exécutait. Les actions de cet héros sont d'autant plus admirables, que son courage et son génie y font tout, qu'avec peu de moyens il exécute les entreprises les plus difficiles, et que les ressources de son esprit se multiplient à mesure que les obstacles augmentent. L'héroisme de Frédéric Guillaume n'appartenait qu'à lui seul. „ Sein Andenken wird seinen letzten Nachkommen hochwerthig sein, weil er nie an seinem Vaterlande verzweifelte." 3) Vgl . unsere „ Jahrbücher" 1877, Aprilheft S. 47. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102 , 1. 1

2

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken . Einige Zeit vorher schon gerieten Berlins Bewohner in festliche .

Stimmung und sichtlichsten Eifer für prunkvollen Empfang des Königlichen Herrn . Am Einzugstage erwartete und überraschte ihn an der Berliner Weichbildsgrenze ein Reitergeschwader junger Kaufleute mit dem dreimal laut schallenden Herzensgrufs : „ Vivat Friedrich der Grofse !" in Berlin.

Nachmittags zwei Uhr begann der Einzug

Hier hatte wegen Bedrohung durch einen österreichischen

Heeresteil (unter Graf Grünne) der furor borussicus die gesammte waffenfähige Bürgerschaft zu Fufs und zu Pferde in Reihe und Glied gebracht : eine wohlgeordnete Land- und Nothwehr .

Und so konnten

die Spreespartaner vor ihrem heimkehrenden Gebieter bestmöglichst stramm militärisch sich zeigen. Am Thor empfing Magistratus den Monarchen. Compagnieweis postirt auf beiden Strafsenseiten vom Thor bis zum Königlichen Schlofs salutirte die Bürger-Infanterie, während die älteren Kaufleute, die braun uniformirten Schlächter und die Schützengilde nebst einem Königlichen Jägercorps dem offenen Wagen des Königs zu Pferde das Geleit gaben.

Der Generalpostmeister ritt mit 100 blasenden Postillons

an der Spitze

des

Königlichen Einzugs.

Im Anschlufs

an

diese

Hornistenschaar folgten die bereits erwähnten behenden jungen Kaufleute, sowie einige Gardes du corps und ein paar Pagen ; trotz dieser voraufreitenden Ehrenescorte vermochte der König nur langsam die Rofs- und Breitestrafse zu passiren . holder Weiblichkeit besetzt, Heldenkönig

Alle Fenster waren hier von

welche mit Blumenmassen dem jungen

dem Hohenfriedberger Sieger, dem Friedebringer

eine Huldigung darbrachte.

Sämmtliche Geistliche und Lehrer nebst

einer Schülermenge hatte sich in und vor dem Kölnischen Gymnasium versammelt ; unter Musikbegleitung sang ein Lateinknabenchor dreimal : ,,Vivat, vivat Fridericus Rex, vivat Augustus, Magnus, Felix Pater Patriae. " Ein Augenzeuge versichert, des Volkes Jubel sei „über alle Beschreibung grofs " gewesen . Auf dem Schlofsplatz gestaltete sich der Zulauf so stark und so ungestüm, dafs die Königliche Equipage mehrfach stillhalten mufste, um Unglück zu verhüten ; während dieser Pausen konnte

dieselbe mit Lorbeerkränzen geschmückt werden von

den dort aufgestellten Cadetten.

Durch wiederholtes Hutabnehmen

begrüfste der König die ihn umringende und aus den Fenstern wie von den Dächern dem Schlofs gegenüber ihn bejubelnde Menschenmenge. Nachdem er seinen Wagen verlassen, durfte die Bürgermiliz eine dreimalige Salve

geben

und vor

den Fenstern

Sr. Majestät defiliren .

Abends 6 Uhr begann eine allgemeine Illumination . (Der Verein für die Geschichte Berlins markirte am 28. Dezember 1895 durch einen

3

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken .

am

Friedrichsdenkmal

niedergelegten

grofsen

Lorbeerkranz

das

150jährige Andenken an jenen Berolinensischen Festtag.) . Das schönste Friedrichsbild, von Pesne gemalt, wurde 1746 als Kupferstich vervielfältigt mit der Unterschrift Fridericus Magnus, Rex Borussiae. Aber nicht blos eine momentane Begeisterung ertheilte dem 33jährigen Landesvater den Ruhmestitel „ der Grofse" . Die Folgezeit bestätigte denselben. Über den von Berlins Einwohnerschaft geplanten triumphalischen

Empfang des Vaterlandserretters 1763 in seinem Geburtsort enthielt das Märzheft 1894 unserer Jahrbücher" eine kleine Schilderung (die Ramler'sche Version berichtigend) . Auch damals , am Abend des 30. März, hat man ,,Fridericus Magnus " solenn geehrt. Schliesslich war es (nach 1763) während der langen Friedenszeit die unwandelbar in diesem Staatsoberhaupt verkörperte Pflichtliebe, welche den

grofsen König"

glorificirte für immer.

Unvergeſsbar

bleibt deshalb, was ein in den Befreiungskriegen sich auszeichnender General (Friedrich v. d . Marwitz, geboren in Berlin 1777,

gestorben

als Generallieutenant a. D. in Fredersdorf) während seiner Knabenjahre schauen konnte und in seinem handschriftlichen Nachlafs uns überlieferte wegen des Königs Rückkehr von der Tempelhofer Revue nach Berlin 1785.

In dieser Residenzstadt sah man ihn selten ; um so gröfser war die ehrfurchtsvolle Freude, den durch Alter und Strapazen gebeugten Monarchen zu erblicken, wenn er, der seit 4 Uhr Morgens 6 Stunden im Sattel gewesen, über den runden Platz am Hallischen Thor nach der Wilhelmstrafse ritt, um seiner Schwester Prinzefs Amalie dort einen kurzen Besuch zu machen (in dem jetzigen Palais Sr. Kgl . Hoheit Prinzen Albrecht) . Eine Volksmenge von Tausend und aber

des

Tausend erwartete mit Spannung den einfach gekleideten, staubbedeckten Königlichen Greis, welcher mühsam sein HeeresinspecteurTagewerk verrichtet hatte. Ins Bewusstsein trat Allen, dafs dieser hohe Herr auch für jeden von ihnen arbeite und sein ganzes Leben dieser Arbeit gewidmet habe seit 4/2 Jahrzehnten. „ Kam „ er" nun herbei, so verstummte die bisher laute Unterhaltung ; die Volksmenge vor den Häusern und an den Fenstern nahm Hut oder Mütze tief ab. Während der König freundlich um sich blickend gütig den Grufs erwiderte, hörte man nur den Hufschlag von Pferden und den Frohsinn der vor ihrem höchstverehrten nalten Fritz " umhertanzenden Knaben, denen nicht verwehrt wurde, ihm den Sand von den Stiefeln zu wischen . Ein anderer Augenzeuge berichtete über eine nicht minder patriarchalische Scene, welche dann im Hofe des alten Berliner Schlosses 1*

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken.

4

stattfand, als dorthin der König (am 22. Mai 1875) auf dem mit ihm historisch gewordenen Litthauer Schimmel zurückkehrte von seiner -wer vermochte es zu ahnen letzten Tempelhofer Truppenschau . „Sein Verfall war so unverkennbar, die

gewohnte Pflicht

wurde 1 ). "

übte,

dafs die Anstrengung, womit er

zu einem

Gegenstand tiefer Rührung

Wir wissen, seinem Rheinsberger Bruder Heinrich machte.

der König bereits den 2. October 1782 die vertrauliche Mittheilung : " Il faut que je rassemble le peu de forces qui me restent, pour remplir mes devoirs selon toute leur étendue . Je veux éviter qu'on dise après ma mort que j'ai négligé la moindre chose. "

Dieses

Selbstportrait übereinstimmt mit einer Schilderung aus der Feder des 32jährigen Grafen Ségur, welcher unter Washington gekämpft und nach seiner Rückkehr aus Amerika als französischer Gesandter nach Petersburg reisend, am 29. Januar 1785 um 7 Uhr Morgens in Potsdam Audienz beim Könige hatte. „Mit lebendiger Neugierde betrachtete ich diesen Mann, der grofs von Genie, klein von Statur, gekrümmt und gleichsam unter der Last seiner Lorbeern und seiner langen Mühe gebeugt war.

Er hatte die Haltung eines Invaliden ;

aber man fühlte, dafs er noch wie ein junger Soldat sich schlagen könne . Trotz seines kleinen Wuchses erblickte man ihn im Geist doch gröfser als alle anderen Menschen 2). " ― Was erkennen wir in diesen zwei Königsbildnissen ? Superlative Energie , d . i . Kraftfülle, Festigkeit, Nachdrücklichkeit, Seelenstärke . Schwer ist

es, Schlachten

zu

gewinnen ,

noch

schwerer und

mühevoller aber ist die Siegesvorbereitung durch unablässige Erdas Sicherstellen der Kriegsziehung, Belehrung und Beeiferung imponderabilien mittelst Regelung und Hebung des Heeresgeistes und der Soldatentugenden . Wie König Friedrich in peinlicher Lage 1745 sein Kriegsinstrument auf den richtigen Ton stimmte - also gewissermassen des grofsen Königs pädagogisches Feldherrn -Credo wurde von ihm Selbst in seinen historischen Nachlafsschriften gebucht³) . Ein Stück Heerespsychologie sei im Folgenden skizzirt. Kennzeichnend für die Erwartungen, welche König Friedrich II., das erste Mal zu Felde ziehend, seinen Officieren darbrachte, sind die thatsachgemäfsen Worte : „Meine Herrn, ich unternehme einen Krieg, für den ich keinen anderen Verbündeten habe als Ihre 1 ) Vgl. Jahrbücher Januarheft 1885, S. 7. Aus Friedr. Buchholz's Aufzeichnungen. 2) Mémoires ou souvenirs . . . par Mons. le comte de Ségur. Paris 1826 , II, 120. 3) Hochinteressante sentenziöse Einschaltung in der Hist de mon temps , Mscpt. 1746 ed. Lpzg. 1879, S. 369.

5

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken .

Tapferkeit. " Weiterhin charakteristisch ist der erst 1880 bekannt gewordene stolze Königliche Ausspruch - ein Nachhall der Hohenfriedberger Siegesfreude : "9 Die besten Alliirten, so wir haben, sind unsere eigenen Truppen ¹ ) . " In Königlicher Zuschrift an den alten Dessauer" nach dem Siege von Soor heifst es : „ Ich kann auf meine Ehre versichern , dafs ich noch keine Action erlebt, wo die Cavallerie ein solches starkes Kanonen- und Bombenfeuer hat aushalten müssen.

Unsere Leute , Cavallerie und Infanterie sind unüberwindlich ."

Diese Zuversicht des preufsischen Kriegsherrn und sein Erlebniss bei dem Soor'schen Geschützlärm verursachten eine drastische Kundgebung im landesväterlichen Testament 1752 :

99 Wenn die Ehre des

Staats euch zwingt, den Degen zu ziehen, dann falle auf eure Feinde der Blitz und der Donner zugleich 2)". Marquis Valori, französischer Brigadier und schon zu König Friedrich Wilhelms I. Zeiten Gesandter in Berlin, sagte nach einer Revue im Mai 1746, es errege Verwunderung Truppen, die so viel gelitten, schon wieder in einem so prächtigen Zustand zu erblicken . . . ,,Ich kenne die Geschwindigkeit ihres Schiefsens nun seit acht Jahren aus dem Kriege und aus den Übungen, doch setzt sie mich noch jedesmal in Erstaunen ³)." Am 1. Januar 1746 hatte der Kriegsherr allen Offizieren befohlen, sämmtliche Reglements und Ordres ,, einigemale " durchzulesen und ,,nachhero auf deren Geltung in allen Stücken sehr genau zu halten. " Weitere bald folgende Heeresbefehle regelten bis ins kleine Einzelne Jegliches für die Zeit,,,wann wider alles Erwarten Wir mit der Armee Etwas zu thun bekommen ." Den 1756 beginnenden,,,complicirt und schwierig" sich gestaltenden Krieg hatten weibliche und männliche Machthaber und Stimmführer

gegen den Eroberer Schlesiens ,,mit

Arglist vorbereitet 4)."

viel Kunst

und

Was wäre aus dem von Überzahl erbittert

und hartnäckig bekämpften Preufsenstaat geworden, wenn ihm nicht Friedrichs wesen ?

Geisteskraft und Vaterlandsliebe

Kaum jemals ward

eine

feste

in hoher Gefahr von

Stütze ge-

einem herzens-

¹) Polit. Correspondenz, Bd. IV, 187. „ Bei Hohenfriedberg hing der ganze Staat an einem Haar." (Brief an Graf Podewils d . 10. Aug. 1745.) 2) Testamentsstelle in R. Koser's Friedrichsbuch, Stuttgart 1893, S. 557. - Schmerzlich entbehren wir eine heeresgeschichtliche Monographie für den genauen Nachweis der Fortschritte, welche die preufs. Wehrkraft 1745-1756 unter dem König-Connétable zu machen befähigt wurde. 3) Ranke 1874, Bd. V, 267, Note. 4) Oeuvres T. IV, p. XV u . XIII . Selbstverständlich ist eine in neuester Zeit verlautbarte andere Auffassung wegen des 7jährigen Krieges ,,Ursprung", als eine völlig willkürliche, ganz werthlos .

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken .

6

beherrschenden Feldherrn Gleiches geleistet wie von Friedrich dem Grofsen als enthusiasmirenden Redner am 3. December 1757. Ein kurhessischer Major , früher in preufsischem Dienst , versicherte (druckschriftlich) noch 1790 feierlichst , er habe diese Rede, so oft sie ihm auch wiederholt worden, nie ohne Thränen anhören können ¹) . Viele Tausende von Cabinetsordres des grofsen Königs weisen uns nach, in welcher Art und Form während 46jähriger Regierungszeit dieser Kriegsherr Erzieher seines Heeres gewesen. Zahl solcher Schriftstücke im Folgenden.

Eine kleine

An einen Generallieutenant v. R. wurde aus Potsdam die Frage gerichtet, was daraus entstehen ,,solle , wenn man nicht schärfer auf Euer Auditeur muſs ein ErzSubordination halten wolle." schäker sein,

der kriegt

Officiers,

dabei

die

von mir keine [ Civil- ]Versorgung ; und die

[beim Kriegsgericht] gewesen, verstehen auch

Nichts vom Kriegsrecht. Die Subordination mufs nicht geschwächt , sondern mit aller Strenge und Schärfe darüber gehalten werden ; denn das ist die erste und vornehmste Sache beim Militairstand." -In Eigenhändigem P. Scr.

befahl der König einem Oberstlieutenant

v. S., die ihm wegen bei seinem Regiment stattgefundenen Unregelmäfsigkeiten ertheilte (scharfe) Rüge solle sämmtlichen Offizieren der Garnison vorgelesen werden, damit sie wissen , daſs ohne Unterschied Alle bestraft würden, die gegen die Subordination handeln ; denn „ der General , dem Ich das Commando gebe , stellt Mich vor. “ Kaiserin Maria Theresia, geboren den 13. Mai 1717, hatte am 15. October ihren Namenstag. Letzteren feierten die österreichischen Truppen im 7jährigen Kriege stets mit Gewehr- und Geschützsalven . Dies erlebte zuerst Feldmarschall Keith ( 1756) in Böhmen und erwähnte es in einem Meldebriefe an den König, als ihm unverständlichen Pulverconsum. Der König benachrichtigte (den gern sarkastischen) Keith wegen der Ursache, mit dem Hinzufügen :

„, Möge

[der Feldmarschall Graf] Browne so viel als ihm beliebe Therese und Franz [ihren Gemahl] ,, celebriren ; nous ne voulons célébrer que des victoires." Der Generallieutenant Herzog v. Bevern meldete aus Schlesien am 13. October 1757 dem Könige das Gerücht, man plane österreichischerseits für 17 übermorgen " einen Angriff und hege wegen der supériorité" grofse Hoffnung auf Erfolg. Der König antwortete : 17 Was Ew. Liebden Mir bei Gelegenheit des letzteren Theresientages geschrieben, hat Mich so sehr befremdet als betrübet .

Ich hoffe,

1) Der Wortlaut jener Königlichen Rede im 3. Teil des 27. Bandes der Oeuvres, Seite 261 u. f.

7

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken .

Meine Generals und Officiers werden so ehrliebend und brav sein, sich weder vor Theresien- noch anderen Tagen, wie sie auch heifsen, fürchten ." U. s . w.

Bemerkenswerth sind die während der 63 tägigen Belagerung von Schweidnitz den manchmal schier verzagenden Tranchée- und Mineurmajor Lefebvre ermunternden Eigenhändigen Königlichen Zeilen . Z. B. d. 13. August 1762, nach der 6. Arbeitsnacht :

Courage, réduisez ce Gribauval [den österreichischen Platzingenieur] à l'absurde en le prenant bien vite" ; am 5. September : „Vous avez bientôt Gribauval dans le sac" ). An den am 10. October 1761 in Schwerinsburg, südlich von Anclam, postirten Husarenoberst v. Belling erging ein Dictat : König sehr lieb gewesen,

Es wäre dem

aus seinem Schreiben zu vernehmen , daſs

er die Schweden so weit zurückgetrieben.

Se. Kgl. Majestät, welche

von seinem Betragen die ganze Campagne hindurch alle Zufriedenheit hätten, hofften : er würde den Feind dorten weiter in Ordnung halten. Der damalige schwedische Rückzug über die Peene kann als Schlufs des Feldzugs auf diesem Kriegstheater gelten.

Für die dort gut ge-

spielte grofse Rolle errichtete der dankbare Oberfeldherr in seinen historischen Schriften dem " die Schweden in Ordnung haltenden " Belling ein Monument : 17 Ce général infatigable“ u. s . w. 2) Dem Major v. Prittwitz, welcher im April 1762 beim Zurückwerfen einer feindlichen Abtheilung unweit Steinau (an der Oder) 32 Gefangene gemacht, ohne selbst einen Verlust zu erleiden , liefs der König schreiben: ,,Der Coup ist excellent ." Es handelte sich um eine belangreiche Recognoscirung. D. d. Breslau 7. Febr . d. J. war Prittwitz belobt und beeifert worden :

„ Die Action gegen den Feind

ist ungemein schön ; und Ich verspreche Mir weiter zu Euch, dass Ihr den Feind schon in Respect zu halten wissen und ihm in gleichen Fällen zurückzuweisen und auf die Finger zu klopfen nicht ermangeln werdet." Dieser normalhusarische Prittwitz zeichnete sich stets aus. Noch im Lauf des Jahres 1762 stieg er ( 36jährig) aufser der Reihe zum Oberstlieutenant und Commandeur des Zietenhusaren-Regiments. Rudolf v. Seelhorst (nobilitirt

1744, gest. 1779 als Kürassier-

Regiments- Chef im 63. Dienstjahr ; eines Hannoverschen Pastors Sohn ) wurde, als Oberstlieutenant im Dragonerregiment Baireuth, für eine Affaire bei Oberschlesisch- Neustadt d. 30. Juli 1761 durch ein Königliches Ehrengeschenk von 500 Thalern belohnt,,, da Ich mit Euch

¹) Generalstabsvorlesungen über die Gesch. des 7jähr. Krieges. (Berlin 1841 ) S. 355. 2) Oeuvres V, 136.

Thl . VI.

8

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken .

sehr wohl zufrieden bin " 1). General v. Seelhorst zählt zu den Offizieren bürgerlicher Abkunft, welche von der Pike auf dienten und zu hoher Ehrenstufe gelangten. Aufser mehr oder minder bekannten Officieren dieser Kategorie (Buchhorst , eines Feldwebels Sohn ; Stollhofen aus einer Predigerfamilie ; Alemann,

Beamtensohn,

1755 als Dragoner-

Regimentscommandeur ausgeschieden mit 1000 Thaler Gnadengehalt nach 53jährigem Dienst ; Pletz, ein Tuchmachergeselle, 1810 als Husarengeneral a. D. gestorben) können folgende genannt werden : Oberst Söldner, der von ganz unten an diente und 1742 ,,wegen

beständiger Unpäfslichkeit" mit 2000 Thaler Jahrgeld inactiv wurde. Freidragoner Neie, bei Auflösung dieser Truppe 1763 zum

Der

Lieutenant bei einem Linien -Dragonerregiment befördert, kam als Rittmeister ins Husarenregiment ,,Zieten ". Bei letzterem Truppentheil avancirte der Husar Lenz bis zum Regimentscommandeur ; er schied 1793 aus und starb 1805. Gottfried v. Seel (gest . zu Soest 1751 nach 49jährigem Dienst), Vater des verdienstvollen ZietenhusarenRegimentscommandeurs, arbeitete sich vom Musketier herauf bis zum ältesten Oberst der Armee. Kordshagen, eines Bauern Sohn, trat ein ins Husaren-Regiment Zieten,

wurde hier 1750 Wachtmeister, d. 13. August 1756 Cornet, 1762 Schwadronschef und 1769 geadelt ; er starb als Major. Generalmajor Freund , 1804 a. D., ist nie nobilitirt worden ) . Die Rangliste pro 1787 nennt in der LinienInfanterie mehrere bürgerliche Stabsofficiere und Hauptleute. Das Verhalten des grofsen Königs hinsichtlich ahnenloser Officiere wurde leider vielfach in gehässiger und oberflächlicher Weise geschildert³). Um so mehr verdient Beachtung des Kriegsherrn Abneigung gegen gräflichen Officiernachwuchs . So z. B. in einer Cabinetsordre 1775 an General v. Tauentzien, welcher um seines Sohnes Eintritt ins (vornehme) Kürassierregiment Gendarmes gebeten. Zwei oder drei Jahre dienen, dann Brustschmerzen, blöde Augen , Bruchschaden oder heirathen : so haben es 25 vornehme Leute bei den Gendarmes gemacht ;

und darf weder Graf noch Vornehmer dabei

aufgenommen werden ; Ich habe es verboten ;

denn Ich will Officiers

1 1) Polit. Correspdz. Bd. XX, 559. Des Ordensraths König biogr. Lexikon, Stellenweis ungenau, datirt dieses Gefecht auf den 30. Juli 1745. 2) Oeuvres XXX, p . XXXII. 3) In dem Büchlein ,,Fridericus Rex und sein Heer", Berlin 1868, hierüber eine Erörterung S. 141 u . ff. Angefügt sei : In der Kgl. Instruction für das Generaldirectorium v. 20. Mai 1748 wird betont, dafs die Söhne der Landedelleute die meisten Dienste thun und das Vaterland vertheidigen müssen. “ Ein Königliches Antwortschreiben an einen Capitain a. D. 1870 besagt : „ Ich will die Edelleute in der Armee haben ; das ist die eigentliche Bestimmung für die Edelleute". (A. v. Taysen „, 1780“ S. 13) .

9

Zu des ,,grofsen Königs" Andenken.

und keine Durchläufer dabei haben. " (Vater Tauentzien war ein reicher Mann .) Dem Grafen L. v. St wird 1781 geantwortet : überdem habe Ich es aus der Erfahrung, dafs die Grafen zu vornehm sind, als dafs sie gut dienen sollten ." Einem Grafen v. Sch . , welcher Beförderung

seines

als Junker bei den Gardes du corps

dienenden Sohnes erbat,,,weil er diesen Vorzug verdiene", wurde erwidert, die Grafschaft gewähre keinen Vorzug, gehöre auch nicht zum Dienst. In Eigenhändigem P. Ser. verlautbarte der Königliche Philosoph: Junge Grafen, die Nichts lernen, sind Ignoranten in allen. Landen Geburt und Titel sind Narrenspossen ; und ist nichts Rühmlicheres als mérite personnel. " Das Vorhanden- oder Abwesendsein des persönlichen Verdienstes überwachte der Königliche Gebieter mit steigendem Eifer bei seinen . militärischen grofsen Potsdamer und Berliner Staats- (vertheidigungs) examinas

und während der Provinzialrevuen .

Die Truppenschau bei

Stargard 1773 erzeugte die sehr herbe schriftliche Censur : „ Hier habe Ich lauter Bauern vom General bis zum Tambour gefunden." Mit

den Kürassierregimentern

1780 ,,garnicht zufrieden " . sächlich daraus,

in

Oberschlesien

war

Se. Majestät

Die dortigen Fehler entständen haupt-

dafs ,,die Officiers nicht gut dressirt, nicht actif,

nicht munter genug sind. "

Die dem neuen Generalinspecteur em-

pfohlenen Evolutionen solle man mit Lebhaftigkeit ausführen und keine ,,Träumereien " dabei vorkommen lassen. Ein wegen eines Manöverfehlers mit achttägigem Arrest

bestrafter Generalmajor bat

den König um Verzeihung dieses Versehens ;

er erhielt den Eigen-

händigen Bescheid : ,,Die Generals müssen die Dispositions exact executiren und nicht solche Fehler begehen , worüber man geschlagen wird." Auch

ein

Theil

der

husarischen

Heereselite

des

7 jährigen

Krieges , und namentlich die in Berlin garnisonirende Hälfte des Husarenregiments Zieten erregte 1781 die Königliche Unzufriedenheit. ,,Dermalen sind sie Soldaten gewesen ; aber jetzt sind sie das nicht mehr, und die Zietenschen jetzt lauter Berlinische Spiefsbürger ¹).“ Curiosums halber sei citirt das Drecret für einen Regimentschef ( 1780) wegen Consensgesuch des Lieutenants v. Z- y: ,,Das ist ja noch ein junger Mensch. Wie kann der schon heirathen ! Der kann In Bezug auf die, bewohl noch warten bis er einen Bart hat." gleitet von einer Neujahrsgratulation Ende 1780 eingesendete Con1) Weihnachten 1780 war das 1. Bataillon Zietenhusaren behaftet mit 210 Mannschaftsweibern nebst 253 Kindern. Die Ausrückungsstärke dieser 5 Schwadronen bezifferte sich zur Zeit : 55 Unterofficiere , 5 Trompeter, 402 Gemeine, befehligt von 25 Officieren .

10

Zu des ,,grofsen Königs " Andenken .

duitenliste des Leibgardebataillons- Officiercorps antwortete der Königliche Bataillonschef (durch das Sprachrohr des, als urgrob, heeresgeschichtlich merkwürdigen Oberst v. Scheelen): ,,Die guten Officiers wünschen den schlechten, dafs sie sich bessern." - Den standhaften Vertheidiger von Oberschlesisch-Neustadt d . 28. Februar 1779 belobte Fridericus Rex bald nach geschehener That Eigenhändig : ,, Das ist recht, mein lieber Winterfeld. Ich habe Mich nicht an Ihm betrogen und weifs alles Gute, was in Ihm sticht¹)." Wer den Lebensgang des dritten Preuſsenkönigs kennt , sieht wie gerade er die Rauhheiten und Bitternisse des Schicksals empfinden musste und wie er sie zu besiegen vermochte.

Dafs ihm von

Kindesbeinen an ein sarkastischer Zug unvermeidlicher Begleiter gewesen, dünkt uns ebenso augenfällig wie leicht erklärlich, jedenfalls sehr bedeutsam insoweit dieses hocherhabenen Fürsten Thatensumme sich darstellt als Idealität des Pflichtbewusstseins und der Pflichterfüllung. Zur Staatsgrundlage vorzeichnete der grofse König testamentarisch seinem Thronerben : ,,Nous n'existons qu'en tant que nous avons une bonne armée." Wenn demnach dieser philosophische Kriegsherr oft seinen Officieren zugerufen hat : „,Applicirt Euch", so gleichlautet solch Verlangen mit einem italienischen Sprichwort, aus dessen Commentirung sich ergiebt :

Die rechtschaffene Betrieb-

samkeit und der eiserne Fleifs erzeugen gediegene Geschicklichkeit ; sie ist des Glückes ,,rechte" Hand "). Während seiner Abendjahre äufserte in einem Privatbrief der ,,Eremit von Sanssouci ", man möge bedenken, dafs kein weltlicher Machthaber ,,unfehlbar" Thatsachen rieth er,

sei.

Dem

Kritiker

kriegsgeschichtlicher

des Befehlführers Motive und Streitmittel stets

und genau zu erwägen. Der Nachwelt gerechtes Urtheil über König Friedrich II.

läfst

unbeachtet die Glossen , Entstellungen und Anecdoten einiger ergrimmter ihren eigenen, vermeintlich kolossalen Geistesreichthum in helles Licht zu stellen bemüheten ehemaligen Officiere des altfritzischen Heeres (Berenhorst , Kalckreuth etc.) . Merkwürdigerweise kann aber keiner derselben umhin, dann und wann einer ehrfurchtsvollen Bewunderung des grofsen Königs Ausdruck zu geben. 1) Ein Mehreres in der empfehlenswerthen Urkundensammlung des Landesökonomieraths Stadelmann, Halle 1890. 2) Aus Raumrücksicht müssen wir hier unberührt lassen die grofse Menge und Mannichfaltigkeit der von jungen und strebsamen Officieren nach Potsdam eingesendeten militärwissenschaftlichen Arbeiten und deren väterliche Erledigung durch den Königlichen Herrn, als Generalstabsschuldirector.

11

Strategische Betrachtungen etc. So z. B.

eingesteht

K. W.

v. Kaltenborn :

,,Seine

Fehler

waren

gering. " ,, Ein König wie er, ist gewils noch nicht dagewesen ." ,,Alles in seinem Lande war arbeitsam, wie er." ,,Vortrefflicher Gebrauch der Zeit, pünktliche Ordnung in allen Geschäften, unermüdete aber immer zweckgemäfse Thätigkeit (Alles was er that, that er mit Leib und Seele) sowie die unerreichbare Kunst, die Herzen der Menschen zu gewinnen - das war es , wodurch Friedrich sich den Ruhm erwarb, den noch nie ein König erworben, den alle Nationen bewundern und der nie verlöschen wird !“ (Gr. L.)

II.

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796 in Deutschland und Italien.

Die Begebenheiten

des Kriegsjahres 1796

in Deutschland

und

Italien sind geschichtlich, wie wissenschaftlich von hervorragender Bedeutung. Wir sehen auf den beiden Hauptschauplätzen des Kampfes zwei Heerführer zum ersten Male auftreten, welche sich als der gröfste Stratege und der glück- sowie erfolgreichste Kriegskünstler ihrer Zeit

erweisen

sollten.

Der Charakter

der Kriegführung, der

sich während der französischen Revolutionszeit vollständig geändert Der sogenannte hat, nimmt immermehr eine festere Gestaltung an . Positionskrieg,

in welchem die Stellungen nicht blofs als Mittel zum

Zweck, sondern methodisch als der Zweck selbst betrachtet wurden , wird zum überwundenen Standpunkt. Das Bestreben, den Hauptzweck, die Niederkämpfung des gegnerischen Heeres durch die Wirkung von Kombinationen und durch die Bewegungen der in Massen konzentrirten Streitkräfte wirksam vorzubereiten, tritt immer entschiedener in den Vordergrund . Bemerkenswert für die Betrachtung der beiden Feldzüge

bleibt endlich,

dafs

dieselben durch

unsere be-

deutendsten Kriegsphilosophen , durch den Feldherrn Erzherzog Karl selbst und durch Karl von Clausewitz, zur Darstellung gelangt sind. Die

kriegerischen Ereignisse von 1796 in Deutschland und Italien stehen aber unzweifelhaft nicht nur in politischen, sondern auch in strategischen Beziehungen zueinander. können

nicht

von

einander

getrennt

werden,

Die beiden Feldzüge ohne ihnen

einen

12

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

grofsen Teil des Interesses und der Verständlichkeit zu entziehen , weil sie

eben durch Begebenheiten und Beziehungen häufig in ein-

ander greifen .

Die Operationen auf den beiden räumlich getrennten

Kriegsschauplätzen mussten notwendig schliefslich in ein gewisses Verhältnifs der Wechselwirkung treten und dieser Umstand fordert zu einer Betrachtung der betreffenden Feldzüge im Zusammenhange auf, die den Zweck und das Ziel der vorliegenden Studie bildet. Die im Verlaufe der Revolution von 1789 in Frankreich zur Herrschaft gelangte Partei der Gironde hatte als das geeignetste Mittel, die revolutionären Leidenschaften von neuem zu entflammen und andererseits

die

dadurch

aufgeregte Thatkraft der Nation auf

einen äusseren Gegenstand ableiten zu können, den Kampf gegen die Mächte des alten Europas betrachtet. Am 20. April 1792 war demnach dem Hause Österreich der Krieg erklärt, in den nächstfolgenden Jahren aber der Kampf fortgesetzt worden.

Im Feldzuge von 1795 ,

der von beiden kriegführenden Parteien erst im Spätjahre eröffnet wurde, hatte eine französische Armee unter Jourdan unterhalb Düsseldorf den Rhein überschritten, während eine andere durch Verräterei sich der Festung Mannheim bemächtigt und von dort aus vorzudringen gedroht.

Jourdan war bis zur Nidda gelangt, hier

aber durch ein geschicktes Manöver des österreichischen Generals Clerfayt in der Flanke bedroht und zum Rückzuge gezwungen worden. Clerfayt hatte dann Jourdan anscheinend verfolgt, plötzlich aber gegen Mainz sich gewendet, diese von den Franzosen berannte Festung mehrere Tage vor Jourdan zu erreichen gewufst, die

feindlichen Linien gestürmt und das Blokade-Korps zersprengt.

Die Besetzung und Behauptung des Landes auf dem linken Rheinufer zwischen Nahe und Speierbach und die Eroberung von Mannheim waren die Folgen dieses Sieges gewesen. Ein Waffenstillstand hatte am 21. Dezember den Feindseligkeiten vorläufig ein Ende gemacht. Während der Waffenruhe waren österreichischerseits verschanzte Lager vor Mainz auf den Höhen von Hechtsheim und vor der ehemaligen Rheinschanze bei Mannheim angelegt worden .

In Italien

hatte das Ende des Feldzuges von 1795 die Franzosen im Besitze der Riviera von Genua , sowie des Kammes der dieselbe umschliefsenden Apenninen gelassen. lichen Abhang des Gebirges ein.

Die Österreicher nahmen den öst-

Im März 1796 hatten also die sich gegenüber stehenden Heere folgende Stärke und Aufstellung. An den Westgrenzen Deutschlands stand eine österreichische Niederrhein-Armee von 91778 Mann unter Erzherzog Karl und unter Feldmarschall eine Oberrhein Armee von 82 776 Mann

von 1796 in Deutschland und Italien.

Wurmser.

13

Die Besatzungen von Mainz , Ehrenbreitenstein, Philipps-

burg und Mannheim waren in diesen Stärken mit inbegriffen.

Den

österreichischen Streitkräften gegenüber befanden sich auf französischer Seite die Sambre- und Maas-Armee unter Ober- General Jourdan mit

76000 Mann und die Rhein-Mosel-Armee

Moreau mit 78 096 Mann .

unter

Ober - General

Die Gesammtzahl der deutschen Streit-

kräfte beträgt 131 912 Mann Infanterie und 42 642 Reiter, die der Franzosen 136581 Mann Infanterie und 17515 Reiter. Die Österreicher, einschliesslich der mit ihnen vereinigten wenigen deutschen Reichstruppen und Emigranten, hatten also ein Übergewicht von nahezu 20000 Mann. Dasselbe lag jedoch ausschliefslich in der Reiterei , während die Franzosen in der entscheidenden Waffe, nämlich an Infanterie, 5000 Mann stärker waren . Aufserdem boten die Beschaffenheit und die Verhältnisse des Kriegsschauplatzes den Franzosen ganz bedeutende Vorteile vor den Österreichern dar. Der rechte Flügel der französischen Linie stützte sich auf die neutrale Schweiz und wurde durch eine zweifache Reihe starker Festungen von Basel bis Landau den Vogesen gesichert.

und

durch rückwärtige Forts in

Die holländischen Festungen, ferner Mastrich

und Jülich deckten aber den linken Flügel .

Düsseldorf gewährte als

Brückenkopf einen vorteilhaften Übergangspunkt über den Strom und Luxemburg, Thionville, Saarlouis und Metz machten die Mitte der Linie beinahe unangreifbar. Die Österreicher hatten dagegen nur die bereits erwähnten vier festen Plätze im Besitz, welche die Mitte ihrer Linie verstärkten , im Übrigen fehlte es ihnen am Rhein , ober-, wie unterhalb, gänzlich an befestigten Punkten und auch in dem Lande rückwärts waren solche nicht vorhanden . Die strategische Basis der Österreicher lag in Böhmen und OberÖsterreich, also mehr

als 50 Meilen

hinter der ersten Aufstellung .

Kein befestigter Platz gab der Verbindungslinie eine Verstärkung, kein Brückenkopf an der Donau oder an deren Zuflüssen bot die Möglichkeit eines sicheren Uferwechsels. Der Besitz des Landes hing lediglich von dem Ausgange einer Schlacht ab . Fiel eine solche am Rhein zum Nachteile der Österreicher aus, so war damit das Schicksal des Gebietes dahinter gewissermafsen entschieden und es stand der Weg zum Herzen der österreichischen Monarchie dem Feinde offen. Kein vorbereiteter Raum bot der geschlagenen Armee Schutz Gelegenheit,

sich wieder zu sammeln und zu retabliren.

und

Vier Jahre

lang hatten die Österreicher bereits am Oberrhein gestanden und dennoch verabsäumt, die Verbindungen mit dem Innern der Monarchie sich zu sichern .

Die Streitkräfte der Franzosen standen längs der

durch den Waffenstillstand festgesetzten Demarkationslinie von Basel

14

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

über Lengenfeld, hinter der Queich, der Nahe, dem Mittel- und Niederrhein bis Düsseldorf. Auf dem rechten Flügel stand die RheinMosel-Armee in drei Gruppen, von der Schweizer Grenze über Strafsburg bis Herdt, von Germersheim bis an das Gebirge bei Burgweiler und von Albersweiler über Pirmasens nach Homburg. Die SambreMaas-Armee hatte die Rheinlinie besetzt, und zwar mit dem rechten Flügel und Centrum von St. Wendel über Nieder-Diebach bis Köln, mit dem linken Flügel bei Düsseldorf. In Italien zählten die Streitkräfte Österreichs und seiner Verbündeten etwa 57000 Mann .

Sie setzten

sich zusammen aus der

kaiserlichen Hauptarmee von 32000 Mann unter F. Z. M. Beaulieu , aus dem österreichischen Bundeskorps von 5000 Mann und den sardinischen Truppen mit 20000 Mann unter General Colli . Die Hauptarmee zerfiel in einen rechten und linken Flügel, unter Argenteau und Sebottendorff mit je 16000 Mann .

Doch war dies Ende März

keineswegs der Effektivstand der verbündeten Armee in Italien , denn dieselbe hatte zu dieser Zeit gegen 7000 Kranke. Bis Ende März stand General Colli

gleichsam

als Avantgarde in den nördlichen

Ausläufern der Apenninen, während die österreichischen Truppen am Die Po und rückwärts bis zur Adda in Winterquartieren lagen. französische Armee in Italien unter General Bonaparte war 43000 Mann stark . Die Divisionen La Harpe , Massena und Augereau standen in der Riviera von Savona bis Loano und Voltri ; sie hatten. den Kamm der Apenninen zwischen den Quellen der Bormida mit kleinen Posten besetzt. Die Division Serrurier befand sich in dem oberen Teil des Tanaro -Thales.

Die Kavallerie kantonnirte in der

Riviera hinter der Infanterie . Die Divisionen Macquard und Garnier endlich standen in den Thälern, die nach dem Col di Tenda und Col di Cerise führen. Sie bildeten gewissermafsen ein detachirtes Korps, das die Verbindung der italienischen mit einer Alpenarmee herstellte, welche in der Stärke von 20000 Mann unter Kellermann die Eingänge zur Dauphiné und zu Savoyen besetzt hielt. Aufserdem hatten . die Franzosen noch zwei Reserve-Divisionen in der Grafschaft Nizza und in der Provence stehen, welche als Depots und als Besatzungen in den von der englischen Flotte bedrohten Küstenstädten dienten. Diese letztgenannten Heeresteile waren von der eigentlichen italienischen Armee Bonaparte's unabhängig. Die österreichische Regierung hatte den Entschlufs gefafst,

den

Feldzug 1796 sowohl in Deutschland, wie in Italien angriffsweise zu führen. Für die Armeen in Deutschland war seitens des Hofkriegsrats in Wien der Operationsplan dahin festgestellt worden, dafs nach Zurückwerfen der Franzosen -- rechts über die Mosel und links aus

von 1796 in Deutschland und Italien .

15

dem Gebirge zwischen der Blies und dem Rhein Landau belagert und dann weiter im Elsafs vorgedrungen werden sollte, um sich der übrigen Festungen dort zu bemächtigen. Bei fortdauerndem Waffenglück hoffte man sogar, Strafsburg mittelst Blokade einzunehmen, selbst wenn auch noch der Winter dazu verwendet werden musste. Dieser überaus weitgehende Plan konnte jedenfalls aber erst zur Ausführung gelangen, nachdem es gelungen war, die französische Armee vollständig zu zertrümmern , sie von dem Operationsfelde verschwinden zu machen. Abgesehen jedoch von der Unausführbarkeit dieses Planes, mufste

überhaupt jede Offensive

der Österreicher

unter

den ob-

waltenden strategischen Verhältnissen als vollständig ausgeschlossen erscheinen.

Der glückliche Ausgang des Feldzuges 1795 schien aller-

dings das angriffsweise Vorgehen bereits eingeleitet zu haben und hatte wohl zu dem Glauben verleitet, dafs man dasselbe jetzt fortsetzen und vollenden könnte. Diese Einleitung der Offensive, deren Bedeutung man durch den Besitz gesicherter Übergangspunkte über den Rhein, durch die Möglichkeit, ungehindert hervorbrechen und bei einem Mifserfolge der Waffen wieder zurückgehen zu können, klar dargelegt meinte,

schien in ihrem Werte auch noch durch die ver-

schanzten Lager vor den Brückenköpfen von Mainz und Mannheim erhöht worden zu sein . Selbst wenn man aber österreichischerseits daran dachte, durch einen konzentrirten Angriff aus der Aufstellung in der Pfalz die Trennung Moreau's und Jourdan's aufrecht erhalten zu können, indem man zu einer Umgehung des linken Flügels von Moreau schritt,

also

etwa aus der Gegend von Kaiserslautern

gegen die Franzosen bei Pirmasens vordrang,

dieselben hier schlug

und dann gegen die Hauptmacht zu entscheidendem Schlage vorrückte, so konnte auch dieser Plan keine Aussicht auf Erfolg haben. Die Franzosen besafsen eine ausgedehntere, umfassende und stark befestigte Operationsbasis . Die daraus für sie entstehenden Vorteile mufsten, wie Erzherzog Karl in seiner 97 Geschichte des Feldzuges von 1796 in Deutschland " hervorhebt , notwendig in dem Mafse sich vergröfsern und vermehren, als die Österreicher durch ein Vorrücken zwischen den vom Feinde überflügelten Punkten der Umfassung durch letzteren auch mehr Spielraum gaben . Wollten sie demnach eine Offensive unternehmen, so hätten sie auf ihren beiden Flügeln starke Armeen aufstellen und sich zunächst der verschiedenen festen Punkte bemächtigen müssen, unter deren Schutze der Gegner wiederholt gegen ihre rückwärtigen Verbindungen vorbrechen konnte. Dieses erlaubte jedoch das Verhältnifs ihrer Streitkräfte gegenüber jenen der Franzosen nicht. Erzherzog Karl hatte sich von vornherein gegen den Offensivplan des Wiener Hofes ausgesprochen.

Der

16

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

österreichische Feldherr hielt sogar die Defensive in der betreffenden Aufstellung der Armeen für unsicher. Er spricht sich nachträglich in seinen Betrachtungen über den Feldzug dahin aus , dafs die Defensive am zweckmäfsigten wohl durchgeführt worden wäre, wenn man das auf dem linken Rheinufer eroberte Terrain aufgegeben, die Festungen nur schwach besetzt und die

gesammte Streitmacht in

zwei Hauptgruppen hinter beiden Flügeln der Verteidigungslinie aufgestellt hätte . Die Österreicher wären stark genug gewesen, um zwei selbstständige Armeen bilden zu können, die beiden Flügel ihrer Verteidigungslinie aber zu weit ausgedehnt und von der Mitte zu entfernt, um sich wechselseitig die Hand zu bieten, oder von einer Reserve aus dem Mittelpunkte der ganzen Linie unterstützt zu werden . Eine Aufstellung der Oberrhein-Armee bei Offenburg, als dem Centralpunkte zwischen Basel und Philippsburg, wo sich für den Feind die günstigsten Übergangspunkte über den Rhein befanden und von WO die meisten und wichtigsten Strafsen durch das rückwärtige Gebirge ziehen, sowie die Konzentration der Niederrhein-Armee

zwischen der

Lahn und Sieg schien nach dem Urteil des Erzherzogs den Umständen am meisten zu entsprechen. Auch F. Z. M. Beaulieu in Italien hatte die Weisung zum angriffsweisen Vorgehen erhalten . Letzteres sollte dahin zielen , die Franzosen aus der Riviera zu vertreiben, in Besitz der Meeralpen zu gelangen, die Verteidigungslinie abzukürzen , und direkt bis an das Meer zu ziehen , um in unmittelbare Verbindung mit den Engländern zu kommen. Hatte man dies erreicht, so hoffte man mittelst eines Gebirgs -Postenkrieges sich weiter zu behaupten, gelegentlich wohl auch die Franzosen in der Provence zu beunruhigen. Derselbe Plan war 1795 unter General de Vins ungefähr so ausgeführt worden. Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde er vielleicht auch jetzt wieder genügt haben, den weitgehenden Absichten Bonaparte's gegenüber konnte er aber unmöglich stichhaltig bleiben. Das französische Direktorium hatte am 6. März eine, wahrscheinlich von Carnot verfafste, zwar ziemlich verworrene Instruktion an seine Ober-Generale erlassen, welcher jedoch ein überaus unternehmender Plan zu Grunde lag. Man hoffte, dafs die Erfolge der Armee in Italien letztere durch die Pässe Tirols und der Steiermark nach Deutschland hinein führen , dafs dann mit ihr die vom Rhein her operirenden Armeen an der Donau in eine Höhe gelangt sein und dafs schliefslich alle drei grofsen Heeresteile in einer Front gegen Wien vorrücken würden . Bonaparte hatte aber noch die Weisung erhalten, znnächst die Österreicher über den Po zurückzudrängen und das Mailändische zu erobern . Sardinien sollte von dem österreichischen

von 1796 in Deutschland und Italien.

17

Bündnisse losgerissen und auf Unkosten Mailands vergröfsert werden , um dadurch zu einem Schutz- und Trutzbündnifs mit demselben zu gelangen.

Da die Österreicher den Schwerpunkt der feindlichen Macht in Italien bildeten, sollten vorzugsweise gegen sie die Stöfse gerichtet werden. Die Feindseligkeiten wurden in Italien bereits am 10. April eröffnet. F. Z. M. Beaulieu hatte Anfangs dieses Monats auch den General Argenteau in das Gebirge vorgeschoben, wo bereits General Colli stand. Beaulieu wollte durch diese Mafsnahme seine beabsichtigte Offensive vorbereiten und andererseits die Vorpostenlinie verstärken, um die Versammlung der übrigen Truppen in der Gegend von Aqui und Novi zu decken. Es befand sich also jetzt die eine Hälfte der verbündeten Armee in einer sehr ausgedehnten Stellung unmittelbar dem Feinde gegenüber, während die andere Hälfte mehrere Tagemärsche dahinter sich noch sammelte. Bonaparte war mit seinem Hauptquartier am 9. April von Nizza aus in Savona eingetroffen . Er hatte beschlossen, mit den drei Divisionen,

die

sich zwischen Savona und Loano befanden ,

an

den Quellen der Bormida über das Gebirge zu gehen . Er wollte dann mit den Divisionen La Harpe , Massena und Augereau , die eine Gesammtstärke von 25 000 Mann haben sollten, das Centrum der Österreicher anfallen, die dort ihm entgegen tretenden Korps schlagen und dadurch die beiden feindlichen Flügel trennen . Serrurier sollte unterdessen im Thale des Tanaro über Garessio gegen Ceva vorrücken und Colli beschäftigen. Während Bonaparte aber noch mit der Anordnung der einleitenden Bewegungen für diese Operation beschäftigt war, ging Beaulieu schon seinerseits zur Offensive über, und zwar, ehe er noch seine Armee versammelt hatte. General Colli hatte den Vorschlag gemacht, mit vereinten Kräften, nach Abrechnung der Kavallerie und einiger notwendiger Detachirungen also mit etwa 38 000 Mann, in zwei Kolonnen, von Cairo und Ceva aus,

in der Richtung auf

Loano gegen das Centrum der französischen Stellung vorzudringen und den rechten Flügel derselben abzuschneiden. Es wäre dieser Plan zweifellos wohl auch der richtigste gewesen ,

indem

er zur

gröfsten Entscheidung führen konnte, die höchste Wahrscheinlichkeit des Erfolges für sich hatte und man dabei am wenigsten wagte. Beaulieu hatte indessen diesen Vorschlag abgelehnt. Der Feldzeugmeister beabsichtigte, seine Unternehmung möglichst zu beschränken, um mit der feindlichen Hauptmacht selbst garnicht in Berührung zu kommen, wollte also möglichst wenig riskiren. Dabei hoffte er aber, die Franzosen aufser Verbindung mit Genua zu bringen und seinerJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 1 2

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

18

seits in unmittelbare Berührung mit dem an der Küste kreuzenden Admiral Jervis zu gelangen. Beide diese Zwecke waren allerdings sehr untergeordneter Natur, während das partielle Unternehmen doch nur dann ohne Gefahr bleiben konnte, wenn die Entscheidung, welche Beaulieu zu vermeiden suchte, zufällig auch vom Gegner nicht angestrebt wurde.

Beaulieu schritt zu seinem Unternehmen aufserdem

bereits am 10. April, obgleich seine letzten Truppen erst am 15 . und 16. aus der Lombardei in Aqui eintrafen . Es entspann sich jetzt vom 10. bis 15. April eine Reihe von Gefechten, welche in der Kriegsgeschichte den Gesammtnamen der Schlachten von Montenotte und Millesimo führen und die in ihrem Endresultate allerdings einem entscheidenden Siege der Franzosen gleichzuachten waren . Beaulieu rückt also am 10. April mit 8000 Mann in zwei Kolonnen durch die Bochetta und über Campo Freddo gegen den rechten Flügel der Franzosen vor. Die über letzteren Ort marschirende Abteilung von 6 Bataillonen griff die Division La Harpe bei Voltri an und drängte sie zurück, während Argenteau mit etwa 3000 Mann am 11. auf Montenotte vorging und bis zum Monte Legino vordrang. Sobald Bonaparte die Bewegungen des Gegners erfährt,

dirigirt er

noch in der Nacht zum 12. die Divisionen La Harpe , Massena und Augereau gegen Argenteau. Dieser wird am genannten Tage früh von La Harpe und Massena auf dem Monte Legino in Front, Flanke und Rücken angegriffen und schliefslich in Unordnung in das Thal des Erro hinabgeworfen. Es gelingt ihm nur mit 700 Mann nach Ponte Ivrea zu entkommen. Die Osterreicher hatten also in diesem Gefecht einen Verlust von über 2000 Mann zu verzeichnen . Das Resultat von Bonaparte's strategischer Kombination war gewesen, dafs La Harpe und Massena mit beinahe 15 000 Mann gegen wenig mehr als 3000 Österreicher zu fechten gehabt hatten. Am 13. stand dann die österreichische Hauptarmee mit 7 Bataillonen in Sassello, mit 4 bei Dego, mit 2 in Mioglia, mit je einem in Paretto und Molvizino. Es waren dies im Ganzen 15 Rataillone, von denen 3 zum linken Flügel, 2 aber (nach v. Clausewitz Meinung) wahrscheinlich zum Korps Colli gehörten . Die übrigen 7 Bataillone des linken Flügels waren entweder noch in der Riviera , oder befanden sich bereits auf dem Rückzuge nach Aqui. Ferner waren 3 Bataillone um die Abteilung in Dego zu verstärken.

auf Spingo im Marsche,

Von den 35 Bataillonen der Hauptarmee sind somit 25 verrechnet, es blieben also noch deren 10 übrig, die sich um diese Zeit jedenfalls erst bei Aqui gesammelt haben werden . Ob Bonaparte von der augenblicklichen Verteilung der österreichischen Truppen Kenntnifs gehabt,

ist nicht festzustellen,

wohl

von 1796 in Deutschland und Italien .

19

mochte er aber vermuten, dafs in Sassello und Dego sich grössere Abteilungen befinden mussten, da diese beiden Orte früher von den Österreichern als die Centralpunkte ihrer Postenaufstellungen im Gebirge behandelt worden waren .

Hierauf waren jedenfalls die Dis-

positionen Bonaparte's für das weitere Vorrücken gegründet. La Harpe hatte dem Feinde auf Sassello zu folgen, dann sich aber in das Thal der Bormida zu wenden, um gegen Dego mitzuwirken. Massena sollte mit 9 Bataillonen auf Dego rücken, welches er am Bonaparte 13. gemeinschaftlich mit La Harpe anzugreifen hatte. selbst folgte mit einem Teile der Truppen Massena's und Augereau's bis Carcare. General Colli war an den Gefechten vom 11. und 12. nicht beteiligt gewesen, er hatte nur durch Scheinangriffe den Feind beschäftigen sollen. Am 13. April wurde aber der von Colli mit 4 Bataillonen nach dem bei Millesimo gelegenen Schlosse Cossario vorgesandte General Prowewa von Bonaparte angegriffen und, da gleichzeitig Augereau der Gegend von Millesimo sich bemächtigt hatte, genötigt, sich in das Schlofs hineinzuwerfen. Die von Colli zu Hülfe gesandten Truppen wurden aber von Bonaparte bei Censio zurückgeschlagen.

Letzterer marschirte noch in der Nacht nach Dego

ab, während Augereau den General Prowewa am 14. zur Kapitnlation nötigte. Damit war der Kampf bei Millesimo beendet , der den Österreichern abermals über 2000 Mann gekostet haben mufs . Doch hatten auch hier wieder etwa 10 000 Franzosen gegen etwas mehr wie 3000 Verbündete gefochten. General Argenteau , welcher sich am 12. nach dem Gefecht von Montenotte mit den wenigen Trümmern seiner Abteilung nach Paretto zurückgezogen, hatte am 13. von Beaulieu den Befehl erhalten, unter allen Umständen Dego noch einige Tage zu halten, um Aqui zu decken. Drei Bataillone waren, wie wir gesehen haben, Auch war bereits auf Spingo im Marsche, um Dego zu verstärken. General Colli durch Beaulieu aufgefordert worden, gegen die linke Flanke des auf Dego vorgehenden Feindes zu wirken . Argenteau hatte aber in der Nacht zum 14. April an den in Sassello kommandirenden Oberst Wussakowitsch den Befehl geschickt , mit 5 Bataillonen dem Posten von Dego zu Hülfe zu eilen . Ein Angriff auf letzteren seitens Massena's war am 13. noch nicht erfolgt , da La Harpe noch nicht zur Unterstützung heran gewesen. Sobald aber Bonaparte am 14. früh bei Dego eingetroffen war, liefs er sofort die von 7 Bataillonen verteidigten Schanzen hier stürmen. Die von Spingo herangerückten österreichischen Bataillone sollen noch an dem Kampfe etwas beteiligt gewesen sein, Argenteau hatte sich 2*

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

20

aber durch eine falsche Nachricht von einem Zurückgehen Massena's aufhalten lassen, war erst infolge des Kanonendonners am 14. Nachmittags von Paretto aufgebrochen und bei Dego zu spät gekommen . Der Posten hier war inzwischen gänzlich aufgerieben worden , Argenteau zog sich aber mit den zu Hülfe geeilten Truppen nach Aqui zurück. Der Befehl, welchen Argenteau in der Nacht zum 14. an Wussakowitsch gesandt, hatte dahin gelautet, dafs der Oberst ,,morgen früh" nach Dego rücken sollte . Der betreffende Zettel war

aber

vom 14. April früh 1 Uhr

datirt

und an diesem

Tage erst um 6 Uhr bei Wussakowitsch angelangt. konnte demnach

Der Oberst

wohl annehmen, dafs mit dem ,, morgenfrüh" der

15. gemeint sei. Er war also vorläufig in Sassello stehen geblieben und erst am Nachmittage infolge des Kanonendonners mit 3000 Mann nach Dego aufgebrochen, wo er am 15. früh eintraf. Bereits während des Nachtmarsches Österreicher erfahren,

hatte der Oberst die

Niederlage

der

sowie, dafs bei Dego 2000 Franzosen stehen

sollten, das Pflichtgefühl trieb ihn aber vorwärts, um sich erst selbst von dem Stande der Dinge zu überzeugen. Wussakowitsch warf dann die französische Avantgarde zurück, drang bis in den Rücken der geschlossenen Schanzen vor und erstürmte diese, wobei er 18 Geschütze zurückeroberte. Eine überaus glänzende Waffenthat ! Bonaparte war bereits am 14, gleich nach seinem Erfolge bei Dego mit der Division La Harpe und der Brigade Victor nach Ceva abgerückt, um mit Colli abzurechnen. Es befanden sich also zu der Zeit,

wo Wussakowitsch den

dort allerdings

nicht

kühnen Angriff bei

Dedo

wagte,

mehr 20000 Franzosen, wohl aber noch die

Division Massena mit mindestens 6000 Mann.

Vergebens versuchte

dann der französische General, die Schanzen wieder zu gewinnen ; erst als Bonaparte auf die Nachricht von Massena's Mifsgeschick mit den Truppen La Harpe's und Victor's von Carcare herbeigeeiit war und jetzt um 1 Uhr Mittags zu einem neuen gemeinsamen Angriff gegen Wussakowitsch vorging, mufste dieser nach cinem äufserst tapferen Widerstande der Überlegenheit weichen und sich auf Aqui zurückziehen. Bonaparte's strategische Mafsnahmen für die Gefechte bei Dego

hatten bewirkt, dafs sowohl am 14. wie am 15. April den 4000 Der Österreichern fast 20000 Franzosen entgegentreten konnten. Verlust der Österreicher in diesen ersten sechs Gefechten darf auf 10000 Mann angenommen werden ; für eine Macht von 30000 Mann ist er jedenfalls ein sehr bedeutender zu nennen und kann wohl den Wirkungen einer grofsen Niederlage gleich gerechnet werden. Anders verhielt es sich aber mit dem moralischen Einflusse . Die österreichischen

von 1796 in Deutschland und Italien.

21

Truppen mussten das stolze Gefühl in sich tragen, überall gegen eine zwei bis dreifache und noch gröfsere Überlegenheit mit glänzender Tapferkeit und heldenmütiger Standhaftigkeit gekämpft zu haben. Sah man in der Armee auch wohl ein, dafs ihre Kräfte in trauriger Weise zersplittert worden waren, so schob man dies wohl Zufälligkeiten , oder auch Fehlern der obersten Leitung zu, also doch Dingen, die sich hätten vermeiden lassen und die in einer mit vereinten Kräften gelieferten Schlacht wohl nicht vorgekommen wären. Der österreichische Soldat besafs also noch die feste Überzeugung, dafs man in der Ebene die Franzosen leicht und mit Entschiedenheit geschlagen haben würde.

Mit einem Worte, das Selbst-

gefühl , der Mut und die Zuversicht von Beaulieu's Truppen war keineswegs gebrochen , wie dies vielleicht die natürliche Folge gewesen wäre, wenn die Kaiserliche Armee in der Ebene durch thatsächlich schwächere

Kräfte eine Niederlage erlitten hätte.

Denn

eigentlich waren es doch nur die Divisionen La Harpe , Massena und die Brigade Victor , also etwa 20000 Mann gewesen, die der Armee Beaulieu's den so bedeutenden Verlust von 10000 verursacht hatten. Der Gesammterfolg Bonaparte's resultirte hauptsächlich aus den grofsen Vorteilen,

welche dessen strategische Mafsnahmen den

Franzosen gewährt hatten ;

und zwar waren diese Vorteile weniger

die Folge von geschickt veranlagten Kombinationen Bonaparte's , als vielmehr durch die Fehler Beaulieu's ermöglicht worden, Bonaparte hatte eigentlich nichts zu thun,

als die Erfolge, welche ihm durch

Beaulieu's Unterlassungen oder falsche Mafsnahmen geboten wurden , auf seinem Wege einzusammeln. Beaulieu's Hauptarmee bestand aus 32000 Mann . Mit 8000 davon geht er gegen den einen Flügel des Feindes zum Angriff vor, etwa 4000 werden gegen die feindliche Mitte dirigirt, während gegen 6000 , auf einzelnen Posten verteilt , auf dem Abhange der Apenninen stehen bleiben und ungefähr 14000 Mann sich erst noch in Aqui sammeln. Als dann Beaulieu schon am 11. durch den auf dem Monte Legino gefundenen Widerstand sich zum Aufgeben der Offensive veranlasst sieht, eilt er für seine Person nach Aqui, anstatt nach Sassello oder Dego zu gehen, um von diesem Mittelpunkte aus seinen Rückzug zu ordnen .

Hier würde er schon am 12. vermocht haben,

seine Lage ganz

übersehen. Er konnte also bereits an diesem

zu

Tage den Generalen Colli und Prowe wa den Befehl zugehen lassen, sich bei Ceva zu vereinigen und grofsen Entscheidungsschlägen auszuweichen.

Die eigenen

zahlreichen Detachements mufste er aber

den Rückzug auf Aqui antreten lassen,

wo

sie am 13. schon ein-

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

22

getroffen wären . Die Franzosen würden wahrscheinlich nicht vor dem 14. oder 15. vor Aqui erschienen sein und zu dieser Zeit mufste auch Colli bereits

seine Truppen versammelt haben. Rechnet einige Tausend Mann als Verlust bei Montenotte, ferner ein Tausend, die noch nicht heran waren, und berücksichtigt man einige notwendige Detachirungen, so kann man wohl annehmen,

man paar noch dafs

Beaulieu am 15. bei Aqui an 20000 Mann vereinigt haben konnte. In der guten Stellung dort hätte er also vorläufig nichts zu befürchten gehabt. Statt dieses gewifs sehr einfachen und naturgemäfsen Verfahrens läfst der österreichische Feldherr aber die Zersplitterung seiner Kräfte auch weiter fortbestehen und erwartet von dem

Widerstande der vorgeschobenen kleinen schwachen Posten, sowie von kombinirten Angriffen, Seitenunterstützungen und Diversionen unter den schwierigsten Kommunikations-Verhältnissen solche Erfolge , dafs werden soll.

der Feind

dadurch

drei

bis vier

Tage

aufgehalten

Bonaparte hatte über Beaulieu einen taktischen und strategischen Sieg errungen, ohne eine Entscheidungsschlacht geschlagen zu haben. Dieser Sieg würde den französischen Ober-General unmittelbar

an den Po geführt haben,

wenn

er es gewollt

hätte .

Bonaparte liefs aber Beaulieu seine zersprengten Schaaren ruhig bei Aqui sammeln und wendete sich von Dego aus gegen Colli nach Ceva.

Es war dies unbestreitbar ein strategischer Fehler.

Lag in

der österreichischen Armee der Schwerpunkt der verbündeten Kräfte, dann musste ein Zurückwerfen Beaulieu's über den Po auch den Rückzug Colli's zur Folge haben. Dagegen war nicht anzunehmen, dafs auch die Österreicher freiwillig über den Po zurückgehen würden, wenn Colli zum Weichen gebracht wurde. Vielmehr musste erwartet dafs Beaulieu , von dem Drängen der feindlichen Armee

werden,

gänzlich befreit,

seinem Unterfeldherrn beizustehen trachten würde . Bonaparte hatte ein solches Einschreiten Beaulieu's nicht als wahrscheinlich angenommen. Wenn aber letzterer dann thatsächlich auch nichts für die Unterstützung Colli's gethan hat, so ist damit immer noch nicht bewiesen , dafs er wirklich nichts thun konnte und dafs nicht unbedingt mit diesem Faktor hätte gerechnet werden müssen . Bonaparte begründete später sein Abschwenken gegen Colli mit der Gefahr , welche dieser ihm in seiner Flanke brachte. Aus den Verhältnissen, wie sie vorher entwickelt wurden, geht aber hervor, dafs eine Gefahr hier nicht gefunden werden konnte . Der Hauptbeweggrund für des französischen Feldherrn Entschliefsungen mufste vielmehr in anderen Rücksichten liegen. Bonaparte wollte Siege und Trophäen . Über Beaulieu konnte er vorläufig keinen

von 1796 in Deutschland und Italien.

Sieg

mehr erfechten, derselbe würde

23

wahrscheinlich ohne Weiteres

hinter den Po zurückgewichen sein. Wenn Bonaparte aber von Dego sich sofort gegen Colli wendete, ehe dieser die Unfälle Beaulieu's in ihrem vollen Umfange erfahren haben konnte,

dann durfte wohl

auf ähnliche Erfolge wie bei Montenotte, Millesimo und Dego gehofft werden. War also das verfrühte Ablassen von Beaulieu auch ein strategischer Fehler, so hat Bonaparte unzweifelhaft doch dadurch eine Steigerung des Erfolges erzielen können. Bonaparte hatte sich

also

mit den Divisionen

Serrurier ,

Augereau und Massena gegen Colli gewendet, während La Harpe eine Beobachtungsstellung gegen die Österreicher nahm. Colli hatte mit etwa 15000 Mann eine Stellung bei Ceva und Pedagiera genommen. Bonaparte griff am 19. April mit Übermacht und in umfassender Form an. Die Sardinier schlugen sich bei Ceva mit gutem Erfolge ;

sobald

Gegner wahrnahm,

aber Colli

Umgehungsversuche seitens der

ordnete er zu rechter Zeit den Rückzug an in

eine hinter der Cursaglia ausgewählten Stellung . Am 20. befand sich Colli in sehr starker Position auf dem hohen und steilen Thalrand des genannten Flusses, mit dem rechten Flügel bei Notre Dame de Vico, mit der Mitte bei St. Michel und dem linken Flügel gegen Lesegno.

Bonaparte liefs die Stellung sofort angreifen,

seine Anstrengungen waren vergeblich,

aber alle

es gelang ihm nicht,

einen

Erfolg zu erringen . General Colli hatte eigentlich einen Sieg erfochten. Seit dem letzten Gefechte von Dego waren fünf Tage verflossen, es konnte demnach wohl auf ein unverzügliches Eingreifen Beaulieu's gerechnet werden. Krisis eingetreten .

Für die Franzosen war also eine Art

In einem am 21. abgehaltenen Kriegsrate wurde

aber beschlossen, den Angriff auf Colli unbedingt am 22. zu wiederholen.

Der sardinische General hatte in seiner Stellung hinter der

Cursaglia über etwa 12000 Mann zu gebieten, er berechnete die Überlegenheit des Gegners, der thatsächlich 20000 Mann stark war, auf eine zwei bis dreifache. Colli durfte eine Hauptentscheidung nicht annehmen,

es konnte für ihn nur darauf ankommen, Zeit zu

gewinnen, um dann vielleicht gemeinschaftlich mit Beaulieu wirken zu können . Er wartete daher den ihm für den 22. drohenden Angriff nicht ab und verliefs in der Nacht vorher seine Stellung, um vor dem nur eine Meile entfernten Mondovi eine neue zu beziehen . Sein Rückzug hatte sich aber etwas verzögert, Colli wurde infolge dessen in der Gegend von Vico vom Feinde ereilt ; es gelang ihm nicht mehr, sich in der in Aussicht genommenen Stellung zu setzen und er wurde schliesslich gezwungen, sich durch Mondovi abzuziehen und bis Jossano zurückzugehen .

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

24

Der Bericht über den unglücklichen Ausgang des Gefechts bei Mondovi bewog die Turiner Regierung zu einem Antrage auf Waffenstillstand . Es lag in Bonaparte's Interesse, seine Unternehmungen gegen Piemont sobald als möglich abbrechen zu können , um sich wieder gegen Beaulieu wenden zu dürfen.

Der französische Ober-

General war daher in seinen Forderungen sehr mafsvoll.

In einst-

weiliger Fortsetzung seiner Operationen liefs Bonaparte am 23. seine Armee über den Ellero gehen . Beaulieu dagegen setzte sich endlich am 24. von Aqui nach Nizza de la Paglia in Marsch. Es wird diese Bewegung wohl infolge des Rückzuges Colli's vom 22. unternommen worden sein und mag sie die Vereinigung beider Armeen am Tanaro bezweckt haben. Am 25. rückte Serrurier vor Fossano und kanonirte sich mit Colli ,

worauf dieser den Rückzug auf der Turiner

Strafse fortsetzte und am 26. Carmagnola erreichte. An demselben Tage vereinigte Bonaparte die Divisionen Serrurier , Massena und Augereau bei Alba und hatte dadurch eine Aufstellung zwischen Colli und Beaulieu gewonnen. Am 28. wurde der Waffenstillstand unterzeichnet.

Coni, Tortona und die Citadelle von Ceva wurden an

die Franzosen übergeben . Letztere erhielten aufserdem die Freiheit, bei Valenza, welches aufserhalb der vereinbarten Demarkationslinie lag, über den Po zu gehen. Am 15. Mai wurde zu Paris der Friede mit Sardinien geschlossen. Nachdem also die etwa 40 000 Mann betragende Macht Sardiniens vom Kriegsschauplatze abgetreten war, stellte sich das Machtverhältnifs für die Österreicher noch ungünstiger.

Bonaparte's Armee be-

trug zwar blofs 30 000 Mann, indessen konnten von der Alpenarmee Kellermann's doch wohl an 15 000 Mann herangezogen werden, so dafs Bonaparte seine Operationen gegen Beaulieu dann mit 45 000 fortzusetzen vermochte . Der Feldzeugmeister hatte aber durch Heranziehung von Verstärkungen seine Armee doch nur auf 26 000 Mann bringen können. Das Mifsverhältnifs der Kräfte war also so grofs, dafs man österreichischerseits den Verlust der Lombardei bis an den Mincio oder die Etsch wohl voraussehen konnte.

Es wäre daher

jedenfalls zweckmäfsig gewesen, wenn der Wiener Hof jetzt sofort dem F. Z. M. Beaulieu befohlen hätte, die Lombardei bis an den Mincio zu räumen und hinter diesem Flusse Aufstellung zu nehmen. Wurde auf die Weise zwar Unteritalien den militärischen und politischen Operationen der Franzosen preisgegeben, so stellte sich dabei doch unzweifelhaft das augenblickliche Machtverhältnifs für die Österreicher viel günstiger.

Andererseits vermochte Österreich allein die Halbinsel

der Apenninen doch nicht mehr zu halten und die italienischen Regierungen waren den politisch aufgeregten Völkern gegenüber ohn-

von 1796 in Deutschland und Italien.

25

Bonaparte hatte dagegen die Vorteile seiner Lage sehr wohl erkannt. Er dachte nicht nur an die Eroberung der Lombardei , sondern trug sich mit den ausschweifendsten Plänen . Wie aus seinem

mächtig.

Schreiben vom 28. April an das Direktorium hervorgeht, hoffte er, noch vor Ablauf eines Monats über die Gebirge Tirols hinweg zu sein, dort die Rheinarmee zu finden und gemeinschaftlich mit dieser den Krieg nach Bayern hinein zu tragen. Er verlangte 15 000 Mann Verstärkung von der Alpenarmee, um vielleicht einen Teil seiner Kräfte nach Rom schicken zu können . Beaulieu war am 2. Mai bei Valenza über den Po gegangen und hatte Stellung an der Cogna bei Valeggio und Lomello genommen, um hier dem von Valenza her erwarteten Angriffe Bonaparte's entAm 30. April hatte der französische Feldherr seine gegenzutreten. Armee bei Alessandria-Tortona bis Voghera neu gruppirt. Bonaparte vermochte die bedeutende Wasserbarrière des Po nur zu überwinden, wenn er den Übergang ohne Forcirung dem Feinde gegenüber ermöglichen konnte .

Die französische Armee hatte ferner keinen Ponton-

train, folglich auch keine anderen Übergangsmittel als die, welche sie Am 3. Mai gerade in der betreffenden Gegend vorfinden mochte. beschlofs Bonaparte nach Piacenza zu marschiren und dort überzugehen . Er stellte eine besondere Avantgarde in Casteggio zusammen. Demonstrationen bei Valenza und gegen Vercelli sollten die Aufmerksamkeit Beaulieu's von Piacenza abziehen. Am 5. Mai begann der Abmarsch, am 7. erreichte die Vorhut Piacenza . Beaulieu begleitete auf dem nördlichen Po -Ufer die Bewegung Bonaparte's , jedoch nur mit schwachen Abteilungen. Noch am 7. begann Bonaparte mit seiner Avantgarde den Übergang über den Strom und warf bei Fombio den am 6. Mai eingetroffenen General Liptay zurück . Mit diesem Schlage hatte der französische Feldherr die Krisis Beaulieu, der unterdessen nach Ospedaletto gerückt überwunden. war, sah sich von Liptay vollständig getrennt und gab die Po-Verteidigung auf. Die österreichische Hauptmacht hatte sich am 7. Mai von Fombio bis an den Terdoggio, also noch immer auf 8 Meilen, ausgedehnt und in 5 Detachements aufgelöst befunden, obgleich der Augenblick der Entscheidung schon nahe war. Bonaparte vermochte aber am 9. den Österreichern noch nicht zu folgen . Er besafs noch keine Brücke über den Po und war beschäftigt, seine Kavallerie und Artillerie übersetzen zu lassen . Dieser Aufenthalt erlaubte Beaulieu , . mit den Detachements, aus welchen seine Armee eigentlich nur noch bestand, ohne weitere Verluste Lodi zu erreichen und sich dort wieder Wenn Beaulieu die Verteidigung des Po nun einmal zu sammeln . für geboten, oder für zweckmäfsig hielt, so mufste er wenigstens seine

26

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

Kräfte möglichst konzentrirt halten.

Wäre er mit der einen Hälfte

seiner Armee bei Pavia geblieben,

um vorläufig noch den Ticino im Auge zu behalten , und hätte er den General Liptay , nicht mit einem Detachement , sondern mit der anderen Armee-Hälfte nach Porte Morena entsendet, so würde letzterer in der Lage gewesen sein, am 7. Abends den übergegangenen französischen Truppen mit 12 000 Mann entgegentreten zu können, und Beaulieu hätte am 9. Morgens , wo die Franzosen den Übergang noch lange nicht vollendet hatten, mit seiner ganzen Macht zur Stelle sein können . Ein verzweiflungsvoller Anfall würde hier vielleicht zu glänzenden Erfolgen geführt haben , die dem ganzen Feldzuge wieder eine für die Österreicher günstige Wendung geben konnten. Am 10. Mai trat Bonaparte mit den Grenadieren und der Division Massena den Marsch auf Lodi an. Augereau folgte ; die Division La Harpe (jetzt Reynier) blieb bei Pizzighetone, Serrurier marschirte auf Mailand. Beaulieu hatte so wenig den Gedanken gehabt, an der Adda Stand zu halten, dafs er bereits mit 10 Bataillonen, 14 Schwadronen bis nach Crema zurückgegangen war. Sebottendorff hatte mit 12 Bataillonen, 16 Schwadronen bei Lodi zurückbleiben

müssen ;

er sollte die Adda noch etwa 24 Stunden

halten, um der Armee wenigstens für einen Tag sichere Ruhe zu verschaffen, deren sie nach den vorangegangenen anstrengenden Märschen dringend bedurfte. Bonaparte vermochte demzufolge am 10. Mai noch gegen Sebottendorff die Schlacht bei Lodi zu schlagen, wie er in seinem Bericht

das Unternehmen untergeordneter Natur benannte, das in

nichts anderem bestand,

als in einem einfachen, mit dickem Haufen

in rücksichtsloser Energie ausgeführten Brückensturme.

Sebotten-

dorff, dessen Mafsregeln für die Verteidigung des Defilés äusserst wenig zweckmässig waren, wurde über den Haufen geworfen und zog sich dann nach einem Verluste von 2000 Mann und 15 Geschützen, unter dem Schutze seiner Kavallerie nach Crema zurück. Der Sturm von Lodi war strategisch ganz unmotivirt, denn Bonaparte konnte diese Brücke am anderen Tage umsonst haben ; das ganze Unternehmen war nichts als ein ungeheurer Theatercoup,

wie solcher

Bonaparte für seine ehrgeizigen und selbstsüchtigen Zwecke bedurfte. Dafs der französische Obergeneral den Sturm auf die Brücke von Lodi

auch als nichts anderes angesehen hat, beweiset

der Umstand, dafs derselbe nach Eroberung dieses Punktes den Österreichern nicht weiter folgte, sondern vier Tage lang in der Nähe von Lodi stehen blieb, indem Bonaparte wohl der Meinung war, gegen Beaulieu vor der Hand keine Ruhmesthaten mehr ausführen

von 1796 in Deutschland und Italien.

zu können.

Darauf rückte

der

27

französische Feldherr mit seinen

Truppen in das Mailändische, um sich dieser Provinz nun vollständig zu versichern . Am 23. Mai war aber die französische Armee bereits wieder hinter der Adda versammelt und trat demnächst den Marsch auf Brescia an. Beaulieu hatte seinen Rückzug von Cremona ohne weiteren Aufenthalt bis hinter den Mincio fortgesetzt.

Nach Mantua waren

20 Bataillone hineingeworfen worden, sodafs die Besatzung jetzt 13000 Mann zählte . Der österreichische Feldherr beschlofs, die Flufslinie zu verteidigen.

Er verteilte seine Streitkräfte ziemlich gleich-

mäſsig an den wichtigeren Übergangspunkten Peschiera , Valeggio und Goito . Die Franzosen waren am 29. in der Nähe des Mincio angelangt und gingen am 30. unmittelbar gegen den Flufs vor.

Kil-

maine , Serrurier und Massena rückten auf Borghetto, Augereau gegen Monzambano und Peschiera. rücken des Feindes ging man

Auf die Nachricht von dem An-

österreichischerseits von der ohnehin

schon sehr ausgedehnten Aufstellung der Streitkräfte noch zu einer förmlichen Uferverteidigung über. So kam es denn, daſs der Übergang von Borghetto, gegen den General Kilmaine um 7 Uhr früh vordrang, nur mit einem Bataillon besetzt war. Die österreichische Linie wurde demnach sehr bald durchbrochen und die einzelnen Detachements sahen sich veranlafst, den Rückzug anzutreten.

Noch in

der Nacht überschritten sämmtliche österreichische Feldtruppen bei Bussolengo die Etsch. Die Ursachen der Mifserfolge der Österreicher lagen lediglich in der sehr grofsen Zersplitterung der Kräfte.

Anderer-

seits ist auffallend, dafs Bonaparte an diesem Tage gar keine Thätigkeit in der Benutzung der errungenen Vorteile entwickelte. Am 3. Juni wurde die Division Massena nach Verona entsendet,

während Bonaparte mit den Divisionen Serrurier und

Augereau vor Mantua rückte.

Am 4. bemächtigte er sich des Forts

St. George und schlofs die Festung an allen ihren Zugängen ein. Massena folgte dem F. Z. M. Beaulieu in dem Thale der Etsch bis Rivoli nach, worauf der österreichische Feldherr bis Calliano zwischen Roveredo und Trient zurückging. Aber auch jetzt unterlieſs der letztere nicht, sich in eine grofse Anzahl von Posten aufzulösen , die sich rechts bis Graubünden, links bis ins Brentathal hinzogen.

Bo-

naparte war also in der linken Flanke Österreichs bis an die untere Etsch vorgedrungen, ehe noch die französischen Armeen am Rhein (Fortsetzung folgt.) den Feldzug eröffnet hatten.

28

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

III .

Über

die

Leitung

der

Thätigkeiten, insbesondere der

Bewegung und des Feuers der schweren Belagerungs -Artillerie bei dem Angriff auf Festungen, mithin in der Festungs - Schlacht. ")

Ehe diese Thätigkeiten in Betrachtung gezogen werden, nachstehende Erwähnungen gestattet sein.

mögen

I. Alsbaldige nahe Wechselbeziehungen zwischen Feld-, Positions- und Festungs - Schlachten in zukünftigen Kriegen.

um

Ein Blick auf die Ostgrenze unseres westlichen Nachbars genügt , zu erkennen, dafs das zum Kriege gezwungene Deutsche Reich,

wenn dasselbe nicht selbst der Kriegsschauplatz werden will , alsbald nach der Kriegserklärung den Einbruch in den feindlichen Grenzwall an einer Stelle erkämpfen muſs, welche von den gröſseren Festungen des Grenzwalls mindestens 20 km , also rund einen Tagmarsch, entfernt ist. Hierbei wird jede Flanke der, den Einbruch in den Grenzwall mittelst der Positions - Schlacht erkämpfenden Armee, gegen die Vorstöfse, welche der Feind aus den nicht angegriffenen Teilen seines Grenzwalls unternehmen kann, durch eine Feld- Armee gedeckt werden müssen .

Die Aufgabe dieser Deckungs-Armeen wird darin bestehen ,

den gegen die Flanken der Einbruchs- Armee gerichteten Angriffen des Feindes, entweder im freien Felde, also in der Feld - Schlacht , oder aus einer vorbereiteten Stellung, welche in der vermutlichen Angriffsrichtung des Feindes liegt und von der zum Einbruch bestimmten Armee so weit entfernt ist, dafs diese durch den dort zu erwartenden Kampf nicht unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen wird, also in der Positions - Schlacht , entgegen zu treten. Sobald nach bewirktem Einbruch in den Grenzwall,

eine der

zu demselben gehörigen Festungen ringsum eingeschlossen werden 1 ) Fortsetzung der über die Leitung der Bewegung und des Feuers der Feldartillerie in der Feld - Schlacht im 85. Bande (November 1892) , dann der schweren Artillerie beim Angriff auf vorbereitete Verteidigungslinien, mithin in der Positions - Schlacht , im 90. Bande (Januar einschliesslich März 1894) dieser Zeitschrift gebrachten Aufsätze .

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

29

kann, wird deren Angriff ( Belagerung) mit den hierfür erforderlichen Kräften namentlich dann beginnen müssen,

wenn die

betreffende

Festung eine für das weitere Fortschreiten unseres Angriffs besonders wichtige Eisenbahnlinie sperrt. Während die hierfür verwendete Armee nun ihre Aufgabe im Festungskriege, also in der FestungsSchlacht lösen mufs, wird dieselbe gegen die Versuche, welche der Feind zum Entsatze der belagerten Festung unternimmt, gesichert werden müssen .

Die zur Deckung belagerter Festungen verwendeten

Armeen werden ihre Aufgabe entweder im freien Felde, also in der Feld - Schlacht , oder aus einer vorbereiteten Stellung, welche in der vermutlichen Angriffsrichtung des Feindes liegt und von der belagerten Festung so weit entfernt ist, dafs die Einschliefsungslinie durch den dort zu erwartenden Kampf nicht unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen wird, also in der Positions - Schlacht , lösen müssen . Änliche Kriegslagen , wie die im Kriege 1870/71 erst einen Monat bezw. vier und mehr Monate nach dem Kriegsbeginn bestandenen¹) , werden in zukünftigen Kriegen , zu welchen das Deutsche Reich durch seinen westlichen Nachbar wieder gezwungen werden sollte , der Kriegserklärung eintreten .

schon bald nach

Ist diese Vermutung richtig, so wird die Fufsartillerie mit Bespannung, für welche wir, im Unterschiede von der leichten Feldartillerie (Divisions- und Korps- Artillerie) die Benennung „ ArmeeArtillerie wählten , alsbald nach der Kriegserklärung und zwar gleichzeitig mit der Divisions- und Korps- Feldartillerie zur kriegerischen Thätigkeit berufen sein, mithin bereits im Frieden nach den für die leichte

Feld - Artillerie

mafsgebenden Grundsätzen organisirt sein Aber auch die Belagerungs-Artillerie wird bald nach dem Kriegsausbruche zur Feuerthätigkeit gegen diejenigen Festungen, voraussichtlich mindestens zwei, bereit sein müssen , ohne deren müssen.

¹) Ende August 1870 : Deckung der von der I. und II . Deutschen Armee seit 19. August 1879 bethätigten Einschliefsung der französischen Haupt- (Rhein-) Armee in der Festung Metz, gegen den Entsatzversuch der französischen Armee von Châlons. Durch die III. und IV. Deutsche Armee in der Feldschlacht bei Sedan 1. September 1870 glänzend gelöst . Von Oktober 1870 bis Mitte Januar 1871 , namentlich Ende November und Anfang Dezember 1870 : Deckung der von der III . und IV. Deutschen Armee seit 19. September 1870 bethätigten Einschliefsung von Paris. Durch die I. und II. Deutsche Armee in den Feldschlachten an der Somme und Loire glücklich gelöst. - Deckung der Anfang Dezember 1870 begonnenen Belagerung der seit Anfang November 1870 eingeschlossenen Festung Belfort gegen den Januar 1871 unternommenen Entsatzversuch der französischen I Loire- (Ost- ) Armee . Durch das von General der Infanterie von Werder kommandirte 14. Deutsche Armee-Korps in der PositionsSchlacht an der Lisaine ( 15., 16. und 17. Januar 1871 ) glänzend gelöst.

30

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

Wegnahme an ein erfolgreiches

Fortschreiten unseres Angriffs im

Feindeslande nicht gedacht werden kann .

II.

Kurze Betrachtung der Zusammensetzung einer mit dem

Angriff auf eine Festung beauftragten Armee und derjenigen Thätigkeiten derselben, welche der Feuerthätigkeit ihrer Belagerungs-Artillerie vorangehen müssen . 1.

Ordre de bataille.

Für den Angriff auf eine Festung, welche durch vorgeschobene Werke gegen eine Beschiefsung gesichert ist, sind mehrere ArmeeKorps , welchen mindestens eine Kavallerie-Division zugeteilt sein mufs, mithin mindestens eine Armee-Abteilung erforderlich. Eine Belagerungs-Armee bedarf, pionieren,

welche gemäfs

aufser der Feldartillerie und den Feldder allgemeinen Ordre de bataille zu den

ihr unterstellten Armee-Korps gehören, Fuſsartillerie mit Bespannung, von uns Armee-Artillerie genannt, dann mindestens einen ArtillerieBelagerungstrain und zwei Sektionen eines Ingenieur-Belagerungstrains, ferner Luftschiffer-Abteilungen ¹ ) , Telegraphen-Detachements und Eisenbahntruppen . Die Armee-Artillerie mufs der Belagerungs -Armee spätestens in

dem Augenblicke,

in welchem diese den Auftrag zur Einschliefsung einer Festung erhält, zugewiesen werden . Kann die Einschliefsung einer Festung, deren Eroberung für das erfolgreiche Fortschreiten unseres Angriffs im Feindeslande geboten ist, erst bethätigt werden, nachdem der Einbruch in den Grenzwall bewirkt wurde, so wird es auch zulässig sein, dafs die Armee-Artillerie, deren die mit der Einschliefsung der betreffenden Festung beauftragte Armee bedarf, dieser erst nach bethätigtem Einbruch in den Grenzwall zugeteilt wird. --- Je beträchtlicher die Geschützzahl dieser Armee-Artillerie sein kann, desto günstiger wird es sein. Wir erachten die Zuteilung von mindestens zwei Regimentern Armee-Artillerie, von welchen jedes aus zwei Haubitz- Abteilungen zu drei Batterien und einer MörserAbteilung zu zwei Batterien zusammengesetzt ist, mithin von zwölf 15 cm Haubitzbatterien und vier 21 cm Mörserbatterien zu sechs Geschützen, also einer 96 Geschütze starken Armee-Artillerie nötig. Für einen Artillerie - Belagerungstrain , welcher beispielsweise aus vier Sektionen zu je einer langen 15 cm Kanonen-, 2 12 cm Kanonen-, 1 21 cm Mörser- und 5 15 cm Haubitzbatterien zusammen¹) Behufs Ergänzung der Erkundungen und Beobachtung der Wirkung des Angriffs. Hierzu dienen vorzugsweise Fesselballons , wenn nötig auch Freiballons.

31

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

gesetzt ist, müssen wir zwei Fufs - Artillerie - Brigaden, jede zu 2 Regimentern zu 3 Abteilungen, mithin im Ganzen 36 Fufs- ArtillerieKompagnien und 12 Park-Kompagnien nötig erachten . Wir würden die

Gliederung

der

Fufsartillerie ,

Artillerie-Belagerungstrains

welche

zur

Bedienung

eines

erforderlich ist, in zwei Brigaden, deren

jede zwei Regimenter zu drei Bataillonen

zu vier Kompagnien

darunter drei Fufsartillerie-Kompagnien und eine Park- Kompagnie stark ist, vorziehen . Für jede neun Batterien starke Sektion des Artillerie-Belagerungtrains würde dann ein Regiment Fuſsartillerie, welches aus neun Fufsartillerie-Kompagnien und drei Park-Kompagnien zusammengesetzt ist, verfügbar sein. Hierbei würde für die Bedienung jeder Belagerungsbatterie

eine Fufsartillerie-Kompagnie

und für jede aus drei Batterien - eine Flachfeuerbatterie und zwei Steilfeuerbatterien - zu bildende Gruppe (Abteilung) der Belagerungsartillerie ein Fufsartillerie-Bataillon, welches aus einer drei Fufsartillerie-Kompagnien starken Fufsartillerie-Abteilung und einer ParkKompagnie zusammengesetzt ist, zur Verfügung stehen. Fufsartillerie- Regiment

würde

dann

eine

der

drei

Abteilungen desselben die aus der 21 cm Mörser-,

Bei jedem .

Fufsartillerie-

15 cm Kanonen-

und nur einer 15 cm Haubitz-Batterie gebildete Gruppe,

die beiden

anderen Fufsartillerie- Abteilungen die beiden Gruppen, welche aus je einer 12 cm Kanonenbatterie und zwei 15 cm Haubitzbatterien Für jede zusammengesetzt werden können , zu bedienen haben . Fufsartillerie- und Park-Kompagnie erscheint eine Mannschaftstärke von mindestens 200, besser 250 Mann vom Feldwebel abwärts geboten.

2. Strategischer Aufmarsch. Während die Feldartillerie und die Feldponiere stets im Verbande mit denjenigen Armee-Korps, welchen dieselben durch die Ordre de bataille zugewiesen sind, den strategischen Aufmarsch nach den Weisungen ihres Armee-Korps bethätigen, wird der Kommandeur der Belagerungs-Armee zu bestimmen haben,

ob die

dieser zugeteilte

Armee-Artillerie nur einem oder mehreren Armee- Korps der Armee zugewiesen ist. Ersteren Falls wird die Armee-Artillerie, in sich zusammen gehalten, andernfalls in der vom Oberkommando der Belagerungs-Armee zu verfügenden Teilung derselben, unmittelbar rückwärts der fechtenden Truppen des bezw. der betreffenden Armee -Korps versammelt werden müssen. Die für den Angriff feindlicher Festungen benötigten Belagerungstrains müssen bereits im Frieden in denjenigen Festungen des Reiches lagern, von welchen aus dieselben mittelst der Eisenbahn möglichst

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

32

rasch nach den voraussichtlich zu belagernden feindlichen Festungen befördert werden können.

Die für jeden Artillerie- und Ingenieur-Belagerungstrain benötigten Fufsartillerie- und Festungspionier-Truppen müssen, wenn nicht bereits ihre Friedensstämme in denjenigen Festungen garnisoniren, in welchen die von ihnen zu bedienenden Sektionen der Belagerungstrains im Frieden lagern, alsbald nach ihrer Mobilmachung, mittelst der Eisenbahn aus ihren Friedensgarnisonen dahin befördert werden, um dort das Bereitstellen der Geräte der Belagerungstrains zu bethätigen . Wir sind der Ansicht,

dafs es sich hierbei

empfehlen würde, einer jeden der 36 Fufsartillerie-Kompagnien die Bereitstellung und marschfähige Ausrüstung von 1/101 ) des in jeder Sektion des ArtillerieBelagerungstrains vorgesehenen Schanzzeuges, dem bezüglich der Batteriebaustoffe und Werkzeuge für die Hohlräume und aller zur zweiten Staffel der von ihr zu bedienenden Belagerungsbatterie gehörigen Geräte Geschütze, Vorratsstücke, Handhabungsbedürfnisse, Batteriebaustoffe für die Bettungen, sowie der ersten Munitionsausrüstung zu übertragen , mithin diese Geräte sofort von den FufsArtillerie-Kompagnien übernehmen zu lassen. Von Seite der ParkKompagnie eine für je drei Fufsartillerie-Kompagnien bezw . Belagerungsbatterien, also drei für jede Sektion des ArtillerieBelagerungstrains würden alle übrigen Geräte ihrer Sektion zu übernehmen und bereitzustellen sein. 3.

Die vor der Einschliefsung einer Festung gebotene Aufklärungs- und Erkundungs - Thätigkeit. Die mit der Einschliefsung einer Festung beauftragte Armee-

Abteilung mufs von der ihr unmittelbar unterstellten KavallerieDivision, welche den Avantgarden der Armee-Korps vorauszugehen hat, auch die Erkundung derjenigen Geländeteile, welche der Feind im Vorgelände der vorgeschobenen Werke der Festung besetzt hat, bethätigen lassen.

Hierbei müssen nicht nur die Kräfte, welche der

Feind an jedem dieser Geländeteile äufsere Widerstandslinie der Festung bereitgestellt hat, sondern auch die Verstärkungen, durch

¹) Das von den Fufsartillerie-Kompagnien nicht übernommene 1/10 des Schanzzeugs jeder Sektion des Artillerie-Belagerungstrains kann von derjenigen . Park-Kompagnie, welche den ersten Eisenbahnzug mit Geräten der ersten Staffel ihrer Sektion begleitet, nach der Eisenbahnzielstation befördert werden. Dieser Teil des Schanzzeugs steht dann, nachdem die betreffende Park-Kompagnie denselben nach dem für die Lagerung des Artillerie-Belagerungsparkes erwählten Gelände überführt hat, für Arbeiten im Artillerie- Belagerungspark zur Verfügung.

33

des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc. welche die Widerstandskraft dieser Geländeteile erkannt werden.

erhöht worden ist,

Aus diesem Grunde müssen, aufser Kavallerie- und

Generalstabs- Offizieren, auch Artillerie- und Ingenieur-Offiziere unter dem Schutze von Kavallerie- Patrouillen aufklären und erkunden. Die zur Aufklärung verwendeten Artillerie- Offiziere müssen insbesondere diejenigen Geländeteile der äufseren Widerstandslinie erkennen, zu deren Überwindung die Mittel der Feldartillerie nicht ausreichen¹ ), damit denjenigen Armee-Korps,

welche den Besitz der-

artig verstärkter Geländeteile zu erkämpfen haben, die zu deren Niederkämpfung erforderliche Armee-Artillerie schon für den Anmarsch zur Bethätigung der Einschliefsung zugeteilt werden kann. 4. Einschliefsung der zu belagernden Festung. Da gröfsere geschlossene Abteilungen dem Wirkungsbereiche der feindlichen Geschütze nicht ausgesetzt werden dürfen , so werden die zur Bethätigung der Einschliefsung berufenen Armee-Korps den Anmarsch ihrer Kolonnen , in den ihnen zugewiesenen Geländeabschnitten, nur bis dahin fortsetzen können, wo sich diese Kolonnen noch aufserhalb des Wirkungsbereiches der feindlichen Geschütze befinden .

Von

da aus mufs dann jedes Armee-Korps, innerhalb des ihm für die Bethätigung der Einschliefsung zugewiesenen Geländeabschnittes, das Gelände,

in welchem

Feuerstellungen

zur

die Armee- und Belagerungs-Artillerie Bekämpfung

der

vorgeschobenen

Werke

ihre der

Festung nehmen kann, also von diesen nicht über 3500 m (Meter) entfernt sein darf, in Besitz nehmen, nötigenfalls erkämpfen. Der Besitz dieses Geländes mufs durch eine , von der Infanterie, unter Beiziehung von Ingenieur- Offizieren und Pionieren vor demselben herzustellende (Schutz-) Stellung, die zu hartnäckiger Verteidigung befähigt ist, gesichert werden. Die Besitznahme aller vom Feinde vor den vorgeschobenen Werken der Festung als äufsere Widerstandslinien besetzten Geländeteile mufs

deshalb angestrebt werden,

weil hierdurch nicht nur die

Ausdehnung der Einschliefsungslinie vermindert,

sondern auch dem

1) Verfügt die Feldartillerie nicht nur über Flachfeuerbatterien , sondern auch über leichte Steilfeuerbatterien, so wird nur zur Vorbereitung des Angriffs auf diejenigen Teile der äufseren Widerstandslinie, welche mit stärkeren als flüchtigen Befestigungsmitteln, also schon im Frieden verstärkt worden sind, die Mitwirkung von Armee-Artillerie geboten sein. Würde dagegen die Feldartillerie nur über Flachfeuerbatterien verfügen, so ist schon zur Vorbereitung des Angriffs auf eine äufsere Widerstandslinie, welche nur mit flüchtigen Befestigungsmitteln, also erst nach dem Kriegsausbruche verstärkt worden ist, der Armeedie Mitwirkung von leichten Batterien - 15 cm Haubitzbatterien Artillerie erforderlich. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine Bd. 102, 1.

3

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

34

Feinde das Erkennen des Geländeabschnittes, in welchem der Angreifer seine Belagerungs- Artillerie zur Vorbereitung des Hauptangriffs verwenden will, erschwert wird.

Unbedingt nötig ist die Besitznahme

der vom Feinde vor den vorgeschobenen Werken der Festung besetzten äusseren Widerstandslinie in dem zur Durchführung des Hauptangriffs

und in

den

zur Führung von

Neben- und Schein-

angriffen erwählten Geländeabschnitten des Einschliefsungsringes , namentlich dann, wenn die betreffenden Teile der äusseren Widerstandslinie in dem Gelände liegen , in welchem die Artillerie des Angreifers ihre Feuerstellungen zur Bekämpfung der vorgeschobenen Werke der Festung nehmen muſs. Denjenigen Armeekorps, welche Geländeteile anzugreifen haben , die vom Feinde vor den vorgeschobenen Werken der Festung „als äufsere Widerstandslinie " schon im Frieden vorbereitet wurden , muſs, wie bereits

ad 3.

erwähnt wurde,

die zur Vorbereitung des

Angriffs auf diese Geländeteile benötigte Armee-Artillerie schon vor Beginn ihres Anmarsches zur Bethätigung der Einschliefsung zugeteilt worden sein.

Da

der Kampf um den Besitz der äufseren Wider-

standslinie in das Gebiet der Positionskämpfe gehört, so fällt auch die Leitung der Bewegung und des Feuers der zur Vorbereitung des Angriffs auf die äufsere Widerstandslinie einer Festung benötigten Armee-Artillerie in das Gebiet der bereits im 90. Bande dieser Zeitschrift

eingehender

betrachteten

Thätigkeit

der

Artillerie

beim

Angriff auf vorbereitete Verteidigungslinien . Durch die sowohl während als nach der Einschliefsung der zu belagernden Festung unausgesetzt fortzusetzenden Erkundungen und Aufklärungen mufs insbesondere auch ein allgemeines Urteil über den thatsächlichen Zustand der Verteidigungsfähigkeit der zu belagernden Festung in artilleristischer und fortifikatorischer Beziehung " zu gewinnen getrachtet der LuftschifferZuhülfenahme unter werden. Zu diesen , Abteilung und von Beobachtungswarten ¹ ) aus zu bewerkstelligenden Erkundungen müssen daher, aufser Generalstabsoffizieren auch Offiziere der Belagerungs-Artillerie sowie Ingenieur-Offiziere ver-

1) Um die Vorgänge in der Festung fortgesetzt erkunden zu können , müssen an guten und wenn möglich dem Feinde nicht in das Auge fallenden Die Übersichtspunkten 29 Beobachtungswarten " eingerichtet werden. hier zur Beobachtung aufgestellten Offiziere müssen mit Fernrohren und Plänen versehen und thunlichst selten gewechselt werden. Die Beobachtungswarten müssen untereinander und mit den Aufenthaltsorten der VorpostenKommandeure und der höheren Truppenführer telegraphisch oder telephonisch verbunden werden.

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc. wendet werden. -

35

Aus diesem Grunde wird es sich empfehlen , daſs,

aufser dem Kommandeur der Artillerie der Belagerungs-Armee Kommandeur der Belagerungs- Artillerie - und dem Ingenieur en chef,

auch

die

Kommandeure der

Artillerie und

der Ingenieur-

Belagerungstrains schon während der Bethätigung der Einschliefsung der Festung sich bei der Belagerungs-Armee befinden. Hierdurch wird nicht nur das baldige Erkennen und Erkunden derjenigen Geländeabschnitte des Einschliefsungsringes, welche für die Führung des Haupt- und Neben-Angriffs, sowie der Scheinangriffe auf die vorgeschobenen Werke der Festung am geeignetsten sind, wesentlich gefördert, sondern auch ermöglicht werden, dafs die Heranziehung der zur Vorbereitung des Hauptangriffs nötigen Belagerungstrains baldmöglichst in

der Weise

verfügt

werden kann ,

Stelle als die zweckentsprechendste worden ist. 5.

Erwägungen ,

für

welche an Ort und

deren Gebrauch erkannt

welche dem Befehle zum Heranziehen der

Belagerungstrains vorangehen müssen . Die Heranziehung der Fufsartillerie und Festungspioniere mit ihren Belagerungstrains muſs nach demjenigen Geländeabschnitte des Einschliefsungsringes verfügt werden, innerhalb welchem die Führung des Hauptangriffs beabsichtigt ist. - Wenn nicht ganz besonders gewichtige Gründe

dagegen

sprechen ,

wird

für

die Führung

des

Hauptangriffs derjenige Geländeabschnitt des Einschliefsungsringes erwählt werden , nach welchem ein ununterbrochener Eisenbahntransport der Belagerungstrains zu ermöglichen ist¹) . Der Transport eines Artillerie-Belagerungstrains kann mittelst der Eisenbahn nur bis zu einem Punkte bethätigt werden, welcher sowohl dem Sichts- als Wirkungsbereiche des Feindes noch gänzlich entzogen ist. Dann mufs vor Allem darauf geachtet werden, daſs, von diesem Punkte - der Eisenbahnzielstation aus, das Verbringen der Geschütze etc. der Belagerungs-Artillerie nach den Geländestellen, an welchen die Belagerungsbatterien hergestellt werden, durch das vorhandene Wegenetz begünstigt wird, bezw. dieses in entsprechender Weise ergänzt werden kann. Ferner ist es wünschens¹) Die Landbeförderung eines mit Geräte etc. der zweiten oder dritten Staffel eines Artillerie-Belagerungstrains in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen Eisenbahnzuges wird, abgesehen von den für die Geschütze nötigen Gespannen, nahezu 200 vierspännige Kastenwagen erfordern. Als Begleittruppe für jede der hieraus zu bildenden zehn Kolonnen wird, aufser einen berittenen Offizier, für je acht Wagen ein berittener Unteroffizier und für jeden Wagen ein Mann nötig sein.

3*

36

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

wert, dafs die Eisenbahnzielstation in nächster Nähe eines Geländes liegt, welches zum Parkiren der Munition , Geräte etc. des ArtillerieBelagerungstrains geeignet , also vor Allem gegen Sicht und Feuer des Feindes gesichert, mithin , ebenso wie die Eisenbahnzielstation, nicht unter 10, aber auch nicht über 15 km (Kilometer) von den vorgeschobenen Werken der Festung

entfernt

ist.

Ausserdem

mufs das

für

den

Artillerie-Belagerungspark erwählte Gelände festen, trockenen und thunlichst auch ebenen Untergrund in ausreichender Gröfse bieten, sowie gute, der feindlichen Sicht entzogene Verbindungen mit der Eisenbahnzielstation und dem Gelände , in welchem die Feuerstellungen der Belagerungsbatterien zu liegen kommen, dann auch leichte Versorgung mit Wasser und Holz, geschützte Unterbringung der Munition und der Reparatur-Werkstätte ermöglichen . Für die Unterbringung der Stäbe , Truppen und Pferde des ArtillerieBelagerungstrains sind der feindlichen Geschützwirkung entzogene Ortschaften in dem für die Durchführung des Hauptangriffs erwählten Geländeabschnitte sehr erwünscht. In den zunächst des ArtillerieBelagerungsparks gelegenen Ortschaften sind das Park-Kommando , die Park-Kompagnien und die Munitions-Fuhrpark-Kolonnen-Abteilung unterzubringen, während den Fufsartillerie-Kompagnien die rückwärts der von ihnen herzustellenden Belagerungsbatterien gelegenen Ortschaften zuzuweisen sind. Die Überwachung der Einwohner des besetzten Gebietes ist geboten. Auch kann es nötig werden, Örtlichkeiten , welche in oder nahe der Einschliefsungslinie liegen, ganz von den Einwohnern räumen zu lassen . Wenn das für die Lagerung des Artillerie-Belagerungtrains geeignete Gelände sich nicht in unmittelbarer Nähe der Eisenbahnzielstation darbietet und eine normalspurige Eisenbahn von der Eisenbahnzielstation nach demselben durch die der Belagerungs- Armee zugeteilten Eisenbahntruppen nicht bis zum Eintreffen des ArtillerieBelagerungstrains hergestellt werden kann, so sind auch in nächster Nähe der Eisenbahnzielstation entsprechend grofse Räume für die Aufstellung, An- und Abfahrt der mit der Eisenbahn nach und nach eintreffenden Geräte etc. und Örtlichkeiten für die Unterbringung der mit diesen Geräten ankommenden Mannschaften und Pferde nötig. 6. Thätigkeit der schon bei der Belagerungs - Armee befindlichen Feld- und Armee - Artillerie bis zum Beginne der Feuerthätigkeit der Belagerungs - Artillerie. Zwischen

dem

Erteilen

Artillerie-Belagerungstrains

des

und

Befehles

zum

Heranziehen

dem Augenblick, in

eines

welchem die

Belagerungs-Artillerie ihre Feuerthätigkeit gegen die zu belagernde

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

37

Festung beginnen kann, wird ein Zeitraum von mindestens zehn Tagen liegen. Während dieser Zeit mufs der Angreifer die ihm zur Verfügung stehende Feld- und Armee-Artillerie in der den Verhältnissen entsprechendsten Weise verwenden. Für die Sicherung der Einschliefsungslinie genügt in den meisten Fällen die Feldartillerie. Befinden sich aber in der Einschliefsungslinie Stellen, welche feindlichen Ausfällen besonders ausgesetzt, mithin sehr gefährdet sind, so kann es nötig werden, an Punkten , welche vor diesen Stellen liegen und gutes Schufsfeld sowie flankirende Wirkung gegen die feindlichen Ausfälle gewähren, je zwei, nötigenfalls auch vier 5 Centimeter (cm) Kanonen in Panzerlaffeten einzubauen. Die Zusendung dieser Kanonen aus der Heimat müfste dann durch den Kommandeur der Belagerungs-Armee sofort beantragt werden. Die Feldartillerie mufs aber auch dazu verwendet werden, die

Thätigkeit des Verteidigers zu belästigen und zu stören . Damit aber die Feldartillerie hierbei nicht unnütz dem Feuer der in den Forts und Anschlufsbatterien bereits thätigen Festungsgeschütze ausgesetzt wird,

mufs sie während der Nacht (Dunkelheit) die Stellungen einnehmen, von welchen aus bei Tagesanbruch die Arbeitsstellen des Verteidigers beschossen werden können. Ehe jedoch die Festungsgeschütze zur Wirkung gegen die Feldartillerie gelangen können, wird dieselbe ihre Stellungen verlassen müssen . Durch die Wiederholung dieses Verfahrens zu verschiedenen Zeiten und aus wechselnden Aufstellungen mufs die Instandsetzung des gegnerischen Kampffeldes zu verlangsamen getrachtet werden . Der Armee - Artillerie obliegt, nachdem der Angreifer den Besitz des für die Einschliefsung der Festung und für die Anlage seiner Belagerungsbatterien nötigen Geländes, nötigenfalls unter Mitwirkung der Armee-Artillerie erkämpft hat, das plötzliche Auftreten¹ ) gegen aufserhalb der beabsichtigten Angriffsfront liegende vorgeschobene Werke der Festung, um durch lebhaftes Beschiefsen dieser den Feind über die wirkliche Angriffsfront zu täuschen 2) ( Scheinangriff) . Die hierbei gebotene Leitung der Bewegung und des Feuers der ArmeeArtillerie wird von derjenigen, welche bei dem Angriff auf eine im Frieden vorbereitete Verteidigungslinie sich empfiehlt und im 90. Bande dieser Zeitschrift eingehend betrachtet worden ist, nicht verschieden sein .

Ferner wird sich die Leitung der Bewegung und des Feuers

1 ) Spätestens nach Verlauf der auf die Befehlserteilung folgenden Nacht mufs die Armee- Artillerie die ihr befohlene Feuerthätigkeit beginnen können . 2) Wenn der Verteidiger auf dem ganzen Umkreise der Festung dauernd ernstlich bedroht werden kann, wird der Kampf auf dem zum Hauptangriff erwählten Angriffsfelde wesentlich erleichtert werden.

38

Über die Leitung der Thätigkeiten etc.

der Armee-Artillerie,

gleichviel ob dieselbe zu einem dem Haupt-

angriff vorausgehenden Scheinangriff oder zu einem dem Hauptangriff angeschlossenen Nebenangriff auf vorgeschobene Werke einer Festung verwendet wird, von der im Nachstehenden näher zu betrachtenden Leitung der Bewegung und des Feuers der zum Hauptangriff auf vorgeschobene Werke einer Festung verwendeten Belagerungsartillerie nur darin unterscheiden , dafs sie mit wesentlich geringeren Schwierigkeiten namentlich dann verbunden ist, wenn die Armee-Artillerie schon im Frieden nach den für die Feldartillerie mafsgebenden Grundsätzen organisirt und daher zu plötzlichem und überraschenden Auftreten gegen die zu belagernde Festung befähigt ist. Die durch den Scheinangriff der Armee-Artillerie zu bewirkende Täuschung des Feindes über die wirkliche Angriffsfront wird um 80 wertvoller werden, je mehr durch den Scheinangriff die Aufmerksamkeit und die Geschützwirkung des Feindes von dem zur Führung des Hauptangriffs erwählten Geländeabschnitte abgezogen wurde und je kräftiger der Scheinangriff geführt wird . Deshalb muss auch die Armee-Artillerie durch die nicht zur unmittelbaren Sicherung der Einschliefsungslinie benötigte Feldartillerie, welche sich in und neben dem für die Führung des Scheinangriffs erwählten Geländeabschnitt befindet, in ausgedehntestem Maſse lebhaftest unterstützt werden ¹) . Ein zeitliches " Vorausgehen des Scheinangriffes vor dem Hauptangriffe wird nur in so weit erwünscht sein, dafs in dem Augenblick, in welchem der Feind seine Geschützaufstellung gegen den Scheinangriff bethätigt hat, also die Armee-Artillerie und die dieselbe unterstützende Feldartillerie nun einem zu ungleichen Kampfe ausgesetzt sein würde, die Vorbereitung des Hauptangriffs mit der gesammten 32. Belagerungsartillerie beginnen kann. (Fortsetzung folgt.)

¹) Feldartillerie, welche neben Flachfeuerbatterien auch über leichte Steilfeuerbatterien verfügt, wird bei dem Scheinangriff in wesentlich förderlicherer Weise mitwirken können, als eine nur über Flachfeuergeschütze verfügende Feldartillerie .

IV .

Unsere Flotte.

In der 37. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure zu Stuttgart hielt der Lehrer an der Kaiserlichen Marine- Akademie in Kiel, Herr Professor C. Busley am 8. Juni d. J. in Gegenwart Sr. Majestät des Königs von Württemberg einen hochinteressanten Vortrag über unsere deutsche Kriegsflotte , welcher wohl verdient, auch in weiteren Kreisen auszugsweise bekannt gegeben zu werden. Der Herr Vortragende begann : „Eure Königliche Majestät ! Meine Herren ! Zur Blütezeit der Hansa im 14. und 15. Jahrhundert war fast jedes die Ostsee und Nordsee befahrende Handelsschiff in gewissem Sinne auch ein Kriegsschiff. Die alten hansischen Schniggen und Koggen führten eine waffengeübte Mannschaft, denn nur zu oft mussten sie sich der Überfälle seeräuberischer Vitalienbrüder

erwehren ,

und gar

manchesmal ,

wenn

sie

sich

in den

Mündungen der Elbe und der Weser schon in Sicherheit glaubten, wurden sie noch die Beute der nicht minder raublustigen Friesen . Zwar gab es damals auch Orlogskoggen ; die zeichneten sich aber weder durch ihre Bauart noch durch ihre Form vor den Handelskoggen aus.

Die Kriegskoggen

waren nur etwas gröfser als die

Handelskoggen und führten in der Mitte auf dem Deck zwei eigenartige Kriegsmaschinen, deren gröfsere, die Blide, nach Art der Katapulte

eine

Gegner warf,

grofse Steinkugel

im Bogen

auf den

entfernteren

während die kleinere, das treibende Werk genannt,

eine Art von Armbrust im gröfsten Style, den näheren Angreifer mit einem Hagel von Steinen , Balken , eisernen Stangen etc. überschüttete .

Diese beiden Kriegsmaschinen vertraten damals gewisser-

mafsen die Stellen , welche heute unsere Panzergeschütze und Schnellladekanonen einnehmen. Erst im 16. Jahrhundert wurde der deutsche Handel, der bis dahin fast nur

nach Osten und Norden gerichtet war, infolge der

grofsen Länderentdeckungen der Portugiesen und Spanier mehr nach Westen abgelenkt. Es waren in erster Reihe zwei süddeutsche Häuser, die Fugger und Welser, welche der deutschen Schifffahrt neue Wege bahnten .

Während die Fugger den Handel mit Ostindien

bevorzugten, pflegten die Welser den Verkehr mit Westindien,

wo

40

Unsere Flotte.

sie ihre Kolonie Venezuela gründeten .

Deutschlands Süden nahm .

damals an nautischen Dingen einen äusserst regen Anteil, was sich daraus erkennen läfst, dafs bereits 1473 in Nürnberg die ersten Ephemeriden erschienen , jene bekannten astronomischen Jahrbücher, welche für jeden Tag im Jahr im Voraus berechnet den Stand der Sonne, des Mondes

und anderer Himmelskörper angeben, und dem Seemann überhaupt erst eine umsichtige Navigation ermöglichten. Hierdurch bekam Nürnberg auch ein gewisses Übergewicht in der Herstellung nautischer Instrumente, sodafs dort im Jahre 1510 bereits so viele Kompafsmacher lebten, um eine eigene Zunft bilden zu können. Die weiteren Seewege, welche die deutschen Handelsschiffe auf ihrem Wege nach dem Westen zurücklegen mussten, erforderten naturgemäfs eine Vergröfserung der Laderäume. Waren die Ladungen der aus fernen Zonen heimkehrenden Handelsschiffe an sich schon sehr wertvoll gewesen, so wurden sie es jetzt noch mehr durch ihre anwachsende Menge . Was Wunder, wenn die mit Schätzen beladenen Kauffahrer bei den ungeordneten Verhältnissen jener Zeiten die Piraten mächtig lockten, unter denen die algerischen bald die verwegensten und gefürchtetsten waren . Im 17. Jahrhundert erreichte der Seeraub an den europäischen Küsten eine so hohe Blüte , dafs sich ein Handelsschiff kaum noch allein in See wagte . Sie schlossen sich vielmehr zu ganzen Flotten zusammen und liefsen sich zu ihrem Schutze von starken mit Kanonen bestückten Schiffen begleiten ; sie fuhren, wie man sagte, unter Convoi. Aus diesen Convoi - Schiffen. des 17. Jahrhunderts entwickelten sich allmählich die Dreidecker , jene mächtigen Linienschiffe , welche bis in unser Jahrhundert hinein den Kern der Schlachtflotten bildeten , also dieselbe Rolle übernahmen, die heute unseren Panzerschiffen zugefallen ist. Den Linienschiffen gliederten sich die Fregatten an, die, leichter gebaut und weniger stark armirt, weit schneller segelten und besser manövrirten als die schwerfälligen, mit 100 und mehr Kanonen bespickten Linienschiffe. Den Fregatten lag deshalb gewöhnlich der Nachrichten- und Aufklärungsdienst ob, den heute die Kreuzer übernehmen. Endlich benutzte man in den grofsen Seeschlachten zuweilen noch Brander , kleine möglichst flinke Fahrzeuge, welche , mit feuergefährlichen , leicht brennbaren Stoffen angefüllt, sich den grofsen Linienschiffen unbemerkt anzuhängen und sie in Brand zu setzen suchten. Sie dienten also einem ähnlichen Vernichtungszweck , wie ihn heute die Torpedoboote erstreben . Während sich also im Anfange unseres Jahrhunderts die alten Segelschiffsflotten in Linienschiffe , Fregatten und Brander gliederten,

Unsere Flotte.

41

teilen sich unsere heutigen Dampfschiffflotten in Panzerschiffe , Kreuzer und Torpedoboote. Ehe nun auf die Zusammensetzung unserer Marine näher eingegangen wird, scheint es geboten, ihre Stellung innerhalb der anderen europäischen Kriegs- und Handelsflotten zu beleuchten . Zu diesem Zwecke ist die nachstehende Tabelle entworfen . Die Staaten sind nach der Gesammtzahl ihrer Kriegsschiffe geordnet, und da erscheint nun Deutschland mit seinen 96 Fahrzeugen noch hinter Italien und Holland erst an siebenter Stelle . Wären die Staaten nach der Anzahl ihrer Schlachtschiffe zusammengestellt, so würde Deutschland mit seinen 14 Schlachtschiffen hinter Italien an die fünfte Stelle rücken.

Dabei ist aber andererseits zu bemerken, dafs

unsere Handelsflotte nach ihrem Gesammt - Tonnengehalte nächst der englischen die weitaus gröfste ist. Die Tabelle berücksichtigt nur die Panzer- und Stationsschiffe ; die Schiffe, welche besonderen Zwecken dienen , also Schulschiffe , Vermessungs- und Transportfahrzeuge u. s. w. sind weggelassen, weil sie für die mobile Aufserdem fehlen in der Tabelle die Flotte keine Bedeutung haben. Torpedofahrzeuge, weil das darüber zugängliche Material aus leicht begreiflichen Gründen höchst lückenhaft und unzuverlässig ist. Vergleicht man die Zahl der Stationsschiffe, d. h.

der Kreuzer

und Kanonenboote zusammengerechnet, also derjenigen Schiffe , welche zunächst die Handelsschiffe zu schützen haben - denn die Panzerschiffe müssen im Falle eines Krieges in den heimischen Gewässern verbleiben so rangirt Deutschland mit seinen 23 Schiffen dieser Art noch hinter Portugal mit 29 und Österreich mit 26 und steht nur etwas vor den kleinen skandinavischen Staaten. Die deutschen Handelsschiffe sind deswegen auch die schlechtest geschützten unter ihren sämmtlichen europäischen Genossen . Auf 75 deutsche Handelsschiffe kommt nur ein einziges Stationsschiff! Einzig und allein Norwegen steht noch schlechter, denn in Norwegen mufs 1 Stationsschiff 160 Handelsschiffe schützen. Die norwegische Handelsflotte besitzt aber bekanntermafsen die meisten alten hölzernen und vielfach recht minderwertigen Segelschiffe, während Deutschland nächst England die gröfste Dampferflotte der Welt sein eigen nennt, ja, im transatlantischen Schnelldampferverkehr das stolze Albion bereits in den Schatten gestellt hat !

Das schwimmende Nationalvermögen Deutschlands ge-

stattet daher gar keinen Vergleich mit demjenigen Norwegens . Vergleicht man ferner noch die Anzahl der Tonnen, welche ein Stationsschiff von dem Gesammt-Tonnengehalte der Handelsflotte zu schützen hat, wobei deren relativer Wert ganz unberücksichtigt bleiben soll, so findet sich schon, dafs in Deutschland auf 82000 t nur ein Stations-

2

8

9 11

14

000 51 59 8.000 9 28 12 500 9 6.800 30 18 500 5600 6 75 82000 7000 28 700 12 11 000 26 75 6 3 600 19 800 45 700 21 55 87 300 160

13

Tonnen der Handelsflotte

Stationsschiff Ein schützt:

242 13 0951 488 554 779 447 1887 278 305 498 104 357 347 6591

12

über Gesammt100t TonnenHandelsGehalt schiffe in 1000t

Handelsschiffe

10

Gehalt; Gesammtzahl

zusammen

Stationsschiffe

7

Kreuzer

536 11 135 1164 69 66 39 0861 82 24 58 748 42 239 30 1 12 80 68 12 458 18 5 23 1730 40 1081 33 7 20 6 26 309 19 4321 4 15 6 23 29 176 12 6 812 18 12 4 16 878 15 4 3 041 19

Kanonenboote

Flotten en. europäisch der Vergleich

Panzerkreuzer

| 25388

200

78 224 95 146 19 49 27 26 25 13 64 25 14 18 24 10 52 6 12 1 5 2 — 22 20 29 2 31 21 14 136 11 1 19 7 3 10 — 13 20 20 5 8 7 6 4 5

5 4 6

Küstenverteidiger

Panzerschiffe Schlachtschiffe

Kriegsschiffe

3

461 259 173 110 109 108 96 87 62 42 37 35 28 26

Gesammtzahl



zusammen คง

N Staat

1

England1 Frankreich 2 Rufsland 3 Spanie4 n 5. Italien Holland 6 Deutschland 7 Türkei 8 . Österreich 9 Schweden 10 Portugal 11. 12 Dänemark Griechenland 13 Norwegen 14

Unsere Flotte.

25426

42

28,2 202,7 209,6 36,0 105,0 57,5 45,8 ? 71,0 18,1 125,0 24,4 12,7 8,1

16

GesammtTonne jede Auf Handelsder Ausgabe für die Kriegsmarine entfallen zur marine Unterhaltung letzten im Jahre der in Kriegsmarine: M.

Millionen M.

15

374,0 222,0 102,3 19,9 81,7 25,7 86,4 ? 21,6 9,0 13,0 8,7 4,4 13,4

Unsere Flotte.

43

schiff entfällt, womit nun Deutschland fast ebenso schlecht wie Norwegen dasteht : denn dort kommt auf 87300 t ein Stationsschiff. Ehe noch ein letzter Vergleich angestellt wird, wäre zu bemerken , dafs das vorliegende Material aus authentischen Quellen geschöpft ist. Die Angaben über die Handelsschiffe sind unserer grofsen vaterländischen Schiffsklassifikations- Gesellschaft, dem Germanischen Lloyd in Berlin zu verdanken, und die Daten über die verschiedenen Kriegsmarinen sind aus den offiziellen Etats der europäischen Staaten entnommen, wie sie im vorigen Jahre veröffentlicht worden sind. Darnach wurde ausgerechnet, wieviel Mark auf jede Tonne der Handelsschiffe für die Ausgaben der Kriegsmarine entfallen , oder wieviel die Tonne der Handelsschiffe zu bezahlen hätte, wenn diese die Kriegsmarine unterhalten müfsten. Deutschland, in welchem sich diese Zahl auf 45,8 M. stellt, tritt damit, abgesehen von dem in Kriegsnöten steckenden Spanien und den kleinen, dünn bevölkerten skandinavischen Staaten, noch hinter Holland und Österreich, ja

sogar noch hinter das halb bankerotte

Portugal, welches auf 1 t der Handelsschiffe 125 M. für seine Marine ausgiebt.

Frankreich und Rufsland erscheinen hiernach 42 mal

stärker belastet als Deutschland . England mit 28,2 M. kommt bei dieser Zusammenstellung nur deswegen so gut fort, weil in die Gesammtzahl seiner 11 536 Handelsschiffe mehr als 2300 eingeschlossen sind, die seinen Kolonien angehören, wogegen die ziemlich beträchtlichen Ausgaben, welche Ostindien und die australischen Kolonien für die englische Kriegsmarine aufwenden müssen , nicht genau ermittelt und deswegen

auch nicht mit in

Rechnung gezogen werden konnten .

Würde dies geschehen und wäre aufserdem der diesjährige englische Marinenetat herangezogen worden, so würde auch England weit vor Deutschland rücken und in die Reihe der übrigen Grofsstaaten eintreten. Es ist zwecklos, diese Betrachtungen weiter auszudehnen, sie würden lediglich auf das hier sehr fern liegende politische Gebiet führen. Wie vorhin ausgeführt wurde, zerfällt eine moderne Kriegsflotte in Panzerschiffe , Stationsschiffe, Schiffe für besondere Zwecke und Torpedofahrzeuge.

Die Schiffe für besondere Zwecke kommen nicht

in Betracht, weil sie für den Dienst von keiner Bedeutung sind. Auch die Kanonenboote dienen fast nur noch kolonialen Zwecken und werden ersetzt ;

sie

in

neuerer Zeit

immer mehr durch leichtere Kreuzer

können demnach ebenfalls aufser Acht gelassen werden.

Es bleiben daher für die Beurteilung des Wertes einer Kriegsflotte und somit auch für die weitere eingehende Besprechung nur noch die Panzerschiffe, Kreuzer und Torpedoboote übrig.

Die Bauart der

Unsere Flotte.

44

Kriegsschiffe

hat

sich

zu

allen Zeiten nach den Mitteln richten

müssen, welche für die Offensive wie für die Defensive zur Verfügung standen. Die Mittel, die wir heute für den Angriff haben, sind die Artillerie , der Torpedo und die Ramme , während für die Verteidigung die Panzerung und das Zellensystem zu Gebote stehen. Unsere Artillerie , selbstverständlich lauter Krupp'sche, zergliedert sich an Bord in schwere, mittlere und leichte. Schwere Artillerie besitzen die Panzerschiffe . Hierhin werden die Kaliber von 21 , 24 , 26 und 28 cm gerechnet ; 301½2 cm Geschütze führen nur die zur Die grofsen Küstenverteidigung bestimmten Panzerkanonenboote. Hochseepanzer begnügen sich mit einem Kaliber von 28 cm, und unsere Artilleristen können jetzt mit Genugthuung sehen , wie andere europäische Staaten von ihren Riesengeschützen immer mehr zurückkommen und sich zu unseren nie verlassenen handlicheren Kalibern bequemen. Die Riesengeschütze lassen sich nur durch komplizirte hydraulische Vorrichtungen laden und richten, und darunter leidet ihre Feuergeschwindigkeit, während gleichzeitig ihre Verletzbarkeit steigt . Aufser den schweren Geschützen führen die neueren Panzerschiffe eine reichliche Mittel-Artillerie,

welche durchweg aus Schnelllade-

kanonen besteht. In unserer Marine steigen deren Kaliber von 5 auf 8,8 ; 10,5 ; 12 bis 15 cm. Es giebt zwar schon 16 cm Schnellladekanonen, aber bei diesen geht das Schnellladen schon langsamer, weil die Geschosse wieder zu schwer werden. Die deutschen Schiffe begnügen sich daher bis jetzt mit 15 cm Schnellladekanonen . Die Mittelartillerie hat den Zweck, die schwere Artillerie beim Nahkampfe möglichst wirksam zu unterstützen. Die leichte Artillerie der

Panzerschiffe

steht

auf allen

das

Schufsfeld

beherrschenden

Punkten, z . B. auf der Back, in den Gefechtsmarsen, auf der Kampagne und der Kommandobrücke. Sie setzt sich zusammen aus Maschinenoder Revolverkanonen von 3,7 cm Kaliber und aus 8 mm Maschinengewehren. Die 3,7 cm Maschinenkanonen feuern in der Minute etwa 250 mal und die Maschinen-Gewehre in derselben Zeit rund 500 mal. Die neueren Kreuzer, so weit sie nicht Panzerkreuzer sind, führen nur eine mittlere und leichte Artillerie, die Torpedofahrzeuge nur die leichte. Der Torpedo wird auf Schlachtschiffen und Kreuzern teils über, teils unter Wasser , auf Torpedobooten dagegen meistens über Wasser lanzirt. Im letzteren Falle bedient man sich der Torpedokanonen , im anderen der Ausstofsrohre,

welche gewöhnlich am Bug, seltener

am Heck angebracht sind, und die man neuerdings auch als Breitseitrohre einbaut . Sowohl aus dem Ausstofsrohr wie aus der Torpedo-

Unsere Flotte.

45

kanone wird der Torpedo mittelst komprimirter Luft herausgeschleudert . Beim Austritt aus dem Rohr wird durch eine Vorrichtung die Verbindung zwischen dem Luftkessel und der Maschine des Torpedos hergestellt, seine Propeller fangen an, sich zu drehen , sodafs er, ins Wasser gelangend, sich sofort mit eigener Kraft fortbewegt und eine im allgemeinen zwischen 24 und 32 Knoten liegende Geschwindigkeit innehält. Die Ramme ist wohl die furchtbarste ,

aber gleichzeitig auch

eine recht unzuverlässige Waffe . Es ist zunächst kaum möglich, einen gewandten Gegner zu rammen ; sodann läuft der Rammende, selbst wenn er Erfolg hat, stets Gefahr, dafs sein eigenes Schiff ernstliche Beschädigungen davonträgt,

in seiner Manövrirfähigkeit beschränkt wird und sich damit einem ebenso kühnen Feinde preisgiebt. Die Panzerung ist immer gegen die Artillerie im Nachteil gewesen , denn sie mufs bereits bei der Inbaugabe des Schiffes bestellt werden.

Wird dann das Schiff nach einer vierjährigen Bauzeit in

in die Flotte eingereiht , so hat die Artillerie gewöhnlich wieder so grofse Fortschritte gemacht, dafs sein Panzer nicht mehr den Schutz gewährt, den man beim Entwurf annehmen musste. Die Panzerplatten werden heute durchweg aus Nickelstahl hergestellt und an ihrer Oberfläche einem Härtungsprozefs unterzogen, damit die auftreffenden Granaten möglichst an ihrer harten Aufsenhaut zerschellen, ohne in das Innere einzudringen. Die Panzerplatten lehnen sich immer gegen eine

elastische Hinterlage von Teakholz , worauf

erst die eigentliche aus 2 Blechdicken bestehende Schiffshaut folgt. Darauf kommt ein leerer Raum, der Kofferdamm, der, in viele kleine wasserdichte Zellen geteilt, bei durchschossenem Panzer nur einer geringen Wassermenge den Eintritt in das Schiff erlaubt. Für die seltenen Fälle, dafs auch der Kofferdamm noch durchschlagen wird, ist auf jeder Seite des Schiffes in gewisser Entfernung nach dem das Wallgangsschott Innern hin noch ein Längsschott errichtet. Nun gelangt man erst in den eigentlichen innern Schiffsraum , und dieser ist in der Mitte wieder durch ein Mittelschott in zwei gleiche Längshälften geteilt . Das Mittelschott läuft durch die ganze Länge des Schiffes, wo vorn und hinten die Kollisionsschotte den Abschlufs bilden.

Die dadurch entstandenen beiden Längsräume

werden nun wieder je nach der Länge des Schiffes durch eine grössere oder geringere Anzahl von mindestens bis zum Panzerdeck reichenden Querschotten in verschiedene wasserdichte Abteilungen zerlegt . Es werden somit lauter einzelne unter sich getrennte Räume gebildet, welche zur Aufnahme der Maschinen, der Kessel, der Kohlen , der Munition und der Vorräte dienen. Nach unten wird der gesammte

Unsere Flotte.

46

Innenraum durch den ebenfalls wieder in viele kleine Zellen zerlegten Doppelboden begrenzt. Über das Ganze wölbt sich endlich eben das Panzerdeek. Auf dem Panzerdeck steht an beiden Seiten des Schiffs ein Gürtel, welcher mit Kork oder Zellulose ausgefüllt ist. Dieser Gürtel wird so hoch geführt, als das Schiff im unglücklichsten Falle, wenn es durch eingedrungenes Wasser belastet sein sollte, eintauchen kann. Die Füllmasse dieses Gürtels, die Zellulose oder der Kork, hat den Zweck, im Wasser aufzuquellen und die durchgeschlagenen Das dies Schufslöcher nach kurzer Zeit wieder selbst zu schliefsen. in der That geschieht, ist durch verschiedene Versuche in unserer Die unteren Räume und anderen Marinen festgestellt worden. werden unter sich möglichst wenig durch wasserdichte Thüren in den Schotten verbunden, welche bei allen bisherigen Unfällen entweder nicht mehr geschlossen werden konnten , oder die zu schliefsen man überhaupt vergessen hatte. In neuerer Zeit bricht sich deshalb die Überzeugung Bahn, dafs es am zweckmäfsigsten sei, die wasserdichten Thüren in den unteren Räumen ganz zu vermeiden . Jeglicher Verkehr von einer Abteilung in die andere mufs dann allerdings immer über das Panzerdeck gehen. Das ruft zwar im täglichen Dienst ganz bedeutende Unbequemlichkeiten hervor, aber es bietet auch unbedingte Sicherheit im Augenblicke der Gefahr. An die Stelle des Panzers tritt bei den ungepanzerten Kreuzern ein Zellulose- oder Korkgürtel oberhalb des an beiden Schiffsseiten stark nach unten abfallenden Panzerdecks. Hinter diesem Gürtel liegen einzelne von oben zugängliche Kofferdämme , die entweder leer bleiben und nur, wenn es nötig wird, mit Stopfmaterial ausoder stets Kohlen enthalten , welche im Verein mit einem inneren Korkgürtel gleichzeitig die Schornsteinumbauten schützen. Sollte sich wirklich eine Granate hierher verirren, so wird

gefüllt werden,

das Wasser, welches das Panzerdeck etwa überflutet, abgeschlossen und verhindert, von oben in die Heizräume zu fliefsen . Die Kohlenzellen bilden nebenbei höchst willkommene Reservebunker. Auf den kleineren Kreuzern sind die unteren Räume, insbesondere jene für nur durch seitliche Kohlenbunker geschützt, ein Korkgürtel ist nicht vorhanden. Erst die jetzt in Bau kommenden Fahrzeuge dieser Art erhalten ein leichtes Splitterdeck, um Granatstücke von den unteren Räumen fern zu halten.

Maschinen und Kessel,

Die Torpedoboote erfreuen sich nur eines seitlichen Schutzes durch die neben den Maschinen- und Kesselräumen angeordneten Kohlenbunker ; ein stärkeres Deck besitzen sie nicht. Was nun unsere Schlachtflotte anbelangt, so haben wir zur Zeit in Wilhelmshaven zwei erstklassige Panzerschiffe als Ersatz für „ Preussen "

Unsere Flotte.

47

und n Friedrich der Grofse" im Bau . (Ersatz „Preufsen " ist mittlerweile vom Stapel gelaufen, und erhielt in der von Sr. Majestät dem Kaiser vollzogenen Taufe den Namen „ Kaiser Friedrich “ .) Die letztgenannten beiden Schiffe eignen sich heute ihrer Armirung und Panzerung nach nicht

mehr

für die erste Kampflinie .

Da sich bei uns

die

aus

4 gleichartigen Schiffen zusammengesetzte Division als taktische Einheit ausgebildet hat, so ist anzunehmen, dafs sich diesen Ersatzbauten in den nächsten Jahren noch zwei weitere für 17 Kaiser" und ,,Deutschland zugesellen werden . Nach Fertigstellung dieser Ersatzschiffe würde sich dann schon auf ,,Kaiser" und ,,Deutschland", wenn man vom Beginn ihres Baues rechnet, das alte Mantellied : ,,Schier dreifsig Jahre bist du alt ", anwenden lassen, wobei man aber zu sagen hätte, dafs ein derber Reitermantel in diesem Zeitraum nicht derartig veralten kann wie ein Panzerschiff bei den reifsenden Fortschritten der heutigen Technik. Die genannten Ersatzschiffe

werden

etwa

1100 t

gröfser

Panzerschiffe der Brandenburg-Klasse.

als Sie

unsere

gröfsten jetzigen

werden 11 130 t Wasser

verdrängen und müssen demgemäss auch gröfsere Abmessungen erhalten. Sie haben 115 m Länge gegen 108 m, sind 20,4 m breit gegen 19,5 m, und ihr mittlerer ,,Brandenburg"-Klasse

Tiefgang wird 7,83 m gegen 7,43 m

betragen.

Die

gröfsere

der

Wasserverdrängung

der Ersatzbauten wird hauptsächlich zum Einbau stärkerer Maschinen verwendet, denn diese sollen 13 000 Pferdestärken indiziren, während die Maschinen der ,,Brandenburg" -Klasse im mittel nur 9000 Pferdekräfte leisten . Die neuen Schiffe werden dadurch etwa 18 Knoteu laufen, während für die ,, Brandenburg "-Klasse nur 15 , Knoten erwartet wurden, die sich indessen bei den forcirten Probefahrten bis auf 17 Knoten und darüber steigerten. Als Torpedoarmirung werden 4 Breitseitrohre, 1 Bug- und ein Heckrohr eingebaut. Auch der Die neuen Unterschied in der Panzerung wird sehr bedeutend. Panzerschiffe bekommen einen Gürtelpanzer aus gehärtetem Stahl, der in der Mitte 30 cm stark ist und sich nach den Schiffsenden hin bis auf 15 cm verjüngt, während die ,,Brandenburg" -Klasse einen 40 cm dicken Panzer aufweist, der nur bis zu 18 cm abnimmt. Trotzdem aber ist der neue Panzer widerstandsfähiger, weil sich der alte nur aus Schmiedeeisen mit einer vorgelegten Stahlschicht zusammensetzt, also noch ein Compound-Panzer ist . Endlich wird die Armirung der neuen Panzerschiffe eine wesentlich andere als die der „ Brandenburg"-Klasse . Die letztere führt 6 Stück 35 Kaliber lange 24 cm Geschütze, die neuen Panzer werden 4 Stück 40 Kaliber lange 24 cm Geschütze erhalten, welche dieselbe Durchschlagskraft besitzen Aufserdem werden die neuen wie die früheren 28 cm Geschütze .

Unsere Flotte.

48

Schiffe mit einer ungewöhnlich

starken Mittelartillerie ausgerüstet. erhalten 18 Stück 15 cm und 1 Dutzend 8,8 cm Schnellladekanonen, während die ,, Brandenburg" -Klasse nur 6 Stück 10,5 cm und 8 Stück 8,8 cm Kanonen dieser Art besitzt. Schliesslich werden noch 12 Stück 3,7 cm Maschinenkanonen und 12 Stück 8 mm Sie

Maschinen-Gewehre auf geeignete Punkte der verteilt. Mit dem Beginn

neuen Panzerschiffe

des neuen Jahrhunderts werden diese Schiffe

den Kern unserer Schlachtflotte abgeben und mit den 4 Schiffen der ,, Brandenburg"-Klasse

ein

achtunggebietendes

Geschwader

bilden.

Wie glänzend die gänzlich auf deutschen Werften (Kaiserliche Werft Wilhelmshaven, ,,Vulkan" in Stettin und ,, Germania" in Kiel ) und aus deutschem Material erbauten Panzerschiffe der ,,Brandenburg"Klasse den an sie gestellten Forderungen in Bezug auf Gefechtswert, Seetüchtigkeit und Geschwindigkeit entsprochen haben, ist in Marinekreisen allgemein anerkannt. Gleichzeitig werden augenblicklich von den in den ersten 80er Jahren in die Flotte eingereihten 4 Panzerschiffen der ,, Sachsen“Klasse ,,Bayern " und ,, Baden" einem vollständigen Umbau unterzogen, nach dessen Vollendung im nächsten Jahre ,, Sachsen " und ,, Württemberg" folgen werden. Die Schiffe erhalten nicht nur an Stelle ihrer Trunkmaschinen , dreifach Expansionsmaschinen mit Wasserrohrkesseln, sondern auch eine starke Armirung mit Schnellladekanonen, sowie eine entsprechende Vermehrung ihrer leichten Artillerie. Sie werden

ferner im Innern ihres gesammten Holzwerkes

Die Kammerwände durch Blech,

werden,

entkleidet.

wie auf allen unseren neuen Schiffen,

die Holzplanken der Decks durch Stahlplatten ersetzt,

damit die Feuergefährlichkeit so viel wie möglich eingeschränkt wird . Nach der Modernisirung

werden

diese Schiffe,

ebenso wie der im

letzten Jahre in gleicher Weise verbesserte ,, König Wilhelm “, dem aufserdem noch ein Panzerdeck eingebaut wurde, wieder nicht zu unterschätzende Gegner sein . Noch in diesem Jahre werden die beiden letzten auf den Kaiserlichen Werften in Danzig bezw. Kiel in der Ausrüstung begriffenen Panzerschiffe der „ Siegfried "-Klasse, „ Odin“ und „ Ägir", ihre Probefahrten vollenden, womit die beiden Divisionen der zum Schutze der Mündungen des Kaiser Wilhelm-Kanals gebauten Küstenverteidiger vollzählig werden. Die 8 Schiffe können aber auch die hohe See halten ; sie sind 79 m lang,

15 m breit und verdrängen bei 5,3 m

Tiefgang 3500 t Wasser. Sie führen 3 Stück 35 Kaliber lange 24 cm Geschütze, 8 Stück 8,8 cm Schnellladekanonen und selbstverständlich die genügende Anzahl von Maschinen-Kanonen und Maschinen-

Unsere Flotte.

49

Gewehren. Ihre beiden Dreifach-Expansionsmaschinen erhalten den auf 12 kg pro qcm gespannten Dampf von 4 Lokomotivkesseln und indiziren zusammen 4800 Pferdekräfte, womit sie eine Geschwindigkeit von etwa 15 Knoten erreichen.

Das Panzerschiff „,Ägir" erhält

als erstes Schiff unserer Marine 8 Thornycroft-Wasserrohrkessel . Diese wurden, bevor man sie in das Schiff einsetzte, sämmtlich am Lande einem Verdampfungsversuch unterzogen . Die Hilfsmaschinen dieses Schiffs, wie Ankerlichtmaschine, Rudermaschine, Boothifsmaschine, und die Schwenkwerke für die grofsen Geschütze erhalten ebenfalls zum ersten Male in unserer Marine elektrischen Antrieb .

Die Einführung der Elektrizität an Bord von

Kriegsschiffen in solchem Umfange hat den grofsen Vorteil, dafs sich durchschossene Kabel sehr leicht wieder verbinden lassen, während zerschossene Dampfrohre bei den heutigen hohen Dampfspannungen nicht zu dichten sind, wobei aufserdem aber noch der ausströmende Dampf den Mannschaften gefährlich wird, die sich in dem betreffenden Raum aufhalten müssen. Unsere kleinsten Panzerschiffe bilden die 11 Panzerkanonenboote der Wespe-" Klasse, welche in den Jahren 1876 bis 81 vom Stapel liefen , und denen jetzt besonders die Verteidigung der Reichskriegshäfen Wilhelmshaven , Kiel und Danzig obliegt.

Sie tragen bei 1100 t

Wasserverdrängung ein 30,5 cm Geschütz und mehrere Revolverkanonen. Ihre Maschinen indiziren zwischen 750 und 800 Pferdestärken , womit sie etwa 10,5 bis 11 Knoten laufen .

Zu diesen Fahr-

zeugen werden auch die im Jahre 1885 erprobten, etwas schlankeren und darum

auch nur 886 t Wasser verdrängenden Panzerkanonen-

boote „ Brummer " und " Bremse " gezählt, deren Maschinen etwa 1700 bis 2000 Pferdekräfte indiziren, und ihnen eine Geschwindigkeit von etwa 15 Knoten verleihen . Die Armirung dieser Schiffe besteht aus einem 30 Kaliber langen 21 cm Geschütz und mehreren Maschinenkanonen . Höchst erfreulich ist es für die Technik, dafs unser thatenfroher Kaiser, der an der Entwickelung des deutschen Schiffbaues einen so lebhaften Anteil nimmt, schon mehrfach mit seinen Ideen befruchtend auf unsere Schiffsneubauten eingewirkt hat. Es verdient in den Kreisen der deutschen Ingenieure bekannt zu werden , dafs der Monarch im letzten Winter gelegentlich seiner Anwesenheit in Kiel die dortige Kaiserliche Werft mit der Konstruktion eines Panzerschiffs beauftragte, wofür er die zum Entwurf nötigen Vorschriften eigenhändig bis ins Einzelne niedergeschrieben hatte. Wie weit diese Vorschriften gingen , läfst sich am besten daran ermessen, dafs selbst die Konstruktion der Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. 102, 1. 4

Unsere Flotte.

50

für den Maschinenbetrieb erforderlichen Kessel als cylindrische festgelegt war. Nicht minder erfreulich ist

es aber auch, dafs durch die Er-

fahrungen der Seeschlacht vor der Yalu - Mündung , welche am 16. September 1894 zwischen Chinesen und Japanern stattfand, der Beweis erbracht wurde, dafs wir uns mit unseren, vom Reichstage bewilligten Schiffsneubauten auf dem richtigen Wege befinden. Es hat sich durch diese Seeschlacht gezeigt, dafs leichte Kreuzer schwere Panzerschiffe nicht überwinden können, und dafs diese daher als Kern der Schlachtflotten bestehen bleiben müssen. Es hat sich ferner gezeigt, dafs die nicht geschützten, über Wasser liegenden Teile der Schiffe durch die Geschosse der Mittelartillerie siebartig durchlöchert werden. Ein Verkehr zwischen diesen Teilen und dem geschützten Teile des Schiffs , welcher die Maschine und die Kommandoelemente enthält, ist daher im Gefecht kaum aufrecht zu Man hat sich also

entschliefsen müssen,

erhalten.

gröfsere und kostbarere

Kreuzer mit einem Panzergürtel von ungefähr solcher Stärke zu umgeben,

dafs er noch gegen die Sprenggeschosse

der 15 cm Schnell-

ladekanonen, etwa die stärkste Bestückung anderer Kreuzer, standhalten kann . Der so entstandene Panzerkreuzer ist also ein Mittelding zwischen Panzerschiff und Kreuzer ; schwächeren

Panzerschutz

und

verwendet

er

hat

das

einen sehr viel

hierdurch

ersparte

Gewicht besonders zu einer Vergröfserung seiner Maschinenanlage, wodurch sich seine Geschwindigkeit um 1 bis 2 Knoten gegen die der gleich grofsen Panzerschiffe steigert. Ein solcher Panzerkreuzer als Ersatz

für den alten Kreuzer „ Leipzig" ist jetzt gerade auf der

Kaiserlichen Werft in Kiel in Bau gelegt worden.

Das Schiff wird

ebenfalls gröfser und länger als unser jetziger bedeutendster Kreuzer Kaiserin Augusta " . Der neue Panzerkreuzer soll eine Länge von 126 m, eine Breite von 20,4 m und einen mittleren Tiefgang von 7,9 m erhalten,

wobei

er 10 650 t Wasser verdrängen wird .

Seine

Maschinenstärke wird 13 500 Pferdekräfte betragen, und man erhofft von ihm eine Geschwindigkeit von 19 Knoten. Die Armirung setzt sich aus 4 Stück 40 Kaliber langen 24 cm Geschützen, 12 Stück 15 cm und 10 Stück 8 cm Schnellladekanonen nebst 10 Stück 3,7 cm Maschinenkanonen und 8 Stück 8 mm Maschinengewehren zusammen. Der aus gehärtetem Stahl bestehende Gürtelpanzer ist in der Schiffsmitte 20 cm dick und schwächt sich nach vorn und hinten auf 10 cm ab. Zum Lanziren von Torpedos erhält das Schiff 1 Bug-, 1 Heckund 4 Breitseitrohre. Kreuzer erster Klasse besitzt Deutschland nicht ; an modernen Kreuzern zweiter Klasse haben wir das Dreischraubenschiff,Kaiserin

Unsere Flotte.

51

Augusta" und die beiden Zweischraubenschiffe „Prinzefs Wilhelm " und „ Irene “ , welche letzteren sich zur Zeit bei dem Kreuzergeschwader in Ostasien befinden . „ Kaiserin Augusta " hat jetzt ihre Probefahrten vollendet, und hat mit der gröfsten erzielten Maschinenleistung von 14 092 Pferdekräften in der Eckernförder Bucht 21,65 Knoten gelaufen.

Wäre der Mangel an Kreuzern in unserer Marine weniger

grofs , so hätte das Schiff die programmmäſsig vorgesehene Fahrt in tieferem Wasser ausführen können, welche leider unterbleiben musste, weil das Schiff für Ausbildungszwecke nicht mehr zu entbehren war. Es ist nämlich eine Thatsache , dafs die grofsen , schnellen Schiffe in tiefem Wasser viel besser laufen wie in flacherem. Würde ,,Kaiserin Augusta" auf dem tiefsten Teil der Ostsee, bei Bornholm , wo die Wassertiefe 60 bis 70 m beträgt, erprobt sein , statt in der Eckernförder Bucht mit nur 25 m Wassertiefe, so würde sie wahrscheinlich eine Geschwindigkeit von 22 Knoten erreicht haben. Aber auch so stellt die forcirte Probefahrt dieses von der Germaniawerft in Kiel erbauten Kreuzers

einen vollen Erfolg

dar, weil nur eine

Maschinenleistung von 12 000 Pferdekräften und eine Geschwindigkeit von etwa 20 Knoten erhofft wurde. Die Maschinenleistung ist also um über 2000 Pferdekräfte und die Schiffsgeschwindigkeit um mehr als

1,5 Knoten

überschritten.

Die beiden älteren

1887

und 1888

vom Stapel gelassenen Kreuzer derselben Klasse haben während der forcirten Probefahrten mit ihren noch nach dem Woolf'schen System erbauten Maschinen gegen 9000 Pferdekräfte indicirt und rund etwa 18 Knoten erreicht. Zur Zeit sind 5 Kreuzer II. Klasse in Bau gegeben. Je zwei von diesen Kreuzern werden von der Kaiserlichen Werft in Danzig, zwei vom Vulkan in Stettin und einer von der Aktiengesellschaft Weser in Bremen gebaut. Diese Schiffe werden etwa 5650 t Wasser verdrängen. Sie werden bei einem mittleren Tiefgang von 6,25 m 105 m lang, 17,4 m breit, und sollen mit einer Maschinenkraft von Ihre Armirung besteht 9000 Pferdestärken 18,5 Knoten laufen. aus 2 Stück 40 Kaliber langen 21 cm Geschützen, 8 Stück 15 cm und 10 Stück 8,8 cm Schnellladekanonen, 10 Stück 3,7 cm Maschinenkanonen und 4 Stück 8 mm-Maschinen - Gewehren, sowie einem Torpedo-Bugrohr und 2 Breitseitrohren. Als Schutz erhalten die Geschützstände und der Kommandothurm einen 10 cm starken Panzer ; ebenso stark wird auch das Panzerdeck an seinen geneigten Teilen, während es im wagerechten Teil nur eine Dicke von 4 cm aufweisen wird.

An modernen Kreuzern III. Klasse weist unsere Marine augenblicklich nur 29 Gefion" auf, welcher auf der neuen Schichau'schen

4*

Unsere Flotte.

52

Werft in Danzig

gebaut wurde.

geht 6 m tief und verdrängt sollte nach

dem Bauplan

Er ist 105 m lang, 13,2 m breit,

dabei 4100 t Wasser.

eine Maschinenstärke

Dieser Kreuzer

von

9000 Pferde-

stärken und eine Geschwindigkeit von 19 bis höchstens 20 Knoten aufweisen. In Wirklichkeit haben seine Maschinen fast 10 000 Fferdekräfte

indizirt ,

wobei

seine

Schiffsgeschwindigkeit

bis

auf

20,6 Knoten stieg. Von Kreuzern IV. Klasse soll unsere Flotte programmmäfsig 13 erhalten, wovon bis jetzt 8 vollendet sind . Der letzte von ihnen ist ,, Geyer", den die Kaiserliche Werft in Wilhelmshaven in den Jahren 1894 und 1895 erbaute. Er hat 76 m Länge, ist 10,6 m breit und verdrängt bei 4,7 m Tiefgang 1670 t Wasser. Bei der forcirten 2800 Probefahrt indizirten seine Maschinen 2960 Pferdekräfte Geeine Schiff dem erteilten und waren nur vorgeschrieben schwindigkeit von 16½2 Knoten, während nur 16 Knoten im günstigsten Falle erwartet wurden. Dieser Kreuzer ist nun in doppelter BeEr hat als erstes unserer Stationsschiffe nur ziehung interessant. eine

einfache

Holzhaut

erhalten,

welche

auf

dem

eigentlichen

stählernen Schiffskörper aufliegt, und mit Muntz-Metall beschlagen ist. Bisher erhielten die Kreuzer, welche auf entfernteren Stationen . nicht häufig Gelegenheit zum Docken haben, und deren Stahlboden zu schnell mit Muscheln bewachsen würde , für die Aufnahme des Kupfers oder Yellow-Metalles eine doppelte Holzhaut. Diese doppelte Holzhaut mit versetzten Fugen sollte verhindern, dafs Salzwasser zwischen der stählernen Schiffswand und der Kupferhaut eindringt , weil sonst durch den galvanischen Strom das Schiffsblech zerfressen würde. Die doppelte Holzhaut ist aber recht schwer und teuer, und man hat daher zuerst in der englischen Marine versucht, mit einer Holzhaut auszukommen, indem man zwischen dem Holz und dem Stahl eine Schicht von getheertem Filz einlegte . Dieses Verfahren hat sich bewährt und ist nun zum ersten Male auch von uns ausgeführt. Der zweite Versuch auf „ Geyer" erstreckt sich auf die Anwendung von Aluminium für einige Seitenfenster und DeckfensterRahmen, für Ventilatoren u . s. w. Wenn auch ein endgültiges Urteil über diesen Versuch noch nicht abgegeben werden kann, so bestätigt sich doch, dafs das Aluminium nur dort angewandt werden darf, wo es sich gut unter Farbe halten läfst und nicht auf Biegung beansprucht wird. Die teilweise Ausstattung einer Offizierskammer mit Aluminium-Möbeln (Kleiderschrank, Schreibkommode, Stuhl und Bett) hat sich nicht bewährt, hauptsächlich wegen der geringen Widerstandsfähigkeit dieses Materials gegen Verbiegungen . Von den Kreuzern unserer Flotte zu den Avisos übergehend, ist

Unsere Flotte.

53

als der schnellste und leistungsfähigste, die Kaiseryacht „ Hohenzollern " zu nennen . Die Herstellung dieses schönen Schiffs wird stets ein glänzendes Zeugnis für die Leistungsfähigkeit des Stettiner Vulkans bleiben. Seine auf fast 22 Knoten kommende Geschwindigkeit macht es noch für lange Zeit zu einem der schnellsten, gröſseren Schiffe der Welt. In der Geschwindigkeit folgen auf „ Hohenzollern “ noch einige Avisos, wie „ Wacht “ und „ Jagd", sowie ,,Comet" und ,,Meteor", welche sämmtlich zwischen 20 und 21 Knoten gelaufen haben. Den neuesten Zuwachs unserer Marine in dieser Schiffsklasse bezeichnet der Aviso ,,Hela", ein Schiff, welches 100 m lang und 11 m breit ist . Hela ist augenblicklich zur Abhaltung seiner Probefahrten in Dienst gestellt ; seine Maschinen haben bei der forcirten Abnahmeprobefahrt die kontraktlich vorgeschriebenen 6000 Pferdekräfte bereits erreicht, und es ist keinen Augenblick zweifelhaft, dafs die weiteren noch folgenden Fahrten der Erbauerin, der Aktiengesellschaft ,,Weser" in Bremen, machen werden. Die

Torpedofahrzeuge

nach jeder

unserer

Richtung

hin

Flotte gliedern

Ehre

sich

in

2 Klassen : Divisionsboote und Torpedo boote. Die Divisionsboote sind sämmtlich von Schichau in Elbing gebaut, einer Firma, die auf diesem Gebiete Weltruf geniefst, sodafs es überflüssig ist, hier noch ein Wort mehr hinzuzufügen . Auch unsere meisten Torpedoboote sind von Schichau geliefert. Wir besitzen über 80 Torpedoboote ohne die dazu gehörenden gröfseren Divisionsboote. ein Torpedodivisionsboot .)

(Auf je 6 Torpedoboote kommt

Einen guten Maſsstab für die allgemeine Leistungsfähigkeit unserer heimischen Werften und für das Ansehen, welches der deutsche Schiffbau im Auslande geniefst, liefern die von fremden Marinen bei uns eingehenden Bestellungen. So hat Schichau im letzten Jahre 2 Torpedoboote für China geliefert, welche den weiten Weg von Elbing bis nach Cheefo unter eigenem Dampf zurückgelegt haben . Er hat ferner vor Kurzem für Norwegen einen Torpedokreuzer n Valkyrien " abgeliefert und noch 2 Torpedoboote für dieses Land in Bau.

Das in

diesem Frühjahr in Elbing für Österreich hergestellte Hochseetorpedoboot ,Natter" hat das von Yarrow in London erbaute Konkurrenzboot ,Viper " geschlagen, und augenblicklich befindet sich der Torpedokreuzer

Magnat "

auf der Reise

von Elbing nach Pola.

Auch der

Vulkan in Stettin hat im vorigen Jahre 2 Torpedoboote für China geliefert, aufserdem aber noch einen interessanten Torpedo -Kreuzer „Fei-Ying “, der mit 8 Yarrow'schen Wasserrohrkesseln ausgerüstet ist. Wie die Direktion des Vulkan im Engineering mitteilte, haben sich diese Kessel bei den Probefahrten gut bewährt.

Das Schiff ist über-

Unsere Flotte.

54

haupt zur vollsten Zufriedenheit der Besteller ausgefallen und in China bereits in Dienst gestellt. Endlich baut die Germaniawerft in Gaarden bei Kiel 3 Torpedokreuzer für Brasilien, welche mit je 5 grofsen Lokomotiv-Kesseln ausgestattet werden, damit die Maschinen die garantirten 6000 Pferdekräfte indiziren können . Es ist sicher, dafs diese Fahrzeuge den vorgeschriebenen Bedingungen entsprechen werden. Es wird vielfaches Interesse erregen, dafs das Dreischraubensystem auf unseren sämmtlichen, jetzt in Bau gegebenen neuen Schiffen, und zwar sowohl auf den Panzerschiffen, als auch auf den Kreuzern, durchgeführt wird. Die Franzosen sind mit der Erbauung von Dreischraubenschiffen ebenfalls in gröfserem Umfange vorgegangen, die Italiener und die Amerikaner haben es bereits gethan, und jetzt stehen auch die Russen im Begriff, derartige Schiffe auf Stapel zu legen. Wirtschaftliche Erfolge sind leider mit dem Dreischraubensystem nicht zu erzielen, wie zuerst die Amerikaner durch den Vergleich ihrer Zwei- und Dreischraubenkreuzer erfuhren, und wie wir nun auch an den mit deutscher Gründlichkeit ausgeführten Probefahrten von " Kaiserin Augusta " gefunden haben. Wenn nun trotzdem die Dreischraubenschiffe heute in dem mitgeteilten Umfange gebaut werden, so müssen andere schwerwiegende Gründe vorhanden sein, welche ein solches Vorgehen rechtfertigen. Das ist denn auch in der That der Fall, und zwar liegen diese Gründe zum Teil auf seemännisch-militärischem, zum Teil auf maschinentechnischem und zum Teil auf schiffbaulichem Gebiet. Die seemännisch-militärischen Gründe bestehen darin , dafs es sich zunächst mit Zweischraubenschiffen, deren Schraubenflügel gewöhnlich sehr weit nach aufsen über den Schiffskörper hervorragen, nicht besonders bequem an Kaimauern anlegen oder durch enge Dockthore fahren lässt, weil eine Berührung der Mauern durch die Flügel nur zu leicht vorkommen kann. Ausserdem legen die weit hervorstehenden Schrauben die Befürchtung nahe, dafs während eines Gefechtes, z . B. bei einem verunglückten Rammversuch oder bei gegenseitigem nahem Vorbeifahren , sehr leicht ein Flügel abgerissen werden kann. Die mittlere Schraube eines Dreischraubenschiffs liegt dagegen so geschützt, dafs sie keinerlei Verletzungen ausgesetzt ist. Die Erfahrung hat weiterhin gelehrt, dafs Zweischraubenschiffe beim Stillstande einer havarirten Schraube oder Maschine, trotzdem sämmtlicher Kesseldampf zum Betriebe der einen noch gebrauchsfähigen Maschine verwendet werden kann, nur noch ungefähr / ihrer

Unsere Flotte.

55

grössten, mit 2 Schrauben erzielbaren Geschwindigkeit erreichen . Verliert dagegen ein Dreischraubenschiff eine Schraube, so lassen sich nahezu 9/10 der gröfsten mit 3 Schrauben gelaufenen Fahrt innehalten . Das Dreischraubenschiff wird aufserdem auch, was in der heutigen Zeit des Schnellfahrens von grofser Wichtigkeit ist, wegen der günstigeren Lage seines hinter der mittleren Schraube befindlichen Ruders eine gröfsere Gewandtheit und Manövrirfähigkeit als das Zweischraubenschiff besitzen. Hierzu kommt noch, daſs ein Dreischraubenschiff, welches mit einer (der mittleren) Schraube fährt, nur 1/, seines gesammten Maschinenpersonals beschäftigt, weil dieses für jede Maschine in 3 Wachen geteilt ist.

Wird ein solcher Kreuzer plötzlich

zur Annahme eines Gefechts gezwungen, so

werden mindestens 2/3

seines Maschinenpersonals vollständig frisch und ausgeruht sein, und das ist ein Faktor von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Geschwindigkeit und Beweglichkeit hohem Grade ab.

des Kreuzers

hängt

davon in

Die maschinentechnischen Gründe, welche für die Dreischraubenschiffe sprechen, lassen sich folgendermafsen zusammenfassen: Als äufserste Grenze des Ausführbaren lässt sich heute wohl eine Maschine von 15 000 Pferdekräften herstellen, welche bei der nötigen hohen Kolbengeschwindigkeit zur Erzielung eines ruhigen Ganges einen sehr grofsen Hub erhalten mufs. Eine solche Hammermaschine erreicht aber eine derartige Höhe, dafs sie weit über das Panzerdeck hinausragen und damit jeglichen Schutzes entbehren würde.

Drei kleinere

Maschinen von je 5000 Pferdekräften ,

einer für den

die

sich mit

ruhigen Gang ausreichenden Höhe bequem unterhalb des Panzerdecks einbauen lassen, sind nebenbei schon deswegen vorzuziehen, weil sie nicht so umfangreiche Gufs- und Schmiedestücke erfordern ,

wie die

eine gewaltige Maschine. Die nötige Gesundheit und damit auch die Haltbarkeit solcher Teile läfst sich bei den 3 kleinen Maschinen jedenfalls eher voraussehen ; weswegen man sie auch mit grösserer Beruhigung einbauen kann. Die Vorteile endlich, die auf schiffbaulichem Gebiete liegen, leiten sich daraus ab, dafs schnelle Schiffe hinten sehr scharfe Linien besitzen müssen, damit das Wasser ungehindert in die Schrauben fliefst. In den scharfen Hinterteilen der Dreischraubenschiffe findet die mittlere Maschine hinter den beiden Seitenmaschinen noch genügend Platz . Die gesammte Maschinenanlage rückt mehr nach hinten , so dafs die Schraubenwellen kürzer werden können . Sie sind daher in schwerem Wetter geringeren Biegungsbeanspruchungen ausgesetzt als die langen Wellen der Zweischraubenschiffe, und lassen sich in Folge dessen schwächer herstellen.

Unsere Flotte.

56

Nachdem der Vortragende sich noch über die Wasserrohrkessel äufserte, welche jetzt versuchsweise in unsere Marine Eingang gefunden haben, fährt er fort: 17 Eure Königliche Majestät ! Meine Herren ! Das von unserer Flotte zu entrollende Bild würde nur sehr unvollständig

sein ,

wenn neben

dem Material

nicht auch

ihres

Personals Erwähnung geschähe, weil in allen grofsen Seeschlachten , welche die Geschichte kennt, nicht so sehr die Güte der einander gegenüber stehenden Schiffe, als vielmehr der Geist, welcher deren Bemannung beseelte, den Ausschlag gegeben hat . Kühle Besonnenheit, welche sich der echte Seemann im Kampf mit dem Element erwirbt, und eiserne Entschlossenheit, die das Erbteil des deutschen Offiziers bildet, finden sich vereint in unserem Seeoffizierkorps. " Der weitgehenden Umsicht, mit welcher die Seeoffiziere unsere Matrosen erziehen, ist es zuzuschreiben , dafs der deutsche Kriegsschiffsmatrose in den auf Werbung angewiesenen Marinen Englands und verschiedener amerikanischer

Staaten

die

bestgesuchte Persönlichkeit

ist und in ihnen leider immer noch in gröfserer Anzahl angetroffen wird . An stramme Disziplin, an peinliche Reinlichkeit und Nüchternheit gewöhnt, überragt er dort seine sämmtlichen fremdländischen Genossen. Nicht minder gut ist die Ausbildung unserer Heizer. Auf den Divisionsschulen theoretisch, schiffen und später

sowie

auf besonderen Schul-

auf den in Dienst gestellten Schiffen praktisch

unterwiesen, können mit ausreichender Volksschulbildung versehene, intelligente junge Handwerker, wie Schlosser und Schmiede, meistens schon sofort nach abgelegter Dienstzeit die für die unteren Stufen des Maschinenpersonals der Handelsflotte vorgeschriebenen Prüfungen ablegen . Für diese hat der Dienst in der Marine etwa denselben Wert wie der Besuch einer technischen Fachschule. Vielfach ist in Deutschland der Glaube verbreitet, die Marine schütze zwar unsere Kolonien und den Handel, auch trage sie vielleicht zum Ansehen des Reiches nach aufsen bei, im Grunde genommen seien aber doch die dafür aufgewandten Summen ein todtes Kapital . Ein werbendes Kapital im Sinne industrieller Werte können sie selbstredend nicht sein ; dafs aber das seit 1873 , seit der damalige Chef der Admiralität General von Stosch den Grundsatz

aufstellte :

,,Deutsche Kriegsschiffe sollen aus deutschem Material auf deutschen Werften erbaut werden ", für unsere Kriegsschiff bauten verwendete Geld nicht nur unsern Schiffbau zu einem blühenden gemacht , sondern auch auf grofse vaterländische Industriezweige belebend eingewirkt hat, ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache. Von den rund 420 Millionen Mark, welche nach Ausweis der Marine-Etats der letzten 25 Jahre für Schiffsbauten verausgabt sind, ist ungefähr wohl

Unsere Flotte. der

vierte Teil

für Schiffs-

und Kesselbleche

57 sowie für Walzeisen

bezw. Stahl unseren rheinisch-westfälischen Hüttenwerken zugeflossen. Die vielleicht anwesenden Vertreter dieser Werke werden zugeben , dafs diese Gelder in den Zeiten der wirtschaftlichen Not am Ende der 70 er Jahre nicht nur halfen , sie über Wasser zu halten, sondern auch nicht zum kleinsten Teil dazu beitrugen, dafs wir heute mit berechtigtem Stolze sagen können : ,,Ein besseres und edleres Material,

als

unsere

vaterländischen Werke

erzeugen, wird in der

ganzen Welt nicht hergestellt. " Das Vertrauen, welches die Leitung der Marine in die Leistungsfähigkeit der deutschen Werften setzte , und das diese bald glänzend rechtfertigten, trug ihnen auch das Vertrauen unserer Rheeder und fremder Kriegsmarinen ein, sodafs die vom Deutschen Reiche auf den Kriegsschiffbau verwendeten Millionen den heimischen Werften viele andere Millionen aus dem In- und Auslande zuführten. Diese Millionen liefsen ferner in Dillingen und Essen gewaltige Werke für die Herstellung von Panzerplatten entstehen und kräftigten unsere deutsche Maschinenindustrie derart, dafs sie vor der Inangriffnahme der gröfsten

zur Zeit

auf Schiffen

überhaupt in Betrieb

befindlichen

Dampfmaschinen von rund 13000 Pferdekräften keinen Augenblick zurückzuschrecken brauchte. Viele andere Erwerbszweige sind durch unsere schnell erstarkende Schiffbau-Industrie erst ins Leben gerufen, und

manche haben

durch sie einen neuen Impuls erhalten , sodafs

heute viele Tausende von Familien , über ganz Deutschland zerstreut, ihre Existenz mittelbar oder unmittelbar dem Gelde verdanken , welches die deutschen Steuerzahler für die Marine aufwenden ! Besonders auffällig sind die Segnungen gewesen, welche der deutschen Hochseefischerei durch den kräftigen Schutz erwachsen sind, den ihr die Marine angedeihen läfst. Fremdländische Fischer werden heute in unseren Revieren kaum noch betroffen ; was aber noch viel mehr wert ist : Yachten,

welche

früher

den

die Branntwein-

armen Fischern leider nur zu häufig

für wenige Liter elenden Schnaps den mühsamen Erwerb von Wochen abschwindelten,

sind völlig aus der Nordsee verschwunden, weil sie

schonungslos verfolgt und aufgebracht werden. " Der Vortragende geht nun auf die weiteren Friedenszwecke der Marine ein. Es ist dabei von Interesse, zu erfahren, dafs nicht nur alljährlich die Ost- und Nordsee

durch Revisionsvermessungen

und Revisionspeilungen kartographisch festgelegt werden, sondern dafs auch in den letzten Jahren die Küstengewässer unserer afrikanischen Kolonien ebenso vermessen wurden . Gegenwärtig ist S. M. S . ,, Möve “ damit beschäftigt, Neu - Guinea , den Bismarck - Archipel und die

Unsere Flotte.

58

Marschalls-Inseln behufs Herstellung genauer Seekarten aufzunehmen . Wie sorgfältig dabei vorgegangen wird, erhellt wohl aus dem Umstande, dafs ein Astronom an Bord eingeschifft ist, der vor dem Beginn der eigentlichen Vermessung eine Reihe von Punkten festlegt. Die ,,Möve " hat aufserdem den Auftrag, unseren so rühmlich bekannten Landsmann Prof. Dohrn in Neapel mit allen ihr möglichen Hilfsmitteln bei der Anlegung einer biologischen Station im BismarckArchipel zu unterstützen. Nachdem Herr Professor Busley noch das Leuchtfeuerwesen , das Kompafsgebiet sowie die Aufgaben der deutschen Seewarte, der Küstenbezirks-Inspektoren etc. , also den für die Gesammtschifffahrt so segensreichen Dienst der nautischen Abteilung des Reichs-MarineAmts eingehend hervorhob, schlofs er folgendermaſsen : , Eure Königliche Majestät !

Meine Herren !

Eine moderne Kriegsflotte ist, wie meine Ausführungen hoffentlich dargethan haben, ein nicht zu unterschätzender Faktor in dem Kulturleben Gebiete

der Nation.

Ihr

weites Netz umspannt nicht nur die

des Handels und der Industrie, es greift auch weit hinein

in die verschiedensten Zweige der Naturwissenschaften, fördert, indem

sie

dieselben

Ganz verkehrt würde

für

ihre Zwecke

welche sie

auszubeuten sucht .

es aber sein, wollte eine Kriegsmarine hierin Ihre vornehmste Aufgabe ist

ihre Daseinsberechtigung erblicken.

und wird immer bleiben : die Verteidigung des Vaterlandes ! Aus diesem Grunde allein bedarf unsere Flotte des auserlesensten Materials, und wir, die deutschen Ingenieure, können uns nicht genug thun, um unseren Brüdern und Söhnen auf der See für den Tag der Entscheidung eine scharf geschliffene Waffe in die Hand zu drücken ! Hoffentlich läfst jener Entscheidungstag noch recht lange auf sich warten. Bricht aber einmal die Morgenröte desselben an, dann wird das deutsche Vaterland

seine Marine

finden, wie es so

kurz und so

kernig in dem alt-württembergischenWappenspruche heifst : „Furchtlos Adolf Scheibel. und treu!"

V.

Geist und Stoff im Kriege ').

Grau, Freund , ist alle Theorie ! " Diese Worte Goethe's, welche einen in militärischen , also wesentlich auf die Praxis gerichteten Kreisen mit besonderer und natürlicher Vorliebe aufgleichzeitig

genommenen Grundsatz enthalten, werden vielen unserer Leser einfallen, wenn sie diese Überschrift lesen . Ein neues philosophisches Buch über den Krieg ! Es ist zu befürchten, dafs mancher Leser, der etwa eine 77 Geschichte der Kriegskunst im achtzehnten Jahrhundert" recht gern und mit Interesse gelesen haben würde, durch diesen Titel von dem Buche selbst sich wird abschrecken lassen ! Unsere Zeit hält wenig von der Philosophie und der Soldat vielleicht am allerwenigsten . Und dennoch geht es wie auf allen Gebieten geistiger Thätigkeit auch bei uns : wenn wir auch von der „ Philosophie des Krieges " nichts hören wollen, die Theorie können wir nie und nimmer los werden, wir bedürfen ihrer täglich!

Denn alle Grundsätze für unsere

sind ja schon theoretischer Natur, und wenn wir praktischen Soldaten mit unserer täglichen Arbeit bestimmten, klar formulirten Zielen und Zwecken zustreben, so müssen wir doch solche Grundsätze haben, müssen von deren Richtigkeit überzeugt

tägliche Praxis

Nicht nur jene Minderzahl unter uns, welche sich mit Studium der Kriegsgeschichte beschäftigt, um sich dadurch für die eigene Praxis als dereinstiger Truppenführer vorzubereiten, braucht solche theoretischen Grundsätze, sondern auch jeder Leiter einer OffizierFelddienstübung, eines taktischen Übungsrittes ; wie wollte er sonst

sein !

seine Kritik begründen ? Dafs alle diese Grundsätze

aus

der

Praxis

ändert nichts an ihrem theoretischen Charakter. praktischen Grundlagen,

die Beispiele,

heutigen Ansichten über Krieg

an

geschöpft

sind,

Die wichtigsten

und aus denen unsere

und Gefecht sich

entwickelt haben,

liegen ja bereits ein Vierteljahrhundert hinter uns, und wie aufserordentlich verschieden sind die Grundsätze, welche aus den nämlichen Beispielen verschiedene Beobachter herausgezogen haben und noch ziehen ! Theoretische Polemik ist auch ein ständiger Bestandteil 1 ) Geist und Stoff im Kriege. Von C. v. B.-K. 1. Teil. zehnte Jahrhundert. Wien und Leipzig 1896. W. Braumüller.

Das acht-

Geist und Stoff im Kriege.

60

unserer täglichen Praxis.

Wer soll nun Einhelligkeit schaffen, wenn

auf theoretischem Gebiet die Geister aufeinanderplatzen ? Zu welcher Unzahl von Controversen haben nicht in den letzten sechs Jahren die so einfachen und klaren Bestimmungen unseres Reglements für die Infanterie Veranlassung gegeben.

Es

geht

somit

uns Kriegs-

leuten, trotz des Goethischen Spruches, eben nicht anders, als allen übrigen Berufskreisen, auch bei uns beruht die Praxis auf der Theorie, und empfängt von dieser ihre Richtung, ihre Grundsätze , und damit ist deren grofse Bedeutung bereits erwiesen . Die Abneigung der meisten Soldaten gegen theoretische Auseinandersetzungen beruht aber auch nicht so sehr darauf, dafs die Bedeutung der Theorie für die Praxis unterschätzt wird,

sondern viel mehr darauf,

dafs die Ergebnisse solcher theoretischen Studien so aufserordentlich verschieden, oft genug gradezu widersprechend sind, und dafs in der Praxis

nur zu häufig

ein

recht

schneller Wechsel der,

stets auf

theoretischer Grundlage beruhenden Ansichten eintritt, der schliesslich irre macht an der Wertschätzung aller Theorie und zum völligen Sceptizismus führen kann. Wer stellt fest, welche unter den vorhandenen Grundsätzen überhaupt richtig sind ? Wer entscheidet darüber, ob das, was bisher gegolten hat, sein wird? Da

auch morgen noch gültig

alle unsere theoretischen Grundsätze

und Gesetze für den

Krieg gelten sollen, so könnte ein solches Richteramt nur ein Geist übernehmen, der umfassend und reich, scharfblickend und stark genug wäre, um aus der Natur des Krieges heraus die Gesetze desselben zu entwickeln . Diese Gesetze würden dann selbstredend für

alle Zeiten Geltung besitzen, und

man den

Ehrennamen

eines

einem solchen Manne würde

Philosophen

wohl

nicht

verweigern

können . Er würde gleichzeitig seinem Vaterlande einen unendlich grofsen Dienst erweisen : denn Irrtümer in dieser Richtung pflegen sich in der Praxis durch kriegerische Katastrophen zu rächen ! Bisher ist ein solcher „Kriegsphilosoph" nicht erschienen ! Die Wahrscheinlichkeit, dafs dies später der Fall sein könnte, ist denn auch sehr gering, denn die Geschichte lehrt, dafs bis heute eigentlich jedes Jahrhundert

seine

eigene Theorie vom

Kriege

gehabt

hat:

die Verschiedenheiten der Kriegführung in verschiedenen Zeiten ist bekanntlich sogar so grofs, dafs wir heute die Handlungsweise von Männern, die unbestritten die gröfsten Feldherrn ihrer Zeit gewesen sind,

garnicht mehr verstehen ;

es

liegt

daher

nahe,

diese

Viel-

gestaltigkeit und diese häufigen Wechsel in der Theorie wie in der Praxis auf die allerdings ebenso vielgestaltigen äufsern, Kultur- und

Geist und Stoff im Kriege.

61

politischen Verhältnissen zurückzuführen, welche in den verschiedenen Jahrhunderten die Kriegführung beeinflussten. Wenn man aber von diesen Äufserlichkeiten absehend die Natur des

reinen " Krieges

aus

dem Begriff allein

zu

entwickeln ver-

möchte, so würde man allem Anschein nach doch dessen „ Gesetze " an den Tag bringen können ! Diesen Weg, durch Deduktion allein zum Ziele zu gelangen, hat bekanntlich Clausewitz beschritten, und bis heute besitzen wir kein Werk, dafs dem ersten Buch seiner Schrift vom Kriege an die Seite zu setzen wäre. Aber dort lesen wir auf Seite 126 bereits : ist unmöglich ! " die

Theorie

„ Eine positive Lehre

Auf den folgenden Seiten wird nachgewiesen, vom Kriege

nur eine

Betrachtung

der

dafs

Zwecke

und Mittel im Kriege " sein kann ,,, die zur genauen Bekanntschaft mit dem Gegenstande, und durch Anwendung auf die Kriegsgeschichte zur Vertrautheit mit demselben führen soll." Damit ist der Philosophie vom ,,reinen " Kriege das Urteil gesprochen ,

der

Weg der Induktion, des Studiums der Erfahrung beschritten ! Weiter heifst es : ,, Bilden sich aus diesen Betrachtungen , stellt, von selbst Grundsätze und Regeln ;

welche die Theorie an-

schiefst die Wahrheit von

selbst in diese Krystallform zusammen, so wird Naturgesetz des Geistes nicht widerstreben."

die Theorie diesem

Mehrfach tritt in Clausewitz' Arbeit nun dieser Fall ein ; eine Reihe von Grundsätzen ist deren Frucht, und die meisten derselben werden auch

heute

noch

als unantastbar

angesehen.

Da aber mindestens

zu ihrer Begründung auch von Clausewitz selbst die Erfahrung, die Kriegsgeschichte herangezogen wird , so können sie zwar nicht absolute

Allgemeinheit

und

Allgültigkeit

für

sich

in

Anspruch

nehmen : je häufiger aber die Kriegsgeschichte ihre Anwendbarkeit darthut, um so wahrscheinlicher wird es, dafs es wirkliche Gesetze sind, welche er gefunden hat.

Clausewitz selbst hat nun zwar eine

Reihe von Feldzügen unter dem Gesichtspunkt, die Richtigkeit seiner Theorie daran

zu

prüfen,

bearbeitet.

Alle diese Feldzüge gehören

indefs der Periode an, welche er durch eigene Erfahrung kennen gelernt hatte, und tragen daher in ihren Grundzügen dasselbe Gepräge : Napoleon's Kriegführung ist sich bekanntlich im Wesentlichen gleich geblieben, und seine Gegner haben allmählich von ihm gelernt . Von hohem Werte für die Theorie vom Kriege müfste es daher sein, wenn ein auf dem Boden der Clausewitz'schen Lehre stehender Forscher es unternähme,

mit

diesem Mafsstabe einmal an andere

Perioden der Kriegsgeschichte heranzutreten , an diesen die Clause-

Geist und Stoff im Kriege.

62

witz'schen

Grundsätze

nachzuprüfen .

Bestätigen

diese

sich

auch

hier, so hat ihre Begründung dadurch viel gewonnen ; auch darf man wohl annehmen, dafs daneben manch' neuer Grundsatz, manches bisher übersehene Gesetz für die Theorie daraus sich ergeben wird. Ein solcher Forscher hat sich jetzt gefunden ! Er selbst sieht in Clausewitz seinen Meister und baut auf dessen Grundlagen weiter, ohne indefs jenem auf rein deduktivem Wege zu folgen. Vom ersten Augenblick an begiebt er sich vielmehr in eine möglichst eingehende kriegsgeschichtliche und allgemeingeschichtliche Untersuchung derjenigen Periode,

welche er bearbeitet,

sodafs sein

Buch in viel höherem Grade als wenigstens das erste Buch Clausewitz' den Charakter empirischer, induktiver Arbeit zeigt.

Er will aber

Geist und Stoff, die Kriegskunst und ihre Werkzeuge, oder um mit Clausewitz

zu

sprechen ,

Zwecke

und Mittel im Kriege in ihrer

Wechselwirkung kennen lernen, und bedarf daher eines gründlichen Studiums des letzteren . Dann

aber

wählte

der Verfasser

sonders geeignete Periode .

eine für

seine Zwecke be-

Die Zeit des spanischen Erbfolgekrieges,

mit der er beginnt, liegt uns heute schon so fern, dafs wenige unter uns

aufser den Namen

der Feldherrn,

der Hauptschlachten,

und

aufser den Resultaten , zu denen der Krieg schliesslich geführt hat, darüber etwas Näheres wissen . Gehen wir aber einmal der Thätigkeit jener Feldherrn etwas näher nach, so hört sehr bald unser Verständnis für ihre Feldherrngröfse auf. Fast alle erscheinen sie uns als Zauderer, unentschlossene, ja zaghafte Männer, ewig gebunden in ihrem Thun durch tausend Rücksichten der verschiedensten Art, und doch sind Catinat und Villars, Marlborough und Prinz Eugen grofse Feldherrn ihrer Zeit gewesen ! Woher kommt das ? War damals der Geist des Krieges ein anderer, als der von heute, als der von Clausewitz entwickelte ;

oder hat der „ Stoff" den ,, Geist" über-

wuchert, gefesselt und niedergehalten? An die Zeit des spanischen Erbfolgekrieges schliefst sich dann die König Friedrich's ; sie liegt uns schon viel näher ! Wir kennen in den Grundzügen seine ,, Prinzipien vom Kriege ", der Hergang der wichtigsten Schlachten ist uns ebenso vertraut wie deren Ergebnisse. Warum aber hat nur er allein, keiner seiner Vorgänger und Zeitgenossen ein Rofsbach und Leuthen aufzuweisen ? Warum tritt auch seine Thätigkeit als ,, Schlachtenfeldherr" ganz zurück in den letzten Jahren des grofsen Krieges ? und nicht anders geführt ?

Warum hat er den ,,Kartoffelkrieg" so

Am Schlusse des Jahrhunderts folgt nun der gewaltige folgenschwere Übergang zur Napoleonischen Periode . Binnen zehn Jahren

Geist und Stoff im Kriege.

63

ändern sich Art und Form der Kriegführung von Grund aus. Waren die kaiserlichen, die preufsischen, die russischen Feldherren, welche der Reihe nach von ihren Gegnern, den Neufranzosen, abgethan beschränkte, wurden , wirklich solch' unglaublich ungeschickte , thörichte Männer, wie sie uns heute erscheinen ? War wirklich eine plötzliche Erleuchtung über die Feldherrn der Republik gekommen , ein ganz neuer ,,Geist" in sie gefahren, oder war es der gänzlich veränderte ,, Stoff" - die Heere und die äufseren Verhältnisse welche

hier

eine Entfaltung

kriegerischer Energie

gestatteten und

förderten, die sie achtzig Jahre früher unmöglich gemacht hatten ? Das etwa sind die Fragen, die der Verfasser zu lösen unternommen hat. Sie rechtfertigen in vollstem Maſse den Titel ,,Geist und Stoff im Kriege" , denn es ergiebt sich allerdings, wie hier vorgreifend bemerkt werden mag, dafs es stets der ,,Stoff", nämlich die Heere und ihre Beschaffenheit, sowie die Verhältnisse, unter denen die Feldherrn ihre Kunst auszuüben hatten, gewesen sind, die uns den ,, Geist" ihrer Thätigkeit,

der bei den grofsen Feldherrn

aller Zeit gewifs der nämliche gewesen ist, verhüllen und entstellen ! Auf diesem Wege erschliefst sich uns dann auch das Verständnis für die einzelnen Perioden in der Kriegsgeschichte , so fremd manche

uns heute auch erscheinen mögen, in einer bisher

nirgend gebotenen Vollständigkeit, ebenso wie wir die Übergänge der einzelnen Perioden nun erst völlig begreifen lernen. Dafs

der Verfasser die Daten,

das

thatsächliche Material

für

seine Bearbeitung fertig vorgefunden hat, ist selbstverständlich ; an eingehenden, gründlichen Schilderungen der von ihm behandelten Epochen ist kein Mangel, und die Schätze der Archive hat er mit einem wahren Bienenfleifs für seine Arbeit zusammen getragen. Darüber belehrt uns das gewaltige, dem Buche vorangestellte Quellenverzeichnifs , und die Überfülle der Fufsnoten, welche den Text hier und da fast erdrücken. Neu an seiner Arbeit aber ist die Verwertung dieses,

teilweise

längst bekannten Materials zu einer Geschichte der Entwickelung der Kriegskunst . Jede ,,Geschichte " soll aber ,,Entwickelungsgeschichte sein, und somit haben wir denn thatsächlich in diesem Werke eine Arbeit, welche den Titel ,, Geschichte der Kriegskunst im XVIII. Jahrhundert" mit vollem Rechte verdient. Da das Buch den Übergang von der Lineartaktik zur Napoleonischen Zeit noch mit umfafst, so reicht es bis hart an unsere eigene Zeit heran : der nächste Band wird uns deren ,,Entwickelungsgeschichte" bringen . Jeder Kenner unserer Fachlitteratur weifs, dafs ein solches Werk bisher gefehlt hat .

Geschichten der Einzelperioden sind zum

Geist und Stoff im Kriege.

64

Teil in überreicher Anzahl vorhanden

auf den Gedanken dieselben

zu verknüpfen, ist bisher noch Niemand verfallen , daher der Mangel einer wirklichen Geschichte unserer Kunst! Es ist ein junger Offizier, der mit uns so fest und innig verbundenen und verbündeten Kaiserlichen und Königlichen Armee, dem wir dieses zur Zeit in seiner Art einzige Werk verdanken. Wer das Buch, wie der Schreiber dieser Zeilen, durchgearbeitet hat, ohne den Verfasser zu kennen ,

wird

allerdings

nicht darauf ver-

fallen, dafs er die Arbeit eines jungen Soldaten vor sich hat ! Trotz der hier und da sehr lebhaften Ausdrucksweise läfst die Reife des Urteils,

der

weitumfassende

historische Blick

viel

älteren Mann von vielfacher Erfahrung schliefsen .

eher

auf einen

Da derselbe in-

zwischen als Autor einiger kleinerer Aufsätze im Militär-Wochenblatt aufgetreten ist und hoffentlich noch oft auftreten wird, so ist wohl anzunehmen, dafs schon der nächste Band seines Werkes nicht mehr anonym erscheinen wird. Nach einem solchen Endurteil sind wir es dem Leser schuldig , auf dessen Inhalt etwas näher einzugehen . Der Verfasser beginnt mit der Darstellung

der Feldherrnkunst

und der Kriegführung in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Der Inhalt seiner Darstellung der Schwierigkeiten, unter denen die Feldherrn

des

nicht neu, aber

spanischen Erbfolgekrieges

zu

handeln

die geschichtliche Perspektive,

hatten ,

ist

unter der wir die

Wirkung dieser Schwierigkeiten auf die Kriegführung kennen lernen , findet sich nirgends so klar zum Ausdruck gebracht, wie hier. Die Heere waren numerisch schwach. Sie mussten es sein, wegen ihrer grofsen Kostbarkeit sie waren im Verhältnifs kostspieliger als heute !!

War doch die Einführung stehender Heere

gegenüber dem bis dahin üblichen Söldnersystem eine Maſsregel der Sparsamkeit gewesen. Ihre Ergänzung war sehr schwierig, möglichste Schonung der Truppe daher durchaus erforderlich. Man schonte sie freilich nur für die Schlacht : dafs allein in dieser die Entscheidung lag, wusste man sehr wohl, schon damals !

Aus Prinzip haben auch

die Feldherrn jener Tage die Schlacht keineswegs gemieden, immerhin aber legte vor allem die Rücksicht auf die Erhaltung des Heeres ihnen drückende Fesseln an. Verfasser weist nach, Zunächst mufsten die Heere gut leben, dafs sie meist besser lebten als wir heute im Felde leben . gehörte sorgsamste Basirung .

Dazu

Vom Lande zu leben gegen dessen

Willen, war äusserst schwierig und nur für kurze Zeit möglich . Kultur an sich war geringer, das Wegenetz mangelhaft. Städte, fast sämmtlich befestigt,

nahmen

Die Die

bei der Annäherung der

Geist und Stoff im Kriege.

65

Heere die Bewohner des platten Landes mit ihrem Vieh und ihrer gesammten Habe in ihren schützenden Mauern auf. Die Rücksicht auf die

Schonung

der

Truppen

bei

den

mangelhaften

Strafsen

machten schnelle Märsche, überraschendes Erscheinen meist unmöglich , die Bauern fanden also Zeit zur Flucht in die Städte!

Versuchte ein Führer, seinen Truppen gröfsere Anstrengungen zuzumuten, so griff sofort Desertion in einer Weise um sich, daſs -der Bestand der Heere gefährdet wurde und Desertion war damals wesentlich leichter durchzuführen als später ! Diese Langsamkeit der Bewegungen machte natürlich wiederum jede

Überraschung

auch

des

Gegners

unmöglich

und

forderte

aufserdem, um die Ruhe des Heeres sicher zu stellen, für jede Nacht eine gesicherte Unterkunft,

ein befestigtes Lager, innerhalb dessen

sich auch für die Verhinderung der Desertion selbstredend die wirksamsten Schutzmafsregeln treffen liefsen. Ein weiterer Grund, der es fast unmöglich machte, sichten vor dem Gegner zu verbergen,

war der,

seine Ab-

dafs man einander

stets sehr nahe blieb , um, gestützt auf das befestige Lager, dann den Gegner möglichst unter den Augen zu haben. Welch' aufserordentliche Fesseln schon die Rücksichten auf die Schonung der Truppe,

die

doch

nur den

einzigen Zweck

haben

konnte, und zugestandenermafsen auch nur hatte, die Heere möglichst vollzählig und schlagfertig in den Kampf zu führen , bildeten , das dürfte aus dem eben Angeführten zur Genüge hervorgehen . Unter solchen Umständen würden auch unsere tüchtigsten Führer von 1870 nicht viel anders, namentlich nicht viel rascher haben operiren können, als damals die Feldherrn Ludwig's des Vierzehnten oder des Kaisers. Immer aber wird, von Franzosen wie von den Deutschen, Bedeutung der

Schlacht

ganz

entscheidung lag eben auch

für

richtig sie

erkannt ;

in der

der Schwerpunkt

die

Schlacht-

der

ganzen

Operationen. Aber eben deshalb, darin stimmen Montecucoli, Turenne, der Marschall von Sachsen alle überein, mufste der Augenblick für eine solche Entscheidung, muſsten alle Chancen auf das Sorgfältigste erwogen werden, ehe man sich zur Feldschlacht entschlofs . Denn eine weitere,

fast noch gewichtigere Fessel für den Ent-

schlufs zum Kampf erwuchs den Feldherrn jener Tage aus der BeZunächst war schaffenheit und der Kampfesweise ihrer Heere. Beides, die innere Beschaffenheit wie die Taktik, damals im ganzen zivilisirten Europa -- Türken und Russen bleiben ausgeschlossen ganz

gleich!

Auf die

moralischen

Faktoren,

auf Vaterlandsliebe,

Treue gegen den Kriegsherrn war bei den Leuten, die ja auch als Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102. 1. 5

Geist und Stoff im Kriege.

66

milites perpetui

noch genug von dem alten Söldner- und Lands-

knechtssinn in sich trugen, garnicht zu rechnen. Die Disziplin bedurfte der schärfsten Überwachung, und die Desertion war eine ständige

Gefahr ;

das

galt

für

alle

Kriegführenden

Ebenso gleichmässig war überall die Taktik.

gleichmäfsig.

Die allgemach durch-

geführte Bewaffnung des ganzen Fufsvolkes mit dem Feuergewehr hatte zur Linien - Formation geführt, um alle Gewehre ausnützen zu können. Diese Form wiederum erschwerte den Aufmarsch aufserordentlich

und

die Flügel im

ebenso

einen dieser Flügel, schützen,

die Bewegung im Gelände ;

hohen Grade

stellte

so

man

gefährdet :

fafste

daneben waren

überlegene Reiterei

fegte sie die ganze Linie hinweg.

Diese zu

daher stets Reiterei

auf beide Flügel oder Die schützte Flügel und Flanke durch Schanzen und Hindernisse. Artillerie befand sich beim Aufmarsch meist vor der Front.

Beim Kampf entschied meist schon damals das Feuer ; der Zusammenstofs der beiderseitigen Infanterien mit dem Bajonnet wie bei Turin und Cassano wird stets besonders erwähnt. Häufiger noch entscheidet wenige

eine

glückliche

Jahrzehnte

später

wirksam sein konnte ;

Reiterattacke , bei

die

schon

Hohenfriedeberg

damals

wie

aufserordentlich

aber auch in diesem Falle, grade wie auch

beim Nahkampf der Infanterie unter sich, waren die Schlachten sehr blutig, kosteten viel von dem kostbaren Material ! Auf taktische Überlegenheit dieser

völlig

gleichen

von

Beschaffenheit

vornherein also der

Heere

konnte

kein

bei

Feldherr

rechnen. Um Überlegenheit zu gewinnen, hätte es nun nahe gelegen , entweder nach der numerischen oder nach der operativen Überlegenheit zu streben ; aber auch hier, so weist der Verfasser nach, mufste der Erfolg ausbleiben. Denn erstens war numerische Überlegenheit durchaus kein unbedingter Vorteil so seltsam dies heute auch klingt ! Damals wuchsen nämlich nicht nur die Schwierigkeiten der Aufbringung und Unterhaltung der Heere, sondern namentlich auch die Schwierigkeiten für ihre Bewegung und Ernährung, ja selbst für ihre taktische Verwendung, für die Wahl geeigneter Stellungen, die Herstellung der Lager, die Aufstellung zur Schlacht, mit dem Zunehmen der Kopfzahl in einer Weise, welche mit dem daraus zu ziehenden Vorteil in gar keinem Verhältnifs stand : war eine solche Linear- Stellung einmal an der schwachen Stelle vom Feinde gefafst, so wurde sie um so eher und gründlicher aufgerollt ", wie wir heute sagen, je länger und damit schwerfälliger die Linien waren ; denken wir an Rofsbach und Leuthen ! taktik der

Damals war es

eben wegen der schwerfälligen Einheits-

ganzen Heere noch möglich, mit 30 000 Mann 80 000

Geist und Stoff im Kriege.

Feinde

zu

schlagen !

wiederkehrende Satz,

67

Der in den Lehrbüchern jener Tage immer ein Heer dürfe nicht zu stark sein, ein Satz,

über den heute jeder Kriegs-Akademiker im ersten Croetus die Achsel zuckt, hatte damals seine volle Begründung. Operationen aber, durch deren Kombination auf dem Schlachtfelde dem einen der beiden Teile ein Vorteil hätte erwachsen können , konnten vorher nicht ausgeführt werden , weil die Taktik jede Teilung des Heeres in selbstständige Kolonnen ausschlofs . Die beiden Hauptformen : der konzentrische Anmarsch zur Vereinigung auf dem Schlachtfelde, oder die Operationen auf der inneren Linie waren unmöglich, weil man die Heere nicht teilen konnte, sondern sie nur als Ganzes verwenden durfte. Schon an dieser Stelle sei daher bemerkt, dafs von Strategie im eigentlichen, im heutigen Sinne damals aus eben diesem Grunde keine Rede sein konnte. Diese entstand erst, als man die Heere zu teilen lernte. Was blieb also dem Führer übrig für den Tag der Schlacht ? Nur taktische Bewegungen im Angesicht des Feindes ; nur die Möglichkeit, mit raschem Blick eine sich bietende günstige Gelegenheit zu erkennen und mit schnellem Entschlusse zu benutzen : wie aufserordentlich

schwer

dies

ist,

und

wie gering die Anzahl der

Männer, welche dazu überhaupt befähigt sind, liegt auf der Hand. Endlich aber und auch dies ist bemerkenswert ! - stand selbst bei einer gewonnenen Schlacht der Gewinn keineswegs immer Die in einem ausreichend vorteilhaften Verhältnifs zu dem Einsatz! Schlachten waren blutig, kosteten viel Leute, aber

eine Ausnützung

des Waffenerfolges im heutigen Sinne, eine Verfolgung weit über das Schlachtfeld hinaus verbot die Nähe des befestigten Lagers , nach welchem der Geschlagene sich zurückzog,

ebenso wie die Unmög-

lichkeit, das eigene Heer auf längere Zeit zu teilen ,

und so kam es

denn , dafs ein eben geschlagener Feldherr nach wenigen Tagen schon seinerseits dem eben siegreichen Gegner die Schlacht anbieten und ihn schlagen konnte ! Wahrlich

die Möglichkeit, durch eine siegreiche Schlacht die-

jenigen Vorteile zu erlangen, welche dem Einsatze entsprochen hätten , war in den Tagen Turenne's und Eugen's so gering, daſs man nun wohl zugeben muſs : jene Feldherren handelten richtig, wenn sie nur nach sorgsamster Überlegung und nur bei ganz besonders günstiger Lage zur Schlacht

sich entschlossen : nicht Zaghaftigkeit,

sondern

die richtige Erkenntnifs von all den Fesseln , welche in jenen Tagen der „ Stoff" dem „ Geiste" anlegte, hat diese grofsen Feldherren, deren Mut, Einsicht und Thatkraft sicher nicht zurücksteht hinter einem 5*

Geist und Stoff im Kriege.

68 der Heroen späterer

und früherer Perioden ,

handeln, wie sie handelten ;

gezwungen , so zu die Darlegungen des Verfassers machen

uns das völlig zweifellos, erschliefsen uns das Verständnifs einer Zeit, die lange als eine Periode des Niederganges in der Kriegskunst angesehen wurde. Fast noch schlagender und bündiger aber beweist die Richtigkeit dieser Ansicht der Fortgang des Werkes . Mit dem Jahre 1740 nämlich,

mit dem Auftreten der preufsischen Heere wird jener Zustand

des Gleichgewichts zwischen den Heeren aller europäischen Staaten plötzlich aufgehoben : die preufsische Feuertaktik des alten Dessauer verleiht zunächst der preufsischen Infanterie eine „ specifische" Überlegenheit, welche durch des grofsen Königs Sorgfalt sich schon nach vier Jahren auch auf seine Reiterei überträgt. Sofort ändert sich auch das Bild der Feldzüge , wenngleich alle übrigen äuſseren Verhältnisse sich nur sehr wenig geändert haben ! Noch immer sind die Heere kostbar und schwierig zu erhalten. Das etwas gebesserte Wegenetz und die höher gestiegene allgemeine Landeskultur erleichtert zwar die Verpflegung, und macht sogar durch Einführung des Magazin- und Brodfuhrwesens innerhalb enger Grenzen eine Verpflegung von rückwärts her möglich. Dafs die Einführung des Brodfuhrwesens sich somit als eine Befreiung der Operationen von einer drückenden Fessel, wenigstens für einige Tage, darstellt, ist auch eine der überraschenden neuen Ergebnisse, zu denen des Verfassers Arbeit geführt hat : wir sind gewohnt, gerade darin ein Hindernifs für die Bewegung der Friedericianischen Heere zu

sehen ;

thatsächlich lag darin ein nicht zu unterschätzender Fortschritt gegen früher ! Gleichfalls neu und überraschend ist es, zu erfahren, dafs der Wert der befestigten

Plätze sich, wenn auch zunächst nur in

geringem Grade , doch gemindert hat, und zwar infolge der fortgeschrittenen Kultur im Kriegsgebrauch, die das alte barbarische Kriegsrecht, wonach in einer genommenen Festung nicht nur Hab und Gut, sondern auch Leib und Leben aller Einwohner dem Sieger verfallen war, nicht mehr durchführen liefs .

Seit Kapitulationen auf

mehr oder minder günstige Bedingungen geschlossen werden, verliert die Energie der Verteidigung, die nun nicht mehr so zu sagen mit dem Strick um den Hals ficht, ganz aufserordentlich. Im Übrigen aber war beim Regierungsantritt Friedrichs des Grofsen in allen kriegerischen Verhältnissen gegen früher nur wenig geändert. Noch immer werden die Heere als Ganzes geführt, noch immer besteht die Furcht vor der Desertion und die daraus entspringenden lästigen und lähmenden Mafsregeln, noch immer die Gewohnheit der befestigten Lager ,

und eben deshalb haben sich die

Geist und Stoff im Kriege.

69

Bedenken gegen das Aufsuchen einer schnellen Waffenentscheidung nicht vermindern können : der Einsatz war zu grofs, der Erfolg zu unsicher, denn er konnte nicht vorbereitet, sondern mufste vom Feldherrn so zu sagen jedesmal neu improvisirt,

eine sich bietende Ge-

legenheit stets sofort glücklich erfafst und ausgenützt werden, wenn Auch die geringe Nachhaltigkeit ein Sieg erfochten werden sollte. solcher Erfolge blieb die nämliche. Da kam der Tag von Mollwitz ; ein ganz neues Element trat mit der preussischen Infanterietaktik auf den Plan . Ihr Feuer und ihr fester Zusammenhalt machten sie im Angriff wie auch in der Verteidigung gleich unwiderstehlich.

Namentlich ihre Widerstandskraft

gegen die Reiterei mufs in der That etwas Verblüffendes gehabt haben: war doch die Reiterei damals die Waffe, deren Stofs, wenn er nicht von der des Gegners aufgefangen wurde , die Entscheidung brachte. Wenige Jahre darauf aber zeigt auch die preuſsische Reiterei eine entsprechende Vervollkommnung, selbst verdankt.

die diese allein dem Könige

Damit besafs die preufsische Armee eine ihr allein eigene, vom Verfasser daher mit Recht als ,, specifische" bezeichnete Überlegenheit, und diese versteht des Königs Genius nun auszunützen. Er thut dies wesentlich nach zwei Richtungen hin ; er sucht den Feind durch seinen Angriff dessen Folgen er bei der überlegenen Tüchtigkeit nicht durch mehr in dem Grade zu scheuen braucht, wie seine Gegner, seine Offensive zu überraschen, und er schlägt dann seine Schlachten, unter besonderer Benützung des Geländes, mit der bekannten ,, schiefen Schlachtordnung “, d. h. indem er seine Armee zur Schlacht schon so heranführt , dafs diese nicht sogleich mit der ganzen Front, sondern zunächst nur mit einem, hierzu besonders formirten Flügel ins Gefecht tritt. Damit wird dem Feldherrn die Möglichkeit gewährt, schon vor der Schlacht, schon durch seinen Vormarsch den Erfolg vorzubereiten ; er braucht nicht erst während der Schlacht auf einen günstigen Augenblick zu warten, den ihm etwa das Glück in den Schofs werfen möchte . Hierin liegt gewifs eine wesentliche Neuerung, eine Änderung im System der Schlachtentaktik .

König Friedrich konnte nun , wie er es denn auch in glänzender Weise gethan hat, die Schlacht, die Waffenentscheidung aufsuchen, „ batailliren " wie Prinz Heinrich miſsbilligend dieses Bestreben seines grofsen Bruders genannt hat : aber er konnte es nur, weil und so lange er Truppen hatte, die eben über eine nspezifische Überlegenheit " verfügten. Dafs der österreichische Offizier Friedrich dem Grofsen übrigens

Geist und Stoff im Kriege.

70 auch hier -

wie

das

vor

Kurzem aus

anderer Veranlassung an

dieser Stelle bemerkt worden ist nicht völlig gerecht wird , kann nicht allzusehr überraschen. Wir verweisen auf die Bemerkungen, welche vor Kurzem über den nämlichen Gegenstand an dieser Stelle gemacht wurden. Dafs der Verfasser den wahren Grund für die vom Könige nur für die Infanterie schon übernommene, für die Kavallerie aber erst geschaffene Überlegenheit des preufsischen Heeres richtig auch gefunden hat, und auch die geniale Art, in der der König auch dieser Überlegenheit ein neues System der Schlachtentaktik aufgebaut hat, erkennt und würdigt, zeigt am besten die Art und Weise, wie er die Änderung in der preufsischen Kriegführung während der letzten Der Streit DelbrückJahre des siebenjährigen Krieges erklärt. Bernhardi über die „ einpolige oder zweipolige" Strategie des grofsen Königs findet, sofern es einer solchen noch bedurfte, hier eine sehr einfache Lösung.

Einmal sank durch den furchtbaren Kampf gegen ganz Europa, und namentlich

durch die

gewaltigen

Verluste ,

welche

bei der

Kampfesweise jener Tage jede Entscheidungsschlacht mit sich brachte, die Tüchtigkeit der Armee, besonders auch durch den Verlust an Auf dieser inneren Tüchtigkeit Offizieren, von Jahr zu Jahr mehr. aber beruhte ja in erster Linie des Königs ganzes System!

Sobald

die

spezifische Überlegenheit" verloren ging, waren Schlachten und Erfolge wie die von Leuthen nicht mehr zu erringen. Zweitens aber lernten auch seine Gegner allgemach, seiner

Überraschung sich entziehen, seinem Echelonangriff ernste Schwierigkeiten entgegenzustellen . Das wesentlichste Mittel dazu boten starke befestigte Aufstellungen, und die Generale Daun und Loudon werden als diejenigen genannt, die in diesem " Stellungskriege" das Beste geleistet, von ihrem grofsen Gegner am meisten gelernt haben. Dafs zuletzt auch König Friedrich zu einem solchen Stellungskriege seine Zuflucht genommen hat, hat nehmen müssen, ist ja be-

kannt. Es gab für ihn keine andere Wahl ; und dafs er auch in dieser Form der Kriegführung Meister war, hat der Erfolg gezeigt. Sehr fesselnd schildert der Verfasser alsdann die Übergangszeit bis zur französischen Revolution ; die Zeit der „ Aufklärung", der sentimentalen

Humanität ,

welche

Staats- und Völkerleben voranging, schliefsen sollte.

der

gewaltigen

Umwälzung

mit der das Jahrhundert

im ab-

Die grofse geistige und litterarische Regsamkeit, welche diese Zeit auf allen Gebieten bezeichnet, zeigt sich auch auf militärischem Gebiet ;

auch

hier

trägt

sie

im

wesentlichen

den Charakter der

Geist und Stoff im Kriege.

71

Spekulation, die sich von der Erfahrung loslöst und auf Umsturz des Bestehenden hinarbeitet, ein Bestreben, dem auch in der Militärlitteratur keine Censur die Freiheit der Bewegung verkümmert . Im Heerwesen vermag diese oppositionelle Litteratur indefs eine wesentliche Steuerung oder Änderung nicht zu erzielen ; dem stellte sich schon die Sparsamkeit der Regierungen gegenüber allen Neuansprüchen entgegen . Nur neue Reglements, welche die überall festgehaltene, obschon vielfach angegriffene Lineartaktik bis ins Kleinste ausgestalten, die Formen immer zusammengesetzter und verwickelter machen in Preufsen Saldern , in Österreich Lacy gehören dieser Periode an werden eingeführt und eingedrillt , Bemerkt zu werden verdient, dafs der Verfasser Lacy als einen Gegner der Exerzir-Künstelei anführt, und dafs in Frankreich Folard und seine Anhänger für die Franzosen das System des geordneten Feuers in der Bewegung, worauf doch die Lineartaktik beruht, als völlig undurchführbar bezeichnen, weil es dem Nationalcharakter nicht entspreche : der Franzose besitze nicht Kaltblütigkeit und Manneszucht genug, um in dieser Weise fechten zu können ! Aber auch dort blieb schliesslich Alles beim Alten ! Wiederum wie beim Anfange des Jahrhunderts, waren in allen Heeren Europas die Verhätnisse die nämlichen, und jede spezifische Überlegenheit" hat aufgehört. Wiederum fürchtet man die Waffenentscheidung, deren Wichtigkeit man gleichwohl nicht verkennt, wegen der Unmöglichkeit, sie irgendwie mit einiger Sicherheit schon vorher in die Wege

leiten zu können .

gut übereinander

Wo

beide Gegner gleich schnell, gleich

unterrichtet sind, versagt die Überraschung ; wo

ein Teilerfolg innerhalb der starren, einheitlich fechtenden Heere und Schlachtordnung über das Ganze keinen Nutzen,

erschwert

aber

entscheidet, bringt die Mehrzahl

wesentlich

Unterhaltung

und

Be-

wegung der Heere ; das bekannte Cordonsystem geht oft genug aus Verpflegungsrücksichten hervor. Listen, Scheinmanöver allerart sind . längst verbraucht, weil längst bekannt : der Stoff beginnt den Geist zu unterdrücken . Aber auch die ganze geistige Richtung der Zeit, das Streben

nach Humanität

und Aufklärung,

das mit

dem

all-

gemeinen und nicht unbedeutenden Zunehmen des Volkswohlstandes sich schon der seligen Zeit allgemeinen Weltfriedens ganz nahe wähnte, war der Erhaltung kriegerischen Sinnes in den Heeren so ungünstig wie

möglich.

Der Kriegerstand verfiel einer allgemeinen

Miſsachtung. Bald , so hoffte man , wird Niemand mehr Soldaten gebrauchen: Gerechtigkeit und Friede werden allein noch herrschen auf Erden ! Stellen

Die Heere, auch deren Offizierkorps bis zu den höchsten

hinauf,

konnten

sich

diesen

Anschauungen

Europas

,, in

Geist und Stoff im Kriege.

72

wie der Verfasser Schlafrock und Pantoffeln " nicht entziehen. sich ausdrückt In diese Stille der ,, Biedermaierzeit" hinein

sehr bezeichnend

entluden sich nun

wie ein gewaltiges Gewitter die ersten Stürme der Französischen Revolution : eine völlig neue Zeit brach an, und nur wenige Jahre vergingen, da war man auch in den militärischen Kreisen Zentraleuropas

sich

völlig

darüber

klar,

dafs

etwas Neues,

noch

nicht

Dagewesenes sich offenbarte in der Art, wie die ,,Neufranken" den Krieg führten und ihre Schlachten schlugen . Die Art und Weise, wie der Verfasser

den

Einbruch

der

neuen Zeit schildert, gehört zu dem Wertvollsten seiner ganzen Arbeit . Dafs es lediglich die furchtbare Not der Zeit, das Elend im Innern des schönen Frankreich gewesen ist, welches die Heere der Revolution zu einer Gröfse anschwellen liefs, wie man sie bis dahin in Europa nicht gekannt hatte, ist längst bekannt. Camille Rousset's Buch, die ,,Freiwilligen von 1793 " schildert diese Verhältnisse in mustergiltiger Weise . Weil sie in der Heimat keine Subsistenzmittel mehr

fanden

bei

dem völligen Darniederliegen

aller produktiven

Arbeit im Innern , deshalb strömten die waffenfähigen Männer Frankreichs so massenhaft zu den Fahnen, obwohl der Heeresdienst in Frankreich vorher nicht minder unbeliebt gewesen war, als irgend sonstwo.

Hier

weist

nun

der Verfasser

darauf hin,

dafs

es der

gleiche Beweggrund war, der auch die Regierung in Frankreich, die sich plötzlich im Besitze gewaltiger Heeresmassen, aber ohne alle Mittel zu deren Unterhaltung sah, und deren Leiter wohl über eine durch

den

Druck

der

inneren

Lage

sowie

durch ihren eigenen

politischen Fanatismus auf's höchste gespannte Energie, nicht aber über kriegerische Erfahrung verfügten, zu kriegerischen Zielen und Unternehmungen führte von so gewaltigem Umfange, wie die Vorzeit sie ebenfalls nicht gekannt hatte ! Schon um den Massen, die man selbst nicht füttern konnte , Gelegenheit zu geben, für sich selbst zu sorgen, führte man sie ins Ausland : mochten sie und ihre Führer, die immer mit der Aussicht auf die Guillotine im Falle des Mifslingens ins Feld rückten, sehen, wie sie sich herauszögen ! Leiter

der Heere

war

somit

alle Sorge

für

Für die

deren Unterhalt

mit

einem Schlage gehoben ; die Heere selbst waren kein kostbares Material mehr ; man hatte dessen mehr als man bedurfte ! Alle Fesseln, welche den Generalen Alt-Europas aus ihrem Material erwuchsen, waren für deren Gegner mit einem Schlage verschwunden : hier drückte kein ‫יװ‬Stoff" mehr auf den „ Geist " , den ein gewaltiger Druck

geistiger

Art :

Fanatismus

einerseits ,

Furcht

andererseits, zur gewaltigsten Anstrengung antrieb!

vor

Strafe

73

Geist und Stoff im Kriege.

Wie

die

ganze Entstehung dieser Heere,

so war

auch

deren

Fechtweise eine Folge der Not und des Mangels, in diesem Falle des Mangels an militärischer Ausbildung und Schulung. Die auf solcher Schulung, auf fester Manneszucht und nimmer aufhörenden Drill beruhende Fechtweise der Lineartaktik war für diese Heere nicht nachzuahmen. Diese meist recht schlecht bewaffneten Haufen brachten es höchstens

zu mehr oder weniger formlosen Kolonnen, mit denen sie ihren Gegnern zu Leibe zu gehen versuchten. Wurden diese Kolonnen unter Feuer genommen, so lösten sie sich in Schwärme auf, ohne jedoch getragen von der den Einzelnen, oder doch den Besseren unter ihnen innewohnenden Energie, deshalb den Kampf aufzugeben" . So entstand jene Verbindung von Kolonnen und Schwarm, welche von da ab bis zur Einführung des Hinterladers die Kampfesform der Heere Europas gewesen ist. Dafs diese Kampfesform an sich der der Lineartaktik überlegen gewesen sei, läfst sich nicht behaupten. Noch bei Waterloo haben die englischen Linien den Sturmkolonnen Napoleons zu widerstehen gewusst, und in Spanien hat Wellington mehr denn einmal mit ihnen den Sieg zu erfechten verstanden. Die Überlegenheit gewann diese Kampfesweise aber sehr bald in Verbindung mit anderen Elementen, die mit ihr zusammenhingen. Zunächst war es die Überzahl,

dann aber auch die verhältnifs-

mäfsig geringeren Verluste, welche diese Kampfesform mit sich bringt, die ihr die Überlegenheit verschafften ; die Angriffe auf die feindlichen Linien konnten,

sobald sie abgeschlagen waren,

neuen Schwärmen wiederhergestellt werden,

von neuen Haufen ,

und die Energie, die in

diesen Truppen steckte, reichte öfters hin, um selbst die nämlichen Waren aber endlich, Schaaren den Angriff wiederholen zu lassen. wenn auch nur an einer Stelle ,

die feindlichen Linien ins Wanken

gebracht, so mussten sie zurückgenommen werden, um nicht der Auflösung zu verfallen. Umgekehrt aber konnten, auch nach siegreich abgewiesenem Ansturm, oder glücklich durchgeführtem Stofs, die Truppen der LinearDazu waren taktik jene Schwärme nicht entscheidbar schlagen. jene zu starr, diese zu beweglich :

die Reiterei selbst hätte sich auf-

lösen müssen für diesen Zweck, denn die zurückgeworfenen Tirailleurs einzeln niederzuhauen war schon damals kaum möglich, während geschlossene Linien vom Flügel her leicht auseinander zu werfen waren. Auf diese Weise entstand dann allmälig eine neue ,, specifische

Überlegenheit" auf Seiten der Neufranken Taktik.

auf dem Gebiete der

Geist und Stoff im Kriege.

74

Von viel höherer Bedeutung aber als diese taktische Überlegenheit waren die Folgen,

welche sich an den Fortfall aller sonstigen

Fesseln knüpfen, die bisher die Operationen , Kriegführung lahm gelegt hatten.

den ,, Geist" in der

Dafs es der Übergang vom Magazin- zum RequisitionsSystem gewesen ist, welcher den französischen Heerführern eine Freiheit für ihre Operationen gewährte, die man bis dahin nicht gekannt hatte, ist freilich längst bekannt. An diese bekannte Thatsache anknüpfend, geht der Verfasser nun den Wirkungen dieses Systemwechsels im Einzelnen nach und kommt damit zu Folgerungen, welche durchaus treffend und bisher unseres Wissens nach nicht gezogen worden sind. Gleichgiltigkeit gegen die Unterhaltung der massenhaft zu den Fahnen strömenden Mannschaft, welche aus der Unmöglichkeit, diese Unterhaltung irgendwie selbst sicher zu stellen, entsprungen ist, dann Unerfahrenheit in der Leitung grofser Operationen , ferner der Fanatismus für die politischen und humanitären Ideen, deren Träger sie zu sein glaubten , veranlafsten die Leiter der französischen Politik, ihrerseits zum Angriff überzugehen , sobald nur die unmittelbare Bedrohung durch die Heere der Verbündeten abgewendet war. In Carnot fand diese Offensivpolitik dann einen Träger , in dessen Persönlichkeit sich dieser kühne Wagemut der Neufranken mit bedeutendem militärischen Organisations -Talent verband . Unter seiner Leitung stellte die Republik zeitweise weit mehr als eine halbe Million Streiter ins Feld, und dieser gewaltigen Machtentwickelung wies er gleichzeitig Ziele an, wie man sie bisher nicht einmal in der kühnsten Phantasie für möglich gehalten ! Wien, die feindliche Hauptstadt, sollte erreicht ; alle Ströme Deutschlands , alle seine Gebirge überschritten werden, mitten in das feindliche Gebiet hinein sollten mehrere feindliche Heere eindringen, um sich dort erst zu vereinigen. Die Ausführung dieser Pläne blieb natürlich weit hinter dem Entwurf zurück : aber die Furcht vor den Machthabern in Paris, welche den Führern durch deren Sendlinge und Kommissare im eigenen Hauptquartiere stets gegenwärtig gehalten wurde, führte sie doch zu einer höchst energischen Offensive. Und hierbei führte wiederum die Not ein Ergebniſs herbei, welches die Kriegskunst mit einem Schlage auf eine ganz andere Grundlage stellen und zum Ausgangspunkt werden sollte für eine Entwickelung, in welcher wir heute noch stehen. Die numerische Stärke der Heere einerseits, der gänzliche Mangel an Fürsorge für die Verpflegung andererseits zwangen die Führer, ihre Heere zu teilen : die starre Einheitlichkeit , in welcher die

Geist und Stoff im Kriege.

75

Heere ihrer Gegner geführt, verpflegt und in die Schlacht geführt wurden, war damit gebrochen. Ferner aber zwang die unumgängliche Notwendigkeit der Teilung der Heere weiter dazu, diese Teile selbstständig zu machen, indem man sie aus allen Waffen zusammensetzte : damit waren die ,, Divisionen " und Armee - Korps in unserem heutigen Sinne gegeben, und damit die Möglichkeit, deren Zusammenwirken für die Waffenentscheidung in zweckentsprechender Weise zu regeln : Eine Strategie , sei es, dafs man darunter mit Clausewitz ,,den Gebrauch und die Verknüpfung der Gefechte für die Zwecke des Krieges ", oder mit Moltke ,,die zweckgemäſse Vereinigung der getrennt marschirenden Truppen für die Waffenentscheidung" versteht, war jetzt erst möglich. Es ist von vorn herein klar,

dafs ein Heer,

welches sich nicht

teilen kann, welches als Ganzes auf dem Schlachtfelde wirken muſs, auch nur taktische Erfolge zu erzielen vermag. Gebunden an ihre Magazine, konnten beide Gegner nur stets darnach streben, sich nicht in ungünstiger Lage zur Waffenentscheidung, zu lassen !

zur Schlacht zwingen

Strategische Umfassung setzt ebenso wie ihr Gegenteil,

die Operation auf der inneren Linie, Teilbarkeit der Heere voraus ; im Verlaufe eines Feldzuges waren beide den Heeren der Lineartaktik somit unmöglich gemacht ; nur bei der Eröffnung der Operationen finden wir daher, namentlich bei König Friedrich, das, was wir heute als strategischen Aufmarsch bezeichnen. Auf diese starre Unteilbarkeit der Heere ist daher auch der Mangel an Zusammenhang der Operationen während der einzelnen Feldzüge zurückzuführen :

nach jeder Schlacht begann damals

ein

ganz neuer Akt des Dramas ! Am besten beweist die grundsätzliche Verschiedenheit der damaligen Kriegführung von der späteren die Art, wie König Friedrich der Grofse, von mehreren Gegnern bedroht , die alle zusammen ihm weit überlegen sind, zurechnen versteht.

mit jedem einzeln ab-

Der Marsch von Rofsbach nach Leuthen ist ge-

wifs keine Operation auf der inneren Linie im Sinne Napoleon's ! Nachdem Rofsbach den Feldzug in Sachsen beendet hat, geht der König nach Schlesien, um dort einen ganz neuen Feldzug zu beginnen ; die weit überlegenen Franzosen beruhigen sich vollständig bei der Entscheidung von Rofsbach. Wäre eine solche Kriegführung später noch möglich gewesen? Aber freilich hatte die Niederlage eines Heeres der Lineartaktik auch etwas ganz anderes auf sich,

als die eines neufranzösischen

Heeresteils : jene war unvergleichlich viel blutiger die dem Werke Damals übersteigen beigegebenen Verlusttabellen weisen dies nuch. die Zahlen der Todten und Verwundeten stets sehr bedeutend die der

76

Geist und Stoff im Kriege.

Gefangenen und Vermifsten, nun tritt das Umgekehrte ein !

Das ist

sehr erklärlich : die eigentliche ,,Blutarbeit", der Kampf mit der blanken Waffe, spielt dort, wo ein grofser Teil der Fechter als Schützen auftritt, eine ungleich geringere Rolle !

Die Zahl der Gefangenen giebt

seither den Mafsstab für den Umfang einer Niederlage, und so ist es noch heute. Mit dem Augenblick ,

in welchem man zur Teilung der Heere

schreitet, ergeben sich aber zwei weitere wichtige Möglichkeiten : durch Gruppirung und Führung der Teile vermag der Feldherr schon vor dem Zusammenstofs diesem selbst eine für ihn günstige Form zu geben, er vermag den Sieg strategisch vorzubereiten. Dann aber kann er nun auch eine örtliche Überlegenheit durch dasselbe Mittel erzielen an einer Stelle , an der der Gegner besonders gefährdet wird! Nun erst tritt somit der numerische Vorteil ,

die Über-

legenheit , überall als das für die Entscheidung wesentlichste Moment in den Vordergrund : Siege von 3 gegen 8, wie der von Leuthen, sind nun nur noch möglich ,

wo

die

Qualität

der

Truppen

wie

der

Führung über alles Maſs auf beiden Seiten verschieden sind ; lediglich durch gröfsere taktische Gewandtheit, wie damals, haupt nicht mehr zu erzielen.

sind sie über-

Sehr bald wird denn auch der Einflußs bedeutender Überlegenheit an Zahl so grofs, dafs sie allein den minder starken Gegner davon abhält, die Waffenentscheidung überhaupt in Anspruch zu nehmen . So weist der Verfasser nach, dafs unsere heutige Strategie erst ententstehen konnte infolge der Veränderungen,

welche durch das Auf-

treten der Revolutionsheere in die Kriegführung eingeführt wurden. Er führt uns dann die Operationen des Feldzuges von 1796 , zunächst die des Erzherzog Karl gegen Moreau und Jourdan in Deutschland , dann die Bonaparte's in Oberitalien vor. Bekanntlich wurden in Deutschland die Franzosen zwar nicht geschlagen, aber doch über den Rhein zurückgedrängt, während in Italien Bonaparte nach langen und schweren Kämpfen Sieger blieb. Den Feldzug in Deutschland benutzt der Verfasser, um uns die Wirkung der neuen Art der Kriegführung auf die besten Feldherren der alten Schule vorzuführen ;

dann aber auch,

um nachzuweisen,

welch' mächtiger Rückschlag eintritt , sobald der Erfolg einmal die neufränkischen Heere im Stiche läfst! Die wirklichen Verluste, welche die Heere Moreau's und Jourdan's erlitten haben, stehen nämlich mit dem Umfange des Rückschlages, der diese Heere bis über den Rhein zurücktreibt, in gar keinem Verhältnifs ! Hier zeigt sich, dafs in der straffen Zusammenfassung der

Geist und Stoff im Kriege.

77

Heere des XVIII. Jahrhunderts doch auch ein sehr wesentlich kräftigender Umstand liegt.

Der Feldherr, der sein Heer einheitlich als

ein unteilbares Ganze führt , wirkt auch persönlich auf sein Heer ein und bringt seinen Willen ausschliesslich zur Geltung. Bei Persönlichkeiten wie die Friedrich's des Grofsen ist diese persönliche Einwirkung geradezu der Grundpfeiler für die Leistungsfähigkeit seiner Truppen wie seiner Offiziere . Selbst Schläge wie der von Kunersdorf vermögen diesen Einflußs nicht zu vernichten : im nächsten Jahre steht das Heer wiederum fest geschlossen auf dem Plan. Bei der neuen Art der Kriegführung bedarf jeder Feldherr wirklicher , d . h . selbstständiger Unterführer , die er nur noch mit Anweisungen zu versehen vermag : versagt auch nur Einer derselben , so kann seine ganze Thätigkeit dadurch lahm gelegt werden.

Noch be-

denklicher aber wirkt unter Umständen die Entmutigung , die bei einer Teilniederlage leicht sich auch der nicht daran beteiligten Heeresteile und deren Führer bemächtigt; daraus erklären sich dann solche weitgehenden Rückschläge, wie sie die französischen Heere 1796 in Deutschland erfuhren, und wie wir solche auch aus neueren Geschichtsepochen zur Genüge kennen.

Die ,,moralischen" Wirkungen der Niederlagen

sind sehr erheblich gewachsen .

Ein solcher Wechsel von Niederlage

und Sieg, wie er im spanischen Erbfolgekriege, ja noch im siebenjährigen Kriege sich zeigt, wird immer seltener ! Die geschlagenen Heere haben eben keine festen Lager im Rücken, in denen sie sich dem Gegner entziehen, in denen sie sich sammeln und erhalten können , um dann, manchmal schon nach wenigen Tagen, ihre Niederlage durch einen Sieg wett zu machen. Einen wesentlichen Einflufs

bei dem

gegen früher sehr viel

schneller und in sehr viel gröfserem Umfange eintretenden Sinken der moralischen Kräfte im Heere, sobald ein Rückschlag einmal eingetreten ist, übt auch der Umstand, dafs jetzt, nachdem die geteilten Heere über einen viel gröfseren Raum sich ausbreiten , und deren einzelne Teile daher oft von dem nächsten Nachbarn ziemlich weit entfernt sind, die Unsicherheit über das, was der Feind thut, oder beabsichtigt, sowie über das, was etwa bei einem entfernteren Korps des eigenen Heeres geschehen ist, ganz aufserordentlich zugenommen hat. Die dunkeln Gerüchte, die ganz oder zum Teil falschen oder übertriebenen Nachrichten fangen nun an, ihr oft so verhängniſsvolles Spiel zu treiben .

Als beide feindliche Heere sich auf wenige tausend

Schritte gegenüber standen und einander fortgesetzt im Auge behalten konnten, lag die Sache wesentlich anders als nun : das Element der Ungewissheit tritt erst jetzt mit seinem ganzen Gewicht erschwerend ein in den Thätigkeitskreis der Führer.

Geist und Stoff im Kriege.

78

Bei der Betrachtung der Art und Weise, wie die Gegner der Revolutionsheere , versuchen

die

Generale und

Feldherrn der Coalitionen es

und nicht immer ohne Erfolg versuchen, denn im Jahre

1799 ist, ehe Bonaparte zurückkehrt, die Republik so ziemlich am Ende mit ihrer Kriegführung die Nachteile, welche ihren Heeren aus deren Organisations- und Fechtweise gegenüber der der Franzosen erwachsen, auszugleichen, zeigt der Verfasser,

dafs mit dem Augen-

blick, wo auch diese den Vorteil erkennen , welcher der Heeresleitung aus

einer Teilung

Gleichgewicht

ihrer

zwischen

Kräfte beiden

erwächst, Teilen

zunächst

ein

wieder eintritt :

gewisses

denn,

wie

bereits bemerkt ; noch war die taktische Überlegenheit keineswegs auf Seite der neuen Fechtweise ! Aber auch sie erfahren nun, wie sehr

die Schwierigkeiten

für

die Leitung

gestiegen

sind,

seit der

Feldherr nicht mehr selbst sein ganzes Heer unter Augen hat, nicht mehr direkt und persönlich durch seine Befehle wirken kann, während seine Unterführer, an ihre selbstständige Stellung nicht gewöhnt und von der damit verbundenen vergröfserten Verantwortlichkeit gedrückt, fast noch mehr Mühe haben, in ihre neue Stellung sich hineinzufinden. Beide Teile aber leiden gleichmässig unter der Ungewissheit, dem Dunkel, das nun den Gang der Ereignisse ihnen verdankt. Die Kunst der Heerführung war gegen früher sehr viel schwieriger geworden : bis zum Jahre 1796 hatte auch auf der Seite der Franzosen noch kein wahrhaft grofser Führer gezeigt, wie gewaltige Erfolge mit der neuen Kriegführung sich erzielen lassen. Der letzte Teil des Bandes beschäftigt sich nun mit dem ersten Auftreten des Mannes, der die neue Form der Kriegführung zur Meisterschaft entwickeln und der ganzen Periode den Stempel seines Namens aufdrücken sollte. An der Hand der Ereignisse von 1796 weist der Verfasser zunächst nach, dafs auch Bonaparte erst ganz allmälig, gleichsam durch Probiren, wie weit er gehen könne, dahin gelangt, sich zum Herrn und Meister in der ihm zunächst ebenfalls Seine eigene völlig neuen Kunst der Heerführung zu machen. dämonische Energie und Willensstärke ist es zuerst , welche ihm die Herrschaft gewinnt über sein eigenes Heer. Aus Strolchen und Vagabunden macht er 1796 in Italien erst Soldaten , flöfst ihnen einen Teil seiner eigenen Energie ein, reifst sie zur Bewunderung und zum völligen Vertrauen auf seine Person hin, und erhebt sie endlich auf eine Stufe der taktischen Tüchtigkeit, auf der sie dem Gegner schliesslich auch taktisch überlegen werden : damit aber ist denn auch die ,, spezifische Überlegenheit" welche den kriegerischen Erfolg so zu sagen sicher stellt, erreicht und gewonnen! Viele der bei der vielumstrittenen Belagerung Mantuas von

Geist und Stoff im Kriege.

79

Bonaparte ausgeführten Maſsnahmen glaubt Verfasser lediglich als Verlegenheitsschritte ansehen zu dürfen ; er setzt sich hier mehrfach in direkten Gegensatz zu Clausewitz und verfährt mit diesem grofsen Lehrer unser Aller, den er auch als den seinigen anerkennt, hier und da etwas unsanft,

obwohl er in den meisten Fällen sachlich

wohl gegen den Altmeister Recht behalten dürfte. Nicht eine besonders geniale Anlage , sondern die elementare Energie der Ausführung, die Zähigkeit, nach jedem Rückschlage neu und mit noch verstärkter Energie wieder von vorn anzufangen, diese Eigenschaften Bonaparte's sind es gewesen, welche schliesslich den Sieg an seine Fahnen gefesselt haben , namentlich dadurch, dafs ein grofser Teil dieser unbesieglichen Energie

auf seine Unterfeldherrn

und seine Truppen überging. Denn : die neue Form der Kriegführung kann nicht mehr wie die frühere nur einen Willen, nur den des Oberfeldherrn, zum Ausdrucke bringen ! Ebenso wie der Schütze in der Feuerlinie ein unvergleichlich gröfseres Mafs von Selbstthätigkeit und Selbstständigkeit braucht, als der Grenadier der alten Zeit, der stets und ausschliefslich nur auf Kommando seine Thätigkeit in vorher fest eingedrillter Form

zu entwickeln hatte, ebenso wirken

von nun an auch in der Führung viele Einzelwillen in mehr oder minder weiter Selbstständigkeitssphäre unter dem des Oberfeldherrn : der Sieg wird von beiden Teilen demjenigen

zu Teil, bei dem alle

Beteiligten das gröfsere Mafs von Energie,

Eifer und Verständniss

entwickeln , von dem gröfseren Selbstvertrauen und freudigerer Selbstverleugnung getragen werden ! Dies Gepräge aber trägt die Kriegskunst seit den Tagen von 1796 unverändert fort bis auf den heutigen Tag! Die moralischen Faktoren sind gegen früher in ihrer Bedeutung unendlich gestiegen! Der Verfasser wird im nächsten Bande nun seine 97 Geschichte der Kriegskunst " hoffentlich weiterführen bis zur Gegenwart, und auch für die dunkle Zukunft werden daraus manche wertvolle Hinweise sich ergeben ! Denn wer könnte es sich wohl verhehlen, dafs eine Wiederkehr so rascher ,

gewaltiger Erfolge ,

wie sie unsern Waffen 1866

und

1870 zu Teil geworden sind, für die Zukunft in gleichem Umfange kaum wieder zu erwarten sind ? Das , was im Kriege dem „ Geiste" zur Freiheit verhilft, was ihn über die hemmenden und fesselnden Einflüsse des Stoffes hinweghebt, das ist - dies Resultat dürfte aus den Darlegungen des Verfassers mit Sicherheit hervorgehen ! Die spezifische Überlegenheit " , die den Gegner zwingt, das Gesetz von uns anzunehmen . Sowohl 1866 wie 1870 hatten wir diese spezifische Überlegenheit : 1866

beruhte

Geist und Stoff im Kriege .

80

sie auf unserer besseren Bewaffnung, 1870/71 auf unserer Überzahl , in beiden Feldzügen aber aufserdem in der trefflichen Heeresleitung, der die Unterführer mit Verständnifs und Thatkraft entgegenzukommen verstanden. Seit 25 Jahren sind nun alle unsere mutmaslichen Gegner mit nimmer müdem Eifer bemüht, uns zu erreichen, wenn irgend möglich Was Bewaffnung, zu überflügeln , indem sie uns nachahmten . Organisation und Masse der Streitkräfte darin so ziemlich gleich stehen ; ob

anlangt,

dürften sie

uns

es ihnen auch auf dem Gebiet

der eigentlichen Kunstübung, auf dem der Heerführung, gelingt, uns nachzuahmen, kann im Frieden Niemand mit Sicherheit feststellen , und darum auch nicht behaupten, dafs dies niemals der Fall sein werde. Was aber dann geschieht, wenn beide Gegner gleichwertig einander gegenübertreten, das zeigt uns die Geschichte : der Gang . des Krieges wird langsamer, schleppender, die Entscheidungen werden unsicherer und minder durchschlagende gleiche Tüchtigkeit der Heere wie der Führer erschwert die Durchführung wie die Entscheidung !

den

Aber noch von einer anderen Seite her bedroht heute der „ Stoff" Geist" im Kriege ! Mit dem gewaltigen Anwachsen der Massen,

die wir heute ins Feld zu führen gedenken , wächst auch deren Bedürftigkeit, wächst die Schwierigkeit ihrer Unterhaltung. Gewifs besitzen wir in unserem immer dichter und immer leistungsfähiger werdenden Eisenbahnnetz

auch

ein Transportmittel,

wie

es keine

Vorzeit jemals besessen hat. Aber dies Transportmittel ist höchst empfindlich gegen Störungen aller Art und reicht seiner Natur nach niemals uns

hinein in das eigentliche Gebiet der Operationen.

immer

gelingen wird,

Störungen fern

zu halten,

Ob es

ohne

die

Operationen deshalb verzögern oder gar verlegen zu müssen ; ob unsere Mittel, von den Endpunkten jener Lebensadern unserer Heere diesen in das Operationsgebiet selbst alle ihre Bedürfnisse nachzuführen, auch dann ausreichen werden , wenn wir Hunderttausende zur Entscheidung zusammenführen, ja wohl gar längere Zeit zusammenhalten müssen ; ob dies auch der Fall sein wird auf einem Kriegstheater, welches nicht über den Reichtum an Hilfsquellen verfügt, wie unser letzter Kriegsschauplatz, das Alles sind Fragen, mit absoluter Bestimmtheit bejahen lassen.

die sich heute nicht

Schwierigkeiten sind bekanntlich dazu da, um überwunden zu werden ! Nur von diesem Standpunkt aus hat es, zumal für einen Soldaten einen Sinn, diese aufzusuchen und zu erwähnen. Erkannte Schwierigkeiten aber sind, sofern nur die Erkenntnifs rechtzeitig kommt, bereits zur Hälfte überwunden , und die Erkenntnifs, dafs unser

Geist und Stoff im Kriege.

81

nächster Feldzug wahrscheinlich einen wesentlich anderen Charakter zeigen wird als der von 70/71

ist heute bereits ziemlich verbreitet.

Dafs das Bild des Krieges sehr vielgestaltig sein kann, und dafs das Bild des ,,frischen und fröhlichen Krieges ", wie es uns Deutschen seit 1866 und 1870 vorschwebt,

in der Geschichte eben nicht all-

zuhäufig wiederkehrt, ist längst bekannt.

Wenn aber Clausewitz die

Stärke der politischen Spannung, welche durch einen Krieg sich ausgleichen soll, als den Gradmesser für die Energie aufstellt, mit welcher die kriegerische Handlung sich abspielt, so zeigt sich jetzt doch, dafs dieser Gradmesser nicht ausreicht. Wie grofs die politische Spannung bei

dem gewaltigen

Kampf

zwischen

Habsburg im Anfange des vorigen Jahrhunderts

Frankreich gewesen

ist,

und das

geht am besten aus den gewaltigen Opfern hervor, welche von beiden Teilen gebracht worden sind, um die Entscheidung zu ihren Gunsten zu lenken !

Diese "" Spannung" war gewils

nicht geringer, als die-

jenige zwischen Preufsen und Frankreich 1870 : und wie grundverschieden ist das Bild dieser beiden Kriege ! Dafs es der ,, Stoff" sein kann, der den ,, Geist" im Kriege in Fesseln schlägt, dafs dessen Einfluss aus einem prachtvollen Gewitter einen Landregen machen kann : darauf hat unseres Wissens unser Verfasser zum ersten Male hingewiesen, wie er auch der erste ist , der auf die Bedeutung der ,,spezifischen Überlegenheit" hingewiesen hat. Zweimal schon im Verlaufe seiner Geschichte hat, ganz gegen

die Erwartung der Zeitgenossen, das preussische Heer solche n spezifische Überlegenheit" entwickelt, deren Quellen in beiden Fällen lediglich in stiller,

aber unablässiger Friedensarbeit gelegen haben.

Fleifs und Energie haben uns 1740 wie 1866 zum ersten Militärstaat der Welt, unser Heer zum Muster aller Übrigen gemacht. Sie konnten es nur, weil die Männer, welche diese Glanzperioden unserer kriegerischen Leistungsfähigkeit auf den Exerzir- und Übungsplätzen im Frieden vorbereitet haben, mit klarem Blick herausfanden , was die Zeit erforderte. Denn an Fleifs und Thatkraft hat es bei uns auch in der Zeit vor dem Zusammenbruch von 1806

nicht gefehlt,

wohl aber an der rechtzeitigen Erkenntnifs der Anforderungen , welche die neue Zeit und die neuen Formen, welche deren Folgen in die Kriegführung eingeführt hatten , auch an unser Heer stellen würden, sobald dieses in die gewaltigen Kämpfe hineingezogen wurde, die Europa erschütterten : seit zehn Jahren bereits spielten diese vor unseren Augen sich ab, und dennoch blieb Alles beim Alten im Heere Friedrichs des Grofsen! Wir alle wissen,

dafs eine ähnliche Gefahr uns heute nicht be-

droht; wir sind diesmal nicht eingeschlafen auf unsern Lorbeeren Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 1. 6

Geist und Stoff im Kriege.

82

von 1866 und 1870/71 ! ferner wachsam

Immerhin aber haben wir Ursache, auch

zu sein, damit

wir etwaige neue Erscheinungen ,

welche ein künftiger Krieg uns bringen kann, rechtzeitig erkennen, und deren Anforderungen wirksam begegnen können. Dank gebührt daher einem Schriftsteller, der uns den Blick für die Zukunft schärft, indem er uns das volle Verständnis für die Vergangenheit, für den Gang, den die Entwickelung unserer Kunst gewonnen hat, völlig zu erschliefsen versucht. Hierin finden wir das Verdienst der Schrift, besprochen haben !

deren Inhalt wir

Der nächste Band wird die weitere Entwickelung

bis auf unsere Tage bringen : wenn es dem Verfasser gelingt, diesen zweiten Band auf gleiche Höhe

mit

dem vorliegenden

ersten zu

bringen, so wird das vollendete Werk eines der wertvollsten sein, welches unsere Fachlitteratur besitzt. Das Buch erfordert freilich ein gewisses Studium ; der Leser darf, um sich seiner zu erfreuen, einige Arbeit nicht scheuen, aber wer sich einmal hineingelesen hat, den läfst es so leicht nicht los ; auch an den wenigen Stellen, an denen man sich den Ansichten des Verfassers nicht anschliefsen kann, Argumentation.

fesselt seine Darstellung und seine

Zum Schlufs sei noch bemerkt, dafs der Verfasser, bisher Oberlieutenant in der kaiserlich und königlich österreichischen Artillerie das dreilsigste Lebensjahr noch nicht erreicht hat !

Schreitet seine

eigene geistige Entwickelung mit seinen Lebensjahren weiter fort, so haben wir alle Ursache, Bedeutendes von ihm zu erwarten . Lge.

VI.

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

Die im vorigen Jahr in der französischen Armee stattgefundenen Truppenübungen haben wiederum wie in früheren Jahren eine Ausdehnung und eine Vielseitigkeit gezeigt, welche beweist, wie sehr das Streben der französischen Kriegsverwaltung darauf gerichtet ist, alle Glieder des weit verzweigten Organismus einer Prüfung und Kontrole auf ihre militärische Ausbildung und Tüchtigkeit zu unterziehen und

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

83

der obersten Heeresleitung die Gelegenheit zu bieten, sich von der Leistungsfähigkeit der einzelnen Waffen und der Vorbereitung der Hülfsdienste auf den Krieg ein Urteil zu bilden. Gleichwie in Deutschland, so umfafste auch das in Frankreich für die Manöver entworfene Programm Übungen gröfserer und kleinerer Heeresteile in kriegsmässiger Zusammensetzung, Spezialwaffen und der zugehörigen Organe.

sowie Übungen der

Bei zwei Armeekorps,

dem 12. (Limoges) und dem 17. (Toulouse) waren zehntägige gemeinsame Manöver angeordnet. Bei zehn Armeekorps fanden 14 tägige Übungen in Divisionsverbänden statt, bei 6 Korps beschränkten sich dieselben auf die Infanterie-Brigaden von eben solcher Dauer.

In

grofsem Umfang ist die Kavallerie in diesem Jahr zu Übungen herangezogen worden. Siebenzehn Brigaden waren 8 Tage lang vereinigt. Die Leitung grofser Reiterübungen war dem General de Jessé, Präses des Kavallerie-Komitees, übertragen. Unter seinen Befehlen standen zu diesem Zwek die 1. , 3. und 7. Kavallerie-Division, welche zwölf Tage in verschiedener Formation taktische und strategische Aufgaben in dem Abschnitt Paris-Orleans lösten. Es fanden ferner Kavalleriemanöver statt für die 4. und eine aus 3 Brigaden kombinirte provisorische Division, der zwei reitende Batterien zugeteilt waren. Es waren also im Ganzen fünf Kavallerie-Divisionen zu taktischen Übungen versammelt, die aufserdem zur Ausübung des Aufklärungsdienstes vor der Front gröfserer Heeresabteilungen in umfassender Weise herangezogen wurden. Über die Ergebnisse der Übungen, die hauptsächlich darauf hin gerichtet waren , bezüglich des im Jahre 1895 eingeführten neuen Exerzir - Reglements Erfahrungen zu sammeln und neue Wahrnehmungen zu machen, ist im Allgemeinen wenig bekannt geworden . Noch immer scheint man in Frankreich nicht ganz von dem programmmäſsigen Verlauf gröfserer Übungen und Manöver sich loslösen zu können und am Tableau festzuhalten . Andererseits ist nicht zu verkennen, dafs General de Jessé, der gegenwärtige Leiter des KavallerieKomitees und Hauptberater in allen Fragen der Ausbildung und Verwendung der Reiterwaffe, sichtlich bemüht ist , im Sinne Galifet's weiter zu wirken, und den Geist der Offensive in höherem Maſse in die Auffassung und Beurteilung von Gefechtsaufgaben zu legen. In der militärischen Presse wird den vorjährigen Kavallerie - Divisionen nachgerühmt, dafs die Unterführer mehr Selbstthätigkeit und Initiative gezeigt hätten, sowie dafs vermehrte Beweglichkeit und Flottheit im Aufklärungs- und Erkundungsdienst vor der Front, und im Sicherheitsdienst auf dem Marsch erkennbar gewesen sei. Es war dies

6*

84

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

vielleicht ein Ergebnis der von dem obersten Leiter der Manöver der Waffe geliehenen Impulse. Im Übrigen reichen die Leistungen der französischen Kavallerie nicht an dasjenige heran, was bei derartigen gröfseren Übungen von der deutschen gefordert wird. Am meisten steht dabei nach wie vor das Pferdematerial und seine Ausbildung zurück. Es werden nach unseren Begriffen keine grofsen Leistungen verlangt.

Die Gangarten

sind kurz und nicht für weitere Strecken berechnet. Der Vorpostendienst wird so schonend wie möglich für die Pferde nach dem Gefecht ausgerichtet.

Trotzdem giebt es stets unverhältnifsmäfsig viel nicht

mehr dienstfähige Tiere. Bei den Gefechtsübungen, die zwischen Orléans und der Hauptstadt unter der Annahme stattfanden , daſs zwei Kavallerie- Divisionen einem in Paris eingeschlossenen Heeresteil als Vortrab einer anrückenden Hülfsarmee die Hand reichen sollten,

und dabei auf eine von dem

Einschliefsungskorps entgegengesandte Abteilung stiefsen , erschienen die drei Gruppen, welche die neue Felddienstordnung für die Aufklärung vorsieht ,

nämlich das Kavalleriekorps mit der Autklärungs-

aufgabe vor der Front der Armee, die Kavallerie des Armeekorps, welche die direkte Sicherung des Korps vor der Front des Armeekorps bewirken soll, und die Divisions - Eskadrons der InfanterieDivisionen. Diese drei Gruppen haben, wenn man den Urteilen der Presse Glauben schenken darf, sich in ihrem Auftreten mit den Lehren der Felddienstordnung vertraut gezeigt ; da nun diese Lehren darauf abzielen, den Geist der Selbstständigkeit durch Vereinfachung der Formen und grössere Freiheit in der Anwendung derselben zu heben, so hofft man, dafs sie der ganzen Armee zu Gute kommen werden , indem sie die Reitermasse mit der Zeit befähigen, den Anforderungen der Heeresleitung sowohl in strategischer als in taktischer Beziehung gerecht zu werden . Im Lager von Chalons fanden im Laufe des Monats Juli gröfsere Übungen von Artillerie - Truppenteilen statt, welche zu dem Zweck veranstaltet waren, sowohl auf taktischem als technischem Gebiet, Erfahrungen zu sammeln und Beobachtungen anzustellen .

Der taktische

Teil jener Übungen galt der Prüfung des neuen Reglements über das Bespanntexerziren, durch welches die gefechtsmässige Bewegung und Aufstellung der Feldbatterien wie der Batterieabteilungen wesentliche Änderungen erfahren hat. Diese Änderungen ergeben sich dadurch, dafs die Geschütze unabhängiger geworden sind von den Munitionswagen, weil jede Protze 4 Mann Bedienungsmannschaft statt früher Jetzt bilden die Munitionswagen eine gesonderte drei aufnimmt.

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres. Staffel, welche der Batterie in zweiter Linie folgt.

85

Auf diese Weise

gliedert sich eine Batterie in sechs Geschütze mit drei Wagen als erstes Glied und 6 Munitions-, 1 Batteriewagen nebst Feldschmiede als zweites Glied der Gefechtslinie. Die Geschütz-Intervallen in dieser Aufstellung sind erweitert, die Tempos bei der Bewegung dagegen verkürzt. Die in Chalons vereinigten 36 Feldbatterien, welche allen Regimentern entnommen waren, übten unter dem Befehl des Generals. Nismes die Marsch- und Gefechtsformationen nach den neuen reglementarischen Vorschriften, um dem Artillerie-Komitee die Handhabe zur Beurteilung der neu eingeführten Evolutionsweise zu bieten. Auf den weiten Flächen des Lagers von Chalons sollen aufserdem auchdie neuen 12 Centimeter - Haubitzen , die nunmehr definitiv in die Feldartillerie eingestellt worden sind, Gegenstand weiterer Versuche gewesen sein. Die Aufgaben der mit diesen Geschützen ausgerüsteten Batterien bestehen nicht sowohl in der Beschiefsung von Truppen hinter Deckungen Infanterieangriffs .

als

vielmehr in der Vorbereitung

des

Sie sollen dabei hauptsächlich mit ihren Spreng-

granaten gegen Deckungen wirken.

Diese erst im vergangenen Jahre

in Gebrauch genommenen Haubitzen, die man mit dem Namen n Schnellfeuer-Haubitzen " bezeichnet hat, haben in diesem Sommer eine weitere Probe ihres neuen Reglements zu bestehen gehabt . Das noch wenig bekannte Geschütz ruht auf einer Oberlaffete, die seitlich drehbar ist. Die Rückwärtsbewegung des Rohres wird, in sinniger Weise , durch eine hydraulische Bremse beschränkt, die Weitersicherung wird durch komprimirte Luft bewirkt. Der Rücklauf ist dadurch eigentlich aufgehoben, sodafs die Kontinuität des Feuers mehr gesichert erscheint . Die Feuergeschwindigkeit soll bei schnellem Feuer Man darf mit Spannung den 6 Schufs in der Minute betragen. Ergebnissen dieser Übungen entgegensehen, die zunächst artilleristische Kreise besonders berühren. Bei dem Schiefsen mit diesen Schnellfeuer-Haubitzen ist sowohl das Schrapnell wie die Sprenggranate als Geschofs verwendet worden. Das erstere wird gegen lebende Ziele verfeuert, wenn es durch die Splitter, gegen todte Ziele, wenn es durch den Stofs des ganzen Geschosses wirken soll. Die Sprenggranate wird gegen Erdziele geworfen, die sie vollständig zerwühlt, gegen lebende Ziele wirkt sie sowohl durch ihre Sprengteile, als durch den Gasdruck ; sie soll,

um das Zerreifsen des Geschosses möglichst

wirksam durchzuführen , 6 Kilo Melinit Sprengladung haben . Zu dem Übungsprogramm der Feldartillerie in Chalons haben auch Schiefsversuche gegen Fesselballons gehört.

Man hat

bis auf eine Entfernung von 4 Kilometer nach solchen Ballons geschossen, und dieselben erreicht .

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

86

Den Übungen der Feldartillerie folgten am 23. Juli die Übungen der Festungsartillerie unter General Bonnefond, dem Befehlshaber der Artillerie des verschanzten Lagers von Paris. An denselben nahmen 7 Bataillone Fufsartillerie teil, welche 30 Festungsbatterien Diese Übungen im Festungsin kriegsmäfsiger Stärke formirten. und Belagerungsdienst lehnten sich eng an diejenigen an, welche im Jahre 1894 auf der nordöstlichen Festungsfront von Paris stattfanden, wobei es sich um Angriff und Verteidigung des Forts Vaujour handelte. Sie waren eine Schule in allen auf den Artilleriekampf bezüglichen Verrichtungen der Waffe sowohl offensiver wie defensiver Natur. Spezielle Aufgabe war die Bedienung und Manipulation mit dem 120, 138 und 155 mm Festungsgeschütz und dem 220 mm Mörser sowie die Verwendung der Om. 60 Feldeisenbahn

nach dem

System Pechot zu artilleristischen Transporten. Wie bekannt, hatte die Festungskriegsübung von 1894 in mehrfacher Beziehung die Mängel und Schwächen der reglementarischen Formen wie der Schiefsvorschriften für die Fufsartillerie zu Tage gebracht. Zur Abstellung dieser Mängel sollten auf den Artillerieschiefsplätzen von Chalons eine Reihe von Versuchsschiefsen ausgeführt, und ebenso ein neues Geschützbedienungsreglement probirt werden.

Es sollte sich aber dabei nicht blofs um Übungen technischer

Art im Belagerungskrieg handeln, sondern um eine Vereinigung von Feld- und Festungskrieg, wie sie gegenwärtig allein der Wirklichkeit entspricht.

Der Leiter dieser Übung war bei Anordnung der Manöver

von nachstehenden Gesichtspunkten ausgegangen , die als Direktiven galten. Im modernen Festungskriege handle es sich nicht mehr wie bei dem zu Zeiten Vauban's, um die Herstellung einer Bresche und die Ersteigung derselben mit stürmender Hand. Der angegriffene Abschnitt einer Festung trage heute mehr den Charakter eines zur Verteidigung

eingerichteten Schlachtfeldes mit dem

Unterschied,

dafs

seine Stützpunkte aus permanenten Befestigungswerken, und nicht aus einfachen Feldbefestigungen beständen. Heute bestimme der Verlauf der Feldschlacht und nicht der örtliche Sturm den Fall des regelmäfsig angegriffenen Abschnittes.

Die entscheidende Schlacht

werde durch eine fortgesetzte Reihe von Gefechten und durch die Feuerwirkung der Angriffsbatterien vorbereitet . Hieraus folge als Lehre, dafs das Personal und Material der Batterien nicht mehr wie früher durch Deckungen geschützt werden könne. Man müsse also den Schutz

dieser Batterien

auf eine

andere Weise

suchen, und

werde ihn nur in Stellungen, welche der feindlichen Sicht entzogen sind, und in der Beweglichkeit der Artillerie finden.

Aufgabe aller

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

87

Führer der Waffe sei nun, für den Angriff wie für die Verteidigung die besten Mittel zu finden, um die Bestimmung der Ziele für die Artillerie zu erleichtern. Dies sei auch der Kernpunkt der Chaloner Übungen. Heute wäre eine vom Feinde gesehene Batterie eine zerstörte Batterie, so müsse man wohl oder übel den indirekten Schufs anwenden, woraus sich für Angriff wie für Verteidigung die Notwendigkeit ergäbe, durch eine genaue Erkundung des Geländes die Stellungen der vom Gegner erbauten Batterien zu bestimmen, und ferner die fehlerhafte Einrichtung der Beobachtungsstände zu verbessern und die Ausbildung der Beobachter zu vervollkommnen . Über die genaue Anlage und den Verlauf der Festungskriegsübungen auf dem Polygon von Chalons ist nichts näheres bekannt geworden. Man hat dieselben mit grofsem Geheimnifs umgeben, und ebenso die bei diesen Manövern gewonnenen Erfahrungen und Eindrücke streng geheim gehalten . Aus den Andeutungen der Fachpresse ist indefs zu ersehen, daſs man bei Veranlagung der Übungen vom grofsen Gesichtspunkte ausgegangen ist, und namentlich die Ausbildung der Führer im Festungskriege im Auge gehabt hat. Dabei ist der Verbindung vom Feld- und Festungskrieg in entsprechender Weise Rechnung getragen worden, sodafs auch die anderen Waffen von diesen Übungen Nutzen gezogen haben.

Auch die übrigen im Bezirk der sechsten Region (Hauptquartier Chalons) abgehaltenen Übungen (zu welchen das Lager von Chalons gehört) waren bemerkenswert. Diese Manöver fanden meist in der Nähe der deutschen Grenze statt ; die denselben zu Grunde gelegten Kriegslagen waren alle im Hinblick auf die Verteidigung der Grenzlandschaften gedacht. In dem die Grenze bildenden Abschnitt des Vogesengebirges übten Teile der am meisten gegen Elsafs-Lothringen vorgeschobenen Truppen. Die Aufgaben waren dabei so gestellt, daſs es sich um die Verteidigung und Behauptung der Gebirgsübergänge und Thäler etc. der östlichen Gebirgshänge der Vogesen handelte. Sehr bemerkenswert waren ferner die Übungen der AlpenSeitdem zwischen truppen an der italienischen Grenze . Frankreich und Italien eine gewisse Spannung in den internationalen steht man sich auf jener Grenze im Beziehungen herrscht , Die zuHochgebirge beobachtend und mifstrauisch gegenüber. erst dort in kleinerem Umfang vorgenommenen Übungen haben im Lauf der letzten Jahre eine zunehmende Erweiterung erfahren, und sind in vorigem Jahre streng methodisch und im Hinblick auf einen Kampf mit den gegenüberstehenden italienischen Alpini nach

88

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres .

bestimmt untergelegten Ideen von vier Detachements, von denen ein jedes 8 Tage in den Monaten Juli und August übte, durchgeführt worden . Diese Detachements bestanden aus je 2 Bataillonen Linie, 2 Feldbatterien und einer sogenannten Alpengruppe, die ein Gebirgsjägerbataillon, eine Gebirgsbatterie und

einen Trupp Pioniere um-

fafste. Jedes derselben war in zwei Teile geteilt, die sich einander gegenüberstanden. Der zum Befehlshaber einer Alpenarmee im Frieden schon bezeichnete General Coiffé, sowie die kommandirenden Generale des 14. und 15. Armeekorps ,

Faure , Biquet und Caze, und andere

hohe Offiziere wohnten alsdann den vom 1. bis 10. September abgehaltenen Gefechtsübungen in gröfseren Verbänden bei . Bei diesen waren teils einige Brigaden einander gegenübergestellt, teils wurde mit markirten Gegnern manövrirt. Der Schauplatz dieser Kämpfe war der Raum zwischen Briançon und Saint - Sauveur, in den Departements Hautes Alpes, Basses Alpes und Alpes maritimes . Der Kampf drehte sich dabei hauptsächlich um die Verteidigung des Ubayethales, das von der italienischen Seite her sehr zugänglich ist und vermöge der, den Italienern gehörenden Gebirgsübergänge diesen leicht unter Umgehung der dort angelegten Werke des verschanzten Lagers von Tournoux, den Zugang zu den Strafsen nach Briançon, Grenoble und Lyon öffnen. Die französischen Gebirgstruppen haben aber um so mehr die Aufgabe, die wichtigen Defileen des Thales von Barcelonette (am Ubaye) und diesen Ort und dessen

Umgebung zu be-

haupten, als alle Unterstützungen von rückwärts her nur bis Chorges mit der Eisenbahn gelangen können, dann bedarf es noch mehrtägiger Märsche durch ein steriles, dünnbevölkertes Land. In dieser Zeit können die Gegner bequem die obere Durance erreichen .

Wie sehr

genannte Gegend von italienischer Seite beobachtet und rekognoszirt wird, das beweist der Umstand, dafs dort in neuerer Zeit wiederholt italienische Offiziere bei Geländeaufnahmen überrascht worden sind.

In den zehntägigen Gefechten haben die kämpfenden Abteilungen grofse Findigkeit,

Ortskenntnifs und Geschick in der Benutzung des Gebirgsgeländes bethätigt, ungewöhnliche Abhärtung gegen die Einflüsse von Natur und Klima gezeigt und Marschleistungen an den Tag gelegt, die einen hohen Grad von Ausdauer, Zähigkeit und , Widerstandsfähigkeit im Ertragen von Strapazen und Entbehrungen bekundeten . Die französische Armee hat in ihren 12 Bataillonen Gebirgsjägern eine kriegstüchtige , zum Kampf an jener Alpengrenze gesohulte, physisch und moralisch für die Aufgaben der lokalen Grenzbewachung vortrefflich erzogene Truppe, die ebenso wie die militärisch organisirten Zoll- und Forstbeamten ein vortreffliches Element des

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

89

französischen Heeres für die Abwehr einer Invasion bilden.

Es sei

daher gestattet, einen Augenblick bei ihnen zu verweilen . Jede der sechs Kompagnien eines Gebirgsjägerbataillons ist für die Obliegenheiten bei der Verteidigung des ihr zugewiesenen Grenzabschnittes besonders ausgerüstet,

und nach den Erfordernissen des

Lebens im Hochgebirge mit dem entsprechenden Apparat versehen. Sechs Maultiere tragen einen kleinen leicht beweglichen Park ; eines derselben transportirt die Tragbahre,

ein zweites Utensilien,

zwei

schaffen die Munition und zwei andere die Bagage der Kompagnie fort. Die Kompagnie führt aufserdem zehn Paar Schneeschuhe, zum Überschreiten von Schnee- und Eisfeldern , zwei starke Taue zum Anseilen und einen optischen Apparat, Hülfe von Sonnenlicht

oder von

der dazu eingerichtet ist, mit

einem

Spiegelreflektor

bezüglich

einer Lampe Signale auf weite Entfernung zu geben. Der Anzug des Gebirgsjägers ist ebenfalls den Eigentümlichkeiten des Gebirgskrieges angepasst . Auf dem Haupt trägt er die tellerartige baskische Mütze, den Leib bekleidet eine weite Tuchjacke mit Seitentaschen, die durch eine breite Binde von blauer Wolle um die Taille festgehalten wird.

Das weite Beinkleid wird von einer Waden-

schiene zusammengefafst, die vom Knie bis zum Knöchel reicht . Fufsbekleidung dienen ein Paar eisenbeschlagene Schnürstiefel.

Als Ein

Mantel von starkem Lodentuch mit Kapuze vervollständigt die Ausrüstung . Jede Korporalschaft führt einige Stücke Feld- und Lagergerät mit sich , namentlich Teller , Kochkessel , Kaffeemühle , Zeugeimer , ferner Hacken, Äxte, Beile, Spaten, Sägen, Hammer etc. , um schnell Deckungen in Erd- und Felsboden herzustellen . besteht eine Elite-Korporalschaft , ausgesucht,

In jeder Kompagnie

die Mannschaften derselben sind

Leute von besonders kräftiger Körperkonstitution und

gute Schützen, die sich aufserdem durch Intelligenz und Findigkeit auszeichnen .

Diese Elite-Korporalschaft wird von einem Offizier be-

fehligt, zu ihren Aufgaben gehören alle besonders schwierigen Aufträge im Erkundungs- und Aufklärungsdienst . Die Mannschaften werden auf 4 bis 6 Kilometer vorgeschickt, um die Bewegungen des Feindes zu beobachten und ihm in den unzugänglichsten Teilen der Alpengebirge gegenüberzutreten. Die Gebirgsjäger blieben in

den

ersten

Jahren

nach

ihrer

Formation ( 1883), zunächst während des Winters, in ihren Standquartieren, wie Annecy, Albertville, Grenoble, Nizza, Mentone etc., dann wenn der Schnee im Mai geschmolzen war, rückten sie in ihre Verteidigungsabschnitte ein , um daselbst , unter zunehmenden Strapazen und Entbehrungen, Marsch- und Schiefsübungen im Ge-

90

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

birge, Reknoszirungen, Gefechte und selbst Manöver in zwei Abteilungen gegen einander abzuhalten. Auf Grund der neuesten Anordnungen

sollen die Grenzgebiete auch im Winter von Truppen besetzt sein. Nach Beendigung der letzten Herbstübungen blieben daher auf den vorgeschobensten Punkten einzelne Kompagnien zurück, welche dort belassen wurden, bis der Schnee die Höhen unzugünglich gemacht hatte . Dann übernahm auf denselben ein Offizier nebst 30 bis 40 von den kräftigsten sich freiwillig meldenden Jägern die Bewachung. Die Posten liegen in Höhen bis zu 2400 Metern. Jede dieser Grenzbewachungsstationen besteht aus einer Offizier- und einer Unteroffizierbaracke, welche zugleich die Brenn- und Proviantvorräte aufnimmt ; einer Soldatenbaracke (zugleich Küche und Lagerraum für die Weinvorräte), einer Werkstattbaracke, einem Speicher für Lebensmittel, einer Stallung für die Maultiere sowie für das zum Schlachten bestimmte Vieh. Um die Zufuhren an frischem Proviant sicher zu stellen, ist in dem nächsten Thalort, der Telephonverbindung mit der Station besitzt, ein Sergeant mit einer Sektion Jäger stationirt, die mit Hülfe von Maultieren die Station in bestimmten Zeiträumen mit frischen Vorräten zu versorgen hat. Damit diese Zuführung von Proviant ungestört stattfinden kann, ist es nötig, dafs sich die Gebirgsposten vor dem Einschneien bewahren und die Verbindung mit der Thalstation stets offen halten . Nach jedem Schneefall und nach Lawinenstürzen pflegt die Besatzung daher auszurücken, um die Thalstrafse wieder gangbar zu machen, wobei an besonders der Versperrung ausgesetzten Stellen nicht selten kunstvolle Tunnel- und Schutzwehrbauten, sowie Durchstiche durch den Schnee nötig werden . Bei strengem Winter müssen diese Arbeiten mit ganz besonderer Rührigkeit betrieben werden, um den äussersten Vorposten auf dem Gebirgskamm eine Verbindung mit den rückwärtigen Thalorten zu erhalten. Dadurch sind die Mannschaften nicht nur sehr abgehärtet und an Wind und Wetter gewöhnt worden , sondern sie haben auch eine gewisse Fertigkeit und Gewandtheit im Bau und in der Anlage von Hindernifsmitteln , Verhauen und deckenden Schutzwehren erworben, die ihnen bei der künstlichen Verstärkung des Geländes zur Verteidigung zu Statten kommen wird. Für diese bisweilen mit sehr grofsen Anstrengungen verbundenen Arbeiten sind die französischen Gebirgsjägerposten mit einer ganz besonderen Ausrüstung versehen. Die Beine werden vom Knie bis zu den starken Gebirgsschnürschuhen mit Wadenbinden aus blauem Flanell umwickelt. Hierzu treten bei starker Kälte eine Gesichtsmaske aus Wolltrikot

und

bei

Sonnenschein

eine Brille

mit

ge-

Die vorjährigen grösseren Übungen des französischen Heeres. schwärzten

Gläsern.

In der

Hand

führt der

Gebirgsjäger

91

den

Alpenstock mit Hacken und Eisenspitze. Sobald die Schneeschmelze und damit entsprechende Verkehrserleichterungen

im

Alpengebiet

eintreten ,

wird

die

Besatzung

wiederum durch eine vollzählige Kompagnie ersetzt und die Verteidigungsgruppen nehmen wieder in den ihnen zugewiesenen Bezirken Aufstellung . Das Hauptinteresse wandte sich den grofsen Manövern im Departement der Charente zu , welche von dem 12. und 17. Armeekorps und einer kombinirten Division in der üblichen Zusammensetzung und Stärke vom 9. bis 16. September stattfanden. Abweichend von der sonstigen Zusammensetzung war nur die Zuteilung von Kavallerie . Jedes der beiden Korps verfügte nur über 2 Regimenter die kombinirte Division nur über 1 Husarenregiment. Die Manöver in der Charente haben nicht nur in Armeekreisen, sondern auch in der öffentlichen Meinung viel Staub aufgewirbelt, und

die

Kritik

in

ungewöhnlich

scharfer Weise

herausgefordert.

Den Anlaſs dazu gab die Art und Weise, in welcher der Leiter derselben, General Cailhôt die ihm gestellte Aufgabe löste, und die Auffassung, die er derselben zu Teil werden liefs . Sei es, daſs er von der Anschauung ausging,

die im Jahre 1893 eingeführte neue

Felddienstordnung und Manöverinstruktion sei verbesserungsbedürftig, sei es, daſs er überhaupt eine Reform der taktischen Prinzipien der Neuzeit und einen Wandel der Formen für geboten hielt , kurz er glaubte sich berufen , bei Gelegenheit der ihm unterstellten diesjährigen Herbstübungen mit ganz neuen Gesichtspunkten für die Ausbildung der Truppen hervorzutreten. Ihren Ausdruck erhielten dieselben in einer Instruktion,

in welcher der General in viele Details des

Dienstes eingriff, die zu den Funktionen der unteren Führer gehörten , und dafs er willkürlich Anordnungen traf, die gegen das Reglement und altbewährte Vorschriften verstiefsen. So untersagte er jede Initiative der Führung und wollte,

dafs nur nach den von ihm ge-

gebenen Befehlen und Direktiven gehandelt würde. Er erklärte den Aufklärungsdienst der Reiterei vor der Front im allgemeinen für unnütz, weil im Manöver beide Parteien sich stets sehr nahe seien ; alle Infanterieregimenter sollten ständig

einen Zug Kavallerie zu-

geteilt haben, der als Spitze, Seitendeckungen etc. verwendet würde . Der Marsch der Infanterie sollte grundsätzlich neben den Strafsen und zwar möglichst mit Aufsuchung von Marschhindernissen erfolgen, um die Mannschaften an das Durchwaten von Sümpfen , Fuhrten, Wasserläufen etc. zu gewöhnen und sie abzuhärten . Die Regimenter und Bataillone

hatten

dabei

in

eng aufgeschlossenen

92

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres .

Parallel- Kolonnen, die Artillerie zwischen der Infanterie, diese in zwei Doppelreihenkolonnen nebeneinander, mit 8 Mann Frontbreite zu marschiren, und zwar wie schon gesagt, möglichst durch Sturzacker, tiefen Sand oder Waldreviere, Schonungen und dergleichen. Vor der Front der Infanteriekolonnen sollten Pionierdetachements sich befinden, um Hindernisse, die nicht leicht zu überwinden waren, zu überbrücken , oder mit Zugängen zu versehen.

Ausserdem waren

in der Instruktion noch viele Bestimmungen über das Verhalten der Offiziere auf dem Marsch, über Ordonnanzen, Offizierburschen , Bagageführung, Sicherheitsanordnungen u . s. w. Die Instruktion umfafste mit den begleitenden Schematas , Skizzen, mathematischen Formeln etwa 30 Seiten, und wurde in der Presse zur Zielscheibe des beifsendsten Spottes gemacht. Der Schauplatz der Manöver war der Raum, der von der Eisenbahnlinie Paris -Angoulême durchschnitten und im Süden von der Charente und einem Nebenflufs derselben begrenzt wird,

Es ist ein

im Ganzen wenig ausgeprägtes Gelände, d . h . eine wellige Hochfläche, die das Loirethal von der Garonne scheidet. Die in sumpfiger Niederung fliefsende Charente bildet namentlich auch durch ihre unzähligen Krümmungen ein namhaftes Terrainhinderniſs einzelne Hügel, die sich bis 170 m erheben, und ebenso bastionsartige Kuppen gaben Gelegenheit zu guten Positionen, die auch voll ausgenutzt wurden . Auch der Thaleinschnitt des zur Charente flieſsenden Aigrebaches,

war

Lokalgefechte.

ein geeigneter Schauplatz

für

die Entwickelung im

Im Übrigen ist die Gegend eine fruchtbare, gut an-

gebaute und bevölkerte. An diese Gegend knüpft sich die Erinnerung an die Religionskriege in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts.

Hier kämpften in den damaligen Provinzen Poitou, Anjou,

Limousin Hugenotten und Katholiken um das Jahr 1560 miteinander unter verschiedenen Führern , namentlich Condé, Heinrich von Navarra, Tavannes, Coligny, Sanoue u. a. Was die Manöver selbst anbetrifft, so war ihr Verlauf infolge der Anordnungen von der obersten Kommandostelle her ein ganz eigenHierzu trug namentlich der Umstand bei, dafs an jedem Tage die den strategischen und taktischen Annahmen zu Grunde liegende Idee gewechselt wurde. So focht man am ersten Tage östlich von der Eisenbahn Angoulème-Paris in der Richtung von Norden nach Süden ,

artiger.

am zweiten Tage geschah ein Frontwechsel, der Angreifer ging von Osten her gegen den im Westen an der Charente stehenden Gegner vor, am 3. Tage stiefs man wieder, unter einer ganz neuen Annahme, in süd-nördlicher Richtung zusammen und so fort . Mit den jeden Tag wechselnden taktischen Ideen wechselte auch die Zusammensetzung

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

93

der einander gegenübertretenden Heeresteile, und infolge dessen die Befehlserteilung und Kommandoführung. An einem Tage standen sich die beiden Korps als Gegner gegenüber, dann wandten sich dieselben gegen die kombinirte Division ,

die als markirender Feind ge-

dacht war, und als ein Armeekorps galt . Im weiteren Verlaufe wurde die kombinirte Division brigadeweise den Armeekorps angereiht, dann wieder wurde sie geschlossen in einen Korpsverband übernommen und dafür eine Division aus demselben ausgeschieden, und mit Hülfe von aus verschiedenen Truppenteilen entnommenen Verstärkungen zu einem Kadre-Armeekorps formirt.

Das gewagteste Experiment aber war die

Umwandlung der beiden Armeekorps für einen Tag in zwei kriegsstarke Divisionen, wobei die Regimenter als Kriegsbataillone, die Brigaden als Regimenter,

die Divisionen als Brigaden auftraten.

Auflösung und Umgestaltung,

Die

die fast jeder organische Verband bei

dieser Gelegenheit erfuhr, konnte nicht verfehlen, manche Reibungen und Verwirrungen in der inneren Ordnung und dem Gefüge der taktischen Einheiten herbeizuführen. Die oberen Führer standen den niederen fremd gegenüber, diese waren wieder den Mannschaften völlig unbekannt. Die Folgen dieser Mafsnahmen und Anordnungen seitens des Oberbefehlshabers traten in verschiedenen Mifsständen und Unzuträglichkeiten zu Tage.

Der fortwährende Wechsel in der Ordre de bataille

von einem Manöver zum anderen , der beständig Truppenverschiebungen nötig machte, zwang die Truppen zu sehr anstrengenden Märschen und Dislozirungen. Aus diesem Grunde sowohl, als auch aus dem Umstande, dafs kein Geländehindernifs von den marschirenden Truppen umgangen werden durfte, ergaben sich Stockungen, Verspätungen und Unregelmässigkeit aller Art. Die von den Befehlshabern entworfenen Dispositionen kamen gar nicht oder nur teilweise zur Ausführung. Das meist sehr regnerische Wetter, welches die Übungen begleitete und die Wege unpassirbar machte, trug ebenfalls dazu bei, daſs die geplanten Gefechtsbewegungen Unterbrechung erfuhren , verlangsamten und nur angedeutet werden konnten . Bei Ablauf des Gefechts war selten der Absicht der Kommandirenden Genüge geschehen,

und es

bedurfte des Eingreifens durch höheren Befehl , um die gröbsten Unnatürlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten wett zu machen. Auch die ungemessen weite Ausdehnung der Positionen, welche der markirte Feind besetzte, wirkte sehr störend auf eine einheitliche Gefechtsleitung ein und erschwerte den Schiedsrichtern ihr Amt. Im höchsten Mafse anerkennenswert und löblich waren die Ausdauer und Zähigkeit, welche die Truppen aller Waffen, besonders aber die Infanterie , in dem Ertragen der Anstrengungen bethätigte,

94

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

die ihnen durch die Anordnungen der oberen Heeresleitung und die sich daraus ergebenden Verhältnisse auf dem Marsch und im Gefechtsfelde erwuchsen.

Mit vollster Hingabe an seine Pflicht und an

die Strenge des Dienstes hat der kleine, schwächliche Liniensoldat die ihm zugemuteten Entbehrungen ertragen und sich vom besten Geist beseelt gezeigt.

Es ist dies

ein nicht zu unterschätzender Beweis

dafür, wie sich die Disziplin und die innere Ordnung in den Truppen befestigt hat. Aber ein unverhältnifsmässig hoher Krankenstand hat bezeugt, dafs die an die Truppen gestellten Anforderungen deren Kräfte bisweilen überstiegen, zumal noch die Einflüsse des ungünstigen Wetters, die überfüllten Quartiere, der Dienst im Freien während der kalten Nächte als erschwerende Momente dazukamen.

Die Rolle , welche die

Reiterei bei den Herbstübungen in der Charente spielte, war eine sehr untergeordnete und beschränkte sich auf die Vorschiebung einiger Eskadrons, die vor die Front der Infanterie entsandt waren, um die Bewegungen des Feindes zu beobachten und Nachricht über denselben zu bringen.

Eine Verwendung in gröfseren Einheiten hat nicht statt-

gefunden, weil der Oberkommandirende dieselbe nicht zum Gefecht verwendet wissen wollte.

nur zum Aufklären,

Die Artillerie ist überwiegend in grofsen Batterien aufgetreten, aber man hat ihr den Vorwurf gemacht, dafs sie ihre Stellungen viel zu exponirt gewählt und daher dem direkten Schufs des Gegners zu sehr ausgesetzt gewesen ist. Sehr tüchtige Leistungen haben die Eisenbahnen bei den Manövern bethätigt, die von der umsichtigen Leitung des militärischen Transportwesens, der Reichhaltigkeit der Mittel desselben und vor Allem der zweckmässigen Organisation Zeugnifs legen. Nach dem

Journal Officiel " wurden auf den Bahnhöfen Angoulème - EtolChateauneuf, Jarnac und Cognac 866 Offiziere, 21645 Mann, 873 Pferde,

114 Fahrzeuge in 32 Zügen eingeschifft, im Ganzen waren 40 Züge erforderlich, um 30000 Mann , darunter 1160 Offiziere, zu transportiren. Am 18. September wurden auf der Station Jarnac, deren täglicher Verkehr den Durchschnitt von 250 Personen nicht übersteigt, 11 Züge mit 9170 Mann, 191 Pferden expedirt,

das rollende Material für den Transport von den Stationen Cognac, Jarnac und Chateauneuf war mit 1204 Wagen am 16. auf den Bahnhöfen Rochefort, Aigrefeuille, Nicot , Fontenay und Saintes bereitgestellt , so dafs es nur in Bewegung gesetzt zu werden brauchte, nachdem der Fremdenverkehr auf der eingeleisigen Strecke Brillant-Cháteauneuf am Paradetage ( 17. ) beendet war. Dieser Verkehr umfafste allein in Cháteauneuf 20000 Personen, mehr als 1, des Jahresverkehrs. Von 6 Uhr früh bis 9 Uhr

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres .

95

früh liefen auf diesem Bahnhofe 22 Züge ein, die am Abend wieder abgelassen werden mussten. Wenn auch nicht dabei zu übersehen ist, dafs die Züge für die Fremden und auch die Militärzüge nicht die Länge der Militärzüge bei der Mobilmachung , 100 Achsen, erreichten, so bleibt dies doch immerhin eine sehr bedeutsame Leistung, welche uns über die Fortschritte belehrt, die auch auf diesem Gebiet neuerdings in Frankreich gemacht worden sind. Es ist hier auch der Ort, der Übungen der Radfahrer im Jahre 1896 zu gedenken, welchen vom Kriegsminister grofse Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Es waren besondere Formationen für dieselben vorgesehen, mit denen unter verschiedenen Verhältnissen geübt wurde. Die wichtigste dieser Formationen bestand in einer 60 Mann starken , aus dem 87. Linienregiment entnommenen Kompagnie, die unter die Befehle des Hautmanns Gérard gestellt war, besonders erfahrenen Offiziers,

eines in diesem Sport

zugleich der Erfinder des zusammen-

legbaren Fahrrades, welches bis jetzt ausschliessliches Eigentum der französischen Armee ist . Die Kompagnie war in zwei Züge eingeteilt, welche von besonders gewandten radfahrenden Offizieren geführt wurden . Jeder Zug zerfiel in zwei von Sergeanten befehligte Sektionen.

Acht Unteroffiziere, vorzüglich geschulte Velocipedisten,

fungirten als Führer und Lehrer für ihre 6 Mann starken Korporalschaften. Zu der Kompagnie gehörte ferner ein zweisitziges Rad, auf welchem zwei Mechaniker mit ihren Werkzeugen Platz fanden, die dazu bestimmt waren, das Stahlrofs vor Beschädigungen zu bewahren. Ausserdem ein kleiner Fourgon, der zwei Reserveräder, verschiedene Reserveteile, die Tornister der Soldaten und die Offizierkoffer aufnimmt. sammen.

Er trifft mit der Kompagnie erst des Abends zu-

Die Erfindung des Kapitäns Gérard, das zerlegbare Fahrrad, kennzeichnet sich als eine Maschine, die ebenso sicher und leicht als Fahrrad benutzt wie schnell zerlegt als Gepäckstück auf dem Rücken des Mannes geborgen werden kann . Aufser dem Geheimnifs des zusammenlegbaren Mechanismus unterscheidet sich das neue Fahrrad von dem in dem französischen Heere sonst durch,

dafs es

eingeführten noch da-

keine pneumatischen sondern

starken Kautschukreifen

hergestellte

Radreifen

einfach besitzt

hohle,

aus

und

dafs

trotzdem eine sanfte und gleichmäfsige Bewegung für den Reiter durch Ausstattung des Sitzes mit einer Federung erzielt wird. Besondere Vorrichtungen haben es ferner ermöglicht, dafs die Festigkeit der Konstruktion an den Stellen, wo die Zerlegung stattfindet, in keiner Weise gefährdet erscheint.

96

Die vorjährigen gröfseren Übungen des französischen Heeres.

Die Bekleidung dieser Radfahrerkompagnie bestand in einer Joppe mit Umliegekragen, einer blauen Weste , einer Flanellbinde und Gamaschen von blauem Tuch wie die Alpenjäger.

Als Waffe führten

sie das kurze Artilleriegewehr mit aufzusetzendem Bajonnet . Jeder Fahrer hatte, in drei Patrontaschen verteilt, die Kriegschargirung von 120 Patronen auf dem Rade. An demselben war noch ein Kochgeschirr angebracht und eine Ledertasche zur Aufnahme von Proviant. Die Leistungen dieser Kompagnie im Meldungs- , Erkundungs-, Ordonnanz- und Relaisdienst sind in hohem Grade befriedigend gewesen . Der Kriegsminister hatte einen Generalstabsoffizier

als

Kommissar

nach

St. Quentin

entsandt ,

woselbst

die

Übungen gelegentlich der dort abgehaltenen Divisionsmanöver stattfanden. Zwei Offiziere, gefolgt von je vier Radfahrern, brachen 1 Uhr früh von den Vorposten der 4. Division aus auf, durchfuhren in 21/2 Stunden den Raum bis zum Feinde, d . h . 60-70 Kiliometer, und sahen von gedeckter Stelle aus den Vormarsch der feindlichen Division .

Bis Mittags

hatten

sie dem Befehlshaber,

der

sie

ent-

sandte, Meldung über den Anmarsch der Gegner erstattet, bis 5 Uhr Nachmittags waren sie im Stande, demselben die Aufstellung des Feindes im Allgemeinen anzugeben. In Folge hiervon überschritt die 4. Division

in

aller Ruhe

Linksschwenkung vollzogen. welche

die Oise, nachdem sie vorher eine

Die ihr gegenüberstehende 3. Division ,

keine Kenntnifs von den Bewegungen des Gegners hatte ,

geriet bei dem Vormarsch in den von der 4. Division bereits besetzten Raum hinein , und mufste schnell eine rückgängige Bewegung antreten, wodurch ihre Truppen sehr zusammengedrängt Entwickelung gehindert wurden.

und in der

Auf Grund der Erfahrungen, welche die Radfahrer-Abteilung des Kapitän Gérard bei den diesjährigen Herbstübungen gesammelt , sind folgende Vorschläge für die Organisation derselben innerhalb des Heeresverbandes gemacht worden .

Die taktische Einheit für Rad-

fahrer ist die Kompagnie in der Mindeststärke von 200 Mann, geführt von einem eutschlossenen , unternehmenden Hauptmann im Alter von 28-32 Jahren.

Die schon vorher beschriebene Bekleidung

und Ausrüstung hat sich bewährt und wird zunächst beibehalten , mit der Mafsgabe, dafs das Bajonnet des Artilleriegewehres etwas verkürzt wird.

Da es die Hauptaufgabe einer Radfahrertruppe sein

wird, überraschend gegen Kavallerie und Artillerie aufzutreten ,

sich

dagegen nicht auf ein Gefecht mit Infanterie einzulassen, so erhält jede der 7 Kavalleriedivisionen eine solche Kompagnie Ebenso wird jedem Armeekorps eine solche Kompagnie

zugeteilt. zugeteilt,

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.

97

um von dem kommandirenden General zu Bewegungen gegen Rücken und Flanke des Feindes verwendet zu werden . Es würde

dies im Ganzen die Formation von 27 Kompagnien 67.

und die Beschaffung von 6000 Zweirädern bedingen.

VII.

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland. Winter-Manöver im Militärbezirk Warschau. (Neu-Organisation. Verordnung über die Raswjedtschiks der Kavallerie.)

Obgleich die Zahl der 22 Kavallerie - Divisionen 16 Armee- , (Garde-,

4

Kasaken - Divisionen)

derjenigen

Grenadier-, Kaukasisches , I.- XIX.

der

(2 Garde-,

Armee-Korps

Armee-Korps) gleich-

kommt, so befinden sich dennoch, in Folge der Anhäufung der Kavallerie in den westlichen Grenzbezirken , im Verbande von ArmeeKorps nur 17 Kavallerie- Divisionen (hiervon beim Garde- und Kaukasischen Armee- Korps je 2), sodafs 7 Armee-Korps (I. , XVIII . , IV. , XVI. , VII., XIII . , XVII . ) keine Kavallerie - Divisionen haben. Diesem Mangel sucht man durch Bildung sebstständiger Kavallerie - Brigaden abzuhelfen ; während im Jahre 1895 , durch Formirung der Dragoner- Regimenter 49 und 50 , die 1. selbstständige Kavallerie- Brigade

beim

XVI. Armee - Korps

wurde, ist im September

96

(Witebsk)

durch Neuformirung

der

aufgestellt Dragoner-

Regimenter 51 und 52 die 2. selbstständige Kavallerie - Brigade beim

XVII. Armee-Korps (Tula)

in Orjol

gebildet worden. - Die

beiden neugebildeten Regimenter haben Orjol und Jelez als Garnison erhalten. Eine die Formirung der neuen Regimenter betreffende Thatsache ist, wenngleich sie wohl eine zufällige sein mag, nicht ohne Interesse, Während einem der beiden im Jahre 95 formirten Regimenter alte Trompeten mit der Inschrift für Auszeichnung bei der Einnahme von Berlin" verliehen wurden, hat der Kaiser dem jetzt formirten 51. Dragoner-Regiment Tschernigow 7 silberne Trompeten des ehemaligen reitenden Jäger-Regiments Tschernigow verliehen, mit der Inschrift : " Dem reitenden Jäger - Regiment Tschernigow für Auszeichnung gegen den Feind in den Schlachten an der Jahr bücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 102, 1. 7

Armee- und Marine- Nachrichten aus Rufsland .

98

Katzbach am

14.

August¹)

1813 " ;

der

die

Verleihung

aus-

sprechende Prikas ist in Balmoral, 28. September 96 , also kurz vor der Abreise des Kaisers nach Paris, unterzeichnet worden. Eine vollkommene Neuorganisation haben ferner die Truppen und Verwaltungsbehörden im Militär - Bezirk Turkestan erhalten . Während

bisher

die

in den

Gebieten

Samarkand

und Fergana

stehenden Infanterie- und Kasaken-Truppen den Militär- Gouverneuren dieses Gebietes unterstellt waren, wodurch ihre Bewegungsfreiheit gehemmt wurde, sind jetzt diese Truppen der Verwaltung der Gouverneure entzogen und, wie es mit den im Gebiet Syr - Darja garnisonirenden Truppen bereits der Fall war, dem Oberbefehlshaber der Truppen des Militär- Bezirks Turkestan direkt unterstellt worden . In der Verwaltung der Militär-Gouverneure sind nun die Lokal-Truppen und diejenigen Linien-Bataillone belassen worden, welche im Falle eines Krieges stellung von

als Besatzungs-Truppen und als Reserve-Formationen im Lande

entsprechend sind

die

bisherigen

4 nicht

Stämme zur Aufverbleiben. Dem-

selbstständigen Linien-

Brigaden (zu je 2-7 Bataillonen) aufgelöst worden ; an ihre Stelle sind 3 selbstständige Linien - Brigaden zu je 5 (eine Brigade 4) Linien-Bataillonen getreten. 6 weitere Linien-Bataillone sind in Linien - Kadre - Bataillone und, wie blieben.

(zu

je 5 Komp. )

umbenannt

worden

oben erwähnt, den Militär- Gouverneuren unterstellt geDie im Militär-Bezirk Turkestan garnisonirenden Kasaken-

Truppen (2. Ural- , 4. , 5. und 6. Orenburg-Regiment,

sowie

1.

und

3. Ssotnie des Astrachan-Regiments) sind zu einer selbstständigen Turkestaner Kasaken - Brigade vereinigt worden. Bekanntlich wird in der russischen Armee grofser Wert auf Winter- Manöver gelegt. Aus einem Befehl des Oberbefehlshabers der Truppen des Militärbezirks Warschau bezüglich der im laufenden Winter auszuführenden Märsche, Gefechtsschiefsen u . s. w. entnehmen wir Folgendes ) : 1 ) Wintermärsche sind von allen Truppen des Militärbezirks, ohne Ausnahme, und zwar monatlich mindestens 2 auszuführen ; den Märschen , von welchen bei der Infanterie sämmtliche Mannschaften, bei der Kavallerie entsprechend der Zahl der Pferde, teilzunehmen haben, ist eine taktische Idee zu Grunde zu legen ; sie haben mit einem Manöver gegen markirten Feind , oder zweier Parteien gegeneinander , zu endigen. Die Märsche sind bei jeder Witterung auszuführen, die Marschlängen allmählig zu steigern, sodafs zu Ende des Winters die Infanterie, mit vollem feldmarsch-

¹) alten Styls. 2) ,,Russischer Invalide" Nr. 225/96.

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.

99

mässigen Gepäck, 30 Werst ohne Ermüdung zurückzulegen vermag. 2) Abgesehen von diesen Märschen,

haben sämmtliche Truppen des

Militär-Bezirks im Laufe des Winters je eine zweitägige Felddienstübung (mit einem Nachtlager im Freien) bei einer Temperatur nicht tiefer als 10 ° R. auszuführen ; fällt während der Nacht, wenn die Truppe bereits biwakirt, das Thermometer unter 12 °, so ist das Biwak aufzuheben und ein Nachtmanöver auszuführen , nach Beendigung dessen die Truppen nach Hause kehren. 3) Sowohl die Märsche als auch die Felddienstübungen haben, wo sich nur irgend die Gelegenheit hierzu bietet, in aus den drei Waffengattungen gemischten Detachements stattzufinden. 4) Die Verpflegung während der Märsche und Felddienstübungen hat möglichst kriegsgemäfs durch Zwieback und dergl. zu erfolgen. 5) Zur Erhaltung der Gefechtsbereitschaft der Kavallerie ist monatlich mindestens zweimal

im

Regiment

zu

exerziren ,

reglementarisch

sowohl, als auch mit markirtem Gegner ; stehen die Eskadrons getrennt in verschiedenen Garnisonen, so sind, wo irgend möglich, wenigstens 3-5 Eskadrons zu Regimentern,

oder auch im Notfalle

je 2 Eskadrons zu Halbregimentern zusammenzuziehen ; es ist nicht gestattet, während des Winters mehr Pferden die Hufeisen abzunehmen, als es durch die Notwendigkeit des Umschlagens erforderlich wird.

6) In Anbetracht dessen,

dafs einige Truppenteile während

des Sommers, aus Mangel an geeignetem Gelände, nicht in der Lage sind , ein Gefechtsschiefsen abzuhalten, haben sämmtliche Truppen des Militärbezirks während des Winters ein Gefechtsschiefsen auszuführen, wodurch ihnen Gelegenheit gegeben wird , sich im Schiefsen und im Schätzen von Entfernungen bei einer Beleuchtung zu üben, welche sich wesentlich von derjenigen im Sommer unterscheidet. " Als Beilage zu dem neuen Kavallerie-Reglement ist

auch eine

Verordnung über die Raswjedtschiks der Kavallerie und eine Vorschrift für den Dienstbetrieb mit den Raswjedtschiks erschienen. klärung eine

In Anbetracht dessen, dafs die Kunst der Auf-

sehr schwierige ist und besondere angeborene Eigen-

schaften des Menschen verlangt, werden in jeder Eskadron besonders gewandte

Leute ,

Raswjedtschiks "

(Aufklärer)

genannt,

aus-

gewählt, welche eine ganz besondere Vorbereitung im Aufklärungsdienst erhalten. In jeder Eskadron haben sich zu jeder Zeit 16 Raswjedtschiks

zu

befinden,

welche gleichmäfsig auf die Züge

verteilt werden ; in gleicher Weise wie die Raswjedtschiks werden ferner sämmtliche Unteroffiziere ausgebildet. Als Raswjedtschiks sind geistig gut entwickelte, findige, kräftige, kühne, gut ausgebildete 7*

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.

100

Leute auszuwählen , welche scharfes Auge und gutes Gehör besitzen, möglichst auch zu lesen und zu schreiben und auch zu schwimmen verstehen . Der Eskadron-Chef überträgt die Ausbildung der Raswjedtschiks einem der Offiziere der Eskadron, welcher durch Regiments-Befehl zum Leiter der Raswjedtschiks der nten Eskadron ernannt wird ;

zu Leitern

der

Raswjedtschiks

sind

Offiziere

auszuwählen ,

welche Lust zur Sache haben, unternehmend, kräftig und möglichst Jagdliebhaber sind. Die Regiments-Kommandeure haben dafür zu sorgen, dafs diejenigen Offiziere, welche solche Eigenschaften besitzen, möglichst gleichmäfsig auf die Eskadrons verteilt sind. Die Aufsicht über die Ausbildung sämmtlicher Raswjedtschiks des Regiments wird einem Stabsoffizier übertragen, welcher auch die gemeinsamen Übungen,

Fernritte,

Schwimmübungen u . s. w.

der

Raswjedtschiks des Regiments zu leiten hat . Die besten Raswjedtschiks erhalten , einer

besonderen Kommission

nach einer im Herbst vor

abzulegenden Prüfung, ein Abzeichen

aus Metall, in Gestalt eines Kompasses, welches auf der rechten Brust getragen wird. Zur Erlangung dieses Abzeichens mufs der Raswjedtschik : a) den Felddienst gründlich kennen und mit dem Pferde zu schwimmen verstehen ;

b) die für einen Raswjedtschik erforder-

lichen Kenntnisse sich gründlich angeeignet haben ; c) Karten zu lesen und sich mit und ohne Karte im Gelände zu orientiren verstehen ; d) Aufgaben im Aufklärungsdienst

sachgemäfs lösen können

und e) mündliche und schriftliche Meldungen abzustatten verstehen , Für die Ausbildung der Ras wjedtschiks sind aus den Ersparnissen der Wirtschaftsgelder die erforderlichen Reglements, Karten der verschiedensten Mafsstäbe, auch solche der Grenzbezirke der Nachbarländer, für jeden Raswjedtschik ein Kompaſs und eine Uhr, Boote, Stricke und anderes Zubehör für Schwimmübungen , Jagdgeräte und Hunde anzuschaffen.

Die Regiments-Kommandeure

haben allen Offizieren die Teilnahme an den Jagden der Raswjedtschiks, sowie auch die Benutzung der Hunde zu gestatten . Der Dienstbetrieb mit den Raswjedtschiks besteht aus mündlicher Instruktion und aus Übungen im Gelände ; erstere , welche vom Beginn der Winterübungen bis Mitte April betrieben wird, umfafst Patrouillendienst, Kartenlesen, Planübungen u. s. w.; namentlich sind die Raswjedtschiks eingehend mit den Regeln des Sattelns , mit der Patrouillenführung und mit der Abstattung von Meldungen bekannt zu machen ; für die Vorbereitung der Ausführung von Fernritten müssen die Raswjedtschiks alle Regeln kennen, welche die volle Ausnutzung und Schonung der Pferdekräfte gewährleisten.

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .

Um

eine

können,

Erkundung müssen

gegen

den Feind

sachgemäfs

101

ausführen

zu

sie mit

der Organisation der Truppen, mit deren Marschordnung, Unterbringung im Biwak etc., mit der Besetzung einer Stellung, mit Art und Charakter von Feldbefestigungen, mit der militärischen Bedeutung der verschiedenen Gelände-Gegenstände u. s. w. bekannt gemacht werden. Die Übungen im Gelände , welche während des ganzen Jahres ausgeführt

werden,

Felddienstübungen,

bestehen

aus

c) Märschen ,

übungen, bei Tage

a) Terrainreiten, in Verbindung

und bei Nacht,

b) eigentlichen

mit Aufklärungs-

manchmal mit Ausführung von

Jagden, d) Rekognoszirungen des Gegners und praktischer Bekanntmachung der Raswjedtschiks ordnung, Unterbringung und

mit Aussehen, Organisation, MarschGefechtsthätigkeit der verschiedenen

Waffengattungen, e) Übungen im Schwimmen und in der Herstellung von Übergangsmitteln aus unvorbereitetem Material, f) Hetzjagden . Bei den eigentlichen Felddienstübungen ist anzustreben, dafs die Raswjedtschiks 1 ) mit der militärischen Bedeutung

des Geländes be-

kannt gemacht werden ; 2) die Fähigkeit erlangen, sich die geringsten Einzelheiten in einem, selbst in der schnellsten Gangart durchrittenen Gelände einzuprägen ; 3) im Entfernungsschätzen geübt werden ; 4) sich nach dem Stande der Sonne, der Sterne und nach dem Kompaſs zu orientiren lernen ; 5) in der Sicherung der Patrouille und in der Verschleierung der eigenen Bewegung, unter gleichzeitiger Beobachtung nach 6) das Abstatten 7) in der

den

Seiten

der Marschstrafse,

geübt

werden ;

schriftlicher und mündlicher Meldungen erlernen ;

Patrouillenführung,

im Feldwachtdienst,

im

Manövriren

gegen feindliche Patrouillen, in der Unterhaltung der Verbindung zwischen auf verschiedenen Wegen marschirenden Kolonnen u. s . w. geübt werden. Um die Raswjedtschiks mit der Organisation und Thätigkeit der Truppen aller Waffengattungen bekannt zu machen, sind dieselben zu dem Exerziren und zu Felddienstübungen der Infanterie und Artillerie zu schicken ; anfänglich haben sie sich diese Übungen in der Nähe anzusehen, dann aber aus weiter Ferne, wobei sie ausführlich über Zahl der beobachteten Bataillone bezw. Batterien, über Stellung, Thätigkeit, erstatten haben.

Formation u. s. w.

derselben Meldung

zu

Während der Winter - Ausbildung sind von den Raswjedtschiks zwei Fernritte

auszuführen ;

einer von

75 Werst (80 km) in 2 Tagen, der andere von 150 Werst ( 160 km) in 4 Tagen ; während des Sommers wird ein Fernritt von 200-300 Werst 215-320 km), in 7-10 Tagen unternommen ; bei diesem letzteren Ritt haben die einzelnen Tagesmärsche 35-40 Werst, ein Marsch mindestens

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen .

102 70 Werst zu

betragen.

Auch bei

diesen

Bestimmungen tritt

wiederum das Streben nach Schonung des Pferde - Materials hervor. Die Übung der Raswjedtschiks im Schwimmen, anfänglich ohne Pferd, alsdann mit Pferd, sowie in der Herstellung von Übersetzmitteln

aus

unvorbereitetem

Sommers stattzufinden . sagt die Verordnung :

Material ,

hat

während

des

ganzen

In Bezug auf die Ausführung von Hetzjagden Die erzieherische Bedeutung der Jagd besteht

im Allgemeinen darin, dafs durch sie Findigkeit erweckt, die Kunst der Beherrschung des Pferdes bei allen nur möglichen Zufälligkeiten, sowie der Orientirungssinn im verschiedenartigsten Gelände gefördert, vor allen Dingen aber Kühnheit und Wagemut, tretenden Charakterzug jedes Kavalleristen,

welche den hervor-

um so mehr aber eines

solchen, der zur Ausführung der kühnsten Unternehmungen bestimmt ist, bilden sollen, anerzogen werden. Deshalb sind Jagden so oft als irgend möglich auszuführen . Im Falle von Mangel an Wild , oder wenn die Verursachung zu grofser Flurschäden zu befürchten steht, können an die Stelle von Hetzjagden Parforcejagden, auch Schlepp- oder Schnitzeljagden treten. "

im Notfalle

v. T.

d. 1. 12. 96.

VIII .

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

1.

Von dem heldenhaften Geiste in der Zeit des sieben-

jährigen Krieges giebt ein Artikel der „ Berliner Zeitung" vom 28. März 1761 Kenntnifs . Letztere äuſsert sich über eine im Verlage von Nicolai neu erschienene Flugschrift, 77 Vom Tode für's Vaterland ", folgendermalsen : Der Herr Verfasser redet im Tone eines von der Liebe für König und Vaterland entzündeten Preussischen Unterthanen . Die grofsen Thaten,

welche

die Preufsische

Nation unter der An-

führung ihres unsterblichen Friedrich's ausführet, würden ohne diesen Patriotismus, welcher in dem Herzen eines jeden Preufsen herrschet, niemals zu Stande gekommen sein . Diese Liebe für das Vaterland machet ein Preufsisches Heer, wenn es auch an Menge den Feinden garnicht zu vergleichen ist , dennoch fürchterlich. Von diesem edlen

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

103

Eifer entflammt, drängen sich unsere Jünglinge haufenweise, um sich unter das Kriegsheer einschreiben zu lassen, das für König und Vaterland ficht. - Diese Schrift hat die Absicht, diesen Eifer noch mehr zu befördern. Unterthanen .

Dieses, glaubt der Verfasser, sei die Pflicht eines jeden sogar :: „Sollte wohl ein Diener der Religion Er sagt Er sagt sogar

sich entweihen, wann er ein Werkzeug würde, diese Stimme zu verbreiten, und sollte er dadurch sein Amt vernachlässigen , wenn er anstatt 1000 mal zu sagen : Thut Buſse, auch einmal riefe : Sterbet freudig für's Vaterland!? " Schbg. 2. Dafs Friedrich d. Gr. wirkliches Verdienst dem Vorrechte vornehmer und adliger Geburt voranstellte, erhellt aus seinen Werken.

Schon als Kronprinz schreibt er im „Antimachiavel "

(Oeuvres de Frédéric le Grand VIII. 126) :

„Je dois par plus d'une

raison aimer le sang des héros , mais j'aime encore plus le mérite. " - Dann in einem Briefe an Rollin, vom 4. Mai 1737 : La naissance fait les princes, mais le mérite seul fait les grands princes. " (Oeuvres XVI. 234.) - Ferner in der Instruktion für die Erziehung des Thronfolgers :

La naissance n'est qu'une chimère si (Oeuvres IX. 39.) In dem

elle n'est pas soutenue par le mérite. "

Aufsatze " Sur l'éducation " sagt er: „Tout serait perdu dans un état, si la naissance devait l'emporter sur le mérite. " (Oenvres IX. 122. ) Nach alle dem bedarf es keiner besonderen Erklärung, weshalb der König bei seiner Thronbesteigung den ziemlich in Mifsachtung geratenen Orden „Pour la générosité" in den Orden " Pour le mérite " verwandelte, der seitdem die erstrebenswerteste Auszeichnung des preufsischen Offiziers geblieben ist.

Die zahlreichen, oft gleichzeitig

mit der Verleihung des n Ordens" stattfindenden Standeserhöhungen erfolgten bei besonderen Verdiensten, bezw. dann, wenn der Betreffende den Orden schon besafs . Wie Friedrich hierüber dachte, ergiebt sich aus einem Bescheide vom 27. Januar 1766 an einen KammergerichtsAssessor, der um den Adel bat : „On devient noble par l'épée et non par la plume." Schbg. 3. Eine schöne Waffenthat des altpreufsischen KürassierRegiments ,,Gendarmes" ereignete sich beim Rückzug aus Mähren am 18. April 1742 im Dorfe Senitz bei Olmütz. „Das Regiment Gendarmes wurde in dem Dorfe, in dem es Ortsunterkunft hatte, Nachts angegriffen . Der Feind zündete das Dorf an. Die Hälfte der Eskadrons schlug sich inmitten der Flammen zu Fufs , um den anderen Zeit zu lassen, auf's Pferd zu kommen.

Dann griffen sie die Öster-

reicher an , warfen sie und nahmen ihnen Gefangene ab. Major v. Bredow kommandirte sie." So berichtet Friedrich d. Gr. in seiner n Histoire de mon temps " (I. 115) ; er fügt noch hinzu : „ Solche

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

104

Thaten¹) sind nicht wichtig ; aber sie dürfen nicht der Vergessenheit verfallen, zumal in einem Werke, welches die Dankbarkeit dem Ruhme dieser tapferen Truppen gewidmet hat ! " - Das Generalstabswerk über den 1. schlesischen Krieg berichtet über dieses Gefecht - Nichts ! Auch Orlich 2) übergeht den Vorfall Schöning ) denselben kurz erwähnt.

mit

Das Regiment Gendarmes war eins Regimenter der „Alten Armee. "

Stillschweigen ,

der

während

vornehmsten Reiter-

Bei seiner Errichtung im Jahre 1691

erhielt es die Vorrechte der Garde , nämlich keine n Generalswacht noch sonst ein Kommando, was man keiner Garde anmutet", zu thun. 27 Diese Eskadrons von Gendarmes " , heifst es in der Kapitulation des Jahres 1691 , wollen Wir als ein Korps von Unserem Kurfürstlichen Hause konsideriren." Es sollte zwar ,,Feldwachten verrichten, auf Parteien mitgehen, jedoch niemalen mit den Reutern oder Dragonern melirt werden, damit man der Gendarmes ihre Aktion desto besser anmerken könne. " Es sollte dieses Korps ,, zum Splendeur und Besten des Kurfürstlichen Hauses gereichen." Ehrentage des Regiments sind besonders Hohenfriedeberg , Soor , Lowositz, Rofsbach, Leuthen, Zorndorf, Hochkirch, Liegnitz und Torgau. Für Rofsbach erhielten 13 Offiziere des Regiments den Orden pour le mérite. Aus dem Regimente sind hervorgegangen : 2 Generalfeldmarschälle, 3 Staatsminister, 3 Generale der Kavallerie, 13 Generallieutenants, 16 Generalmajore. Das Regiment ist im Unglücksjahre 1806 (27. Oktober bei Wichmannsdorf) zu Grunde gegangen . Schbg. 4. Vom württembergischen Kriegswesen vor mehr hundert Jahren. Gegen das Ende der Regierungszeit des

als am

24. Oktober 1793 gestorbenen Herzogs Karl Eugen, des Begründers der Hohen Karlsschule , war, wie ein Zeitgenosse in einem „ Auszug aus Briefen über deutsche Staatssachen “ ( 1797) erzählt, das Militär bei seinen eigenen Landsleuten verabscheut und verachtet. Den jungen

Württemberger

wandelte

ein Schauder

an ,

wenn

er

nur

Soldaten sah, und er verliefs lieber das elterliche Haus und erlegte, um heiraten zu dürfen, was ihn vor dem Soldatenstande schützte, starke Majoritätsgelder, sobald er nur von einer n Auswahl " hörte. Die Ursachen der weit verbreiteten Abneigung beruhten auf den all-

¹) Der König berichtet ferner (a. a. O.) über das tapfere Verhalten der Dragoner-Regimenter Nassau und Kannenberg bei Napagedl am 5 März bezw. Fulnek am 18. März 1742. 2) Geschichte der schlesischen Kriege nach Original - Quellen , von L. von Orlich. Berlin 1841. 3) Die fünf ersten Jahre der Regierung Friedrich's des Groſsen, von R. W. von Schöning, S. 148.

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

105

zuscharfen Kriegsartikeln und Strafbestimmungen, auf der kläglichen Besoldung, der ungenügenden Bekleidung, den Betrügereien der Verwaltungs- und Rechnungsbeamten, dem Anblicke der Invaliden, dem Schicksale der Abgedankten und der schlechten Behandlung seitens der Vorgesetzten, von welcher nur einige bevorzugte Truppenteile ausgenommen waren und die daher von den übrigen um so bitterer empfunden wurden. Daher wähnte man, das Militär sei lediglich eine Zuchtanstalt, in welche nur Taugenichtse und Faullenzer, verlorene Söhne und Sträflinge, Landstreicher und Verbrecher gehörten .

Der

Bauernbursche zumal glaubte, dafs das Kriegshandwerk nicht anders als durch Stockprügel und Regimentsstrafen gelehrt werden könne. Nur die Garden des Herzogs, vor allem seine Gardelegion, aus der Jägergarde zu Pferde,

der Husarengarde, der berittenen Artillerie,

der Scharfschützenkompagnie und der Gardeinfanterie bestehend, machten eine Ausnahme ; sie durch grofse und schöne Leute vollzählig zu erhalten, gab er viel Geld aus, sie erhielten höheren Sold, waren prächtig gekleidet und ausgerüstet. Um so mehr fiel das Aussehen der Übrigen auf. Den Empfindungen und Urteilen des Volkes gab das nachstehende , an den ständischen Ausschufs gerichtete Spottgedicht Ausdruck: Das Militär ist sonst die Zierde, Der Schutz, die Notwehr für das Land, Wenn es ein weiser Fürst regierte Hier aber ist es umgewandt ! Der Fürst liebt nur für sich zu sorgen , Das Land ist dabei schlecht geborgen.

Die eine Hälft' ist für den Frieden, Sie ist zu vornehm für den Feind ; Die Anderen sind Invaliden, Noch lebend mit dem Tod vereint. Ihr leistet zwar für Zahlung Sorgen, Doch sind die Leute nicht geborgen. Die Röcke will ich kaum erwähnen, Noch minder den Esprit de Corps, So sehr sie sich nach Neuem sehnen, So wenig könnet Ihr davor ; Es wär des Fürsten Pflicht zu sorgen, Allein er schiebt es stets auf morgen. Es

kam

endlich

so

weit,

dafs

die Landstände dem Herzoge

wegen des schlechten Zustandes beim Militär Vorstellungen machten. Nun wurde eine gemeinsame Militärdeputation, aus herzoglichen und ständischen Kommissarien zusammengesetzt, berufen, aber an der Sache wenig geändert.

Kriegsbrauchbar war nur die Artillerie, die

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

106

Lieblingstruppe des Herzogs, aus gut ausgebildeten und unterrichteten, trefflich exerzirten und wohl disziplinirten Leuten bestehend, fand sie noch zu des Fürsten Lebzeiten Gelegenheit, sich vor dem Feinde zu bewähren. Ihre Standhaftigkeit bei der Beschiefsung von Kehl 14 . war des Herzogs Karl Eugens letzte Lebensfreude. 5.

König Ludwig XVIII . und die napoleonischen Generale.

Als König Ludwig XVIII . in Gemäfsheit der Abmachungen des 1. Pariser Friedens im Jahre 1714 den Thron Frankreichs bestiegen hatte, muſste es eine seiner Hauptbestrebungen sein, das Heer für sich zu gewinnen . Durch alle möglichen Mittel suchte er die Führer desselben an seine Person zu fesseln, was um so schwieriger war, als den Rechtstiteln, Ansprüche

auf welche die Offiziere des Kaiserreichs ihre

gründeten ,

unvereinbare

Forderungen entgegenstanden,

die von den Ausgewanderten erhoben wurden. Während jene sich auf ihre soldatischen Leistungen, auf ihre Wunden, auf ihre in der Feldschlacht erworbenen Auszeichnungen beriefen, machten diese die Verdienste geltend , die in ihrer Anhänglichkeit an das Königshaus beruhten. Sie wollten für die Entbehrungen entschädigt werden, welche sie sich auferlegt hatten, und für dieOpfer , welche von ihnen gebracht waren ; sie verlangten Ersatz fur dasjenige, was sie durch die Revolution eingebüfst hatten ; Napoleons höhere Offiziere beklagten sich, dafs ihnen die grofsen Einkünfte verloren gegangen seien, mit denen des Kaisers Freigebigkeit sie auf Kosten seiner überwundenen Gegner durch Überweisung von Staatsgütern und Renten beschenkt hatte. Zu den Mitteln, deren König Ludwig sich bediente, um das Band fester zu knüpfen, welches die letztere Klasse von Offizieren an seine Person fesselte, gehörte die Verleihung eines der von ihm hergestellten hohen Orden des ancien régime, des „ Ordre royal et militaire de Saint Louis " , welchen im Jahre 1693 zu ausschliefslicher Belohnung militärischen Verdienstes König Ludwig XIV. gestiftet hatte, denn die Verleihung dieser Auszeichnung bedingte eine Eidesleistung, die durch ihre äuſseren Formen wie durch den Inhalt des Schwurs dem Verhältnisse einen sprechenden Ausdruck gab, in welches der Ludwigsritter zu seinem Souverän trat. Die Satzungen des Ordens schrieben vor : „ Der zur Verleihung in Aussicht genommene Ritter stellt sich uns vor, kniet nieder, schwört und gelobt in der katholischen, apostolischen und römischen Kirche zu leben und zu sterben und nie zu wanken in dem Gehorsam, den er Uns sowie denen, die unter Uns befehlen,

schuldet ;

mit allen seinen Kräften zu wahren, zu verteidigen und aufrecht zu erhalten gegen Jeden und Jedermann Unsere Ehre, Unser Ansehen, Unsere Rechte sowie die Unserer Krone ; ohne Unsere Erlaubniss

Umschau in der Militär-Litteratur.

107

und schriftlich ausgesprochene Genehmigung Unsere Dienste weder jemals zu verlassen noch in die eines fremden Fürsten zu treten ; Uns von Allem Kenntnifs zu geben, was er von Anschlägen gegen Unsere Person oder gegen Unsere Regierung in Erfahrung bringen wird." Ludwig XVIII . erweiterte die für die äufsere Form der Eidesleistung geltenden Vorschriften noch dahin, dafs er sich vorbehielt, an seine Stelle einen beliebigen Prinzen von Geblüt oder ein Parlament treten zu lassen, vor welchem der in den Orden aufzunehmende dann ebenfalls niederzuknien und den obigen Eid zu schwören haben würde. Der Gunstbezeigung wurden teilhaftig : Kaiserreichs,

Kellermann,

welcher

das

Von den Marschällen des

Grofskreuz erhielt ;

Soult,

Masséna, Serrurier, Suchet, Grouchy, Berthier, welche zu Kommandeuren ernannt wurden ; Jourdan, Augereau, Ney, Brune, Mortier, Lefebvre , Brignon , Victor, Macdonald und von den bekannteren Generalen

Reille,

Excelmans,

Harispe, Lauriston,

Molitor,

Clarke,

Maison , Clausel, Drouet d'Erlon , denen das Ritterkreuz verliehen wurde . - Wie wenige unter ihnen hat einige Monate später ihr Schwur abgehalten, in das Napoleonische Heerlager zurückzukehren ! (Le Spectateur militaire, 5. série, Tome XXIV, 140. livraison).

14.

IX.

Umschau in der Militär - Litteratur.

I. Ausländische Zeitschriften. Streffleur's österreichische

militärische

Zeitschrift.

( Jahr-

Der kleine Krieg und dessen Unternehgang 1896. November.) Das Untersuchen und Verstärken, UnZur Panzerfrage. mungen. brauchbarmachen und Zerstören, sowie das Wiederherstellen von Strafsenbrücken. - Die deutschen Kaisermanöver von 1896. Von einem deutschen Offizier. - Das Duell-Mandat der Kaiserin Maria Theresia. Organ der militärwissenschaftlichen Vereine ( Österreich.) LIII. Bd. 3. Heft : Über die Methode des Studiums kriegsgeschichtlicher Begebenheiten. Die Entwickelung von Hermannstadt in kultureller und militärischer Beziehung. Ein Militär-Luftballon vor hundert Jahren . Zur Jubelfeier des k. und k. Infanterie - Regiments Hoch- und Deutschmeister.

108

Umschau in der Militär- Litteratur.

Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. Die neuen (Jahrgang 1896. 11. Heft.) Neueres über Schufsbehelfe. Schiefsregeln der russischen Feld-Artillerie. - Die Bedeutung des Terrainwinkels für das Schiefsen der Schrapnels bei Anwendung des Richtbogens. Das Schiefsen der Feldartillerie bei Nacht. Armeeblatt. ( Österreich.) Jahrgang 1896. Medaille erzählt. - Mifshandlung der Soldaten. -

Nr . 45 : Was die Auf welche Weise

wäre die Wirkungsfähigkeit unserer Feldartillerie zu erhöhen ? (Schlufs). Nr. 46 : Ein deutscher Held ( Herzog Wilhelm von Württemberg) in Habsburgs Heere. - Die Neubewaffnung der Feldartillerie. Nr. 47: Interpellationen. - Die Regulirung der Gagen. Nr. 48 : Ehrlos oder wehrlos. (Streift den Fall Brüsewitz.) Offiziere als Wähler. Des Kaisers ― Rock. Die Entwickelung der russischen Wehrmacht in der Neuzeit. Militär - Zeitung. (Österreich . ) Jahrgang 1896. Nr. 38 : Die Approvisionirung Wiens. - Das Gefecht auf der Schwarzen Lackeninsel am 13. Mai 1809. Nr. 39 : die ungarische Landwehr-Infanterie. Nr. 40 : Die Ergänzung der Feldausrüstung durch die Beilpicke. F. Z. M. Herzog Wilhelm von Württemberg (Nekrolog) . - Der Überfall auf die Expedition des ,,Albatros ". Nr. 41 : Produktivarmeen ? - Die französischen Zoll- und Forstbeamten. Journal des sciences militaires. (November 1896.) Das Hirngespinnst der Abrüstung (Forts.). Der Herbstfeldzug 1813 und die inneren Linien (Schlufs). Verwendung der Artillerie bei der Verteidigung der Festungen (Forts.). -Kritische Studie über die Operationen des 14. deutschen Korps in den Vogesen und im oberen Saônethal 1870 (Schlufs). Praktische Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere. Anmerkungen über die Märsche Macdonald's. Feldzug 1800. - Ein Feldzug Turenne's 1654 (Schlufs) . Le Spectateur militaire. (15. Oktober 1896) : Die Bewaffnung der Infanterie (Verfasser wiederholt von Neuem den schon oft gemachten Vorschlag, die Infanterie mit Schilden auszurüsten). Zur Seite der Manöver. - Die Dekorationen, Kreuze und Medaillen (Forts.) . — Nekrologe : General Jung ; General Trochu . ( 1. November 1896) : Die Initiative im Kriege. - Die Bewaffnung der Infanterie (Forts.). - Dem Andenken des General Faidherbe. Die Dekorationen, Kreuze etc. (Forts .). Revue du cercle militaire. (Jahrgang 1896.) Nr. 44 : Medizinische Statistik der Armee im Jahre 1894. · Das Kriegsgewehr (Schlufs). Nr. 45 : Die Honved-Infanterie in Ungarn. Betrachtungen über die Bildungsschulen der Sanitätsoffiziere. Die Armee und Marine der Zukunft in Japan. Nr. 46 : Das Militär- Radfahren und die Manöver des 2. Armeekorps . - Anmerkungen über den Felddienst in der deutschen Artillerie. - Überbleibsel des Überganges über die Beresina. --- Orientirung mittelst der Uhr. Nr. 47 : Das Militär-Radfahren etc. (Schlufs). Anmerkungen über den Felddienst in der deutschen Artillerie (Forts .). Zwei neue russische Standarten.

"

Umschau in der Militär-Litteratur.

109

Revue militaire universelle. ( Jahrgang 1896.) Nr. 56 : Studien über die Organisation der Armee. Studie über den Roman „ Krieg und Frieden" von Tolstoi, vom militärischen Standpunkte von General Dragomiroff (Forts.). ―― Die südliche Normandie bei der Verteidigung Frankreichs (Forts.). Konnte Marschall Bazaine 1870 Frankreich retten ? (Übers d. Werkes von Major Kunz, Forts.). - Aufzeichnungen eines Freiwilligen im 11. Kavallerie - Regiment der Vereinigten Staaten (Forts. ). Tagebuch eines Feldzuges in Westindien (Forts.) . Revue d'Infanterie. (November 1896.) Nr. 119 : Studie über das Gewehr Modell 1886 und seine Leistung (Forts.). - Manöver. - Geschichte der Infanterie in Frankreich. - Bericht des Generals Lamberti , Gouverneur von Erythrea, über die Schlacht von Adua am 1. März 1896 (Schlufs). Sonderausbildung der Aufklärer bei der Infanterie (Forts .). Das 13. Korps in den Ardennen und im Dpt. Aisne. - Die Feldzüge der Engländer in Ägypten und im Sudan (Forts.). Anmerkung über die Revue de Cavalerie. (Oktober 1896.) höheren Kommandostellen der deutschen Kavallerie. (Nach ,,Einteilung und Standorte des deutschen Heeres", vom 1. Oktober 1896.) Das ExerzirReglement der russischen Kavallerie. Von Lützen bis Bautzen, Mai 1813 (Forts. ). - Gedanken über die praktische Ausbildung der Kadres bei der Kavallerie. - Briefe eines Artilleristen an einen Kavalleristen. - Unsere Kavallerie- Generale . General Mis de Viel d'Espeuilles. Revue d'Artillerie. (November 1896.) Schnellfeuer. -- Feldmaterial System Canet, Mod. 1896. Infanterie - Munitionsverbrauch und Ergänzung. (Aus d. Deutschen übers .) -Studie über Jagdwaffen (Forts.). Revue du Génie. ( November 1896.) Anmerkung über die Konstruktion einer Eisenbahn, ausgeführt im Lager von Chalons vom 4. bis 8. Oktober 1896 durch das 5. Genie-Regiment. - Praktische Nachweisung der Eigenschaften des Eisens und des Stahls, die bei Konstruktionen verwendet werden. - Einige Feldpionier-Arbeiten, ausgeführt vom Genie in den englischen Kolonien. L'Avenir militaire. Nr. 2150 : Initiative und Berechnung. (Die General erstere habe 1870 dreimal mehr geleistet als die letztere .) Trochu vor der Geschichte. Nr . 2151 : Das Ober- Kommando. (Die Schaffung eines höheren militärischen Grades als der eines Divisions - Generals wird befürwortet .) - Die Eisenbahn vom Senegal zum Niger. Nr. 2153 : Die Kritische Beletzte Einberufung eines Infanterie- Territorial-Regiments. Die letzte Nr. 2154 : Die Kolonial- Armee. trachtungen über dieselbe. Die Einberufung etc. II. Nr. 2155 : Die Kriegsmarine und ihre Leiter. letzte Einberufung etc. III. Nr. 2156 : Das Infanteriegefecht in DeutschDas Kriegsbudget. Nr. 2157 : Die letzte Einberufung etc. IV. land. Nr. 1671 : Le Progrès militaire. Nr. 1670 : Über die Manöver. Einjährige Dienstzeit. (Wendet sich gegen die thörichten Vorschläge einiger Die Militär-Ingenieure und die radikaler Blätter, die solche verlangen. ) Spezial-Truppen. Nr. 1672 : Entwurf und Bericht über das Armee-OberKommando. Nr. 1673 : Die Manöver des Sanitätswesens im Lager von

110

Umschau in der Militär- Litteratur.

Chalons . Nr. 1674: Wintermärsche. (Auf ihre Bedeutung wird hingewiesen.) Die Organisation der Nr. 1675: Die Landarmee und die Kolonialarmee. Genie-Truppen. Nr. 1676 : Belohnungen für Kriegsthaten. - Bericht über das Kriegsbudget. Nr. 1677 : Über die Verschmelzung der Stäbe der ArBericht über das Kriegsbudget. tillerie und des Genies. La France militaire. Nr. 3772 : Grofse Manöver in Deutschland. Indem Oberst Robert die Operationen der diesjährigen Manöver Ende Oktober noch als unbekannt (!) darstellt, schildert er die Manöver 1895 (!) nach der „ Revue militaire de l'Etranger". Die diesjährigen sollen das genaue Abbild der Kombination des vorjährigen sein ! Nr. 3773 : Das Kriegsbudget. Nr. 3774 : Der zweijährige Dienst. Nr. 3776 : Die Chefs der deutschen Armee in französischer Darstellung (Schriftchen von ParKritische Studien. - Der Oberdiellan). Nr. 3777: Armee- Manöver. befehl. Bericht der Armee-Kommission über die Vorlage des Kriegsministers vom Juli. (Geht bis Nr. 3782). Nr. 3781 : Der künftige Zusammenbruch. (La future débâcle). Ein früherer Rittmeister G. Nercy hat ein Buch veröffentlicht, worin er sehr ungünstig über die ArmeeVerhältnisse urteilt und erneute Niederlagen voraussagt. Verfasser wird getadelt , da er die Beweise für seine Urteile nicht gebracht habe. Nr. 3783 : Tragbare Fahrräder ; Besprechung einer ins Französische übersetzten Broschüre des Russischen Generals Pliutsinsky. Nr. 3785 : Die Kolonial - Armee. Nr. 3788 : Geschichte des 81. Linien - Regiments. Nr. 3791 : Günstiges Urteil über die Schrift des Major Kunz betreffend Bazaine. Nr. 3792 : Nochmals die Schrift von Nercy (vgl. Nr. 3781 ). Nr. 3794 : Von der Initiative. I. Der Referent der Kammer über das Kriegs - Budget. I. Nr. 3795 : Von der Initiative. II. - Das KriegsBudget. II . -- Nochmals die Schrift von Major Kunz über Bazaine.

La Belgique militaire. Nr. 1330 : Kadettenschule. - Die grofsen Die ministeriellen Manöver 1896. Nr. 1331 : Generalmajor Van Oolen. Entwürfe. Nr. 1332 : Der Krach. (La débacle) . Behandelt die Verwerfung der Militärreform. Zum Schlusse wird gesagt : Der Mann , welcher der Nachfolger des Kriegsministers Bazaine zu werden sich bereit erkläre , verdiene als Verräter am VaterUnsere Unteroffiziere. Nr. 1333 : lande gebrandmarkt zu werden !!! Belgien in Beziehung zu Frankreich und Deutschland. Revue de l'armée belge. (September - Oktober 1896.) Kritische Bemerkungen über die deutsche Strategie bei Beginn des Feldzuges 1870 . Über das Schiefs - Spiel. - Die Feld -Artillerie der Zukunft (Forts.). Reorganisation der italienischen Artillerie. Konstruktions-Grundsätze der gegenwärtigen Mehrlader (Forts. ). Die grofsen Manöver 1896. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Jahrgang 1896. Oktober.) Die Bourbaki'sche Armee im deutsch-französischen Kriege (Forts.) . Die Schiefsvorschriften der europäischen Mächte. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Jahrgang 1896. Oktober.) Die schweizerische Landesvermessung 1832 bis 1864.

Untersuchungen über die Anwendung des photogrammetrischen

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Grundzüge eines neuen Verfahrens für topographische Aufnahmen. Materials für die schweizerische Artillerie. — Über Schiefsausbildung der Offiziere der Feldartilleric ohne Scharfschiefsen . Einiges über Hufbeschlag bei Distanzritten. -- Ansichten des Generals Occharo über den Aufstand in Cuba. Revue militaire suisse. (November 1896.) Die Manöver des III. Korps. - Die schweizerische Armee nach dem Urteil eines englischen Offiziers . - Entfernungsmesser. -- Radfahrer und Kavalleristen. Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. (Jahrgang 1896.) Nr. 44: Die Herbstmanöver des III . Armeekorps. - Das Visier der grofsen Handfeuerwaffen. Nr. 45: Dasselbe (Schlufs). --- Die Herbstmanöver (Forts.). Nr. 46 : Militärischer Reisebrief aus England . -- Die Herbstmanöver (Forts.). Nr. 47 : Die Herbstmanöver (Forts.). Army and Navy Gazette. Nr. 1916 : Die zweite Linie. Bei jedem Angriff wird das Vorgehen der ersten Linie zu einem Halt kommen, aus dem sie ohne von rückwärts kommende Verstärkungen nicht mehr weiter vorwärts zu bewegen ist. Es werden Grundsätze für die Führung dieser zweiten Linie aufgestellt. Die Infanterie- Ausbildung 1896. Zusammenstellung der im Laufe des Jahres erschienenen Zusätze zum ExerzirReglement. Der Höchstkommandirende und die Indische ArmeeÄufserungen Lord Wolseley's über die Indischen Truppen. Nr. 1917 : Anerkennende Beurteilung der Der Sudan-Feldzug und die Presse. militärischen Berichterstatter bei den Truppen . Die Manöver in Irland. Bericht des General Boyee-Combe an das Kriegsministerium. Die Dongola-Expedition. - Deckung und Verschleierung. Taktische Betrachtung Die neuen über den Wert der Deckungen . Der Infanterie -Angriff. — Vorschriften für das Signalwesen. Die bisherige Dienstvorschrift ist gänzlich umgearbeitet neu erschienen. Nr. 1919 : Die Organisation der Artillerie. Betont die Benachteiligung der Fufsartillerie im Vergleich zur Feldartillerie. Die Kilworth-Manöver. Anerkennende Besprechung der Leistungen der verschiedenen Waffengattungen bei den diesjährigen Manövern in Irland. Rede Lord Kramer's über den Sudan-Feldzug. -Gefechtsmässiges Schiefsen im Lager von Aldershot. - Die Zentralisation des Oberbefehls . Richtet sich gegen die bei den gröfseren Übungen vielfach zu Tage getretene Unselbstständigkeit der Uuterführer. Nr. 1918 : Bericht über die Schulen der Soldatenkinder. Generalmajor Joel Brown . Lebensgeschichte des vor Kurzem gestorbenen verdienstvollen Offiziers . Die Anstellung der Offiziere . Bespricht die jetzt eintretende Änderung in der Einstellung der Offizier-Aspiranten. Der Sudan. Nr. 1920 : Die Füsilier-Brigade des Prinzgemahls . Linien-InfanterieRegiment Nr. 95, errichtet gegen 1600. Die Dongola-Expedition . Mitteilung des dienstlichen Berichtes des Generalmajor Sir H. H. Kitchena an das Kriegsministerium. - Die Philosophie im Kriege. Ein Vortrag, in dem Kriegsspiel und Manöver in Anlage und Ausführung betrachtet worden. - Einigkeit ist Stärke. Kurze Mitteilungen aus der vereinigten Kommission von Flotte und Heer für die Landes-Verteidigung. -

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Die Yeomanry. Einzelne Punkte mangelhafter Organisation dieser freiwilligen Kavallerie werden erwähnt. Der Sirdar in Alexandria. Gefechtsschiefsen der Kavallerie in Aldershot. Nr. 1921 : Die erste Linie. Bespricht Grundsätze für die Führung von Schützenlinien und deren Verstärkung. Das Ende des Matabele-Aufstandes. Journal of the United Service Institution. Nr. 224: Generallieutenant R. Hussey, erster Lord Vinian. Lebensgeschichte 1775-1842. - Die Schwierigkeiten der taktischen Defensive und deren Beseitigung (Forts.). Die Genfer Konvention und die Fürsorge für Kranke und Verwundete im Kriege. Die 2. Brigade bei der Tschitral-Expedition. - Die Schweizer Manöver 1896. Allgemeine Schilderung der Organisation und der Leistung der Truppen. Russischer Invalide. Nr. 206 : Rekruten - Verteilung 1896. Zur Ergänzung der Armee und Flotte waren 279000 Rekruten auszuheben, auſserdem aus der eingeborenen Bevölkerung des Terek- und Kuban-Gebiets, sowie Transkaukasiens 3400 Mann ; in den Vorstellungslisten waren 945 746 Mann eingetragen, hierunter 203 645 (21,6 % ), welche auf Grund häuslicher Verhältnisse Anspruch auf unbedingte Dienstbefreiung hatten ; die gröfste Rekrutenzahl - 10143 - hat das Gouvernement Kijew aufzubringen. Die beweglichen Verpflegungs -Vorräte der heutigen Massen - Armeen ; von Makschejew (Fortsetzung in Nr. 221 , 222) . Nr. 207: Organisations - Änderungen bei den Truppen in Turkestan (s. Militärisches aus Rufsland). Aufnahme-Prüfung in die militär- juridische Akademie, im Jahre 1896. Nr. 208 : Bildung der 2. selbstständigen Kavallerie - Brigade aus 2 neu zu formirenden DragonerRegimentern (Nr. 51 und 52) . Nr. 208 : Änderungen der Verordnung über die Verwaltung der Truppen im Militärbezirk Turkestan. Nr. 211 : Einige Worte über Bekleidung und Ausrüstung der Radfahrer. Nr. 213 : Exerziren eines Kavalleriekorps bei Ssuwalki. Nr. 215 : Übungen der Reservisten der Infanterie. Nr. 220 : Freiritt von Raswjedtschiks auf 200 Werst. Nr. 224 : Einberufung der Rekruten aus der Bevölkerung des finnländischen Gouvernements , im Jahre 1895; die Zahl der in die 9 finnischen Schützen-Bataillone und das finnische Dragoner-Regiment eingestellten Rekruten betrug : 1699 , d . h. nur 8,3 % aller zur Loosung einberufenen Wehrpflichtigen ; bemerkenswert ist, dafs nur 8,9 % der eingestellten Rekruten des Lesens und Schreibens unkundig waren, während im übrigen Rufsland die Zahl der Analphabeten etwa 70 % beträgt. Nr. 226 : Nachrichten über Ausführung von Versuchen in der OffiziersSchiefsschule ; Ziel-Kontrolapparate. Nr. 228 : Neues Verfahren einer barometrischen Nivellirung ; vorgeschlagen von Generalmajor Pjewzow. Nr. 231 : Signal- Alphabet des Vize-Admirals Makarow. Russisches Artillerie-Journal. Nr. 10 : Ausbesserung eines Rohrs mit 4 Rissen (Forts.). Rost- und Präservativ - Schmiere für Geschütze Zwischenlage und Fortrückung transporund Handfeuerwaffen (Schlufs) . tabler Eisenbahngeleise . - Gelegentlich des Büchleins : ,,Geschützfahren."

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Wajennüj Ssbornik. 1896. Nr. 11 : Die Garde-Jäger zur Zeit des Kaisers Paul. (Aus Veranlassung des 100jährigen Gedenkfestes der Stiftung des Leib-Garde-Jäger-Regiments.) - Die thatsächliche Bedeutung der Selbstständigkeit im Befehls- System im Kriege (unter Bezugnahme auf einige Äufserungen in der russischen , militärischen Presse) . VI. — Das moralische Element bei Sewastopol, XVIII . - Versuch einer theoretischen Untersuchung über die Führung des Angriffs - Gefechtes der Infanterie (mit Zeichnungen) I. — Die beabsichtigte Vereinfachung des Infanterie - Reglements . Die Grundzüge der Front - Reiterei. V. - Über den Pferdebestand der reitenden Batterien . Zur Unteroffizierfrage.

Die materielle Unterstützung im Offizierstande.

Artillerie im Feldzuge gegen Kokand 1875-1876 . Avantgarde des Generallieutenant Gurko 1877/78.

Die

Die Operationen der Aus einem im Stabe

der Truppen des Garde-Korps und des Petersburger Militärbezirks gehaltenen Vortrage . VI. -- Die Reise der Kaiserlichen Majestäten. Übersicht über die in den letzten 6 Jahren in der ausländischen Militär-Litteratur erschienenen Bücher, Instruktionen und Artikel über Artillerie- und Handfeuerwaffen. Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 313 : Die Ausstellung in NishnijNowgorod. (Beteiligung der Armee und Marine an derselben) V. - Briefe von den Ufern der Themse. Das Reglement über den Infanteriedienst der Sappeure . Das 200jährige Jubiläum des Heeres der kubanischen Kasaken. Oberst Kolowrat in dem Frontdienst. Nr. 314 : Armeeschulen Ein deutsches Biwak (mit Bild) . - Die Versetzung für Offizierskinder. zur Grenzwache. - Die Gröfse des Feldherrn. Aus der alten Armee. Nr. 315: Die Musiker-Kommandos. ― Die Offiziere nach Beendigung des Besuches der Nikolai-Akademie des Generalstabes. Taktik und Strategie. — Die Statuten der militärischen wohlthätigen Gesellschaft zum Weiſsen Kreuz ." - Erzählungen eines kaukasischen Kasaken-Offiziers aus seinen Erlebnissen im Feldzuge 1877/78 in der asiatischen Türkei. Nr. 316 : Die Grundsteinlegung zum Denkmal der Kaiserin Katharina II. Die monatBriefe vom Ufer der Themse. - Ein Tag in der Kaserne. liche 3-Rubel- Unterstützung für die Invaliden. - Die Rechte der im aktiven Dienst befindlichen Mannschaften . - Wie kann man das Leben des Offiziers erleichtern ? Offenes Sendschreiben des Generals Dragomiroff an Herrn Bljüdi. Erzählungen eines kaukasischen Kasaken-Offiziers aus seinen Erlebnissen im Feldzuge 1877/78 in der asiatischen Türkei. Der Isbornik Raswjedtschika. 1896. Nr. III : Die Donau und die Deutschen. - Der Eklimeter von Aalidada. Die k. Grofsbritannische Kriegs-Akademie in Woolwich. -Eine Fahrt nach der ,,Kapusta" (Kohl, Skizzen aus dem Soldatenleben Haupt- Nahrungsmittel des Soldaten). in Turkestan. ,,Es kam teuer zu stehen. " (Erzählung aus dem Soldatenleben im Kaukasus). L'Italia militare e marina. Nr. 242 : Die Briefe der Gefangenen. Betrifft das Verhalten des General Nr. 244 : Zur historischen Wahrheit. Dabormida in der Schlacht von Adua . Nr. 248 : Der Generalstabschef des Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 1. 8

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Heeres. Nr. 251 : Der Paradeplatz in Rom. Durch Austreten des Tiber war der Platz für die Parade gelegentlich der Vermählung des Kronprinzen unbenutzbar und musste die Parade in den Strafsen der Stadt abgehalten werden. Um Störungen durch die Zuschauer abzuwehren, war eine strenge Absperrung der letzteren erfolgt. Dies hat grofse Mifsstimmung erregt. Nr. 253 : Egypten und Abessinien. Nr. 255 : General Ricci, † 20. Okt. 1896 . Nr. 256 : Die Auszeichnung für die Schlacht von Adua. Nr. 257-9 : DienstNr. 267 : Der Friedensvertrag. zeit und Heeresstärke. Nr. 268 : Verteidigung der Grenze von Erytrea. Rivista Militare Italiana. 1. November. Zur Vermählung des Kronprinzen. (Historischer Abrifs der Beziehungen Savoyens zu Montenegro, mit Bildern und Skizzen). Die Eisenbahnfragen. Nr. 185 : Nr. 134 : Wehrsteuer. (Hinweis auf dieselbe in anderen Ländern. General Pelloux will sie einführen). Nr. 137 : Die Marinen der europäischen Staaten und ihre Kosten. Nr. 138 : Die Gefangenen-Frage. Nr. 139 : Der Frieden Esercito

Italiano.

mit Menelik . —- Unsere Genie- Truppen. (Vorschläge zur Reorganisation derselben). Nr. 140 : Die Lage der Unteroffiziere . Nr. 141 : Der Friede und die Kolonialtruppen in Eritrea. (Die italienischen Abteilungen kehren heim). Nr. 142 : Die Garnison von Rom (bedarf der dauernden Verstärkung). -Rückblick auf den Krieg in Afrika. (Menschen- und Geldverbrauch seit 1886) . Revista cientifico-militar. (Spanien.) Nr. 19 : Der chinesischjapanische Krieg (Forts.) . - Physiologie des Soldaten (Forts.) . Nr. 20 : General Trochu. - Gesundheitsdienst im Felde.

Memorial de Ingenieros del Ejercito. (Spanien.) Nr. XX : Feldparks der Sapeur-Mineur- Truppen. - Das Blockhaus in seiner Verwendung auf Cuba. Revista Militar. Probleme .

(Portugal.)

Nr. 21 : Lösung einiger taktischer

Semanario Militar. (Argentinien.) Nr. 9 u. 10 : Verwendung der Kavallerie. — Truppenstand des permanenten Heeres vom 1./10 . 1896. Die 4 Waffen in der Avantgarde. Nr. 11 : Das Kriegsbudget für 1897. Krigsvetenskaps Akademiens Handlingar. ( Schweden.) 19. Heft: Der Krieg in Transvaal 1881 (mit Skizze). Militaert Tidsskrift. (Dänemark.) 5. Heft : Die ersten 25 Jahre der kriegswissenschaftlichen Gesellschaft. Militaire Spectator. (Holland .) Nr. 11 : Moderne schnellfeuernde Feldgeschütze ( Forts.) . Militaire Gids. (Holland. ) 7. Lieferung : Erinnerungen an Lombok. Der Infanterie- Angriff nach dem französischen Reglement.

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II. Bücher. Der Krieg von 1806 und 1807. Bearbeitet von Oskar von LettowVorbeck, Oberst a. D. 4. Band. Pr. Eylau- Tilsit. Mit 3 Schlachtplänen, 2 Übersichtskarten und 11 Skizzen. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 11 M. Mit dem vorliegenden Bande ist das Lettow'sche Werk, auf dessen hohen kriegsgeschichtlichen Wert wiederholt an dieser Stelle hingewiesen wurde, zum Abschlufs gekommen . Die lange Pause seit dem Erscheinen des 3. Bandes erklärt sich, wie wir aus der Vorrede erfahren, durch den Umstand, dafs Foucart sein epochemachendes Werk ,,Campagne de Pologne " , welches Lettow eine reiche Ausbeute als wichtiges Quellwerk bot, nicht hatte vollenden können ; es schliefst mit dem 24. Januar 1807 ab . Die vom französischen Kriegsministerium dem Herrn Verfasser gewährten Abschriften der einschlägigen Akten des französischen Kriegs-Archivs, welche auch für den Feldzug 1807 einen wesentlich genaueren Einblick in die napoleonische Kriegführung gestatten als bisher möglich war, empfing Lettow erst im Februar 1896. Er hat, aufser der im QuellenVerzeichnifs namhaft gemachten sehr grofsen Zahl von Archivalien und Büchern, besonders die ,,Correspondance de Napoléon I. " und die (im Berliner Staats - Archiv niedergelegten) Denkwürdigkeiten Hardenberg's, ferner dessen Tagebücher, benutzen dürfen. Lettow's Werk überragt an Reichhaltigkeit und Zuverlässigkeit der Quellen, aus denen der Verfasser schöpfen durfte, in vielen Beziehungen die treffliche nahezu 60 Jahre ältere Arbeit Höpfner's,,, Krieg von 1806 und 1807", um ein Bedeutendes. Höpfner scheint mir bezüglich der Behandlung der taktischen Vorgänge eingehender zu sein ; Lettow durfte dieselben folglich da und dort nur obenhin berühren. Dagegen werden die Ereignisse nach der strategischen und politischen Seite hin bei Lettow mit einer von Höpfner nicht erreichten Meisterschaft behandelt. Beide Werke ergänzen einander auf das Beste ; wer den Krieg von 1806/7 gründlich studiren will, mufs beide zur Hand nehmen. Dafs Lettow den streng geschichtlichen Standpunkt vertritt und rückhaltlos in vornehmer Form, die volle Wahrheit bekennt, auch da, wo sie das patriotische Empfinden schmerzlich berührt, ist sein besonderes Verdienst. Darum ist sein Werk, eben weil es Preufsens unglücklichsten Feldzug behandelt, so lehrreich wie nur wenige kriegsgeschichtliche Werke der neueren Zeit. Der vorliegende Band ist in 8 Kapitel gegliedert. - Kapitel I behandelt den: ,,Wiederbeginn des Feldzuges durch das Vorgehen der verbündeten Armeen gegen die weit zerstreuten Quartiere der Marschälle Ney und Bernadotte". Die Verbündeten hatten um die Jahreswende 1806/7 einen Augenblick des Glücks, den sie jedoch nicht auszunutzen verstanden . Klar tritt es zu Tage, wie wenig die Feldherren der verbündeten Armee Bennigsen, L'Estocq - dem Genie eines Napoleon 8*

116 gewachsen waren.

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Aber auch dessen Marschälle standen, wie nachmals

1813 , nicht auf der Höhe der ihnen gestellten Aufgaben ; nur allein die fehlerhaften und langsamen Bewegungen der Verbündeten gestatteten Ney und Bernadotte, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen . Die günstige Gelegenheit, zwei vereinzelte feindliche Korps zu zersprengen und dem Feldzuge dadurch vielleicht eine glückliche Wendung zu geben, hatten sich die Verbündeten vollkommen entschlüpfen lassen. Kap . II behandelt: „ Die französischen Winterquartiere. Aufbruch aus denselben am 27. Januar. Versammlung der Armee nach vorwärts am 31. Januar. Operationen gegen die zurückweichende verbündete Armee bis zum 7. Februar 1807."

Hier wird auf die vielleicht Manchen überraschende

Thatsache aufmerksam gemacht, dafs Napoleon einen hohen Wert legte auf den Besitz von Festungen, nicht nur als befestigte Depotplätze, sondern im Notfalle auch als Stützpunkte der Armee ; durch Befestigungen an Weichsel , Bug und Narew deckte er seine Winterquartiere. Dieser Wertschätzung entsprechen auch die Anordnungen für die Einnahme von Graudenz, Danzig, Colberg u. s. w. ― Erst am 27. Januar glaubt Napoleon an einen ernstlichen Angriff der Verbündeten, sofort beschliefst er, die Winterquartiere aufzuheben und dem Feinde entgegenzugehen. Alle seine Anordnungen sind musterhaft, obschon er zeitweilig seine Gegner unterschätzte. Aber er brachte, wie Lettow treffend sagt, „bei seinem Entschlufs neben seiner überlegenen Führung die hohen moralischen Kräfte in Anschlag, welche in der Offensive an sich und im Besonderen in dem unbedingten Vertrauen seiner Soldaten zu seiner Person lagen." - Kap . III behandelt : „, Bewegungen und Kämpfe des preufsischen Korps am Morgen des 8. Februar. Die Schlacht bei Pr. Eylau am 8. Februar 1807." Bezüglich der beiderseitigen Stärkeverhältnisse weichen Lettow's Forscher- Ergebnisse erheblich von denen Höpfner's ab. Während der Letztere für die Schlacht von Pr.-Eylau 80000 Franzosen gegen nur 63 000 Russen und Preufsen berechnet, nennt Lettow höchstens 67 000 Franzosen gegen mindestens 82 500 Verbündete. Die Lettow'sche Darstellung der Schlacht hellt manches bisher bestandene Dunkel auf. Sie ist ein Muster von Klarheit, namentlich gegenüber dem lügnerischen Ney'schen Schlachtbericht. Erstaunlich grofs waren auf beiden Seiten die Verluste, die Höpfner sehr ungenügend berechnet hat. Die Franzosen verloren 29 634 Mann (einschl. 1152 Gefangene) - 44,3 %; die Verluste der Russen betrugen 26000 Mann = 35 %, die des L'Estocq'schen Korps 800 Mann = 9,4 %- Eylau war eine der blutigsten Schlachten aller Zeiten. (Bei Mars la Tour beziffert sich der Gesammtverlust auf deutscher Seite doch nur auf 27 %). Die Schlacht war für den nur an Siege gewöhnten Kaiser allerdings nur ein halber Erfolg, der bei den furchtbaren Opfern einem Verluste der Schlacht fast gleich kam. Sehr treffend und psychologisch begründet wird dargelegt, weshalb Napoleon seine Garden nicht einsetzte ; nicht minder treffend ist die Beurteilung Bernadotte's , dessen Unthätigkeit die Absichten der Heeresleitung Napoleon's durchkreuzte. Es ist dieses Moment für die Beurteilung des späteren Führers der Nord-

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armee im Jahre 1813 von hoher Bedeutung.

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Kap. IV schildert den

,,Rückzug der Verbündeten nach Königsberg und Allenburg . Napoleon geht am 16. Februar in Winterquartieren hinter Alle und Passarge. Vorstofs desselben gegen die ihm gefolgte verbündete Armee vom 3. bis 5. März. Rüstungen Napoleon's im Laufe des März, geringe Thätigkeit auf der anderen Seite." Geschichtlich sehr wertvoll und neu sind die hier dargelegten Beziehungen L'Estocq's zu seinem ,,Assistenten" Scharnhorst, dessen Biograph, Max Lehmann, diesem letzteren allein die Erfolge der preufsischen Waffen am Tage von Eylau zuschreibt : Lettow bezeichnet dies als „,unter allen Umständen zu weit gehend", L'Estocq sei nicht der alte, betäubte , gedächtnifslose, schwache Mann, der für sich nichts ist", gewesen, als welchen ihn Scharnhorst dem Könige gegenüber zu bezeichnen sich erlaubte. -- Von Mitte März bis Anfang Juni ruhen die Operationen ; beiderseitige Rüstungen und diplomatische Verhandlungen füllen diesen Zeitraum aus. - Kap. V. Auf Seiten Napoleon's waren es Verpflegungsrücksichten, welche ihn zu wiederholten Malen von einer Offensive abhielten, auch erforderte der Zustand der französischen Armee, die zahlreiche Entlaufene hatte, dringend eine längere Ruhe. Neue Aufschlüsse bietet, auf Grund der Akten des Berliner Kriegsarchivs, die in diesem Kapitel ebenfalls enthaltene Darstellung der Belagerung und Einnahme von Danzig. Der Entsatzversuch Danzigs hat, nach Lettow, bei Höpfner eine unrichtige Darstellung erfahren. - Kap. VI schildert den ,,Wiederbeginn der Operationen Anfang Juni und Fortführung derselben einschliesslich der Schlachten bei Heilsberg und Friedland bis zum Beginn der Verhandlungen am 19. Juni". Staunenswert ist, gegenüber dem lauen Verhalten der Verbündeten , die Energie Napoleon's bei Wiederherstellung und Ergänzung seiner Streitkräfte . Seine Feldarmee zählte bereits Mitte Mai 210 000 Mann, also erheblich mehr als die 167 000, mit denen er im Oktober 1806 den Feldzug eröffnete, dazu an Truppen zweiter Linie fernere 100 000 Mann. Als die Mindeststärke der französischen Feldarmee im Juni werden 178 000 Mann genannt, denen die Verbündeten nur 99 000 entgegenstellen konnten . Napoleon hatte demnach neben der Überlegenheit der Führung auch die der Zahl auf seiner Seite ; da konnte der Ausgang der nun folgenden Kämpfe nicht zweifelhaft sein. Der Tag von Friedland (14. Juni 1807) wurde für die Verbündeten eine vollkommen. vernichtende Niederlage ; Napoleon nennt die Schlacht in einem Briefe an seine Gemahlin ,,eine würdige Schwester von Marengo, Austerlitz und Jena". Kap. VII giebt auf nur 16 Seiten eine ,,Übersicht der Unternehmungen aufserhalb der grofsen Operationen am Narew, vor Graudenz , Kolberg und in Schlesien." Das VIII . (Schlufs) Kapitel schildert dann die ,,Verhandlungen über Waffenstillstand und Frieden. Die Tilsiter Verträge vom 7. und 9. Juli 1807. Die europäische Politik bis Ende 1808 , welche die Räumung Preufsens von dem französischen Heere zur Folge hatte." Über den reichen Inhalt dieses Bandes konnte im Rahmen dieser kurzen Besprechung nur andeutungsweise berichtet werden.

Das Gesagte

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wird aber vielleicht genügen, um erkennen zu lassen, welch' hoch bedeutsame kriegsgeschichtliche Neuheit dem Leser mit dem Lettow'schen Werke geboten wird. Die Kriegsgeschichte , das grofse Erfahrungsbuch des denkenden Soldaten, ist und bleibt die unerschöpfliche Quelle geläuterten Wissens und zielbewufsten soldatischen Könnens. Dies kann nicht oft gesagt werden. In diesem Sinne empfehlen wir Lettow's ,,Krieg von 1806 und 1807", als eine kriegsgeschichtliche Musterleistung von bleibendem Werte, dem Studium auf das Dringendste. Schbg. Des Generals Lebrun Militärische Erinnerungen 1866-70 . Die Ereignisse vor dem Kriege. Seine Sendungen nach Wien und Belgien. Übersetzt von O. von Busse , Oberstlieutenant. Leipzig 1896. Zuckschwerdt & Co. Preis 4,50 M. , geb. 6 M. Bereits im Jahre 1884 war zu Paris ein Band der Erinnerungen des General Lebrun ,,Bazeilles- Sedan" erschienen . Das obengenannte, in der Übersetzung vorliegende Buch, welches die Vorgeschichte des deutschfranzösischen Krieges und die Ereignisse bis zum 13. August 1870 enthält, bildet also eigentlich den ersten Teil von Lebrun's Erinnerungen. Seine Veröffentlichung war damals nur aus besonderen Rücksichten unterblieben und dann erst 1895 nach dem Tode des Erzherzogs Albrecht erfolgt. Herr Oberstlieutenant v. Busse sagt in dem Vorwort zu seiner Übersetzung aber sehr richtig : ,,Das Band, welches jetzt die Völker Deutschlands, Österreichs und Italiens zusammenhält, ist zu fest, als dafs diese Enthüllungen in irgend welcher Weise eine Lockerung verursachen könnten; die Waffenbrüderschaft der Armeen des Dreibundes ist zu stark, die Verehrung für den zu früh verstorbenen genialen Heerführer und Generallissimus der österreichischen Armee, den um sein Vaterland und sein Heer hochverdienten Erzherzog Albrecht, den Sieger von Custozza zu grofs, als dafs auch nur der leiseste Mifston im Herzen des deutschen Volkes in Erinnerung an die schweren Wetterwolken nachklingen sollte, die im Juli 1870 von Süden heraufziehen und mit dem von Westen hereinbrechenden Sturm zusammengeballt zu einem furchtbaren Ungewitter das junge Deutschland Süd und Nord noch lose zusammenhängend - auseinander reifsen, die deutschen Gaue verwüsten konnten .“ Der Schwerpunkt der Erinnerungen des Generals Lebrun liegt unbedingt in des letzteren Bericht an den Kaiser Napoleon über seine Mission nach Wien im Juni 1870 und über die Verhandlungen, welche dort bezüglich des Feldzugsplanes für den gemeinsamen Krieg gegen Preufsen geführt worden sind . Österreich sollte nicht gleichzeitig mit Frankreich den Krieg erklären, sondern zunächst unter dem Scheine einer bewaffneten Neutralität mobil machen. Die französische Armee, die, wie man annahm, vor der preufsischen einen grofsen Vorsprung in der Mobilmachung voraushaben müfste, hatte dagegen sofort in Süddeutschland einzubrechen und durch diesen ersten Stofs die Süddeutschen von den Norddeutschen zu trennen. Wenn die Franzosen dann

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aber bis in die Gegend von Nürnberg und Würzburg gelangt wären, sollten die Österreicher ihnen entgegenkommen, um sich hier mit ihnen zu vereinigen und gemeinschaftlich mit den über den Brenner herbeigeeilten AbItalienern nach Norden in der Richtung auf Berlin vorzurücken. gesehen von der unrichtigen Vorstellung, welche Napoleon über die voraussichtliche Haltung Süddeutschlands in dem betreffenden Kriege sich gebildet, und abgesehen davon, dafs die französische Regierung die Leistungsstärke ihres Heeres bedeutend überschätzt hatte, lag ein sehr wesentlicher Fehler in der strategischen Idee des Feldzugsplanes auch in der irrtümlichen Anschauung über die Schnelligkeit in der Mobilmachung beim Gegner. Man hatte angenommen, dafs Preufsen für die Mobilisirung seiner Armee drei Wochen gebrauchte ; die Vereinigung mehrerer Korps an der Grenze sollte noch eine weitere Woche für jedes derselben auf je einer Bahnlinie erfordern ; da Preufsen andererseits mit weniger als acht Korps nicht wagen dürfte, in Frankreich einzumarschiren, so würde eine Offensive über die Saar vor sechs Wochen nach Einberufung der Reserve-Mannschaften nicht zu befürchten sein. Die Mobilmachung der französischen Armee glaubte man dagegen mit dem fünfzehnten Tage beendet, so dafs mit dem sechszehnten der Rhein überschritten werden konnte. Bei Berechnung der Mobilmachungs- und Aufmarschzeit der preufsischen Streitkräfte hatte man sich an die Erfahrungen von 1866 gehalten, dabei aber nicht darauf gerücksichtigt, dafs Preufsen damals aus besonderen Gründen zu einer successiven Mobilisirung genötigt gewesen war, bei welchem Verfahren naturgemäfs mehr Zeit darüber vergehen musste. Es konnte von den überraschenden Enthüllungen, welche die Erinnerungen des Generals Lebrun uns bringen, hier nur das eine Moment hervorgehoben werden. Jedenfalls bietet aber das Buch einen wertvollen und interessanten Beitrag zur Entstehungsgeschichte des deutsch-französischen Krieges . Die betreffende vortreffliche Übersetzung dürfte daher auch allgemein mit dankbarer Anerkennung aufgenommen werden. Die Anschaffung derselben ist besonders sämmtlichen Militär-Bibliotheken sehr zu 38. empfehlen.

Die Kanoniere von Lissa.

Zur Erinnerung an die heldenmütige Verteidigung der Insel Lissa durch die österreichische Artillerie am 18. , 19. und 20. Juli 1866. Den Waffenkameraden gewidmet von Wilhelm Knobloch , Oberlieutenant. Pola 1896. Selbstverlag.

Mit Recht bemerkt der Verfasser im Vorwort, dafs die heldenmütige Verteidigung der Insel Lissa weniger bekannt ist, als sie verdient, während die auf diese Verteidigung folgende für Österreichs Flotte und ihren Führer Tegethoff so ruhmvolle Seeschlacht bei Lissa stets nach Gebühr gewürdigt worden ist. Es ist ein schönes Denkmal, das der Verfasser den wackeren Kanonieren von Lissa setzt, und nicht nur die österreichische Armee, sondern auch die deutschen Offiziere aller Waffen werden der gründlichen und fesselnden Darstellung des Oberlieutenant Knobloch lebhaftes Interesse schenken .

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An einige historische und topographische Notizen über die Insel Lissa schliefst sich eine eingehende Beschreibung der Befestigungen und ihrer artilleristischen Ausrüstung. Die Batterien der Insel waren im Ganzen mit 88 Geschützen armirt, zu deren Bedienung die 3. und 5. Kompagnie (562 Mann) des Küsten-Artillerie-Regiments bestimmt waren. Ferner bildeten fünf Kompagnien Marine-Infanterie , ein Genie-Detachement und einige 40 Matrosen die Besatzung der Insel. Kommandant war Oberst Freiherr Urs de Margina. -- Die italienische Flotte, welche Lissa angriff, zählte 12 Panzer- und 22 Holzschiffe mit mehr als 650 Geschützen, die den österreichischen an Kaliber erheblich überlegen waren . Trotz des Tage lang fortgesetzten Feuers der italienischen Schiffe, welche die Insel und ihre Werke ununterbrochen mit einem Hagel von Geschossen überschütteten, hielten die unerschrockenen Verteidiger Stand und unterhielten ein so wohlgezieltes Feuer, dafs die Flotte sich mehrfach aufser Feuerbereich zurückzog und die Landungstruppen sich nicht heranwagten. Eine Batterie unter Lieutenant Pawlowsky , nur mit vier schwachen Hinterladern bewehrt, kämpfte unermüdlich gegen die schweren feindlichen Geschütze, als eine 20 cm Armstrog - Granate vom „ Re d'Italia “ das Pulvermagazin traf und die Batterie in einen Schutthaufen verwandelte. Nur 1 Unteroffizier und 5 Mann blieben unversehrt. War auch die Wirkung der Marinegeschütze nicht überall so erfolgreich, so waren doch von den Geschützen der Verteidiger am Abend des zweiten Gefechtstages nur noch 115 gefechtsfähig : trotzdem dachten weder Kommandant noch seine Tapferen daran, den ungleichen Kampf aufzugeben, zumal die feindliche Flotte sich immer noch in respektvoller Entfernung hielt. Und herrlich belohnte sich die Ausdauer der Verteidiger. Als am 20. Juli die Sonne den Morgennebel durchbrach, war die österreichische Flotte unter Tegethoff in Sicht, in entwickelter Schlachtordnung nahte sie zum Entsatz . Die ruhmreiche Verteidigung von Lissa hatte den nun folgenden Seesieg in wirksamster Weise ermöglicht und vorbereitet. Die Batterien von Lissa hatten 2667 Schufs abgegeben und den Italienern einen Verlust von 16 Todten und 114 Verwundeten zugefügt. Die beiden österreichischen ArtillerieKompagnien verloren 13 Todte und 57 Verwundete, eine geringe Verlustziffer gegenüber der enormen Masse von Geschossen, mit denen die Insel überschüttet worden war. Dem Gefechtsbericht sind Skizzen von Lissa und vom Kriegshafen der Insel beigegeben . Die Schrift, vom Verfasser für 1 Gulden zu beziehen, sei den Kameraden bestens empfohlen. P. v. S. Geschichte des Königlich Preufsischen Lehr-Infanterie-Bataillons 1820 bis 1896. Im Auftrage des Bataillons verfafst von W. Siegert , Sek.-Lieutenant. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 3,25 M. Diese Truppengeschichte sie einen Truppenteil betrifft, korps neu formirt wird und schichte kann folglich nur

unterscheidet sich insofern von anderen, als welcher alljährlich auch in seinem Offiziernur im Frieden bestehend ist. Seine „Geeine Chronik der Friedensthätigkeit und

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Friedenserlebnisse desselben sein. Die Geschichte dieser Infanterie-Mustertruppe giebt jedoch gleichzeitig einen vollkommenen Überblick über den taktischen Entwickelungsgang unserer Infanterie in dem abgelaufenen Zeitraum und hat ferner einen besonderen Wert durch die eingehende Darstellung der innigen und vielfachen Beziehungen dieses Bataillons zur Person der Allerhöchsten Kriegsherrn, die dem Bataillon als Repräsentanten der gesammten Infanterie, fortdauernd von jeher das gröfste Interesse entgegen gebracht haben . ― Der Vorgänger des jetzigen Lehr- Bataillons ist das im Jahre 1811 gestiftete, aber schon im Jahre 1813 wieder aufgelöste Normal- Infanterie-Bataillon“ . Erst im Jahre 1820 wurde das jetzige Lehr- Infanterie-Bataillon " errichtet, in den Jahren 1831 , 1848 bis 1852 , 1866 und 1870 aber zeitweis, kriegerischer Ereignisse halber, gänzlich aufgelöst. Die Darstellung ist gegliedert gemäfs dem Wechsel der Kommandeure, die in der Regel mehrere Jahre (der zweite Kommandeur, Major von Werder sogar 10 Jahre, 1825-1835) in ihrer Stellung bleiben . Alljährlich im Herbst, bei Anflösung des Bataillons , verbleibt eine Stammkompagnie bei der Fahne ; bei der Mobilmachung 1866 und 1870 wurde aus Offizieren und Mannschaften des Bataillons die zur Bedeckung Sr. Majestät und des Grofsen Hauptquartieres bestimmte Stabswache gebildet. Der sehr geschickten Darstellung, welche sich mehrfach an die Geschichte des I. Garde-Regiments z. F. anlehnt, ist ein Verzeichnis der seit 1820 beim Bataillon kommandirt gewesenen Offiziere beigefügt. Letzteren besonders wird diese Schrift eine sehr willkommene Erinnerung sein. Das Jahr 1896 bildet einen neuen Markstein in der Geschichte des Lehr-Bataillons, da demselben am 26. Januar eine neue Fahne verliehen wurde, die in Anerkennung der von der Stabswache während der Kriege. 1866 und 1870/71 geleisteten guten Dienste das Band des Erinnerungskreuzes mit Schwertern und in der Spitze das Eiserne Kreuz führt. 2 . Schiefslehre für Infanterie unter besonderer Berücksichtigung des Gewehres 88 und der Schiefsvorschrift für die Infanterie von H. Rohne. Generallieutenant und Gouverneur von Thorn. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 4 M. Rei der eminenten Wichtigkeit, welche dem Schiefsen in der Gesammtausbildung unserer Infanterie zweifellos zukommt, ist es begreiflich, wenn wir einer jeden neuen litterarischen Erscheinung auf diesem Gebiete das gröfste Interesse entgegenbringen, um so mehr, wenn eine solche aus so hochstehender und erprobter Feder stammt, wie das vorliegende Werk. Dasselbe behandelt in 8 Kapiteln auf 125 Seiten und mit 28 Abbildungen im Text : Die Geschofsbahn, die Regelmäfsigkeit der Flugbahn, die Flugbahn des Gewehres 88, die Lehre von der Treffwahrscheinlichkeit, die Wirkung des Geschosses am Ziel, die Wirkung im gefechtsmäfsigen Abteilungsschiefsen, die Ausbildung im gefechtsmässigen Schiefsen und die Wirkung des Schusses auf das Gewehr . Beigegeben sind 18 Anlagen (35 Seiten), grofsenteils Tabellen , (ziffernmässige Zusammenstellungen ) und 5 Tafeln mit Steindruck (Flugbahnen und Trefferreihen, bezw .

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Trefferberge). -

Wer in dem Buch nur eine Anleitung für praktische Schiefsausbildung , praktische Winke und dergleichen sucht, der wird allerdings dasselbe wohl sehr bald mit Enttäuschung , vielleicht sogar mit Schaudern bei Seite legen , wenn er beim Durchblättern die vielen Der Zweck des mathematischen Formeln, Zahlen und Tabellen sieht. auf Buches ist aber auch nicht, eine praktische Anleitung zu geben Seite 111 sagt der Herr Verfasser selbst, dafs es ihm, schon Mangels der nötigen Erfahrung auf dem Gebiete des infanteristischen Schiefsens ferne lag, Ratschläge für die Ausbildung erteilen oder gar ein geschlossenes System der Ausbildung geben zu wollen. - als vielmehr diejenigen Faktoren mathematisch und logisch zu erörtern und entwickeln , welche die Treffwahrscheinlichkeit beeinflussen und eine Beherrschung des Zufalles, der beim gefechtsmässigen Schiefsen eine so grofse Rolle spielt, ermöglichen. Anfangsgeschwindigkeit , Fallgesetze, Flugbahn, Luftwiderstand , Geschofsdrehung etc., bezw. deren Einflußs und Wirkung auf das Schiefsen, sind durch mathematische Formeln entwickelt und durch Tabellen , Treffreihen, Trefferbilder etc. erläutert. Kurz, das ganze Werk bietet für den Durchschnittsleser viel zu viel Theorie, wenn es auch schliesslich durchweg eine praktische Verwertung anstrebt nnd nicht verkannt werden darf, daſs es das an sich trockene und spröde Thema in möglichst fafslicher und angrau ist alle Theorie! - Wenn der regender Weise hehandelt ; doch Herr Verfasser der Ansicht ist,

dafs für das volle Verständnifs die

elementarischen mathematischen Kenntnisse, wie sie die Portepeefähnrichsprüfung verlangt, ausreichen, so mag das zunächst wohl richtig sein, allein bekanntlich werden gerade die mathematischen Kenntnisse in der Regel im Laufe der Jahre bei nicht ständiger Übung nicht unwesentlich reduzirt und wohl die Mehrzahl der älteren, erfahrenen Truppenoffiziere, für welche das Buch doch in erster Linie von Wert sein sollte, denn in der Regel wird doch die Schiefsausbildung so recht das Gebiet der Thätigkeit der älteren Offiziere , insbesondere der Kompagnie-Chefs sein wird nur mit grofsen Schwierigkeiten dessen Ausführungen folgen können. Der Truppenoffizier wird demnach, sofern er sich nicht mit Spezialstudien befafst, verhältnifsmässig nur wenig Nutzen aus der Lektüre des Buches ziehen ; hingegen dürfte dasselbe für Schiefsschulen und deren Organe, sowie für alle Schiefsspezialisten von höchstem Interesse sein ; auf jeden Fall ist es ein vorzüglicher Beitrag für die Entwickelung der Theorien der Schiefswissenschaft, und sei als solcher allen vorerwähnten Interessenten Ob. auf's beste zu empfehlen. Beiträge zur Frage der Schiefsausbildung der Infanterie unter besonderer Berücksichtigung der neuen Bedingungen zum Schulschiefsen. Von Walter Hermann von Mach , Hauptmann. Mit 7 Abbildungen im Text. Berlin 1896. Liebel'sche Buchhandlung. Preis 2 M. Die Deckblätter vom November 1895 zur Schiefsvorschrift der Infanterie bezeichnen einen nicht unwesentlichen Fortschritt in der Schiefs-

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ausbildung ; sie nähern sich mehr und mehr der Hauptforderung, welche wir an die Ausbildung der Truppen im Schiefsen stellen müssen, der unmittelbaren Vorbereitung des Schützen für das Gefechtsschiefsen. - Nicht nur die versuchsweise eingeführten Bedingungen , sondern auch die Anschlagsart und die zu beschiefsenden Ziele tragen obiger Förderung Rechnung. Es sei hier betont, dafs das, wir wollen es einmal ,,Präcisionsschiefsen" nennen , dabei nicht zu kurz kommen soll ; nur soll es auf kriegsgemäfse Ziele und annähernd ebensolche Entfernungen erweitert werden. Um dem Manne aber bei der verkürzten Dienstzeit hierzu hinreichende Gelegenheit zu geben, war es nötig, die Bedingungen nicht auf die nahen Distanzen einzuschränken. Dadurch war es möglich, die hohe Leistungsfähigkeit der Waffe auf den mittleren Entfernungen mehr als bisher in die Erscheinung treten zu lassen und liegt hierin allein schon ein bedeutender Fortschritt. Denn das Präcisionsschiefsen ist auch auf diesen Entfernungen insofern zu fordern , als der Schütze seine Waffe in den verschiedenen Gefechtslagen präcise handhaben soll. Wenn auch zur Erzielung durchschlagender Resultate zweifellos das Einsetzen einer gröſseren Patronenzahl nötig wird, so mufs der einzelne Schütze sein Gewehr so genau kennen und dasselbe so präcise verwenden, dafs die Summe der Einzelschüsse ein erhöhtes Resultat sichert . Wir sind über die Zeit hinaus, wo wir auf den mittleren Entfernungen nur noch mit Zufallstreffern rechneten das erweist sich bei jedem Gefechtsschiefsen. - Soll dies letztere aber Resultate zeitigen, so mufs der Anschlag sich dem gefechtsmässigen thunlichst nähern , und wir stimmen dem Herrn Verfasser darin zu, dafs der ,,Anschlag" stehend aufgelegt am Auflegegestell thunlichst einzuschränken ist. Wir verkennen nicht, dafs die jetzt gültige Schiefsvorschrift im ,,Ausbildungsgange" verbesserungsfähig ist und dafs auch der Anfänger rascher zum freihändigen Schiefsen, vielleicht ,,liegend" gebracht werden könnte . Wir stimmen dem auch zu, dafs sehr oft Fehler des Schützen, die er beim Schiefsen ,,freihändig" macht, ihm durch das ,,Auflegegestell" beigebracht sind. Es wäre wohl von Interesse , festzustellen, ob diese Fehler sich vermindern würden, wenn wir neben den Zielübungen auf dem Sandsacke und rationellem Betriebe von GewehrFront- und Rüstübungen schon gleich „,freihändig" schiefsen liefsen. Die zu beschiefsenden ,, Ziele " haben nach den Deckblättern insofern eine aufserordentlich wichtige Veränderung erfahren, als die Höhenrichtung eine Das ist entschieden kriegsBevorzugung vor der Seitenrichtung erhielt. gemäfs und fordert den Schützen auf, die Leistungsfähigkeit seiner Waffe bei Abgabe des Schusses in Betracht zu ziehen . Unserer Ansicht nach geht Verfasser in seinen Vorschlägen aber zu weit, wenn er die Änderung der jetzt ausgeschnittenen kleineren Figurenscheiben fordert. Er will die Kopf- und Brustziele in ,,Lieg-" bezw. „ Duck - Figur" umwandeln, der Ringscheibe aber einen Querstrich geben,,,und zwar diesen mit seiner unteren Kante als Tangente zum gleichen Rande des Spiegels ." Dagegen können wir uns nur durchaus für Einführung der ,, Rechteckscheibe" als künftigen Ersatz für die Ringscheibe aussprechen. Es würde zu weit

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führen, dies hier zu begründen. - Verfasser redet einer weiteren AusGanz zweifellos ist es richtig , dehnung der Zeitfeuerübungen das Wort. dafs es ,,in Zukunft für die Infanterie darauf ankommen wird, in kurzer Zeit möglichst viel Treffer zu erreichen" - immerhin mufs die Genauigkeit der Schnelligkeit des Schiefsens vorangestellt werden ; bei dem früheren Schiefsen gegen verschwindende Ziele kam die Genauigkeit leicht zu kurz. - Die im fünften Kapitel niedergelegten Ansichten über „ Schiefsauszeichnungen" halten wir für zu weitgehend, denn es würde auf die vorgeschlagene Art und Weise vorkommen können, dafs Abteilungen 2 , ja sogar drei solcher Schiefsauszeichnungen erhalten könnten, wodurch der Wert der höchsten unter ihnen herabgemindert werden würde. Wir sind zudem der Anschauung, als solle man diese ,,Auszeichnungen", sollen sie einen anspornenden Wert behalten, nicht verallgemeinern ; für gute Schiefsleistungen einzelner, die übrigens z. B. bei Kapitulanten, nachweisbar sehr oft regelmäfsig dieselben Persönlichkeiten trifft, sorgt die Truppe schon selbst zur Genüge . - Den Wunsch des Verfassers nach ,,mehr Patronen “ hegen auch wir und empfinden das besonders, wenn wir am Schlufs des -- Wenn wir in vielfacher gefechtsmäfsigen Schiefsens angelangt sind. — Abweichung von dem Gedankengange der hier vorliegenden Broschüre unsere eigenen Ansichten niederlegten , so können wir nur für die gebotene Anregung dankbar sein und wünschen, dafs die Ideen des Verfassers , soweit sie auf einen weiteren Ausbau der neuen Bedingungen, auf Beseitigen ungünstiger Anschlagsarten und auf Erweiterung kriegsgemässer Ziele hinstreben, auch für die Schiefsausbildung der Infanterie nutzbar 63. gemacht werden möchten ! Der

Ausbildungsgang einer fahrenden Batterie unter Berücksichtigung der durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit veränderten Verhältnisse. Von Stroebel , Hauptmann und BatterieChef im 2. Württembergischen Feldartillerie-Regiment Nr. 29 PrinzRegent Luitpold von Bayern. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 80 Pf. Die vorliegende Studie - die mit einem Preis gekrönte Lösung der

gleichnamigen Preisaufgabe für Offiziere der Feldartillerie für 1894/95 erscheint als Sonderabdruck aus dem Juli- Augustheft 1896 des „ Archiv für die Artillerie- und Ingenieur-Offiziere des deutschen Reichsheeres" und dürfte aus dieser Zeitschrift schon den meisten Artilleristen unter Auf Grund meiner Erfahrungen als unseren Lesern bekannt sein. Batterie- Chef kann ich den Ansichten, die in dieser Arbeit ausgesprochen werden, in allem Wesentlichen nur voll beitreten und empfehle ich ihr Studium nicht nur den engeren Waffen-Kameraden, die sie etwa noch nicht kennen sollten, sondern auch solchen Kameraden anderer Waffen, die Interesse für die Artillerie besitzen und sich über deren Verhältnisse orientiren möchten. - Die Studie wägt zunächst die Vorteile und Nachteile gegeneinander ab, welche die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die fahrende Artillerie im Gefolge gehabt hat und gelangt zu dem Ergebnifs, dafs trotz erheblicher Vorteile die Nachteile, namentlich

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bezüglich der Reit- und Fahrausbildung , schwer ins Gewicht fallen. Dennoch geht der Verfasser auf die einzelnen Ausbildungsperioden ein und erörtert die Mittel und Wege, um doch schliefslich mit sämmtlichen Mannschaften auf dieselbe Stufe der Ausbildung zu gelangen wie bisher. Klar zeigt es sich hierbei, wie es namentlich die Reit- und Fahrausbildung der Mannschaften und die Heranbildung und Erhaltung eines gut durchgerittenen Pferdemateriales sind, die jetzt bei weitem gröfseren Schwierigkeiten begegnen wie zur Zeit der dreijährigen Dienstzeit. Ganz besonders schlimm daran sind dabei die Batterien niedrigen Etats, die nur 4 Geschütze bespannt haben ; und der zum Schlufs geäufserte Wunsch einer Erhöhung des Etats dieser Batterien auf 6 bespannte Geschütze dürfte wohl zweifelsohne von allen Seiten als ein voll berechtigter anerkannt werden. Sicherlich wird er auch an mafsgebender Stelle geteilt, aber wir wissen ja, wie eben daselbst die zwingende Notwendigkeit vorliegt, die verschiedensten Rücksichten gegen einander abzuwägen und sich zuweilen mit gewissen Ausgleichsmafsregeln zufrieden zu geben. So dürfte die Sache auch hier liegen! - Und thatsächlich läfst sich denn auch unter den jetzigen Verhältnissen die kriegsgemäfse Ausbildung der Batterie erreichen, freilich unter viel, viel intensiverer und aufreibenderer Arbeit, wie man sie während der 3jährigen Dienstzeit kannte. Das lehrt uns nicht blos das vorliegende Buch, sondern das weifs jeder praktische Feldartillerist aus der eigenen Erfahrung der letzten Jahre. -- Im Laufe seiner Erörterungen gelangt aber der Verfasser aufser zu dem schon erwähnten Wunsche um Etatserhöhung der 4-geschützigen Batterien noch zu verschiedenen Wünschen , denen wir sämmtlich beitreten, da auch wir deren Erfüllung zur Erreichung einer noch intensiveren Ausbildung und zur Vermeidung der Überanstrengung von Lehr- und Pferdematerial — wie sie jetzt droht - für erforderlich halten . Dahin gehören Zuwachs von Chargen, Entlastung der Batterien von Kommandos und Arbeitsdiensten, Abhaltung der ökonomischen Musterungen blofs alle 3 Jahre , Zuführung der Remonten aus den Depots erst nach den Manövern , Wegfall der Seitengewehrgriffe auf Wache und Ersatz derselben durch eine einfache Ehrenerweisung durch einen Revolvergriff, Wegfall der Trensenbesichtigung u. s . w. u. s . w. Möchten im Interesse der Waffe dies nicht fromme Wünsche bleiben ! 39. Verkehrs- , Beobachtungs- und Nachrichten-Mittel in militärischer Beleuchtung. Von W. Stavenhagen. Berlin 1896. Hermann Peters. Der Herr Verfasser bietet mit dieser hochinteressanten Schrift uns die wichtigsten Ergebnisse seiner jedenfalls sehr eingehenden und tiefen Studien über die militärische Bedeutung unserer Hülfsmittel für den Verkehrs- Nachrichten- und Beobachtungsdienst. Die junge strategische Schule behauptet heut zu Tage, die Fortschritte der Technik schränkten den Schöpfungsgeist des Feldherrn ein. Der Herr Verfasser des vorliegenden Buches hat diese Fortschritte ebenfalls vom höheren militärischen Stand-

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punkte, von dem strategischen aus betrachtet, ist aber mit seinen Untersuchungen zu einem ganz entgegengesetzten Resultat gelangt und wird mit seinem Endurteil sicherlich auch die grofse Mehrzahl aller seiner Leser für sich haben . Wie die eigenartigen heutigen Verkehrseinrichtungen die Organisation aller staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Einrichtungen umgestaltet und die Beziehungen der Völker zu einander geändert haben, so beeinflussen sie auch wesentlich den Krieg und führen neue Machtmittel zu . Durch sie wird das Dasein der heutigen Massenheere ermöglicht, ihre Schlagfertigkeit gewährleistet. Sie überwinden Zeit und Raum, Hindernisse aller Art wie Klima und Jahreszeit, natürliche und künstliche Abschnitte , welche in dem Kalkül jedes Führers eine so wichtige Rolle spielen, und öffnen so bisher verschlossene Gebiete der Kriegführung. Die Entschlüsse dürfen kühner, der Gebrauch aller Kräfte bei der Durchführung energischer werden, vieles Ungewisse und Unsichere schwindet vor dem heller sehenden Auge des Feldherrn . Andererseits bringt namentlich die Abkürzung der Entfernungen, die fast dämonische Schnelligkeit, mit welcher sich die Ereignisse vollziehen, neue, unvorhergesehene und plötzliche Momente in die Erwägungen und Handlungen hinein , welche zu verständiger Vorsicht und Voraussicht, zu scharfsinniger Überlegung und berechnender Ausnützung aller Vorteile mehr als früher mahnen. Durch diese Ausführungen des Herrn Verfassers mufs man wohl in der Überzeugung bestärkt werden, dafs die Fortschritte der Technik keineswegs den Schöpfungsgeist des Feldherrn einschränken , sondern dafs im Gegenteil das Feldherrngenie sich auch zum Meister dieser Mittel machen und durch ihre Verwertung dem nicht ebenbürtigen Gegner um so mehr überlegen sein wird . - Der Herr Verfasser giebt uns dann eine kurze und gedrängte, trotzdem aber doch erschöpfende Orientirung auf dem ganzen Gebiete der Verkehrsmittel, wobei er sowohl deren geschichtliche Entwickelung, sowie ihren heutigen Stand, ihre gegenwärtige Leistungsfähigkeit und strategische Bedeutung in genialer Weise beleuchtet. Zunächst wird eine eingehendere. sehr lehrreiche Besprechung dem Militär-Eisenbahnwesen gewidmet. Auch hierbei führt der Herr Verfasser wieder aus , wie ein wohlvorbereitetes Eisenbahnnetz zwar vielfach die Richtung der grofsen Schläge bestimmt, ohne jedoch bei verständnifsvoller Verwertung die schöpferischen Ideen des Feldherrn einzuschränken, oder seine grofsen Ziele zu verändern. Im Gegenteil siegten auch hier Geist und Charakter des Menschen über die Materie und ihre eintönigen schwerfälligen Formen . - In gleich hohem Grade fesselnd ist die Betrachtung des Meeres als Verkehrsmittel unter vorzugsweiser Berücksichtigung seines Einflusses auf den Landkrieg. Auch Land- und Wasser. strafsen, Kundschafterwesen und Unterhändler, Telegraph und Fernsprechwesen, Signalgebung, Scheinwerfer und elektrische Läutewerke, Sprachrohre, Brief- Relais und Meldereiter -Detachements, Fahrrad und Schneeschuh, Feldpost, Taubenpost, Luftschifffahrt, Kriegshunde, Stenographie und Geheimschrift, Kriegskarten und Entfernungsmesser werden in interessanter

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und belehrender Weise besprochen .

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Schliesslich ist ein Verzeichniss der

einschlägigen Litteratur beigefügt. Der Herr Verfasser hat in der Einleitung gesagt, dafs diese Verkehrsmittel jetzt in der Hand des Führers, wie des geringsten Soldaten zu Kriegswerkzeugen von nie geahnter Wirkung geworden sind. Wir können diesem Ausspruch nur den Wunsch hinzufügen, daſs das bezügliche inhaltreiche und durchgeistigte Werk sich fortan auch im Besitz eines jeden Offiziers, und zwar aller Waffen und Grade, befinden möge. 38. Verschlüsse der Schnellfeuer-Kanonen. Nachtrag zur Konstruktion der gezogenen Geschützrohre. Von Georg Kaiser , Regierungsrat und Professor am höheren Artillerie- Kurse . Mit 12 Figuren-Tafeln. Zweite vermehrte Auflage. Wien 1896. In Kommission bei L. W. Seidel & Sohn. Als Nachtrag zu seinem 1892 erschienenen hervorragenden Werk „Die Konstruktion der gezogenen Geschützrohre" hatte Professor G. Kaiser in den Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens" die " Verschlüsse der Schnellfeuer- Kanonen" gegeben, welche 1893 als Sonder-Abdruck erschienen sind. Hierzu folgte 1894 bezw. 1895 ein I. bezw. II. Nachtrag. Die vorliegende zweite Auflage fafst dies Alles zusammen und berücksichtigt alle in letzter Zeit zur Kennifs des Verfassers gelangten Änderungen von den bestehenden Konstruktionen, fügt auch noch einige neue Konstruktionen hinzu. Die Figurentafeln, welche ausgezeichnet genannt werden dürfen, tragen den Änderungen und Zusätzen Rechnung. Der hohe Wert, welche das Werk schon bisher besafs, ist durch die vorliegende Neubearbeitung noch gesteigert worden. Den artilleristischen und technischen Kreisen empfehlen wir dasselbe auf's 12 . wärmste. Freiheit des Rückens, Allgemeine Wehrpflicht, Öffentlichkeit des Strafgerichts. Von Dr. Albert Pfister , Generalmajor z. D. Deutsche Verlags- Anstalt. Stuttgart 1896. Der Grundgedanke der uns vorliegenden trefflichen Broschüre ist : Eine zeitgemässe Reform des Militär- Strafverfahrens steht in einem ursächlichen Zusammenhange mit den Errungenschaften der deutschen Nation zu Anfang unseres Jahrhunderts, nämlich ,,Freiheit des Rückens“ und ,,Allgemeine Wehrpflicht". Die Zeit, als Gneisenau seinen bekannten Artikel „ Freiheit des Rückens" veröffentlichte, und damit den Anstofs zur Aufhebung der Prügelstrafen und überhaupt zu einer Humanisirung der Militär- Strafgesetzgebung gab, war eine schöne, ideale Zeit. Damals znerst wurde die Armee als belebter Organismus, nicht als todter Mechanismus aufgefafst. Man erkannte die hohe Bedeutung, welche der Geist des Heeres hat , und man fing an, die Bildung zu achten. Es vereinte sich das deutsche Geistesleben mit der That. Es dichteten Körner nnd Arndt. Scharnhorst, Gneisenau, v. Boyen (ein Schüler Kants !) v. Grolmann, v. Clausewitz, - Männer, welche in der Geschichte fortleben

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werden,

waren um die Reorganisation der Armee thätig. Als Freund einer Reform des Militär-Strafverfahrens konnte der Herr Verfasser keine

glücklichere Idee haben, als an jene schöne Zeit von segensreichen Reformen zu erinnern und die Neugestaltung des Militär- Strafverfahrens als durch die damaligen Reformen bedingt zu bezeichnen. Was das Reform- Werk selbst betrifft, glaubt der Herr Verfasser, daſs anzustreben ist : Einheitlichkeit des Verfahrens für das ganze Reich und Anlehnung an das bürgerliche Gesetz. In ersterer Beziehung ist demselben vollkommen beizustimmen, da die Wiedererrichtung des Deutschen Reiches einen Partikularismus in der Gesetzgebung für das Heer unthunlich erscheinen läfst. In letzterer Beziehung hätte unseres Erachtens mehr hervorgehoben werden sollen , dafs eine vollständige Übereinstimmung mit dem allgemeinen Strafprozefs nicht stattfinden kann, dafs vielmehr das Heerwesen, namentlich der Geist des Heeres Sonderbestimmungen erfordert. Wir stimmen dem Herrn Verfasser zu , daſs ein neuer MilitärStrafprozefs auf den Prinzipien der Anklage (Einführung einer MilitärStaatsanwaltschaft) und der Mündlichkeit (Vernehmung des Angeklagten und der Zeugen vor dem versammelten Kriegsgericht) beruhen soll, dafs die Annahme eines Verteidigers zu gestatten ist, und dafs Rechtsmittel gegen das Urteil mit aufschiebender Wirkung einzuführen sind. Was die Öffentlichkeit, für welche der Herr Verfasser eintritt, betrifft, sind wir der Ansicht, dafs die prinzipielle Anerkennung derselben sich nicht wird vermeiden lassen, allein wir halten Beschränkungen derselben, und zwar noch weiter gehendere als im allgemeinen Strafverfahren, im militärischen Interesse für geboten . Besondere Anerkennung verdient es, dafs der Herr Verfasser in überzeugender Weise ausführt, dafs die Rechtspflege für das militärische Geistesleben von grofser Bedeutung ist, dafs der Vorgesetzte nicht blofser Exerzirmeister sein soll, sondern , daſs das ganze Erziehungswerk, zu welcher die Rechtspflege gehört , in seiner Hand ruhen soll, weshalb auch die Einschränkung der Militär-Gerichtsbarkeit auf die Militär- Delicte abzuweisen ist . Auf Einzelheiten der Reform des Militär-Strafprozesses können wir nicht eingehen, da es hier unsere Aufgabe nur ist, die Leser der Jahrbücher mit der vorliegenden Broschüre, welche in einer schönen Sprache und mit edler Begeisterung geschrieben beist obwohl hier und da auch über das Ziel geschossen wurde 45. kannt zu machen. Die Catastral -Vermessung von Bosnien und der Herzegowina zunächst als Studie für alle, die in der praktischen Geodäsie und Geometrie thätig sind, insbesondere für Ingenieure der Grundsteuerregulirungs - Kommissionen. Von Viktor Wessely , k. und k. Hauptmann etc. 2. unveränderte Auflage. Mit 5 Tafeln . Wien

1896.

Spielhagen & Schurich.

Preis 4 M.

Der vorstehende, etwas umfangreiche Titel möchte fast dazu verleiten, das Buch ungelesen bei Seite zu legen, denn : ,,was geht uns die V messung von Bosnien an?" Ein kurzer Blick in dasselbe belehrt aber,

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dafs es sich keineswegs nur um Bosnien handelt, dafs wir im Gegenteil ein auch allgemein interessantes und in das Vermessungswesen im Ganzen in verständlicher und übersichtlicher Weise einführendes Buch vor uns haben. Dasselbe zerfällt in 5 Hauptstücke, von denen das erste auf 142 Seiten aufser der Einleitung noch, soweit einschlägig, die Theorie der Vermessung (Beschreibung der im Gebrauch gestandenen Meſsinstrumente und Gerätschaften , ihre Prüfung und Rektifikation , Gebrauch des Mefstisches und der tachymetrischen Kippregel) , das zweite, dritte und vierte auf 127 Seiten die Sommerarbeit (Triangulirung , Mefstischaufnahme und sonstige bei der Vermessung nötige Aufnahmen, Prüfung der Arbeiten etc.) und endlich das fünfte auf 18 Seiten die Winterarbeit behandelt ; 5 Tafeln mit zahlreichen erläuternden Figuren erleichtern das Verständnifs, Was speziell die Aufnahme in Bosnien betrifft, so zeigt uns die Darstellung und Beschreibung derselben in überzeugender Weise, welch' grofses Verständnifs und welch' peinliche Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit man in Österreich, wie früher, so auch heute noch dem Aufnahmeund Vermessungswesen entgegenbringt . So erfolgte z. B. abgesehen von den Triangulirungsarbeiten, die übrigens auch durch Offiziere ausgeführt wurden, die graphische Flächenaufnahme in 1 : 12 500 , die Aufnahme der Grund- und Haus- Parzellen in 1 : 6250 , die der geschlossenen Orte in 1 : 3125 ; die Marken der Gemeindegrenzen und Staatswaldungen wurden auf einer Rekognoszirungsskizze in 1:25 000 verzeichnet, während nebenbei eine flüchtige Terrainaufnahme ebenfalls in 1:25 000 herzustellen war ; aufserdem war noch eine Reihe von Protokollen, Beschreibungen, Listen , Übersichten etc. zu fertigen. Das Resultat dieses umfangreichen und eingehenden Aufnahme-Materials ist in letzter Linie die Generalkarte von Bosnien und Herzegowina in 1 : 150 000 in 4fachem Farbendruck (mit kolorirten Bezirks- und Gemeinde - Grenzen , sowie grünem Waldton), 19 Bl. à 70 kr. Die Aufnahmen fanden in den Jahren 1881-84 , die Ausgabe der Karte 1884-86 statt. Näher auf das Buch einzugehen , würde zu weit führen; es genüge, zu konstatiren, dafs der Verfasser es verstanden hat, den an sich spröden und schwierigen Stoff so zu behandeln, dafs selbst bei geringeren mathematischen und Fachkenntnissen das volle Verständifs nicht ausgeschlossen ist, obwohl er selbst, nach dem Titel zu schliefsen, nur darauf rechnet, Das Buch gewährt, wie schon nur Fachleute als Leser zu gewinnen. das Thun und Treiben bei in Einblick angedeutet, einen vollkommenen der Aufnahme, in das Wesen und die Schwierigkeiten derselben etc. Verhältnisse, deren Früchte jeder, der überhaupt in die Lage kommt, von Karten Gebrauch machen zu müssen, täglich genieſsen kann und die daher auch eine allseitige Beachtung verdienen . - Ist die Lektüre des Buches somit schon für jeden gebildeten Laien interessant , wenn auch vielleicht anstrengend und schwierig, so ist es für jeden sich für den Gegenstand eressirenden Offizier, besonders aber für den eigentlichen Fachmann, aufserdem ein schätzenswerter Nachschlage- und Repetitionsbehelf, der Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 1. 9

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ganz besonders auch zum Vergleich des deutschen und österreichischen Aufnahme- und Vermessungswesens anregt und Anhaltspunkte hierfür liefert, sowie durch die Gegenüberstellung die Vorzüge des einen oder des anderen Systemes zur Beachtung und Anwendung, eventuell Nachahmung, besonders beleuchtet. Über die Art und Weise, sowie den Umfang der Darstellung des Stoffes äufsert sich der Verfasser selbst folgendermafsen : " Mit Ausnahme weniger theoretischer Figuren, ist der ganze Vorgang auf praktische Beispiele basirt, und es sind alle Operationen, die bei einer geometrischen Aufnahme als Leitfaden dienen können, ausführlich behandelt. " Die Vorzüglichkeit des Werkes ist wohl nicht zum mindesten dadurch bewiesen, dafs dasselbe eine zweite Auflage erlebte ; einer weiteren Ob. Empfehlung bedarf es wohl nicht mehr. Die

Heere und Flotten der Gegenwart, herausgegeben von Dr. J. v. Pflugk - Harttung. I. Band : Deutschland ; Inhalt : Das Heer von A. v. Boguslawski , Generallieutenant z. D.; Die Flotte von R. Aschenborn , Kontreadmiral z. D. - Das internationale rote Kreuz von V. v. Strantz , Major z. D. — Verlag von Schall & Grund , Berlin W. Preis 15 M.

Der Herausgeber hat ein auf 10 Bände berechnetes Werk geplant, welches eine sowohl wissenschaftlich befriedigende und belehrende als interessante, durch zahlreiche Abbildungen unterstützte Darstellung der Heere und Flotten der Gegenwart liefern will. Die besten Kräfte stehen dem Unternehmen zur Seite, wie ich aus der Liste der Mitarbeiter ersehe. Der vorliegende I. Band, 700 Seiten füllend, behandelt zunächst in 20 Kapiteln die Organisation, Taktik, Ausbildung, Bewaffnung, Verwaltung u.s.w. des Landheeres einschliesslich der Schutztruppen in den Kolonien, dann folgt ein Anhang Armee-Einteilung mit Angabe der Standorte der Armeekorps, Divisionen etc. -- Die Flotte ist in ähnlicher Weise in 9 Kapiteln behandelt. Zum Schlusse folgt die Darstellung der Organisation des internationalen roten Kreuzes . --- Der Inhalt dieses Prachtwerkes wird den weitest gehenden Ansprüchen des Laien wie des Fachmannes in vollem Mafse genügen. Die äufsere Ausstattung ist eine so vornehme und glänzende, wie wir sie in unseren heimischen Verhältnissen garnicht gewöhnt sind. Die Figurentafeln, dann die vielen Holzschnitte und Heliogravuren sind ausgezeichnet. In Summa, es ist eine Leistung, auf die Herausgeber, Mitarbeiter und Verleger in gleicher Weise stolz sein können . Möge es auch zahlreiche Käufer finden. Der gestellte Preis ist für das, was das Werk bietet, nicht zu hoch gegriffen. 1. Illustrirtes Gedenkbüchlein. Kaiser Wilhelm I. 22. März 1797 bis 22. März 1897. Mit 15. Abbildungen. Von D. B. Rogge , Hofprediger in Potsdam. Dresden - A. Gustav Adolf-Verlag. 1897 . Die hundertjährige Wiederkehr des Tages, an welchem Kaiser Wilhelm der Grofse das Licht der Welt erblickte, steht nahe bevor. Eingedenk der unsterblichen Thaten des edlen und unvergesslichen Fürsten wird man

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überall,,,so weit die deutsche Zunge klingt", seiner an jenem Tage in pietätvoller Dankbarkeit und Verehrung treu gedenken. Diesen guten Zweck zu fördern und das Andenken an Kaiser Wilhelm neu zu beleben , wird dieses ,,Gedenkbüchlein ", dessen Verfasser wir schon eine treffliche 1888 erschienene volkstümliche Lebensbeschreibung, das „ Kaiserbüchlein “, zu danken haben, geeignet sein wie kaum ein anderes. Der Einzelpreis (15 Pf.) ist so niedrig gestellt, dafs die Beschaffung auch dem Unbemittelten ein leichtes ist. Bei Entnahme von 100 Exemplaren stellt sich derselbe sogar nur auf 8, bei 500 auf 7, bei 1000 auf 6, bei 10000 Exemplaren auf je 5 Pf. - Wir wünschen dem patriotischen Werke, im Sinne der guten Sache, bestes Gedeihen und dringend die weiteste Verbreitung, vornehm1. lich in den unteren Schichten unseres Volkes.

Kurzer Dienst - Unterricht für den Infanteristen (Rekruten) in deutscher und polnischer Sprache. Von Thiel , Major, und Dr. Szenic , Professor. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 60 Pf. Das Büchelchen beabsichtigt, angesichts der verkürzten Dienstzeit, die Ausbildung der polnischen Rekruten zu erleichtern, indem es in beiden Sprachen und in Form der Fragen und Antworten den ganzen Dienstunterricht abhandelt. Der Nutzen dieses Instruktionsbuches ist ein augenscheinlicher, wenn dadurch der Hauptzweck erreicht wird, den polnisch redenden Rekruten die Erlernung der deutschen Sprache zu erleichtern. In diesem Sinne wird dasselbe sich sehr brauchbar erweisen, auch möchten wir noch daran erinnern, dafs nach altpreuſsischem Brauch die Verständigung mit den polnischen Mannschaften grundsätzlich nach Einstellung derselben in die Kompagnie in deutscher Sprache stattzufinden hat ; nur Ähnliche auf diese Weise werden die Leute wirklich deutsch lernen . Bearbeitungen für die Kavallerie und Feld-Artillerie haben die Verfasser 4. in Aussicht gestellt.

Der rofsärztliche Heilgehilfe.

Anleitung zur

ersten

Hilfe

bei

plötzlichen Unfällen , sowie zur Erkennung und vorläufigen Behandlung innerer und äufserer Krankheiten der Pferde , nebst Beschreibung der dabei sachgemäfs anzuwendenden Zwangs-, Untersuchungs- und Heilmethoden. Von O. Rietzold . Mit 44 OriginalAbbildungen. Dresden 1896. G. Schönfeld's Verlagsbuchhandlung. Preis hübsch geb. 1,50 M. Ein Not- und Hilfsbüchlein in des Wortes vollster Bedeutung! Welcher Pferdebesitzer hätte es nicht erlebt, dafs eins seiner Tiere plötzlich eine Verwundung, eine Quetschung oder einen sonstigen Unfall erlitt. Allein der Tierarzt wohnt weit und ist . zumal auf dem Lande unter Stunden oft unter halben Tagen nicht zu erlangen. In solchen Fällen ist die richtige Anwendung der Ersthilfe von gröfster Wichtigkeit. Der Verfasser, welcher auf Verfügung des K. S. Kriegsministeriums den Beschlagschülern den rofsärztlichen Heilgehilfen- Unterricht erteilt und schon dadurch hinreichend sachkundig erscheint, hat es in dem 9*

132

Umschau in der Militär-Litteratur.

vorliegenden Büchlein unternommen, in knapper Form und allgemein verständlicher Ausdrucksweise die nötigen Anleitungen zu geben und sie überall da, wo das Verständnifs dadurch erleichtert werden konnte, durch gut ausgeführte Abbildungen erläutert. Die kleine Schrift wird sich als nützlich erweisen und sollte nicht nur bei allen Landwirten , Offizieren und Pferdebesitzern überhaupt, sondern auch in den Händen jedes Stallwärters und Kutschers zu finden sein. 4. Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Von R. Knötel . Bd . VII . Heft 5-8 . Preis jedes Heftes 1,50 M. Rathenow 1896. M. Babenzien. Inhalt : Heft 5. Frankreich : Französische Garden 1697. Mecklenburg - Schwerin : Chevauleger 1835. Baden : Artillerist 1802. Österreich - Ungarn : Freiwillige Krakusen 1866. Heft 6. Preufsen; Gardes du Corps 1809. Portugal : Infanterie, Jäger, Kavallerie, Artillerie und Heft 7. Baden : Württemberg : Feldjäger 1820. Ingenieure 1835. Füsiliere 1802. Kirchenstaat : Nobelgarde, Karabiniers , Kanoniere, Pompier, Finanzwache, Bürgergarde 1816. Preufsen : Normal - Dragoner-Eskadron 1810. Heft 8. Hamburg : Stadtsoldaten 1709. Österreich -Ungarn : Kroatisch- Slavonische Grenz-Kavallerie 1859. England : 13. leichtes DraBaden : Invaliden 1802. Frankreich : Jäger zu gonerregiment 1815. Pferde der Kaisergarde Napoleon III. 1857.

III.

Seewesen.

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft X: Zur Hydrographie der Samoa-Inseln. Aus dem Reisebericht S. M. S. ,,Bussard ", Komdt. Korv.- Kapt. Winkler. - Von Apia nack Jaluit. Aus dem Reisebericht S. M. S. ,,Falke" , Komdt. Korv.- Kapt. Krieg. Von Loanda nach Swakop-Mund . Aus dem Reisebericht S. M. S. „ Hyäne“, Kmdt. Kaptlt. Deubel. Von Yokohama nach Nagasaki. Aus dem Reisebericht S. M. S . ,,Kaiser", Komdt. Kapt. z. S. Jäschke. ― Reise der Bark ,,Castor" , Kapt. L. Rafsmussen, von Santos über Diamond Island, Balasore und Gapalpore nach Cochin. - Häfen und Fahrten an der pacifischen Küste von Mexiko und Centralamerika, von Kapt. W. Frerichs, Führer der Bark ,,Aeolus". Einiges über Trinidad, Westindien, von Kapt. Die Windhose vom B. R. Schoemaker, Führer des Schiffes ,, Therese". 5. Juli 1890 bei Oldenburg und die Gewitterböe vom 10. Juli 1896 in Ostholstein, von Dr. W. Köppen (hierzu 2 Tafeln). - Graphische Darstellung der Fehlergleichungen für Längen- und Breitenbestimmungen, von Theodor Lining, Königl. Navigationslehrer, Flensburg . Über das Abhängigkeitsverhältnifs zwischen dem Sauerstoff- und Kohlensäuregehalt des Meerwassers und dem Planeton des Meeres . Vorl. Mittlg. des Physikers der Ingolf- Expedition Martin Knudsen. - Die Sprungwelle in der Mündung des Tsin-tang-kiang (Hang-tschang- Buent). (Mit 2 Abbildungen.) – Notizen : 1. Der Pilote, ein Führer für Segelschiffe. ―― 2. Durchsegelung

Umschau in der Militär-Litteratur.

133

der Allas-Strafse . - Die Witterung an der deutschen Küste im Monat September 1896. Beiheft : Jahresbericht der deutschen Seewarte. Marine - Rundschau . ( November 1896.) Zur Vorgeschichte der Flotte, von Vice-Admiral Batsch. - Bedarf unsere Marine einer militärischen Hochschule ? Eine Entgegnung von Kontre-Admiral Hoffmann . S. M. Kbt. ,,Iltis", von Wirkl. Admiralitätsrath Koch (mit 3 Abbildungen und einer Kartenskizze der Strandungsstelle). - Die Seeeigenschaften der Schiffe der ,, Brandenburg"-Klasse. Organisation, Entwickelung, neuere Fortschritte und gegenwärtiger Stand des französischen Leuchtfeuerwesens . Auszug aus einem Berichte über eine Studienreise in Frankreich, von F. Peck, Marinebaumeister (mit Abbildungen) . - Die Marine der Vereinigten Staaten, von Franz Rimoser (mit Abbildungen). - Bestrebungen zur geistigen, sittlichen und sozialen Hebung der Seeleute in England, von Korvetten-Kapitän Harms. Mitteilungen aus fremden Marinen. Japanische Segelschifffahrt . Army and Navy Gazette. Nr. 1918 : Die Marine - Infanterie. Über das Verbot für die Angehörigen der Marine, in den Zeitungen etwas über diese zu veröffentlichen. Bevorstehende Vermehrung des italienischen Marine-Budgets, weil die letzten Manöver die grofse Verletzlichkeit Die Trafalgarder Küste darthaten. Russische Schiffsneubauten. Feier. Nr. 1919 : Marine-Litteratur. --- Die Erprobung des ,,Talbot 6 in schlechtem Wetter auf einer Reise nach Halifax. -- Versuche mit der Zalinsky - Kanone in Portland, wobei „ Harpy" als Scheibe diente. Ergebnisse nicht befriedigend . Nr. 1920 : Die hauptsächlichsten Flotten. -Was ist ein Pirat. Ein Augenzeuge von Tralfagar . Gegenüberstellung der gebauten und im Bau befindlichen Schiffe der hauptsächlichsten Marinen. Nr. 1921 : Vergleichung der Seestreitkräfte Englands, sowie Rufslands und Frankreichs andererseits . Beabsichtigte Schaffung von Unterschlupfpunkten für die Torpedobootszerstörer an der Südküste Englands. Über die Einführung der neuen grofskalibrigen Schnellladekanonen in der deutschen Marine. Eine Armee und eine Marine. Nr. 1922 :

Der „ Powerful" und ,,Terrible". - Bau zweier 221½ Knoten

Kreuzer für die japanische Marine in Amerika . - Probefahrtergebnisse der russischen Kaiser-Yacht ,, Standart". - Die Reiseziele des amerikanischen Atlantic-Geschwaders. Journal of the Royal United Service Institution. November 1896 : Titelbild : Das französische Schlachtschiff I. Kl. ,,Jauréguiberry" , - Ein Apparat für Schaffung einer stetigen Plattform auf See für Scheinwerfer. Betrachtungen über die Verteidigung der Bay von Algesiras (mit Plan). - Über die italienischen Marine-Manöver dieses Jahres. Army and Navy Journal. Nr 1731 : Die Verteidigung von NewOrleans. Nr. 1732 : Mitteilungen des ,,Naval Bureau of Ordnance über die Veränderungen in der Artillerie der Vereinigten Staaten Marine. — Panzer und schwere Geschütze. - Über die von spanischer Seite gemachten Vorwürfe, dafs der Abgang von Flibustierschiffen aus der Union nach Havana mangelhaft kontrolirt würde. Über das Marmara - Meer.

Umschau in der Militär-Litteratur.

134 Nr. 1733 : kommene

Amerikanische Kriegsschiffsbauten für Japan. Das vollSchlachtschiff. - Der Howell-Torpedo. -- Elektrizität im

Schiffsleben. Nr. 1784 : Spanien und die Vereinigten Staaten . - Moderne Pulverarten. — Die Aufwendungen Frankreichs und Italiens für ihre Marinen. Das Marine-Korps . - Der neue englische Kreuzer ,, Powerful". Revue maritime et coloniale. (Oktober 1896.) Die Ablenkung Hülfe für die Opfer des Seekrieges, vom Meridian mittelst der Uhrzeit. wie sie war, wie sie ist und wie sie sein sollte. Praktischer Führer für die Kriegs- und Standgerichte an Bord in Dienst gestellter Schiffe (Forts.). Abhandlung über eine Klassifikation der Schiffs-Wasserröhrenkessel ( Schlufs). - Die englischen Marine- Manöver dieses Jahres. - An-griff und Verteidigung. Offizielle Ansichten über den Apparat Obry. Der nächste Seekrieg (Schlufs). Mitteilungen aus fremden Marinen (hierunter einige Notizen über die deutschen Marine-Manöver) . Rivista marittima. (November 1896.) Über die Interpretation Über die Anordnung der der Kohlenverbrauchs-Kurven auf Schiffen. nautischen Studien und der Marine-Karrière (Fortsetzung und Schlufs). — Über Kessel -Vernietungen . - Über die italienische Somali-Küste (Schluſs ; mit Abbildungen) . Die heilige Allianz (Forts. und Schlufs). - Über die maritimen Interessen Italiens und Frankreichs .

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Erzherzog Carl von Österreich als Feldherr und Heeresorganisator. Nach österreichischen Original-Akten dargestellt von Moritz II. Bd. Mit 3 Übersichtskarten und 4 Plänen. Edlen von Angeli . Wien und Leipzig 1896. W. Braumüller. Preis 12 M. 2. Der Anteil der Königlich Sächsischen Armee am Feldzuge gegen Rufsland 1812. Nach amtlichen Unterlagen bearbeitet von Moritz Exner , Oberstlieutenant z. D. Mit 2 Schlachtenbildern (in Lichtdruck) und 9 Skizzen und Plänen auf 8 (lithograph .) Tafeln. Leipzig 1896 . Duncker & Humblot. Preis 4 M. 3. Erlebnisse eines rheinischen Dragoners im Feldzuge 1870/71 . C. H. München 1896. Zweite Auflage. Von Dr. Adolf Kayser. Beck'sche Verlagsbuchhandlung. Preis 2,25 M. , kart. 2,80 M. Von Faber du 4. Napoleon's Feldzug in Rufsland von 1812. Mit ca. 100 grofsen VollFaur, mit Text von Major v. Kaussler. bildertafeln und einer Anzahl kleinerer Illustrationen. In 30 Lieferungen

à 60 Pf. Lieferung 1. Leipzig. H. Schmidt & C. Günther. 5. Mottos und Devisen des Kriegerstandes. Wahl-, Wappenund Denksprüche der Männer vom Schwerte. Gesammelt und herausgegeben von G. Krebs , k. und k. Hauptmann, Wien 1896. L. W. Seidel & S. 6. Art Roë. Papa Felix. Paris. E. Dentu. 7. Der Einjährig-Freiwillige und Offizier des Beurlaubten-

T

Umschau in der Militär-Litteratur. standes

der

Infanterie.

135

Herausgeber

Hauptmann M. Menzel. Mit grofsem Jubiläumsgedenkblatt,

Zweite vermehrte und verb. Auflage.

18 Tafeln in Federzeichnung und 2 Anlagen. Berlin 1897. R. Eisenschmidt. Preis geb. 3 M. 8. Dienst-Unterricht für den Deutschen Infanteristen. Herausgeber Hauptmann M. Menzel . schmidt. Preis 60 Pf.

10. Auflage.

Berlin 1896. R. Eisen-

9. Questionnaire militaire français-allemand, par le Capitaine Richert. Paris 1896. L. Baudoin. Preis 1,25 fr. , kart. 1,50 fr. 10. Illustrirtes Gedenkbüchlein. Kaiser Wilhelm I. 22. März Mit 15 Abbildungen . 1797 bis 22. März 1897. D. B. Rogge , HofEinzelpreis 15 Pf. Gustav Adolf - Verlag. prediger. Dresden 1897. 100 Expl. je 8 Pf., 10 000 je 5 Pf. Deutscher Tierschutzverein zu Berlin. 11. Kalender 1897. Preis 15 Pf. 12. Ausbildung und Besichtigung der Rekruten im Gelände nebst Wochenzettel für den Ausbildungsgang . Mit 8 Zeichnungen . Von v. Lochow, Hauptmann. Berlin 1896. R. Eisenschmidt. Preis 1,50 M. 13. Die Feldartillerie im Zukunftskampf und ihre kriegsgemäfse Ausbildung . Studie mit kriegsgeschichtlichen Beispielen . Von Layriz , Oberstlieutenant. Berlin 1897. R. Eisenschmidt. Preis 2,40 M. 14. Die Schufsverletzungen durch das kleinkalibrige Gewehr. Von Dr. R. Eschweiler. München 1897. Seitz & Schauer. Preis 75 Pf. 15. Fröschweiler Chronik. Kriegs- und Friedensbilder aus dem Jahre 1870-71 . Von K. Klein , ehem. Pfarrer in Fröschweiler . Illustrirt von E. Zimmer. München. O. Beck. 2. und 3. Lieferung. à 50 Pf. 16. Die Kriegsartikel. Erläuterung derselben an Beispielen, nach Geschichten deutscher Truppenteile . Zusammengestellt von v. Holleben , Hauptmann. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 60 Pf. 17. Freiheit des Rückens, Allgemeine Wehrpflicht, Öffentlichkeit des Strafgerichts . Drei Etappen auf dem Wege militärischer Entwickelung. Von Dr. A. Pfister , Generalmajor. Deutsche Verlagsanstalt 1896. Preis 50 Pf. Ein Säkular Beitrag zur 18. Amberg und Würzburg 1796 Kriegsgeschichte. Von Frh. H. v. Massenbach , München 1896. Th. Ackermann . Preis 2,40 M.

Oberstlieutenant.

19. Strategisch-taktische Aufgaben nebst Lösungen. Von H. v. Gizycki. Heft 1. (Mit 3 Krokis und 1 Generalstabskarte). 5. , nach der Felddienstordnung vom 20. Juli 1894 umgearbeitete und erweiterte Auflage. Heft 12. Fortgesetzt von Taubert , Oberst. (Der kleine Krieg). Mit 4 Anlagen. Heftes 2,50 M.

Leipzig 1897.

Zuckschwerdt & Co. Preis jeden

20. Die historische schwarze Tracht der Braunschweigischen Truppen. Von O. Elster , Premierlieutenant a. D. Leipzig 1896. Zuckschwerdt & Co. Preis 1,50 M.

136

Umschau in der Militär-Litteratur.

21. Duellbuch. Geschichte des Zweikampfes nebst einem Anhang enthaltend Duellregeln und Paukcomment. Von H. Kufahl und J. Schmied - Kowarzik . Mit 20 in den Text gedruckten Abbildungen. Leipzig 1896. J. J. Weber. 22. Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland. Von O. von Lettow - Vorbeck , Oberst a . D. Erster Band. Gastein- Langensalza. Mit 1 Übersichts- und Operationskarte, 8 Skizzen und 1 Gefechtsplan Berlin 1896. E. S. Mittler & S. 23. Handbuch für den aktiven Offizier der Armee über Dienstvorschriften und dienstliche Personal - Angelegenheiten . Auf Grund der bestehenden Gesetze und erlassenen Verfügungen bearbeitet von A. von Geyso , Hauptmann . Berlin 1896. Militär-Verlagsanstalt. Preis 5 M. 24. Bataillon, Regiment und Brigade auf dem Exerzirplatz Im Sinne des neuen Regleund ihre Ausbildung für das Gefecht. ments praktisch dargestellt von H. Frh. v. d . G.-R. Mit vielen Abbildungen im Text. Dritte vermehrte Auflage. Berlin 1896. Militär-Verlagsanstalt . Preis 6 M. 25. Armee - Abreifs - Kalender des deutschen Soldatenhort. X. Jahrgang. Herausgegeben von General-Lt. z. D. v. Below. Berlin . K. Sigismund . 26. Moltke's Militärische Werke. Moltke's Militärische Korrespondenz . Aus den Dienstschriften des Krieges 1870-71 . Herausgegeben vom Grofsen Generalstabe , Abteilung für Kriegsgeschichte . Zweite Abteilung . Vom 3. September 1870 bis zum 27. Januar 1871 . Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Von 27. Die Königin Luise. In 50 Bildern für Jung und Alt. C. Röchling, R. Knötel und W. Friedrich. P. Kittel. Preis 3 M.

Berlin.

Verlag von

28. Die Russische Kavallerie in Krieg und Frieden unter besonderer Berücksichtigung der Kavallerie-Reglements vom Jahre 1896. Von Frh. von Tettau , Hauptmann . Leipzig 1897. Zuckschwerdt & Co.

Kroll's Buchdruckerei, Berlin S., Sebastianstrasse 76.

X.

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796 in Deutschland und Italien.

(Fortsetzung.)

Österreichischerseits war hier am Rhein der Waffenstillstand mit der Erklärung gekündigt worden, dafs die Feindseligkeiten am 1. Juni ihren Anfang nehmen würden . Die beiderseitigen Armeen hatten sich demzufolge am 30. und 31. Mai in den Stellungen zusammengezogen , von wo aus die Operationen beginnen sollten. Die österreichische Nieder-Rhein-Armee stand dann mit ihrem Gros am linken Rheinufer zwischen Speyerbach und Nahe westlich Mainz, mit dem rechten Flügel unter Prinz v. Württemberg aber zwischen Sieg und Lahn . Auf französischer Seite hatte Jourdan's Sambre- Maas-Armee ihren linken Flügel unter Kleber bei Düsseldorf, mit einer Avantgarde am rechten Rheinufer, das Centrum bei Neuwied und den rechten Flügel unter Marceau an der Nahe. Die österreichische Ober-Rhein-Armee befand sich zwischen Basel und Mannheim, während Moreau's Rhein-MoselArmee mit dem linken Flügel unter Desaix am Speyerbach, mit dem Centrum unter St. Cyr bei Strafsburg und mit dem rechten Flügel unter Ferino oberhalb dieses Punktes stand. Die wichtigen Ereignisse in Italien und die daraus entspringende Gefahr für Österreich hatten das Wiener Kabinet bewogen, dem F. Z. M. Wurmser die Weisung zu erteilen, schleunigst mit einem Teile seiner Armee durch Tirol zur Rettung Mantuas abzumarschiren . Am 31. Mai war demnach Wurmser mit 25 160 Mann vom Rhein aufgebrochen . Er hatte diese Truppen gröfstenteils dem Gros der Ober- Rhein-Armee aus der Gegend von Mannheim entnommen. Durch eine solche Detachirung geschwächt, sahen die Österreicher hier sich jetzt völlig auf die Defensive angewiesen , welche aufserdem, wie worden, auch noch eine recht schwierige war. Am

1. Juni wurden die

bereits

erörtert

Feindseligkeiten durch unbedeutende

Gefechte auf der ganzen Vorpostenlinie beider Parteien am unteren Rhein eröffnet. Erzherzog Karl trat aber noch an demselben Tage mit seinem Gros einen staffelweisen Rückzug an. Am 6. standen seine Vorposten an der Glan, die Armee bei Fuhrfelden . Der Erzherzog hatte 9 Bataillone an die Ober-Rhein-Armee abgegeben, um dort den Ausfall der nach Italien abmarschirten Truppen einigerJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 2. 10

138

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

maſsen zu decken.

Das Gros des Erzherzogs konnte aber auch in

seiner neuen Stellung nicht lange bleiben . Während Jourdan durch unbedeutende Gefechte auf dem Hundsrück und an der Nahe die Österreicher hier festzuhalten suchte, war Kleber am 1. Juni von Düsseldorf aufgebrochen, hatte den Prinzen von Württemberg am 4 . bei Altenkirchen und Crobach zurückgeworfen und näherte sich bereits der Lahn . Die Nachrichten von diesen Ereignissen an der Sieg, sowie ferner von dem Übergange der Division Grenier bei Neuwied und von dem Marsche der Divisionen Championnet und Bernadotte gegen Coblenz flöfsten dem Erzherzoge Besorgnisse für seine Verbindungen ein.

Er zog sich daher noch weiter zurück und

ging schliefslich am 9. und 10. durch die Festung Mainz über den Rhein. Den F. M. L. Mercaudin hatte er aber mit 22 Bataillonen und 22 Schwadronen hinter der Seltz zurückgelassen, der am 14. das verschanzte Lager von Hechtsheim besetzte.

Gegenüber nahmen die

den Österreichern hier gefolgten französischen Divisionen Marceau und Poncet eine Beobachtungsstellung ein. In dem nämlichen Mafse , als Erzherzog Karl gegen die Seltz zurückgegangen war, hatte auch die Ober-Rhein-Armee eine rückgängige Bewegung gegen die Verschanzungen vor dem Brückenkopfe von Mannheim gemacht. Moreau war mit seinem linken Flügel und dem Centrum gefolgt , ohne den Rückzug der Österreicher zu erschweren .

Seine Aufgabe ,

den Rheinübergaug zu forciren , war allerdings schwieriger als jene Jourdan's, der schon festen Fufs auf dem rechten Stromufer gefafst , aufserdem eine durch Düsseldorf gesicherte Brücke und daher die günstige Möglichkeit zum Angriffe auf den feindlichen rechten Flügel für sich hatte. Moreau handelte daher vorsichtig und klug, wenn er seinen Rheinübergang so lange aufschob, bis das Vorrücken der Armee Jourdan's den gröfsten Teil der Kräfte und die AufmerkDie Bewegungen samkeit des Gegners auf sich gezogen hatte. Moreau's auf dem linken Rheinufer waren ebenfalls sehr zweckmäſsig,

indem sie den Feind vor Mannheim beschäftigten und jede

Vermutung, sowohl bezüglich einer Konzentration an dem wichtigsten Übergangspunkte des Oberrheins, wie etwa einer Detachirung nach der Lahn fern zu halten suchten. Am 11. Juni standen auf dem linken Rheinufer

die Österreicher bei Maudach, vorwärts der Ver-

schanzungen von Mannheim, die Franzosen mit der Division Beaupuy bei Muschbach , mit den Divisionen Duhesme und Taponnier zwischen hier und Golheim; die Division Delmas befand sich zwischen Speier und Harthausen.

Am 14. wurden die Vortruppen der Öster-

reicher über den Flofs- und Rehbach gänzlich auf Maudach zurückgedrängt, so dafs sie sich schliesslich veranlafst sahen, am 15. sich

von 1796 in Deutschland und Italien .

in die Verschanzungen bei Mundenheim zu werfen.

139

Moreau hatte

30 Bataillone, 45 Eskadrons diesen Schanzen gegenüber vereinigt und 21 Bataillone, 27 Eskadrons zur Verstärkung bereit stehen . Die Österreicher hatten 13 Bataillone, 10 Schwadronen im Lager von Mundenheim, der ganze übrige Teil der Ober-Rhein-Armee war auf dem rechten Stromufer bis Basel hin in eine Postenkette aufgelöst . So blieb hier der Stand der Dinge bis zum 19. Juni . Inzwischen war die auf dem rechten Rheinufer in der Offensive begriffene Armee Jourdan's am 12. Juni an der Lahn angelangt, wo die Österreicher mit etwa 25 000 Mann unter F. Z. M. Wartensleben von Oberlahnstein bis Giefsen, auf einer Front von 12 Meilen ziemlich gleichmässig verteilt standen . Die französische Division Bernadotte befand sich zwischen Nassau und Lahnstein, den rechten Flügel an den Rhein gelehnt, den linken an die Division Championnet , welche die Gegend von Nassau bis Dietz besetzt hielt. Beide Divisionen deckten die Blokade des Ehrenbreitenstein, mit welcher die Division Bonard beauftragt war. Neben Championnet stand Grenier , mit dem linken Flügel an dem Dorfe Els, mit dem rechten an dem Walde hinter Gückingen. Die Division Collaud war Limburg gegenüber postirt und die Division Lefebvre bildete einen Haken hinter dem Ravin von Steinbach, Ober- und Nieder-Tieffenbach . Strafsen von Weilburg und Wetzlar beobachten.

Sie sollten alle Die Kavallerie-

Division Bonneau diente als Reserve hinter den beiden Divisionen des linken Flügels .

Erzherzog Karl beurteilt diese Aufstellung da-

hin, dafs sie weder dem einen noch dem andern Zwecke entsprochen habe, mochte nun Jourdan sich vorläufig auf die Defensive beschränken wollen, oder aber gleich zum Angriff schreiten. Allerdings war gerade die Strecke vom Ausflufs der Els bis an den Rhein , welche für beide Parteien wohl weniger zu einer Operation geeignet schien, mit drei französischen Divisionen besetzt, während für jene Gegend aufwärts der Lahn, wo die Verhältnisse für die Operationen viel günstiger lagen, nur zwei Divisionen verwendet wurden. Auch war zur Zeit der Ehrenbreitenstein jedenfalls kein so wichtiges strategisches Objekt für den französischen Obergeneral, um dagegen Mühe und Kräfte verwenden zu sollen. Die unbedeutende, auf einem hohen Felsen gelegene Veste, von tiefen und steilrandigen Thälern umgeben, konnte einer vorbeimarschirenden Armee in keiner Weise Schaden zufügen, oder durch Ausfälle auf deren Verbindungen wirken. Die Aufstellung des französischen linken Flügels war schliesslich ebenso fehlerhaft, wie jene des rechten .

Sie bildete eine Flanke ;

die Di-

vision Lefebvre , aus welcher dieselbe bestand, war aber so weit ausgedehnt , dafs sich an keinem Punkte dieses schwächsten Teiles der 10*

140

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

Stellung irgend eine erhebliche Truppenzahl vereinigt fand. Jourdan hatte am 13. das Kommando an der Lahn übernommen, und hoffte, am 17. die Offensive fortsetzen zu können. Inzwischen näherte sich aber Erzherzog Karl , der mit 32 Bataillonen und 81 Schwadronen in zwei Kolonnen über Schwalbach, Homburg und Gräfenwiesbach , sowie über Friedberg und Butzbach, gegen die Lahn im Anmarsch begriffen war. Der Plan des Erzherzogs ging dahin, die Lahn zwischen Wezlar und Leun zu überschreiten, wo die Ufer des Flusses die wenigsten Hindernisse erwarten liefsen, dann den Gegner durch Zurückwerfen seines linken Flügels in die Flanke zu nehmen und von der Lahn zu delogiren . Schon am 13. und 14. trafen die Truppen des Erzherzogs auf den Höhen von Butzbach, in Ostheim und in Gräfenwiesbach ein . Die Bewegung des kaiserlichen Oberfeldherrn vom Main zur Lahn war bezüglich der Wahl der Richtung und der Beschleunigung des Marsches durch Teilung in mehrere Kolonnen ganz vortrefflich angeordnet und rasch Auch die Disposition für den Lahnübergang entsprach dem Zwecke, nur nicht , wie der Erzherzog selbst sagt, die Wahl des Tages. Das entscheidende Vorrücken der Armee sollte am 16. erfolgen, es ging demnach der 15. also ganz verloren. Der Erzherzog hatte diesen Nachteil nicht übersehen. Er liefs daher noch am 15., ausgeführt worden .

nachdem die Avantgarde in die Linie Herborn- Greifenstein- Leun vorgetrieben worden, den F. M. L. Wernek mit den hinter Wezlar stehenden Truppen vorrücken, um sich des Debouchés und der Anhöhen vor der Stadt zu bemächtigen . Jourdan hatte von der Ankunft der österreichischen Hauptmacht in der Gegend von Wezlar Kenntnifs erhalten und konnte über die Absichten des Gegners nicht mehr im Zweifel bleiben. Er liefs den General Lefebvre links abmarschiren, um sich zwischen Greifenstein und Oberbühl aufzustellen und dem Feinde, der über die Dille oder Lahn gehen wollte , entgegenzutreten. Die österreichischen leichten Truppen hatten sich am 15. früh in den Besitz von Ober- und Niederbühl gesetzt, Wernek war von Wezlar aus gefolgt. General Lefebvre griff aber jetzt die Österreicher an, bemächtigte sich wieder der vorgenannten Ortschaften und drang schliefslich nach langem und wechselvollem Kampfe auch in die Abtei Altenburg ein. Die Österreicher traten überall . den Rückzug an, während Lefebvre die gewonnenen Stellungen besetzte. Es war 4 Uhr Nachmittags . Der Erzherzog, welcher in der Umgegend rekognoszirt hatte, war dem Kanonendonner zugeeilt. Derselbe erkannte sofort mit richtigem Blicke die Situation, liefs 4 Bataillone, 5 Schwadronen konzentriren und mit diesen die Anhöhe vorwärts Altstätten erstürmen,

wo der feindliche linke Flügel stand .

Durch

von 1796 in Deutschland und Italien .

141

die Wegnahme dieses Punktes war für die Osterreicher die Krisis überwunden .

Nachdem der Kampf hier entschieden war, eilte der

Erzherzog zu seinem anderen Flügel und liefs hier auch Altenburg dem Feinde entreifsen. Das Treffen war für die Österreicher gewonnen. Dieselben brachten die Nacht auf dem Schlachtfelde zu , während die Franzosen ihre frühere Stellung hinter dem Ravin von Tieffenbach bezogen. Erzherzog Karl stand jetzt in Jourdan's linker Flanke und war gewillt, die errungenen Vorteile zu verfolgen . Der französische Ober-General hatte sich aber zum Rückzuge entschlossen und liefs seine Vorposten am 16. Weilburg und Mehrenberg räumen.

Der Erzherzog rückte daher vorläufig in ein Lager bei

Greifenstein, von wo aus er sich entweder gegen die Sieg, oder gegen die Lahn wenden konnte. Die vorwärts Wezlar befindlichen leichten Truppen waren aber mit der Garnison von Giefsen vereinigt und auf beiden Ufern der Dille vorgeschoben worden. Dieselben überfielen zunächst den General Soult bei Herborn, so dafs dieser nur mit Mühe und unter grofsen Verlusten noch am 16. das Defilé von Hachenburg erreichen konnte, wo er durch den von Jourdan mit einer Abteilung vorausgesandten General Bastoul aufgenommen wurde. Der Erzherzog hatte unterdessen Anstalten getroffen , um am 17. über Mengerskirchen gegen den Feind vorzurücken . Dieser hatte jedoch in der Nacht den weiteren Rückzug angetreten .

Die Division

Grenier , Championnet , Bernadotte und ein Teil der Kavallerie zogen staffelweise über Montabaur nach Neuwied ab, Bonard längs des Rheins nach Köln, Kleber mit den Divisionen Lefebvre und Collaud auf der Strafse Altenkirchen an die Sieg. Der Erzherzog änderte infolge dieser Bewegungen des Feindes seine Marschrichtung, machte eine Flankenbewegung nach Renderoth und liefs die Division Wernek nach Emerichenheim abrücken.

Die Verfolgung in der Front

wurde den an der Lahn aufgestellten Truppen übertragen.

General

Kleber hatte dann mit seinem Korps am 18. eine Aufstellung hinter Uckerath genommen, bereit für eine wieder zu ergreifende Offensive. Gegen ihn ging am 19. F. M. L. Kray mit der österreichischen Avantgarde von Hachenburg aus vor. Kleber schritt aber zum Gegenangriff und es kam nach einem langen und

wechselvollen

Kampfe zu jenem in der Kriegsgeschichte denkwürdigen Handgemenge auf der Höhe hinter dem Dorfe Kircheip , in welchem schliesslich die Franzosen zurückgeworfen wurden. Kleber gieg in die vor dem Gefecht inne gehabte Stellung zurück, die Österreicher blieben bei Kircheip stehen. Am 20. überschritt Kleber die Sieg und traf am 21. in dem verschanzten Lager von Düsseldorf ein. Jourdan hatte inzwischen am 18. und 19. den Rhein bei Neuwied

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

142

überschritten und dort Lager bezogen. Die vor Hechtsheim stehenden Divisionen Marceau und Poncet liefs er hinter die Nahe nach Kreuznach rücken. So hatte denn die erste Offensiv - Operation der SambreMaas-Armee ihren Abschlufs gefunden. Jourdan war ohne eigentliche Entscheidungsschlacht, blofs durch Manöver und indem die Österreicher auf den entscheidenden Punkten die Überlegenheit zu gewinnen gewufst hatten, gezwungen worden , seinen Plan aufzugeben.

Die Operationen

des Erzherzogs , von seinem Marsche

über den Rhein bis an die Sieg, waren mit hervorragendem Scharfblicke angelegt . Bezüglich der Ausführung wirft sich der Feldherr selbst so manchen Fehler vor. Es scheint allerdings, dafs der Erzherzog nach dem Treffen bei Wetzlar vom 15. einen stärkeren Marsch als blofs bis Greifenstein hätte machen sollen, um den Gegner entschiedener noch zu umfassen . Der österreichische Feldherr sah jedoch sehr erklärlicher Weise dieses erste Gefecht an der Lahn nicht als Entscheidungsschlag, sondern nur als Einleitung zu der geplanten Schlacht an, die er sich ja erst am 16. gedacht hatte . Es mussten ihn auch schon Sicherheitsgründe veranlassen. erst möglichst viel Truppen zu vereinigen und nichts dem Zufall anheim zu geben, namentlich da der Erzherzog

im Unglücksfalle Gefahr lief,

an die

obere Lahn gedrängt und von Wartensleben , sowie von der Oberrhein-Armee abgeschnitten

zu

werden.

Als einen

grofsen Fehler

tadelt aber Erzherzog Karl , dafs F. M. L. Kray am 19. Juni nicht hinlänglich verstärkt und unterstützt wurde, um Kleber eine entschiedene Niederlage bereiten zu können .

Unzweifelhaft befand sich

letzterer bei Uckerath in sehr exponirter Lage.

Die Ermattung der

österreichischen Truppen, der Mangel an Verpflegung, die Ungewissheit, ob der Feind auch schon vollständig bei Neuwied übergegangen war, und die Rücksicht, sich nicht zu weit ausdehnen

zu wollen, erklärt

der Erzherzog selbst nur für Scheingründe der Entschuldigung, die in sofern nicht als stichhaltig

angenommen werden konnten, als es

sich schliesslich doch nur um einen einzigen Marsch gehandelt hätte, um das Schicksal Kleber's zu entscheiden. Jourdan's erste Offensive war vereitelt , aber seine keineswegs doch geschlagene Armee stand am Niederrhein noch in drohender Haltung.

Die Österreicher mufsten Zeit verlieren ,

bis an die Sieg

vorrücken und unter allen Umständen eine bedeutende Truppenmacht am unteren Rhein belassen. Dagegen fand Jourdan wohl bald einen Ersatz für die aufgegebenen Vorteile einer für ihn vielleicht glücklich eigene

ausgefallenen

schwierige Lage

Schlacht. und

Der

Erzherzog

fühlte

seine

war besonders nicht ohne grofse Be-

von 1796 in Deutschland und Italien.

sorgnifs für den Oberrhein.

Schon am 21.

143

dirigirte er daher die

Sachsen von Ober-Hadamar aus an den Neckar ; mehrere österreichische Abteilungen aus der näheren Lahngegend , sowie aus dem Hechtsheimer Lager erhielten dieselbe Bestimmung. Erzherzog Karl selbst marschirte mit diesen 23 Bataillonen und 29 Schwadronen. Wartensleben blieb mit 36 284 Mann zwischen der Lahn und Sieg zurück, zur Besetzung der Posten am Rhein, der Hechtsheimer Verschanzungen und von Mainz wurden aber weitere 27 000 Mann verwendet . Bei der Oberrhein-Armee hatte für Wurmser erst am 18. Juni Latour das Kommando übernommen.

Dieser ordnete sich

dann sofort den Befehlen des Erzherzogs unter, wodurch zum Heile und Segen für die Armee und die

österreichische Monarchie die

Einheit im Kommando hergestellt wurde. Erzherzog Karl erteilte noch von der Lahn aus dem F. Z. M. Latour den Rat, den wichtigsten Punkt am Oberrhein, die Gegend von Kehl nicht zu vernachlässigen, bei Offenburg eine Reserve zu konzentriren und bei Mannheim nur so viel Truppen zu belassen , als die dortigen Verschanzungen, sowie die Festung dringend benötigten. Diese Instruktion, welche im hohen Grade für die richtige Beurteilung der Lage seitens des österreichischen Oberfeldherrn sprach, langte leider bei Latour zu spät an.

Die unzweckmäſsige Aufstellung, in welcher

Wurmser die Truppen am Oberrhein gelassen,

hatten schon nach-

teilig gewirkt, ehe noch Abhülfe geschafft werden konnte. Moreau konnte keine günstigere Gelegenheit für die Ausführung des ihm vom französischen Direktorium erteilten Auftrages finden , gerade zu dem Zeitpunkte, wo die Hauptmacht der Österreicher am Niederrhein gefesselt und der Oberrhein nur mit einer Kette von einzelnen kleinen Korps schwach besetzt war. Als Übergangspunkt wurde jetzt Kehl und als Tag der Ausführung der 24. Juni bestimmt. Die Wahl des Punktes Kehl war strategisch eine sehr richtige und gute.

Die

beste, in

der

kürzesten

Richtung

das Gebirge über-

schreitende Strafse führt durch das Kinzigthal und hat ihr Debouché bei Offenburg, gerade gegenüber von Kehl. Die Ausführung des Überganges wurde höchst sorgsam, aufserordentlich zweckmässig und unter vollständiger Wahrung der Heimlichkeit vorbereitet. Um dem Feinde den Plan möglichst zu verbergen und den Gegner über die französischen Absichten völlig irre zu führen , ward vor Mannheim am 20. eine grofsartige Demonstration gegen das verschanzte Lager der Österreicher auf dem linken Rheinufer unternommen. Nachdem hier aber Moreau durch vollständiges Zurückdrängen der feindlichen Vorposten bis in die Verschanzungen hinein seinen Zweck erreicht hatte, liefs er seine Truppen sofort nach Strafsburg abmarschiren .

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

144

Am

23.

waren

an diesem Punkte dann 27 492 Mann versammelt, als die ganze Macht der Österreicher von

also 7000 Mann mehr,

Breisach bis Steinmauern, auf einer Entfernung von 7 bis 8 Märschen betrug. Am 24. Juni früh 11 Uhr wird von Moreau der Übergang bei Kehl und an einigen Nebenpunkten begonnen . Die schwachen schwäbischen Truppen des F. Z. M. Stein werden zurückgeworfen, die Verschanzungen von Kehl, das alte Fort selbst und das Dorf werden erobert . Am 25. Abends befinden sich 59 Bataillone, 74 Eskadrons Moreau's auf dem rechten Stromufer . Jetzt war es den Österreichern freilich nicht mehr möglich, dem französischen Obergeneral die errungenen Vorteile wieder zu entreifsen . Wohl hätte dies aber vielleicht noch am 24. Abends oder in der Nacht geschehen können. Infolge der allarmirenden Nachrichten waren 2 Bataillone, Rench,

4 Schwadronen

Österreicher

von

Stollhofen

an

2 Bataillone von Offenburg gegen Neumühl marschirt

die und

hatte der Herzog von Enghien etwa 2000 Mann des Korps Condé zusammengebracht . Ein kühner Angriff, bevor die Franzosen noch festen Fufs gefafst und ihre Brücken hergestellt hatten, konnte vielleicht noch von günstigem Erfolge sein , allein bei den Verbündeten fehlte die Einheitlichkeit des Befehls , die Generale der verschiedenen Kontigente

konnten zu keinem gemeinsamen Entschlufs gelangen. Am 25. langten noch 4 Bataillone, 6 Schwadronen zur Verstärkung

an und man wollte jetzt den Feind in der Nacht angreifen, die Franzosen warfen aber von Neumühl aus die schwäbischen Vorposten über den Haufen und F. Z. M. Stein liefs jetzt Alles in die Stellung von Bühl zurückgehen. F. Z. M. Latour war mit den wenigen bei Schwetzingen vorhandenen Reserven aufgebrochen und liefs auch aus dem verschanzten Jedoch blieb Lager von Mannheim einige Bataillone nachrücken . das ganze Rheinufer unnützer Weise besetzt und General Frelich mit 10 000 Mann noch unthätig im Breisgau . So benahm man sich denn aller Mittel, nicht nur, um den Feind wieder über den Rhein zurückwerfen zu können, sondern auch, um ihn an der Gewinnung des

Kinzigthals

zu verhindern ,

durch

welche

unvermeidlich

die

österreichische Armee getrennt und jedes Zusammenwirken der Kräfte gestört werden musste. Am 26. standen also 17000 Mann Österreicher, zersplittert in einem von Flüssen, Morästen und Waldungen durchschnittenen Gelände, in einem ausgedehnten Bogen um Moreau aufgestellt, der sich, mit 53 000 Mann auf einem Punkte konzentrirt , in der Mitte befand . Welche glänzenden Resultate für Frankreich , welche gefährliche Folgen für Österreich, sagt Erzherzog Karl, hätten nicht

eigentlich

aus

einer

solchen

Lage entstehen

müssen !

Die

von 1796 in Deutschland und Italien .

145

Franzosen gingen am 17. an beiden Ufern der Kinzig zum Angriff vor. Anstatt aber mit Entschlossenheit und mit gesammten Kräften einen Entscheidungskampf herbeizuführen, begnügte sich Moreau mit der Einnahme der Punkte Urloffen, Appenweier und Windschläg. Die Besetzung von Appenweier öffnete den Franzosen eine der beiden. Strafsen, welche in das Renchthal und in das Gebirge führen . Die österreichischen Detachements in Oberkirch und in Nufsbach waren zu schwach, können.

um

allein

einem ernstlichen Angriff widerstehen zu

Dem F. Z. M. Stein blieb daher nichts anderes übrig, als

sich mit seinen, schon der Auflösung nahen, schwäbischen Truppen , in das Kinzigthal zurückzuziehen . Die Osterreicher dagegen, etwa noch 9000 Mann, setzten sich hinter der Rench, zwischen Waghurst und Membrechtshofen, sowie auf den Abfällen des Gebirges zwischen Renchen und Oberkirch fest. Inzwischen hatte sich auch F. M. L. Frelich wenigstens mit einem geringen Teile seiner Truppen über Herboltsheim nach Schutten in Marsch gesetzt. Lahr.

Condé zog sich nach

Latour , der mit 6 Bataillonen, 22 Schwadronen im Anmarsch

war, blieb aber in Muggensturm stehen, um die weiteren Verstärkungen abzuwarten. Am 28. wurden die Österreicher von der Rench und von Oberkirch zurückgeworfen und zogen sich nach Bühl und Stollhofen.

Moreau verfolgte jedoch seinen Sieg abermals nicht, sondern

benutzte die nächsten Tage zum Entwurfe weiterer Dispositionen und zu einer Neueinteilung seiner Armee.

Es sollte jetzt General Desaix

mit dem linken Flügel der Armee und mit Bourcier's Reserve-Korps die Operationen im Rheinthal fortsetzen, St. Cyr mit dem Centrum im Gebirge vordringen und Ferino, welcher zwischen Offenburg und Auhof stand, den F. M. L. Frelich verdrängen . Eine Abteilung von St. Cyr bemächtigte sich am 2. Juli der von zwei schwäbischen Bataillonen besetzten Position des Kniebis.

Infolge dessen räumte

auch der in Freudenstadt stehende würtembergische General Hügel diesen Posten ; Condé und Frelich zogen sich aber von Schutten nach Kenzingen hinter die Els zurück. Der Herzog von Württemberg sah sich durch den Verlust von Freudenstadt veranlafst, mit Frankreich in Friedensverhandlungen einzutreten und seine Truppen von der österreichischen Armee abzuberufen. Dieselben marschirten am 5. nach Hornberg ab . Die Verteidigung des Kinzigthales lag jetzt nur allein dem Oberst Giulay mit seinen 3 Bataillonen , 2 Schwadronen Österreicher zwischen Hausach und Schiltach ob. Am 4. Juli hatte auch Desaix die Österreicher

auf der Berg-

strafse und im Gebirge bis an die Murg zurückgedrängt.

Moreau

war bereits innerhalb fünf Tagen nach seinem Rheinübergange im Besitze des Einganges der Thäler der Kinzig und Rench gewesen.

146

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

Die Vorgänge in den Tagen vom 24. bis 28. Juni hatten ihn schon nicht mehr im Zweifel darüber lassen können, dafs die Österreicher nicht hinreichende Kräfte vereinigt hatten, um sich mit den französischen messen zu können, da die von Latour erwarteten Verstärkungen noch nicht angelangt waren und auch nur nach und nach eintreffen konnten. Der französische Ober-General hatte sich ferner überzeugen können, dafs die Besetzung des Gebirges seitens des Gegners ganz vernachlässigt war, dafs die Schwaben, welche das Kinzigthal verteidigen sollten, keines ernstlichen Widerstandes mehr fähig schienen und dafs er ebensowenig von Condé , wie von Frelich zu besorgen hatte, standen.

welche

von

Basel

bis

Gengenbach

zerstreut

Es ist also unverständlich, warum Moreau diese Vorteile

nicht mit angestrengterer Thätigkeit ausnutzte, sondern anstatt dessen der österreichischen Hauptarmee bis 4. Juli Zeit liefs, die erwarteten Verstärkungen heranzuziehen , sowie auch in der Aufstellung begangene Fehler möglichst

zu verbessern.

Der französische Feldherr zögerte

und dieses Hinschleppen hatte keine andere thatsächliche Begründung, als dafs eine gewisse Unentschiedenheit in dem Charakter Moreau's lag, dieses sonst so klugen und umsichtigen Generals. Bei thatkräftigerem Handeln und zweckmäfsigeren Mafsnahmen auf österreichischer Seite wäre es demnach wohl auch möglich gewesen, dem Gegner während seines Zögerns alle bisher von ihm gewonnenen Vorteile wieder zu entreiſsen. Erzherzog Karl hatte die erste Nachricht von dem Rheinübergange Moreau's am 26. Juni zu Wallmerod erhalten und beschleunigte den Marsch der gegen den Neckar dirigirten Truppen derartig, dafs er mit der Division Hotze und den aus Mainz herangezogenen 8 Bataillonen, 6 Schwadronen am 3. Juli bei Wiesenthal eintraf.

Die Sachsen standen an demselben Tage bei Greben.

Am

5. rückte aber der Erzherzog gegen die Murg vor, um den Feind anzugreifen. Der österreichiche Oberfeldherr hatte erkannt, dafs die Gegend am oberen Neckar und an der Donau für ihn die wichtigste war, weil ein Vorrücken des Feindes auf den dorthin führenden Strafsen sehr gefährlich, ja sogar entscheidend sein musste. Der Erzherzog erklärt selbst , wie er in dieser Überzeugung und bei der Unmöglichkeit, seine Kräfte so zu teilen, dafs er auch am Niederrhein der Armee Jourdan's die Spitze zu bieten vermochte, auf die erste Nachricht von Moreau's Stromübergang unbedingt nur ein kleines Observationskorps am Niederrhein hätte zurücklassen sollen, und nicht gleich 36 000 Mann an der Lahn, sowie 27 000 in Mainz und bei Mannheim. Erzherzog Karl hätte dann mit allen irgend entbehr-

von 1796 in Deutschland und Italien.

147

lichen Truppen in Eilmärschen die Bergstrasse aufwärts rücken müssen. Auf diese Weise konnte er mit gröfserer Zuversicht hoffen , am Oberrhein den Ausschlag zu geben . Wartensleben's Auftrag durfte sich nicht weiter erstrecken, als den Feind zu beobachten, im Falle eines Rückzuges aber die Garnison Mainz zu verstärken und mit den übrigen Kräften die Gegend zwischen dem Main und Neckar zu gewinnen.

Die schwache Besetzung des Niederrheins würde auf

die Operationen des Erzherzogs keinen nachteiligen Einfluss auszuüben vermocht haben, da der Feldherr durch schnellen Entschluss , durch Eilmärsche, durch die Zeit, welche notwendig vergehen muſste, ehe der Gegner von den Ereignissen unterrichtet den Rhein vorgegangen war,

und wieder über

einen Vorsprung von mehreren Tagen

erhielt und folglich von Jourdan weder eingeholt, noch an der Ausführung seines Vorhabens verhindert werden konnte. Der Erzherzog hatte sich zunächst zum Vorgehen gegen die Murg entschlossen, trotzdem

er durch

den Marsch über Ettlingen hinaus bereits die

Möglichkeit verlor, an den Neckar zu gelangen,

ohne

wieder nach

genanntem Punkte zurückzukehren, es sei denn , dafs ihm gelingen konnte, den Gegner bis über die Rench zurückzuwerfen . Wenn jedoch der Erzherzog auch gleich über Durlach oder Ettlingen an den oberen Neckar marschirt wäre, so würde er doch nicht haben. darauf rechnen können , vor seinem Gegner dort einzutreffen . er dagegen bis an die Murg vor, so vermochte

Rückte

er hier durch einen

Angriff, selbst wenn derselbe nicht gelang, doch wenigstens die Aufmerksamkeit des Gegners wieder auf das Rheinthal abzulenken und denselben schon dadurch in seinen Fortschritten im Gebirge aufzuhalten. Der kaiserliche Oberfeldherr erhoffte aber mehr, denn er konnte sich an der Murg mit Latour vereinigen , der hier zwischen Gernsbach und dem Rhein mit 16 Bataillonen , 50 Schwadronen stand, und durfte aufserdem auf die Überlegenheit seiner Kavallerie in

der Ebene

der Murg

rechnen.

Latour hatte

aber

Aufstellung an der Murg den grofsen Fehler begangen,

bei seiner

dafs

er sich

nicht hinreichend auf das Gebirge gestützt. Der wichtigste Punkt Gernsbach, wo die im Murgthale nach Freudenstadt führende Strafse mit jener von Baden und einer anderen von Herrenalb kommenden zusammentrifft, war nur mit einem Bataillon besetzt. Moreau dagegen hatte richtig erkannt, Gebirges

sein mufste und

wie

für

entscheidend hier der Besitz des

den 5. bestimmt, dafs die Division

Taponnier von Baden gegen Gernsbach vorgehen und dafs erst, nachdem dieses genommen worden , die Divisionen Beaupuy und Delmas gegen Kuppenheim bezw. aus Ottersdorf debouchiren sollten. An

genanntem Tage

wurden

denn

auch die Österreicher gänzlich

148

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

über die Murg zurückgeworfen.

Erzherzog Karl war aber eben

erst mit der Spitze der vou ihm herangeführten Truppen in Durmersheim eingetroffen . Armee hinter

der

In den nächsten Tagen lagerte die österreichische Alb zwischen Ettlingen

und

Mühlburg.

Eine

Abteilung von 7 Bataillonen, 8 Schwadronen war nach Rothensol detachirt, um hier des Albthals, sowie der Position von Tobel und Spielberg sich zu versichern . Die Franzosen standen an der Murg von Freudenstadt

bis Rastatt.

Beide Feldherrn

be-

reiteten sich für eine Entscheidungsschlacht vor, welche Moreau am 9. , der Erzherzog am 10. beabsichtigte. Moreau's Plan war, den linken Flügel des Gegners bei Frauenalb uud Herrenalb zu umgehen und die Strafse nach Pforzheim zu gewinnen. General St. Cyr hatte demnach mit 18 Bataillonen , 8 Eskadrons den Angriff im Gebirge auszuführen , während General Desaix mit zwei Divisionen und dem Reserve-Korps etwas später auf der Bergstrafse vorrücken und Malsch angreifen sollte .

Oetigheim war zur Behauptung

der Pfederbach - Übergänge zu besetzen . hatte General Kaim mit 10 Bataillonen,

Auf österreichischer Seite 5 Schwadronen Gernsbach

zu forciren und sich dann gegen Baden zu wenden ; F.M.L. Sztarray sollte aber mit 13 Bataillonen, 29 Eskadrons auf der Bergstrafse gegen Kuppenheim marschiren und eine dritte Kolonne von 9 Bataillonen ,

28 Schwadronen

auf der

Rheinstrafse

Bietigheim

und

Oetigheim besetzen und gegen Rastatt vorgehen . Der Angriff der beiden letzteren Kolonnen hatte aber erst zu erfolgen, nachdem General Kaim Gernsbach genommen haben würde.

Die sächsischen

Truppen unter General Lindt endlich, welche in Pforzheim standen, sollten durch das Enzthal über Sprolenhof gegen Urnagold zu marschiren und zwischen diesem Orte und Besenfeld Stellung nehmen, um die linke Flanke des Feindes in Freudenstadt zu bedrohen, erforderlichen Falls dem General Kaim über Kaltenbrunn zu Hülfe zu eilen, bezw. dessen Rückzug zu decken. Erzherzog Karl findet beim Vergleich der beiden Dispositionen, dafs die französische nacheiner weit richtigeren Berechnung entworfen zu sein scheint.

Der Erzherzog meint, er selbst hätte seinen rechten Flügel

zurückhalten und seine Hauptmacht zwischen der Enz und Alb konzentriren sollen, denn nur so durfte er sich einen Sieg, oder wenigstens einen mindergefährdeten Rückzug auf Pforzheim versprechen. Allerdings war auch gerade die zweite und dritte Kolonne, wo doch nichts entschieden werden konnte, ehe nicht die Franzosen aus dem Gebirge vertrieben waren, zu stark an Infanterie bemessen. Letztere wurde dadurch Kräfte

der Kolonne

im Gebirge

zweckmässig verteilt.

entzogen.

Er würde

Moreau hatte seine

vielleicht

seinen

für

den

von 1796 in Deutschland und Italien.

149

Hauptangriff bestimmten rechten Flügel im Gebirge noch mehr verstärkt haben, wenn es sich nicht darum gehandelt hätte, im Falle des Mifslingens des Angriffs dann wenigstens die Ebene und die Eingänge der Gebirgsthäler lange genug zu behaupten, um die im Gebirge engagirten Truppen wieder glücklich herauswickeln zu können. Moreau hatte aber noch einen Vorteil gewonnen, er kam mit der Offensive dem Gegner um einen Tag zuvor.

St. Cyr bemächtigte

sich dann am 9. der Stellung von Rothensol und warf die Österreicher auf der Strafse nach Pforzheim zurück. Der im Enzthal im Vormarsch begriffene General Lindt kehrte auf die Nachricht davon eiligst nach Pforzheim zurück. Im Rheinthale ging am 9. Mittags General Desaix bis Malsch vor. Der Erzherzog liefs aber die zweite und dritte Kolonne seiner Armee in der für den folgenden Tag bestimmten Weise vorrücken, Malsch wieder nehmen und die Franzosen Nachdem die auf die rückwärts gelegenen Anhöhen zurücktreiben . Franzosen dann noch wiederholt in den Besitz

des Dorfes gelangt

waren, verloren sie dieses schliefslich endgültig und wurden bis in den Wald von Ober-

und Niederweier zurückgedrängt .

Auch

auf

ihrem äussersten rechten Flügel hatten die Österreicher den Gegner aus Bietigheim, sowie aus Oetigheim geworfen und bis nach Rastatt zurückgetrieben. aber

alle

Ihre glücklichen Fortschritte in der Ebene konnten

nichts

helfen,

da

die Franzosen

auf dem strategischen

Flügel gesiegt hatten, Herren vom ganzen Gebirge waren und bereits in der Nähe von Pforzheim standen . Der Erzherzog sah das Nachteilige seiner Lage sofort ein und ging daher am 10. früh in einem Gewaltmarsche nach Pforzheim . Die Franzosen besetzten Malsch und Umgegend,

die

Division St. Cyr

Neuenburg vor. Jourdan hatte

rückte

inzwischen auf die

in

das Enzthal

Nachricht

und

bis

von Moreau's

glücklichem Rheinübergange sich ebenfalls wieder zur Offensive entschlossen. Die österreichische Armeeabteilung des F. Z. M. Wartensleben war mit ihren 36 284 Mann nicht stark genug, um gegen Jourdan's überlegene Macht von 76 000 eine wirksame Verteidigung leisten zu können . Der Feldzeugmeister hätte daher jedem entscheidenden Gefechte ausweichen und sich bei Annäherung des Feindes hinter die Lahn, von da über Frankfurt a. M. und so immer näher an die Hauptarmee zurückziehen sollen, bis das Schicksal der Waffen am Oberrhein auch seiner Bestimmung eine andere Richtung gab. War aber Wartensleben etwa durch die erhaltenen Befehle gebunden, sich vorwärts der Lahn zu behaupten, so mufste er den Feind vereinzelt zu schlagen suchen, bevor sich dessen Übermacht vereinigen konnte .

Die Verteilung und Aufstellung der Truppen des

150

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

Feldzeugmeisters entsprach jedoch weder der einen noch der anderen Absicht. Die Position von Neukirchen , die Wartensleben selbst mit 12 740 Mann besetzt hielt, sah er als einen Zentralpunkt an zwischen den beiden Kolonnenwegen von Siegburg ung Siegen, wobei er hoffte, von dieser Höhe den Bewegungen der Franzosen entgegenrücken oder deren Fortschritte überall durch Bedrohung hemmen zu können. Diese Stellung hatte jedoch den schwerwiegenden Nachteil, dafs sie von der wichtigsten, für die Operationen des Gegners entscheidenden Gegend am weitesten entfernt war. Vor dieser Position hielten 4 Bataillone, 20 Eskadrons die Linie von Erpel am Rhein bis an die Sieg und von da über Hassel, Wiesen und Siegen bis Deckmannshausen besetzt ; eine Abteilung von 3 Bataillonen stand als Avantgarde auf der

Kalten Eiche " ; eine andere Postenkette von

1 Bataillon, 13 Schwadronen lief längs des Rheins von Nieder-Lahnstein bis Ehrlich. Sechs Bataillone hielten im Thale von Neuwied zwischen Hettersdorf und Bendorf eine Reihe von Schanzen besetzt. Jourdan's erster Schritt mufste die schnelle Vereinigung seiner an der Sieg und Mosel verteilten Streitkräfte sein ; dazu war aber die Entfernung des Feindes von Neuwied unerlässlich und diese wurde am sichersten durch ein Vorrücken von der Sieg gegen die Flanke der am Rhein stehenden Österreicher bewirkt. Unzweifelhaft konnten jedoch bei den räumlichen und zeitlichen Verhältnissen die Franzosen den Posten von Neuwied erobert und ihre Vereinigung vollzogen haben, ehe Wartensleben dies zu verhindern im stande war. Jourdan liefs die Operationen auf dem linken Flügel beginnen. Am 28. Juli brachen die Divisionen Lefebvre und Collaud von Düsseldorf, etwas später Bonard von Köln gegen die Sieg auf. Am 4. Juli warf Lefebvre die Österreicher von der 27 Kalten Eiche" zurück, Collaud erreichte die Höhen von Gustersheim, Bonard die Gegend von SalzDas österreichische Reserve- Korps Werneck war bereits am 30. Juni von Idstein nach Limburg vorgezogen worden. Da indessen die Franzosen am 2. Juli auch den Rhein bei Neuwied forcirt hatten und am 3. die Divisionen Poncet , Bernadotte , Championnet und

berg.

Grenier bis Vallendar, gedrungen waren,

Montabaur,

Molsfeld und Dreifelden vor-

konnten die Österreicher

die Stellung von Neu-

kirchen jetzt nicht mehr halten und gingen von hier auf den Galgenberg hinter Wezlar und über die Brücke von Leun nach Solms und Braunsfeld zurück. Es war unzweifelhaft ein grofser Fehler gewesen, dafs sie nach dem Verluste von Neuwied noch bis zum 5. Juli bei Neukirchen verweilt hatten, und nur die Bedächtigkeit und Langsamkeit der französischen Vorbewegungen gegen die Flanken der Österreicher hatte diesen noch den Rückzug ohne Mifsgeschick gelingen

von 1796 in Deutschland und Italien.

lassen.

151

Am 6. Juli standen die Österreicher hinter der Lahn, wiederum

in zahlreiche Posten längs des Flufsufers aufgelöst, von Lahnstein bis Giefsen und hatten die Vorteile der Verteidigung abermals vollständig aufgegeben. Der nur langsam nachgefolgte Gegner hatte sich aber nicht minder ausgedehnt und beschränkte sich am 7. Juli darauf, die österreichischen Vorposten vom rechten auf das linke Ufer zurückzuwerfen. Als dann bei dieser Gelegenheit die Brigade Delmas die Brücke bei Runkel forcirte, sah sich Werneck sofort zum Rückzug veranlasst und ging noch an demselben Tage mit seinem Korps bis Rauheim.

Diese

rückgängige Bewegung zog auch alle anderen Truppen an der Lahn nach sich, indem letztere noch in der Nacht successive ihre Stellungen verliefsen.

Der Rückzug wurde vom Feinde wenig oder garnicht be-

lästigt . Nur die bei Weilburg übergegangene Division Championnet war dem vom 8. zum 9. auf Nauheim sich zurückziehenden Werneck auf dem Fufse gefolgt und hatte mit ihrer Kavallerie dessen Arrieregarde bei Camberg erreicht.

Wartensleben stand am 9. zwischen

Wildbach und Rofsbach, die Arrieregarde unter Kray auf der Höhe von Nieder-Mörle vor Friedberg. Auf französischer Seite war an diesem Tage Championnet bis Camberg, Dauriez bis Luttighofen. Bernadotte bis Kirchberg, Grenier bis Gräfenwiesbach und Usingen vorgerückt.

Auf dem linken Flügel stand Lefebvre in Bergstadt

und hinter Eberstadt. General Kleber hatte beschlossen, mit seinen drei Divisionen am 10. zu einem kräftigen Angriff vorzugehen. 10. zu Lefebvre sollte über Ringenheim in die rechte Flanke des Feindes marschiren, während Bonard und Collaud gemeinsam gegen die Front vorzugehen hatten.

Wartensleben wollte sich hinter die

Nidda zurückziehen, weil der Feind durch die Wegnahme von Homburg am 9. bereits die österreichische Rückzugslinie bedrohte.

Ein

Schreiben des Erzherzogs, worin empfohlen ward, die Gegend von Friedberg nicht zu verlassen, ohne das Glück der Waffen versucht zu haben, veranlafste aber den Feldzeugmeister zu dem Entschlusse, den Feind noch am 10. anzugreifen . Wartensleben ging also von Wildstadt über Rofsbach gegen die feindliche Stellung bei Nieder-Weissel vor . Es kam demnach zu dem blutigen Rencontre bei Friedberg , in welchem Wartensleben wieder bis hinter diesen Ort zurückgeworfen wurde. In der Nacht zog er sich dann noch bis in die Stellung von Bergen vor Frankfurt. Am 11. überschritten die Österreicher den Main bei Kostheim, Rüsselsheim, Frankfurt und Offenbach. wurde von Bockenheim nach Aschaffenburg dirigirt.

Werneck

Die drei Divi-

sionen Kleber's , welche bei Friedberg gefochten hatten, nahmen ihre Aufstellung zwischen Ober- Rofsbach und Ossenheim. Grenier war am 10. bis Homburg, Championnet und Bonneau bis gegen-

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

152

über von Königstein gekommen. Dauriez hatte Schwalbach, Bernadotte Neuhof erreicht. Die französische Armee verblieb am 11 . in dieser Stellung. Das Treffen von Friedberg war auf beiden Seiten ein strategischer Fehler gewesen. Wartensleben hätte es jedenfalls vermeiden müssen , denn nach seinem notwendigen Verlassen der Stellung von Neukirchen kam es für ihn lediglich darauf an, so schnell als möglich den Main zu erreichen, um nach Vereinigung seiner Truppen hinter Frankfurt und in Verbindung mit Mainz endlich eine dem Feinde Halt gebietende Position zu gewinnen. Jede Verzögerung konnte nur nachteilige Folgen haben, um so mehr aber ein Vorrücken über Friedberg zu einer Zeit, wo die Franzosen bereits im Besitz von Homburg waren und bei Königstein debouchirten. Die Weisung des Erzherzogs, in der Gegend von Friedberg das Waffenglück zu versuchen, war unbedingt nur mit dem Zusatze wenn möglich " aufzufassen. Denn der Erzherzog war entfernt, konnte also über die Lage, wie solche in den letzten Tagen sich für Wartensleben entwickelt hatte, nicht unterrichtet sein . Ein eben so grofser Fehler war aber der Angriff französischerseits. Kleber hatte ihn hauptsächlich verschuldet. Es lag doch im Interesse Jourdan's, den linken Flügel der Österreicher zurückzuwerfen und von der Strafse Frankfurt, der kürzesten und besten Verbindungslinie mit zu entfernen. Der rechte feindliche Flügel mufste also möglichst so lange festgehalten werden, bis die Manöver gegen dem Erzherzog,

den linken gelungen waren ; und es hiefs geradezu die Absicht des französischen Feldherrn vereiteln , wenn Wartensleben durch einen Angriff zum Rückzuge gezwungen wurde, so lange ihm noch der Weg nach Frankfurt offen stand, wo er sich ungehindert mit seinem linken Flügel vereinigen konnte. Am 12. Juli war das Verhältnifs der beiderseitigen Armeen im Allgemeinen folgendes : Die Sambre-Maas-Armee unter Jourdan stand auf dem rechten Ufer des Main und betrug nach Abrechnung der Division Marceau ,

welche auf dem linken Rheinufer Mainz beob-

achtete, und eines Teiles der Division Poncet , die den Ehrenbreitenstein blokirte, 59 000 Mann .

Wartensleben hatte sich aus den

Besatzungen von Mainz und der Hechtsheimer Linien möglichst verstärkt. Seine Armee zählte 45 000 Mann. Er stand auf dem linken Mainufer, hielt Frankfurt besetzt und hatte Werneck nach Aschaffenburg detachirt. Von der Armee Moreau's befanden sich 71 000 Mann auf dem rechten Rheinufer zwischen der Schutter und Alb, mit dem Centrum im Gebirge bei Freudenstadt und Neuenburg. Erzherzog Karl lagerte mit dem Gros der Ober- Rhein-Armee bei Pforzheim. Kavallerie-

von 1796 in Deutschland und Italien.

153

Detachements deckten die Verbindungen mit den Festungen am Rhein und mit dem oberen Neckar ; Condé und Frelich hielten sich noch an der Els und bei Haslach. Die Gesammtstärke aller dieser Streitkräfte belief sich auf 58 000 Mann. Aufser den im Felde stehenden

Te

M

Truppen hatten die Österreicher über 30 000 Mann in den Plätzen Mainz , Ehrenbreitenstein, Königstein, Mannheim und Philippsburg stehen. Der Abmarsch der Armee- Abteilung Wurmser nach Italien hatte die Österreicher am Rhein um 28 000 Mann geschwächt . Die schwäbischen Kontingentstruppen waren gröfstenteils aufgelöst und nahmen keinen Teil mehr an den Operationen . Der Verlust in den täglichen Gefechten war beträchtlich gewesen und alle diese Umstände zusammengenommen hatten den Stand des österreichischen Heeres am Rhein so sehr vermindert , dafs dasselbe von den 174 000 Streitern bei Eröffnung des Feldzuges am 12. Juli nicht mehr als 130 000 zählte , die Garnisonen mit einBei den Franzosen war dagegen keineswegs in demselben Maſse eine Kräfteabnahme erfolgt. Da nun der Erzherzog das Gleichgewicht der Kräfte nicht durch Heranziehung von Verstärkungen , auch nicht einmal durch eine verminderte Besatzung der Festungen gerechnet.

ber

herzustellen vermochte, so mufste er danach trachten, diesen Zweck auf eine andere Weise zu erreichen, falls er nicht ganz darauf verzichten sollte, dem Feldzuge jemals eine günstige Wendung geben zu können. In dieser Absicht entwarf der österreichische Oberfeldherr in Pforzheim den Plan, der allen seinen künftigen Operationen zu Grunde liegen sollte , nämlich : " dem Feinde das Vorrücken Schritt vor Schritt streitig zu machen , ohne sich zu einer dagegen die erste Gele genSchlacht zwingen zu lassen , heit zu ergreifen , seine in zwei Armeen geteilten Kräfte zu vereinigen und sich dann mit Überlegenheit , oder wenigstens mit verhältnifsmäfsig starken Streitmitteln auf eine der beiden feindlichen Armeen zu werfen. " Trat mit diesem Entschlusse der Feldzug auch noch nicht in eine neue Phase, so bildete derselbe doch unzweifelhaft den ursächlichen Wendepunkt für den Verlauf des Krieges in Deutschland . Der Plan des Erzherzogs war nicht nur ein überaus kluger und den obwaltenden Umständen und Verhältnissen am besten angemessener , sondern auch ein genialer , ja ein heroischer. Er legte Zeugnifs ab nicht nur von dem grofsen Feldherrntalent des Kaiserlichen Heerführers, sondern auch von dessen hehrer Geistesgröfse und Charakterstärke. Was mag man in den nächsten Wochen, die diesem Entschlusse folgten, in Wien zweifelhaft den Kopf geschüttelt haben, was mag das konsequente Zurückweichen der österreichischen Armeen in Deutschland von den soJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 2.

11

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

154

genannten klugen Leuten aller Länder getadelt worden sein ! - Für die Ausführung des Planes mufste es dem Erzherzog zunächst darauf ankommen, die Übereinstimmung in den Bewegungen seiner Gegner möglichst zu stören, so dafs letztere nicht zu einem gemeinsamen Handeln gelangen konnten . Die Hauptverbindungslinie des Erzherzogs mit Österreich lag an der Donau . Die Vereinigung seiner beiden Armeen durfte demnach auch nur hier in Aussicht genommen werden. Der Erzherzog durfte sich niemals so weit von dieser Linie entfernen, dafs er die Möglichkeit verlor, im Besitze derselben zu bleiben oder im äufsersten Falle das rechte Flufsufer zu gewinnen, um eventuell auf diesem den Rückzug nehmen zu können.

Denn kam es

notgedrungen zu einem solchen, so mufste wenigstens die Verbindung mit Italien aufrecht erhalten werden, welche bei einem Zurückgehen auf dem linken Ufer vollständig aufgehoben gewesen wäre . Als gegährlichster

Gegner

mufste

Moreau's

Armee

erachtet

werden , denn diese stand der Hauptverbindungslinie nach Österreich am nächsten. Erzherzog Karl entschlofs sich daher, dem General Moreau den bedeutendsten Widerstand entgegen zu setzen. Die weitere Entwickelung des Planes mufste aber notwendig von den Bewegungen des Gegners abhängig bleiben, denn dieser hatte den Vorteil der numerischen Überlegenheit, war im Vorrücken und im Glück. Die Österreicher hatten allerdings den Vorzug, dafs eigentlich nur ein Feldherr ihre Rhein-Armee kommandirte, während auf feindlicher Seite zwei selbstständige und von einander unabhängige Führer gegenüber standen. Der Erzherzog verblieb bis 14. Juli bei Pforzheim und benutzte die Zeit, um die Festungen noch besser mit dem Notwendigen zu versehen und um die Depots und Magazine, welche sich gröfstenteils bei Heilbronn und in der Gegend aufwärts befanden, in Sicherheit zu bringen . Moreau vertrieb unterdessen die feindlichen Truppen aus dem Kinzigthale und öffnete sich hier die Hauptstrafse. Am 14. Juli wurden die Österreicher im Rheinthale bis hinter die Bleich zurückgeworfen und drangen die Franzosen im Kinzigthale bis Wutach vor. Die schwäbischen Abteilungen zogen sich bis Oberndorf am Neckar und die österreichischen im Gutachthale bis Hornberg zurück . Auch sämmtliche im Rheinthale befindlichen österreichischen Truppen traten jetzt vollständig ihren Rückzug an und gingen auf Villingen . Erzherzog Karl aber wich einem von Moreau für den 15. auf Pforzheim geplanten Angriffe aus, indem er ein Lager hinter der Enz bei Vaihingen bezog, und nahm dann, als das Centrum der französischen Armee auf Stuttgart vorzurücken drohte und immer weiter an der Wurm vordrang, am 18. eine Flankenstellung zwischen Kornwestheim

von 1796 in Deutschland und Italien.

155

An demselben Tage ging St. Cyr auf Stuttgart dem linken Flügel und der Reserve auf Sachsenmit Moreau und heim. Der Erzherzog überschritt infolgedessen den Neckar bei Mühlhausen und Aldingen und stellte sich auf den Höhen hinter Canstadt und Mühlhausen.

auf. Dieser Ort, Efslingen und die Höhen davor wurden besetzt. Auf diese Weise hatten sich die Österreicher der beiden wichtigsten Debouchéen versichert. Die schwäbischen Truppen waren nach Hechingen und, nachdem das würtembergische Kontingent sich in Tübingen unter französischen Schutz gestellt hatte, ging der Rest des Korps am 20. bei Riedlingen über die Donau . Da durch den Rückzug der Schwaben F. M. L. Frelich in seiner rechten Flanke gezogen

entblöfst war, trat er ebenfalls seinen Rückzug an, traf am 19. bei Geisingen ein und nahm mit dem österreichischen und Conde'schen Korps à cheval der Donau Aufstellung. F. Z. M. Wartensleben hinter dem Main bei Offenbach hatte inzwischen infolge der Beschiefsung von Frankfurt durch die Franzosen sich am 14. veranlafst gesehen, diese Stadt kapituliren zu lassen, dann aber den zum Zwecke der Übergabe abgeschlossenen 48stündigen Waffenstillstand dazu benutzt, um sich nach Würzburg zurückzuziehen. Hier traf er am 19. ein, wo er auch den vorausbeorderten F. M. L. Werneck bereits vorfand.

Die Wahl des Rückzugspunktes

Würzburg war durchaus richtig. Denn wenn auch der Erzherzog am 20. noch am Neckar stand, so durfte doch Wartensleben an eine Vereinigung mit ihm in jener Gegend garnicht denken. ihm

Dazu

hätte

nur die Strafse über Miltenberg und Heilbronn zu Gebote ge-

standen

und auf dieser

war

die Entfernung zu grofs, als dafs er

darauf rechnen konnte, die Hauptarmee, die doch auf ihrem Rückzuge die Donau gewinnen mufste, noch am Neckar anzutreffen . Die Defileen letzteren Flusses hätten dem Erzherzog aufserdem zur Zeit jede für den Feldzeugmeister günstige Bewegung erschwert.

Die Auf-

stellung bei Würzburg vereinigte ferner mehrere strategische Vorteile. Hier deckten die Österreicher alle Strafsen, die über Ochsenfurt und Kitzingen zwischen Ulm und Regensburg an die Donau , alle, die nach Böhmen führen.

und ferner

Auch jene Strafse über Schweinfurt

und Bamberg durfte Jourdan nicht einschlagen, so lange eine feindliche Armee bei Würzburg in seiner Flanke stand. Derselbe war am 18. Wartensleben gefolgt. Durch den scheinbaren Vorteil verleitet, dafs sein linker Flügel von der Kinzig aus Schweinfurt früher erreichen konnte, als die Österreicher, hatte er diesen nach Gemünden vorgeschoben, während der rechte bei Ruppertshütte, Bartenstein und Wiesen weit zurückblieb. Für Wartensleben wäre aber kein Manöver gefährlicher gewesen , als wenn Jourdan gerade durch Vorschiebung 11*

156

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

seines rechten Flügels ihn

bedroht,

ihn

von

der Strafse

nach der

Donau abgeschnitten und auf jene von Eger geworfen hätte. Der Erzherzog stand also am 19. mit dem Gros seiner Hauptarmee auf dem rechten Neckarufer hinter Canstadt, eine Avantgarde hielt die Höhen vor diesem Ort und vor Efslingen besetzt und ein Detachement deckte den linken Flügel bei Plochingen . Moreau hatte

zwei Divisionen

unter Desaix bei Vaihingen,

St. Cyr mit der Division Duchesne vorwärts Horb.

den

General

Taponnier in Stuttgart, die Division Die Stellung der Österreicher war zu

bedrohend, als dafs Moreau seine Operationen fortsetzen konnte , ohne vorher den Gegner aus derselben verdrängt und vom Neckar entfernt zu haben. St. Cyr sollte daher den Feind vom linken Flufsufer vertreiben und Moreau wollte dann mit der Armee bei Efslingen

über

den Flufs

Diese Bewegung angesichts

setzen und gegen die Donau marschiren. des bei Canstadt stehenden Erzherzogs

war jedenfalls nicht zweckmässig. Moreau hatte seine Hauptkräfte auf dem linken Flügel, mufste aber seinen Absichten gemäſs eine Bewegung nach seinem rechten Flügel machen und durfte nicht hoffen, dieselbe dem Erzherzoge verbergen zu können . Letzterer würde also rechtzeitig die Strafse über Efslingen nach Plochingen im Felsthale stark genug besetzt haben, um dann seinen Rückzug nach der Donau anzutreten . Diesen Erfolg würden aber die Franzosen auch erreicht haben, wenn Ferino , der jetzt aus dem Schwarzwalde debouchirte, Moreau

einfach auf dem rechten Donauufer vorgerückt wäre .

würde

die Überlegenheit

seiner Kräfte jedenfalls

zweck-

mäfsiger ausgenutzt haben, wenn er den rechten Flügel der Österreicher umfasst, ihn über den Haufen geworfen, den Gegner dadurch an die Douau gedrückt, ihn von jeder Verbindung mit Wartensleben abgeschnitten und sich selbst die mit Jourdan erleichtert hätte. Dem Erzherzog war denn die Rechtsbewegung und Absicht des Gegners thatsächlich auch nicht entgangen . Es wurden rechtzeitig die notwendigen Maſsnahmen für die Behauptung der Strafse Eſslingen-Plochingen-Ulm getroffen und am 21. die Angriffe des Feindes auf Efslingen und Canstadt abgewiesen. Gerade jetzt, in einem schwierigen Momente, wurde aber die österreichische Armee wieder mehr als 10 000 Mann geschwächt. Die Fürsten des

schwäbischen Kreises zogen wegen Unterhandlungen mit Frankreich ihre Truppen zurück und letztere marschirten am 21. von Gamerdingen nach Biberach ab. F. M. L. Frelich rückte infolge dessen am 22. von Geisingen die Donau abwärts. Auch der sächsische General Lindt wollte des Erzherzogs Bewegungen nach der Donau nicht mehr mitmachen. Erzherzog Karl suchte zwar

von 1796 in Deutschland und Italien.

157

das sächsische Korps der österreichischen Armee noch zu erhalten, indem er es zu Wartensleben nach Würzburg dirigiren wollte , aber General Lindt zog über Fürth direkt nach Sachsen ab.

Die

Hauptarmee des Erzherzogs betrug jetzt nur noch 14 000 Mann Infanterie und 11000 Pferde . Der kaiserliche Oberfeldherr ging am 22. Abends in ein Lager bei Schorndorf,

setzte dann am

24. den Rückzug im Remsthale fort und nahm am 26. Stellung auf den Höhen von Böhmenkirch. Dieser Ort liegt auf dem Wege, der über die rauhe Alb zur Donau führt. Die österreichische Avantgarde Das deckte bei Bergau das Remsthal und die Strafse nach Aalen. Korps des F. M. L. Hotze hatte den Übergang aus dem Filsthale über die rauhe Alb zwischen Geifslingen und Urspring besetzt . Die Position des Zentralpunktes von Böhmenkirchen konnte gleichsam als Festung betrachtet werden. Moreau erkannte auch die Vorteile dieser Stellung und sah ein, dafs er sich der Gefahr aussetzte , vereinzelt geschlagen zu werden, sobald er mit seinen Kolonnen, die ohne Verbindung mit einander waren, aus den verschiedenen Thälern debouchiren wollte. Die Österreicher blieben daher einige Tage ungestört in ihrer Position .

Wartensleben hatte unterdessen vom Erzherzog die Weisung erhalten, so lange als möglich bei Würzburg zu bleiben . Es kam darauf an, daſs der österreichische rechte Flügel den Rückzug nicht übereilte . Wenn Jourdan einen zu grofsen Vorsprung gewann, konnte er sich durch eine rasche Bewegung in die rechte Flanke des Erzherzogs werfen, ehe Wartensleben , den er vielleicht durch . Demonstrationen beschäftigt hätte , dies bemerkt, oder zu verhindern. vermocht haben würde.

Jourdan's Plan war aber allerdings nicht so weitgehend. Der französische Obergeneral setzte seinen Marsch in der einmal angenommenen Richtung fort und schien keine andere Absicht zu haben, als ohne Schlacht und ohne irgend eine auf das grofse Ganze entscheidend wirkende Bewegung seinem Gegner Terrain abzugewinnen. Am 22. Juli wurde von den Franzosen Schweinfurt in Besitz genommen

und

am 24.

die Were und die Gegend von Wartensleben wollte den Feind jetzt angreifen und würde denselben , der auf allen Angriffspunkten nun auch der schwächere war , voraussichtlich geschlagen haben . Infolge der am 22. Abends eingegangenen Nachricht, dafs die Division Bernadotte Carolstadt besetzt.

am 20. bei Miltenberg eingetroffen sei und gegen die Tauber anrücke, wurde aber, trotzdem dieser Umstand eigentlich doch einen weiteren Beweis von der Zersplitterung der feindlichen Kräfte lieferte, in einem Kriegsrate bei Wartensleben dennoch beschlossen, das geplante Angriffsunternehmen aufzugeben und den Rückzug

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

158

anzutreten .

Am

24.

überschritt

demnach

Wartensleben

den

Main und nahm zwischen Königsberg, Zeil und der Strafse Schweinfurt-Bamberg Stellung, wo er bis zum 1. August verblieb. Durch angestrengte Märsche hatte Wartensleben viel an Marodeurs und auch an Deserteurs verloren, seine Stärke betrug kaum noch 24 000 Mann.

Jourdan

war

in

Derselbe

that

eigentümlicher Weise

blieben.

der Stellung bei Schweinfurt stehen gedoch

alles Mögliche,

um Wartensleben durch Umgehung seines rechten Flügels auf seine wichtigsten

Verbindungslinien

Donau zurückzudrängen. preis

und

und

gegen

den

Erzherzog

an

die

Wartensleben gab letztere aber geradezu

schien den Gegner

gleichsam

aufzufordern,

von

ihnen

Besitz zu nehmen, er suchte andererseits den Franzosen gerade auf der Strafse Hindernisse in den Weg zu legen , auf welcher sie sich von den für ihn wichtigen Punkten entfernt und ihm nichts schaden gekonnt hätten. Der Erzherzog war daher mit den Mafsnahmen Wartensleben's

sehr

unzufrieden,

tadelte das Aufgeben Würzburgs ,

das Unterlassen des Angriffs, sowie den Marsch nach Zeil.

Zugleich

unterrichtete er den Feldzeugmeister von dem eigenen Vorhaben , sich mit ihm zu einem entscheidenden Schlage zu vereinigen . Wartensleben sollte deshalb den weiteren Rückzug gegen die Donau nehmen und nur ein ganz schwaches böhmischen Grenze detachiren .

Korps

zur

Deckung der

(Fortsetzung folgt.)

XI.

Über

die

Leitung

der

Thätigkeiten, insbesondere der

Bewegung und des Feuers der schweren Belagerungs - Artillerie bei dem Angriff auf Festungen, mithin in der Festungs - Schlacht. (Fortsetzung.)

III. Leitung der Thätigkeiten der zum Angriff auf eine Festung berufenen Belagerungsartillerie . A.

Die vor der Eröffnung des Feuers gebotenen Thätigkeiten .

Diese Thätigkeiten umfassen : 1. Die bereits vor dem Eintreffen der Fufsartillerie gebotenen Erwägungen und Ermittelungen über die für die Vorbereitung des

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

159

Hauptangriffs erforderliche Gruppirung und Aufstellung der Belagerungsartillerie. 2. Das Heranziehen der zur Bedienung des Artillerie-Belagerungstrains nötigen Fufsartillerie und diejenigen Thätigkeiten derselben, die schon vor dem Beginne der Herstellung der Belagerungsbatterien geboten sind.

3. trains.

Das Heranziehen des mobil gemachten Artillerie-Belagerungs-

4. Die Gliederung und Einrichtung des für jeden ArtillerieBelagerungstrain und jeden selbstständigen Teil eines ArtillerieBelagerungstrains nötigen Artillerie- Belagerungsparks . 5. Die Herstellung der Belagerungsbatterien . 1.

Erwägungen und Ermittelungen des Kommandeurs des

Artillerie - Belagerungstrains über die für die Vorbereitung des Hauptangriffs erforderliche Gruppirung und Aufstellung der Belagerungsartillerie.

Aufser dem für die Anlage des Artillerie-Belagerungsparkes geeigneten Gelände muſs der Kommandeur des Artillerie- Belagerungstrains, auf Grund des von dem Kommandeur der Belagerungsartillerie aufgestellten und vom Kommandeur der Belagerungs-Armee genehmigten Entwurfes für die Anlage der Haupt- Artillerie-Aufstellung, auch die Gruppirung und Aufstellung der Belagerungsartillerie in dem zur Führung des Hauptangriffs erwählten Geländeabschnitte ermitteln. Dementsprechend müssen dann auch die Örtlichkeiten etc. für die Unterbringung der Truppen und Pferde des Artillerie- Belagerungstrains, sowie die Räume, aus welchen das Material zu den nicht im Artillerie- Belagerungstrain vorgesehenen Strauch- und Holzstoffen etc. entnommen werden kann, erwählt und festgesetzt werden. — Ist die eigentliche Festung schon im Frieden durch vorgeschobene Werke (Forts) vor der Beschiefsung gesichert, so wird der durch die Belagerungsartillerie vorzubereitende

Hauptangriff gegen mindestens

ein Fort und gegen die zwischen diesem Fort und den verlängerten Mittellinien seiner beiden Nachbar-Forts befindlichen Räume gerichtet werden müssen. von einander, gerade noch

Innerhalb dieser, bei 22 km Entfernung der Forts 5 km breiten Angriffsfront, für deren Bekämpfung ein Artillerie - Belagerungstrain 1 ) genügen wird,

¹ ) Sollen von den Forts, welche die eigentliche Festung vor der Beschiefsung sichern, nicht eines, sondern zwei neben einander liegende in ihrer ganzen Ausdehnung angegriffen werden, so wird ein Artillerie- Belagerungstrain für die Vorbereitung des Hauptangriffs gegen eine dadurch nahezu 8 km breite Angriffsfront nicht genügen. Es werden also der Belagerungs-Armee

160

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

müssen die schon im Frieden vorbereiteten Werke, also insbesondere die Forts und deren Anschlufsbatterien, mit den wirksamsten Geschützen der Belagerungsartillerie bekämpft werden . Aus diesem Grunde werden, von den 12 Gruppen (Abteilungen) zu zwei Steilfeuerbatterien und einer Flachfeuerbatterie, welche aus den 36 Batterien

eines Artillerie-Belagerungstrains gebildet werden können,

die

aus einer schweren (21 cm) Mörserbatterie, schwersten ( 15 cm) Kanonenbatterie und nur einer 15 cm Haubitz batterie gebildeten vier schweren Gruppen gegen die Forts, sowie deren Anschlufsbatterien, und zwar zwei gegen das in seiner ganzen Ausdehnung anzugreifende Fort einschliefslich dessen beiden Anschlufsbatterien, und je eine Gruppe gegen die zu bekämpfende Forthälfte und Anschlufsbatterie der beiden Nachbar-Forts in Feuerthätigkeit zu bringen sein. Den 8 leichten Gruppen zwei pro Sektion des Artillerie-Belagerungstrains

, welche aus einer schweren ( 12 cm) Kanonenbatterie und

zwei 15 cm Haubitzbatterien zusammengesetzt werden können,

wird

die Bekämpfung der in den Zwischenräumen der anzugreifenden Forts befindlichen Zwischenbatterien und Zwischenwerke, wenn nötig auch die Unterstützung der gegen die Forts und deren Anschlufsbatterien thätigen

vier schweren Gruppen obliegen .

Nicht minder

werden aber auch die schweren Gruppen die leichten Gruppen in der Bekämpfung der diesen zugewiesenen Zielabschnitte nach Bedarf zu unterstützen haben. Ausserdem müssen die Hauptverkehrswege des Feindes, die Ortschaften hinter der Angriffsfront und wenn möglich auch die Stadtbefestigung von den durch ihre Lage hierzu befähigten Belagerungsbatterien bekämpft werden. Die Erfüllung der vorstehend genannten Aufgaben wird den aus den Geschützen des Artillerie-Belagerungstrains zusammengesetzten 12 Gruppen sicher nicht erschwert werden, wenn diese Gruppen grundsätzlich in der Weise zur Aufstellung gebracht werden , dafs dann mindestens zwei Sektionen eines weiteren Artillerie- Belagerungstrains , also 12 Artillerie-Belagerungstrains zugeteilt werden müssen . Ebenso wird, wenn die Forts, welche die eigentliche Festung vor der Beschiefsung sichern, nicht rund 2½ km, sondern nahezu 4 km von einander entfernt sind, auch dann, wenn nur ein Fort in seiner ganzen Ausdehnung angegriffen wird, der Hauptangriff in einer Breite von nahezu 8 km geführt werden müssen , und daher die Zuteilung von mindestens 12 Artillerie-Belagerungstrains an die betreffende Belagerungsarmee nötig sein. - Wenn die zur Verfügung stehenden mobil gemachten Artillerie-Belagerungstrains hierfür nicht ausreichen würden, kann diesem Mangel durch reichlicher bemessene Zuteilung von Armee-Artillerie an die betreffende Belagerungs-Armee, namentlich dann, wenn jedes der zugeteilten Armee- Artillerie- Regimenter über die nämlichen Geschützarten und Kaliber wie eine Sektion des Artillerie- Belagerungstrains verfügt, begegnet werden.

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

161

nicht nur die aus derselben Sektion des Artillerie-Belagerungstrains gebildeten und von den drei Abteilungen des nämlichen FufsartillerieRegiments bedienten drei Gruppen, sondern auch die von den beiden Fulsartillerie-Regimentern derselben Brigade bedienten sechs Gruppen neben einander aufgestellt werden. Hierdurch wird sowohl die obere Leitung der Feuerthätigkeit der Gruppen, als auch die Auswahl der für

die

Feuerthätigkeit

der Gruppen sich

eignenden,

mithin

den

Fufsartillerie-Kompagnien für die Herstellung der von denselben zu Belagerungsbatterien bedienenden anzuweisenden Geländestellen wesentlich erleichtert werden. wird in der Regel jede Hälfte

Bei dem Beginn der Feuerthätigkeit der Angriffsfront

durch eine Brigade

in der Weise bekämpft werden , dafs jedem Regiment derselben eine Forthälfte und die dieser zunächst befindliche Hälfte des Zwischenraumes zur Bekämpfung zugewiesen wird . Der von jedem Regiment zu bekämpfende vierte Teil der Angriffsfront kann dann durch den Regiments-Kommandeur in der Weise in drei Zielabschnitte geteilt werden, daſs die Forthälfte und die dieser angeschlossene Batterie von der über die wirksamsten Geschütze verfügenden Abteilung, die beiden anderen Zielabschnitte von den zwei anderen Abteilungen bekämpft werden. Die Breite dieser Zielabschnitte wird bereits bei dem Beginne der Feuerthätigkeit und noch weniger im Verlaufe derselben keine gleiche rund 400 m sein können, sondern stets im umgekehrten Verhältnisse zu der mehr oder minder dringend gebotenen Bekämpfung der Zielabschnitte, bei gleicher Dringlichkeit zu der gröfseren oder geringeren Zahl der innerhalb derselben thätigen feindlichen Geschütze stehen müssen . — I Die im Verlaufe des Kampfes gebotene verstärkte Bekämpfung eines oder einiger Zielabschnitte mufs unschwer und rasch bethätigt werden können. Deshalb ist bei der Anlage der Batterien - Bestimmung der Fluchtlinie derselben und der Sohlenbreite ihrer Geschützstände — darauf zu achten, dafs jede Batterie der acht leichten Gruppen

auch

den rechts und links

von

dem

ihr

bei der Feuer-

eröffnung zugewiesenen Zielabschnitt gelegenen Zielabschnitt

auch

dann , wenn einer dieser Zielabschnitte dem Nachbar-Regiment bei der Feuereröffnung zugewiesen ist - bekämpfen mufs können . Dagegen mufs jede der vier schweren Gruppen der Belagerungsartillerie , mit den nur in ihr vertretenen Geschützarten 15 cm Kanonen und insbesondere 21 cm Mörsern -- aufser gegen die ihr bei der Feuereröffnung zugewiesene Forthälfte und deren Anschlufsbatterie , gegen die von den beiden leichten Gruppen ihres Regiments bei der Feuereröffnung zu bekämpfenden Zielabschnitte zur Wirkung berufen werden können.

162

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

Die Belagerungsartillerie mufs in dem gegenüber der Angriffsfront gelegenen Geländeabschnitte , rückwärts der Infante rie- (Schutz-) Stellung , jedoch nicht über 3500 m von den zu bekämpfenden feindlichen Werken und Linien entfernt , aufgestellt werden. Hierbei wird jede Brigade gegenüber der von ihr zu bekämpfenden Hälfte der Angriffsfront so aufgestellt werden müssen, dafs nicht nur jedes ihrer beiden Regimenter dem von demselben zu

bekämpfenden

vierten Theil

der

Angriffsfront,

sondern auch jede Abteilung (Gruppe) möglichst gegenüber dem von ihr bei der Feuereröffnung zu bekämpfenden Zielabschnitt zu stehen kommt. -- Dementsprechend wird das rund 5 km breite uud 1½ km tiefe

Gelände,

welches

gegenüber

der

Angriffsfront für

die Auf-

stellung der Belagerungsartillerie zur Verfügung steht, von dem Kommandenr des Artillerie - Belagerungstrains für die Aufstellung der Brigaden, von den Brigade Kommandeuren für die Aufstellung ihrer Regimenter und schliesslich von den RegimentsKommandeuren sein.

für

die Aufstellung

ihrer Abteilungen abzugrenzen

Innerhalb des für die Aufstellung jeder Abteilung zur

Verfügung stehenden Geländeraums von nahezu 1/2 km Breite und 112 km Tiefe werden dann die drei Batterien jeder Abteilung , ohne Rücksichtnahme auf die sich zwischen den benachbarten beiden Abteilungen ergebenden Entfernungen Seiten- und Tiefen-Abstände zweckentsprechendst aufzustellen sein. Nur diejenigen Geländestellen, welche durch Erhebungen oder Bedeckungen des ihnen vorliegenden Geländes der Sicht des Feindes entzogen sind und auch eine vom Feinde uneingesehene Annäherung ermöglichen ,

können alsbald besichtigt werden.

nähere örtliche Erkundung, genaue Festsetzung

Dagegen kann die und

schliesslich Be-

zeichnung derjenigen Geländestellen und zu ihnen führenden Wegestrecken, welche der Sicht der Feindes ausgesetzt sind, nur während der Dunkelheit bethätigt werden.

Um

aber das Betreten

des

vom Feinde

eingesehenen

Geländes bei Tage vermeiden zu können , mufs der Kommandeur des Artillerie -Belagerungstrains durch zu seinem Stabe gehörige Offiziere bereits vor dem Eintreffen der Fufsartillerie ermitteln lassen , bis zu welchen Geländepunkten der Anmarsch nach den für die Aufstellung der Belagerungs - Artillerie von ihm im Allgemeinen und nach dem Plane erwählten Geländeräumen bei Tage vom Feinde. nicht eingesehen werden kann. Der für die zweckentsprechende obere Leitung des Feuers der

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

163

Belagerungsartillerie gebotene Überblick der gesammten Angriffsfront mufs durch Erkunder und Aufklärer bewirkt werden. Die hierfür vom Kommandeur des Artillerie-Belagerungstrains, den Brigade- und Regiments-Kommandeuren nach Bedarf zu verwendenden Offizieren etc. müssen

sich die zur Erfüllung

ihrer wichtigen Aufgabe geeigneten

Punkte, innerhalb des durch die Schutzstellung, nötigenfalls des durch die Vorposten zu sicherndes Raumes selbst wählen. Von den für die Unterbringung der Truppen zur Verfügung stehenden Örtlichkeiten etc. sind diejenigen, welche dem für die Lagerung des Artillerie- Belagerungstrains erwählten Gelände zunächst liegen, den Park-Kompagnien und der Munitions-Fuhrpark- KolonnenDie Brigaden, Regimenter und Abteilungen Abteilung zuzuweisen. der Fufsartillerie sind in den rückwärts ihrer Feuerstellungen gelegenen Örtlichkeiten etc. so unterzubringen, daſs bei dem Anmarsch der Abteilungen nach den für ihre Aufstellung bestimmten Geländeräumen Kreuzungen vermieden werden. sich zur Entnahme des Materials zu

Von den Räumen, welche den nicht im Artillerie-

Belagerungstrain vorgesehenen Strauch- und Holzstoffen etc. eignen , müssen jeder Fufsartillerie- Abteilung die ihrem Aufstellungs- und Unterkunftsorte nächst gelegenen zugewiesen wurden. Nicht nur für den Anmarsch der Fufsartillerie-Abteilungen aus ihren Kantonnements, sondern auch für die Heranbeförderung der in der Eisenbahnzielstation eintreffenden marschfertig ausgerüsteten Batterien nach den für deren Aufstellung bestimmten Geländeräumen müssen Wege ermittelt werden. Ferner sind, sowohl von der Eisenbahnzielstation aus nach dem Artillerie-Belagerungspark, als auch von diesem aus nach den Feuerstellungen - und zwar nicht nur für die Anfahrt, sondern auch für die Rückfahrt - Wege und aufserdem

die

für

die

Anlage

leichter

Feldbahnen

geeigneten

Richtungen alsbald zu ermitteln . Denn die Instandsetzung des gesammten Wegenetzes , welches die Belagerungsartillerie zu ihrem Anmarsch bedarf, ist für den Beginn der Belagerung ein wesentliches Erfordernifs . - Da die von den Pionieren zu bewirkende Ausbesserung der Wege und das den Eisenbahntruppen obliegende Strecken der Feldbahngeleise bei Tage nur in so weit gefördert werden kann, als dieses uneingesehen vom Feinde bethätigt werden kann, so müssen auch den Kommandeuren der hiermit beauftragten Pionier- und Eisenbahn-Truppen diejenigen Stellen im Gelände, bis

zu welchen eine vom Feinde uneingesehene Annäherung

ermöglicht werden kann , vom Kommandeur des Artillerie-Belagerungstrains mitgeteilt werden.

164

2.

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

Heranziehen der zur Bedienung des Artillerie - Belage-

rungstrains nötigen Fufsartillerie und die vor dem Beginne der Herstellung der Belagerungsbatterien gebotenen Thätigkeiten dieser Fufsartillerie. Sämmtliche Fufsartillerie-Kompagnien , welchen die Bedienung und daher auch die Herstellung von Belagerungsbatterien obliegt, werden, mit allen ihren Chargen und Mannschaften, soweit diese nicht zur Begleitung der von den Kompagnien an den FriedensLagerungsorten des Artillerie- Belagerungstrains übernommenen und marschfertig ausgerüsteten

Batterien benötigt sind¹ ), ihrer Bagage

(etatsmässigen Fahrzeugen),

sowie dem zur Herstellung der Belage-

rungsbatterien im Artillerie -Belagerungstrain vorgesehenen Geräte Schanzzeug, sowie Batteriebaustoffe und Werkzeuge für die Hohlräume — und den zur Beförderung dieser Geräte nötigen Fahrzeugen und Gespannen der Munitions- Fuhrpark-Kolonnen²), zuerst vor der zu belagernden Festung, also auch in der Eisenbahnzielstation, eintreffen müssen.

Für die Eisenbahnbeförderung von 36 Fufsartillerie-

Kompagnien, der diesen vorgesetzten und mit der zuerst zu befördernden Abteilung ihres Befehlsbereiches eintreffenden Stäbe, sowie des Park-Kommandos des Artillerie-Belagerungstrains werden voraussichtlich 12 Eisenbahnzüge ― einer per Fufsartillerie-Abteilung zu drei Kompagnien genügen. Da zwischen diesen Eisenbahnzügen Zeiträume von mindestens zwei Stunden erforderlich sein werden, so wird jede Fufsartillerie- Abteilung, mit ihrer Bagage, sowie dem dritten Teile der für die Herstellung der Belagerungsbatterien in jeder Sektion des Artillerie-Belagerungstrains vorgesehenen , oben schon erwähnten Geräte und den zu dessen Beförderung nötigen Fahrzeugen und Gespannen der Munitions-Fuhrpack-Kolonnen ihrer Sektion, einen Tag früher in der Eisenbahnzielstation eintreffen , als der erste Eisenbahnzug, welcher zu ihrer Sektion gehöriges Geräte etc. der ersten Staffel des Artillerie-Belagerungstrains befördert. 1) Zur Begleitung jeder marschfertig ausgerüsteten Batterie sind ein Offizier (Lieutenant), einige Unteroffiziere und pro Eisenbahnwagen ein Mann der Fufsartillerie-Kompagnie, welche die betreffende Batterie übernommen und bereit gestellt hat, erforderlich. 2) Jede Sektion des Artillerie-Belagerungstrains wird voraussichtlich über zwei Munitions-Fuhrpark- Kolonnen und eine Bespannung für eine schwere Mörserbatterie verfügen müssen. Wenn dann die letztgenannte Bespannung für die Fuſsartillerie-Abteilung, welche die schwersten Geschütze zu bedienen hat, verwendet wird, so kann für eine jede der beiden anderen Fuſsartillerie-Abteilungen des Regiments eine der beiden Munitions- Fuhrpark-Kolonnen der Sektion verwendet werden.

des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc. Jede in der Eisenbahnzielstation teilung mufs,

165

eintreffende Fufsartillerie-Ab-

aus einem bei dem Kommando dieser Station hinter-

legten Befehl des Kommandeurs des Artillerie- Belagerungstrains , die Örtlichkeiten etc. entnehmen können, in welchem sie und die ihr vorgesetzten Regiments- und sind ,

Brigade-Kommandeure unterzubringen

sowie die Räume, aus welchen das für die Anfertigung der

Strauch- und Holzstoffe etc. benötigte Material zu beschaffen ist. Jede Fufsartillerie - Abteilung kann dann, nach ihrer Entladung, mit ihrer Bagage und dem von ihr mitgebrachten Geräte, unter Zuhülfenahme der mit ihr angekommenen Fahrzeuge und Gespanne der Munitions-Fuhrpark-Kolonnen, nach den für ihre Unterbringung bestimmten und für ihre drei Kompagnien,

durch einen sofort dahin

sich begebenden Offizier der Abteilung entsprechend abzugrenzenden Örtlichkeiten marschiren. Dortselbst angekommen können die Kompagnien alsbald mit der Beschaffung des Materials für die im ArtillerieBelagerungstrain nicht vorgesehenen Strauch- und Holzstoffe beginnen ¹). Den mit der ersten Abteilung ihres Befehlsbereiches eintreffenden Brigade- und Regiments-Kommandeuren der Fuſsartillerie werden vom Kommandeur des Artillerie - Belagerungstrains die von den Fufsartillerie - Regimentern zu bekämpfenden Teile der Angriffsfront und die für die Aufstellung der Abteilungen ihrer Regimenter zur Verfügung stehenden Geländeräume alsbald angegeben . Die Brigadeund Regiments - Kommandeure können , nachdem ihnen auf dem Plane die Geländeräume bezeichnet worden sind , in welchen die ihnen untergebenen Abteilungen aufzustellen sind ,

diese Geländeräume nur dann sofort und in so weit

besichtigen , als dieses uneingesehen vom Feinde geschehen kann . Hierauf ist auch von Seite der Kommandeure der Abteilungen, nachdem denselben von ihren Regiments - Kommandeuren die von ihren Abteilungen zu bekämpfenden Zielabschnitte und die für die Aufstellung ihrer Abteilungen bestimmten Geländeräume zugewiesen worden sind, strenge zu achten . Dasselbe gilt auch bezüglich der Kompagnie- Chefs,

nachdem diesen das von ihrer Kompagnie zu be-

kämpfende Ziel und die Geländestelle für die Herstellung der von ihrer Kompagnie zu bedienenden Belagerungsbatterie von dem ihnen vorgesetzten Abteilungs-Kommandeur angegeben worden ist. Damit aber das Betreten des der Sicht des Feindes ausgesetzten

1) In nicht zugleich durch andere Truppen belegten Örtlichkeiten obliegt deren Sicherung durch Patrouillen und Bereithaltung von Abteilungen in Alarmhäusern, Entwaffnung der Einwohner u. s. w. den Fufsartillerie-Kompagnien.

166

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

Geländes bei Tage vermieden werden kann , müssen nicht nur den Brigade- und Regiments - Kommandeuren , sondern auch den Abteilungs - Kommandeuren und Kompagnie chefs , durch einen zum Stabe des ihnen unmittelbar vorgesetzten Kommandeurs gehörigen Offizier , die Wege , welche nach den für die Aufstellung ihrer Abteilungen bestimmten Geländeräumen führen, bis zu der Geländestelle , deren Überschreitung bei Tage nicht werden.

zulässig ist , angegeben und gezeigt

Nur diejenigen Abteilungs-Kommandeure, deren Abteilungen der Sicht des Feindes entzogene Geländeräume zur Aufstellung zugewiesen werden können, werden bereits vor Eintritt der Dunkelheit die zweckentsprechendste Aufstellung der drei Belagerungsbatterien ihrer Abteilung (Gruppe) ermitteln können . Dagegen kann vom Feinde eingesehenes Gelände bei Tage nur in so weit besichtigt werden, als dieses von einem der Sicht des Feindes entzogenen Standpunkte aus zu ermöglichen ist . Innerhalb des für die Aufstellung der Abteilung zur Verfügung stehenden Geländeraumes von nahezu ½ km Breite und 12 km Tiefe mufs der Abteilungs - Kommandeur diejenigen Geländestellen ermitteln , welche die Heranziehung und Aufstellung der Geschütze auf festem Boden gestatten und zugleich thunlichst günstige Schufsvorrichtungen gegen die Verkehrswege des Feindes und nicht unzu bekämpfende Ziele ermöglichen . frontal Aus diesem Grunde wird darauf geachtet werden müssen, dafs die Flachfeuerbatterie thunlichst in die Verlängerung eines Verkehrsweges des Feindes und jede der beiden Steilfeuerbatterien, für welche sich

mittelbar

dieses ermöglichen läfst, in die Verlängerung einer Linie der anzuDamit die Flachfeuergreifenden Forts etc. zu liegen kommt. geschütze die Richtung nach allen denjenigen Zielen, welche von ihnen in dem Zielabschnitte der Abteilung bekämpft werden können , leichter und rascher bethätigen können, wird es sich, wenn dadurch die günstige Schufsrichtung der Flachfeuergeschütze gegen die Verkehrswege des Feindes nicht beeinträchtigt und zugleich auch die Herstellung der Batterie für diese Geschütze nicht erschwert wird, empfehlen , die Flachfeuerbatterie zwischen den beiden SteilfeuerDa von den drei Batterien jeder schweren Gruppe insbesondere die 21 cm Mörserbatterie zur Wirkung gegen die von den drei Gruppen ihres Regiments bei der Feuereröffnung zu befähigt bekämpfenden drei Zielabschnitte -- 1/4 der Angriffsfront batterien aufzustellen .

sein mufs, so wird es sich empfehlen, der 21 cm Mörserbatterie , in

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

167

dem für die Aufstellung ihrer Gruppe ermittelten Geländeraume, die den leichten Gruppen ihres Regiments zunächst befindliche Geländestelle zuzuweisen. Die vereinigte (zusammenhängende) Aufstellung der drei Batterien der Abteilung in dem dieser zugewiesenen Geländeraum kann, da durch dieselbe dem Feinde ein grofses Ziel geboten wird , nur dann gewählt werden, wenn dieses Ziel dem Feinde nicht sichtbar ist. Gröfsere Entfernungen - Seiten- und Tiefen - Abstände werden also auch bezüglich der zu derselben Gruppe gehörigen drei

Batterien

der

vereinigten

Aufstellung

der

Gruppe , bei welcher jedoch die Entfernung zwischen den Batterien, wegen der seitwärts von diesen unterzubringenden Munition, auch nicht unter 30 m vermindert werden darf, stets dann vorzuziehen sein , wenn hierdurch eine der Sicht des Feindes entzogene Aufstellung der Belagerungsbatterien ermöglicht werden kann. Für die Anlage derjenigen Belagerungsbatterien, deren Herstellung an der Sicht des Feindes entzogenen Geländestellen nicht zu ermöglichen ist , müssen die dem Feinde abgewendeten Abhänge derjenigen Höhenzüge oder Geländewellen,

welche sich in dem für

die Aufstellung der Abteilung zur Verfügung stehenden Geländeraume befinden, in Erwägung genommen werden. Überhaupt ist die zweckentsprechendste Anschmiegung der Belagerungsbatterien an die natürliche Beschaffenheit des für ihre Aufstellung zur Verfügung stehenden Geländes von höchster Wichtigkeit und daher stets geboten. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird dadurch wesentlich erleichtert, dafs ein Sehen der Ziele von den Geschützen aus deshalb nicht erforderlich ist, weil

sich für

das Nehmen der Richtung wohl immer geeignete Hülfsziele vorfinden werden. Dagegen mufs, weil die stets zuerst im Auge zu behaltende Wirkung ohne die Beobachtung des eigenen Feuers nicht zu ermöglichen ist, besonders darauf geachtet werden, dafs die zu bekämpfenden Ziele, von in der Nähe der Batterien gelegenen,

dem Feinde durch

ihre Lage etc. nicht auffälligen Punkten aus, deutlich übersehen werden können. Nicht nur für jede Batterie, deren Kommandeur nicht selbst, von einem ihm die Übersicht und den Befehl über die Batterie sichernden Beobachtungsstande aus, das Schiefsen seiner Batterie beobachten kann, sondern auch für jede Gruppe (Abteilung) ist die Auswahl von Punkten geboten, welche den Überblick des von der Gruppe zu bekämpfenden Zielabschnittes ermöglichen . Diese Punkte dürfen nicht nur, wie schon erwähnt, dem Feinde durch ihre Lage etc. nicht auffallen, sondern auch von den Batterien nicht weiter entfernt sein, als

168

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

die taktische Lage und die Möglichkeit sicherer Verbindung mit den betreffenden Batterien dieses gestattet. Die Wege, welche sowohl von der Eisenbahnzielstation aus, als auch von dem für die Lagerung des Artillerie- Belagerungstrains erwählten Gelände aus, nach den Geländeräumen führen , in welchen die Belagerungsbatterien herzustellen sind, müssen, wie schon erwähnt wurde.

den Abteilungs - Kommandeuren von den ihnen vorgesetzten

Kommandeuren baldthunlichst bekannt gegeben werden .

Die Ab-

teilungs- Kommandeure können dann auch für diejenigen Belagerungsbatterien, deren Herstellung der Sicht des Feindes nicht zu entziehen ist, mithin erst in der Nacht vor der Feuereröffnung bethätigt werden kann, die Geländestellen ermitteln, die sich zur Niederlegung des von jeder Fufsartillerie-Kompagnie mitgebrachten Gerätes - Schanzzeug, sowie Batteriebaustoffe und Werkzeuge für die Hohlräume also zum ,,Batterie- Depot" eignen.

Nicht nur die das Batterie - Depot ,

sondern auch die von den Kompagnie - Chefs , nach den Weisungen ihres Abteilungs - Kommandeurs , für die Anfertigung der im Artillerie - Belagerungstrain nicht vorgesehenen Strauch- und Holzstoffe etc. ) zu ermittelnden Geländestellen ,

müssen nahe dem Wege liegen ,

welcher nach der

von der betreffenden Kompagnie herzustellenden Belagerungsbatterie führt, und der Sicht des Feindes entzogen sein. In je geringerer Entfernung von den herzustellenden Belagerungsbatterien die Stellen für die baldmöglichst zu beginnende Anfertigung der Strauch- und Holzstoffe etc. ermittelt werden können, desto vorteilhafter ist es. Das Material für die Anfertigung der Strauch- und Holzstoffe etc. haben die Fufsartillerie-Kompagnien ungesäumt aus den ihnen hierfür zugewiesenen Räumen zu beschaffen und ebenso wie das Schanzzeug und die Batteriebaustoffe und Werkzeuge für die Hohlräume, mit Zuhülfenahme der mit ihnen eingetroffenen Fahrzeuge und Gespanne der Munitions-Fuhrpark-Kolonnen,

nach den für die

Anfertigung der Strauch- und Holzstoffe etc. ermittelten Geländestellen bezw. den Batterie-Depots zu befördern ). ¹) Da im Artillerie- Belagerungstrain, aufser Dachpappe, Draht, Haardecken und Bretternägeln, nur die Stoffe für die Bettungen und etwa zur Hälfte auch für die Hohlräume in den Belagerungsbatterien und deren Verbindungs- bezw . Flügellaufgräben jedoch ohne die Pfähle , sowie Sandsäcke vorgesehen sein werden, so wird jede Fufsartillerie- Kompagnie den Mehrbedarf an Batteriebaustoffen , welcher für die von ihr herzustellende und zu bedienende Belagerungsbatterie erforderlich ist, vor der Festung beitreiben bezw. anfertigen müssen. 2) Nachdem dieses geschehen ist, haben die mit den Fufsartillerie-Kompagnien eingetroffenen Fahrzeuge und Gespanne der Munitions - Fuhrpark-

169

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc. Von diesen Geländestellen aus,

bis zu

welchen auch die Wege

und die leichten Feldbahnen von den Pionieren und Eisenbahntruppen bei Tage hergestellt werden konnten, können nach Eintritt der Dunkelheit

nicht nur die Offiziere und Avancirten derjenigen Batte-

rien, deren Lage bei Tage der Sicht des Feindes ausgesetzt ist, sondern auch diejenigen Offiziere etc. der Pioniere und Eisenbahntruppen, unter deren Leitung die Wege und Feldbahnen nach den in Rede. stehenden Batterien herzustellen sind, zur Orientirung über die Baustellen dieser Batterien, mit dem deren Lage im Gelände anweisenden Abteilungs-Kommandeur vorgehen.

Nachdem dann die Lage dieser

Batterien endgültig festgesetzt und in verlässiger, dem Feinde jedoch bei Tage nicht in die Augen fallen dürfender Weise bezeichnet worden ist, kann in Erwägung genommen werden :

„Ob die während der

Dunkelheit durch Infanterie - Mannschaften ,

unter Leitung

von Ingenieur - Offizieren und Pionieren , über die vom Feinde eingesehenen Geländestrecken herzustellenden Wege etc. nach den Batterien , bei Tage dem Feinde das Erkennen der Lage der beabsichtigten Feuerstellungen ermöglichen werden oder nicht?" Nur in so weit dieses nicht zu befürchten ist, können wir den Beginn der Herstellung laufgrabenartig anzulegender Wege etc. von mindestens 3 m Sohlenbreite, die keine Richtung erhalten dürfen , welche deren Enfiliren von irgend einem Festungswerke aus ermöglichen, daher, wenn das Defilement es nötig macht, im Zickzack geführt und aufserdem stets mit entsprechenden Wasserableitungsrinnen oder Senkgruben auf ihrer Rückseite - hergestellt werden müssen, in einer früheren Nacht als derjenigen , welche der Feuereröffnung unmittelbar vorangeht, für vorteilhaft erachten. Dagegen würden wir in allen den Fällen, in welchen zu befürchten ist, dafs durch diese Arbeiten, welche viele Kräfte von Seite der Infanterie und Pioniere erfordern, dem Feinde das Erkennen der Lage von seiner Sicht entzogenen Feuerstellungen erleichtert werden könnte, es unbedingt vorziehen, die in Rede stehenden Arbeiten auf die Herstellung eines festen Untergrundes für die Anfahrt der Geschütze und Munition zu beschränken.

Den Nachteil, dafs dann auch nach der Feuereröffnung

der gesammte Verkehr (Munitions-Ersatz etc. ) mit diesen Belagerungsbatterien über das vom Feinde eingesehene Gelände nur zur Nachtzeit bethätigt werden könnte, erachten.

würden wir für das geringere Übel

Kolonnen bei ihrer inzwischen mit der ersten Staffel des Artillerie- Belagerungstrains nach der Eisenbahnzielstation beförderten Munitions-Fuhrpark-KolonnenAbteilung einzurücken. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine Bd. 102, 2.

12

170

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

3. Heranziehen des mobil gemachten ArtillerieBelagerungstrains. Unmittelbar nach der Eisenbahnbeförderung der sämmtlichen Fuſsartillerie-Kompagnien mufs jene der verschiedenen Geräte etc. des Artillerie-Belagerungstrains in der Zeit- und Reihenfolge, in welcher dieselben zur Fertigstellung der Belagerungsbatterien und Einrichtung des Artillerie-Belagerungsparkes benötigt und dementsprechend in drei Staffeln geteilt sind, beginnen. Den Park-Kompagnien - drei für jede der vier Sektionen des Artillerie - Belagerungstrains - obliegt, aufser der Verladung und Entladung aller Geräte, Geschütze, Munition etc, der drei Staffeln ihrer Sektion, auch die Übernahme, Bereitstellung und Begleitung der mit der ersten und der dritten Staffeln ihrer Sektion zu befördernden Geräte und Munition des Artillerie - Belagerungstrains. - Es ist wünschenswert ,

dafs alle Geräte etc., namentlich die Geschütze und die Munition , an den Stellen , an welchen dieselben im Frieden lagern , in die Eisenbahnwagen verladen werden können. Jeder Eisenbahnzug wird nur mit Geräte und Material der nämlichen Sektion des Artillerie-Belagerungstrains durch eine Park-Kompagnie der betreffenden Sektion verladen. Mit der ersten Staffel des Artillerie - Belagerungstrains müssen alle diejenigen Bestandteile desselben befördert werden, deren Eintreffen in der Eisenbahnzielstation vor jenem der marschfertig ausgerüsteten Batterien des Artillerie-Belagerungstrains geboten ist . Den marschfertig ausgerüsteten Batterien , welche , mit den für ihre Geschütze nötigen Vorratsstücken, Handhabungsgeräten, Batteriebaustoffen für die Bettungen und ersten Munitions -Ausrüstung, die zweite Staffel des Artillerie - Belagerungstrains bilden , folgt der Rest der Munition - die zweite Munitions - Ausrüstung Da - als dritte Staffel des Artillerie - Belagerungstrains. die Verladung und die Entladung eines jeden Eisenbahnzuges, je nachdem derselbe Bestandteile der ersten oder solche der zweiten und dritten Staffel des Artillerie -Belagerungstrains befördert,

innerhalb 3

oder 6 Stunden durch eine Park-Kompagnie bethätigt werden kann, so werden die Eisenbahnzüge nicht unter der eben angegebenen Zeit auf einander folgen können. Diejenigen Eisenbahnzüge , welche zu derselben Sektion des Artillerie - Belagerungstrains gehöriges Gerät etc. befördern, werden daher, je nachdem dieses Gerät etc. zur ersten oder zur zweiten und dritten Staffel des Artillerie- Belagerungstrains gehört, oder 24 Stunden in Zwischenräumen von 12 Stunden -- 1/2 Tag

-

1 Tag eintreffen .

auf einander folgen und in der Eisenbahnzielstation

und des Feuers der schweren Belagerungs- Artillerie etc.

171

Die als erste Staffel zu befördernden Bestandteile des Artillerie - Belagerungstrains sind : vier Park-Kompagnien pro Sektion

eine

, die gesammte Munitions-Fuhrpark-Kolonnen-Abteilung

- zwei Munitions-Fuhrpark-Kolonnen und eine Bespannung für schwere Mörserbatterien pro Sektion, mit den Geschirr- und Stallsachen der Sektion , die eisernen Rampen , die abessinischen Brunnen, die Feldschmieden mit Vorratssachen eine pro Sektion - , die Raketengestelle, die besonderen Kriegsfeuer, die zerlegbaren Munitions-Schuppen und das gesammte Feldbahngerät.

Diese Geräte werden pro Sek-

tion des Artillerie - Belagerungstrains nicht unter 4 , mithin im Ganzen nicht unter 16 Eisenbahnzüge erfordern , die günstigen Falls innerhalb 2 Tagen in der Eisenbahnzielstation eintreffen können . Mit dem ersten Eisenbahnzuge,

welcher Bestandteile der ersten

Staffel jeder Sektion des Artillerie-Belagerungstrains befördert, muſs, aufser den eisernen Rampen und einem Teile des Feldbahngerätes, eine der drei Park-Kompagnien und eine Munitions- Fuhrpark-Kolonne der betreffenden Sektion in der Eisenbahnzielstation eintreffen . Aufgabe jeder zuerst in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen ParkKompagnie ist es, die Entladung aller nach und nach mit Geräten , Geschützen, Munition etc. ihrer Sektion eintreffenden Eisenbahnzüge zu bethätigen. Mit Ausnahme der Feldbahn- Geräte, welche sofort nach ihrer Entladung an die mit dem Strecken der Feldbahnen beauftragten Eisenbahntruppen gegen Quittung abgegeben werden können, ist das entladene Gerät etc. durch die Park-Kompagnie, unter entsprechender Zuhülfenahme von Fahrzeugen und Gespannen der in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen Munitions- Fuhrpark-Kolonnen ihrer Sektion, nach dem für die Lagerung des Artillerie-Belagerungstrains erwählten Gelände zu verbringen und dortselbst nach Anordnung des Park-Kommandos zu lagern. Den an dem Friedens- Lagerungsorte jeder Sektion des ArtillerieBelagerungstrains noch befindlichen zwei Park-Kompagnien obliegt die Verladung aller mit den Eisenbahnzügen zu befördernden Bestandteile ihrer Sektion. Zur Verladung jedes Eisenbahnzuges wird eine dieser beiden Park-Kompagnien, zur Begleitung derjenigen Eisenbahnzüge, welche zur ersten und zur dritten Staffel des Artillerie-Belagerungstrains gehöriges Geräte etc. befördern,

ein Kommando der anderen

Park-Kompagnie, in der Stärke von ein Offizier (Lieutenant), einigen Unteroffizieren und ein Mann pro Eisenbahnwagen genügen. Das zur Begleitung von Eisenbahnzügen mit Geräte etc. der ersten Staffel verwendete Kommando mufs mit den entleerten Wagen dieser Eisen12*

172

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

bahnzüge nach dem Lagerungsorte der betreffenden Artillerie-Belagerungstrains zurückbefördert werden.

Sektion des

Die Eisenbahnbeförderung der zur zweiten Staffel des Artillerie - Belagerungstrains gehörigen marschfertig ausgerüsteten Batterien , welchen, aufser den im Artillerie-Belagerungstrain für die Bedienung der Geschütze vorgesehenen Vorratsstücken, Handhabungsgeräten etc. und den Batteriebaustoffen für die Bettungen, auch die erste Munitions- Ausrüstung ihrer Geschütze beizugeben ist, wird pro Sektion des Artillerie - Belagerungstrains sechs Eisenbahnzüge - je einen für die 21 cm¹ ) Mörserund für die 15 cm¹ ) Kanonen-Batterie und für je zwei 12 cm Kanonenerfordern. Die gesammte zweite oder 15 cm Haubitz-Batterien Staffel des Artillerie - Belagerungstrains wird also voraussichtlich mittelst 24 Eisenbahnzügen , innerhalb 6 Tagen , in der Weise bethätigt werden können , dafs von jeder Sektion des Artillerie - Belagerungstrains täglich eine schwere Batterie oder zwei der minder schweren Batterien , unter Begleitung eines Kommandos derjenigen Fufsartillerie-Kompagnien, welche das betreffende Material übernommen und bereit gestellt haben, in der Eisenbahnzielstation eintreffen. -Mit Zuhülfenahme des Telegraphen wird es sich ermöglichen lassen , dafs innerhalb jeder Sektion des Artillerie - Belagerungstrains die Verladung und Eisenbahnbeförderung der marschfertig ausgerüsteten Batterien in der Reihenfolge bethätigt werden kann , in welcher die Fertigstellung der für sie herzustellenden batterien bewirkt werden kann.

Belagerungs-

Wenn das Munitionsquantum, welches in den Belagerungsbatterien unterzubringen ist

etwa 2 Tagesausrüstungen

, schon an den

Friedens - Lagerungsorten des Artillerie - Belagerungstrains vollständig fertig gestellt werden konnte, so wird dieses Munitionsquantum, ebenso wie die Batteriebaustoffe für die Bettungen, die Geschütze und die für deren Bedienung nötigen Handhabungsgeräte und Vorratsstücke, unmittelbar von der Eisenbahnzielstation aus nach der für sie herzu-

4 stellenden Belagerungsbatterie oder, falls deren Armirung nicht sofort schon erfolgen kann, nach der als Batterie-Depot für die betreffende 1) Obwohl auch die Rohre dieser Geschütze nach der Eisenbahnzielstation und von dieser aus nach den für sie hergestellten Belagerungsbatterien in den Laffeten befördert werden können, so werden doch die Kanonen-Sattelwagen für die 21 cm Mörser- und für die 15 cm Kanonen-Rohre mit den Eisenbahnzügen, welche die marschfertig ausgerüsteten 21 cm Mörser- und 15 cm KanonenBatterien nach der Eisenbahnzielstation führen, zu befördern sein, um für etwa später nötig werdende Landmärsche zur Verfügung zu stehen.

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

173

Belagerungsbatterie ermittelten Geländestelle verbracht werden können . Es würde dann nur diejenige Munition, welche in den Belagerungsbatterien nicht unterzubringen ist, der Park-Kompagnie, welche die Entladung in der Eisenbahnzielstation bethätigt, gegen Quittung zu übergeben und von dieser Kompagnie ,

ebenso wie die ihr gegen

Quittung übergebenen, in den Belagerungsbatterien nicht benötigten Vorratsstücken und Handhabungsgeräten für die Geschütze, sowie den Kanonen - Sattelwagen für die 21 cm Mörser- und 15 cm KanonenRohre, mit Zuhülfenahme von Fahrzeugen und Gespannen der MunitionsFuhrpark-Kolonnen-Abteilung, nach dem Artillerie- Belagerungspark zu verbringen sein¹). Nachdem die mit den marschfertig ausgerüsteten Batterien ein-

getroffene erste Munitions-Ausrüstung der Geschütze zweifellos für mindestens 6 Tage ausreicht, so wird es jedenfalls genügen , wenn das Eintreffen der zweiten Munitions-Ausrüstung des Artillerie-Belagerungstrains in der Eisenbahnzielstation vor Ablauf dieser Zeit beginnt. Mit der zweiten Munitions -Ausrüstung dritten Staffel des ArtillerieBelagerungstrains müssen alle nicht bereits mit der ersten und zweiten Staffel des Artillerie- Belagerungstrains beförderten Ausrüstungsstücke für die Belagerungs - Laboratorien, die Reparatur -Werkstätten und die Vorratsstücke für den Artillerie-Belagerungstrain in der Eisenbahnzielstation eintreffen . Die Eisenbahnbeförderung der dritten Staffel wird voraussichtlich pro Sektion des Artillerie - Belagerungstrains mit vier Eisenbahnzügen , mithin für die gesammte dritte Staffel mit 16 Eisenbahnzügen , innerhalb 4 Tagen , in der Weise bethätigt werden können , dafs von jeder Sektion des Artillerie - Belagerungstrains täglich ein Eisenbahnzug in der Eisenbahn zielstation eintrifft. 1) Wenn das in den Belagerungsbatterien unterzubringende Munitionsquantum nicht bereits in den Friedens-Lagerungsorten des Artillerie - Belagerungstrains vollständig fertig gestellt werden konnte, so mufs die gesammte mit den marschfertig ausgerüsteten Batterien eingetroffene Munition nach dem Artillerie-Belagerungspark verbracht werden. Damit dann jede FuſsartillerieKompagnie die von ihr bereit gestellte und mit der von ihr übernommenen marschfertig ausgerüsteten Batterie nach der Eisenbahnzielstation beförderte Munition nach deren vollständigen Fertigstellung im Artillerie-Belagerungspark wieder erhält, wird es nötig sein, dafs jede Fufsartillerie-Kompagnie die nach dem Artillerie- Belagerungspark zu verbringende Munition durch ein Kommando von einem Unteroffizier und einigen Mann begleiten und an den ArtillerieBelagerungspark gegen Quittung übergeben läfst. Dieses Kommando kann dann, sohald die in dem Artillerie- Belagerungspark bezüglich der Munition noch auszuführenden Arbeiten genügend gefördert sind, mit dem Munitionsquantum , welches in der von ihrer Kompagnie herzustellenden Belagerungsbatterie unterzubringen ist - etwa 2 Tagesausrüstungen - wieder bei seiner Kompagnie einrücken.

174

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

Von den beiden Park-Kompagnien, welche am Friedens-Lagerungsorte jeder Sektion des Artillerie-Belagerungstrains die Verladung der Eisenbahnzüge zu bethätigen haben, wird eine, mit je 1/3 ihrer Stärke , als Begleitung eines jeden der drei ersten Eisenbahnzüge der dritten Staffel, die andere mit dem vierten und letzten Eisenbahnzuge ihrer Sektion in der Eisenbahnzielstation eintreffen können. Von hier aus wird die Munition etc. nach ihrer Entladung, von der diese bethätigt unter entsprechender Zuhülfenahme von

habenden Park-Kompagnie,

Fahrzeugen und Gespannen der Munitions-Fuhrpark-Kolonnen der betreffenden Sektion, sowie der von der Eisenbahnzielstation aus nach dem Artillerie-Belagerungspark hergestellten leichten Feldbahn, nach dem Artillerie-Belagerungspark gebracht und dort nach Anordnung des Park-Kommandos gelagert. 4. Gliederung und Einrichtung des für jeden Artillerie - Belagerungstrain und jeden selbstständigen Teil eines ArtillerieBelagerungstrains nötigen Artillerie - Belagerungsparkes. Die Anforderungen, welchen das für die Lagerung eines ArtillerieBelagerungstrains - den Artillerie-Belagerungspark — zu erwählende Gelände entsprechen mufs, wurden bereits ad II 5 angegeben. Hier bleibt also deswegen nur noch hervorzuheben, dafs der ArtillerieBelagerungspark auch innerhalb der eigenen, im Nachstehenden erwähnt werdenden Anlagen gute Verbindungen ermöglichen muſs. Wenn von den in der Eisenbahnzielstation - als zweite Staffel des Artillerie-Belagerungstrains eingetroffenen marschfertig ausgerüsteten Batterien, die Batteriebaustoffe für die Bettungen, die Geschütze, mit den für ihre Bedienung und als Vorrat bei ihnen nötigen Geräten und Stücken, sowie die in den Belagerungsbatterien unterzubringende und daher schon an den Friedens - Lagerungsorten des Artillerie-Belagerungstrains vollständig fertig gestellte Munition etwa 2 Tagesausrüstungen

, nicht nach dem Artillerie-Belagerungs-

park, sondern unmittelbar nach den für sie herzustellenden Belagerungsbatterien befördert werden, so wird die für den Artillerie-Belagerungspark nötige räumliche Ausdehnung eine sehr wesentliche Verminderung erfahren können. Für den Artillerie-Belagerungspark, zu dessen Bewachung eine, unter Umständen sogar doppelte Postenkette nötig ist, wird folgende Gliederung und Einrichtung geboten sein: a) Park- Kommando : Park - Direktor , dann , als Vorstände der drei Abteilungen des Artillerie- Belagerungsparkes, Adjutant , Zahlmeister und Zeughauptmann . Aufserdem wird eine eigene Artillerie - Revisions - Kommission ,

welche aus dem Vorstande

der Reparatur-Werkstatt und zwei von dem Park-Direktor zu be-

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

stimmenden Offizieren zu bestehen hat, nötig sein.

175

Das Bureau des

Park-Direktors wird in einer in der Mitte des Artillerie-Belagerungsparkes gelegenen Örtlichkeit einzurichten sein .

Telegraphische oder

mindestens telephonische Verbindung des Geschäftszimmers des ParkDirektors mit dem Kommandeur des Artillerie-Belagerungstrains, dem Bahnhofs-Kommandanten der Eisenbahnzielstation (Entladestelle) und mit den Vorständen der einzelnen Abteilungen des Artillerie-Belagerungsparkes ist unerlässlich ¹). b) Reparatur - Werkstatt. Diese wird, um schon im Frieden vorhandene Werkstätten benützen zu können, in einer Ortschaft, am besten derjenigen, in welcher sich das Bureau des Park-Direktors befindet, eingerichtet. Das Personal der Reparatur- Werkstatt (Zivil-Handwerker) untersteht , dem Park-Direktor.

c) Park- Kompagnien - drei pro Sektion des Artillerie-Belagerungstrains , welche ausschliesslich dem Park-Kommando für den Dienst im Artillerie-Belagerungspark zur Verfügung stehen müssen. Die Park-Kompagnien werden in Ortschaften oder Baracken, welche nahe dem Artillerie-Belagerungspark liegen, untergebracht. Aufser den Park-Kompagnien wird das Park-Kommando auch über eine gröfsere Anzahl gelernter Handwerker , welche von den verschiedenen Truppenteilen, insbesondere den Pionieren der Belagerungsarmee dauernd in den Artillerie-Belagerungspark zu kommandiren und den Park-Kompagnien zu attachiren sind, verfügen müssen . d) Munitions - Fuhrpark. Dieser besteht aus der voraussichtlich über 8 Munitions-Fuhrpark-Kolonnen zwei pro Sektion und 4 Bespannungen für schwere Mörserbatterien eine pro Sektion ―― verfügend müssenden Munitions-Fuhrpark-Kolonnen-Abteilung des Artillerie-Belagerungstrains und den aus Landfuhrwerk zusammengesetzten, militärisch geordneten und der Munitions-Fuhrpark-KolonnenAbteilung unterstellten Kolonnen. Die Mannschaften und Pferde des ¹) Damit die telegraphische Verbindung des Kommandeurs des ArtillerieBelagerungstrains mit dem Kommandeur der Belagerungsartillerie und dem Artillerie-Belagerungspark, sowie mit den Brigade-Kommandeuren der Fufsartillerie, dann dieser mit den Regiments-Kommandeuren der Fufsartillerie, sowie der Brigade- und Regiments-Kommandeure unter einander hergestellt werden kann, wird jede Sektion des Artillerie - Belagerungstrains drei leichte Festungstelegraphen sowie tragbare Telegraphen besitzen müssen. Ungefähr drei Mal so reichlich wird der Artillerie - Belagerungstrain mit Telephonen ( Fernsprechern ) ausgerüstet sein. müssen, um eine telephonische Verbindung der Regiments -Kommandeure der Fufsartillerie mit den Abteilungs-Kommandeuren, der Beobachter mit den ihrer bedürfenden Kommandeuren, sowie des Park-Direktors mit den AbteilungsVorständen des Artillerie- Belagerungsparkes und mit der Eisenbahnzielstation (Entladestelle) herstellen zu können.

176

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

Munitions-Fuhrparks müssen nahe dem Artillerie-Belagerungspark in Ortschaften,

fehlen diese in herzustellenden

gebracht werden.

Schuppen etc. unter-

Die Fahrzeuge des Munitions-Fuhrparks sind

in

Nähe der Unterkunftsörtlichkeiten ihrer Bespannungen im Park aufzustellen.

Die Verfügung über den Munitions - Fuhrpark ,

welchem die Batteriebaustoffe

für die Bettungen,

mittelst

die Geschütze mit

Zubehör und die in den Belagerungsbatterien unterzubringende Munition der in der Eisenbahnzielstation nach und nach eintreffenden marschfertig ausgerüsteten Batterien von der Entladestelle nach den für sie herzustellenden Belagerungsbatterien, alle übrigen Bestandteile des

Artillerie - Belagerungstrains

von

der

Entladestelle

nach

dem

Artillerie-Belagerungspark und von diesem aus - nach Bedarf zu den Belagerungsbatterien und umgekehrt zu überführen,

sowie

auch alle Beförderungen innerhalb des Artillerie-Belagerungsparkes zu bethätigen sind, steht nur dem Park-Direktor zu . Ebenso wie der Park-Direktor, auf Grund der Anweisungen des Kommandeurs des Artillerie-Belagerungstrains, alle übrigen Bestandteile des ArtillerieBelagerungsparkes zur Übernahme durch die Fuſsartillerie-Kompagnien von den ihm unterstellten Park-Kompagnien etc. mufs

er auch täglich befehlen,

bereit stellen läfst ,

wie viele Fahrzeuge und Gespanne

des Munitions-Fuhrparks, zu welcher Tageszeit und an welchem Orte gestellt werden sollen.

Nur in dringenden Fällen hat der Park-

Direktor Anforderungen der Kommandeure der Fufsartillerie ohne besondere Anweisung des Kommandeurs des ArtillerieBelagerungstrains Folge zu geben . e) Das Batteriebaustoff- und Schanzzeuglager wird in den der Festung zunächst befindlichen Räumen des Artillerie-Belagerungsparkes eingerichtet. Nachdem die im Artillerie- Belagerungstrain für die Hohlräume vorgesehenen Batteriebaustoffe und Werkzeuge, sowie die Batteriebaustoffe für die Bettungen und der weitaus gröfste Teil des Schanzzeugs schon an den Friedens - Lagerungsorten des Artillerie-Belagerungstrains an die zur Herstellung und Bedienung der Belagerungsbatterien berufenen Fufsartillerie - Kompagnien abgegeben wurden, so wird sich, bis zur Fertigstellung der Belagerungsbatterien in dem Artillerie - Belagerungspark nur das an die Fufsartillerie-Kompagnien nicht abgegebene Schanzzeug ― etwa 1/10 des im Artillerie-Belagerungstrain vorgesehenen - befinden. Erst nachdem von den Fufsartillerie-Kompagnien die zur Herstellung der Belagerungsbatterien nicht benötigt gewesenen Batteriebaustoffe, sammt dem Schanzzeug und den Überresten der von den Fufsartillerie -Komgagnien selbst gefertigten Strauch- und Holzstoffe etc. an den ArtillerieBelagerungspark eingeliefert worden sind, wird das Batteriebaustoff-

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

177

und Schanzzeuglager des Artillerie - Belagerungsparkes eingerichtet werden können. Dieses wird aus mehreren Abteilungen, mindestens eine für jede Sektion des Artillerie-Belagerungstrains, bestehen.

Es

wird sich empfehlen , jede dieser Abteilungen nahe einem Wege, der zu den Feuerstellungen der betreffenden Belagerungsbatterien führt, anzulegen.

Mit Ausnahme der kleinen Gegenstände (Mafsstäbe, Beile,

Sägen, Bohrer etc. ) kann alles Gerät, gattungsweise in Haufen von gleicher Gröfse geordnet , so im Freien lagern, dafs zwischen den einzelnen Reihen desselben Gänge zum Beladen der Wagen bleiben und mehrere Abgabestellen ermöglicht werden können. f) Der Geschützpark.

Dieser mufs in dem der Festung näher

gelegenen Raume des Artillerie-Belagerungsparkes, nahe hinter dem Batteriebaustoff- und Schanzzeuglager, zunächst einer, besser mehreren Strafsen mit Rampen zur Abfahrt der Geschütze auf die Strafsen - vorgesehen werden .

Während der Belagerung werden in dem

Geschützpark , aufser den in den Belagerungsbatterien nicht benötigten Vorratsstücken und Handhabungsgeräten für die Geschütze und den Kanonen- Sattelwagen für die 21 cm Mörser- und 15 cm KanonenRohre, nur die

Geschütze und die zu diesen benötigten Vorrats-

stücke und Handhabungsgeräte der etwa nicht zur Thätigkeit

be-

rufenen marschfertig ausgerüsteten Batterien - batterienweise zuGeschütze , an welchen unterzubringen sein . sammengestellt w Reparaturen vorzunehmen waren, werden sich nur vorübergehend, bis zu deren baldthunlichst zu bethätigenden Rückverbringung nach den Belagerungsbatterien, in dem Geschützpark befinden. g) Der Munitionspark. Dieser kann gegliedert werden : In die zur Unterbringung der fertigen Munition bestimmten Park-

Magazine , die sich dem Geschützpark zunächst befinden müssen, das zur Ausführung der noch notwendigen Munitions-Arbeiten nötige Laboratorium , mit seinen bedeckten Räumen und freiliegenden Arbeitsstellen , und die zur Aufnahme von Pulver bestimmten, am weitesten zurückliegenden Haupt - Magazine. Zu sich eignende Baulichkeiten , die an guten und festen Strafsen, sowie mindestens 1/4 km von Feuerstellen entfernt liegen, Die Park- und Hauptsind für den Munitionspark erwünscht.

Magazinen

Magazine müssen möglichst wie Friedens-Magazine eingerichtet werden. Insbesondere müssen diese Magazine ringsum geschlossen sein, oberes Licht oder gewöhnliche Fenster, an den Giebelwänden Thüren, ferner gedielte Böden oder wenigstens Unterlagen und wo möglich auch eine Vorhalle besitzen. In unmittelbarer Nähe derjenigen Magazine, in welchen mit Doppelzündern ausgerüstete Geschosse lagern, sind Die bedeckte Räume zum Aufschrauben der Zünder vorzusehen.

178

Über die Leitung der Thätigkeiten etc.

Geschosse müssen innerhalb der Magazine nach Art und Grad ihrer Fertigstellung gesondert sein. Die Geschosse bezw. Kartuschen für Batterien gleicher Armirung können zusammen gelagert werden. Bieten sich Baulichkeiten für die Aufnahme der Munition nicht in genügender Zahl dar, so können die mit Artillerie - Belagernngstrains

eingetroffenen

der ersten Staffel des zerlegbaren

Munitions-

Schuppen aufgestellt werden. Diese Schuppen müssen, mit wenigstens 1/4 km Entfernung von Wohnstätten, in mehreren Reihen schachbrettförmig so angelegt werden, dafs jede Reihe von der andern mindestens 120 m entfernt ist. — Aufser Aufschriften auf den Gebäuden und Schuppen der Park- und Haupt - Magazine müssen auch Wegweiser und Laternen angebracht werden. Das Laboratorium mufs Räume zur Aufbewahrung von Gerätschaften und Stoffen, dann zum Umarbeiten und Ausbessern von Kartuschen, sowie zur Anfertigung besonderer Kriegsfeuer- LeuchtAufserdem sind eine darbieten. raketen, Leuchtgeschosse etc. ― den Arbeitspausen Arbeiter in Aufenthalt der Küche und für den Schuppen mit Kochheerd, dann Wachträume mit Arrestlokal, Spritzen. haus, Brunnen, Mühlgräben, Latrinen unentbehrlich. - Das Hauptpulvermagazin mufs nahezu 100 m vom Laboratorium entfernt sein. Munitions - Zwischen depots , welche etwa die doppelte Zahl der in den Belagerungsbatterien unterzubringenden Munition, also einen drei-, höchstens viertägigen Bedarf an Munition für eine Abteilung zu drei Belagerungsbatterien enthalten,

sind nur dann vor-

teilhaft, wenn sie nicht zu entfernt von den betreffenden Belagerungsbatterien, etwa an den zu

den

Batterie- Depots

dieser

Batterien

benützt gewesenen Geländestellen , angelegt und am Tage gefüllt werden können. Aus diesem Grunde müssen nicht nur die MunitionsZwischendepots , welche viele Arbeitskräfte und Baustoffe erfordern, sondern auch die vom Artillerie - Belagerungspark aus nach diesen Depots anzulegenden leichten Feldbahnen eine der Sicht des Feindes entzogene Lage erhalten können.

(Fortsetzung folgt. )

XII.

Philippe de

Gentils marquis de Langalerie,

französischer Generallieutenant, österreichischer General der Kavallerie u. s. w., angeblich Kaiser von Madagaskar ( 1661-1717) . Ein Lebensbild. Von Hermann Freih. v. Rotenhan, Oberst.

Über Philippe de Gentils marquis de Langalerie ( 1661-1717 ) wurde schon viel geschrieben . Namentlich als vor 15 Jahren Frankreich neue Ansprüche auf die Insel Madagaskar machte, wurde, auch leider in abfälliger Weise, über diesen berühmten französischen und österreichischen General, welcher mehrere Jahre Kaiser dieser Insel gewesen sein soll, geurteilt . Möchten diese Niederschreibungen ein richtiges Bild dieses berühmten Feldherrn geben , dessen grofse Genialität allgemein anerkannt wurde, wenn wir auch uns in die damaligen Anschauungen über Patriotismus und die Grundsätze des militärischen Lebens , welche in den wechselvollen Schicksalen dieses Mannes recht zum Ausdruck kamen, nicht recht hineindenken können. Die Familie Gentils de Langalerie war früher ein mächtiges Geschlecht der Provinz Limousin in Frankreich. Die Vorfahren Philippes de Langalerie zeichneten sich 1347 bis 1696 wiederholt in verschiedenen Stellungen aus, z . B. als Landvögte, Offiziere u . s. w. Der Vater Philippes Henry Françoes de Gentils seigneur de Langalerie ( 1616--1693) passirte als junger Eskadronschef und Major im Kürassierregiment von Longeville in Gegenwart der Höchstkommandirenden der französischen Armee, der Herzöge von Condé und Turenne , mit seiner Eskadron in der Nähe von Mainz schwimmend den Rhein trotz der Aufstellung der feindlichen Armee des Prinzen von Anhalt am jenseitigen Ufer. Nur mit einem Verluste von 2 Mann erreichte Langalerie das jenseitige Ufer, drängte durch eine kühne Attacke den Gegner zurück und gab hierdurch seinem Kürassierregimente wie der übrigen französischen Armee Zeit auf Kähnen und Flöfsen den Rhein zu passiren. König Ludwig XIV. ,

welcher diesen Rheinübergang mit ansah ,

ernannte

Langalerie sofort zum Regimentskommandeur, und als derselbe später General wurde, zum erblichen marquis. Sein Sohn Philippe war ursprünglich gegen seine Neigung zum

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

geistlichen Stande bestimmt worden. Er wurde während 5 bis 6 Jahren im Palaste seines Onkels , des Bischofs von Montauban, Herrn M. de Nemond, erzogen und es ward nichts versäumt, denselben würdig zum geistlichen Stande nach damaligen Anschauungen vorzubereiten. Dieser Onkel, der Bruder seiner Mutter, war ein sehr vermögender und einflufsreicher Mann, der ein grofses Haus machte. Allein Philippe zeigte wenig Neigung zum friedlichen Leben eines Geistlichen, sondern fand nur Vergnügen am Reiten, Fechten und sonstiger kavaliermäfsiger Ausbildung, weshalb seine einflussreichen Verwandten demselben schon 17 Jahren ein Unterlieutenantspatent im Regimente

im Alter von

Königs-Infanterie, welches eben für den Herrn von Martinet gebildet wurde, zu verschaffen wufsten. Philippe de Langalerie wird von allen Schriftstellern als ein be-

sonders schöner Mann, von sprudelndem Geiste, grofser Liebenswürdigkeit und Gewandtheit in ritterlichen Übungen geschildert. So begann nun Philippe in jungen Jahren seine militärische Laufbahn, in welcher er es zu einem der bedeutendsten und verdienstvollsten Generale König Ludwig XIV. brachte und sich in 32 Schlachten rühmlichst auszeichBald gelang es ihm beim Könige und auch bei der damals überaus mächtigen und einflussreichen Frau von Maintenon grofses Ansehen zu erlangen, und Letztere suchte ihn auf jede mögliche Weise in ihr Interesse zu ziehen . Sie erreichte es, dafs er ihre Enkelin heiratete, nete.

und durch diese engere Verbindung mit der Maintenon noch mehr an den Hof gefesselt, gewann Philippe bald grofsen Einfluss auf den König, machte aber von diesem unvorsichtiger Weise zu grofsen Gebrauch und verfeindete sich dadurch selbst mit seiner allmächtigen Gönnerin, Frau von Maintenon, die keine Beeinflussung neben sich Vielleicht wirkten hierbei noch andere persönliche dulden wollte. Gründe dieser mächtigen Frau mit, vielleicht stand dieselbe auch unter dem Charme, den L. auf seine Umgebung auszuüben verstand, und Sie wurde von da an fand hier nicht die erwarteten Gegengefühle. L.'s Gegnerin und suchte nach einem günstigen Vorwande ihn zu stürzen, der sich auch bald bot. Als nämlich die französischen Heere in Italien 1706 grofse Verluste erlitten hatten,

und König Ludwig's

damalige Politik durch den ungünstigen Einflußs der Frau von Maintenon und ihres Günstlings des Ministers Chamillard grofse Fehler beging, sah sich der marquis von Langalerie aus edlem Eifer für sein Land und für den Ruhm seines Königs veranlafst, in einem direkt an den König gerichteten Schreiben diesem die Gründe der erlittenen Niederlagen und das Fehlerhafte der eingeschlagenen Politik offen darzustellen. Frau von Maintenon und Minister Chamillard bekamen von diesem Schreiben Kenntnifs und waren, da es vorzugsweise gegen sie

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie .

gerichtet war, darüber so aufgebracht, dafs sie nun den sofortigen Sturz des Marquis beschlossen. Sie verdächtigten ihn nicht nur auf alle Weise beim König, sondern stellten diesem die offene und kühne Sprache L.'s als Frevel und als strafbare Auflehnung gegen die geheiligte Person des Königs vor. Es gelang ihnen, vom König einen Verhaftsbefehl gegen L. zu erwirken, der an den Marschall Herzog von Vendôme, bei dessen Armee L. stand, erlassen wurde. Vendôme war aber dem Marquis innig befreundet und wulste, dafs diese Verhaftung nur Folge schändlicher Intriguen der ihm selbst verhafsten Frau Maintenon waren ; er setzte daher rechtzeitig L. von dem gegen ihn

ergangenen Verhaftsbefehl in Kenntnifs, wodurch es Letzterem

möglich wurde, zu

entfliehen.

L. sah aber ein,

dafs sein Stern in

Frankreich nun erloschen sei, und bei den damals noch herrschenden eigentümlichen Ansichten über Patriotismus,

der dem Streben nach

Kriegsruhm und militärischer Auszeichnung nachstund, begab er sich nach Wien und bot dem Kaiser Karl VI . , obgleich solcher gerade mit Frankreich im Kriege war,

seine Dienste an.

Diese Handlung, die

heutzutage allgemein als Unrecht verurteilt werden würde, wurde damals noch, wo das Gefühl des Patriotismus wenig ausgebildet war, in der öffentlichen Meinung entschuldigt . Kaiser Karl VI. , der sich von dem in den letzten Kriegen bereits berühmt gewordenen General grofse Vorteile versprach, nahm L. freudig auf und gab ihm ein Kommando unter dem berühmten Eugen von Savoyen.

Nach diesem Überblick gehe ich zur speziellen Beschreibung der militärischen Laufbahn dieses berühmten französischen Generals über. Das Regiment Königs - Infanterie , bei welchem L. als Unterlieutnant ernannt war , marschirte 1674 zur Armee des Prinzen von Condé und nahm ruhmreichen Anteil an der blutigen Schlacht von Senef. L. wurde hierbei leicht an der Schulter verwundet und in Folge seiner Bravour zum Premierlieutenant befördert.

Bald nach

der Schlacht von Senef kam L.'s Regiment nach Verdun. der Friede geschlossen.

1678 wurde

Als

der

Krieg

wieder

ausbrach ,

marschirte

L.

mit

seinem

Regimente 1691 zur Armee nach Flandern , machte mehrere Expeditionen mit, darunter auch die Schlacht von Fleurus gegen die Alliirten unter dem Prinzen von Oranien und marschirte Ende des Jahres mit seinem Regimente zur Armee, welche Namur belagerte, wobei auch der König Ludwig XIV. und Frau von Maintenon sich befanden. Diese fuhr fort, L. besonders zu begünstigen, und hatte ihm ein Hauptmannspatent verschafft. Während der Belagerung von Namur wurde L. auf ausdrücklichen Befehl des Königs zum

182

Phillppe de Gentils marquis de Langalerie .

Angriff auf das Fort de la Casotte beordert,

nachdem die Garden

zwei vergebliche Angriffe auf dasselbe gemacht hatten.

Mit seinem

Regimente und zwei Kompagnien Mousquetaires erstürmte er nach heftigem Gefechte das Fort und setzte sich dort fest, trotz der wiederholten Gegenangriffe der deutschen Greenadiere. L. verlor hierbei 10 Offiziere und 112 Mann an Todten und eine weit gröſsere Anzahl Verwundeter. Am andern Tage wurde er durch andere französische Truppen abgelöst, und der König dankte den Truppen persönlich für ihre Tapferkeit. Als dieselben in ihre Zelte zurückkehrten, fanden sie überall Tische gedeckt mit reichlichen Speisen beladen. Madame de Maintenon mit vielen Damen und Herren des Hofes wohnte dieser Mahlzeit bei und lud das Regiment L.'s für den nächsten Tag im Hauptquartier des Königs ein . Diese Mahlzeit fand in der Abtei der Salsienser statt, wobei die Damen des Hofes den Soldaten das Essen servirten, wofür Letztere der später erscheinenden Frau Maintenon sämmtlichst die Hand küfsten. Auch den zusehenden Nonnen

der Abtei wurde von den Offizieren die

gleiche Ehre zu teil. Später kam noch der König mit dem Kronprinzen. Am andern Tage liefs Frau von Maintenon L. zu sich kommen, erklärte ihm, dafs sie mit seinem Onkel dem Bischof M. de Nemond verwandt sei und stellte L. als ihren Verwandten dem König vor, welcher denselben zum Kompagniechef im Regimente Dauphin ernannte. Frau von Maintenon gab L. die Geldmittel zu seiner Equipirung. Das Regiment Dauphin befand sich bei der Operationsarmee und mufste verschiedene Fouragierungen in der Richtung auf Huy und Fleurus ausführen, was zu heftigen Scharmützeln führte. Um seine Kompagnie wieder in Stand zu setzen, welche durch diese Gefechte sehr gelitten hatte, reiste L. im August 1692 nach Hause zu seinen Eltern .

Am 15 April 1693 traf er mit seiner neu remontirten Truppe

in Narbonne in Catalonien

ein , woselbst schon sein Oberst,

der

Marquis de Sourdis mit dem Regimente eingetroffen war, um Palmos zu belagern. Bei einem Ausfall aus dieser Festung wurde er gefährlich an der Schulter verwendet . In diesen Gefechten wurden zwei Eskadrons seines Regiments ganz aufgerieben ; nur L. und ein Lieutenant blieben am Leben. Bei diesem Ausfall füllten die Belagerten die französischen Tranchéen wieder aus , drangen über die Parallelen vor, eroberten eine Batterie, vernagelten einen Teil der Geschütze und Mörser und führten den Rest der Kanonen mit sich fort, obwohl die ganze französische Armee nach und nach in Aktion getreten war ;

erst nach heftigen Kämpfen gelang es den Franzosen,

den Gegner wieder in die Festung zurückzuwerfen .

Für sein tapferes

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

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Verhalten erhielt L. , wieder durch Vermittelung der Frau von Maintenon, das Kreuz von St. Louis, womit eine Pension von 600 Livres jährlich verbunden war. Bald darauf wurde die ganze Kavallerie des Marschall von Noailles mit allen Grenadieren beordert, den Spaniern einen vorteilhaften Posten wegzunehmen und dieselben zu hindern , Gironde zu berennen. Unter Kommando des Generallieutenants Duplessis-Pralin griffen die Franzosen dreimal die Befestigungen der Spanier an, wurden jedoch stets mit grofsem Verluste zurückgedrängt. Erst beim vierten Sturme gelang es, die Spanier aus ihren Befestigungen zu verdrängen und zwei Meilen weit zu verfolgen. Gironde wurde eingenommen und die Garnison zu Gefangenen gemacht. Da der Onkel L.'s, der Bischof M. de Némond, Frau von Maintenon gebeten hatte, seinem Neffen das Kommando eines Regiments zu verschaffen, so brachte diese Gönnerin es beim Könige dahin, daſs schon im Jahre 1694 L. zum Oberst und Maitre de camp ernannt wurde.

Er reiste sofort nach Hause, und da sein Vater trotz seiner

grofsen Besitzungen zur Zeit nur 8000 Frs. Baargeld disponibel hatte, so wendete er sich an seinen Onkel, den Bischof von Némond, welcher ihm 10 000 Francs zur Equipirung seines Regimentes gab. Dieses Regiment begann nun L. anzuwerben,

er gewann bald die

nötigen Offiziere und sendete die Listen an das Ministerium, welches die Patente ausfertigte. Frau von Maintenon ernannte selbst einen Verwandten aus Poitou, genannt d'Aubigné, zum Oberstlieutenant in L.'s Regiment. Nachdem es L. gelungen war, sein Regiment vollständig zu formiren, sendete er dasselbe unter Kommando des Oberstlieutenant d'Aubigné auf den Kriegsschauplatz, der damals dem Regimente in Piémont und in Catalonien zugewiesen war. Während letzteres gegen Narbonne marschirte, begab er sich nach Bordeaux, um sich dort einige Zeit zu amüsiren. Das Regiment L.'s gehörte zur Armee des Marschalls von Catinat in Piémont . Es erkämpfte mit den Sieg an der Marsailles bei Turin 1695. Die Franzosen waren in dieser Schlacht 10 000 Mann stark, während der Gegner 30 000 Mann ins Gefecht brachte . Der erste Anlauf der französischen Kavallerie fiel ungünstig aus, denn diese neue Truppe wich zurück und kam in Unordnung.

Vergebens versuchte Generallieutenant von Pracontal, wel-

cher den rechten Flügel befehligte, die Rückwärtsbewegungen der Franzosen aufzuhalten . Da führte L. seine Kavallerie im Trab vor und warf den Gegner zurück .

Nachdem die ganze Armee eine Links-

schwenkung gemacht hatte, gelang es, den Gegner bis an die Thore von Turin zurückzudrängen . Die Piemontesen hatten in der Schlacht von Turin 13 000 Mann verloren, worunter 4000 Gefangene, die Fran-

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

zosen 3600 Mann , worunter 500 Verwundete.

Als Beute hatten die

Franzosen 22 Fahnen und Standarten, 6 Pauken und 8 Feldgeschütze aufzuweisen. Bald darauf marschirte die französische Armee in das Gebiet von Montferrat ein ; L. rückte mit seinem Regimente gegen Casal und erhob überall Kontributionen . Verceil wurde belagert, und Marschall von Catinat detachirte 10 000 Mann unter Generallieutenant M. de Bulonde, um Corni zu belagern .

Dieser Ort,

wel-

cher gemäfs seiner Lage in den Alpen sehr stark war, wurde von den Franzosen 12 Tage vergebens belagert. Als Marschall de Catinat jedoch in Erfahrung gebracht hatte ,

dafs der Herzog von Savoyen

Verstärkung aus Deutschland erhalten habe, so dafs seine Armee 25 000 Mann stark wurde, hob er die Belagerung von Corni auf, dagegen gelang es ihm, Verceil, welches nur ungenügende piemontesische Garnison hatte, im Sturme zu nehmen und 1500 Mann Gefangene zu machen.

Diese Berennung von Verceil dauerte drei Tage.

L. wurde,

als er eine Faschine in den Graben trug, am Schenkel verwundet. Diese Bravour oder seine Verwundung trug L. seine Ernennung zum Brigadier ein . Auf die Nachricht hin, dafs der Herzog von Savoyen den Franzosen ihre Magazine im Montferrat wegnehmen wolle, wurde L. mit 8 Eskadrons und 6 Kompagnien Grenadiere, welche die Reiter en croupe auf ihren Pferden mitnahmen, gegen das am meisten bedrohte Magazin der Burg und Stadt Monchalts, welches nebenbei das Wichtigste war, entsendet, um die französischen Vorräte zu schützen. Kaum war L. mit seinem Detachement in diese Stadt eingerückt, als ein feindliches Husaren-Regiment am Thore erschien, Eingang verlangend. L. liefs sofort einen Teil seiner Grenadiere und zwei eiserne Geschütze mit Kartätschen geladen in einem Ravelin am Eingange Posto fassen, während er die übrigen Truppen in drei Seitenstrafsen verteilte . Die Husaren, welche die Stadt unbesetzt glaubten, ritten unvorsichtig in dieselbe ein. Sie wurden auf dem Fufse von Dragonern gefolgt, so dafs es den französischen Grenadieren am Thore nicht gelang, gemäfs erhaltenem Befehle das Thor hinter den Husaren zu schliefsen. Sie vermochten nur von rechts und links im Vereine mit der Artillerie die Husarenkolonne zu beschiefsen, wobei

200 Husaren zu Boden

stürzten. Der Rest entfloh im Galopp, wurde jedoch von der französischen Kavallerie im Rücken attackirt und streckte nach kurzem Gefechte die Waffen. Die Franzosen hatten 62 Tote und 20 VerDie französische Armee nahm Winterquartiere in Montwundete. ferrat, umgeben vom Feinde. Frau von Maintenon schrieb an L. Anfangs April 1696 nachstehenden Brief: „ Le Roi vous a mis sur la liste de ses maréchaux

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

de ses camps et armées. Vous en recévrez le brêvet par M. de Catinat qui doit partir incessament d'ici pour aller prendre le commendement Vous n'avez plus besoin de ce que vous des troupes en Piémont. appellez ma protection.

Le Roi se chargera de votre fortune

Renvoyez à Dieu tous les remerciments et songez que vous n'étiez il y a quatre ans que capitaine sans espérance. Je suis bien aise que vous soyez content de M. d'Aubigné ; je compte qu'il ne sera pas mécontant du Tour que prennent votre fortune et la Sienne. Signalez tous .

Vos services ne seront pas perdus :

qués et vous ne manquerez

ils seront remar-

pas de gens qui les feront valoir. -

Quelque répugnance que j'aye à me mêler des places, j'accepte vos offres au sujet de votre Regiment, et je les accepte avec d'autant plus de plaisir,

que j'espère que vous ne vous opposerez point au dessin

que j'ai de vous marier, supposez que la femme que vous regrettez ne vous ait pas degouté de toutes les autres . - Le petit Simiame aura votre Regiment et vous aurez Madame sa mère. Vous trouverez en elle naissance, jeunesse, beauté et assez de bien. Ce dernier article est celui qui doit le moins vous embarasser. Voyez et mandez moi vos sentiments sans complaisance et sans detours " 1). L. hatte nämlich am Beginn der neuen Campagne Frau von Maintenon, welche ihm mitteilte, dafs er nun bald Marschall werde, Er wagte es nicht, dem Wunsche dieser sein Regiment angeboten. mächtigen Frau zu widersprechen und schrieb derselben zurück, daſs er die Wahl einer Gemahlin dankbarst annehme. Es war dieses eine junge und reiche Witwe, die Marquise de Simiame Castellane, aus einem der ältesten und berühmtesten Häuser der Provinz stammend, welche Frau von Maintenon ihm zugedacht hatte. Die Marquise hatte einen schon älteren Herrn, den marquis François de Simiame geheiratet, welcher nach einigen Jahren seiner Ehe gestorben war und aus erster Ehe einen 15jährigen Sohn hinterliefs. Der Mädchenname der Langalerie zugedachten Frau war Marie Pouvray de Voissaut ; sie war Gouvernante (Oberhofmeisterin) der Hofdamen der Frau von Maintenon. Das Regiment L.'s wurde dem jungen marquis de Simiame gegeben. L. reiste hierauf nach Paris und heiratete 1695 die Marquise. Schon nach einiger Zeit jedoch kehrte er wieder zur Armee zurück. L. Inzwischen war die französische Armee vor Casal gelagert. erhielt durch den König den Befehl, einen Streifzug durch das umliegende Land zu machen, um sich einiger Orte zu bemächtigen . Mit

¹) Das Original dieses Briefes befindet sich in der Sammlung der Frau von Maintenon des Herrn Henry W. baron de Blonay, Genf rue de l'Hotel de Ville 14. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102. 2.

13

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

10 Kompagnien Grenadiere (500 Mann), 6 Eskadrons Dragoner und 4 Eskadrons Kavallerie , d. h. mit dem ganzen Regimente von Simiame, welches früher Langalerie hiefs ,

mit 2 Geschützen und

1 hundert-

pfündigen Mörser rückte L. heimlich aus dem Lager . Die Grenadiere waren mit Schaufeln und Pickeln versehen, die Kavalleristen erhielten Sägen, die Dragoner trugen wie gewöhnlich ihre Hacken ;

aufserdem

wurden zu diesem Detachement noch 2 Ingenieure, 4 Bombardiere, 6 Kanoniere, 4 Mineurs, 2 Wagen mit Bisquit, gesalzenem Fleisch, Branntwein und Tabak beladen , sowie ein Munitionskarren beordert. Da der Marsch dieser Truppen auch der Armee verborgen bleiben sollte, wurden dieselben heimlich auf verschiedenen Wegen entsendet ; sie vereinigten sich Anfangs September in einem entfernt gelegenen Walde.

Mit grofser Vorsicht, nur Nachts marschirend, die Ortschaften

meidend, den Tag in den Wäldern zubringend, näherte sich L. in der 6. Nacht Col de Pal, passirte Nachts darauf den Stureflufs und näherte sich dem Orte les Bains de Vinai. Nachdem dieser Ort nicht zu umgehen war, umzingelte ihn L. auf das Vorsichtigste, drang von verschiedenen Seiten in denselben ein und sperrte alle Einwohner in die Kirche, wo er eine Wache zurückliefs, damit sein Weitermarsch nicht verraten würde.

Inzwischen hatte sich ein französischer Barbier, ein

Gascognier, als Wegweiser erboten, um unbemerkt in den befestigten Ort Demont zu gelangen. L. teilte seine Truppen in zwei Teile und während der eine Teil unter Oberstlieutenant d'Aubigné den Ort beschofs , führte der Barbier die andere Abteilung unter speziellem Kommando L.'s über eine Bresche, welche eben reparirt wurde , durch die Nacht begünstigt, unbemerkt in den Ort hinein . Allein OberstlieuteEr begann nant d'Aubigné vollführte seine Aufgabe nicht richtig. die Beschiefsung zu spät . So fand L. im Ort heftigen Widerstand, verlor Leute und konnte erst nach längerem Gefechte vollständig in Demont eindringen. kapituliren.

Der Garnison blieb nichts anderes übrig, als zu

L., welcher bei dieser Aktion 4 Tote und 6 Verwundete

eingebüfst hatte, liefs 4 Kompagnien Grenadiere und 3 Eskadronen Dragoner in Demont und marschirte mit 3 Kompagnien Grenadiere und 2 Eskadrons zurück nach Vinai, befreite die Leute aus der Kirche, liefs dort eine Kompagnie Grenadiere, und in Lesplanches 1 Kompagnie Dragoner als Garnison zurück und rückte mit dem Rest seiner Truppen gegen Barcelonnette, welches er ebenfalls einnahm. Inzwischen hatte L. von seiner Frau die Nachricht erhalten, daſs Frau von Maintenon in Folge seines Berichtes über die Affäre von Demont, worin das unrichtige Eingreifen des Oberstlieutenant d'Aubigné vielleicht zu scharf getadelt war , sehr übel auf ihn zu sprechen sei. Vier Tage nachher wurde L. zur Armee des Marschalls M. de Ven-

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

187

dôme in Catalonien beordert, als erster Akt der Ungunst der Frau von Maintenon, welche L. vom Kommando seines Freundes Catinat entfernte und zu einem Chef sendete, der ihn nicht kannte . Marschall de Catinat, der zum König reiste, versprach zwar zu Gunsten L.'s zu sprechen und denselben bei Herrn von Vendôme zu empfehlen , allein er stand selbst nicht gut bei Frau von Maintenon, deren geheime Ordre er nicht immer befolgt hatte. In Salfe traf L. seinen neuen Chef,

den Marschall M. de Vendôme ,

welcher ihn herzlich

empfing und ihn nach les Roses sendete , um dort während des Winters das Kommando in der Provinz zu übernehmen . Im Mai 1696

machte L. in Perpignan seine Aufwartung beim

Minister de Noailles, wurde jedoch, da dieser von Frau von Maintenon gewonnen war, sehr kühl empfangen. Als Marschall M. de Vendôme nach Bellegarde, einer kleinen Festung in Roussillon an der Grenze begab sich L. sofort zu ihm, wurde sehr gut empfangen und über die schlechte Behandlung von Herrn de Noailles getröstet. Zwei Tage später erhielt L. den Befehl, seine Truppen bei les Roses zu sammeln, damit sie am 23. Mai vom Herzoge von Ven-

Cataloniens eintraf,

dome besichtigt werden könnten. Dieser lobte die gute Haltung der Truppen und als bei L. zu Mittag. Bald darauf erhielt er den Befehl, Ostelric zu belagern, marschirte mit 8 Bataillons, 15 Eskadrons und dem gröfseren Teile der Dragoner gegen diese Festung und traf Nachts zwei Meilen davon mit seinen Truppen ein. Als zwei spanische Deserteure meldeten, dafs in einem eine halbe Meile entfernten Dorfe 500 Mann reguläre Truppen und 400 Mann Miquelets des Feindes sich befänden, entsendete L. 1 Bataillon und 4 Eskadrons Dragoner gegen die Spanier ; die Franzosen drangen zwar anfangs in das Dorf ein, wurden jedoch bald wieder zurückgeworfen . Nun eilte er selbst mit 2 Kompagnien Grenadiere und 1 Eskadron des Regiments Dauphin als Verstärkung entsendete 1 Eskadron mit je einem Infanteristen auf dem Sattel auf Umwegen gegen den barrikadirten Eingang des Dorfes, da der Gegner aufserhalb desselben einen Hohlweg besetzt hielt. Während nun L. in der Front angriff, bedrohten die übrigen Truppen die heran,

beiden feindlichen Flügel. Der Kampf war sehr heftig, L. wurde ein Pferd unter dem Leibe getötet und sein Hut durch drei Kugeln durchlöchert. Da gelang es dem rechten Flügel Terrain zu gewinnen und L., um den Feind vom Dorfe abzuschneiden, eilte mit den Dragonern und der Kavallerie an das andere Ende des Ortes , wohin er gerade recht kam, um den nach rückwärts ausweichenden Gegner zu attackiren, was den Tag entschied. Der Feind kapitulirte. 5 Fahnen wurden erbeutet. Die Franzosen hatten 30 Tote, darunter 7 Offiziere, 13*

188 die

Philippe de Gentils marquis de Langalerie. Spanier dagegen 48 Mann tot.

An Verwundeten zählten die

Franzosen 1 Oberstlieutenant und 10 Mann, die Spanier 67 Mann. L. zog sofort den Rest seiner Truppen auf den Kampfplatz heran und marschirte gegen Ostelric. Der Kommandant dieses Platzes hatte inzwischen 200 Mann zur Unterstützung und Rekognoszirung entsendet, welche jedoch zu spät eintrafen. Als L. von dem Anmarsch dieser feindlichen Truppe Kenntnifs erhalten hatte, versteckte er seine Truppen in einem Walde, teilte dieselben in drei Teile, und als die Spanier unachtsam längs dieses Waldes hinzogen, griff er dieselben von drei Seiten zugleich an, was sie sofort zur Kapitulation veranlafste. Französischer Verlust 1 Offizier und 10 Mann tot , spanischer Verlust 43 Tote. Nachdem L. alle Gefangenen nach les Roses zurückgesendet hatte, marschirte er weiter gegen Ostelric, besetzte sofort die nächstgelegenen Häuser und Ortschaften und umzingelte noch in der Nacht den festen Platz. Da traf M. de Noailles mit 10 000 Mann ein, um die Belagerung selbst zu leiten,

und L. wurde zur Armee zurück-

berufen. Dort angelangt , machte ihm der Herzog de Vendôme Lobsprüche über seine gelungenen Affären, behielt ihn beim Essen und sendete ihn Tags darauf mit seinen erbeuteten Fahnen zum König, um dieselben selbst zu überreichen. Der König lobte ihn in Gegenwart der Frau von Maintenon, welche errötete. Zur Armee zurückgekehrt, wurde L.

bald darauf vom Herzog

de Vendôme beauftragt, den Spaniern, welche groſse Vorräte zur Belagerung von Barcelona fortschafften, diese Vorräte wegzunehmen. L. rückte mit 12 Kompagnien Grenadiere, 306 Reitern und 600 Dragonern gegen Barcelona vor,

entsendete 40 Dragoner auf Rekognoszirung,

welche bald einen Truppenzuzug von 250 Wagen mit 200 Mann Bedeckung gewahrten. Sofort griff L. mit den Dragonern die Tête und die Queue der Kolonne an, während die Infanterie die Flanke bedrohte. Die Eskorte ergab sich sogleich und 250 Wagen mit Mundvorrat wurden erbeutet. Da L. von den Gefangenen erfahren hatte, dafs noch ein gröfserer Transport auf vier Meilen Entfernung übernachte, liefs er sofort rekognosziren und erhielt die Meldung, dafs es 500 Wagen mit 300 Mann Infanterie und 30 Kavalleristen Bedeckung seien, welche in einem Dorfe kampirten.

L.

griff sofort das Dorf

von vier Seiten an, allein die Bedeckung machte einen so heftigen Vorstofs, dafs er 20 Grenadiere und 10 Dragoner verlor und selbst am Schenkel verwundet wurde. Inzwischen jedoch hatte die andere französische Abteilung den Rücken des Gegners angegriffen,

und als

nun ein neuer Vorstofs in der Front erfolgte, wurde die ganze feindliche Truppe massakrirt. 20 Verwundete.

Der französisehe Verlust war 40 Tote und

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

189

Inzwischen hatte der Marschall Herzog von Vendôme L. benachrichtigen lassen, dafs der Vizekönig von Barcelona 3000 Mann entsendet habe, um L. abzuschneiden . Dieser marschirte sogleich ab mit je 100 Dragonern an der Spitze und an der Queue der Kolonne; aufserdem hatte M. de Vendôme 3000 Mann Verstärkung vom Lager entsendet. Die Wagenkolonne bewegte sich zwischen der Avantgarde und dem Gros. Bald zeigte sich auch im Rücken ein gröfseres feindliches Korps, und eine Kavallerieabteilung des Gegners drang gegen die linke französische Flanke vor. L. warf dieser Reiterei 50 Dragoner entgegen,

welche dieselbe nach kurzem Geplänkel zum Rückzuge zwangen. Nachdem L. am nächsten Orte seine Truppen erfrischt und alle Pferde requirirt hatte, um die Gespanne des Convois abzulösen, marschirte er noch in der Nacht bis Castel Franco (Castel Fouillet?). Dort liefs er 500 Mann zur Besatzung zurück, und als zwei Tage darauf die Verstärkung eintraf, welche der Herzog von Vendôme gesendet hatte - kommandirt von M. de Revel, Marschall de Camps von der Armee des Königs konnte L. in Castel Franco ein Bataillon des Regiments Piémont zurücklassen. Vier Tage darauf traf er mit seinen erbeuteten Convois und den Gefangenen beim Herzog von Vendôme ein und wurde herzlichst empfangen . Einige Tage darauf ergab sich Ostelric, 1697, und nun konnte Alles zur Belagerung von Barcelona vorbereitet werden. Bald war die Umzingelung geschehen, und die Trancheen konnten eröffnet werden . L. erhielt nun den Auftrag, mit einem fliegenden Korps aus der Kavallerie bestehend, die Convois aufzuhalten, welche nach Barcelona geführt werden sollten und die feindlichen Abteilungen zu verdrängen, welche die Spanier aus einem kleinen Lager bei Mont Joui entsendeten. Allein während der langen andauernden Belagerung gelang es ihm nur einmal,

einen gröfseren Convois wegzunehmen, denn die

Spanier waren gewitzigt durch die früheren Vorgänge , und sehr vorsichtig. Als der Friede 1697 geschlossen wurde, hörte auch die Belagerung von Barcelona auf. Der Herzog von Vendôme und L. begaben sich nun an den Hof nach Paris. In Lyon begegneten sie dem Marschall von Catinat, welcher eben von Piemont zurückkehrte,

woselbst schon 1696 der

Friede geschlossen war. L. wohnte in Paris im Hotel des Herzogs von Vendôme, begleitete denselben nach Versailles, woselbst der Herzog ihn dem Könige vorstellte und ihn besonders lobte. Der König

sprach

anerkennende Worte

zu

ihm .

Auch

zu Frau von

Maintenon begleitete L. den Herzog. Diese errötete, als sie L. sah und behandelte ihn sehr kühl. Das Wiedersehen L.'s mit seiner Frau war ein herzliches ;

beide gingen nun nach Paris zum Herzog

190

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

von Vendôme, woselbst auch bald darauf der junge Simiame eintraf. Auch dieser war von Frau von Maintenon, der er aufwartete, sehr kühl empfangen worden ; desto herzlicher begrüfste ihn Herr von Catinat, bei welchem tags darauf L. mit Frau und Stiefsohn dinirten. Einige Tage nachher reisten sie mit ihrem Sohne in die Provinz zu L.'s Mutter, wurde.

woselbst ihnen

ebenfalls

ein herzlicher Empfang zu Teil

Drei angenehme Jahre brachte hier L. auf dem Lande im Schofse seiner Familie zu. Als nun 1700 der König Karl II. von Spanien ohne Erben starb, und seine Staaten, ein Zankapfel der Höfe von Österreich und der Bourbonen, Philippe von Anjou zugesprochen wurden, liefs Frankreich 1701 , einen Krieg mit Österreich befürchtend, seine Truppen nach Spanien, Italien und den Niederlanden marschiren, um die Domänen der spanischen Regierung in Besitz zu nehmen. Herr von Catinat schrieb nun an L. , nach Paris zu kommen, sich bei Hofe vorzustellen, um ein Kommando zu erhalten. L. reiste auch sofort nach Paris, und als Catinat es durchgesetzt hatte, dafs er selbst zum Kommandanten der italienischen Truppen ernannt worden war, wurde er bei dessen Truppen als Generallieutenant ernannt, und konnte sich persönlich beim König für diese Gnade bedanken. Als Ratgeber des Marschalls und Generalissimus der italienischen Truppen, des Herrn von Catinat, war Graf von Tessé ernannt. L. reiste noch dieses Jahr nach Turin, woselbst die Truppen schon versammelt waren . Gleich am Tage seiner Ankunft erhielt er den Befehl, sich aller Übergänge des Mincio zu bemächtigen. Bekanntermafsen standen die Österreicher und deren Verbündete damals unter Kommando des berühmten Heerführers Herzog Eugen von Savoyen. Zwei Monate lang hinderte L. mit 10 000 Mann das Vordringen der Österreicher über den Mincio, wobei nur ein kleines Gefecht bei diesem Flusse von 500 Mann und 200 Reitern gegen 1200 österreichische Husaren stattfand, welche den Übergang über den Flufs versuchen wollten. Inzwischen hatte Graf von Tessé, dessen Tochter, Madame de Bourgogne,

vielen

Einfluss

auf Frau

von Maintenon

hatte,

zum

Zwecke, Catinat um jeden Preis zu stürzen, ein gefährliches doppeltes Spiel begonnen, in welches er den Herzog von Savoyen zu ziehen verstand. So entsendete Graf von Tessé den gröfsten Teil der französischen Truppen an den Gardasee, so dafs Prinz Eugen von Savoyen den Mincio überschreiten konnte. Die Truppen L.'s, deren Kommando Herr von Catinat übernommen hatte, waren zu schwach und mussten sich zurückziehen. Im französischen Kriegsrate hatte Catinat nur eine Stimme gegen die des Grafen Tessé und des Herzog

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

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von Savoyen. Prinz Eugen von Savoyen konnte ungehindert eine feste Stellung bei Chiarry beziehen und starke Verstärkungen aus Trotz der Warnung Catinats griffen Deutschland an sich ziehen. die Franzosen die feindlichen Stellungen an.

Catinat befehligte den

rechten Flügel, Tessé den linken und der Herzog von Savoyen das Centrum. L. begleitete Catinat. Tessé wurde zuerst zurückgeschlagen, der Herzog von Savoyen machte nur schwache Angriffe, und Catinat griff dreimal an, bis es ihm gelang, in die österreichischen Verschanzungen einzudringen ; allein er wurde verwundet, und da trotz seiner Bitte ihm keine Verstärkungen zugesendet wurden,

musste er eben-

falls zurückgehen ; denn Prinz Eugen hatte seine besten Truppen gegen Catinat entsendet. Als die feindliche Reiterei sich zum Angriffe auf die etwas in Unordnung zurückgehende französische Infanterie anschickte, liefs L. die französische Kavallerie vorgehen, welche den Andrang des Feindes aufhielt. deutend.

Die französischen Verluste waren be-

Tags darauf warf Catinat im Kriegsrate dem Herzog von Savoyen offen vor, dafs er den König verrate und dem Feinde heimliche NachAls einige Tage richten von den französischen Bewegungen gebe. nachher Catinat und L. mit 1200 Mann die auswärtigen Posten visitirten, wurden sie verräterischer Weise von einem feindlichen Detachement in der Stärke von 800 Mann angegriffen. Allein L. hatte vorsorglich 700 Mann in einen Hinterhalt gelegt, welche nun dem Gegner in den Rücken fielen, eine grofse Niederlage verursachten und fast alle Feinde gefangen nahmen. Wahrscheinlich war wieder der Feind heimlich benachrichtigt worden und Catinat sollte gefangen genommen werden. --- Plötzlich wurde Marschall von Catinat an den Hof beL. verfasste eine Relation, welche den Verrat des Herzogs rufen. von Savoyen und Grafen von Tessé beschrieb und Catinat zur Rechtfertigung dienen sollte, liefs diese Relation von allen Offizieren unterzeichnen und sandte sie an den König. Infolge dessen erhielt M. de Villeroi das Kommando der Armee, und es wurde ein Kriegsrat geAllein der Herzog von Savoyen, hiervon unterrichtet, verhalten. schwand noch zur rechten Zeit ; seine Truppen wurden kriegsgefangen L. erhielt das Kommando in Mantua über 8000 Mann, genommen. gröfstenteils Kavallerie. Da die Gegend reich und die Quartiere gut waren, konnte L. sich für die Ausgaben, die er bisher gehabt hatte, entschädigen. Allein bei der grofsen Ausdehnung der Truppenquartiere war dieses für ihn ein anstrengender Dienst. Fast wäre auch Cremona Die französische Garnison von Prinz Eugen eingenommen worden. dieses gut befestigten Ortes am Po betrug 2 Infanterie- und 1 DraEin Priester hatte nämlich Prinz Eugen von Savoyen

goner-Regiment .

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

auf einen unterirdischen Wasserkanal aufmerksam gemacht, welcher aus dem Gehöfte des Priesterhauses in einem Graben der Festung mündete. Mit Hülfe des Priesters wurden 200 Mann durch diesen Aquadukt in den Graben gebracht und Prinz Eugen setzte sich an die Spitze von 2000 Kürassieren (mit je einem Infanteristen auf der Croupe des Pferdes) griff die Festung in der Front an, während 4000 Kavalleristen unter dem Grafen de Mercy die andere Seite der Festung, nämlich den Brückenkopf, bedrohten.

Am 2. Februar 1702

drangen um Mitternacht auf ein gegebenes Zeichen die Leute durch den Aquadukt in die Festung ein, liefsen die Zugbrücke herab und öffneten die Barrière. Prinz Eugen ritt nun in die Festung ein, bemächtigte sich der Wälle und setzte seine Infanterie fest. Der französische General de Villeroi, welcher eben zur Inspektion nach Cremona gekommen war, wurde gefangen genommen. Die Franzosen, welche in den Kasernen wegen der morgigen Inspektion vereinigt waren, stürzten nun in einzelnen Truppen auf die Strafse und trieben die Österreicher wieder aus Cremona hinaus. Die österreichischen Kürassiere konnten sich wegen der Barrikaden nirgends entwickeln .

L.,

der Abends vorher mit Herrn von Villeroi zu stark soupirt hatte, verschlief die ganze Geschichte, da es seinem Bedienten nicht gelang , ihn aufzuwecken. Die Deutschen hatten an diesem Tage 1500 Mann Infanteristen und 900 Kürassiere tod oder verwundet und 1200 Pferde verloren. Einen Monat nachher übernahm Herr von Vendôme das Kommando für den gefangenen Herrn von Villeroi. ruhig.

Der Winter blieb

Da setzte sich der König von Spanien an die Spitze der

Truppen, und die Armee marschirte zum Angriff des festen Schlosses von Luzara, welches Prinz Eugen sehr gut befestigt und durch sein Lager gut gedeckt hatte. Am 15. August 1702 begann der sehr heftige Kampf. Herr von Vendôme schob seinen rechten Flügel vor, welcher Bewegung sich Prinz Eugen mit seinen Truppen entgegenstellte. Dadurch entblöfste er das Schlofs , so dafs der französische linke Flügel sich zwischen dem Platze und den kaiserlichen Truppen einschieben konnte. Das Schlofs wurde nun von den Franzosen umzingelt und als sich Prinz Eugen zurückzog, ergab sich der Kommandant des Schlosses. Allein man konnte sich nicht über die Bedingungen der Übergabe

einigen,

Schlofs wieder aufgenommen wurde, wieder ergab.

so

dafs der Kampf um das

bis es sich nach zwei Tagen

Prinz Eugen verliefs nun das mailändische Gebiet,

zog sich zwischen

dem Po und dem See von Mantua zurück und

hielt von hier aus die Franzosen durch wiederholte kleine Expeditionen ständig in Athem .

Die Franzosen dagegen blokirten Mantua.

Erst

193

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

1703 verliefs Prinz Eugen seine Stellungen und versuchte wieder ins Mailändische einzudringen . Herr von Vendome stellte nun 10 000 Mann unter Kommando seines Bruders, des Grofspriors von Frankreich in Cassano auf — L. gehörte zu dieser Truppenabteilung --- während Herr von Vendôme selbst mit seiner Armee an der Adda stehen blieb.

Auf der andern

Seite des Flusses war Prinz Eugen mit seinen Truppen, ihm gegenüber auf der anderen Seite der Grofsprior. Am 15. Mai 1703 fand das denkwürdige Gefecht von Borgoforte statt. Es war nämlich endlich dem Prinz Eugen gelungen, auf einer geschlagenen Brücke Nachts die Adda zu überschreiten ; er griff mit seiner Avantgarde die Truppe des Grofspriors an.

M. von Vendome folgte dem Prinz

Eugen auf dem Fulse, überschritt auf der von den Österreichern neugeschlagenen Brücke die Adda, verbrannte die Brücke hinter sich, griff die Arrièregarde des Feindes an, schlug dieselbe zurück und drang bis zum Lager des Grofsprior vor. Die österreichische Armee, zwischen zwei Feuer gebracht,

wurde fast ganz aufgerieben.

L. be-

teiligte sich mit seinen Truppen lebhaft an diesem Gefechte ; ein Pferd wurde ihm hierbei unter dem Leibe erschossen . Durch diesen Sieg war das mailändische Gebiet den Franzosen gesichert. Herr von Vendôme konnte seine Armee weiter ausbreiten, und L. kam in ein reiches Land im mailändischen Gebiete an der Grenze von Montferrat. Als die Franzosen die Winterquartiere bezogen hatten, erhielt L. die Mitteilung, dafs seine Frau gestorben sei. Da Prinz Eugen diesen Winter einen kleinen Krieg führte, bekommen. Als der König von Frankreich 1703

konnte L. keinen Urlaub

dem Herzog von Savoyen

den Krieg erklärte, ging der gröfsere Teil der Truppen L.'s ins Piemont über und traten unter den Befehl des Herrn von Vendôme. In der Campagne 1704 wurde Jarée und nach einer regelmässigen Belagerung Verceil genommen . L. hatte den Auftrag, in seinem Departement zu bleiben, um Montferrat zu decken . Inzwischen hörte Frau von Maintenon nicht auf, durch Briefe, welche sie dem König schreiben liefs, denselben gegen L. einzunehmen, und so erhielt Herr von Vendôme vom Könige den Befehl, L., welcher 1705 Verrue belagerte , festzunehmen . Herr von Vendôme benachrichtigte L. von diesem königlichen Befehle und riet demselben, wenn er sich nicht ganz unschuldig fühle, rechtzeitig zu entfliehen, wenn nicht, solle er sich stellen, um nach Paris geführt zu werden. Vendôme gab ihm die nötigen Winke, wie er seine Flucht einrichten solle. Obwohl L. sich vollkommen unschuldig fühlte ,

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

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wagte er es doch nicht , gegenüber dem so offen ausgedrückten Hasse der Frau von Maintenon, die zu allem fähig war, sich in Paris zu stellen.

Als der Major mit dem Detachement erschien, um L. fest-

zunehmen, schossen beide Teile blind aufeinander, und L. gelang es, ein Pferd zu besteigen Diener zu entfliehen. des

Prinzen Eugen

von

und im Galopp mit seinem alten treuen Noch abends gelangte er in das Lager Savoyen,

nahe

bei

Pizzigithone,

einem

festen Platze, welchem der Herzog zu Hilfe kommen wollte, da er von seinen festen Plätzen nur noch Turin besafs. Prinz Eugen empfing L. mit allen Zeichen der Achtung und Verehrung. Er schrieb sogleich an den Kaiser, welcher L. sofort zum Feldmarschalllieutenannt ernannte. (Das Patent ist vom 5. April 1706. ) - Nach anderen Quellen reiste L. nach seiner Entweichung aus der französischen Armee,

nach Venedig und ging erst später nach Wien.

In

Venedig soll er am 10. März 1706 eine Rechtfertigungsschrift veröffentlicht haben, welche vorzugsweise gegen den Kriegsminister Chamillard gerichtet war. In derselben ist eine Rechtfertigung seines eigenen Verhaltens niedergelegt. L. wurde in Folge des

eingeleiteten Prozesses

urteilt und Anfang 1707 ,,in effigie" hingerichtet . zirte seine Güter im Werte von 1 200 000 Lires .

zum Tode ver-

Der Staat konfis-

Kaum hatte L. sein neues Kommando übernommen, so erhielt er ( 13. September 1706) den Befehl, mit 4000 Mann leichter Kavallerie ein grofses Fouragemagazin der Franzosen unter den Befestigungen von Pizzigithone aufzuheben. Da er halbwegs davon eine feindliche Abteilung von 1000 Dragonern und 600 Husaren begegnete, welche der Generallieutenant Graf M. de Medavi vom Korps detachirt hatte, um ein Regiment Kürassiere, die Bedeckung der österreichischen kranken Pferde in einem gröfseren Dorfe, gefangen zu nehmen, so attackirte er dieses Detachement und machte 1200 Gefangene. Allein durch dieses Gefecht war die Garnison von Pizzigithone alarmirt worden und der geplante Überfall des bleiben. L. hatte 25 Mann verloren.

Magazins

mufste unter-

Französischer Seite war der Herzog de la Feuillade beauftragt worden, Turin einzunehmen und begann eine regelmässige Belagerung dieser Festungswerke . Der Herzog von Orléans detachirte 10 000 Mann seiner Armee unter Generallieutenant Grafen de Medavi zur Belagerung von

Castiglione de

Stivaré,

welches ziemlich gute

Be-

festigungen hatte und von 1800 Mann verteidigt wurde. Die Schlacht von Turin , 7. September 1706. Prinz Eugen von Savoyen, welcher die Mitteilung erhalten hatte, dafs in Turin Lebensmittel und Munition zu Ende gingen,

beschlofs ,

diese Stadt

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

zu entsetzen und rückte gegen die französischen Stellungen Seine Ordre de Bataille war folgende : Höchstkommandierende :

195

vor .

Herzog Viktor Amadeus von Sa-

voyen und Prinz Eugen von Savoyen. 1. Treffen : General der Infanterie Prinz Leopold von Anhalt, Feldmarschalllieutenant Prinz Alexander von Württemberg, Generallieutenant Baron Rehbinder und Feldmarschalllieutenant Prinz von Sachsen-Gotha 29 Bataillone. 2. Treffen :

Feldmarschalllieutenant

Freiherr von Isselbach und Feldmarschalllieutenant Freiher von Krichbaum = 23 Bataillone. Reiterei , 3. Treffen : General der Kavallerie Marchese Visconti und General der Kavallerie Prinz von Hessen-Darmstadt = 54 Eskadrons. 4. Treffen : General der Kavallerie Marquis de Langalerie =

45 Eskadrons, nämlich: Generalwachtmeister Graf Sinzendorf:

1

Palffy-Dragoner (kaiserliche) = Genevoes-Dragoner (savoysche) = Mertigon-Kürassiere (kaiserliche) =

6 Eskadrons , 3 Eskadrons, 3 Eskadrons ,

12 Eskadrons. Generalwachtmeister Tornon : 4 Eskadrons , Savoyen-Kürassiere (savoysche) = Pfefferkorn-Kürassiere (kaiserliche) = 5 Eskadrons, 9 Eskadrons. Generalwachtmeister Batté : Breuer-Kürassiere (kaiserliche) = Hatzfeld-Kürassiere (pfälzische) =

5 Eskadrons, 3 Eskadrons, 8 Eskadrons .

Brigadier Wieser : Stolzenberg-Dragoner (pfälzische) = Frankenberg-Dragoner =

2 Eskadrons, 2 Eskadrons ,

4 Eskadrons. Generalwachtmeister Reising : Falkenstein-Kürassiere (kaiserliche) = 4 Eskadrons , 2 Eskadrons, Vaubonne-Dragoner (kaiserliche) = 6 Eskadrons , Sinzendorf-Dragoner (kaiserliche) = 12 Eskadrons.

Total des 4. Treffens =

45 Eskadrons .

Die ganze verbündete Armee war nur 24 000 Mann stark,

und

bestand zum gröfseren Teile aus Kavallerie, da man an vielen Plätzen Infanterieposten zurücklassen musste. L. führte die Avantgarde. Die Franzosen, welche von dem Marsche der Verbündeten Nachricht erhalten hatten, rückten gegen Turin vor. Die angeschwollenen Flüsse hielten den Marsch der Österreicher auf. Prinz Eugen von

196

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

Savoyen gab den Befehl , die französischen Truppen unter dem Herzog von Orléans anzugreifen, und L. trieb mit seiner Avantgarde die Brigade der alten Marine zurück. Der französische Marschall de Marsin wurde getötet, der Herzog von Orleans erhielt einen Schufs in den Arm und in die Seite. L. drang nun gegen Turin vor und gelangte bis in die Tranchéen der Franzosen, was eine solche Panik in der Belagerungsarmee hervorrief, dafs sie Zelte , Bagagen, Kanonen, Mörser und Munition im Stiche liefsen . Sämmtliche Pferde des 7. französischen Dragoner-Regimentes, welche auf der Weide waren ,

wurden ·

gefangen, ebenso 800 mit Mehl beladene Maultiere, die eben angekommen waren. Die Aktion kostete L. 30 Mann. 24 000 Verbündete unter Prinz Eugen von Savoyen trieben 60 000 Franzosen in wilder Flucht vor sich hin.

Dieser Sieg setzte die Österreicher in

Besitz von Piemont, Montferrat, Mailand, Mantua, Neapel und Sicilien, da der Verlust der spanischen Besitzungen der Erfolg dieser Schlacht war. Der Herzog von Savoyen, welcher zu Prinz Eugen von Savoyen gestofsen war, rückte an diesem Tage noch in Turin ein . Die Beute der Verbündeten war an diesem Tage : die gesammte Ausrüstung der feindlichen Armee, 164 Batterien, 40 Feldgeschütze, 50 Mörser, eine grofse Anzahl Fahnen , Standarten, Pauken, ein ganzes Feldspital, das Lager mit allen Zelten, die feindliche Kriegskanzlei und fast der ganze Train des feindlichen Heeres, die Pferde von 13 Dragonerregimentern, massenhaftes sonstiges Kriegsmaterial, bedeutende Vorräte an Projektilen, 3000 Zentner Weizen, 2000 Stück Der Verlust der Verbündeten betrug 52 Offiziere Zwieback u . s . w. und 892 Mann tot, 182 Offiziere und 2120 Mann verwundet . General d'Albergoti,

welcher 40 Bataillone auf einer nahe ge-

legenen Höhe befehligte, griff zwar die Österreicher an, allein, als er den Rückzug der ganzen französischen Armee beobachtete, zog er es vor, sich ebenfalls zurückzuziehen und sich mit dem Herzoge von Orléans in Pignerol zu vereinigen.

L. war mit seinen 45 Eskadrons.

durch Turin gezogen und hatte den Feind verfolgt.

Tags darauf,

also am 8. September, setzte L. die Verfolgung des Feindes bis Marcello fort und brachte demselben einen Verlust von 200 Toten und Verwundeten nebst 2000 Gefangenen bei. Bald darauf eroberten die Österreicher nach heftigem Widerstande Cazal und ebenso in kurzer Zeit die übrigen Plätze Piemonts. Im Jahre 1707 hatte der Marschall de Berwick das Kommando der Franzosen übernommen und am 15. August 1707 griff der Marschall de Tessé die Österreicher an und drängte dieselben bis gegen Nizza zurück. Bald darauf drangen die Österreicher mit den Engländern in die Provence ein und belagerten Toulon.

Den Öster-

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reichern gelang es, bis Marcailles vorzudringen, da jedoch Toulon nur von der östlichen Seite belagert wurde, hatte der französische Marschall de Tessé Gelegenheit, noch viele französische Truppen nach Toulon zu werfen und nach und nach die ganze französische Armee dorthin zu ziehen.

Aufserdem hatte der Kommandant von Toulon,

M. de St. Pater, sehr gute Verteidigungsmafsregeln für Toulon getroffen . Da Prinz Eugen von Savoyen angeblich auf L. wegen seiner Erfolge in der Schlacht von Turin neidisch war und denselben sehr kühl behandelte, verlangte L. Urlaub, um nach Wien zu reisen und dort eine andere Verwendung zu erbitten.

In Wien angekommen, wurde

L. vom Kaiser sehr kalt empfangen, da bereits der Rapport des Prinzen Eugen von Savoyen eingetroffen war, welcher ihn ungünstig qualifizirte. Infolgedessen verliefs L. den österreichischen Dienst und ging 1710 nach Sachsen. Die Illustrirte Zeitung von New - York, No. 1351 33. Juni 1883 , beschreibt in einem Artikel, betitelt : „ Ein Kaiser von Madagaskar in der Mark von Oskar Schwebel " das Leben L.'s und behauptet, daſs derselbe nach seinem Austritte aus der französischen Armee eine Expedition in Venedig ausrüstete, zumeist aus verbannten Franzosen L.

bestehend, welche Madagaskar wieder für Frankreich eroberten.

sei damals zum Kaiser dieser Insel proklamirt worden. Auch in verschiedenen französischen Schriften wird er als Kaiser von Madagaskar betitelt. Ich konnte nicht feststellen, ob Herr H. L. de Monteguet in seiner Schrift, betitelt : „Philippe de Gentils de Lajompchat u. s. w. recht habe, dafs nicht L., sondern ein Verwandter von ihm, ein Graf de Linange, von dem noch später oft die Rede sein wird, zu damaliger Zeit Kaiser von Madagaskar gewesen sei.

Wenn die Erzählungen der

New-Yorker Illustrirten Zeitung, sowie der anderen französischen Schriften dagegen richtig sind, dafs L. Kaiser von Madagaskar war, so konnte er den Eroberungszug dieser Insel nur nach seinem Austritte aus der österreichischen Armee, also zwischen 1707 und 1710 oder 1714--1717 , vollführt haben . Denn 1705 sollte er durch Herrn von Vendome arretirt werden,

sein Feldmarschall-Patent von Öster-

reich ist vom 5. April 1706 datirt, am 5. September 1706 vollführte L. bei Pizzigithone den berühmten Streifzug gegen die feindlichen Magazine und 7. und 8. September 1706 zeichnete er sich so sehr bei Turin aus. Die Franzosen hatten schon am 24. Juni 1642 die Insel Madagaskar für ein Besitztum Frankreichs erklärt. Die Expedition L.'s oder Linango's landete ohne Unfall in Madagaskar, und die gute Führung, die französische Tapferkeit,

vor allem aber die Überlegen-

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

heit in den Waffen verschaffte der verhältnifsmäfsig sehr geringen Anzahl von Abenteurern so erfolgreiche Siege, dafs sich die grofse 11 000 Quadratmeilen umfassende Insel (fast so grofs wie Deutschland) im Laufe von einem Jahre dem unternehmenden Marquis zu Ein grofser Teil der französischen Soldaten, sowie die Füfsen legte. Eingeborenen riefen den Marquis zum Kaiser des Landes aus . Er selbst baute Festungen , gründete Städte und träumte von einer dauernden Herrschaft in dem „wiedergewonnenen Paradiese " , wie er die herrliche Insel wohl zu bezeichnen pflegte. Er schlofs auch Verträge mit den europäischen Staaten und wollte auf Madagaskar Die gelben, braunen und der Stifter einer neuen Religion werden . schwarzen Unterthanen L.'s fügten sich Anfangs auch der neuen Religion, einer Mischung zwischen Katholizismus , Protestantismus und Bald jedoch empörten sie sich, und als auch die franJudentum . zösischen Soldaten nunmehr die Treue gegen den obersten Kriegsherrn der Unterordnung unter einem abenteuerlichen General, der sich als Führer aufgeworfen hatte, vorzogen und den Gehorsam verweigerten, blieb L. oder Linange nichts weiter übrig , als Madagaskar wieder zu verlassen.

L. bot nun dem Kurfürsten von Sachsen, dem König August von Polen, 1710 seine Dienste an ; da sich die Angelegenheit jedoch hinauszog, ging er nach Polen, wo nach Besiegung und Vertreibung des Königs August II. durch den Schwedenkönig Karl XII. der Woiwode von Posen Stanislaus Leszinski König geworden war. Dieser nahm L., dessen militärische Bedeutendheit ihm bekannt war, gerne in seine Dienste. L. zeichnete sich auch rühmlichst aus, erhielt das polnische Adelsindigenat für sich und seine Nachkommen und wurde General en chef der Lithauischen Kavallerie und Oberstinhaber zweier Regimenter. Aber als nach der Schlacht von Pultawa, die König Karl XII . von Schweden gegen Peter den Grofsen verlor, Stanislaus aus Polen fliehen musste, sah sich L., als treuer Anhänger des Letzteren, genötigt, dieses Land für's Erste auch zu verlassen. Da L. noch Forderungen von seinem Gehalte an den Wiener Hof hatte, reiste er 1711 nach Wien, erreichte jedoch dort nichts. Er begab sich hierauf nach Dresden, wurde vom König August gut empfangen und erhielt ein Kommando bei der Armee, welche eben Stade belagerte.

L. reiste mit dem Grafen Moritz, dem Sohne des

König August, einem noch sehr jungen Manne, nach Bremen und unterrichtete denselben in den Regeln einer Belagerung. Diese Belagerung von Stade führte zu sehr heftigen Gefechten. General Steinbock mit 12 000 Mann Schweden versuchte zwar die Belagerung aufzuheben, allein er kam zu spät.

Die Stadt war schon zusammen-

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geschossen und die Garnison als Kriegsgefangene weggeführt worden. Bei diesen heftigen Kämpfen wurde L. unter dem Leibe ein Pferd erschossen ; er erhielt eine Kontusion am Ohre und eine Kugel nahm ihm den Hut weg. Endlich erreichte der schwedische General Steinbock bei Gadebusch in Mecklenburg die sächsische Armee, welche sich von der Belagerung zurückzog.

Trotz

eines Sumpfes ,

welcher

die Armeen trennte, griff Steinbock an, trieb die Sachsen zurück und äscherte am 9. Januar 1713 Altona ein . Die Russen, welche die sächsische und dänische Armee verstärkten , verfolgten nun die Schweden nach Holstein, so dafs Steinbock sich in die Festung Tönningen werfen musste, und als die Belagerung dieser Feste begann, ergab sich Steinbock dem Könige von Dänemark. Hiermit endete dieser Krieg. König August blieb König von Polen und L. erhielt das Kommando der Truppen in Lithauen. Als bald darauf der allgemeine Friede eintrat, legte er sein Kommando nieder und kehrte, vom König August besonders belobt und reich beschenkt, nach Stettin zurück. Bald darauf fafste L. den Plan,

alle religiösen Gesellschaften

unter eine Leitung zu bringen. Sein Freund Lezana unterstützte ihn mit seinem Rate, und als die Versuche, vom König von Preuſsen ein Truppenkommando zu erhalten, scheiterten, begab er sich nach Frankfurt a. M., um den vornehmsten Juden seine Projekte vorzulegen . Einer der Reichsten und Vornehmsten derselben nahm L. in Frankfurt a. M. in sein Haus, und die israelitische Gemeinde gab ihm 20 000 fl. zur Realisirung seiner Projekte . Als der vertriebene Polenkönig Stanislaus 1714 aus seiner zeitweisen Gefangenschaft zu Bender entlassen worden war und zu seiner unterdessen in Zweibrücken weilenden Familie ging, schlofs sich L. ihm wieder an.

Da einige Zeit darauf Stanislaus ein Asyl in Frank-

reich erhielt, wohin L. , als aus diesem Lande proskribirt, ihm nicht folgen konnte, begab sich Letzterer an den Hof des Landgrafen von Hessen - Cassel. Er erhielt dort die Stellung eines Generals der hessischen Truppen . Die Friedensthätigkeit behagte ihm jedoch nicht, und veranlafste denselben , seine Stellung niederzulegen und den hessischen Hof zu verlassen. Nun begann L. sich wieder mit seinem Lieblingsprojekte, der Einheitsreligion , zu beschäftigen ; er begab sich zum zweiten Male nach Frankfurt a. M., woselbst ein Israelite Josef Later (oder a Latere) ihn in seinen Bemühungen besonders unterstützte.

Zu dieser Zeit verband er sich mit einem weitläufigen Ver-

wandten, einem Grafen de Linange (derselbe, von dem ich oben sagte, dafs er wahrscheinlich Kaiser von Madagaskar gewesen sei) und begab sich mit demselben nach Amsterdam ( 1714), um seine Theo-

200

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kratie du Verbe Divin ins Leben zu rufen.

Graf de Linange, geboren

zu Perigord, war ebenfalls von seinen Eltern zum geistlichen Stande bestimmt worden und genofs seine Erziehung im Seminar von St. Sulpice. Allein er entfloh aus dem Seminar und trat in russische Dienste, woselbst er es bis zum Oberst brachte ; er hatte in Rufsland den Namen Molac angenommen. L., reichlich von den Frankfurter Israeliten unterstützt, liefs nun sein Religionssystem drucken,

und bald

gelang es ihm, auch einen ottomanischen Minister, Osman Aga, der in La Haye wohnte, für sein System zu gewinnen. Derselbe unterstützte ihn durch ein Geldgeschenk von 2000 Dukaten und versprach, den türkischen Kaiser für diese Ideen zu gewinnen. L. zog noch den Oberst Henri Boisbelaind de Montassier, seigneur de Lille-Marais, zu diesem Unternehmen heran.

Da L. mit seinen Genossen den Plan gefafst hatte gegen den Papst Krieg zu führen, so schlofs er mit Osman Aga einen Vertrag ab, den Papst aus Rom zu vertreiben . Kurz vorher hatte die Pforte an Venedig den Krieg erklärt ; der deutsche Kaiser als Verbündeter der Republik hatte seinerseits die Türken angegriffen. Es hatte jener Krieg begonnen, in dem die Siege Eugens von Savoyen die Macht der Osmanen auf immer brachen. Unter solchen Verhältnissen mochten auch die Türken denken , helfe was helfen kann,

und L. und seine Genossen fanden williges Ohr. L. dagegen hoffte in dieser Verbindung mit den Türken sich neue Kriegslorbeeren zu erwerben. So entstand

am 18. Dezember 1715 (am 15. des Monates Djilhedji 1178 nach türkischer Rechnung) jener denkwürdige Vertrag, über den schon so viel geschrieben wurde, und welcher L.'s Untergang wurde . Der Wortlaut dieses einerseits von Osman Aga, anderseits von L. und Linange geschlossenen Vertrages lautet ungefähr so : „Der gröfste und mächtigste Kaiser der Ottomanen, von der Sonne gekrönt und vom Monde u. s. w., welcher Osman Aga zu seinem Gesandten bei der hohen Republik von Holland gewählt und uns beauftragt hat, mit dem sehr mächtigen Grafen de Linange und du Chabanois, Admiral der Theokrathie des göttlichen Wortes und dem sehr edlen Seigneur, marquis de Langalerie, Groſsgeneral, Marschall und Generalissimus derselben hohen Theokrathie einen Vertrag abzuschliefsen. Wir haben erfahren von diesen Herren, dafs sie vor hätten im Verein mit der sehr hohen kaiserlichen Majestät der Türken mit dem Papste in Rom Krieg zu führen. Sie haben zugleich die Unfehlbarkeit der Mittel nachgewiesen, welche sie um den Krieg mit dem Papst zu Rom zu führen, zu See und zu Land haben, damit der sehr mächtige Kaiser der Ottomanen bald von Rom Herr wäre, und haben versprochen, sich sofort nach Konstantinopel zu begeben, um an der Ausführuug ihrer Arbeit zu arbeiten zur Ehre sciner Hoheit, an welche alle Gröfse auf Erden verliehen ist. Also wir Aga, welcher von unserem sehr hohen Kaiser, unserem mächtigen Herrn und von den zwei Herren Vezirs und Admiralen der Pforte den ausdrücklichen Befehl haben, sie in jeder Art zu unterstützen, wir schwören

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

201

bei Mahomed, dem gröfsten Propheten, und dem Heiligsten der Männer und versprechen im heiligen Namen des grofen Kaisers der Ottomanen unserem Herrn, Alles, was in den folgenden 12 Artikeln enthalten ist, sowohl schnell als auch baldig zu erfüllen : 1. Dals die obengenannten Herren in Konstantinopel auf die beste, ihrem Range und ihrem Verdienste würdige Weise aufgenommen werden . 2. Dafs ihre sehr hohe Majestät ihnen Logis und Bequemlichkeit ihrer Würde entsprechend sowohl in der kaiserlichen Stadt als auch aufserhalb derselben anweisen lassen werden. 3. Dafs die genannten Herren und ihr Gefolge vollständige Freiheit geniefsen werden, ohne dafs sie in irgend einer Weise beirrt und belästigt werden. 4. Dafs diese zwei Herren und ihre Suiten auf Kosten des grofsen Herrn 6 Jahre unterhalten werden und einen ehrbaren Unterhalt und eine Behandlung der speziellen Übereinkunft entsprechend erhalten werden. 5. Dafs die zwei Herren und ihr Gefolge die ganze Freiheit und die Privilegien geniessen werden, welche man regierenden Prinzen oder deren Gesandten, welche bei Potentaten wohnen, oder mit welchen sie Freunde und Verbündete sind, erweist. 6. Dals seine Ottomanische Majestät schriftlich Befehl geben wird, dafs sie die Bevollmächtigung haben werden, sobald sie in Konstantinopel eingetroffen sein werden, nach ihrer Art und wie es ihnen gut dünken wird, auszuheben, zu bewaffnen, zu rekrutiren, zu exerziren und zu diszipliniren : 1 Korps von 10 000 Mann Kavallerie, sowohl Franzosen als auch Deutsche, katholischen oder protestantischen Glaubens und konstruiren zu lassen, wie sie es angeben werden, und unter ihrer Leitung = 50 Hauptkriegsschiffe, welche unter dem Befehl der beiden obengenannten Herren Generäle und Admiräle stehen werden, um von ihnen gegen die päpstliche Macht und das päpstliche Land gebraucht zu werden. 7. In Rücksicht der besonderen Wünsche dieser zwei Herren, von denen wir wissen, dafs sie uns wichtige Dienste leisten wollen, gewähren wir allen denjenigen christlichen Sklaven, welche in deren Dienst treten wollen, um gegen den Papst zu kämpfen, die Freiheit. 8. Dafs alle Christen, welche sich im Gebiete des grofsen Herrn, ohne die kaiserliche Stadt auszunehmen, niederlassen wollen, dort die Freiheit und die öffentliche Ausübung ihrer Religion, ohne irgend eine Steuer zu zahlen, erhalten sollen. Diejenigen, welche der Nation und Religion der Juden angehören und sich dort niederlassen wollen, werden auch dasselbe Prärogativ geniefsen, allein diese und die anderen sind unmittelbar ihrer Rechtspflege und in letzter Instanz der Unseren unterworfen. 9. Sobald der grofse Herr im Besitze von Rom sein wird, schwört und verspricht er durch Mahomed unseren heiligen Propheten, den 2 Herren zu geben und zu überlassen gewisse Inseln im mittelländischen Meere und die in einer Spezialübereinkunft festgesetzten Provinzen und sie sogar als Könige anzuerkennen, so dafs ihre Nachkommen und Erben dieselben in Ewigkeit geniefsen, um dort zu herrschen unabhängig von jeder anderen Macht. 10. Seine Majestät verpflichtet sich zugleich in diesem Vertrage von ewiger Dauer dafür zu sorgen, dafs den genannten Generalen und Admiralen alle Länder und Provinzen, welche sie in Frankreich und Europa besafsen, Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. 102, 2.

14

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Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

zurückerstattet werden, gemäfs ihrer begründeten Klagen uns vorgetragen und im Divan aufgezeichnet. 11. Wir Osman Bassa, Aga von Spatus und des Meeres erklären Allen, welche diesen Vertrag sehen, daſs der obenbezeichnete Marquis de Langalerie und der obengenannte Landgraf von Linange, Graf von Chabanois, von jetzt an unter dem mächtigen Schutze seiner ottomanischen Majestät stehen, meines liebenswürdigen und gewaltigen Herrn, und dafs sie von allen Mächten in dieser hohen Stellung anerkannt werden müssen. 12. Endlich darum ersuchen wir alle befreundeten Kaiser, Könige, Prinzen und Republiken, alle Gouverneure und Offiziere, in allen Dingen die obenbenannten 2 Herren zu fördern und denselben keinerlei Schaden direkt oder indirekt zuzufügen, weder an ihrer Person noch an ihrem Eigentum, zu Land, zur See, und wenn sie unter Weg sein werden, um sich zum sehr mächtigen Herrn, dem Kaiser der Türken zn begeben. Wir empfehlen besonders unseren Muselmännern und den Unterthanen seiner Hoheit, sie und ihre Suiten zu respektiren, zu schützen, ihnen Ehre und zu allen Gelegenheiten Dienste zu erweisen. Denn so ist der besondere Wille unseres sehr mächtigen Kaisers, und wenn Jemand demselben entgegen handelt oder diese Befehle nicht befolgt, so wisse er, dafs er den Kopf verliert, im Falle Klage erhoben wird, da wir diese zwei vorzüglichen Herrn als unsere Freunde und Verbündete erklären, und von der erhabenen Pforte beschützt und achten sie später und jetzt als solche. Wir Osman Bassa, Aga von Spatus und der See, aufserordentlicher Gesandter des grofsen Herrn, haben diesen gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet von unserer eigenen Hand im ausdrücklichen Befehle seiner ottomanischen Majestät und gestempelt und gesiegelt mit unserem Wappen zum gröſseren Glauben und zur gröfseren Sicherheit der Wahrheit und Treue, mit welcher der Inhalt desselben erfüllt und beobachtet werden wird, weil es der Wille unseres sehr mächtigen Kaisers ist, gekrönt von der Sonne und dem Monde. Wir schwören aufserdem durch unseren heiligen Propheten Mahomed den beiden genannten Herren, und thun zu wissen dem oben bezeichneten Marquis de Langalerie, Herrn der alten Baronie de Poitou in Frankreich, Generallieutenant der Armee des Königs von Frankreich , Generalfeldmarschalllieutenant des römischen Kaisers und dem obengenannten Graf von Linange, Prinzen von Chabanois, dafs alle beide unsere Freunde und Verbündete seiner Majestät des Kaisers der Türken, gekrönt von der Sonne und dem Monde sind. In Holland in la Haye ausgefertigt den 15. des Monats von Silherzi (Djilhedji ? ) des Jahres 1800 des Egyr, gezeichnet Osman Bassa, Marquis de Langalerie und Graf von Linange und weiter unten gezeichnet und registrirt von Solynan, Sekretär der Gesandtschaft." Dieser Vertrag wurde in italienischer Sprache ausgefertigt. Die Juden unterstützten dieses Unternehmen mit Geldmitteln, und bald konnte L. ein gutes Schiff ausrüsten, und viele geschickte Leute aller Art engagieren,

welche nach

Konstantinopel gesendet

wurden. Ausserdem hatte er einen Vertrag mit den Flibustiern und Corsaren des mittelländischen und atlantischen Ozeans abgeschlossen, welche mit 60 von ihnen auszurüstenden Kriegsschiffen an einer Insel des Archipels landen sollten, woselbst ihnen einen Freihafen ange-

203

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

wiesen

war.

L.

rechnete auf 20 000 Mann Corsaren .

richtete er sein Augenmerk

auf die

grofsen Schätze ,

Aufserdem

welche

die

Kirche von Loretto barg. 10 000 Mann wurden nach Italien gesendet , die als Arbeiter oder Reisende gekleidet sich dort etablierten , 6 Schiffe mit Munition und Lebensmitteln verliefsen den Archipel, welche auf verschiedenen Wegen bei Loretto landen sollten . Dieser Platz solle zuerst durch einen Handstreich genommen werden, weshalb auch dorthin eine Flotte von 50 Kriegsschiffen dirigirt wurde . L. begab sich hierauf nach Hamburg und Danzig, Linange nach Bremen und Frankfurt, um 1716 ihren Vertrag den einflussreichen Leuten mitzuteilen. L. fuhr auf einem Bremerschiff nach Hamburg Allein sein Sekretär, und begab sich später zu Lande nach Stade. ein

Schweizer

Baron Heems, gottvergessenen

Namens

Meyer,

machte

Anfangs

April 1716

dem

kaiserlichen Gesandten in Haag von „ Etzlichen bösen Menschen allhier geschmiedeten gefährlichen An-

schlägen", angeblich von seinem Gewissen getrieben, Anzeige. Meyer erhielt hierfür 92 Dukaten und eine Hauptmannstelle im kaiserlichen Dienste . Er war es auch, welcher die Verträge mit den Türken, ja Schon am die Übelthäter , wie er sie nannte, selbst auslieferte. 20. Mai erging das erste Schreiben des Kaisers an Heems, welches verlangte, dafs die holländische Regierung diese Bösewichter handfest mache. Allein die holländische Regierung gab die beruhigende Erkläruung dahin ab, es handle sich blos um eine Colonisation auf Madagaskar. Der später zugleich wit Linange verhaftete Alexander Süfskind gab in Wien an, dafs damals die Juden in Amsterdam namhafte Unterstützungen geleistet hätten. Der Kaiser soll am 30. Mai ein Ersuchsschreiben an den Kurfürsten von Sachsen gerichtet haben, . L. und Linange sammt allen bei sich habenden Leuten beim Betreten seines Gebietes handfest zu machen . Als L. in Stade eintraf, wurde er Anfangs Juni 1716 im Gasthofe von den kaiserlichen Emissären festgenommen.

Man nahm ihm

sein Geld und seine Papiere ab, schickte seine Begleitung fort und liefs ihm nur den treuen Sekretär und Kammerdiener Mulher. Man bemächtigte sich auch seiner Equipagen zu Vegesack im Oldenburgischen. Nach fünf Tagen strenger Bewachung kam eine eigene Eskorte aus Wien, welche L.

dorthin

bringen sollte .

Zu dieser Ueberführung

nach Wien wurden aufserordentliche Vorsichtsmafsregeln befolgt. Oberstwachtmeister von Eckh wurde mit einem Lieutenant und 40 Mann zur Übernahme L.'s nach Norddeutschland geschickt.

L. und seine

Eskorte fanden ihre Beförderung auf 20 Wagen. Als ob es sich um eine fürstliche Person handele, berichtete das Wiener „ Diarium“ , die einzige

damals in Wien erscheinende Zeitung, über die Reise der 14*

204

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

Gefangenen. Am 14. August 1716 trafen sie in Wien ein , und L. wurde in einem Staatsgefängnisse gegenüber dem kaiserlichen Schlosse in das Palathor (auch Pauler- oder Pfeiler- oder Bayerthor genannt) am Anfang der 1731 abgetragen worden.)

Bognergasse gebracht. (Dieses Thor ist Linange wurde in Aurich in Ostfriesland

festgenommen, über Eger ebenfalls nach Wien Rumorhause festgesetzt.

transportirt und im

L. richtete nun von seinem Gefängnisse aus verschiedene Bittschriften an den Kaiser, welche alle unbeantwortet blieben und benützte seine Zeit mit der Niederschreibung seiner Memoiren.

Die

Frau des Gefängnißswärters suchte das Loos L.'s auf alle Art zu erleichtern. Als später derselbe sein Testament machte, legirte er derselben die 10 000 fl. , welche er noch aus seiner Dienstzeit in Österreich zu fordern hatte. L.

wurde nun vor ein Kriegsgericht gestellt, welchem Prinz

Eugen von Savoyen präsidirte. Dieser stellte an L. drei Fragen : 1. Zu welchem Zwecke er mit der ottomanischen Pforte verhandelt hätte ? 2. Warum er als Unterthan und im Dienste des Kaisers hierzu nicht

vorher

um

Erlaubnifs

gebeten

hätte ?

Gründen er mit dem Papste Krieg führen wolle?

3. Aus

welchen

und Italien verwüsten

Auf diese drei schriftlich gestellten Fragen antwortete L. ebenso : Dafs er schon lange den Dienst des römischen Kaisers verlassen hätte und weder mehr zu seinen Offizieren noch zu seinen Unterthanen gehöre ; er hätte das Recht, sich von jeder Macht engagiren zu lassen und auch mit dem türkischen Kaiser zu verhandeln, der von ganz Europa als unabhängiger Machthaber anerkannt werde, und er könne daher

ebenso gut mit dem türkischen Kaiser gegen

den Papst, der ja auch ein weltlicher Herrscher sei , Krieg führen , wie ja schon französische und deutsche Generale Armeen gegen Rom geführt hätten. In seinem mündlichen Verhöre äufserte sich L. dahin, sich

mit den Türken

nur darum eingelassen

habe,

dafs

er

um mit dem

Papste, dem Feinde der selbstständigen Machthaber, Krieg zu führen, ihn den Türken auszuliefern, um dann Rom dem römischen Kaiser zu übergeben . Dafür hätten ihm die Türken ein Königreich auf einer Insel im Mittelländischen Meere versprochen. Da hierdurch die Feindseligkeit L.'s nur gegen den Papst und nicht gegen den Kaiser gerichtet schienen, so wäre L. wahrscheinlich bald darauf wieder auf freien Fufs gesetzt worden . Linange

Inzwischen war schon Graf

mit seiner ganzen Suite in Freiheit gesetzt worden.

Nach

anderen Angaben soll jedoch Linange später wieder in das Staats-

205

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

gefängnifs auf dem Spielberg bei Brünn gekommen sein, wo er bis zu seinem Tode verblieben sein soll. Inzwischen wurde L., obwohl sich verschiedene Potentaten und sonst einflussreiche Persönlichkeiten für seine Freisetzung bemühten, noch fast ein ganzes Jahr in gelinder Haft gefangen gehalten.

Viel-

leicht

ist die Erzählung richtig, dafs er, als der Kayser unter seinem Gefängnifs vorbeigefahren ein camerpott von Wüsteney auf Kaysers Kutsch geschütt, das hat den Kayser so verdrossen, dafs er ihn hat besser einsperren lassen ". Allein die Anhänger L.'s und die Türken wünschten sehr,

dafs

er bald aus dem Gefängnisse komme, damit das Unternehmen gegen Rom zur Ausführung käme .

Ein Graf Bonneval schrieb ihm, daſs er

bald zu ihm in sein Gefängnifs kommen würde, und dafs für seine Befreiung Vorsorge getroffen sei. In der That erschien auch bald Graf Bonneval, von der

obengenannten Frau des Gefängnißswärters

geleitet, in der Kleidung einer Magd in L.'s Gefängnifs und besprach mit demselben das Nötige für seine Befreiung und über die römische Expedition.

Nach

15

Tagen

qualvollen Wartens

bekam L.

den

zweiten Besuch des Grafen Bonneval, welcher inzwischen alles Nötige zur Befreiung desselben vorbereitet hatte und diesem die nötigen Verhaltungsmafsregeln zu seiner Flucht mitteilte. Es gelang L. unbemerkt aus seinem Zimmer zu entkommen, doch als er der offenen Hausthür zueilte , vor welcher Pferde für ihn bereit standen, fiel er unglückseliger Weise in die Hände einer Ronde, welche zu aufsergewöhnlicher Zeit ihren Rundgang besorgte. Nach kurzem Handgemenge mufste er der Übermacht weichen und wurde wieder ins Gefängnifs zurückgebracht. Die weiteren Lebensschicksale L.'s zustellen.

Nach einigen Angaben

sind nicht

bestimmt fest-

soll derselbe nach seinem Flucht-

versuch von Wien nach Raab in Ungarn als Staatsgefangener transportirt worden und dort gestorben sein. Einige Schriftsteller erzählen , dafs L. nach seinem Fluchtversuche in Wien in eine Art Melancholie verfallen sei und alle Nahrung versagt habe. Der Kaiser, der dieses erfahren, hätte ihn mit Gewalt zum Essen zwingen lassen. Während der Abbé de Marcilly L. an einem hitzigen Fieber sterben läfst, behaupten Andere, z. B. Saint - Simon, er sei auf Befehl des Kaisers enthauptet worden. Nach anderer Lesart wurde L. nach Beendigung des Kriegsgerichtes wieder auf freien Fufs gesetzt, soll dann nach Raab gezogen und dort plötzlich gestorben sein. Am wahrscheinlichsten erscheint der Bericht,

dafs L. plötzlich am 20. Juni ( 18. September) gestorben sei. Sein Prozefs mufs mit Freisprechung geendet haben, denn L. wurde mit allen militärischen Ehren unter grofsem Gefolge

206

Philippe de Gentils marquis de Langalerie.

der Wiener Garnison graben. Dieses

war

das das

am 22. Juni ( 22. September) in Wien be-

Ende Ende

eines

glänzend begonnene militärische Abschlufs fand.

berühmten

Laufbahn

Abbé Guillot de Marcilly nennt

Mannes ,

dessen so

einen so unglücklichen

Langalerie in seiner Schrift :

ກ Relation historique et theologique des conversations avec M. le marquis de Langalerie" den bravsten Offizier, welcher aus Frankreich seinerzeit hervorging . Er hätte bei Langalerie während seinem langen Aufenthalte in Holland nur Gefähle voll Respekt für seinen König und voll Liebe und kindlicher Zärtlichkeit für sein Vaterland gefunden. Langalerie war kein gewönlicher Mensch ; mitten in seinen ehrgeizigen und stolzen Plänen fehlte ihn niemals die Genialität.

ihn:

Montégue in seiner Lebensbeschreibung Langalerie's¹ ) sagte über So endete einer der aufserordentlichsten Menschen, welchem

man groſse militärische Talente nicht absprechen kann. Eine Zeit lang unter dem grofsen König war er der Held des Tages . Die Zeitungen,

die Salons,

unterhielten

sich

nur von seinen Thaten.

Die Nachwelt, welche strenge urteilt, hat kaum seinen Namen behalten. Langalerie ist in seinem Lande kaum bekannt. "

XIII .

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.") Von

H. Frobenius, Oberstlieutenant a. D.

Es ist eine leicht erklärliche Erscheinung , dafs in den be schränkten Verhältnissen eines kleinen Staats- und Armee -Wesens ¹) Philippe de Gentils de Lajonchapt, marquis de Langalerie, premier baron de Xaintonge, lieutenant general des armées du roi, feldmarschal au service d'Autriche 1664-1717 par H. B. de Montégue, Angoulême. Imprimerie charentaise de A. Nadaud et Co. Rampart Desaix No. 26. 1866. 2) Moriz , Ritter von Brunner , k und k. Generalmajor. Leitfaden für den Unterricht in der beständigen Befestigung ; zum Gebrauche in den k. und k. Militär- Bildungs -Anstalten ; mit 3 Tafeln und 122 Figuren. Fünfte, ganz neu bearbeitete Auflage. Wien 1896. L. W. Seidel u. Sohn. Preis 6,20 Mark.

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

207

die einzelne Persönlichkeit als solche mehr in den Vordergrund tritt, als in dem ungeheuren Organismus eines Grofsstaates. Unter der geringeren Zahl der Kameraden und Mitarbeiter wird sich ein Mann von besonderer Intelligenz und

Schöpferkraft leichter hervorthun ,

Einfluss gewinnen und den Fortschritten und Neugestaltungen den Stempel seiner Individualität aufprägen ; die Widerstände werden geringer, die Masse der in Altgewohntem und in Vorurteilen schwerfällig Verharrenden wird kleiner sein und eine geringere Anstrengung binnen kürzerer Zeit hinreichen, um neuen Ansichten Eingang zu verschaffen ; weniger beschnitten und verkümmert durch Rücksichtnahme und Beeinflussung werden die Ideen sich verkörpern lassen und dadurch ihre Individualität sich wahren. Ganz besonders tritt dieses auf dem Gebiete des Festungswesens hervor. Je gröfser die Zahl der Festungen ist, deren Ausbau und Korrekturen von einer zentralen Stelle aus geleitet werden, desto näher liegt die Gefahr des Schablonisirens ; je gröfser die Zahl der Instanzen,

welche ihren Einfluss

geltend machen, desto schwieriger werden sich originelle Gedanken durchkämpfen ; und bereits seine Erziehung mufs den jungen Offizier an eine schematische Behandlung seiner Arbeiten gewöhnen,

welche

Erfindungsgabe und Bethätigung individueller Arbeitskraft meist völlig lahm legt. Wer sich diese aber bewahrt hat , bis er eine Stellung erlangt hat, in der er sie glaubt verwenden zu können, wird bald gewahr werden, dafs ihm von allen Seiten Gegner erwachsen und dafs seine Ideen, selbst wenn sie zur Geltung und Ausführung kommen, entweder durch Kompromisse verunstaltet sind oder die Wirkung verloren haben, seine Persönlichkeit in den Vordergrund zu rücken. Was Einer entworfen, hat ein Zweiter verändert, ein Dritter bringt es zur Ausführung und der Name des Ersten verschwindet in der Masse.

Er ist nur ein einzelnes kleines Glied in dem ungeheuren

Mechanismus, und die Arbeit,

die er als solches verrichtet,

kommt

nicht zur Geltung, denn sie ist nur ein unselbstständiger Teil der Gesammtarbeit.

Es giebt nur einen Weg, auf dem er seine Ideen

selbstständig zu entwickeln und wenigstens theoretisch zur Geltung zu bringen vermag, wenn er nämlich zur Feder greift und in aufserdienstlichen Schriften seine Arbeiten veröffentlicht. Aber selbst hierin ist er im grofsen Nachteil gegenüber dem Kameraden der kleinen Armee, denn bei diesem greifen theoretische Erörterung und praktische Erprobung Hand in Hand, während der Ingenieuroffizier des Grofsstaates im Drang der dienstlichen Arbeit kaum Mufse findet, um seine Spekulationen

zu verfolgen und mit ängstlicher Vorsicht Alles

vermeiden mufs , was seine schriftstellerische Thätigkeit mit der dienstlichen in Kollision bringen kann, vor allem jede Verwendung des

208

Ein österreichisch -ungarischer Fortifikator .

dienstlich ihm verfügbaren

Materials

geflissentlich

umgehen

muſs.

Andrerseits liegt es tief in der Natur des tüchtigen Mannes begründet, dafs er seine Persönlichkeit zur Geltung zu bringen bestrebt ist , und es ist deshalb ihm nicht zu verargen, wenn er jede hierzu geeignete Gelegenheit ergreift. Zur Illustration verweise ich auf Brialmont , welcher der belgischen, und Sommerfeldt , welcher der dänischen Befestigung ganz den Stempel ihrer Individualität aufdrücken durften und anerkannt Vorzüglichstes zu schaffen in die Lage kamen , während in Deutschland ein Mann , wie Schumann - um von anderen zu schweigen es nicht erreichen konnte, seinen Ideen den ihnen gebührenden Platz zu erobern, und erst aus dem Dienst ausscheiden musste, um freies Terrain zu gewinnen für seine, die ganze Befestigungskunst umgestaltenden Vorschläge. Ähnliche Verhältnisse, wie in Deutschland, gestalten sich mehr und mehr in Österreich- Ungarn, wo auch die Leitung der fortifikatorischen Arbeiten ganz in den Händen der zentralen Behörde liegt. Während noch vor kurzem einem Mann , wie dem Feldmarschalllieutenant Vogl als Befestigungsbaudirektor von Tirol ziemlich freie Hand gelassen worden war, ein Umstand, dem die neuen Befestigungen dieser Provinz ihre Vorzüge und ihre charakteristische Eigentümlichkeit verdanken, scheint man schon dem Generalmajor von Brunner weniger Selbstständigkeit zuerkannt zu haben, als er in gleicher Es Stellung mit dem Ausbau der Festung Przemysl betraut war. scheint dies wenigstens aus Einzelheiten seines neuesten Werkes , des Leitfadens für den Unterricht in der beständigen Befestigung - in ganz neu bearbeiteter 5. Auflage -- hervorzugehen, wie überhaupt dieses Buch, so wertvoll als Lehrbuch, dadurch besonders interessant erscheint, weil es das Streben des Verfassers erkennen läfst, seiner Persönlichkeit das ihr zukommende Recht zu verschaffen . Wenn man nämlich beim Durchblättern

des Buches überrascht

wird durch die zahlreichen Fufsnoten, in welchen auf seine früheren Schriften vom Verfasser hingewiesen wird --- eine scheinbare Selbstverherrlichung, die ihm sonst gänzlich fremd ist

so liest man mit

noch grösserer Verwunderung die Erklärung, welche er hierfür in dem

77 Vorwort " giebt : „Ich war dazu veranlasst, weil es vorgekommen ist, dafs Leser, welche die Litteratur nicht kennen , von einem „ Anlehnen " eines meiner Bücher an eine gerade vorher erschienene offizielle oder private Schrift sprechen konnten , wo das Umgekehrte der Fall war, d. h. die fraglichen Lehrmeinungen und Figuren in meinen Schriften vorher, und zwar mitunter in solchen , die schon vor 30 Jahren erschienen sind, gefunden werden können . "

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

Da es sich bei diesem

209

Leser " doch nur um Meinungen, welche

dem Verfasser kundgegeben worden sind, also um Kritiken ,

sei es

offiziellen oder privaten Charakters, handeln kann , so ergiebt sich die bemerkenswerte Thatsache, dafs die inhaltreichen Schriften des z. Z. bedeutendsten österreichischen Ingenieur- Schriftstellers den Kritikern , also ex officio mit der Beurteilung betrauten Leuten, nicht bekannt genug sind, um Brunner's Bedeutung für die Entwickelung des Befestigungswesens in Österreich - Ungarn einigermafsen würdigen zu können . Wie ich aber ausgeführt habe , entzieht sich ja das Wichtigste, nämlich alles, was seiner dienstlichen Thätigkeit angehört, unserer Kenntnifs. Die Schriften Brunner's sind aber bedeutend genug, um daraus den Schlufs ziehen zu können auf seine Beeinflussung des Befestigungswesens ; und einer derartigen Unkenntnifs und Unterschätzung gegenüber ist es dem General nicht zu verdenken,

wenn

er sein Buch mit Wegweisern ausgeschmückt hat , welche seine Kritiker auf ihre Unkenntnifs aufmerksam machen. Es sind hierbei einige nicht unwesentliche Dinge, wie Schrapnelschirme, welche er 1866, Artillerie- und Schützen- Schilde, welche er 1865 bezw. 1873 in Vorschlag brachte ; ferner die Abtreppungen der Kasemattenstirnen gegen Schrägfeuer,

auf die er 1867 , die Wichtigkeit des gezogenen

Mörserfeuers für die Befestigungen, anf die er 1874 aufmerksam geBemerkenswerter aber sind einige Anmerkungen, macht hat u. a. welche sich auf dienstlich gemachte Vorschläge beziehen und zwar bezüglich der Traditor-Kasematten, welche im Jahre 1887 aus Trebinje und in der jetzt üblichen Anordnung 1889 aus Przemysl vorgeschlagen wurden, ferner bezüglich des Offenlassens der Mannschaftskasematten nach dem Korridor,

welches wiederholt - aber vergebens - an-

geregt wurde, und endlich bezüglich der ausschliesslichen Verwendung der Infanterie aufserhalb der Forts, welches in der Denkschrift aus Trebinje ( 1887) zur Sprache kam . Auf diese Punkte wird zum Teil zurückzukommen sein. gemacht,

Hier sei

zunächst nur

darauf aufmerksam

dafs der Verfasser doch wohl nicht ohne Grund diese An-

merkungen gemacht hat und dafs sie zum Teil auf ein Streitigmachen seiner Autorschaft, zum Teil auf unbegründete Widerstände schliefsen lassen. Nachdem kaum zwei Jahre vorher das grofse Leithner'sche Werk

17 Die beständige Befestigung " erschienen ist, das man im Hinblick auf die bei seiner Verfassung beteiligten Offiziere

als einen Nieder-

schlag der in den mafsgebenden Kreisen Österreich -Ungarns herrschenden Meinungen über moderne Befestigung betrachten kann , lag die Vermutung nahe, dafs Brunner in seiner neuen Bearbeitung eines Lehrbuches für die k . und k. Militär- Bildungs- Anstalten nichts Neues,

210

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

Abweichendes bringen, sondern sich an Leithner's Buch durchaus anlehnen und den Stoff nur in eine für Lehrer und Schüler geeignetere Form giefsen würde. Dafs dem nicht so ist, dafs der Verfasser im Gegenteil ganz selbstständig das ganze Material durchgearbeitet und zum Aufbau eines Systems verwendet hat, ist gewils eines Mannes von seiner Bedeutung würdig, anderseits aber hoch anerkennenswert Angesichts seiner angestrengten dienstlichen Beanspruchung, mit deren Zu bedauern ist es, Obliegenheiten dieses Buch nichts gemein hat. dafs es gerade die Form des Lehrbuches für militärische Bildungsanstalten ist, in welcher der General sein Befestigungssystem zur Kenntnifs bringt ; denn diese legte ihm vielfach Fesseln an, er mufste nicht nur auf die in Österreich- Ungarn gebräuchlichen Formen und Konstruktionen einen besonderen Nachdruck legen, sondern auch bei der Entwickelung von Lehrmeinungen und Aufstellung von Entwürfen auf die herrschenden Ansichten gebührend Rücksicht nehmen. Das heifst aber soviel, als

eine Beschränkung in der Entwickelung der

eigenen Ideen, und eine Modifizirung der eigenen Vorschläge. Wenn wir das Buch mit der Absicht in die Hand nehmen, die ureigenen Ansichten des Fortifikators von Przemysl daraus kennen zu lernen, werden wir also mit grofser Aufmerksamkeit die Fingerzeige beachten müssen, welche er teils unbewusst, teils mit Absicht gegeben hat, um sie aus den dem " Unterrichts-Leitfaden " zur Liebe notwendig gewordenen Umhüllungen und Entstellungen herauszuschälen . Ein Vergleich mit Leithner's Buch liegt hierbei nahe und erleichtert das Geschäft. Die grofsen, leitenden Gesichtspunkte, welche Brunner der Idee der Festungsverteidigung und mithin den ihr dienenden fortifikatorischen Mafsnahmen zu Grunde legt,

finden

sich ziemlich am Ende

des Buches, auf Seite 210 bis 212 klar und bestimmt ausgesprochen : 1. Der Verteidiger soll dahin streben, die gleich anfangs so schwierige Situation des Angreifers zu einer unmöglichen zu machen, vor Allem also ihm den Batteriebau derart zu erschweren, daſs es überhaupt garnicht zum Distanzen kommen sollte.

Geschützkampf

auf

beachtenswerte

2. Da das Hin und Her des Geschützkampfes auf groſse Distanzen von gedeckten gegen gedeckte, teilweise sogar unsichtbare Ziele ebenso wenig zu einem positiven Ergebnifs führen wird, als in früherer Zeit, da der Angreifer hierzu immer erst in die Festung hinein gelangen mufs -- so sind alle, zur Zeit so bedeutend gesteigerten und vermehrten Mittel in Anwendung zu bringen, ihm das Festsetzen im nächsten Vorterrain und das Überschreiten des trennenden Zwischenraums auf's äufserste zu erschweren . 3. Das flankirende Feuer,

so sicher es auch durch Panzer und

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

211

Traditorkasematten gestellt sein mag, hat nicht mehr die Bedeutung den lockeren und beweglichen Linien des Angreifers gegenüber, wie früher. Neben dem näheren Zusammenrücken der Gürtelforts mufs deshalb auf ein ergiebiges Frontalfeuer aus einer zusammenhängenden Vertheidigungsstellung im Intervall besonderes Gewicht gelegt werden. Als vierten Punkt ergänze ich von Seite 89 : Die ganze Kraft ist möglichst in einer Linie beisammen zu halten. Der letzte Grundsatz

tritt in scharfen Gegensatz nicht nur zu

der veralteten, jetzt fast allgemein fallen gelassenen Ansicht,

dafs

die Widerstände der Festung von aufsen nach innen sich steigern müssen, sondern auch zu der Theorie von den ins Vorfeld vorgeschobenen Stellungen,

wie

sie namentlich von den Franzosen mit

Vorliebe gepflegt wird. Hennebert bespricht in seinem Buche Attaque des places" diese nligne de résistance " als einen integrirenden Bestandteil der Festungsverteidigung und das Festungsmanöver bei Paris ( 1894) brachte sie zur Anschauung. Dafs man in Frankreich aus dem lehrreichen Verlauf dieser Übung die Überzeugung von der Nutzlosigkeit dieser mit starken Kräften durchgeführten Kämpfe im Vorterrain gewonnen hätte, scheint nicht annehmbar zu sein. Der in erster Linie

oben aufgeführte Grundsatz ist mafsgebend

ganz besonders für die Frage der Sicherheitsarmirung, also derjenigen Geschütze, welche von Anbeginn an in der Gürtelstellung aufgestellt sind mit der Aufgabe, das weitere Vorfeld unter Feuer zu nehmen , um das Festsetzen des Angreifers zu erschweren, die Anlage von Depots, Parks und Kommunikationen zu stören und die Anlage von Batterien zu verhindern. Ihnen ist eine ausschlaggebende Wichtigkeit zuzuerkennen, sowohl einem überraschenden gewaltsamen Angriff als den Vorbereitungen einer Belagerung gegenüber. In beiden Fällen sind es die schweren Batterien und zwar in erster Linie die der Geschützparks (parc léger) welche zur Aufstellung kommen und deren Auftreten also bekämpft werden muſs . Bei der Wahl der für diesen Zweck heranzuziehenden Geschützarten

mobilen

und Kaliber weicht Brunner von Leithner insofern ab, als er nicht neben 15 cm Kanonen und Haubitzen auch die Schnellfeuerkanonen zur Verwendung bringen will .

Diese Frage ist von weittragender

Bedeutung, denn sie beeinflusst die Wahl des Kalibers und der Panzerkonstruktion für diese Geschütze , wenn man nicht annehmen will, dafs umgekehrt nur die Wahl der Konstruktion durch die Erweiterung der Aufgabe für die Schnellfeuerkanonen gestützt werden soll. Leithner wählt nämlich grundsätzlich 7,5 cm Kanonen in Drehpanzern inländischer Herkunft, weil die Senkpanzer (deutscher Her-

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

212

kunft)

nicht gestatten, die ganze Tragweite der Schnellfeuerkanonen

auszunutzen

und

dieselben

am

stummung des Geschütz-Feuers. "

zu beteiligen vor VerBrunner dagegen will nur eine

Kampfe

Aufgabe der leichten Schnellfeuergeschütze anerkennen, nämlich die Abwehr des Sturmes , und wenn er auch nicht umhin kann , die beliebten 7,5 cm Drehpanzer neben den 5,7 cm Senkpanzern zur Wahl zu stellen, so läfst er doch überall deutlich hindurchblicken, daſs er letzteren den unbedingten Vorzug giebt (S. 37 , 94, 123, 129 etc.) . Es hat diese seine Stellungnahme einen durch keine Rücksichten beeinträchtigten Ausdruck gefunden in einem Aufsatz des Oberlieutenants von Brunner (Sohnes des Generals) in Streffleur's österr. milit. Zeitschrift, betitelt „ Zur Panzerfrage" . Hierin werden Vor- und Nachteile gegen einander abgewogen und dem Senkpanzer als SturmGeschütz der unbedingte Vorzug eingeräumt, da durch deren Aufstellung sich die Wahrscheinlichkeit um ein Beträchtliches erhöht, dafs die Nahkampfgeschütze im entscheidenden Momente noch intakt das Kraut sind, während sie für Wirkung auf grofsen Distanzen rungen kann ich Schlufsfolge Diese nicht fett gemacht " hätten ". meines Erachtens unbedenklich als des General v. Brunner eigene Ansicht hinstellen und die Arbeit seines Sohnes lässt sich als einen von ihm selbst gebilligten Anhang zu dem Leitfaden betrachten. Hierzu sei bemerkt, dafs auch der Aufsatz 77 Erdhöhlen als granatsichere Kriegsunterkünfte " von demselben Verfasser im gleichen Sinne als eine weitere Ausführung der auf Seite 41 des „ Leitfaden “ gegebenen Anregung zu betrachten ist. Das ist deshalb interessant, weil er die bekanntlich in Frankreich neuerdings vielfach angewandten Höhlenunterkünfte (casemates-cavernes) bezüglich ihrer Ausführbarkeit als Kriegsarbeit prüft und durch Feststellung konstruktiver Details und Berechnung von Arbeitszeit und Kräften näher bringt. Die Hauptfrage, welche dem oben aufgestellten ersten Grundsatz gegenüber zur Erörterung kommen mufs, ist für den Fortifikator die : gehören die schweren Geschütze der Sicherheitsarmirung in die Forts oder nicht ? Leithner beantwortet sie mit seinen Einheits-Forts als Hauptwerke des Gürtels. Er giebt von den drei zur Sprache kommenden Systemen unbedingt dem Gürtelsystem mit Panzer-Forts den Vorzug, stellt also die schweren Geschütze der Sicherheitsarmirung in die Hauptstützpunkte und sichert sie durch Panzer. Dafs innerhalb des Umzugs des Werkes Artillerie- und Infanterie- Stellung räumlich scharf von einander geschieden sind, werden. Wohl aber ist es interessant,

braucht kaum erwähnt zu noch einmal darauf hinzu-

weisen, dafs er bei Besprechung des Systems mit ganz von einander gelösten Artillerie- und Infanterie- Stellungen nur die Infanteriewerke

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

213

als sturmfreie Posten ausgestaltet und die Artillerie ins Zwischenterrain verweist. Den umgekehrten Fall zieht er nicht in Erwägung, dafs man die Artillerie ohne Infanterie sturmfrei unterbringen und die Infanterie ganz ins Zwischengelände verweisen könnte ,

obgleich

die Befestigung von Kopenhagen hierzu Veranlassung hätte geben sollen. Brunner ist bei Besprechung dieser Frage äusserst vorsichtig ; er gesteht der Aufstellung der Artillerie in den Forts die volle Berechtigung zu für den Fall, dafs bestimmte örtliche Verhältnisse dazu zwingen ; aber er fügt gleich hinterher eine ganze Reihe möglicher Abweichungen von allgemeinen Normen hinzu, als wolle er betonen, daſs ein hartnäckiges Festhalten an solchen überhaupt dem Wesen einer rationellen Befestigung widerspricht und jede Mafsregel nur aus den örtlichen Verhältnissen und aus den diesen entsprechend modifizirten Aufgaben hergeleitet werden mufs. An die Spitze stellt er aber den Satz : „Man kommt immer allgemeiner zur Ansicht, dafs schwere Fernkampfgeschütze nicht in die Forts, sondern auf andere Punkte des Gürtels zu stellen sind. "

So sehr er also jede Schablone

verwirft, giebt er prinzipiell der durchgeführten Trennung von Nahund Fernkampf- Stellungen den Vorzug , die Leithner nur als eine Art Notbehelf betrachtet wissen möchte . Und dafs er hierbei nicht nur an Nahkampf-Infanteriewerke mit Ausschlufs der Artillerie, sondern auch an Artillerie-Werke mit Ausschlufs der Infanterie gedacht hat, (Seite 216),

folgt einmal aus der Anmerkung

dafs er im Jahre 1887 einen dahin zielenden Vorschlag

gemacht habe, und zweitens aus der grofsen Sympathie, mit der er am Schlufs seines Werkes noch die Befestigung Sommerfeldt's einer kurzen Betrachtung unterzieht .

Es ist, als wenn er in dieser seinen

eigenen Ideen begegnet wäre und als wolle er durch die Verhüllungen des offiziellen Lehrbuches hindurch noch einen Blick gestatten auf den Kern seines eigentlichen wirklichen Glaubensbekenntnisses. Um die Zahl an Geschützen zu bestimmen, welche die Sicherheitsarmirung bedarf, wenn sie mit Erfolg dem ersten Artillerie-Angriff entgegentreten soll, stellt der Verfasser die Gesichtspunkte zusammen, welche bei Abwägung der beiderseitigen Vor- und Nachteile ins Gewicht fallen . Die vom Angreifer bei dem sogenannten abgekürzten Angriff angesetzte Kraft behufs Durchbruchs eines Intervalls schätzt er auf 3 Divisionen nebst den mobilen Belagerungsbatterien einer Armee, also ca. 128 Feldgeschütze und 36 Belagerungsgeschütze (die erste Sektion des parc léger der französischen Armee enthält nur 16 kurze 155 mm Kanonen und 8 220 mm Mörser mit je 200 Schufs. Die zweite Sektion kommt für's Erste nicht zur Sprache, da ihre

214

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

36 Geschütze nicht

-

bespannt

lange 155 mm Kanonen und 220 mm Mörser Man wird wohl annehmen können , dafs

sind.

Brunner die mobilen Batterien Rufslands im Auge hat, welche in Gestalt von 15,24 cm Mörsern der Feldartillerie eingeteilt sind) . Auf jedes der anzugreifenden Forts würden dann 48 Feld- und 12 Belagerungsgeschütze zu rechnen sein, während der Rest die Nachbarwerke lahm zu legen hat. Bei für den Verteidiger günstigen Verhältnissen würden dann mindestens 8 schwere und 4 leichte Panzer jeder angreifenden Batteriegruppe gegenüber zu stellen sein, oder an deren Stelle 16 bis 20 schwere Bankgeschütze unter Schrapnelschirmen . Die Unterbringung dieser Anzahl schwerer Geschütze sei es der gepanzerten oder ungepanzerten in einem einzigen Fort erscheint schwierig und unthunlich. Die (nicht ausgesprochene) Folgerung liegt nahe, dafs man sie nicht nur, wie notwendig, zum Teil , sondern vollzählig im Zwischenterrain - , sei es in Annex- oder in selbstständigen Batterien, unterbringt, während die leichten Panzer für Schnellfeuerkanonen - in dem Fort naturgemäss ihren Platz finden . Es mufs hierzu bemerkt werden, dafs die Leithner'schen Entwürfe mit 4, höchstens 6 schweren Geschützen dem Erfordernifs einer hinreichend starken Sicherheitsarmirung nicht genügen, wohl aber die Forts der Maasbefestigung und die von Bukarest. Wie er, dem ersten Grundsatz entsprechend ,

dem im weiteren

Vorfelde auftretenden Gegner mit einer starken, gut situirten Artillerie entgegentritt, will Brunner- gemäfs seinem zweiten Grundsatz auch die Überschreitung des nächsten Vorgeländes durch eine Artilleriestellung bekämpfen, welche lediglich diesem Zweck zu dienen hat, (deshalb Senkpanzer anstatt Drehpanzer), und welche auch stark genug bemessen sein mufs, um auch als eine zuverlässige Hilfe zu erscheinen. Er bringt deshalb einen Punkt zur Sprache, welcher in der Regel übersehen wird . Seitdem man die aufserordentliche Wirksamkeit der Traditorgeschütze erkannt hat, ist jeder Fortifikator bemüht, sie in Anwendung zu bringen. Wenig aber fragt man nach der Zahl der in einer Traditorenflanke aufzustellenden Geschütze, sondern ist in der Regel damit zufrieden, wenn man deren zwei angeordnet hat.

Die anerkannt gute und moderne Anlage ist nun da,

und wenn sie ihre Schuldigkeit thut, glaubt man Alles gethan zu haben, was das Intervall an Flankirung nur verlangen kann. Ich erinnere daran, dafs auch die Leithner'schen Entwürfe bis auf einen nur 2 Geschütze in jeder Traditorenflanke enthalten und dafs zwar Seite 94 die Zahl von 2 bis 3 als Minimum bezeichnet, nirgends aber auf die in Rechnung zu ziehenden Faktoren aufmerksam gemacht wird. Und doch ist die Zahl von 2 Geschützen, wie Brunner ganz

215

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

richtig aus seinen Darlegungen folgert, in den meisten Fällen ungenügend oder vielmehr : er selber folgert das nicht, er lässt es den Leser folgern und rechnet einfach mit der Mindestzahl von 4 Geschützen. Dieser Punkt ist so

wichtig und, wie gesagt,

bisher so wenig

beachtet worden, dafs es angezeigt erscheint, Brunner's Erörterung hier beizufügen. Er sagt Seite 96 : 17 Was die Zahl der diesfalls erforderlichen Geschütze betrifft, so folgt sie aus der Länge des Intervalls und der in demselben vorhandenen Deckungen, welche dem Angriff zu Gute kommen, dann aus der berechtigten Annahme, dafs der direkte Angriff gegen einen ausgedehnten Teil der Gürtellinie, etwa gegen zwei Stützpunkte und drei Intervalle, erfolgen werde und dafs jedes Intervall und jeder Stützpunkt selbst in breiter Front, letzterer umfassend, angegriffen werden dürften . " „ Die gewöhnlichen Intervalle von 2000 bis höchstens 2500 m erfordern sonach mindestens 4 Geschütze, nämlich ein Paar zur Abwehr einer im Kartätschbereiche des Stützpunktes vorgehenden Truppe und ein Geschützpaar zur Bekämpfung des in das entferntere Intervall -Terrain Eindringenden

derart,

dafs dieses letztere

mit jedem

Schusse nach seiner ganzen Ausdehnung vom Ende der Wirkungszone der Kartätschen des ersten Geschützpaares an bis zur Mitte des Intervalles bestrichen werden könne. Diese Bedingung mufs gestellt werden,

weil ein Wechsel der Ziele

auch bei Tage im Hinblick auf

die Beweglichkeit derselben und deren plötzliches Auftauchen bald da und dort zu keinem einheitlichen , also Ausschlag gebenden Erfolge führen würde. Nimmt man aber an,

dafs zur Abwehr des in der Kartätsch-

distanz des Forts vorgehenden Feindes die Flanken-Infanterie und die Hangar-Geschütze, dann die Besatzung der Annexe ausreichen, so kann man den erlaubten Abstand der Forts (bei 4 Traditorgeschützen beiderseits ) rechnen : Gewehrfeuer-Zone bis zum Explosionspunkt der vortempirten Schrapnels 260 m, diese Schrapnels (1. Geschützpaar) 340 m, Schrapnel des 2. Geschützpaares 340 m, halber Abstand der Traditoren eines Forts 50 m, rund 2000 m. "

diese Summe verdoppelt giebt 1980,

Hieraus ergiebt sich die Notwendigkeit, bei gröfseren Intervallen entweder 6 Traditorgeschütze einzustellen, oder was die Terraingestaltung meist richtiger erscheinen lässt ein Zwischenwerk einzuschalten. Es würde zu weit führen, auf die Einzelheiten der von Brunner mitgeteilten Entwürfe von Festungswerken - Einheitsforts, Nahkampfstützpunkte, Zwischenwerke und Fernkampfbatterien näher einzu-

Ein österreichisch -ungarischer Fortifikator .

216

gehen.

Dafs sie sämmtlich von einem Ingenieur stammen, der neben

seiner geistigen Beherrschung des Stoffes die Resultate einer wichtigen Bauthätigkeit in die Wagschaale zu werfen hat, ist aus der durchaus einfachen Gliederung und zweckmässigen Anordnung aller Teile zu sehen.

Einige Punkte, welche von den Leithner'schen Ent-

würfen gerade in letzter Beziehung vorteilhaft abweichen , ohne weiteres in die Augen.

springen

Dies ist zunächst die Sorgfalt, mit welcher Brunner es vermieden hat, die Infanterie-Kampfstellung durch die Nähe von Panzerkuppeln oder harten Brustwehrabdeckungen (wie sie bei der Lage der Kasematten unmittelbar unter der Brustwehrkrone von Leithner angewandt werden) zu gefährden .

Es ist eine längst anerkannte Thatsache , daſs

die Schützenlinie viel weniger durch das direkt treffende Gewehr- und Schrapnelfeuer leidet, als durch die herumspritzenden kleinen Teile der auf harten Abdeckungen und Panzeroberflächen aufschlagenden und zertrümmerten Geschosse . Aus diesem Grunde ist auch die Anbringung der Schnellfeuer-Panzer (Sturmgeschütze) auf der Brustwehrkrone vor der Schützenlinie gefährlich und Brunner's Anordnung jedenfalls vorzuziehen.

Er stellt immer die Sturmgeschütze zu je 2

in (Senk-) Panzern auf die äufsersten Flügel der Werke , also an deren Kehlpunkte. Ihre Wirkung nach beiden Flanken (gegen Umfassung) ist hier eine vorzügliche, um sie aber nach der Front vollständig ausnutzen zu können, würde der dreiseitige Grundrifs ( S. 120) der zweckentsprechendste sein. Nun ist das Beispiel, welches der Verfasser für Dreiecksform giebt, gerade dasjenige, welches bereits Leithner in seinem Atlas Tafel IV Nr. 6 veröffentlicht. Die Abweichungen liegen nur darin,

dafs die Figur bei Leithner ein Ein-

heitswerk darstellt und neben 2 12 cm Kuppeln über dem Kehlkasemattenkorps auf den Flügeln je 2 10 cm Mörser-Kuppeln trägt. In seinem Leitfaden hat der General die schweren Geschütze fallen lassen und die Mörser durch Sturmgeschütze ersetzt. Merkwürdiger Weise ist dieses aus früherer Zeit stammende Beispiel das einzige, in welchem die Infanterie-Brustwehr zum Teil in Betonmauerwerk besteht, eine Mafsregel, welche die erwähnte Gefahr in sich schliefst.

Es sei übrigens hierbei nicht unerwähnt gelassen, dafs auch

der Oberstl. von Leithner in seiner Entgegnung auf die ausländischen Kritiken seines Werkes meiner Verurteilung der harten Brustwehrkronen in anerkennenswerter Freimütigkeit zugestimmt hat. Der zweite Punkt, worin Brunner's Entwürfe sich vorteilhaft auszeichnen, betrifft die Kommunikationen zwischen den Bereitschaftsräumen der Infanterie

und

der Bankgeschütze und ihrer Kampf-

stellung ; Bereitschaftsräume, Ausgänge, Rampen, zu durchmessende Wege sind in vorzüglicher Weise kombinirt.

Ein österreichisch-ungarischer Fortifikator.

217

Der dritte Punkt ist das grundsätzliche Vermeiden des Überschiefsens der Infanterie durch die Artillerie, wozu der Verfasser auf Seite 110 sehr beherzigenswerte Bemerkungen macht. Zweifellos aus diesem Grunde hat er das Werk auf Seite 120 seiner schweren Geschütze entkleidet und hierauf bezieht sich auch die Anmerkung zu dem Einheitsfort Fig . 57, dafs die Anordnung der Fernkampfgeschütze und der Unterkunftskasematten eine von der seinigen abweichende Ansicht zum Ausdruck bringe. Hierbei liegt die Frage nahe : "warum hat er nicht ein Einheitswerk zur Darstellung gebracht, welches seiner eigenen Ansicht völlig

entsprach ?" und ich möchte

dies dahin be-

antworten, dafs Brunner , wie wir gesehen haben, prinzipiell die gänzliche Trennung von Nah- und Fernkampfstellung vorzieht und dafs wahrscheinlich die zur Darstellung gebrachte Anordnung den thatsächlichen Bauausführungen mehr entspricht, als ein Entwurf nach Brunner's eigener Meinung dies gethan haben würde . Es ist die Rücksicht auf den Zweck des Buches, welche, wie in vielen Punkten, auch hier zum Beiseitesetzen anlafste.

der

individuellen Überzeugung

ver-

Trotz der Schwierigkeiten, welche dem Verfasser aus diesem Umstande erwuchsen, ist es ihm doch gelungen , für den sachverständigen Leser ein ziemlich klares Bild seiner individuellen Anschauungen zu entwickeln und ein Befestigungssystem aufzubauen, das von den in Leithner entwickelten, in Österreich-Ungarn zur Zeit herrschenden Ansichten vielfach abweichend einen weiteren Fortschritt in der Befestigungskunst anzubahnen und auf wichtige , bisher zu wenig beachtete Fragen aufmerksam zu machen geeignet ist.

Der „ Leitfaden "

ist hierdurch über die Bedeutung, welche man im Allgemeinen den Unterrichtsbüchern einzuräumen pflegt ,

weit hinausgewachsen und

wird seine Schüler nicht nur unter den Zöglingen der Militärbildungsschulen, sondern auch im Kreise aller mit der Festungsfrage ex officio oder aus Neigung sich Beschäftigenden mit vollstem Rechte finden. Dem General aber gebührt der warme Dank aller denkenden Ingenieuroffiziere für diese Bethätigung seiner Individualität auf dem Gebiete des gemeinsamen Strebens und Arbeitens .

Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 2.

15

218

Das russische Projekt eines europäisch-transkaspischen Wasserweges

XIV .

Das russische Projekt eines europäisch- transkaspischen Wasserweges vom Finnischen Meerbusen nach Mittelasien.

Nach Anordnung der russischen Kriegs- und Verkehrsministerien weilt gegenwärtig eine Kommission auserlesener fachmännischer Kräfte an den Ufern des Amu-darja, um festzustellen, welche Veränderungen dieser Flufs und seine Kanäle in den letzten Jahren erlitten haben und darauf hin die schon wiederholt erörterte Frage zu lösen, ob es möglich sein würde, den Lauf des Amu in sein altes zum kaspischen Meere laufendes Bett zurückzuführen . Diese Untersuchung knüpft an das Projekt eines grofsartigen indo-kaspi-baltischen Stromverkehrs an, indem es sich um eine fortlaufende Verbindung von den nördlichen Grenzlanden Indiens, dem Amu entlang, durch das kaspische Meer, die Wolga und ihre Kanäle bis zur Newa-Mündung nach St. Petersburg handelt. Da die Entwickelung der wirtschaftlichen Lage Mittelasiens immer von seinen grofsen Flüssen abhängig gewesen, so wurden nach Besetzung des Khanats Khiwa durch die russischen Truppen 1873, verschiedene Expeditionen in die westlich benachbarten turkmenischen Steppen entsandt, um das alte Bett des Amu zu untersuchen . Hierbei wirkten handelspolitische und strategische Gründe zusammen, denn es sollte sowohl die Bodenkultur des erst unlängst erworbenen transkaspischen Gebietes durch Bewässerung seiner verödeten Landstriche zu neuem Leben erweckt als auch die Behauptung der vorgeschobenen militärischen Stellung durch eine nächste und bequeme rückwärtige Verbindung gefördert werden.

Die letzte Expedition von 1879 bis

1884 sprach sich zu Gunsten der Amu-Ableitung mit der Richtung gegen das kaspische Meer aus in der bestimmten Voraussetzung, dadurch jene so lange trocken gelegenen Regionen wieder befeuchten und somit befruchten zu können . Es fanden sich nämlich deutliche Spuren von dem einst nach Südwest zur kaspischen Küste gerichteten Unterlaufe des Flusses , dessen Uferrandungen sogar noch Überreste von Städten und Dörfern zeigten, auch liefsen sich geschichtliche Beispiele erbringen, daſs sich der Amu in früheren Zeiten und zwar bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts

vom Finnischen Meerbusen nach Mittelasien.

219

in das kaspische Meer ergossen habe. Eine Untersuchung älterer Nachrichten und einheimischen Überlieferungen so wie der orographischen Verhältnisse führte alsbald zu dem Ergebnifs, dafs der Strom lediglich durch menschliche Einwirkung vom Kaspistrande abgelenkt worden sei. Infolge einer vormals sehr umfangreichen Anlage von Bewässerungskanälen im rechtsseitigen Ufergelände des unteren Amu, habe sich derselbe allmählich nach dieser Seite, nordwärts zum Aralsee gewandt, wie denn die Flufsarme des Deltas auch heute noch beständigen Veränderungen unterworfen sind. Seit aber während der letzten Jahrzehnte am linken Ufer des Unterlaufes ein reger Kanalbau betrieben,

sei auch der Hauptandrang des Wassers nach der

früheren westlichen Richtung hin wieder bemerkbar geworden .

Daher

gilt es russischer Seits recht wohl für möglich, den Amu wieder zum Kaspibecken zu leiten und so für Rufsland eine fahrbare Wasserstrafse bis ins Herz seiner innerasiatischen Provinzen zu schaffen, ebenso die Turkmenensteppe längs des neuen Flufslaufes bewohnbar zu machen . Die Herstellung einer solchen Verbindung wird in St. Petersburg dringend befürwortet , um eine Riesenwasserstrasse vom Finnischen Meerbusen bis nach den afghanischen Amuländern zu gewinnen, eine Verkehrslinie,

welche den Russen die Märkte Indiens

öffnen und nach dieser kürzesten Route hin einen grofsen Teil des Um die erHandels der reichsten Gegenden Asiens ziehen würde. weiterte Handelsthätigkeit mit ihren erblühenden wirtschaftlichen Strömungen zu schützen, bedarf es am Amu einer Kette bewaffneter Etappen.

Den Handelswegen folgten aber noch immer die Heeres-

züge, so dafs sich diese ungeheure Schifffahrtslinie, zumal im Verein mit der transkaspischen Eisenbahn nebst andern russischen Zukunftsbahnen Mittelasiens, auch zu einer machtvollen Operationslinie für militärische Zwecke gestalten wird . Der frühere Plan ist nun wieder aufgenommen und wird um so wahrscheinlicher zur Ausführung gelangen, als die Russen nach der Grenzregulirung mit Afghanistan (Pamir-Abkommen¹ ) auch den Oberlauf des Amu in Besitz genommen haben. Die Wasserrinne des alten Strombettes biegt unweit des Forts Petro-Alexandrowsk, eines Hauptstützpunktes der russischen Herrschaft am Amu, westlich ab, durchzieht die Sumpfzone der Kamysch-Senke, eines ehemaligen Sammelbeckens mehrerer Zuflüsse des Amu, wendet

sich dann nach Süden und erreicht mit

südwestlicher Drehung das noch tiefer belegene Kaspi-Niveau im Golf von Krasnowodsk, welcher die Pforte der wiederkehrenden Amufluten werden soll.

1) Heft 3. 1896. XXII. 15*

220

Das russische Projekt eines europäisch-transkaspischen Wasserweges

Die Längenausdehnung des projektirten indobaltischen Wasserweges dürfte wegen weitgreifender Windungen und Krümmungen der Stromlinien nicht unter 6000 km zu berechnen sein. Mit elementarer Kraft stürzt sich der Amu in seinem Oberlaufe durch tief eingeschnittene enge Schluchten zwischen dichtem Gedränge mächtiger Felsrücken von den Pamirhöhen herab, erst bei seiner nordwestlichen Wendung ändert sich nach Aufnahme des Ak-Serai, welcher vom Hindukusch reichliche Wassermengen durch Afghanistan zuführt, der Charakter der anliegenden Landschaft. Die Berge entfernen sich mehr und mehr von den Ufern, so dafs die Gewässer das Flufsbett frei auszuarbeiten vermögen und der Flufs von hierab schiffbar wird. Hügelland verflacht

Das

sich dann zusehends

und wird mit Ausnahme Die Berge unterbrochen.

geringer Erhöhungen nirgends durch Niederungen von Buchara und besonders von Chiwa werden durch die

vom Amu ausgehende Bewässerung zu weiten, reiche Ernten liefernden Fruchfeldern

umgewandelt,

während jene

das

alte

Flufsbett

ein-

schliessenden Steppengegenden öden Aussehens geblieben und nur spärliche Vegetation aufweisen können. Bei dem Umfange seines Quellengebietes verfügt der Amu über eine ausreichende Wassermenge und Stromgeschwindigkeit bis zu seinem Unterlaufe hin. Die schiffbare Länge des an den Kaspischen Strand zu leitenden Flusses würde mindestens 1700 km betragen. Der kaspische Teil des Wasserweges von Krasnowodsk nach Astrachan entspricht einer Ausdehnung von etwa 800 km . wie der

Ungeachtet der geringen Zugänglichkeit der Küsten

gefahrvollen

Schifffahrt

wegen

zahlreicher

Untiefen

und

heftiger Stürme, stehen der russischen Kaspi-Flotte doch brauchbare Häfen und Ankergründe sowie sichere Fahrtlinien in genügender Anzahl zu Gebote. Hinsichtlich der Stromdurchquerung des europäischen Rufslands kommt die Schwerkraft der Wolga im reichbewässerten Wassernetze der osteuropäischen Tiefebene vorwiegend zur Geltung. Diese wichtigste Lebensader Rufslands planten grofsen Wasserstrafse .

umfafst

2400 km

Man hat bemerkt,

der

ge-

dafs der Flufs

trotz seines verhältnifsmäfsig immer noch hohen Wasserstandes verschlämme und seichter werde, ein Übelstand, der wohl nur Folge mangelhafter Stromregulirung und daher früher oder später zu heben sein dürfte. Oberhalb vor Durchbrechung der nordrussischen Landeshöhe ist die Wolga bereits schiffbar, so dafs schon am Einflusse der Scheksna das bekannte Marienkanalsystem einsetzen kann, welches durch verschiedene Tiefe und breite Stromlinien bei einer Gesammtlänge von 1100 km die Wolga

mit der Newa,

oder Rybinsk den

Hauptstapelplatz des binnenländisch -russischen Waarenverkehrs St. Petersburg verbindet.

mit

vom Finnischen Meerbusen nach Mittelasien .

221

Diese grofsartig entworfene, wasserreiche Schifffahrtslinie vom finnischen Meerbusen bis zum Uferrande des mittleren Amu , wo sich jetzt

auf

afghanischem

Boden

russische

und

britische

Handels-

beziehungen und strategische Interessen einschneidend kreuzen, wird über einen freien und offenen Verkehr selbst bei niedrigstem Wasserstande im Sommer verfügen können, dagegen im Winter unterbrochen sein , weil Flufs- und Kanalgewässer durchschnittlich nur auf 7-8 Monate im Jahre eisfrei sind .

Es erübrigt jedoch die Frage, inwie-

weit sich der Wasserweg neben den russischen und transkaspischen Eisenbahnlinien nutzbar machen soll. Anscheinend hat man in St. Petersburg den Ausbau einer den heutigen Anforderungen entsprechenden internen Wasserstrafse nach Mittelasien beschlossen, weil bei der wachsenden Verkehrsmenge dorthin an Beförderungsmitteln für den Transport von Menschen und Gütern, der Bahnbetrieb weder. ausreicht noch hinsichtlich der Gesammtkosten die Konkurrenz mit dem billigeren Wassertransport aufnehmen kann.

Wenn bei Wasser-

frachten ein einziges Flufsschiff so viel fafst als ein ziemlich schwerer Eisenbahnzug, so fehlt andererseits die Geschwindigkeit des letzteren dem Schiffsverkehr,

gleichviel ob

sich dieser unter Anwendung von

Dampfkraft oder durch segelnde Fortbewegung vollzieht .

Jedenfalls

glaubt man den besten Erfolg in einer beiderseitigen Ergänzung der Transportfähigkeit zu erzielen. Kehrt man die grofsen allgemeinen Gesichtspunkte kommerzieller und strategischer Natur heraus, welche dem Vorhaben einer Ableitung des jetzigen Amulaufes zu Grunde liegen, um dadurch die transkaspische Strecke des indo-baltischen Wasserweges

zu vervoll-

ständigen, so muſs in erster Reihe das heutige Manko an leistungsfähigen

Verkehrslinien

Mittelasiens

Die alten turanischen

in

Handelswege

Betracht gezogen und

Heerstrafsen

werden. werden .

kaum noch betreten , neuere Strafsenzüge sind primitiver Art und meist unwegsam . Aller Grofsverkehr lastet mithin auf der transkaspischen Bahn, welche zwar mit wachsendem Erfolge arbeitet, aber schon jetzt, namentlich bei gröfseren Handelsunternehmungen und im Kriegsfalle, einer Entlastung bedarf. Handel und Wandel werden jedoch wie im Mittelalter, wo sich der Weg durch Europa nach Indien durch die kaspische Pforte bewegte, wieder zur vollen Blüte erstehen, sobald die transkaspische Bahn Unterstützung findet an der Amufahrt, sowie an den neuerdings projektirten Eisenbahnlinien Saratow-Tschardschui und Orenburg- Samarkand . Die Anlage beider Línien ist in absehbarer Zeit zu erwarten, die erstere läuft bis zum Übergangspunkte der transkaspischen Bahn über den Amu, in deren östliche Fortsetzung auch die andere einmünden wird.

222

Das russische Projekt eines europäisch-transkaspischen Wasserweges

Schrittweise, aber unaufhaltsam wächst das russische Reich nach Asien hinein. Nach Unterwerfung des turanischen Gebietes strebt es nach Süden dem Indischen Ozean zu , um endlich am Gestade eines offenen, immer eisfreien Meeres festen Fufs zu fassen, wobei es seine Vorposten schon bis Afghanistan vorgeschoben hat.

In bedenklicher

Weise nähern sich die Russen somit den Grenzen des indobritischen Reiches.

Nach der letzten Grenzregulirung liegt zwischen beiden

Machtsphären in Mittelasien nur noch der Pufferstaat Afghanistan und in ihm das strategische Dreieck Herat-Kabul-Kandahar, um welches sich als neutrale, das afghanische Durchgangsgebiet beherrschende Zone die Fäden der asiatischen Politik beider Mächte abspinnen.

Der

Basis dieses Dreiecks , dessen Spitze Kandahar unter englischer Beeinflussung steht,

suchen sich die Russen in der Richtung auf Herat

und Kabul zu nähern , weshalb der gleichzeitig begonnene Bau zweier Anschlufslinien an die transkaspische Eisenbahn nötig geworden ist. Beide Geleise laufen bis an afghanisches Gebiet nach den Grenzorten Kuschk bezw. Kerki, von dem ersteren rechnet man 120 km bis Herat, von letzterem 100 km nach dem im Kreuze grofser Handelswege belegenen alten Handelsplatz Balkh, welcher durch seine absperrende Lage an den Defiléen des Hindukusch, das strategische Bollwerk von Kabul gegen einen von der Amulinie ausgehenden Angriff bildet. Die afghanische Hauptstadt Kabul an dem seit ältesten Zeiten benutzten, von Herat zum mittleren Indus in das Pendschab führenden Königswege beherrscht mit ihren Forts,

deren natürliche

Verteidigungsfähigkeit noch fortifikatorisch verstärkt worden,

die via

mala des Khaiber- Passes, Zugang und Ausfallpforte der Nordwestecke Ostindiens. Strategisch ungleich wichtiger bleibt Herat, der Schlüssel zu Afghanistan , wie Kandahar ein solcher zu Indien, indem der Weg von Kandahar durch die Bohlanpässe zum unteren Indus in das Sindh bequemer als die Khaiberpassage und für alle Waffen brauchbar ist, dazu auch halbwegs von Quetta aus, der indobritischen Vorpostenstellung, von einer Eisenbahn begleitet wird. In den Thoren Herats, der viel umstrittenen, befestigten Grenzstadt, kreuzen sich alle Strafsen, welche vom Industhale westlich und nordwestlich dem Nordrande Irans zulaufen. Sowohl Herat als auch Kabul sind durch recht gangbare Strafsen von annähernd 500 km Ausdehnung mit dem von ihnen gleich weit entfernten Kandahar verbunden. In den zu durchgehenden Berglandschaften finden sich vegetabilische Produkte verschiedener Art, auch Wasser ist zur Genüge vorhanden . Ob die Russen jemals Indien angreifen werden, bleibt immerhin eine offene, fast zweifelhafte Frage, besonders da sie, ohne Indiens afghanisches Grenzland zu berühren, westlich desselben oder auf persischem Grund und Boden an

vom Finnischen Meerbusen nach Mittelasien.

223

den Strand des Arabischen Meeres gelangen können . Zu Öfterem werden publizistische Staubwolken eines russischen Eroberungszuges nach Indien erregt, aber das Abenteuerliche einer solchen Bedrohung liegt auf der Hand. Selbst bei ungestörter Annäherung, welche kaum denkbar, würden die Russen nur den Rand des iranischen Tafellandes erreichen und enge Felsengassen passiren müssen, um an den Indus zu kommen Durch das indische Eisenbahnnetz sind die indobritischen Verteidigungsmittel indessen aufserordentlich gekräftigt, da mit Leichtigkeit überall hin an die bedrohten Punkte Truppenverstärkungen abgehen können. In dem Vorgehen Rufslands gegen die afghanische Grenze läfst sich eine ganz bestimmte Methode erkennen, allmählich südwärts an die Küste des Ozeans vorzustofsen. Ein Blick auf die Karte genügt, um diese Begehrlichkeit in Ansehung der bisherigen russischen Eroberungen in Mittelasien zu verdeutlichen . Wie viel schneller und erfolgreicher würden sich dieselben haben vollziehen lassen, wenn den Russen besonders bei ihrer energischen Kriegführung während der letzten Feldzüge in Turkestan , bessere und reichlichere Verbindungen zwischen dem europäischen und turanischen Reichsgebiet zur Verfügung gestanden hätten ! Um das Haltbare nicht dem Abenteuerlichen zu opfern, können russische Streitkräfte in Asien immer nur dann vorrücken,

wenn sie im Anschlufs an ihre rückwärtigen

Etappen neue und sichere Operativstrecken gewonnen haben. Die nunmehr zu ermöglichende, potente Wasserstrafse, welche künftig von der Newa-Residenz durch das ganze Zarenreich, in südöstlicher Richtung bis zu den Vorpostenstellungen an der afghanischen Grenze befahren werden soll, dürfte zweifellos eine kräftig pulsirende Lebensader zu weiteren Fortschritten in Asien bieten. Neben einem eminenten Warenverkehr werden Truppenabteilungen mit der Summe ihrer Bedürfnisse, mit Geschützen, Trofs und Wagen auf Schiffen gröfseren Tonnengehalts und von entsprechendem Belastungsvermögen in ununterbrochener Folge aus dem Innern Rufslands nach Turkestan überführt werden können.

Diese Wasserlinie gestaltet sich dann in letzter

Instanz zu einem wirksamen Agressivmittel, welches neuen Gebietserwerbungen unter Ausdehnung russischen Einflusses und Ansehens nachhaltigen Vorschub zu leisten imstande sein wird.

Freilich liegt

der Schwerpunkt des ganzen Vorhabens in der Durchführung des Projektes, den Amu wieder in sein ursprünglich kaspisches Thalbecken hinzuleiten. Neuesten Nachrichten zufolge scheint man indessen über das Stadium der Untersuchungen schon hinausgekommen zu sein, so dafs bei der Unerschöpflichkeit russischer Hülfsquellen und unter Annahme einer ständig sachkundigen Aufsicht einem sicheren Erfolge

224

Das russische Projekt eines europäisch-transkaspischen Wasserweges.

entgegengesehen werden kann.

Gegenstände des Grofshandels und massirte Militärtransporte werden dann in etwa drei Wochen von der Newa zum Amu gelangen können . Für die Aufgaben der Strategie bleiben auch geographische Erwägungen mafsgebend, mitunter sogar in begründender Weise. Der Mittellauf des Amu greift südlich des russischen Vasallenstaates Buchara in weitem Bogen nach Afghanistan hinein,

und da der Strom

zugleich beide Länder von einander scheidet, so stehen die russischen Vorposten am Ufer des leicht zu übergehenden Flusses kaum 50 km von Balkh entfernt, dessen strategischer Wert schon oben berührt worden ist, während sich ebenso die Spitzen russischer Expeditionstruppen westlich davon bei der vorbezeichneten Bahnstation Kuschk der wichtigen Stellung von Herat genähert haben.

Somit bildet der

Amu eine stabile Operationsbasis Rufslands für alle handelspolitischen und strategischeu Bestrebungen nach dem afghanischen Gebiet hinein. Wenn die transkaspischen Geleise, späterhin auch im Verein mit den erwähnten Zukunftsbahnen , diejenigen Truppenteile, welche für den ersten Aufmarsch zur sofortigen Verwendung bestimmt sind, schnell heranschaffen , so können nach Fertigstellung der amu-kaspischen Wasserverbindung die notwendigen kolossalen Nachschübe an lebendem und totem Material zu Schiffe rechtzeitig genug nachbefördert werden. Insofern alle Anordnungen für Angriffsbewegungen lange vor Beginn derselben geregelt sein müssen,

dürfte auch russischer-

seits bereits auf eine zweckmäfsig basirte Bereitschaftsstellung von Streitmitteln am Amu in unmittelbarer Nähe des Operationsfeldes für den geeigneten Augenblick des Eingreifens in die Verhältnisse Bedacht genommen sein. Rufsland will sich der Forderung nicht entziehen, mit der Zunahme seiner asiatischen Interessen gleichen Schritt zu halten,

auch

werden sich nach Eröffnung dieses grofsartig angelegten Schifffahrtsweges neue Horizonte für die russische Thatkraft in Mittelasien aufthun. Ein so hervorragendes, von der Natur vorgezeichnetes Kulturwerk, wohl die bedeutendste Flufs-Wasserstrafse unserer Zeit würde sich zu einer Weltverkehrslinie ausgestalten.

Zwar ist das Mafs der

zu bewältigenden Schwierigkeiten ein ungewöhnliches, aber doch nicht derartig, dafs etwa eintretende ungünstige Ergebnisse der ersten Versuche vom Unternehmen zurückschrecken würden ! F. Hd. Dezember 1896.

XV.

Ein russisches Urteil über die eingeborene englischindische Armee.

Aus Anlaſs der Verstärkungen, welche England zur Unterstützung der Operation auf Dongola von Indien nach Suakim gesandt hat, charakterisirt ein russischer Offizier in einem „von den Ufern der Themse" datirten Briefe die Fortschritte der englisch - indischen Armee¹) . Bei dem sehr erklärlichen , regen Interesse, mit welchem Russen und Engländer nicht nur am Dache der Welt" einander beobachten, dürfte manchem Leser dieser Blätter eine Mitteilung aus diesem Schreiben von Interesse sein . -Nachdem zunächst daran erinnert ist, des Jahres 1857

dafs bis zum Aufstande

die unter dem Befehl der ostindischen Kompagnie

stehende Armee aus 300 000 eingeborenen Soldaten und nur 50 000 Europäern bestand und durch die während des Aufstandes gemachten Erfahrungen fünf Jahre später sich dies Zahlen - Verhältnifs ganz zu Gunsten der europäischen Truppen

( 130 000 Eingeborene,

60 000

Europäer) verändert hatte, erwähnt Verf. allerdings nur flüchtig, dafs die eingeborene Armee " sich in ihrem Bestande trotz der neuen Eroberungen in Birma hätte .

und Tschitral u . s. w.

nur wenig vermehrt

Dem gegenüber möchten wir darauf hinweisen, dafs nach der

sehr sorgfältigen,

wenn

auch

freilich

wesentlich

auf

englischen

Quellen beruhenden Zusammenstellung eines deutschen Offiziers ) an eingeborenen Truppen zur Zeit vorhanden sind :

a) indische Truppen (Natives) , angeworben und von englischen Offizieren kommandirt 133 000 Mann ; b) eingeborene Truppen , ebenso organisirt , aber nicht unmittelbar der Krone unterstellt ; sondern allein von der indischen Regierung unterhalten und zu der ausschliefslichen Verfügung des Vizekönigis stehend 14 000 Mann ; c) Armee - Reserve ; d. h. aus dem Dienste geschiedene Unteroffiziere und Mannschaften , welche sich für den Kriegsfall zum Wiedereintritt verpflichten ca. 11 000 Mann ;

1) Raswjedtschik Nr. 307. 2) Hauptmann Le Juge. Das englische Heer einschliesslich der Kolonialtruppen in seiner heutigen Gestaltung. Leipzig 1896.

226

Ein russisches Urteil über die eingeborene

d) Imperial Service Troops ; d. h. seit 1889 bestehende , einheitlich nach englischem Muster organisirte Hilfstruppen der mehr oder minder abhängigen und früher nur zu Wehrsteuern verpflichteten indischen Fürsten. Lord Dufferin veranlafste dieselben statt die zu Landes -Verteidigungszwecken von ihnen der Regierung angebotenen 1212 Millionen Rupien anzunehmen , ihre fast nur Paradezwecken dienenden , sehr zahlreich bewaffneten Hintersassen zu vermindern und statt deren der Zahl nach von der Regierung bestimmte , von englischen Offizieren befehligte Truppen aufzustellen , welche im Falle eines Krieges der englischen Regierung als Reserven zur Verfügung stehen . Die Zahl dieser „ Imperial Service troops " wird heute auf etwa 21 000 Mann angegeben , eine Zahl, welche nicht gefährlich werden kann, namentlich, wenn man berücksichtigt, dafs nicht weniger als 40 verschiedene Fürsten an diesem Kontingent beteiligt sind. Es würden also hiernach mehr als 180000 Mann eingeborener Truppen zur Zeit für einen Kriegsfall zur Verfügung stehen. An europäischen Truppen sollen nach der obengenannten Quelle heute in Indien stehen 77 500 Mann , zu welchen die nach Art der Freiwilligen des Mutterlandes organisirten Volunteers kommen , in deren Reihen nur Weifse und Mischlinge dienen . Die Zahl dieser Freiwilligen wird auf 25 000 angegeben . Von dieser englisch - indischen Armee , welche nach unseren Angaben über 280 000 Mann zählt, urteilt unser russische Gewährsmann , wie folgt: Von allen „ eingeborenen" Truppen konnten die Engländer sich früher mit Sicherheit nur auf die Gurkhas verlassen . Daher erklärt es sich auch, dafs die alte Armee auf 130 000 Mann nur 40 Geschütze zählte , trotzdem die Inder besondere Vorliebe für die Artillerie haben. Heute sehen die Engländer, wie wir weiter erfahren werden, die Sache mit ganz andern Augen an. - Die Unterhaltung der gesammten indischen Armee kostet der Regier ung jährlich 170 Millionen Rubel. Dennoch war 1892, nach den von Charles Dilke und anderen Politikern öffentlich ausgesprochenen Anschauungen, dies Heer nicht im Stande , einem Angriffe der Russen zu widerstehen . Damals stand bereits Sir Brackenbury an ind Spi isc der des tze hen reo rganisirt" sein Heeres , durch welchen dasselbe heute derart sol l, dafs wie „ Autoritäten" behaupten , es getrost einen Angriff von Norden her erwarten kann. Sehen wir , inwieweit diese Zuversicht begründet ist. Nach 1891 befand sich die Mobilmachung der indischen Armee in den allerersten Anfängen und nicht eine einzige der heute Geltung habenden Bestimmungen war ausgearbeitet. Erst in jenem Jahre stellte

englisch-indische Armee.

227

eine unter Lord Roberts in Simla tagende Kommission die HauptGrundzüge der

Mobilmachung fest ,

deren Details

einer be-

sonderen Sektion des indischen Generalstabes unter Kapitän Kembol überwiesen wurden. Dieser entwarf die Ordre de bataille, legte zur Erleichterung der Mobilmachung in den hierfür geeigneten, strategisch wichtigen Punkten Verpflegungs-, Bekleidungsvorräte und Transportmittel nieder. Diese Arbeiten werden so sehr beschleunigt, dafs man hofft, im März 1897 diese Ausstattung für die ganze Armee bereit gestellt zu haben. Auch wurde das Personal für sämmtliche Stäbe festgestellt

und mit den

Direktionen , der Eisenbahnen die Fahr-

tableaux für die Konzentrirungen vereinbart.

Mit den Vorarbeiten

für die Mobilmachung gingen naturgemäfs die Erwägungen über die Schaffung der notwendigen Transportmittel Hand in Hand. Wie 1891 , so hat man auch in diesem Jahre die Zahl der für die Fortschaffung des Trains

so

notwendigen Maulesel

um 2000

vermehrt

und

ist

dabei, für die „ indische Armee " die Kadres eines Kameel-Korps “ zu formiren, wie es die englisch-egyptische Armee bereits besitzt . Der Fortschritt,

welchen die

eingeborene Armee gemacht hat,

wird ganz besonders veranschaulicht durch die Änderungen in ihrer Bewaffnung. Sir Brackenbury sah die Bewaffnungsfrage von ganz anderem Standpunkte aus an wie früher, und heute haben alle Feld- und reitenden Batterien derselben 12 pfündige Hinterlader ; durch die Aussetzung zahlreicher Preise und Verabfolgung reichlicher Munition für Schiefsübungen hat man gute Fahrer und eine geübte Bedienung ausgebildet. Die englische Infanterie ist bekanntlich mit den Gewehren Systems Lee-Metford bewaffnet, dessen kleines Kaliber Geschosse schiefst, deren Durchschlags-Kraft auf nahen Entfernungen nicht genügend sein soll, um einen energisch vorgehenden Gegner zu erschüttern. (?) ¹) Nun hofft man diesem Mangel durch eine Veränderung der Gestalt des Bisher fand man es nicht angezeigt, diese Geschosses abzuhelfen . Gewehre den eingeborenen Truppen zu geben, und man bewaffnete sie daher anstatt mit Snyder-Gewehren mit solchen des Systems glatte " Läufe und Die Snyder-Gewehre erhielten Henry-Martini. verwandt. wurden zur Bewaffnung der Miliz

In diesem Jahre hat man auch die Befestigungs - Arbeiten an der Nordwest - Grenze , der bedrohtesten und empfindlichsten , beendet, unter ihnen die Linie von Quettah und die grofsen Brückenköpfe am Indus bei Sukkur und Attok. Bei Rowul-Pindi wurde eine 1) Die Geschossarbeit des Lee- Metford-Gewehrs an der Mündung scheint allerdings verhältnifsmäfsig gering zu sein (264 mkg gegen z. B. 312,0 mkg unseres Gewehrs). Dennoch erscheint diese Ausstellung übertrieben.

Ein russisches Urteil über die eingeborene

228

Reihe von Forts erbaut, durch welche dieser Posten zu einem starken, befestigten Lager gemacht wurde.

Mit allen diesen, viele Zeit er-

fordernden Arbeiten haben sich die Engländer sehr beeilt ;

aber die

Erbauung der Zwischen-Batterien und Forts beschlofs man bis zum Augenblicke der Notwendigkeit zu verschieben, um dann sogleich das schnell veraltende Material an Geschützen durch neues zu ersetzen. Alle Munition für die Handfeuerwaffen und ein Teil der Artillerie - Geschosse werden heute in Indien selbst angefertigt, ebenso wie Sattelzeug u . s. w. In Cossipur ist eine Fabrik eröffnet,

welche Stahl bereitet und

Stahlgeschosse anfertigt, in Balasor ist eine besondere Versuchs- Kommission mit der Prüfung von Geschossen und Raketen beschäftigt. Mit Ausnahme des Kordits, jenes neuesten englischen Pulvers, welches aber nur 4 Jahre lang ohne Gefahr einer chemischen Veränderung im heiſsen Klima aufbewahrt werden kann , werden bereits alle Bedürfnisse der Armee in Indien angefertigt. Auch diese Emanzipation in industrieller Hinsicht vom Mutterlande ist als eine Stärkung der militärischen Stellung Englands in Indien anzusehen. Diese Veränderung vollzog sich ebenfalls in der Periode 1891-95. Die Engländer legen ein besonderes Gewicht darauf, dafs die bedeutendsten Garnisonen Indiens, wie Agra, Delhi, Luknow, Allahabad u. a. nunmehr mit gutem Trinkwasser versehen sind, und dafs hieraus auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Truppen geschlossen werden könne, doch hängt die Hygiene nicht nur vom Wasser ab, und diese Medaille hat auch ihre Kehrseite . - Mehr als der Gesundheitszustand der Truppen ist die Remontirung der berittenen Waffen gehoben worden. Für die Artillerie und für fast die ganze Kavallerie kaufte man früher die Pferde in Australien. Der Preis derselben stieg von Jahr zu Jahr, je mehr die indische Rupie im Werte fiel . Heute aber sind schon drei Kavallerie-Regimenter mit einheimischen Pferden beritten . Da die Eingeborenen die Fohlen schon vom 6. Monate an in Gebrauch nehmen, so dafs aus diesem Grunde und infolge der ungenügenden Nahrung die Pferde im dienstbrauchbaren Alter für die Armee völlig ungeeignet sind, hat die Regierung in Ahmednagor, Chapur und Kupal eine Art Remonte- Depots errichtet, in welchen die

ganz jung angekauften Fohlen bis zum

5. Jahre gepflegt werden . Die

wichtigsten

Reformen

haben

auf

dem

Gebiete

der Organisation der Eingeborenen - Armee stattgefunden. Bis in die neueste Zeit waren die Eingeborenen - Truppenteile „gemischt“ ; d . h. es dienten in einem und demselben Regiment die verschiedensten Kasten und Anhänger verschiedener Religionen.

Jetzt hat

man die Religions- und Bevölkerungs -Klassen

englisch-indische Armee.

229

getrennt und verschiedenen Truppenteilen überwiesen. Dies ist natürlich vom rein militärischen Standpunkte aus sehr vorteilhaft ; wenn man diese Mafsregel bisher nicht durchgeführt hatte, so geschah dies Man hatte Grund zur Befürchtung, aus rein politischen Gründen . dafs den aus Eingeborenen gebildeten Truppenteilen

hierdurch eine

solche Einheitlichkeit und Stammesgemeinschaft gegeben würde, dafs dieselbe bei einem etwaigen Aufstande sehr gefährlich werden könnte. Wenn man nun heute diese lange aufgeschobene Reform und die Vermehrung der Eingeborenen-Artillerie einführt, so beweist dies, daſs England entweder grofses Vertrauen zu der Hingebung der Inder hat oder dafs man vor allem bestrebt ist, den aus ihnen gebildeten Truppen ein möglichst hohes Maſs von kriegerischer Brauchbarkeit zu geben, indem man hierbei übersieht, dafs letztere auch einmal sich den 17 Organisatoren " gegenüber empfindlich fühlbar machen könnte. Nach Beispielen darf man ja nicht weit suchen ! Die Engländer glauben aber auch ferner , dafs die Verteilung nach Kasten und Religionen sich günstig äussern werde mit Bezug auf die Qualität der angeworbenen Rekruten , da sich mehr Leute besserer Gesellschaftsklassen zum Eintritt in die Armee entschliefsen würden als bei dem bisherigen „gemischten System" . Dies Kalkul ist unbedingt richtig, namentlich wenn man an die Unduldsamkeit der Mohammedaner, die Feindschaft der einzelnen Sekten unter einander u. s. w. denkt. Doch mehr noch als dies mag auch die Erhöhung des auf Anregung von Sir Henry Brackenbury verbesserten Soldes und der sonstigen materiellen Lage des Soldaten hierzu beitragen.

Hierzu mufs man auch rechnen, daſs

sich die Regierung neuerdings entschlofs,

selbst Kasernen zu bauen

und zu unterhalten, während dies früher Sache der Truppenteile war. Andererseits drängt sich unwillkürlich die Beobachtung auf, als sei die indische Armee in den letzten Jahren trotz der Annexion verschiedener Grenzgebiete

numerisch nicht gewachsen, und habe man

sich bei dieser Gelegenheit nur zu Garnisonen entschlossen .

einer anderen Gruppirung der

Nur die „ Armee- Reserve" ist von 7093 am

1. April 1891 bis auf 16567 Mann im Jahre 1895 verstärkt worden¹ ). Diese für gewöhnlich in ihrer Heimat lebenden Reservisten gestellen sich stets pünktlich zu den pflichtmäſsigen Übungen in den Regimentern und machen den Eindruck erfahrener und gut ausgebildeter Soldaten. Man darf sie als ein im Falle eines Krieges sehr wertvolles Element der Armee ansehen. Einen grofsen Fortschritt hat auch das Institut der „Freiwilligen“ (Volunteers) gemacht. Unter ihnen befinden sich nicht weniger als ¹) Siehe hierzu unsere im Eingange dieses Artikels gemachte Erläuterung.

Ein russisches Urteil über die eingeborene

230

24000 sogenannte „efficients " , d . h. Leute,

welche in der aktiven

Armee gedient haben. Vom Jahre 1896 ab ist dem Vize-König von Indien das Recht verliehen worden, sie, sobald es ihm notwendig erscheint, zum Dienst einzuberufen. Während der Dauer dieser Einberufung erhalten die Freiwilligen Sold und anderweitige Kompetenzen und im Falle der Verwundung oder des Todes Pensionen für sich, bezw. für ihre Hinterbliebenen. Eine sehr schaffung des

wichtige Verbesserung ist ferner die AbSystems der Presidences" und seine Er-

setzung durch die Einteilung in „Korps ". Bis zum 1. April 1895 wurde das gesammte englisch-indische Heer in 3 den Präsidentschaften entsprechenden Armeen von Madras, Bengal und Bombay eingeteilt. Hierzu kamen noch einige abgesonderte Abteilungen. - Nach langen Erwägungen wurde diese lokale" Organisation aufgehoben und die Einteilung in Korps eingeführt, welche sich bereits vortrefflich bewährt hat¹). Über die oben kurz charakterisirte Bedeutung der Einrichtung

des

Imperial Service " spricht sich unser russischer Gewährsmann wie folgt aus: „Die Regierung vergafs bei der Umformung der „Ein-

geborenen-Armee"

auch nicht die Streitkräfte der sogenannten „ unabhängigen Radschahs und Maharadschahs. Diese Fürsten unterhalten Streitkräfte, deren Zahl bei weitem die Stärke der englisch-indischen Armee übertrifft und beherrschen Gebiete von einer Gesammt-Ober-

fläche von ca. 550 000 Einwohner .

englischen Quadrat-Meilen mit 55 Millionen

Ebenso zahlreich wie diese Streitkräfte waren, ebenso wenig Die Engländer bedisziplinirt und ausgebildet waren sie auch. schlossen daher, dieselben aus „zivilisatorischen und anderen Rücksichten" umzuformen und sie allmählich durch die Truppen des sogenannten „ Impérial Service" zu ersetzen, welche nicht allein brauchbarer für den Kriegsfall, sondern auch vor allem völlig in der Hand der Regierung sein mussten. ¹) Für den nicht genauer in den englisch-indischen Verhältnissen Orientirten sei erwähnt, daſs die Armee in 4 Armeekorps geteilt ist, welche von Generallieutenants kommandirt, unmittelbar dem Oberbefehlshaber des indischen Heeres unterstellt sind : Das Pundjab-Kommando (Generallieutenant Sir William Ellis, Stabsquartier Murnee, 54 Bataillone, 18 Kavallerie- Regimenter, 33 Batterien), das Bengal-Kommando (Generallieutenant Sir W. Lockhardt, Stabsquartier Naini Tal. 40 Bataillone, 12 Kavallerie-Regimenter, 23 Batterien, 8 PionierKompagnien), das Madras-Kommando (Generallieutenant C. M. Clarke, Stabsquartier Oatacamund, 42 Bataillone, 5 Kavallerie-Regimenter, 13 Batterien, 9 Pionierkompagnien) und das Bombay-Kommando (Generallieutenant Nairun, Stabsquartier Poona, 38 Bataillone, 8 Kavallerie- Regimenter, 28 Batterien, 5 Pionier-Kompagnien).

englisch-indische Armee.

231

Diese Aufgabe wurde dem Obersten Melliss übertragen. Nach fünfjähriger Thätigkeit ist es diesem Offizier gelungen, 9015 Mann Infanterie, 7970 Mann Kavallerie,

286 Artilleristen (mit Bezug auf

diese Waffe haben die Engländer die frühere Vorsicht bewahrt), 303 Sappeure, 942 Mann Train und ein Kameel-Reiter-Korps von 497 Mann 18 710 Mann mit 600 Fahrzeugen und 1400 Zug- bezw. Trag-Pferden aufzustellen . Dafs der „Imperial Service" schon ein gutes Element militärischer Kraft darstellt, beweist am besten die Teilnahme einiger Truppenteile desselben am Feldzuge in Tschitral .

Dieselben gehörten den Staaten

Kaschmir, Gwalior und Dschaipur an . Ein bekannter, junger, englischer Militär-Schriftsteller findet in seinem umfangreichen Werke über den Tschitral-Feldzug nicht Worte des Lobes genug für die Haltung dieser Truppen. Um so besser für die Engländer.

Aber gegen wen sind alle

diese Reformen gerichtet ? Gegen die allerweltbekannte Vogelscheuche ( pugal ) , gegen den russischen Einfall ? England hat in Indien einen weit ernsteren Feind

, ganz abgesehen von den Heeren

des Nisam , von Nepal , Kasch mir u. s. w. ein viel mehr zu fürchtendes Element

Es giebt in Indien das ist die Ver-

breitung der Bildung und der schnelle Fortschritt der Civilisation , welche die Engländer selbst nach Indien gebracht und dort verbreitet haben. Die Verbreitung der Aufklärung unter den Indern belebte das nationale Selbstgefühl derselben .

Und wenn es den

Engländern auch bisher gelang, den Antagonismus zwischen den einzelnen Rassen und Kasten aufrecht zu erhalten, so haben doch die letzteren sämmtlich nur ein Allen gemeinsames Gefühl den Hafs gegen ihre Besieger . Ungerechtigkeit und Rechtslosigkeit herrschen im Lande, und die eingeborene Presse " hört nicht auf zu predigen,

dafs 11 Indien den

Indern gehören müsse . “ Die Herren des Landes aber geben sich den Anschein, als wenn sie die berechtigten Klagen der unzufriedenen und erregten Bevölkerung nicht hörten. Ein Funke aber kann genügen, um eine Explosion zu verursachen, deren Folge wir selbst unserem Feinde nicht wünschen. Und die Engländer sind doch nicht unsere Feinde ... Man darf nur

erinnern an die Manifestationen der Inder zu

Ehren des Lord Ripon , welcher von Gladstone seiner liberalen Reformen wegen von seinem Posten in Indien abberufen wurde. Solche Erinnerungen entschwinden nicht aus dem Volskbewuſst-

Ein russisches Urteil über die eingeborene englisch-indische Armee.

232 sein "

sagt

das „ Memorial Diplomatique" -,

ganz

gewifs aber

nicht aus dem Bewusstsein eines niedergeworfenen und geknechteten Volkes. Die Feinde Rufslands kennen aber die schwache Seite der britischen Herrschaft in Indien ganz genau.

Sir Dilke bemerkte ja einst-

mals mit Kummer, dafs die Russen besser über das, was in Indien vorgeht, unterrichtet seien, als die Engländer selbst. " Diese Anschauung wird auch - so mufs man annehmen von anderen Politikern an den Ufern der Themse geteilt. Anders kann man doch nicht die Erregungen im Jahre 1885 verstehen die - und die Merwousness" wie der unvergessliche Skobeleff sagte n neue Panik in Folge der Eisenbahn Kuschk-Merw. Vergeblich versichern wir, dafs die Sorge der russischen Regierung ausschliesslich auf die friedliche Entwickelung der Dinge in unserem Central-Asien gerichtet ist, dafs wir von dem Gedanken an eine Eroberung Indiens weit entfernt sind . Vergebens predigen unsere offiziellen Organe, dafs 17 Rufsland nicht einen Schritt vorwärts thut, ohne hierzu nicht durch Afghanistan und England veranlafst zu werden. " Die englischen Chauvinisten fahren bei jeder Nachricht aus Central-Asien vor Schreck zusammen, nehmen Reifsaus¹ ) mit dem Geschrei : „ Die Russen kommen, die Russen sind an der Schwelle Indiens !" „ Doch das ist ihre Angelegenheit. scheidung eines Höheren erwarten. "

Wir können ruhig die Ent-

So weit das Urteil des russischen, anscheinend sehr gut mit den Verhältnissen Indiens vertrauten Offiziers. Ob Russland so unschuldig

England gegenüber ist, sei dahin-

gestellt ! Selbstlosigkeit ist unseres Erachtens ebenso wenig eine Charakter-Eigenschaft der russischen wie der englischen Staatsmänner. Jedenfalls hat England nur ein Gebot der Pflicht gegen sich selbst erfüllt, als es den unhaltbaren Zuständen in seiner indischen Armee ein Ende machte. Zukunft lehren !

Mit welchem Erfolge dies geschah, kann erst die 17.

1 ) Russisch sakussüwajut udila ; d . h. beiſsen auf das Gebifs, gehen durch.

XVI .

Die Wirkung der Handfeuerwaffen .

Angeregt durch die Vorträge, welche im Auftrage des Generalstabsarztes der Königlich Preufsischen Armee Prof. Dr. von Coler auf dem internationalen medizinischen Kongrefs in Rom im Jahre 1894 vom Oberstabsarzt Dr. Schjerning gehalten wurden , hat der schweizerische Oberst H. Bircher , Korpsarzt des II . Armee - Korps zur Prüfung der hierdurch in die wissenschaftliche Anschauung hineingebrachten Meinungsverschiedenheit über den humanen " Charakter der Wirkung des modernen Geschosses, während zweier Jahre wieder Schiefsversuche angestellt. Seit etwa 10 Jahren war die Anschauung von der „ humaneren" Wirkung des kleinkalibrigen StahlmantelAuf Grund seiner Versuche geschosses ziemlich allgemein gewesen . erklärte von Coler dann diese Anschauung als eine unwiederbringlich Das Ergebnifs seiner Schiefsversuche hat Bircher nun verlorene. wieder in einer Schrift, betitelt 17 Neue Untersuchungen über die Wirkung der Handfeuerwaffen " nebst Beilage eines Atlas mit 40 Tafeln (Aarau, Verlag von H. R. Sauerländer & Co. 1896) der Öffentlichkeit übergeben . Der Lösung dieser Frage sind die beiden ersten Abschnitte der Schrift :

Die bisherigen Anschauungen über das Entstehen und die Arten der Schufsverletzungen " und : „Die Wirkung der kleinkalibrigen Mantelgeschosse " gewidmet. - Die Schrift

beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern sie erörtert in ihrem dritten Abschnitte, betitelt „ Die Dignität der Schufsverletzungen und der Einflufs der Geschofswirkung auf die Taktik und Kriegschirurgie " , an der Hand der bei den Schiefsübungen gemachten Erfahrungen und auf Grund zahlreicher Rekognoszirungen der Schlachtfelder in Elsafs-Lothringen auch die wichtige Frage, welchen Einfluss die modernen Handfeuerwaffen voraussichtlich auf den Feldsanitätsdienst kommender Kriege ausüben werden. Hiermit zerfällt die nur 111 Oktavseiten umfassende Schrift gewissermafsen in einen theoretischen und in einen praktischen Teil, und bringt soviele anregende Gedanken und von neuen Gesichtspunkten aus beleuchtete Ansichten und Vorschläge, dafs ihr Erscheinen mit Freuden begrüfst werden mufs, und ihre Lektüre allen Kreisen, welche sich für diese militärisch und feldärztlich gleich wichtigen Fragen interessiren, nur Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 102, 2. 16

234

Die Wirkung der Hanfeuerwaffen.

warm empfohlen werden kann.

-

Die als Beilage der Schrift mit-

gegebenen Tafeln sind sehr sauber ausgeführt .

Sie enthalten Dar-

stellungen über das Ergebnifs der Schiefsversuche und Croquis einzelner Terrainabschnitte von den Schlachtfeldern und erläutern äusserst anschaulich den Text des in gutem Druck hergestellten Buches. Es ist bekannt, dafs das kleinkalibrige Gewehr an Tragweite, Rasanz und Perkussion , sowie auch an Feuergeschwindigkeit gewonnen hat .

Von früher gebräuchlichen Deckungen, wie Erdaufwürfe,

Mauern, Bäume u. dgl., ist fortan kein genügender Schutz mehr zu erwarten . Als Zeichen von der ungemeinen Durchschlagskraft sei hier noch ein von uns beobachteter Fall erwähnt.

Ein Soldat erhielt

in der Kasernenstube eine Weichteilwunde durch den Hals von einem Projektil, mit welchem sich ein Selbstmörder in dem darunter gelegenen Zimmer getötet hatte. Das Geschofs war durch die Decke des Zimmers gedrungen, und hatte dann erst nach der Verwundung des zweiten Soldaten in der Wand dieses Zimmers seine Kraft verloren. — Die Menge der weithin über das Schlachtfeld fliegenden Geschosse, von welchen jedes die Kraft besitzt, mehrere Feinde kampfunfähig zu machen, läfst eine bedeutende Vermehrung der Zahl der Verwundeten annehmen. Aber (so wurde aus dem fast um die Hälfte geringeren Kaliber der Geschosse, und aus der vermeinten Verhütung ihrer Deformation beim Aufschlagen durch den harten Stahlmantel, sowie aus der vermehrten Geschwindigkeit der Geschosse von vornherein geschlossen ) die Wundkanäle werden nur eng und glattwandig sein,

und dies eine Herabminderung der Todesfälle und

einen weit gröfseren Prozentsatz von schnellen und völligen Heilungen zur Folge haben. Diese Annahme brachte das neue Gewehr in den Ruf einer ,,humaneren " Wirkung auf den menschlichen Körper, ein Ruhm, welcher dann durch die von der Preufsischen Militär- MedizinalAbteilung

angestellten Versuche,

A. Demosthen ,

welche

durch

die

Schriften von

Dr. Habart u. a. voll bestätigt wurden,

stark er-

schüttert, ja als definitiv verloren bezeichnet wurde. Auch in dem Ergebnis der Bircher'schen Schiefsversuche haben wir keine Widerlegung der von den anderen Autoren gemachten Beobachtungen erkennen können . Der Verfasser hat zwar die von Coler angenommene Kreiselbewegung der Geschosse nicht gefunden, bestätigt aber 1. die Deformirung der Stahlmantelgeschosse, 2. die bei ihnen wegen ihrer gröfseren Länge leichter vorkommenden Querschläger, 3. die an den Knochen beobachteten Fissuren und Zersplitterungen, (für welche er mit Dr. T. Bornhaupt die Keilwirkung des Geschosses auf die fest-elastischen Knochenwände neben dem hydraulischen Druck

Die Wirkung der Handfeuerwaffen.

235

verantwortlich macht), 4. die durch das Mitreifsen losgelöster Knochensplitter und dergl. am Ausschuſs vorkommenden Weichteilzerstörungen, die ausgedehnten Zerreifsungen innerer Organe, und 5. die seitliche, sowie centrale glatte Durchtrennung der Gefäfswände, welche zur schnellen Verblutung führte. Nach Bircher lassen sich die früher angenommenen Wirkungs-

zonen der Geschosse jetzt unmöglich mehr abgrenzen.

Er ist zu dem Schlusse gekommen, dafs die reinen Defekte , Lochschüsse und Schlitze,

ebenso aber auch die Lochschüsse mit Fissuren und Splitterung, sowie sekundäre starke Weichteilverletzung und weite Schufskanäle bis zur Zersplitterung des Organs bei Schüssen auf alle Distanzen vorkommen. Bezüglich der letzteren beiden Arten hat er aber im Verhältnis zur gröfseren Entfernung des Schützen eine Verminderung der gefährlichen Komplikationen beobachtet, sodafs nach seiner Ansicht diese Wunden ein günstiges Heilresultat versprechen . - Die Zahl der tödtlichen Schüsse berechnet der Verfasser auf 25 % (5 % mehr, wie bei den früheren Geschossen), die der schweren Verwundungen dagegen nur auf 15, und die der leichten Verwundungen auf 60 % in Prozenten der Angriffsflächen. - Tödtlich nennt er alle Kopf- und Bauchschüsse, und die Verletzungen des Herzens und der grofsen Gefäfse ; auch nimmt er an, daſs die Arten der Verletzungen in den Feldschlachten künftiger Kriege mehr dem früher im Belagerungskriege beobachteten Verhältnisse entsprechen werden. Er erläutert dies durch folgende Tabelle : Beine Rumpf Arme Kopf 12 18 40 30 Bisherige Feldschlacht %

15 30 " Belagerungskrieg 15 20 Zukünftige Feldschlacht "1 Bircher kommt zu dem Schlufsergebnifs ,

25

30

30

35.

dafs seiner Meinung

nach von „inhumaneren " Waffen nicht gesprochen werden könne, und führt für diese seine Ansicht auch noch die mit dem kleinkalibrigen Gewehr bei den bisherigen Gefechten gemachten Beobachtungen an, dafs der Choc beim Einschlagen des Geschosses in den Körper ein sehr geringer sei. Der Getroffene falle nicht sofort, sondern marschire und kämpfe noch weiter, sodafs zu erwägen sei, ob das moderne Gewehr im humanen Sinne nicht schon über die Grenze der an dasselbe zu stellenden Anforderung, den Gegner kampfunfähig zu machen, hinausgegangen sei. So dankbar und zustimmend wir es auch anerkennen , dafs durch diese Schlufsfolgerungen von kompetenter Seite

dem Soldaten die

Furcht vor der Wirkung der Geschosse (bei Erhaltung des vollen Vertrauens zu der Vorzüglichkeit seiner Waffe) genommen und ge16*

Die Wirkung der Handfeuerwaffen.

236

zeigt wird, dafs und wie er sich bei richtiger taktischer Ausnutzung der Terrainverhältnisse auch in zukünftigen Kriegen gegen Verwundung schützen und bei kaltblütiger Ausnutzung der Treffsicherheit seines Gewehrs auch auf weite Entfernung schon den Feind kampfunfähig machen und gewiſsermafsen aus seiner Stellung heraus schiefsen kann, anstatt ihn wie früher mit dem Bajonnet daraus zu vertreiben, so müssen wir doch bedauern,

dem Gedankengange des

Verfassers nicht in allen Punkten beipflichten zu können. - Soviel uns bekannt, haben die genannten Autoren dem kleinkalibrigen Gewehre nicht die Bedeutung einer „inhumaneren " Waffe im Vergleich zu dem früheren Gewehr beilegen, sondern nur die bisher herrschende Ansicht von einer „ humaneren " Wirkung auf den menschlichen Körper an der Hand der bei ihren Schiefsversuchen beobachteten ganz enormen Zerstörungen der Gewebe und der gröſseren Ungunst des Verhaltens der jetzigen Gefäfsverletzungen als nicht zutreffend beseitigen wollen. -- Nach dieser Richtung haben wir in den neuen Untersuchungen des Oberst Bircher nur eine positive Bestätigung des Ergebnisses der seitens der Königlich Preufsischen Militär -Medizinal - Abteilung können.

angeordneten

Schiefsversuche

Wie sich das Verhältnifs der Verwundeten

erkennen

in quantitativer und

qualitativer Hinsicht fortan gegen früher bei einer grofsen Feldschlacht gestalten wird, darüber fehlt uns noch jede Erfahrung, und theoretische Erwägungen und Berechnungen verlieren an ihrem Werte, ebenso wie bekanntlich auch das Gefechtsbild bei den Feldmanövern immer nur ein mehr oder weniger relativ richtiges genannt werden kann. Wie enorm grofs in einzelnen Gefechtslagen die Verluste deutscher Truppenteile bei der Überlegenheit des Chassepotgewehres schon im Feldzuge von 1870/71

gewesen sind,

führt Bircher selbst an.

So

hatten z . B. die 5. und 8. Kompagnie des 35. Regiments beim Überschreiten der Kirchofshöhe in der Schlacht von Vionville durch Fernfeuer von 1 Kilometer in nicht ganz 5 Minuten 38,6 % Verluste . Bei Mars la Tour betrugen die Verluste des 57. Regiments etwa 250 Meter vor der feindlichen Stellung bis der sogenannte „ Grund “ erreicht wurde rund 20 %Durch den moralischen Eindruck dieser Verluste waren die betreffenden Truppen kampfunfähig gemacht ; Hoenig sagt : Kein Gott hätte die Leute mehr vorwärts bringen können. " Die Notwendigkeit, näher an den Feind heran zu kommen , war durch die Minderwertigkeit

des Zündnadelgewehrs

bedingt, dessen Treffsicherheit erst bei näheren Distanzen begann ; es mufste, um überhaupt zu Schufs zu kommen, die Geschofsgarbe

Die Wirkung der Handfeuerwaffen. des

weittragenden

Chassepotgewehres

durchstürmt

nicht gelingen wollte gedeckt vorzugehen . Zündnadelgewehrs , welche

237 werden,

wo

es

Und wenn die Treffer des

1864 noch 1,5 % betrugen, 1870/71 auf

0,7 % zurückgegangen sind, so erklärt sich dies eben daraus , dafs das überlegene Chassepotgewehr

die

deutsche Armee zwang ,

das

Feuergefecht auch schon auf Entfernnungen zu beginnen, welche der Waffe nur einen unsicheren Schufs gestattete.

Wird dieser Grund infolge der neuen Waffe bei einem späteren Kriege nun auch fortfallen, so werden ähnliche Momente wie die genannten, auch in den zukünftigen Schlachten trotz der besten Übung in der Terrainkunde voraussichtlich doch nicht zu vermeiden sein . Führt Bircher doch selbst an , daſs die Terrainwellen die Horizontalschüsse vielfach in Bogenschüsse umwandeln werden, und dafs mit der Trefferweite des Gewehrs und der Distanzzunahme des Feuergefechts auch die Zahl der Fehlschüsse prozentualiter steigen, das heifst also, dafs hinter der beschossenen Feuerlinie ein dichter Streukegel von Geschossen vorhanden

sein wird,

welcher die Truppen,

wenn sie

nicht feige schon vor dem noch unsichtbaren Feinde fliehen wollen , zwingt, die Gefahr im schnellen Vormarsch zu überwinden, um möglichst bald den vor ihnen liegenden todten Winkel zu erreichen und in die Feuerlinie zu kommen. Die Aufmarsch- , Bischer unterscheidet taktisch 3 Zonen: Entwickelungs- und Entscheidungszone . Erstere reicht bis auf 1500 Meter an den Feind heran (umfafst also, da das kleinkalibrige Gewehr bis auf 4000 Meter trägt, unter Umständen eine Terraintiefe von 2500 Meter). Letztere beginnt mit einer Entfernung von 500 bis 600 Meter vom Feinde. Die zwischen beiden liegenden , und dem Feuergefecht dienenden 1000 Meter gehören der Entwicklungszone an. Die Verluste berechnet der Verfasser für die erste und dritte Zone mit 25 % für die zweite Zone mit 50 % ; und auf 3 Verwundete zählt er einen Todten. --- Es werden hiernach schon weit vom Feinde entfernt zahlreiche Verwundete dürfen, doppelt und dreifach

der ärztlichen Hülfe be-

soviel aber in der Enwickelungs- und

Entscheidungszone zerstreut, oder an geschützten Punkten in Nestern Die von vereint, der Hülfe, Erquickung und Bergung harren . Bircher auf den Schlachtfeldern in Elsafs-Lothringen vorgenommenen Messungen haben nun ergeben, dafs daselbst in der Entwickelungszone überall geschützte und für Truppenverbandplätze geeignete Orte vorhanden waren , welche teilweise auch für diese Zwecke benutzt worden sind. Hiermit kommen wir zu dem letzten Teile des dritten Abschnitts der Bircher'schen Schrift, welcher den Feldsanitätsdienst behandelt.

238

Die Wirkung der Handfeuerwaffen.

Wir können den Ausführungen des Verfassers in allen Punkten nur zustimmen, und müssen es besonders anerkennend hervorheben, dafs derselbe, gestützt auf das reichhaltige Ergebnifs seiner vielseitigen und umfangreichen diesbezüglichen Studien , so mutig und beweisführend den Ansichten derjenigen Autoren entgegentritt, welche wie z. B. Dr. Habart die Verbandplätze aufserhalb des Feuerbereichs, d. h. also rund 3500 m vom Feinde entfernt, angelegt wissen wollen. Auf solche weiten Entfernungen können schon Verwundungen erwartet werden, und würde doch - von der Theorie in die Praxis übertragen nicht das Metermafs, sondern der erste hülfesuchende Verwundete die Grenze bestimmen, wo der Feuerbereich beginnt. Wir sprechen nicht nur geleitet durch die sehr richtigen und klar beweisenden Ausführungen Bircher's, sondern auch aus einer in den letzten Feldzügen gesammelten

eigenen

Erfahrung ,

wenn

wir be-

haupten, dafs die hier angelegten Verbandplätze für die Truppen voraussichtlich bis zur Entscheidung des Gefechts verloren sind ; sie sind von den kämpfenden Truppen durch die Geschofsgarben des Fehlfeuers getrennt ; von einem Verwundetentransport durch dies Gelände kann selbstverständlich nicht die Rede sein ; und sind geschützte und gefahrlos passirbare Wege vorhanden, so sind sie zweifellos von den vorrückenden Sanitätskolonnen und nicht von den zurücktransportirten Verwundeten zu benutzen.

-

Soll also dort, wo die meisten und

schwersten Verwundeten der Hülfe harren, der Feldsanitätsapparat nicht ganz versagen, so darf sich das zu den Truppen gehörende Sanitätspersonal bei den in der Aufmarschzone befindlichen Verwundeten nicht länger aufhalten, selbst gestattet.

als

es die Rast dieser Truppen

Dann aber heifst es unter der geübten taktischen

Führung des Truppenbefehlshabers, der Truppe auch weiter zu folgen und alle Gefahren mit ihr zu teilen, bis für die Truppe der Augenblick zum Eingreifen in das Gefecht gekommen ist. Hierfür den richtigen Platz zu finden, ist die Aufgabe des Truppenführers ;

und

auf dem Vormarsche nach einem geeigneten Platze für einen Verbandplatz auszuspähen, die Aufgabe des Sanitätsoffiziers. Zur Vorübung für diese Thätigkeit sind bei der preussischen Armee vielfach Übungen im Feldsanitätsdienst mit den Herbstmanövern verbunden worden. Es sollte unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Feldsanitätsordnung ein möglichst vollständiges Bild dieser ärztlichen Thätigkeit gegeben werden. Die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit der Lösung dieser Aufgabe ergiebt sich daraus, dafs die feldärztliche Thätigkeit im Kriegsfalle meist wohl erst Gefechtsmoment beginnen wird,

in dem

in welchem auf dem Manöverfelde

„ Gewehr in Ruh " geblasen wird . -- Man könnte sich vielleicht vorteil-

239

Die Wirkung der Handfeuerwaffen.

hafter darauf beschränken , nur die Truppenverbandplätze auf dem Manöverfelde zu markiren, um das Auge in der Schätzung der Terrainverhältnisse

zu üben ; den Platz für den Hauptverbandplatz aber nach der Karte zu bestimmen. - Wir halten derartige Übungen für unverkennbar nützlich, und enthält die Bircher'sche Schrift gerade auch nach dieser Richtung sehr wichtige Ratschläge. Bircher beansprucht für einen Regimentsverbandplatz eine Ausdehnung von 100 m Breite und 50 m Tiefe. Aus der Flugbahn der Geschosse hat er berechnet, dafs nicht nur zur Lagerung von Verwundeten,

sondern

auch, um gefahrlos stehen und umhergehen zu

können, für einen Raum bis auf 100 m Tiefe folgende Deckungshöhen vorhanden sein müssen : Unmittelbar vor oder Mitte zwischen dem Verbandplatz uns und dem Gegner Anhöhe von I. 500 m von eigener Erdwall, Böschung

Feuerlinie

8 m hoch

16 m .

16 m hoch

47 m.

25 m hoch

125 m.

II. 1000 m von eigener Feuerlinie III. 1500 m von eigener Feuerlinie Da die

deckenden Höhen je näher an der Feuerlinie um SO

niedriger zu sein brauchen, so sollte nach Bircher der Truppenverbandplatz höchstens 1000 m von der eigenen Feuerlinie entfernt sein. Dafs

Bircher innerhalb der Entwickelungszone bei seiner Re-

kognoszirung der Schlachtfelder derartige Terrainsenkungen aufgefunden hat, ist bereits erwähnt ; ob sie aber auch während des Gefechtes für diesen Zweck frei waren, das ist eine Frage, welche sich nachträglich nicht mehr entscheiden läfst . Naturgemäſs werden Truppen und Verwundete gern die Deckung der schon weithin erkennbaren Wälder und Gebäude aufsuchen. Der Warnruf, die Verbandplätze nicht im Innern der Häuser und nicht hinter dünnbestandenen Laubwäldern anzulegen, sondern dann hinter den Häusern in angemessener Ferne zu bleiben und lieber Thaleinschnitte als wie Waldungen zu benutzen, ist sehr beherzigenswert. Wir sind auch durch die Feldsanitätsordnung darauf hingewiesen worden, dafs nicht die genügende Deckung allein die Brauchbarkeit eines Platzes zum Verband- oder Sammelplatz bestimmt, sondern dafs die Frage nach einer genügenden Wasserversorgung mindestens die In der Nähe von Wohngebäuden ist gleiche Berechtigung hat. sicher immer Wasser zu finden, aber auch mehr noch bietet sich dort zur Erquickung der ermatteten Verwundeten dar, und wenn es

240

Die Wirkung der Handfeuerwaffen.

nichts wäre, wie die Feuerstelle mit etwas Holzvorrat,

um aus den

im Brotbeutel noch vorhandenen Beständen wenigstens eine warme Suppe oder Kaffee bereiten zu können . Vor Eintritt der Entscheidung der Schlacht oder aber der schützenden Dunkelheit wird in den meisten Fällen wohl von einem geregelten Verwundetentransport nach dem Hauptverbandplatz oder aber nach den Feldlazarethen nicht die Rede sein können. - Beide Sanitätsformationen haben die Aufgabe, wohl bereit zu stehen, sich aber nicht zu früh zu etabliren. Zuerst liegt ihnen ob, für die in der hintersten Reihe Erst wenn der Truppen vorgefundenen Verwundeten zu sorgen. das Gefecht zum Stehen gekommen ist, können die Sanitätsdetachements daran denken, den Hauptverbandplatz zu etabliren, giebt es sich aus dem Vorstehenden von selbst,

und er-

dafs auch sie jeden

gedeckten Weg dazu zu benutzen haben, um der Feuerlinie möglichst nahe zu sein. Der kriegschirurgische Grundsatz , dafs die feldärztliche Thätigkeit bei den Verwundeten auf dem Schlachtfelde zu beginnen habe, darf unter der vervollkommneteren Technik der Waffen nicht leiden, und sind wir davon überzeugt ,

dafs auch in künftigen Kriegen , wie

in den verflossenen, das deutsche Sanitätskorps , getrieben durch das ihm innewohnende Pflicht- und Ehrgefühl, den Anschauungen und Anforderungen des Oberst Bircher einmütig nnd unbedingt Heeresfolge leisten und sich nicht durch die freilich weit bequemeren und ungefährlicheren Erwägungen derjenigen Autoren leiten lassen wird, welche ausserhalb der Feuerweite bleiben und warten wollen , bis die Verwundeten den Weg zu ihnen gefunden haben. Wir haben die Auffassung ,

dafs der bisher übliche Unterschied

bei den Kriegs-

erinnerungszeichen und Dekorationsverleihungen an Kombattanten oder Nichtkombattanten, für den Feldarzt, welcher bei den Sanitätsformationen in den ersten Reihen thätig ist, nur eine ehrende Anerkennung des von ihm verlangten und gezeigten, hocherhabenen, moralischen Mutes bedeuten kann, dafs er, ohne kämpfend seinem Selbsterhaltungstriebe folgen zu dürfen , doch die Gefahren des Schlachtfeldes mit den Truppen in Ausübung seines Berufes geteilt hat. -n.

XVII.

Militärische Nachrichten aus Rumänien.

Unter obigem Titel veröffentlicht der

Russische Invalide " 1) einen

Aufsatz, welcher, bei der im Allgemeinen geringen Bekanntschaft mit der rumänischen Armee, auch für uns von Interesse sein dürfte, weshalb

wir in Folgendem eine Übersetzung des Aufsatzes im Auszuge

wiedergeben. Einer der Haupt-Mängel der rumänischen Armee bestand bis zum heutigen Tage in dem Umstande, dafs die Streitkräfte des Landes nicht vollkommen jenen Anforderungen entsprachen, welche im Kriegsfalle an die rumänische Armee gestellt werden können. In Anbetracht der verhältnifsmäfsig grofsen Ausdehnung der Grenzen, welche

zum

mindesten Beobachtung erfordern , hat Rumänien im Verlaufe der letzten Jahre die Befestigungen von Bukarest und der Sereth-Linie aufgeführt,

wodurch es erforderlich geworden war,

die gesammte

rumänische Feld-Armee zur Besetzung dieser Befestigungen und zur Sicherung der Grenzen zu verwenden. Diese Sachlage hatte schon längst die Aufmerksamkeit der Heeresverwaltung auf sich gezogen, aber erst in diesem Jahre ist der entscheidende

Schritt geschehen,

um die rumänische Armee von den

Fesseln zu befreien, welche ihr die ausgedehnten Befestigungen des Landes auferlegt hatten . Indessen kann dieser Schritt als entscheidend vorläufig nur insofern angesehen werden, als er den ersten Versuch zu einer festeren Gestaltung der Organisation der Truppen der zweiten und dritten Linie, d. h., nach der rumänischen Terminologie, der Miliz (Landwehr) und der Glöte (Landsturm), bildet.

Diese Kategorien von Truppen be-

standen bis jetzt nur auf dem Papier, besafsen weder Friedensstämme , noch irgend sonstige Vorräte, noch überhaupt irgend eine bestimmte Organisation . Jetzt nun ist in jedem der in dem eigentlichen Rumänien, d. h . auf dem linken Donau-Ufer, befindlichen 32 Regiments - Bezirke , ein Friedens-Kadre für je 1 Miliz - Bataillon errichtet worden . Dieses Kadre ist vorläufig noch sehr unbedeutend und besteht aus 1 Feldwebel, 3 Unteroffizieren, 1 Kaptändarm, 1 Schreiber und 4 Mann für jedes Bataillon.

¹) Nr. 246/96 .

Offiziere sind nach dem Etat vorläufig überhaupt

242

Militärische Nachrichten aus Rumänien .

nicht vorhanden, doch sollen deren Stellen durch Abgaben von den aktiven Truppen und durch Reserve- Offiziere besetzt werden . Im laufenden Jahr soll ein Kontingent militärpflichtiger Milizen zu einer 15 tägigen Lagerübung eingerufen werden, zu welchem Zwecke in das Budget 80 000 fr . eingestellt worden sind.

Die Gesammtaus-

gabe für die neu zu formirenden Kadre-Bataillone beträgt 163 062 fr.; diese Summe an und für sich spricht für die bescheidenen Grenzen der getroffenen Mafsregel, jedoch darf man nicht vergessen ,

daſs

dieses nur ein Anfang ist, auf welchen in der allernächsten Zukunft die Entwickelung dieser Kadre-Bataillone zu Kadre-Regimentern folgen muſs, um auf den Standpunkt zu gelangen , daſs jedem aktiven Regiment der rumänischen Armee ein Miliz-Regiment entspricht ¹) . Verfolgt man die Entwickelung der Wehrkraft Rumäniens, so fällt der ungeheuere Fortschritt in den letzten Jahren in Bezug auf Dieses giebt in gewissem die materielle Ausrüstung in die Augen. Grade die Berechtigung zu der Anschauung, dafs auch bezüglich der materiellen Ausrüstung der Miliz die rumänische Regierung keine Ausgaben scheuen wird .

Eine Schwierigkeit, und zwar eine sehr ernst-

hafte, bildet die Ergänzung des Offizier-Korps, da sich in dieser Beziehung in Rumänien ein grofser Mangel fühlbar macht. Indessen kann man überzeugt sein,

dafs

es

mit Hülfe der Reserve-Offiziere

gelingen wird, die Offizierstellen in der Miliz bis herab zu den Kompagnie-Chef-Stellen einschliesslich zu besetzen . Die Stellen der jüngeren Offiziere aber können mit ehemaligen Unteroffizieren der aktiven Truppen 2), welche, ihrem Lebensalter entsprechend , der Miliz angehören, besetzt werden . Was die Zahl der der Miliz angehörigen Mannschaften betrifft, so übersteigt dieselbe bei Weitem die bei der Mobilmachung erforderliche Zahl von Mannschaften . Man kann mit Sicherheit voraussagen, dafs in einem Jahre, d. h. im 32, wenn nicht Frühjahr 1898 , Rumänien im Stande sein wird sämmtliche 34, Miliz - Regimenter zu je 3 Bataillonen aufzustellen. Dieses bedeutet eine numerische Verstärkung der rumäDiese Truppenzahl entnischen Armee um rund 100 000 Mann . spricht genau derjenigen Zahl, welche zur vollständigen Besetzung der befestigten Punkte Rumäniens erforderlich ist. ¹) Die rumänische Infanterie besteht aus 33 aktiven Territorial- Regimentern (Dorobanzen), mit je 1 ständigen Bataillon und 2 Bataillonen mit wechselndem Etat; aufserdem 1 selbstständiges Regiment in der Dobrudscha ; ferner bisher 4 Schützen-Bataillone. 2) Nach 5jähriger Angehörigkeit zur aktiven Territorialarmee und 4jährigem Verbleiben in der Reserve findet mit dem 30. Lebensjahre der Übertritt zur Miliz statt, aus welcher mit dem 36. Lebensjahre (bis zum 46. Lebensjahre) die Überführung zum Landsturm stattfindet.

Militärische Nachrichten aus Rumänien.

243

Da jedoch bei der Mobilmachung eine volle Besetzung dieser befestigten Punkte nicht notwendig sein wird, so kann der Überschufs dieser Truppen zur Sicherung derjenigen Grenzen, auf welche ein unmittelbarer Angriff nicht zu erwarten steht, verwendet werden. Bei Übertragung des Garnisondienstes innerhalb des Königreichs auf die Ersatz - Truppen (je 1 Bataillon für jedes aktive Regiment) ergiebt sich, dafs die gesammte , 160 000 Mann starke , FeldEine derartige armee zur Verwendung im Felde frei bleibt. Armee bildet eine Kraft, mit welcher die Nachbarn ernsthaft zu rechnen haben . Von den übrigen ,

soeben abgeschlossenen Mafsnahmen in der

rumänischen Armee , ist noch auf die Formirung zweier neuer Schützen - Bataillone zu verweisen, welcher im kommenden Jahre unzweifelhaft die Bildung zweier weiterer Bataillone folgen wird. In der Kavallerie sind einerseits

alle ständigen Eskadrons ,

andererseits alle Eskadrons mit wechselndem Etat (Kadre-Eskadrons) Dank dieser Mafsregel erauf die gleiche Stärke gebracht worden. hält die rumänische Armee bei der Mobilmachung 8 in Bezug auf ihre Friedens - Vorbereitung völlig gleichwertige Reiter - Regimenter ¹), welche wohl wahrscheinlich nicht, wie augenblicklich, zu einer, sondern zu zwei selbstständigen Kavallerie-Divisionen, zu je 16 Eskadrons vereinigt werden sollen.

Auch bei der Artillerie haben eingreifende

Veränderungen

stattgefunden ; von den 12 Artillerie - Regimentern bestanden bisher die 4 Korps-Artillerie-Regimenter aus je 2 reitenden und 3 fahrenden Batterien,

während sich die 8 Divisions-Artillerie-Regimenter aus je 5 fahrenden Batterien zusammensetzten. Bei den 4 Korps-ArtillerieRegimentern ist je eine reitende Batterie durch eine fahrende ersetzt worden, so dafs jedes dieser Regimenter nun aus 4 fahrenden und 1 reitenden Batterie besteht ; 4 Divisions-Artillerie-Regimenter haben vorläufig ihre bisherige Zusammensetzung behalten, bei den übrigen 4 Regimentern ist eine 6. Batterie formirt worden ; es werden noch je eine fahrende Batterie (als 6.) bei 4 Divisions- und 4 Korps- ArtillerieRegimentern, sowie 3 reitende Batterien für die Kavallerie-Divisionen formirt . Unter den Mafsnahmen der rumänischen Heeresverwaltung ist noch die bedeutende Vermehrung des im laufenden Jahre zu Fahrten

1) Die rumänische Kavallerie besteht aus 4 aktiven Husaren- Regimentern zu 4 ständigen Eskadrons- und 4 Territorial - Regimentern (Kalaraschi) zu je 4 ständigen Eskadrons und je 1 Eskadron mit wechselndem Etat ; dieses sind die 8 obenerwähnten Regimenter . Aufserdem 8 Kalaraschi -Regimenter, deren Eskadrons wechselnden Bestand haben ; ferner 2 selbstständige KalaraschiEskadrons in der Dobrudscha.

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

244

bestimmten Flotten - Personals zu erwähnen ;

es ist dieses ohne Er-

höhung des Etats, auf Kosten des Personals des Küsten-Kommandos geschehen. Diese Mafsregel weist darauf hin, welche ernsthafte Bedeutung Rumänien der Entwickelung sowohl seiner Schwarzen Meer-, wie auch seiner Donau-Flottille beilegt. Im laufenden Jahre waren für die Flottille

1455 800 fr. ausgeworfen ,

nicht gerechnet die

Ausgaben für Verpflegung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung des Personals . v. T.

XVIII.

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

1. Pagentum zur Zeit Friedrich Wilhelm's I. Der König hatte seinen Generalen und Ministern die Erlaubnifs gegeben, sich junge Edelleute zu Pagen zu nehmen .

Dieselben machten es sich

zur Pflicht, für deren Erziehung zu sorgen. Bei denen , die Familien hatten, genossen sie den Unterricht ihrer Kinder ; nur mussten sie, wenn der General oder Minister bei Tische war, diesem aufwarten, wenn der Betreffende war, mit auf das Schlofs genommen .

wurden auch,

den Abgang von königlichen Pagen,

zur königlichen Tafel geladen Der König gestattete dies , um deren Zahl

gierungsantritt sehr vermindert hatte,

er bei seinem Re-

zu ersetzen.

diese Pagen vom Könige sofort zu Offizieren gemacht.

Meist wurden Dieser Brauch

erhielt sich bis in die ersten Regierungsjahre Friedrich's des Grofsen (Beneckendorf, Charakterzüge II , 9) .

Fouqué kam im 8. Lebensjahre

als Page zu Leopold v. Dessau, der ihn zu seinem Regimente nahm. Der berühmteste dieser "7 Generals- Pagen " ist wohl Seydlitz . Er wurde in seinem vierzehnten Lebensjahre Page bei dem durch seine tollkühnen

Streiche bekannten

Markgrafen Friedrich Wilhelm von

Schwedt, Schwager Friedrich's d . Gr.

Der Markgraf hatte die Aus-

gelassenheit seiner ungezähmten Jugend auch in das Mannesalter mit herüber genommen und mutete Seydlitz zu, die rohesten Pferde zu besteigen, die halsbrechendsten Sprünge zu wagen. Seydlitz wurde ganz sein Liebling. Hier legte er die Grundlage der höchsten kriegerischen Tüchtigkeit, die keines Hindernisses und keiner Gefahr achtete ; hier wurde er der tüchtigste und mutigste Reiter, dem an festem Sitz und sicherer Führung Keiner gleich kam. Schbg.

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

245

2. Die ersten Artillerieschulen legten zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Venezianer an. meistern die

Rechenkunst und

Man lehrte hier den jungen BüchsenMefskunst ,

Zeichnen geometrischer

Figuren, der Geschütze und Befestigungswerke, Nivelliren, Leitung und Anlegung von Minen, Gebrauch der Quadranten, Probiren neu gegossener Geschütze, Verfertigung von Kunstfeuerwerk u . v. A. Hauptsache aber war das Schiefsen mit den verschiedenen Geschützen nach dem Ziel, wobei dem Lehrling Beurteilung des zu nehmenden Erhöhungswinkels und der Ladung überlassen wurde. - Nach dem Muster dieser Artillerieschulen hatte auch Karl V. zu Burgos und in Sizilien dergleichen errichtet, deren Gesetze, welche sichtlich das Gepräge ihres Jahrhunderts tragen, folgende waren : 1. Niemand soll in der Schule den Namen Gottes oder seiner Heiligen lästern, bei Strafe dreier Schläge mit einem Stück Schiffstau .

2.

Bei derselben

Strafe darf Keiner den Degen oder Dolch ziehen, oder einen anderen herausfordern oder schimpfen.

3.

Ungehorsam gegen den Haupt-

mann oder Vorsteher der Schule wird auf dieselbe Art gestraft. 4. Keiner darf sich um das Vorrecht des Schusses streiten, sondern das Schiefsen geschieht in der Ordnung,

wie die Lehrlinge in die

Schule kommen. 5. Ohne Erlaubnifs des Vorstehers ( Kapitän) darf Keiner sein Geschütz laden oder abfeuern. 6. Sobald die Lehrlinge in die Schule kommen, legen die, welche feuern sollen,

Mantel und

Degen ab, nachdem sie den Vorsteher höflichst begrüfst haben. 7. Niemandem als letzterem ist es erlaubt, zwischen dem aufgefahrenen Geschütz herum zu gehen .

8. Niemand

darf,

ohne besondere Er-

laubnifs des Vorstehers , demjenigen, der das Geschütz richtet, helfen , ihm etwas sagen oder die Richtung nachsehen. 9. Sobald der Artillerist dem Vorsteher gemeldet hat, dafs sein Geschütz gerichtet sei, darf weder er, noch irgend ein anderer mehr eine Hand daran legen .

10. Wenn die Kugel in das Stück eingeführt wird,

soll man

das Zeichen des Kreuzes über die Mündung machen und die Hülfe der Heiligen Barbara (die Schutzpatronin der Artilleristen) anrufen. 11. Niemand darf ohne Vorwissen des Vorstehers an der Ladung etwas zusetzen oder abnehmen . 12. Die von dem Vorsteher zu dem Aufzeichnen der Schüsse Bestimmten sollen dies treu und unparteiisch verrichten . 13. Alle Lehrlinge müssen sich auf Befehl des Vorstehers bei dem Schiefsen einfinden oder der Brüderschaft der Heiligen Barbara 2 Pfund Wachs verehren. 14. Bei derselben Strafe sollen Alle dem theoretischen Unterrichte beiwohnen, mit Ausnahme derjenigen, die wegen schon erlangter Geschicklichkeit davon frei gesprochen werden.

15. Kein Lehrling wird eher zum Schiefsen gelassen, bis er

mit Verfertigung der Ladeschaufeln und den übrigen Lehren der Ge-

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

246

schützwissenschaft bekannt ist.

16.

Jeder Schüler findet sich zur

gesetzten Zeit mit einigen Bogen Papier und den nötigen ArtillerieInstrumenten ein. 17. Der Vorsteher giebt selbst Unterricht, um sich desto besser von dem Fleiſse der Schüler zu überzeugen und die Nachlässigen und Ungelehrigen fortzuschicken. Kriegskunst. II, 268 ff. ) Zeit.

(Hoyer,

Gesch.

d.

Die spanische Artillerie war die erste ihrer Schbg.

3. Bestrafung der Desertion im preufsischen Heere zu Anfang des 18. Jahrhunderts . 1711 bestimmte,

Eine Kgl. Verordnung vom 15. Mai

dafs Deserteuren innerhalb 24 Stunden der Prozeſs

gemacht, sie 17 ohne alle Gnade vor dem ganzen Regiment zu Schelmen deklarirt, ihnen vom Henker der Degen zerbrochen, auch anderen zum Exempel und Schrecken ihnen

die Nasen und Ohren ab-

geschnitten und folglich, weil dergleichen Menschen nicht würdig in ehrlicher Gesellschaft weiter zu sein, noch darunter geduldet zu werden, dieselben nach vollbrachter Exekution sofort in die nächste Festung abgeschickt und daselbst zur Tragung des Schimpfes und Schmaches bis an ihr Ende an die Karre geschmiedet und zur schweren Festungsarbeit angehalten werden sollen. " russica. Fol. 318.)

(Manuscr. boSchbg.

4. Miliz-Fahnen aus dem Jahre 1702. Die vom Könige Friedrich I. errichtete Landmiliz führte Fahnen, über deren einige (die Fahnen des ostpreussischen Amtes Ragnit) in den 77 Manuscripta borussica “ der Kgl. Bibliothek sich folgende Beschreibung vorfindet. n Im Fahnentuche (dessen Farbe nicht angegeben wird) eingestickt der Namenszug des Königs (F. R.) , ferner die Inschriften : 1. Sub his requiescitur umbris. Ampt Ragnit Nro. 1. 2. Pro Rege et Grege. Ampt Ragnit Nro. 2. 3. Mala contra audacter eamus. Ampt Ragnit Nro . 3. 4. Neque timide neque temere. Ampt Ragnit Nro . 4. (Manuscr. borussica. Fol. 318. ") Schbg.

XIX. Umschau in der Militär - Litteratur.

I. Ausländische Zeitschriften . Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (Dezember Gedanken über 1896.) Ein Wort zur Frage des Infanterie-Angriffs. Festungen, Festungskrieg und die Feuertaktik in demselben. - Über

Umschau in der Militär-Litteratur.

247

Die diesjährigen grofsen Arbeiter - Abteilungen im k. u. k. Heere. französischen Manöver. Die Ausbildung einer Pionier-Kompagnie im Frieden. Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. (1896. ) LIII . Bd. 4. Heft: Zum Dienst-Reglement für das k. u. k. Heer. II . Teil . 3. Auflage, 1896. Das Schiefsen aus verdeckten Stellungen. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. (1896.) 12. Heft : Die wasserdichte Imprägnirung von Geweben für Heereszwecke. - Über Schraubenpfähle und deren Verwendung zu Brückenbauten in Dänemark . Armeeblatt. ( Österreich. ) Jahrgang 1896. Nr. 49 : Bedarf unser Offizier der Gage- Erhöhung? - Zur Wiener Kasern - Transaktion . Nr. 50 : Kasern -Transaktion oder nicht. -- Das bosnische Beinkleid. Nr. 51 : Militär- Affairen. - Ein Militär-Pädagogium. - Die Präsentirung zu den Waffenübungen. Nr. 52 : Die neuesten submarinen Waffen und deren Der Verpflegungsplan der österRolle bei der Küstenverteidigung. reichischen und deutschen Armeen im Falle eines Krieges mit Ruſsland . Unser Kriegsarchiv. Nr. 53 : Die Neubewaffnung der Artillerie. - Ein Offiziersheim - aber nicht in Wien . Militär-Zeitung. (Österreich.) Nr. 42 : Über das Duell. — Die Gröfsere Übungen in Bulgarien. berittene Infanterie in England. Nr. 43: Zur Wiener Kasernen-Transaktion.

Der Donau-Oder-Kanal.

Ein griechisches Standlager. Nr. 44 : Die Venezuela - Frage und die Die russische freiwillige Flotte. -- Die NeuFriedensgesellschaft. organisation der schwedischen Armee. Nr. 45 : Die Topographie und ihre Bedeutung für die Kriegswissenschaft. Journal des sciences militaires. (Dezember 1896. ) Das Hirngespinnst der Abrüstung (Schlufs) . — Anleitung zum wissenschaftlichen Das Schiefsen im Kriege. - General Alexis Studium der Taktik. Dubois. Die Kavallerie bei der Nord- und Sambre Maas-Armee während der Feldzüge 1794 und 1795 ( Schluſs). ― Studie über die Organisation einer Schnellfeuer- Artillerie. - Die gestreckte Flugbahn und das Zukunftsgewehr. Le Spectateur militaire. (15. November 1896.) Vier Tage einer preufsischen Kavallerie- Division (5. -8. August 1870). ―― Die Ausrüstung der Infanterie (Schluſs). -- Die Belagerung von Paris. - Die Dekorationen, Kreuze und Medaillen (Schlufs) . (1. Dezember 1896. ) Weshalb ein Standbild für La Tour d'Auvergne. - Die Konzentrirung, der Krieg mit Armeen, der Krieg mit Massen. Der Bericht über das Kriegsbudget 1897. — Die Dekorationen etc. (Forts.). Revue militaire universelle. (Dezember 1896.) Nr. 57 : Studien über die Heeresorganisation (Forts.). - Studie über den Roman ,,Krieg und Frieden" des Grafen Tolstoi , vom militärischen Standpunkt von General Dragomirow (Forts.) . Die südliche Normandie bei der Verteidigung Frankreichs (Schlufs). - Konnte Marschall Bazaine 1870 Frankreich retten? Übers . d . Schrift des Major Kunz (Forts. ) . — Aufzeichnungen

248

Umschau in der Militär-Litteratur.

eines Freiwilligen im 11. Kav.-Regt. der Vereinigten Staaten . - Tagebuch eines Feldzuges in Westindien (Forts .). Revue du cercle militaire. (Jahrgang 1896.) Nr. 48 : Die jungen Soldaten ; ihr Eintritt in das Regiment. - Die deutsche Armee 1897-1898. - Transsibirien und sein Einfluss im Falle eines Krieges in Ostasien. Anmerkungen über den Felddienst in der deutschen Artillerie ( Schluſs). Unser Kriegsbudget. Nr. 49 : Die alpinen Militär- Schutzhütten in Italien . Die jungen Soldaten etc. (Schluſs). -- Die Garderobe des Kaiser Wilhelm. Nr. 50 : Die Insel Anticosti (mit Zeichnungen). - Die alpinen Militär- Schutzhütten in Italien (Forts.) . - Die italienische Armee und der Reform-Entwurf des General Pelloux . Nr. 51 : Der neue militärische Klub FeldlagerDie alpinen Militär- Schutzhütten (Schlufs). in Petersburg. gerät von Aluminium. Nr. 52 : Die ,, blauen Teufel" (Erinnerung an BaDie Initiative bei den grofsen deutschen Manövern. zeilles) . Revue d'Infanterie. (15. Dezember 1896.) Nr. 120 : Studie über das Gewehr M/1886 und seine theoretische Wirkung (Forts .) . - Manöver (Forts.). -- Geschichte der Infanterie in Frankreich (Forts.) . - SonderAusbildung der Aufklärer der Infanterie (Forts.). Das 13. Korps in den Ardennen und dem Dpt. Aisne (Forts.). Revue de Cavalerie. (November 1896.) Briefe eines Kavalleristen (Neue Serie). Bewaffnung und Taktik . - Die deutsche Kavallerie von Sedan bis Paris (P. Lehautcourt). - Abhandlung über die praktische AusVon Lützen bis Bautzen, bildung der Cadres in der Kavallerie (Forts.). Manövern. Mai 1813 (Forts. ). Nach den Augenblicks- Photographien. (Springende Pferde, mit 5 Photogravuren.) Revue d'Artillerie. (Dezember 1896.) Abhandlung über die ReStudie über ein neues kruten-Ausbildung in der deutschen Feldartillerie. Feld-Material für die schweizerische Artillerie (Schluſs).

Abhandlung über

ein Visir, das die durch die Neigung der Räder verursachte Abweichung verbessert. - Studie über Jagdwaffen (Schlufs). Revue du Génie. (Dezember 1896.) Studie über eine neue VerPraktische Fingerbindungsstrafse von Französisch- Guinea zum Niger. zeige über die Eigenschaften des Eisens und Stahls, die bei Konstruktionen verwendet werden, und die Empfindlichkeit dieser Metalle. L'Avenir militaire. Nr. 2158 : Leichte Schnellfeuergeschütze. -Beförderung im Generalstabe. Nr. 2159 : Die Zivilanstellung der UnterVergleich des französischen und deutschen Budgets. Nr. 2160 : offiziere. Die Kehrseite der deutschen Armee. Behandelt den Fall Brüsewitz , dann die Miller'schen Schmähschriften, Glänzendes Elend, Kasernen-Elend etc. (Anm. d. Ltg.: Der Verfasser sagt, dafs ,,in Wahrheit der deutsche Offizier tief unglücklich" sei . Wir hätten diesem sonst so verständig geleiteten Blatte ein so schiefes Urteil nicht zugetraut.) Nr. 2161 : Die Taschenmunition des Infanteristen. Nr. 2163 : Die Zivilanstellung der UnterÄrzte und RofsNr. 2164 : Einberufung der Reservisten . — offiziere. ― ärzte der Reserve .

Nr. 2165 : Schnellfeuergeschütze.

Nr. 2166 : Die mili-

Umschau in der Militär-Litteratur.

249

tärischen Schiefsgesellschaften. (A. verlangt, dafs dieselben der mangelnden Schiefsfertigkeit der Reservisten steuern sollen. ) Le Progrès militaire. Nr. 1678 : Prüfungs-Entwürfe (für die ZuBericht über das Kriegsbudget. III . lassung zur Schule von St. Cyr). Bericht über das KriegsNr. 1679 : Zur Entwickelung der Initiative. Grundbudget. IV. Nr. 1680 : Dasselbe . V. Nr. 1681 : Dasselbe . VI. sätze über Kommandostellen und ihre Besetzung. Nr. 1682 : Die Radfahrer-Kompagnien. Die Errichtung von 25 solcher Kompagnien ist geplant, und zwar je 1 für die 18 Armeekorps und die 7 Kavallerie-Divisionen. Nr. 1683 : Beförderung und Lebensalter. Nr. 1684 : Rekrutirung der Unterlieutenants der Kavallerie. Nr. 1686 : Die Ausbildung der Artillerie. Verständigere taktische Grundsätze werden verlangt bei bevorstehender Einführung der Schnellfeuergeschütze. InformationsLa France militaire. Nr. 3796/7 : Das Schiefsen. kurse. Nr. 3798 : Die Generale von 1870. - Armee-Manöver. Der Oberbefehl. Empfang des Syndikats der militärischen Presse durch den Vergleich des deutschen und französischen Budgets. Kriegsminister. Nr. 3799 : Fremden - Legion. Nr. 3802 : Die Radfahrer als Aufklärer. ArmeeNr. 3803 : Das Kriegs-Budget. I. Nr. 3804 : Armee-Manöver. stäbe. Nr. 3806 : Das Kriegs - Budget II . Nr. 3807 : Dasselbe III. Nr. 3808 : Gesammtübersicht des Budgets.

Nr. 3809 : Italien und Abessinien .

Nr. 3813 : Die Radfahrer-Kompagnien, Antrag des Deputirten Le Hérissé auf Formation von 25 derartigen Kompagnien. Nr. 3814 : Übungs-Lager, 1. Artikel. Nr. 3815 : Hülfs -Offiziere. Nr. 3818 : Die Radfahrer-Kompagnien III Nr. 3819 : Die deutsche Infanterie. Nr. 1334: Das belgische HerrscherLa Belgique militaire. haus. Scharfe Mahnung daran, dafs ,,eine mächtige und getreue Armee das erste Element der Macht der Staaten sei und die erste Pflicht eines

Herrschers, die Unabhängigkeit des Landes zu wahren." Nr. 1335 : Die Entwürfe des General Brassine. - Belgien militärischen Organisationen. Nr. 1336 : Das Kriegsim Falle eines französisch-deutschen Krieges. ministerium . Dasselbe ist noch immer nicht besetzt; B. m. warnt die Generale Nachfolger des General Brassine zu werden. (Seltsame Zustände). Nr. 1337 : Warnungen (Bezieht sich auf den abgelehnten Reform -Entwurf) . Nr. 1338 : Von Kirundu zum Tanganika (Forts . ). Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (November 1896) . Die bourbakische Armee im deutsch-französischen Kriege. - Die neue Taktik der Deutschen, abgeleitet aus den Ereignissen der Armee-Manöver von 1895. Revue militaire suisse. (Dezember 1896). Die Manöver des III. Armeekorps . - Optischer Apparat zur Prüfung der Gewehrläufe . — Neue Vorschläge zur Schonung der Hülfs-Fahrzeuge für den VerwundetenTransport. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Jahrgang 1896, November) . Mitteilungen über unsere Armee , speziell Artillerie und Genie betreffend. Ergebnisse von Schiefsversuchen mit Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 2. 17

250

Umschau in der Militär- Litteratur.

8,4 cm Schrapnels mit Tempierplatten mit verlängerter Brennzeit.

Die

Schiefsübung der Artillerie des III . Armeekorps bei Oberglatt vom 5. September 1896. Eine diplomatisch-militärische Affäre, gleichzeitig als Antwort an die ,,United Service Gazette." Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. (Jahrgang 1896). Die HerbstNr. 48 : Militärischer Bericht aus dem Deutschen Reiche. Nr. 49 : Der Friede von AdisManöver des III. Armeekorps (Forts.). Nr. 50 : Dasselbe (Forts.). Die Herbst - Manöver (Forts.). Abeba. Die Herbst -Manöver (Forts .). Nr. 51 : Die Einnahme von Hafir. Nr. 52 : Dasselbe (Forts.) . Army and Navy Gazette. Nr. 1922 : Lord Lansdowne über die Armee bedauert in einem Vortrage, dafs drei wichtige Heeresvorlagen in diesem Jahre im Parlament keine Erledigung gefunden haben. Die Sudan - Expedition . Thätigkeit der Marine - Artillerie bei Dongola. Nr. 1923 : Reformen für die Hülfskräfte des Heeres.

Schildert General

Wolseley's Thätigkeit in der Hebung der Volunteers und der Yeomanry. - Die Kämpfe in Central- Afrika. - Die Verteidigung des englischen Kaiserreiches . Bespricht vorzugsweise die Streitkräfte Kanadas und Australiens . Die Regierung und das Heer. Behauptet, dafs das Heer auf Kosten der Flotte vernachlässigt werde . Die französische ArmeeReorganisation . Besprechung der vom Kriegsminister, General Billot, vertretenen Grundsätze. Nr. 1924 : Das Bombardement von Paris . Bespricht Moltke's Bericht vom 1. Dezember an den Kaiser. Sprengversuche . In der Nähe von Avignon haben vergleichende Sprengversuche an Felsenabhängen zwischen gewöhnlichem Schiefspulver und Melinit stattgefunden. Geschichte des Regiments, er- Das Westindische Infanterie- Regiment. richtet 1795. Der Einfluss der modernen Heere auf Krieg und Civilisation. Vortrag des General Wolseley, der nachzuweisen sucht, wie die allgemeine Wehrpflicht das Nationalgefühl gehoben, und die Verteidigungsfähigkeit der Länder gestärkt hat. - Die Manöver in Aldershot. Offizieller Bericht des Herzogs von Caunaught. - Die Lage in Cuba. Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 225 : Der Mangel an Offizieren im Volunteer- Korps . - Ein Ausflug zu den Linien von Torres-Vedras. Eine Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der im Peninsular - Kriege errichteten Verteidigungslinie. Die Schweizer Manöver 1896. Journal of the United Service Institution of India. Nr. 225 : Betrachtung über die Bewaffnung der Kavallerie, speziell im Vergleich zwischen Angriff und Kampf mit Lanze und Säbel. - Die Verbesserung der gegenwärtigen Organisation des Transportwesens in Indien. Russischer Invalide. Nr. 232: Die beiden auf der Baltischen Werft in Petersburg im Bau befindlichen Geschwader - Panzerschiffe „ Ossljabja“ und „,Peresswjet" sollen im Frühjahr 97 vom Stapel gelassen werden ; sie haben Maschinen von 12 000 Pferdestärken, wodurch ihnen eine Geschwindigkeit von 16 Knoten gegeben werden soll Nr. 233: Am Jahrestage der Schlacht von Leipzig (!) wurden den beiden im

Umschau in der Militär - Litteratur.

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Herbst 1895 formirten Dragoner-Regimentern (Nr. 49 u. 50) der 1. selbstständigen Kavallerie- Brigade auf dem an der Beresina ( ) gelegenen Exerzierplatze ihrer Garnison Borissow die ihnen Allerhöchst verliehenen Standarten übergeben ; der Oberbefehlshaber des Militär- Bezirks Wilna, General der Infanterie Trozki, trank bei dem darauf folgenden Festmahle, daran anknüpfend, dafs der ,,Garnisonort der Brigade mit der Erinnerung an den Heldenmut der französischen Armee an der Beresina verknüpft sei" - auf das Wohl der französischen Armee, worauf beide TrompeterKorps die Marsellaise spielten. Nr. 235 : Die englisch-egyptische Expedition nach dem Sudan. Nr. 236 : Denjenigen berittenen Truppenteilen, welche im Frieden die Fourage in natura geliefert erhalten, werden im Mobilmachungsfalle Fouragegelder für 2 Monate für die volle Zahl der Pferde des Kriegsbestandes ausgezahlt. - Die Eisenbahn OstrolenkaTluschtsch (an Bahn Warschau - Malkin) -Pilawa (Bahn Warschau - Iwangorod), wird im Frühjahr, die Eisenbahn Ljukow Ljublin im Herbst 97 dem Verkehr übergeben werden. Nr. 237 u. 238 : Die Thätigkeit des Barons Edelsheim in der österreichischen Kavallerie ; von Generalmajor Ssuchomlinow. Nr. 242 : Zur hundertjährigen Erinnerung an den TodesNr. 243: Rekruten-Einstellung tag der Kaiserin Katharina der Grofsen. aus der eingeborenen Bevölkerung Transkaukasiens , sowie des Terek- und Kuban- Gebiets, im Jahre 1895 ; von 25 016 gestellungspflichtigen Mannschaften wurden 2423/14,6 %) zum Dienst eingestellt. - Freie Fahrt des Ballons General Wannowski " von Petersburg nach Pskow. Nr. 244: Korps-Manöver in Galizien . Nr. 245 : Verleihung von GeorgsFahnen bezw. silbernen Georgs - Trompeten an das Leibgarde-JägerRegiment und verschiedene Batterien der 1., 2. und reitenden GardeArtillerie-Brigade, deren Gründung vor 100 Jahren durch Kaiser Paul I. erfolgte ; die Fahnen und Trompeten führen die Inschrift : „ Für Auszeichnung bei der Vernichtung und Vertreibung des Feindes aus den Gebieten Rufslands, im Jahre 1812.“ Uniformabzeichen neu errichteter Truppenteile in Ostsibirien , und zwar des Festungs-Infanterie- Regiments und der Festungs-Torpedo-Kompagnie in Wladiwostok, sowie des ReserveInfanterie-Bataillons Tschita (Transbaikalien). Nr. 246 : Militärische Nachrichten aus Rumänien. Nr. 247 : Nachdem im Vorjahre eines der beiden Festungs - Artillerie - Bataillone aus Dünaburg (Dwinsk) nach Libau verlegt wurde, ist jetzt auch das andere Bataillon als ,, 2. Bataillon der Libauer Festungs- Artillerie" dorthin gefolgt ; Dwinsk hat jetzt keine Festungs-Artillerie mehr, sondern nur 1 Bataillon BelagerungsArtillerie , bisher zu 2 Kompagnien, welchem als 3. Kompagnie die bisher selbstständige Festungs-Artillerie - Kompagnie in Bobruisk zugeteilt worden ist. Nr. 249 : Dreitägiges Manöver der Truppen des Lagers von Ak-Tepi in dem Gebirge Kopet- Daga an der persischen Grenze. Nr. 251 : Die Zahl der im Kriegsfalle vom Kuban- Kasaken-Heere aufzustellenden Fufs-Truppenteile wird um 2 Plastun -Bataillone 2. Aufgebots vermehrt, so dafs die Gesammtzahl der Plastun- Bataillone 16 (je 6 des ersten und zweiten, 4 des dritten Aufgebots) beträgt. Nr. 251 u. 252 : Die trans17*

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donischen Tabune (Pferde-Heerden) . Nr. 253, 256, 258 : Über Organisation der geodätischen Arbeiten in den verschiedenen Verwaltungszweigen, in Verbindung mit dem Bau der grofsen sibirischen Eisenbahn ; Vortrag des General-Lieutenants Kowerski in der Kaiserlich russischen geographischen Gesellschaft. Nr. 254 : Armee-Manöver in Deutschland . Nr. 259 : ,, Die heute ihr hundertjähriges Jubiläum feiernden Infanterie-Regimenter und Reserve-Bataillone." Nr. 260 : Verleihung neuer Georgs - Fahnen bezw. silberner Trompeten an 10 Infanterie-Regimenter , 2 Reserve-Bataillone und 47 Batterien, welche ihr 100jähriges Jubiläum feiern. Nr. 263 : Die Verbesserung des Pferde - Materials unserer Kavallerie ; von Generalmajor Ssuchomlinow. Nr. 264 : Übungen der Reservisten; Verfasser giebt seine Eindrücke in Bezug auf die diesjährige 3 wöchentliche ReservistenÜbung wieder ; die Ausbildung mit dem neuen Gewehr verursachte Schwierigkeiten. Bärenjagd des Jagd- Kommandos des 85. Infanterie-Regiments Wyborg. Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 317 : Eine Rede des Generals Leer. - Der Geschäftsführer der wirtschaftlichen Angelegenheiten im - Ein nicht seltener Fall. - Die Regiment. - Ein Schlofs in Kaschmir. Rapporte über die Kompagnie- Gelder. Die 5 % Reserven (an Bekleidungsstücken u. s. w. in den Beständen der Kreistruppenchefs-Verwaltungen) und die für die Ausstattung der Rekruten bestimmten Sachen. -- Der Kasak und sein Pferd. Wie der Honig, so ist auch der Löffel. Ein leer stehendes Asyl für vater- und mutterlose Waisen von Offizieren in St. Petersburg. Erzählungen eines kaukasischen Offiziers aus dem Feldzuge 1877/78. Nr. 318 : Das selbstständige Korps der Grenz-Wache , seine Bestimmung und seine Organisation . Das Telephon bei den Truppen. - Skizzen und Pläne zur "" Geschichte der Kriegskunst im Mittelalter." - Die allgemeinen Schiefsplätze. Die Kasernen der Kavallerie. -- General Edelsheim über Versetzungen. Den Kameraden des Kadettenkorps oder der MilitärGymnasien. - Die Anciennität der früheren Abiturienten des OrenburgischNeplujewskischen Kadettenkorps. Das Russische Samarkand (mit einer Ein Jahr in Borissow. (Schilderung der Feier des ersten Abbildung) . Brigade - Festes der 1895 aus den neuformirten Dragoner - Regimentern Archangelorod Nr. 49 und Irkutsk Nr. 50 gebildeten 1. selbstständigen Kavallerie-Brigade). Die Altersgrenze. Nr. 320. Die Bedeutung des Gewichtes der von Soldaten zu tragenden Last bei den Marschbewegungen . ― Aus den Befehlen des Generals Kaufmann. Die Versetzung der Infanterie-Kapitäns. - Die Regiments-Kirche des Wilmanstrandt'schen Infanterie-Regiments. Vor Plewna. Wajennüj Ssbornik. 1896. Nr. 12 : Die Umbewaffnung unserer Armee mit den 3- Linien-Gewehren des Modells 1891 (mit Zeichnung). Strategie und Politik I. Die dem Übergange über die Donau vorhergehenden Tage. (Auszug aus dem Kriegstagebuch des Jahres 1877) . Das moralische Element bei Sewastopol. (Schluſs) . Versuch einer theoretischen Untersuchung über die Führung des Angriffs - Gefechtes der InÜber den Feldwacht- und den Aufklärungs-Dienst. fanterie. (Schluſs).

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Das Reglement über die AusÜber den Angriff und die Attacke. bildung der Feld -Artillerie am Geschütze . -Eine Vorrichtung zur Lenkung Die Artillerie Die Stärke der Jagd-Kommandos. des Kavallerie-Pferdes . Als Beilage ein Verzeichnis der im Feldzuge gegen Kokand 1875-76 . Bücher, Instruktionen und Artikel der nichtrussischen Militär- Litteratur, welche auf die Artillerie und die Handfeuerwaffen Bezug haben für die letzten 6 Jahre. Russisches Artillerie-Journal. Nr. 11 : Ausbesserung eines Rohres mit 4 Rissen. (Schlufs). - Aus Anlafs der Vorbereitungen zum Übungsschiefsen. Der Anfang der neuen Entwickelung der Feldartillerie . ZwischenPanzerturm und Verschwindlaffeten. (Forts.). (Schlufs). lage und Versetzung der transportablen Schienengeleise . (Schlufs). L'Italia militare e marina. Nr. 269 : Das Marine-Budget. Brin, der neue Minister, hat einen Budgetzuwachs von 10 Mill . Lire erlangt. Es wird der falschen Angabe der Das Gewehr kleinen Kalibers. ,, France militaire " über geringe Wirkung des 6,5 mm Gewehrs im afrikanischen Krieg, wo es gar nicht gebraucht worden ist, entgegengetreten. Die Nachricht hat die Runde durch die Zeitschriften ganz Europas gemacht , selbst bis nach Rumänien ist dieselbe gedrungen . Nr. 274 : Bezüglich der Gefangenen. Nr. 276/7 : Die militärische Lage von Eritrea. Nr. 279 : Veränderungen der Heeresgesetze. Nr. 280 : Erster Eindruck der neuen Heeresverfassung. Nr. 283 : Die Militär-Kollegien und der Offizierersatz . Nr. 289 : Text der neuen Heeresgesetze. Nr. 291 : Bericht über die neuen Heeresgesetze, abgestattet von der Kommission der Kammer. Rivista Militare Italiana. ( 16. November. ) Notizen zum systematischen Studium der Militärgeographie . - Das Problem des Angriffs. Rauchschwaches Pulver und kleines Kaliber. Esercito Italiano. Nr. 145: Modifikationen der Heeresorganisation. Koloniale (Eingehende Darstellung.) Nr. 146 : Von Adua nach Cassala . Unternehmungen. Nr. 147 : Das Gesetz, betreffend die Heirathen der OffiDie Stärke der kombattanten Einheiten und der Neuorganisation. ziere. Nr. 148: Organisationsfragen . Nr. 149 : Das neue Spionage-Gesetz. Nr. 152 : Modifikationen der Heeres-Organisation. (Empfehlender Bericht des Ausschusses.) Rivista di artiglieria e genio. (November.) Kleinbahn Massaua-Asmara. -- Studie über Telephonie. Fesselballons . Revista cientifico-militar. (Spanien .) Nr. 21 :

Vorschlag einer Schiefsen gegen Der chinesisch-

japanische Krieg (Forts .). -Russische Ansichten über die Panzerkuppeln. Augenblickliche Bestrebungen der deutschen Infanterie (Forts. ) . Memorial de Ingenieros del Ejercito. (Spanien .) Nr. X : Feldparks der Sapeur-Mineurs (Forts .) . Revista Militar. (Portugal.) Nr. 22 : Bilden von Carrées. - Der Radfahrer in Portugal, portugiesische Soldat.

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Semanario Militar. (Argentinien.) Nr. 15 : Artilleriefragen (Artillerieparks uud Munitionsausstattung der Heere) . Krigsvetenskaps Akademiens Handlingar. ( Schweden .) Nr. 19 : Der Krieg in Transvaal 1881 . Norsk Militaert Tidsskrift. ( Norwegen.) 11. Heft: Die Wirkung der Belastung auf marschirende Infanterie . - Lager- und Küsten-

befestigung. Militaire Spectator. (Holland .) Nr. 12 : Eine Staatsbank für Lebensversicherung . - Das VIII. Hauptstück des Heeresbudgets für 1897 . II. Bücher. Leben und Wirken des Generals der Infanterie und kommandirenden Generals V. Armeekorps Carl von Grolman, verfafst von E. von Conrady , General der Infanterie z. D. Dritter Teil von 1815 bis 1843. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 6,50 M. Wenn die ersten Teile des vorliegenden Werkes, die in den Jahrbüchern Nr. 283 u. 294 ihre Besprechung fanden, die Bedeutung Grolman's als Taktiker und Strategen, insbesondere seine glänzenden Leistungen an der Seite Blücher's und Gneisenau's schildern, so läfst dieser dritte Teil seine überaus grofsen Verdienste für die Armee und die politische Geschichte des preufsischen Staates um so mehr hervortreten, als er sich in dieser Zeitperiode in höheren und selbstständigen Stellungen befand . Die lange Friedenszeit bis zu seinem Tode bildete einen wichtigen Abschnitt in der Entwickelungsgeschichte Preufsens, wo es galt, dasselbe durch einsichtsvolle Friedensarbeit auf der erlangten Höhe einer Grofsmacht zu erhalten. In dieser Zeit war und blieb Grolman der treueste und unentbehrlichste Berater seines Königs, dem es darauf ankam, das Schwert in seiner Schneidigkeit zu bewahren, mit dem er einst zu siegen verstanden, So sehen wir ihn zuerst nach beendetem Feldzuge in seiner segensreichen Thätigkeit als Chef des Generalstabes der Armee und als Departements -Chef im Kriegsministerium bei der Grenzregulirung und Aufstellung der Landwehrordnung beschäftigt . Er veranlafst die Kommandirung von Offizieren zu den Gesandtschaften und zur topographischen Landesaufnahme, er ist thätig für kriegsgeschichtliche Studien und äufsert sich in einer sehr bemerkenswerten Denkschrift über die Notwendigkeit , das Ingenieurkorps nicht als ein abgeschlossenes zu betrachten , um dasselbe nicht in Handwerksmäfsigkeit untergehen zu lassen . Er unternimmt eine längere Rekognoszirungsreise in die östlichen Provinzen zur Ausführung von Verteidigungsanstalten und liefert hierüber ein Memoire, welches noch bis auf den heutigen Tag eine grofse Bedeutung und gewisse Berühmtheit behalten hat. Bald aber entwickeln sich zwischen ihm als Mitglied des Staatsrats und dem Fürsten Hardenberg Meinungsverschiedenheiten in Angelegenheiten der Finanzverwaltung und der Wehrverfassung. G. war durchdrungen von der Notwendigkeit, dafs eine Wehrkraft, bei der die ganze Nation zu den Waffen greifen mufste , das einzige Mittel sei,

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Preufsens Selbstständigkeit gegenüber den immer mehr hervortretenden Anmafsungen Österreichs und Rufslands zu wahren , mufste aber mit blutendem Herzen sehen, wie Hardenberg im österreichischen Fahrwasser trieb. Die Zeit erschien ihm mehr und mehr als matt, klein und erbärmlich! Die seiner Ansicht nach zu scharfen Mafsnahmen gegen gewisse Ausschreitungen der studentischen Jugend und das Aufkeimen des grofsdeutschen Gedankens, endlich eine auch hiermit zusammenhängende Bewegung gegen das Landwehrsystem, wodurch die von Boyen und Grolman geschaffene Militärorganisation und Preufsens politische Stellung in Frage gestellt wurde, vollendeten seine Mifsstimmung. So folgte er denn Boyen, welcher dieserhalb um seine Entlassung gebeten hatte, und kam unter Verzicht auf jede Pension auch um seinen Abschied ein. G. hatte sich bereits im Mai 1816 mit der Stieftochter seiner Schwester Louise von Rotenhan verlobt und seit seiner Verheiratung im Oktober desselben Jahres mit ihr ein überaus glückliches Familienleben geführt, welches in dem vorliegenden Werk auch in der Folge eine herzgewinnende Schilderung findet. So sind es besonders die nächsten 7 Jahre, die ihn als Mann von reichstem Gemütsleben erkennen lassen , wo er in fast dürftigen Verhältnissen auf seinem kleinen Gute Gosda nur der Landwirtschaft und seiner Familie lebte. Dennoch aber blieb er den Staatsereignissen nicht fremd, und häufig wurde sein Rat hier von hohen Persönlichkeiten eingeholt. Besonders interessant ist dabei ein hier angeführtes Schreiben des Prinzen August, der in einer schwebenden Streitfrage zwischen zwei höheren Offizieren seine Ansicht über das Duell erbittet, auf welches G., auch bezeichnend für manche heutige Auffassungen, in folgenden, auszugsweise gegebenen Worten (S. 89) antwortet : „ Nach meinem Gefühl würde ich Genugthuung auf Leben und Tod gefordert haben ...... In Ehrensachen kann das Gesetz allein nie die gehörige Genugthuung und Sicherheit gewähren, hier kann nur ein Schwert das andere in der Scheide halten ..... insbesondere beim Stand des Kriegers, wo die Zartheit des Ehrgefühls so sehr mit dem kriegerischen Geist verschmolzen ist, dafs der letztere unfehlbar sinkt, wenn das erstere ungeahndet verletzt werden kann !" etc.

Prinz August war es auch, durch dessen Vermittelung beim König die Wiederanstellung G.'s im Jahre 1826 als Kommandeur der 9. Division in Glogau erfolgte. Mit vollster Kraft machte sich hier sein Einfluss auf den Geist und die Heranbildung des Offizierkorps , sowie auf die taktische Ausbildung und Führung der Truppe geltend. Seine hier gegebenen Ordres und Instruktionen , in denen er die Anwendung der Halbbataillone und Kompagniekolonnen empfiehlt, sind fast im modernsten Sinne geschrieben , und tüchtig hatte er seine Division für den Krieg vorbereitet , als im Sommer 1830 der revolutionäre Geist in Frankreich auch die ganze übrige Welt in Unruhe versetze . So wurde denn G. auch wieder nach Berlin berufen, um seinen Rat für einen Operationsplan abzugeben , über den sich die Grofsmächte im Fall einer französischen Offensive einigen wollten . Er fand hier ein reiches Feld der Thätigkeit vor, da allgemeine

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Unklarheit und Ratlosigkeit herrschten, die ihn mit Unzufriedenheit erfüllten . Nun aber traten auch im Osten verhängnifsvolle Ereignisse ein, indem in Warschau am 29. November der Aufstand der Polen ausbrach und sich gleichzeitig auch von Asien aus die verheerende Cholera eingestellt hatte. So erhielt G. dann Befehl, mit der ganzen Division in das Grofsherzogtum einzurücken , er bezog in Lissa , später in Krotoschin Quartier. Auch das I., II. , V. und VI. Armeekorps wurden an der Grenze echelonirt, während ein Sanitätskordon unmittelbar an der Grenze Aufstellung fand. G. erneute jetzt wieder seine Bemühungen, auf eine Befestigung Posens als Waffenplatz hinzuwirken, und legte seine Ideen darüber in einem Memoire nieder, in welchem er auf seine frühere Denkschrift zurückkam, fand aber hiermit nur bedingtes Gehör. Nachdem Dibitsch bei Ostrolenka gesiegt, fiel endlich Warschau am 7. September, worauf die Trümmer des polnischen Heeres nach Preufsen und Österreich flüchteten, wo sie das Handwerk der Verschwörer fortsetzten und für die nächsten Jahrzehnte der Fluch Deutschlands wurden. Es war der Dank Rufslands für Preufsens Hülfeleistung ! G. safs indefs unthätig und übler Laune im Schlofs zu Krotoschin bis zum 13. November, wo er nach Glogau zurückkehrte. Die Zeit seines Aufenthalts im Grofsherzogtum hatte ihm reiche Gelegenheit gegeben, die dortigen Mifsstände kennen zu lernen und sich lebhaft mit dem Gedanken zu beschäftigen , dasselbe zu einer preufsischen Provinz zu machen . Dieselben legte er in einer Denkschrift unterm 25. März 1832 dem Staatsminister v. Brenn dar, in der er der Regierung nicht nur den Sitz des Übels zeigte, sondern auch die Heilmittel für dasselbe angab. Sich hierbei nicht allein als General, sondern auch als Staatsmann zeigend, hatte er damit beim Könige, trotz reichlicher GegenDen hohen Wert dieser, im vorströmung, einen Erfolg über Erwarten. liegenden Werk als Beilage IV vollständig wiedergegebenen , Denkschrift erkennt man daran, dafs sie dem neuen Programm der Regierung in vielen Richtungen zu Grunde gelegt wurde und dafs, als diese nach dem Tode Friedrich Wilhelms III . von diesem Programm abwich, die Verhältnisse in Posen sich wieder so verschlechterten , dafs die Aufstände von 1846 und 48 sich ereignen konnten. Die Bedeutung der Denkschrift beweist aufserdem der Umstand, dafs Fürst Bismarck in seiner Polenrede in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 28. Januar 1886 auf dieselbe zurückkam und einige Stellen daraus vorlas . Sie gipfelte in dem Gedanken, Güter aus polnischen Händen zu kaufen, um sie zur Vermehrung der deutschen Bevölkerung in der Provinz wieder zu veräussern, desgleichen, den verderblichen Einflufs des Adels, der Geistlichkeit und des Judentums zu brechen. Am 30. März übertrug der König Grolman das Kommando des V. Armeekorps, nachdem er ihm kurz vorher seine frühere Anciennetät wieder gegeben hatte und konnte dieser nun in Gemeinschaft mit dem bald darauf ernannten ihm gleichgesinnten Oberpräsidenten von Flottwell im Sinne seiner Denkschrift thätig werden. Dazu traten weitere von ihm

vorgeschlagene und vom König gebilligte militärische Mafsnahmen, welche

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hauptsächlich den Zweck verfolgten, die aus polnischem Ersatz gebildeten Regimenter gegen andere aus Schlesien auszutauschen etc. Von dem besonderen Vertrauen, welches die beiden , nunmehr leitenden Herren genossen, zeugt die Kabinets - Ordre vom 27. Januar 33, worin Se. Majestät anordnet, dafs in allen aufser der laufenden Verwaltung liegenden und zu seiner Entscheidung geeigneten Fällen der kommandierende General und der Oberpräsident gemeinschaftlich berichten und Allerhöchstseine Befehle einholen, aufserdem alle zwei Monate über den Stand der Dinge in der Provinz berichten sollten . So wurde das Wirken dieser beiden bedeutenden und gleichgesinnten Männer für die Provinz zum gröfsten Segen! Inzwischen war Grolman wieder nach Berlin berufen, um an Beratungen in Mobilmachungsangelegenheiten und Etatsveränderungen teilzunehmen, sowie den Staatsratssitzungen und denen einer gemischten Militärkonferenz beizuwohnen, woraus hervorzuheben ist, mit welcher Bestimmtheit Grolman sich schon damals gegen eine gesetzlich eingeführte zweijährige Dienstzeit aussprach. Auch wurde Grolman wiederholt in diesen Jahren beordert, sich auf Wunsch des Kaisers von Rufsland nach Warschau bei Gelegenheit dortiger Revüen zu begeben , sowie an dem Manöver bei Kalisch teilzunehmen, worüber bemerkenswerte Berichte vorliegen. — Im Jahre 1839 stellte sich indefs bei ihm ein Unwohlbefinden ein, welches eine Kur in Marienbad notwendig machte, doch blieb sein Gesundheitszustand von da ab ein schwankender. Weihnacht verlebte er in Berlin, wo sein Vater der alte Präsident seinen 99. Geburtstag feierte, wobei das Königliche Haus und alle Kreise Berlins dem hochverehrten, mit dem Schwarzen Adler- Orden geschmückten Greise ihre Wünsche darbrachten. - In Posen hatte zur selben Zeit das renitente Verhalten des Erzbischof Dunin zu weiteren Exzessen des polnischen Adels Veranlassung gegeben und die wenig energische Weise, mit der von Berlin aus die Maſsnahmen des Oberpräsidenten unterstützt wurden, verstimmte Grolman sehr. - Mit tiefstem Schmerz indefs erfüllte ihn das Ableben seines geliebten Königs Von nun an wurde seine Stimmung eine immer geam 7. Juli 1840. drücktere, die durch den Tod seines verehrten Vaters, 2 Monat vor erreichtem 100. Lebensjahre sich noch vermehrte. Wieder lauteten die Nachrichten aus Paris äusserst bedrohlich und König Friedrich Wilhelm IV. erklärte sich bereit, mit allen Heereskräften für die deutsche Sache einzutreten. Um Österreich und die süddeutschen Staaten zu Gegenleistungen anzuregen, sandte er G. zu mündlichen Verhandlungen nach Wien , wozu er eine eigenhändige Instruktion entwarf. Hier beigefügte, in Wien verfafste Berichte G.'s sind von grofsem Interesse . Jedenfalls kehrte er vorläufig zufrieden mit dem Erreichten nach Berlin zurück und nahm als besonnener Berater des Königs hervorragenden Anteil an den ferneren Verhandlungen, was der König ihm in einem überaus gnädigen Schreiben und durch ein Ehrengeschenk von 10 000 Thaler dankte . Aber trotz dieser Gnadenbeweise fehlte G. doch die Freudigkeit, mit der er bisher zum Besten der Provinz Posen so lange und erfolgreich gewirkt hatte. Sein treuer Mitarbeiter v. Flottwell war in gleicher Eigenschaft nach

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Magdeburg versetzt und, so sehr er bemüht war, dem Könige über die wahren Ziele und Zwecke der Polen die Augen zu öffnen und ihn von falschen Mafsregeln abzuhalten, worüber viele Dokumente vorliegen, so hielt doch der König an der Ansicht fest, dafs das bisherige Verwaltungssystem abgeändert werden müsse. Er bestand auf seiner Idee, die Polen durch Wohlwollen für sich zu gewinnen, eine Anschauung, in der er durch den ihm gewordenen festlichen Empfang in der Provinz nur bestärkt wurde. Dies aber war auch mit ein Grund , dafs der nicht zu verkennende Verfall der Kräfte G.'s beschleunigt wurde. Zwar feierte er noch am 26. Oktober 1841 anscheinend in voller Frische seine silberne Hochzeit unter unzähligen Beweisen der Teilnahme seiner Untergebenen und aller Freunde des Hauses von nah und fern, auch erfrischte ihn noch einmal eine Badereise nach Gastein zu letzter Lebensfreudigkeit, doch traten Herzkrämpfe immer häufiger auf und endeten am 15. September 1843 das Leben dieses, um das Vaterland so hochverdienten Helden, - beweint von seinen Angehörigen und seinen vielen Freunden, noch nach seinem Tode hochgeehrt von seinem Könige ! Conrady sagt : ,, Er hat sein Vaterland geliebt, mit seinem Volk gelitten, ihm gedient in Kriegs- und Friedenszeiten, treu seinem Könige und Herrn ! .... Ein echter Preufse, ein rechter, deutscher , freier Mann! - Aber auch mit aufrichtigstem Dank für den Verfasser legen wir das Buch nieder, in welchem er diesem , für die Geschichte Preufsens so bedeutenden und verdienstvollen Manne das schönste und bleibendste Denkmal gesetzt hat ! v. M.

chte Amberg und Würzburg 1796. Ein Säkular-Beitrag zur Kriegsgeschi . nt h na c te a n b eu n n a rr li e m he s st r n n Vo He vo Mas Frei und , Ober r r n etatsmäfsige Stabsoffizie im K. Bayerische 9. Infanterie -Regiment r Wrede . München . Theodor Ackermann , K. Hof-Buchhändle , 1896 . pag. 126 und 4 Skizzen . Die dankbare Erinnerung an die vor 100 Jahren durch den 25 jährigen Erzherzog Karl von Österreich bewirkte Befreiung des süddeutschen Bodens von der ersten französischen Invasion veranlafste den Herrn Verfasser zur eingehenden Betrachtung der Vorgänge in der oberen Pfalz und in Franken in der kurzen, aber entscheidenden Zeit 21. August bis 8. September des Feldzuges 1796 in Deutschland . Zugleich werden diese Ereignisse zur Grundlage für eine Betrachtung über die Kriegführung vor 100 Jahren, zunächst auf österreichischer Seite zu verwerten gesucht. Wir können die , unter sorgfältiger und einsichtsvoller Beachtung des gesammten , hierüber bereits vorhandenen geschichtlichen Materials, insbesondere des für die Befehlsgebung und inneren Vorgänge in der Armee des Erzherzogs Karl sehr wertvollen Tagebuches : ,,Das Korps des Generalmajors Fürst Liechtenstein im Feldzuge 1796 in Deutschland“, mit anerkennungswürdigem Fleifse und grofsem Verständnisse verfafste Arbeit. allen Offizieren zur Kenntnifsnahme bestens empfehlen . - Nachstehende Bemerkungen können wir, obwohl sie für den Wert der ge diegenen Arbeit einflufslos sind, nicht unterdrücken. „ Der gewichtige Um-

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stand , dafs, während der Erzherzog Karl das nördlich der Donau gelegene süddeutsche Land von der Armee Jourdan's befreite, südlich der Donau eine französische Armee unter General Moreau bis zur Isar siegreich vorgedrungen war, muſs das Bestreben des Erzherzogs, die Armee des Generals Jourdan weniger durch die Schlacht als das Manöver in dem Rückzuge zu erhalten, in etwas milderem Lichte als dem von dem Herrn Verfasser gewählten beurteilen lassen. Die im Schluſsabsatze der Fufsnoten zu Seite 3 enthaltene Beurteilung der in der Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, Jahrgänge 1826 bis 1828, gebrachten Gesammtdarstellung des Feldzuges 1796 in Deutschland als eine sehr minderwertige , können wir, nachdem wir dieselbe nochmals gelesen haben, in keiner Weise zutreffend finden, denn sowohl deren Angaben über die Stärke, als alle übrigen wichtigen Vorgänge werden bezüglich ihrer Richtigkeit durch die 32. von dem Herrn Verfasser gebrachten nicht vermindert. "

Der Anteil der Königlich Sächsischen Armee am Feldzuge gegen Rufsland 1812. Nach amtlichen Unterlagen bearbeitet von Moritz Exner , Oberstlieutenant z . D. und Vorstand des Königlich Sächsischen Kriegs-Archivs. Mit 2 Schlachtenbildern (in Lichtdruck) und 9 Skizzen und Plänen auf 3 ( lithographirten) Tafeln. Leipzig 1896 . Duncker & Humblot. Der Herr Verfasser ist in weiten militärischen Kreisen durch seine umfassende litterarische Thätigkeit bereits auf das Rühmlichste bekannt, sodafs neuen Schöpfungen seiner Feder stets mit berechtigten Erwartungen entgegengesehen wird. Wir erinnern nur an die eingehenden Berichte über die französische Armee aus Exners's Feder in den Löbell'schen Jahresberichten, an sein vorzügliches Buch „ die französische Armee in Krieg und Frieden" , das vor noch nicht zu langer Zeit erst wieder in Neuauflage erschien u . a. m. Das vorliegende, soeben erschienene Werk reiht sich seinen Vorgängern auf das Würdigste an und dürfte von Jedem, der sich dem Studium desselben unterzogen hat, mit voller Befriedigung aus der Hand gelegt werden . Der Herr Verfasser befindet sich aber auch gegenwärtig in einer Stellung, die ihn ganz besonders zum Schöpfer des vorliegenden Buches prädestinirte ; es stand ihm als Vorstand des Königlich Sächsischen Kriegsarchivs ein überreiches, kostbares, amtliches Quellenmaterial zur Verfügung, das er durch eifriges Studium im Kaiserlich-Königlichen Österreichischen Kriegs-Archiv in Wien und durch Heranziehung einer grofsen Zahl von hinterlassenen, handschriftlichen Aufzeichnungen einer Reihe sächsischer Offiziere und Mitkämpfer - deren teilweise hervorragende, dienstliche Stellung ihnen besondere Gelegenheit gab, den Zusammenhang der Ereignisse zu überblicken und verschiedene, schon im Druck erschienene Werke über den Feldzug 1812 noch in umfassender Weise zu ergänzen verstand . Das Buch zerfällt in verschiedene Abschnitte, entsprechend den verschiedenen Kriegsschauplätzen, auf denen die sächsischen Truppen verstreut waren. Die Hauptmacht deckte bekanntlich unter Reynier teils

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allein , teils mit den Österreichern unter Schwarzenberg, das Grofsherzogtum Warschau und die rückwärtigen Verbindungen der Grofsen Armee und kämpfte in Wolhynien in einem geradezu furchtbaren Gelände grofsenteils ohne Verpflegung und Unterkommen heldenmütig gegen weit überlegene feindliche Kräfte ; weitere sächsische Truppen -- die Kavalleriebrigade v. Thielmann mit der 2. reitenden Batterie v. Hiller (die spurlos untergegangen ist) - bildeten einen Bestandteil des 4. Kavallerie- Korps der Grofsen Armee und zeichneten sich ganz besonders durch die beispiellos kühn gerittenen Attacken in der Schlacht an der Moskwa, speziell die Erstürmung der Rajewski-Schanze aus, wobei beide Regimenter der Brigade den Verlust von allein je 18 Offizieren (tot oder verwundet) zu beklagen hatten. Die Prinz Albrecht-Chevauxlegers bildeten einen Bestandteil des 3. Kavallerie-Korps der Grofsen Armee ; von dem Regiment, welches an dem sattsam bekannten, furchtbaren Schicksal der Grofsen Armee seinen vollen Anteil zu tragen hatte, sahen 26 die Heimat wieder, aus der es 675 Köpfe stark ausgerückt war ! Ja, von der ganzen Kavallerie- Brigade Thielmann (Gardes du Corps und Zastrow-Kürassiere) kehrten überhaupt nur 20 Offiziere und 7 Mann zurück. Erst später folgten noch Einige, die in Kriegsgefangenschaft geraten waren. Diese 3 Regimenter waren also vollständig aufgerieben ! Der 4. Teil der mobil gemachten sächsischen Truppen die Infanterie-Regimenter von Low und von Rechten und das Chevauxlegers- Regiment Prinz Johann bildeten einen Teil des 9. Armeekorps, welches zunächst gegen Wittgenstein operirte und später gerade noch rechtzeitig an der Beresina eintraf, um wenigstens den Übergang und somit die Rettung wenigstens eines Teiles der Grofsen Armee zu ermöglichen. Das 9. Armeekorps ging schliesslich bekanntlich unter Mitführung seiner gesammten Artillerie in sehr guter Ordnung über die Brücke ; die beiden sächsischen Infanterie-Regimenter, welche der Arrieregarde angehört hatten, waren die letzten Truppen, welche die Brücke überschritten. Dann wurde dieselbe am 29. gegen 9 Uhr früh zerstört und angezündet. Und so zeichneten sich die sächsischen Truppen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen unter einem furchtbaren Klima und bei denkbar schlechter Verpflegung durch die echten Soldatentugenden der Manneszucht, Ausdauer und Tapferkeit aus, wie von Freund und Feind rückhaltlos anerkannt worden ist und von Exner durch die Wiedergabe einer Anzahl Dokumente glänzend belegt wird. — Überhaupt macht gerade die Beifügung verschiedener solcher Originalschriften , ferner von Verlustlisten u. s . w . das Buch sehr wertvoll, nicht zu vergessen der das Studium sehr erleichternden Karten und Skizzen und zweier schönen Lichtdrucke, welche von der rühmlich bekannten Firma Römmler & Jonas ausgeführt sind und deren einer, ein im Besitz Sr. Majestät des Königs von Sachsen befindliches Originalgemälde, „, die Schlacht von Poddubny" darstellt, während der Andere ein Gemälde wiedergiebt, das dem Sächsischen KriegsMinisterium gehört und die Attacke der Gardes du Corps und der ZastrowKürassiere in der Schlacht an der Moskwa zum Gegenstand hat. Wir möchten diese kurzen Zeilen nicht schliefsen , ohne das wertvolle Buch,

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das übrigens von der bekannten Verlagsanstalt auch, was Papier und Druck anlangt, in ein sehr gefälliges Äufsere gekleidet ist, einem weiten militärischen Leserpublikum angelegentlich zu empfehlen, und wünschen, dafs seine Lektüre Allen dieselbe Befriedigung gewähren möge wie uns 39. selbst. Die

Thätigkeit der deutschen Jäger-Bataillone im Kriege von 1870/71 , von Kunz, Major a. D. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 3,50 M.

Ganz besonders dankenswert ist es, dafs Major Kunz seine hervorragende Begabung fortgesetzt in der Weise nutzbar macht, dafs er durch die Art seiner schriftstellerischen Thätigkeit in so hohem Grade anregend wirkt. Er trägt dadurch wesentlich bei, dem jungen Offizier kriegsgeschichtliche Studien zu erleichtern ; er sichtet das ihm zur Verfügung stehende Material des Kriegsarchivs so, dafs es für weitere Kreise benutzbar wird und er erörtert zeitgemässe Fragen auf Grund eigener Studien . - Die überaus sorgsame Arbeit, welche die Thätigkeit der deutschen Jäger im letzten Kriege betrifft, wird Jedermann, besonders alle alten und jungen Grünröcke sicherlich ansprechen. Dafs die Verwendung der Jäger nicht immer ihrem Wunsche gemäfs war, liegt in den Umständen. Was die Zukunft der Jägertruppe bringen wird, steht noch dahin. Mag man ihr Fortbestehen oder ihr Aufgehen in der Infanterie befürworten, wir glauben, dafs sie wesentlich dazu beigetragen hat, der Infanterie das Verständniss für den Wert des Schiefsens, für den Patrouillendienst und für das Schützengefecht beizubringen. Ob man sie den Kavallerie-Divisionen zuteilen und in wieweit dazu das Fahrrad verwendet werden wird, wer weifs es ; jedenfalls wirkt auch in dieser Hinsicht die kleine Schrift in hohem Grade 63. anregend. Geschichte der Entwickelung des Russischen Heeres von der Thronbesteigung des Kaisers Nicolai I. Pawlowitsch bis auf die neueste Zeit. Als Fortsetzung der Geschichte des Russischen Heeres vom Ursprung desselben bis zur Thronbesteigung des Kaisers Nicolai I. Pawlowitsch von F. von Stein" , bearbeitet von Krahmer , Generalmajor z. D. I. Abteilung (bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1874). Leipzig. Zuckschwerdt & Co. 1896. Preis 4,50 M. Die vorliegende Schrift verdankt ihre Entstehung der Absicht, das in neuer, wohlfeiler Ausgabe im vergangenen Jahre, in demselben Verlage erschienene auf Quellen-Studien beruhende Werk von F. von Stein ,,Geschichte des Russischen Heeres vom Ursprunge desselben u. s. w. “ fortzusetzen und so ein abgerundetes Bild der Geschichte dieses Heeres zu geben. Der Herr Verfasser hat sich wesentlich auf die bekannte Veröffentlichung der unter Leitung des Generals Bogdanowitsch in den Jahren 1879--81 erschienenen " Übersicht über die Thätigkeit der Militär-Verwaltung in Rufsland in den ersten 25 Jahren der Regierung Kaiser Alexander's II." und auf die unter Leitung des Generals Petrow verfafste

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Umschau in der Militär- Litteratur.

Schrift ,,Die russische Wehrkraft, eine Geschichte der Entwickelung der-Beide selben vom Beginn Rufslands bis auf unsere Zeit" gestützt . Werke geben eine sehr sorgfälltige Aufzählung aller Details, ohne wesentlich tiefer in eine Kritik der Verhältnisse der Armee in den verschiedenen Epochen der Geschichte Rufslands einzugehen. In der Arbeit des Generals Krahmer finden wir eine für Rufslands Heeres-Entwickelung hochwichtige Zeit geschildert. Kaiser Nicolaus (dieser Name ist uns Deutschen geläufiger als der russische Nicolai) war Soldatenkaiser im eigensten Sinne des Wortes. - Er hat in seiner Art viel für sein Heer gethan, doch zum Teil in falscher Richtung. Alle seine Thätigkeit wurde aber lahm gelegt durch die Art der Ergänzung der Armee, welche im wesentlichen nach den seit Peter dem Grofsen eingeführten Grundsätzen geschah. Es lastete der Kriegs-Dienst nur auf den niedersten Volksklassen, von denen man sogar mit Vorliebe moralisch unwürdige Individuen - gleichsam zur Strafe - der Armee überwies. So brach das System des Kaisers im Krimkriege zusammen, eine so schmerzliche Erfahrung für denselben, daſs sie das Herz des stolzen Selbstherrschers brach. Sein Nachfolger auf dem Throne begann nun - unterstützt von vortrefflichen, ihm lange Jahre zur Seite stehenden Ratgebern eine Reihe von Reformen, welche ihren Abschlufs in gewissem Sinne durch die in Folge der Aufhebung der Leibeigenschaft 1874 eingeführte - Dieses Ereigniss allgemeine , persönliche Wehrpflicht fanden. hat daher Verfasser als Grenzpunkt für den ersten Teil seiner Arbeit geVorbereitet wurde dieses grofsartige Werk durch die wählt. völlige Umformung der Militär - Verwaltung durch den Kriegsminister Miljutin , welcher die bisher zum Schaden der Armee bestehende viel zu grofse Centralisation derselben beseitigte, durch welche den Verwaltungs- Organen jede Initiative bei der Beaufsichtigung und ArbeitsÄhnliche Verhältnisse verteilung in ihren Ressorts genommen wurde. Man führte nun das System der walteten auch bei der Truppe selbst ob. territorialen Gliederung der Verwaltung durch die Einteilung in MilitärBezirke ein, deren Oberkommandirender mit einem für alle Zwecke ihrer Aufgaben entsprechend ausgestatteten Stabe die Geschäfte in einer den Bedürfnissen der Truppen genügender Weise führen konnten. Dagegen löste man die Korps-Verbände auf, so dafs die Division der höchste - Wir werden bei der Besprechung des 2. Teiles Truppen-Verband blieb. sehen, dafs sich diese letztere Maſsregel bald als nicht sachgemäſs erwies . 17. Die Russische Kavallerie in Krieg und Frieden . Unter besonderer Berücksichtigung der Kavallerie -Reglements vom Jahre 1896. Von Hauptmann Freiherrn von Tettau . Leipzig 1897. Zuckschwerdt & Co. Preis 3 M. Die Russische Kavallerie hat im Sommer dieses Jahres ein aus 3 Teilen bestehendes neues Reglement erhalten. Demselben ist eine sehr eingehende Vorschrift für die Ausbildung im Schwimmen und das Übersetzen über Wasserläufe, eine Verordnung für die Leitung der Beschäftigungen bei der

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Kavallerie, die Verordnung über die Raswjedtschiks der Kavallerie und Vorschrift über den Dienstbetrieb mit denselben sowie ein Reglement für das Gefecht zu Fufs beigegeben. Ausserdem hat die Russische Kavallerie Unter dem neu in diesem Jahre eine neue Schiefsvorschrift erhalten . ernannten General - Inspekteur Grofsfürsten Nicolai Nicolajewitsch machte sich auch in der jüngstvergangenen Zeit auf anderen Gebieten des kavalleristischen Lebens, so namentlich auf dem der Remontierung, ein reges Interesse bemerkbar. So kann das Jahr 1896 für die Russische Kavallerie als ein höchst bedeutsames

bezeichnet

werden ,

das

in

vielen Be-

ziehungen einen Abschlufs in der Entwickelung zeigt. Es mufs daher als ein sehr glücklicher Gedanke bezeichnet werden, dafs der Herr Verfasser, welcher unserem Offizierkorps schon manche der Vorschriften der Russischen Armee übermittelt hat, in der vorliegenden Schrift ein zusammenfassendes Bild der Russischen Kavallerie gegeben hat. Wir erhalten zunächst eine Übersicht der Organisation derselben , dann wird die Wehrpflicht und die Ergänzung des Offizierkorps und der Unteroffiziere besprochen und die Remontirung, Bewaffnung, Uniformirung und Ausrüstung sowie die Verpflegung der Pferde geschildert. Alles dies geschieht aber in grofsen Zügen, um dem Kern der Aufgabe, in erster Linie unserem Reiteroffizier ein Bild der Ausbildung und der Taktik der Reiterei Sounseres östlichen Nachbars zu geben, gerecht werden zu können. weit es der Raum dieser Blätter gestattet, wollen wir aus dem reichen Inhalt der kleinen Schrift das Charakteristische hervorzuheben versuchen. Zunächst die Organisation .

Nachdem in neuester Zeit die Dragoner-

regimenter 49-52 errichtet und in 2 selbstständigen" Brigaden, dem XVI. bezw. XVII . Korps, welche bisher ohne eigene Kavalleriedivision waren, zugeteilt wurden, zählt Rufsland Milizen nicht eingerechnet -rund 620 im Frieden formirte Eskadrons. Die Ersatzformationen sind hierbei nicht eingerechnet. Solcher "9Ersatz-Kadres" bestehen heute aber 21 , von denen jeder nicht weniger als 10 Offiziere, 282 Mann und 297 Pferde stark ist. Grundsätzlich sollen im Frieden und im Kriege jedem ArmeeKorps eine Kavallerie-Division zugeteilt werden. Da die Zahl der KavallerieDivisionen in den westlichen Grenzbezirken diejenige der Armee- Korps übersteigt, so befinden sich hier einige Kavallerie-Divisionen aufserhalb des Armee-Korps -Verbandes, während andererseits andere Armee- Korps keine Kavallerie haben. Diesem Mangel sucht man in letzterer Zeit durch die Bildung der erwähnten selbstständigen" Kavallerie-Brigaden abzuhelfen. Aufserdem hat Rufsland im Frieden im Dienst eine Anzahl Milizen und gegen 80 Ssotnien berittener Grenzwache, welche sich allein an der Westgrenze im Mobilmachungsfalle zu 18 Kavallerie-Regimentern vereinigen, während die 6 Kasaken- Heere des Don, Kuban, Terek und Ural und von Orenburg und Astrachan im Kriegsfalle nicht weniger als 1291/2 Regimenter und 42 selbstständige Ssotnien aufstellen können. - Mit den im Kaukasus und Asien aufserdem angesiedelten bezw. dislocirten Kasaken kann Rufsland sogar 147 Regimenter, ein Halbregiment und 40 selbstständige reitende

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Ssotnien aufbringen, wobei die Opoltschenije garnicht berücksichtigt ist. Was nun das neue Reglement anbetrifft, so treten vor allen Dingen wie der Verfasser auch an anderer Stelle hervorhebt - 3 Forderungen hervor : Schonung des Pferde- Materials, Entwickelung der Initiative der Unterführer und ein möglichst hoher Grad der Gefechtsausbildung . Ein Das grofser Vorzug des neuen Reglements ist die Verkürzung desselben. Reglement vom Jahre 1884 umfafste nicht weniger als 9 Bände, eine schwere Aufgabe denjenigen stellend , welche ihren Vorgesetzten für die genaue Kenntnifs und Ausführung der in dieser ,,Bibliothek" enthaltenen Vorschriften verantwortlich waren. Das neue Reglement, obwohl immerhin noch umfangreich genug, fafst seine Vorschriften doch nur in 3 Bänden zusammen . Der erste derselben enthält im wesentlichen die Ausbildung des einzelnen Mannes im Reiten, zu Fufs, in der Handhabung seiner Waffe u. s. w. sowie diejenige des Zuges. Der zweite die Ausbildung der Eskadrons, des Regiments und der höheren Truppen - Verbände bis zu zusammengesetzten Korps hinauf, während der dritte die schon Eingangs dieser Besprechung gedachten Vorschriften und die Verordnung über die Raswjedtschiks umfaſst . - Zum Schlufs können wir nur unsere Anerkennung über die Arbeit des Freiherrn von Tettau wiederholen.

17.

Strategisch-taktische Aufgaben nebst Lösungen. Von H. v. Gizycki. Heft 1. Mit 3 Krokis und einer Generalstabs-Karte . Fünfte, nach der Felddienst - Ordnung vom 20. 7. 1894 umgearbeitete und erweiterte Auflage. Leipzig 1897. Verlag von Zuckschwerdt & Co. Preis 2,50 M.

Wenn der Herr Verfasser der Lehrmethode des Generals von Verdy folgt, so ist das durchaus anerkennenswert ; bleibt doch die Art, wie dieser hervorragende Lehrmeister uns mit dem Wesen des Krieges vertraut macht, bislang unerreicht. Warum die vorliegenden Aufgaben nicht nur ,,taktische", sondern ,,strategisch - taktische" genannt werden, will uns nicht recht einleuchten . Sie sind zum Teil aus dem Bereich der ,,Vorposten" entnommen und hätten wir gewünscht, dafs die „ Befehle für die Vorposten" auf Grund nicht einer Kriegslage, sondern eines „ AvantgardenBefehles" gegeben worden wären. Ein einheitlicher ,,Vorpostenbefehl", wie er hier aufgesetzt ist, wird zu den Ausnahmen gehören. Eine weitere Aufgabe ist, wenn man hier auch mit größseren Verbänden rechnet, im Grunde nichts weiter wie eine solche für ,, Vorposten", die aber jeder Tiefe entbehren. Wir finden die Zuteilung von Artillerie an die Vorposten nicht gerechtfertigt, können uns auch mit den mancherlei Eingriffen in die Thätigkeit der Unterführer nicht wohl befreunden. In der Aufgabe 3, welche den Vormarsch einer gemischten Brigade als vorgeschobenen Teil eines Korps bespricht, erhält die selbstständige Kavallerie den Auftrag, bis zu zwei Orten vorzurücken und von dort aus bis zu einem dritten aufzuklären. Hier wäre es wohl besser gewesen, ihr aufzutragen, über die durch die beiden erstgenannten Punkte festgelegte Linie gegen den dritten Punkt aufzuklären . Es werden nicht ,,Vorposten bezogen oder ausgesetzt ",

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sondern sie sichern und klären auf etc." Wenn es sich in Aufgabe 4 um ein offensives Vorgehen handelt, gehört der Führer zur ,,Avantgarde", nicht zum Gros, was wir auch für den Führer des Nord-Detachements in Aufgabe 6-7 erinnern möchten . In diesem letzteren Falle hätte er allein 1/2 Meile zu reiten gehabt, ehe er die Stelle erreichte, von der aus ihm ein Überblick über die Situation möglich war und dies vorausgesetzt, dafs die Tête hielt ; marschirte sie weiter, so kam er zu spät, um in seinem Sinne einzugreifen . Sehr anziehend geschildert ist der Distanzritt des Dragoneroffiziers in Aufgabe 5 ; er enthält aber doch Manches, was der Wirklichkeit nicht entspricht. Warum der Führer von Süd durch die Meldung dieses Offiziers sich zum Haltenbleiben verleiten läfst, ist schwer einzusehen . In Übung 6-7 spricht Verfasser von einer „ Allgemeinen Kriegslage" (General - Idee) und einer ,,Kriegslage" (Spezial - Idee ) . Die Felddienst-Ordnung kennt nur eine ,,General- Idee" (Kriegslage) und eine ,,Spezial-Idee" (besondere Kriegslage) oder aber einen „ Auftrag “, der sich aus der „ Spezial-Idee" ergiebt bezw. aus ihr hergeleitet wird . Wir können uns nicht gut vorstellen, dafs die artilleristische Entscheidung, falls die Gegner sich auf Entfernungen von höchstens 2400 m gegenüberstehen und die eine Artillerie die andere sogar teilweise im Auffahren und flankirend beschiefst , nicht doch innerhalb verhältnifsmäfsig kurzer Zeit erfolgen müsse. Trotz dieser Bemerkungen dürfen wir das vorliegende Heft einem Leserkreise empfehlen, dem es darum zu thun ist, in eingehender Weise sich mit den Bestimmungen der Felddienst- Ordnung vertraut zu machen . Vielleicht liefse sich bei einer späteren Umarbeitung oder Neuauflage das reichhaltige Gebiet noch etwas systematischer anordnen, damit Wiederholungen , wie sie hier vorkommen, ausgeschlossen werden. 63. Strategisch-taktische Aufgaben nebst Lösungen von H. v. Gizycki. Heft 12. Fortgesetzt von Taubert , Oberst und Kommandeur des Eisenbahn- Regiments Nr. 3. (Der kleine Krieg) . Mit 4 Anlagen: 1 Übersichtskarte. 2. 3. 4. Krokis. Leipzig 1897. Verlag von Zuckschwerdt & Co. Preis 2,50 M. Der Herr Verfasser geht von der Ansicht aus, „ Der kleine Krieg“ werde sich in Zukunft nicht nur hinter den Armeen, sondern auch vor deren Front abspielen, Träger desselben würden allein nur die „Volkswehren sein . So sehr wir dem beipflichten , dafs die bereits im Frieden organisirten Volkswehren in den Grenzgebieten beim Beginn eines Krieges mit Vorteil zum Schutz des eigenen Gebietes Verwendung finden werden, so können wir doch nicht glauben , dafs solche Formationen ,,auch durch ein angriffsweises Vorgehen Erfolge zu erzielen“ in der Lage sein werden . Die Ereignisse des deutsch-französischen Feldzuges zeigen, dafs nicht nur Franktireurs und Mobilgarden , sondern reguläre Truppen , Besatzungen von Festungen etc. den ,,kleinen Krieg" führten und auf deutscher Seite waren Etappentruppen und Detachements aller Waffen dazu bestimmt, die rückwärtigen Verbindungen zu sichern. Wir legen dem „ kleinen Kriege" aber Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 102 , 2. 18

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doch auch noch eine gröfsere Bedeutung bei als es in dem uns vorliegenden Heft 12 geschieht, indem wir die Ansicht verfechten, dafs die Führer aller Waffen und Grade mit dieser Art Kriegführung mehr als bisher vertraut gemacht werden sollten. Die beiden Beispiele, welche für den Schutz, bezw. den Angriff auf Etappenorte gewählt worden sind, dürfen wir als nahverwandt bezeichnen, möchten aber glauben, dafs die Beweglichkeit" die Hauptstärke aller der Teile ist, welche zum Schutze, bezw . zum Angriffe einer Bahnstrecke oder eines Punktes derselben berufen sind. In doch immerhin ausgedehnten Orten wie Dahme oder Niemegk wird sich eine schwache Abteilung nicht lange halten können ; auch ist durch .,mobiles Verteidigen " dem Übelstande am besten begegnet, daſs die Überanstrengung und Gleichförmigkeit des Wachtdienstes ermüdend und dann einschläfernd wirkt. Die Beschreibung der örtlichen Verteidigungsanlagen will uns für die gestellten strategisch- taktischen Aufgaben als zu detaillirt erscheinen, wenn wir andererseits auch mancherlei beachtenswerte Winke dadurch in dieser Beziehung erhalten haben. - Vorteilhaft ist es, bei derartigen Aufgaben auf die Kriegsgeschichte hinzuweisen, da sie am besten überzeugt. Wenn die Volkswehr- Kompagnie Torgau bei ihrer Unternehmung auf Dahme in vier Kolonnen aufbricht und dadurch nicht reussirt, so wäre z. B. auf den Überfall von Chateau-Vilain durch Savouhey hinzuweisen gewesen, der nur deshalb zu einem Miſserfolge führte, weil der nämliche Fehler begangen worden war, wie in dem gewählten Beispiele. Bedauerlicherweise ist die Übersichtskarte sehr undeutlich und enthält sie wie die beigefügten Krokis eine Menge die Übersichtlichkeit einschränkende, für das Verständnifs überdies entbehrliche Details . Zum Schlufs möchten wir es der Erwägung anheimgeben, ob es für den vorliegenden, im Grunde. ,,taktischen Zweck der Aufgaben" nicht besser gewesen wäre, die „ strate63. gischen" Kombinationen noch einfacher zu gestalten. Technische Vorträge und Abhandlungen XXVI : Wasserbeschaffung mittelst artesischer Brunnen. Vortrag gehalten von Edmund Herzog , Oberinspektor der k. und Staatsbahnen . Mit Abbildungen und Tafeln. Wien 1896. Spielhagen & Schurich . Preis 2 M. Der Vortrag lenkt die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit der Beschaffung guten Wassers in genügender Menge für Eisenbahnbetrieb, städtische und technische Zwecke. Man kann hinzufügen, daſs auch bei Anlage der Festungswerke die Wasserfrage häufig eine schwierig zu bewältigende ist. Der Verfasser bringt hierfür die Herstellung artesischer Brunnen in Empfehlung, wofür er, auf praktische Erfahrungen gestützt, eine leichtverständliche Anleitung nebst Kostenangaben und sonstigen 49. Einzelheiten bietet.

Ausbildung und Besichtigung des Rekruten im Gelände, nebst Wochenzettel für den Ausbildungsgang mit einem Anhang über Auffindung und Ausnutzung eines für gefechtsmäfsiges Schiefsen mit scharfen Patronen brauchbaren Geländes. Mit 8 Zeichnungen von v. Lochow, Hauptmann. Berlin 1896. Eisenschmidt .

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Unter den vielen Schriften über Rekrutenausbildung dürfte die vorliegende Brochüre besondere Anerkennung und Beachtung deswegen verdienen, weil sie sich speziell mit dem wohl wichtigsten Ausbildungszweige, der Ausbildung im Gelände, befafst. Der Herr Verfasser giebt eine Reihe schätzenswerter Winke, wie dieser Unterrichtszweig zweckmässig und er. folgreich betrieben werden kann , ohne dafs seine Andeutungen deshalb als Schema, oder gewissermafsen als jederzeit anwendbares Rezept angesehen werden dürften ; mancherlei Wege führen bekanntlich nach Rom, wenn auch zugegeben werden mufs, dafs der angegebene wohl am meisten entsprechen dürfte. Die nur 46 Seiten starke Brochüre handelt auf 22 Seiten von der Ausbildung des Schützen im Gelände, einschliesslich 12 Feuerleitungs- Aufgaben, von der Ausbildung im Entfernungsschätzen und von der Besichtigung des Schützendienstes und des Entfernungsschätzens im Gelände ; daran schliefsen sich 12 Wochenzettel für die Ausbildung. Weiter folgt der, mit dem vorausgehenden freilich nur in sehr lockerem, innerem Zusammenhange stehende Anhang über Auffindung etc. sowie eine Anweisung zum Gebrauch des Flugbahnapparates etc. von v. Lochow, die wohl nur den Zweck einer Art Empfehlung für den Verkauf des genannten Apparates haben dürfte. Vollkommen einverstanden sind wir mit der besonderen und durchweg zu ersehenden Betonung der Wichtigkeit der in gleicher Weise wie bei der Exerzirausbildung anzustrebenden und durchzuführenden Individualisirung und Einzelausbildung, sowie mit der Forderung, schon von Anfang an dem Manne stets wirklich vorhandene Ziele, insbesondere auch Geländestreifen und Geländegegenstände als Ziele vorzuführen. Ob es möglich sein wird, schon in der 1. Woche ein Programm zur Durchführung zu bringen von dem Umfang bezw. Inhalt, wie es der 1. Wochenzettel zeigt, mag dahingestellt bleiben, ebenso aber auch die Frage, ob aus den 8, übrigens sehr sauber autographirten und klaren Zeichnungsbeilagen für den Untericht ein besonderer Vorteil gezogen werden kann ; wohl nur wenige Mannschaften dürften den an sich ja sehr schönen Flugbahndarstellungen das entsprechende Verständnifs entgegen bringen. Wenn im Allgemeinen die Brochüre dem denkenden und einigermaſsen erfahrenen Offizier wenig oder nichts Neues bietet, so kann sie doch als schätzenswerter Anhaltspunkt für die Ausbildung im Gelände im Detail Ob. in anerkennendster Weise empfohlen werden. Der Ehrbegriff des Offizierstandes. Ein kurzes Wort zur Aufklärung von A. v. Boguslawski , Generallieutenant z. D. Berlin. Schall & Grund. Preis 60 Pf. Der Fall Brüsewitz hat den demokratischen Parteien aller Schattirungen wieder willkommene Gelegenheit zu Angriffen gegen den Offizierstand geboten. Es wird eine besondere Standesehre geleugnet, es wird behauptet, dafs im Offizierkorps eine falsche Auffassung der Ehre herrscht, welche Ursache verschiedener Mifsbräuche (Duell, Waffenanwendung wegen In18*

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jurien u. s. w.) ist. Diese in der Presse und im Reichstage erhobenen Angriffe konnten von der Militär - Litteratur nicht unbeantwortet gelassen werden. B. hat daher, wie so oft, so auch diesmal zur rechten Zeit das rechte Wort gesprochen. Der genannte Militär- Schriftsteller führt in den uns vorliegenden Blättern in überzeugender Weise aus, dafs im Offizierstande durchaus nicht eine falsche Auffassung der Ehre herrscht, denn ein Offizierkorps, welches einen Gneisenau, Grolmann, Scharnhorst, Boyen, Blücher, York, Bülow, Clausewitz, Moltke, Roon hervorgebracht hat, ein Offizierkorps, welchem Deutschland seine gegenwärtige Gröfse verdankt, kann nicht an einem falschen Ehrbegriff kranken. Dagegen bestehen in anderen Kreisen oft unrichtige Ansichten über den Ehrbegriff im Offizierstande. Die Umsturzparteien aber erblicken im Offizierstande ein Hindernifs der Verwirklichung ihrer Pläne und trachten daher das Ansehen desselben herabzusetzen. Es besteht, so führt der Herr Autor weiter aus, eine besondere Offizier-Standesehre, die Sucht der Gleichmacherei würde zur Vernichtung jeder die lebendige Kraft bergenden Eigentümlichkeit führen . Das Duell kann, wie auch die Geschichte lehrt, durch strenge Strafbestimmungen nicht abgeschafft werden. Eine Reform ist in dem Sinne anzustreben, dafs gegen jenen, welcher eine gegründete Veranlassung zu einem Duell gab, strenge vorgegangen wird. Eine andere Gestalt hat der einseitige Waffengebrauch wegen Injurien . Aber auch ein solcher Waffengebrauch kann unter Umständen als Notwehr gerechtfertigt erscheinen. Der Herr Autor tritt für eine Reform der Militär - Strafprozefsordnung auf Grundlage der Mündlichkeit und einer bedingten Öffentlichkeit ein, wendet sich aber entschieden (und zwar mit Recht) gegen eine Beschränkung der Militär - Gerichtsbarkeit auf die Militär-Verbrechen . Im Interesse der guten Sache wünschen wir der kleinen, aber gehaltvollen Schrift eine recht weite 45 . Verbreitung. Mottos und Devisen des Kriegerstandes. Wahl-, Wappen- und Denksprüche der Männer vom Schwerte gesammelt und herausgegeben von Gotthold Krebs , k. u. k . Hauptmann. Wien, L. W. Seidel & S. Ein prächtiges, eigenartiges Buch, das nicht nur von aufserordentlichem Sammelfleifs zeugt, sondern auch von den gründlichen Kenntnissen des Verfassers, der die Sprüche, wo es ihm nötig schien, mit Erläuterungen und Anmerkungen begleitet . Die Sammlung enthält über 1500 Devisen, die alphabetisch geordnet sind und deren Auffindung bezüglich ihrer Herkunft durch ein am Schlufs gegebenes Personen- und Sachregister erleichtert wird. Mit Recht bemerkt der Verfasser im Vorwort, dafs die von ihm gebotenen Mottos und Devisen, Wahl-, Wappen- und Denksprüche, Losungen, Feldgeschreie , Schlacht- und Volksrufe , denkwürdige Inschriften, Umschriften von Medaillen und Ordensdekorationen eine „, Sprache der Helden", eine ,,Philosophie des Edelmanns" zum Ausdruck bringen im Gegensatz zur ,,Weisheit auf der Gasse ", den von der Volkspoesie geschaffenen Sprichwörtern.

Umschau in der Militär - Litteratur. Dafs der Verfasser Österreich -- Ungarn und das

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Habsburg-

Lothringen besonders berücksichtigte , ist natürlich . Aber er hat sich keineswegs hierauf beschränkt, vielmehr auch die andern Länder Europas , zumal Deutschland und Brandenburg -- Preufsen im Besonderen, zu ihrem Recht kommen lassen. Einige Bemerkungen mögen das lebhafte Interesse bekunden , das die schöne Arbeit erweckt. Auf einer Medaille zu Froben's Gedächtnifs steht: ., A domino hoc factum est et mirabile in oculis nostris." Diese Medaille scheint die Geschichte vom Schimmeltausch zu bestätigen, während derselbe von der historischen Forschung in das Reich der Legende verwiesen ist . Verfasser hätte in seiner Anmerkung diese Thatsache wohl erwähnen können. ,,Agere aut pati fortiora", Inschrift einer brandenburgischen Standarte, würde etwa zu übersetzen sein : ,,Siegen oder der übermächtigen Schickung erliegen." Den wüsten Pöbelruf der französischen Revolution : ,, A la lanterne !" hätten wir in dieser anständigen und vornehmen Spruch- Versammlung gern vermifst. ,, Allidor, non laedor" (von der Armada) ist richtiger zu übersetzen : „ Ich scheitere (vom Feinde) unverletzt ." „, Bellum indico facioque", Ausruf der römischen Fetialen beim Beginn des Kampfes , wäre zu übersetzen : ,, Krieg künd' ich und führ' ich ." Wenn der Spruch Testart's : ,,A Dieu mon âme, au Roi mon sang" angeführt wird, so vermissen wir den herrlichen Wahlspruch der Ritterschaft : ,,A dieu mon âme, Ma vie au roi, Mon coeur aux dames, Honneur pour moi !" Der Wahlspruch des 1838 gestifteten Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens : ,,Ein Gott, Ein Recht, Eine Wahrheit" bildet eine interessante Parallele zu unsers Kaisers Ausspruch bei der Gedenkfeier der KaiserProklamation : "" Ein Reich, Ein Volk, Ein Gott!" Der Wahlspruch des Grafen Werner von Habsburg : ,,Facilis jactura" (ein leichter Verlust) ist ohne Anmerkung kaum verständlich . Da Cäsar's Wort : ,,Jacta est alea“ und andererseits das ,,Veni et vici" Don Juan's d'Austria angeführt ist, so vermifst man um so mehr Cäsar's ,,Veni, vidi, vici. " Dagegen ist ,,Legione ad bellum sacrum instructa" doch kaum ein Wahlspruch oder eine Devise zu nennen, es erscheint wie ein Passus aus einer Erzählung oder einer Rede. ,,Spectemur agendo" (Standarteninschrift) wäre zu übersetzen : ,,Zeigen wir uns in Thaten." 29 Vive la commune" gehört kaum unter die Schlachtrufe der Männer vom Schwerte das wären Männer vom Petroleum . Die Übersetzung von Mévɛ mit „ Halt Stand" ist angemessen , nicht aber die andern ,, Begehre". Interessant ist die Inschrift auf griechischen Schleuderbleien : Zévia, Gastfreundschaft, die Verfasser witzig und treffend also erklärt : ,, Um freundliche Aufnahme wird gebeten." Vorstehende Bemerkungen wollen nur die Aufmerksamkeit bekunden, die dem Krebs'schen Buche gebührt. Zu wünschen bleibt noch, daſs die

Umschau in der Militär-Litteratur.

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Übersetzungen der lateinischen Devisen hier und da korrekter und treffender wären. Bei einer neuen Auflage wird sich diesem kleinen Übelstande leicht abhelfen lassen . Jedenfalls sei die köstliche Spruchsammlung, die wohl geeignet ist, den leider etwas aus der Mode kommenden Idealismus neu zu beleben, den ,,Männern vom Schwerte" warm empfohlen ! P. v. S. Erlebnisse eines rheinischen Dragoners im Feldzuge 1870/71. Von O. Beck. Zweite Auflage. München 1896. Dr. Adolf Kayser. Preis 2,25 M.

Cart. 2,80 M.

Die Zahl von ,,Feldzugs-Erinnerungen" mehrt sich von Jahr zu Jahr. Wer, wie Schreiber dieser Zeilen, sie fast ohne Ausnahmen zu Händen bekommt, weifs , dafs aus der grofsen Menge der Mittelmäfsigkeiten doch nur wenige bedeutende Leistungen sich abheben . Zu diesen gehört unbedingt das hier vorliegende, vor 10 Jahren ursprünglich nur als Manuskript gedruckte Buch. Verfasser hat den Feldzug vom Anfang bis zum Ende mitgemacht. Mit Ausnahme einiger Wochen, während deren er beim Stabe der 4. Kavallerie-Division kommandirt war, hat er an allen Streifereien dieses besonders während des Loire-Feldzuges durch seine hervorragende und erspriefsliche Thätigkeit im Kleinen Kriege geradezu berühmt gewordenen Regimentes den regsten Teil genommen . Verfasser versteht es, fesselnd zu erzählen ; er verfügt über einen köstlichen Humor und eine scharfe Beobachtungsgabe. Es ist herzerfrischend, seinen Erzählungen zu lauschen ; alte Erinnerungen an die vergangene, grofse und schöne Zeit stiegen in mir auf. ―― Mir war dieses prächtige Buch eine Quelle reinen Genusses; ich bin überzeugt, dafs niemand es unbefriedigt aus der Hand legen wird und füge hinzu, dafs jüngere Kavalleristen zumal viel aus demselben lernen können . 2. Fröschweiler Chronik.

Kriegs- und Friedensbilder aus dem Jahre 1870-71 von K. Klein , ehedem Pfarrer in Fröschweiler. Lieferung 1-7. Preis je 50 Pf. Illustrirt von E. Zimmer. München. Beckscher Verlag.

Die schon vor mehreren Jahren erschienene ,,Fröschweiler Chronik“ liegt nunmehr in einer von Meisterhand trefflich illustrirten Ausgabe vor. Wer auf das Gemüt des Volkes wirken will , der möge es (wenn möglich) durch Wort und Bild thun. Daran können wir uns an unseren westlichen Nachbarn ein Beispiel nehmen . Pastor Klein, dessen gastliches Haus Schreiber dieser Zeilen im Jahre 1871 selbst betreten hat und aus dessen Munde er die fesselndsten Erzählungen vernahm über seine Erlebnisse vor und nach der Schlacht bei Wörth, besitzt eine unvergleichliche Gabe des Schilderns , fast möchte ich sagen des Malens in Worten, was dem genialen Zeichner dieses Werkes die Aufgabe sicherlich sehr erleichtert haben mag. Wir empfehlen das eigenartige Werk, dem nur Tanera's ,,Erinnerungen eines Ordonnanzoffiziers im Jahre 1870/71 " zur Seite gestellt werden können, Jung und Alt als ein würdiges Gedenkbuch der grofsen Zeit auf das Dringendste. (Das Werk hat in 14 Lieferungen zu Weihnachten 1896 2. seinen Abschlufs gefunden, kostet also vollständig 7 M.).

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Edgar von Ubisch. ziers 1870/71 .

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Kriegs-Erinnerungen eines preufsischen OffiBerlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 2,60 M.

Diese Erzählungen tragen, wie es der Verfasser beabsichtigt hat, thatsächlich dazu bei,,, ein lebhaftes Bild jener wunderbaren Zeit von 1870/71 zu geben." Sie sind frisch und anregend besonders auch für den geschrieben, der jene Zeit und Ähnliches wie Verfasser erlebte. Wenn auch absichtlich Manches ,,frei eingekleidet" wurde, so wirkt dies doch in keiner Weise störend. Je mehr die Zeit des grofsen Krieges der jetzigen Generation entschwindet, desto willkommener sind litterarische Erscheinungen wie die vorliegende. Denn diese Kriegs-Erinnerungen sind durchglüht von jener Begeisterung, wie sie grofse Ereignisse zeitigen, sie atmen auch in den Abschnitten ,,Verwundet" und ,,Gefangen" volle Frische. Und diese glühende Begeisterung durchweht unsere Feldzugsbriefe, sie war es, die in allen Tagen „ durch“ half und sie wird es sein, die auch in künftigen Tagen des Königs Streiter jubelnd in Sieg und Tod führen wird . Mögen viele, die damals noch nicht mitkämpfen konnten, diese Kriegs-Erinnerungen lesen und möge ihr Inhalt ihnen ein Bild der Wirklichkeit vor Augen führen, das den Wunsch rege werden läfst, selbst Ähnliches durchkämpfen zu dürfen ! 63. Von Dr. Die Schufsverletzung durch das kleinkalibrige Gewehr. K. Eschweiler. München 1897. Seiz und Schauer. Preis 75 Pf. Unter diesem Titel veröffentlicht der Herr Verfasser eine Zusammenstellung der über dieses Thema laut gewordenen Stimmen. Die kleine Schrift umfafst 26 Oktavseiten und fügt eine Angabe der benutzten Autoren bei. Wir teilen die Auffassung des Verfassers, dafs die Vervollkommung des Gewehrs mit dem kleinkalibrigen Stahlmantelgeschofs und dem rauchschwachen Pulver jetzt ihre Grenze erreicht hat, und somit jetzt der richtige Zeitpunkt zur Herausgabe einer solchen übersichtlichen Zusammenstellung gekommen ist. Bezüglich der Frage, ob die Verletzungen durch das Kleinkaliber wirklich einen so ,,humanen" Charakter haben, stehen wir mit dem Verfasser auf dem Standpunkte einer verneinenden Antwort. Er sagt: „ Wir dürfen uns mit keinen Illusionen über den wahren Zweck der neuen Waffe hinwegtäuschen, zu dem sie geschaffen ist, nämlich möglichst viele Gegner , auf welche Weise es immer sei , kampfunfähig zu machen." - Der Ansicht, dafs die grofse Tragweite des Gewehrs dazu nötigen wird, die Verbandplätze sehr weit hinter die. Feuerlinie zurückzuziehen , können wir nicht beipflichten. Wie sollen sie dann von den Verwundeten und Krankenträgern erreicht werden n. können?

III.

Seewesen.

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Heft XI: Segelanweisung für den Hafen von Quemoy. Auf Grund von Vermessungen, ausgeführt im Auftrage des Chefs der Kreuzer- Division ,

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Umschau in der Militär-Litteratur.

Kontre-Admirals Hoffmann . - Zur Hydrographie der Samoa-Inseln . Aus Kommandant Korvetten - Kapitän dem Reisebericht S. M. S. „Bussard “ . Reise deutschen Schiffes „, Columbus" des Winkler . (Hierzu 1 Tafel) von Cardiff nach Singapore und von dort nach New - York von Kapitän Fr. Stöver. -- San Benito . Westküste von Mexiko , von Kapitän J. Grube, Führer der Bark ,, Theodor" . - Reisen der Schiffe ,, Selene ", „ Neck", „Najade“ und „ Bertha “ vom Kanal nach dem Stillen Ozean im Mai, Juni und Juli 1895. - Die Windhose vom 5. Juli 1890 bei Oldenburg und die Gewitterböe vom 10. Juli 1896 in Ost-Holstein von Dr. W. Köppen (Forts.). Über Stabilität von Schiffen. Vortrag gehalten in der Hamburger mathematischen Gesellschaft am 27. Juni 1896 von Prof. O. Flamm an der Technischen Hochschule in Charlottenburg. - Azimuth-Tabellen, enthaltend die wahren Richtungen der Sonne für Intervalle von 10 Zeitminuten zwischen den Breitenparallelen von 70 ° N. bis 70 ° S. Berechnet von Jul. Essen, königl. Navigationslehrer. Ankerplätze und Fahrwasser an der West- und Nordküste von Lombok, nebst Bemerkungen über die KombalBai an der Westküste . Flaschenposten - Notizen : 1. Ankerplatz vor der Mündung des Ketapang (Borneo - Westküste). 2. Mofia-Insel und Untiefe, Nordküste von Neu-Guinea. Die Witterung an der deutschen Küste im Monat Oktober 1896. Marine · Rundschau. Heft 12: Zur Vorgeschichte der Flotte. Von Vize-Admiral Batsch (Forts .) . - Deutschlands Seemacht. -- Bestattung der Besatzung S. M. S. ,, Iltis " (mit einer Skizze) . - Angaben über Dampfbeiboote n/M. für S. M. Schiffe. Probefahrten S. M. S. ,, Hela" (mit einer Abbildung) . — Löschen der brennenden Kohlenladung des Bremer Vollschiffs „ Emilia“ in Dar-es- Salaam. - Organisation , Entwickelung, neuere Fortschritte und gegenwärtiger Stand des französischen Leuchtfeuerwesens (mit Abbildungen), (Forts.). Die Marine der Vereinigten Staaten von Franz Reimoser (mit Abbildungen). Bestrebungen zur geistigen , sittlichen und sozialen Hebung der Seeleute in England. - Mitteilungen aus fremden Marinen . Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. XII : Über Taktische Probleme des Seekrieges . - Die Ventilation auf Schiffen.

Verteidigung der Seefront des italienischen Kriegshafens von Spezia. Der Budgetvoranschlag für die niederländische Fremde Kriegsmarinen . Der neue Zolltarif für den Nord- OstKriegsmarine für das Jahr 1897. Ein Schiff aus see-Kanal. - Lösen festgerosteter Schraubenmuttern . Delta-Metall. Nr. 1923 : Die französische Marine . Army and Navy Gazette. Beabsichtigte Vermehrung der Über die neue Kadetten-Erziehung . Der deutsche Marine-Artillerie um 500 Offiziere und Mannschaften. Reichstag soll aufgelöst werden, falls die Marine - Vorlage nicht durchgeht. Weiteres über die Flottenbemannungsfrage. Nr. 1924 : Marine-Geschütze . 90 Torpedobootszerstörer werden gebaut, wovon 22 bereits in Dienst waren . Abschlufs der Probefahrten des ,,Powerful", bei 25 000 Pferdestärken 21,8 Seemeilen erreicht. Nr. 1925 : Subsidiirte Handels- Schiffe. -

Umschau in der Militär - Litteratur.

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Unfälle von Kriegsschiffen beim letzten Sturm. Stapellauf der ,, Proserpine" und des „ Gladiator". Zur Heizerausbildungsfrage. Nr. 1926 : Der Ingenieur im Kriegsschiffsdienst. - Geplante Schiffsbenennungen für die Neubauten. Die französischen Bestrebungen zur Vergrösserung der Marine. - Die Herrschaft der See. Die Lage in Egypten. Journal of the Royal United Service-Institution. (December 1896.) Die Aufgabe der Marine und der Armee bei der Verteidigung des Reichs. - Über Pistolen. Die Verwendung von Aluminium für militärische Zwecke. - Eine neue Erfindung für Torpedos in ÖsterreichUngarn. Army and Navy Journal. Nr. 1735 : Vorbereitungen zur Verteidigung aus Anlafs der cubanischen Frage. - Versuche mit pneumatischer Steuerung, Turmdrehvorrichtungen u. s. w. - Innerer Mechanismus des automobilen Howell-Torpedos (mit Abbildung). Nr. 1736 : Über den Unfall des ,,Texas". - Fortschritte der neuen Marine. - Versuche mit neuen Wasserröhrenkesseln. Nr. 1737 : Der End-Krieg . Unfall mit einer Canet- Schnellladekanone. Die grofse Antille (Cuba). - Der Ingenieur im Kriegsschiffsdienst. Nr. 1738 : Der ,,Ernest Bazin " (mit Abbildung) . — Bericht des Sekretärs der Marine mit Vergleichstabelle der Seestreitkräfte der HauptMarinen. - Der Ingenieur im Kriegsschiffsdienst . - Stapellauf der Kanonenboote ,,Vicksburg" und ,,Newport". Revue maritime et coloniale. (November 1896.) Fragen der Marine-Strategie. - Die elektrische Installation auf dem Kreuzer ,, Bugeaud“. - Praktischer Führer zu den Kriegsgerichten und der Strafordnung an Bord in Dienst gestellter Schiffe (Forts . ) . - Unterstützung der Opfer von Seekriegen (Schlufs) . - Die Verpflegung der Marine und die Grundsätze Abihrer Regelung . - Der 200. Jahrestag der russischen Marine .

handlung über den italienischen Kreuzer ,, Marco Polo ". - Die Entwickelung der Seestreitkräfte Japans. Der ,,Kearsarge ". Bericht über die Seefischerei. Rivista marittima. Nr. 12 : Yarrow-Kessel und Thornycroft- Kessel, Der Wert der Torpedoboote, von A. Resio. - Die von V. Malfatti. deutsche Kolonie Ostafrika, von F. Mongiardini. -- Die (Handels- ) Marine vom agrarischen Standpunkte betrachtet. Über ein Problem der MarineStrategie. Morskoi Sbornik. (Russischer Marine- Sammler). Nr. 11. (November Während auf den in auswärtigen Gewässern 1896 ) : Offizieller Teil. befindlichen Fahrzeugen die Schiefsübung aus Gewehren bisher auf Grund Regeln für den Artillerie- Dienst auf den Fahrzeugen der Flotte" der (10 Patronen jährlich pro Kopf auf 2/3 der Schiffsbesatzung) ausgeführt wurde, hat, auf Antrag des Kommandeurs des Geschwaders im Stillen Ozean (dessen Besatzung 1896 mit dem Drei - Linien - Gewehr ausgerüstet worden ist), in Zukunft auch auf diesen Fahrzeugen gemäſs der ,,Vorschrift für die Ausbildung im Schiefsen aus Gewehren und Revolvern auf dem Lande" stattzufinden, wodurch jedoch die Notwendigkeit. der Ausbildung im Schiefsen gemäfs den ,,Regeln für den Artillerie-Dienst"

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Umschau in der Militär-Litteratur.

nicht ausgeschlossen wird. Nachrichten über die Fahrzeuge in ausländischen Gewässern ; zu dem im November- Heft 96 der Jahrbücher, S. 204 aufgeführten Verzeichnifs der Fahrzeuge des Mittelmeergeschwaders kommt noch hinzu : Kreuzer II. Kl . „ Wjesstnik “ mit 13 Geschützen, 1268 Indik. - Kräften , 15 Offizieren und 180 Mann (s. auch folgende Nr.) . Nichtoffizieller Teil. Zur Frage des Kreuzer - Krieges. (Übersetzung aus dem Englischen : ,, Ironclads in Action ", von Wilson). - Die Bedeutung des Ingenieur- Mechanikers auf dem Fahrzeuge im Kriege . (Schlufs). - Aus Anlafs des Jahrestages des Unterganges des englischen Panzerschiffes ,,Victoria". - Die neuesten Vervollkommnungen der SchiffsMaschinen. Russische UnterMetallurgische Bemerkungen. suchungen des Marmara - Meeres , im Jahre 1894 ; Übersicht der Untersuchung des Marmara-Meeres vor der Expedition des Jahres 1894 ; Expedition auf dem türkischen Dampfschiffe ,,Sseljanik" im Jahre 1894. Nr. 12. (Dezember 1896) : Offizieller Teil. Nachrichten über die Fahrzeuge in ausländischen Gewässern. Auf dem Wege nach dem mittelländischen Meere, zur Verstärkung des Mittelmeer-Geschwaders (s. auch Nr. 11 ), befindet sich auch das Geschwader-Panzerschiff ,, Ssissoi Weliki “ , mit 40 Geschützen , 8500 Indik .-Kräften , 30 Offizieren, 550 Mann . Rapport des Befehlshabers des Mittelmeer-Geschwaders, Kontre-Admirals Andrejew. Nichtoffizieller Teil. Mittel zur Verstärkung der Gefechts-TaugDer Ausbau Zur Frage des Kreuzer- Krieges . lichkeit der Flotte. der heutigen deutschen Flotte . - Einfluss einer Beschädigung des Bordes auf die Widerstandsfähigkeit des Fahrzeuges .

Bücher. Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine für das Jahr 1897. Abgeschlossen am 30. November 1896. Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs . Redigirt im Marine-Kabinet. Berlin . E. S. Mittler & S. Die neue soeben erschienene Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine hat gegen das Vorjahr, entsprechend dem Anwachsen unserer Seemacht wieder etwas an Umfang zugenommen. Wie immer zeichnet sie sich durch klare Anordnung und Übersichtlichkeit aus. Sie giebt ein gutes Bild von den Veränderungen, welche im Laufe des Jahres unter dem Personal und Material vor sich gegangen sind, bildet gewissermaßsen eine Geschichte der Marine. Allerdings kommt diesem Vorzug der Umstand zu Gute, dafs es sich um einen einheitlichen Körper handelt, in welchem Versetzungen, wie in der Armee von Regiment zu Regiment, nicht vorkommen und bis zum jüngsten Kadetten herab auch bei Bordkommandirungen die Reihenfolge gewahrt bleibt, in der die betreffenden Kommandoverhältnisse vermerkt sind. Interessant ist es zu ersehen, dafs unter den Seeoffizieren 36 mit der Rettungs- Medaille dekorirt sind , also ca. 6 %.

Die Schiffsliste weist

Umschau in der Militär-Litteratur.

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21 Panzerschiffe, 13 Panzerkanonenboote, 18 Kreuzer, 3 Kanonenboote, 10 Avisos, 14 Schulschiffe und 12 Schiffe zu besonderen Zwecken auf. Wer sich für die Kaiserliche Marine interessirt, wird viel Interessantes in 19. der Rangliste finden.

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Der Ehrbegriff des Offizierstandes. Ein kurzes Wort zur Aufklärung von A. von Boguslawski , Generallieutenant z. D. Berlin. Schall & Grund . Preis 60 Pf. 2. a) Kaiser Wilhelm der Grofse als Herrscher, Mensch und Christ. Ein Charakterbild aus seinem Leben geschildert . Mit 55 Abbildungen.

Preis 1 M., kart. 1,25 M.

b) Kaiser Wilhelm der Grofse.

Ein Lebens- und Charakterbild. Festschrift zum 100 jährigen Geburtstage des edlen Fürsten. Mit 42 Abbildungen . Preis 25 Pf. Von A. Wolter. Herausgegeben zum Besten des Baufonds der Kaiser Wilhelm Gedächtnifs . kirche. Berlin 1897. E. S. Mittler & S. 3. Der russisch-deutsche Neutralitäts-Vertrag und die orientalische Frage. Ein Beitrag zu vollständigerer Würdigung der Bedeutung des Vertrages . Von einem Deutschen. Berlin 1896. H. Walther. Preis 50 Pf. 4. Napoleon I. und der Überfall des Lützow'schen Freikorps bei Kitzen am 17. Juni 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege von Adolf Brecher. Mit einer Karte von Kitzen und Umgegend 1813. Berlin 1897. R. Gaertner. Preis 3 M. 5. Der Winterfeldzug in Preufsen 1678-1679. Dargestellt von Dr. F. Hirsch, Professor. Berlin 1897. R. Gaertner. Preis 3 M. Aus dem Verlage der Königl. Hofbuchhandlung E. S. Mittler & S .: 6. Schönhausen und die Familie von Bismarck , Bearbeitet im Auftrage der Familie von Dr. G. Schmidt , P. Berlin 1897. Preis 5 M., geb. 6,50 M. 7. Lehnert's Handbuch für den Truppenführer. Auf Grund der heutigen Dienstvorschriften umgearbeitet von v. Hagen , Major. 16. Auflage. Mit einer Beilage : Taschenbegleiter für Manöver, Übungsritt, Kriegsspiel. Berlin 1896. Preis 1,60 M. 8. Taschenbuch für die Feldartillerie. Herausgegeben von Wernigk ,

Hauptmann. 13. Jahrgang 1897. Berlin 1897. Preis 2,50 M. 9. Geschichte des Infanterie-Regiments von Courbière (2. Posensches) Nr. 19. Als Fortsetzung der „ Fünfzig Jahre Geschichte" des Königlich Preufs. 2. Posenschen Inf. - Regts. Nr. 19. Im Auftrage des Regiments geschrieben von Arnold , Major und v. Kalkstein , Hauptmann. Berlin 1896. Preis 6 M. 10. Unsere Unteroffiziere im Kriege. Erstes Heft . Mit 76 Abbildungen.

Berlin 1896.

Preis 1,50 M.

276

Umschau in der Militär-Litteratur.

11. Garnisonbeschreibungen, vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus aufgestellt. Herausgegeben von der Medizinal- Abteilung des Königl. Preufs. Kriegsministeriums. Beschreibung der Garnison Liegnitz. Mit 2 Kartenbeilagen und 13 Tafeln. Berlin 1896. Preis 4 M. 12. Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine für das Jahr 1897. Redigirt im Marine-Kabinet. 13. Winke , Mittel und Wege zur erfolgreichen Förderung des Schiefsens. Von Scheffer , Major. Zweite durchgesehene Auflage. Preis 1 M. 14. Die Festung in der heutigen Kriegführung. Von Schroeter , -Hauptmann . Erste Abteilung : Das Wesen des Festungsbaues. Die Landesbefestigung. Mit 14 Textskizzen und 7 Tafeln in Steindruck. Berlin 1897.

Preis 2,60 M.

15. Kurze Geschichte des Grenadier- Regiments König Friedrich Wilhelm II. (1. Schlesisches) Nr. 10. Auf Wunsch des Regiments zusammengestellt von v. Ebertz , Major z. D. Mit 1 Bildnifs, 3 Uniformbildern, 1 Fahnenbild, 5 Textskizzen und 1 Übersichtskarte. Berlin 1896. Preis 2 M. 16. Leitfaden für den Unterricht in der Feldkunde auf den Königlichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der General-Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens bearbeitet. Neunte Auflage. Berlin 1897. Preis 3,30 M. 17. Leitfaden für den Unterricht in der Waffenlehre auf den Königlichen Kriegsschulen . Auf Veranlassung der General-Inspektion des Militär - Erziehungs- und Bildungswesens bearbeitet. Achte Auflage. Berlin 1897. Preis 3 M. Ferner empfingen wir: 18. General-Major v. Sternegg's Schlachten-Atlas des 19. Jahrhunderts, vom Jahre 1828 bis 1885. 51. u . 52. Lieferung. Preis einer Lieferung für Subskribenten 2,60 M. , für Nicht- Subskribenten das Doppelte. Leipzig, Wien, Iglau. P. Bäuerle . 19. Armeekörper-Tableau. Darstellung der Armeekörper (Division, Korps , Armee) mit Kriegs-Ständen nach einer beispielsweise angenommenen Ordre de bataille. Verfafst von A. Springer. Im Selbstverlage des Verfassers : Meran, Villa Traunstein. Dazu ein Anhang : Einige Daten über das Heerwesen der europäischen Grofsmächte. Preis 1 Krone. 20. Kaiser Wilhelm der Grofse und seine Zeit, von H. Stückmann u. J. van Ekeris. Dortmund 1896. W. Ruhfus. Preis 75 Pf. 21. Fröschweiler Chronik. Kriegs- und Friedenshilder aus dem Jahre 1870-71 , von Karl Klein , ehedem Pfarrer in Fröschweiler. Illustrirt von E. Zimmer. Lieferung 4-7 . Preis der Lieferung 50 Pf. München, O. Beck. 22. Kurze Darstellung der Geschichte des Königl. Sächsischen Fufs-Artillerie-Regiments Nr. 12. Auf Veranlassung des Regiments für die Unteroffiziere und Mannschaften bearbeitet von C. Löblich , Major. Metz 1896. G. Scriba. Preis geh. 35 Pf., geb. 75 Pf.

Umschau in der Militär-Litteratur.

277

23. Dienstanweisung für die königl. bayerischen Offiziere , Sanitätsoffiziere und oberen Beamten des Beurlaubtenstandes. Zusammengestellt von Helbling , Premier- Lieutenant. 1896. Berlin. E. S. Mittler & S. München. Litterarisch-artistische Anstalt. Preis 80 Pf. 24. Vor neunzig Jahren. Die Schreckenstage von Saalfeld a. S. und der Heldentod des Prinzen Ludwig Ferdinand von Preufsen (10. Oktober 1806) . Nach den zuverlässigsten Quellen dargestellt von B. E. König (Saalfeld). Mit vielen Abbildungen . Meiningen 1896. Junghanss & Koritzer. Preis 1 M. 25. Pierre S. Lycoudis. Suite au Mémoire sur un nouveau système de Bouches à feu démontables publié en 1891. Nouveaux Tracés. 6 planches. Athènes 1896. A. Constantinidès. 26. G. Porro , Tenente colonnello di stato maggiore . Note sulla sistemazione scientifica dello studio della geografia militare. Estratto dalla Rivista Militare italiana 1896. Roma 1896. Enrico Voghera. 27. ,,Praventor" . Elektrische Ausweichvorrichtung zur Verhütung von Zusammenstöfsen auf See. Von Ulrich Preusse , Lieutenant a. D. 28. Erzherzog Carl von Österreich als Feldherr und Heeresorganisator. Von Moritz Edlen von Angeli , k. u. k. Oberst. III . Band . Mit 1 Übersichtskarte und 1 Plan. Wien u. Leipzig 1897. W. Braumüller. Preis 6 M.

Kroll's Buchdruckerei, Berlin S., Sebastianstrasse 76.

XX .

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897. Von

Paul von Schmidt, Generalmajor z. D.

Der 22. März !

Welch ein Jubeltag einst für ganz Deutsch-

land, welch ein Festtag für die Armee !

Von Jahr zu Jahr schien die Begeisterung, mit der dieser Kaisertag gefeiert wurde, noch zu wachsen, und sie erreichte ihren Höhepunkt, als Kaiser Wilhelm in wunderbarer Rüstigkeit und Frische das neunzigste Lebensjahr vollendete. Und nun im nächsten Jahre , welcher Gegensatz ! Tiefe Trauer lag über dem Vaterlande, das es kaum fassen konnte , dafs es seinen ersten Kaiser verloren hatte, den Vater des Vaterlandes. Im Schlosse zu Charlottenburg der sterbenskranke Kaiser Friedrich ,

in echt hohenzollernscher Pflichttreue herbeigeeilt aus dem fernen Süden, um seines Kaiseramtes zu walten bis zum letzten Atemzuge und dann auf seinem Posten zu sterben. Welch ein tief schmerzlicher Abstand gegen die hoffnungsfrohen Sommertage des Jahres 1882 , als in allen deutschen Häusern das bekannte Vierkaiserbild frohlockend gezeigt und betrachtet wurde : Hurrah , vier Kaiser! Nun ruhte der Heldenkaiser im Mausoleum und sein Sohn, die einst so frohgemute

Siegfriedsgestalt , die Wonne und Hoffnung des deutschen Volkes, der Sprache beraubt, mit einem Fufs auf dem Throne, mit dem andern im Grabe. Von Tag zu Tag schien die Gröfse des Verlustes noch zu wachsen, immer schmerzlicher fühlbar zu werden . Aus seinem glorreichen Leben schied der Kaiser", so begann der Erlafs Kaiser Friedrich's an sein Volk. Was lag in diesen Worten alles beschlossen : den Seinen war er genommen, der treue Gatte, der liebevolle Vater, das teure Haupt des erlauchten Hohenzollernhauses. Preufsen hatte einen König verloren, dessen Name sich anreiht den grössten Fürsten- und Königsnamen unserer vaterländischen Geschichte. Dem deutschen Vaterlande war sein Hort genommen, dem neubegründeten Reiche sein erster Kaiser.

Der Christen-

heit war einer ihrer treuesten Bekenner gestorben, der allezeit Gott die Ehre gab und zumeist auf seines Ruhmes höchster Höhe.

Ganz

Europa trauerte um ihn , den herrlichen , mächtigen Kaiser, dem selbst die Feinde sich beugten in unwillkürlicher Ehrfurcht. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 102, 3.

19

280

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897. Das Preufsenheer ,

die

gesammte

deutsche Streitmacht

hatte ihren Kriegsherrn verloren . Und welchen Kriegsherrn ! Sein Denken, Sorgen und Schaffen gehörte in erster Linie dem Heere. Alle unsere Hohenzollern tragen das militärische Gewand, das wir darum im eigentlichsten Sinne 27 des Königs Rock " zu nennen pflegen. Kaiser Wilhelm aber trug diesen Rock nicht wie einen hergebrachten Schmuck ; dieses Kleid war verwachsen mit seinem innersten Wesen ; er war der erste, der treueste, der tüchtigste Soldat im preufsischen und im deutschen Heere . Seit jenen tieftraurigen Märztagen von 1888 sind neun Jahre vergangen, Jahre voller Arbeit, voller Sturm und Drang ; die Hast der rasch lebenden und rasch vergessenden Gegenwart hat in dieser Zeit gar manches Götzenbild errichtet, bewundert und wieder in den Staub getreten - aber Kaiser Wilhelm's Heldenbild strahlt in ungetrübtem Glanze . Wohl hat der tiefe Schmerz um ihn sich verklärt zu milder Wehmut, zu andachtsvoll treuem Gedenken - aber seine lichte, herrliche Gestalt scheint höher und höher emporzuwachsen, je mehr sie hinaufrückt in die Vergangenheit ; wie ein Heldenlied aus des Vaterlandes Heroenzeit läfst die Kunde von Kaiser Wilhelm alle Herzen höher schlagen, macht die Alten jung, wenn sie sein gedenken, begeistert die Jugend zu neuem Streben und zu neuen Thaten. Ja , sein Bild wächst empor vor unseren Augen, je weiter wir uns von ihm entfernen. Mitten im Häusergewirr und im Gewühl der Stadt achten wir kaum auf den himmelstrebenden Turm des Münsters .

Uns

fehlt Mafsstab und Mufse der Betrachtung.

sind wir hinausgetreten aus dem engen Thor, Aue hinaufgestiegen zur freiliegenden Höhe

Aber

weit über Feld und dann baut sich vor

dem erstaunten Blick mächtig auf der ehrwürdige Dom, weit überragend all das zwerghafte Bauwerk, das uns drinnen den Anblick der erhabenen Gröfse verdeckte und störte. So ist's dem deutschen Volke ergangen mit seinem Kaiser Friedrich Barbarossa , so, vielleicht noch in höherem Mafse, geht es uns mit Kaiser Wilhelm I. Sein Name ist viel tiefer in des Volkes Herz geschrieben , als der Barbarossa's . Welchen Gewinn brachten Deutschland Barbarossa's Kämpfe mit den lombardischen Städten oder seine Römerzüge ! Kaiser Wilhelm aber hat in den 73 Jahren, von seinem Konfirmationsgelübde bis zu seinem Tode, nur für sein Vaterland gelebt , gelitten und gestritten . Ihm war die Arbeit und die selbstlose Hingebung an das Vaterland etwas so Selbstverständliches, dafs er sie sich nie zum Verdienst rechnete, vielmehr alles Verdienst und allen Ruhm in seinem dankbaren Herzen stets den Männern zuwies, die seine Berater und Heerführer waren, wobei

es wiederum

sein.

281

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

grofses , nicht genug zu schätzendes Verdienst war, dafs er mit seinem klaren Blick überall die rechten Männer zu finden wufste und mit seiner ganzen Person , mit seiner königlichen Autorität für sie eintrat, wenn Unverstand und Übelwollen die Mafsnahmen seiner Berater bekrittelte und anfeindete. In diesem Monat gedenkt ganz Deutschland des Tages, an welchem Kaiser Wilhelm I. vor hundert Jahren das Licht der Welt erblickte .

Wer aber ist wohl mehr berufen, diesen Tag zu feiern , als

die Armee , die in dem grofsen Kaiser ihren Kriegsherrn , ihren ruhmgekrönten Oberfeldherrn, ihren Reformator, ihren rastlos für sie sorgenden und schaffenden Vater verehrt. richtet von den Thaten,

die

Die Weltgeschichte be-

Siegen , die Kaiser Wilhelm erfochten ,

er für Preufsen und Deutschland

vollführt :

von den wir aber

wollen heute nur an einige Momente, Äufserungen und Charakterzüge erinnern , die für die soldatischen Empfindungen und Auffassungen des unvergesslichen Fürsten bezeichnend sind und die auf seine eigenartige, unermüdliche Arbeit an der Armee ein helles Licht werfen.

Von Kind auf zeigte Prinz Wilhelm eine ausgeprägte Neigung für den Soldatenstand, wie das auch in allen seinen Spielen zum Ausdruck kam. Ein herrliches Christfest war es für ihn, als ihm, dem noch nicht achtjährigen Knaben , die erste Uniform , die des Husarenregiments von Rudorff des früheren Zieten'schen Regiments, bescheert wurde, Später erhielt er noch die Uniform der Towarczy's (der späteren Ulanen), in welcher er bei mancher Besichtigung an der Seite des Vaters erschien . Über diese früh erwachten militärischen Neigungen äufserte der „ Prinz von Preussen " kurz vor seiner Thronbesteigung : „ Ich war in meiner Jugend viel schwächlicher als mein älterer Bruder, sodafs nach den Gesetzen der Natur meine Nachfolge auf den Thron aufser aller menschlichen Bedarum hatte ich auch meine Lebensaufgabe stets nur im Dienste der preufsischen Armee erkannt. Ich habe mich diesem Dienste mit voller Liebe und Ausdauer hingegeben und glaubte SO am besten die Pflichten eines preufsischen Prinzen gegen seinen König und sein Vaterland zu erfüllen. " rechnung lag ;

Die sonst so frohe Knabenzeit des Prinzen fiel in die traurigste Periode der preufsischen Geschichte : die Niederlagen von 1806 und 1807 , die fast zum Zusammenbruch des Staates führten, machten auf das warm empfindende Gemüt des Knaben tiefen Eindruck.

Wäh-

rend die königliche Familie , den siegreichen Schaaren Napoleon's weichend, in Königsberg weilte, wurde schon am Neujahrstage 1807 , noch ein Vierteljahr vor dem vollendeten 10. Lebensjahre, Prinz 19*

282

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

Wilhelm Offizier. Da an Deinem Geburtstage , meinte der Königliche Vater , vielleicht keine Gelegenheit sein wird , Dich ordentlich einzukleiden, da ihr nach Memel gehen sollt, so ernenne ich Dich heute schon zum Offizier da liegt Deine Interimsuniform.

Wie heils hatte Prinz Wilhelm den Tag ersehnt, da er in

seine geliebte Armee eintreten durfte.

Nun ward ihm diese Ehre

vor der Zeit, aber aus so trauriger Veranlassung, dafs die Freude gar sehr gedämpft wurde. In Memel erhielt er am 22. März 1807 das Patent als Fähnrich und wurde der dort neu formirten Garde zu Fufs zugeteilt ; am Weihnachtsabend wurde er Sekondlieutenant. Als die königliche Familie Anfang 1808 wieder ihre Residenz in Königsberg aufschlug, zog Prinz Wilhelm mit der Garde ein und bethätigte das regste Interesse am Dienst, soweit die Studien das irgend zuliefsen. Ein bekanntes Bild aus dem Jahre 1808 zeigt den Prinzen am Fenster des Königsberger Schlosses stehend, wie er auf den Schlofshof hinausblickt, und

wo damals die Mannschaften der Garnison tüchtig

mit Hingebung " exerzirten,

galt es doch, sich kriegstüchtig zu

machen für die Stunde des Kampfes und der Befreiung. Sinnend und ernst schaut der Knabe hinaus ; das aufgeschlagene Buch in seiner Hand mochte ein Band der Werke des grofsen Friedrich sein, die der Prinz schon früh mit besonderer Vorliebe studirte. An demselben Fenster stand mehr als ein halbes Jahrhundert später König Wilhelm vor seiner Krönung ; wie viel weltbewegende Ereignisse hatten sich seitdem vollzogen und wie viele standen noch bevor! Damals mochte König Wilhelm auch wieder der früh verklärten Mutter gedenken, deren unvergessliche Mahnungen nach dem Zusammenbruch von 1806

bestimmend geworden sind für seine

ganze Lebensaufgabe. 77 Ruft künftig " , so hatte Königin Luise gesprochen, „wenn wenn eure Mutter nicht mehr lebt, diese unglückliche Stunde in euer Gedächtnifs zurück ; - aber begnügt euch nicht mit Thränen allein ; handelt , entwickelt eure Kräfte ! Vielleicht läfst Preufsens Schutzgeist sich auf euch nieder. Befreit dann euer Volk von der Schande, dem Vorwurfe und der Erniedrigung , in welcher es schmachtet! Lasset euch nicht von der Entartung unseres Zeitalters hinreifsen,

werdet Männer und geizet nach dem

Ruhm grofser Feldherren und Helden !

Fehlte euch dieser Ehrgeiz ,

so würdet ihr nicht wert sein, die Enkel des grofsen Friedrich zu heifsen . Könnt ihr aber trotz aller Anstrengungen den gesunkenen Staat nicht wieder aufrichten, so sucht den Tod , wie ihn Prinz Louis Ferdinand gesucht hat !" Wie hatte Prinz Wilhelm seine

283

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897 .

Mutter geliebt und verehrt.

Er und der Kronprinz begleiteten den

König an das Krankenlager der Königin in Hohenzieritz , wo sie wenige Stunden danach ihre edle Seele aushauchte. Noch heute. wird dort im Sterbezimmer unter Glas und Rahmen der Kranz von Eichenlaub und Rosen aufbewahrt, den Prinz Wilhelm seiner Mutter weihte. Mit unermüdlichem Eifer widmete sich in den nächsten Jahren der

heranreifende Jüngling dem Dienst ;

sein Lehrer, Hauptmann

von Reiche vom Kadettenkorps, bezeugt ihm in seinen Aufzeichnungen, dafs schon damals in seinem Zöglinge der wahre zuverlässige Soldat und Anführer lag, geworden ist. "

wie er es nachher in vollem Maſse

Preufsen erhob sich , der König rief sein Volk zu den Waffen. Dem feierlichen Feldgottesdienst, der in Breslau vor dem Ausmarsch der Truppen abgehalten wurde , wohnte auch Prinz Wilhelm bei. Aber wie heifs er auch wünschte, mit hinauszuziehen strenger Befehl lautete : „Zu Hause bleiben und die schonen !"

Ohne Murren gehorchte der edle Jüngling ;

des Vaters Gesundheit

aber wie be-

neidete er den Kronprinzen , seinen Bruder, der den König begleiten durfte. Als nach den schweren Verlusten , welche die Garde bei Grofs - Görschen erlitten, mehrere Premierlieutenants ernannt wurden, schien Prinz Wilhelm zurückstehen zu müssen. Doch der König tröstete ihn : „ Du sollst auch avanciren ! " Wie kann ich avanciren, da ich hinter dem Ofen safs , als die Kameraden im Feuer standen! " meinte der Prinz. 27Thut nichts " , dekretirte der König , ich habe dir befohlen, zu Hause zu bleiben und darunter darfst du nicht leiden. " Der Prinz erhielt ein Premierlieutenants-Patent vom 15. Juni. Als nach der Leipziger Schlacht der König nach Breslau zurückkehrte, eröffnete der König dem glückstrahlenden Sohne, dafs er ihn nun mit in den Krieg nehmen wolle, doch nur auf sechs Wochen, denn du bist noch zu schwächlich. "

Prinz Wilhelm's Energie ,

mit der er allen Strapazen trotzte, sorgte dafür, dafs weder nach sechs Wochen, noch später von Rückkehr die Rede war. Allbekannt ist sein unerschrockenes Benehmen in dem Treffen von Bar - surAube.

Der Prinz selbst betrachtete es als etwas ganz Selbstverständ-

liches, dafs er,

dem Befehl des Königs folgend,

kaltblütig sich dem

heftigsten Feuer aussetzte , und wurde durch die Verleihung des Georgenkreuzes und des Eisernen Kreuzes vollständig überrascht. Nun verstehe ich erst, warum mir der Oberst von Luck so herzlich die Hand drückte und die Andern so vielsagend lächelten “ ,

meinte

der Prinz, als er am Geburtstage der Königin Luise 10. März das Eiserne Kreuz erhielt. Diese beiden Dekorationen, seine ersten

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

284

Kriegsorden , hat er sein ganzes Leben hindurch besonders lieb und wert gehalten . Auf Bar-sur-Aube folgten die Schlachten von La FèreChampenoise und von Paris.

Beim Einzug in die feindliche Haupt-

stadt ritt er mit dem Kronprinzen dicht hinter dem König ; am 7. August zog er, inzwischen zum Major befördert, mit der Garde in Berlin ein. Erst am 8. Juni 1815 fand des Prinzen Konfirmation statt ; seine Seele war erfüllt von dem Ernst und der Bedeutung dieser heiligen Handlung ; feierlich, laut und freudig legte er in der Kapelle des Charlottenburger Schlosses vor dem ganzen Hofe das von ihm selbst verfafste Glaubensbekenntnifs ab, unter dessen Lebensgrundsätzen folgende für den pflichttreuen Soldaten besonders charakteristisch sind : Ich will es nie vergessen, dafs der Fürst auch Mensch, vor Gott nur Mensch ist ,

dafs dieselben Gesetze,

welche

auf

Andere gelten, auch ihm vorgeschrieben sind, und dafs er wie die Meine Andern einst für sein Verhalten wird gerichtet werden. Kräfte gehören der Welt, dem Vaterlande . Ich will daher unablässig in dem mir angewiesenen Kreise thätig sein, meine Zeit auf das Beste anwenden und so viel Gutes stiften, als in meinem Vermögen Den Pflichten des Dienstes will ich mit gleicher steht. Pünktlichkeit nachkommen und meine Untergebenen zwar mit Ernst zu ihrer Schuldigkeit anhalten, ihnen aber auch mit freundlicher Güte begegnen. " Alle die köstlichen, schlichten Worte des Glaubensbekenntnisses kamen ungesucht aus der Tiefe des Herzens ; sie enthalten die Keime zur Gesinnung, zum Verhalten, zum Thun des Mannes. Auf den zweiten Pariser Frieden folgte die lange, für Preufsen und Deutschland scheinbar wenig förderliche Friedenszeit. Aber gerade für den Prinzen wurde diese thatenarme Periode lehrreich und bedeutungsvoll.

Denn er widmete sich nicht nur mit wahrem Feuer-

eifer dem Dienst, das Kleinste ebenso würdigend und betonend, das Gröfste , sondern erkannte auch mit seinem klaren Blick,

wie mit

seinem überall prüfenden und richtig urteilenden Verstande , wo es fehlte und wo in Zukunft die bessernde Hand anzulegen sein würde, wie in Erziehung und Ausbildung, so in der Organisation .

Die

Mängel der in der Zeit der Not ins Leben gerufenen LandwehrFormation konnten ihm ebensowenig verborgen bleiben, wie jene gewisse militärische Abspannung, die auf den hohen Aufschwung des Befreiungskampfes folgte, zumal das Avancement stockte und Kompagnie-Chefs und Kommandeure, Jahrzehnte lang in ihren Stellungen, im Einerlei des Friedensdienstes verknöcherten. Dem Prinzen Wilhelm war es vergönnt, in raschem Aufsteigen, das er nicht blofs seiner fürstlichen Geburt, sondern auch seiner von

285

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

König

Friedrich

Wilhelm III.

stets

anerkannten

hervorragenden

Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit verdankte, sich in allen Kommandoverhältnissen reiche Erfahrungen und auch jenes militärische savoir faire" zu erwerben, das dem Offizier, dem Führer und Bildner des Heeres unentbehrlich ist . Kommandeur im

Nach den Befreiungskriegen Bataillons-

1. Garde-Regiment, vertrat er bald darauf längere

Zeit den erkrankten Kommandeur dieses Regiments. Chef des

7. Infanterie-Regiments,

1817 wurde er

1818 Kommandeur der 1. Garde-

Infanterie-Brigade. 1819 ins Kriegsministerium berufen, erhielt er 1820 das Kommando der 1. Garde-Division . Endlich wurde er an seinem Geburtstage 1825, im jugendlichen Alter von Kommandirender General des 3. Armee - Korps.

28 Jahren 13 Jahre

lang hat Prinz Wilhelm an der Spitze des Brandenburgischen Korps gestanden, das diesen erlauchten und geliebten Führer ebensowenig vergessen wird, wie seinen späteren berühmten Kommandirenden, den Prinzen Friedrich Karl.

Die

1830 in Paris ausgebrochene

Juli - Revolution bedrohte einmal wieder die Ruhe Europas .

Als

hierzu noch die belgischen Kriegswirren kamen, war Preufsen genötigt, seine Armee auf den Kriegsfufs zu setzen und ein Beobachtungskorps am Rhein aufzustellen.

Dem Prinzen wurde die Inspizirung der bei

Aachen vereinigten Truppen des 7. und 8. Armeekorps übertragen. Bei dieser Besichtigung konnten dem scharfen Auge des Prinzen die unleugbaren Schwächen nicht entgehen, die der damaligen Landwehrverfassung anhafteten . Damals mag zuerst der Gedanke der Heeresreorganisation , der sich dreifsig Jahre später verwirklichen sollte, im Geiste des Prinzen feste Wurzel gefafst haben. Wir werden der weiteren Entwickelung seiner Pläne später wieder begegnen . Bei den Manövern von Kalisch , die bekanntlich von preufsischen und russischen Truppen gemeinsam ausgeführt wurden, befehligte Prinz Wilhelm eine Kombinirte Reserve - Kavallerie - Division und löste diese schwierige Aufgabe in vortrefflicher Weise ; mehrfach griff diese Division in den Gang des Gefechtes entscheidend ein. In diesen und in den nächsten Jahren wurde der Prinz durch das Vertrauen wichtiger

des

königlichen

Vaters

militärischer Arbeiten

mit

Teilnahme

beauftragt,

und

Leitung

wie Umarbeitung des

Exerzir-Reglements für die Infanterie, Ausarbeitung einer Instruktion für Aufstellung und Gebrauch gröfserer Kavalleriemassen u . A. Am 30. März 1838 wurde der Prinz an die Spitze des GardeKorps berufen und zugleich General-Inspekteur der 4. Armee- Abteilung --- 7. und 8. Armeekorps . Für die Grundsteinlegung zum Denkmal Friedrich des Grofsen , die auf den 1. Juni 1840 angesetzt war, wurde Prinz

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

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Wilhelm von seinem bereits schwer kranken Vater mit den militärischen Anordnungen betraut.

Als er seinem Vater Entwurf und Skizze zur

Truppenaufstellung vorlegte und der König bemerkte, dafs auch die Potsdamer Fahnen dabei sein sollten, sagte der König : „ Die können gleich zu meiner Beerdigung hierbleiben. "

Nach der Feier, welcher

der König vom Fenster aus zuschaute, liefs der Prinz , um dem Vater eine vielleicht letzte Freude zu machen, alle Fahnen einzeln von den betreffenden Kompagnien und Schwadronen vor dem Palais defiliren . Als er nachher seine Besorgnifs äusserte, dafs dies am Ende doch störend gewesen sein möchte , beruhigte ihn der gütige Vater : „Ist mir ganz recht gewesen hat mich gar nicht gestört habe mir jede Kompagnie und Eskadron merken können . war aber Habe die Aufstellung nur einen Moment gesehen alles sehr ordentlich . " Wie treffend diese schlichten Worte des

Ordentlich , tadellos und korrekt bis ins kleinste Detail waren stets des musterhaften Dienstkenners Anordnungen und Maſsnahmen . Königs :

Der Tod des geliebten Vaters stellte den Prinzen vor eine neue Lebensaufgabe : als

„ Prinz von Preufsen

war er nunmehr der

mutmaſsliche Nachfolger König Friedrich Wilhelm's IV. , da dem Königspaar keine Kinder beschieden waren . Einen seiner traurigsten Geburtstage feierte der ritterliche Prinz von Preufsen 1848. An diesem Tage trat er auf Befehl des Königs die Reise nach England an, weil er bei den Berliner Demokraten „für einen Feind des Volkes " galt und mit dem besonderen Hafs der Aufrührer beehrt war. Wie mufste dem strammen , pflichttreuen Soldaten in jenen Tagen zu Mute sein, als alle Autorität wankte, als Preufsens Geschicke dem Belieben des Berliner Pöbels anheimgestellt schienen . Aber ebenso fest und treu, wie das gesammte Preufsenheer, stand der Prinz seinem königlichen Bruder zur Seite ,

ein un-

erschütterlicher Hort für Recht, Gesetz und Ordnung. Die Armee wufste es schon damals, was sie an dem Prinzen hatte ; mit schwärmerischer Verehrung und voll froher Hoffnungen blickte sie auf den ritterlichen Führer .

In den Tagen der Verbannung kam diese Stim-

mung des Heeres in einem viel gesungenen Liede zum Ausdruck : ,,Prinz von Preufsen, ritterlich und bieder, Kehr' zu deinen Truppen wieder, Heifsgeliebter General! Weilst du gleich an Englands Strande , Schlagen doch im Vaterlande Herzen für dich sonder Zahl .

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

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Führe du uns, Prinz, wir folgen gerne, Folgen dir als unserm Sterne, Folgen dir bis in den Tod. Mag's auch Stein' und Kugeln regnen, Du, Herr Gott, wirst Waffen segnen, Die geführt auf sein Gebot."

Als der Prinz am 4. Juni 1848

wieder den preufsischen Boden

betrat, war ihm in Wesel ein festlicher Empfang bereitet. Dort sagte er zu den versammelten Offizieren und Beamten : Den Herren ist bekannt, dafs vieles über mir gewaltet hat. Es ist schmerzlich , verkannt zu werden ; nur mein reines Gewissen hat mich über diese Zeit hinweggeführt und mit reinem Gewissen kehre ich in mein Vaterland zurück. Ich habe immer gehofft, der Tag der Wahrheit werde anbrechen und er ist angebrochen . Es hat sich seitdem vieles in unserm Vaterlande verändert ; der König hat es gewollt, des Königs Wille ist mir heilig ; ich bin sein erster Unterthan und schliefse mich mit vollem Herzen den neuen Verhältnissen an. Aber Recht , Ordnung und Gesetz müssen herrschen, keine Anarchie ; dagegen werde ich mit meiner ganzen Kraft streben; das ist mein Beruf! Wer mich gekannt hat, weifs, glüht habe. "

wie ich immer für das Vaterland ge-

Im Oktober 1848 hatte die Bundes-Militär-Kommission in Frankfurt a. M. einen Gesetzentwurf über die deutsche Wehrverfassung ausgearbeitet , der die weitgehendsten Forderungen in ultrademokratischem Sinne stellte : sechsmonatliche Dienstzeit, Wahl der Vorgesetzten bei der Landwehr u. s. w. Der Prinz verfafste eine 1849 anonym erschienene Denkschrift : „ Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf über die deutsche Wehrverfassung. " Diese Denkschrift wies in präzisester Form und in überzeugender Weise nach, dafs mit einer sechsmonatlichen Dienstzeit höchstens Rekruten einexerzirt, aber keine Soldaten erzogen werden könnten . Diesem unmöglichen 77 Volksheere" stellte der erlauchte Verfasser die bewährte preufsische Armee gegenüber : „Verhöhnt, verspottet, von allen Kunstgriffen der Verführung umstrickt, hat sie felsenfest und unerschüttert in ihrer Gesinnung und Disziplin dagestanden, hat ihre Schuldigkeit mit einer Treue und Hingebung gethan , welche dieser stets hochgestellt gewesenen Truppe aufs Neue die Bewunderung der Welt erwarb." Bald sollte der Prinz die Tüchtigkeit des Heeres erproben.

Als

zur Unterdrückung des Aufstandes in der Rheinpfalz und in . Baden Preufsens Hülfe erbeten wurde, übertrug der König dem Prinzen den Oberbefehl über die Operations-Armee in Baden und

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

288

in der Pfalz .

In der Pfalz war die Ordnung rasch hergestellt ;

ernstere Kämpfe gab es in Baden , wo 40 000 Insurgenten in Waffen standen. Doch schon am 25. Juni zog der Prinz in Karlsruhe ein und im Juli fiel nach mehrwöchiger Einschliefsung die Festung Rastatt; am 24. Juli konnte der Prinz dem Grofsherzog von Baden die völlige Niederwerfung des Aufstandes melden.

Als die Rebellen-

haufen, die Rastatt besetzt gehalten hatten, aus der Stadt zogen, wandte der edle, ritterliche Fürst sein Rofs: ,,Ich will diese Leute nicht sehen", sprach er im Wegreiten. In einem Berichte des Prinzen über die Operationen heifst es : ,,Ebenso erfolglos, wie mit den Waffen in der Hand, haben die Insurgenten mit Proklamationen gegen den gesunden Sinn der Truppen anzukämpfen versucht. Jeder Soldat hatte

sich

eine

so

bestimmte Meinung

über das verbrecherische

Treiben der Rebellen zur Stelle mitgebracht und durch die

eigene

Anschauung der Verhältnisse nur noch mehr befestigt , sodafs es allein den angestrengtesten Bemühungen der Offiziere zuzuschreiben ist, wenn im Gefecht überhaupt Gefangene gemacht worden sind. “ Als Preufsen 1850 gegen Österreich mobil machte, erhielt der Prinz von Preufsen den Oberbefehl über die bei Berlin zusammengezogene Armee, blickte.

die voller Vertrauen auf ihren ritterlichen Führer

Die Art der Beilegung des drohenden Konfliktes war freilich

nicht nach dem Sinne des Prinzen ;

aber er gehorchte ohne Murren,

wie es dem preufsischen Soldaten ziemt. Die Mobilmachung hatte die vorhandenen Übelstände in der Heeresorganisation abermals mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, und der erfahrene, scharfblickende Führer säumte nicht, die Lehren und Folgerungen daraus zu ziehen, die zum Heile der Armee ins Auge gefasst werden mussten . Dem

Hofrat

Schneider ,

Redakteur

der

Wehrzeitung

und des

Soldatenfreundes, übersandte der Prinz damals folgende Weisungen : ,,Verbesserungen in der Landwehr.

Alle öffentlichen Besprechungen

dieses Gegenstandes müssen vermeiden, glauben zu machen, als habe sich das Landwehrinstitut als unhaltbar erwiesen, welche Ansicht bereits durch einige unvorsichtige Zeitungsartikel Platz greift. Meine Ansicht : Eine totale Reform erscheint nicht notwendig , und wenn sie selbst nötig wäre, so wäre der jetzige Moment nicht eine totale Reorganisation uns under zeitgemäfseste , weil schlagfertig finden würde. Dagegen ist notwendig, den einzureihenden Offizieren an Quantität und Qualität zu Hülfe zu kommen . Der Wille und Geist ist gröfstenteils vortrefflich, le savoir aber gering. (Dieser Punkt mufs öffentlich sehr schonend besprochen werden .)" - Folgen Vorschläge zur Erhöhung der Offizieretats. ,,Der Einjährig-freiwillige Dienst darf künftig nicht mehr als un-

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Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

bedingte

Schule

zum

Landwehroffizier

bezeichnet

werden .

Nur

notorische Qualifikation kann und darf dazu führen , nicht aber Treibhaus Erziehung . " Folgen Vorschläge zu Formationen , die denen bei der späteren Reorganisation des Heeres ähnlich sind. Jedenfalls liegen hier deutlich die Keime zu dem grofsen Werke, das König Wilhelm mit vollem Rechte als ,, sein eigenstes " bezeichnen durfte. Am 20. März 1854 wurde dem Prinzen von Preufsen die höchste einem königlichen Prinzen zugängliche Charge verliehen : GeneralOberst von der Infanterie mit dem Range eines Generalfeldmarschalls. Zur Feier seines 50jährigen Militärdienstjubiläums verlieh der König dem Jubilar das 7. Husaren- Regiment in der Folge die Königshusaren" genannt und überreichte ihm einen kunstvollen Degen. Die Armee widmete einen silbernen Ehrenschild, die Veteranen einen

silbernen Helm,

Drachentöter.

auf dessen Spitze der Erzengel Michael,

der

Auf dem Schild stand geschrieben : „Der König nahm das Schwert, Empfange du den Schild, Geschützt ist dann der Heerd, Stürmt es auch noch so wild. Zu Schirm und Schutz, Zu That und Trutz, Zu Sieg und Streit Von Gott geweiht. "

In seinen Dankesworten hiefs es u . A.; „ Ich nehme diese Beweise herzlicher Teilnahme mit freudigem Herzen entgegen, weil ich sie betrachte als Anerkennung meines guten Willens ,

in allen

Bezieh ungen und in jeder Stellung meine Schuldigkeit Darauf hin ist mein tägliches Gebet gerichtet. "

zu thun .

In Folge der schweren Erkrankung des königlichen Bruders am 23. Oktober 1857 mit der Stellvertretung desselben betraut, stand der edle Fürst vor einer schweren, verantwortlichen Aufgabe, in der sich vor allem auch seine bewundernswürdige Selbstverleugnung bekundete. Denn da er sich während der Dauer der Stellvertretung nur als Vollstrecker der königlichen Willensmeinungen betrachtete, so führte er die Regierung so ganz im Sinne und Geiste seines königlichen Bruders, dafs dieser jederzeit das seiner Hand entsunkene Szepter hätte wieder ergreifen können, ohne die geringste Änderung in den Regierungsgrundsätzen vorzufinden, die ihm heilig und teuer waren. Erst als dem Prinzen am 7. Oktober 1858 die förmliche

290

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

Regentschaft übertragen wurde, durfte und mufste er nach eigener Überzeugung und auf eigene Verantwortung handeln . Was dem Regenten besonders am Herzen lag, kam schon in der Ansprache an das Ministerium

8. November

zum Ausdruck :

„Eine vierzigjährige Erfahrung und zwei kurze Kriegsepisoden haben uns aufmerksam gemacht, dafs manches, was sich nicht bewährt hat, zu Änderungen Veranlassung geben wird. Und es wäre ein schwer sich bestrafender Fehler, wollte man mit einer wohlfeilen Heeresverfassung prangen, die deshalb im Moment der Entscheidung den Erwartungen nicht entspräche . und

angesehen sein ,

um,

Preufsens Heer mufs mächtig

wenn

es

gilt,

ein schwerwiegendes

politisches Gewicht in die Wagschaale legen zu können . “ Der italienische Krieg von 1859 war dem Regenten eine neue Mahnung, mit der Reorganisation nicht zu säumen .

Blitzschnell folgten

sich die Ereignisse : 3. Mai die Kriegserklärung Napoleon's an Österreich, 4. Juni Schlacht bei Magenta, 14. Juni Kriegsbereitschaft von sechs preufsischen Armeekorps ,

24.

Juni

Schlacht von Solferino,

Mobilmachung der ganzen preufsischen Armee, am 4. Juli preufsischer Antrag auf Mobilmachung des Bundeskorps zum Schutze des deutschen Gebietes und schon am 11. Juli der Friede von Villa franca , über dessen Abschlufs Moltke an seinen Bruder schrieb: ,, das Kurze an der Sache ist, dafs Österreich lieber die Lombardei dran giebt , als dafs es Preufsen an der Spitze von Deutschland sehen will." Kriegsbereitschaft

und

Mobilmachung

alten, schon längst bekannten Übelstände

hatten

wiederum

aufgedeckt .

die

Nun durfte

der sorgliche Kriegsherr keinen Augenblick mehr zögern, Hand ans Werk zu legen.

Vier Tage nach dem Frieden von Villa franca

( 15. Juli) vollendete der Prinz-Regent einen ,,Demobilmachungs-Entwurf , der alle wesentlichen ,

zur Reorganisation der Armee

überleitenden Bestimmungen enthielt: ,, 1 . Sämmtliche Landwehrbataillone werden bis auf die Stamm-Mannschaften entlassen. 2. Sämmtliche Linien-Infanterie-Bataillone setzen sich auf den Friedensetat von 686 Köpfen , indem sie a) die älteste Klasse der ReserveMannschaften entlassen, b) die jüngste Klasse derselben dagegen an die Landwehrstämme abgeben. 4. Die zum 1. August ausgeschriebenen Rekruten werden den Landwehrstämmen überwiesen und mit den gleichfalls

dahin überwiesenen Abgaben der Linien-

Regimenter in 4 Kompagnien eingeteilt, um ausgebildet zu werden . 5. Die Landwehr-Kompagnieführer und Landwehroffiziere bleiben bei ihren Landwehrbataillonen , jedoch aufser dem Kompagnieführer 1 Premier- und 1 Sekond- Lieutenant pro Kompagnie .

6. Jede Kom-

291

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

pagnie eines Infanterie-Regiments giebt 1 Unteroffizier zu den neuWünschen Landwehrformirten Landwehr - Stammbataillonen ab. unteroffiziere im Dienst zu bleiben, so werden so viele Unteroffiziere weniger vom

Linien - Regiment

abgegeben.

7.

Die gleichnamigen

Linien- und Landwehr - Regimenter geben die Bekleidung für die Landwehr-Stammbataillone. 8. Am 1. Oktober erfolgt die gewöhnliche Rekrutirung der Linien -Infanterie, und zwar aus den noch vorhandenen Dienstpflichtigen aller Jahrgänge vom 20. bis 25. Jahr. Wenn ein Stamm-Landwehrbataillon jetzt nicht sofort 200 Rekruten erhält, so würde ihm am 1. Oktober aus dieser nachträglichen Rekrutirung die benötigte Anzahl gestellt.

9.

Die Ersatz - Kommissionen haben

sofort die nachträgliche Aushebung zu bewirken,

aber zugleich ihre

Revision auf die Altersklasse pro 1860 auszudehnen,

um die Leute

zu designiren, welche etwa ihrer Körperstärke nach schon im Winter oder Frühjahr einstellungsfähig sind . 10. Die Landwehr-Regimentskommandeure verbleiben in ihrer Stellung, jedoch nur mit der halben Gehaltszulage." Dies die Anordnungen des Prinz-Regenten , soweit sie die Infanterie betreffen . Man ersieht, wie klar und scharf und mit wie genauem Eingehen ins Einzelne diese grundlegenden Bestimmungen gegeben sind, mit wie praktischem Geschick der Augenblick der Demobilmachung benutzt wird, um so umfassende Neuformationen ohne ,, embarras“ ins Leben zu rufen . Entsprechend sind die Anordnungen betreffs der Kavallerie , der Artillerie , der Jäger und der Pioniere getroffen. Bei der Vorlage des

Entwurfes eines Gesetzes über die

allgemeine Wehrpflicht" (Reorganisation) sagte der Regent in der Thronrede bei Eröffnung des Landtages 12. Januar 1860 -: ,,Es ist nicht die Absicht, mit den Vermächtnissen einer grofsen Zeit zu brechen.

Die preufsische Armee wird auch in Zukunft das

preufsische Volk in Waffen sein. Es ist die Aufgabe, innerhalb der durch die Finanzkräfte des Landes gezogenen Grenzen die überkommene Heeresverfassung durch Verjüngung ihrer Formen mit neuer Lebenskraft zu erfüllen." Der Landtag bewilligte zur Aufrechterhaltung der Kriegsbereitschaft " auf ein Jahr die erforderlichen Mittel, nicht aber die anderweite Regelung der Wehrpflicht.

Aber

die neuen Regimenter wurden errichtet, die Reorganisation wurde durchgeführt , weil der Kriegsherr von der unbedingten Notwendigkeit seiner Reform felsenfest überzeugt war. Am 2. Januar

1861

wurde König Friedrich Wilhelm IV. von

seinen Leiden erlöst, König Wilhelm I. bestieg den preufsischen Königsthron. Nach den Aufzeichnungen des Hofrat Schneider wohnte der König

292

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

in den Tagen vom Tode bis zum Begräbnifs des Heimgegangenen in den oberen kleinen Zimmern des sogenannten Damenflügels von Sanssouci und trat, ohne daran zu denken , dafs die Paradeausstellung des Sarges begonnen hatte, durch das Vestibul in den Marmorsaal. Dort war als Leichen-Ehrenwache die Leibkompagnie des 1. GardeRegiments aufgestellt. Zum ersten Male senkte sich die Fahne vor König Wilhelm,

und dieselbe Kompagnie, bei der Prinz Wilhelm als

10 jähriger Knabe eingetreten war, erwies ihm nun die königliche Ehrenbezeugung, aber mit dem Trauerflor an der Fahne. Mit einem Schlage stand vor der Seele des edlen Fürsten die ganze Verantwortlichkeit, der er entgegen ging und im Nebenzimmer die Leiche des geliebten Bruders.

Dem Könige

wankten die Knie,

und

der Kommandeur der Trauerwache, Hauptmann von Kleist , der dem König die Hand küssen wollte, stützte seinen tiefbewegten königlichen Herrn , der nun an die Leiche seines Bruders trat,

dort eine

Zeit lang verweilte, dann aber festen Schrittes die Front der Leichenparade entlang ging. Der Dienst trat in seine Rechte, trotz schmerzlichen Ergriffenheit .

der

Wir gedenken des herrlichen ,,Erlasses an Mein Volk" vom 7. Januar 1861 : ,, Es ist Preufsens Bestimmung nicht, dem Genufs der erworbenen Güter zu leben . In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen Kräfte,

in dem Ernst und der Aufrichtigkeit

seiner religiösen Gesinnung, in der Vereinigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht. " Die erste feierliche Königsthat des neuen Herrschers Weihe der

142 neuen Fahnen und Standarten ,

war die

welche den

neuformirten Bataillonen und Regimentern verliehen wurden.

Da-

mit war das militärische Bürgerrecht dieser Truppen verbrieft und versiegelt kein Anstürmen der Opposition vermochte daran zu rütteln .

Bei der Krönung in Königsberg es dem König Herzensbedürfnifs,

18. Oktober 1861

war

der Armee für die in den letzten

Jahrzehnten bewährte Haltung seine Anerkennung auszusprechen , wie das in den an die versammelten Generale gerichteten Worten zum Ausdruck kam: ,,Nur die Armee ist es gewesen , welche den König und das Vaterland in den Tagen unheilvollster Stürme erst vor Kurzem gerettet und seine Sicherheit befestigt hat." Während die Opposition im Landtage und die Agitation im ganzen Lande die Reorganisation als nicht zu Recht bestehend" angriff und zu Fall zu bringen suchte, trat der König, dem sein Kriegs-

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

293

minister Roon treu und mannhaft zur Seite stand, bei jeder Gelegenheit für sein grofses Lebenswerk ein . Besonders charakteristisch ist die Ansprache des Königs an eine

Abordnung aus dem Lande, die ihre Ergebenheit versicherte : „ Es ist sehr schmerzlich für einen Monarchen, seine besten Absichten verkannt und entstellt zu sehen, wie ich das leider jetzt so vielfach erfahren habe. Bei solchen Anfechtungen ist es schwer, nicht irre zu werden, sondern fest zu stehen . Was die Militär-Reorganisation betrifft, so ist diese mein eigenstes Werk und mein Stolz , und ich bemerke hierbei : es giebt kein Bonin'sches und kein Roon'sches Projekt ; es ist mein eigenes und ich habe daran gearbeitet nach meinen Erfahrungen und nach pflichtmäfsiger Überzeugung. Ich werde fest daran halten und die Reorganisation mit aller Energie durchführen, denn ich weifs, dafs sie zeitgemäſs ist · ..“ Doch das Abgeordnetenhaus blieb bei seinem Widerstand, der sich schliefslich bis zu dem berüchtigten „ Diesem Ministerium keinen Mann und keinen Groschen ! " verschärfte. An die Spitze der Regierung hatte am 8. Oktober 1862 der König den Mann gestellt , der als Preufsens Hort, als Gründer der deutschen Einheit, als der gröfste Staatsmann der Neuzeit sich bewähren sollte, Otto von BismarckSchönhausen . Zunächst stand er, ein unerschütterlicher Fels , seinem König zur Seite in der Verteidigung der Reorganisation , „ mit , gegen oder ohne das Parlament. "

Ein Sonnenblick

in

dieser schweren Konfliktperiode war für

König Wilhelm die Grundsteinlegung zum Denkmal Friedrich Wilhelms III. am 17. März 1863 , dem goldenen Gedenktage des „Aufrufes an Mein Volk " . Alle Veteranen aus den Befreiungskriegen waren zu dieser Feier geladen. Als der König in dem ihm vorgelegten Festprogramm die Stelle fand :

Die Krüppel werden dem Zuge in königlichen Obermarstallsequipagen nachgefahren ", durchstrich er diesen Passus und schrieb mit eigener Hand daneben : „Die für das Vaterland ehrenvoll Verwundeten werden in königlichen

Equipagen dem Festzuge nachgefahren. " Auf eine Adresse des Abgeordnetenhauses, welche der königlichen Regierung alle Schuld und Verantwortung für den Konflikt zuschob, antwortete der König mit der besonnenen Entschiedenheit, die alle Die Antwort schlofs mit den seine Kundgebungen auszeichnete. Auch ich suche, wie meine Vorfahren, den Glanz, die Macht und die Sicherheit meiner Regierung in dem gegenseitigen Mit Band des Vertrauens und der Treue zwischen Fürst und Volk.

Worten :

des Allmächtigen Hülfe wird es mir gelingen, die sträflichen Versuche welche auf die Lockerung dieses Bandes gerichtet sind.

zu vereiteln,

294

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

In meinem Herzen steht das Vertrauen auf die treue Anhänglichkeit des preufsischen Volkes an sein Königshaus zu fest, als dafs es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordnetenhauses erschüttert werden sollte. " Wieder und immer wieder suchte der König die Volksvertretung von der Notwendigkeit

und der Berechtigung der neuen Heeresgestaltung zu überzeugen, so in der Thronrede vom 9. November 1863 : Das Heer ist auch nach der Reorganisation das

preufsische Volk in Waffen, und zwar in gröfserer Wahrheit wie zuvor ; denn während die verstärkte Organisation der Linie eine Erleichterung der älteren Landwehrklassen möglich macht, ist die Gesammtstärke der Landwehr dieselbe geblieben. Diese Formation hat sich zu einer dauernden Staatseinrichtung ausgebildet, deren Bestand ohne bedenkliche Gefährdung der wichtigsten Interessen des Landes nicht mehr in Frage gestellt werden kann. " Bald wurde das neu geschmiedete Schwert zum erstenmal

er-

probt. Im Bunde mit Österreich kämpfte Preufsen gegen Dänemark Gern wäre König für Schleswig - Holsteins verbriefte Rechte. Wilhelm mit seinen Streitern hinausgezogen . sturm aber hielt es ihn nicht mehr ;

Nach dem Düppel-

er mufste zu seinen Soldaten,

mufste sie sehen, ihnen danken für ihre vortrefflichen Leistungen . Die Ansprache an die Offiziere nach der Parade im Sundewitt kam Sie haben die aus freudig aufwallendem Soldatenherzen : 77 Augen von ganz Europa auf sich gezogen und überall, wo man hinhört, das gröfste Lob eingeerntet.

Das, meine Herren,

ist

die

Frucht des guten Geistes , der, wie allbekannt, die preufsische Armee beseelt und gewifs nie in derselben erlöschen wird. Ich sage Ihnen allen nochmals meinen tiefgefühltesten Dank. " Nach der glorreichen Beendigung des Krieges durfte der Kriegsherr mit vollem Recht bei der Eröffnung des Landtages

14. Januar

1865 es aussprechen : „ Es ist der jetzigen Organisation des Heeres zu danken, dafs der Krieg geführt werden konnte, ohne die Erwerbsund Familienverhältnisse der Bevölkerung durch Aufbietung der Landwehr zu beeinträchtigen . Nach solchen Erfahrungen ist es um so mehr meine landesherrliche Pflicht, die bestehenden Einrichtungen aufrecht zu erhalten und auf der gegebenen Grundlage zu höherer Vollkommenheit auszubilden. Besondere Pflege erfordert die Entwickelung der Marine . Sie hat im Kriege durch ihre Leistungen sich einen gerechten Anspruch auf Anerkennung erworben und ihre hohe Bedeutung auf Anerkennung für das Land dargethan. Soll Preufsen der ihm durch seine Lage und politische Stellung zugewiesenen Aufgabe genügen,

so muſs für eine entsprechende Ausbildung der

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

295

Seemacht Sorge getragen und dürfen bedeutende Opfer für dieselbe nicht gescheut werden . In dieser Überzeugung wird Ihnen meine Regierung einen Plan zur Erweiterung der Flotte vorlegen. "

Als

trotz der Erfolge von 1864 die Opposition immer noch fortdauerte, stellte der König in einer eigenen Denkschrift

1865 - die Notwendigkeit

der Reorganisation und die Nichtigkeit der gegnerischen Gründe klar. Von den goldenen Worten dieser Denkschrift hier eine Probe : „ Mut, Tapferkeit sind Eigenschaften , die allen Menschen mehr oder weniger angeboren sind; sie aber unter allen Mühseligkeiten und Entbehrungen des Krieges als Pflichtgefühl sich zu erhalten und sie im entscheidenden Augenblick in

fester Form

Ertragung jener dazu

gehört

in gehörige

zur Ausübung

Mühseligkeiten

und

zu

bringen,

Entbehrungen

sich

zur

vorzubereiten ,

eine längere Erziehung ; und nur wenn dies alles

Wechselwirkung gebracht ist,

wird der

Soldatengeist

geschaffen. Diesen Geist, namentlich bei langem Frieden, von Geschlecht zu Geschlecht durch Tradition und Übung zu erhalten, ist die Aufgabe jedes Kriegsherrn. Ja, es ist eine seiner höchsten Pflichten, weil von der Tüchtigkeit des Heeres und von dem Geist, der es belebt, oft die Existenz des Vaterlandes abhängen wird, so dafs eine Vernachlässigung auf diesem Gebiete dem Kriegsherrn zum gerechten Vorwurf durch seine Nation gemacht werden müsste. " Aus dem Jahre 1865 erzählt L. Schneider noch zwei charakteristische Anekdoten .

Bekanntlich hat König Wilhelm nie einen sogenannten.

,,Günstling" gehabt.

Auf Schneider's Frage,

ob er denn nie einen

Freund gehabt, antwortet der König : „ O ja , zwei in meinem Leben, den Obersten von Brause , meinen militärischen Gouverneur von 1815 und dann Roeder , der mit mir bei denselben Truppenteilen stand, wobei

er stets

mein militärischer Lehrer und Vorbild blieb.

Beide haben nie etwas vortreffliche Männer. "

von

mir gewollt und beide waren

Es war des Königs unverbrüchlicher und bewährter Grundsatz , seinen Beratern in ihrem Ressort den weitesten Spielraum zu lassen, sie aber stets auf dies Ressort zu beschränken.

Als in dieser

Beziehung von Bismarck und Manteuffel die Rede war, erklärte der König, dafs er mit Manteuffel nur dann von den betreffenden politischen Dingen spreche, wenn der General zu politischen Sendungen gebraucht werde , im Übrigen, sagte der König : „ Mit Bismarck spreche ich nie über militärische und mit Manteuffel nie über politische Dinge . " Es ist bekannt,

wie schwer und ungern sich der König zum

Kriege gegen Österreich entschlofs . Trotzdem zögerte er keinen Augenblick, mit voller Entschiedenheit zu thun und durchzuführen , was er als Notwendigkeit und als Pflicht erkannte. ,, Sie glauben Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine Bd. 102 , 3.

20

296

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

gar nicht", sagte er später zu Schneider,

,,wie schwer es mir ge-

worden ist, das Wort Krieg auszusprechen.

Hätte ich es als Prinz

und Soldat auszusprechen gehabt, wäre ich aufser mir vor Freude gewesen ; aber als König war ich mir meiner ganzen Verantwortlichkeit bewusst und zögerte so lange, als es nur irgend mit der Ehre Preufsens verträglich war."

Aber es mufste sein , diesen Gedanken sprach der König aus, als er vor seinem Fenster sinnend auf das Standbild des grofsen Königs blickte : ,,Wenn sie denn wirklich alle gegen mich sind, so stelle ich mich selbst an die Spitze meiner Armee und will lieber mit ihr untergehen, als dafs ich in dieser Lebensfrage nachgebe." Über die ,, historischen Granaten von Königgrätz" befragt, antwortete der König : „ Ich soll im Granatfeuer gewesen sein? Dafs ich nicht wülste . In einer so ausgedehnten Schlacht fallen überall Granaten. Wie ich auf dem dominirenden Hügel von Sadowa über die Chaussee ritt, sah ich wohl einige fallen und sagte zu den Herren von der Suite : das danke ich Ihnen , meine Herren - aber besonders erwähnt braucht das nicht zu werden. Nachmittags bei dem Reitergefecht (bei Stresetitz) fielen auch Granaten um uns her, und wir konnten nicht einmal die Batterie entdecken, woher sie kamen. Das versteht sich ja aber ganz von selbst und braucht nicht besonders beschrieben zu werden. " Während der ersten Tage

des Aufenthaltes

in Nikolsburg

glaubte der König noch nicht an Waffenstillstand oder Frieden , sprach vielmehr ausführlich von der Wahrscheinlichkeit einer zweiten grofsen Schlacht auf dem Marchfelde , wo die Österreicher ihre zahlreiche Kavallerie besser zur

Geltung würde bringen können .

die Friedensverhandlungen begannen, Weizen zu säen versuchte, Unruhe herrschte,

Als

dann

als Napoleon Unkraut in den

als im Hauptquartier viel Aufregung und

blieb der König stets ruhig und kühl, immer das

Ganze im Auge behaltend.

Solche Stimmung zeigte er auch dem

wachsenden Siegesjubel gegenüber, der mitunter nicht frei von Übermut war. Nichts konnte seiner Sinnesart mehr widersprechen. Als man ihn in Prag aufforderte, einer Festvorstellung im Theater beizuwohnen, antwortete tief erregt der König : ,,Wer so viele seiner braven Soldaten tot und verwundet gesehen hat wie ich, der kann in kein Theater gehen." Das Erinnerungsalbum des Königs sollte mit Aquarellen geschmückt werden ; unter Anderm wurde zur Darstellung auch der Moment in Horitz vergeschlagen, wo eroberte österreichische Fahnen in sein Zimmer gebracht wurden .

,,Nein ", wehrte der König ab,,,ich

will nichts in meinem Album haben, was später einmal wie eine Demütigung des Feindes gedeutet werden könnte."

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Als der König dem Kronprinzen und dem Prinzen Friedrich Karl den Orden pour le mérite mit dem Bildnisse Friedrich des Grofsen verliehen hatte, wurde er darauf aufmerksam gemacht, dafs nun doch auch der Oberfeldherr diese Insignien anlegen müsse. ,, Ich kann mir doch nicht selbst einen Orden verleihen ?" entgegnete der hohe Herr. ,,Ja, wer soll es denn sonst thun?

Ereignisse kann man doch nicht

aus der Geschichte wegwischen." ,,Ich will so etwas nicht hören", sagte der König, und dabei blieb es vorläufig. Nach dem Kriege ward durch Nachsuchung der „ Indemnität“ mit einem Schlage der langjährige Konflikt mit der Landesvertretung beendet. Beim Schlufs des Landtages (9. Februar 1867) durfte der König die Zuversicht aussprechen,,,dafs die gewonnenen Erfahrungen und ein allseitiges richtiges Verständnifs der Grundbedingungen unseres Verfassungslebens dazu helfen werden , die Erneuerung ähnlicher Zustände in der Zukunft zu verhüten." Als der König zur Pariser Weltausstellung von 1867 nach zum ersten Mal seit 1814 - besuchte er auch die Paris kam Orte , die ihm von seinem ersten Aufenthalte erinnerlich waren, namentlich auch die Buttes de Chaumont, wo er während der Schlacht von Paris neben seinem Vater gehalten hatte. Welche Veränderungen ! Die Buttes de Chaumont waren ein Teil der riesig gewachsenen Weltstadt ; auf dem Throne des ersten Napoleon safs der Neffe, scheinbar auf der Höhe seiner Macht, und König Wilhelm war heute von den zum Ehrendienst kommandirten kaiserlichen Generalen umgeben. Aber schon war die kaiserliche Macht bedenklich unterwühlt, und drei Jahre danach sollte König Wilhelm Zeuge sein, wie bei dem Ansturm seiner Streiter die ganze ,,Kaiserei " zusammenbrach. In tiefem Frieden begann das Jahr 1870. Bei der Eröffnung des Reichstages hiefs es in der Thronrede : ,,Unter den Regierungen wie unter den Völkern der heutigen Welt ist die Überzeugung in siegreichem Fortschreiten begriffen, dafs einem jeden politischen Gemeinwesen die unabhängige Pflege der Wohlfahrt, der Freiheit und der Gerechtigkeit im eigenen Hause zustehe und obliege, und dafs die Wehrkraft eines jeden Landes nur zum Schutz eigener , nicht zur Beeinträchtigung fremder Unabhängigkeit berufen sei. “ Aus heiterem Himmel , alle Welt überraschend, brach das Kriegsgewitter los.

Am 19. Juli , dem Tage der Reichstagseröffnung, der

französischen Kriegserklärung, der Erneuerung des Eisernen Kreuzes , dem Todestage seiner unvergesslichen Mutter, trat König Wilhelm im Mausoleum zu Charlottenburg an die Sarkophage seiner verklärten Eltern, deren Gestalten Meister Rauch in so ergreifender Weise in Marmor verkörpert hat.

Dort weilte der fromme Fürst 20*

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

298

lange in stillem Gebet;

der Segen der Eltern senkte sich hernieder

auf den pflichtgetreuen Sohn und auf das grofse Werk, das auf seine Schultern gelegt war. Auf der Fahrt nach Mainz wurde der König in Hannover vom Stadtdirektor mit einer Ansprache begrüfst, die der Hoffnung Ausdruck gab, es werde dieser Krieg ebenso rasch und glücklich verlaufen, wie der Feldzug von 1866.

Tief ernst entgegnete der könig-

liche Oberfeldherr : ,, Man möge sich nicht täuschen ; ein Krieg gegen Frankreich ist keine Kleinigkeit und man mufs sich auf eine lange

Dauer desselben gefafst machen .

Zwar habe ich festes

Vertrauen zu meiner Armee und zu den Truppen meiner Verbündeten , aber ich kenne die Franzosen aus Erfahrung und bin auf schwere und lange Kämpfe vorbereitet." Aus einer von L. Schneider überlieferten Erzählung des Königs , die den Tag von Gravelotte - St. Privat schildert :

„ Ich hielt lange

Zeit in der Nähe der hochliegenden Ferme Malmaison, wo die erste Flügelbatterie des 8. Korps im Feuer stand. — — Es fing schon an dunkel zu werden,

als plötzlich das

auf der ganzen Linie vor uns

seit fast einer Stunde schweigende Geschützfeuer mit einer enormen Hier fanden sich denn auch die Heftigkeit wieder begann . historischen Granaten" bei mir ein, und diesmal bat mich Roon, von dieser exponirten Stelle wegzugehen, wie Bismarck es bei Königgrätz gethan hatte. Von dieser letzten Stelle ritt ich im Schritt bis Rezonville zurück. Es war zu spät geworden, um nach Pont-à-Mousson zurückzukehren. So übernachtete ich in Rezonville auf dem Schlachtfelde . Erst wollte ich in meinem Wagen schlafen, dann wurde noch ein Zimmer in einem arg mitgenommenen Hause des Dorfes aufgefunden, wohin ich mir eine Bahre aus einem Krankenwagen kommen liefs.

Aber ich kam erst spät zur Ruhe, denn es gab Meldungen

über Meldungen über die gewonnenen Resultate, leider auch über schwere Verluste. Am folgenden Morgen wollte ich das ganze Schlachtfeld bereiten .

Es gab soviel

zu sehen und

sich das Abreiten immer mehr verzögerte.

zu hören ,

dafs

Ich war aber auch durch

die Meldung über den Tod so vieler Braven, die mir so nahe gestanden haben, zu erschüttert, um den weiten Ritt zu unternehmen . Endlich brach auch noch ein Gewitter los, Pont-à-Mousson zurückkehrte."

so dafs ich nun nach

Am 25. August, dem Tage , der über den Rechtsabmarsch der III. Armee entschied , sagte am Morgen der vorsichtige Oberfeldherr zu seinem getreuen L. Schneider : „ Es scheint fast so, als wolle Mac Mahon sich nicht nach Paris, sondern nach Norden zurückziehen . Unsere Kavallerie ist schon in Chalons eingerückt und hat erfahren,

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

299

dafs die Armee Mac Mahons von dort mit der Direction auf Rheims und die Festungen im Norden abmarschirt ist . Aber auch wenn Sie so etwas von anderer Seite hören , so schreiben Sie in den Zeitungen noch nichts davon . " Sedan schieden.

auf der Höhe von Frénois

Oberstlieutenant von Bronsart ,

die Schlacht ist entder in Sedan war, hat

gemeldet, dafs er dort vom Kaiser Napoleon empfangen worden ist . Ihm folgt fast auf dem Fufse General Reille . Während der König den Brief des Kaisers las, herrschte Totenstille in der ganzen , immer zahlreicher gewordenen Umgebung, und nur das wirre Summen der Hunderttausende von Kriegern, die unten im Thal noch drohend einander gegenüberstanden , tönte den Berg herauf.

Nachdem er den

Brief gelesen, übergab der König denselben dem Grafen Bismarck , der ihn dem Kronprinzen und den Generalen Moltke und Roon vorlas, wechselte einige Worte mit ihnen und befahl dann Schreibzeug herbeizubringen . Ein Tisch war nicht vorhanden und der Flügeladjutant von Alten hielt zwei rasch herbeigeschaffte Stühle so aufeinander, dafs der Sitz, auf welchen Lieutenant von Gustedt von den Garde-Husaren seine Säbeltasche legte, die Rolle eines Tisches vertrat . Das Papier und die Stahlfeder gab der Grofsherzog von Weimar und das Couvert der Kronprinz . In wenigen gewichtigen Zeilen war die entscheidende Antwort durch den Grafen Hatzfeldt konzipirt, nachdem sie mit obigen vier Personen festgestellt worden war, und der König schrieb dieselbe stehend ab. - -Nun drängten alle Anwesenden mit Glückwünschen herbei. Die bis dahin fieberhafte Spannung löste sich in eine unbeschreibliche Begeisterung auf. Der König blieb zwar ruhig, doch konnte man die tiefe Bewegung seines Innern auf seinem Gesicht, im Ausdruck seines Auges lesen. Allen Glückwünschen, allen weitgehenden Hoffnungen und Prophezeiungen gegenüber hatte der König nur einen Händedruck oder wenige Worte, und seine Ruhe stach eigentümlich gegen die allgemeine Begeisterung ab . Zum Grafen Bismarck sagte er jedoch sofort: Dies welthistorische Ereignifs , fürchte ich , bringt uns den Frieden noch nicht !"

In demselben Sinne äufserte sich

der König am Tage nach der Schlacht : ""Warten Sie nur ab , jetzt fängt der Krieg erst an ! " Und nach Abschlufs der Kapitulation -- „Allersagte der edle Herr zu den ihn umgebenden Fürsten : dings ist unsere Aufgabe mit dem,

was sich unter unseren Augen

vollzieht, noch nicht vollendet ; denn wir wissen nicht, wie das übrige Frankreich es aufnehmen und beurteilen wird. Darum müssen wir schlagfertig bleiben, aber schon jetzt sage ich jedem meinen Dank, der ein Blatt zum Lorbeer- und Ruhmeskranze unseres Vaterlandes beigetragen hat. “

300

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

Am 19. Oktober legte der König, als die Tags zuvor dekorirten Offiziere sich bei ihm meldeten, zum erstenmale das Eiserne Kreuz das Avancement vom Kreuz II . bis I. Klasse hatte I. Klasse an somit 56

Jahre gedauert.

Der königliche Oberfeldherr war jedes-

mal sehr unangenehm berührt,

wenn die

deutschen Zeitungen un-

geduldig wurden , weil Paris noch nicht in Grund und Boden geschossen sei. „ Ist es denn den Leuten noch nicht rasch genug gegangen?" äufserte er einst, sie sind freilich durch 1866 verwöhnt worden. Warum fällt es niemand ein, das, was 1814 geschehen, mit dem zu vergleichen , was jetzt geschieht? Der Vergleich läge doch so nahe und würde nicht zu unserm Nachteil ausfallen. " Die Kaiser - Proklamation am 18. Januar wurde bekanntlich durch einen Gottesdienst eingeleitet.

Hofprediger Rogge , der vor-

her zum König berufen worden war, empfing von dem allezeit demütigen Herrn die Weisung : 27 Rühmen Sie mich nicht in Ihrer Rede , denn ich bin nur das Werkzeug gewesen in Gottes Hand. " Am Abend des Tages, der das deutsche Reich hatte erstehen sehen , sandte der Kaiser dem Grafen Bismarck einige auf die Vorgänge des Tages bezügliche Papiere zurück und benutzte hierbei das Couvert, in dem er sie erhalten. Auf dem Couvert hatte gestanden : „An des Kaisers Majestät vom Bundeskanzler. " Der Kaiser strich auf der Adresse das Wort 97 Bundes " und setzte dafür 27 Reichs- " , so war brevi manu der Bundeskanzler zum Reichskanzler ernannt. Während in der Kriegsperiode nach dem Sturze Napoleons die Bedeutung der neu geschaffenen republikanischen Heere im grofsen Hauptquartier manchmal unterschätzt wurde, warnte König Wilhelm stets davor, den Feind gering zu achten. So erkannte der König rechtzeitig die grofse Gefahr, die der Einschliefsungsarmee durch die Loire-Armee drohte. Bei einer Erörterung dieser Frage äufserte er „ Aber ihr versteht das natürlich besser als ich. “ Auch Gambetta's grofse Thatkraft erkannte er stets an, und als ihm ein Bilderheft gezeigt wurde, in welchem Stellen aus der Jungfrau von Orléans auf den französischen Krieg angewendet waren, sagte

in halbem Scherz :

der Kaiser bei der Stelle : " Kann ich Armeen aus der Erde stampfen? Wächst mir ein Kornfeld auf der flachen Hand ?" „ Ich kenne doch Einen, der das konnte - Gambetta ! " Andererseits erfreute den Kriegsherrn auch sachverständiges Lob, das von fremden Offizieren der Armee gespendet wurde . Ein russischer General schrieb an einen preufsischen Bekannten : „ Ich bewundere das Geschick und die Ordnung, mit welcher die Preufsen nach Frankreich hineinmarschirten , wenn ich auch nicht glaubte, dafs sie so

301

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897 . eklatant siegen würden .

In Ihrer Armee weifs

aber jeder,

was er

zu thun hat und wo er hingehört ; sogar der zum Schlachten bestimmte Ochse scheint im Voraus zu wissen , in welchem Kochgeschirr er gesotten werden wird. " Der Kaiser lachte beim Vorlesen dieser Stelle und sagte : „Etwas drastisch ausgedrückt, aber in der Sache hat der Mann Recht. In meiner Armee ist wirklich Ordnung. Darum geht es auch. " Bekanntlich war in den Gedichten und Schilderungen von 1870/71

sehr oft vom Heldengreis " die Rede. Das war dem Kaiser, der doch wahrlich nicht eitel war, nicht recht. 77 Ich weifs gar nicht" , sagte er, 99 was die Menschen immer mit ihrem Heldengreis wollen. Mache ich denn den Eindruck des Greisenhaften ? Ich dächte nicht. Im Dienst sieht mir hoffentlich niemand mein Alter an . Aber das ist auch so eine Phrase geworden,

wie „ Freiheitskriege" statt ,,Befreiungskriege". Zu einem Heldengreise gehört doch vor allen Dingen ein Greis. " Das Lebewohl, das der heimkehrende Kriegsherr seinem Heere schlofs mit den Worten : ,, Möge die zurief - 15. März 1871 -

Armee des nunmehr geeinten Deutschland dessen stets eingedenk sein, dafs sie sich nur bei stetem Streben nach Vervollkommnung auf ihrer hohen Stufe erhalten kann, dann können wir der Zukunft getrost entgegensehen. " Dieser Mahnung an die Armee war niemand unablässiger eingedenk, als der erlauchte Kriegsherr selbst .

Das bethätigte sich in

der unausgesetzten Fürsorge für die Schlagfertigkeit des Heeres , für seine zeitgemäſse Verstärkung, seine Ausbildung, seine innere Tüchtigkeit.

Es kam auch zum Ausdruck in der unvergesslichen Ordre vom

2. Mai 1874, die sich an die berufenen Träger des rechten Soldatengeistes wandte, an das Offizierkorps : „ Ich will , dafs die heute von mir vollzogene Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere in meinem Heere in dem Geiste verstanden und angewendet wird, der mein Heer von Alters her ausgezeichnet hat. Ich erwarte daher von dem gesammten Offizierkorps meines Heeres, dafs ihm, wie bisher so auch in Zukunft,

die Ehre das höchste Kleinod sein wird ;

dieselbe rein und fleckenlos zu erhalten, mufs die heiligste Pflicht des ganzen Standes wie des Einzelnen bleiben. Die Erfüllung dieser Pflicht schliefst die gewissenhafte und vollständige Erfüllung aller anderen Pflichten des Offiziers in sich . Wahre Ehre kann ohne Treue bis in den Tod,

ohne

unerschütterlichen Mut,

schlossenheit, selbstverleugnenden Gehorsam,

feste

Ent-

lautere Wahrhaftigkeit,

strenge Verschwiegenheit, wie ohne aufopfernde Erfüllung selbst der anscheinend kleinsten Pflichten nicht bestehen. ― Je mehr ander-

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

302

wärts Luxus und Wohlleben um sich greifen, um so ernster tritt an den Offizierstand die Pflicht heran, nie zu vergessen, dafs es nicht materielle Güter sind , welche ihm die hochgeehrte Stellung im Staate und in der Gesellschaft erworben haben und erhalten werden . Nicht nur, dafs die kriegerische Tüchtigkeit des Offiziers durch eine verweichlichende Lebensweise beeinträchtigt werden

könnte,

sondern

völlige

Erschütterung des

Grundes

und

Bodens, worauf der Offizierstand steht, ist die Gefahr, welche das Streben nach Gewinn und Wohlleben mit sich bringen würde. Niemals darf das berechtigte Selbstgefühl des Offiziers in Mangel an Achtung oder in

Überhebung gegen andere Stände ausarten.

Je

mehr der Offizier seinen Beruf liebt und je höher er dessen Zweck auffafst, um so mehr wird er ermessen, in wie hohem Grade das Vertrauen aller Stände zum Offizierstande eine Bedingung für die erfolg- und ruhmreiche Lösung der letzten und höchsten Aufgaben des Heeres ist. " Kaiser Wilhelm pflegte am Sylvesterabend Rückschau zu halten auf das verflossene Jahr und seinen Gedanken und Empfindungen in schlichten und darum um so ergreifenderen Aufzeichnungen Ausdruck zu geben. Nach dem grauenvollen Nobiling'schen Attentat , das des edlen Fürsten Seele am tiefsten verwundet hatte, schrieb er am 31. Dezember 1878 : „ Ich muss mich ergeben in den Willen Gottes, der dies alles zuliefs, aber zugleich seine Gnade und Barmherzigkeit walten liefs, da Er mir nicht nur das Leben erhielt, sondern mich auch in einer Weise gesunden liefs, die mich zu meinen Berufsgeschäften wieder fähig machte . So preise ich Gott für diese seine Führung , in der ich zugleich eine Mahnung erkenne, mich zu prüfen, ehe ich vor dem Richterstuhl des Allmächtigen erscheinen soll ! Daher erkenne ich in den so sichtbar gewordenen Ereignissen eine gnadenvolle Führung Gottes,

die zum Guten führen soll,

Alles, was von ihm, Leid und Freude, uns trifft.

wie

Darum preise ich

die Vorsehung für die schmerzensvollen Ereignisse des ablaufenden Jahres. Sie haben mir aber auch Erhebendes gebracht durch die Teilnahme, welche mir von allen Seiten zu Teil wurde. Und woher diese Teilnahme? Von wo anders als vom Allmächtigen, dessen Führung es wollte, dafs ich in der Welt so gestellt ward, dafs Seine Gnade sich jedermann einprägt, die über mir waltete . Und in dieser Waltung erkenne ich wiederum Seine Liebe und Barmherzigkeit, dafs Er mich ausrüstete, seinen Willen hier auf Erden zu vollführen, und Er mich würdig fand, das übertragene Pfund zu verwalten . Die Menschen haben meine Schwächen und Fehler übersehen wollen, aber der, welcher sie kennt, wolle mir dereinst ein barmherziger Richter

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897 .

303

sein, wo ich die Lehren und Weisungen des Eingeborenen Sohnes des himmlischen Vaters nicht achtete ! Herr, Dein Wille geschehe im Himmel, also auch auf Erden.

Im Glauben ist die Hoffnung und die

himmlische Liebe der Weg dahin.

Amen !"

In wunderbarer Rüstigkeit und Frische feierte am 1. Januar 1887 Kaiser Wilhelm sein achtzigjähriges Dienst - Jubiläum , ein Fall, der einzig dasteht in der Regentengeschichte.

Der Kronprinz, um-

geben von allen kommandirenden Generalen des deutschen Heeres, überbrachte die Huldigungen der Armee.

Freilich fehlte so mancher

von den Heerführern des Franzosenkrieges : Prinz Friedrich Karl , Roon , Manteuffel , Prinz August von Württemberg , Goeben , Alvensleben , Tümpling , sie alle waren schon abberufen zur grofsen Armee droben, und wehmütig gedachte der greise Oberfeldherr der Doch um SO treuen Mitstreiter, die ihm vorangegangen waren. inniger war der Dank, den er den Überlebenden abstatten durfte. Eins der köstlichsten Vermächtnisse an die Armee war der Erlafs , den der Kaiser nach seinem Jubiläum an den Kronprinzen richtete : Die Armee weifs, wie nahe sie meinem Herzen immer gestanden hat, und sie wird verstehen , welche Empfindungen mich heute in dem Gedanken bewegen, ihr nun volle 80 Jahre angehört zu haben. Und welchen Wechsel hat die Armee in diesen achtzig Jahren mit mir erlebt !

Sie stand, als ich in dieselbe trat,

nach dem schwersten Schlage, der Preufsen jemals getroffen, zurückgedrängt an die äussersten Grenzen des Reichs ; aber der Soldatensinn , den meine glorreichen Vorfahren in sie gepflanzt, blieb ungebrochen und trieb bald neue Keime. Das bethätigten die Befreiungskriege, die schönste Erinnerung meiner Jugend, das erhielt sie sich in der treuen Arbeit einer langen Friedenszeit,

und die

Ruhmesthaten der Armee in neuester Zeit bezeugen wahrlich,

dafs

dieser Sinn in voller Kraft erhalten und weiter gediehen ist .

Ich

habe viele Veränderungen in der Armee

erlebt, in ihrer äusseren

Form , in ihrer Truppenzahl ; ich habe die Vereinigung mit den deutschen Kontingenten sich vollziehen und die Marine entstehen sehen , es sind unter meinen Augen Generationen durch die Armee gegangen , aber innerlich in dem Herzen und dem Empfinden der Armee giebt es keine Veränderung! Den Sinn für Ehre und für Pflicht über alles hoch zu halten und jederzeit bereit zu sein , das Leben dafür zu lassen --- das ist das Band, welches alle deutschen Stämme eng umschliefst, welches Enkel und Urenkel jetzt ebenso fest wie früher die Vorfahren vereinigt , und welches meine Regierung mit Siegen geschmückt hat, deren ich heute als der hellstrahlendsten Stellen

304

Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897.

meines militärischen Lebens in hochgehobener Empfindung gedenke . Es ist wahrlich eine hohe Freude für mich, am heutigen Tage in solcher Weise zur Armee sprechen zu dürfen und über diese achtzig Jahre sagen zu können, dafs wir sicherlich, voll und ganz, fest zu einander gehört haben , ich mit meinem ganzen Herzen und Denken , die Armee mit vollster Treue, Hingebung und Pflichterfüllung, für welche mein Dank und meine Anerkennung die lebendigste Empfindung meines Herzens bis wird. "

zu meinem letzten Atemzuge bleiben

Viele herrliche Denkmäler in Erz und Marmor sind dem grofsen Den Siegesfürsten als gewaltigste Verkörpe-

Kaiser schon errichtet.

rung der ,,Wacht am Rhein" verherrlicht das Niederwald - Denkmal , den Wiederhersteller und Vollender des Reiches , den würdigen, seinen Vorgänger weit überragenden Nachfolger Friedrich Barbarossa's das Kyffhäuser - Denkmal , den grofsen Kriegs- und Friedensfürsten das Standbild , das vor dem Berliner Königsschlosse sich erheben wird; ungezählte Statuen in allen Gauen des Vaterlandes erzählen von der Liebe und Verehrung

des deutschen Volkes

für seinen

Heldenkaiser. Aber das schönste, das unvergänglichste Denkmal ist ihm errichtet im Herzen seines Volkes und seines Heeres. Die anspruchslosen Gedenkblätter , die wir dem unvergesslichen Kriegsherrn weihten, wollen nur einige charakteristische Züge des Bildes wieder auffrischen, das deutlich und unvergleichbar in unserer Erinnerung lebt.

Wie vermöchte das arme Wort solchen Herrscher

würdig zu preisen, dessen einzigartiges Wesen und Wirken, dessen Thaten dem deutschen Heldenliede gegenwärtiger und zukünftiger . Zeiten einen in Wahrheit unerschöpflichen Stoff bieten, davon man singen und sagen wird , so lange deutscher Sang ertönt , so lange deutsche Geschichte geschrieben wird. ,,Denn Er war unser! mag das stolze Wort Den lauten Schmerz gewaltig übertönen !" Er, Preufsens Stolz, des deutschen Reiches Hort, Der beste, edelste von Deutschlands Söhnen ; Zu eigen war sein ganzes Herz dem Heere : Dies unser Ruhm , dies unsere höchste Ehre !

Mit Herz und Sinn als Knabe schon Soldat, Hat er geschaut des Vaterlands Befreiung ; Der Jüngling ward zum Helden , seine That Ward seiner Siegeslaufbahn Prophezeiung ; Und was er dann gelobt in heil'ger Stunde, Das hielt Er treu mit seinem Gott im Bunde.

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Dem grofsen Kaiser zum 22. März 1897 . Und als er nun nach langer Prüfungszeit Berufen ward zum Herrscher und Regierer, Da ward die Fahne Preufsens neu geweiht, Hoch hielt Er sie empor , der Seinen Führer ; Und gold'ne Worte, seinen Willen kündend , Schrieb er darauf, in allen Herzen zündend :

,,Von Gottes Gnaden soll das Königthum¹ ) Fest wie Verfassung und Gesetz bestehen, Es bleibt des Volkes und des Heeres Ruhm Die Treue , welche nimmer soll vergehen ; Gerechtigkeit und Wahrheit und Vertrauen Kann sich allein auf Gottesfurcht erbauen!"

So sprach ein König

und Er hielt sein Wort,

Ein Königswort, daran soll keiner rühren , Sein Geist, des Reichspanieres starker Hort, Will treulich uns durch Sturm und Wetter führen ; Und unser bleibt Er diesen festen Glauben Soll keine Macht der Welt dem Heere rauben!

XXI.

Bleistiftnotizen Moltke's über 1866 . Von Otto Herrmann.

Wie es einem Jäger zuweilen passiert, ein anderes und fetteres Wild vor den Schufs zu bekommen als er zu jagen beabsichtigte, so findet auch der Geschichtsforscher gelegentlich in Akten oder Büchern ein nicht in der Richtung seiner besonderen Studien liegendes, aber im Allgemeinen um so interessanteres Material. Diese Thatsache drängte sich mir auf, als ich kürzlich im 3. Bande des österreichischen Generalstabswerkes über den Krieg von 1866 , welchen ich der Bibliothek unseres Gr. Generalstabes

entliehen hatte,

Einzelheiten über das Gefecht

die von mir gesuchten

bei Podol nicht vorfand ,

¹) Thronrede vom 12. Januar 1859 .

dafür aber

306

Bleistiftnotizen Moltke's über 1866.

eine allerliebste kleine Entdeckung machte.

Am Rande vieler Seiten

dieses Bandes, der über den Feldzug in Böhmen handelt,

befinden

sich nämlich mit Bleistift geschriebene Noten. Beim ersten Anblick derselben hatte ich das wohl den meisten meiner Leser bekannte Gefühl des Ärgers darüber, ein zur öffentlichen Benutzung bestimmtes Druckwerk mit unmafsgeblichen Bemerkungen, wie ich annehmen. mufste, bekritzelt zu sehen .

Doch bald erkannte ich teils an der

Handschrift, teils an einer Notiz auf dem Titelblatte , dafs diese Bemerkungen w mit Ausnahme weniger, von dem General v. Verdy herrührender keinem geringeren als dem Feldmarschall Grafen Moltke ihren Ursprung verdanken. Bei näherer Prüfung des Inhalts ergab sich denn auch, dafs es, wenn auch kurze, doch goldene Worte sind, die hier niedergeschrieben wurden ; klar, präcis und einleuchtend richtig, ganz so wie nur ein Moltke schreiben kann. Sie betreffen nämlich den österreichischen Operationsplan , verschiedene Gefechte und die Schlacht bei Königgrätz, und sollen im Folgenden mit den nötigsten Erläuterungen versehen wiedergegeben werden . In dem Kapitel : „ Abmarsch der österreichischen Hauptarmee aus Mähren nach Böhmen" wird Benedek, der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Nordarmee,

von dem österreichischen

Autor getadelt, weil er es nicht verstanden habe, mit beschleunigten Märschen und unter Zurückberufung des 1. und des sächsischen Korps von der Isar sich mit seiner Hauptmacht gegen die schlesische Armee zu wenden. Hierzu bemerkt Moltke : "Durch die Aufstellung an der Iser wurde thatsächlich der Ab-

marsch der preufsischen Hauptmacht aufgehalten und Zeit geschafft. Infolge rechtzeitigen Entschlusses zur Offensive auf preuſsischer Seite¹) und bei der Konzentration der österreichischen Armee in Mähren konnte aber diese,

trotz nicht mehr zu beschleunigender Märsche, daſs

nicht mehr so schnell an die obere Elbe herangeführt werden ,

Zog man das sie versammelt dem Kronprinzen entgegentrat . 1. Korps von der Iser zurück, so folgte auch Prinz Friedrich Karl unmittelbar, und erreichte Königinhof früher als die letzten Echelons der Österreicher. Keine Strategie konnte ändern , dafs Görlitz-Königinhof und Neifse -Königinhof kürzer sind als Olmütz-Königinhof“ 2) . Ähn1 ) In Bezug auf die Behauptung des österreichischen Generalstabswerkes, das preufsische Oberkommando habe nach der Okkupation Sachsens den Entschlufs gefafst, gegen Böhmen vorzugehen, erklärt Moltke : „ Der Entschlufs stand schon fest beim Einrücken ; dieses war der erste Schritt." 2) Spezieller bemerkt Moltke noch : ,,Am 20. stand die österreichische Armee mit der Tête bei Trübau, rückwärts bis Czernahora - Tobitschau, am 22. von Reichenau bis Profsnitz 14 Meilen tief."

Bleistiftnotizen Moltke's über 1866.

lich

sagt das preufsische Generalstabswerk : „ Am

307

20. Juni

standen

die preufsischen Heere bei Dresden , Görlitz und Neifse ; sie hatten bis Gitschin keine gröfsere Entfernung zurückzulegen als die Österreicher น von der mährischen Grenze aus." Das österreichische Hauptquartier hatte

also,

wie Moltke

am Rande

der

38. Seite

der amtlichen

österreichischen Darstellung korrigirt, nicht die Möglichkeit “ (im Text steht : „Absicht "), gegen die aus den Sudeten debouchirende schlesische Armee an den Gebirgsdefileen energischen Widerstand zu leisten. Das österreichische Werk kommt (S. 67 , 68) noch einmal auf denselben Tadel zurück und behauptet, Benedek hätte den vereinzelten Korps des Kronprinzen mit Entschiedenheit entgegentreten können , denn „ das 4. Korps (in Lančow) war am 27. disponibel gegen Trautenau [Moltke am Rande :

„ 3 Meilen " ;

oder schlecht disponibel ] ,

d . h.

das Korps war also nicht

das 10. Korps (in Jaromer- Schurz) in der

Richtung auf Braunau [ Moltke am Rande : 6 Meilen ] ,

das 6. Korps

(in Opočno) gegen Nachod [ Moltke : 2 Meilen ] . Das 3. und 8. Korps konnte bis Abends 27. zwischen Neustadt und Jaromer an die Mettau rücken und für den nächsten Tag nach jeder Richtung zum Kampfe verfügbar seien, während das 2. Korps am 28. gleichfalls bei Neustadt eintreffen konnte [Moltke : 2 Meilen ] . Doch das Armeekommando faiste nicht den Entschlufs, der Armee des Kronprinzen ernstlichen Widerstand zu leisten [ Moltke : ,, Dann nahmen die Gefechte bei Nachod

und

Trautenau

wahrscheinlich

denselben

Ausgang,

aber

Gablentz geriet am 28. nicht in die üble Lage. ']" Moltke's Ansicht geht also dahin : versammelt konnte die österreichische Armee dem preufsischen Kronprinzen nicht entgegentreten, wohl aber hätte sie ihm einen gröfseren Widerstand entgegensetzen können, der allerdings nur dem 10. Korps Gablentz zu Gute gekommen wäre. Im preufsischen Generalstabswerke heifst es über den von österreichischer Seite gegen den Feldzeugmeister Benedek erhobenen Vorwurf: ,,Heute, wo die Verhältnisse bekannt sind, wird Jedermann sagen,

dafs es das Einfachste und Beste gewesen wäre ,

mit allen Kräften gegen die debouchirende II. Armee vorzugehen. Aber der Marsch des Kronprinzen hinter der Grafschaft fort war eben nicht bekannt und konnte es kaum früher werden , als in dem Augenblicke , wo die Armee schon aus den Defileen hervortrat. " Welche milde und gerechte Beurteilung des Gegners hier wie in jenen Notizen ! Es folgen einige kleinere Bemerkungen. Zu der Behauptung des österreichischen Werkes, die Preufsen seien im Gefecht bei Podol durch die Iser gewatet, notirt Moltke

am Rande : ,,Stimmt nicht

308

Bleistiftnotizen Moltke's über 1866.

ganz." Die diesseitigen Berichte melden in der That nichts von einem solchen Durchwaten des Flusses, auch könnte es, da die Iser bei Podol so tief ist, dafs sie nur an einzelnen Furten zu passiren war, auch nur ganz vereinzelt vorgekommen sein .

Das kleine Kavallerie-

Scharmützel, welches am 27. Juni bei Čerwena- Hura (Czerwenahora) zwischen österreichischen Kaiser Max- und preufsischen Garde-Ulanen stattfand, war Moltke offenbar aus dem Gedächtnifs entschwunden, und er wirft am Rande die Frage auf: ,,Von diesem Gefecht nirgends bei uns die Rede ?" Das Gefecht war in der That schon im preuſsischen Generalstabswerke ( S. 146/147) beschrieben worden ¹). Bei der Schilderung des Treffens von Skalitz glaubt sich der österreichische Autor berechtigt, den alten Vorwurf gegen Benedek wiederholen zu dürfen . Er sagt : Nach der Disposition des Generals von Steinmetz sollte ,,der Vormarsch gegen Skalitz mit dem gröfsten Teil der Kräfte frontal

erfolgen,

anderen Dispositionen von Seite

und es ist kein Zweifel,

dafs bei

des kaiserlichen Armeekommandos

das feindliche (V.) Korps mit aufserordentlicher Übermacht gegen den Nachoder Paſs hätte zurückgeworfen werden können . Dazu bemerkt Moltke : ,,Um General Steinmetz nach Nachod zurückzuwerfen, hätten zwei Armeekorps durch Skalitz defiliren oder oberhalb die Aupa überschreiten müssen . Wollte man dies, mehrere Stunden erfordernde Manöver vermeidend, am linken Ufer des Flusses vorgehen, so konnte das 5. Korps ungünstigsten Falles nur auf das . . . “ fehlt leider der Schlufs, weil der untere Seitenrand,

Hier

auf welchem er

niedergeschrieben war, von unkundiger Hand abgeschnitten worden ist. Nach der militärischen Lage am 28. Juni ergänzte ich : ,,auf das nördlich von ihm stehende Gardekorps zurückgetrieben werden. " Die Richtigkeit dieser Konjektur wird durch folgende Ausführungen des preufsischen Generalstabswerkes, die offenbar auf Moltke selbst zurückgehen, bestätigt : ,,Die vom General v. Steinmetz getroffenen Anordnungen entsprechen vollkommen den Verhältnissen. Das V. Korps mufste bei seinem Vormarsch gegen Gradlitz am 28. auf starken Widerstand in der Front rechnen, aufserdem aber gewärtigen, durch die von Süden heranziehenden feindlichen Abteilungen in der linken Flanke angegriffen zu werden . Traf man, wie wahrscheinlich, den Feind an der Aupa, so konnte die 9. (und die in Aussicht gestellte Garde-) Division den Frontalangriff der 10. Division wesentlich unterstützen, fand, wie sehr möglich , ein feindliches Vorgehen mit weit über¹) Das preufsische Generalstabswerk erschien bereits im Jahre 1867, das österreichische erst später.

Bleistiftnotizen Moltke's über 1866.

309

legenen Kräften von Süden her statt, so bildete die 10. Division eine starke Avantgarde, die sich auf die beiden andern Divisionen zurückziehen durfte. In die Defileen von Nachod konnte so das V. Armeekorps nicht mehr zurückgeworfen und dadurch von den übrigen Korps getrennt werden, selbst im schlimmsten Falle wurde es nur auf das Gros der II . Armee zurückgedrängt und auch dann also die Vereinigung bewirkt." Das

Treffen

bei

Trautenau

reichischen Autor zu der Bemerkung,

(Soor)

veranlafst

den

öster-

Gablentz hätte in Praufsnitz

zwei Bataillone des 4. österreichischen Korps zur Sicherung seiner Verbindung mit Josephstadt vermuten dürfen, weil er von ihrer Zuzückziehung durch das Armeekommando nicht verständigt war (also wieder ein Hieb auf Benedek ! ) .

R. Schmitt,

,, Die

Gefechte bei

Trautenau " (Gotha 1892 ) ist derselben Ansicht und knüpft daran eine längere Auseinandersetzung über die Vorteile, welche Gablentz durch jene beiden Bataillone hätte erzielen können. ,,Gelang es auch wirklich nicht, den Preufsen das Debouchiren aus dem Defilee von EipelRaatsch zu verwehren, so war doch wenigstens die Möglichkeit gegeben , den Rückzug auf der nehmen.

direkten Strafse nach Königinhof zu

Auch würde dann kaum die Verbindung mit der Brigade

Grivičič so frühzeitig unterbrochen worden sein .

Zum mindesten

aber hätte man den Vorteil gehabt, eher von dem Anmarsch der Preufsen unterrichtet zu werden u . s. w." Dem gegenüber steht Moltke's kurze Notiz : ,,Würde in dem Gang des Gefechts doch auch wenig geändert haben. " Ebenso wie Moltke urteilt übrigens auch der Verfasser eines Aufsatzes im österreichischen ,, Kamerad" (1867) : man solle sich keinen Illusionen hingeben, die Postirung eines so kleinen Detachements bei Praufsnitz würde ,,den Unstern vom 28. Juni" nicht abgewendet haben. Die Behauptung des österreichischen Generalstabswerkes,

man

habe in dem Gefecht bei Soor auf preussischer Seite bald bessere Einsicht in die Situation gewonnen, versieht unser Feldmarschall mit dem hübschen Marginal : ,,Der Munitionspark war schon entschlüpft. " Über die Dispositionen des österreichischen Korpskommandanten sagt er in rückhaltlos anerkennender Weise : ,, Leitung durch Gablentz korrekt von Anfang bis zu Ende. " Es bleiben mir nur noch einige Randnotizen Moltke's zur Vorgeschichte und Geschichte der Schlacht bei Königgrätz übrig. Um nicht zu lang zu werden, treffenden Ausführungen wiedergeben.

des

will ich sie einfach hinter den beösterreichischen

Generalstabswerkes

Österr. Generalstabswerk : Für den 30. Juni disponirte Benedek,

310

Bleistiftnotizen Moltke's über 1866.

das 10. und 4. Korps sollten in ihrer vorgeschobenen Stellung an der Elbe ausharren und, falls Josephstadt nehmen .

zum Rückzuge gedrängt, ihn über

Moltke setzt neben ,,Josephstadt" ein ; und die

Worte: ,,Strafse über Königinhof in den Rücken des 4. Korps frei. " Österr. Generalstabswerk : Am 30. Juni habe Benedek den Mut zur Schlacht verloren infolge der Nachricht, dafs das 1. und sächsische Korps desorganisirt und erschöpft ,,zur Armee stiefsen." ,,Auch das nicht einmal ; nach Königgrätz . " Österr. Generalstabswerk :

Bei

der Befehlsausgabe

Moltke :

am

2. Juli

4 Uhr Nachmittags ordnete Benedek an, die Armee sollte am nächsten Tage in ihrem Lager verbleiben ; als Übergangspunkte über die Elbe wurden den Korps die ober- und unterhalb Königgrätz befindlichen Brücken bezeichnet . Moltke : ,,Die Absicht war also wohl, am 4. auf dem linken Elbufer nach Pardubitz zu marschiren." Österr. Generalstabswerk:

Benedek hätte sich hinter der Elbe

bei Pardubitz zur Schlacht aufstellen sollen.

Moltke : ,,Wenn es aber

dringend nötig war, der erschöpften Armee am 2. Ruhe zu gewähren, so konnte am 3. der Flankenmarsch am rechten Elbufer nicht mehr ausgeführt werden. " Österr. Generalstabswerk :

Benedek

hätte

in

einer

etwas

anderen Stellung - den Flügeln die möglichste Festigkeit geben und konsequent defensiv bleiben müssen . Moltke : ,,Vollends bei der als besser vorgeschlagenen Stellung." Österr. Generalstabswerk : Benedek hätte von seinen 6 KavallerieDivisionen, die zu zahlreich waren , um innerhalb des Schlachtfeldes eine nützliche Verwendung zu finden, 3 oder 4 westlich der Bistritz zur Beunruhigung des Gegners in seiner rechten Flanke verwenden sollen. Moltke : ,,Es lag doch näher, sie gegen den Kronprinzen vorzuschicken." Man wird zugeben ,

daſs es zwar meist lakonische, abgerissene,

aber zugleich gedankenreichste Bemerkungen sind, die wir eben kennen gelernt haben. Ich hatte beim Lesen vieler derselben die Empfindung, dunkle, zweifelhafte oder dem Gedächtnifs entrückte militärische Situationen plötzlich in so blendender Klarheit vor mir zu sehen wie eine vom Blitz erhellte Nachtlandschaft. Und neben der Schärfe des genialen Verstandes, welche Milde des Charakters in der Beurteilung Anderer offenbaren nicht auch diese kurzen Aperçus, ebenso wie die welterschütternden Thaten und die klassischen Schriften des unvergeſslichen Feldherrn und Menschen .

XXII.

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge von 1796 in Deutschland und Italien. (Fortsetzung.) Wir haben den italienischen Kriegsschauplatz Anfangs Juni verlassen, wo das Schicksal Ober - Italiens militärisch bereits entschieden Bonaparte war jetzt auf Weisung des französischen schien. Direktoriums auch gegen Unter-Italien vorgegangen, indem er zu diesem Unternehmen Augereau mit 10 000 Mann verwendete. Schon am 5. Juni kam ein Waffenstillstand mit dem Königreich Neapel zu Stande, am 19. wurde Bologna besetzt und am 23. begannen die Bis 29. waren Waffenstillstands- Verhandlungen mit dem Papste. auch Ferrara, Ancona uud Livorno im französischen Besitz .

Ende

Juni waren Bonaparte's Kräfte wieder vollständig an der Etsch versammelt. Die Blockade von Mantua hatte bereits den ganzen Juni hindurch gewährt, jetzt wurden die Einschliefsungstruppen verstärkt und die Belagerungsarbeiten so energisch betrieben, dafs die Festung am 29. Juli schon dem Falle ziemlich nahe war. Die französische Armee, welche mit 27 000 Mann am Mincio angekommen war , hatte sich allmählich auf 44 000 verstärkt. Davon standen etwa 16 000 Mann unter Massena von Verona bis Rivoli, 6000 unter Augereau bei Legnago und 5000 unter Sauret am Westufer des Gardasees bei Salo und im Thale der Chiese. Etwa 5000 Mann unter Despinois bildeten bei Peschiera die Reserve und 1600 Pferde standen zwischen. Legnago und Verona in Valeze. Serrurier mit 11 000 Mann belagerte Verona . Wurmser war mit seinen 25 000 Mann Verstärkungen vom Rhein Mitte Juli in Tirol eingetroffen. Seine Macht betrug jetzt nach Abrechnung von 10 000 Mann, die im Innern Tirols und Kärnthens verbleiben sollten , noch 50 000 Mann . Mit diesen wollte er gegen Bonaparte in zwei Kolonnen , auf beiden Seiten des Gardasees, aus dem Gebirge vorbrechen . Die Hauptmacht, 32 000 Mann sollte im Etschthale, die Nebenkolonne von

unter Wurmser selbst,

18 000 Mann unter Quasdanowitsch am Westufer des Gardasees Die Ausführung dieses Planes über Riva und Salo vordringen . führte eine Reihe von Gefechten in den Tagen vom 29. Juli bis 5. August herbei, die mit dem Gesammtnamen der Schlacht von Castiglione bezeichnet werden. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102. 3.

21

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

312

Wurmser rückte am 29. Juli in zwei Haupt- und drei Nebenkolonnen an beiden Etschufern gegen Rivoli vor . Seine Abteilungen nahmen dabei eine Frontausdehnung von 3 bis 4 deutschen Meilen ein. Wenn Wurmser es also hier bei Rivoli mit der französischen Hauptmacht zu thun gehabt hätte, so wäre seine Zersplitterung schon ein hinreichender Grund gewesen, um geschlagen zu werden. Massena hatte aber nur etwa 10 000 Mann zur Stelle und wurde nach Piovetano zwischen Rivoli und Castelnovo zurückgedrängt. Quasdanowitsch

gegen

Salo

vorgerückt.

Währenddem war

Sauret

wurde

hier

geschlagen und ging auf Desenzano zurück. Quasdanowitsch drang bis Gavardo vor und liefs Brescia durch Überfall nehmen . Infolge der Begebenheiten vom 29. fafste Bonaparte am 30. den Entschufs , die Belagerung von Mantua nicht nur aufzuheben, sondern auch keine Zeit mit der Rettung des Belagerungs-Trains zu verlieren . Die 120 Belagerungsgeschütze waren ohnehin fremden Zeughäusern entnommen worden. Dagegen wollte der französische Obergeneral seine gesammte Armee gegen einen der beiden, durch den Gardasee getrennten Teile des Feindes führen , und zwar gegen Quasdanowitsch , welcher der schwächere war und aufserdem bereits im Rücken der französischen Aufstellung vordrang. Quasdanowitsch rückte am 30. auf Ponte S. Marco und Montechiaro vor, während sein linker Flügel noch bei Salo verblieben war, wo sich General Guyeux mit einem Bataillon in ein Fabrikgebäude geworfen hatte. In der Nacht zum 31. überschritten dann Massena und Augereau den Mincio und wandten sich gegen Lonato und Montechiaro. Bonaparte liefs Sauret von Desenzano gegen Salo vorgehen und dort General Guyeux befreien, der Obergeneral selbst aber eilte dann mit zwei Brigaden der Division Massena nach Lonato und schlug dort im Verein mit Despinois den General Oskay vom Korps

Quasdanowitsch.

Letzterer hatte

jetzt wohl erkannt , dafs er es mit der französischen Hauptmacht zu thun habe, wartete daher die Bewegung Augereau's auf Montechiaro nicht ab , sondern zog sich nach Gavardo zurück . Bonaparte marschirte aber mit den Divisionen Augereau und Despinois in der Nacht zum

1. August nach Brescia, befreite dies und kehrte,

nach

Zurücklassung von Despinois mit Augereau am 2. nach Montechiaro zurück. Massena stand noch in Lonato, Sauret nördlich Desenzano .

Während dieser Vorgänge war Wurms er bis an den

Mincio

und in Mantua eingerückt .

vor

Seine Avantgarde unter

Liptay liefs er auf Goito vorgehen und einen Teil der Garnison über Bergoforte nach Marcaria den beiden Brigaden der Division Serrurier nachrücken , die mit der Aufhebung der Belagerung beschäftigt gewesen waren.

Wurmser mufste nach den vor Mantua empfangenen

von 1796 in Deutschland und Italien.

313

Eindrücken allerdings glauben , die französische Armee sei im vollen Rückzuge, und schrieb dieses vermeintliche Faktum wohl seiner Überlegenheit, sowie den Gefechten vom 29. bei Rivoli und Salo zu . Er dünkte sich im Besitze eines vollständigen Sieges. Der Feldzeugmeister blieb also am 2. ruhig in Mantua und liefs zur weiteren Verfolgung Liptay von Goito nach Castiglione vorgeben . Erst am Abend des 2. August erfuhr Wurmser zu seinem Erstaunen das Mifsgeschick Letzterer war jedoch von Bonaparte nur von Quasdanowitsch. zurückgeworfen worden , aber nicht entscheidend geschlagen. Die von den Franzosen errungenen Vorteile entschädigten noch lange nicht für die Aufhebung der Belagerung und den Verlust des ganzen Trains . Bonaparte mufste also noch einen Hauptschlag führen und war nur noch ungewifs, ob derselbe gegen Wurmser , oder gegen Quasdanowitsch erfolgen sollte . In dieser Lage

am

2. August wurden die Arrieregarden von

Massena und Augereau plötzlich angegriffen.

Die von Massena

unter General Pigeon bei Peschiera zog sich in guter Ordnung nach Lonato

zurück ,

dagegen

wurde

General La Valette

Stellung bei Castiglione derartig zurückgeworfen,

aus

seiner

dafs er die Hälfte

seiner Truppen im Stiche liefs und den Schrecken bis Montechiaro verbreitete. Castiglione mufste von den Franzosen wieder genommen werden ,

Augereau

wurde

damit beauftragt.

Andererseits

sollte

Despinois den General Quasdanowitsch weiter zurückdrängen . Augereau delogirte Liptay aus Castiglione, dagegen wurde Despinois am 3. durch Quasdanowitsch geschlagen und mit Verlust auf Brescia zurückgeworfen . Eine bis Lonato vorgegangene Kolonne von Quasdanowitsch unter Oskay wurde aber von Bonaparte mit der Division Massena angegriffen und zersprengt, worauf Quasdanowitsch seine Truppen bei Gavardo wieder sammelte. Despinois sollte am 4. von neuem gegen Quasdanowitsch vorgehen. Letzterer wurde dann an diesem Tage von Salo her durch General Guyeux überfallen und ging gegen Riva zurück . Bonaparte rückte jetzt am 5. früh mit allen verfügbaren Kräften von Lonato gegen Solferino vor . Hier fand er Wurmser in einer Stellung zwischen genanntem Orte und der Strafse Mantua-Brescia.

Mit Tagesanbruch war aber

die französische Division Fiorelli bei Guidizzolo

eingetroffen und

vermochte somit die österreichische Stellung im Rücken anzugreifen. Bonaparte hatte etwa 30 000 Mann, Wurmser 25 000 zur Stelle . Letzterer sah sich bald in der Front und im Rücken gleichzeitig angegriffen und nach einem Verluste von 3000 Mann zum Rückzuge auf Valeggio und Peschiera genötigt . Die Franzosen folgten nur bis Pozzolengo und Castellaro. War die verlorene Schlacht auch keine. 21*

314

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

Niederlage gewesen, so reichte doch der empfindliche Schlag für die Entscheidung aus, denn Wurmser vermochte nicht mehr an die Verteidigung des Mincio oder an irgend eine andere Aufstellung in der italienischen Ebene zu denken . Er versuchte zwar, noch bei Peschiera sich zu verschanzen, wurde hier aber am 6. von Massena zurückgedrängt und ging, nachdem er am 11. auch die Corona und andere auf dem Monte Baldo besetzte Punkte, sowie Rocca d'Anfo am Gardasee verloren hatte, nach Trient. Die Besatzung von Mantua hatte er aber auf 15 000 Mann gebracht. Die Division Massena nahm wieder im Etschthale und bei Rivoli Stellung. blockirt.

Mantua wurde in Ermangelung eines Belagerungstrains nur Dieser Punkt war im Juli in Gefahr gewesen, durch die

Belagerung zu fallen. Es wäre damit den Österreichern eine grofse Festung verloren gegangen, die im Stande war, die französische Armee in Italien festzuhalten und sie an einer kräftigen und erfolgreichen Offensive durch das Gebirge nach Österreich hinein zu hindern.

Diese

Wichtigkeit hatte der Platz für die Österreicher als Verteidiger. Andererseits war aber der Besitz von Mantua für sie auch von offensiver Wichtigkeit . So lange die Österreicher die Festung überhaupt noch besafsen, war auch die Hoffnung vorhanden, durch eine siegreiche Feldschlacht die Lombardei wieder zu gewinnen .

War Mantua

dagegen gefallen, so hätte es sich immer erst um die schwierige Wiedereroberung handeln müssen . Das österreichische Kabinet hatte Ende Mai den Entschlufs gefafst, aus

Deutschland eine Verstärkung nach Italien zu schicken.

Auf dem deutschen Kriegstheater nahm man damals das Gleichgewicht der Kräfte als vorhanden an, und es wurde der betreffende Entschlufs daher für motivirt gehalten. Die neue Aktion gegen Bonaparte in Italien hatte zunächst das Ziel,

durch den Entsatz

von Mantua sich sowohl die Defensiv-, wie die Offensivkraft in Italien wieder herzustellen .

Wurmser war dann zwar geschlagen worden,

aber den ersten Teil seiner Aufgabe hatte er doch gelöst, nämlich Mantua von der Belagerung und damit von dringender Gefahr befreit. Es war dieser Erfolg mit dem Verluste von etwa 10 000 Mann und 60 Geschützen sicher nicht zu teuer erkauft worden. Die Österreicher hatten zwar die offensive Bedeutung Mantuas verloren geben müssen, die defensive aber unbedingt wieder gewonnen ,

und das war nach

dem Stande der allgemeinen Kriegsverhältnisse nicht nur äusserst wichtig, sondern sogar die Hauptsache. In Deutschland hatte die Sachlage allem Anscheine nach sich jetzt ganz anders gestaltet. Erzherzog Karl befand sich auf dem Rückzuge, die französischen Armeen waren in Franken und Schwaben

von 1796 in Deutschland und Italien.

vorgedrungen,

315

der österreichische Oberfeldherr hier hatte eine Ent-

scheidung zum Besseren noch nicht herbeiführen können. War nun in Italien vor der Hand nichts mehr zu befürchten, so wurde damit. auch der österreichischen Regierung die bemerkenswerte Aushülfe geboten, nicht nur alle verfügbaren Reserven zu der deutschen Armee zu schicken, sondern erforderlichen Falles selbst von Wurmser's Armee die Hälfte nach Deutschland in den Rücken der vordringenden Franzosen marschiren zu lassen .

Auf diese Weise hätte die Gefahr von

dem Herzen der österreichischen Monarchie abgewendet werden können . Wurden dann aber die französischen Armeen zum Rückzuge über den Rhein gezwungen, so war immer noch Zeit, das blockirte Mantua zu entsetzen. Der eben zur Darstellung gelangte zweite Akt des italienischen Feldzuges hatte die Bewunderung der Mit- wie Nachwelt erregt und die Meisterschaft Bonaparte's als ebenso unzweifelhaft erachten lassen, wie die Fehler Wurmser's. Von Letzterem waren in der That auch grofse Fehler begangen worden . Den Österreichern hatten für die Wahl ihres Angriffsplanes zwei ganz verschiedene Wege zu Gebote gestanden.

Sie konnten

Flanke des Gegners

entweder auf die strategische Front und

zugleich

Manöver zur Aufhebung

vordringen,

der Belagerung

um ihn durch das blofse zu zwingen ,

und dann

mufsten sie jedes entscheidende Gefecht vermeiden , sich nur mit dem Entsatze der Festung begnügen und dem Angriffe Bonaparte's ausweichen , ―― oder sie konnten im Etschthal vordringen, um eine endgültige Entscheidung durch eine Schlacht herbeizuführen , und in diesem Falle mufsten sie ihre ganze Macht konzentrirt halten . Wurmser that aber weder das Eine, noch das Andere und schwächte sich durch die Teilung seiner Kräfte . Wollte der Feldzeugmeister den Rückzug des Feindes durch Vorgehen im Chiesethal bedrohen, so durfte zu diesem Zwecke nur eine so kleine Abteilung verwendet werden, dafs solcher auf dem Punkte der Entscheidung nicht gerade entbehrt wurde. Wurmser hatte also grofse Fehler gemacht und dennoch, obwohl geschlagen, in der Hauptsache seinen Zweck erreicht. Es liegt hierin, wie Clausewitz hervorhebt, ein Widerspruch, der lediglich in dem Verhalten des Gegners seine Aufklärung finden mufs . Gehört auch Bonaparte's Verteidigung unter den Verhältnissen, wie sie sich am 29. Juli gestaltet hatten, unstreitig zu den schönsten Beispielen in der Kriegsgeschichte, so mufs der französische Obergeneral andererseits doch grofse Unterlassungen verschuldet einmal am haben. Bonaparte's Aufgabe war wohl eine zwiefache, Mincio sich zu halten und dann die Belagerung zu decken . Mit etwa 44 000 Mann eine Festung einzuschliefsen, deren Garnison 12 000

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

-316

stark war, und gleichzeitig die Belagerung gegen eine Entzatz-Armee von 50 000 Mann aufrecht zu erhalten, --- und noch dazu bei einer so ungünstigen Lage des Operationsfeldes, in dem das angrenzende Alpengebirge im Besitze des Gegners die strategische Flanke und Rückzugslinie

das war allerdings eine sehr schwierige

bedrohte,

Anforderung. Für die erfolgreiche Durchführung der Aufgabe gab es auch, wie Clausewitz unzweifelhaft sehr richtig bemerkt, nur ein einziges Mittel, Bonaparte hätte sich durch eine Kontravallationslinie sichern müssen . Fehlte es ihm an lebenden Kräften, die Belagerung nach Aufsen decken zu können, so mufste er daran denken, sich hinter Verschanzungen zu schlagen . Dafs Bonaparte seiner Lage vor Mantua so wenig Rechnung getragen und das einzige richtige Auskunftsmittel unter den obwaltenden Verhältnissen nicht gefunden hat, das zeugte aber in diesem Falle von dem Mangel an einem weit umfassenden Blicke, infolgedessen er dem zweiten Teil seiner Aufgabe, die Belagerung Mantuas zu decken, nicht genug Wert beilegte. Bonaparte hatte sich durch seine Vorliebe für das Glänzende, Gewaltsame in eine Richtung fortreifsen lassen, in welcher der defensive Teil seiner Aufgabe niemals erreicht werden konnte. hatte damit also einen Fehler begangen, infolgedessen vorurteilsfreie Kritiker Clausewitz die Anerkennung der versagt, wie glänzend auch des französischen Feldherrn an und für sich waren . Nach Abschlufs des

zweiten Aktes

Bonaparte ihm hier der Meisterschaft Waffenthaten

des italienischen Feldzuges

lag wohl der französischen Regierung die Frage nahe, ob es nicht geboten war, durch Bonaparte die Österreicher auch in Deutschland angreifen zu lassen.

Zwei französische Armeen waren im Vor-

rücken zu einem Alles entscheiden sollenden Angriffe begriffen , es mufste also als ein Hauptfehler erscheinen, wenn man währenddem mit der dritten Armee unthätig bleiben wollte. Die gleichzeitige Anstrengung aller Kräfte ist bekanntlich der feststehende Grundsatz jedes strategischen Angriffs .

Trotzdem hielt das französische Direk-

torium , als Wurmser geschlagen und wieder nach Tirol zurückgedrängt war, in seinem Siegesrausche nichts weiter für nötig,

als

eine Verfolgung des Feindes und eine Beschleunigung der angebahnten Erfolge. Als aber Mitte August doch einige Bedenklichkeiten über den Stand der Dinge in Deutschland sich geltend zu machen anfingen , da kam der französischen Regierung die Erkenntnifs des wahren strategischen Knotens . In einem Schreiben an Bonaparte von Mitte August sagt das Direktorium : „ Es wird selbst dringend , jagen

dafs

Sie den Feind angreifen und vor sich herWenn General Wurmser einen Augenblick der

von 1796 in Deutschland und Italien.

317

Ruhe erhielte , könnte er einige Truppen detachiren, welche , vereinigt mit den Kräften des Erzherzogs Karl ,

sich den

Unternehmungen der Rheinarmee entgegenstellen und sie vielleicht mit Vorteil bekämpfen würden. " In dieser Überzeugung drängte das Direktorium beständig auf Bonaparte ein, dafs er nach Tirol vorgehen , die Armee Wurmser's entscheidend angreifen , womöglich zertrümmern sollte. Bonaparte dagegen hatte den Plan, nach Triest zu marschiren, um Stadt und Hafen zu zerstören und von dort aus das Herz der österreichischen Monarchie zu bedrohen. Dieses höchst abenteuerliche Projekt wurde indessen vom Direktorium nicht gut geheiſsen . gar nichts.

Einstweilen geschah aber bis Anfang September

Bonaparte wollte die ihm zugesagten 20 000 Mann Ver-

stärkung von der Küsten- und Alpen-Armee erst abwarten. Inzwischen waren auch Wurmser's Streitkräfte aus dem Innern verstärkt und wieder auf etwa 45 000 Mann gebracht worden. österreichische Regierung begnügte sich aber nicht damit,

Die

auf diese

Weise Tirol zu sichern , welches jetzt der in Schwaben vorrückenden Armee Moreau's schon in der rechten Flanke und im Rücken lag, sondern sie wollte auch die Offensive in Italien nicht aufgeben. Wurmser sollte abermals einen Versuch machen, Mantua zu befreien, und seine Armee hatte sich nach dem vom Ingenieur-General Lauer ausgearbeiteten Plane wieder zu teilen . Während Davidowitsch mit 20 000 Mann Tirol besetzt halten sollte , hatte Wurmser mit 26 000 durch das Brentathal in die Ebene hinabzusteigen. Wenn dann die französische Armee sich gegen letzteren wendete, sollte von den in Tirol verbliebenen Truppen ein angemessenes Korps in das Thal der Etsch und in den Rücken der Franzosen vordringen. Diese waren dann auf solche Weise entweder aus der Gegend zwischen Etsch und Mincio zu verdrängen , oder es war ihnen eine Schlacht

zu liefern ,

oder sie sollten wenigstens in der Ebene

Italiens gefesselt und an dem Vorgehen nach Tirol verhindert werden. Dafs dieser Plan noch viel schlechter war, als der frühere, braucht erst eingehend erörtert zu werden . Zunächst war es durchaus gar nicht angezeigt , die französische Armee unter den obwaltenden Umständen angreifen zu wollen . Sie that nichts, und . das war für die Österreicher jetzt das Allergünstigste . Letztere waren auſserdem auch schwächer, als die Franzosen in Italien. Besorgte eigentlich nicht

man aber, dafs Bonaparte bald wieder aus seiner Unthätigkeit heraustreten würde, so konnte Wurmser keinen besseren Entschlufs fassen, als sich in Tirol zu verteidigen , wo zwei Mal schon die geschlagene österreichische Armee Schutz in den Schluchten des Gebirges gefunden hatte. Andererseits waren die Österreicher in Tirol

318

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

eigentlich ganz sicher vor Bonaparte. Was sollte Letzterer in diesem Lande? Selbst ein Sieg hätte ihm hier nicht viel nützen können, denn, um dann den Vorteil auszunutzen , mufste er erst des ganzen Landes sich bemächtigen , an dessen Verteidigung auch die Bevölkerung teilgenommen haben würde. Die Schwierigkeiten, den strategischen Angriff quer durch ein Land, wie Tirol , fortzusetzen, hatte sich aber Bonaparte wohl schon längst klar gemacht. Wenn die österreichische Regierung vorläufig sich mit der Behauptung Tirols begnügt hätte , dann würde sie aufserdem auch Gelegenheit gehabt haben, Wurmser mit 20 000 Mann in den Rücken Moreau's marschiren zu lassen . Die Wirkung dieser Mafsregel wäre unzweifelhaft eine entscheidende gewesen. Das Korps Davidowitsch hatte Tirol nach drei Seiten hin besetzt . General Gröffer deckte mit 3000 Vorarlberg und machte Front gegen Schwaben , General Laudon hielt mit 3000 Mann die Ausgänge nach dem Veltlin besetzt, die übrigen 14000 Mann befanden sich bei Trient. Von diesem Hauptkorps war Fürst Reufs mit 6000 Mann auf dem rechten Etsch-

Mann

ufer bei Mori zwischen Roveredo und dem Gardasee aufgestellt und eine andere Abteilung unter Wussakowitsch befand sich bei S. Marco im Etschthale. Die Reserve stand hinter Roveredo bei Calliano . Wurmser hatte sich mit den Divisionen Quasdanowitsch , Sebottendorff und Mezaros am 2. September im Brentathale nach Bassano in Marsch gesetzt. Bonaparte kannte Wurmser's Angriffsplan. Er beschlofs demnach, nur 3000 Mann unter Kilmaine zur Deckung der Blockade von Mantua an der Etsch zurück zu lassen, mit den übrigen Kräften aber in diesem Flufsthal aufwärts zu rücken, Davidowitsch zu schlagen und schliefslich durch das Brentathal hinter Wurmser her zu marschiren. Da die Stellung von Davidowitsch selbst nördlich des Gardasees lag , glaubte Bonaparte es wagen zu können , die Division Vaubois auf dem westlichen Seeufer gegen Mori vorgehen zu lassen . Am 4. September warfen die Divisionen Vaubois und Massena die Österreicher von Mori und S. Marco auf Calliano zurück und bemächtigten sich vor Abend noch auch der Hauptstellung von Davidowitsch. Dieser war nach einem Verluste von 3000 Mann zum Rückzuge durch Trient gezwungen. Davidowitsch hatte sich hinter dem Lawis,

zwei Stunden nördlich

Trient zu setzen gesucht, war aber von Bonaparte am 5. bis Neumarkt zurückgedrängt worden. Letzterer liefs dann am Lawis die Division Vaubois gegen Davidowitsch stehen und ging mit Augereau und Massena am 6. im Brentathale gegen Bassano vor. Hier wurde Wurmser am 8. angegriffen und nach einem Verluste von allein 2000 Gefangenen und 30 Geschützen gezwungen, sich auf

von 1796 in Deutschland und Italien.

dem linken Flufsufer nach Fontania zurückzuziehen .

319 Die Division

Quasdanowitsch war aber abgedrängt und zum Rückzuge nach Friaul genötigt worden . Wurmser rückte jetzt nach Vicenza , um mit den ihm noch gebliebenen 16000 Mann sich nach Mantua hineinzuwerfen. Trotzdem Massena auf dem Fufse und Augereau zur Seite folgte, gelang ihm dies auch nach den glücklichen AvantgardenGefechten von Cerea am 11. und von Villa Impenta am 12. September.

Wurmser hatte jetzt in Mantua

Mann, einschliesslich 4000 Reitern ,

eine Macht von 29 000

vereinigt und nahm mit seinen

Hauptkräften zwischen Favorite und der Vorstadt St. George Stellung. Massena versuchte hier am 14. einen Überfall, wurde aber bis Due Castello zurückgeworfen .

Die letzten drei glücklichen Gefechte veranlafsten jetzt Wurmser , am 15. noch ein allgemeines grofses Unternehmen gegen den Feind in Scene zu setzen und damit eine grofse Fouragirung zu verbinden . Er rückte an diesem Tage mit 18 000 Mann zwischen den Strafsen von Legnago und von Verona vor, wandte sich dann aber mit seinen Hauptkräften gegen Augereau , der ganz in der Flanke am Mincio stand, und entblöfste dadurch seine Hauptfront. Massena drang infolgedessen hier in der Mitte bis in die Gegend zwischen der Citadelle und Fort St. George vor und bemächtigte sich auch dieses letzteren. Wurmser hatte jetzt Mühe, wieder in die Festung zurück zu gelangen, nachdem er sich einen Verlust von 2000 Mann zugezogen. Den Österreichern waren also bis auf die Citadelle alle Punkte auf dem linken Mincioufer verloren gegangen. Die dann im September und Oktober unternommenen Ausfälle führten zu keinem nennenswerten Resultate mehr. Bonaparte hatte übrigens von dem Direktorium den Auftrag erhalten, die Festung nicht mehr zu belagern, sondern auszuhungern. Dieser zweite Entsatzversuch Wurmser's hatte nicht blofs seinen Zweck verfehlt, eine Verbesserung der Lage zu bewirken, sondern Die Österreicher hatten jetzt in letztere geradezu verschlechtert. Mantua eine Macht von 29 000 Mann strategisch eingeschlossen, also in der Gefahr, nach einiger Zeit durch Hunger überwunden zu werden. Wenn Bonaparte andererseits jetzt auch vorläufig vor dieser Festung gefesselt war, so wurde er hierfür doch durch die zu erwartende Kapitulation derselben entschädigt.

Die Operationen des fran-

zösischen Obergenerals gegen den zweiten Angriff Wurmser's zeigen entschieden die volle Meisterschaft.

Bonaparte

wählte das Entscheidendste , weil er seiner Sache gewils war , und führte es mit Kraft und reifsender Schnelligkeit aus .

320

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

Die französische Armee in Italien blieb jetzt also unthätig vor Mantua stehen, die Einschliefsung des Gegners mufste ihre Kräfte vollauf in Anspruch nehmen . Aber auch die politischen Verhältnisse in Italien, welche noch keineswegs als konsolidirte zu betrachten waren, hielten der französischen Regierung jeden Gedanken an ein Vorschreiten über die Alpen fern . Das Direktorium hatte sogar ein grofses inneres Bedürfnifs nach Frieden , das namentlich durch die ungünstige Wendung , welche der Krieg in Deutschland jetzt für Frankreich nahm, hervorgerufen worden . Man glaubte demnach auch in Italien sehr vorsichtig sein zu müssen , teils um Österreich nicht durch die Ausschreitungen , welche man sich dort erlaubte, ganz vom Frieden zu entfernen, teils um eventuell für das linke Rheinufer Entschädigungen in Italien anbieten zu können. Die österreichische Regierung machte dagegen die lebhaftesten Anstrengungen , um der feindlichen Armee in Italien ihrerseits eine neue entgegenzustellen . Die Kolonne, welche Quasdanowitsch von Bassano nach der Piave und dem Isongo zurückgeführt hatte, betrug etwa 6000 Mann . Durch aus dem Innern herangezogene Verstärkungen wurde sie innerhalb vier Wochen auf 28 000 gebracht. Auch die unter Davidowitsch in Tirol stehenden Truppen konnten, da namentlich der im Oktober beginnende Rückzug Moreau's die Kräfte in Vorarlberg verfügbar machte, auf 20 000 Mann im Etschthal verstärkt werden . Es waren also in der zweiten Hälfte des Oktobers gegen 50000 Mann vorhanden, die Bonaparte entgegen gestellt werden konnten .

Da

in Mantua eigentlich eine ganze Armee zu befreien war, so lag freilich wohl die dringendste Aufforderung zu einem angriffsweisen Vorgehen vor. Der Aufstellung der Streitkräfte gemäfs wurde der Angriff wieder in zwei getrennten Kolonnen beschlossen. F. Z. M. Alvinzi sollte mit den in Friaul stehenden 28000 Mann über Bassano gegen Verona vorgehen, Davidowitsch hatte den Feind im Etschthale anzugreifen. Beide Kolonnen sollten dann aber vereinigt oder wenigstens gemeinschaftlich gegen die französische Armee operiren. Von der letzteren standen Vaubois mit 10000 Mann bei Trient, Massena mit 10000 bei Bassano und Treviso, Augereau mit 9000 in Verona,

die Re-

serven von 4000 Mann unter Maquère und Dumas bei Villa franca , Kilmaine aber mit 9000 vor Mantua. General Davidowitsch befand sich mit seinen Hauptkräften bei Neumarkt.

Am 2. November

wurden seine Vorposten am Lawis von Vaubois angegriffen, das heranrückende Gros nötigte aber die Franzosen ,

über Trient bis Calliano

zurückzugehen . Nach zweitägigem harten Kampfe wird aber Vaubois auch hier von Davidowitsch am 7. verdrängt und zum Rückzuge nach

von 1796 in Deutschland und Italien.

Rivoli und der Corona gezwungen ,

321

wo er nach nicht unbedeutenden

Verlusten am 8. eintraf.

Nach diesem ersten Erfolge blieb Davidowitsch bis zum 16. bei Serravalle stehen , wahrscheinlich um Alvinzi's

weitere Dispositionen abzuwarten, und erst am 17. wurde die Stellung von Rivoli angegriffen und genommen . Vaubois , der am 14. die Brigade Guyeux

an Bonaparte hatte abgeben müssen, war kaum mehr als 6000 Mann stark gewesen . Er erlitt eine förmliche Nieder-

lage, verlor 1200 Gefangene und gelangte , vom Gegner verfolgt ,

am 17. in die Gegend von Castelnovo . Inzwischen hatte Alvinzi am 2. November die Piave überschritten

und war am 5. in zwei Kolonnen gegen die Brenta vorgerückt, mit der einen unter Quasdanowitsch nach Bassano, mit der anderen unter Provera nach Citadella . Massena hatte sich am 4. nach Vicenza zurückgezogen und Augereau traf in Monte Bello ein. Bonaparte hatte bereits am 5. die Nachricht von dem Rückzuge des Generals Vaubois nach Calliano .

Trotzdem ging er doch noch am 6.

mit

Augereau und Massena gegen Bassano und Citadella zum Angriff vor, hatte jedoch keinen bestimmten Erfolg und hielt es jetzt für die höchste Zeit, sich auf Verona zurückzuziehen, wo er schon am 8. mit seinen beiden Divisionen eintraf. Nachdem dann am 11. die österreichische Avantgarde bis St. Martin und St. Michel dicht unter die Mauern von Verona vorgedrungen ,

aber wieder

nach Caldiero

zurückgeworfen worden war, griff Bonaparte am 12. die starke Stellung von Caldiero an , erlitt jedoch einen verlustreichen. Rückschlag und ging am 13. nach Verona zurück . Der französische Oberfeldherr fafste jetzt den Plan, mit der Armee rechts abzumarschiren , bei Ronco über die Etsch zu gehen und dem Gegner in die linke Flanke zu fallen,

sei es, dafs letzterer

in der Stellung bei Caldiero verblieb, oder gegen Verona vorging, oder aber zwischen diesem Orte und Ronco die Etsch zu überschreiten versuchte. Bonaparte liefs Verona nur schwach besetzt und überschritt am 15. früh die Etsch . Alvinzi war am 14. nach St. Martin vorgerückt. Die Gegend zwischen dem Flufs Alpon

und der Etsch, gegen-

über von Ronco , ist eine grofse , zum Teil morastige Niederung, durch welche nur Dämme führen. Am Ausgange dieser hatten die Österreicher in Porcil ein Regiment und in Arcole an der Alponbrücke die Brigade Brigido stehen .

Ausserdem befand sich bei Villanova

die Brigade Mitrowsky. Bonaparte liefs die Divisionen Massena und Augereau auf den nach Porcil und Arcole führenden Dämmen vorgehen. Massena nahm das Dorf Porcil ; Augereau vermochte aber die Brücke bei Arcole nicht zu forciren und wurde blutig zurück-

322

Strategische Betrachtungen über die Feldzüge

geworfen.

Erst mit Einbruch der Nacht räumten

die Österreicher

diesen Posten, als General Guyeux , welcher die Etsch bei Albaredo passirt hatte, in ihrem Rücken erschien. Bonaparte befand sich aber trotzdem am Abend des 15. in recht ungünstiger Lage . Er stand in Porcil und in Arcole ; zwischen diesen 11/2 Meilen von einander entfernten Orten befand sich aber ein grofser Morast . Das waren wohl Verhältnisse , die nicht auf einen Sieg rechnen liefsen. Dazu kam, dafs Vaubois bereits von Davidowitsch geschlagen war und dafs Bonaparte sich eigentlich wohl gegen letzteren wenden mufste. Er gab demnach die errungenen Vorteile auf und ging in der Nacht über die Etsch zurück. Wunderbarer Weise entschlofs sich aber Bonaparte dann wieder zu einem nochmaligen Angriffe gegen die aufgegebenen Positionen und rückte am 16. ganz in derselben Weise vor, wie dies am 15. geschehen war. Alvinzi war aber inzwischen mit seinen Hauptkräften von Verona herbeigeeilt und mit seinem linken Flügel am 16. über Arcole und die Brücke dort Franzosen und Österreicher begegneten sich auf den Dämmen ; Alvinzi's Truppen wurden aber zurückgeworfen. Massena drang dann wieder bis Porcil vor, Augereau's Angriff auf die Brücke

vorgedrungen .

von Arcole scheiterte jedoch gänzlich . Bonaparte ging schliefslich auch an diesem Tage wieder über die Etsch zurück . Für den

17.

wurde

ein dritter Angriff geplant.

Diesmal traf

aber Bonaparte seine Anordnungen dahin, dafs Massena nur mit einer Halbbrigade gegen Porcil vorgehen, mit seinen Hauptkräften aber Arcole angreifen sollte, während Augereau den Alpon zwischen letzterem Orte und der Ausmündung des Flusses mittelst einer Die Garnison von Legnago Bockbrücke zu überschreiten hatte. sollte aber eine Diversion in der linken Flanke und im Rücken der Österreicher ausführen. Die Österreicher waren am 17. Anfangs im Vorteil ; sie drängten die Franzosen im Centrum zurück , sahen sich dann aber in Flanke und Rücken bedroht und traten Nachmittags den Rückzug auf Villanova an. Die Franzosen blieben zwischen Arcole und S. Giorgio stehen . Die Verluste mochten auf jeder Seite wohl 7000 Mann betragen haben. Bonaparte konnte für die Schlacht bei Arcole wohl den Ruhm einer grofsen Tapferkeit und Beharrlichkeit beanspruchen ; seine Anordnungen waren aber für die beiden ersten Tage ganz verfehlt und auch für den dritten Tag recht unzweckmäfsige und mit den Grundsätzen der Taktik im Widerspruch stehende . wohl besser über

Strategisch wäre

Albaredo

die

Stellung von Arcole

zu umgehen gewesen.

Das Verhalten

Bonaparte's als Stratege war aber in diesen drei Tagen ein derartiges , dafs Clausewitz wohl sehr zutreffend sagen konnte : 77 Wehe dem

von 1796 in Deutschland und Italien.

mittelmäfsigen Feldherrn , der ein solches gewagt hätte und daran gescheitert wäre !"

323 Unternehmen

Bonaparte wandte sich jetzt gegen Davidowitsch , indem er am 18. Massena auf Villa franca, und Augereau über Verona und die Höhen

von Molare vorgehen liefs.

Davidowitsch erkannte

jedoch rechtzeitig die Gefahr seiner Lage und zog sich am 19. in das Etschthal nach Ala zurück . Alvinzi war am 20. wieder nach Villanova vorgegangen, als aber Bonaparte jetzt nach Verona zurückkehrte, zog er sich hinter die Brenta. Wurmser machte endlich am 23. einen Ausfall aus Mantua, der aber unter den obwaltenden Umständen ohne Resultat bleiben mufste . Bonaparte liefs seine Armee die alten Stellungen an der Etsch beziehen . Hiermit war auch der dritte Entsatzversuch von Mantua abgeschlossen . Die Österreicher waren in getrennten Kolonnen gegen die italienische Ebene vorgerückt. Alvinzi suchte wohl so schnell wie möglich in die Nähe von Davidowitsch zu gelangen, als er aber so weit war, geriet seine Bewegung ins Stocken. Verona, die Etsch und die französische

Armee

lagen jetzt

zwischen

beiden

als

trennende

Barrieren und Davidowitsch sowohl, wie Alvinzi gerieten in eine gewisse Unklarheit mit ihrem Beginnen. Letzterer hatte jedenfalls eine fehlerhafte Operationsrichtung eingeschlagen. Waren die Österreicher nun einmal in zwei Kolonnen vorgerückt, so mufsten diese auch getrennt auf das gemeinsame Ziel Mantua Alvinzi hätte über Padua auf Legnago rücken sollen, losgehen. die Zeit, wo derselbe dort eintraf, hatte aber Davidowitsch um ungefähr die Stellung von Rivoli zu nehmen. Wandte sich Bonaparte dann gegen Davidowitsch, so ging inzwischen Alvinzi unbeirrt auf Mantua vor. Rückte der französische Obergeneral aber letzterem entgegen, so war es Davidowitsch's Sache, nach Zertrümmerung des viel schwächeren Vaubois energisch gegen Mantua vorzudringen und dieses zu entsetzen . Der dritte Fall endlich , dafs Bonaparte sich mit seiner Hauptmacht unmittelbar bei Mantua schlagen wollte, war nicht anzunehmen , denn letzterer würde sich hier dem überlegenen Angriffe des vereinten Gegners und gleichzeitig einem allgemeinen Ausfalle , aus der Festung in seine Flanke , oder seinen Rücken ausgesetzt haben. Das Verhalten des französischen Feldherrn in diesem vierten Akte des italienischen Feldzuges dürfte aber wenig dem Rufe entsprochen haben, den Bonaparte sich bereits als solcher erworben hatte. Der Marsch auf Bassano war ein vollkommener Fehlgriff, denn Bonaparte durfte sich nicht so weit von Mantua entfernen . Wie nachteilig würden sich die Verhältnisse für ihn gestaltet haben,

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

324

wenn Alvinzi ihn in kluger Weise bei Bassano hingehalten hätte, so dafs Davidowitsch unterdessen Vaubois schlagen und gegen Mantua rücken konnte.

Der Angriff Bonaparte's am 6. gegen die

Österreicher an der Brenta war ferner nur eine halbe Mafsregel und der am 12. gegen Caldiero nicht nur eine solche, sondern er führte geradezu zu einem Echec. Der Marsch über Ronco sollte dann etwas ganz aufserordentliches sein, zu einem grofsen, Aufsehen erregenden Coup führen, Bonaparte verwickelte sich aber dadurch in die schlimmsten Verhältnisse und hatte es nur den Fehlern des Gegners zu verdanken, wenn er heil daraus hervorging . Nach der Schlacht von Arcole trat eine lange Ruhe auf dem italienischen Kriegsschauplatze ein. Die Österreicher bedurften derselben, um ihre Armee wieder zu retabliren . Bei Bonaparte waren aber noch immer dieselben Gründe wie früher vorhanden , nichts Anderes als die Einschliefsung von Mantua zu unternehmen. (Fortsetzung folgt.)

XXIII .

Über

die

Leitung

der

Thätigkeiten, insbesondere der

Bewegung und des Feuers der schweren Belagerungs - Artillerie bei dem Angriff auf Festungen, mithin in der Festungs - Schlacht . (Fortsetzung. ) 5. Herstellung der Belagerungsbatterien . Die Herstellung derjenigen Belagerungsbatterien,

welche an Ge-

ländestellen zu liegen kommen, die der Sicht des Feindes ausgesetzt sind, kann erst in der Nacht vor der Feuereröffnung beginnen und mufs in dieser einen Nacht, also innerhalb 8, günstigsten Falles 16 Stunden, einschliesslich der Armirung durchgeführt werden. Dagegen kann die Herstellung derjenigen Belagerungsbatterien, welche an Geländestellen zu liegen kommen, die der Sicht des Feindes bei Tage entzogen sind, schon früher begonnen und daher in mehreren Nächten, ja selbst bei Tage, jedoch unter sorgfältiger Vermeidung des Betretens vom Feinde eingesehenen Geländes während der Tageszeit, bethätigt werden . Dem Beginne der Herstellung einer Belagerungsbatterie

muſs,

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

325

wie bereits ad III 1 und 2 eingehend erwähnt wurde, die Besichtigung, Kenntnifsnahme und genaue Bezeichnung derjenigen Geländestelle , an welcher die Belagerungsbatterie herzustellen ist, und der zu derselben, sowohl von der Arbeitsstelle für die Anfertigung der Strauch- und Holzstoffe etc. , als auch von der Eisenbahnzielstation aus führenden Aumarschwege vorausgehen. Reichen für diejenigen Belagerungsbatterien, deren Herstellung alsbald begonnen werden kann , die von den betreffenden FufsartillerieKompagnien gefertigten Strauch- und Holzstoffe etc. mufs diesen Kompagnien

die nötige Ergänzung

nicht aus, so

aus den von den

anderen Kompagnien ihrer Abteilung etc. gefertigten Stoffen zugewiesen werden . Ebenso können der zur Bedienung und daher auch Herstellung einer Belagerungsbatterie berufenen Fufsartillerie-Kompagnie Mannschaften anderer Kompagnien ihrer Abteilung etc. , wenn nötig auch von Seite der Infanterie Hülfsarbeiter eine Kompagnie Infanterie pro Belagerungsbatterie

zugeteilt werden .

Das Heranbringen der Batteriebaustoffe und des Schanzzeuges an die zur Herstellung der betreffenden Belagerungsbatterien erwählten Geländestellen und noch mehr die Armirung der Belagerungsbatterien erfordert aber auch die Zuhülfenahme

des

Munitions - Fuhrparkes

des

Artillerie-

Belagerungsparkes. Da dem Munitions-Fuhrpark auch die Beförderung der in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen Bestandteile des Artillerie-Belagerungstrains nach dem Artillerie- Belagerungsparke obliegt, so mufs die Herstellung der Belagerungsbatterien , von denen jede mindestens an einem¹ ) , voraussichtlich nicht selten an zwei Tagen bezw. Nächten

Gespanne und

Fahrzeuge des Munitions - Fuhrparkes bedürfen wird , in der Zeit , welche zwischen dem Eintreffen der mit der ersten Staffel des Artillerie - Belagerungstrains zu befördernden Munitions - Fuhrpark - Kolonnen - Abteilung und dem Eintreffen der letzten marschfertig ausgerüsteten Batterie in mindestens 6 Tagen - , der Eisenbahnzielstation liegt ¹) Die Heranführung der Geschütze etc. der in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen, marschfertig ausgerüsteten Batterie nach der für dieselbe hergestellten Belagerungsbatterie wird stets, jene der Batteriebaustoffe und des Schanzzeuges, wenn die hierbei zurückzulegende Strecke keine sehr kurze ist, die Zuhülfenahme von Gespannen des Munitions- Fuhrparkes erfordern. - Nur für diejenigen Batterien, deren Herstellung der Sicht des Feindes nicht entzogen ist, werden die zur Heranführung der Batteriebaustoffe und des Schanzzeuges erforderlichen Fahrzeuge und Gespanne kurz vor Beginn derselben Nacht, während welcher die Geschütze etc. nach der Batterie zu verbringen sind, vom Munitions- Fuhrpark abzustellen sein.

326

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

in der Weise begonnen und gefördert werden, dafs von dem Munitions - Fuhrpark täglich nur für rund ein Drittteil der im Ganzen herzustellenden 36 Belagerungsbatterien Gespanne und Fahrzeuge abzustellen sind.

Die zuerst herzu-

stellenden, mithin auch die ersten Tage bezw. Nächte Gespanne und Fahrzeuge des Munitions-Fuhrparkes bedürfenden Belagerungsbatterien müssen diejenigen sein, welche der Sicht des Feindes entzogen sind. Je gröfser die Zahl dieser Batterien ist, desto günstiger ist es und kann es nur vorteilhaft sein, wenn auch die dem Munitions-Fuhrpark zur Verfügung stehenden, wenn nötig durch Abstellungen von Seiten der Armee- und Feldartillerie zu vermehrenden Mittel den alsbaldigen Beginn der Herstellung von mehr als 12 Belagerungsbatterien ermöglichen. Jedenfalls mufs auch mit Rücksicht auf die dem MunitionsFuhrpark zur Verfügung stehenden Mittel angestrebt werden, mindestens zwei Drittteile der Belagerungsbatterien an der Sicht des Feindes entzogenen Geländestellen herstellen

zu können,

Zahl derjenigen Belagerungsbatterien, welche

erst in der Nacht vor

damit die

der Feuereröffnung hergestellt werden können und die daher in dieser Nacht Fahrzeuge und Gespanne des Munitions-Fuhrparkes bedürfen , ein Drittteil der Gesammtzahl nicht überschreitet.

Wenn auch für die Herstellung derjenigen Belagerungsbatterien , welche durch ihre Lage der Sicht des Feindes entzogen sind , mehrere Tage zur Verfügung stehen, so mufs doch, wie bereits ad III. 3. erwähnt wurde, mit Zuhülfenahme des Telegraphen ermöglicht werden, dafs die für diese Belagerungsbatterien bestimmten marschfertig ausgerüsteten Batterien vor denjenigen in der Eisenbahnzielstation eintreffen, für welche die Belagerungsbatterien erst später begonnen werden können. - Von jeder in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen marschfertig ausgerüsteten Batterie müssen die Batteriebaustoffe für die Bettungen, die Geschütze, mit den für deren Bedienung und Handhabung nötigen Stücken und Geräten und die in der Belagerungsbatterie unterzubringende Munition ¹) - etwa 2 Tagesausrüstungen baldthunlichst nach deren Entladung gegen die für sie herzustellende Belagerungsbatterie befördert werden ). Diese Beförderung kann bei 1) Wenn dieses Munitionsquantum nicht bereits an den Friedens-Lagerungsorten des Artillerie-Belagerungstrains fertig gestellt werden konnte, so mufs Sorge getragen werden, dafs die in jeder Belagerungsbatterie unterzubringende Munition spätestens bis zum Anbruche der Nacht vor der Feuereröffnung im Artillerie-Belagerungspark völlig fertig gestellt und während dieser Nacht nach den Belagerungsbatterien befördert wird. 2) Während die Herstellung und Armirung der durch ihre Lage der Sicht des Feindes ausgesetzten Belagerungsbatterien erst in der Nacht vor der Feuereröffnung bethätigt werden kann, mufs angestrebt werden, die Armirung der

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

327

Tage nur dann bis in die nächste Nähe der betreffenden Belagerungsbatterie erfolgen, wenn diese der Sicht des Feindes entzogen ist und auch uneingesehen vom Feinde erreicht werden kann . Ist nur die Belagerungsbatterie, aber nicht der von der Eisenbahnzielstation aus zu der Belagerungsbatterie führende Weg der Sicht des Feindes völlig entzogen, so kann erst nach Eintritt der Dunkelheit die Heranführung der Geschütze etc. bethätigt werden. Denjenigen Belagerungsbatterien, welche der Sicht des Feindes ausgesetzt sind und deren Herstellung deshalb auch erst in der Nacht vor der Feuereröffnung begonnen. werden kann und durchgeführt werden muſs, können die ihnen nötigen Bestandteile ihrer schon vorher in der Eisenbahnzielstation eingetroffenen marschfertig ausgerüsteten Batterien , ebenso wie die zu ihrem Bau nötigen Strauch-, Holz- etc. Stoffe, Schanzzeug etc., bei Tage nur so weit genähert werden, als dieses uneingesehen vom Feinde geschehen kann . Bei dem Heranführen der Geschütze, Munition etc. an die Belagerungsbatterien mufs, insbesondere bei Nacht, auf Vermeidung jedes Geräusches, wenn nötig durch Umwickeln aller Ketten und sonst Lärm verursachen könnenden Teile der Fahrzeuge mit Stroh, Fahren , kein Rauchen, im Schritt auch der zurückkehrenden Fahrzeuge leise Kommandos etc.

strenge geachtet werden .

Nicht minder mufs

dafür Sorge getragen werden, dafs die zum Armiren der Belagerungsbatterien nötigen Bohlen, Taue, Hebebäume, Wuchtbäume, Wuchtklötze, Hebezeuge, Geschützwinden und Bindestricke vom ArtillerieBelagerungspark rechtzeitig denjenigen Fufsartillerie - Kompagnien, welche diese Geräte zum Armiren ihrer Belagerungsbatterie bedürfen , zur Verfügung gestellt werden. Das Endziel

aller , vor der Feuereröffnung gebotenen

und im Vorhergehenden

eingehend betrachteten Thätig-

keiten der Belagerungsartillerie mufs dahin gerichtet sein , an dem, auf das Eintreffen der letzten marschfertig ausgerüsteten Batterie in der Eisenbahnzielstation

folgenden

Tagesanbruch das Feuer mit der gesammten Belagerungsartillerie 36 Batterien zu 6 Geschützen = 216 Geschützen — in einer den Feind überraschenden Weise beginnen zu können . Da die Eisenbahnbeförderung der marschfertig ausgerüsteten Batterien mindestens 6 Tage, jene der unmittelbar vorher mit der Eisenbahn zu befördernden ersten Staffel des Artillerie-

22

durch ihre Lage der Sicht des Feindes nicht ausgesetzten Belagerungsbatterien in der auf das Eintreffen ihrer marschfertig ausgerüsteten Batterie in der Eisenbahnzielstation folgenden Nacht bethätigen zu können . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102 , 3. 22

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

328

Belagerungstrains mindestens 2 Tage erfordert, so kann günstigsten Falles 9 Tage nach dem Eintreffen der zur Bedienung des ArtillerieBelagerungstrains benötigten Fufsartillerie, deren Eisenbahntransport demjenigen aller übrigen Bestandteile des Artillerie- Belagerungstrains unmittelbar voranzugehen hat, das Feuer der gesammten Belagerungsartillerie eröffnet werden. Alle Belagerungsbatterien müssen unter starkem und andauerndem Geschützfeuer des Verteidigers eine längere Thätigkeit entwickeln können, daher dem Feinde als völlig ausgebaute Batterien so entgegen gestellt werden, dafs durch die Wirkung eines feindlichen Treffers nicht mehr als ein Geschütz Verluste erleiden kann , mithin jedes Geschütz beiderseits durch eine Traverse von den Nebengeschützen getrennt ist. Die Sohlenbreite der Geschützstände wird danach zu bemessen sein, dafs, wie bereits ad III . 1. erwähnt wurde, jede leichte Abteilung (Gruppe) nicht nur den ihr gegenüber liegenden Zielabschnitt, sondern auch die ihren beiden Nachbar-Abteilungen gegenüber befindlichen Zielabschnitte , jede

schwere Abteilung mit ihrer

Kanonen-, insbesondere Mörserbatterie den gesammten, ihrem Regiment bei der Feuereröffnung zugewiesenen Teil der Angriffsfront bekämpfen kann , daher mindestens 4 m betragen müssen. Für die zwischen den Geschützen befindlichen Traversen wird eine Sohlenbreite von mindestens 6 m und, je nach der Länge der zwischen den Traversen aufzustellenden Geschütze , 3 bis 5 m Länge nötig sein . In dem der Brustdeckung zunächst befindlichen Teile dieser Traversen müssen für die Bedienungsmannschaften der Geschütze gegen VertikalIn den gefeuer gedeckte Untertreträume hergestellt werden . wachsenen Boden versenkte (ausgeschachtete ) Geschützstände , mit dazwischen stehen gebliebenen Erdteilen (Traversen ) werden , wenn ,, die zur Herstellung der Geschützstände und die in den Erdteilen längs der Brustdeckung zur Bildung der Untertreträume auszuhebende Erde der Sicht des Feindes" entzogen gelagert werden kann , nicht nur die beste Brust- und Seiten - Deckung bieten , sondern auch dem Feinde das Richten am meisten erschweren . Die Frage, ob und wie es zu ermöglichen ist , eine derartige hergestellte Belagerungsbatterie in kürzester Zeit völlig ausgebaut dem Feinde entgegenstellen zu können ?, gewinnt dadurch

an Wichtigkeit,

dafs

namentlich

diejenigen

Belagerungs-

batterien, deren Herstellung der Sicht des Feindes ausgesetzt ist und deshalb in der Nacht vor der Feueröffnung durchgeführt

werden

mufs, heftigem und andauerndem Geschützfeuer des Feindes ausgesetzt sein werden.

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

329

Bereits ad III. 2. wurde erwähnt, dafs für die Anlage derjenigen Belagerungsbatterien, deren Herstellung nicht an der Sicht des Feindes entzogenen Geländestellen zu ermöglichen ist, die dem Feinde abgewendeten Abhänge derjenigen Höhenzüge oder Geländewellen , welche sich in dem für die Aufstellung der Batterien zur Verfügung stehenden Geländeraume darbieten, in Erwägung zu nehmen sind. Schon hinter Geländewellen, deren Kretenlinie das umgebende Gelände nur wenig überhöht und deren vom Feinde abgewendeter Abhang nur flach und sehr allmälig abfällt, wird sich die Herstellung einer Belagerungsbatterie und des auf jedem Flügel dieser Batterie für die Anlage von Geschofs- und Kartuschräumen nötigen Flügel - Laufgrabens in günstigerer und rascherer Weise als in ganz ebenem Gelände bewirken lassen. Überschreitet die zur Herstellung der Geschützstände, Untertret-, Geschofs- und Kartuschräume ausgehobene Erdmenge den für die Erhöhung der zwischen den Geschützständen stehen gebliebenen Erdkeile (Traversen), sowie für die Eindeckung der Untertret-, Geschofsund Kartuschräume erforderlichen Erdbedarf, so wird die über dieses Bedürfnifs ausgehobene Erde rückwärts der Geländewelle, und hiermit der feindlichen Sicht möglichst entzogen, so gelagert werden müssen, dafs hierdurch das Einführen der Geschütze uud Munition. in ihre Geschützstände, Geschofs- und Kartuschräume nicht behindert wird. Die Sohle der Geschützstände und Flügel - Laufgräben , welche mit einem Falle in die rückwärts der Geländewelle befindliche Geländefurche auszulaufen hat, mufs , wegen des zu erwartenden bedeutenden Fallwinkels der feindlichen Geschosse , mindestens 2 m unterhalb der Krete der Geländewelle liegen¹ ) . Die für die Geschütze nötigen Scharten müssen mit dem Winkel, welchen die erforderliche Elevation gestattet, nach vorne erhöht, muldenförmig und unbekleidet in die als Brustdeckung dienende Geländewelle auslaufen . Auch dürfen sie, ebensowenig wie die Kronen der Traversen und die Eindeckungen der Untertret-, Geschofsund Kartuschräume, in der Färbung etc. ihrer Erde von der des umliegenden gewachsenen Bodens nicht verschieden sein . Die Bekleidung der rückwärtigen Böschungen der Flügellaufgräben und der Traversen, sowie der hinter den Geschützständen und den Traversen für den Verkehr nötigen Aushebung Batterie1) Wenn die Geländewelle die von ihr gedeckte Geländefurche weniger als 2 m überhöht, so wird die Sohle der Geschützstände in dem gewachsenen Boden der Geländefurche ausgeschachtet werden müssen. Die rückwärtigen Böschungen der in dieser Weise hergestellten Geschützstände werden, um das Einführen der Geschütze zu erleichtern, flach und rampenartig anzulegen sein. 22*

330

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

sohle

, kann stets unterbleiben , da für diese Böschungen ganze

und selbst gröfsere Anlage unbedenklich zulässig ist. Dagegen wird die Bekleidung der vorderen Böschung der ausgehobenen Geschützstände und der Flügellaufgräben, sowie jene der gegen die Geschützstände sehenden Böschungen der für die Traversen stehen bleibenden Erdteile und noch mehr jene der auf diese Erdteile für die Bildung der Traversen zu lagernden Erde,

ebenso wie die Bekleidung der

Böschungen der in den Traversen zunächst der Brustdeckung herzustellenden Untertreträume, nur bei festem, mit geringer natürlicher Anlage sich schichtenden Boden nicht nötig sein. Bei mittlerem und noch mehr bei leichtem Boden wird die Bekleidung der eben erwähnten Böschungen mit Drahtgittern , fehlen

diese, mittelst Flecht-

werk (Hurden) oder mit Sandsäcken, Brettern etc. geboten sein. Jedoch wird sich über der Bekleidung noch mindestens 1/2 m Erde befinden müssen. Ebenso müssen die zum Schutz gegen Vertikalfeuer für die Untertret-, Geschofs- und Kartuschräume verwendeten Hölzer etc. mit ihren der Brustdeckung zugewendeten Hirnflächen mindestens 12 m unter der inneren Krete der Brustdeckung liegen. - Bei denjenigen Belagerungsbatterien, welche nicht durch die Aushebung von Geschützständen hart hinter Gelände-Erhebungen

her-

gestellt werden können , sondern die Bildung einer Brustwehr , deren Stärke mindestens 6 m betragen mufs, erfordern , wird die Bekleidung ihrer inneren Brustwehrböschung stets,

also auch bei festem Boden,

nötig sein. Aufser den bereits erwähnten, in den Traversen,

zunächst der

Brustdeckung herzustellenden Untertreträumen für die Bedienungsmannschaften der Geschütze , dann den , in dem vom Feinde abgewendeten Abhange der Geländedeckungen, an welche die beiden . Flügel jeder Batterie angelehnt werden könnten bezw. in den beiden Flügellaufgräben jeder Batterie - nischenartig thunlichst in den gewachsenen Boden einzubauenden Geschofsräumen zur Aufnahme von 112 und Kartuschräumen zur Aufnahme von 2 der stärksten Tagesausrüstungen, werden

an Hohlräumen für jede Be-

lagerungsbatterie mindestens noch ein bedeckter Beobachtungsstand und zwei Fernsprechstände nötig sein. Der Beobachtungsstand wird an einem, die Beobachtung der Schüsse begünstigenden, dem Feinde nicht auffälligen, der Batterie thunlichst nahe gelegenen und mit dieser durch eine gesicherte Kommunikation verbundenen Punkte so angelegt werden müssen, dafs, wenn nötig mit Zuhülfenahme des einen der beiden Fernsprechstände, eine unmittelbare Mitteilung der Beobachtung und der auf diese begründeten Befehle etc. an die Batterie ermöglicht ist.

In jedem Beobachtungsstande mufs genügender Platz

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

331

für mehrere Beobachter vorhanden sein, um auch die das Feuer kontrollirenden Offiziere aufnehmen zu können . Von den beiden Fernsprechständen, welche ebenfalls an Punkten angelegt werden müssen, die dem Feinde durch ihre Lage nicht auffällig und mit dem Beobachtungsstande verbunden sind, wird der eine, wie bereits erwähnt, die zwischen dem Beobachtungsstande und der Batterie gebotenen Mitteilungen, der andere die Übermittelung aller zwischen der Batterie und den dieser vorgesetzten Kommandeuren gebotenen Meldungen und Befehle ermöglichen , mithin mit dem allgemeinen Fernsprechnetze in entsprechender Verbindung stehen müssen. Für die von den Batterie- und Abteilungs-Kommandeuren benötigten Hülfs - Beobachter wird, ebenso wie für die von den Regiments-, Brigade- etc. Kommandeuren als Erkunder verwendeten Offiziere etc., die Herstellung kleiner muldenförmiger Vertiefungen oder Öffnungen in, gegen die Sicht des Feindes schützenden natürlichen Deckungen und eine,

dem Feinde nicht auffällige Maskirung dieser

Öffnungen etc. durch Strauchwerk etc. , namentlich dann , wenn den Beobachtern das Heruntertreten in die Deckung Stufen etc. erleichtert ist, genügen .

durch

bequeme

Wird die Herstellung der Batterie vom Feinde entdeckt , so mufs der Beginn des feindlichen Feuers zur Beschleunigung des Eingrabens auffordern. Wird die Baustelle von der Festung aus beleuchtet, ehe Deckung vorhanden ist, so müssen sich die Arbeiter, sobald das Licht auf sie fällt , da, wo sie sich gerade - Unternimmt der Feind einen befinden, regungslos niederwerfen. Ausfall , so müssen die Arbeiter die erlangte Deckung zum Widerstande verwerten. Werden die Arbeiter durch andere abgelöst, so müssen sie, unter Zurücklassung des Schanzzeuges , die Arbeitsstelle verlassen haben, ehe dortselbst ihre Ablösung eintrifft. Der Verkehr in der Batterie mufs nahe hinter der Brustdeckung stattfinden können. Andernfalls müfste hinter den Geschützen und hinter den zwischen diesen befindlichen Traversen eine Verbindung so hergestellt werden, dafs dieselbe durch eine nach den Geschützen zu befindliche Brustwehr aus Erde gedeckt ist. - Aufser den Vorsorgen, welche für den Wasserbedarf der Batterie-Besatzungen , für die Anlage von Latrinen, für die Bezeichnung der Wege durch Wegweiser etc. geboten sind, müssen insbesondere die für den Ablauf des Regenwassers aus den Geschützständen und aus den Flügellaufgräben erforderlichen Mafsnahmen schon bei der Herstellung der Batterien im Auge behalten werden . Der hinter den Geschützständen und mufs daher mit einem Batteriehof Traversen befindliche Raum den Ablauf des Wassers begünstigenden Fall nach rückwärts her-

332

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

gestellt und mit genügenden Entwässerungsanlagen versehen werden . Ausserdem müssen Stroh, Strauchwerk und Holz (Bretter) zur Hand sein, um , wenn nötig, zur Bedeckung, d. h . Aufrechterhaltung der Kommunikation verwendet werden zu können. In der der Feuereröffnung vorangehenden Nacht müssen alle vor und hinter oder in Nähe der Batterie gelegenen Gegenstände (Bäume, Stangen etc.), welche dem Feinde als Zielpunkte bei Tage dienen könnten , beseitigt werden . Nicht minder wird die Sicherung der beiden Eintrittseiten zu den Untertreträumen und die Zugangsseite zu den Geschofs- und Kartuschräumen , gegen Sprengstücke von Geschossen, die die innere Krete der Brustdeckung der Geschützstände oder die Geschütze bezw. die Krete der Flügellaufgräben treffen, geboten sein. B. Die nach der Eröffnung des Feuers gebotenen Thätigkeiten . Der Betrachtung der Thätigkeiten , welche in den Belagerungsbatterien und in dem Artillerie-Belagerungsparke nach der Eröffnung des Feuers geboten sind , mufs die Erwähnung der für eine entsprechende Leitung des Feuers der Belagerungsbatterien erforderlichen Regelung des Dienstes vorangehen. Dementsprechend werden im Nachstehenden in Erwägung genommen : a) Die Regelung des Dienstes für die Feuerthätigkeit der Belagerungsartillerie. b) Die Thätigkeit der Belagerungsbatterien und c) die für den Munitionsersatz und für die übrigen Ergänzungen der Belagerungsbatterien in diesen und in dem Artillerie-Belagerungsparke gebotenen Thätigkeiten. a) Regelung des Dienstes für die Feuerthätigkeit der Belagerungsartillerie. In den schufsfertig hergestellten Batterien verbleiben nur die zur Bedienung der Geschütze erforderlichen Chargen und Mannschaften, denen daher in der der Feuereröffnung vorangehenden Nacht auch von Seite derjenigen Batterien, deren Herstellung erst in dieser Nacht bethätigt werden kann, mindestens bis zum Beginn des Einführens der Geschütze in diese Batterien Ruhe gewährt werden mufste. Jedoch werden für den ersten und schwersten Tag des Kampfes sämmtliche Kommandeure vom Batteriechef an nach aufwärts das Kommando ihrer Batterien und Gruppen führen müssen. Mit Rücksicht darauf, dafs das von sämmtlichen Belagerungs-

batterien, nach Erlangung ihrer Schufsbereitschaft, auf Befehl des Kommandeurs des Artillerie- Belagerungstrains, in der Regel nach vollständiger Tageshelle, überraschend und gleichzeitig eröffnete Feuer nicht nur mehrere Tage, einschliefslich der zwischen diesen liegenden

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

333

Nächte, sondern sogar Wochen hindurch fortgesetzt werden mufs, sind nicht nur für die Besatzungen (Bedienungen) der Batterien, sondern auch für alle Kommandeure etc. der Fufsartillerie Ablösungen in ihrem anstrengenden Dienst unerlässlich .

Um aber diese Ablösung

ermöglichen zu können , mufs die Zahl der während des lang dauernden Kampfes in und bei den Belagerungsbatterien anwesenden

Offiziere,

Unteroffiziere und Mannschaften auf die zulässig geringste beschränkt werden, wodurch auch die Zahl der Verwundeten etc. vermindert werden wird. Aufser Batterie - Kommandeuren

je 1 Lieutenant oder

älteren Unteroffizier, der die betreffende Belagerungsbatterie bedienenden Fufsartillerie-Kompagnie¹ ) - und Hauptleuten du jour , diese als

Gruppen- (Abteilungs-) Kommandeure derjenigen

Abteilung,

zu

welcher ihre Kompagnie gehört, werden auch Stabsoffiziere du jour ,

welchen je nach Bedarf die obere Leitung des Feuers von

mehreren (2 bis 4) Gruppen obliegen wird, und als Stellvertreter des Kommandeurs des Artillerie - Belagerungstrains ein , ausnahmsweise vielleicht sogar zwei höhere ArtillerieKommandeure du jour2) , behufs oberer Leitung der Feuerthätigkeit der gesammten, bezw. je einer der ausnahmsweise zwei Hauptgruppen der Belagerungsartillerie, in den Belagerungsbatterien anwesend sein müssen. -- Während die Batterie-Kommandeure, der Beaufsichtigung des Dienstes in ihrer Batterie wegen, an die Batterien bezw. an die diesen nahe gelegenen Beobachtungsstände gebunden

1) Für die genaue Unterweisung der Batterie-Kommandeure und -Besatzungen, auch mit Rücksicht darauf, dafs alle erforderlichen Reparaturen und Vervollständigungen sofort zur Ausführung gebracht werden, alles entbehrliche und demontirte Material aus der Batterie in den Artillerie- Belagerungspark geschafft wird etc., bleiben jedoch die Kompagniechefs in letzter Reihe verantwortlich. Die Stabsoffiziere du jour werden die Beachtung dieser Vorschrift - Anfahrtwege vom und die Offenhaltung der rückwärtigen Verbindungen Parke aus zu den Batterien und Abfahrtwege von den Batterien zu dem zu überwachen haben . Artillerie- Belagerungsparke 2) Ebenso wie die Tranchee- Majore alle, ihnen vom Ingenieur en chef erteilten besonderen Aufträge dem täglich von dem Kommandeur der Belagerungsarmee zum General du jour kommandirten Brigade- Kommandeur der Infanterie mitzuteilen haben, mufs dieses auch von Seite der höheren Artillerie- Kommandeure du jour bezüglich der ihnen vom Kommandeur des ArtillerieBelagerungstrains erteilten besonderen Aufträge geschehen. Eine Einwirkung auf die technischen Arbeiten der Artillerie und Ingenieure steht jedoch dem diese Mitteilungen empfangenden General du jour nicht zu. Ebenso müssen die Offiziere du jour der Artillerie über das Vorschreiten der eigenen Infanterie stets rechtzeitig benachrichtigt werden, damit die Artillerie beim Schiefsen die Aufstellung der eigenen Truppen entsprechend berücksichtigen kann und Verluste dieser durch das Feuer der eigenen Artillerie verhindert werden .

334

Über die Leitung der Thätigkeiten, insbesondere der Bewegung

sind, ist bereits für die Hauptleute du jour, welche das Feuer der Batterien ihrer Abteilung zu leiten und die Beobachtungen der ihnen unterstellten Batterie-Kommandeure zu ergänzen haben, Freiheit in der Wahl ihres Aufenthaltsortes innerhalb oder zunächst ihrer Gruppe unerlässlich. Für die Stabsoffiziere und noch mehr für die höheren Artillerie-Kommandeure du jour ist Freiheit der Bewegung und in der Wahl ihres, jedoch sowohl dem Kommandeur des ArtillerieBelagerungstrains als den ihnen unterstellten Gruppen-Kommandeuren bekannt zu gebenden Aufenthaltsortes unerlässlich. Dieser wird ein für die obere Leitung des Feuers der unterstellten Gruppen günstig gelegener Punkt sein müssen. - Der Kommandeur des ArtillerieBelagerungstrains und die ihm unterstellten Kommandeure der Artillerie , bezw . deren Stellvertreter , werden sich für alle Anordnungen taktischer Natur des Artillerie - Befehles bedienen und diesem , für die Zwecke der Feuerleitung , nach Erfordernifs Skizzen mit Darstellung der Schufslinien beifügen lassen .

Befehle nicht taktischer Natur werden als

Artillerie - Tagesbefehle erlassen . Voraussichtlich wird die Ablösung aller Offiziere und der für die Bedienung der Belagerungsbatterien, sowie der für die Beobachtung etc. des Feuers dieser Batterien nötigen Chargen und Mannschaften am vorteilhaftesten kurz vor Sonnen-Aufgang und bald nach SonnenUntergang erfolgen können, mindestens aber innerhalb 24 Stunden einmal, zu der hierfür als günstigst erachteten Zeit erfolgen müssen. Ersterenfalls wird der Dienst in den Belagerungsbatterien

zur Zeit

der Tag- und Nachtgleiche ein 12 stündiger , zur Zeit der Solstitien ein 16- bezw. 8stündiger sein¹ ) . Hierbei wird es sich sehr erwünscht erweisen, wenn die

Stärke der Fufsartillerie-Kompagnien für eine

dreifache Besetzung der Belagerungsbatterien Fufsartillerie- Kompagnie

ausreicht,

mithin jede

über drei Lieutenants und mindestens 200 ,

besser 250 Mann vom Feldwebel abwärts verfügt. Wenn ausnahmsweise zwei höhere Artillerie-Kommandeure du jour nötig sind, so werden nicht nur die beiden Brigade-Kommandeure und der rangälteste der vier Regiments-Kommandeure,

sondern sämmtliche Regi-

ments-Kommandeure der Fufsartillerie zur Verrichtung dieses Dienstes heranzuziehen sein , mithin als Stabsoffiziere du jour, von welchen voraussichtlich nicht über vier, nämlich durchschnittlich einer für je 1 ) Es wird dann auch zu ermöglichen sein, dafs die Zubereitung der warmen Kost für sämmtliche Mannschaften in deren Kantonnements stattfinden kann. Jedoch wird den ablösenden Mannschaften schon vor ihrem Abmarsche, den abgelösten Mannschaften erst nach ihrer Rückkunft in den Kantonnements die Morgen- bezw. die verstärkte Abendkost verabreicht werden müssen.

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

335

drei Gruppen, nötig sein werden, nur die 12 Abteilungs-Kommandeure der Fufsartillerie verwendet werden können. ― Nicht nur die BatterieKommandeure, Hauptleute, Stabsoffiziere und höhere Artillerie-Kommandeure du jour, sondern auch die zur Hülfsbeobachtung nötigen Personen, welche Abends ablösen, werden sich noch bei Tageshelle zu den betreffenden Belagerungsbatterien begeben müssen, um sich über den Zustand der Batterien und die zu beschiefsenden Ziele besser orientiren zu können. Während bei Tage das Feuer der Belagerungsartillerie so kräftig unterhalten werden mufs , als es die Beobachtung und die Möglichkeit der Munitions - Versorgung

erlauben ,

mufs für die Nacht die Feuerordnung dahin geändert werden , dafs , statt der, die Möglichkeit einer verlässigen Beobachtung voraussetzenden, ad b) näher erwähnt werdenden planmäfsigen Bekämpfung derjenigen Ziele,

deren Niederkämpfung jeweilig vor Allem geboten

ist, eine gleichmässigere Verteilung des Feuers gegen die gesammte Angriffsfront stattfindet. Diese Verteilung würde sich am gleichmäfsigsten gestalten , wenn jede Gruppe der Belagerungsartillerie während der Nacht ihr Feuer gegen den Zielabschnitt verteilt, welchen dieselbe bei der Feuereröffnung zu bekämpfen hatte. Da aber durch das Feuer der Belagerungsartillerie bei der Nacht dem Feinde die Ausbesserungen und der Verkehr erschwert werden müssen, so wird darauf geachtet werden müssen, daſs, wenn auch die gesammte Angriffsfront bei Nacht unter Feuer gehalten wird, dennoch die bei Tage planmäfsig bekämpften Ziele mehr und mit thunlichst kurz unter Feuer genommen werden, zu bemessenden Zwischenräumen als die übrigen Zielabschnitte der Angriffsfront.

Bei jedem nächt-

lichen Schiefsen ist erhöhte Sorgfalt geboten , insbesondere bezüglich der Höhenrichtung, weshalb es vorteilhaft werden kann, die gebotenen Erhöhungen der Geschütze durch Stäbe mit Einschnitten rasch prüfen zu können . In denjenigen Batterien, welche vermutete feindliche Ausfälle auf nahen Entfernungen mit Schrapnels empfangen können, wird, während der Nacht wenn Nebel herrscht auch bei " ein Geschütz - mit Schrapnels in Az . - Stellung geladen -

Tage

schufsbereit gehalten werden können.

Vor diesen Geschützen muſs

dann aber auch die Deckung weggeräumt , jedoch an Tagen, an welchen kein Nebel herrscht , der Einschnitt wieder zugeschüttet werden. Die Ausbesserungen der in den Belagerungsbatterien entstandenen

Beschädigungen

und die für nötig

erkannten

Ver-

stärkungen der Batterien müssen spätestens in der darauf folgenden Nacht bethätigt werden, ebenso jene der zu den Batterien führenden Kommunikationen.

Über die Leitung der Thätigkeiten , insbesondere der Bewegung

336

Um die Verluste durch feindliches Feuer zu verringern, darauf gehalten werden, dafs die Geschütz - Bedienungen möglichst entzogen werden . Jeder Mann, welcher bei der der Geschütze nicht durchaus erforderlich ist, hat in einem seinem Geschütze zunächst befindlichen Untertreträume

mufs

demselben Bedienung der beiden , zu treten .

Sind die Geschütze zum Abfeuern fertig, so ist es statthaft , immer nur den Mann, auf das betreffende Avertissement, auf seinen Posten treten zu lassen, der das bestimmte Geschütz abzufeuern hat. Zeigt der Feind regelmäfsige Feuerpausen oder eine sonst gleichmäfsige Feuerordnung , so ist die Bedienung der Geschütze und namentlich deren Richten so zu bethätigen, dafs die Mannschaften thunlichst wenig gefährdet werden. Auch ist es vorteilhaft, einen Beobachtungsposten anzuweisen, der Batterie die auf dieselbe vom Feinde abgegebenen Schüsse zu signalisiren, damit sich die Mannschaften dagegen decken können. Zur ersten Hülfe für die Verwundeten müssen Ärzte und Lazarethgehilfen zum Dienste in den Belagerungsbatterien kommandirt werden. Ein Arzt pro Regiment, höchstens Abteilung, und ein Lazarethgehilfe pro Batterie werden voraussichtlich genügen.

Die Ärzte, welche ihren

Aufenthaltsort ( Truppen - Verbandplatz ) ,

dessen Eindeckung

er-

forderlich werden kann, dem Stabsoffizier etc. du jour der betreffenden Gruppen zu melden haben, werden . - ebenso wie die Lazarethgehilfen

- mindestens täglich abzulösen sein .

von Seite der im Verbande Sanitäts

Detachements

Ausserdem müssen

der Belagerungs - Armee

,, Haupt - Verbandplätze"

befindlichen

in hierfür ge-

eigneten, rückwärts des Angriffsfeldes gelegenen Ortschaften eingerichtet und von diesen aus ,,Not - Verbandplätze " gegen die Festung vorgeschoben sein . Der Anlage von Latrinen an hierfür geeigneten, von den Belagerungsbatterien nicht weit entfernten Geländestellen, der Vorsorge für den Wasserbedarf der Batterien, für die Bezeichnung der Wege durch Wegweiser etc. wurde, ebenso wie der Mafsnahmen, welche für den Ablauf des Regenwassers aus den Geschützständen und Laufgräben erforderlich sind, schon ad III . A. 5. gedacht . Es bleibt daher hier nur noch zu erwähnen, dafs bei Schneefall , nachdem der Schnee aus den Geschützständen, insbesondere deren Bettungen und Keilen, sowie den Kommunikationen alsbald entfernt worden ist, dem Ausgleiten der Bedienungsmannschaften durch Bestreuen der Bettungen mit Asche vorgebeugt werden mufs. Wenn bei Frostwetter das Gefrieren der Kartuschen

zu befürchten ist,

müssen vom Artillerie-

Belagerungsparke Waagen zum Nachwiegen der Kartuschen an die Batterien abgegeben werden .

Das Laden der Geschütze darf dann

und des Feuers der schweren Belagerungs-Artillerie etc.

erst kurz vor

deren Abfeuern stattfinden.

337

Stets wird es sich

empfehlen, die Munition von einem Flügel bis zu der hintersten Reihe der Geschofs- und Kartuschräume zu entnehmen . In jeder Belagerungsbatterie mufs ein kleines Tagebuch mit Bleistift geführt werden , um die Notizen für die später einzureichenden Berichte aufzunehmen und ein zweckentsprechendes Übergeben des Materials etc. bei den Ablösungen zu erleichtern.

Dieses Tagebuch mufs entnehmen .

lassen : 1. Die Bezeichnung des von der Batterie eventuell von einzelnen Geschützen derselben zu beschiefsenden Ziels . 2. Die Bestimmungen über den Munitionsverbrauch, Feuerordnung etc.

3. Die

an jedem Tage erschossene Erhöhung und Seitenverschiebung, bezw . die ermittelte Ladung. 4. Die Angabe der für die Batterie gebotenen besonderen Mafsnahmen. 5. Eine Angabe über den Munitionsbestand bei der Übernahme bezw. Übergabe der Batterie, den Munitionsersatz und den Munitionsverbrauch. 6. Besondere Vorkommnisse. Der von jeder Belagerungsbatterie täglich aufzustellende Munitions - Rapport , welcher den Munitionsverbrauch der Batterie in den letzten 24 Stunden ausweisen mufs, wird, damit derselbe noch vor der Abend-Ablösung dem höheren Artillerie-Kommandeur du jour vorgelegt werden kann, eine Stunde vor dieser Ablösung erstellt werden müssen. Der höhere Artillerie-Kommandeur du jour kann die Munitions -Rapporte der ihm unterstellt gewesenen Batterien dem ausführlichen Berichte, welcher von ihm im Laufe des Vormittags des nächstfolgenden Tages über die Zeit seines Dienstes dem Kommandeur des Artillerie- Belagerungstrains vorzulegen ist, beilegen . Zu derselben Zeit hat auch der höhere Artillerie- Kommandeur du jour, welcher Morgens abgelöst wurde , einen kurzen Rapport über die Vorgänge während der Nacht dem Kommandeur des Artillerie-Belagerungstrains vorzulegen . Diesem sind aufserdem ,, aufsergewöhnliche Vorgänge und Verhältnisse" stets alsbald zu melden. b) Thätigkeit der Belagerungsbatterien. Diese wird bedingt durch die der Belagerungsartillerie obliegenden Aufgaben : 1.

Die erste und wichtigste Aufgabe der Belagerungs-

artillerie ist das Niederkämpfen der gegen den Hauptangriff thätigen feindlichen Geschütze . Erst wenn dieses gelungen ist, kann die Belagerungsartillerie, unter fernerer Niederhaltung noch thätiger oder wieder thätig werdender feindlicher Geschütze , zur Lösung der ihr obliegenden weiteren Aufgaben übergehen . Diese weiteren Aufgaben , deren Zweck darin besteht,

die angegriffenen

Werke nach Möglichkeit sturmreif zu machen, sind :

Von Gastein bis Langensalza .

338

2. Bekämpfen der feindlichen Infanterie und zwar nicht nur jener in den anzugreifenden Forts, sondern auch jener in den Infanteriestellungen zwischen diesen Forts. Den Besatzungen der anzugreifenden Werke etc. mufs der Aufenthalt aufserhalb der Hohlräume durch das Beschiefsen des Innern der Werke etc. unmöglich gemacht werden.

Aufserdem mufs die Zerstörung der den Besatzungen

zur Unterkunft dienenden Hohlräume angestrebt werden .

Wenn nun

auch dieses vielfach nicht gelingen wird, so mufs doch jedenfalls bewirkt werden, die Verteidigungskraft der anzugreifenden Forts und Infanteriestellungen dadurch lahm zu legen , dafs die Rampen und Wallgänge dieser Werke ungangbar gemacht, ihre Traversen und leichteren Bauten zerstört und die Ausgänge aus den Hohlräumen der Werke verschüttet werden. Gleichzeitig mit der Bekämpfung der feindlichen Infanterie mufs auch das Sturmreifmachen der Infanteriestellung , durch Zerstören ihrer Flankirungsanlagen , Breschelegen und Beseitigen von Hindernifsgittern begonnen werden.

(Schlufs folgt. )

XXIV. Von Gastein bis Langensalza. Nach der Darstellung des Oberst v. Lettow-Vorbeck ¹ ).

Über den Krieg vom Jahre 1866 ist verhältnifsmäfsig nicht viel geschrieben und unter dem Veröffentlichten ist wenig Bedeutendes , namentlich so weit als es sich um die in Deutschland vorgefallenen Ereignisse handelt.

Wir besitzen freilich die von den verschiedenen

Heeresleitungen herausgegebenen Generalstabswerke ,

aber sie

sind

sämmtlich vor dem Jahre 1870 und bald nach Beendigung der Feindseligkeiten geschrieben, als noch mancherlei Rücksichten , sachlicher wie persönlicher Eigenart , den Verfassern hemmende Fesseln anlegten, welche jetzt auch eine auf amtlichen Quellen beruhende Darstellung nicht mehr zu nehmen braucht, und anderweite, von Privat1) Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland. Von Oscar v. LettowVorbeck. Erster Band: Gastein-Langensalza. Mit einer Übersichts- und Operationskarte, acht Skizzen und einem Gefechtsplane. Berlin 1896. Siegfried Mittler & Sohn. (Mark 8,50 ; gebunden Mark 10, -- .)

Ernst

Von Gastein bis Langensalza.

339

leuten herrührende Arbeiten, welche als Geschichtswerke gelten können, sind kaum vorhanden . Für den hierzu besprechenden Zeitraum ist es nur die sehr schätzenswerte Arbeit von Fr. von der Wengen: „ Kriegsereignisse zwischen Preufsen und Hannover, 1866 " ( Gotha 1886 ). Der Verfasser ist sicherlich vom Streben nach Wahrheit und Unparteilichkeit erfüllt gewesen, er war Soldat und schreibt mit Sachkenntnifs , ein grofser Fleifs spiegelt sich in allen Teilen seines umfangreichen Buches wieder, aber er hat nicht auf Grund der amtlichen Beweisstücke geschrieben , seine Quellen , welche er selbst als „ authentische" bezeichnet, waren gewifs in den meisten Fällen vorzügliche, aber er nennt seine Gewährsmänner nicht und Zutritt zu den Archiven hat er nicht gehabt, seinen Behauptungen fehlt daher nicht selten die Beglaubigung. Um so erfreulicher ist,

dafs jetzt Oberst v. Lettow- Vorbeck,

nachdem er seine hochbedeutende Geschichte des Krieges von 1806/7 vollendet hat, an das grofse Werk gegangen ist, eine „ Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland " zu schreiben , und damit eine Aufgabe übernommen hat,

zu deren glücklicher Lösung alle Vor-

bedingungen erfüllt sind, denn abgesehen von der persönlichen glänzend dargethanen Befähigung des Verfassers verfügt derselbe über vorzügliche Quellen . Für den unter dem Sondertitel : „ Gastein-Langensalza" zunächst erschienenen 1. Band sind, aufser den vorhandenen, für den Zweck brauchbaren Druckwerken,

die Kriegsarchive des -

Preussischen und des Bayerischen Generalstabes,

sowie Aktenstücke

des Auswärtigen Amtes zu Berlin und private, in jedem Falle namhaft gemachte Aufzeichnungen benutzt. Die Einsichtnahme in den Schriftwechsel der preufsischen Diplomatie führt ihn mehrfach zu anderen Schlufsfolgerungen, als Sybel aus denselben gewonnen , und zur Richtigstellung der von diesem mitgeteilten Auszüge ; dagegen ist ihm ein Aktenmaterial unbekannt geblieben, welches aus dem Gewahrsam des Führers der hannoverschen Truppen, des General von Arentsschildt, in den Besitz des Herzogs von Cumberland übergegangen ist, und nach der Meinung des Generals

die Rechtfertigung seines Handelns

enthält, leider unbekannt geblieben ; es ist nicht ausgesprochen, ob der Versuch unternommen wurde, Kenntnifs desselben zu erlangen ; anscheinend ist es nicht geschehen . Oberst v. Lettow spricht die Erwartung aus, dafs man ihm den besten Willen zu objektiver Behandlung seiner Aufgabe zutrauen werde, meint aber, seine Arbeit würde , trotz all seines Bemühens, sich über die Parteien zu stellen , nicht verleugnen können,

dafs sie von einem Offizier herrührt,

welcher

den gröfseren Teil seines Lebens unter den siegreichen Fahnen König Wilhelm's gedient und gefochten hat, in Feldmarschall Graf Moltke

Von Gastein bis Langensalza .

340

seinen

langjährigen Chef verehrt

und

im Fürsten

gröfsten Staatsmann unseres Jahrhunderts erkennt. "

Bismarck den Der Leser wird

die Versicherung des Verfassers, die Parteien mit gleichem Mafse messen zu wollen, überall bethätigt finden ; er wird nirgends auf Überhebung des Siegers stofsen und überall der Anerkennung gegnerischer militärischer Tugenden begegnen. Zu bedauern ist, dafs für die Arbeit die Wiener Archive nicht benutzt sind, sodafs die im ersten Bande enthaltenen Mitteilungen über Österreichs Vorbereitungen zum Kriege sich nur auf das dortige Generalstabswerk stützen konnten ; die Vorrede zum ersten Bande giebt der Hoffnung Ausdruck, dafs für die Fortsetzung der Arbeit auch jene Fundorte sich erschliefsen werden. Für die Möglichkeit einer, den berechtigten Ansprüchen beider kriegführenden Parteien Rechnung tragenden Lösung der Aufgabe ist die Erfüllung eine Lebensfrage. Jene Kriegsvorbereitungen sind in einem Abschnitte geschildert, welcher ,,Die diplomatischen Verhandlungen, die Rüstungen und Feldzugspläne " überschrieben ist. Der Abschnitt nimmt einen breiten Raum ein in der Darstellung. Er geht von der im Jahre 1852 für die Elbherzogtümer geschaffenen Lage aus. Das Londoner Protokoll vom 8. Mai hatte den Prinzen Christian von Holstein-Glücksburg zum Nachfolger des kinderlosen Königs Frederik VII , von Dänemark bestimmt und das Verhältnifs Holsteins zu Schleswig und zum deutschen Bunde ungeändert gelassen. Da stellte der König am 30. März 1863 die Oktroyirung einer neuen Verfassung für Holstein und die Einverleibung Schleswigs in das Königreich in Aussicht, am 13. November nahm der Reichsrat die Verfassung an, zwei Tage später gelangte durch König Frederik's Tod Christian IX. auf den Thron, der Bund hatte schon am 1. Oktober die Exekution behufs Wahrung der Rechte Holsteins beschlossen, und jetzt trat noch der Herzog Friedrich von Augustenburg mit Ansprüchen auf die Nachfolge in Schleswig- Holstein hervor, obgleich sein Vater für sich selbst und für seine Söhne auf dieselbe, nicht ohne Zustimmung der letzteren, verzichtet hatte. Unter so verwickelten Verhältnissen einigten sich die beiden , zu einträchtigem Wirken sonst so wenig geneigten deutschen Grofsmächte zum Zusammengehen , dessen Frucht , nachdem die Waffen entschieden hatten, der am 1. August 1864 geschlossene Präliminarfriede war. Er trennte die Herzogtümer von Dänemark und legte ihr Schicksal in die Hände der Verbündeten . Nun aber handelte es sich um die Verteilung der Kriegsbeute, und diese Frage führte schliesslich zum Kriege vom Jahre 1866. Schon in einem am 29. Mai 1865 zu Berlin abgehaltenen Ministerrate, dem der König, der Kronprinz und General v. Moltke beiwohnten, wurde die Möglichkeit eines solchen erörtert.

Von Gastein bis Langensalza.

341

Bismarck, Roon und Moltke sprachen sich dafür aus ; der Kronprinz war anderer Meinung , er wollte den Bruderkrieg vermeiden und befürwortete die Thronbesteigung des Herzogs von Augustenburg, welcher geneigt sei, in eine Beschränkung seiner militärischen Hoheitsrechte zu Gunsten Preufsens zu willigen .

Der König konnte sich noch nicht

entschliefsen , das entscheidende Wort zu sprechen . Aber die Gegensätze spitzten sich immer mehr zu ;

der am

20. August des nämlichen Jahres abgeschlossene Gasteiner Vertrag verklebte nur oberflächlich die Risse im Bau , die von Österreich geduldeten Umtriebe des Herzogs in Holstein nötigten Preufsen,

auf

Klärung der Verhältnisse zu dringen, und als dabei ein Erfolg nicht erzielt wurde , kam Anfang 1866 der Krieg in ziemlich sichere Aussicht. Von neuem ward die Frage des Losschlagens in einem am 28. März abgehaltenen Ministerrate

erörtert.

Der Kronprinz sprach

wiederum für Aufrechterhaltung des Friedens, der König aber schlofs die Beratungen mit den Worten, dafs er zum Kriege, den er für einen gerechten halte, wenn es sein müsse, entschlossen sei. Um die Grundlagen für die Führung desselben zu gewinnen , galt es zunächst Klarheit über das Verhalten Frankreichs und Italiens zu erlangen . Kaiser Napoleon wich aus, mit Italien kam

eine vorläufige Einigung zu

Stande und Bismarck begann jetzt auch die mit der Kriegsfrage in Verbindung stehende Umgestaltung des deutschen Bundesverhältnisses in den Kreis der Erörterungen zu ziehen , wobei er sich zunächst an Bayern wandte, er hoffte diesen drittgröfsten Staat namentlich durch die Aussicht auf den militärischen Oberbefehl im Süden zu sich herüberzuziehen. Dabei hatte er freilich einen Mifserfolg zu verzeichnen.

Das Münchener Kabinet war mit dem Ausschlufs Öster-

reichs aus dem Bunde , dem Endziele des preufsischen Umgestaltungsgedankens, nicht einverstanden. Im Anschlufs an die Beratung vom 28. März und unter dem Eindruck von zum Teil übertriebenen Nachrichten von den österreichischen Rüstungen wurden am 29. die ersten preufsischen Kriegsvorbereitungen angeordnet . Moltke berichtete dem Kriegsminister, welcher

damals

noch sein Vorgesetzter

war,

über

die

Sachlage,

er wies ziffermäfsig nach, dafs es in Preufsens Interesse liegen würde, mit der allgemeinen Mobilmachung nicht länger zu zögern , aber Einflüsse, welche am Hofe sich geltend machten, stellten der Verwirklichung des Wunsches Hindernisse in den Weg ; der „ Schützen-Ernst" und ,,seine ihn adorirende Nichte " ,,,die gesegnete Dame" , wie ein Brief von Roon an Bismarck in nicht mifszuverstehender Weise die Kronprinzessin kennzeichnet, verschafften diesem Einflusse Beachtung ;

Von Gastein bis Langensalza.

342

ihr Endziel war der Sturz Bismarck's , mit welchem auch der Kriegsgedanke fallen würde . Da kam am Frankreichs

8. April das

Neutralität

erschien

Bündnifs

mit Italien

wenigstens

für

zu

Stande,

den Beginn

der

Feindseligkeiten gesichert, alle militärischen Vorbedingungen waren erfüllt und die Aussichten für einen glücklichen Ausgang waren so günstig wie nur möglich aber der König gewann es noch nicht über sich, den verhängnifsvollen Befehl zu erlassen.

Sein Zögern war nicht

unnatürlich, denn die Folgen waren unübersehbar und dem Monarchen mufste sich die Frage aufdrängen, ob es keinen anderen Ausweg gebe als die eisernen Würfel rollen zu lassen. Am 7. hatte Kaiser Franz Josef ihm amtlich erklärt, dafs er nie einen Angriff beabsichtigt habe

und dafs

die vorgenommenen

Rüstungen

ganz

unerheblich

gewesen seien, die Berichte Moltke's bestätigten die letztere Behauptung: sollte er da in den Augen der Welt die Schuld des Friedenstörers auf sich nehmen ! Zunächst fanden Verhandlungen über Abrüstung statt, bei denen jeder der Gegner den anderen zu täuschen suchte, als aber Italien mehr als 100 000 Mann zu den Fahnen einberief und Garibaldianer bereits die italienische Grenze überschritten , setzte Österreich am 21. April seine Südarmee, deren Oberbefehl Erzherzog Albrecht erhielt, während Benedek an die Spitze der ebenfalls verstärkten Nord-Armee trat, auf den Kriegsfufs . Was in Osterreich angeordnet wurde, erfuhr man aufserhalb der dort beteiligten Kreise spät und unvollständig, weil nichts gedruckt werden durfte, was auf die Kriegsvorbereitungen Bezug hatte, während die preuſsische Presse, namentlich die liberale, sich angelegen sein liefs , unbekümmert um höhere Rücksichten ihren Lesern aufzutischen, was sie nur in Erfahrung bringen konnte, die Vossische Zeitung ging dabei voran, vergebens suchte Einhalt zu thun .

der Kriegsminister dem verderblichen Treiben Erst am 3. Mai wufste man in Berlin von den

in Wien seit dem 27. April getroffenen Anordnungen für die Mobilmachung der Nordarmee so viel, dafs König Wilhelm sich an diesem Tage bewogen fand, die gleiche Mafsregel zunächst für fünf Armeekorps zu befehlen ; für den Rest des Heeres geschah es, immer in Absätzen, bis zum 12. Es war ein Verfahren, welches auf den Gang des Mobilmachungsgeschäftes vielfach störend einwirkte . Die auf diese Weise herbeigeführte Verzögerung der Mobilmachung

um viele Wochen hatte die preufsische Heeresleitung eines erheblichen Vorteiles beraubt, auf welchen sie hätte rechnen können . Bedenken, denen die Berechtigung nicht abzusprechen ist , waren die Veranlassung. Die Stimmung im Lande war fast allgemein wider den Krieg . Zu den Gegnern zählte in der königlichen Familie aufser dem Thronerben

Von Gastein bis Langensalza.

und dessen Gemahlin

besonders

343

die Königin Augusta ;

allerorten

sprachen berufene und unberufene Vertreter des Volkes sich gegen den Bruderkrieg aus ; die Presse verurteilte ihn nahezu einstimmig ; das Abgeordnetenhaus verhielt sich durchaus ablehnend ; das gesammte aufserpreufsische Deutschland war einig in seiner Verdammung der Bismarck'schen Politik ; selbst von ihrem Vorgehen gegen die allgemein als erbärmlich betrachtete Einrichtung des deutschen Bundes wollte man nichts wissen.

Die Kriegspartei war gering an Zahl,

aber sie

hatte zielbewufste Lenker, denen ein starkes Wollen , ein reiches Wissen und ein mächtiges Können innewohnten. Einer ihrer Vertreter der in ihm selbst, in Bismarck und in Roon verkörperten Überzeugungen, der Chef des Generalstabes der Armee, General v. Moltke, hatte das Eintreten des jetzt in naher Aussicht stehenden Kriegsfalles seit langer Zeit voraus bedacht . Was er seit 1860 in Denkschriften darüber niedergelegt hat, läfst einen Einblick in seine Geistesarbeit zu und nötigt zur Bewunderung. Jetzt galt es mit Rücksicht auf die thatsächlich bestehenden Machtverhältnifse den richtigen Weg Böhmen

einzuschlagen.

führen,

um

dort

Der Gewählte mit

möglichst

sollte die Armee nach vereinten

wichtigsten Gegner, die österreichische Nordarmee,

Kräften

den

niederzuwerfen.

Österreichischerseits nahm man die Versammlung des Heeres bis Olmütz und ein Verzichtleisten auf den Angriff in Aussicht. Die übrigen deutschen Staaten durften kaum hoffen, bei dem bevorstehenden Zusammenstofse neutral bleiben zu können, sie trafen daher in gröfserem oder geringerem Umfange Vorbereitungen

zur

Teilnahme am Kriege . Am entschiedensten geschah es im Königreiche Sachsen, dessen Streitmacht in der zweiten Hälfte des Mai schlagfertig im

Felde stand ;

seit

Anfang

des Monats hatten die

meisten anderen Staaten mobil gemacht ; in Kurhessen und Hannover waren sehr geringfügige Vorbereitungen getroffen . Um letztgenanntem Königreiche die Neutralität zu gestatten, erklärte Preufsen sich bereit, aber Österreichs Dazwischentreten verhinderte das Zustandekommen 1 eines darüber zu vereinbarenden Abkommens . Kaiser Napoleon versuchte umsonst zwischen Österreich und Preufsen zu vermitteln und Italien von dem Bündnisse zu entfremden ; über die Abmachungen, welche er alsdann mit dem Wiener Kabinette getroffen hat, ist Zuverlässiges bis jetzt nicht bekannt geworden.

Bei der Beurteilung

der politischen Verhältnisse erscheint die Begabung König Wilhelm's , die auch 1870/71 glänzend hervortrat, in hellstem Lichte . Die Sitzungen des Bundestages waren es, durch welche der Ausbruch der Feindseligkeiten herbeigeführt wurde. Gegenstand der Beratung waren die Vorgänge in den Elbherzogtümern , Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102 , 3.

wo Preuſsen 23

344

Von Gastein bis Langensalza .

unter Aufkündigung des Gasteiner Vertrages dem Mitbesitzer überliefs , die frühere Gemeinherrschaft herzustellen und selbst am 7. Juni in Holstein einrückte, worauf Gablenz, der dortige österreichische Statthalter, mit seinen schwachen Kräften das Land räumte und diese nach dem Kriegsschauplatze im Süden führte .

Daraufhin stellte Österreich

am 11. den Antrag auf Mobilmachung des Bundesheeres mit

Aus-

schlufs der drei preuſsischen Armeekorps, berief am 12. seinen Gesandten aus Berlin ab und stellte dem preufsischen in Wien seine Pässe zu . Als jener Antrag mit einer durch Bayern vorgeschlagenen Beschränkung am 14. angenommen war, erklärte der Vertreter Preufsens den Bund für aufgelöst und verliefs die Versammlung.

Damit war entschieden,

dafs nur der Ausgang eines Krieges über die Machtfrage entscheiden , in den 1815 geschaffenen, in Preufsen für unerträglich erachteten Zuständen Wandel schaffen könne. Unter mannigfachen Änderungen der früher beabsichtigten Maſsregeln vollzog sich nun der Aufmarsch der beiderseitigen Heere und das Auftreten der Streitkräfte der zur Teilnahme am Feldzuge bestimmten süddeutschen Staaten auf dem Kriegsschauplatze.

Aus den

eingehenden Mitteilungen, welche Oberst von Lettow darüber bringt, deren Bedeutung aber in der Hauptsache erst bei der Darstellung des Feldzuges in Böhmen zur Geltung kommen wird, wollen wir hier nur den Schlufssatz eines Schreibens anführen, welches Prinz Friedrich Karl an den König richtete,

als

es sich um

eine Verstärkung der

kronprinzlichen (II .) Armee auf Kosten der prinzlichen (I.) handelte, damit einem angriffsweisen Vorgehen des Feindes gegen Schlesien wirksam entgegengetreten werden könnte. Der Prinz sprach bei der Erörterung dieser Frage

die Meinung

aus,

dafs

es geraten

sein

möchte, die Deckung Berlins und die Nebenoperationen in Sachsen und Böhmen der Elbarmee allein zu übertragen, die ganze ihm selbst unterstellte Macht aber nach Schlesien rücken zu lassen, sein Schreiben liefert einen wichtigen Beitrag zur Kenntnifs der Gesinnungen des viel verkannten und oft ungerecht beurteilten Prinzen und legt Zeugnifs dafür ab, dafs er frei war von der ihm schuldgegebenen Eifersucht auf den Thronerben . Denn der Schlufssatz jenes Schreibens lautet : Mögen Ew. Majestät in meiner Person kein Hindernifs für meine Heranziehung zur Zweiten Armee erblicken, vielmehr meine Versicherung entgegennehmen, dafs ich nur die Sache im Auge habe und es mir zur Ehre schätzen werde, unter des Kronprinzen jedes anderen jüngeren Generals Befehle zu treten.

oder

Es ist die näm-

liche Auffassung von Pflicht und Schuldigkeit und von der Unterordnung der persönlichen Interessen unter die gröfseren des Vater-

Von Gastein bis Langensalza.

landes, welche des Prinzen Oheim,

345

dem Prinzen Albrecht ( Vater),

eigen war.

Bevor des Kampfes Entscheidung auf den Schlachtfeldern Böhmens fiel, erfolgte die Abrechnung mit Hannover und Kurhessen . Hannovers Stellungnahme zu den in Aussicht stehenden Ereignissen, von vornherein gekennzeichnet durch die Weigerung, auf den Neutralitätsvertrag einzugehen und durch die Abstimmung vom 14. Juni, beruhte lediglich auf der persönlichen Überzeugung des Königs , dafs er als Christ, Monarch und Welfe" nicht anders handeln könne, und auf seiner Überschätzung der Macht Österreichs ; die letztere Ansicht wurde in dem seit seiner späteren Kindheit des Augenlichtes beraubten Fürsten namentlich durch den Minister des Äufseren , Graf Platen, Dafs die Mehrzahl seiner Unterthanen anders dachte , ist durch das Bestehen des Nationalvereins, durch die von der Ständeversammlung beobachtete Haltung und durch die in der elften Stunde geschehenen Vorstellungen der Vertreter der Residenzstadt bewiesen . genährt.

Oberst v. Lettow urteilt über König Georg gewifs richtig, wenn er sagt, dafs dieser, abgesehen von einer übertrieben hohen Meinung von der Gröfse des Welfenhauses, ein Mann von scharfem Verstande und ausgezeichnetem Gedächtnisse gewesen sei , welcher seine Minister durch seine Kenntnifs der Verhältnisse nicht selten in Erstaunen und Verlegenheit gesetzt habe. Daneben zeichneten ihn vorzügliche Eigenschaften des Herzens und ein wahrhaft königlicher Sinn aus . Aber wer jene Schwäche sich zu Nutzen machte, gewann sofort Einflußs auf seine Entschliefsungen. Was Oberst v. Lettow alsdann über das spätere Welfentum sagt, übergehen wir ; es hat mit der Geschichte des Krieges von 1866 nichts gemein. Ein entschiedener Wille, mit Österreich zu gehen, war indessen nicht vorhanden . Als um die Mitte des Monats Mai der Abschlufs des oben erwähnten Neutralitätsvertrages mit Preufsen in Aussicht stand, erschien, aus Wien entsendet, des Königs Halbbruder, der österreichische General Prinz Karl Solms am Hoflager und alsbald trat ein völliger Umschwung in den Verhältnissen ein . Das Geheimniss des dem Prinzen erteilten Auftrages ist in den Wiener Archiven verschlossen, der Erfolg aber war, dafs zu Ende des Monats Preufsen auf das Zustandekommen jenes Vertrages nicht mehr rechnen konnte. Kriegsvorbereitungen , welche die hannoverschen Truppen in einen felddienstfähigen Stand hätten setzen können, waren inzwischen nicht getroffen und solche ins Werk zu setzen, war dadurch noch erschwert , dafs die Regimenter sich in den kommenden verhängnifsvollen Tagen 23*

346

Von Gastein bis Langensalza.

meist auf dem Marsche zur Vornahme von Übungen befanden, die an verschiedenen Orten des Landes stattfinden sollten. Ihre Anordnung war eine der halben Mafsregeln . mit denen man den Wechselfällen der Politik zu begegnen gedachte . Ein anderes Gebilde nahezu kindlicher Einbildung, das Beziehen eines festen Lagers in der Gegend von Stade, hatte sich bereits verflüchtigt, als, wie wir gesehen haben, die zur Teilnahme an der Besetzung bestimmte österreichische Brigade Kalik mittelst der Eisenbahn aus Holstein nach dem Süden befördert worden war. Bei Hofe lebte man an jenem verhängnifsvollen 14. Juni noch in grofser Vertrauensseligkeit. Die beiden vornehmsten militärischen Ratgeber des Königs, der Generaladjutant und der Chef des Generalstabes, die Generallieutenants v. Tschirschnitz und v. Sichart, beurteilten die Sachlage indessen anders , als seine sonstige Umgebung, und bewirkten, dafs in der Nacht zum 15. die Befehle zur Versammlung der Armee bei Hannover erlassen wurden ; die an letzterem Tage ergehende Aufforderung Preufsens zum Abschlusse eines Bündnisses unter Zustimmung zu den Bundes- Reformvorschlägen,

welches

der

König nicht eingehen wollte, machte jedoch, da inzwischen preuſsische Truppen bereits den Fufs auf hannoverschen Boden gesetzt hatten, die Ausführung dieses Planes unmöglich, und es erging daher die Weisung zum Sammeln bei Göttingen. Es war der einzig mögliche Ausweg. Dafs er zum Ziele führte, dankte man vor Allem der Thätigkeit des Eisenbahndienstes , für die Kavallerie deren eigenen , zum Teil sehr erheblichen Marschleistungen, sodann der Ein- und Umsicht der Unterführer, wie dem guten Willen der Truppen und der Unterstützung durch alle Kreise der Bevölkerung. Am 18. war mit Ausnahme einiger ganz kleinen Abteilungen die gesammte Armee um Göttingen versammelt.

Auf gegnerischer Seite war General Vogel

v. Falckenstein , an der Spitze der 13. Division von Minden kommend, schon am Abend des

17. in Hannover

eingerückt ,

und

General

v. Manteuffel stand am 16. mit seinem 14 000 Mann starken Korps bei Harburg . Jener gewährte dort seinen durch einen Gewaltmarsch angestrengten Truppen einen Ruhetag ; dieser, der ,,wie ein Donnerschlag ins Land zu fallen" gedacht hatte,

blieb zunächst unthätig .

Oberst v. Lettow vertritt die Ansicht, dafs es geschehen sei, um sich der Unterstellung unter Falckenstein

zu

entziehen,

Manteuffel ent-

schuldigt sein Verhalten mit Gründen von mancherlei Art, zu denen auch die Rücksicht auf die ganz bedeutungslose Festung Stade gehörte, welche, weil dem Kommandanten der feste Wille,

sie zu ver-

teidigen, fehlte und derselbe nur halbe Mafsregeln traf, in der Nacht zum 18. durch ein dorthin entsandtes Bataillon ohne Gegenwehr der Garnison besetzt wurde.

Von Gastein bis Langensalza.

347

Die hannoversche Armee war also glücklich vereinigt,

aber in

welcher Verfassung befand sie sich ! Für einen Feldzug war nichts vorbereitet, und es fehlte somit an Zeit wie an Mitteln , das Fehlende zu ergänzen.

Die unvermeidliche Verwirrung, welche herrschte, wurde

dadurch vermehrt, dafs unmittelbar nach dem Eintreffen in Göttingen die sieben höchstgestellten Offiziere durch andere ersetzt wurden, von denen sehr zweifelhaft ist, ob sie den ihrer wartenden Aufgaben mehr gewachsen waren, als ihre Vorgänger, welche die Verhältnisse genau kannten, und, wenn auch um ein bis zwei Jahrzehnte älter, als die Ersatzleute , doch über genügende körperliche Rüstigkeit verfügten , um ihre Stellungen ausfüllen zu können . Die verderblichste von den angeordneten Mafsregeln war aber die Regelung des Oberbefehls . Der König trat das bis dahin mit dem Beistande und durch Vermittelung eines Generaladjutanten von ihm selbst geführte Kommando der Armee freilich an den General v. Arentsschildt, bis dahin Infanterie- Brigadekommandeur, ab, aber da er bei den Truppen blieb, fiel naturgemäſs die Entscheidung aller wichtigen Fragen ihm selbst zu , um so mehr als die Lösung der militärischen Aufgaben durch den Gang der politischen Verhandlungen fortwährend beeinflusst wurde. Graf Platen und der österreichische Gesandte Graf Ingelheim befanden sich im Hauptquartiere und nahmen an den Beratungen über die Mafsnahmen der Heeresleitung Anteil. Die aus einem solchen Verhältnisse naturgemäfs sich ergebenden Schwierigkeiten zu überwinden , hätte es "7 eines Mannes von besonderer militärischer Begabung und von rücksichtsloser Thatkraft bedurft, und ein solcher Mann war Arentsschildt nicht. " Ob General Gebser, der Kommandeur der Kavalleriedivision , von dem erzählt wird, dafs er die Übernahme des Kommandos abgelehnt habe, weil er die Zusicherung des Unterbleibens jeder Einmischung in seine Machtbefugnisse nicht habe erlangen können , eine geeignetere Persönlichkeit gewesen wäre, ist überflüssig zu erörtern, da gerade diese Einmischung für Arentsschildt's Handeln mafsgebend war. Bei den Truppen wurde mit Aufbietung aller Kräfte an der Herstellung

eines schlagfertigen Zustandes gearbeitet . Obgleich aus Hannover herangeschafft war, was man bei der Eile des Abzuges zusammenraffen konnte , fehlte vieles, und die Schwierigkeiten der Lage wurden noch dadurch vermehrt, dafs etwa 3000 Beurlaubte , ohne den Einberufungstermin abzuwarten, bei den Fahnen eintrafen , wo die Mittel zu ihrer Ausrüstung nur spärlich vorhanden waren. Trotzdem hätte man , wie zuerst beschlossen war , am 20. von Göttingen nach dem Süden abrücken sollen. Dafs es unterblieb, lag an der Unentschlossenheit der

Heeresleitung.

Viele

Köpfe , viele

Von Gastein bis Langensalza .

348

Sinne. Davon zeugt eine von zwei Generalstabsoffizieren ausgearbeitete und von ihnen dem Könige unterbreitete Denkschrift,

welche auf

Grund der politischen und militärischen Lage den Weg der Unterhandlung zu betreten empfahl .

Dafs die beiden Offiziere diesen Schritt

auf eigene Hand gethan haben sollten, wie Oberst v. Lettow anzunehmen scheint, ist kaum glaublich ; sie waren aber Männer, welche eine Ansicht hatten und diese vertraten ; daher wird ihnen von zuständiger Seite

die Weisung geworden sein, sie geltend zu machen .

Ein Beschlufs wurde nicht gefafst .

Die Armee blieb zunächst noch

bei Göttingen und bereitete sich vor, auf mehreren Seiten angegriffen zu werden, denn solche Gefahr drohte jetzt auch von Süden.

Bereits

am 19. hatten die Vortruppen der Division des Generals v. Beyer Kassel besetzt ; die kurhessischen Truppen waren nach Hanau gerückt und der Kurfürst ward bald darauf in die Gefangenschaft abgeführt. Die Hilfe der Bayern, welche im Norden ihres Landes standen , wurde von Hannover in Anspruch genommen und zugesagt , sie konnte aber, weil Zeit und Raum es verboten, zunächst noch nicht wirksam werden.

Auch dieser Umstand sprach für baldmöglichen Abmarsch

von Göttingen . In der Stadt Hannover trafen am 19. die ersten Truppen des Manteuffel'schen Korps ein ; an demselben Tage trat die Division Goeben den Marsch nach Süden an ; Falckenstein war beschäftigt , die Hilfsmittel des Landes zur Vervollständigung der Schlagfertigkeit seiner Truppen zu benutzen ; schon jetzt begannen die Reibungen mit Moltke, dem er sich nur mit Widerstreben unterordnete ; die von diesem ihm gewordene Anheimgabe, mittelst der Eisenbahn Truppen über Magdeburg nach Eisenach zu entsenden, damit sie den Gegnern den Weg verlegten , liefs er unbeachtet ; jetzt ward ihm auch Beyer unterstellt, welcher von Berlin aus , wo der König sich noch befand, angewiesen war, das Entkommen der Hannoveraner thunlichst zu Den nämlichen, für die preufsische Kriegführung zunächst wichtigsten Zweck verfolgten auch noch andere, auf Moltke's Veranlassung angeordnete Mafsregeln . Aber Moltke war, was bei dem Verhältnisse zu Falckenstein nicht unbeachtet bleiben darf, damals erst der werdende Mann und noch nicht der bewährte Stratege , er verhindern.

stand unter dem Kriegsminister und hatte so den unmittelbaren Vortrag beim Könige erlangt, daher fiel jenem schwer, sich seinen Weisungen zu fügen. Wir verfolgen die beiderseitigen Bewegungen jetzt Tag für Tag. Am 21. brachen die Hannoveraner auf. Das ihnen gesteckte MarschZunächst kamen sie , abgesehen von einem ziel war Eisenach . Patrouillengefechte in ihrer rechten Flanke, unbehelligt nach Heiligen-

Von Gastein bis Langensalza.

349

stadt ; ihre Gegner gewannen weiter keine Fühlung mit ihnen ; Goeben kam bis Eimbeck, Beyer blieb, durch Verwaltungsgeschäfte in Anspruch genommen, in Kassel ; das Korps Manteuffel, meist mittelst Eisenbahn über Braunschweig nach Seesen befördert, war gleichfalls im Vormarsche auf Göttingen begriffen . Nochmals wurde Falckenstein von Berlin aus, wo man Kunde vom Abzuge der Hannoveraner hatte, aufgefordert , sich ihnen mittelst Benutzung der Eisenbahn über Magdeburg vorzulegen , und nochmals lehnte er ab, er war nicht geneigt, etwas von seinen Truppen aus der Hand zu geben, zumal er nicht davon überzeugt war, dafs ihm bei Göttingen kein Widerstand geleistet werden würde. Sich darüber durch seine Reiterei Gewissheit zu verschaffen, kam weder ihm noch einem so hervorragenden Führer, wie Goeben war, in den Sinn, eine solche Verwendung der Waffe war seit der napoleonischen Kriegführung ganz aufser Brauch gekommen. Aus Magdeburg wurden gegen die Marschrichtung der Hannoveraner auf einen von Berlin ergangenen Befehl Besatzungstruppen über Nordhausen hinaus entsendet. Am 22. gelangten die Hannoveraner bis Mühlhausen ; General v. Beyer vermutete sie noch bei Göttingen und richtete dahin seine Bewegungen, Falckenstein traf dort am Abend des nämlichen Tages ein und gab die Hoffnung auf, den Feind, der einen Vorsprung von achtundvierzig Stunden hatte,

einzuholen .

Da griff von Berlin die

oberste Heeresleitung ein. Von König Wilhelm ging der Gedanke aus, den Marsch der Hannoveraner durch Unterhandlungen zu verzögern . Es waren die Unterhandlungen , die ihnen verhängniſsvoll wurden. Zugleich wurden von mehreren Orten Truppen abgesandt, um die bei Gotha und Eisenach befindlichen schwachen Kräfte zu verstärken und zu unterstützen . keine Anstalten traf, immer von neuem Ende zu kommen,

An Falckenstein, der noch immer

die nächstliegende

und von Berlin aus ihm

empfohlene Aufgabe, mit den Hannoveranern zu erging am folgenden Morgen,

also am 23. , der

Befehl, über Kassel eine möglichst starke Truppenmenge mittelst der Eisenbahn nach Eisenach zu entsenden, um den Abzug nach dem Süden zu verhindern . Die genannte Bahn war aber nicht fahrbar und Falckenstein war daher formell im Rechte, wenn er sich an den Buchstaben hielt und auf seinem Vorhaben beharrte, unbekümmert um die Hannoveraner, nach Frankfurt zu marschiren . Wollte er auf Moltke's Gedanken eingehen , so brauchte er nur den ostwärts führenden Schienenweg zu benutzen,

um das nämliche Ziel , freilich

auf weitem Umwege , zu erreichen . Indessen wies er Beyer, der, nachdem er den Luftstofs auf Göttingen ausgeführt hatte, umgekehrt war, an,

auf Eisenach zu marschiren .

Die hannoversche Armee ge-

Von Gastein bis Langensalza.

350

langte an diesem Tage nach Langensalza, der anfangs beabsichtigte Marsch auf Eisenach war unterblieben, weil man befürchtete , dabei auf stärkere feindliche Kräfte zu stofsen . Man hoffte auf das Eingreifen der Bayern, denen verschiedene Abgesandte Kunde von den Verhältnissen brachten. Am Mittage des 23. begannen die oben erwähnten Unterhandlungen.

Sie wurden

eingeleitet

durch den aus Gotha entsandten

Hauptmann von Ziehlberg , welcher zur Waffenstreckung aufforderte, weil die Armee rings vom Feinde umstellt sei . Hannoverscherseits wurde die wahre Absicht erkannt, der angeknüpfte Verkehr aber zum Vorwande für die Entsendung des Majors v. Jacobi genommen, welcher sich in Gotha umsehen sollte, wohin man am folgenden Tage zu marschiren gedachte. Man wufste , dafs dort ein wirksamer Widerstand nicht zu gewärtigen sein würde. Zugleich erhielt Jacobi den Auftrag, auf telegraphischem Wege von Moltke freien Durchzug nach dem Süden zu fordern, wogegen der König sich verpflichten würde, sechs bis acht Wochen lang an den Feindseligkeiten gegen Preufsen nicht teilzunehmen . Es waren alles halbe Mafsregeln, denn im Hauptquartiere, dessen Entschliefsungen der durch wechselnde Einflüsse bestimmte König leitete, fehlten das feste Wollen und die darauf gegründete Beharrlichkeit in der Verfolgung eines bestimmten Zieles. Dafür legen die Ereignisse des 24. von neuem Zeugnifs ab. Als Jacobi, dessen Depeschenwechsel mit Moltke noch zu keinem Ergebnisse geführt hatte, am Morgen jenes Tages nach Langensalza zurückkehrte, fand er dort den gröfsten Teil der Armee versammelt . Es war beabsichtigt gewesen, auf Gotha zu marschiren.

Am Nachmittage

des 23. war jedoch ein Husarenoffizier, welcher zu einer zur Täuschung des Feindes gegen Eisenach entsandten Abteilung gehörte, auf eigene Hand in letztere Stadt hineingeritten, hatte diese unbesetzt gefunden und auf seine Meldung hatte der mit der Brigade Bülow in der nämlichen Richtung vorgegangene Oberstlieutenant Rudorff vom Generalstabe sich sofort nach Langensalza begeben, wo sein Vorschlag, den ursprünglichen Plan aufzunehmen,

des Marsches über Eisenach wieder mit der Ausführung war

Billigung gefunden hatte ;

jedoch auf Jacobi's Rückkehr gewartet.

Der Bericht, welchen dieser

erstattete , veranlafste, dafs die Truppen weder nach Gotha noch nach Eisenach abmarschirten, sondern die verlassenen, zum Teil weit rückwärts liegenden Quartiere von neuem bezogen ; Jacobi sah schwarz , er war zu der Überzeugung gelangt, dafs Gotha stark besetzt sei und es ward beschlosssen, Zwecke wurde jetzt

die Unterhandlungen fortzusetzen . Zu diesem Gotha gesandt, Jacobi

Oberst Dammers nach

Von Gastein bis Langensalza.

begleitete ihn.

351

Sie wurden zum Herzoge Ernst von Sachsen-Coburg-

Gotha geführt, welcher fortan in die Verhandlungen eingriff. Wie dies gekommen, ist nicht mehr festzustellen. Vermutlich hat der rangälteste bei der Truppe befindliche Offizier, der Oberst v. Fabeck, sich der Aufgabe nicht gewachsen gefühlt und die Abgesandten an ihn gewiesen und der Herzog hat mit Begierde die Gelegenheit ergriffen, sich einzumischen.

Er und Dammers suchten sich nun gegen-

seitig zu täuschen ; sie kamen überein, daſs zunächst keine Feindseligkeiten stattfinden sollten und auf Grund dieses Abkommens kehrte letzterer Mittags nach Langensalza zurück, während Jacobi in Gotha blieb, wo der Ankunft des zur Führung der Unterhandlungen von Berlin unterwegs befindlichen Generaladjutanten v. Alvensleben entgegengesehen wurde. Dammers fand in Langensalza Sachlage vor.

wiederum eine völlig veränderte

Sie war durch den zur Brigade Bülow zurückgekehrten

Oberstlieutenant Rudorff herbeigeführt,

welcher nach Eisenach ge-

ritten war und festgestellt hatte , dafs die Stadt nur mit zwei Bataillonen besetzt war ; daraufhin hatte er den Oberst v. Bülow veranlasst, den Befehl zur Rückkehr in die Quartiere nicht zu befolgen, vielmehr die Bahn nach Gotha unfahrbar zu machen,

und

war dann nach Langensalza geeilt, um zu zeigen, dafs dem Abmarsche nach dem Süden über Eisenach nichts im Wege stehen würde . Er wandte sich ,

mit Übergehung des kommandirenden Generals ,

mittelbar an den König und bewog diesen,

un-

Bülow den Befehl zum

Angriff auf Eisenach zu geben, wenn die dort stehenden Truppen nicht am Nachmittage, bis wohin Rudorff ihnen Bedenkzeit gegeben hatte , weil erst dann genügende Kräfte zur Verwirklichung der Drohung bereit stehen konnten, die Stadt freiwillig räumen würden. Jacobi erhielt Befehl, die Unterhandlungen abzubrechen, und Alles wurde für den Marsch auf Eisenach vorbereitet, welcher am Nachmittage vor sich gehen sollte. Aber der Marsch unterblieb und damit war das Schicksal der hannoverschen Truppen besiegelt. Wer die Verantwortung für das Aufgeben zu tragen hat, ist eine viel umstrittene Frage. Nach der Auffassung der eigenen Heeresleitung v. Jacobi treffen, welcher,

soll die Schuld den Major

obgleich er Befehl erhalten hatte,

die

Unterhandlungen abzubrechen, sich, als von Berlin die Absendung des Generals v. Alvensleben zum Könige gemeldet war, durch den Herzog bestimmen liefs, die Brigade Bülow von Fortsetzung der Feindseligkeiten abzuhalten ; nach einer anderen,

von Oberst v. Lettow

geteilten Auffassung trägt die Schuld das hannoversche Hauptquartier, welches sich durch die Aussicht auf neue Unterhandlungen von der

Von Gastein bis Langensalza.

352

Ausführung des soeben gefafsten Entschlusses

abhalten liefs. Am Abend des 24. standen die Hannoveraner in dem Dreiecke Langensalza-Eisenach- Gotha, ihre Gegner verstärkten sich an den beiden letztgenannten Orten immer mehr, Falckenstein wurde endlich durch. einen bestimmten Befehl veranlafst, den General Flies mit Truppen von Göttingen über Magdeburg nach Gotha zu entsenden, die Bahn von Kassel nach Eisenach war noch nicht fahrbar. Am 25. früh waren Goeben und Beyer in Eisenach stark genug, um

einen Durchbruch zu verhindern,

aber ihre Truppen waren für

einen Angriff zu erschöpft. Der Tag verging mit Unterhandlungen. zwischen Alvensleben und dem Könige, deren Ergebniſs der Abschlufs einer Waffenruhe war. Falckenstein , welcher eine nahe bevorstehende Beteiligung der Bayern am Kampfe fürchtete, fügte sich der Vereinbarung nur ungern und gedachte in der Frühe des nächsten Morgens anzugreifen , erhielt jedoch Befehl, damit nicht vor 10 Uhr zu beginnen, weil es nicht früher geschehen dürfe . Es standen 29 000 Mann mit 49 Geschützen bereit. Am 26. kam es indessen noch nicht dazu .

Die Verwirrung, auf

preufsischer Seite noch gesteigert durch Fehler und Unterlassungssünden bei der durch den Telegraphen erfolgenden Befehlsgebung, wie solche im Laufe der Ereignisse in nicht geringer Anzahl vorkamen, wurde immer gröfser.

Landratsnachrichten und Änderungen

in der Aufstellung der Hannoveraner verleiteten jetzt zu dem Glauben, dafs letztere

auf dem Rückmarsche in ihr eigenes Land begriffen

seien, die preufsischen Truppen wurden angewiesen, sie unterwegs zu fassen , sie sollten + um König Wilhelm's eigene Worte zu gebrauchen „ coute que coute " zur Kapitulation gezwungen werden , denn die Beendigung der hannoverschen Angelegenheit war augenblicklich die wichtigste Aufgabe. Thatsächlich schickte die Armee sich an, im vollen Glauben an das Bestehen der Waffenruhe , um Langensalza Quartiere zu beziehen . vom 25./26.

Oberst v. Doering, in der Nacht

aus Berlin zur Weiterführung der Unterhandlungen in

Gotha eingetroffen, stellte im Laufe des Tages ihre Anwesenheit fest . Seine Sendung,

über deren Verlauf die beiderseitigen Darstellungen

auseinandergehen, blieb ebenso erfolglos, wie alle früheren Versuche, den Streit ohne Kampf auszutragen. Der Standpunkt der beiden Könige war zu verschieden , als dafs eine friedliche Einigung möglich gewesen wäre. In der That brachte der 27., ein ungewöhnlich heifser Tag, den Kampf. Die Hannoveraner, deren Zahl Oberst v. Lettow auf etwa 17 000 Mann mit 42 Geschützen berechnet, standen in einer starken Stellung, deren Mittelpunkt das Dorf Merxleben bildete ,

auf dem

Von Gastein bis Langensalza.

linken Ufer der Unstrut .

353

In dieser wurden sie durch den von Gotha

über Langensalza vorrückenden General v. Flies mit etwa 9000 Mann und 22 Geschützen angegriffen.

Flies war sich der Schwierigkeiten

seines Unternehmens wohl bewusst, er gehorchte aber der bestimmten , aus Berlin ergangenen Weisung. Hannoverscherseits glaubte man anfänglich,

es nur mit einem Erkundungsversuche des Gegners

zu

thun zu haben . Ein heftiger Artilleriekampf leitete das Gefecht ein. Aber bald erkannte man die wahre Sachlage und entschlofs sich zu angriffsweisem Vorgehen , während preufsischerseits , nachdem der eigentliche Zweck des Vorgehens, den Gegner festzuhalten, erreicht war, Anstalten zum Abbrechen des Gefechtes getroffen wurden . Bevor es aber dem General v. Flies gelang, sich vom Feinde loszumachen, brach dieser überall vor und brachte den zurückgehenden preufsischen Truppen eine Niederlage bei , die sich noch vollständiger gestaltet haben würde, wenn der auf dem linken Flügel der Hannoveraner befehligende General v. Bothmer, wie ihm anheim gegeben wurde, seinen Übergang über die Unstrut auf der Brücke von Nägelstädt bewerkstelligt hätte, statt in starrer Verblendung umsonst das Überschreiten . an der Stelle , wo er gerade stand, zu versuchen. Der Rückzug vollzog sich zum Teil in ziemlich ungeordneten Haufen , welche jedoch Widerstandskraft genug besafsen , die wiederholten Angriffe der verfolgenden, ihrer Artillerie voraufeilenden Kavallerie abzuweisen , in deren Hände zwei Geschütze fielen . Auch gerieten gegen 900 Mann unverwundet in Gefangenschaft .

Dafs die Verfolgung nicht weit aus-

gedehnt wurde, erklärt sich aus der Ermattung der Truppen und durch die Hemmnisse, welche eine solche in den meisten Fällen verhindern .

Bei den übrigen, gegen die Hannoveraner im Felde stehen-

den Truppen erfuhr man von den Vorgängen des Tages zunächst wenig oder gar nichts ; Falckenstein fuhr sogar von Eisenach nach Kassel, um dort das ihm übertragene Generalgouvernement von Kurhessen zu übernehmen .

Oberst v. Lettow nimmt ihn gegen manche

der wegen seines Verhaltens an den letzten Tagen ihm gemachten Vorwürfe in Schutz und kennzeichnet bei dieser Gelegenheit seine Eigenart mit nachstehenden Worten : „Soweit ich mir nach Allem , was ich mündlich und schriftlich erfahren habe, ein Urteil über den Führer der West- und Main-Armee erlauben darf, so halte ich ihn. zwar für einen alten Eisenfresser, mit dem nicht gut Kirschenessen war, aber für einen schneidigen Soldaten und ganzen Mann mit starkem Rücken, wie sie leider immer seltener werden. " Ihres Waffenerfolges ungeachtet vollzog sich schon am nächsten Tage das Geschick der Hannoveraner.

Durch überlegene Kräfte rings

umstellt und ohne Aussicht auf Entsatz, durch Anstrengungen und

354

Von Gastein bis Langensalza .

Entbehrungen erschöpft, an Lebensmitteln Mangel leidend und mit Schiefsbedarf nur notdürftig versehen , blieb ihnen kein anderer Ausweg , als bedingungslose Unterwerfung ; fernerer Widerstand wäre gleichbedeutend mit zwecklosem Blutvergiefsen gewesen .

Dieser von

seinen Generalen ihm kundgegebenen Überzeugung konnte sich endlich auch der stolze Sinn des Königs nicht verschliefsen, und mit blutendem Herzen ermächtigte er den General v. Arentsschildt zum Abschlusse einer Kapitulation .

Den gleichen Auftrag erteilte König

Wilhelm dem General v. Manteuffel, dem Untergebenen Falckenstein's, ein Beweis der Allerhöchsten Unzufriedenheit, welche den letzteren um so schmerzlicher berühren musste , als er bereits eine Kapitulation abgeschlossen hatte, welche hinterher durch Manteuffel auf Grund der ihm vom Könige erteilten Weisungen teils bestätigt, teils aber auch und zwar zu Gunsten der Hannoveraner - abgeändert wurde. In Ausführung der durch die Kapitulation getroffenen Anordnungen überlieferten die hannoverschen Truppen das gesammte Material preufsischen Kommissarien , wurden mittelst der Eisenbahn nach Hildesheim oder nach Celle befördert und von dort in ihre Heimat entlassen. Der König begab sich mit seinem persönlichen Gefolge zunächst auf ein Sachsen -Altenburgisches Schlofs in Thüringen und ging dann nach Wien. Mit der Selbstständigkeit seines Landes war es zu Ende. Er sollte nicht dahin zurückkehren. General v. Falckenstein empfand tief, dafs seine Befehlsführung während des Verlaufes der geschilderten Ereignisse den König und die Heeresleitung wenig befriedigt hatte ; um dieselbe zu rechtfertigen, entsandte er einen seiner Generalstabsoffiziere nach Böhmen , der aber nur bestätigen konnte, daſs jene Mifsstimmung vorhanden , daſs sie allgemein verbreitet und tiefgewurzelt sei. Schon damals fehlte wenig, dafs sie in Falckenstein's Enthebung von seiner Stellung denjenigen Ausdruck erhalten hätte, sächlich zu Teil wurde.

der ihr nicht lange nachher that-

Die Übersicht über den Gang der Ereignisse , welche hier gegeben ist, zeigt, wie verwickelt die Verhältnisse waren, von denen der Verfasser zu berichten hatte, und wie schwer es demselben geworden sein mufs , überall 77 eine so klare Einsicht zu gewinnen, daſs sich der logische Gedankengang ohne Unterbrechung verfolgen liefs . " Nicht selten war er genötigt , Lücken, die trotz der Fülle an Quellen blieben, durch Kombination zu ergänzen . Sein Streben war überall darauf gerichtet zu erkennen, wie die handelnden Personen unter den jedesmaligen Verhältnissen zu ihren Entschliefsungen gelangt sind. In vielen Fällen hat er damit die Rechtfertigung ihres Verfahrens gefunden ; dafs es nicht immer geschehen ist, haben wir

Die russische ,,freiwillige Flotte".

erfahren. Die gefällten Urteile leuchten aber ein , Tadel spendet er wägend mit gerechten Händen . " ganz dazu gemacht , stellen.

355

und Lob wie Das Buch ist

alle beteiligt gewesenen Parteien zufrieden zu

Der nächste Band soll den böhmischen Feldzug, der letzte , den 14. der Main-Armee bringen.

XXV.

Die russische ,,freiwillige Flotte".

Zu den Schöpfungen,

welche Rufslands kriegerische Leistungs-

fähigkeit, vor allem aber seine Machtstellung in Ostasien, jenem für die Zukunft der Herrschaft des Czaren im Stillen Ozean und der Entwickelung des Handels des Europäischen Rufslands so überaus wichtigen Kolonial- Gebiete, erhöht haben und noch zu stärken berufen sind, gehört mit in erster Linie die „ freiwillige Flotte" Wie viele Einrichtungen in Rufsland hat auch (dobrowolnüj flott) . sie die mannigfachsten Schwankungen in ihrer Entwickelung aufzuweisen. Es hat sogar Zeiten gegeben, da man dachte, sie als eine verfehlte, unproduktive Schöpfung eingehen zu lassen, deren einzige Erinnerung alsdann nur das Defizit in den Kassen , manches „ Aktionairs " gewesen sein würde. Und heute ist die freiwillige Flotte von hohem Werte als die Etappen-Verbindung zwischen dem Mutterlande und dem in seiner Bedeutung täglich wachsenden neuen Rufsland am Amur, dem Ussuri und der durch die Festung Wladiwostok („Beherrsche den Osten ") verteidigten Bucht gleichen Namens. Die 77 freiwillige Flotte " verdankt ihre Entstehung den Erfahrungen des letzten russisch-türkischen Krieges . Die unbedingte Überlegenheit, welche zu jener Zeit die sich noch aufserdem des mächtigen Schutzes Englands erfreuende türkische Flotte besafs , sicherte derselben die Herrschaft im schwarzen Meere und gab hierdurch der Kriegführung Rufslands eine wesentlich andere Gestaltung. - Namentlich machte sich der Mangel an geeigneten Kreuzern empfindlich fühlbar, so es Rufsland nicht einmal verhindern konnte, dafs die Türken hinter dem Rücken ihrer in Armenien kämpfenden Armee an der kaukasischen Küste landen und dort einen Aufstand der Bergvölker dafs

ins Leben rufen konnten .

356

Die russische ,,freiwillige Flotte".

1878

trat

daher

in

Moskau

ein Komitee von

patriotischen

Kapitalisten zusammen, welches sich als „ Gesellschaft zur Hebung der Russischen Handelsschifffahrt" konstituirte und die Errichtung einer aus freiwilligen Spenden zu errichtenden daher ,,freiwilligen" Flotte beschlofs, welche im Frieden Handelszwecken dienen , im Kriege aber der Regierung gestellt werden sollte.

zu

Kreuzer- Diensten

zur Verfügung

Der Gedanke fand Anfangs grofsen Anklang, besonders nachdem der damalige Thronfolger, spätere Czar Alexander III., ihm Sympathien und thätige Unterstützung entgegenbrachte. Bald waren etwa 2 Millionen Rubel gesammelt und von einer aus Marine-Offizieren gebildeten Kommission von der deutschen „ Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktien -Gesellschaft" zunächst die gerade zu dieser Zeit durch den kurz vorher erfolgten Ankauf der Schiffe der „ Adler-Linie “ verfügbaren Dampfer „ Holsatia “ , worben.

„ Hammonia “

und „ Thuringia “ er-

Die Beendigung des türkischen Krieges durch den Frieden von San Stefano liefs die freiwillige Flotte zu einer voraussichtlich auch wenig erfolgreichen Wirksamkeit gegen den Feind nicht mehr kommen. Dagegen wurde sie nunmehr zur Eröffnung einer regelmässigen Verbindung zwischen Odessa und den russischen Besitzungen am Stillen Ozean verwandt . Der seither mächtig entwickelte russische Schiffsbau gestattete

damals den Bau gröfserer,

schnell

fahrender Dampfschiffe nur in ganz beschränktem Mafsstabe, und auch heute noch wird der gröfste Teil dieser Schiffe mit Hülfe fremder Werften erbaut. Anfänglich stellte man als Grundsatz für die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Schiffe folgende Bedingungen auf: Raum und Tragkraft für einen 20 tägigen Kohlenvorrat, eine Geschwindigkeit nicht unter 13 Knoten , Aufstellung von sechs 4zölligen Geschützen . Heute sind, wie wir weiter unten sehen werden, diese Anforderungen bedeutend erhöht worden. Wie wir es in Rufsland häufig finden, liefs das Anfangs mit fast südlicher Lebhaftigkeit angeregte Interesse an der patriotischen Gründung schnell nach, vielleicht auch, weil seine Ausführung unSo kam gewandten und unzuverlässigen Händen anvertraut war. es, dafs 1882 die Betriebskosten der freiwilligen Flotte über 1 Million, die Einnahmen aber nur 766 000 Rubel betrugen und die Regierung zum Ersatze für den untergegangenen Dampfer „ Moskau" durch die noch heute im Gebrauch befindliche Kostroma" eine Unterstützung von

1/2 Millionen Rubel zahlen musste.

wachsenden Bedeutung

Da gab die

mit

der

der ostasiatischen Gebiete immer gröfseren

357

Die russische ,,freiwillige Flotte".

Umfang annehmende Beförderung von Truppen, Ansiedlern, Sträflingen, Eisenbahn- und Baumaterial aller Art u . s. w.

auch der freiwilligen

Flotte einen neuen Aufschwung . Die Einrichtungen auf den Schiffen , besonders aber auch die Fahrtgeschwindigkeit derselben wurden verbessert, beziehungsweise erhöht. Zeit der Fall .

Namentlich war dies in der neuesten

So wurden z. B. im Frühjahr dieses Jahres vier neue

Dampfer, „ Cherson “ , „ Kijew", „Woronesch “, „Jekaterinoslaw " , eingestellt, von denen der erstere, von der Firma Hawthorn , Leslie & Co. in Newcastle on Tyne erbaute, ein riesiger Zweischraubendampfer ist, von nicht weniger als 10 255 Tonnen Gehalt, welcher bei seiner im Mai des vergangenen

Jahres

abgehaltenen Probefahrt 19,5 Knoten

(36,1 km) in der Stunde zurücklegte, eine Bewaffnung von 23 Schnellfeuer- bezw. Maschinen-Geschützen tragen kann, von denen drei ein Kaliber von 10 cm haben , und bei einem Kohlenvorrate von 1500 Tonnen neben einer gröfseren Anzahl von Kajüts-Passagieren 1500 Soldaten bezw. Ansiedler aufnehmen soll. Wenn auch der „ Kijew" , " Woronesch “ und „ Jekaterinoslaw " hiergegen bedeutend zurückstehen , so können aber auch sie jeder 107 Passagiere und 886 Soldaten bezw. Ansiedler befördern . Zur Zeit besitzt die freiwillige Flotte bereits 13 Dampfer, nachdem die älteren weniger leistungsfähigen Schiffe zum Zwecke der Benutzung als Schulschiffe an die Marine-Verwaltung übergegangen sind. Einige andere Dampfer sind in England im Bau. Wieweit die mit Beginn der nächsten Schifffahrtsperiode in Dienst tretenden

fünf

grofsen

Transport - Dampfer

,,Bogatyr",,,Korejez“ und „,Kijew"

Wolga " ,

„ Urugan“ ,

der freiwilligen Flotte zur Ver-

fügung gestellt, bezw. auch zur Beförderung nach Ostasien Verwendung finden werden, sei dahingestellt. Jedenfalls geht aus dem eben Gesagten hervor , dafs Rufsland alles thut , um die immerhin weite und bei der Übermacht Englands zur See sehr empfindliche Etappenverbindung zwischen dem Mutterlande und dem ,,fernen Osten" zu verstärken . Der Ausgangspunkt für dieselbe ist Odessa , in welchem Hafenplatze die Reparaturwerften, Magazine u. s. w. der freiwilligen Flotte errichtet sind und auch die Armirung Der andere End- , der Schiffe für den Krieg bereitgehalten wird. gewissermalsen der Zielpunkt dieser Etappenlinie ist Wladiwostok , wo sich ebenfalls entsprechende Einrichtungen , namentlich auch zum Ent- und Beladen der Schiffe befinden . Es ist bekannt, dafs Rufsland darauf bedacht sein soll,

sich eines mehr südwärts liegenden,

völlig eisfreien Hafen zu sichern ,

wodurch auch die Länge der jetzt

doch etwa 40-60 Tage dauernden Fahrt verkürzt werden würde .

Die russische ,,freiwillige Flotte".

358

Einstweilen ist Wladiwostok aber durch Schienen- und Wasserweg mit dem Hinterlande verbunden und gewährt durch seine Befestigungen den Schiffen Schutz .

Der Bau eines Eisbrechers von mächtigen Ab-

messungen ist in neuester Zeit in Angriff genommen, durch welchen auch in der kalten Jahreszeit der Verkehr der Schiffe zum und in dem Hafen gesichert ist.

Diese letztere währt in der Regel von

Mitte Dezember bis Mitte März .

Denn,

obwohl Wladiwostok unter

einem Breitengrade mit Marseille liegt, ist die Jahrestemperatur doch um etwa 10 ° niedriger, als in jenem stets zugänglichen südfranzösischen Hafen. - Die sich längs der Bai Peter's des Grofsen in einer Länge von 7 km , wenn auch oft von Schluchten unterbrochen, hinziehende Stadt, welche noch vor kurzem den Eindruck eines grofsen Dorfes machte, ist ein glänzender Beweis des für asiatische Verhältnisse vortrefflichen Kolonisations -Talentes der Russen. Sie enthält heute neben grofsartigen militärischen, Marine- und Verwaltungs-Gebäuden eine Reihe von Einrichtungen, wie Schulen, Krankenhäuser u . s. w., welche manche Städte gleichen Alters und gleicher Gröfse auch in Europa zu entbehren pflegen . Als Festung 2. Klasse, als Garnison fortdauernd verstärkt, für die Flotte Stationsort, wird Wladiwostok noch auf lange hin den Stützpunkt der russischen Herrschaft Korea gegenüber bilden, wenn die Regierung mit der Erwerbung eines eisfreien Hafens nicht zugleich der Bahn eine andere Richtung geben mufs und so zur Einrichtung eines gezwungen wird.

neuen, befestigten Kriegshafens

Neuerdings hat die Regierung der Regelung und Leitung der Truppentransporte während der Überfahrt von und nach Wladiwostok eine gröfsere Aufmerksamkeit wie früher zugewandt. - Im März 1896 sind mit Bezug hierauf sehr eingehende Verfügungen erlassen werden. Die Verwaltung der freiwilligen Flotte wird Seitens der Regierung durch eine Kommission überwacht, zu welcher u. a. die Minister des Krieges, der Marine und der Finanzen gehören. Der Direktor der Gesellschaft, in der Regel ein Admiral, wird vom Marineminister ernannt,

ebenso

Titel ,,Inspektor

der Betriebs- (technische) der

freiwilligen

Direktor,

welcher den

Flotte" führt und zur Zeit der

frühere russische Marine-Attaché in London , Linden , ein erfahrener Marineoffizier ist . Er hat seinen Sitz in Odessa. Für die Anordnung der Militär-Transporte sind in Odessa aufser dem Stations -Kommandanten ; d. h . dem mit der Regelung des Militärtransportwesens in einem bestimmten Bezirke beauftragten Offizier, der Hafenkommandant und der Kreistruppenchef (Bezirkskommandeur) verantwortlich,

in

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.

Wladiwostok aufser den beiden erstgenannten Kommandeur des 1. Ostsibirischen Linienbataillons .

359

Offizieren

der

Bei diesen Behörden haben sich die den Schiffstransport führenden Offiziere fünf Tage vor Abgang des Schiffes , bezw. bei der Landung am Bestimmungsort zu melden . Über die Vorkommnisse auf der Fahrt sind von den betreffenden Transportführern jedes Male Berichte an die Stäbe der Militärbezirke Odessa und Amur sowie an den Die bisherigen Erfahrungen bei diesen Hauptstab einzureichen.

Transporten scheinen nicht immer erfreulicher Natur gewesen zu sein . Denn es ist nunmehr den Offizieren streng befohlen, sich während der Reise als im Dienst befindlich und nicht als gewöhnliche Passagiere zu betrachten und für die Mannschaften in jeder Beziehung Sorge zu tragen. - Diese sind nach allen Richtungen hin, schon um ihre Gesundheit

zu

fördern

uud sie

von

Ausschreitungen

gegen

Disziplin abzuhalten, dienstlich zu beschäftigen und auch Reinigung des Schiffes und ähnlichen Arbeiten heranzuziehen . Musik und Tanz sollen auch Berüchsichtigung finden . Auch Offiziere angewiesen , sich mit den Schiffskommandanten

die

mit zur Gesang, sind die (Marine-

Offizieren) und den anderen Schiffsoffizieren auf guten Fufs zu stellen . Bei Fahrten auf Privatschiffen hat gewöhnlich ein eigens zu diesem Zwecke kommandirter Marine-Offizier die Vermittelung zwischen dem Transportführer und dem Schiffskommandanten zu übernehmen .

17 .

XXVI.

Armee- und Marine- Nachrichten aus Rufsland. (Neu-Organisation. - Nikolaus -Generalstabs -Akademie. --- Geschwader im Kreuzer „ Rofsija“. -- Fürst Imeretinski .) Stillen Ozean und im Mittelmeer.

Russische Blätter berichten von bedeutenden OrganisationsUrÄnderungen bei den Festungs- und Reservetruppen . Reserve-Infanterie die auch als sprünglich bestand sowohl die Festungsaus selbstständigen Bataillonen , welche sich im Mobilmachungsfalle zu Regimentern zu je 5 bezw. 4 Bataillonen entwickelten . Seit einer Reihe von Jahren ist man bestrebt , die Kriegsbereitschaft der ReserveTruppen durch Umwandlung der Reserve-Bataillone in Regimenter zu je 2 Bataillonen und durch Vereinigung von je 4 Regimentern zu Reserve-Brigaden zu erhöhen . In den Grenzmilitärbezirken war diese 24 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102, 3.

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland.

360

Umwandlung bereits vollendet, indem die 42. bis 48. Reserve-InfanterieBrigade in dem Militär-Bezirk Wilna, Warschau und Kijew, sowie die 1. und 2. kaukasische Reserve- Infanterie-Brigade aus je 4 Regimentern zu je 2 Bataillonen bestanden ;

im Mobilmachungsfalle stellt jedes

Regiment 2 neue Bataillone auf, wodurch sich jede Brigade zu einer Reserve-Infanterie-Division von 16 aktiven Bataillonen entwickelt. Im Innern Ruſslands befanden sich die Reserve-Truppen bisher nicht in Regiments-Verbänden ; zu jeder Reserve-Brigade gehörten 4 selbstständige Bataillone, welche sich bei der Mobilmachung zu ebensoviel Regimentern formirten ; jetzt hat man jedoch auch hier mit der Umwandlung in Regimenter bereits im Frieden begonnen . Zunächst sind die 4 Bataillone der 49. Reserve - Infanterie - Brigade in Petersburg ,

und zwar

Sswirski und Ishorski,

die

Reserve-Bataillone

Alexander-Newski,

sowie das der Brigade zugeteilte Kadre-Ba-

taillon des Leibgrenadier- Reserve- Infanterie- Regiments, in Regimenter zu 2 Bataillonen verwandelt worden ; es steht jedoch zu erwarten, dafs auch die Umwandlung der übrigen Reserve-InfanterieBrigaden bald folgen wird, so dafs die russische Reserve-Armee in ihrer Kriegsbereitschaft den aktiven Truppen nur wenig mehr nachstehen wird. Gleichzeitig ist aber die Neuorganisation der FestungsInfanterie in Angriff genommen worden. Bisher hatte jede Festung, ihrer Bedeutung entsprechend , 1-4 Festungs- Infanterie- Bataillone, welche sich im Kriege zu je einem Festungs-Infanterie-Regiment zu 5 Bataillonen entwickelten ; ein grofser Teil dieser Bataillone, und zwar hauptsächlich in den Festungen an der preufsischen Grenze, ist jetzt in Regimenter zu je 2 Bataillonen verwandelt worden ; aus 16 Bataillonen (3 in Kowno, 2 in Segrshe, 4 in Nowogeorgiewsk, 2 in Iwangorod , 1 in Kars) sind 16 FestungsInfanterie-Regimenter entstanden ; die Festung Ossowez besaſs bereits ein solches Regiment. Da der Friedensstand eines Reserve- und 4 in Warschau,

Festungs-Regiments zu 2 Bataillonen 40 Offiziere, 1555 Mann beträgt, d . h . nur 350 Mann weniger als der eines Infanterie-Regiments zu 4 Bataillonen, so ist der Unterschied zwischen aktiven und ReserveTruppen kaum noch ein nennenswerter. Die Nikolaus - Generalstabs - Akademie beging Mitte Dezember vorigen Jahres die Feier des hundertjährigen Geburtstages ihres Stifters, Kaisers Nikolaus I. Aus dem Bericht über die „ Ergebnisse der Wirksamkeit der Akademie" geht hervor, dafs seit Beginn ihres Bestehens, d. h. seit dem Jahre 1832 , 2301 Offiziere den Kursus der Akademie durchgemacht haben ; während in den ersten 20 Jahren des Bestehens

der Akademie

nur 15 Offiziere jährlich

zur Armee

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .

361

entlassen wurden, beendigen den Kursus jetzt jedes Jahr 100 Offiziere. Während bei uns in Deutschland die grofse Masse der die KriegsAkademie besuchenden Offiziere der Infanterie angehört, waren von den obenerwähnten 2301 Besuchern der Nikolaus -Akademie nur 42 % Infanteristen, dagegen 33 % Artilleristen, 8 % Ingenieure und 17 % Kavalleristen ; hierbei ist noch in Betracht zu ziehen, dafs für Artillerie- und Ingenieur- Offiziere aufserdem besondere Akademien bestehen. Der Grund zu diesem für die Infanterie so ungünstigen Verhältnifs liegt in dem durchschnittlich weit geringeren Bildungsgrade der Armee- Infanterie - Offiziere gegenüber den Offizieren der Spezialwaffen. Von den jetzigen 23 kommandirenden Generalen haben. nur 8 die Generalstabs-Akademie besucht. Die in ausländischen Gewässern befindlichen Geschwader werden sich im Jahre 1897 wie folgt zusammensetzen : Geschwader im Stillen Ozean (unter Kontre-Admiral Alexjejew) : 1. -7. Die Kreuzer I. Klasse " Rjurik" (46 Geschütze , 656 Mann) , Pamjatj Asowa" (32 Geschütze, 473 Mann), „Admiral Nachimow" (34 Geschütze, 638 Mann), 77 Admiral Kornilow" (32 Geschütze, 564 Mann), „ Dmitri Donskoi "

(46 Geschütze, 505 Mann),

„ Rofsija"

(s. unten), und „ Wladimir Monomach" (in der Ausrüstung begriffen) ; 8.- 9. die Kreuzer II. Klasse ‫ י‬Sabiaka" ( 17 Geschütze, 157 Mann) und „ Kreiſser “ ( 13 Geschütze, 193 Mann) ; 10. - 15 . Hochseekanonenboote "7 Gremjaschtschi “, „Otwashny " , " Korejez " , "Mantshur " , „ Ssiwutsch" (mit durchschnittlich je 13 Geschützen und 180 Mann) und „ Giljak" (in der Ausrüstung begriffen) ; 16. und 17. Torpedo -Kreuzer

77 Wssadnik" und "Gaidamak" (mit je 9 Geschützen und 61 Mann) und 18. und 19. zwei Torpedoboote I. Klasse. Von diesen Schiffen befinden sich „ Rofsija " ,

"Wladimir Mono-

mach “ und „ Giljak" noch in der Ausrüstung im Hafen von Kronstadt, an Stelle des Kanonenboots ,, Ssiwutsch", welches im Hafen von Wladiwostok noch nicht in Dienst gestellt ist, gehört augenblicklich das Kanonenboot ,,Bobr" dem Geschwader an ; alle übrigen Fahrzeuge. befinden sich jetzt bereits im Verbande des Geschwaders im Stillen Ozean. Das mächtige, aus 19 Schiffen bestehende Geschwader kann jeder Zeit noch durch einige Kanonenboote und Torpedoboote der Sibirischen Flotille verstärkt werden . Geschwader im Mittelmeer (unter Kontre-Admiral Andrejew) : 1.-4. Die Geschwader-Panzerschiffe ,,Imperator Nikolai I. " (31 Geschütze, 611 Mann),,,Imperator Alexander II. " (36 Geschütze, 615 Mann),,, Nawarin " (42 Geschütze, 624 Mann),,,Ssyssoi Weliki “ (40 Geschütze, 585 Mann) ; 5. Küsten-Panzerschiff ,,Admiral Ssenjanin " ; 6. Kreuzer II . Klasse ,,Westnik" ( 13 Geschütze, 195 Mann) ; 7. Hoch24*

Armee- und Marine-Nachrichten aus Rufsland .

362

seekanonenboot ,, Grosjaschtschi" ( 10 Geschütze, 176 Mann) ; 8. TorpedoKreuzer ,,Pofsadnik“ (9 Geschütze, 64 Mann) ; 9. und 10. HochseeTorpedoboote Nr. 119 und 120 (mit je 11. das Stationsschiff, schütze, 176 Mann).

7 Geschützen,

24 Mann) ;

Hochsee-Kanonenboot ,, Saporoshez ",

10 Ge-

Mit Ausnahme von „ Admiral Ssenjanin " gehören sämmtliche Fahrzeuge bereits jetzt dem Geschwader an. Der Torpedo - Kreuzer indessen mit den beiden Torpedo- Booten befindet sich seit Mitte August „ auf dem Wege zum Mittelmeer" ; am 15. August mit den Panzerschiffen Kronstadt verlassend, trennten sie sich von diesen bei Fehmarn , um den Kaiser-Wilhelm-Kanal zu passiren, während die Panzerschiffe den Weg durch den grofsen Belt nahmen. Durch ungünstiges Wetter behindert, konnten sie den Anschlufs an die Panzerschiffe , welcher in Portland beabsichtigt war, nicht wieder erreichen , in Folge dessen sie, während sich die Panzerschiffe bereits in Algier befanden, Havre anliefen, woselbst sie nach den offiziellen Berichten seit Mitte September liegen. Nach Vereinigung des Geschwaders verfügt Russland im Mittelmeer über 11 Kriegsschiffe ; für kriegerische Verwickelungen im Orient steht ihm aufserdem seine Schwarze- Meer- Flotte zur Verfügung, welche im Jahre 1895 aus 6 Geschwader - Panzerschiffen , 2 Küstenpanzern, 1 Kreuzer I. Klasse, 3 Torpedo-Kreuzern, 6 Hochsee-Kanonenbooten , 16 Torpedo - Booten I. Klasse , 10 Transportschiffen u. s. w. bestand .

7 Küsten - Torpedo - Booten,

In dem Schwarzen-Meer-Hafen Nikolajew befindet sich ein Panzerschiff des gleichen Typus wie ,, Ssyssoi Weliki " im Bau ; das Schiff soll 8800 t Wasserverdrängung erhalten und 8500 Indikator-Kräfte entwickeln ,

welche ihm eine Geschwindigkeit von 16 Knoten verleihen

sollen ; in den 6 Thürmen Aufstellung finden .

werden

Geschütze von

10 Zoll Kaliber

Von dem Kreuzer 1. Klasse ,, Rofsija " (Rufsland) , welcher sich, wie oben erwähnt , zur Verstärkung des Geschwaders im Stillen Ozean nach Ostasien begeben wird, giebt der ,, Kronstadter Bote" eine eingehende Beschreibung.

Die volle Gefechtsausrüstung des Kreuzers,

mit 12 120 t Wasserverdrängung, besteht aus 4 achtzölligen Geschützen von 45 Kalibern , 16 sechszölligen Geschützen von ebenfalls 45 Kalibern , 12 67 mm Geschützen und 38 Schnellfeuerkanonen ; 5 Lancier-Apparate für Torpedos vervollständigen die Gefechts-Ausrüstung des Schiffes ; die Panzerung ist 5-8 Zoll stark, am Sporn beträgt sie 12 Zoll. Durch 5 wasserdichte Zwischenwände ist das Schiff in 149 Zellen geteilt .

Drei Maschinen mit zusammen 9750 Indikator- Stärken be-

fähigen den Kreuzer zu einer Fahrt- Geschwindigkeit von 19 , Knoten . Die Elektrizität findet sowohl zur Beleuchtung des Schiffes als auch für

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

363

Elevatoren, zur Ventilation u . s.w. ausgedehnte Anwendung.

Das Schiff

befindet sich augenblicklich noch in dem Mittelhafen von Kronstadt ; bereits im September v. J. sollte es zur Vervollständigung seiner Ausrüstung nach Libau gehen , fuhr jedoch auf einer Sandbank fest , mufste in Folge unbedeutender Beschädigungen in den Hafen zurückkehren. und wurde hier zum Überwintern gezwungen. Mitte Dezember ist ihm auf der Rhede von Kronstadt das gleiche Mifsgeschick widerfahren. Der neuernannte Oberbefehlshaber der Truppen des MilitärBezirks Warschau , Fürst Imeretinski , befindet sich im 60. Lebensjahre.

Seit dem Tode Kaiser Alexanders II. , bei dem der General in

höchster Gunst stand, hat er kein Truppen-Kommando mehr bekleidet. Von 1881 ab hatte er 11 Jahre die Stellung eines Chefs der Hauptverwaltung der Militär - Justiz inne , alsdann gehörte er als Mitglied dem Staatsrate an. Mit seiner dienstlichen Stellung in Warschau ist er durch seine militärische Vergangenheit bereits eng vertraut ; nachdem er den Feldzug in Polen 1863 als Generalstabs-Offizier im Stabe der Garde-Truppen des Warschauer Detachements mitgemacht hatte, war er später Gehülfe des Stabschefs, alsdann Stabschef beim Oberbefehlshaber der Truppen des Militär- Bezirks Warschau. Im Feldzuge 1877/78 erwarb er sich als Kommandeur der 2. InfanterieDivision vor Plewna den Georgs- Orden 3. und 4. Klasse. - Fürst Imeretinski war zuerst Flügeladjutant, dann General der Suite und seit dem Feldzuge 1878 General- Adjutant Kaisers Alexanders II . — Er steht à la suite des Regiments Kaluga, Kaiser Wilhelm I. und ist im Besitze des Roten Adler-Ordens I. Klasse. v. T. d. 1. 2. 1897.

XXVII .

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

1. nur

Ein Charakterzug Kaiser Wilhelm des

edlen Seelen

Grofsen.

eignende Tugend ist die Dankbarkeit .

Eine

Der un-

vergessliche Kaiser übte dieselbe in nahezu unvergleichlicher Weise, nicht allein gegen Gott, der ihn zum Werkzeuge so grofser Thaten auserkoren hatte, dann die hervorragenden Männer, welche ihm bei Ausübung seines hohen Berufes in treuer und hingebender Arbeit zur Seite gestanden hatten, sondern gegen Jeden, der, selbst in unter-

364

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen .

geordneter Stellung, ihn gut gedient hatte . -

Es war am 16. Juli

1871 , dem Tage des Einzuges der siegreichen Truppen in Berlin ; die Feierlichkeit war vorüber, mehrere Stunden hatte der 74jährige Heldengreis bei glühender Sonnenhitze zu Pferde gesessen . Auf das Äufserste erschöpft war er eben in sein Palais zurückgekehrt, als ihm die ersten Exemplare der neu gestifteten Kriegsdenkmünze überbracht wurden. Was that der grofse, eben noch von seinem Heere und Volke mit unermesslichem Jubel begrüfste Kaiser? Nicht der er ihm dringend erforderlichen Ruhe gab er sich hin , sondern wickelte jede einzelne der erhaltenen Denkmünzen eigenhändig in Papier und versah dieselben mit je einem Namen derjenigen , die während des Feldzuges in seiner unmittelbaren Nähe im Groſsen Hauptquartier gewesen waren, selbst untere Beamte und die Dienerschaft nicht vergessend . Zu dem verstorbenen Hofrat Schneider (aus dessen Munde ich diese Geschichte hörte) sagte er lächelnd : „Ich will doch heute meinen treuen Dienern auch eine kleine Freude bereiten. " Von der unbeschreiblichen Herzensgüte des edlen Fürsten legt dieser schlichte Vorgang von Neuem beredtes Zeugniſs ab. Schbg. 2. Fürst Bismarck als preufsischer General am Abend der Schlacht bei Mars la Tour. Der älteste Sohn des Fürsten , Graf Herbert, trat bei Ausbruch des Krieges als Gemeiner Dragoner beim 1. Garde-Dragoner-Regiment ein. Er wurde bei Mars la Tour schwer verwundet und mit anderen Verwundeten nach der Ferme Mariaville gebracht. Über seine Erlebnisse an diesem Tage berichtet er selbst sehr ausführlich in dem kürzlich erschienenen Werke ,, Schönhausen und die Familie Bismarck" (Von Pastor Dr. Schmidt). Der Fürst suchte am Abend der Schlacht seinen verwundeten Sohn auf. Über diese Begegnung berichtet Graf Herbert wie folgt : „ Mein Vater hatte mich kaum begrüfst, als der aufgeregte dirigirende Oberstabsarzt Diës sich ihm entgegen stürzte , ihn bei der Hand ergriff und in einen Schwall von Worten ausbrach, die Bismarck und die letzten Ereignisse preisen sollten . . . . Mein Vater schüttelte sich den Mann mit Mühe ab, um mit mir zu reden und versprach mir für den nächsten Tag einen Wagen, welcher mich nach Pont à Mousson in sein Haus bringen. sollte. Er hatte noch einen Auftritt mit dem aufgeregten Arzt . Die Verwundeten hatten ihm über Nahrungsmittel-Mangel geklagt , worauf Diës bedauernd bemerkte , es wären keine Vorräte da . Als mein Vater ihn auf das zahlreiche, den Hof erfüllende Geflügel hinwies, rief er aus : ,, Das ist fremdes Eigentum. Wir sind hier nur im Gastrecht Mein Vater erund aller fremde Besitz mufs uns heilig sein .“ widerte :

,,Nun ist es doch einmal gut , dafs ich General bin.

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.

365

Als solcher befehle ich Ihnen, sofort alles Geflügel schlachten zu lassen, das Verwendung finden kann. " Mit einem tiefen Seufzer fügte Diës sich diesem Befehl.

Schbg. 3. Über den Verbleib aller derjenigen Offiziere und Kriegs-

beamten, welche im badischen Truppenkorps am Feldzuge des Jahres 1812 gegen Rufsland teilgenommen haben , geben die vom General-Lieutenant a. D. Freiherrn Röder von Diersburg veröffentAufzeichnungen des Generals der Infanterie, Markgrafen Wilhelm von Baden (Karlsruhe 1864), welcher damals als Graf lichten

Wilhelm von Hochberg an der Spitze jenes Truppenkorps stand , einen genauen Nachweis, welcher um so interessanter ist, als dergleichen Berichte, welche über diesen grausigen Zeitabschnitt genaue und zuverlässige Auskunft bieten, selten sind. Nach den mitgeteilten Angaben war der Generalstab ausmarschirt mit 7 Offizieren, davon entrannen der Rückzugskatastrophe 5, während 2 in Rufsland verstarben ; von 40 Offizieren des Leib-Infanterie-Regiments Grofsherzog Nr. 1 kamen 17 noch im Jahre 1812, 6 1814 aus der Gefangenschaft zurück, 17 waren gefallen oder sonst zu Grunde gegangen ; vom Infanterie-Regiment vacant Nr. 2 , welches mit 41 Offizieren ausgerückt war, retteten sich 17 sofort, 10 kehrten später heim, 14 deckte die Erde in Feindesland ; vom Infanterie-Regiment Graf von Hochberg Nr. 3 , welches 42 Offiziere gezählt hatte, sahen 12 das Vaterland schon 1812/13 , 6 später, 21 garnicht wieder ; von den 17 Offizieren des Leichten Infanterie-Bataillons Lingg entrannen und kamen unverzüglich zurück 4, 6 folgten ihnen später, 7 gingen zu Grunde ; das Husarenregiment von Geusau, welches 15 Offiziere gezählt hatte, zählte, als seine Trümmer die Grenze überschritten, davon noch 5 , 3 kamen 1814 zurück, die übrigen 7 waren verloren ; von 7 ArtillerieOffizieren retteten sich 2, 3 kehrten demnächst aus der Gefangenschaft zurück, 2 waren gestorben ; die beiden ausmarschirten Trainoffiziere waren der Rückzugskatastrophe entronnen . An Ärzten, Verwaltungsbeamten, Quartiermeistern und sonstigen Nichtstreitbaren hatte das Truppenkorps 26 gezählt ; von diesen gelangten 11 ohne Weiteres , 6, nachdem sie sich in Gefangenschaft befunden hatten, nach Deutschland zurück, 9 sahen ihr Vaterland nicht wieder. Von zwei Feldjägern, welche mit ausgezogen waren, starb der eine, der andere kehrte Im Ganzen hatte der Feldzug bei einem Bestande von 1814 heim. 197 Offizieren und ihnen gleichgestellten 79 Opfer gefordert, nur 13 davon waren gefallen oder ihren Wunden erlegen, die anderen waren in den Spitälern gestorben, erfroren oder sonst umgekommen . Über die Mannschaften ist ein gleich eingehender Nachweis nicht geliefert.

Es ist nur berichtet, dafs die Gesammtstärke beim Ausrücken

366

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen .

7666 Mann betragen hat, und dafs , als Graf Hochberg am 30. Dezember 1812 zu Marienwerder, wo das IX. Armeekorps des Marschalls zu dem das Badische Truppenkorps gehörte, das letztere, welches hier einige Ergänzungsmannschaften gefunden hatte, musterte, 145 Mann darunter waren, die den Feldzug mitgemacht hatten. Victor,

Mancher wird sich später noch eingefunden haben. Graf Hochberg selbst, ein Mann von zwanzig Jahren, hatte hoch zu Rofs , und zwar auf einem seiner mitgebrachten Pferde die Grenze überschritten , ein Bärenpelz war sein Retter gewesen . - Um diese Ziffern ganz würdigen zu können, mufs man wissen, dafs das Badische Truppenkorps nur während des letzten Zeitabschnittes des Feldzuges gefochten und den Rückmarsch nur zum Teil, allerdings dann auf seiner schlimmsten und verderblichsten Strecke , mitgemacht hat. Erst Ende August war das IX. Armeekorps aus der Gegend von Tilsit nach Smolensk nachgerückt und zunächst gegen die von Norden über die Düna vordringenden Russen verwendet, dann an die Beresina herangezogen, wo am 28. November dem vom Grafen Hochberg und den diesem unterstellten Truppen , zu denen seine Badische Brigade gehörte, mit heldenmütiger Aufopferung geleisteten Widerstande hauptsächlich zu danken war, dafs der Übergang über den Flufs an diesem Tage noch fortgesetzt werden konnte. In der Frühe des 7. Dezember, noch zwei Tagemärsche von Wilna entfernt, hatte Graf Hochberg nach einer im Biwak

zugebrachten bitterkalten Nacht dem Marschall Victor

ge-

meldet, dafs seine Soldaten im Kampfe nicht mehr zu verwenden seien. Er schreibt darüber : „ Der 7. Dezember war der schrecklichste Tag meines Lebens . Um 3 Uhr morgens befahl der Marschall den Abals das Signal marsch, die Kälte war auf das Höchste gestiegen hierzu gegeben werden sollte, war der letzte Tambour erfroren.

Ich

begab mich nun zu den einzelnen Soldaten, sprach ihnen Mut zu , aufzustehen und sich zu sammeln, allein alle Mühe war vergebens, ich konnte kaum fünfzig Mann zusammenbringen , der Rest von 200 14. bis 300 Mann lag tot oder halb erstarrt am Boden. " 4. Schlechter Bekleidungszustand preufsischer Truppen im Feldzuge 1812. Bei Ausbruch des Krieges Anfang März 1812 wurde das 2. Bataillon des 1. Schlesischen Regiments (jetzige GrenadierRegiment Friedrich Wilhelm II . Nr. 10) als

1. Bataillon des

Feld-

Regiments Nr. 6 dem preuſsischen Truppenkorps zugeteilt, das unter dem Befehl des Marschalls Macdonald den linken Flügel der grofsen Armee bildete und gegen Riga verwendet wurde. Das Regiment war Mitte nach damaliger Vorschrift in leinenen Hosen ausgerückt. Oktober trat bereits eine erhebliche Kälte ein, welche das Regiment ohne wärmende Kleidung traf. Pelze trafen erst Ende Oktober ein,

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

367

aber die Transporte mit den Tuchsachen waren aus Schlesien wegen des hohen Wasserstandes der Weichsel noch nicht eingetroffen . Wie abgetragen die Bekleidung gewesen sein mufs, lässt sich daraus ermessen, dafs der Flügeladjutant des Königs, Graf Henckel, welcher für die Truppen Dekorationen und Geld brachte, an den König berichtete : "9 Das Regiment Nr. 6 ist buchstäblich ohne Hosen. " --- Als zwei Soldaten des Regiments bei einer Patrouille bei 15 % Kälte in einem Gehöft Leinewand genommen hatten und dafür zur Rechenschaft vor Gericht gefordert wurden, deckten sie ihre Mäntel auf und zeigten ihre blofsen Schenkel ! Gren. -Regts. Nr. 10.)

(v . Ebertz , Kurze Geschichte des Schbg.

XXVIII .

Umschau auf militärtechnischem

Gebiet.

Von Joseph Schott, Major a. D.

Die Frage der Feldgeschütze. Das Ende des Jahres 1896 hat noch die Entscheidung hinsichtlich der Neubewaffnung der Feldartillerie gebracht . Es steht aufser Zweifel, dafs Deutschland sowohl als Frankreich binnen absehbarer Zeit Forderungen

behufs

Ausrüstung

der Feld artillerie

Schnellfeuergeschützen stellen werden.

mit

In Frankreich ist sogar

die Entscheidung des Oberkriegsrats für die Umwandlung des Feldartillerie-Materials durch die Presse mitgeteilt worden .

Wir haben uns bereits vor mehreren Jahren dahin ausgesprochen, dafs dem Schnellfeuergeschütz als Bewaffnung der Feldartillerie die Zukunft gehört und blieben damit zunächst vereinzelt. Mancherlei sprach ja auch gegen diesen Übergang, namentlich der zweifellos gröfsere Munitionsverbrauch, der, wenn er einigermafsen sicher gestellt werden soll, den Umfang einer Batterie von gleicher Geschützzahl wie bisher, erheblich steigern wird. Es kann sich aber bei dem Übergang nicht lediglich um Steigerung der Schufsgeschwindigkeit handeln , sondern man wird auf Grund der Fortschritte in der Metallurgie und im Pulver ein wesentlich wirksameres Geschütz ohne gröfsere Belastung und sogar noch mit einer gewissen Verringerung derselben herstellen können. Die Basis hierzu ist die Herabsetzung des Kalibers innerhalb der Grenzen, welche noch eine gute Schrapnelwirkung und Beobachtungs-

368

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

fähigkeit des Schusses zulassen, Steigerung der Geschofsgeschwindigkeit und Querschnittsbelastung, damit eine wesentlich vergröfserte Wirkungsweite, welche gestattet, den mit dem jetzigen Material ausgerüsteten Gegner auf Entfernungen aufser Gefecht zu setzen, wo derselbe in seiner Wirkung wesentlich zurücksteht. Innerhalb der Grenzen, in welchen die Wirkung des neuen Geschützes nicht mehr jene entscheidende Überlegenheit über das bisherige besitzt, wird das erstere, nachdem es eingeschossen, in der Feuergeschwindigkeit das Mittel haben, seines Gegners in kurzer Zeit Herr zu werden . Die Erkenntnifs dieser Verhältnisse wird für den in Aussicht stehenden Schritt zweier Mächte Ausschlag gebend gewesen sein .

Auch aus anderen Staaten fehlt es

nicht an Mitteilungen, woraus sich eine Nachfolge in jenem Schritt binnen absehbarer Frist annehmen läfst. Die allmähliche Entwicklung der Feldgeschützfrage in Frankreich zu verfolgen, boten die von Zeit zu Zeit in die Presse dringenden Gerüchte gute Gelegenheit . Wir haben die Leser jedesmal davon in Kenntnifs gesetzt . Der erste Fall der Art war im März 1894,

wo die politische und militärische Presse meldeten , daſs

ein Schnellfeuer-Feldgeschütz von 7,5 cm Kaliber mit einem Geschofsgewicht von 6,5 kg im Versuch sei . Im Spätherbst tauchte das Gerücht mit weiterer Ausführung von Neuem auf. Man verlieh dem Geschütz bereits einen Namen und zwar nach dem Direktor Deport der Artillerie -Werkstatt Puteaux bei Paris . Das Deport - Geschütz solle 12 bis 15 Schufs in der Minute abgeben können, eine Einheitskartusche zur Verwendung kommen .

Mitte 1895 wurde bereits be-

kannt , dafs bei einzelnen Regimentern einige Batterien mit Schnellfeuer-Haubitzen von 12 cm Kaliber bewaffnet seien . Auch fand eine Vorstellung vor dem Präsidenten der Republik im Lager von Chalons statt, bei der 7 bis 10 gerichtete Schufs in der Minute abgegeben worden sein sollen. Im Frühjahr 1896 liefs sich der Kriegsminister Cavaignac die Geschütze in Bourges vorstellen . Es tauchte auch mehrfach die Nachricht von einer in Ausarbeitung befindlichen KreditVorlage auf, ohne dafs diese bis jetzt in die Erscheinung getreten wäre. Was nun das kommende Schnellfeuergeschütz betrifft, so scheint man sich in Frankreich für eine geteilte Laffete entschieden zu haben , analog der kurzen 120 mm Kanone (der oben erwähnten SchnellfeuerHaubitze).

Man hat sich das Rohr in einer Jacke liegend zu denken,

in welcher es selbstständig zurückgleitet . Die Jacke liegt wieder in der Oberlaffete , welche eine geringe Seitendrehung auf der Unterlaffete besitzt . Eine hydropneumatische Bremse schränkt den Rücklauf ein und treibt das Rohr nach dem Schufs wieder in die Feuerstellung vor. Am Hinterteil der Unterlaffete ist ein Sporn oder Spaten , der

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

sich in den Boden eingräbt und die Laffete hinten feststellt . beruht die sichere

Stellung der Laffete ,

369 Hierauf

während die gesonderte

Rückwärtsbewegung des Rohres unter der Einwirkung der Bremse den Einfluss des Rückstofses auf die Haltbarkeit der Laffete mildert. Die seitliche Drehbarkeit der Oberlaffete gestattet auch nach Feststellung des Laffetenschwanzes im Erdboden eine geringe seitliche Richtungsveränderung. Bei gleichbleibender Lage des Ziels wird ein Nachrichten meistens entbehrlich sein oder nur eine ganz geringeNachhülfe erheischt werden . So etwa hat man sich das französische Feldgeschütz zu denken. Während eine solche Laffete eine gewisse Biegsamkeit besitzt , giebt es auch Schnellfeuergeschütze mit starren Laffeten, bei welchen man Rad- oder Nabenbremse anwendet und im übrigen den Spaten, bei welchem indefs der Schonung der Laffete halber noch eine Federung eingelegt werden mufs, welche auch das Wiedervorgleiten der Laffete bewirkt. Ob man , wie anfänglich angenommen wurde , allgemein die Metallkartusche und zugleich die Einheitskartusche mit dauernder Verbindung von Geschofs und Ladung anwenden wird, sicher.

ist nicht

Neuerdings verlautet, man habe in Frankreich die Metall-

kartusche wieder aufgegeben . Man hat jetzt auch Einrichtungen, um Geschofs und Kartusche erst beim Laden zu verbinden . Der getrennte Transport beider erspart jedenfalls viel Unbequemlichkeit . Hinsichtlich des Kalibers wird wohl 7,5 cm die Grenze bleiben, unter welche man auch anderwärts nicht herabgehen wird. Was die vom französischen Geschütz in die Presse gedrungenen Einzelheiten betrifft, so stimmen sie mit dem in der DezemberUmschau geschilderten Geschütz Darmancier's (schweres Modell ) in der Hauptsache überein, z. B. Geschützgewicht 1740 kg, Anfangsgeschwindigkeit 600 m, 300 Kugeln im Schrapnel etc. Es ist daher wohl einige Vorsicht in der Aufnahme geboten.

dem

In der Bemessung der Anfangsgeschwindigkeit erwachsen Schnellfeuer-Feldgeschütz enge Grenzen durch die Rücksicht

auf Einschränkung oder Beseitigung des Rücklaufs. Über 600 m wird sich dieselbe schwerlich steigern lassen, wenn es sich von Schufs zu Schufs nur noch um ein geringes Nachrichten handeln soll. Andernfalls würden sich die Gewichtsverhältnisse wieder ungünstig stellen müssen.

Ein Teil der von der Privat - Industrie bekannt gegebenen

Schnellfeuergeschütze ist über 500 m nicht hinausgegangen und selbst darunter geblieben. In der Geschofs -Ausrüstung wird dem Schrapnel die Hauptvielleicht dasselbe sogar Einheitsgeschofs werden. Daneben könnte höchstens von einer beschränkten Beibehaltung der Sprenggranate die Rede sein. stelle zukommen,

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

370

Deutschland. In der Dezember - Umschau ist bereits

kurz

der

Einstellung

schwerer Schnellladekanonen in der Marine gedacht worden. Die erste Einführung solcher hatte am 28. April 1892 stattgefunden, damals handelte

es sich um

15 cm Kanonen L/35 ,

10,5 cm L/35 ,

8,8 cm L/30 und 5 cm L/40 . Die am 31. Oktober angeordnete Einstellung bezieht sich auf 24 cm, 21 cm und 15 cm Schnellladekanonen L/40. Vom 24 cm L/40 bestand bereits eine Küstenkanone mit einem Geschofsgewicht von 215 kg ,

sie hat bei 640 m Geschofs-

geschwindigkeit 4488 mt lebendige Kraft und ein Durchschlagsvermögen von 74,7 cm Schmiedeeisen (etwa 55 cm Stahl), durch Anwendung von Würfelpulver C/89 steigert sich die Geschwindigkeit des 215 kg schweren Geschosses auf 700 m mit einer lebendigen Kraft von 5370 mt. Über die 21 cm Kanonen L/40 existiren keine Zahlenangaben, L/35

mit einem Geschofsgewicht von 140 kg ergiebt mit

646 m Geschwindigkeit 2978 mt lebendige Kraft und ein Durchschlagsvermögen von 66,5 cm Schmiedeeisen oder 45 cm Stahl. Die 15 cm Schnellladekanone L/40 hat bei einem Geschofsgewicht von 40 kg und einer Geschwindigkeit von 725 m 1072 mt lebendige Kraft und ein Durchschlagsvermögen von 38,5 cm Schmiedeeisen oder 27,1 cm Stahl. Die Rohrgewichte sind beim 24 cm L/40 31 t oder 620 Ctr. , die Laffete (ohne Schild) wiegt 28,2 t. Die 15 cm Kanone L/40 wiegt 4,508 t gleich 90,16 Centner. Die 21 cm Kanone L/35 wiegt 14,2 t gleich 284 Centner.

Alle diese Zahlen sind den Krupp'schen

Versuchsberichten entnommen ; wenn sie sich auch nicht genau mit denen der Marinegeschütze decken, so geben sie doch ein annäherndes Bild der letzteren. Als

Schnellladekanonen

haben

diese

Geschütze Metall - Kar-

tuschen , welche aber bei den schwersten Kalibern nicht mit den Geschossen verbunden sind. Aus den Metallkartuschen erwächst aufser einer Vereinfachung der Verschlufs-Einrichtung eine grofse Sicherheit für die Bedienung, da ein vorzeitiges Feuerfangen des Pulvers , wie bei Zeugkartuschen in Folge irgendwelcher Zufälligkeiten ausgeschlossen ist . Was die Feuergeschwindigkeit betrifft, so darf man diese bei den grofsen Kalibern nicht zu hoch annehmen , Eine 24 cm Schnellladekanone wird vielleicht im Stande sein, in 2 Minuten 3 Schufs, eine 21 cm in einer Minute 3 Schufs, eine 15 cm in einer Minute. 5 Schufs (nach Andern 8) abzugeben. Die deutsche Marine übertrifft mit ihren grofsen Kalibern von Schnellladern jetzt alle anderen Marinen um ein Bedeutendes , die nicht

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

über

371

das Kaliber von 15 cm hinausgekommen sind.

und L/35

hatte übrigens Österreich bereits.

15 cm L/40

In England hat es die

Privatindustrie (Armstrong) bis zum 20,3 cm Kaliber gebracht, doch ist noch keine Einstellung in die Marine erfolgt. Die Krupp'schen Panzerplatten , welche aus einem besonderen Fabrikationsverfahren hervorgehen , haben unlängst einer Beschiefsung in Ochta (Rufsland) unterlegen. Sie haben eine Stärke von 25,4 cm und sind für die Türme zweier neuer Panzer 97 Petropawlowsk" und ,,Sewastopol" bestimmt. Eine der Platten wurde zu den Versuchen ausgewählt und in solcher Entfernung vom Geschütz aufgestellt, daſs die Auftreffgeschwindigkeit des Geschosses nicht über 690 m betrug. Gefeuert wurde mit Stahlgeschossen der Perm'schen Fabrik aus 20,3 cm Kanonen L/35 . Es wurden 2 Schüsse auf vorher bezeichnete Stellen abgefeuert und ergaben sich in der Platte Eindrücke von 12 cm Tiefe, wobei beide Geschosse mit ihrem Kopfteil beim Aufschlage sich in der Mitte der Höhlung mit der Platte verschweifst hatten, während die übrigen Teile des Geschosses auseinander gesprengt waren . Risse waren in der Platte nicht vorhanden. Das Verhalten der Platte wurde als sehr befriedigend erachtet und dieselbe abgenommen . Die Versuchsplatte wurde dann noch durch einen Schufs aus dem 20,3 cm L/45 durchschlagen,

wobei die Auftreffgeschwindigkeit 850 m , die Geschwindigkeit nach dem Durchschlagen 210 m betrug. (Nach Köln . Zeit. Nr. 1027 auf Grund einer Mitteilung des Kronstadter Westnik). Frankreich. Die Mittelmeerwerke haben ein aus ihrem artilleristischen Etablissement in Havre hervorgegangenes Schnellfeuergeschütz System Canet M/96 veröffentlicht, das in seiner sinnreichen Konstruktion viel Aufsehen erregt. Der Ingenieur Canet ist bekanntlich der artilleristische Leiter des Werkes . Die Beschreibung findet sich in Rev. d'artill. Nov. 96. Das Geschütz kommt in 3 Kalibern und innerhalb eines jeden wieder als schweres und leichtes vor. Länge in Kalibern schweres Kaliber leichtes Geschütz von 75 mm 24 32 "7

"" 77

70 65

17

32

24

35

30

Charakteristisch ist der elastische Laffetenblock,

welcher geteilt

ist und die Bremsvorrichtung aufnimmt, welcher er als Behälter dient. Zur Darstellung gebracht ist nur das 7,5 cm Geschütz, dessen Mafsangaben folgende sind :

Gewicht in kg

372

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

des Geschützrohrs der Laffete . . des feuernden Geschützes des gesammten Geschützes des Geschosses Anfangsgeschwindigkeit m Gasdruck in Atmosphären Zahl der Bedienungsmannschaften Schufs in der Minute ·

Langer Typus.

Kurzer Typus

330 650 980 1555 5,2 600 2200 4 10

250 500 750 1260 4,6 500 2200 4 10

Das Geschütz hat ein Mantelrohr von einfachen Formen.

Der

Verschlufs kommt mit Rücksicht auf die verschiedenen Anforderungen der Besteller in 3 Konstruktionen vor. Der erste Typus hat die cylindrische Verschlufsschraube und bedingt 2 Handbewegungen beim Öffnen wie beim Schliefsen . Das Schlofs spannt sich zur Perkussionszündung selbstthätig. Der zweite Typus hat die konische Verschlufsschraube und bedingt nur eine Handbewegung zum Öffnen oder Schliefsen . Der Handgriff steht anfangs wagerecht nach links heraus.

Durch eine

Rechtsdrehung um 180 Grad werden in der ersten Hälfte der Bewegung die Gewinde frei und in der zweiten wird das Rohr geöffnet. Schliefsen ist analog.

Das

Der dritte Typus soll eine ganz neue Konstruktion darstellen und wird als Verschlufs mit konzentrischem Gewinde bezeichnet. Im geschlossenen Zustande liegt der Handgriff horizontal und nach vorn gekehrt, der seitlich abgeflachte Verschlufskörper hat nach vorn eine ebene, nach hinten eine halbcylindrich ausgehöhlte Fläche. Eine Drehung des Handgriffs um 90 Grad nach abwärts führt letztere Fläche nach oben, welche sich mit der unteren Hälfte des jetzt offenen Rohres deckt und als Ladehülfe dient. An den Seitenflächen des halbkreisförmigen Verschlusses wie den entsprechenden inneren Rohrflächen befinden sich die Gewinde. Dieser Verschlufs ist ungemein sinnreich. Die beiden ersten Typen lassen auch gewöhnliche Liderung Bei allen drei Verschlüssen sind selbstthätig wirkende Auszieher vorhanden, ebenso Sicherung gegen vorzeitiges Abfeuern , Nachbrennen und Ausschrauben . Man kann Perkussions- und elektrische Zündung anwenden, Die Laffete besteht aus zwei nach Art eines Fernrohres in einander verschiebbaren Röhren, von welchen die hintere

das Auflager auf dem Erdboden bildet und hier den Spaten hat ; die vordere führt zur Achse und hat hier den Rohrträger. Im Innern der Röhren sitzt die hydropneumatische Bremse. Mit dem ersten Schusse gräbt sich der Spaten in den Boden ein und stellt sich die hintere Röhre

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somit fest.

Nun tritt die Bremse in Thätigkeit,

373

das Rohr mit dem

oberen Teil der Laffete geht etwas zurück und wird durch die verdichtete Luft wieder vorgebracht. Die Räder haften beim Rücklauf am Boden.

Das Richten von Schufs zu Schufs wird in Bezug auf

dasselbe Ziel erspart. Das Rohr hat eine unabhängige Seitendrehung von 4 Grad nach rechts und links. Beim Versagen der Luftdruckbremse kann die Fahrbremse zum Schiefsen benutzt werden. Das Geschofs und die Metallkartusche werden getrennt transportirt. Der Mann, welcher die Munition ausgiebt, hat beides zusammenzusetzen, was auf einfache Weise erfolgt, sodafs das Laden mit Einheitskartuschen vor sich geht.

Die Vorderteile der Hülsen

leiden so weniger durch die Erschütterungen beim Fahren, die Verpackung ist vereinfacht und das Entnehmen der Munition erleichtert . Die Hülsen sind von Messing oder Aluminium, sie erhalten im Boden . Perkussions- oder elektrische Zündung und am vorderen Ende eine Einrichtung zur Verbindung mit dem Geschofs . Die Hülsen lassen sich mehrmals verwenden, ohne sie erst aufarbeiten zu müssen . Das Hauptgeschofs ist das Schrapnel , dasselbe hat eine Stahlhülse und Kugeln von Hartblei, welche in guſseisernen Scheiben gelagert sind. Die Spitze ist in Gufseisen und trägt den Zünder . Die Sprengladung liegt in einer Bodenkammer, deren Wände durch eine Reihe von gufseisernen Ringen, die

zur Zerteilung vorbereitet Zünder und Sprengladung stehen durch eine eiserne Röhre in Verbindung, um welche herum ein Rauch erzeugendes und zugleich Brand- Mittel liegt . Die Sprengwolke ist bis 4500 m sichtbar. In Mauerwerk dringt das 7,5 cm Schrapnel auf 2000 m noch 80 cm tief ein , ohne zertrümmert zu werden . Aufser sind, gebildet werden .

den Schrapnels giebt es gegen widerstandsfähige Ziele noch Minengranaten mit Bodenzünder. Der Zündkörper ist in Bronze oder Aluminium. Man unterscheidet Doppelzünder mit beschleunigter Tempirung (für Schrapnels) und verlangsamte Aufschlagzünder (für Minengranaten). Die Pulverarten von Canet haben entweder Schiefswolle oder Nytroglycerin als Basis . Nutzbar zur Schrapnelwirkung werden beim Schrapnel von 5,2 kg 60 %, von 4,6 kg 55 %. Die Minengranate hat 0,4 bezw. 0,25 kg Sprengladung. Das Gesammtgewicht der Kartusche ist beim schweren Typus 7 kg, beim leichten 6 kg . Wenn 3000 Atmosphären zulässig sind , lassen sich die Geschwindigkeiten auf 680 bezw. 600 m steigern . Die gröfsten Schufsweiten sind 6800 und 5000 m. Das ausgerüstete Geschütz des schweren Typus wiegt 1555 kg, des leichten 1260 kg, Zuglast pro Pferd 6 spännig 260 bezw. 210 kg, des leichten Typus 4spännig 315 kg . Die Feuergeschwindigkeit läfst sich auf 10 Schufs in der Minute steigern.

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374

Ausgedehnte Schiefs- und Fahrversuche sollen bei der Gesellschaft stattgefunden und befriedigende Ergebnisse gehabt haben . Der „Avenir militaire " vom 1. Januar 1897 berichtet einige Einzelheiten über das neue Feldgeschütz , welche von dem sonst Verbreiteten mehrfach abweichen . Es ist die Rede von starren und von biegsamen Laffeten (à déformation), welche auch als Stauchlaffeten bezeichnet werden.

Von den ersteren heifst es, dafs sie die gänzliche

Unterdrückung des Rücklaufs nicht zulassen, während bei der biegsamen Laffete die Richtung von Schufs zu Schufs sich sehr wenig ändert und eine viel gröfsere Schufsgeschwindigkeit sich ergiebt.

Die

biegsame Laffete zerfällt in 2 Teile, weshalb sie auch geteilte Laffete genannt wird, der untere Teil verankert sich im Boden und steht nahezu fest, der obere Teil hat auf dem ersteren eine Hin- und Herbewegung. Die französische Laffete hat diese Einrichtung. Anfänglich soll man Metallkartuschen verwendet haben, es sollen sich aber manche Übelstände ergeben haben , namentlich wurde die nächste Umgebung des Geschützes durch die sich anhäufenden leeren Hülsen unpassirbar gemacht . Man solle die Schufsgeschwindigkeit nicht in der Vereinfachung des Ladens, sondern in der Beschleunigung des Richtens suchen. Die Zeitschrift erwähnt auch einen Stahlschild zur Sicherung der Mannschaft gegen Schrapnelfeuer, hält aber die Anbringung für eine bedenkliche Gewichtsvermehrung und Behinderung der Bedienung. Was man erstrebe, sei beschränkter Rücklauf, Möglichkeit eines Schnellfeuers auf kurze Entfernung ohne wiederholtes Richten, auf gewöhnlichem Boden feste Stellung, solider Verschlufs , sichere Zündungsweise, Vermehrung der ballistischen Wirkung, Sicherung gegen Schrapnelfeuer. Das neue Geschütz komme allen diesen Forderungen nach ; die Übelstände, welche durch Anhäufung der leeren Metallhülsen am Geschütz entständen, habe man durch Aufgeben der letzteren beseitigt .

Wenn angegeben wird, man könne

bis 30 Schufs in der Minute abgeben, so

erscheint dies doch nur

unter besonderen Voraussetzungen möglich,

wenn nicht überhaupt

übertrieben.

Die Sprenggranate,

welche nicht die erwarteten Ergeb-

nisse liefere, sei aufgegeben . Man beschränke sich auf das Schrapnel, als das wirksamste und allen Verhältnissen beim Schiefsen am meisten entsprechende Geschofs, das in allen Artillerien den Vorrang habe. Mit der Beschleunigung des Schiefsens wachse der Munitionsverbrauch und die Frage der Munitionsversorgung spiele eine Rolle von erhöhter Wichtigkeit. Noch könne man die neue Phase, in welche die Artillerie trete, nicht in ihrer ganzen Bedeutung würdigen, da die Bestätigung durch die Erfahrung mangele , aber was man erstrebe , sei von überzeugender Logik : Einheit des Kalibers, Einheit des Geschosses, Ein-

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

heit der Verwendung.

375

Von Allem, was bisher aus Frankreich über

das neue Geschütz verlautet hat, erscheint diese Betrachtung als die interessanteste und verständigste. Gegen den Übergang zu einem neuen Geschütz wendet sich der bekannte Oberst de Bange , der Konstrukteur des heutigen Geschützes, das letztere sei besser als das Geschütz von Deport und Frankreich thue am besten, bei dem jetzigen Material zu verbleiben . Grofsbritannien . Über die Bestrebungen,

beim Lee - Metford - Gewehr die Ge-

schofskonstruktion der Art zu ändern , dafs die Wunden sich weniger ungefährlich gestalten, haben wir in letzter Umschau bereits berichtet. Weitere Angaben hierüber haben wir an anderer Stelle gefunden . Danach ist es ein Artilleriehauptmann Bertie Clay, der die indische Munitionsfabrik in Dumdam leitet, von welchem ein Versuchsgeschofs hergestellt wurde, das bei den Schiefsproben und gröfseren Schiefsübungen Beifall gefunden hat. Die Geschosse sind der Art, dafs der Nickelmantel sich nach der Spitze zu mehr als früher verdünnt und an dieser den Bleikern frei läfst. Auf den Flug des Geschosses hat dies keinen Einflußs, beim Aufschlag breitet sich die Bleispitze entweder pilzartig aus , oder Bleikern und Nickelmantel lösen sich von einander. In beiden Fällen soll das Geschofs furchtbare Wunden in das Zellgewebe reifsen und beim Austritt ein viel gröfseres Loch zurücklassen, als beim Eintritt.

Die wirkliche Einführung des Ge-

schosses, dessen Wirkung man mit derjenigen von Explosionsgeschossen vergleichen will , ist noch nicht verfügt und wird man vielleicht aus Gründen der Humanität hiervon ganz Abstand nehmen . (Nach Köln. Z. Nr. 1116 von 1896 u. Rev. du cercle mil. Nr. 1 von 1897). Die Admiralität soll nach Angabe englischer Blätter beschlossen haben, die Schiffe des Kanalgeschwaders mit Sprenggranaten auszustatten. Das Sprengmittel ist Lyddit , worunter man Pikrinsäure vermutet. Die Zerteilung soll erfolgen, wenn das Geschofs auf 10 cm in den Panzer eingedrungen ist. Italien . Am kleinkalibrigen Gewehr M/91

kommt es zuweilen vor,

dafs der Auszieher bei Platz- und Exerzirpatronen die Hülse nicht gehörig fafst. Bei scharfen Patronen ist der Fall aufserordentlich selten, fast ausgeschlossen . Man wird trotzdem am Zahn des Ausziehers eine kleine Änderung vornehmen, um das Vorkommnifs auch bei Exerzir- und Platzpatronen auszuschliefsen . Den in Afrika stehenden Truppen sollen die neuen Auszieher nachgesandt werden, Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 102 , 3. 25

376

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

um sie gegen die bisherigen auszutauschen. Nr. 136 von 1896).

(Nach Esercito italiano

Die "7 Italia militare e marina " Nr. 269 tritt endlich dem weit verbreiteten Irrtum entgegen, als habe sich das Gewehr M/91 im afrikanischen Feldzug nicht bewährt. Wir haben s . Z. hervorgehoben , wie das Gewehr M/91

bei den Kämpfen gegen die Abessinier gar-

nicht in Thätigkeit treten konnte, da die Truppen das umgeänderte Gewehr M/70 . 87 führten und wenn Erfahrungen über dessen geringe Wirkung und insbesondere die geringe Gefährlichkeit der Wunden wirklich gemacht worden sind , dies nicht auf Rechnung des M/91 gesetzt werden kann . Erst im Februar wurden die damals abgesandten Truppen damit ausgerüstet, langten aber erst im März an , nachdem die kriegerischen Aktionen beendet waren. Es wird dies in dem genannten Blatte nun auch hervorgehoben . Der vormalige Kriegsminister Mocenni hatte s. Z. im Parlament darauf hingewiesen, daſs über kurz oder lang auf eine Umbewaffnung der Feldartillerie mit Schnellfeuergeschützen gerechnet werden müsse . Wie jetzt verlautet, hat man auch in Italien seit einiger Zeit diese Frage studirt, und man sei in Versuche eingetreten, welche demnächst mit einem nach der Angabe eines hochstehenden Offiziers entworfenen Modell weitergeführt werden sollen . In der Presse hat zuerst die 77 Italia militare e marina “ in ihrer Nr. 10 das Wort ergriffen, indem sie einen längeren Artikel über die schwebende Frage wiedergiebt.

Die Notwendigkeit des Schnellfeuer-

feldgeschützes wird aus den Fortschritten der Gewehrbewaffnung hergeleitet. Man bedürfe ein neues erleichtertes, beweglicheres, präziseres Geschütz, welches seine Wirkung durch Schnelligkeit und Rasanz des Schusses vervielfältigt . Um zu vermeiden, dafs die Artillerie während des Geschützkampfes dem Infanteriefeuer ausgesetzt bleibt, sei es notwendig, die Schufsweiten der ersteren auszudehnen . Vor allem müsse man den Rücklauf beseitigen. Solange man der Notwendigkeit nicht enthoben sei, nach jedem Schufs richten zu müssen, könne man nicht von einem Schnellfeuer reden. In der Nr. 14 wird auf die Mängel des jetzigen 7 cm Gebirgs- und die Schwere des Feldgeschützes hingewiesen und die Notwendigkeit hervorgehoben , dafs Italien in kurzer Frist sein Feld- und Gebirgsmaterial völlig umwandle. Rufsland. Der General Engelhardt hat einen interessanten Vortrag über die Mittel gehalten , über welche die Feldartillerie gegen gedeckte Ziele verfügt. Dies hat zu einem Vergleich des russischen 15 cm Feldmörsers mit den entsprechenden Wurfgeschützen der fremden

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

Mächte geführt.

377

Er kommt dabei auf die Überlegenheit des Mörsers in

Bezug auf Beweglichkeit. Das Gesammtgewicht ist nur 1960 kg, während die 12 cm Haubitze der Franzosen mit 2350 kg, die 12 cm Haubitze von Krupp mit 2100 kg, der 12 cm Mörser der Schweiz mit 2480 kg (ist nach Schweizer Quellen nur 2111 ! ) , Mörser mit 2880 kg angegeben wird.

der österreichische 15 cm Das Geschofs ist allerdings

sehr schwer, aber gut konstruirt, und man hat den Transport durch einen 2rädrigen Munitionswagen erleichtert. Bei den Manövern von Kowno sah man die Mörserbatterien mit der leichten Kavallerie vorgehen.

Als ungenügend wird die Tragweite des Mörsers angesehen,

die nur bis 3200 m geht ; dieses Geschütz auch auf ein weit entferntes Ziel zu wirken. nächst bedürfe

müsse im Stande sein, Dies sei erreichbar ; zu-

es einiger Änderungen an der Laffete .

Man müsse

dieselbe befähigen, einen gröfseren Stofs auszuhalten, indem man die Stützen verlängere und eine Haltekette anbringe .

Dann könne man

die ganze Kraft des rauchlosen Pulvers ausnützen und die erforderliche Schufsweite erreichen. Man zweifelt nicht an der Genehmigung der Vorschläge.

(Rev. d'artill . Oct. 1896.)

Schweiz . Die im September- und Oktoberheft der Schweizerischen Zeitschrift für Artillerie und Genie" enthaltene Kritik der Grundzüge eines neuen Materials für die schweizerische Artillerie " (v. Umschau Dezember 1896 ) wendet sich gegen die Behauptung, daſs eine Verbesserung des 8,4 cm Ordonnanzmaterials, ja sogar das Studium eines solchen kein Interesse mehr habe. Konstrukteur dieses als vorzüglich bezeichneten Geschützes ist der Oberst-Korpskommandant Bleuler und werden Verbesserungen angeführt, welche die Gufsstahlfabrik Krupp bei Konstruktion von 8,4 cm Kanonen für verschiedene Staaten Europas angebracht habe, sowie Vorschläge der Art, welche vom Oberst Bleuler herrühren. Gegen das Kaliber von 7,5 cm, für welches sich die Grundzüge entscheiden, wird eingewandt,

dafs ein

wirkungsvolleres Geschütz mit geringerer Beweglichkeit vor einem weniger wirkungsvollen mit gröfserer Beweglichkeit den Vorzug haben wird und mufs . Es wird als Widerspruch bezeichnet, dafs das neue Geschütz bei 4 spännigem Zug 400 kg Belastung pro Pferd, das ältere 6 spännige nur 390 kg hat und trotzdem das erstere als beweglicher hingestellt werde. Von erleichterter Bezugnahme einer Feuerstellung könne somit keine Rede sein . Referent wendet sich auch gegen die Bezeichnung der Querschnittsbelastung durch Reduktion auf die Kugelform mit Kaliber-Durchmesser, worin wir ihm völlig beipflichten. 25*

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

378

Die Mehrdotirung von Munition scheint dem Referenten in keinem Verhältnifs zum Schnelllader zu stehen, denn wenn letzterer statt 875 nur 1056 bezw. 1152 Schüsse in der Batterie (von 6 Geschützen) aufweist, wie die Grundzüge wollen, so steht die Vermehrung nicht im Verhältnifs zu der wie 3 : 1 gesteigerten Feuergeschwindigkeit . Referent ist nicht damit einverstanden, dafs dem Schraubenverschlufs mit plastischer Liderung der Vorzug gebühren soll, denn beim Keilverschlufs sei dem Referenten kein Fall von Abreifsen oder Durchschlagen desselben bekannt, wohl aber könnten

mannigfache Fälle

des Lostrennens der Verschlufsschraube konstatirt werden (von Vorkommnissen der Art beim französischen Schraubenverschlufs könnten wir mit einem ganzen Register aufwarten !) .

Als Liderungs-

system giebt Referent der Metallpatronenhülse den Vorzug (auch damit sind wir einverstanden ! ) . Mit dem gänzlichen Wegfall der Granaten will Referent sich nicht befreunden, für Spezialfälle wünscht er Stahlgranaten mit starker Pulverladung und langsam wirkendem Perkussionszünder. Eine Besprechung der Fahrzeugsysteme wird

vermifst. Referent wünscht ein Geschofs von 6,7 kg, eventuell 7,2 kg, auch dann könnte das 7,5 cm noch 500 m Anfangsgeschwindigkeit haben. Auf die VerEr verlangt Beibehaltung des 6 spännigen Zuges . einheitlichung der Munition für Feld- und Gebirgsgeschütze legt Referent keinen Wert. Ein Geschützmaterial, das aus mindestens 400 Feldgeschützen besteht, brauche dem Gebirgsgeschützmaterial von ca. 24 Geschützen keine solchen Opfer an Wirkung zu bringen , wie es in den Grundzügen geschieht . Eine Verbesserung des Geschützmaterials ohne Einbufse an Geschofsgewicht erscheint ihm möglich. Anerkannt wird, dafs die Grundzüge mit vielem Fleifs und Geschick bearbeitet sind, wenngleich mit den Schlufsfolgerungen nicht überall Einverständnifs herrsche. Wir möchten noch bemerken, dafs die Tabelle, welche wir Seite 324 wiedergegeben, noch einer Erläuterung hinsichtlich der Zahl der

auf

dem Geschütz bezw. Munitionswagen fortzuschaffenden Mannschaften bedarf, denn hier ergeben sich grofse Unstimmigkeiten .

Das Projekt-

Geschütz wird durch die aufsitzende Mannschaft 460 kg schwerer, das augenblickliche Schweizer Geschütz aber nur 340 kg, letzteres nimmt 5 Mann auf, was à 75 kg ein Mehr von 375 kg ergäbe, ersteres soll nur 4 Mann fortschaffen, während die Differenz reichlich für 6 Mann reicht . Ähnliches ergiebt sich bei den Munitionswagen.

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379

Schweden. Das neue Gewehr M/1896 des Systems Mauser hat das Kaliber von 6,5 mm. Das Geschofs wiegt 10,1 g, hat 30,4 g Querschnittsbelastung auf den qcm, 2,6 g Schiefswollpulver Ladung. Die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses beträgt 730 m. Die Patrone wiegt 22 g, das Gewehr 3,8 kg, die Rückstofsarbeit beträgt 0,73 mkg. Der Mann führt 150 Patronen mit und vermag 20 bis 25 Schufs in der Minute abzugeben . Der Lauf ist 687 mm lang, hat 4 Züge von 30,8 Kaliber Drall- Länge und ist einteilig.

Mit Bajonnet ist das Gewehr 1,23 m lang .

Es

hat ein Treppenvisir, das von 100 zu 100 m bis auf 2200 m eingeteilt ist. Der Cylinderverschlufs hat Drehbewegung und ist mit Auswerfer versehen . Das Magazin nimmt 5 Patronen auf, der Patronenhalter tritt nicht mit ein. Das Gewehr hat ein Haubajonnet. Der Gasdruck im Lauf beträgt 3000 Atmosphären.

Das Geschofs

ist 4,77 Kaliber lang und hat einen Kupfernickelmantel. Es dreht sich in der Sekunde 3650 Mal. Die Patronenhülse hat eine Einkerbung. Der Patronenhalter wiegt 5,4 g, gleich 4,9 % des aufzunehmenden Patronengewichts . Der Karabiner M/94 hat die gleiche Konstruktion wie das Gewehr, nur ist derselbe verkürzt und wiegt nur 3,3 kg. Die Geschofsgeschwindigkeit ist 660 m. Das niedergelegte Visir entspricht der Entfernung von 300 m ; aufgerichtet entspricht es den Entfernungen von 400 bis 1600 m ; die Einteilung geht von 100 zu 100 m. Vom Feldgeschütz existiren 2 Kaliber. Das grössere Kaliber wird als 8 cm Kanone M/81 bezeichnet und hat 8,4 cm Seelendurchmesser. Es ist ein mit dem Krupp'schen Rundkeilverschluſs und Broadwell-Liderung versehenes Stahlmantelrohr. Ein Teil der Batterien hat ein Rohr mit dem Schraubenverschlufs von de Bange , dasselbe heifst M/94 und stimmt im Übrigen mit M/81 überein. Die ganze Länge des Rohres ist 2,3 m, die nutzbare Seelenlänge ist 21,9 Kaliber. 33 Kaliber.

Es

sind 24 Züge mit

wachsendem Drall von 80 bis

Das Rohr wiegt 460 kg .

Man wendet neuerdings rauch-

loses Pulver an, die Ladung beträgt 0,61 kg, Geschofsgeschwindigkeit 470 m, höchster Gasdruck 1400 Atmosphären. Die Geschosse sind Schrapnels, Granaten und Kartätschen. Schrapnel von Stahl wiegt

6,8 kg,

Das

hat 267 Hartbleikugeln von

10,5 g Gewicht, Vorderkammer und ergiebt gegen 300 Sprengteile . Eine ältere Konstruktion

von Gufseisen liefert nur 150 Sprengteile.

Die Ringgranate wiegt 6,7 kg und ergiebt 120 Sprengteile. Die Kartätsche hat 200 Kugeln. Das Geschütz hat 32 Schufs in der

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

380

Protze und ist im Ganzen mit 148 Schufs ausgerüstet, davon 78,9 % Schrapnels, 18 % Granaten, 3,1 % Kartätschen. Das Gesammtgewicht des ausgerüsteten Geschützes ist 1960 kg, Zuglast pro Pferd (6 spännig) 326,7 kg. Das kleinere Kaliber (für die reitenden Batterien) wird als 7 cm Kanone M/87 bezeichnet und hat 7,5 cm Seelendurchmesser. Es ist ein Stahlringrohr mit dem Schraubenverschlufs nach de Bange . ganze Länge

des

22,13 Kaliber.

Rohres

ist

2,055 m,

die

nutzbare

Die

Seelenlänge

Das Rohr hat 20 Züge mit wachsendem Drall und

wiegt 322 kg. Die Ladung von rauchlosem Pulver beträgt 0,38 kg und verleiht dem Geschofs von 4,7 kg eine Geschwindigkeit von 430 m bei einem höchsten Gasdruck von 1400 Atmosphären. Die Geschofsarten sind wie beim 8 cm. Das Schrapnel von Gufseisen hat 104 Hartbleikugeln von Ringgranate erzeugt

12,7 g und ergiebt 120 Sprengteile. 90 Sprengteile . Die Kartätsche

Die hat

146 Kugeln. Die Protze hat 36 Schufs, an der Laffete sind 3 Kartätschen, das Geschütz ist im Ganzen mit 187 Schufs ausgerüstet, davon 83,4 % Schrapnels, 12,9 % Granaten, 3,7 % Kartätschen. Gesammtgewicht des ausgerüsteten Geschützes ist 1560 kg, pro Pferd 260 kg.

Das

Zuglast

Die Festungs - Artillerie umfafst 17 cm Kanonen M/76, 16 cm Kanonen M/91 , 16 cm Haubitzen M/85, 12 cm Kanonen M/79 , desgl . M/85 , 12 cm Haubitzen M/91 , 8 cm Kanonen M/81 , sowie 6 cm und 5 cm Schnellfeuer- Kanonen ohne Modellbezeichnung.

Es sind sämmtlich

Hinterlader, 17 cm M/76 , 12 cm M/79 und 12 cm Haubitzen haben gufseiserne Röhre mit Stahlbereifung, die übrigen sind aus Martinstahl und mit Ausnahme der 16 cm Haubitze M/85 Mantelrohre. Die Verschlüsse haben den Schraubenmechanismus mit Broadwellring, nur 6 und 5 cm haben den Keilverschlufs. Geschosse sind Granaten , Schrapnels

und

Kartätschen.

Die

Granat-Gewichte

sind

17 cm

42,5 kg, 16 cm 32,2 kg, 12 cm 16,8 kg, 8 cm 6,7 kg, 5 cm 1,5 kg, die Schrapnel- Gewichte 17 cm 39 kg (213 bezw. 232 Kugeln zu 12,7 g), 8 cm 6,8 kg (267 Die Küsten - Artillerie

51,2 kg ( 355 Kugeln zu 24 g ) , 16 cm zu 24 g) , 12 cm 16,9 kg ( 180 Kugeln Kugeln zu 10,5 g). zählt 27 cm Kanonen M/74, 24 cm

24 cm Haubitzen M/94, die 3 älteren aus Gufseisen mit Stahlbereifung, die anderen haben StahlMantelrohre. (Nach ,,Vapenlära " [Waffenlehre] von Kapten Arvid Rudling , Stockholm 1896. ) M/70 und 73 ,

24 cm Kanonen M/92,

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

381

Portugal. In Steyr sind 4000 Repetirkarabiner M/96 des Systems Mannlicher bestellt worden. Das Kaliber ist 6,5 mm, der Lauf 45 cm, der gezogene Teil der Seele 38,73 cm lang, der Züge sind 4 mit 20 cm Dralllänge, 0,15 mm Tiefe. Züge und Felder sind von gleicher Breite. Das Magazin nimmt 5 Patronen auf. Das Geschofs hat Hartbleikern und Nickelmantel, die Ladung beträgt 2,45 g Pulver von Schwab M/92 . Die Geschofsgeschwindigkeit soll 640 bis 666 m betragen. Die höchste Ordinate der Flugbahn auf 250 m ist 25 cm , auf 1700 m 41 m. Für Kolonialzwecke sind 200 Karabiner mit Säbelbajonnet bestellt.

Die Marine erhält

1000 Gewehre desselben

Kalibers, bei welchen mit der gleichen Patrone die Geschofsgeschwindigkeit 700 m beträgt.

(Rivista di artigl. e genio Sept. 1896). Nordamerika.

Nach dem „ Annual Report of the Chief of Ordnance " für Mitte 1895 bis 1896 haben mit folgenden Schnellfeuergeschützen von 12 cm Kaliber Versuche stattgefunden, für welche dasselbe Programm aufgestellt war : Konstruktionen von Schneider , von Canet , von Hotchkiss , von Armstrong , aufserdem ein teilweiser Versuch mit dem 4zölligen Schnellfeuergeschütz ( 10,2 cm) von Driggs - Schröder. Das Programm umfafste : Geschofsgeschwindigkeit, Trefffähigkeit, Feuergeschwindigkeit absolut und unter Berücksichtigung der Trefffähigkeit, Schrapnelwirkung gegen Stahlplatten, Streuung der Sprengteile, Empfindlichkeit gegen Verschmutzung , mangelhafte Hülsen und Dauerversuch.

Rost, gesteigerte Ladungen,

Das Rohr von Schneider ist 50 Kaliber lang und wiegt 7168 Pfund (3261,3 kg), das Geschofs 48,4 Pfund (21,85 kg), die Ladung braunes primatisches Pulver 26,5 Pfund ( 12 kg) , rauchloses 18,2 Pfund ( 8,2 kg) . Die gröfste Geschofsgeschwindigkeit ist 2570 Fufs (783 m), Gasdruck 35600 Pfund auf den Quadratzoll ( 2505 kg pro qcm). Die Zahl der Schüsse in 3 Minuten war 19 , davon in der ersten Minute 8. Zur Reinigung des mit Sand verunreinigten Verschlusses und Abgabe von 5 Schufs wurden erfordert 41 Min. 44 Sec. Das Rohr von Canet ist 40 Kaliber lang und wiegt 5830 Pfund (2643 kg), das Geschofs ist 46,2 Pfund (20,9 kg) schwer und die Ladung beträgt 11 Pfund (4,99 kg) rauchloses Pulver BN. Die Geschofsgeschwindigkeit betrug bei

10,5 Pfund ( 4,76 kg) 2131 Fuls

(649 m) bei einem Gasdruck von 34200 Pfund auf den Quadratzoll (gleich 2407 kg auf den qcm) (im Winter erschossen). 8,25 Pfund (3,74 kg) Cordit ergaben 2400 Fufs (731,5 m) bei 34000 Pfund

Umschau auf militärtechnischem Gebiet.

382

(2393 kg) .

In 3 Minuten wurden 18 Schufs abgegeben.

Beim Ver-

such auf Präcision und Feuergeschwindigkeit trat, während der Verschlufs geschlossen wurde, eine vorzeitige Entzündung der Ladung ein, welche den Verschlufs unbrauchbar machte. Der Versuch wurde damit abgebrochen. Das Rohr von Hotchkiss ist 40 Kaliber lang und wiegt 4370 Pfund ( 1989 kg) .

Bei einem Geschofs von 55 Pfund ( 24,9 kg) ergaben sich

mit 10 Pfund ( 4,54 kg) Pulver BN 1833 Fufs ( 558 m) Geschwindigkeit bei einem Gasdruck von 24390 Pfund auf den Quadratzoll (1716 kg pro qcm) . Ein Geschofs von 36,25 Pfund ( 16,44 kg) ergab 2048 Fufs (624,2 m) Geschwindigkeit. Mit dem leichteren Geschofs ergaben sich 7 Schufs in der Minute. langsam verbrennend .

Das Pulver erwies sich als

zu

Bei Anwendung eines amerikanischen Pulvers

in entsprechender Quantität trat ein Springen des Geschützes ein . Das Rohr von Armstrong ist 41 Kaliber lang und wiegt 4676 Pfund ( 2121,5 kg) .

Das Geschofs wiegt 45 Pfund

5,5 Pfund ( 2,49 kg) Cordit betrug die

(20,41 kg),

mit

Geschwindigkeit 2204 Fuſs

(671,7 m) bei einem Gasdruck von 32000 Pfund auf den Quadratzoll (2252 kg auf den qcm) . Auch hier wurde der Versuch nicht zu Ende geführt, da der Verschlufs durch ein Vorkommnifs an der Entzündungs-Vorrichtung ungangbar wurde und gröfsere Reparaturen zur Herstellung des Ganges nötig gewesen wären. Das Rohr von Driggs - Schröder ist 41 Kaliber lang und wiegt 3500 Pfund (1587,6 kg). des Geschosses fehlen. gegeben.

Angaben über Gewicht und Geschwindigkeit In 2 Min. 34 Sec. wurden 25 Schufs ab-

Bei der Sandprobe konnte nach 1 Min . 15 Sec. ein Schufs

abgegeben werden. Bei der Probe mit beschädigten Hülsen trat eine Beschädigung ein, doch konnte das Geschütz rasch wieder in Stand gesetzt werden .

Der Mechanismus wurde als einfach , sicher und sehr

geeignet für ein Schnellfeuergeschütz erkannt. Das Vorliegende ist nur ein kurzer Auszug aus dem Bericht und konnte auf die Einzelheiten bei den mehrfachen Vorkommnissen nicht eingegangen werden, da die nähere Beschreibung des Mechanismus fehlt. Verschiedenes . Automobile Fahrzeuge , d . i. Fuhrwerke mit eigener Triebkraft, wie Elektrizität, Petroleum- , Benzin-Motor etc. haben in neuerer Zeit eine gröfsere Bedeutung gewonnen , so daſs man sie jetzt bereits als regelmässige Beförderungsmittel auf Landstrafsen zu verwerten gedenkt. Sie gewinnen zugleich eine militärische Bedeutung, namentlich als Transportmittel im Rücken der Armee . In Italien hat man

Umschau in der Militär- Litteratur.

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bereits vor längerer Zeit mit Rücksicht auf den Mangel an Vorspannpferden mit der Benutzung von Strafsenlokomotiven zur Beförderung von Lastzügen begonnen. Die Fortschritte der selbstthätigen Beförderungsmittel in neuester Zeit räumen diesen auch an anderen Orten eine Berechtigung ein, zu militärischen Transporten zu dienen . Ballon - Material ist nach der 77 Schweizerischen Zeitschrift für Artillerie und Genie" Nr. 12 von 1896 dort noch immer nicht endDie Zeitschrift tritt mit Nachdruck dafür ein, indem sie zugleich die Verhältnisse in anderen Staaten zur DarEin besonderer Abschnitt ist der Feuerwirkung stellung bringt. gegen den Ballon gewidmet. Es geht daraus hervor, dafs Gewehrgültig angenommen.

feuer dem Ballon für den Augenblick keinen Schaden bringt, da die Löcher durch Gewehrgeschosse zu klein sind, um einen merkbaren Gasverlust zu erzeugen . Aber auch dem Artilleriefeuer kann sich der Ballon durch Innehalten einer Maximaldistanz, durch Aufsteigen. in beträchtliche Höhe, sowie durch horizontale und vertikale Bewegung, die vom Kabelwagen auszugehen hat, entziehen, ohne dafs der Zweck der Beobachtung verloren geht.

XXIX .

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I. Ausländische Zeitschriften. Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (Januar 1897.) Zur Duellfrage. (Von A. K. Hauptmann.) Zur Duellfrage. (Von General- Auditor Sauer-Czáky) . Ein Wort zu § 20 der Instruktion für die Waffenübungen des k. u. k. Heeres . Isolirung und Flankirung (II. Hochkirch. III . Magenta- Solferino) . - Das Trachom und die Heeresergänzung Nachtmärsche. Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. ( 1897.) LIV. Bd. 1. Heft: Die Okkupation der Donau - Fürstentümer durch das serbischbanater Korps, 1854 bis 1857. - Ein neuer Studienbehelf für „ Allgemeine Kriegsgeschichte" von E. v. H. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. 1897. 1. Heft : Organisation und Wert beständiger Befestigungen . Von Frh. v. Leithner, k. u. k. Oberstlt . Herstellung und Verwendung von Zeltbooten nach System Czerny ; von Seidel, k. u . k. Oberlt.

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Armeeblatt. (Österreich.) 1897. Nr. 1 : Das Centenarium der VolksHymne. In Pension . Nr. 3 : Parlaments-Generale. - Brauchen wir geschickte Lehrer? Schnellfeuer-Kanone, System Canet, Modell 1896 . Übungen der russischen Reichswehr und deren Ergebnisse . Nr. 4 : Die Armee und die Wahlbewegung. Wann die Volkshymne in der Armee eingeführt ward. - Für den Frontdienst. Militär-Zeitung. (Österreich .) 1897. Nr. 1 : Das Militärjahr 1896 . Nr. 2 : Militärische Rüstungen. Die vorjährigen französischen Flottenmanöver. Nr. 3: Schnellfeuer. Kanone System Canet. ― Die vorjährigen französischen Flottenmanöver (Forts. ) . Nr. 4 : Der Offizier als Wähler. Der englisch-amerikanische Schiedsvertrag. ― Erinnerungen an den BeresinaÜbergang. Journal des sciences militaires. (Januar 1897.) Anleitung zum wissenschaftlichen Studium der Taktik (Schlufs). - Handfeuerwaffe und Verwendung der Artillerie bei der Verteidigung von Schiefsvorschrift. Allgemeine Anordnung einer Festung mit vorgeschobenen Festungen. Veränderungen Forts (Forts .). -- Die Rekrutirung der Spezialwaffen. Visirlinien. und gegenwärtige Lehren der physikalischen Geographie. Der österreichische Erbfolgekrieg (1740-1748) . - Friedrich der Grofse (Forts.) . - Ein neues Buch über die Manöver. Le Spectateur militaire. (15. Dezember 1896.) General Trochu, geschichtliche und psychologische Studie. ― Die Territorial-Armee 1896 . Die Dekorationen , Bericht über das Kriegsbudget 1897 (Forts.) . Kreuze und Medaillen (Forts.) . ( 1. Januar 1897. ) Nachruf an das Jahr 1896. Einige deutsche Ansichten über Offizier-Patrouillen . - Bericht über das Kriegsbudget . Die Dekorationen etc. (Forts.). Revue militaire universelle. (Januar 1897. ) Studien über HeeresOrganisation. Studie über den Roman ,,Krieg und Frieden" von Tolstoi, vom militärischen Standpunkte von General Dragomiroff (Schluſs). Bündnisse. - Konnte Marschall Bazaine 1870 Frankreich retten ? Übers. des Werkes von Major Kunz (Forts. ) . - Aufzeichnungen eines Freiwilligen im II. Kavallerie- Regiment der Vereinigten Staaten (Forts.). Tagebuch eines Feldzuges in Westindien (Forts .). Revue du cercle militaire. 1897. Nr. 1 : Die Militärradfahrer bei den grofsen Manövern in Österreich- Ungarn. Wie die Deutschen ihre Kolonien kolonisiren und schützen. - Das Grenzwachtkorps in Rufsland. -Nr. 2 : Organisation und Verwendung der Radfahrer- Truppen. Die Ausnutzung der eingeborenen Truppen in den englischen Kolonien. Nr. 3: Organisation und Verwendung der Radfahrer-Truppen. Ein Blick auf die deutschen Kolonien . Neue Vorschriften des Generals Dragomiroff. Nr. 4 : Die alten Soldaten. - Organisation und Verwendung der Radfahrer-Truppen (Schlufs). Nr. 5 : Die chinesische West-Eisenbahn. MarsDas Generalstabskorps la-Tour ; Erinnerung an den 16. August 1870. in der russischen Armee. Anschauungs-Unterricht in der Armee. Revue d'Infanterie. (Januar 1897.) Nr. 121 : Studie über das GeManöver, von wehr M/1886 und seine theoretische Leistung (Forts.). -

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General Philibert (Forts.). Geschichte der Infanterie in Frankreich (Forts.) . Sonder-Ausbildung der Aufklärer der Infanterie. Revue de Cavalerie. (Dezember 1897. ) Briefe eines Kavalleristen (Neue Folge). Taktik und Bewaffnung (Forts .) . - Das Exerzir- Reglement Reitausbildung. der russischen Kavallerie . 2. Teil. Bautzen, 20. bis 21. Mai 1813. (Mit Karte) . Freiwillige Aufklärer. - Liebe zum Pferde. - Ein Wettrennen in Genua, Juni 1896. Revue d'Artillerie. (Januar 1897.) Anmerkung über den Luftwiderstand bei kleinen Geschwindigkeiten, ergänzt durch eine Anmerkung über Verwendung der Kriegswaffen und der Kriegsmunition beim Schiefsen auf der Jagd. Das Material der spanischen Feld- und Gebirgsartillerie. Anmerkungen über die Rekruten-Ausbildung bei der deutschen FeldArtillerie. - Die Artillerie bei Beginn der Revolutionskriege. Revue du Génie. (Januar 1897 ) . Arbeiten und Operationen der

Genietruppe während des Feldzuges in Madagaskar. Eindringungsfähigkeit des portugiesischen Gewehrgeschosses. L'Avenir militaire. Nr. 2168 : Das Schnellfeuergeschütz . Nr. 2169 : Neu-Organisation der Feldtelegraphie. Nochmals das Schnellfeuergeschütz . Nr. 2170 : Die grofsen Militär- Übungslager in Deutschland. Die Feldtelegraphie der Kavallerie. Nr. 2171 : Die grofsen Übungslager etc. (Schlufs) . -Schnellfeuergeschütz in Spanien . - Neue Mitteilungen über die KavallerieTaktik in Deutschland . Die Disziplin Le Progrès militaire. Nr. 1689 : Das Jahr 1896. in den Kasernen . Nr. 1690 : Offizierheiraten ; wendet sich gegen den Vorschlag, den Heiratskonsens zu beseitigen. Artillerie und Genie. Nr. 1691 : Artillerie und Genie II. - Die Marine in Madagaskar. Nr. 1693 : Die vierten Bataillone und die allgemeine Organisation . Nr. 1694 : ArtillerieMassenmanöver. - Der Cadre und die vierten Bataillone . Nr. 1695 : Die Ober-Kommandos. Die Franzosen in der Fremde und die einjährige Dienstzeit. Nr. 1696 : Der Bericht über die Kolonial- Armee. La France militaire. Nr. 3820 : Nochmals die Initiative . I. Knüpft an die etwas seltsame Erklärung des General St. Mars an : Initiative ist die Kunst, die erhaltenen Befehle geschickt und getreu auszuführen . Die Militär - Radfahrer. IV. Nr. 3821 : Armee - Manöver. Notwendigkeit eines strategischen Grundgedankens. Die Nachteile des Mangels eines solchen bei den Manövern unter Cailliot werden nachgewiesen. Nr. 3822 : Nochmals die Initiative. II. Die einjährige Dienstzeit. Erwiderung an den Deputirten Jaurès. Nr. 3823 : Nochmals die Initiative. III. Nr. 3826 : Aufgepafst ! Warnung hinsichtlich einer Neubewaffnung der Feldartillerie in Deutschland. Nr. 3825 : Nochmals die Initiative . IV . Nr. 3827 : Das Artillerie-Material. Aufforderung, sich von Deutschland nicht zuvorkommen zu lassen. Nr. 3831 : Artillerie und Genie. Nochmals die Verschmelzung . Vorschlag Boudenoot. Nr. 3836 : Frankreich ! Das verflossene Jahr wird als sehr wichtig hingestellt : Madagaskar in Besitz genommen, Tonkin gedeiht, Algerien auf gutem Wege, die Welt-Ausstellung mit imposanter Mehrheit notirt, endlich der Czarenbesuch, welcher das Bündnifs besiegelt

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hat, man soll sich aber durch die Ergebnisse nicht verblenden lassen, sondern weiter arbeiten, sich ja keine Verkürzung der Dienstzeit abzwingen . lassen. Nr. 3837 : Artillerie und Genie. Vorschlag Boudenoot. II . Nr. 3838 : Die Ehe der Offiziere. Gegen die Freigebung des Heiratens der Offiziere. Nr. 3839 : Armee-Manöver. Erkundungsdienst. Nr. 3840 : Die deutsche Artillerie. Nr. 3841: Die Kavallerie, ihr Wert, ihre Rolle, ihre Wichtigkeit. I. Nr. 3843 : Artillerie und Genie . Vorschlag Boudenoot. III. Nr. 3844 : Das Alter der Generale in Frankreich und Deutschland 1870/71 . Das mittlere Alter der Befehlshaber in Frankreich war 58 Jahre, im deutschen Heere, die 3 Prinzen, welche Armeen befehligten, abgerechnet mehr als 64 Jahre. La Belgique militaire. Nr. 1339 : Hoffnungen und Wünsche. Von Kirundu zum Tanganika. Nr. 1340 : Dasselbe (Schlufs) . Nr. 1341 : Der König, die Armee und das künftige Kriegsministerium . Nr. 1342 : Unsere Mexikaner. Die Befehlserteilung in den Depots. -- Monument für die vor Antwerpen 1832 gebliebenen französischen Soldaten . - Neue organische Zusammensetzung der Infanterie. Nr. 1343 : Über Vermehrung der Bevölkerung und ihre Folgen für das Heer, von Generallt. Brialmont. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Dezember 1896 ) . Memorial des Generalstabsbureau an das schweiz . Militärdepartement betreffend Einführung des militärischen Fesselballons bei der schweiz. Armee. - Die bourbakische Armee im deutsch-französischen Kriege (Schlufs). Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Dezember 1896) . Verzeichnifs der aus der Artillerie- Offizierbildungsschule II. hervorgegangenen Lieutenants der Artillerie und des Armeetrains. -- Verzeichnifs der aus der Genie-Offiziersschule hervorgegangenen Genie - Lieutenants. Beförderungen und Veränderungen im Offizierkorps der Artillerie und des Genie. Bei St. Hubert, 18. August 1870 . Revue militaire suisse. (Januar 1897) . Ausbildung der Infanterie durch die Truppenoffiziere. - Einige ballistische Probleme. Die Halbbataillone der Genietruppe und die Initiative . - Einige Betrachtungen über Militärbrücken. Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung. 1897. Nr. 1 : Der japanesische Soldat. Nr. 3 : Das neue französische Militärbudget . - Die Herbstmanöver des III. Armeekorps (Schlufs). geschützfrage in Deutschland und anderwärts.

Nr. 4 : Die Schnellfeuer-

Army and Navy Gazette. Nr. 1925 : Mr. Brodricks Rede über die Armee betont die zweckentsprechende Verwendung der vom Parlameut bewilligten Geldmittel in allen Zweigen des Heerwesens . - Die FeldTelegraphic . Betrachtung über den gegenwärtigen Zustand dieses Dienstzweiges. Positions-Batterien der Volunteers. Die Errichtung bespannter 16 pfündiger Batterien und Übungen in deren Massen-Verwendung unter einheitlicher Leitung wird gefordert. - Der Feldzug in den Pyrenäen 1813. Probe-Mobilmachung. Bericht über diese von Vortrag des Oberst Adam. einem Wallisischen Regiment . - Unzufriedenheit in der Kavallerie . Behauptet , dafs diese Waffe den anderen gegenüber seitens des Kriegs-

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ministeriums vernachlässigt würde. - Operationen in Nyassaland. Nr. 1926 : Die Lage in Egypten. Betrachtung über die politischen Verhältnisse, besonders Frankreich und Rufsland gegenüber. - Zufall und Glück. Bespricht die Bevorzugung der Offiziere bei Teilnahme an den kriegerischen ExpeNr. 1927 : Die Königlichen Verditionen und die Ordensverleihungen. ordnungen. Besprechung der im Laufe des letzten Jahres ergangenen Die Vereinigten Staaten abändernden und neuen Dienstvorschriften. und Kuba. Militär-politische Betrachtung über die Stärkeverhältnisse Nordamerikas gegenüber Spanien. Nr. 1928 : Das Army- Service-Corps. CharakDie Organisation der teristik des gesammten Fuhrwesens für das Heer. Artillerie. Notwendigkeit, die sieben verschiedenen Arten der Artillerie zu vereinfachen. Gegenwärtig giebt es 1. Reitende Artillerie. 2. FeldArtillerie. 3. Gebirgs - Batterien . 4. Feld-Haubitz- Batterien. 5. BelagerungsArtillerie. 6. Festungs- Artillerie. 7. Geschütz-Zusammenstellung für beLord sondere Zwecke. --- Das militärische Jahr 1896. Ein Rückblick. Wolseley und die Armee. Anerkennende Besprechung der Leistungen des Höchstkommandirenden auf verschiedenen Gebieten der Organisation und Ausbildung des Heeres. Nr . 1929 : Ersatz für die Losung. Der Generallieutenant Sir Henry Havelock-Allan schlägt vor, die allgemeine Wehrpflicht für die Miliz einzuführen, nur dadurch sei es möglich, im Kriegsfall das Heer auf die erforderliche Stärke von 2 Millionen Mann in ― Die Schiefsausbildung in Indien . - Der Herzog 12 Jahren zu bringen . von Cambridge über die Volunteers. - Französische und deutsche Artillerie. Schilderung der Versuche , welche in Deutschland mit der notwendig Die werdenden Einführung eines neuen Feldgeschützes gemacht sind. Urteile über das Heer. Betont die Notwendigkeit der Vermehrung, die Flotte allein genüge nicht zum Landesschutze. Russischer Invalide. Nr. 265 : Personalveränderungen : General der Kavallerie Scheremetjew, Oberbefehlshaber der Truppen des MilitärBezirks Kaukasus und stellvertretender Heeres-Ataman der Kaukasischen Kasaken-Heere , ist zum Mitglied des Reichsrats ernannt, d. h . zur Disposition gestellt. Nr. 266 : Der erkrankte Kriegsminister wird durch den Chef des Hauptstabes, General Obrutschew vertreten . ― General-Lieutenant v. Prittwitz, unter Kaiser Alexander II . Kommandant des LeibgardeUlanen- Regiments und in der Suite Sr. Majestät, seit 1883 Kommandant der 1. Brigade des Kavallerie - Ersatzes, ist gestorben. Nr. 267 : Beim Regimentsfeste des 137. Infanterie - Regiments Njeshin, dessen Chef die Grofsfürstin Wladimir (Herzogin Marie von Mecklenburg - Schwerin) ist, wurden wiederum mit dem 137. französischen Infanterie-Regiment „ freundDas Gewehr Leeschaftliche Begrüfsungs - Telegramme" gewechselt. Metford in Tschitral und Süd-Afrika ; beide Feldzüge sollen die UnzuNr. 275: länglichkeit des englischen Armee- Gewehrs bewiesen haben. Die Verordnung vom Jahre 1891 über Ausrüstung der Kavallerie- und Kasaken-Regimenter 1. Aufgebots mit Spreng- (Pyroxilin-) Patronen und Werkzeugen zur Zerstörung von Eisenbahnen und Telegraphen wird auch Der bisauf die (44) Kasaken - Regimenter 2. Aufgebots ausgedehnt.

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herige Oberbefehlshaber der Truppen des Militär- Bezirks Kaukasus, General der Kavallerie Scheremetjew ist am 27. Dezember in Moskau verstorben. Nr. 274: Kriegsministerial- Verfügung, wonach die Kommandeure des 19 . und 20. Schützen-Regiments (in Ssuwalki) durch den Oberbefehlshaber der Truppen des Militär-Bezirks Wilna dafür zur Verantwortung zu ziehen sind, dafs ihre Mannschaften während der Beurlaubungen zu Ernte- Arbeiten in das „ Ausland" gegangen sind und dort, des höheren Verdienstes halber, Arbeit genommen haben . Nr. 273 : Das hundertjährige Jubiläum des Feldjäger- Korps. Nr. 268 : Schiefs - Bemerkungen : Zur Frage der Schiefsausbildung bei unseren Truppen ; von A. Batakow. Verfasser ist der Ansicht, dafs es an der Zeit wäre von dem in der russischen Armee eingeführten ,,Massenschiefsen" zum Einzelschiefsen überzugehen, d . h . nicht immer gleichzeitig mehrere Bataillone auf einem Schiefsplatz schiefsen und die Treffer erst nach Abgabe sämmtlicher 5 Schufs anzeigen zu lassen, sondern die Mannschaften einzeln auszubilden und jeden einzelnen Schufs anzeigen zu lassen, wie es in der deutschen Armee bereits längst gehandhabt würde. Nr. 269 : Bemerkungen des Generals Dragomirow bezüglich einer Übung eines Kavallerie-Korps. Versuche während der letzten Aus Manöver bei Moskau mit dem tragbaren Fahrrad, System Gérard. Neu-Margelan ; Exkursion der Jagdkommandos mehrerer turkestanischer Linien-Bataillone. Nr. 272 : Die Verwaltung des Flufs-Kriegshafens Nowogeorgiewsk ist Anfang Dezember v. J. formirt worden . Nr. 278 : Die Stellung eines Remonteurs der Artillerie im Militär-Bezirk Warschau wird abgeschafft ; der Ankauf der Remonten wird den Batterien überlassen ; der Remontepreis beträgt für jedes Pferd der Feldartillerie 210 Rbl . , für jedes Pferd der Garde - Artillerie 290 Rbl . Nr. 276 u . 277 : Zum hundertjährigen Geburtstage Kaisers Nikolaus I.: 1. Rede des Direktors der Nikolaus- Generalstabs-Akademie, General der Infanterie Leer ; 2. Ergebnisse der Wirksamkeit der Nikolaus- Generalstabs-Akademie. Russisches Artillerie-Journal. (Dezember 1896.) Nr. 12 : Umrifs der dienstlichen Thätigkeit des General-Adjutanten Leonidas Petrowitsch Lofiano. --- Zusatz zum Aufsatz : Von der Bearbeitung der Ergebnisse der Beobachtung. Die genaueste Bestimmung des Druckes der Pulvergase mit Hülfe des Kruscher Apparats. Panzertürme und Verschwindlaffeten (Forts.) . Bemerkungen zum artilleristischen Exerzir-Reglement. den Tabellen des artilleristischen Vermögens .

Von

Wajennüj Ssbornik. 1897. 1. Bericht des Generals Skobelew über die deutschen Manöver im Jahre 1879. -- Das Eriwan - Detachement im Feldzuge 1877-78. XVIII. Zu den Fragen der Strategie. IV. Detachements - Manöver. Die Schlachtordnung und der Infanterie - Angriff' nach dem Entwurfe des neuen Reglements . Die Grundsätze der FrontReiterei. — Die Ausbildung der Ordonnanzen, der Raswjedtschiks und der Beobachter der Feld - Artillerie. Eine Bemerkung zu den UnterrichtsProgrammen der Junker- Schulen . - Die Regiments-Lehr-Kommandos mit zweijährigem Kursus. Die Winter - Ausbildung der Infanterie - Unteroffiziere. -- Zur Feier der 100jährigen Wiederkehr des Geburtstages des

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Kaisers Nicolaus I.: 1. Rede des Chefs der Nikolai- Akademie des Generalstabes, Generals der Infanterie Leer. 2. Ergebnisse der Thätigkeit der Akademie. ― Über die Organisation des Feldmesser-Wesens in den verschiedenen bei dem Bau der grofsen sibirischen Bahn beteiligten Ressorts. Ausgewählte Entscheidungen des Ober-Militär-Gerichts . Übersicht über die Thätigkeit der bedeutendsten west- europäischen Armeen während des Jahres 1896. Allgemeine Bedeutung des Budget-Jahres für die Armeen Deutschlands, Österreich-Ungarns, Frankreichs, Italiens und Englands. Beresowskij's Raswjedtschik. Nr . 321 : Biographie nebst Bild des russischen Marine-Ministers Paul Petrowitsch Tyrtow. Der Kasak und sein Pferd. Das russische Samarkand (Schlufs) mit Illustrationen . Der Amur, die Natur und die Menschen dieses Gebietes. Nr. 322 : Der Räuberhauptmann Kerim, eine Episode aus dem Soldatenleben in Transkaukasien. Die zweirädrige Offizier- Feld-Küche (mit Zeichnung). Die Pensionen und Medaillen für die unter Kaiser Nicolaus I. gedienten Offiziere und Soldaten . Der Isbornik des Raswjedtschik für das Jahr 1896. IV. enthält : Die Donau und die Deutschen, von Menkoff, mitgeteilt von Sajontschkowsky (Forts .). - Die Schlacht bei Adua. Ein Jahr auf dem Marsche, von Südwesten bis zum äufsersten Osten Asiens (Marsch von Kopal im Gebiete Ssemirjätschensk nach Prafskaja am Amur. Die Einnahme von Anapa und die Vernichtung des Fürsten Aïdamir im Jahre 1809. - Eindrücke bei einem Besuche des Schlachtfeldes von Borodino. Nr. 323 : Bild und Biographie des preussischen Kriegsministers von Gofsler. Die Übungs - Reisen im Bereiche des Petersburger Militärbezirks. -― Der Übergang über den Bug durch Truppenteile des 19. Armeekorps. Der Einfluss der Preufsen in der Chinesischen Armee (Skizzen). - Das Reiten der Deutschen Kavallerie in schwierigem KonGelände (mit Skizze) . Die Plastunen auf dem grofsen Arrarat.

sum-Magazine auf den Posten der Grenz-Wache. Nr. 324 : Die Einweihung einer Kirche auf dem bei Petersburg liegenden Preobrashenskischen MilitärFriedhofe. - Generallieutenant Alexander Iwanowitsch Chotjaïntzoff, Direktor des 3. Moskauer Kadettenkorps † 29. November a. St. 1896 . Die Vorsitzenden der Der Lehrkursus in fremden Sprachen in Wilna . Kreis- Wehrpflichts-Kommissionen. - An den Ufern des Bosporus. L'Italia militare e marina. Nr. 293 : Über den Entwurf der Heerordnung. I. — Umformung der Distrikte und die Magazine bei den RegimentsDepots. Nr. 294 : Heerordnung III. — Militär-Kollegien und Institute.- Offizierstellen in der neuen Heerordnung. Nr. 296 : Fortsetzung der Offizierstellen etc. Nr. 297 : Dasselbe (Forts . ) . Nr. 298 : Noch ein Wort über Adua. Nr . 300 : Die Kriegskunst in Afrika, von General Gazzurelli . Nr. 302 : Die Disziplin in der Gegenwart. Nr. 304 : Neujahrsgrufs. Die Kammer und die Projekte Pelloux. 1897. Nr. 1 : Die Ankunft der Gefangenen. Nr. 2: Die Bewaffnung im Ausland. Nr. 3 : Der italienischabessinische Friedensvertrag . Nr. 5 : Die englische Presse und unsere Marine. Nr. 7: Einstürzen der Kasernen (Neapel). Nr. 9 : Unsere Kavallerie. I.

Das Personal.

Nr. 10 : Unsere Kavallerie. II.

Formation .

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Das Schnellfeuer- Feldgeschütz . Nr. 13: Die englische Presse und unsere Marine . Nr. 14 : Die Umformung der Artillerie. Wendet sich besonders gegen das zu wenig wirksame Gebirgsgeschütz von 7 cm. Rivista Militare Italiana. Nr. XXIII : Das Problem des Angriffs. - Französische und italienische Felddienstordnung. (Ein Vergleich) . - Die Dardanellen - Enge. Esercito Italiano. Nr . 1 : Die Überreichung der Standarten ( an die Kavallerie-Regimenter). Nr. 3 : Die Verbrecher im Heere. Das italienische Rote Kreuz. Nr. 5 : Die neue Phase der militärischen (Organisations-) Frage . - Kurse an der Infanterie- Schiefsschule. Nr. 6 : Die Sanitäts-Applikationsschule. -- Dislokation der Truppen in Afrika. Nr. 7 : Ein letztes Wort über die Militär- Kollegien. Nr . 8 : Die Wehrsteuerfrage. -- Das Vorgehen der Derwische. Nr. 9 : Die militärischen Institutionen und das parlamentarische Regime . Revista cientifico-militar. (Spanien. ) Nr. 22 : Ballistische Probleme. Der chinesisch-japanische Krieg (Schlufs). Ausrüstung des Soldaten. Nr. 23 : Die Feldartillerie der Zukunft. I. Die Brücke Pfund. Die Ausrüstung des Soldaten (Forts.) . Nr. 24 : Die Feldartillerie der Zukunft. II. — Augenblickliche Tendenzen der deutschen Infanterie. — Drehkuppeln mit elektrischer Bewegung, System Canet. - Nutzen der Bekleidung des Soldaten in Cuba, Memorial de Ingenieros del Ejercito. Kasernen-Utensil.

(Spanien .)

Nr. XII : Das

Revista Militar. (Portugal.) Nr. 24 : Das Fahrrad in Portugal. Nr. 1: (1897.) Tagesfragen (Ersatz der Kolonialtruppen). Aufklärer der Infanterie. Semanario Militar. (Argentinien .) Nr. 20 : Das Heeresbudget. - Die Nationalgarde Argentiniens. Krigsvetenskaps Akademiens Handlingar. ( Schweden .) 23. Heft : Prinz Eugen von Savoyen. Norsk Militaert Tidsskrift. (Norwegen. ) 12. Heft : Taktische Systeme. Militaire Gids. (Holland . ) 1. Lieferung : Die neuen Schiefsregeln für die deutsche Fufsartillerie. - Plaudereien über taktische Fragen.

II. Bücher. Erzherzog Carl von Österreich als Feldherr und Heeresorganisator. Nach österreichischen Originalakten dargestellt von Moritz Edl. v. Angeli , k . u. k. Oberst . 2. Band. Mit 7 Karten und Plänen. Wien und Leipzig 1896. W. Braumüller. Preis 14 M. Es ist der vorliegende Band dieses hochinteressanten Werkes an Seitenzahl den beiden Hälften des 1. Teiles nur wenig nachstehend, überragt aber letzteren bedeutend in Bezug auf die Fülle seines Inhaltes , da nicht nur die Operationen der unter dem unmittelbaren Befehle des Erzherzogs stehenden Truppen, sondern auch jener in Italien, Tirol und der Schweiz

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unter verschiedenen österreichischen und russischen Heerführern, sowie die diplomatische Thätigkeit der gegen Frankreich Verbündeten in mehr oder minder eingehender Weise dargestellt werden . Noch mehr Interesse aber als alles Bisherige erregt dieser Band durch die von dem Verfasser gebrachten Enthüllungen, die, wären sie nicht durch die unwiderleglichsten Akten nachgewiesen, wohl nie und nirgends Glauben finden würden. Mit Staunen, mit Entrüstung, ja mit Ekel mufs es den Leser, zumal den österreichischen, erfüllen , wenn er liest, wie, abgesehen von der im vornherein verfehlten Anlage der Operationen, Alles aufgeboten wurde, um einen glücklichen Erfolg derselben zu verhindern. Seit Hannibal's Zeiten dürfte es nicht vorgekommen sein, dafs ein genialer Feldherr auf gleiche Weise in allen seinen Handlungen überwacht und gehemmt, gleichwohl aber für jeden Mifserfolg verantwortlich gemacht, sein Entlassungsgesuch aber nicht angenommen wurde, und noch weniger ist es erlebt worden, dafs ein ränkevoller, habsüchtiger Emporkömmling trotz seiner gänzlichen Unerfahrenheit im Kriegswesen sich vermafs , die Operationen mehrerer , auf verschiedenen Kriegsschauplätzen kämpfenden Heere von weiter Entfernung bis in das kleinste Detail zu leiten, ja dafs er seinen Monarchen , dessen Vertrauen er durch gleichviel welche Mittel erworben hatte, mit Argwohn und Ungunst gegen den Feldherrn, den eigenen Bruder zu erfüllen suchte und , wenn ihm dieses auch nicht bleibend gelang, durch sein Gebaren es zum Bruche mit den Verbündeten Österreichs brachte ! Der Verfasser vermeidet, so wie bisher, eine erschöpfende Kritik des Feldzuges und beschränkt sich auf einige, ziemlich allgemein gehaltene Züge, bringt aber einen so erschöpfenden Bericht über alle Vorgänge und deren Ursachen, dafs der Leser gewifs unseren Worten beistimmen wird. Unter diesen Umständen könnte nur die seltene patriotische Selbstverleugnung des Prinzen, der wufste, dafs seine eventuellen Nachfolger vollends Alles verderben würden und der darum retten wollte , was nicht unwiederbringlich verloren war, bewundert, keineswegs ihm aber der Vorwurf einer schwächlichen Kriegführung gemacht werden, wie es der Verfasser von Geist und Stoff" gethan hat. Wir unterschätzen nicht entfernt das Verdienst dieses geistreichen Autors und führen anch zu seiner Entschuldigung an, dafs ihm keineswegs jene Quellen zur Verfügung standen , welche der Verfasser des vorliegenden Werkes in ausgiebigster Weise benutzte. Herr v. B. K. stützte sich zumeist auf gedruckte Werke und scheint in dem Eifer, die von ihm aufgestellten Sätze zu beweisen, diese Quellen (so z. B. Miljutin) nicht immer ganz objektiv benutzt zu haben . Es zeigt eben, wie schwer es oft ist, selbst im Besitze eines reichen Materials blofs nach dem Erfolge über die Leistungen eines Feldherrn zu urteilen, zumal wenn dieser in seiner Hochherzigkeit und aus patriotischen Rücksichten in seinen Aufzeichnungen die Schuld Anderer mit Stillschweigen verhüllte . Wir gestehen, dafs wir die anfänglich über B. K's Äufserungen in uns aufgestiegenen Zweifel niederkämpften, dieJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 102 , 3. 26

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selben aber durch die wirklich überraschenden Enthüllungen des Oberst v. Angeli bestätigt werden mussten. Der Friede zu Leoben war zwar geschlossen, aber es hätte nicht überraschen können , wenn diesem Präliminarvertrage der definitive Friede nicht gefolgt wäre, und bei den fortwährenden Übergriffen und den ungemessenen Forderungen der Franzosen konnte es am allerwenigsten für den Erzherzog Carl im Zweifel sein, dafs der Kongrefs zu Rastatt kein Resultat bringen und im Gegenteil der Krieg bald wieder beginnen würde. Er suchte darum mit den vorhandenen Mitteln die verfügbaren Kräfte in schlagfertigen Stand zu setzen und warnte ernstlich vor allen überstürzten Neuerungen, die wahrscheinlich bis zum Beginn des Krieges nicht völlig durchgeführt werden konnten . Es würde sich dann nur Alles in der gröfsten Verwirrung befinden und solle daher ,,vorerst die Manneszucht und Ordnung wiederhergestellt werden ." Es war nämlich unterdessen in Wien eine 29 Militär- Hof - Kom-

mission" unter Alvintzy eingesetzt worden, die über die verschiedensten Reformen beriet. Manche der gemachten Vorschläge, so namentlich der Legionen, waren recht einer Einteilung der österreichischen Armee in abenteuerlich und kamen nur, Dank der Einsprache des Erzherzogs und der Uneinigkeit der Kommission , glücklicherweise nicht zu Stande. Dagegen erfolgte, wie es ja nach unglücklichen Kriegen schon öfter geschehen ist, eine teilweise Änderung der Adjustirung und die Umwandlung mancher Truppengattungen. Nur der Erzherzog verhinderte die Abschaffung der Lanzen bei den Ulanen . Manchen Reformen stand übrigens die Geldknappheit entgegen. Denn England hatte seit Leoben die Subsidien eingestellt, schürte aber trotzdem auch während des Kongresses die Kriegslust der internationalen Mächte. Dies, die Gewaltakte der Franzosen und die Kriegslust ihrer Generale , liefsen den Ausbruch des Krieges als nahe und unvermeidlich erscheinen und Österreich an die Wiederaufnahme der Rüstungen denken . Dafs man sich dabei weniger auf die eigene Kraft als auf die Mitwirkung der im Werden begriffenen Koalition, deren Truppen vor Monaten nicht eintreffen konnten, verliefs, war der erste Fehler, wozu noch die gänzlich verfehlte Aufstellung der kaiserlichen Truppen und noch verfehltere Operationsentwürfe kamen. Nicht nur blieb der wirkliche Stand der Truppen weit hinter dem Sollstande zurück, sondern es stand eine ganz unverhältnifsmäfsig starke Truppenzahl im Innern der Monarchie und die in der Nähe des Gegners stehenden Truppen waren nur mangelhaft ausgerüstet und fehlte es fast gänzlich an dem erforderlichen Train und an technischen Truppen. Derselbe Mack , der später in Neapel einen geradezu abenteuerlichen Offensivzug (von Ulm garnicht zu reden) unternahm, hatte für Deutschland einen ebenso unsinnigen Defensiv-Operationsplan entworfen, während der Erzherzog klar nachwies , dafs nur eine rasche und kräftige Offensive einen Erfolg verbürgen könne. Die österreichischen Streitkräfte waren in drei (oder richtiger in vier) Armeen geteilt, nämlich unter

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Krey und Melas in Italien, die dann unter Suworow's Befehl treten sollten, unter Bellegarde in Tirol und unter Erzherzog Carl in Deutschland, auch die in Vorarlberg stehenden Truppen standen nur dem Namen nach unter dem Befehl des Erzherzogs. Zwar wurde von dem Entwurfe Mack's abgegangen, aber ebenso vergeblich waren die Forderungen des Erzherzogs nach Freigebung seiner Handlungsweise . „ Man müsse dem Gegner jeden Anlafs zur Klage benehmen und die Ankunft der Russen abwarten . Übrigens sei die Armee ebenso zahlreich als gut ausgerüstet! Nur der Erzherzog erzielte auf eigene Faust eine Einigung mit Bayern, so dafs nunmehr seine Armee wenigstens eine gesicherte Basis hatte. Seine abermaligen Bitten, die Offensive beginnen zu dürfen, wurden. nicht beachtet, im Gegenteil wurde ihm in sehr bestimmter Weise aufgetragen, sich nur nach den von Wien erhaltenen Weisungen zu richten und vor jeder nur etwas bedeutenderen Bewegung erst dorthin zu berichten! (Heute, zur Zeit der Telegraphie, ist solches eine üble Sache ; wie also erst damals ?) Minister Thugut (von dem richtigen Instinkt der Bevölkerung gleich anfänglich Thunichtgut genannt), war der Allmächtige und wollte allen Feldherren ihr Verhalten bis in das kleinste Detail vorzeichnen und unter diesem herrsch- und habsüchtigen Manne feierte der egoistische, verknöcherte Bureaukratismus, der schon so oft das Unglück Österreichs herbeigeführt, seine Orgien ! Und das geschah nicht nur unmittelbar vor und beim Beginne der Operationen, sondern es zieht durch die unheilvolle Einmengung Thugut's und die Unbotmässigkeit einiger auf seine Instruktionen angewiesenen Generale als der rote Faden durch die ganze Geschichte des Feldzuges hin . Der Erzherzog bat damals und wiederholt um seine Entlassung und mufste, als diese endlich gewährt wurde, das Kommando wieder übernehmen, da der Erzherzog Josef sich weigerte, an seine Stelle zu treten. Seine Thätigkeit aber wurde nach wie vor durch Thugut beschränkt . Der wirkliche Stand seiner Truppen aber war thatsächlich weit geringer, als er in den meisten Geschichtswerken angegeben erscheint. Auch die Heeresausrüstung wurde nicht verbessert. Zwar war es bei den Franzosen auch nicht besser, aber wenigstens besafsen ihre Generale gröfsere Vollmacht und sie konnten auf ihre Unterführer sich mehr verlassen, als es bei dem Erzherzog der Fall war. Da konnte bei diesem von einer energischen Kriegführung kaum die Rede sein! Und dennoch ergriff, als die Feindseligkeiten ohne Kriegserklärung

von den Franzosen eröffnet wurden , der Erzherzog auch seinerseits die Offensive und siegte trotz der verfehlten Mafsnahmen einiger Generale bei Ostrach und Stockach. Es waren keine zermalmenden Schläge, aber die Ausnützung dieser Siege wäre von entscheidender Wichtigkeit gewesen . Aber eben im Begriffe, die Franzosen über den Rhein zu werfen, wurde dem Erzherzog von Wien aus Halt geboten und er sollte sich nach der Schweiz wenden. Und als sich hier Gelegenheit bot, Masssena mit Übermacht anzugreifen , setzte der die ,, Situation vollständig beherrschende" Thugut es durch, dafs dem Erzherzog aufgetragen wurde, vor Ankunft 26*

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der russischen Hilfstruppen (und wo waren diese noch ?) nichts Entscheidendes zu unternehmen und überhaupt Alles, was er beginnen wolle, vorher in Wien zur Begutachtung vorzulegen ! Er sollte nur auf die Sicherung von Tirol, Vorarlberg und Graubünden Bedacht nehmen, d. h. das, was inzwischen dort verdorben worden war wieder gut machen. Dort waren Fehler über Fehler begangen worden und trotz ihrer anfänglichen Überlegenheit waren die österreichischen Generale unter empfindlichen Verlusten einzeln geschlagen worden. Und auch jetzt wurden die dortselbst stehenden Truppen dem Erzherzog nicht vollständig und unbedingt unterstellt. Nur auf den wackeren Hotze konnte zuverlässig gerechnet werden, wogegen Bellegarde , dessen Leistungen, obgleich er in sechs Feldzügen selbstständig befehligte, stets sehr bescheiden waren, sich beständig hinter den aus Wien erhaltenen Befehlen verschanzte und eine ganz merkwürdige Bedächtlichkeit zeigte , während er drei Jahre vorher den Erzherzog mit mehr als optimistischen Operationsentwürfen zu beraten versucht hatte. Mit einem guten Teil seiner Truppen mufste also der Erzherzog nach der Schweiz abrücken und zwar zu einer Zeit, da Frankreich seine Armeen mit Aufbietung aller Mittel zu verstärken begann . Zum Glück zeigte sich der am Mittelrhein kommandirende F. M. L. Sztaray der Aufgabe, den Gegner wenigstens einige Zeit festzuhalten, hinlänglich gewachsen . Unendlich schwer ward es auch jetzt dem Erzherzog, ein nur einigermassen wirksames Zusammengreifen der verschiedenen Unteranführer zu erzielen. Dennoch errang er endlich nach einer Reihe von hartnäckigen Gefechten den Sieg bei Zürich. Es war kein entscheidender Sieg, aber dennoch erkannte Massena , der doch seine Sache nicht so leicht aufzugeben pflegte, ,,die Entschlossenheit des Erzherzogs " und wich vor derselben zurück". Wieder war Aussicht auf eine glückliche Fortsetzung der Operationen und wieder wurde von Wien aus in dieselben hemmend eingegriffen. Indessen hatte auch in Italien das Kriegsglück den Verbündeten gelächelt. Kray zuerst, dann Melas und vor Allen der russisch-österreichische Feldmarschall Suworow hatten eine Reihe von glänzenden Siegen erfochten und letzterer drängte zum weiteren Vormarsch. Er sollte aber den Fall von Mantua und der übrigen noch unbezwungenen Plätze in der Lombardei und Piemont abwarten . Seine gerühmte ,, blutige Energie " erscheint übrigens in einem eigenen Lichte.

Pflegten die

russischen Generale überhaupt mit dem Blute ihrer Soldaten nicht zu sparen, so kam dem Feldmarschall diese Energie noch wohlfeiler zu stehen, da er fortwährend österreichische Truppen als Verstärkung verlangte. Und vielleicht war es dem Erzherzog nicht so unlieb, dafs jetzt Bellegarde und noch andere Truppen nach Italien beordert wurden , zumal jetzt endlich auch die nach Deutschland bestimmten russischen Truppen unter Korsakow in der Schweiz anlangten . Die hierauf gesetzten Hoffnungen erfüllten sich aber nicht. Waren die russischen Generale häufig schon unter einander uneinig, was konnten da erst ihre Verbündeten und was

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liefs sich da von einem Korsakow , den selbst Miljutin höchst abfällig beurteilt, erwarten ? Mit diesem Manne war ein gemeinschaftliches Operiren unmöglich ! Zudem machte sich das Mifstrauen des Kaisers Paul gegen Österreich immer fühlbarer. Wieder wurde ein neuer Kriegsplan von den Kabinetten entworfen . Melas sollte in Italien, Suworow (sehr gegen seinen Willen ! ) in der Schweiz und der Erzherzog in Deutschland operiren . Aber während der Letztere, obgleich er nicht seine ganze Macht verwenden durfte , dennoch das Möglichste leistete, von der Kraft der über die französischen Bedrückungen erbitterten deutschen Bevölkerung besten Gebrauch machte, Philippsburg entsetzte und Mannheim eroberte, häuften sich die Unfälle an andern Orten. Massena und Lecourbe , ansehnlich verstärkt, gingen wieder vor und während der erstere bei Zürich Korsakow's Korps entscheidend besiegte, wurden fast gleichzeitig die verzettelten österreichischen Brigaden nach einander geschlagen und fand Hotze bei Schämis den Tod. Die Dinge standen jetzt übler als zu Beginn des Feldzugs, zumal die seither erlittenen enormen Verluste der österreichischen Truppen nicht ersetzt worden waren und ersetzt werden konnten. Allerdings unternahm Suworow, der eine kostbare Zeit vor Tortona verloren hatte, seinen berühmten Zug über den St. Gotthardt. Es war wirklich ein Akt der äufsersten Energie , aber eine nutzlose. Aufopferung. Denn die Russen waren nun für längere Zeit kampfunfähig, Suworow aber, gekränkt darüber, daſs er nicht wie in Italien den Oberbefehl erhalten hatte und von der geänderten Gesinnung seines Monarchen in Kenntnifs, war ein ganz Anderer als vordem und schien vor jedem Wagnifs zurückzuweichen . Er weigerte sich auch, als der Erzherzog mit dem gröfseren Teile seiner Truppen in die Stellung am Bodensee zurückging, auch nur anscheinend an dessen Operationen teilzunehmen, machte aber andererseits die besten Zusischerungen, sobald seine Truppen sich in schlagfertigem Zustande befinden würden , bis er dann plötzlich seinen Rückmarsch nach Rufsland ankündigte. Dennoch darf man mit dem schon ob seiner Bizarrerie von einem besonderen Standpunkte zu beurteilenden Suworo w nicht zu streng richten, da er gleich seinem Kaiser durch das Treiben Thugut's , den er „ einen Kanzleischreiber , eine Nachteule" nannte, im höchsten Grade erbittert worden war. Der Verfasser läfst zwischen den Zeilen lesen, dafs der Rücktritt Thugut's dem Kaiser Paul vielleicht noch von dem Ausscheiden aus der Allianz abgehalten haben würde ! Anderwärts würde unter solchen Umständen selbst ein tüchtiger Minister ohne Bedenken entfernt worden sein oder würde wahrscheinlich aus eigenem Antriebe sich zurückgezogen haben. Hier aber mufsten erst Marengo und Hohenlinden kommen, um die Entfernung dieses Mannes zu bewirken! Dafs unter solchen Verhältnissen es eine grofse Leistung war, dafs der Erzherzog wenigstens Tirol und Vorarlberg sicherte und am Rhein weiteren Verlusten vorbeugte, ist begreiflich. Was der Prinz aber erduldet, war mehr, als selbst die kräftigst veranlagte Natur zu tragen vermochte

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Körperlich und seelisch angegriffen, forderte der Erzherzog dringend seine Enthebung und begab sich nach deren endlicher Genehmigung zunächst nach Prag, um ein Jahr später nach Hohenlinden als der Retter aus der äufsersten Not wieder an die Spitze der zertrümmerten Armee , für die er wenigstens einen leidlichen Waffenstillstand abschliefsen sollte , berufen zu werden. Es ist die Darstellung des Feldzuges 1799 , der nach so manchen glücklichen und rühmlichen Leistungen so unbefriedigend endete und schweres Unheil voraussehen liefs, nach dem Angeführten gewifs lehrreicher, als die Geschichte manches eine ununterbrochene Folge der blendendsten Kriegsthaten enthaltenden Kriegszuges, denn sie zeigt, wie mifslich es oft mit dem Einverständnifs Verbündeter bestellt und welches Unglück es für einen Staat ist, wenn nicht dessen Feldherr, sondern eine im Kriegswesen unbewanderte Persönlichkeit die Operationen lenkt und dieses obendrein aus weiter Ferne vom grünen Tisch aus thun zu können vermeint! D ..... h. Napoleon I. und der Überfall des Lützow'schen Freikorps bei Kitzen am 17. Juni 1813. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege von Adolf Brecher. (Mit einer Karte von Kitzen und Umgegend 1813. ) Berlin 1897. R. Gaertner. (XV und 100 S.) Es ist eine kleine, aber tüchtige wissenschaftliche Arbeit, die uns hier vorliegt; auf jeder Seite dokumentirt sich das Bestreben des Verfassers, durch unbefangene Prüfung der vielfach sich widersprechenden Quellenzeugnisse zu einer wahrheitsgemäfsen Beurteilung der an dem Überfall der Lützower hauptsächlich beteiligten Personen durchzudringen . Die Ergebnisse der Monographie sind folgende : 1. Der Major v. Lützow, welcher mit seinem Korps zu Ende Mai und Anfang Juni 1813 die Etappenstrafse der französischen Armee im sächsischen Voigtlande erfolgreich beunruhigte, erhielt erst am 14. Juni Abends die erste amtliche Mitteilung von dem am 4. geschlossenen Waffenstillstande, wonach am 12. alle Truppen der Verbündeten diesseits der Elbe stehen sollten, setzte sich dann aber von Plauen aus sofort in Marsch, um diesen Flufs zu überschreiten. 2. Weder die an Lützow gesandten sächsischen Kommissäre noch den württembergischen Oberstlieutenant v. Kechler, der den Weitermarsch des Korps aufhielt, und dem württembergischen General v. Normann , der den Überfall bei Kitzen (20 km s. w. von Leipzig) ausführte, kann ein Vorwurf der Treulosigkeit treffen . Sie handelten nur auf höheren Befehl, ja Normann gab Lützow sogar einen Wink, sich schnell davon zu machen, den letzterer aber, ein etwas schwerfälliger Charakter, nicht benutzte. 3. Napoleon ist weniger deshalb zu tadeln, dafs er das Freikorps überhaupt angreifen liefs er war dazu nach dem Wortlaut des Waffenstillstandsvertrages vielleicht berechtigt - als vielmehr weil er Lützow hinterlistigerweise erst in Sicherheit wiegte, bevor er gegen ihn vorging.

„ Es

stellt sich damit " , sagt Brecher, „ einem Karl von Anjou in seinem Verhalten gegen Konradin sittlich völlig gleich." Dafs Napoleon die Frei-

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schaaren im Allgemeinen von Grund seiner Seele hafste und sie meist nur als „ Banden“ bezeichnete, die ausgerottet werden müfsten, möchte ich übrigens doch nicht so stark wie der Verfasser tadeln ; hat doch auch Bismarck 1870/71 mehrfach die Forderung ausgesprochen , dafs jeder gefangene französische Franktireur aufgehängt werden sollte. O. Herrmann. Kaiser-Wilhelm -Litteratur. 1. Wolter, A., Kaiser Wilhelm der Grofse als Herrscher, Mensch und Christ. Ein Charakterbild aus seinem Leben geschildert. Herausgegeben zum Besten des Baufonds der Kaiser WilhelmGedächtniskirche . Mit 55 Abbildungen. Preis 1 M., kart. 1,25 M.

2.

Kaiser Wilhelm der Grofse.

Ein Lebens- und Charakterbild

Festschrift zum 100jährigen Geburtstage unseres Heldenkaisers . Mit 42 Abbildungen . Preis 25 Pf. Berlin 1897. E. S. Mittler & S. Zu dem bevorstehenden 100. Gedenktag der Geburt Kaiser Wilhelm's des Grofsen heifsen wir diese Schriften willkommen . Verfasser entwirft ein Charakterbild des grofsen Kaisers , das uns gestatten soll, in das Herz desselben zu schauen ; sein Denken, Fühlen und Wollen führt er uns in Während das in erster Stelle genannte fesselnder Darstellung vor. Werk jeden Vaterlandsfreund, Alt und Jung , in gleichem Maſse ansprechen wird, ist das zweite mehr für das jugendliche Alter , be2. sonders für unser 99Volk in Waffen" als Festgeschenk geeignet. 3. Kaiser Wilhelm der Grofse und seine Zeit.

In dankbarer Er-

innerung an die ersten deutschen Kaiser aus dem Hohenzollerngeschlechte und zur Belebung wahrer Gottesfurcht, echter Königstreue und aufrichtiger Vaterlandsliebe dem deutschen Volke gewidmet. von H. Stückmann und J. van Ekeris , Rektoren in Dortmund. Dortmund 1896. 60 Pf.

Preis 75 Pf. , bei 100 und mehr Exemplaren je

Auch diesem Buche können wir rühmend nachsagen, dafs es seinem im Titel gekennzeichneten Zwecke durchaus entspricht und ein Volksbuch im wahren Sinne des Wortes ist. Aufser der Lebensbeschreibung Kaiser Wilhelm des Grofsen, enthält das Buch auch diejenigen seiner Paladine Bismarck, Moltke und Roon ; dann der Kaiserin Augusta, des Kaisers Friedrich III., der Kaiserin Viktoria, Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm II. und Ihrer Majestät der Kaiserin Auguste Viktoria. 4.

Kaiser Wilhelm der Grofse.

179722. März

1897.

Zum

Gedächtnisse seines hundertjährigen Geburtstages . Von L. Hoffmeyer, Seminar-Oberlehrer. Mit 18 Abbildungen . Breslau. F. Hirt. Preis 25 Pf. Eine schlichte, mit warmem patriotischen Empfinden geschriebene Lebensgeschichte des Heldenkaisers, die wir empfehlen können.

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5. ,,Jubilate." Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des Geburtstages Sr. Majestät Kaiser Wilhelm des Grofsen am 22. März 1897. Verfafst von August Ernst. Frankfurt a. M. 1896. Gebr. Knauer. Preis 75 Pf. 27 Seiten. Das Büchelchen bringt einen kurzen Abrifs der Geschichte des Grofsen Königs und feiert ihn sodann in weihevoller Rede. In einem „ Anhang" werden einige Daten berücksichtigt, die für die Stadt Frankfurt a . M. im Leben des Kaisers von besonderer Bedeutung geworden sind. Auch diese 1. Schrift verdient empfehlende Anerkennung und zahlreiche Leser. Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt. Von C. Röchling , R. Knötel und W. Friedrich . Berlin . P. Kittel. Preis der Volksausgabe 3 M. Der bevorstehende 100jährige Geburtstag Kaiser Wilhelm des Grofsen ruft auch die Erinnerung an die Mutter des Heldenkaisers, die unvergefsliche Königin Luise, wieder wach. Da ist es denn ein dankenswertes Unternehmen, die Zeit zu Beginn des Jahrhunderts, die Zeit der schwersten Kriegesnöte und der Erniedrigung unseres Vaterlandes, gleichzeitig mit dem Lebensgange dieser edlen Fürstin, dem deutschen Volke hier in dem vorliegenden Werke in Wort und Bild wieder vor die Seele zu führen. Es möge eine ernste Mahnung sein für das lebende Geschlecht, zu verhüten , dafs jemals wieder über unser Vaterland Zeiten hereinbrechen , wie sie Kaiser Wilhelm in seiner Jugend erlebte, und die der königlichen Mutter, welche die ersehnte nationale Erhebung nicht mehr erleben sollte, das Herz gebrochen haben. Wir heifsen dieses volkstümliche Buch herzlich willkommen . 4. Regimentsgeschichten. 1) Geschichte des Infanterie-Regiments von Courbière ( 2. Posensches) Nr. 19 als Fortsetzung der 99 Fünfzig Jahre Geschichte" des Königl. Preufs . 2. Posenschen Inf. - Regts. Nr. 19. Im Auftrage des Regiments geschrieben von Arnold , Major, und v. Kalckstein , Hauptmann. Mit Karten und Skizzen . Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Die ältere Geschichte des Regiments reicht bis 1863 und umfafst die Zeit von 1813-1863 . Die vorliegende Fortsetzung führt dieselbe bis zur Gegenwart fort und giebt uns eine erschöpfende und geschickt verfafste Darstellung der Teilnahme des Regiments an den Feldzügen 1866 und ― 1870/71 . Das Jahr 1863 findet das Regiment noch als Besatzung der Festung Luxemburg. Von dort kam es 1864 nach Cöln und Coblenz in Garnison. Den Feldzug 1866 machte das Regiment im Verbande der Division Beyer, also bei der Main-Armee mit. Sein Hauptehrentag ist Kissingen, wo es 10 Offiziere , 288 Unteroffiziere und Gemeine einbüfste. Nach dem Frieden wurde dem Regiment die Festung Mainz als Garnison zugewiesen. Bei Ausbruch des Krieges 1870/71 wurde das Regiment der 3. Reserve- Division (v. Kummer) überwiesen und war in der Zeit vom 20. August bis Ende Oktober an der Einschliefsung von Metz beteiligt.

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Nach der Kapitulation der Bazaine'schen Armee nahm es Teil an den Einschliefsungen von Mezières und Péronne und zum Schlufs noch in besonders ruhmreicher Weise an der Schlacht von St. Quentin. Nach dem Frieden trat das Regiment in den Verband der 9. Division über und erhielt die Garnisonen Görlitz, Jauer und Hirschberg, im Jahre 1889 seinen jetzigen Namen (von Courbière), durch den die Verbindung mit dem Stamm-Regiment, 2. Westpreufsischen Inf. - Regt. , dessen erster Chef der Generalfeldmarschall gewesen ist, wieder hergestellt wurde. Eine kurze Biographie Courbières findet sich hier (S. 183 ff.). Unter den zahlreichen ,,Anlagen" vermissen wir eine Stammliste des Offizierkorps, wie solche die meisten neueren Truppengeschichten aufzuweisen haben und m. E. 2. keiner Regimentsgeschichte fehlen sollte . 2) Kurze Geschichte des Grenadier-Regiments König Friedrich Wilhelm II. (1. Schlesisches) Nr. 10. Auf Wunsch des Regiments zusammengestellt von v. Ebertz , Major z. D. Mit einem Bildnifs, 8 Uniformbildern, 1 Fahnenbild, 5 Textskizzen und 1 Übersichtskarte. Berlin 1896. E. S. Mittler u . S. Preis 2 M. Auch diese Geschichte ist die Fortsetzung einer älteren , nämlich der 1861 erschienenen Groeling'schen Geschichte des Regiments, welche der Verfasser dieser „ kurzen“ Geschichte bei seiner Bearbeitung zum Teil wörtlich benutzt hat. Das Regiment Nr. 10 ist entstanden nach dem Tilsiter Frieden aus den Resten mehrerer von König Friedrich Wilhelm II. errichteter Füsilier- Bataillone, die unter den Augen dieses Fürsten ruhmreich gekämpft hatten. Dies wurde Veranlassung für die 1889 erfolgte Verleihung seines jetzigen Namens . Als 1. Schlesisches Infanterie- Regiment im Jahre 1807 errichtet, nahm das 2. Bataillon desselben an dem Feldzuge in Rufsland einen höchst ruhmvollen Anteil als 1. Bataillon des FeldRegiments Nr. 6. In den Feldzügen des Befreiungskrieges focht es bei Möckern, Königswartha, Groſs -Görschen , Bautzen, Görlitz , Haynau, Dresden, Culm, Leipzig, Etoges, Vauchamps (hier wurde es beinahe völlig aufgerieben), Laon, Paris, dann 1815 bei Belle-Alliance. 1823 empfing es den Namen. ,,10 . Infanterie-Regiment" und trat in den Verband der 12. Division. Nach einer nur durch die Unruhen des Jahres 1848 unterbrochenen fast fünfzigjährigen Friedenszeit fanden die schlesischen Grenadiere im Feldzuge gegen Dänemark 1864 zum erstenmal wieder kriegerische Verwendung, die sich jedoch hauptsächlich auf die Besetzung von Jütland und die Bewachung der Küsten beschränkte. Der Feldzug 1866 trug dem Regiment in der Schlacht bei Königgrätz neue Lorbeeren ein. Der Feldzug 1870/71 , welchen das Regiment, wie 1866, im Verbande des VI. Ármeekorps mitmachte, gab demselben leider keine Gelegenheit zur Beteiligung an den grofsen Schlachten dieses Krieges, dagegen in der Einschliefsungslinie von Paris (Südfront), an zahlreichen Ausfallsgefechten (Chevilly, Choisy le Roy, L'Hay u . A. Seit dem Frieden steht das Regiment in Breslau , mit einem Bataillon in Schweidnitz. Mit den Regimentsgeschichten grofsen Styles kann diese kurze Geschichte freilich nicht in Vergleich gestellt werden ;

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Vieles ist allzu kurz behandelt worden, so die Friedensjahre seit 1871 auf nur 4 Seiten . In den Beilagen vermissen wir ebenfalls eine OffizierStammliste. Die Bearbeitung ist gleichwohl eine gut gelungene und würde, weil nicht zu lang, eine besondere, für Unteroffiziere und Mannschaften 2. bestimmte Ausgabe entbehrlich machen. 3) Kurze Darstellung der Geschichte des Königlich Sächsischen Fufs-Artillerie-Regiments Nr. 12. Auf Veranlassung des Regiments für die Unteroffiziere und Mannschaften bearbeitet von C. Löblich, Major.

Metz 1896.

G. Scriba.

Auf nur 44 Seiten giebt der Herr Verfasser eine für den genannten Leserkreis sehr geeignete Darstellung der Geschichte des Regiments . Das 1. Kapitel enthält ,,die Vorgeschichte bis 1680 " und eine sehr fesselnde Charakteristik der alten ,, Archeley" in der Zeit des 30jährigen Krieges, das 2. die Zeit von der Errichtung des ersten stehenden Heeres bis zum Beginn der schlesischen Kriege 1680-1740 , das 3. die Zeit 1740-1815 , das 4. die Zeit der Befreiungskriege bis 1866, das 5. die Neuorganisation 1867 bis auf die neueste Zeit. Den Beschlufs macht eine kurze Darstellung der Teilnahme am Feldzuge 1870/71 . Das Regiment kam mit zwei Kompagnien zu sehr erfolgreicher Thätigkeit bei der Beschiefsung von Paris (Ostfront). Am 1. Juli 1873 wurde das Regiment in Stärke von 2 Bataillonen als Fufsartillerie-Regiment Nr. 12 formirt, seine Garnison ist Metz. 2. Die historische schwarze Tracht der Braunschweigischen Truppen. Von O. Elster , Premierlieutenant a. D. Mit 4 Gruppenbildern und 5 Abbildungen im Text, sowie den Skizzen der Schlachten bei Quatrebras und Waterloo . 45 Seiten. Leipzig 1896. Zuckschwerdt & Co. Preis 1,50 M. Die vorliegende Schrift ist mehr als der Titel andeutet, nämlich ein Abrifs der Braunschweigischen Heeresgeschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1809-1815. Die schwarze Tracht entstand in dem erstgenannten Jahre ; die im Laufe der Zeiten bis auf die Gegenwart stattgefundenen Änderungen derselben werden genauestens mitgeteilt. Wer eingehender sich über jene Kriegs-Periode, namentlich über den HalbinselKrieg unterweisen will, den verweisen wir auf die noch im Erscheinen begriffene mehrbändige Geschichte des Braunschweigischen Infanterie -Regiments von Kortzfleisch, an die sich die vorliegende Schrift in vielen Beziehungen anlehnt. Zum Schlusse äufsert Verfasser den Wunsch, es möge die alte Tracht, mindestens für das Leibbataillon genannten Regimentes, wieder eingeführt werden , ein Wunsch, welcher m. E. schwerlich auf Erfüllung rechnen kann, da ja dann auch die übrigen vormals selbstständigen Kontingente des deuschen Reichsheeres mit ähnlichen Wünschen 1. hervor zu treten berechtigt sein dürften.

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Bataillon, Regiment und Brigade auf dem Exerzirplatz und ihre Ausbildung für das Gefecht. Im Sinne des neuen Reglements praktisch dargestellt von H. Frh . v. d . G.-R. Mit vielen Abbildungen im Text. Dritte vermehrte Auflage. Berlin 1896. Militär- Verlags. anstalt. Preis Das vorliegende Buch wird bereits bei seinem ersten Erscheinen sich viele Freunde erworben haben, da in anschaulicher Weise und auf dem Boden des Reglements stehend die Gefechtsausbildung der Infanterie, wie sie sich in der Praxis gestaltet, geschildert wird . Wenn in dem Vorwort zur dritten Auflage betont wird, dafs jedes Reglement mit der Zeit der Verbesserung bedürfe, so pflichten wir dem entschieden zu, ob aber gerade in diesen „ Briefen" besonders viele neue 99 Bausteine “, für eine solche etwa notwendige Änderung zu finden sind, möchten wir doch bezweifeln. Es handelt sich wesentlich um die Frage, ob es überhaupt notwendig sei, „den Begriff noch mehr wie bisher zu diszipliniren." Hält man das aber für angezeigt, so wären uns Vorschläge erwünscht gewesen, welche dann geeignet wären, das Ziel,,,die Auswüchse der Selbstständigkeit im Zaume zu halten" , zu erreichen. Hierfür bietet das Buch aber keinen Anhalt. Wenn der Verfasser auf dem Boden des Reglements steht, wäre es gerade von hohem Interesse gewesen, an der Hand der bestehenden Vorschriften zu erweisen, an welcher Stelle es eines schärferen Präcisirens bedürfe und wie dem abzuhelfen sei . Es wäre das doppelt erwünscht gewesen, da die Gegner dieses Verfahrens aus dem Reglement nachzuweisen in der Lage sind, dafs ein weiteres Präcisiren nicht erforderlich sei. Es ist das die brennendste unserer militärischen Tagesfragen und wird voraussichtlich erst der Ernstfall eine Lösung bringen ; denn vorläufig steht die Mehrzahl noch auf dem Standpunkte des jetzigen Reglements und betrachtet jede weitere Regelung des Angriffsverfahrens als einen unheilvollen Schritt. Wenn das Buch in zwei Teile geteilt ist, so wäre diese Teilung vielleicht noch schärfer auseinander zu halten gewesen, indem der zweite Teil des Reglements das Gefecht enthält, während hier der erste bereits in die Gefechtsausbildung hineinspielt. - Wenn in den Aufgaben der Verbände vom Bataillon aufwärts das Verhältnifs , in welchem sich diese befinden, zur Grundlage gemacht wurde, so stimmen wir dem voll und ganz bei ; mindestens ebenso wichtig aber ist die Gefechtslage in Hinsicht darauf, ob es sich um ein Begegnungsgefecht oder um den Angriff auf eine vorbereitete Stellung handelt. Dieser, für die ganze Art der Gliederung und des Angriffsverfahrens so überaus schwerwiegende Unterschied ist zu wenig hervorgehoben. Und doch ist er derjenige, welcher jedem Führer in Fleisch und Blut übergegangen sein muſs. Schon das Verhalten der Vortruppen ist in beiden Fällen grundverschieden und während man beim Begegnungsgefecht sehr oft unmittelbar aus dem Marsche in das Gefecht übergeht, wird beim geplanten Angriffe demselben der Aufmarsch vorangehen. Freudig begrüfsen wir es, dafs für die gröfseste Straffheit gerade in den gröfseren Verbänden ein Wort eingelegt wird , da wir zeitweise hierauf nicht ausreichend Wert

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Zu weit aber scheint uns die Forderung zu gehen , sahen . auch den „ Divisionen ein paar Tage zu geben " und z. B. zu üben, wie sich dieselbe, von einem Versammlungsorte aufbrechend , in einer gegebenen Richtung entwickelt etc." Die hierauf verwendete Zeit kommt doch wohl Die Aufgaben, in denen besser den Detachements - Übungen zu Gute. ge Fälle einschränken en n weni auf llon doch sich allei ficht, dürft ein Batai lassen ; weit wichtiger ist es, seine Gefechtsausbildung im gröfseren Rahmen Gröfsere Strecken im Zeitmaafs von 120 in der Minute, zu fördern .

gelegt

d. h. also im Sturmschritt die Infanterie auf Entfernungen zwischen 800 und 600 m zurücklegen zu lassen, halten wir für unreglementarisch und auch Ebenso halten wir das sogenannte „ Eingabeln " für nicht unausführbar. h nlic , denn es verlangt ein öfteres Visirwechseln ; auch ist es besser , zweckdie tzen, welche von Kavallerie angegriffen werden , nicht an ihre Schü wenn Soutiens heranlaufen , sondern an betr . Stelle den Gegner durch Feuer abweisen. Aus den Aufgaben des Bataillons möchten wir die ,, Deckungen einer Bahnstrecke , Zerstörung von Eisenbahnen , gewaltsame Rekognoszirungen , Eine Vormarsch aus einer Feldwachstellung" ausgeschlossen wissen. Bahnstrecke wird durch mobile Kolonnen gedeckt, nicht durch eine Bereitschaftsstellung ; die Zerstörung einer Eisenbahn führt die Kavallerie aus ; gewaltsame Rekognoszirungen fallen stets gemischten Detachements zu und der Vormarsch aus einer Feldwachstellung (ist wohl Vorpostenstellung gemeint) geschieht grundsätzlich durch Einziehen der Sicherungsabteilungen nach einem Punkte hin, nachdem neue Sicherungsglieder unter dem Schutze der bis dahin stehen gebliebenen vorgeschickt worden sind, Wir begegnen auch hier wiederum der Anschauung, der ,, sogenannte kleine Krieg beschränke sich wohl nur auf kleine Vorposten - Unternehmungen und Rekognoszirungen mehr oder minder gewaltsamer Art, Requisitionen und dergleichen ". Wir glauben dem entgegnen zu sollen, dafs der ,,kleine Krieg" auch durch die moderne Kampfesweise nach wie vor alle die wichtigen Aufgaben im Kriege umfast, welche neben den grofsen Entscheidungskämpfen an uns herantreten werden. Gerade der ,, Detachementskrieg" fordert Männer von Einsicht und Entschlossenheit und hierfür unsere Offiziere zu erziehen , bieten Aufgaben aus dem Gebiete z . B. des Schutzes der rückwärtigen Verbindungen reiche Gelegenheit. Zum Schlufs sei hier noch erwähnt, dafs Verfasser den Vorschlag macht, der „ Divisionskavallerie die Lanze zu nehmen “ und „ die Dragoner ihrer alten Bestimmung als berittener Infanterie zurückzugeben “, wofür wir uns im Interesse der Kavallerie als einer Einheitswaffe nicht recht erwärmen können ; auch wird die Frage der Zuteilung von Jägern (auf Wagen) zu den Kavallerie - Divisionen erörtert. Wir können uns nicht denken, dafs die Kavallerie, die doch heutzutage der Infanterie im Gebrauch der Schufswaffe fast ebenbürtig ist, auf die Beigabe einer solchen Wagenkolonne grofsen Wert legt, da dieselbe nur zu leicht geeignet ist, ihre -- die Schnelligkeit und die Beweglichkeit - zu beHaupt-Momente einträchtigen. Möchte der Verfasser, der in anregender Weise zu schildern weifs, den weiteren Ausbau seines Buches so gestalten, dafs die im Laufe

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der Zeit auftauchenden Fragen stets im Hinblick auf die kriegsgemäfse Ausbildung der Armee erörtert werden, und die Anordnung in Briefform nicht zu Wiederholungen und Längen, wie solche in der dritten Auflage 63. mehrfach vorkommen, führen ! Die Feldartillerie im Zukunftskampf und ihre kriegsgemäfse Ausbildung. Studie mit kriegsgeschichtlichen Beispielen. Von Layriz , Oberslieutenant . Berlin 1897. Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 2,40 M. Die Reichenau'sche Schrift über kriegsgemäfse Ausbildung hat den Herrn Verfasser angeregt, „ auf eine bisher weniger beachtete Frage die Aufmerksamkeit zu lenken : auf die Feldartillerie im Zukunftskampfe .“ Um hierzu kriegsgemäfs auszubilden, „muſs man versuchen , sich den Zukunftskampf der Artillerie gegen die verschiedenen Waffen und seine Anforderungen klar zu machen. Es wird notwendig sein, nicht nur die Chargen, sondern auch die Mannschaften vielseitiger auszubilden , um damit deren Einsicht und Selbstthätigkeit zu fördern." Mit dieser Einleitung kann man sich einverstanden erklären. Man ist sehr begierig, wie Verfasser den Kampf gegen die 3 Waffen zu schildern gedenkt. Die Lösung erfolgt in 7 Kapiteln . 1. Kampf der Artillerie gegen Artillerie. Verf. behandelt eingehend die Art der Stellungnahme. „Jedes zu seiner Zeit, das offene und das gedeckte Auffahren ; nur das Mittelding des halbverdeckten Schiefsens möchte schwer zu rechtfertigen sein." Wir halten gerade das Letztere für die Regel . Jeder vernünftige Artillerieführer wird von der Richtfläche rechtzeitig richtigen Gebrauch machen und auch Erfolg haben, aber lange Artillerielinien im Richtflächen-Feuer sind schwer zu decken (Abteilungen ja) . Jede Batterie wird so weit als möglich die vorhandenen Deckungen, vornehmlich die Höhenzüge ausnützen ; dies giebt die halbverdeckten Batterien . Das mühsame Vorbringen der Geschütze durch die Bedienung ist Anderen auch nicht sympathisch, zumal wenn es wie ja häufig der Fall, ganz unvernünftig übertrieben wird. Dafs aber halbverdeckte Batterien die gewöhnlichen Aufstellungen sind, werden nur Wenige bezweifeln. Wie man die Geschütze auf die rationellste Art vorbringen kann und soll ? Darüber wäre zu reden. ― Den zerbrechlichen Halder'schen Richt-Apparat in das Feld mitzuschleppen, um GeländeWinkel zu messen, ist wohl doch nicht kriegsgemäfs (es werden da und dort feldmäfsigere Mittel angewendet). Der Vergleich des verdeckten Schiefsens von heute mit dem vom Jahre 1866 kann nicht zutreffend genannt werden. Zu verneinen ist ferner, dafs es Abteilungen nur selten möglich sein wird, das Feuer gemeinschaftlich zu eröffnen. - Es befremdet, dafs Verf. meint, durch den ,, Selbsterhaltungstrieb" werden sich einzelne Geschütze weiter als beabsichtigt hinter die Deckung zurückziehen, also nicht mehr mit dem Aufsatze richten. Dann müſsten ja alle Zugführer Nullen sein. Dafs die Protzen beim Schiefsen aus verdeckter Stellung meist hinter den Geschützen bleiben können , glauben hoffentlich nur wenige Batteriechefs. Unbedingt richtig ist die Bemerkung, daſs,

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wenn Infanterie und Artillerie auf Entfernungen um 1500 herum gleichzeitig als Ziel in Betracht kommen, letztere gerade so gefährlich ist wie Infanterie. Auch der Stelle über Zielaufklärer und Hilfsbeobachter ist beizupflichten und vielleicht zu ergänzen, dafs von Hilfsbeobachtern allzu wenig Gebrauch gemacht wird. Es mufs ja auch nicht immer ein seitlicher sein. Rufsland hat beispielsweise bei jeder Batterie 6 ausgebildete Hilfsbeobachter. - Dieses wichtige Kapitel bringt also nichts Neues über den Zukunftskampf; gerade die natürlichste Aufstellung der Batterien , möglichst gedeckt im Gelände, aber so, dafs sie noch direkt richten können, wird verdammt. Da Richtflächenschiefsen hierfür nicht Ersatz bieten können, wären Gegenvorschläge wohl recht angezeigt gewesen .

In den

kriegsgeschichtlichen Beispielen werden Fälle von ganz gedeckt aufgestellten Batterien erbracht. Leider liefs sich nicht sagen, mit welcher Wirkung sie geschossen haben . Wir haben aber auf die heutigen Richtmittel mehr ― Vertrauen. 2. Kampf der Artillerie gegen Infanterie. „ Die Artillerie wird durch Infanteriefeuer auf Entfernungen unter 1500 bedeutende Verluste erleiden und daher langsamer und schlechter schiefsen wie auf dem Schiefsplatze." Wir schiefsen aber doch beinahe nie mit der kompleten Bedienung und suchen die Schwierigkeit des Ernstfalles, indem wir bis ein und zwei Drittel Bedienung ausfallen lassen. Dafs nahe Infanterie der Artillerie sehr schädlich werden kann, ist nicht zu leugnen , man wird aber auch nicht ohne triftigen Grund Batterien dem nahen Infanterie-Feuer aussetzen . Die Stelle, welche auf die Gefährlichkeit der Einzelschützen (wie sie in Frankreich, übrigens auch in Rufsland empfohlen werden) aufmerksam macht, ist zu beachten. - Der Vorteil, welchen Verfasser dem ,, Schnellfeuer" im Gegensatze zu ,,kürzeren Feuerpausen" bei nahen Infanterie-Zielen zuerkennt, wird bei der preufsischen Feldartillerie- Schiefsschule ebenfalls betont. Die noch weiter ausgeführten Bemerkungen über das Schnellfeuer sind aber lediglich etwas weitläufig behandelte Ziffern aus den knappen Vorschriften. - Die Sorge betreffend die Munitionsvergeudung teilen wir nicht ; darum möchte die Mafsregel, nur verriegelte Geschofskasten an die Geschütze zu bringen, überängstlich sein. Bei solchen Kämpfen um Leben und Tod handelt es sich nur um kurze Momente, um Minuten, in denen die Entscheidung fallen muſs. Dieses Kapitel brauchte nicht geschrieben zu werden, wenn nicht weitere und bessere Gesichtspunkte zur Verfügung waren . 3. Kampf der Artillerie gegen Kavallerie . Dieses Kapitel ist gut behandelt und mit praktisch verwertbaren Ansichten durchgeführt. Es ist aber kein Grund vorhanden, Kavallerie nicht auch auf gröfsere Entfernungen zu beschiefsen, über 2000. Der „,,Usus, beim Herankommen auf 1000 m eine Pause zu machen und mit Kartätschen zu laden", war früher reglementär (Sch.-V. 138), aber nunmehr gestrichen ( Deckbl. 68) . Es steht also gar nichts im Wege mit beträchtlich vorgelegten und wenn nötig abgebrochenen Bz . weiter zu feuern. Kommt die Kavallerie auf Kartätschschufsweite heran, ist es, gegen die Ansicht des Verf. , ganz ratsam, noch Kartätschen zu kommandiren und die bequem zur Hand gelegenen Geschosse zu laden.

Auch bei Über-

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raschungen auf dem Marsche u. s. w. empfiehlt sich die Kartätsche . Ein Az. ist ja immer geladen und für den zweiten Schufs kann eine Kartusche rasch zur Hand sein. --- 4. Folgerungen für die Ausbildung. Die gezogenen Folgerungen sind leider nur gering und beruhen fast nur darauf, dafs die Chargen in der Schiefslehre, im Entfernungschätzen, Kartenlesen, Ziel- und Gelände- Aufklären auszubilden sind. Dies ist aber durchaus nichts Neues. Wie diese Ausbildung zu geschehen hat, bringen die übrigen Kapitel. 5. Ausbildung der Aufklärer und Meldereiter. Ein trefflich behandeltes Kapitel, bereits 1890 in den Jahrbüchern f. d . d . A. u . M. abgedruckt. 6. Beobachtungs- Übungen mit Kanonenschlägen. Die Vorschläge sind nicht einfach genug, eher das Gegenteil. Erfahrungsgemäfs gelingen die Raucherscheinungen schlecht u. s . w., und die Übungen haben wohl selten mehr Wert, als zu den allerersten Ursachen im Beobachten zu dienen . 7. Das Schätzen der Entfernungen und Übungen im Zielauffassen ; enthält mehrere gute Winke. Zusammenfassung : Die Brochüre gliedert sich in zwei ganz verschieden behandelte Abschnitte : Die ersten 4 Kapitel besprechen den ,,Zukunftskampf" der Feldartillerie, ohne auf das gestellte Thema eigentlich einzugehen . Es ist nicht zu entnehmen, wie sich Verf. den Zukunftskampf denkt noch, wie die kriegsgemäfse Ausbildung darauf hinarbeiten soll. Der 2. Abschnitt (K. 5 mit 7) läfst erkennen, dafs Verf. den behandelten Übungen wohl von jeher viel Interesse entgegengebracht hat und dafs er dieselben mit Geschick zu arrangiren und zu leiten verstand. Dieser Abschnitt wäre vielleicht besser in einer gesonderten event. noch etwas umfangreicheren Brochüre erschienen (bezw. in einer Zeitschrift) und hätte dann wahrscheinlich Anklang gefunden. Die jedem Kapitel beigegebenen mit vieler Mühe aus den Regiments-Geschichten entnommenen kriegsgeschichtlichen Beispielen sind im Allgemeinen belehrend und schätzenswert, aber für den vorliegenden Zweck : Kriegsgemäfse Ausbildung für den Zukunftskampf" in Folge der geänderten Taktik, der weit überholten Geschosse, Richtmittel u. s . w. grofsenteils gegenstandslos. J. B. Der russisch- deutsche Neutralitäts -Vertrag und die orientalische Frage. Ein Beitrag zu vollständigerer Würdigung der Bedeutung des Vertrages . Von einem Deutschen. Berlin 1896. H. Walther. Preis 50 Pf. Der Verfasser ist höherer Militär und Politiker. Die Aufzeichnungen stützen sich auf gründliche Kenntnifs der politischen Konstellation in der kritischen Zeit und wissen die Staatskunst des Fürsten Bismarck in ein helles Licht zu rücken . - Die kleine Schrift ist dem Altreichskanzler zugeeignet mit den Worten aus Sophocles Ajax :

Αεὶ μὲν, ὦ παῖ Μαρτίου, δέδορκά σε πεῖράν τιν ἐχθρῶν ἁρπάσαι θηρώμενον !

4.

Die Kriegsartikel. Erläuterung derselben an Beispielen nach Geschichten deutscher Truppenteile zusammengestellt von v. Holleben , Hauptmann, Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 60 Pf.

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Die Behandlung des Unterrichts über die Kriegsartikel, einer der schwierigsten Gegenstände des Dienstunterrichts, nach der applikatorischen Methode ist ein guter Gedanke, dem auch General v. Schmidt schon mit grofsem Geschick in einem im Liebel'schen Verlage erschienenen Werke näher getreten ist . Das vorliegende Schriftchen knüpft an Beispiele aus der neuesten Heeresgeschichte an und wirkt dadurch ganz besonders belebend und überzeugend auf das Verständnifs des Soldaten für seine Berufspflichten. Als Lesebuch möchten wir es besonders den Kompagnie - Bibliotheken 2. empfehlen. Art Roë.

Papa Felix. (Trois grenadiers de l'An 8) .

Paris.

E. Dentu .

Roë zählt zu den hervorragendsten militärischen Novellisten Frankreichs. Uns ist er ein guter Bekannter durch die reizende Erzählung „ Pingot et Moi " . Während die letztere das Friedensleben des Soldaten schildert, entführt uns die vorliegende Erzählung mitten in das Getümmel des Kriegs- und Lagerlebens . Den Stoff seiner Erzählung entnimmt der Verfasser dem egyptischen Feldzuge des Jahres 1799. In der ihm eigenen fesselnden Weise schildert er die Erlebnisse , Leiden und Freuden des bescheidenen troupiers in jenem denkwürdigen Feldzuge. Die 50 Seiten füllende Einleitung giebt eine Charakteristik des französischen Soldaten, dann Napoleons und seiner Kriegführung und ist dem russischen General 4. Dragomirow gewidmet . Duellbuch. Geschichte des Zweikampfes nebst einem Anhang enthaltend Von Hans Kufahl und Josef Duellregeln und Paukcomment. Schmied - Kowarzik. Mit 20 in den Text gedruckten Abbildungen. Leipzig 1896.

J. Weber.

Preis 7,50 M.

In den gesetzgebenden Körperschaften , Provinzial-Synoden , Volksversammlungen, nicht minder wie in der Litteratur und in der Tagespresse ist die Duellfrage an der Tagesordnung . Da kommt denn ein Buch wie das vorliegende, welches den Gegenstand geschichtlich und wissenschaftlich beleuchtet, sehr zur rechten Zeit. Die Herren Verfasser behandeln zuvörderst ,,die gerichtlichen Zweikämpfe" des Mittelalters, dann in einem Kapitel ,,Duell und Ehrbegriff" das Duell in den verschiedenen Ländern, sodann die Regeln des Zweikampfes", den Zweikampf auf den Hochschulen", den ,,Pauk-Comment" und zum Schlufs die ,, Duellgesetze aller Länder". -- Das Buch ist, trotz der Trockenheit des Stoffes, fesselnd und belehrend zugleich geschrieben. Wer sich über die in Rede stehende Frage genau unterrichten und ein zuständiges Urteil bilden will, dem können wir dieses ,,Duellbuch " nur empfehlen. Die ältere Litteratur über den Zweikampf wird durch das vorliegende Werk in einer sehr dankens2. werten Weise ergänzt und zum Teil berichtigt. Questionnaire militaire français-allemand, par le capitaine Richert , professeur d'allemand à l'Ecole supérieure de guerre, 1 vol . in- 16 de 120 pages . Paris 1896. Baudoin , éditeur militaire. Preis 1 fr. 25.

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In der Form von Fragen und Antworten behandelt der Verfasser die im Felde wichtigsten Themata ; Behandlung von Fahnenflüchtigen, Spionen, Kriegsgefangenen, Unterbringung der Truppen in Ortschaften, Verpflegung, Gelände-Erkundungen, Eisenbahnen u. v. A. in gesonderten Kapiteln . Der deutsche Text ist tadellos, da jedoch demselben nicht die deutsche, ebenso wenig wie dem französischen die französische Aussprache hinzugefügt ist, so kann ich mir einen sonderlichen praktischen Nutzen von diesem 2. ,,Questionnaire" für weitere Kreise nicht versprechen.

III.

Seewesen.

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. Swakop -Mund - Walfisch-Bai ― Kap Crofs Heft XII : Kapstadt Massamedes Espiègle- Bucht - St. Mary- Bucht Grofse Fisch-Bucht -St. Paul de Loanda. Aus dem Reisebericht S. M. S. ,,Sperber", Kommandant Korvetten-Kapitän Klincke, März und April 1896 (Hierzu Tafel 8) . Rundreise durch die Marschall -Inseln und die östlichen Karolinen. Aus dem Reisebericht S. M. S . ,,Falke", Kommandant Korvetten-Kapitän Krieg. Reise der Bark „ Anna Schwalbe" von Rangun nach Santos, von Kapitän Fr. Niejahr. Fort Everett am Puget-Sund, Washington Nach einem Territorium (jetzt Staat) Westküste von Nord-Amerika. Bericht des Kapitäns Ohlsen, Führer des Schiffes ,, Orbis", vom Mai 1892. - Professor Dr. Friedrich Dahls Aräometerbeobachtungen auf der Fahrt von Neapel nach Matupi, von Professor Dr. O. Krümmel. Die Windhose vom 5. Juli 1890 bei Oldenburg und die Gewitterböe vom 10. Juli 1896 in Ostholstein, von Dr. W. Köppen (Schlufs). -Magnetische Kraftfelder. Die Erscheinungen des Magnetismus etc., dargestellt auf Grund des Kraftlinien- Begriffes von H. Ebert, Professor der Physik an der Universität Kiel . Leipzig 1896. Über den Einfluss des Windes und des Luftdruckes auf die Gezeiten . Stürme und Taifune im äussersten Osten 1894. Notizen : 1. Meteor. 2. Einige Bemerkungen über St. Pierre (Martinique). Die Witterung an der deutschen Küste im Monat November 1896. Marine-Rundschau. (Januar 1897.) Zur Vorgeschichte der Flotte. Von Vize-Admiral Batsch (Forts .). - Über Messungen bei Stapelläufen (mit 3 Tafeln). - Probefahrten S. M. S. ,, Odin“. - Der neue Fischereihafen in Geestemünde , von Korvetten-Kapitän Engel (mit Plan) . — Die Marine der Vereinigten Staaten, von Franz Rimoser (mit Abbildungen) (Schlufs). - Die Beziehungen des Schiffsbaues zur Gesundheitspflege an Bord (autorisirte auszugsweise Übersetzung des Berichtes des Generalarztes der Marine der Vereinigten Staaten J. R. Tryon, von Dr. Heinrich Dirksen, Marine - Stabsarzt). - Flottensammlungen in Chile. - Mitteilungen aus fremden Marinen. - Vermischtes : Seemännische Verwendung des Drachen. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. (1897.) Nr. 1: Über Artillerie-Taktik und die Evolutionirung im Fernkampf. Über Deflektoren . — Die Reform der nautischen Schulen in Österreich -Ungarn . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. 102, 3. 27

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- Die Hebungsarbeiten an dem im Kaiser Wilhelm-Kanal gesunkenen dänischen Dampfer ,,Johan Siem". Kesselhavarien auf französischen Schiffen. Der deutsche Marineetat für das Verwaltungsjahr 1897/98 . — Fremde Kriegsmarinen. -- Der Flottenstand der sechs Haupt-Seemächte. -- Jahresbericht des Chefs des Marine-Artillerie- Bureaus der Vereinigten Staaten. Army and Navy Gazette. Nr. 1927 : Die Mitwirkung der Marine und ihr Einfluss auf Landkriege. Festsetzung eines höheren Diensteintrittsalters für die Kadetten. - Marine-Reliquien. Versuche mit einem Turbinen - Torpedoboot. - Stapellauf des „ Paetolus" und nähere Angaben über diesen Kreuzer. - Gegenüberstellung englischer und chilenischer Torpedobootszerstörer. - Die Schlacht am Nil. - Kanonen und Panzer. Haubitzen-Kanonenboote. - Die Vereinigten Staaten und Cuba. Nr. 1928 : Die Marine im Jahre 1896. - Gerüchte über eine Reorganisation der chinesischen Marine. Spanien und die Vereinigten Staaten. — Die Marine der Vereinigten Staaten. Lebensbeschreibung des verstorbenen Admirals Milne . Nr. 1929 : Die Marineinfanterie im Jahre 1896. -- Der Bau einer neuen königlichen Yacht als Ersatz der „ Viktoria and Albert" wird geplant. - Kiellegung zu den Panzerschiffen ,,Goliath" und ,, Canopus ". - Stapellauf des norwegischen Panzerschiffes ,,Harald Harfager". Nr. 1930 : Wie Andere uns ansehen. Beabsichtigte Verlängerung des Docks in Singapore. Über die Schlacht am Nil. Das Unglück der BeninExpedition. Journal of the Royal United Service-Institution. Nr. 227 : Titelbild : Der neue chilenische Panzerkreuzer I. Klasse ,,Esmeralda". Die Anerkennung einer kriegführenden Macht, betrachtet vom Standpunkte der Seekriegführung . Bemerkungen über Taktik von Schiffen und Fahrzeugen der heutigen Zeit (mit Plänen). - Mitteilungen aus fremden Marinen. -- Das neue Torpedoboot ,,Turbinia". -

Army and Navy Journal. Nr. 1739 : Spanische Kriegsvorbereitungen . Die Cuba-Frage. - Preise für PanzerZu dem Unfall der ,,Texas".

platten. Die deutschen Marine- Schnellladekanonen . Nr. 1740 : Stapellauf der „ Annapolis". - Magazin- Pistolen. - Die Fortschritte der Einführung elektrischer Turmdrehvorrichtungen in den Marinen . — Der Bau fremder WasserSchiffe auf amerikanischen Werften. Der Monitor 99. ,,Puritan". rohrkessel. ― Flüssige Brennstoffe. Nr. 1741 : Was sein könnte, wenn es wäre (Betrachtung über die Durchführung einer amerikanischen Landung auf Cuba). Englische Kritik über amerikanische Schiffe. -- Ein starkes Geschwader. Nr. 1742 : Versuche mit der Johnson Granat-Kappe. Athletische Übungen auf der Marine - Akademie. -— China als Militärstaat. - Die Befestigung unserer Süd- Küste . San Juan de Rivista Strategie. nécessaire".

Kosten von Panzerplatten .

Ulloa im Jahre 1846 (Aus dem Leben des Admirals Farragut). marittima. (Januar 1897.) Betrachtungon über MarineZu der Broschüre des Contre-Admirals Fournier ,,La flotte Eine nautische Astronomie neuen Typs. - Diagramme über

die Schraubenflächen bezw. deren Weg.

Eine Formel zur Verstärkung

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der Streitkräfte. Die Handels - Politik der italienischen Schifffahrt Marine und Schifffahrt in Italien . treibenden Republiken im Orient. Die Besegelung System ,,Vassallo ". - Die Nansen'sche Expedition .

Bücher. ,,Praeventor". Elektrische Ausweichvorrichtung zur Verhütung vonZusammenstöfsen auf See, von Ulrich Prusse , Lieutenant a . D. Die unter diesem Titel von dem Patent- und technischen Bureau Franz Dickmann versandte Broschüre bezweckt, für die Erfindung des Herrn Prusse Propaganda zu machen . Wäre sie wirklich nötig diese Propaganda, wenn es sich hier um etwas thatsächlich Gutes handelte ? Wir behaupten, nein ! Bei manchen Erfindungen wird durch weite Verbreitung in Druckschriften etc. allerdings ein Erfolg in Hinsicht auf die Verwertung erzielt ; man darf sie aber nicht alle über einen Kamm scheeren , nicht nach Schema F gewissermafsen handeln , wie es hier vorzuliegen scheint . Eine Erfindung wie diese kann nicht von der Masse des Volkes zur Ausbeutung in die Hand genommen werden, sondern die zuständigen Behörden und Gesellschaften, hier die Marineverwaltung beziehungsweise die Rhedereien in Verbindung mit den Schiffswerften wären die gegebenen Interessenten . Warum hat man sich nicht an diese gewandt ? Man that es wahrscheinlich und ist ganz natürlich einer unzweideutigen Ablehnung begegnet, wie sie für Einen, der etwas von solchen Dingen versteht, ganz erklärlich ist. An der Erfindung ist nämlich das übrigens schon von Machem erstrebte Ziel höchst lobenswert, die angewandten Mittel zu seiner Herbeiführung in der Praxis aber einfach undenk- und unbrauchbar . Da ist es denn ziemlich naiv, sich an das Volk zu wenden, von diesem zu verlangen, es solle, um die von Niemandem bestrittenen schweren Gefahren zu beseitigen, die Mittel zu Versuchen aufbringen und damit die Einführung von Amtswegen herbeiführen . Als ob das Volk, das in der weitaus überwiegenden Mehrzahl absolut nichts davon versteht, einen Druck auf die Behörden ausüben, sie gegen ihre bessere fachmännische Überzeugung zur Einführung einer Sache zwingen könnte, die nicht allein den beabsichtigten Zweck nie erfüllen, sondern sogar nachteilig wirken wird. Der Erfinder sagt im Vorwort, er würde jedes unparteiische Urteil seitens der Herren Fachmänner mit Dank begrüfsen . Er braucht sich nur an irgend einen Marine- Offizier, einen Schiffbau-Ingenieur oder dergl . zu wenden und wird zweifellos überall einem Kopfschütteln begegnen . Schreiber dieses ist selber Fachmann und glaubt daher, sich ein Urteil erlauben zu dürfen. Dafs es ein unparteiisches ist, braucht wohl nicht versichert zu werden ! Es lautet, wie gesagt : "" Theoretisch ganz schön gedacht, praktisch direkt unbrauchbar!" Man denke sich einen solchen Ausbau vor dem Bug des Schiffes ! Abgesehen davon, dafs er sehr stark konstruirt sein müfste, um bei Seegang nicht einfach weggebrochen zu werden , dafs die erforderliche, sachgemäfse Abstützung nicht durchzuführen sein, ein enormes Gewicht am 27*

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Vorschiff geschaffen werden wird und bei schlechtem Wetter, selbst bei noch so fester Konstruktion ein Einholen der äufseren Verlängerungsstücke dieses ,, Bugspriets " nicht zu vermeiden ist, was an sich sofort ein Aufhören der Wirkung im Gefolge hätte - müfste der Ausbau doch mindestens 100 m lang sein. Um diese Strecke zurückzulegen braucht ein 20 KnotenSchiff ca. 10 Secunden, in derselben Zeit wäre aber auch erst das Ruder hart zu Bord, wenn der Apparat nie versagt und eine einfache Konstruktion zeigt, dafs das zur Vermeidung einer Kollision nicht genügt. Langsamere Schiffe, die zum Durchlaufen jener Strecke längere Zeit erfordern, drehen aber auch wieder verhältnifsmäfsig langsamer. Würde aber wirklich der Zweck einmal erreicht werden, was direkt ausgeschlossen erscheint, so wird der Ausbau zertrümmert, möglicherweise dabei Gegenruder gelegt, eine Schlittenwirkung und ein Unklarkommen der Schraube des eigenen Schiffes herbeigeführt, dieses selbst also gefährdet werden. Der Ausbau wäre nicht wieder zu benutzen. Kann dasselbe Schiff aber nicht bald darauf wieder in Kollisionsgefahr geraten? Wie denkt sich der Erfinder aufserdem den Stromschlufs auf dem vom Ausbau berührten Schiff? So wie er es schildert, ist es selbst theoretisch unmöglich ! Besser scheint auf den ersten Anblick die Idee mit dem Vorausfahrenlassen eines Kontaktfahrzeuges zu sein! Der Erfinder hat diese Abart wohl im instinktiven Gefühl der Unausführbarkeit seines Ausbausystems erdacht?! Solche Fahrzeuge vorzuschicken , wäre an sich vielleicht nicht schwer, dadurch würde aber in der Praxis der erhoffte Erfolg noch nicht erreicht werden . Einmal wird das kleine Kontaktfahrzeug schwereren Seegang nicht aushalten, leicht von dem eigenen Schiff unklar kommen und dann als Wrack gegen dieses stofsen , was gerade vermieden werden soll . Man mufs doch immer mit Störungen rechnen ! Selbst wenn es aber als gehorsamer Pilot stets richtig und artig vorwegläuft, ist es doch leicht möglich, dafs der Ausbau oder das Kontaktfahrzeug eines begegnenden Schiffes gerade den Zwischenraum zwischen jenem und seinem zugehörigen Schiff trifft. Was dann ? Es gehört schon ein starker Glaube dazu, sich für solche immerhin sehr wahrscheinlichen Fälle eine Wirkung, wie die erhoffte, zu versprechen. Nein ! Wir zweifeln unbedingt an einem Erfolge dieser Vorrichtungen ! - Versuche am Boot sind da nicht mafsgebend, wie Jeder zugeben wird und solche auf Schiffen vorzunehmen , wäre nutzlose Mühe ! Schade um die Schiffe und schade um das Geld. Letzteres wäre zum Fenster herausgeworfen, jene dem Untergange geweiht ! Es kann daher Jedem nur abgeraten werden, der Angelegenheit weitere Beachtung zu schenken . Zu bedauern ist nur, dafs der Erfinder, der gewifs von der besten Absicht geleitet war und wie alle Erfinder zweifellos fest von dem enormen Werte seiner Idee durchdrungen ist, von seinem Anwalt nicht besser beraten wurde. Dieser ist allerdings kein Fachmann und versteht von der Sache nichts, mag vielleicht auch im guten Glauben Herrn Prusse die Patentanmeldung in so vielen Staaten empfohlen haben, obwohl er an sich als Nichtfachmann hätte Bedenken tragen müssen, dies zu thun. Er hat

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daran aber ein schönes Stück Geld verdient, der Erfinder noch mehr verloren. Hätte sich Herr Lieutenant Prusse an einen Kameraden von der Marine gewandt, so wäre er vor Schaden bewahrt worden. van Nielsen, Kapitänlieutenant a. D.

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 1. Beiträge zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere. I. Offizier - Felddienst- Übungen. Von Litzmann , Oberst. Dritte durchgesehene Auflage. Berlin 1897. R. Eisenschmidt. Preis 3 M. 2. Das russische Kavallerie - Exerzir - Reglement. In deutscher Übersetzung . 2 Teile . Mit zahlreichen Abbildungen. Berlin 1897. R. Eisenschmidt . Preis 4,60 M. Mit Anhang : Kein Glück. 3. Deutsche Waffen in Spanien. Kriegsnovelle aus napoleonischer Zeit. Von Carl Bleibtreu . Zweite Auflage.

Preis 4 M.

4. Ratgeber für Offiziersburschen . Magdeburg 1897. W. Niemann. Preis 60 Pf. 5. Kurzgefafster Lehrstoff für Kapitulantenschulen. Ein Lern- und Wiederholungsbuch für den Soldaten . Leipzig 1896. W. Möschke. Preis 30 Pf. 6. Castilla del Fusil Mauser español Modelo 1893 para uso del soldado por el Comandante Don José Boado Y Castro. 3a edición . Coruña 1896. Vicente Abad . 7. La grande tension des trajectoires et le fusil de l'avenir, par le lieutenant A. D'Aout. Paris. Baudoin. 8. Anciennitätsliste des rofsärtzlichen Personals der Deutschen Armee. Nach amtlichen Quellen zusammengestellt vom Oberrofsarzt Hoenig. Sonder - Abdruck aus ,,Zeitschrift für Veterinärkunde". 1896 Heft 12. Preis 75 Pf. 9. Bericht über die Kaisermanöver vom 7. bis 12. September 1896. Mit einer Übersichtskarte und drei Skizzen. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 75 Pf. 10. Der Kavalleriedienst. Ein Handbuch für Offiziere. Bearbeitet und herausgegeben von G. v. Pelet - Narbonne , Generallieutenant z. D, Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage . Mit 2 farbigen Steindrucktafeln . 6 schwarzen Vollbildern und 202 Abbildungen im Text. Berlin 1897. E. S. Mittler & S. Preis 8,50 M.; geb. 9,50 M. 11. Garnisonbeschreibungen vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus aufgestellt. Herausgegeben von der Medizinal-Abteilung des Kgl . Preuſs. Kriegsministeriums. Beschreibung der Garnison Hannover, vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus aufgestellt. Mit 20 Abbildungen im Text, 2 Kartenbeilagen und 36 Tafeln. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 9 M. 12. Grundrifs der Befestigungslehre. Von W. Stavenhagen.

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Zweite, durch einen Nachtrag vermehrte Auflage. Mit drei Tafeln in Steindruck . Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 4,50 M. 13. Kurzer Abrifs der Geschichte des preufsischen Staates und des Deutschen Reiches unter besonderer Berücksichtigung der Heeresgeschichte sowie Lebensbeschreibung des Kaisers Wilhelm I. von A. v. Loebell , Oberstlieutenant. Neunte Auflage. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 35 Pf. 14. Der Kampf bei Mars la Tour, von Carl Bleibtreu. Berlin. Schall & Grund . Verein der Bücherfreunde. 15. Der Kampf um Plewna. Taktische Studien von Thilo von Trotha. Zweite, völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage. Mit einem Plan und 7 Skizzen in Steindruck. Berlin 1896. E. S. Mittler & S. Preis 8 M. 16. Feldmarschall Derfflinger. Dem Dragoner- Regiment Freiherr von Derfflinger gewidmet von W. v. Unger. Mit einem Bildnifs und 17 in den Text gedruckten Skizzen . Berlin 1897. E. S. Mittler & S. Preis 2 M. 17. Leseübungen russischer Handschriften. Herausgegeben von Agnes Palme. Berlin 1897. E. S. Mittler & S. Preis kart. 5 M. 18. Kaiser Wilhelm der Grofse. 1797 + 22. März + 1897. Zum Von L. Hoffmeyer, Gedächtnifs seines hundertjährigen Geburtstages. Seminar- Oberlehrer. Mit 18 Abbildungen. Breslau. Ferd . Hirt. Preis 25 Pf. 19. Das Militärische Training auf physiologischer und praktischer Grundlage. Ein Leitfaden für Offiziere und Militärärzte von Dr. Leitenstorfer , Oberstabsarzt 1. Klasse. Mit 49 Helmspitzenzeichnungen (Kephalogrammen). Stuttgart 1897. F. Encke. Preis 6 M. 20. Ein Kranz auf Emil Frommel's Grab. Von D. Richter , Evangelischen Feldpropst der Armee. Der Ertrag ist für die Frommelstiftung bestimmt. Berlin 1897. E. S. Mittler & S. Preis 80 Pf. 21. ,,Jubilate !" Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des Geburtstages Sr. Majestät Kaiser Wilhelm des Grofsen am 22. März 1897. Verfafst von August Ernst. Frankfurt a. M. 1896. Gebr. Knauer. Preis 75 Pf. 22. Uniformkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem Texte versehen von Richard Knötel. Band VII. Heft 9 und 10. Rathenow 1896. M. Babenzien . Preis jeden Heftes 1,50 M. 23. Die Politik in der Armee oder die ,, stille Kriegsschule". Von Otto von Monteton . Berlin 1897. R. Felix. Preis 2 M. 24. Kriegsgeschichtliche Beispiele aus dem deutsch - französischen Kriege von 1870/71. Von Kunz , Major z. D. 1. und 2. Heft. Nachtgefechte. Berlin 1897. E. S. Mittler & S. 25. Kriegslehren in kriegsgeschichtlichen Beispielen der Neuzeit. Von W. v. Scherff, General der Inf. z. D. Fünftes Heft. Der Feldzug von Sedan , Darstellung und Betrachtungen . Mit einer Übersichts-

Umschau in der Militär- Litteratur. karte und drei Skizzen in Steindruck.

Berlin 1897.

413 E. S. Mittler & S.

Preis 7 M. 26. Aide-Mémoire de l'Officier de Marine, de Ed . Durassier , continué par Ch . Valentino . 10° année 1897. Paris. Charles - Lavauzelle . Preis 5 Frs Er27. Der Aufstand in West-Galizien im Februar 1846 . ngen rie sse inneru und Erlebni - Offiziers . eines Kavalle Leipzig 1897 . Verlagsanstalt Militärische Rundschau . Aus dem Verlage der Liebel'schen Buchhandlung , Berlin SW. , erhielten wir ferner: 28. Unser Soldatenkaiser Wilhelm I. Gedenkblatt zum hundertjährigen Geburtstage des grofsen Kaisers den deutschen Soldaten dargebracht von F. Heinke , Hauptmann . 11. vermehrte Auflage. Mit Anhang: Aus den letztwilligen Aufzeichnungen Kaiser Wilhelm's I. Preis 15 Pf. , 20 Exemplare à 10, 100 Exemplare à 8 Pf. 29. Kleine Schiefsvorschrift für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften . Auf Grund der Schiefsvorschrift 1893 und des ExerzirReglements für die Infanterie 1889. Auszug aus Oberst v. Brunn's Taschenbuch für den Schiefslehrer. 7. vermehrte Auflage . Mit 10 Abbildungen. Preis 20 Pf. 30. Wie lernt man instruiren ? Eine Anleitung für den Betrieb Für Offiziere und Unteroffiziere verfafst von des Dienstunterrichts. v. Klafs , Major. Zugleich als Schlüssel für den Lehrer zu ,,Der gute Kamerad", ein Lern- und Lesebuch für den Dienstunterricht des deutschen Infanteristen . Preis 2 M., 10 Exemplare à 1,50 M. 31. Der Unteroffizier- Unterricht, enthaltend die schwierigeren dienstlichen Themata. Ein Leitfaden für Lehrer und Schüler bearbeitet von D. Preis 60 Pf. , 10 Exemplare à 50 Pf. 32. Zehn Aufgaben in Militärischer Geländebeurteilung aus Kuhn's Aufnahmeprüfung für die Kriegsakademie bearbeitet und erläutert von Meyer , Premierlieutenant. Preis ohne Karten 1,50 M., mit Karten 3,60 M. 33. Batsch' Leitfaden für den Unterricht der Kanoniere und Fahrer der Feldartillerie. Nach den neuesten Bestimmungen bearbeitet von Zwenger, Hauptmann. 26. vollständig umgearbeitete Auflage. Mit 8 farbigen Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text. Preis 75 Pf. 34. Der gute Kamerad . Ein Lern- und Lesebuch für den DienstUnterricht des deutschen Infanteristen von v. Klafs , Major. Mit zahl-

Zweite verbesserte Auflage. reichen, zum Teil farbigen Abbildungen. Preis 50 Pf. 35. v. Dossow's Dienstunterricht für den Infanteristen des deutschen Heeres. Nach den neuesten Bestimmungen bearbeitet von Krafft , Hauptmann. 37. vollständig umgearbeitete Auflage. Mit 8 farbigen . Tafeln und 67 Abbildungen . Preis 50 Pf. 36. Deutscher Unteroffizier-Kalender auf das Jahr 1897. Zehnter Jahrgang.

Preis 1 M.

XXX.

Mitteilung, betreffend eine Änderung des OffiziersWittwen - Pensions - Gesetzes .

Königlich Bayerische Offiziere, welche mit im Lebensalter um mehr als 15 Jahre jüngeren Frauen verheiratet sind, haben an Allerhöchstihre Regierung die Bitte eingereicht , bei der betreffenden Reichsinstanz zur Sprache zu bringen , ob nicht bei der Berechnung des Pensionsbezuges von Wittwen, deren Ehe mit Kindern gesegnet war oder in Ermangelung dieser - mindestens ein Jahrzehnt bestanden hat, dem § 13 des Reichsgesetzes vom 17. Juni 1887 , die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Angehörigen des Reichsheeres und der Marine betreffend , die Kraft entzogen werden könnte. Dieselbe Bitte wurde auch von Seite derjenigen Wittwen Königlich Bayerischer Offiziere, welche mit im Lebensalter um mehr als 15 Jahre älteren Männern verheiratet waren und deshalb unter der Härte des § 13 des Reichsgesetzes vom 17. Juni 1887 leiden , Allerhöchstihrem Landesherrn allerunterthänigst unterbreitet. Offizieren und Offiziers - Wittwen der Königlich Preussischen , Königlich Sächsischen und Königlich Württembergischen Armee, sowie der Kaiserlich Deutschen Marine, welche Kenntnifs der in dieser Angelegenheit von Königlich Bayerischen Offizieren und OffiziersWittwen eingereichten Bitten zu erhalten wünschen, wird diese , auf M. Sp . in München , Gabelsbergereine, unter der Adresse : strafse 76 a III . r. " gerichtete Anfrage mit Vergnügen ermöglicht werden .

Kroll's Buchdruckerei, Berlin S., Sebastianstrasse 76 ,